Probleme der modernen Kosmogonie [2., berichtigte Auflage, Reprint 2021] 9783112529447, 9783112529430


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German Pages 392 [404] Year 1977

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Probleme der modernen Kosmogonie [2., berichtigte Auflage, Reprint 2021]
 9783112529447, 9783112529430

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V. A. A M B A R Z U M J A N Probleme der modernen Kosmogonie

PROBLEME DER MODERNEN KOSMOGONIE Herausgegeben von

Akademiemitglied V . A. A M B A R Z U M J A N Direktor des Astrophysikalischen Observatoriums Bjurakan

Mit Beiträgen von A K M V . A . AMBARZUMJAN, P r o f . D r . W . W . K A S J U T I N S K I , P r o f . D r . L . W . MTESOJAN,

P r o f . D r . G . S. SAAKJAU, P r o f . D r . S. K . WSECHSWJATSKI

In deutscher Sprache herausgegeben v o n D r . sc. n a t . H . OLEAK

Zentralinstitut f ü r Astrophysik, Potsdam 2., berichtigte

Auflage

Mit 87 Abbildungen, davon 40 Kunstdrucktafeln,

und 32 Tabellen

A K A D E M I E - V E R L A G B E R L I N 19 8 0

B. A. AMÖapqyMHH IIpoÖJieMH CoBpeMeHiioii

KOCMOTOHHH

2., bearbeitete und erweiterte Auflage Erschienen im Verlag Nauka, Moskau Übersetzung aus dem Bussischen von Dr. Frank Baier Dr. Peter Notni Dr. Heinz Tiersch Dipl.-Astr. Wolfgang Thänert Potsdam Zentralinstitut für Astrophysik,

Erschienen im Akademie-Verlag, 10S Berlin, Leipziger Str. 3—4 © der deutschen Ausgabe Akademie-Verlag, Berlin, 1970 Lizenznummer: 202 • 100/546/80 Offsetnaohdruck: VEB Druckerei „Thomas Müntzer", 582 Bad Langensalza Bestellnummer: 7618561 (6119) • LSV 1495 Printed in GDR EVP 2 8 , -

Vorwort zur deutschen Ausgabe Der Titel des vorliegenden Buches enthält das Wort „Kosmogonie"; trotzdem soll der Leser nicht den Eindruck gewinnen, es existiere irgendeine besondere Wissenschaft mit dieser Bezeichnung. Zwar entwickelten sich bis zum Ende des ersten Viertels unseres Jahrhunderts die Hypothesen und Rechnungen zum Problem der Entstehung kosmischer Körper und ihrer Systeme ohne engere Verbindung zur beobachtenden Astrophysik, später jedoch wurden die Beobachtungen und die Entdeckungen der Astrophysik einerseits und die Ideen, die die Grundlage der theoretischen Astrophysik bildeten, andererseits, zur Ausgangsbasis neuer fundierterer Vorstellungen über die Entwicklung der Himmelskörper. Dies führte schließlich dazu, daß die Astronomen in jeder astrophysikalischen Entdeckung neue Möglichkeiten zur Aufklärung der Mechanismen von Entstehung und Entwicklung astronomischer Objekte sahen. Jetzt ist die Astrophysik bereits völlig vom Entwicklungs- und Evolutionsgedanken durchdrungen, sie ist voll von kosmogonischen Fragen und Daten. Für kosmogonische Hypothesen des alten Typs ist dagegen kein Platz mehr. Alle in der gegenwärtigen Phase lösbaren Fragen zur Entstehung und Entwicklung der Himmelskörper wurden im Rahmen astrophysikalischer Untersuchungen, durch Beobachtung und Theorie ihrer Lösung nähergebracht. Die Kosmogonie verschmolz mit der modernen Astrophysik und verschwand als Einzeldisziplin. Um so notwendiger ist es, die Wege zur Lösung kosniogonischer Probleme in der modernen Astrophysik zu analysieren und die Ergebnisse der entsprechenden Untersuchungen kennenzulernen. Bildlich gesprochen hat die moderne Astrophysik eine stark ausgeprägte kosmogonische Färbung; und obwohl die Farbe eines Objektes nicht losgelöst von dessen innerer Natur untersucht werden kann, ruft sie doch gegebenenfalls ein erhöhtes Interesse hervor. Der Inhalt des Buches ist zu einem bedeutenden Teil die Gegenüberstellung der traditionellen Ansicht über die Entstehung der Himmelskörper aus diffuser Materie (durch Verdichtung) mit der neuen Auffassung, wonach der Entwicklungsprozeß in der entgegengesetzten Richtung verläuft, von dichter zu verdünnter Materie. In den sieben Jahren, die seit dem Erscheinen der ersten russischen Auflage dieses Buches vergangen sind, wurden viele große neue astronomische Entdeckungen gemacht. Sehr häufig bedeuteten sie die Aufdeckung neuer Eruptionsprozesse, die Bildung und Expansion von Hiillen, den Zerfall kosmischer Körper und

VI

Vorwort

Systeme. Es scheint, daß der neue Standpunkt immer neue Positionen gewinnt. Ungeachtet dessen sind die Anhänger der traditionellen Auffassung der Ansicht, daß viele Beobachtungen für sie sprachen. Man kann den Meinungsstreit deshalb noch nicht als beendet ansehen. Zweifellos ist jedoch der neue Standpunkt fruchtbarer. Man könnte uns entgegenhalten, daß zwar Eruptionen sowie Zerfalls- und Expansionsprozesse tatsächlich eine große Rolle im Weltall spielen und der neue Standpunkt nur deshalb fruchtbar war, weil er ihnen besondere Aufmerksamkeit schenkte, daß aber diese Prozesse nicht das Wesentliche der Evolution beinhalten. Ein solcher Einwand erscheint uns gekünstelt. Möge das vorliegende Buch dem Leser helfen, selbst den gegenwärtigen Stand des Problems sowie den Wahrheitsgehalt sowohl der alten als auch der neuen Ansichten einzuschätzen. Bjurakan. Juli 1975

V . A . AMBARZUMJAN

Vorwort zur 2. russischen Auflage Seit der Vorbereitung der ersten Ausgabe unseres Buches vergingen mehr als vier Jahre. In dieser Zeit wurde die Astronomie um eine Vielzahl von neuen Fakten bereichert, welche im direkten Zusammenhang mit den Problemen der Kosmogonie stehen. Vor allem erweiterte sich unser Wissen über die aktiven Kerne der Galaxien, über MARKAKJAN-Galaxien und über die ZwiCKYschen Kompaktgalaxien. Wir besitzen neue erstaunliche Fakten über „eruptive" Sterne. Es wurden die Pulsare entdeckt. Diese Fakten haben eine große Bedeutung für die Lösung der Frage nach dem Schicksal der beiden Richtungen in der gegenwärtigen Kosmogonie — der klassischen und der in Bjurakan verfolgten Richtung. Die Hypothese, daß die kosmischen Objekte durch Kondensationen aus verdünnter Materie entstehen, mußte eine Reihe aufeinanderfolgender, man kann sagen, vernichtender Einbrüche bei den Versuchen hinnehmen, die Entstehung der Sternsysteme zu verstehen. (Es genügt, deren Unfähigkeit zur Erklärung der verschiedenen Formen von Aktivitäten der Galaxienkerne zu erwähnen.) Die Anhänger dieser Hypothese versuchen gegenwärtig, sie wenigstens im Bereich der Stellarkosiuogonie zu erhalten. Allerdings gewinnt auch hier der entgegengesetzte Standpunkt langsam, aber sicher, neue Positionen. Einer nochmaligen Überarbeitung bedarf auch die Deutung jener Erscheinungen, die auf der Grundlage der klassischen Vorstellungen gut erklärt schienen. Nehmen wir z. B. die Pulsare. Obwohl die bisher erarbeiteten Vorstellungen über ihre Natur richtig bleiben, fördern viele der neuerdings gefundenen Tatsachen eine Überarbeitung der Ansichten über die Rolle der Pulsare im Entwicklungsprozeß. Davon ausgehend, scheint es zweckmäßig, die gegenwärtigen Vorstellungen übei' verschiedene Probleme der Kosmogonie unter Berücksichtigung allerneuester Daten darzulegen. Gleichzeitig werden damit neue Aspekte des Kampfes der beiden untereinander konkurrierenden Richtungen betrachtet. I n die 2. Auflage dieses Buches wurden zahlreiche Änderungen und Ergänzungen eingefügt. Bjurakan, April 15)72

V . A . AMBARZUMJAN

Inhaltsverzeichnis Vonoorte

1.

V

Nichtstationäre Objekte im Weltall und ihre Bedeutung für die Erforschung der Entstehung und Entwicklung von Himmelskörpern ( V . A . AMBARZUMJAN)

1

1.1. Die ersten Entdeckungen nichtstationärer Objekte im Weltraum 1.2. Nichtstationäre Objekte in der Galaxis 1.3. Nichtstationäre Prozesse in anderen Galaxien. Kosmogonische Aktivitäten der Kerne von Galaxien 1.4. Nichtstationarität — eine gesetzmäßige Phase der kosmogonischen Prozesse ä.

1 2

. . .

6 10

Kosmogonie der Sterne und Galaxien ( L . W . MIKSOJAX)

13

2.0. 2.1. 2.2. 2.3. 2.4.

Einleitung Sterne und Galaxien Entstehung und Entwicklung der Sterne Probleme der Galaxienentwickhing Schlußbemerkimg

•3.

Die Theorie der überdichten

13 17 41 89 127

Himmelskörper

( G . S . SAAKJAN )

133

3.1. 3.2. 3.3. 3.4.

Uber die möglichen Phasenzustände der Materie bei sehr großen Dichten Die Theorie der überdichten Sterne Pulsare Die verallgemeinerte Gravitationstheorie und die überdichten Sterne

133 160 182 193

4.

Die Kosmogonie des Sonnensystems (S. K . WSECHSWJATSKI)

4.1. Das Sonnensystem 4.2. Das Problem der Entstehung des Planetensystems 4.3. Die Kosmogonie der Kleinkörper des Sonnensystems

204

205 219 229

X

Inhaltsverzeichnis

4.4. Probleme der Vergangenheit des Sonnensystems und der Erde vom Standpunkt der Auswurftheorie 246 4.5. Anzeichen der eruptiven Entwicklung planetarer Körper 253 5.

Der gegenwärtige Stand der Kosmogonie (W. W. K a s j u t i n s k i )

270

Literaturverzeichnis

311

Sachverzeichnis

331

Die in diesem Buch benutzten Maßeinheiten reohnen sich wie folgt in SI-Einheiten um: SI-Einheit lA 1 AE 1 po 1 atm 1 erg 1 eV 1 cal 1 Gauß

0.1 n m = 1 • 10- l o m 1.50 • 1011 m 3.09 • 10" m 1.01 • 10» Pa 1 • 10-' J 1.60 • 10 -10 J 4.19 J ICH T

1.

Nichtstationäre Objekte im Weltall und ihre Bedeutung für die Erforschung der Entstehung und Entwicklung von Himmelskörpern

Die Entwicklung der modernen Astronomie weist eine charakteristische Besonderheit auf, die große Aufmerksamkeit verdient: Während bis Ende des 19. Jahrhunderts die Astronomie hauptsächlich Objekte zum Gegenstand hatte, welche sich zeitlich so langsam ändern, daß sich dies in den damaligen Beobachtungen niujit zeigte, entdeckte die moderne Astronomie viele Typen kosmischer Körper, in denen verhältnismäßig schnelle Änderungen stattfinden, die manchmal einen katastrophenartigen Charakter tragen. 1.1.

Die ersten Entdeckungen nichtstationärer Objekte im Weltraum

Was für kosmische Objekte erforschten die Astronomen am Ende des 19. Jahrhunderts? Vor allem waren dies die Planeten des Sonnensystems. Beobachtungen wiesen auf Veränderungen in ihrer Atmosphäre hin. Aber diese vorübergehenden Veränderungen an einzelnen Stellen sind nicht irreversibel, denn es zeigte sich, daß sich der Zustand der Atmosphäre im ganzen nicht verändert (wie bei der Erdatmosphäre). Wir sind heute davon überzeugt, daß entwicklungsmäßige Veränderungen der Planetenatmosphären viele Millionen Jahre erfordern. Weiterhin war die Welt der „unbewegten" Sterne, der Fixsterne, Gegenstand der Forschung. Die Bezeichnung „unbewegt" rührt ja daher, daß Ortsveränderungen am Himmel während der Beobachtungszeiträume nicht groß sind. Am Ende des 19. Jahrhunderts wendeten viele Astronomen ihre Aufmerksamkeit- den physikalischen Veränderungen in den Zustandsgrößen der Sterne zu. Es wurden zahlreiche Beobachtungen an Sternen durchgeführt. Dabei begann man, auch solche veränderlichen Sterne zu erforschen, deren Spektrum zeitlich variiert. Das Hauptaugenmerk widmete man jedoch den periodischen Veränderlichen wie den Cepheiden und den Veränderlichen vom T y p Mira Ceti. Bei ihnen schließt anscheinend jede Periode mit der Rückkehr zum Ausgangspunkt ab. Der periodische Charakter der Veränderungen, der bei diesen Objekten beobachtet wurde, sagt an und für sich nichts über die Richtung des gesamten Entwicklungsprozesses aus. Sogar bei den damals bekannten unregelmäßigen Veränderlichen rechnete man damit, daß der Stern im Laufe der Zeit beliebig nahe zu einem einmal beobachteten

2

1. Nichtatatümäre Objekte im Weltall

(beliebigen) Ausgangszustand zurückkehrt. Die Bedeutung dieser Veränderungen für die gesamte Entwicklung des Sterns war bis zur Gegenwart unklar. Die einzigen damals bekannten Objekte, die nichtstationär im gegenwärtigen Sinn des Wortes sind (das sind Objekte, bei denen der Zustand so grundlegend verändert wird, daß die Möglichkeit einer Rückkehr zum vorhergehenden Zustand ausgeschlossen ist), waren kurzperiodische Kometen im Sonnensystem und Novae in der Galaxis, schließlich auch das Aufleuchten einer Supernova in der Nähe des Kerns des Andromedanebels. Dieses Ereignis, 1885 von dem Dorpater Astronomen HARTWIG entdeckt, wies auf noch tiefgreifendere Veränderungen größten Ausmaßes hin. Diese Entdeckung hatte fundamentale Bedeutung. Natürlich dachte in dieser Zeit noch niemand daran, daß Supernovae besondere Kategorien möglicher explosiver Erscheinungen in Sternsystemen sind. (Seither wurde in der Lokalen Gruppe, d. h. in unserer Nachbarschaft, keine andere Supernova entdeckt, so daß die Beobachtungen HARTWIGS weiterhin eine große Bedeutung haben.) Das Bild von einer sich nur langsam ändernden Welt, in welcher die Zustände aller Objekte fast stationär sind, harmonisierte vollständig mit den mechanischen Vorstellungen über das. Weltall. Dieses „ruhige" Bild wurde aus der Himmelsmechanik entwickelt. Damals entstand die Astrophysik. Sie befaßte sich zunächst hauptsächlich mit der thermodynamischen Gleichgewichtsstrahlung der Sterne.

1.2.

Mchtstationäre Objekte in der Galaxis

Im 20. Jahrhundert häuften sich immer rascher Beobachtungsdaten über die Sterne und ihren Aufbau. Bereits das erste Viertel unseres Jahrhunderts übertraf in dieser Beziehung die Erfolge der Astronomie des 19. Jahrhunderts. In den darauffolgenden Jahrzehnten wuchs der Informationsfluß weiter an. Dies ging konform mit der Entwicklung der theoretischen Astrophysik und diente als Anstoß für eine systematische und tiefgehende Erforschung der Erscheinungen von nichtstationären Zuständen und Prozessen, insbesondere auch von solchen, die auf den ersten Blick gegenwärtig noch stationär erscheinen. Den Anfang des 20. Jahrhunderts markierte die Entdeckung eines Xovaausbruchs. Die Beobachtungen von diesem Ausbruch trugen in bedeutendem Maße zu einem richtigen Verständnis der Novaerscheinung bei. Man erkannte, daß beim Novaausbruch ein kleiner expandierender Gasnebel entsteht, dessen Materie vom Stern abgestoßen worden war. Die Entwicklung der theoretischen Astrophysik gestattete es. nicht nur den Charakter solcher Sternausbriiclie qualitativ einzuschätzen, sondern auch viele andere Erscheinungen, die man für stationär hielt, die aber doch zu tiefgreifenden, nicht umkehrbaren Veränderungen im Zustand der Sterne führen. Als Beispiel betrachten wir die WoLF-RAYET-Sterne. Aus spektralanalytischen Beobachtungen ergab sich, daß ständig Materie aus der Atmosphäre dieser Sterne ausströmt.

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1. Nichtatatümäre Objekte im Weltall

(beliebigen) Ausgangszustand zurückkehrt. Die Bedeutung dieser Veränderungen für die gesamte Entwicklung des Sterns war bis zur Gegenwart unklar. Die einzigen damals bekannten Objekte, die nichtstationär im gegenwärtigen Sinn des Wortes sind (das sind Objekte, bei denen der Zustand so grundlegend verändert wird, daß die Möglichkeit einer Rückkehr zum vorhergehenden Zustand ausgeschlossen ist), waren kurzperiodische Kometen im Sonnensystem und Novae in der Galaxis, schließlich auch das Aufleuchten einer Supernova in der Nähe des Kerns des Andromedanebels. Dieses Ereignis, 1885 von dem Dorpater Astronomen HARTWIG entdeckt, wies auf noch tiefgreifendere Veränderungen größten Ausmaßes hin. Diese Entdeckung hatte fundamentale Bedeutung. Natürlich dachte in dieser Zeit noch niemand daran, daß Supernovae besondere Kategorien möglicher explosiver Erscheinungen in Sternsystemen sind. (Seither wurde in der Lokalen Gruppe, d. h. in unserer Nachbarschaft, keine andere Supernova entdeckt, so daß die Beobachtungen HARTWIGS weiterhin eine große Bedeutung haben.) Das Bild von einer sich nur langsam ändernden Welt, in welcher die Zustände aller Objekte fast stationär sind, harmonisierte vollständig mit den mechanischen Vorstellungen über das. Weltall. Dieses „ruhige" Bild wurde aus der Himmelsmechanik entwickelt. Damals entstand die Astrophysik. Sie befaßte sich zunächst hauptsächlich mit der thermodynamischen Gleichgewichtsstrahlung der Sterne.

1.2.

Mchtstationäre Objekte in der Galaxis

Im 20. Jahrhundert häuften sich immer rascher Beobachtungsdaten über die Sterne und ihren Aufbau. Bereits das erste Viertel unseres Jahrhunderts übertraf in dieser Beziehung die Erfolge der Astronomie des 19. Jahrhunderts. In den darauffolgenden Jahrzehnten wuchs der Informationsfluß weiter an. Dies ging konform mit der Entwicklung der theoretischen Astrophysik und diente als Anstoß für eine systematische und tiefgehende Erforschung der Erscheinungen von nichtstationären Zuständen und Prozessen, insbesondere auch von solchen, die auf den ersten Blick gegenwärtig noch stationär erscheinen. Den Anfang des 20. Jahrhunderts markierte die Entdeckung eines Xovaausbruchs. Die Beobachtungen von diesem Ausbruch trugen in bedeutendem Maße zu einem richtigen Verständnis der Novaerscheinung bei. Man erkannte, daß beim Novaausbruch ein kleiner expandierender Gasnebel entsteht, dessen Materie vom Stern abgestoßen worden war. Die Entwicklung der theoretischen Astrophysik gestattete es. nicht nur den Charakter solcher Sternausbriiclie qualitativ einzuschätzen, sondern auch viele andere Erscheinungen, die man für stationär hielt, die aber doch zu tiefgreifenden, nicht umkehrbaren Veränderungen im Zustand der Sterne führen. Als Beispiel betrachten wir die WoLF-RAYET-Sterne. Aus spektralanalytischen Beobachtungen ergab sich, daß ständig Materie aus der Atmosphäre dieser Sterne ausströmt.

1.2. Nicktstationäre Objekte in der Galaxis

3

Aus der Intensität der Linien im Spektrum konnte man die Materiemenge berechnen, die ein WoLF-RAYET-Stern während eines Jahres verliert: 10-5— 1 0 - 6 M e . Das bedeutet, daß sich schon in einigen zehntausend Jahren — also in einem, kosmisch gesehenen, kurzen Zeitintervall — die Masse des WoLF-RAYET-Sterns merklich verringert. Dabei muß sich der physikalische Zustand des Sterns grundlegend ändern. Andererseits zeigten die Beobachtungen, daß sich das Spektrum dieser Sterne über einige Jahrzehnte hinweg nur sehr wenig ändert. Trotz der relativen Beständigkeit des Spektrums dieser Sterne ist also der Schluß unausweichlich, daß während einer (im kosmischen Maßstab) kurzen Zeit eine einschneidende Änderung im Zustand des Sterns vorsichgehen muß. Es ist also bemerkenswert, daß sich hinter empirisch festgestellter Unveränderlichkeit der beobachteten Eigenschaften des Objekts tiefgreifende und überdies recht schnelle Änderungen seines Zustandes verbergen! Es bleibt noch zu sagen, daß im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts alle Fragen der Entstehung und Entwicklung der Himmelskörper hauptsächlich spekulativ behandelt wurden, wobei man den größten Teil der damals vorhandenen Beobachtungsdaten kaum nutzte, ja sogar ignorierte. Entsprechend den Traditionen, die auf die kosmogonischen Hypothesen des 18. und des 19. Jahrhunderts zurückgehen, glaubte man, daß alle Himmelskörper aus ausgedehnten Materienebeln hervorgegangen waren. Die Tatsache, daß wir in unserer Galaxis gegenwärtig keine sehr großen Massen diffuser Materie beobachten, daß also der überwiegende Teil der Materie in Sternen konzentriert ist, bedeutet von diesem Gesichtspunkt aus, daß der Prozeß der Sternbildung in der Galaxis bereits in einer zurückliegenden Epoche abgeschlossen wurde und daß die Galaxis gegenwärtig keinerlei schnelle, sehr auffällige und erkennbare Entwicklung durchmacht. Es ist jedoch klar, daß wir bei Schlußfolgerungen über ein untersuchtes Objekt und seine Evolution nicht von einer a priori gegebenen Hypothese ausgehen dürfen. Das Urteil muß aus der Analyse aller Eigenschaften des gegebenen Objektes abgeleitet werden, die wiederum aus Verallgemeinerungen der Beobachtungsdaten bestimmt wurden. Diese Einstellung stützt sich auf das dialektisch-materialistische Prinzip, wonach jeder Stufe der materiellen Welt eigene strukturelle und entwicklungsgemäße Gesetzmäßigkeiten zukommen. Die Forschungen, die auf der systematischen Anwendung dieser Einstellung basieren, begannen Anfang der dreißiger Jahre an der Leningrader Universität. Sie führten zur Formulierung neuer Vorstellungen über den Zeitablauf und die Entwicklungswege vieler Sterntypen und Sternsysteme [1, 2, 3]. Mit den Methoden der theoretischen Astrophysik wurde gezeigt [4], daß planetarische Nebel keine stationären Objekte sein können. Fast gleichzeitig wurde ihre Expansion entdeckt. Wie beim Novaphänomen hat sich auch hier die von einem Stern abgestoßene Gasmasse in einen Nebel verwandelt. Die Analyse der Beobachtungsdaten hinsichtlich der relativen Stationarität oder Nichtstationarität von Sternen und Sterngruppen in der Galaxis zeigte, daß unsere Galaxis ein System darstellt, in welchem im Gegensatz zu früher allgemein angenommenen Vorstellungen stürmische und manchmal überraus schnelle Veränderungen vor sich gehen.

4

1. Nichtatationäre Objekte im Weltall

Die Anwendung von Prinzipien aus der Sterndynamik auf die offenen Sternhaufen [1] führte zu dem Schluß, daß selbst Haufen, die sich in einem „stationären" Zustand befinden, wegen der Eigenbewegung der Sterne schließlich „verdampfen" müssen. Einzelne Sterne verlassen nämlich, ähnlich wie Moleküle die Oberfläche von Flüssigkeiten, im Laufe der Zeit den Haufen. Schließlich müssen durch diesen Prozeß viele Haufen in einigen hundert Millionen Jahren verschwinden, ja einige von ihnen sogar schon in einigen zehn Millionen Jahren. Ähnlich wurden viele visuelle Doppelsterne der Galaxis analysiert [3]. Es ergab sich, daß die Zerfallsrate von Sternpaaren bei Begegnungen mit Feldsternen größer als die Entstehungsrate von neuen Sternpaaren bei zufälliger Annäherung von Sternen ist. Der Anteil der Einzelsterne im gesamten Sternfeld der Galaxis wächst deshalb beständig aus dem Zerfall von Sternhaufen und visuellen Doppelsternen. Auf diese Weise charakterisieren Zerfall und Zerstreuung in voller Übereinstimmung mit dem 2. Hauptsatz der Thermodynamik die allgemeine Richtung der Prozesse in unserer Galaxis und — wie sich schließlich zeigte — auch in anderen Galaxien. In diesen Arbeiten wurde auch der Begriff der „kurzen Zeitskala" des Alters der Galaxis und ihrer Sterne formuliert [5]. Anfang der dreißiger Jahre glaubte man, daß das Entwicklungsalter der Sterne der Galaxis 1012 bis 1013 Jahre beträgt („lange Zeitskala"). Aber die Entdeckung des unvermeidlichen Zerfalls von Sterngruppen und Sternhaufen in verhältnismäßig kurzer Zeit bestätigte, daß die Galaxis in ihrem gegenwärtigen Zustand nicht älter als (größenordnungsmäßig) 1010 bis 1011 Jahre sein kann. In den dreißiger bis vierziger Jahren wurden neue Fakten über die Richtung der Prozesse in Sternsystemen und über das Alter der Sterne in der Galaxis bekannt. Zum Beispiel zeigte sich, daß Supernovae eine eigene Klasse von Sternen darstellen, deren Ausbrüche in ihrer Mächtigkeit bedeutend über gewöhnliche Novae hinausgehen [6]. Die Energie, die bei einer Supernovaexplosion freigesetzt wird, beträgt 1050 erg, was größenordnungsmäßig der Wärmeenergie entspricht, die in einem gasförmigen Stern enthalten ist. Es ist offensichtlich, daß die Explosion einer Supernova einen Übergangsprozeß eines Sternes aus einem Zustand in einen qualitativ anderen darstellt. Zugleich weist die Seltenheit der Supernovae darauf hin, daß nicht alle Sterne wie eine Supernova ausbrechen können, sondern nur einige Typen. Wie wir heute wissen, entstehen als Folge von Supernovaexplosionen gigantische Nebel, die oftmals sowohl optisch als auch im Radiowellenbereich zu beobachten sind. Solche Fakten zeigen, daß die Entstehung von Nebeln aus Sternen eine weit verbreitete Erscheinung ist. Umgekehrt kennen wir einstweilen keinen Fall, wo aus diffuser Materie ein dichtes Objekt entstanden wäre, obwohl dieser Übergang, übernommen aus alten kosmogonischen Hypothesen, die Grundlage vieler heute bestehender Kosmogonien ist. Auf Grund von Arbeiten Bjurakaner Astronomen wurden Ende der vierziger Jahre die Sternassoziationen, ein neuer Typ von Sternsystemen, entdeckt. Diese erst jüngst entstandenen Gruppen zerstreuen sich unmittelbar nach ihrer Ent-

1.2. Nichtstationäre Objekte m der Galaxis

5

stehung [7]. Sie sind in der Mehrheit nichtstationär im vollen Sinn des Wortes, weil sich die Sterne der Gruppe schnell voneinander entfernen. Auch die Galaxis zeigt sich nichtstationär, da ja junge Sterne auch noch gegenwärtig in Sternassoziationen entstehen. Die Entdeckung der Sternassoziationen warf auch ein neues Licht auf bekannte Daten über Mehrfachsysteme wie z. B. das Trapez im Orion. Äußerlich scheint nichts auf eine Instabilität des Trapezsystems hinzuweisen. Inzwischen zeigte sich aber, daß dieses SyBtem in kosmisch sehr kurzer Zeit, nämlich 10® Jahren oder weniger, zerfallen muß. Diese Entdeckung ist ein gewichtiges Argument zugunsten der Vorstellung, daß eine Zerstreuung aus anfangs kleinem Volumen einen wichtigen Teil des E n t wicklungsprozesses im Kosmos darstellt. Demgegenüber geben vorhergehende Beobachtungen nicht den geringsten Hinweis auf die Möglichkeit eines Übergangs von einem diffusen Zustand in einen dichteren. Wie die heißen Riesen erwiesen sich die veränderlichen Zwergsterne des Typs T Tauri als junge Objekte. Besonders viele wurden in der Orionassoziation entdeckt. Aber die jüngsten von allen gegenwärtig erforschten stellaren Objekten sind die sogenannten HERBIO-HARO-Objekte. Nach den Beobachtungen enthält so ein Objekt einige Sterne, die imstande sind, in kurzer Zeit aufzuleuchten und danach lange (viele Jahre) im Zustand maximaler Helligkeit zu verbleiben. Ein ähnliches Anwachsen der Leuchtkraft (der Anstieg beträgt lOOmal u n d mehr) kann, wie unlängst gezeigt wurde, auch in einem bestimmten Stadium der E n t wicklung der T Tauri-Sterne vorsichgehen. Sterne, die solche Veränderungen durchmachen, nennen wir Fuoren. Die Helligkeit der Fuoren im Maximum ihrer Leuchtkraft übersteigt um ein Vielfaches die maximale Helligkeit der Sterne, die im Zentrum der HERBiG-HARO-Objekte aufleuchten. Diese Tatsachen zeigen, daß das Verhalten der Sterne um so „unerwarteter" und ungewöhnlicher ist, je näher die von uns betrachteten Etappen a m Anfang der Herausbildung junger Sterne liegen. Diese „Unvorhersehbarkeit" beruht auf Mängeln aller gegenwärtig existierenden Theorien der Sternentwicklung. Nach dem T Tauri-Stadiuin beginnt ein neuer, längerer Lebensabschnitt der jungen Sterne, in dem der f ü r die T Tauri-Sterne charakteristische unregelmäßige Lichtwechsel praktisch aufhört und der Stern seine Helligkeit nicht mehr ändert. Dabei erleidet der Stern jedoch von Zeit zu Zeit Ausbrüche, in denen seine Helligkeit auf das Mehrfache, manchmal auf weit über das Zehnfache seines Normallichts ansteigen kann. Die Dauer eines solchen Ausbruchs beträgt gewöhnlich Minuten bis einige zehn Minuten. Man kann dieses Entwicklungsstadium junger Zwergsterne deshalb als Eruptionsstadium bezeichnen. Seine Dauer erreicht 10" Jahre, bei roten Zwergen des Spektraltyps M sogar 5 • 108 Jahre. Nicht n u r in Sternassoziationen, sondern auch in vielen jungen Sternhaufen stellen die Flaresterne einen wesentlichen Bruchteil der Sternpopulation. Aus statistischen Überlegungen folgt, daß die Mehrzahl der Sterne in den Plejaden Flaresterne sind. Es besteht jetzt kein Zweifel, daß jeder Stern mit einer Masse unterhalb der Sonnenmasse das Flarestadium durchläuft. Man k a n n sagen, daß in der Früh-

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1. Nichtstationäre Objekte im Weltall

phase der Entwicklung bei Sternen kleiner Masse eruptive Prozesse ein ebenso fundamentales Attribut sind wie ihre elektromagnetische Strahlung. Leider konnten jedoch die Theorien des inneren Aufbaus und der Entwicklung der Sterne weder diese eruptiven Erscheinungen vorhersagen, noch waren sie imstande, für die Beobachtungen eine Erklärung zu geben. Es sei bemerkt, daß zwischen der Eruptionstätigkeit in den Sternen niedriger Leuchtkraft und der Vulkantätigkeit der Planeten eine tiefe Analogie besteht. Die neuen Beobachtungen zeigten, daß Planeten wie Mars und Merkur lange Epochen mächtiger Vulkanaktivität durchlaufen haben, wodurch ihre Oberflächen der Mondoberfläche ähnlich wurden. I m übrigen gibt es viele Gründe, anzunehmen, daß auf den genannten Planeten die Vulkantätigkeit heftiger war als auf dem Mond. In den allerletzten Jahren wurden wir auch Zeugen anderer Phänomene in den Sternen: Eruptionstätigkeit und andere nichtstationäre Prozesse verschwinden plötzlich als Folge einer schnellen Vergrößerung der optischen Leuchtkraft des Sterns. Das ist die Erscheinung der Fuoren (Sterne vom T y p F U Orionis). Hier haben wir es mit der Bildung einer undurchsichtigen Hülle um den Stern zu tun, welche die Auswirkungen der in den tieferen Schichten weiterhin ablaufenden stürmischen Prozesse dämpft. So fügt sich, gegründet auf die Untersuchung des Faktenmaterials, Schritt für Schritt ein neues Bild von der Entstehung und Entwicklung der Sterne. 1.3.

Nichtstationäre Prozesse in anderen Galaxien. Kosmogonische Aktivitäten der Kerne von Galaxien

I n den dreißiger Jahren gab es noch wenig Beobachtungsdaten über Galaxien. Die damals übliche Klassifikation der Galaxien nach HUBBLE beschrieb nur die Eigenschaft einiger regelmäßiger Galaxientypen, die für einen stationären Zustand charakteristisch sind. Die Einführung des ScHMiDT-Svstems beim Bau großer Teleskope jedoch gestattete es, unser Wissen über Sternsysteine bedeutend zu erweitern. Dabei wurde die Vorstellung HUBBLES über eine gleichmäßige Verteilung der Galaxien im Raum widerlegt. Es zeigte sich, daß die Mehrzahl der Galaxien in Gruppen oder Haufen zusammengefaßt ist [8]. während das Vorhandensein eines allgemeinen Galaxienfeldes, das den Raum zwischen den Haufen und Gruppen erfüllt, zweifelhaft wurde. In den fünfziger Jahren stellte man fest, daß sich unter den Galaxiengruppen und Haufen ein hoher Anteil nichtstationärer Systeme befindet. In sehr vielen Galaxiengruppen und -häufen fand man eine sehr große Gesell windigkeitsdispersion, was auf eine Labilität der entsprechenden Systeme hinweist. Zur Erklärung dieser Erscheinung wurde folgende Vorstellung entwickelt: Die Galaxien eines jeden Haufens erhalten im Moment ihrer Entstehung so große Geschwindigkeiten, daß die gegenseitige Anziehungskraft nicht ausreicht, um den Haufen als gebundenes System zusammenzuhalten. Außerdem zeigte sich, daß unter den Vielfachgalaxien der Anteil der nichtstabilen Systeme vom Trapeztyp um vieles

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1. Nichtstationäre Objekte im Weltall

phase der Entwicklung bei Sternen kleiner Masse eruptive Prozesse ein ebenso fundamentales Attribut sind wie ihre elektromagnetische Strahlung. Leider konnten jedoch die Theorien des inneren Aufbaus und der Entwicklung der Sterne weder diese eruptiven Erscheinungen vorhersagen, noch waren sie imstande, für die Beobachtungen eine Erklärung zu geben. Es sei bemerkt, daß zwischen der Eruptionstätigkeit in den Sternen niedriger Leuchtkraft und der Vulkantätigkeit der Planeten eine tiefe Analogie besteht. Die neuen Beobachtungen zeigten, daß Planeten wie Mars und Merkur lange Epochen mächtiger Vulkanaktivität durchlaufen haben, wodurch ihre Oberflächen der Mondoberfläche ähnlich wurden. I m übrigen gibt es viele Gründe, anzunehmen, daß auf den genannten Planeten die Vulkantätigkeit heftiger war als auf dem Mond. In den allerletzten Jahren wurden wir auch Zeugen anderer Phänomene in den Sternen: Eruptionstätigkeit und andere nichtstationäre Prozesse verschwinden plötzlich als Folge einer schnellen Vergrößerung der optischen Leuchtkraft des Sterns. Das ist die Erscheinung der Fuoren (Sterne vom T y p F U Orionis). Hier haben wir es mit der Bildung einer undurchsichtigen Hülle um den Stern zu tun, welche die Auswirkungen der in den tieferen Schichten weiterhin ablaufenden stürmischen Prozesse dämpft. So fügt sich, gegründet auf die Untersuchung des Faktenmaterials, Schritt für Schritt ein neues Bild von der Entstehung und Entwicklung der Sterne. 1.3.

Nichtstationäre Prozesse in anderen Galaxien. Kosmogonische Aktivitäten der Kerne von Galaxien

I n den dreißiger Jahren gab es noch wenig Beobachtungsdaten über Galaxien. Die damals übliche Klassifikation der Galaxien nach HUBBLE beschrieb nur die Eigenschaft einiger regelmäßiger Galaxientypen, die für einen stationären Zustand charakteristisch sind. Die Einführung des ScHMiDT-Svstems beim Bau großer Teleskope jedoch gestattete es, unser Wissen über Sternsysteine bedeutend zu erweitern. Dabei wurde die Vorstellung HUBBLES über eine gleichmäßige Verteilung der Galaxien im Raum widerlegt. Es zeigte sich, daß die Mehrzahl der Galaxien in Gruppen oder Haufen zusammengefaßt ist [8]. während das Vorhandensein eines allgemeinen Galaxienfeldes, das den Raum zwischen den Haufen und Gruppen erfüllt, zweifelhaft wurde. In den fünfziger Jahren stellte man fest, daß sich unter den Galaxiengruppen und Haufen ein hoher Anteil nichtstationärer Systeme befindet. In sehr vielen Galaxiengruppen und -häufen fand man eine sehr große Gesell windigkeitsdispersion, was auf eine Labilität der entsprechenden Systeme hinweist. Zur Erklärung dieser Erscheinung wurde folgende Vorstellung entwickelt: Die Galaxien eines jeden Haufens erhalten im Moment ihrer Entstehung so große Geschwindigkeiten, daß die gegenseitige Anziehungskraft nicht ausreicht, um den Haufen als gebundenes System zusammenzuhalten. Außerdem zeigte sich, daß unter den Vielfachgalaxien der Anteil der nichtstabilen Systeme vom Trapeztyp um vieles

1.3. Nichtstationäre Prozesse in Galaxien 7

höher ist als unter den Vielfaehsternen. Mit anderen Worten, zusammen mit einigen Erscheinungen direkter Nichtstationarität, beobachten wir überall Zerfallsprgzesse von Haufen und Gruppen von Galaxien. Worin bestehen nun die Unterschiede zwischen Sterngruppen und Gruppen und Haufen von Galaxien? Sternassoziationen zerfallen in einer Zeit von größenordnungsmäßig 10' Jahren, die Sterne leben aber noch einige Milliarden Jahre länger. Das bedeutet: auch bei einer hohen Sternentstehungsrate bilden die Sterne, die aus Gruppen ausgeschieden sind und jetzt dem allgemeinen Sternfeld angehören, den überwiegenden Anteil. Bei Galaxien ist die Situation anders. Die Zerfallszeit der Haufen und der Vielfachsysteme beträgt hier Hunderte von Millionen, ja sogar Milliarden Jahre und wird damit etwa mit dem Alter der Galaxien vergleichbar. Daher haben die meisten der Galaxien die an und für sich instabilen Haufen und Gruppen noch nicht verlassen. Die Radioastronomie eröffnete neue Möglichkeiten zur Erforschung nichtstationärer Erscheinungen in Galaxien. Die Mehrheit der mittels radioastronomischer Methoden entdeckten Objekte sind ihrem Wesen nach nichtstationär und können nur über kurze Zeiträume Radiostrahlung aussenden. Betrachten wir beispielsweise die beiden intensiven Radioquellen Cassiopeia A und den Krebsnebel. Beide Objekte sind jünger als 1000 Jahre. Sie entstanden aus einem Supernovaausbruch. In den Radiogalaxien beträgt das Radioemissionsstadium Millionen Jahre. Dieser Zeitraum ist klein im Vergleich zum Alter der Galaxie. Mit anderen Worten, Radiogalaxien müssen kurze und vorübergehende, aber sich möglicherweise wiederholende Phasen der Galaxienentwicklung sein. Die Erforschung der Radiostrahlung führte zur Vorstellung, daß in Kernen von Galaxien gigantische Ausbrüche vorsichgehen. Dabei ist das Auftreten von Radiogalaxien eng mit der Entstehimg großer, Radiostrahlen emittierender Massen diffuser Materie in bis dahin normalen Galaxien verbunden. Woher kommen diese Massen? Für die äußeren Teile der Galaxis existiert, wie eine Analyse der Probleme zeigte, kein entsprechender Mechanismus. Andererseits ist die Natur der inneren Teile der Galaxien, speziell ihr Kern, unbekannt. Es ist sehr wahrscheinlich, daß diese Massen den Kern verlassen und sich später in radiostrahlende Wolken umwandeln. Diese Wolken müssen sich ausreichend schnell aus dem Kerngebiet entfernen, d. h., der ganze Prozeß trägt Ausbruchscharakter. Man bezeichnet die Galaxie in der Phase der intensiven Radiostrahlung gemeinhin als „radioeruptive" Galaxie. Es bestehen kaum Zweifel, daß die Radioausbrüche einer Galaxie das Resultat eines gigantischen Ausbruchs in ihrem Kern sind. Die Vorstellung über Ausbrüche in Galaxien traf anfangs auf gewaltigen Widerstand von Seiten der Astronomen, die weiterhin daran festhielten, daß die kosmische Entwicklung vor allem durch die Kondensation diffuser Materie bestimmt wird. Als Gegenvorschlag zur Ausbruchstheorie stellten sie eine völlig unbegründete Hypothese zur Diskussion, die sogar noch eine weite Verbreitung fand. Danach sollten Galaxienzusammenstöße die Ursache der Radioausbrüche sein. Es waren fast zehn Jahre 2

Ambarzumjan

8

1. Nicht stationäre Objekte im, Weltall

erforderlich, ehe diese unbegründete und unproduktive Hypothese ihren wissenschaftlichen Kredit verlor. Aber selbst für die Anhänger der Ausbruchstheorie kam die direkte Bestätigung Anfang der sechziger Jahre unerwartet. Damals entdeckte man nämlich einen Ausbruch im Kern der Galaxis M 82 [9], welcher vor 1.5 Millionen Jahren stattgefunden haben muß. Zugleich entdeckte man auch Bewegungen in den kernnahen Gebieten der SEYiEBT-Galaxien. Das erhärtete den schon früher eingeführten Begriff der kosmogonischen Aktivität der Kerne von Galaxien. Die Gegenüberstellung dieser Fakten mit einer Vielzahl von Daten, die auf äußerlich scheinbar „ruhige" Galaxien hinweisen, erlaubte es uns, bereits in der Mitte der fünfziger Jahre eine Theorie über die fundamentale Rolle des Kerns bei der Bildung aller Galaxien und ihre weitere Entwicklung zu formulieren. Diese Theorie wurde durch die Entdeckung der quasistellaren Radioquellen und anderer kompakter Objekte, in welchen der Kern das dominierende Objekt ist, bestätigt. Die Entdeckung einer großen Zahl MABKABJAN-Galaxien (Galaxien mit einer anomal intensiven ultravioletten Strahlung) hatte eine große Bedeutimg für den weiteren Ausbau dieser Theorie von der Rolle des Kerns bei der Entwicklung von Galaxien. Die MAKKARJAN-Galaxien ähneln den SEYFEBT-Galaxien; auch dort gibt es Materieausbrüche aus dem Kerngebiet. Bis vor kurzem konnte man auf solche bereits geschehenen Ausbrüche großer Materiemassen aus dem Galaxienkern nur aus dem gegenwärtigen Erscheinungsbild der Galaxie spekulativ schließen. Aber kürzlich gelang es, in der Mabkaäjan-Galaxie 6 einen Ausbruch zu beobachten. Dieser fand direkt vor unseren Augen statt. Alte Spektrogramme dieser Galaxie enthielten nichts auffälliges; aber im Jahre 1970 wies das Spektrum um eine Größenordnung stärkere Spektrallinien auf. Sie ergaben eine Geschwindigkeit der emittierenden Wolken von 3000 km/s, verglichen mit den Linien des ruhend angenommenen Kerns. Damit erhielt die Ausbruchstheorie ihre überzeugende Bestätigung. Bei der Erforschung von Galaxien, insbesondere aber bei der Untersuchung mächtiger nichtstationärer Prozesse, kristallisierten sich zwei stark unterschiedliche Standpunkte heraus. Der eine Standpunkt ist durch das Bestreben gekennzeichnet, ein Modell zu konstruieren, welches von schon bekannten Gesetzen der Physik und Mechanik ausgeht. Dabei glauben die Vertreter dieser Richtung aus einem bestimmten Grund, daß die Erscheinungen in der Welt der Galaxien nicht qualitativ anders sind im Vergleich zu den Erscheinungen in Systemen kleineren Maßstabs; sie übersehen völlig, daß die Natur bei weitem reicher ist als unsere augenblicklichen Vorstellungen. Die Anhänger der entgegengesetzten Einstellung akzeptieren die Notwendigkeit, neue Vorstellungen über das Wesen .der astrophysikalischen Ergeheinungen auf der Grundlage realer Fakten zu entwickeln. Dabei verschließen sie keinesfalls die Augen vor den Schwierigkeiten, welche bei dem Versuch entstehen, eine bestimmte Erscheinung auf der Grundlage alter Vorstellungen zu erklären. Diese Schwierigkeiten sind für sie der Ansatzpunkt ihrer Arbeit. Im Bewußtsein dieser Schwierigkeiten rechnen sie mit der Möglichkeit, daß sie mit

1.3. Nichtstationäre Prozesse in Galaxien

9

qualitativ neuen Erscheinungen und Problemen konfrontiert werden, wobei vertraute Vorstellungen eventuell aufgegeben werden müssen. Vor zwanzig Jahren dachten alle Astronomen, daß die Kerne von Galaxien aus gewöhnlichen Sternen bestehen. Eine nicht ganz exakte Untersuchung der optischen Strahlung der Kerngebiete kann tatsächlich leicht zu solchen Schlußfolgerungen führen. Jedoch auf Grund detaillierterer Beobachtungen sowohl im optischen als auch im radioastronomischen Bereich wurden allmählich neue Daten offenkundig. Diese führten zu der Hypothese, daß auch Körper nichtstellarer' Natur, die manchmal zu Ausbrüchen führen, in den Kernen vorhanden sind. Diese Hypothese wurde sofort eindrucksvoll bestätigt, so daß sie völlig gesichert erscheint. Dabei wurde die Fruchtbarkeit der zweiten Einstellung überzeugend demonstriert. Natürlich war es für die Anhänger der ersten Richtung schwierig zu verstehen, weshalb sich ausgerechnet die zweite Variante, die sich auf eine konsequente Verallgemeinerung der Beobachtungsdaten gründet, als erfolgreich erwies. Sie akzeptierten jetzt die Existenz von Ausbrüchen in Galaxienkernen, erklärten aber, daß diese Ausbrüche nicht die Folge einer Freisetzung von im Kern vorhandenen Energien ist. Sie bestritten die Möglichkeit neuer, bis heute unbekannter Eigenschaften der Materie und versuchten, die Ausbrüche als Folge eines Gravitationskollapses diffuser Materie zu erklären. Damit wurden zur Erklärung der Ausbrüche und der Zerstreuung von Materie die traditionellen Vorstellungen eingeführt. Im Laufe der Zeit erwies sich die Kollapshypothese als völlig fruchtlos, ganz zu schweigen von vielen logischen Schwierigkeiten und Widersprüchen, die bei dem Versuch auftauchten, ein Modell dieser Erscheinungen zu konstruieren. Stattdessen wiesen uns die Beobachtungen direkt auf die Eigenschaft der Materie im Kern hin, große Energiemengen bis zum nächsten Ausbruch speichern zu können. Dies gilt vor allem für Kerne im dichten oder superdichten Zustand. Eine andere Frage ist, ob man die Eigenschaften des Kerns erklären kann, wenn man von den bekannten Gesetzen der theoretischen Physik ausgeht. Obwohl wir nicht wissen, wie man das machen kann, wollen wir doch die Möglichkeit nicht völlig ausschließen, ein Kernmodell der Galaxien auf der Grundlage bekannter Gesetze der theoretischen Physik zu entwickeln, das mit den beobachteten Eigenschaften im Einklang steht. Wenn es sich aber erweisen sollte, daß dies nicht geht, ist die Schlußfolgerung unvermeidlich, daß die Gesetze der theoretischen Physik in ihrer bekannten Form nicht anwendbar sind. Wir halten diese Möglichkeit nicht nur für sehr wahrscheinlich, sie überrascht uns auch nicht, weil die gegenwärtig angewendeten Formen der physikalischen Grundgesetze auf den bekannten Materieeigenschaften in einem zwar breiten, aber doch begrenzten Bereich der physikalischen Bedingungen begründet sind. Unter den Bedingungen, wie sie zum Beispiel in Kernen von Galaxien oder in quasistellaren Objekten vorherrschen, könnten unsere Gesetze versagen. Deshalb müssen sie dann präzisiert und verallgemeinert werden, damit ihre Aussagekraft steigt und sich ihr Gültigkeitsbereich erweitert. Verweilen wir bei dieser Frage ausführlicher. o*

10 1. Nichtstaiionäre Objekte im Weltall

Die Gesetze der Physik stellen sich in ihrem Wesen als Verallgemeinerung einer bestimmten Gesamtheit von beobachteten Daten dar, ausgedrückt in einer möglichst einfachen und kurzen Form. Man darf jedoch nicht denken, daß das System unserer Gesetze der theoretischen Physik, das in bestimmten Entwicklungsetappen der Wissenschaft formuliert wurde, absolut genau und abgeschlossen ist und keinen weiteren Verallgemeinerungen unterliegt. Diese Gesetze widerspiegeln nicht vollständig, sondern nur annähernd die objektive Realität, und sie können nicht nur, sondern sie müssen sogar präzisiert und verallgemeinert werden. (Die Präzisierung und Verallgemeinerung der Gesetze der Natur ist gewöhnlich ein einheitlicher Prozeß; so ist zum Beispiel der Übergang von der klassischen Mechanik zur speziellen Relativitätstheorie sowohl eine Präzisierung der klassischen Mechanik als auch ihre Verallgemeinerung für den Fall großer Geschwindigkeiten.) Diese Ansicht basiert auf der Analyse der Entwicklung unserer gegenwärtigen Naturwissenschaft, die im Laufe der Zeit eine immer größere Mannigfaltigkeit neuer, früher unbekannter Erscheinungen entdeckt. Sie sind qualitativ von jenen Erscheinungen verschieden, die man von früher her kannte. Die Wissenschaftler befanden sich wiederholt in der Zwangslage, die physikalischen Gesetze und Theorien zu verallgemeinern, um Beobachtungsdaten, die bestimmte Erscheinungen charakterisieren, erklären zu können. Gerade solch eine Notwendigkeit entstand durch die Erforschung nichtstationärer Prozesse in Kernen von Galaxien und quasistellaren Objekten. Niemals in der Vergangenheit befaßte sich die Physik und Astronomie in solchem Maße mit Konzentrationen so großer Massen in verhältnismäßig kleinem Volumen. Es handelt sich um Massen in der Größenordnung von 1010 Sonnenmassen undmanchmal noch größer, konzentriert in einem Volumen, das viel kleiner ist als das Volumen irgendeines Sternhaufens. Es geht um die Umwandlung von Materie, wobei sich die Dichte millionenfach ändert und die Stärke des Gravitationsfeldes beispiellose Größenordnungen erreichen kann. Wir haben keine Garantie und können auch gar keine haben, daß die uns bekannten Gesetze der Physik auch unter diesen Bedingungen streng gelten. Es wäre daher nicht verwunderlich, wenn sich herausstellen sollte, daß die gegenwärtig vorhandenen großen Schwierigkeiten bei der theoretischen Deutung einer Reihe nichtstationärer Prozesse im Laufe der Zeit in direkte Widersprüche zu den uns bekannten Gesetzen der theoretischen Physik hinüberwachsen.

1.4.

Nichtstationarität — eine gesetzmäßige Phase der kosmogonischen Prozesse

Die Dauer der kosmogonischen Prozesse ist in der Mehrheit der Fälle vergleichsweise groß gegenüber dem Zeitraum astronomischer Beobachtungen, so daß keine unmittelbaren Veränderungen, welche ein Ergebnis dieser Prozesse wären, bemerkt werden können. Trotzdem gibt es im Leben kosmischer Körper und ihrer Systeme auch Etappen, in denen in den Körpern im Laufe eines bestimmten Ent-

10 1. Nichtstaiionäre Objekte im Weltall

Die Gesetze der Physik stellen sich in ihrem Wesen als Verallgemeinerung einer bestimmten Gesamtheit von beobachteten Daten dar, ausgedrückt in einer möglichst einfachen und kurzen Form. Man darf jedoch nicht denken, daß das System unserer Gesetze der theoretischen Physik, das in bestimmten Entwicklungsetappen der Wissenschaft formuliert wurde, absolut genau und abgeschlossen ist und keinen weiteren Verallgemeinerungen unterliegt. Diese Gesetze widerspiegeln nicht vollständig, sondern nur annähernd die objektive Realität, und sie können nicht nur, sondern sie müssen sogar präzisiert und verallgemeinert werden. (Die Präzisierung und Verallgemeinerung der Gesetze der Natur ist gewöhnlich ein einheitlicher Prozeß; so ist zum Beispiel der Übergang von der klassischen Mechanik zur speziellen Relativitätstheorie sowohl eine Präzisierung der klassischen Mechanik als auch ihre Verallgemeinerung für den Fall großer Geschwindigkeiten.) Diese Ansicht basiert auf der Analyse der Entwicklung unserer gegenwärtigen Naturwissenschaft, die im Laufe der Zeit eine immer größere Mannigfaltigkeit neuer, früher unbekannter Erscheinungen entdeckt. Sie sind qualitativ von jenen Erscheinungen verschieden, die man von früher her kannte. Die Wissenschaftler befanden sich wiederholt in der Zwangslage, die physikalischen Gesetze und Theorien zu verallgemeinern, um Beobachtungsdaten, die bestimmte Erscheinungen charakterisieren, erklären zu können. Gerade solch eine Notwendigkeit entstand durch die Erforschung nichtstationärer Prozesse in Kernen von Galaxien und quasistellaren Objekten. Niemals in der Vergangenheit befaßte sich die Physik und Astronomie in solchem Maße mit Konzentrationen so großer Massen in verhältnismäßig kleinem Volumen. Es handelt sich um Massen in der Größenordnung von 1010 Sonnenmassen undmanchmal noch größer, konzentriert in einem Volumen, das viel kleiner ist als das Volumen irgendeines Sternhaufens. Es geht um die Umwandlung von Materie, wobei sich die Dichte millionenfach ändert und die Stärke des Gravitationsfeldes beispiellose Größenordnungen erreichen kann. Wir haben keine Garantie und können auch gar keine haben, daß die uns bekannten Gesetze der Physik auch unter diesen Bedingungen streng gelten. Es wäre daher nicht verwunderlich, wenn sich herausstellen sollte, daß die gegenwärtig vorhandenen großen Schwierigkeiten bei der theoretischen Deutung einer Reihe nichtstationärer Prozesse im Laufe der Zeit in direkte Widersprüche zu den uns bekannten Gesetzen der theoretischen Physik hinüberwachsen.

1.4.

Nichtstationarität — eine gesetzmäßige Phase der kosmogonischen Prozesse

Die Dauer der kosmogonischen Prozesse ist in der Mehrheit der Fälle vergleichsweise groß gegenüber dem Zeitraum astronomischer Beobachtungen, so daß keine unmittelbaren Veränderungen, welche ein Ergebnis dieser Prozesse wären, bemerkt werden können. Trotzdem gibt es im Leben kosmischer Körper und ihrer Systeme auch Etappen, in denen in den Körpern im Laufe eines bestimmten Ent-

1.4. Nichtstationarität

— gesetzmäßige Phase

11

wicklungsprozesses neue Kräfte entstehen, die in der Lage sind, den Zustand der Körper und Systeme gründlich zu ändern. Genau in einem solchen Fall sagen wir, daß sich das Objekt in einem nichtstationären Zustand befindet. Die Geschwindigkeit, mit der solche Ereignisse ablaufen, erlaubt es uns, diese Veränderungen unmittelbar zu beobachten (Ausbrüche von Novae, Supernovae u. a.) und eventuell Schlüsse aus sehr vielen indirekten Daten zu ziehen (Zerfall von Sternhaufen und Sternassoziationen, Ausbrüche von Galaxienkemen). In der Geschichte der Wissenschaften gibt es ein interessantes Kuriosum: Die Astronomen, welche die Rolle nichtstationärer Objekte in der kosmischen Evolution nicht verstanden, schlössen gewöhnlich auch gern die Augen vor Schwierigkeiten, die mit deren Deutung verbunden waren. Sie betrachteten diese Objekte als „Mißgeburten" gegenüber einer allgemein gesetzmäßigen Entwicklung. Es ist zum Beispiel bekannt, daß Ende des vergangenen Jahrhunderts die Hypothese verbreitet war, derzufolge Novae ausschließlich das Ergebnis der seltenen Erscheinung eines Zusammenstoßes zweier Sterne sind. Es wurde völlig außer acht gelassen, daß sie — wie wir heute wissen — auch das Ergebnis von Gesetzmäßigkeiten der Sternentwicklung sind. Der gleiche Fall wiederholte sich bei den Radiogalaxien, nur in vielleicht noch kläglicherer Form. Wieder hielt man die Radiögalaxien einer Zeitlang für das Ergebnis des Zusammenstoßes von zwei Galaxien, obwohl von Anfang an klar war, daß die statistischen Daten solchen Vorstellungen widersprechen. Richtig ist jedoch der entgegengesetzte Standpunkt, daß nichtstationäre Prozesse eine gesetzmäßige Phase der kosmischen Entwicklung darstellen. Jedoch ist zu jedem Zeitpunkt der Anteil der kosmischen Objekte, die eine Wende ihrer Entwicklung durchmachen, gewöhnlich klein. Sie ist in jedem Fall bei weitem kleiner als der Anteil der Objekte, die sich in stationärem Zustand befinden (z. B. ist die Zahl der Sterne in Assoziationen klein im Verhältnis zur Zahl der Sterne im allgemeinen Sternfeld der Galaxis). Die Erforschung der Röntgenquellen und der Pulsare in der Galaxis ließ keinen Zweifel daran, 1., daß diese Objekte überdichte Körper sind und 2., daß sie nichtstationär sind. Es ist interessant, zu bemerken, daß in der Regel Nichtstationarität gerade dann auftritt bzw. nicht auszuschließen ist, wenn in einem kleinen Volumen eine verhältnismäßig große Masse vorhanden ist. Nichtstationäre Zustände stellen gewöhnlich eine jähe Wende in der Entwicklung eines Objekts dar. Sie sind mit der Geburt neuer Körper (z. B. Sternassoziationen) oder mit dem Übergang des Objekts aus einer Klasse in die andere verbunden (Ausbrüche von Supernovae, die zur Umwandlung des Sterns in einen Nebel führen). Folglich eröffnet eine detaillierte Erforschung nichtstationärer Prozesse oder Übergangserscheinungen den Weg zu einem tieferen Verständnis der Entwicklung kosmischer Objekte. Bis zur Mitte der dreißiger Jahre, als man die ersten wichtigen Hinweise auf nichtstationäre Objekte fand, spielte die Entwicklungsidee in der Astrophysik keine überragende Rolle, obwohl die Mehrheit der Astro-

12 1. Nichtstationäre Objekte im Weltall

phyaiker sehr gut verstand, daß sich ihre Objekte verändern, d. h. entwickeln. Inzwischen ist heute in der ganzen Astrophysik die Vorstellung der Entwicklung der Sterne, Sternhaufen und Galaxien selbstverständlich. Das war unzweifelhaft eines der Ergebnisse der Erforschung nichtstationärer Objekte im Weltall, die mit größter Aufmerksamkeit vorgenommen wurde.

2.

Kosmogonie der Sterne und Galaxien

2.0.

Einleitung

In dem unseren Beobachtungen zugänglichen Teil des Weltalls ist der überwiegende Teil der Materie in Sternen konzentriert, gigantischen glühenden Gaskugeln. Das Licht von Milliarden weit entfernter Sterne fließt in dem hellen Sand der Milchstraße zusammen. Alle diese Sterne bilden gemeinsam mit denen, die einzeln am Himmel zu sehen sind, ein einziges riesiges Sternsystem, die Galaxis. Ein ganz gewöhnliches Mitglied dieses Systems ist auch der uns nächste Stern — die Sonne mit ihrem Planetensystem. Zur Galaxis gehören mehr als hundert Milliarden Sterne. Um viele von ihnen kreisen, ähnlich wie um die Sonne, kalte Körper — Planeten. Die planetare Materie nimmt in der Galaxis einen sehr bescheidenen Platz ein. Es sei nur daran erinnert, daß 99,86 Prozent der Masse des gesamten Sonnensystems in der Sonne selbst vereinigt sind. So gesehen ist die Sonne ein Einzelstern. Neben Einzelsternen begegnen uns in der Galaxis Stemgruppierungen, die durch ihre gegenseitige Anziehung miteinander verbunden sind, und zwar Doppelsterne, dreifache und höhere Systeme, Sternhaufen und Assoziationen. Außer den Sternen gibt es in der Galaxis viele Gebilde, die aus verdünnter oder „diffuser" Materie bestehen, aus Gas und Staub. Die diffuse Materie tritt in Form verschiedenartiger Xebel auf, und zwar als relativ dichte Gaswolken mit einer gewissen Staubbeimengung und als interstellares Gas- und Staubmedium von „flockiger" Struktur. Die Entwicklung der astronomischen Beobachtungstechnik im 3. Jahrzehnt unseres Jahrhunderts führte zur Entdeckung anderer Galaxien im kosmischen Raum, die man bis dahin für Nebel gehalten hatte. In dem Teil des Weltalls, der gegenwärtig mit den größten Teleskopen überschaubar ist, befinden sich über hundert Millionen Galaxien. In den meisten Fällen sind die Galaxien Mitglieder physischer Gruppierungen, wie mehrfacher Systeme und Galaxienhaufen. Ähnlich wie in unserer unmittelbaren Umgebung ein großer Teil der beobachtbaren Materie in Sternen konzentriert ist, ist die Mehrzahl der Sterne in Galaxien zu finden. In dem unserer Beobachtung zugänglichen Teil des Weltalls kommt die uns bekannte Materie also in drei wesentlichen Formen vor, als stellare, diffuse und planetare Materie. Alle Ergebnisse der modernen beobachtenden Astronomie zeigen, daß von allen

14

2. Kosmogonie

der Sterne und

Galaxien

oben angeführten Existenzformen der Materie die stellare eine besondere Rolle in der Entwicklung der Materie in der Galaxis spielt. Sie stellt nicht nur den größten Teil der Materie in der Galaxis dar, sondern hat auch eine wesentliche Bedeutung bei der Entwicklung der anderen Materieformen.1) Die erfolgreiche Lösung von Fragen der Stellarkosmogonie hat deshalb prinzipielle Bedeutung für die Kosmogonie der anderen Materieformen in der Galaxis, ganz besonders für die Kosmogonie der Planeten. Das Problem der Entstehung und Entwicklung von Sternen in der Galaxis ist andererseits auf das engste mit der Frage nach der Entstehung der Galaxis selbst verbunden. Die Entwicklung der Stellarkosmogonie hängt deshalb in vielem vom Entwicklungsstand unserer Vorstellungen über die Entstehung und Entwicklung von Galaxien ab. In der modernen Kosmogonie gibt es zwei scharf voneinander getrennte Richtungen, die das Problem der Entstehung von Sternen und Sternsystemen grundsätzlich verschieden angehen. Die alte, klassische Richtung geht von spekulativen hypothetischen Vorstellungen über die Entstehung und Entwicklung von Sternen und Sternsystemen aus. Die neue Richtung, die besonders erfolgreich in der Sowjetunion entwickelt wird [1—4], gründet umgekehrt ihre Gedanken über den Prozeß der Sternbildung und die möglichen Wege der Sternentwicklung auf Verallgemeinerungen von Beobachtungstatsachen über die Erscheinungen, die in den Sternen und ihren physikalischen Gruppierungen vor sich gehen, angefangen bei den Mehrfachsternen und Sternhaufen bis zu den Galaxien. Die moderne Astrophysik zeichnet sich durch das Aufkommen und die schnelle Entwicklung eben dieser neuen Richtung aus. Sie bewies ihre Fruchtbarkeit durch die neuen Erkenntnisse, die in letzter Zeit auf Grund der Verallgemeinerung einer riesigen Menge von Beobachtungsniaterial über die Entwicklungswege von Sternen und Sternsystemen gewonnen wurden. Es gelang nicht nur die Erklärung vieler bekannter Erscheinungen, sondern auch die Vorhersage neuer Phänomene, die mit den Sternbildungsprozessen in der Galaxis zusammenhängen. In den Arbeiten der modernen Richtung wird Instabilitätserscheinungen sowohl in Einzelstemen als auch in Sternsystemen besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Akademiemitglied AMBARZUMJAN [3] wies auf die große Bedeutung solcher Untersuchungen für die Kosmogonie hin: „Bekanntlich sind Widersprüche ein wichtiges Stimulans eines jeden Entwicklungsprozesses in der Natur. Diese Widersprüche treten dann besonders hervor, wenn sich ein System oder ein Körper in einem instabilen Zustand befindet, wenn in ihm gegenläufige Kräfte streiten und wenn sich Körper oder Systeme an kritischen Punkten ihrer Entwicklung befinden. Aus

1

) Wie im weiteren noch gezeigt wird, besteht außerdem begründeter Anlaß zu der Annahme, daß es noch andere, bisher nicht bekannte Materieformen gibt, die eine wichtige Rolle in dem komplizierten Entwicklungsprozeß der gesamten Materie spielen, insbesondere bei der Entstehung der stellaren Form der Materie in der Galaxis.

2.0. Einleitung

15

diesem Grund ist die Untersuchung von Sternen und Sternsystemen in instabilen Zuständen von besonderem Interesse für die Stellarkosmogonie. Die Geschichte der Astronomie zeigt, daß das Erkennen von Erscheinungen, die wir im Weltall beobachten, in zwei aufeinanderfolgenden Schritten vor sich geht: im ersten wird ein Bild des Ablaufes der Erscheinungen entworfen, im zweiten wird dieses theoretisch gedeutet. Leider kommt es jedoch häufig vor, daß die theoretischen Astrophysiker eine Theorie der zu untersuchenden Erscheinungen entwickeln und dabei das erste, äußerst wichtige Stadium überspringen. Dieses Verfahren ist für viele moderne kosmogonische Theorien der klassischen Richtung charakteristisch. Wir denken hier insbesondere an eine Theorie, die von H O Y L E [5] von der Cambridger Schule vertreten wird, ferner an die kosmogonische Theorie des deutschen Wissenschaftlers VON WEIZSÄCKER [6]. Diese Autoren entwickeln ihre Theorie recht häufig völlig losgelöst von Beobachtungsdaten und beschäftigen sich zeitweise nur mit der mathematischen Seite der Fragen. In den meisten Fällen führt dies zu Widersprüchen mit der Beobachtung. Recht gut wird die Art des Herangehens an kosmogonische Probleme durch ein unfreiwilliges Eingeständnis H O Y L E S charakterisiert, daß „die Schwierigkeit nicht darin besteht, eine Erklärung für einen Prozeß zu erdenken, sondern darin, unter den verschiedenen sich anbietenden Möglichkeiten auszuwählen" [7]. In modernen Untersuchungen der klassischen Richtung wird bei der Konstruktion spekulativer Schemata über die Sternentstehung und Sternentwicklung in einigen Fällen versucht, die tatsächlichen Gegebenheiten zu berücksichtigen. Hierher gehört zum Beispiel die von GORT und SPITZER [ 8 , 9 ] ausgearbeitete Theorie zur Entstehung von Sternassoziationen. In der Mehrzahl der Fälle stehen die Untersuchungen der klassischen Richtung jedoch im Widerspruch zu den Beobachtungsdaten und führten bisher nicht zu den gewünschten Resultaten, da versucht wird, gleich auf alle wesentlichen Fragen der Stellarkosmogonie eine Antwort zu finden. Als Beispiel sei die Theorie VON WEIZSÄCKERS angeführt [6]. In einer einzigen Arbeit versucht dieser Autor, den gesamten Komplex der Kosmogonie zu erklären, vom Ursprung und von der Entwicklung der Sterne und Planeten bis zur Entstehung und Entwicklung der Galaxien. V O N WEIZSÄCKER nimmt hierbei für die Entstehung von Systemen ganz verschiedener Größenordnung und Struktur (Sonnensystem, Sternhaufen, Galaxien) ein und denselben Mechanismus an: eine Differenzierung von Turbulenzzellen verschiedener Größen im primären diffusen Medium mit nachfolgender Kondensation der so entstandenen Materieklumpen. AMBARZTJMJAN bemerkte hierzu [ 1 0 ] : „Dem unkritischen Leser könnte es scheinen, daß nach zwei, drei weiteren Artikeln VON WEIZSÄCKERS alle Probleme der Astrophysik leicht und schnell gelöst sein werden, worauf es in dieser Wissenschaft nichts mehr zu tun geben wird." Eine tiefergehende Betrachtung dieser Theorie zeigt jedoch die Fehlerhaftigkeit der Anwendung einer immer gleichen Methode auf Systeme, die sowohl strukturell, rtiorphologisch als auch von der physikalischen Natur ihrer Mitglieder her durchaus verschieden sind. Damit erweist sich

16

2. ¡Cosmogonie der Sterne und Galaxien

auch die VON WEizsÄGKERsche Theorie unfähig, eine Reihe von Beobachtungstatsachen, die sich auf Sterne und Sternsysteme beziehen, zu erklären. Eine ernsthafte Schwierigkeit kosmogonischer Untersuchungen liegt darin, daß die Zeiträume, in denen wesentliche Veränderungen im Zustand der kosmischen Körper vor sich gehen (außer bei Supernovaausbrüchen und beim Zerfall von Kometen), nicht nur die Lebensdauer eines Beobachters um ein Vielfaches übersteigen, sondern auch die gesamte Geschichte astronomischer Beobachtungen, Daraus folgt, daß Fragen der Bildung und Entwicklung von Sternen und Galaxien nicht gelöst werden können, wenn wir nicht Daten über Steme und Galaxien haben, die sich in verschiedenen Stadien ihrer Entwicklung befinden. Zum Beispiel können nur aus der Gegenüberstellung von Beobachtungen, die sich auf verschiedene Entwicklungsstadien der Galaxien beziehen, Folgerungen über die Entwicklung dieser Systeme erhalten werden. Eine wichtige Etappe jeder ernsthaften kosmogonischen Untersuchung ist deshalb die Suche nach tatsächlichen Hinweisen auf die Existenz verschiedener Entwicklungsstadien des gegebenen kosmischen Gebildes. Unter den beobachteten Zuständen der Sterne müssen z. B. Entwicklungsunterschiede gefunden werden, also Fälle, in denen die Verschiedenheit der Zustände nur aus einem Altersunterschied resultiert. Wenn die Beobachtungen solche Unterschiede nicht liefern, ist eine vollständige Lösung des Problems der Entstehung und Entwicklung von Sternen in der Galaxis praktisch ausgeschlossen, und wir müssen uns mit nur spekulativen Konstruktionen denkbarer Entwicklungswege der Sterne zufriedengeben. Wenn aber überzeugende Hinweise auf die Existenz realer Entwicklungsunterschiede in den Zuständen der kosmischen Gebilde vorhanden sind, dann reduziert sich die zweite Untersuchungsetappe auf das Aussuchen von Entwicklungsfolgen aus der beobachteten Menge von Zuständen, die die Sterne während ihres Lebens durchlaufen. Genau diesen Weg verfolgte die Entwicklung der neuen Richtung in der modernen Stellarkosmogonie. In diesem Kapitel werden wir. in drei Abschnitten, die modernen Vorstellungen über Entstehung und Entwicklung von Sternen und Sternsystemen darlegen. Im ersten Abschnitt werden wir kurz die Beobachtungsdaten über Sterne und Sternsysteme zusammenstellen, während in den folgenden beiden Abschnitten die Fragen ihrer Entstehung und Entwicklung betrachtet werden. Die Darstellung wird im wesentlichen den neuen Vorstellungen folgen, die hauptsächlich im Astrophysikalischen Observatorium Bjurakan der Akademie der Wissenschaften der Armenischen SSR von AMBARZUMJAN und seinen Schülern erarbeitet wurden. Diese Vorstellungen sind in ihrer ursprünglichen Form in Vorträgen von AMBABZUMJAN auf dem Symposium über Sternentwicklung in Rom (während der VIII. Generalversammlung der Internationalen Astronomischen Union 1952) [3] und auf der Solvay-Konferenz 1958 über Probleme der Metagalaxis in Brüssel [4]

2.1. Sterne und Galaxien

17

enthalten. Wir verwenden im folgenden ausgiebig diese Vorträge, ohne immer direkt darauf hinzuweisen. In der Kosmogonie konnte in letzter Zeit die Richtigkeit und Fruchtbarkeit dieser neuen Vorstellungen vielfach bestätigt werden. Über einige prinzipielle Fragen der Stellarkosmogonie und der Kosmogonie der Galaxien besteht vorläufig noch keine einheitliche Meinung. Einige Male sind strittige Fragen besonders angemerkt. 2.1.

Sterne und Galaxien

Sterne. Die chemische Zusammensetzung aller Sterne gleicht im Mittel der chemischen Zusammensetzung der Sonne: Etwa 70 Masseprozent sind Wasserstoff 28 Prozent Helium und 2 Prozent alle übrigen Elemente. Nur bei sehr wenigen Sternen werden wesentliche Abweichungen von dieser mittleren chemischen Zusammensetzung beobachtet. Wegen der fast gleichartigen chemischen Zusammensetzung der Sterne ist ihr Zustand durch nur drei Größen vollständig bestimmt: Leuchtkraft 1 ) (Strahlungsleistung), die im allgemeinen in Einheiten der Sonnenleuchtkraft gemessen wird, Radius und Masse. Obwohl sich die Sterne in sehr verschiedenartigen Zuständen befinden, sind diese Parameter voneinander abhängig. Wir kennen Sterne, deren Leuchtkraft um das Hunderttausendfache die der Sonne übertrifft, und auch solche, die ebensovielmal schwächer sind als die Sonne. Beispielsweise liegt die Leuchtkraft des Sternes S Doradus fast eine Million mal über der Sonnenleuchtkraft, während der Begleiter von Wolf 1055 um das 700000fache schwächer ist als die Sonne. Die Leuchtkräfte variieren also im Verhältnis 1:10 11 und mehr. Die Radien der Sterne unterscheiden sich wesentlich weniger. Der Radius des größten uns bekannten Sternes, der infraroten Komponente des Doppelstemes e Aurigae, übertrifft den der Sonne um das 3000fache, während der Radius der kleinsten Sterne, der Weißen Zwerge, manchmal nicht größer ist als der des Mondes. d. h. den 400. Teil von dem der Sonne beträgt. Folglich unterscheiden sich die Radien der Sterne vielleicht um das 10efache. Die Massen der Sterne unterscheiden sich noch weniger: Von einigen zehn, sehr selten einigen hundert bis zu zehntel und hundertstel Sonnenmassen. Das maximale Massenverhältnis ist also von der Größenordnung 104. Ein wichtiger Parameter und eine Quelle sehr verschiedenartiger Information über einen Stern ist sein Spektrum. Die Spektren der Mehrzahl der Sterne bilden Anstelle der Leuchtkraft verwendet man im allgemeinen die absolute Helligkeit . Die Helligkeit eines Sterns wird in einer logarithmischen Skala gemessen: Einem Unterschied von 5 Größenklassen entspricht ein Helligkeitsverhältnis von 100. Die absolute Helligkeit ist diejenige Helligkeit, die auf eine Entfernung des Sternes von lOParsec bezogen ist (ein Parsec = 3.26 Lichtjahre = 3.08 • 1013 km). Es gibt, in Abhängigkeit von der spektralen Empfindlichkeit des Empfängers, verschiedene Helligkeiten: visuelle, photographische u. a. Die Differenz zweier Helligkeiten aus verschiedenen Spektralgebieten charakterisiert die Farbe des Sternes und heißt Farbindex.

2.1. Sterne und Galaxien

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enthalten. Wir verwenden im folgenden ausgiebig diese Vorträge, ohne immer direkt darauf hinzuweisen. In der Kosmogonie konnte in letzter Zeit die Richtigkeit und Fruchtbarkeit dieser neuen Vorstellungen vielfach bestätigt werden. Über einige prinzipielle Fragen der Stellarkosmogonie und der Kosmogonie der Galaxien besteht vorläufig noch keine einheitliche Meinung. Einige Male sind strittige Fragen besonders angemerkt. 2.1.

Sterne und Galaxien

Sterne. Die chemische Zusammensetzung aller Sterne gleicht im Mittel der chemischen Zusammensetzung der Sonne: Etwa 70 Masseprozent sind Wasserstoff 28 Prozent Helium und 2 Prozent alle übrigen Elemente. Nur bei sehr wenigen Sternen werden wesentliche Abweichungen von dieser mittleren chemischen Zusammensetzung beobachtet. Wegen der fast gleichartigen chemischen Zusammensetzung der Sterne ist ihr Zustand durch nur drei Größen vollständig bestimmt: Leuchtkraft 1 ) (Strahlungsleistung), die im allgemeinen in Einheiten der Sonnenleuchtkraft gemessen wird, Radius und Masse. Obwohl sich die Sterne in sehr verschiedenartigen Zuständen befinden, sind diese Parameter voneinander abhängig. Wir kennen Sterne, deren Leuchtkraft um das Hunderttausendfache die der Sonne übertrifft, und auch solche, die ebensovielmal schwächer sind als die Sonne. Beispielsweise liegt die Leuchtkraft des Sternes S Doradus fast eine Million mal über der Sonnenleuchtkraft, während der Begleiter von Wolf 1055 um das 700000fache schwächer ist als die Sonne. Die Leuchtkräfte variieren also im Verhältnis 1:10 11 und mehr. Die Radien der Sterne unterscheiden sich wesentlich weniger. Der Radius des größten uns bekannten Sternes, der infraroten Komponente des Doppelstemes e Aurigae, übertrifft den der Sonne um das 3000fache, während der Radius der kleinsten Sterne, der Weißen Zwerge, manchmal nicht größer ist als der des Mondes. d. h. den 400. Teil von dem der Sonne beträgt. Folglich unterscheiden sich die Radien der Sterne vielleicht um das 10efache. Die Massen der Sterne unterscheiden sich noch weniger: Von einigen zehn, sehr selten einigen hundert bis zu zehntel und hundertstel Sonnenmassen. Das maximale Massenverhältnis ist also von der Größenordnung 104. Ein wichtiger Parameter und eine Quelle sehr verschiedenartiger Information über einen Stern ist sein Spektrum. Die Spektren der Mehrzahl der Sterne bilden Anstelle der Leuchtkraft verwendet man im allgemeinen die absolute Helligkeit . Die Helligkeit eines Sterns wird in einer logarithmischen Skala gemessen: Einem Unterschied von 5 Größenklassen entspricht ein Helligkeitsverhältnis von 100. Die absolute Helligkeit ist diejenige Helligkeit, die auf eine Entfernung des Sternes von lOParsec bezogen ist (ein Parsec = 3.26 Lichtjahre = 3.08 • 1013 km). Es gibt, in Abhängigkeit von der spektralen Empfindlichkeit des Empfängers, verschiedene Helligkeiten: visuelle, photographische u. a. Die Differenz zweier Helligkeiten aus verschiedenen Spektralgebieten charakterisiert die Farbe des Sternes und heißt Farbindex.

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2. Kosmogonie der Sterne und Galaxien

eine stetige lineare Folge. Auf dieser Eigenschaft der Sternspektren beruht ihre Klassifikation (Abb. 2-1, s. Tafel 1). Diese Klassifikation enthält sieben Hauptklassen und zwei Verzweigungen, die den seltener vorkommenden Spektren entsprechen1): 0 B —> A - > F->- G K - > M; G - > R - > N ; K - > S . Zur detaillierteren Klassifikation zwischen den Hauptklassen, die mit dem Index 0 bezeichnet werden, z. B. BO und AO, gibt es Zehntel Unterklassen (z. B. B l , B 2 , B 3 , . . . , B9). Die Spektralklasse eines Sternes ist im wesentlichen ein Maß seiner Temperatur. Die Temperatur der Sterne fällt entlang der Spektralfolge von 40000—30000 K (O-Sterne) bis 2 0 0 0 K (M-Sterne). Die Sterne der Spektralklassen O und B heißen deshalb auch heiße (blaue) Sterne, die der Spektralklassen K bis M kalte (rote) Sterne. Der hellste Stern am .Himmel, der Sirius, ist ein weißer Stern (Spektralklasse A, 10000 K), unsere Sonne ein gelber (Klasse G, 6000 K). Außer der Temperatür hat auch der atmosphärische Druck oder die Schwerebeschleunigung in der Sternatmosphäre einen wesentlichen Einfluß auf das Aussehen des Spektrums. Mit anderen Worten, die Spektren sehr kleiner und sehr großer Sterne der gleichen Temperatur unterscheiden sich deutlich voneinander. Auf diesen Unterschieden beruht die Klassifikation der Leuchtkräfte der Sterne nach ihren Spektren. Daraus entstand die zweidimensionale Spektralklassifikation, die von den amerikanischen Astronomen MOEGAN, K E E N A N und K E L L M A N ausgearbeitet wurde (MKK-Klassifikation) [11]; sie hat gegenwärtig eine sehr weite Verbreitung gefunden. Der Däne H E B T Z S P R U N G und unabhängig von ihm der Amerikaner R U S S E L L entdeckten 1911—1913 einen Zusammenhang zwischen Spektrum und Leuchtkraft. Sie fanden, daß nicht alle Kombinationen von Leuchtkraft und Spektruni in der Natur vorkommen. Es zeigte sich, daß in dem Diagramm, in dem das Spektrum über der Leuchtkraft aufgetragen ist, oder auch in den verwandten Farben-Helligkeitsdiagrammen (Abb. 2-2)2) sehr wenige blaue Sterne geringer Leuchtkraft (Weiße Zwerge) vorkommen3), während die roten mich ihren Leuchtkräften in zwei Gruppen zerfallen: die Mehrzahl liegt innerhalb eines gut definierten Bandes, der Hauptreihe, und eine nur geringe Zahl roter Sterne hoher LeuchtAn die Spektralklasse O schließen die WoLF-RAYET-Steme (WR) an; sie unterscheiden sich von den' O-Sternen durch sehr intensive und breite Emissionslinien, hervorgerufen durch stetige Materieausströmung von den Oberflächenschichten dieser Sterne. 2 ) Meistens ist es wesentlich einfacher, den Zusammenhang zwischen der absoluten Helligkeit (für Haufen und physische Sterngruppen einfach die scheinbare Helligkeit) und der Farbe (Farbindex) zu erhalten, da die Messung des Farbindexes — der durch das Spektrum bestimmt ist — eine einfachere Aufgabe ist. Gegenwärtig besitzt das Farbsystem von JOHNSON und MOBGAN [12] die weiteste Verbreitung : U (ultraviolett), B (blau), V (visuell); wegen seiner engen Korrelation mit der MKKSpektralklassifizierung besitzt es wesentliche Vorteile gegenüber anderen Farbsystemen. 3 ) Es zeigte sich später, daß diese Seltenheit scheinbar ist und dadurch hervorgerufen wird, daß die Weißen Zwerge wegen ihrer geringen Leuchtkraft nur in geringen Entfernungen von der Sonne beobachtet werden können [1^].

2.1. Sterne und Galaxien

0,U 0,8 Farbindex

19

1,2 B-V

Abb. 2-2. Farben-Helligkeitsdiagramm der Sterne näher als 20 po [13]. Im Digaramm sind die Hauptreihe, einige rote Kiesen und Weiße Zwerge vertreten. Einheit der Leuchtkraft ist die Sonnenleuchtkraft

Spektralklasse

Abb. 2-3. Schematisches HEBTZSPBUKO-RÜSSELL-Diagramm, das die zweidimensionale MKK-Spektralklassifikation charakterisiert. Erklärungen im Text

20

2. Kosmogonie der Sterne und Galaxien

kraft bildet eine getrennte Gruppe, den Riesenast. Besonders helle, äußerst seltene rote Sterne bilden den Überriesenast. Parallel zur Verbesserung der Meßgenauigkeit bei der Bestimmung von Spektralklassen und Leuchtkräften wurde später eine noch detailliertere Unterteilung der Sterngruppen nach Leuchtkraftklassen in diesem HERTZSPRUNG-RUSSELL Diagramm (HRD) vorgenommen (Abb. 2-3). Beispielsweise zeigten die Arbeiten des Amerikaners K U I P E R [ 1 6 ] und des sowjetischen Astronomen PABENAGO [ 1 7 ] , daß eine Gruppe von Sternen in einem Streifen parallel unter der Hauptreihe (V) liegt. Diese Gruppe ist die Unterzwergenreihe (VI). Der Riesenast wurde in drei Leuchtkraftklassen eingeteilt: die hellen Riesen (II), die schwachen Riesen (III) und die Unterriesen (IV). Die Überriesen zerfallen ihrerseits in die Gruppe der hellen Überriesen (Ia) und der schwachen Überriesen (Ib). Schließlich wurden auch unter den Weißen Zwergen helle (VII a) und schwache gefunden (VII b). Der sowjetische Wissenschaftler WORQXZOW-WELJAMINOW [ 1 8 ] führte außerdem noch eine sogenannte weiß-blaue Sequenz ein, die sich von den heißen überriesen zu den Weißen Zwergen erstreckt (0—0). Zur Bezeichnung einer Klassifikation nach dem MKlv-System wird nach der Spektralklasse die Leuchtkraftklasse angegeben. Für die Sonne haben wir z. B. G2V, für Sirius A1V, für Rigel B S I a , für Aldebaran K 5 I I I . Die Tatsache, daß die verschiedenen Leuchtkraftklassen im HERTZSPRUNGRussELL-Diagramm auf voneinander getrennten Linien angeordnet sind, ist Ausdruck einer wichtigen Gesetzmäßigkeit: Sterne einer gegebenen Spektralklasse können nur Leuchtkräfte in einem eng begrenzten Bereich annehmen. Der amerikanische Wissenschaftler 0 . STRUVE [19] gibt folgende Abschätzung für die Anzahl der Sterne, die zu den einzelnen Ästen des HRD gehört. Die Mehrzahl der Sterne in der Galaxis, etwa 10 u , gehört der Hauptreihe an. Am verbreitetsten unter ihnen sind die Zwergsterne der Spektralklassen M und K. Die Gesamtzahl der Weißen Zwerge beträgt etwa 109—1010, die Zahl der gewöhnlichen Riesen über 107, die der Überriesen etwa 104. Die Gesamtzahl der Unterzwerge entspricht vermutlich der Zahl der Weißen Zwerge. Die Verteilung der relativen Anzahlen der Sterne verschiedener Leuchtkräfte wird durch die sogenannte Leuchtkraftfunktion wiedergegeben. Sie zeigt, daß die Anzahl der Sterne beim Übergang zu geringen Leuchtkräften stark anwächst (Abb. 2-4). Die Leuchtkraftfunktion enthält wichtige Informationen über die Geschichte der Sternbildung, da die Sternentwicklung mit einer Änderung der Leuchtkräfte verbunden ist. Es wird angenommen, daß die beobachtete Leuchtkraftfunktion in gewisser Weise die primäre Leuchtkraftfunktion und die Entwicklungswege der Sterne widerspiegelt. Eine weitere wichtige Beziehung zwischen den Zustandsgrößen der Sterne ist die Masse—Leuchtkraft-Beziehung. Die Mehrzahl der Sterne genügt dieser Beziehung. Sie zeigt, daß die Leuchtkraft eines Sternes mit seiner Masse wächst :

2.1. Sterne und, Galaxien

21

je massereicher ein Stern, desto größer seine Leuchtkraft. Nur die Weißen Zwerge und offensichtlich eine kleine Anzahl von Sternen anderer Typen weichen von dieser Beziehung ab. Die Masse—Leuchtkraft-Beziehung wird häufig zur Abschätzung von Sternmassen verwendet.1) Die meisten Sterne haben ähnlich wie die Sonne eine praktisch konstante Helligkeit. Es gibt jedoch Sterne, deren Helligkeit sich mit der Zeit bedeutend ändert. Unter diesen sogenannten Veränderlichen Sternen sind für die Probleme

Abb. 2-4. Leuchtkraftfunktion der Sterne. Die Abszisse enthält die photographische absolute Helligkeit [20]

der Sternentwicklung diejenigen am interessantesten, deren Helligkeitsänderung durch physikalische Prozesse in den Sternen selbst bewirkt wird. Nach dem Charakter der Helligkeitsänderung können diese in zwei Gruppen eingeteilt werden [22]: in Pulsationsveränderiiche und eruptive Veränderliche. Die Helligkeitsänderung der Pulsationsveränderlichen wird gewöhnlich durch eine Pulsation des Sternes erklärt, also durch seine mehr oder weniger periodische Kontraktion und Expansion. Alle diese Sterne sind Biesen der Spektralklassen A und später. Unter den pulsierenden Sternen sind wegen ihrer strengen Periodizität der Helligkeitsänderung die Cepheiden (nach dem Namen des Prototyps dieser Klasse, d Cephei) von besonderem Interesse. Sie werden in zwei Gruppen unterteilt: die langperiodischen oder klassischen (mit Perioden von 1—70 Tagen) und die kurzperiodischen oder RR Lyrae-Sterne (mit Perioden unter einem Tag). Obwohl diese Aufteilung formal nur nach der Periodenlänge durchgeführt wurde, hat sie doch einen tieferen Sinn: Die Sterne der beiden Gruppen sind völlig verschieden in bezug auf ihre kinematischen Eigenschaften (Geschwindigkeitsverteilung usw.) und ihre räumliche Verteilung.2) ') Die Masse—Leuchtkraft-Beziehung wurde ausführlich von den sowjetischen Astronomen PARENAGO u n d MASSEWITSCH u n t e r s u c h t [21]. 2

) Die RR Lyrae-Sterne zerfallen ihrerseits wieder in zwei Untergruppen (mit Perioden kleiner als 0.4 Tagen und zwischen 0.4 und einem Tag), die gleichfalls verschiedene räumliche Verteilungen und kinetische Eigenschaften besitzen.

22 2. Koamogonie der Sterne und Galaxien Sowohl die klassischen Cepheiden als auch die R R Lyrae-Sterne dienen wegen des engen Zusammenhanges zwischen ihrer Leuchtkraft und ihrer Periode, sowie wegen ihrer hohen Leuchtkraft, als eine Art Normal-Blinkfeuer im Raum. Eine der sichersten Methoden der Entfernungsbestimmung zu extragalaktischen Systemen, die Cepheiden enthalten, beruht auf dem Vergleich der aus diesem Zusammenhang ermittelten Leuchtkräfte der Cepheiden mit ihrer scheinbaren Helligkeit. In den letzten Jahren wurde den Veränderlichen mit irregulären Helligkeitsänderungen besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Viele von ihnen gehören zu den eruptiven Veränderlichen. Das Interesse an diesen Sternen ist darin begründet, daß sie eine wichtige Stellung in der allgemeinen Kette der Entwicklung der Sterne in der Galaxis einnehmen. In dieser Hinsicht nehmen in der Familie der irregulären Veränderlichen oder, wie man sie auch nennt, der instationären Sterne, der T Tauri-Sterne einen besonders wichtigen Platz ein. Es sind dies Zwergsterne mit Emissionslinien in den Spektren. Für diese Sterne sind unregelmäßige, meist schnelle Helligkeitsänderungen und eine Verbindung mit Staubnebeln typisch. Außer der gewöhnlichen Temperaturstrahlung tritt in den Spektren dieser Sterne zeitweise eine kontinuierliche Emission von offensichtlich nichtthermischer Strahlung auf. Sehr ähnlich den T Tauri-Sternen sind die eruptiven Veränderlichen vom Typ UV Ceti und die HABO-MORGAN-Sterne. Diese befinden sich meistens im Minimum ihrer Helligkeit, nur manchmal leuchten sie plötzlich für einige Minuten auf. Dabei steigt ihre Helligkeit auf das Mehrfache, manchmal bis zum Zehn- und Hundertfachen, an. Dieser Anstieg wird im wesentlichen durch eine starke kontinuierliche Zusatzemission verursacht, die nach dem Ausbruch wieder verschwindet. Zu den eruptiven Veränderlichen gehören auch die Novae und die Supernovae. Die Helligkeit dieser Steme wächst infolge gigantischer Ausbrüche auf das Zehntausend- bis Hunderttausendfache (Novae) und das Milliardenfache (Supernovae) in relativ kurzer Zeit (bis zu einigen Wochen), um danach langsam zum Ausgangswert zurückzukehren. Die Beobachtungen zeigen, daß bei Novae- und Supernovaeausbrüchen der Stern eine Gashiille beträchtlicher Masse abstößt, wodurch um ihn ein Nebel entsteht (Abb. 2-5; s. Tafel 2). Beispielsweise ist der bekannte Krebsnebel der Überrest einer Supernova, die im Jahre 1054 beobachtet wurde. 1 ) Es gibt Novae, bei denen mehrere Ausbrüche beobachtet wurden. Nach K U K A K KTN und P A R E N A G O [23] existiert ein statistischer Zusammenhang zwischen der Amplitude und der mittleren Länge eines Ausbruchszyklus. Die Extrapolation dieses Zusammenhanges gibt für die Intervalle zwischen den Ausbrüchen typischer Novae Werte von mehreren hundert Jahren. Zu Beginn des Jahres 1968 wurden die Pulsare entdeckt, kosmische Radioquellen, die in unserer Galaxis liegen und sich durch sehr hohe Materiedichte ausNach einer Abschätzung von HOYLE [ 5 ] wurde bei diesem Ausbruch eine Energie frei, die etwa der von 10 24 Wasserstoffbomben entspricht.

2.1. Sterne und Galaxien

23

zeichnen. Pulsare zeigen eine außerordentlich schnelle (Größenordnung S.ekunden und weniger) und streng periodische impulsartige Strahlungsänderung. Das Beispiel des Pulsars NP 05321) im Krebsnebel zeigt, daß analoge periodische Änderungen auch in der optischen und in der Röntgenstrahlung der Pulsare auftreten können. Diese bemerkenswerte Eigenschaft der Strahlung der l'ulsare zeigt, daß sie sich in ihren physikalischen Eigenschaften wesentlich von den uns bekannten Sternen unterscheiden. Insbesondere muß die Materiedichte in den Pulsaren ungewöhnlich hoch sein. Systeme von Sternen — kollektive Mitglieder der Galaxis. Wir hatten schon erwähnt, daß die Sterne in der Galaxis häufig physische Systeme bilden — Doppelsterne, dreifache und mehrfache Systeme. Duplizität und Multiplizität sind eine unter den Sternen sehr verbreitete Erscheinung. Nach den Untersuchungen der französischen Astronomen COTJDERC und DANJON [24] ist mindestens die Hälfte der uns nächsten Sterne doppelt oder mehrfach. AMBABZUMJAN [3] nimmt an, daß 2/3 aller Sterne in der Sonnenumgebung Mitglieder weiter Paare sind. Schließlich sind nach KUIPER [25] mindestens 8 0 Prozent aller Sterne der Galaxis Mitglieder von Doppelsternen oder Mehrfachsystemen. Physikalische Systeme von Sternen, die eine große Anzahl von Mitgliedern enthalten, heißen Sternhaufen. Es gibt zwei Typen von Sternhaufen: offene Haufen und Kugelhaufen. Offene Haufen haben einige Dutzend bis einige Hundert Mitglieder. Ihre Form ist häufig nicht regelmäßig (Abb. 2-6, s. Tafel 3). Die Durchmesser dieser Haufen erreichen selten 20—30Parsec. Offene Sternhaufen liegen in der Nähe der Symmetrieebene der Galaxis. Kugelhaufen sind Systeme von hunderttausend und mehr Sternen; sie besitzen eine regelmäßige, fast sphärische Form, die Sterndichte wächst zum Zentrum um ein Vielfaches an (Abb. 2-7, s. Tafel 4). Die Durchmesser der Kugelhaufen liegen zwischen einigen zehn und hundert Parsec. Sehr eigentümlich ist auch die Verteilung der Kugelhaufen im Raum. Sie meiden die Symmetrieebene der Galaxis, befinden sich in großen Abständen von uns und sind um das Zentrum der Galaxis stark konzentriert. Offene Haufen und Kugelhaufen unterscheiden sich auch durch die Art der Sternpopulation. Die ersten enthalten gewöhnlich heiße Riesensterne, während die Kugelhaufen, in denen derartige Sterne nicht vorkommen, immer rote Riesen enthalten. Sternhaufen, sowohl offene als auch kugelförmige, besitzen eine sehr hohe Sterndichte2), die um einen Faktor Zehn und mehr über der Dichte des galaktischen Sternfeldes (Dichte der Einzelsterne) liegt. Auf photographischen Auf1

) XP 0532 ist ein im National Radioobservatorium (USA) entdeckter Pulsar. Die Ziffern geben die Rektaszension an. 2 ) Mit Steinclichte bezeichnet man die Anzahl der Sterne in der Volumeneinheit.

3

Amburznmjan

24

2. Kosmogome der Sterne und Galaxien

nahmen des Sternhimmels heben sie sich deshalb im allgemeinen deutlich von dem Hintergrand des allgemeinen Sternfeldes der Galaxis ab. Es gibt jedoch physikalische Systeme von Sternen, in denen die Sterndichte wesentlich unter der Dichte des galaktischen Sternfeldes liegt, so daß diese Systeme in den Sternen des Hintergrundes untergehen. Sie blieben deshalb lange Zeit unbekannt. I m Jahre 1947 entdeckte AMBARZUMJAN [26, 27] Systeme, die eben diese Eigenschaft der geringen Sterndichte besaßen und von ihm Sternassoziationen genannt wurden. Dies war der Anfang einer neuen, äußerst fruchtbaren Entwicklungsperiode der Sternkosniogonie. Der Ausgangspunkt für die Entdeckung der Sternassoziationen war eine bei den heißen Sternen der Spektralklasse O und B und den Veränderlichen Sternen vom T y p T Tauri deutlieh ausgeprägte Tendenz zur Gruppenbildung. Durch diese Besonderheit in der Verteilung heben sich die Sterne der Sternassoziationen deutlich von dem partiellen galaktischen Hintergrundsfeld nur dieser Klassen ab. Die Sternassoziationen werden nach ihrer Zusammensetzung in zwei Typen eingeteilt: O-Assoziationen (heiße Riesen und Überriesen) (Abb. 2-8, s. Tafel 5) und T-Assoziationen (T Tauri-Veränderliche). Neben den Sternen der Spektralklassen 0 und B gehören zu einer O-Assoziation auch Sterne späterer Klassen. In einigen O-Assoziationen kommen auch WOLFRAYET-Sterne vor [3], Ferner gibt es Hinweise auf den genetischen Zusammenhang von frühen M-Überriesen [29, 30] und vermutlich auch von Sternen des Spektraltyps S [31, 32] mit den O-Assoziationen. O-Assoziationen enthalten im allgemeinen als Kern ein oder mehrere Systeme heißer Sterne hoher Vielfachheit, wie Mehrfaehsysteme besonderer Konfiguration (Trapeztyp), Stemketten und Sternhaufeh. Außerdem enthalten sie im allgemeinen diffuse Nebel. Diese Eigenschaft ist auch für die T-Assoziationen charakteristisch. Nach den Arbeiten des sowjetischen Astronomen CHOLOPOW [33, 34] kommen in T-Assoziationen häufig Mehrfaehsysteme vom Trapeztyp und Sternketten aus T TauriSternen vor. Die Entdeckung einer großen Anzahl von T Tauri-Sternen in O-Assoziationen zeigte, daß viele O-Assoziationen T-Assoziationen enthalten. Nicht alle T-Assoziationen sind jedoch mit O-Assoziationen verknüpft.

Tab. 2-1. Masse und Dichte einiger O-Assoziationen Assoziation

Masse (M0 = i)

Angenommenes Volumen (pc3)

Dichte ( M 0 • pc~3)

CepheusII Perseus I I La eert a

2000

4 • 105 3 • IO4 7 • IO5

0.5 • IO"2 2,0 • IO"2 0,1 • IO-2

600 700

2.1. Sterne und Galaxien 25

Der Durchmesser der 0-Assoziationen liegt (in ihrem dichteren Teil) zwischen 30 und 200 Parsec, während die Durchmesser der T-Assoziationen nur einige zehn Parsec betragen. Die Materiedichte in den Sternassoziationen ist geringer als im allgemeinen galaktischen Feld; sie können infolgedessen keine stabilen stationären Gebilde sein und müssen mit der Zeit zerfallen. Dies zeigt Tabelle 2-1, wo als Beispiel S-

20

'

0

0,U

0,8 Farbindex

1,2

1,6

2,0

B-V

Abb. 2-9. Farben-Helligkeits-Diagramm des sehr jungen O-Haufens NGO 2264. Kreuze bezeichnen veränderliche Sterne und Sterne mit H a -Emission. Die ausgezogene Kurve ist die Hauptreihe [37]. (NGC ist die Bezeichnung f ü r den „New General Catalogue", die Zahl kennzeichnet die Nummer des Objekts in diesem Katalog)

die Massen (M 0 = Sonnenmasse) und Dichten für drei O-Assoziationen nach [35] angegeben sind. Selbst wenn wir die angeführten Dichtewerte, die praktisch obere Grenzwerte sind, verdoppeln, sind diese Dichten in der Assoziation Perseus II noch geringer als die Materiedichte in der Umgebung der Sonne. Die HERTZSPRUNG-RUSSELL-Diagramme der O-Assoziationen und der Sternhaufen, die ihre Kerne bilden (O-Haufen nach der Klassifikation von MARKARJAN [36])1) zeigen, daß die Sterne merklich von der Standardhauptreihe abweichen *) Nach der Entdeckung der Sternassoziationen erarbeitete MARKAKJAN [36] im Astrophysikaiischen Observatorium Bjurakan eine neue Klassifikation offener Sternhaufen. Grundlage war der von ihm gefundene Zusammenhang zwischen deren morphologischen und strukturellen Besonderheiten und den physikalischen Eigenschaften der Mitgliedsterne. Insbesondere zeigte er, daß in der Regel nur solche Haufen Kerne von Sternassoziationen sind, in denen instabile Sternkonfigurationen vorkommen wie Mehrfachsysteme vom Trapeztyp oder Sternketten. Letztere enthalten in alfen untersuchten Fällen mindestens einen Stern der Spektralklasse O oder BO. Die neue Sternhaufenklassifikation wurde bei der Lösung einer Reihe von Problemen der Evolution dieser Systeme verwendet. 3*

26

2. Kosniogotiie

der Sterne und

Galaxien

(Abb. 2-9): Die heißesten Sterne dieser Systeme liegen über der Mittellinie der normalen Hauptreihe [10]. Ähnliehe Abweichungen beobachtet man auch in den HEBTZSPKUNG-RTJSSELL-Diagrammen der T-Assoziationen [38—40]. Die Leuchtkraftfunktion von O-Assoziationen zeigt, daß der Prozentsatz der Sterne niedriger Leuchtkraft wesentlich geringer ist als der Anteil der gleichen Sterne im allgemeinen galaktischen Feld. Sowohl Einzelsterne als auch Mehrfachsysteme, Sternhaufen und Assoziationen (die kollektiven Mitglieder der Galaxis) kreisen um den Schwerpunkt der Galaxis. Jeder Stern, der Mitglied eines physikalischen Systems ist (mehrfache Sterne, Sternhaufen oder Assoziationen), vollführt also zwei Bewegungen: im System um dessen Schwerpunkt und zusammen mit dem ganzen System um den Schwerpunkt der Galaxis. Die Mehrfachsysteme, die drei und mehr Mitglieder enthalten, können nach dem Charakter der Bewegung der Sterne innerhalb des Systems in zwei Gruppen eingeteilt werden: gewöhnliche Systeme, und solche vom T y p des Trapezes im Orion, kurz Trapeztyp genannt. Diese von AMBABZUMJAN und MARKARJAN [41, 42] eingeführte Einteilung hat eine wichtige Bedeutung für die Ivosmogonie und die Stellardynamik. A M ein-

.c •D irreguläre. JEANS

Nach J E A N S S ' Ansicht bestätigt die unterschiedlich starke Konzentration bei elliptischen und spiralförmigen Galaxien dieses Entwicklungsschemas. Die modernen astrophysikalischen Beobachtungsdaten veranlaßten jedoch die Astronomen, die j E A N S s c h e Hypothese abzulehnen. Es zeigte sich nämlich, daß die elliptischen Galaxien aus Sternen bestehen und praktisch keine diffuse Materie enthalten [20, 308], Auch die zentralen Kondensationen der spiral7«

2.3. Ckdaxienentwicldung

89

auf ihre Systeme — Doppel- und Mehrfachsterne, Sternhaufen und Assoziationen — gestattete es, mit großer Zuverlässigkeit die evolutionären Veränderungen in ihnen zu verfolgen. Durch zeitliche Rückwärtsextrapolation der in diesen Systemen ablaufenden Veränderungen war es möglich, Kenntnis von den Anfangszuständen der stellaren Systeme zu erhalten. Die Kombination von stellardynamischen Untersuchungsmethoden mit physikalischen Untersuchungen an Sternen, die sich in verschiedenen Entwicklungsstadien befinden, war eine fruchtbringende Grundlage für prinzipiell wichtige kosmogonische Schlüsse in der neuen Richtung.

2.3.

Probleme der Galaxienentwicklung

Kurzer überblick über die existierenden Hypothesen. Im Jahr 1919 stellte [114] eine Hypothese über die Entstehung von Galaxien unter Benutzung der L A P L A C E s c h e n Idee einer kondensierenden Gaswolke und deren nachfolgendem Zerfall auf. Nach dem J E A N S s c h e n Instabilitätskriterium werden für Kondensationen, die sich in einem gasförmigen Mediuni bilden, bedeutend größere Massen gefordert, als LAPLACE bei seiner Theorie über den Ursprung des Sonnensystems angesetzt hatte. J E A N S ging davon aus, daß die Galaxien durch Kondensation eines verdünnten, den Raum ausfüllenden Gases gebildet werden. Das Ergebnis dieses Verdichtungsprozesses ist zunächst eine riesige, rotierende Gaswolke, die im Laufe des Kondensationsvorganges ihre Rotation vergrößert und sich abplattet. Auf Grand der wachsenden Dichte und der Zunahme der Rotationsgeschwindigkeit beginnt ein Ausströmen von Materie aus der Äquatorregion der Kondensation, in der nach weiterem Zerfall in kleinere Verdichtungen später Sterne entstehen. J E A N S nahm also an, daß die Kerne der Galaxien Gas und Sterne, die sich aus diesem Gas bilden, enthalten, daß sich aber die Spiralarme aus Verdichtungen formieren, die aus dem Kern herausgeworfen werden. Während ihrer Entwicklung verliert die Galaxie allmählich ihre ursprüngliche Gestalt und geht in das Stadium einer irregulären Galaxie über. J E A N S betrachtete die elliptischen Galaxien als Systeme, die völlig aus Gas bestehen, und stellte sich einen Entwicklungsweg für Galaxien in folgender Richtung vor: elliptische spiralförmige —> irreguläre. JEANS

Nach J E A N S S ' Ansicht bestätigt die unterschiedlich starke Konzentration bei elliptischen und spiralförmigen Galaxien dieses Entwicklungsschemas. Die modernen astrophysikalischen Beobachtungsdaten veranlaßten jedoch die Astronomen, die j E A N S s c h e Hypothese abzulehnen. Es zeigte sich nämlich, daß die elliptischen Galaxien aus Sternen bestehen und praktisch keine diffuse Materie enthalten [20, 308], Auch die zentralen Kondensationen der spiral7«

90

2. Kosmogonie der Sterne und Galaxien

förmigen Galaxien besitzen eine stellare Komponente; die kleineren Verdichtungen, die die Spiralarme bilden, stellen Ansammlungen heißer Sterne dar. Man kann jedoch auch gegenwärtig nicht gänzlich die Bedeutung des J E A N S schen Schemas für die Entwicklung der Galaxien verneinen. Ernste Diskrepanzen existieren allerdings über die Richtung dieser Entwicklung. Der holländische Wissenschaftler T E B H A A R [ 3 0 9 ] zum Beispiel betrachtet das Fehlen der Population I-Sterne in den elliptischen Galaxien als Beweis dafür, daß die elliptischen Systeme — im Gegensatz zum jEANSschen Entwicklungsschenia — älter sind als die spiralförmigen. Nach G U B E W I T S C H und L E B E D I N S K I [ 3 1 0 ] haben sich die elliptischen Galaxien aus den spiralförmigen entwickelt; d. h., auch sie nehmen an, daß die Entwicklung der Galaxien in entgegengesetzter Richtung verläuft, als J E A N S vorschlug. Die Hypothese von O O B T [ 5 2 , 3 1 1 ] trägt einen anderen Charakter als die bisher erwähnten Hypothesen über die Entwicklung der Galaxien, weil er die verschiedenen Formen der Galaxien nicht als aufeinanderfolgende Entwicklungsstadien betrachtet, sondern sie als das Ergebnis unterschiedlicher Anfangsbedingungen während der Entstehungsphase der Galaxien ansieht. Nach dem Sturz der JEANSSCHEN Hypothese wurde die schon klassisch gewordene Idee über die Bildung der Galaxien durch Kondensation gasförmiger Materie von den Wissenschaftlern VON W E I Z S Ä C K E R [J. 2 ) Außer bei unserer Galaxis und dem Andromedanebel (5131) sind im Kerngebiet der Galaxie M51 für das Gas Abweichungen von der Kreisbahnbewegung entdeckt worden, was auf Ausströmprozesse hindeutet [339, 340], Es gibt von Seiten der Beobachtung Hinweise auf mögliehe Ausströmvorgänge bei den Galaxien XGC 253, XGC 4939 und XGC 1305. bei denen Gas aus den zentralen Regionen entweicht [91].

2.3. Galaxienentwicklung

99

Zentren der Galaxien, in deren Kernen also, Körper vorhanden sindj die an Masse die gewöhnlichen Sterne um viele Größenordnungen übertreffen und die weder diffuse Nebel noch Sterne sind. Diese Schlußfolgerung bezüglich des Vorhandenseins dichter Körper ungewöhnlich großer Masse in den Zentren einiger Galaxien ergibt sich zwangsläufig aus den Beobachtungsdaten." Die von B A A D E [ 3 4 2 ] entdeckte Polarisation der Strahlung der Verdichtungen im Materiestrahl der Radiogalaxie Virgo A deutet darauf hin, daß diese Kondensationen nicht nur aus Sternen und gasförmiger Materie, sondern auch aus Wolken relativistischer Elektronen bestehen.1) Da es jedoch sehr schwer ist, sich das Vorhandensein all dieser Komponenten in dem Kern einer Galaxie vorzustellen, sollte man annehmen, daß sich nach dem Ausstoß das aus dem Kern herausgeschleuderte Material selbst zu Konglomeraten von Sternen, interstellarem Gas und Wolken energiereicher Partikel umwandelt. Die Radiogalaxie Virgo A ist kein Einzelfall. Es existieren auch andere Galaxien, in denen ein Ausstoß von Materie aus der Kernregion stattfand [347]. Zum Beispiel geht von der sphärischen Galaxie NGC 3561 a ein Materiestrahl aus, der an seinem Ende eine Verdichtung ungewöhnlich blauer Färbung besitzt. Etwa 20 blaue „jets" und Begleiter wurden bei elliptischen Galaxien gefunden [348]. Wegen ihrer blauen Farbe nennt man diese Gebilde blaue Galaxien. Diese blaue Farbe zeugt — unabhängig von ihrer Ursache (viele heiße, blaue Sterne oder kontinuierliche Emission im Violetten) — von einer eigentümlichen Zusammensetzung dieser Objekte und ist ein Merkmal des relativ geringen Alters der blauen Galaxien. Dies liegt eben daran, daß die Farbe der gewöhnlichen Galaxien rot und orange (elliptische Galaxien), gelb oder gelborange (spiralförmige Galaxien) und gclbweiß (irreguläre Galaxien) ist und daß man in der Regel unter den gewöhnlichen Galaxien keine blauen Objekte antrifft. Entsprechend der Vorstellung über die Teilung der Kerne von Galaxien und über das Auseinanderrücken der Komponenten darf man die von Z W I C K Y [ 3 1 9 ] entdeckten Materiefasern und -brücken (die die Komponenten der Melirfachsysteme von Galaxien untereinander verbinden), aber auch die Formen der „weclil)

Für die Deutung der von der Radiogalaxie Virgo A ausgesandten Strahlung (sowohl der Radio- als auch der kontinuierlichen optischen Strahlung des „jets") schlug SCHKLOWSKIJ [343] Synchrotronstrahlung vor. Nach einer im Galaxienkern erfolgten Explosion werden in zwei entgegengesetzte Richtungen Wolken relativistischer Elektronen herausgeschleudert. Diese Elektronen liefern eine besonders intensive Radiostrahlung. Mit wachsender Entfernung von der Galaxie wird die Strahlung schwächer, und die Wolken lösen sich allmählich im Raum auf. Deshalb dauert die Radiostrahlungsphase in der Entwicklung einer Galaxie vermutlich etwa 10° Jahre. Später gelangten RYLE und LONGAIK [344] ebenfalls zu der Überzeugung, daß die Radiostrahlung der Galaxien und Quasare durch den Ausstoß von Wolken relativistischer Teilchen mit Geschwindigkeiten nahe der Lichtgeschwindigkeit hervorgerufen wird. Eine analoge Abschätzung über die Geschwindigkeiten der Radioemissionsgebiete erzielten kürzlich MELIK-ALAWERDJAX und WARDAXJAN [34.5]. Diese Abschätzungen stimmen mit einem früheren Ergebnis von KARDAKCHEW [346] für die Geschwindigkeit der radiostrahlciulen Wolken in der Radiogalaxie Cygnus A überein.

100 2. Koamogonie der Sterne und Galaxien fielwirkenden Galaxien" von WOBONZOW-WEUAMINOW [349, 350] bäufig nicht als Folgeerscheinung einer Gezeitenwechselwirkung betrachten, sondern muß sie als das Ergebnis der sich voneinander entfernenden, aus demselben Kern entstandenen Galaxien betrachten (Abb. 2-61, s. Tafel 36). Aus den angeführten Daten kann man schließen, daß sich neue Galaxien und ihre Strukturelemente (z. B. Spiralarme) auf Kosten der in den Kernen eingeschlossenen Materie bilden, die sich im wesentlichen in einem nichtstellaren Zustand befindet. Eine große Bedeutung in diesem Zusammenhang hat jene Tatsache, daß Radiogalaxien, die ja Uberriesengalaxieo sind, gewöhnlich eine zentrale Lage im Innern von Galaxienhaufen einnehmen. Der komplizierte Aufbau und die räumliche Anordnung der Spiralarme einiger Galaxien können als Beweis dafür angesehen werden, daß in Kernen dieser Galaxien Materieausstoß- und -ausströmprozesse mehrmals abgelaufen sind. Man sollte vermuten, daß sich ein Kern nach einer aktiven Periode beruhigt, aber ein potentielles Zentruni für aktive kosmogonische Prozesse bleibt, die nach einer gewissen Zeit erneut angeregt werden. Offensichtlich dauert die kosmogonische Aktivität der Kerne — gemessen am Gesamtalter einer Galaxie — nicht sehr lange. Deshalb muß es unter den Galaxien Objekte geben, die diese Fähigkeit bereits verloren haben. Es müssen sogar kernlose Galaxien existieren, deren Kernaktivität längst erloschen ist. Andererseits kann man auch annehmen, daß es Galaxien gibt, in denen die kosmogonische Aktivität der Kerne noch nicht in Erscheinung getreten ist. Zu den Galaxien mit beginnender Aktivität muß man offenbar die elliptischen Riesengalaxien und die linsenförmigen zählen. Man darf vermuten, daß sich ein Teil von ihnen in einem frühen Entwicklungsstadiuni befindet und erst in einem späteren Entwicklungsstadium Spiralarme bilden werden. Dieser Vorstellung widerspricht nicht die Tatsache, daß in spiralförmigen Galaxien junge Sterne und Sternassoziationen vorhanden sind; denn die Anwesenheit junger Sterne ist kein Kriterium für das geringe Alter einer Galaxie, weil nicht alle Sterne einer Galaxie zur gleichen Zeit entstehen. Quasare — das Aufangsstadinm in der Entwicklung der Kerne. Dank der Entdeckung der quasistellaren Radioquellen ( = Quasare) durch die amerikanischen

Astronomen GREEXSTEIN und MATTHEWS [351] sowie M. SCHMIDT [352] erhielt

die Vorstellung über die kosmogonische Aktivität der Kerne von Galaxien im Jahre 1963 eine neue bedeutsame Bestätigung. 1 ) Alle Quasare besitzen einen L

) SAXDAGE [353] stellte fest, daß die Mehrzahl der sternförmigen blauen Objekte schwächer als ltf.ffi0 in hohen galaktischen Breiten extragalaktische Objekte sind und eine neue Klasse darstellen. Sie ähneln in ihren optischen Eigenschaften den Quasaren, man hat jedoch keine Radiostrahlung gefunden. Nach SAXDAOE sind diese Objekte rund 500mal häufiger als Quasare. Danach müßten Quasare ein kurzes Stadium in der Entwicklung der quasistellaren Objekte darstellen. Spätere Untersuchungen — insbesondere von KIXMAN [354] — haben gezeigt, daß die Zahl von SAXDAGE ZU hoch geschätzt wurde. Es ist jedoch eine Beobachtungstatsache, daß eine große Anzahl quasistellarer Objekte

2.3. CtaiaxieneiUwielclung 101

Überschuß an ultravioletter Strahlung. Dies kommt zum Beispiel in den Farben der Quasare zum Ausdruck. Zur Veranschaulichung sind in Tabelle 2-15 aus der Liste von G. und E . BUKBIDGE [355] für 15 nahe und 15 weiter entfernte Quasare Tab. 2-15. Rotverschiebung, Farbe und Entfernung einiger Quasare Objekt

s

mv

B— V

U-B

R( Mpc)

Ton 256 3C273 PKS 2135-14 P K S 1217+02 P H L 1098 P H L 1078 3C 249.1 3C 277.1 P K S 2251+11 PKS 1049-09 PKS 1510-08 3C48 3C351 PKS 1229-02 3C 215 3C 270.1 3C 280.1 3C454 3C432 P H L 3424 P H L 938 3C 191 PKS 0119-04 P K S 1148—UO P H L 1127 3C9 P H L 1305 P K S 0100-J-01 P K S 1116+12 P K S 0237 - 2 3

0.131 0.158 0.200 0.240 0.260 0.308 0.311 0.320 0.323 0.344 0.361 0.367 0.371 0.388 0.411 1.519 1.659 1.757 1.805 1.847 1.93 1.953 1.955 1.982 1.990 2.012 2.064 2.107 2.118 2.223

15.91 12.8 15.53 16.53 17.07 18.25 15.72 17.93 15.82 16.79 16.52 16.2 15.28 16.75 18.27 18.61 19.44 18.40 17.96 18.25 17.16 18.4 16.88 17.60 18.29 18.21 16.90 18.39 19.25 16.63

+0.57 +0.21 +0.10 +0.02 +0.05 +0.04 —0.02 —0.17 +0.20 +0.06 +0.17 +0.42 +0,13 +0.48 +0.21 +0.19 —0.13 -(-0.12 +0.22 +0.19 +0.32 +0.25 +0.46 +0.17 +0.14 +0.23 +0.07 +0.15 +0.14 +0.15

—0.84 -0.85 -0.83 —0.87 -1.02 —0.81 -0.77 -0.78 -0.84 -0.49 —0.74 —0.58 —0.75 —0.66 -0.66 -0.61 -0.70 —0.95 —0.79 -0.90 —0.88 -0.84 —0.72 -0.97 —0.83 -0.76 —0.82 -0.70 -0.76 -0.61

523 630 798 957 1037 1229 1241 1277 1289 1372 1440 1464 1480 1548 1640 6060 6618 7009 7200 7368 7699 7791 7799 7907 7939 8026 8234 8425 8449 8868

Anmerkung. Ton, PKS, 3C und P H L sind die Kurzbezeichnungen f ü r die Kataloge 1. des nationalen mexikanischen Observatoriums Tonantzintla, 2. des Parkes Radioobservatoriums (Australien), 3. des Radioobservatoriums der Universität Cambridge (dritter Katalog) und 4. des Palomar Observatoriums (USA). Die der Katalogbezeichnung folgenden Zahlen geben die Nummer des Objekts in dem entsprechenden Katalog an oder die äquatorialen Koordinaten. extragalaktischer Xatur existiert, die sich von den Quasaren nur durch das Fehlen einer merklichen Rndiostrahlung unterscheiden. Wir werden im folgenden den Terminus „Quasar" unabhängig davon benutzen, ob die Objekte Radiostrahlung aufweisen oder nicht.

102

2. Kosmogonie der Sterne und Galaxien

die (B—V)- und (U—B)-Werte aufgeführt und in Abb. 2-62 in einem Zweifarbendiagrannn grafisch dargestellt worden. Die Beobachtungen deuten eine gewisse Korrelation zwischen den Farben ((B—V)- und (U—B)-Werte) der Quasare und der Rotverschiebung an [355]. .bei der Interpretation dieser Abhängigkeit muß man berücksichtigen, daß die Emissionsini ien entsprechend der Größe der Rotverschiebung in verschiedenen

Abb. 2-62. Zweifarbendiagramm von Quasaren. Es zeigt deutlich die ungewöhnlich hohe Intensität der kurzwelligen Strahlung dieser Objekte, deren Lage im Diagramm durch die Kreuze gekennzeichnet ist. Die untere Kurve stellt die Hauptreihe dar, während die Gerade für den schwarzen Körper (bei verschiedenen Temperaturen) gilt

Teilen des Spektrums auftreten und unterschiedlich stark die Farbe der Quasare verfälschen. Jedoch liegt das Farbmittel der Quasare mit Werten von (B—V) = 0. m 35 und ( U — B ) = —0."'(58 [355] nahe der Farbe ihres kontinuierlichen Spektrums; "es charakterisiert deutlich die ungewöhnlich hohe Intensität der ultravioletten Strahlung. ^ In der Tabelle 2-15 sind auch Rotverschiebung c = — und photonietrischo h

Entfernung angegeben. Diese Entfernungen wurden unter der Annahme berechnet, daß die Rotverschiebung kosmologisch, d. h. durch die Expansion der Meta-

2.3. Galaxienentwicklung

103

galaxis hervorgerufen ist. Theoretische Untersuchungen zeigen (siehe z. B. [356]), daß bei großen z-Werten die Abhängigkeit der Entfernung von der Rotverschiebung für verschiedene Weltmodelle unterschiedlich ist. Die aufgeführten Quasarentfernungen wurden für ein Weltmodell mit g0 = ff0= 1 (q0 ~ Beschleunigungsfaktor; cr0 ~ Dichteparameter [35G]) nach der Formel R = —

(2.35)

K

H

'

berechnet, wo c die Lichtgeschwindigkeit und H die HuBBLE-Konstante bedeuten. Beim Übergang zu anderen Weltmodellen muß man die von MCVITTIE [ 3 5 7 ] bestimmten Übergangskoeffizienten benutzen. Bei kleinen Rotverschiebungen sind die Diskrepanzen in den für verschiedene Modelle berechneten Entfernungen unbedeutend, sie wachsen jedoch stark an mit zunehmendem z. Zum Beispiel variieren die Entfernungswerte für den Quasar 3 C 2 7 3 (z = 0 . 1 5 8 ) , der zu den nächstgelegenen gehört, von 571 bis 740 Mpc. Dagegen ergeben sich für den Quasar 3 C 9 (z = 2 . 0 1 2 ) Entfernungen zwischen 4 5 5 8 und 2 4 1 7 4 Mpc. Wenn man annimmt, daß die beobachteten Rotverschiebungen nicht kosmologischer Natur sind, sondern durch die DOPPLEK-Bewegungen der lokalen Objekte oder durch Bewegungen des Gases, das die Quasare umgibt, verursacht werden, so hat man die entsprechenden Radialgeschwindigkeiten aus den beobachteten z-Werten mit Hilfe der Formel

(z + 1)* + 1

(2.36)

zu berechnen. Diese Beziehung folgt aus dem DoppLER-FiZEATJschen Gesetz f ü r relativistische Geschwindigkeiten

?. = * 0

/

(2.37)

Die Formel (2.30) zeigt, daß schon bei z «s: 0.73 die DoppLER-Geschwindigkeit die halbe Lichtgeschwindigkeit erreicht; bei z = 2 beträgt sie 0.8 c. Wenn die Quasare kosmologische Objekte sind, dann stellen sie die weitestentfernten beobachteten kosmischen Objekte im Universum dar. Daraus, folgt, daß sie extrem hohe Radio- und optische Helligkeiten besitzen. Die optische Helligkeit dieser Objekte übersteigt selbst die Helligkeit der Überriesengalaxien beträchtlich. Nachfolgend sind die visuellen scheinbaren und absoluten Helligkeiten von zwei bekannten Quasaren der Helligkeit der normalen Radiogalaxie Cygnus A gegenübergestellt worden. Die Daten stammen von MATTHEWS und SANDAGE 8

Ambarzumjan

104

2. Komiogonie

der Sterne und Galaxien

[358].

3C 48 3C 273 Cygnus A

mv

Mv

16.2 12.6 14.1

-24.9 -26.2 —21.7

Es zeigt sich, daß die Helligkeit von 3 C 4 8 fast 20mal und die Helligkeit von 3C 273 mehr als 60mal größer ist als die Helligkeit der Radiogalaxie Cygnus A, die bekanntlich selber eine Überriesengalaxie ist. Die Interpretation dieser gewaltigen Leuchtkräfte der Quasare im Rahmen der bekannten physikalischen Vorstellungen bereitet in energetischer Hinsieht praktisch unüberwindbare Schwierigkeiten.1) Man versuchte zum Beispiel, die Quasare als Gebilde zu interpretieren, die aus dem Kern unserer Galaxis oder aus den Kernen pekuliarer Galaxien mit annähernd relativistischen Geschwindigkeiten herausgeschleudert worden sind [359—364] ; oder man deutete die Quasare als sehr massive lokale Objekte mit enormen Gravitationsfeldern, in denen die beobachteten Rotverschiebungen entstehen (siehe beispielsweise [355], Seite 104). Ferner entwickelte ABP [365, 366] die Vorstellung, daß Quasare symmetrische Materieauswürfe aus hauptsächlich pekuliaren Galaxien seien. Jedoch blieben alle Versuche erfolglos, die Quasare „näher zu bringen" und sie als „lokale" Objekte zu interpretieren. Gegenwärtig zweifelt man kaum noch an den großen Entfernungen und den daraus abgeleiteten ungewöhnlichen Eigenschaften der Quasare. Eine überzeugende Bestätigung erhielt die Vorstellung über die kosmologisclie Natur der Rotverschiebungen durch die Untersuchungen von ARAKELJAX [367]. Wir gehen auf den Kernpunkt dieser Arbeit näher ein. Wir wollen annehmen, daß die Quasare einer bestimmten Helligkeit im Raum zufällig und im Mittel gleichmäßig entsprechend einer räumlichen Dichte D verteilt sind. Ein Beobachter befinde sich an einem willkürlich gewählten Ort des Raumes. Wir markieren die Reihenfolge der Quasare gemäß ihrer Entfernung vom Beobachter und bezeichnen die Entfernung des i - -ten Objektes mit rk und das Volumen der Kugel mit diesem Radius Vk. Man kann zeigen, daß der mittlere Betrag von Vk gleich ist V k = —. D

(2.38)

Andererseits kann man für die Distanz rk die Partialdichte Dk der Quasare einer gegebenen Helligkeit bestimmen:

' ) Die energetischen Schwierigkeiten bei der Deutung der Strahlung, die die Quasare und die Kerne der Galaxien aussenden, vergrößerten sich erheblich nach der Entdeckung der starken Infrarotstrahlung dieser Objekte (wir kommen darauf zurück).

2.3. Galaxienentwicklung

105

wobei sich Dk mit steigender Nummer k eines Quasars immer mehr der wahren Dichte dieser Objekte nähert. Diese Behauptung ist nur dann richtig, und auch die Gleichung (2.39) liefert nur dann den-korrekten D-Wert, wenn bei der Berechnung kein einziger Quasar übersehen wurde. Eine Übereinstimmung der verschiedenen Dichtewerte, die den wachsenden, aus den Rotverschiebungen berechneten Entfernungen rk der Quasare entsprechen, k a n n dann als Argument f ü r die kosmologische N a t u r dör Rotverschiebungen der Quasare betrachtet werden. Die Resultate der Rechnungen bestätigen die gleichmäßige Verteilung der Quasare in dem betrachteten R a u m und folglich die kosmologische N a t u r der Rotverschiebungen der Quasare; denn dies ist nur dann der Fall, wenn die Entfernung tatiSächlich durch die Rotverschiebung bestimmt ist. Tab. 2-16. Räumliche Dichte Dk — bestimmt nach der Beziehung (2.39) — für Quasare der mittleren Helligkeit lg / 2500 = 23.8 Quasar

z

A • io»

Quasar

z

Dk • 10« (Mpc-S)

8.05 0.47 0.58 0.35

3C 205 3C432 3C191 3C9

1,534 1.805 1.952 2.012

0.41 0.40 0.42 0.47

(Mpc-3)

3C273 3C 175 30454,3 3C298

0.158 0.768 0.860 1.439

Anmerkung. Die Rechnungen wurden durchgeführt mit einer HuBBLE-Konstante H — 100 km/s/Mpc und für ein Weltmodell mit q0 = + 1 . Die Ergebnisse hängen jedoch schwach von dem angenommenen Wert q0 ab [367],

Die Werte in Tabelle 2-16 stammen aus der Arbeit [367]. Zur besseren Veranschaulichung beschränken wir uns hier nur auf diejenigen Resultate, die sich auf Quasare mit einer mittleren Helligkeit lg/25oo=23.8

beziehen; dabei bedeutet / 2S00 die Strahlungsintensität bei der Wellenlänge /. = 2500 A. Die gute Übereinstimmung der Dk-Werte f ü r verschiedene k (in einer Gruppe) zeigt, daß die Quasare in der T a t kosmologische Entfernungen besitzen. Die große Abweichung des Dk-Wertes f ü r den sehr nahen Quasar 3C 273 erklärt sich aus dem statistischen Charakter der angewendeten Methode. Gegenwärtig sind die Spektren von mehr als der Hälfte aller bekannten Quasare untersucht worden. Dabei zeigte sich, daß es in den meisten Spektren Emissionslinien gibt (siehe zum Beispiel [368]). Am häufigsten sind Wasserstofflinien u n d Linien ionisierter Atome mit hohen Ionisationspotentialen. Die Energieverteilung im kontinuierlichen Spektrum der Quasare (Abb. 2-63) deutet darauf hin, daß in der Quasarstrahlung eine nichtthermische Komponente vorhanden ist. 8*

106

2. Kosmogonie der Sterne und Galaxien

Eine bemerkenswerte Besonderheit der Quasare ist die Veränderlichkeit der Strahlung. Eine optische Veränderlichkeit ist mindestens bei einem Dutzend Quasaren festgestellt worden [370—379]. Wenn man jedoch bedenkt, daß die Quasare nur sporadisch beobachtet wurden, ihr Lichtwechsel aber ziemlich häufig registriert worden ist, muß man annehmen, daß die optische Veränderlichkeit eine weitverbreitete Eigenschaft der Quasare ist. 1 ) Die Größenordnung der Amplitude des Lichtwechsels beträgt ungefähr 1.5 mag. Es ist auch die Tatsache zu erwähnen, daß sich in einer Reihe von Fällen die Strahlung der Quasare auch im Radiowellenlängenbereich als veränderlich erwies. Qj

2

0

4

1/Ko

'6

8

Abb. 2-63. Spektrale Energieverteilung von Quasaren in Abhängigkeit von der ruhenden Laboratoriumswellenlänge. Die Ordinate ist logarithmisch geteilt, die Skalenweite ist im Bild gekennzeichnet [369]

Nach [381] sind zum Beispiel die Quasare 3C273, 3 C 2 7 9 und 3 C 3 4 5 bei ?. = 3.75 cm ( = 8000 MHz) veränderlich. Die raschen Änderungen der von den Quasaren kommenden Radio- und optischen Strahlungen liegen größenordnungsmäßig bei einer Woche und darunter. Daneben ist eine Veränderlichkeit in jenen Spektralbereichen gefunden worden, in denen eine beträchtliche Polarisation auftritt [382, 383]. Die kurze Zeitskala des Lichtwechsels im optischen und im Radiowellenlängenbereich weist auf sehr kleine Ausmaße der Quasare hin. Die Grenzen für die Größe der Quasare lassen sich aus der Zeitskala, mit welcher der optische und der Radiostrahlungsstrom variieren, nach R

^

CT

(2.40)

bestimmen [363]. Hier bedeuten: c die Lichtgeschwindigkeit und r die Periode der Helligkeitsschwankungen im Koordinatensystem des Beobachters. Die raschesten Änderungen im optischen Bereich (Wochen und Tage) wurden bei den Quasaren 3 C 3 4 5 [373, 374] und 3 C 4 4 6 [375, 376] beobachtet. Daraus M A>-gione und Smttii [380] schätzten die Helligkeit der 22 hellsten (m < 16. m 6) Quasare ab und benutzten dabei Fotoplatten des Harvard-Observatoriums, die während der letzten 50 bis 70 Jahre erhalten wurden. Alle Quasare erwiesen sich als veränderlich.

2.3. Galaxienentwicklung

107

konnten für diese Objekte Durchmesser von der Größenordnung 1016 cm abgeleitet werden. Die ungewöhnliche Farbe und die Veränderlichkeit, die kleinen Ausmaße und die enorme Helligkeit sind gewichtige Argumente zugunsten der Vorstellung über die ungewöhnliche Natur der Quasare. Nach AMBABZTJMJAN [317] lassen sich diese und andere Eigenschaften der Quasare erklären, wenn man annimmt, daß sie tatsächlich isolierte Kerne sind, die noch kein Sternfeld um sich herum gebildet haben. Man muß diese Objekte als die frühesten Entwicklungsstadien der Galaxien betrachten. Der beobachtete rasche und unregelmäßige Lichtwechsel der Quasare läßt sich nicht erklären, wenn man annimmt, daß die Strahlung dieser Objekte von der stellaren Komponente in ihren Kernen stammt. Vielmehr bestätigt die Variabilität, daß die optische Strahlung der Kerne teilweise, im Falle der Quasare jedoch hauptsächlich nicht durch die Ausstrahlung der stellaren Kernpopulation verursacht wird, sondern durch die Ausstrahlung eines massiven Körpers unbekannter Natur, dessen Helligkeit die der hellsten Überriesensterne millionenfach übertrifft. Es ist evident, daß auch die Massen solcher Körper mindestens eine millionmal größer sein müssen als die Masse der massereichsten Sterne. Diese Schlußfolgerungen stehen in voller Übereinstimmung mit der Vorstellung, daß in den Kernen prästellare Körper hoher Dichte vorhanden sind. Die Galaxien unterscheiden sich durch den Grad der Aktivität ihrer Kerne. Gegenwärtig hat sich umfangreiches Beobachtungsmaterial angesammelt, das direkt oder indirekt dafür spricht, daß nichtstationäre Erscheinungen — also Aktivität der Kerne — praktisch in allen Galaxien vorkommen. Ein Unterschied besteht offenbar nur im Ausmaß der Erscheinungen. Lange bevor die Idee von der Aktivität der Galaxienkerne entwickelt wurde, beschrieb der amerikanische Astronom SEYFERT [384] eine Klasse von Galaxien, die sich bezüglich ihrer Kernspektren deutlich von den zu jener Zeit (1943) bekannten Galaxien unterschieden. Diese Galaxien erhielten die Bezeichnung „SEYFERT-Galaxien". Sie besitzen helle, sternfömige Kerne. In den Spektren dieser Kerne treten außerordentlich breite Emissionlinien auf, die von Atomen hoher Anregungsstufe stammen. Die Untersuchung dieser Kernspektren ergab, daß in den SEYFERT-Galaxien heftige Bewegungen gasförmiger Materie vorkommen. Zum Beispiel erreicht bei der Galaxie NGC 1275 (Perseus A) die Geschwindigkeitsdispersion der inneren Bewegungen einen Wert von 4500 km/s, und sie ist bei den Galaxien NGC 3516, NGC 415 und NGC 7469 mit Werten von 7 5 0 0 bis

8500 km/s sogar noch größer. Häufig haben diese Bewegungen, worauf wir noch eingehen werden, den Charakter von regelrechten Materieauswürfen (jets) aus dem Kern. Einige SEYFERT-Galaxien erwiesen sich später als Radiogalaxien. Hierauf setzte eine weitere Erforschung der bekannten Galaxien dieser Klasse sowie die Suche nach neuen Objekten ein. Es wurde offenkundig, daß die Kerne der SEYFERT-Galaxien eine große kosmogonische Aktivität besitzen.

108

2. Kosmogonie der Sterne und Galaxien

In den folgenden Jahren wurden die sogenannten N-Galaxien entdeckt, die ebenfalls helle, sternförmige Kerne haben. Die meisten der eingehend untersuchten N-Galaxien sind mit starken Radioquellen identifiziert worden. Es ist bemerkenswert, daß es MORGAN [385] für möglich hielt, die klassischen SEYFERT-Galaxien NGC 4051 und NGC 4151 als N-Galaxien zu klassifizieren. Darüber hinaus erwiesen sich viele quasistellare Objekte in der Liste von BRACCESI. LYNDS und SANDAGB [386] ebenfalls als N-Galaxien. Aus dem angesammelten Beobachtungsmaterial folgte eindeutig erstens die Gleichartigkeit der Prozesse, die in den quasistellaren Objekten, in den SEYFEBTGalaxien und in den N-Galaxien ablaufen, sowie zweitens die große Ähnlichkeit der Quasare mit den Kernen der eben genannten Galaxien. Ein großer Fortschritt auf diesem Gebiet wurde durch die Entdeckung und Erforschung der Galaxien mit starker Ultraviolettstrahlung erzielt. Diese UVStrahlung deutet bereits an, daß es sich um Objekte ungewöhnlicher Natur handelt. Schon im Jahre 1956 fand HABO [387] etwa 50 Galaxien, die ein ungewöhnlich intensives Ultraviolettkontinuum besitzen (blaue Galaxien). Die Spektren einiger dieser Galaxien, in denen Emissionslinien beobachtet wurden, erinnern entfernt an die Spektren der SEYFEBT-Galaxien. In diese Zeit fällt auch die in Bjurakan gemachte Entdeckimg der blauen jets und der Begleiter elliptischer Galaxien [347, 348].1) Eine spektrale Untersuchung dieser Phänomene durch STOCKTON [389] zeigte, daß sie hinsichtlich ihrer Spektren den ÜABOschen blauen Galaxien ähnlich sind. Eine viel umfangreichere Klasse von extragalaktischen Objekten, mit anomal großem Ultraviolettexzeß sind die von MABKABJAN [390—392] entdeckten Galaxien. Die Grundlage dieser Entdeckung bildeten Beobachtungen, die am astropliysikalischen Observatorium Bjurakan mit der 1-m-ScHMiDT-Kaniera in Kombination mit dem damals größten Objektivprisma der Welt (Durchmesser 1 m) durchgeführt worden waren. In Himmelsarealen von etwa 2300 Quadratgrad wurden bereits mehr als 500 Galaxien bis 17. Größe gefunden, die einen Ultraviolettexzeß besitzen. Unter den MABKABJAN-Galaxien findet man die verschiedenartigsten Objekte wie etwa HABOsche blaue Galaxien, ZwiOKYsche Kompaktgalaxien, N-Galaxien, SEYFEBT-Galaxien und sogar Quasare, von denen einige in der Quasarliste der Publikation [386] enthalten sind. Die meisten dieser Objekte sind kompakte und kondensierte Gebilde von sphärischer oder sphäroidischer Gestalt. Viele haben sternförmige Kerne. Starke Unterschiede gibt es in den Helligkeiten. So variiert zum Beispiel die absolute fotografische Helligkeit der näher untersuchten Objekte zwischen — 14.m7und —21.m0 [393], die absolute Blauhelligkeit zwischen — 14.m2 und — 21.m9 [394]. Diese Daten zeigen, daß einige dieser Objekte hinsichtlich ihrer Helligkeit den Radiogalaxien nicht nachstehen und den Quasaren ähneln. 1)

Im Zusammenhang mit der kosmogonischen Aktivität der Galaxienkerne sollte man auch die Tatsache beachten, daß mit wachsender Helligkeit der extragalaktischen Radioquellen immer häufiger kompakte Komponenten angetroffen werden [388],

2.3. Galaxienentwicklung 109 Einige dieser Galaxien erinnern auch wegen ihrer spektralen Energieverteilung an Quasare. Für die meisten Objekte dieser Klasse liegen eingehende spektroskopisclie Untersuchungen vor. Sie wurden von WEEDMAN und CHATSCHEKJAN [ 3 9 4 , 3 9 5 ] , vonSABGENT [ 3 9 3 ] sowie von ABAKELJAN, D I B A I , J E S S I P O W und MABKARJAN [ 3 9 0 , 397] an Spaltspektrogrammen vorgenommen. Man fand höchst interessante Besonderheiten in den Spektren. Es zeigte sich zum Beispiel, daß unter 35 Objekten, die WEEDMAN und CHATSCHIKJAN untersuchten, 2 9 Objekte (4 davon sind SEYFEBT-Galaxien) Emissionsspektren besitzen und daß sich unter den 30 von SARGENT untersuchten Objekten 2 6 Objekte ( 2 davon sind SEYFEBT-Galaxien) mit Einissionslinien befinden. Auch in den Arbeiten [396, 397] kommt zum Ausdruck, daß ein hoher Prozentsatz der untersuchten Objekte, unter denen etwa ein Dutzend neue SEYFEBT-Galaxien gefunden wurde, Emissionsspektren aufweist. Außerdem stellte sich heraus [ 3 9 7 ] , daß in den Spektren einiger Objekte, in denen man zunächst keine Emissionslinien fand, H, in Emission auftritt. Somit läßt sich sagen, daß fast, wenn nicht gar alle Galaxien mit einem Ultraviolettexzeß Emissionsspektren haben, die sich durch ihr Aussehen erheblich voneinander unterscheiden. Das Vorhandensein eines starken Ultraviolett kontinuums und eines damit eng korrelierten Emissionsspektrums bei diesen Objekten spricht unbedingt für hochgradig aktive Kerne. Die bereits bekannten Daten über die MABKABjANschen Objekte lassen den Eindruck entstehen, daß offenbar diese Objekte entwicklungsmäßig zwischen den Quasaren und den normalen Galaxien liegen.1) In Übereinstimmung mit dem bisher Berichteten befindet .lieh auch die Annahme von G. und E . B U B B I D G E [91, 399], daß Quasare, SEYFEBT-Galaxien, N-Galaxien und normale Galaxien viele gemeinsame Eigenschaften besitzen: daher sind sie häufig nur schwer zu unterscheiden. G. B U B B I D G E ([91], Seite 65) hebt folgende Eigenschaften hervor, die für SEYFEBT-Galaxien, N-Galaxien und Quasare gemeinsam sind: 1. Hohe Kompaktheit bei Vorhandensein oder Fehlen eines schwachen Halos. 2. Starkes Emissionsspektrum mit ziemlich breiten Linien. 3. Existenz einer starken nichtthermischen, zeitlich veränderlichen Komponente. 4. Mögliches Vorkommen einer Radioquelle mit meßbarem Strahlungsstrom. 5. Mögliche kräftige Infrarotstrahlung. Offen bleiben dabei jedoch folgende Fragen: 1. wenn für SEYFEBT-Galaxien (zumindest für die nahen) als gesichert gelten darf, daß alle diese Eigenschaften Eigenschaften der Kerne sind, so bleibt für N-Galaxien — sie befinden sich ja in ') Nach einer Abschätzung von MABKARJAN [392] haben 2% aller Galaxien einen Ultraviolettexzeß ; SARQENT [393] nimmt an, daß die räumliche Dicht« der Galaxien mit Ultraviolettexzeß mindestens 1/30 der Dichte normaler Galaxien beträgt. Wenn man voraussetzt, daß dieses Entwicklungsstadium von allen Galaxien durchlaufen wird, kann man auch die Dauer dieses Stadiums ableiten.

110

2. Kosmogonie der Sterne und Galaxien

großen Entfernungen 1 ) — nocli unklar, ob ausgedehnte Gebiete außerhalb des Kernes vorhanden sind und deren Struktur einer normalen, aus Sternen bestehenden Galaxie gleicht; 2. bei quasistellaren Objekten ist nicht festzustellen, ob es sich um Kerne von Galaxien handelt oder nicht. Diese Ungewißheiten sind bedingt durch die unterschiedlichen Beobachtungsbedingungen, die sich aus den unterschiedlichen Entfernungen dieser Objekte ergeben. Man kann eine Reihe anderer Beispiele anführen, um die Gemeinsamkeit der Eigenschaften der Quasare und der Galaxienkerne zu belegen.

0,1

0,5 1

5 10 50 100 Bolometrische Helligkeit

5001000-Werg/s

Abb. 2-65. Vergleich der bolometrischen Helligkeiten von Galaxien, SEYFERTGalaxien und Quasaren [398]

Nach eineri Untersuchung von SARGENT [400] hat die Kompaktgalaxie IZw 0051 + 122) einen sternförmigen Kern von ausgesprochen großer Helligkeit (Mv = —23. M 2) und ist bezüglich Farbe und Spektrum dem Quasar 3 C 2 7 3 sehr ähnlich. Diese Galaxie nimmt zusammen mit der Galaxie IIZw 2 1 3 0 + 0 9 (M 0 = — 2 2 . M 5 [401]) in mehrfacher Hinsicht eine Zwischenstellung zwischen Q u a s a r e n u n d SEYFEBT-Galaxien ein [402].

Ähnlich wie bei den Quasaren verändern die Kerne einiger Galaxien ihre Helligkeit. Die Veränderlichkeit der Radiostrahlung im Zentimeterwellenbereich wurde bei einer zentralen Quelle in der SEYFERT-Galaxie NGC 1275 gefunden [403, 404]. Die Variabilität der aus dem Kern der Galaxie NGC 4151 stammenden optischen Strahlung wurde von FITCH, PACHOLCZYK und WEGMANN [405, 4 0 6 ] entdeckt; spektrale Veränderlichkeit stellten MORGAN, SMITH und WEEDMAN [407] fest. 1

) Die meisten N-Galaxien haben beträchtlich größere Rotverschiebungen als SEYFERTGalaxien, jedoch wesentlich kleinere als Quasare [91]. 2 ) IZw 0051+ 12 ist ein Objekt ans der ersten Liste der Kompaktgalaxien von ZWICKY. Die Zahlen sind die äquatorialen Koordinaten des Objektes.

2.3. GalaxienentWicklung 111 Die Veränderlichkeit des Kernspektrums der Galaxie NGO 3516 wurde von AKDRILLAT und SOUFFBIN [408] gefunden; früher beobachtete BALMEB-Linien des Wasserstoffs waren gänzlich verschwunden. Vor wenigen Jahren bemerkten WEEDMAN und CHATSCHIKJAN [409] im Spektrum der Galaxie Markarjan 6 das Auftreten neuer Komponenten der H a - und H^-Linie und das Ansteigen ihrer Intensitäten im Zeitraum 1969/70. Eine Veränderlichkeit im optischen Bereich wurde bei den als N-Galaxien klassifizierten Radioquellen 3C371, 3 C 390.3, 3C 109, IZw 1727+50 [ 4 1 0 - 4 1 3 ] und bei der SEYFERT-Galaxie 3C 120 [414, 415] beobachtet, eine Veränderlichkeit im Radiobereich bei den SEYFERT-Galaxien 3C 120 [416] und 3C 84 [417] sowie bei der N-Galaxie 3C 271 [417]. Die Variabilitäten von 3C 120 im Zentimeterwellenbereich tragen Flare-Charakter [415]. Die SEYFEBT-Galaxie Zw 0039.5 -f 4003 besitzt einen veränderlichen Kern, der wegen der starken Abnahme des Strahlungsstromes zeitweilig fast verschwinden kann ([91], Seite 59]). Die nach der Formel (2.40) bestimmte oberste Grenze in den Ausdehnungen der Gebilde, die für die optische und Radiostrahlung der Kerne von Galaxien und quasistellaren Objekte verantwortlich sind, variiert je nach Objekt größenordnungsmäßig innerhalb 1015—1018 cm [91]. Tab. 2-17. Veränderlichkeit der Radiostrahlung in Abhängigkeit vom Typ des Spektrums bei Quasaren und Radiogalaxien Objekte

Quasare

Typ des Spektrums

steil flach Radiogalaxien steil flach

Anzahl der Objekte

mit veränderlicher Strahlung gesichert möglich

27 35 62 7

0 16 0 4

0 7 1 1

Auf die Gleichartigkeit der Prozesse, die in den Quasaren und in den Galaxien der verschiedenen Klassen ablaufen, deuten auch einige Radiobeobachtungen hin. Es zeigte sich zum Beispiel, daß Quasare mit veränderlichem Radiostrahlungsstrom in der Regel wie die Radiogalaxien Spektren besitzen, die sich zum Zentimeterwellenbereich hin abflachen. Mit anderen Worten, in beiden Fällen treten Veränderlichkeit der Radiostrahlung und „flache" Spektren gemeinsam auf. Dieser Sachverhalt wird in Tabelle 2-17 veranschaulicht. Die benutzten Werte wurden einer Arbeit von HARRIS [388] entnommen. Bei Frequenzen über 1000 MHz haben etwa 30% der Quasare „flache" Spektren. In dieser Hinsicht erinnern die Quasare an N-Galaxien und SEYFERTGalaxien, von denen mehr als 30% „flache" Spektren haben. Bei den verbleibenden Quasaren ähnelt die spektrale Verteilung im Radiowellenbereich der Verteilung in den Spektren der Galaxien, die eine starke Radiostrahlung besitzen [388].

112

2. Kosmogonie der Sterne und Galaxien

Eine Arbeit von HEESCHEN [ 4 1 8 ] zeigt, daß Galaxien existieren (NGC 1 0 5 2 , NGC 4 2 7 8 ) , die eine anomale, jedoch für Quasare charakteristische Energieverteilung im Radiospektrum besitzen. In den folgenden Jahren wurden Hinweise dafür erhalten, daß Quasare und Galaxien eine weitere Eigenschaft gemeinsam haben können, nämlich eine beträchtliche Infrarotstrahlung [91, 419—422], Im Infrarot zeigen einige S E Y F E R T Galaxieri und MARKARJ AN-Galaxien ein starkes Anwachsen des Strahlungsstromes mit der Wellenlänge [421] sowie rasche Änderungen der Strahlung, die auf geringe Ausdehnungen der Quellen hindeute!"). Zum Beispiel kann man aus den Änderungen der Infrarotstrahlung der Galaxie NGC 10G8 (bei der Wellenlänge A = 2.2[xm) den Durchmesser der Quelle zu 101S cm abschätzen [422]. Die Gesamtheit aller Beobachtungsdaten über die Infrarotstrahlung der Galaxien und Quasare berechtigt nach Ansicht von Low [420] zu der Schlußfolgerung, daß der Mechanismus der Strahlung in allen Fällen der gleiche ist. Aus diesem Grunde garantiert das gesamte Beobachtungsmaterial eine sichere Basis für die Annahme, daß die normalen Galaxien, die SEYFEBT-Galaxien, die N-Galaxien und die Quasare von gemeinsamer Natur sind, daß jedoch ihre Verschiedenheiten im wesentlichen durch den unterschiedlichen Umfang der in ihnen auftretenden nichtstationären Erscheinungen bedingt werden, d. h. durch den unterschiedlichen Grad der Kernaktivität. Zugleich wird die Vorstellung bekräftigt, daß zwischen Objekten mit unterschiedlich starker Kernaktivität ein kontinuierlicher Übergang besteht [423]. Alle diese Daten befinden sich in guter Übereinstimmimg mit der Vorstellung über die kosmogonische Aktivität der Galaxienkerne. Nach dieser Vorstellung nimmt die Aktivität der Kerne im Laufe der Entwicklung der Galaxien ab. Folglich sind die Radiogalaxien und die Quasare, die ja den höchsten Grad an Aktivität aufzuweisen haben, als Anfangsstadien der Galaxienentwicklung zu betrachten [317]. Über die Formen der Kernaktivität. Im Jahre 1958 veröffentlichte AMBARZUMJAN [4] eine vollständige Darstellung seiner Forschungsergebnisse über die Entwicklung der Galaxien. Seine Untersuchungen basierten auf der Idee von der Aktivität der Galaxienkerne. Allerdings stand ihm damals für Schlußfolgerungen hinsichtlich der verschiedenen Formen der Kernaktivität nur sehr wenig Beobachtungsmaterial zur Verfügung. Dieser Mangel machte sich vor allem bei der Deutung der Besonderheit bemerkbar, daß in Perioden hoher Aktivität relativ geringe Materiemengen aus dem Kern herausgeschleudert werden , aus denen später Ansammlungen von jungen nichtstationären Sternen, Gas und Wolken hochenergetischer Teilchen hervorgehen können. ') SCHKLOWSKI [Í24] schloß aus der Analyse der energetischen und spektralen Eigenschaften auf einen Zusamirtenhang zwischen Quasaren, Radiogalaxien und SEYFERT-Galaxien, die unterschiedliche Erscheinungsformen von Galaxienkernen darstellen. Im Jahre 1968 erörterte DAVTCOURT [425] diese Frage und kam zu dem Schluß, daß jede Galaxie während ihrer Entwicklung das Quasarstadium durchläuft.

2.3. Galaxienentwicklung 113

Eis zum gegenwärtigen Zeitpunkt erscheinen viele Publikationen mit Beobachtungsergebnissen über die Folgeerscheinungen der in den Galaxienkernen erfolgten Explosionen und Materieauswürfen in Form radialer Bewegungen, an denen beträchtliche Massen beteiligt sind. Die Schlußfolgerung bezüglich der Eigenschaft der Kerne, Materie herauszuschleudern, erhielt eine glanzvolle Bestätigung durch eine Entdeckung von LYNDS und SANDAGE [426]. Beide Astronomen gelangten nach einer detaillierten Untersuchung der unregelmäßigen Galaxie M 82 zu der Feststellung, daß die an den Rändern dieser Galaxie über die Grenze des allgemeinen Sternfeldes hinausreichenden hellen, unregelmäßigen und faserförmigen Gebilde aus Gas bestehen, das sich mit großer Geschwindigkeit (in der Größenordnung 1000 km/s) von der Zentralregion entfernt (Abb. 2-66, s. Tafel 38).1) Diese Erscheinung läßt sich nach der Vorstellung über die Aktivität der Galaxienkerne dadurch erklären, daß vor etwa 1.5 Millionen Jahren eine Gaswolke von etwa 5 Millionen Sonnenmassen aus dem Kern von M 82 herausgeschleudert wurde. Teile der Gaswolke bewegen sich jetzt vom Zentrum der Galaxie weg. Das Geschwindigkeitsfeld in M 82 wurde von E. BURBIDGE, G. BURBIDGE und

RUBIN [427] untersucht. Nach ihren Schätzungen wurden bei der Explosion im Kern von M 82 bis jetzt Energien von mehr als 10®7 erg verbraucht. In der darauffolgenden Zeit wurden auch einige Daten über Explosionen in den Kernen anderer Galaxien bekannt. E. und G. BURBIDGE [428] untersuchten bei der SEYFERT-Galaxie XGC 1275

( = Radiogalaxie Perseus A) das Geschwindigkeitsfeld und stellten dabei Anzeichen einer Explosion fest, die vor etwa 5 Millionen Jahren im Kerngebiet stattgefunden habc>n muß. Durch die Explosion wurde eine große Menge Gas herausgeschleudert. Das Gas hat eine Expansionsgeschwindigkeit von etwa 3000 km/s relativ zum Zentrum dieser Galaxie. Die Explosion war nach Abschätzungen der Autoren Vesentlich stärker als die Explosion in M 82 (die bei dem Ausbruch freigesetzte Energie wurde auf 1059 erg geschätzt). WALKER [429] führte eine eingehende spektroskopische Untersuchung der SEYFERT-Galaxien NGC 1068 und XGC 4151 durch. Es ergaben sich dabei Hinweise auf Folgeerscheinungen einer Explosion oder auf Explosionen selbst, die sich in den Kernen dieser Systeme ereignet habei$. In [430] haben die sowjetischen Astronomen DIBAI und PRONIK die Ergebnisse ihrer spektroskopischen Untersuchung der SEYFERT-Galaxien NGC 1068, NGC 1275, NGC 3516, NGC 4051 und NGC 7469 veröffentlicht. Die Autoren gelangten zu dem Schluß, daß in den Kernen dieser Galaxien aufeinanderfolgende Explosionen stattfanden, die zur Bildung zweier Untersysteme aus Gas unterschiedlicher Eigenschaften in den Kernen führten; sie entfernen sich von den Kernen. r)

Es sei darauf hingewiesen, daß nach AMBABZUMJAN [4] M82 Mitglied einer physischen, mit dem Spiralnebel AI 81 in Verbindung stehenden Gruppe von Galaxien ist und eine Relativgeschwindigkeit beträchtlich über der Entweichgeschwindigkeit besitzt. Daher entfernt sich M82 aus dieser Gruppe.

114

2. Kosmogonie

der Sterne und

Galaxien

WEEDMAN fand 1970 [431] Hinweise darauf, daß sich in den Kernen der Galaxien mit UV-Exzeß Markarjan 3, NGC449, IC 450 und Markarjan 34 Gas mit hohen Geschwindigkeiten auf nichtkreisförmigen Bahnen bewegt. DE VAUCOULEURS [432, 433] entdeckte in den Galaxien NGO 4631, NGO 4027,

NGC 7741 und NGO 2146 großräumige Gasströmungen, die sich mit Geschwindigkeiten von 50 bis 100 km/s von den Kernen dieser Galaxien wegbewegen. BURBIDGE und DEMOULIN [434] fanden eine gasförmige Wolke geringer Ausdehnung, die mit einer Geschwindigkeit von 700 km/s aus dem Kern der Galaxie NGC 4931 herausgeschleudert wurde. In den Arbeiten [435, 436] von E. und G. BURBIDGE wird die Möglichkeit solcher Explosionen in den pekuliaren Galaxien NGC 4038—39 und VV 144 angenommen. Von großem wissenschaftlichem Interesse ist die Tatsache, daß explosionsartige Prozesse nicht nur in Radiogalaxien ablaufen können, sondern auch in Galaxien, die keine merkliche Radiostrahlung zeigen. In diesem Zusammenhang muß darauf hingewiesen werden, daß offensichtlich selbst in so alten Systemen wie M 31 und unserer Galaxis solche gewaltigen Ereignisse stattfanden. So folgerte der japanische Wissenschaftler Aizu Ko [437] aus 21-cm-Beobachtungen, aus der Gestalt der Radioisophoten und aus den Resultaten optischer Polarisationsmessungen, daß vor etwa 7 Millionen Jahren im Kern von M 31 eine Explosion, bei der eine Energie von 10SS erg umgesetzt wurde, stattfand. HOYLE, BURBIDGE und SARGENT [361] nehmen an, daß auch in unserer Galaxis Anzeichen einer früheren Explosion vorhanden sind. AVenn auch nicht alle angeführten Beispiele die gleiche Überzeugungskraft besitzen und wenn in einigen Fällen der Schluß auf Explosionen in den Kernen noch zweifelhaft erscheint, so kann man gegenwärtig jedoch mit Sicherheit behaupten, daß explosionsartige Prozesse in den Galaxienkernen bestimmte Erscheinungsformen der kosmogonischen Aktivität der Kerne sind und ein ziemlich weit verbreitetes Phänomen darstellen, und daß sie durch den ungewöhnlichen Zustand der Kernmaterie hervorgerufen werden (offenbar durch das Vorhandensein nichtstellarer, massiver Körper).1) Aus dem gegenwärtig allerdings noch spärlichen Beobachtungsmaterial über lladiogalaxien und nahe Galaxien zeichnen sich nach AMBARZUMJAN [317, 438] bereits bestimmte Formen von Kernaktivitäten ziemlich deutlich ab. Da sind zunächst die Fälle (M31, unsere Galaxis), in denen Gas gleichmäßig ausströmt und Ströme relativistischer Teilchen kontinuierlich emittiert werden oder andere ebenfalls hochenergetische Elektronen produzierende Agenzien. Dabei wird um Nach AMBARZUMJAN [439] untermauern die Beispiele für mögliche exzentrische Explosionen in einigen Galaxien (Große Magellansche AVolke [440,441], NGC 3955 [442] und andere) die Schlußfolgerung, daß die Explosionen in den Galaxienkernen mit sehr massiven Körpern ungewöhnlicher Natur in Verbindung gebracht werden müssen. Der Austritt dieser Körper aus dem Galaxienkern mit darauffolgender Energiefreisetzung kann außerhalb des Zentrums zu eiüer Explosion führen.

2.3. Qalaxienentwicklung

115

die Kerne der Galaxien ein Radiohalo gebildet (Sc-Galaxien NGC 253, NGC 4945, NGO 5236; Sb-Galaxie NGC 1068, möglicherweise unsere Galaxis). Die eruptiven Formen der Kernaktivität sind: eruptive Auswürfe von 1. gasförmiger Materie (M 82, NGC 2685, offenbar auch NGC 1275) und 2. Kondensationen relativistischer Partikel, also Plasma (z. B. bei NGC 4486, NGC 5128 und vielen anderen Radiogalaxien).1) Es gibt auch Fälle von Auswürfen wesentlich dichterer blauer Kondensationen, deren fotografische Helligkeit zwischen — 14.m0 und — 17.m0 liegt. Diese Kondensationen kann man für neuentstandene Galaxien halten (NGC 3561, IC 1182). Mögliche Fälle einer Kernteilung mit nachfolgender Bildung zweier oder mehrerer Galaxien können auf diese Form der Aktivität bezogen werden (z. B. die Radiogalaxie Cygnus A). AMBARZUMJAN [438] hält es für möglich, daß noch Formen von Aktivität existieren, die bislang noch nicht direkt festgestellt werden können. Insbesondere vermutet er folgende Prozesse: 1. Ausströmen von Materie, aus der sich später die Spiralarme bilden; 2. Auswürfe der in den Balken der SB-Galaxien lagernden Materie und 3. Auswürfe von Materie, aus der die stellare Population der sphärischen Untersysteme hervorgeht. Es ist sicher möglich, daß einige der genannten Erscheinungen zusammenfallen können; dies ist Ausdruck der unterschiedlichen Formen eines gegebenen aktiven Prozesses. So ist es zum Beispiel sehr wahrscheinlich, daß in der Radiogalaxie Hydra A, in deren unmittelbarer Umgebung ein blaues Objekt beobachtet wird, eine radiostrahlende Wolke und ein blaues Objekt gleichzeitig ausgestoßen wurden. Schließlich muß man zu den bereits genannten Formen der Kernaktivität auch die Explosionen hinzufügen [438], die zur Bildung von Quasaren führen. In Ausaiaß und Größe übertreffen diese Explosionen alle anderen Formen der Kernaktivität und deuten die Bildung einer neuen Galaxie, sogar eines Galaxienhaufens oder einer Galaxiengruppe an. G. und E. B U R B I D G E und SANDAGE [445], sowie in jüngster Zeit G. B U R B I D G E [91], sichteten das Beobachtungsmaterial über Galaxienkerne kritisch. Sie führen eine ganze Reihe von Argumenten dafür an — viele von ihnen sind hier bereits erörtert worden —, daß in den Galaxienkernen ziemlich häufig äußerst heftige und rasch ablaufende (Zeitskala 103—108 Jahre) Erscheinungen auftreten, die den Aufbau und die Entwicklung der Galaxien wesentlich beeinflussen. Ungeachtet der Tatsache, daß diese Autoren die Konzeption befürworten, daß Sterne und Galaxien durch Kondensation diffuser Materie entstanden, resultieren ihre grundlegenden Schlußfolgerungen hinsichtlich der angeschnittenen Fragen — wie die Autoren selbst erklärten — aus den Vorstellungen, die AMBARZUMJAN [4] in seinem Vortrag auf dem Solvay-Kongreß (1958) entwickelte. Die Polarisation der Strahlung, die aus den filamentartigen, zum Zeitpunkt der Explosion in M82 [443, 444] aus dem Kern herausgeschleuderten Gebilden kommt, spricht dafür, daß es sich um Synchrotronstrahlung handelt, d. h. ( daß diese Fasernebel aus hochenergetischen Partikeln bestehen.

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2. Kosmogonie

der Sterne

und

Galaxien

Die Kerne und die Entwicklung der Galaxien. Der Grad der Kernaktivität wird durch den Zustand des Kernes bestimmt. Die Beobachtungen deuten darauf hin, daß drei Grundarten von Kernzuständen existieren: die ruhigen, die angeregten und die explosiven. Ausgehend vom G/ud der Kernaktivität, ordnete AMBARZUMJAN [317, 438] die Galaxien auf Grund der Beobachtungsdaten in folgende Kategorien ein: 1. Galaxien, die keinen bemerkbaren Kern oder keine beträchtliche Konzentration in der Zentralregion besitzen. Zu dieser Klasse gehören viele irreguläre Galaxien und elliptische Zwerggalaxien vom Typ des Skulptorsystems, (eine sehr nahe gelegene Galaxie im Sternbild Skulptor). Vielleicht sind auch die Magellanschen Wolken hierhin einzuordnen. 2. Galaxien mit ruhigen Kernen relativ geringer Helligkeit. Die Kernhelligkeit trägt nur äußerst wenig zur Gesanxthelligkeit der betreffenden Galaxie bei. Zu dieser Klasse gehören viele spiralförmige und elliptische Galaxien, beispielsweise M 31, NGO 5194, M 33 und eventuell auch unsere Galaxis. 3. Galaxien mit ruhigen Kernen großer Helligkeit. Die Kernhelligkeit dieser Galaxienklasse liefert einen merklichen Beitrag (ungefähr 5—25 Prozent) zur Gesamthelligkeit der jeweiligen Galaxie. Vertreter dieser Klasse sind u. a. die Galaxien NGC 4303 (Abb. 2-67, s. Tafel 39) und NGO 3162, aber auch eine Reihe von spiralförmigen und elliptischen Galaxien. 4. Galaxien, bei denen sich der Anteil der Kernhelligkeit an der Gesamthelligkeit bis auf 50 Prozent beläuft. Hierher gehören die nicht sehr zahlreichen SEYFERT-Galaxien mit angeregten Kernen. 5. Galaxien, bei denen praktisch die gesamte Helligkeit im Kern konzentriert ist. Zu dieser Klasse rechnet man die Kompaktgalaxien einschließlich der Quasare (3C48, 3C273 usw. [446]), aber auch die ,.kompakten" ZwiCKYschen Galaxien [447], unter denen sich auch einige blaue Galaxien befinden. Die Spektren der Galaxien der Klassen 2 und 3 bestehen aus einem Kontinuum, jedoch treten manchmal Emissionslinien auf (z. B. bei X = 3 727 Ä). In den Spektren der SEYFERT-Galaxien werden zahlreiche breite oder in mehrere Komponenten aufgespaltene Emissionslinien beobachtet, was darauf hindeutet, daß die den Kern durchdringenden Gaswolken sich mit großer Geschwindigkeit bewegen. Bei den Galaxien der Klasse 5 ist die Strahlung im wesentlichen nichtthermisch und fällt durch einen Ultraviolettexzeß auf [438]. Die ungewöhnlich blaue Farbe der Quäsare und die Energieverteilung in den Quasarspektren sprechen für diese Schlußfolgerung [448, 449]. Der Ultraviolettexzeß ist insbesondere für die Kerne der SEYFERT-Galaxien charakteristisch [ 4 4 8 ] . Der nichttherinische Charakter ihrer Strahlung wird auch durch Polarisationsmessungen bestätigt. W A L K E R [ 4 2 9 ] fand zum Beispiel in Kernen von SEYFERT-Galaxien im Ultravioletten eine beträchtliche Polarisation (bis 9%), die folgende charakteristische Korrelation zur Radiostrahlung aufweist: die stärkste Polarisation zeigen die intensiven Radioquellen NGC 1275 und NGC 1068, während die Polarisation in den übrigen Fällen wesentlich schwächer ist,

2.3. Galaxienentwclclung 117

Eine weitere Untersuchung des UV-Exzesses führte MABKABJAN [ 4 5 0 ] durch. Er beobachtete auch bei einer Reihe von Galaxien, die nach der AMBABZUMJANschen Klassifikation den Klassen 2 und 3 angehören, einen solchen Exzeß in den zentralen Gebieten. Insbesondere wurde gezeigt, daß es E-, SO-, Sa- und SbGaUxien gibt, die im Unterschied zu den normalen Galaxien dieser Typen eine ungewöhnlich starke Strahlung im kurzwelligen Spektralbereich aufweisen; in dieser Hinsicht ähneln sie der Galaxie M 82. Diese Besonderheiten führt MABKABJAN auf nichtstationäre Erscheinungen zurück, die durch ungewöhnliche Bedingungen in den Kernen dieser Galaxien hervorgerufen wurden. Dafür spricht auch eine bezüglich der Radiostrahlung bemerkenswerte Besonderheit der kernnahen Gebiete dieser Galaxien [ 4 6 1 ] . Der Zusammenhang zwischen der nichtthermischen Strahlung und der Aktivität der Galaxienkeme wird durch die Ergebnisse der Radiobeobachtungen bekräftigt. Nach einer Untersuchung von TOWMASJAN [ 4 5 2 ] , in der ungefähr 1 0 0 Balkenspiralen erfaßt werden, wird eine intensive Radiostrahlung nur dami beobachtet, wenn eine Galaxie einen sternförmigen Kern besitzt oder wenn in ihr Spuren explosiver Prozesse vorkommen. Außerdem existiert eine gewisse Korrelation zwischen dem Auftreten heller Emissionslinien in den Spektren der Kernregionen und der Radiostrahlung. MATHEWSON und R O M E [ 4 5 3 ] wiesen nach, daß die Radiostrahlung bei einer Reihe von Spiralnebeln vorzugsweise aus der zentralen Region kommt, die um ein Vielfaches kleiner ist als das optische Bild der betreffenden Galaxie. Solfch eine strenge Lokalisation der Radiostrahlung auf die kernnahen Gebiete der Galaxien deutet zweifellos auf einen engen Zusammenhang zur Aktivität der Kerne. Nur bei sehr wenigen spiralförmigen Galaxien, zum Beispiel bei M 31, ist die Radiokorona beträchtlich größer als die Galaxie selber. Für die Radiostrahlung der Galaxien der verschiedenen Klassen ist die starke örtliche Beschränkung auf die Kernregion charakteristisch. In einer Untersuchung von W A D E [ 4 5 4 ] , in der Radiobeobachtungen von 7 0 . spiralförmigen und unregelmäßigen Galaxien, darunter 6 SSYFBBT-Galaxien, ausgewertet wurden, zeigte sich, daß in den Zentralgebieten der spiralförmigen Galaxien häufig intensive und eng begrenzte Radioquellen anzutreffen sind. Es hat sich zum Beispiel herausgestellt, daß in der Galaxie M 8140% des Radiostrahlungsstromes bei ?. = 11 cm aus einem zentralen Gebiet stammen, dessen Durchmesser unter 2" (30 pc) liegt. Bei der SEYFERT-Galaxie NGO 4151 verringert sich die Intensität der Kernstrahlung schon in etwa 5 pc Entfernung vom Zentrum auf die Hälfte [455]. In den Galaxien NGO 1052 und NGO 4278, die heftige Anzeichen einer Nichtstationarität zeigen, gibt es sehr kleine Radioquellen [418, 456]. Die Lokalisation sowohl der Radiostrahlung [457,458] als auch des Ultraviolettexzesses auf die Galaxienkerne [390,459] spricht für einen Zusammenhang zwischen diesen Anzeichen einer Xichtstationarität und der Aktivität der Kerne. Nach der bereits erwähnten Arbeit [ 4 5 4 ] fand W A D E ferner, daß der Anteil der

118

2. Koamogonie der Sterne und Galaxien

Radiostrahlung des Kernes beim Übergang zu Galaxien früherer morphologischer Typen anwächst. Dabei besitzen von den Galaxien einer gegebenen optischen Helligkeit die SEYFERT-Galixien die größte Radiohelligkeit. Akzeptiert man die Vorstellung, die Radiostrahlung sei ein gewisser Indikator der Kernaktivität, dann deuten diese Daten darauf hin, daß die Kerne der Galaxien früher morphologischer Typen einen höheren Grad an Aktivität haben als spätere und daß der höchste Grad an Aktivität bei den Kernen der S E Y F E R T Galaxien vorliegt.1) Alle diese Fakten muß man als Beweise dafür ansehen, daß in den Kernen der Galaxien massive Körper unbekannter Natur existieren.2) Die unterschiedlichen Merkmale der Galaxienkerne der verschiedenen Klassen besteht lediglich darin, daß die in den Kernen anwesenden Körper bei den letzten Klassen immer klarer in Erscheinung treten. Solange die Kerne inaktiv sind (das ist die überwiegende Mehrheit der Fälle), wird direkt nur ihre stellare Komponente beobachtet. Jeder Kern besteht jedoch nach den bisherigen Ausführungen einmal aus einer stellaren Population, ferner aus Gas und aus einem supermassiven, potentiell aktiven Körper. Deshalb können die Daten, die sich auf die stellare Population des Kernes beziehen, erst dann für die Klärung der entwicklungsgeschichtlichen Bedeutung des Kernes von Nutzen sein, wenn bekannt ist, welcher Zusammenhang zwischen den Parametern der stellaren Population (Menge, Zusammensetzung, räumliche Ausdehnung) und den Eigenschaften und dem Zustand des supermassiven Körpers existiert. Mit anderen Worten: es ist unerläßlich, Aufklärung zu erhalten, in welcher Form die entwicklungsbedingten Veränderungen des Kernes sich in den Parametern seiner stellaren Population widerspiegeln. Man darf erwarten, daß die allseitige Erforschung der Galaxienkerne viele grundsätzliche Fragen der Galaxienentstehung und -entwicklung klären kann. Einige Fragen der Galaxienentwicklung lassen sich mit den bereits heute bekannten Daten über die Kerne teilweise beantworten (Abb. 2-68, s. Tafel 40). So kann beispielsweise die Besonderheit der Kerne, während einer Explosion Gaswolken und Wolken relativistischer Teilchen auszustoßen, für die Entstehung gasförmiger und radiostrahlender Strukturelemente der Galaxien verantwortlieh !) Auf Grund einer statistischen-Untersuchung von Galaxien mit Ultraviolettexzeß gelangten ARAKELJAN und MAR KARJAN [460] zu dem Schluß, daß eine Klasse sphäroidförmiger, kondensierter Objekte existiert, die in ihren morphologischen Besonderheiten den N-Galaxien ähnlieh sind, jedoch im Gegensatz zu diesen keine Radiostrahlung besitzen. Dabei ist — wie auch im Falle der quasistellaren Objekte — die Radiostrahlung charakteristisch für die Objekte größerer Helligkeit. -) Die nichtthermische Strahlung, die häufig bei Galaxienkernen beobachtet wird und die auf die Aktivität liichtstellarer, massiver, in den Kernen existierender Körper hindeutet, muß nicht unmittelbar von diesen Körpern kommen. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird sie von einer anderen Kernkomponente, der diffusen Materie, ausgestrahlt. Die Energiequelle für diese Strahlung sind jedoch die genannten nichtstellaren Körper [438]; sie liefern die Anregungsenergie für die Atome der diffusen Materie.

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Abb. 2-1. Folge der Spektraltypen der Sterne. Die Spektralklassen Ma, Mb, Mc entsprechen den Unterklassen M 0—M2, M3—M5 und M6—MIO; Md entspricht allen Unterklassen des Typs M mit Wasserstoffemissionslinien

Tafel 2

Abb. 2-5. Nova Aquila 1918 nach dem Ausbruch (links) und vor dem Ausbruch

Tafel 3

Abb. 2-6. Die Plejaden, ein offener Sternhaufen. Der Haufen liegt im Innern einer Staubwolke. (Aufnahme: Karl-Schwarzschild-Observatorium)

Tafel 4

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Abb. 2-7. Der kugelförmige Sternhaufen cu Centauri

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Tafel 5

Abb. 2-8. Die Sternassoziation Perseus I. Kerne der Assoziation sind die Sternhaufen h und / Persei. Oben: eine Photographie des Zentralteils der Assoziation. Links ist in kleinerem Maßstab die Verteilung der heißen Riesen- und Überriesensterne im Bereich der Assoziation angegeben. Volle Kreise bezeichnen wahrscheinliche Mitglieder der Assoziation, offene Kreise Hintergrundsterne [28]. (Aufnahme: Karl-Schwarzschild-Observatorium)

Tafel 6

Abb. 2-11. Der Planetarische Nebel NGO 6720 (M 57) in der Leier (Lyra). (M ist die Bezeichnung f ü r den Katalog des französischen Astronomen M E S S I E R )

Tafel T

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Abb. 2-12. Der HtrBBLEsche Nebel (NGC 2261), ein Kometennebel im Einhorn (Monoceros). Am Scheitel des Nebels befindet sich der Veränderliche R-Monocerotis. Ein Vergleich der beiden zu verschiedenen Zeiten aufgenommenen Aufnahmen zeigt die Veränderlichkeit des Nebels

Tafel 8

Abb. 2-13. Der Große Orionnebel, ein diffuser Nebel, in welchem sich eine der nächsten (O- und T-) Sternassoziationen befindet. (Aufnahme: Karl-Schwarzschild-Observatorium)

Tafel 9

Abb. 2-14. Der Trifidnebel (M 20) im Schützen (Sagittarius)

Tafel 10

Abb. 2-15. Der „Pferdekopfnebel", ein Dunkelnebel, bestehend aus kaltem Gas und Staub' teilchen, die das Licht der dahinter liegenden Sterne absorbieren. (Aufnahme: Karl-Schwarzschild-Observatorium)

Tafel 11

Abb. 2-18. Schema des A u f b a u s der Galaxis (Schnitt). Große Kreise bedeuten Kugelsternhaufen, kleine Kreise Sterne. Der Pfeil bezeichnet den Ort der Sonne. Die Abstände sind in Parsec gegeben [19]

Tafel 12

Abb. 2-19. Die elliptische Galaxie NGO 147

Tafel 13

Abb. 2-20. Die Spiralgalaxie NGO 3031 (M 81) in Ursa Major. (Aufnahme: Karl-Schwarzschild-Observatorium)

Tafel 14

Abb. 2-21. Die irreguläre Galaxie IC 1613

Tafel 15

Abb. 2-22. Die Balkenspirale NGC 1300 in Eridanus

Tafel 16

Abb. 2-23. Die SO-Galaxie NGC 5866

Tafel 17

Abb. 2-25. Der Andromedanebel (M 31), eine der nächsten Spiralgalaxien, mit seinen elliptischen Begleitern M 32 und NGC 205. (Aufnahme: Karl-Schwarzschild-Observatorium)

Tafel 18

Abb. 2-27. Die Große Magellansche Wolke, eine irreguläre Galaxie, ist Begleiter unseres Milchstraßensystems

Tafel 19

Abb. 2-28. Die Spiralgalaxie NGO 5236 vom Typ So in H y d r a . Die K n o t e n in den Spiralarmen sind Assoziationen heißer Riesen und Überriesen

Tafel 20

Abb. 2-29. Das STEPHANsche Quintett, ein mehrfaches Galaxiensystem

Abb. 2-30. Zentralgebiet des Coma-Haufens. (Aufnahme : Karl-Schwarzschild-Observatorium)

Tafel 22 H + K

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1 700 000 000 A urija

2 600 000 000 Hydra

61000

km/s

Abb. 2-33. Abhängigkeit der Botverschiebung von der Entfernung (HüBBLE-Beziehung). Links sind die Photographien einzelner Galaxien wiedergegeben, rechts ihre Spektren. Durch horizontale Pfeile sind die beobachteten Verschiebungen der Absorptionslinien H und K des ionisierten Kalziums gegenüber ihrer normalen Lage angezeigt. Beiderseits jedes Galaxienspektrums sind Spektren einer Laboratoriumslichtquelle zur genauen Messung dieser Verschiebungen aufgenommen. Die Geschwindigkeiten der Galaxien wurden aus der Verschiebung nach dem DoPFLERschen Gesetz ermittelt, die Abstände nach einer photometrischen Methode [77]

Tafel 23

Abb. 2-35. Der diffuse Nebel NGC 6611 (M 16), der genetisch mit der in ihm stehenden O-Assoziation verbunden ist

Tafel 24

Abb. 2-36. Das System 30 Doradus in der Großen Magellanschen Wolke Abb. 2-45. Aufnahme eines HEKBIG-HABO-Objektes (Haro 12a = Herbig 2) im Orion im ultravioletten Farbbereich von 1946 bis 1968 [225]

Tafel 25

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Tafel 26

Abb. 2-46. A u f n a h m e eines Ausbruchs des Flaresterns Nr. 121 in den Plejaden. J e d e r Stern ist zehnmal als Punktfolge abgebildet (zeitliche Folge von links nach rechts). Der Flarestern ist nur auf den letzten vier Belichtungen zu sehen, da er vor dem Flare schwächer als die Grenzgröße war. Der Helligkeitsabfall nach dem Ausbruch ist deutlich zu sehen [228]

Abb. 2-49. Der Cirrusnebel NGO 6992 im Schwan (Cygnus). (Aufnahme: Karl-Schwarzschild-Observatorium)

Tafel 28

Abb. 2-50. Der Krebsnebel, der Überrest einer Supernova in unserer Galaxis, deren Aufleuchten im Jahre 1054 beobachtet wurde

Tafel 29

Abb. 2-51. Die im „Rosettcnnebel" um den Sternhaufen NGC 2244 gelegene Assoziation MonocerosII; zwischen beiden besteht ein genetischer Zusammenhang. Vor dem hellen Hintergrund des Nebels sind dunkle Globulen zu sehen. (Aufnahme: Karl-Schwarzschild-Observatorium)

Tafel 30







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Abb. 2-52. Schema der Bildung einer Sternassoziation mit zwei Kernen nach der Protosternhypothese. Das letzte Bild rechts ist eine Photographie des Gebietes von Perseus I (h und x Persei)

Abb. 2-53. Der Spiralnebel NGC 4594 (M 104) im Sternbild Virgo. Der Beobachter schaut genau auf die Kante des Systems. Der dunkle Streifen am Äquator wird durch die starke Lichtabsorption der interstellaren Dunkelmaterie hervorgerufen

Tafel 31

Abb. 2-54. Doppelkern der Radiogalaxie Cygnus A

Tafel 32

Abb. 2-56. Die Radiogalaxie Centaurus A (NGO 5128) mit Merkmalen einer Doppelnatur

Tafel 33

Abb. 2-58. Die Radiogalaxie Virgo A (NGC 4486) mit dem von der Kernregion ausgehenden Materiestrahl (jet)

Tafel 34

Abb. 2-59. Die Galaxie M 51. Einer ihrer Spiralarme erstreckt sich — gleich einer Materiebrücke — bis zu dem weit entfernt gelegenen Begleiter NGO 5195 (oben im Bild). (Aufnahme: Karl-Schwarzschild-Observatoriuni)

Tafel 35

Abb. 2-60. Die Galaxie IC 1182 mit Materieverdichtungen, die aus dem Kern herausgeschleudert wurden

Tafel 36

Abb. 2-61. „Wechselwirkende" Galaxien

Tafel 37 a)

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Abb. 2-64. Spektren von MABKARJAK-Galaxien (von links nach rechts): a) Nr. 34; b) Nr. 36; c) Nr. 42. Die breiten Emissionslinien in den Spektren der Galaxien Nr. 34 und Nr. 42 sprechen für die Zugehörigkeit zum Typ der SE YFERT-Galaxien [394]

Tafel 38

Abb. 2-66. Die Galaxie M 82, in der sich nach LYNDS und SANDAGE vor 1.5 Millionen Jahren eine gewaltige Explosion ereignete. Oben und unten sind Gaswolken zu sehen, die durch die Explosion aus dem Kern herausgeschleudert wurden und die sieh von dem Kern mit einer Geschwindigkeit von über 1000 km/s wegbewegen

A bb. 2-67. Der Spiralnebel NGO 4303 mit dem deutlich sichtbaren K e r n

Tafel 40

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Abb. 2-68. Entwicklungsschema der Galaxien bei (von oben nach unten) unterschiedlicher Kernaktivität : a) Kernteilung und Ausstoß radiostrahlender Wolken; b) Ausstoß eines Materiestrahls (jet) aus dem Kern einer Galaxie; dieser Materiestrahl enthält Kondensationen, die sich später zu blauen Galaxien entwickeln; c) Ausstoß gasförmiger Materie als Folge einer Explosion kosmischen Ausmaßes im Kern einer Galaxie; d) Bildung von Spiralarmen und Begleitersystemen aus Kernmaterial. In dem letzten (rechten) Bild einer jeden Reihe sind die Photographien der Galaxien wiedergegeben, die die entsprechenden Erscheinungsformen der Kernaktivität besitzen.

2.3. Galaxienentwicklung

119

sein. Man muß ferner davon ausgehen, daß das Material für die Spiralarme in den Galaxienkernen erzeugt wird. Dafür spricht zumindest die Tatsache, daß die Spiralarme der Galaxien in den Kernen beginnen. Gegenwärtig gibt es keine direkten Hinweise für einen Zusammenhang zwischen der stellaren Population von sphärischem Untersystem plus Scheibe und den Kernen, jedoch nimmt AMBARZUMJAN [ 4 ] an, daß die Ursache für die Bildung dieser Untersysteme wahrscheinlich ebenfalls im Kern zu suchen ist. Die verschiedenen Untersysteme entstehen vermutlich nacheinander in den verschiedenen Aktivitätsphasen der Kerne. AMBARZUMJAN [ 3 1 7 ] unterstreicht die Wichtigkeit der Erforschung der Kernentwicklung: „Wir sind uns darüber im klaren, daß das von uns direkt beobachtbare Objekt die stellare Population ist, die möglicherweise im Leben des Kernes nur eine zweitrangige und unbedeutende Rolle spielt. Wichtig jedoch ist, daß die statistischen Änderungen dieser stellaren Population die Veränderungen im Zustand eines wesentlichen Faktors — nämlich des nichtstellaren massiven Körpers — widerspiegeln. Wir haben zwar keine Möglichkeiten, diesen supermassiven Körper direkt zu beobachten, aber wir können seine Veränderungen überwachen, indem wir untersuchen, wie diese die stellare Kernpopulation beeinflussen." Wegen der Schwierigkeit, alle Kerne detailliert zu untersuchen, ist gegenwärtig die Erforschung der integralen Kerneigenschaften (Farbe, Helligkeit usw.) an erste Stelle gerückt. Sie soll dazu beitragen können, das Geheimnis dieser Gebilde zu lüften. 1 ) AMBARZUMJAN* [ 3 1 7 ] leitete aus der Analyse der Daten über den unterschiedlichen Grad der Kernaktivität in den verschiedenen Entwicklungsstadien der Galaxien folgende Entwicklungsrichtung der Galaxien ab: spiralförmige 'Balkenspiralen Dies bedeutet, daß Sc-, SBc- und irreguläre Galaxien (wie z. B. die Magellanschen Wolken), die alle Sterne der Population I enthalten, die genetisch ältesten Galaxien sind. Damit erklärt sich auch die Seltenheit an Kernen hoher Leuchtkraft bei Sc- und SBc-Galaxien sowie das völlige Fehlen der Kerne in einigen irregulären Galaxien. In den letzten Entwicklungsstadien der Galaxien verringert .sich die Helligkeit der Kerne erheblich; die Kerne erschöpfen sich und verschwinden. *) In jüngster Zeit schenkt man große Aufmerksamkeit einer umfangreichen Erforschung der Eigenschaften der Galaxienkerne, genauer gesagt, der kernnahen Gebiete. Einige Ergebnisse, die sich auf integrale Eigenschaften einer großen Anzahl von Galaxienkernen beziehen, sind bereits veröffentlicht worden [461—408], Zweifellos repräsentieren diese Untersuchungen ein gewisses Interesse am Studium der kernnahen Gebiete, am Wissen-Wollen, wie es um die Natur der Kerne bestellt ist. Deshalb ist es um so bedauerlicher, daß es vorläufig keine einheitliche Behandlung dieser Frage gibt. 9 Ainbarziinijnn

120 2. Kosmogonie der Sterne und Galaxien Den Entwicklungsweg der Galaxien kann man sich, wenn diese Hypothese richtig ist, schematisch wie folgt vorstellen: Die Riesengalaxien beginnen ihre Entwicklung im Stadium elliptischer Galaxien mit jungen Kernen. In diesem Stadium besitzt die Galaxie eine hinreichend starke stellare Population. Mit der Kernaktivität wächst die Helligkeit des Kerns. In der Galaxie bilden sich neue Untersysteme. Es beginnt nun das Stadium der spiralförmigen Galaxien vom Typ Sa und Sb (oder der Balkenspiralen vom Typ SBa und SBc). Sie besitzen Kerne großer Helligkeit. Schließlich treten diese Galaxien in das Stadium der späten Spiralnebel vom Typ Sc (oder entsprechend der Balkenspiralen vom Typ SBc) und danach in das Stadium der irregulären Galaxien ein. Die Vorstellung, daß die spiralförmigen Galaxien der späten Typen und die irregulären Galaxien die ältesten Sternsysteme sind, steht nicht im Widerspruch zu der Tatsache, daß sich in ihnen junge Sterne befinden (heiße Riesen und Überriesen); denn das geringe Alter bestimmter Bestandteile der Galaxien kann, wie schon gesagt, nicht als Beweis dafür betrachtet werden, daß die gesamte Galaxie jung ist. Die eben dargelegte Konzeption geht von der Annahme aus, daß die Sterne der Population I I im Anfangsstadium der Galaxienentwicklung entstehen, während die Population-I-Sterne erst in einem späteren Stadium gebildet werden, wenn nämlich die Spiralarnie aus der Materie entstehen, die aus dem Kern ausgeschleudert wurde. Natürlich kann diese Hypothese, nach der die Galaxienentstehung und -entwicklung auf die Aktivität dichter, massiver Kerne zurückzuführen ist, gegenwärtig noch nicht alle physikalischen und dynamischen Eigenschaften der Galaxien erklären. Es ist zum Beispiel sehr schwierig, den hohen Drehinipuls einiger Galaxien zu erklären, falls sie aus Körpern geringer Ausdehnung entstanden sind. Es gibt noch andere, aber weniger ernste Schwierigkeiten. Jedoch berechtigen die vielen Anzeichen von kosmogonischer Aktivität der Galaxienkerrie — insbesondere das eruptive Verhalten — zu der Hoffnung, daß „die Erforschung der Explosionen und anderer instabiler Erscheinungen in Galaxien entscheidend ist für die Lösung der Probleme der Galaxienentstehung und -eiltwicklung sowie für die Beantwortung der Frage hinsichtlich der Umwandlung nichtstellarer, in den Galaxienkernen befindlicher Körper in gewöhnliche Sterne und Nebel" [03]. Superstcrne oder die umgekehrt „aufgezäumte" Hypothese Uber die Kondensation diffuser Materie. Aus Beobachtungsdaten lassen sich einige Vorstellungen über die Galaxienkerne und deren kosniogonische Aktivität entwickeln. Die Helligkeit der Kerne ist sehr unterschiedlich; sie reicht von zehntausendfacher bis zu milliardenfacher (und darüber) Sonnenhelligkeit. Die Massen der Kerne werden auf 10 6 —10 10 Sonnenniassen geschätzt. Auffällig ist die Eigenschaft, daß gewaltige Energiemengen in den Kernen freigesetzt werden: bis 10 57 —10 59 erg und mehr. Eine derartig große Energiefreisetzung beobachtet man bei heftigen Erscheinungsformen der Kernaktivität, zum Beispiel bei Radioflares. die zur Umwandlung einer Galaxie in eine Radiogalaxie führen und bei Explosionen, die

2.3. Galaxienentwicklung 121

von riesigen Materieauswiirfen begleitet werden. Bedeutend häufiger jedoch beobachtet man Formen schwächerer Aktivität der Galaxienkerne: Radiostrahlung, Ultraviolettexzeß usw., die natürlich mit einer wesentlich geringeren Energiemenge aufrecht erhalten werden kann. Es ist offensichtlich, daß den unterschiedlichen Formen der Kernaktivität eine unterschiedlich lange Aktivitätsdauer zugrunde liegen muß. So kann das Radioemissionsstadium, das durch die Freisetzung einer enormen Energiemenge gekennzeichnet ist, im Leben einer Galaxie nicht sehr lange währen.1) Deshalb sollte man erwarten, daß jede Überriesengalaxie vielleicht sogar öfter die Radioemissionsphase durchläuft. Es gibt auch andere Gründe für die Annahme, daß die Aktivität der Kerne eine wiederkehrende Eigenschaft ist. Die Möglichkeit wiederholter Explosionen in den Galaxienkernen (beispielsweise bei der Radiogalaxie Centaurus A ) spricht dafür, daß der Zustand einer Galaxie bei einer einzigen Explosion keine radikale Veränderung erfährt. Die neuen Beobachtungsdaten über Kerne, insbesondere die Identifizierungen von quasistellaren Radioquellen ( = Quasare) mit isolierten Kernen und der Ausbruch im Kern von M 82, brachten die Schöpfer der Hypothese von der Kondensation diffuser Materie in eine sehr schwierige Situation. Es bedeutet das Ende für die Kollisionshypothese der Galaxien, deren Anhänger (zumindest der überwiegende Teil) sich nach und nach gezwungen sahen, diese Hypothese abzulehnen. Die Autoren der Hypothesen über die Kondensation diffuser Materie unternehmen jedoch Versuche, ihre alten Vorstellungen den neuen Fakten anzupassen. So hat man beispielsweise auch die Hypothese von H O Y L E und F O W L E R [ 4 7 0 , 4 7 1 ] über Supersterne zu beurteilen. Beide verteidigten über viele Jahre hinweg mit großer Hartnäckigkeit die Idee, daß Sterne und Sternsysteme durch Kondensation und Accretion diffuser Materie entstehen, und bemühten sich nun, die neuen, für sie unerwarteten Tatsachen durch ein äußerst gekünsteltes Bild zu erklären. Da sie schließlich die Fakten zur Kenntnis nehmen mußten, die für Teilung und Zerfall massiver Körper hoher Dichte in den Kernen der Galaxien sprechen, vertreten sie nun die Ansicht, daß die Bildung solcher Körper durch starke Kondensation diffuser Materie möglich ist. Nach ihrer Meinung beginnt erst danach der Zerfall. Die Gekünsteltheit dieser Konstruktionen ist kaum zu übersehen.2) Die moderne Wissenschaft verfügt bis jetzt über keinen einzigen direkten oder indirekten Hinweis darauf, daß in den Galaxien Kondensationsprozesse ablaufen, bei denen aus diffuser Materie Sterne entstehen, geschweige denn dafür, daß Kondensationsprozesse zu dichten, massiven Körpern von der Art der Galaxienkerne führen. J)

Nach einer Abschätzung von M. SCHMIDT [469] liegt das Alter der Radioquellen zwischen 10* und 10° Jahren, wobei intensivere Quellen jünger sind.

-} Es ist kein Wunder, daß sich in kurzer Zeit die Unhaltbarkeit der Superstemhypothese erwies, mit der die mit der Kernaktivität korrelierten nichtstationären Erscheinungen erklärt werden sollten (siehe z. B. [472]). 9*

122

2. Kosmogonie der Sterne und Galaxien

Die Theorie der Supersterne, denen im wesentlichen die aus Bjurakaner Untersuchungen gewonnenen Eigenschaften der Galaxienkerne zugeschrieben werden, ist faktisch ein Ausdruck des Unwillens der Autoren, das Scheitern der klassischen Konzeption über die Kondensation diffuser Materie anzuerkennen und die Konzeption über die kosmogonische Aktivität der Galaxienkerne anzunehmen. Erinnert sei an einen Fall, der sich zu Anfang der fünfziger Jahre ereignete. Damals blieben viele Gegner der Sternassoziationen dabei — obwohl sie sich von deren Existenz überzeugt hatten — diese stellaren Systeme neuen Typs hartnäckig ,.Aggregate" oder „Gruppierungen junger Sterne" zu nennen, bis schließlich die Internationale Astronomische Union diese Bezeichnung änderte. Es muß darauf hingewiesen werden, daß auch die Protosternhypothese und die Hypothese von der kosmogonischen Aktivität der Kerne von der Annahme ausgehen, daß dynamische und physische Instabilitäten bei Sternen und Galaxien nur geklärt werden können, wenn wir unsere Kenntnisse über die Struktur der Materie und die Gesetzmäßigkeit ihrer Entwicklung erweitern. In der Tat sind viele Beobachtungstatsachen über Sternassoziationen und physische Gruppierungen von Galaxien, insbesondere solche, die sich auf Gesetzmäßigkeiten ihrer Bildung und Ent wicklung beziehen, im Rahmen der gegenwärtig existierenden Vorstellungen über die Eigenschaften der Materie nicht erklärbar. Vorläufig ist es sehr schwierig, konkrete Mechanismen jener ungewöhnlich großen Energiefreisetzung zu erörtern, die mit den beobachteten Formen der Aktivität der Galaxienkerne verbunden sind. Dies liegt daran, daß wir nur in begrenztem Umfang Kenntnisse über den Charakter der in den Galaxienkernen ablaufenden Prozesse erlangen können. Vordringliche Aufgabe auf diesem Gebiet ist daher die richtige, auf Tatsachen gegründete Interpretation der beobachteten Erscheinungen. Die bereits bekannten Beobachtungsdaten geben Hinweise auf die Natur der Energiequellen, die für die Aktivität der Galaxienkerne verantwortlich sind [438, 473]. Eine Zeitlang schien es, daß die Kettenreaktion von Supernovaausbrüchen als mögliche Energiequelle für die verschiedenen Erscheinungsformen der Kernaktivität in Radiogalaxien [474] und anderen Galaxienkernen [475] in Frage kommt. Man mußte jedoch diese Erklärung bald aufgeben. Rechnungen zeigen zum Beispiel, daß in der SEYFERT-Galaxie XGC 1068 für die Deckung des Energiebedarfs der radialen Bewegung gasförmiger Wolken, die Geschwindigkeiten von der Größenordnung 000 km/s und eine Gesamtmasse von etwa 107 Sonnenmassen besitzen [476], einige Millionen Supernovaausbrüche im Kern dieser Galaxie erforderlich wären. Noch schwieriger ist es, die phantastischen Energiemengen zu erklären, die in Radiogalaxien und Quasaren freigesetzt werden. Die gesamte Ausstrahlung der Radiogalaxien und quasistellaren Objekte, die auf 1062 bis 1083erg geschätzt wird [355], läßt sich auch nicht durch thermonukleare Reaktionen, also Umwandlungen von Wasserstoff in Helium, decken. Der maximal mögliche Gewinn an Kernenergie ist von der Größenordnung

2.3. Galaxienentwiclcliuiy

123

8 • 10 - 3 mc2. Wenn man daher den gesamten Energiebedarf der Radiogalaxien und Quasare durch thermonukleare Reaktionen erklären wollte, wären jeweils Massen über der Masse des Milchstraßensystems erforderlich. Man muß hinzufügen, daß bei der Gravitationsenergie der Gesamtbetrag um einige Größenordnungen höher liegt und von der Größenordnung mc2 sein kann (siehe z. B . [238]). Nach den beobachteten Eigenschaften der Kernaktivität [438] ist die rasche Umsetzung großer Energiemengen ein wesentlicher Faktor. Dabei ist höchst bemerkenswert, daß die Prozesse in der Regel in instabilen Systemen ablaufen. Diese Tatsache deutet darauf hin, daß man für die richtige Interpretation der Energiequellen, die in den Galaxienkernen die heftigen Prozesse hervorrufen, wahrscheinlich die relativistische Gravitationstheorie von E I N S T E I N [408] heranziehen muß. Im Zusammenhang mit der Untersuchung möglicher Energiequellen ist ein Ergebnis von AMBABZUMJAN und SAAKJAN [477] interessant. Sie zeigten, daß der Massendefekt (die Differenz zwischen der Gesamtmasse der in einem Stern befindlichen Partikel und der Masse dieses Sterns) superdichter Konfigurationen mit einer Baryonendichte im Zentrum von über 10 40 g/cm 3 negativ wird. Dies ist die Folge des rein relativistischen Effektes der Verletzung der Additivität in einem starken Gravitationsfeld. Wesentlich ist der Umstand, daß die Himmelskörper mit negativem Massendefekt einen enormen Vorrat an innerer Energie besitzen. Nicht ausgeschlossen ist auch die Möglichkeit, daß diese Energie, insbesondere die Explosionsenergie in den Galaxienkernen, auf Kosten irgendwelcher rasch ablaufender nuklearer Prozesse unbekannter Natur freigesetzt wird. In diesem Fall muß man zum Beispiel die herausragende Erscheinung der Radiogalaxien offensichtlich als direkte Folge der nuklearen Wechselwirkung in der Materie der Galaxienkerne ansehen [473]. Die großartigen Leistungen der modernen Astrophysik weisen eindringlich auf die Notwendigkeit hin, bei der Klärung der qualitativ neuen explosionsartigen Erscheinungen in den Galaxienkernen nach neuen, der Wissenschaft bisher unbekannten Materieeigenschaften und Energieformen zu suchen und dabei die allen Vorstellungen aufzugeben [478], Das expandierende Weltall. Nach der Entdeckung des „Rotverschiebungs"gesetzes ( H u B B L E s c h e s Gesetz) sind zahlreiche Versuche unternommen worden, die „Rotverschiebung" nicht als Folge eines Sichvoneinanderentfernens der Galaxien, sondern als Ergebnis anderer physikalischer Prozesse zu interpretieren, die nicht mit einer Bewegung zusammenhängen (Altern der Photonen proportional dem Weg, Änderung der Lichtgeschwindigkeit). Alle diese Versuche blieben jedoch erfolglos; gegenwärtig wird die DOPPLER-Natur der ..Rotverschiebung" nicht bezweifelt [479]. Das HuBBLEsche Gesetz, das die Abhängigkeit der Radialgeschwindigkeit der Galaxien von ihrer Entfernung ausdrückt, wurde aus Radialgeschwindigkeiten einer großen Zahl von Galaxien abgeleitet. Es kennzeichnet eine Expansion der

124

2. Koamogonie der Sterne und Galaxien

Metagalaxis; das ist jenes riesige System, dem alle beobachteten Galaxien und deren übergeordnete Systeme angehören. I n den letzten Jahren wurde durch radioastronomische Beobachtungen die Realität der Expansion der Metagalaxis bekräftigt [480—482]. Man muß betonen, daß aus dem Auseinanderstreben aller Galaxien von unserem Milchstraßensystem keineswegs eine zentrale Lage der Galaxis unter den Galaxien folgt, da bei isotroper Expansion der Metagalaxis die Proportionalität zwischen der Geschwindigkeit, mit der die Galaxien sich voneinander wegbewegen, und der Entfernung in jedem beliebigen Punkt des Systems gewährleistet ist (Abb. 2-69). £

B

i 1500

C

relativ tu ,. B.

7S0

B 750

0

750 C

relativ zu ,.C"

1500 km/s 0 750km/!

Abb. 2-69. Schema zur Expansion der Metagalaxis. Für Beobachter in den Punkten A, B, C und D entfernen sich alle übrigen Punkte mit einer der Entfernung proportionalen Geschwindigkeit. Der Abstand der Punkte soll 10 Millionen Parsec betragen [77]

Das HuBBLESche Gesetz gilt nur im Mittel, da die einzelnen Galaxien und deren Systeme außer der Expansionsbewegung der Metagalaxis ihre eigenen pekuliaren Bewegungen besitzen. Für die nächstgelegenen Galaxien können die Absolutwerte dieser pekuliaren Bewegung in radialer Richtung manchmal die H U B B L E sche Expansionsbewegung übertreffen. Offenbar lassen sich auf diese Weise die negativen Radialgeschwindigkeiten einiger Galaxien erklären. Bereits bei den nächstgelegenen Galaxienhaufen ist die Radialbewegung von uns fortgerichtet, was für die Kleinheit der Pekuliargeschwindigkeit der Galaxienhaufen relativ zu ihrer Fluchtgeschwindigkeit spricht. Die Klärung der Erscheinung einer expandierenden Metagalaxis ist ein außerordentlich wichtiges Problem. Augenscheinlich handelt es sich dabei um die E x pansion eines riesigen, aber endlichen Systemes. 1 ) Viele Autoren haben versucht, mit der EixsTEiNschen Gravitationstheorie und mit vielen groben, vereinfachenden Annahmen über die Homogenität des Weltalls die Vergangenheit des gesamten Kosmos seit Beginn seiner Expansion zu „rekonstruieren". Sie kommen zu dem Schluß, daß das Universum vor ungefähr 10 Milliarden Jahren punktförmige Dimensionen hatte. 2 ) ) Bis zu den Grenzen der Metagalaxis ist man bis jetzt mit den gegenwärtig vorliegenden Beobachtungen nicht vorgedrungen. Der entfernteste beobachtete Quasar 0Q 172 befindet sich in einer Entfernung von rund 14100 Mpc (für ein Weltmodell mit qa = 1) [483], 2 ) NOWIKOW [484] und XEYMAJJ [485] wiesen im Rahmen der allgemeinen Relativitätstheorie auf die Möglichkeit hin, daß bei der „Expansion des Weltalls" einzelne Materieanteile in ihrer Expansion verzögert sein könnten. Die „aufgehaltenen" Kerne beginnen nach Ablauf x

2.3. Galaxienentwicklung

125

Im Zusammenhang mit dieser Fragestellung schreibt AMBAKZUMJAN [03]: „ U m diesen fragwürdigen Schluß, der von gewissen Autoren als zwangsläufige Folge w o wieder 106 MeV ist, werden die ¡xr-Mesonen erneut instabil und verschwinden aus dem Medium. Somit existieren die ¡¿--Mesonen nur in einer bestimmten Schicht rx < r < r., des Sterns. In der Hyperonensphäre gibt es keine wesentlichen Unterschiede zwischen den Konzentrationen der verschiedenen Baryonen. Sie sind größenordnungsmäßig gleich. Das Elektronengas ist hier überwiegend relativistisch. Jetzt wollen wir versuchen, eine analytische Beziehung zwischen den Konzentrationen der verschiedenen Teilchen aufzustellen. Das ist möglich, wenn man von der Gleichung (3.9a) ausgeht. Aber wir sind gezwungen, in der Beziehung (3.9a) eine gewisse Vereinfachung vorzunehmen. Es handelt sich um die Wechselwirkungspotentiale der Baryonen mit dem Medium Vk(-i'>{Nk). Beim gegenwärtigen Stand der Theorie der Elementarteilchen besitzen wir noch keine genaue Kenntnis über die potentiellen Energien in einem Gebiet, wo die Dichte größer als die Kerndichte ist. Da aber alle Baryonen stark wechselwirkende Teilchen sind, kann man annehmen, daß die Funktionen V ^ sich nicht wesentlich voneinander unterscheiden. Wenn man annimmt, daß alle Baryonen in gleicher Weise mit dem Medium wechselwirken (oder genauer, wenn die Differenz der potentiellen Energien klein ist im Vergleich zur Grenzenergie der Baryonen), kann man Gleichung (3.9a) in folgender Weise schreiben: £* +Ee

= Ek(~) -

E, =

Ekm.

(3.13)

Daraus folgt, daß die FERMI-Energie für Baryonen mit gleicher elektrischer Ladung gleich groß ist. Aus (3.10) und (3.13) erhält man leicht eine analytische Beziehung zwischen den Konzentrationen der Baryonen mit gleicher elektrischer Ladung. (3.14) Dabei ist

Bei neutralen Baryonen ist es bequem, als Grundteilchen ein Neutron anzunehmen, d. h. k — n und i = A, 2°, H®. Für positiv geladene Baryonen setzt man k = p (d. h. man nimmt als Grundteilchen ein Proton) und i = £+. Bei negativen Baryonen setzt man k = S~ und i — S~ und schließlich für Leptonen k = e, i = ja. Die Zahlenwerte für die Konstanten lauten: B^ = 5.240 • 1036 cm- 3 ,

BA = 9.507 • 1038 cm-®, = 1.722 • 1039 cm-3,

(3.15)

3.1. Phasenzustände der Materie

147

J3 h . = 3.346- lCPcm- 3 , B s - = 7.437 • 1038 c n r 3 , _Bv+ = 1.710- 1038 cm- 3 . Aua der Beziehung (3.14) sieht man, daß bei Nk < B{ die Konzentrationen N{ imaginär werden. Das bedeutet, daß die Konzentration des entsprechenden fc-ten Grundteilchens größer sein muß als der Wert der Konstanten Bf, wenn das i'-te Teilchen in ein stabiles Teilchen unigewandelt werden soll. Somit spielen diev Konstanten B{ die Rolle von Schwellendichten. 10 r •10 3t

0

2

i*

6

8

10

N

12

Ii

16

10 3*cm-3

Abb. 3-2. Die Abhängigkeit der Neutronendichte n, der Protonendichte p, der Dichte der E~-Hyperonen sowie der Elektronendichte e von der Gesamtdichte aller Baryonen. Die Kurven sind unter der Voraussetzung berechnet worden, daß die potentielle Energie aller Baryonen gleich groß ist. In der rechten oberen Ecke sind dieselben Kurven für den Dichtebereich N < 103' cm - 3 bei Berücksichtigung des realen Kernpotentials dargestellt

Eine spezielle Auswahl einer Baryonenzusammensetzung hat keine Bedeutung für die Formel (3.14). Sie bleibt bei jeder Auswahl von Baryonenarten richtig. Dabei ist es vernünftig, in allen Fällen als Grundteilchen Proton, Neutron und S - -Hyperon zu nehmen, die in ihrer Ladungsfamilie die jeweils leichtesten Teilchen sind. Folglich kann man die Konzentrationen aller neutralen Baryonen durch die Xeutronenkonzentration Nn ausdrücken und die Konzentrationen der positiven und negativen Baryonen entsprechend durch die Konzentration der Protonen Np und der Z - -Hyperonen Zwischen den Konzentrationen der Baryonen mit verschiedenen elektrischen Ladungen gibt es jedoch keinen einfachen analytischen Zusammenhang. Folglich haben wir vier unbekannte Funktionen Nn, Ns, N^-

148

3. Theorie überdichter

Himmelskörper

und Ne, die von den Baryonendichten abhängen. Die vier Gleichungen, mit denen man diese Unbekannten bestimmen kann, sind (3.9c), (3.9d) und zwei Gleichungen von der Art der Gleichung (3.13). Diese Gleichungen kann man nur numerisch lösen. Wenn man das erwähnte Gleichungssystem (3.9) für unterschiedliche Werte von N löst, kann man für die Teilchen n, p, S - und e die Kurven Nk = Nk(N) konstruieren. Diese Kurven sind in Abbildung 3-2 gezeichnet worden, ßie erlauben zusammen mit der Formel (3.14).auch die Konzentrationen aller übrigen Teilchen zu bestimmen, w;enn die Gesamtzahl der Baryonen N bekannt ist. Man kann auch die Erzeugungsschwellen für die Teilchen durch die Baryonendichte N ausdrücken. Die Schwellenwerte für die Dichten sind in der Tabelle 3-2 enthalten. Über das Auftreten von freien Neutronen und Protonen in der Materie und über die Berechnung der Massendichte o werden wir später sprechen. Tab. 3-2. Erzeugungaschwellen der Elementarteilchen Teilchen

n

Baryonendichte y • 10-3» cm - 3 Massendicht« o • 10~15 g cm - 3

1.83 • io-

J

3.07 • lo- 4

3-

A

P 0.0125

0.20

1.24

0.021

0.331

2.63

3.32 10.1

3.83 12.7

S+ 8.12 47.0

3° 9.93 68.5

Der Bereich der Kerndichte. Unter diesem Gebiet verstehen wir das Intervall der Baryonendichten 1037 ¿ N ^ 1030 cm - 3 . Am Anfang der entsprechenden Schicht des Sterns besteht die Materie aus Neutronen, Protonen, Elektronen, E~-Hyperonen und ¡or-Mesonen; am Rande der Schicht treten Atomkerne auf. In diesem Gebiet überwiegen zahlenmäßig die Neutronen. Es wurde bereits erwähnt, daß mit zunehmender Entfernung vom Zentrum der Grenzkonfiguration die S _ -Teilchen später als alle Hyperonen verschwinden. I n der Näherung des idealen Gases wird dieses Teilchen bei Baryonendichten stabil, die größer als N = 6.07 • 1088 cm~s sind. Doch in diesem Bereich gibt es Möglichkeiten einer genaueren Berechnung der Teilchenkonzentrationen [18]. Wir wollen uns vor allem bemühen, die Erzeugungsschwelle für die Ir-Teilchen in der Materie genauer zu bestimmen. Aus der Theorie der Kernmaterie, die in einer Reihe von Untersuchungen [31—38] ausgearbeitet wurde, ist bekannt, daß die potentielle Energie der Baryonen im Kernsystem keine Konstante ist, sondern nach dem folgenden Gesetz von ihrem Impuls abhängt: Vk(p) = Vk(0) + Tk(p).

(3.16)

Dabei ist F t (0) eine Konstante, die nur von der Baryonendichte abhängt, und Tk die kinetische Energie des fc-ten Teilchens mit dem Impuls p. Die Stabilitätsschwelle für die Z - -Hyperonen erhält man aus dem Gleichungssystem (3.9), wenn man dort alle diejenigen Glieder fortläßt, die sich auf Teilchen beziehen, welche bei den erörterten Dichten nicht existieren, und wenn man außerdem A'v- = 0

3.1. Phasenzustände der Materie

149

setzt. Dann erhalten wir bei Berücksichtigung der Gleichung (3.16): mac* + 2 T a + F„(0) = wipc2 + 2 T f + F P (0) + mBc* + 2 T n + F„(0) =

Nn + NP =

+ Fv-(O) -

Eet,>

Ee,

(3.17).

N.

Hierbei ist Tk — Ek — nt/fi* die FEBMische kinetische Grenzenergie. Die Bedeutung der übrigen Bezeichnungen ist bereits bekannt. F ü r das Kerndichtegebiet (bei Np = Nn) wurde f ü r die Nukleonen 7(0) «s 100 MeV gefunden [33, 34]. Man m u ß erwarten, daß sich auch im Fall der ^--Teilchen F E -(0) nicht stark von F(0) unterscheidet. Aus der ersten Gleichung ist ersichtlich, d a ß die Größe F,,(0) — F p (0) | der Größe 2Ta, beziehungsweise 2 T e + Ee, gleich sein muß. I n der zweiten Gleichung muß |F n (0) — F E -(0)| gleich 2Ta + Et oder gleich (mz- — mn) c2 = 258 MeV sein. Bei N ä 2.10 88 cm" 8 haben wir 2 T a 2Tp Ee 150 MeV; dabei ist es vernünftig, anzunehmen, daß f ü r k = p , |F n (0) — F t ( 0 ) | < 100MeV gilt. Dann macht man keinen großen Fehler, Wenn man die Differenz der potentiellen Energien im Vergleich mit den anderen Gliedern der Gleichung vernachlässigt. Nach Durchführung von einfachen algebraischen Operationen erhält man aus den ersten drei Gleichungen des Systems (3.17) die folgende Beziehung: (3.18) Dabei ist j)e der Grenzimpuls der Elektronen. Wenn man tliese Gleichung löst, erhält man cpe = 120.9 MeV, Tt = 8.1 MeV und Tn = 67.9 MeV. I n Übereinstimmung mit diesen Zahlen erhält man für die Teilchenkonzentrationen an der Erzeugungsschwelle der E _ -Hyperonen: Nn = 1.994 • 1038 c n r 8 ,

Np = 8.206 • 1038 cm" 3

Ne = 7.727 • 1036 cm- 3 ,

N = 2.076 • 103» cm- 3 .

(3.19)

Somit ist die Erzeugungsschwelle der -Teilchen tatsächlich dreimal kleiner als aus der Näherung des idealen Gases folgt. Bei Dichten, die ein wenig kleiner als dieser Wert sind, verschwinden auch die ¡¿--Mesonen aus dem Medium. Wenn m a n umgekehrt von der Seite der geringeren Dichtewerte kommt, so erscheinen von den instabilen Teilchen zuerst die ¡¿--Mesonen und die E~-Hyperonen in der Zusammensetzung der Materie, wobei ihre Erzeugungsschwellen mit der Kerndichte zusammenfallen. I n größerer Entfernung vom Zentrum kommt unmittelbar hinter dem Gebiet, wo die letzten Hyperonen und das ¡¿--Meson verschwinden, eine sehr dünne

150

3. Theorie überdichter Himmelskörper

Schale, in der die Materie aus Protonen, Neutronen und Elektronen besteht. Hier ist es bequem, den Teil der potentiellen Energie (siehe (3.16)), der vom Impuls abhängt, mit der kinetischen Energie zu vereinigen und mit Hilfe der folgenden Beziehung den Begriff der effektiven Masse einzuführen [34, 35]:

imk

+ Vk(p) = Ffc(0) +

mk* =

zwifc*

iüt—.

1

|

mk

(3.20)

dVk

Pn

A

Pk

Dabei ist m k * die sogenannte effektive Masse. Dann kann man die Beziehung zwischen den chemischen Potentialen der Teilchen in der folgenden Form schreiben: «V2 +

2mp*

+

F

P(°) +

E

< = mnc* + J ^ L + F„(0), 2mn*

(3.21)

wobei ?7ip* und mn* die effektiven Massen des Protons und des Elektrons sind. Bei cpe an Ee sind die Elektronen ultrarelativistisch. Aus der Bedingung der elektrischen Neutralität der Teile des Stemvolumens folgt, daß Ne = Nv gilt und folglich auch pt = pe.

(3.22)

I n der Näherung, in der die Erzeugungsschwelle der ^--Hyperonen bestimmt wurde, d . h . unter der Annahme, daß |F n (0) — 7 P (0)| ^ p n 2 /(2ma*) gilt (diese Bedingung ist mit großer Genauigkeit erfüllt), erhalten wir aus (3.21) und (3.22):

I n Übereinstimmung mit den Arbeiten [31, 34, 35] gilt im Kemdichtegebiet n*(Pn) 0.6mn (die effektive Masse hängt vom Inipuls ab, für die unteren Niveaus gilt TOn*(0) 0.5mn). Folglich kann man schreiben:

m

i\ 2—m *cV/ n

2

1.595 • 10"40 cm- 3 .

Um die Eigenschaften zu illustrieren, wollen wir einige Zahlen anführen. So gilt bei jVn = 2 • 1038, 1038, 8 • 1037, 6 • 1037 cm- 3 für das Konzentrationsverhältnis von Protonen zu Neutronen entsprechend NJNn & 0.032, 0.010, 0.013 und 0.010. Somit ist die Vorstellung von sogenannten Neutronensternen, d. h. von Konfigurationen, die zum überwiegenden Teil aus Neutronen bestehen, nicht ganz exakt. (Man nahm bisher an, daß die Konzentration der Neutronen die Konzentrationen der Protonen und Elektronen einige tausendmal übertrifft.)

3.1. Phasenzustände der Materie

151

Der Bereich unterhalb der Kerndichte. Wir wollen jetzt unsere Untersuchungen hinsichtlich, der Veränderung des Materiezustandes bei weiterer Verringerung der Dichte (d. h. bei zunehmender Entfernung vom Zentrum der überdichten Gleichgewichtskonfiguration) weiterführen. In den Atomkernen beträgt die Baryonendichte ungefähr 2 • 1038 cm - 3 , der entsprechende mittlere Abstand zwischen den Teilchen 2 • 10~13 cm - 3 . Das Feld der Kernkräfte reicht etwas weiter. Als Beweis dafür kann das Deuteron dienen, dessen mittlere Größe ungefähr gleich 4.3 • 10~13 beträgt, was einer Dichte entspricht, die ufti eine Größenordnung kleiner als der angegebene Wert ist. Früher sahen wir, daß es bei N ^ 2 • 1038 cmr3 im entarteten Kernplasma keine Hyperonen und ¡ir-Mesonen gibt. In einem bestimmten engen Bereich 1037 N ^ 2 • 1038 cm - 3 besteht die Materie aus Neutronen und einer Verhältnismäßig kleinen Zahl von Protonen und Elektronen: Ne = 2VP Nn. Das ist die sogenannte Nukleonen-Elektronenoder symbolisch «ep-Phase der Materie. In dem Gebiet N ig 2 • 1038 cm - 3 ist das Plasma reich an Hyperonen. Darum kann man den entsprechenden Zustand Hyperonen-Phase nennen. Mit abnehmender Dichte verringert sich die Grenzenergie der Protonen (es verringert sich natürlich auch Ea und Ee) und erreicht bei N i=w 1.25 • 1037 cm - 3 den Grenzwert mpc2. Folglich wird Np gleich Null, d. h., die Protonen verschwinden aus dem Medium. Anscheinend besteht das entartete Plasma unterhalb dieser Schwelle bis zu einer bestimmten Grenze nur aus einem freien Neutronen- und Elektronengas. Eine detaillierte Betrachtung zeigt aber, daß hier auch eine verhältnismäßig kleine Zahl von Atomkernen existiert. Sie sind zur Kompensation der Elektronenladungen notwendig. Diesen Zustand des Plasmas kann man >4en-Phase nennen (das Symbol A kennzeichnet den Kern). In dieser Phase ist das Proton ein instabiles Teilchen: Ein zufällig entstandenes Proton wandelt sich in ein Neutron um, p -> n + e+ -f- ve. Die Instabilität des Protons ist durch den großen Wert der Grenzenergie für die Elektronen Ee + mpc2 > En bedingt. Im Zustand des thermodynamischen Gleichgewichts kann man die Abhängigkeit der Teilchendichten und der Kernparameter A und Z (A: Massenzahl, Z : Kernladung) von der Baryonendichte (oder Massendichte Q) aus der Bedingung des Energieminimums finden: n=

N —N A H

2- [(4 — Z) m„c2 + Zmpc2 — B(A, Z)\-(- mnc2ATn

3« 2 „ _ 3«. (N H 10>w,r,2 ^ 4

4/3

~J

Nn)

(3.24)

Hier ist a = (3,-t2)1'3 • ch, (N — N„)IA die Zahl der Atomkerne pro Volumeneinheit (aus der Bedingung der elektrischen Neutralität folgt Ne = Z(N — Nn)/A). Der erste Summand stellt die Kernenergie dar (der Einfachheit halber wird angenommen, daß nur ein Kerntyp existiert); der zweite und dritte Summand ist die Gesanitenergie des entarteten nichtrelativistischen Neutronengases. Die Energie 11 Ambarzumjan

152 3. Theorie überdiehter Himmelskörper des entarteten relativistischen Elektronengases wird durch den letzten Summanden ausgedrückt (in dem betrachteten Gebiet ist die Elektronendichte relativistisch: Ef. mec2). B(A, Z) ist schließlich die Kernbindungsenergie, die für mittlere und schwere Kerne in guter Näherung durch die folgende halbempirische Formel ausgedrückt werden kann: 72 i 2 7 \2 B{A, Z) = C0A -C2 — -C3AII-—\, C0 = 15.7;

C, = 17.8;

C2 = 0.71;

C3 = 23.7.

Dabei hat B die Dimension MeV und a den Wert 6.11 • Ith 1 1 MeV cm. Wenn wir den Ausdruck für B in (3.24) einsetzen, so erhalten wir: g(N, Nn, A, Z) =

(N -

Nn) (m„c* + C\ - C 0 )

z (m„C* - ?MpC2 + 4C 3 ) - + 3a 2

+ Nnm„c2

10winc2

c

A„s" +

-r

3« — N 4



A2 413

Nu % A

(3.24a)

Wir müssen ein Minimum dieses Ausdrucks für o bei gegebener Baryonenzahl finden IM

=

/JL\

=

/ J L \

=

0

.

Nach Ausführung der Differentiation findet man: Ee -

(mnc* - w p c 2 + 4C 2 ) + 2y(4C3 + C%A^) = 0,

(m„c* — w p c 2 + 4C 3 ) y a' 2 ?w„c2

^U z/3 = C, -

4(7 ^2/3?/2 _

C, 3^41'3

+ r,^-1'3 -

;/2(4C3 +

2

HCay

=

yEf

G^2'3),

(3.25)

wobei y = — ist und « [ ( # — iV„) '/l 1 ' 3 — ^e- Wenn man die Beziehung A m dZ

[M(A.Z)

- M(A. Z — 1)]

berücksichtigt, wo M die Kernmasse ist. so kann man sich leicht von der Richtigkeit der folgenden Beziehung überzeugen: [M(A, Z -

1) - M(A, Z)] c 2 =

Ee.

(3.20)

3.1. Phasenzustände der Materie

153

Mit der letzten Beziehung ist eine wichtige physikalische Erscheinung verbunden, die man als Neutronisation der Materie bezeichnet. Wegen der Existenz eines entarteten Elektronengases mit genügend großem Wert der Grenzenergie Ee sind nämlich gewöhnliche Atomkerne in bezug auf den inversen /3-Zerfall instabil: BZA + e =

Bl_1+vt.

Dabei ist B das Kernsymbol. Dieser Prozeß verläuft, solange die Massendifferenz zwischen den Isobaren von der Grenzenergie der Elektronen abweicht. Im Zustand des thermodynamischen Gleichgewichts gilt dann für die Massen benachbarter Isobaren und der Grenzenergie der Elektronen die Beziehung (3.26). In der Sprache der Thermodynamik gibt die Beziehung (3.26) den Zusammenhang zwischen den chemischen Potentialen der Materiekomponenten im Gleichgewichtszustand, der wegen des oben angeführten ^-Prozesses besteht. Der inverse ^-Zerfall findet statt, wenn in einem entarteten Elektronengas die Materiedichte erhöht wird. Bei Abnahme der Dichte läuft der normale ^-Zerfall ab: ßzA -* BAz+i + e

+Ve-

Die Gleichung (3.26) stellt die Bedingung des statistischen Gleichgewichts zwischen den angeführten Reaktionen des normalen und inversen /J-Zerfalls dar. Wenn wir die erste Gleichung (3.25) mit y multiplizieren und zur zweiten addieren, erhalten wir: (3.27) Die erste Gleichung des Systems (3.25) liefert die Abhängigkeit des Verhältnisses ZjA von,der Baryonenkonzentration. Wir schreiben sie in der folgenden Form: tfn + — [(™nC2 - rnpc2 + 4C3) - 2i/(4C, + C\ « y

= N.

(3.28)

Man kann zeigen, daß die Beziehungen (3.27) und (3.28) gerade die Bedingung für das Energieminimum darstellen. Somit hängen im stabilsten Materiezustand die Parameter des Atomkerns A und Z von der Dichte ab. Weiter unten werden wir sehen, daß dieser Effekt der Abhängigkeit der Kernparameter von der Dichte auch bei Dichten auftritt, die niedriger als die Existenzschwelle der .¡4em-Phase sind. Bei Werten der Grenzenergie der Elektronen ZEe

^ [Am,, -

M(A,Z)]rS

sind die freien Neutronen in bezug auf die Bildung von Atomkernen instabile Teilchen. Das Gleichheitszeichen entspricht der Erzeugungsschwelle der freien 11*

154 3. Theorie überdichter Himmelskörper Neutronen im Medium; am Anfang ist die Grenzenergie der Neutronen gleich ihrer Ruheenergie: Ea = mnc2. Der 4en-Phase geht die >4e-Phase voraus, die ein entartetes Plasma, bestehend aus Atomkernen und entartetem Elektronengas, ist (wir nehmen wieder an, daß die Temperatur des Mediums hinreichend klein ist: T Et gilt. Stellt man A)JZk = y in Abhängigkeit von Ee (oder von q) dar (hier bedeutet k die Kernart), dann erhält man eine treppenföriliige Kurve. Man kann sie aus dem Schema f ü r den ^-Zerfall der Kerne konstruieren. Diese Treppenkurven hängen schwach vom Massenspektruni ab (wobei man natürlich berücksichtigt, daß zum Zentrum des Sterns hin die leichten Kerne allmählich verschwinden). Die Kurven yt(Ee) verlaufen als schmale Streifen. Man kann sie daher bei der Berechnung von Sternniodellen durch eine mittlere stetige Kurve approximieren. — = 2-f- 2.457 • 10~3Ee -+- 6.72 • 10- 5 E C 2 + 1.03t • 10"5Ay». Z

(3.30)

Hier wird Ee in Einheiten von MeV ausgedrückt. Bei Et = 2, 10, 20. 30, 40, 50 und 60MeV erhält man für das mittlere Verhältnis von AjZ entsprechend: AIZ = 2.05, 2.30, 2.65, 3.12, 3.75. 4.60 und 5.90. J e t z t wollen wir den Schwellwert der Dichte für den Übergang zur yloi-Phase bestimmen. An der Grenze zwischen Ae- und -4 ew-Phase gilt die Beziehung: M(A, Z) -f ZEe = Amnc*.

(3.31)

Diese Gleichung stellt den Zusammenhang zwischen den chemischen Potentialen der Teilchen f ü r die Reaktion (A,Z) + Ze An dar, wobei (A, Z) den Kern kennzeichnet, e das Elektron und n das Neutron (die Temperatur wird gleich" Null angenommen; am Anfang der Aen -Phase ist das chemische Potential der

3.1. Phasenzustände der Materie

157

Neutronen gleich ihrer Ruheenergie Ea = mnc 2). In Zusammenhang mit der möglichen Existenz unterschiedlicher Kerne ist es u priori nicht klar, für welchen Kern die Gleichung (3.31) zutrifft. Wenn wir von der Seite geringerer Dichten kommen, müssen wir offensichtlich unter M in Gleichung (3.31) die Masse des Kerns mit dem geringsten Wert von Et verstehen. Für Kerne mit A = 4, 16, 40, 57, 80, 197, 240 gilt dann für die Ee-Werte, die der Gleichung (3.31) genügen, entsprechend Et - 14.6, 19.6, 22.6, 23.3, 23.7, 23.75 und 23.36 MeV. Hieraus folgt, daß man als Grenzenergie der Elektronen für das Heliumatom anscheinend den Wert E f — 14.6 nehmen muß. Bei den betrachteten Dichten können aber die leichten Kerne im Medium nicht existieren. Sie vereinigen sich wegen der dichten Packung mittels des Tunneleffektes zu schweren Kernen [13, 21, 39]. Mit dem Anwachsen der Kernmasse fällt die Wahrscheinlichkeit für den Tunneleffekt schnell (exponentiell) ab. (Zu der Frage, welcher Kern bei einer gegebenen Dichte der stabilste ist, kehren wir am Ende dieses Paragraphen zurück.) Da uns stabile Materiezustände interessieren, müssen wir für Ee den Wert wählen, der den schweren Elementen entspricht. Aus den angeführten Beispielen ersieht man, daß an der ^len-Phase die Grenzenergie der Elektronen ungefähr gleich 23 MeV beträgt. Jetzt läßt sich auch der Wert für die Massendichte und die Zahl der Baryonen an der Schwelle zum freien Neutronengas bestimmen. Gemäß (3.30) ist der mittlere Wert für das Verhältnis AjZ an dieser Schwelle, d. h. bei Ee sa 23 MeV ungefähr gleich 2.8. Die Neutralitätsbedingung für das Plasma liefert: £

ZkNk = N, =

í ^ j .

Hier berücksichtigen wir die Beziehung Et sw cpt = (37t2)1'3 chNe l13 = aNe lla für ein relativistisches Elektronengas. Die Summation wird über alle Kernarten des Mediums vorgenommen. Die Baryonenkonzentration (d. h. die Zahl der Baryonen pro Volumeneinheit) ist gleich

Wenn man berücksichtigt, daß Et 23 MeV und AjZ 2.8, so kann man daraus den Wert für die Teilchenkonzentration und die Massendichte an der Schwelle zum Neutronengebiet, d. h. an der Grenze zur >4en-Phase (wenn wir von der Seite kleiner Massendichten kommen) bestimmen.

N = Z AkNk = 1.49 • 1035 ciu- 3 , k

Ne = Z

k

k k ~ 5.32 • 1034 cm- 3 ,

Z N

q s» mpN

(3.32)

2.49 • 1011 g • cm - 3 .

Der stabilste Zustand der Kerne in der .ie-Phase. Bis jetzt wurde der thermodvnaniische Gleichgewichtszustand des /4e-Plasmas unter der Annahme betrach-

158 3. Theorie uberdichter Himmelskörper tet, daß die Massenzahl Ak der Kerne konstant bleibt. Dabei zeigte sich, daß die Zahl der Protonen Zk in den Kernen nicht konstant ist; sie verringert sich im entarteten Elektronengas bei Zunahme der Dichte. Ein Gleichgewichtszustand stellt sich hier durch den /J-Zerfall ein. Daher ist die Relaxationszeit immer klein und jede Abweichung vom Gleichgewicht wird schnell aufgehoben. Man darf die Massenzahlen Ak jedoch nicht konstant, also von der Dichte unabhängig, ansehen. Wegen der pyknonuklearen Reaktionen (Fusionsreaktionen, die auch im kalten Plasma wegen des Tunneleffektes ablaufen) verschmelzen die leichten Kerne. Dieser Prozeß ruft eine Abhängigkeit der mittleren Massenzahl A von der Massendichte hervor. Die Berücksichtigung der /S-Prozesse liefert also nur ein relatives Energieminimum. Absolut stabil ist erst der .¿e-Zustand, in dem nicht nur /S-Prozesse, sondern auch pyknonukleare Reaktionen unmöglich sind. Bei von Null verschiedener Temperatur muß man von einem statistischen Gleichgewicht zwischen direkten und inversen Prozessen ausgehen. Die Energie eines solchen Zustandes muß im Vergleich mit anderen Zuständen ein Minimum sein. Die Energiedichte ist gleich: N .. . _ . . „ . 3a /NZ\ /NZVI3 o = - [ ( A - Z ) m„c2 + Zmpc* - B(A, Z)] + 4 \ A1 ) Z = N (mnc2 +- C, - C0) - (mnc2 - m p f 2 + 4C 3 ) — + A 3^ (NZ\*13

+

Hier bedeutet der erste Summand (eckige Klammer) die Energie der Atomkerne, der zweite die Energie des Elektronengases. Wir finden ein Minimuni für diesen Ausdruck bei gegebener Baryonenzahl: («L\

= 0;

(JL)

= 0

.

Wenn wir die Differentiation durchführen, erhalten wir a(Ny)i/» - (mnc* - m,r2 + 4 mtc merklich wird. Für die Einstellung des thermodynamischen Gleichgewichts sind zwei Relaxationszeiten wesentlich. Die erste erfaßt den „Neutronisationsprozeß", in dessen Ergebnis die Ladungszahl Z den Gleichgewichts wert erlangt. Ein thermodynamisches Gleichgewicht stellt sich durch den /9-Zerfall ein. Diese Zeit ist vernachlässigbar klein (um viele Größenordnungen kleiner als eine Sekunde). Die zweite Zeit charakterisiert die Einstellung des stabilsten Zustandes in der Ae- und .dew-Phase mit einem absoluten Minimum an innerer Energie (dem größten Wert der Kernbindungsenergie bei gegebener Dichte.) Dieser Zustand des absoluten Gleichgewichts wird im Wechselspiel zwischen der pyknonüklearen Reaktion und der spontanen Teilung der zufällig gebildeten schweren Kerne erreicht. Der Prozeß trägt hier stochastischen Charakter und erfordert eine sehr große Zeit. Diese Ausführungen lassen vermuten, daß überdichte Sterne, insbesondere die Weißen Zwerge, nicht vollkommen erloschene Himmelskörper sind, die ihre innere Energie völlig verloren haben. Wir glauben, daß im Inneren der Weißen Zwerge und in den Hüllen der Baryonensterne pyknonukleare Aufbaureaktionen und entgegengesetzt gerichtete Spaltungsprozesse ablaufen, wobei langsam die inneren Vorräte an Kernenergie freigesetzt werden. Dabei ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß der Zustand des absoluten Gleichgewichts erst nach Milliarden Jahren erreicht wird, und daß sich überdichte Sterne so lange auf Kosten der inneren Vorräte an Kernenergie aufheizen.

3.2.

Die Theorie der fiberdichten Sterne

Die Grundgleichungen des Sternaufbaus. In diesem Paragraphen werden wir über sphärische kalte Sterne sprechen, die aus einem entarteten Gas von Elementarteilchen bestehen. Vom rein theoretischen Standpunkt scheint die Existenz solcher Sterne im Weltall unvermeidlich zu sein, und außerdem lieferte die Entdeckung der diskreten galaktischen Röntgenquellen und der Pulsare Argumente dafür, daß sie wirklich existieren, obwohl die Frage nach der Identifizierung mit den erwähnten theoretischen Objekten noch offen ist. Dieses Problem ist kompliziert und enthält viele hypothetische Momente. Wir werden Ergebnisse der Rechnungen für die wichtigsten Parameter überdichter sphärischer Sterne anführen, die sich im Zustand des mechanischen und thermodynamischen Gleichgewichts befinden. Wir möchten bemerken, daß in diesen Rechnungen keine Hypothesen enthalten sind. Sie basieren auf gut bekannten physikalischen Gesetzen. Die sowohl im Rahmen der E i N S T E i N s o h e n relativistischen Gravitationstheorie als auch auf der Grundlage der N E W T O N s c h e n Theorie durchgeführten Rechnungen ergeben, daß die Masse der überdichten Sterne von der Größenordnung einer Sonnenmasse und ihr Radius von der Größenordnung 10 km ist. Der Radius ist daher mit dem Gravitationsradius vergleichbar: Rg = 2

kMjc*.

3.2. Theorie überdichter Sterne

161

Dabei ist M die Sterninasse und k die Gravitationskonstante. Für die Sonne gilt M = 1.985 • 1033 g und Rg = 2.942 km, während ihr wahrer Radius 7 • 10® km beträgt. Dieser Vergleich zeigt, daß im Gegensatz zu gewöhnlichen Sternen in überdichten Sternen sehr starke Gravitationsfelder vorhanden sind, deren Verhalten durch die EiNSTEiNschen Gleichungen beschrieben werden muß. Die Annahme einer sphärischen Symmetrie der Himmelskörper ist eine wesentliche Beschränkung. Zweifellos besteht auch ein großes Interesse an der Untersuchung der Parameter von rotierenden jungen Sternen, in denen Massenverteilung und folglich auch das Gravitationsfeld Rotationssymmetrie besitzen. Jedoch besitzen die EiNSTEiNschen Gleichungen fiir diesen Fall eine sehr komplizierte Struktur und konnten wegen der mathematischen Schwierigkeiten bisher noch nicht exakt gelöst wreden. Die Größenordnung der durch die Rotation bedingten Effekte ist aber gut bekannt. Wir werden jetzt eine Lösung der EiNSTEiNschen Gleichungen für den Fall einer zentralsymmetrischen Massenverteilung suchen. Man kann bei geeigneter Koordinatenwahl das vierdimensionale Linienelement in der folgenden Form schreiben [40]: ds 2 = c V dt2 — r 2 (d0 2

sin 2 0 drp*) — e* dr 2 ,

(3.34)

wo i' und ?. unbekannte Funktionen von r. dem Abstand vom Sternzentrum, sind Im euklidischen Fall, d. h. bei genügend kleinen Massendichten, gilt v(r) = ?.(r) = 0 Die Formel (3.34) ist nicht nur für den Fall einer stationären Massenverteilung anwendbar, sondern auch dann, wenn radiale Bewegungen auftreten, die die sphärisch-symmetrische Massenverteilung nicht zerstören. Natürlich hängen dann die Größen v- und X nicht nur von r. sondern auch von der Zeit ab. Man kann die Antwort auf alle physikalisch interessierenden Fragen als bekannt ansehen, wenn die Funktionen v(r) und X{r) bekannt sind. Im statischen Fall haben die EiNSTEiNschen Gleichungen mit dem Linienelement (34) die folgende Form [40]:

\r

r2/

r2

r4

\r

r2/

r2

r4

dP — = dr

P+o , X^v', 2

(3.35)

wo o(r) die Energiedichte (o/r2 ist die Massendichte) und P(r) den Druck bedeuten. Diese Gleichungen bestimmen zusammen mit der Zustandsgieichung für die Materie die Komponenten des metrischen Tensors (0),

¡(in) und P = P[tn) gilt. Bisher wurde die Wechselwirkungsenergie der Baryonen in den Gleichungen (3.42) und (3.43) noch nicht berücksichtigt. Auf diese Wechselwirkungsenergie und die daraus folgenden Veränderungen der Zustandsgleichung kommen wir weiter unten zurück. Bei der im 3.1. ausgewählten Teilchenzusammensetzung bestehen die Gleichungen (3.42) und (3.43) im allgemeinen Fall, wenn die Energiedichte groß genug ist und im Mediuni alle Baryonenarten vorhanden sind, aus acht Summanden. Das Elementarteilchengas ist dann relativistisch; Partialenergiedichte und Partialdruck Pk aller Baryonen haben die gleiche Größenordnung.

164

3. Theorie überdichter Himmelskörper

Wir wollen noch einmal die Grenzkonfiguration p(0) = oo betrachten. Im Zentralgebiet besteht die Materie aus einem relativistischen Baryonengas. Wenn man sich nun nach außen in Richtung zur Oberfläche bewegt, verschwinden in bestimmten Abständen rk vom Zentrum (bei bestimmten Dichtewerten) nacheinander die S°-, £+-, Er-, A- und £~-Hyperonen. Entsprechend verringert sich in den Gleichungen (3.42) und (3.43) die Zahl der Summanden. Nach dem Verschwinden der £~-Hyperonen erreicht man eine dünne Schale, 1037 sS N ig 2 • 1038, in der die Materie aus Neutronen, Protonen und Elektronen besteht. Für dieses Gebiet bestehen die Gleichungen (3.42) und (3.43) nur aus zwei Summanden, k — n und p; der Partialdruck der Elektronen ist sehr klein. Weiter außen kommt dann die Schicht, in der die Materie aus Neutronen, Kernen und Elektronen besteht (.dew-Phase). Hier ist der Dichtebereich 2.5 • 10 u o SJ 2 • 1013 gern -3 . I n einem großen Teil dieses Gebietes werden Energiedichte und Druck durch das Neutronengas bestimmt. Der Partialdruck der Kerne und ihr Anteil an der Energiedichte sind verschwindend klein. Dasselbe gilt auch für den Partialdruck des Elektronengases. Nur an der Stelle, wo die Neutronen aus dem entarteten Plasma verschwinden, dominieren die partielle Energiedichte der Kerne und der Elektronendruck. Für die Zustandsgieichung finden wir [18] o =

(mc* -

P =

B)

J Nt + Kn(sh

tn -