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German Pages 133 [136] Year 1976
Romanistische Arbeitshefte
16
Herausgegeben von Gustav Ineichen und Christian Rohrer
Ulrich Wandruszka
Probleme der neufranzösischen Wortbildung
Max Niemeyer Verlag Tübingen 1976
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Wandruszka , Ulrich Probleme der neufranzösischen Wortbildung. — 1. Aufl. - Tübingen: Niemeyer, 1976. (Romanistische Arbeitshefte ; 16) I S B N 3-484-50086-7
ISBN 3-484-50086-7 © Max Niemeyer Verlag Tübingen 1976 Alle Rechte vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege zu vervielfältigen. Printed in Germany
INHALTSVERZEICHNIS
Vorwort 1.
VII Bauelemente der Wortbildung
1.1 1.2 1.3 1.3.1 1.3.2 1.3.3 1.4 1.4.1 1.4.2 1.4.3 1.5
Das Morphem Vom Morphem zum Hort Freie und gebundene Morpheme Das einfache Wort Das gebundene Morphem Das 'gebundene' Wort Das komplexe Wort Kombinationen mit mindestens einem gebundenen Konstituenten. . Kombinationen aus mindestens zwei freien Konstituenten . . . Einfache und komplexe Wortkonstituenten Derivation und Flexion
2. Die Morphologie in der Wortbi ldungskcrponente 2.1 Fugenkonsonant 2.2 Latinisierte Ableitungsbasis 2.3 Latinisierte Suffixvarianten 2.4 Suffixverkettungen 2.4.1 Fragment einer Suffixkombinationsliste 2.4.2 Kommentierung der Liste 2.5 Einige grundsätzliche Probleme der neufranzösischen Derivationsmorphologie 2.5.1 Formale Kontextbedingungen für Suffixvarianten 2.5.2 Suffixparadigmen 2.5.3 Zum Merkmal [± gelehrt] 3. Syntax und Semantik in der Wbrtbildungskcmponente A. Suffigierung 3.1 Die Funktion des Suffixes 3.2 Nomina 3.2.1 Deverbalabstrakta 3.2.2 Konkretisierungen 3.2.3 Deadjektivische Abstrakta 3.2.4 Denominalabstrakta 3.2.5 Kollektiva 3.2.6 Deverbale Nomina agentis 3.2.7 Deverbale Instrument- und Ortsbezeichnungen 3.2.8 Denominale Nomina agentis und Objektbezeichnungen 3.3 Adjektive 3.3.1 Deverbale Adjektive . 3.3.2 Denominale Adjektive I. Qualifizierende Adjektive II. Relationsadjektive
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1 2 2 2 3
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19 21 23 25 26 28 32 32 34 36 38 38 3g 39 47 49 52 53 55 60 63 66 66 71 71 73
VI 3.4 Verben 3.4.1 Denominale Verben 3.4.2 Deadjektivische Verben 3.5 Determinierende Suffixe 3.5.1 Nomina 3.5.2 Adjektive 3.5.3 Verben 4. Syntax und Semantik in der Wortbildungskcnponente B. Komposition und Präfigierung 4.1 Komposition 4.1.1 Subst.+Subst.-Komposita 4.1.2 Subst.+Adj.-Komposita 4.1.3 Adjektivkomposita I. Adjektiv/Adverb + Adjektiv II. Adjektiv + Substantiv 4.1.4 Verb + Substantiv 4.1.5 Exozentrika 4.1.6 Bildungen nach neulateinischem Muster 4.2 Präfigierung 4.2.1 Nomina 4.2.2 Adjektive 4.2.3 Verben 5. Schlußbemerkung: Syntax - Wortbildungskarponente - Morphanliste/Lexikon Literaturverzeichnis
78 78 81 84 87 88
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1°3 JT; 109 110
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VORWORT
Für eines der beliebtesten Veranstaltungsthemen Romanischer Seminare - Probleme der neufranzösischen Wortbildung - fehlte bisher eine kurze zusartmenfassende Einführung in deutscher Sprache. Diese Lücke sollte mit dem vorliegenden Heft wenigstens teilweise geschlossen werden. Der Intention der Reihe entsprechend, wurde versucht, einerseits theoretische Fragen in möglichst verständlicher Form zu diskutieren und zum anderen die einzelnen Vfortbildungsnuster des Neufranzösischen in ihrer ganzen Vielfalt zu beschreiben und zu dokumentieren. Alle wichtigen Wbrtbildungsverfahren sollten unter morphologischen, syntaktischem und semantischem Aspekt dargestellt werden. Verschiedene Probleme konnten daher nicht 'ausdiskutiert' werden, manches fiel der notwendigen Raumplanung vollständig zum Opfer. Dennoch entspricht, wie uns scheint, die Konzeption einer gedrängten Darstellung der verschiedenartigen Fakten und Beschreibungsprobleme, die diese Graitmatikkcrnponente kennzeichnen, der Funktion dieses Heftes, als Arbeitsgrundlage für Lehrveranstaltungen und damit als Ausgangspunkt für detailliertere Diskussionen einzelner Phänomene innerhalb eines größeren Rahmens. Es ist zu hoffen, daß das seit einiger Zeit wiedererwachte Interesse der Linguisten an den Problatven der Wbrtbildung und ihrer Aufgabe und Stellung innerhalb der Gesamtgranmatik in absehbarer Zeit zur Erarbeitung der allgemeinen Grundlagen einer Wortbildungskomponente führt, die von einigen Forschern bisher mehr erahnt als beschrieben wurde - und auch in unserer Darstellung erst in Umrissen zu erkennen ist. Für kritische Stellungnahmen, die sich aus der praktischen Arbeit mit diesem Band im Hochschulunterricht ergeben, wäre ich daher dankbar. Ich möchte an dieser Stelle auch den beiden Herausgebern der Romanistischen Arbeitshefte, den Professoren Dr. G. Ineichen und Dr. C. Rohrer für ihre hilfreichen Anmerkungen zu meinem Manuskript danken.
München, im Sanmer 1975
Ulrich Wandruszka
1
DIE BAUELEMENTE DER WORTBILDUNG
1.1
Das Morphem
1
Wortbildung1 ist - wie die Analyse des Terminus bereits vermuten läßt - ein
Verfahren zur Bildung von Wörtern. Die Basiselemente, aus denen die Wörter einer Sprache gebildet werden, bezeichnet man als 'Morpheme'. Morpheme sind die kleinsten bedeutungstragenden Einheiten der Sprache. Die durch Analyse gewonnenen Elemente dieser Basismenge können in einer Morphemliste aufgezählt werden. Im Idealfall enthielte diese Liste jedes Morphem nur jeweils einmal. In natürlichen Sprachen indessen ist mit Erscheinungen folgender Art zu rechnen: ein Ausdruck wie frz. beauaoup, dessen Konstituenten zwar formal, nicht aber inhaltlich mit den Basiselementen beau und ooup identifiziert werden können, ist selbst ein Element der Basismenge. Mehrgliedrige Ausdrücke erscheinen also nur dann nicht in der Morphanliste, wenn sie restlos in Konstituenten zerlegbar sind, die sowohl formal als auch inhaltlich mit irgendwelchen Elementen dieser Menge zu identifizieren sind. Ausdrücke wie arriere-pensee oder filmique gehören demnach nicht zur Basismenge. 1.2
Vcm Morphem zum Wort
Durch Anwendung spezifischer Wortbildungsregeln können aus den Elanenten der Basismenge Wörter gebildet und in einem Lexikon gespeichert werden. Da unsere Morphanliste aber auch Elemente wie beau, ooup, film enthält, die offensichtlich selbst schon Wörter sind, ergeben sich zwei Möglichkeiten zur Gewinnung von Vförtern aus dieser Liste: a) die Kcmbination mehrerer Morphane zu einen komplexen Wort und b) die direkte Verwendung einzelner Morpheme als einfache monctnorphamatische Wörter. Die Menge eben dieser Ausdrücke kann in das Lexikon aufgencranen werden. Die übrigen Elemente der Morphemliste, wie etwa -ique oder -able, zeichnen sich also unter anderen dadurch aus, daß sie nicht direkt als moncmorphanatische Wörter zu gebrauchen sind. Aufgrund dieser Unterscheidung wollen wir einmal versuchen, den Begriff des 'Wortes', den wir bisher rein intuitiv verwendet haben, etwas schärfer zu fassen.
2 1.3
Freie und gebundene Morpheme
1.3.1 Das einfache Wort Wir setzen das einfache Wort zunächst mit dem 'freien Morphem' gleich und definieren es vorläufig negativ als ein Basiselement, das bei seiner Vervrendung nicht grundsätzlich an ein anderes Morphem gebunden ist, mit dem es im Satz eine untrennbare Einheit bildet. Nach dieser distributioneilen Definition lassen sich neben den erwähnten beau, coup, film etwa auch maison, petit, demain, pour, si als freie Morpheme bzw. Vvörter klassifizieren. Beziehen wir in unsere Vorüberlegungen die Verbalflexion mit ein, kann nian auch Verbformen wie va, font, mange als einfache Wörter bezeichnen. Diese äußere Distributionsbedingung gilt im übrigen auch für kcnplexe Ausdrücke wie arrière-pensée, filmique, deren spezifische innere Struktur hier noch nicht berücksichtigt wird. 1.3.2 Das gebundene Morphem Das gebundene Morphem, das nicht als einfaches Wort verwendet werden kann, definieren wir danentsprechend als Basiselanent, das bei seiner Verwendung grundsätzlich an ein anderes Morphem gebunden ist, mit den es im Satz eine untrennbare Einheit bildet. Danach sind folgende Morphemtypen des Frz. zu dieser Klasse zu rechnen: a) Der gebundene Stairm, d.h. ein Basiselanent, das nicht ohne ein direkt rechts adjungiertes gebundenes Morphem verwendet werden kann. Da das Frz. praktisch keine Ncminalflexion kennt, sind hierunter in erster Linie die frz. Verbstärime zu verstehen. Gebunden sind nicht nur bestinmte Formen alternierender oder suppletiver Stäitme wie mour-, buv-, ten-; ir-, all-, sondern auch ahant-, marah-, da sie mit den homophonen Wörtern in chante \ oder la marche inhaltlich nicht identifiziert werden können. Eine Ausnahme bilden abgeleitete Verben wie filmer, rougir, deren Stänme aus freien Morphanen bestehen. Einen Sonderfall stellen gebundene gelehrte Stäitme, wie agress-, concept-, dar, mit denen keine Verben gebildet werden können, die aber in Ableitungen wie agresseur, conception aus semantischen Gründen als verbale Stänme interpretiert werden müssen. In diesen Zusaitmenhang sind schließlich die gelehrten Ableitungsbasen vcm Typ hospital-, estudiant-, fluvi-, stell- zu erwähnen, ofc&rohl es sich hierbei, wie noch zu zeigen sein wird, synchron nicht eigentlich um Stämme handelt, sondern um kombinatorische Varianten der Vförter hôpital, étudiant, fleuve, étoile.
3 Mit einem Fugenvokal versehen, können einige dieser Ableitungsbasen auch mit nicht-gebundenen Einheiten gekoppelt werden: hospitalo-universitaire u.a. b) Das Suffix, d.h. ein Basiselement, das nicht ohne ein direkt links adjungiertes gebundenes oder freies Element verwendet werden kann. Hierzu gehören alle frz. Flexionsendungen, wie z.B. in ten-ez, film-ons, und die derivationellen Suffixe in ten-able, film-ique etc. c) Das Präfix, d.h. ein Basiselement, das nicht ohne ein direkt rechts adjungiertes Wort gebraucht werden kann. Bei Gegensatz zum Suffix kann das Präfix nicht mit einen gebundenen Morphem allein verwendet werden: dis-proportion, re-faire, trans-peroer. 1.3.3
Das 'gebundene' Vfort
Während man in der Mehrzahl der Fälle mit Hilfe des Merkmals [± gebunden] zu eindeutigen und offensichtlich auch sinnvollen Morphemklassen gelangt, ist bei einer Reihe von Morphanen die Entscheidung für den positiven oder negativen Merkmalswert nicht ganz so unproblematisch. Es handelt sich hierbei in erster Linie um Elemente eines Paradigmas, die distributioneil fixierte Varianten entsprechender nicht-gebundener Einheiten sind, mit denen sie semantisch identifiziert werden können. Die wichtigsten Vertreter dieser Gruppe sind die klitischen Varianten je, tu, il(s); me, te, le(s) etc. der nicht-gebundenen Si±ijekt-/Objektpronomina moi, toi, lui, eux etc., von denen sie sich folgendermaßen unterscheiden: Die Klitika sind mit dem ViDrt, von dem sie abhängen, zwar nicht untrennbar verbunden, können von diesem jedoch nur durch eine äußerst restringierte Menge gleichartiger Morpheme (inkl. Negationspartikel) getrennt werden: il (ne) ^ {me) ^ (tes) ^ ¿Lonne (pas) ^. Die Subjektproncmina sind in der Frage (grundsätzlich untrennbar), die Objektpronemina im bejahten Inperativ nachgestellt: dcnnent-ils?,'donne-le-lew!. Wir vollen uns in diesem Kähmen nicht länger' der vieldiskutierten Frage widmen, ob die klitischen Personalproncmina des Nfz. einfach als Flexionsaffixe zu werten seien und ob der Gebrauch der Objektpronemina bereits Züge einer Objektkonjugation trage. Innerhalb unseres Definitionsrahmens sind die frz. Klitika keine gebundenen Morpheme sondern Wörter mit relativ eingeschränkter Distribution. Reihte man sie unter die Flexionsaffixe ein, dann bildeten sie auch dort eine Soridergruppe, da sie sich von den übrigen Personalaffixen sowohl durch ihre Trennbarkeit als auch durch die Möglichkeit der Vor- und Nachstellung deutlich unterscheiden. Außerdem werden die Verbalaffixe mit Stämmen kcitibiniert und nicht mit flektierten Verbformen. Es darf hier jedoch nicht übersehen werden, daß wir uns in einem Zwischenbereich befinden, in dem das ausschließlich auf dem Kriterium der Untrennbarkeit
4 basierende Merkmal [± gebunden] möglicherweise einen Teil der Signifikanz verliert, die es für das Sprecherbewußtsein und, wie noch zu zeigen sein wird, für die Regeln zur Bildung komplexer Wörter besitzt. Eine Art semantischer Variantenbildung läßt sich bei freien Morphemen beobachten, die in ganz bestimmten Kontexten eine spezifische Bedeutung annehmen, die ihnen sonst nicht zukommt. So hat der jeweils erste Könstituent der komplexen Wörter sur-exaiter, sur-fin, sur-production, abdeichend von seiner Verwendung als Präposition, die Bedeutungen "au-delä de la normale, excessivement". Je nachdem wie weit man derartige formal identische Morpheme auch als semantisch zusaimengehörig einschätzt, sind die kcnplexen Ausdrücke Präfixableitungen oder Komposita. Entsprechend ist sur~ als ein gebundenes oder freies Morphem oder als etwas Drittes zu klassifizieren. Die Unsicherheit, die sich aus dieser Fragestellung in diesem Zusanmenhang ergibt, läßt sich schon daran erkennen, daß für derartige Morpheme Termini wie
1
Semipräfix1 oder 'Präfixoid' geprägt wurden.
Als Semisuffixe werden häufig auch die jeweils letzten Konstituenten von Bildungen wie position-elef, usine-pilote bezeichnet, deren Suffixstatus unter anderem mit den hier zu beobachtenden Reihenbildungen begründet wird. Wir werden auf dieses Problem noch zurückkcnmen. Wie bereits angedeutet ist die Frage nach der Berechtigung des ' Wort1 -Begriffes und die Problematik des Merkmals [ i gebunden] durch ausschließliche Berücksichtigung des formalen Kriteriums der Untrenribarkeit noch nicht ganz befriedigend gelöst. Da aber eben dieses Kriterium speziell für die nfz. Wortbildung von zentraler Bedeutung ist und da die Einführung weiterer Kriterien wie Unabhängigkeit, Selbständigkeit, isolierte Verwendungsmöglichkeit eines Morphems u.dgl. zu Widersprüchen und wenig aufschlußreichen Klassenbildungen führt, wallen wir zunächst einmal von dieser groben Zweiteilung der frz. Morpheme ausgehen und versuchen, mit ihrer . Hilfe zu einer vorläufigen Klassifizierung der Strukturtypen komplexer Wörter zu gelangen. 1.4
Das komplexe Wort
Als komplex bezeichnen wir alle Wörter, die nicht selbst Element der Basismenge sind. Durch welche Kombinationen sich aus unseren distributionell definierten Morphemtypen komplexe Wörter bilden lassen, soll die folgende taxoncmische Zusannenstellung aufzeigen. 1.4.1
Kombinationen mit mindestens einem gebundenen Konstituenten
Mehrgliedrige Bildungen mit mindestens einem gebundenen unmittelbaren Konstituenten bezeichnet man als Ableitungen. Charakteristisch für die Ableitung ist,
5 daß Ihre Konstituenten irrmer zwei verschiedenen Morphemklassen angehören. Wir unterscheiden folgende Typen: a) Suffigierung. Je nachdem, ob das Suffix an ein freies oder an ein gebundenes Morphem adjungiert wird, sprechen wir von Wortableitung oder von Starrmableitung. Nur für die Wörtableitung gilt die geläufige Definition der Wortbildung als einem Verfahren zur Erzeugung neuer Wörter aus bereits bestehenden. Neben den in 1.3.2 angeführten Beispielen zählen etwa auch folgende Ableitungen zu dieser Gruppe: hôtel —• hôtelier, nation —• national, voiture —• voiturer, gauohe —•
gaucherie. Das jeweils links von Pfeil stehende Wort bezeichnen wir als
•Ableitungsbasis'. Stanmableitungen, die aus einen gebundenen Stamm und einem Suffix gebildet sind, bleiben im Frz. auf Verbstärrme wie in buveur, lavage, dirigisme beschränkt. Der erste Konstituent von Ausdrücken wie hospital-ier, estudiant-in, der dritten Gruppe frz. Suffixableitungen, ist zwar zweifellos ein gebundenes Morphem, kann aber, wie wir gesagt haben, nicht eigentlich als Stairm bezeichnet werden. So wird auch das erste Element der Ableitung digit-al von einem frz. Sprecher ohne Lateinkenntnisse nicht als Starrm (des lat. digit-us) identifiziert, sondern als kombinatorische Wortbildungsvariante des frz. Wortes doigt. Ebensowenig wird er das Element urb- in urb-ain als Stairm analysieren, zumal es sich genau in der Position befindet, die in parallelen, synchron durchsichtigen Bildungen wie mondain von einem Wort eingencnmen wird. Daher könnten die Vertreter dieser Gruppe trotz ihrer distributionell gebundenen gelehrten Ableitungsbasis strukturell als Wortableitungen interpretiert werden. Unabhängig von der Beantwortung dieser speziellen Frage, können wir jedenfalls festhalten, daß die frz. Suffixbildungen drei verschiedene Typen von Ableitungsbasen aufweisen: den gebundenen Stanm, die gelehrte Ableitungsbasis und das nicht-gebundene Wort. Die Unterscheidung zwischen Wart- und Starcmableitung ist insofern auch von sprachtypologischer Relevanz, als die Frequenz der Stanmableitungen direkt vcm mehr oder weniger stark flektierenden Charakter einer Sprache abhängt. So sind z.B. die lat. Formen muralis, soliditas Stanmableitungen, während die frz. Entsprechungen mural, solidité Wortableitungen sind. b) Präfigierung. Im Gegensatz zur Suffigierung ist die Präfixableitung, wie aus der Definition des Präfixes unter 1.3.2, c) zu entnehmen ist, grundsätzlich Wartableitung: pré-nom, re-ooin, sub-aonsaienae. Die Kombination eines Präfixes mit einem gebundenen Morphem ergibt kein komplexes Wort. In einigen Fällen indessen hat der dem Präfix folgende Ausdruck zwar die Struktur eines Wortes, wird aber nie ohne dieses oder ein anderes Präfix verwendet. Zwei Fälle sind zu unterscheiden:
6 - Parasynthetische Bildungen: einer freien oder gebundenen Ableitungsbasis wird simultan ein Prä- und ein Suffix adjungiert: aplatir, appauvrir, débourser, effronté, ensoleillé. Die Inadäquatheit einer Analyse a-platir, dé-boureer, da nur weitere Präfixbildungen wie erribourser, rembourser, nicht aber die einfachen *platir, *bourser vorkamen, ist allerdings nicht durch eine systematische Lücke der frz. Wortbildung bedingt, wie sich an Paaren der Form agrandir/grandir leicht zeigen läßt. - Blockierte Morpheme: mit einen gebundenen Verbstarrm werden nur präfigierte Verbformen gebildet, merg
>- immerger, émerger, submerger aber kein *merger.
Aus einem nicht mehr frei verfügbaren blockierten Stamm merg- ein, nur präfigiert zu verwendendes, Wort *merger abzuleiten, ist aber nur sinnvoll, wenn dieser Startin in allen Ableitungen als Träger einer konstanten Bedeutung identifiziert werden kann. In unseran Fall ist die Konstante erkennbar und könnte etwa durch das dtsch. -tauchen, wie in ein-, auf-, untertauchen wiedergegeben werden. Analoges gilt für Antonyme vom Typ embarrasser/débarrasser, agrafer/dégrafer, envelopper/développer u.a. Nach diesem inhaltlichen Kriterium wäre z.B. ein Wort *cevoir in recevoir, concevoir, décevoir, percevoir nicht als Ableitungskonstituente zu isolieren, da ein Stairm ';:cev- in diesen Verben nicht semantisch einheitlich interpretiert werden kann. Ist aber *cevoir in keiner Weise mehr als Wort klassifizierbar, können die links adjungierten Elemente strenggenommen auch nicht mehr als Präfixe, die ja définitionsgemäß immer direkt links von einem Wart stehen, interpretiert werden. Das heißt, diese Verben sind nicht mehr analysierbar und daher selbst Elemente der Basismenge. Wie zu erwarten, entstehen aber auch hier nicht eindeutig zuzuordnende Übergangserscheinungen, wie häufig dort, vro die semantische Übereinstinmung formal identischer Morpheme festgestellt werden soll (vgl. 1.3.3, sur als Präposition und als Präfix). So könnte man versucht sein, aus einer Reihe wie constituer, destituer, instituer, prostituer, restituer, substituer eine gemeinsame semantische Konstante zu isolieren, die von einem blokkierten Staiim *stit(u)~ getragen wird. Es ist allerdings fraglich, ob man mit dieser Analyse der Kompetenz des frz. Sprechers gerecht wird. 1.4.2 Kombinationen aus mindestens zwei freien Konstituenten Untrennbare Bildungen aus zwei oder mehr nicht-gebundenen unmittelbaren Konstituenten bezeichnet man als Kaiposita. Die Nicht-Trennbarkeit der bisher behandelten mehrgliedrigen Bildungen ergab sich bereits aus dem morphematischen Status ihrer Elemente. Mindestens einer der Konstituenten kam konstant der positive Wert des inhärenten Merkmals [J gebunden] zu. Hier aber handelt es sich um
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die unlösbare Verkettung mehrerer nicht-gebundener Elemente innerhalb eines durch bestinmte Wortbildungsregeln erzeugten komplexen Ausdruckes. Es ist also danach zu fragen, ob solche aus mehreren Vförtern zusanmengesetzten Komposita bestimmte phonologische, syntaktische oder semantische Merkmale besitzen, die an die Untrennbarkeit ihrer Konstituenten gebunden sind. Dies läßt sich etwa an solchen Komposita verdeutlichen, denen formal identische, durch die Regeln der Syntax erzeugte und daher trennbare Syntagmen gegenüberstehen. Betrachten wir z.B. tableau noir als eine Konstruktion der freien Syntax, ergibt sich die Möglichkeit ihrer Erweiterung zu einer Ncminalphrase der Form (i) un tableau noir et arasseux. Interpretieren wir sie hingegen als Produkt der frz. Wbrtbildung, hätte die aus den gleichen Elementen gebildete NP die Form (ii) un tableau noir arasseux, deren syntaktische Struktur einer dreigliedrigen NP wie etwa un manteau crasseux entspricht. Das Kompositum tableau noir erscheint also auch in Kontexten, die für einfache Wörter, nicht aber für Syntagmen vom Typus 'Ncmen+Adjektiv1 charakteristisch sind. Solche Syntagmen finden sich andererseits, wie Beispiel (i) zeigt, auch in Positionen, wo sie nicht gegen einfache oder komplexe Wörter ausgetauscht werden können. Andere Typen nicht-trennbarer Zusammensetzungen, wie z.B. die Substantiv+Substantiv-Kcmposita oigarette-filtre, bvaoelet-montre etc., unterscheiden sich bereits durch ihre Form von einer Konstruktion der freien Syntax, so daß sich hier zunächst weitere Testverfahren erübrigen. Wir werden auf die verschiedenen nfz. Kenpositionstypen noch im einzelnen eingehen. An dieser Stelle soll nur noch auf folgende problematischen Fälle hingewiesen werden. Wenn wir, wie in 1.3.2, den ersten Konstituenten des komplexen Ausdruckes hospitalo-universitaire als gebundene, mit einem Fugenvokal versehene gelehrte Ableitungsbasis interpretieren, erhalten wir ein Gebilde, das weder den Köntextbedingungen für gelehrte Ableitungsbasen noch unserer Definition des Kompositums entspricht. Betrachtet man hingegen hospitalo- als eine kombinatorische Variante von hospitalier, läßt sich der Ausdruck als eine spezielle Ausprägung der Adjektivkemposition beschreiben. Eine ähnliche Problematik ergibt sich bei der Beschreibung des bisher nicht berücksichtigten Typus garde-malade. Interpretiert man dessen ersten Konstituenten, wie dies häufig geschieht, als gebundenen Verbstamm, entspräche das wiederum weder den Distributionsbedingungen des gebundenen Stammes, noch unserer Definition des Kompositums. Alternative Interpretationsvorschläge, die eine Klassifikation als Kompositum ermöglichten, werden an gegebener Stelle noch vorzuführen sein. Zuletzt seien noch die griech.(-lat.) Bildungen vom Typ lithographe erwähnt, die aus zwei gebundenen Elementen zusairmengesetzt sind und daher zunächst nicht
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als Kenposita eingeordnet werden können. Da viele dieser Morpheme sowohl in erster als auch in zweiter Position erscheinen können: monolithe, graphologue, also wechselseitig austauschbar sind, bereitete es erhebliche Schwierigkeiten, sie als Ableitungen zu interpretieren, als deren Charakteristikum wir gerade die Ungleichartigkeit der Konstituenten bezeichnet haben. Mit diesem Dilemma Warden wir uns noch ausführlich auseinandersetzen müssen. 1.4.3
Einfache und kcnplexe Wbrtkonstituenten
Wir haben bei den Definitionen von Ableitung und Kompositum bisher nicht explizit danach gefragt, ob ihre unmittelbaren Konstituenten einfache Basiselemente oder selbst bereits kcnplexe Ausdrücke waren. Gerade die Möglichkeit der Verkettung katplexer Elanente zu größeren Wbrteinheiten ist aber ein charakteristisches Merkmal der Wörtbildung, das in diesem Abschnitt etwas eingehender untersucht werden soll. Zunächst zu den gebundenen Konstituenten. Da gelehrte Ableitungsbasen, wie wir gesehen haben, nicht weiter analysiert werden können, sind sie Basiselemente, die per definitionem nicht komplex sein können. So ist der erste Kbnstituent der Ableitung hospital—1er für den frz. Sprecher nicht mehr in hospit-al zu zerlegen, sondern fungiert als gebundene Variante des für ihn ebenfalls nicht mehr durchsichtigen frz. hôpital. Auch kcnplexe Affixe existieren im Frz. nicht. Mehrere hintereinandergeschaltete Prä- oder Suffixe ergeben keine eigene Konstituente, da Affixe ja nur an ein Wort oder eine gebundene Ableitungsbasis adjungiert werden können (vgl. 1.4.1). Jede Ableitung der Struktur 'Ableitungsbasis+Suffix1+Suffix2+.•.+Suffixn' (normalerweise nicht mehr als vier) zerfällt in die unmittelbaren Konstituenten 'katplexe Ableitungsbasis+Suffix^'. Das letzte Suffix einer Ableitung ist also automatisch als der zweite unmittelbare Konstituent des Wortes zu interpretieren. So läßt sich z.B. nation+al+is+ation in die unmittelbaren Konstituenten nationalis+ation gliedern. Wir haben es also mit der Natiinalisierung eines abgeleiteten Verbums zu tun1. Entsprechend kann das erste Präfix einer Ableitung der Form ' Präfix^ +Präf 1*2+ +Präfixn+Wbrt' (normalerweise jedoch nicht mehr als zwei) automatisch als der erste unmittelbare Konstituent interpretiert werden, wie etwa in re+dêshabiller. Da die jeweils rechts von einem Präfix stehenden Elemente definitionsgemäß inner ein Wört ergeben müssen, kann es sich bei diesan natürlich auch um ein bereits 1
Wir könnten also unsere Suffixdefinition von 1.3.2 folgendermaßen präzisieren: Das Suffix ist ein Basiselement, das nicht ohne eine direkt links adjungierte Ableitungsbasis verwendet werden kann.
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präfigiertes Wort handeln. Wir können uns deshalb die folgende Hegel zur Erzeugung iitmer komplexerer präfigierter Wörter vorstellen: (1)
WORT —-> PRÄFIX + [WORT]
die durch wiederholte Anwendung zu folgenden Ketten führt1: (Dj
PRÄFIX + [PRÄFIX + [WORT]]
(1)2
PRÄFIX + [PRÄFIX + [PRÄFIX + [WORT]]]
Das erste Präfix bleibt hierbei unmittelbarer Könstituent der gesamten Ableitung, die übrigen Präfixe erhalten den entsprechenden Status in ihren jeweiligen durch die Klanwerung markierten Untereinheiten. Parasynthetika und Ableitungen mit blockierten Morphemen sind in dieser Formulierung noch nicht berücksichtigt. Da Suffixe nicht ausschließlich mit Wörtern zu kcribinieren sind, kann die Suffixableitung nicht mit einer so einfachen Regel wie die Präfigierung beschrieben werden. Gäbe es im Frz. lediglich Wortableitungen wie nation-al—ite, riatur-al-isme, könnten wir eine zu (1) analoge Regel für Suffigierungen aufstellen: (2)
WORT
• [WORT] + SUFFIX
(2)1
[[WORT] + SUFFIX] + SUFFIX
Da es aber auch Ableitungen gibt wie oper-ation-al-isme, uvb-an-iste, die auf gebundenen Morphemen aufgebaut sind, müssen wir ein drittes Element, das Wörter und gebundene Morpheme umfaßt, in die Regel einführen, nämlich die Ableitungsbasis ('BASIS') . Aus dem nämlichen Grund benötigen wir einen Regel typus, der alternative Expansionen zuläßt. Wir leiten das suffigierte Wort ( ,W3Rr su ff') demnach folgendermaßen ab2: (3a)
WORT
• [BASIS + SUFFIX]
(3b)
„ surf BASIS
(3c)
WORT
>• FREIES MORPHEM, WORT
• [WORT], [GEBUNDENE ABLEITUNGSBASIS] „
suf f
Die Tatsache, daß eine Ableitung selbst wieder eine Ableitung als Konstituente enthalten kann, wird auch hier durch ein rekursives Element, 'WOFTsu^' zun Ausdruck gebracht, das ein mehrmaliges Durchlaufen eines Teiles der Regeln erlaubt. Wählt man als Basis ein Morphem und erzeugt damit die Strukturen von Bildungen wie urb-ain, lav-age, film—ique, sind weitere Expansionen dagegen ausgeschlossen. 1
Die Konstituente 'WORT' wird bei jedem Vorkommen durch die rechte Seite von Regel (1) ersetzt.
2
Die jeweiligen Alternativen werden durch Komma voneinander getrennt.
10 Ersetzt man die Eingabesymbole auf der rechten Seite der Regeln mehrmals durch ihre entsprechenden Expansionen, erhält man Ableitungen der folgenden Struktur1: (3i)
[[GEB.ABLTB. + SUFFIX! + SUFFIX] + SUFFIX oper
(3ii)
- ation
al
-
isme
[FREI.MORPHEM + SUFFIX] + SUFFIX nation
-
al
-
ite
Wir sind bei der Formulierung der Regeln (3a-c) davon ausgegangen, daß die Wörter noch nicht präfigiert sind und die Präfixe gemäß Pegel (1) an die fertigen Suffixableitungen adjungiert werden. Nicht berücksichtigt wurde bisher auch der Umstand, daß nicht nur Ableitungen und freie Morphane, sondern auch Kenposita Worter und damit potentielle Ableitungsbasen sind (3b-c). Allerdings sind Ableitungen der Form ' [W0RT+WDKT] +SUFFIX1, wie z.B. terre-neuve+ien, sans-fil+iste im Frz. - im Gegensatz zum Dtsch. Langbein+er, großstädt+isah, kahlköpf+ig, landgräf+lich etc. - eher selten. Diesem Strukturtypus kann vorerst einfach dadurch Rechnung getragen werden, daß wir die freien Morpheme und die Komposita zur Gruppe der nicht-suffigierten Vförter zusairmenfassen und 'FREIES MORPHEM' in (3c) durch 'WDRT^^^' ersetzen. Diese Maßnahme wird sich durch unsere Regelanordnung in (5a-c) erübrigen. Von Bedeutung ist hingegen folgender Einwand. Es stellt sich heraus, daß die Basis einer Ableitung nicht unbedingt aus einem Wbrt oder einem gebundenen Morphem bestehen muß, wie von Regel (3b) suggeriert wird. Unsere Suche nach komplexen gebundenen Konstituenten war bisher mir deshalb erfolglos, weil wir Bildungen wie nation-al-is-ation noch nicht exakt analysiert haben. Eine Gliederung des komplexen Wbrtes in seine zwei unmittelbaren Könstituenten nationalis+ation zeigt, daß die Basis dieser Ableitving eine Art komplexen Stanm darstellt, der denselben Distributionsbeschränkungen unterliegt wie ein einfacher gebundener Verbstaitm. Eine Zerlegung des Wortes in national+isation, wie man es häufig findet, erscheint deshalb inadäquat, weil nationalis- auch in einer Verbform wie nationalis+ons als Staran zu interpretieren ist, von dem dann unter anderem das entsprechende Nomen actionis oder ein Adjektiv wie nationalis-äble abgeleitet wird. Morpheme wie -is-, zu denen etwa auch -iss- in brunisse+ment zählt, sind also die einzigen Affixe des Frz., die nicht als unmittelbare Konstituenten von 1
Die Außenklammern sind der Übersichtlichkeit halber getilgt.
2
Wo zwischen unmittelbaren und mittelbaren Konstituenten unterschieden wird, sind erstere durch '+' und letztere durch '-' getrennt.
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Wörtern sondern lediglich von Stänren fungieren können. Wir bezeichnen sie deshalb, da der traditionelle Begriff des Infixes nicht genau auf sie zutrifft, als Starrmsuffixe (STSUFF). Da diese Morpheme offenbar sowohl an Wörter, als auch an gebundene Ableitungsbasen, wie in hospital-is+ation, adjungiert werden können, erweitern wir einfach die beiden Teile der Regel (3b) durch eine fakultative Konstituente '(STSUFF)': (3b")
BASIS
>- [WORT + (STSUFF)], [GEB.ABLTB. + (STSUFF)]
Bei Wahl der fakultativen Elemente erhalten wir dann Ableitungen folgender Struktur: (3iii)
[[FREI.MORPHEM + SUFFIX] + (STSUFF)] + SUFFIX al
nation
(3iv)
is
-
ation
[GEB.ABLTB. + (STSUFF)] + SUFFIX hospital
-
is
-
ation
Akzeptiert man diese Konstituentenanalyse nicht, dann bleibt (3b) unverändert und nation-al+is-at-Lon wird als Wartableitung klassifiziert. Man gelangt dann jedoch zu komplexen Suffixen vctn Typus -isation, -isateur, -isäble, was allerdings auch Konsequenzen für die semantische Interpretation solcher Ausdrücke nach sich zieht. Wie das Beispiel terre-neuve+ien zeigte, müssen nicht alle unmittelbaren Konstituenten, die selbst wieder komplexe Wörter darstellen, unbedingt Ableitungen sein. Sie können vielmehr ihrerseits aus zwei Wörtern bestehen, die ein Kompositum bilden, deren Konstituenten wieder alle Arten bisher behandelter Kcmplexität aufweisen können: boxeur+poids-leger, avion+deux-ponts, cabine+grandtourisme. Während die meisten frz. mehrgliedrigen Komposita interessanterweise die Struktur 'WOOT+[WDRT-+W)RT]' zeigen, verdeutlicht die dtsch. Mädohen-handel+ (der Strukturunterschied kamit in diesem Fall sohule vs. Mädohen+handels-sahule durch ein Fugen-s zum Ausdruck), daß sowohl das erste als auch das letzte Wort unmittelbarer Konstituent einer Zusammensetzung sein kann. Aus einer viergliedrigen Bildung wie Haus-meister+ehe-paar ersehen wir darüberhinaus, daß, im Gegensatz zu affigierten Wörtern, das jeweils äußerste Element nicht automatisch als unmittelbarer Konstituent des komplexen Ausdruckes zu interpretieren ist. Analysiert man einmal das dtsch. Kompositum 2 3 4 5 6 1 Donau-dampf-schiff-fahrts-kapitäns+witwe
erhält man außer den beiden unmittelbaren Konstituenten (1 bis 5 + 6 ) eine Fülle von kcnplexen Teilkonstituenten. In unserem Fall: (3+4), (2+3-4), (1+2-3-4) und (1-2-3-4+5). Daraus läßt sich die Konstante ableiten, daß ein Kcnpositum aus n
12
Wörtern in (n-2) komplexe Konstituenten zerlegt werden kann, oder anders ausgedrückt, (n-2) Korposita in sich enthält. Die Feststellung, daß jede Wort-Konstituente eines Kompositums selbst wieder ein Kernpositum sein kann, läßt sich durch folgende Regel wiedergeben1: (4) WORT
• [WORT + (WORT)]
Durch mehrfache Anwendung dieser rekursiven Regel erhält man Kaiposita von folgender Struktur: (4i) [WORT + (WORT)] + ([WORT + (WORT)]) avion deux Mädchen - handelsMädchen - handel- schule Haus - meister - ehe -
ponts schule paar
2
(4ii) [[WORT + (WORT)] + ([WORT + (WORT)])] + ( [WORT + (WORT)]) Dampf
- schiff - fahrts
-
kapitän
Daß die Konstituente 'WORT' auch eine Ableitung repräsentieren kann, wie z.B. in
braucht nicht mehr besonders hervorgehoben zu werden. Schließlich ist noch auf eine bestürmte Gruppe frz. Komposita hinzuweisen, die dem Grundprinzip der binären Strukturierung syntagmatischer Einheiten nicht entsprechen. So können Bildungen wie faueheuse-hâoheuse-chargeuse, bar-buffetdesserte nicht in zwei unmittelbare Konstituenten zerlegt werden, denn sie stellen eine einfache Reihung dreier gleichrangiger Elemente dar, an die theoretisch weitere Einzelkonstituenten adjungiert werden könnten. Sie sind durch eine Regel wie (4') erzeugbar: box-eur po-ids léger,
(4*) WORT —-+ WORT (+WORT)"
n ^ 1
die nur einmal angewendet wird, deren rechte Seite aber n-mal durch '+W3RT' erweitert werden kann. Versuchen wir nun, die Regeln (1), (3) und (4) in einem Regelblock zusarrmenzufassen, so ergibt sich folgender relativ einfacher Regelmechanismus zur Erzeugung von Wortstrukturen im Frz. :
1
Regeln dieser Form sollten eigentlich vermieden werden, da sie auch die wenig ergiebige Expansion 'WORT >- WORT' zulassen. Da alle in diesem Abschnitt skizzierten Formationsregeln möglichst einfach sein sollen, müssen wir diesen (und eventuelle andere) formalen Schönheitsfehler zunächst einmal in Kauf nehmen.
2
Den fakultativen weiteren Konstituenten des zweiten unmittelbaren Konstituenten des Kompositums haben wir nicht ausgeschrieben.
3
Weitere Beispiele bei C. Rohrer (1967), 157-163
13 (5a)
WORT
•
[WORT + (WORT) ]
(5b)
WORT
•
PRÄFIX + [WORT], [BASIS + SUFFIX]
(5c)
BASIS
• WORT + (STSUFF) , GEB. ABLTB. + (STSUFF)
In Worten: die unmittelbaren Konstituenten von Wörtern sind entweder selbst wieder Wörter, Präfix und Vfort oder Basis und Suffix. Es versteht sich, daß WORT inner auch ein einfaches Wbrt sein und daher bei jedem Vorkorrmen zu 1 FREI.MORPHEM' expandiert Warden kann. Bis hierher stiitmt (5) mit unseren vorhergehenden Analysen überein. Bei der Formulierung der Regeln (3a-c) waren wir allerdings davon ausgegangen, daß es keine präfigierten Basen gibt, sondern daß die Präfixe an die fertigen Suffixableitungen adjungiert werden. Dies ergab sich aus Regel (1), nach der ein Präfix grundsätzlich der erste unmittelbare Konstituent eines komplexen Wortes ist. Da aber nach (5c) die Suffixbasis ein beliebiges Wort sein kann, ist nicht auszuschließen, daß sie durch (5b) auch zu einem präfigiertein Vfort expandierbar ist. Diese formale Unstinmigkeit wollen wir zum Anlass nehmen, die sprachlichen Fakten noch einmal zu Uberprüfen. Wir beziehen hierbei gleich die Frage mit ein, ob auch gebundene Ableitungsbasen präfigiert werden können, was wir ja ebenfalls zunächst in Abrede gestellt haben. Das heißt also die Frage, ob (5c) in folgender Weise zu erweitern ist: (5c1)
BASIS
• WORT + (STSUFF),
(PRÄFIX) + GEB. ABLTB. + (STSUFF)
Sicher nicht durch diese Regel erfaßt werden z.B. alle mit privativem in- versehenen deverbalen Adjektive der Form in+oper-able. Da dieses Präfix praktisch nicht mit Verben kombiniert wird, können die Adjektive nicht als Ableitungen von Stairm eines Verbums wie =Hnaperer interpretiert werden. Die unmittelbaren Konstituenten solcher Bildungen erhält man vielmehr durch Anwendung des ersten Teils von Regel (5b). Dasselbe gilt für Ableitungen wie im+mangeable, in+croyable, in+traduis-ible. Aus eben diesem Grund kann das Verbum insensibiliser nicht in in+sensibiUser zerlegt werden. Obleich nun aber ein Adjektiv wie trans-pos-able die gleiche morphologische Struktur hat wie in-oper-äble, kann es nicht in trans+posable gegliedert werden, sondern durch den zweiten Teil von (5b) in transpos+able. Die kcmplexe Basis wird dann durch den zweiten Teil von (5c') zu trans-pos zerlegt. In dieser Weise sind auch Ableitungen wie transmett+eur, prevoy+ance, redress+eur zu behandeln. Bestimmte hononyme Bildungen sind sowohl in der einen als auch in der anderen Weise analysierbar: repass+age "Bügeln" vs. re+passage "Rückflug von Zugvögeln". Eine vergleichbare Situation zeigt sich bei Ableitungen, deren Basis die Struktur des ersten Teiles von (5c) besitzt, die dann von (5b) weiter zerlegt
14 werden kann: internat-Lonal+iste, prévision+el oder mit Starimsuff ix internationalis-, insensibilis-. Kein präfigiertes Wbrt als Basis haben dagegen Bildungen wie -inter+nation-al, trans+océan-ique, pré+soorat-ique. Regel (5c) bzw. ihre Erweiterung zu (5c1) ist also adäquat, da sie auch die Beschreibung solcher Präfigierungen erlaubt, die nicht durch (1) bzw. (5b) erzeugt werden können. Durch welche Regel eine bestürmte konkrete Präfixableitung erfaßt wird, hängt zum einen davon ab, mit vrelchen Wortklassen das Präfix kanbinierbar ist (s.o.). Zum anderen benötigt man für eine korrekte Analyse bestürmte Lexikoninfarmationen, durch die z.B. eine Zerlegung wie interdêpend+ anae, analog etwa zu interpênétr+ation oder transpos+ition, schon deshalb verhindert wird, weil ein Verbum *-interdépendre, im Gegensatz zu s'interpénétrer, transposer, im Frz. nicht existiert. Die Regeln (5a-c") erlauben nun zwar, die wichtigsten Strukturtypen frz. Vtörter zu beschreiben; sie sagen aber noch nichts darüber aus, welche Morpheme in einer abgeleiteten Kette für die verschiedenen Symbole eingesetzt werden dürfen. Da diese Symbole zum Teil ziemlich umfangreiche Klassen, wie etwa 'WORT', repräsentieren, können mit diesen Regeln auch Strukturen erzeugt werden, die innerhalb des Frz. nicht realisierbar sind. Wir wissen z.B. noch nicht, welche Wortklassen im Frz. überhaupt affigiert Warden können oder in welcher Reihenfolge mehrere Suffixe an eine Ableitungsbasis zu adjungieren sind. Diese Restringierung der allgemeinen Regeln (5a-c') ist eine Funktion der Wortbildungskcmponente einer Sprache, die genau die Regeln enthält, die zur korrekten Einsetzung bestürmter Morpheme und Morphemklassen in die abgeleiteten Strukturen gebraucht werden. Da wir uns im folgenden ausschließlich mit der Wortbildungsmorphologie beschäftigen werden, ohne uns weiter um die spezifischen Probleme der Flexionsmorphologie zu künmern, ist es zunächst einmal erforderlich, das Derivationssuffix möglichst eindeutig vcm Flexionssuffix abzuheben, um danach seine Formen und Verwendungsweisen im einzelnen zu beschreiben. 1.5
Derivation und Flexion
Wie wir sehen konnten, ist die Derivation ein Verfahren zur Erzeugung neuer Wörter durch die Verkettung einer Ableitungsbasis mit einem Affix. Die Flexion hingegen wird allgemein als ein Verfahren charakterisiert, durch das ein Wbrt oder Wortstairm mit verschiedenen morphologischen Merkmalen versehen wird, um unterschiedliche Vfortformen zu erzeugen. Durch diese Differenzierung von Wort und Vibrtform wird 'Wort' offensichtlich zu einer abstrakteren Einheit, die alle flektierten Formen umfaßt, die ihm zu-
15
geordnet werden können. Diese Gesamtheit bzw. eine bestürmte sie repräsentierende Form bezeichnet man auch als Lexem, die einzelnen flektierten Formen als graitmatische Wörter. Wie ist nun aber zu entscheiden, ob zwei grammatische Wörter zu einem Lexem gehören oder nicht? Die durch die Flexion erzeugten verschiedenen Formen eines Lexems werden in einem Paradigm zusammengefaßt. Es ist also danach zu fragen, ob es sich hierbei jeweils um eine eindeutig definierbare Menge handelt, deren Elemente sich von denjenigen aller anderen Paradigmen unterscheiden. Charakteristisch für ein Paradigma ist die Karibination eines konstanten Elementes mit jeweils verschiedenen gebundenen Morphemen. Wodurch unterscheiden sich nun die Einheiten eines Paradigmas voneinander und welches sind die konstanten Merkmale, die das Lexem konstituieren? Formen wie ira, iviez, allait, allure, die intuitiv nicht alle als Elemente desselben Lexems angesehen werden, machen deutlich, daß die semantische Identität der Flexionsbasis, im Gegensatz zur formalen zwar eine notwendige aber noch keine hinreichende Bedingung zur Konstituierung eines Paradigmas ist. Die drei ersten Beispiele unterscheiden sich jedoch dadurch eindeutig von dem vierten, daß sie jeweils nach Person, Numerus, Tempus, Modus und Genus gekennzeichnet sind. Indem man die Elemente dieser fünf Merkmalsklassen variieren läßt, das heißt alle möglichen Quintupel aus diesen Klassen bildet und jeweils mit einem Verbstamm kombiniert, erhält man die Gesamtheit der (finiten) Formen eines Verbalparadigmas. Durch Konstanthalten einzelner Markmalsklassen gelangt man zu Teilparadigmen wie Ind.Präs.Akt./Konj.Urpf./Passiv u.a. Unsere drei Beispiele gehören also demselben Paradigmatypus an und können daher aufgrund der Synonymie ihrer Stanmorpheme einem einzigen Lexem, nämlich aller, zugeordnet werden. Entscheidend ist hierbei, daß der Austausch zweier beliebiger Flexionsmorpheme, die denselben Paradigmtypus angehören, keinen Wortartwechsel mit sich bringt. So gehören z.B. alle Verkettungen eines Verbstanms mit irgendeiner zulässigen Folge von Elementen aus den angegebenen fünf Merkmalsklassen der Wortart Verbum an. Es werden also, funktional gesehen, ausschließlich Einheiten erzeugt, die allein oder mit einer NP einen Satz (bzw. Teilsatz) bilden können. Eben dies trifft für das vierte Beispiel nicht zu. Ein Blick auf die Ncminalflexion etwa des Lateinischen zeigt jedoch, daß nicht in allen morphologischen Paradigmatypen diese funktionale Konstanz gegeben ist. So kennt einen Genitiv wie patris häufig eine Funktion zu, die auch von don Vertreter einer anderen Wortart, nämlich den Adjektiv, wahrgencumen
16 werden kann, mit dem er in bestimmten syntaktischen Positionen austauschbar ist: casa patris / oasa paterna. Der Genitiv patris hat also unter anderem, ebenso wie ein attributiv verwendetes Adjektiv, die Funktion, mit einem von ihm determinierten Noten (bzw. NP) eine komplexe Naminalphrase zu bilden im Gegensatz etwa zu dam Ncminativ pater oder dem Ablativ patre, die jeweils wieder ganz andere syntaktische Funktionen haben. Warum klassifiziert man nun aber patris als Form des Lexems pater, nicht jedoch - trotz der identischen Basis - paterna? Da dieselbe syntaktische Funktion von den Vertretern verschiedener Wortarten wahrgenommen werden kann, ist die Funktion kein hinreichendes Kriterium für die Zugehörigkeit einer Form zu einem bestürmten morphologischen Paradigma. Es gibt jedoch eine Reihe syntaktischer Konstanten, die jeweils nur den Elementen eines Paradigmas zukommen. Im Gegensatz zum Adjektiv kann z.B. jedes Ncmen, unabhängig von seiner jeweiligen Form, von einem Attribut in Gestalt eines Adjektivs, eines Relativsatzes oder eines genitiv. Ncmens determiniert werden. So haben die verschiedenen Wortarten ihre eigene, sich nur teilweise überlappende Distribution. Auch unter morphologischem Aspekt können die Formen des Adjektivs paternus nicht als Elemente des Lexems pater klassifiziert werden, da sie drei verschiedene Genera annehmen können, die sich nach dem jeweiligen Determinatum richten, während das Genus innerhalb eines Ncminalparadigmas grundsätzlich konstant ist. Da paternus, -a, -um also selbst wieder ein komplettes Paradigma bildet, hat ein Wortartwechsel stattgefunden - wie wir noch sehen werden, ein Zeichen dafür, daß es sich hier um ein Produkt der Wortbildungskctrponente handelt. Unter diesen Gesichtspunkt ist auch die sogenannte synthetische Komparation ein Teil der Wortbildung. Obwohl z.B. longior nach denselben Markmalen bestürmt ist wie longus, ist es kein Element dieses Lexems, sondern bildet ein eigenes Paradigma mit allen entsprechenden Formen und einer teilweise unterschiedlichen Distribution. Analoges gilt für die deadjektivischen Adverbien wie longe oder frz. longuement, die eigene Lexone mit einer spezifischen Distribution darstellen, denen außerdem alle Flexionsmerkmale des Adjektivs wie Genus, Numerus und Kasus fehlen. Problematisch ist bekanntlich die Zuordnung der infiniten Verbformen. So ist das Partizip in mater ridens oder une mère riante insofern kein Element des Lexems ridere bzw. rire, als es sich sowohl in den" Flexionsmerkmalen (Genus, Kasus), als auch funktionell (es bildet mit einem Ncmen (bzw. NP) nicht einen Satz sondern eine Ncminalphrase) von den finiten Verbformen unterscheidet und selbst wieder ein eigenes, dem Adjektiv verwandtes Paradigma bildet.
17 Was dazu führen kann, die Partizipien in einen weiteren Sinn doch als Elemente des Verbalparadigmas zu betrachten, ist die weitgehende Übereinstirrrnung in den Selektions- und Subkategorisierungsmerkmalen. Dabei ist vor allem an die mögliche Verbindung mit einen direkten Objekt in Konstruktionen wie une femme adorant son mari zu denken. Darüberhinaus kann zu einer solchen NP auch ein Passiv gebildet werden: un mari adore par/de sa femme. Daneben steht jedoch der Gebrauch dieser Formen als Verbaladjektive, der häufig mit einer Lexikalisierung verbunden ist, die ihre Verwendung in typisch adjektivischen Kontexten erlaubt: une feirme tres charmante. Diese Tendenz zur Lexikalisierung ist gerade für die infiniten Formen eines Verbalparadigmas charakteristisch. Dies läßt sich unter anderem an der Möglichkeit der Präfigierung mit dem privativen in-/im- in Ableitungen wie in+dependant, im+merit'e, im+maeule1 erkennen, die für Verben, wie bereits erwähnt, praktisch ausgeschlossen ist. Die Part.Perf. stehen allerdings in den Fällen zweifellos innerhalb des Verbalparadigmas, in denen sie als konstituierendes Element einer finiten Verbform geneinsam mit einen Hilfsverb einfach als Träger des verbalen Merkmals 'Terpus' fungieren: eette femme avait adore son mari. Analoges gilt etwa für eine engl. progressive form wie ... is danoing, die eine eindeutig gekennzeichnete Form des Verbums to danae ist. Wir wollen diese Fragen aber hier nicht weiter vertiefen und lediglich noch daran erinnern, daß sich vergleichbare Probiene auch für die Zuordnung des Infinitivs ergeben. Zusainrenfassend läßt sich folgendes sagen. Durch die Kontoination einer Flexionsbasis mit verschiedenen Flexionsmorphemen entstehen keine neuen Wörter, sondern lediglich Wortformen eines bestimmten Lexems. Dies impliziert unsere oben getroffene Feststellung zur Konstanz der Wortart innerhalb eines Paradigmas. Eine solche Homogenität besteht dann auch zwischen den Konstituenten einer Wortform selbst, wenn man etwa eine Verbform aus einem Verbstanm oder eine Naninalform aus einer nominalen Flexionsbasis erzeugt. Das trifft z.B. nicht für Verbformen wie film-ons, poivr-ez zu, da die Nctnina film, poivre erst durch einen Wortbildungsprozess zu Verbstämmen werden. Die unterschiedliche Wortart von Basis und Ableitung ist jedoch keine notwendige Strukturbedingung für die Produkte der Wortbildungskcnponente, was sich an einen denaninalen Namen wie poivr-ier leicht zeigen läßt. Für eine bestinmte Gruppe von Derivationssuffixen, zu denen die Diminutiv- und Frequentativmorphetie gehören, ist die Kenstanz der Wortart sogar ein wichtiges Klassifikationskriterium. Vgl. z.B. sauter —• sautiller, maison —• maisonette. Außerdem sind auch 1
Vgl. auch dtsch. *unabhängend
vs. unabhängig
und unbefleckt,
unverdient.
18
die Präfixe dadurch charakterisiert, daß sie die Wortart ihrer Ableitungsbasis grundsätzlich unverändert lassen: faire —• défaire, saharien —>- trans saharien. Die flektierten Formen solcher Ableitungen sind aber deshalb keine Elanente des jeweiligen Basislexems, da sie Affixe enthalten, die keine konstituierenden Bestandteile des Basisparadigmas sind. Wortbildung ist also im Gegensatz zur Flexion ausschließlich 'transparadigmatisch'. Abschließend ist noch darauf hinzuweisen, daß die, auch als Endungen bezeichneten Flexionssuffixe in den hier betrachteten Sprachen nur am äußersten rechten Ende einer Wortform stehen und daher nicht mit Derivationssuffixen alternieren können1. Das in Regel (5b) verwendete Symbol 'SUFFIX' repräsentiert also lediglich Derivationssuffixe, wahrend die flektierten Formen eines Lexems in einer gesonderten Flexionskaiponente erzeugt werden, mit deren Gestalt wir uns in diesem Rahmen nicht weiter auseinandersetzen können.
1
Gegenbeispiele wie das bekannte dtsch.
Kind-er-chen
sind selten.
2
DIE MORPHOLOGIE IN DER WORTBILDUNGSKOMPONENTE
Nachdem im ersten Kapitel die Grundeinheiten der frz. Wortbildung (im folgenden einfach 'WB') wie Morphem, Wort, Ableitungsbasis und Affix und die Grundstrukturen komplexer Wörter im Frz. behandelt wurden, beschäftigt sich dieses Kapitel mit den Bedingungen, unter denen die konkreten Produkte der frz. WBkornponente Zustandekommen. Wir werden uns hierbei vor allem den morpho (phono) logischen Restriktionen zuwenden, die unseren generellen WBregeln bei der Erzeugung bestimmter Suffixableitungen auferlegt werden müssen. Zwei Fragenkomplexe stehen im Vordergrund: a) An welche Typen frz. Ableitungsbasen können die verschiedenen Suffixe adjungiert werden und welche morpho(phono)logischen Prozesse sind bei einer solchen Verkettung zu berücksichtigen? b) Welche Qrdnungsprinzipien liegen den Kombinationen mehrerer Suffixe miteinander zugrunde? 2.1
Fugenkonsonant
Durch die Verkettung einer Ableitungsbasis mit einen Suffix können an der Berührungsstelle Lautseguenzen entstehen, die im Inneren eines Morphems nicht vorkamen oder höchst ungewöhnlich sind. Diese Sequenzen bleiben unter bestinmten Bedingungen, denen wir hier nicht weiter nachgehen vollen, als solche bestehen und signalisieren dadurch deutlich eine Morphemgrenze. So z.B. [jm] oder [Jim] in ravitaillement, chatouillement; accompagnement, dignement. Widersprechen die so entstandenen Sequenzen jedoch gewissen generellen phonotaktisehen Regularitäten des Frz. (Drei-Konsonanten-Gesetz, Hiatustilgung u.a.), werden sie diesen im allgemeinen angepaßt. So wird z.B. zur Vermeidung des Hiatus zwischen vokalisch auslautender Basis und einem der meist vokalisch anlautenden frz. Suffixe ein Fugenkonsonant eingeschoben. In der Mehrzahl der Fälle findet sich hier ein epenthetisches [—t—]: chapeauter, noyauter, numéroter, bleuter, abriter, froufrouter, bijouterie, cocotier, caillouteux, juteuxIn vielen Fällen handelt es sich jedoch um einen 1 Weitere Beispiele bei Kr. Nyrop (1908), t. III, 89
20 finalen Konsonanten der Ableitungsbasis, der im Nfz., außer vor einer Morphemgrenze, normalerweise nicht mehr hörbar ist und daher gegebenenfalls nur noch aus der Graphie der Basis vorhergesagt werden kann: estomac
• estomaquer,
bois—• boiser, échafaud • êchafauder (eine Regelgeneralisierung hat bei der Ersetzung von tabaquiêre durch tabatière stattgefunden). Nicht selten ist der in der Ableitung erscheinende Konsonant lediglich aufgrund historischer Information, und das heißt, nach den morphonologischen Regeln des Nfz. überhaupt nicht vorherzusagen: ami • amioal. Man muß hier also eine gelehrte Ableitungsbasis amio- ansetzen, die als kcnibinatorische Variante des nfz. Ncmens vor gelehrten Suffixen fungiert. Dies gilt wohl auch für einen Fall wie mcœi —* marital - in dem der historische Stairmauslaut als das synchron zu erwartende Fugen-1 interpretiert werden könnte - da sich das Suffix -al im allgemeinen nur mit einer gelehrten Basis verbindet. Endet die Ableitungsbasis auf einen Nasalvokal, sind zwei Verfahren zur Hiatustilgung zu beobachten: a) Die Nasalierung des Vokals war historisch durch die Lautfolge 'Nasalkonsonant+Konsonant' bedingt, wie im allgemeinen auch heute noch der Graphie zu entnehmen ist. Vor einem vokalisch anlautenden Suffix bewahrt der Vokal seine Nasalierung, während der historisch versturrmte Auslautkonsonant als Fugenlaut wieder erscheint: So z.B. in sang
>- sanguin, dent
• dentaire, plomb
>- plombier.
Da diese Konsonanten an der phonetischen Oberfläche der Ncmina heute nicht mehr in Erscheinung treten, muß entweder eine phonologische Tiefenstruktur angencttmen werden, in der diese Segmente bereits enthalten sind, und die dann im Wortauslaut getilgt werden, oder man geht auch hier von einer morphologischen Variante [dät-] aus, die das Ncmen dent vor vokalisch anlautenden Suffixen vertritt und van nfz. Sprecher zusätzlich zu lernen ist. Für die zweite Lösung sprechen vor allem die Fälle, in denen der Auslautkonsonant in anderen Kontexten, wie etwa der Liaison, heute praktisch nicht mehr zu hören ist: le sang humain. b) Die Nasalierung war historisch durch einen auslautenden Nasalkonsonanten bedingt. Synchron wären solche Wörter als potentielle Ableitungsbasen mit auslautendem Nasalvokal, die keine spezielle morphologische Variante besitzen, zu beschreiben. In diesen Fällen ist vorherzusagen, daß ein Nasalkonsonant - im allgemeinen -n- - als Fugenlaut erscheint, dessen intervokalische Position eine Denasalierung des vorangehenden Vokals bewirkt: bouquin
>bouquiniste, chauvin
>• chauvinisme, charlatan • charlatanisme, maison
• maisonnette, neben
einigen anderen weniger häufigen Alternationen (zu den Varianten der Suffixe -ain und -ien s. 2.3). Problematisch bleibt in diesem Zusamrenhang allerdings die Bestimnung der Qualität des denasalierten Vokals (s.u.).
21
Von der generativen Phonologie wurde auch hier eine Tiefenstruktur vorgeschlagen, die sowohl den Nasalkonsonanten als auch den Oralvokal enthält, der dann vor dem auslautenden Konsonanten nasaliert wird. Also (TS)/bukin/
•
(OS) [büke], wodurch sich eine Denasalierungsregel für die Ableitung bouquiniste erübrigt und die Qualität des Oralvokals eindeutig festgelegt ist. Bei der Bewertung dieses Beschreibungsmodus, den wir hier nicht weiter diskutieren können, wird unter anderem danach zu fragen sein, inwieweit ein Nasalierungsprozeß, der durch einen erst in der Dérivation an der phonetischen Oberfläche erscheinenden Nasalkonsonanten ausgelöst wird, der Kompetenz des nfz. Sprechers gerecht wird. Dies gilt vor allem auch für die Annahme einer Nasalierungs- und einer Tilgungsregel zur Ableitung von dent aus einem tiefenstrukturellen /dent/. 2.2
Latinisierte Ableitungsbasis
Uber den morphematischen Status der gelehrten Ableitungsbasis haben wir in 1.4.1 bereits gesprochen. Diese Divergenz zwischen volkstümlichem Grundwort und latinisierter Basis ist, im Vergleich etwa zun Deutschen, für einen relativ großen Teil der frz. Derivation charakteristisch. Der Grad der Latinisierung reicht vcm einfachen Auftreten eines synchron als Fugenlaut fungierenden Auslautkonsonanten wie in amic- oder dem Einfügen bzw. Verstuttmen einzelner Segmente wie in ancêtre espace
• ancestral, santé
> spatial, über die Änderung der Tonvokale in fleuve
• sanitaire,
• fluvial, mer
—>- marin, bis zu sehr viel weiterreichenden Modifikationen wie in père —• paternel, doigt —• digital, oeil —• oculaire, veuve —• viduitê und zur totalen Suppletion, deren Glieder häufig auch historisch keine morphologische Verwandtschaft aufweisen: ville —• urbain, campagne —• rural, aveugle —>• cécité, foie —• hépatique. Bei der morphologischen Beschreibung derartiger Ableitungen sind zwei Gesichtspunkte zu unterscheiden. Man kann sich fragen, bis zu welchem Atweichungsgrad der frz. Sprecher intuitiv noch einen morphologischen Zusammenhang zwischen volkstümlichem Grundwort und latinisierter Basis erkennt. Für eine generative Beschreibung der Wortbildung ist jedoch zunächst entscheidend, welchen Ableitungen bestimrrte morphonologische Reguläritäten zugrundeliegen, die als exakte und innerhalb eines gewissen Bereiches generalisierbare Pegeln der nfz. WB gefaßt werden können, so daß der des Lateinischen nicht mächtige Sprecher eine korrekte Derivation erzeugen kann. Zvsn ersten Punkt lassen sich wohl keine generellen Angaben machen, die auch von intersubjektiver Gültigkeit wären. Obwohl nun aber der nfz. Sprecher in ancestral, im Gegensatz etwa zu oculaire, das entsprechende volkstümliche Nomen
22 mit Sicherheit erkennt, und ihn der Einschub des -s- zwischen Vokal und -t in einer gelehrten Ableitungsbasis nicht weiter überrascht, da ihm dieser Prozeß aus vielen analogen Fällen wie hôpital —• côte —•
costal, apôtre —•
hospitaliser, fête —• festivitê,
apostolat, étudiant —•
estudiantin, bereits geläu-
fig ist, kann innerhalb des Nfz. keine generelle morphologische Hegel formuliert werden, die das Erscheinen von -s- korrekt voraussagte. Vergleicht man das letzte Beispiel mit étoile —•
Stellaire, Etat —•
étatiser, zeigt sich, daß
sich auch für die Behandlung des historischen prothetischen e- keine verbindlichen Regeln finden lassen. Unter diesen Gesichtspunkt ist das minimal abweichende hospital- nicht regelmäßiger als das suppletive ocul- und muß daher wie dieses als gelehrte Basisvariante gesondert aufgeführt werden. Versuche der frühen generativen Phonologie und Morphologie1, solche Formen aus einer abstrakten Tiefenstruktur abzuleiten, die nicht nur zufällig den entsprechenden Formen historischer Sprachstufen ähnelte, haben diese Situation eher verschleiert als beschrieben. Dasselbe gilt für Relikte historischer frz. Stamnvokalalternationen, die heute nicht mehr produktiv sind, wie mer —>- marin, sei —• panetier, main —•
saler, pain
—•
manier, fleur —• hospital-/ Suffix (6d) plomb — •
plöb- /
Suffix
In Worten: Das Ncmen école (die Wbrtartangabe benötigt man zur Selektion des entsprechenden Suffixtypus - hier also denominal) wird vor gelehrtem Suffix zu der Ableitungsbasis sool-, vor volkstümlichen bleibt es unverändert. Hôpital erscheint als Ableitungsbasis grundsätzlich in der Form hospital-. Diese Varianten fungieren mit den Fugenvokalen -o-/-i- auch als erste Konstituenten der griech.-lat. Bildungen vcm Typus oculo-moteur, fluviomêtrique, plombifère. Wir können also nach (6a) eine Ableitung wie *scolier, nach (6b) Formen wie "oeillaire oder "ooulade als ungranmatisch ausschließen, ebenso wie z.B. *fleuvial, "sourditê, *veuvitê, wenn ihre Basen in der Morphemliste entsprechend gekennzeichnet werden. 2.3
Latinisierte Suffixvarianten
Für die latinisierten Varianten, durch die bestürmte Suffixe in der Position direkt vor einem weiteren Suffix realisiert werden, lassen sich gewisse Regelmäßigkeiten feststellen. Es handelt sich hierbei um Vokalalternationen, die wir bereits bei einfachen Ableitungsbasen beobachten konnten {mer/marin, sel/saler u.a.). Während sich diese Alternationen dort aber nicht mehr durch generalisierbare phonologische Pegeln des Nfz. beschreiben lassen, können sie im Bereich der Suffixverkettung als morphonologische Reguläritäten erfaßt werden. Folgende Fälle wären etwa zu berücksichtigen: [e, e, ë] — • [a] wie in régul-ier —>• rêgulcœ-is-er, fonction-aire —»• fonation-ar-isme, crimin-el —• crimin-al-ité, mondain —• mond-an-itê, ital-ien —• ital-ian-isme (aber alp-in —>- alp-in-isme) ; außerdem [0, oe] — • profess-or-al.
[o] wie in nébul-eux —• nêbul-os-itê, profess-eur —•
24
Auch hier also geht die latinisierende Wirkung von einen nachfolgenden gelehrten Suffix aus. Im Gegensatz zu den nicht-modifizierten Suffixformen, die in einigen Fällen, wie wir gesehen haben, an gelehrte und volkstümliche Ableitungsbasen adjungiert werden können, sind die latinisierten Suffixvarianten nur mit gelehrten Basen zu verbinden. Man findet daher zwar pierreux, bourbeux, nicht aber *pierrosité, *bourbosité, budgétaire aber kein *budgétarisation, écolier aber nicht *écolarité, die Ableitung tenseur —• tensoriel (allerdings mit volkstümlichen -el), jedoch nicht tendeur —• *tendoriel, ebensowenig wie etwa mangeur — *mangeoriel. Ein volkstümliches Suffix wie -ure, das sich formal nicht von dem französisierten lat. -ura unterscheidet und daher keine gelehrte Variante neben sich hat, kann nur dann mit einem weiteren Suffix verbunden werden, wenn es rechts von einer gelehrten Basis steht: conjecture —• conjectural wie caricatural, pictural, sculptural, architectural, nicht aber blessure —• *blessura oder rognure —• &rognural.
Verfügt die Ableitungsbasis selbst über eine gelehrte Variante, wird diese von dem latinisierten Suffix selektiert. Es ergibt sich also die Ableitungsfolge aimer —• aimable —• amabilité und nicht *aimabilité, oder coupable —• culpabilité, croyable —• crédibilité, mangeable —>- manàucàbilité, immuable —• ir tabilité (neben immobilité). In Übereinstimmung mit unserer Analyse in 1.4.3, nach der das jeweils letzte Suffix initver der zweite unmittelbare Konstituent einer (Suffix-)Ableitung ist, können wir diese Prozesse so interpretieren, daß durch die Adjunktion eines gelehrten Suffixes der gesamte erste Konstituent latinisiert wird. Dies läßt sich auch in Bildungen wie vêtement —• vestimentaire, fondement —• fondamental, sacrement —• sacramentaire beobachten. Nicht latinisiert sind die Ableitungsbasen in ornemental, départemental, parlementaire, die ihr Schwa bewahren.
Die Tatsache, daß viele volkstümliche Suffixe fast ausschließlich in Form latinisierter Varianten mit anderen Suffixen karbiniert werden, führt nun dazu, daß im Frz. der Prozentsatz gelehrter Bildungen bei Derivationen mit mehreren Suffixen noch sehr viel höher liegt als dies bereits bei einfachen Ableitungen der Fall war. Kombinationen mit nicht-latinisierten Elementen wie -agiste in étalagiste, esclavagiste, paysagiste oder -ag-eux in ombrageux, avantageux, nuageux sind relativ selten. Die volkstümliche Suffixverkettung -er-ie aus -ier+ie, wie in chevalerie, wird heute als einfaches Suffix -erie interpretiert und verwendet.
25
2.4
Suffixverkettungen
Wie gezeigt wsrden konnte, ist das Suffix ein gebundenes Morphem, das dazu verwendet wird, aus Wörtern oder S tarnten (neue) Wörter zu bilden. Der korrekte Gebrauch eines solchen Operators setzt also folgende Informationen voraus: a) An welche Ableitungsbasen kann das Suffix adjungiert werden? b) In welche Wortart wird die Basis durch die Suffigierung überführt? So wäre etwa -eux als ein Operator zu beschreiben, der aus Ncmina wie haine, peur und aus Verbstärrmen der ersten Konjugation wie boit-, chatouill-, Adjektive macht: haineux, peureux, boiteux, chatouilleux. Es handelt sich also um ein dencminales und deverbales Adjektivsuffix - einen Typus, den wir als 'Nctnen/Verbum — > Adjektiv' notieren können. Auf die Frage, welche monanorphematischen Ncmina und welche Verbstänitve möglicherweise aus systematischen Gründen nicht als Ableitungsbasen von -eux in Betracht kantien, kann im Augenblick noch keine genauere Antwort gegeben werden. Wir müssen auf dieses Probisn zurückkamen. Präzisere Vorhersagen lassen sich indessen machen, wenn man es mit einer bereits suffigierten Ableitungsbasis zu tun hat. Oder anders ausgedrückt: die generelle Regel 'Namen+eux — • Adjektiv', trifft für Ncmina mit bestürmten Suffixen nicht zu. So tritt das volkstümliche -eux unter anderem rechts von folgenden Suffixen (bzw. ihren kombinatorischen Varianten) praktisch nicht auf: -eur, (Ncmen agentis), -aire, -iste, -isme, -ise. D.h. -ar-eux, -ist-eux etc. sind Kcmbinationen, die, im Gegensatz zu -ag-eux (s.o.), im Frz. kaum erwartet werden können. An -isme und -ise lassen sich ohnehin auch andere Suffixe kaum adjungieren (sottise —>• sottisier) . Andererseits sind auch die NEglichkeiten, neue Wörter aus Adjektiven auf -eux abzuleiten, äußerst beschränkt, da rechts von diesem Suffix normalerweise nur das Ncminalsuffix -ité erscheinen kann: nervosité, verbosité, monstruosité (auch noch nervosisme). Die Distribution der anderen dencminalen Adjektivsuffixe deckt sich indessen nur teilweise mit derjenigen von -eux. So kann das gelehrte -al gerade auch mit Ncmina agentis auf -eur verbunden werden: électoral, pastoral, professoral, und nicht nur links von -itéi nationalité oder -isme: nationalisme, sondern auch vor -istex nationaliste, formaliste, matérialiste und -iser\ nationaliser, matérialiser erscheinen. Wieder etwas anders distribuiert ist das funktionsverwandte -ique, das in einer kombinatorischen Variante vor allem auch vor -iem théoricien, platonicien, académicien auftritt. Diese speziellen Köokkurrenzrestriktionen und kombinatorischen Präferenzen lassen sich jedoch in vielen Fällen nicht mit Hilfe irgendwelcher generellen
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Regeln beschreiben. Es ist daher oft nicht möglich, bestürmte Suffixkcrribinationen vorbehaltlos als ungranmatisch zu klassifizieren. Da auch, wie wir sahen, die verschiedenen Vertreter eines Suffixtypus eine sich nur teilweise überlappende Distribution haben, bleibt uns zunächst nichts anderes übrig, als in jedem Einzelfall genau die möglichen rechten bzw. linken Umgebungen eines Suffixes anzugeben. Als 'möglich1 können dann aber nur solche Umgebungen bezeichnet werden, in denen ein Suffix mindestens einmal schon verwendet wird. Wir würden daher eine Form wie *humanital nur deshalb nicht als mögliches frz. Wort einstufen, weil -al bisher normalerweise nicht ein das deadjektivische Suffix -ite adjungiert wurde (s.u. 2.4.2). Auf dieser Basis wollen wir im nächsten Abschnitt eine Suffixkaribinationsliste aufstellen, die ein Verweissystem enthält, mit Hilfe dessen genau die Suffixketten anzugeben sind, die an die verschiedenen Einzelsuffixe adjungiert werden können. Die Liste, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, enthält außerdem die kombinatorischen Varianten und den jeweiligen Typus der einzelnen Suffixe. Ein ausführlicher Kcttmentar zu ihrer Funktionsweise schließt sich an. 2.4.1 Fragment einer Suffixkcmbinationsliste I.
Verbum —-> Natien 1. f (a) -at- 1 •< (b) -it- > -ion/[gelehrt] L (c) -s-
J
2
" ({(b) -it-} / [ 9 e l e h r t ]
3
' i• Instrumentalist' in instrumentiste, violiniste, flûtiste, pianiste, claveciniste, tromboniste, corniste, hautboïste, guitari Schließlich ist auch hier noch eine kleine Gruppe von -aisorz-Ableitungen zu erwähnen, die vergleichbar den entsprechenden Deverbalabstrakta, Zeitpunkte/-spannen bezeichnen, während derer etwas mit den Objekten geschieht, die durch die jeweilige Ableitungsbasis benannt werden: harengaison, maqueraison, cervaison, olivaison, floraison, lunaison. Der am Ende von 3.2.7 zu den Deverbalia gegebene Kcrrmentar kann auf diese denaninalen Ncmina übertragen werden. Wir wollen an dieser Stelle die Behandlung der abgeleiteten Ncmina des Frz. vorerst abbrechen und uns im nächsten Kapitel den spezifischen Problemen der adjektivischen Derivation zuwenden. 3.3
Adjektive
3.3.1 Deverbale Adj ektive Deverbale Adjektive beziehen sich auf Objekte oder Personen, die an dem durch die verbale Ableitungsbasis bezeichneten Vorgang in irgendeiner Weise beteiligt sind. Soweit es sich hierbei um die Funktion des Agens handelt, ergeben sich die 1
Vgl. zu diesen Fragen J. Dubois et al. (i960) und ders. (1968)
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gleichen grundsätzlichen Probleme wie bei der Beschreibung der deverbalen Ncmina agentis. Eine Gemeinsamkeit, die sich bereits auf morphologischer Ebene durch die große Zahl scwohl substantivisch als auch adjektivisch verwendbarer -(at)eurAbleitungen manifestiert: conservateur, organisateur, rêveur, vainqueur, moqueur, railleur, gaspilleur, querelleur, raisonneur, enchanteur. Als Adjektive erscheinen sie auch in prädikativer Position: Elle est vraiment très railleuse. Sie beziehen sich sowohl auf aktuale Handlungen und Vorgänge, als auch auf habituelle Verhaltensweisen, die dem jeweiligen Heferenten als konstante Eigenschaft zugesprochen werden. Eine NP wie une femme querelleuse ist daher nicht durch die einfache Relativsatzkonstruktion une femme qui se querelle wiederzugeben, sondern entspricht etwa den Paraphrasen une femme qui aime se quereller, qui cherche à provoquer les querelles. Un étudiant travailleur ist un étudiant qui travaille beaucoup, qui aime le travail. Ein spezifisches Adjektivsuffix ist hingegen -eux (SKL, IV-5), das an transitive und intransitive Verben adjungiert werden kann: désireux, chatouilleux, fâcheux, dédaigneux, boiteux, clapoteux. Auch hier stellt sich wieder die Frage, ob man einen Satz wie (29) nicht einfach transfornationell aus (29') ableiten soll: (29) (29')
Ces hommes étaient désireux de richesses Ces hormnes désiraient des richesses
Auch in diesem Fall erweist sich jedoch die Inkcnpatibilität bestinntter typisch adjektivischer Kontexte mit dem jeweiligen verbalen Explikat als störend. So wäre es z.B. aus verschiedenen Gründen kaum möglich, (30) oder (31) mit rein syntaktischen Mitteln auf Sätze zurückzuführen, die das Verbum désirer enthalten: (30) (31)
Ces hommes se montrent extrêmement désireux d'acquérir richesses Je les tiens pour extrêmement désireux de richesses
de grandes
Eine weitere Schwierigkeit ergibt sich daraus, daß verschiedene Adjektive in Sätzen wie C'est une femme dédaigneuse ohne Objektergänzung gebraucht werden können, während das zugrundeliegende transitive Verbun nicht ohne direktes Objekt zu verwenden ist. Will man die ungrammatische Konstruktion>*C'est une femme qui dédaigne vermeiden, ist man gezwungen, in die Tiefenstruktur irgendein explizites Objekt - in diesem Fall sinngemäß etwa tout - einzuführen, das dann durch eine insignifikante Tilgungstransformation wieder gelöscht werden könnte. Wieder aridere Probleme entstünden bei dem Versuch, von solchen Adjektiven abgeleitete Adverbien, in Sätzen wie Elle l'avait traité dédaigneusement, durch syntaktische Transformationen einzuführen.
68 Entsprechend, den Ncmina agentis sind wohl auch diese Ableitungen besser in der WBkcmponente zu erzeugen und dann als ganze in den jeweiligen Satz einzuführen. In der WBkarponente wird einerseits durch eine allgemeine morphosyntaktische Regel, wie bereits angedeutet, die fast allen diesen Bildungen gemeinsame Grundstruktur beschrieben und andererseits werden dort die für diese Ableitungen charakteristischen potentiellen Bedeutungsvarianten vermerkt. Welche dieser generell meist vorher sagbaren Varianten dem einzelnen Wort tatsächlich zukamen, kann dann dem Lexikon entronnen werden. Die mögliche funktionale Äquivalenz etwa zwischen der Präpos itionalphrase de X, durch die die Ableitung determiniert werden kann und dan direkten Objekt des jeweils zugrundeliegenden Verbunds ist ebenfalls in der WBkarponente, als Teil allgemeiner morphosyntaktischer Regeln zu beschreiben, die gemeinsam für alle bisher behandelten Deverbalia formuliert werden können. In analoger Weise wären die deverbalen Adjektive auf -ant zu behandeln, obgleich sie mit ihrer Partizipendung dem Verbum noch näher zu stehen scheinen, als die -eur- und -eur-Bildungen:-piquant,suffocant, choquant, provocant, mordant, déterminant, tolérant, persévérant, fulminant, abondant, mit der latinisierten Variante -ent in excellent, abstinent, différent u.a., die sich auch formal von den entsprechenden Formen des Part.Präs. unterscheiden. Der adjektivische Charakter dieser Ableitungen zeigt sich, über die syntaktische Differenzierung zwischen participe présent (des enfants mangeant leur soupe) und adjectif verbal. (des enfants mangeants) hinaus, einmal in ihrer semantischen Lexikalisierung - vgl. z.B. des discours plaisant à chacun mit des discours plaisants - und zum anderen in ihrer Verwendung in typisch adjektivischen Kontexten wie etwa nach Gradadverbien u.ä.: Cette histoire est vraiment piquante, ... est encore plus piquante que l'autre (vgl. 1.5). Verselbständigt hat sich die Variante -isant, die, formal zwar von faktitiven Verben auf -iser abgeleitet, Ncmina bildet, die Philologen oder Anhänger/Sympathisanten von Ideologien bezeichnen. So ist ein arabisant nicht einer qui arabise qc. sondern ein Arabist (bzw. Araberfreund). Außerdem etwa hispanisant, ironisant, romanisant, italianisant; socialisant, gauchisant, anarchisant.
Eine wichtige Gruppe deverbaler Adjektive bilden die gelehrten Derivationen auf -atoire, die normalerweise gerade nicht auf Personen referieren, sondern sich auf Objekte, Vorgänge und Handlungen beziehen: diffamatoire, préparatoire, blasphématoire, dilatoire, éliminatoire, compensatoire, conservatoire, proba re, rêvocatoire, congratulatoire. Das jeweilige nominale Determinatum ist daher im allgemeinen auch nicht als Agens der von dem Verbau bezeichneten Tätigkeit zu interpretieren, sondern vielmehr als Mittel zur Ausführung einer Handlung oder
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Auslösung eines Vorganges wie z.B. in lettre
congratulatoire, allégation diffamatoire, propos blasphématoire, die nicht durch un propos qui blasphème, etc. wiedergegeben werden können. In verschiedenen Fällen, wie etwa école, cours présind dagegen durchaus auch subjektivische Paraphrasen der Form èaole, paratoire, cours qui prépare à qc. denkbar. Eine vergleichbare Funktion haben einige Deverbalia auf - i f , -al,
plaque commémorative, allocution
inaugurale,
crime
-able'
épouvantable.
Der zentrale Anwendungsbereich des zuletzt genannten Suffixes ist allerdings ein anderer. Die deverbalen Adjektive auf -able/-ible,
ein Prototyp der trans-
formationalistischen WBtheorie, referieren auf Personen und Objekte, die als potentielle Beteiligte des durch das zugrundeliegende Verbum bezeichneten Vorganges charakterisiert werden. D.h. das jeweils determinierte Ncmen fungiert in einem zugrundegelegten Satz als Subjekt oder direktes Objekt des Verbims, das seinerseits von einen Modalverb wie pouvoir oder auch devoir abhängig ist. Ein Satz wie (32) wäre demnach transformationell aus (32') bzw. (32") abzuleiten: (32) (32') (32'1)
Cette soupe n'est pas mangeable Cette soupe ne peut pas être mangée On ne peut pas manger cette soupe
applicable, explicable, critiquable, calculable, déternrùnable, désirable, dirigeable, louable, blâmable, observable', corruptible, divisible, compréhensible. Die mit dan privativen Präfix in-/im- ausgestatteten Adjektive referieren auf Personen und Objekte, deren potentielle Beteiligung an dem entsprechenden Vorgang (Handlung, etc.) gerade ausgeschlossen wird: infatigable, imbattable, immangeable. Weitere Beispiele für Ableitungen aus transitiven Verben sind etwa:
Die ven Ableitungen aus intransitiven Verben determinierten Ncmina fungieren in dem zugrundegelegten Satz als Subjekt des entsprechenden Verbums, genauer, des jeweiligen Modalverbs. Satz (33) wäre demnach auf (33') zurückzuführen: (33) (33')
Les fleurs sont périssables Les fleurs peuvent périr
Von einem intransitiven Verbum, bzw. von einem, das als solches gebraucht wird, sind z.B. abgeleitet: variable, ble, explosible; interminable,
durable, passable, flottable; nuisible, f a i l l i imnanquable, inlassable, irrétrécissable.
Die Vorteile einer transformationellen Einführung solcher sog. 'Dispositionsprädikate ' liegen auf der Hand. Die unterschiedliche Interpretation der Adjektive in den Sätzen (32) und (33) ergibt sich eindeutig aus der jeweiligen syntaktischen Tiefenstruktur, die zumal auch bereits die Selektionsrestriktionen zwischen dem Verbum und den verschiedenen Vorgangsbeteiligten enthält. Für das abgeleitete Adjektiv brauchen diese Restriktionen also nicht noch einmal formuliert zu
70 werden, da sich aus der Transformationsgeschichte ergibt, daß, etwa im Fall der Ableitungen aus transitiven Verben, die Menge der mit dem Adjektiv kaipatiblen Ncmina identisch ist mit der Klasse von Ncmina, die als direktes Objekt des zugrundeliegenden Verbums eingesetzt werden können. Schwierigkeiten ergeben sich allerdings bereits bei der Wahl eines adäquaten Modalverbs in der Tiefenstruktur, da nicht alle Ableitungen mit Hilfe von pouvoir oder devoir (une action condamnable —• une action qui doit être condamnée) expli zierbar sind. So kann eine NP wie une situation désirable weder durch une situation qui peut être désirée noch durch ... qui doit être désirée, sondern allenfalls durch une situation qui mérite d'être désirée wiedergegeben werden. Dies ändert zwar nichts daran, daß auch hier das determinierte Ncmen situation als direktes Objekt des zugrundeliegenden Verbums zu interpretieren ist, zeigt aber, daß eine rein mechanische Rückführung auf einen bestimmten Konstrukticnstypus der freien Syntax in sehr vielen Fällen zu inadäquaten Ergebnissen führt. Wie fast überall, stellt sich auch bei diesem WBprozess das Problem der nichtkorrelierenden Kontexttypen. So ist z.B. die Ersetzbarkeit des 'adjektivischen' Gradadverbs très durch das 'verbale' beaucoup, wie in Ce climat est très nuisible/nuit beaucoup ..., für viele unserer Ableitungen nicht gegeben. In einem Satz wie II est très irritable ist diese Substitution nicht adäquat: Il peut être beaucoup irrité, da sich das Gradadverb hier auf die Leichtigkeit bezieht, mit welcher der durch das zugrundeliegende Verbum bezeichnete Vorgang ausgelöst werden kann. Eine adäquate Paraphrase dieses Satzes wäre daher eher II peut être facilement irrité oder auch II est facile à irriter. Es handelt sich hierbei um eine potentielle Bedeutungskomponente einer ganzen Reihe von -ab Ze-Ableitungen, wie z.B. cassable, vulnérable, périssable^. Auch andere Adverbien müßten gegebenenfalls in die Tiefenstruktur eingeführt werden, wie etwa longtemps in das verbale Explikat von durable: un sentiment plus durable • ('plein de ¿')A), enthalten Relationsadjektive wie universitaire, présidentiel als isolierte lexikalische Einheiten keine derartigen semantischen Konstanten. Dennoch ist eine solche 'Haben'- oder 'Enthaltenseins'-Relation auch mittels Relationsadjektivkonstruktionen auszudrücken: ville universitaire. Die Art der Relation, die durch den Gebrauch eines Relationsadjektivs zwischen zwei Objektklassen hergestellt wird, ist durch das WElriuster also nicht eindeutig festgelegt, ist von dort aus im allgemeinen noch nicht prädiktabel, sondern ergibt sich im konkreten Einzelfall tinter anderem aus der Bedeutung des jeweiligen Determinatums. In einer NP wie discours présidentiel z.B. fungiert die von der Ableitungsbasis bezeichnete Person als Agens der durch das Determinatum ausgedrückten Handlung, in der NP élection présidentielle hingegen als direktes Objekt. Relationsadjektive haben demnach eine ähnliche Funktion wie präpositionelle Ergänzungen der Form 'de + (Art) + N' in discours du président, ville d'Université oder auch - wie die dtsch. Entsprechung Universitätsstadt zeigt - wie das nominale Determinans eines Subst.+Subst.-Kompositums. Wir wollen die Frage, ob diese zumindest partielle funktionale übereinstinmung durch syntaktische Transformationen dargestellt werden kann bzw. aus welchen syntaktischen Tiefenstruktunnustern diese Konstruktionen gegebenenfalls abzuleiten sind!, vorerst noch einmal zurückstellen, um bei der Beschreibung der frz. ikminalkcrposition innerhalb eines weiteren Rahmens kurz darauf eingehen zu können. 1
Vgl. hierzu U. Wandruszka
(1972)
74 Das Designat des nominalen Determinatums wird also klassifiziert nach seiner Relation zu der Gbjektklaase, die durch die Ableitungsbasis des jeweiligen Relationsadjektivs bezeichnet wird. Hierbei wird d m determinierten Ncmen im allgemeinen nicht irgend ein akzidentelles Merkmal zugesprochen, die Verwendung eines solchen Adjektivs impliziert vielmehr den Anspruch einer relevanten Klassenbzw. Begriffsbildung, weshalb sie zumal auch zur Bildung wissenschaftlicher Fachtermini eingesetzt werden. Die Art der syntaktisch-semantischen Relation, die durch ein bestürmtes Relationsadjektiv hergestellt werden kann, ist zunächst prinzipiell offen, okwohl sich durch die Bedeutung der jewiligen Ableitungsbasis natürlich gewisse Anwendungsschwerpunkte ergeben. Es kann, wie wir bereits sahen, eine Handlung durch ihr Agens oder ihr Objekt klassifiziert werden; ein Produzent durch sein Produkt: vache laitière; ein Besitz durch seinen Besitzer: palais duoal; der Teil durch das entsprechende Ganze: surface murale; die Form durch den Inhalt: globe terrestre; die Eigenschaft durch den Eigenschaftsträger: faiblesse humaine} ein beliebiges Objekt durch den Ort, an dem es sich befindet: four mural; eine Handlung durch den Zeitpunkt, an dem sie durchgeführt wird: bain matinal oder durch das Instrument, mit dem sie bewerkstelligt wird: travail manuel; Aktivitäten (Haltungen, Zustände, etc.), durch den Bereich auf den sie sich erstrecken: politique hospitalière, solidarité monétaire. Da es sich hierbei im eine Klassifizierung nach semantischen Gesichtspunkten handelt, sind auch noch weitere Relationstypen oder Untergruppen denkbar, obwohl diese Aufzählung vermutlich die wichtigsten Kategorien enthält. Eine Lexikalisierung und Fixierung der Funktion hingegen läßt sich bei einem Adjektiv wie manuel beobachten, das ausschließlich instrumental verwendet wird. Für eine Konstruktion wie *dos manuel - dos de la main, analog zu surface murale ist es riahpr nicht mehr disponibel. Ähnliches gilt etwa für matinal, das im allgemeinen einfach mit der PP am Morgen übersetzt werden kann - abgesehen vielleicht von der NP heure matinale. Die Interpretation der jeweiligen Relation, die den verschiedenen NPn mit einem funktional nicht-fixierten Relationsadjektiv zugrundeliegt, ergibt sich dann - wenn auch nicht inner eindeutig - aus der Klassenzugehörigkeit und der Bedeutung des Determinatums. So z.B. in surface/four/plante/pendule mural (e) oder recherche /société /pays /produit pétrolier (e). Bei der Explikation solcher NPn ist allerdings zu berücksichtigen, daß die adäquate Paraphrase nicht inner genau das Namen enthält, von dem das Adjektiv morphologisch abgeleitet ist. So bezieht sich das Adjektiv in corps électoral auf die électeurs, in campagne électorale hingegen semantisch eher auf élections;
75 invasion/menu touristique sind durch invasion des .../menu pour les touristes wiederzugeben, croissance touristique aber durch croissance du tourisme; salaires médicaux bezieht sich auf médecins, études médicales auf médecine; campagne présidentielle kann sowohl durch campagne du candidat à la présidence als auch durch campagne du président paraphrasiert werden. Die Tatsache, daß diese Adjektive keine bestimmte dem jeweiligen Determinatum inhärente Eigenschaft bezeichnen, sondern dieses lediglich zu einer anderen Objektklasse in Beziehung setzen, drückt sich auch in ihrem syntaktischen Verhalten aus. Relationsadjektive können nicht prädikativ verwendet werden. Der Satz *Les élections sont présidentielles ergibt deshalb keinen Sinn, weil dam Subjekt durch die Kopula normalerweise eine spezifische Eigenschaft zugeordnet wird, das Adjektiv présidentiel jedoch eine solche gerade nicht bezeichnet. Hieraus folgt weiterhin, daß Relationsadjektive nicht graduierbar sind, *des élections très présidentielles, da dem Ncmen durch dieses Adjektiv keine Eigenschaft zugesprochen wird, die mehr oder weniger stark ausgeprägt sein könnte. Des weiteren ergibt sich daraus, daß Relationsadjektive nicht durch das privative in-/im- präfigiert werden können, da dieses Präfix zur Negierung von Eigenschaften verwendet wird oder, anders ausgedrückt, da solchermaßen präfigierte Adjektive selbst wieder eine Eigenschaft (Antonym) bezeichnen: {in) juste, (incorrect, (in) fidèle. Ein *imrprésidentiel oder *in-universi taire kann es daher nicht geben. Schließlich unterscheidet sich das Relationsadjektiv von den qualifizierenden noch durch seinen ausschließlich postdeterminierenden Gebrauch. Eine NP wie *une murale surface ist demnach ungranmatisch. Genau wie von den qualifizierenden können auch von Relationsadjektiven -mentAdverbien abgeleitet werden, die in verschiedenen Fällen auch relationeil interpretierbar sind: les économiquement faibles, la classe politiquement dirigeante, des films intellectuellement possibles, contraindre militairement, häufig jedoch qualifizierende (s.u.) Funktion haben: parler paternellement, vivre économiquement u.a. Die funktionale Differenz zwischen relationeilen und anderen dencminalen Adjektiven manifestiert sich auch darin, daß Vertreter dieser verschiedenen Adjektivtypen nicht als koordinierte Determinanten demselben Determinatum zugeordnet werden dürfen. So ist etwa *des arbres fruitiers et feuillus keine korrekte NP, obwohl doch in den beiden Fällen eine semantisch nahezu identische 'ProduzentProdukt'-Relation hergestellt wird. Sie sind jedoch nicht auf eine parallele Tiefenstruktur der Form *arbres qui sont fruitiers et (qui sont) feuillus zurückzuführen. Erlaubt sind lediglich Konstruktionen wie ((arbres)fruitiers)feuillus,
76
in denen die Adjektive auf verschiedenen Determinationsstufen stehen. Auf der anderen Seite sind Koordinierungen mit verschiedenartigen nichtqualif izierenden Determinanten, wie etwa präpositionalen Ergänzungen, durchaus möglich: transporteurs par eau et industriels, attaque aérienne ou de tirs u.a. Ein Relationsadjektiv wie fruitier markiert lediglich eine bestimnte Klassenzugehörigkeit, ohne notwendigerweise etwas über den aktualen Zustand des von dem Determinatm bezeichneten Objektes auszusagen, während Adjektive wie feuillu, branehu, barbé, poissonneux ein aktuales 'Versehensein mit' ausdrücken (feuillu kann in bestürmten Kontexten allerdings auch klassifizierend gebraucht werden: bois feuillus - Laubhölzer). Gattungszugehörigkeit und aktualer Zustand können in Relationsadjektivkonstruktionen, etwa bei der Relation 'Gesamtheit-Bestandteil', natürlich auch zusammenfallen: ville universitaire. Der mit der Verwendung von Relationsadjektiven verbundene Anspruch einer relevanten, (quasi)wissenschaftlichen Klassenbildung ermöglicht es andererseits, gerade auch diese Adjektive in qualifizierender Funktion zu gebrauchen. So bezeichnet, um ein bekanntes Beispiel aufzugreifen1, végétation tropicale die Klasse der für die Tropen charakteristischen, typischen Pflanzen. Das was für einen bestürmten Bereich typisch ist, kann okkasionell auch auf Objekte zutreffen, die außerhalb dieses Bereiches stehen. Objekte, Vorgänge, Zustände, etc. lassen sich nun auch dadurch charakterisieren, daß man sie mit Gegebenheiten vergleicht, die typisch sind für Bereiche, denen sie selbst nicht angehören. Die NP une chaleur tropicale, angewandt auf einen mitteleuropäischen Satmertag, ist daher als une chaleur qui est comparable à la chaleur tropicale (d.h. à la chaleur qui règne sous les tropiques) zu interpretieren. Auch die NP une végétation tropicale ist in diesem übertragenen Sinn verwendbar. Das tertium ccmparationis ist ein charakteristisches Merkmal der durch das relationell gebrauchte Adjektiv spezifizierten Objektklasse wie z.B. exubérant. In diesem Augenblick wird tropical jedoch zum qualifizierenden Adjektiv mit der spezifischen Bedeutung üppig {wie in den Tropen).
Obwohl sich nicht alle Relationsadjektive für diesen Gebrauch gleichermaßen eignen - so etwa Adjektive wie fluvial, monétaire, dentaire u.ä. - handelt es sich hierbei um eine prinzipielle Möglichkeit dieses WBnusters. Einige besonders häufig auch qualifizierend gebrauchte Relationsadjektive sollen hier nur kurz aufgezählt werden: luxe royal, geste maternel, réaction infantile, ton professoral, tendresse paternelle, paroles amicales, situation dramatique. In einer Rei he von Fällen haben sich allerdings bereits bestürmte Bedeutungskonstanten herausgebildet, deren Verhältnis zur Bedeutung des relationell gebrauchten Adjektivs 1
Siehe Ch. Bally (41965)
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nicht immer durch einen einfachen Vergleich zu explizieren ist. So z.B. in cordial - herzlich, familier - vertraut, populaire - beim Volk beliebt, économique - sparsam, partial - parteiisch. Nicht selten finden sich neben solchen lexikalisierten und z.T. ausschließlich qualifizierend gebrauchten Ableitungen Dubletten, die dann hauptsächlich in relationeller Funktion verwendet werden: cordial/ cardiaque, familier/familial, partial/partiel, enfantin/infantile. Werden Relationsadjektive in qualifizierender Funktion gebraucht, verlieren die oben angeführten syntaktischen Restriktionen automatisch ihre Gültigkeit. Sie können prädikativ konstruiert werden und sind durch Adverbien graduierbar: Ses paroles étaient vraiment amicales. Sie lassen sich durch das privative Präfix in-/im- modifizieren: impopulaire, inhumain, immoral und können in prädeterminierender Position erscheinen: une très scientifique combinaison. Schließlich können sie auch mit anderen qualifizierenden Adjektiven koordiniert werden: des gestes doux et maternels. Vielehe Verwendungsweise einem Relationsadjektiv zugrundeliegt, das als Basis einer deadjektivischen Ableitung fungiert, wie z.B. in human-iser, kann in bestürmten Fällen aus dam Suffixtyp selbst erschlossen werden. Wenn wir z.B. ein WBnuster wie das faktitive 'Adjektiv^ + -iser' als vendre qc. j und dieses wiederum als faire que qc. est j explizieren, ergibt sich aus dem prädikativen Gebrauch von AdjektiVj in der zugrundeliegenden Struktur, daß dieses qualifizierende Funktion hat. Dies läßt sich durch eine ganze Reihe abgeleiteter Verben wie populariser, urbaniser, légaliser, moraliser, nasaliser tatsächlich auch belegen. Ebenfalls qualifizierend verwandet ist die adjektivische Basis der Ableitung humanité im Sinn von Menschlichkeit, während es in der Lesart Menschheit aus dem entsprechenden relationell gebrauchten Adjektiv abgeleitet ist {genre humain).
Neben den zentralen Relationsadjektivsuffixen: verb-al, cultur-el, infant-ile, hôtel-ier,cellul-aire, hum-ain, aér-ien, alp-in, atom-ique, tour-ist-ique, p estre, werden in Einzelfällen auch die normalerweise qualifizierenden Suffixe -if, -eux zur Bildung von Relationsadjektiven eingesetzt: club sportif, système nerveux, circulation veineuse. Fast ausschließlich in qualifizierender Funktion, im allgemeinen auf vergleichender Basis, wird das dencminale -esque verwendet: romanesque, charlatanesque, chevaleresque, livresque, titanesque, dem daher nicht die für das Relationsadjektiv charakteristische funktionale Disponibilität zukemnt. Die vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten des vor allem im modernen Frz. erstaunlich beliebten Relationsadjektivs konnten in diesem Rahmen nur angedeutet werden. Bevor wir auf diese Bildungen noch einmal zurückkamen werden, vrollen
78
wir im folgenden - nach den abgeleiteten Ncmina und Adjektiven - noch auf die abgeleiteten Verben eingehen. 3.4
Verben
3.4.1
Denaninale Verben
Neben dem dencminalen Adjektiv, das den Zustand des Versehenseins mit dem jeweiligen Designat der Ableitungsbasis bezeichnet, existiert eine Klasse denominaler, sogenannter 'ornativer' Verben, die das Bewirken eben dieses Zustardes ausdrücken. So referiert das Adjektiv crasseux auf etwas, das mit Schmutz versehen, bedeckt ist, das entsprechende Verbum crass-er (auch encrasser) bezeichnet den Vorgang mit Schmutz versehen, be-/verschmutzen (vgl. SKL, VI,1). In einem analogen Verhältnis stehen Ableitungen wie graisseux/graisser, huileux/huiler u.a. Die Funktion des Morphems -er in diesem Kontext könnte also durch eine Regel wie (13) wiedergegeben werden: (13)
-er: ('Objekt.')., — • {'mit i versehen')„
I N
V
Unter dieses allgemeine Muster lassen sich z.B. auch die folgenden Verben subsumieren, die allerdings zum Teil auch in anderer Funktion verwendet werden: meubler, sabler, masquer, baguer, droguer, alimenter, couronner, chapeauter, ganter, pommader und engommer, enrubanner, endenter. Hierbei ist die Explikation Jmdn./etü. mit etuas versehen wieder nur als allgemeiner semantischer Rahmen zu verstehen und nicht als Teil einer syntaktischen Tiefenstruktur, aus der Sätze, die solche Verben enthalten, transformationeil abgeleitet werden. Derartige Substitutionsvorschriften müßten in vielen Fällen zu unerwünschten Resultaten führen. Eine einfache Ersetzung der abgeleiteten Verben in (34) und (35) durch ihre entsprechenden Explikate ergäbe so die ungrammatischen Sätze (34') und (35'): (34) (34') (35) (35')
II avait masqué son visage d'un bas noir *I1 avait couvert son visage d'un masque d'un bas noir Jean-Jacques graisse ses souliers avec du lard *Jean-Jacques enduit ses souliers de graisse avec du lard
Eine solche Explikation der Sätze (34) und (35) ist ausgeschlossen, obwohl die Verben masquer und graisser weder in einem erweiterten noch etwa in einem übertragenen Sinn gebraucht wurden, sondern im Grund auch dort eben die Bedeutung haben, die durch ihre Paraphrasen in (34') und (35') wiedergegeben wird. Bei eiijem nur geringfügig erweiterten Gebrauch wäre eine derartige Rückführung ohnehin nicht möglich: (36) (36')
Elle se graisse le museau avec de l'huile de phoque *Elle s'enduit le museau de graisse avec de l'huile de phoque
79
Die Tatsache, daß ein Satz wie (36) nicht redundant wirkt, kann zum Teil folgendermaßen erklärt werden. Wird das Objekt^ durch ein Nauen außerhalb des dencminalen Verbums noch einmal explizit genannt, kann das Verbum semantisch erweitert, generalisiert werden, um im Extremfall nur noch die allgemeine Bedeutung des Wfinusters selbst, nämlich versehen (mit), zu repräsentieren. Das völlige Verblassen der Verbbedeutung ist jedoch, wie unsere Beispielsätze zeigen, offensichtlich keine notwendige Bedingung für eine adäquate Interpretation solcher Konstruktionen. Die ungranmatischen Explikationen (34,)-(36l) zeigen vielmehr noch einmal sehr deutlich, daß durch die WB eine eigene Struktur- und Interpretationsebene konstituiert wird, die nicht nahtlos in die Satzsyntax integriert werden kann. Die Konstituenten eines komplexen Wortes können offensichtlich nicht inmer einfach als Konstituenten des Satzes behandelt werden, der das Wort enthält. Zur Verdeutlichung könnte etwa gesagt werden, daß zwischen einem Satz, den darin erscheinenden komplexen Wörtern und deren einfachen Konstituenten, die ja selbst wieder Wörter sein können, keine Enthaltenseinsrelation sondern eher eine Menge-Element-Relation besteht. Auch hier erscheint es also angezeigt, das in der WBkcmponente abgeleitete kcrnplexe Wort, direkt in die syntaktische Tiefenstruktur einzuführen. Die scheinbar redundante Information eines Satzes wie: (37)
Son cabinet
était meublé
d'un mobilier
en
imitation
wirkt nur dann störend, wenn versucht wird, die Ableitung meublé unmittelbar in Satzkonstituenten aufzulösen. Hinzu kaimt, daß WBprodukte im allgemeinen eine Art 'anaphorischer Inseln' bilden, weshalb man sich z.B. nicht mit einem anaphorischen Pronomen auf das in diesen Verben enthaltene Ncmen beziehen kann. Aus (38) kann daher nicht (38') abgeleitet werden: (38) (38*)
Claudine a garni sa chambre de meubles. Elle les avait trouvés au grenier de notre *Claudine a meublé sa chambre. Elle les avait trouvés au grenier de notre
maison maison
Entsprechende Probleme ergeben sich, um dies hier vorwegzunehmen, auch bei der Analyse von parasynthetischen Bildungen wie s'embarquer, das in einer VP s'embarquer sur un navire nicht einfach durch *se mettre en barque sur un navire ersetzt werden kann. Elemente eines speziellen Unterprogramms der dencminalen Verbbildung sind Ableitungen wie limer, fusiller, bâtonner, seringuer, filtrer, pianoter, crayonner, têléphonner, èperonner, poignarder, die folgendem WBnuster entsprechen: (14)
-er:
('Gerät.') — • Ci I N
benutzen,
betätigen')
V
80 Einzelne semantische Differenzierungen, die Art oder Zweck der Betätigung von i betreffen - etwa fusiller - tuer â coups de fusil - werden dann in dem jeweiligen Lexikoneintrag berücksichtigt.
An dieser Stelle sind auch die denetninalen -oyer-Ableitungen zu erwähnen, deren semantische Relation zur jeweiligen Ableitungsbasis die verschiedensten Ausprägungen annehmen kann, die wir aber angesichts der relativ geringen Zahl realisierter Bildungen hier nicht gesondert vorführen wollen. So z.B. charroyer, foudroyer, coudoyer, poudroyer, côtoyer, festoyer, larmoyer, guerroyer, foss Erinnert sei hier noch an die beiden depronaminalen Verben tutoyer und vouvoyer/ vous(s)oyer.
Daneben stehen die semantisch weitgehend monovalenten faktitiven Bildungen auf -iser und -ifier (um diesen Terminus den deadjektivischen Verben (s.u.) vorzubehalten, werden sie manchmal auch als 'effektive' etikettiert), deren jeweilige Ableitungsbasis das Ergebnis der Handlung bezeichnet, die durch das abgeleitete Verbum ausgedrückt wird: crêtiniser, atomiser, monopoliser, vaporiser, carboniser, minéraliser, martyriser, panifier, vitrifier (^ nfz. vitre), momifier, gazéifier, salifier, saponifier, pétrifier, ossifier. Wir haben es also ungefähr mit folgendem WBnuster zu tun: (15)
-iser/-ifier: ('Objekt.')., — • ('zu i machen' IN V )„
Die rechts van Pfeil stehende Paraphrase gibt wiederum nur den generellen semantischen Rahmen, der in Einzelfällen durch spezifischere Explikationen ersetzt werden kann. Vergleichbar den einfachen -er-Ableitungen, bezeichnen auch die -iser-Bildungen gelegentlich ein Versehen mit, wie in macadamiser,, métalliser, caraméliser, alcooliser u.a. Interessant aber für die spezifische Verwendungsweise von WBmitteln keineswegs außergewöhnlich ist eine Ableitung wie pasteur-iser. Ctogleich durch das Suffix -iser eindeutig als faktitives Verbum gekennzeichnet und auch als solches zu interpretieren, kann das Verbum nicht etwa durch transformer qc. en Pasteur paraphrasiert werden. Ein bestimnter Vorgang wird vielmehr nach seinem Entdecker benannt, indem sein Eigenname, anstelle eines das Ergebnis ausdrückenden Namens (oder Adjektivs wie in stériliser) , einfach als Basis der Ableitung eingesetzt wird. Ähnlich gelagert ist die Bildung verduniser. Eine Sondergruppe bilden die dencminalen Verben, die von Verbalabstrakta abgeleitet sind, also von einer nominalen Basis, die ihrerseits schon eine deverbale Ableitung ist: subvenir —• subvention —• subventionner, procéder —• procession —• processionner. Es handelt sich hier also um eine Art Feverbalisierung des ncminalisierten Basisverbs. Die Anwendungsbereiche von einfachem und abge-
81
leiteten Verbum überlappen sich erwartungsgemäß nur teilweise. Die semantische Differenzierung, die sich vor allem zwischen Basisverb und dem meist nicht volkstümlich entwickelten Nomen beobachten läßt, kann als Spezialisierung charakterisiert werden, während sich das dencminale Verbum semantisch eng an das Ncmen anschließt. Es bezeichnet das Ausführen der Tätigkeit (Stattfinden des Vorganges), die durch die nominale Basis wiedergegeben wird. In der Mehrzahl der Fälle entspricht die Funktion des Verbums derjenigen eines komplexen Prädikates der Form 'faire + deverbales Ncmen', wobei das hier stellvertretend eingesetzte faire durch spezifischere Verben ersetzt werden kann, wie etwa in démissionner - donner sa démission. Drückt das Nomen das Ergebnis einer Handlung aus, dann bezeichnet das davon abgeleitete Verbum dessen Herstellung: rature —• raturer. Ableitungen von solchen konkretisierten Deverbalia (vgl. 3.2.2) können natürlich auch ornative Funktion haben: ceinture —• ceinturer, clôture —>• clôturer u.a.
In einigen Fällen existiert neben der abgeleiteten Form noch das Basisverb mit dem entsprechend weiteren oder auch unterschiedlichen Anwendungsbereich: démissionner/se démettre, actionner /agir, cormissionner/commettre, convulsio ner/convulser, réceptionner/recevoir, suggestionner/suggérer, während in anderen nur das dencminale Verbum im Nfz. erscheint: questionner, sanctionner, perfectionner, collectionner, sectionner, frictionner, fractionner, pétitionner
Auch andere deverbale Ncminalsuffixe können mit dem Morphem -er kombiniert werden: mouvementer, réglementer und die lat. fragmenter, ségmenter. Weiterhin tonsurer/tondre, pâturer/paître, torturer/tordre und fracturer, fissurer, cou baturer, caricaturer, raturer, ligaturer, facturer, conjecturer u.a., deren verschiedenartige deverbale Ableitungsbasen für den heutigen Sprecher morphologisch nicht mehr unmittelbar durchsichtig sind. Der Tatsache, daß auch hier die Funktion des Suffixes durch die spezielle semantische Struktur der Ableitungsbasis gesteuert wird, können wir durch einen Kegeltyp wie (16) Rechnung tragen (vgl. 2.4.2): (16)
-er: Nomen
"
actionis — •
resultati — •
('Ausführen der
Handlung')
('Herstellen des Resultates')
3.4.2 Deadjektivische Verben Im Zentrum dieser Verbgruppe stehen die sogenannten faktitiven Verben, die eine Tätigkeit (Vorgang) bezeichnen, die darin besteht, daß ein Objekt mit der durch die adjektivische Ableitungsbasis ausgedrückten Eigenschaft versehen wird. So wie die durch das dencminale vaporiser bezeichnete Tätigkeit bewirkt, daß etwas zu vapeur wird, bewirkt eine Tätigkeit wie moderniser, daß einen Objekt das Prä-
82 dlkat moderne zugesprochen werden kann bzw. daß ihm diese Eigenschaft in einem höheren Maß zukamt als zuvor. Ihre Funktion kann also generell durch die Paraphrase 'rendre
(plus)
+ Adjektiv' wiedergegeben werden. Obwohl daher einer trans-
formationeilen Einführung dieser Verben möglicherweise keine prinzipiellen Bedenken entgegenzubringen sind, ist bei einer mechanischen Erzeugung bzw. Rückführung auf eine feststehende syntaktische Konstruktion, ähnlich wie in den bisher beschriebenen Fällen, auch hier inner wieder mit Kontexten zu rechnen-, in denen eine schlichte Substitution eindeutig inadäquat wäre. So erscheint etwa die Explikation eines Satzes wie Ce nuage obscurcit
le aiel durch Ce nuage rend le soleil plus obscur nicht ganz befriedigend, ebensowenig wie die Ersetzung les obstacles, contenter sa curiosité durch der VPn calmer sa soif, aplatir rendre sa soif (plus) calme, rendre les obstacles (plus) plats, rendre ea curiosité contente. Die Aiwendungsbedingungen von WBprodukten sind, bedingt durch deren höheren Implikationsgrad, im allgemeinen flexibler als die der entsprechenden expliziten syntaktischen Konstruktion. Genau wie bei den dencminalen Verben finden sich auch hier sowohl Ableitungen mit den speziellen faktitiven Suffixen -iser
(vor allem von dencminalen Adjek-
tiven) und - i f i e r , als auch solche mit dem einfachen Verbalmorphem -er und, im Gegensatz zu den Dencminalia, sehr viele Bildungen auf -ir
- ebenfalls in faktihumaniser, universaliser, vulgariser, régulariser, indemniser, uniformiser', simplifier, amplifier, molli f i e r , purifier, bêtifier, vivifier, russifier.
tiver Funktion: américaniser,
banaliser, clarifier,
mobiliser, solidifier,
Charakteristisch für die mit einem einfachen Verbalmorphem abgeleiteten deadjektivischen Verben ist die Möglichkeit der transitiven und intransitiven Verwendung, d.h. auch ein ingressives Eintreten in den durch die Basis bezeichneten Zustand bzw. eine Zunalme der in Frage stehenden Eigenschaft ausdrücken zu können. Sie sind dementsprechend durch die Paraphrase 1 devenir (plus)
+ Adjektiv'
zu explizieren. Dies gilt allerdings nicht für sämtliche nun folgenden Ableitungstypen in gleichem Maß: -er,
im allgemeinen trans.: griser, bleuter, activer, domestiquer, mater, liquider, lisser, aveugler, inquiéter; trans. und intrans. ist sécher. -ir, meist trans. und intrans.: blanchir, rougir, verdir, jaunir, großsir, grandir, maigrir, tiédir, vieillir, pâlir, mollir, aigrir, mürirj nur trans. sind salir, matir, raidir, doucirt nur intrans. blondir, louchir, faiblir, fraîchir. -cir, trans. und intrans.: noircir, durcir» nur trans. ißt obscurcir. Als intrans. Entsprechung dient das pronominale s'obscurcir.
Abgesehen vielleicht von den -ir-Ableitungen aus Farbbezeichnungen, lassen sich keine eindeutigen Affinitäten zwischen bestimmten Adjeictivklassen und einzelnen Suffixen erkennen.
83 Praktisch ausschließlich trans. sind die, zum Teil parasynthetisch, mit dem inhaltslosen Präfix a- gebildeten Ableitungen von Typ agrandir, arrondir, amollir, abrutir, amatir, appauvrir, assombrir, approfondir, assourdir, alourdir, affaiblir, assouplir; trans. und intrans. ist amaigrir. Ein WBnuster, das bis heute produktiv ist. Dasselbe gilt für die entsprechenden, weit weniger häufigen, fast ausnahmslos parasynthetisch gebildeten -er-Ableitungen: aggraver, annuler, ajuster, aviver, assurer, apurer, affoller, affiner, accommoder, assécher, attrister; trans. und intrans. ist approcher. Auffallenderweise können die entsprechenden Ableitungen mit dein Präfix rahäufig auch intrans. verwendet werden: ralentir, rajeunir, raccourcir, rafraîchir; rapetisser, raffiner, rallonger; nur trans. sind: radoucir, raplatir, rassurer, raviver, rapprocher, raccommoder, rajuster. Auch einige Ableitungen mit dem Präfix en- sind in dieser zweifachen Weise zu gebrauchen: embellir, enlaidir; nur trans. sind endurcir, ennoblir, enrichir, enivrer, ensauvager u.a. Eine auch formal kcmparativische Ableitungsbasis zeigen empirer, améliorer, amoindrir. In allen anderen Fällen, abgesehen von einigen historisch bedingten Ausnahmen, wird das Verbalsuffix an die feminine Form des einfachen Adjektivs adjungiert1. Die entsprechenden Antonyme mit dem privativen Präfix dé-, die hier zunächst nur erwähnt werden sollen (vgl. 4.2.3), sind in der Regel ausschließlich trans.:
démilitariser, dénaturaliser, démobiliser, déniaiser, dégriser, débrutir, défraî chir, dégrossir. Das semantische Grundrnuster, zumindest der Ableitungen mit einfachem Verbalmorphem, wäre darnach durch die Paraphrase 'rendre moins + Adjektiv' oder positiv, 'rendre (plus) + Antonym' wiederzugeben. Nicht das Versehen mit sondern das Ausgestattetsein mit der durch das jeweilige Adjektiv ausgedrückten Eigenschaft, bezeichnet eine kleine Gruppe von Verben auf -oyer, die von Farbadjektiven abgeleitet sind: blondoyer, rougeoyer, verdoyer u.a. Diese relativ unbedeutende Klasse wird nur angeführt, um zu demonstrieren, daß es praktisch möglich ist, nicht nur Tätigkeiten, Vorgänge, Gefühle etc. in Form von deverbalen Adjektiven als Eigenschaften des jeweiligen Subjektes darzustellen (préparatoire, boiteux, désireux), sondern auch umgekehrt, wenngleich
1
Weitere Beispiele auch für die entsprechenden dtsch. und engl. Bildungsmuster bei H. Marchand (1969)
84 viel seltener, das Ausgestattetsein mit einer Eigenschaft durch ein deadjektivisches Verbum wiederzugeben . Mit den Bedeutungen (a) Versehen mit bzw. Verstärkung einer bereits vorhandenen Eigenschaft (rendre {plus) a), (b) Entstehen bzw. Zunahme einer schon vorhandenen Eigenschaft (devenir (plus) a), (c) Tilgung bzw. Abschtöehung einer Eigenschaft (rendre non-a/moins a) und (d) Ausgestattetsein mit einer Eigenschaft (etre a) ist der Anwendungsbereich deadjektivischer Verben im Frz. zunächst einmal abgesteckt. 3.5
Determinierende Suffixe
3.5.1 Ncmina Die mit determinierenden oder spezifizierenden Suffixen gebildeten Ableitungen bezeichnen - und damit unterscheiden sie sich von allen bisher behandelten WBprodukten - eine spezifische Art der durch die jeweilige Ableitungsbasis wiedergegebenen Gattung. Die Determinierung eines Ncmens wie maison durch das Diminutivsuffix -ette ist zunächst prinzipiell vergleichbar mit seiner Spezifizierung etwa durch ein adjektivisches Attribut wie petit. Sowohl maisonnette als auch petite maison bezeichnen Elemente aus der Klasse der maisons, die beide hinsichtlich ihrer (unterdurchschnittlichen) Dimensionen spezifiziert sind. Das Suffix unterscheidet sich insoweit von dem Adjektiv lediglich dadurch, daß es seine semantische Funktion nur als untrennbarer Könstituent eines komplexen Ncmens wahrnehmen kann. Die determinierenden Suffixe sind daher grundsätzlich vcm iyp 'Kat^ — • Kat^', d.h. die lexikalische Kategorie der Basis wird durch die Suffigierung nicht modifiziert (vgl. SKL, VII, VIII, IX). Die Funktion eines Morphems wie -ette können wir schematisch folgendermaßen wiedergeben: (17)
-ette — • "klein"/Nomen+
(' + ' = Morphemgrenze)
Gerade -ette ist eines der lebendigsten unter den heute allgemein nicht mehr sehr produktiven Diminutivsuffixen des Frz. Es wird normalerweise an feminine
Ncmina adjungiert: fourchette, broohette, ailette, ohevrette, fillette, tablett plaquette, musiquette, bombette, chatnette, voiturette, aloahette, ouvette. Es stellt sich nun allerdings die Frage, ob für alle diese Ableitungen die semantische Äquivalenz 'Ncmen + ette = petit (e) + Ncmen' gilt, d.h. ob die beiden Seiten in allen Kontexten gegenseitig austauschbar sind.
1
Eindeutigere Beispiele stellen lat. Verben wie aegrotare, rubere, etc. dar.
nigrare,
albere,
85 Die Tatsache, daß die meisten dieser Ableitungen in Sätzen wie (39) verwendet werden können, scheint diese Annahme indessen nicht zu bestätigen: (39)
Ceci n'est pas un balai mais une balayette
Auch das Wortpaar maison/maisonnette ist in einen vergleichbaren Kontext vorstellbar. Eine Substitution durch die entsprechende komplexe NP führt jedoch zu dem inkonsistenten Satz (39'): (39')
*teci n'est pas un balai mais un petit
balai
Ein Objekt kann nicht einer spezifischen Art einer bestirrmten Gattung angehören, ohne gleichzeitig auch ein Vertreter dieser Gattung selbst zu sein. Dieser Widerspruch verdeutlicht zunächst von neuem, daß die Elemente eines komplexen Wortes sehr häufig nicht als Satzkonstituenten behandelt werden dürfen. Dennoch müssen wir uns fragen, warum ein Satz wie (39) semantisch konsistent sein kann. Im Gegensatz zu der Aussage Ceei est une petite maison enthält Ceoi est une maisonnette keine explizite Zuordnung des fraglichen Objektes zu der Klasse der maisons, sondern eben zu derjenigen der maisonnettes. Durch eine Ableitung wie maisonnette wird ein Name für eine spezifische Objektklasse geprägt, deren Vertreter, obwohl klassifikatorisch möglicherweise Elemente der durch die Ableitungsbasis bezeichneten Gattung, normalerweise oder in bestürmten Kontexten gerade nicht mit dem einfachen Basiswart benannt werden. Der Gebrauch des Wortes maison löst beim Hörer die Vorstellung einer bestirmtben Normalgröße, bestürmter Durchschnittsdimensionen aus. Bei einer ausschließenden Gegenüberstellung von Basiswort und Ableitung kann nun ersteres mit dem konnotativen Merkmal [+ normal] versehen sein, während maisonnette diesbezüglich negativ spezifiziert ist, d.h. kein normales, sozusagen kein 'richtiges' Haus bezeichnet - ein Objekt, das die Bezeichnung maison nicht 'verdient' (es tritt hier also ein metasprachlicher Aspekt hinzu). Während in diesem Fall offensichtlich keine eindeutigen Gebrauchsvorschriften zu geben sind und maisonette in sehr vielen (Real) kaitexten durch maison bzw. petite maison zu ersetzen ist, würde etwa das Eßinstrument fourehette nicht mit der katplexen NP petite fourehe bezeichnet werden. Hier wird ein charakteristisches Merkmal von WBprodukten erkennbar, dem wir bereits des öfteren begegnet sind, nämlich die Tendenz der konkreten einzelnen Bildung zur Lexikalisierung. Das Definiens von fourehette kann zwar die Ableitungsbasis enthalten, z.B. "Ustensile de table, en forme de petite fourohe" (Grand Robert), die Vertreter der von diesem Wort benannten Klasse vcn Eßinstrumenten werden jedoch nicht als (petites) fourohes bezeichnet. Die Tatsache, daß
86 eine fourchette nicht einfach die kleinere Ausführung einer fourche ist, hat zur Folge, daß der diminutive Charakter der Ableitung kaum mehr ins Bewußtsein tritt. Fourchette stellt vielmehr eine eigene Gattung dar, die selbst wieder in kleineren oder größeren Exeitplaren auftreten kann. Eine petite fourchette ist nicht eine winzige fourche, eine große Eßgabel nicht einfach'eine fourche sondern une grande fourchette - eine NP, die nur dann eine contradictio in adiecto darstellt, wenn man sie auf *une grande petite fourche zurückführt. Daneben bezeichnet sowohl fourche als auch fourchette eine Reihe verschiedener gabelförmiger Objekte, die sich nicht Immer eindeutig nach ihrer relativen Größe voneinander unterscheiden. Ekenscwsnig ist etwa fossette - Grübchen durch petite fosse zu ersetzen oder fillette in allen Kontexten durch petite fille (Vgl. etwa die Definition Im Grand Robert: "1° Fille qui n'est plus une petite fille, mais pas encore une jeune fille") ; Die starke Lexikalisierung dieser Ableitungen ist unter anderem damit zu erklären, daß auch dieses relativ produktive WBnuster keineswegs ein offenes Programm darstellt, das etwa der, der Lexikalisierung weit weniger ausgesetzten, dtsch. -chen/-Z-ein-Ableitung vergleichbar wäre. Eine Bildung wie soeurette - Schwesterchen zeigt darüberhinaus, daß das Diminutivsuffix nicht nur quantifizierende sondern auch qualifizierende Funktion haben kann, da solche Ableitungen, vergleichbar ihren dtsch. Entsprechungen, sehr häufig eine bestirnte affektive Könnotation besitzen, die nicht selten allerdings auch die entsprechenden NPn der Form 1 petit (e) + Namen ' aufweisen: ma petite ferme u.a. Wir können uns mit diesen viel diskutierten Fragen1 in einem solchen Rahmen jedoch nicht im einzelnen auseinandersetzen. Trotz dieser Einschränkungen und der Prcblematisierung der in (17) gegebenen Funktionsbeschreibung von -ette, bleibt [+klein] ein zentrales Merkmal dieses WBmusters, dessen differenzierte Semantik, soweit sie sich in zumindest partiell generalisierbare Regeln fassen läßt, innerhalb der WBkcuponente dargestellt werden kann. Neben den femininen -ette-Formen existiert noch eine maskuline Variante -et, die im allgemeinen an maskuline Nomina adjungiert wird: jardinet, moulinet,
livret, coussinet, cordonnet, wagonnet, ballonnet, cochonnet, bâtonnet, crochet, rouet.
1
Vgl. hierzu H.-M. Gauger (1971a); weiteres Beispielmaterial findet man bei B. Hasselrot (1957) und (1972), wo auch das Verhältnis von petdt und den diminutiven Präfixen mini- und micio- untersucht wird.
87
Auch in diesem Bereich finden wir spezielle semantisch definierte Unterprogramme, wie etwa die Ableitungen auf -eau und -on zur Bezeichnving von kleinen und Jungtieren: chevreau,
louveteau,
serpenteau;
chaton,
ânon,
aiglon,
lionceau, grillon,
baleineau,
levron,
carpeau,
ourson,
raton,
girafeau, bufflon,
cha-
melon.
Schließlich soll nur noch das relativ häufige gelehrte Diminutivsuffix -ule, mit den Erveiterungen ~{i)cule erwähnt und einige Ableitungen aufgezählt werden: glandule, nodule,
bule;
radicule,
monticule,
notule, pédicule,
étaticule,
plumule,
membranule,
canalicule,
veinule,
principicule,
ministriaule;
animalcule,
valvule,
saccule,
thêâtricule, corpuscule,
glo-
dentiaule,
groupuscule,
die
teils an lat., teils an frz. Ncmina adjungiert werden und gelegentlich mit der Konnotation "lächerlich, verächtlich" (vor allem -icule) versehen sind. Augmentât!vsuffixe spielen im modernen Frz. eine noch weit unbedeutendere Bolle. Hingewiesen sei hier lediglich auf die -asse - Ableitungen, die meist eine pejorative Kbnnotaticn haben: culasse,
paperasse,
milliasse,
vinasse,
fillasse,
tignasse,
savantasse.
3.5.2 Adjektive Interessanterweise können einige der dencminalen Diminutivsuffixe auch an Adjektive adjungiert Warden. So z.B. -et(te)
mollet,
jeunet,
in maigrelet,
drôlet, aigrelet,
Bildungen auf -ot
folichon,
grasset,
drôlichon,
jaunet,
rondelet,
und -ichon,
pâlichon
in propret,
rouget,
grandelet,
vieillot,
pâlot,
joliet,
gentillet, f o l l e t ,
oder mit der Erweiterung
verdelet. maigriot,
-elet
Dazu kennen verschiedene
bellot;
maigrichon,
u.a.
Das Merkmal [+ klein] dieser Ableitungen bezieht sich, im Sinn von "«renig, ein bißchen", zunächst auf das Ausmaß, in dem die durch die adjektivische Basis bezeichnete Qualität dem jeweiligen Referenten zukenmt. So ist etwa ein vin aigrelet ein etwas saurer, säuerlicher Wein. In analoger Weise sind z.B. auch die Farbadjektive jaunet, rouget zu interpretieren. Andererseits kann die Verkettung von Diminutivsuffixen mit Adjektiven, die bereits Merkmale wie 'klein, fein, niedlich' etc. enthalten, auch zu ganz anderen semantischen Ergebnissen führen. So ist un cabaret propret nicht etwa weniger sauber als un cabaret
propre
(vgl. dtsch. eltuberliah),
un jardin
gentil-
let nicht weniger hübsch als un jardin gentil. Die durch die Ableitungsbasis bezeichnete Eigenschaft wird durch das Suffix eher noch verstärkt. Ganz deutlich etwa in der Bildung jeunet mit der Bedeutung sehr, reichlich jung. Dagegen grandelet
- noch nicht
ganz groß,
meist Im Sinn von schon ziemlich
groß verwen-
det, womit die gleiche absolute Größe, jedoch unter einem anderen Aspekt gesehen.
88 gemeint sein kann. Auch hier zeigt sich also, wie die Senentik eines WEtiusters von der Bedeutving der jeweiligen Ableitungsbasis gesteuert wird. In vielen Fällen bezieht sich das Merkmal [+ klein] aber nicht nur auf den Grad der Eigenschaft selbst, sondern vielmehr auch auf das jeweilige Determinatum, dam scmit gleichzeitig die Prädikate 'klein + Eigenschaft^' zugesprochen werden, bzw. das als [+ klein] präsupponiert wird. Diminutiva wie gentillet, vieillot, maigrelet, pâlot, bellot, drôliahon referieren daher häufig auf kleine Objekte/Personen und vor allem auf Kinder. Ein spezielles Unterprogramm bilden die von Farbadjektiven abgeleiteten Derivationen auf -âtre wie blanchâtre, verdâtre, noirâtre, rougeâtre, jaunâtre, grisâtre, bleuâtre, brunâtre, olivâtre, die eine Farbstufe bezeichnen, die der durch das Basisadjektiv wiedergegebenen nahekamt - häufig verbunden mit einer pejorativen Konnotation: rosâtre - schmutzig rosa; vgl, etwa auch douceâtre, bellâtre u.a. Die pejorative Nuance der wenigen Augmentativa entsteht über die Bedeutung "zu sehr", wie z.B. in blondasse, fadasse, bêtasse, mollasse oder dem dencminalen hormas se. Die nicht sehr häufigen, mit dem Pejorativ- und/oder Augmentativsuffix abgeleiteten Adjektive (und Ncmina) sind insofern von Interesse, als sie sich grundsätzlich auf 'Menschliches' beziehen, während für die verschiedenen Basisadjektive diese Einschränkung nicht gilt: noiraud, finaud, rougeaud, salaud, lourdaud, courtaud (auch für Tiere). з.5.3 Verbai Ebenso wie Ncmina und Adjektive können auch Verben mit determinierenden Suffixen kombiniert Warden. Es ist nun danach zu fragen, welche semantischen Merkmale die Verbalsuffixe enthalten und - sollte es sich um dieselben Markmalsgruppen handeln - in welcher Weise sie den von dem Verbum bezeichneten Vorgang, etc. spezifizieren oder modifizieren. Tatsächlich finden wir auch hier die Merkmale [+ groß/viel] bzw. [+ klein/ wenig], die jeweils mit einer pejorativen Konnotation versehen sein können. Das augmentative Elonsnt kann sich etwa bei effizierenden Verben auf die Menge des Produzierten beziehen: ecriv-asser/ecriv-ailler - viel und sehlecht sahreiben. Auf die zeitliche Ausdehnung der Handlung bezieht sich die Bildung disputailler - lange und unnütz herumstreiten oder auch traínas ser/traînailler и.a. Das Merkmal [+ viel] kann sich in verbalem Kontext, im Sinn von "wiederholt, oft", aber auch auf die Frequenz einer Handlung beziehen. So bedeutet etwa
89
criailler - häufig, immerzu schreien, répétailler - ständig wiederholen, wied käuen. Vor allem -ailler wird in dieser Funktion gebraucht: sonnailler, tournailler, tirailler, courailler, toussailler. Rein pejorativ sind rimailler, des sinailler. Die Funktionen dieser Suffixe können also etwa folgendermaßen dargestellt werden: (18)
-asser, -ailler —»• "oft/lange" und/oder "schlecht"/Verbstamm+
Je nach der Bedeutung des Basisverbs können diese Suffixe aber auch etwas andere Merkmalskcnbinationen repräsentieren. So kann z.B. pleuvasser durch pleuvoir légèrement, par petites averses paraphrasiert werden und ist so mit dem synonymen pleuvoter austauschbar, die sich beide semantisch partiell mit pleuviner nieseln decken. Uberhaupt ist festzustellen, daß sich die Anwendungsbereiche der verschiedenen determinierenden Verbalsuffixe im Frz. vielfältig überlagern. Ein Vorgang kann durch das Merkmal [+ oft] in zweierlei Weise spezifiziert werden. Zum einen kann die häufige Wiederholung eines in sich abgeschlossenen Vorganges gemeint sein, wie etwa bei tirailler im Sinn von wiederholt schießen und zum anderen kann sich dieses Merkmal auch auf die Art des Vorganges selbst beziehen. So bezeichnet z.B. voleter nicht einfach eine häufige Wiederholung der Handlung yoler, sondern eine bestiimtte Art des Fliegens mit kurzen, unregelmäßigen Bewegungen. Die beiden Interpretationen lassen sich natürlich nicht in jedem Einzelfall sauber auseinanderhalten.
Die in einer Ableitung wie voleter auftretende Merkmalskcnfcination von [+ klein] und [+ oft] ist charakteristisch für eine grcße Zahl frz. deverbaler Verben. So z.B. in sauteler, craqueler; craqueter, piqueter, marqueter; trottiner oder in den Ableitungen auf -iiier wie sautiller, mordiller, brandiller, fendiller, pendiller (hin und her baumeln), und -ot(t)er wie buvoter, frisotter tapoter, clapoter, crachoter, picoter, clignoter, baisoter. Verschiedene Ableitungen sind auch einfach als etwas nur leicht, schwach tun zu interpretieren und entsprechen so dem adjektivischen Typ aigrelet - leicht sauer. So z.B. toussoter, trembloter, grignoter auch vivoter könnte in diesen Zusammenhang gestellt werden. Das Suffix -onner ist ebenfalls in diesem Sinn zu verwenden: chantonner, oder auch in der Bedeutung "flüchtig, nachlässig" wie in griffonner, mâchonner, ein Merkmal, das aber auch in siffloter enthalten ist, und schließlich auch hier wieder das iterative Element in einer Ableitung wie tâtonner. Phonologische Restriktionen sind zumindest insoweit zu berücksichtigen, als offensichtlich eine lautliche Identität zwischen Stanmauslaut 'jnd dem konsonantischen Element des Suffixes vermieden wird. Daher siffloter nicht aber {'chantoter, tapoter nicht jedoch..*tâtoter, ebensowenig wie etwa *toussasser, *sauteter, *voleler.
90
Auffallenderweise haben deverbale Verbalsuffixe, wenn sie nicht 'wertneutral' gebraucht sind, eher pejorative Konnotationen, während 'meliorative' Suffixe für ein WBnuster etwas (besonders) gut machen praktisch nicht existieren. Auch die Bedeutung etwas (besonders) langsam tun wird mit Hilfe von Suffixen kaum realisiert. Abgesehen von wenigen Fällen, in denen diese Nuance mitenthalten sein kann, wie in mâchonner, das auch langsam kauen bedeuten kann, ähnlich wie grignoter - manger petit à petit, lentement oder vielleicht auch vivoter - vivre au ralenti (Grand Robert)1. Auf die Erscheinung der verbalen Diminutivbildung durch Präfigierung wie in sourire - rire légèrement werden wir noch zu sprechen kernten. An diesem Punkt soll abschließend nur noch auf das Phänomen der sogenannten "Pseudosuffixe" hingewiesen werden. Mit den oben behandelten deverbalen Verbsuffixen homophone Fönten können bei der Erzeugung dencminaler Verben dadurch entstehen, daß die Endsilbe des Namens mit der ersten Silbe eines solchen Verbsuffixes identisch ist. So haben wir es z.B. in dindonner nicht mit dem Suffix -onner zu tun, sondern mit einer dencminalen Ableitung von dindon. Eine falsche Segmentierung kann sich nun möglicherweise auf die Interpretation des Wortes durch den Sprecher/Hörer auswirken, zumal wenn das dencminale Verbum ein semantisches Merkmal enthält, das auch durch das jeweils entsprechende Verbalsuffix wiedergegeben werden kann. So z.B. in den für den heutigen Sprecher nicht mehr direkt durchsichtigen Ableitungen marteler, ciseler, etc., analog etwa zu bosseler • 'Nomen agentis/instrumenti'/
+N
Vfeitere Beispiele sind etwa: abat-vent, brise-glace, caehe-eou, gratte-ciel, porte-monnaie, garde-robe, garde-boue, perce-feuille. Die Erzeugung von Ncmina agentis ist, abgesehen von den garde-VarçosLta, nur sehr beschränkt möglich: gratte-papier, lèche-vitrine u.a., die meist abwertende Bedeutung haben. Neubildungen wie etwa *un chasse-éléphants - Elefantenjäger sind praktisch ausgeschlossen.
Abschließend sei noch auf den möglichen adjektivischen Gebrauch dieser Karposita in Bildungen wie avion porte-missiles, hôtel gratte-ciel, sous-marin lancefusêes, phares perce-brouillard (weitere Beispiele bei C. Bohrer a.a.O.), hingewiesen, die in erster Linie aus dem technischen Bereich stammen. Kein direktes Objekt sondern ein Adverb repräsentiert das Determinans des scwohl adjektivisch als auch substantivisch verwendbaren Karpositums (voiture) couche-dehors (s. Blochwitz/Runkewitz op.cit.). 4.1.5 Exozentrika Die sogenannten 'Exozentrika' erscheinen an der sprachlichen Oberfläche als Nominalkcnposita der Form 'Adj .+Subst./Subst.+Adj.'. Charakteristisch für diese karplexen Ausdrücke ist der Umstand, daß das Designat des Karpositums nicht der Klasse angehört, die durch das nominale Determinatum bezeichnet wird. So ist etwa rouge-gorge keine Kehle sondern ein Vogel, blouson noir keine Jacke sondern ein Jugendlicher. Diese meist als 1Possessivkarposita1 bezeichneten Exozentrika wie rouge-gorge •*— oiseau qui a une gorge rouge werden gelegentlich auch als Nullableitungen beschrieben. Es wird hierbei ein Nullsuffix angesetzt, das funktional in etwa den Personalsuffixen -ien, -ier, -iste entspricht. Die Berechtigung für eine solche Annahme wird aus der Existenz von Parallelbildungen wie Langbein-0 /Lang-
105 bein-er, terreneuve/terreneuvien; threemast/threemaster abgeleitet. Diese Nullsuffixe genügen bestimmten Bedingungen, die auch für explizite Suffixe Gültigkeit haben, wie genaue Lokalisierbarkeit an der jeweiligen Ableitungsbasis und einheitliche Gesamtfunktion. Vor allem im Dtsch. sind solche ' Zusanxrenbildungen' mit explizitem Suffix häufig: Zweisitzer, -beiner, -takter, Einreiher, Seehstonner, Zwölfender, Tausendfüß(l)ev; Dickhäuter, Doppeldecker. Ein Bildungsmuster, das das Frz. allerdings kaum kennt. Selbst die verwandten Ableitungen van Typus vers-libriste, nature-mortiste, plein-airiste sind äußerst selten, während die Bildungen ohne offenes Suffix einem bis heute produktiven Typus angehören:
deux-chevaux, trois-places, dix-tonnes, mille-pieds, blanc-bec, pur-sang; casq bleu, chemise noire, pied noir, peau-rouge, esprit fort. Im Gegensatz zum Dtsch., vro sich der Artikel grundsätzlich nach dem expliziten Ncmen richtet: die Rothaut, der Blaustrumpf, das Großmaul, können die frz. Bildungen auch das Genus des jeweiligen nicht-expliziten Determinatums des gesamten Ausdruckes annehmen: une deux chevaux (= voiture) aber un bas-bleu (= femme). Im Dtsch. sind daher auch Ncmina mit Pluralmorphem aus diesen Kcnpositionsmuster ausgeschlossen. Nföglich sind lediglich Bildungen mit unflektierten Naminalformen wie Dreifuß, -rad, -zack, Vierkant, Vier-, Fünfeck, etc. Die Postulierung eines Nullsuffixes scheint uns aber aus folgenden Gründen auch hier ziemlich problematisch zu sein. Einmal ist das als Bezugspunkt oder 'Folie' herangezogene WBnuster 'Subst.+ Adj.+Suffix' (terreneuvien) im Frz. kaum verwirklicht. Zum anderen erscheint die Integration des Nullsuffixes in unsere prozesshafte Beschreibung der Ableitungsrrorpheine durch eine Definition wie etwa " 0 ist ein Operator, der mit einer Ableitungsbasis A den kcnplexen Ausdruck 'A+0' bildet" oder eine Zuordnungsvorschrift der Form "das Suffix 0 erhält im Kontext 'A+
' das seman-
tische Merkmal X" intuitiv wenig plausibel. Wir halten es grundsätzlich für fragwürdig, Nullelemente als morphologische Realitäten zu behandeln und mit ihrer Hilfe die Zuordnimg zu einem bestimmten irorphologisch definierten WEhiuster vorzunehmen. In unserem Fall also ein Kcrrpositum wie pied noir einfach als Ableitung zu bezeichnen. Zweifellos ist eine Bildung wie pied noir interpretatorisch komplexer als etwa tableau noir. Dies liegt aber daran, daß erstere auf ein Objekt referiert, dem kein explizites Element der sprachlichen Oberfläche zugeordnet werden kann, das jedoch bei der semantischen Interpretation des Ausdruckes notwendigerweise zu berücksichtigen ist. Man kann nun in Bildungen wie pur-sang (= cheval), casque bleu (= soldat), etc. auch einfach eine potentielle spezifische Verwendungsweise der Vertreter eines bestimmten (kcnpositionellen) WBnusters sehen, die als systematische tCglichkeit in die Formulierung der entsprechenden
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WBregel eingehen muß. D.h. die WBkarponente enthält den Hinweis, daß kaipositionelle Syntagmen der Form (Adj.+Subst./Subst.+MjOj^ unter bestimmten Bedingungen als X qui a/porte i interpretiert werden können, ohne daß sie dadurch einem anderen morphologischen WBverfahren zugeschlagen würden. Obwohl die lexikalisch-semantischen Bedingungen für eine solche Interpretation bzw. für die Erzeugung von Neubildungen nach diesen Muster nicht erschöpfend aufgezählt werden können, lassen sich einige wenige zentrale, sstiantisch klassifizierbare Unterprogramme erkennen, durch die die Mehrzahl dieser Ausdrücke zu erfassen ist. In einer dieser Hauptgruppen Verden z.B. Lebewesen oder kortplexe menschliche Produkte (vor allem Fahrzeuge) durch die Nennung charakteristischer, qualitativ oder quantitativ spezifizierter Teile bezeichnet: cul-terreux, deuxmâts, etc. Die Kenposita der Form 'Kardinalzahl + Subst.' entsprechen wähl ausschließlich diesem Muster. Einer zweiten Hauptgruppe liegt das InterpretationsschertH 'Kleidungsstück^ — • Träger von i' zugrunde: ceinture noire, chemise brune, brassard, rouge, blouson noir, die in erster Linie nachgestellte Farbadjektive enthalten. In übertragenem Sinn verwendete Bildungen wie bas-bleu oder Einzelerscheinungen wie onze-mètres vrerden im Lexikon beschrieben. 4.1.6 Bildungen nach neulateinischem Muster Es handelt sich hier um Bildungen von Typ ploutoerate, Phonogramme, radioscopie, mammifères, ovipare, capilliforme, deren Konstituenten lat. oder griech. Ursprungs sind. Die Probleiratik der Integration dieser komplexen Ausdrücke in das System der frz. WB beginnt mit der Frage nach ihrer Zuordnung zu einem der beiden Hauptbildungsmuster, der Ableitung bzw. der Kcrrposition. Die - auch aus historischen Gründen - zunächst näherliegende Hypothese, es handle sich um Kettposita, scheitert an der nicht vollständigen Zerlegbarkeit der meisten dieser Bildungen in freie Morpheme. Außerdem entspricht die Determinationsfolge 'Deteritänans-Determinatum', wie sie hier zu beobachten ist, nicht derjenigen vergleichbarer rein frz. Kettposita, sieht man einmal von dem, offensichtlich durch diese neulat. Bildungsweise beeinflußten Typ auto-route ab. Bei einer Bildung mit zwei gebundenen Konstituenten wie phonographe müßte es sich, gemäß unserer eingangs gegebenen Morphemsystenatik, um die Suffigierung einer gelehrten Ableitungsbasis handeln. Da eine gebundene Ableitungsbasis nicht der letzte Konstituent eines kcttplexen Ausdruckes sein kann (vgl. 1.3.2), scheidet eine Analyse in die Bestandteile "Präfix + Ableitungsbasis' aus. Was spricht nun aber gegen die Klassifikation von gebundenen Morphemen wie -graphe als Suffix? Eine große Anzahl dieser Elemente kann nicht nur als letzter sondern auch als erster Konstituent eines solchen Ausdruckes erscheinen: graphologue, greephologie, graphomètre aber auch graphique, graphisme, graphème.
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Eine Erscheinung, die sich sonst nur bei kcrtpositionellen WBnustem beobachten läßt. Wenn wir nicht von der wenig plausiblen Annahme ausgehen wollen, daß Bildungen wie graphologue, graphisme aus zwei Affixen bestehen, sind Elemente wie graphe als Morpheme zu beschreiben, die sowohl Suffixe als auch gebundene Ableitungsbasen sein können. Identifiziert man den zvaaiten Konstituenten einer Bildung wie grapho-maniaque mit don frz. Adjektiv maniaque, wäre das erste, gebundene Element (zum Fugenvokal s.u.) hier sogar als Präfix zu klassifizieren. Die Existenz eines solchen Mehrzweckmorphems ist allerdings eher unwahrscheinlich, selbst wenn man berücksichtigt, daß speziell graphe in den beiden möglichen Positionen nicht genau dieselbe Bedeutung hat: -graphe - Aufnahmegerät vs. graph(o)- - Schrift, Sahreib-, da eine derartige semantische Differenzierung keineswegs die Hegel ist: monolithe/lithographe, épiderme/dermo-génèse. Schließlich ist zu berücksichtigen, daß eine Reihe solcher Elemente, wie etwa -thérapie, -phobie, -manie, -gènèse, auch als einfache Wörter des Frz. in Erscheinung treten. Klassifiziert nan den jeweils letzten Konstituenten von Bildungen wie téléphone, télégraphe, téléscope als Suffixe, so konrnt dem ersten Konstituenten autoratisch die Funktion einer gelehrten Ableitungsbasis zu. Eine solche Analyse ist aber für Ausdrücke wie téléavertisseur, télécommande, téléguidage, télésiège, téléski nicht möglich, da das jeweils letzte Element hier kaum als Suffix zu klassifizieren ist und télé- so eher den Status eines Präfixes hat. Es ist aber höchst unwahrscheinlich, daß vollkcrrmen identische sprachliche Elemente in der gleichen Position nicht denselben morphematischen Status haben. Weiterhin stellt sich die Frage nach der Behandlung des Fugenvokals, der grosso modo vor griech. Element als -o- und vor lat. Element als -i- realisiert
wird: aapillogène/capilliforme, insectologie /insecticide, hystéromanie/hystêr 2
forme , wobei allerdings auch die Herkunft des ersten Konstituenten ausschlaggebend sein kann, wie in hydrofuge, antkropoforme u.a. Konsequenterweise wurde nun vorgeschlagen, moderne Bildungen mit frz. erstem Konstituenten wie chassomanie, ainématomanie, balletomanie, hôtelomanie, flicomanie, etc. (Hunderte von weiteren Beispielen bei M. Höfler a.a.O.), als Derivationen mit einem vokalisch anlautenden Suffix -crnanie zu analysieren, da es sich hier um innerfranzösische Ableitungen handle, wo der Fugenvokal des neulat. WBnusters keine Berechtigving mehr habe. Gerade in diesem Fall erscheint es jedoch fraglich, ob eine solche Analyse dem Sprecherbewußtsein gerecht wird, 1
So z.B. J. Dubois (1962) und andere
2
Weitere Beispiele bei M. Höfler
(1972)
108 da der Könstituent -manie als selbständiges Ncmen mit derselben Bedeutung im Frz. existiert und dadurch eine 'falsche' Segmentierung der komplexen Ausdrücke nicht begünstigt wird. Vielmehr scheint es für den Sprecher/Hörer näherzuliegen, zwischen dem Fugenvdkal und -manie eine Morphemgrenze zu sehen. Auch unter semantischem Aspekt ist eine Gleichstellung griech./lat. Elanente wie -graphe, -phone, -aide mit den bisher behandelten frz. Suffixen nicht ganz unproblematisch. Der charakteristischen funktionalen Flexibilität der frz. Suffixe und der starken Abhängigkeit ihrer Interpretation von der jeweiligen Ableitungsbasis steht die relative funktionale Konstanz dieser semantisch meist monovalenten griech./lat. Morpheme gegenüber, deren präzise Bedeutung durch Definitionen der isolierten Eierrente selbst, wie -phone - instrument de communication ou d'enregistrement de la voix, wiedergegeben werden kann. Selbst ein Morphem wie -aide, das sowohl Mord als auch Mörder (fratricide) bzw. Vernichtungsmittel (insecticide) bedeuten kann, repräsentiert signifiés, die für frz. Suffixe ausgesprochen atypisch sind. Dieses semantische Kriterium läßt allerdings einen gewissen Spielraum und damit Ubergangsphäncmene zu, wie z.B. die der wissenschaftlichen Terminologie entstaiimenden, relativ präzisen Suffixe -ite, -ose, die indessen auch gelehrter (griech.) Herkunft sind. Ein vergleichbares Argument hatten wir ja bereits bei der Diskussion von Bildungen wie classe-pilote geltend gemacht (vgl. 4.1.1). Mit allen diesen Einwänden soll nicht grundsätzlich in Abrede gestellt werden, daß die Funktion vieler dieser griech./lat. Morpheme unter bestürmten Aspekten durchaus mit derjenigen frz. Suffixe vergleichbar ist. Es kcrrmt in erster Linie darauf an, zu verdeutlichen, daß man es hier mit einem W&nuster zu tun hat, das sich aufgrund des morphematischen Status seiner Konstituenten zunächst prinzipiell von den bisher beschriebenen Verfahren der Derivation und der Karposition im Frz. unterscheidet und daß eine Analyse dieser VIBprodukte mithilfe der dort verwendeten Kategorien zu widersprüchlichen Ergebnissen führen muß. Da sich die Konstituenten dieser V/Ben, abgesehen davon, daß einige auch als selbständige frz. Wörter gebraucht werden, nach morphematischen Kriterien nicht eindeutig den verschiedenen Klassen zuordnen lassen, scheint es adäquater zu sein, hier von einem speziellen, Kombinationen mit mindestens einem solchen Element vorbehaltenen, kcmpositionellen WBnuster auszugehen. Innerhalb dieses WBmusters können die griech./lat. Konstituenten entweder miteinander oder mit frz. Wörtern in der Determinationsfolge 'Determinans-Determinatum' verkettet werden. Die verwendeten Elemente werden in einem gesonderten Teil der Morphemliste (vgl. 1.1) aufgezählt und mit einem Hinweis auf den von ihnen jeweils selektierten Fugenvokal versehen, soweit dieser nicht durch eine allgemeine Regel vorhersagbar ist.
109 Weiterhin benötigt rten die Information, ob es sich um einen links- oder rechtsgebundenen Konstituenten handelt oder cfc> beide Positionen vorgesehen sind, wobei dann gegebenenfalls eine positioneil bedingte semantische Differenzierung zu berücksichtigen ist (s.o.)• Innerhalb der Gruppe der linksgebundenen Elemente (nur in linker Position) sind insbesondere einige sehr häufig gebrauchte präfixartige Morpheme in adjektivischer oder adverbieller Funktion hervorzuheben, wie z.B. in altiport, macromolécule, microcosme, monoplace, néo-fascisme, pangermanisme, polyvalent, télévision, auf die wir im nächsten Abschnitt noch einmal zu sprechen kamen Warden. Durch den von A. Martinet (1960) vorgeschlagenen Terminus 'reccnposition', d.h. kcrtpositionelle Verkettung von Elementen, die im Frz. meist nur als gebundene Konstituenten komplexer Ausdrücke auftreten, scheint uns dieser Sachverhalt gut charakterisiert zu werden. Hybride Zusammensetzungen mit jeweils einem frz. Konstituenten wie guillotinomanie, voyoucratie, boulodrome; hydroglisseur, héliogravure, bibliocar, scheinen uns weniger auf eine Anpassung des neulat. Verfahrens an das spezifische System der frz. WB hinzudeuten, als vielmehr umgekehrt, auf die zunehmende Einsetzung frz. Elemente in ein katpositionelles WBmaster, das zuvor griech./lat. Konstituenten vorbehalten war (vgl. auch die ganz frz. Komposita wie autoroute, auto-école). Der hybride Charakter dieser Bildungen manifestiert sich nicht zuletzt durch bestiimrte stilistische Konnotationen, die vor allem die Zusammensetzungen mit frz. ersten Konstituenten aufwsisen . 4.2
Präfigierung
In 1.3.2 wurde das Präfix als ein Basiselement definiert, das nicht ohne ein direkt rechts adjungiertes Wart zu verwenden ist. Dieses Wort kann ein Ncmen: recoin, ein Adjektiv: dés-agréable oder ein Verbum: ad-Joindre sein. Die Funktion dieser gebundenen Morpheme ist, nach syntaktischen Kriterien, im allgemeinen die eines Adverbs oder einer Präposition. Linksgebundene Morpheme, die in adverbieller Funktion an frz. Wörter adjungierbar sind, finden sich nun allerdings auch unter den im letzten Abschnitt behandelten griech./lat. Elementen, wie z.B. téléin télécorrunande, etc. Obwohl solche Elemente, abweichend von unserer Präfixdefinition, auch mit einem gebundenen Morphem einen komplexen Ausdruck erzeugen können: télépathe u.a., müssen wir davon ausgehen, daß bestürmte griech./lat. Konstituenten in der Position links von einem frz. Wort eine Funktion übernehmen können, die derjenigen eines frz. Präfixes vergleichbar ist. Die Frage, ob man diese Elemente in einer solchen Position nun auch als Präfixe bezeichnet und ob 1
Eine Zusammenstellung der wichtigsten im Nfz; verwendeten griech./lat. Elemente enthält L. Guilbert (1971)
110 man diesen Terminus auch für linksgebundene Morpheme in adjektivischer Funktion wie etwa in néoréalisme, microfilm, multicellulaire anwendet, ist von sekundärer Relevanz. Da das Ineinandergreifen zweier unterschiedlicher WBnuster eins völlig widerspruchsfreie Taxonanie in diesem Kähmen zu verhindern scheint, kermtt es in erster Linie darauf an, die Art der Widersprüche, die bei dem Versuch einer einheitlichen Klassifikation entstehen, zu verdeutlichen, wie es im letzten Abschnitt vorgeführt wurde. Die Ganeinsamkeit der im folgenden zu beschreibenden Morpheme liegt jedenfalls in ihrer Linksgebundenheit und, als vorläufiges funktionales distinktives Merkmal, in ihrer adverbiellen bzw. präpositionalen Funktion. Hierzu gehören auch alle griech./lat. Adverbien und Präpositionen, die in dieser Position erscheinen können, wie antimilitarisme, hypersensible, dissymétrie ; antënuptial, circonvoisin, condisciple, die im übrigen ebenfalls mit gebundenen Morphemen gekoppelt werden können: antipode, hyperbole, circonspect u.a. Gemeinsam mit diesen Präfixableitungen sollen im folgenden aber auch solche Bildungen behandelt Verden, deren jeweils erster Konstituent durch ein frz. Adverb oder eine frz. Präposition repräsentiert wird, die als nicht-gebundene Morpheme auch außerhalb derartiger Verbindungen verwendet vrerden. Da sich eine Ableitung wie subdélégué von einem Kaipositum wie sous-délégué lediglich durch den rrorphematischen Status des determinierenden ersten Elementes unterscheidet, ist es sinnvoll, diese beiden Verfahren hier zusammenzufassen und ihre Möglichkeiten zur Realisierung bestürmter syntaktisch/semantischer Relationstvpen miteinander zu vergleichen. Auf das sehen eingangs angesprochene Abgrenzungsproblem zwischen Ableitung und Kaiposition (vgl. 1.3.3) werden wir hier im einzelnen noch einmal eingehen müssen. 4.2.1 Ncmina A.
Der Typ interligne/entre-ligne.
Hierzu gehören Präfigierungen wie interrègne, antigel, antiparasite, parachute, parafoudre, -tonnerre, -pluie, -soleil und Kenposita wie après-guerre, après-
dîner, avant-guerre, contre-révolution, entre-colonne, hors-bord, sans-culot sans-façon, sans-fil, sous-pied, sous-sol. Dieser Typus ist allerdings nicht unbeschränkt produktiv und vor allem die Ableitungen konzentrieren sich auf einige wenige griech./lat. Präpositionen - sprich Präfixe. Die syntaktische Relation zwischen den beiden Konstituenten entspricht derjenigen einer Präposition zu der von ihr abhängigen NP. Der komplexe Ausdruck hat also die Struktur einer PP. Da es sich bei diesen Bildungen aber um Ifcmina han-
111 delt, kann ihr Designat nicht mit der Objektklasse identisch sein, die durch das jeweils an der sprachlichen Oberfläche erscheinende Nomen bezeichnet wird. So bezeichnete -interligne keine Linie sondern den Zwischenraum zwischen zwei Zeilen, après-guerre die Zeit nach dem Krieg, hors-bord einen Außenbordmotor, sans-fil einen drahtlosen Funkspruch. Vgl. in diesem Zusammenhang auch Konstruktionen wie plein de sans-façon-, agir avec sans-gêne. Man kann den WBvorgang, der diesen Ausdrücken zugrundeliegt, darnach als Nominalisierung eines komplexen, aus Präp.+Subst. bestehenden Prädikates beschreiben: Un X qui est sans ooeur —• un X sans coeur —• un sans-coeur, wobei das nominale Determinatum, vergleichbar den egozentrischen Possessivkotiposita (vgl. 4.1.5), nicht als instituent des komplexen Ncmens in Erscheinung tritt. Obwohl die Rückführung auf ein, durch die Kopula eingeleitetes komplexes Prädikat nicht bei allen Bildungen mit derselben Natürlichkeit möglich ist und in Einzelfällen, wie z.B. en-cas - objet préparé en cas de besoin, ganz ausgeschlossen werden muß, können wir dieses Grundmuster doch für die große Mehrheit solcher Komposita und Präfigierungen ansetzen. Was für einer Klasse das irrplizierte Determinatum und damit die gesamte Bildung angehört, ist im allgemeinen nicht prädiktabel. Mit der gleichen Präposition gebildete Ausdrücke können sich sowohl auf Personen (sans-travail) als auch auf Objekte (sans-couture) oder Eigenschaften/Haltungen u.dgl. (sans-façon, sans-gêne) beziehen. Gewisse Schwerpunktsbildungen zeichnen sich etwa bei den après-/avant-Xamposita. ab, die normalerweise eine Zeitspanne bezeichnen: après-midi, avant-veille. Die nominale Kategorie wird in einigen Bildungen, wie entre-colonnement, sousventrière, antigrêviste, durch ein explizites Suffix markiert. Diese Ableitungen, die gemäß ihrer semantischen Struktur als Suffigierungen der Form antigrêv+iste zu analysieren sind, unterscheiden sich deutlich von inhaltlich komplexeren Ausdrücken wie parachutiste, sans-filiste, die nicht etwa Personen, die gegen den Fall oder ohne Draht sind, bezeichnen, sondern vielmehr solche, die Objekte benutzen oder konstruieren, denen diese korplexen Prädikate zukamen. Hier wird die innere Struktur des Ausdruckes durch die Adjunktion des Suffixes um einen Konstituenten erweitert. B.
Der Typ préavis/avant-coureur.
Diese Bildungen unterscheiden sich insofern grundsätzlich von Typ A, als ihr Designat der Cbjektklasse angehört, die von dem jeweiligen nominalen Determinatum bezeichnet wird. So ist ein préavis ein avis, avant-coureur ein coureur, sousvêtement ein vêtement. Die Explizierung eines Kompositums wie avant-coureur durch eine Relativsatzkonstruktion der Form qn. qui court devant, in der der erste
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Konstltuent in adverbieller Funktion erscheint, führte dazu, diese Bildungen dem syntaktischen Ttyp 'Mverb - Neuen' zuzuordnen. Da die hier verwendeten Präpositionen aber zweistellige Relationen repräsentieren, ist die Ejqplizierung des zweiten Relates, d.h. der von der Präposition abhängigen, an der sprachlichen Oberfläche jedoch nicht erscheinenden NP, für die semantische Interpretation des Ausdruckes meist unerläßlich. Es erscheint uns daher adäquater, solche Konstituenten gleichfalls als Präpositionen zu behandeln und sie scmit als Teil eines Determinans mit der Form einer PP zu interpretieren, deren NP nicht an die Oberfläche gelangt. Also etwa arrière-choeur •