Produktentwicklung Architektur: Visionen, Methoden, Innovationen 9783034608800, 9783034608404

From idea to product From idea to product In the construction sector, demand is steadily increasing for innovative p

218 69 17MB

German Pages 184 Year 2013

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Table of contents :
Vorwort
Human-centered Design: Das Individuum im Fokus
Digitale Architektur: Vom Entwurf zur Produktion
Roadmap Fassade: Wege und Wegweiser
Ideen entwickeln
Gekrümmte Ebenen
Neuentdeckung bekannter Materialien
Grenzen verschieben
Total Building Envelope
Ingenieure bauen Kunst
Netzwerke erweitern
Open Innovation
Verbindungen und Schichtungen
Ressourcen schonen
Energielieferant Fassade
Fassadenrecycling
Wohn-Vision-2020
Planungswerkzeuge optimieren
Licht messen – Geometrie berechnen
Digitales Entwerfen und Konstruieren
Prozesse optimieren und steuern
Technologien übertragen
Die gedruckte Gebäudehülle
Die gläserne Verbindung
Quellen
Autoren
Index
Danksagungen
Impressum
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Produktentwicklung Architektur: Visionen, Methoden, Innovationen
 9783034608800, 9783034608404

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Produktentwicklung Architektur Visionen / Methoden / Innovationen

Uta Pottgiesser, Holger Strauß (Hrsg.)

Produktentwicklung Visionen / Methoden / Innovationen

Birkhäuser Basel

7 Vorwort 9 Human-centered Design: Das Individuum im Fokus Uta Pottgiesser 24 Digitale Architektur: Vom Entwurf zur Produktion Marco Hemmerling, Ulrich Nether

Inhalt

34 Roadmap Fassade: Wege und Wegweiser  Ulrich Knaack

53 Gekrümmte Ebenen Christoph Schindler, Jan Bieniek 60 Neuentdeckung bekannter Materialien  Ideen entwickeln Christian Grabitz, Christina Kröger 69 78 Grenzen verschieben

Total Building Envelope Winfried Heusler, Steve Lo Ingenieure bauen Kunst Thomas Henriksen

87 Open Innovation Eckard Foltin, Lorenz Kramer, Holger Strauß 94 Verbindungen und Schichtungen Netzwerke erweitern Christoph Kirch, Thomas Böhm

107 Energielieferant Fassade Jan Wurm 116 Fassadenrecycling Linda Hildebrand, Daniel Arztmann 124 Wohn-Vision-2020 Ressourcen schonen Verena Wriedt, Mark Fleischhauer

4

133 Licht messen – Geometrie berechnen José Miguel Martínez Rico, Sergio Saiz Bombín, Aitor Leceta Murguzur 140 Digitales Entwerfen und Konstruieren Marco Hemmerling, Jens Böke, Frank Püchner 148 Prozesse optimieren und steuern Planungswerkzeuge optimieren Xavier Ferrés Padró, Thomas Braig, Jörn Tillmanns 159 Die gedruckte Gebäudehülle Holger Strauß 168 Die gläserne Verbindung Technologien übertragen Lisa Rammig

176 Quellen 179 Autoren 182 Index 183 Danksagungen 184 Impressum

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Vorwort Die einleitenden Aufsätze beziehen sich auf die relevanten Forschungs- und Innovationsbereiche im Bauwesen: Planung, Computermethoden und Produkt­ entwicklung. Eine eingehendere Beschäftigung mit den Prozessen, die von der Idee zur Erfindung und zur Innovation führen, ist notwendig, um geeignete Ansätze und Antworten für die vorgenannten Fragen zu finden. Die ausgewählten Fallstudien gehen auf die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Universitäten, Forschungseinrichtungen, Ingenieuren, Architekten, Künstlern und Unternehmen zurück. Sie zeigen, dass Ideen, Visionen oder Produkte für die gebaute Umwelt eng mit Planungsfragen und kulturellen Erfahrungen verknüpft sein müssen, um auf dem Markt erfolgreich zu sein. Sie illus­trieren die Best Practices als die vorgestellten Designforschungsmodelle und Innovationssysteme und beschäftigen sich mit den folgenden Fragen:





Wie finden die verschiedenen Projekte und Teams zu einer kreativen und zielorientierten Methode der Kommunikation und der Zusammen­ arbeit? Welche relevanten Untersuchungs- und Handlungsbereiche ergeben sich aus den Herausforderungen des Klimawandels, der Ressourcenund Energieeffizienz oder aus dem Wandel der Gesellschaften und Märkte für die gebaute Umgebung? Wie werden die Projekte durch die verschiedenen Faktoren, Technologien und Marktanforderungen initiiert? Wie können Innovationen im Bauwesen gefördert und ausgebaut werden?

7

Themen

Human-centered Design: Das Individuum im Fokus Uta Pottgiesser

“Good architecture should be a projection of life itself and that implies an intimate knowledge of biological, social, technical and artistic p ­ roblems.” Walter Gropius

Herausforderungen

Seit Mitte des 19. Jahrhunderts die negativen Folgen der Industrialisierung überdeutlich wurden, wird die Verbesserung der menschlichen Lebensbedingungen sowie gesellschaftlicher und umweltrelevanter Belange als ein wesentliches Anliegen von Architektur und Städtebau gesehen [1]. Dabei sind die meisten Gebäude und baulichen Umgebungen ohne konkretes Wissen über die genauen Auswirkungen von Räumen, Materialien und Technologien auf die Wahrnehmung und Handlungen der Nutzer entworfen und gebaut worden. Knapp hundert Jahre nach Gründung des Bauhauses 1918 in Weimar werden Architektur und Städtebau wie auch die neuen Disziplinen Innenarchitektur und Design zu Beginn des 21. Jahrhunderts wieder stark beeinflusst von den absehbaren Folgen des klimatischen und demografischen Wandels in der Welt und den unterschiedlichen Bedürfnissen alternder und rapide wachsender Gesellschaften. Für die planerischgestalterischen Disziplinen stellt sich die Frage, wie sie sich positionieren und zur Lösung aktueller gesellschaftlicher Fragestellungen beitragen wollen und können. Lebensqualität und Nutzerkomfort sind als zentrale poli­tische Anliegen formuliert worden und die Kenntnis über die Wirkung der gebauten ­Umwelt und neuer Technologien auf die menschliche Wahrnehmung ist eine strategische Herausforderung für die Gestaltung von Räumen, Gebäuden und Städten geworden. Die von Nefiodow­beschriebenen technischen und sozialen Innovationen des angehenden 21. Jahrhunderts beeinflussen auch den Entwurfs-, Planungs-, Herstellungsprozess sowie den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt [2].

9

Informationstechnik

Psychosoziale Gesundheit

Bekleidung

Transport

Massenkonsum

Individuelle Mobilität

Globalisierung Kommunikation

Gesundheit Wellness Immobilien

5. Kondratieff 1950 1950 – 1980 1

6. Kondratieff

2000 – 2005

20xx

1965 Metastadt 1969 Visiona 1 1970 Capsule Tower

1929 Weltwirtschaftskrise

1973 Ölkrise

4. 4. Kondratieff K

1920 19 920 – 1935 935 1924 Haus Schröder 1928 Maison de Verre 1928 Villa Tugendhat 1928 Dessau-Törten

1858 Familistère

3. Kondratieff atieff ff

1870 –1890 90

1945 Eames House 1947 Unité d`Habitation

1914-1918 1. Weltkrieg

2. Kondratieff 1830 –1850 85

1898 Hellerau

1. Kondratieff 1780

2000 New Economy Crash

Automobil Petrochemie

1939-1945 2. Weltkrieg

Elektrotechnik Chemie

1931 CIAM

Eisenbahn Stahl

1835-1893 Industrielle Revolution (D)

Dampfmaschine Textilindustrie

1

1  Kondratieff sagte die großen Innovationen und Entwicklungen des 20. Jahrhunderts bereits in den 1930er-Jahren voraus.

So gegensätzlich wie die Positionen einzelner Akteure sind auch der geschichtliche Ursprung und die Entwicklung der planerischen Disziplinen. Dies bezieht sich nicht nur auf die inhaltliche Ausrichtung in der Ausbildung, sondern insbesondere auf die theoretisch-methodische Verortung im Vergleich zu den klassischen Disziplinen der Natur- und Geisteswissenschaften. Im Kontext sich ökologisch, wirtschaftlich und sozial zuspitzender globaler Herausforderungen und Fragestellungen hat auch die Diskussion über die Notwendigkeit und Relevanz von Forschung und Erkenntnisgewinn in Architektur und Städtebau, Innenarchitektur und Design wieder an Bedeutung gewonnen.

Forschungsansätze “This follows the trend of design thinking in the twentieth century, for we have seen design grow from a trade activity to a segmented profession to a field for technical research and to what now should be recognized as a new liberal art of technological culture.” Richard Buchanan Über Jahrzehnte hinweg war auch die Forschung in Architektur und Städtebau durch die Dominanz der Natur-, Ingenieur- und Geisteswissenschaften geprägt. Projekte und Promotionen befassten sich unter Anwendung der jeweils üblichen Methodik entweder mit bauphysikalisch-technologischen oder mit kunsthistorisch-ästhetischen Fragestellungen. Mit der Entwicklung von Innenarchitektur und Design als eigenständigen Disziplinen und im Zuge gesellschaftlicher Veränderungen nach dem 2. Weltkrieg gelangten zunehmend soziologische, psychologische und ökonomische Aspekte in den Fokus und führten zu der ab 1960

10

Historische Entwicklung der Berufsbilder Zeit

Kunsthandwerk

1700– 1750 1750– 1800

Kunst + Bildhauerei

Architektur

1767 Ecole Royale Gratuite de Dessin, Paris 1776 Gewerbeschule, Hamburg

1761 Académie des Arts, Stuttgart 1797 Ecole nationales superieures des Beaux Arts, 1797 Ecole spéciale de peinture, de sculpture et d’architecture, Paris

Innenarchitektur

Design

1747 Ecole Nationale des Ponts et Chaussees (ENPC), Paris 1794 Conservatoire National des Arts et Metiers (CNAM), Paris 1797 Ecole Polytechnique (X), Paris

1799 Bauakademie, Berlin

1799

1800– 1850

(Bau) Ingenieurwesen

1648 Académie royale de peinture et de sculpture, Paris 1667 Manufacture Nationale des Gobelins, Paris 1671 Académie royale d'architecture, Paris 1696 Kurfürstliche Akademie für Maler, Bildhauer, Architektur und Kunst, Berlin

Bis 1700

1802 Militärakademie West Point 1829 Ecole Centrale Paris (ECP) des Arts et Manufactures 1825 Karlsruher Polytechnikum

1821 Gewerbeakademie, Berlin 1846 Staatliche Kunstgewerbeschule, Hamburg

1855-1870 Sempers Bauschule, Zürich

1855 1860– 1907

1867 Kunstgewerbemuseum und –schule, Berlin 1877 Ecole Nationale des Arts Décoratifs, Paris (als Umstrukturierung der Ecole de peinture) Rhode Island School of Design (RISD), Providence 1896 Central School of Arts and Crafts, London

1879 Technische Hochschule Berlin

1907 1908

1904 Chase School, New York

Deutscher Werkbund (DWB), München 1908 Großherzogliche Sächsische Kunstgewerbeschule, Weimar (Vorläufer Bauhaus) Design Industrial Association (DIA), London

1915 1919

1855 Eidgenössisches Polytechnikum Zürich (ETH)

1919 Staatliches Bauhaus, Weimar, 1925–33 in Dessau

1920– 1950

1925 Ecole nationale supérieure des arts décoratifs, Paris (Ensad)

1950– 1970

Kunsthochschulen und - akademien

1971 ff 2000 ff

1919 Staatliches Bauhaus, Weimar, 1925–33 in Dessau 1920 New York School of Fine and Applied Art, 1949 Ensad, Paris

1968 Ecoles nationales supérieures d’architecture (ENSA)

1953 Hochschule für Gestaltung, 1954 Gründung Bund Ulm (HfG) Deutscher Innenarchitekten 1970 Hochschule für Gestaltung, in Detmold Offenbach

Gründung der Fachhochschulen in Deutschland mit industrienaher und praxisorientierter Ausbildung in Natur- und Ingenieurswissenschaft + Gestaltung Umstellung der Studiengänge auf Bachelor und Master (Forschungsbezug im Master)

2

2  Die historische Entwicklung der Ausbildungswege und akademischen­Disziplinen in den Bereichen­Kunst, Planung und Gestaltung stand unter anderem unter dem Einfluss der technischen­und sozialen Innova­tionen des angehenden 21. Jahrhunderts­.

einsetzenden Methodendiskussion, die sich auch auf die Gestaltung der Lehr­ pläne auswirkte. Angeregt durch die Ideen des Bauhauses, hat die Hochschule für Gestaltung Ulm, die nur von 1953 bis 1968 existierte, auf dem Weg einer Akademisierung der Disziplin Design einen großen Beitrag geleistet, indem dort systematisch und methodisch über Problemstellungen und den Entwurfsprozess nachgedacht wurde [3]. Wie schon in den 1930er-Jahren die Bauhaus-Schüler in der Architektur haben auch die Ehemaligen der Ulmer Schule entscheidenden Einfluss auf die internationale Designausbildung ausgeübt – insbesondere wenn man berücksichtigt, dass zahlreiche Dozenten und Schüler anschließend in Einrichtungen in aller Welt tätig waren. Vor allem in den USA und Großbritannien haben sich die theoretischen Designansätze weiterentwickelt. Die dortigen Hochschulen hatten durch ihre Nähe zu den Natur-, Geistes- und Ingenieurwissenschaften­im Gegensatz zu den Hochschulen für angewandte Kunst und Wissenschaft im deutschsprachigen Raum eine stärkere Verankerung in den klassischen Wissenschaften. Horst Rittel beschäftigte sich Anfang der 1960er-Jahre als einer der Ersten mit der Beziehung der klassischen Wissenschaften zum Design. Die Arbeit resultierte 1967 in der Herausgabe des Design Methods Group (DMG) Newsletters an der University of California in Berkeley. Zentrales Anliegen war die Feststellung, dass planerische oder gestalterische Probleme derart komplexer Natur sind – bei Rittel­ „wicked problems“ [4] –, dass sie nicht (nur) mit den üblichen Methoden der klassischen Wissenschaften zu lösen sind. Gleichzeitig schlug Herbert E. Simon vor, wissenschaftliche Methoden auch auf die Bewertung der vom Menschen hergestellten Produkte (Artefakte des Designs) anzuwenden [5]. In England gründete­

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Soziologie

Filmkunst

EIN ST TON

Grundkurse Philosophie

Politik Produkt Design

HOL Z

BAU -BAUPLATZ -VERSUCHSPLATZ -ENTWURF -BAU- U. INGENIEURWISSEN

METALL

Information

Architektur

1/2 JAHRE | 3 JAHRE

Wirtschaft

Kommunikation

Psychologie 3

3, 4  Das Lehrschema der Hochschule für Gestaltung Ulm (3) war durch eine gemeinsame Grundlehre charakterisiert, wie sie auch am Bauhaus Dessau (4) praktiziert wurde. Darauf aufbauend fand die Spezialisierung in der jeweiligen Disziplin unter Einbindung von Geistes- und Sozialwissenschaften statt.

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L. Bruce Archer 1967 die Design Research Society und führte damit den Begriff Design Research in die Gemeinschaft ein [6]. Bereits 1964 hat sich Christopher Alexander in seiner Dissertation in Harvard – dort die erste im Fach Architektur – mit der Zerlegung komplexer Entwurfsprobleme in kleinere Einheiten beschäftigt, die dann mithilfe von Mathematik und Logik lösbar würden. Ende der 1970erJahre entwickelte er mit dem Begriff Pattern Language eine weitere Methode für komplexe Prozesse, die auch für Laien anwendbar ist, indem er typi­sche Entwurfsmuster in einer Sammlung zur Verfügung stellte [7]. Seit den 1990er-Jahren hat sich der Begriff Design Thinking durchgesetzt und durch die Einrichtung von Instituten und Forschungsprogrammen weltweit etabliert. Basierend auf inter­ disziplinärer Zusammenarbeit, liegt diesem Denken ein gemeinsames Wert- und Methodenverständnis zugrunde, in dem vor allem Kreativität, Teamwork, Neugier, Nutzerorientierung und Innovationsfähigkeit eine Rolle spielen [8]. Es wird deutlich, dass die Schnittstellen der planerisch-gestalterischen Disziplinen in Bezug auf Theorie und Methodik untereinander ebenso wie die Vernetzung mit den Sozial- und Geisteswissenschaften zunehmen. Gerade in Europa wird weiter die Debatte über den Gegenstand und das Ziel planerisch-gestalterischer Forschung geführt, die immer noch um ihren Platz neben den etablierten Richtungen kämpft. Auch die vorrangige Ansiedlung der Studiengänge Innenarchitektur und Design an Kunst- bzw. Fachhochschulen hat diesen Prozess nicht erleichtert, da eine Forschungskultur und -struktur in der Regel erst ausgebildet werden musste. Aktuelle Veröffentlichungen in diesem Bereich und eine wachsende Zahl an Promotionen zeigen jedoch die zunehmende wissenschaftliche Verankerung [9]. Mittlerweile sind Designforschung und Designwissenschaft auch in Deutschland und Europa auf dem Weg, sich zu etablieren. Ulrike Reich-

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Design Thinking bedeutet: kreativ technisch analytisch kommunikativ geschäftsfähig sozial kulturell weltoffen

WISSENSCHAFT FORMALE WAHRNEHMUNG MENSCHLICHE UND GESTALTUNGSUND BEDÜRFNISSE TECHNOLOGIE GRUNDLAGEN VERHALTEN

KUNST

GESCHICHTE

THEORIEN

ÖKOLOGIE

SOZIOLOGIE

Traditionelle Gestaltungsgrundlagen Gestaltungsgrundlagen im 20. Jahrhundert Gestaltungsgrundlagen im 21. Jahrhundert 5

5  Vor dem Hintergrund der zunehmenden baulichen Verdichtung der Städte und urbanen Regionen weltweit stehen alle planerischen Disziplinen in einer besonderen Verantwortung für die Gestaltung der gebauten Umwelt.

hardt sieht die Gründe hierfür auch in einem „Mangel an Orientierung sowohl funktionaler als auch emotionaler Art“, der durch die aktuellen globalen Tendenzen der Miniaturisierung (USB statt Ordner), Automatisierung (Knopfdruck statt manuelles Operieren) und Abstrahierung/Entmaterialisierung (Cloud statt Ortsbezug) bedingt ist [10].

Human-centered Design “Design can and must become a way in which young people can participate ­in changing society.” Victor Papanek An dieser Stelle setzte 1971 auch Victor Papanek an mit seinem Buch Design for the Real World, in dem er „Anleitungen für eine humane Ökologie und sozialen Wandel“ durch die Gestaltung von Produkten und Umwelt formulierte [11]. „As socially and morally involved designers, we must address ourselves to the needs of a world with its back to the wall“, schreibt er in der Einleitung, was heute – vierzig Jahre später – wieder mit neuer Aufmerksamkeit diskutiert wird. Bereits 1958 haben Charles und Ray Eames auf Einladung der indischen Regierung den India Report verfasst, der Empfehlungen für die Ausbildung im Design formulierte. Er hatte die Gründung des National Institute of Design (NID) in Ahmedabad zur Folge, das sich als eine Einrichtung versteht, deren „broadest service would in fact go to the people of India ... and through the fact that there was a group concerned solely with quality and performances of the things they, the people, used every day“ [12].

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Anfang

Bedürfnisse

Welche Bedürfnisse hat der Mensch?

Umsetzung

Was ist technisch und organisatorisch durchführbar?

Finanzierung

Was ist finanziell möglich?

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6  Unter dem Begriff Design Thinking hat die Firma IDEO das Human-centered Design als Methode bekannt gemacht.

Diese Ansätze haben auch in der Architektur den Boden dafür bereitet, dass der seit 1960 zunehmende Einsatz von Gebäudetechnik mit dem daraus resultierenden „kontrollierten Innenraumklima“ in eine bewusste Diskussion über den Innenraumkomfort mündete. Aktuell führt die Debatte über die – klimapolitisch notwendige – Energieeffizienz von Gebäuden, Quartieren und Städten in Verbindung mit den Anforderungen des demografischen Wandels insbesondere zu Diskussionen über die Notwendigkeit einer schnellstmöglichen Umsetzung, und zwar in den Industrienationen genauso wie in den Schwellen- und Entwicklungsländern. Auch diese Umstände erzeugen ein wachsendes Bewusstsein für die Bedürfnisse und Handlungsweisen der Nutzer, die bisher als Komponente der Umsetzung nur marginal als Faktor berücksichtigt wurden. Und dies obwohl eine wachsende Anzahl Menschen aufgrund ihres Alters oder aufgrund der Verdichtung städtischer Regionen auf die längerfristige oder intensivere Nutzung von Innenräumen angewiesen sind. Es liegt auf der Hand, dass das Wissen über die Wahrnehmung, Wirkung und Nutzung von Räumen – im Sinne eines Humancentered Designs – erweitert und vertieft werden muss [13]. Human-centered Design wird hier als Oberbegriff für weitere Prinzipien und Methoden verstanden, wohl wissend, dass die meisten Begriffe im englischen und deutschen Sprachgebrauch sowie im amerikanischen, asiatischen und europäischen Kulturkreis unterschiedlich definiert und verwendet werden. Dazu gehören­:

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nutzerorientierte Gestaltung (user-centered design), Barrierefreiheit (barriere-free design, accessible design), Design für alle (design-for-all), universelles Design (universal design, inclusive design) sowie

Barrierefreies Design

Stadtplanung Architektur Innenarchitektur Produktdesign

Universal Design



Unterstützende Technologien

Maschinenbau Elektrotechnik Medienproduktion Informationstechnologie

Human-centered Design 7

7  Human-centered Design wird dabei als Oberbegriff für verschiedene Methoden verstanden, die menschliche Belange zum Ausgangspunkt von Gestaltungsund Planungsprozessen machen.



handlungsorientierte Gestaltung (activity-centered design).

Während die nutzerorientierte Gestaltung eine zielgruppenspezifische Gebrauchstauglichkeit von Produkten und Räumen in den Vordergrund stellt, verfolgen die anderen Prinzipien eher einen zielgruppenübergreifenden Ansatz. Hier geht es darum, eine universelle Nutzbarkeit von Produkten und Räumen und damit eine weitgehende gesellschaftliche Teilhabe (Inklusion) zu erzielen. Der ganzheitliche Ansatz soll die Lebensbedingungen aller im Alltag verbessern. Es wird nicht für eine spezielle Ziel- oder Randgruppe gestaltet, sondern jedem die Nutzung ermöglicht – unabhängig von kultureller Herkunft, Geschlecht sowie körperlichen und geistigen Fähigkeiten. Weitverbreitet ist mittlerweile der Begriff universelles Design, dessen Prinzipien aufgrund des demografischen Wandels in den Industrienationen mit einer wachsenden Zielgruppe von alten und alternden Menschen an Bedeutung gewinnen. Am Center for Universal Design an der North Carolina State University sind von Architekten, Forschern, Produktgestaltern und Ingenieuren folgende Gestaltungsregeln formuliert worden: 1. Breite Nutzbarkeit: Das Design soll für Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten nutzbar und marktfähig sein. 2. Flexibilität in der Benutzung: Individuelle Vorlieben und Möglichkeiten wer­den unterstützt. 3. Einfache und intuitive Benutzung: Die Benutzungsweise ist leicht verständlich, auch unabhängig von Erfahrung, Wissen, Sprachfähigkeiten oder der momentanen Konzentration der Nutzer.

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8  Viele der das tägliche Leben unterstützenden Hilfsmittel (assistive­oder adaptive technologies) sind primär technologiegetrieben und greifen stark in das übliche Lebensumfeld ein. 9  Die Verknüpfung von neuen unterstützenden Hilfsmitteln mit bereits etablierten Anwendungen und ihre Integration in den baulich-räumlichen Kontext kann die Akzeptanz verbessern.

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4. Sensorisch wahrnehmbare Informationen: Das Design stellt dem Benutzer notwendige Informationen effektiv zur Verfügung, unabhängig von der Umgebungssituation oder den sensorischen Fähigkeiten der Benutzer. 5. Fehlertoleranz: Das Design minimiert Risiken und die negativen Konsequenzen von zufälligen oder unbeabsichtigten Aktionen. 6. Niedriger körperlicher Aufwand: Das Design kann effizient und komfortabel mit einem Minimum von Ermüdung benutzt werden. Weiterhin stehen die umgebungsunterstützenden Technologien (Ambient Assisting Technologies, AAT) im Fokus der Forschung. Das Spektrum dabei ist weit: Es reicht von autarken Produkten wie Brille oder Rollstuhl bis hin zu raumbezogenen Konzepten für den Arbeits-, Wohn- und Pflegebereich, die also in die Raumund Gebäudegestaltung integriert werden müssen. Dennoch ist immer wieder festzustellen, das viele Projekte und Produkte nach wie vor markt- und technologiebasiert sind und eben nicht oder nur bedingt auf die konkreten menschlichen Lebensumstände eingehen. Robert Verganti bemerkt hierzu, dass die Zusammenarbeit der Ingenieure mit den gestalterisch-planerischen Disziplinen im Sinne des User-centered Designs nach wie vor nicht verbreitet ist, und ergänzt provozierend, dass dies für bahnbrechende Innovationen sinnvoll erscheine [14]. Ähnlich kritisch argumentierte Donald A. Norman im Jahr 2005, indem er das Human-centered Design für „schädlich” erklärte und stattdessen das Activitycentered Design bevorzugt, das menschliche Handlungsabläufe als Ausgangspunkt der Gestaltung nimmt [15]. Die Einbindung der universell gestalteten Objekte und Technologien in räumliche Situationen beschränkte sich bisher vor allem auf die formale Einhaltung von

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Infrarotkamera

Szenekamera

Blickrichtung

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10  Das mobile Eyetracking-System kann Bewegungen und Fixierungen der Pupille aufzeichnen. 11  Es wird an der Hochschule Ostwestfalen-Lippe vor allem im Bereich der Orientierung erfolgreich eingesetzt. 12  Handhelds unterstützen mobile Erhebungen vor Ort oder in wechselnden Umgebungen.

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Abmessungen von Bauteilen. Die universelle Nutzbarkeit von Räumen und Gebäuden, auch in atmosphärischer, emotionaler und funktionaler Hinsicht, wurde hingegen nur wenig beachtet. Die planerischen Disziplinen können hier die Vermittlerfunktion zwischen den beteiligten Fachgebieten übernehmen und Produktideen raum- und gebäudebezogen weiterentwickeln. Vorreiter bei der Integration der Disziplinen ist der Bereich des altersgerechten Wohnens, der hohen Wert auf Wohnlichkeit, Sicherheit und Identifikation legt. Die Herausforderung besteht in der Verbindung der funktionalen mit den emotionalen Qualitäten von Räumen wie von Produkten. Dies verlangt eine hohe bauliche Flexibilität in Bezug auf die Gestaltung, die mehrere Lebensphasen zu berücksichtigen hat. Wesentliches emotionales wie auch wirtschaftliches Kriterium ist es, die Unabhängigkeit und Eigenständigkeit der Nutzer in „normaler“ Umgebung so lange wie möglich zu gewährleisten.

Architektur- und Raumwahrnehmung „Wir machen Raumwirkung messbar.“

PerceptionLab

Um auf diesem Gebiet – der Verknüpfung technologischer und raumgestalte­ rischer Qualitäten – einen Beitrag zu leisten, gibt es an der Detmolder Schule für Architektur und Innenarchitektur zwei Forschungsschwerpunkte: das ConstructionLab und das PerceptionLab. Während sich das ConstructionLab vorrangig um technologisch-konstruktive Fragestellungen kümmert, fokussiert das PerceptionLab die Analyse der Raumwirkung in realen und virtuellen Umgebungen. Die Forschung zielt darauf ab, messbare und nachvollziehbare Aussagen über

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13, 14  Den Versuchspersonen wurde eine reale Darstellung und eine virtuelle Darstellung (Rendering) eines Raumes (Flur in Verwaltungstrakt) im Vergleich präsentiert.

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die Wirkung der Architektur- und Raumwahrnehmung zu erheben und zu bewerten und sie für den Entwurfs- und Planungsprozess nutzbar zu machen [16]. Mithilfe verschiedener Methoden aus den Bereichen der Natur-, Geistes- und Sozialwissenschaften soll ein Werkzeugkasten für Lehre und Praxis entwickelt werden. Die enge Verbindung der beiden Schwerpunkte ist dabei wichtig für die Weiterentwicklung der Produkte wie auch der Methodik. Folgende Werkzeuge und Methoden werden eingesetzt: 1. Raumlabor: Umsetzung von Raumkonzepten im Maßstab 1:1 2. Powerwall: virtuelle 3D-Szenarien, basierend auf stereoskopischer Projektion­ 3. Eye-Tracking-System: Analyse und Auswertung der visuellen Wahrnehmung 4. Biofeedback-System: Aufnahme physiologischer Daten 5. Handhelds und Fragebögen: Nutzerbefragungen 6. Lichtlabor: Analyse und Auswertung von Licht- und Beleuchtungskonzepten­ Mithilfe dieser Methoden wurden und werden unterschiedliche Ziele und Fragestellungen zur Architektur- und Raumwahrnehmung untersucht, wobei nach Möglichkeit der Vergleich von realer und virtueller Umgebung eingeschlossen wird. Die Untersuchungen erfolgen zumeist im Rahmen von Lehrveranstaltungen wie auch in Zusammenarbeit mit externen Partnern als Fallstudien, die im Folgenden exemplarisch vorgestellt werden [17]:

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Raumerlebnis: Beurteilung der Akzeptanz und Nutzbarkeit von Raum Proberaum: Wirkung von Raumoberflächen in Bezug auf das Wohlbefinden

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15  Der Glashocker des Designers Martin Szekely irritiert durch seine Dimension und Massivität sowie durch die Verwendung von Glas als Sitzfläche und stellt übliche Erfahrungen der Materialität in Frage.

16  Der Heizkörper des Designers Satyendra Pakhalé greift regio­ nale Gestaltungsmuster aus dem Handwerk als Ausdruck von Identifikation auf und überträgt sie auf ein Industrieprodukt. 17  Das reale Material wurde in einem der Raumlabore aufgebracht und mit verschiedenen Methoden untersucht. 18  In der Simulation des realen Raumes in der Powerwall wurden vor allem visuelle Aspekte untersucht.

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Digital Material: Entwicklung eines computerbasierten Entwurfswerkzeugs für die Vorauswahl atmosphärisch-gestalterischer Konzepte

Raumerlebnis: Akzeptanz und Nutz­barkeit­­ „Das erlebte Haus ist keine leblose Schachtel. Der bewohnte Raum transzendiert den geometrischen Raum.” Gaston Bachelard [18] Die eingehende Analyse emotionaler und funktionaler Nutzerbedürfnisse wie auch die nachgeordnete Evaluation der tatsächlichen Nutzung bilden eine Grundlage für die Optimierung von Planungs- und Gestaltungsprinzipien. In der englischsprachigen Sozial- und Planungswissenschaft sind diese Analysen unter den Begriffen der Building Performance Evaluation, unterteilt in User Needs Analyses (UNA) und Post-occupancy Evaluation (POE), bekannt. Hierfür werden psychologische und sozialwissenschaftliche Erkenntnisse und Methoden herangezogen, die immer an die konkrete Situation adaptiert werden. Die Wahrnehmungspsychologie zeigt auf, wie Menschen in der Erreichung ihrer Handlungsziele unterstützt werden können, und bietet einen weiteren methodischen Ansatzpunkt, der in der Praxis stärker eingesetzt werden sollte. Im Projekt „Raumerlebnis“ wurde ein realer Raum (hier ein Flur in einem Verwaltungstrakt) mit einem virtuellen Szenario (Rendering) verglichen. Methodisch wurden im realen Raum Beobachtungen, Interviews und Fragebögen eingesetzt sowie das Eyetracking-System in Verbindung mit der Methode „Lautes Denken“. Im virtuellen Raum stand die visuelle Wahrnehmung im Vordergrund, indem

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19, 20  Verschiedene visuelle Szenarien zeigen die Effekte der unterschiedlichen Materialien im räumlichen Kontext.

Fotos und Visualisierungen miteinander verglichen wurden. Insgesamt wurden folgende Wahrnehmungen des realen und des virtuellen Korridors protokolliert: Das Fehlen von Farben wurde negativ – als grau und monoton – erlebt. Die geplante Erweiterung des Flures in der Mitte wurde begrüßt. Öffnungen und Sichtbeziehungen in andere Räume wurden positiv bewertet. Fehlende markante Bezugspunkte erschwerten die Orientierung im Flur.

Proberaum: Authentizität und Identifikation “Appearance must carry a deeper, integrative argument about the nature of the artificial in human experience.“ Richard Buchanan [19] Das Bauen war über lange Zeiträume und ganze Epochen von wenigen Materialien geprägt, die jeweils lokal verfügbar und an das Klima angepasst waren. Materialität und damit Raumgestaltung sind damit auch ein in jeder Region historisch gewachsenes Konzept sowie ein individuell und kulturell geprägtes Verständnis. Gleichzeitig reflektiert gebaute Umwelt aber immer auch repräsentative, machtpolitische oder modische Gegebenheiten. Mit der globalen Vernetzung sind eine größere Materialvielfalt, Materialtransfer und die Modifikation üblicher Materialien in einem anderen kulturellen Kontext zur Regel geworden. Getragen wird diese Entwicklung nicht zuletzt durch die Internationalisierung der Bauindustrie, die dabei häufig traditionelle, handwerkliche Verfahren verdrängt. Teilweise werden Bauweisen unreflektiert exportiert wie die vollverglas-

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ten und somit notwendigerweise vollklimatisierten Büro- und Wohnhochhäuser in tropischen oder kontinentalen Klimazonen. Sie sind Beispiele eines in großen Teilen standardisierten Planungs- und Bauprozesses sowie Ausdruck marktpolitischer Bestrebungen, die häufig ohne Bezug zum lokalen Klima und Arbeitsmarkt umgesetzt werden. Ulrike Reichhardt sieht hier die Möglichkeit, dass „durch partizipative Verfahren entwickeltes Design, Architektur und Planung (...) als Stärkung der kulturellen Identität ein Gegengewicht zu global ausgerichteten Produkten, Gebäuden und Regionen bilden“ [10] können. Die Wirkung, Wahrnehmung und Akzeptanz der gewählten Materialität rücken zunehmend in das Bewusstsein der Planer und Designer. Im privaten wie im geschäftlichen Umfeld legen die Nutzer Wert auf eine angemessene Gestaltung und Anpassung der gewählten Oberflächen an individuelle Anforderungen. Die dekorative Oberfläche ist jene Schnittstelle, die den ersten Kontakt zwischen Kunden und Objekt herstellt, mit dem Ziel, Emotionen beim Kunden zu wecken [20]. Die Wahrnehmung eines Produktes wandelt sich stetig mit den gesellschaftlich vereinbarten ästhetischen Ansprüchen, die eher emotionalen Leistungen entsprechen. Da diese in konkrete Produktleistungen umgesetzt werden müssen, wurden in dem Forschungsprojekt „Sensorische Gütebestimmung von Oberflächen“ objektive Prüfverfahren auf der Basis menschlicher Wahrnehmung entwickelt [21]. Das Projekt Proberaum hat im Vergleich von realem Proberaum und virtuellem Szenario die Aspekte Geometrie, Lichtstimmungen und Materialität vergleichend untersucht. Das Steinfurnier wurde in einem der Raumlabore installiert und konnte dort von den mehr als hundert Probanden berührt und erlebt werden.

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21  Die realistische Visualisierung von Materialien in digitalen Werkzeugen ist wichtig für den Entwurfsprozess.

Digital Material: Planungswerkzeuge “Open innovation is a paradigm that assumes that firms can and should use external ideas as well as internal ideas, and internal and external paths to market, as the firms look to advance their technology.” Henry Chesbrough [22] In dem Projekt „Digital Material“ ist in Zusammenarbeit mit einem Unternehmen die Wahrnehmung unterschiedlicher Materialien vergleichend untersucht worden. Ziel war es, den Entwurfsprozess in einem frühen Stadium zu unterstützen, indem in verschiedenen virtuellen Szenarien (Renderings) die Oberflächen und Lichtsituationen systematisch verändert wurden. Darüber hinaus sollten die ­Szenarien auch eine realistische Visualisierung der Materialien liefern, um die Kommunikation zwischen dem Experten (Architekten) und dem Laien (Klienten) zu verbessern. Auch wenn bei dem Produzenten die qualitativ bessere und realistischere Visualisierung im Vordergrund stand, konnte die Untersuchung auch die Effekte des Materials im Raum betrachten und auswerten. Die erstellten Renderings ergeben in der Summe eine interaktive Materialbibliothek, die einen schnellen Vergleich digitalisierter Materialien im virtuellen Raum ermöglicht und Designern und Nutzern die Renderings als Werkzeug zur Vorauswahl im Planungsprozess zur Verfügung stellt.

Ausblick Die dargestellten Entwicklungen, Projekte, Fallstudien verdeutlichen beispielhaft, wie sich Produkte, Räume und Gebäude auf einzelne Nutzer, aber auch auf grö-

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22  Die digitale Visualisierung und ihre Effekte können im Vergleich identischer Szenarien überprüft werden.

ßere Gruppen auswirken. Bereits aus den Anfängen der Design- und Planungswissenschaften ist bekannt, dass sich hierbei komplexe Kombinationen und Überlagerungen verschiedener Wahrnehmungsebenen ergeben. Die Verfahren und Methoden befinden sich noch in der Erprobung und führen möglicherweise zu einer Kombination der Methoden und Prinzipien des Human-, User- und Activity-centered Designs. Aufgabe der Planer und Gestalter ist es, bekanntes Wissen im Bereich des energetischen, altersgerechten oder verdichteten Bauens in einzelnen Nationen und Gesellschaften so umzusetzen, dass Wohlbefinden und Lebensqualität unter Berücksichtigung der jeweiligen kulturellen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen erreicht werden. Neben der individuellen ­Dimension rückt damit die gemeinschaftliche Dimension eines baukulturellen Bewusstseins in den Vordergrund, das auch durch eine breitere öffentliche Diskussion und Erziehung gestützt werden muss.

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Digitale Architektur: Vom Entwurf zur Produktion Marco Hemmerling Ulrich Nether

Neue Technologien bewirken unabhängig von ihren Inhalten eine Veränderung der Wahrnehmung und des Denkens. Sie stellen neue Realitäten her. Oder wie es der kanadische Medientheoretiker Marshall McLuhan formulierte: „Wir formen unser Werkzeug, und danach formt das Werkzeug uns.“ [23] Für McLuhan wirkt die Entwicklung der Medientechnologien demnach als Triebfeder für sozialen Wandel. Digitale Inhalte beeinflussen die Räume, in denen wir leben, die Objekte, die uns umgeben, die Bilder, die wir sehen, und die Geräusche, die wir hören. Sie formen darüber eine erweiterte Erkenntnis und Empfindung unserer Realität. Diese Entwicklung hat nicht nur einen radikalen Wandel unserer Umwelt zur Folge, sondern erzeugt vor allem einen Gestaltungs- und Handlungsraum. Der Einsatz digitaler Werkzeuge hat eben nicht nur die Arbeitsweise von Architekten und Designern maßgeblich verändert, sondern auch die formale Gestaltung und die daraus resultierende Erscheinung und Wahrnehmung von Räumen und Objekten. Mithilfe der heutigen Computersoftware lassen sich Entwürfe generieren, wie sie technisch und formal vorher kaum möglich waren. Dabei löst die Computertechnologie diese in starkem Maße von den herkömmlichen Produktionsbedingungen. Sowohl im Entwurfs- als auch im Produktionsprozess verschieben sich die Abhängigkeiten von analogen zu digitalen Operationen. Der Computer entgrenzt die Fantasie und erlaubt Operationen, die früher an den begrenzten technischen und zeitlichen Mitteln gescheitert wären. Die Folgen dieser Faszination für das digital Machbare gehen aber selten über Formexperimente hinaus, die trotz ihrer geometrischen Komplexität oft erschreckend eindimensional wirken. Greg Lynn, selbst einer der Protagonisten freier digitaler Formenwelten, hat diese formale Abhängigkeit bereits vor zehn Jahren kritisch beurteilt: „Es gibt eine Sprache der Gestaltung, die der Computer mit sich bringt,

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1  Entwurf des Pavillons SunSys für den Campus Emilie, von Jens Böke, Hochschule OstwestfalenLippe

und zuerst macht man, was die Software gut kann.“ [24] Das Potenzial des rechnergestützten Entwerfens und Bauens ist jedoch weitaus vielversprechender, als dieses Zitat vermuten lässt. Es setzt allerdings ein Verständnis der informationstechnologischen Grundlagen voraus, die der Computer zur Verfügung stellt. Das Ergebnis einer solchen digitalen Gestaltentwicklung folgt anderen Vorgaben und Randbedingungen. Es basiert auf einem neuen methodischen Verständnis, sowohl auf der Ebene des Entwurfs wie auch in der Realisierung. Doch wie sieht das Entwerfen im digitalen Zeitalter aus? Welchen Einfluss haben diese Technologien auf Architektur und Design und die Rolle des Gestalters in der Zukunft und somit schon jetzt auf die Entwurfslehre? Grundsätzlich ist festzustellen, dass die Einführung der Informationstechnologie zu einer Ausweitung der Berufsfelder geführt hat: Denjenigen Architekten und Innenarchitekten, die den digitalen Technologien gegenüber aufgeschlossen sind, eröffnen sich interessante Betätigungsfelder. Neben der veränderten Arbeitsweise im Entwurf lassen sich die gestalterischen Fähigkeiten eines Experten im Räumlichen in viele Bereiche der Medien- und Informationstechnologie sowie der Bau- und Produktionstechnologie übertragen. Der Einfluss digitaler Medien im Entwurfs- und Realisierungsprozess auf die Archi­tektur lässt sich aus zwei Evolutionssträngen ableiten. Auf der einen Seite unterstützt der Computer die Entstehung von Konzepten mithilfe digitaler Werkzeuge. Durch die umfassende Darstellung von dreidimensionalen Gestaltungskonzepten mittels digitaler Simulationen und der direkten Interaktion mit dem virtuellen Modell im Entwurfsprozess wird die Wahrnehmung von räum­lichen und funktionalen Zusammenhängen wesentlich erweitert. So dienen computer-

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2  SunSys-Strukturprinzip

generierte Darstellungen einer frühen und ganzheitlichen Betrachtung, Bewertung und Vermittlung von räumlichen Konzepten. Von der ersten digitalen Skizze über die Konzeptvisualisierung bis zum fertigen 3D-Datensatz bildet der Computer mittlerweile den kompletten Entwurfs- und Planungsprozess ab. Auf der anderen Seite hat gerade in den vergangenen Jahren eine sichtbare Zunahme von computergestützten Bau- und Produktionsprozessen über CADCAM-Schnittstellen und Rapid-Prototyping-Verfahren eingesetzt. Das Besondere dieser Technologie ist, dass mit ein und demselben Herstellungsverfahren unterschiedlichste Formen produziert werden können. Da der Arbeitsvorgang vollständig automatisiert ist, bleibt der Herstellungspreis prinzipiell gleich. Auf diese Weise ergeben sich in der Architekturproduktion neue gestalterische Freiheiten­, da die kostenrelevante Abhängigkeit vom Standardprodukt weitest­ gehend aufgehoben ist. Die Herstellung von individuellen Produkten, unter Verwendung­neuer Produktionsmethoden, ermöglicht eine entwurfs- und kundenspezifische Fertigung, wie sie sich in einigen Produktionsbereichen bereits durchgesetzt hat. Ein Blick auf die wesentlichen Einsatzbereiche digitaler Werkzeuge macht deutlich, wie weit verzweigt computergestützte Methoden schon heute Einfluss haben, insbesondere auf die Architekturproduktion.

Digitales Entwerfen Entwurfsprozesse sind von einer intuitiven Herangehensweise geprägt, die sich scheinbar nur schwer über den Computer erzeugen lässt. Die wenigsten Architekten und Designer benutzen alleinig das Medium Computer bei der Entwurfs-

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3 Konstruktionsvarianten einer Translationsfläche, Frank Püchner, Hochschule Ostwestfalen-Lippe

findung. Dennoch lässt sich gerade bei den Studierenden und der jüngeren Generation die Ablösung des Stiftes durch den Computer bereits in der frühen Konzeptphase des Entwurfs beobachten. Das Potenzial des digitalen Entwerfens basiert jedoch nicht auf der Simulation von vormals analogen Operationen, sondern auf der Nutzbarmachung rechnerimmanenter Prozesse zur Erfassung, Verknüpfung, Verarbeitung und Auswertung komplexer Wechselbeziehungen. Hier liegt ein wesentlicher Unterschied zur klassischen CAD-Anwendung, die zwar den Zeichenprozess unterstützt, aber keine neue Qualität der Entwurfsmethodik an sich darstellt. Digitale Werkzeuge unterstützen es hingegen durchaus, neue Wege zu gehen und räumliche sowie gegenständliche Konzepte unter dem Einfluss von unterschiedlichen Parametern prozesshaft zu entwickeln. Da die Ergebnisse in Echtzeit dargestellt werden, entsteht ein direkter Dialog zwischen Entwerfer und Entwurf [25]. Die Ausgangsgeometrie wird dabei mit Algorithmen, also mathematischen Handlungsanweisungen versehen, die es erlauben, vielfältig Einfluss auf die Formentwicklung zu nehmen. Viele Softwareapplikationen bieten heute die Möglichkeit, eigene Skripte und Algorithmen zu programmieren, worüber sich individuell die Randbedingungen für die Entwurfserzeugung definieren lassen. Oder anders formuliert: Architekten und Designer entwickeln ihre Werkzeuge selbst. Diese prozessorientierten Verfahren erlauben innerhalb der Entwurfsentwicklung die maßstabsübergreifende Manipulation der Gesamtstruktur, ohne dass die Verknüpfungen der einzelnen Teilelemente untereinander verloren gehen. Die Entwurfstätigkeit wird bei diesem Prozess in hohem Maße von der Informationstechnologie unterstützt, die gleichsam einen intuitiven Zugang bietet. Programmierte parametrische Modelle befördern in diesem Sinne eine neue

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4  Parametrisches 3D-Modell des Pavillons, Hochschule Ostwestfalen-Lippe

Entwurfsmethodik, die sowohl architektur-, raum- oder objektspezifische als auch computerspezifische Kenntnisse voraussetzt. Auf die Architektur übertragen, lassen sich über parametrische Modelle anpassungsfähige Strukturen erzeugen, die auf äußere Einflüsse wie Sonneneinstrahlung und Windbelastung oder innere Einflüsse wie Nutzerverhalten und Funkt­ ionsabläufe reagieren. Durch die jeweilige Art der Verknüpfung und die Priorisierung einzelner Parameter entsteht die architektonische Gestalt. Das Entwerfen verschiebt sich von einem formal-grafischen Prozess zu einem strategisch-evolutionären Prozess. Der Gestalter entwirft vielmehr ein System als ein konkretes Ergebnis. Ein Vorteil dieser Herangehensweise liegt – neben der Sichtbarmachung von Abhängigkeiten im Entwurf – in der Flexibilität, jederzeit auf die Programmierung Einfluss zu nehmen und somit zeitnah unterschiedliche Konzepte oder Varianten einer Entwurfslösung entwickeln und bewerten zu können. Die räumliche Komplexität wird dadurch zugänglich und steuerbar für den Entwerfer. Das lässt sich ebenso auf die Arbeit des Innenarchitekten oder des Designers übertragen.

Digitale Produktion Computergestützte Fertigungsmethoden ermöglichen die Übertragung dieser digitalen 3D-Daten in physische Modelle oder Bauteile. Digital erzeugte und maschinell gefertigte Bauteile erweitern das konstruktive Spektrum und beziehen die Randbedingungen, die sich über die Materialwahl und die Fertigungslogik

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5  1:1 Modell des Pavillons

ergeben, in den Entwurfsprozess ein. Die Erkenntnisse aus den Fertigungsverfahren fließen als Parameter für die Programmierung wieder in den Entwurfsprozess zurück. Diese Fertigungsmethoden haben jedoch nicht konsequenterweise eine formale Veränderung der Architektur zur Folge. Vielmehr gilt es, die Methoden für die Weiterentwicklung und Optimierung der Prozesse anzuwenden. In diesem Sinne ist die Anwendung digitaler Fabrikationsmethoden nicht nur einzelnen Bauwerken hoher Komplexität zuzuschreiben. Die bauliche Umsetzung von Entwürfen in der Architektur basiert allerdings, im Vergleich zu anderen Produktionsbereichen, noch immer weitestgehend auf tradierten Arbeitsprozessen. Während in industriellen Produktionsprozessen, wie im Maschinenbau oder der Automobilindustrie, technologisch hoch entwickelte Produkte entstehen, ist fast jedes Bauwerk ein Prototyp, der mit tradierten Methoden errichtet wird. Der Bauprozess ist nicht nur kosten- und zeitintensiv, sondern lässt auch die gestalterischen Freiheiten digitaler Entwurfsentwicklung und computergestützter Fertigung ungenutzt. Die Entwicklungen in der Materialforschung und der Produkttechnologie weisen durchaus in eine neue Richtung. Digitale Produktion ist, wie beschrieben, in den Industrien längst zu einem wichtigen, wenn nicht dem wesentlichen Werkzeug geworden, sie ist allgegenwärtig. Keine konkurrenzfähige Tischlerei ohne CNC-Fräse, kein Metall verarbeitender Betrieb ohne computergesteuerte Lochstanzen oder Biegemaschinen. In der Großindustrie gibt es schon seit vielen Jahren Produktionsanlagen, in denen der Mensch keine Hand mehr anlegt. Doch der Entwurf, das Denken in den Prozessen­, folgt nach wie vor den gelernten deterministischen Vorgehensweisen. Die Möglichkeiten des Computers werden zumeist lediglich eingesetzt zu Opti­mierungen

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des Materialeinsatzes oder von Arbeitsabläufen. Noch werden die Rechner lediglich meist mit Daten gefüttert, die aus unseren Erfahrungen und Traditionen hergeleitet sind. Je mehr das gewünschte Ergebnis auch notwendigerweise von individuellen Anforderungen bestimmt ist, desto mehr sind digitale Verfahren bereits in den gesamten Entwicklungs- und Produktionsablauf integriert. Zahnersatz oder Prothesen sind Beispiele, die uns direkt betreffen; früher in aufwendiger Handarbeit mit vielen Anpassungsschritten erzeugt, werden sie heute bereits häufig vom Aufmaßverfahren bis zur Fertigung durch miteinander verzahnte digitale Prozesse erzeugt. Trotz eines verhältnismäßig hohen Erstinvestitionsaufwands setzen sich diese Verfahren immer mehr durch. Insbesondere da, wo es schnell gehen muss, beispielsweise in der Erstellung von Bauelementen im Rahmen von Produktentwicklungen oder im Motorrennsport, sind sogenannte Rapid-Verfahren Standard: Einerseits werden die Prozesse so durch digitale Methoden verbessert, andererseits auch die Produkte selbst in ihrer Funktionalität und Nutzung bis hin zu Materialentscheidung und Gestaltung optimiert. Experten für Verfahrenstechnik sagen einen Durchbruch in die Massenindustrie in den kommenden Jahren voraus. Also wird der Computer als Werkzeug von der ersten Idee bis hin zum fertigen Produkt das virtuell Formulierte direkt und ohne Umwege in die Realität überführen, und so in absehbarer Zeit auch das Industriedesign bestimmen und damit die Dinge, die uns täglich umgeben. Mass Customization (kundenindividuelle Massenproduktion) erhält damit eine neue Qualität, denn wir werden nicht mehr alleine zwischen einigen Farben und Sitzbezügen wählen können, sondern auch in Funktion, Form, Größe und Material an uns angepasste Produkte erwerben können. Und da wir diese individuell auf uns zugeschnittenen Objekte auch besitzen wollen, wird sich die Welt der Produktion und des Designs verändern. Zusammen mit Entwicklungen in der Medien- und Lichttechnik betrachtet, könnte das beispielsweise zu diesem Szenario führen: „Es könnte also sein, dass wir in zwanzig Jahren zuhause im Arbeitszimmer exakt unseren anatomischen und ästhetischen Bedürfnissen angepasste Schuhe ausdrucken und parallel in der Küche die besonderen Strauchtomaten, die wir so lieben. Derweil sitzen wir in unserem – natürlich exakt auf uns zugeschnittenen – Fernsehsessel in unserem Wohnzimmer, das, wenn wir den Fernseher einschalten, zu einer Bühne wird, auf der sich virtuelle Protagonisten in drei Dimensionen bewegen.“ [26] Digitales Design und digitale Produktion werden es ermöglichen, dass industrielle Fertigung und individuell angepasstes Einzelstück kein Widerspruch sind. Und darin steckt auch die Möglichkeit, dass wir zu den Dingen wieder eine Beziehung aufbauen können, wie wir sie zu manuell für uns angefertigten Dingen haben und wie wir sie in unserem von der industriellen Massenproduktion bestimmten Alltag verloren haben, die Objekte bekommen wieder Wert. In diesem

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Paradigmenwechsel bedürfen die veränderten Methoden einer bewusst auf Qua­litäten zielenden Handhabe durch Gestalter und Umsetzer: Es geht nicht darum, eine „schöne neue Welt“ mit scheinbar fantastisch komplexen Ergebnissen zu generieren, sondern zu den sich unerschöpflich darstellenden Möglichkeiten parametrisch entwickelten Designs auch Verantwortung und Vermeidung von Überflüssigem zu fügen. Diese Verantwortung des Gestalters beschränkt sich nicht auf den Prozess vom digitalen zum greifbaren Produkt, auch das Greifbare wird mehr und mehr von einer Realität der Projektionen des Digitalen geformt. Interaktion, Kommunikation und Nutzung treten in den Vordergrund, die Dinge selbst treten zurück hinter das, was sie bewirken. In diesem Sinne werden Räume und Objekte aus digitalen Prozessen bestenfalls eine Selbstverständlichkeit entwickeln, die aus Nutzerorientiertheit und Adaptivität, Material- und Fertigungsentsprechung und auch wirklicher Nachhaltigkeit besteht. In letzterem Sinne finden sich in der Natur Parallelen mit den aufgezeigten Möglichkeiten des Entwerfens und der Fertigung.

Digitale Nachhaltigkeit „Perfektion ist nicht dann erreicht, wenn man nichts mehr hinzufügen, sondern wenn man nichts mehr weglassen kann.“ [27] Die Natur ist in scheinbarem Widerspruch zu ihrer Diversität dennoch so strukturiert, dass diese Forderung stets erfüllt ist. Die Optimierung erfolgt durch Auslese in nie vollendeten Schritten. Genau dies ist mit den digitalen Prozessen möglich. Und genau dies ist eine nächste Herausforderung an Architektur und Design: Wie kann eine fortgesetzte ständige Verbesserung, eine Evolution, in alle Prozesse eingefügt werden? Weitergedacht führt das zu einem mit der Natur vergleichbaren Kreislauf – zu einer echten Nachhaltigkeit. Dazu müssen Materialien und Prozesse entwickelt werden, die sich der Natur und ihren Prinzipien annähern. Und schließlich liegt im Überschreiten der Nutzerorientierung hin zur Affordanz (Handlungsangebot), wie sie die Natur anbietet durch ihre selbstverständliche Komplexität, die uns vertraut ist, ein Schlüssel zur Definition einer Ästhetik und einer Ausrichtung in einer neuen Einheit von Natur und Kultur. Derzeit füttern wir die Computer mit Daten, bestimmen Umfang von Recherche und Grundlagen, Idee und Konzept. In Zukunft werden die Maschinen selbst lernfähig sein und sich oder ihre ausführenden Arme befähigen, selbstständig die bestmöglichen Wege zu suchen, Konzepte in Form zu bringen, zu informieren. Das große Potenzial, das in diesen Entwicklungen steckt, greift der postgraduale Masterstudiengang Computational Design and Construction an der Detmolder Schule für Architektur und Innenarchitektur, Hochschule Ostwestfalen-Lippe auf. Er zielt auf ein Berufsbild, das die digitalen Entwurfs- und Fertigungsmethoden in einer ganzheitlichen Betrachtung verknüpft. Neben den relevanten fachlichen Inhalten der Architektur und Innenarchitektur werden daher auch Grundlagen der Informatik und der computergestützten Produktion vermittelt. Die Komplexi­tät des Planungsprozesses wird nicht zuletzt durch die vielfältigen Anforderungen­aus den Fachdisziplinen definiert, die vom Entwurf bis zur Realisierung integriert werden müssen. Hierbei werden gestalterische, planerische

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und technische sowie organisatorische und kommunikative Fähigkeiten von den Planern gefordert. Ein besonderer Fokus der Lehre liegt daher auf den Schnittstellen zwischen den unterschiedlichen Planungsphasen und Disziplinen. Das Angebot reagiert damit auch auf die zunehmende Nachfrage nach hoch qualifizierten Hochschulabgängern im interdisziplinären Bereich zwischen Informationstechnologie, Architektur und Design [28]. Aber wie lassen sich die unterschiedlichen Methoden für die Entwicklung einer nachhaltigen Architektur und Raumgestaltung nutzen? Und wie kann sich darüber ein eigenständiger Ausdruck definieren, der die zeitgenössischen und zukünftigen Anforderungen erfüllt? Ein wesentlicher Vorteil in der Verwendung computergestützter Methoden liegt in den vielfältigen Möglichkeiten, die einzelnen Prozesse strategisch miteinander zu verknüpfen, Synergien zu nutzen und Probleme frühzeitig zu erkennen und Strategien für deren Lösung zu entwickeln. Grundlage solcher prozessorientierter Ansätze ist die Entwicklung eines konsistenten und anpassungsfähigen Entwurfsmodells, das im fortschreitenden Planungsprozess gestalterisch weiterentwickelt und durch zusätzliche Informationen sukzessive ergänzt und erweitert wird. Im Ergebnis entsteht eine integrative Architektur aus der Wechselwirkung von unterschiedlichen Einflussgrößen wie Raumwirkung, Formfindung, Materialisierung, Konstruktions- und Produktionsbedingungen sowie Nutzerverhalten, Nachhaltigkeitskriterien und Kostenrahmen. Das digitale Entwerfen erzeugt eine direkte Verbindung zwischen dem Denkbaren und dem Baubaren. In diesem Sinne hat sich der Computer von einem reinen Zeichenwerkzeug, das lediglich traditionelle Instrumente simuliert, zu einem integrativen Entwurfsmedium mit eigenen Qualitäten und Anforderungen entwickelt. Der Computer ist sicherlich das umfassendste und dynamischste Medium, das dem Gestalter je für seine Arbeit zur Verfügung stand. Zur Ausgestaltung dieses Potenzials bedarf es jedoch der Fähigkeit, den Computer als interaktives Instrument einzusetzen und seine künstliche Intelligenz als kreative Erweiterung zu begreifen. Wir sind aufgefordert, diese Rolle in unserer Informationsgesellschaft auszufüllen und durch die Befähigung im Umgang mit digitalen Medien zukünftige Räume zu schaffen. Die erste Realität des physischen Raumes und die virtuelle Realität digital geschaffener Umgebungen verschmelzen zunehmend zu einer emergenten Gesamterfahrung. Der Handlungsraum dehnt sich aus, und die Gestaltungsmittel, die uns zur Verfügung stehen, werden vielfältiger. Vor allem schaffen sie eine Verbindung zwischen den beiden Welten [29]. Hani Rashid, Mitgründer des New Yorker Büros Asymptote Architecture, beschreibt dieses Gestaltungsfeld der erweiterten Realität wie folgt: „We will continue to see experiments with the virtual that leave the confines of the screen, and merge the virtual with the real, spaces that will ultimately blur the distinctions of what we currently think constitutes a real experience versus a virtual experience.“ [30] Eine Abgrenzung der einen von der anderen Wirklichkeit wird zunehmend schwieriger. So, wie sich Teil­erlebnisse zu einem Ganzen in unserem Bewusstsein verdichten, wird es darauf ankommen, die Anteile physischen und virtuellen Lebens zusammen zu

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denken und zu gestalten. Emergenz entsteht demnach durch die Verbindung unterschiedlicher Teile zu einer neuen Qualität von Raum. Dass dies eine Aufgabe für Architekten und Innenarchitekten ist, liegt in ihrer Profession begründet, an der Schnittstelle von Mensch, Raum und Objekt.

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Roadmap Fassade Wege und Wegweiser Ulrich Knaack

Vision Meldungen und Diskussionen zu neuen Entwicklungen etikettieren Neues oft vorschnell als „Innovation“, obwohl der Begriff im engeren Sinne tatsächlich erst dann eine neue Idee oder Erfindung bezeichnet, wenn sie sich als Produkt im Markt, als wirtschaftliche Umsetzung oder erfolgreiche Anwendung in Funktion durchgesetzt hat [31]. Die folgende Auseinandersetzung mit Innovationen im Bauwesen fokussiert zum einen die tatsächlichen baulichen Ergebnisse und Umstände, die zu dieser Entwicklung geführt haben, zum anderen die Potenziale, welche zu weiter gehenden Entwicklungen und späteren Umsetzungen – also Innovationen – führen können.

Methode Um die Entwicklung von Fassaden zu verstehen, wurde durch den Autor im Zusammengang mit dem ConstructionLab an der Hochschule Ostwestfalen-Lippe sowie der Facade Research Group an der TU Delft die Roadmap Fassade entwickelt. Sie erfasst sowohl die chronologische Entwicklung der Gebäude­hülle – von der massiven Wand bis hin zur elementierten, frei geformten Aluminiumfassade – als auch eine Gliederung in massive sowie skelettartige Strukturen. Dies ergibt sich aus dem Verständnis der prinzipiellen Konstruktionstypen: monolithische Gebäude im Gegensatz zu skelettartig aufgebauten Gebäuden [32]. Die Zeitskala ist logarithmisch zulaufend auf die heutige Zeit organisiert, da zum einen der eigene Fokus, und damit das beste Verständnis, immer im Jetzt liegt und zum anderen die Entwicklungsfrequenz technischer Innovationen exponentiell

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1  Roadmap Fassade

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2a

2  Royal Botanic Gardens in Kew (Richard Turner, Decimus Burton, 1844 – 1848) 2a  Kibble Palace (John Kibble, 1873) 3  Gitterschale des Museums für Hamburgische­ Geschichte (Volkwin Marg, Jörg Schlaich, 1989)

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zunimmt [33]. So entsteht eine Übersichtskarte, in der die einzelnen Entwicklungsschritte ähnlich einer technischen Evolution zu erkennen sind. Sie detailliert die aufeinanderfolgenden funktionalen Anforderungen und die daraus resultierenden technischen Umsetzungen. Um diese Entwicklung exemplarisch sichtbar zu machen, wird im Weiteren auf fünf isoliert erkennbare Entwicklungszyklen eingegangen. Hierbei liegt zur Erläuterung das Augenmerk auf funktionalen und konstruktiven Parametern sowie auf den Personen, welche die Entwicklung vorangebracht haben.

Von den Gewächshäusern des 19. Jahrhunderts hin zur verglasten Gitterschale Am Beispiel der Glaskonstruktionen im Großbritannien des 19. Jahrhunderts lassen sich isoliert verlaufende Entwicklungen in der Fassade aufzeigen: Resultierend aus der Notwendigkeit, die aus den Kolonien mitgebrachten Pflanzen auch im englischen Klima zu erhalten und zur Schau zu stellen, entwickelte sich im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts in Großbritannien eine Epoche von immer filigraneren Glasgewächshäusern. John Claudius Loudon (1783 – 1843) ist als einer der ersten herausstechenden Konstrukteure zu nennen, obwohl sein ursprünglicher beruflicher Hintergrund die Landschaftsgärtnerei war. Aus seinen Anfängen mit Anlehngewächshäusern entwickelte Loudon das Ridge-and-Furrow-Dach (Grat und Kehle), das unten erläutert wird. Daneben wurden von ihm parabelförmige und damit optimal zur Sonne orientierte Gitterschalen aus Gusseisenstäben entwickelt und realisiert. Hierbei übernahmen bereits kleinformatige Glasscheiben neben der Funktion des Abdichtens auch die Funktion des Aussteifens der Schalen.

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4  Gitterschale des Flusspferde­ hauses, Zoologischer Garten Berlin, mit frei endendem Rand (Jörg Gribl, schlaich bergermann und partner, 1997)

Auf John Claudius Loudon folgte Joseph Paxton (1803 – 1865), ebenfalls mit dem Hintergrund der Landschaftsgärtnerei. Er setzte das Ridge-and-Furrow-Dach als sich gegenseitig stützende Glasscheiben, ähnlich einem Sprengwerk, für den Kristallpalast der Weltausstellung in London 1850/51 um. Neben der technischen Finesse der Konstruktion beeindruckte das Projekt durch seine Dimension und die logistische Umsetzung und förderte dadurch die Akzeptanz, den Werkstoff Glas für öffentliche Gebäude und Vergnügungsbauten zu verwenden. Als letztes Beispiel aus dieser Periode sei auf den Kibble Palace (1873) in Glasgow von John Kibble (1815 – 1894) verwiesen. Kibble, von Hause aus Uhrmacher, verwendete Gitterschalen aus Gusseisen, die erst mit dem Einsetzen der Glasscheiben ihre Schalenwirkung erhielten [34].

5  Knotenlösung am Flusspferdehaus, Zoologischer Garten Berlin 6  Gitterschale des Britisch Muse­ um, London (Norman Foster, Büro Happold, 2000)

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Mit der Hofüberdachung des Museums für Hamburgische Geschichte (1989) nimmt gut hundert Jahre später eine Ära der Gitterschalen ihren Anfang. Gitterschalen dieser Generation bestehen aus einem Stabgitter, das mittels eines diagonalen Seilnetzes vorgespannt und so gegen asymmetrische Lasten stabilisiert wird. Den Raumabschluss bilden Glasscheiben, die allerdings nicht zum Tragsystem beitragen. Neben der Exaktheit der Form entwickelte sich vor allem die Knotengeometrie: Analog zur Entwicklung der Fertigungstechnologien entstan­ den unterschiedliche Knoten, vom einfachen Schneiden bis hin zu frei geformten Frästeilen [34]. Der Wunsch nach maximaler Filigranität, die tech­nischen Entwicklungen in der Glasherstellung und Geometriefertigung sowie die unkonventionellen Ansätze der Konstrukteure trieben hierbei den Fortschritt voran [34].

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14 mm 46,5 mm 46,5 mm

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7  Renault Distribution Centre, Swindon (Norman Foster, 1982)

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8  Patch Fitting (Befestigung mittels Bolzen)

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9  Planar Fitting (Befestigung mit flächenbündigem Punkthalter)

10  Hinged Fitting (Befestigung mit gelenkigem Punkthalter)

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11  Wintergärten des Technik­ museums Cité des Sciences et de I’Industrie, Parc de la Villette, Paris (Peter Rice, 1986) 12  Nederlands Architectuur­ instituut, Rotterdam (Jo Coenen, Mick Eekhout, 1993)

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Vom gebohrten zum gelenkig gehaltenen Glas Ende des ­ 20. Jahrhunderts Getrieben durch den Wunsch, Konstruktionen immer filigraner zu gestalten und somit größere Transparenz zu erreichen, versuchten in dieser Epoche Architekten und Konstrukteure, trotz der Beschränkung durch die herstellungs- und konstruktionsbedingten maximalen Glasabmessungen, alternative Glashalterungen zu entwickeln. Für das Projekt des Renault Distribution Centre in Swindon, Großbritannien entwickelte Norman Foster 1982 eine Glashalterung, die auf einem Pfosten-Riegel-System aufsaß. Die verwendeten Glasscheiben wurden gebohrt und mittels Bolzen – den Patch Fittings – gehalten. Die Glasscheiben sollten so von der Unterkonstruktion losgelöst werden, um gestalterisch eine größere Transparenz zu erreichen. In einem weiteren Schritt trieb Peter Rice (1935 – 1992) diese Entwicklung für die Wintergärten des Technikmuseums Cité des Sciences et de I’Industrie, Parc de la Villette, Paris (1986) voran. Rice erkannte, dass die Bohrung und die biegesteife Fixierung des spröden Werkstoffes Glas die Möglichkeit der Lasteinleitung und der Verformung der Fassade beschränken, und löste dies durch die Entwicklung gelenkiger Punkthalter. Der Halter wurde so positioniert, dass sich die Kraftlinien im Gelenk schneiden und somit Biegebelastungen aus dem Auflager vermieden wurden. Als eine der ersten Anwendungen dieses Halterungsprinzips für Isolierglasscheiben schloss Jo Coenen mit einer konstruktiven Lösung von Mick Eekhout den Foyerbereich des Nederlands Architectuurinstituut in Rotterdam (1993). Sie versahen die innere Scheibe mit einer Bohrung, während die äußere über die Verklebung des Randverbundes gehalten wurde und somit dem Wusch nach thermischer Ertüchtigung der Ganzglasfassade entsprach [34]. Innovativ waren dabei neue Technologien zum

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13  Seilnetz-Fassade der Eissport­ halle Olympiapark München (Kurt Ackermann, Jörg Schlaich, 1983)

Bohren der Glasscheiben sowie die Ertüchtigung und das Verständnis des Kraftflusses in der Glasscheibe. Getrieben wurden diese Entwicklungen von Architekten, Konstrukteuren sowie Herstellern von Material und Konstruktion [34].

14  Seilnetz-Fassade des Kempin­ski Hotels, Flughafen München (Murphy/Jahn, Jörg Schlaich, 1993)

Seilnetz-Fassaden

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Mit dem Ziel, das Tragwerk hinter der gläsernen Gebäudehülle noch weiter zu minimieren, entwickelte Jörg Schlaich gemeinsam mit Kurt Ackermann für das Projekt Eissporthalle Olympiapark München (1983) ein ebenes, vertikal vorgespanntes Seilsystem, das aufgrund der kurzen Distanz und der Vorspannkräfte kaum Verformungen erfuhr. Hierfür konnten Glasscheiben in einer Klemmhal­ terung eingespannt werden und den Raumabschluss bilden. Diesem Prinzip folgend­, entwickelte Jörg Schlaich am Flughafen München 1993 für das Projekt Kempinski Hotel von Murphy/Jahn ein ebenes Seilnetz, das mittels großer Vorspann­kräfte bei einer maximalen Windlast eine Verformung von bis zu 1/25 erfährt und so die Kräfte ableitet. Hieraus resultiert die Konsequenz, dass die Glasscheiben elastisch gelagert werden müssen, um bei einer Verformung des Systems­keine überhöhten Biegebelastungen in den Ecken zu erhalten. Rijk Rietveld entwickel­te gemeinsam mit Mick Eekhout nach einem Konzept des Autors ein Seilnetz, bei dem Glasfaserkabel in die Isolierglasscheiben integriert wurden. Dieses System reduziert zusätzlich die sichtbaren Elemente und wurde 2010 am Projekt Hogeschool INHolland in Delft realisiert. Auch für diesen Evolutionsschritt lag der Ursprung der Entwicklung bei Konstrukteuren, die neben engagierten Architekten auf kreative und mutige Ausführende vertrauen konnten [34].

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15  Glasfaserseilnetz-Fassade der Hogeschool INHolland, Delft (Rijk Rietveld, Mick Eekhout, 2010)

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16  Lloyd’s of London (Richard Rogers, 1986) 17  Roadmap Fassade mit Fokus auf die Doppelfassade

Doppelfassaden und Komponenten-Fassade Mit dem Wunsch nach einer offenen und transparenten Gebäudehülle konkurriert die Zielvorgabe, den Energieverbrauch des Gebäudes zu reduzieren. Dieser Aspekt der Gebäudehülle geriet spätestens durch die Ölkrise 1973 in den Fokus, da die Verglasungen zum damaligen Zeitpunkt noch nur geringe Dämmwerte erreichten und der Energieverbrauch durch große Glasflächen hoch war. Zum Ende des 20. Jahrhunderts entstand der Wunsch nach offenen Gebäuden als Ausdruck einer offenen und demokratischen Gesellschaft [35], der sich in großformatigen Glasflächen manifestierte. Aus der Notwendigkeit, diese Flächen energetisch zu betrachten, entwickelte sich eine Generation von Fassaden, die neben ihren Funktionen Raumhülle und Abdichten auch die Funktionen der Konditionierung des Gebäudes übernehmen sollten [36]. Dieser Zyklus beginnt mit dem Projekt Lloyd’s of London (1986) von Richard Rogers. Für dieses Gebäude entwarf Mike Davies im Büro Rogers die polyvalente Wand, die alle Funktionen der Fassade in einem Element aus mehreren Schichten erfüllen und auch die hierfür notwendige Energie erzeugen sollte. Da die Technologie zur Realisierung dieser Vision damals noch nicht zur Verfügung stand, wurde schließlich eine alternative Fassadenlösung für das Gebäude entwickelt. Dabei orientierten sich die technischen Komponenten entsprechend der damaligen Attitüde der Hightech-Architektur nach außen und lassen so Zu- und Abluftleitungen sowie transparente und opake Flächen gut erkennen. Die für dieses Projekt formulierten, aber nicht realisierten Forderungen nach einer In­ tegration von weiteren Funktionen wurden zum wesentlichen Bestandteil der darauf­folgenden Entwicklungen. Es entwickelte sich eine Generation von zwei-

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18  Kastenfenster und ZweiteHaut-Fassade 19 Schacht-Kasten-Fassade ARAG Düsseldorf (Foster + Partners, RKW Rhode Kellermann Wawrowsky, 2000) 20  Korridor-Fassade am ­Düsseldorfer Stadttor (Petzinka Pink und Partner, 1998) 21 Kastenfenster 22 Zweite-Haut-Fassade 23 Korridor-Fassade 24 Schacht-Kasten-Fassade

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schaligen Glasfassaden (Doppelfassaden), die in vier Kategorien unterteilt werden können. Bei allen Varianten wird ein zusätzlicher Luftzwischenraum erzeugt, der als klimatisch aktiver Puffer dient, transparent ist, Wind- und Sonnenschutz bietet sowie die natürliche Lüftung unterstützt. Strukturell stellt die Kastenfenster-Fassade die einfachste Lösung dar: Hierbei werden einzelne Fenster mit einer zweiten Glasebene auf der Außenseite geschlossen. Die Zweite-Haut-Fassade umhüllt das gesamte Gebäude mit einer zweiten Fassadenebene aus Glas, die über die gesamte Gebäudehöhe geführt wird. Alternativ kann mit einer Korridor-Fassade eine funktionale Trennung der Geschosse vorgenommen werden. Zwecks besserer Steuerung der Funktionsweisen der Pufferzone zwischen den Ebenen wurde die Schacht-Kasten-Fassade entwickelt: Sie besteht aus einer Kombination von Kastenfenstern und vertikal angeordneten Glasschächten, welche die Be- und Entlüftung mittels thermischem Auftrieb unterstützen [36, 37]. Im nächsten Schritt entstand die Komponenten-Fassade: Hierbei wurden aktive Komponenten aus der Gebäudetechnik in die Fassade integriert (Lüftung und Beleuchtung), die traditionell im Gebäude selbst untergebracht waren. Als Startpunkt dieser Entwicklung kann der Post Tower (2003) in Bonn von Helmut Jahn gesehen werden. Hier erweiterten die Klimaingenieure der Firma Transsolar die Komponenten-Fassade um haustechnische Funktionen, indem sie Klimageräte in die Deckenstirn integrierten. Der Folgeschritt ist die Konzeptstudie T-Motion des Fassadenherstellers Wicona, bei der zusätzlich zu den bereits vorhandenen Funktionen die künstliche Beleuchtung in den Scheibenzwischenraum integriert wurde. Ähnliche Konzeptlösungen finden sich bei der Smartbox von Cepezed

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standard solution



T-motion

Smartbox

open system

closed system

Capricon

individual solution

Post Tower

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25  Übersicht KomponentenFassaden und ihre Anwendungsbreite

26  Post Tower, Bonn (Helmut Jahn, Transsolar, 2003)

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27  Detaillösung der integrierten Haustechnikkomponenten in der Fassade des Post Tower, Bonn

28  T-Motion-Fassade als Prototyp (Wicona)

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29  Capricornhaus, Düsseldorf (Gatermann + Schossig, 2006) 30  Detaillösung der modularisierten Haustechnikkomponenten des Capricornhauses, Düsseldorf

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und bei der E²-Fassade des Herstellers Schüco. Erfolgreich realisiert wurde diese Integration der künstlichen Beleuchtung 2006 im Projekt Capricornhaus in Düsseldorf durch Gatermann + Schossig. Die vorangegangenen Ausführungen zeigen, dass bei der Entwicklung der Gebäudehülle die Architekten die treibende Kraft sind, die in Kooperation mit Klimaingenieuren das Wagnis der Systementwicklung bei genügend großen Projekten vornehmen. Erst in einem zweiten Schritt werden sie durch die Komponenten- und Fassadenhersteller unterstützt. Die Ansätze der Architekten ergeben individualisierte Lösungen, während die durch Unternehmen entwickelten Lösungen aufgrund der notwendigen Anwendungsbreite standardisiert und weniger veränderbar entwickelt werden. Unterschieden wird bei der Analyse bestehender Systeme zwischen der Möglichkeit systemfremde Komponenten zu integrieren und der eine Systemlösung zu standardisieren [34, 39]. Aus einer Analyse der Beschränkungen von systemgebundenen Komponentenfassaden wurde in der Zusammenarbeit von Kawneer Alcoa, TROX, Somfy, Cepezed und der TU Delft die Komponentenfassade NEXT entwickelt, die neben dem Tragsystem aus Aluminium und der Medienversorgung im System die Integration weiterer haustechnischer Komponenten ermöglicht und somit ein offenes System darstellt. In einem weiteren Projekt wurde für das Unternehmen Solarlux die Korridor-Fassade Co2 mfort-Fassade für einen Neubau des Unternehmens in Nijverdal durch das Fassadenplanungsbüro Imagine Envelope entwickelt. Sie ermöglicht eine vollständige Öffnung der Fassade, um bei gleichzeitig maximaler Transparenz im Sommer eine zu starke Überhitzung zu vermeiden. Beide Beispiele zeigen die Weiterentwicklung der bestehenden Systeme

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31

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31  NEXT-Fassade als offenes System einer KomponentenFassade

durch den offenen Ansatz in Forschung und Entwicklung sowie in der Kooperation zwischen Planern und Anwendern.

32  Vollständig zu öffnende CO2mfort-Fassade in Nijverdal (Solarlux)

Freiform-Fassaden

33  Ekris Headlights, Utrecht (Kas Oosterhuis, 2007)

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Die technologische Entwicklung in der Fassadenherstellung beeinflusst stark die Entwicklung der Konstruktion und der Planungsinstrumente, insbesondere wenn Planung und Konstruktion mit denselben Datensätzen als Grundlage arbeiten. Die Evolution der digitalen Planungsinstrumente im vergangenen Jahrhundert führt dies deutlich vor Augen: die Entwicklung der Finite-Elemente-Methode (FEM) in den 1940er-Jahren, erste CNC-Prozesse in den 1950er-, die Soft- und Hardwareentwicklung in den 1980er- und CAM (Computer-aided Manufacturing) und 3D-Modelling-Systeme in den 1990er-Jahren [39]. Vor diesem Hintergrund ist die im Folgenden beschriebene Evolution der Formfindung im Sinne der gestalterischen Geometrie – jedoch nicht im Sinne der statischen Formfindung – zu verstehen. Begonnen werden kann eine Darstellung der technischen Entwicklung anhand des Projektes Ekris Headlights (2007) in Utrecht von Kas Oosterhuis, wobei das Augenmerk auf der Wahl des Knotens liegt: Hier wurde der Freiform folgend ein aus Dreiecken bestehendes Stahlrohrsystem gewählt. Im Bereich des Knotens wird über Abstandhalter die Glasebene mittels eines separaten Profilsystems gehalten, wodurch eine Trennung von Tragwerk und Gebäudehülle entsteht. Einer ähnlichen Systematik folgt das Guggenheim-Museum (1997) in Bilbao von Frank O. Gehry, wobei sich die Systematik des Tragwerks zur Schaffung der Form

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34  Guggenheim-Museum, Bilbao (Frank O. Gehry, 1997) 35  Detaillösung am Guggen­ heim-Museum, Bilbao

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in mehrere Ebenen aufteilt: So wird auf ein Hauptsystem aus Stahl ein Nebenträgersystem aus Stahl montiert und darauf wiederum ein Trägersystem für die Hülle als Freiform. Eine Weiterentwicklung hieraus kann bei der Walt Disney Concert Hall (2003) in Los Angeles, ebenfalls von Frank O. Gehry, beobachtet werden: Hier werden neben der Haupttragstruktur aus Stahl zwei weitere Subträgerebe­ nen aus Stahl eingebracht, wobei an einer der beiden mittels justierbarer Details die Trägerstruktur für die Hülle als Freiform geschlossen wird. So kann die Form einfacher und an die örtlichen Gegebenheiten angepasst erzeugt werden­. Das Kunsthaus Graz (2003) von Peter Cook stellt in seiner Komplexität die anspruchsvollste Lösung in diesem Zyklus dar: Für das Kunsthaus wurde neben einem Hauptsystem und einer Subtragwerksebene aus Stahl eine Eindeckung mit Blechpaneelen, einer darauf aufliegenden Abdichtungsebene und einer wiederum darauf montierten Verkleidungsebene aus hinterleuchtetem Polycarbonat entwickelt. Insbesondere die Geometriefindung und der Übergang der auf Dreiecken beruhenden Geometrie des Haupttragwerkes in die Geometrie der Verkleidung, die wiederum aus Vierecken besteht, stellten Planung und Produktion vor Schnittstellenprobleme und bedingten auch die determinierenden Parameter möglicher Bauteilabmessungen. Aus den Möglichkeiten, frei geformte Architektur gestalterisch zu entwickeln, ergibt­sich im folgenden Schritt die Herausforderung, diese in baulich umsetzbare Konstruktionen zu überführen. Hierbei erweisen sich die Architekten als Treiber einer Entwicklung, die allerdings erst zur Umsetzung kommt, wenn eine aus­reichend leistungsfähige Software zur Verfügung steht sowie die entsprechend ausgeprägten Kompetenzen aufseiten der beauftragten Konstrukteure

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36  Walt Disney Concert Hall, Los Angeles (Frank O. Gehry, 2003) 37  Detaillösung an der Walt Disney Concert Hall, Los Angeles

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und ausfüh­renden Firmen. Bei allen am Bau beteiligten Parteien wächst eine Generation von 3-D-Spezialisten heran, die diese Entwicklung in die Zukunft tragen können.

Innovation? Der Begriff „Innovation“ bezeichnet im engeren Sinne, wie eingangs ausgeführt, dass eine neue Idee oder Erfindung sich als Produkt am Markt etabliert, als wirtschaftliche Umsetzung oder erfolgreiche Anwendung in Funktion [31]. Innovation im Bauwesen entsteht nie einzig durch einseitige Aktivität, sondern stellt sich immer als ein Zusammenspiel mehrerer Akteure dar:



des Architekten oder Gestalters, der auf der Suche nach dem noch nicht Dagewesenen die formalen Aspekte in eine neue Gestaltfindung übersetzt, des Konstrukteurs, der getrieben durch die Suche nach Neuem die technischen Möglichkeiten in das Bauwesen übersetzt, fehlende Lücken der Performance schließt oder entsprechende Kompromisse generiert, sowie des Systemherstellers und/oder Produzenten der Konstruktion, der getrieben durch die Forderungen aus den Projekten die letztendliche Baubarkeit erreichen muss.

Es hat sich gezeigt, dass Innovation im Bauwesen letztendlich auf das entwickelnde Individuum, dessen Motivation oder gar auf Zufälle zurückzuführen ist – nicht jedoch auf einen systematisierten Suchprozess nach Innovation, wie es in anderen Industrien zu beobachten ist. Ganze Branchen lassen sich von Beratern

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38  Kunsthaus Graz (Peter Cook, 2003)

und Experten durch Innovationsprozesse von der gezielten Suche nach Erfindungen bis zum fertigen Produkt führen. Dabei bauen sie auf Theorien wie TRIZ (Theory of Inventive Problem Solving nach Genrich S. Altschuller, 1946) oder TOC (Theory of Constraints nach Eliyahu M. Goldratt, 1986) und orientieren ihre Entwicklung dementsprechend [41]. Um innovative Prozesse im Bauwesen von einer individuellen Motivation oder zufälligen Entwicklung zu lösen, gilt es zu erkennen, welches die hier bestimmenden Parameter sind. Auf dieser Grundlage können beispielsweise bereits bekannte Lösungen aus dem einen Bereich des Bauwesens auf andere Bereiche übertragen werden. Alternativ lassen sich Technologien aus anderen Wissensbereichen systematisch auf deren Werthaltigkeit für das Bauwesen und ihre prinzipiellen Adaptionspotenziale überprüfen und gegebenenfalls übertragen. Erreichen diese Ansätze nicht das gewünschte Ziel, gilt es alternative Lösungsszenarien zu entwickeln und gegebenenfalls eine neue Technologie zu entwickeln. Die hier vorgestellte Methode der Roadmap Fassade verfolgt diesen Ansatz. Sie versucht, Entwicklungszusammenhänge zu erkennen und langfristige Entwicklungslinien herauszuarbeiten sowie Perspektiven zu generieren, um neue Verknüpfungen, fehlende Bausteine und mögliche Entwicklungsszenarien zu identifizieren. Es bleibt allerdings die Frage, welche Entwicklungen und dadurch mögliche Innovationen es zu verfolgen gilt und welche rein akademisch interessant sind, aber wirtschaftlich oder gesellschaftlich keinen Sinn ergeben: Zum einen besteht die Schwierigkeit darin, eine schlüssige Bewertung des gesellschaftlichen Sinnes vorzunehmen, da der stetige Umbruch den Fokus kontinuierlich

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39  Roadmap Fassade mit Fokus auf die Freiform-Fassade

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architecture pull demand

Architecture

Construction

Technology

offer technology push 40

40 Push-Pull-Mechanismus, adaptiert auf die Gebäudehülle (von Tillmann Klein/TU Delft)

verändert. Zum anderen sind wirtschaftliche Prozesse nur zum Teil abhängig von technischen Entwicklungen und unterliegen erheblichen, auch politisch motivierten, Veränderungen. So befinden wir uns derzeit beispielsweise in einer Phase der Konzentration auf energetische Aspekte, können aber schon den nachhaltigen Umgang mit den Wasserreserven als das nächste Thema erkennen, ohne derzeit seinen vollständigen Einfluss auf das Bauwesen einschätzen zu können. Da keine Möglichkeit absehbar ist, dieses Problem dauerhaft und allgemeingültig zu lösen, muss die beschriebene Roadmap als Instrument zur dynamischen Entwicklungssteuerung gesehen werden. Sie ermöglicht eine inhaltliche Abschätzung, unterliegt aber ebenfalls einer kontinuierlichen Veränderung, durch die Richtungswechsel und veränderte Sichtweisen in die Bewertung von Tendenzen eingebracht werden können.

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Ideen entwickeln

Gekrümmte Ebenen Christoph Schindler Jan Bieniek

Vision Die Frage nach der Herstellung von gekrümmten Formen aus ebenen Materialien hat viele Architekten, Gestalter und Ingenieure herausgefordert, insbesondere seit dem 20. Jahrhundert. Mit der Ergänzung industrieller Serienproduktion durch individuelle digitale Fertigung um die Jahrtausendwende wurde es verlockend, gekrümmte Formen sogar ohne Formlehren herzustellen.

Methode Die ZipShape-Methode basiert auf einer einfachen geometrischen Idee. Ein Formstück besteht aus zwei Platten, die so gezinkt werden, dass sie nur in der gewünschten Krümmung zusammenpassen. Die Krümmung ist durch die Unterschiede der Winkel an den Zinkenflanken definiert. Nach dem Fügen existieren weder Hohlräume noch Öffnungen im Volumen des Formstücks, was das Verfahren unterscheidet von Methoden mit regelmäßiger Schlitzung wie Glunz’ TOPAN MDF Form [42], Daniel Michaliks Cortiça-Liege [43] oder Christian Kuhns und Serge Lunins Dukta [44] als auch von Konzepten, die das Biegen von Blech in eine vorbestimmte Geometrie erlauben, wie etwa Florian Tschachers La Chaise [45] oder ROKs Flat2Form [46]. Mit seinen repetitiven, aber individuellen Details ist ZipShape prädestiniert für das sogenannte generative Modellieren. Aus jeder beliebigen Ausgangskurve kann ein parametrisches Modell die entsprechende Detaillierung ableiten. Alle Details sind parametrisch erfasst und daher jederzeit anpassbar.

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1  Ein ZipShape-Formstück besteht aus zwei Platten, die so gezinkt werden, dass sie nur in der gewünschten Krümmung zusammenpassen. Der ZipChaise besteht aus massiver stabverleimter Eiche mit einer Materialstärke von 20 Millimetern. Schreinerei Bach Heiden mit Schilliger Holz AG, Küssnacht am Rigi, Juli 2007

2 Der Ziprocker, entwickelt mit R. Aimer, K. von Felde, O. Illner, S. Rehders, T. Schütt und H. Wolf, ist ein auskragender Schaukelstuhl mit einer Gesamtmaterialstärke von 30 Millimetern, zusammengesetzt aus einer Fichten-Mittellage mit Nussbaumfurnier-Deckschichten. Die Form wurde von einem Autositz abgeleitet. Fachschule für Holztechnik Hamburg, Januar 2009

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Kern der Fertigungsstrategie für die ZipShape-Platten ist entweder eine fünfachsige Fräse (Sägeblatt für die Zinkenflanken, Flat-Nose-Schaftfräser für den Zinkengrund) oder eine dreiachsige Fräse mit Parallel Finishing rechtwinklig zur Zinkenrichtung. Obwohl die konstruktive Logik von ZipShape überzeugt, sind beide Methoden zeitintensiv. Da die Krümmung durch die Geometrie der Zinken definiert ist, kann die üblicherweise benutzte Formlehre hier durch einen Vakuumsack ersetzt werden, während der Klebstoff aushärtet. Der Vakuumsack wird so zu einer „flexiblen Formlehre“. Bei den Überlegungen zur Materialisierung fiel die Wahl auf den Werkstoff Holz. Die ausgewählten Schneiden der Fräse eigneten sich sehr gut für das leicht spannbare Material. Es gelang, einige gezinkte Platten aus MDF, Sperrholz und stabverleimtem Massivholz bis zu einem Radius zu krümmen, der dem Fünf- bis Zwanzigfachen der Materialstärke entspricht. Obwohl die engeren dieser Radien leichter brachen, sind die erreichten Ergebnisse dennoch beeindruckend, da beim Kaltbiegen von Holz üblicherweise nur ein Radius vom Fünfzigfachen der Materialstärke erreicht wird [47]. Ein besonders imposanter Prototyp wurde mit dem Ziprocker während eines Kurses an der Fachschule für Holztechnik Hamburg realisiert. Indem zwei Deckschichten aus Laubholzfurnier (Kirsche oder Nussbaum) auf eine NadelholzMittellage aus Fichte geleimt wurden, konnte durch diese zusätzliche Festigkeit ein Radius vom Fünffachen der Materialstärke erreicht und dennoch die Tragfähigkeit des Schaukelstuhls gewährleistet werden. Damit wurde das öffentliche Interesse geweckt und eine Reihe von Auszeichnungen folgte [48]. Doch bei genauerer Untersuchung war die Ausführungsqualität noch unbefriedigend: Die

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3  Recoflex ist ein Verbundwerkstoff aus Holz-, Kork- und Latexpartikeln. Er ist grundsätzlich elastisch, wird aber steif, sobald Furniere aufgeleimt werden. ETH RAPLAB, Zürich, Juli 2010

4 Die ZipLiege besteht aus einer 18 Millimeter starken RecoflexMittellage mit aufgeleimten Eschenfurnieren. Die Form wurde von Körpermaßen abgeleitet. Sie wurde fünfachsig gesägt in der Schreinerei Schnidrig in Visp und vakuumverleimt an der BFH–AHB in Biel. Designers’ Saturday 2010, Langenthal, November 2010

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Platten bogen sich nur zwischen den Zinken, was den Oberflächen ein polygonales Aussehen verlieh. Die engen Radien überbeanspruchten die Holzfasern an den Oberflächen. An den Außenseiten der Kurven tendierten die Furniere zu Haarrissen, während sie sich an den Innenseiten warfen. Zudem war für das Kaltbiegen der Platten der körperliche Einsatz von drei Personen notwendig.

Innovation Da dasselbe Konstruktionsprinzip sich je nach Material unterschiedlich verhält, wurde der universelle Status des ZipShapes aufgegeben und die als notwendig betrachteten Materialentscheidungen als Teil des Prinzips erkannt. Der zinkenförmige Querschnitt einer ZipShape-Platte wurde in zwei unterschiedliche Bereiche unterteilt – einerseits die Zinken und andererseits die dünne Schicht, die sie zusammenhält. Die Zinken sollten elastisch und dennoch druckresistent sein, um die Geometrie definieren zu können, während die verbindenden Schichten dem Zug widerstehen und gleichzeitig biegsam sein mussten. Für die Mittellage wurde daher das Produkt Recoflex verwendet: ein Verbundwerkstoff aus Holz-, Kork- und Latexpartikeln, der in großen Platten verkauft wird. Recoflex ist grundsätzlich elastisch, wird aber steif, sobald Furniere aufgeleimt werden. Der Holz-Kork-Latex-Verbundwerkstoff mit den Deckfurnieren wurde intensiv getestet, indem zwei große ZipLiegen produziert wurden. Beide Objekte haben eine ZipShape-Mittellage aus Recoflex, die beidseitig mit Eschenfurnier belegt ist.

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5  Der von der Step Four GmbH zur Verfügung gestellte CNCHeißdrahtschneider ist in der Lage, jede Regelfläche zu bearbeiten. Detmolder Schule für Architektur und Innenarchitektur in Zusammenarbeit mit der University of Florida, Mai 2011

So gelang es, den Radius auf ein Verhältnis von Materialstärke zu Radius von 1/3 zu verringern (minimaler Radius von 75 Millimetern bei einer Materialstärke von 24 Millimetern). Die Elastizität der Holz-Kork-Latex-Mittellage kann von den Nutzern der Liege deutlich wahrgenommen werden und trägt zum Komfort des Objekts bei. Es handelt sich um einen überraschenden Effekt, da die hölzernen Deckfurniere dieses Verhalten nicht vermuten lassen. Auf einer fünfachsigen Fräse wurde eine Fertigungsgeschwindigkeit von 1,1 Metern pro Stunde bei einer Materialbreite von 0,6 Metern (was 0,7 m2/h entspricht) für die ZipLiegen-Fallstudie ermittelt. Mit diesen Ergebnissen ist eine wirtschaftliche Bearbeitung kaum möglich. In einem Workshop an der Detmolder Schule für Architektur und Innenarchi­ tektur im Mai 2011 konnte ein Fertigungskonzept untersucht werden, das ohne Fräse oder andere spanende Verfahren auskommt. Für die Mittellage wurde ­extrudierter Polystyrol-Hartschaum (XPS) verwendet, in den die Zinken mit einem großen CNC-Heißdrahtschneider eingeschnitten wurden. Da der Heißdraht das gesamte ZipShape-Profil in einem Arbeitsgang ohne Werkzeugwechsel schneiden kann, wurde der Prozess auf eine Fertigungszeit von 4,4 Metern pro Stunde verkürzt – viermal schneller als die fünfachsige Fräse. Polystyrol ist schnell und einfach bearbeitbar, leicht und kostengünstig. Jedoch ist es bezüglich der Oberflächenhaptik, Festigkeit und Nachhaltigkeit nicht mit Holz oder Holzwerkstoffen vergleichbar. Der CNC-Heißdrahtschneider ist in der Lage, Regelflächen zu erzeugen. Daher ist der Heißdraht besonders interessant für verwundene Formen, bei denen die

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// Krümmung // thickness between teeth

// Winkel = 90°

// thickness of nose

// total thickness // number of points [number of teeth] 6

6  Programmiervariante 1, rasterund punktorientiert: nose definiert die Stärke der Widerhaken; total thickness beschreibt die Materialstärke des zusammen­ gesetzten Produkts; number of points definiert die Feinheit des Rasters und damit auch die Anzahl der Punkte; thickness bet­ ween teeth nimmt Einfluss auf die Breite der einzelnen Zinken

Zinkenflanken nicht eben sind und daher nicht gesägt werden können. Um die XPS-Formstücke widerstandsfähig gegen Zug zu machen, wurde wiederum beidseitig Furnier als Deckschicht eingesetzt. Zudem öffnete sich ein breites Experimentierfeld für Verbindungen, die nicht gesägt werden können. Hierbei wurde der Fokus insbesondere auf Schnappverschlüsse gelegt, bei denen die beiden Platten ohne zusätzliche Befestigungsmittel ineinander verkeilt werden können. Das daraus entstandene KlickZip-Verfahren birgt einiges Potenzial:



Der aufwendige und zeitintensive Verklebungsprozesses mit dem Vakuumsack entfällt. Der Fügeprozess kann an den Einsatzort verlagert werden, wodurch sich das Transportvolumen verringert und auch der Transportschutz sich erheblich vereinfacht. Temporäre Verbindungen sind denkbar, mit denen schnell und flexibel auf verschiedene Anforderungen, Situationen und Bedürfnisse reagiert werden kann.

Allerdings wuchsen noch einmal die Anforderungen an das Material: Es muss so fest sein, dass sich die Verbindung nicht wieder löst (noch dazu bei engen Ra­ dien, bei denen erhebliche Kräfte auftreten können), und gleichzeitig muss es biegsam sein. Über Modelle im Maßstab 1:1 konnte bisher kein konkretes Ergebnis ermittelt werden. Der Bereich für die Innenwinkel, mit dem ein Ineinandergleiten der Zinken ermöglicht wird und dennoch Rückhalt gewährleistet wird, ließ sich auf 130 bis 160 Grad eingrenzen.

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// angle teeth

// Krümmung

// thickness between teeth

// Winkel = 90°

// nose // total thickness

// angle basic line

// distance between teeth

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7  Programmiervariante 2, linienorientiert: nose definiert die Stärke der Widerhaken; total thickness beschreibt die Materialstärke des zusammengesetzten Produkts; distance between teeth und thickness between teeth nehmen Einfluss auf die Breite der einzelnen Zinken; angle ­basic line definiert den Winkel der Orientierungsrichtung; angle teeth beschreibt wiederum den Spreizwinkel zu ebendieser Richtung

Die in der ersten Projektphase anvisierten Ziele „allgemeine Fertigung von Regelflächen“, „Reduktion des Radius“ und „Versuche mit anderen Materialien als Holz und Holzwerkstoffen“ [49] wurden im Laufe das Projektes technisch gelöst. Es ist derzeit kein anderes Kaltbiegeverfahren bekannt, das ein vergleichbares Verhältnis von Radius und Materialstärke ermöglicht. Während der Arbeit auf diese Ziele hin wurden die bestehenden Ergebnisse reflektiert und die folgenden Schlüsse gezogen: Nachdem ZipShape zunächst als ein abstraktes geometrisches Modell konzipiert wurde, entwickelte sich das Bewusstsein, sowohl die Fertigungsbedingungen als auch aktiv und bewusst die Materialeigenschaften im Entwurf zu berücksichtigen – also Form, Material und Fertigungstechnik als untrennbares System zu betrachten. Nicht vorhergesehen wurde, dass die Auswirkungen von Materialund Fertigungsfaktoren sich nicht präzise vorhersagen lassen. Sobald Material und Fertigungstechnik berücksichtigt wurden, genügte das konsistente geometrische Modell nicht mehr. Gegenwärtig kann das Projekt mit vier eingeladenen Workshops und zahlreichen Vorträgen als akademischer Erfolg gewertet werden, ergänzt durch eine Reihe von Auszeichnungen. Die anschauliche Art, Material- und Informationsverarbeitung miteinander zu verknüpfen, scheint eine zeitgenössische Haltung in Architektur und Produktgestaltung zu versinnbildlichen. Die Markteinführung von ZipShape stellt sich jedoch als anspruchsvoller heraus als erwartet. Die perfekte Materialkombination ist noch nicht gefunden. Es scheint nicht die Stärke dieses Verfahrens zu sein, etablierte Techniken in beste-

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8 Heißdrahtgeschnittenes Schnappverschlusssystem Klick­ Zip von J. Bieniek, F. Nienhaus , L. A. Pinkcombe und A. Wood, Detmolder Schule für Architektur und Innenarchitektur in Zusammenarbeit mit der University of Florida, Mai 2011

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henden Anwendungsgebieten zu verdrängen. Das Potenzial von ZipShape liegt vielmehr in neuartigen Anwendungen auf Grundlage der spezifischen Eigenschaften.

9  KlickZip-Muster aus thermoplastischem Acrylnitril-ButadienStyrol (ABS) aus dem 3D-Drucker. Detmolder Schule für Architektur und Innenarchitektur in Zusammenarbeit mit der University of Florida, Mai 2011

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Neuentdeckung bekannter ­Materialien Christian Grabitz Christina Kröger

Vision Die Arbeitsgemeinschaft Blechprofilroste (ABR) ist ein Fachverband, der aus den führenden deutschen und europäischen Herstellerunternehmen besteht, welche die Gütesicherung RAL-GZ 639 erarbeitet haben. In einem gemeinsamen Projekt mit Teilnehmern des Masterstudienganges International Facade Design and Construction (IFDC) an der Detmolder Schule für Architektur und Innenarchitektur sollten neue Ideen für individuelle Anwendungen der standardisierten Industrieprodukte in der Gebäudehülle entwickelt werden. Hintergrund für die Unternehmen ist die zunehmende Bedeutung der Internationalisierung des Marktes, die die Mitarbeiter in Vertrieb, Technik und Produktion vor neue Herausforderungen stellt. Auch im Hinblick auf die Internationalität war diese Zusammenarbeit von Lehre und Praxis zukunftsweisend, da bei dem Workshop insgesamt 24 Master-Studierende aus vierzehn Nationen (unter anderem aus Spanien, Ungarn, Thailand, Bangladesch, Indien, Jordanien und Iran) zusammen­kamen. Zudem brachten die Studierenden ihre unterschiedlichen Aus- und Vorbildungen aus den Studien der Architektur, des Architectural Engineerings, der Metallbautechnik, des Bauingenieurwesens oder auch des Designs ein. Bisher werden Blechprofilroste vor allem als rutschhemmende Böden und Bodenbeläge im Industrie-, Gewerbe- und Fahrzeugbau, für Laufstege, Podeste und Treppen eingesetzt. Eher selten sind bisher Anwendungen im Büro- und Verwaltungsbau oder für Sonderbauten; nur vereinzelt werden die Produkte in der Fassade eingesetzt. Doch diese Beispiele zeigen, dass ein großes, weitgehend­ noch ungenutztes gestalterisches und konstruktives Potenzial vorhanden ist. Die Vorteile von Blechprofilrosten liegen im geringen Materialeinsatz bei hoher

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1  Danone-Laboratorien, Palaiseau, Architekt: Architecture Studio, Paris, Ausführungs­ variante: Rost SIMO SIRO/P 300 50 2 in Alu roh, SIMO Blechverarbeitung GmbH

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2  “The Human Network”, Utrecht, Architekt: Atelier Dutch Almere und Centrum Architecten, Produkt: Staco Holding B.V.

3  Anlegesteg in Bregenz, Architekt: Nägele Waibel ZT GmbH, Produkt: Lichtgitter GmbH

4  Messeparkhaus Frankfurt, Architekt: Eisenman, Produkt: Lichtgitter GmbH 5  CHU Hospital, Dijon, Architekt: Groupe 6, Paris, Produkt: SIMO Blechver­arbeitung GmbH

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6  Brainstorming und Ideation-Prozess 7  Teilnehmer des Workshops an der Detmolder Schule für Architektur und Innenarchitektur in Zusammenarbeit mit dem ABR

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8, 9  Ergänzungsbau am Militär­historischen Museum, Dresden, Architekt: Daniel Libeskind, Produkt: Graepel-STUV GmbH

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Belast­barkeit aufgrund des C-Profil-Querschnitts, der Stützweiten von bis zu neun Metern zulässt. Zudem sind die aus verzinktem Stahl oder Edelmetall hergestellten Blechprofilroste langlebige, wartungsfreie und damit nachhaltige Produkte­, die temporär oder dauerhaft auf jedem Un­tergrund befestigt werden können. Und schließlich sind Oberflächenform und Gestaltung variabel. Fassadenanwendungen sind damit für die Verschattung, für Erschließungs- und Verbindungswege, aber auch für Wandbekleidungen und -paneele denkbar – sowohl im Neubau als auch bei der Modernisierung bestehender Gebäude. Beide Seiten, Praxis und Theorie, sollten von der Zusammenarbeit im Workshop profitieren. Primäres Ziel war es, neue Ideen und Anwendungen für die weitere Produktentwicklung zu suchen und zu visualisieren. Gleichzeitig sollte die Umsetzung von innovativen Lösungen beschleunigt und Zukunftswissen bei den Unternehmen sowie den Studierenden entwickelt werden. Techniker, Vertriebsspezialisten, Planer und Studierende hatten die Aufgabe, fachübergreifende und umfassende Perspektiven und Visionen zu erarbeiten. Den Unternehmen sollte ein Einblick in unterschiedliche Märkte und Nutzergruppen ermöglicht werden, den Studierenden bot sich die Gelegenheit für einen direkten Kontakt zu den Unternehmen mit einem entsprechend erhöhten Praxisbezug.

Methode Um bestehende und zukünftige Anforderungen an die Gebäudehülle zu beschreiben, wurde das Projekt beispielhaft an die konkrete Semesteraufgabe im Masterstudiengang IFDC gekoppelt: die energetische Optimierung und Fassaden­

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10, 11  Blechprofilroste: Produktvarianten

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sanierung eines Bürogebäudes aus den 1980-Jahren. Hierbei galt es den Stand der Technik der verfügbaren Blechprofilroste zu berücksichtigen. Die Vertreter der vier ABR-Mitgliedsunternehmen Graepel-STUV GmbH, Lichtgitter GmbH, SIMO Blechverarbeitung GmbH und Staco Holding B.V. führten daher in die Herstellung, Verarbeitung und bisherige Anwendung des Produktes Blechprofilrost ein. Am Anfang stand ein Brainstorming, um Ideen zu sammeln. In einem vorgeschalteten kreativen Prozess wurden grundsätzliche Gestaltungsprinzipien, Bedürfnisse und Kriterien definiert, wobei markt- bzw. zielgruppenspezifisch Ansprüche deutlich wurden. Darüber hinaus zeigten die im Ansatz bereits bestehenden Sanierungskonzepte konkrete Bedürfnisse für die Gestaltung und die Produktentwicklung auf. Die Studierenden entwickelten in acht Arbeitsgruppen vielfältige Ideen und Anwendungsmöglichkeiten.

Ergebnisse Von den teilnehmenden Studierenden wurden unterschiedlichste Lösungen präsentiert, die in der Ausarbeitung und im Hinblick auf eine mögliche konstruktive und produktionstechnische Umsetzung konkretisiert werden mussten. Hierzu gehörten Blechprofilroste in Verbindung mit LED-Hinterleuchtung oder in Kombination mit Begrünungen, weiterhin verschiedene Varianten der feststehenden oder beweglichen Verschattung. Eine Reihe kreativer Ansätze wurde als besonders zielführend identifiziert:

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12, 13  Idee: Musterfassade aus Abschnitten; Panos Sakkas, TU Delft, Daniel Palma Ramirez und Surachat Gumngen, Hoch­schule OWL

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die Anwendung stringenter Gestaltung auf bestehende Produkte (Ornamentik) die Umdrehung bestehender Gestaltungsprinzipien (Patchwork) die neuartige Verbindung bekannter Materialien und Funktionen (LED-Beleuchtung, Glas-Metall-Verbindung, Begrünung) die Skalierung der bekannten Produktabmessungen auf einen größeren Maßstab (Entwicklung von Fassaden-„Zonen“) die Geometrie der Stanzung als Funktionsgeber (Sonnenschutz) Visualisierung einer zweiten Haut bei Nacht (Licht-Stützen) Zu den Ausgangsbegriffen „modular“ und „Rasen“ wurde beispielsweise ein Ansatz visualisiert, der sich den ungünstigen Situationen des Bestandsgebäudes durch eine Zusammenlegung unterschiedlicher Funktionen stellt. Das Ziel war die Ausbildung von geschlossenen Hofbereichen am Gebäude, um die vor- und zurückgesetzten Gebäudeteile konstruktiv mit Elementen aus Blechprofilrosten zu verbinden. Die dann kompaktere Geometrie ist energetisch sinnvoll und schafft gleichzeitig qualitätsvolle, neue Bereiche für die Nutzer. Die Studenten formulierten eine mögliche Anwendung der Blechprofilroste, die kostengünstig, einfach zu montieren und demontieren ist und durch die Integration der Bepflanz­ u ­ ngen das Mikroklima in den überarbeiteten Gebäudebereichen verbessert. Sowohl die teilnehmenden Studierenden der drei Standorte Detmold, Delft und Luzern als auch die ABR-Mitglieder profitierten von dem Workshop. Dabei hat der internationale und interdisziplinäre Ansatz einen besonderen Mehrwert generiert, denn die unterschiedlichen Herangehensweisen trugen wesentlich zu der Entwicklung kreativer Ideen bei.

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14  Kombination aus Glasund Metall-Fassade

Innovation Bereits im Workshop wurden einzelne Ideen als Handmuster und Anschauungsobjekte angefertigt, um die Visualisierungen zu überprüfen und zu verbessern. Dieser permanente Wechsel in der zwei- und dreidimensionalen Darstellung trug zur gezielten Weiterentwicklung und Überprüfung der Ideen bei. Nur auf diesem Wege kann eine neuartige visuelle, haptische oder akustische Wirkung glaubwürdig präsentiert werden, was für die Abstimmung mit den neuen Zielgruppen und Märkten unerlässlich ist. Auch die Optimierung in der Kombination aus Know-how, Technik und Design ist schrittweise zu entwickeln. Im Nachgang zum Workshop ordneten die Studenten ihre Ideen inhaltlich in Bezug auf den Innovationsgrad sowie zeitlich in Bezug auf die Umsetzung ein und bewerteten sie. Dies bildet die Grundlage für die weitere Diskussion mit den Unternehmen, die im Anschluss an ihre eigene Auswertung die konkrete Umsetzung einzelner Ansätze prüfen werden. Die Zukunft der Blechprofilroste liegt nicht nur im Bereich der Horizontalen (beispielsweise Bodenbeläge), sondern auch in der Vertikalen in Form von vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten in der Fassadengestaltung. Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Blechprofilroste haben bereits gezeigt, dass Fassaden mit ihren Produkten „gestaltet“ werden können. Die Studenten haben den Impuls zum nächsten Schritt gegeben – zur Entwicklung von Fassadenfunktionen mit Blechrostprofilen.

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15  Vorgesetzte Fassade aus Blechprofilrosten definiert Hofbereich

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16  –  18  Idee: LED-Hinter­ leuchtung; Alejandro Cabello Carretero, Hochschule OWL, Wang Yajie, TU Delft, Paul Jurisic, Hochschule Luzern

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Grenzen verschieben

Total Building Envelope Winfried Heusler Steve Lo

Vision Seit dem Jahrtausendwechsel befinden wir uns in der dritten Welle der Globa­ lisierung, die durch einen permanenten technologischen Wandel gekennzeichnet ist. Im Mittelpunkt stehen Personal Devices, das Internet sowie ein extrem schnelles und kostengünstiges Glasfasernetz. Dieser permanente technologische Wandel geht einher mit neuen Erwartungen der Nutzer und sich verändernden Anforderungen an die gebaute Umwelt. Die größte Herausforderung dieser dritten Globalisierungswelle besteht darin, eine nachhaltige Stadt- und Gebäudeplanung mit allen Aspekten der Nachhaltigkeit – ökologisch, ökonomisch, soziokulturell – über den gesamten Lebenszyklus umzusetzen:

Aus ökologischer Sicht ist eine ressourcenschonende Gestaltung notwendig.­ Aus ökonomischer Sicht sind kosteneffektive Lösungen das Ziel, die Vorleistungen und Folgekosten vollständig berücksichtigen. Aus soziokultureller Sicht sind die Gestalt und Ästhetik des Gebäudes – auch im Sinne einer kulturellen Nachhhaltigkeit – in Verbindung mit dem Raum- und Bedienkomfort der Nutzer sowie der Wohn- und Arbeitsgesundheit von zentraler Bedeutung.

Erforderlich sind energie- und materialeffiziente Konzepte und Produkte, Strukturen und Gebäude mit hocheffizienten Planungs-, Bau- und Betriebsprozessen. Derzeit steht die Kommunikation der baulichen Komponenten mit der Gebäudeautomatisierung und mit dem Nutzer im Zentrum der Entwicklungsarbeit. Die Fassade hat aufgrund ihrer identitätsstiftenden Sichtbarkeit und Wirkung und

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ktiver Absorber gertes Substrat ng ngslogik, außen

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1 6 5 4 3 2 1

1 Wärme-Schicht-Radiator / Selektiver Absorber 2 Silikon-Wetterhaut und eingelagertes Substrat 3 Elektroreflektierende Einlagerung 4 Sensor-und Kontroll-/ Steuerungslogik, außen 5 Fotoelektrisches Gitter

6 Mikro-/feinporige gasdurchströmte Schicht 7 Elektroreflektierende Einlagerung 8 Sensor- und Steuerungslogik, innen 9 Eingelagertes Silikonsubstrat, innen

6 Mikro-/feinporige gasdurchströmte Schicht 7 Elektroreflektierende Einlagerung 8 Sensor- und Steuerungslogik, innen 9 Eingelagertes Silikonsubstrat, innen 1 1 Silikon-Wetterhaut und eingelagertes Substrat 2 Sensor-und Kotroll-/ Steuerungs-Logik, außen 3 Photoelektrisches Gitter 4 Wärme-Schicht-Radiator/ Selektiver Absorber 5 Elektro-reflektierende Einlagerung

1  Schema des Schichtenaufbaus  einer polyvalenten Wand

6 Mikro-/feinporige gasdurchströmte Schicht 7 Elektro-reflektierende Einlagerung 8 Sensor und Steuerungs-Logik, innen 9 Eingelagertes Silikon-Substrat, innen

wegen ihres Einflusses auf die Energie-, Material-, Prozess- und Kosteneffizienz des Gebäudes eine besondere Bedeutung für die Umsetzung einer ganzheitlichen Gebäudegestaltung (Total Building Design).

Methode Um spezifische Lösungen für Gebäudehüllen zu verwirklichen, wird ein Planungs- und Entscheidungsprozess benötigt, der alle beteiligten Disziplinen und Branchen stärkt. Diese Prozesse können in großen Unternehmen, die an multinationalen Großprojekten arbeiten, häufig früh in den Planungsprozess integriert, standardisiert und umgesetzt werden. Besonders bei kleinen und weniger prestigeträchtigen Projekten treten allerdings im Planungsprozess Schwierigkeiten auf, die sowohl das technische Verständnis betreffen als auch die Kommunikation zwischen Vertretern der unterschiedlichen Berufsgruppen sowie deren im Konflikt stehende berufsspezifische Interessen. Bei kleinen oder mittelständischen Firmen fehlt in der Regel diese firmeninterne fachliche Kompetenz großer Planungsbüros. In diesen sind zahlreiche Entscheidungsrunden zwischen dem Architekten und dem spezialisierten Fassadenbauer üblich, hinzu kommen Beratungsrunden zwischen dem Fassadenbauer und dem Hersteller der Fassadenelemente. Die Konsensfindung wird erschwert, wenn die Rückmeldungen des Auftraggebers, des Architekten und des Fassadenbauspezialisten sowie der vielen anderen Disziplinen, die in den Planungsprozess eingebunden sind, im Widerspruch zueinander stehen. Fehlendes umfassendes Verständnis hemmt die fruchtbare Zusammenarbeit und die Synergien bei der Annäherung an einen ganzheitlichen Bauplanungsprozess. Jede einzelne Entscheidungsrunde ist ein

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Aspekte der Nachhaltigkeit von Gebäudehüllen Ökologie

Ökonomie

Soziolkulturelles

Rohstoffe/Halbzeuge

Lebenszyklus

Fertigung/Bearbeitung Bau/Montage Betrieb/Wartung Renovierung/Sanierung Abbruch/Demontage Recycling 2

2  Lebenszyklusanalyse als Schlüssel einer nachhaltigen Gebäudeplanung (Balkenlänge entspricht Relevanz)

komplexer Prozess und im Grunde ist der Planer weit vom Hersteller entfernt. Die bruchstückhafte Annäherung und die fehlende eingebundene Fachkompetenz im technischen Bereich und im Entwurf behindern in entscheidendem Maße die Entwicklung langfristiger Synergien und erschweren die Aufnahme optimaler Entwurfslösungen in spätere Planungsstufen [50]. Bereits 1981 stellte der englische Architekt Mike Davies die wandelbare polyvalente Wand als Gebäudehülle zur Diskussion, deren hauchdünne Funktionsschichten den Energiefluss zwischen außen und innen steuern und sich den wechselnden Klimaverhältnissen von selbst anpassen. Seitdem arbeiten Forscher und Entwickler an Materialien und Komponenten, die den Licht- und Wärmedurchlass, den Luftwechsel und den Schalldurchgang je nach Umgebungsbedingungen selbsttätig regulieren, um eine optimale Energie- und M ­ aterialeffizienz zu erreichen. Die Gebäudehülle erfordert die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Architekten, Ingenieuren, Beratern und spezialisierten Bauunternehmen und gehört zu den Schlüsselbereichen der ganzheitlichen Gebäudegestaltung. Nur durch diese Zusammenarbeit lassen sich die ästhetischen, ökologischen und baulichen Fragen durch die Entwicklung und Planung von nachhaltigen Gebäudehüllen für die Optimierung des Innenraumkomforts beantworten. Voraussetzung sind hier Expertenkenntnisse zur Planung, zu Baustoffen, zur Herstellung und zur Montage, die den zunehmend internationalen Planungs- und Herstellungskontext berücksichtigen. Hieraus erklärt sich auch die steigende Nachfrage nach einer stärkeren Vereinheitlichung der Planungsprozesse und Planungsrichtlinien und diesbezüglicher Forschung. Sie geht insbesondere auf kleine und mittelständische Unternehmen,

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BETEILIGTE

ENTWURFSPROZESS

Eigentümer Kunden

Industrie

Architekten, Projektleiter

Entwerfer

Konstruktion

Architekten, Ingenieure (Tragwerk & Bauphysik), spezialisierte Berater

Industrie Bauunternehmer

Ingenieure, Projektleiter

Ingenieure (Tragwerk & Mechanik)

Spezial Unternehmer Herstellung Hersteller

Industrie

Ingenieure (Mechanik, Chemie, Bauphysik)

3

3  Am Planungsprozess beteiligte Bereiche und Disziplinen des Fassadenbaus

wie Architekturbüros, beratende Ingenieurbüros und spezialisierte Fassadenbaufirmen zurück, wird aber ebenso von der Industrie getragen. Damit sich dieser ganzheitliche und allseitig unterstützte Planungsprozess für die Gebäudehülle herausbilden kann, besteht eindeutig Bedarf, den unterschiedlichen Wissens-, Ausbildungs- und Forschungsstand abzugleichen. Wissenschaft und Industrie könnten einen gemeinsamen Ausbildungs- und Forschungsrahmen anstreben. Transparente und integrierte Prozesse der technischen Kommunikation sowie ein gemeinsames Verständnis bei den beteiligten Projektpartnern in Planung und Ausführung würden außerdem neuartige und maßgeschneiderte Entwürfe ermöglichen. Die vorgeschlagene Initiative ToBE (Total Building Envelope) zwischen Wissenschaft und Industrie will mit gezielten Promotionsvorhaben Wissen und Wissensvermittlung im Bereich der Gebäudehülle stärken.

Ergebnisse Um eine Lösung für die ungleichen Herangehensweisen und Praktiken zu finden, wurden die an der Planung von Gebäudehüllen beteiligten Disziplinen in einem Kompetenznetzwerk zusammengeführt, in dem Sachverständige, Wissenschaftler und Auftraggeber ihr Fachwissen einbringen und austauschen können. Das European Facade Network (EFN) wurde 2009 in Brüssel von europäischen Universitäten gegründet, die Studiengänge im Bereich Fassadengestaltung und Fassadenbau anbieten: Universität Bath, TU Delft, Universität des Baskenlandes, Hochschule Ostwestfalen-Lippe und Hochschule Luzern. In dem Netzwerk wurden Ingenieure und Praktiker aus den Bereichen des gewerblichen Fassadenbaus integriert in die übergreifende, interdisziplinäre Leitung eines neutralen akade-

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Akteure und Bauteile bei der Fassadenplanung

Akteure:

Bauteile:

Architekt

Rahmen

Projektleiter

Füllungen

Ingenieure

Verglasung

Spezialisierte Berater

.........

.........

.........

Fortlaufende, wechselseitige Entscheidungsfindung

Architekt

Spezialisierter Unternehmer für die Fassade

Lieferant von Fassadenkomponenten

4

4  Komplexität des Ent­schei­ dungsfindungsprozesses ­zwischen den verschiedenen Akteuren im Planungsteam

mischen Umfeldes. Das Netzwerk identifiziert und diskutiert die in jeder Etappe des Planungsprozesses bestehenden Lücken, die geeigneten technischen Richtlinien und Planungswerkzeuge und erarbeitet und verwendet dabei eine gemeinsame Planungssprache. Die entstehenden Synergien ermöglichen die Entwicklung von prozessgeleiteten technischen Richtlinien und Planungswerkzeugen, die für die Entstehung eines nachhaltigen Fassadenbaus notwendig sind. Ziel des Netzwerks ist es, die Wissens- und Kommunikationslücken zwischen Architekten und Planern, Ingenieuren und Baufachleuten sowie der Fassadenbauindustrie zu überbrücken, indem­das Ausbildungssystem mit Master- und Promotionsstudiengängen weiter­ gestärkt wird. Die entstehende Wissensbibliothek wird das erforderliche Vertrauen und die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Fachleuten mit unter­ schiedlichem Hintergrund herstellen, die einen entwurfsorientierten Dialog mit weniger Mehrdeutigkeiten und Verwirrung in einer gemeinsamen Planungssprache ermöglichen wird. Nur so kann sich eine geeignete und optimale Gebäudehülle als integraler Bestandteil einer ganzheitlichen Gebäudeplanung entwickeln.

Effizienz- oder Suffizienzstrategie Die in die Diskussion eingebrachten Lösungsansätze für ein ganzheitliches Gebäudedesign lassen sich entweder der Effizienz- oder der Suffizienzstrategie zuordnen [51]. Effizienz setzt bei der Planung, dem Bau und dem Betrieb des Gebäudes an, um die Verschwendung von Energie, Material, Geld und Zeit zu minimieren – ein Ansatz des Product Centered Design. Suffizienz hingegen setzt beim Verhalten des Einzelnen an, wodurch der Verbrauch an Ressourcen auf ein

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Architekt Auswahl von gefärbtem Glas für einen verbesserten g-Wert INPUT: Bauvorschriften, überschlägige Bewertungen, Erfahrungen Ablehnung wegen verminderter Flachheit, Auswahl von beschichtetem Glas INPUT: Ästhetische Überlegungen innerhalb der Gruppe der Entwerfer Ablehnung wegen verminderter Beständigkeit der Farben INPUT: Ästhetische Überlegungen des Kunden SUBOPTIMALE LÖSUNG Einigung auf partielle Verschattung und geringere Abtönung der Gläser

Empfiehlt Verschattungselemente INPUT: Entwurfsvorschläge, ‚Best practice‘ Beispiele, Erfahrung Beratung hinsichtlich der Durchstrahlung von beschichtetem Glas INPUT: Optische Eigenschaften des Materials Beratung zu gehärtetem Glas, um Spannungsbrüche zu vermeiden INPUT: Thermisch-physikalische Eigenschaften des Materials Fassadenbauer

Lieferant von Fassadenbauteilen 5

5  Beratungsrunden zwischen Architekt, Fassadenbauer und Hersteller der Fassaden­ elemente

zukunftsverträgliches Maß reduziert werden soll – ein Ansatz des Human Centered Design. Die oben genannten Ansätze können in folgenden Bereichen Beiträge leisten: Energieeffizienz durch Optimieren des Benutzerkomforts, des Sonnenschutzes und Tageslichteinfalls, hinzugefügte Pufferzonen sowie Veränderung der thermischen und physischen Gebäudegrenzen, angepasste Gebäudeautomatisierung, Integration und Optimierung von Technolo­gien für erneuerbare Energien Material- und Prozesseffizienz durch Minimierung der beim Bau verwendeten Materialien sowie erhöhte Haltbarkeit und Wiederverwertbarkeit der Bauteile, Nutzung von Wartungs- und Modernisierungsfehlern als Quellenarchiv und eine flexiblere Fertigung, die sich besser an den spezifischen Bedarf anpasst Suffizienz durch sparsamere Verwendung natürlicher Ressourcen, Waren und Materialien im Zuge einer Änderung des Lebensstils der Verbraucher und der Funktionsweise der Gesellschaft, Sensibilisierung der Nutzer und eine intuitivere energieeffiziente Gebäudesteuerung Die oben genannten technischen und prozessualen Themenbereiche werden in dem geplanten Promotionsprogramm ToBE (Total Building Envelope) des European Facade Networks behandelt: Entwurf und Prozess: neue und bestehende, dauerhaft CO2-arme Gebäude­ hüllen­ Planungsstrategien für CO2-arme integrierte Systeme in neuen Gebäudehüllen

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Wissensfundus ‚Facade Engineering‘ als Kapital U-Werte Statik Glaseigenschaften und Bemessung Akustische Eigenschaften und Berechnungen

Dauerhaftigkeit Auswahl der Dichtmittel Wartung Nachhaltigkeit Gebundenes CO�

Datenbank: ∙ thermische/physikalische/optische Materialeigenschaften ∙ Archiv mit Standards & ‚best practice‘ Beispielen ∙ Gestaltungsrichtlinien ∙ Vereinfachte Entwurfswerkzeuge ∙ Detaillierte Entwurfswerkzeuge ∙ Werkzeuge für Finite-Elemente-Berechnung ∙ ...

Architekt

Qualitativer Austausch von Informationen

Fassadenspezialist Fassadenbauer Effektivste und optimierte Anwendung von Fassadenkomponenten

Lieferant von Fassadenkomponenten

6

6  Schnittstelle zwischen dem Portal mit der Wissensdatenbank für den Fassadenbau und dem Architekten



Planungsstrategien für die CO2-arme Sanierung bestehender Gebäudehüllen Schnittstellen bei der Planung und Sanierung von Gebäudehüllen

Tragwerke: Erhöhung der Tragfestigkeit von Gebäudehüllen Lastaufnehmende Bauteile aus Verbundglas Lastaufnehmende, CO2-arme Fassadenelemente Baustoffe: Systemgestützte Bewertung der lebenslangen CO2-Bilanz von Gebäudehüllen Planung für eine erreichbare wirtschaftliche, lebenslange Haltbarkeit Handbuch der Bauschäden an Schnittstellen Unversehrtheit: Gebäudehüllen aus mehreren modernen Materialien Erreichbare wirtschaftliche, lebenslange Haltbarkeit Bauphysik: CO2-neutrale Gebäudehüllen mit optimierter oder integrierter Gebäudetechnik CO2-arme Gebäudehüllen für minimale Gebäudetechnik Intelligente und anpassungsfähige ganzheitliche Gebäudehüllen

Innovation Innovative Gebäudehüllen minimieren – über ihren gesamten Lebenszyklus betrachtet – die Verschwendung von Energie, Material, Geld und Zeit. Erforderlich

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8

7

9

7  Ziel: Entkoppelung von Komfort­und Energieverbrauch 8  Atrium als Pufferzone, Shanghai Tobacco Building, Schanghai, China 9  Aktuelle Fassaden mit verschie­denen Formen der Energie­optimierung durch temporäre­ Wärmedämmung aus verschiebbaren Vakuum­ paneelen, die flexibel auf die mikro- und makro­ klimatischen Veränderungen reagieren; rechts: Foto­voltaik als Gestaltungselement (Schüco-E²-Fassade)

sind hierfür nicht nur energie- und materialeffiziente Konzepte und Produkte, sondern auch hocheffiziente Planungs-, Bau- und vor allem Betriebsprozesse. Mit der Erweiterung der Systemgrenzen steigt die Nachhaltigkeit des Lösungsansatzes. Wirklich innovative Lösungen (für den Neubau und den Gebäudebestand) betrachten nicht nur die Gebäudehülle, sondern das Gebäude mit allen seinen Komponenten sowie seine engere und weitere Umgebung, bis hin zum Personen- und Güterverkehr. Sie vernetzen innerhalb großräumiger Pufferzonen („Inseln“) mit standortgerechten Klimahüllen die einzelnen Gebäude untereinander sowie mit einer regenerativen Energieversorgung. Sie verknüpfen aber auch Gebäude und Elektrofahrzeuge in einem regionalen Verbund. Ziel ist die Maximierung des Zeitraumes, während dessen innerhalb der „Insel“ – ohne Ressourcenzufuhr „von außen“ – nicht nur behagliche und den wechselnden Anforderungen gerecht werdende Wohn- und Arbeitsbedingungen herrschen, sondern auch die individuelle Mobilität sichergestellt ist. Dieser Lösungsansatz folgt der Effizienzstrategie und setzt auf die optimale Umwandlung und Nutzung der begrenzten natürlichen Ressourcen. Je besser dies gelingt, desto ökologischer und ökonomischer ist das Konzept. Um diesen komplexen Anforderungen für Gebäude und Gebäudehüllen gerecht zu werden, müssen Architekten, Planer, Ingenieure und Baufirmen vorbereitet sein. Architekten, die über mehr interdisziplinäres Wissen verfügen, sind auch in der Lage, fassadentechnische Lösungen vorzuschlagen, die ihre Planungsansprüche deutlicher wiedergeben, weniger komplexe Entscheidungsfindungsprozesse erforderlich machen und einen entscheidenden Beitrag zur Nachhaltigkeit über den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes leisten.

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PV Modul PV-Modul

Automation

Lüftung

Kühlung

LED

IT

E.-Mobilität

Steuerung

Steuerung

Speicher

Speicher

10

10  Vernetzung Energie er­ zeugender­ und Energie ver­ brauchender Komponenten (Schüco-Energy³-Prinzip)

Möglicherweise sind wir am Ende der dritten Globalisierungswelle reif für die weltweite, nachhaltige Vernetzung weitgehend ressourcenautarker „Inseln“, wesentlich beeinflusst durch die Qualität und Leistungsfähigkeit der Gebäudehülle. Innovative, klimagerechte Gebäudehüllen oder über ein einzelnes Gebäude hinaus gehende Klimahüllen wirken gleichzeitig als semipermeable Membran und Sammelflächen für die Versorgung mit regenerativer Energie. Damit sind sie auch integraler Bestandteil einer nachhaltigen Regionalplanung. In einigen Ländern könnte es vorteilhaft sein, das Klimakonzept mit einem Sicherheitskonzept (mit Absperrungen, Kameraüberwachung und Sicherheitspersonal) zu kombinieren. Zu den kommunalen Aufgaben zählen dann – neben der zuverlässigen Bereitstellung einer nachhaltigen Infrastruktur – vielleicht auch der Bau und Betrieb der Klimahüllen einschließlich deren Unterhalt und damit die nachhaltige Sicherstellung eines gemäßigten und sicheren „Inselklimas“. Dann kann der Einzelne in seiner unmittelbaren Umgebung energieeffizient und komfortabel sein individuelles Raumklima erzeugen.

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Ingenieure bauen Kunst Thomas Henriksen

“I have created a space that can almost be said to erase the boundary between inside and outside – a place where you become a little uncertain as to ­whether you have stepped into a work of art or into part of the museum.” Olafur Eliasson

Vision Your Rainbow Panorama ist ein Kunstwerk von Olafur Eliasson, das auf dem Dach des ARoS-Kunstmuseums in Aarhus, Dänemark errichtet wurde. 2006 gewann das Studio Olafur Eliasson (SOE) mit diesem Projekt den ausgeschriebenen Designwettbewerb. Zwischen 2007 und 2011 wurde das Projekt verwirklicht. In der Vorplanungsphase arbeitete SOE mit ArtEngineering zusammen, die den Entwurf der Glaskomponenten im Tragwerk für die Bauabnahme unterstützen sollten. Die Konstruktion wurde von Rohlfing Stahlbau errichtet. Das Kunstwerk tritt in den Dialog mit der bestehenden Architektur, verwischt die Grenzen zwischen Kunst und Architektur, innen und außen. Der sich durch farbige Reflexionen und die Bewegung des Betrachters ständig verändernde Blick auf die Stadt ermutigt den Betrachter, übliche Grenzen infrage zu stellen. Die Installation Your Rainbow Panorama besteht aus einem inneren und einem äußeren Glasring und hat einen Durchmesser von 52 Metern, er ist in einer Höhe von vier Metern über dem Dach des Museums aufgeständert, und jeder der beiden Ringe besteht aus 58 verschiedenfarbigen Glasfeldern. Da jedes Glasfeld des kreisförmigen skywalks einen anderen transparenten Farbton hat, entsteht der gewünschte Regenbogeneffekt. Dabei wird der Blick von keinerlei Konstrukti-

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1

1  Panorama, Innenansicht © Thilo Frank / Studio Olafur Eliasson

onselementen getrübt, denn Glas ist das primäre konstruktive Element, das das Dach trägt und als Aussteifung des Kastenträgers dient. Größte Herausforderung für die Umsetzung des künstlerischen Entwurfs war der konsequente konstruktive Einsatz des farbigen Glases als wesentliches Element für die Wirkung der Installation.

Methode Glas und Stahl Alle Planungsschritte wurden daher an den Anforderungen des Entwurfs und der beabsichtigten Wirkung überprüft. So erhält das Glas seine Farbe durch eine Saflex-Zwischenschicht mit Vanceva Color System, wobei zur Erzielung des richtigen Farbtons pro Scheibe bis zu vier verschiedene Farbschichten verwendet werden. Zentrale Aufgabe war jedoch die Entwicklung eines geeigneten Konstruktionskonzepts, insbesondere die Interaktion der Stahlstruktur mit den Glasfeldern, wurden mit verschiedenen Finite-Elemente-Modellen (FE) untersucht und überprüft. Personensicherheit, Feuerbeständigkeit, Tragfähigkeit und die Möglichkeiten des Glasherstellers waren die Parameter, die die Dimensionierung der Glasfelder bestimmten. Das begehbare Panorama besteht aus fünf zentralen Konstruktionselementen. Dies sind:

das Dach des Panoramas die konstruktiven, gekrümmten Glaswände

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2

2  Panorama, Innenansicht © Thilo Frank / Studio Olafur Eliasson



Kastenträger aus Stahl 14 Stützen, die das Panorama vier Meter über das Dach anheben (max. Abstand 20 Meter) das Trägersystem zur Lastverteilung, das die Lasten von den Säulen des Panoramas auf das ARoS-Gebäude überträgt

Ursprünglich war geplant, das Glas vom unteren Kastenträger zu entkoppeln. Für die Schnittstelle zwischen Glas und Stahl wurde aufgrund der reduzierten Konstruktionselemente jedoch keine Lösung gefunden, die das Glas vollständig entkoppeln konnte. Daher besteht eine Interaktion zwischen Glas und Kastenträger, die das Konstruktionssystem zusätzlich versteift. Aufgrund der großen Abstände zwischen den vierzehn Stützen des Kastenträgers ergaben sich weitere Anforderungen an das Glas. Die Windlast war der bestimmende Faktor bei der Berechnung der Dimensionen des Glases. Die auf die untere Hälfte des Glases wirkende Kraft wird direkt auf den Kastenträger übertragen, die der oberen Hälfte auf die Dachplatte des Panoramas. Die Glasfelder verhalten sich wie Einfeldträgerelemente mit einem leichten Membraneffekt. Die Dachplatte wirkt wie ein Bogen und überträgt die lokalisierten Windlasten auf die Seiten des Panoramas und über einen relativ kleinen Schub und normale Kräfte durch das Glas nach unten an den Kastenträger. Das Planungskonzept wurde von der ausführenden Firma überprüft. Wie bereits erwähnt, wurden die Auflagebedingungen des Glases während der Ausführungsplanung geändert. Das neue Konstruktionskonzept wurde mit einem FEProgramm (Finite Elemente) überprüft. Für die Bauabnahme waren jedoch weitere Anforderungen an die konstruktive Verwendung des Glases zu stellen: Es

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4

3  Panorama, Außenansicht © Thilo Frank / Studio Olafur Eliasson

musste neben den Schnee- und Windlasten gleichzeitig einer Stoßbelastung standhalten. Die Gesamtdurchbiegung wird in Abbildung 8 gezeigt.

4  Panorama, Außenansicht © Thilo Frank / Studio Olafur Eliasson

Auswahl des Glases Konstruktives Glas wird seit Kurzem in zahlreichen Gebäuden für die Übertragung von Lasten in Dachkonstruktionen eingesetzt, zum Beispiel am Eingang zur Krypta von St. Martin in the Fields in London (Architekt: Eric Parry, Ingenieurbüro: Arup). Das Glas muss in der Lage sein, vertikale Lasten und Biegemomente zu übertragen, um die Stabilität das Glases und des Daches zu gewährleisten. Damit konstruktives Glas als primäres lastaufnehmendes Material zugelassen wird, müssen zusätzliche Anforderungen erfüllt werden:



Es muss sich um Sicherheitsglas handeln, das der Klasse 2B2 der Norm EN12600 entspricht [52]. Das Glas muss die Anforderung an Material der Klasse A1 erfüllen. Die tragenden Elemente des Panoramas müssen für mindestens sechzig Minuten einem Feuer widerstehen (R60) und das Panorama gegen eindringenden Rauch versiegeln. Das Glas muss ausreichend Festigkeit und Steifheit für den Lastenausgleich aufweisen.

Das neue Panorama hat einen Außendurchmesser von 26 Metern, sodass es die Gebäudekante (Grundriss 52   52 Meter) an vier Stellen erreicht. Da zwischen dem Panorama und dem Dach des Gebäudes ein Abstand von vier Metern besteht, musste Verbundsicherheitsglas verwendet werden, um die Kriterien der

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5  FE-Modell der Panorama­ struktur mit Trägersystem der Lastverteilung © ArtEngineering 6 Panoramaabschnitt © Thilo Frank / Studio Olafur Eliasson

6

örtlichen­Bauvorschriften für Sicherheitsglas zu erfüllen [53]. Das Glas entspricht der Klasse A1 und ist feuerfest. Jedoch wird die Feuerwiderstandsklasse R60 (hochfeuerhemmend) nur erreicht, wenn das Glas eine Brandschutzschicht enthält, damit es seine strukturelle Integrität bei direktem Flammenkontakt aufrechterhält. Das erschwerte jedoch die Verwendung einer farbigen Zwischenschicht im Glas und kam damit als Lösung für das Studio von Olafur Eliasson nicht infrage. Stattdessen wurde eine Lösung von der Untersuchung der Wahrscheinlichkeit eines Brands mit offenen Flammen im Panorama abgeleitet. Es wurde aufgezeigt, dass nach dem Hinzufügen einer Sprinkleranlage auch bei der Verwendung von entflammbarem Material auf dem Dach ein eventuelles Feuer kein solches Ausmaß erreicht, dass offene Flammen das Glas erreichen. Wenn Rauch das Glas erreichen würde, hätte er eine Temperatur von über 350 Grad. Daher muss das Glas hitzebehandelt, vorgespannt oder teilvorgespannt werden. Vorherige Tests haben gezeigt, dass 2 x 12 Millimeter dickes, teilvorgespanntes Glas Rauch bis 450 Grad standhält, bevor der Verbund zerstört wird. Ein Verbundglas aus zwei vorgespannten Scheiben könnte nach einem Bruch seine kombinierte strukturelle Integrität verlieren. Daher würden zwei teilvorgespannte Glasscheiben oder eine Kombination aus teilvorgespanntem und vorgespanntem Glas die besten Ergebnisse bei Feuer erzielen. Die bautechnischen Anforderungen an das Glas wurden aus den in der Norm vorgegebenen Lasten abgeleitet [54]. Für die Dimensionierung der Glasfelder wurde von folgenden Lasten ausgegangen (vertikale Lasten wurden nicht berücksichtigt): Windlast: 1,59 kN/m2 (Druck) und 1,15 kN/m2 (Sog) rechtwinklig zur Glasfläche. Die maximalen Spannungen im Glas wurden mit einem FE-Modell als

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7  Computermodell des Panoramas © ArtEngineering

Teil des Strukturmodells berechnet. Die zulässigen Sollspannungen für das Glas wurden entsprechend dem Normentwurf prEN14373-3 festgelegt [55]. Die gekrümmten Glasfelder sind 3,20 Meter hoch und 2,80 Meter breit und bestehen aus zwei zu einem Verbund laminierten, 12 Millimeter dicken vorgespann­ ten Scheiben. Für die Wahl der Zusammensetzung des Glases sind weitere Parameter zu berücksichtigen: die Verwendung farbiger Zwischenschichten, die Haltbarkeit nach einem Bruch und die Produktionsmöglichkeiten. Die farbige Zwischenschicht im Glas könnte Wärme speichern. Da der obere und der untere Rand des Glasfelds in einem Rahmen verborgen sind, besteht die Gefahr eines thermischen Bruchs des Glases, wenn vergütetes Glas verwendet wird. Wenn vergütetes Glas den Anforderungen nicht entspricht, muss das Glas hitzebehandelt werden. Erfahrungen mit anderen Glasstrukturen zeigen, dass Glas aus zwei vorgespannten Schichten unter seinem Eigengewicht zusammenbrechen kann, wenn beide Schichten zerbrochen werden. Daher ist die Verwendung von Glassorten mit unterschiedlichen Bruchmustern vorzuziehen [56]. Wenn beide Schichten brechen, halten die unterschiedlichen Bruchmuster das Glas so zusammen, dass es noch ausreichend als Barriere gegen Stöße wirkt. Wenn Verbundglas aus zwei vorgespannten Glasscheiben mit einer Silikonschicht­ zusammengehalten wird, kann heißer Rauch die Steifheit des Silikons beeinträchtigen und zu einem Zusammenbrechen des Glases führen. Für diesen Fall empfiehlt sich als Zusammensetzung des Glases eine Kombination aus teilvorgespanntem und vorgespanntem Glas. Das teilvorgespannte Glas sollte auf der Innenseite des Panoramas platziert werden, damit die Scheibe bei geringfügigen

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8a

8a, b  Spannung in gekrümmtem Glas © ArtEngineering

8b

Stößen nicht zerbricht. Die beste Lösung wäre es, eine 12 Millimeter starke teilvor­gespannte und eine 12 Millimeter starke vorgespannte Scheibe mit einer farbigen PVB-Zwischenschicht zu einem Verbund zu laminieren. Aufgrund der geometrischen Unterschiede der Produktion von gekrümmtem vorgespanntem und teilvorgespanntem Glas war dies jedoch nicht möglich und es wurde stattdessen 2 x 12 Millimeter starkes vorgespanntes Glas (von Sunglass) hergestellt. Für den Fall, dass beide Scheiben brechen würden, wird das Glas durch eine intermediäre Stützstruktur ersetzt, da die Dachplatten das zerbrochene Glas halten können, bis die temporäre Stütze angebracht wurde. Die optische Qualität des Glases ist ebenfalls von besonderer Wichtigkeit, da es Teil eines Kunstwerks ist, das einen Panoramablick ermöglicht. Da gekrümmtes Glas häufig eine schlechte optische Qualität aufweist, wurde vorgegeben, dass der Glaslieferant zum Biegen des Glases nur einen Oszillationsofen verwenden darf. Abschließend wird das gekrümmte Glas entsprechend der Technischen Mitteilung TN66 und TN67 des Centre for Window and Cladding Technology (CWCT) [57] getestet, um eine zufriedenstellende Leistung sicherzustellen. Vier Muster wurden Aufprallversuchen mit einem weichen und einem harten Körper sowie einem Windlasttest unterzogen, wobei Sandsäcke als vorgegebene Last verwendet wurden. Es wurden ebenfalls mehrere Windlasttests durchgeführt: bei intakten Glasscheiben, bei einer zerbrochenen Scheibe, bei beiden zerbrochenen Scheiben.

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9  Panorama, Rundblick © Thilo Frank / Studio Olafur Eliasson

Innovation Your Rainbow Panorama ist die erste für die Öffentlichkeit zugängliche Glas­ skulptur dieser Art in Dänemark. Die Verwendung von konstruktivem Glas wurde von der Stadtverwaltung von Aarhus genehmigt und das Panorama wurde im Mai 2011 eröffnet. Größte Herausforderung bei der Umsetzung war die Überlagerung der zahlreichen extremen Anforderungen aus künstlerischer, konstruk­ tiver wie aus baurechtlicher Sicht. Der Auflösung dieser teilweise widersprüch­ lichen Anforderungen in einem iterativen Planungs- und Optimierungsprozess hat zu einer überzeugenden Lösung der Interaktion von Kunst und Konstruktion geführt [58].

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Netzwerke erweitern

Open Innovation Eckard Foltin Lorenz Kramer Holger Strauß

Vision Innovation gelingt nur, wenn man schon heute auf die Bedürfnisse von morgen blickt. Open Innovation ist ein Lösungsansatz, den Unternehmen in Zusammenarbeit mit Experten von außerhalb des Unternehmens verfolgen, um Entwicklungsprozesse praxisnah und kundenorientiert zu gestalten und den dynamischen Veränderungen der Rahmenbedingungen gerecht zu werden. Die frühe Einbindung von Partnern der Wertschöpfungskette ermöglicht dabei eine schnellere Umsetzung von Entwicklungszielen [59]. Bayer MaterialScience AG (BMS) hat seit Jahren aktiv den Aufbau eines Netzwerkes zur Open Innovation begleitet, das unter dem Namen future_bizz Anwendungskonzepte für das Leben, Wohnen und Arbeiten entwickelt. Im Netzwerk treffen Branchenexperten auf Forscher und Akademiker, um den neuesten Stand der Forschung mit dem aktuellen Stand der Technik zu verbinden. Die Hochschule Ostwestfalen-Lippe (HS OWL) ist mit ihren Fachrichtungen Architektur, Innenarchitektur und Design seit Jahren mit ihrer wissenschaftlichen Expertise Partner in dem Zukunftsnetzwerk.

Methode Im Netzwerk werden Projekte initiiert, um ein Fokusthema in einem definierten Zeitrahmen zu bearbeiten, indem zum Beispiel eine Nachfrage des Marktes als Vision formuliert wird. Ausgehend von einer allgemeineren Aufgabenstellung, werden konkrete Projektziele und die notwendigen Projektteilnehmer definiert.

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1

1  Team Open Innovation

Der Projektplan und die Zielerwartung werden in einem gemeinsamen Briefing im Beisein aller Projektteilnehmer mit vorhandenen Hintergrundinformationen erläutert und diskutiert. Das weitere Vorgehen wird dann in einem Terminplan festgehalten. Das Projekt Click & GO wurde als bilaterales Projekt zwischen BMS und der HS OWL mit den Studierenden des Masterstudiengangs International Facade Design and Construction (IFDC) durchgeführt. Die Studierenden sollten als interkulturelles technisches Expertenteam die Thematik mit unterschiedlichen Perspektiven und Kompetenzschwerpunkten im Bereich Gebäudehülle bearbeiten. Diese Diversität der Masterstudierenden sollte gerade im Bereich der Gebäudedämmung zu neuen Ansätzen führen, da sich die Teilnehmer dem Thema auch mit sehr unterschiedlichen baukulturellen und gestalterischen Prägungen und Erfahrungen annäherten. Die konkrete Kooperation zwischen Wirtschaft und Lehre bot sich an, um den kreativen Prozess zur gezielten Produktfindung sowohl mit dem neusten Fachwissen als auch marktrelevant zu führen. Diese Verbindung von „realistischen Zahlen und Anforderungen“ und der „kreativen Freiheit der Lehre und der Studierenden“ führte im beschriebenen Projekt zum gemeinsamen Entwickeln, Verdichten und Lernen. Die Marktbedingungen und die Prinzipien der Marktlogik wurden von einem erfahrenen und unabhängigen externen Coach mit langjähriger Marketingerfahrung, Gerd Daffertshofer, vermittelt.

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2 Brainstorming 3 Konzeptfindung

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Die Projektführung lag bei dem Creative Center von BMS, alle Fachinformationen wurden über die Material-, Technologie- und Anwendungsexperten aus den Geschäftsbereichen vermittelt. Im Mittelpunkt standen hier die PolyurethanSchäume, die im Sortiment der wärmedämmenden Materialien die besten Werte­ erzielen. Im Projekt Click & GO wurde der Market-Pull-Ansatz im Open-Innovation-Prozess angewendet und in Stufen entwickelt, um eine erste Idee tatsächlich zu einer möglichen Innovation und damit einem Zukunftsprodukt auszubauen. Die Vorgehensweise und Entwicklungskriterien werden im Folgenden beispielhaft beschrieben.

Briefing Als Grundlage für die Entwicklung eigenständiger neuer Ideen wurden zunächst verfügbare Materialien, Technologien, mögliche Märkte und bestehende Anwendungen für die PU-Werkstoffe vorgestellt. Der Arbeitstitel „Click & GO“ zielt zum einen auf die einfache Handhabung der neuen Anwendungen ab. Zum anderen besteht die Intention, dass Dämmung in Zukunft vielleicht nicht mehr rein statisch angewendet wird, sondern sich vielmehr dynamisch an die tages- und jahreszeitlichen klimatischen Veränderungen anpassen sollte.

Stoffsammlung Im Laufe der gemeinsamen Orientierung wurde über eine Marktstudie zu den verfügbaren, verwendeten und neuen Dämmstoffen die Marktsituation bestimmt­.

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zip + klett

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4  Zip-Klett von Barbara Hyska

Im Speziellen wurden die internationalen Märkte und weltweit verfügbaren Produkte für die Gebäudedämmung analysiert, sodass stets eine Spiegelung der Marktrelevanz für die entstehenden Konzepte möglich war. Dies ist notwendig, um in einer Vielzahl von Ideen die marktrelevanten Faktoren erkennen zu können. Nur Ansätze, die anschließend auf dem Markt nachgefragt werden, können sich zur Innovation weiterentwickeln.

Ideengenerierung Auf der technischen Grundlage der heutigen PU-Dämmstoff-Produkte wurden mit den Teilnehmern in einem Kreativworkshop erste Ideenskizzen entwickelt und formuliert [60]. Die Mischung aus technischem und marktwirtschaftlichem Hintergrundwissen in Verbindung mit der freien Sichtweise der Studierenden auf die gewünschte Leistung eines zukünftigen Wärmedämmsystems führte in der Teamdiskussion zur Generierung von ganzheitlichen zukunftsweisenden Konzepten.

Marktbedürfnis überprüfen und Dream Concept als Lösungs­ansatz skizzieren Aus der Produktrecherche lässt sich festhalten, dass der Markt für Dämmmaterialien in dieser Dekade bis 2020 deutlich wachsen wird. Ein großer Marktanteil fällt dabei auf den Bereich der Heimanwender, die in Eigenleistung den Energieverbrauch durch neue Dämmstoffe zu senken versuchen. Um die Produkte für diese Kunden attraktiv zu machen, müssen sie variabel und einfach zu handhaben­ sein (siehe zum Beispiel Click-and-Go-Prinzip bei Fußböden oder Wandverklei-

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5  PU-Sound-Isolierung von ­Hemant Yadav

dungen). Hierzu ist die Idee einer Verbindung von bereits bekannten Produkten (Klettverschluss) und variablen Dämmstoffplatten entstanden. Dieses Dream Concept bietet die Möglichkeit der modularen Fassadendämmung, die sich an das verfügbare Kapital und bauliche Veränderungen anpassen lässt. Eine intuitive Nutzung ist zu erwarten, ein späteres Upgrade ist möglich.

Wertschöpfung und Alleinstellungsmerkmale In der Bearbeitung zeigte sich, dass ein zukünftiger Markt zwei Ansatzpunkte bieten könnte: geringere Kosten für den Anwender oder verbesserte Eigenschaften des Produktes. Letzterer Punkt wurde im Kreativprozess schwerpunktmäßig bearbeitet, da die konkreten Kosten erst in einem späteren Stadium genauer ermittelt werden können. Als Ergebnis wurde ein neues Lösungsprinzip bei Anwendung der Oberflächenexpansion und der schalldämmenden Eigenschaften des Materials PU entwickelt: eine aktive Wandbeschichtung, die nach dem Aufbringen die Schalldämmung verbessert und so einfach wie eine konventionelle Wandfarbe anzuwenden ist.

Kundennutzen erkennen, nachhaltige Systemlösung durch ­Prozessoptimierung In der Verbindung verschiedener Disziplinen, in diesem Fall Bauingenieurwesen und Architektur, wurde die Nachfrage nach einfach zu errichtenden Strukturen in einer weiteren Idee zur Tragwerksplanung aufgenommen: Für den Transport gut zu verkleinernde PU-Bahnen werden mit einer internen, selbst aufschäumen­ den Tragstruktur ausgerüstet. In der späteren Anwendung am Gebäude bringt

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6  Pneumatische PU-Strukturen von Surachat Gumngen

die Verbindung von Leichtbau-Tragwerk und pneumatischer Struktur eine hybride Lösung für Überdachungen.

Geschäftsmöglichkeit darstellen Ein innovatives Konzept benötigt auch eine Strategie, die es in ein Geschäftsmodell umsetzt. Hierzu wird beschrieben, in welchen Schritten sich der Markt entwickeln und die Umsetzungschance in der Wertschöpfungskette analysieren lässt. Zu Beginn des Projektes wurde bereits eine Marktsegmentierung vorgenommen und die Potenziale der unterschiedlichen Dämmmaterialien wurden bewertet. Die im Prozess entstandenen Systemlösungen mit Polyurethan zeigen das Entwicklungspotenzial für diese Märkte. Zum Beispiel zielen sie auf mögliche Innovationen bei der Formgebung, Dämmung bei geringer Wanddicke, Montageerleichterungen und alternative Vertriebswege ab.

Innovation Um in einem innovativen Prozess neue Produkte im Markt zu platzieren, die außerhalb des laufenden Geschäfts zusätzliches Wachstum generieren können, ist Kooperation und Teamarbeit ein wichtiger Bestandteil bei der Entwicklung neuer Lösungen. „Eigenbrötler“ und Insellösungen können diese Leistung nicht (mehr) erbringen. Der Ansatz der Open Innovation zeigt einen Weg auf, um durch interdisziplinären Austausch Entwicklungsprozesse zu beschleunigen und aus Ideen neue Geschäftsmöglichkeiten abzuleiten.

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7  Geräusch reduzierender Bodenbelag­von Hemant Yadav

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Verbindungen und Schichtungen Christoph Kirch Thomas Böhm

Idee und Vision Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) insbesondere im Bausektor verfügen in der Regel nicht über ausreichende Forschungs- und Entwicklungskapazitäten. Ihre Wurzeln liegen beispielweise im Handel wie bei der Böhm Gruppe oder basieren auf einem erworbenen Patent wie bei der SilenceSolutions GmbH. In der täglichen Auseinandersetzung mit verschiedenen Bauaufgaben stellt sich jedoch immer wieder die Herausforderung, bestehende Produkte zu optimieren, an sich verändernde Anforderungen anzupassen oder neue Märkte und Nischen zu erschließen. Verschärfter Konkurrenzdruck erfordert zudem die Abgrenzung vom Wettbewerb und zum Stand der Technik. Dieser Aufsatz skizziert, welche unterschiedlichen Wege die beiden Unternehmen gegangen sind, um eine gezielte und wirtschaftlich notwendige Produktentwicklung voranzutreiben. Während sich die Idee der Böhm Gruppe im Laufe der Zeit aus den Ergebnissen der täglichen Arbeit und den dabei gemachten Erfahrungen entwickelte, hat sich die SilenceSolutions GmbH für ein öffentliches Förderprogramm in Zusammenarbeit mit einer Hochschule entschieden. Recherchen der Böhm Gruppe hatten ergeben, dass auf dem Markt bisher großformatige Keramik-Fassadenelemente fehlten. Als Ausgangspunkt der sich anschließenden firmeninternen Entwicklung, die unter dem Namen VidroStone ® vertrieben wird, diente eine großflächige, lediglich drei Millimeter starke Hightech-Keramik. Sie wird in Abhängigkeit vom Einsatzgebiet mit einer differierenden Trägerschicht verarbeitet, um ein Reißen oder Brechen der an sich spröden Keramik beim Bearbeiten zu verhindern. So entstanden zunächst unter der Verwendung von Glas als Trägermaterial hoch beanspruchbare Arbeitsplatten,

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1  Appartement in Berlin; Anwendung Keramik für Möbel, Bodenund Wandflächen, Bad, Terrasse, LED-Leuchten, Kaminverkleidung

Wandverkleidungen und komplette Möbelelemente für Industrielabore, Küchen und Krankenhäuser. Interne Überlegungen führten zur Erweiterung des Produktportfolios um den Bereich der Außenfassaden. Da Glas als Trägermaterial vor diesem Hintergrund zu schwer und unwirtschaftlich ist, musste ein neues Trägermaterial gefunden werden, das auf der einen Seite den empfindlichen Keramikplatten ausreichend Stabilität verleiht, um auch externen Einflüssen in großer Höhe zu widerstehen. Andererseits darf das Gesamtgewicht des Fassadenelements nicht zu statischen Nachteilen führen. Die Oberfläche der Keramik bietet darüber hinaus herausragende mechanische Eigenschaften wie etwa die Kratzund Feuerunempfindlichkeit sowie die Beständigkeit gegenüber Witterungsund Umwelteinflüssen. Aus den Erfahrungen verschiedener Fassadenprojekte konnte die Böhm Gruppe zusätzlich erstmals ein Befestigungssystem entwickeln, das die sogenannten Befestigungsanker kunden- bzw. auftragsspezifisch robotergesteuert setzt. Damit ist es möglich, Fassadenelemente unabhängig von bestehenden Befestigungssystemen zu fertigen. Die SilenceSolutions GmbH verfügte bereits über ein innovatives und patentiertes mehrschichtiges Schallabsorptionssystem aus Polyurethan-Weichschaum (PUR) – den sogenannten Multiimpedanzabsorber. Diese Absorber sind hochwirksam und in der Lage, das gesamte benötigte Frequenzspektrum zu absorbieren (breitbandige Absorption). Dabei besitzen sie aufgrund ihrer besonderen Effektivität im Tieftonbereich einen wesentlich flacheren Gesamtaufbau als konventionelle poröse Absorber. Jedoch erfüllt dieses System aufgrund des verwendeten PUR die erhöhten brandschutztechnischen Anforderungen für öffentliche Nutzungen nicht. Das mehrschichtige Prinzip sollte daher auf nicht brennbare Materialien mit der Brandschutzklasse A übertragen werden. Der Markt bietet

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2

2  Jüdisches Museum Berlin; Anwendung der Keramik im Foyer 3  Vitrinen im NOESA Beautycare Shop in Seoul, Korea

3

bislang nur wenige nicht brennbare, aber gut absorbierende Materialien und Produkte. Das öffentlich geförderte Projekt befasste sich daher mit der Analyse dieser Materialien und der Entwicklung des Schallabsorbers. Zusätzlich sollte berücksichtigt werden, dass gewerbliche und öffentliche Gebäude neben der Akustik und dem Brandschutz auch im Hinblick auf Ästhetik und Komfort hohen Ansprüchen genügen müssen. Eine erste funktional-gestalterische Analyse des bestehenden Absorbers hatte ergeben, dass eine stärkere Modularisierung notwendig ist, um mit variablen Oberflächen auf den jeweiligen Anwendungsfall reagieren zu können.

Methode Sowohl bei der Entwicklung des Fassadenelementes als auch bei der des Absorbersystems galt es fachgebietsübergreifend und interdisziplinär zusammenzuarbeiten. Bei der Böhm Gruppe begleiteten informelle Diskussionen mit unterschiedlichsten Personen während der Arbeit und auch in der Freizeit den gesamten Entwicklungsprozess, anfangs nur im Rahmen des inneren Kreises des Familienunternehmens. Im Laufe der Zeit war jedoch der Input durch externe Kontakte entscheidend für die zielführende Entwicklung. Vor allem Kompetenzen aus den Bereichen Physik und Chemie bzw. Werkstoff- und Fügetechnik (hier speziell die Klebtechnik), Marketing und Recht erweiterten die Kompetenzen und das Know-how des Unternehmens. Zudem wurden Fördermöglichkeiten des Bundes und des Landes evaluiert sowie die Besonderheiten behördlicher und administrativer Abwicklungen erläutert. Um in dem wachsenden und komplexer werdenden interdisziplinären Netzwerk und Forschungsprozess die eige-

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4

5

4  Schichtdicke und Schichtenaufbau der Keramikelemente im Innenbereich 5  Bestehendes Schallabsorptionssystem für den Einsatz im Bürobereich

nen Fortschritte zu schützen, wurden Vorkehrungen zur Wahrung der Vertraulichkeit getroffen. Dafür wurde intern eine neue IT-Infrastruktur geschaffen. Vor externen Angriffen soll die Anmeldung von Gebrauchsmustern und Patenten beim Deutschen Patent- und Markenamt schützen. Zusätzlich sichern Verträge die Geheimhaltung der empfindlichen Informationen. Der Forschungsprozess für die Fassadenelemente erstreckte sich über sieben Jahre, innerhalb derer verschiedenste Prozeduren getestet und Kombinationen unterschiedlicher Materialien entwickelt wurden, die zusätzlich weitere Innovationen hervorbrachten. So wurde zum Beispiel für den Museumsbau ein spezieller emissionsarmer Klebstoff entwickelt, der mit reduzierten Ausdünstungen die Belastung der empfindlichen Exponate minimiert. Eine neue hohlraumfreie Kleb- und Verbindungstechnik war das Ziel für die Fassadenplatte, da nur so frostbedingte Absprengungen und in der Folge Stabilitätsprobleme zu vermeiden sind. Das zu entwickelnde Trägermaterial und das Verfahren zur industriellen Beschichtung sollten daher eine homogene und kraftschlüssige Beschichtung der Keramikplatten ermöglichen. Bei der SilenceSolutions GmbH wurde durch das Forschungsprojekt von Anfang an ein formaler Rahmen festgelegt und die Arbeitsschritte im Vorfeld definiert. Die Suche nach geeigneten Absorptions- und Oberflächenmaterialien entsprechend den Anforderungen an Brandschutz- und Dämpfungseigenschaften und im Vergleich zum derzeit verwendeten Produkt wurde auf verschiedenen Ebenen durchgeführt:

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6

6 Materialbibliothek GreifBar der Hochschule OWL





Die freie Recherche in Fachliteratur, Materialdatenbanken und Hersteller­ informationen bietet den Vorteil, bereits auf dem Markt angebotene Produkte zu selektieren. Die Materialbibliothek Detmolder GreifBar bietet mit ca. 350 innovativen Produkten stets Einblick in die aktuelle Entwicklung von Werkstoffen. Die Datenbank CES EduPack ist ein Toolkit für Werkstoff- und Verfahrenstechnik in Wissenschaft und Entwicklung, das ergänzende und vergleichende Informationen zu technischen, wirtschaftlichen und Umwelteigenschaften liefert. Die Ausgabe der Ergebnisse erfolgt in sogenannten Materialcharts, die übersichtlich die Parameter in Diagrammform darstellen.

Die Ergebnisse der so ermittelten Daten von 49 Materialien und Produkten wurden in einer Tabelle nach den Kategorien Schaumglas, Naturstein (expandiert/ mineralfasern), Metallschaum und Werkstein (Mineralschaum) zusammengefasst. Zusätzlich wurden Materialmuster begutachtet und bewertet. Neben der Porosität, Brennbarkeit und den voraussichtlichen Absorptionseigenschaften spielte der Preis eine entscheidende Rolle, zum Beispiel waren Metallschäume aus Preisgründen nicht haltbar. Es mussten Kompromisse bei den Festigkeiten und vor allem bei der Rohdichte erzielt werden, da keines der nicht brennbaren Materialien die niedrigen Werte des PUR-Schaumes (50 kg/m3) aufwies. Im Zeitalter von Internetsuchmaschinen und zahlreichen Materialdatenbanken und -dienstleistern sollte anzunehmen sein, dass geeignete Materialien einfach aufzuspüren und auszuwählen sein sollten. Doch gerade hier zeigte sich, wie unterschiedlich die Materialien in einzelnen Branchen und Industriezweigen dargestellt und präsentiert werden. Es waren auf Anhieb nicht alle der geforderten

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Preis / Dichte

Ebene 3 Begrenzung: nichtbrennbar, weniger als 1000 kg/m³ 100000

Preis (€/m³)

Aluminium Schaum 10000 Aluminium SiC Schaum Ziegel 1000

Carbon Schaum

Phenol Schaum: geschlossen-zellig

250 100

50

100

500

1000

Dichte (kg/m³) 7

7 Materialchart CES ­EduPack: Preis/Rohdichte von Kernmaterialien

Kriterien von den Herstellern abrufbar oder die Produkte waren mit nicht vergleichbaren Eigenschaften kategorisiert. Nach der Recherche waren daher zusätzliche vergleichende Messungen der Kern- und Oberflächenmaterialien erforderlich, um eine tatsächliche Vergleichbarkeit herzustellen und fehlende akustische Parameter zu erhalten. Der Schallabsorptionsgrad der Materialien wurde nach einer Vorselektion (Bemusterung, Impedanzrohr-Messung) für ausgewählte Materialien und Materialschichtungen mit Messungen im Hallraum bestimmt [61]. Verschiedene Materialkombinationen und Layer-Schichtdicken wurden getestet, um letztendlich mit einer Kombination aus Mineralwolle unterschiedlich hoher Rohdichte die guten Ergebnisse des brennbaren PUR-Schaums zu erreichen. Hiermit wurde das kritischste Ziel erreicht, das brennbare Absorptionsmaterial des bestehenden Absorbers durch ein nicht brennbares, aber akustisch gleichwertiges Kernmaterial zu ersetzen. Als Ausgangspunkt der funktional-gestalterischen Entwicklung wurde die typologische Untersuchung der Anwendung und Einbindung der Absorber-Module in typische Raumsituationen der öffentlichen Nutzung gewählt. Als Teil der architektonischen Gestaltung war ein gezieltes Hervorheben oder Zurücknehmen der Module wünschenswert. Dies sollte durch die gezielte Aufwertung der Absorber-Module mit höherwertigen Oberflächenmaterialien und Anschlussdetails sowie durch die Integration der Absorber-Module in Bauteile erfolgen. Das Oberflächenmaterial bestimmt das Erscheinungsbild des Absorbers, dessen Wertigkeit und damit die Integrationsfähigkeit in die Raumgestaltung [62]. Damit der Schall aber auch in den Absorber eindringen kann, muss die Oberfläche

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Schallabsorptionsgrade im Vergleich 1,8

Schallabsorptionsgrad [-]

1,6 1,4 1,2 1 0,8 0,6 0,4 0,2 0

50

80

125

200

315

500

800

1250

2000

3150

5000

Frequenz [Hz] Neues, nicht brennbares System: Mineralwolle Schichtung im Akustikmodul Bestehendes System: PUR Schichtung im Akustikmodul 8

9

Absorber Absorber

Absorber 10

8  Materialschichtung für akustische Untersuchungen

100

9  Vergleich der Messergebnisse: nicht brennbares Modul im Vergleich zum bestehenden PURModul

10  Anwendung und Einbindung der Absorber-Module in eine Raumsituation

11

Absorptionsmaterial Klemmstab

2

Rahmen Eckverbinder 12

11 Oberflächenmaterialien: Streckmetall, Lochblech, Glasund Metallgewebe

1 Textil

Füllung

Rahmen

13

12  Konstruktionsprinzip des ­Rahmensystems für das Absorber-Modul

13  Befestigung der Stoffober­ flächen mit dem Klippsystem

101

14

14  Aufwertung der LochblechOberflächen durch ornamentale Per­forationen 15 Montageprinzip ­Absorber-Wandmodul

15

­ inen Anteil offener Fläche (zum Beispiel Perforation) besitzen. Als die nach Ree cherche und messtechnischer Untersuchung sinnvollsten Oberflächenmaterialien [63] ergaben sich aus akustischer und gestalterischer Sicht: Glasfasergewebe, Drahtgewebe, Streckmetall und perforiertes Blech.

Ergebnisse Die Böhm Gruppe betrat damit technologisches Neuland und musste etliche Simulationen, Experimente und iterative Anpassungen bzw. Optimierungen vornehmen, bis die Produktentwicklung abgeschlossen werden konnte. Es ist aber gelungen, aus der Kombination des größten, industriell gefertigten Keramikelements und eines entsprechenden leichten Trägermaterials eine Fassadenplatte mit maximalen Abmessungen von 3,60 x 1,20 m herzustellen. Sie ist witterungsbeständig, feuerfest und damit von langer Lebensdauer. Die großformatigen Elemente reduzieren den Fugenanteil auf ein Minimum, wodurch eine außergewöhnliche Flächenwirkung entsteht, die von Architekten und Planern gewünscht und nachgefragt wird. Durch die spezielle punktgehaltene Unterkonstruktion der einzelnen Keramikelemente entsteht eine vorgehängte hinterlüftete Fassadenkonstruktion. Das geringe Gewicht von nur 25 kg/m2 und das integrierte Ankersystem erleichtern die Montage auf der Baustelle. So entfallen alle Anpassungsarbeiten, da weder Zuschnitte noch Platzierungen für ein Hinterschnittsystem auf der Baustelle erforderlich sind. Das zu entwickelnde Absorber-Modul der SilenceSolutions GmbH sollte auf konstruktiver Ebene viele Funktionen gleichzeitig erfüllen. Es konnte ein neues Rah-

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16

16  Montageprinzip AbsorberDeckenmodul 17  Montageprinzip AbsorberTrennwandmodul

17

mensystem aus einem Aluminium-Strangpressprofil entwickelt werden, in das diese Funktionen integriert wurden. Vor allem erhielt das Absorptionsmaterial, welches nur geringe Eigenstabilität und Festigkeit besitzt, durch den Profilrahmen sein statisches Gerüst. Auch die in ihren mechanischen Eigenschaften sehr unterschiedlichen Oberflächenmaterialien benötigten eine konstruktive Einbindung in die Absorber-Module. Für die Stoffe wurde ein leicht handhabbares Spann- bzw. Klemmsystem entwickelt, bei dem der Stoff mit einem Aluminiumstab in eine Nut geklippt wird, wodurch der Stoff gestrafft und festgehalten wird. Die steiferen perforierten Platten und Streckmetalle können als Füllung in der Konstruktion befestigt werden. Diese ist austauschbar, und es können alle akustisch offenen Materialien verwendet werden, die steif genug sind, den Absorberkern zu halten, wobei sie nach außen die Oberfläche der Rahmenfüllung bilden. Um die Lochblech-Oberflächenmaterialien aufzuwerten und für unterschiedliche Einsatzgebiete nutzbar zu machen, wurden sie gestalterisch modifiziert. Es wurden ornamentale Entwürfe erarbeitet, die als zusätzliche Perforationen der Lochbleche umgesetzt wurden. Diese können als Füllung in das Rahmenprofil eingesetzt werden, aber auch für das bestehende System verwendet werden. Das Akustik-Modul sollte an die Decke oder Wand zu hängen sein und auch in architektonische Bauteile integriert werden können. So wurde das Profil zusätzlich mit einem Einhängesystem für Decke und Wand versehen. Zudem sollte ein Trennwand-Modul als Monoblock entstehen, das mit dem bestehenden GlasTrennwand-System kompatibel ist. Dafür wurde ein Clipsystem entwickelt, über das zwei gleiche Module mit einem Verbindungsprofil zu einem TrennwandModul zusammengefügt werden können. Diese Elemente werden wie eine Glas-

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19

20

18

18  Fassadenansicht mit groß­formatigen Platten (3,60 m x 1,24 m) des neuen Keramik­elementes

scheibe in ein Decken- und Bodenprofil eingestellt. Dadurch wird die Montage vor Ort beschleunigt, da das aufwendige Zusammensetzen der vielen kurzen Einzelteile, Ständerprofile und Glashalteprofile entfällt.

19 Fassadenkonstruktion

In beiden Fällen ist es gelungen, bestehende Produkte zu modifizieren, zu erweitern und in neue Anwendungsgebiete zu überführen. Auffällig ist bei den Projekten, dass die Vorgaben für die technologischen Weiter- und Neuentwicklungen durch gestalterisch-funktionale Anforderungen des Marktes initiiert und definiert wurden.

20  In die Fassadenplatte integriertes Ankersystem zur Befestigung

Innovation Das von der SilenceSolutions GmbH neu entwickelte Aluminium-Rahmenprofil des Schallabsorptionssystems erweitert und verbessert die Gestaltung und konstruktive Einbindung, und gleichzeitig erhöht das ansprechende, dem Bedarf anpassbare Erscheinungsbild mit Integration in andere Bauteile die Flexibilität und Nutzerakzeptanz wesentlich. Das neue Produkt nutzt somit die Vorteile eines flachen Systemaufbaus bei einem breitbandig hochwirksamen mehrschichtigen Absorptionssystem für Einsatzgebiete mit erhöhten Brandschutzanforderungen. Auch bei der Fassadenplatte der Böhm Gruppe besteht die Innovation aus der Kombination einzelner Komponenten zu einem neuen Produkt in Verbindung mit der vereinfachten Montage durch das integrierte Ankersystem und maximale Vorfertigung.

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21

21  Projekt Luxusappartement mit Meerblick, Indien, Gesamt­ansicht 22  Projekt Luxusappartement mit Meerblick, Indien, Detail­ ansicht

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Dabei ist in dem Prozess des Forschens und Entwickelns noch kein Ende abzusehen. Vielmehr ist die Weiterentwicklung und Optimierung elementar für den zukünftigen Erfolg. Die Absorber-Module sollen zukünftig auch in Verbindung mit einem Schallmaskierungssystem einsetzbar sein [64]. Bei der Fassadenplatte wird aktuell die Verbindung mit Solarthermie und -energie untersucht. Nach der Entwicklung kommt die eigentliche Aufgabe: die Vermarktung. Dies stellt für mittelständische Unternehmen finanziell und organisatorisch gerade im Zeitalter der Globalisierung eine große Herausforderung dar. Ausschlaggebend ist, ob der Marktbedarf richtig eingeschätzt wurde und ob neue Marktsegmente und -regionen erschlossen werden können.

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Ressourcen schonen

Energielieferant Fassade Jan Wurm

Vision Biomasse und Mikroalgentechnologie Biomasse ist „gespeicherte Sonnenenergie“ und besitzt als Brennstoff den gro­ ßen Vorteil der nahezu verlustfreien Speicherung. Die Bioenergie stellt mit einem Anteil von acht Prozent den größten Anteil erneuerbarer Energien am Gesamt­ endenergieverbrauch in Deutschland und ist nach der Windenergie inzwischen die zweitwichtigste Energiequelle bei der Stromerzeugung. Biomasse liegt in fester Form (zum Beispiel Brennholz, Holzpellets), flüssiger Form (zum Beispiel Biodiesel) oder gasförmig (Biogas) vor und kann sehr flexibel für die Stromerzeu­ gung, Wärmebereitstellung und Kraftstofferzeugung eingesetzt werden. Die energetische Verwertung von Biomasse ist CO2-neutral, da bei der Verbrennung der Anteil von Kohlendioxid an die Atmosphäre abgegeben wird, der beim Auf­ bau der Biomasse zuvor absorbiert worden war. Mikroalgen zählen heute zu den vielversprechenden Bausteinen alternativer Energieszenarien, da sie effektiv Sonnenlicht in Biomasse umwandeln. Wie an­ dere Pflanzen nutzen Mikroalgen das Sonnenlicht als Energiequelle, um daraus zusammen mit CO2 und Nährstoffen (Stickstoff und Phosphor) die sogenannte Biomasse aufzubauen. Dieser fotosynthetische Prozess läuft in gleicher Weise bei landwirtschaftlich genutzten Pflanzen wie Ackerpflanzen ab. Allerdings sind Mikroalgen wesentlich effizienter in der Umwandlung von Lichtenergie in Bio­ masse als höhere Pflanzen, weil sie einzellig sind und jede dieser Zellen Fotosyn­ these betreibt.

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2008

2009

2010

2011

Anteil Gebäudeintegriert 2009

Biomasse

125.000

144.000

160.500

163.390

0%

Windkraft

40.500

38.500

36.500

46.500

0%

19.000

20.000

19.500

0% 3%

Wasserkraft

20.500

Sonnenenergie

8.600

11.000

17.000

24.600

Erdwärme

4.600

5.000

5.500

6.340

199.200

204.000

239.500

260.330

9,3 %

10,2 %

11,3 %

12,2 %

Summe Anteil Bruttoenergieverbrauch 1

1  Beitrag erneuerbarer Energien zur Stromerzeugung und Wärmebereitstellung in Deutschland [in GWh] – Quelle: Erneuerbare Energien 2011, Bericht des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

Im Gegensatz zum Anbau von Energiepflanzen wie Mais erfolgt bei der Zucht von Mikroalgen keine zusätzliche Landnahme, die in Konkurrenz zu der Kultivierung von Nahrungspflanzen stehen würde, und es besteht keine Abhängigkeit von Witterungseinflüssen und intensiver Bewirtschaftung. Mikroalgen können in Pho­ tobioreaktoren (PBR) kultiviert werden. PBR sind geschlossene, lichtdurchlässige und mit einem Kulturmedium gefüllte Hohlkörper, die auch dort installiert wer­ den können, wo es sonst zu trocken oder karg ist – also auch mitten in der Großstadt.

Bioreaktive Fassade Um sogenannte Röhrenkollektoren in Gebäudefassaden zu integrieren, musste bislang ein relativ hoher bautechnischer Aufwand betrieben werden. Dieser Auf­ wand stand dem energetischen Nutzen entgegen. Durch die Entwicklung und Erprobung von Plattenbioreaktoren konnte jedoch in den vergangenen Jahren ein Durchbruch bei der wirtschaftlichen Zucht und Verwertung von Mikroalgen erzielt werden. Der im Rahmen des Pilotprojektes TERM der Strategic Science Consult GmbH (SSC) in Hamburg entwickelte Konvektionsreaktor ermöglicht unter den klimatischen Bedingungen Nordeuropas einen Freiland-Ganzjahres­ betrieb und erzielt dabei wesentlich höhere Produktionsraten als andere Reak­ torsysteme. Der Wirkungsgrad bei der Umwandlung der Sonnenenergie in Bio­ masse entspricht acht bis zehn Prozent. Eine automatisierte Prozess- und Anlagenführung ist die Voraussetzung für eine kontinuierliche Kultivierung mit geringem Unterhaltsaufwand.

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2

4

2, 3  Dynamisches Erscheinungsbild der PBR durch eingeleitete Luftblasen 4 Pilotanlage TERM mit den von SSC GmbH entwickelten Photobioreaktoren im Winter, Standort Hamburg-Reitbrook 5 Pilotanlage TERM mit den von SSC GmbH entwickelten Photobioreaktoren im Sommer, Standort Hamburg-Reitbrook

3

5

Periodisch an der Unterkante des Reaktors eingeleitete Druckluft führt in dem Reaktor zu Turbulenzen. Sie durchmischen das Kulturmedium mit dem kontinu­ ierlich zugeführten Rauchgas (CO2), wodurch die Algen optimal mit Licht ver­ sorgt werden. Die hohen Strömungsgeschwindigkeiten an den Innenflächen des Bioreaktors verhindern dabei, dass sich Algen und Biofäule anlagern. Die im Re­ aktor durch solarthermischen Effekt produzierte Wärme muss abgeführt werden, um ein Überhitzen des Mediums zu vermeiden. Der Reaktor funktioniert damit wie ein Solarkollektor und der Wirkungsgrad von ca. vierzig Prozent entspricht in etwa einem offenen Absorber. Es ergeben sich folgende Mehrwerte für eine Kultivierung von Mikroalgen in Bioreaktorfassaden an Gebäuden:



Über die Biomasse wird CO2 gespeichert. Die Biomasse kann in Methan (Biogas) oder Wasserstoff als erneuerbare Energiequelle konvertiert werden. Wie bei einem Solarkollektor wird Wärme gewonnen, die im Gebäude genutzt werden kann. Als multifunktionales Fassadenelement können die Bioreaktoren darüber ­hinaus dem Lichtschutz, Wärme- oder Kälteschutz sowie Schallschutz dienen. Die Bioreaktoren können als Öffnungselemente der natürlichen Lüftung des Gebäudes dienen.

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6

6  Skizze zur Funktionalität des Fassadensystems

Durch Photobioreaktoren kann 25 bis 250 g CO2 pro m2 und Tag durch die Bio­ masse gespeichert werden. Die gewonnene Biomasse kann vor Ort durch soge­ nannte hydrothermale Konversion direkt in Biogas (Methan) umgewandelt wer­ den. Im Jahresmittel produziert ein Quadratmeter Reaktorfläche bis zu 15 g Trockenmasse (TS) pro m2 und Tag, was 2,7 m3 Methan entspricht. Bei einem Brennwert von 10,6 kWh pro m3 Methan kann ein Bruttoenergiegewinn von ca. 29 kWh/m2 pro Jahr verbucht werden. Das Methan kann in der Heizperiode verbrannt, in das städtische Erdgasnetz eingespeichert oder als Treibstoff ver­ wendet werden. Über einen Wärmetauscher können durch den solarthermi­ schen Effekt zusätzlich ca. 180 kWh/m2 pro Jahr Wärme gewonnen werden, die durch eine Wärmepumpe für die Brauchwassererwärmung nutzbar gemacht werden kann. Der Hilfsstrom für die Anlagen- und Steuerungstechnik sollte di­ rekt über Fotovoltaik-Module bezogen werden. Da die Mikroalgen Licht absorbieren, stellen PBR auch effektive Sonnenschutz­ elemente dar. Die Zellzahlen können durch Ausdünnung der Algen durch Ernte bzw. Aussetzen der Ernte im Tagesverlauf verdoppelt oder halbiert werden, so­ dass der Lichtdurchlass entsprechend um hundert Prozent variiert werden kann. Im Winter beträgt aufgrund reduzierter Solarstrahlung der Algengehalt nur ca. 0,5 g/l, was einer Lichtdurchlässigkeit von über dreißig Prozent entspricht. PBR ersetzen damit herkömmliche Systeme für den außen liegenden Sonnen­ schutz und Kollektoren bei zusätzlichem Mehrwert.

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:LQWHU

6RPPHU

7

7  Schema zur Funktion einer Bioreaktorfassade im Winter und Sommer: Die Bioreaktoren können geführt werden, um eine natürliche Ventilation zu ermöglichen bzw. die Orientierung zur Sonne zu optimieren

Methode Fassadenintegration Die für eine Mikroalgenkultivierung an Gebäuden notwendige Technologie wird in Abbildung 8 zusammengefasst. Für eine optimale Beleuchtung werden die Reaktoren an der Außenseite des Gebäudes als Fassadenelemente angebracht. Sinnvoll sind Orientierungen von Südwest bis Südost. Eine übergeordnete Be­ deutung kommt dem Trägersystem zu, mit dem die PBR an der Fassade befestigt, ausgerichtet und gegebenenfalls nachgeführt werden können. Im Winter sind die Reaktoren aufgrund des niedrigen Einstrahlungswinkels der Sonne vertikal auszurichten. Zudem kann in geschlossener Stellung ein Luft- oder Pufferraum zwischen PBR und thermischer Hülle zur Reduzierung der Wärmeverluste bei­ tragen. Im Sommer kann mehr Energie gewonnen werden, wenn im Süden die PBR um 30 Grad aus der Fassadenebene gedreht werden. Die Bioreaktoren werden innerhalb von Clustern in Reihe geschaltet, sodass das Medium durch alle Bioreaktoren zirkuliert. Über den Lichteinfall heizen sich die Reaktoren tagsüber zusätzlich auf und ihre Funktionsweise entspricht somit so­ larthermischen Absorbern. Der Kreislauf wird über die Haustechnik geführt, wo an zentraler Stelle Biomasse und Wärme entnommen werden können; die ge­ wonnene Energie wird von der Energiemanagementzentrale gespeichert bzw. verteilt.

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Kreislauf 1

1

1

1

1

1

1

1

1

1

CO 2 Druckluft

Schema zur Funktion einer Bioreaktorfassade

5

5

3

1 Bioreaktorfassade 2 Wärmetauscher

4

2

3 Algenabscheider 4 Konversionsanlage 5 Zu- und Ableitungen für das Kulturmedium (25 mm Durchmesser)

Methan

Wärme

Haustechnik/Energiezentrale

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8  Diagramm zur Funktionsweise einer Bioreaktorfassade: Die Bioreaktorfassade wird mit ihren Funktionen der Wärmegewinnung, Biomasseproduktion und Rauchgasreinigung als geschlossenes System direkt an die Haustechnik gekoppelt

Im Haustechnikraum wird die Wärme über einen Wärmetauscher abgeleitet und anschließend im oder am Gebäude gespeichert (Erdsolespeicher oder PCMSpeicher) oder direkt für die Brauchwassererwärmung genutzt. Im Winter darf die Betriebstemperatur der Algen nicht unter acht Grad Celsius sinken, sodass an kalten Tagen der Zulauf über den Erdwärmespeicher geführt wird. Die beim Wachstum der Algen entstehende Biomasse wird über einen Algenab­ scheider geerntet. Die in der Biomasse enthaltene Energie kann durch die bio­ logische oder physikalisch-chemische Konversion mit einer Effizienz von etwa siebzig bis achtzig Prozent vor Ort zu Biogas umgewandelt werden. Der gasför­ mige Brennstoff kann verschiedenen Verwertungswegen zugeführt (Einspeisung ins öffentliche Erdgasnetz, Betanken von Erdgasautos, Nutzung in Blockheiz­ kraftwerken) oder nahezu verlustfrei gespeichert werden. Eine automatisierte Prozess- und Anlagenführung ermöglicht bei minimalem Unterhaltsaufwand die kontinuierliche Kultivierung und Verwertung der Algen am Gebäudestandort. Die benötigte zusätzliche Haustechnik kann als Plug-in in standardisierte Haustechniklösungen integriert werden. Die Wasserversorgung und -entsorgung der Bioreaktoren erfolgt über das städtische Frisch- und Ab­ wassersystem.

Innovation Das Team SPLITTERWERK gewann 2010 einen ersten Preis im Realisierungswett­ bewerb für ein Smart Material House auf der Internationalen Bauausstellung

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9  Rückseite des Prototypen auf dem Testgelände

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10  Vorderseite des Prototypen auf dem Testgelände 11  Außen liegende Sonnenschutzlamellen als mögliche Anwendung von Photobio­ reaktoren zur Regulierung des Tageslichteintrages – Projekt PSD Bank

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2013 in Hamburg. Besonderes Merkmal des ‚BIQ‘ ist die in Zusammenarbeit mit Arup konzipierte und von Arup geplante Bioreaktorfassade von 300 m². In einem Forschungsprojekt, das von Mitteln der Forschungsinitiative „Zukunft­ Bau“ des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung getragen wird, entwickeln die Firmen Arup, SSC und COLT zurzeit eine Systemlösung für hinterlüftete Fassaden aus einachsig nachgeführten Flatpanel-Photobio­ reak­ toren. Die Planungen für ein entsprechendes Fassadensystem sind abgeschlos­ sen und im Januar 2012 wurden die ersten Prototypen auf einem Test­gelände in Hamburg installiert. Die Auswertungen der Ertragszahlen sind erfolgsverspre­ chend; die laufenden Modifikationen zielen auf die Optimierung der Wärme­er­ trä­ge ab. Die Photobioreaktoren sind in geschosshohen Vertikallamellen von etwa siebzig Zentimeter Breite integriert. Der Verglasungsaufbau ist vierschichtig. Zwischen den inneren beiden Scheiben befindet sich der Reaktorraum, durch den das Me­ dium zirkuliert. Zu beiden Seiten sind isolierende luftgefüllte Zwischenräume zur Reduzierung der Wärmeverluste angeordnet. Die äußerste Ebene bildet auf der Vorderseite ein nicht reflektierendes Weißglas oder ein Deckglas mit freiem De­ kor auf der Rückseite. Bei weiterer Förderung kann diese Technologie sich ähnlich wie die Fotovoltaik entwickeln und sich am Markt etablieren. In der Erprobungsphase bietet es sich zunächst an, das System in Industrie- und Gewerbehallen zu integrieren, um das bei Prozessketten anfallende CO2 abzu­

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12  Simulation des Smart Material House auf der Internationalen Bauausstellung 2013 in Hamburg mit 200 m² integrierten Photobioreaktoren

bauen. Die Größe der Fassaden- und Dachflächen industriell genutzter Flach­ bauten unterstützt den wirtschaftlichen Betrieb. Die Bioreaktorfassade kommt nicht nur bei Neubauten, sondern insbesondere auch für die Modernisierung (Retrofitting) bestehender Konstruktionen in Betracht. Mit der Installation von Bioreaktoren kann der Bestand in der Gestaltung entscheidend aufgewertet werden. Das System kann sich zu einer Schlüsseltechnologie für CO2-neutrale Siedlungen und Stadtteile entwickeln, und die Produktionsrate der Algen und damit der Abbau von CO2 können unmittelbar an der Grünfärbung der Fassade abgelesen werden. Photobioreaktoren stellen als Weiterentwicklung solarthermischer Komponen­ ten eine ideale Ergänzung zur gebäudeintegrierten Fotovoltaik, insbesondere bei der Umsetzung von Plusenergiehäusern, dar. Der Nutzen der Fassade besteht in der Erzeugung von Biomasse und Wärme für die energetische Verwertung, dem Abbau von CO2 und der Regulierung des Strahlungsdurchgangs. Es bieten sich verschiedene Einbausituationen in Dach und Fassade an, die zurzeit im Rahmen von aktuellen Forschungsprojekten simuliert und bewertet werden. Mit dem BIQ wird 2013 im Rahmen der Internationalen Bauausstellung in Hamburg das erste Gebäude mit einer Bioreaktorfassade realisiert.

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Fassadenrecycling Linda Hildebrand Daniel Arztmann

Vision Um der Klimakrise mit ihren Auswirkungen entgegenzuwirken, sind effektive Konzepte gefragt. Die zu erwartende Bevölkerungsentwicklung und der damit verbundene Energiekonsum erfordern sinnvolle Lösungsstrategien. Engagement für die Umwelt ist längst keine Randerscheinung mehr. Mittlerweile ist sämtli­ chen Branchen klar, dass für eine erfolgreiche Außendarstellung eine seriöse Nachhaltigkeitsstrategie und ein umweltfreundliches Image wesentliche Be­ standteile sind – auch in der Baubranche. Dies spiegelt sich nicht zuletzt in der zunehmenden Zertifizierung neuer Gebäude wider.

Aufgaben des Bausektors Dem Bausektor kommt dabei eine besondere Rolle zu, denn er bewegt über die Hälfte der weltweit eingesetzten Rohstoffe und ist für über sechzig Prozent des erzeugten Abfalls verantwortlich [70]. Die Konsequenz dieser Zahlen ist sehr deutlich: Die Baubranche hat mehr als andere Industriezweige den Bedarf und bietet gleichzeitig das Potenzial zur Veränderung. Betrachtet man den intensiven Verbrauch an Ressourcen durch die Bautätigkeit genauer, zeichnet sich der As­ pekt der Recyclingfähigkeit von Produkten als ein Ansatzpunkt zur Verbesserung der Situation ab. Dies wird im Folgenden anhand einer innovativen ökologischen Produktweiterentwicklung untermauert und deren umweltschonende Machbar­ keit anschließend belegt. Zum Betrieb eines Gebäudes entnimmt die Bauindustrie der Natur Rohstoffe, um daraus Wärme, Kälte und Strom zu produzieren. Der Verbrauch dieser Energie

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1

1  Produktion von Element­ fassaden 2  Montage von Element­fassaden

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korreliert mit den Betriebskosten. Die Senkung ist somit im Interesse des Betrei­ bers und bietet gleichzeitig eine Chance, die negative Umweltbeeinflussung zu minimieren. Rohstoffe und die daraus gewonnene Energie zur Erstellung und zum Rückbau der Gebäudesubstanz – die graue Energie – fanden bisher weni­ ger Beachtung. Jedoch gewinnt diese Einflussgröße bei sinkender Betriebsen­ ergie immer mehr an Relevanz. So sind die Anteile von Betriebsenergie und grauer Energie schon bei Gebäuden, die einen Standard nach der Energieein­ sparverordnung 2007 (EnEV) aufweisen, und bei einer Betrachtungszeit von dreißig Jahren etwa gleich groß. Die Anteile grauer Energie lassen sich mithilfe der Ökobilanz untersuchen und auswerten. Es handelt sich um ein Verfahren, das sämtliche im Produktions­pro­ zess benötigten Rohstoffe sowie emittierten Schadstoffe auflistet und ­auswertet. Dabei finden die nicht erneuerbaren Primärenergien und die Treib­hauspotenziale die häufigste Anwendung als Indikatoren. In dieser Gesamtenergiebetrachtung müssen sowohl die Betriebsenergie als auch die graue Energie berücksichtigt werden. Die Gegenüberstellung von Umweltbeeinflussung und der daraus gewonnenen Qualität stellt den Architekten vor besondere Aufgaben. Stärker als zuvor muss er die Verwendung von Material und Energie hinterfragen und durch einen Mehrwert an Qualität rechtfertigen. Neben den ökonomischen Fragen entsteht durch die Einbeziehung ökologischer Aspekte ein erhöhter Bedarf an reflektier­ ten Entscheidungen und anschließender Darstellung derselbigen. Architekten und Planer müssen stärker abwägen, ob sich ein energetisches Investment durch ein erhöhtes Maß an Qualität rechtfertigt.

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3

3  Silicium-Einschluss in Glasschmelze

4  Verunreinigung von Glas durch PVB-Folie

5  Werkstoffverbund bei Isolierstegen

4

5

Methode Um die Umweltbeeinflussung durch Bauwerke zu optimieren, gibt es drei Lö­ sungsstrategien:

die Verbesserung des Verhältnisses Aufwand zu Nutzen (Effizienzsteigerung), die Einsparung von Energie und den damit verbundenen Emissionen (Suffizienz) und die Umstrukturierung auf erneuerbare Energieformen (neue Energie­ strukturen).

Effizienzsteigerung Als „Effizienz“ wird das Erreichen eines Ziels unter Berücksichtigung des geringstmöglichen Aufwands bezeichnet. In diesem Zusammenhang bedeutet dies, für wenig Rohstoff unter möglichst geringem CO2-Ausstoß viel nutzbare Qua­lität zu gewinnen. Um ein Gebäude in Deutschland effizient zu betreiben, ist die trans­ parente Darstellung der eingesetzten Energie ein wichtiges Signal. Durch die EnEV sind Hausbesitzer aufgefordert, die Bilanz ihrer Immobilie auszuweisen.

Suffizienz Um den Kohlenstoffdioxidausstoß und Kosten zu verringern, ist die einfachste Methode, den Verbrauch zu reduzieren. Bewusster Umgang mit Energie soll dazu führen, auf überflüssigen Gebrauch von Heizwärme und Strom zu verzich­ ten. Für den Bausektor sind besonders passive Maßnahmen von großer Relevanz.

118

7

6

6  Schrott von Fassaden­ produktion

7 Schrottkategorie: Aluminium-Geschirr

Die Vermeidung von Lüftungs- und Transmissionswärmeverlusten über die Fas­ sade beeinflusst wesentlich die benötigte Energiemenge zum Heizen und Küh­ len. Die Baustandards sind seit der Ölkrise in den 1970er-Jahren gestiegen und sind in den nächsten Jahren in Richtung des europäisch geforderten Niedrigst­ energiehaus-Standards (nearly zero-energybuilding) zu entwickeln.

Neue Energiestrukturen Erneuerbare Energien verbrauchen wesentlich weniger CO2 zur Produktion von Strom und Wärme, da sie ohne Verbrennung von fossilen Brennstoffen und da­ mit ohne Emissionen auskommen. Ihr Einsatz soll bis 2012 laut dem Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien (Erneuerbare-Energien-Gesetz, EEG) von 5,8 Prozent (2006) auf 12,5 Prozent und bis 2020 auf 20 Prozent angehoben werden [71]. Als Motivation stellt der Gesetzgeber in Aussicht, dass Netzbetreiber Strom aus Anlagen mit erneuerbaren Energien zu einem festgelegten Preis ab­ nehmen müssen.

Ansatz Effizienzsteigerung von Fassaden Ein innovativer Ansatz zum veränderten Umgang mit den schwindenden Res­ sourcen und damit ein Beitrag zur Einsparung von Emissionen können anhand gängiger Umgangsweisen mit den Ressourcen in der Bauindustrie gefunden werden: anhand der gängigen Praxis beim Recycling von Fassadensystemen.

119

insulation bars

upper corner connection

T-connection

façade fixation PA-connectors

lower corner connection

dry glazing

Dismantling of original facade unit

Allocation of materials

1.

Removal of glazing beads

Category 1 / 3 (glazing beads, glass support)

9,5 %

12 %

2.

Removal of glazings and panel construction and separation depending on material

Category 4 (insulated framing profiles)

41 %

48,5 %

3.

Removal of EPDM gaskets (outer and inner glazing gaskets)

Catergory 5 (insulated profiles with impurities)

33 %

39,5 %

4.

Cutting of framing profiles depending on impurities

EPDM gaskets, allocated to homogenous EPDM scrap

14 %

Others

2,5 %

% by weight total

% by weight AL only

8

8 Recyclingplan Originalfassade

Detailliert wurde das Recyclingpotenzial einer Elementfassade untersucht [72]. Elementfassaden bieten durch ihren hohen Vorfertigungsgrad verschiedene Vorteile, die sie für den Einsatz in vollflächig verglasten Großprojekten prädesti­ nieren. Es ist davon auszugehen, dass eine große Masse dieses Fassadentyps nach seiner geschätzten Nutzungsdauer von fünfzig Jahren dem Recyclingpro­ zess zugeführt wird. Um die Recyclingeigenschaften des Fassadensystems zu analysieren, wurde es zuerst auf die verwendeten Materialien und ihre Verbindung bzw. Kombination untersucht. Das vorwiegend verwendete Material ist Aluminium, aus welchem die Fassadenprofile sowie mehrere zusätzliche Komponenten gefertigt sind. Des Weiteren wird eine große Anzahl unterschiedlicher Kunststoffe wie EPDM, Poly­ amid, Polyethylen und PVC verwendet sowie eine geringe Menge Edelstahl. Fast alle dieser Materialien weisen für sich sehr gute Recyclingeigenschaften auf. Be­ sonders Aluminium gilt als nahezu hundert Prozent recycelbar. Damit dieses Recyclingpotenzial ausgeschöpft werden kann, ist es aber notwendig, die Mate­ rialien absolut sortenrein zu trennen. Hierbei ist die Verbindung unterschiedli­ cher Materialien maßgeblich und wie diese Verbindungen gelöst werden können. Die Bandbreite reicht von gut lösbaren Verbindungen, bei denen eine Trennung der Materialien ohne Kontamination mit Störstoffen oder Beschädigung möglich ist, über begrenzt lösbare bis hin zu nicht lösbaren Verbindungen. Eine beson­ dere Herausforderung sind die häufig verwendeten Verbundwerkstoffe aus Kunststoff. Hierbei werden zwei oder mehrere Kunststoffe bereits bei der Pro­ duktion so miteinander „verschmolzen“, dass eine spätere Trennung der Materi­ alien unmöglich bzw. ökonomisch unzumutbar ist.

120

insulation bars

upper corner connection

T-connection façade fixation PA-connectors

lower corner connection dry glazing Dismantling of alternative facade unit 1.

Removal of EPDM outer glazing gaskets and glazing beads

2.

Removal of glazings and panel construction

Allocation of materials

3.

Removal of EPDM outer glazing gaskets

Category 1 / 3 (all aluminium components)

74,5 %

4.

Loosen of screws from PA-connectors and facade fixing brackets

Polyamide, allocated to homogenous PA scrap

9,5 %

5.

Loosen of screws from horizontal framing profiels and rails

EPDM gaskets, allocated to homogenous EPDM scrap

14 %

6.

Disconnection of insulation bars from aluminium profiles by special machinery

Others (stainless steel, optional PU-foam,…)

2%

7.

Carefull soting of different materials

% by weight total

% by weight AL only 100 %

9

9 Recyclingplan alternative Fassade

Die Materialanalyse hat gezeigt, dass eine sortenreine Trennung der Materialien bei aktuellen Elementfassaden mit einem großen Aufwand verbunden ist. Da­ durch wird das Recyclingpotenzial der verwendeten Bauteile nicht ausgeschöpft. Des Weiteren sind die einzelnen Bestandteile der Fassadenkonstruktion nicht gekennzeichnet, sodass sich ähnelnde Materialien schwer zu unterscheiden sind. Dies führt dazu, dass nur Materialien, die leicht gelöst und sortenrein getrennt werden können, dem tatsächlichen Recycling zugeführt werden. Die restliche Fassadenkonstruktion wird zerkleinert und je nach Menge und Art der Störstoffe unterschiedlichen Schrottkategorien zugeordnet. Die weitere Verwendung die­ ser Abfälle reicht vom Downcycling zu Produkten minderwertiger Qualität über die stoffliche oder thermische Verwertung bis hin zur Deponierung.

Innovation Um das Entwicklungspotenzial der Recyclingmöglichkeiten dieses Fassadenty­ pus bewerten zu können, wurde in der Master Thesis Recycling von Fassadensystemen [72] eine Alternativfassade entwickelt, bei der Lösungsansätze für die oben genannten Probleme gesucht und umgesetzt wurden. Ansatzpunkte dieser Untersuchung waren:

die Anzahl der verwendeten Materialien, die Identifizierbarkeit der unterschiedlichen Materialien und die spätere Trennbarkeit der Baugruppen für das Recycling.

121

Die Optimierung führte zur Reduzierung der Anzahl der verwendeten Kunststof­ fe: Wurden bei der ursprünglichen Fassadenkonstruktion noch sieben Kunststof­ fe nachgewiesen, so konnte diese Anzahl in der Alternativfassade auf drei redu­ ziert werden. Diese drei verwendeten Kunststoffe können anhand ihrer Härte leicht unterschieden werden. Die Verbindungen der einzelnen Materialien und Bauteile wurden mit nur geringem Aufwand verbessert: Lösbare Verbindungen wurden in die Fassadenkonstruktion integriert, sodass ein Rückbau der Fassa­ denelemente leichter möglich wird. Außerdem wird bei der Alternativfassade auf die Verwendung von Verbundwerkstoffen verzichtet. Der Vergleich der konventionellen Fassadenkonstruktion mit der Alternativfassa­ de zeigt, dass mit einfachen Mitteln die Recyclingqualitäten technischer Produk­ te teilweise signifikant verbessert werden können. Durch einfache Veränderun­ gen der Bauteilverbindungen kann der Anteil des Aluminiums, das ohne Qualitätsverlust recycelt werden kann, bei der Alternativfassade auf fast hundert Prozent gesteigert werden. Die Recyclingqualität eines technischen Produktes hängt aber nicht alleine von der recyclingorientierten Produktentwicklung ab. Vielmehr ist auch eine offene Kommunikation der Recyclingeigenschaften wichtig, damit alle vorgenomme­ nen Verbesserungen auch von den Recyclingunternehmen erkannt werden kön­ nen. Sinnvoll erscheint hier die Erstellung eines Recyclingpasses, wie er in der VDI-Richtlinie 2243 beschrieben ist. Der Recyclingpass sollte „alle recyclingrele­ vanten Informationen enthalten wie die perspektivische Ansicht des Produktes, die Angabe der relevanten Werkstoffe und deren Gewichte, Nennung der Stoffe, die entnommen und separat behandelt werden müssen (z. B. Schadstoffe), bzw. der Stoffe und Komponenten mit Störpotenzial, Demontagehinweise zu diesen Stoffen sowie zu verwertbaren Stoffen und Komponenten und eine tabellarische Auflistung aller im Produkt enthaltenen Stoffgruppen“ [73]. Hieran sind die beispielhaften Recyclingpässe für die oben beschriebenen Fas­ sadensysteme orientiert. Ein solcher Recyclingpass muss den Recyclern zur richtigen Zeit am richtigen Ort zur Verfügung stehen. Bei einer prognostizierten Nutzungsdauer der Elementfassade von etwa fünfzig Jahren ist dies eine Her­ ausforderung. Eine mögliche Lösung dieses Problems könnte zum Beispiel das System der Radio-frequency Identification (RFID) bieten. Auf einem Transponder werden alle relevanten Informationen zu den verwendeten Bauteilen gespei­ chert. Der Transponder ist in dem Fassadenelement integriert, somit können diese Informationen mithilfe eines entsprechenden Lesegeräts abgerufen und die Rückführung kann umgesetzt werden.

Ausblick Vor dem Hintergrund der erwiesenen Auswirkungen menschlichen Handelns auf die Umwelt ist es unbestreitbar, dass Handlungsbedarf besteht – unabhängig von der Frage, ob der Mensch für die Erderwärmung verantwortlich ist oder nicht. Die aktuelle Debatte verlangt nach einer Umstrukturierung des Konsum­

122

verhaltens, welche sowohl wirtschaftliche als auch umweltrelevante Fragen be­ rücksichtigt, sie im Idealfall miteinander verbindet. Der aufgezeigte Weg zu einer nachhaltigeren Wiederverwendung von Bauprodukten ist ein möglicher Ansatz für die Bauindustrie, diesen Forderungen gerechter zu werden. Es kann festgehalten werden, dass die Verbesserung der Recyclingeigenschaften von Bauelementen maßgeblich von drei Faktoren abhängt:





Faktor 1: Die Recyclingeigenschaften müssen bereits bei der Produktent­ wicklung berücksichtigt werden, vorwiegend bei der Auswahl der Materiali­ en und ihrer Verbindungen. Faktor 2: Die Recyclingmöglichkeiten müssen an die Recycler kommuni­ ziert werden, um die verwendeten Materialien sorgfältig und sortenrein zu trennen. Dies geschieht über die sinnvolle Konstruktion und über die eindeutige Kennzeichnung der Produkte. Faktor 3: In einem letzten Schritt ist es wichtig, dass die gewonnenen Rohstoffe nach dem Recycling tatsächlich ihrer Qualitätsstufe entspre­ chend weiterverwendet werden. So kann einem Qualitätsverlust der Roh­ stoffe unserer Erde am besten entgegengewirkt werden.

Um von diesen spezifischen Erkenntnissen auf das Große zu schließen, bedarf es weiterer Schritte. Die Konsequenz der verantwortungsbewussten Planung und Verwendung der Bauprodukte ist schon am gezeigten Beispiel ablesbar. Sie zeigt eine neue Strategie auf, mit der sich Bauprodukte und (zertifizierte) Gebäude über innovatives Ressourcenmanagement von der Idee einer nachhaltigen Bau­ weise zu einem nachvollziehbar „grünen“ Produkt entwickeln. Des Weiteren bietet die Gegenüberstellung von energetischem Investment (als einem Indikator für Umweltbeeinflussung) und der gewonnenen Qualität ein Spannungsfeld für Architekten und Planer. Durch die Zertifikate für Gebäude, wie beispielsweise das Deutsche Gütesiegel Nachhaltiges Bauen, entsteht Transpa­ renz für den Kunden und eine Nachweispflicht für den Planer. Er muss ökologi­ sche, ökonomische und sozial funktionale Ansprüche miteinander verbinden. Innerhalb der Baubranche kann eine Produktoptimierung über eine mehrpers­ pektivische Produktentwicklung Verbesserung bringen. Der derzeitige Fokus bei der Entwicklung von beispielsweise Fenster- und Fassadensystemen liegt zu ein­ seitig auf der Verbesserung von einzelnen Faktoren wie zum Beispiel dem bau­ teilspezifischen Wärmedurchgangskoeffizienten. Die gesetzlichen Vorgaben der unterschiedlichen Länder sind mittlerweile so streng, dass ein Erreichen dieser Werte nur noch mit dem Einsatz von anwendungsspezifischen Materialien oder Verbundwerkstoffen möglich ist. Diese sind zum einen sehr energieaufwendig bei der Herstellung, zum anderen müssen sie einem sehr problematischen Ent­ sorgungsprozess unterworfen werden. Dabei wurden der Materialverbrauch und die Umwelteinwirkungen des Gebäudebetriebs in den letzten Jahren so stark verringert, dass eine Bewertung der aufgewendeten grauen Energie, die in den verbauten Materialien steckt, nicht mehr vernachlässigt werden darf.

123

Wohn-Vision-2020 Verena Wriedt Mark Fleischhauer

Vision Das Forschungsprojekt Wohn-Vision-2020 verfolgte das Ziel, mit der Entwick­ lung zukunftsorientierter, ressourcenschonender Einrichtungsvisionen aus ge­ brauchten Materialien zur Stärkung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) sowie zur Qualifizierung benachteiligter Jugendlicher und Langzeitar­ beitsloser beizutragen. Das von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderte Projekt wollte ein innovatives Netzwerk mit sich ergänzenden Fertig­ keiten und Anforderungen aufbauen, um Win-win-Situationen für die verschie­ denen Partner aus den Bereichen Design, Ausbildung, Produktion, Werbung und Verkauf im Netzwerk zu schaffen. Zum Abschluss wurden die Einrichtungsvisio­ nen aus gebrauchten Materialien für Räume zum Leben, Arbeiten, Entspannen, Baden, Wohlfühlen, Kochen und Kommunizieren im Juli 2011 in einer Ausstel­ lung im Maßstab 1:1 in Szene gesetzt [65]. Menschen suchen mehr und mehr nach Wohnkonzepten, die flexibel genug sind, sich an veränderte Lebensanforderungen anzupassen. Dahinter steht der Leitge­ danke, dass jeder Mensch so lange wie möglich in seiner gewohnten Umgebung (Haus, Wohnung, Zimmer) leben kann. Experten gehen davon aus, dass es sich keine Gesellschaft leisten kann – egal, ob sie wächst, stagniert oder schrumpft –, den wachsenden Bedarf ihrer Bevölkerung nach Wohnkonzepten mit neuen Qualitäten und Werten zu ignorieren [66]. Diese Überlegungen definierten die folgenden Rahmenbedingungen für die Konzipierung künftiger Einrichtungsvisi­ onen im Projekt Wohn-Vision-2020:

124

1

1  Das Projekt Wohn-Vision-2020 wurde mit einer Ausstellung im Foyer der Detmolder Schule für Architektur und Innenarchitektur, Hochschule Ostwestfalen Lippe, im Juli 2011 abgeschlossen



Recycling als Grundprinzip: Verwendung gebrauchter Materialien für eine verbesserte Ressourceneffizienz Barrierefreie Lebensräume: garantierte sozioökonomische Beteiligung aller, unabhängig von Behinderungen, Geschlecht, Alter, Bildungsstand etc. Flexible Grundrisse: Anpassung an sich verändernde Lebensanforderungen Minderung des Klimawandels und Anpassung: den Ausstoß von Treibhaus­ gasen reduzieren und Anpassung an die unvermeidlichen Folgen des Klimawandels ermöglichen

Das Projekt Wohn-Vision-2020 konzentrierte sich besonders auf die Verwendung gebrauchter Materialien. Designexperten und Studierende aus den Be­reichen In­ nenarchitektur und Design legten in Workshops fest, dass in der ­Umsetzung des Projektes besonders die bisher ungenutzten mechanischen, ästhetischen und poetisch-atmosphärischen Eigenschaften zu berücksichtigen sind [67]. Die Produktionsverfahren, die im Projekt zugrunde gelegt wurden, sollten sich dazu eignen, in Qualifizierungsmaßnahmen insbesondere für benachteiligte Ju­ gendliche und Langzeitarbeitslose eingesetzt zu werden. Das Design der Einrich­ tungsvisionen sollte so ausgelegt werden, dass im Herstellungsprozess beson­ ders handwerkliche Fertigkeiten, Einfühlungsvermögen, Geduld und Kreativität gefordert werden – wichtige Voraussetzungen für eine erfolgreiche Qualifikation. Außerdem wurden die folgenden materialspezifischen Kriterien definiert: 1. Zerlegung: Die zu verwendenden Produkte lassen sich beispielsweise durch Demontage, Schmelzen, Schneiden so zerlegen, dass die gewonnenen Materialien keinen „Abfallcharakter“ haben.

125

2a

2b

2c

3a

3b

2a–c  MyTie von Celia Günther

2. Entwurf von Serien: Post-Consumer-Material und Sekundärrohstoffe werden eingesetzt, um neue Produktreihen zu kreieren, zum Beispiel Polster aus Schlipsen oder breite Liegen aus Palettenholz. 3. Readymade: Die Nutzbarkeit ausgewählter Möbel oder Möbelteile wird durch die Kombination von zwei oder mehr Elementen geändert oder erweitert.

3a, b  Piet und Pepe von Nina Kreitsmann, Renderings 3c  Piet und Pepe von Nina Kreitsmann, Prototyp

3c

Methode Diese Rahmenbedingungen und Grundsätze dienten als Richtlinien für die zehn Partner (siehe unten), die ihrem Know-how entsprechend in den mehrstufigen Prozess integriert wurden, der Design, Ausbildung, Herstellung, Werbung und auch den Vertrieb umfasste. Das Projekt bestand aus folgenden Phasen:

Entwicklung und Darstellung künftiger Lebensräume Design und Erstellung von Prototypen aus gebrauchten Materialien Überführung der Prototypen in eine Serienproduktion Verkauf der Möbel

Das Projekt wurde von Kommunikationsaktionen für Recyclingdesign, wie zum Beispiel dem seit 2007 von der RecyclingBörse! Herford verliehenen RecyclingDesignpreis, begleitet.

126

4a

4

4  kommod und kommod2sit von Jana Niggemeier, Rendering 4a, b  kommod von Jana Niggemeier, Prototyp

4b

Ergebnisse Antwort auf die Anforderungen an künftige Wohnbereiche Die neuen Konzepte antizipierten künftige Wohnbedingungen und -funk­tionen:

Wohnzimmer und Küche verschmelzen zu einem Erlebnisraum für Familie und Freunde. Schlafzimmer und Bad verschmelzen zu einer Wohlfühl-Oase. Ein multifunktionaler Raum übernimmt die Aufgaben des Arbeitszimmers, des Musikzimmers, des Familienkinos usw. Für einen Wohnraum, in dem Kinder groß und Erwachsene alt werden können, ist Flexibilität gefordert.

Auf der Grundlage der in der ersten Phase des Projekts Wohn-Vision-2020 ent­ wickelten Zukunftsszenarien wurden von den Studierenden Möbel entworfen, die den steigenden Anforderungen nach Mobilität, Flexibilität, Kommunikation, Rückzug und Entspannung entsprechen: Flexibel: MyTie von Celia Günther kann je nach Aufstellung als Sofa oder Diwan verwendet werden. Variabel: Piet und Pepe von Nina Kreitsmann können als Barhocker, Sessel, Gestell, Schale oder Tisch verwendet werden. Anpassungsfähig: kommod und kommod2sit von Jana Niggemeier sind im Stil und im Gebrauch verwandlungsfähig.

127

5a

5a Küchentisch Kentrum von Maria Schewzow, Prototyp

5b

6 fiet von Belinda Bergener, Rendering

Faltbar: Fiet von Belinda Bergener ist stufenlos verstellbar, von der Minimie­ rung auf Materialdicke für den Transport bis zu großräumigen Regalen oder Sitzmöbeln. Der Küchentisch Kentrum von Maria Schewzow lässt sich durch eine faltbare Platte vergrößern. Teilbar: Julia Ebbeskottes Raumteiler gestatten die Aufteilung in persönli­ chere und öffentlichere Raumzonen.

6a, b  fiet von Belinda Bergener, Prototyp

Beitrag zur Nachhaltigkeit

5b Küchentisch Kentrum von Maria Schewzow, Detail

6c  fiet von Belinda Bergener, Prototyp

Das Projekt leistete nicht nur beim Material, sondern auch in vielen anderen Bereichen einen Beitrag zur Nachhaltigkeit (s. Tabelle unten).

Bereich

Erläuterung

Ökologisch

Abfallreduzierung durch Verwendung von Altmaterial für die Möbelproduktion Weniger Treibhausgasemissionen Weniger Wasserverbrauch Weniger Luftverschmutzung

Ökonomisch

Beschäftigungsanstieg (bei den verschiedenen Herstellern) durch neue und wachsen­ de Marktsegmente mit eigener Verbrauchergruppe Gewinne für Designer und Einzelhändler durch neuen Produkttyp

Sozial

Arbeitsintensive Produktion: Nische für Werkstätten für Menschen mit Behinderungen und Werkstätten mit Qualifizierungsmaßnahmen

Kulturell

Recycling-Design-Produkte regen die Umweltkommunikation an und können zu Verhaltensänderungen und einer Recycling- statt einer Wegwerfkultur führen Eventuell Stimulation der Alltagskreativität jedes Einzelnen

128

6

6a

6b

6c

Positive Umweltauswirkungen und Ressourceneffizienz in einem Lebenszykluskonzept Phase im Lebenszyklus

Erläuterung

Ressourcengewinnung und -verarbeitung

Ressourcen aus dem Sperrmüll oder aus Haushaltsauflösungen werden nur lokal oder maximal regional gesammelt. Der Großteil wird manuell und oft in Werkstätten zur Qualifizierung benachteiligter Menschen verarbeitet.

Design

Das Produktdesign orientiert sich am Sekundärrohstoff, zumeist Spanplatten. Jedes neue Möbelstück besteht zu achtzig bis neunzig Prozent aus gebrauchten Materiali­ en, die auf Formaldehyd und andere schädliche Substanzen überprüft werden. Materialien ohne schädliche Substanzen erhalten ein Label, was ebenfalls zu den Designprinzipien des Projekts gehört [68].

Herstellung und Einzelhandel

Die Herstellung erfolgt in erster Linie von Hand oder mit kleinen Maschinen. Die meisten Hersteller sind gleichzeitig Anbieter, sodass für den Transport vom Produk­ tions- zum Verkaufsort (wenn überhaupt) nur geringe Transportkosten anfallen.

Vertrieb

Der Vertrieb der Möbel deckt ein größeres Gebiet ab als die Ressourcengewinnung, wobei rund 75 Prozent der Möbel in einer Entfernung bis 300 Kilometer vom Herstel­ ler verkauft werden.

Gebrauch

Die Einzigartigkeit der neu konzipierten Möbel und ein gewisser Grad an Identifikation mit dem Produkt (Kundenwünsche gehen oft in die Produktion ein) bewirken eine durchschnittlich längere Verwendung der Möbel.

Sammler

Das Sammelverhalten für alte Recyclingmöbel unterscheidet sich nicht sehr von dem für konventionelle Möbel.

Wiederverwendung, Recycling, Energie, Wiederher­ stellung, Entsorgung

Auch in diesen Bereichen besteht kein signifikanter Unterschied zu konventionellen Möbeln.

129

7

7a

7  Raumteiler von Julia Ebbeskotte, Rendering 7a, b  Raumteiler von Julia Ebbeskotte, Prototyp 7c  Raumteiler von Julia Ebbeskotte, Leuchtenschirm

7b

7c

Die Möbelproduktion aus gebrauchten Materialien beruht auf dem Grundgedan­ ken, deren Verwendung zu verlängern. Es gibt jedoch auch noch andere Aspek­ te, wie beispielsweise die Qualität des Designs, die die Verwendungsdauer eines Produkts verlängern können. Hierzu gibt es erste qualitative Einschätzungen zum Produktlebenszyklus (s. Tabelle linke Seite). Was den relativen Nutzen und erste quantitative Einschätzungen anbetrifft, ver­ mittelt Abbildung 8 am Beispiel des Stromverbrauchs eine Vorstellung der mögli­ chen Ressourceneinsparung. Die Flussdiagramme zeigen zum einen die konven­ tionelle Möbelproduktion und zum anderen die Recycling-Möbelproduktion. Das Ergebnis zeigt, dass bedeutende Verbesserungen in Bezug auf die Umweltbilanz erzielt werden können, da der Energiebedarf der Recycling-Möbelproduktion etwa 63 Prozent niedriger liegt als bei der konventionellen Möbelproduktion [69]. Aufgrund fehlender Daten können bezüglich der übrigen Umweltindikatoren nur plausible Vermutungen formuliert werden. In Analogie zum Energiebedarf wer­ den für die anderen Umweltfaktoren Reduktionsraten zwischen fünfzig und fünfundsiebzig Prozent angenommen.

Innovation Das Projekt Wohn-Vision-2020 ist in folgenden Bereichen innovativ:

130

Produkt: neue Produkte aus gebrauchten Materialien mit einem einzig­ artigen Design

8

8  Beispiel für eine Reduzierung der Umweltbelastung in absoluten Zahlen

Verfahren: Slow Production durch Einbeziehung benachteiligter gesellschaft­licher Gruppen Technik: Entwicklung neuer Produktionstechniken, da gebrauchte Materia­lien neue Ansätze benötigen Prozesse: Entwicklung völlig neuer Ideen beispielsweise für die Organi­sa­tion oder Vernetzung Einrichtung: Entwicklung von flexibel nutz- und bedienbaren Möbeln Die Auswirkungen dieser Innovationen müssen im wirtschaftlichen Kontext beur­ teilt werden und kommen in den Merkmalen der Produktionsfaktoren, die zu nach­ haltigeren Produkten und Produktionsverfahren beitragen, zum Ausdruck. Der Umweltschutzansatz von Wohn-Vision-2020 und der oben vorgestellten Einrich­ tungsentwürfe zielte darauf ab, die Produktionsfaktoren in einem innovativen Pro­ zess so zu kombinieren, dass die vorhandenen Potenziale und ihre Synergien optimal­genutzt werden. Übersetzt in die Produktionsfaktoren der klassischen Wirtschaftslehre stellt sich die Umsetzung des Umweltschutzansatzes wie folgt dar:



Boden und natürliche Ressourcen: sparsamerer Verbrauch von Rohstoffen (ökologischer Nutzen) Arbeit: arbeitsintensive Produktion, die handwerkliche Fertigkeiten, Kreati­ vität und Feingefühl erfordert und für die Qualifizierung von Menschen mit Behinderungen oder benachteiligten Bevölkerungsgruppen geeignet ist (sozialer Nutzen) Kapital: kosteneffiziente Produktion und Ressourcen (wirtschaftlicher Nutzen) Human-/intellektuelles/soziales Kapital: enge Vernetzung zwischen Design, Produktion und Verkauf (kreativer Nutzen)

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Planungswerkzeuge optimieren

Licht messen – Geometrie berechnen José Miguel Martínez Rico Sergio Saiz Bombín Aitor Leceta Murguzur

Vision Gebäudehülle und Architektur Die wichtigsten Entwicklungstrends in der modernen Architektur konzentrieren sich auf die Gebäudehülle. Zwei unterschiedliche Bedingungen bestimmen ihre Materialisierung: die Suche nach einer kontinuierlichen Außenhaut und eine bessere Steuerung des Energieflusses durch die Gebäudehülle. Hans Ibelings beschreibt die Trends in der Architektur des ausgehenden 20. Jahrhunderts treffend: „Die aktuelle Tendenz zur Abstraktion steht in einem radikalen Kontrast zur extravaganten und dekonstruktivistischen Komplexität des ästhetischen Bezugsrahmens der beiden vorangegangenen Jahrzehnte. Diese Einfachheit ist nicht in erster Linie eine Reaktion auf die Ästhetik der visuellen Exzesse, obwohl dieser Aspekt sicher eine Rolle spielt. Im Wesentlichen ist sie der Ausdruck einer grundlegend anderen Einstellung zur Architektur, die das Bauwerk immer weniger als ein wichtiges und mit symbolischen Bedeutungen gefülltes, sondern mehr und mehr als ein neutrales Objekt sieht.“ [74] Das New Museum of Contemporary Art in New York zeigt das ganz deutlich. Die seitlich versetzte Anordnung übereinandergestapelter Kästen vermittelt einen dynamischen und dabei doch selbstbeherrschten Eindruck. Die durchgehende Außenhaut ist sparsam mit Fenstern versehen, die den Blick auf die Stadt ermöglichen, aber dabei das klare, markante und abstrakte Gesicht des Gebäudes nicht beeinträchtigen. Die Außenhaut besteht aus einem silber eloxierten Streckmetall aus Aluminium, das auf Änderungen von Tages- oder Kunstlicht reagiert und dadurch im Innern des Gebäudes wechselnde Atmosphären schafft.

133

1

1  New Museum of Contemporary Art, New York

Diese Hightech- oder supermoderne Architektur muss nun, jenseits jeder stilistischen Betrachtung, auf einem stärker nachhaltigen Weg im Bauwesen vorangehen. Die Verwendung energieneutraler und energieeffizienter Fassaden kann die Nachhaltigkeit eines Gebäudes deutlich erhöhen. Verbesserungen der Energieeffizienz können durch eine Regulierung des Energieflusses durch die Gebäudehülle und die Vermeidung jahreszeitlicher Temperaturschwankungen erreicht werden. Ein Großteil der aktuellen Forschung in der Fassadenplanung konzentriert sich auf den Wärme- und den Solartransmissionsgrad der Gebäudehüllen. Es gilt einfache Planungswerkzeuge zu entwickeln, welche die Leistungsfähigkeit der Fassadensysteme im Hinblick auf eine praktische, logische und breit gefächerte Anwendung prüfen und dokumentieren.

Methode Fassadenbekleidung aus Metall und g-Wert Es gibt eine Reihe von Lösungen, die die Anforderungen an eine neutrale und effiziente Fassade erfüllen. Eine mögliche Lösung sind lichtdurchlässige Metallfassaden, die mit einem Metallgewebe, mit Lochblechen oder Streckmetallen die Sonneneinstrahlung regulieren und gleichzeitig eine Sichtbeziehung zwischen dem Innen- und dem Außenraum zulassen. Vor den verglasten und undurchsichtigen Teilen der Gebäudehülle platziert, vereinheitlichen sie die Außenansicht des Gebäudes, da die Unterscheidung zwischen geöffneten und geschlos-

134

2

2  Verschiedene Materialien für lichtdurchlässige Fassadenbehänge

senen Gebäudeteilen verwischt wird. Dieser Aufsatz konzentriert sich auf die Leistungsfähigkeit von Streckmetallen zur Regulierung der Sonneneinstrahlung in der Fassade. Der g-Wert (auch Solarfaktor) gibt mit einem Wert zwischen 0 und 1 den Anteil der Sonnenstrahlung oder Wärmeenergie an, der durch ein Fenster, eine Verglasung oder ein Element zur Regelung der Sonneneinstrahlung eindringt. Der Tageslichtfaktor hingegen misst nur das sichtbare Licht, nicht aber die Wärmeenergie. Daher ist es bei allen Messungen und Untersuchungen wichtig, diese beiden Faktoren zu unterscheiden und zu berücksichtigen. Die Fähigkeit eines Streckmetalls, Strahlung zu absorbieren und zu reflektieren, ist abhängig von Farbe und Typ des Materials, von seiner Form und der Art der Belüftung.

Beurteilungsmethoden Die Geometrie von Streckmetallen bewirkt ein komplexes Strahlungsverhalten. Entscheidende Faktoren wie Reflexion und Absorption werden durch Computersimulationen, Laborsimulationen und Analysen mit realer Sonnenstrahlung untersucht. Das Ziel ist die Quantifizierung des Solar- und Lichttransmissionsgrads und des Reflexionsgrads. Der Winkel, in dem der Sonnen- oder Lichtstrahl auf das Metall trifft (Einfallswinkel), bestimmt den Transmissionsgrad des Metalls. Durch Tests mit verschiedenen Mustern soll ermittelt werden, welche Parameter die Leistungsfähigkeit eines Streckmetalls in der Regelung der Sonneneinstrahlung­

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3

4

5

3  Visuelle Befehlsstruktur der Software Grasshopper zur parame­trischen Steuerung der Streckmetallgeometrie

beeinflussen und welche Parameterkombinationen das richtige Verhältnis von Solar- und Lichttransmissionsgrad aufweisen.

4, 5  Digitale Simulation von Belichtungssituationen­ durch ein Streckmetall

Ergebnisse Computersimulation Eine geometrische Analyse des Produktionsverfahrens ermöglicht den parametrischen Aufbau von Entwurfsmodellen. Die Software für parametrisches Entwerfen gestattet die Erstellung von 3D-Modellen der Streckmetalle, die dann in vorhandenen Strahlungssimulationsprogrammen verwendet werden. Anhand dieser Modelle lässt sich der am besten geeignete Streckmetalltyp ermitteln, den beispielsweise der Planer für seinen Entwurf benötigt. Die Form des Streckmetalls hängt von mehreren geometrischen Parametern und einer Vielzahl möglicher Parameterkombinationen ab.

Geometrie als Ergebnis des Produktionsverfahrens Die Herstellung von Streckmetallen ist vergleichsweise einfach. Bleche (Tafeln oder Bänder) werden in Maschinen geschnitten und anschließen gestreckt, sodass sich aus den Schnitten Löcher im Metall bilden und nach dem Strecken eine Gitterform entsteht. Das fertige Gitter wird galvanisiert oder lackiert [75]. Die verschiedenen Typen von Streckmetall unterscheiden sich jeweils in der Form des Messers und der Form des Lochs. Am einfachsten und häufigsten ist Streckmetall mit viereckigen Rautenmaschen, aber auch sechseckige Maschen sind

136

6

7

8

9

6 – 8  Einflussgrößen der Streck­ metallgeometrie 9  Screenshot eines parametrisch aufgebauten Entwurfsmodells

geläufig und ähneln dem kreisförmigen Muster von Lochblechen. Streckmetalle können jedoch ohne Materialverlust und damit bedeutend kostengünstiger hergestellt werden. Streckmetalle mit Rautenmaschen und solche mit sechseckigen Maschen weisen unterschiedliche Relationen von Sichtbeziehungen und der Kapazität zur Sonnenregulierung auf. Neben der Anwendung als Sonnenschutz finden Streckmetalle vor allem als Filter in Industriekomponenten Verwendung. Die Gitter können gepresst, geformt und zu Komponenten verschweißt werden, um zu sieben, zurückzuhalten oder zu filtern. Sie dienen auch als rutschfeste Oberflächen für Laufstege und Rampen oder als Bewehrung für Mauern bei Mörtel- und Gipsarbeiten.

Parametrisches Modellieren von Streckmetall Parametrisches Modellieren gestattet es, ein Objekt mithilfe von Parametern zu definieren, anstatt es direkt zu zeichnen. Dazu werden die Attribute jedes Teils des Modells und sowohl die Beziehungen der Teile untereinander als auch zwischen den Teilen und der Umgebung definiert. Mithilfe der CAD-Software Rhinoceros und des Zusatzmoduls Grasshopper wurden die Parameter für die Modelle der Streckmetalle definiert, deren Leistungsfähigkeit als Sonnenschutz in der Fassade untersucht werden sollte.

Computersimulation zu Tageslicht und Wärme Die Modelle werden in das Strahlungssimulationsprogramm exportiert, das den Tageslichtfaktor für ein dreidimensionales Element an einem gegebenen Standort und in einer gegebenen Position berechnen kann.

137

10

10, 11  Belichtungs­situationen verschiedener Streckmetalle bei iden­tischen Lichtverhältnissen

Um die Wärme, die durch die Sonnenstrahlung entsteht, im Fassadenmodell berechnen zu können, muss eine Reihe komplexer Parameter berücksichtigt werden. Zum einen ist dies die Energie, die vom gewählten Streckmetallelement absorbiert und zurückgestrahlt wird, und zum anderen der Wärmeabbau durch die Belüftung des Zwischenraums zwischen dem Streckmetall und der nachfolgenden Fassadenschicht.

Laborsimulation und Feldversuche Der g-Wert von Glas wird in der Regel mit Präzisionsradiometern gemessen, die für kleine Proben konzipiert wurden. Diese sind für die Untersuchungen von Solar- und Tageslichtfaktor bei Streckmetall jedoch nicht geeignet, daher musste der Versuchsaufbau entsprechend angepasst werden. Die unterschiedlichen Strahlungsrichtungen werden in der Laborsimulation daher mit einem Rotationsprobenhalter und einer statischen Lichtquelle durchgeführt. In Ergänzung zu den Laborversuchen bieten sich Feldversuche zur Überprüfung des g-Werts eines Streckmetalles zur Regelung der Sonneneinstrahlung an. Am besten eignen sich Feldtests an einem sonnigen Tag. Die konstante Positionsände­ rung der Sonne, die Klarheit des Himmels und die Luftbewegung verändern den Umfang der Sonneneinstrahlung und die Temperatur vor Ort. Die erzielten Ergebnisse werden anschließend mit den Ergebnissen anderer Testmethoden verglichen­. Aus den Ergebnissen der Simulation, des Labor- und des Feldversuchs lässt sich der durchschnittliche g-Wert für ein bestimmtes Streckmetall, eine bestimmte geografische Lage und eine bestimmte Neigung berechnen. Mit diesem g-Wert

138

11

kann man die Wärme- und Luminanzleistungen von Fassaden mit Streckmetallen in einzelnen Projekten konkreter als bisher vorhersagen. Im Allgemeinen lässt sich feststellen, dass die Verwendung dickerer Stege eine stärkere Reflexion der Sonnenstrahlung nach sich zieht. Lösungen mit schmäleren Stegen ergeben oft bessere Sichtbeziehungen, aber einen weniger effektiven Sonnenschutz.

Innovation Im Anschluss an die oben beschriebenen Analysen soll ein Softwareprogramm entwickelt werden, das ein 3D-Modell eines Streckmetalles erstellen und den g-Wert und Tageslichtfaktor des zu simulierenden Elements berechnen kann. Dabei werden die gegebenen geometrischen Parameter und die Ausrichtung der Fassade berücksichtigt. Die Entwicklung innovativer Produkte zielt meist auf neue Materialien oder neue Bearbeitungsverfahren ab. Die vorliegende Arbeit zeigt jedoch, dass „Innovation“ ebenso bedeuten kann, dass durch gezielte Forschung gängige Produkte und ihr Einsatz optimiert werden. Das ist auch der Fall bei dem bereits vor langer Zeit erfundenen Streckmetall, das ohne eine präzise Überprüfung seiner Eigenschaften­ im Bauwesen weit verbreitet im Einsatz ist. Der nun berechenbare g-Wert eines Streckgitter-Fassadenelements kann bei einer gezielten Anwendung den thermischen Wirkungsgrad von Gebäuden verbessern, somit die Effizienz heutiger Gebäudehüllen. Dies wird die Anwendung des optimierten Materials in der Fassade erweitern und damit einhergehend die Entwicklung von optimierten Fassadensystemen, die sich an die variierende Sonneneinstrahlung anpassen können.

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Digitales Entwerfen und Konstruieren Marco Hemmerling Jens Böke Frank Püchner

Vision Die Rolle der Computertechnologie im Informationszeitalter ist mit dem Einfluss der industriellen Massenproduktion auf die Industriegesellschaft oder der Landwirtschaft auf die Agrargesellschaft zu vergleichen. Durch die veränderten Produktionsmittel hat sich immer auch die Gesellschaft und damit verbunden die Architektur gewandelt [76]. Digitale Technologien prägten in den vergangenen Jahren zunehmend die Konzeption, Entwicklung und Umsetzung architektonischer Entwürfe und in fast allen Architekturbüros haben der Computer und mit ihm die entsprechenden Programme und Anwendungen Einzug gehalten. Im Bereich der architektonischen Formfindung spielen generative Entwurfsmethoden, Building Information Modeling (BIM, Gebäudedatenmodellierung) und digitale­Fabrikationstechnologien eine zunehmend bedeutende Rolle. Die umfassende Darstellung von dreidimensionalen Gestaltungskonzepten mittels digitaler Simulationen und die direkte Interaktion mit dem virtuellen Modell im Entwurfsprozess erweitern die Wahrnehmung von räumlichen Zusammenhängen. Von der ersten Konzeptvisualisierung bis zum fertigen 3D-Gebäudedatensatz bildet der Computer mittlerweile den kompletten Entwurfs- und Planungsprozess ab. Die Digitalisierung definiert klassische Aufgabenbereiche des Architekten neu, der sich mit neuen Sprachen und Methoden vertraut machen muss. Gleichzeitig rückt der Architekt wieder ins Zentrum der gesamten Architekturproduktion – von der ersten Idee bis zum fertigen Gebäude. Dies verspricht eine Verein­fachung­ der Prozesse in vielen Bereichen der Architekturentwicklung: eine schnellere Anpassung an Veränderungen im Entwurf, Zeitersparnis durch Automatisierung,

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höhere Wirtschaftlichkeit durch Zeitersparnis, Begrenzung der Schnittstellen und Fehlerquellen sowie die direkte Umsetzbarkeit des Digitalen ins Physische über CAD- und CAM-Technologien [77]. Der Computer ist das umfassendste und dynamischste Werkzeug, das der Architekt für seine Arbeit je zur Verfügung hatte und das ihm gleichzeitig größtmögliche Freiräume im Entwurf bietet. Zur Ausgestaltung dieses Potenzials bedarf es jedoch der Fähigkeit, den Computer als interaktives Instrument einzusetzen und seine künstliche Intelligenz als kreative Erweiterung zu begreifen. Ein professioneller Umgang mit digitalen Medien sorgt dafür, dass die architektonische Qualität­vom Entwurf bis zur Realisierung im Kompetenzbereich des Gestalters bleibt, und erweitert gleichzeitig dessen Einfluss auf die zukünftige Entwicklung von Architektur.

Methode Die folgenden drei Projektbeispiele stehen in einer Reihe studentischer Arbeiten, die an der Detmolder Schule für Architektur und Innenarchitektur, Hochschule Ostwestfalen-Lippe, in den vergangenen Jahren mithilfe digitaler Werkzeuge ent­worfen, entwickelt und umgesetzt wurden. Die prototypischen Studien sollen­ exemplarisch die im Aufsatz „Digitale Architektur“ (S. 24–33) auf­ge­zeigten Methoden anhand konkreter Projekte aus der Lehre verdeutlichen. Neben der ­Vermittlung von Kenntnissen im parametrischen Entwerfen zielten die jeweiligen Aufgabenstellungen auf die Anwendung der vor Ort vorhandenen digitalen Fabrikationstechnologien. Im Rahmen eines durchgängigen Entwicklungs­prozesses –

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1

1  Digitale Skizzen

von der Formfindung über die Integration funktionaler, konstruktiver und materialspezifischer Aspekte im Entwurfsprozess bis zum Herstellungsverfahren – sind die Arbeiten unter Einbindung verschiedener Lehrgebiete, Werkstätten und externer Partner entstanden.

SunSys Jens Bökes Bachelor-Thesis [78] entstand mit dem Ziel, auf dem Campus der Hochschule Ostwestfalen-Lippe in Detmold ein Angebot zu schaffen, das insbesondere im Sommer Aufenthaltsflächen für Studierende im Außenbereich bietet. Über die Analyse der Gegebenheiten unter Verwendung verschiedener digitaler Werkzeuge wie GPS-Tracking und Sonnenstandsanalyse wurden zunächst die Parameter für die Gestaltung ermittelt. Insbesondere existierende Bewegungsverläufe und -strukturen sowie Nutzungszeiträume und die Ausrichtung auf den Sonnen- bzw. Schattenverlauf lieferten das Datenmaterial für die Entwurfsarbeit, in die sie generativ einflossen. So ergab sich aus der Laufrouten- und der Schattenanalyse der bestmögliche Standort für den Pavillon auf dem Platz zwischen den Hauptgebäuden. Aus den Ergebnissen der Nutzungsanalyse und der Sonnenanalyse wurden die Werte für den graduellen Verlauf offener und geschlossener Teile der Struktur ermittelt. Die formgebenden Profile der unterschiedlichen Nutzungsbereiche sind an die Sitzmöbel Stuhl, Bank und Sonnenliege angelehnt. In der Rückzugszone werden die Nutzer vom lebhaften Campus abgeschirmt. Dennoch wirkt sie nicht verschlossen oder dunkel. Die Struktur öffnet sich in den Dachbereichen, während sie in den als Sitzflächen ausgearbeiteten Bereichen des Pavillons geschlossen

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2

2 Entwurfsvarianten, basierend auf einem parametrischen Modell

ist. Der Analyse entsprechend wurde der Referenzpunkt für die Öffnungen in der Struktur durch den Sonnenvektor dieser Tageszeitspanne ermittelt. Dem parametrischen Strukturmodell des letztlich vorgeschlagenen Entwurfs liegt eine modellierte Ausgangsform zugrunde. Die Einzelflächen dieser Ausgangsform wurden in eine parametrische Definition konvertiert, die dann mit der entsprechenden Struktur versehen wurde. Der Pavillon soll aus planaren Elementen gebaut werden, die im Neunzig-Grad-Winkel ineinandergesteckt werden. Die einzelnen Elemente haben jeweils unterschiedliche Formen, lassen sich aber mithilfe einer CNC-Fräse nach einem einheitlichen Prinzip herstellen. Die Struktur der Öffnungen entsteht einzig durch die Skalierung der einzelnen Elemente. Da die Struktur auf einem Formprinzip beruht, ist SunSys auch als Prototyp dieses Prinzips zu verstehen, das bei anderen Parametern zu anderen Großformen führt mit anderen Nutzungsfunktionen unter Beibehaltung des Prinzips. Es zeigt exemplarisch das Potenzial, das parametrisches Entwerfen und daraus abgeleitete Fertigungsprozesse bieten. Die Bausteine, die identisch sind mit Verbindungselementen, richten sich zwar nach einer Formel, die alle Parameter integriert. Sie lassen aber gleichzeitig unendliche Variationen in der Verknüpfung zu und lassen sich in großer Vielfalt und Präzision zu einer Idealform kombinieren [79].

Design to Production Die Diplomarbeit [80] von Frank Püchner thematisiert die Möglichkeiten, gekrümmte Flächen unter Anwendung computergestützter Werkzeuge zu produ-

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3

3  Tragwerkssimulation und ­-optimierung der Struktur

zieren, und untersuchte unterschiedliche Konstruktionssysteme in Verbindung mit digitalen Produktionsvarianten, die anschließend in physische Modelle übersetzt wurden. Hierzu wurde zunächst die Basisgeometrie einer aus Sinuskurven bestehenden Translationsfläche am Rechner erzeugt. Sie diente im Weiteren als Ausgangspunkt für die Untersuchung verschiedener Fertigungs- und Konstruktionsvarianten. Bei der Übernahme der Daten in die Produktion ergab sich an mehreren Punkten die Notwendigkeit, das digitale Modell zu verändern und zu ergänzen. Abmessungen, Material, Positionen sowie verschiedene Details mussten angepasst werden, um die computergesteuerte Fertigung beginnen zu können. Besonders Fertigungstoleranzen, statische Erfordernisse, Verbindungs- und Fügungsparameter sowie die Eigenschaften der verwendeten Materialien (unterschiedliche Holzarten, Hartschaum) mussten an der Schnittstelle von Planung und Fertigung in den Datensatz integriert werden. Um bei diesen Optimierungsschritten eine komplette Neuerzeugung des jeweiligen 3D-Modells zu vermeiden, wurde ein anpassungsfähiges parametrisches Modell mit der 3D-Software Rhinoceros entwickelt. Mithilfe des Zusatzmoduls Grasshopper wurde das digitale Modell entsprechend parametrisiert, sodass Anpassungen ganzheitlich auf das Modell übertragen werden konnten [81]. Alle Prozessbausteine wurden von einer zentralen Datei gleichzeitig angesteuert und beeinflusst. Die visuelle Programmierung in Grasshopper lieferte auch die Vorlage für die praktische Umsetzung der Versuchsreihe. So entstand eine digitale Prozesskette als Grundlage für die durchgängige Entwicklung von der Konzeptgeometrie über die Ausarbeitung des 3D-Modells bis hin zur Realisierung. Durch

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4

4  Produktion eines Maßstabs­ modells über Laserschneidetechnologie

die Parametrisierung kann die jeweilige Konstruktionsart direkt verändert und optimiert sowie gestalterisch bewertet werden. Neben den Fertigungsprinzipien der Triangulation, der horizontalen Schichtung und des Steckrastersystems wurde auch das von Christoph Schindler entwickelte ZipShape-Prinzip im Rahmen der Diplomarbeit von Frank Püchner bearbeitet und als funktionsfähiger Datensatz programmiert [82]. Diese digitalen Werkzeuge sind im Ergebnis nicht nur auf eine einzige Geometrie bezogen, sondern stehen zur Fertigung verschiedener ein- und zweifach gekrümmter geometrischer Formen zur Verfügung.

Sparkler Sparkler ist eine dreidimensionale Interpretation der bekannten Proportionsstudie von Leonardo da Vinci, die den vitruvianischen Menschen eingebunden in Kreis und Quadrat zeigt. Der im Rahmen des Projektes Sparkler entworfene experimentelle Pavillon erinnert von außen an einen kantigen Kristall, während er im Inneren eine perfekte Kugelgeometrie beschreibt [83]. Diese beiden Basisformen sind über die extrudierten Kanten eines regelmäßigen archimedischen Körpers – des abgestumpften Ikosaeders – so miteinander verbunden, dass die räumliche Skulptur im Ergebnis als in sich stimmige Form erscheint [84]. Die aus Fünf- und Sechsecken aufgebaute Struktur weist somit auch formale Bezüge zu den Konstruktionen Richard Buckminster Fullers auf [85]. Im Entwurfsprozess wurde zunächst ein parametrisches Geometriemodell mithilfe der 3D-Modeling-Software Rhinoceros/Grasshopper aufgebaut. Im Modell

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stehen sowohl die innere und äußere Basisgeometrie – Kugel und Quader als den Raum umschreibende Volumina – als auch die unterschiedlichen Schnittflächen, die den Körper letztendlich formen, in Abhängigkeit voneinander. Dieses als Entwurfsmaschine konzipierte 3D-Modell erlaubte es, zahlreiche Varianten der Grundidee zeitnah zu erzeugen, zu bewerten und miteinander zu vergleichen. Durch diverse Anschnitte der Außenkanten kann der Pavillon insgesamt sieben verschiedene Standpositionen einnehmen. Darüber erweitern sich nicht nur die Nutzungsmöglichkeiten, es ändert sich auch die Erscheinung der skulpturalen Struktur, je nach Blickwinkel und gewählter Aufstandsfläche. Das parametrische Modell wurde mit fertigungsrelevanten Informationen ausgestattet, um es für die Produktion der einzelnen Bauteile über CNC-Technologien vorzubereiten. Über die Optimierung des Plattenzuschnitts (Nesting), der Integration von Materialstärken und erforderlichen Toleranzen für die Montage hinaus wurden auch logistische Aspekte für den Auf-, Ab- und Wiederaufbau im digitalen Modell berücksichtigt. Ein über die Laserschneidemaschine gefertigtes Maßstabsmodell (1:10) aus Holz diente neben der räumlichen Anschauung auch der Vorbereitung und Überprüfung des späteren Montageprozesses. Die Typologie des Pavillons bietet ein geeignetes Experimentierfeld für neue Raumkonzepte, da die prototypische Struktur in einem idealisierten Prozess entwickelt werden kann und somit ein grundsätzliches Verständnis für die vorgestellten Methoden entsteht. Die neunzig geometrisch unterschiedlichen Multiplex-Plattenformate, aus denen Sparkler zusammengesetzt ist, werden über hundertzwanzig lasergeschnittene Stahlknoten kraftschlüssig miteinander verbunden. Die auf einem Buckyball basierende Struktur erzeugt dabei nicht nur ein statisch optimiertes Tragverhalten, sondern ermöglicht auch die serielle Fertigung der formgleichen Stahlknoten.

Innovation Innovationen entwickeln sich häufig in anderen Industriezweigen und finden erst zeitlich verzögert Einzug in die Architektur. Dieser Prozess ist, in Analogie zu vorausgegangenen technischen Entwicklungen, auch bei der Einführung von CAD-CAM-Anwendungen zu beobachten, wie es Michael Hensel und Achim Menges konstatieren: „Es herrschen festgefahrene, tradierte Denk- und Sichtweisen, sowie Distanzierungen, wie mit diesen Neuerungen umzugehen ist.“ [86] Trotz dieser anscheinenden Zurückhaltung ist der Einfluss der digitalen Revolution auf die Architektur bereits deutlich sichtbar: Durch den Einsatz des Computers verändert sich nicht nur die formale Gestalt und Wahrnehmung unserer gebauten Umwelt, sondern auch die Arbeitsweise der am Bau beteiligten Akteure. Umso wichtiger ist es, diese Entwicklung aktiv und kritisch zu begleiten. Im 21. Jahrhundert ist die Computer- und Informationstechnologie eine Basistechnologie. Digital verfügbare Information wird zur Grundvoraussetzung für das Entwerfen, Planen, Bauen und Unterhalten von Gebäuden und sie verbindet alle Partner bei der Planung und Realisierung von Architektur. In der Verknüp-

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fung der unterschiedlichen Prozesse über ein konsistentes Gebäudedatenmodell liegt das eigentliche Innovationspotenzial digitaler Technologien für die Architektur begründet [87]. Vor diesem Hintergrund steht Building Information Modeling (BIM) für eine digitale Planungsmethodik, bei der alle Vorgänge rund um den Entwurf, die Planung, die Ausführung und Bewirtschaftung eines Gebäudes miteinander vernetzt werden. Sämtliche Informationen sind in einer Datenbank abgelegt und über parametrische Verknüpfung assoziativ verbunden. Dazu gehören neben den grafischen Informationen zur Gebäudegeometrie auch nichtgrafische Informationen wie Mengenangaben, Materialien, Zeiten, Nutzungen und Kosten. Die Modifikationen, die auf einer dieser Ebenen durchgeführt werden, wirken sich direkt auf die anderen Bereiche aus, unabhängig davon, ob das 3D-Modell, der Grundriss oder die Bauteillisten angepasst werden. Neben einer umfassenden Verknüpfung aller gebäuderelevanten Informationen für die Architekturplanung schafft BIM auch die Verbindungen und Schnittstellen zu den anderen Planungsbeteiligten wie beispielsweise zur Statik, zur Haustechnik der Bauphysik oder zum Facility Management. Der Einsatz einer solchen Planungsmethodik verbessert vor allem den Planungsprozess. Die Verwendung einer gemeinsamen Datenbasis, die ständig synchronisiert wird, und die unmittelbare Verfügbarkeit aller aktuellen und relevanten Daten führen zu einer wesentlichen Verbesserung des Informationsaustausches zwischen den Planungsbeteiligten. In der Entwurfsphase erlauben parametrische Modelle die Untersuchung verschiedener Varianten innerhalb eines Prinzips. Der Aufbau eines solchen Datenmodells definiert dabei die Ausgangssituation, die im weiteren Verlauf flexibel angepasst werden kann. Zur Erzeugung dieses Modells sind Programmierkenntnisse unerlässlich. Die Grundgeometrie des Entwurfs wird dabei mit Algorithmen versehen, die es später ermöglichen, Einfluss auf die Geometrie und andere Aspekte des Modells, wie Materialität und Konstruktion, zu nehmen. Auf dieser Grundlage lassen sich die Randbedingungen für den Entwurf individuell defi­ nieren und manipulieren. Die Entwurfsmethodik verändert sich dabei ebenso grundlegend wie die daraus ableitbare Umsetzung des Entwurfs in die Realität. Das Wissen aus anderen Disziplinen, wie der Informatik und der Fertigungstechnologie, fließt demnach verstärkt in die Architektur ein. Die entscheidende Frage wird sein, welche Gewichtung diese Bereiche erhalten und zu welchen ästhetischen und funktionalen Ergebnissen dies führt. Als Architekten sind wir aufgefordert, diese Herausforderung anzunehmen und einen eigenständigen, architektonischen Ausdruck für unser digitales Zeitalter zu finden.

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Prozesse optimieren und steuern Xavier Ferrés Padró Thomas Braig Jörn Tillmanns

Vision Als sich im Laufe des 19. Jahrhunderts die Ausbildungswege des Architekten und des Ingenieurs voneinander trennten, begann eine Entwicklung, bei der sich die Architekten zunehmend mit der Form und die Ingenieure mit der Bautechnik beschäftigten. Diese Entwicklung führte dazu, dass im 20. Jahrhundert das Was und das Wie eines Gebäudes fast vollständig in unterschiedlichen Disziplinen behandelt wurden. Diese Spezialisten müssen nunmehr zusammenarbeiten und hierfür besonders geeignete Formen der Kooperation entwickeln. Dennoch bleibt ein Gebäude immer gebunden an seine Bauweise und die verwendeten Materialien. Damit die Leistungsfähigkeit von Gebäuden und Gebäudeelementen auch mit weiter steigenden ökologischen, soziokulturellen und wirtschaftlichen Anforderungen mithalten kann, sind technologische Fortschritte in den Prozessen und neue Produktentwicklungen unerlässlich. Insbesondere die Fassade eines Gebäudes erfüllt eine Reihe zentraler Aufgaben: Sie charakterisiert das Gebäude, sie stellt einen Bezug zu seiner Umgebung, seinen Nutzern und seiner Funktion her und leistet als komplexe Membran den Energieaustausch. Letzteres wird dann zur Schlüsselfunktion, wenn leichte Systeme und Materialien – wie bei den Vorhangfassaden im Büro- und Verwaltungsbau üblich – verwendet werden sollen. Dafür stehen bereits heute innovative und leistungsfähige Technologien zur Verfügung. Mit den heutigen digitalen Werkzeugen können die Funktionen einer Fassade im Voraus geprüft und beurteilt werden: auf der Basis von zwei- und dreidimensionalen Darstellungen und Simulationen der Energie- oder Baustoffeffizienz.

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1

1  Entwurfsskizze einer Doppel­ haut-Fassade, La Nueva Masia FC Barcelona, Barcelona, 2010, PB2 – MCM Group – Ferrés AC

Mit einer intelligenten Kombination und Optimierung dieser modernen Anwendungen unter technischen, ökologischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten können bereits heute existierende Standards um ein Vielfaches übertroffen werden. Besonders effizient ist dies, wenn ein integraler Planungsprozess durchgeführt wird, der Produkt- und Planungsexperten sowie die zukünftigen Nutzer und Eigentümer von Anfang an einbezieht. Eine Form der Kooperation ist beispielsweise das EcoCommercial Building (ECB) Program von Bayer Material­ Science. In diesem Programm haben sich Produkt- und Planungsexperten zu einem Netzwerk für nachhaltiges Bauen zusammengeschlossen, das mit professionellen Entscheidungsträgern in der Bauindustrie wie Entwicklern, Investoren und Planern kooperiert. Eine andere Variante ist die Etablierung klarer Prozessabläufe unter Leitung eines der Spezialisten, hier des Fassadenberaters.

Methode Grundvoraussetzung für klare Prozessabläufe ist das Architekturlastenheft für Gebäude und Gebäudefassaden – insbesondere für Leichtbaufassaden, das dem Komfort des Nutzers eine hohe Priorität zuspricht. Hier bieten Hochleistungsgläser und andere transparente Baustoffe in Kombination mit Licht- und Sonnenschutzsystemen Optionen für anpassungsfähige Arbeits- und Lebensräume. Diese sind in der Lage, auf unterschiedliche Situationen, Ausrichtungen, klimatische Bedingungen oder Tageszeiten zu reagieren. Je nach Intensität des einfallenden Sonnenlichts können Temperatur, Luftfeuchtigkeit und natürliche Belüftung reguliert werden.

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2

2  Schnittskizze der Gebäude­ hülle, EBROSA-Bürogebäude, Madrid, 2005, Estudio Lamela Arquitectos

Leider werden häufig Gebäudehüllen installiert, die den Bedarf der Nutzer nicht berücksichtigen. Als solle partout die „globale Gebäudeverpackung“ erfunden werden, die individuelle Kontexte außer Acht lässt, die mit geringfügigen Variationen wiederholbar ist und die keine Rücksicht auf den Komfort der Nutzer, die bauliche Durchführbarkeit und die besondere Lage des Gebäudes nimmt. Üblich sind auch Transfers aus anderen Breitengraden, ohne dass über notwendige Adaptionen nachgedacht wird. Leistungserwartungen, Wirtschaftlichkeit, Managementmodelle und technischer Sachverstand variieren von Projekt zu Projekt und müssen ganzheitlich betrachtet werden. Unglücklicherweise ist der Weg von der Konzeption zur gebauten Realität mühsam und weit und die Qualität des Endprodukts hängt von vielen Faktoren ab. Es gilt Bauvorhaben eingehend bis ins Detail zu prüfen, um Verbesserungsmöglichkeiten erkennen und umsetzen zu können. Welche Ziele zu Beginn einer Projektplanung formuliert werden, hängt ab von:

den Anforderungen und Erwartungen der Nutzer, der Kenntnis des Planungsprozesses und des Arbeitsablaufs, den Möglichkeiten der Fertigung und Verarbeitung der Materialien sowie den Grundkenntnissen in Bautechniken.

Ein Beispiel für eine erfolgreiche Anwendung eines integralen Planungsprozesses im Rahmen des EcoCommercial Building (ECB) Program ist eine Studie für einen nachhaltigen Supermarkt in Deutschland. Die Studie wurde unter der Regie von zwei Gründungsmitgliedern des ECB-Programms erstellt: Planquadrat als Architekturbüro und Bayer TechnologyServices als Energieingenieurbüro. Auf

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3

3  Entwurfsskizze und Details, EBROSA-Bürogebäude, Madrid, 2005, Estudio Lamela Arquitectos

Basis der Kombination innovativer, aber bereits verfügbarer und erprobter Technologien könnte für ein Einzelhandelsgebäude mit einer Nutzfläche von 3.500 m2 ein energetisches Einsparpotenzial von 60.000 Euro pro Jahr realisiert werden. Die Energiekosten für einen neu errichteten Supermarkt können von 23 Euro pro m2 und Jahr (konventionelle Bauweise) auf 6 Euro pro m2 und Jahr gesenkt werden. Die Umwelt profitiert aufgrund des um mehr als die Hälfte reduzierten ­Kohlendioxid- und Stickoxid-Ausstoßes und der Senkung des SO2-Ausstoßes um die Hälfte. Die Studie hat damit beste Voraussetzungen, die Qualifikationskriterien für das Gold-Zertifikat der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (DGNB) zu erfüllen. Die Gebäudestudie zeigt, dass integrales Planen nicht im Widerspruch zu einem individuellen und markanten Design steht und auch mit leichten Baumaterialien realisiert werden kann – wenn das Gesamtgebäudekonzept darauf abgestimmt ist. Das begrünte Dach macht dem Besucher nicht nur Nachhaltigkeit sichtbar (auch in Bezug auf die Corporate Identity des Nutzers), es trägt auch zur Klimatisierung des Innenraums bei und dem Rückhalt des Regenwassers. Die NordOrientierung der Dachfenster erlaubt eine harmonische Innenraumbeleuchtung durch Tageslicht ohne direkte Sonneneinstrahlung. Gleichzeitig können die Rückenflächen optimal für Fotovoltaik genutzt werden. Die Polycarbonat-Multisteg-Verscheibungen sind mit Nanogel gefüllt und verbinden Bruchsicherheit und leichtes Gewicht mit hoher Transparenz und hervorragenden Dämmeigenschaften. Die energie- und ressourceneffiziente Gebäudehülle ist eine wichtige Säule des nachhaltigen Baukonzepts. Bewährte Systemlösungen auf Basis verschweißter

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4

4  Nachhaltige Gebäudeplanung

Kunststoffbahnen gewähren die Dichtigkeit des Gründachs. In der gesamten Hülle wurde der Hochleistungsdämmstoff Polyurethan eingesetzt. Je nach Anwendungsbereich werden Lambda-Werte bis zu 0,024 W/(m*K) erreicht, was i­m Vergleich zu anderen etablierten Dämmstoffen bis zu vierzig Prozent höhere Dämmleistungen oder entsprechend schlankere Aufbauten ermöglicht. Polyurethan behält eine konstante Dämmleistung über Jahrzehnte hinweg und nimmt kein Wasser auf. Somit muss der Dämmstoff selbst im Falle einer Leckage nicht ausgetauscht werden. Gegenüber der Alternative aus Mineralwolle kann Polyurethan für eine vergleichbare Dämmleistung um bis zu vierzig Prozent dünner ausgelegt werden. Der Werkstoff ist aufgrund des niedrigeren spezifischen Gewichts auch um den Faktor 7 leichter. Dies ermöglicht rohstoff- und kostensparende, leichtere Baukonstruktionen. Außerdem ist Polyurethan genügend druckfest, sodass das Dach auch begehbar ist. Das Dach wird von einem quer orientierten Fachwerksystem getragen. Zeit- und kosteneffiziente Wandbausysteme auf Basis von Holz-Polyurethan- und Metall-Polyurethan-Sandwichpanels kombinieren Fertigbauweise und Energieeffizienz. Auf der Eingangsseite ist eine markante Fotovoltaikfassade eingesetzt. Die Solarmodule in der Frontfassade sind – wie auch die Module im Dach – im optimalen Winkel angeordnet. Die Fotovoltaik ist in die Leichtbau-Kunststoffverscheibung aus Polycarbonat integriert und sorgt für die notwendige Verschattung. Durch Reflexion des Sonnenlichtes auf dem vorgelagerten Wassergürtel wird die Effizienz der Fotovoltaik weiter erhöht. Das spezifische Gewicht von Polycarbonat ist zehnmal niedriger als von Glas. Deshalb kann es in der Regel auch ohne schweres Gerät verarbeitet werden und benötigt bis zu dreißig Prozent weniger Stahl für die Unterkonstruktion – Rohstoffeffizienz, die sich auch wirtschaftlich auszahlt.

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5

5  Systembauweise des Gebäudes

Durch eine sinnvolle Mischung von konventionellen Heizquellen und erneuerbaren Energien wird eine angenehme, wirtschaftliche und ökologische Klimatisierung erreicht. Dabei spielen Wärmepumpen kombiniert mit Bauteilaktivierung eine wichtige Rolle. Trotz intensiver Tageslichtnutzung ist die Verwendung künstlicher Lichtquellen unerlässlich, da abhängig von der Nutzung atmosphärische Akzente oder gut ausgeleuchtete Teilbereiche gewünscht und notwendig sind. Qualitativ hochwertige LED-Technologien haben bereits in Supermärkten bewiesen, dass der Energiebedarf um fünfundsiebzig Prozent und mehr gesenkt werden kann. Polycarbonat-Umhüllungen leisten einen entscheidenden Beitrag dazu, dass LEDs langlebig und effizient arbeiten. Im Innenausbau sind Fußböden ein elementares Funktions- und Designelement. Fugenlose Systeme auf Basis von Polyurethanen sind hoch belastbar und langlebig. Dadurch können Wartungsintervalle verlängert werden und die Reinigung wird vereinfacht. Die Umwelt profitiert in der Summe und über den Lebenszyklus von einem geringeren Abfallaufkommen bei Renovierungsmaßnahmen und von einem reduzierten Reinigungsmittelverbrauch.

Ergebnisse Architektur schafft wertvolle Ergebnisse, wenn die zugrunde liegenden Planungsprozesse die Auswahl des passenden Fassadensystems einschließlich der notwendigen technischen Detaillösungen berücksichtigen. Das allgemeine Konzept des Gebäudes und das der Gebäudehülle ergeben nur so ein stimmiges Ganzes. Angewendet auf die Planung von Fassaden für neue Gebäude oder für

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6  Eingangsseite mit Foto­voltaikFassade und vorgelagertem Wassergürtel

die Sanierung bestehender Gebäude stellen sich die zu berücksichtigenden Aspekte wie folgt dar:







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Ausgehend von einem definierten Nutzerbedarf, von Formen, Volumen und Raum sind Konzepte zu erstellen, die mithilfe von Machbarkeitsstudien überprüft und präzisiert werden. Ein übergeordnetes architektonisches Konzept wird erarbeitet. Das Fassadenkonzept und das übergeordnete Konzept des Gebäudes werden miteinander abgeglichen. Eine überzeugende Wechselwirkung von Fassade und Gebäude und die Qualität der Fassade selbst bestimmen den Erfolg des Gesamtgebäudekonzepts. Dazu gehören Form, Farbe, Textur, Licht, Schatten und Transparenz. Es werden aber auch Energiekonzepte und prinzipielle Details definiert, typologische Entscheidungen getroffen, Oberflächen der Gebäudehülle und Budgets kalkuliert. Das Zusammenspiel mit HLK-Systemen (Heizung, Lüftung, Klima) und die Koordination der statischen Berechnung sind ebenfalls unerlässlich. Fassadensysteme und Planungsdetails werden berechnet. Dazu gehören die Abmessungen und damit das mechanische und bautechnische Verhalten der Fassadenelemente, die Abstände zu den zentralen Tragwerks­ elementen und die Toleranzen. Außerdem sind Brandschutzvorschriften, Fertigungsverfahren, die Montage und die Wartung zu berücksichtigen. Anhand von Schaubildern und Tabellen werden die Glastypen und andere Fassadenelemente, deren Zusammensetzung und Leistungsmerkmale definiert. Zu Fassadenprofilen oder Anpassungen der Profilgeometrien, Glasprodukten, zu anderen Materialien und deren Umgestaltung, Dichtungen und

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7  Visualisierung des Centre d’Alt Rendiment Esportiu, Sant Cugat, Wettbewerb 2010, TAC, Taller d’Arquitectes col·laboradors 8  Bürogebäude im Parc de la Pegaso, im Bau, Madrid, 2011, Estudio Lamela Arquitectos

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Fugen sowie zur Produktkompatibilität innerhalb der Gebäudehülle und mit den anderen Elementen des Gebäudes werden technische Spezifikationen formuliert. Um die Umsetzbarkeit des Fassaden- und Gebäudekonzepts zu prüfen, werden CAD-Zeichnungen des Entwurfs und der Details erstellt. Komplette Entwürfe von möglichst vielen Fassadendetails sind unerlässlich, um potenzielle Risiken während der Ausführungsphase auf ein Minimum zu beschränken. Häufig sind auch Modelle im größeren Maßstab oder im Maßstab 1:1 erforderlich, um die Umsetzbarkeit von Konzepten zu prüfen.

Leistungsparameter stellen die Bezugspunkte für jeden Schritt dar und für jede Entscheidung muss das technische Verhalten berücksichtigt werden. Um Risiken und Unsicherheiten möglichst stark einzugrenzen, müssen Zeit und Ressourcen für Computersimulationen und -berechnungen, Laborversuche, Prototypen und Tests auf der Baustelle eingeplant werden. Wenn diese Schritte in aller Konsequenz verfolgt werden, wie bei der Gebäudestudie des Supermarkts, kann sich die Bilanz sehen lassen: Die Energiekosten liegen um fünfundsiebzig Prozent unter den Werten für ein konventionelles Gebäude, die Emissionswerte um fünfzig bis fünfundsiebzig Prozent unter den Vergleichswerten. Durch integrales Planen kann mit heute verfügbaren Bausystemlösungen auf Basis innovativer Leichtbau-Materialien die Nachhaltigkeit von Gebäuden verbessert werden. Je nach Gebäudetyp ist eine Optimierung weit über bestehende Standards in Bezug auf Rohstoff- und Energieeffizienz, soziokulturelle Verträglichkeit und Wirtschaftlichkeit möglich.

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9

10

Energiekosten [€/m²] Öl Elektrizität Elektrizität (Wärmepumpe) Gas Gesamt

Konventioneller Supermarkt

Studie nachhaltiger Supermarkt

1,64

--

15,84

2,03

--

2,29

6,97 22,99

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Konventioneller Supermarkt

Studie nachhaltiger Supermarkt

CO 2

79

35

1,70

SO 2

11

6

6,05

NO X

24

10

11

9  Bürogebäude CMT 22@, im Bau, Barcelona, 2008, Batlle i Roig Arquitectes

Emissionen [kg/m²]

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10  Prototyp Fassadenelement, Bürogebäude im Parc de la Pegaso, Madrid, 2010, Estudio Lamela Arquitectos

11  Bilanz der Energiekosten

12  Bilanz der Emissionswerte

Leistungsparameter und technische Beschaffenheit

Idee

Architektonisches Konzept

Fassadenkonzept

Festlegung der Fassadenart

Definition von Bauteilen und Materialien

Technische Details und Zeichnungen

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13  Zyklischer Planungsprozess

Innovation Wenn die Inspiration das ist, was der Kreation vorangeht, dann ist das bauliche Detail das, was sie möglich macht, sagte Ludwig Mies van der Rohe. Das Schaubild zeigt in einem zyklischen Prozess den Übergang von der Idee zur Projektausführung, vom konzeptuellen Entwurf zum baulichen Detail. Dieser Prozess muss viele Male durchlaufen werden, um sicherzustellen, dass die in jedem Schritt getroffenen Entscheidungen mit den vorherigen Schritten und dem Projekt als Ganzem übereinstimmen. Es lässt sich problemlos nachweisen, dass zwischen der Qualität der fertigen Hülle und des Gebäudes und der Sorgfalt des Planungsprozesses ein direkter Zusammenhang besteht. Wenn der vorgeschlagene zyklische Planungsprozess richtig eingesetzt wird, kann er zu Innovationen in Architektur und Bautechnik führen. Da Innovationen bei jedem Planungsaspekt, beispielsweise den Komponenten und Materialien, möglich sind, werden sie sich in insgesamt innovativeren Systemlösungen niederschlagen.

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Technologien übertragen

Die gedruckte Gebäudehülle Holger Strauß

Vision Die additiven Verfahren (Additive Manufacturing – AM) [88] eröffnen für zukünf­ tige Baudetails Freiheiten, die erste Ansätze und grundsätzliche Ideen gewisser­ maßen von selbst entstehen lassen. Diese Freiheiten in Rücksprache mit einem Industriepartner zu konkretisieren und für eine produktorientierte Anwendung verfügbar zu machen, war das Ziel des kooperativen Forschungsprojektes „Ein­ fluss additiver Verfahren auf die Entwicklung von Fassadenkonstruktionen“ der Hochschule Ostwestfalen-Lippe und der Firma Kawneer-Alcoa (im Folgenden Kawneer). Die additiven Verfahren sind auch bekannt als Rapid Prototyping, Solid Freeform Fabrication oder werden umgangssprachlich als 3D-Drucken bezeichnet. Durch ihr grundsätzlich anderes Prinzip der Herstellung ermöglichen sie es, geschlos­ sene Geometrien und freie Formen aus 3D-Computerdaten zu generieren. Sie stehen durch die schichtweise Erstellung der Bauteile im direkten Gegensatz zu den subtraktiven Verfahren, die unsere Denkweise als Ingenieure, und somit auch die Gestalt und Funktion unserer technischen Entwicklungen, über die ver­ gangenen hundertfünfzig Jahre geprägt haben. Die AM-Verfahren sind in Teilen der Industrie bereits erprobtes (Produktions-)Mittel, im Bereich der Architektur und Bautechnik sind sie noch Neuland. Die vorgestellte Forschungsarbeit zielt deshalb in genau diesem Bereich darauf ab, das Potenzial der AM-Technologien aufzuzeigen­. Nur wenn es gelingt, in Zusammenarbeit mit einem interdisziplinä­ ren Spezialistenteam die richtige Verfahrenstechnik für die entsprechende An­ wendung zu de­finieren, können neue Querverbindungen und neue Produktan­ sätze entstehen­. Die Fassade nimmt eine zentrale Position im Gesamtkonzept

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1  Standardverbinder, Rendering 2  Standardverbinder, Foto

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eines Gebäudes ein und bietet daher eine Vielzahl von Entwicklungsansätzen. Im Projekt wurden erstmalig Ideen entwickelt, um AM für die industrielle Fertigung eines Pfosten-Riegel-Fassadensystems einzusetzen [89]. Im folgenden Text wird die Bezeichnung Additive Manufacturing (AM) synonym für alle Verfahren der Rapid-Technologien verwendet.

Methode Ausgangspunkte Um die Aufgabenstellung im Projekt zu präzisieren, wurde die folgende Chro­ nologie definiert: 1. die zeitnah in ein bis fünf Jahren umzusetzende Anwendung, deren Ergebnisse direkt mit den verfügbaren Technologien zu realisieren sind (Bauteilebene), 2. ein Zeitraum von fünf bis zehn Jahren, in dem erzielte Ergebnisse in der absehbaren Zukunft realisierbar scheinen (Baugruppen- und Kompo­ nentenebene) sowie 3. ein Zeitraum von fünfundzwanzig bis dreißig Jahren, für dessen Anwen­ dungen die heute verfügbaren Technologien nicht ausreichend sind (Sys­ temebene). Diese zeitliche Abstufung stellt eine direkte Verbindung zwischen der heutigen Produktion und den Anforderungen an ein verändertes Design her. Was zunächst

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3

3  Standardverbinder „Freiform“, Kolf & Molijn, NL 4  Standardelement „Freiform“, Kolf & Molijn, NL

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mit einer einfachen Veränderung von Standardbauteilen beginnt, soll sich nach Einschätzung der Projektbeteiligten zu einem ganzheitlichen Ansatz entwickeln – zur „gedruckten“ Gebäudehülle. Sowohl die verwendeten Bauteile eines gängigen Fassadensystems als auch die Häufigkeit ihrer Verwendung wurden analysiert, um Verbesserungs- oder Verän­ derungspotenziale zu identifizieren. Hinterfragt wurden Aspekte zum Material­ verbrauch, zur Geometriebeschränkung durch das Produktionsverfahren Strang­ pressen, zur Lagerhaltung und zur Montage der Bauteile. Ein besonderer Fokus im Projekt lag auf der Entwicklung eines Fassadenknotens (Baugruppenebene). Mit Beginn des Projektes zeichnete sich ab, welchen Einfluss das Additive Manufacturing auf die Entwicklung von Komponenten in der Bautechnik haben kann. Es wurde aber gleichzeitig auch deutlich, dass das tatsächliche Design entspre­ chender Bauteile bis zu einem überzeugenden Entwicklungsstand deutlich mehr Zeit benötigt als zunächst angenommen und dass die Qualität der Ergebnisse von der Vielfalt der im Projektteam kooperierenden Spezialisten abhängt [89].

Projektergebnisse Das erste, für den Stand der Technik realistische Ergebnis war ein verbesserter Fassadenverbinder für das Standard-Pfosten-Riegel-System AA-100 von Kaw­ neer. Er ermöglicht, in Kombination mit den digitalen Planungswerkzeugen, eine Individualisierung der Fassadengeometrie und eine strukturelle Verbesserung der Pfosten-Riegel-Verbindungen.

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5  3D-Verbinder, Rendering 6  3D-Verbinder, Foto

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Im aktuellen AA-100-System gibt es ein Verbinderprofil für nicht orthogonale Stöße. Aber durch seine geometrischen Beschränkungen aus der Herstellung im Extrusionsverfahren erfüllt das Bauteil nicht alle Anforderungen an eine solche Verbindung. Die Werkzeuge für die Extrusion sind im ersten Schritt auf den Pro­ zess optimiert und erst im zweiten Schritt für die eigentliche Profilverwendung als Bauteil. Aus dem Herstellungsprozess ergeben sich also Zwänge in der Geo­ metrie der extrudierten Profile, aber auch in der abzunehmenden Mindestmenge und somit Zwänge in Lagerhaltung beziehungsweise in Durchsatzmengen. Im konkreten Fall des Pfosten-Riegel-Verbinders kann der Winkel des anliegen­ den Riegels zum Pfosten zwar variiert werden. Aufgrund der geringen Auflage­ fläche und der unbestimmten Position der Schraubkanäle resultiert aber aus seiner Verwendung eine vielfach geringere Lastabtragung in der Verbindung als in einem vergleichbaren orthogonalen System. Der AM-Entwurf für einen verbesserten Verbinder integriert alle Winkel und Boh­ rungen digital. Somit können exakt passende Verbindungen für jeden Kreu­ zungspunkt der Fassade über ein parametrisches Modell geplant und mit AM hergestellt werden. Im Fall des vorgestellten Bauteils konnte durch Formopti­ mierung (Soft Kill Option, [90]) eine signifikante Menge funktional nicht benötig­ ten Materials „digital entfernt“ werden. Im Vergleich zum Standardbauteil erga­ ben sich fünfundzwanzig Prozent Materialersparnis. Die Verbinder werden mit AM genau in der Stückzahl produziert, die benötigt wird (On-Demand Production). Die Montage des „digitalen Verbinders“ erfolgt mit den Standard-PfostenRiegel-Systemkomponenten analog zur orthogonalen Bauweise. Da sich die Einbausituation nicht verändert hat, werden für das veränderte Fassadensystem

162

7

8

7  3D-Verbinder, Detail

die gleichen Werkzeuge und Zubehörteile verwendet. Die Riegelprofile werden mit CNC-Fräsungen auf die genauen Winkel gefräst, wobei die numerischen In­ formationen aus dem Datensatz über die Verformung stammen.

8  DMLS-Bauteil im Riegelprofil

Das Optimierungspotenzial für diesen Verbinder ist deutlich, da sich die Bauteil­ geometrie analog zu Verformungen in der Fassade ändert. Die digitale Program­ mierung der nötigen Winkel in Verbindung mit der Verringerung im Materialver­ brauch und der Verbesserung der performativen Eigenschaften zeigten den Mehrwert des Additive Manufacturings. Der „digitale Verbinder“ ist der erste Pro­ totyp aus dem Projekt, der additiv in Edelstahl hergestellt wurde. Er zeigt die Möglichkeiten und die Veränderungen in Entwurf und Leistung, auch wenn er über das erste Prototypenstadium hinaus nicht weiterentwickelt wurde. Aus diesem ersten optimierten Bauteil hat sich der zweite Ansatz für die Um­ setzung der definierten Projektziele ergeben: eine One-Off-Lösung für eine ­verformte Pfosten-Riegel-Fassade, die den Stand der Technik im Bereich der generativen Herstellung von Bauteilen im Werkstoff Metall (Direct Metal Fa­brica­ tion – DMF) zeigt [91]. Dieser Ansatz führte zur Entwicklung und Realisierung des digital geplanten und additiv hergestellten Fassadenknotens Nematox II. In diesem Bauteil wurden nun alle Vorteile des zuvor entwickelten Verbinders einen Schritt weitergebracht. Das Ergebnis zeigt einen Knotenpunkt, der in sei­ nen Abmessungen mit der derzeitig verfügbaren AM-Anlagentechnik unmittel­ bar hergestellt werden kann. Durch die Verschmelzung von Pfosten und Riegel­ profil sind für die Montage der Fassade nur noch rechtwinklige Sägeschnitte an den Fassadenprofilen notwendig. Dies reduziert den Verschnitt und erleichtert

163

9

9  Nematox II, Rendering

die Montage. Außerdem wird der kritische Punkt der Wasserführung, die Über­ gabe vom Riegel in die Kanäle des Pfostens entschärft und somit das System technisch verbessert. Weiterhin können auch für die verformte Fassade alle Zu­ behörteile aus dem existierenden System verwendet werden [89].

Projektbewertung Durch die Verwendung der additiven Verfahren als Produktionsmittel wurde der digitalen Prozesskette ein weiteres Glied hinzugefügt (File to Factory). Mit AM vervollständigt sich die Idealvorstellung einer CAD-CAM-Produktion: Es wird möglich, Informationen aus dem digitalen Entwurfsprozess direkt in das Bauteil zu übertragen. Dies kann bei einer Bauaufgabe im Bestand ein verformungsge­ rechtes Bauaufmaß sein, bei einer Neuplanung aber auch eine freie Geometrie, die vom orthogonalen System abweicht [92]. Bei einer direkten, das heißt auto­ matisierten Übertragung könnten Freiformbauteile mit allen Winkeln und den notwendigen Verbindungselementen in der Qualität eines orthogonalen Sys­ tems erstellt werden. Im aufgenommenen Fall der AA-100-Fassade würde der digital angepasste Verbinder zwischen Pfosten und Riegel alle Lasten optimal vom Riegel in den Pfosten übertragen und gleichzeitig alle Dichtungen und Ver­ bindungsmittel im Standard des orthogonalen Systems aufnehmen. Ebenso könnten bei Verwendung des Nematox-Knotens geschwungene Fassaden ver­ schnittoptimiert und systemsicher realisiert werden. Das Risiko von fehlerhaften Verbindungen und Dichtungsebenen würde minimiert. Digitale Planung und handwerkliche Umsetzung gehen hier eine neue Verbindung ein –zum Digital Craftsmanship.

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10

10  Nematox II, Foto 11  Nematox II, Mock-up

11

Innovation Potenzial für die Fassadenanwendung Die additiven Verfahren bieten per se für Gestalter und Ingenieure ein großes Potenzial, traditionelle Aufgabenstellungen und konventionelle Lösungsansätze neu zu interpretieren. Das beschriebene Projekt ergänzt diese Aussage um den Faktor „Fassade“, ein gänzlich neues Anwendungsgebiet von AM. In ihrer Verbin­ dung stellen die Projektergebnisse und die vorstellbaren Produktentwicklungen mit AM einen konkreten Ausblick für die Fortführung der Forschung im Themen­ gebiet der Gebäudehülle dar. Die Weiterentwicklung des erarbeiteten NematoxFassadenknotens zu einer ersten Projektanwendung stellt einen echten Meilen­ stein in der Bautechnik in Aussicht. Gerade bei der Anwendung im Bereich der Gebäudehülle ist das Wissen um technische Möglichkeiten und Limitierungen grundlegend für die weitere Entwicklung. Die verfügbaren DMF-Metalle bieten aufgrund ihrer hinreichend bekannten Materialeigenschaften als Baumaterial in­ teressante Perspektiven für einen Einsatz in der Fassadentechnik. Im Projekt wurde deutlich, dass sich häufig erst in der intensiven Auseinander­ setzung mit den neuen Technologien die zentralen Fragen stellen und sehr kon­ krete weitere Forschungsansätze zutage treten. Die Argumente für den Einsatz des Additive Manufacturing, die ursprünglich zum Projekt geführt hatten (beispielsweise Leichtbau, Freiform, Materialeinsparung, integrierte Funktionen), lassen bestehende Entwurfsstrategien und Gedankenmo­

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delle hinfällig erscheinen – sie führen zu einer radikalen Neuinterpretation­von bestehenden Systemen, Bauteilen, Details und Designansätzen. Im Gegensatz dazu war die ursprüngliche Verwendung der Rapid-Technologien bei ihrer Erfindung in den 1980er-Jahren zur Herstellung reiner Anschauungs­ modelle gedacht – das Rapid Prototyping. Alle Bestrebungen aus dem Markt weisen heute aber auf die Herstellung von einsatzfähigen Produkten hin und eben nicht mehr nur auf die Herstellung von Prototypen. Es fehlen noch offizielle Normen oder Qualitätsstandards für die Produkte aus den AM-Technologien. Für die Einführung von Fassadenbauteilen aus AM sind ebensolche Standards unerlässlich. Eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung der verwendeten Materialien und Produkte ist notwendig, wenn eine standardi­ sierte Produktion in Betracht gezogen wird. Gerade im Bereich der Bautechnik werden Standsicherheit und Lastfälle über genormte Bauteile definiert. Da im Bauwesen immer auch die Sicherheit der Nutzer im Mittelpunkt steht, sind Zer­ tifizierungen und überprüfbare Materialeigenschaften und somit abgesicherte Verantwortlichkeiten zwingendes Ziel der Entwicklung [89], [93]. Als Ergebnis aus Forschung und Lehre kann zusammengefasst werden, dass sich ein weites Feld neuer Anwendungen hinter den heutigen Limitierungen zu ver­ bergen scheint. Die Veränderung in unserem Denken hat längst begonnen: CAD-CAM, File to Factory, digitale Materialien sind die Schlagwörter, erste kon­ krete Resultate wurden mit den Projektergebnissen aufgezeigt. Die Evolution in den AM-Technologien ist rasend schnell; daher ist auch der intuitivere Gebrauch

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12

12  Ideenskizze „Zero Tolerance Refurbishment Facade“ [5]

von Additive Manufacturing durch eine fortschreitende Verbreitung des Wissens darüber absehbar. Auf dem Weg zur „echten“ Anwendung von AM gilt es noch eine Reihe von Hürden zu überwinden, wenn das gesamte Potenzial der AMTechnologien ausgeschöpft werden soll. Aber diese Hürden sind großenteils technischer Natur und keine systemimmanenten Beschränkungen. Planer und Architekten müssen in Zukunft „nicht mehr fertigungsgerecht, sondern funkti­ onsgerecht konstruieren“, wie Wilhelm Meiners vom Fraunhofer Institut für La­ sertechnik es ausdrückt [94]. Der bekannte und sichere Rahmen des Ingenieur­ wissens und der Architekturlehre der letzten hundert Jahre wird mit den neuen Technologien auf den Kopf gestellt.

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Die gläserne Verbindung Lisa Rammig

Vision Seit in den 1970er-Jahren die ersten Personal Computer auf den Markt kamen, bestimmen und beeinflussen digitale Technologien mehr und mehr Wirtschaft, Gesellschaft und Alltag. Sie ermöglichen Massenproduktionsverfahren, die ohne manuelle Anpassungen auskommen und deren Präzision optimierte Produkte gewährleistet. Mit den digitalen Fertigungstechnologien bewegen sich die Mas­ senprodukte inzwischen hin zu einer stärker kundenorientierten und individua­ lisierten Fertigung. Das perfekte Produkt wird geschaffen, ohne dass von Hand Einzelstücke gefertigt werden müssen, dafür wird aber der Kunde wieder in den Produktionsprozess einbezogen. Das Produkt verändert sich nach seinem Ge­ schmack. Während die generative Fertigung (Additive Manufacturing) von Produkten, bei­ spielsweise in Kunststoff oder Metall, zu einer hochentwickelten Technik heran­ gereift ist, ist die generative Fertigung von Glas, wohl einem der faszinierendsten Baumaterialien überhaupt, bislang nahezu unerforscht geblieben. Glas ist belast­ bar, aber sehr brüchig, es ist schwer, sieht jedoch leicht aus und es ist durchsich­ tig. Diese Eigenschaften haben Glas zu einem wichtigen Bestandteil unserer heutigen gebauten Umwelt werden lassen. Die Erfindung des Floatglas-Verfah­ rens führte sehr schnell zur Entwicklung neuer Anwendungen von Glas, wie bei­ spielsweise in Schicht- und Isolierglas, für beschichtete, gekrümmte und frei geformte Glasscheiben. Die Transparenz rückte zunehmend in den Fokus mo­ derner Architektur. Diese ist stark von digitalen Medien und 3D-Modelling-Software beeinflusst, die der Kreativität fast keine Grenzen setzen, auch nicht beim Werkstoff Glas. Daraus hat sich wiederum ein Bedarf nach Glas mit insgesamt

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schmelzen floaten schneiden schleifen

bohren säubern biegen

fügen laminieren ‚smart glass‘ flüssige Kristalle

schweissen Punkt

Linie

Fläche

Punkthalterung

Vordach

flächige Verbindungen

vorgehängte Ebene

Treppe

feste Verbindungen

härten

beschichten

abtragen

gehärtetes Glas

bedrucken

sand strahlen

färben

äzen

‚smart glass‘

elektrochrom

Fotovoltaik Holografie

thermotrop

Fototropie Thermochromie Isolierglas

1

1  Schematische Darstellung der Glasverarbeitung

höherer Leistungsfähigkeit entwickelt. Frei geformte Glasscheiben, von denen keine der anderen gleicht, können zwar präzise aneinander angepasst werden, müssen dann aber auch einzeln produziert werden. Hier stellt sich die Frage nach einer möglichen Verwendung generativer Fertigungsverfahren für die Glas­ herstellung. Das Konzept Direct Glass Fabrication (DGF) verspricht, frei geform­ te transparente Bauteile herstellen und einsetzen zu können – frei von Be­ schränkungen durch die Komplexität klassischer Herstellungsweisen. Der vorliegende Artikel untersucht die Möglichkeiten und Grenzen einer solchen Technologie, wobei die Materialeigenschaften, der aktuelle Stand der Tech­ nik, die Planungsparameter, die neueren fachlichen Entwicklungen, eine Über­ prüfung in der Praxis sowie mögliche zukünftige Forschungsbereiche diskutiert werden.

Methode Werkstoff Glas Physikalisch betrachtet ist Glas ein festes anorganisches Silikatprodukt mit amor­ pher Struktur. Im Gegensatz zu kristallinen Materialien wird Glas durch seine Isotropie gekennzeichnet, das heißt, dass alle Eigenschaften oder gemessenen Werte in allen Richtungen der Struktur identisch sind. Herkömmliches Glas, wie zum Beispiel Kalknatronglas, besteht aus Quarzsand, Kalk und Natron. Durch den Zusatz weiterer Substanzen lassen sich Eigenschaften, wie Härte und Farbe, verändern.

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2

Si

Si

O

O 3 Si O

2 Kalknatronglas Si 3 SiO2-Kristall, 2D-Darstellung O

Materialien wie Metall oder Kunststoff werden durch ihren chemischen Ver­ wandheitsgrad definiert, Glas jedoch durch seine strukturelle Zusammensetzung, die unabhängig von der chemischen Zusammensetzung zu sehen ist. Die vor­ teilhaften Eigenschaften von Glas, wie die Lichtdurchlässigkeit, das Wärmever­ halten und die Festigkeit, ergeben sich aus seiner Molekularstruktur. Quarzglas hat die einfachste Struktur und besteht nur aus Siliciumdioxid. Während der Quarzkristall eine geordnete Struktur aufweist, ist der molekulare Aufbau von Quarzglas ungeordnet und ist damit nicht kristallin. Das Material scheint „flüssig“ zu sein, aber es kriecht oder fließt nicht. Der hohe Anteil von Quarzsand (ca. 75 Prozent) bedingt die Härte, Festigkeit und Sprödigkeit des Materials. Sprödes Material lässt sich nicht verformen bzw. zer­ bricht schon bei geringen Biegespannungen. Die Zusammensetzung des Glases ist ein wesentlicher Faktor für die Viskosität der Schmelze und die Eigenschaften des erstarrten Glases. Wie beschrieben tendiert reines Quarzglas zur Kristalli­ sation, weist aber einen niedrigen thermischen Längenausdehnungskoeffizien­ ten auf. Deshalb ist es unempfindlich gegen große Temperaturunterschiede, welche bei Glasstrukturen häufig zum Bruch führen. Die Temperaturschockre­ sistenz eines­Quarzglases ist also deutlich höher als die eines herkömmlichen Kalk­­natronglases.

Technische Parameter für generativ hergestelltes Glas Die folgenden technischen Parameter sind maßgebend für die Entwicklung von generativ hergestelltem Glas – Direct Glass Fabrication (DGF):

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4

Na Ca





Al O



Si O

5

Na Ca

4 SiO4, 3D-Darstellung



5 SiO2-Glas, 2D-Darstellung









Al O



Si O

Der thermische Längenausdehnungskoeffizient ist ein zentraler Wert für die Anwendungsbereiche von Glas, insbesondere für die Analyse des Materials im Hinblick auf generative Fertigungsverfahren. Die theoretische Festigkeit des Glases gibt die Härte als Ergebnis der Ver­ bundfestigkeit einzelner Komponenten an, die von der unrealistischen Voraussetzung defektfreien Glases ausgeht. Die praktische Festigkeit berücksichtigt solche Defekte und ist daher deut­ lich niedriger. Dieser Wert ist entscheidend für die Auslegung von Bauteilen.

Borosilikatglas wird in erster Linie in der chemischen und pharmazeutischen In­ dustrie verwendet, da es durch eine besondere chemische Resistenz und einen niedrigen thermischen Längenausdehnungskoeffizienten charakterisiert wird. Diese Eigenschaften verbessern seine Beständigkeit gegenüber den großen Temperaturunterschieden, die bei generativen Fertigungsverfahren auftreten. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Viskositätsleistung des Materials. Wird eine kristalline Substanz erwärmt, schmilzt sie bei einer bestimmten Temperatur und wird flüssig. Im Gegensatz dazu hat Glas keinen Schmelzpunkt, sondern wird mit der Temperaturerhöhung zunehmend viskos. Die geordnete Molekularstruktur des Kristalls ergibt einen harten Feststoff, während sich Glas aufgrund seiner ungeordneten Struktur wie eine abgekühlte Flüssigkeit verhält. Soll eine Glas­ schicht im generativen Fertigungsverfahren auf eine konventionell hergestellte Glasscheibe aufgebracht werden, muss die gesamte Scheibe auf eine einheitli­ che Temperatur erhitzt werden, die sich aus der maximalen Temperaturschock­ beständigkeit ergibt.

171

6

6  Manuelles Verschweißen 7  Verbindung nach mechanischem Test

7

Praktische Anwendung Um die Möglichkeiten generativer Fertigungsverfahren für Glas beurteilen zu können, wurden praktische Versuche durchgeführt. Die temperaturabhängigen Materialfügungen wurden hierbei durch ein Schweißverfahren erreicht. Für die Versuche wurde Borosilikatglas gewählt, da es sich aufgrund seiner thermischen Eigenschaften für ein Schweißverfahren eignet. Zur Überprüfung der Verbindungsqualität wurden zunächst Rohre und Stäbe auf Glasscheiben geschweißt und schließlich Schichtungen und Punkte manuell er­ stellt. Die Schichtungen und Punkte wurden erzeugt, indem ein Glasstab erhitzt, zu einem dünnen Faden aufgeschmolzen und das Material dann auf eine Glas­ scheibe aufmodelliert wurde. Die zu verbindenden Schichten müssen hierbei eine konstant hohe Temperatur aufweisen, damit die materialechte Verbindung entstehen kann. Für die Simulation des generativen Fertigungsverfahrens wurden die Glasschei­ ben in einem feuerfesten Behälter mithilfe eines Brenners vorgewärmt, mit dem auch die Fügungen zwischen den einzelnen Glaskomponenten geschweißt wur­ den. Das Abkühlen, der sogenannte Annaelingprozess, bei dem die thermischen Spannungen aus den Verbindungen langsam herausgenommen werden, erfolg­ te in einem Keramikofen, in dem das Material innerhalb von zwanzig Stunden von Arbeits- auf Raumtemperatur abgekühlt wurde.

172

8

8  Manuelles schichtweises Verschweißen von Glas

Ergebnisse Verschiedene Fügungsvarianten wurden hergestellt, um die atomare Bindungs­ struktur zu vergleichen und zu beurteilen. Dabei wurden zunächst das Verhalten der Glas-Glas-Verbindungen und der Grad der Genauigkeit geprüft, mit dem sie hergestellt werden konnten. Anschließend wurde eine schichtweise Herstellung durchgeführt, um einen „realen“ generativen Fertigungsprozess zu simulieren. Die bruchmechanische Prüfung der Schweißverbindungen zeigte, dass Bruchli­ nien vor allem im Bereich des Ausgangsmaterials auftraten, was bestätigte, dass die Verbindungen fester sind als das Ausgangsmaterial. Daraus lässt sich ableiten, dass in einem schichtbauenden Fertigungsverfahren haltbare Glas-Glas-Verbin­ dungen hergestellt werden können. Hieraus leitet sich die Frage ab, wie diese Produktionsmethode in der Architektur oder im Fassadenbau eingesetzt werden könnte und welche Produkte damit möglich wären. Um konkrete Anwendungen aus den zugrunde liegenden Produktionsprinzipien abzuleiten, wurde ein Glaspunkthalter, der in einem generativen Fertigungsver­ fahren mit der Glasscheibe verbunden werden kann, entworfen, anschließend gefertigt und für mehrere Verbindungen bruchmechanischen Tests unterzogen. Verglichen mit herkömmlichen Punkthaltern besteht ein wichtiger Vorteil dieses Ansatzes darin, dass die Anzahl und Größe der Halter für jede Glasscheibe ein­ zeln definiert werden kann. Ausgehend vom Eigengewicht, der Windlast und anderen Einflüssen, können die Punkthalterungen für jede Verbindung optimiert werden. Der wichtigste Vorteil des DGF-Punkthalters ist jedoch, dass keine Lö­ cher in die Glasscheiben gebohrt werden müssen. Es werden keine Spannungen

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erzeugt, und da Wärmebrücken fehlen, werden Energieverluste reduziert. Die äußere Scheibe wird an keiner Stelle durchdrungen, das heißt, dass die thermi­ sche Trennung der Fassade nirgends unterbrochen wird. Das ist unter den Klima­ bedingungen in Nordeuropa – und bei den aktuellen Energiesparvorschriften und Nachhaltigkeitsansprüchen mehr denn je – von herausragender Bedeutung. Durch die Transparenz des Materials sind die Punkthalter außerdem von außer­ gewöhnlicher visueller Qualität, da sie im Vergleich zu herkömmlichen Punkt­ haltern in der Fassade kaum wahrnehmbar sind.

Innovation Die Entwicklungen der generativen Fertigungsverfahren für Glas, eines der äs­ thetisch ansprechendsten Materialien, stehen noch ganz am Anfang. Die oben vorgestellte Diskussion zu Materialeigenschaften, den verfügbaren Technologi­ en und zur Analyse der Parameter, die das Konzept Direct Glass Fabrication be­ stimmen, führt zu folgenden Schlussfolgerungen: Generative Fertigungsverfahren haben sich für die Glasherstellung als geeignet erwiesen. Die existierenden generativen Verfahren müssen an die Eigenschaften von Glas angeglichen werden. Die vorliegende Forschungsarbeit zeigt dabei ers­ te Möglichkeiten auf, wobei anstelle rechnergesteuerter generativer Prozesse zunächst manuelle Verfahren angewendet wurden. Erst in einem weiteren Ent­ wicklungsschritt kann eine Übertragung des Werkstoffes Glas auf eine Anlagen­ technik erprobt werden.

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3

4

1 5

2

1 2 3 4 5 9

9 Glaspunkthalter 10 Glaspunkthalter Detaildarstellung

Glasscheibe mit Punkthalter Klemmring Elastomer Klemmhülse Pfosten

10

Die größte Herausforderung bei der Verarbeitung großer Glasscheiben besteht darin, sie so behutsam zu erhitzen, dass sie nicht brechen. Das Verhalten von Glas lässt sich durch eine Änderung der Eigenschaften, zum Beispiel der Visko­ sität, des thermischen Längenausdehnungskoeffizienten und der sich daraus ergebenden Temperaturschockresistenz, anpassen. Für die Herstellung großer Komponenten werden spezielle Einrichtungen benötigt, um sie gleichmäßig er­ hitzen und abkühlen zu können. Bei nur partieller Erhitzung wären zu große thermische Spannungen und somit Brüche die Folge. Der entwickelte Glaspunkthalter belegt die Anwendbarkeit von Direct Glass Fabrication in der Fassade. Ein Punkthalter, der die Glasscheiben mit der Primär­ struktur verbindet, ohne dass dafür Bohrungen in der äußeren Scheibe benötigt werden, eröffnet wegweisende Möglichkeiten in der Fassadenkonstruktion. ­Fassaden ließen sich ohne thermische Unterbrechung und ohne die optische Beeinträchtigung durch herkömmliche Punktbefestigungen erstellen. Die Er­ gebnisse ermutigen daher zu weiterführenden Forschungsvorhaben, die den technischen Fortschritt weiter vorantreiben.

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Verbindungen und Schichtungen [61] DIN EN ISO 354: Akustik – Messung der Schallabsorption in Hallräumen (ISO 354:2003) [62] Fuchs, H. V.: Schallabsorber und Schalldämpfer. Berlin, Heidelberg 2007

[63] ISO 354:1985: Measurement of absorption coefficients in a reverberation room [64] Pottgiesser, U.; Knaack, U.; Strauß, H. (Hrsg.): facade2011. Super Green. Tagungsband. Detmold 2011 „Otto von Guericke“ (AiF), Projektträger des Bundesministeriums für Wirtschaft ­und Technologie, Zentrales Innovationsprogramm Mittel­ stand (ZIM) – Kooperationen, Projektform: Kooperationsprojekt (KF) SilenceSolutions GmbH, Köln mit Hochschule Ostwestfalen-Lippe, Detmolder Schule für Architektur und Innenarchitektur in Kooperation mit dem Erich-Thienhaus-Institut (ETI) der Hochschule für Musik Detmold

Wohn-Vision-2020 [65] Fleischhauer, M.; Wriedt, V.: Wohn-Vision-2020. Möbel und Objekte aus gebrauchten Materialien. Hochschule OstwestfalenLippe, Detmold 2011 [66] Kasper, B.: „Demographischer Wandel und Wohnbiographien. Ansprüche an gemeinschaftliche Wohnformen.“ In: Wohnprojekte und nachbarschaftliches Wohnen in Hessen (= wohnbund-infor­ mationen 2: 4–5, 2007) [67] Wriedt, V.: „Möbel und Räume. Design- und Produktionsprinzipien.“ In: Fleischhauer, M.; Wriedt, V.: Wohn-Vision-2020. Möbel und Objekte aus gebrauchten Materialien. Hochschule OstwestfalenLippe, Detmold 2011 [68] Deutsche Gesellschaft zur Holzforschung e. V. (Hrsg.): Informa­ tionsdienst Holz: Ökobilanzen Holz. Fakten lesen, verstehen und handeln, München 1997 [69] EnergieAgentur.NRW (2007): Energieeffizienz in der Holzbe- u. verarbeitenden Industrie. Internet: http://www.ea-nrw.de/unter­ nehmen (04.05.2010) DBU – Deutsche Bundesstiftung Umwelt Projektinitiator und -leiter: Dr. Werner Baumann, Technische Universität Dortmund, Institut für Umweltforschung (INFU) Projektpartner: Hochschule Ostwestfalen-Lippe, Detmolder Schule für Architektur und Innenarchitektur; Akademie Gestaltung im Handwerk, Münster; ecomoebel GmbH, Dortmund; Kunsthochschule Kassel, Fachbereich Industriedesign; Werkhof gGmbH, Hagen; RecyclingBörse!, Herford Website: www.hs-owl.de/wohn-vision-2020/

Energielieferant Fassade Der vorliegende Text ist eine stark überarbeitete Fassung einer Erst­ veröf­fent­lichung in: XIA intelligente architektur 07–09/12 „Der Neue Ingenieur“. Forschungsinitiative „ZukunftBau“ des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMBVS) Forschungsnehmer: Arup Deutschland GmbH, Berlin Forschungspartner: SSC Strategic Science Consult GmbH, Hamburg; COLT International GmbH, Kleve

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Quellen

Fassadenrecycling [70] Hegger, M.; Fuchs, M.; Stark, T.; Zeumer, M.: Energie Atlas. Nachhaltige Architektur. Basel 2007 [71] Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien (Erneuerbare-Ener­ gien-Gesetz – EEG). 22.12.2011. http://www.gesetze-im-internet. de/bundesrecht/eeg_2009/gesamt.pdf (aufgerufen am 01.10.2012 um 15.30 Uhr) [72] Arztmann, D.: Recycling of Façade Systems. Hochschule Ostwest­ falen-Lippe. Detmold 2010 [73] Recyclingorientierte Produktentwicklung – VDI 2243. Verein Deutscher Ingenieure. Düsseldorf 2002

Licht messen – Geometrie berechnen [74] Ibelings, H.: Supermodernism. Architecture in the Age of Globa­ lization. Rotterdam 1998 [75] Groover, M. P.: Fundamentals of Modern Manufacturing: Materials, Processes, and Systems. Hoboken 2010

Digitales Entwerfen und Konstruieren [76] Schmitt, G.: Architektur mit dem Computer. Braunschweig 1996 [77] Hausschild, M.; Karzel, R.: Digitale Prozesse. München 2010 [78] Böke, J.: SunSys. Bachelor Thesis. Betreuung: Prof. Marco Hem­ merling und Prof. Ulrich Nether, 2009 [79] SunSys wurde mit dem Studienpreis BDA Masters 2009 ausge­ zeichnet. [80] Püchner, F.: Design to Production. Diplomarbeit. Betreuung: Prof. Marco Hemmerling und Prof. Swantje Kühn, 2008 [81] www.rhino3d.com, www.grasshopper3d.com [82] Schindler, C.: “ZipShape. A Computer-aided Fabrication Method for Bending Panels without Molds.” In: Proceedings of the 26th eCAADe Conference. Antwerpen 2008 [83] Studienprojekt: Sparkler. Betreuung: Prof. Marco Hemmerling, Prof. Holger Hoffmann und Prof. Matthias Michel, 2011 [84] Pottmann, H.; Asperl, A.; Hofer, M.; Kilian, A.: Architectural Geo­ metry. Exton (PA) 2007 [85] Buckminster Fuller, R.: Operating Manual for Spaceship Earth. Baden 2008 [86] Hensel, M.; Menges, A.: „Form- und Materialwerdung. Das Konzept der Materialsysteme.“ In: Arch+ 188: 18–25, 2008 [87] Hemmerling, M.; Tiggemann, A.: Digital Design Manual. Berlin 2011

[91] Hopkinson, N.; Hague, R. J. M.; Dickens, P. M.: Rapid Manufacturing. An Industrial Revolution for the Digital Age. Chichester 2006 [92] Knaack, U.; Bilow, M.; Strauß, H.: imagine 04. Rapids. Layered Fabrication Technologies for Facades and Building Construction. Rotterdam 2010 [93] Wohlers, T. T.: “Review of current US AM Market”. In: TCT Magazine. 2011 [94] Honsel, G.: „Drucken in 3D“. In: Technology Review. 2006 Projektpartner: Kawneer-Alcoa Aluminium Deutschland, Inc., Iserlohn, Deutschland; Alcoa Architectuursystemen, Harderwijk, Niederlande; Kawneer-Alcoa Europe Commercial SAS, La Plaine, Frankreich Prototypenerstellung: FKM Sintertechnik GmbH, Biedenkopf, Deutschland

Der Beitrag und das Projekt „Die gedruckte Gebäude­hülle“ wurde unterstützt von:

Der Beitrag und das Projekt „Verbindungen und Schichtungen“ wurde unterstützt von:

Die gedruckte Gebäudehülle [88] ASTM International: “Typologies for layered fabrication processes”. In: Annual Book of ASTM Standards, Volume 10.04, 2010

ASTM International Committee F42 on Additive Manufacturing Technologies: AM: ~ process of joining materials to make objects from 3D model data. Additive Manufacturing (AM) as opposed to subtractive manufacturing methodologies. Usually with AM parts are processed layer upon layer. Synonyms: additive fabrication, additive processes, additive techniques, additive layer manufactu­ ring, layer manufacturing, and freeform fabrication. [89] Strauß, H.: AM Facades. Influence of additive processes on the development of facade constructions. Detmolder Schule für Architektur und Innenarchitektur, Hochschule Ostwestfalen-Lippe, Detmold 2010 [90] Mattheck, C.: Verborgene Gestaltgesetze der Natur. Optimalformen ohne Computer. Karlsruhe 2006

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Der Beitrag und das Projekt „Wohn-Vision-2020“ wurde unterstützt von:

Autoren

Daniel Arztmann Seit 2011 Leiter Technische Entwicklung für Wachs­ tumsmärkte der Schüco International KG, Bielefeld. 2003  – 2010 Teamlei­ ter und Projektingenieur in der Abteilung Engineering Europe, Schüco. 2010 Master in Facade Engineering, Hochschule Ostwestfalen-Lippe, Detmold. 2003 Diplom in Architektur, Vertiefungsrichtung Metallbau, Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim-Holz­ minden-Göttingen (HAWK). Seit 2010 Dozent im Masterstudiengang International Facade Design and Construction (IFDC). Mitglied im European Facade Network (EFN). Jan Bieniek  Seit 2006 an der Detmolder Schule für Architektur und In­ nenarchitektur, Hochschule Ostwestfalen-Lippe. 2010 Bachelor in Archi­ tektur und Innenarchitektur, seitdem Masterstudium Innenarchitektur und Architektur. Seit 2007 studentische bzw. wissenschaftliche Hilfskraft im Bereich Modellbau und Prototypenfertigung. Thomas Böhm Seit 2009 Architekt, Projektleiter und Mitglied der For­ schungsabteilung bei der Böhm Gruppe, Potsdam. 2009 Diplom in ­Architektur an der Hochschule RheinMain University of Applied Sciences Wiesbaden Rüsselsheim Geisenheim. Längere Auslandsaufenthalte in den USA, Österreich und Spanien. Jens Böke  MA Seit 2012 Studiengangskoordinator des „Master – Compu­ tational Design and Construction“, seit 2013 Projektleiter und wissen­ schaftlicher Mitarbeiter im Forschungsschwerpunkt ConstructionLab der HS-OWL in Detmold. 2012 Beginn Promotionsstudium an der TU Delft mit dem Themenschwerpunkt CAAD. 2009 BA an der HS-OWL, Detmolder Schule für Architektur und Innenarchitektur. 2012 MA an der msa, münster school of architecture. 2008 Traineeship im niederländischen Architektur­ büro UNstudio. Dr. Thomas Braig  Seit 2009 Leiter des EcoCommercial Building (ECB) Program von Bayer MaterialScience für die EMEA-Region (Europe, Midd­ le East and Africa). 2005  – 2009 Asia Pacific Regional Marketing Director für Diversified Industries im Geschäftsbereich Polyurethane, Hongkong. 2002 – 2005 Management-Assistenz und persönlicher Assistent für ver­ schiedene Geschäftsführungsmitglieder. 2000 – 2002 Laborleiter für teil­ kristalline Thermoplaste in der Abteilung Forschung und Entwicklung des Geschäftsbereichs Kunststoffe in der Bayer AG. 2000 Promotion in Poly­ merchemie an der TU München. Xavier Ferrés Padró  Seit 2006 Mitarbeiter der wissenschaft­lichen Koordi­ nation und Hochschullehrer des Masterstudiengangs Arquitectura de Fachadas­ der Universität des Basken­ landes (EHU). Seit mehr als fünf­ undzwanzig Jahren Leiter des spanischen Architektur- und Beratungs­büros für Fassadenbau und -technik, Ferrés Arquitectos & Consultores. Diplom in Architektur an der Escola Superior  d’Arqui­ tectura del Vallés (Polytechnische Univer­sität Katalonien – UPC), Master in Kon­struktionstechnik der UPC. Dr. Mark Fleischhauer Seit 1998 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Technischen Universität Dortmund am Fachgebiet Volkswirtschaftslehre, insbesondere Raumwirtschaftspolitik der Fakultät Raumplanung (1998 – 2003) bzw. seit 2003 am Institut für Raumplanung (IRPUD) sowie am Ins­ titut für Umweltforschung (INFU, 2007 – 2011). 1997 Diplom in Raumpla­ nung und 2003 Promotion an der Technischen Universität Dortmund.

Eckard Foltin  Seit 2003 Leiter des Creative Center im Bereich New Business bei der Bayer MaterialScience AG, seit 2008 als Teil des globalen Corporate Development. Seit 1984 verschiede­ne Positionen von der An­ wendungstechnik bis zum Marketing in der Kunststoff-Sparte in unter­ schiedlichen Regionen bei der Bayer AG. 1984 Diplom in Maschinenbau/ Verfahrenstechnik. Christian Grabitz  Seit 2009 Leiter Marketing & Kommunikation der Wirt­ schaftsvereinigung Industrie- und Bau-Systeme e. V. (WIB), verantwort­ lich für die Öffentlichkeitsarbeit der zur WIB gehörigen Fachverbände der Bauzulieferindustrie, so auch für die Arbeitsgemeinschaft Blechprofilros­ te (ABR). Generalsekretär der European Door and Shutter Federation e. V. (E.D.S.F.). 2006 – 2009 Assistent der Geschäftsführung und später Qua­ litätsleiter in der Automobilzulieferindustrie. 1997 – 2001 Stu­ dium der Wirtschafts- und Organisationswissenschaften mit dem  Schwerpunkt Marketing und Logistik an der Universität der Bundeswehr, München und der University of Texas, Austin. Marco Hemmerling  Seit 2007 Professor für Computer Aided Design und Leiter des postgradualen Masterstudiengangs Computational Design and Construction an der Detmolder Schule für Architektur und Innen­ architektur, Hochschule Ostwestfalen-Lippe, Detmold. 2005 – 2006 post­ gradualer Master of Arts in Architektur Mediamanagement an der Hoch­ schule Bochum. 1992 – 1998 Diplomstudium der Architektur an der Bauhaus-Universität Weimar und 1994 – 1995 an der Politecnico di Milano. Mitglied im Bund Deutscher Architekten und im Deutschen Werkbund. Thomas Henriksen Derzeit Gastwissenschaftler an der TU Delft. Bei Waagner Biro als Research & Development Director für die Leitung der Forschungs- und Entwicklungsabteilung ­zuständig. Mitarbeit in einem breiten Spektrum von Gebäude- und Infrastrukturprojekten. Projektma­ nager in mehreren Großprojekten, unter anderem bei den Fassadenarbei­ ten für die neue Konzerthalle Harpa in Reykjavik und die Sowwah Square Galleria in Abu Dhabi. Dr. Winfried Heusler Seit 1998 Technischer Leiter für Aluminium und Chief Technical Officer (CTO) bei Schüco International in Bielefeld. 2004 Professor an der Fakultät für Architektur der Universität von Kiew. 2002 – 2004 Dozent an der Universität Stuttgart. 1981 – 1998 leitender An­ gestellter bei der Fassadenbaufirma Gartner in Gundelfingen. 1991 Pro­ motion an der TU Berlin. 1976 – 1981 Maschinenbaustudium an der Tech­ nischen Universität München. Linda Hildebrand  Seit 2008 Promotionsstudium an der Delft University of Technology zum Thema „Graue Energie im Gebäudesektor“ und wis­ senschaftliche Mitarbeiterin in Lehre und Forschung an der Hochschule Ostwestfalen-Lippe, Detmold. 2008 Diplom in Architektur, Detmolder Schule für Architektur und Innenarchitektur, Hochschule OstwestfalenLippe. Berufseinstieg in die Pilotzertifizierung der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB). Aktiv in mehreren Forschungsprojekten und Publikationen. Christoph Kirch  Seit 2008 wissenschaftlicher Mitarbeiter und Projektleiter im Forschungsschwerpunkt ConstructionLab der Hochschule Ostwestfa­ len-Lippe, Detmold. 2008 Prüfung zur Bauvorlageberechtigung für Innen­ architekten. 2007 Diplom in Innenarchitektur, Detmolder Schule für Archi­

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Autoren

tektur und Innenarchitektur, Hochschule Ostwestfalen-Lippe. Vor dem Studium Ausbildung zum Tischler. Schwerpunkte im Bereich der Mess­ technik zur Architekturwahrnehmung (Eye-Tracking-System) und Akustik. Dr. Ulrich Knaack  Seit 2009 Vorsitzender des Fachbereichs Architectural Engineering and Technology der Fakultät Architecture an der TU Delft sowie Professor am Lehrstuhl Design of Construction. Gründer der Faça­ de Research Group an der TU Delft sowie der Hochschule OstwestfalenLippe. Seit 2008 Leitung des M.-Eng.-Programms International Facade Design and Construction der Hochschule Ostwestfalen-Lippe, Detmold. Dort seit 2004 Professor für Entwerfen und Konstruieren, in den Jahren 2011/12 Dekan des Fachbereiches. 1998 – 2005 Architekt und Generalpla­ ner in verschiedenen Büros in Düsseldorf, unter anderem bei RKW Rhode Kellermann Wawrowsky Architektur + Städtebau. 1998 Promotion an der RWTH Aachen zum Thema Konstruktiver Glasbau. Dr. Lorenz Kramer  Seit 2008 Innovation Manager im Bereich New Business des Creative Center der Bayer MaterialScience AG. Vertreter der Bayer MaterialScience AG im offenen Innovationsnetzwerk future_bizz. Promotion in physikalischer Chemie. Chemiestudium an der Universität zu Köln. Christina Kröger  Seit 2008 Gesellschafterin des Architekturbüros Stell­ werkstatt in Detmold. 2005 – 2008 Mitarbeit im Architekturbü­ ro  Fritzen+Müller-Giebeler, Ahlen. 2005 Mitarbeit im Architektur- und Stadtplanungsbüro ASTOC Architects and Planners, Köln. 2000 – 2005 Architekturstudium an der Hochschule Ostwestfalen-Lippe, Detmold. Studentische Hilfskraft im Fachbereich Stadtplanung. 2004 Praxissemes­ ter bei Steven Varady Architecture, Sydney. Aitor Leceta Murguzur  Seit 2010 wissenschaftlicher Mitarbeiter von José Miguel Martínez Rico an der Architekturschule in San Sebastian. Seit 2009 Planer bei Samazuzu Architects. Seit 2008 freiberufliche Architekturvisu­ alisierungen. Seit 2007 Mitglied des Forschungsteams M-etxea und zu­ ständig für die Kimu-Work­shops zu digitaler Produktion und parametri­ schen Entwurfsmodellen. Studierte Architektur an der Universität des Baskenlandes. Dr. Steve Lo  Seit 2009 Hauptdozent für Umweltingenieur­wesen und Stu­ dienleiter des Graduiertenprogramms/Master of Science (M.Sc.) Fassa­ denbau der University of Bath. Mitarbeiter der Umweltsektion der Abtei­ lung für Forschung und Entwicklung von Wimpey Homes und im Rutherford Appleton Laboratory des Science and Engineering Research Council von Großbritannien. 1990 Promotion an der Cranfield University. 1985 Master of Science in Energy Conservation and the Environment an der Cranfield University. José Miguel Martínez Rico  Seit 2006 Doktorand an der Universität des Baskenlandes (UPV/EHU). Seit 2007 Lehrbeauf­tragter an der UPV/EHU für die ­Masterstudiengänge Leicht­fassadenbau und nachhaltige Kon­struktion, Bodenmechanik, Fundamente, Baurecht und Bau­aus­führung. Seit 2007 im wissenschaftlichen Ausschuss des Masterstudiengangs Leichtfassaden. Seit 2007 Mitglied des Forschungsteams M-etxea. 2005 – 2008 Wissen­ schaftler für Docomomo Ibérico im Baskenland.

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Ulrich Nether  Seit 2006 Professor für Produktdesign und Ergonomie an der Detmolder Schule für Architektur und Innenarchitektur der Hoch­ schule Ostwestfalen-Lippe, Detmold. Seit 2008 Gründungsmitglied und Sprecher des Forschungsschwerpunkts PerceptionLab der Hochschule. 1998 – 2005 zunächst Partner, dann Vorstandsvorsitzender der Pro­ duktdesignmarke Hadi Teherani, Hamburg. Seit 1992 selbstständig als Innenarchitekt und Designer mit Jeanette Faust in Düsseldorf. 1989 Dip­ lom in I­nnenarchitektur an der Peter Behrens School of Architecture (PBSA), Düsseldorf. Zahlreiche nationale und internationale Preise wie den Designpreis der BR Deutschland in Gold 2004, den Neocon Gold Award, mehrere red dot awards und iF awards für Produktdesign und den iF communication design award. Mitglied im Deutschen Werkbund. Dr. Uta Pottgiesser  Seit 2012 Dekanin der Detmolder Schule für Archi­ tektur und Innenarchitektur, Hochschule Ostwestfalen-Lippe, Detmold. Seit 2008 Leiterin des Masterstudiengangs International Facade Design and Construction der Hochschule Ostwestfalen-Lippe. 2006 – 2011 Vize­ präsidentin für Forschung,­Entwicklung und Internationalisierung. Seit 2004 Professorin für Baukonstruk­ tion und Baustoffe der Detmolder Schule für Architektur und Innenarchitektur. 2002 Promotion an der Fakul­tät für Bauin­genieurswesen der TU Dresden. 1991 Diplom in Ar­ chitektur an der TU Berlin. Seit 2005 Organisation der jähr­lichen Konfe­ renz Fassade200x der Hochschule Ostwestfalen-Lippe. Seit 2010 Mit­ glied des International Scientific Committee of Technology (ISCT) von Docomomo. Frank Püchner  Seit 2010 freier Mitarbeiter im Bereich Digitales Entwer­ fen, Schulungen für 3D-Modellierung, Visualisierung und Desktop-Publi­ shing. 2010 Diplom in Architektur, Hochschule Ostwestfalen-Lippe, Det­ mold. Vor dem Studium Ausbildung zum Zimmerer. Lisa Rammig Seit 2012 Façade Engineer bei Inhabit Europe, London. 2010 – 2011 ConstructionLab, Detmolder Schule für Architektur und In­ nenarchitektur, Hochschule Ostwestfalen-Lippe, Detmold. 2010 Façade Research Group, TU Delft. 2010 MA in Architektur und M. Eng in International Facade Design and Construction (IFDC) an der Detmolder Schule für Architektur und Innenarchitektur, Hochschule Ostwestfalen-Lippe, Detmold. 2008 BA in Architektur an der Detmolder Schule für Architektur und Innenarchitektur, Hochschule Ostwestfalen-Lippe­, Detmold. Sergio Saiz Bombin  Seit 2011 Mitglied des beratenden Ausschusses des Unternehmensverbands für Energieeffizienz und LEED AP für Neubauten und große Renovierungsprojekte. Seit 2008 Manager im Bereich Wärme­ energie bei TECNALIA und Energieingenieur der Universität des Basken­ landes (UPV/EHU). 2004 Master in Wärmetechnik. Dr. Christoph Schindler  Seit 2002 Partner bei Schindlersalmerón („Mö­ belbauende Archi­tekten“); seit 2010 Dozent an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). 2009 Promotion bei Ludger Hovestadt, Professor für CAAD, an der ETH Zürich. 2000 Diplom in Archi­ tektur an der TU Kaiserslautern. Leitung von Workshops an der Detmolder Schule für Architektur und Innenarchitektur (2011), der Königlichen Däni­ schen Kunstakademie in Kopenhagen (2010, 2012), der Fachschule für Holztechnik in Hamburg (2009), der NTNU Trondheim (2006, 2007) und

der Hochschule Liechtenstein (2006). Regelmäßige Lehrtätigkeit und Veröffentlichungen. Dr. Holger Strauß  Gastforscher und aktives Mitglied der Façade Research Group an der TU Delft. Studiengangskoordinator für den M.-Eng.-Kurs International Facade Design and Construction an der Hochschule Ost­ westfalen-Lippe, Detmold. Projektleiter Forschung und Entwicklung. Freischaffender Architekt. Diplomstudiengang der Architektur an der Hochschule Ostwestfalen-Lippe. Techniker für Baudenkmalpflege und Altbauerneuerung. Schreinermeister. Zertifizierter Blockhüttenbauer. Jörn Tillmanns  Seit 2000 Mitarbeiter bei Planquadrat Elfers Geskes Krä­ mer Part. G., seit 2004 Projektmanager mit Schwerpunkt Entwurf und Nachhaltigkeit. 1999 Diplom in Architektur. Vorher Ausbildung zum Stein­ metz/Steinbildhauer, Tätigkeit als Kunstschmied. Mitglied der Architek­ tenkammer Hessen. Verena Wriedt  Seit 1989 Professorin für Möbel und Produktentwicklung an der Hochschule Ostwestfalen-Lippe, Detmold. 2008 – 2009 De­kanin und 2004 – 2006 Prodekanin der Detmolder Schule für Architektur und Innenarchitektur, Hochschule Ostwestfalen-Lippe. Seit 2001 Leiterin der Modellbauwerkstätten der Schule. 1981 – 2001 Freiberufliche Werkstatt für Entwurf und Fertigung von Holzmöbeln, Hamburg. 1981 Abschluss ihrer Ausbildung an der School for Craftsmen in Wood von John Make­ ­ öbelschreinerin, Studium peace in England. Bis 1979: Ausbildung zur M der Kunst, Angewandten Kunst, Archäologie und Geschichte in München, Berlin und London. Dr. Jan Wurm  Seit 2008 Leitung der Gruppe Baustoffe für die Region Europa bei Arup, Berlin. 2005 – 2008 bei Arup Materials Consulting und Arup Facade Engineering, London. 2005 Promotion (konstruktives Glas) an der RWTH Aachen. 1999 – 2005 Leiter der Forschungsgruppe Glas der RWTH Aachen. 1999 Diplom­in Architektur, RWTH Aachen.

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Index

3D-Modell  46, 136ff, 144ff, 168 absorbieren  95ff, 118 Additive Manufacturing (AM)  159ff, 168 Akustik 96ff Aluminium  103ff, 120ff, 133 Analyse  17ff, 71, 96, 135ff, 142, 174 Ankersystem 102ff Aussteifung 79 Ausstellung 107ff Bautechnik  148ff, 159ff Bayer MaterialScience AG (BMS)  87, 149 Belastbarkeit 63 Betriebsenergie 117 Be- und Entlüftung  43, 135ff, 149 Biomasse 107ff Blechprofilroste 60ff Brandschutzklasse 95 Building Information Modeling  140ff CAD-CAM  26ff, 141, 146, 164ff CNC-Heißdrahtschneider 56 Computertechnologie  24, 140 Creative Center  89 Dach  36ff, 78ff, 115, 151ff Dämmung 88ff Direct Glass Fabrication (DGF)  169ff Drahtgewebe 102 Effekt, solarthermischer  109ff Effizienz  70ff, 118ff, 139,152ff Einrichtungsvisionen aus gebrauchten Materialien­  107 Element, konstruktives  79 Energieaustausch 148 Energieeffizienz  14, 74, 134, 152ff Energiefluss 133ff Energiekonsum 116 Energien, erneuerbare  107ff, 117ff, 153 Entwurfsprozess, digitaler  26ff, 140ff, 164 Erfindung  34, 48ff European Facade Network (EFN)  72ff Farbe  79, 135, 154, 169 Farbton 78ff Fassade  34ff, 60ff, 69ff, 94ff, 107ff, 116ff, 133ff, 148ff, 159ff, 173ff Fassadenfunktionen 66 Fassadenknoten 161ff Fassadenplanung  73, 134 Fassadensystem  119ff, 134ff, 153ff, 160ff Fertigung  28ff, 53ff, 144ff, 150, 168ff Fertigungstechnologien  58, 147, 168 Fertigungsverfahren, generative 169ff Festigkeit 170ff Feuerbeständigkeit 79 Finite-Elemente-Modelle 79 Formen, gekrümmte  53ff Formlehre 53ff Forschungsprozess 96ff Fräse  29, 54ff, 143

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g-Wert 134ff Gebäudeautomatisierung 69ff Gebäudehülle  34ff, 60ff, 70ff, 107, 133ff, 150ff, 159ff Geometrie  46ff, 53ff, 65, 133ff, 144ff, 159ff Geometrie der Zinken  54 Gestaltentwicklung, digitale  25 Gestaltungsprinzipien  19, 64ff Gitterschale 36ff Glas  36ff, 74, 79ff, 94ff, 138, 154, 168ff Glasfelder 78ff Glashalterung 39 Glaspunkthalter 173ff Handmuster 66 Härte 169ff Herstellung  26, 71ff, 126ff, 136, 162ff, 173ff Herstellungsprozess  125, 162 Holz  54ff, 107 Human Centered Design  9ff, 74 Innovationen im Bauwesen  34 Innovationsprozesse 49 Integration 99ff Interaktion  25, 79ff, 140 interdisziplinär  65, 71ff, 92ff Kommunikation  87ff, 126ff Komponenten-Fassade 42ff Konstruktion  36ff, 72, 78ff, 102ff, 115, 121ff, 144ff Konstruktionstypen 34 Konzept  27, 90ff, 127, 140ff, 153ff Kristalle 169ff Kunst  10ff, 78ff Kunststoffe  120ff, 152, 168ff laminiert 83 Last  37, 80ff, 173 LED-Hinterleuchtung 64 Lichtdurchlässigkeit 170 Lichttransmissionsgrad 135ff Markt  15ff, 34, 60ff, 87ff, 94ff Massenprodukte 168 Materialanalyse 129 Materialdatenbanken 98 Materialeffizienz 71 Medientechnologien 24 Messungen, vergleichende  99 Metall  60ff, 98ff, 133ff, 163ff, 168 Mikroalgen 107ff Modelle, parametrische  27ff, 53, 136ff, 143ff, 162 modular 65 Nachhaltigkeit  31ff, 69ff, 116, 128, 134, 151ff, 174 Nutzerakzeptanz 104 Nutzergruppen 63 Oberfläche  21ff, 55ff, 95ff Open Innovation  22, 87ff

Parameter  27ff, 36, 47ff, 83, 98ff, 135ff, 142ff, 170ff Pfosten-Riegel-Fassade 160ff Photobioreaktoren (PBR)  108ff Planungsmethodik, digitale  147 Planungsprozess  18ff, 26, 70ff, 140ff, 149ff Planungswerkzeuge  22, 46, 73, 134, 161 Plattenbioreaktoren 108 Product Centered Design  73 Produktentwicklung  30, 63ff, 94, 122ff, 148 Produktgestaltung 58 Produktion  24ff, 108ff, 117ff,125ff, 140ff, 159ff, 168ff Produktionsprozess  26ff, 70ff, 140ff, 149ff Profil 103ff Prototyp  26ff, 126, 143, 155, 159ff Prozesskette, digitale  144, 164 Radio-frequency Identification (RFID)  122 Rapid-Prototyping  26, 159ff Recoflex 55 Recycling  116ff, 124ff Recyclingpass 122 Roadmap 34ff Rohstoffe  116ff, 126ff Schallabsorption 95ff Schicht- und Isolierglas  168 Schutzschicht 82 Seilnetz 40ff Simulation  25ff, 135ff, 140ff, 148,172 Sonnenenergie 107ff Sonnenlicht  107, 149ff Sonnenstrahlung 135ff Stahl  47ff, 63, 78ff Streckmetall  102ff, 133ff Strukturmodell, parametrisches  143 Systemlösungen  91ff, 151ff thermischer Bruch  83, 175 Tragfähigkeit 79 Umsetzung, produktionstechnische  64 Umweltbeeinflussung 117ff Unternehmen, kleine und mittlere (KMU)  94, 124 Verhältnis von Radius und Materialstärke  58 Vernetzung, nachhaltige  77 vorgespannt  37ff, 82ff Wand, polyvalente 42, 71 Wärme  107ff, 116ff, 134ff, 170ff Wärmebrücken 174 Wärmeverhalten 170 Werkstätten für Menschen mit Behinde­ rungen 111 Werkzeuge, digitale  24ff, 141ff, 148, 161 Wohnkonzepte 124ff ZipShape  53ff, 145 Zusammensetzung  83, 154, 170 Zwischenschicht, farbige  82ff

Danksagungen

Wir danken allen Autorinnen und Autoren sowie den beteiligten Partnern für die Unterstützung der Publikation mit Texten und Bildmaterial. Die kritische und konstruk­ tive Bearbeitung der Zeichnungen oblag Gabriela Lucia Cadena Salgado und Andrea Peitz. Anne Rotter und Danny Smith haben an der Gestaltung der Texte mitge­ wirkt.

Die Publikation wurde unterstützt von:

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Produktentwicklung Architektur Visionen / Methoden / Innovationen Uta Pottgiesser, Holger Strauß (Hrsg.)

Lektorat  Florian Kulke Übersetzung Englisch – Deutsch  Anne Kuhn, Brigitte Manigk Projektkoordination  Annette Gref, Katharina Kulke Layout, Covergestaltung und Satz  Miriam Bussmann, Berlin Soweit nicht anders erwähnt, stammen die Abbildungen von den Autorinnen und Autoren.

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