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German Pages [276]
Spätmittelalter, Humanismus, Reformation Studies in the Late Middle Ages, Humanism and the Reformation herausgegeben von Berndt Hamm (Erlangen) in Verbindung mit Amy Nelson Burnett (Lincoln, NE), Johannes Helmrath (Berlin) Volker Leppin (Tübingen), Heinz Schilling (Berlin)
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Ariane Czerwon
Predigt gegen Ketzer Studien zu den lateinischen Sermones Bertholds von Regensburg
Mohr Siebeck
Ariane Czerwon, geboren 1974, studierte von 1995 bis 2000 Germanistik und Geschichte an der Bergischen Universität Wuppertal. Nach dem 1. Staatsexamen folgte 2001 bis 2008 das Promotionsstudium mit den Fächern Mediävistik, Mittelalterliche Geschichte und Pädagogik. Während dieser Zeit arbeitete sie am Lehrstuhl für Evangelische Theologie / Historische und Systematische Theologie.
ISBN 978-3-16-150141-8 / eISBN 978-3-16-158595-1 unveränderte eBook-Ausgabe 2019 ISSN 1865-2840 (Spätmittelalter, Humanismus, Reformation) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abruf bar. © 2011 Mohr Siebeck Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und straf bar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfi lmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde-Druck in Tübingen aus der Bembo gesetzt, auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Otters weier gebunden.
Meinen Eltern
Vorwort Die vorliegende Studie zu den Ketzerpredigten Bertholds von Regensburg wurde im Wintersemester 2007/2008 vom Fachbereich Geistes- und Kulturwissenschaften der Bergischen Universität Wuppertal als Dissertation angenommen. Im Druck erscheint der Text in einer geringfügig überarbeiteten und gekürzten Fassung. Danken möchte ich insbesondere meiner akademischen Lehrerin, Frau Prof. Dr. Elisabeth Stein, die mein Interesse für die Predigtliteratur des Mittelalters entfacht und mich jederzeit geduldig mit Rat und Kritik unterstützt hat. Herrn Prof. Dr. Martin Ohst gilt mein Dank nicht nur dafür, daß er mir am Lehrstuhl für Evangelische Theologie einen wissenschaftlichen Ankerplatz ermöglicht hat, sondern auch für sein stets offenes Ohr und sein unerschütterliches Vertrauen in den Abschluß der Arbeit. Weiterhin zu danken habe ich den Herausgebern für die Aufnahme meiner Arbeit in die Reihe „Spätmittelalter, Humanismus, Reformation“ und dem Verlag Mohr Siebeck für alle Mühen bei der Drucklegung. Eine dankbare Erwähnung gilt außerdem Pater Otho Raymann vom Couvent des Cordeliers in Fribourg, der mir freundlicherweise den Mikrofi lm der Berthold-Handschrift für ausgiebige Recherchen zur Verfügung stellte, sowie Dr. Martin Bredenbeck für seinen editionswissenschaftlichen Rat. Remscheid, im Februar 2011
Ariane Czerwon
Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung und Forschungsüberblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2. Leben und Werk Bertholds von Regensburg im Spiegel der zeitgenössischen Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2.1. Biographisches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2. Das Bild Bertholds in der legendarischen Überlieferung . . . . . . . . 2.3. Predigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3. Häresie und Inquisition in Süddeutschland und den angrenzenden Gebieten im 13. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
46
3.1. 3.2. 3.3. 3.4.
Oberrheingebiet, Schwaben . . Bayern, Österreich . . . . . . . Böhmen und Mähren, Ungarn . Zusammenfassung . . . . . . .
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4. Predigt im Mittelalter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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4.1. Defi nition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1. Predigtvortrag – Schriftpredigt. . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.2. Überlieferungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.3. Predigtsprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2. Entwicklungslinien der franziskanischen Predigt im 13. Jahrhundert . 4.3. Die Predigt als zentrales Medium im Kampf um den rechten Glauben 4.3.1. Predigt von Ketzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Waldenser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Katharer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.2. Predigt gegen Ketzer im 12. und 13. Jahrhundert. . . . . . . . 4.4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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65 65 67 71 77 86 86 86 100 103 115
5. Das Bild des Ungläubigen in den lateinischen Predigten Bertholds von Regensburg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
117
5.1. Franziskanische Predigt und Häresie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2. Feinde der Kirche – Kategorien von Ungläubigen . . . . . . . . . . .
119 123
X
Inhaltsverzeichnis
5.2.1. Heretici moderni: Waldenser und Katharer. 5.2.2. Heiden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.3. Juden (als Ketzer) . . . . . . . . . . . . . 5.3. Feindbilder der Kirche . . . . . . . . . . . . . . 5.3.1. Intellektuelle und moralische Ausgrenzung. 5.3.2. Der Ketzer und die Welt des Teufels . . . . 5.3.3. Der inszenierte Ketzer . . . . . . . . . . . 5.4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . .
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6. Edition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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6.1. Vorbemerkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Freiburger Codex 117 I/II im Kontext der lateinischen BertholdÜberlieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die wichtigsten Handschriften mit den drei Rusticanus-Sammlungen Der Teilabdruck nach Schönbach – Problematik . . . . . . . . . . . 6.2. Beschreibung der Handschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.1. Provenienz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.2. Äußeres . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3. Die Predigten im einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.1. Zur Sprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.2. Adressaten, Intention, Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4. Gestaltung der Edition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.1. Zur Auswahl der Texte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.2. Orthographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.3. Groß- und Kleinschreibung, Interpunktion . . . . . . . . . . 6.4.4. Apparat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.5. Erläuterungen zu den Freiburger Sermones 24, 28 und 29 . . . 6.5. Lateinische Texte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.1. Sermo XXIIII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.2. Sermo XXVIII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.3. Sermo XXVIIII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.4. CLM 7961: Sancti per Fidem . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.5. CLM 8738: Dominica Duodecima . . . . . . . . . . . . . .
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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Register der Namen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
235 259 263
1. Einleitung und Forschungsüberblick Der Franziskaner Berthold von Regensburg wird im allgemeinen nicht im Zusammenhang mit den großen Namen der Ketzerbekämpfung des 13. Jahrhunderts genannt. Flammend angeschrieben und angepredigt gegen die für die Kirche so gefährlichen Lehren vor allem der Katharer und Waldenser haben andere – allen voran die hervorragend ausgebildeten Inquisitoren aus dem Orden der Dominikaner, die wie Praepositinus von Cremona († ca. 1231) und Stephan von Bourbon († 1261) als Verfasser polemischer Summen und Predigtbücher hervortraten.1 Berthold von Regensburg hingegen ist vor allem für ein Predigtwerk in deutscher Sprache bekannt, in dem er die Sünden und sozialen Mißstände seiner Zeit geißelte und das ihm den Ruf als wirkmächtigster Prediger deutscher Lande eintrug. Diese deutschen Predigten, die erstmals 1862 bzw. 1880 von Franz Pfeiffer und Josef Strobl ediert wurden,2 beschäftigen sich in der Tat nur am Rande mit der Bekämpfung ketzerischer Umtriebe. Keine einzige der insgesamt 71 bei Pfeiffer und Strobl verzeichneten Predigten ist in vollem Umfang dieser Thematik gewidmet; lediglich in einigen mehr oder weniger langen Abschnitten einzelner Predigten spielt die Ketzerabwehr eine gewisse Rolle.3 Das Bild ändert sich jedoch, wenn man einen Blick zumindest auf einen Teil der etwa 271 lateinischen Sermones4 wirft, die in mehr als 300 Handschriften 5 unter dem Namen Bertholds von Regensburg überlie1 The Summa contra haereticos. Ascribed to Praepositinus of Cremona, ed. Joseph N. Garvin und James A. Corbett, Notre Dame, 1958; Stephanus de Borbone, Tractatus de diversis materiis predicabilibus, Corpus Christianorum Bd. 124: Prologus; Prima pars: De dono timoris, ed. Jacques Berlioz, Turnhout 2002. Die nach wie vor beste Übersicht zur antihäretischen Literatur des Mittelalters bietet Arno Borst, Die Katharer, Stuttgart 1953, S. 1–27. Vgl auch Herbert Grundmann, Ketzergeschichte des Mittelalters, Göttingen 31978; Malcolm Lambert, Ketzerei im Mittelalter. Häresien von Bogumil bis Hus, Darmstadt 2001. 2 Berthold von Regensburg, Vollständige Ausgabe seiner Predigten, hrsg. von Franz Pfeiffer und Josef Strobl, 2 Bde. (Bd. 1, Wien 1862; Bd. 2, Wien 1880), Neudruck unter Mitwirkung von Kurt Ruh, Berlin 1965; nachfolgend zitiert als PS I bzw. II. 3 Thematisch am ausführlichsten werden Ketzer in der XXV. Predigt (Saelic sint die reines herzen sint) behandelt, PS I, S. 388–407. 4 Die Zahl ergibt sich aus den bei Johannes B. Schneyer (Repertorium der lateinischen Sermones des Mittelalters. Für die Zeit von 1150–1350, Münster 1969, S. 472–504) verzeichneten Predigtanfängen, wenn die Sermones ad Religiosos und die Sermones speciales nicht mitgezählt werden, die in ihrer Zuschreibung zu Berthold umstritten sind. 5 Laurentius Casutt verzeichnet insgesamt 302 Textzeugen, vgl. Casutt, Die Hand-
2
1. Einleitung und Forschungsüberblick
fert sind.6 Anton E. Schönbach hat vor nunmehr über hundert Jahren erstmals eine nach thematischen Gesichtspunkten gegliederte Auswahl lateinischer Predigten Bertholds als Teilabdruck herausgegeben.7 Die III. Abhandlung seiner Studien zur Geschichte der altdeutschen Predigt hat Schönbach dem Thema „Das Wirken Bertholds von Regensburg gegen die Ketzer“ gewidmet. Die unter dieser Überschrift versammelten insgesamt 19 Predigt-Exzerpte, zusammengestellt aus drei Codices des 13. und 14. Jahrhunderts aus Freiburg in der Schweiz, Leipzig und Linz, richten sich mit aller Schärfe gegen die zeitgenössischen Ketzereien der Katharer und Waldenser.8 Der Teilabdruck Schönbachs eröffnete der mediävistischen Forschung erstmals die Möglichkeit des Zugriffs auf eine Vielzahl lateinischer Predigttexte Bertholds, ohne die Handschriften zu Rate ziehen zu müssen. Entsprechend nutzen auch alle Arbeiten, die sich entweder in der Hauptsache oder nur am Rande mit den antihäretischen Predigten des Franziskaners befassen, die hier abgedruckten Sermones als Grundlage.9 Doch so verdienstvoll die Forschungsarbeit Schönbachs auch ist, die einen wichtigen ersten Schritt auf dem Weg zur Erschließung des lateinischen Predigtwerkes Bertholds darstellt, sie genügt insbesondere im Hinblick auf die Präsentation der Texte heutigen wissenschaftlischriften mit lateinischen Predigten Bertholds von Regensburg O. Min. ca. 1210–1272, Katalog, Freiburg/Schweiz 1961. Ein Verzeichnis der wichtigsten Handschriften bei Schneyer, Repertorium, S. 477. 6 Auf den Umstand, daß die lateinischen Predigten eine wesentlich ergiebigere und zuverlässigere Quellengrundlage bilden, hat bereits Peter Segl hingewiesen, vgl. ders., Berthold von Regensburg und die Ketzer seiner Zeit. In: Regensburg und Bayern im Mittelalter, hrsg. von Kurt Reindel, Regensburg 1987, S. 115–129; S. 118 f. 7 Anton E. Schönbach, Studien zur Geschichte der altdeutschen Predigt, Sitzungsberichte der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien (SBW). Philosophisch-historische Klasse, Wien 1900–1907 (Nachdruck Hildesheim 1968). Die unübersichtliche und verwirrende Bandzählung entspricht folgendem Schema: Bd. II: Zeugnisse Bertholds von Regensburg zur Volkskunde (SBW 142); Bd. III: Das Wirken Bertholds von Regensburg gegen die Ketzer (SBW 147); Bd. IV,1: Die Überlieferung der Werke Bertholds von Regensburg (SBW 151); Bd. V,2: Überlieferung (SBW 152); Bd. VI,3: Überlieferung (SBW 153); Bd. VII,1: Über Leben, Bildung und Persönlichkeit Bertholds von Regensburg (SBW 154); Bd. VIII,2: Über Leben, Bildung, Persönlichkeit (Teil II) (SBW 155). Nachfolgend zitiert als Schönbach, Studien, unter Nennung der im Nachdruck angegebenen Bandzahl mit entsprechender Seitenzahl. 8 Zu den von Schönbach benutzten Handschriften vgl. ausführlich Kapitel 6.1. 9 So z. B. Amalie Fößel, Die Ortlieber. Eine spiritualistische Ketzergruppe im 13. Jahrhundert, Hannover 1993, S. 20–38; Berthold de Ratisbonne, Péches et vertus, scénes de la vie du XIIIe siècle. Textes présentés, traduits et commentés par Claude Lecouteux et Philippe Marcq, Paris 1991; Peter Segl, Berthold von Regensburg und die Ketzer seiner Zeit. In: Regensburg und Bayern im Mittelalter, hrsg. von Kurt Reindel, Regensburg 1987, S. 115– 129. In einigen Ausnahmefällen werden die bei Schönbach zitierten Handschriften benutzt, so z. B. von Loris Sturlese, Die deutsche Philosophie im Mittelalter. Von Bonifatius bis zu Albert dem Großen 748–1280, München 1993, S. 317 Anm. 561; Elisabeth Schinagl, Naturkunde-Exempla in lateinischen Predigtsammlungen des 13. und 14. Jahrhunderts, Bern u. a. 2001, S. 212–223.
1. Einleitung und Forschungsüberblick
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chen Standards nicht mehr. Ein Vergleich der bei Schönbach abgedruckten Texte mit den benutzten Handschriften ist daher dringend notwendig, um damit weiterzukommen, den ursprünglichen, „lateinischen Berthold“ zu entdecken.10 Das lateinische Predigtwerk Bertholds gliedert sich in drei als authentisch erachtete Sammlungen: Den Rusticanus de Dominicis (58 Sonntagspredigten), den Rusticanus de Sanctis (124 Heiligenpredigten) und den Rusticanus de Communi (75 Predigten für den Alltag und besondere Anlässe).11 Hinzu kommen 87 Sermones ad Religiosos und 48 Sermones speciales et extravagantes, die sich an eine besondere Zuhörerschaft wenden. Die Autorschaft Bertholds an diesen Sermones ist umstritten.12 Diese lateinischen Predigttexte sind als Musterpredigten für die homiletische Vorbereitung von Klerikern gedacht. Sie liegen in standardisierter Form vor und bilden gelehrte theologische Materialsammlungen, die anderen Geistlichen die für ihre eigene Predigt passenden Bibelstellen und Glossenkommentare sowie Zitate aus der Legendenliteratur und den Kanonisten bieten.13 Es handelt sich hierbei nicht um literarisch ausgearbeitete, feste Texte, sondern lediglich um Predigtkerne, die für unterschiedliche Gebrauchssituationen flexibel nutzbar waren. Aufgrund der unterschiedlichen Funktion und Entstehungssituation können sie als variierende Stufen oder Typen der Bearbeitung (einer als vollständig vorauszusetztenden Predigt) überliefert sein, die in Umfang, Auf bau und innerer Struktur differieren. Dagmar Neuendorff versuchte diese einzelnen Bearbeitungstypen jeweils genau zu erfassen und als „Auszüge“, „Predigt-Mosaike“ oder „Paraphrasen“ etc. zu kategorisieren.14 Der Übersichtlichkeit halber werden in dieser Arbeit jedoch alle unter dem Namen Bertholds überlieferten lateinischen Predigttexte unabhängig von ihrer inneren und äußeren Form als Predigten oder Sermones bezeichnet. Den lateinischen Texten wird in der mediävistischen Forschung gemeinhin eine Ferne zum gesprochenen Wort des Franziskaners unterstellt, wie es aus den deutschen Predigten – die eine literarische Schöpfung franziskanischer Redak10 Vereinzelt ist dies bereits geschehen. So hat z. B. Christoph Cluse die bei Schönbach abgedruckte 17. Predigt des Freiburger Codex 117 I/II unter Benutzung der Handschrift überarbeitet und im Internet zugänglich gemacht: www.uni-trier.de/uni/f b3/geschichte/ cluse/pred8.htm (Stand: 10. August 2007). 11 Laurentius Casutt, Die Handschriften mit lateinischen Predigten Bertholds von Regensburg O. Min. ca. 1210–1272, Katalog, Freiburg / Schweiz, 1961, S. 4. 12 Georg Steer, Geistliche Prosa. In: Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zur Gegenwart, begr. von Helmut de Boor und Richard Newald, Bd. 3: Die deutsche Literatur im späten Mittelalter (1250–1370), 2. Teil: Reimpaargedichte, Drama, Prosa, hrsg. von Ingeborg Glier, München 1987, S. 324. 13 Ebd. 14 Dagmar Neuendorff, Predigt als Gebrauchstext. Überlegungen zu einer deutschen Berthold von Regensburg zugeschriebenen Predigt. In: Die deutsche Predigt im Mittelalter, hrsg. von Volker Mertens und Hans-Jochen Schiewer, Tübingen 1992, S. 1–17; S. 4 f.
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1. Einleitung und Forschungsüberblick
toren sind – bekannt schien.15 Eine grundlegende Ausnahme bildet in dieser Hinsicht jedoch der Freiburger Doppel-Codex 117 I/II aus dem 13. Jahrhundert, der Sermones aus allen drei „offiziellen“ Rusticanus-Sammlungen enthält und dessen Predigten innerhalb der lateinischen Überlieferung in bezug auf Entstehung und Funktion sowie die Unmittelbarkeit der Sprache eine Sonderstellung besitzen, die von der aktuellen Berthold-Forschung bisher noch nicht eingehend untersucht und gewürdigt worden ist. Thematisch eingegrenzt auf den Kampf gegen die Häretiker bietet eine Analyse ausgewählter Predigten dieses Freiburger Codex die Möglichkeit, anhand von Texten, die nicht von Redaktoren für ein bestimmtes Publikum literarisch umgeformt wurden, einen neuen Zugang zur Predigtweise Bertholds von Regensburg zu eröffnen. Gleichzeitig ließe sich so zeigen, daß die aus den deutschen Predigten bekannte individuelle Rhetorik Bertholds sich bereits in den lateinischen Sermones des Freiburger Codex angedeutet fi ndet. Es stellt sich weiterhin die Frage, welchen Stellenwert die Ketzerthematik im Rahmen des Gesamtwerkes Bertholds einnimmt bzw. ob man Berthold als „Ketzerprediger“ im eigentlichen Sinne bezeichnen kann. Verläßlich wird sich dies letztlich nur durch Sichtung und Vergleich sämtlicher lateinischer Predigten Bertholds klären lassen, ein Unterfangen, das in Rahmen dieser Arbeit jedoch nicht zu leisten ist. Die Beantwortung soll von zwei Seiten versucht werden: Einerseits durch die Analyse einer Auswahl von lateinischen Predigten aus dem Freiburger Doppelkodex 117, die sich gegen Häretiker richten, andererseits durch die Berücksichtigung der historischen Rahmenbedingungen, wie etwa der Frage nach der Verbreitung von Häretikern in Süddeutschland und den angrenzenden Gebieten in der Mitte des 13. Jahrhunderts, nach der Bedeutung des Mediums Predigt in der Auseinandersetzung um den rechten Glauben im 12. und 13. Jahrhundert sowie nach der Wertigkeit antihäretischen Wirkens innerhalb der Predigtpraxis des Franziskanerordens. Ein weiteres Ziel der Arbeit besteht in einer Neubewertung des vorherrschenden Berthold-Bildes, indem versucht wird, das Legendarische im Lebensbild des Franziskaners von den historisch gesicherten Fakten zu trennen. Mit der abschließenden Edition, Übersetzung und Kommentierung von drei Freiburger Predigten (sowie zwei Sermones aus zwei Münchener Codices als Vergleichstexten) werden erstmals seit hundert Jahren wieder lateinische BertholdPredigten in größerem Umfang der Forschung zugänglich gemacht.16
15
Vgl. z. B. Steer, Geistliche Prosa, S. 324. Für die großzügige Bereitstellung des entsprechenden Mikrofi lms danke ich Pater Otho Raymann vom Couvent des Cordeliers in Fribourg/Schweiz. 16
Forschungsüberblick
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Forschungsüberblick Der Umfang der Forschungsliteratur zu Berthold von Regensburg seit der ersten Publikation deutscher Predigten durch Christian F. Kling (1824) 17 ist unüberschaubar. Bereits zum Ende des 19. Jahrhunderts stieg die Zahl der Artikel und Abhandlungen über Leben und Werk des Franziskaners in die Hunderte. Einen kommentierten knappen Überblick zu den wichtigsten Arbeiten stellte Frank G. Banta daher 1969 zusammen.18 Seither sind weitere Erträge der aktuellen Berthold-Forschung hinzugekommen; es ist daher unerläßlich, an dieser Stelle eine komprimierte Darstellung der wichtigsten Studien anzufügen. Mit seiner Erstausgabe von insgesamt 12 deutschen Predigten aus dem Heidelberger Codex Pal. germ. 24 (14. Jhdt.) weckte Kling erstmals das Interesse von Theologen, Philologen und Historikern an den Schriftzeugnissen des Regensburger Franziskaners, dessen Andenken Dichter und Chronisten durch die Jahrhunderte in Form von Legenden und Wunderberichten bewahrt hatten.19 Dieser Ausgabe widmete Jacob Grimm eine ausführliche Besprechung im 32. Band der Wiener Jahrbücher für Literatur, in der er besonders auf die Bedeutung Bertholds für die Sprach-, Literatur- und Kulturgeschichte des Mittelalters hinwies.20 Eine erste neuhochdeutsche Übersetzung von Predigten des Heidelberger Codex 24 präsentierte Franz Göbel 1849, die in der zweiten Auflage acht Jahre später um Predigten aus einer anderen Heidelberger Handschrift erweitert wurden.21 Diese Übertragung erfolgte wohl vorrangig aus theologischem Interesse. Erst 1862 veröffentlichte mit Franz Pfeiffer ein Germanist eine Edition deutscher Berthold-Predigten. Er benutzte dafür denselben Heidelberger Codex wie Kling. Anders als dieser griff Pfeiffer jedoch massiv in den Text ein, normalisierte Syntax und Orthographie, strich ganze Satzteile oder fügte nach eigenem Ermessen Ergänzungen hinzu. Josef Strobl übernahm nach dessen Tod 1880 die Herausgabe des zweiten Bandes deutscher Predigten, in dem er jedoch auf den ursprünglich vorgesehenen Kommentar sowie auf eine Biographie Bertholds verzichtete. Auf diesem zweiten Band basierten ausführliche sprach17 Berthold des Franciskaners deutsche Predigten, aus der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts, theils vollständig, theils in Auszügen hrsg. von Christian Friedrich Kling, mit einem Nachwort von August Neander, Berlin 1824. 18 Frank G. Banta, Berthold von Regensburg. Investigations Past and Present, Traditio 25 (1969), S. 472–479. 19 Eine Zusammenstellung der historischen Zeugnisse bei PS I, S. XX–XXXII. 20 Jacob Grimm, Rezension zu Christian F. Kling: Berthold des Franciskaners deutsche Predigten, Jahrbücher der deutschen Litteratur XXXII, Wien 1825 (In: Jacob Grimm, Kleine Schriften, Bd. 4, Berlin 1869, S. 296–360). 21 Franz Göbel, Die Missionspredigten des Franziskaners Berthold von Regensburg mit unverändertem Texte in jetziger Schriftsprache herausgegeben, Regensburg 1849. Die zweite und dritte verbesserte und vermehrte Aufl age mit einem alphabetischen Sachregister erschienen 1857 bzw. 1873 ebenfalls in Regensburg.
6
1. Einleitung und Forschungsüberblick
geschichtliche Untersuchungen deutscher Predigten,22 weil Strobl den Text weniger drastisch normalisiert hatte. Insgesamt bildet die Pfeiffer/Strobl-Edition bis heute die Quelle für ungezählte Arbeiten zur Kirchen- und Predigtgeschichte des Mittelalters. Die meisten der zwischen 1865 und 1910 erschienenen Abhandlungen beschäftigten sich mit der historischen Figur Bertholds und bezogen zunehmend die zeitgenössischen Quellen mit ein oder analysierten die deutschen Texte vor allem hinsichtlich ihres kultur- und sozialgeschichtlichen Gehaltes.23 Unter ihnen sind insbesondere drei zu erwähnen, die – trotz ihres Alters – vor allem wegen der Fülle des gebotenen Stoffes zu den grundlegenden Forschungsarbeiten über Berthold gehören. Zunächst ist die bis heute wichtigste Einzelbiographie zu Berthold von Regensburg zu nennen, die Karl Rieder 1901 publizierte.24 Rieder plante ursprünglich eine vierteilige Studie, die auch eine Untersuchung lateinischer Predigten sowie die Frage nach ihrem Verhältnis zu den deutschen Predigten einschließen sollte und deren vierten Teil er schließlich der Bedeutung Bertholds für die Entwicklung der Pastoraltheologie des Mittelalters widmen wollte.25 Zur Ausführung kam dieses Vorhaben jedoch nicht; lediglich eine zusammenfassende Darstellung des aktuellen Forschungsstandes bis in das erste Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts erschien acht Jahre später in den Schriften der Görres-Gesellschaft.26 Nur der erste Teil der Studie gelangte zur Publikation. Rieder entwarf auf der Basis einer kritischen Quellenstudie ein Lebensbild des Franziskaners, das sowohl dessen Herkunft als auch Ausbildung, Predigttätigkeit und Nachwirkung einschließt. Er bot erstmals eine komprimierte Darstellung einiger der vielen Legenden, die die Person Bertholds umrankten, dabei übernahm er diese Legenden jedoch zumeist unkritisch als historische Wahrheit. Anders als in den meisten zeitgenössischen Arbeiten fügte Rieder im Anhang seiner Arbeit nicht nur eine fundierte Bibliographie an, sondern druckte auch die von ihm benutzten Urkunden und Briefe im Wortlaut ab.
22
Vgl. Banta, Investigations, S. 473. Vgl. z. B. Hermann Gildemeister, Das deutsche Volksleben im 13. Jahrhundert nach den deutschen Predigten Bertholds von Regensburg, Diss. Jena 1889; Konrad Hofmann, Zeugnisse über Berthold von Regensburg, Sitzungsberichte der königlich-bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. II, München 1867; Kurt Rehhorn, Die Chronistenberichte über Bruder Bertholds Leben, Germania, Vierteljahrsschrift für deutsche Altertumskunde Nr. 26, Wien 1881; Max Scheinert, Der Franziskaner Berthold von Regensburg als Lehrer und Erzieher des Volkes, Diss. Leipzig 1896; Christian W. Stromberger, Berthold von Regensburg, der größte Volksredner des deutschen Mittelalters, Gütersloh 1877 (unv. Neudruck Wiesbaden 1973). 24 Karl Rieder, Das Leben Bertholds von Regensburg, Freiburg i. Br. 1901. 25 Ebd., vgl. die einleitende Vorbemerkung, S. 1 f. 26 Ders., Berthold von Regensburg und dessen Predigtsammlung, Görres-Gesellschaft zur Pflege der Wissenschaft im katholischen Deutschland, Dritte Vereinsschrift für 1909, Köln 1909, S. 21–31. 23
Forschungsüberblick
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Eine eingehende inhaltliche Untersuchung deutscher Predigten präsentierte E. Bernhardt 1905.27 Seine ausdrücklich für einen „weiteren Leserkreis“28 konzipierte Studie berücksichtigt auch die lateinischen Sermones, die immer wieder zum Vergleich herangezogen werden. Neben einem allgemeinen Überblick über die historischen Hintergründe, das Leben und die schriftstellerische Tätigkeit Bertholds beschäftigt sich Bernhardt vor allem mit den thematischen Aspekten der (deutschen) Predigten sowie mit dem in ihnen enthaltenen gelehrten Wissen. Die inhaltlich wohl umfangreichste Untersuchung von Karl Unkel erschien 1882.29 In seinem Urteil über Bertholds Predigtweise und seine Bedeutung für die Kulturgeschichte des Mittelalters argumentiert Unkel jedoch weit weniger differenziert als Bernhardt, zudem verfällt er häufig in nationalromantische Schwärmerei, indem er Berthold als Retter des „deutschen Volkscharakters des Mittelalters“ betrachtet und es als eine „Ehrenschuld des deutschen Volkes“ bezeichnet, sein Andenken „heilig zu halten und nichts zu unterlassen, um sein manchfach verunziertes Bild in ursprünglicher Schönheit wiederherzustellen“.30 Der größte Fortschritt innerhalb der Berthold-Forschung, insbesondere im Hinblick auf den literarischen Wert der lateinischen Texte, vollzog sich mit den Erkenntnissen Anton E. Schönbachs, die er im Rahmen seiner bereits erwähnten mehrteiligen „Studien zur Geschichte der altdeutschen Predigt“ (1900– 1908) veröffentlichte.31 Schönbach konnte seinen ursprünglichen Plan einer kritischen Edition nicht realisieren und stellte stattdessen eine umfangreiche Sammlung von Exzerpten lateinischer Predigten zusammen, die er nach thematischen Kriterien ordnete. Interesse für die lateinischen Predigten war innerhalb der germanistischen Forschung zunächst nur in geringem Maße vorhanden, die deutschen Predigten standen, nicht zuletzt wegen der bereits vorhandenen Edition, im Vordergrund der Aufmerksamkeit. Eine detaillierte Untersuchung widmete erstmals Georg Jakob (1880) den lateinischen Sermones.32 Jakob führte insgesamt siebzehn Manuskripte auf und verzeichnete darüber hinaus Titel und Incipits aller ihm bekannten Sermones, die er passagenweise mit den deutschen Texten verglich. Auf der Basis dreier Handschriften aus Erlangen und München gab Petrus Hoetzl 1882 zwanzig Sermones ad Religiosos sowie eine Predigt aus dem Rustica-
27 E. Bernhardt, Bruder Berthold von Regensburg. Ein Beitrag zur Kirchen-, Sittenund Literaturgeschichte Deutschlands im XIII. Jahrhundert, Erfurt 1905. 28 Ebd., Einleitung, S. I. 29 Karl Unkel, Berthold von Regensburg, Köln 1882. 30 Ebd., S. 115. 31 Zu den bibliographischen Angaben vgl. Anm. 7. 32 Georg Jakob, Die lateinischen Reden des seligen Berthold von Regensburg, Regensburg 1880.
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nus de Sanctis heraus,33 die Edition stieß jedoch auf Kritik 34 und führte nicht zu einem Aufschwung der lateinischen Berthold-Forschung. Dreißig Jahre später war die Zahl der bekannten Handschriften mit lateinischen Sermones auf 99 gestiegen, allerdings wurden diese Texte nicht ediert und veröffentlicht, da ihr Entdecker Ephrem Baumgartner vorzeitig starb.35 Seine Nachfolger Krispin Moser und Laurentius Casutt führten die Arbeit Baumgartners fort, an deren Ende die Zahl von insgesamt 302 lateinischen Handschriften stand. Deren Forschungsergebnisse wurden in mehreren Aufsätzen und Monographien veröffentlicht.36 Die von Casutt geplante achtbändige kritische Edition kam jedoch nicht zur Ausführung bzw. zum Druck. Obwohl insbesondere durch die Forschungen von Anton E. Schönbach und Laurentius Casutt die lateinischen Predigten endlich in den Mittelpunkt des philologischen und historischen Interesses hätten rücken können, bezogen sich Forschungsarbeiten in der Folgezeit fast ausschließlich auf das Textkorpus in deutscher Sprache, jedenfalls dann, wenn es sich um Untersuchungen inhaltlicher Art handelte. Dies mag vor allem darin begründet sein, daß seit 1965 die derzeit maßgebliche Ausgabe der Pfeiffer-Strobl Edition als überarbeitete Neuauflage vorliegt,37 während die lateinischen Predigten noch immer einer kritischen Edition harren. Eine große Hilfe bei der zukünftigen Erforschung der lateinischen Berthold-Predigten ist deshalb das vollständige Verzeichnis der Incipits und Explicits aller bisher bekannten Sermones, die Johannes B. Schneyer 1969 in seinem „Repertorium der lateinischen Sermones des Mittelalters“ veröffentlichte.38 Einige Publikationen zum Thema Überlieferungsgeschichte und Gattungsfunktionen von mittelalterlichen Predigten beziehen in der Regel zumindest am Rande auch die lateinischen Berthold-Texte mit ein. So werden in der Arbeit von Paul-Gerhard Völker „Die Überlieferungsformen mittelalterlicher deutscher Predigten“ (1963) 39 die deutschen und lateinischen Predigten glei33
Petrus Hoetzl, Beati Fr. Bertholdi a Ratisbona Sermones ad Religiosos XX ex Erlangensi codice una cum Sermone in honorem S. Francisci ex duobus codicibus Monacensibus, München 1882. 34 Frank G. Banta, Berthold von Regensburg. In: Gestalten der Kirchengeschichte, hrsg. von Martin Greschat, Bd. 4: Mittelalter II, Stuttgart u. a. 1983, S. 7–14; S 9. 35 Vgl. Banta, Investigations, S. 475. 36 Krispin Moser, Berthold von Regensburg in der Schweiz, ZfSK 36 (1942), S. 202–212. Ders., Schweizer Handschriften der Werke Bertholds von Regensburg, ZfSK 37 (1943), S. 379–391. Laurentius Casutt, Die Handschriften mit lateinischen Predigten Bertholds von Regensburg O. Min. ca. 1210–1272, Katalog, Freiburg/Schweiz 1961. Ders., Die Beziehungen einer Freiburger Handschrift zum lateinischen Predigtwerk Bertholds von Regensburg, ZfSK 56 (1962), S. 73–112. 37 Vgl. Anm. 2. 38 Vgl. Anm. 4. 39 Paul-Gerhard Völker, Die Überlieferungsformen mittelalterlicher deutscher Predigten, ZfdA 92 (1963), S. 212–227.
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chermaßen berücksichtigt. Das Beziehungsgefüge zwischen deutschen und lateinischen Texten bildet den Hintergrund einer Studie Rüdiger Schnells (1997).40 Er charakterisiert die Entstehungsgeschichte der deutschen Predigten als „ein kompliziertes Gemenge von Mündlichkeit und Schriftlichkeit, von Volkssprache und Latein, von Authentizität und Anonymität“.41 Schnell vergleicht das Abhängigkeitsverhältnis zwischen mehreren lateinischen Predigten und einer deutschen Predigt Bertholds und versucht so, zu eindeutigen Aussagen über Autorintention und Adressatenkreis der deutschen und lateinischen Predigten zu gelangen. Im Hinblick auf Rezeptionsgeschichte und Überlieferungssituation haben vor allem Dieter Richter (1969) 42 und Dagmar Neuendorff (1985, 1992, 1994, 2000, 2002),43 die vermutlich beste Kennerin der deutschen Predigten, grundlegende Forschungsarbeit geleistet. Richter nahm eine fundierte Analyse der Überlieferungszusammenhänge der deutschen Predigten in ihren verschiedenen Teilsammlungen vor. Neben Untersuchungsergebnissen zu Verfassern, Leserkreis und Verbreitung der jeweiligen Sammlungen präsentierte er zudem die Edition einiger von ihm neu identifi zierter Berthold-Predigten. Dagmar Neuendorff geht es vor allem um die Frage nach dem „Wesen der bertholdischen deutschen Predigten“, deren Besonderheit v. a. in ihrer „Quasiauthentizität“ liege – diese seien eben nicht nach Form und Inhalt vollständig von den lateinischen Sermones abhängig, sondern bildeten eigene Traditionsstränge.44 Lediglich die inhaltliche und formale Grundstruktur wurde nach Ansicht Neuendorffs von den Redaktoren aus den lateinischen Texten übernommen. Die daraus resultierende Vielfalt der Textfassungen zu dokumentieren ist u. a. Ziel einer noch nicht veröffentlichten Edition, in welcher versucht 40 Rüdiger Schnell, Bertholds Ehepredigten zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit, MJb 32,2 (1997), S. 93 -108. 41 Ebd., S. 93. 42 Dieter Richter, Die deutsche Überlieferung der Predigten Bertholds von Regensburg. Untersuchungen zur geistlichen Literatur des Spätmittelalters, München 1969. 43 Dagmar Neuendorff, Überlegungen zur Rezeptionsgeschichte Bertholds von Regensburg zugeschriebener Predigten vor dem Hintergrund seiner lateinischen Sermones. In: Kontroversen, alte und neue. Akten des VII. internationalen Germanisten-Kongresses, Bd. 7, hrsg. von Albrecht Schöne, Göttingen 1985, S. 69–73; dies., Predigt als Gebrauchstext. Überlegungen zu einer deutschen Berthold von Regensburg zugeschriebenen Predigt. In: Die deutsche Predigt im Mittelalter, hrsg. von Volker Mertens und Hans-Jochen Schiewer, Tübingen 1992, S. 1–17; dies., Zur Edition von unfesten Texten. Deutsche Predigten Bertholds von Regensburg der Teilsammlungen *Y2/4 – *X1. In: Editionsberichte zur mittelalterlichen deutschen Literatur, hrsg. von Anton Schwob, Göppingen 1994, S. 209–218; dies., Bruoder Berthold sprichet – aber spricht er wirklich? Zur Rhetorik in Berthold von Regensburg zugeschriebenen deutschen Predigten, Neuphilologische Mitteilungen 101,2 (2000), S. 301–312; dies., Überlegungen zu Textgeschichte und Edition Berthold von Regensburg zugeschriebener deutscher Predigten. In: Mystik, Überlieferung, Naturkunde. Gegenstände und Methoden mediävistischer Forschungspraxis, hrsg. von Robert Luff und Rudolf K. Weigand, Hildesheim/Zürich/New York, 2002, S. 125–178. 44 Dies., Rezeptionsgeschichte (1985), S. 73.
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werden soll, „die Position jeder einzelnen deutschen Predigt im Kontext ihrer Textgeschichte und Überlieferung [. . .] vor dem Hintergrund der lateinischen Vorlage(n) zu entwickeln und zu dokumentieren.“45 Der zweite große Bereich, auf den sich das Interesse der Forschung konzentrierte, betrifft die verschiedenen Themenkomplexe, die Berthold innerhalb der deutschen Predigten abhandelt. Hierbei stehen die alltäglichen Lebensumstände der Dorf- und Stadtbewohner im Vordergrund, aus denen sich die Zuhörerschaft Bertholds vor allem zusammensetzte. Allgemein wird in der Forschung davon ausgegangen, daß sich aus den Beschreibungen der verschiedenen standesspezifischen Verhaltensweisen, die Berthold in seinen Predigten ausführlich behandelt, ein recht genaues Gesellschaftsbild des 13. Jahrhunderts rekonstruieren lasse. Zu nennen sind hier vor allem die Aufsätze von Irmela von der Lühe und Werner Röcke (1975) 46 sowie von Hans J. Schmidt (1989),47 die sich jeweils mit dem vorrangigen Zielpublikum Bertholds, der städtischen Bevölkerung des Spätmittelalters, beschäftigen. Schmidt legt besonderes Gewicht auf die von Berthold verkündeten, spezifisch franziskanischen Auffassungen zur städtischen Lebensweise und den Wert der Arbeit. Der Beitrag von Röcke und von der Lühe hingegen hebt in stärkerem Maße den ständekritischen Aspekt innerhalb der deutschen Predigten hervor, der sich vor allem auf den ständisch nicht mehr angemessenen Reichtum von Klerus und Adel sowie die übermäßige Ausbeutung der sozial schwachen Schichten der mittelalterlichen Gesellschaft beziehe. Als letzte ist die Untersuchung von Hannes Kästner und Eva Schütz (1991) 48 zu erwähnen. Sie berührt neben thematischen Aspekten von Bertholds Predigtwerk, z. B. seinem Bild der Ehe, auch dessen allgemeine Bedeutung für die Entwicklung der „neuen Predigt“ als Folge der Bestimmungen des IV. Laterankonzils von 1215 und unterstreicht die enge Beziehung zwischen den deutschen Texten und zwei berühmten Rechtsbüchern, dem „Deutschenspiegel“ und dem „Schwabenspiegel“.49 Das Predigtwerk Bertholds erfährt seit mehr als 150 Jahren das rege Interesse der germanistischen Forschung, die sich in ganz unterschiedlichem Maße den 45
Dies., Textgeschichte (2002), S. 137. Irmela von der Lühe / Werner Röcke, Ständekritische Predigt des Spätmittelalters am Beispiel Bertholds von Regensburg. In: Literaturwissenschaft und Sozialwissenschaften, hrsg. von Dieter Richter, Bd. 5, Stuttgart 1975, S. 58–82. 47 Hans-Joachim Schmidt, Arbeit und soziale Ordnung. Zur Wertung städtischer Lebensweise bei Berthold von Regensburg, Archiv für Kulturgeschichte 71 (1989), S. 268– 296. 48 Hannes Kästner / Eva Schütz, „daz alte sagen – daz niuwe niht verdagen“. Einflüsse der neuen Predigt auf Textsortenentwicklung und Sprachgeschichte um 1300. In: Erscheinungsformen der deutschen Sprache, Festschrift für Hugo Steger, hrsg. von Jürgen Dittmann u. a., Berlin 1991, S. 19–46. 49 Zur Entstehungsgeschichte von Deutschen- und Schwabenspiegel vgl. auch Kurt Ruh, David von Augsburg und die Entstehung eines franziskanischen Schrifttums in deutscher Sprache. In: Ders., Kleine Schriften, Berlin 1964, S. 46–67; S. 57 f. 46
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diversen Themen widmet, die Berthold in seinen Predigten aufgreift. Im Vordergrund stehen, wie sich gezeigt hat, insbesondere die Ständekritik bzw. die Ordnungsmuster, die Berthold für ein gottgefälliges Zusammenleben der Menschen entwirft und vermittelt. Viele Forschungsbeiträge weisen zwar durchaus darauf hin, daß Berthold sich in seinen Predigten auch mit der Ketzerproblematik seiner Zeit auseinandersetzt, jedoch wird dies meist im Kontext franziskanischer Predigttätigkeit allgemein betrachtet.50 Nur sehr wenige Untersuchungen widmen sich ausschließlich diesem m. E. bisher vernachlässigten Aspekt der überlieferten Predigtliteratur Bertholds, und bezeichnenderweise ist ausgerechnet die wichtigste unter ihnen mittlerweile fast ein gutes Jahrhundert alt. Anton E. Schönbach hat mit der Abhandlung „Das Wirken Bertholds gegen die Ketzer“ (1900–1907) im Rahmen seiner „Studien zur Geschichte der altdeutschen Predigt“ auch auf diesem Teilgebiet grundlegende und bis heute unverzichtbare Forschungsarbeit geleistet. Der Wert seiner Studie liegt vor allem in der umfassenden Zusammenstellung derjenigen lateinischen Textstücke, die sich mit den vielfältigen Irrlehren und ihren Vertretern beschäftigen. Schönbach weist bereits in seiner Einleitung auf die Eigentümlichkeit der Ketzerthematik hin, die in den Predigten teilweise nur kurz innerhalb eines größeren Zusammenhanges abgehandelt wird, andererseits aber auch den wesentlichen Teil eines Textes ausmachen kann, ohne daß die gesamte Predigt ausdrücklich diesem Thema gewidmet sein muß.51 Zudem konstatiert er, Berthold werde unter den Schriftstellern zur Geschichte des deutschen Ketzerwesens kaum genannt, was nicht verwundern könne, da stets nur die deutschen Predigten untersucht würden, die seiner Ansicht nach jedoch nicht übermäßig viel über die Häresien der Zeit zu berichten wüßten.52 Ähnlich äußert sich Henri Matrod in seinem zeitgleich publizierten Aufsatz „Berthold de Ratisbonne et l’hérésie au XIIIe siècle“ (1905).53 Er stützt die Auffassung Schönbachs und unterstreicht, daß die für Kleriker gedachten lateinischen Predigten bisher in der Forschung zuwenig beachtet würden. Matrod betont den lebensnahen, individuellen Ton der von Schönbach zusammengestellten Texte und bezeichnet sie als „unverhoffte Glanzlichter“ (lumières inattendues) 54 von großem literarischem wie historischem Wert, die die wesentlichen Merkmale der häretischen Bedrohung des 13. Jahrhunderts widerspiegelten.55 In dieselbe Richtung zielt ein kurzer Aufsatz aus dem Jahre 1916 von Friedrich Wiegand.56 Auch er weist darauf hin, 50
Vgl z. B. von der Lühe / Röcke, Ständekritische Predigt des Spätmittelalters; S. 48. Schönbach, Studien III, S. 2. 52 Ebd., S. 83 f. 53 Henri Matrod, Berthold de Ratisbonne et l’hérésie au XIIIe siècle. D’apres une publication recente, Etudes franciscaines 14 (1905), S. 133–148. 54 Ebd., S. 134. 55 Ebd., S. 134 f. bzw. 148. 56 Friedrich Wiegand, Eine Kreuzpredigt Bertholds gegen die Ketzer. In: Geschichtliche Studien, Festschrift für Albert Hauck, Leipzig 1916, S. 177–182. 51
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daß die deutschen Predigten sich nur in geringem Maße mit der Ketzerbekämpfung beschäftigten, da sie in der Hauptsache für eine Leserschaft aus Laien gedacht waren. Wiegand bezieht sich in seinen Ausführungen auf den Codex 117 I/II aus Freiburg in der Schweiz, dem bereits Schönbach einen Teil der Sermones gegen Ketzer entnommen hatte. Anhand der Analyse einer der dort verzeichneten Predigten 57 kommt Wiegand zu dem Schluß, daß sie in beispielhafter Weise demonstriere, „mit welchen Gegengründen ein Volksprediger des 13. Jahrhunderts den Ketzern seiner Zeit entgegengetreten ist“.58 In der Folgezeit erlosch das Forschungsinteresse an den lateinischen Predigten und insbesondere an den antihäretischen Texten fast vollständig. Mit ausschlaggebend dafür mag die trotz fortgesetzter Bemühungen nach wie vor fehlende Edition der lateinischen Texte gewesen sein. Jedenfalls stellte Peter Segl in seiner 1987 erschienenen Studie „Berthold von Regensburg und die Ketzer seiner Zeit“59 fest, daß die allein auf den deutschen Predigten basierenden Aufsätze und Monographien stetig anwüchsen, das lateinische Quellenmaterial hingegen nach wie vor vernachlässigt werde. Bei einer längeren Beschäftigung mit diesen Quellen müsse man jedoch entdecken, daß „an der Spitze von Bertholds Themenkatalog“ weniger die standesspezifische ethisch-religiöse Kritik und die Warnung vor vielfältigen sozialschädlichen Verfehlungen stehe, „sondern ein ganz anderes Problem: der Kampf gegen die Ketzerei nämlich“.60 Segl verweist wie Schönbach darauf, daß sich Berthold durchaus in Predigten, die einem ganz bestimmten, eng begrenzten Anlaß oder Thema gewidmet waren – wie etwa dem liturgisch korrekten Feiern der Messe – partiell über häretische Ansichten äußert, daß daneben aber auch ausdrückliche Ketzerpredigten begegnen. Nach eingehender Untersuchung einiger Textbeispiele in bezug auf die stilistischen und rhetorischen Mittel, die Berthold benutzt, sowie der Strategien, die er einsetzt, um die diversen Ketzerlehren zu widerlegen, schließt Segl mit dem Resümee, daß sich „Berthold von Regensburg als unsere wichtigste Quelle für die Existenz von Katharern bzw. für die Verbreitung katharischer Ansichten im 13. Jahrhundert außerhalb von deren südfranzösischen und oberitalienischen Kerngebieten“ erweist.61 Zusammenfassend läßt sich folgendes feststellen: Die aktuelle Forschungsdiskussion um die deutschen und lateinischen Predigten Bertholds von Regensburg ist vor allem auf vier Aspekte fokussiert: die Frage nach dem Entstehungszusammenhang, nach dem Verhältnis von Mündlichkeit und Schriftlichkeit, nach der jeweiligen Funktion und nach der Textgattung. Während man im 19. Jahrhundert in den deutschen Texten als „Spiegelbildern einer Kanzelpre57 58 59 60 61
Fb 117 I, Sermo 26 (Cursum consummavi), f.64r a – 66v d. Ebd., S. 182. Segl, Berthold von Regensburg, S. 118. Ebd., S. 120 f. Ebd., S. 129.
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digt“62 den historischen Berthold sprechen zu hören meinte, besteht heute weitgehend Einigkeit darüber, daß diese Predigten von anonymen Redaktoren des Augsburger Franziskanerkonvents angefertigt wurden.63 Die besondere Eigenheit der deutschen Predigten, ihre fi ktive Mündlichkeit bzw. die Ausformung einer an der Person Bertholds orientierten Sprecherrolle, ist somit nur das Produkt einer „literarischen Montage“,64 d. h. sie muß als intentionelle sprachliche Handlung der jeweiligen Redaktoren angesehen werden.65 Als Vorlage dienten den Augsburger Franziskanern Sammlungen lateinischer Berthold-Predigten, wobei umstritten ist, wie man sich den Verlauf der inhaltlichen und formalen Transformation vorzustellen hat. Obwohl keine einzige der überlieferten deutschen Predigten nachweislich eine direkte Übersetzung eines lateinischen Sermo ist, ging man bei vergleichenden Untersuchungen meistens von einer einzelnen lateinischen Predigt als Vorlage mehrerer deutscher Redaktionen aus.66 Es zeigt sich aber, daß auch der umgekehrte Weg, der Vergleich mehrerer lateinischer Predigten mit einer einzigen deutschen Fassung, zu aussagekräftigen Ergebnissen hinsichtlich einer Neubewertung der verschiedenen Funktionen der lateinischen Predigten führt.67 Umstritten ist, wie die lateinischen Predigten in ihrer Funktion korrekt erfaßt werden können und welcher Stellenwert ihnen im Hinblick auf ihren Einfluß auf die deutschen Texte beizumessen ist. Allgemein wird angenommen, daß es sich bei den authentischen lateinischen Sermones der Rusticani um Stoffsammlungen (structura und materia) 68 handelt, also um homiletische Hilfsmittel, die sowohl für Ordensbrüder als auch für einfache Kleriker konzipiert wurden. Diese Predigten waren, um eine moderne Begriffl ichkeit zu gebrauchen, zur Veröffentlichung bestimmt; zu diesem Zweck wurden sie zusammengestellt und redigiert.69 Als solche sind diese Musterpredigten demnach keine ausgearbeiteten Sermones, sondern lediglich Reduktionen gehaltener (lateinischer und volkssprachlicher) Predigten, auf deren Basis neue Predigten in beiden Sprachen ausgeformt werden konnten. Dagmar Neuendorff hat dafür den Begriff „Sermokondensat“ geprägt.70 Sie konstatiert für diese Texte nur eine sehr gering 62
Schnell, Ehepredigten, S. 94. Vgl. Georg Steer, Berthold von Regensburg. In: Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zur Gegenwart, Bd. 3: Die deutsche Literatur im späten Mittelalter. 1250–1370, Teil 2: Reimpaargedichte, Drama Prosa, hrsg. von Ingeborg Glier, München 1987, S. 321–326; S. 325. 64 Ebd.; vgl. auch Neuendorff, Bruoder Berthold, S. 308 f. 65 Neuendorff, Bruoder Berthold, S. 304. 66 Vgl. Schnell, Ehepredigten, S. 97. 67 Vgl. ebd., S. 97 ff. 68 Vgl. Neuendorff, Bruoder Berthold, S. 301; Steer, Berthold von Regensburg, S. 324. 69 Zu Form und Funktion von Musterpredigtsammlungen vgl. David d’Avray, The preaching of the friars. Sermons diffused from Paris before 1300, Oxford 1985, S. 105 f. 70 Neuendorff, Bruoder Berthold, S. 301, vgl. bes. Anm. 5. Rüdiger Schnell spricht generalisierend von „Predigttexten“. 63
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ausgeprägte „Rhetorisierung“, es fehlen in ihnen also diejenigen rhetorischen Kunstgriffe, die in den deutschen Predigten die Fiktion der gesprochenen Rede Bertholds erzeugen, und so begegnet Berthold in ihnen „in erster Linie als gelehrter Theologe und nicht so sehr als flammender Redner“.71 Wie allein ihre weite Verbreitung bezeugt, sind diese lateinischen Werke dennoch von hoher „Qualität und homiletischer Nützlichkeit“.72 Einen Schritt weiter geht David d’Avray, der in seiner Studie „The preaching of the friars“ (1985) den lateinischen Sermones Bertholds eine besondere verbale Qualität und Kraft zuschreibt, die sie von den lateinischen Sermones anderer Predigtsammlungen des 13. Jahrhunderts unterscheide: „Though I have only read a few of Berthold’s (unpublished) Latin sermons, they strike me as more powerful than Latin sermons in other contemporary collections.“73 Was bisher jedoch kaum beachtet wurde, ist die Frage, inwieweit die lateinischen Texte möglicherweise doch etwas von der den deutschen Texten eigenen rhetorischen Ausgestaltung, also das, was die Predigtweise Bertholds so berühmt machte, vorwegnehmen. Während Neuendorff eine mangelnde Rhetorisierung konstatiert, sieht Richter durchaus die Möglichkeit, daß in „vielen Punkten [. . .] die lateinischen Sermones, richtig interpretiert, noch manches von der Faszination, die Berthold auf seine Hörer ausübte, verständlich machen“ könnten.74 Der Grund für diese Unsicherheit in der Bewertung der literarischen Qualität der lateinischen Predigten resultiert aus dem Umstand, daß in allen Untersuchungen lediglich eben diese offiziellen Sammlungen der Rusticani einbezogen wurden. Der Gedanke d’Avrays, daß für eine Lösung dieses Problems möglicherweise Predigten außerhalb der offiziellen Sammlungen berücksichtigt werden müßten, hat sich innerhalb der mediävistischen Forschung bisher nicht durchgesetzt: „If Berthold failed to capture some of his own liveliness and colour in his official ‚published‘ Latin version, there are [. . .] some Latin manuscripts not of the main ‚published‘ family (i.e. the three „Rusticani“: de dominicis, de sancris and de communi), which may help supply the loss.“75
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Steer, Berthold von Regensburg, S. 324. Ebd. d’Avray, Preaching, S. 152, Anm. 5. Richter, Überlieferung, S. 233. d’Avray, Preaching, S. 105, Anm. 5.
2. Leben und Werk Bertholds von Regensburg im Spiegel der zeitgenössischen Quellen 2.1. Biographisches Die Kenntnisse der aktuellen historischen und philologischen Forschung vom Leben Bertholds von Regensburg1 gründen seit 1862 auf denjenigen historischen Zeugnissen, die Franz Pfeiffer im ersten Band seiner Edition deutscher Predigten versammelte.2 Aus diesen hat sich das zur Zeit gültige Berthold-Bild ergeben, das ihn in erster Linie als den bekanntesten und wirkmächtigsten mittelalterlichen Vertreter der franziskanischen Volkspredigt in Deutschland präsentiert. Im Mittelpunkt des germanistischen Forschungsinteresses stehen dabei vor allem die Berichte über Art und Weise seines Predigtvortrags sowie über die wundersamen Begebenheiten, die sich während der Predigten zugetragen haben sollen. Die Berthold-Forschung des 19. Jahrhunderts hat sich auch für diejenigen Quellen interessiert, von denen man meinte, daraus ein „Lebensbild“ des Franziskaners rekonstruieren zu können. Dies schloß vor allem die Frage nach seinen Kontakten zu den führenden geistlichen und weltlichen Persönlichkeiten der Zeit ein, wobei bisweilen eindeutig legendarisch gefärbte Berichte zu historischer Wahrheit erklärt wurden.3 Einige dieser in den älteren Studien verzeichneten und berücksichtigten Quellen sind in der aktuellen BertholdForschung kaum bekannt oder fi nden zumindest keine Aufmerksamkeit mehr. Über Leben und Persönlichkeit Bertholds gibt es nur wenige gesicherte Erkenntnisse. Geboren wurde er vermutlich um 12104 vielleicht in Regensburg,5 1 Die beste Kurzbiographie Bertholds bietet Frank G. Banta, Berthold von Regensburg. In: Gestalten der Kirchengeschichte, hrsg. von Martin Greschat, Bd. 4: Mittelalter II, Stuttgart u. a. 1983, S. 7–14. 2 PS I, S. XX–XXXII. 3 Vgl. z. B. Karl Rieder, Das Leben Bertholds von Regensburg, Freiburg i.Br. 1901, S. 32 über die angebliche Unterredung Bertholds mit Ludwig IX. von Frankreich. 4 Schönbach, Studien VII, S. 5; Rieder, Das Leben Bertholds, S. 10; Karl Unkel, Berthold von Regensburg, Köln 1882, S. 12. Um 1220 nimmt an Pfeiffer, PS I, S. XII. 5 Die mittelalterlichen Quellen lassen dies vermuten: In seinen Annalen schreibt Hermann von Altaich Bertholdus de domo Ratisponensi, wobei damit vermutlich das Ordenshaus der Franziskaner gemeint ist. (Hermann von Altaich, Annalen. Fontes rerum Germanicarum. Geschichtsquellen Deutschlands, 4 Bde., hrsg. von Friedrich Böhmer, Stuttgart 1845 (Neudruck Aalen 1969), Bd. 2: Hermannus Altahensis und andere Geschichtsquellen Deutschlands im 13. Jahrhundert, S. 486–526; S. 507). In der Chronik des Johannes von
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2. Leben und Werk Bertholds von Regensburg im Spiegel der zeitgenössischen Quellen
gestorben ist er am 13. oder 14. Dezember 1272 6 in Regensburg und wurde im dortigen Minoritenkloster begraben. Möglicherweise entstammte er einer Familie des Stadtpatriziats. Seine Schwester Elisabeth war mit einem Merklin Sachs verheiratet, der – sofern es sich nicht um eine bloße Namensähnlichkeit handelt – 1278 als Mitglied des Regensburger Rates erscheint.7 Wann er dem seit 1221 in Regensburg ansässigen Franziskanerorden beitrat, ist ungewiß; ebenso gibt es keinerlei feste Anhaltspunkte hinsichtlich Ort und Umfang seiner Ausbildung. Die Ansicht, daß David von Augsburg der Novizenmeister oder Lehrer Bertholds gewesen sein könnte, scheint aus mehreren Gründen eher unwahrscheinlich: 8 Zunächst bezeichnen die Quellen David stets als socius fratris Bertholdi, nicht etwa umgekehrt.9 Zudem vermerkt eine franziskanische Ordenschronik, daß Berthold, als er gerade in der Nähe von Regensburg predigte, die Todesstunde seines Mitbruders offenbart wurde. Er habe darauf hin an David vor dem versammelten Volk mit einem Vers aus dem Hymnus Iste confessor erinnert: Qui pius, prudens, humilis, pudicus, sobrius, castus fuit et quietus, vita dum praesens vegetavit eius corporis artus.10 Trotz der legendarischen Einfärbung des Berichts deutet er auf eine enge Verbindung zwischen beiden hin. Auch aufgrund des fast gleichen Lebensalters ist eine Freundschaft wahrscheinlicher als ein reines Lehrer-Schüler-Verhältnis. Somit dürfte es sich bei David von Augsburg eher um den Freund und sicher auch Begleiter und Berater Bertholds gehandelt haben, dem er zeitlebens eng verbunden blieb und den er auf einigen Predigtreisen begleitete. Die urkundlich belegte Visitation des Frauenstifts Niedermünster durch David und Berthold im Jahre 1246 beweist ihre enge Zusammenarbeit nicht nur auf dem Gebiet der Predigt.11 Der zweite bekannte Name, mit dem Berthold häufig in Verbindung gebracht wird, ist der des Bartholomäus Anglicus (vor 1200 – nach 1250), welcher Winterthur heißt es: Post mortem suam in civitate Bawarie dicta Ratispona, in qua, ut fertur, natus et alitus erat. ( Johannes von Winterthur, Chronik, hrsg. von Friedrich Baethgen, MGH SS.; N. S. 3, Berlin 1924, S. 20). 6 Zur Datierung vgl. Schönbach, Studien VII, S. 2; Pfeiffer, PS I, S. XVII; Rieder, Das Leben Bertholds, S. 24; Unkel, Berthold von Regensburg, S. 22. 7 John B. Freed, The friars and German Society in the Thirteenth Century, Cambridge/ Mass. 1977, S. 236. 8 David von Augsburg (ca. 1200/10–1272) war um 1240 Novizenmeister des Franziskanerklosters in Regensburg. Zu Leben und Werk vgl. Claudia Rüegg, David von Augsburg. Historische, theologische und philosophische Schwierigkeiten zu Beginn des Franziskanerordens in Deutschland, Bern u. a. 1989. 9 Vgl. dazu die Anmerkungen bei Rieder, Das Leben Bertholds, S. 12 f. E. Bernhardt sieht in David den Lehrer Bertholds: E. Bernhardt, Bruder Berthold von Regensburg. Ein Beitrag zur Kirchen- Sitten- und Literaturgeschichte Deutschlands im XIII. Jahrhundert, Erfurt 1905, S. 4. 10 Analecta Franciscana, 3 Bde., ed. a Patr. Coll. S. Bonaventurae, Quaracchi 1883–1897, Bd. 1, S. 290. 11 Urkunde des päpstlichen Legaten Philipp vom 31. Dezember 1246, abgedruckt unter der Nr. 1 bei PS I, S. XX.
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im Jahre 1231 als Lektor an die seit 1228 bestehende franziskanische Studienanstalt in Magdeburg berufen worden war.12 Schon Anton E. Schönbach ging von der Annahme aus, die reiche Verwendung naturkundlichen Wissens in den Predigten Bertholds deute auf eine Abhängigkeit von Bartholomäus’ weitverbreiteter Enzyklopädie De proprietatibus rerum13 hin, die sich am einfachsten dadurch erklären ließ, daß Berthold in Magdeburg sein Ordensstudium absolviert haben mußte.14 Dieser Hypothese hat sich die Forschung vielfach angeschlossen.15 Wie sich jedoch nach einer Untersuchung neueren Datums zeigt, ist ein direktes Abhängigkeitsverhältnis nicht belegbar, wodurch auch die Beweisgrundlage für das Studium Bertholds in Magdeburg entfällt: „Schönbachs mehr angedeutete als ausgeführte Versuche, die Unterrichtung Bertholds durch Bartholomäus und die Benutzung der Enzyklopädie bei der Abfassung der Predigten zu beweisen, konnten einer Überprüfung im Detail nicht standhalten.“16 Wann Berthold erstmals seine Predigttätigkeit aufnahm, läßt sich nur annäherungsweise angeben. Zwischen 1240 und 1250 verzeichnen die Chroniken der Stadt Augsburg sein Auftreten in der Stadt selbst bzw. im näheren Umland, diese stammen jedoch aus dem 15. Jahrhundert und sind somit nur mit einiger Vorsicht als Quellen heranzuziehen.17 Es ist allerdings gut möglich, daß in diesem Zeitraum erste Predigtreisen in das nähere und weitere Umland um Regensburg und Augsburg erfolgt sind. Dieser zunächst lokal begrenzte Wirkungskreis hat sich dann in den nächsten Jahren und Jahrzehnten kontinuierlich erweitert, und in dem Maße, in dem sein Bekanntheitsgrad als Prediger stieg, wurde Berthold offenbar auch mit wichtigeren offi ziellen Aufgaben betraut, wie die bereits erwähnte Visitation des Frauenstifts Niedermünster im päpstlichen Auftrag 1246 belegt.18 In seinen Aufzeichnungen zum Jahr 1250 vermerkt 12 Zur Gründungsgeschichte der Studienanstalt in Magdeburg vgl. Hilarin Felder O. Cap., Geschichte der wissenschaftlichen Studien im Franziskanerorden bis um die Mitte des 13. Jahrhunderts, Freiburg i. Br. 1904, S. 245 f. 13 Vollendet wohl nach 1235, vgl. Christian Hünemörder / Meinolf Mückshoff, Art. „Bartholomäus Anglicus“, Lexikon des Mittelalters (nachfolgend: LexMa) Bd. I, Studienausgabe München 2002, Sp. 1492. Zur Frage der Datierung vgl. auch Loris Sturlese, Die deutsche Philosophie im Mittelalter. Von Bonifatius bis zu Albert dem Großen 748–1280, München 1993, S. 298 f. 14 Vgl. Schönbach, Studien VII, S. 15 f. 15 Vgl. z. B. Johannes Schneider, Berthold von Regensburg. In: Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte, hrsg. von Walter Brandmüller, Bd. I,2, St. Ottilien 1998, 686– 691; S. 686. Manfred Heim, Berthold von Regensburg. In: Lebensbilder aus der Geschichte des Bistums Regensburg, hrsg. von G. Schwaiger, Regensburg 1989, S. 183–190; S. 184. Vorsichtiger äußert sich Volker Mertens, Art. „Berthold von Regensburg“, LexMA Bd. I, München 2002, Sp. 2035 f. 16 Heinz Meyer, Fragen und Beobachtungen zum Verhältnis Bertholds von Regensburg zu Bartholomäus Anglicus, Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 117 (1995), S. 404–431; S. 428. 17 Vgl. Rieder, Das Leben Bertholds, S. 17. 18 Vgl. Anm. 11.
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Hermann von Altaich, daß bereits zu dieser Zeit „ein gewisser Bruder Berthold“ vom Orden der Minderbrüder in Regensburg eine so große Gabe zum Predigen besaß, daß oft mehr als sechzigtausend Menschen zusammenkamen, um ihn zu hören.19 Die erste größere Predigt- oder Missionsreise führte ihn 125320 nach Niederbayern, wo er im November desselben Jahres predigend in Landshut auftrat.21 Die Reise ging weiter nach Speyer (1254), dann durch das Elsaß (1255) über Colmar in die Schweiz, wo er u. a. in Zürich predigte. Nach einem Aufenthalt in Konstanz hat der Franziskaner augenscheinlich die oberdeutschen Gebiete mehrmals durchwandert, wie Johannes von Winterthur berichtet: qui circumeundo et perambulando frequenter Alemanniam ipsam mirabiliter illustravit.22 Für die Zeit zwischen 1257 und 1259 fehlen konkrete Quellenangaben, die Aussagen über seinen Wirkungskreis ermöglichen könnten, auch wenn mancher ihn in der Gesellschaft Davids von Augsburg sehen will.23 Ende 1259 hält sich Berthold in Pforzheim auf. 1262/63 erfolgen weitere Reisen nach Österreich, Mähren und Ungarn, um dort den Missionserfolgen der Cumanen, einem von den Mongolen unterworfenen vorderasiatischen Volksstamm,24 entgegenzutreten, die offenbar viele der dortigen Bewohner zur Abkehr vom christlichen Glauben gezwungen hatten.25 Während seiner Predigtmission 26 in diesen Gebieten befand sich Berthold in Begleitung eines Mitbruders namens Peter Odranec, der ihm – in diesem Fall in Böhmen – während der Predigt als Dolmetscher zur Verfügung stand: Bertholdus praedicavit in Bohemia, ubi habuit interpretem fratrem Petrum, cognomento Oderincium.27 In der aktuellen Berthold-Forschung bisher recht wenig beachtet wurde das außerhalb der Seelsorge liegende politische Aktionsfeld Bertholds von Regensburg, über das einige Quellen Aufschluß geben: Hermann von Altaich berichtet in seinen zeitnah (ab ca. 1250) verfaßten Annalen, daß Berthold im November des Jahres 1253 in Landshut predigte und sich dort auch auf der Burg des Her19 Hiis diebus quidam frater Bertholdus de ordine Minorum fratrum de domo Ratisponensi tantam gratiam habuit predicandi ut sepe ad eum audiendum plus quam sexaginta milia hominum convenirent. (Hermann von Altaich, Annalen, S. 507). 20 Rieder, Das Leben Bertholds, S. 28. 21 Hermann von Altaich, Annalen, S. 509. 22 Chronik, S. 18. 23 So z. B. Franz Pfeiffer, PS I, S. XV. 24 Felicitas Schmieder, Europa und die Fremden. Die Mongolen im Urteil des Abendlandes vom 13. bis in das 15. Jahrhundert, Sigmaringen 1994, S. 23 mit Anm. 62. 25 Analecta Franc., II, S. 84: Nam multos Hungaros convertit, cum infideles Cumani multos seduxissent. Zur Sicht der Mongolen im mittelalterlichen Westeuropa vgl. umfassend Schmieder, Europa und die Fremden. 26 Als Kreuzprediger gegen die vordringenden Mongolen wurden häufig Angehörige der bayrischen Ordensprovinz der Franziskaner benannt, vgl. Parthenius Minges, Geschichte der Franziskaner in Bayern, München 1896, S. 19. 27 Analecta Franc. II, S. 83. Die böhmische Namensform bei Friedrich Prinz, Böhmen im mittelalterlichen Europa. Frühzeit, Hochmittelalter, Kolonisationsepoche, München 1984, S. 169.
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zogs Otto II. von Bayern auf hielt. Nach Aussage Hermanns war es das Anliegen des Franziskaners, den Herzog wieder zum Gehorsam gegen die Kirche zu bewegen und eine Aussöhnung zwischen ihm und dem Klerus zu erreichen.28 Im Rahmen der Auseinandersetzungen zwischen Kaiser Friedrich II. und den Päpsten Gregor IX. und Innozenz IV. war Otto 1238 von der kaiserlichen zur päpstlichen Seite gewechselt, hatte sich jedoch schon wenige Jahre später wieder der kaiserlichen Partei angenähert. Als Folge der Verbindung seiner Tochter Elisabeth mit König Konrad IV. 1246 wurde der Herzog auf Anweisung Innozenz’ IV. exkommuniziert und das gesamte Herzogtum mit dem Interdikt belegt.29 Otto ging darauf hin konsequent gegen die Anhänger des Papstes vor; so zog er u. a. mit einem Heer nach Regensburg, vertrieb den papsttreuen Bischof und die Kleriker und ließ die Güter der bischofsfreundlichen Geistlichen und Kanoniker plündern und brandschatzen.30 Den Herzog, der „Übeltat auf Übeltat“31 häufte, zur Einsicht zu bringen und damit nicht nur die gewaltsamen Auseinandersetzungen zu beenden, sondern – als Folge davon – auch die Wiederaufnahme des gottesdienstlichen Lebens im Land zu ermöglichen, war das vorrangige Ziel Bertholds, als er auf die Burg Landshut kam. Hermann von Altaich bezeichnet Berthold von Regensburg zu diesem Zeitpunkt, als dessen große Predigtreisen noch vor ihm liegen, bereits als einen berühmten ( famosus) 32 Prediger, also als eine Predigerpersönlichkeit, deren Ansehen und Autorität in einem Streitfall von solcher Tragweite durchaus entscheidenden Einfluß besaß. Ob der Franziskaner mit seinem Anliegen erfolgreich gewesen wäre, bleibt dahingestellt, denn die Angelegenheit löste sich auf anderem Wege – der Herzog starb plötzlich am 29. November 1253, und erst unter seinem Nachfolger Ludwig konnte endlich, wie Hermann bemerkt, der Gottesdienst, der schon seit vielen Jahren eingestellt war, wieder aufgenommen werden.33 Wie eine Urkunde aus dem ehemaligen Augustiner-Chorherrenstift von Kreuzlingen in der Schweiz nahelegt, war Berthold etwa ein Jahr später in eine erfolgreiche Vermittlung im Streit um Vogteirechte zwischen Ritter Wernher
28 1253 [. . .] Eodem tempore, mense scilicet novembri, famosus ille predicator frater Berchtoldus in Lantshut predicationis offi cium exercebat et morabatur in castro cum duce predicto, cupiens eum inducere ad obedientiam ecclesie et suum erga ecclesias et clerum animum mitigare. (Hermann von Altaich, Annalen, S. 509). 29 Vgl. Gerhard Schwertl, Artikel „Otto II. der Erlauchte“, LexMa Bd.VI, München 2002, Sp. 1572 f.; Sp. 1573. 30 Romuald Bauerreiss, Kirchengeschichte Bayerns, Bd. 4, Das XIII. und XIV. Jahrhundert, St. Ottilien, 1974, S. 114. 31 Otto igitur dux [. . .] persequi cepit clerum, et mala malis addens [. . .] presentem vitam subitanea morte finit. (Hermann von Altaich, Annalen, S. 509). 32 Ebd. 33 Ottone duce defuncto dominus Ludwicus [. . .] cum Alberto episcopo Ratisponensi concordiam facit, et divina iam per multos annos suspensa in illa dyocesi relaxantur. (Hermann von Altaich, Annalen, S. 509 f.).
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2. Leben und Werk Bertholds von Regensburg im Spiegel der zeitgenössischen Quellen
von Raderach und dem Kloster Kreuzlingen involviert.34 Die Urkunde wurde am 25. Februar 1255 im Barfüßerkloster in Konstanz ausgestellt, in Anwesenheit Bertholds und des Pater Berengar, dem Kustos des Klosters. Darin verpfl ichtet sich Wernher von Raderach auf den Rat rechtschaffener Männer hin, dem Kloster Kreuzlingen als Ersatz für zugefügten Schaden 30 Mark Silber zu erstatten und künftig jährlich 5 Mark und 90 Hühner als Vogteirecht zu akzeptieren. Inwieweit die bußfertige Restitution in diesem Fall tatsächlich als ein Erfolg der Vermittlungstätigkeit Bertholds bezeichnet werden kann, läßt sich anhand der Urkunde nicht eindeutig belegen. Da dieser die Urkunde bezeugt hat, ist jedoch davon auszugehen, daß er an den Beratungen beteiligt war. Demgegenüber wird in einer Urkunde des Jahres 1259 die friedliche Einigung in den langwierigen Auseinandersetzungen zwischen Ritter Ludwig von Liebenzell und Irmingard, der Witwe des Markgrafen Hermann V. von Baden, ganz ausdrücklich als Verdienst Bertholds von Regensburg gewürdigt, der zu dieser Zeit in Pforzheim predigte. Der Franziskaner – „von Gott und den Menschen geliebt“ – habe sich in dieser Angelegenheit eingesetzt und den entscheidenden Anstoß gegeben: [. . .] demum fratre Bertholdo, deo et hominibus dilecto, predicationis offi cium exercente in Phorzheim, seque super premissis interponente negotiis, ipsius inductu convenimus in arbitros [. . .].35 Neben diesen zuverlässigen Belegen für die weitgespannte Vermittlungstätigkeit Bertholds auf seinen Predigtreisen verdient eine weitere Quelle Beachtung, die zwar in ihrer Echtheit nicht unumstritten,36 dennoch im Hinblick auf die Bedeutung und das Ansehen Bertholds als Predigerpersönlichkeit interessant ist. In einer vom 2. Dezember 1258 datierten Urkunde verspricht Herzog Boleslaus II. von Schlesien zur Sühne seines an Bischof Thomas von Breslau begangenen Unrechts einen Bußgang mit einhundert seiner Ritter zur Domkirche in Breslau, und zwar auf die heilsame Mahnung und den Rat ehrwürdiger Geistlicher hin, unter ihnen neben Slavota, dem Provinzial von Polen, sowie den Ordensbrüdern Symon und Herbord auch Berthold von Regensburg, der „Sämann des Gotteswortes“.37 Im Rahmen des sogenannten „schlesischen Investiturstreits“ befand sich der Bischof in einem andauernden Konfl ikt mit den Landesfürsten um die Freiheit der Kirche und die Verfügungsgewalt über 34
Vgl. Moser, Berthold von Regensburg, S. 202 f. Abgedruckt unter den „Historischen Zeugnissen“ (Nr. 21) bei Pfeiffer / Strobl, PS I, S. XXVI. 36 Abgedruckt bei Rieder, Das Leben Bertholds, S. 46. Die Urkunde war zum Zeitpunkt des Abdrucks nicht im Original erhalten, sondern nur als Abschrift im Kopialbuch des Bistums Breslau zugänglich. Rieder verteidigte die Echtheit der Urkunde gegen die Annahme, sie sei in tendenziöser Absicht gefälscht worden, um den Sieg der bischöfl ichen Gewalt heller erstrahlen zu lassen. Vgl. dazu ebd. S. 20 f. 37 Nos Bolezlaus, dei gratia dux Slesie, notum facimus universis hanc litteram inspecturis, quod ammoniti consilio salubri reverendorum patrum: Bertoldi de Ratisbona, verbi dei seminatoris, fratris Slavote ministri Polonie, fratris Symonis custodis Wratislaviensis, fratris Herbordi [. . .]. (Ebd., S. 46). 35
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das Kirchengut. 1256 geriet er in sechsmonatige Gefangenschaft Herzog Boleslaus’, aus der er erst nach Zahlung eines hohen Lösegeldes und dem Verzicht auf weitreichende Privilegien seines Bistums freikam.38 Papst Alexander IV. reagierte mit Bann und Interdikt auf die militärische Aggression des Herzogs und ließ gegen diesen das Kreuz predigen. Die sozialen und gesellschaftlichen Folgeerscheinungen dieses Streites dürften mit denen in Bayern während der kriegerischen Auseinandersetzungen um den exkommunizierten Herzog Otto II. vergleichbar gewesen sein, und wie dort bedurfte es auch in Schlesien der Vermittlung geachteter und einflußreicher Persönlichkeiten, um den Konfl ikt beizulegen. Dabei ist die Frage nach der Echtheit der Urkunde insofern unerheblich, als selbst eine (zeitgenössische) Fälschung doch zumindest belegen würde, daß man sich zum damaligen Zeitpunkt Berthold von Regensburg aufgrund seiner Berühmtheit als Prediger und wegen der Reputation, die er sich in ähnlichen Fällen bereits erworben hatte, in einer solchen Schlichterfunktion vorstellen konnte. In einem Missale des ausgehenden 14. Jahrhunderts aus Andechs39 fi ndet sich die Randnotiz eines Bruders Chunrad, die ein weiteres Zeugnis zu bieten scheint für die häufige Anwesenheit Bertholds an den Fürstenhöfen Süddeutschlands sowie für die Berthold (vor allem in den späteren Legenden) zugeschriebene prophetische Gabe. So wie er angeblich die Todesstunde Davids von Augsburg offenbarte, so weissagte Berthold in diesem Fall dem Grafen von Andechs während einer Predigt auf dessen Burg deren Zerstörung und Wiederaufbau.40 Erfahrung auf diplomatischem Gebiet und Erfolg als Prediger mögen als Faktoren ausschlaggebend gewesen sein für den Auftrag Urbans IV. an Berthold, Albertus Magnus, von 1260–1262 Bischof von Regensburg, bei der Kreuzzugspredigt für das Heilige Land in den deutschsprachigen Gebieten zu unterstützen.41 In einem Schreiben vom 21. März 1263 wird dem Franziskaner diese 38
Zu Thomas von Breslau vgl. Josef J. Menzel, Artikel „Thomas I., Bf. v. Breslau“, LexMa Bd. VIII, München 2002, Sp. 702. 39 Konrad Hofmann, Zeugnisse über Berthold von Regensburg, Sitzungsberichte der bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. II, Jahrgang 1867, S. 374–394; S. 388 f. 40 Noverint Christi fideles, quod ego Ch[unradus] conventus de monte S. Petri [. . .], cum edifi camus capellam S. Caterine, invenimus plures cartas, inter quas una erat, quae sic dicebat, quod quadam vice predicavit frater Perchtoldus predicator ordinis fratrum Minorum in monte et castro Andess in presentia comitis, qui frater Perchtoldus multum diligebatur et commendabatur a predicto comite. Inter cetera prophetisavit sibi in quodam sermone: castrum suum esse destruendum et . . . redifi candam(sic) tempore tribulationis et pacis. (Ebd.). 41 Dilecto filio Fratri Bertholdo de Ordine Minorum Sal. et Apost. Bened. Testimonium famae laudabilis, quae te praedicat virum in Dei timore devotum, dono scientiae, ac alias multipliciter virtutibus praeditum; Nobis effi caciter suggerit, et certae fiduciae argumenta ministrat, ut gratanter, quae Deo placeant, exequaris; et mandatis nostris promptus adhaereas illa effi cacibus studiis prosequendo. Cupientes igitur, ut Crucis negotium, quod Venerabili Fratri nostro Alberto Episcopo quondam Ratisponensis in Alemania, Boemia, et aliis locis, ad quae lingua Theotonica se extendit, pro Terrae Sanctae subsidio duximus per nostras litteras committendum, feliciter Divina clementia cooperante procedat; ac de tua
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2. Leben und Werk Bertholds von Regensburg im Spiegel der zeitgenössischen Quellen
Aufgabe vom Papst übertragen, verbunden mit dem Ausdruck der sicheren Hoffnung auf ein Gelingen des Vorhabens, da Berthold ein gottesfürchtiger Mann sei, versehen mit der Gabe der Wissenschaft und vielfältigen persönlichen Vorzügen. Albertus Magnus war schon im Februar 1263 mit dieser Mission betraut worden, bei der ihn andere Ordensbrüder unterstützen sollten.42 Inwieweit Berthold von Regensburg und der berühmte Dominikaner in einem engeren Verhältnis zueinander standen, ist schwer abzuschätzen. Ein bei Rieder (1901) abgedruckter, vermutlich nach 1262 zu datierender Brief des Bischofs an Berthold belegt, sofern er echt ist, daß zwischen beiden ein Austausch in Belangen der praktischen Seelsorge stattfand.43 Konkret ging es um die Frage, ob es aus Sicht der Kirche erlaubt sei, Zölle und Steuern, das sogenannte ungelt, zu erheben bzw. inwieweit man sich durch die Zollerhebung versündigte. Albert erklärte in seinem Antwortschreiben sämtliche Arten von Steuern für unzulässig und verdammenswert, da diese stets neue Bedrückung und Frondienst zur Folge hätten.44 Zölle und Steuern zu erheben, ohne damit eine Sünde zu begehen, war demnach unmöglich.45 Für die tägliche Predigtpraxis Bertholds war eine eindeutige Antwort in dieser Frage von großer Wichtigkeit, denn seine circumspectione plenam in Domino fiduciam obtinentes, devotionem tuam rogamus, et hortamur attente, per Apostolica tibi scripta mandantes, quatenus eidem Episcopo super hoc diligenter assistens; et juxta ipsius Episcopi consilium prudenter intendens negotium ipsum sic operosa promptitudine secundum traditam tibi a Domino gratiam prosequi studeas, ut speratum pariat in hac parte tua sollicitudo profectum; et exinde retributionis aeternae praemium consequi merearis. Datum apud Urbem veterem xii. Kalendas Aprilis, Pontifi catus Nostri Anno Secundo. (Bullarium Franciscanum Bd. II, ed. Giovanni G. Sbaraglia, S. 459, Nr. 50.) Teilabdruck bei Amalie Fößel, Die Ortlieber, S. 37 Anm. 86. Das Schreiben belegt, daß sich die Kreuzpredigt eindeutig nicht gegen Ketzer in Süddeutschland richtete, wie – vermutlich aufgrund einer mißverständlichen Angabe bei Schönbach (Studien III, S. 85) – häufig angenommen wird. Vgl. dazu Manfred Heim, Berthold von Regensburg, S. 185; Volker Mertens, Artikel „Berthold von Regensburg“, LexMa Bd. I, München 2002, Sp. 2035–2036. 42 Rieder, Das Leben Bertholds, S. 31. 43 Aus einer Handschrift des ausgehenden 14. Jahrhunderts abgedruckt (S. 46 f.) unter dem Titel Requisitio si ungelt recipi possit sine peccato. Rieder nimmt zwar Berthold von Regensburg als Adressaten des Briefes an, dessen Name erscheint aber offensichtlich nur in abgekürzter Form: Predilecto in Christo fratri Ber[tholdo] de Ratispona ordinis minorum frater Albertus episcopus quondam Ratisponensis salutem. In einer Donaueschinger Handschrift (Cod. 267, Bl. 94) erscheint der Brief unter der Überschrift Literae domini Al[berti] episcopi Ratisponensis ad fratrem Bernardum de Ratispona ordinis fratrum minorum. Vgl. ebd. S. 47. Vorsichtig zur Frage der Echtheit äußern sich Unkel, Berthold von Regensburg, S. 17; Amalie Fößel, Die Ortlieber, S. 37 Anm. 87. Zur Zeit der Abfassung des Briefs war Albert nicht mehr Bischof von Regensburg, daher die Datierung nach 1262. 44 De questione mihi a dilectione vestra proposita scire desidero vestram prudentiam, quod id, quod vulgo ungelt vocatur, et omnibus advehentibus merces ad civitates vel oppida, in quibus id genus exactionis extorquetur vel exigitur [. . .] semper illicitum et dampnabile reputavi, reputo et reputabo, cum hec et omnia similia ad angarias parangarias [. . .] absque omni dubitatione reducantur. (Rieder, Das Leben Bertholds, S. 46). 45 Thelonia etiam, que auctoritate principum statuuntur, vix vel nunquam, ut dicunt sancti Augustinus et Gregorius, sine peccato possunt exerceri, unde multo minus ista, que ab hiis qui nullam habent auctoritatem statuuntur, sine gravi peccato fi eri creduntur. (Ebd., S. 47).
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Zuhörer entstammten zum größten Teil den Städten, deren Bürger in zunehmendem Maße das Recht beanspruchten, wie die Fürsten Zölle erheben zu dürfen. Schon 1251 soll Berthold während einer Predigtreise durch die Schweiz trotz dringlicher Bitten der Bürger die Stadt Winterthur angeblich bewußt gemieden haben, weil die Einwohner sich weigerten, einen ungerechten Zoll aufzuheben.46 1266 predigte Berthold nachweislich wieder in Schwaben, Bayern und Österreich und scheint sich dann bis zu seinem Tod 1272 in seinen Konvent nach Regensburg zurückgezogen zu haben.47 Obwohl die Kirche ihn nie kanonisiert hat, wurde sein Grab dort bis ins 16. Jahrhundert als das eines Lokalheiligen verehrt. Diese Verehrung für den berühmten Ordensbruder bezeugt auch die Darstellung Bertholds in einem Freskenzyklus aus dem späten 15. Jahrhundert im Chor der ehemaligen Minoritenkirche.48 Nach der Exhumierung im 17. Jahrhundert49 bettete man die Gebeine Bertholds in ein Reliquiar, das nach der Auflösung des Konvents 1810 in den Domschatz von St. Peter in Regensburg gelangte, wo es sich bis heute befi ndet.50 Nach Ausweis der Quellen erfüllte Berthold mit seinem Wirken als Prediger und Vermittler in brisanten Streitfällen eines der wichtigsten Postulate der fran-
46 Hic nunquam in oppido [. . .] dicto Wintertur [. . .] seminare verbum Dei voluit propter quoddam theloneum pessimum, immo exaccionem nefandissimam, que illic in pauperibus huc usque acta est; et quia burgenses illius oppidi illud theloneum noluerunt intuitu divine pietatis et ob precum suarum instanciam deserere, ideo ad eos declinare sprevit [. . .]. ( Johannes von Winterthur, Chronik, S. 19). Die Zuverlässigkeit Johannes von Winterthur als historische Quelle ist allerdings Zweifeln unterworfen. Seine Chronik (verfaßt 1340–1348) entstand mit einem zeitlichen Abstand von etwa achtzig Jahren zu den beschriebenen Ereignissen. Darüber hinaus konstatiert Friedrich Baethgen in der „Einleitung zur Chronik Johanns von Winterthur“ (S. XXVIII), sie sei mit Irrtümern und Entstellungen „reichlich durchsetzt“. Vgl. auch Waltraud Hörsch, Art. „Johannes von Winterthur“, LexMA Bd. V, München 2002, Sp. 611: „Sein Werk ist Beispiel für die Problematik mündl. Überlieferung und ma. Erzählverhaltens“. 47 U.a. Heim, Berthold von Regensburg, S. 185. Die Annalen von Schäftlarn vermerken: Anno MCCLXXII frater Bertholdus de ordine fratrum minorum egregius predicator obiit. (Unter Nr. 28 abgedruckt bei Pfeiffer, PS I, S. XXVIII). 48 Das Fresko mit der Darstellung des berühmten Franziskaners ist, soweit ich sehe, innerhalb der Berthold-Forschung bisher noch nicht bekannt. Nähere Angaben zum Zyklus verdanke ich Dr. Peter Germann-Bauer vom Historischen Museum der Stadt Regensburg: Der Freskenzyklus wird auf das Jahr 1499 datiert und zeigt die Kirchenväter, die Diözesanpatrone und die Ordensheiligen. Die Minoriten sind dabei im schwarzen, die Mönche der jüngeren Kongregation der Franziskaner-Observanten im braunen Ordensgewand abgebildet. 49 Georg Steer, Leben und Wirken des Berthold von Regensburg. In: 800 Jahre Franz von Assisi. Franziskanische Kunst und Kultur des Mittelalters, hrsg. von Johannes Gründler, Wien 1982, S. 169–176; S. 173. 50 Über den Verbleib der Gebeine Bertholds gab mir freundlicherweise der Leiter des Diözesanmuseums in Regensburg, Dr. Hermann Reidel, ausführlich Auskunft. Der Schrein mit den Gebeinen Bertholds wurde zuletzt 1989 bei der großen Reliquienprozession anläßlich des 1250-jährigen Bistumsjubiläums mitgeführt und im Dom öffentlich aufgestellt. Die Grabplatte Bertholds ist heute im Chor der ehemaligen Konventskirche zu besichtigen.
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2. Leben und Werk Bertholds von Regensburg im Spiegel der zeitgenössischen Quellen
ziskanischen Bewegung, nämlich das der Friedenswahrung. Die Ordensbrüder sollten sich in Zeiten existentieller Not nicht nur den inneren Frieden erhalten, sondern auch im gesellschaftlichen Leben für Ausgleich und Konfl iktbereinigung sorgen.51 Der franziskanische Generalminister Bonaventura (1217–1274) sah darüber hinaus ein Charakteristikum franziskanischen Lebens in der Verkündigung der Friedensbotschaft Christi und der Aufforderung zur Buße.52 In der Mitte des 13. Jahrhunderts standen die Franziskaner bereits nicht mehr als demütige Minderbrüder außerhalb oder zumindest am Rand der mittelalterlichen Gesellschaft, sondern sie waren als im Dienste der Kirche stehender, zunehmend wissenschaftlich orientierter Orden fest in deren Mitte verankert. Kirchliche Weihen und theologische Bildung verhalfen ihnen – etwa als Beichtväter – zu wachsendem gesellschaftlichem Ansehen,53 das sich u. a. im Einsatz bei (kirchen-)politischen Missionen ausdrückte.54 Insofern wirkte Berthold von Regensburg auf vorbildliche Weise in der Seelsorge für den ewigen Frieden der Gläubigen, indem er sie zu Reue und Buße aufrief und ihnen die evangelische Friedensbotschaft verkündete, während er in sich in seiner Schlichterfunktion für die Erhaltung des sozialen Friedens einsetzte.55 Predigtweise Über die Art seiner Predigtweise und über wundersame Ereignisse während seiner Predigtvorträge haben schon die Zeitgenossen Bertholds Zeugnis abgelegt. Neben vielen anderen Chronisten sind es vor allem die Ordensbrüder Roger Bacon (ca. 1219–1292) und Salimbene von Parma (1221–1289), die ausdrücklich die Verdienste Bertholds um die Predigttätigkeit hervorheben. In seiner Chronik weiß der italienische Minorit zu berichten, daß zuweilen ungeheuer große Volksmassen, 60.000–100.000 Menschen, sich versammelten, um Bertholds „honigsüßen, heilbringenden Worten“ (verba melliflua et salutifera) zu
51 Zum franziskanischen Friedensgedanken vgl. Dieter Berg, Gesellschaftspolitische Implikationen der vita minorum, insbesondere des franziskanischen Friedensgedankens, im 13. Jahrhundert. In: Renovatio et reformatio. Wider das Bild vom „fi nsteren“ Mittelalter, Festschrift für Ludwig Hödl, hrsg. von Manfred Gerwing und Godehard Ruppert, Münster 1985, S. 181–194, hier S. 183; Gudrun Wittek, Franziskanische Friedensvorstellungen und Stadtfrieden. Möglichkeiten und Grenzen franziskanischen Friedewirkens in mitteldeutschen Städten im Spätmittelalter. In: Bettelorden und Stadt. Bettelorden und städtisches Leben im Mittelalter und in der Neuzeit, hrsg. von Dieter Berg, Werl 1992, S. 153–178. 52 Berg, Gesellschaftspolitische Implikationen, S. 186 f. 53 Zum Einfluß der Franziskaner an Adelshöfen vgl. Friedrich A. Groeteken, Die Franziskaner an Fürstenhöfen bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts, Diss. Münster 1915; Minges, Franziskaner in Bayern, S. 18. 54 Berg, Gesellschaftspolitische Implikationen, S. 192 f. 55 Zum Friedensgedanken insbesondere bei Berthold von Regensburg vgl. Wittek, Friedensvorstellungen, S. 154 f.
2.1. Biographisches
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lauschen.56 Auch andere Quellen geben Zuhörerzahlen an, die man nicht für bare Münze nehmen darf.57 Sie sind Ausdruck dafür, daß es für mittelalterliche Begriffe eine außergewöhnlich große Zahl von Personen jeden Alters und jeden Standes gewesen sein muß, die sich versammelten, um die Predigten des Franziskaners anzuhören. Es darf vermutet werden, daß dem Prediger sein Ruf bis zur nächsten Stadt vorauseilte, möglicherweise ganz konkret in Form eines Ausrufers, der den Einwohnern das bevorstehende Predigtereignis58 rechtzeitig bekanntmachte. Manchmal jedoch scheint die Predigt spontan auf Bitten der Bevölkerung erfolgt zu sein, die vom Aufenthalt des berühmten Franziskaners in ihrer Stadt erfahren hatte.59 Damit allen zu erwartenden Zuhörern genügend Platz zur Verfügung stand, predigte Berthold meistens vor den Toren der Stadt auf freiem Feld oder auch im ausgetrockneten Bett eines Flusses, wie Salimbene mitteilt, der seinen Lesern zur Verdeutlichung empfiehlt, sich dazu etwa das Kiesbett des Reno bei Bologna in Erinnerung zu rufen.60 Wenn der geeignete Platz für die Veranstaltung gefunden war, ließ Berthold ein hölzernes Gerüst oder eine Kanzel aufstellen, einen bettefredus, wie Salimbene sich ausdrückt.61 Einen Eindruck, wie man sich den Prediger auf diesem bettefredus während seines Vortrags vorstellen könnte, vermittelt eine ganzseitige kolorierte Federzeichnung in einer Handschrift mit deutschen Predigten Bertholds der Wiener Nationalbibliothek aus dem 15. Jahrhundert, eine der insgesamt drei bekannten bildlichen Darstellungen des Franziskaners aus dem späten Mittelalter.62 Das Widmungsbild zeigt im Vordergrund einen recht hageren Predigerbruder auf seiner hölzernen Kanzel, davor die mehr oder weniger andächtige Schar der Gläubigen, die er mit den Worten „nu merkcht auf “ zur Aufmerksamkeit 56
Salimbene de Adam, Cronica, ed. Giuseppe Scalia, 2 Bde., CC CM 125, Turnhout 1998/99, S. 840. Nachfolgend zitiert als: Salimbene, Chronik. 57 Vgl. die bei Pfeiffer PS I verzeichneten Zeugnisse Nr. 5–7. Aus einer anonymen Chronik zur Geschichte Regensburgs (PS I Nr. 8, S. XXI): Legitur denique quod ad ejus sermonem aliquotiens duodecim millia imo mille centum homines confluere solebant. 58 Zur Vorstellung von Predigt als Ereignis vgl. ausführlich Beverly M. Kienzle, Medieval Sermons and their Performance: Theory and Record. In: Preacher, Sermon and Audience in the Middle Ages, ed. Carolyn Muessig, Leiden/Boston/Köln 2002, S. 89–124. 59 Salimbene, Chronik, S. 844. 60 Ebd. 61 Ebd., S. 840. 62 Cod. 2829 [W]. Verzeichnet bei Dieter Richter, Die deutsche Überlieferung der Predigten Bertholds von Regensburg. Untersuchungen zur geistlichen Literatur des Spätmittelalters, München 1969, S. 90 f. Im Hintergrund sind vor dem Portal einer Kirche zwei Mönche und eine hell gekleidete Gestalt zu sehen, die von einem der Ordensbrüder einen Codex in Empfang nimmt. Vermutlich handelt es sich um die Übergabe der Handschrift an einen Diener des Auftraggebers der Handschrift, Ritter Hans von Hof kirchen. Die älteste Darstellung Bertholds dürfte die (bereits stark verwitterte) Figur auf der Grabplatte des Franziskaners in der Regensburger Minoritenkirche sein. Eine späte Abbildung Bertholds fi ndet sich außerdem unter den 142 Kupferstichen der von Matthäus Rader verfaßten bayrischen Heiligengeschichte, die unter dem Titel „Bavaria Sancta“ erstmals 1615 in München erschien.
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2. Leben und Werk Bertholds von Regensburg im Spiegel der zeitgenössischen Quellen
mahnt. Um Kenntnis darüber zu erhalten, in welche Richtung sie sich setzen müßten, konnten die Zuhörer auf eine kleine Fahne oder an einem Faden befestigte Feder63 blicken, die nach Auskunft Salimbenes an der Spitze des bettefredus befestigt war.64 Hatte die Predigt begonnen, scheint kaum einer der Anwesenden das Bedürfnis verspürt zu haben, sie vorzeitig zu verlassen – falls man dem Italiener Glauben schenken möchte, der dem Franziskaner Worte eines bemerkenswerten Selbstbewußtseins in den Mund legte: „Niemals ist es mir geschehen, daß einer meine Predigt verließ vor ihrem Ende und vor der Erteilung des Segens!“65 Alle, die keine Gelegenheit gefunden hatten, die Predigt zu besuchen, konnten dies an einem der folgenden Tage nachholen, denn dieselben Predigten wurden von den Franziskanern oft zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten mehrmals gehalten.66 Nach Ansicht des Antonius von Padua (1195–1231) vermehrte Gott stetig die in der Predigt weitergegebenen Kenntnisse: „Darum sei es auch erlaubt, dieselbe Predigt, die bereits Früchte getragen (hat), anderwärts nochmals zu halten. Das sollen diejenigen bedenken, welche immer neue Predigten halten wollen.“67
2.2. Das Bild Bertholds in der legendarischen Überlieferung Während der Predigten und Predigtreisen Bertholds hat sich nach Aussage von zeitgenössischen und späteren Chronisten eine Vielzahl von Wundern zugetragen. Die legendarischen Berichte darüber waren bereits sehr früh, wohl schon vor 1350, bekannt und verbreitet.68 Als älteste Quelle darf dabei die Chronik des Salimbene von Parma gelten, die Ereignisse der Jahre von 1212 bis 1287 beschreibt. Sein Wissen über Berthold könnte er von deutschen Ordensbrüdern erhalten haben, die Berthold vielleicht selbst predigen gehört hatten: Et dicunt omnes qui eum audiverunt, quod ab apostolis usque ad dies nostros in lingua Theotonica non fuit similis illi.69 Wenn auch der Verfasser nicht mehr zu den Zeitgenossen zählt, so liegt die Chronik des Johannes von Winterthur (verfaßt 1340–1348) 70 zumindest zeitlich noch relativ nah an den von ihm überlieferten Geschehnis63
Johannes von Winterthur, Chronik, S. 19. Salimbene, Chronik, S. 840. 65 Salimbene, Chronik, S. 844. 66 Zur Dauer mittelalterlicher Predigten im Hoch- und Spätmittelalter vgl. umfassend Anton Linsenmayer, Geschichte der Predigt in Deutschland von Karl dem Großen bis zum Ausgange des vierzehnten Jahrhunderts, München 1886 (Nachdruck Frankfurt 1969), S. 127–137. 67 Adolph Franz, Drei deutsche Minoritenprediger aus dem XIII. und XIV. Jahrhundert, Freiburg i.Br. 1906, S. 3. 68 Rieder, Das Leben Bertholds, S. 24. 69 Salimbene, Chronik, S. 840. 70 Hörsch, Art. „Johannes von Winterthur“, LexMA Bd. V, München 2002, Sp. 611. 64
2.2. Das Bild Bertholds in der legendarischen Überlieferung
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sen; Johannes will sich für eine Berthold-Predigt sogar noch auf Ohrenzeugen berufen können.71 Die meisten der späteren Berichte entstammen zwei Quellen: zum einen der sog. Chronica XXIV. Generalium Ordinis Minorum, die vor 1370 verfaßt wurde und Amaldus de Seranno zugeschrieben wird; 72 zum anderen der Chronica brevis des Nikolaus Glaßberger, der 1472 in das Franziskanerkloster Amberg eingetreten war.73 Glaßberger benutzte für seine um das Jahr 1508 verfaßte Chronik ältere Handschriften, so daß sie Rieder als glaubwürdige Quelle für die Geschichte des Franziskanerordens gilt.74 Andere Chroniken, in denen sich Berichte über Berthold fi nden, gehen in der Hauptsache auf diese beiden Werke zurück.75 Insbesondere in den älteren Arbeiten über Berthold von Regensburg sind diese Geschichten und Anekdoten häufig als glaubwürdige Zeugnisse erwähnt und nacherzählt worden, da sie in das für diese Zeit so typische idealisierte Bild paßten, das man sich vom „guten Landprediger“ Berthold von Regensburg machte: 76 „Auch seinen Ordensbrüdern in Paris hinterließ er [Berthold; A. C.] goldene Worte als Andenken, aus denen uns der ganze Geist dieses Mannes unverfälscht entgegenweht.“77 Auch wenn diese Anekdoten und Geschichten in Bezug auf ihren Wahrheitsgehalt kritisch hinterfragt werden müssen, sind sie doch unverzichtbar im Hinblick darauf, welches Bild sowohl die Zeitgenossen als auch spätere Chronisten des Ordens sich von einem ihrer erfolgreichsten und bekanntesten Brüder machten und wie sie dieses Bild den Mitbrüdern und auch den einfachen Gläubigen vermittelt sehen wollten. Insgesamt ergibt sich ein Kernbestand von sechs eigenständigen Anekdoten, die z. T. in inhaltlich variierenden Versionen in mehreren Chroniken überliefert werden:
71 Hic ab hominibus adhuc presenti tempore, scilicet anno Domini MCCCXL superexstantibus, qui sepe suis sermonibus interfuerant, mihi et aliis hoc narrantibus, asseritur habuisse spiritum prophecie [. . .]. (Chronik, S. 19). 72 Herausgegeben in den Analecta Franc. III (1897). Die Chronik des Amaldus von Seranno weist Bezüge zur Chronik Salimbenes auf, vgl. Rieder, Das Leben Bertholds, S. 8. 73 Herausgegeben in den Analecta Franc. II. Vgl. auch Rieder, S. 5 f. 74 Rieder, Das Leben Bertholds, S. 8. 75 So z. B. die „Chronica anonyma“ (Analecta Franc. I ), die vermutlich auch aus der verlorenen „Chronica maior“ Glaßbergers schöpft, sowie die Chronik des Marianus von Florenz (ca. 1480), die auf die „Chronica XXIV. Generalium Ordinis Minorum.“ zurückgeht; vgl. Rieder, Das Leben Bertholds, S. 8 f. 76 Vgl. z. B. die Einführung bei Christian W. Stromberger, Berthold von Regensburg, der größte Volksredner des deutschen Mittelalters, S. 10–17; Unkel, Berthold von Regensburg, S. 17 f.: „Daß Berthold [. . .] eines Tages, wie sein Zeitgenosse und Ordensbruder Salimbene berichtet, von einem Raubritter gefangen und zum Tode verurteilt, diesen und sein ganzes Raubgesinde durch eine ergreifende Bußpredigt bekehrte und ihn selbst sogar in den Franciscanerorden aufnahm, war gewiß eines seiner interessantesten Erlebnisse“. 77 Rieder, Das Leben Bertholds, S. 33.
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Salimbene – Ein Knecht, dessen Herr ihn zum Pflügen aufs Feld schickt, hört dort – aus 30 Meilen Entfernung – die vollständige Predigt Bertholds, die er später seinem Herrn auswendig vortragen kann. (Chronik, S. 841) – Eine vornehme Dame folgt Berthold sechs Jahre auf seinen Predigtreisen; dadurch schließlich völlig verarmt, bittet sie ihn um Hilfe. Berthold schickt sie zu einem Geldwechsler, der ihr den Wert von einem Tag Ablaß auf einer Waage mit Geld aufwiegen soll. Alle Geldstücke des Wechslers reichen jedoch dazu nicht aus; er bekehrt sich darauf hin zu einem gottesfürchtigen Leben und stattet die Dame und ihr Gefolge reich mit Lebensmitteln aus. (Chronik, S. 842 f.) – Berthold gerät in die Gefangenschaft eines Raubritters; diesen bekehrt er mit einer wortgewaltigen Predigt und nimmt ihn auf dessen Wunsch in den Franziskanerorden auf. Das Volk erkennt jedoch den gefürchteten Ritter wieder und hängt ihn, bevor Berthold dessen wunderbare Bekehrung verkünden kann. (Chronik, S. 843–845) Johannes von Winterthur – Während einer Predigt Bertholds bekehrt sich eine Prostituierte zu einem gottesfürchtigen Leben; unter den Zuhörern fi ndet sich sogleich jemand, der sie zur Frau nehmen will. Auf Anweisung Bertholds wird im Publikum Geld für die Mitgift gesammelt, die am Ende auf den Pfennig genau die von Berthold versprochenen zehn Pfund beträgt. (Chronik, S. 19 f.) Chroniken aus den Analecta Franciscana – Eine Sünderin wird während einer Predigt Bertholds von so heftigem Reueschmerz erfaßt, daß sie stirbt; auf das Gebet Bertholds hin steht sie von den Toten auf und berichtet von ihrer Jenseitsvision. (Chronica XXIV. Gen. O. M., Analecta Franc. III, S. 238) – Eine ältere Frau, die in Armut geraten war, erbittet von Berthold nach einer Predigt Almosen. Dieser schickt sie zu einem Geldwechsler, dem sie die zehn Tage Ablaß, die sie durch das Anhören der Predigt erworben hatte, nach ihrem Gewicht verkaufen soll. Doch der Ablaß kann erst aufgewogen werden, als der Wechsler genau die Menge an Geldmünzen in die Waagschale legt, die die Frau benötigt. (Ebd., Analecta Franc. III, S. 239; vgl. Salimbene, Chronik, S. 842 f.) – Eine Frau hält ihren Ehemann, der sich seit sehr langer Zeit auf einer Pilgerreise befi ndet, für tot und heiratet einen anderen. Als ihr erster Mann überraschend zurückkehrt, tötet sie ihn, beschuldigt aber ihren zweiten Mann des Mordes. Durch ein Wunder gelingt es Berthold jedoch, die wahre Schuldige zu entlarven. (Ebd., Analecta Franc. III, S. 239)
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Manche Quellen berichten, daß das Grab Bertholds in der Minoritenkirche von Regensburg nicht nur den Einwohnern, sondern auch pilgernden Ungarn als verehrungswürdig gezeigt wurde.78 Es läßt sich daraus schließen, daß die Grabstätte, an der sich auch Wunder zugetragen haben sollen,79 recht schnell zum Gegenstand der Volksverehrung und zum Ziel von Pilgerreisen wurde. Eine offi zielle päpstliche Anerkennung der Heiligsprechung Bertholds durch diese bis ins 12. Jahrhundert übliche Form der tatsächlichen Verehrung (per viam cultus) 80 erfolgte jedoch nicht. Aus dem spontanen Glauben des Volkes heraus entstanden im Mittelalter immer wieder neue Kulte um die Verehrung heiligmäßiger Frauen und Männer, die keine Anerkennung durch den apostolischen Stuhl erhielten, von den Ortsbischöfen aber als lokale Kulte von „Seligen“ approbiert oder zumindest geduldet wurden.81 So verehrt man den berühmten Franziskaner in Regensburg bis heute als Lokalheiligen, auch wenn er von der Amtskirche nie kanonisiert wurde.82 Mit dieser pragmatischen Form der Verehrung von Seligen als Lokalheilige durch das Volk entstanden gleichzeitig innerhalb der jeweiligen Orden Legenden, die die Berichte über das Leben und wunderbare Wirken der besonders durch Tugend und Frömmigkeit ausgezeichneten Ordensmitglieder schriftlich fi xierten. Im Vergleich zu den früheren Heiligen- und Märtyrerbiographien wurde in ihnen der rein menschliche Aspekt stärker betont, z. B. in Bischofsoder Ordensstifterleben, deren Wirken als Organisatoren, Seelsorger oder Prediger im Vordergrund stand.83 Die Schilderung des Heiligenlebens war nach Teilaspekten untergliedert, die in Form kleinerer Einzelerzählungen eigenes Gewicht erhielten. Im Falle des „seligen“ Berthold von Regensburg stehen hingegen nur noch einzelne Wunderanekdoten84 losgelöst nebeneinander, die die wunderbare und außerordentliche Wirkung seiner Predigten ausmalten und darüber hinaus seine Person als Idealtypus eines franziskanischen Predigers propagierten. Die Darstellung eines solchen franziskanischen Idealtypus folgt dabei 78
Vgl. PS I, S. XXI (Quelle Nr. 7). Johannes von Winterthur, Chronik S. 20. 80 Karl Hausberger, Art. „Heilige / Heiligenverehrung IV: Abendländisches Mittelalter“, TRE, Bd. 9, Berlin u. a. 1982, S. 651–660; S. 652. 81 Hausberger, Art. „Heilige / Heiligenverehrung“, S. 652 f. 82 Berthold wurde in die 1615 unter dem Titel „Bavaria Sancta“ erschienene Sammlung bayrischer Heiligenlegenden des Matthäus Rader aufgenommen, vgl. Anm. 61. 83 Vgl. Sophronius Clasen OFM, Das Heiligkeitsideal im Wandel der Zeiten. Ein Literaturbericht über Heiligenleben des Altertums und Mittelalters, WiWei 33 (1970), S. 46–64; S. 62 f. 84 Als Anekdoten können die Berichte und Nachrichten über Bertholds wunderbares Wirken als Prediger insofern bezeichnet werden, als es sich um kurze, sicherlich zunächst mündlich tradierte, Erzählungen handelt, die merkwürdige, gleichwohl glaubwürdige Begebenheiten im Leben einer bekannten Persönlichkeit schildern. Vgl. die Defi nition des Begriffs „Anekdote“ in: HWR Bd. 1, hrsg. von Gert Ueding, Tübingen 1992, Sp. 566–579; Sp. 572 und RDL Bd. 1, hrsg. von Jan-Dirk Müller, Berlin/New York 2003, S. 87–89. 79
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2. Leben und Werk Bertholds von Regensburg im Spiegel der zeitgenössischen Quellen
einem stets wiederkehrenden Schema: der Prediger ist von Gott begnadet und zeichnet sich durch sein beispielhaftes Leben aus. Kindheit und Jugend des Verehrungswürdigen sind dabei uninteressant, weil ihn erst seine (durch Gott begnadete) seelsorgerliche Tätigkeit als franziskanischer Prediger, seine Tugend und Frömmigkeit über die durchschnittlichen Gläubigen herausheben.85 In der Frühzeit des Franziskanerordens legten die Verfasser oder Redaktoren solcher legendarischer Berichte besonderen Wert darauf, das vorbildliche Leben ganz im Sinne der biblischen Verbindung von Weisheit und Einfalt, Lehre und Demut verstanden zu wissen. Im Zuge der späteren Professionalisierung der Predigtausbildung trat zusätzlich die starke Gewichtung von Bildung und Wissenschaft hinzu, da Predigt- und Lehramt (offi cium praedicationis et lectionis) innerhalb des Ordens als gleichrangige höchste Berufsstufen galten, zu deren Vorbedingung das Studium der Wissenschaften gehörte.86 Salimbene von Parma beispielsweise äußert sich über die ungebildeten Prediger aus der Kongregation des Gerardin Segalelli dahingehend, daß diesen im Minoritenorden kaum erlaubt würde, Tischdienst zu verrichten, das Geschirr zu spülen oder Almosen zu sammeln.87 Die Forderung nach Tugend und Gottesfurcht hingegen fi ndet sich schon bei Alanus ab Insulis (1125/30–1203), wenn er im 38. Kapitel der Ars praedicatoria von den Qualifi kationen des idealen Predigers spricht. Dieser bedürfe vor allem der rechten Lehre (doctrina) und einer vorbildlichen Lebensweise (vita). Der Prediger müsse sich durch Rechtschaffenheit in Wort und Tat ausweisen ( fidelis in verbo et in facto),88 wobei die vorbildliche Lebensweise (exemplum) nicht vom Inhalt der Predigt abweichen dürfe. In der Regula Bullata von 1223 werden die Franziskanerbrüder ermahnt, in ihrer Predigt wohlbedacht und lauter zu reden (ut in predicatione, quam faciunt, sint „examinata et casta eorum eloquia“; vgl. Ps. 11,7 und Ps. 17,31).89 In seiner 7. Ermahnung weist Franziskus darauf hin, daß die Predigt derjenigen, die das göttliche Wort nur verkünden, ihm aber nicht wirklich folgen wollen, keine Früchte trägt. Vielmehr muß der Prediger sein erworbenes Wissen durch Wort und Lebensbeispiel (verbo et exemplo) an Gott zurückgeben.90 85 Zu Formen und Funktionen franziskanischer Heiligenlegenden vgl. grundlegend Sophronius Clasen OFM, Theologische Anliegen und historische Wirklichkeit in franziskanischen Heiligenlegenden. Ein Beitrag zur Hagiographie des Mittelalters, WiWei 36 (1973), S. 1–44; S. 128–174. 86 Felder, Studien, S. 357. 87 Item tales praedicant, non in congregatione, sed in dispersione Gerardini Segalelli, qui, si essent in ordine fratrum Minorum, vix permitterentur mensis ministrare, vel lavare scutellas, seu ostiatim ire pro pane“ (Felder, Studien, S. 356; Salimbene, Chronik, S. 431). 88 PL 210, Sp. 183. 89 Heinrich Boehmer (Hg.), Analekten zur Geschichte des Franciscus von Assisi, Tübingen/Leipzig 1904, S. 15. 90 Et illi religiosi sunt mortui a littera: qui spiritum divine littere nolunt sequi, sed sola verba magis cupiunt scire et aliis interpretari. Et illi sunt vivifi cati a spiritu divine littere, qui omnem litteram, quam
2.2. Das Bild Bertholds in der legendarischen Überlieferung
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Der Hl. Bonaventura sah in Eitelkeit, Selbstdarstellung und Ruhmsucht die für den Prediger gefährlichsten charakterlichen Schwächen.91 Als Verkörperung solch negativer Gegenbilder zum franziskanischen Tugendideal, wie sie vielleicht auch der Ordensgründer Franziskus vor Augen gehabt haben mag, erscheinen z. B. in den Offenbarungen der Wiener Begine Agnes Blannbekin († 1313) franziskanische Prediger, die mit Geschrei und Gestikulieren (boatus et gesticulationes) die Zuhörer beeindrucken wollen und die von Agnes deswegen scharf getadelt werden.92 Demgegenüber hebt sie Berthold von Regensburg wegen seiner begnadeten Lehre und strengen Lebensführung eigens hervor und vergleicht ihn mit dem Hl. Ambrosius.93 In ganz ähnlicher Weise wird Berthold auch in dem offi ziellen Schreiben, in dem Urban IV. ihn 1263 mit der Unterstützung des Albertus Magnus bei der Kreuzpredigt beauftragt, als ein durch Gottesfurcht, Wissenschaft und Tugend ausgezeichneter Mann bezeichnet.94 Außer der Beschreibung des tugendhaften Lebens weisen die legendarischen Berichte über Berthold ein weiteres typisches Element der Heiligenlegende auf: als Ausweis seiner göttlichen Begnadung verfügt Berthold über die Gabe der Prophetie und wirkt noch zu Lebzeiten Wunder.95 Bisweilen ereignen sich auch in seiner Anwesenheit Wunderzeichen. Auffällig ist, daß sowohl die prophetische Gabe als auch die Wunder oder Wunderzeichen fast immer in Verbindung mit seinen Predigten stehen. Während einer Predigt auf dem Schloß des Grafen von Andechs weissagt Berthold diesem die Zerstörung und den späteren Wiederauf bau seiner Burg; 96 während einer Predigt wird Berthold die Todesstunde seines Mitbruders David von Augsburg offenbar.97 Als Berthold in Thüringen predigt, sehen die Anwesenden über seinem Haupt leuchtende Kronen erstrahsciunt et cupiunt scire, non attribuunt corpori, sed verbo et exemplo reddunt ea altissimo Domino Deo, cuius est omne bonum. (Ebd. S. 44). 91 Bonaventura, Das große Franziskusleben 8,2. In: Franziskus, Engel des sechsten Siegels. Sein Leben nach den Schriften des heiligen Bonaventura, hrsg. von Sophronius Clasen OFM, Werl 1962, S. 317. Vgl. auch Franz Richardt OFM, Die Predigt in der Frühzeit der franziskanischen Bewegung, WiWei 64,2 (2001), S. 179–213; S. 206 ff. 92 Peter Dinzelbacher, Die Wiener Minoriten im ausgehenden 13. Jahrhundert nach dem Urteil der zeitgenössischen Begine Agnes Blannbekin. In: Bettelorden und Stadt. Bettelorden und städtisches Leben im Mittelalter und in der Neuzeit, hrsg. von Dieter Berg, Werl 1992, S. 181–191; S. 189. 93 De s. Ambrosio dixit, quod, quia tanto zelo amavit justitiam, ideo magnus est in gloria. Et adjecit, quod frater Berchtoldus de Ratispona non minor esset propter gratiam doctrinae, qua docuit, et quia austerus in se extitit. Dixit enim, quod austeritas vitae magni meriti est apud deum. (PS I, Nr. 34). 94 Vgl. Anm. 41. 95 Zur Bedeutung des Prophetengeistes vgl. Clasen, Franziskanische Heiligenlegenden, S. 159 f. 96 Vgl. Anm. 40. 97 Anno praedicto, id est 1271, decimo septimo kalendas Decembris, obiit reverendus et religiosissimus pater frater David [. . .] Hora obdormitionis eius revelata fuit fratri Bertholdo actu Ratisbonae praedicanti, qui recommendans eum populo [. . .]. (Chronica Fratris Nicolai Glassberger, Analecta Franc. II, S. 74).
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2. Leben und Werk Bertholds von Regensburg im Spiegel der zeitgenössischen Quellen
len.98 All diese wunderbaren Begebenheiten weisen auf seine besondere Auserwähltheit durch Gott hin und sind Beleg für seinen Rang als verehrungswürdige Persönlichkeit. Auch seine außerordentliche Beredsamkeit, die ihn letztlich erst zu einem herausragenden Prediger macht, gehört in diesen Bedeutungszusammenhang. In ihrer Gebrauchsfunktion waren solche erbaulichen Wundergeschichten in erster Linie für die homiletische Praxis, als Exempel in der Predigt gedacht, in der sie zur moralisch-sakramentalischen Unterweisung dienten, durch das Aufzeigen von Tugenden und Lastern zu einem moralischen Lebenswandel anhielten und vor allem die Bedeutung und Wirksamkeit des Franziskanerordens innerhalb der christlichen Gemeinschaft propagierten.99 Besonders deutlich wird diese Motivierung in einer Geschichte, die in der Chronica XXIV. Generalium Ordinis Minorum überliefert wird: „In der Oberdeutschen oder Straßburger Provinz haben sich viele nicht weniger durch ihr beispielhaftes Leben als durch Wunder ausgezeichnet. Unter diesen war Bruder Berthold, begraben zu Regensburg, ein ausgezeichneter Prediger. Als dieser einmal leidenschaftlich gegen eine bestimmte Sünde predigte, die eine Frau, die ihm zuhörte, begangen hatte, durchbohrte jene, als sie vom Pfeil des Wortes getroffen worden war, der vom Bogen seiner großen Kraft und Wirksamkeit hervorschnellte, ein so heftiger Reueschmerz, daß sie plötzlich ihren Geist aushauchte. Dann – das Volk war darüber bestürzt – gebot Bruder Berthold Stille und wies alle an, daß sie darum beteten, daß Gott dazu seinen Ratschluß offenbare. Als er selbst und alle anderen beteten, stand darauf hin jene Frau von den Toten auf und erzählte, daß sie, vor das göttliche Gericht gerufen, wegen ihrer Reue von der ewigen Strafe befreit worden, aber, damit sie die genannte Sünde beichtete, von den Toten zurückgerufen worden war. Und sie erzählte unter anderem, daß in derselben Stunde, als sie gestorben war, 50.000 Menschen in den verschiedenen Teilen der Welt gestorben waren, von denen nur drei in das Fegefeuer gekommen waren; die übrigen waren in der Hölle versenkt worden, und nur ein Minderbruder war ausgenommen, der sogleich ohne Schmerzen das Fegefeuer durchschritt und die Seelen zweier Personen, die ihm gebeichtet hatten, mit sich nahm und von dort mit ihnen ins Paradies emporstieg.“100
Die Frau, die auf die Gebete Bertholds hin von den Toten erweckt wird, berichtet, daß sie wegen ihrer Reue zwar auf göttlichen Ratschluß hin von den ewigen Sündenstrafen entbunden wurde, aber nochmals ins Leben zurückkehren mußte, um ihre Sünden dem Franziskaner Berthold zu beichten. Dieser er98 Super caput ipsius in Thuringia a fide dignis Religiosis utriusque sexus, cum sermonem faceret, plures coronae fulgidae videbantur. (Ebd., S. 84). 99 Zur Exempel-Forschung vgl. Christoph Daxelmüller, Narratio, Illustratio, Argumentatio. Exemplum und Bildungstechnik in der frühen Neuzeit. In: Exempel und Exempelsammlungen, hrsg. von Walter Haug und Burghart Wachinger, Tübingen 1991, S. 77– 94; Claude Brémond / Jacques Le Goff / Jean-Claude Schmitt, L’exemplum, Turnhout 1982; Peter Assion, Das Exemplum als agitatorische Gattung. Zu Form und Funktion der kurzen Beispielgeschichte, Fabula 19 (1978), S. 225–240. 100 Analecta Franc. III, S. 238.
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staunliche Vorgang kann im Zusammenhang mit der Umbildung der Buße zum Sakrament im 12. Jahrhundert bzw. mit der Einführung der jährlichen Pfl ichtbeichte 1215 durch Innozenz III. gesehen werden. Während noch Gratian die Frage offen ließ, ob zur Sündentilgung die vollkommene Liebesreue (contritio) ohne Beichte vor dem Priester ausreiche,101 wurde später die Ohrenbeichte der maßgebliche Teil des Sakraments.102 Die confessio ist zum Erhalt der Absolution demnach unabdingbar, wie es auch in der Anekdote hervorgehoben wird. Doch geht die Episode in ihrer praktischen Konsequenz noch einen Schritt über die bloße sakramentalische Belehrung hinaus, indem sie suggeriert, daß nur die Beichte bei einem Franziskanerbruder den Gläubigen eine verläßliche Garantie für die Vergebung der ewigen Sündenstrafen sowie für den sicheren Aufstieg in den Himmel bietet – eine wirkungsvolle Werbung für den eigenen Orden. Berthold steht zwar als Prediger im Mittelpunkt des wunderbaren Geschehens, er bewirkt allerdings das Wunder in diesem Fall nicht selbst, denn die Kraft seiner Rede, die den tödlichen Reueschmerz der Sünderin hervorruft, beruht ebenso auf göttlicher Gnade wie die Wirksamkeit seines Gebets, das sie wieder unter die Lebenden zurückkehren läßt. Demnach wird hier Berthold lediglich als Exponent und Garant eines gottgewollten franziskanischen Heilswirkens in Szene gesetzt. Für ein Laienpublikum ist die Signalwirkung dieser Geschichte eminent: nichts ist für das Seelenheil eines Gläubigen so wertvoll wie Predigt und Gebet eines Franziskaners und die Beichte bei ihm. Möglicherweise besitzt diese Anekdote eine doppelte Funktion. Als Exempel innerhalb einer Predigt vor Laien verwendet, spielt sie mit der Jenseitsangst der Zuhörer und bietet gleichzeitig den erlösenden Ausweg, der für den gläubigen Christen seit 1215 vor allem in der konsequenten Erfüllung der Beichtpfl icht lag. Die Anekdote kann aber auch in einer Predigt vor den eigenen Ordensbrüdern oder bei der Tischlesung im Konvent vorgetragen werden. Ein Hinweis auf einen solchen Verwendungszusammenhang liegt im Vergleich der leidenschaftlichen Predigtweise Bertholds mit einem Bogen, von dem ein Pfeil abgeschossen wird. Einen solchen Vergleich hat Philipp der Kanzler (1165/80–1236) geprägt, der das Predigen mit der Kunst des Bogenschießens in Beziehung setzte: „Der Bogen ist die Heilige Schrift [. . .] (Der Prediger) muß den Bogen richtig spannen. Er zieht die Bogenenden an sich heran, wenn er seine Lehre durch seine Werke an sich selber aufzeigt. Er läßt dann den Pfeil kraftvoll abschnellen, damit er wirksam die Herzen der Zuhörer trifft. Eine lässige Predigt ist wie ein schlaffer Bogen, nicht nur wegen der Schlaff heit der Hände, das heißt der Werke, sondern auch wegen der Häufigkeit der 101
Decret. causa 33 quaest. 3 de poenit.. Decretum sive Concordia discordantium canonum, krit. Ausgabe von Emil Friedberg, Leipzig 1879–1881 (Corpus iuris Canonici 1), Neudruck Graz 1959. 102 Zu Bußpraxis und Ablaß vgl. Reinhold Seeberg, Lehrbuch der Dogmengeschichte, Bd. III: Die Dogmenbildung des Mittelalters, Leipzig 41930 (unv. Nachdruck Darmstadt 1974), S. 316 f. und Martin Ohst, Pfl ichtbeichte. Untersuchungen zum Bußwesen im Hohen und Späten Mittelalter, Tübingen 1995, bes. S. 50–139.
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Predigten. [. . .] Ins Schwarze trifft, wer ein Haar durchbohrt, wer so vollendet spricht, daß von seinem Wort auch kein Gedanke unverletzt bleibt. [. . .] Den Bogen spannt richtig, wer aufzeigt, wie streng verbindlich Gottes Gebote sind. [. . .] Mit der vollen Kraft des Bogens schießt, wer andere und sogar bessere als er selbst ist, zurechtweist und rügt.“103
Philipp genoß als Theologe und Prediger in Paris hohes Ansehen, etwa 400 lateinische und französische Predigten sind von ihm bezeugt, die er z. T. auch außerhalb von Paris hielt.104 Die Ordensbrüder Bertholds kannten die Predigten Philipps möglicherweise aus einer der vielen Musterpredigtsammlungen, die in den Studienhäusern der Franziskaner zur Ausbildung der zukünftigen Prediger benutzt wurden.105 Insofern konnten sie die mögliche Anspielung auf den Bogen-Vergleich Philipps als versteckten Hinweis auf die besondere Qualität der Predigtweise Bertholds verstehen, die in schulmäßiger Weise selbst den hohen Ansprüchen der Pariser Magister entsprach. Ein anderer Grund für die Entstehung dieser Art von tendenziösen Wundergeschichten liegt sicher in der Konkurrenzsituation, die insbesondere in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts zwischen den Angehörigen des Franziskanerordens und dem ortsansässigen Pfarrklerus bestand. Der Episkopat sah in den päpstlichen Privilegien, die den Minderbrüdern das Predigen und Messelesen sowie das Spenden der Sakramente und den Vollzug von Begräbnissen gestatteten, eine gefährliche Störung der parochialen Ordnung, zumal die Minoriten auf diese Weise allmählich zu einem von den Bischöfen unabhängigen Seelsorgeklerus heranwuchsen.106 In Ausnahmesituationen, z. B. während der Kreuzpredigt, erhielten die Franziskaner von den Päpsten weitreichende Vollmachten. So durften sie denjenigen, die ihre Predigten besuchten, Ablässe gewähren (auch von Berthold wird dies berichtet),107 Büßern die Absolution erteilen und selbst in Dörfern und Städten, über die das Interdikt verhängt worden war, die Messe lesen.108 Die fortschreitende Erweiterung der Exemtions- und Seelsorgerechte der Mendikantenorden insbesondere unter Papst Alexander IV. (1254–
103 Johannes B. Schneyer, Die Bibel als wichtigstes Material- und Formprinzip der Predigt des Hoch- und Spätmittelalters, Codices manuscripti 4 (1978), S. 5–9; S. 7. 104 Günter Bernt, Art. „Philipp der Kanzler“, LexMa VI, München 2002, Sp. 2077. 105 Vgl. Bert Roest, A History of Franciscan Education (c. 1210–1517), Leiden/Boston/ Köln 2000, S. 276–290. 106 Vgl. Albert Hauck, Kirchengeschichte Deutschlands, Bd. IV: Die päpstliche Herrschaft in der deutschen Kirche und ihre Kämpfe 1122–1250, Berlin 1954, S. 401 f.; Koch, Die frühesten Niederlassungen der Minoriten, S. 70 f.; John R. H. Moorman, A History of the Franciscan Order, Oxford/New York 1968; John B. Freed, The Friars and German Society in the Thirteenth Century, Cambridge, Mass. 1977, S. 88–91. 107 Analecta Franc. III: Cum autem idem frater Bertoldus praedicando auctoritate domini Papae daret audientibus indulgentias [. . .]. (S. 239). 108 Vgl. Koch, Die frühesten Niederlassungen der Minoriten, S. 66; Konrad Eubel, Geschichte der oberdeutschen (Straßburger) Minoriten Provinz, Würzburg 1887, S. 20 f.
2.2. Das Bild Bertholds in der legendarischen Überlieferung
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1261) forderte immer wieder den Widerstand des Weltklerus heraus.109 Dennoch war eine extrem ablehnende Haltung nicht immer die Regel, manche Bischöfe schätzten die Franziskaner durchaus und gewährten ihnen in einem gewissen Rahmen Handlungsfreiheit. Bischof Otto von Passau etwa informierte 1264 die Kirchenvorstände seiner Diözese darüber, daß er den Minoriten gestattet habe, in der gesamten Diözese zu predigen und die Beichte zu hören.110 Als Beichtväter, Diplomaten und Schatzmeister in Diensten von Fürsten und Königen waren sie geschätzt und erlangten stetig wachsenden Einfluß. Das Selbstbewußtsein, das sich aus dieser hohen kirchenpolitischen und gesellschaftlichen Stellung der Franziskaner im 13. Jahrhundert speiste, spiegelt sich in solchen Wundererzählungen wider. Neben den Berichten, denen außer dem erbaulich-didaktischen auch ein deutlicher propagandistischer Grundton eignet, begegnen aber auch Anekdoten, in denen eher die unterhaltsamen und spannenden Elemente betont werden. Dort erscheint Berthold manchmal nur noch als Randfigur, die erst am Ende der Anekdote durch göttliches Eingreifen eine Mordtat auf klären und die Gerechtigkeit wiederherstellen kann, während der Schilderung der zentralen Handlung sowie manch blutiger Details breiter Raum gelassen wird: „Ein anderes Mal nahm sich eine Frau, deren Mann sich auf eine Reise über das Meer begeben hatte und schon seit langer Zeit nicht zurückgekehrt war und von dem sie glaubte, daß er gestorben sei, einen anderen Ehemann. Später kehrte der erste Mann von seiner Pilgerreise zurück, und seine Ehefrau erzählte ihm alles, was sich zugetragen hatte, und fügte hinzu, daß er in den Keller gehen solle, solange bis sie den anderen Mann fortgeschickt hätte. Dann sagte die Frau ihrem zweiten Ehemann, daß er den ersten im Keller töten solle und sie selbst ihn als ihren Ehemann behalten werde. Da dieser das ungeheuerliche Verbrechen nicht vollziehen wollte, tötete sie selbst ihren ersten Ehemann im Keller. Endlich wird der Getötete entdeckt, und beide, der Mann und die Ehefrau, werden gefangengenommen; und die Frau bezichtigt jenen Mann des Mordes, den sie selbst begangen hatte. Doch Bruder Berthold betete, daß der Herr allen die Wahrheit eröffnen möge. Und in seinem Auftrag wird das Haupt des getöteten Mannes, welches von seinem Körper abgetrennt worden war, herbeigetragen. Diesem befahl Bruder Berthold vor allen Anwesenden, daß es den Schuldigen des ganzen Verbrechens enthülle. Welch ein Wunder! Auf seine Anordnung hin sprang das Haupt sogleich in die Höhe und schlug seine Zähne in die Brust der Frau. Zum Erstaunen aller erlegte ihr Bruder Berthold als Buße auf, daß sie das Haupt immer (mit sich) trage, solange bis sie durch einen göttlichen Wink offensichtlich davon befreit würde; und so befreite Bruder Berthold sie beide: die Frau vom weltlichen Gericht durch die Bußleistung, den unschuldigen Mann durch ein solches Wunder.“111
109 Meinrad Sehi, Die oberdeutsche Minoritenprovinz im Mittelalter. In: 800 Jahre Franz von Assisi. Franziskanische Kunst und Kultur des Mittelalters, Katalog der Ausstellung, hrsg. von Johannes Gründler, Wien 1982, S. 270–288; S. 278 f. 110 Minges, Franziskaner in Bayern, S. 17. 111 Analecta Franc. III, S. 239.
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2. Leben und Werk Bertholds von Regensburg im Spiegel der zeitgenössischen Quellen
Auch diese Geschichte paßt durchaus in das Bild, welches glaubwürdige zeitgenössische Quellen von Berthold zeichnen: Vermutlich wird man sich in dieser Szenerie Berthold in einer vermittelnden Funktion vorzustellen haben, vielleicht als Berater eines Gerichtes, vielleicht auch selbst in einer (schieds-)richterlichen Position, wie er sie ja bei einigen Rechtsstreitigkeiten tatsächlich auch ausgeübt hat.112 Neben legendarischen Berichten, die zumeist die wunderbaren Begebenheiten im Umfeld von Bertholds Predigttätigkeit thematisieren, begegnen in den franziskanischen Ordenschroniken aber auch scheinbar ganz sachlich abgefaßte Berichte, z. B. über die angebliche Anwesenheit Bertholds bei seinen Ordensbrüdern in Paris bzw. am Hof König Ludwigs des Heiligen (1214–1270): „Als jener ehrwürdige und berühmte Prediger des Gotteswortes aus Deutschland, Bruder Berthold, nach Frankreich gekommen war, wollte der König ihn sehen und mit ihm sprechen. Als dieser Lateinisch mit ihm sprach, erwiderte er ihm: „Guter Bruder, ich kenne das Latein nicht gut.“ „Sprecht unbesorgt, Herr König,“ sagte Bruder Berthold, „weil es für einen König nicht ungehörig ist, bescheidenes oder falsches Latein zu sprechen.“ Schließlich erzählte der König von Navarra, welcher bei den frommen Gesprächen anwesend war, bald darauf folgendes: „Der Herr König von Frankreich und ich sind sehr erbaut über jenen berühmten Predigerbruder. Als ich nämlich zum Herrn König von Frankreich in Gegenwart dieses Bruders sagte: ‚Herr, in Deutschland baten einige Tagelöhner, die am Tage seiner Predigt auf einem Acker weit von dem Ort versammelt waren, wo dieser Bruder seinen Aufenthalt genommen hatte, frühmorgens ihren Herrn, der sie versammelt hatte, daß er ihnen erlaube, das Wort der Predigt anzuhören; und als er seine Erlaubnis nicht gegeben hatte, da sie auf dem Feld seien, um zu arbeiten, beteuerten sie, die Predigt des Bruders gehört und verstanden zu haben, obgleich sie doch wohl eine Meile davon entfernt waren‘, sagt Bruder Berthold darauf als Antwort: ‚Gute Herren, glaubt es nicht, und schenkt solchen Berichten keinen Glauben, die über mich verbreitet werden, als ob es sich um Wunder handle. Soweit ich glaube, ist diese Geschichte nämlich nicht wahr gewesen, und ich habe niemals gehört, daß sie wahr gewesen sei. Aber es gibt Leute, die entweder damit Geld verdienen wollen oder irgendeinen anderen windigen Grund haben, die manchmal so etwas erfi nden und anderen weitererzählen, während sie mir unter der übrigen Menschenmenge folgen.“ Aus diesem Grund waren beide Könige sehr erfreut, weil sie eindeutig erkannten, daß jener Bruder, gleichsam ein getreuer Verwalter des Gotteswortes, keinen eitlen Ruhm von den Menschen begehrte, sondern lediglich die Ehre Gottes und das Heil für die Seelen erstrebte; daß er mehr die Wahrheit als den eitlen Beifall des Volkes und ein unglaubwürdiges Märchen zur Verherrlichung liebte.“113
Der Verfasser dieser Anekdote entwirft geschickt eine Szene, wie sie sich am Hof des französischen Königs tatsächlich abgespielt haben könnte. Aus dem Bericht Jean de Joinvilles (1224–1317) über das Leben des Hl. Ludwig ist bekannt, daß der König sich nach dem Mahl gerne mit einer kleinen Gruppe von vertrauten Gesprächspartnern umgab, unter denen neben Ludwigs Schwieger112 113
Vgl. Kap. 2.1. Chronica anonyma, Analecta Franc. I, S. 417.
2.2. Das Bild Bertholds in der legendarischen Überlieferung
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sohn, König Theobald II. von Navarra, auch stets Angehörige der beiden Bettelorden zu fi nden waren.114 Joinville beschreibt eine solche Szene folgendermaßen: „Wenn wir einmal vertraulich unter uns waren, setzte er sich zu Füßen seines Bettes, und wenn die Predigermönche und die Franziskaner da von einem Buch sprachen, das er anhören sollte, sagte er zu ihnen: ‚Nein, ihr sollt jetzt nicht lesen, denn es gibt nach dem Essen kein Buch, das so gut ist wie ein Quodlibet‘“.115
Das „Quodlibet“ ist in diesem Zusammenhang als Form einer ungezwungenen Unterhaltung zu verstehen, bei der jeder Beteiligte nach eigenem Ermessen etwas zum Gespräch beitragen konnte.116 Der Verfasser der Anekdote läßt den König von Navarra den Teilnehmern einer ehrwürdigen Gesprächsrunde (inter confabulationes sanctas) von einer Unterredung mit Ludwig in Anwesenheit Bertholds berichten. Dabei erzählt der offenbar gut über den deutschen Gast unterrichtete König von Navarra dem König von Frankreich, was sich während einer Predigt Bertholds in Deutschland zugetragen haben soll. Er fügt jedoch an, daß Bruder Berthold den Wahrheitsgehalt dieses Wunderberichts sogleich bestritten und davor gewarnt habe, solchen Erzählungen auch nur im mindesten Glauben zu schenken, weil sie von Menschen erfunden würden, die damit Geld verdienen wollten, während sie ihm unter der Menge der Gläubigen folgten. Damit könnte die kleine Szene eigentlich enden, doch der Verfasser fügt noch eine Art von Moralisatio hinzu, die dem Leser oder Zuhörer eindeutig signalisieren soll, daß Berthold keineswegs nach Ruhm und Ehren trachtet, wie es manche Wunderberichte möglicherweise andeuten. Diese Geschichte ist insbesondere in der Berthold-Forschung des 19. Jahrhunderts häufig als zuverlässiger Hinweis auf einen Aufenthalt Bertholds am königlichen Hof von Paris gewertet worden. Man nahm an, daß Berthold, der 1263 von Urban IV. beauftragt wurde, Albertus Magnus bei der Kreuzpredigt zu unterstützen, an den Königshof kam, um Weisungen für den neuen Kreuzzug Ludwigs einzuholen, und dann predigend Süddeutschland und nochmals Österreich und Ungarn durchreiste.117 Doch das Motiv für die Entstehung die-
114
Jacques Le Goff, Ludwig der Heilige, Stuttgart 2000, S. 529 f. Jean de Joinville, Das Leben des heiligen Ludwig, hrsg. und übersetzt von Eugen Mayser, Düsseldorf 1969, S. 261. 116 Le Goff, Ludwig der Heilige, S. 529. 117 Vgl. z. B. Unkel, Berthold von Regensburg, S. 32 f.: „So ist es nicht unwahrscheinlich, daß Berthold gerade bei dieser Gelegenheit mit Ludwig dem Heiligen in Frankreich zusammentraf, um mit ihm über den neuen Kreuzzug zu verhandeln.“ Anscar Zawart, The History of Franciscan Preaching and of Franciscan Preachers, New York 1927, S. 249; Georg Steer, Bettelorden-Predigt als Massenmedium. In: Literarische Interessenbildung im Mittelalter, DFG-Symposion 1991, hrsg. von Joachim Heinzle, Stuttgart 1993, S. 314–336; S. 327: „Für 1264/65 ist er (Berthold; A. C.) am Hofe Ludwigs IX. von Frankreich nachzuweisen.“ 115
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2. Leben und Werk Bertholds von Regensburg im Spiegel der zeitgenössischen Quellen
ser Anekdote liegt wahrscheinlich nicht in der Beschreibung einer tatsächlichen Begegnung Bertholds mit dem König von Frankreich. Es gab offenbar in späteren Ordenskreisen, möglicherweise im Zuge der Auseinandersetzungen um die Observanzbewegung im 14. und 15. Jahrhundert,118 das Bedürfnis, die wuchernden Wunderanekdoten über Berthold zurückzudrängen und in ihrer (wunderbaren) Aussagekraft mit Blick auf das ursprüngliche franziskanische Ideal von Armut, Demut und Einfachheit zu relativieren. Bei dem Bericht, den der König von Navarra vorträgt, handelt sich im Kern um dieselbe Anekdote, die bereits Salimbene von Parma in großer Ausführlichkeit erzählt: 119 Ein Ochsentreiber bittet seinen Herrn, daß er ihm erlaube, zur Predigt Bertholds gehen zu dürfen. Dieser jedoch schickt ihn aufs Feld zur Arbeit. Doch obwohl er mehr als 30 Meilen entfernt ist, versteht der Ochsentreiber jedes Wort der Predigt und kann diese später seinem Herrn sogar auswendig von Anfang bis Ende wiederholen. Möglicherweise hatte der Verfasser der Szene am Hof diese episch breit erzählten und bunt ausgemalten Berichte nach der Art eines Salimbene vor Augen, die vermutlich nicht nur innerhalb des eigenen Ordens, sondern auch in der Bevölkerung bekannt waren. Zu diesen erbaulichen und unterhaltsamen, aber eben von späteren, an der strengen Befolgung der Ordensregel orientierten Kreisen wohl als ungehörig und übertrieben empfundenen Geschichten bildete die geschilderte Episode am Königshof demnach ein Korrektiv, indem in ihr die Fiktion entworfen wurde, Berthold selbst habe noch zu seinen Lebzeiten derartige, mit ihm in Verbindung gebrachte Wunder und Wunderberichte als unglaubwürdig oder unwahr zurückgewiesen. Ein zweiter Grund für eine Korrektur des bis dahin gängigen Berthold-Bildes innerhalb der legendarischen Überlieferung mag zudem darin gelegen haben, daß für den Verfasser bzw. für den Kreis, aus dem er stammte, das Bild des idealen, in Wissenschaft und Tugend ausgezeichneten franziskanischen Predigers durch allzu phantasievolle Schilderungen gefährdet war. Einige Chronisten heben hervor, daß Berthold große Menschenmassen anzog, wenn er zur Predigt in ein Dorf oder eine Stadt kam.120 Darüber hinaus ist ihm eine nicht geringe Zahl von Menschen über einen größeren Zeitraum hinweg gefolgt, wie Salimbene andeutet.121 Er berichtet von einer vornehmen Dame (nobilis domina), die Berthold angeblich über mehrere Jahre auf seinen Predigtreisen folgte, von dem brennenden Wunsch entflammt, mit ihm im Vertrauen sprechen zu können.122 Nachdem sie so mit der Zeit ihre gesamten Vorräte und Schätze aufge118
Zur Observanzbewegung vgl. Peter Dinzelbacher / James L. Hogg (Hrsg.), Kulturgeschichte der christlichen Orden in Einzeldarstellungen, Stuttgart 1997, S. 147–150. 119 Salimbene, Chronik, S. 841. 120 Vgl. die vielfältigen Belege bei Pfeiffer, PS I, S. XX ff. 121 Salimbene, Chronik, S. 842. 122 Quodam autem tempore quedam nobilis domina, magno et ferventi desiderio infl ammata audiendi predicantem fratrem Bertholdum, eum per sex annos continuos per civitates et castra cum quibusdam
2.2. Das Bild Bertholds in der legendarischen Überlieferung
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braucht hatte, war sie schließlich völlig verarmt und besaß nicht einmal mehr genügend Nahrungsmittel für sich und ihr Gefolge. Sie ging zu Bruder Berthold, erzählte ihm ihre Geschichte, und dieser schickte sie zu einem Geldwechsler, der ihr so viel Geld geben sollte, wie ein Tag Ablaß, wenn er auf einer Waage aufgewogen werde, wert sei. Diese Anekdote wird auch in der bereits erwähnten späteren Chronica XXIV. Generalium Ordinis Minorum überliefert,123 allerdings mit einer bedeutsamen Änderung: Die reiche Dame, die Berthold so unermüdlich folgte, weil sie den heißen Wunsch verspürte, ihn einmal unter vier Augen zu sprechen, wird in dieser Version zu einer einfachen älteren Frau (matrona), über deren Verarmung – bzw. die Ursache dafür – man nichts weiter erfährt und die sich lediglich ein Almosen von Berthold erbittet.124 Möglicherweise sah der Verfasser der späteren Ordenschronik in der detailfreudigen Schilderung Salimbenes das Bild des frommen Franziskanerbruders Berthold diskreditiert, so daß er in seiner Version die für einen Ordensmann recht anzüglich wirkende Vorgeschichte wegließ. Auch der Autor der Anekdote, die am französischen Königshof spielt, hat einen Bezug zu der großen Schar von Männern und Frauen hergestellt, die Berthold nach Aussage der Chronisten folgten. Es scheint, daß er die große Zahl dieser hartnäckigen Zuhörer durchaus als positiven Beweis von Bertholds Wirksamkeit als Prediger gelten lassen wollte, jedoch gleichzeitig den Eindruck zu vermitteln suchte, Berthold selbst habe seine offenbar unvermeidbare „Fangemeinde“ aus einer bewußt kritischen Distanz gesehen. Inwieweit vor allem lokale oder regionale Ordensinteressen bei der Entstehung und Verbreitung solcher legendarischer Berichte eine Rolle spielen, zeigt eine weitere kurze Anekdote in der Chronica anonyma, mit der ebenfalls der Aufenthalt Bertholds in Paris glaubhaft gemacht werden soll. In der Chronik schließt sie direkt an die Episode am Königshof an: „Derselbe Bruder [Berthold; A. C.] sagte unter anderem einmal, als er auf inständige Bitten des Konventsvorstehers und der Brüder von Paris im Kapitelhaus, wo er sich gerade befand, eine Predigt hielt: „Meine geliebten Brüder, ihr, die ihr die Heilige Schrift studiert, damit ihr später die anderen unterweisen könnt, ihr sollt euch bemühen, die Früchte, nicht nur die Blätter der Worte in eure Ordensprovinzen heimzubringen. Denn ihr müßt bedenken, daß die Brüder, zu denen ihr zurückkehren werdet, um sie zu lehren, keine Ziegen sind, sondern Menschen. Die Ziege nämlich kümmert sich nicht um die Früchte eines Baumes, wie schön auch immer sie sind und wie süß sie auch schmecken, sondern sie strebt danach, nur die Blätter und das Laubwerk anzunehmen; 125 suis sodalibus et divitiis est secuta, nec unquam cum eo potuit habere secretum et familiare colloquium. (Chronik, S. 842). 123 Vgl. Anm. 71. 124 Cum autem idem frater Bertoldus praedicando [. . .] daret audientibus indulgentias [. . .] quaedam matrona, quae sermonem audiverat, quae ad magnam paupertatem devenerat, ab ipso eleemosynam postulavit. (Analecta Franc. III, S. 239). 125 Vgl. Bartholomäus Anglicus, lib. XVIII, cap. XXIII.
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2. Leben und Werk Bertholds von Regensburg im Spiegel der zeitgenössischen Quellen
die Menschen hingegen tun das nicht, sie ernähren sich vielmehr von den Früchten, nicht von den Blättern: Nehmt also die Früchte der vorbildhaften Lebensweise der Heiligen mit euch, die Früchte ihrer Werke etc.“126
Der Verfasser der anonymen Chronik möchte offenkundig den Eindruck erwecken, daß neben dem König auch die Brüder des Pariser Konvents127 den großen Volksprediger Berthold von Regensburg als ihren Gast begrüßen wollten. In der Predigt, die er im Kapitelhaus auf ihren Wunsch hält, appelliert er an diejenigen, die nach ihrem Studium in Paris in die einzelnen Ordensprovinzen zurückkehren werden, um dort als Lektoren in den franziskanischen Studienanstalten und Klöstern zu wirken. Das Lektorat stellte erhebliche wissenschaftliche Anforderungen an die jeweiligen Kandidaten für dieses Amt.128 Die Lektoren mußten zwar nicht zwangsläufig graduierte Magister oder Doktoren sein, sollten aber in ihrem Bildungsniveau demjenigen eines Magisters nahekommen. Die Forderung, die Berthold angeblich an seine Mitbrüder am Generalstudium von Paris stellt, entspricht im Grunde einer der entscheidenden Normen bei der Beförderung zum akademischen Lehramt: Zum Magister oder Lektor der Theologie durfte nur promoviert werden, wer sich als fähig erwies, das Wort Gottes sowohl in der Theorie, der Vorlesung vor den Studenten als auch in der Praxis, der Predigt vor dem Volk auszulegen.129 Dazu mußte man, der Ermahnung Bertholds entsprechend, die Heilige Schrift unter Betonung ihres theologischen Gehalts ebenso wie der praktischen Umsetzung für das Leben und die populäre Predigt studiert haben, also in der Lage sein, das in den theologischen Vorlesungen Erlernte dem Volk gemeinverständlich zu predigen.130 Berthold selbst hatte nicht in Paris studiert, zumindest sind bis heute keine entsprechenden Quellenbelege bekannt. Seine Ausbildung erhielt er mit großer Wahrscheinlichkeit an einer der höheren Lehranstalten der deutschen Ordensprovinz, möglicherweise am ersten, Ende der 20er Jahre des 13. Jahrhunderts eingerichteten Ordensstudium in Magdeburg.131 Der vom Verfasser der „Chronica anonyma“ konstruierte Aufenthalt in Paris sollte vermutlich den Eindruck erwecken, Berthold habe sogar das Generalstudium in Paris absolviert. Diese nachträgliche Erhöhung seiner Person durch die angedeutete Nähe zu dem (neben Oxford) intellektuellen Zentrum der Franziskaner im 13. Jahrhundert schlechthin hat sicher im Interesse des oder der Verfasser oder Auftraggeber der „Chronica anonyma“ gelegen. Es ist vorstellbar, daß die Chronik aus der oberdeutschen Minoritenprovinz, genauer aus der bayerischen Kustodie 126
Analecta Franc. I, S. 417. Zur Gründung und Entwicklung der franziskanischen Studienanstalt in Paris vgl. Felder, Studien, S. 159–254. 128 Felder, Studien, S. 358. 129 Ebd., S. 349. 130 Ebd., S. 353. 131 Vgl. Ebd., S. 244 ff. 127
2.2. Das Bild Bertholds in der legendarischen Überlieferung
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stammt132 und man den berühmtesten deutschen Volksprediger als prominenten Lokalheiligen der eigenen Ordensprovinz nachträglich glorifi zieren wollte – und damit auch sich selbst. Die literarische Fiktion seiner Aufnahme als geschätzter Gesprächspartner in den frommen und intellektuell-elitären Kreis um Ludwig den Heiligen hob den „guten Landprediger“ aus Süddeutschland auf die höchste theologische und kirchenpolitische Ebene (der König selbst wollte ja mit ihm sprechen!) und unterstrich seine Bedeutung als frommer und hochgelehrter Mann, dessen Rat selbst von einem der mächtigsten europäischen Herrscher gesucht wurde. Der unbekannte Chronist hatte offenbar Kenntnis von der Atmosphäre am französischen Hof, er kannte sie vielleicht aus dem Bericht Joinvilles und wußte wohl auch von dem Auftrag Urbans IV. an Berthold, die Kreuzpredigt zur Befreiung des Heiligen Landes aufzunehmen. Seine Schilderung wirkt daher vollkommen glaubwürdig, auch die mahnenden Worte Bertholds an seine Mitbrüder, der aus der Natur entnommene bildhafte Vergleich könnten in ihrer Art tatsächlich einer (deutschen) Predigt Bertholds entstammen.133 Als bedeutendster deutscher Prediger des 13. Jahrhunderts und gleichzeitig als die Symbolfigur der erfolgreichen franziskanischen Volkspredigt, die die in Paris gepflegte scholastische Gelehrsamkeit mit populärer Ausdrucksform verband, richtet er in der Anekdote seine Mahnung an diejenigen Mitbrüder, die unter dem Einfluß der scholastischen Methode nur noch formalästhetische Kunstpredigten schufen, den praktischen Nutzen der Predigt für das Volk aber vernachlässigten. Schon Roger Bacon hatte die fatalen Auswüchse der in Paris vertretenen Predigtweise scharf gerügt und die pedantische Textspalterei als unnütze, geschwätzige Prahlerei (vanitas verbosa) gebrandmarkt.134 Umso aussagekräftiger ist dementsprechend sein Urteil über Berthold von Regensburg, den er ohne übertriebene Stilisierung für das lobt, was dieser mit Hilfe einer ausgezeichneten Ausbildung, einer hervorragenden Beredsamkeit und einer vorbildliche Lebensweise geleistet hat. Berthold, so Roger, habe mit seinem Wirken für die Predigt allein mehr geleistet als die Angehörigen der Franziskaner und Dominikaner zusammen: Sed licet vulgus praedicantium sic utatur, tamen aliqui modum alium habentes, infinitam faciunt utilitatem, ut est Frater
132 Die Chronik(en) Glaßbergers, auf die sich die „Chronica anonyma“ bezieht, entstand(en) 1508 während seines Aufenthaltes in Nürnberg; vgl. Rieder, S. 6. 133 In den lateinischen Predigten sind die Naturvergleiche im allgemeinen weniger lebhaft ausgemalt, vgl. z. B. die Auslegung der Geschichte vom grünenden Stab Aarons, Freiburg 117 I, f.69r a. 134 Principalis intentio ecclesiae et ultimus finis est opus praedicationis, ut infideles ad fidem convertantur et fideles in fide et moribus conserventur. Sed quia utrumque modum vulgus praedicantium ignorat, ideo convertit se ad summam et infinitam curiositatem, scilicet per divisiones Porphyrianas et per consonantias ineptas verborum et clausularum, et per concordantias vocales, in quibus est sola vanitas verbosa [. . .]. (Roger Bacon, Opus minus, S. 323, vgl. Felder, Studien, S. 354).
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2. Leben und Werk Bertholds von Regensburg im Spiegel der zeitgenössischen Quellen
Bertholdus Alemannus, qui solus plus facit de utilitate magnifi ca in praedicatione, quam fere omnes alii fratres ordinis utriusque.135
2.3. Predigten Die Zeugnisse über Bertholds wunderbare Beredsamkeit und die heiligmäßige Vorbildlichkeit seines Lebens sind zahlreich, die Chronisten des 13. Jahrhunderts wie auch der folgenden Jahrhunderte, die Geschichtsschreiber des Ordens verherrlichten ihn als egregius praedicator, der die Menschen quasi in spiritu Heliae, verbis tanquam facula ardentibus,136 aus dem Verderben zum Heil führte. Es existieren jedoch weit weniger Nachrichten, die über das schriftliche Predigtwerk Bertholds Auskunft geben können. Diese stammen sowohl von Zeitgenossen Bertholds als auch von Geschichtsschreibern späterer Zeit. Einer der wichtigsten Chronisten, der von den schriftlichen Werken Bertholds berichtet, ist Bertholds Ordensbruder Salimbene von Parma. In der von ihm verfaßten Chronik der Minoriten heißt es: Item per anni circulum fecit magnum volumen sermonum, tam de festivitatibus quam de tempore, id est de dominicis totius anni.137 Ebenfalls über Bertholds Schriften äußert sich etwa siebzig Jahre nach dessen Tod Johannes von Winterthur in seiner Chronik: Ipse fuit lingue diserte, vite sancte, magne litterature, sicut adhuc evidenter apparet et patet in diversis voluminibus ab eo conpilatis sermonum, quos rusticanos appellari voluit.138 Nach beiden Äußerungen handelt es sich in jedem Fall um ein umfangreiches Werk, wobei Johannes zusätzlich von mehreren Bänden mit Predigten spricht, die Berthold selbst zusammengestellt hatte und die Rusticani genannt werden sollten. Abschließend ist noch das Zeugnis aus einer Leipziger Papierhandschrift des 15. Jahrhunderts zu nennen, die folgendes mitteilt: Sanctus Anthonius nacione Hispanicus (de Padua) famosissimus predicator per totam Italiam extitit, sed et frater Bertoldus per Alemanniam, quem summus pontifex archam testamenti nuncupavit solempne; volumen sermonum dominicalium et de sanctis per annum compilavit.139 Es scheint allerdings, daß hier der Name Bertholds nur eingeschoben wurde und das erwähnte Predigtwerk sich tatsächlich auf die Sermones dominicales et de festis des Antonius von Padua bezieht.140 Nach den bisherigen Forschungsergebnissen gliedert sich das Predigtwerk Bertholds in insgesamt drei als authentisch erachtete Sammlungen: 141 Den Ru135
Roger, Opus tertium, S. 310, vgl. Felder, Studien, S. 355. Analecta Franc. I, S. 291. 137 Salimbene, Chronik, S. 840. 138 Johannes von Winterthur, Chronik, S. 19. 139 PS I, S. XXXI (Nr. 36). 140 Vgl. Jakob, Lateinische Reden, S. 11. 141 Die angegebene Gesamtzahl der Predigten in den einzelnen Sammlungen richtet sich nach der Zählung bei Casutt, Handschriften, S. 4. 136
2.3. Predigten
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sticanus de Dominicis, den Rusticanus de Sanctis und den Rusticanus de Communi.142 Casutt erklärt die Entstehung des Titels Rusticanus damit, daß Berthold ihn auf seine Eigenschaft als ein durch das Land ziehender Wanderprediger bezog (in den Quellen wurde er u. a. als der „guot sêlig landprediger“ bezeichnet) 143 bzw. diesen Ausdruck wählte, weil er die populäre Darstellungsart seiner Predigtweise in bewußten Gegensatz zur gelehrten akademischen Ausdrucksform stellte.144 Auf Bertholds (vermutlich ländliche und städtische) Zuhörerschaft wird auch in einem Prolog angespielt, der in vier Handschriften verzeichnet ist, die den vollständigen Rusticanus de Dominicis und in einem Fall den Rusticanus de Sanctis enthalten.145 Der Prolog erläutert den Grund, weshalb der Kompilator (Berthold?) die folgende Predigtsammlung zusammengestellt habe. Demnach geschah es manchmal, daß einfache Kleriker oder Religiosen Bertholds Predigten während seines Vortrags mitschrieben. Diese wollten soviel aufzeichnen, wie sie nur festhalten konnten, weshalb ihnen viele grobe Fehler unterliefen. Da die Gefahr bestand, daß Predigten auf der Basis dieser sachlich falschen Mitschriften im Volk gefährliche Mißverständnisse in bezug auf die Orthodoxie der verkündeten Glaubensgrundsätze nach sich zogen, sah sich Berthold veranlaßt, die von ihm gehaltenen Predigten selbst niederzuschreiben oder zu diktieren, damit anhand dieser redigierten und autorisierten Fassungen die fehlerhaften Mitschriften korrigiert werden könnten. Nicht zuletzt wegen dieses Prologs wird vor allem die Sammlung der Sonntagspredigten als authentisch angesehen.146 So faszinierend der Gedanke auch 142
Vgl. auch Bernhardt, Bruder Berthold, S. 6 f. Die beiden älteren Jahrbücher der Stadt Zürich, ed. Ludwig Ettmüller, Zürich 1844, S. 53; PS I, S. XXIII (Nr. 14). 144 Casutt, Handschriften, S. 4 f. Anm. 12. Vgl. Bernhardt, Bruder Berthold, S. 7: „Berthold eignete sich vielleicht den Namen an, nahm aber „Land“ im Sinne des lateinischen rus; Rusticanus würde also mit „Bauernprediger“ zu übersetzen sein, ein bescheidener Hinweis auf die rudes et simplices, welche die Hauptmasse seiner Zuhörerschaft bildeten.“ 145 Istos sermones ea necessitate coactus sum notare, cum tamen invitissime hoc fecerim, quod cum predicarem eos in populo, quidam simplices clerici et religiosi non intelligentes, in quibus verbis et sententiis veritas penderet, voluerunt notare sibi illa que poterant capere et sic multa falsa notaverunt. Quod cum ego deprehendissem, timui ne, si talia populo predicarentur qualia ipsi notaverant, populus in errorem duceretur per falsitates illas, et hac necessitate coactus sum ipse notare quod predicavi, ut ad istorum sermonum exemplar alia falsa et inordinate notata corrigerentur. Nec est necesse ut alii litterati et periti eos conscribant, cum multo meliores sermones a magistris facti sint, qui suffi ciant ad omnem edifi cationem et eruditionem fidei et morum, et ideo relinquant istos rudibus et simplicibus mei similibus et qui alta ac subtilia non possunt capere, quia nec in sententiis nec in dictamine aliquid pretendunt quod sit a litteratoribus appetendum vel curandum. Schönbach, Studien V, S. 3 f. Abgedruckt außerdem bei P. Heinrich Denifle, Zu Bruder Berthold, ZfdA 27 (1883), S. 303–304; Unkel, Berthold von Regensburg, S. 20 Anm. 1. Folgende Hss. verzeichnen den Prolog: München, Clm. 5531 (13. Jhdt.); Salzburg, Hs. a. IV.16 (13. Jhdt.); Sitten, Hs. A. B. S.Lp. 1 (14. Jhdt.); Sevilla, Hs. 7.6.20 (15. Jhdt.), Linz, Hs. 336 (13./14. Jhdt.) Datierung nach der Handschriftenübersicht bei Casutt, Handschriften, S. 12–47. 146 Vgl. z. B. Schönbach, Studien V, S. 3 ff.; Richter, Überlieferung, S. 229 f. 143
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2. Leben und Werk Bertholds von Regensburg im Spiegel der zeitgenössischen Quellen
sein mag, mit diesem Rusticanus, wenn schon kein Autograph, so doch wenigstens die Abschriften eines solchen zu besitzen, müssen dennoch zwei Einschränkungen gemacht werden: Erstens überliefern nur 4 von 25 vollständigen Handschriften der Sonntagspredigten diesen Prolog – in dem ältesten bisher bekannten Codex 325 aus Linz (13. Jhdt.) 147 ist er allerdings nicht enthalten.148 Zudem existiert in einer weiteren Handschrift mit insgesamt fünf lateinischen Berthold-Predigten ein ähnlicher Prolog, den Schönbach ursprünglich als verläßliches Zeugnis für Bertholds Autorschaft wertete.149 Darin erklärt ein Minoritenbruder mit dem klassischen Demuts-Topos, er sei veranlaßt worden, eine Sammlung seiner Sonntagspredigten aufzuschreiben und zu veröffentlichen, obwohl er wisse, daß es bessere Werke dieser Art gebe. Im Vertrauen auf göttlichen Beistand und das Gebet der Brüder empfiehlt er sein Werk dem Generalminister der Minoriten und bittet den Leser um Nachsicht und Wohlwollen, indem er auf den Nutzen des Werkes für ungeübte oder weniger gebildete Brüder hinweist. Wie sich jedoch herausstellte, stimmten Abschnitte des Prologs exakt mit einer Vorrede zu Predigten eines italienischen Minoriten namens Lucas aus dem 13. Jahrhundert überein.150 Schönbach vermutete nun, daß der Schreiber der Berthold-Handschrift Teile dieses Prologs als Vorrede zu seiner Kollektion übernahm, da ihm möglicherweise der formale Rahmen, nämlich eine Widmung an den Generalminister des Franziskanerordens, für seine Zwekke besonders passend erschien.151 Die drei genannten Sammlungen bildeten zusammen ein vollständiges Predigtkompendium, das zwar in drei Teilen ausgearbeitet, jedoch als Ganzes konzipiert wurde.152 Nach der Zahl der überlieferten Handschriften zu urteilen, wurde der Rusticanus de Sanctis am stärksten rezipiert, jedoch können nur wenige Codices ins 13. Jahrhundert datiert werden. Mehrfach fi nden sich der Rusticanus de Sanctis und de Communi in einer Handschrift vereint.153 Die Abfassungszeit der drei Sammlungen dürfte ungefähr zwischen 1250–1260 anzusetzen sein, wie Schönbach in seinen Studien zur Überlieferung der lateinischen Pre147
Casutt, Handschriften, S. 24, Nr. 94. Schönbach, Studien V, S. 3. 149 Schönbach, Studien V, S. 16. Quare et cum insuffi cientiam meam videam et imperitiam cognoscam et insipientiam, nisi mandato superioris urgente, nec non quorundam fratrum desiderio impellante, opusculum Sermonum Dominicalium coactus sum annotare. et licet super hoc multorum preclara opera jam sunt edita, dignum duxi eorum satisfacere voluntati, ne viderer subterfugere, cum possem profi cere, non meo confi sus ingenio, sed de gratie celestis auxilio, de obedientie merito, de fraterne suffragio caritatis (. . .) obsecro et lectorem hujus operis ob amorem Christi et gloriose Virginis, matris ejus, nec non beati Francisci, confessoris mirifi ci, quatenus affectum meum considerans, qui rudibus et nondum exercitatis fratribus prodesse volui, benivolum se exhibeat, meique laboris mercedem ab eo deposcat, qui omnis boni principium est et finis. (Ebd., S. 109 f.). 150 Ebd., S. 17. 151 Ebd., S. 17 f. 152 Ebd., S. 44 f. 153 Zur Rusticani-Überlieferung vgl. ausführlich Kap. 6.1. 148
2.3. Predigten
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digten nachweist.154 Die älteste Sammlung deutscher Predigten wurde von Schönbach hingegen in die Zeit kurz nach 1278/79 datiert. Die unter Bertholds Namen überlieferten deutschen Predigten wurden bis zu den einschlägigen Forschungen Anton E. Schönbachs als wortgetreue Abbilder natürlicher Sprechweise angesehen, d. h. sie galten als die eigentlich aussagekräftigen Predigten Bertholds, von denen man annahm, daß sie auf sein gesprochenes Wort direkt zurückgingen.155 Erst Schönbach kam zu dem Ergebnis, daß „die uns in deutscher Sprache überlieferten Predigten Bertholds von Regensburg aus den ihnen entsprechenden lateinischen Fassungen übersetzt oder besser gesagt bearbeitet sind.“156 Dies ist so zu verstehen, daß die deutschen Predigten nicht als Übersetzungen seiner lateinischen Sermones zu betrachten sind, sondern vielmehr unter Benutzung dieser lateinischen Texte entstanden.157 Zwischen den deutschen und lateinischen Berthold-Predigten bestehen bedeutende stilistische und thematische Unterschiede, so daß sich die deutschen Predigten keinesfalls ohne Brüche aus den lateinischen herleiten lassen. Über den genauen Zeitraum der Abfassung der deutschen Texte ist kein sicherer Schluß möglich, auch eine eventuelle Beteiligung Bertholds an den unter seinem Namen überlieferten Predigten bleibt ungewiß.158
154 Ebd., S. 53 f. Vgl. Unkel, Berthold von Regensburg, S. 20: „Der Rusticanus de Dominicis scheint zuerst, danach, zwischen 1253 und 1263, der Rusticanus de Sanctis verfaßt zu sein, das reichhaltigste und anscheinend am meisten verbreitete Predigtwerk Berthold’s.“ 155 Pfeiffer begründet sein Vorhaben einer Edition der deutschen Predigten damit, es sei „die Pfl icht der deutschen Philologie, den grössten Redner unseres Volkes in der ursprünglichen Fülle und Kraft und dem wunderbaren Wohlklang seiner Rede wieder erstehen zu lassen.“ (PS I, S. VI). 156 Anton E. Schönbach, Über eine Grazer Handschrift deutscher Predigten, S. 45. 157 Vgl. Richter, Überlieferung, S. 237 f. Der Frage nach den Überlieferungszusammenhängen hat sich Dagmar Neuendorff umfassend gewidmet, vgl. Kap. 1, Anm. 43. 158 Ebd., S. 234.
3. Häresie und Inquisition in Süddeutschland und den angrenzenden Gebieten im 13. Jahrhundert Während es den Katharern in Südfrankreich gelang, eine die Kirche ernsthaft bedrohende Gegenbewegung mit eigenen Bistümern zu bilden, die schließlich in den Albigenserkriegen blutig niedergeschlagen wurde, ist die Zahl der Katharer, die sich in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts in Deutschland auf hielten, schwer abzuschätzen. In Südfrankreich besaßen sie um 1245 noch immer unter dem Großteil der Bevölkerung Anhänger, auch wenn sie mit dem Fortschreiten der Verfolgungen aus den großen Städten in die ländlichen Gebiete zurückwichen und viele Glaubensbrüder nach Italien abwanderten.1 Dort bildete die Lombardei das vorrangige Rückzugsgebiet der sogenannten „Patareni“; 2 in Städten wie Mailand und Verona wurden die Katharer sowohl von Stadtpatriziat als auch Hochadel unterstützt.3 Im Dienste der Kirche wirkten in diesen Gegenden Prediger wie der Franzikaner Antonius von Padua († 1231) und der Dominikaner Petrus Martyr (Ende 12. Jhdt. – 1252) gegen die Häretiker. Antonius, der zwischen 1223 und 1231 in Norditalien und Südfrankreich erfolgreich gegen die Katharer predigte,4 erhielt in der späteren legendarischen Überlieferung den Beinamen „Hammer der Häretiker“. Die zeitgenössischen Berichte lassen auf hochgebildete und durchaus eloquente Glaubensgegner schließen, die ihren Glauben mit scharfsinniger Argumentation zu verteidigen wußten.5 Das intellektuelle Niveau dieser Ketzer bereitete noch dem 1252 bei Mailand von Häretikern ermordeten Dominikaner Petrus Martyr Schwierigkeiten, wie seine Lebensbeschreibung in der Legenda aurea des Jacobus a Voragine nahelegt. Petrus vermochte demnach bei einem Ketzerverhör in Mailand die Disputation mit dem häretischen Anführer nur durch himmlischen Beistand für sich zu entscheiden: Durch ein göttliches Wunder war sein Gegner plötzlich vollständig verstummt.6 1
Arno Borst, Die Katharer, Schriften der MGH 12, Stuttgart 1953, S. 123. Ebd., S. 250. 3 Malcolm Lambert, Geschichte der Katharer. Aufstieg und Fall der großen Ketzerbewegung. Übersetzt aus dem Englischen von Raul Niemann, Darmstadt 2001, S. 194 ff. 4 Paolo Scandaletti, Antonius von Padua. Volksheiliger und Kirchenlehrer. Aus dem Italienischen von Johanna Homa, Graz/Wien/Köln 1983, S. 84 f. 5 Zu Antonius von Padua vgl. ausführlich Kap. 4.3.2. 6 Jacobus a Voragine, Legenda aurea. Cap. LXIII: De sancto Petro martire, ed. Theodor Graesse, 31890 (Neudruck 1965), S. 279 ff. Neue Edition von Giovanni Paolo Maggioni, 2
3. Häresie und Inquisition in Süddeutschland und den angrenzenden Gebieten im 13. Jh.
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Aus den Gebieten nördlich der Alpen sind Berichte über ein solch selbstbewußtes Auftreten von Katharern bisher nicht bekannt. Erstmals aufmerksam auf sie wurde man in Deutschland im Jahre 1143, als in Köln ein Ketzerverhör stattfand, über das der teilnehmende Prämonstratenserprobst Everwin von Steinfeld (ca. 1121–1151) einen Bericht an Bernhard von Clairvaux (1090–1153) verfaßte.7 Die dort entdeckten Häretiker bildeten offenbar eine organisierte Sekte, deren Anhänger sich als die wahre Kirche Christi betrachteten und eigene Riten befolgten. Sie verwarfen sowohl die Ehe als auch die Eidesleistung und verzichteten darüber hinaus auf jeglichen Fleischgenuß. Die Vertreter dieser noch namenlosen Ketzerei wurden von der aufgebrachten Bevölkerung schließlich auf einem Scheiterhaufen verbrannt.8 Zwanzig Jahre später fanden in Köln erneut Verbrennungen von Ketzern statt, die angeblich aus Flandern in die Stadt gekommen waren9 und denen man im deutschen Sprachraum den Namen „Katharer“ beilegte, angelehnt an eine ihrer aus dem Griechischen stammenden Selbstbezeichnungen als Cathari – „die Reinen“.10 Allgemein scheinen sich die Katharergemeinden auf wirtschaftlich entwickelte Gebiete mit einer vergleichsweise hohen Bevölkerungsdichte konzentriert zu haben wie etwa das Languedoc, Flandern und das Rheinland.11 Inwieweit die Katharer in der Mitte des 13. Jahrhunderts in Deutschland als häretische Bedrohung noch von Bedeutung waren, ist fraglich, denn für die Zeit nach 1233 fehlen jegliche Berichte über ihre Existenz.12 Nach der Aussage des Passauer Anonymus (der sich allerdings nur auf die österreichischen Gebiete bezog) waren die Sekten der „Manichäer“ und „Pateriner“ (synoym gebraucht für Katharer) in der Lombardei vertreten, während die Sekten der Waldenser vornehmlich in Deutschland auftraten.13 Möglicherweise wurden die Katharer durch die Waldenser, die in ihren strengen Lebensvorschriften und in der scharfen Ablehnung der Kirche den Lehren der Katharer nicht unähnlich Iacopo da Varazze: Legenda aurea. Edizione critica. Seconda edizione rivista dall’ autore, 2 Bde., Firenze 1998. Vgl. Hans-Henning Kortüm, Menschen und Mentalitäten. Einführung in die Vorstellungswelten des Mittelalters, Berlin 1996; S. 331 ff. 7 PL 182, Sp. 676 ff. 8 Zu den Anfängen der Katharer in Deutschland vgl. Herbert Grundmann, Ketzergeschichte des Mittelalters, Göttingen 31978, S. 22 ff.; Albert Hauck, Kirchengeschichte Deutschlands, 5 Bde., Berlin/Leipzig 81958, Bd. IV, S. 888–892. 9 Grundmann, Ketzergeschichte, S. 23. 10 Ebd., S. 23 f.; Ekbert von Schönau, Sermo I: Hos nostra Germania, „Catharos“; Flandria, „Piphles“; Gallia, „Texerant“, ab usu texendi apellat (PL 195, Sp. 13). Zu den regionaltypischen Bezeichnungen für Katharer vgl. Borst, Katharer, S. 250 f. 11 Grundmann, Ketzergeschichte, S. 27. 12 Vgl. Martin Schneider, Europäisches Waldensertum im 13. und 14. Jahrhundert. Gemeinschaftsform, Frömmigkeit, sozialer Hintergrund, Berlin/New York 1981, S. 104; Alexander Patschovsky, Zur Ketzerverfolgung Konrads von Marburg, DA 37 (1981), S. 641– 693; S. 659. 13 Alexander Patschovsky, Der Passauer Anonymus. Ein Sammelwerk über Ketzer, Juden, Antichrist aus der Mitte des 13. Jahrhunderts, Stuttgart 1968, S. 95, Anm. 57.
48 3. Häresie und Inquisition in Süddeutschland und den angrenzenden Gebieten im 13. Jh. waren, allmählich verdrängt.14 Diese Ähnlichkeit im Hinblick auf Lehre und Lebensführung machte es vermutlich auch den zeitgenössischen Chronisten nicht leicht, beide Gruppen stets eindeutig zu identifi zieren. Im Gegensatz zu den Katharern gewann im Deutschland des beginnenden 13. Jahrhunderts also vor allem die waldensische Bewegung verstärkt Anhänger. Ihre Ausbreitung wurde dabei durch die fortdauernden kriegerischen Konfl ikte zwischen Kaiser und Papst begünstigt.15 Von Südfrankreich und Oberitalien aus begann an der Wende zum 13. Jahrhundert die waldensische Mission, deren Ziel zunächst das Rhein- und Moselgebiet war16 und die später über die deutschen Grenzen hinaus bis nach Böhmen und Österreich führte.17 Beide waldensischen Gruppierungen, die gemäßigteren, dem Erbe des Waldes verpfl ichteten „Armen von Lyon“18 wie auch die radikaleren „Armen Lombarden“ oder „Runkarier“ (nach dem Anführer der Gruppe bei der Abspaltung von der Stammgemeinschaft 1205, Johannes von Ronco), die in scharfer Opposition zur Kirche und ihrer Sakramentenlehre standen,19 gewannen Unterstützung vor allem bei den Angehörigen der unteren und mittleren Gesellschaftsschichten, bei Händlern, Bauern und insbesondere wandernden Handwerkern.20 Zu öffentlicher Aufmerksamkeit gelangten die im Verborgenen agierenden Waldenser erst mit der 1231 beginnenden Verfolgung durch den von Gregor IX. zum Inquisitor ernannten Konrad von Marburg (1180–1233).21 Die Schwerpunkte der Verfolgung lagen zwar am Rhein und in der Diözese Trier, indes erstreckte sich der Wirkungskreis Konrads bis nach Erfurt, wo im 14 Herman Haupt, Waldenserthum und Inquisition im südöstlichen Deutschland bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts, Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 1 (1889), S. 285– 320; S. 288. 15 Heinrich Holze, Die abendländische Kirche im hohen Mittelalter (12./13. Jahrhundert), Leipzig 2003, S. 236. 16 Zur Verbreitung der Waldenser im deutschen Sprachraum vgl. umfassend Kurt-Victor Selge, Die ersten Waldenser. Mit Edition des „Liber antiheresis“ des Durandus von Osca, 2 Bde., Berlin 1967, Bd. 1, S. 288–293; Schneider, Europ. Waldensertum S. 95–112; Karl Müller, Die Waldenser und ihre einzelnen Gruppen bis zum Anfang des 14. Jahrhunderts, Gotha 1886, S. 100 ff. 17 Schneider, Europ. Waldensertum. S. 99 ff.; vgl. Alexander Patschovsky, Die Anfänge einer ständigen Inquisition in Böhmen. Ein Prager Inquisitorenhandbuch aus der ersten Häfte des 14. Jahrhunderts, Berlin/New York 1975. 18 Im deutschen Sprachgebrauch war neben der Bezeichnung „Lyonisten“ bzw. „Leonisten“ auch die aus dem Französischen abgeleitete Form „Pover de Leun“ oder schlicht „Poverleun“ üblich. Zu den überlieferten Namen für die waldensischen Gruppierungen vgl. Schneider, Europ. Waldensertum, S. 106. 19 Zur Spaltung der waldensischen Bewegung vgl. umfassend Müller, Die Waldenser, S. 21–65. 20 Schneider, Europ. Waldensertum, S. 113 f.; Holze, Kirche, S. 236. 21 Zu den Ketzerverfolgungen im ersten Drittel des 13. Jahrhunderts in Deutschland allgemein vgl. Ludwig Förg, Die Ketzerverfolgung in Deutschland unter Gregor IX. Ihre Herkunft, ihre Bedeutung und ihre rechtlichen Grundlagen, Berlin 1932. Zu Konrad von Marburg vgl. grundlegend Patschovsky, Ketzerverfolgung Konrads von Marburg.
3. Häresie und Inquisition in Süddeutschland und den angrenzenden Gebieten im 13. Jh.
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Mai 1232 vier Ketzer in seiner Anwesenheit verbrannt wurden.22 Konrad selbst war überzeugt, er habe Anhänger einer Sekte der „Luziferianer“ aufgespürt, doch scheint sicher, daß es sich dabei zum größten Teil um Waldenser gehandelt hat.23 Der frühere Beichtvater der Landgräfi n Elisabeth von Thüringen (1207– 1231) scheute sich nicht, auch gegen Angehörige des Hochadels vorzugehen, wobei er im Fall des mächtigen Grafen Heinrich III. von Sayn († 1247) seine Macht überschätzte.24 Der Graf brachte die gegen ihn erhobene Anklage vor ein ordentliches Gericht unter Vorsitz König Heinrichs VII., vor dem sich die von Konrad vorgebrachten Anschuldigungen als haltlos erwiesen. Im Juli 1233 wurde Konrad von Marburg „von einigen Edlen, welche keine Verzeihung oder Gnade bei ihm fanden“25 in der Nähe von Marburg erschlagen.26 Nach seiner Ermordung kam die Inquisitionstätigkeit in Deutschland für einige Zeit zum Erliegen.27 Wie groß die Bedrohung der Kirche durch häretische Sekten speziell im Süden des deutschen Sprachraumes, dem Wirkungsgebiet Bertholds von Regensburg, tatsächlich war, läßt sich deshalb zumeist nur anhand weniger Berichte über spontane oder organisierte Verfolgungsmaßnahmen gegen Ketzer rekonstruieren. Dabei sind Angaben über die Art ihres Auftretens, die Inhalte ihrer Lehren und vor allem die Orte, an denen man auf sie aufmerksam wurde, bedeutsam im Hinblick auf die Frage, welche seiner Aussagen und Ansichten über Ketzer Berthold aus eigenem Erleben getroffen haben kann und welche er möglicherweise der gelehrten häresiologischen Literatur entnahm. Waren Katharer und Waldenser in Süddeutschland wirklich so weit verbeitet, daß für die Kirche die Notwendigkeit bestanden hätte, Prediger wie Berthold von Regensburg auf dezidiert gegen Häretiker gerichtete Missionsreisen zu schicken? 28
22 Quapropter circa Renum nec non et alibi inumerabiles heretici per magistrum Cuonradum de Marburc auctoritate apostolica examinati ac per sentenciam secularem dampnati igne combusti sunt. Fuerunt autem presente eodem Cuonrado Erphordie IIII. Nonas Maii IIIIor conbusti. (Cronica S. Petri Erphordensis moderna, ed. Oswald Holder-Egger, MGH SS 30,1 (1896), S. 335–457; S. 391). 23 In einem Brief des Erzbischofs von Mainz heißt es: Quod magister Conradus, contra pauperum Lugdunensium astutias zelo fidei armatus [. . .]. (Chronik des Alberich von Trois-Fontaines, ed. Paul Schaeffer-Boichorst, MGH SS 23 (1874), S. 931 f. Der Bericht Konrads über die Lehren und Gebräuche der Luziferianer nach der Version des Passauer Anonymus bei Patschovsky, Ketzerverfolgung Konrads von Marburg, S. 653 f. 24 Patschovsky, Ketzerverfolgung Konrads von Marburg, S. 685 f. 25 Chronica Regia Coloniensis, hrsg. von Georg Waitz, MGH SS 18 (Neudruck Hannover 1988), Teil 7, S. 265, Z.1–4; Kölner Königschronik, Geschichtsschreiber der deutschen Vorzeit, Bd. 53, S. 318. 26 Patschovsky, Ketzerverfolgung, S. 649 f.; Hauck, Kirchengeschichte Deutschlands IV, S. 918. 27 Haupt, Waldenserthum, S. 304; Schneider, Europ. Waldensertum, S. 97. 28 Vgl. die Einschätzung von Schönbach, Studien III, S. 85.
50 3. Häresie und Inquisition in Süddeutschland und den angrenzenden Gebieten im 13. Jh.
3.1. Oberrheingebiet, Schwaben Trotz der Verurteilung der waldensischen Bewegung als häretisch (erstmalig 1184 durch Papst Lucius III.) verbreitete diese sich innerhalb weniger Jahrzehnte auch im Westen des Reiches, insbesondere in den Bistümern Metz und Straßburg.29 Im Jahre 1212, knapp zehn Jahre vor der Ankunft der ersten Franziskaner in Straßburg, wurden in der Stadt Ketzer entdeckt.30 Der Bischof von Straßburg, Heinrich von Veringen, bemühte sich zunächst, die waldensischen Häretiker auf dem Wege mehrerer Disputationen von ihren Irrtümern abzubringen und sie zu bekehren. Es zeigte sich jedoch, daß weder er noch seine Geistlichen in bezug auf die Kenntnis der Schrift ihren Gegnern gewachsen waren und daß sie überdies keinerlei Erfahrung mit einem geregelten Verfahren gegen Ketzer besaßen, so daß man schließlich denjenigen, die beharrlich bei ihrem (Irr-)Glauben blieben, mit dem Gottesurteil der Feuerprobe drohte. Die meisten der Häretiker schworen ab, ihre Schriften und Bücher wurden verbrannt. Dennoch blieben etwa hundert unter der Führung eines Priesters Johannes standhaft, unter ihnen zwölf weitere Priester sowie eine große Anzahl Adliger. Sie wurden in einer Grube vor den Stadtmauern verbrannt.31 Diese Ketzerverbrennung des Jahres 1212 zu Straßburg blieb kein Einzelfall. Immer wieder geben die Quellen in den folgenden Jahren Auskunft über vereinzelte Entdeckungen von Ketzern in den Städten und Gegenden des Oberrheingebietes, wenn sie auch wenig aussagen über die genaue Art der Ketzerei. Caesarius von Heisterbach (ca. 1180–1240) berichtet in seinem zwischen 1219 und 1223 verfaßten Dialogus Miraculorum von zehn Ketzern, die in Straßburg durch ein Gottesurteil mit glühenden Eisen überführt und zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt wurden.32 Möglicherweise bezog sich Caesarius auf die Ereignisse des Jahres 1212, vielleicht deutet sein Bericht aber auch auf eine zeitliche Kontinuität in der Verfolgung von Ketzern in Straßburg und Umgebung hin. Die Entdeckung und Verfolgung scheint dabei eher zufälliger Natur 29 Über Waldenser in Metz vgl. Caesarius von Heisterbach, Dialogus miraculorum, ed. Joseph Strange, 2 Bde., Köln u. a. 1851, Bd. 1 S. 299 f. (Dist. V, c. 20); Alberic von TroisFontaines, Chronicon, S. 878. Nach Hauck hatten die Waldenser in Straßburg ihren Hauptsitz (Kirchengeschichte, Bd. IV, S. 902). 30 Annales Marbacenses, hrsg. von Hermann Bloch, MGH SS 17, Hannover/Leipzig 1907 (Unv. Nachdruck 1979), S. 1–183, S. 174; Henry C. Lea, Geschichte der Inquisition im Mittelalter, 3 Bde., übersetzt und bearbeitet von Heinz Wieck und Max Rachel, hrsg. von Joseph Hansen, Bonn 1905–1913 (Neudruck Frankfurt a. M. 1997), Bd. II, S. 359 f. Vgl. auch Caesarius, Dialogus, Bd. 1 S. 133 f. (Dist. III, c. 17). 31 Lea, Inquisition II, S. 359 f. 32 Bd. 1, S. 133 (Dist. III, c. 17): „Decem haeretici in eadem civitate, scilicet Argentina, quae est Strazburg, comprehensi sunt. Qui cum negarent, per iudicium candentis ferri convicti, sententia incendii sunt damnati“.
3.1. Oberrheingebiet, Schwaben
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gewesen zu sein.33 Die zuständigen Bischöfe verließen sich auf Gerüchte, die ihnen über bestimmte Einzelpersonen oder Gruppen zugetragen wurden, erst dann wurden die verdächtigen Personen gefangengenommen und vor Gericht gebracht. Es ließ sich jedoch nur selten ein zwingender Beweis ihrer Schuld erbringen, da die Ankläger meist über eine unzureichende theologische Ausbildung verfügten und ihren Gegnern argumentativ nicht gewachsen waren. Zum Nachweis der Schuld wurde daher häufig auf die Methode des Gottesurteils zurückgegriffen.34 Auf diese Weise war eine erfolgreiche Bekämpfung der Häretiker jedoch nicht gewährleistet, und so verwundert es nicht, daß die Annalen von Marbach auch zwanzig Jahre nach den Ereignissen von Straßburg vermelden, es verstecke sich noch immer eine große Anzahl Ketzer in den Städten und Dörfern der Gegend, die sogar enge Kontakte zu ihren lombardischen Glaubensbrüdern in Mailand unterhielten.35 Demnach verfügten die – sehr wahrscheinlich waldensischen – Häretiker nach diesen nur sporadischen Verfolgungen noch immer über ein funktionierendes und weit verzweigtes Netzwerk. Auch bei der städtischen Bevölkerung konnten sie offensichtlich auf Unterstützung hoffen, denn einer der angesehensten Straßburger Bürger hielt zu ihnen.36 Es kann also angenommen werden, daß die waldensischen Wanderprediger im ersten Drittel des 13. Jahrhunderts bei der Bevölkerung sowohl der Städte als auch der umliegenden Dörfer am Oberrhein mit einer freundlichen Aufnahme rechnen durften. Die Gründe dafür lagen wohl vor allem seitens der Kirche in einer mangelhaften geistlichen Versorgung der Bevölkerung, insbesondere in den ländlichen Gebieten. Ob die Zustände allerdings tatsächlich so schlimm waren, wie der Verfasser einer kurzen Beschreibung des Elsaß gegen 1295 behauptet, ist fraglich. Es handelte sich um einen Angehörigen des Predigerordens,37 der offenbar darauf bedacht war, die kirchliche Situation im Elsaß vor dem Eintreffen der Dominikaner als dringend verbesserungswürdig erscheinen zu lassen: „Um das Jahr des Herrn 1200 waren im Elsaß nur wenige Priester, und einer genügte, um in zwei oder drei oder in vier kleinen Dörfern Messen zu lesen [. . .] Viele Priester besaßen nur mäßige Kenntnisse, daher wußten sie auch selten verständigen Rat zu erteilen. Auch hatten sie fast alle Beischläferinnen. [. . .] Die Priester in den Dörfern pflegten des Sonntags den Leuten die Homilie und das Glaubensbekenntnis in deutscher 33 Schneider, Europ. Waldensertum, S. 95: „Die Entdeckung häretischer Kreise geschah offenbar überraschend und stellte die Kirche vor bisher kaum gekannte Probleme.“ 34 Lea, Inquisition I, S. 342. 35 Annales Marbac. (1231), S. 93 f., Übersetzung nach Georg Grandaur, Die Geschichtsschreiber der deutschen Vorzeit, Bd. VI, hrsg. von Wilhelm Wattenbach, Leipzig 1881, S. 47; vgl. Hauck, Kirchengeschichte, Bd. IV, S. 902 f. 36 Hauck, Kirchengeschichte IV, S. 903. 37 Annalen und Chronik von Kolmar. Übersetzung nach Hermann Pabst, Die Geschichtsschreiber der deutschen Vorzeit, Bd. VII, S. XIV f.
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3. Häresie und Inquisition in Süddeutschland und den angrenzenden Gebieten im 13. Jh.
Sprache vorzutragen; über die Heilige Schrift aber zu predigen verstanden nur wenige.“38
Wie aus den Berichten über die in Straßburg entdeckten Ketzer hervorgeht, stellte eine geordnete Verfolgung und Verurteilung die Kirche, d. h. vor allem die Bischöfe, bis etwa zum Jahr 1230 vor ungeahnte organisatorische Probleme. Dies änderte sich 1231 mit dem Edikt Gregors IX., fortan gezielt und methodisch Ketzer aufzuspüren. Nach den Bestimmungen von 1184 und 1215 mußten zunächst Zeugen eine oder mehrere verdächtige Personen vor dem bischöfl ichen Gericht als Ketzer bezichtigen, darauf hin wurde das Verfahren gegen die Betreffenden eingeleitet.39 Als besonders pfl ichtbewußter Denunziant erwies sich dabei der schon erwähnte Mainzer Kleriker Konrad von Marburg, Beichtvater der Landgräfi n Elisabeth von Thüringen. 1231 nahm Papst Gregor IX. eine entscheidende Neuerung vor: Das Aufspüren von Ketzern sollte zwar weiterhin der Verantwortung der Bischöfe und der weltlichen Behörden obliegen, jedoch wurden diese bischöfl ichen Kompetenzen dahingehend eingeschränkt, daß nun die Dominikaner und Konrad von Marburg mit der Durchführung einer eigenen Inquisition beauftragt wurden.40 Der Auftrag erging u. a. auch an die Dominikaner in Straßburg, Mainz, Würzburg, Regensburg und Friesach.41 Diese erhielten nunmehr richterliche Vollmacht, indem sie Reuige absolvieren konnten und die Schuldigen zu verurteilen und dem weltlichen Gericht auszuliefern hatten. Laut der päpstlichen Verfügung sollte der Inquisitor zunächst Klerus und Volk in der Kirche versammeln, um dann nach einer Predigt und mit der Hilfe von ausgewählten vertrauenswürdigen Männern der Gemeinde mit der Untersuchung zu beginnen. Die ausfi ndig gemachten Verdächtigen wurden danach in einer Hauptuntersuchung auf die Rechtmäßigkeit ihres Glaubens hin geprüft.42 Dieses Verfahren, das bald mit der Anwendung der Folter ergänzt wurde, beherrschte die Häretikerverfolgungen der Folgezeit.
38
Ebd., S. 101 f. Hauck, Kirchengeschichte, Bd. IV, S. 914. 40 Ebd., S. 916. 41 Vgl, Förg, Ketzerverfolgung, S. 66–70. 42 [. . .] discretionem vestram rogamus monemus et hortamur attente per apostolica vobis scripta sub divini obtestatione iudicii districte precipiendo mandantes, quatinus prelatis clero et populo convocatis generalem faciatis predicationem, ubi comodius videritis expedire, et adiunctis vobis discretis aliquibus ad hec sollicitius exequenda diligenti perquiratis sollicitudine de hereticis et etiam infamatis et, si quos culpabiles vel infamatos inveneritis, nisi examinati velint absolute mandatis ecclesie obedire, procedatis contra eos iuxta statuta nostra contra hereticos noviter promulgata, in receptatores defensores et fautores hereticorum secundum eadem statuta nichilominus processuri. (Auftrag Gregors IX. an den Prior Burkard und Bruder Theodorich aus dem Dominikanerkonvent in Regensburg zur Durchführung der Inquisition 1231, abgedruckt bei James Fearns, Ketzer und Ketzerbekämpfung im Hochmittelalter, Göttingen 1968, S. 73–75; Förg, Ketzerverfolgung, S. 94–96). 39
3.1. Oberrheingebiet, Schwaben
53
Auch in Schwaben, genauer im Ries bei Nördlingen, wurde eine Ketzerei aufgedeckt, deren Existenz und deren Glaubensinhalte durch ein Gutachten (nach 1270) des Albertus Magnus bezeugt werden. Es wurde als Compilatio de novo spiritu dem Sammelwerk des sog. Passauer Anonymus43 beigefügt und dort durch eine Liste von Irrlehren dieser sogenannten „Freigeist-Häresie“44 ergänzt.45 Auf das Auftreten einer solchen Häresie weist auch die Aussage eines namentlich nicht bekannten Dominikaners hin, der von zwei viri religiosi berichtet, die 1270 nach Schwaben kamen und Irrlehren verbreiteten.46 Weiter heißt es, daß 1273 ein Konfl ikt zwischen Franziskanern und Dominikanern wegen einer Ketzerei im Ries bei Augsburg beigelegt wurde (mit dem die Erstellung des Gutachtens Alberts möglicherweise zusammenhängt).47 Der Bericht bezeichnet sie als die Häresie eines gewissen Ortlieb, welcher aus Straßburg stammte.48 Eine genaue Jahresangabe für das Auftreten der Ketzerei findet sich zwar nicht, die Einordnung in das frühe 13. Jahrhundert ergibt sich jedoch aus der Information, daß Papst Innozenz III. die Häresie des Ortlieb verdammt habe.49 Welche konkreten Konsequenzen sich aus der Verdammung seiner Lehre für Ortlieb ergaben, läßt sich nicht klären, da außer den wenigen von Albert mitgeteilten Einzelheiten über die Person Ortliebs weiter nichts überliefert ist.50 Die Ortlieber, die 1238 in der Constitutio contra haereticos Friedrichs II. erstmals namentlich erwähnt werden,51 scheinen im Laufe des 13. Jahrhunderts allmählich wieder verschwunden zu sein. Über ihr Verbreitungsgebiet gibt es keine gesicherten Erkenntnisse, es ist aber zu vermuten, daß auch unter den 1212 in Straßburg verbrannten Ketzern Ortlieber vertreten waren.52 Als Einzelfall trat schließlich eine vornehmlich politisch motivierte Ketzerei gegen 1248 in der Gegend um Schwäbisch Hall in Erscheinung.53 Sie rief während der Auseinandersetzungen zwischen Papsttum und Friedrich II. zur Erneuerung von Kirche und Welt auf: Dem Papst wurde vorgeworfen, ein Ketzer zu sein, weil er kein wahrhaft apostolisches Leben führe, Bischöfe und Prälaten 43
Zum Passauer Anonymus vgl. Anm. 13. Vgl. dazu Grundmann, Ketzergeschichte, S. 45. 45 Albertus Magnus, Determinatio super articulis inventae haeresis in Recia diocesis Augustensis. In: Documenta ecclesiastica christianae perfectionis studium spectantia, hrsg. von Joseph de Guibert, Rom 1931, S. 115–127. 46 Grundmann, Ketzergeschichte, S. 46. 47 Ebd. 48 Über die Sekte der Ortlieber vgl. Amalie Fößel, Die Ortlieber. Eine spiritualistische Ketzergruppe im 13. Jahrhundert, Hannover 1993; Herbert Grundmann, Ketzergeschichte des Mittelalters, S. 45 f. 49 Ebd., S. 125. Vgl. Fößel, Ortlieber, S. 30 f. 50 Fößel, Ortlieber, S. 30 f. 51 Ebd., S. 16 f. 52 Schneider, Europ. Waldensertum, S. 104 f. 53 Albert von Stade, Annales Stadenses, hrsg. von Johann M. Lappenberg, MGH SS 16, S. 271–379, S. 371 f.; Grundmann, Ketzergeschichte, S. 47; Schneider, Europ. Waldensertum, S. 97. 44
54 3. Häresie und Inquisition in Süddeutschland und den angrenzenden Gebieten im 13. Jh. seien Simonisten, die der Kirche Verderben brächten.54 Diese „Häresie“ bildete wohl eine Gegenreaktion zur wiederholten Exkommunikation der letzten Staufer durch die Päpste.
3.2. Bayern, Österreich Für das Gebiet des heutigen Bayern läßt sich auf die Existenz von Häretikern nur durch einen Erlaß Herzogs Ludwigs II. von Bayern vom 17. Dezember 1262 schließen, in dem er seine Ministerialen zur nachdrücklichen Unterstützung der Regensburger Dominikaner im Kampf gegen die Ketzer auffordert. Um welche häretische Gruppe es sich genau handelt, wird nicht deutlich, es heißt lediglich, daß Leib und Gut der Katholiken bedroht gewesen seien, hätte man die Ketzer nicht ergriffen.55 Möglicherweise waren es Waldenser, wie sie in einer Urkunde des Bischofs Leo von Regensburg vom 19. Oktober 1265 Erwähnung fi nden. In dieser wird über den Vizepleban Konrad von Nittenau gesagt, er habe Ketzer der „Armen von Lyon“ aufgespürt und festgenommen: [. . .] per quem inventi sunt et comprehensi heretici sectae pauperum de Lugduno.56 Mit der Verfolgung bayerischer oder schwäbischer Waldenser steht auch ein nach 1256 verfaßter Traktat in Zusammenhang, der innerhalb der Forschung in der Regel David von Augsburg zugeschrieben wird.57 Formal betrachtet stellt der Text ein inquisitorisches Handbuch dar, in welchem der Verfasser anderen Inquisitoren Anweisungen vermitteln will, wie die vor allem in Süddeutschland vorkommenden Ketzer, insbesondere Waldenser, zu identifi zieren und zu überführen sind. Der Autor war offenbar selbst bei Ketzerverhören zugegen und konnte so auf eigene Erfahrungen im Umgang mit verschiedenen waldensischen Splittergruppen (genannt werden v. a. die französischen „Pover de Leun“, als deutsche Namensform der „Pauperes de Lugduno“ gebraucht) zurückgreifen.58 Inhaltlich werden die verschiedenen Glaubensgrundsätze und Gebräuche der Sekte geschildert und erläutert, wie etwa die Lehren von Taufe, Ehe und Abendmahl. Zusätzlich ergeben sich Rückschlüsse auf die kirchlichen Verhältnisse in Süddeutschland in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, vor allem auf den Ver54
Grundmann, Ketzergeschichte, S. 47 Haupt, Waldenserthum, S. 303. 56 Abgedruckt bei Haupt, Waldenserthum, S. 303, Anm. 3; Schneider, Europ. Waldensertum, S. 98, Anm. 15; vgl. auch Patschovsky, Häresien. In: Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte, Bd. 1: Von den Anfängen bis zur Schwelle der Neuzeit, II: Das kirchliche Leben, hrsg. von Walter Brandmüller, St. Ottilien 1998, S. 762. 57 Wilhelm Preger, Der Tractat des David von Augsburg über die Waldesier (Bayerische Akademie d. Wissenschaften, Hist. Klasse Bd. 14), München 1879, S. 181–235. Albertus Magnus als Verfasser nimmt an Franz Pelster, Albert der Große und der „Tractatus de inquisitione haereticorum“, Zeitschrift für katholische Theologie 45 (1921), S. 609–627. 58 Vgl. Preger, David von Augsburg, S. 194. 55
3.2. Bayern, Österreich
55
fall des Klerus. Der (Pseudo-)David stellt somit für die Informationsvermittlung über zeitgenössische Ketzergruppen im süddeutschen Sprachraum eine ausgesprochen wichtige Quelle dar, auf die möglicherweise auch Berthold von Regensburg zurückgegriffen hat.59 Die Existenz von waldensischen oder katharischen Häretikern im Gebiet des heutigen Österreich scheint sich im 13. Jahrhundert beinahe ausschließlich auf den Bereich der alten Passauer Diözese beschränkt zu haben. Mitteilungen über Ketzer in anderen Gebieten, wie etwa Tirol oder Kärnten, gibt es nur in Ausnahmefällen. Das Wissen über eine Gruppe von Katharern, die sich in den dreißiger Jahren des 13. Jahrhunderts in Friesach aufgehalten haben soll, basiert auf einem 1242/43 verfaßten Brief des Klerikers Ivo von Narbonne an den Erzbischof Giraldus von Bordeaux.60 Ivo schildert darin, daß er wegen angeblichen Häresieverdachts aus Frankreich nach Italien geflohen sei und sich bei Katharern in der Lombardei und Venetien aufgehalten habe. Von dort sei er mit einigen Gefährten nach Kärnten gekommen und habe apud fratres übernachtet. Wenn auch die Glaubwürdigkeit dieses Berichts nicht völlig gesichert ist,61 so paßt er dennoch zu einem Erlaß Papst Gregors IX. vom 27. November 1231, in dem er die Dominikaner von Friesach und Regensburg eindringlich zur Umsetzung der von ihm gegen die Ketzer erlassenen Statuten verpfl ichtet.62 Das Dominikanerkloster Friesach zählte auch zu den Adressaten der für die deutschen weltlichen und geistlichen Fürsten bestimmten Ausfertigungen der kaiserlichen Konstitutionen, die von Friedrich II. auf dem Reichstag zu Ravenna im März 1232 erlassen worden waren. Sie forderten erstmals die Hinrichtung überführter Ketzer und sanktionierten das Gerichtsverfahren der päpstlichen Inquisition durch die uneingeschränkte Bestätigung der vorausgegangenen päpstlichen Erlasse.63 Weitere vereinzelte Nachrichten über Ketzer in Kärnten sind dann erst wieder aus dem beginnenden 14. Jahrhundert erhalten. So wies im Jahr 1313 der Patriarch von Aquileia, Ottobuoni de Razzi (1302–1315) den Kartäuserprior von Seitz (Krain) an, gegen Ketzer im südlichen Kärnten vorzugehen.64 Auch Johannes von Viktring erwähnt zum Jahr 1327 Ketzer in seinem Bereich.65 Für das Auftreten von Ketzern in der Steiermark gibt es Belege eben59 Vgl. Borst, Katharer, S. 22 Anm. 2: „Berthold von Regensburg hat fast alles, was er über die Ketzer in seinen Predigten sagt, aus David von Augsburg entnommen“. 60 Matthaei Parisiensis, monachi sancti Albani, Chronica majora, Vol. IV, ed. Henry R. Luard, Rerum Britannicarum Medii Aevi Scriptores (Rolls Series) 57, London 1877 (Reprint 1964), S. 270–277. 61 Werner Maleczek, Die Ketzerverfolgung im österreichischen Hoch- und Spätmittelalter. In: Wellen der Verfolgung in der österreichischen Geschichte, hrsg. von Erich Zöllner, Wien 1986, S. 22. 62 Haupt, Waldenserthum, S. 290, Anm. 3. 63 Ebd., S. 291. 64 Maleczek, Ketzerverfolgung, S. 18–39; S. 22; Haupt, Waldenserthum, S. 304 mit Anm. 5. 65 Maleczek, Ketzerverfolgung, S. 22.
56 3. Häresie und Inquisition in Süddeutschland und den angrenzenden Gebieten im 13. Jh. falls erst aus dem späten 14. und frühen 15. Jahrhundert, doch ist wahrscheinlich, daß dort schon früher Waldensergemeinden existierten, die die Verfolgungen des 13. und frühen 14. Jahrhunderts überstanden hatten.66 Ein erster Anhaltspunkt für die Existenz von Häretikern innerhalb des Bistums Passau stammt aus dem Jahr 1207. In einem an Bischof Manegold von Passau gerichteten Brief Innozenz’ III. vom 14. April 1207 berichtet der Papst, daß er von Herzog Leopold VI. über das Vorkommen ketzerischer Verderbtheit in seinem Land unterrichtet worden sei. Als Grund dafür habe der Herzog die zu große Ausdehnung der Passauer Diözese genannt, die zum Schaden „vieler Seelen“ eine ausreichende Ausübung der pastoralen Aufgaben unmöglich mache.67 In den mehrere Tagesreisen vom Bischofssitz entfernt gelegenen Kirchen müßten die Weihe von Altären und die Erteilung der Firmung oftmals fortdauernd ausgesetzt werden, falls sie nicht von durchreisenden Bischöfen übernommen würden.68 Dies habe dazu geführt, daß nun „die reißenden Wölfe“ in den Schafstall des Herrn eingedrungen seien, vor deren rasender Wut es keinen Schutz gebe.69 Darum habe der Herzog vorgeschlagen, einen neuen Bischofssitz in Wien einzurichten, um so die pastorale Versorgung zu sichern. Schon Papst Lucius III. (1110–185) hatte in seiner Dekretale Ad abolendam (1184) die Bischöfe dazu verpfl ichtet, in verdächtigen Pfarreien ihrer Diözesen ein- bis zweimal im Jahr nach Ketzern zu forschen,70 doch hatten diese Maßnahmen in der Folgezeit nur wenig Wirkung gezeitigt. Innozenz III. befand im Jahr 1200 in einem Brief an einen südfranzösischen Legaten, daß die Kirche durch die Gleichgültigkeit der Prälaten schweren Schaden erlitten habe und die „verdammenswerte Schlechtigkeit der Ketzerei“ (damnata et damnanda diversarum
66
Maleczek, Ketzerverfolgung, S. 23. Dilectus itaque filius nobilis vir dux Austrie [. . .] nostris auribus intimavit, quod Pataviensis episcopatus parochialibus adeo limitibus est diffusus, quod per unam quantumlibet exercitatam personam absque multarum animarum periculo pastorale circa singulas oves in ipso nequeat offi cium exerceri. (Reg. Vat. 7A, fol 12r; abgedruckt bei Peter Segl, Ketzer in Österreich. Untersuchungen über Häresie und Inquisition im Herzogtum Österreich im 13. und beginnenden 14. Jahrhundert, Paderborn u. a. 1984, S. 17, Anm. 44). 68 Consecraciones quoque altarium, confirmationis sacramentum et ordinationes nichilominus clericorum non nunquam tempore multo, sepe vero perpetuo differuntur, nisi per advenas fortassis episcopos aliquotiens impendantur eisdem. (Ebd., S. 18, Anm. 47). 69 Quodque gravius est usque adeo, ut asseritur, ibi pestis invaluit heretice pravitatis, ut passim in caulas dominicarum ovium lupi rapaces irrumpant, dum per virgam pastoris [. . .] truculenta rabies eorundem ab ipsius sedulitatis offi cio non arcetur (Ebd., Anm. 48). Vgl. auch ders., Häresie und Inquisition im Bistum Passau im 13. und beginnenden 14. Jahrhundert. In: Ostbairische Grenzmarken. Passauer Jahrbuch für Geschichte, Kunst und Volkskunde, hrsg. von August Leidl, Passau 1981, S. 45–65; S. 45. 70 [. . .] adiecimus, ut quilibet archiepiscopus vel episcopus per se, vel archidiaconum suum [. . .] bis vel semel in anno propriam parochiam, in qua fama fuerit haereticos habitare, circumeat [. . .]. (Ketzer und Ketzerbekämpfung im Hochmittelalter, eingeleitet u. zusammengestellt von James Fearns, Göttingen 1968, S. 61–63). 67
3.2. Bayern, Österreich
57
haeresium pravitas) 71 in der Kirchenprovinz Narbonne bereits so stark zugenommen habe, daß man dort mehr Manichäer als Christen fi nden könne.72 Für das Jahr 1210 berichten die von 1142–1224 reichenden Annalen des nahe Wien gelegenen Klosters Neuburg von einer Verfolgungsaktion gegen die ketzerischen „Patarener“: Pestilens heresis Paterinorum cum plurimos christiani nominis serpendo corrumperet, auctore deo prodita est, et variis tormentis multi eorum necati sunt.73 Die auf die Mailänder Pataria des 11. Jahrhunderts zurückgehende Bezeichnung „Patarener“ kam in der Form Patrini erstmals 1179 beim dritten Laterankonzil auf und scheint sich schon im 12. Jahrhundert als eine Art Sammelbezeichnung für Ketzer durchgesetzt zu haben, wobei insbesondere in Italien im 12. und 13. Jahrhundert die Katharer als Patarener bezeichnet worden sind.74 Eine lokale Eingrenzung der geschilderten Vorgänge auf das Gebiet Österreichs erscheint zwar naheliegend, kann aber nicht mit letzter Sicherheit vorgenommen werden. Möglicherweise bezog sich die Mitteilung auch ganz allgemein auf den beginnenden Kriegszug gegen die Albigenser in Südfrankreich.75 Über die Verbreitung und die Zahl der Ketzer in Österreich sowie über ihre Lehren lassen sich weder aus der erwähnten Nachricht Leopolds an Innozenz III. noch aus der Mitteilung der Klosterneuburger Annalen Schlüsse ziehen; offensichtlich aber waren sie doch so zahlreich im Land vertreten, daß der Herzog sie regelmäßig verfolgen ließ, sofern sie entdeckt und vor Gericht gebracht wurden. Dies legen einige Verse im 1215/16 verfaßten „Welschen Gast“ des Thomasin von Zirclaria nahe, der im dritten Teil des 9. Buches klagt, daß der Gerechtigkeit nicht mehr Genüge getan werden kann, seit die weltliche Gerichtsbarkeit dem geistlichen Gericht die Hilfe und Unterstützung verweigert.76 Früher sei das Recht gut und geradlinig gewesen, nun sei es zerbrechlich und schwach. Wâ von ist aver daz geschehen/ daz wir sô vil ketzer sehen? fährt Thomasin fort und beschreibt im Anschluß daran die Ketzer als ungehorsame Kinder der Kirche, die sie im geistlichen Sinne zwingen, d. h. ihren Willen brechen muß, während das weltliche Gericht sie zu richten hat.77 Da die Ketzer das geistliche Gericht aber nicht im geringsten fürchten, ist die Aufgabe des weltlichen Ge71
PL 214, Sp. 904 B. Segl, Ketzer in Österreich, S. 20. 73 Continuatio Claustroneoburgensis secunda, hrsg. von Wilhelm Wattenbach, MGH SS 9, Hannover 1851, S. 613–624; S. 621; vgl. Haupt, Waldenserthum, S. 286 f., Anm. 2 und Segl, Ketzer in Österreich, S. 29, Anm. 117. 74 Borst, Katharer, S. 250 mit Anm. 8. 75 Vgl. Segl, Ketzer in Österreich, S. 33–35; Haupt, Waldenserthum, S. 286 f., Anm. 2: „Ein zwingender Grund, die ganz allgemein gehaltene Angabe auf Oesterreich oder gar auf Klosterneuburg zu beziehen, liegt nicht vor.“ 76 die wîle daz wertlîch geriht / dem geistlîchen entweich niht / dô was allenthalbn daz reht / in der werlde guot und sleht. / sît einz dem andern entweich, / sît wart daz reht bloede und weich / und muoste vallen nieder. (V. 12629–12635; Der wälsche Gast des Thomasin von Zirclaria, hrsg. von Heinrich Rückert, Berlin 1965, S. 343 f.). 77 V. 12647–12682. 72
58
3. Häresie und Inquisition in Süddeutschland und den angrenzenden Gebieten im 13. Jh.
richtes umso wichtiger.78 Einen solch zuverlässigen weltlichen Richter fi ndet Thomasin im herrn von Osterrîche, der Ketzer vor ihrer Hinrichtung wohl so grausam foltern läßt, als seien sie Fleischstücke, die, bevor sie endgültig verschlungen werden, noch gekocht und gebraten werden müssen. Die Lombardei, das Kerngebiet katharischer und waldensischer Aktivitäten südlich der Alpen, könnte sich glücklich schätzen, würde sie von diesem österreichischen Herzog regiert: Lamparten waere saelden rîche, / hiet si den herrn von Osterrîche, / der die ketzer sieden kann. / er vant ein schoene geriht dar an; / er will niht daz der vâlant / zerbreche sîn zende zehant, / swenner si ezze, dâ von heizet er / sie sieden unde brâten sêr. (V. 12683–12690). Obwohl dies darauf hinweist, daß Leopold VI. energisch gegen die Häretiker in seinen Ländern einschritt, existiert jedoch keine Quelle, die bis zu seinem Tod 1230 über gezielte und organisierte Verfolgungskampagnen des wegen seiner Frömmigkeit gerühmten Herzogs berichtet.79 Die Jahre nach dem Tod Leopolds VI. waren geprägt von Machtkämpfen um die Herrschaft in Österreich. Der Sohn und Nachfolger Leopolds, Herzog Friedrich II. von Babenberg, wurde wie andere kaisertreue Fürsten und Bischöfe, darunter Rüdiger von Passau und Eberhard von Salzburg, von Gregor IX. 1240 exkommuniziert. Friedrich gelang es erst spät, seine Herrschaft in den beiden Herzogtümern zu stabilisieren und sich der Kurie wiederanzunähern. Nach einer kurzen Phase der Ruhe geriet das Land jedoch erneut in kriegerische Auseinandersetzungen, als der Herzog am 15. Juni 1246 in der Schlacht an der Leitha gegen König Bela IV. von Ungarn fiel.80 Wieder kam es zu erbitterten Kämpfen um die Regierungsgewalt im Lande. Nach der Einsetzung Ottos II. von Bayern als Prokurator für Österreich und die Steiermark erging von Innozenz IV. am 6. Februar 1249 der Befehl an Bischof Albert von Regensburg, den Herzog und seine Anhänger zu exkommunizieren, das Land mit dem Interdikt zu belegen und gegen ihn selbst das Kreuz zu predigen.81 Erst Markgraf Premysl Ottokar II. von Böhmen (1233–1278), der am 12. Dezember 1251 in Wien einzog,82 gelang es innerhalb kurzer Zeit, seine Herrschaft zu festigen. Er erwies insbesondere den Klöstern und Städten seine Gunst und erwarb sich so beträchtliche Sympathien.83 Der fast 25 Jahre währende Zeitraum zwischen dem Tod Leopolds VI. und dem endgültigen Sieg Ottokars von Böhmen war geprägt durch den fortdauernden Konfl ikt zwischen Kaiser- und Papsttum und den daraus resultierenden Verschiebungen der politischen Fronten. Der Landesherr zog sich abwechselnd 78
V. 12649–12651; V. 12680–12682. Segl, Ketzer in Österreich, S. 41. 80 Ebd., S. 119. 81 Ebd., S. 122; Romuald Bauerreiss, Kirchengeschichte Bayerns. 7 Bde., St. Ottilien 1970–1975, Bd. 4, S. 113. 82 Segl, Ketzer in Österreich, S. 124 f. 83 Ebd., S. 127 f. 79
3.2. Bayern, Österreich
59
die Ächtung des Kaisers oder die Exkommunikation durch den Papst zu, das Land unterlag dem Interdikt. Der Erzbischof von Salzburg und der Bischof von Passau befanden sich zeitweise im Kirchenbann. Im Bistum Passau bekämpften sich mit Rüdiger von Passau (der 1250 von Innozenz IV. seiner Würden enthoben worden war) ein gebannter kaisertreuer und mit Berthold von Sigmaringen ein vom Papst eingesetzter Bischof. In einer Zeit, in der die Kultausübung von der Kirche untersagt war, hatten Häretiker, deren seelsorgerische Tätigkeit durch das Interdikt zusätzlich gestärkt wurde, besonderen Zulauf verzeichnen. Die Leiden der Bevölkerung durch die fortdauernden kriegerischen Auseinandersetzungen wurden zusätzlich durch Hungersnöte verschlimmert.84 Eine Beschreibung vergleichbarer Zustände liefert aus späterer Zeit die Fortsetzung der Kosmas-Chronik, die um 1283 die humanitären Auswirkungen der Kriegswirren festhielt, denen Böhmen nach dem Sieg Rudolfs von Habsburg über Ottokar II. ausgesetzt war, insbesondere die Hungersnot von 1282: „Deshalb müssen wir jetzt noch von den ärmeren Leuten in Böhmen reden, die an Hab und Gut großen Überfluß hatten, alles durch Plünderung und Raub verloren, mit den Bedürftigen an den Türen betteln mußten und vor Hunger starben. Von schwerem Hunger geplagt, liefen die Armen in der Stadt Prag durch die Gassen, auf die Plätze, in die Bürgerhäuser und bettelten um Almosen.. [. . .] Es bettelten auch unendlich viele Meister und Handwerker verschiedener Gewerbe, von denen einige ein Vermögen im Wert von 100 Mark Silber besessen hatten. Den einen hatte man das alles geraubt, andere hatten es mit ihrer Familie aufgebraucht und verkauften von ihren Frauen Armspangen, Ohrgehänge, Halsbänder und allen Schmuck, der zu gepflegter Frauenkleidung gehörte. Sie wollten damit den Hunger vertreiben und Gesundheit und Leben behalten; aber viele von ihnen hatten schließlich all ihren Besitz aufgezehrt, gingen mit den Bedürftigen an den Türen betteln und starben eines jämmerlichen Todes.“85
Während der Zeit des Interdikts, das in den Städten und Dörfern Österreichs immer wieder das kirchliche Leben zum Erliegen brachte, boten die Häretiker der einfachen Bevölkerung weiterhin den Zugang zu den Sakramenten. Sie spendeten die Krankensalbung, im Gegensatz zur Kirche ohne die Forderung nach Gegenleistung, hielten Gottesdienste und predigten. Dies machte die Bevölkerung für ihre Lehren umso empfänglicher, während eine organisierte Verfolgung gleichzeitig durch die ungeklärten Herrschaftsverhältnisse verhindert wurde. Nicht umsonst schrieb um 1260 der Passauer Anonymus, daß die Zeit des Interdikts die Ketzer jubeln lasse: Item tempore interdicti exultant heretici, quia tunc possunt corrumpere Christianos et faciunt eis vilescere cultum dei.86 Inwieweit Hä84
Fames prevaluit in terra et in tota Austria frumentum valde carum fuit, ita ut modius frumenti venderetur pro undecim talentis, et in aliquibus locis sola metreta daretur pro tribus solidis, et multi homines fame interierunt. Abgedruckt bei Segl, Ketzer in Österreich, S. 126, Anm. 640. 85 Borst, Lebensformen im Mittelalter, S. 429 f. 86 Traktat des Passauer Anonymus über die Waldenser, Quellen zur Geschichte der Waldenser, hrsg. von Alexander Patschovsky und Kurt-Victor Selge, Gütersloh 1973, S. 91. Nachfolgend abgekürzt als QGW mit entsprechender Seitenzahl.
60 3. Häresie und Inquisition in Süddeutschland und den angrenzenden Gebieten im 13. Jh. retiker von diesen für sie zweifellos günstigen Voraussetzungen in Österreich profitieren konnten, läßt sich nicht genau sagen. Sie scheinen jedoch ihre Lehren zumindest ungestört verbreitet haben zu können, wie ein fragmentarisch überlieferter Brief eines Geistlichen an Abt Ortolf von Kremsmünster (1247– 1256) nahelegt. In diesem wird dem Abt geraten, die allesamt „durch ketzerische Schlechtigkeit verdorbenen“ Bauern des zur klösterlichen Grundherrschaft gehörenden Dorfes Vischen auf andere Besitzungen des Klosters zu verteilen, da dem Ort sonst die Zerstörung auf Befehl des Fürsten von Österreich drohe.87 Mit diesem Fürsten dürfte sehr wahrscheinlich Ottokar II. von Böhmen gemeint sein, der nach seinem endgültigen Sieg 1254 einen Landfrieden in Österreich verkündet hatte.88 Zu den Maßnahmen, die der neue Herrscher Österreichs zur inneren Konsolidierung seiner Herrschaft ergriff, gehörten vor allem Bemühungen um die Verbesserung der kirchlichen Zustände, wobei der Bekämpfung ketzerischer Glaubenspositionen ein großer Stellenwert zukam. Am 17. April 1257 hatte Papst Alexander IV. auf den Wunsch Ottokars hin zwei Minoritenbrüder als Inquisitoren für Böhmen und das polnische Grenzgebiet ernannt.89 Für den zu seinem Herrschaftsgebiet gehörenden Teil der Passauer Diözese forderte er den Bischof Otto von Lonsdorf zu einer allgemeinen Visitation auf.90 Die aus diesen Visitationen resultierenden Reformvorschläge und Verfügungen wurden in verschiedenen Statuten festgehalten. Die erste dieser Verfügungen betraf die unbedingte Pfl icht eines jeden Pfarrers, entdeckte Ketzer so schnell wie möglich dem Bischof oder den Archidiakonen anzuzeigen, andernfalls drohte ihm der Entzug der Pfründe und des Amtes.91 Es ist anzunehmen, daß in diesem erfolgreichen Zusammenwirken von bischöfl icher und herzoglicher Gewalt eine ganz Österreich umfassende Inquisition stattgefunden hat, durch die auch der Brief an den Abt von Kremsmünster erklärbar wird. Diese organisierte Verfolgungsaktion fand ihren Niederschlag in einem gegen Juden und Heiden gerichteten Sammelwerk des bereits erwähnten „Passauer Anonymus“ (PA), das zwischen 1253 und 1260 begonnen und zwischen 1266
87 Reverendo in Christo patri ac domino O. abbati de Chremsmonstir frater W. predicator paratam ad grata obsequia v[oluntatem]. Cum malos male perdendos agricola(s?) statuat dominus Jesus Christus et culturam aliis collocare, suadeo ex animo [paternitati] vestre presentium per tenorem, quatinus villanos vestros in Vischen sparsim in aliis prediis vestre ecclesie [distribuetis et] magis katholicos loco eorundem inibi subrogetis. Alioquin cum pene omnes corrumpti sint heret[ica pravitate] auctoritate principis Austrie villa eadem ut arbitror funditus destruetur (Abgedruckt bei Segl, Ketzer in Österreich, S. 153 f.). 88 Ebd., S. 155. 89 Haupt, Waldenserthum, S. 297. 90 Zu den Visitationsreisen des Bischofs vgl. Josef Breinbauer, Otto von Lonsdorf. Bischof von Passau 1254–1265, Köln u. a. 1991, S. 339–344. 91 Item, cum quedam partes dyocesis Pataviensis sint de habitacione hereticorum infamate, volumus et districte mandamus, ut quicumque plebanus in sua vel sibi conterminata parochia esse intellexerit ipsos, quantocius poterit, teneatur episcopo et archidiaconis denunciari, alioquin sciat benefi cio et offi cio se privandum. (Segl, Ketzer in Österreich, S. 160).
3.3. Böhmen und Mähren, Ungarn
61
und 1274 in einer ersten Fassung beendet wurde.92 Der namentlich nicht bekannte Kompilator, vermutlich ein in Österreich geborener Dominikaner, nahm an der von Ottokar II. initiierten Inquisition teil und war wohl auch selbst bei Ketzerverhören anwesend.93 Das Textkorpus des PA setzt sich aus verschiedenen Einzelabschnitten zusammen, die einen Traktat über den Antichrist, eine ausführliche Polemik wider die Juden sowie sehr detaillierte Ausführungen über die diversen Ketzersekten (v. a. Katharer und Waldenser, aber auch Ortlieber) umfassen. Das Ergebnis der Inquisitionsaktivitäten, die der Passauer Anonymus festhielt, zeigte, wie weit insbesondere die Waldenser im österreichischen Teil der Passauer Diözese zur Mitte des 13. Jahrhunderts verbreitet waren. Im Sammelwerk des Anonymus ist eine Liste von insgesamt 42 Pfarreien enthalten, in denen Ketzer entdeckt wurden. Die aufgeführten Orte gehörten dabei sämtlich zum Herzogtum Österreich, kein einziger befand sich im bayerischen Teil der Diözese.94 Zu Beginn des 14. Jahrhunderts erfolgte in Österreich eine erneute Verfolgungskampagne, bei der in Krems, St. Pölten und Wien Ketzer verbrannt wurden.95 Ein 1315 bei Wien verbrannter Waldenserbischof namens Neumeister bezifferte die Zahl der Sektenanhänger in Österreich auf 80.000, in Böhmen und Mähren sei sie hingegen „unendlich“.96 Auch wenn diese Zahl so nicht stimmen muß, zeigt sich doch, daß die Waldenser auch nach der Inquisition von 1260 erfolgreich weiterwirken konnten und daß Österreich bis zum Ende des 14. Jahrhunderts das vielleicht wichtigste Zentrum der Bewegung blieb.97
3.3. Böhmen und Mähren, Ungarn Für das Auftreten von Häresien sowie anschließenden Inquisitionen in den Gebieten Böhmens, Mährens und Ungarns sind Quellenbelege nur spärlich vorhanden. Die Ausbreitung des Waldensertums in Böhmen und Mähren begann wohl schon zu Beginn des 13. Jahrhunderts.98 Nach der Auskunft des Passauer Anonymus blühte die waldensische Kirche, deren Mitglieder von einem enormen 92 Zu Entstehung, Entwicklung und Überlieferungszusammenhang des Passauer Anonymus vgl. grundlegend Patschovsky, Passauer Anonymus. 93 Patschovsky, Passauer Anonymus, S. 150; Segl, Ketzer in Österreich, S. 168. 94 Segl, Ketzer in Österreich, S. 182, Schneider, Europ. Waldensertum, S. 98. 95 Schneider, Europ. Waldensertum, S. 99. 96 Ebd., S. 100, Anm. 24 97 Ebd., S. 98. 98 Amadeo Molnár, Les Vaudois en Bohême avant la révolution hussite, Bollettino della Società di Studi Valdesi 116, S. 3–17; S. 4–12; Lea, Inquisition II, S, 488 f. Vgl. Schneider, Europ. Waldensertum, S. 100.: „[. . .] und die Vermutung liegt nahe, daß schon im 13. Jahr-
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3. Häresie und Inquisition in Süddeutschland und den angrenzenden Gebieten im 13. Jh.
Missionseifer beseelt waren, bereits zur Mitte des 13. Jahrhunderts auch jenseits der österreichischen Grenzen.99 Offenbar waren die Voraussetzungen in Böhmen und Mähren besonders günstig, denn Böhmen gehörte bis zum Jahre 1344 zur erzbischöfl ichen Provinz Mainz, deren Oberhirte über ein derart weit entferntes Gebiet kaum eine ausreichende Aufsicht ausüben konnte. Unter diesen Umständen bestand für die waldensischen Häretiker kaum die Gefahr, im Zuge gezielter Aktionen entdeckt und verfolgt zu werden. 1245 forderte Innozenz IV. die Bischöfe Ungarns – wohl in Ermangelung eines funktionierenden Inquisitionsapparates – auf, gegen die Ketzer einzuschreiten, die bereits vollständig organisiert und in Adel und einfachem Volk verwurzelt seien.100 Ob aufgrund dieses Erlasses tatsächlich Maßnahmen zur Aufdeckung und Festnahme von Waldensern ergriffen wurden, ist ungewiß. Einem Ersuchen König Ottokars II. entsprechend setzte der Papst zwei Franziskaner, Lambert „den Deutschen“ aus der Prager Diözese und Bartholomäus, Lektor des Klosters in Brünn, als Inquisitoren für Böhmen und Mähren ein und stattete sie mit weitreichenden Privilegien aus.101 Inwieweit die beiden Minoriten tatsächlich aktiv wurden und welche Erfolge sie hatten, bleibt letztlich unbekannt, von ihrer Tätigkeit fehlt jede weitere Kunde. Es scheint, daß es in Böhmen für einen längeren Zeitraum nur bei diesem vereinzelten Inquisitionsversuch blieb. Eine in anderen Ländern übliche und bewährte systematische Gesetzgebung gegen die Ketzerei wurde in Böhmen offensichtlich nicht eingeführt. Erst an der Wende zum 14. Jahrhundert begannen neue Verfolgungen. Im Jahre 1301 wurde auf einer Synode zu Prag die Ausbreitung der Ketzerei beklagt und der allgemeine Befehl erteilt, verdächtige Personen sofort bei den bischöfl ichen Inquisitoren zur Anzeige zu bringen.102 Gleichzeitig wurde auch in Bayern und Österreich, insbesondere im Bistum Passau, wieder eine größere Zahl von Inquisitoren eingesetzt, deren Wirkungskreis sich vor allem auf den österreichischen Teil der Passauer Diözese konzentrierte. In den folgenden Jahren wurde die Untersuchung auf ganz Niederösterreich ausgedehnt, wobei man in einem recht eng begrenzten Gebiet zwischen St. Pölten und Traiskirchen in fast vierzig Ortschaften Ketzer entdeckte und verurteilte.103 Überliefert werden diese Ereignisse durch den Bericht über eine Inquisition zu Krems im Jahre 1315.104 Ähnlich wie bei der Inquisition des Jahres 1260 in Österreich ist davon auszugehen, daß es sich bei den Verfolgten wiederum um Waldenser handelte, die demnach die Verfolgungen Mitte des 13. Jahrhunderts hundert einzelne Anhänger auf der Flucht vor Verfolgung oder einfach nur als Siedler nach Böhmen kamen.“ 99 Lea, Inquisition II, S. 488. 100 Ebd., S. 489. 101 Ebd., S. 489 f. 102 Ebd., S. 490; Haupt, Waldenserthum, S. 304. 103 Haupt, Waldenserthum, S. 305. 104 Zur Inquisition in Krems vgl. Segl, Ketzer in Österreich, S. 284–342.
3.4. Zusammenfassung
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relativ unbeschadet überstanden und ihr Verbreitungsgebiet insbesondere in Niederösterreich sogar noch ausgedehnt hatten. Es scheint, daß sich die Bewegung radikalisiert und sich der Spalt zwischen ihr und der Kirche vertieft hatte, jedenfalls wenn man den Inquisitionsberichten Glauben schenken will, die den Häretikern haßerfüllte Äußerungen gegen die Kirche und ihre Einrichtungen in den Mund legten.105 Die in den Kremser Inquisitionsberichten festgehaltenen Vorwürfe sind teilweise mit denjenigen identisch, die Papst Johannes XXII. (1244–1334) in einer Bulle vom 1. April 1318 auch gegen die verfolgten böhmischen Ketzer erhob: Verwerfung des Eides, Verwaltung der Bußsakramente innerhalb der Sekte, Anbetung Luzifers, Veranstaltung von schändlichen Orgien, die sich angeblich an die in Höhlen stattfindenden Predigten der ketzerischen Bischöfe anschlossen.106 Am deutlichsten verrät sich die Leidenschaft des von der Kirche gegen das Waldensertum geführten Kampfes in den Anklagen, welche die österreichische Inquisition gegen die Sekte erhob und welche ihren Zweck, die Waldenser moralisch zu diffamieren, wohl vielfach erreicht haben. Satanskult und sexuelle Ausschweifungen, die in unterirdischen Räumen verübt werden, diese Vorwürfe wurden für Jahrzehnte zu erstarrten Anklageartikeln in den gegen die Waldenser geführten Untersuchungen, deren eigentliches Lehrsystem man erst in den Inquisitionsakten des ausgehenden 14. Jahrhunderts wiedererkennen kann. Als letzte Konsequenz aus diesem Anklagesystem verschmolzen die Begriffe „Ketzerei“ und „Zauberei“, so daß vauderie (abgeleitet aus der französischen Bezeichnung für Waldenser) seit dem Spätmittelalter der typische Ausdruck für die Anklage auf Hexenzauber und Teufelsanbetung wurde.107
3.4. Zusammenfassung Auch wenn die insgesamt eher spärliche Quellenlage eine eindeutige Bewertung nicht zuläßt, können hinsichtlich des Auftretens von Ketzern im 13. Jahrhundert in Süddeutschland und den angrenzenden Gebieten folgende Schlüsse gezogen werden: Die meisten der in diesem Zeitraum dort entdeckten Häretiker waren allem Anschein nach der waldensischen Bewegung zuzurechnen; die Existenz von Katharern ist hingegen nur bis etwa 1230 für die größeren Städte am Rhein nachweisbar. In Österreich gab es in der Passauer Diözese zur Mitte des Jahrhunderts eine gezielte und umfassende Verfolgungsaktion, wobei in 42 105
Haupt, Waldenserthum, S. 306. Ebd., S. 307. 107 Grundmann, Ketzergeschichte, S. 32. Vgl. dazu umfassend Dieter Harmening, Zauberinnen und Hexen. Vom Wandel des Zaubereibegriffs im späten Mittelalter. In: Ketzer, Zauberer, Hexen. Die Anfänge der europäischen Hexenverfolgungen, hrsg. von Andreas Blauert, Frankfurt a. M. 1990, S. 68–90. 106
64 3. Häresie und Inquisition in Süddeutschland und den angrenzenden Gebieten im 13. Jh. Pfarreien Ketzer entdeckt wurden. Erneute größere Inquisitionsbemühungen fanden erst etwa 40 Jahre später statt. Auch bei diesen Untersuchungen zeigte sich, daß die Waldenser trotz aller Verfolgungsmaßnahmen offenbar erfolgreich weiterwirkten. Österreich bildete bis zum Ende des 14. Jahrhunderts sogar ihr vermutlich wichtigstes Zentrum. Es ist also davon auszugehen, daß im Tätigkeitsgebiet Bertholds von Regensburg die Waldenser in den Städten und Dörfern latent vertreten waren. Die Gründe für ihre fortdauernde und feste Verwurzelung in der Gesellschaft lagen zum größten Teil in den langjährigen kriegerischen Auseinandersetzungen und Machtkämpfen zwischen Kaiser- und Papsttum, die die Bewohner dieser Region besonders schwer trafen. Die Verarmung breiter Gesellschaftsschichten durch Plünderungen und Hungersnöte sowie die unzureichende geistliche Versorgung in den dem Kirchenbann unterliegenden Gebieten trugen als Faktoren erheblich zum Erfolg waldensischer Missionsbemühungen bei, zumal die Waldenser den Gläubigen auch in Zeiten des Interdikts den Zugang zu den Sakramenten gewährleisten konnten. Im Gegensatz zu den größeren Städten in Südfrankreich und Italien, wo die Katharer in den gehobenen Schichten von Adel und Stadtpatriziat Unterstützung fanden, handelte es sich bei den Waldensern Süddeutschlands wohl vorrangig um Angehörige der unteren und mittleren Gesellschaftsschichten, um Bauern, Händler und wandernde Handwerker. Gegen diese Häretiker konnten die Angehörigen der Bettelorden nicht auf einem theologisch und intellektuell anspruchsvollen Niveau predigen, sondern mußten darauf bedacht sein, die Glaubenwahrheiten der Kirche zwar nachdrücklich, aber in einer möglichst einfachen und anschaulichen Sprache zu vermitteln. Dieser Aufgabe kam Berthold von Regensburg bei seinen Predigtreisen nach. In sein Predigtwerk mögen neben dem grundlegenden theologisch-häresiologischen „Basiswissen“ auch eigene Beobachtungen eingeflossen sein, die der Franziskaner während des Aufenthalts in den Städten und Dörfern in Süddeutschland und den angrenzenden Gebieten zumindest theoretisch machen konnte.
4. Predigt im Mittelalter 4.1. Definition 4.1.1. Predigtvortrag – Schriftpredigt Die Predigt repräsentiert die zentrale literarische Gattung innerhalb der christlichen Welt des europäischen Mittelalters. Sie dient als vorrangiges Medium für den Klerus, um die wesentlichen Inhalte des christlichen Glaubens auf der Basis der Heiligen Schrift sowohl den gebildeten Angehörigen des eigenen Standes als auch einem schriftunkundigen Laienpublikum zu vermitteln.1 Eine bekannte mittelalterliche Predigtdefi nition, die in die meisten späteren Predigthandbücher aufgenommen wurde,2 fi ndet sich bei Alanus ab Insulis gegen 1200 in seiner „Summa de arte praedicatoria“: Praedicatio est manifesta et publica instructio morum et fidei, informationi hominum deserviens, ex rationum semita, et auctoritatum fonte proveniens.3 Demnach ist Predigt die öffentliche Unterweisung in allen den Glauben und die korrekte sittliche Lebensführung betreffenden Angelegenheiten. Geschehen soll dies unter der Berücksichtigung der Vernunft und durch den Rückgriff auf die Autoritäten, d. h. die Benutzung der biblischen Bücher, der Väterschriften und antiker Autoren oder anderer, allgemein anerkannter Quellen.4 Im Unterschied zu Unterricht oder Prophetie kann nur die Predigt als Form der appellativen Rede vor einer Öffentlichkeit bezeichnet werden, die vom Glauben und den moralischen Grundwerten handelt und auf die Erziehung zu einer als normativ erachteten Lebenshaltung hinzielt 5 bzw. aus einem konkreten Anlaß zu einer bestimmten, autoritativ abgesicherten Verhaltensweise aufruft.6 1 Vgl. die Defi nitionen bei Beverly M. Kienzle, Introduction. In: The Sermon, ed. Beverly M. Kienzle, Turnhout 2000, S. 143–174; S. 143; Bert Roest, Preaching. Cornerstone of the Franciscan educational Project. In: Ders., A History of Franciscan Education (c. 1210– 1517), Leiden 2000, S. 272–324; S. 272. 2 Vgl. Marianne G. Briscoe / Barbara H. Haye, Artes praedicandi, artes orandi, Turnhout 1992, S. 21. Carlo Delcorno, Medieval Preaching in Italy (1200–1500). In: The Sermon, ed. Beverly M. Kienzle, Turnhout 2000, S. 449–543; S. 449. 3 Alanus ab Insulis, Summa de arte praedicatoria, PL 210, Sp. 111 C. 4 Vgl. Briscoe / Haye, Artes, S. 21. 5 Vgl. ebd. 6 Zu denken wäre z. B. an Kreuzzugspredigten.
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4. Predigt im Mittelalter
Bei dem Versuch, die Defi nition des Begriffs „Predigt“ stärker zu präzisieren, muß jedoch ein grundsätzlicher Unterschied gemacht werden zwischen a) der Predigt als Akt mündlicher Kommunikation und b) der Predigt als literarischer Gattung, die zu dem Predigtvortrag in einem relativen Abhängigkeitsverhältnis steht. Demnach ist die Predigt ein mündlicher Vortrag eines Predigers, der sich an ein Publikum wendet, um es in Bezug auf ein bestimmtes Thema, das eng mit Glauben und Moral in Zusammenhang steht, zu belehren und zu ermahnen.7 Predigt und Prediger sind im Regelfall durch die Kirche autorisiert, allerdings haben nicht kirchlich autorisierte Personen, meistens Laien, während des gesamten Mittelalters immer wieder aus persönlicher Berufung gepredigt.8 Von diesem mündlichen Ereignis, dem „preaching event“9 der mittelalterlichen Welt, sind alle Spuren verloren, wie Beverly Kienzle bedauernd feststellt: „Lost are the emotions, gestures, voice modulations, crowd interaction, and other elements that constituted the sermon in its actual historical setting.“10 Die Schriftpredigt hingegen bildet eine mehr oder weniger genaue Reflexion eines flüchtigen Predigtereignisses, das bereits stattgefunden hat oder auf der Basis der Schriftpredigt noch stattfi nden wird.11 Als solche ist sie eine schriftliche Spur eines rein mündlichen und performativen Genres12 und kann verschiedene Phasen der Überlieferung repräsentieren.13 Es stellt sich daher sich die Frage, inwieweit eine Schriftpredigt einen mündlichen Vortrag tatsächlich abbilden kann bzw. welche Übertragungsstufen oder Übertragungsvarianten sich identifi zieren lassen. Das Verhältnis zwischen mündlicher Predigt und Schriftform muß dabei als ausgesprochen indifferent bezeichnet werden, weil es eine Vielzahl von Möglichkeiten gibt, weshalb der schriftliche Text nicht mit dem angenommenen Predigtakt übereinstimmt. Ein denkbarer Unterschied zwischen Sprechakt und schriftlicher Version kann allein darin bestehen, daß die Sprache des Textes nicht mit der Sprache des Vortrages übereinstimmt, etwa dann, wenn – wie in den meisten Fällen der (franziskanischen) Volkspredigt – der Prediger in der Volkssprache predigte, während für die Schriftform das Lateinische benutzt wurde.14 In der Volkssprache überlieferte Predigten können ihrerseits wieder Übertragungen oder Bearbeitungen einer oder mehrerer latei7
Vgl. Kienzle, Introduction, S. 151 f. Carolyn Muessig, Sermon, Preacher and Society in the Middle Ages, Journal of Medieval History 28 (2002), S. 73–91; S. 77. 9 Vgl. zur Aufführungssituation von mittelalterlichen Predigten Beverly M. Kienzle, Medieval Sermons and their Performance: Theory and Record. In: Preacher, Sermon and Audience in the Middle Ages, ed. Carolyn Muessig, Leiden/Boston/Köln 2002; S. 89– 124. 10 Kienzle, Introduction S. 143. 11 Vgl. ebd. S. 168. 12 Ebd. 13 Vgl. ebd. S. 168 f. 14 Vgl. ebd., S. 170. 8
4.1. Definition
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nischer Vorlagen bilden, wie dies bei den deutschen Predigten Bertholds von Regensburg der Fall ist.15 Manchmal dient die Predigt nur als äußere literarische Form, die gewählt wird, um dem darin transportierten Inhalt eine größere Bedeutung oder Aussagekraft zu verleihen. Dies gilt z. B. für die Predigten Bernhards von Clairvaux über das Hohelied, bei denen es sich im Kern um Kommentare in Predigtform handelt.16 Im Umkehrschluß kann auch eine Predigt an eine andere literarische Form, z. B. die des Briefes, angepaßt oder in diese umgewandelt werden, wenn auf diese Weise ein neuer Adressatenkreis erreicht werden soll. Beispielhaft dafür sind die beiden Predigten Hildegards von Bingen, die sie 1163 in Köln und 1170 im schwäbischen Kirchheim hielt. Auf Bitten Philipps von Heinsberg und Werners von Kirchheim faßte Hildegard ihre Predigten zusammen und sandte sie als Mahnbriefe17 nach Köln und Kirchheim.18 4.1.2. Überlieferungsformen Im Verhältnis von Predigtvortrag und Schriftpredigt (letztere als relative Reflexion des Predigtvortrags) eröffnen sich verschiedene Möglichkeiten, an welcher Stelle und in welcher Form Umakzentuierungen auftreten können. Beverly M. Kienzle hat neben dem Beziehungsgefüge zwischen dem Mündlichen und dem Geschriebenen einen zweiten Bereich identifi ziert, der durch Variabilität gekennzeichnet ist: den Predigttext im Verhältnis zu seinen verschiedenen Übertragungs- oder Bearbeitungsstufen. Eine Schriftpredigt kann z. B. in einer oder mehreren Versionen, die die unterschiedlichen Phasen ihrer Bearbeitung repräsentieren, in verschiedenen Typen von Kompilationen erscheinen, die als Leseoder Musterpredigtsammlungen angelegt wurden.19 Es lassen sich grob vier Verschriftlichungstypen unterscheiden, in denen Predigten überliefert werden. Sie divergieren nicht nur hinsichtlich ihrer formalen Struktur, sondern auch hinsichtlich des Zeitpunkts der Verschriftlichung (vor, während oder nach dem Predigtvortrag), hinsichtlich der Person(en), die an der Verschriftlichung betei15
Vgl. dazu Kap. 1, S. 9 ff. Beverly M. Kienzle, The Twelfth-Century Monastic Sermon. In: The Sermon, S. 271–325; S. 291. 17 Vgl. Elisabeth Gössmann, Der Brief Hildegards von Bingen an den Kölner Klerus zum Problem der Katharer. In: Die Kölner Universität im Mittelalter. Geistige Wurzeln und soziale Wirklichkeit, hrsg. von Albert Zimmermann, Berlin/New York 1989, S. 312–320; S. 312. 18 Beverly M. Kienzle, Defending the Lord’s Vineyard. Hildegard of Bingen’s Preaching against the Cathars. In: Medieval Monastic Preaching, ed. Carolyn Muessig, Leiden/Boston/Köln 1998, S. 163–181; S. 167: „[. . .] other texts from Hildegard’s works can be identified [. . .]: a sermon delivered in Cologne, requested by Philipp, dean of the Cathedral, and sent in the form of a letter; a sermon delivered at Kirchheim and sent in 1170 as a letter [. . .].“ 19 Kienzle, Introduction, S. 171. 16
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4. Predigt im Mittelalter
ligt ist oder sind (der Prediger selbst, beauftragte Schreiber, Zuhörer) sowie ihrer Funktion und Vollständigkeit. In den späten 70er Jahren wurde innerhalb der Predigtforschung deutlich, daß viele der überlieferten mittelalterlichen Predigten aus dem Paris des 13. Jahrhunderts nicht nur redigierte, vollständige Sermones oder Autographen waren, sondern sich vielmehr als stenographische Berichte oder Mitschriften tatsächlich gehaltener Predigten identifizieren ließen – als reportationes.20 Im Falle dieser Predigten der Pariser Magister bestand nun die Möglichkeit, zwischen der ursprünglichen Version des Autors, dem mündlichen Vortrag und dem endgültig redigierten Text vergleichen zu können. Die reportationes waren das Werk von Studenten oder von professionellen Schreibern und präsentierten die Wahrnehmung eines besonderen, theologisch gebildeten Publikums.21 Obwohl eine reportatio als Mitschrift während des mündlichen Vortrags das Predigtereignis fast unmittelbar spiegelt, indem sie z. B. Anmerkungen zu äußeren Faktoren wie Zuschauerreaktionen oder Wetterphänomenen einschließen kann, ist sie doch gleichzeitig weit von diesem entfernt, da sie dem ganz subjektiven individuellen Empfi nden eines Zuhörers unterliegt, der mitschreibt, was er gehört bzw. verstanden zu haben meint.22 Trotz der vermeintlichen, weil situationsgebundenen Nähe zum realen Predigtereignis kann eine reportatio doch nicht mehr sein als eine abgeschwächte Reflexion, die den tatsächlichen Wortlaut wie durch einen Filter wiedergibt: „La langue des prédicateurs, il est vrai, perd de sa frâicheur et de son authenticité.“23 Als eine Art Fenster zum gesprochenen Wort des Predigers erlaubt eine reportatio zwar Einblicke in das tatsächliche Ereignis, aber diese Sicht ist eben auch in einer bestimmten Weise begrenzt, insbesondere dann, wenn die Predigtmitschrift in einer anderen Sprache als der ursprünglichen Predigtsprache verfaßt wurde. Obwohl im Mittelalter meist in der Volkssprache gepredigt wurde, sind die reportationes häufig auf Latein abgefaßt oder erscheinen in einer Mischversion aus Volkssprache und Latein.24 Im Verlauf des Weges von der Konzeption durch den Prediger über den Vortrag bis zur Mitschrift bedeutet dies in der Regel einen mehrfachen Wechsel zwischen den Sprachen: der Prediger hält die Predigt, ausgehend von seinen eigenen lateinischen Gedankenskizzen und dem Bibeltext (bisweilen vielleicht auch spontan und ohne schriftliche Grundlage) in der Volkssprache, während der Schreiber
20 Augustine Thompson OP, From Texts to Preaching. Retrieving the Medieval Sermon as an Event. In: Preacher, Sermon and Audience, S. 3–37; S. 16. 21 Ebd., S. 17. 22 Ebd., S. 16 f. 23 Nicole Bériou, L’Avènement des maitres de la parole: La Prédication a Paris au XIIIe siècle, 2 Bde., Paris 1998; Bd. I, S. 290 f. 24 Zum Problem zweisprachiger Schriftpredigten vgl. Siegfried Wenzel, Macaronic Sermons. Bilingualism and Preaching in Late-Medieval England, Ann Arbor 1994; Bert Roest, A History of Franciscan Education (c. 1210–1517), Leiden/Boston/Köln, 2000, S. 310 f.
4.1. Definition
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die Predigt auf Latein mitstenographiert.25 Die erstellte Mitschrift wird überarbeitet mit dem Ziel, eine vorläufige Endversion zu verfassen, die sich wiederum in die Volkssprache übertragen läßt.26 Man kann davon ausgehen, daß reportationes, die von einem eigens damit beauftragten Schreiber verfaßt wurden, später entweder vom Prediger selbst oder von Ordensangehörigen redigiert und in ein anspruchsvolleres Latein übertragen wurden, um in einer Endversion als Bestandteil einer Sammlung von Musterpredigten anderen Predigern als Vorlagen oder Hilfen zu dienen. Wie lassen sich Modell- oder Musterpredigten defi nieren? Beverly M. Kienzle ordnet sie grundsätzlich der von ihr eingeführten Kategorie des sermo literarius (oder „en état de perfection“) zu,27 der sich aus Elementen des sermo praevius28 zusammensetzt, also aus Texten, die vor dem Vortrag verfaßt wurden, sowie aus Elementen des sermo exceptus,29 wie z. B. Predigtskizzen, die nach einem Vortrag aus dem Gedächtnis aufgeschrieben wurden.30 Nach ihrer Defi nition ist unter dem Begriff des sermo literarius eine vollständig ausgearbeitete bzw. redigierte Predigt zu verstehen, die eine Form eigenständiger Literatur darstellt und mit dem tatsächlichen Predigtvortrag nur noch mittelbar zusammenhängt.31 Zwei aufschlußreiche Charakteristika, anhand derer sich auf eine Musterpredigtsammlung schließen läßt, sind einmal die weite Verbreitung und zweitens die Existenz von standardisierten Predigtversionen.32 Um eine Musterpredigtsammlung handelt es sich also im Prinzip immer dann, wenn ein kohärentes Korpus mit standardisierten Texten vorliegt, die in einer Vielzahl von Manuskripten überliefert sind. Solche standardisierten Versionen konnten an der Universität von Paris mit Hilfe des dort etablierten und äußerst effektiven PeciaSystems bereitgestellt werden, das dazu diente, schnell und in großer Zahl identische Kopien von autorisierten Lehrtexten zu produzieren.33 Die sichersten Hinweise für das Vorliegen einer Musterpredigtsammlung bilden jedoch textinterne Lenkungssignale an den Prediger oder die Existenz eines Prologs, der eindeutig die Funktion der Sammlung als Predigthilfe festlegt.34 Elemente wie 25 Roberto Rusconi, „La predicazione: Parole in chiesa, parole in piazza,“ Lo spazio letterario del medioevo, 2 Bde., I: Il medioevo latino, Rom 1992, S. 571–572; Thompson, From Texts to Preaching, S. 17. 26 Ebd. 27 Kienzle, Introduction, S. 173. 28 Ebd. 29 Ebd. 30 Ebd. 31 Ebd.: „[. . .] sermo literarius (would designate) the sermon written as literature, perfected and designed to be read, and possessing an indirect relationship with the sermo as an instance of preaching.“ 32 David d’Avray, The Preaching of the Friars. Sermons diffused from Paris before 1300, Oxford 1985, S. 98. 33 Ebd., S. 98 f. 34 Ebd., S. 106 ff.
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4. Predigt im Mittelalter
Anweisungen, Erläuterungen oder Rückverweise, die an signifi kanten Stellen des Textes eingefügt werden, dienen einer möglichst optimalen Umsetzung des bereits vorhandenen Stoffs durch den Prediger, der die Sammlung zur Ausgestaltung eigener Predigten benutzen will. Diese Lenkungssignale lassen darauf schließen, daß beim Verschriftlichen der Predigt die Ausgestaltung von bestimmten Stoffen oder Themen, die vielleicht im Predigtvortrag vorgenommen worden waren und die bei anderen Predigern als bekannt vorausgesetzt werden konnten, in der Schriftversion bewußt unterblieben. In einem solchen Fall genügte dann ein kurzer Hinweis auf die jeweils passende biblische Geschichte oder auf den folgerichtigen Übergang zu einem neuen Thema. Nützlich war dies für routinierte Prediger, die souverän mit dem gebotenen Material umzugehen verstanden, weil sie die Hinweise für zusätzliche Variationsmöglichkeiten nutzen konnten (Hic potes descendere ad singula vitia et virtutes).35 Einem weniger begabten oder unerfahrenen Prediger garantierten sie erfolgreiches Predigen ohne die Gefahr, etwas falsch zu machen (Dic breviter hystoriam illam; 36 fac vii proprietates respondere vii mortalibus peccatis).37 Sammlungen von Musterpredigten dienten zwar vorrangig zur Predigtvorbereitung oder -übung, konnten aber prinzipiell auch als Lesepredigtsammlungen genutzt werden, die z. B. geistlichen Frauen oder einfachen Klerikern als Lektüre dienten. Diese Form der Predigtrezeption bezeichnet Michel Zink als „prédication dans un fauteuil“,38 d. h. die ursprünglich öffentliche Predigt ließ sich auf diese Weise in einen begrenzten, privaten Raum hineinholen. Finden sich in einer Predigtsammlung allerdings vor allem Anweisungen, die einen ganz bestimmten, vom Autor intendierten Umgang mit dem Stoff fordern und auf eine mündliche Darbietung abzielen (eben z. B. die Aufforderung, einen bestimmten Punkt in der Predigt nicht vorzutragen oder auszuführen),39 so kann angenommen werden, daß die Sammlung nicht für die Privatlektüre angelegt war. Die Schriftpredigt kann also in verschiedenen Typen von Sammlungen erscheinen, die sowohl zum Predigtvortrag als auch zum (Vor-)Lesen bestimmt waren. Neben vollständigen Modellpredigten existieren einige andere Überlieferungsformen, wie z. B. Kurzpredigten, Predigtskizzen und Predigtschemata. Manche dieser durch Unvollständigkeit gekennzeichneten Predigtformen skizzieren lediglich die zugrundeliegende Struktur oder führen die Hauptgesichtspunkte ansatzweise aus. Beispielhaft dafür sind die Sermones des Antonius von Padua, eines der berühmtesten Predigerpersönlichkeiten des Minoritenordens, dessen wortgewaltiges Wirken seinen Niederschlag in einer reichen Legenden35
Aus einer Predigt Wilhelms von Peyraut über 1 Kor. 4,1; ebd., S. 107, Anm. 1. Aus einer Predigt Aldobrandino Cavalcantis über 1 Thess. 4,12; ebd., Anm. 4. 37 Aus einer Predigt Peters von Reims über Isai. 60,8; ebd., S. 108, Anm. 1. 38 Michel Zink, La prédication en langue romane avant 1300, Paris 1976, S. 478. 39 So z. B. in den Freiburger Predigten Bertholds: Hec predicta non dic in predicatione. (Fb 117 I, Sermo 28, f.69v c). 36
4.1. Definition
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literatur fand.40 Die von ihm überlieferten Sonn- und Festtagspredigten sind allerdings lediglich als „abstrakte Gedankenskizzen“ erhalten, die nichts von seinem mitreißenden Predigtstil erahnen lassen.41 Die Tatsache, daß insbesondere Predigtsammlungen von Franziskanern aus nicht vollständig ausgearbeiteten Sermones, aus mehr oder weniger ausführlichen Skizzen bestehen, hängt möglicherweise damit zusammen, daß die Minoriten auf ihre Predigtreisen, die sie ja meist zu Fuß absolvierten, keine schweren, teuren Handschriften oder ausgeführten Konzepte mitnahmen, sondern nur Sammlungen von Blättern in einem kleinen Format, auf denen die Texte in einer stark abgekürzten Schrift festgehalten wurden.42 4.1.3. Predigtsprache In welcher Sprache hat ein mittelalterlicher Prediger gepredigt und welche sprachlichen Mittel hat er eingesetzt, um seine Botschaft zu vermitteln? Welche Auswirkungen hat dies auf die Sprache, in der Predigten verschriftlicht wurden? Die meisten der in Musterpredigtsammlungen überlieferten Predigten dienten als homiletische Hilfen für künftige Prediger. Sie waren in der Hauptsache in Latein verfaßt, der offi ziellen Sprache der Kirche. Die Wahl des Lateinischen brachte den großen Vorteil mit sich, daß auf diese Weise eine problemlose und weite Verbreitung von Predigtsammlungen in Schulen und Konventen in jedem Land Europas ermöglicht werden konnte, ohne auf eine bestimmte Landessprache oder einen Dialekt beschränkt zu sein.43 Eine in Latein abgefaßte Predigtsammlung ließ sich in jede erdenkliche Volksprache übersetzen, was aber nicht ausschloß, daß auch in einen lateinischen Text bestimmte volkssprachliche Worte oder Sequenzen als eine Art von Fachvokabular eingefügt sein konnten.44 Diese „islets in a sea of Latin“45 erleichterten dem Benutzer die zutreffende Übersetzung wichtiger Ausdrücke oder Formulierungen.46 40
Zum Bild Antonius’ in der legendarischen Überlieferung vgl. Kap. 4.3.2. Johannes B. Schneyer, Geschichte der katholischen Predigt, Freiburg i. Br. 1968, S. 161. 42 Johannes B. Schneyer, Die überraschende Fülle der lateinischen Sermonesliteratur im frühen Franziskanerorden, Franziskanische Studien 58 (1976), S. 122–128; S. 127. Vgl. dazu die Feststellung von d’Avray, Preaching, S. 59: „In a sample of Franciscan books, then, there is a significantly high concentration of preacher’s pocket-books, and in a sample of sermon manuscripts in pocket format there is a significantly high concentration of Franciscan books. These are illustrations rather than proof of a conclusion [. . .] namely that Franciscans had a special liking for small portable books of sermons.“ 43 d’Avray, Preaching, S. 95. Roest, History, S. 311. 44 d’Avray, Preaching, S. 95. Vgl auch Giles Constable, The language of preaching in the twelfth century, Viator 25 (1994), S. 131–152; S. 137. 45 d’Avray, Preaching, S. 95. 46 Ebd. 41
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4. Predigt im Mittelalter
Soweit es die franziskanische Predigt anbetrifft, ist es erstaunlich, daß gerade die lateinischen Sermones desjenigen Ordens, der durch seine volksprachliche Populärpredigt großen Erfolg hatte, nur in geringem Maße in der Volkssprache überliefert wurden.47 Dabei bildet allerdings Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern insoweit eine Ausnahme, als dort aus dem 13. Jahrhundert recht viele volkssprachliche Predigten erhalten sind. Dies kann an dem Umstand liegen, daß es in Deutschland eine besonders enge Verbindung von Mendikantenklöstern zu religiösen Frauenkonventen gab, denen Sammlungen deutscher Predigten vor allem als erbauliche Lektüre dienten.48 Die geringe Zahl überlieferter volkssprachlicher franziskanischer Predigten insgesamt führt David d’Avray zu der Frage nach dem Verbleib des Großteils der mendikantischen Predigten: „Where, then, are the popular sermons of the medieval friars?“ Und er fügt die überraschende Antwort gleich an: „. . .such sermons have survived in very large numbers, but in Latin.“49 Dies bedeutet aber eben nicht, daß die Mendikanten zu einem Laienpublikum auf Lateinisch predigten. Den Mendikanten wäre niemals Erfolg mit ihrer Art der Volkspredigt beschieden gewesen, wenn sie zu ihrem Publikum in einer ihm unverständlichen Sprache gepredigt hätten. Problematisch wurde die Situation für einen Prediger dann, wenn er es mit einem Publikum zu tun hatte, das weder Latein noch die Muttersprache des Predigers verstand. Als Bernhard von Clairvaux 1147 nach Deutschland reiste, u. a. um für den Zweiten Kreuzzug zu werben, kam er auch nach Speyer. Am Fest des Hl. Johannes des Evangelisten (27. Dezember 1147) geschah es während der feierlichen Messe im Dom, daß „der Heilige Geist“ Bernhard anregte, eine spontane Predigt zu halten.50 Dabei sprach der berühmte Zisterzienser in französischer Sprache, während ein Dolmetscher, der seine Aufgabe offenbar sehr gut erfüllte, ins Deutsche übersetzte. Der anwesende König Konrad III. verpfl ichtete sich sogleich, das Kreuz zu nehmen. Auch bei seinen Predigtreisen wurden die Worte Bernhards direkt in die Landessprache übertragen – allerdings stand häufig nicht der Übersetzer im Mittelpunkt des Interesses, sondern Bernhard, den zwar niemand verstand, der aber trotzdem die Menge begeisterte.51 In Köln lauschten
47
Ebd., S. 90. Constable, Language, S. 133. d’Avray, Preaching, S. 92; zur Gebrauchsfunktion von Predigten in dominikanischen Nonnenkonventen vgl. Regina Schiewer, Sermons for Nuns of the Dominican Observance Movement. In: Medieval Monastic Preaching, ed. Carolyn Muessig, Leiden/Boston/Köln, 1998, S. 75–92. 49 d’Avray, Preaching, S. 93. 50 Jean Leclercq, Der heilige Bernhard und Deutschland. In: Bernhard von Clairvaux und der Beginn der Moderne, hrsg. von Dieter R. Bauer und Gotthard Fuchs, Innsbruck/ Wien 1996, S. 316–328; S. 320. Peter Dinzelbacher, Bernhard von Clairvaux. Leben und Werk des berühmten Zisterziensers, Darmstadt 1998, S. 294. 51 Leclercq, Bernhard, S. 320. 48
4.1. Definition
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die Zuhörer aufmerksam dem lateinischen Vortrag Bernhards – und verließen den Platz mit Beginn der Übersetzung ins Deutsche.52 Von vielen franziskanischen Predigern weiß man, daß sie sich der Hilfe von Dolmetschern bedienten, meist Angehörigen des jeweiligen Franziskanerkonvents, die eine simultane Übersetzung garantierten.53 Dies trifft auch auf Berthold von Regensburg zu: Es ist bekannt, daß er zumindest bei seinen Predigtreisen nach Böhmen, wahrscheinlich auch in Mähren und Ungarn, einen solchen interpres an seiner Seite hatte.54 Leider überliefern die Quellen nicht, in welcher Weise dieser Bruder Peter Odranec55 seiner Übersetzungstätigkeit nachgekommen ist. Man kann also nur darüber mutmaßen, wie die Zusammenarbeit während des Predigtvortrags funktioniert hat. Vermutlich ist Berthold trotz seiner weiten und lange andauernden Predigtreisen dennoch kein so fleißiger Arbeitgeber von Dolmetschern gewesen wie Johannes von Capistrano bei seiner Predigtreise durch Deutschland. Während der Jahre von 1451–1453 nutzte Capistrano die Dienste von nicht weniger als 44 Dolmetschern.56 Diese übersetzten die Worte des Predigers, der Latein oder Italienisch sprach, simultan oder im Anschluß an die Predigt ins Deutsche. Zusätzlich nutzten sie Gesten und Ausrufe, um den religiösen Inhalt der Predigt hervorzuheben.57 Die Magdeburger Schöffenchronik berichtet vom Wirken Johannes’ von Capistrano in der Stadt im Jahre 1452.58 Vor der auf dem Marktplatz versammelten Einwohnerschaft der Stadt und in Anwesenheit des Magdeburger Erzbischofs, des Adels und der Doktoren soll der Franziskaner drei Stunden lang in scharfen Worten über die Einhaltung der zehn Gebote und die Heiligung der Feiertage gepredigt haben. Anschließend sei die Predigt noch einmal zwei Stunden lang von einem Doktor des Franziskanerklosters in deutscher Sprache vorgetragen worden, damit die Ermahnungen des Predigers bei den Anwesenden auch die erwünschte Wirkung erzielen konnten.59 Generell dürfte es so gewesen sein, daß die Predigt vor einer sehr großen Menschenmenge, insbesondere im Freien, unter der Beteiligung von mehreren „Simultanpredigern“ ablief.60 Möglicher52
Kienzle, Sermons and Performance, S. 110. Roest, History, S. 313. 54 Bertholdus praedicavit in Bohemia, ubi habuit interpretem fratrem Petrum, cognomento Oderincium. (Analecta Franc. II, S. 83). Vgl. Kap. 2.1. 55 Zur böhmischen Namensform vgl. Kap. 2.1., Anm. 26 56 Roest, History, S. 313. 57 Augustin Neumann, Ein mährischer Dolmetsch des hl. Kapistran, Franziskanische Studien 6 (1919), S. 175–176. 58 Die Chroniken der niedersächsischen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert, 7 Bde., Magdeburg, Bd. 1, hrsg. von Carl Hegel und Kurt Janicke, Leipzig 1869, S. 391–392. 59 Ebd. Vgl. Gudrun Wittek, Franziskanische Friedensvorstellungen und Stadtfrieden. In: Bettelorden und Stadt. Bettelorden und städtisches Leben im Mittelalter und in der Neuzeit, Werl 1992, S. 153–178; S. 153 f. 60 Roest, History, S. 313: „Preaching to large crowds by visiting preachers very much was a matter of teamwork.“ 53
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4. Predigt im Mittelalter
weise hat auch Berthold sich der Hilfe mehrerer Ordensbrüder oder anderer Kleriker bedient, auch wenn die Quellen nichts von einer ganzen Gruppe solcher Helfer berichten. Ein Beispiel für „zeitversetztes Simultanpredigen“ bietet der Bericht über eine Predigt Raimund Peraudis’ (1435–1505) in Lübeck im Jahre 1503, bei der ein Dolmetscher simultan übersetzte. Diese Predigt wurde dann in der Stadt von Mönchen und Nonnen in der Übersetzung des Dolmetschers Wort für Wort wiederholt, damit auf diese Weise auch in weiter Entfernung jeder die Predigt anhören konnte.61 Diese Dolmetscher dürften in besonderem Maße auf die unterstützende Wirkung von Gesten gesetzt haben. Doch auch für den Prediger selbst waren die Ausdrucksmöglichkeiten der Körpersprache unentbehrliches Hilfsmittel, um den Eindruck der Predigt beim Publikum zu steigern. So konnte er Exempel, Legenden oder Wortspiele als rhetorische Elemente in seinen Vortrag einbauen, um Spannung zu erzeugen oder die Bedeutung seiner Worte hervorzuheben. Mit demselben Ziel konnte er sich auch einer den Zuhörern nicht geläufigen Sprache bedienen, um sein exklusives Wissen und die besondere göttliche Gnade seines Predigtauftrages zu demonstrieren. Das Lateinische als Sprache der Heiligen Schrift und der Liturgie war dazu hervorragend geeignet. Der gefälligere Klang des Lateinischen (lenitas bzw. sonoritas) wird schon von Lupus von Ferrières (ca. 805–862) der Roheit des Deutschend kontrastierend gegenübergestellt.62 Petrus von Blois lobte im 12. Jahrhundert die dicendi celebritas und volubilitas des Lateinischen, das ähnlich wie ein Lied positive Emotionen hervorrufen könne, besonders dann, wenn die Zuhörer nicht in der Lage seien, die Bedeutung der Worte zu verstehen.63 Insofern war bereits der Klang des verkündeten Wortes wichtig, um die Zuhörer gezielt in ihrer Wahrnehmung zu beeinflussen, mitentscheidend für den Predigterfolg blieb jedoch vor allem der „Bühnenauftritt“ des Predigers.64 Der angemessene Einsatz von Mitteln nonverbaler Kommunikation, wie Gestik und Mimik, bildete einen wichtigen Bestandteil eines gelungenen Predigtvortrags. Anleitungen, wie und bei welcher Gelegenheit ein Prediger die Körpersprache zur Verdeutlichung eines Sachverhaltes oder als mnemotechnischen Kniff einsetzen sollte, lieferten vom 13. Jahrhundert an die systematisch angelegten artes praedicandi; aber auch schon die Prediger der Spätantike und des frühen Mittelalters fügten Hinweise auf das geeignete Verhalten während der Predigt in ihre Abhandlungen oder Musterpredigtsammlungen ein.65 Um den dramatischen Effekt des sichtbaren Mitleidens des Predigers wußte man schon 61
Kienzle, Sermons and Performance, S. 110. Lupus von Ferrières, Vita S. Wigberti, praefatio, PL 119, Sp. 681 B; Constable, Language, S. 151. 63 Petrus von Blois, Sermo 65, PL 207, Sp. 750 D – 751 A; vgl. Constable, Language, S. 151 f. 64 Vgl. Kienzle, Sermons and Performance, S. 104. 65 Ebd., S. 95 ff. 62
4.1. Definition
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im 10. und 11. Jahrhundert. Von den Bischöfen Ulrich von Augsburg (890– 973), Wolfgang von Regensburg (924–994) und Anno von Köln (1010–1075) ist überliefert, daß sie während ihrer Predigten Tränen vergossen.66 Sie nahmen damit die Ausführungen Philipps des Kanzlers (1160/85–1236) vorweg, der als Prediger hohes Ansehen genoß und von dem etwa 400 lateinische und französische Predigten bezeugt sind.67 Philipp äußerte sich zur geistlichen Redekunst: „Zur inneren Ergriffenheit und Reue werden die Zuhörer geführt, wenn der Prediger in Tränen ausbricht. Daher werden die Prediger mit gutem Grund durch die Wolken versinnbildet: Is 60,8 „Wer sind die, die wie Wolken daherfl iegen?“ [. . .] Von den Wolken gehen ja zwei Naturerscheinungen aus: Donner und Regen. Der Donner geht vom Prediger aus, wenn er durch Scheltworte schreckt, und Regen, wenn er in Tränen ausbricht, wenn er also die Sünder, die er aufgeschreckt hat, durch die gewinnende Milde seines Mitleidens wieder besänftigt.“68
Honorius Augustodunensis († ca. 1137) vertrat im Grunde eine ähnliche Auffassung, warnte jedoch gleichzeitig vor Übertreibung beim ungehemmten Einsatz dramatischer Effekte: „Wenn du aber predigst, dann sollst du nicht mit ausgestreckter Hand deine Worte gleichsam dem Volk an den Kopf werfen. Du sollst auch nicht (. . .) den Kopf wie ein Verrückter hin und her bewegen, noch Grimassen schneiden; vielmehr sollst du, wie es die Rhetorik gelehrt hat, mit angemessener Gestik sprechen, die Worte sorgfältig und aus dem Alltagsbereich auswählen; Trauriges mit trauriger Stimme, Frohes mit heiterer Stimme, Hartes mit heftiger Stimme, Demütiges mit unterdrückter Stimme aussprechen. Damit die Zuhörer den Eindruck haben, sie hätten mehr die Dinge unmittelbar vor Augen, als daß sie dich reden hörten, mußt du sie ihnen mit entsprechenden Worten vorstellen.“69
Honorius brachte dem Einsatz der Körpersprache offenkundig ein gewisses Mißtrauen entgegen, weil er die Gefahr sah, daß ein unangemessener Einsatz seinem Ziel eher schaden als nutzen konnte. Er verließ sich lieber auf die Modulation der Stimme, um eine Predigt für die Zuhörer interessanter zu gestalten, auch wenn er gerne auf Geschichten von bekannten Helden der heidni66 Hilarion Petzold, Die altdeutsche Predigt als geschriebenes und gesprochenes Wort, Theologie und Philosophie 44 (1969), S. 223. 67 Zu Philipp dem Kanzler vgl. Kap. 2, S. 34. 68 Aus einer Predigt auf den 6. Sonntag nach Pfi ngsten „Misereor super turbam“. In Übersetzung abgedruckt bei Schneyer, Die Bibel als wichtigstes Material- und Formprinzip der Predigt des Hoch- und Spätmittelalters, Codices manuscripti 4 (1978), S. 5–9; S. 7 f. 69 Cum autem sermonem facis, non debes protenta manu quasi verba in faciem populi jaculare, [. . .] nec caput ut insanus movere, vel os in diversa contorquere; sed, ut rhetorica instruit, decenti gestu pronunciare, verba composite et humiliter formare, tristia tristi voce, laeta hylari, dura acri, humilia suppressa proferre. Ut magis auditoribus videatur ipsas res spectare quam te audire, verbis eas debes repraesentare. (Honorius Augustodunensis, Speculum ecclesiae, PL 172, Sp. 861–862). Übersetzung nach Hans-Henning Kortüm, Menschen und Mentalitäten. Einführung in Vorstellungswelten des Mittelalters, Berlin 1996, S. 337.
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4. Predigt im Mittelalter
schen Antike zurückgriff, um sie allegorisch auszudeuten und so Langeweile zu vermeiden.70 Dies gilt z. B. für die Geschichte von Odysseus, der, an den Mastbaum seines Schiffes gefesselt, den verführerischen Gesängen der Sirenen zu widerstehen sucht.71 Die Kunst der dramatischen Inszenierung von Predigten kultivierten besonders Franziskaner und Dominikaner im Spätmittelalter. Schon von Franziskus ist bezeugt, daß er mit ganzem Körpereinsatz zu sprechen pflegte (de toto corpore fecerat linguam).72 Johannes von Capistrano soll bei einer Predigt in Halle 1452, die er vermutlich wie diejenige in Magdeburg auf Latein (oder Italienisch) hielt, nach Angaben eines Zuhörers buchstäblich mit Händen und Füßen gepredigt haben,73 was nicht weiter verwunderlich ist, da er wußte, daß das deutschsprachige Publikum ihn nicht würde verstehen können. Robert von Lecce (1425– 1495) schaffte es, bei einer Predigt mehr als zwanzig Minuten mit ausgebreiteten Armen vor seinem Publikum zu stehen, um eine überzeugende Darstellung der Kreuzigungsszene Christi zu liefern.74 Der Dominikaner Vinzent Ferrer (1350–1419) zelebrierte seine Predigten unter Auf bietung seines gesamten Repertoires an schauspielerischen Fähigkeiten. Die reportationes seiner Predigten enthalten u. a. Skizzen, die die vom Prediger während des Vortrags ausgeführten Gesten festzuhalten suchen.75 Die Auswüchse theatralischer Predigtinszenierungen spätmittelalterlicher französischer Prediger führten schließlich dazu, daß auf dem Konzil von Nantes 1431 verfügt wurde, man möge in Zukunft schreckliches Geschrei, übertriebene Verrenkungen und übermäßiges Gestikulieren unterlassen.76 Das im wahrsten Sinne des Wortes theatralische Gehabe mancher minoritischer Prediger forderte schnell scharfe Kritik heraus. Wilhelm von Saint-Amour (gest. 1272) warf ihnen vor, daß sie sich mit ihrer Bettelei, ihrer Scheinheiligkeit, ihrer Gier und ihrer dauernden Anwesenheit an den Höfen und bei den Festlichkeiten der Fürsten nicht von den Spielleuten unterschieden.77
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Kortüm, Menschen, S. 336 f. Honorius, Speculum eccl., PL 172, Sp. 855. Vgl. Kortüm, Menschen, S. 336. 72 Thomas von Celano, Vita I S. Francisci, pars 2, cap. 4, num. 97, p. 74. Kienzle, Sermons and Performance, S. 108. 73 John R. H. Moorman, History of the Franciscan Order from Its Origins to the Year 1517, Oxford 1968, S. 471. Kienzle, Sermons and Performance, S. 108. 74 Vgl. Kienzle, Sermons and Performance, S. 108. 75 Ebd., S. 108 f. 76 Ebd. S. 109. 77 Carla Casagrande / Silvana Vecchio, Clercs et jongleurs dans la société médiévale. XIIe et XIIIe siècles, Annales 34 (1979), S. 913–928; S. 920. 71
4.2. Entwicklungslinien der franziskanischen Predigt im 13. Jahrhundert
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4.2. Entwicklungslinien der franziskanischen Predigt im 13. Jahrhundert Die inneren und äußeren Bedrohungen der Kirche im 13. Jahrhundert erforderten eine Neuausrichtung der Seelsorge. Die Bedeutung der Predigt als dem zentralen Medium der religiösen Unterweisung wurde von Papst Innozenz III. auf dem Vierten Laterankonzil (1215) unterstrichen, als er den Boden für die Etablierung professioneller Prediger bereitete, die ihre Aufgaben außerhalb des bestehenden Diözesanklerus erfüllen sollten.78 So entwickelten sich die neuen Bettelorden mit päpstlicher Protektion zu einer neuen, zentral organisierten pastoralen „Elitetruppe“ der Kirche.79 Innerhalb der ersten Jahrzehnte nach der Ordensgründung erfuhr die Predigtorganisation der Franziskaner eine grundlegende konzeptionelle Neuausrichtung.80 Im Jahre 1209 hatte die Gemeinschaft des Franziskus von Innozenz III. zunächst die Erlaubnis erhalten, sich in der Bußpredigt in der Form der einfachen Laienexhorte zu engagieren.81 Die exhortatio, ursprünglich verstanden als das allen Christen zugedachte geistliche Wort, bezeichnete dabei einen neuen Stil, der sich im Vergleich zur traditionellen Klerikerpredigt durch eine einfache, spontane und lebensnahe Art der Verkündigung auszeichnete.82 Seitdem die exhortatio gegen Ende des 12. Jahrhunderts verstärkt von organisierten Laiengruppen ausgeübt wurde, war sie faktisch eine Aktivität von öffentlichem Gewicht, die als solche der kirchlichen Aufsichtspfl icht unterlag und daher einer bischöfl ichen Erlaubnis bedurfte.83 Demnach hatte Innozenz III. 1210, als Franziskus die päpstliche Autorisation zur Predigt erhielt, lediglich die bis dahin bereits geübte Praxis der ersten Franziskanerbrüder sanktioniert.84 Es dauerte noch rund zehn Jahre, bis innerhalb des Ordens der schrittweise Übergang von der ursprünglichen exhortatio zur praedicatio, der offi ziellen Lehrpredigt, vollzogen wurde.85 Um eine wirksame Überwachung des Kreises um Franziskus 78 Zu den Bestimmungen des IV. Laterankonzils hinsichtlich des Predigtwesens vgl. Michael Menzel, Predigt und Predigtorganisation im Mittelalter, Historisches Jahrbuch 111,2 (1991), S. 337–384; S. 350 f. 79 Roest, History, S. 273: „The new mendicant orders could thereby, with full papal support, develop into the new, centrally organised, pastoral elite forces of the Church.“ 80 Ein komprimierter Überblick über die Entwicklung der franziskanischen Predigtorganisation bei Bert Roest, Franciscan Literature of Religious Instruction before the Council of Trent, Leiden / Boston 2004, S. 1–6. 81 Leonhard Lehmann, Franziskaner (Konventualen, Kapuziner) und Klarissen. In: Kulturgeschichte der christlichen Orden in Einzeldarstellungen, hrsg. von Peter Dinzelbacher und James L. Hogg, Stuttgart 1997, S. 143–192; S. 144. Zur Frage der Autorisierung zur Predigt durch Innozenz III. vgl. Rolf Zerfaß, Der Streit um die Laienpredigt, Freiburg i.Br. 1974, S. 230–244; Hilarin Felder O. Cap., Geschichte der wissenschaftlichen Studien im Franziskanerorden, Freiburg i.Br. 1904, S. 33 ff. 82 Zerfaß, Laienpredigt, S. 240. 83 Ebd., S. 240 f. 84 Ebd., S. 241. 85 Ebd., S. 241 f. und 284 f.; Franz Richardt OFM, Die Predigt in der Frühzeit der franziskanischen Bewegung, WiWei 64/2 (2001), S. 179–213; S. 191 f.
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4. Predigt im Mittelalter
durch den örtlichen Episkopat zu gewährleisten und es dennoch zu ermöglichen, daß die Brüder sich in Freiheit dem Dienst am Wort widmen konnten, schien es Innozenz III. ratsam, eine Klerikalisierung der Gemeinschaft voranzutreiben.86 Franziskus selbst hatte gleichermaßen Kleriker und Laien in den Orden aufgenommen, weil er sich seine Bewegung möglicherweise nie als einen reinen Laienverband gedacht hatte.87 In jedem Fall traten zwischen 1210 und 1226 viele erfahrene Kleriker in den Orden ein.88 Zusätzlich setzte in der Folgezeit der Expansionsdrang der franziskanischen Gemeinschaft verstärkt ein. 1219 eröffnete sich den Franziskanern der Weg in die Diözesen: In seiner Bulle Cum dilecti filii bat Papst Honorius III. die Kardinäle, Bischöfe und Prälaten der Kirche, die mit seinem Sendschreiben ausgestatteten Minderen Brüder aufzunehmen und sie zu unterstützen.89 Im selben Jahr wurden Brüder über den gesamten Kontinent ausgesandt; 1221 ließen sich die ersten Franziskaner in Deutschland nieder.90 Mit der äußeren Expansion vollzog sich zeitgleich eine innere Transformation. In dem Maße, wie die Minoriten im Rahmen der ordentlichen kirchlichen Verkündigung verstärkt tätig waren, wurde die praedicatio im Sinne des kirchlichen Amtes zur Hauptbeschäftigung der Minderbrüder. Der Bedeutungswandel innerhalb des Predigtverständnisses der Franziskaner erhellt aus zweien der grundlegenden Quellentexte für das Selbstverständnis des Ordens, der ersten Regel von 1221 und der Regula bullata von 1223. Beide Regeln widmen der Predigt jeweils eigene Kapitel. In der Regula bullata wird die exhortatio, die jedem Laienbruder erlaubt war, der praedicatio untergeordnet.91 Diese jedoch wurde Laien 1228/34 grundsätzlich verwehrt,92 so daß die Laienbrüder des Ordens sich von dieser Art der Predigttätigkeit nach und nach zurückziehen mußten. Die Predigt erscheint von nun an als ein besonderes Amt, das gleichberechtigt neben anderen Ordensämtern stand und eigens dafür ausgebildeten Brüdern oblag, die von den Ordensoberen ausgewählt wurden und sich strengen Eignungsprüfungen zu unterziehen hatten.93 Trotz dieser Tendenz zur Ausbildung einer eigenen Predigerelite galt jedoch auch weiterhin der Grundsatz, daß prinzipiell alle Brüder 86
Zerfaß, Laienpredigt, S. 242 f.; Felder, Studien, S. 40. Zerfaß, Laienpredigt, S. 243. 88 Roest, History, S. 273. 89 Zerfaß, Laienpredigt, S. 283; Richardt, Predigt, S. 192 f. 90 Zur Expansion des franziskanischen Ordens in Deutschland im 13. Jahrhundert vgl. umfassend John B. Freed, The Friars and German Society in the Thirteenth Century, Cambridge Mass. 1977 und Adolf Koch, Die frühesten Niederlassungen der Minoriten im Rheingebiete und ihre Wirkungen auf das kirchliche und politische Leben, Leipzig 1881. 91 Zerfaß, Laienpredigt, S. 285 f.; Roest, History, S. 274. 92 Zum Verbot der Laienpredigt durch Gregor IX. vgl. Zerfaß, Laienpredigt, S. 254– 273. 93 Ebd., S. 289. Zu den Vorbereitungen auf das Predigtamt vgl. auch Felder, Studien, S. 348–357. 87
4.2. Entwicklungslinien der franziskanischen Predigt im 13. Jahrhundert
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die Verpfl ichtung hatten, allgemein zur Buße aufzurufen und die Botschaft des Evangeliums zu vermitteln. Die den Franziskanern zugewachsene Funktion als päpstlich approbierte Seelsorger und Prediger, deren Hauptaufgabe in der Bekämpfung der häretischen Bedrohung bestand, erforderte eine Professionalisierung der Predigtausbildung, denn die hierzu erforderliche offi zielle Lehrpredigt wurde vom Papst oder den Bischöfen delegiert, und sie setzte eine fundiertere theologische Bildung voraus.94 Der charismatische Predigtstil nach dem Vorbild des Ordensgründers war dazu allein nicht ausreichend, an die Stelle des franziskanischen Predigers, der aus eigenem Antrieb und allein aufgrund seiner persönlichen Kompetenz als Christ seine Mitmenschen zu Buße aufrief, trat der gebildete Kleriker. In den Werken franziskanischer Chronisten, die in z. T. überschwenglichem Ton die Verdienste verschiedener Predigerpersönlichkeiten hervorheben, kommt deutlich die immens gestiegene Bedeutung der Predigt zum Ausdruck. Allein in der Chronik des Salimbene von Parma werden 28 Prediger erwähnt und beschrieben.95 Über Ugo Pocapaglia da Reggio schreibt Salimbene (1221–1289): Hugo Paucapalea [. . .] fuit magister in gramatica in seculo et magnus truphator et magnus prolocutor et in Ordine fratrum Minorum sollemnis et optimus predicator [. . .] Hic erat totus plenus proverbiis, fabulis et exemplis, et optime sonabant in ore suo, quia hec omnia reducebat ad mores, et habebat linguam disertam et gratiosam et libenter audiebatur a populo.96
Dies deutet an, daß es dem Orden gelungen war, in kurzer Zeit ein erfolgreiches Ausbildungssystem zu etablieren, das seine Absolventen in hervorragender Weise für ihr Amt als Prediger qualifi zierte. Dieses System ruhte auf zwei Säulen: den Universitäten (vor allem Paris) und den Studienhäusern, die in schneller Folge in den verschiedenen Ordensprovinzen eingerichtet wurden. Petrus Cantor († 1197) hatte in seinem Verbum Abbreviatum bereits am Ende des 12. Jahrhunderts ausgeführt, daß das Studium der Theologie von der lectio über die disputatio zur praedicatio führen müsse, wobei er voraussetzte, daß theologische Studien in Paris eine grundlegende Voraussetzung für eine erfolgreiche Predigttätigkeit bildeten.97 Diese Idee scheint einen starken Einfluß auf die Franziskaner ausgeübt zu haben, die seit etwa 1220 verstärkt die Universität von Paris besuchten bzw. eigene Generalstudien in Paris und Oxford (1229) gründeten.98 Das Ziel war dabei, akademische Bildung mit der vorbildlichen apostolischen Lebensweise eines franziskanischen Predigers in fruchtbarer Weise 94
Richardt, Predigt, S. 191 f. Roest, History, S. 276. 96 Salimbene de Adam, Cronica, ed. Giuseppe Scalia, CC CM 125, Turnhout 1998, S. 252. 97 Petrus Cantor, Verbum abbreviatum, PL 205, Sp. 23–554; Sp. 25 A-B. Roest, History, S. 277. Vgl. auch Felder, Studien, S. 350. 98 Roest, History, S. 277. 95
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4. Predigt im Mittelalter
zu verbinden – schon 1198 hatte Alanus ab Insulis in seiner Summa de arte praedicatoria diese Kombination als Qualifi kation des idealen Predigers gefordert.99 Die Zweifel unter den ersten Franziskanern, daß die überaus raffi nierten scholastischen Disputationsmethoden, wie sie an der Universität von Paris gelehrt wurden, zum Erreichen des Predigterfolges nicht geeignet seien, überwogen zunächst.100 Dafür sprechen unter anderem Art und Umfang der mündlichen Prüfungen in den Generalkapiteln in diesem Zeitraum, deren Schwerpunkt vor allem auf dem moralischen und dogmatischen Wissen lag.101 Erfolgreiches Predigen sollte nicht einfach auf einen Katalog scholastischer Techniken reduziert werden und ebensowenig lediglich auf akademischem Wissen basieren.102 Es bestand aber das Problem, daß durchaus nicht jeder Kandidat für das Predigtamt eine ausreichende individuelle Begabung besaß. Diese Brüder mußten sich zuverlässig auf erlernbare und gelernte technische Fähigkeiten verlassen können. Solche Techniken wurden in den Studienhäusern der Franziskaner von Lektoren vermittelt, die selbst erfahrene Prediger waren.103 Der erste und berühmteste dieser Lektoren war Antonius von Padua, der noch von Franziskus selbst in den Konvent von Bologna berufen worden war, um die dortigen Brüder zu unterweisen.104 Aber erst unter der Führung des Generalministers Haymo von Faversham (1180–1244) erhielt nach 1239 die systematische Einübung homiletischer Techniken für die Lehrpredigt Auftrieb.105 Die Lektoren wurden nun an den höheren Ausbildungsstätten wie vor allem dem Generalstudium in Paris ausgebildet. Dort jedoch kamen die zukünftigen Lektoren unweigerlich mit der gelehrten scholastischen Predigt der Pariser Magister, dem höchsten stilistischen Ansprüchen genügenden sermo modernus, intensiv in Kontakt.106 Der bis ins letzte Viertel des 12. Jahrhunderts vorherrschende Predigttypus war die Homilie (sermo laicalis sive popularis et pulcher modus praedicandi107), in der die jeweils in der Messe gelesene Perikope vom Prediger abschnittsweise und 99 Cap. 38, PL 210, Sp. 182 f. Vgl. auch Jörg Oberste, Predigt und Gesellschaft um 1200. Praktische Moraltheologie und pastorale Neuorientierung im Umfeld der Pariser Universität am Vorabend der Mendikanten. In: Gert Melville / Jörg Oberste, Die Bettelorden im Auf bau. Beiträge zu Institutionalisierungsprozessen im mittelalterlichen Religiosentum, Münster 1999, S. 245–294; S. 261 f. 100 Roest, History, S. 278. 101 Vgl. Felder, Studien, S. 351 f. 102 Roest, History, S. 278 f. 103 Ebd., S. 279 u. 283 f. Zum Studiensystem der Franziskaner allgemein vgl. die grundlegende Untersuchung von Hilarin Felder, vgl. Anm. 81. 104 Zu Antonius vgl. Kap. 4.3.2. 105 Roest, History, S. 280. 106 Ebd. 107 Anscar Zawart, The History of Franciscan Preaching and of Franciscan Preachers (1209–1927). A bio-bibliographical Study, New York 1928, S. 244.
4.2. Entwicklungslinien der franziskanischen Predigt im 13. Jahrhundert
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im Hinblick auf die praktische Anwendung für eine christliche Lebensführung ausgelegt wurde. Die nach der Methode der Schriftexegese konzipierte Homilie richtete sich fast ausnahmslos an Kleriker. Daneben existierten sogenannte Themenpredigten (sermo casualis),108 die bei wichtigen Anlässen, etwa Heiligenoder Kirchweihfesten, gehalten wurden.109 Eine genaue terminologische Abgrenzung der beiden Begriffe homilia und sermo gestaltet sich schwierig, da sie von mittelalterlichen Autoren bisweilen synonym gebraucht werden oder aber auch andere literarische Formen wie z. B. Traktate bezeichnen können.110 Die Unterschiede defi niert Thomas N. Hall folgendermaßen: „The most important such distinction in use today holds that a sermon is fundamentally a catechetical or admonitory discourse built upon a theme or topic not necessarily grounded in Scripture, whereas a homily is a systematic exposition of a pericope (a liturgically designated passage of Scripture, usually from a Gospel or Epistle) that proceeds according to a pattern of lectio continua, commenting on a given passage verse by verse or phrase by phrase.“111
Im 11. und 12. Jahrhundert taten sich vor allem Bischöfe und Magister als Prediger hervor.112 In Frankreich setzte sich im 12. Jahrhundert die thematische Predigt gegen die Homilie durch, die Heinrich von Langenstein (1340–1397) später als modus antiquissimus113 bezeichnete. Die die Homilie beherrschende Perikope wurde allmählich auf das der Predigt vorangestellte Thema zurückgedrängt, welches im weiteren Verlauf aufgegliedert und erläutert wird.114 Die Auseinandersetzung mit den großen häretischen Bedrohungen des 12. Jahrhunderts, deren Vertreter als arme, wandernde Volksprediger in der Bevölkerung breite Unterstützung fanden, bewirkte um 1200 eine Neubewertung der Universitätspredigt hinsichtlich der Auswahl ihrer vorrangigen Themen und der Öffnung für ein Laienpublikum. Getragen von der pastoralen Moraltheologie der Pariser Fakultät, deren wichtigste Vertreter Alanus ab Insulis und Petrus Cantor waren, entwickelte sich als neue Predigtform der sermo modernus, der nach allen Regeln der scholastischen Kunst ein biblisches Thema ausbreitete.115 In ihrer höchsten Vollendungsform bestach diese scholastische Predigt durch 108
Ebd. Schneyer, Geschichte, S. 48. Zur Homilie vgl. auch Jacqueline Hamesse / Xavier Hermand (Ed.), De l’homélie au sermon. Histoire de la prédication médiévale, Louvain-laNeuve 1993. 110 Carolyn Muessig, Sermon, Preacher and Society in the Middle Ages, Journal of Medieval History 28 (2002), S. 73–91; S. 76. Vgl. auch Zawart, History, S. 243, der den Begriff sermo sowohl mit der scholastischen Universitätspredigt als auch allgemein mit der thematischen Predigt gleichsetzt. 111 Thomas N. Hall, The Early Medieval Sermon. In: The Sermon, ed. Beverly M. Kienzle, Turnhout 2000, S. 203–269; S. 204. 112 Schneyer, Geschichte, S. 109 f. 113 Zawart, History, S. 244. 114 Ebd., S. 128. 115 Oberste, Predigt und Gesellschaft, S. 253 und 255. 109
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ihren kunstvollen Auf bau, der Schriftkenntnis und Schrifterläuterung mittels der scholastischen Disputationsmethode des Defi nierens, Argumentierens und Exemplifi zierens demonstrierte. Die Art dieser Predigtkomposition war dabei keinesfalls willkürlich, sie wurde in den artes praedicandi festgelegt.116 Als Thema mußte ein Schriftvers aus den betreffenden Sonntags- oder Festtagsperikopen gewählt werden, dem sich das Prothema anschloß, welches Sinn und Zweck der Predigt ausführen sollte. Danach erfolgte die Disposition der meist allegorischen Auslegung des Predigtthemas. Den Hauptteil der Predigt füllte die Ausführung des Themas mit der Darlegung, mit Einwänden und Widerlegungen, Urteilen und Sentenzen bekannter Autoren, patristischen Zeugnissen, Exempeln und Legenden. Der Schlußteil faßte dann noch einmal einprägsam den Hauptgedanken zusammen und enthielt die abschließende Ermahnung. Diese strenge Schulmethode der Predigtkomposition fand zunehmend Eingang in die Lehrpraxis der franziskanischen Studienhäuser. Etwa ab 1240 begann die Verbreitung eigener franziskanischer artes praedicandi.117 Eine solche – streng der scholastischen Tradition verpfl ichtete – ars verfaßte z. B. Johannes von Rupella, 1238 Magister der Universität von Paris.118 Seine Abhandlung Processus negociandi themata sermonum, in nur vier Handschriften überliefert, sollte sieben Wege aufzeigen, wie ein Thema für eine Predigt auf besonders kunstvolle Weise ausgearbeitet werden kann.119 Sie mochte zwar hilfreich sein, ein ästhetisch anspruchsvolles Kunstprodukt herzustellen, entsprach aber in keiner Weise den Anforderungen der täglichen Predigtpraxis für den „preacher in the field“.120 Die Predigt vor dem einfachen Volk, vor Laienkonventen und auch dem eigenen Ordenskapitel erforderte die Beherrschung ganz unterschiedlicher Stilhöhen, die dem jeweiligen Niveau der Zuhörer angepaßt werden mußten. Der starke Einfluß der an der Universität gelehrten scholastischen Methode auf die franziskanische Predigt bewirkte aber, daß gerade eine solche Fähigkeit, auch den einfachen Leuten die Glaubenswahrheiten in verständlicher Weise zu vermitteln, insbesondere von den Pariser Magistern vernachlässigt wurde.121 Das ursprüngliche Ziel, die populäre Volkspredigt im Niveau zu heben, indem man sie im Hinblick auf Inhalt und Struktur an der Universitätspredigt ausrichtete, schien in Vergessenheit geraten. Roger Bacon (ca. 1219–1292) kritisierte den erstarrten sermo modernus mit seinem ungehemmten Einsatz von Wortkonkordanzen, in denen er nichts als unnütze geschwätzige Prahlerei (vanitas verbosa) erblicken konnte.122 Sowohl Roger als auch am Ende des 13. Jahrhunderts 116
Schneyer, Geschichte, S. 131. Roest, History, S. 281. 118 Felder, Studien, S. 213. 119 Servus Gieben of St. Anthonis, Preaching in the Franciscan Order. In: Monks, Nuns and Friars, ed. E. B. King, J. T. Schaefer and W. B. Wadley, Sewanee 1989, S. 1–27; S. 16. 120 Ebd. 121 Felder, Studien, S. 354 ff. 122 Vgl. Kap. 2.1. Anm. 134. 117
4.2. Entwicklungslinien der franziskanischen Predigt im 13. Jahrhundert
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sein Ordensbruder Ubertino da Casale (1259–1328) attackierten den Typus des akademisch gebildeten Predigers, der unfähig sei, seine Botschaft einem nicht akademisch gebildeten Publikum zu vermitteln, und der sich deshalb hinter rhetorischen Spitzfi ndigkeiten oder anderen technischen Fertigkeiten verstecke, um von seinem grundlegenden Mangel an biblischem Wissen abzulenken.123 Die Beherrschung der Feinheiten scholastischen Disputierens bot keine Gewähr, für die Anforderungen gerüstet zu sein, wie sie sich im Zuge der pastoralen Reform seit 1215 stellten, nämlich dem einfachen Volk die christlichen Glaubenswahrheiten über das Medium der Predigt nachdrücklich zu vermitteln. So bezeichnete Salimbene von Parma z. B. den berühmten Pariser Theologen Wilhelm von Auxerre († 1230) als großen Logiker und Theologen, der sich zwar ausgezeichnet auf die gelehrte Disputation verstehe, dem aber die rechten Worte fehlten, sobald er er zu predigen begann: Hic magister Guillielmus [. . .] magnam gratiam habuit disputandi. Nam quando disputabat Parisius, nullus disputabat melius eo. Fuit enim magnus logycus et magnus theologus; quando vero intromittebat se de predicatione, nesciebat quid diceret. [. . .] Igitur magister Guillelmus Altisiodorensis habuit gratiam disputandi, non autem populo predicandi.124
Predigthandbücher, die lediglich dem Konzipieren von stilistischen Predigtkunstwerken dienten und für einen elitären intellektuellen Kreis von Gebildeten geschaffen waren, brachten für den Predigterfolg „an der Basis“ wenig. Doch offensichtlich etablierte sich mit der Zeit in den Studienhäusern der Franziskaner ein effektiveres System der Predigtausbildung, das der ursprünglichen Absicht, akademische Bildung in fruchtbarer Weise mit der eigenen apostolischen Lebensweise zu verbinden, tatsächlich Rechnung trug. Neben den artes praedicandi, die einer höchsten ästhetischen Ansprüchen genügenden Kunstpredigt verpfl ichtet waren, kamen in den Studienhäusern zunehmend Predigthandbücher in Gebrauch, die eine übersichtliche Zusammenstellung geeigneter Predigtthemen sowie Anleitungen zum angemessenen Einsatz jeweils passender Väterzitate und Exempla, Wortspiele und Naturvergleiche boten. Ein Beispiel für diesen Typus des kurzgefaßten, an der Predigtpraxis orientierten Handbuchs ist ein anonym überliefertes kleines Werk aus dem 13. Jahrhundert, welches nach den Eingangsworten Ad habendum materiam in praedicationibus betitelt ist.125 Es umfaßt lediglich ein einzelnes, von beiden Seiten beschriebenes Blatt und ist in elf Abschriften in Bibliotheken ganz Europas er-
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Roest, History, S. 282 f.: „Their objections were aimed at the overkill of distinctions by academic preachers, who [. . .] did not know how to adapt their message to a non-academic audience [. . .]“. 124 Salimbene, Chronik, S. 322–324.; vgl. Roest, History, S. 277. 125 Abgedruckt bei Servus Gieben of St. Anthonis, Preaching in the Thirteenth Century. A Note on MS Gonville and Caius 439, Collectanea Franciscana 32 (1962), S. 310–324; S. 313–324.
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halten.126 Daraus läßt sich ableiten, daß es wohl eine recht weite Verbreitung bereits während des Mittelalters erfahren hat. Der unbekannte Autor führt dort zehn Wege auf, mittels derer ein Prediger sein Predigtthema erfolgreich entwickeln kann, beispielsweise durch die Nennung der exakten Bedeutung der Begriffe, die im Thema vorkommen, durch das Fortfahren mit Stufen des Vergleichs, durch das Aufzeigen der Eigenheiten der Dinge, von denen die Rede ist, durch die Erläuterung von Ursachen und Auswirkungen, durch die Erläuterung des historischen, allegorischen, anagogischen und moralischen Sinnes.127 Die Abhandlung schließt mit folgender Bemerkung: „Wenn du diese zehn Wege im Gedächtnis behältst und sie oft gebrauchst, wirst du merken, daß es keine Themen gibt oder nur einige wenige, die nicht mit Hilfe von zweien oder dreien oder noch mehreren der Wege erbaulich ausgestaltet werden können. Aus diesen kann man denjenigen auswählen, der am besten geeignet ist für den Zeitpunkt, den Ort und die Menschen, vor denen man die Predigt hält.“128 Neben den Predigthandbüchern hatten die Brüder in den Konventen und Studienhäusern Zugang zu einer großen Zahl anderer Hilfsmittel. Solche adiumenta bildeten vor allem Bibelkommentare und Glossensammlungen, aber auch die „Sentenzen“ des Petrus Lombardus (ca. 1100–1160), die Historia scholastica des Petrus Comestor (1100–1187) sowie Beichtsummen und Sammlungen zum kanonischen Recht.129 Dadurch, daß diese Handreichungen immer wieder neu benutzt und verwertet wurden, entstand allmählich eine ordenseigene Produktion von systematischer Ratgeberliteratur, wie z. B. biblische Wörterbücher, Exempla-Sammlungen und Zusammenstellungen passender Zitate der Kirchenväter und klassischer Autoren. Sie wurden ergänzt durch Chroniken und Kompendien mit Heiligenlegenden ebenso durch bekannte enzyklopädische Werke, aus denen geeignete Naturbeispiele und -vergleiche geschöpft werden konnten.130 Neben den diversen artes praedicandi, die den zukünftigen Prediger dabei unterstützen sollten, sich das Wissen um die grundlegende Struktur eines sermo modernus anzueignen, sowie der ordenseigenen homiletischen Ratgeberliteratur existierte ein weiteres wichtiges Instrument, um den noch unerfahrenen Mit126
Gieben, Preaching in the Franciscan Order, S. 16. Ad habendum materiam in praedicationibus in thematibus, sciendum quod praedicatur decem modis. Primus modus est per diffinitionem vel descriptionem nominis assumpti in themate [. . .] Quintus modus est per gradus comparationis [. . .] Sextus modus est per proprietates rei appositae in themate [. . .] Septimus modus est per causas et effectus terminorum assumptorum in themate [. . .] Octavus modus est per expositionem termini quadruplicem: historicam, allegori[c]am, anagogi[c]am, moralem [. . .]. (Gieben, Preaching in the 13th century, S. 313–315). 128 Nota quod si istos decem modos in memoria tenueris et frequentaveris, pauca aut nulla invenies themata in quibus non indicant duo vel tres aut plures modorum praedictorum, de quibus accipi potest quod convenientius est tempori et loco et personis quibus fit sermo vel collatio. (Ebd., S. 316). 129 Roest, History, S. 287 f. 130 Ebd., S. 287. 127
4.2. Entwicklungslinien der franziskanischen Predigt im 13. Jahrhundert
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brüdern eine adäquate Predigtweise zu vermitteln. Das Studium von bestehenden Musterpredigtsammlungen erfahrener Ordensbrüder, die meist als Lektoren in einem der Studienhäuser der Franziskaner tätig waren, bildete das vielleicht wichtigste Hilfsmittel für eine fundierte Predigtausbildung. Seit den Zeiten des Antonius von Padua begegnen unzählige Kollektionen von franziskanischen Musterpredigtsammlungen, deren Zweck darin bestand, als normative Texte für das Studium der Homiletik zu dienen.131 Diese Sammlungen erfuhren eine ausgesprochen weite Verbreitung und enthielten die verschiedensten Predigten von ganz unterschiedlichen Autoren, durchaus auch von Angehörigen anderer Orden. Solche Manuskripte mit Texten von besonders herausragenden Predigern bezeichnet Bert Roest treffend als „Florilegien“ homiletischer „Highlights“.132 Die Bereitstellung dieser „Trainingshilfen“ ist vielleicht eines der eindrücklichsten Zeugnisse für die charakteristische Professionalisierung der Seelsorge durch die Mendikanten im 13. Jahrhundert. Der Absolvent der franziskanischen Studia wurde so in die Lage versetzt, die Grundstruktur seiner Predigt gemäß den Anforderungen des sermo modernus mit den Mitteln der distinctio und divisio zu entwickeln und darüber hinaus zutreffende Exempla und Väterzitate ebenso wie naturkundliches Wissen und bildhafte Vergleiche in der angemessenen Gewichtung zu verwenden.133 Mit anderen Worten: der zukünftige Prediger konnte das Knochengerüst der scholastischen Grundstruktur mit dem Fleisch der in der Praxis erprobten Volkspredigt umkleiden.134 Um eine anspruchsvolle Predigt zu konzipieren, konnte ein ausgebildeter franziskanischer Prediger auf eine reiche Auswahl homiletischer Hilfsmittel zurückgreifen. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, wenn Roger Bacon die Auswüchse in der Ausgestaltung des akademischen sermo modernus mit dem fruchtbaren Wirken seines Ordensbruders und Zeitgenossen Berthold von Regensburg vergleicht, der in seinen Predigten, ausgehend von einem sorgfältig ausgewählten biblischen Thema und einer klaren Gliederung des Stoffes den übermäßigen Einsatz komplizierter stilistischer Feinheiten des sermo modernus unterließ. Nach Roger war die Predigtweise Bertholds deshalb so erfolgreich, weil dieser es vermochte, die Form seiner Predigt seinem jeweiligen Publikum anzupassen, ohne dabei die Grundregeln der artes praedicandi zu vernachlässigen.135
131 Zu franziskanischen Musterpredigtsammlungen vgl. Roest, Literature, S. 6–39; Menzel, Predigt, S. 355 f. 132 Roest, History, S. 286: „These manuscripts are, in fact, florilegia of homiletic ‚highlights‘“. 133 Ebd., S. 286 f. 134 Ebd., S. 287: „In short, they (the instruments; A. C.) enabled the preacher (in spe) to give body to the structure taught in the Artes Praedicandi and Artes Concionandi.“ 135 Vgl. ebd., S. 282.
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4. Predigt im Mittelalter
4.3. Die Predigt als zentrales Medium im Kampf um den rechten Glauben 4.3.1. Predigt von Ketzern Die größte Bedrohung der mittelalterlichen Kirche durch Ketzergruppen bestand darin, daß diese den Alleinanspruch der Kirche auf das Recht zu predigen und die Bibel für die Gläubigen auszulegen negierten. Die Kirche erkannte eine erhebliche Bedrohung ihrer Machtposition darin, daß sich Menschen während des gesamten Mittelalters dazu berufen fühlten, das Wort Gottes aus eigenem Anspruch zu verkünden. Insbesondere die nicht von der Kirche autorisierte Predigt ungebildeter Laien barg die Gefahr, daß man weder Kontrolle über deren theologische Eignung besaß noch über die orthodoxe Zuverlässigkeit dessen, was sie verkündeten. Aus diesem Grund war die Kirche während des gesamten Mittelalters bestrebt, alle Möglichkeiten zur Predigt von Laien zu unterbinden. Während viele Konzilien und Synoden immer wieder die Pfl icht der Bischöfe und Priester zur Predigt betonten, wurde die Laienpredigt auf manchen Synoden grundsätzlich ausgeschlossen.136 Es scheint jedoch, daß sich das Verbot der Laienpredigt nie vollständig durchsetzen ließ, denn immer wieder gelang es einzelnen Laienpredigern, sich die Unterstützung oder zumindest Duldung durch Bischöfe und Päpste zu sichern, zumal die eindeutige Grenze zwischen der tatsächlichen Lehrpredigt und der Exhorte, dem auch Laien gestatteten Aufruf zur Buße, in der Praxis schwer zu ziehen war.137 Waldenser Im Unterschied zu den Katharern, die ihre Zuhörer von Beginn an in relativ abgeschlossenen Konventikeln versammelten und über eine differenzierte sekteninterne Hierarchie verfügten, sahen sich die Waldenser in der Frühzeit der Bewegung strikt in die Hierarchie der Kirche eingebunden, als deren Teil sie sich fühlten und innerhalb derer sie ihre Funktion erfüllen wollten.138 Erst als die Waldenser aus der Kirche herausgedrängt und ihre Predigt schließlich auf dem IV. Laterankonzil 1215 endgültig verboten wurde,139 begannen sie, vermutlich auch unter dem Einfluß der Katharer, eine eigene Hierarchie mit der Unterscheidung in Bischöfe, Presbyter und Diakone auszubilden.140
136 Johannes B. Schneyer, Die Laienpredigt im Mittelalter. Ein Überblick, MThZ 18 (1967), S. 205–218; S. 205. Vgl. Menzel, Predigt, S. 340 f. 137 Schneyer, Laienpredigt, S. 205. 138 Zerfaß, Laienpredigt, 74 f. 139 Schneyer, Laienpredigt, S. 206. 140 Kurt-Victor Selge, Die ersten Waldenser. Mit Edition des Liber Antiheresis des Durandus von Osca, 2 Bde., Berlin 1967, S. 294. Nachfolgend zitiert als Selge, Waldenser I bzw. II.
4.3. Die Predigt als zentrales Medium im Kampf um den rechten Glauben
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Im Mittelpunkt seines Bemühens um ein wahrhaft christliches Leben stand für den Lyoner Kaufmann Waldes das Evangelium. Gegen 1174 ließ sich Waldes die lateinischen Bibeltexte von zwei Klerikern in die Volkssprache übersetzen.141 Das in eine auch für Laien verständliche Sprache übersetzte Gotteswort war in seinen Augen buchstabengemäß zu befolgen.142 Dementsprechend leiteten Waldes und seine Anhänger ihren Anspruch, das Wort Gottes zu verkünden, aus Matth. 28,19–20 ab: 143 „Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern [. . .] und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe.“ Die Anhänger der Gemeinschaft des Waldes zogen 1178/9 durch das Umland von Lyon, predigten auf den Straßen und Plätzen und forderten die Bevölkerung auf, es ihnen gleichzutun.144 Die Waldenser kamen den Absichten der Kirche insofern nicht ungelegen, als sie sich von Beginn an strikt gegen die andere große Sekte des 12. und 13. Jahrhunderts stellten: die Katharer.145 Zwischen 1175 und 1184 brachen immer wieder Mitglieder der Gemeinschaft in den Südwesten Frankreichs auf, um gegen die Katharer zu predigen.146 Die Kirche befand sich bei der Beurteilung von Schädlichkeit oder Nutzen der neuen Laienbewegung in einem Dilemma, denn obwohl die Waldenser der Kirche bei der Bekämpfung der Katharer wertvolle Dienste leisteten, kam es in Bezug auf die Frage der Predigt schnell zu Streitigkeiten mit der kirchlichen Hierarchie.147 Nachdem die Gruppe der Waldenser aus Lyon mit dem Erzbischof der Stadt, Guichard, in Streit über die Berechtigung zur Predigt geraten war, reiste Waldes mit einer kleinen Gruppe von Anhängern im März 1179 zum III. Laterankonzil nach Rom, um dort die Erteilung des Predigtauftrags und die päpstliche Sanktionierung seiner Lebensweise zu erwirken.148 Die Vita apostolica und das Leben in freiwilliger Armut wurden gebilligt, gleichzeitig erhielt Waldes das Recht zu predigen, das allerdings mit der Auflage verbunden war, sich zusätzlich der Erlaubnis des örtlichen Pfarrers zu versichern.149 Auf diese Weise hatte der Papst eine wirksame Kontrolle der Predigergemeinschaft durch die lokale Kirchenhierarchie sichergestellt. Im Frühjahr 1180 schließlich mußten Waldes 141
Herbert Grundmann, Ketzergeschichte des Mittelalters, Göttingen 31978, S. 28 f. Gabriel Audisio, Die Waldenser, Die Geschichte einer religiösen Bewegung, München 1996, S. 21. 143 Ebd., S. 22. 144 Nach dem Bericht des Stephan von Bourbon. In: Quellen zur Geschichte der Waldenser, hrsg. von Alexander Patschovsky und Kurt-Victor Selge, Gütersloh 1973 (abgek. QGW), S. 16. Vgl. Malcolm Lambert, Häresie im Mittelalter. Von den Katharern bis zu den Hussiten, Darmstadt 22001, S. 64 f. 145 Grundmann, Ketzergeschichte, S. 29. 146 Audisio, Waldenser, S. 24 147 Ebd. 148 Selge, Waldenser I, S. 250; Audisio, Waldenser, S. 24; Lambert, Häresie, S. 65 f. 149 Selge, Waldenser I, S. 251. 142
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und seine Gefährten in einem juristischen Akt ein gegen die katharische Häresie gerichtetes Bekenntnis ablegen und sich öffentlich von denjenigen lossagen, die den orthodoxen Glauben nicht vertraten.150 Im Gegenzug erlaubte man den Waldensern, in ihrer Gemeinschaft ein dem Armutsideal verpfl ichtetes Wanderleben zu führen. Die vorbehaltlose Autorisation zur Predigt erhielten sie noch immer nicht; wiederum war diese in das Ermessen des jeweiligen Ortsklerus gestellt.151 Etwa drei Jahre später wurden die Waldenser aus Lyon vertrieben, da sie sich dem Predigtverbot des Erzbischofs Jean aux Belles-Mains widersetzt hatten.152 In der Folgezeit entfaltete die Gemeinschaft in Südfrankreich und Oberitalien eine rege Aktivität. Die grundsätzliche Weigerung, das Predigtverbot zu beachten,153 bedeutete nach der Verurteilung und Vertreibung durch den Erzbischof von Lyon auch die Exkommunikation durch den Papst. 1184 schließlich verhängte Lucius III. mit dem Edikt Ad abolendam über die Waldenser154 den von Kaiser Friedrich Barbarossa bestätigten Bann mit der Begründung, sie hätten sich das Predigtamt ohne kirchlichen Auftrag und somit widerrechtlich angemaßt.155 Interessant dabei ist, daß die Waldenser nicht als Häretiker verurteilt wurden, sondern als Schismatiker, die den Gesetzen der Kirche gegenüber ungehorsam waren. Es läßt sich schwer beurteilen, inwieweit das Urteil von 1184 Auswirkungen auf das Selbstverständnis der Waldenser und den Eindruck hatte, den die armen Wanderprediger bei der Bevölkerung hinterließen.156 Trotz der Exkommunikation predigten die „Armen von Lyon“ in Frankreich auch weiterhin gegen die Katharer und riefen zu Umkehr und Armut auf, zum Teil mit Duldung der jeweiligen Bischöfe.157 Sie sahen sich auch weiterhin zum Gehorsam gegenüber den Priestern und Bischöfen verpfl ichtet und hielten ihre Zuhörer dazu an, zur Kirche zu gehen, den Zehnten und andere Abgaben an den Klerus zu zahlen.158 150
Ebd., S. 252; Audisio, Waldenser, S. 25. Selge, Waldenser I, S. 253. 152 Amedeo Molnár, Die Waldenser. Geschichte und europäisches Ausmaß einer Ketzerbewegung, Göttingen 1980, S. 44 f.; Selge, Waldenser I, S. 259. 153 Waldes berief sich auf Marc. 16,15 und Apg. 5,29, vgl.Grundmann, Religiöse Bewegungen, S. 92; Audisio, Waldenser, S. 26. 154 Die „Armen von Lyon“ werden dort als „falscher“ Deckname anderer verurteilter Ketzer (Passaginer, Josephiner, Arnaldisten) genannt, vgl. Molnár, Waldenser, S. 45. 155 James Fearns (Hg.), Ketzerei und Ketzerbekämpfung im Hochmittelalter, Göttingen 1968, S. 61–63. 156 Vgl. Selge, Waldenser I, S. 270: „Der Lyoner Exkommunikation [. . .] war im November 1184 auf dem Konvent von Verona das Anathem des apostolischen Stuhles gefolgt; seine Wirkung ist recht gering gewesen, es kann darum nicht als Periodenscheide gelten.“ Molnár, Waldenser, S. 45: „Die Schüler des Waldes werden seit diesem Augenblick als Feinde der Christenheit gesehen, deren beide Mächte, die geistliche und die weltliche, sich zu ihrer Vernichtung verbünden.“ 157 Audisio, Waldenser, S. 27; Selge, Waldenser I, S. 70 f.; Molnár, Waldenser, S. 48 f. 158 Martin Schneider, Europäisches Waldensertum im 13. und 14. Jahrhundert, Berlin/ New York 1981, S. 22. 151
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Doch der Druck der Verfolgung verstärkte sich zunehmend: 1198 erging ein Erlaß Innozenz’ III. an den Episkopat der Erzdiözesen von Narbonne, Arles und Lyon, der sich u. a. gegen Katharer und Waldenser richtete und das kirchliche Instrumentarium im Kampf gegen die Häresien defi nierte. Durch die Verschärfung der Repressionsmaßnahmen, insbesondere nach den Kriegszügen gegen die Albigenser seit 1209, denen auch die Waldenser zum Opfer fielen, verlagerten sich die Zentren ihrer Missionstätigkeit nach Westen, in Italien vor allem in die Gegend um Mailand.159 Zunehmend traten innere Brüche zutage; nach dem Tod des Waldes 1205 spalteten sich die lombardischen Armen von der Stammgemeinschaft ab.160 Mit den Bestimmungen des IV. Laterankonzils 1215 schließlich wurden die Waldenser endültig als Häretiker verurteilt. Das Konzil defi nierte erstmals genaue Kriterien, anhand derer exakt zwischen Rechtgläubigkeit und Ketzerei unterschieden werden konnte. Indem es eine katholische Glaubensformel festlegte und alle abweichenden Ansichten zu Ketzerei erklärte, war eine zusätzliche Bestimmung durch die Angabe einzelner Ketzernamen und -lehren hinfällig. Künftig war der Verstoß gegen die Dogmen der Kirche der entscheidende Punkt, der Orthodoxie und Ketzerei eindeutig voneinander trennte.161 Allein die Verweigerung der Eidesleistung genügte fortan für eine Verurteilung wegen Ketzerei. Zusätzlich wurde wie schon 1184, so auch 1215 nachdrücklich bestätigt, daß die unbefugte Predigt durch nicht ordinierte Prediger als Ketzerei zu verurteilen sei.162 Wie sehr fortan die Wahrnehmung der Waldenser in zeitgenössischen Quellen von einer erstarrten Ketzertypik bestimmt war, zeigt der Bericht des Inquisitors Bernhard Gui über die Anfänge der waldensischen Bewegung. In seiner Practica inquisitionis heretice pravitatis aus dem Beginn des 14. Jahrhunderts,163 die stark von den Ansichten des Stephan von Bourbon beeinflußt ist, äußert er sich folgendermaßen: „Die Sekte oder Ketzerbewegung der Waldenser oder der Armen von Lyon entstand etwa im Jahre des Herrn 1170. Der verantwortliche Gründer war ein Einwohner von Lyon, Valdesius oder Valdensis, daher der Name dieser Sektierer. [. . .] Für seinen eigenen Gebrauch hatte er die Evangelien in die Volkssprache übersetzen lassen. Ebenso einige andere biblische Bücher [. . .]. Obwohl sie ungebildet waren, maßten sie sich, von sich selbst überzeugt, die Funktion der Apostel an und wagten, das Evangelium auf den Straßen und öffentlichen Plätzen zu verkünden. Besagter Valdesius oder Valdensis riß in seiner Anmaßung zahlreiche Anhänger beiderlei Geschlechts mit sich, die er wie Jünger 159
Ebd., S. 303 u. 305 f. Ebd., S. 307. Zu den verschiedenen Abspaltungstendenzen unter den Waldensern nach 1205 vgl. Schneider, Europ. Waldensertum, S. 60–74. 161 Zu den Bestimmungen des IV. Laterankonzils gegen die Ketzer vgl. Grundmann, Religiöse Bewegungen, S. 137 ff. 162 Ebd., S. 139. 163 Manuel de l’Inquisiteur, hrsg. von Guillaume Mollat, 2 Bde., Paris 1926/27. 160
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zum Predigen aussandte. [. . .] Übrigens erklärten sie sich tollkühn als deren Nachahmer und Nachfolger aufgrund eines heuchlerischen Bekenntnisses zur Armut und unter dem Deckmantel der Heiligkeit.“ 164
Die Berichte über das Wesen der waldensischen Predigttätigkeit differieren je nach Ort und Zeit der Abfassung und der jeweiligen Intention des Verfassers. Es läßt sich unterscheiden zwischen Quellen, die vermutlich als Allgemeingut innerhalb der literarischen Ketzerbekämpfung seit Beginn des 13. Jahrhunderts bekannt waren (wie z. B. der Summa contra haereticos des Alanus ab Insulis, entstanden zwischen 1179 und 1202) 165 und spezifischen Quellen, die teils sachlich, teils polemisch über bestimmte, meist lokal identifizierbare Häresien berichten, wie z. B. inquisitorische Handbücher oder Inquisitionsakten. Von besonderem Interesse für die vorliegende Arbeit sind diejenigen Werke, die über Leben und Lehren von Ketzern im allgemeinen und Waldensern im besonderen im deutschen Sprachraum zur Mitte des 13. Jahrhunderts Auskunft geben, weil sich ihre Angaben mit den Kenntnissen Bertholds vergleichen lassen, der etwa zu dieser Zeit und in diesen Gebieten predigte. Zu diesen Quellen gehören vor allem der Passauer Anonymus oder die Traktate De vita et actibus166 und De inquisitione hereticorum167 (der sogen. Pseudo-David von Augsburg).168 Insbesondere für die Anfänge des Waldensertums ist bezeugt, daß sowohl Frauen als auch Männer predigten. Inwieweit die Predigt von Waldenserinnen öffentlich stattfand, läßt sich schwer beurteilen. Stephan von Bourbon schreibt über die Frühzeit der waldensischen Bewegung, daß Männer und Frauen die Dörfer in der Nähe von Lyon durchwanderten, dabei in die Häuser der Bewohner kamen und sowohl auf den freien Plätzen als auch in Kirchen predigten.169 Auch Alanus ab Insulis erwähnt predigende Frauen, allerdings vollzieht sich ihre Predigt seinen Angaben nach wohl nur im Rahmen von Versammlungen der Gläubigen.170 Die öffentliche Predigt war den Waldensern zumindest im 164
Übersetzung nach Audisio, Waldenser, S. 20 und 22. Walter L. Wakefi eld / Austin P. Evans (Ed.), Heresies of the High Middle Ages. Selected Sources translated and annotated, New York / London 1969, S. 214. 166 De vita et actibus, Edition and Translation by Peter Biller. In: Texts and the Repression of Medieval Heresy, ed. Caterina Bruschi and Peter Biller, Woodbridge 2003, S. 195– 207. 167 Wilhelm Preger (Hrsg.), Der Tractat des David von Augsburg über die Waldesier (Bayerische Akademie der Wissenschaften München, Historische Klasse, Bd. 14), München 1879, S. 181–235. 168 Eine Würdigung beider Traktate hinsichtlich ihrer Zuverlässigkeit und des Erkenntniswertes in Bezug auf deutsche Waldenser im 13. Jahrhundert bei Schneider, Europ. Waldensertum, S. 140–145. 169 QGW, S. 15–18; S. 16: Qui eciam, tam homines quam mulieres, idiote et illiterati, per villas discurrentes et domos penetrantes et in plateis predicantes et eciam in ecclesiis, ad idem alios provocabant. 170 Alanus ab Insulis, De fide catholica contra haereticos sui temporis, PL 210, Sp. 305– 430 165
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Süden Frankreichs bis in die zwanziger Jahre des 13. Jahrhunderts möglich.171 Die Predigt erfolgte meist dort, wo sich eine Gelegenheit ergab, mit den Bewohnern der Städte und Dörfer in Kontakt zu kommen, so etwa beim Barbier oder im Rahmen der Seelsorge, z. B. im Hause eines Verstorbenen.172 Wie stark Frauen engagiert waren, läßt sich nicht sicher sagen. Insgesamt verschlechterte sich die Stellung der Frauen innerhalb der waldensischen Gemeinden im Laufe der Jahre stetig, ab etwa der Mitte des 13. Jahrhunderts wurden sie von den Generalversammlungen ausgeschlossen.173 Bedingt durch die gegen Ende des 12. Jahrhunderts verstärkt einsetzenden Verfolgungsmaßnahmen wurde die Predigt ab dann nur noch von Wanderpredigern innerhalb der eigenen waldensischen Gemeinden ausgeübt. Welchen Stellenwert Frauen bei dieser internen Predigt und dem Vollzug des Gottesdienst hatten, war wohl von der lehrmäßigen Ausrichtung der jeweiligen Gemeinde abhängig.174 Gegen Ende des 12. Jahrhunderts bildeten sich zwei unterschiedliche Waldensergruppen heraus: die radikaleren, nach ihrem Anführer Johannes von Ronco benannten lombardischen Armen oder „Runcarier“ und die Armen von Lyon oder „Leonisten“, der gemäßigtere Flügel, der den Lehrtraditionen des Waldes treu blieb.175 Beide Gemeinschaften betrieben im deutschen Sprachraum erfolgreich Mission,176 so daß das deutsche Waldensertum im 13. Jahrhundert weder organisatorisch noch lehrmäßig eine einheitliche Gruppe bildete.177 Den Quellen nach zu urteilen, unterschieden sich die deutschen und die österreichischen Waldenser entsprechend ihrer Zugehörigkeit zu den beiden Zweigen hinsichtlich ihrer Lebens- und Gemeinschaftsformen in wichtigen Punkten. In Deutschland war vor allem die französische Stammgenossenschaft der Waldenser, die sogenannten Armen von Lyon, ansässig. Kennzeichnend für diese war die Unterscheidung zwischen den Sektenmitgliedern im eigentlichen Sinn, den Vollkommenen (perfecti), Männern und Frauen, die in sogenannten Hospizen lebten, und ihren Anhängern (amici), die sie beherbergten und mit Geld austatteten, wie der anonyme Verfasser des Traktats De vita et actibus berichtet.178 Unter den Vollkommenen gab es einzelne Leitfiguren, nach 171
Schneider, Europ. Waldensertum, S. 21 f. Ebd., S. 22 f. 173 Lambert, Häresien, S. 175. 174 Schneider, Europ. Waldensertum, S. 17. 175 Für eine komprimierte Übersicht der unterschiedlichen häretischen Strömungen vgl. das Ketzerglossar bei Lambert, Häresien, S. 503–506. 176 Selge, Waldenser I, S. 289. 177 Schneider, Europ. Waldensertum, S. 122. 178 Sequitur de vita et actibus, de fide et erroribus hereticorum qui se dicunt „Pauperes Christi“ seu „Pauperes de Lugduno“. [. . .] Primo [. . .] est sciendum, quod de secta hereticorum predictorum alii dicuntur „heretici perfecti“ et „solidati“, alii „amici“ eorundem et „credentes“. [. . .] In ipsa secta tam homines quam et mulieres recipiantur et „fratres“ et „sorores“ nuncupantur. Non possident aliqua bona immobilia, sed propriis renunciant et sequuuntur paupertatem. Non laborant, nil acquirunt vel lucrantur, unde valeant sustentari, sed de bonis et elemosinis suorum amicorum et credencium sustinentur [. . .]. 172
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ihrer besonderen Schuhtracht sandaliati genannt, die als Priester, Meister oder Lehrer fungierten und meistens ein Hospiz leiteten. Sie feierten wie die katholischen Priester die Eucharistie.179 Zu diesem ordinierten Amt besaßen Frauen keinen Zugang, denn in der Schrift heißt es ausdrücklich, daß zu den Generalversammlungen der „Sandalenträger“ keine Frauen zugelassen waren, selbst wenn sie schon in einem höheren Lebensalter standen und den Rang einer perfecta innehatten.180 Es scheint aber, daß die Predigttätigkeit nicht zwangsläufig und ausschließlich mit diesem Rang eines sandaliatus verbunden war, denn der Anonymus schildert, daß die als Kaufleute oder Händler tätigen Anhänger oder Freunde von vollkommenen Häretikern (die eben nicht als „Sandalenträger“ bezeichnet werden) besucht wurden, die ihnen predigten.181 Unter diesen befanden sich allerdings nur Männer.182 In Österreich hingegen gestaltete sich das Leben der Waldenser in sogenannten Schulen, die die Versammlung aller zu Predigt, Gebet und Beichte bezeichnen. Diese für die lombardischen Armen kennzeichnende Gemeinschaftfsorm kannte keinen Unterschied zwischen Vollkommenen und Freunden. Lediglich die Lehrer, meist verheiratete Handwerker, hatten eine gewisse Führungsposition inne. Im Gegensatz zu den Armen von Lyon war diese Gemeinschaftsform geprägt von der Ablehnung jeglicher hierarchischer Strukturen und der römischen Kirche allgemein. Deshalb besaßen Frauen in derselben Weise wie Männer den Auftrag, ja sogar die Verpfl ichtung zur Predigt: Unde dicunt, quod omnis homo, eciam femine, debeant predicare.183 Es scheint, daß es bei den lombardischen Armen größere Spielräume für Frauen gab, sich an Predigt und gottesdienstlichen Aufgaben zu beteiligen.184 Insgesamt gesehen war die Situation der Frauen im Hinblick auf Weiheamt und Predigt bei den Waldensern nicht einheitlich, sondern vielschichtig und kompliziert. Es läßt sich rückblickend nicht mehr genau nachvollziehen, welche Tercio, sciendum est quod predicti heretici in diversis locis, provinciis et regiminibus huiusmodi, tam in Alamania quam in aliis partibus, commorantibus per domos et familias, duos uel tres in uno hospicio cum duabus vel tribus mulieribus, quas suas uxores esse fingunt vel sorores. (Bruschi / Biller, De vita, S. 196; 198). 179 Item, hereticorum perfectorum, alii dicuntur „sandaliati“ alii „novelliani“. Sandaliati sunt illi qui „sacerdotes“, „magistri“ et „doctores“ dicuntur tocius heretice pravitatis, et possunt, ut asserunt, confi cere corpus Christi sicut catholici sacerdotes. (Ebd., S. 196). 180 In quo quidam generali consilio seu capitulo quasi omnes heretici hospiciorum gubernatores congregantur. In quo eciam capitulo credentes non admittuntur, nec perfecti heretici iuvenes, nec mulieres quamvis sint perfecte et antique [. . .]. (Ebd., S. 202). 181 Item, amici eorundem et credentes possident inmobilia et utuntur coniugio, mercantur, negociantur, acquirunt eciam et lucrantur, et per ipsos hereticos perfectos visitantur, predicantur et inducuntur ad credulitatem eorundem [. . .]. (Ebd.). Zur Frage nach der Beteiligung von Waldenserinnen an Predigt und Kulthandlung vgl. Amalie Fößel / Anette Hettinger, Klosterfrauen, Beginen, Ketzerinnen. Religiöse Lebensformen von Frauen im Mittelalter, Idstein 2000, S. 66–71. 182 Bruschi / Biller, De vita, S. 205. 183 Passauer Anonymus, QGW, S. 80. 184 Fößel / Hettinger, Klosterfrauen, S. 69.
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Gruppen aus welchem Grund für Frauen größere Möglichkeiten boten.185 Den mittelalterlichen Kommentatoren blieb nur festzuhalten, daß manche Waldenser Frauen zum Priesteramt zuließen und manche nicht: Quidam (magister) autem, ut dicebat de eis, discernunt in sexu, dicentes, quod ordo requirit sexum virilem; alii non faciunt differenciam quin mulier, si bona est, possit exercere offi cium sacerdotis.186 Mit der Zeit setzte sich bei den Waldensern wie schon bei den Katharern ein Zug zur Klerikalisierung der Bewegung durch, und vieles deutet darauf hin, daß im 14. Jahrhundert bei diesen Gruppen bereits eine dreiteilige Ämterordnung vorherrschte, die Frauen weitgehend ausschloß.187 Mit der fortschreitenden Institutionalisierung der Sekten trat also die Partizipation von Frauen an den wichtigeren Aufgaben allgemein zurück.188 Es stellt sich die Frage, inwiefern bei den Waldensern Predigt, Sakramentenverwaltung und gottesdienstliche Aufgaben gegeneinander abgegrenzt waren. Der (Pseudo-)David erwähnt zwar nicht ausdrücklich die Beteiligung von Frauen an der Predigt, wohl aber ihre wichtige Rolle bei der Unterweisung innerhalb der Gemeinde. Es ist anzunehmen, daß hierbei auch die Mission für die waldensische Lehre gemeint war: Non autem viri sed et femine apud eos docent.189 Der Pseudo-David erklärt diesen Umstand damit, daß Frauen besseren Zugang zu anderen Frauen fänden, durch die wiederum die Männer verführt werden könnten, quia feminis magis patet accessus ad feminas pervertendas, ut per illas eciam viros subvertant, sicut per Evam serpens illexit Adam.190 Schon vor den systematischen Verfolgungen in den dreißiger Jahren des 13. Jahrhunderts konnten Gottesdienst und Predigt nicht mehr in der Öffentlichkeit stattfi nden, sondern wurden in die Häuser der Anhänger oder in die Hospize und Schulen verlegt, d. h. die Wirksamkeit der seelsorgerlichen Tätigkeit beschränkte sich fortan auf den kleinen Kreis der eigenen Glaubensbrüder und -schwestern: „Die Predigt verwandelt sich in ein Privatgespräch“.191 Dies erschwerte das Werben um neue Anhänger, das ab dann konspirativ vonstatten ging und der Kirche den willkommenen Vorwurf der Heimlichkeit bot. Das 185 Eleanor McLaughlin, Die Frau und die mittelalterliche Häresie. Ein Problem der Geschichte der Spiritualität, Concilium 12 (1976), S. 34–44; S. 39. 186 Stephan von Bourbon, Tractatus de diversis materiis predicabilibus ordinatis et distinctis in septem partes secundum septem dona Spiritus sancti et eorum effectus, ed. Albert Lecoy de la Marche, Anecdotes historiques, légendes et apologues tirés du recueil inédit d’ Étienne de Bourbon, Paris 1877. In Auszügen abgedruckt und übersetzt bei Fößel / Hettinger, Klosterfrauen, S. 179. 187 McLaughlin, Mittelalterliche Häresie, S. 39. 188 Ebd., S. 39 f.; Kaspar Elm, Die Stellung der Frau in Ordenswesen, Semireligiosentum und Häresie zur Zeit der heiligen Elisabeth. In: Sankt Elisabeth. Fürstin, Dienerin, Heilige. Katalog der Ausstellung zum 750. Todestag der hl. Elisabeth, Marburg 19. Nov. – 6. Jan. 1982, Sigmaringen 1981, S. 7–28; S. 19. 189 Preger, (Pseudo-)David, S. 209. 190 Ebd. 191 Molnár, Waldenser, S. 119.
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Lehren und Lernen im Verborgenen wird nun zum kennzeichnenden Merkmal, das alle Autoren bekräftigend herausstellen: Noctibus autem maxime huiusmodi conventicula frequentant, quando alii dormiunt, ut liberius misteria iniquitatis operentur.“192 Sachlicher berichtet der anonyme Traktat davon, daß die Besuche der Häretiker bei ihren Anhängern konspirativ ablaufen. Bevor ein Häretiker das Haus von Anhängern betritt, sendet er einen Freund als Boten aus, der diejenigen Gemeinschaftsmitglieder, die besucht werden sollen, kennt. Diesen kündigt der Bote den Besuch eines bestimmten Bruders an. Sodann wird ein Zeitpunkt vereinbart, an dem der Bruder kommen soll. An diesem Tag führt der Bote den Bruder zur verabredeten Zeit zu dem Haus, „bisweilen am Tag, manchmal in der Nacht“.193 Bildung und Unterricht Voraussetzung für die Heranbildung des Predigernachwuchses war der Unterricht in den eigenen Häusern. Der große Lerneifer der Waldenser blieb der Kirche von Beginn an suspekt,194 und da der Unterricht wohl häufig abends oder nachts stattfand, ergab sich für ihre orthodoxen Gegner die Gelegenheit, diese „Lichtscheu“ mit moralischer Verwerfl ichkeit zu erklären: nichts als sexuelle Orgien und Teufelsanbetung konnte aus ihrer Sicht dahinterstecken.195 Eine recht sachliche Schilderung der Lernsituation bietet wieder der anonyme Traktat De vita et actibus: Demnach erfolgte der Unterricht im Hospiz im Anschluß an Gebet oder Gottesdienst. Denjenigen Männern und Frauen, die aus der Bibel lernen wollten, lasen die Meister einen entsprechenden Abschnitt vor, der mehrfach wiederholt wurde, damit die Hörer den Text schrittweise auswendiglernen konnten.196 Als Grundlage dienten die in die Volkssprache übersetzten Bücher der Bibel, aber auch Vätersentenzen etc., die aber offenbar nur die wenigen Lehrmeister tatsächlich lesen konnten. Daher auch der immer wieder formulierte Vorwurf, die Häretiker lehrten und lernten „ohne Bücher“.197 Die Quellen berichten z. T. bewundernd, wieviel Wissen die Häretiker sich auf diese Weise aneignen konnten. Der Passauer Anonymus schildert, er selbst habe einen ungebildeten Bauern gesehen und gehört, der das Buch Hiob Wort für Wort zitierte, und er weiß von manch anderem, der das gesamte Neue Testament vollständig auswendig kann.198 „Irgendwelche Worte aus den Evange192
Preger, (Pseudo-)David, S. 210. Bruschi / Biller, De vita, S. 205. 194 Schneider, Europ. Waldensertum, S. 114 ff. 195 Grundmann, Bild des Ketzers, S. 196 Post hoc illi tam homines quam mulieres, qui scripturas volunt addiscere, (recipiunt) a suis doctoribus lectionem, et lectionibus receptis et pluries repetitis faciunt postea id quod volunt [. . .]. (Bruschi / Biller, De vita, S. 200). 197 Passauer Anonymus, QGW, S. 70. 198 Vidi et audivi rusticum ydiotam, qui Iob recitavit de verbo ad verbum, et plures alios, qui totum 193
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lien oder den Apostelbriefen“ können sie auswendig aufsagen, bemerkt der (Pseudo-)David.199 Jedoch eignen sie sich dies Wissen nach seiner Ansicht rein mechanisch an, d. h. sie können es geistig nicht wirklich durchdringen. Deshalb wisse ein Schuljunge von 12 Jahren oft hundertmal mehr als Ketzermeister von 60 Jahren, denn dieser kenne nur das, was er auswendig aufsage, der Junge hingegen könne durch seine Kenntnis der Grammatik „tausend Bücher“ auf Latein lesen und verstehen.200 Auf diese fehlenden geistigen Voraussetzungen und die daraus resultierenden Folgen bezieht sich auch der Passauer Anonymus, wenn er mit Beispielen zu belegen sucht, daß die Ketzer durch ihre mangelnde Bildung den wahren Gehalt der Hl. Schrift gar nicht erfassen können, sie deshalb falsch auslegen und entsprechend auch anderen falsch vermitteln, so z. B. anhand von Joh. 1,11: In propria venit, et sui eum non receperunt. Hier mißverstehen die Ketzer angeblich das lateinische sui und leiten es von „Sau“ (mhdt. „sû“, Plural: „siu“) ab: Et quia sunt layci ydiote, false et corrupte scripturam exponunt, ut Io.I: Sui – id est porci – eum non receperunt, sui dicentes pro sues.201 Sicher scheint, daß die Waldenser ihre wichtigsten Quellen und die grundlegenden Lehren in prägnanten und leicht memorierbaren Merksätzen oder Gedichten zusammenfaßten, um so den leseunkundigen Gemeinschaftsmitgliedern einen Grundstock an katechetischem Basiswissen zu vermitteln. Auftreten und äußere Erscheinung Walter Map berichtet, daß die ersten Waldenser barfuß und mit Wollgewändern bekleidet umhergezogen seien.202 Ein Teil der Waldenser, wie die lombardischen Armen, ging wohl tatsächlich barfuß. Kennzeichnend für die Waldenser insgesamt wurde aber, daß sie als Zeichen der Zugehörigkeit zum Predigerstand 203 eine besondere Art von Schuhen trugen. Diese waren auf eine ganz bestimmte Weise ausgeschnitten oder mit einem besonderen Zeichen versehen.204 Der Verfasser einer Predigtsammlung, die in der Mitte des 13. Jahrhunderts in der Benediktinerabtei St. Lambrecht in der Steiermark entstanden ist, warnt vor denjenigen, die „durchbohrte Schuhe“ tragen: alii habent calceos perfonovum testamentum sciverunt perfecte. (Passauer Anonymus, QGW, S. 71). Ähnlich Stephan von Bourbon: Vidi eciam aliquos laicos qui ex eorum doctrina imbuti, unde vel multa de evangelistis, ut Matheum vel Lucam, repeterent infra corde [. . .].(QGW, S. 48 f.). 199 Preger, (Pseudo-)David, Cap. 13, S. 212. 200 [. . .] sepe puer XII annorum scolaris cencies plus scit quam magister hereticorum LX annorum, dum iste sola illa scit, que usu corde affirmavit, ille vero per artem grammatice mille libros scit legere latine et ad literam intelligere quoquo modo. (Preger, (Pseudo-)David, S. 212). 201 Passauer Anonymus, QGW, S. 71. 202 Wakefi eld / Evans, Heresies, S. 204. 203 Bruschi / Biller, De vita, S. 197. 204 Selge, Waldenser I, S. 139 f. Bruschi / Biller, De vita, S. 197: Item, sandaliati non tenent pecuniam, et sotulares decollatos seu perforatos supra pedes et caligas deferunt modo simili perforatas, iuxta auctoritatem „Et calceate pedes vestros sandaliis“.
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ratos, hii sunt falsi christiani et simulatores, qui foris apparent boni, interius sunt pleni nequitia.205 In ihrem Auftreten hatten die Waldenser stets alles Auffallende vermieden und ihre Kleidung entsprechend dem apostolischen Armutsideal gewählt, das von Map genannte Wollkleid entsprach also diesem religiösen und bescheidenen Habit.206 In der Zeit der Verfolgung wurde diese betonte Schlichtheit jedoch geradezu zu einem Erkennnungsmerkmal; insbesondere das Tragen der Sandalen verriet die Vertreter der seit 1184 exkommunizierten Häretiker. Für die meisten wurde es unumgänglich, ihren nun auffallenden Habit gegen die Trachten verschiedener Stände und Berufe einzutauschen, um nicht erkannt zu werden. Nachdem sie von der Kirche wegen ihrer Irrlehren verurteilt wurden, so berichtet Stephan von Bourbon, begannen sie, sich mit Hilfe diverser Verkleidungen zu verbergen.207 Er weiß auch von einem ihrer Anführer zu erzählen, der die Gewänder vieler Handwerker mit sich führte, in die er sich wie Proteus abwechselnd kleidete.208 Wurde er in einer bestimmten Verkleidung gesucht, verwandelte er sich durch eine andere: si queretur in una similitudine et ei innotesceret, in alia se transmutabat.209 Mal trug er Habit und Kennzeichen eines Pilgers, mal die Kleidung eines Büßers; er gab sich als Flickschuster, als Barbier oder als Schnitter aus.210 Alii similiter idem faciunt, schließt Stephan. Auch der (Pseudo-)David vermerkt, daß die Wanderprediger der Waldenser in unterschiedlicher Tracht auftraten, um nicht erkannt zu werden, wenn sie von Haus zu Haus gingen.211 Die Veränderung der äußeren Erscheinung, für die es ja einen durchaus rationalen Grund gab, erfüllte in gewisser Weise die Erwartungshaltung ihrer orthodoxen Gegner, entsprach dies doch ganz dem biblischen Bild von den falschen Aposteln.212 Über die waldensischen Werbungsmethoden geben die Quellen detailliert Auskunft. Bei den Besuchen der Wanderprediger in den Häusern der Anhänger bringen diese bisweilen kleine Geschenke mit, wie Bänder, Messer und Nadeln, um sich das Wohlwollen der Zuhörer zu sichern.213 Der Passauer Anonymus 205
Anton E. Schönbach, Miszellen aus Grazer Handschriften. 12. Der Prediger von St. Lambrecht. In: Beiträge zur Erforschung steirischer Geschichte, 33. Jahrgang, Graz 1903, S. 3–95; S. 54. 206 Selge, Waldenser I, S. 140. 207 QGW, S. 17. 208 Aliquando quidam maximus inter eos fuit captus, qui secum ferebat multorum artifi ciorum indicia, in que quasi Proteus se transfigurabat. (Ebd.). 209 Ebd. 210 Aliquando ferebat habitum et signacula peregrini, aliquando baculum penitenciarii et ferramenta; aliquando se fingebat sutorem, aliquando barbitonsorem, aliquando messorem, etc. (QGW, S. 17). Vgl. 2 Cor. 11,13–15. 211 Vadunt autem in diversis habitibus vestium isti circatores, ne agnoscantur, et cum transeunt quandoque de domo forte in domum, aliquod onus deferunt in capite palee vel vasis, et in obscuro vadunt, ne quis perpendat quid agant. (Preger, (Pseudo-)David, S. 210). 212 Vgl. 2 Cor. 11,13–15. 213 Et in pluribus locis deferunt dicti perfecti heretici sui credentibus et eorum liberis et familiis aliqua jocalia, videlicet zonas, cultellos, agulherios et acus, ut libencius et favorabilibus (r: favorabilius) recipia-
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beschreibt anschaulich, welche Taktiken die Waldenser anwenden, um sich Zutritt zu den Familien der Reichen und Mächtigen zu verschaffen. In der von ihm geschilderten Szene bietet der Ketzer den anwesenden Herren und Damen zunächst Ringe und prächtige Gewänder zum Kauf an. Auf die Frage, ob er noch mehr zu verkaufen habe, antwortet er, daß er zwar noch mehr Kostbarkeiten wie diese habe, die er ihnen auch geben werde, die Herrschaften müßten ihm aber versprechen, ihn nicht an die Kleriker zu verraten. Nachdem man ihm Vertraulichkeit zugesichert hat, beginnt er vorsichtig und schrittweise sie mit den ketzerischen Lehren vertraut zu machen.214 Et sic a fide catholica avertitur et per errores eorum subvertitur, et fit credens ipsorum et receptator et fautor et defensor,215 klagt der Passauer Anonymus. Auch der (Pseudo-)David beschreibt sehr ausführlich, wie die konspirativen Missionierungsversuche angeblich ablaufen: 216 Danach versuchen die Ketzer zunächst, sich etwaige Interessenten geneigt zu machen, wobei sie insbesondere auf Frauen eingehen. Er läßt sie diese mit schmeichlerischen Worten umwerben: Deinde blandis alloquiis alliciunt in hunc modum: Videris mihi, o bona femina, ad hoc disposita, ut sie esset, qui tibi viam veritatis ostenderet, magna coram Deo in brevi effi cereris, quod eciam celestia secreta super omnes literatos terre cito cognosceres, et Deum videres [. . .].217 Falls die angesprochene Dame sich dann interessiert und von ihren Ausführungen beeindruckt zeigt, setzen sie, so heißt es, ihren Vortrag mit den Inhalten der waldensischen Lehre fort. Dabei gehen sie so geschickt vor und zeigen sich derart redegewandt, ut putet illa se non hominem sed angelum de celo audire.218 Soziale Herkunft Zu Beginn des 13. Jahrhunderts erscheinen die ersten deutschen Waldenser in den städtereichen Gebieten an Rhein und Mosel, nahe am französischen Stammesgebiet.219 Keine Quelle gibt dezidiert Auskunft über ihre soziale Stellung, nur aus wenigen Mitteilungen können vage Rückschlüsse gezogen werden. Der Hinweis der Gesta Treverorum auf deutschsprachige Bibelübersetzungen könnte darauf hindeuten, daß die Waldenser Anhänger innerhalb der wohlhabenden städtischen Schichten gefunden hatten.220 Die großen Ketzerverfolgungen Konntur. (Bruschi / Biller, De vita, S. 206). Ähnliches wird zu Beginn des 14. Jahrhunderts auch von französischen Waldensern aus Pamiers berichtet, die ihren Anhängern Geld, Tücher und Gürtel schenken, vgl. Schneider, Europ. Waldensertum, S. 39. 214 QGW, S. 75 ff. 215 Ebd., S. 77. 216 Preger, (Pseudo-)David, S. 213–215. 217 Ebd., S. 213. 218 Ebd. 219 Vgl. Schneider, Europ. Waldensertum, S. 95 f.; S. 113 f. 220 Gesta Treverorum, hrsg. von Georg Waitz, MGH SS 24, Hannover 1879, S. 368–488; S. 401. Vgl. Schneider, Europ. Waldensertum, S. 113.
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rads von Marburg (1230–33) trafen wohl alle Schichten der Bevölkerung, vom Adel bis zu den Bauern.221 In Österreich wurden Waldenser in mehreren Dörfern und Kleinstädten entdeckt, möglicherweise haben sie in den agrarisch geprägten Gegenden bessere Voraussetzungen für die ungestörte Mission gefunden.222 Innerhalb der Gemeinschaft nahmen häufig Handwerker die Führungspositionen ein. Es gibt keine Hinweise, daß auch Bauern als Leiter oder Meister tätig waren, sie bildeten vielmehr den größten Teil der einfachen Gläubigen, der credentes.223 Die Handwerker reisten als Wanderarbeiter durch die Dörfer und fungierten so als Boten, die für den Nachrichtenaustausch zwischen den verstreut liegenden Gemeinden sorgten. Sie sind wahrscheinlich auch diejenigen, die die Wanderprediger bei ihren Reisen von Dorf zu Dorf als ortskundige Führer begleiteten.224 Im Gegensatz zu den Wanderpredigern konnten die einfachen Gläubigen vermutlich zum größten Teil weder lesen noch schreiben. Der Passauer Anonymus erwähnt im Besitz der Waldenser deutsche Übersetzungen der Heiligen Schrift, die beim Unterricht zum Einsatz kamen. Diese Übersetzungen mögen, wie schon bei Waldes,225 von Klerikern angefertigt worden sein, die sich den Gemeinden angeschlossen hatten.226 Im Traktat De vita et actibus heißt es jedoch eindeutig, die Schüler erhielten aus der Bibel „Lektionen“, die von ihnen mehrfach wiederholt wurden, um sie sich einzuprägen.227 Das bedeutet, daß zumindest einige wenige des Lesens und Schreibens mächtig gewesen sein mußten, um den Unterricht abzuhalten. Diejenigen, die tatsächlich „ohne Bücher“ lernten,228 waren die einfachen credentes. Es ist kaum anzunehmen, daß die Waldenser Deutschlands und Österreichs ausschließlich über mündlich tradiertes biblisches Wissen verfügten. Zwar sind sie nicht mit den Exponenten katharischer Gelehrsamkeit im Süden Frankreichs und in Italien zu vergleichen, doch müssen Bücher wenigstens vereinzelt im Besitz der Gemeinden bzw. der Wanderprediger gewesen sein. Für diese war zumindest in Frankreich der Besitz kleinformatiger Bücher typisch, die vermutlich die wichtigsten Texte zur Unterweisung, z. B. Auszüge aus Schriften der Kirchenväter, enthielten und die bei Gefahr schnell unter dem Umhang verborgen werden konnten.229
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Schneider, Europ. Waldensertum, S. 113, mit Anm. 1. Ebd., S. 114. 223 Ebd. 224 Vgl. Anm. 193. 225 Nach dem Bericht Stephans von Bourbon, QGW, S. 15 f. 226 Unter den Waldensern in einigen kleineren Städten Südfrankreichs sind zur Mitte des 13. Jahrhunderts Priester bezeugt, vgl. Schneider, Europ. Waldensertum, S. 38. 227 Vgl. Anm. 198. 228 Vgl. die Angabe des Passauer Anoymus, QGW, S. 70. 229 Lambert, Häresien, S. 175. 222
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In Frankreich lagen die Aktionszentren der Waldenser zu Beginn des 13. Jahrhunderts in den urbanen Siedlungsräumen.230 In Städten wie Montauban, Narbonne, Arles und Avignon fanden sie für die öffentliche Predigt und die Disputation mit den Katharern ein ideales Forum.231 Wie die Katharer lebten auch die Waldenser dort von den Almosen, die das Publikum spendete. Ihre Anhänger fanden sie unter den Handwerkern, aber auch unter den Familien des Stadtpatriziats, also den Angehörigen der wirtschaftlich und politisch führenden Schichten. Im Gegensatz zu den Katharern erhielten die Waldenser aus den Kreisen des Adels keine Unterstützung.232 Die Anhängerschaft der Waldenser in Südfrankreich kam im frühen 13. Jahrhundert also nicht nur aus den unterprivilegierten Gesellschaftsschichten, sondern auch aus der städtischen Bevölkerung.233 Nach 1250 ändert sich dies: Die meisten Waldenser Frankreichs siedelten nun nicht mehr in den Städten, sondern in den wenig bewohnten Gebieten in der Gascogne und Rouergue, z. T. in gerade erst neugegründeten Orten.234 Gerade in den ländlichen Siedlungen und neuen Dörfern hofften sie, nicht erkannt zu werden. Unter ihnen fanden sich Weber, Schneider, Schmiede, Zimmerleute, Wagenmacher und Fuhrleute und vereinzelt auch Priester.235 Inhalt der waldensischen Predigt Neben der Auslegung biblischer Texte bildet die Predigt die zentrale Form für die Verkündigung waldensischer Glaubensinhalte. Die öffentliche Predigt auf den Straßen und Plätzen der Städte war zumindest in einigen Gegenden Frankreichs bis in die zwanziger Jahre des 13. Jahrhunderts hinein möglich.236 Was genau die Waldenser bei diesen Gelegenheiten gepredigt haben, ist wegen der mangelnden Quellenauskünfte unklar. Im Liber Antiheresis des Durandus von Osca (1160–1224) heißt es, Waldes und seine Genossen seien zu der von den Priestern vernachlässigten Predigt der heilsnotwendigen Werke berufen.237 Sie sahen sich zum apostolischen ministerium predicationis bestimmt, um auf der Basis der Bibel, besonders des Neuen Testamentes, den Menschen den Weg zur Seligkeit zu weisen.238 Damit verbunden war die Unterscheidung zwischen weltlicher und irdischer Arbeit, aktivem und kontemplativem Leben. Weil nach wal230 Zum sozialen Kontext der Waldenser in Südfrankreich vgl. Schneider, Europ. Waldensertum, S. 16 f.; S. 36 f. 231 Ebd., S. 16. 232 Ebd. 233 Ebd., S. 17. 234 Ebd., S. 37. 235 Ebd., S. 38. 236 Ebd., S. 21 f.; Audisio, Waldenser, S. 47 f. 237 Selge, Waldenser I, S. 95. 238 Ebd., S. 112. Zum Selbstverständnis der waldensischen Prediger vgl. umfassend Zerfaß, Laienpredigt, S. 59–82.
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densischem Verständnis im weltlichen Leben die Gefahr der Verführung zur Habsucht lag, verband sich der Aufruf zur Buße und zur Erfüllung der Gebote mit dem Aufruf zu Gebet, zur Ermahnung des Nächsten zu guten Werken, zur Predigt und zum Hören der Predigt.239 Diese Predigt vollzog sich vor dem Hintergrund des letzten Urteils Gottes: So wurde der Sünder gemahnt, Buße zu tun, der Fromme, die Vollkommenheit anzustreben.240 Die Waldenser hielten grundsätzlich alle Menschen jeden Standes für befähigt, den einen Weg zur apostolischen Vollkommenheit zu beschreiten.241 Dieses Prinzip stand der katharischen Lehre in fundamentaler Weise gegenüber, die besagte, daß niemand selig werden könne, der einen anderen Weg beschreite außer dem ihren.242 Katharer Eine Analyse von Predigtpraxis und Predigtkontext katharischer perfecti in Südfrankreich im 13. Jahrhundert hat John Arnold unternommen.243 Arnold stellte dabei fest, daß die katharische Predigtpraxis bisher noch nicht im Detail untersucht wurde. Er machte es sich zur Aufgabe, katharische Predigt im Hinblick auf ihren sozialen Kontext zu analysieren, um u. a. auch zu Erkenntnissen über die Praxis orthodoxen Predigens zu kommen.244 Von der katharischen Predigt wurde, insbesondere innerhalb der französischen Forschung, bisher angenommen, daß sie einen essentiellen Teil des katharischen Lebens ausmachte, daß die katharische Sekte geradezu ein „Orden von Predigern“ war, der durch seine Predigttätigkeit neue Mitglieder für die Gemeinschaft anwarb.245 Zudem galt als gesichert, daß katharische Theologie und katharische Predigt nach Auwertung der entsprechenden Inquisitionsprotokolle als synonym anzusehen seien.246 Arnold führt diesen Umstand auf die stark formalisierte Befragungspraxis der Inquisitoren in den dreißiger und vierziger Jahren des 13. Jahrhunderts zurück.247 Aus solchen Quellen werde nur deutlich, daß die Predigt im Leben der Katharer zwar einen hohen Stellenwert besaß, sie ließen aber keine weiteren Rückschlüsse hinsichtlich Form, Inhalt und Kontext dieser Predigt zu. Arnold wollte daher ein Bild der katharischen Predigt präsentieren, wie es sich in im Rahmen der Inquisitionsbefragungen in den Berichten der Zeugen widerspiegelt. Es stellte sich heraus, daß die katharische Theologie weitaus weniger durch die formale 239
Selge, Waldenser I, S. 113 f. Ebd., S. 113; Lambert, Häresie, S. 72 f. 241 Schneider, Europ. Waldensertum, S. 22. 242 Selge, Waldenser I, S. 114. 243 John Arnold, The Preaching of the Cathars. In: Medieval Monastic Preaching, ed. Carolyn Muessig, Leiden/Boston/Köln 1998, S. 183–205. 244 Ebd., S. 183. 245 Ebd., S. 184. 246 Ebd., S. 184 f. 247 Ebd., S. 185. 240
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Predigt an sich überliefert wurde, sondern vielmehr durch Gespräch, Diskussion und Argumentation oder innerhalb der katharischen Familientradition, wie sie für Südfrankreich typisch ist.248 Dabei erkannte Arnold: „Drawing a line around what actually constitutes ‚preaching‘ is surprisingly difficult.“249 Die Prediger Für die Jahre zwischen 1194–1287 können für den Süden Frankreichs insgesamt 115 verschiedene katharische perfecti namhaft gemacht werden. Lediglich vier davon waren Frauen, was belegt, daß nur wenige Katharerinnen predigten.250 Viele dieser Prediger hatten innerhalb der Gruppe der perfecti herausgehobene Ämter als Diakone oder Bischöfe inne.251 Das bedeutet, daß die Predigt in der ersten Hälfte der 13. Jahrhunderts in der Hauptsache von Katharern geleistet wurde, die innerhalb der Hierarchie ein höheres Amt besaßen.252 Dies bedeutet auch, daß die Katharer nicht unbedingt als eine Gemeinschaft von Volkspredigern (bzw. professionellen Predigern, wenn man die Reichweite ihres Bibelwissens bedenkt) zu bezeichnen sind, sondern daß es vielmehr eine Elite professioneller Prediger unter ihnen gab, zumindest bis zur endgültigen Vernichtung der katharischen Bewegung gegen Mitte des 13. Jahrhunderts.253 Nach Aussage der Quellen predigten die Katharer sowohl zu einem genuin häretischen Publikum, das also nur aus den eigenen Glaubensbrüdern bestand, als auch zu einem Auditorium, in dem rechtgläubige Christen vertreten waren.254 Am häufigsten vollzog sich die Predigt innerhalb eines eher privat als öffentlich zu nennenden Rahmens, etwa im Haus eines perfectus oder eines einfachen Gläubigen (darüber hinaus predigten die Katharer aber auch an abgelegenen Orten, z. B. auf einem Friedhof oder in einem Wald).255 Die Zahl der Zuhörer blieb recht klein, weniger als zehn Personen waren wohl die Regel.256 Diese kleinen Gruppen setzten sich vor allem aus Familienmitgliedern und Hausangehörigen einer domus zusammen, insbesondere in der Zeit nach den 248
Ebd., S. 187 f. Ebd. 250 Ebd., S. 188 ff. 251 Zur Ämterhierarchie vgl. Ignaz von Döllinger, Beiträge zur Sektengeschichte des Mittelalters, 2 Bde., München 1890 (Nachdruck Darmstadt 1968); Bd. I, S. 200–207. 252 Ebd. vgl. Lambert, Häresie, S. 121. 253 Arnold, Preaching, S. 191. 254 Ebd., S. 191 f.; Malcolm Lambert, Geschichte der Katharer. Auftieg und Fall der großen Ketzerbewegung. Übersetzt aus dem Englischen von Raul Niemann, Darmstadt 2001, S. 206 f. 255 Arnold, Preaching, S. 195. 256 Ebd., S. 192. Zu besonderen Anlässen konnten es aber auch größere Auditorien sein, so predigte 1204 Bernhard Fresel zu allen Damen und Rittern von Auriac; an Weihnachten 1243 predigte ein Katharerbischof zu einer Gruppe von 34 Personen in Montsegur. (Ebd. S. 193). 249
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Albigenserkreuzzügen. Manche der Häuser waren offenbar ausschließlich für den gottesdienstlichen Gebrauch bestimmt; diesen Typ von Häusern unterhielten die Katharer allerdings nur bis zu den Kreuzzügen, danach wurde fast ausschließlich in den Wohnräumen der einfachen Gläubigen gepredigt.257 Offenbar folgten die Katharer in Bezug auf Ort und Zeit der Predigt den Sonn- und Festtagen der Kirche. Allerdings blieb die Predigt nicht darauf beschränkt, sondern fand allgemein auch nach den Mahlzeiten und während des gesamten Tages statt.258 Typisch für diese Predigtgelegenheiten war ein stark formalisierter, die innere Hierarchie betonender Kontext, bei dem die Hörer dem Prediger später in einem besonderen Ritual ihren Respekt bekundeten, insbesondere bei der Predigt an Festtagen vor einer größeren Gruppe.259 So hörten die Gläubigen die Predigt, während sie vor dem Prediger knieten. Die typische katharische Predigt bestand aus einem biblischen Text oder einer biblischen Erzählung, die ausgelegt wurde.260 Sie diente dazu, theologische Lehrsätze für die ungebildeten Gläubigen zu erläutern, z. B. um die apostolischen oder vorapostolischen Wurzeln der Katharer zu erklären und somit die Autorität der Katharer und ihres apostolischen Erbes zu unterstreichen. Die meisten Anhänger gewannen die Katharer aber nicht durch die Predigten ihrer perfecti, sondern durch das Ansehen, das sie in der Bevölkerung genossen, die ihre Lebensweise bewunderte. Die Predigt der Katharer war mit ihrem Leben fest verbunden, d. h. die Prediger übten ihr Amt nicht nur auf der Kanzel aus, sondern waren „on show all of the time“.261 „However, there is a certain way in which the spectacle of their lives incorporated within the spectacle of preaching“.262 Der große Unterschied zwischen katharischer und orthodoxer Predigt liegt darin, daß die katharische Predigt keine Bußpredigt im eigentlichen Sinne war. Die hauptsächliche Botschaft der Predigten bestand in der Mahnung, sich von der orthodoxen Kirche fernzuhalten und sich den boni homines anzuschließen, um durch deren Glauben zum Heil zu gelangen. Von der Ausprägung ihrer Theologie her konnte es bei den Katharern kein gutes oder Gott wohlgefälliges Leben geben, das man als Laie hätte führen können: entweder man hatte sich dem Ritual der Reinigung, dem consolamentum, unterzogen, oder eben nicht, und dann war die Verdammnis gewiß.263 257 Ebd., S. 195. Es kam zudem vor, daß ein perfectus bisweilen hintereinander vor einem nach Geschlechtern getrennten Zuhörerkreis predigte; so hielt ein Katharerbischof 1228 seine Predigt in einem Haus zu verschiedenen Zeiten vor einer Gruppe von jeweils Männern und Frauen (Ebd., S. 194). 258 Ebd. 259 Ebd., S. 196. 260 Lambert, Häresie, S. 122. 261 Arnold, Preaching, S. 202. 262 Ebd. 263 Zur Funktion des consolamentum vgl. umfassend Schmitz-Valckenberg, Grundlehren, S. 230–234; Döllinger, BSM I, S. 207–221.
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Nach Arnold ist das eigentliche charakteristische Merkmal der katharischen Predigt eine merkwürdige Inkonsequenz: Aus katharischer Sicht bedeutete die Predigt die Präsenz des Göttlichen in einer korrupten Welt.264 Doch was die Katharer predigten, war dabei eher unwichtig. Es kam nicht so sehr auf den Inhalt der Predigt an, als vielmehr auf ihre symbolische Wichtigkeit an, der Fakt, daß sie geschah und weniger, was genau sie als Botschaft enthielt. Die katharische Predigt war das sichtbare äußere Zeichen ihres apostolischen Erbes, hinter dem der Wert des Inhalts zurücktrat.265 Die apostolische Autorität, die sich in der Predigt ausdrückte, stellten die katharischen Prediger in ihrem alltäglichen Leben zur Schau. Für die Zuhörer entsprang ihre Autorität vor allem der Korrelation von Wort und Tat, manche ihrer Anhänger zogen Vergleiche zwischen den katharischen und den Bettelordenpredigern: die Katharer fasteten drei Tage lang nach dem Tod eines Gläubigen, um seiner Seele beim Aufstieg zum Himmel zu helfen, während die Mendikanten dafür Geld verlangten.266 Da also bei den Angehörigen der Bettelorden aus Sicht der Katharer der Inhalt der Predigt nicht mit der Lebenshaltung konvergierte, besaßen sie kein Recht auf das Vertrauen der Gläubigen.267 Dabei akzeptierten allerdings die Hörer auch nicht automatisch die Autorität der katharischen Prediger. Offenbar besuchten manche Predigten beider Ketzergruppen, der Katharer und Waldenser, um herauszufi nden, welche über die besseren Prediger und die interessantere Predigtweise verfügte.268 4.3.2. Predigt gegen Ketzer im 12. und 13. Jahrhundert Die Reaktion der Kirche auf die Bedrohung durch die katharischen Häretiker vor allem in Südfrankreich, wo Stadtbürger und Adel eine zuverlässige Basis für die Katharer bildeten,269 war zunächst zögerlich. Sie stand der fortschreitenden Ausbreitung der Sekte im Languedoc hilflos gegenüber, da sie sich auf die Gegenwehr durch einen korrupten Klerus nicht verlassen konnte.270 So entsandte Innozenz III. 1206 mit besonderen Vollmachten ausgestattete Legaten, Arnaud Amaury und Petrus von Castelnau, die in den von der Ketzerei betroffenden Gebieten missionieren sollten. In der Konfrontation mit den Katharern bedienten sie sich einer Methode, die schon Augustinus propagierte hatte: 1. Argumentieren, 2. Warnen, 3. Exkommunizieren, 4. Strafen.271 Doch der Mission 264
Arnold, Preaching, S. 202. Ebd., S. 203. 266 Ebd. 267 Ebd.. 268 Ebd., S. 204. 269 Grundmann, Ketzergeschichte, S. 27. 270 Vgl. Lambert, Häresie, S. 99. 271 Vgl. auch Karl Bertau, Laienfrömmigkeit und Ketzerei. In: Ders., Deutsche Literatur im europäischen Mittelalter, Bd. II: 1195–1220, München, 1972, S. 874–889; S. 887. 265
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war außer einer Vielzahl verhängter Exkommunikationen kein Erfolg beschieden, die Gegenargumente der Ketzer erwiesen sich als schlagkräftiger, und Innozenz mußte seine Legaten wegen ihres planlosen Vorgehens ermahnen.272 Eine grundlegende Neuausrichtung im Umgang mit einer solch effizient organisierten Sekte erfolgte mit den Überlegungen des spanischen Bischofs Diego von Osma, der zwei entscheidende Punkte nannte, in denen die Kirche es den Ketzern gleichtun mußte, wenn sie im Languedoc Erfolg haben wollte. Armut und Wanderpredigt hießen die beiden Begriffe, die von nun an die Strategie der Kirche bestimmen sollten.273 Es brauchte Wanderprediger mit einer ebenso vorbildlichen Lebensführung wie die Ketzer, die einer Lehre gemäß den orthoxen Glaubensvorschriften verpfl ichtet waren, die sich um die Laienunterweisung kümmerten und für die Disputation mit den Ketzern geschult waren.274 1206 erhielten Diego und der zu seiner Begleitung zählende Dominicus die Erlaubnis des Papstes, auf diese Weise unter den Katharern in Südfrankreich zu missionieren. Auch wenn der Erfolg dieser Mission nur sehr gering ausfiel, so war doch mit der Methode Diegos von Osma der zukünftige Weg der Kirche in der Auseinandersetzung mit den häretischen Bewegungen der Katharer und später auch der Waldenser vorgezeichnet. Gegen die Katharer wandten sich die großen Persönlichkeiten der Kirche aber auch schon im 12. Jahrhundert. Die katharische Bewegung hatte sich zur Mitte des Jahrhunderts erstmals in verschiedenen Ländern Mitteleuropas bemerkbar gemacht. Im deutschen Sprachraum wurden diese zunächst noch anonymen Häretiker erstmals im Jahre 1143/44 entdeckt.275 Der Prämonstratenserpropst Everwin von Steinfeld äußerte sich in einem Brief an Bernhard von Clairvaux über die Charakteristika einer in Köln aufgedeckten Häresie, die einen eigenen Bischof besaß und über eine eigene Organisationsstruktur verfügte.276 Ihre Vertreter wurden von der versammelten Kölner Bevölkerung auf einem Scheiterhaufen verbrannt. Mit einer bemerkenswerten Gelassenheit, ja geradezu mit Freude hätten die Häretiker die Qualen des Feuers ertragen, schreibt Everwin verwundert.277 Die Anhänger dieser die zeitgenössischen Theologen an die Manichäer erinnernden Häresie 278 nahmen nicht nur im Rheinland, sondern vor allem jenseits der Alpen, in Südfrankreich und Norditalien, beunruhigend an Zahl zu. Everwin wandte sich daher an Bernhard von Clairvaux, der für seinen steten Einsatz zur strengen Wahrung der Orthodoxie bekannt war, um von ihm Ratschläge im Kampf gegen diese neue Häresie zu 272
Ebd. Bertau, Laienfrömmigkeit, S. 887. 274 Ebd.; vgl. Lambert, Häresie, S. 99. 275 Lambert, Häresie, S. 57; Grundmann, Ketzergeschichte, S. 22 f. 276 PL 182, Sp. 676–680; Lambert, Häresie, S. 57; Grundmann, Ketzergeschichte, S. 23. 277 [. . .] et, quod magis mirabile est, ipsi tormentum ignis non solum cum patientia, sed et cum laetitia introierunt et sustinuerunt. (PL 182, Sp. 677C). 278 Grundmann, Ketzergeschichte, S. 23. 273
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erbitten.279 Aus dem Bericht Everwins wurde deutlich, daß man es mit zwei verschiedenen Spielarten einer manichäischen Häresie zu tun hatte: Der eine Zweig enthielt sich jeglicher Nahrung, die aus fleischlicher Vereinigung entstanden war, und verwarf auch die Ehe als solche.280 Die andere Gruppe lehnte vor allem die kirchliche Hierarchie mit ihrem angeblich sittlich verdorbenen Klerus ab, bestritt die Gültigkeit aller Sakramente mit Ausnahme der (Erwachsenen-)Taufe und ließ Eheschließungen nur unter unberührten Partnern zu.281 Everwin selbst wußte um die Notwendigkeit, diese Ansichten zu widerlegen, zumal die Häretiker, die sich selbst pauperes Christi nannten,282 zur Begründung ihrer Lehren aus der Bibel zitierten. Insbesondere die kritische Einstellung gegenüber dem Klerus schien ihm bedrohlich. Dem Wunsch Everwins entsprechend schloß Bernhard in einer seiner Hoheliedpredigten, bei der er sich gerade bei den „kleinen Füchsen im Weinberg“ befand, diesbezüglich einen ausführlichen Passus ein.283 In der 65. und 66. Predigt beschäftigt sich Bernhard mit den Katharern Südfrankreichs, deren heimliches Wirken er besonders kritisiert. Bernhard betont ausdrücklich, daß man sie aufgrund ihrer Gesinnung, nicht wegen ihres Verhaltens verfolgen und bekämpfen müsse. Ihre Lebensführung scheint vollkommen untadelig und ist doch nur Schein: Sie besuchen die Kirche, gehen zur Beichte und empfangen die Sakramente.284 Doch erschüttert diese Sekte das soziale Gefüge, weil Eheleute sich um dieser Sekte willen trennen und Geistliche ihre Gemeinden verlassen.285 Bernhard kennt ihre Lehren, nennt u. a. das Verbot der Ehe, den Verzicht auf bestimmte Speisen, den Anspruch der wahren Apostelnachfolge.286 Ihre Heimlichkeit und Verborgenheit spricht für sich; schließlich ist ja auch bekannt, daß sie sich in ihren Verstecken und geheimen Versammlungsorten nächtlichen Schändlichkeiten hingeben sollen: Sed magis credo quod pandere erubescant, scientes inglorium. Nam nefanda et obscena dicuntur agere in secreto: siquidem et vulpium posteriora foetent.287 Die standhafte Weigerung der Häretiker, ihrem Irr279
Peter Dinzelbacher, Bernhard von Clairvaux. Leben und Werk des berühmten Zisterziensers, Darmstadt 1998, S. 265 f. 280 Lambert, Häresie, S. 57. 281 Ebd., S. 59. 282 PL 182, Sp. 677. 283 Dinzelbacher, Bernhard von Clairvaux, S. 268. 284 [. . .] ita per ea quae in facie sunt cuncta dissimulat. Denique si fidem interroges, nihil christianius; si conversationem, nihil irreprehensibilius: et quae loquitur, factis probat. Videas hominem in testimonium suae fidei frequentare ecclesiam, honorare presbyteros, offerre munus suum, confessionem facere, sacramentis communicare. Quid fidelius? (Bernhard von Clairvaux, Sämtliche Werke, lateinisch/ deutsch, 10 Bde., hrsg. von Gerhard B. Winkler, Innsbruck 1990–1999. Nachfolgend zitiert als: Bernhard, SW, mit entsprechender Bandzahl. Sermo 65, II,5: SW Bd. 6, S. 364). 285 Vgl. Beverly M. Kienzle, Tending the Lord’s Vineyard: Cistercians, Rhetoric and Heresy, 1143–1229. Part I: Bernhard of Clairvaux, the 1143 sermons and the 1145 preaching mission, Heresis 25 (1995), S. 29–61; S. 43. 286 Sermo 66, III,6 f.: SW Bd. 6, S. 378 f. 287 Sermo 65, I,2: ebd., S. 360.
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glauben abzuschwören, beweist demnach ihre außerordentliche Verstocktheit, und ihr Ende wird das Verderben sein.288 Daß ihre innere Gesinnung, im Gegensatz zum äußeren Schein eben nicht rein, sondern böse und verderbt ist, beweist seiner Ansicht nach schon die Wasserprobe, denen sich manche der Ketzer unterziehen mußten.289 Als man sie ins Wasser warf, gingen sie nämlich nicht unter, d. h. das (sinnbildlich reine) Wasser nahm sie nicht an (aqua eos non recipiente),290 und damit war ihre Schuld nach den Maßgaben eines Gottesurteils erwiesen. Die Tatsache, daß die Häretiker in Köln von der versammelten Menge gelyncht wurden,291 veranlaßt Bernhard in Anspielung auf Rom. 13,4 zu einem nur milden Tadel. Er billige zwar ihren Eifer, rate aber von einer solchen Handlungsweise ab, da man für den Glauben nur mit Überzeugung, nicht mit Zwang wirken müsse.292 Allerdings dürfe man den Häretikern keinesfalls erlauben, noch mehr Menschen in ihre Irrtümer hineinzuziehen, vielmehr müßte man sie dann durch das Schwert der Obrigkeit bekämpfen.293 Bernhard empfand die Irrlehren als ein weiteres Zeichen der bevorstehenden Endzeit.294 Die Ketzer versuchte er nicht nur in der dogmatischen Auseinandersetzung zu widerlegen, sondern vor allem auf einer personalen Ebene, als es ihm darum ging, menschliche Fehlhaltungen aufzudecken, die er allgemein einem Mangel an Gottesliebe anlastete.295 Die heuchlerisch frommen Ketzer von Köln machte Bernhard vor den Mönchen weniger zum Gegenstand seiner Betrachtung, um sie direkt vor jener Häresie zu bewahren; er stellte das Thema vielmehr in einen weitergefaßten Kontext.296 Im Wissen, daß auch die Klosterbrüder ständig Gefahr liefen, sich vom Schein des Guten täuschen zu lassen, mußte er die Rolle des Mahners einnehmen.297 Sowohl den Mönchen im Kloster als auch den Ketzern ist der Wille zu einer radikalen Lebensführung eigen, der nach seiner Ansicht häufig die Versuchung in sich birgt, sich mit herausragenden religiösen Leistungen hervorzutun.298 Für Bernhard defi nierte sich Häresie 288
Sermo 66, IV,12; ebd., S. 386. Ebd. 290 Ebd. 291 [. . .] rapti sunt a populis nimio zelo permotis [. . .] et in ignem positi, atque cremati [. . .]. (PL 182, Sp. 677). 292 Itaque irruens in eos populus, novos haereticis suae ipsorum perfidiae martyres dedit. Approbamus zelum, sed factum non suademus, quia fides suadenda est, non imponenda. (Sermo 66, V,12: SW Bd. 6, S. 386 f.). 293 Quamquam melius procul dubio gladio coercentur, illius videlicet qui non sine causa gladium portat, quam in suum errorem multos traicere permittantur. (Sermo 66, V,12: ebd., S. 388). Vgl. Rom. 13,4. 294 Dinzelbacher, Bernhard von Clairvaux, S. 269. 295 Ebd.; Johannes Rauch, Die anderen im Menschenbild Bernhards: Juden, Heiden, Ketzer. In: Bernhard von Clairvaux und der Beginn der Moderne, hrsg. von Dieter R. Bauer u. Gotthard Fuchs, Innsbruck / Wien 1996, S. 235–262; S. 255. 296 Rauch, Menschenbild, S. 258. 297 Ebd. 298 Ebd. 289
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somit als Endpunkt einer „personalen und spirituellen Perversion“, wie sie sich auch im Alltag des Klosterlebens beobachten ließ.299 Auf welchem Wege Hildegard von Bingen Kenntnis von den 1143 erstmals auf deutschem Gebiet auftretenden Katharern und ihrer Lehre erhielt, ist nicht festzustellen. Möglicherweise kam sie schon früh, während ihrer Zeit als Nonne auf dem Disibodenberg mit dem Gedankengut der Häretiker in Berührung, und vielleicht war ihr auch der Bericht Everwins von Steinfeld bekannt, der 1143 über die Kölner Katharer berichtet hatte.300 Zur Zeit ihrer dritten Predigtreise (1161–1163) wurde in Köln erneut eine Gruppe von Katharern verhaftet und hingerichtet.301 Wie schon den Abt von Steinfeld, so beeindruckten diese Ketzer auch die Zuschauer in Köln durch die Unerschütterlichkeit, mit der sie für ihren Glauben die Scheiterhaufen bestiegen. Im selben Jahr besuchte Hildegard von Bingen die Stadt und hielt dort, vermutlich im Dom, eine öffentliche Predigt.302 Der genaue Wortlaut dieser Predigt ist nicht überliefert, erhalten blieb lediglich ein Brief Hildegards, in dem sie auf Bitten des Kölner Domdekans Philipp von Heinsberg ihre in der Stadt gehaltene Predigt zusammenfaßte.303 Der Brief fand Aufnahme in eine 1220 entstandene Kompilation des Gebeno von Eberbach, die unter dem Titel Pentachronon bekannt und in zahlreichen Handschriften in ganz Europa verbreitet war.304 Zu Beginn des Briefes tadelt Hildegard zunächst die mangelnde Bereitschaft des Kölner Klerus, seinen seelsorgerlichen Pfl ichten nachzukommen, stattdessen entzögen sie sich, nur mit ihrer eigenen Bequemlichkeit beschäftigt und doch stets über die übermäßige Belastung klagend, den Aufgaben ihres Amtes vollkommen.305 Indem sie es versäumen, die Gläubigen in der rechten Lehre zu unterweisen, machen sich die korrupten Kleriker schuldig an der Abirrung der Gläubigen, die sich den als spirituelle Führer auftretenden Häretikern anvertrauen. Diese Häretiker, die im Köln des Jahres 1163 erneut entdeckten Katharer, sieht Hildegard als Vorausdeutung des irrenden Volkes der Endzeit, wobei die zeitgenössischen Ketzer gleichsam die Spiegelung der zukünftigen Irrlehrer sind.306 Die Vertreter des künftigen irrenden Volkes halten sich von Frauen fern 299
Ebd. Gössmann, Der Brief Hildegards; S. 316. Vgl. Anm. 17. 301 Grundmann, Ketzergeschichte, S. 23. 302 Beverly M. Kienzle, Defending the Lord’s Vineyard. Hildegard of Bingen’s Preaching against the Cathars. In: Medieval Monastic Preaching, ed. Carolyn Muessig, Leiden/Boston/Köln 1998, S. 163–181; S. 170. Vgl. Rudolf Holbach, Hildegard von Bingen und die kirchlichen Metropolen Mainz, Köln und Trier. In: Hildegard von Bingen in ihrem historischen Umfeld. Internat. Wiss. Kongreß zum 900jährigen Jubiläum, hrsg. von Alfred Haverkamp, Mainz 2000, S. 71–115; S. 103. 303 Gössmann, Der Brief Hildegards, S. 312; Kienzle, Defending the Lord’s Vineyard. S. 170 f. 304 Ebd. 305 Ebd., S. 314 f. 306 Ebd., S. 215 f.; vgl. Kienzle, Defending the Lord’s Vineyard, S. 172. 300
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und geben sich fromm: Unde et mulieres non amant, sed eas fugiunt. Et ita quasi in omni sanctitate hominibus se ostendunt.307 Von sich selbst behauptet das irrende Volk: Nulla autem pollutio carnis et concupiscentiae nos tangere audet, quia sancti sumus, et Spiritu sancto infundimur.308 Im Anschluß daran wendet sich Hildegard den irrenden Menschen der Gegenwart zu, und es ist wahrscheinlich, daß ihre Äußerungen sich tatsächlich auf die zu der Zeit in Köln entdeckten Katharer beziehen.309 Die Gefolgschaft der irrenden Menschen wird immer größer, so daß sie die doctores et sapientes, qui tunc in fide catholica fideliter persistunt310 verfolgen und vertreiben können. Sie werden besonders die Frauen in ihre Irrtümer hineinziehen, indem sie ihnen sagen: Non licet vos nobiscum esse. Sed quoniam rectos doctores non habetis, nobis oboedite [. . .], et salvae eritis. 311 Dies steht in Bezug zu einer Stelle aus 2 Tim. 3,1–6, welche von den äußerlich frommen Brüdern der Endzeit handelt, die sich in die Häuser schleichen, um die Frauen zu verführen.312 Der Brief endet mit der direkten Anrede an den Kölner Klerus, der aufgefordert wird, die Katharer, die schlimmer als Juden seien, zu vertreiben.313 Vermutlich war Hildegard mit den Grundzügen der katharischen Lehre vertraut, jedoch gehen aus dem Kölner Brief keine wesentlichen weiteren Details dazu hervor.314 Die Grundausrichtung des Briefes liegt eher im Tadel eines verweltlichten Klerus, der nicht in der Lage ist, die falsche Frömmigkeit der Häretiker zu durchschauen und durch mangelnde Seelsorge die Gläubigen diesen Irrlehrern schutzlos überläßt.315 Im 13. Jahrhundert übernahmen neben den Dominikanern vor allem die Franziskaner als päpstliche „anti-heretical task force“316 eine tragende Rolle in der Auseinandersetzung mit den Häretikern, sowohl durch das Medium der Predigt als auch durch eine entsprechenden Traktatliteratur, die der theologischen Widerlegung der ketzerischen Irrtümer diente.317 Sehr früh wurden sie auch in die Organisation von Kreuzzugskampagnen eingebunden. Einige der ersten Kreuzpredigten deutscher Franziskaner richteten sich gegen die Mongolen, die im März 1241 nach der Eroberung Rußlands bis zu den Grenzen Polens vorgerückt waren und dort in der Schlacht von Liegnitz die ungarischen und 307
PL 197, Sp. 250 C. Ebd. 309 Gössmann, Der Brief Hildegards, S. 317. 310 PL, 197, Sp. 250 C. 311 Ebd., Sp. 251 B. 312 Vgl. Gössmann, Der Brief Hildegards, S. 317. 313 [. . .] et nefarios homines a vobis abjicite, qui pejores Judaeis sunt, et similes Sadducaeis. Nam quandiu vobiscum manserint, tuti esse non poteritis. [. . .] Quapropter ipsos a vobis projicite, ne congregatio et civitas vestra pereat, quoniam in Colonia pridem convivium regalium nuptiarum praeparatum est [. . .]. (PL 197, Sp. 253A); Gössmann, Der Brief Hildegards, S. 318. 314 Vgl. Gössmann, Der Brief Hildegards, S. 312. 315 Ebd., S. 319. 316 Roest, History, S. 292. 317 Lambert, Häresie, S. 99. 308
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schlesischen Heere besiegt hatten.318 Im Mai 1241 rief der Bischof von Konstanz, Heinrich von Thann, die Franziskaner seiner Diözese auf, den Kreuzzug zu predigen, den Konrad IV. eine Woche zuvor beschlossen hatte.319 Einen Monat später sandte Papst Gregor IX. an den Provinzialminister der Franziskaner in Sachsen die Bitte, den Kreuzzug zu predigen.320 In der Kreuzzugspredigt wurde jedoch nicht nur zum Kampf gegen die Sarazenen oder zur Teilnahme an Heerzügen zur Befreiung des Heiligen Landes aufgerufen. Die Kreuzzugspredigt diente vielmehr ganz allgemein als Aufforderung zum Kampf gegen jedwede Form von Unglauben, der die Kirche zu bedrohen schien bzw. gegen konkrete Bedrohungen für die Sicherheit der Christen in Europa. Der Kampf gegen die waldensischen und katharischen Häretiker in Südfrankreich sowie gegen die heidnischen Slaven im Osten des deutschen Reiches konnte auch seitens des Papstes zum Kreuzzug erklärt werden.321 1250 erhielten die Franziskaner in Österreich von Innozenz IV. den Auftrag, gegen den exkommunizierten Friedrich II. und seine Anhänger als Feinde der Kirche und sozusagen „politische Ketzer“ das Kreuz zu predigen.322 Nicht als Kreuzzugspredigten können jedoch die Predigten bezeichnet werden, die sich allgemein gegen Ketzer richteten. Der Kampf gegen Unglauben und Ketzerei bzw. die Stärkung des christlichen Glaubens durch eine verstärkte Seelsorge war die genuine Aufgabe der Franziskaner, die sozusagen zu ihrem alltäglichen Geschäft gehörte und sich nicht ausschließlich im Rahmen von Kreuzzugskampagnen vollzog. Sofern die überlieferten antihäretischen Predigten nicht in einen größeren organisatorischen Rahmen einzuordnen sind, wie etwa die Kreuzzugskampagnen gegen die Albigenser in Südfrankreich, bildeten sie vermutlich einen Bestandteil der regelmäßigen franziskanischen Volkspredigt. Einer der berühmtesten Ketzerprediger des Franziskanerordens war Antonius von Padua. Geboren gegen 1195 in Lissabon, entstammte Antonius einer vornehmen und mächtigen Familie.323 Mit etwa fünfzehn Jahren trat er in das Augustiner Chorherrenstift Sao Vicente in der Nähe von Lissabon ein und sie318 Clément Schmitt, Der Anteil der Franziskaner an den Kreuzzügen. 13.-15. Jahrhundert. In: 800 Jahre Franz von Assisi. Franziskanische Kunst und Kultur des Mittelalters, hrsg. von Johannes Gründler, Wien 1982; S. 213–231; S. 214. 319 Ebd. 320 Ebd. 321 Vgl. Schneyer, Geschichte, S. 173. 322 Herman Haupt, Waldenserthum und Inquisition im südöstlichen Deutschland bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts, Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 1 (1889), S. 285– 320; S. 293, Anm. 2. Zu den Maßnahmen Gregors IX. gegen Friedrich II. vgl. Segl, Ketzer in Österreich, S. 114 ff. 323 Paolo Scandaletti, Antonius von Padua. Volksheiliger und Kirchenlehrer. Aus dem Italienischen von Johanna Homa, Graz/Wien/Köln 1983, S. 84 f.; Vergilius Gamboso, Sankt Antonius von Padua. In: Gründler, 800 Jahre Franz von Assisi, S. 122–129; S. 122. Jacques Toussaert (Antonius von Padua. Versuch einer kritischen Biographie, Köln 1967, S. 140) nimmt 1193 als Geburtsjahr an.
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delte zwei Jahre später in ein anderes Augustinerkloster, Santa Cruz nahe Coimbra, über.324 Nach der Priesterweihe 1220 entschloß sich Antonius, den Orden zu verlassen und der Gemeinschaft der Franziskaner von Santa Cruz beizutreten. Aufgrund seiner außerordentlichen Kenntnisse der Heiligen Schrift sowie seiner hervorragenden rhetorischen Begabung wurde er im Herbst 1223 zum Wanderprediger für die durch Häresien bedrohten Gebiete der Romagna, der Lombardei, Venetiens und Liguriens bestimmt; 325 seine ersten Predigtreisen führten ihn in die durch politische Unruhen und kommunale Krisen erschütterte Romagna, in der die Katharer große Erfolge zu verzeichnen hatten.326 In Rimini hielt er trotz vereinzelter Versuche der Häretiker, die Bewohner zum Boykott zu drängen, Predigten in der Volkssprache, hörte die Beichte und unterwies seine Mitbrüder in theologischen und seelsorgerlichen Fragen.327 Er soll dort auch durch Predigt und Disputation viele Irrgläubige, unter ihnen einen katharischen Vollkommenen namens Bonvillo, bekehrt haben.328 Etwa ein Jahr lang hielt Antonius sich in Bologna auf, bevor er sich nach Südfrankreich wandte, um auch dort zu predigen und den katharischen Häretikern in öffentlichen Disputen entgegenzutreten und so wie in Italien ihre Bekehrung zu erreichen. Seine Berühmtheit wuchs, und bald konnten die Kirchen die vielen Zuhörer nicht mehr fassen, so daß Antonius deshalb im Freien predigen mußte.329 Möglicherweise bediente er sich wie Berthold von Regensburg bei der Predigt im Freien einer Kanzel, um sich besser Gehör zu verschaffen.330 Nach dem Osterfest 1231 setzte Antonius in Padua und Umgebung seine Predigttätigkeit fort, bei der er Zulauf und Anerkennung aus allen sozialen Schichten erhielt, unter seinen Zuhörern fanden sich neben einfachen Leuten Magister und Studenten der Universität, Honoratioren der Stadt und selbst der Bischof mit dem Klerus.331 Die letzten Wochen seines Lebens verbrachte er mit zwei Ordensbrüdern in einer Einsiedelei in Camposanpiero nahe der Stadt. Durch die vielfältigen Strapazen während seiner Reisen geschwächt, starb Antonius am 13. Juni 1231 auf dem Weg nach Padua und wurde bereits am 30. Mai 1232 von Papst Gregor IX. heiliggesprochen.332 324
Scandaletti, Antonius, S. 94 ff.; Gamboso, Sankt Antonius, S. 122. Gamboso, Sankt Antonius, S. 124. 326 Scandaletti, Antonius, S. 115 f.; Gamboso, Sankt Antonius, S. 124; Toussaert, Antonius, S. 359 f. 327 Scandaletti, Antonius, S. 116; Gamboso, Sankt Antonius, S. 124; Toussaert, Antonius, S. 374 f. 328 Sophronius Clasen, Lehrer des Evangeliums. Ausgewählte Texte aus den Predigten des hl. Antonius von Padua, Werl/Westf. 21985, S. 16. 329 Scandaletti, Antonius, S. 121–128; Gamboso, Sankt Antonius, S. 124 f.; Toussaert, Antonius, S. 375. 330 Toussaert, Antonius, S. 568. 331 Scandaletti, Antonius, S. 147 f.; Gamboso, Sankt Antonius, S. 126; Clasen, Lehrer des Evangeliums, S. 16 f. 332 Gamboso, Sankt Antonius, S. 127. 325
4.3. Die Predigt als zentrales Medium im Kampf um den rechten Glauben
111
Unter dem Namen Antonius’ von Padua wurde eine Vielzahl von schriftlichen Werken überliefert,333 von denen ihm allerdings nur die Sermones dominicales und die Sermones festivi mit einiger Sicherheit zugeschrieben werden können.334 Die umfangreichere Sammlung der Sonntagspredigten wurde zwischen 1227 und 1229 abgefaßt, während die unvollständig gebliebene Zusammenstellung der Festtagspredigten um 1230/31 zu datieren ist. Die genaue Anzahl der Predigten schwankt je nach dem zugrundegelegten Kriterium: Gemäß der Zählung des jeweils behandelten Themas sind es 126–250 Sermones, nach der Zählung unter Bezugnahme auf die Sonntage und Festtage des Kirchenjahres ergeben sich indes insgesamt 70 Predigten.335 Die Forschung zögert, sie als Sermones im vollgültigen Sinn zu bezeichnen. Inwieweit sie sich jedoch von einer als typisch empfundenen Predigt unterscheiden lassen, scheint ausgesprochen schwierig zu bezeichnen, und die Erklärungsansätze bleiben dabei diffus. Die Defi nitionsversuche schwanken zwischen „Entwürfe“ bzw. „Predigtgedanken“,336 „abstrakte Gedankenskizzen“337 und „eine Folge biblischer Darstellungen“.338 Sicher ist wohl, daß diese Predigten oder Predigtskizzen kaum Rückschlüsse darauf zulassen, wie Antonius seine Predigtvorträge vor den Zuhörern gestaltete: es handelt sich um Texte, in denen die jeweilige Perikope dem allegorischen, moralischen und anagogischen Schriftsinn gemäß ausgelegt wurde, wobei Antonius offenbar auf Unterlagen zu Bibelkommentaren zurückgriff, die er im Rahmen seiner eigenen theologischen Lehre vortrug.339 Diese Sammlungen gelehrter Predigten scheinen demnach sowohl für einen schulischen Zweck – nämlich als theologisches Lehrbuch – als auch für die Seelsorge konzipiert zu sein, indem sie die biblische lectio mit einer Auswahl passender Argumente verbanden zur Ausgestaltung weiterer Predigten oder moralischer Ermahnungen für ein unterschiedliches Publikum.340 Wenn nun auch die Form der überlieferten Predigtentwürfe wenig über die tatsächliche Predigtweise Antonius’ aussagt, so zeigen die Quellenzeugnisse übereinstimmend, daß er zurecht als einer 333 Vgl. die Übersicht bei Clasen, Lehrer des Evangeliums, S. 29–44; Toussaert, Antonius, S. 471–475. 334 Sermones dominicales et festivi, ed. B. Costa, L. Frasson, G. Luisetto, Padova 1979. Zur Frage der Zuschreibung vgl. Gamboso, Sankt Antonius, S. 128; Toussaert, Antonius, S. 473: „Alles, was man mit Sicherheit über das geschriebene Werk des Heiligen weiß, ist: Scripsit sermones.“ 335 Gamboso, Sankt Antonius, S. 128. 336 Clasen, Lehrer des Evangeliums, S. 55 ff. 337 Schneyer, Geschichte der kath. Predigt, S. 161. 338 Gamboso, Sankt Antonius, S. 128: „Man darf sich jedoch von dem bisher angewandten Ausdruck Sermone nicht irreführen lassen, denn die Sermone des hl. Antonius sind keine Predigten im üblichen Sinn. Wohl weist ihre äußere Struktur die typischen Merkmale der mittelalterlichen Homiletik auf, doch sind sie in ihrem Wesen und Inhalt nach völlig anders.“ 339 Gamboso, Sankt Antonius, S. 128. 340 Ebd., S. 129; Clasen, Lehrer des Evangeliums, S. 18.
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4. Predigt im Mittelalter
der bedeutendsten Prediger Italiens im 13. Jahrhundert galt.341 Bei der Predigt vor einem gelehrten Publikum aus Klerikern und Kardinälen bestach er durch seine große Redegewandtheit 342 , durch kluge und scharfsinnige Beweisführung.343 Einem Auditorium aus einfachen Laien verstand er sich in gleicher Weise anzupassen; stets rührte seine Predigt die Menschen im tiefsten Herzen.344 Formal stellt die Predigt Antonius’ die Vereinigung von franziskanischer Exhorte und thematischer Predigt zur eigentlichen franziskanischen Bußpredigt dar. Ihr Inhalt orientierte sich an den Themen, die Franziskus in seiner Ordensregel für die Predigt festlegte: Tugenden und Laster, Lohn und Strafe.345 Sein Werk sollte „der Ehre Gottes, der Erbauung der Seelen und dem Trost der Leser und Zuhörer dienen“,346 indem es das gesamte Wissen des Alten und Neuen Testamentes vermittelte. Antonius bediente sich zu diesem Ziel der etymologischen Deutung der biblischen Namen, Zahlen und Dinge nach dem Vorbild Isidors von Sevilla, um das richtige Verständnis der göttlichen Offenbarung im Wort, der Bibel, und im Werk, dem Buch der Natur, zu erreichen. Er tat dies auch, um dem Zeitgeschmack seiner Leser und Hörer entgegenzukommen: „Unsere Zeit ist durch das hohle Wissen ihrer Leser und Zuhörer soweit gekommen, daß sie des Lesens überdrüssig wird und nur ungern zuhört, wenn sie nicht gewählte, wohlüberlegte und modern klingende Worte liest oder hört. Darum habe ich [. . .] gewisse naturwissenschaftliche Erörterungen über Dinge und Tiere und Namenserklärungen auf das sittliche Leben gedeutet und in mein Werk aufgenommen.“347
In diesem eher lehrbuchartigen Kompendium, in dem in loser Anordnung die christlichen Glaubenswahrheiten dargestellt sind, spiegelt sich Antonius von Padua als Ketzerbekämpfer also höchstens indirekt wieder, denn die Predigten richten sich mit keinem Wort gegen die Häretiker, sondern wenden sich an den Sünder ganz allgemein.348 341
Hermann Hefele, Die Bettelorden und das religiöse Volksleben Ober- und Mittelitaliens im XIII. Jahrhundert, Leipzig/Berlin 1910 (Nachdruck Hildesheim 1972), S. 92 ff.; Clasen, Lehrer des Evangeliums, S. 15. 342 [. . .] facundo eructabat eloquio [. . .]. (Toussaert, Antonius, S. 364, Anm. 23). 343 [. . .] spiritalia spiritalibus subtiliter comparantem [. . .]. (Ebd., Anm. 24). 344 Erat tamen sermo ipsius, pro diversis opportunitatibus semper in gratia sale conditus. (Ebd., S. 365, Anm. 29). [. . .] in ejusmodi praedicationibus universo movebat, sic medullas cordis veraciter transfigebat. (Ebd., S. 375, Anm. 59). 345 Clasen, Lehrer des Evangeliums, S. 44. 346 Ad Dei ergo honorem et animarum aedifi cationem, et tam lectoris quam auditoris consolationem, ex ipso Sacrae Scripturae intellectu, utriusque Testamenti auctoritatibus, quadrigam fabricavimus [. . .]. (Sermones, Prologus, S. 3). Vgl. auch Clasen, Lehrer des Evangeliums, S. 44. 347 Ad hoc nostri temporis lectorum et auditorum devenit insipida sapientia, quod, nisi verba polita, exquisita et novum quid resonantia invenerit vel audierit, legere fastidit, audire contemnit. Et ideo [. . .] quasdam rerum et animalium naturas et nominum etymologias, moraliter expositas, ipsi operi inseruimus. (Prologus, S. 4. Übersetzung nach Clasen, Lehrer des Evangeliums, S. 52). 348 Vgl. Toussaert, Antonius, S. 361: „Nun läßt sich aber feststellen, daß dieser spirituel-
4.3. Die Predigt als zentrales Medium im Kampf um den rechten Glauben
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Von seinem engagierten Wirken gegen die Katharer Südfrankreichs und Norditaliens berichten jedoch schon die frühesten Viten. Demzufolge trat Antonius den Ketzern weniger durch die Predigt als vor allem in der direkten Konfrontation im öffentlichen Disput entgegen und verdiente sich vielleicht auf diese Weise den Beinamen „Hammer der Häretiker“, eine Bezeichnung, die angeblich im 14. Jahrhundert im Volksmund verbreitet gewesen sein soll.349 Im Laufe der Jahrhunderte stieg das Interesse vor allem an den Wundern, die Antonius selbst vollbracht haben soll oder die sich im Zusammenhang mit seiner Person ereigneten. Die ursprünglichen Schilderungen wurden mit immer neuen Variationen erzählt, und einzelne Begebenheiten wurden in den Wunderanekdoten besonders grell ausgeschmückt. Einige dieser Wundergeschichten sagte man in ähnlicher Form auch Berthold von Regensburg nach. So hieß es über Antonius, daß einmal ein Mann seiner Ehefrau die Erlaubnis verweigerte, die Predigt Antonius’ zu besuchen. Obwohl sie in ihrem Haus bleiben mußte, konnte sie dennoch die Predigt hören, die Antonius zwei Meilen entfernt hielt.350 Ähnlich wird die Geschichte des Ablaßwägens sowohl Antonius als auch Berthold beigelegt.351 In diesen zeitlich jüngeren Wundergeschichten steht Antonius häufig in seinem Kampf gegen die Ketzer im Mittelpunkt des Interesses. Beispielhaft für das Bild, das man sich im 15. Jahrhundert vom Ketzerbekämpfer Antonius machte, sind einige Anekdoten, die in den Quellensammlungen der Analecta Franciscana überliefert wurden. In ihnen erscheint Antonius als wundertätiger Prediger, dessen Heiligkeit die hochmütigen und betrügerischen Häretiker nicht anerkennen wollen. Einmal führt Antonius in der Stadt Toulouse mit einem Häretiker eine öffentliche Disputation über die Transsubstantiation.352 Der Ketzer sieht sich argumentativ in die Enge gedrängt und verlangt von Antonius, er möge die Wahrheit über den Leib Christi durch ein Wunder beweisen: Der Ketzer will sein Maultier drei Tage lang ohne Futter lassen, dann will er es der le Kern, den der Heilige Geist Franziskus für alle Menschen guten Willens eingab, in den „Predigten“ ganz unvergleichlich stärker hervortritt als die Sorge um eine katholische Entgegnung an die Katharer. Und um wieviel mehr noch in den täglichen Ansprachen, die man hinter den Schriften errät!“ 349 Die Bezeichnung wird in einer aus dem 14. Jahrhundert datierenden Legende („Benignitas“) erwähnt: ita quod vulgato ubique vocabulo „haereticorum infessus malleus“ dicebatur (Toussaert, Antonius, S. 361, Anm. 14). Vgl. auch Clasen, Lehrer des Evangeliums, S. 4 f. Zur Glorifi zierung und tatsächlichen Bedeutung Antonius’ als Kämpfer gegen die Ketzer in Italien vgl. umfassend Mariano d’Alatri, Eretici e Inquisitori in Italia. Studi e documenti, Rom 1986; S. 75–84. 350 Hilarin Felder, Die Antoniuswunder nach älteren Quellen, Paderborn 1933, S. 18 ff.; vgl. Clasen, Lehrer des Evangeliums, S. 9 f. 351 Vgl. Clasen, Lehrer des Evangeliums S. 10. Funktion, Entstehungszusammenhang und Rezeption solcher „wandernden“ Predigerlegenden sind m.W. innerhalb der Mediävistik bisher noch nicht untersucht worden. 352 Analecta Franc. II, S. 123 f.
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4. Predigt im Mittelalter
Menge vorführen, während Antonius sich neben ihn postieren soll, in den Händen das, „von dem er behaupte, daß es der Leib Christi sei“. Wenn das hungrige Tier sich dann vom angebotenen Hafer hinwende ad Deum illum, quem ab omni creatura asseris adorandum,353 sei der Ketzer bereit abzuschwören und den Glauben der Kirche anzunehmen. So geschieht es, und tatsächlich: Das Maultier verweigert nicht nur das Futter, sondern sinkt sogar vor der Hostie auf die Knie. Ein anderes Mal wurde Antonius von Häretikern in Italien zu einem Gastmahl in ihr Haus eingeladen.354 Antonius nahm die Einladung an, in der Hoffnung, sie von ihren Irrtümern abbringen zu können. Die gastfreundlichen Häretiker hatte er bereits bei verschiedenen Disputen widerlegt und in Verwirrung gestürzt; sie wollten ihre Niederlage jedoch nicht hinnehmen und sannen auf Rache, indem sie ihm ein vergiftetes und todbringendes Mahl vorsetzten. Antonius wurde der Plan jedoch wunderbarerweise offenbar, und auf seine gütigen und versöhnlichen Ermahnungen über ihren boshaften Plan entgegneten die Häretiker frech, se non ob aliud hoc fecisse, nisi ut possent experiri illius verbi evangelici veritatem, quo dicitur: „Etsi mortiferum quid biberint, non eis nocebit (Marc. 16,18). Gleichzeitig ermunterten sie ihn, das Gericht zu sich zu nehmen, und versprachen dabei, daß sie den Glauben des Evangeliums für immer annehmen würden, falls er seine Mahlzeit unbeschadet überstünde. Wenn er sich aber vor dem Verzehr scheue, müßten sie glauben, daß die Worte des Evangeliums unwahr seien. Nachdem Antonius darauf hin das Kreuzzeichen über der Speise gezeichnet hatte, nahm er das Mahl zu sich und überlebte völlig unversehrt. Die Ketzer sahen es und bekehrten sich zum rechten Glauben. Bisweilen werden die Ketzer von Antonius aber auch auf schmerzhaftere Weise zur Einsicht gebracht: So geschah es, daß in Padua einige Ketzer die Wunder, welche Antonius dort schon vollbracht hatte, verspotteten und öffentlich verkündeten, daß sie nur fi ngiert seien.355 Also wickelten sie einem der Ihren eine blutgetränkte Binde um die Augen und begannen unter Tränen laut zu jammern, man habe ihn ungerechtfertigt geblendet, das Volk möge daher den seligen Antonius demütig um die Wiederherstellung seines Augenlichtes bitten. Und nachdem sie so eine ganze Weile gestanden hatten, schrie plötzlich der „Blinde“ mit lauter Stimme: „Der selige Antonius hat mir mein Augenlicht zurückgegeben!“ Und wie seine Genossen herbeilaufen und ihm die Binde abnehmen, um sich über das großartige Wunder zu amüsieren – da bleiben beide Augen an der Binde haften! 356 Territi et corde compuncti bekennen die Ketzer öf353
Ebd. Qualiter invitatus ab haereticis cibum mortiferum sine laesione comedit. (Analecta Franc. II, S. 124). 355 Qualiter haereticus fingens se caecum, ut miraculis Sancti detraheret, fuit miraculose excaecatus, et conversus illuminatus. (Analecta Franc. II, S. 143 f.). 356 Tunc socii accurrentes et bindam amoventes, ut coram populo de fi cto miraculo truffarentur, super bindam ambo oculi remanserunt; sicque delusi sunt qui erant delusores. (Ebd., S. 144). 354
4.4. Zusammenfassung
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fentlich ihren Betrug, und nach einem demütigen Gebet erlangen alle von Antonius das Licht des Glaubens – und der Ketzer das Augenlicht.
4.4. Zusammenfassung Die Predigt als zentrale literarische Gattung des christlichen Mittelalters diente im 12. und 13. Jahrhundert sowohl der etablierten Kirche als auch den häretischen Gruppen der Waldenser und Katharer als vorrangiges Medium, um die wesentlichen Inhalte der jeweils eigenen Lehre zu transportieren und zu vermitteln. Im Gegensatz zu den Predigten der orthodoxen Kleriker sind Predigten von Ketzern kaum erhalten. Die lateinischen Sermones insbesondere der Franziskaner wurden in der Regel in Form von Musterpredigtsammlungen überliefert, die ein Corpus von standardisierten Texten enthielten und somit eine Nutzung und Verbreitung über die eigenen Ordensgrenzen hinaus ermöglichten. Als homiletische Hilfen konnten sie von Geistlichen zur Ausgestaltung eigener Predigten bzw. als (Vor)lesepredigten genutzt werden. Diese Texte lassen allerdings keine Rückschlüsse auf die individuelle Umsetzung eines Predigtvortrages, wie z. B. auf den Einsatz von Gestik und Mimik, zu. Lediglich aus zeitgenössischen Berichten weiß man von spezifischen Eigenheiten im Predigt- bzw. Vortragsstil vor allem von schon zu ihrer Zeit berühmten Predigern wie Bernhard von Clairvaux oder Johannes von Capistrano. Im Franziskanerorden entwickelte sich relativ schnell ein professionelles und effektives Ausbildungssystem, das, basierend auf den wissenschaftlichen und theologischen Zentren der Universitäten und Studienanstalten, u. a. die für das Predigtamt bestimmten Absolventen für ihre zukünftige Aufgabe qualifi zierte. In einem solchen, in der oberdeutschen Minoritenprovinz angesiedelten Studienhaus, erhielt vermutlich Berthold von Regensburg seine Predigtausbildung. Die Studienhäuser verfügten über eine breite Auswahl an ordenseigener systematischer Ratgeberliteratur: Neben Musterpredigtsammlungen und Predigthandbüchern gehörten dazu auch Glossen- und Exemplasammlungen, enzyklopädische Werke und Kompendien mit Heiligenlegenden. Berthold hatte demnach vermutlich Zugang zu den wichtigsten häresiologischen Werken von der Spätantike bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts, aus denen er vermutlich sein Wissen über die unterschiedlichen Erscheinungsformen antiker, also „alter“ und zeitgenössischer, „moderner“ Ketzer erhalten hat. Die nicht von der Kirche autorisierte und nach 1215 ausdrücklich untersagte Predigttätigkeit von Laien fand im Falle der Waldenser mit zunehmendem Verfolgungsdruck nur noch konspirativ und im Verborgenen statt. Über das Aussehen, die soziale Herkunft und die Lehr- und Lernmethoden insbesondere der Waldenser in Süddeutschland unterrichten vor allem Inquisitionshandbücher wie der Passauer Anonymus und der (Pseudo-)David von Augsburg. Spärlicher
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4. Predigt im Mittelalter
ist die Quellenlage im Hinblick auf die Katharer in Deutschland. Diese traten hier wohl nur vereinzelt auf, im Gegensatz zu den Gebieten Südfrankreichs und Italiens. Deshalb fanden größere Predigtmissionen zur Zurückdrängung der Katharer vor allem dort statt. Als „Ketzerprediger“ können jedoch diejenigen, von denen dezidiert gegen Ketzer bzw. Katharer gerichtete Predigten bekannt sind, nicht unbedingt bezeichnet werden. Zwar predigte Hildegard von Bingen in den 60er Jahren des 12. Jahrhunderts wohl im Dom von Köln, möglicherweise auch über Häretiker. Die Predigt ist jedoch nur als briefl iche Zusammenfassung erhalten, in der Hildegard die 1163 in Köln entdeckten Katharer als Vorausdeutung des irrenden Volkes der Endzeit interpretiert.357 Bernhard von Clairvaux beschäftigte sich im 65. und 66. Sermo seiner Hohelied-Predigten mit den Katharern Südfrankreichs. Auch er sieht in ihnen ein sicheres Zeichen für die bevorstehende Endzeit. Doch waren seine Predigten wohl nur für den Klosteralltag bestimmt und wurden nicht öffentlich gehalten.358 Der einzige Ordensmitbruder Bertholds, Antonius von Padua, galt zwar in den späteren legendarischen Berichten als „Hammer der Häretiker“, jedoch sind von ihm lediglich abstrakte Predigtskizzen überliefert, die keine Vergleichsmöglichkeit mit den antihäretischen Predigten Bertholds von Regensburg zulassen. Wie sich zumindest die Franzikaner das Wirken Antonius’ gegen die Ketzer vorstellten, wird dafür in einer umso reicheren Fülle von ausgesprochen unterhaltsamen Anekdoten überliefert.
357 358
Vgl. Anm. 306. Vgl. S. 111 f.
5. Das Bild des Ungläubigen in den lateinischen Predigten Bertholds von Regensburg Bereits Anton Schönbach bemerkte im Anhang seines Teilabdrucks lateinischer Ketzerpredigten: „Bis zur Stunde wird Berthold von Regensburg unter den Schriftstellern zur Geschichte des deutschen Ketzerwesens kaum genannt.“1 Er schrieb dies dem Umstand zu, daß zumeist nur die deutschen Predigten, die seit der Mitte des 19. Jahrhunderts in der Edition von Pfeiffer und Strobl vorlagen,2 für die Forschung genutzt wurden. Diese enthielten jedoch „denkbar wenig“ Material über die Häresien der Zeit, was sich, wie Schönbach unterstrich, dem Umstand zuschreiben ließ, daß sie als erbauliche Lektüre vorrangig für ein gebildetes Laienpublikum gedacht waren, dessen Interesse an „gelehrten Erörterungen über Glaubensabweichler“ er für äußerst gering hielt.3 Die Anmerkungen Schönbachs fanden jedoch in der mediävistischen Forschung der folgenden Jahrzehnte kaum ein Echo; wegen der noch immer fehlenden Edition lateinischer Predigten beschäftigte man sich weiterhin vorrangig mit dem deutschen Predigtwerk, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Sozial- und Gesellschaftskritik.4 Dennoch blieben lateinische (und deutsche) Berthold-Predigten als Quelle für die Interpretation antihäretischer Einstellungen und Strategien der Kirche stets unterschwellig präsent; so fi nden sich z. B. in der grundlegenden Untersuchung Grundmanns über den „Typus des Ketzers in mittelalterlicher Anschauung“ auch Verweise auf Äußerungen Bertholds in seinen lateinischen Predigten.5 Einer der ersten, der sich den lateinischen Predigten unter dem As1
Schönbach, Studien III, S. 83. Vgl. dazu Kap. 1. 3 „Die deutschen Stücke nun, die zur erbaulichen Lektüre für ein Laienpublikum hergerichtet wurden, enthalten nur sehr wenige von Bertholds Erörterungen über die Ketzereien seiner Zeit, weil diese dem Geschmacke der Leser nicht entsprachen [. . .], es wurden lieber Partien bevorzugt, die sich wider die bekannten Laster kehrten, insbesondere die Mißbräuche in Handel und Wandel, Standessünden und Gebrechen des häuslichen Lebens.“ (Schönbach, Studien III, S. 84). 4 Vgl. dazu Kap. 1, S. 5 ff. Eine Ausnahme bildet der Aufsatz von Friedrich Wiegand: Eine Kreuzpredigt Bertholds gegen die Ketzer. In: Geschichtliche Studien. Festschrift für Albert Hauck, Leipzig 1916, S. 177–182, der sich mit Sermo 26 aus der Freiburger Handschrift 117 I beschäftigt. 5 Herbert Grundmann, Der Typus des Ketzers in mittelalterlicher Anschauung. In: Ders., Ausgewählte Aufsätze. Teil 1 – Religiöse Bewegungen, Stuttgart 1976, S. 313–327; S. 317, Anm. 13; S. 318; S. 321; S. 322, Anm. 31. 2
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5. Das Bild des Ungläubigen in den lateinischen Predigten Bertholds von Regensburg
pekt der Ketzerbekämpfung intensiv zuwandte, war Peter Segl.6 Auf der Grundlage des Teilabdrucks Schönbachs untersuchte er die Predigten hinsichtlich ihrer Aussagekraft für die Existenz von und den Umgang mit Häresien und stellte fest, daß der Kampf gegen Ketzereien den Themenkatalog der lateinischen Sermones dominiere.7 Segl betrachtet die Tätigkeit Bertholds im Kontext einer der Hauptaufgaben von Dominikanern und Franziskanern im Deutschland des 13. Jahrhunderts, nämlich der Erfassung und Bekämpfung von Häresien in ihren vielfältigen Erscheinungsformen, und resümiert: „ . . . und so braucht es nicht zu verwundern, daß gerade die Auseinandersetzung mit den zeitgenössischen Ketzern im Zentrum der Predigttätigkeit Bertholds von Regensburg stand, seit er zu Beginn der vierziger Jahre des 13. Jahrhunderts, dem Ideal seines Ordens getreu, mit dieser begonnen hatte.“8 Segl benutzt die bei Schönbach abgedruckten lateinischen Texte und schließt mit dem Wunsch, die Sammlungen der Rusticani sollten baldmöglichst ediert werden, „damit die weit über seine Auseinandersetzung mit den Ketzern hinausgehende Wirksamkeit und die Person dieses wohl größten mittelalterlichen deutschen Predigers endlich in ihrer vollen Bedeutung erfaßt werden können.“9 Leider aber stammen die meisten der ausgewählten Textbeispiele Segls nicht aus den drei Rusticani, sondern aus der bereits mehrfach erwähnten Freiburger Handschrift 117, einer Sammlung lateinischer bertholdischer Predigten, die sich hinsichtlich ihrer formalen und inhaltlichen Struktur von den Predigten der Rusticani z. T. erheblich unterscheiden. Auf diese Unterschiede wird im Editionsteil noch ausführlicher einzugehen sein.10 Eine Besonderheit des Freiburger Codex liegt darin, daß er im ersten Band eine Folge von insgesamt 14 Predigten enthält (Nr. 17–30), die sich vollständig oder teilweise mit Ketzern und ihren Irrlehren befassen. Schönbach bezeichnete sie als „Reihenpredigten“, deren Entstehung er einer möglichen Mission Bertholds gegen die Häretiker zuschrieb: „Es scheint mir ganz zweifellos, daß die Predigten der ersten Freiburger Handschrift [. . .] von Berthold im Dienste der Mission gegen Ketzer Süd- und Ostdeutschlands gehalten worden sind.“11 Allerdings gibt es bis heute keinen Nachweis, daß Berthold von seinen Ordensoberen oder gar dem Papst tatsächlich mit einer genuin gegen Ketzer gerichteten Predigt- und Missionsreise beauftragt worden wäre. Diese Form der direkten Auseinandersetzung der Kirche mit Häretikern fand vor allem in Südfrankreich und Norditalien statt, den Kerngebieten der katharischen und waldensischen Häresie. 6
Peter Segl, Berthold von Regensburg und die Ketzer seiner Zeit. In: Regensburg und Bayern im Mittelalter, hrsg. von Kurt Reindel, Regensburg 1987, S. 115–129. 7 Ebd., S. 120. 8 Ebd., S. 123. 9 Ebd., S. 129. 10 Vgl. Kap. 6.1. 11 Schönbach, Studien III, S. 85.
5.1. Franziskanische Predigt und Häresie
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5.1. Franziskanische Predigt und Häresie Im Zuge der Integration der evangelisch-apostolischen Armutsbewegung in die kirchliche Ordnung erhielten die Orden der Dominikaner und Franziskaner den Auftrag zu Seelsorge und Predigt, um den Bedrohungen zu begegnen, denen sich die Kirche durch die häretischen Gruppen der Katharer und Waldenser zu Beginn des 13. Jahrhunderts verstärkt ausgesetzt sah.12 Die Professionalisierung der Ketzerverfolgung bedingte zudem den Einsatz von Angehörigen beider Orden als Inquisitoren. Als solche betätigten sich besonders herausragende Persönlichkeiten wie Antonius von Padua oder der Dominikaner Petrus Martyr, die sich in Südfrankreich und Norditalien auf antihäretische Predigtmissionen begaben bzw. dorthin geschickt wurden und die dabei die direkte Konfrontation mit ihren Gegnern in Predigt und Disput suchten.13 Das Wirken Antonius’ und Petrus’ gegen die Ketzer Südfrankreichs und Norditaliens fand dementsprechend seinen Niederschlag in einer reichen Überlieferung von Wunderanekdoten und Legenden.14 Es ist nicht bekannt, daß Berthold als Inquisitor tätig war, nach Ausweis der Quellen beschränkte sich sein Aktionsrahmen ganz auf Predigt und Seelsorge.15 Vor allem wegen seiner außerordentlichen Predigtbegabung wird Berthold von Regensburg in der legendarischen Literatur gewürdigt, durch die er die verstocktesten Herzen erweichte und die Sünder zur Umkehr brachte.16 Im Sinne einer „Abstimmung mit den Füßen“ sollten die ihm zugeschriebenen, z. T. phantastisch anmutenden Zuhörerzahlen seinen Erfolg als Prediger zusätzlich hervorheben.17 Von einem etwaigen unmittelbaren Wirken Bertholds gegen die Häretiker selbst oder zumindest gegen den häretischen Irrglauben hingegen wissen weder Urkunden noch Anekdoten etwas zu berichten, ein Umstand, auf den schon Krispin Moser 1942 hinwies.18 Da auch die weit verbreitete Annahme sich als falsch erweist, Berthold sei 1263 von Urban IV. zum Kreuzprediger 12
Ekkehard Mühlenberg, Epochen der Kirchengeschichte, Heidelberg 31999; S. 144 f.,
150. 13
Zu Antonius vgl. Kap. 4.3.2. Zu den Antonius-Legenden vgl. umfassend Sophronius Clasen OFM, Lehrer des Evangeliums. Ausgewählte Texte aus den Predigten des hl. Antonius von Padua, Werl 21985. Die Vita des von Papst Innozenz IV. 1253 heiliggesprochenen Petrus Martyr fand Aufnahme in die Legenda aurea des Jacob von Voragine. 15 Vgl. Kap. 2.1. 16 Zum Bild Bertholds in der legendarischen Überlieferung vgl. Kap. 2.2. 17 Manche Quellen sprechen von bis zu 200.000 Zuhörern, so z. B. der Anonymus Leobiensis (Quelle Nr. 23 bei PS I, S. XXVI). 18 „Merkwürdigerweise fehlt in den Zeugnissen der Hinweis auf ein Wirken Bertholds gegen Aberglauben und Irrlehre, die in den geschriebenen Predigten immer wieder auftreten. Was aus allen Zeugnissen einhellig hervorgeht, ist die Tatsache, daß Berthold einen ungewöhnlich tiefen Eindruck hinterlassen hat, der sich sowohl auf Inhalt und Form der Predigt wie auf die Person des Predigers bezieht.“ (Krispin Moser, Berthold von Regensburg in der Schweiz, ZfSK 36 (1942), S. 202–212; S. 211 f.). 14
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5. Das Bild des Ungläubigen in den lateinischen Predigten Bertholds von Regensburg
gegen Häretiker in Süddeutschland und der Schweiz bestimmt worden,19 existiert keinerlei Zeugnis, welches auf eine aktive, genuin gegen Irrlehren und Irrlehrer gerichtete Tätigkeit Bertholds hinweist. Aus dieser Feststellung können zwei Schlußfolgerungen gezogen werden: Einerseits könnte der Befund darauf hindeuten, daß zumindest in den Gebieten, die Berthold durchreiste – Süddeutschland, Schweiz, Österreich, Böhmen und Mähren – die „Ketzergefahr“ relativ gering war, d. h. nur wenige waldensische bzw. katharische Gemeinschaften existierten. Dagegen sprechen aber die zahlreichen Zeugnisse über die Verfolgung waldensischer Häretiker in Bayern und Österreich in der Mitte des 13. Jahrhunderts, vor allem im Gebiet der Passauer Diözese.20 Selbst im Umland von Regensburg, in dem kleinen Ort Nittenau östlich der Stadt, waren vor 1265 Waldenser entdeckt und festgenommen worden.21 Die Kirche mußte also in diesen Gebieten aus ihrer Sicht tatsächlich um die Rechtgläubigkeit der Bevölkerung fürchten, weil zumindest die Gefahr waldensischer Einflußnahme latent vorhanden war. Andererseits konnte es vielleicht nicht notwendig oder nicht erfolgversprechend sein, als Prediger im süddeutschen Sprachraum so offensiv gegen die Ketzer vorzugehen, wie Antonius von Padua es zwischen 1223 und 1231 südlich der Alpen tat. Die Gebiete, die Antonius durchreiste, waren Hochburgen der katharischen Bewegung, deren Anhänger insbesondere in Norditalien über großen Rückhalt innerhalb der städtischen Oberschicht verfügten. Die Katharer dort waren gesellschaftlich anerkannt, besaßen mithin ein ausgesprochenes Selbstbewußtsein hinsichtlich ihrer gesicherten Stellung und traten entsprechend offen auf.22 Darauf reagierten Prediger wie Antonius und Petrus Martyr ihrerseits mit öffentlichkeitswirksamen, weil aufsehenerregenden Auftritten wie z. B. den Disputen mit den katharischen Gelehrten, die der Bevölkerung im Gedächtnis blieben und um die sich später die Legenden rankten.23 In Süddeutschland hingegen sprechen die Quellen von waldensischen Häretikern, deren Wirkungskreis sich vor allem auf die ländlichen und kleinstädtischen Siedlungsgebiete erstreckte.24 Die gegen sie gerichteten Verfolgungsmaßnahmen, insbesondere die ausgedehnte Inquisition in 19 Vgl. z. B. Volker Mertens, Art. „Berthold von Regensburg“, LexMa Bd. I, München 2002, Sp. 2035; J. Schneider, Berthold von Regensburg, Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte I,2 S. 686. 20 Vgl. Kap. 3.2. 21 Martin Schneider, Europäisches Waldensertum im 13. und 14. Jahrhundert. Gemeinschaftsform, Frömmigkeit, sozialer Hintergrund, Berlin/New York 1981; S. 98, Anm. 15; S. 113. 22 Zur Akzeptanz der Katharer innerhalb der städtischen Bevölkerung Oberitaliens vgl. Malcolm Lambert, Geschichte der Katharer. Aufstieg und Fall der großen Ketzerbewegung. Übersetzt aus dem Englischen von Raul Niemann, Darmstadt 2001; S. 194–203. 23 Vgl. Kap. 4.3.2. Zu den Disputationen Petrus’ mit Häretikern vgl. Hans-Henning Kortüm, Menschen und Mentalitäten. Einführung in die Vorstellungswelten des Mittelalters, Berlin 1996; S. 331 ff. 24 Vgl. Kap. 4.3.1.
5.1. Franziskanische Predigt und Häresie
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der Passauer Diözese zwischen 1259 und 1266, bewiesen zwar das Ausmaß ihrer Verbreitung, konnten sie allerdings nicht wirksam zurückdrängen.25 Die Aktionen bewirkten lediglich, daß die Häretiker noch vorsichtiger wurden und sich gänzlich in die Verborgenheit zurückzogen.26 Gegen diese unauffälligen, in der ländlichen Bevölkerung als Bauern und kleine Handwerker fest verwurzelten Häretiker mögen Regensburger Franziskaner regelmäßig im Rahmen mehr oder weniger ausgedehnter Missionen gepredigt haben, so wie Schönbach es von Berthold annahm.27 Eine so extreme Konkurrenzsituation zwischen orthodoxen und häretischen Predigern wie in Südfrankreich und Norditalien gab es, auch aufgrund einer ganz anderen Gesellschaftsstruktur, in Süddeutschland und den angrenzenden Gebieten allerdings nicht. Den franziskanischen und dominikanischen Predigern fehlten dort sozusagen die direkten Gegner. Unbestreitbar bildete Regensburg eine Art geistiges Zentrum, von dem ausgehend die Bekämpfung der Häresie in Süddeutschland durch Franziskaner und Dominikaner in die Praxis umgesetzt wurde und in dem die gesammelten Erfahrungen der Prediger und Inquisitoren beider Orden literarisch umgesetzt wurden.28 So waren die Regensburger Dominikaner mehrfach in das aktive Vorgehen gegen die Häresien eingebunden: 1231 beauftragte Papst Gregor IX. Prior Burkard und Bruder Theodorich mit der Durchführung von Inquisitionsmaßnahmen; 29 1262 wurden in einem Erlaß Herzog Ludwigs II. von Bayern Regensburger Dominikaner erneut zu Inquisitoren berufen.30 Für das Vorhaben, die Häretiker über das Medium der Predigt zu bekämpfen, besaß Berthold die besten Voraussetzungen, weil er vermutlich auf die Erfahrungen und Kenntnisse seiner eigenen Ordensbrüder ebenso wie auf die der Dominikaner zurückgreifen konnte. David von Augsburg, Begleiter Bertholds auf einigen seiner Predigtreisen,31 wird der Traktat De inquisicione hereticorum zugeschrieben, der – sofern die Annahme stimmt – für seine Beteiligung an einer Inquisition gegen Waldenser spricht.32 Auch Albertus Magnus, den Berthold bei der Kreuzpredigt 25
Peter Segl, Ketzer in Österreich, S. 192 f. Schneider, Europ. Waldensertum, S. 98. 27 „Sicherlich hat Berthold auf Befehl der Ordensoberen missioniert; ob noch der Wunsch eines Kirchenfürsten oder eine Anordnung des Papstes dabei mitgewirkt hat, die Gaben des „Landpredigers“ zum Schutze des katholischen Glaubens besonders zu gebrauchen, weiß ich nicht zu belegen, doch läßt es sich vermuten.“(Schönbach, Studien III, S. 85). 28 Zur Bedeutung der Regensburger Dominikaner für die Inquisition in Deutschland vgl. Peter Segl, Gregor IX., die Regensburger Dominikaner und die Anfänge der „Inquisition“ in Deutschland. In: Regensburg, Bayern und Europa. Festschrift für Kurt Reindel, hrsg. von Lothar Kolmer und Peter Segl, Regensburg, S. 307–319. 29 Wortlaut des Schreibens bei James Fearns, Ketzer und Ketzerbekämpfung im Hochmittelalter (Historische Texte Mittelalter 8), Göttingen 1968, S. 73–75. 30 Herman Haupt, Waldenserthum und Inquisition im südöstlichen Deutschland bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts, Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 1 (1889), S. 285– 320; S. 291, 303. 31 Vgl. Kapitel 2.1. 32 Die Zuschreibung der Autorschaft Davids hielt Preger für erwiesen. Franz Pelster 26
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5. Das Bild des Ungläubigen in den lateinischen Predigten Bertholds von Regensburg
unterstützen sollte und der 1260–1262 Bischof von Regensburg war, besaß Erfahrung im Umgang mit Häretikern, wie sein Gutachten über die Häresie im Ries belegt.33 Es kann also angenommen werden, daß eine direkte, unmittelbare Konfrontation Bertholds mit Häretikern, wenn überhaupt, dann eher selten erfolgte, da weder historische Quellen noch Legenden darüber berichten. In seiner alltäglichen Predigtpraxis, ob nun im Rahmen gezielter Missionen bleibe dahingestellt, nimmt die Abwehr häretischer Glaubenspositionen hingegen einen großen Raum ein. Dabei ist die Umsetzung variabel gestaltet: Entweder setzt sich Berthold unmittelbar mit den vor allem aus der häresiologischen Literatur (z. B. aus Alanus’ De fide catholica contra haereticos) bekannten Lehrgrundsätzen auseinander und widerlegt sie durch theologische Beweisführung. Oder er verteidigt die Lehrgrundsätze der Kirche nachdrücklich und bemüht sich um ihr rechtes Verständnis, so daß diese Predigten als Texte gelesen werden können, in denen indirekt und ohne direkte Namensnennung wider die Lehren der Häretiker gepredigt wird. Die Stärkung der fides catholica und die Bekämpfung devianter Glaubenspositionen bedingen einander, jede Predigt über die Grundlehren des katholischen Glaubens war ab dem späten 12. Jahrhundert somit gleichzeitig als indirekte Abwehr ketzerischer oder doch zumindest von der orthodoxen Sichtweise abweichender Positionen zu verstehen; jeder direkte Angriff auf die Lehren der Ketzer bedeutete automatisch die indirekte Bestätigung und Stärkung der Lehren der Kirche. Auf der Basis dieser Überlegungen ließe sich eine Ketzerpredigt folgendermaßen defi nieren: als eine Predigt, in der Ketzerei in allen oder einigen spezifischen, wiedererkennbaren Audrucksformen den thematischen Hauptgegenstand bildet und in der Häretiker oder häretische Positionen benannt und verworfen werden. Im Falle Bertholds lassen sich dabei grundsätzlich zwei unterschiedliche Formen antihäretischer Predigten unterscheiden: Einerseits existieren Predigten, die sich jeweils ausschließlich mit dem waldensischen bzw. katharischen Lehrsystem befassen und systematisch einzelne Punkte häretischer Überzeugungen theologisch widerlegen und der korrekten Auffassung der Orthodoxie gegenüberstellen.34 Diese Predigten beschäftigen sich in erster Linie mit der Sakramentenlehre, außerdem mit dem richtigen Verständnis von Heiligenkultus, kirchlichen Festen etc. und fi nden sich eher in den Predigten der sieht Albertus Magnus als Verfasser: Albert der Große und der „Tractatus de inquisitione haereticorum“, Zeitschrift für katholische Theologie 45 (1921), S. 609–627. 33 Grundmann, Religiöse Bewegungen, S. 402 ff. 34 Auf ähnliche Weise widmet sich der Passauer Anonymus in einem eigenen Abschnitt den Ursachen und der Widerlegung häretischer Ansichten, vgl. QGW S. 77–103. Vgl. auch Alexander Patschovsky, Wie wird man Ketzer? Der Beitrag der Volkskunde zur Entstehung von Häresien. In: Volksreligion im hohen und späten Mittelalter, hrsg. von Peter Dinzelbacher und Dieter R. Bauer, Paderborn 1990, S. 145–162; S. 151 ff.
5.2. Feinde der Kirche – Kategorien von Ungläubigen
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Rusticanus-Sammlungen.35 Sie folgen einem Quästionenschema, insofern zunächst die Auffassungen der Ketzer über Taufe, Ehe, Eucharistie, letzte Ölung, Heiligenverehrung etc. dargestellt sowie die entsprechende Begründung oder der jeweilige Bibelvers genannt werden, an die sich der Einwand bzw. die Widerlegung der häretischen Position und die Erläuterung der korrekten orthodoxen Lehre anschließt.36 Auf der anderen Seite stehen die meisten der Freiburger Reihenpredigten, die zumeist in losem Zusammenhang und stets innerhalb eines umfangreicheren thematischen Kontexts häretische Überzeugungen nennen, um sie zu den orthodoxen Positionen in Kontrast zu setzen. Diese Freiburger Predigten scheinen exemplarisch zu belegen, wie die theologische Theorie in der Predigt vor dem Volk praktisch umgesetzt wurde. Diesem konnte man keine gelehrte theologische Argumentation unterbreiten, vielmehr mußte hier das Ziel sein, durch einfache und eindringliche Beweisführung den Ketzerglauben pauschal zu widerlegen und zu verurteilen und im Gegenzug die fides catholica nachdrücklich zu verteidigen. Wie dies in den Sermones Bertholds umgesetzt wurde, wird im folgenden anhand einiger ausgewählter Predigten aufzuzeigen sein.
5.2. Feinde der Kirche – Kategorien von Ungläubigen Nach Thomas von Aquin lassen sich die historischen Erscheinungsformen des Unglaubens, den er im moraltheologischen Teil seiner Summa theologiae 37 (1266– 1273) behandelt, in zwei Gruppen einteilen.38 Die eine habe die Glaubensbotschaft erhalten, sei ihr aber untreu geworden, zu ihr zählte Thomas Juden und Ketzer. Die andere Gruppe war ihrer noch nicht teilhaftig geworden, dazu zählten nach seiner Ansicht die Heiden, darunter auch Muslime bzw. Sarazenen.39 Eine qualitative Unterscheidung, die sich auf die Schwere ihrer jeweiligen Unglaubenssünde auswirkt, muß zwischen Juden und Ketzern dahingehend vorgenommen werden, daß die Juden den christlichen Glauben bildhaft verhüllt (in figura) empfi ngen, während dieser den Ketzern in vollkommener Klarheit offenbart worden sei.40 Der Grad der Verwerfl ichkeit ihrer Sünde liegt 35 Einschränkend muß hinzugefügt werden, daß auch Sermo 17 und 26 (über das Symbolum Apostolicum) aus den Freiburger Reihenpredigten in dieser Form konzipiert wurden. 36 Z. B. Sermo 47 aus dem Rusticanus de Dominicis (De septem sacramentis) bei Schönbach, Studien III, S. 72–75; als Predigtaufriß in Clm 8738, f.30v c – 31v d. 37 Editio Leonina Bd. 8 (1895). 38 Nach Alexander Patschovsky, Feindbilder der Kirche: Juden und Ketzer im Vergleich (11.–13. Jhdt.). In: Juden und Christen zur Zeit der Kreuzzüge, hrsg. von Alfred Haverkamp, Sigmaringen 1999, S. 327–357; S. 328. 39 2a 2ae, qu. 10 art. 9, S. 90: Sed Christiani possunt habere servos infideles, vel iudaeos vel etiam paganos sive Saracenos. Patschovsky, Feindbilder, S. 328, Anm. 3. 40 Thomas, 2a 2ae, qu. 10 art. 5, S. 84. Vgl. Patschovsky, Feindbilder, S. 328.
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bei Juden und Ketzern demnach bei weitem höher, denn die Heiden, obwohl Gott ferner, befi nden sich gleichsam im Stande der Unschuld, Juden und Ketzer hingegen sind vom Glauben abgefallen.41 Das Existenzrecht von Juden innerhalb einer christlichen Welt läßt sich dennoch theologisch-dogmatisch begründen, da das auf Augustinus zurückgehende Konzept der Zeugenschaft des alttestamentlichen Judentums bis zu seiner Bekehrung am Vorabend des Jüngsten Gerichts eine prinzipielle Toleranz des Judentums voraussetzt.42 So spricht sich Thomas für die Duldung des Judentums aus, wohingegen es gemäß seiner Auslegung des Gleichnisses vom Weizen und dem Unkraut (Matth. 13,24–30) für die Ketzer nur die physische Vernichtung geben kann.43 Dieselbe geistige Haltung gegenüber den ungläubigen Ketzern, Juden und Heiden wird auch in den von mir untersuchten lateinischen Predigten Bertholds von Regensburg zum Ausdruck gebracht. Berthold wählt in der 28. und 29. Predigt44 die Geschichte von Dathan, Abiron und Korah (4 Mos. 16) als Sinnbild für die drei Arten von Ungläubigen: Hii tres tria genera infidelium signant, scilicet paganos, iudeos et hereticos. Hos ultimos ignis proprie infidelitatis etiam ad litteram hic corporaliter comburit, et sic ad infernos descendunt cum primis predictis duobus eternaliter cruciandi.45 Sie alle sind zur Hölle verdammt, wobei Berthold in Anspielung auf die 1232 eingeführte Strafe des Feuertodes für Häretiker46 eigens darauf hinweist, daß die Ketzer gleichsam als allen guten Christen sichtbarer Beweis ihrer höllischen jenseitigen Zukunft die Marterqualen des Feuers bereits hier auf Erden erleiden. Die Figur des Korah erscheint innerhalb der Ketzerpolemik vor allem als Sinnbild für einen bestimmten Typus des Häretikers, der sich gegen die Amtsgewalt der Priester auflehnt und sich selbst dieses Amt (insbesondere das des Predigens) anmaßt,47 eine zuspitzende Akzentuierung, der Berthold so allerdings nicht folgt. Diese Trias – Heiden, Juden, Ketzer – fi ndet sich als durchgängiges Motiv in fast allen Freiburger „Ketzerpredigten“, insbesondere in den Sermones 28 und 29, in denen Berthold jeweils einen Vertreter aller drei Gruppen als seinen fi ktiven Widerpart einführt. 41
Ebd., S. 328. Ebd., S. 328 f. 43 2a 2ae, qu. 11 art. 3, S. 100. Ebd., S. 329. 44 Fb 117 I, f.68r b–f.73r a. 45 Fb 117 I, Sermo 29, f. 70v c–70v d. 46 Von Friedrich II. für die Gebiete Deutschlands verhängt. Die Bestätigung dieser Bestimmung erfolgte in den Konstitutionen von Melfi im selben Jahr. Vgl. Hermann Köhler, Die Ketzerpolitik der deutschen Kaiser und Könige in den Jahren 1152–1254, Bonn 1913, S. 74; Kurt-Victor Selge, Die Ketzerpolitik Friedrichs II. In: Probleme um Friedrich II., hrsg. von Josef Fleckenstein, Sigmaringen 1974, S. 309–343; S. 332 ff. 47 Bernhard von Fontecaude, Adversus Waldensium sectam liber, cap. I,7 (PL 204, Sp. 797 D). Vgl. Beverly M. Kienzle, Preaching as Touchstone of Orthodoxy and Dissidence in the Middle Ages, Medieval Sermon Studies 43 (1999), S. 19–54; S. 30; S. 48. 42
5.2. Feinde der Kirche – Kategorien von Ungläubigen
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Bei der Frage nach den Quellen Bertholds für sein Wissen über Häretiker und Juden bzw. für die Ausformung des in seinen Predigten präsentierten Ketzer- und Judenbildes bietet sich zunächst ein kurzer Überblick über die Entwicklung einer hochmittelalterlichen ketzerspezifischen Literatur an. Zu den ältesten und grundlegenden Quellen, aus denen sich die Theologen des Hoch- und Spätmittelalters umfassend über Judentum und Häresien seit der Spätantike informieren konnten, gehörten patristische Texte: Die Schriften Isidors von Sevilla († 636), Etymologiae48 und De fide catholica contra Judaeos49 sowie Augustinus’ Traktat Adversus Judaeos50 und die Abhandlung De haeresibus ad Quodvultdeus.51 Was die Beschäftigung mit den „modernen“ Häresien der Katharer und Waldenser betrifft, so bildeten zur Mitte des 13. Jahrhunderts beide Sekten mit ihren Glaubensinhalten und ihrer Organisationsstruktur keine unbekannten Größen mehr, d. h. die Kirche hatte bereits genügend Zeit gehabt, sich mit ihnen auseinanderzusetzen, und im Zuge der Etablierung eines geregelten Inquisitionsverfahrens hinreichend Erfahrungen im Umgang mit ihren Lehren gesammelt.52 Diese fanden ihren Niederschlag vor allem in einer neuen Form von spezifischer Fachliteratur, den inquisitorischen Handbüchern. Ihrem Charakter nach wurden sie sowohl als Nachschlagewerke als auch als Lehrbücher konzipiert, die den Inquisitor mit dem maßgeblichen handlungsrelevanten Wissen versorgen sollten.53 Wie die meisten Quellen über Ketzer waren sie aus der Sicht ihrer orthodoxen Gegner geschrieben.54 Während die gelehrten theologischen Traktate aber meistens der Abschreckung, Warnung und Mahnung dienten und eine entsprechende propagandistische Färbung besaßen,55 waren die Handbücher im Idealfall aus erkenntnisleitendem Interesse konzipiert, d. h. sie boten Sachinformationen, um die Inquisitoren für ihre Verhörtätigkeit zu schulen. Zur Gattung dieser praktischen Handbücher gehört auch das gegen 1260/66 entstandene Werk des Passauer Anonymus, dessen Verfasser, vermutlich ein 48
Isidor von Sevilla, Etymologiarum sive originum libri XX, ed. Wallace M. Lindsay, 2 vols., Oxford 1911 (Neudruck 1971). 49 PL 83, Sp. 449–538. 50 PL 42, Sp. 51–64. 51 PL 42, Sp. 21–50. 52 Zur Ausbildung des Inquisitionsverfahrens Peter Segl (Hrsg.), Die Anfänge der Inquisition im Mittelalter, Köln/Weimar/Wien 1993. 53 Zur Darstellung der Katharer im Spiegel inquisitorischer Handbücher vgl. umfassend Arno Borst, Die Katharer, Schriften der MGH 12, Stuttgart 1953; S. 21–28. Zur Gattung vgl. Thomas Scharff, Schrift zur Kontrolle – Kontrolle der Schrift. Italienische und französische Inquisitorenhandbücher des 13. und frühen 14. Jahrhunderts, DA 54 (1996), S. 547– 584. 54 Zur Problematik im Umgang mit solchen Quellen vgl. Alexander Patschovsky, Probleme ketzergeschichtlicher Quellenforschung. In: Mittelalterliche Textüberlieferungen und ihre kritische Aufarbeitung (Beiträge der MGH zum 31. deutschen Historikertag), München 1976 (unv. Nachdruck 1978), S. 86–91. 55 Grundmann, Typus, S. 314.
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5. Das Bild des Ungläubigen in den lateinischen Predigten Bertholds von Regensburg
Dominikaner, an der auf Veranlassung Ottokars II. durchgeführten Inquisition in der Passauer Diözese beteiligt war.56 Der Auf bau des Traktats De inquisicione hereticorum57 aus der Mitte des 13. Jahrhunderts, möglicherweise auf David von Augsburg als Autor zurückgehend, läßt ebenfalls darauf schließen, daß er als Handreichung für Inquisitoren gedacht war.58 Der Kompilator hatte nach eigener Aussage selbst Ketzer verhört und wollte daher vermutlich alles nur verfügbare Material zusammentragen, um ein möglichst vollständiges Bild waldensischer Irrlehren und Tarnkünste zu bieten.59 Neben diesen ganz auf die Praxis ausgerichteten Quellen finden sich die „Klassiker“ der hochmittelalterlichen antihäretischen Literatur, deren Anliegen in erster Linie im Erfassen, Identifi zieren und Erklären des Ketzerphänomens im Rahmen der christlichen Weltordnung bestand. Der erste, der sich mit den erstmals 1143 in Köln ins Bewußtsein der Öffentlichkeit gelangten Katharern beschäftigte, war der Prämonstratenser-Probst Everwin von Steinfeld.60 Er hatte mehrere von ihnen selbst verhört, wußte sie und ihre Lehren jedoch nicht genau einzuordnen und bat daher den „führenden Mann der damaligen Christenheit“61, Bernhard von Clairvaux, um Rat.62 Bernhard wandte sich in mehreren Predigten über das Hohelied gegen die Ketzer,63 die er als hochmütige Heuchler angriff.64 Die dreizehn Predigten des Ekbert von Schönau65 aus dem Jahre 1163 markieren den Übergang zur rationalen Beweisführung gegen die Katharer. Ekbert sah in den Katharern, deren Lehren er mit den Aussagen Augustinus’ über die antiken Ketzer verglich, einen Zweig der Manichäer, die sich nach dem Tod ihres Begründers Manes († 277) in drei Einzelsekten gespalten hätten.66 Ähnlich systematisch angelegt sind die vier Bücher De fide catholica contra haereticos sui temporis67 (gegen Katharer, Waldenser, Mohammedaner und 56 Zum Passauer Anonymus vgl. Alexander Patschovsky, Der Passauer Anonymus. Ein Sammelwerk über Ketzer, Juden, Antichrist aus der Mitte des 13. Jahrhunderts, Stuttgart 1968, S. 146; S. 150. Vgl. Kap. 3.2. 57 Wilhelm Preger, Der Tractat des David von Augsburg über die Waldesier (Bayerische Akademie der Wissenschaften, Hist. Klasse, Bd. 14,2) München 1879, S. 181–235. 58 Vgl. Schneider, Europ. Waldensertum, S. 144 f. 59 Ebd., S. 145. 60 Borst, Katharer, S. 4. 61 Ebd. 62 Everwin von Steinfeld, Epistola ad S. Bernardum, PL 182, Paris 1854, Sp. 676–680. 63 Sermones 63–66. Bernhard von Clairvaux, Sämtliche Werke: lateinisch/deutsch, hrsg. von Gerhard B. Winkler, Innsbruck 1995; Bd. 6, S. 336–391. (Nachfolgend zitiert als: Bernhard, SW, mit entsprechender Bandzahl). 64 So z. B. Sermo 66,I,1; Bernhard, SW, Bd. VI, S. 370 f. 65 Ekbert von Schönau, Sermones contra Catharos (PL 195, Sp. 11–102). 66 Borst, Katharer, S. 6 f.; Daniela Müller, Ketzer und Ketzerinnen. Über die „fremde“ Wurzel abweichender Glaubensvorstellungen und ihre Bekämpfung. Das Beispiel des Katharismus. In: Der Umgang mit dem Fremden in der Vormoderne. Studien zur Akkulturation in bildungshistorischer Sicht, hrsg. von Christoph Lüth, Köln u. a. 1997, S. 211–228; S. 219. 67 PL 210, Sp. 305–430.
5.2. Feinde der Kirche – Kategorien von Ungläubigen
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Juden) des Zisterziensers Alanus ab Insulis (1179–1202 abgefaßt).68 Alanus bedient sich der Bibelexegese und der philosophisch-rationalen Polemik gegen die katharische Bibelauslegung, über die er wohl aus katharischen Quellen unterrichtet war.69 Vieles von dem, was Berthold in seinen lateinischen Predigten an Sachinformationen über Ketzer mitteilt, wird durch die polemische Art der Darstellung verzerrt. Für den modernen Betrachter besteht darin die Tücke einer rein subjektiv gefärbten literarischen Gattung, was es äußerst schwierig macht, aus dem Geflecht von Behauptungen, Gerüchten, Zitaten und literarischen Anleihen diejenigen Elemente herauszuarbeiten, die vermutlich historischen Tatsachen entsprechen. Denn obwohl Berthold in einer Predigt ankündigt: Tria dicere volo, qui sunt mores eorum, et quomodo veniant et doceant, tercio quam stulta credunt,70 geht es hier nur scheinbar (stulta!) um die objektive Erläuterung von Glaubensinhalten und Verhaltensweisen der Ketzer. Eine „objektive“ Betrachtung wird ihnen aus Sicht ihrer orthodoxen Gegner nur insofern zuteil, als man sie in ihrer nach dem Urteil der Kirche wahren teufl ischen Verstrickung und heuchlerischen Frömmigkeit entlarvt. Nichts fürchtete die mittelalterliche Orthodoxie so sehr wie die Attraktivität häretischer Lehren für die Gläubigen, also konnte es auch nicht in ihrem Interesse liegen, umfassend und neutral über die innere Systematik ketzerischen Glaubens zu berichten. Dies wäre gleichbedeutend mit der grundsätzlichen Anerkennung der „Pluralität von Wahrheit“71 gewesen – undenkbar für Berthold, der mit allen Waffen der Rhetorik gegen die Feinde der fides catholica zu Felde zog. Dennoch wird Berthold in der Forschung als eine der wichtigsten historischen Quellen für die Ketzerei in Süddeutschland bezeichnet; 72 dabei stellt sich die Frage, inwieweit dies sinnvoll ist angesichts der Tatsache, daß über das Medium der Predigt eine persuasive Zielsetzung verfolgt wird, die (in der verschriftlichten Form) eine literarische Überzeichnung von Informationen zwangsläufig nach sich zieht. Berthold handhabt das Wissen, welches er aus seinen Quellen über Ketzer bezieht, ausgesprochen variabel. Es ist schwierig, Typisches vom Spezifischen sauber zu trennen, vieles wird bewußt im Vagen belassen, auch um anderen Predigern als implizierten Nutzern der Texte Raum für eine individuelle Ausgestaltung zu geben. Oftmals gehen sachliche Darstellung und subjektive Wertung ineinander über. Wenn Berthold z. B. anführt, die Ketzer lehrten ihre Zuhörer Gebete und Auszüge aus den Evangelien,73 so im68
Wakefi eld / Evans, Heresies, S. 214. Borst, Katharer, S. 9 f. 70 Fb 117 I, Sermo 24, f. 61r b. 71 Alexander Patschovsky, Der Ketzer als Teufelsdiener In: Papsttum, Kirche und Recht. Festschrift für Horst Fuhrmann, hrsg. von Hubert Mordek, Tübingen 1991, S. 317–334.; S. 334. 72 Segl, Berthold von Regensburg, S. 128; Schönbach, Studien III, S. 83 ff. 73 Fb 117 I, Sermo 24, f.60v c. 69
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5. Das Bild des Ungläubigen in den lateinischen Predigten Bertholds von Regensburg
pliziert diese an sich sachlich korrekte Angabe aus Sicht der Kirche gleichzeitig eine negative Wertung, weil diese den Anspruch der Waldenser und Katharer, als Laien die Bibel auszulegen und zu predigen, als Anmaßung betrachtete. 5.2.1. Heretici moderni: Waldenser und Katharer Waldenser Von den bei Berthold beschriebenen Ketzerlehren läßt sich der größte Teil auf die Waldenser beziehen, ein Umstand, auf den schon Schönbach74 hingewiesen hat. In den Freiburger Predigten werden sie wie die Katharer als heretici moderni75 bezeichnet und unter verschiedenen Namensvarianten subsumiert: Leoniste bzw. Poverleun (Arme von Lyon),76 Runclarii (Anhänger der Gruppe um Johannes von Ronco, die sich 1205 von der Stammgemeinschaft getrennt hatte), Waldenses. Zu den Gemeinschaftsformen der Waldenser, ihrem sozialen Status und ihren Berufen macht Berthold keine konkreten Angaben. Es läßt sich vermuten, daß er auf der Basis der ihm wahrscheinlich bekannten Quellen (wie z. B. den Beschreibungen Stephans von Bourbon über die Anfänge der waldensischen Bewegung im Rahmen seines Tractatus de diversis materiis praedicabilibus) 77 Menschen vor Augen hatte, die sich eher in einer ländlichen oder kleinstädtischen Umgebung bewegten.78 Dies dürfte mit den Lebensgewohnheiten seiner Zuhörer übereingestimmt haben. Von französischen Waldensern ist zwar bekannt, daß sie Anhänger auch unter der städtischen Oberschicht fanden; so wurden z. B. in Narbonne und Arles gegen Mitte des 13. Jahrhunderts Mitglieder von Patrizierfamilien wegen Häresie verurteilt.79 Im Gegensatz dazu hatten Inquisitoren die waldensischen Häretiker in den Gebieten Österreichs vor allem in Dörfern aufgespürt.80 Die Führungspositionen innerhalb der französischen Gemeinschaften besaßen meistens Handwerker, während der größte Teil der einfachen Anhängerschaft aus Bauern bestand. Die ländlichen Wanderhandwerker bewegten sich in einem weitaus größeren Aktionsradius als die Bauern, sie kamen in die Dörfer und entlegenen Weiler und konnten so ihre Ideen weiterverbreiten.81 Zu ihnen gehörten v. a. Schuhmacher und Weber, die auch der 74
Schönbach, Studien III, S. 108. Fb 117 I, Sermo 19; vgl. ebd., S. 12. 76 Die Bezeichnung Leoniste wird in den lateinischen Predigten häufiger benutzt, Poverleun ist die gebräuchliche Form in den deutschen Texten, vgl. ebd., S. 104. 77 Verfaßt etwa 1255, vgl. Christoph Daxelmüller, Art. „Stephanus de Bellavilla“, LexMa, Bd. VIII, München 2002, Sp. 128. 78 Vgl. die Darstellung des (Pseudo-)David, cap. 9 (Preger, S. 209 f.). 79 Schneider, Europ. Waldensertum, S. 37. 80 Vgl. Kap. 3.2. 81 Schneider, Europ. Waldensertum, S. 114. In den deutschen Predigten heißt es: „Sie gênt ouch niht ze frumen steten, wan dâ sint diu liute verstendic und hoerent an dem êrsten wol daz er ein ketzer waere: sie gênt zuo den wîlern unde zuo den dorfen gerne unde halt zuo den kinden, die der 75
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Passauer Anonymus als Gelehrte innerhalb der Gemeinschaften kennt.82 Insbesondere Weber und Schuster, aber auch Bauern83 werden von Berthold als Lehrer der Waldenser genannt, wenn er sich gegen die Glaubensvermittlung durch ungebildete Laien wendet: Item heretici in hoc stultissimi, quod [. . .] sumunt aliam ( fidem), quam quilibet textor vel calcifex vel alius, qui litteram nescit legere de fide, in occulto (docet).84 Es waren vor allem die Angehörigen der bäuerlichen Schicht, die die Gelegenheit nutzten, sich durch das Auswendiglernen von Teilen der Bibel zumindest ein geringes Maß an Bildung zu erwerben.85 Aus diesem Grund fanden die Versammlungen in den Häusern der Häretiker auch meistens nachts statt, weil die Bauern tagsüber mit der Feldarbeit beschäftigt waren. Über das Sozialleben der Waldenser erfährt man aus den Predigten sehr wenig. Unter der Prämisse, daß Berthold neben inquisitorischen Kompendien, wie dem Passauer Anonymus und dem (Pseudo-)David, auch um Sachlichkeit bemühte Darstellungen waldensischen Gemeinschaftslebens wie den anonymen Traktat De vita et actibus86 kannte, läßt sich annehmen, daß er über ihre Lebensformen unterrichtet war. Gestützt wird diese Annahme durch eine Stelle aus Sermo 24 des ersten Bandes der Freiburger Handschrift. Berthold nennt dort in der Tradition der typischen Vorwürfe, die die orthodoxen Denker den Ketzern machten, u. a. die species pietatis der Ketzer,87 durch die sie bzw. der durch sie wirkende Teufel viele Menschen täusche. Es folgt eine Beschreibung, deren Sinn sich nicht sogleich erschließt: Nam cum de nocte surrexit, dixit hospes: „Surgite et orate! Non debemus vivere ut glutones, sic in cibo.“ 88 Welche Szenerie hat man sich hier vorzustellen? Es handelt sich auf den ersten Blick wohl um einen zu den Häretikern gehörenden Herbergswirt, der in der Nacht von seinem Bett aufsteht und die anwesenden Gäste zu Gebet und Fastenübung aufruft. Bei genauerer Betrachtung eröffnen sich jedoch ganz verschiedene Deutungsebenen. Die Beschreibung bezieht sich eindeutig auf Lukas 22,45 f.: Et cum surrexisset ab oratione et venisset ad discipulos suos invenit eos dormientes prae tristia et ait illis quid dormitis surgite orate ne intretis in temptationem. Insofern wird hier der vorher erhobene Vorwurf der vorgetäuschten Frömmigkeit bestätigt – die Ketzer suchen in gense hüetent an dem velde. (XXV. Saelic sint die reines herzen sint, PS I, S. 403). Vgl. die Angaben über die Waldenser bei Stephan von Bourbon: Quando autem primo accedunt ad homines simplices, quia astutos et litteratos fugiunt. (QGW, S. 48). 82 QGW, S. 74. 83 Numquam erit bonus magister picture, qui nunquam vidit picturam. [. . .] ita nec iste rusticus esse potest doctor bonus sacre scripture. (Fb 117 I, Sermo 29, f.72v c). 84 Fb 117 I, Sermo 29, f.72v d – 73r a. 85 Vgl. Schneider, Europ. Waldensertum, S. 114 ff. 86 Der Traktat datiert vermutlich aus der Mitte bzw. der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts. Edition und Übersetzung bei Peter Biller, Fingerprinting an Anonymous Description of the Waldensians. In: Texts and the Repression of medieval Heresy, ed. Caterina Bruschi, Peter Biller, Woodbridge 2003, S. 163–207. 87 Vgl. Grundmann, Typus, S. 316 f. 88 Fb 117 I, Sermo 24, f.60v c.
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ihrem Verhalten Christus zu imitieren, so suggeriert Berthold – ein Gedankenspiel, das einem für diese Predigt vorauszusetzenden Publikum von Geistlichen sehr offensichtlich gewesen sein wird.89 Zusätzlich aber ähnelt die Beschreibung Bertholds den Angaben des anonymen Traktats, in dem das Gemeinschaftsleben in waldensischen Hospizen in diversis locis, prouinciis et regiminibus huiusmodi, tam in Alamania quam in aliis partibus90 geschildert wird. Die Waldenser lebten in besonderen Häusern in kleinen Gruppen zusammen, manchmal wohnten auch nur einige ältere Frauen allein in einem solchen Hospiz, die von den ordinierten sandaliati und anderen Brüdern und Schwestern regelmäßig besucht und seelsorgerlich betreut wurden. In der Regel leitete ein sandaliatus oder perfectus ein solches Hospiz. Der Anonymus schreibt weiter: Talem in hospiciis vitam ducunt. Und im Hinblick auf die zitierte Berthold-Stelle besonders aufschlußreich: Surgunt autem multociens et flexis genibus multociens ante lectos suos ponunt se ad oracionem. Et ille qui regit hospicium dicit quod orent pro regibus et ducibus et gubernatoribus seculi, ut Deus concedat eis ita mundum gubernare [. . .] uel verba consimilia.91 Offenbar erhoben sich die Bewohner eines solchen Hospiz zum regelmäßigen nächtlichen Gebet (dies legt die Beschreibung ante lectos suos nahe), wobei der jeweilige Leiter des Hospizes ein besonderes Gebet sprach, in dem (laut Aussage des Anonymus) für das Wohl der Herrschenden gebetet wurde. Ob dieses Gebet tatsächlich den religiösen Gepflogenheiten der Waldenser entsprach oder auf einer polemischen Einflußnahme des Verfassers (bzw. dessen Gewährsmannes) 92 beruht, ist nicht genau abzuschätzen. Möglicherweise befolgten die Mitglieder der waldensischen Gemeinschaft einfach in besonders frommer Weise die Vorgaben über das Gemeindegebet aus 1 Tim. 2,1 ff.; vielleicht wurde eine solche Assoziation auch nur vom Verfasser absichtlich geweckt. Einem geistlichen Rezipientenkreis dieser Predigt mußte jedenfalls gerade die fromme und asketische Lebensform als besonders augenfälliger Ausdruck der ketzerischer Heuchelei gelten. Das Lukas-Zitat (22,46) mit dem (verfälschenden) Zusatz: Non debemus vivere ut glutones, sic in cibo bezieht sich auf die freiwillige Armut der waldensischen fratres und sorores. Die waldensischen Brüder und Schwester hatten sich einem radikalen Armutsideal verschrieben,93 sie lebten von der Unterstützung der credentes, die sie versorgten. Die auffallende strikte Mäßigung, die sich die Waldenser (und in teils noch extremerem Maße auch die Katharer) in allen Lebensvollzügen auferlegten, bot ihren orthodoxen Gegnern die willkommene Möglichkeit, genau darin die Heuchelei der Häretiker zu erkennen und als ihr 89 Zu den in Sermo 24 identifi zierbaren unterschiedlichen Deutungsebenen und der Funktion von anzitierten Bibelversen und Glossenkommentaren als Subtexte vgl. Kap. 6.3.2. 90 Bruschi/Biller, De vita, S. 198. 91 Ebd. 92 Vgl, Schneider, Europ. Waldensertum, S. 140 f. 93 Ebd., S. 197.
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genuines Kennzeichen herauszustellen. So vermerkt auch der Passauer Anonymus zu der Frage, wie man Ketzer erkennen könne: Cognoscuntur heretici per mores et verba. Sunt enim in moribus compositi et modesti.94 Er schildert ihr Verhalten genauer: Temperati sunt in cibo et potu. Ad tabernas non eunt nec ad choreas nec ad alias vanitates.95 Ob Berthold die anonyme Schrift kannte, läßt sich nicht beweisen. Aber er könnte eine Vorlage gehabt haben, die sich in ähnlicher Weise mit dem Gemeinschaftsleben der Waldenser befaßte, oder er nutzte vielleicht auch mündlich tradiertes Wissen über ihre spezifischen Verhaltensweisen. Besonderes Interesse bringt Berthold den Werbungsmethoden der Ketzer entgegen. Dies verwundert insofern nicht, als die Häretiker mit ihrer frommen und asketischen Erscheinung im Auftreten einem Bettelordensmönch wie Berthold auf fatale Weise ähnelten. Der Franziskaner war also gezwungen, seinen Zuhörern die entscheidenden Verhaltensmerkmale ketzerischer Prediger möglichst anschaulich nahezubringen: [. . .] videndum (est), quomodo veniant et doceant.96 Dabei ist es äußerst schwierig zu beurteilen, wann Berthold zitiert oder Zitate umarbeitet, und wann er mit seinem vorhandenen Wissen ganz individuelle Szenerien entwirft. Eine solche Szene, in der eine städtische Öffentlichkeit suggeriert wird, fi ndet sich in Sermo 24: Conveniunt in aliquam civitatem et furantur nobis scripturam, et mittunt hinc inde, et ille dat duodecim denarios, ille sex, ille libram.97 Hier kommen die Ketzer offenbar in einer kleinen Stadt zusammen und stehlen dort, so Berthold, Bibeln. Der Vorwurf des Bibeldiebstahls dürfte sich dahingehend erklären, daß viele waldensische Wanderprediger Schriften mit sich führten, unter denen neben Predigttexten und Lehrtraktaten auch Bibeln zu fi nden waren.98 Dieser Umstand bot dem Franziskanermönch einen willkommenen Anknüpfungspunkt, um die offensichtliche Schriftkenntnis seiner Gegner zu diskreditieren – wie sonst hätten ungebildetete Laien wie Weber oder Schuster in den Besitz von Büchern kommen können? Nach den Angaben Bertholds schicken die Ketzer Boten aus, um Geld zu sammeln – wie fahrende Händler oder Gaukler – und kurz darauf ruft einer der Boten „seinen Freund“ herbei und verkündet: Tu semper libenter audivisti bona, ecce, venit sanctus homo! 99 Dies erinnert deutlich an die Werbungsmethoden der Waldenser, wie sie im Traktat des (Pseudo-)David und im Passauer Anonymus100 beschrieben wer-
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QGW, S. 74. Ebd. 96 Fb 117 I, Sermo 24, f.61r b. 97 Ebd. 98 Malcolm Lambert, Häresie im Mittelalter. Von den Katharern bis zu den Hussiten, Darmstadt 22001; S. 175. Anne Brenon, The Waldensian books. In: Heresy and Literacy 1000–1530, ed. Peter Biller and Anne Hudson, Cambridge 1994, S. 140 ff. 99 Fb 117 I, Sermo 24, f.61r b. 100 QGW, S. 75–77. 95
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den.101 Im anonymen Traktat De vita et actibus wird berichtet, daß die Meister der Gemeinschaft auf ihren Wanderungen von Dorf zu Dorf und Stadt zu Stadt von ortskundigen credentes begleitet wurden.102 Berthold fügt hinzu: Et veniunt in una veste et recedunt quandoque in alia.103 Diese Angabe stimmt mit den Zeugnissen des (Pseudo-)David und Stephans von Bourbon überein, nach denen die Wanderprediger ihre Kleidung wechseln, um nicht erkannt zu werden.104 Wenn sie neue Mitglieder für ihre Sekte werben wollen, so Berthold, sagen sie zunächst „irgendwelche guten und wahren Worte“105 auf, und wenn sich dann genügend interessierte Zuhörer gefunden haben, beginnen sie mit ihrer ketzerischen Lehre. Dem Passauer Anonymus zufolge sind die Häretiker vor allem um den Zugang zu den Reichen und Mächtigen bemüht.106 Im Gegensatz dazu schildert Stephan von Bourbon mit polemischem Unterton, daß sie sich gerade an die homines simplices wenden und sich von gebildeten und intelligenten Menschen lieber fernhalten.107 Diesen erzählen sie dann, sie wüßten einige „sehr nützliche“ Gebete (oraciones optimae), die sie aufsagen und ihren Zuhörern beibringen; danach folgt ein Auszug aus den Evangelien in der Volkssprache, so daß die Ungebildeten durch permanentes Wiederholen bisweilen sämtliche Evangelien auswendig lernen.108 Diese Beschreibung der Werbungs-, Lehr- und Lernmethoden der Waldenser bringt Berthold auf eine kompakte Formel: Dulcia verba, post heresis.109 Berthold weiß zu berichten, daß die Häretiker ihren Zuhörern zuerst süß klingende Gebete (orationes dulces) 110 oder Stellen aus den Paulusbriefen oder auch den Anfang des Johannes-Evangeliums vortragen.111 Er nennt u. a. ein Gebet an Maria, die „gütige Himmelskaiserin (suzziu cheiserinne).112 Diese Angabe korrespondiert mit der Schilderung des (Pseudo-)David, der berichtet, wie die Ketzer eine Frau in ihre Lehren einführen: Tradit postea 101
Preger, (Pseudo-)David, S. 214. Vgl. auch Kap. 4.3.1. Petunt que visitare debent, et antequam ad dicta loca veniant mittunt aliquem credentem, qui cognoscit eos quos visitare debent, ad eosdem et notifi cat eis quod tales fratres veniunt, et mandatur eisdem per dictos credentes et assignatur certa dies et hora ad quam venire debeant, ad quam veniunt una cum dicto qui conducit eos, aliquociens de die, aliquociens de nocte. (Bruschi/Biller, De vita, S. 204). Ähnlich (Pseudo-)David, cap. 7: Hii dicunt se apostolorum successores esse, et sunt magistri et aliorum confessores, et circumeunt per terras visitando et confirmando discipulos in errore. (Preger, S. 210). 103 Fb 117 I, Sermo 24, f.61v c. 104 Vgl. Preger, (Pseudo-)David: Vadunt autem in diversis habitibus vestium isti circatores, ne agnoscantur [. . .]. (Preger, S. 210). QGW, S. 17. Vgl. Kap. 4.3.1. 105 Primo dicunt bona verba aliqua vera [. . .]. (Fb 117 I, Sermo 24, f.61v c). 106 QGW, S. 75. 107 Vgl. Kap. 4. 108 QGW, S. 48 f. 109 Fb 117 I, Sermo 24, f.60v c. 110 Vgl. Rom. 16,18: huiusmodi enim Christo Domino nostro non serviunt sed suo ventri et per dulces sermones et benedictiones seducunt corda innocentium. 111 Fb 117 I, Sermo 24, f.60v c; f.61v c. 112 Ebd., f.60v c. 102
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aliquas oraciones de beata virgine dicendas vel de aliis sanctis, ut experiatur quam sit docilis et alliciat eam ad discendum.113 Die Kenntnis von den Evangelien und Stellen aus den Paulus-Briefen wurden in den waldensischen Schulen vermittelt; dort lernten Kinder und Erwachsene vermutlich gemeinsam.114 Die Titel einiger katechetischer Schriften und Lehrgedichte der Waldenser sind Berthold bekannt. In Sermo 29 befragt er einen fi ktiven Ketzer nach dessen (angemaßtem) Wissen. Dieser nennt u. a. das anegenge, eine mittelhochdeutsche Übertragung des Johannes-Evangeliums, sowie eine Schrift mit dem Titel m’at.115 Außerdem kennt er die Triginta gradus Augustini und den oder die berchsalmen.116 Bei den „30 Stufen des Augustinus“ handelte es sich vermutlich um ein Lehrgedicht in dreißig Strophen, das die waldensische Tugend- und Sündenlehre behandelte und das von den illiteraten Anhängern der Waldenser auswendiggelernt wurde.117 Besonders problematisch ist die Identifi zierung des sogenannten m’at. Schönbach löste die Abkürzung zu merât bzw. meratum auf und leitete aus dem Titel ab, daß es sich um eine Schrift über das Abendmahl handeln müsse.118 Tatsächlich existiert eine auf etwa 1230 datierte anonyme Beschreibung eines Abendmahlsritus der lombardischen Armen, die sich u. a. als Anhang zu dem anonymen Traktat De vita et actibus fi ndet.119 Demnach besaßen die waldensischen Gemeinschaften in Italien und Frankreich unterschiedliche Riten; es ist also anzunehmen, daß das merât oder meratum wie die triginta gradus die für die jeweilige Gruppe spezifischen Lehren und Vorschriften enthielt, möglicherweise in Gedichtform.120 Über den oder die berchsalmen spekulierte Schönbach, es handle sich ebenfalls um ein Gedicht, das aber nicht auf den Psalter zu beziehen sei, wobei er den Begriff berch als den möglichen Versammlungsort der Ketzer deutete.121 Nun berichtet aber der Passauer Anonymus, daß die Ketzer einigen Psalmen einprägsame Titel beifügen, so bezeichnen sie z. B. Ps. 129 (De profundis) als „Begräbnis- oder Rufpsalm“ und Ps. 67 (Exurgat) als „Rachepsalm“: Psalmis eciam imponunt titulos: „Eructavit – der maide salme; Exurgat – der rache salme; De profundis – der re salm; et sic de ceteris.122 Die mittelhochdeutschen Bezeichnungen sollten offensichtlich den Inhalt des Psalms auf eine prägnante Formel bringen, die sich aus dem jeweils ersten Vers ableiten ließ, so 113
Preger, (Pseudo-)David, cap. 17, S. 214. Vgl. Schneider, Europ. Waldensertum, S. 115. 115 Fb 117 I, Sermo 29, f.72v c. 116 Ebd. 117 Finxerunt eciam quosdam rithmos, quos vocant triginta gradus s. Augustini, in quibus docent quasi virtutes sectari et vicia detestari, et callide inserunt ibi ritus suos et hereses, ut melius alliciant ad ea discenda et forcius inculcent memoriter [. . .].(Preger, (Pseudo-)David, S. 215). 118 Schönbach, Studien III, S. 119 f. 119 Schneider, Europ. Waldensertum, S. 145 f. 120 Vgl. Schönbach, Studien III, S. 119 f. 121 Ebd., S. 119. Zu den Triginta gradus und dem oder den berchsalmen vgl. auch Lambert, Häresie, S. 175. 122 QGW, S. 71. 114
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wurde z. B. Psalm 129 (De profundis. Clamavi ad te Domine) als „Ruf-Psalm“123 betitelt. Demnach könnte es sich bei dem oder den berchsalmen um einen oder mehrere Psalmen handeln, deren Eingangsvers sich auf die Berge bezieht, wie z. B. Psalm 120 (Levavi oculos meos in montes unde veniet auxilium mihi). Katharer Eindeutig den Katharern zuzuordnende Lehren oder Riten werden in den Freiburger Predigten nur sehr vereinzelt behandelt. Eine Ausnahme bildet Sermo 17, in dem systematisch und in großer Ausführlichkeit insgesamt acht häretische Glaubenspositionen dargestellt und widerlegt werden, von denen sich einige explizit den Katharern zuweisen lassen.124 Dies gilt u. a. für die Frage nach der Leiblichkeit Christi, die Zurückweisung der kirchlichen Sakramente (v. a. Taufe, Firmung und Buße) sowie das dualistische Verständnis von Gott und Schöpfung. Die Ablehnung kirchlicher Gerichtsgewalt, insbesondere das absolut verstandene Tötungsverbot sowie die Ablehnung der Eidesleistung, betraf Katharer wie Waldenser gleichermaßen. Seiner Form und inneren Strukturierung nach ähnelt dieser Sermo Predigten, wie sie sich v. a. in den Rusticanus-Sammlungen fi nden. Diese Predigten liefern in erster Linie argumentative Hilfen zur korrekten Darstellung und Erläuterung der kirchlichen Lehrsätze. So beschäftigt sich die Predigt Nr. 47 aus dem Rusticanus de Dominicis125 mit den sieben Sakramenten, deren Funktionen und korrektes Verständnis systematisch unter Hinzuziehung der passenden Bibelstelle in knappen Worten erläutert und im Anschluß gegen die jeweilige häretische Position verteidigt werden. Die Bezeichnung „Katharer“ leitet Berthold etymologisch wie Alanus von cattus ab, allerdings mit einer gänzlich anderen Begründung: Unde et nomen habetis ‚Catari‘, quia sicut cattus in tenebris et in nocte et in angulis plus circuit et sue venationi magis intendit quam in die.126 Der Zisterzienser hingegen hatte noch eine zeitgenössische Meinung aufgegriffen, nach der die Ketzer bei ihren Zusammenkünften das Hinterteil einer Katze bzw. eines Katers küßten, in dessen Gestalt ihnen Luzifer erscheine.127 123
Vgl. ebd., Anm. 14. Fb 117 I, Sermo 17, f.50r a – 52r b. Vgl. Schönbach, Studien III, S. 2–11. 125 Abgedruckt bei Schönbach, Studien III, S. 72–75 (nach der Handschrift Nr. 325 der Oberösterreichischen Landesbibliothek Linz). 126 Fb 117 I, Sermo 28, f.69v c. Vgl. PS I, S. 402 (Nr. 25 Saelic sint die reines herzen sint): Unde daz tet unser herre âne sache niht, daz er sie ketzer hiez. [. . .] Daz tet er dar umbe, daz er sich gar wol heimelîchen gemachen kan, swâ man in niht wol erkennet, als ouch diu katze: diu kan sich gar wol ouch zuolieben unde heimlîchen [. . .]. 127 Alanus ab Insulis, De fide contra haereticos, lib. I, cap. 63 (PL 210, Sp. 366). Zur Darstellung der Katharer bei Alanus vgl. auch Nikolaus M. Häring, Die Rolle der Hl. Schrift in der Auseinandersetzung des Alanus de Insulis mit dem Neu-Manichäismus. In: Die Mächte 124
5.2. Feinde der Kirche – Kategorien von Ungläubigen
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Die Bezeichnung Catari wird in den Predigten nur selten verwendet, meistens werden sie gemäß theologischer Tradition als „Manichäer“ bezeichnet.128 Häufig lassen sich Ansichten als katharisch identifi zieren, die nur ganz allgemein „den Ketzern“ zugesprochen werden: Dicunt se esse ecclesiam! 129 und sowohl auf Katharer als auch Waldenser zutreffen, wie z. B. das Verbot der Eidesleistung bzw. die sich ändernden Einstellungen innerhalb der Sekten, was dieses Verbot betraf. Innerhalb der Katharerkirche war das Schwören für die perfecti wohl verboten, während den credentes, die noch nicht aufgenommen waren, Eid und Meineid gestattet war.130 Die Waldenser hatten die Eidesleistung ursprünglich nicht verworfen, sondern vermutlich erst als Folge katharischen Einflusses übernommen.131 Dasselbe gilt für die auch von Waldensern bekannte Ansicht von der Wertlosigkeit der Sakramente, wenn sie von einem unwürdigen Priesters gespendet wurden.132 Berthold bezeichnet die Diffamierung der Priester durch die Ketzer in Sermo 24 als die dritte Art, wie der Teufel den Menschen den Glauben zu rauben versuche.133 Indirekt sind vorrangig katharische Lehren angesprochen, wenn eine bestimmte orthodoxe Lehrmeinung besonders nachdrücklich erklärt und betont wird. So unterstreicht Berthold in Sermo 28, daß es „schön und vernünftig“ sei, quod credimus, quod iste bonus deus [. . .] humanitatem nostram de virgine assumpsit et nobis factus est similis.134 Die besondere Betonung des „guten Gottes“ zielt auf die dualistische Auffassung, nach der alles Leibliche von einem bösen Gott bzw. dem Teufel geschaffen sei und insbesondere auf die daraus resultierende Überzeugung, Christus habe nur einen Scheinleib besessen.135 Peter Segl kam in seinem Aufsatz über das Wirken Bertholds gegen die Ketzer insgesamt zu dem Schluß, das Werk des Franziskaners weise „eine ganz erhebliche katharische Komponente“ auf. Dementsprechend sah er in Berthold „unsere wichtigste Quelle für die Existenz von Katharern bzw. für die Verbreitung katharischer Ansichten im 13. Jahrhundert außerhalb von deren südfran-
des Guten und des Bösen, hrsg. von Albert Zimmermann, Berlin/New York 1977, S. 315– 343. 128 Vgl. Borst, Katharer, S. 251 ff. 129 Fb 117 I, Sermo 24, f.61r b. Vgl. dazu die Beschreibung der Kölner Katharer bei Everwin von Steinfeld, Epistola ad S. Bernardum (PL 182, Sp. 676–680; Sp. 677) und Bernhard von Clairvaux, Sermo 66,III,8 (SW Bd. 6, S. 380). 130 Georg Schmitz-Valckenberg, Grundlehren katharischer Sekten des 13. Jahrhunderts. Eine theologische Untersuchung mit besonderer Berücksichtigung von „Adversus Catharos et Valdenses“ des Moneta von Cremona, München/Paderborn/Wien 1971; S. 292 ff. 131 Selge, Waldenser I, S. 155 ff. 132 Schmitz-Valckenberg, Grundlehren, S. 252 ff. 133 Fb 117 I, Sermo 24, f.60v d. 134 Ebd., Sermo 28, f.70r a – 70r b. 135 Schmitz-Valckenberg, Grundlehren, S. 116 f.; 256 ff.
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zösischen und oberitalienischen Kerngebieten.“136 Bereits Schönbach vertrat die Meinung, die Katharer seien insbesondere in Süddeutschland weit verbreitet gewesen, was er u. a. daraus ableitete, daß sich das deutsche Wort „Ketzer“ aus „Katharer“ entwickelt habe.137 Doch eine solche Folgerung verkennt den Einfluß der gelehrten literarischen Tradition, innerhalb derer Berthold sich nicht nur bewegt, sondern von der er auch abhängig ist und der er den größten Teil seines Wissens über Ketzer im allgemeinen und Katharer im besonderen verdankt. Insbesondere die Abhängigkeit von den entsprechenden Angaben bei Bernhard von Clairvaux, Ekbert von Schönau und Alanus ist evident,138 diese Tatsache war auch Schönbach nicht entgangen.139 Er fand dafür jedoch eine einfache Erklärung: „Vielleicht aber ließe sich dieser Umstand daraus erklären, daß Bertholds bezügliche Predigten in den Anfang seiner Missionspraxis wider Ketzer fallen, wo er mit dem Wesen der Häresien noch nicht hinlänglich vertraut war, um ohne fremde Hilfe arbeiten zu können.“140 Wäre es nicht vielmehr denkbar, daß Berthold den ihm zur Verfügung stehenden Quellen entnahm, was ihm für die Ausgestaltung eines bestimmten Ketzerbildes in seinen Predigten dienlich erschien? Auffällig ist jedenfalls, daß die Angaben, die er über nachweislich katharische Ansichten macht, ohne Ausnahme zum Gemeingut der zeitgenössischen antihäretischen „Ratgeberliteratur“ gehören, während über die eindeutig als Waldenser zu identifi zierenden „Ketzer“ wesentlich detailreicher berichtet wird; insbesondere finden sich sehr präzise Sachinformationen über die Form der Wissensvermittlung in den waldensischen Schulen sowie über die spezifischen Lehrinhalte.141 Diese Angaben bei Berthold stammen fast sämtlich aus deutschen bzw. süddeutschen Quellen, die gegen Mitte des 13. Jahrhunderts entstanden sind und sich nahezu ausschließlich auf die Waldenser konzentrieren.142 136
Segl, Berthold, S. 129. „Weist schon die Entwicklung von „Ketzer“ aus „Katharer“ darauf hin, daß diese Häresie in Deutschland sehr mächtig gewesen sein muß, so wird uns diese Tatsache auch durch die historischen Überlieferungen reichlich bezeugt. [. . .] Bertholds Zeugnisse bestätigen die große Wichtigkeit und Ausdehnung der Sekte, denn aus der gesamten Masse seiner Angaben über Ketzer muß ein guter Teil auf die Katharer bezogen werden.“ (Schönbach, Studien III, S. 87). Vgl. auch die Äußerungen ebd., S. 99. Zur Etymologie von „Ketzer“ vgl. Johannes Kramer, Häretiker und Ketzer. Eine Begriffs- und Wortgeschichte. In: Glaubensprozesse – Prozesse des Glaubens? Religiöse Minderheiten zwischen Toleranz und Inquisition, hrsg. von Titus Heydenreich und Peter Blumenthal, Erlangen 1989, S. 1–16. 138 Die 30. Predigt aus dem ersten Band der Freiburger Doppelhandschrift 117 I/II scheint fast vollständig aus den Hohelied-Predigten Nr. 65 und 66 exzerpiert zu sein. 139 „Es scheint nicht, daß er über ihre Meinungen aus eigenem Erfahren eingehende Kenntnis besessen hat, er hätte sonst schwerlich das Werk des Alanus zurate gezogen und benutzt.“ (Schönbach, Studien III, S. 99). 140 Ebd. 141 Vgl. Kap. 4.3.1. 142 Vgl. ebd. 137
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Für die Predigtpraxis war es wichtig, den Gläubigen ein einheitliches Feindbild zu präsentieren, einen Typus mit einem hohen Wiedererkennungswert, anhand dessen die Überlegenheit der eigenen orthodoxen Sichtweise umso leichter zu begründen war. Insofern besitzen Stereotypen eine Orientierungsfunktion, indem sie Disparates ordnen und anstelle von Komplexität Simplifizierung bieten.143 Schönbach war nicht entgangen, daß die Katharer in den Predigten Bertholds „verhältnißmässig selten mit Namen genannt“ werden.144 Allerdings: „Erheblich mehr von Bertholds Angaben gilt für die Katharer, obgleich sie nicht mit Namen angeführt werden.“145 Dieser Umstand deutet eher darauf hin, daß die Katharer für Berthold nur eine Spielart der Ketzerei bildeten. Sie waren demnach eine Erscheinungsform des einen, in seinem inneren Wesen unveränderlichen Häretikers, den man, wie Herbert Grundmann gezeigt hat,146 eben daran zu erkennen meinte, daß er keine Einheit im Glauben besaß, sondern gemäß dem traditionellen biblischen Bild der an den Schwänzen zusammengebundenen Füchse (Iudic. 15,4–5) in viele unterschiedliche Glaubensrichtungen gespalten war.147 Dies spiegelt sich auch darin wieder, daß Berthold neben Catari auch Manichaei und Arriani als Ketzergruppen nennt – beide Bezeichnungen wurden jedoch seit Ekbert von Schönau synonym für Katharer gebraucht.148 Sie bildeten lediglich zwei Varianten im Bemühen der mittelalterlichen Denker, das Wesen der katharischen Häresie genauer zu defi nieren, sie nämlich entweder als Zweig der von Augustinus bekämpften Manichäer zu werten oder Verbindungen zum altkirchlichen Häretiker Arius († 336) bzw. den Anhängern des Ketzers Heinrich (ca. 1135) herzustellen, die in Castrum novum Arrii (Castelnaudary) beheimatet waren.149 Aus diesem Grund bedient sich Berthold wohl immer wieder der Etymologie von Ketzernamen, wie sie bereits Augustinus angegeben hatte: 150 Primo fuit heresis una Symonis, nam fuit primus hereticus ab ecclesia recedens et quandam heresim inveniens. Post discipulus eius Menander illam in aliam mutavit et [. . .] post illum venit Ebyon [. . .] Saturninus, Basilides [. . .] 143 Hermann Bausinger, Name und Stereotyp. In: Stereotypvorstellungen im Alltagsleben. Festschrift für Georg R. Schroubek, hrsg. von Helge Gerndt, München 1988, S. 13– 20; S. 13. 144 Schönbach, Studien III, S. 86 f. 145 Ebd., S. 88. 146 Grundmann, Typus, S. 320 ff. 147 Vgl. die Berthold-Predigt „Saelic sint die reines herzen sint“, PS I, S. 402: Ein heizent Pôverlewe und Arrîanî unde Rünkeler unde Manachêi unde Sporer unde Sîfrider und Arnolder. Und alsô habent sie sô maniger leie namen, daz ez nieman vollenden mac. Aber swie maniger leie namen sie haben, sô heizent sie überal ketzer. Vgl. auch Wiegand, Eine Kreuzpredigt Bertholds, S. 180: „Katharische Anschauungen hat Berthold an zahlreichen Stellen seiner Predigten genannt und bekämpft, freilich meist, ohne die Gegner mit Namen oder wenigstens mit diesem Namen zu nennen. Sie sind ihm nur die Ketzer schlechthin, oder auch die Manichäer.“ 148 Borst, Katharer, S. 250. 149 Grundmann, Typus, S. 320 f.; Borst, Katharer, S. 251 f. 150 De haeresibus ad Quodvultdeum, PL 42, Sp. 21–50.
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Arrius, Eunomius [. . .] et ita mutata est modo plus quam in centum viginti, et una non est ut alia, et tamen quilibet hereticorum alii dicit, quod pro sua dampnetur.151 Berthold konnte es nicht darum gehen, sich oder seine Zuhörer mit den theologischen Gemeinsamkeiten oder Differenzen zwischen verschiedenen antiken oder „modernen“ häretischen Gruppen vertraut zu machen. So erklärt sich auch, daß z. T. waldensische und katharische Lehren von ihm verwechselt werden, wie etwa die Ansicht, Christus habe nur eine vorgetäuschte Leiblichkeit angenommen, von ihm den Leonisten (Arme von Lyon), Ortliebern und anderen152 zugeschrieben wird, sie tatsächlich aber nur von den Katharern bekannt war.153 Schönbach wußte sich diesen Umstand nur mit mangelhaften Quellen oder anderen Mißverständnissen zu erklären: „Fast möchte ich das letzte glauben, zumal auch andere seiner [. . .] Angaben Unklarheiten in Bezug auf die Sonderung der einzelnen häretischen Gruppen merken lassen.“154 Erklärbar wird dies, wenn man sich bewußt macht, daß in Predigten als subjektiven und normativen Texten ein bestimmtes, von der Orthodoxie gewolltes Ketzerbild präsentiert werden sollte, für dessen Ausgestaltung eine differenzierte Darstellung der ketzerischen Lehrinhalte ganz unerheblich war. Anders verhält es sich mit den Waldensern, über deren Lehr- und Lernsystem Berthold viele Einzelheiten mitzuteilen weiß. Die Frage, ob Berthold mit häretischen Lehren in Kontakt kam, also aus eigener Anschauung berichten konnte, läßt sich nicht abschließend beantworten. In den Gebieten, die er durchreiste, waren insbesondere Waldenser verbreitet, so besteht in jedem Fall die Möglichkeit, daß er ihre Verhaltensweisen aus eigenem Erleben kannte. In einem kleinen Ort nordöstlich seiner Heimatstadt Regensburg waren zur Mitte des 13. Jahrhunderts Waldenser aufgespürt und verhaftet worden.155 Soweit ich es bisher beurteilen kann, spricht Berthold jedoch in keiner Predigt ausdrücklich davon, daß er Ketzer selbst gesehen oder sogar mit einem von ihnen gesprochen hätte. 5.2.2. Heiden Quod saracenorum fides non sit nisi stultitia, patet.156 Dies, so Berthold, ist leicht zu erweisen, denn beten nicht die heidnischen Sarazenen die Sonne, die Erde, ei151
Fb 117 I, Sermo 28, f.69v c – d. Ebd., Sermo 19, f.53r b; Schönbach, Studien III, S. 12. 153 „Die Aussage Bertholds zu erklären, ist schwierig, entweder gilt sie nicht von den Leonisten, sondern von den gleichzeitig genannten anderen Sektierern [. . .] und Juden [. . .]; oder Berthold wußte von einer Mischung waldensischer und manichäischer Lehren, die allerdings für seine Zeit noch sonst bezeugt sein müßte, um glaublich zu erscheinen.“ (Schönbach, Studien III, S. 105). 154 Ebd., S. 106. 155 Schneider, Europ. Waldensertum, S. 98 mit Anm. 15; S. 113. Vgl. Kap. 3.2. 156 Fb 117 I, Sermo 29, f.70v d. 152
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nen Vogel, einen Baum oder ein Holzstück als ihren Gott an?157 Den Hintergrund für diese Ausführung bilden die Angaben aus Sap. 13,1–16 über die generelle Torheit des Götzendienstes. Eine Zuspitzung auf religiöse Praktiken bei den Sarazenen hat Berthold dann vermutlich auf der Basis anderer Quellen vorgenommen. In diesem Fall dürften mit den Sarazenen keine Muslime gemeint sein, sondern Mongolen (bzw. Tartaren), die 1241 in der Schlacht bei Liegnitz gegen christliche Ritterheere siegreich waren und das Abendland nicht erst seit diesem Zeitpunkt in Aufruhr versetzten.158 Als Anhänger einer Naturreligion verehrten sie ihre Gottheiten in den Naturelementen, wie Sonne, Erde und Wasser, oder in Tieren und Bäumen.159 Einen Teil seiner Kenntnisse über die Götterwelt der Mongolen entnahm Berthold vermutlich der Ystoria Mongalorum seines Ordensbruders Johannes von Plano Carpini, der 1245–1247 das mongolische Reich als Gesandter Innozenz’ IV. bereiste.160 Dies läßt sich aus der Schilderung einer Besonderheit ihrer religiösen Gewohnheiten schließen, die ihm als Ausdruck mongolischer Exotik für seine Zuhörer vielleicht besonders fremdartig und daher interessant und aufregend erschien: Nota de tartaris: In quolibet anno faciunt sibi deos de filtro, viliori servo faciunt minorem, plus dilecto maiorem etc.161 Auszüge solcher Berichte, die im Zuge der Gesandtschaftsreisen von Bettelordensangehörigen nach Asien im 13. Jahrhundert verfaßt wurden, fanden als erbauliche Geschichten schnell Eingang in die zeitgenössischen ExemplaSammlungen, die auf diese Weise das Tartaren-Bild in Europa mitprägten.162 Darüber hinaus ist es möglich, daß Berthold seine Kenntnisse entweder aus eigener Anschauung oder durch die Angaben von Augenzeugen erworben hatte, denn nach Ausweis der Quellen predigte der Franziskaner 1262/63 in Ungarn, wo er viele Einwohner, die von den „ungläubigen Cumanen“ verführt worden waren, wieder zum wahren Glauben zurückführte.163 Die Cumanen waren ein von den Mongolen nach Ungarn vertriebener vorderasiatischer Volksstamm, der deren religiöse Riten vermutlich übernommen hatte.164 Im 157
Ebd. Felicitas Schmieder, Europa und die Fremden, Die Mongolen im Urteil des Abendlandes vom 13. bis in das 15. Jahrhundert, Sigmaringen 1994, S. 28 f. 159 Habent canem pro deo, avem, lignum, filtrum (Fb 117 I, Sermo 29, f.71r a). 160 Johannes von Plano Carpini, Ystoria Mongalorum, Kunde von den Mongolen: 1245– 1247, hrsg., eingel. u. erl. von Felicitas Schmieder, Sigmaringen 1997, Einleitung S. 14 ff. Zur Verbreitung und Rezeption mittelalterlicher Reiseberichte aus Asien und dem Orient vgl. Schmieder, Europa, S. 43–72. 161 Fb 117 I, Sermo 29, f.71r a. Vgl. die Angaben bei Johannes von Plano Carpini, Ystoria Mongalorum, Cap. III,2. Über die Mongolen bei Berthold vgl. ausführlich Jussi Hanska / Antti Ruotsala, Berthold von Regensburg, OFM, and the Mongols. Medieval Sermon as a historical Source, AFH 89 (1996), S. 425–445. Zu der betreffenden Stelle S. 428. 162 Schmieder, Europa, S. 55. 163 Analecta Franc. II, S. 84. Vgl. Kap. 1.2. 164 Über Mongolen und Cumanen in mittelalterlicher Sicht vgl. grundlegend Schmieder, Europa; Dies., „Sind sie ganz normale Menschen“? Die Mongolen zwischen individueller Erscheinung und Typus des Fremden in der Wahrnehmung des spätmittelalterlichen Abend158
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Umgang mit wiederbekehrten Ungarn könnte Berthold, der auf seinen Reisen meist von einem der Landessprache kundigen Ordensbruder begleitet wurde,165 Einzelheiten ihrer heidnischen Lehre erfahren haben. Die Angaben über „verwerfl iche Menschen“ wie Jupiter und Venus,166 die von den Heiden angebetet werden, gehören allerdings mit Sicherheit nicht in die Glaubenswelt von Sarazenen und Mongolen, wie es im Kontext des Satzes zunächst scheint. Es handelt sich um Götter der antiken Mythenwelt, die nach Ansicht einiger kirchlicher Autoritäten167 auf Dämonen oder historische Gestalten, die zu Heroen erhoben wurden, zurückgehen.168 Die Strategie, die Berthold verfolgt, zielt auf den Beweis der mangelnden utilitas des heidnischen Glaubens ab. Seinen Zuhörern soll dies mit praktischen Beispielen anschaulich verdeutlicht werden, indem die postulierten heidnischen Praktiken, etwa die Anbetung eines Holzidols, zur christlichen Gnadenlehre in Beziehung gesetzt werden, um so die sprichwörtliche Nutzlosigkeit des heidnischen Glaubens zu erweisen: Ecce, multi sarracenorum credunt lignum esse deum – ecce, quanta stultitia! [. . .] Lignum vile esset deus, quomodo me liberabit ab igne eterno, qui non potest se ab isto? 169 Berthold greift hier die Angaben aus Sap. 13,13 über die Torheit des Götzendienstes auf: Ein Holzstück, das selbst im Feuer verglüht, wie soll das einen Menschen vor dem ewigen Feuer retten? Und so glauben die Heiden an viele Götter, doch quod non sit nisi unus solus deus, ostendam tibi breviter et plene facillime.170 5.2.3. Juden (als Ketzer) Juden galten den Theologen des Mittelalters neben den Sarazenen als eine der größten Bedrohungen für die christliche Gemeinschaft und die Stabilität ihres Glaubens. Sie wurden der latenten Absicht verdächtigt, Christen zur Aufgabe ihrer Religion und zur Annahme der eigenen verführen zu wollen.171 Insofern standen die Juden, was das von ihnen ausgehende Gefahrenpotential betraf, in den Augen der Kirche auf einer Stufe mit den Ketzern. Diese trachteten die innere Einheit der fides catholica zu erschüttern, während die Juden durch ihr angebliches Bemühen um Proselyten die christliche Gemeinschaft gleichsam landes. In: Der Umgang mit dem Fremden in der Vormoderne, hrsg. von Christoph Lüth u. a., Köln u. a. 1997, S. 195–210. 165 Vgl. Kap. 1.2. 166 homines malos, ut Iovem, Venerem et huiusmodi (Fb 117 I, Sermo 29, f.70v d). 167 Augustinus, De Civitate Dei VI,9; Hrabanus Maurus, De universo, lib. XV, cap. VI (PL 111, Sp. 426 ff.) 168 Schönbach, Studien II, S. 13. 169 Fb 117 I, Sermo 29, f.70v d. 170 Ebd. 171 Manuela Niesner, „Wer mit juden well disputiren“. Deutschsprachige Adversus-Judaeos-Literatur des 14. Jahrhunderts, Tübingen 2005, S. 96.
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von außen schwächten.172 So erließ Papst Clemens IV. 1267 die Bulle Turbato corde, in der er die Orden der Dominikaner und Franziskaner damit beauftragte, gegen das „Judaisieren“ von Christen vorzugehen.173 In der Auseinandersetzung mit dem jüdischen Glauben stand dabei der Talmud schon immer im Mittelpunkt des theologischen Interesses.174 Die Juden, so sagt Berthold in einer seiner deutschen Predigten, sind „zu Ketzern“ geworden, denn Ez sint ir zwelfe zuo gevarn unde habent ein buoch gemachet, daz heizet dalmut. Daz ist allez sament ketzerîe, unde dâ stêt sô verfluochtiu ketzerîe an [. . .]. Ez seit unde seit sô boesiu dinc, diu ich ungerne reden wollte.175 Als einer der ersten christlichen Theologen beschäftigte sich Petrus Venerabilis im 12. Jahrhundert mit dem Talmud.176 Seine Schrift Adversus Judaeorum inveteratam duritiam,177 die vermutlich auf Übersetzungen eines jüdischen Konvertiten beruhte, verfaßte er in der Überzeugung, daß dieses Buch, das die Juden angeblich allen anderen heiligen Schriften vorzögen, voller Gotteslästerungen sei und von vernünftigen Menschen nicht ernstgenommen werden dürfe. Die anthropomorphen Vorstellungen des Talmud von Gott erschienen ihm noch unsinniger als die Mythologien der Griechen und Römer. Seine Schrift blieb jedoch ohne größere Wirkung.178 Seit dem Ende des 12. Jahrhunderts wurde die jüdische Religionsausübung allgemein immer stärker eingeschränkt. Papst Innozenz III. bestimmte zwar in einem Erlaß von 1199, Juden dürften weder gewaltsam getauft noch ohne Richterspruch beraubt oder getötet werden.179 Auch ihre falsche Glaubenslehre sei zwar zu verwerfen, dennoch dürfe man sie nicht „zu sehr bedrängen“, da durch sie die Wahrheit des christlichen Glaubens bestätigt werde.180 Doch schon 1205 richtete der Papst einen Brief an König Philipp August von Frankreich, in den 172 Vgl. dazu Raoul Manselli, La polémique contre les Juifs dans la polémique antihéretique. In: Juifs et Judaisme de Languedoc, Toulouse 1977, S. 252–267. 173 Niesner, Adversus-Judaeos-Literatur, S. 99. 174 Zur Haltung der Kirche gegenüber dem Talmud vgl. umfassend Peter Browe, Die religiöse Duldung der Juden im Mittelalter, Archiv f. kath. Kirchenrecht 118 (1938), S. 3–76; bes. S. 42–75. Jeremy Cohen, The Friars and the Jews. The Evolution of medieval Anti-Judaism, Ithaca/London 1982, S. 60–76. 175 Predigt Nr. 25 „Saelic sint die reines herzen sint“, PS I, S. 401. 176 Zur Schrift des Petrus Venerabilis vgl. umfassend Heinz Schreckenberg, Die christlichen Adversus-Judaeos-Texte, 3 Bde (I: 1.–11. Jhdt., II: 11.–13. Jhdt., III: 13.–20. Jhdt.), Frankfurt a. M. 1988–1994. Nachfolgend zitiert als Schreckenberg, mit entsprechender Bandzahl. Bd. II, S. 180–193. Browe, Duldung der Juden, S. 45; Kurt Schubert, Das christlich-jüdische Religionsgespräch im 12. und 13. Jahrhundert. In: Die Juden in ihrer mittelalterlichen Umwelt, hrsg. von Alfred Ebenbauer u. Klaus Zatloukal, Wien u. a. 1991, S. 223–250; S. 223 f. 177 PL 189, Sp. 507–650. 178 Browe, Duldung der Juden, S. 45 f. 179 Schreckenberg II, S. 403 f. 180 Horst von der Bey, Dunkles Erinnern: Juden und Franziskaner, WiWei 59,2 (1996), S. 287–296; S. 289.
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er Berichte über das blasphemische Verhalten von Juden in einigen Teilen Frankreichs aufnahm. Am Schluß des Briefes fügte er die Mahnung an, der König müsse diese „Ketzerei“ ausrotten, die wie der Wolf in den Schafstall eindringe und Verderben bringe.181 1215 erließ das IV. Laterankonzil das Verbot für Juden, öffentliche Ämter zu übernehmen (Kanon 69) sowie die Verpfl ichtung, sich durch Kennzeichnung der Kleidung äußerlich sichtbar von der übrigen Bevölkerung zu unterscheiden.182 Zusätzlich setzten seit dem Beginn des 13. Jahrhunderts zunehmend christliche Missionierungsbestrebungen ein, die auch dem Judentum galten.183 Als Folge erwachte das Interesse vor allem an der hebräischen Sprache, und das kritische Interesse der Theologen wandte sich nun verstärkt dem Talmud zu.184 Angeregt durch Berichte jüdischer Konvertiten über die christusfeindlichen Inhalte der hebräischen Schriften, setzte sich die Ansicht durch, der Talmud schmähe Christus und seine Kirche, fordere zum Haß gegen die Christen auf und enthalte zudem Vorschriften, die gegen die moralischen Grundwerte verstießen.185 Man kam zu dem Schluß, der Talmud müsse öffentlich verurteilt und gänzlich unterdrückt werden, um so die Juden auf die Bibel und zu Christus hinzulenken. Die im Talmud festgehaltenen rabbinischen Lehren erschienen den christlichen Gelehrten als Häresie des alttestamentlichen Judentums, welche durch die Inquisition verfolgt werden mußte.186 Nikolaus Donin aus La Rochelle, ein konvertierter Jude, faßte 1236 den Inhalt der talmudischen Schriften in 35 Artikeln zusammen, um die angeblich darin enthaltenen Irrtümer und Gotteslästerungen aufzudecken.187 Papst Gregor IX. nahm diese 1239 in eine Bulle auf, die den Beginn gezielter Verfolgungsmaßnahmen markiert. Darin heißt es: „Wie wir hören, begnügen sie sich nicht mit dem alten Gesetze [. . .] und behaupten, daß Gott noch ein anderes [. . .] das sie Talmud nennen, gegeben habe; in ihrem Gedächtnisse sei es, wie sie lügen, lange Zeit hindurch auf bewahrt worden, bis es schließlich einige Weise und Schriftgelehrte in einem Buche, dessen Umfang weit über den der Bibel hinausgeht, aufgeschrieben hätten. Darin sind viele mißbräuchliche und scheußliche Dinge, die dem Leser und Hörer Scham und Abscheu einflössen.“188 181 PL 215, Sp. 502. Hans Liebeschütz, Synagoge und Ecclesia. Religionsgeschichtliche Studien über die Auseinandersetzung der Kirche mit dem Judentum im Hochmittelalter, Heidelberg 1983, S. 217. 182 Liebeschütz, Synagoge, S. 218. 183 Ursula Ragacs, „Mit Zaum und Zügel muss man ihr Ungestüm bändigen“ (Ps. 32,9). Ein Beitrag zur christlichen Hebraistik und antijüdischen Polemik im Mittelalter ( Judentum und Umwelt 65), Frankfurt a. M. u. a. 1997, S. 10. 184 Ebd. 185 Browe, Duldung der Juden, S. 46 f. 186 Ragacs, Christliche Hebraistik, S. 9; 12. Vgl. Niesner, Adversus-Judaeos-Literatur, S. 98. 187 Cohen, Friars and Jews, S. 60. Zu den 35 Anklagepunkten vgl. auch Schreckenberg III, S. 98 ff. 188 Übersetzung nach Browe, Duldung der Juden, S. 47 f.
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In der Bulle wurde weiterhin verfügt, daß am ersten Sabbattag der Fastenzeit (3. März 1240) sämtliche jüdischen Schriften zu beschlagnahmen und in die Klöster der Dominikaner und Franziskaner zu verbringen seien.189 Die Bulle wurde an die Könige Frankreichs, Englands und Spaniens gesandt, umgesetzt wurden die Maßnahmen jedoch nur durch Ludwig IX. von Frankreich, der am 3. März 1240 alle jüdische Schriften einsammeln und in die Klöster der Dominikaner und Franziskaner nach Paris bringen ließ. Entgegen der päpstlichen Aufforderung die Schriften zu verbrennen, berief der König am 24. Juni eine Versammlung ein, auf der christliche (darunter Wilhelm von Auvergne und Odo von Châteauxroux) und jüdische Gelehrte Gelegenheit zur Disputation erhielten.190 Wenig später wurde ein Gerichtshof unter Vorsitz des Bischofs von Paris eingesetzt, der ein endgültiges Urteil fällen sollte. Nach zweijährigen Streitgesprächen zwischen Juden, Bischöfen und dem Papst auf der Basis der 35 Artikel Nikolaus Donins wurden am 29. September 1242 vierundzwanzig Wagenladungen191 mit hebräischen Schriften (vermutlich 10.000–12.000 Bücher) auf der Place de Grève in Paris verbrannt.192 Ein Bericht aus christlicher Sicht über die Gerichtsverhandlungen mit dem Titel Extractiones de Talmut ist handschriftlich erhalten.193 Er wurde 1245/48 von dem Dominikaner Theobald von Sézanne verfaßt und enthielt neben Auszügen aus dem Talmud die von Donin zusammengestellten 35 Anklagepunkte sowie die Antworten zweier am Prozeß beteiligter Rabbiner.194 Als Nachwirkung des Pariser Prozesses breitete sich die Ansicht von den häretischen Lehren des Talmud auch in den deutschsprachigen Gebieten aus.195 Die Predigten Bertholds von Regensburg bilden vermutlich die früheste Quelle, in der sich diese spezielle Sicht jüdischer Lehren nachweisen läßt.196 Die Vorwürfe, die Berthold in einigen seiner lateinischen Predigten gegen den jüdischen Glauben vorbringt, lassen sich fast gänzlich auf die in den Extractiones enthaltenen Artikel und Talmudauszüge zurückführen. Sein Ziel ist es dabei, 189
Ebd., S. 48. Schreckenberg III, S. 99. Zur Pariser Disputation von 1240 vgl. umfassend Schreckenberg III, S. 98–105. 191 Cohen, Friars and Jews, S. 63; von der Bey, Juden und Franziskaner, S. 291. 192 Cohen, Friars and Jews, S. 63; Schreckenberg III, S. 101. 193 Zu den Extractiones vgl. ausführlich Niesner, Adversus-Judaeos-Literatur, S. 308–351, und Schreckenberg, S. 101–103 mit ausführlicher Bibliographie. Die Handschrift ist bisher unediert, es existieren lediglich einige mehr oder weniger vollständige Druckversionen von Teilen der Extractiones, wie z. B. der Introductio. Die 35 Artikel sind vollständig nur in einem (partiellen) französischen Druck von 1728 enthalten, der jedoch schwer zugänglich ist. Ich halte mich daher im folgenden an die Angaben und die Zählweise bei Schreckenberg, S. 99 f. bzw. Browe, S. 49 f. und füge nach Möglichkeit den entsprechenden lateinischen Wortlaut aus anderen Quellen zum Vergleich mit den Angaben Bertholds bei. 194 Ebd., S. 102; Cohen, Friars and Jews, S. 74. 195 Niesner, Adversus-Judaeos-Literatur, S. 101 f. 196 Vgl. ebd., S. 101 f.: „Erstmals läßt sie (die Vorstellung vom häretischen Inhalt des Talmud, A. C.) sich bei dem franziskanischen Wanderprediger Berthold von Regensburg nachweisen.“ Niesner zieht als Beleg allerdings die deutschen Predigten heran. 190
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auf der Basis des Talmud die jüdische Glaubenslehre ad absurdum zu führen und der Lächerlichkeit preiszugeben. Berthold steht damit ganz in der Tradition seines Ordens; 197 die Franziskaner waren neben den Dominikanern als Richter und Ankläger entscheidend an der Pariser Verurteilung beteiligt.198 Der handschriftlichen Verbreitung der Extractiones nach zu urteilen, könnte Berthold mittelbar oder direkt Zugang zu dieser Quelle gehabt haben.199 So enthält die bereits mehrfach genannte Schrift des Passauer Anonymus einen sogenannten „Judenteil“, in dem der Verfasser systematisch Argumentationsmaterial zur Verteidigung des katholischen Glaubens wider die Juden bereitstellt.200 Die Sammlung besteht aus Bibel- und Väterzitaten und Exzerpten des Talmud, der als die wahre „Bibel“ der Juden bezeichnet wird. Sie sollte eine fundierte Auseinandersetzung im theologisch-dogmatischen Bereich gewährleisten.201 Die Talmudauszüge des Passauer Anonymus beruhen vermutlich ebenfalls auf den Extractiones des Theobald von Sézanne.202 Entsprechend der bereits erwähnten Auslegung Bertholds von Num. 16, 32 ff. sind Juden wie Heiden und Ketzer zur Hölle verdammt.203 In ihrem Hochmut und entgegen der Aussage der Heiligen Schrift behaupten jedoch alle, sie würden errettet. Berthold will, an das Bild des blühenden Stabes Aarons (Num. 17,9) anknüpfend, erweisen, daß die fides catholica den „Leichtgläubigkeiten“ (credulitates) der anderen überlegen sei: Primum, quod signifi catur per pulchros flores, est, quod fides nostra pulchrior et rationabilior ac credibilior est credulitate iudeorum, paganorum et hereticorum, et quod ita sit, facile est probare.204 So wendet er sich an die Juden: Item, o iudei, quam pulchra et rationabilis est fides vestra? Respondete, et quid creditis? 205 Darauf läßt er diese folgendermaßen antworten: Credimus unum deum, creatorem celi et terre, sicut vos. Insoweit besitzen also Juden und Christen ein gemeinsames Glaubensfundament, das die Juden jedoch verlassen haben, indem sie den Lehren der biblischen Bücher weitere hinzufügten, die im Talmud aufgezeichnet sind. Dadurch machen sie sich in den Augen ihrer christlichen Geg197
Zur Darstellung von Juden in den lateinischen und deutschen Predigten Bertholds vgl. Cohen, Friars and Jews, S. 229–241; in den deutschen Predigten: Aaron J. Gurjewitsch, Stumme Zeugen des Mittelalters. Weltbild und Kultur der einfachen Menschen, Weimar u. a. 1997, S. 214 ff.; Gaby Knoch-Mund, Das Judenbild in der erzählenden Literatur des Mittelalters, Berliner Theologische Zeitschrift 8 (1991), S. 31–50. 198 Ebd., S. 73. 199 Es sind mehr 100 Hss. aus dem 13. bis 15. Jahrhundert überliefert, von denen zahlreiche Textzeugen des 13. Jahrhunderts dem süddeutschen und österreichischen Raum entstammen (Niesner, Adversus-Judaeos-Literatur, S. 593). 200 Patschovsky, Passauer Anonymus, S. 169. 201 Ebd., S. 170. 202 Vgl ebd., S. 178. 203 Fb 117 I, f.70v c–d, vgl. Kap. 5.2., S. 124. Dieselbe Auffassung wird auch in den deutschen Predigten – in leicht abgemilderter Form – vertreten: von juden noch von heiden noch von ketzern gêt dehein wec zem himelrîche. (Von der ê, PS I, S. 309). 204 Fb 117 I, Sermo 28, f.69r a. 205 Ebd., f.69r b.
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ner der Ketzerei schuldig, weil sie hartnäckig die Lehren des Talmud verteidigen und so in ihrer Abirrung verharren. Um dies vor den Augen und vor allem Ohren seiner Zuhörer zu offenbaren, präzisiert Berthold seine Frage: Respondeo: ‚Hoc est pulchrum, sed quid de illo?‘ Bei den folgenden rhetorischen Fragen wird stets die anthropomorphe Darstellung Gottes in den Talmudtraktaten von Berthold gedanklich vorausgesetzt. In Anspielung auf die christliche Gnadenund Erlösungslehre fragt Berthold, auf welche Weise denn Gott diejenigen belohne, die ihn lieben und ihm aus ganzem Herzen und am treuesten dienen (intime et fidelissime servientes)? 206 Es stellt sich die Frage, welcher Adressatenkreis für diese Predigt anhand einer solchen Stelle vorausgesetzt werden muß. Es dürfte sich dabei in erster Linie um Ordensangehörige handeln, die ein gruppenspezifisches, kulturelles Wissen miteinander teilen, in diesem Fall die christliche Gnadenlehre, und die vielleicht auch mit der jüdischen Religion vertraut waren. Kein einfacher Bauer auf dem Land oder Handwerker in der Stadt wird jedoch Kenntnis von den im Talmud vertretenen jüdischen Lehren besessen haben. Auf diese Zuhörer können solche Zitate allenfalls exotisch oder belustigend wirken. Die Aggressivität in der polemischen Darstellung des Glaubensgegners, der durch das Zitieren seiner eigenen Texte erreicht wird, kann einem Zuhörerkreis aus Laien kaum bewußt geworden sein. Berthold fragt weiter: Sed quid credis de creato Adam, quare fecit et dedit ei Evam? Die Antwort gibt Berthold selbst, wobei er gleichzeitig die Quelle erwähnt, aus der die Juden schöpfen: Habent ex dictis Rabi Eleazar. Sic: ‚Quid est, quod scriptum est Gen. II: Hoc nunc os ex osse meo? Glosa: ‚Hoc nunc‘: ergo animalibus coiverat cum aliquibus, que non placuerunt ei, ostendens, quod coivit Adam cum omnibus brutis, nec tamen cessavit appetitus eius, donec Eva ei coniuncta fuit.‘ 207 Berthold bezieht sich hier auf den letzten der 35 Anklagepunkte des Nikolaus Donin, die in die Extractiones aufgenommen worden waren. Dort heißt es: „Ferner wird im Talmud behauptet, daß Adam mit allen Tieren [. . .] geschlechtlich verkehrt [. . .] habe.“208 Der Text der Auslegung stammt möglicherweise ebenfalls aus den Extractiones selbst 209 oder aus anderen, noch umfangreicheren lateinischen Talmudauszügen, von denen man annimmt, daß Theobald von Sézanne bei der Ausarbeitung seines Werks auf sie zurückgegriffen hat.210 Für die frommen Gemüter seiner Zuhörer scheint dem Franziskaner die jüdische Auslegung zu Gen. 2,23 in ihrer 206
Ebd. Ebd., f.69r b – 69v c. 208 Browe, Duldung der Juden, S. 50. 209 Ubi legitur in Genesi IIIo, quod Adam dixit: Hoc nunc ex ossibus meis; ibi dicit Rabbi Elyezer, quod Adam cum omnibus brutis et iumentis coivit. ( Joseph Klapper, Ein Florilegium Talmudicum des 13. Jahrhunderts, Literaturwiss. Jahrbuch d. Görresgesellschaft 1 (1926), S. 3–23; S. 4. 210 Vgl. Klapper, Florilegium Talmudicum, S. 3: „Die Schrift des Theobaldus erweckt den Eindruck, daß sie auf viel umfänglichere Extractiones aus dem Talmud zurückgreift.“ Aus dem bei Klapper abgedruckten Fragment: Dicit rab Eleazar: Quid est hoc, quod scriptum est: Hic nunc est os ex ossibus meis et caro de carne mea? Per hoc pottis dicere, quod Adam coiit cum omnibus 207
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Ausführlichkeit allerdings zu problematisch gewesen zu sein, denn er ermahnt gleich anschließend in einer textinternen Anweisung den Predigerbruder: Hec predicta non dic in predicatione.211 Der Exkurs wird schließlich beendet mit der lakonischen Feststellung: De huiusmodi stultitiis habent infinitas incredulitates, omni sapienti pro magna stultitia reputandas.212 In ähnlicher Weise wie in Sermo 28 werden auch in der darauffolgenden Predigt die Gruppen der Juden, Heiden und Ketzer jeweils einzeln angesprochen. Wieder geht es um die Verteidigung der fides catholica gegen die Irrlehren von Heiden, Juden und Ketzern: nam quicquid credit iudeus, paganus vel hereticus, non est nisi stultitia et fatuitas.213 Zu Beginn des Abschnitts über die Juden erfolgt wieder der ein Zusammengehörigkeitsgefühl mit den Zuhörern bzw. dem einzelnen Gläubigen evozierende Aufruf: Ecce, quanta stultitia iudei et quam cecus est! 214 Ziel ist wiederum, die Lächerlichkeit des jüdischen Glaubens zu erweisen, dessen Anhänger stellvertretetend für seine gesamte Glaubensgemeinschaft der Verdammung verfällt, denn: Iudee, quia igitur non vis credere, quod nullus potest contradicere [. . .], ideo dampnaris.215 Wie schon in Sermo 28 sind die rhetorischen Fragen des Predigers an den 35 Artikeln gegen den Talmud orientiert. So beginnt Berthold mit der Frage an den fi ktiven Juden, wo Gott sei. Diesen läßt der Prediger darauf antworten: „Im Himmel“. Das Schema verläuft in gleicher Weise wie in der vorherigen Predigt; wieder bietet die Antwort auf die erste, noch ganz allgemein gehaltene Frage zunächst keinen Anlaß, sie zu verurteilen. Erst die fi ktive, dem Talmud entlehnte Antwort auf die präzisierende Nachfrage Bertholds, auf welche Weise Gott denn im Himmel sei, offenbart die anthropomorphe und darum ketzerische Auffassung der Juden von Gott: Respondes: ‚Pedes pendent ei usque ad terram‘.216 Die Antwort bildet ruft den beißenden Spott Bertholds hervor: Ecce, quanta stultitia! Ideo indigeret longis caligis. Que est hec stultitia! 217 Daran anschließend erfogt ein geradezu inquisitorisches Verhör des fi ktiven Juden, bei dem die ganze Lächerlichkeit und Sinnlosigkeit seines auf Lehren des Talmud beruhenden Aberglaubens gleichsam vor den Augen und Ohren des Publikums entlarvt wird, ohne daß allerdings Berthold den Talmud als Quelle nennt.218 Durch die zusammenhanglose Aneinanderreihung aus dem animalibus domesticis et silvestribus et non refriguit animus eius, donec Eva fuit ei data. (Ebd., S. 15). Vgl. auch Browe, Duldung der Juden, S. 50, Anm. 4. 211 Fb 117 I, Sermo 28, f.69v c. 212 Ebd. 213 Fb 117 I, Sermo 29, f.70v d. 214 Ebd., f.71v c. 215 Ebd., f.71c d. 216 Ebd. 217 In derselben Weise wird auch in der Predigt „Saelic sint, die reines herzen sint“ gegen die Juden und den Talmud polemisiert: Frâget mir einen jüden, wâ got sî unde waz er tuo, sô sprichet er: ‚er sitzet ûf dem himel unde gênt im diu bein her abe ûf die erden. ‚Owê, lieber got, sô müestest dû zwô lange hosen hân nâch der rede. (PS I, S. 388–423; 401 f.). 218 Dazu Browe, Duldung der Juden, S. 48 ff.
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Kontext gerissener Talmudzitate in Form von Behauptungen drängt Berthold, der hier wie ein Ankläger auftritt, seinen fi ktiven jüdischen Gegner in die Defensive. Ebenso wie die Ankläger in Paris bezieht auch Berthold sich auf die 35 Artikel als förmliche Anklagepunkte: Sed quid credis, quid ibi facit sic sedens? Iterum hoc est purus derisus. Credis, quod cottidie ter plorat ita acerbe [. . .] et ter in die tantum planctum facit.219 Und weiter: Sed quid facit in nocte? Sibi ter maledicit. Den Grund, warum Gott sich angeblich in der Nacht dreimal verfluche, erläutert Berthold anschließend: Et dicunt, quod singulis noctibus sibi ter maledicit, quia dimisit templum et iudeos subdidit servituti.220 Einem Gott, der emotional reagiert wie ein Mensch und der sogar von seelischer Verzweiflung wegen seiner Sündhaftigkeit gepeinigt wird, dem müßten oben im Himmel aber doch auch ein paar Vergnügungen gestattet sein, so mutmaßt Berthold ironisch: Habet ibi aliquid gaudii? 221 Das Vergnügen bestehe darin, daß Gott mit dem Leviathan spiele, der im Meer wohnt.222 Est hoc gaudium dei, quod cum bestia ludit? so fragt Berthold höhnisch. Die Folgerung, daß sich demnach Gott nicht nur wie ein Mensch, sondern sogar wie ein Tier verhalte, wird gleich angefügt: Ergo cattus est ita beatus ut ipse, qui etiam ludit cum mure, et canis cum cane, et simea cum simea. Que est hec stultitia? 223 Zum Abschluß des Judenteils der 29. Predigt wird die Geschichte vom Todesengel als anschauliches und beweiskräftiges, aber auch unterhaltsames Beispiel für die Ausprägung jüdischen Aberglaubens im Talmud ausführlich erzählt.224 Der Todesengel wandelt auf der Mitte des Weges durch eine Stadt, in der eine tödliche Krankheit wütet. Wenn ein Kranker stirbt, so steht der Todesengel neben dessen Bett und zieht ein Schwert hervor, aus dem ein Tropfen hervorbricht. Diesen träufelt der Todesengel in den Mund des Kranken, welcher sogleich stirbt. Der Todesengel begibt sich darauf hin in die Nachbarschaft, um sein Schwert mit Wasser abzuwaschen. Dies nun, so Berthold, sei der Grund für 219 Art. 25: „Dreimal täglich weint Gott.“ (Browe, Duldung der Juden, S. 50); vgl. Schreckenberg III, S. 99. 220 Art. 18: „Nächtlich flucht er sich, weil er die Zerstörung des Tempels zugelassen und Israel der Knechtschaft übergeben habe.“ (Browe, Duldung der Juden, S. 50). Vgl. Chenmelech Merchavia, The Church versus Talmudic and Midrashic Literature (500–1248), Jerusalem 1970; S. 454: [XI] Item dixit et est in talmud deum sibi singulis noctibus ter maledicere, quia dimisit templum et iudeos subdidit servituti. 221 Fb 117 I, Sermo 29, f.71v d. 222 Ebd. Vgl. Merchavia, S. 454: [XVII] Item dixit quod est in talmud quod deus [. . .] sedet et ludit cum levyathan. 223 Fb 117 I, Sermo 29, f.71v d – 72r a. 224 Vgl. Johann A. Eisenmenger, Entdecktes Judenthum, Königsberg 1711, Teil 1, S. 872 f. Das zweibändige Werk des Heidelberger Orientalisten kompiliert willkürlich aus der hebräischen Traditionsliteratur, um anhand der ausgewählten Passagen das Judentum als dem Christentum unterlegene und moralisch wertlose Religion zu diffamieren. Trotz dieser eindeutig antijüdischen Ausrichtung bildet es aufgrund der Fülle des zusammengetragenen Materials bis heute die fast einzige Möglichkeit, Elemente jüdischer Legenden aus den talmudischen Schriften zu identifi zieren und zuordnen zu können. Zum Werk vgl. auch Schrekkenberg III, S. 693–699.
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5. Das Bild des Ungläubigen in den lateinischen Predigten Bertholds von Regensburg
die übliche Sitte der Juden, ihr Waschwasser auszugießen, sobald einer von ihnen stirbt. Das Schlußresümee lautet: In talibus stultitiis stat fides eorum. So dumm ist das, was sie glauben, daß es selbst in drei Predigten nicht hinreichend beschrieben werden könne: Tot sunt et tales illorum stultitie, quas credunt, quod in tribus predicationibus non possent dici.225 Gemäß der mittelalterlichen Tradition bewertet auch Berthold das Denken und Handeln von Ketzern wie Juden als gleichermaßen dumm und töricht.226 Dennoch geht für ihn vom jüdischen Glauben bei weitem keine so große Gefahr aus wie von den Irrlehren der „modernen“ Ketzer. Seine Polemik gegen Juden beruht auf vor allem auf der Überzeugung, daß die im Talmud überlieferten Lehren dumm, unvernünftig und lächerlich sind. Sie stellen seiner Ansicht nach einen höchst abstrusen Aberglauben dar, der als solcher als ketzerische Abirrung zu werten ist, von dem aber offenbar keine weitere Gefahr für die Christenheit ausgeht. Bertholds Strategie besteht darin, diese scheinbar wirre Abstrusität anhand von Beispielen aus dem Talmud vorzuführen, um den Juden als eine der Personifi kationen des dummen Ungläubigen dem Spott der Zuhörer ausliefern zu können und seinem fi ktiven Widerpart zuzurufen: Erubesce ergo intra te de tali fide! 227 Eine Besonderheit soll zum Schluß nicht unerwähnt bleiben. Es läßt sich beobachten, daß den deutschen Predigten, wenn sie von Juden sprechen, ein deutlich aggressiverer Ton eignet als den lateinischen. Eines stinkenden jüden valschez kallen 228 könne den Christenmenschen zum Unglauben verführen, heißt es da u. a. Im Talmud stehe eine solch „verfluchte Ketzerei“ der Juden, daz daz übel ist daz sie lebent.229 Während in den lateinischen Texten lediglich der jüdische Glaube als lächerlich und unnütz attackiert wird, gehen die deutschen Predigten einen Schritt weiter: Hier wird das Existenzrecht der Juden an sich in Frage gestellt.230 Diese erhebliche Verschärfung könnte auf den Einfluß des Redaktorenkreises aus dem Regensburger und Augsburger Franziskanerkovent zurückgehen, der als Schöpfer der deutschen Predigten anzunehmen ist.231 Die deutschen Texte waren für Laien gedacht, für die wohlhabenden Stadtbürger. Sie mit allen Mitteln vom religiösen Kontakt mit Juden im städtischen Alltag abzuhalten, mußte das Ziel der franziskanischen Redaktoren sein: Das Gespräch mit Juden konnte bei christlichen Laien womöglich zu Glaubenszweifeln führen.232 225
Fb 117 I, Sermo 29, f.72r b. Zur traditionellen Sicht des Judentums aus christlicher Sicht vgl. Schreckenberg III, S. 37–43. Patschovsky, Teufelsdiener, S. 349. 227 Fb 117 I, Sermo 29, f.72r a. Vgl. die zusammengefaßten Formulierungen des Petrus Venerabilis bei Patschovsky, Feindbilder, S. 348 ff.; bes. 350, Anm. 121. 228 „Von den sieben Heiligkeiten“, PS I, S. 294. 229 „Saelic sint. die reines herzen sint“, PS I, S. 401. 230 Vgl die abweichende Einschätzung von Gurjewitsch, Stumme Zeugen, S. 217. 231 Vgl. Kap. 2.3. 232 Vgl. Niesner, Adversus-Judaeos-Literatur, S. 459 f. 226
5.3. Feindbilder der Kirche
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Der Gefahr des von der Kirche gefürchteten „Proselytenmachens“ begegneten die Bearbeiter der deutschen Berthold-Predigten, indem sie negative Emotionen zu wecken suchten und die Juden als soziale Gruppe angriffen.
5.3. Feindbilder der Kirche Als 1142 die ersten Katharer in Köln auftraten, waren die zeitgenössischen Berichterstatter wie Everwin von Steinfeld zunächst ratlos, wer diese Leute seien, die sich so unerschütterlich für ihren Glauben zu opfern bereit waren, und wie man sie einordnen und mit ihnen verfahren solle.233 Everwin erbat daher Rat von Bernhard von Clairvaux, der in Südfrankreich selbst mit Katharern disputiert hatte. Diese Unsicherheit im Umgang mit einem ganz neuen, weil offenbar auf einer internationalen Bewegung beruhenden ketzerischen Phänomen hielt jedoch nicht lange an. Der Ausweg der orthodoxen Denker aus dem Dilemma bestand darin, die Abweichler zu identifizieren, indem man der Bibel und den patristischen Schriften passende Angaben und Beschreibungen entnahm und diese zu den zeitgenössischen Häretikern in Beziehung setzte. Auf diese Weise wurde gleichzeitig ein bestimmter Typus des Ketzers bzw. eine Typologie von Häresie übernommen und weiter ausdifferenziert.234 So entstand mit der Zeit ein in sich schlüssiges System wertordnender und typisierender Anschauungen des Ketzers als des negativen Gegenbildes des wahren Gläubigen.235 Um diese stereotype Ketzerfigur innerhalb der antihäretischen Polemik wirkungsvoll attackieren zu können, bediente sich die Kirche vor allem zweier systematischer Ausgrenzungsstrategien, der intellektuell-moralischen und der apokalyptischdämonisierenden Diffamierung.236 5.3.1. Intellektuelle und moralische Ausgrenzung Berthold baut in den lateinischen Predigten seine gesamte Argumentation gegen den Ketzerglauben auf dem wiederkehrenden Postulat auf, daß der Ketzerglaube per se schändlicher und nutzloser als alle anderen Glaubensarten sei, sogar dümmer noch als der Aberglaube von Juden und Heiden: [. . .] fides hereti233 Borst, Katharer, S. 4; Everwin von Steinfeld, Epistola ad S. Bernardum, PL 182, Sp. 676–680. Vgl. Anm. 61. 234 Beverly M. Kienzle bezeichnet den Vorgang als „recycling“: Preaching as the Touchstone of Dissidence and Orthodoxy in the Middle Ages, Medieval Sermon Studies 43 (1999), S. 19–54; S. 21. 235 Grundmann, Typus, S. 314. 236 Vgl. die Einschätzung von Kienzle, Preaching as Touchstone, S. 21: „To the stereotyped figure of the heretic were attached paradigms of thought and rhetoric that were remarkably consistent. These paradigms fall into at least four categories that often overlap: demonisation, pollution, threat to the social order, and apocalypticism.“
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5. Das Bild des Ungläubigen in den lateinischen Predigten Bertholds von Regensburg
corum maxima stultitia est mundi. Stultior est quam paganorum vel iudeorum. 237 Die Ursache für Ketzerei erklärt Berthold aus der „Grübelei“ mancher Menschen über die Geheimnisse der göttlichen Offenbarung, welche sie aber geistig nicht durchdringen konnten und deshalb nach anderen Erklärungen suchten: Et ideo facti sunt heretici multi, cum cogitaverunt nec sensu perscrutari poterant, cogitaverunt, ita non esse.238 In Zweifeln aber erkennt er den ersten Schritt zum vollkommenen Verlust des wahren Glaubens, weshalb Berthold nachdrücklich davor warnt: Tria sunt, que homini fidem conservant semper illesam [. . .]. Unum (est), quod non scrutetur, ‚gruepelst‘, quomodo hoc vel hoc possit esse.239 Die Ketzer besitzen keine einheitliche Glaubensüberzeugung, denn es gibt plures hereses quam ducentae, und die Vertreter dieser vielen Irrlehren versprechen Heil und Erlösung nicht etwa durch all ihre unterschiedlichen Glaubensrichtungen (weil sie ihnen untereinander als gleichwertig gelten), sondern nur durch die jeweils eigene. Laut Berthold behaupten sie eben nicht: ‚Quicumque fit hereticus, salvabitur‘,240 sondern: ‚Si recipis fidem cuiuscumque hic, nisi meam, dampnaberis.‘ 241 Deutlich tritt hier die Überzeugung von der inneren wesensmäßigen Einheit des Ketzertums zutage, das sich durch die äußerliche Zersplitterung gleichzeitig in seinem Wesen als qualitativ minderwertig erweist.242 In der antihäretischen Literatur des Mittelalters, in Ketzertraktaten und Ketzerbullen wurde zur Bekräftigung auf das biblische Bild von den Füchsen zurückgegriffen, die von Samson an den Schwänzen zusammengebunden wurden, auf daß sie Feuer in die Kornfelder der Philister trügen (Iudic. 15, 4–5): facies quidem habentes diversas, sed caudas ad invicem colligatas.243 Dieser aus kirchlicher Sicht fundamentale Widerspruch im Denken und Handeln der Ketzer widerlegt für Berthold nicht nur ihren Wahrheitsanspruch, sondern beweist vor allem ihre rein geistige Unterlegenheit: Sed cum omnes contradicant, hec stultitia omnium stultitiarum maxima est.244 Diese geistige Unterlegenheit manifestiert sich nach Berthold vor allem darin, daß die Ketzer sich im Gegensatz zu Juden und Heiden Ungebildete zu ihren Lehrern wählten, die nicht fähig seien, auch nur ein einziges Wort zu lesen: Heretici recipiunt pro magistris fidei, qui etiam nescirent legere fidem in libro, si ante se haberent, nec unicum verbum.245 Gerade diejenigen, die nicht lesen und schreiben könnten, geschweige denn die lateinische Sprache beherrschten, nämlich Bauern, Weber und Schuster, maßten sich das geistliche Lehramt an, und die Ketzer selbst entlarvten ihre Dummheit dadurch, daß sie ausgerechnet solche ungebil237 238 239 240 241 242 243 244 245
Fb 117 I, Sermo 29, f.71r b. Fb 117 I, Sermo 24, f.61v c. Ebd. Fb 117 I, Sermo 29, f.71r b – 72v c. Fb 117 I, Sermo 29, f.71r b. Vgl. Grundmann, Typus, S. 320 f. Ebd., S. 320; vgl. Anm. 145. Fb 117 I, Sermo 29, f.72v c. Ebd.
5.3. Feindbilder der Kirche
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deten Leute als Meister ansehen: Solus vero hereticus, qui nec litteram in libro agnoscit [. . .] intromittit se de magisterio, de predicando et docendo ignotam fidem.246 Ein Mensch, der nicht lesen und schreiben kann, vermag aber niemals ein Gelehrter zu sein, was Berthold mit Hilfe von Analogieschlüssen begründet, die für den einfachen Gläubigen leicht nachvollziehbar sind: Numquam erit bonus magister picture, qui numquam vidit picturam. Similiter scribendi, calcios faciendi, panem pistandi et huismodi, ita nec iste rusticus esse potest doctor bonus sacre scripture.247 Die Unvernunft der Ketzer zeigt sich weiterhin darin, daß sie freiwillig einen sicheren Glauben aufgegeben haben, der „von Anbeginn“ nie verändert wurde: Item heretici in hoc stultissimi, quod deserunt firmissimam fidem, que numquam in uno verbo a principio per MCCL et plures annos [. . .] fuit mutata et sumunt aliam ( fidem).248 Dieser Umstand erweist sich für Berthold zusätzlich in der Tatsache, daß der Ketzerglaube so vielen willkürlichen Veränderungen unterliegt. Der Begründer einer Ketzerei fi ndet stets einen Schüler, der dessen Lehre nicht getreu bewahrt und fortführt, sondern nach eigenem Gutdünken verändert. Zum Beweis zitiert Berthold mit dem Ketzerkatalog Augustins249 aus einem der ältesten und verbreitetsten Ketzerregister des Mittelalters.250 Entsprechend ändern die Ketzer auch ihre Vorschriften und Lehren ganz willkürlich, so befolgen z. B. die einen das Schwurverbot, welches ihre Nachfolger wieder auf heben: Nam heretici eiusdem secte, qui fuerunt ante quadraginta annos, condempnaverunt illos, qui ante septuaginta et qui nunc, ut patet in Waldensibus, qui primo pro toto mundo non iurassent, sed modo licentiant.251 Diese Flexibilität im negativen Sinn bedingt die Schwäche des Ketzerglaubens, der darum auch keinen Anspruch auf Wahrheit besitzt, während die Unveränderlichkeit und Einheit des katholischen Glaubens dessen Überlegenheit und Wahrheit beweist.252 In dieser Schwäche sieht Berthold außerdem einen der Gründe für die Heimlichkeit, in die sich die Ketzer flüchten. Denn die Ketzer wissen im Grunde genau um die Unterlegenheit ihres Glaubens, der eben nicht beständig, sondern veränderlich ist, und verheimlichen ihn deshalb: [. . .] omnis illorum fides tam turpis sit, quod non audeat ad lumen deferri vix vel unquam, et quam quilibet textor vel alius [. . .] pro velle suo mutat, et que totiens a credentibus suis mutatur.253 Die Ketzer suchen ihren Glauben auf zweierlei Weise zu verbergen: Einerseits durch die Verleugnung ihrer selbst, indem sie sich verkleiden, um unerkannt zu bleiben; andererseits durch die wörtliche Verleugnung. Sobald sie ihre Entdeckung 246 247 248 249 250 251 252 253
Ebd. Ebd. Fb 117 I, Sermo 29, f.72v d – 73r a. De haeresibus ad Quodvultdeum, vgl. Anm. 147. Fb 117 I, Sermo 28, f.69v c. Vgl. Grundmann, Typus, S. 325, Anm. 38. Fb 117 I, Sermo 28, f.69v d – 70r a. Vgl. Grundmann, Typus, S. 321 mit Verweis auf Berthold. Fb 117 I, Sermo 28, f.69v d.
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fürchten, so Berthold, flüchten sie sich in Lügen, Meineide und Heuchelei.254 Einem Glauben aber, der auf diese Weise geleugnet wird, darf keine Wertschätzung entgegengebracht werden, denn, so Berthold, selbst die schlechten Christen würden sich für ihren Glauben eher töten lassen als ihn zu verleugnen.255 Der traditionelle Vorwurf der nur vorgetäuschten Frömmigkeit 256 fehlt auch im antihäretischen Repertoire Bertholds nicht: Secundum est simulatio sanctitatis, in qua multos decipit.257 Das ketzerische Charaktermerkmal der species pietatis diente seit dem Beginn des 12. Jahrhunderts dazu, die äußerlich fromme Lebensweise der Häretiker eben nicht auch auf die Qualität ihres inneres Wesen zu beziehen, sondern als bloße Maske zu entlarven.258 Berthold beschreibt die Werbungsversuche der Ketzer folgendermaßen: Zuerst lehren die Häretiker „irgendwelche guten und wahren Worte“, die die Menschen gerne hören wollen und die sie den Ketzern gewogen machen: Postquam tunc habent cordis, tunc aliquam veritatem, in qua est heresis.259 Alles, was sie tun, ist heuchlerisch, denn ihrem innersten Wesen nach sind sie schlecht und verdorben. Ihre Frömmigkeit ist vorgetäuscht, um damit die einfachen Gläubigen zu beeindrucken: Tercio sunt summi ypocrite. Omnia opera sua faciunt, ut a suis sancti reputentur.260 Dementsprechend erscheint das, was sie ihren Zuhörern vortragen, z. B. Gebete und Zitate aus den Paulusbriefen, dem Wortsinn nach zwar als wahr und gänzlich unverdächtig, doch da sie eben aus dem Munde von Ketzern stammen, können sie per se nur der Täuschung und Verführung dienen. Gerade darin liegt die Gefahr für die Gläubigen, denn die Süße der ketzerischen Worte – verba, ut nihil dulcius videatur, so Berthold 261 - weist gerade nicht auf etwas Gutes und Wahres, sondern auf das Gift ihrer falschen und verfälschenden Lehre. Es ist ein schleichendes Gift, dessen Wirkung der Gläubige erst bemerkt, wenn es bereits zu spät ist. Berthold benutzt zur Verdeutlichung das Bild des Basilisken, der alles, was er nur ansieht, sogleich vergiftet.262 Daher, so Berthold, darf man den Ketzern keinesfalls zuhören, denn schon allein die Bereitschaft dazu ist gleichbedeutend mit Glaubenszweifeln, welche, wie er nachdrücklich unterstreicht, den ersten Schritt auf dem Weg in die Ketzerei bedeuten.263 Berthold betont den Vorwurf der vorgetäuschten Frömmigkeit besonders stark. Sein Anliegen ist es, den Zuhörern nicht nur die Gefährlichkeit der Ketzerlehren zu erläutern, sondern bereits einen Schritt vorher anzusetzen. Den 254 255 256 257 258 259 260 261 262 263
Ebd. Ebd. Grundmann, Typus, S. 316 f. Fb 117 I, Sermo 24, f.60v c. Grundmann, Typus, S. 317 f. Fb 117 I, Sermo 24, f.61v c. Ebd., f.61r b. Ebd., f.60v c. Ebd., f.60v c. Sermo 28, f.68v c.
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Anspruch der Häretiker, die wahren Nachfolger der Apostel zu sein, mußte die Kirche mit Nachdruck diskreditieren, um zu verhindern, daß die Gläubigen vom vorbildlichen Leben der Ketzer auf die Rechtmäßigkeit ihrer Lehre schlossen,264 zumal Worte und Taten gerade mancher franziskanischer Wanderprediger offenbar nicht immer übereinstimmten.265 Dennoch war die Ähnlichkeit zwischen den häretischen Wanderpredigern und den orthodoxen Bettelmönchen in ihrem von Demut und Askese geprägten Auftreten erheblich. Zwar bildete die Etablierung der Bettelorden einen entscheidenden Ansatzpunkt in der kirchlichen Strategie, die Häretiker mittels einer orthodoxen Alternative des armen Wanderpredigers mit ihren eigenen Waffen zu schlagen, sie barg allerdings auch das Risiko der Verwechslung in sich.266 Folgerichtig mußte Berthold nicht nur die häretischen Lehren widerlegen und verurteilen, sondern er mußte schon den entferntesten Kontakt der Gläubigen mit den Häretikern, die ja wie er und seine Ordensbrüder mit allen äußerlich sichtbaren Zeichen von Armut und Frömmigkeit auftraten, als gefährlich brandmarken. Ein unschlagbares Argument, das gegen die Wirksamkeit des Ketzerglaubens (und des Glaubens von Heiden und Juden) spricht, liegt nach Berthold darin, daß er sich nicht durch Wunder beweisen kann. Si fides vestra, o pagane, o iudee, o heretice, est virtuosa, per quid agnoscitur virtus eius? Videmus omnes, quod sola nostra fides facit virtutes et mirabilia.267 Mit höhnischem Zynismus fragt Berthold nach den Märtyrern der Ketzer – sie, die sich als Heilige bezeichneten und verbrannt oder gebrandmarkt wurden, hätten niemals – im Gegensatz zu den christlichen Märtyrern! – Wunder vollbracht. Daher könne auch ihr Glaube keine Heilkraft, also keinen Nutzen, besitzen: O heretice, magister bour combustus, vel alius ibi vel ibi, facit miracula ut asinus combustus vel canis coctus.268 Möglicherweise rekurriert Berthold hier auf den (Pseudo-)David, der berichtet, daß manche Ketzer heimlich die Knochen ihrer verbrannten Glaubensbrüder ausgraben und sie wie 264
Vgl. Grundmann, Typus, S. 322. John Arnold: The Preaching of the Cathars. In: Medieval Monastic Preaching, ed. Carolyn Muessig, Boston, Leiden, Köln 1998, S. 183–205: S. 203: „[. . .] we fi nd various Cathar sympathizers who drew [. . .] parallels between the Good Men and the mendicant friars: that the Cathars fast for three days after the death of a believer [. . .] whereas the friars demand money; or that the priests and the friars preach about not eating meat, but actually gorge themselves.“ 266 Beispielhaft für die Gefahr der Verwechslung von Franziskanermönchen mit Gauklern aufgrund ihrer äußeren Erscheinung ist eine Geschichte, die gegen 1224 in England spielt: Zwei Minderbrüder baten eines Abends in einem Benediktinerkloster in einem Wald bei Oxford um Aufnahme. Man hielt sie wegen ihres zerlumpten und schmutzigen Aussehens für Spielleute und ließ sie freudig ein. Als aber die Verwechslung aufgeklärt wurde, jagten die enttäuschten Benediktinermönche sie mit Fußtritten und Fausthieben wieder hinaus. (Wilhelm Hertz, Spielmannsbuch. Novellen in Versen aus dem 12. und 13. Jahrhundert, Essen/Stuttgart o.J., S. 275). 267 Fb 117 I, Sermo 28, f.70r b. 268 Ebd., f.70v c. 265
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5. Das Bild des Ungläubigen in den lateinischen Predigten Bertholds von Regensburg
Reliquien verehren, da sie sie für heilig halten.269 Der Unvernunft und Nutzlosigkeit des Ketzerglaubens wird die utilitas des christlichen Glaubens kontrastierend gegenübergestellt: [. . .] quicquid credit iudeus, paganus vel hereticus, non est nisi stultitia et fatuitas, nec habet aliquid rationabilitatis [. . .] Econtra fides nostra tota sapientia, ‚durnaehtich‘, lux et summe rationabilis. 270 5.3.2. Der Ketzer und die Welt des Teufels Nach augustinischer Anschauung stand der Ketzer auf der Seite der civitas diaboli, nach eschatologischer Sichtweise auf der Seite des Antichrist.271 Die Zuweisung der Ketzer zur Welt des Teufels bildet eine der Grundkonstanten im Denken mittelalterlicher Theologen, die sich von Beginn an mit der Frage nach der Einordnung des Phänomens abweichender Glaubenspositionen in die christliche Sicht der Weltordnung beschäftigten. Diese Zuweisung eröffnete die Möglichkeit einer Anpassung aller sichtbaren Realität an eine per se gewisse und richtige Wahrheit.272 Es entstand der Typus des Ketzers schlechthin, dem sich alles zuordnen ließ, was man an äußerer Erscheinung und an Verhaltensweisen an den Häretikern beobachten konnte und der, um mit Herbert Grundmann zu sprechen, die Methode bot, „zwischen beobachteter Realität und den geforderten typischen Merkmalen auszugleichen.“273 Über die Ursachen für die Entstehung von Häresien hatten sich die orthodoxen Denker seit jeher Gedanken gemacht. Vor dem Auftreten der breite Bevölkerungsschichten umfassenden Häresien der Katharer und Waldenser im 12. und 13. Jahrhundert wurden sie nur mit vereinzelten Häresien konfrontiert, deren Exponenten meist singuläre Erscheinungen waren und die keine weitere Wirksamkeit entfalten konnten.274 Um das Jahr 1000 erregte der Bauer Leuthard in dem Dorf Vertus bei Châlons-sur-Marne Aufsehen, der nach der Rückkehr vom Feld seine Frau verjagte und in der Kirche das Kruzifi x zerschlug. Leuthard hatte zuvor auf dem Feld einen Traum gehabt, in dem ein Bienenschwarm in seinen Körper eingedrungen war, der ihn schrecklich peinigte und ihm befahl, „Dinge zu tun, die für einen Menschen unmöglich sind.“275 Leuthard soll u. a. die Ansicht vertreten haben, daß man die Worte der Propheten nicht in ganzem Umfang glauben müsse. Nachdem der Bischof die Irrlehren Leuthards entlarvt
269 Quintum est, si aliqui furtive inveniuntur ossa hereticorum combustorum nocte colligere quasi reliquias, quia dubium non est quin eos pro sanctis venerentur, quorum ossa pro sanctuario recondunt, et esse hereticos sicut illi. (Preger, (Pseudo-)David, S. 222.). 270 Fb 117 I, Sermo 29, f.70v d. 271 Grundmann, Typus, S. 315. 272 Ebd. 273 Grundmann, Typus, S. 317. 274 Vgl. Borst, Die Katharer, S. 3. 275 Lambert, Häresie, S. 30 f.
5.3. Feindbilder der Kirche
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hatte, stürzte dieser sich in einem Brunnen zu Tode.276 Radulfus Glaber (ca. 980–1046), der die Begebenheit in seinen Historiarum libri quinque schildert,277 sah im Auftreten von Menschen wie Leuthard Zeichen für das bevorstehende Ende der Welt. Diese Endzeit war geprägt durch das Erscheinen falscher Lehrer und Propheten,278 als die man die Häretikern interpretierte, die ihrerseits als untrügliches Zeichen auf das Wirken Satans und seiner Dämonen hindeuteten.279 Bei der Häresie Leuthards handelte es sich um eine Krankheit des Geistes (insania), um eine Einflüsterung des Teufels – versinnbildlicht durch den Bienenschwarm – der die Menschen verführt, indem er sie innerlich krank macht.280 Leuthard wurde nach Ansicht Radulfs nicht zum Ketzer, weil er abweichende Glaubenauffassungen äußerte, sondern er war als Ketzer ipso nomine et facto dem Wahnsinn verfallen, und die Hartnäckigkeit, mit der er in seinem Glaubensirrtum verharrte, bildete nur das äußerlich wahrnehmbare Merkmal.281 Häresien erwiesen sich so für Radulfus als das Werk des in das geschichtliche Geschehen eingreifenden Satans.282 Später differenziert sich das Bild. In ihrem Anspruch auf das Recht zu predigen und ihrer Opposition zur hierarchischen Kirche werden die großen Bewegungen der Katharer und Waldenser zunehmend als ernsthafte Gefahr für die Gemeinschaft der Gläubigen empfunden. Im letzten Viertel des 12. Jahrhunderts, Beverly Kienzle nennt es „period of increasing alarm“,283 verschärft sich der Ton in der gegen die Ketzer gerichteten Polemik. In den armen und bettelnden Waldensern und Katharern erkannte die Kirche ein großes Gefahrenpotential für ihren Exklusivitätssanspruch auf Verkündigung der christlichen Wahrheit. Keinesfalls durfte bei den Gläubigen der Gedanke auf kommen, das fromme Leben der Häretiker zeuge für die Wahrheit ihrer Lehre. Verstärkt fi ndet deshalb das Bild des Ketzers als Diener des Teufels und Vorbote des Antichrist Verwendung. Bei der intellektuellen Ausgrenzung, dem Vorwurf der superbia und der daraus resultierenden angemaßten Bildung, ging es darum, die zumeist ungebildeten Laien in ihrem Anspruch zu diskreditieren, die Lehren einer Buchreligion auslegen zu können. 276
Ebd., S. 31. Der betreffende Auszug ist abgedruckt in der Quellensammlung von Fearns, Ketzer und Ketzerbekämpfung, S. 9 f. 278 Matth. 24,24. 279 Vgl. Kaspar Elm, Rodulfus Glaber und die Ketzer. In: Pfaffen und Laien – ein mittelalterlicher Antagonismus?, hrsg. von Eckart Conrad Lutz u. Ernst Tremp, Freiburg i.Ue., 1999, S. 9–32; S. 16. 280 Vgl. ebd., S. 18. Alexander Patschovsky, Wie wird man Ketzer? Der Beitrag der Volkskunde zur Entstehung von Häresien. In: Volksreligion im hohen und späten Mittelalter, hrsg. von Peter Dinzelbacher und Dieter R. Bauer, Paderborn u. a., 1990, S. 145–162; S. 146. 281 Elm, Rodulfus Glaber, S. 18; Patschovsky, Wie wird man Ketzer?, S. 146 f. 282 Ebd., S. 25. 283 Kienzle, Touchstone, S. 23. 277
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Im Hinblick auf die Darstellung ihrer Lebensweise hingegen wurde verstärkt die Sphäre des Diabolischen bemüht: Täuschung, Heuchelei, Heimlichkeit, mit diesen Begriffen wurde die Intensität einer Frömmigkeit umschrieben, die den orthodoxen Denkern zutiefst suspekt war.284 Entsprechend der Auslegung von 2 Cor. 11,14, daß es nämlich die Kunst des Satans sei, gut erscheinen zu lassen, was schlecht und böse ist – daß er sich sinnbildlich als Engel des Lichts verstelle – , wird der Ketzer zu einem negativen, eben teufl ischen Gegenbild des wahren Gläubigen. Die Zugehörigkeit der Ketzer zur civitas diaboli bildet auch in den Predigten Bertholds eine argumentative Grundlage, von der ausgehend deren Wesen und Verhalten erklärt werden kann. Sie erscheinen einerseits als Werkzeuge des Teufels, mittels derer er sein Ziel zu erreichen trachtet, den Menschen den Glauben zu entreißen. Als einen Grund dafür nennt Berthold in Sermo 28 beispielsweise den verletzten Stolz des Teufels und seiner Dämonen, die in der Gestalt alttestamentlicher und antiker heidnischer Götter die höchste Verehrung genossen, bevor sie mit der Etablierung des christlichen Glaubens an Ansehen und Wertschätzung verloren: [. . .] quod omnem honorem suum, qui maximus fuit quasi per totum mundum, per illam ( fidem) dyaboli amiserunt. Nam prius quam fides nostra predicaretur, summe honorabantur; ille ibi, ille ibi, ut Bel in Babylonia; Dathan[. . .]; Dyana in Epheso, et sic hinc inde.285 Berthold argumentiert hier ganz lebensweltlich nachvollziehbar mit dem Verlust von Macht und Ansehen als Beweggrund für den Haß des Teufels und seiner Genossen auf den Christenglauben: [. . .] ideo multum ei inimicantur et per se et per suos auferre conantur.286 Sein Ziel versucht der Teufel auf ganz verschiedene Arten zu erreichen. Zehn davon behandelt Berthold in der 24. Predigt, wobei diese mit den zehn Hörnern des Drachen aus Apoc. 13,1 ff. gleichgesetzt werden: Draco temptat, quomodo fidem auferat, per decem res.287 Eindeutig treten hier die Ketzer als Werkzeuge des Drachen auf, mit deren Hilfe er die Gläubigen zu verführen trachtet. Er ist es, der den Ketzern eine so hinreißende, süße Redeweise verleiht, daß man ihnen kaum widerstehen kann: Primum est chundigiu teidinch. Sic heretici habent verba, ut tibi nihil dulcius videatur.288 Auch den in der mittelalterlichen Ketzerpolemik beliebten Vorwurf der species pietatis, der nur scheinbaren Frömmigkeit ihres Lebenswandels, deutet Berthold als bewußte Strategie des Teufels um, sich durch seine ketzerischen Diener Zugang zu den Herzen der Gläubigen zu verschaffen: Secundum est simulatio sanctitatis, in qua multos decipit. [. . .] Post vitam placuit doctrina.289 284 285 286 287 288 289
Vgl. Grundmann, Typus, S. 322. Fb 117 I, Sermo 28, f.68r b – 68v c. Ebd., f.68v c. Fb 117 I, Sermo 24, f.60v, c. Ebd. Ebd.
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Das Wirken falscher Wunder entspricht dem fünften Horn des Drachen. In der anschließenden Auslegung zeigt sich in besonderer Weise, wie mit Elementen der Bibelexegese operiert wird, um ein bestimmtes Negativbild von Ketzern zu erzeugen. Zunächst betont Berthold, daß es sich bei den Ketzerwundern entweder um falsche Wunder oder aber um natürlich erklärbare Geschehnisse handelt, die aufgrund ihrer Seltenheit als wunderbar erscheinen: Quintum est, quod facient multa mirabilia falsa et naturalia magna, ut videantur (mirabilia).290 So verwandeln die Ketzer in Umkehrung des biblischen Wunders Wein in Wasser,291 weil sie über Mittel und Wege verfügen, den menschlichen Geschmackssinn zu verändern oder zu betäuben: Mutant vinum in aquam, quia ita sunt astuti, quod auferunt saporem homini.292 Nachdem sich die bisherigen Ausführungen Bertholds eindeutig auf „die“ Ketzer beziehen ließen, deutet sich durch einen Wechsel vom Plural zum Singular eine Umakzentuierung an: Wahrsagekunst behandelt Berthold auch in anderen Predigten,293 hier wird sie „dem Ketzer“ zugeschrieben, sie könnte jedoch dahingehend erklärt werden, daß dieser einen Informationsvorsprung (z. B. durch eigene Kundschafter) 294 nutzt, um den Eindruck zu erwecken, er könne Zukünftiges voraussehen. Während die Veränderung des Geschmacksempfi ndens oder die angebliche Wahrsagekunst mit einfachen Mitteln zu erreichen und entsprechend auch natürlich erklärbar sind, gehören die Praktiken, die im Anschluß daran zur Sprache kommen, eindeutig in den Bereich von Magie und schwarzer Kunst: Item statua eius loquitur et prophetat et dicit: ‚Si non vis credere mihi, cum exis, continget tibi hoc.‘ 295 Es scheint, als besitze der Ketzer wie ein Gaukler eine Statue, die er reden lassen könne – vielleicht im Sinne eines Bauchredners. Auch die Fähigkeit der Elevation, Wetterzauber und Illusionskünste gehören, so scheint es, zu seinem Repertoire: Quid erit, cum ego sto in pulpito et ille in aere? Cum pluit mihi, et illi non? Quia dyaboli superportant. Predicit [. . .] ignem de celo. [. . .] Item, quod videas hereticos in celo et econtra.296 Durch die Einwirkung des Teufels, der quatuor vel decem linguas beherrscht, vermag auch der Ketzer in vielen Sprachen zu reden.297 Es ist denkbar, daß sich häretische Wanderprediger mancher Kunstgriffe bedienten, um sich die Aufmerksamkeit ihrer Zuhörer zu sichern oder ihren Worten sichtbare Beweise für die Wahrheit ihrer Lehre folgen zu lassen. Mit solchen Mitteln arbeiteten durchaus auch orthodoxe Prediger, um ihren Vortrag span290
Fb 117 I, Sermo 24, f.61v d. Joh. 2, 9. 292 Ebd. 293 Vgl. z. B. Fb 117 I, Sermo XXI; Schönbach, Studien III, S. 14 f. 294 Vgl. ebd. S. 15: (heretici) habent exploratores suos in villis hinc inde, que et qui perscrutantur et eis revelant, et cum venis ad illam, dicit tibi: ‚scio, quid vis. vis querere de equo nigro, quem tunc perdidisti.‘ 295 Fb 117 I, Sermo 24, f.60v d. 296 Ebd., f.60v d – 61r a. 297 Ebd., f.61r a. 291
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nender zu gestalten.298 Doch hinter den Ausführungen Bertholds verbirgt sich ein traditionelles eschatologisches Deutungsmuster: Zu den untrüglichen Zeichen für das Kommen des Antichrist gehörten seine Vorläufer. Berthold äußert sich in zwei Predigten des Rusticanus de Dominicis299 über sie: ad adventum Antichristi multi jam Antichristi precesserunt.300 Zur Ausdeutung zieht er die Glossa ordinaria 301 zu 1 Joh. 2,18302 heran, die antichristi sowohl auf Ketzer als auch auf die schlechten Christen sowie alle Gegner Christi bezieht: item Glosa: Antichristi sunt omnes heretici, qui fidem, quam fatentur, destruunt actibus, omnes Christo contrarii, quia venturo suo capiti reddunt testimonium, quia misterium iniquitatis jam operantur.303 Vier Mittel nennt Berthold in Anlehnung an die Glossa ordinaria zu Gen. 49,17, mit Hilfe derer der Antichrist, qui est pater omnis malitie et erroris,304 die Menschen verführt.305 Dazu gehören auch die zahlreichen Scheinwunder: secundus modus decipiendi erit per miraculorum multitudinem [. . .] per magicam artem, non veram.306 So läßt der Antichrist Feuer vom Himmel fallen (nach Apoc. 13,13),307 womit nach der Deutung der Glosse in Umkehrung des Pfi ngstwunders die Ausschüttung des bösen Geistes über seine Jünger gemeint ist, so daß diese in verschiedenen Sprachen sprechen: Glosa: id est, malignum spiritum super eos faceret descendere, ut loquantur variis linguis.308 In ähnlicher Weise bezieht sich auch die rhetorische Frage Bertholds an seine Zuhörer, wie sie denn reagieren würden, wenn jener Ketzer neben seinem Predigerpult in der Luft schwebte, auf den Kommentar der Glosse zu Apoc. 13,13. Dort wird erläutert, daß sich der Antichrist getragen von Dämonen in die Luft erheben wird, um in der Nachahmung von Christi Tod und Auferstehung in den Himmel aufzufahren.309 Die sprechende und weissagende Statue des Ketzers läßt sich auf den Glossenkommentar zu Apoc. 298
Vgl. die Angaben bei Beverly M. Kienzle, Medieval Sermons and their Performance. In: Preacher, Sermon and Audience in the Middle Ages, ed. Carolyn Muessig, Leiden u.a 2002, S. 89–124; 111–115. 299 Schönbach, Studien IV,1, S. 5–31. 300 Sermo Nr. 6 Ecce positus est; ebd., S. 8. 301 Zum Gebrauch der Glossa ordinaria in der Predigtliteratur vgl. Louis-Jacques Bataillon, Early Scholastic and Mendicant Preaching as Exegesis of Scripture. In: Ad litteram. Authoritative Texts and Their Medieval Readers, ed. Mark D. Jordan and Kent Emery Jr., Notre Dame 1992, S. 165–198. 302 PL 114, Sp. 697. 303 Sermo Nr. 6 Ecce positus est; Schönbach, Studien IV,1, S. 8. 304 Ebd., S. 16. 305 Ebd., S. 13–17. Vgl. den entsprechenden Abschnitt im Antichrist-Traktat des Passauer Anonymus, Patschovsky, Passauer Anonymus, S. 163 f. 306 Sermo Nr. 6 Ecce positus est; Schönbach IV,1, S. 14 f. 307 item Apok. XIII: ‚et fecit signa magna‘, scilicet Antichristus, ut etiam ignem faceret de celo descendere in terram in conspectu hominum. (Ebd., S. 15). 308 Ebd. und Sermo Nr. 11 Ascendente Jhesu in naviculam, ebd., S. 26 f. 309 Apok. XIII: ‚et plaga mortis ejus curata est‘, Glosa: arte magica ascendit Antichristus in aera, ferentibus eum demoniis, et sic curabitur plaga mortis ejus, qui prius mortuus credebatur. . . (Sermo Nr. 11: Ascendente Jhesu in naviculam, ebd., S. 26). Vgl. Patschovsky, Passauer Anonymus, S. 167.
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13,14–15 zurückführen: unde Apok. XIII: ‚et datum est illi‘, Glosa: scilicet dyabolo, permissione Dei, ‚ut daret spiritum ymagini bestie‘. Glosa: quia magica arte faciet statuam loqui et futura predicere.310 Die Behauptung Bertholds, die Ketzer bedienten sich der Illusionskünste, erklärt sich aus den Ausführungen der Glosse zu 2 Thess. 2,9: Glosa: benedicit ‚mendacibus‘, quia per magicam artem, non veram, faciet illa et per fantasiam deludet homines, sicut Simon Magus.311 Berthold bewegt sich also damit ganz im Rahmen traditioneller AntichristVorstellungen, schon Augustinus312 und im Fühmittelalter Adémar von Chabannes (988–1034) hatten die Ketzer als Vorboten des Antichrist gedeutet.313 Die beiden Predigten über den Antichrist stellen eine gelehrte, kompilatorische Arbeit dar, die das Bemühen erkennen läßt, systematisch und möglichst vollständig zusammenzutragen, was der Hl. Schrift und der Lehrtradition über die Zeichen seines Kommens, die Person und das Wirken des Antichrist zu entnehmen war.314 Berthold selbst erklärt am Schluß der Predigt Ascendente Jhesu, daß er alles, was über den Antichrist vorausgesagt wurde, in seinen Sermones versammelt habe, damit – wenn nicht in der Gegenwart, so doch in der Zukunft – daraus Nutzen gezogen werden könne, um die Gläubigen im wahren Glauben zu bestärken.315 Schönbach vermutete, daß es sich bei den Sermones 6 und 11 des Rusticanus de Dominicis um die beiden Predigten handelte, die Salimbene von Parma nach eigener Aussage abschrieb, weil sie so vortreffl ich vom Antichrist handelten.316 Im Rahmen der eschatologischen Ausdeutung des Häresiephänomens galt das Hauptinteresse also weniger den Lehren, die die Ketzer von der Kirche unterschieden, sondern vielmehr ihren angeblich magischen Fähigkeiten, die ihnen vom Teufel verliehen wurden. Diese Ausdeutung eignete sich in ganz besonderer Weise dazu, die Häretiker und ihre Lehren in Mißkredit zu bringen: Berthold fordert, wahrer Glaube müsse seinen Wert und seine Kraft in Wundern erweisen, so wie sich der christliche Glaube durch die Wunder seiner Märtyrer legitimiere: In quo videmus fidei nostre virtuositatem? Virtuose res per ali310 Sermo Nr. 6; Schönbach, Studien IV,1 S. 20. Vgl. Walter Brandmüller (Hrsg.), Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte II,2, S. 690. 311 Sermo 6; Schönbach, Studien IV, S. 16. Zur Figur des Simon Magus in Antichristvorstellungen Richard K. Emmerson, Antichrist in the Middle Ages, Washington 1981, S. 27 f. 312 Augustinus, De Civitate Dei XX,19. 313 Vgl. Borst, Katharer, S. 1. Adémar de Chabannes, Chronique (III, 59), ed. Jules Chavanon, (Collection de textes 20), Paris 1897, S. 184 f.: Nihilominus apud Tolosam inventi sunt Manichei, et ipsi destructi, et per diversas Occidentis partes nuntii antichristi exorti, per latibula sese occultare curabant, et quoscumque poterant viros et mulieres subvertebant. 314 Vgl. das Vorwort Schönbachs zu Studien IV, S. 3 f. 315 Schönbach, Studien IV, S. 31: Omnia predicta de Antichristo ad hoc hiis sermonibus inserui, ut, si non in presenti, saltim alia utilitas in posterum inde eliciatur et fideles confortentur in fide Domini nostri Jhesu Christi, qui cum Patre et Spiritu sancto vivit et regnat in secula seculorum. 316 Item per anni circulum fecit magnum volumen sermonum [. . .]; ex quibus nonnisi duos scripsi pro eo, quod optime de Antichristo tractabat in illis. (Salimbene, Chronik, S. 840).
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quam virtutem debent agnosci. [. . .] Ecce, martyres nostri fecerunt plurima miracula, protulerunt multa amigdala, quibus infirmas animas comfortaverunt et multa corpora curaverunt.317 Die Ketzer hingegen vermögen keine Wunder zu wirken: Item, vos heretici, qui vos dicitis esse sanctos et reputatis, quis vestrum facit miracula? [. . .] ubi sunt miracula martyrum vestrorum? [. . .] Vestri martyres nulla faciunt.318 Die „Märtyrer“ der Häretiker, ihre verbrannten Glaubensgenossen, seien zum Wirken von (echten) Wundern ungefähr so tauglich wie verbrannte Tierkadaver, höhnt Berthold.319 Falls sich aber doch einmal Wunder mit ihnen in Verbindung bringen lassen, kann es sich aus seiner Sicht nur um falsche Wunder handeln, die von den Ketzern selbst mit dem Ziel von Täuschung und Betrug initiiert wurden – ein in den Augen der Kirche verläßlicher Beweis der species pietatis. Darüber hinaus können sie diese Wunder nur durch teufl ische Hilfe vollbringen und entlarven sich auf diese Weise selbst als seine Bundesgenossen. Die bei Berthold nur kurz angerissenen falschen Ketzerwunder besitzen nicht die Funktion unterhaltender Exempla, sie stellen eher Erzählkerne dar, die lediglich einen Anknüpfungspunkt bieten, anhand dessen andere Prediger ihren Vortrag nach Bedarf ausgestalten konnten. Die darin enthaltenen Elemente ließen sich an einen ganz unterschiedlichen Adressatenkreis anpassen: bei einem Publikum aus Geistlichen standen der theologische Inhalt, die Ausführungen zur Antichrist-Tradition im Vordergrund. Sie waren in der Lage, den Subtext aus Zitaten der Bibel und der Glossa ordinaria zu verstehen. Vor einem Zuhörerkreis aus Laien konnte der jeweilige Prediger die gelehrten Anspielungen weglassen und die Wunder der Ketzer ganz auf magische Praktiken beziehen, wie sie seinen Zuhörern aus ihrer Lebenswelt vermutlich vertraut waren. Dazu gehörten z. B. Elemente der Volksfrömmigkeit wie etwa der Wetterzauber.320 Geschichten von Ketzern, die (falsche) Wunder wirken, kennt das lateinische Mittelalter in großer Zahl. Seit dem Ende des 12. Jahrhunderts begegnen Erzählungen, die die enge Verbindung von Magie, Hexerei und Häresie themati-
317 Fb 117 I, Sermo 28, f.70r b – 70v c. Die Mandeln beziehen sich auf die Geschichte von Aarons grünendem Stab aus 4 Mose 17,1–10, aus der die Disposition der Predigt zu Beginn entwickelt wird. 318 Fb 117 I, Sermo 28, f.70v c. 319 Ebd. Zur Verehrung verbrannter Glaubensgenossen als Heilige vgl. die Angaben des (Pseudo-)David, cap. 32 (Preger, S. 222). Vgl. S. 153 f. 320 Vgl. dazu umfassend Kortüm, Menschen und Mentalitäten, S. 296–326. Peter Segl, Spätmittelalterliche Volksfrömmigkeit im Spiegel von Antiketzertraktaten und Inquisitionsakten des 13. und 14. Jahrhunderts. In: Volksreligion im hohen und späten Mittelalter, hrsg. von Peter Dinzelbacher u. Dieter R. Bauer, Paderborn u. a. 1990, S. 163–176; Robert W. Scribner, Magie und Aberglaube. Zur volkstümlichen sakramentalischen Denkart in Deutschland am Ausgang des Mittelalters, ebd., S. 253–273. Jean-Claude Schmitt, Heidenspaß und Höllenangst. Aberglaube im Mittelalter, Frankfurt a. M./New York 1993.
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sieren und einen Einblick erlauben, wie tief diese Verbindung im Bewußtsein der Öffentlichkeit verankert war.321 Ein Beispiel für die ketzerische Kunst der Levitation fi ndet sich in einem Exempel aus der Chronik des Radulf von Coggeshall, 1207–1218 Abt einer Zisterzienserabtei in Essex.322 Eine Frau wurde in Rheims wegen Ketzerei angeklagt und vor das erzbischöfl iche Gericht gebracht. Sie erwies sich in den Texten des Alten und Neuen Testaments als äußerst bewandert und sollte ihre Irrtümer vor Gericht widerrufen. Als sie sich weigerte, verurteilte man sie zum Tod auf dem Scheiterhaufen. Die Frau jedoch rief aus, sie fürchte sich nicht vor dem Feuer und holte aus ihrem Hemd eine Rolle Garn, die sie aus dem Fenster des Gerichtssaales warf, wobei sie das Ende des Fadens festhielt. Mit lauter Stimme, so daß alle Anwesenden es hören konnten, rief sie „Fang!“, erhob sich auf das Wort vor aller Augen vom Erdboden und flog der Garnrolle hinterher zum Fenster hinaus, „sustained, we believe, by the ministry of the evil spirits who once caught Simon Magus up into the air.“323 Der Zisterzienser Caesarius von Heisterbach (ca. 1180 – nach 1240) versammelte in seinem zwischen 1219 und 1223 entstandenen Dialogus miraculorum gleich mehrere kurze Episoden, die vom mirakulösen Wirken von Ketzern in Deutschland, Frankreich und Italien erzählen.324 Darunter fi ndet sich die Geschichte zweier Ketzer, non mente, sed habitu simplices, non oves, sed lupi rapaces, die sich nach Besançon begaben, um dort dem ungebildeten Volk „neue und unerhörte“ Ketzereien zu predigen.325 Damit aber das Volk ihren Lehren auch Glauben schenke, beschränkten sie sich nicht auf das Predigen, sondern griffen zu überzeugenderen Maßnahmen. Sie ließen Mehl über dem Fußboden aussieben und schritten darüber hinweg, ohne Fußspuren zu hinterlassen, entkamen unverletzt aus brennenden Hütten und vermochten sogar über das Wasser zu gehen, ohne darin zu versinken. Zu der aufgeregten Menge sagten sie darauf: Si non creditis verbis nostris, credite miraculis.326 Trotz ihrer magischen Künste endeten die Ketzer, die diaboli ministri, auf Betreiben des Bischofs auf dem Scheiterhaufen. Die Überzeugung, daß Heimlichkeit im Benehmen für Schlechtigkeit im Wesen zeuge, hatte schon früh großen Einfluß auf die Vorstellung vom Ketzer als Teufelsdiener. Bereits im Bericht Adémars von Chabannes über die 1022 in 321 Vgl. Wakefi eld / Evans (Ed.), Heresies of the High Middle Ages, Selected sources, New York / London 1969, S. 249 ff. 322 Radulphi de Coggeshall Chronicon anglicanum, ed. Joseph Stevenson (Rolls Series, 66), London 1875, S. 121–125. Englische Übersetzung bei Wakefi eld / Evans, Heresies, S. 251–254. 323 Wakefi eld / Evans, Heresies, S. 253. 324 Caesarius von Heisterbach, Dialogus miraculorum, ed. Joseph Strange, 2 Bde., Köln u. a. 1851; Bd. 1, S. 296–309 (Dist. V, cap. 18–25). 325 Ebd., S. 296 (cap. 18). 326 Ebd.
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Orléans verbrannten Katharer ist die Vorstellung des Teufelskultes präsent: [. . .] adorabant diabolum, qui primo eis in Aetyopis, deinde angeli lucis figuratione apparebat, et eis multum cotidie argentum deferebat. Cujus verbis obedientes, penitus Christum latenter respuerant, et abhominationes et crimina, quae dici etiam flagitium est, in occulto exercebant, et in aperto christianos veros se fallebant.327 Auch im deutschen Sprachraum fi nden sich aus der Zeit vor den großen Verfolgungen durch Konrad von Marburg Nachrichten über angebliche Teufelsverehrer. So berichtet Alberich von Troisfontaines († nach 1252) in seiner Chronik zum Jahr 1223 von einer Ketzerschule in Köln, in der ein Bild Luzifers Antworten gab.328 Ins Extreme übersteigert erscheint die Vorstellung vom Teufelsbund der Ketzer dann in den Beschreibungen Konrads von Marburg über eine ganz neue Sekte von „Luziferianern“, die er während seiner Inquisitionstätigkeit 1231 entdeckt haben wollte.329 Der Bericht über seine 1231/32 durchgeführte Inquisition wurde nebst einer anschaulichen und detaillierten Schilderung der perversen ketzerischen Riten von Papst Gregor IX. in seine Bulle Vox in Rama von 1233 aufgenommen.330 Beim Eintritt in die Sekte muß der Novize dem Bericht zufolge zunächst eine Kröte von ungeheurer Größe küssen, später erscheint ihm ein seltsam bleicher Mann, den der Novize ebenfalls küssen muß. Danach schwindet in ihm sämtliche Erinnerung an den katholischen Glauben. Sodann begeben sich die versammelten Häretiker zum Mahle, nach dessen Beendigung aus einer Statue, „wie sie sich oft in solchen Ketzerschulen findet“, ein schwarzer Kater „von der Größe eines mittelmäßigen Hundes rückwärts und mit zurückgebogenem Schwanz“ herabsteigt. „Diese küßt zuerst der Novize auf den Hintern, dann der Meister und sofort alle übrigen der Reihe nach, jedoch nur solche, die würdig und vollkommen sind“. Zum Schluß werden alle Lichter gelöscht, und die Versammelten geben sich der „abscheulichsten Unzucht ohne Rücksicht auf Verwandtschaft“ hin.331 Von dieser detailreichen Schilderung wurde vermutlich der (Pseudo-)David beeinflußt, der in seinen Traktat ein Kapitel De adoracione Luciferi aufnahm.332 Er differenziert zwischen der Luziferianer-Sekte und den Waldensern, denen nach seinem Bericht bei ihren geheimen Zusammenkünften neben sexuellen Ausschweifungen auch Teufelsanbetung nachgesagt wird. Der (Pseudo-)David bekundet allerdings mit Nachdruck, daß er dies von den Waldensern nicht glaube.333 Auch der Passauer Anonymus, die zweite 327
Adémar von Chabannes, Chronique, ed. Jules Chavanon, Paris 1897, S. 184 f. Alberich von Troisfontaines, Chronicon, hg. von Paul Schaeffer-Boichorst, MGH SS 23, Hannover 1874, S. 631–950. Deutsche Übersetzung bei Roskoff, Geschichte des Teufels, S. 290–292. 329 Vgl. Kap. 3, Anm. 24. 330 Übersetzung nach Roskoff, S. 293 ff. 331 Übersetzung nach Roskoff, Geschichte des Teufels, S. 293 ff. 332 Preger, (Pseudo-)David, S. 211. 333 Noctibus autem maxime huiusmodi conventicula frequentant, quando alii dormiunt, ut liberius misteria iniquitatis operentur. Quod autem, ut dicitur, osculentur ibi catos vel ranas vel videant dyabo328
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Quelle, die inhaltliche Berührungspunkte mit den Ketzerpredigten Bertholds aufweist, nahm Auszüge dieses Berichts in sein Sammelwerk auf.334 Die Kombination topischer Elemente wie Versammlung an geheimen Orten, Promiskuität und sogar Infantizid variiert, das Grundmuster bleibt jedoch unverändert: In fi nsteren Kellern oder Höhlen erfolgen Initiationsritus und Satansmesse.335 Der Teufel erscheint in Gestalt einer großen Kröte oder eines Katers, dem kultische Verehrung z. B. durch obszöne Küsse zuteil wird, während sich die Teilnehmer sexuellen Orgien hingeben.336 Nach dem Prinzip der verkehrten Welt präsentiert dieses Szenarium den Ketzer als das vollkommene Gegenbild des wahren Christen. Das Klischee wirkte traditionsbildend, denn noch fast hundert Jahre später wurde Waldensern in Österreich die Verehrung Luzifers nach dem bekannten Muster unterstellt.337 In einem fortschreitenden Prozeß entwickelte sich allmählich eine Deckungsgleicheit von Ketzer- und Hexenbild, das sich in der Vorstellung der mittelalterlichen orthodoxen Denker verfestigte.338 In beiden Fällen führte es zur gezielten moralischen und gesellschaftlichen Ächtung derjenigen, die sich durch die Anwendung geheimen Wissens der Aufsicht durch die Kirche zu entziehen suchten. In den Freiburger Predigten Bertholds fi ndet sich dieses extrem ausgeprägte Bild des Ketzers als Teufelsdiener oder Teufelsanbeter nicht. Berthold äußert sich über diesen Punkt allenfalls in Anspielungen, die möglicherweise als Replik auf derartige Deutungen des Ketzers als Teufelsdiener gewertet werden können. So hält Berthold in Sermo 28 den imaginären Ketzern, die er in seinen Predigten immer wieder als fi ktive Glaubensgegner einführt, entgegen: [. . .] multi vestrum dyabolum adorant.339 Er versteht die Ketzer nicht ausschließlich als Vorboten oder Abgesandte des Teufels, sondern sieht sie durchaus auch als (abgefallenen) Teil der christlichen Gemeinschaft an, der unrettbar und ohne Aussicht auf Erlösung der Verdammnis verfallen ist, weil er den wahren Glauben verloren hat und sich daher nicht vor den Fährnissen am Tag des Jüngsten Gerichts hüten kann. Der Ketzer wird damit zu einem Warnbild für den einfachen Gläubigen, an dessen Beispiel er ermessen kann, welche Folgen es für ihn haben
lum, vel extinctis lucernis pariter fornicentur, non puto istius esse secte, nec aliquod horum veraciter intellexi ab illis, quibus fidem adhiberem. (Preger, (Pseudo-)David, S. 210 f.). 334 Patschovsky, Teufelsdiener, S. 323. 335 Zum Bild des Ketzers als Teufelsanbeter vgl. umfassend Bernd-Ulrich Hergemöller, Krötenkuß und schwarzer Kater. Ketzerei, Götzendienst und Unzucht in der inquisitorischen Phantasie des 13. Jahrhunderts, Warendorf 1996. 336 Patschovsky, Teufelsdiener, S. 317 f. 337 Jeffrey B. Russell, Witchcraft in the Middle Ages, Ithaca 21974, S. 179. 338 Vgl. umfassend Dieter Harmening, Zauberinnen und Hexen. Vom Wandel des Zaubereibegriffs im späten Mittelalter. In: Ketzer, Zauberer, Hexen. Die Anfänge der europäischen Hexenverfolgung, hrsg. von Andreas Blauert, Frankfurt a. M. 1990, S. 68–90. 339 Fb 117 I, Sermo 28, f.69v c.
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wird, wenn er sich Glaubenszweifeln hingibt: Quod maxime predicare volo, est de stultitia, ut sciatis, quomodo cavere debeatis, ne vobis contingat ut stultis hereticis. 340 Da also der Ketzer die absolute Negation der göttlichen Ordnung darstellt, werden in den Predigten Bertholds entsprechend negative Sprachmuster benutzt, um dies den Zuhörern zu verdeutlichen. Die Worte der Ketzer sind wie ein besonders tückisches Gift, denn ihre Süße überdeckt ihre bittere, für das Seelenheil der Gläubigen tödliche Wirkung. Der Ketzerglaube ist eine Winkellehre (doctrina anguli), deren Heimlichkeit auf ihre Verdorbenheit hindeutet,341 gegründet auf Lügen, Meineide und Heuchelei.342 Er ist wie trockenes Holz – ein dürrer und mißgestalter Glaube,343 der für die Seelen der Gläubigen allenfalls dazu „nützlich“ ist, ihnen das Höllenfeuer zu garantieren: Ad nihil utilis est, nisi ad ignem. 344 Die Ketzer selbst sind dumm und töricht, Berthold nennt sie Spötter und Wortverdreher (derisores et inversores), die die heilige Kirche und ihre Einrichtungen wie Affen verlachen.345 Sie lästern, stehlen den Christen Bibeln, um sich in den Dörfern als fromme Prediger auszugeben,346 täuschen und betrügen (Berthold fügt zur Verdeutlichung das entsprechende deutsche Wort trugnerii hinzu).347 5.3.3. Der inszenierte Ketzer Obgleich Predigten schriftlich fi xiert wurden und somit entweder für die Rezeption durch andere Prediger oder für Laien zur religiösen Erbauung nutzbar gemacht und der Nachwelt überliefert wurden, bleiben sie doch untrennbar mit dem mündlichen Predigtereignis verbunden.348 Die deutschen Lesepredigten, die im Falle Bertholds als freie Bearbeitungen anonymer Redaktoren (auf der Basis seiner lateinischen Sermones) entstanden, implizieren und suggerieren ein wirkliches Predigterlebnis, d. h. sie wirken nach Volker Mertens „rezeptionsin-
340
Fb 117 I, Sermo 24, f.61r b. Ketzerglaube ist wie faules Holz: Ketzergloube der stinket und ist fûl unde dunkel unde schînet niwan in der vinsternüsse ein wênic, als ein fûlez holz, daz niemer geschînet wan an der vinsternüsse in den winkeln. Ze glîcher wîse ist ez umbe den ketzerglouben: als man den ze liehte treit, sô schînet er niht, wan er ist fûl als daz fûle holz: sô man daz ze liehte treit, sô stinket ez und ist eht fûl. (IV. Von den siben plâneten, PS I, S. 52). Hier zeigt sich: im Falle der Ketzer zeugen sowohl äußere Schönheit (im Sinne von Frömmigkeit) wie auch äußere Verdorbenheit für innere Verdorbenheit. 342 Fb 117 I, Sermo 28, f.69v d; f.70r a. 343 Ebd., f.70r a. 344 Ebd., f.70v c. 345 Fb 117 I, Sermo 24, f.61r b. 346 Ebd., f.61r b. 347 Ebd., f.61v d. 348 Vgl. Kienzle, Sermons and Performance, S. 89. 341
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tensivierend“.349 Er wertet sie als „literarische Rekreationen“, die mit den dem Leser vertrauten rhetorischen Mitteln eines Kanzelvortrags arbeiten.350 Durch diese mittels Mündlichkeitssignalen fi ngierte Predigtsituation gelingt es den zur Lektüre gedachten Texten, eine „innere Haltung“ der Rezipienten zu evozieren, mit Hilfe derer sie sich geistig in eine tatsächlich erlebte Predigt zurückversetzen können.351 Dies kann in der Einzellektüre geschehen oder in einer Lesung unter Beteiligung mehrerer Zuhörer. Ob dieses suggerierte Predigterlebnis tatsächlich mit der Wirklichkeit vergleichbar ist, läßt sich im Falle Bertholds nur vermuten, denn von seiner Predigtweise weiß man kaum Einzelheiten. Sein italienischer Ordensbruder Salimbene von Parma berichtet, daß er häufig eine hölzerne Kanzel nutzte, wenn er unter freiem Himmel predigte.352 Ob diese Kanzel transportabel war, er sie also auf seinen Reisen vielleicht mit sich nahm, ist nicht bekannt. Berthold bemühte sich offenbar um eine gute Akustik, nutzte eine Feder oder kleine Fahne, um die Windrichtung zu bestimmen und so den Zuhörern den geeigneten Platz anzuweisen.353 Mehr sagen die Quellen über die Zahl seiner Zuhörer und die Wunder, die sich während seiner Predigten angeblich zutrugen.354 Sie stellten als „Bestätigungswunder“ den sichtbaren Beweis für die besondere göttliche Begnadung Bertholds als Prediger dar.355 Die Zeitgenossen und späteren Chronisten legten ihm die für eine berühmte Predigerpersönlichkeit typischen Prädikate außerordentlicher Befähigung bei: Verbum eius quasi facula ardebat356 heißt es, Johannes von Winterthur nennt ihn einen egregius predicator,357 über seine Rednergabe sind die Quellen des Lobes voll. Doch was besagt das im Hinblick darauf, wie man sich eine Berthold-Predigt tatsächlich vorzustellen hat? Eines zumindest läßt sich festhalten: Berthold war für seine Predigten, deren Erfolg in der Kraft seiner Worte lag, weithin bekannt und berühmt. Was aber genau machte ihn zu einem erfolgreichen Prediger? Um eine Antwort auf diese Frage zu erhalten, kann zunächst ein Blick auf die in den mittelalterlichen artes praedicandi enthaltenen Empfehlungen über die praktische Ausgestaltung von Predigtvorträgen weiterhelfen. Erfolgreiche Prediger bzw. solche, die es werden wollten, konnten etwa seit dem Beginn des 13. Jahrhunderts358 auf ein wachsendes theoretisches und prak349 Volker Mertens, Predigt oder Traktat? Thesen zur Textdynamik mittelhochdeutscher geistlicher Prosa, Jahrbuch für internationale Germanistik 24 (1992), S. 41–43; S. 42. 350 Ebd. 351 Uta Störmer, In dubio pro sermone oder Was ist eine Lesepredigt? Jahrbuch für internationale Germanistik 24 (1992), S. 48; 52. 352 Zur Person Bertholds im Spiegel der Quellen vgl. Kap. 2.1. 353 Vgl. Kap. 2.1. 354 Vgl. Kap. 2.2. 355 Zum Begriff des Bestätigungswunders im Mittelalter vgl. Kortüm, Menschen und Mentalitäten, S. 298 f. 356 Vgl. PS I, S. XXVII (Quelle Nr. 26). 357 Johannes von Winterthur, Chronik, S. 18. 358 Ein komprimierter Überblick über die Entwicklung der artes praedicandi bei Ma-
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5. Das Bild des Ungläubigen in den lateinischen Predigten Bertholds von Regensburg
tisches Repertoire an Predigthilfen zurückgreifen, um dem Predigtinhalt „Leben einzuhauchen“.359 Dazu gehörte neben „Körpereinsatz“ wie Mimik, Gestik und Stimmodulation auch der Gebrauch von Bildern, „bestellten“ Wundern oder sogar anderen „Mitspielern“.360 Die mittelalterlichen artes praedicandi informierten nicht nur über die Technik der formalen Komposition von Predigten, sondern auch über den jeweils als angemessen oder unangemessen erachteten Einsatz solcher Elemente. Insbesondere der Frage der Gestik wandten die Autoren solcher artes ihre Aufmerksamkeit zu.361 Sie warnten davor, Gestik und Mimik zu übertreiben, um die Grenze zwischen Predigt und Schauspiel nicht zu verwischen. Zu diesen Warnungen gab es offenbar Anlaß, denn von vielen mittelalterlichen Predigern sind Berichte über unangemessenes Verhalten während der Predigt überliefert worden. Einigen deutschen Predigern aus dem 10. und 11. Jahrhundert liefen „spontan“ die Tränen über das Gesicht.362 Es kam bei manchen Predigern offenbar regelrecht zu Exzessen. Thomas Waleys berichtet in seinem Traktat De modo componendi sermones aus dem 14. Jahrhundert von Predigern, deren exaltierte Bewegungen aussahen, als seien sie verrückt geworden oder befänden sich in einem Kampf. So heftig gestikulierten sie, daß unweigerlich ein Umkippen mitsamt der Kanzel drohte, hätte es nicht jemand rechtzeitig verhindert: Vidi enim aliquos qui quoad alia in sermonibus [optime] se habebant, tamen ita motibus corporis se jactabant, quod videbantur cum aliquo duellum inisse, seu potius insanisse, in tantum quod seipsos cum pulpito in quo stabant nisi alii succurissent praecipitassent.363 Thomas empfahl daher, ein Prediger möge zur Übung an einem abgeschiedenen Ort zu Bäumen und Steinen predigen, während dieser Proben auf die Auswahl seiner Gesten achten und dabei nur solche anwenden, die er auch in der Öffentlichkeit benutzen wolle.364 Unterhaltung und Spannung ließen sich nach Ansicht der Theoretiker auch mit den Mitteln der Sprache herstellen, wenn der Prediger ein guter Geschichtenerzähler war.365 Einer der berühmtesten Prediger und Geschichtsschreiber des 13. Jahrhunderts, Jacob von Vitry (1160/70–1240) wies darauf hin, daß exempla erst durch den Vortrag, durch Sprache und Gestik des Predigers lebendig wurden.366 Manche Prediger führten imaginäre Diskussionen mit dem Publirianne G. Briscoe / Barbara H. Haye, „artes praedicandi – artes orandi“, Turnhout 1992 S. 17–26. 359 Kienzle, Sermons and Performance, S. 105. 360 Vgl. Kap. 4.1.3. 361 Kienzle, Sermons and Performance, S. 101. 362 Vgl. Kap. 4.1.3. 363 Thomas Waleys, De modo componendi sermones. In: Thomas-Marie Charland, Les Artes praedicandi. Contribution a l’étude de la rhetorique au Moyen Age, Paris/Ottawa 1936, S. 332. 364 Kienzle, Sermons and Performance, S. 102. 365 Ebd. 366 Ebd.
5.3. Feindbilder der Kirche
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kum, der Spanier Vincent Ferrer (1350–1419) setzte unterschiedliche Stimmen ein, um biblische oder historische Geschichten zu inszenieren.367 Italienische Prediger arbeiteten geradezu wie Puppenspieler, die den jeweiligen Charakteren ihre Stimme liehen.368 Viele dieser Anweisungen betreffen die Kunst, das Interesse gelangweilter Zuhörer wiederzugewinnen oder sie sich gewogen zu machen, um die inhaltliche Botschaft besser vermitteln zu können. Dies impliziert Zuhörer, die sich vermutlich nicht einfach vom Ort der Predigt entfernen konnten – z. B. in einem engen, kontrollierbaren Rahmen wie der sonntäglichen Predigt während des Gottesdienstes. Die Predigten von Bettelmönchen wie Berthold stellten seltene Ereignisse dar, zu denen die Zuschauer entweder strömten, weil sie etwas Neues zu hören und zu sehen hofften oder – bei einem Prediger, der bereits einen gewissen Berühmtheitsgrad erreicht hatte – weil sie wußten, was sie erwartete. Diese Zuhörer hatten also im Falle Bertholds eine bestimmte Erwartungshaltung. Es stellt sich die Frage, ob und wenn ja, welche dieser aufmerksamkeitsintensivierenden Techniken und rhetorischen Mittel sich in den Predigten Bertholds identifi zieren lassen. Franziskus von Assisi bezeichnete sich und seine Brüder als joculatores domini.369 Er selbst predigte auf eine ganz bestimmte Weise, die sein Biograph Thomas von Celano ein „Sprechen mit dem gesamten Körper“ nannte.370 Ob sich auch die Predigtweise Bertholds durch den Einsatz einer intensiven Körpersprache auszeichnete, läßt sich anhand der zeitgenössischen Berichte über sein Wirken nicht beantworten. Aufgrund der besonders den deutschen Predigten immanenten „körperorientierte[n] Mnemotechnik“ kann man bei ihm zumindest auf den Einsatz von Gesten schließen.371 Die Memorialtechniken dienen dazu, den Zuhörern das Speichern des Gehörten im Gedächtnis zu erleichtern. Dazu gehört der Einsatz einer einfachen strukturierenden Zahlensymbolik (wie z. B. den zehn Hörnern des apokalyptischen Drachens in Sermo 24) ebenso wie das formelhafte Wiederholen bestimmter Kernaussagen oder Merksätze. Diese Hilfen fi nden sich in den lateinischen wie auch deutschen Predigten, wobei sie in den letzteren häufig an den konkret faßbaren Eigenschaften des menschlichen Körpers orientiert sind. So wird z. B. in der schon oft zitierten Predigt „Saelic sint die reines herzen sint“ die katharische Lehre, der böse Gott habe alles körperlich Faßbare erschaffen, anhand der Struktur des menschlichen Gesichtes widerlegt: Nein, sagt Berthold, der eine allmächtige Gott hat die Seele und den Körper 367
Ebd., S. 110. Ebd., S. 110 f. 369 Vgl. ebd., S. 108. 370 Vgl. Kap. 4.1.3. 371 Horst Wenzel, An fünf Fingern abzulesen. Schriftlichkeit und Mnemotechnik in den Predigten Bertholds von Regensburg. In: Von Auf bruch und Utopie. Perspektiven einer neuen Gesellschaftsgeschichte des Mittelalters, Festschrift für Ferdinand Seibt, hrsg. von Bea Lundt und Helma Reimöller, Köln u. a. 1992, S. 235–247; S. 241. 368
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geschaffen. Das habe er dem Menschen sogar ins Angesicht geschrieben, daß er nach ihm gebildet sei: Dâ hât er uns rehte mit geflôrierten buochstaben an daz antlitze geschriben.372 Denn Ohren, Augen, Nase und Mund zeichneten ihrer Form nach die Buchstabenfolge des lateinischen HOMO DEI nach. Gotes mensche, gotes mensche! triumphiert Berthold.373 Solche und ähnliche Verweise, wie z. B. auf die Fünfzahl der menschlichen Sinne bzw. der fünf Finger einer Hand bezeichnet Horst Wenzel als Bereitstellung einer „Topographie“ für den Hörer, „mit deren Hilfe er sich orientieren und die Entfaltung des Themas verfolgen kann.“374 Das vorrangige Ziel der Predigt ist es, im Zuhörer eine innere Veränderung hervorzurufen, die sich in einer äußeren Aktion ausdrücken kann.375 Dies kann zu dramatischen Reaktionen von Einzelpersonen führen, die im Mittelalter als Beweise für die besondere göttliche Begnadung des Predigers für die Nachwelt aufgezeichnet wurden, z. B. plötzlichen Visionen (wie die Frau, der bei einer Berthold-Predigt eine Jenseitsvision zuteil wurde) 376 oder Bekehrungen (wie die Prostituierte, die sich nach einer Berthold-Predigt zu einem neuen Lebenswandel entschloß) 377. Manchmal kam es auch zu gruppendynamischen Reaktionen wie der Verbrennung von Kleidung und Schmuck als Zeichen der Buße wie bei den Predigten Johannes von Capistranos (1386–1456) 378 oder es richteten sich spontane Aggressionen kollektiv gegen Personen, die als Angehörige von Randgruppen in der Predigt attackiert worden waren. Dies geschah z. B. 1233 in Verona, wo mehrere Katharer aufgrund der Predigten von Dominikanern vebrannt wurden.379 Ein erfolgreicher Prediger vermochte bei seinen Zuhörern ein bestimmtes, den Ansichten der Kirche entsprechendes Verhalten oder zumindest eine veränderte innere Einstellung der Zuhörer zu evozieren. Dieser Lerneffekt gipfelte in einer unbedingten Treue des Publikums zur Orthodoxie, was gleichzeitig eine negative Haltung zu allem implizierte, was diesen Positionen zuwiderlief. Berthold von Regensburg stellt in seinen lateinischen (und deutschen) Predigten verbal eine Gemeinschaft mit den Gläubigen her, in die er sich selbst einschließt; auf diese Weise sind die Fronten gegenüber Abweichlern und ihren falschen Glaubenspositionen eindeutig gezogen. Berthold selbst ist dadurch bei 372
PS I, S. 404. Ebd. 374 Wenzel, Schriftlichkeit und Mnemotechnik., S. 240 f. 375 Kienzle, Sermons and Performance, S. 115. 376 Vgl. Kap. 2.2. 377 Vgl. ebd. 378 Vgl. Bert Roest, A History of Franciscan Education (c. 1210–1517), Leiden/Boston/ Köln 2000, S. 304 f. 379 Peter D. Diehl, Overcoming Reluctance to prosecute Heresy in Thirteenth-Century Italy. In: Christendom and its Discontents, ed. Scott L. Waugh and Peter D. Diehl, Cambridge 1996, S. 47–66; S. 93. 373
5.3. Feindbilder der Kirche
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allem, was den Ketzern als verwerfl ichem Verhalten gegenüber der fides catholica vorgehalten wird, mitbetroffen. So erhält der Vorwurf, die Ketzer würden den rechtgläubigen Christen Bibeln entwenden, ein weitaus größeres Gewicht, denn sie stehlen sie der Gemeinschaft der Gläubigen, zu der auch Berthold gehört: Furantur nobis scripturam.380 Dies kann bei seinen Zuhörern – unabhängig davon, ob es sich um ein theologisch gebildetes oder um ein Laienpublikum handelt – negative Affekte wie Empörung und Zorn hervorrufen und wirkt effektiver als bloße Drohungen und Ermahnungen bzw. abstrakte theologische Diskussionen. Gleichzeitig arbeitet er mit imaginierten Bildern, die ebenso wie die Naturvergleiche die innere Haltung der Zuhörer beeinflussen können, weil sie je nach Zielsetzung positive oder negative Assoziationen bewirken. Auf diese Weise werden alle Sinne angesprochen, z. B. in der Beschreibung der Worte der Ketzer als „süßes Gift“381 oder dem stechenden Schmerz, der vom Blick des Basilisken ausgeht.382 Im Gegensatz dazu werden durchweg positive Assoziationen geweckt, wenn Berthold über die ganz sinnlich zu empfi ndende Schönheit und Vornehmheit und den Glanz des katholischen Glaubens spricht.383 Eine besonders wirkungsvolle Ausgrenzungsstrategie gegenüber den Ketzern wendet Berthold in seinen Predigten an, indem er sie als imaginäre Gegner regelrecht in Szene setzt. Dies gipfelt in dem Entwurf ganzer Spielszenen, in denen Berthold die Rolle eines Inquisitors übernimmt, der den Ketzer (bzw. Juden oder Heiden) öffentlich seiner Irrtümer überführt und mit den Mitteln von Ironie und Parodie der Lächerlichkeit preisgibt. Exemplarisch fi ndet dieses Verfahren in Sermo 29 Anwendung: Dicis: ‚Sine libro scio.‘ Respondeo: Hoc est modicum, cum sint plures libri in sacra pagina quam X, quam XX, quam XXX. Horum omnium forte scis tria vel duo folia ad plus, que tamen non intelligis. [. . .] Dic, quid scis. Respondes: ‚Scio V evangelia.‘ Magnum quid respectu XXX librorum. ‚Scio et anegenge, id est: In principio erat verbum etc.‘ [. . .] Magnum, et hoc ipsum non intelligis. Quid est hoc dicere: ‚In principio erat verbum et verbum erat apud deum‘? Expone mihi primum verbum, quomodo in principio erat verbum! 384 Die Vorgehensweise erinnert an den Ablauf eines inquisitorischen Verhörs, wie es der (Pseudo-)David wiedergibt: Dic simpliciter: credis in unum Deum, Patrem et Filium et Spiritum sanctum? Respondet prompte: credo. Credis, Christum de virgine natum, passum, resurrexisse et ascendisse in celum? Respondet alacriter: credo. Credis panem et vinum in missa per sacerdotes, cum celebrant, in corpus et sanguinem Christi 380
Fb 117 I, Sermo 24, f.61r b. Ebd., f.60v c. 382 Ebd. 383 Econtra fides nostra tota sapientia, durnaehtich, lux et summe rationabilis, ut facillime ostendam de omnibus. (Fb 117 I, Sermo 29, f.70v d). Sed, o domini christiani, producatis fidem vestram, quam pulchra est! Tam pulchra est – magnum verbum coram omni mundo dico – quod nullus in mundo aliquid turpe in ea invenire potest. (Fb 117 I, Sermo 28, f.70r a). 384 Fb 117 I, Sermo 29, f.72v c-d. 381
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5. Das Bild des Ungläubigen in den lateinischen Predigten Bertholds von Regensburg
virtute divina mutari? Respondet: nonne deberem hoc credere? 385 Auch bei Berthold wird der fi ktive Ketzer nach seinem Glauben befragt, allerdings nicht, um ihn anhand seiner abweichenden Glaubensvorstellung als Häretiker überführen zu können, sondern um ihn in seinem Trachten nach Bildung und Wissen gleichsam öffentlich zu demütigen und seinen angemaßten Anspruch darauf zu diskreditieren. Das Ziel einer solchen Gerichts-Inszenierung liegt darin, dem Fremden und Normabweichenden ein für die Zuhörer konkret faßbares Gesicht zu geben, eine fi ktive Gestalt zu erschaffen, die als Personifi kation des Ungläubigen das negative Gegenbild des wahren Gläubigen bildet. Gleichzeitig wird durch diese Form der Ausgrenzung die Möglichkeit zur Identitätsbildung der jeweils eigenen, „rechtgläubigen“ Gruppe erst eröffnet. Auch wenn die textinternen Anweisungen (leider) keinerlei Angaben dazu liefern, wie sich der Prediger bei solchen „Spielsituationen“ verhalten soll, ist doch davon auszugehen, daß hier Stimme und Gestik entsprechend zum Einsatz kamen, um den fi ktiven Gegner adäquat in Szene zu setzten, ihn als Person vor den Ohren und Augen der Zuhörer lebendig werden zu lassen. Es stellt sich die Frage, an wen sich diese und ähnliche Textstellen richten und welchem Zweck sie dienen. Dabei ist von einer bewußt gestalteten, doppelten Lesart auszugehen. Der Prediger spricht in Sermo 29 seinen fi ktiven Kontrahenten beispielsweise in diskreditierender Weise als Universitätsgelehrten – Magister – an und befragt ihn zu den elementarsten Regeln der lateinischen Grammatik. Jeder Kleriker, der diesen Text liest, wird ihn vermutlich als gute Unterhaltung empfi nden, denn er erkennt sofort die offenkundige boshafte Ironie, sieht sich vielleicht in die Zeit seines eigenen Besuchs der Lateinschule zurückversetzt. Darüber hinaus dient der Abschnitt ganz im Sinne der Musterpredigt als homiletischem Hilfsmittel anderen Predigern als vorbildhafte Textgrundlage: Um die Ketzer, die sich den Besitz von Bildung und Wissen anmaßen, in den Augen der Bevölkerung wirkungsvoll zu diskreditieren, muß man ihre Ansprüche ad absurdum führen und sie der Lächerlichkeit preisgeben – am besten mit einer solchen Szene. Ob ein Laienpublikum solche Invektiven verstanden hat, läßt sich schwer abschätzen. Sie werden aber wohl geeint gewesen sein im spannenden inneren und äußeren Mitgehen, in einem diffusen Angstgefühl und im schadenfrohen Mitlachen.
5.4. Zusammenfassung Die stereotype Figur des Ketzers erscheint in den untersuchten lateinischen Sermones Bertholds – je nach Adressatenkreis der Predigt – als Vorbote des Antichrist und Sendbote des Teufels oder aber schlicht als armseliger Irrender 385
Cap. 43: De modo hereticorum deprehensorum (Preger, (Pseudo-)David, S. 229).
5.4. Zusammenfassung
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im Glauben, dem die Verdammung gewiß ist. Insofern folgt Berthold den aus der häresiologischen Literatur seiner Zeit bekannten Vorwürfen, die letztlich vor allem in intellektueller und moralischer Zurückweisung und Ausgrenzung gipfeln: Die Ketzer maßen sich als Laien Bildung und Wissen an und meinen die Bibel auslegen zu können. Den Grund sieht Berthold in „Grübelei“ und einer grundlegenden Glaubensschwäche mancher Menschen, die die Geheimnisse der göttlichen Offenbarung mit dem Verstand nicht zu fassen vermögen – und deshalb nach anderen, einfacheren Erklärungen suchen. Da nun jede Ketzergruppe zu anderen Überzeugungen kommt, aber die jeweils eigene Lehre als einzig heilversprechenden Glauben verkündet, kann Berthold den Wahrheitsanspruch der Ketzer in einem Zirkelschluß allein schon durch den Faktor ihrer bloßen Existenz widerlegen. Obwohl die Vorstellung vom Ketzer als Teufelsdiener innerhalb der mittelalterlichen Exempel-Literatur und Chronistik schon früh präsent war, taucht dieses besonders ausgeprägte Bild des Häretikers in den untersuchten lateinischen Predigten Bertholds nicht auf. Auch die in Deutschland 1231/32 von Konrad von Marburg angeblich entdeckten „Luziferianer“ spielen in diesen Sermones keine Rolle und sind auch an keiner Stelle namentlich erwähnt. Die Sphäre des Dämonischen und Magischen wird lediglich in Sermo 24 berührt, einer Predigt, die sich in der vorliegenden Form vermutlich an Geistliche richtete: Die von Berthold dort nur angedeuteten Ketzerwunder stehen in engem Zusammenhang mit der mittelalterlichen Antichrist-Tradition und den Auslegungen der Glossa Ordinaria zu Apoc. 13. Da es sich um eine theologische Lehrpredigt handelt, werden die ketzerischen Scheinwunder nicht weiter ausgeführt, etwa in Form unterhaltender Exempla. Neben den „klassischen“ Häretikern, wie Katharern und Waldensern, zählt Berthold auch die Juden unter die ketzerischen Ungläubigen, obwohl die häufige explizite Unterscheidung in heretici, iudei, pagani etwas anderes suggeriert. Die Verbindung zu den Ketzern sahen die mittelalterlichen Theologen vor allem im rein wörtlichen und darum falschen Schriftverständnis der Juden.386 Insbesondere die Bewertung des Talmud als häretischer Konkurrenzschrift zur Bibel bedingte im ersten Drittel des 13. Jahrhunderts ein verschärftes Vorgehen der Kirche, das in den Pariser Talmud-Prozessen von 1240–1242 gipfelte. Vermutlich wurden im deutschen Sprachraum erstmals in den Predigten Bertholds von Regensburg die nach den Pariser Prozessen verbreiteten Talmud-Exzerpte gezielt für Invektiven gegen den jüdischen Glauben genutzt.387 Das strategische Ziel Bertholds mußte es sein, in seinen Predigten den Wahrheitsanspruch der Ketzer (bzw. Juden) wirkungsvoll zu attackieren und den „Ketzerglauben“ in für die einfachen Gläubigen nachvollziehbarer Weise zu 386 387
Vgl. Niesner, Adversus-Judaeos-Literatur, S. 116. Vgl. ebd., S. 101 f.
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5. Das Bild des Ungläubigen in den lateinischen Predigten Bertholds von Regensburg
diskreditieren. Der Franziskaner operiert dazu unter anderem mit dem Begriff der utilitas: Den Ketzern zu glauben, ist nach Berthold ein Wagnis mit klarem Ausgang, nämlich der Verdammung zu ewigen Höllenqualen. Nur dafür sei der Ketzerglaube „nützlich“. Im Gegensatz dazu erweise sich der Nutzen,388 die Vernunft und die (innere und äußere) Schönheit der fides catholica (diese Trias wird in den Predigten fortlaufend hervorgehoben) sichtbar in den Wundern der christlichen Märtyrer. Die Glaubensgrundsätze der Ketzer werden von ihm unter dem Hinweis auf ihre mangelnde Bildung zurückgewiesen, polemisch verzerrt und ins Lächerliche gezogen und damit in den Augen seiner Zuhörer jeglicher Glaubwürdigkeit beraubt: fides hereticorum maxima stultitia est mundi – der Ketzerglaube ist die größte Dummheit der Welt.389 Den naheliegenden Schluß muß Berthold dann gar nicht mehr selbst aussprechen: Ist es für den einfachen Gläubigen nicht sicherer und vernünftiger, bei dem einen Glauben zu bleiben, dessen Überlegenheit und damit Wahrheit sich allein schon durch seine Vormachtstellung in der Welt beweist? In bezug auf die Quellen, die Berthold möglicherweise nutzte, sind neben den häresiologischen Klassikern von der Spätantike bis ins 12. Jahrhundert vor allem Werke zu nennen, die von Zeitgenossen Bertholds stammen und deren Entstehung im Süden des deutschen Sprachraumes vermutet wird. Dies gilt in erster Linie für die beiden Werke des Passauer Anonymus und des sog. (Pseudo-)David von Augsburg, die hinsichtlich der Darstellung insbesondere waldensischer Lehren und Verhaltensweisen enge Bezüge zu den Freiburger Berthold-Predigten aufweisen. Es läßt sich annehmen, daß in die Darstellungen Bertholds vereinzelt eigene Erfahrungen und Beobachtungen während seiner Predigtreisen eingeflossen sind, sicher nachgewiesen werden kann dies allerdings nicht. Erst eine Edition der lateinischen Rusticanus-Sammlungen würde die Möglichkeit eröffnen, zu überprüfen, inwieweit das Bild des Ketzers, wie es sich aus den vorliegenden Freiburger Predigten gewinnen läßt, als maßgeblich für das Gesamtwerk Bertholds bezeichnet werden kann bzw. welchen Stellenwert dezidiert gegen Ketzer gerichtete Texte innerhalb dieses Rahmens tatsächlich einnehmen.
388 Vgl. Fb 117 I, Sermo 28, f.70v c: Ecce, quam virtuosa est utilis fides nostra etiam in presenti, quia multa miracula hic facit. 389 Fb 117 I, Sermo 29, f. 72r b.
6. Edition 6.1. Vorbemerkungen Der Freiburger Codex 117 I/II im Kontext der lateinischen Berthold-Überlieferung Dem zweibändigen Codex 117 des Franziskanerklosters Freiburg in der Schweiz ist innerhalb der Berthold-Forschung stets eine herausgehobene Stellung und besondere Bedeutung zuerkannt worden. Erstmals erwähnt wurde er 1883 von Nicolas Raedlé in einem Artikel in der Revue de la Suisse Catholique,1 der jedoch kaum weitere Beachtung fand. Wenige Jahre später äußerte sich der Germanist Franz Jostes in einer Rezension ausführlicher zu der Handschrift.2 Jostes plädierte dafür, dieser Handschrift besondere Aufmerksamkeit im Hinblick auf eine zukünftige Edition der lateinischen Texte zukommen zu lassen: „Wenn irgend eine Handschrift Anspruch auf Authentizität erheben darf, ist es die Freiburger. [. . .] Sie ist es, die wir bei den Studien über seine (Bertholds, A. C.) lateinischen Predigten unbedingt zugrunde legen müssen.“3 Im Gegensatz zu Jostes widmete Anton E. Schönbach der genauen Untersuchung des Codex mehrere Jahre. Er beschrieb ihn eingehend und legte ihn neben anderen Handschriften seinen Ausführungen zur Geschichte der altdeutschen Predigt zugrunde.4 Schönbach äußerte sich auch über den Entstehungszusammenhang der Handschrift. Er vermutete als Vorlage zusammengefaßte Predigtaufzeichnungen, entweder direkt aus der Feder Bertholds oder von diesem einem Schreiber diktiert.5 Diese Aufzeichnungen schienen Schönbach nach Predigten abgefaßt zu sein, die bereits gehalten worden waren: „Demnach liegt in den zwei Bänden der Freiburger Handschrift eine Sammlung von Predigten vor, die Berthold von Regensburg wirklich gehalten hat und die er darnach aufzeichnete oder [. . .] aufzeichnen ließ [. . .].“6 In ähnlicher Weise wie Jostes und 1 Nicolas Raedlé, Le couvent des RR. PP. Cordeliers de Fribourg, Revue de la Suisse Catholique 14 (1882/83), S. 172 ff. 2 Franz Jostes, Rezension: A. E. Schönbach, Über eine Grazer Handschrift lateinischdeutscher Predigten, Graz 1890. In: Historisches Jahrbuch der Görres-Gesellschaft 12 (1891), S. 359–371. 3 Ebd., S. 363 f. 4 Schönbach, Studien II, S. 2–4. 5 Schönbach, Studien V,2, S. 93. 6 Schönbach, Studien V,2, S. 97.
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6. Edition
Schönbach wertete auch Krispin Moser in seiner ungedruckt gebliebenen Dissertation7 die Freiburger Predigtsammlung als das ursprüngliche, wenn auch nicht einzig authentische Werk Bertholds.8 Wie Schönbach nahm er an, die Freiburger Handschrift sei unter Verwendung von Predigtentwürfen Bertholds bzw. Predigtmitschriften entstanden, was den besonderen Wert der Handschrift gegenüber allen anderen belege: „Es bleibt bei den Freiburgertexten der Eindruck bestehen, daß wir in ihnen den von Bertholds Mitbrüdern wohlbehüteten Nachlaß und Nachklang der in Heften gesammelten Aufzeichnungen des großen Predigers selbst besitzen – unvollständig, aber in zuverlässigster Kopie.“9 Schnell wurde deutlich, daß der Codex gravierende strukturelle und inhaltliche Unterschiede gegenüber denjenigen Handschriften aufwies, die die drei Rusticanus- Sammlungen überliefern. Bei dem Freiburger Codex handelt es sich um eine Mischhandschrift, die insgesamt drei Kategorien von Predigten in sich vereint. Sie enthält sowohl Predigten, die mit den jeweiligen Paralleltexten der Rusticani bis auf eine größere oder geringere Varianz übereinstimmen, als auch als umfangreichste Gruppe 15 Sermones ad Religiosos, 24 Sermones speciales und 147 Sermones extravagantes, die nicht zu den als authentisch erachteten drei Rusticanus-Sammlungen gehören.10 Hinzu kommen weitere Predigttexte, die mit den Predigten dieser drei Sammlungen bisher nicht in Verbindung zu bringen sind. Neben solchen strukturellen Abweichungen fallen bei den Predigten des Freiburger Codex zudem inhaltliche Besonderheiten auf, wie Krispin Moser in seinen Vorarbeiten zu einer lateinischen Berthold-Edition deutlich machte. Er verwies u. a. auf folgende Beobachtungen: 11 – die Art der Darstellung im Freiburger Codex sei „lebhafter, dialogischer und persönlicher“12 als in den „eher mattwirkenden, auf allgemeine Bedürfnisse“13 ausgerichteten Rusticani. – die Anweisungen für den praktischen Gebrauch der Predigten seien zahlreicher als in den Rusticani. – mittelhochdeutsche Glossen und eine Vielzahl an Redewendungen, die im Codex 117 I / II vorkommen, seien in den Rusticani stark reduziert bzw. getilgt. – die in den Rusticani reichlich vorhandenen Vor- oder Rückverweise auf andere Predigten fehlten. 7 Crispinus Moser OFM Cap., De operibus Fr. Bertoldi Ratisbonnensis eorumque editione, Diss. theol. Freiburg, 1926. 8 Vgl. Casutt, Beziehungen einer Freiburger Handschrift zum lateinischen Predigtwerk Bertholds von Regensburg, ZfSK 56 (1962), S. 73–112; S. 77. 9 Krispin Moser, Schweizer Handschriften der Werke Bertholds von Regensburg, ZfSK 37 (1943), S. 379–391; S. 390 f. 10 Casutt, Beziehungen, S. 78. 11 Zitiert nach Casutt, Beziehungen, S. 76 f. 12 Ebd., S. 77. 13 Ebd.
6.1. Vorbemerkungen
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Insbesondere der Umstand, daß die Predigten der Freiburger Handschrift erkennbar nicht am Verlauf des Kirchenjahres bzw. der Abfolge bestimmter Feiertage orientiert sind und darüber hinaus in der Art ihrer Zusammenstellung keinem erkennbaren Ordnungsprinzip folgen, irritierte die Forscher. Bei seinem Versuch einer Strukturanalyse der Handschrift konstatierte Laurentius Casutt, daß nur die Bestimmung der einzelnen Stücke der erste Schritt sein könne, „in die Geheimnisse dieses eigenartigen DoppelCodex“ vorzudringen.14 Nachdem er die einzelnen Predigten mit ihren Initien erfaßt und soweit als möglich mit den Sermones der Rusticani abgeglichen hatte, stellte sich das Ergebnis als enttäuschend heraus. Der Befund ergab lediglich, daß einige wenige Themenkomplexe offenbar zu Gruppen zusammengefaßt waren, wohingegen Predigten, die auf einen bestimmten Sonntag des Kirchenjahres Bezug nehmen, über die gesamte Handschrift verteilt sind. Insgesamt vermochte Casutt keinerlei Ordnungsprinzip festzustellen, „weder dogmatische Lehrfolgen, noch moraltheologische Traktate, noch liturgische Zeiten“.15 Er folgerte: „Eine systematische Anordnung des Predigtstoffes liegt dieser Kollektion nicht zu Grunde!“16 Angesichts der Unübersichtlichkeit der Stoffanordnung vermutete er, daß der Kompilator der Handschrift sich über die Verteilung des Stoffes nicht klar gewesen sein konnte und daher „rein mechanisch“ aus seiner Vorlage kopierte.17 Dies legte den Schluß nahe, daß die Freiburger Handschrift nicht aus dem Bedürfnis nach einem geschlossenen Predigtzyklus entstanden sein konnte. Casutt hatte angesichts des verwirrenden Befundes erhebliche Bedenken, ob der Freiburger Codex die herausgehobene Stellung, die ihm bisher zuerkannt worden war (möglicherweise sogar das Predigthandbuch Bertholds zu sein18 ), wirklich verdiene: „Es scheint sich beim Fa/Fb Codex vielmehr um eine Silva rerum zu handeln. Denn, wahrhaftig, was ist diese Kollektion anderes als ein Wald von hochragenden Bäumen und niedrigem Gehölz, von Schlingpflanzen und Dickicht?“19 Im Gegensatz zu Casutt erklärte Jostes die seltsam unsystematische Anordnung der einzelnen Predigten aus dem Umstand, daß lediglich der Inhalt der Predigten der Grund für die gewählte Anordnung gewesen sein könne. Jostes verwies darauf, daß Berthold als Missionsprediger ein Handbuch habe schaffen wollen, welches für seine Mitbrüder gedacht war – also ebenfalls für Missionsprediger.20 Als solche waren diese aber darauf bedacht, zu bestimmten Gelegenheiten zu predigen, die nicht unbedingt von den Festtagen des Kirchenjahres 14 15 16 17 18 19 20
Ebd., S. 82. Ebd., S. 109. Ebd. Ebd., S. 111. Vgl. Jostes, Rezension, S. 366; Casutt, Beziehungen, S. 82, S. 112. Casutt, Beziehungen, S. 108. Jostes, Rezension, S. 363.
176
6. Edition
abhingen. Dies erforderte eine hohe inhaltliche Flexibilität, und so wäre es unsinnig gewesen, die Predigt stets starr an die jeweils vorgesehene Perikope des Tages zu binden. In diesem Sinne scheint also eine Einteilung nach bestimmten inhaltlichen Gesichtspunkten durchaus naheliegend. Das Problem in bezug auf die Freiburger Handschrift liegt jedoch darin, daß ein solches Prinzip nicht durchgehend eingehalten wird. Es fi nden sich zwar immer wieder Abfolgen bestimmter Themen-Predigten (wie z. B. die gegen Ketzer gerichteten Predigten Nr. 17–30 des ersten Freiburger Bandes), dennoch sind wiederholt vereinzelte Stücke, die thematisch in diese Abfolge gehörten, an ganz anderer Stelle verzeichnet. Zwar existiert ein Inhaltsverzeichnis, doch wurde dieses höchstwahrscheinlich erst nachträglich von Friedrich von Amberg 21 (seit 1392 Provinzial der oberdeutschen Minoritenprovinz und seit etwa 1393 Mitglied des Freiburger Konvents) angelegt, der sich auf diese Weise die Handschrift für die praktische Benutzung erschloß. Die Lösung dieses Formproblems kann jedoch im Rahmen dieser Studie nicht gleistet werden und muß einer Edition der gesamten Handschrift überlassen bleiben.22 Einig ist sich die Forschung darin, daß dem Freiburger Codex unter anderem wegen der Disparatheit seines inneren Auf baus innerhalb der lateinischen Berthold-Überlieferung ein besonderer Stellenwert zukommt. Ob die Texte dieser Handschrift tatsächlich die beste, authentische Lesart bieten,23 wird jedoch erst im Zuge einer weiteren vergleichenden Erforschung der Freiburger Handschrift und der Rusticanus-Überlieferung zu klären sein. Dies führt zu einem weiteren Problem im Umgang mit lateinischen antihäretischen Predigten Bertholds. Die Predigten, die sich mit der Ketzerthematik beschäftigen, sind nicht in einer einheitlichen Sammlung enthalten. Anton E. Schönbach benutzte für seinen Teilabdruck Handschriften der drei RusticanusSammlungen 24 und der Sermones speciales25 sowie den Doppel-Codex 117 aus Freiburg in der Schweiz. Dieser Codex enthält, wie bereits erwähnt, u. a. Predigten aller drei Rusticanus-Sammlungen sowie Teile der Sermones speciales. Der grundlegende Unterschied zwischen den Sermones der RusticanusSammlungen und denen der Freiburger Handschrift besteht darin, daß es sich 21 Zu Friedrich von Amberg und seiner Bedeutung für die mittelalterliche Bibliothek des Freiburger Franziskanerklosters vgl. umfassend Christoph Jörg, Untersuchungen zur Büchersammlung Friedrichs von Amberg. Ein Beitrag zur franziskanischen Geistesgeschichte des Spätmittelalters, ZfSK 69 (1975), S. 1–116; insb. S. 5–15. 22 Vgl. die Angaben von Pascal Ladner, Zur Bedeutung der mittelalterlichen Bibliothek des Franziskanerklosters in Freiburg. In: Zur geistigen Welt der Franziskaner im 14. und 15. Jahrhundert. Die Bibliothek des Franziskanerklosters in Freiburg/Schweiz, hrsg. von Ruedi Imbach u. Ernst Tremp, Freiburg i.Ue. 1995, S. 11–24; S. 20. 23 Zu dieser Einschätzung neigt Pascal Ladner, vgl. ebd. 24 Rusticanus de Dominicis: Linz (Oberösterreichische Landesbibliothek), Hs. 325; Rusticanus de Communi: Leipzig (Universitätsbibliothek), Hs. 496; Rusticanus de Sanctis: Leipzig (UB) Hs. 498. 25 Leipzig (UB), Hs. 496.
6.1. Vorbemerkungen
177
bei den sonstigen Rusticani um – wahrscheinlich von Berthold selbst 26 – redigierte Texte handelt, die nach dem Vorbild franziskanischer Musterpredigtsammlungen anderen Predigern fundiertes und für die Predigtpraxis notwendiges theologisches Wissen vermitteln sollten,27 während die Freiburger Handschrift in relativ loser Reihung Texte enthält, die auf Aufzeichnungen bereits gehaltener Predigten zurückgingen. Laurentius Casutt erstellte eine Übersicht, in welcher er das Beziehungsgefüge zwischen den Sermones der RusticanusSammlungen und denen des Freiburger Codex transparent zu machen versuchte.28 Er konnte viele der insgesamt über 284 Freiburger Texte mit Sonntagsoder Heiligenpredigten der Rusticani in Verbindung bringen, die sich z. T. fast mit diesen deckten, z. T. Varianten mit unterschiedlich weitreichenden Kürzungen oder Erweiterungen darstellten. Dies läßt zweierlei Schlüsse zu: Einmal könnte es sich bei einem Großteil der Freiburger Sermones um Aufzeichnungen von Predigten handeln, die Berthold als Kanzelpredigt gehalten hat und die später in formal redigierter und inhaltlich komprimierter Form in die Rusticanus-Sammlungen Eingang fanden, die für die franziskanischen Ordensbrüder Bertholds, aber auch Klerikern anderer Orden als gelehrte Stoffsammlungen für die eigene Predigtkonzeption dienten. Die zweite Überlegung geht vom umgekehrten Weg der Textrezeption aus: Wenn man annimmt, daß die Predigten der Rusticani gleichsam eine gelehrte Grundform, ein theologisches Fundament darstellen, dann bilden die Freiburger Sermones möglicherweise ein Beispiel dafür, wie diese Grundform in der praktischen Umsetzung den jeweils wechselnden Gebrauchssituationen angepaßt und entsprechend ausgestaltet wurde. Bei den Rusticani hätte man es dann mit auf den praktischen Gebrauch ausgerichteten Variationstexten 29 zu tun, deren inhaltliche Kerne bei der Predigt vor den einfachen Gläubigen nur als Grundlage genutzt wurden, auf welcher der jeweilige Prediger seinen eigenen, individuellen Predigtvortrag auf bauen konnte. Auf eine unterschiedliche Gebrauchsfunktion der Rusticani bzw. der Freiburger Predigten deutet auch der stilistische Befund. Bereits Schönbach hatte auf die „rundere und geschlossenere“ Ausarbeitung der Freiburger Texte hinge26
Darauf läßt der Wortlaut des Prologes zum Rusticanus de Dominicis schließen, der in einigen Handschriften überliefert wird; vgl. dazu Kap. 2.3 sowie die Übersicht im Editionsteil. 27 Johannes Schneider sieht in ihnen weder Predigten noch Predigtentwürfe, sondern bezeichnet sie als „Kurztraktat[e] praktischer Theologie“: „Es handelt sich hier nicht um Predigten, auch nicht um Predigtentwürfe, sondern um eine Unterweisung des Predigers über die theologische Grundlage der Predigt.“ (Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte, hrsg. von Walter Brandmüller, Band I,2, St. Ottilien 1999, S. 691). 28 Casutt, Beziehungen S. 83–108. 29 Zur Frage des Einflusses der Gebrauchssituation auf die Textentwicklung von Predigten vgl. Rüdiger Schnell, Bertholds Ehepredigten zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit, Mittellateinisches Jahrbuch 32,2 (1997), S. 93–108, S. 96.
178
6. Edition
wiesen, die sie seiner Ansicht nach in die Nähe der deutschen Predigten rückten: „Wo es möglich ist, sie mit anderen Texten zu vergleichen, besonders mit denen der Rusticani, da zeigt sich, daß sie viel reichhaltiger an den für Berthold so bezeichnenden Einzelheiten aus dem realen Leben sind als jene, auch die ganze Üppigkeit des Bertholdschen Ausdruckes, der Vergleiche, der Steigerungen, der direkten Fragen, der Dialoge, der Rollen, weisen sie in sehr viel höherem Grade auf und stehen deshalb in manchem Betrachte den deutschen Fassungen näher [. . .].“30
Aus diesem Grund stellte Schönbach in seinen „Studien“ die Freiburger Texte den Predigten der Rusticani voran, „weil sie mir Bertholds Arbeit am unmittelbarsten wiederzugeben scheinen.“31 Diese „Unmittelbarkeit“ der Sprache, die Schönbach als Besonderheit der Freiburger Predigten erkannte, wird innerhalb der aktuellen Forschung allerdings kaum noch gewürdigt. Dagmar Neuendorff subsumiert diese Predigten wie die Texte der Rusticani unter dem Stichwort „Sermokondensate“, weil es sich bei ihnen lediglich um structura und materia handle, auf die gehaltene Predigten reduziert wurden und die zur Ausgestaltung neuer Predigten dienten.32 Sie konstatiert bei diesen „Sermokondensaten“ eine fehlende oder nur geringe Rhetorisierung und sieht dieses in den deutschen Predigten auftretende Phänomen als „intentionelle sprachliche Handlung ihres Autors“. Insbesondere die an der historischen Gestalt des Franziskaners orientierte Sprecherrolle des Bruoder Berthold der deutschen Texte sei „das Besondere und [. . .] Einmalige der deutschen Berthold-Predigten.“33 Wie sich zeigt, sind aber die meisten dieser rhetorischen Elemente und möglicherweise sogar die literarische Figur des Bruoder Berthold34 bereits in den lateinischen Texten vorgeformt – nämlich in den Freiburger Predigten. Die wichtigsten Handschriften mit den drei Rusticanus-Sammlungen Berücksichtigt wurden alle Handschriften, die die drei Sammlungen bis auf geringe Abweichungen annähernd vollständig überliefern.35 30
Schönbach, Studien V,2, S. 93. Ebd., Studien III, S. 2. 32 Dagmar Neuendorff, Überlegungen zu Textgeschichte und Edition Berthold von Regensburg zugeschriebener deutscher Predigten. In: Mystik, Überlieferung, Naturkunde. Gegenstände und Methoden mediävistischer Forschungspraxis, hrsg. von Robert Luff und Rudolf K. Weigand, Hildesheim/Zürich/New York 2002, S. 125–178; S. 126 Anm. 8, S. 128. 33 Dagmar Neuendorff, Bruoder Berthold sprichet – aber spricht er wirklich? Zur Rhetorik in Berthold von Regensburg zugeschriebenen deutschen Predigten, Neuphilologische Mitteilungen 101,2 (2000), S. 301–312; S. 309. 34 Neuendorff (Bruoder Berthold, S. 303) weist darauf hin, daß in den deutschen Texten häufig die abgekürzte Form „B. B.“ vorkomme. Vgl. dazu die lateinische Version in Sermo 24, f.61r a: frater B. 35 Die Übersicht basiert auf den Angaben bei: Schönbach, Studien IV–VI (Überlieferung 31
179
6.1. Vorbemerkungen
Rusticanus de Dominicis Bibliothek / (Provenienz)
Signatur
Beschreibstoff Datierung Anzahl d. BesonderPredigten heiten
Donaueschingen, Fürstl. Fürstenberg. Hof bibl.
Hs. 269
Perg.
13.
58
UB Innsbruck (Zisterzienserstift Stams)
Hs. 369
Perg.
13.
57
Lambach, Bened.stift
Hs. 81
Perg.
13.
58
OÖLB Linz (Zisterz.stift Baumgartenberg)
Hs. 325
Perg.
13.
58
London, British Mus.
Hs. Harl. 3215 Perg.
13.
58 u. a.
BSB München (Aug.Chorherrenstift Dießen)
Hs. Clm 5531
Perg.
13
58 u. a.
Prolog
Salzburg, Benedikt. stift St. Peter
Hs. a. IV. 16
Perg.
13.
58
Prolog
St. Florian, Aug.-Chorherrenstift
Hs. XI. 257
Perg.
13.
56
StaB Trier (Kartause St. Alban, Trier)
Hs. 243 / 1385 Perg.
13.
53 u. a.
Wilhering, Zisterz.stift
Hs. IX 143
Perg.
13.
58
SBPK Berlin (Zisterz.abtei Himmerod)
Hs. Görres 35 / Perg. Lat. fol. 739
14.
58
UB Freiburg (Burg bei Straßburg)
Hs. 152
Perg.
14.
58
UB Freiburg
Hs. 307
Perg. / Pap.
14./15.
58
UB Leipzig (Domin.kloster Leipzig)
Hs. 689
Perg.
14.
55 u. a.
UB Leipzig (Zisterz.stift Altenzell)
Hs. 722
Perg.
14.
55
Lilienfeld, Zisterz.stift
Hs. 53
Perg.
14.
58 u. a.
UB Prag (AugustinerChorherrenst. Trebitsch)
Hs. VI. A. 20
Perg.
14.
56
I–III); Laurentius Casutt, Die Handschriften mit lateinischen Predigten Bertholds von Regensburg O.Min. (ca. 1210–1272), Katalog, Freiburg / Schweiz 1961; ders., Beziehungen einer Freiburger Handschrift; Georg Jakob, Die lateinischen Reden des seligen Berthold von Regensburg, Regensburg 1880; Moser, Schweizer Handschriften. Die Zusammenstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Zur Zeichenerklärung: u. a. = Im betreffenden Codex werden auch vereinzelte Predigten der anderen Sammlungen überliefert. + = In der betreffenden Handschrift fi nden sich zusätzlich bisher unbekannte Predigten.
180
6. Edition
Prag, Narodni Museum Hs. XIII. G. 10 Perg. (Aug.-Chorh.stift Rudniec?)
14.
57+2
St. Florian, Aug.-Chorherrenstift
Hs. XI. 361
Perg.
14.
58 u. a.
Sitten, Kantonsarchiv
Hs. A. B. S.Lp. 1 Perg.
14.
58
Zwickau, Ratsschulbibl.
Hs. I XIV 37
Perg.
14.
58 u. a.
SLUB Dresden (Minoritenklost. Meißen)
Hs. F. 61 a
Pap.
15.
55
UB Leipzig
Hs. 697
Perg.
15.
52 u. a.
Seitenstetten, Bened.stift (Chorherrenst. Ardagger)
Hs. 164
Pap.
15.
56
Sevilla, Biblioteca Capitular Hs. 7. 6. 20 y Columbina (Mainz)
Pap.
15.
58
StaB Trier (Augustinerabtei Hs. 336/2008 Eberhards-Clausen)
Pap.
15./16.
57
Prolog
Prolog
Rusticanus de Sanctis Bibliothek / (Provenienz)
Signatur
Beschreibstoff Datierung Anzahl d. BesonderPredigten heiten
Göttweig, Bened.stift
Hs. 179
Perg.
13./14.
123
OÖLB Linz (Zisterz.-stift Baumgartenberg)
Hs. 336
Perg.
13./14.
124 u. a.
UB Würzburg (Dom.kloster Würzburg)
Hs. Mp. q. 56
Perg.
13.
123 +35
UB Leipzig (Zisterz.stift Altenzell)
Hs. 498
Perg.
14.
123
Olmütz, Archiv des Metropolit. Kapitels
Hs. C. O. 113
Perg.
14.
120
Oxford, Bodl. Libr. (Kartause Mainz)
Hs. Laud. misc. Perg. 317
14.
103 + 21
UB Uppsala (Süddeutschland)
Hs. C 371
Perg.
14.
124
Köln, Hist. Archiv
Hs. W. f. 161
Pap.
15.
123 u. a.
Pap.
15.
123 u. a.
ÖNB Wien (Benedikt.stift Hs. 3735 Mondsee)
181
6.1. Vorbemerkungen
Rusticanus de Communi Bibliothek / (Provenienz)
Signatur
Beschreibstoff Datierung Anzahl d. BesonderPredigten heiten
BSB München (Zisterz.stift Aldersbach)
Hs. Clm 2718
Perg.
14.
73
BSB München (Benedikt.stift Alspach)
Hs. Clm 3213
Perg.
14.
75 u. a.
BSB München (Zisterz.stift Kaisheim)
Hs. Clm 7961
Perg.
14.
73 u. a.
StaB Trier (St. German, Trier)
Hs. 759 / 306
Pap.
15.
75
Rusticanus de Sanctis & de Communi Bibliothek / (Provenienz)
Signatur
Beschreibstoff Datierung Anzahl d. BesonderPredigten heiten
UB Leipzig (Zisterz.stift Altenzell)
Hs. 497
Perg.
Danzig, Biblioteka Polskiej Akad. Nauk
13./14.
123 / 75
Hs. Mar. F. 156 Pap.
15.
124 / 75
ÖNB Wien (Garsten?)
Hs. 3981
15.
123 / 75
ÖNB Wien (Wien)
Hs. 4399
Pap.
15.
124 / 75
Würzburg, Minoritenkloster
Hs. I 42
Pap.
15.
122 / 72
Bibliothek / (Provenienz)
Signatur
Beschreibstoff Datierung Anzahl d. Predigten
Freiburg i. Ue., Couv. des Cordeliers (Oberdt. Minorit.provinz)
Hs. 117 I II
Perg./Pap.
13./15.
12 (D), 18 (S), 20 (C), 7 (R) u. a. 26 (D), 27 (S), 26 (C), 10 (R) u. a.
BSB München (Franz.kloster München)
Hs. Clm 8738
Perg.
13.
29 (D); 71 (S), 42 (C), 9 (R) u. a.
BSB München (Franz.kloster München)
Hs. Clm 8739
Perg.
13./14.
29 (D), 78 (S), 33 (C), 15 (R) u.a
St. Florian, Aug.-Chorherrenstift
Hs. XI. 347
Perg.
14.
58 (D), 87 (S), 41 (C) u. a.
Pap.
Mischhandschriften
182
6. Edition
Der Teilabdruck nach Schönbach – Problematik Der Teilabdruck Anton E. Schönbachs in seinen gesammelten „Studien zur Geschichte der altdeutschen Predigt“ bildet bis heute die Textgrundlage fast aller Untersuchungen zu lateinischen Berthold-Predigten. Dabei präsentiert der Abdruck die Texte nur in Form von Auszügen – Schönbach selbst spricht an keiner Stelle von einer „Edition“, sondern bekennt mehrfach, lediglich exzerpiert zu haben, was ihm unter thematischen und erkenntnisleitenden Gesichtspunkten wichtig und für seine Leser interessant erschien.36 Die größten Probleme im Umgang mit den Schönbach-Texten wirft deshalb die große Zahl ausgelassener Predigtpassagen auf, auf deren Fehlen der Leser an keiner Stelle aufmerksam gemacht wird. Grundlegende, zentrale Bemerkungen über die Gründe für die von ihm vorgenommene Auswahl an Handschriften sowie für die gesamte Textpräsentation fi ndet man entsprechend der eklektischen Vorgehensweise Schönbachs nicht. Nur zu Beginn der jeweiligen Abhandlungen kommentiert Schönbach äußerst knapp seine Vorgehensweise, was sicher zeittypischer Usus ist, jedoch die Benutzung dieses insgesamt unübersichtlichen Konvoluts nicht wirklich erleichtert. Texteingriffe werden vorgenommen, ohne diese kenntlich zu machen; ein kritischer Apparat ist nicht vorhanden. Kürzungen und Auslassungen sind im Textfluß nicht gekennzeichnet und wirken darüber hinaus z. T. sinnentstellend. Ein Beispiel hierfür bietet Sermo 24 (f.61r a) des ersten Freiburger Bandes: Septimum cornu qui videntur valde boni et sapientes, posset aliquis cadere, de quo plus turbaretur fides tua, liest man bei Schönbach (Studien III, S. 20). Der Blick in die Handschrift ergibt hingegen folgendes Bild: Septimum cornu valde est crudele. Quod tunc non tantum laici, simplices, mali, sed etiam qui videntur valde boni et sapientes, posset aliquis cadere, de quo plus turbaretur fides tua quam mille alii. Ebensowenig äußert sich Schönbach zu Fragen der Orthographie und Interpunktion. Entsprechend dem Usus der Zeit neigt er dazu, die Eigenheiten und Vorlieben des Schreibers der Handschrift konsequent auszumerzen. Dieser läßt z. B. eine ausgeprägte Vorliebe für Hypergräzisierung erkennen. Schönbach hat hier durchgehend verbessert, ebenso wie die vom Schreiber konsequent bevorzugte „i“- Schreibweise (abicite, Iudas, eius etc.), welche er in „j“ änderte (abjicite, Judas, ejus etc.). Inkonsequent ging er in folgenden Fällen vor: Vereinheitlicht wurde numquam etc. zu nunquam; hingegen blieb das prozentual fast zu gleichen Anteilen vorkommende pulcra / pulchra bzw. nihil / nichil im Schönbach-Text erhalten.
36
Schönbach, Studien III, S. 3.
6.2. Beschreibung der Handschrift
183
6.2. Beschreibung der Handschrift Es kann nicht das Ziel der vorliegenden Arbeit sein, hier eine umfassende Beschreibung des gesamten Freiburger Codex zu liefern, da diese Arbeit bereits hinreichend von Schönbach, Jostes und Casutt geleistet worden ist.37 Weitergehende Analyseergebnisse werden einer noch ausstehenden Gesamtedition der Handschrift vorbehalten bleiben müssen. Dennoch soll an dieser Stelle ein summarischer Überblick dessen geboten werden, was gemäß den bisherigen Forschungsergebnissen als gesichert gelten kann. 6.2.1. Provenienz Der Doppel-Codex 117 ist Bestandteil der mittelalterlichen Bibliothek des Franziskanerklosters Freiburg im Uechtland, welches 1256 von der Basler Kustodie aus gegründet worden war.38 Diese Bibliothek enthält rund 90 Handschriften, die von den beiden Franziskanern Friedrich von Amberg († 1432) und Jean Joly († 1510) zusammengetragen wurden.39 Friedrichs Interesse galt vorrangig Predigttexten. Im Verlaufe seines Aufenthaltes in Freiburg stellte er insgesamt vier Bände mit Predigtstoffen sowie eine Sammlung mit Exempelliteratur zusammen. 1403 beendete er die Arbeit an einer Handschrift mit Predigten Bertholds von Regensburg, die er in zwei Halbbände einteilte und mit Sachregistern und Inhaltsverzeichnissen ausstattete.40 Auf welche Weise Friedrich die Berthold-Handschrift erwarb, läßt sich nicht mehr nachvollziehen. Bevor sie in seinen Besitz gelangte, war sie mit einfachen roten und blauen Lombarden sowie mit einer roten, durchgehenden Predigtzählung in arabischen und römischen Ziffern versehen worden.41 Friedrich teil37 Vgl. Schönbach, Studien II, S. 2–4; Jostes, Rezension, S. 360–362; Casutt, Beziehungen, S. 79–83. 38 Jörg, Untersuchungen, S. 3. 39 Friedrich von Amberg wurde gegen Mitte des 14. Jahrhunderts im oberpfälzischen Amberg geboren und trat in das Franziskanerkloster Regensburg ein, wo er sein Noviziat verbrachte (vgl. Ladner, Franziskanerbibliothek, S. 14). Später wechselte er zur weiteren Ausbildung in den Straßburger Konvent, wo sich die bedeutendste Ordensschule der oberdeutschen Minoriten-Provinz befand, zeitweise wohl auch ein Generalstudium. 1384 war er wahrscheinlich Lektor des Freiburger Konvents, ein Jahr später ist er am franziskanischen Generalstudium in Paris nachzuweisen. (Ebd., S. 7) Im Anschluß erfolgte eine Studienzeit in Avignon, wo der zwischenzeitlich zum Provinzial der oberdeutschen Minoritenprovinz aufgestiegene Friedrich den Magistertitel erwarb. Das besondere Interesse Friedrichs galt der Bibliothek des Klosters, deren Bestand in Ermangelung eines eigenen Scriptoriums schmal war. Er erweiterte sie um seine eigenen in den Studienjahren erworbenen Texte, die z. T. durch weitere Ankäufe ergänzt wurden. Diesen Bestand ordnete er und erschloß ihn für den praktischen Gebrauch. 40 Jörg, Untersuchungen, S. 11. 41 Ebd., S. 66.
184
6. Edition
te die Handschrift in zwei Halbbände,42 vervollständigte die Rubrizierung und versah die wichtigsten Predigtgedanken mit schwarzen Randbuchstaben in alphabetischer Reihenfolge. Er erstellte zudem für jeden Halbband ein Inhaltsverzeichnis, das ein alphabetisches Sachregister sowie kurze Zusammenfassungen der Predigten und kurze inhalts- und stilkritische Vermerke enthielt.43 Diese Arbeit vollendete Friedrich im Jahre 1403, wie sich den fast gleichlautenden, beiden Halbbänden angefügten Nachträgen entnehmen läßt: Expliciunt Rubrice materiarum omnium sermonum presentis libri, que est prima pars sermonum Rusticani. Qui fuit frater minor provincie superioris Alemanie. Nativus de conventu Ratisponensi, famosissimus predicator, dictus frater Bertoldus. Et obiit Anno Domini MCCLXXII XIV kal. Januarii. Tabula vero hec conscripta fuit per me fratrem Fridericum, ministrum predicte provincie ac sacre theologie professorem indignum, III ydus novembris Anno Domini MCCCCIII in conventu Friburgi oechtlandie.44
6.2.2. Äußeres Die zwei Bände umfassende Handschrift mißt ca. 18,5 x 13 cm.45 Beide Bände verfügen über mit weißem Leder bezogene Holzdeckel ohne Verzierungen, bei denen die Riemen der Lederschließen (mit Metallnägeln in Kleeblattform) entfernt wurden.46 Auf der jeweiligen Vorderseite fi nden sich die Bandbezeichnungen „I“ bzw. „II“ in schwarzer Farbe, auf den Rückseiten ein aufgeklebter Pergamentstreifen mit dem Vermerk Sermones Rusticani prima pars bzw. Sermones Rusticani secunda pars.47 Die Bände sind unterteilt in Predigten (I: Pergament, ff. 2–242; II: Pergament, ff. 1–262; jeweils moderne Zählung) und einen Anhang (I: Pergament und Papier, ff. 243–271; II: Pergament und Papier, ff. 263–291) mit alphabetischem Sachregister (I: f. 243r-253v; II: f. 263r-273r) und einer tabula sermonum et rubricarum eorundem (I: f. 255r-266r; II: f.273v-285r).48 Der Predigtteil beider Bände wurde durchgehend von derselben Hand zweispaltig (zu meist 42 Zeilen) geschrieben.49 Die einzelnen Predigten sind vom Rubrikator zu Beginn des ersten Bandes mit arabischen Zahlen versehen worden, die oben in der Blattmitte in römischen Zahlen wiederholt wurden. Ab folio 26r a erfolgt die Zählung in umgekehrter Weise: am Kopf mit römischer 42
Vgl. Casutt, Beziehungen, S. 81. Inwieweit der Sachindex tatsächlich als Werk Friedrichs gelten kann, ist nicht sicher zu beantworten, vgl. Jostes, Rezension, S. 361. 44 Fb 117 I, f.265v – 266r; Fb II, f.285r. Der Nachtrag zum zweiten Halbband stimmt damit im Wesentlichen überein, vgl. den Abdruck bei Casutt, Beziehungen, S. 81. 45 Jostes, Rezension, S. 360. 46 Casutt, Beziehungen, S. 79 f. 47 Ebd., S. 79–81. 48 Ebd., S. 80 f. 49 Casutt, Beziehungen, S. 81; Jostes, Rezension, S. 360. 43
6.3. Die Predigten im einzelnen
185
Numerierung, am Blattkopf in arabischer Zählung.50 Die genaue Zahl der überlieferten Predigten kann nur als Schätzwert angegeben werden, da wiederholt mehrere Predigten unter einer Nummer zusammengefaßt sind bzw. Ziffern übersprungen oder doppelt verwendet werden.51 Insgesamt beträgt die Zahl mehr als 284. Am Ende des Anhangs fi ndet sich in beiden Bänden in roter Schrift (15. Jhdt., vermutlich aus der Feder Friedrichs von Amberg), die Notiz: Explicit prima pars sermonum Rusticani, Quos compilavit frater Bertholdus de Ratispona ordinis fratrum minorum.52 Die regelmäßige Schrift, eine gotische Kursive (Ende des 13. Jhdts.),53 ist bisweilen mit starken Abkürzungen geschrieben. Im Text fi nden sich von Zeit zu Zeit Lücken, die vermutlich Zitate anzeigen, die vom Rubrikator noch nachgetragen werden sollten. Die geringe Zahl der nachträglichen Korrekturen belegt deutlich die Sorgfalt, mit der die Handschrift konzipiert und geschrieben wurde.54 Neben den alphabetischen Ordnungszeichen (A-J rot, sonst schwarz), die sich immer wieder an den Rändern fi nden und auf die im Index verwiesen wird (Hand Friedrichs), fi nden sich manchmal rote Zahlen am Rand, die die Gliederung der Predigten hervorheben. Sonstige Randbemerkungen, Verweise oder Korrekturen sind selten.55
6.3. Die Predigten im einzelnen 6.3.1. Zur Sprache Schönbach bezeichnete das Latein der Freiburger Predigten als zwar „holprig“ und „ungrammatisch“, unterstrich aber gleichwohl, daß es sich dabei um eine höchst lebendige Sprache handle, die „klar [. . .] aus deutschem Denken hervorgeht“, der also die enge Verbindung zur gedanklichen Konzeption und zum Vortrag in der Volkssprache deutlich anzumerken sei.56 Dies allein scheint aber keine Besonderheit der Freiburger Texte zu sein, denn zu einer solchen Beurteilung gelangte auch schon Georg Jakob über das Latein der Rusticani-Predigten: „Berthold concipirt seine Predigt [. . .] fast immer für den unmittelbaren 50
Casutt, Beziehungen, S. 80. Jostes, Rezension, S. 361. 52 Vgl. Casutt, Beziehungen, S. 81. 53 Vgl. ebd. Er folgte in der Datierung ins Ende des 13. Jahrhunderts einem paläographischen Gutachten von Franz Steffens, vgl. S. 74, Anm. 1. Franz Jostes setzt sie ins 14. Jahrhundert, vgl. ebd., S. 360. 54 Jostes geht davon aus, daß die Handschrift vom Scriptuarius des Klosters korrigiert wurde, vgl. ebd. 55 Casutt, Beziehungen, S. 80. 56 Schönbach, Studien VII, S. 98. Vgl. Jostes, Rezension, S. 367: „Er (Berthold, A. C.) denkt ganz urdeutsch, auch da wo er lateinisch schreibt“. 51
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6. Edition
Vortrag; daher ist bei ihm die Sprache der Schule zugleich Sprache des Lebens, zwar lateinisch geschrieben, aber deutsch gedacht.“57 Allerdings erwecken Sprache und Wortwahl der Freiburger Predigten weitaus stärker den Eindruck eines lebendigen, ganz individuellen Redestils. Dabei steht das Bemühen um Eindringlichkeit und Verständlichkeit im Vordergrund. Die Sätze sind in der Regel relativ kurz, das Verb steht selten am Ende. Auffällig ist die Vermeidung von Infi nitivkonstruktionen, die durch den häufigen Einsatz des „quod“ umgangen werden. Die meisten Predigten scheinen von ihrem Sprachduktus her für den unmittelbaren Vortrag konzipiert, was durch den wiederkehrenden Einsatz mittelhochdeutscher Glossen deutlich wird. Diese sind immer dann eingefügt, wenn der lateinische Ausdruck das deutsche Wort nicht adäquat wiederzugeben vermag oder auf diese Weise die präzisere Wiedergabe eines Gedankens ermöglicht werden soll.58 Sie sind offenbar nicht vom Bearbeiter der Handschrift nachträglich eingefügt worden, d. h. sie müssen bereits in den Vorlagen der Handschrift vorhanden gewesen sein. 6.3.2. Adressaten, Intention, Funktion Ein besonderes Merkmal der Freiburger Texte bilden die ausführlichen textinternen Handlungsanweisungen. Diese Instruktionen, die als Hilfen zur Predigtgestaltung dienen sollen, differieren hinsichtlich ihrer Adressaten und ihrer Zielsetzung. Einerseits liegen indirekte Anweisungen vor, z. B. in Form von Ankündigungen des Predigers über die Gründe seiner Stoffauswahl oder die Art der folgenden Disposition: Sepe dico de moribus, hodie de fide dicere volo.59 Ideo aliqua dicere propono.60 Sie sind auf das jeweilige „Prediger-Ich“ bezogen und können vom Benutzer der Predigten in seinen eigenen Vortrag übernommen werden. Auf der anderen Seite fi nden sich direkte Hinweise, bei denen sich der Prediger an den Benutzer seiner Predigthandschrift wendet. Man könnte sagen, hier spricht Berthold als Lehrer zu seinen Mitbrüdern. Dabei erscheint das Signalwirkung evozierende „nota“ in den Texten durchgehend. Die weiteren Anweisungen zur Ausführung reichen von eher unbestimmten Instruktionen wie dic, expone, ita dic, breviter, nomina multas, sic dic, ut supra, dic multas, ita dic ad alia, primum dic, dic de utroque über Vorschläge zur Textgestaltung, deren Ausführung den Vorlieben des jeweiligen Benutzers / Predigers überlassen bleibt: Dic, si vis; Hoc, quod hic est, dic – si vis – cum loqueris de hereticis61 bis hin zu ganz konkreten 57
Jakob, Lateinische Reden, S. 120. Ein Beispiel unter vielen in Sermo 24, f.61v c: Unum, quod non scrutetur, gruepelst, quomodo hoc vel hoc possit esse. 59 Fb 117 I, Sermo 24, f.60r b. 60 Fb 117 I, Sermo 28, f.68v c. 61 Sermo 28, f.68r b. 58
6.3. Die Predigten im einzelnen
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Angaben: Dic, quomodo Salomon edifi cavit domum filie pharaonis; 62 Ita dic in fine ad iudeos et huiusmodi; 63 Dic tantum latine. Ita de omnibus virtuosis accipe64 oder Ermahnungen: Hec predicta non dic in predicatione.65 Gedacht war diese Handschrift vermutlich als Studienbuch für die Predigtausbildung der Ordensbrüder, denen offensichtlich nicht nur Musterpredigten in Form von Materialsammlungen geboten werden sollten, sondern darüber hinaus regelrechte Instruktionspredigten,66 die den individuellen Stil einer franziskanischen Predigt abbilden, wie sie von Berthold so erfolgreich gehalten wurde. Die eigenen Ordensbrüder sind somit als direkte Adressaten der gesamten Predigtsammlung anzunehmen.67 Die Adressaten der einzelnen Predigten hingegen divergieren. Im Fall von Sermo 24 dürfte es sich bei dem vorauszusetzenden Publikum in jedem Fall um Geistliche, speziell die eigenen Ordensbrüder, handeln. Dies wird einerseits deutlich aus der wiederholten Anrede fratres, andererseits aus Inhalt und Disposition der Predigt, die nur zu verstehen ist, wenn die Fülle der im Text nur angedeuteten Bibelzitate und Glossenkommentare vom Rezipienten (sowohl dem Benutzer der Handschrift als auch dem Zuhörer) gleichsam als Prä- oder Subtext gedanklich miteinbezogen wird.68 Ein solches gruppenspezifisches Spezialwissen ist bei einem Laienpublikum in keinem Fall anzunehmen. Zudem tritt in der Predigt eine joachimitisch geprägte, wohl ordenstypische AntichristTradition zutage,69 die bei Angehörigen anderer Orden möglicherweise wenig Anklang gefunden hätte. Bei Sermo 28 und 29 liegt der Fall anders; hier wird in weit geringerem Maße aus Zitaten geschöpft, vielmehr wird z. B. die Geschichte vom grünenden Stab Aarons aus Numeri 17 ausführlich nacherzählt bzw. wortwörtlich zitiert. Zwar existieren auch in diesen Predigten skizzenartige, z. T. schwer verständliche Textpassagen, jedoch fi nden sich ebenso, insbesondere in Sermo 29, vollständig ausgeführte, in einem ausgesprochen lebendigen Stil ausgestaltete Abschnitte, die als wörtlicher Vortrag denkbar sind. 6.3.3. Zusammenfassung Abschließend festzuhalten bleibt folgendes: Die Freiburger Handschrift stammt aus der oberdeutschen Minoritenprovinz und wird ins späte 13. Jahrhundert datiert, sie kann damit sowohl zeitlich als auch lokal in die Nähe der histori62 63 64 65 66 67 68 69
Sermo 24, f.59r b. Sermo 29, f.71r b. Sermo 29, f.71r a. Sermo 29, f.69v c. Vgl. Jostes, Rezension, S. 362. Vgl. ebd., S. 363. Vgl. dazu den Kommentar zu Sermo 24. Vgl. Schönbach, Studien IV,1, S. 4 f.
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schen Predigerpersönlichkeit Berthold von Regensburg gerückt werden. Sie enthält Predigten in verschiedenen Überlieferungs- und Bearbeitungsformen, von Predigtskizzen bzw. regelrechten Zitatensammlungen bis zu vollständig ausgearbeiteten Texten. Das Viaticum, das Handbuch Bertholds für seine Predigtreisen, wird die Handschrift vermutlich nicht gewesen sein. Zu diesem Zweck scheint der Codex zu unsystematisch aufgebaut und überdies zu umfangreich. Als Friedrich von Amberg ihn erwarb, mußte er den Codex für den praktischen Gebrauch erst erschließen. Die Vorlage der Handschrift bildeten vermutlich Predigttexte der unterschiedlichsten Überlieferungs- und Bearbeitungsstufen, die bereits vorher in kleineren Gruppen grob thematisch, vielleicht auch zeitlich geordnet waren. Die textinternen Handlungsanweisungen, die sich durchgehend in allen Predigten fi nden, müssen in diesen Vorlagen bereits vorhanden gewesen sein; sie sind nicht vom Schreiber der Handschrift nachträglich eingefügt worden. Über den Entstehungsprozeß der Vorlagen läßt sich abschließend kein gesichertes Urteil fällen. Inwieweit es sich um Predigtmitschriften, Predigtdiktate, eigene Predigtskizzen zur Vorbereitung oder einfache Zitatensammlungen aus Predigten anderer Autoren handelt, die von Berthold später redigiert wurden, ist nicht zu beantworten. Ziel scheint gewesen zu sein, alles nur denkbare Predigtmaterial Bertholds – oder zumindest was mit seinem Namen in Verbindung zu bringen war – in einer Sammlung zu vereinen. Aus diesem Grund ist die Anordnung der Texte auch nicht etwa am Verlauf des Kirchenjahres orientiert, sondern einzig an der Reihenfolge, in der sie in die Handschrift aufgenommen wurden, wie die fortlaufende Numerierung zeigt. Da die fast 300 Predigten der beiden Halbbände durchgehend von derselben Hand geschrieben wurden, ist anzunehmen, daß die Erstellung der Handschrift innerhalb eines relativ knappen Zeitraumes erfolgte. Der Codex wäre demnach als Hand- oder Instruktionsbuch für die Predigerausbildung in einer franziskanischen Studienanstalt gedacht. Der Unterschied zu den Rusticanus-Sammlungen besteht darin, daß es sich um eine vermutlich genuin für Minoritenkreise gedachte und konzipierte Sammlung handelt, die den individuellen Stil der franziskanischen (Berthold-)Predigt bewahrt, während es sich bei den Rusticani um standardisierte und anonymisierte Ausgaben für den homiletischen, auch ordensunabhängigen „Allgemeingebrauch“ handelte. Dies würde auch die schon von Krispin Moser gemachten Beobachtungen erklären, daß nämlich alle individuellen Merkmale, wie volkssprachliche Glossen, Redewendungen und Anweisungen in den Rusticani weitgehend getilgt wurden.70 Dafür spricht auch die handschriftliche Überlieferung: Von den annähernd vollständigen Rusticanus-Handschriften stammt – soweit die Provenienz bekannt ist – lediglich ein Codex aus einem Minoritenkloster, alle ande70
Vgl. Casutt, Beziehungen, S. 77.
6.4. Gestaltung der Edition
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ren befanden oder befi nden sich im Besitz von Klöstern der Zisterzienser (11 Hss.), Augustiner (7 Hss.) oder Benediktiner (6 Hss.).71 Hingegen lassen sich drei von vier Mischhandschriften, die Predigten aller Rusticanus-Sammlungen enthalten und zu denen der Freiburger Codex zu zählen ist, einem Franziskanerkonvent zuweisen. Allerdings muß eine Einschränkung gemacht werden: Die in den Text eingebetteten Instruktionen fi nden sich, soweit ich sehe, außer im Freiburger Codex in keiner anderen Mischhandschrift. Die Freiburger Handschrift 117 I / II besitzt im Kontext der lateinischen Berthold-Überlieferung verdientermaßen eine herausgehobene Stellung. Bevor eine Gesamtedition der lateinischen Predigten Bertholds von Regensburg in Angriff genommen werden kann, müßte zunächst diese Handschrift vollständig untersucht und ausgewertet werden. Vielleicht würde so deutlich, an welcher Stelle sie im Gefüge zwischen den Rusticani-Sammlungen und der deutschen Predigtüberlieferung tatsächlich anzusiedeln ist.
6.4. Gestaltung der Edition 6.4.1. Zur Auswahl der Texte Ediert werden die Predigten Nr. 24, 28 und 29 des Freiburger Codex 117 I.72 Als Beispiele für die inhaltliche und formale Flexibilität mittelalterlicher Predigttexte sowie für die unterschiedlichen Überlieferungs- und Bearbeitungsstufen von Berthold-Predigten werden zusätzlich zwei Sermones aus den Münchener Handschriften 8738 und 7961 präsentiert. Die Sermones des ersten Freiburger Bandes sind in einer Reihe von insgesamt 14 Predigten (Nr. 17–30; f. 50r a – 73v d) enthalten, die sich thematisch mit Irrlehren und Ketzerei befassen. Nach Durchsicht der betreffenden Texte wurde die Auswahl aus folgenden Gründen auf die genannten Predigten begrenzt: Die vollständige und in bezug auf die Ketzerthematik besonders ergiebige Predigt Nr. 17 steht bereits komplett im Internet zur Verfügung.73 Einige Predigten sind nur fragmentarisch überliefert (Sermo 18),74 manche erwiesen sich als reine Zitatensammlungen (19) 75 oder waren fast vollständig aus fremdem Predigtgut exzerpiert (30).76 Bei anderen bildet die Beschäftigung mit der Ketzerei nicht den thematischen Hauptschwerpunkt (20, 21, 23, 27) 77 oder sie scheiden aus, 71
Vgl. die Übersicht der Handschriften. Die Numerierung in der Edition folgt derjenigen der Handschrift. 73 Vgl. Kap. 1, Anm. 10. 74 f.52r b – 52v d. 75 f.52v d – 54v c. 76 Sermo 30 (f.73r a – 73v d) besteht fast gänzlich aus Exzerpten der Hohelied-Predigten Nr. 65 und 66 Bernhards von Clairvaux über die Katharer. 77 Nr. 20: f. 54v c – 55v d, Nr. 21: f. 55v d- 57v c, Nr. 23: f.58v d – 60r b, Nr. 27: f.66v d – 68r b. 72
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weil sie aufgrund von Textschäden nur schwer oder gar nicht leserlich sind (22). Die beiden zusammengehörenden Predigten Nr. 25 und 26 bieten thematisch reichhaltiges Material, können aber aufgrund ihres erheblichen Umfanges hier keine Berücksichtigung fi nden. Die drei präsentierten Freiburger Predigten belegen in mehrfacher Hinsicht die formale und inhaltliche Disparatheit der in der Handschrift vertretenen Texte. Sermo 24 ist nicht vollständig ausgeführt; einzelne Sinnabschnitte werden nur kurz angerissen, die Predigt bricht am Ende ab. Auffallend ist die reiche Verwendung von Bibelzitaten und Glossenkommentaren, die der Predigt strekkenweise den Charakter einer gelehrten Stoffzusammenfassung verleihen. Bei Sermo 28 und 29 handelt es sich um zwei durch Rückverweise eng miteinander verknüpfte Predigten, die sich dezidiert gegen den Unglauben von Heiden, Juden und Ketzern wenden. Sermo 29 entspricht dabei der Predigt Nr. 45 des Rusticanus de Communi.78 Auch diese beiden Predigten sind unvollständig und brechen am Schluß ab. Im Gegensatz zu Sermo 24 wirken sie weit weniger wie eine bloße Stoffsammlung, sondern erwecken in einigen Passagen durch die Unmittelbarkeit der Sprache und die Ausführlichkeit der Darstellung den Eindruck, den lebendigen Stil eines Predigtvortrages zu bewahren. Aus der ins 14. Jahrhundert datierten Münchener Handschrift 7961, die die Sammlung des Rusticanus de Communi überliefert, stammt der Sermo Sancti per fidem.79 Er trägt weder Numerierung noch Überschrift, entspricht aber inhaltlich der Predigt Nr. 45 dieser Rusticanus-Sammlung und Sermo 29 des Freiburger Codex. Anhand dieser Predigt lässt sich erstmals ein Sermo des Freiburger Codex mit der entsprechenden Version aus einer der „offi ziellen“ RusticanusSammlungen vergleichen. Die Predigt auf den 12. Sonntag nach Pfi ngsten (De septem sacramentis) aus der Münchener Mischhandschrift 8738 entspricht der Predigt Nr. 47 des Rusticanus de Dominicis. Sie stellt eine gekürzte Version dar; eine Langfassung aus dem Linzer Codex 325 fi ndet sich als Teilabdruck in den Studien Schönbachs.80 Im Hinblick auf ihre Konzeption und Strukturierung weist sie Ähnlichkeiten mit den Freiburger Predigten 17 und 26 81 auf, deren Disposition sich an einer Aufzählung orthodoxer bzw. ketzerischer Lehrgrundsätze orientiert, deren Gültigkeit bzw. Ungültigkeit jeweils ausführlich erläutert und mit Hilfe von Bibelzitaten belegt wird. 78
Vgl. die Übersicht bei Casutt, Beziehungen, S. 88. In der vermutlich ältesten Handschrift mit der vollständigen Sammlung des Rusticanus de Sanctis & de Communi, dem Leipziger Codex 497 (13./14. Jhdt.), ist diese Predigt nicht enthalten. 80 Schönbach, Studien III, S. 72–75. 81 Zu Sermo 26 (Cursum consummavi) vgl. Friedrich Wiegand, Eine Kreuzpredigt Bertholds. In: Geschichtliche Studien. Festschrift für Albert Hauck, Leipzig 1916, S. 177– 182. 79
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6.4.2. Orthographie Da es eine mittelalterliche Orthographie in modernem Sinne nicht gibt, ist jeder Editor gezwungen, seine eigenen Regeln aufzustellen. Dabei müssen zwei Punkte berücksichtigt werden: Einerseits darf die Singularität des präsentierten Textes nicht zugunsten einer künstlichen Uniformität überdeckt werden, andereseits muß die Lesefreundlichkeit des präsentierten Textes gewährleistet sein. Um beidem gerecht zu werden, plädiert Giles Constable 82 für folgendes Vorgehen hinsichtlich der Orthographie: Bewahrt werden sollten konsequente Schreibungen sowie bestimmte charakteristische Variationen. Standardisierung von Schreibungen empfiehlt sich, wenn diese nicht konsequent, aber mehrheitlich in der Handschrift vorkommen. Gemäß der durchgängigen Anwendung im Freiburger Codex 117 I (Fb) werden für diese Texte folgende Schreibungen beibehalten: e für ae (que, ecclesie, sepe etc.) i für j (eius, huiusmodi, abicite etc.) m für n (numquam, ubicumque etc.) Einzige Ausnahme bildet mendacia, das in der Handschrift durchgängig als mendatia erscheint. Nicht konsequent, aber in der Mehrzahl der Fälle entscheidet sich der Schreiber von Fb für folgende Schreibungen, die entsprechend vereinheitlicht werden: ch für c (pulchra) ch für h (nichil, adnichilare) t für c (simulatio, nuntii, tertium etc.) Die Entscheidung für das klassische t statt c erfolgte nicht zuletzt deshalb, weil in manchen Fällen nicht mit letzter Konsequenz entschieden werden konnte, um welchen Buchstaben es sich im Wortlaut der Handschrift tatsächlich handelt. Schwierigkeiten ergaben sich im Fall von Worten, die ausschließlich in abgekürzter Form existieren, wie z. B. potius und mihi. In diesem Fall wird für die Edition die klassische Schreibweise gewählt. Die offensichtliche Vorliebe des Schreibers für Hypergräzisierung bleibt als typische Eigenheit erhalten (dyabolus, ymaginem, Dyana etc.).
82 Giles Constable hat in der Einleitung zu seiner Edition der Briefe Petrus’ Venerabilis einige grundlegende Bemerkungen zum editionswissenschaftlichen Umgang mit mittelalterlichen Texten zusammengefaßt: The Letters of Peter the Venerable, ed. Giles Constable, 2 Vols., Cambridge/Mass. 1967; Vol. II, S. 84 f.
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6. Edition
6.4.3. Groß- und Kleinschreibung, Interpunktion Die Groß- und Kleinschreibung der Freiburger Handschrift folgt keinen festen Regeln. Zwar beginnen Sätze offenbar immer mit einem Großbuchstaben, Personen- und Ortsnamen erscheinen jedoch variierend groß- und kleingeschrieben (aaron, venus, dathan, Rabi Eleazar, Dyana); der Wechsel erfolgt auch innerhalb des Satzgefüges: honorabantur [. . .] bel in babylonia, Dathan, Meroth in chananea.83 Grundsätzlich kleingeschrieben werden, soweit ersichtlich, Nomina Sacra (christus, deus, dominus etc.). In allen edierten Texten werden ausschließlich Satzanfänge, Personen- und Ortsnamen (Christus, Grecia etc.), Bezeichnungen für die einzelnen häretische Gruppen (Arriani, Catari etc.) sowie die Titel der biblischen Bücher großgeschrieben. Die Freiburger Handschrift setzt tiefe bzw. mittelhohe Punkte unterschiedlos für Punkt, Komma und Doppelpunkt.84 Diese sind in der Edition modernen Kriterien entsprechend angepaßt. Ansonsten wird die Interpunktion der Handschrift weitgehend berücksichtigt, allerdings mit folgenden Einschränkungen: In manchen Fällen empfahl es sich, unübersichtlich lange Satzgefüge aus Gründen der Leserfreundlichkeit in zwei kürzere Sätze aufzuteilen. Relativ- und Konsekutivsätze werden vom Schreiber in der Mehrzahl der Fälle, aber nicht konsequent, durch Satzzeichen abgetrennt, so daß diese in der Edition ergänzt sind. Durch Komma abgetrennt wird ebenfalls die direkte Anrede an bestimmte Gruppen von fi ktiven Zuhörern (Sed, o domini christiani, [. . .] etc.). Dasselbe gilt für Parenthesen, die im Falle eines längeren gedanklichen Einschubs in Gedankenstriche gesetzt werden. Ebenfalls durch Gedankenstriche kenntlich gemacht werden die häufigen textinternen Gebrauchsanweisungen an die Predigerbrüder als Rezipienten der Handschrift. Dabei zeigt sich, wie tückisch die komplexe Schichtung der unterschiedlichen Adressatenebenen sein kann: Es ist nämlich z. T. kaum zu unterscheiden, wann eine Anweisung an den Primärrezipienten der Handschrift gerichtet ist (Dic, si vis etc.), wann der Sekundärrezipient, also der vorauszusetzende Hörer der Predigt angesprochen wird (Producatis fidem vestram etc.) und wann es sich um die Wendung an eine spezifische fi ktive Zuhörergruppe handelt, wie z. B. Heiden oder Juden (In quem credis? etc.). Orthographie und Interpunktion der beiden Predigten aus den Münchener Handschriften 7961 und 8738 orientieren sich weitgehend an derjenigen der jeweiligen Handschrift. Eine Ausnahme bildet die Groß- und Kleinschreibung, die den Regeln für die Freiburger Texte folgt. Damit alle lateinischen Predigten 83
Fb 117 I, Sermo 28, f.68v c Zur Interpunktion mittelalterlicher Texte vgl. Bernhard Bischoff, Paläographie des römischen Altertums und des abendländischen Mittelalters, 2. überarb. Aufl age, Berlin 1986, S. 224–229. 84
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formal annähernd einheitlich präsentiert werden können, gilt auch in den Münchener Texten folgende Schreibung: e für ae / t für c. Sonstiges Um die Lücken und Auslassungen des Schönbach-Abdrucks kenntlich zu machen, wurden die Ergänzungen aus der Handschrift fett gesetzt. Die Folio und Spaltenanganben entsprechen folgendem Schema: 2 Spalten recto = a und b; verso = c und d. Eingriffe des Editors werden in allen lateinischen Texten durch spitze Klammern kenntlich gemacht; meist handelt es sich dabei um inhaltliche Ergänzungen, die dem besseren Textverständnis dienen sollen. Fragezeichen in Klammern (im Text in spitzen, im Apparat in runden Klammern) zeigen eine Unsicherheit in der Transkription an. In eckigen Klammern steht der Wortlaut der Handschrift, sofern eine Abkürzung oder ein Zeichen nicht aufgelöst werden konnte. Im lateinischen und deutschen Text sind direkte Rede sowie direkte Zitate in Anführungszeichen gesetzt, Zitate in Zitaten / direkter Rede in einfache Anführungszeichen. Kursiv gesetzt sind die mittelhochdeutschen Glossen. Im lat. Text:
[. . .]
„. . .“ ‚. . .‘ fett kursiv
Eingriff des Editors (inhaltliche Ergänzung) Wortlaut der Handschrift Unsicherheit in der Transkription Zitat / direkte Rede direkte Rede / Zitat in direkter Rede / Zitat Auslassungen im Schönbach-Text mittelhochdeutsche Glossen
6.4.4. Apparat Der Apparat für die lateinischen Texte gliedert sich in drei Bereiche: 1. Lesarten, 2. Bibelzitate und 3. Sachkommentar. Der Wortlaut der Bibelzitate folgt dem Text der Vulgata.85 Zitate (Bibelverse, Glossenkommentare etc.) werden im Apparat ausgeführt, wenn dies zum besseren Verständnis des Predigttextes notwendig erscheint. In runde Klammern gesetzte Fragezeichen zeigen eine Unsicherheit in der Transkription an. Autorennamen und Werktitel sind kursiv gesetzt. 85 Biblia sacra iuxta vulgatam versionem adiuvantibus Bonifatius Fischer OSB et al. recensuit et brevi apparatu instruxit Robertus Weber OSB. Editio tertia emendata quam paravit Bonifatius Fischer OSB cum sociis H. I. Frede et al., Stuttgart 1983.
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Sigel der Textzeugen: Fb K M Sb
Codex 117 I, Freiburg i.Ue., Couvent des Cordeliers Clm 7961, BSB München (Rusticanus de Communi, Zisterzienserstift Kaisheim) Clm 8738, BSB München (Mischhandschrift, Franziskanerkloster München) Anton E. Schönbach, Studien zur Geschichte der altdeutschen Predigt, Teil III: Das Wirken Bertholds von Regensburg gegen die Ketzer, Wien 1904 (Neudruck Hildesheim 1968), S. 18–22 (Sermo 24); 29–45 (Sermo 28 und 29).
Abkürzungen: add. col. corr. f. inv. om.
addidit columna correxit folium invertit omisit
6.4.5. Erläuterungen zu den Freiburger Sermones 24, 28 und 29 Sermo 24 Die Predigt beginnt mit Marc. 13,33: „Seht euch vor, wacht und betet. Denn ihr wißt nicht, wann die Zeit da ist.“ Nach dem Prothema schließt die Ankündigung des Predigers an, über welches Thema er sprechen will: den Glauben. Es folgt die Disposition, welche die (drei) Anweisungen mit den vier letzten Dingen in Beziehung setzt: weltliche Versuchungen; Tod; Endzeit und Jüngstes Gericht. So wie der Mensch seine Burg bzw. sein Haus nicht erst befestigen darf, wenn es bereits von Feinden bestürmt wird, so muß er sich auch rechtzeitig vor diesen vier letzten Dingen verwahren, und dazu, so Berthold, hat Gott dem Menschen drei Mittel an die Hand gegeben, die mit eben den drei Worten des Schriftverses korrespondieren: Sich vorsehen, wachen und beten. Zur Einleitung des Hauptteils wird dann das Motiv der Burg wiederaufgenommen, indem – so die textinterne Anweisung an den Predigerbruder – die Geschichte aus 3 Reg. 7,8–11 vom Hausbau Salomos für die Tochter des Pharao erzählt werden soll. Wieder zieht der Prediger Vergleiche heran: die großen Steine des Hauses entsprechen der großen Liebe, die der Christ zu seinem Glauben empfi nden muß, ihre Länge bezieht sich auf die Ausdauer des Glaubens. Die zehn Ellen, die das Haus besitzt, bedeuten die zehn Fundamente des Glaubens, die wiederum auf zehn Arten erschüttert werden können, wie es Johannes
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in der Apokalypse schaute. Es folgt eine geraffte Erzählung von Apoc. 12 und 13, nach der die zehn Hörner des apokalyptischen Drachens mit den zehn Arten gleichgesetzt werden, durch die der Drache bzw. der Teufel den Christen ihren Glauben zu rauben sucht. Dieser bedient sich dazu der Ketzer, deren Missionsstrategien und Lehren Berthold nun im folgenden aufzählt, erläutert und anhand von illustrierenden Bibelzitaten zurückweist: Als ersten Punkt nennt Berthold die geschickte Rede der Ketzer, durch die sie ihre Zuhörer anlocken und verführen. Keinesfalls, warnt Berthold, darf der Christ ihren gefährlichen süßen Worten lauschen, wie er mit einem Zitat aus den Sprüchen Salomos (5,3) bekräftigt: „Denn die Lippen der Fremden sind süß von Honig, ihre Kehle ist glatt wie Öl.“ Der zweite Punkt betrifft den Anschein von Heiligkeit, den die Ketzer zu erwecken suchen. Wie vortreffl ich auch immer sie sich in ihrer Lebensweise geben, man darf ihnen nicht glauben! Berthold legt hier dem fi ktiven Ketzer ein raffi niert abgewandeltes Zitat aus Luc. 22,46 in den Mund: „Erhebt euch und betet! Wir sollen nicht wie die Schlemmer leben, das gilt auch für unsere Nahrung.“ Diese Äußerung spielt geschickt und in entlarvender Weise einerseits auf die asketische Lebensweise der Waldenser und Katharer an – bei Letzteren könnten insbesondere die spezifischen Ernährungsgewohnheiten, d. h. der Verzicht auf jeglichen Fleisch- oder Milchkonsum, gemeint sein – und demonstriert andererseits, daß sie in heuchlerischer Absicht die Bibel (natürlich falsch) auslegen. Drittens versuchen die Ketzer, bei den rechtgläubigen Christen Glaubenszweifel zu säen, indem sie den moralisch verdorbenen Lebenswandel mancher Priester und Gelehrten attackieren. Die von Katharern und Waldensern vertretene Ansicht, ein unwürdiger Priester könne andere nicht zum Heil führen, war für die Kirche äußerst heikel.86 Der Franziskaner kontert deshalb mit einer bemerkenswerten Relativierung: In der Welt sei nun einmal Reines und Unreines in gleicher Weise vorhanden. Was müsse es zudem den Gläubigen kümmern, wenn ihm der rechte Weg von jemandem gewiesen werde, der diesen Weg selbst nicht gehen wolle? Der vierte Punkt bezieht sich vermutlich auf theoretische finanzielle Vorteile, die die Hinwendung eines Gläubigen zu den Häretikern mit sich bringen konnte. Insbesondere die Katharer betonten das Eigentumsrecht und leugneten im Gegenzug die Existenz eines evangelischen Zinsverbotes.87 Die Furcht vor materiellen Einbußen bzw. Besitzverlust nennt Berthold entsprechend als ein Motiv für den Abfall vom rechten Glauben, wie das Bibelzitat aus 1 Tim. 6, 10 illustriert: „Die Wurzel allen Übels ist die Geldgier.“
86 87
Vgl. Schmitz-Valckenberg, Grundlehren, S. 252 ff. Ebd., S. 297 ff.
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Die fünfte Art, wie rechtgläubige Christen für die Ketzer gewonnen werden sollen, besteht im Wirken von falschen Wundern. So verwandeln die Ketzer – in Umkehrung der Wunder Christi – Wein in Wasser. Zu den „falschen“ Wundern zählt Berthold auch natürlich erklärbare Phänomene, die die Häretiker angeblich so auf bauschen, daß sie wie Wunder wirken. In den Ausführungen zu diesem Punkt fehlt ausnahmsweise das Bibelzitat. Auch die weiteren fünf Punkte sind nach dem oben dargelegten Schema aufgebaut. Im Anschluß an diese Aufzählung erfolgt eine inhaltliche Zäsur, indem der Prediger das zweite Thema (oder das Unterthema) seiner Predigt nennt: Über die menschliche Dummheit möchte Berthold sprechen, damit seine Zuhörern wissen, wie sie sich vorsehen können, auf daß es ihnen nicht ergehe wie den Ketzern. Die Torheit der Ketzer offenbart sich in dreierlei Weise: in ihren Sitten, ihren Verhaltens- und Lehrweisen und ihren Glaubensinhalten. Nachdem Berthold diese drei Punkte jeweils kurz behandelt hat, stellt er ihnen kontrastierend drei Verhaltensweisen gegenüber, die dem Menschen den Glauben unversehrt bewahren (hier wird der thematische Bogen zurück zum Beginn des Hauptteils geschlagen), bzw. deren Nichtbeachtung dazu führen kann, daß der Mensch seinen Glauben verliert. Diese sind: Zweifel an den Glaubenswahrheiten der Kirche, gläubiges Vertrauen in ungebildete Laien, das Begehen von Sünden. An dieser Stelle bricht die Predigt in der handschriftlichen Überlieferung ab. Es zeigt sich, daß der Sermo bis dahin durchgängig mit Hilfe eines Kompositionsgerüstes aus Zahlen strukturiert wird, das sowohl dem Prediger als auch den Rezipienten der Predigt – die eigenen Mitbrüder und die späteren Zuhörer – die Orientierung innerhalb des Predigttextes bzw. -vortrages erleichtert. Die vermittelten Glaubenswahrheiten lassen sich so wesentlich leichter einprägen. Auffällig an dieser Predigt ist, daß in ihr ganz offensichtlich mit zwei unterschiedlichen Verständnisebenen bzw. Informationsschichten gearbeitet wird. Wie bereits in Kapitel 5.3.2. gezeigt, sind die Angaben Bertholds über die Illusionskünste und Scheinwunder der Ketzer nur vor dem Hintergrund der entsprechenden Auslegungen in der Glossa ordinaria zu verstehen. Diese werden jedoch nicht explizit als Quelle genannt und zitiert, vielmehr muß der (mittelalterliche) Rezipient der Predigt in der Lage sein, deren vollständigen Wortlaut als Prä- oder Subtext gleichsam in Gedanken miteinzubeziehen. In derselben Weise verfährt Berthold mit den Bibelzitaten: Auch sie werden im Text der Predigt nicht vollständig ausgeführt. Die von Berthold angefügten Auslegungen der entsprechenden – im Text nicht eigens kenntlich gemachten – Zitate sind deshalb an manchen Stellen entweder nicht als solche zu erkennen oder aber in ihrem Sinngehalt unverständlich. Erst wenn der vollständige Verstext ergänzt wird, erschließt sich die Bedeutung. Ein Beispiel dafür bietet etwa folgender Abschnitt: Quartum cornu est timor amittendi res vel amissio, [. . .] – multi per hoc sunt victi. „Radix omnium malorum (est) cupiditas“. Breviter: Quicumque aliquid
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diligit iniuste, perforabitur.88 Der vollständige Bibelvers nach der Vulgata lautet: radix enim onium malorum est cupiditas quam quidam appetentes erraverunt a fide et inseruerunt se doloribus multis. Erst jetzt ergibt die verkürzte Auslegung zu 1 Tim. 6,10 einen Sinn: Wer materiellen Besitz unrechtmäßig hochachtet, wird (von Schmerzen) durchbohrt werden. Sermo 28 Die Predigt beginnt mit einem im Wortlaut der Handschrift nicht zweifelsfrei zu identifi zierenden Bibelzitat, vermutlich nach Hebr. 11,35 und 39: „Diese alle haben durch den Glauben Gottes Zeugnis empfangen, damit sie die Auferstehung, die besser ist, erlangten.“ Psychologisch geschickt wird sodann die Begründung für das gewählte Thema eingeleitet, indem der Prediger einen möglichen Einwand seiner Zuhörer vorweggnimmt, die sich ja fragen könnten: „Wir alle besitzen doch den wahren Glauben, warum also willst du über den Glauben predigen?“89 Berthold argumentiert ganz lebensweltlich: Es nutzt nichts, einen großen Schatz in seinem Besitz zu haben, wenn man ihn nicht auch bewahren kann. Ein solcher Schatz sei ständig in Gefahr entwendet zu werden, und so trachte auch der Teufel danach, den rechtgläubigen Christen ihren Schatz des Glaubens zu stehlen. Den Grund für das Ansinnen des Teufels deutet Berthold als schlichte Rachsucht, schließlich habe der Teufel Macht und Ansehen erst durch den christlichen Glauben eingebüßt. Zur Veranschaulichung wählt Berthold Beispiele alttestamentlicher und antiker Götter wie Bel, Astaroth und Venus. Diese genossen einst höchste Verehrung; erst der christliche Glaube habe die Menschen erkennen lassen, was diese Götzen wirklich sind: turpiores et viliores estis ranis.90 Daher müßten sich auch die Gläubigen unerschrocken zeigen und am Glauben festhalten. Dazu gehöre vor allem, nicht einmal zuzuhören, wenn jemand einen abweichenden Glauben predigt, denn schließlich liege allein schon im bloßen Willen, in der Neugier, ein Akt des Glaubenszweifels. Das eigentliche Thema der Predigt folgt im Anschluß: Berthold will über die „qualitative Überlegenheit“ des christlichen Glaubens sprechen. Wie bei einem Wettstreit hätten die verschiedenen Glaubensrichtungen darüber in Streit gelegen, wer der Überlegene, der Sieger sei. Berthold redet nicht etwa von Glaubensanhängern, sondern läßt den Irrglauben als Personifi kation selbst das Wort ergreifen: Quilibet error dicit: Sum vicinissimus, sum dilectissimus.91 Dann aber habe Gott selbst als höchster Schiedsrichter entschieden, welcher Glaube ihm am meisten gefalle – und welcher also der Sieger sei. Dazu verweist er auf den Streit 88 89 90 91
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der zwöf Stämme Israels aus Num. 17, woran Num. 17,1–5 und 17,7–10 nach dem Wortlaut der Vulgata gleichsam als Lesung angefügt wird. Aaron ging als Sieger aus dem Streit hervor, sichtbar erwiesen in seinem grünenden Stab, der blühte, Laub trieb und Mandeln hervorbrachte, während die Stäbe der anderen Stämme trocken und verdorrt blieben. Die zwöf Stämme versinnbildlichen laut Berthold das Menschengeschlecht in den zwöf Teilen der Welt. Entsprechend sind die Anführer der aufrührerischen Stämme, Korah und Dathan (und Abiron), mit den Juden, Heiden und Ketzern gleichzusetzen: Auch sie sind – in Anlehnung an die biblische Höllenfahrt von Dathan und Korah92 – der Verdammung gewiß, obwohl jeder von ihnen behaupte, den allein heilbringenden Glauben zu besitzen. Daß aber nur der christliche Glaube allein wahr ist, will Berthold anhand des grünenden Stabes Aarons in drei Schritten verdeutlichen, versinnbildlicht durch die schönen Blüten, das Laub und die Mandelfrüchte, die der Stab hervorbrachte. Die Blüten bedeuten, daß allein der christliche Glaube schöner und besser ist, was leicht zu beweisen sei. Berthold wendet sich mit einer rhetorischen Frage an die fi ktive Zuhörergruppe der Heiden: Domini pagani, quid creditis? Quem adoratis? 93 Um zu zeigen, daß die Heiden „lasterhafte Menschen“ als Götter anbeten, werden antike Götterlegenden nach Augustinus’ De Civitate Dei VI und VIII zitiert, wie etwa der, daß Saturn seine eigenen Kinder fraß und auch Hercules im Wahnsinn seine Söhne tötete. Als Kontrast dazu wird die demütige Haltung der Christen betont: „Wir“, ruft Berthold aus, „wollen zu Füßen unseres Gottes sein“ – estne hec pulchra et rationabilis fides? 94 Die fi ktive Gruppe der Heiden wird, anknüpfend an Num. 17,9, symbolisch aufgefordert, ihre trockenen Stäbe – id est fidem vestram – als sichtbaren Beweis vor sich niederzulegen. Damit ist der Bogen zum Beginn der Predigt geschlagen: Protulit ergo Moyses virgas sequenti die de conspectu domini ad cunctos filios Israel videruntque et receperunt singuli virgas suas.95 In derselben Weise wird mit der Gruppe der Juden verfahren: Item, o iudei, quam pulchra et rationabilis est fides vestra? Respondete, et quid creditis? 96 Es schließt sich eine Erörterung der jüdischen Glaubensfundamente an, wobei die jüdische Religion mit Hilfe von frei verwendeten Talmudzitaten ins Lächerliche gezogen wird. Einige Zitate, die die Sphäre der Sexualität berühren, waren wegen ihres anzüglichen Inhalts offensichtlich nur als Hintergrundwissen für die geistlichen Rezipienten gedacht: Hec predicta non dic in predicatione.97 Die Ansichten der Juden seien natürlich nur großer Unsinn, befi ndet Berthold und fordert die 92 93 94 95 96 97
Num. 16,33. f.69r a. f.69r b. f.68v d. f.69r b. f.69v c.
6.4. Gestaltung der Edition
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Juden zur Aufgabe ihres Glaubens auf; andernfalls sollen sie mit dem trockenen Stab (ihres falschen Glaubens) verbrannt werden. Noch schändlicher als die religiösen Überzeugungen von Heiden und Juden sei allerdings der Glaube der Ketzer, denn von diesen beteten viele den Teufel an. Wegen seiner Verdorbenheit verbergen sie ihn auch in der Dunkelheit und den Winkeln. Ein besonderes Kennzeichen des Ketzerglaubens ist nach Berthold seine fehlende innere Stabilität: Die „Urketzerei“ des Simon Magus sei von dessen Schülern in den nachfolgenden Ketzergenerationen jeweils nach ihren je eigenen Vorstellungen abgeändert worden, so daß aus dieser ersten Häresie nun 120 geworden seien. Auch der Vorwurf von Lüge, Meineid und Heuchelei fehlt nicht. Ein Glaube aber, der nicht auf Wahrheit gründe, falle so schnell in sich zusammen, wie er sich erhebe. Im Gegensatz dazu wird die stabilitas des christlichen Glaubens hervorgehoben: Sed fides ecclesie sancte econtra in eternum stat.98 Daher fordert Berthold von den fi ktiven Ketzern dasselbe wie schon zuvor von Heiden und Juden: Sie sollen ihr trockenes Holz, d. h. ihren „dürren und mißgestalten“ (aridam deformem fidem) Glauben, an sich nehmen, auf daß sie damit verbrannt werden. Allein am Glauben der (rechtgläubigen) Christen, die als vierte Gruppe vom Prediger ebenfalls direkt angesprochen werden, sei nichts Schändliches zu entdecken: Sed, o domini christiani, producatis fidem vestram – quam pulchra est! 99 In der Form einer Lobrede breitet Berthold vor den Augen und Ohren seiner Zuhörer die Schönheit der fides catholica aus und preist deren Reinheit und Makellosigkeit, die sich auch darin äußere, daß Christen niemals Meineide aus Angst schwören oder ihren Glauben verleugnen würden wie die Ketzer: Omnes probi christiani homines respondent pro fide sua veritate.100 Den zweiten Punkt, der durch das Laub am Stab Aarons bezeichnet wird, führt Berthold nicht aus: Secundum est, quod ( fides) omnibus aliis est latior etc.101 Als Drittes, bezeichnet durch die Mandeln (die Heilkraft für die Kranken besitzen, wie Berthold zu Beginn eigens betont) 102 , nennt Berthold die Heilkraft des christlichen Glaubens, die sichtbar in den Wunder der Heiligen bezeugt wird. Hingegen hätten die Heiden niemals Wunder vollbracht, die Juden in früheren Zeiten schon; seit diese aber den christlichen Glauben verleugnen, bewirken auch sie keine mehr. Dies gilt erst recht für die angeblichen Märtyrer der Ketzer. Nostra vero ( fides) sola ad vitam eternum (utilis est), so Berthold. Danach bricht die Predigt ab.
98
f.70r a. Ebd. 100 f.70r b. 101 Ebd. 102 f.69r a. 99
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6. Edition
Laurentius Casutt konnte diesen Sermo nicht zu einer der offi ziellen Rusticanus-Predigten in Beziehung setzen.103 So könnte er theoretisch unter das „Fremdgut“ fallen, das er unter den Predigten der Freiburger Handschrift vermutete. Eine Lösung des Problems ergibt sich, wenn man annimmt, daß es sich bei der Predigt Nr. 28 um eine inhaltliche Variante des biblischen Themas aus Num. 16 und 17 handelt. Die Predigt ist mit dem folgenden Sermo 29 (den Casutt als erweiterte Fassung der Predigt Nr. 45 aus dem Rusticanus de Communi identifi zierte) 104 eng verbunden, die thematisch ebenfalls an Num. 16 anknüpft. Zudem wird in Rückverweisen auf Abschnitte aus Sermo 28 verwiesen. Aus welchen Gründen sie nicht in eine der drei großen Sammlungen von lateinischen Berthold-Predigten Eingang fand, bleibt ungewiß. Sermo 29 Sermo 29 beginnt – wie Sermo 28 – mit einem Vers aus Hebr. 11 (33) und bildet eine inhaltliche Fortsetzung der vorhergehenden Predigt. Dies läßt sich unter anderem durch Rückverweise105 belegen, die Textabschnitte in Sermo 28 f. 70r a–b betreffen. Variiert wird das Thema aus Num 16 und 17: Wieder geht es um den Aufruhr der Gemeinde der Israeliten gegen Mose und Aaron. Zu Beginn der Predigt werden die drei ungehorsamen Anführer Dathan, Korah und Abiron als Sinnbild für die drei Arten von Ungläubigen genannt: Heiden, Juden und Ketzer. Ausdrücklich sagt Berthold, die zuletzt Genannten werde nicht nur das Höllenfeuer verbrennen, sondern das Feuer (des Scheiterhaufens) schon jetzt im Diesseits. Daran anschließend erfolgt an die Gläubigen die Mahnung zur Standhaftigkeit im Glauben. In einer textinternen Anweisung zeigt sich erneut der enge Zusammenhang mit Sermo 28: Hic breviter dic de virgis.106 Gemeint sind hier die Stäbe der unterlegenen Stämme der Gemeinde, die im Gegensatz zu Aarons Stab nicht gegrünt und geblüht haben; in Sermo 28 wurden sie sinnbildlich für den trockenen, dürren Unglauben von Heiden, Juden und Ketzern gebraucht. Ähnlich wie in der vorhergehenden Predigt warnt Berthold auch in Sermo 29 vor eventuellen Glaubenszweifeln, die vom Teufel bewirkt werden. Die Hinwendung zum jüdischen, heidnischen oder ketzerischen Glauben wäre laut Berthold im höchsten Maße unvernünftig, da nur der christliche, der kirchlich autorisierte Glaube – fides nostra sagt Berthold – die absolute Weisheit und Vollkommenheit darstelle. Nach dem bereits bewährten Muster wendet sich der Prediger nun an seine fi ktiven Kontrahenten. Im Gegensatz zu Sermo 28 spricht er hier allerdings 103 104 105 106
Vgl. die Übersicht bei Casutt, Beziehungen, S. 88. Ebd. f.73r a. f.70v d.
6.4. Gestaltung der Edition
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weit weniger zu ihnen als vielmehr über sie. Auch finden Legenden über antike Götter im Zusammenhang mit den Heiden (bzw. Sarazenen) keine Verwendung, stattdessen wird in Anlehnung an Sap. 13 und 15 die vorchristliche Götzenanbetung thematisiert. Doch Götter, deren Substanz aus Holz oder Filz besteht, die in Gestalt der Sonne oder als Tiere verehrt werden – wie sollen diese Götter, die ja selbst den Naturgesetzen unterliegen, dem Gläubigen ewiges Heil zuteil werden lassen? Ein solcher Glaube, so mahnt Berthold, ist nichts als Torheit. Der Abschnitt über die Religion der Juden ist in dieser Predigt gegenüber Sermo 28 erheblich ausgeweitet. Wieder wird ein fi ktiver jüdischer Glaubensgegner wie in einem Verhör befragt. Berthold hat dabei die Rolle des Inquisitors inne, der nicht nur die Glaubensirrtümer aufdecken will, sondern den Delinquenten – in einem gleichsam öffentlichen Akt – der Verachtung einer fi ktiven Öffentlichkeit preisgibt. Auffällig sind die vielen Talmudzitate, die Berthold in zusammenhangloser Aneinanderreihung dazu benutzt, die jüdische Religion als Ansammlung der skurrilsten und absurdesten Albernheiten zu diskreditieren. Die Verwendung von ursprünglich jüdischen Überlieferungen wie den Martyrien der Propheten Jesaja, Jeremia und Elias wird hier – wie wohl häufig innerhalb der Adversus-Judaeos-Literatur – ebenfalls in judenpolemischem Zusammenhang verwendet.107 Im Vergleich mit der Rusticanus-Version der Predigt aus der Münchener Handschrift 7961 zeigt sich in dieser Hinsicht – neben einigen kleineren inhaltlichen Abweichungen – ein grundsätzlicher Unterschied: Sämtliche Talmudzitate und polemischen Anspielungen sind dort vollständig getilgt. In ähnlicher Weise gilt dies auch für den Abschnitt über die Ketzer: Während Sermo 29 in großer Ausführlichkeit eine geradezu lebensnahe, unterrichtsähnliche Szene in der Art eines Dialoges zwischen einem Lehrer und seinem ungelehrigen, dummen Schüler präsentiert, beträgt der Umfang des entsprechenden Abschnitts aus Clm 7961 im Vergleich nur rund ein Viertel, der Dialog zwischen Berthold und dem fi ktiven Ketzer erstreckt sich lediglich über drei bis vier Zeilen. Sermo 29 scheint zumindest für den späteren Benutzer des Codex, wohl Friedrich von Amberg, von besonderem Interesse gewesen zu sein, wie sich an den Randglossen erkennen läßt. Eine Hand des 15. Jahrhunderts, vermutlich Friedrich selbst, hat die einzelnen Sinnabschnitte über die jeweiligen Gruppen der Ungläubigen, die Berthold behandelt, durch ein am Rand eingefügtes heretici, judei bzw. saraceni eigens markiert.
107
Vgl. Niesner, Adversus-Judaeos-Literatur, S. 417.
6.5.1. Sermo XXIIII „Videte, vigilate et orate, nescitis enim, quando tempus sit“. Hec verba dixit Dominus in ultima predicatione sua in populo, cum vellet finem dare predicationi sue. Voluit discipulos suos docere, quomodo in futuro, cum tribulatio veniret, habere se deberent. 5 Sepe dico de moribus, hodie de fide dicere volo. In hiis tribus verbis continetur totum, quod homo habet necesse nunc et in futuro tempore. Quatuor sunt terribiles res, que indigent premunitione. Si quis castrum suum primo tunc vult munire, cum est obsessum, tarde est. Unum est cottidiane temptationes carnis, mundi, dyaboli. 10 Secundum est mors, nam, cum undique circumvallat caput, pedes et cetera membra corporis doloribus, si tunc primo vult conteri, tarde est. Tertium est ultimum tempus, nam ut dicit dominus: „Erit tunc tribulatio etc.“ Hoc etiam indiget munitione, ut sciat homo, quomodo se tunc habere debeat. Quartum est iudicium. 15 Qui se ante non preparavit, tunc non habet ut fatue virgines, que non curaverunt se prius preparare. Propter hoc dicit dominus tria: „Videte, vigilate et orate“, quasi dicat vigili: „Vide, vigila, clama!“ Videte, o homines, per fidem, tenete fortiter fidem vestram! Omnes scientie sunt cece preter fidem christianam. Et si oculis 20 non video, tamen veraciter credere debeo, quia oculis exterioribus homo sepe decipitur, ut, cum videt avem, putat se videre etc., sed interiores oculi fidei numquam ‹decipiuntur›. Secundum quod dicit: „Vigilate“. Gregorius: „Vigilat, qui operatur, quod credit“. Tertium est „orate“, quia quantumcumque bene credit et operatur, indiget 25 tamen quilibet, ut deus parcat sibi neglegentias et huiusmodi et quod deus det proficere, non ut Pelagius. Epist. ad Romanos: „Ignorantes dei iustitiam etc.“ Si est malus, non potest dare, sed tamen debet poscere. Non debet claudere fenestram, sed debet deponere obicem. Si bonus, non potest proficere, non se potest conservare. 30 – Dic, quomodo Salomon edificavit domum filie pharaonis – Nota, quod ad regulam facti fuerunt lapi | des, quia quicquid homo credit, FbSb
1 Fb Incipit f.60r b
32 Fb f.60v c
32 ad regulam ] ad normam Vulgata 24 Vgl. Glossa ord. zu Luc. 12,37: Vigilat qui oculos apertos in vero lumine tenet, ut tenebras negligentiae evitet; qui etiam quod credidit operatur, qui sollicitus est in cura gregis sibi commissi 2 Videte – sit ] Marc. 13,33 14 Erit – etc. ] Matth. 24,21: erit enim tunc tribulatio magna qualis non fuit ab initio mundi usque modo neque fiet 16–17 fatue – preparare ] Matth. 25,1-13 18 quasi – vigili ] Vgl. Marc. 13,34 27–28 Ignorantes – etc. ] Rom. 10,3: ignorantes enim Dei iustitiam et suam quaerentes statuere iustitiae Dei non sunt subiecti 31 Dic – pharaonis ] 3 Reg. 7,8-12
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Sermo XXIIII
quod non est in sacra scriptura, vel non prodest vel est peccatum. Nota „intus“ et „extra“ ad lineam, quia intus et extra debet credere. Petrus intus credidit et dolatus bene fuit, sed extra non, et ideo negavit et ideo mortuus fuisset. Magni ‹fuerunt lapides›, quia quilibet debet habere magnam dilectionem ad fidem suam. Longi fuerunt per 5 perseverantiam fidei. Decem debet habere cubitos, quia decem stabilitates debet habere in fide sua, nam per decem impugnabitur, ut vidit Iohannes in Apocalypsi: Vidit draconem cum septem capitibus et decem cornibus; et vidit bestiam de mari ascendere, et habuit septem capita et decem cornua. Et dedit draco potestatem suam 10 omnem bestie et adoraverunt et iussit, ut adoraretur illa. Draco dyabolus septem capita habet, quia quilibet in morali habet caput dyabolum; bestia Antichristus ‹est›. Decem cornua sunt omnes principes mundi, quia nullus potest habere honorem tunc sine eo. Draco temptat, quomodo fidem auferat, per decem res: 15 Primum est chundigiu teidinch. Sic heretici habent verba, ut tibi nichil dulcius videatur. Sunt autem ut venenum verba sua, ideo quicumque est infamatus de fide, hunc fugite. Proverbia: „Labia meretricis“. Id est heretici favus. Primo docent orationes dulces, suzziu cheiserinne, post epistolas; decem verba, post evangelia. Quid dulcius? Et in hiis est venenum. Pungunt ut 20 basiliscus, quem nutrit bufo de ovo galli, et que videt, inficit; ita et verba eorum, et ideo fugite! Noli, si umquam contingat ire ad hereticum predicantem, cogitare: „Volo audire, quid dicat. Quid mihi nocet?“ Noli, fili, quia irretiunt cum multis sermonibus. FbSb 2 intus1 ] intrinsecus Vulgata | extra1 ] extrinsecus Vulgata 15 Draco ] diabolus Sb | quomodo ] est add. Sb 19 decem ] primum Sb 13–14 Vgl. die Berthold-Predigt Ecce positus est (Sch¨onbach, Studien IV,1, S. 12): item Apok. XIII: [… ] ‘habentem capita septem’, id est principes universos, ‘et cornua decem’, id est eos, per quos inpugnat decalogum. Vgl. die Auslegung der Glossa ord. zu Apoc. 12,3: Et cornua decem, etc. Id est regna et divitias quibus principes decalogum legis impugnant 16 Vgl. Ecce positus est (Sch¨onbach, Studien IV,1, S. 14): primus modus erit decipiendi per callidam persuasionem seu predicationem 19–20 Vgl. (Pseudo–)David von Augsb., De inquis. heret., cap. 13 u. 15: quod aliqua ewangelii verba vel epistolarum sciunt corde vulgariter recitare [… ]; Puellas parvulas docent verba ewangelii et epistolas. Stephan von Bourb., De div. mat. praed. (QGW, S. 48): dicunt se scire oraciones optimas, et habent verba deprecatoria pulcra, que primo dicunt et docent, deinde evangelia in vulgari 20–21 Vgl. Thomas Cantimp., De natura rer., lib. V, cap. 58,14: Gallus senescens in etate decrepita facit ovum ex se, unde basiliscus procreatur 21 Vgl. Vincent. Bellovac., Speculum nat., lib. XX, cap. 23 (Douai I, Sp. 1474 B): Basiliscus hominem si primo viderit, solo visu eum interficit, quia radii oculorum eius spiritum hominis visibile corrumpunt. Vgl. Thomas Cantimp., De natura rer., lib. VIII, cap. 4,6; 4,10-14 3–4 Petrus – fuisset ] Vgl. Matth. 26,69ff.; Marc. 14,66ff.; Luc. 22,54ff.; Ioh. 18,15ff. 6 Decem – cubitos ] 3 Reg. 7,10 8–11 Vidit – illa ] Vgl. Apoc. 12,3 u. 13,1-4 18 Labia meretricis ] Prov. 5,3: favus enim stillans labia meretricis et nitidus oleo guttur eius
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Secundum est simulatio sanctitatis, in qua multos decipit. Vidi quemdam, qui ita est factus hereticus. Nam cum de nocte surrexit, dixit hospes: „Surgite et orate! Non debemus vivere ut glutones, sic in cibo.“ Post vitam placuit doctrina. Dulcia verba, post heresis. Ostendunt se, quasi sint angeli sancti, tunc dicere possunt: „Hinc fratres, illinc predicatores, sorores, religiosi: Isti sunt sancti homines!“ | 5 Noli, quantumcumque vita pulchra sit. Si est aliqua fides in aliquantulo, non credas. Matthei: „Attendite a falsis prophetis, qui veniunt ad vos in vestimentis ovium“ – non lane, sed morum et suavitate exteriori – „intrinsecus autem sunt lupi rapaces, a fructibus eorum cognoscetis eos in inferno“. 10 Tertium est mala vita doctorum vel aliorum fidelium. Hoc proponunt ita: „Libenter comedunt, vadunt libenter ad homines, diligunt honores, sunt impatientes et dicunt quedam, que scitis, quedam, que non“, et plura. Et ita utrumque creditis, et verum malum de doctoribus et falsum. Sic de plebanis: „Ecce, quomodo fornicatur! Non precipit ita deus.“ Noli, fili! Nam dicit deus: 15 „Supra caput volant etc.“ Sunt tamen nuntii domini sacerdotes, possunt dare, quod mittitur. Si vides unum malum, vides iuxta unum bonum in plebanis, in religiosis. Oportet hic esse mixta. Et ignobiliora sunt plura hic nobilioribus, sed in celo totum purum. Si quis ostendit tibi rectam viam, si ipse non vult ire, quid 20 tibi nocet? Nec tardius venis ad hospitium. Quartum cornu est timor amittendi res vel amissio, quia potius quam amittant res, potius adherent errori, et etiam gloria et res, quas dabit etiam iam ante eum – multi per hoc sunt victi. „Radix omnium malorum ‹est› cupiditas“. Breviter: Quicumque aliquid diligit iniuste, perforabitur. Nam quando dabit mercatoribus pacem ‹et› honorem, si portarent aurum in capite? 25 Quicumque tunc plures res diligit, cadet, quia accipit ad hoc, quod diligit. Nam habebit occultas divitias et etiam potest facere falsas per alchimiam vel illudere oculos. Quintum est, quod facient multa mirabilia falsa et naturalia ita, magna ut videantur. Mutant vinum in aquam, quia ita sunt astuti, quod auferunt saporem 30 homini. Que facit, videntur mirabilia, quia rara, quia facit infirmum, vel si 5 Fb f.60v d 2 est factus ] inv. Sb 4 heresis ] heresim Fb 6 est ] enim Sb 30 auferunt ] auferent Fb 3 Vgl. Pass. Anonym. (QGW, S. 74): Casti eciam sunt maxime Leoniste. Temperati sunt in cibo et potu 29–30 Vgl. Ecce positus est (Sch¨onbach, Studien IV,1, S. 14): secundus modus decipiendi erit per miraculorum multitudinem
FbSb
2 Surgite – orate ] Luc. 22,46 7–10 Attendite – inferno ] Matth. 7,15-16: Adtendite a falsis prophetis qui veniunt ad vos in vestimentis ovium intrinsecus autem sunt lupi rapaces / a fructibus eorum cognoscetis eos 16 Supra – etc. ] Bar. 6,21f.: supra corpus eorum et supra caput volant noctuae et hirundines et aves etiam similiter et cattae / unde scietis quia non sunt dii ne ergo timueritis eos 23–24 Radix – cupiditas ] 1 Tim. 6,10: radix enim omnium malorum est cupiditas quam quidam appetentes erraverunt a fide et inseruerunt se doloribus multis
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suscitat. Item predicit futura, de quibus accepit conscientiam vel conicit et huiusmodi. Item statua eius loquitur et prophetat et dicit: „Si non vis credere mihi, cum exis, continget tibi hoc.“ Quid erit, cum ego sto in pulpito et ille in aere? Cum pluit mihi, et illi non? Quia dyaboli superportant. Predicit, ut, cum | pono ollam ad ignem – huiusmodi nimia faciunt – ignem de celo. Et dyabolus 5 intrat in eum, et ille dyabolus scit quatuor vel decem linguas, et sic variis loquitur linguis. Item, quod videas hereticos in celo et econtra. Et cum venis ad statuam, tunc dicet tibi: „Modo vide, quid dixerit tibi frater Bertholdus‹?›!“ Cum hoc cornu multos vincit. Tribulat etiam occulte suggerendo heresim, ut nunc multi. Nam cum videt, quod nullus potest predicare, vel per mirabilia vel per mortem 10 mittit in sompno, quod tibi videtur, quod ego veniam vel mater, ut sic credas. Sextum est, quia multitudo. Cogitat homo: „Quomodo potest esse, quod deus permittit omnes perire?“ Si esset una terra, aliquid esset. Modo totus mundus, omnes fideles in hoc convenerunt – et tunc mirabilia ad hoc iuvant. Septimum cornu valde est crudele. Quod tunc non tantum laici, 15 simplices, mali, sed etiam qui videntur valde boni et sapientes, posset aliquis cadere, de quo plus turbaretur fides tua quam mille alii. Iob: „Sub ipso sunt radii solis“. Apokalypsis: „Stelle cadent“. Si cadent aliqui, fratres, non turbemini. Cogitat: „Modo inveni melius quam ante.“ Octavum erit crudele. Hoc est cornu, coram quo nullus potest 20 subsistere, nisi clerici a deo et contriti et qui tamen salvarentur. Quid est? Hoc est crudele martyrium. Immo posset ante contingere in hereticis, ut prius ab eis sub Constantino multos occiderunt. Numquam fuit inventa tanta tribulatio, nam dyabolus solvetur, ut dicit Iohannes, post mille annos. Non dicit „ad“ mille, sed „post“. 25 Scit, ubi plus dolet homo et de quo diu vivat, et tamen cruciet nimium FbSb
5 Fb f.61r a
1 Item ] Ita Sb | conscientiam ] licentiam Fb 5 dyabolus ] diabolos Sb 8 Bertholdus ] B’ Fb 12 est ] cornu Sb 13 permittit ] permittat Fb | totus ] solus Sb 2 Glossa ord. zu Apoc. 13,15: Ut loquatur imago. Hic magica arte faciet statuam loqui et futura praedicere 4 Vgl. Glossa ord. zu Apoc. 13,3: Et plaga mortis ejus curata est. Arte magica ascendet in aera, ferentibus eum daemonibus 6–7 Vgl. Glossa ord. zu Apoc. 13,13: Ignem, id est malignum spiritum super suos faciet descendere, ut loquantur variis linguis 11 Vgl. Petrus Lomb. zu 2 Thess. 2,9 (PL 192, Sp. 320 D): Quia per magicam artem, non veram, faciet illa, et per phantasiam deludet homines, sicut Simon Magus 4–5 Predicit – celo ] Vgl. Apoc. 13,13: et fecit signa magna ut etiam ignem faceret de caelo descendere in terram in conspectu hominum 17–18 Sub – solis ] Iob 41,21: sub ipso erunt radii solis sternet sibi quasi lutum 18 Stelle cadent ] Apoc. 6,13: et stellae caeli ceciderunt super terram sicut ficus mittit grossos suos cum vento magno movetur. Vgl. Matth. 24,29: statim autem post tribulationem dierum illorum sol obscurabitur et luna non dabit lumen suum et stellae cadent de caelo et virtutes caelorum commovebuntur 24–25 nam – annos ] Apoc. 20,3; 20,7
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vel intus. Item, cum sit quasi mortuus, facit sanum per medicinas et incipit a novo et tunc dat signum, quod: „Qui non habet etc.“ Nonum est timor amittendi res vel amissio rerum, quia potius quam amittant res, potius adherent errori. Decimum est quod diu durat. Nam cum stetisti per mensem, cogitas: 5 „Cito habet finem, ad secundum mensem sic etc.“ Usque ad tres annos et dimidium, et tamen dicitur brevis, quia uni homini satis est, si ita | duravit fere per trecentos annos. Et multum torquetur de tribulatione, quam videt in aliis et cum sibi timet. Tenete ergo fidem et opera, quia deus non dignatur quibusdam. Dimittere fidem 10 pro malis operibus crudelius erit in visu quam in auditu, et omnes, qui sunt malorum operum, erunt male fidei. Quod maxime predicare volo, est de stultitia, ut sciatis, quomodo cavere debeatis, ne vobis contingat ut stultis hereticis. Tria dicere volo, qui sunt mores eorum, et quomodo veniant et doceant, tertio quam stulta credunt. Multa 15 sunt genera, plura quam ducenti. Et qualiter tot? Quia, ut dicit Augustinus, eis est, ut qui in via vel in silva errant. Quilibet illorum dicit alteri: „Tu erras.“ Alius dicit: „Tu.“ Primum, sunt plus decepti homines, ‹quam› qui umquam fuerunt. Dicunt se esse ecclesiam! Si sunt ecclesia, quare ergo non procedunt ad lumen ut apostoli, 20 qui ubique omnes publice predicaverunt? Mirum, si ante mille ducentos annos publice predicaverunt apostoli, ubi postea latuerunt? In hoc potes videre manifeste te esse deceptum. Iam sunt mille ducenti anni, quod publicissime est predicata ‹fides catholica›; quomodo vel quando est occultata? Secundo, sunt etiam maximi derisores et inversores qui sunt, hoc est summum vitium. 25 Sunt ut phariseus, qui se solum iactavit bonum, cum etiam peior esset publicano. Sic ipsi derident sanctam ecclesiam et instituta ecclesie ut symee, que omnia derident. Tertio sunt summi ypocrite. Omnia opera sua faciunt, ut a suis sancti reputentur. Ubicumque unum dicunt, ibi querite aliud contra puram veritatem Christi. Ubi 30 umquam apostoli intraverunt phana et adoraverunt? Hec ipsi omnia pro simulatione adorant, offerunt et huiusmodi, cum adhuc fidem non habeant. Miser, si est bonum, quod facis, cur aliud simulas? Si malum, cur non facis ut nos? FbSb
8 Fb f.61r b 3 est ] cornu Sb 5 est ] cornu Sb 15 tertio ] om. Sb 21 predicaverunt ] predicaverant Sb 22 latuerunt ] latum Fb 26 Vgl. (Pseudo–)David von Augsb., De inquis. heret., cap. 13 2 Qui – etc. ] Matth. 13,12: Qui enim habet dabitur ei et abundabit qui autem non habet et quod habet auferetur ab eo 16–17 Quia – errant ] Vgl. Augustinus, Sermo 141, 4: De verbis ev. Iohannis (PL 38, Sp. 776-778): Quanto plus currunt, plus errant; quia a via recedunt 26–27 Sunt – publicano ] Luc. 18,9-14
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Secundo, videndum, quomodo veniant et doceant. Conveniunt in aliquam civitatem et furantur nobis scripturam, et mittunt hinc inde, et ille dat duodecim denarios, ille sex, ille libram, et ita vocat amicum suum, dicens: „Tu semper libenter audivisti bona, ecce, venit sanctus homo!“ Stulti! Unde hoc sciunt, cum numquam illum ante vidissent, ut | pro eius verbis firmentur in 5 heresi? „Si vis, veni et audi optima!“ Et ita conveniunt multi. Et si quis tunc haberet spiritum Dei, exploraret et comprehenderet. Et veniunt in una veste et recedunt quandoque in alia, ne agnoscantur. Primo dicunt bona verba aliqua vera; nam si falsa, tunc agnoscerentur et caverentur. Postquam tunc creditur eis, tunc dicunt: „Velles, docerem te, unde semper esses beatus.“ Tunc primo 10 incipiunt: „Sacerdos tuus nescit te docere, ita et ita invenit.“ Miser! Sepe indicat mihi homo viam, cum ipse vadit contrarium. Et docent aliquam orationem, et post aliqua dicta de Paulo vel: „In principio“, et huiusmodi, que homo libenter discit. Postquam tunc habent corda, tunc aliquam veritatem, in qua est heresis. Et hoc totum in occulto, cum dicat dominus, quod lumen non debet abscondi. 15 Tunc detrahunt clero. Miseri, si Lucifer malus fuit, quid ad Michahelem? Immo tanto laudabilior et ita et Petrus et Iohannes, quod Iudas malus. Postquam tunc induxerant, quod clerici sunt widerzaem, tunc docent, quod volunt; ex quo eis creditur et clericis non. Et postea predicant hereses, et tunc homo vix de cetero convertitur, ut cum fundamentum castri est destructum; nescio me vidisse unum 20 conversum. Et ita docent, quod alius eiusdem erroris contradicit, et ita non est eis credendum. Cogitatis: „Libenter vellem audire hereticum.“ Si tunc veritatem diceret, nos omnes credimus. Item credunt multas stultitias. Tria sunt, que homini fidem conservant semper illesam, etiam si mundus volvetur. Nam per tria perdit 25 eam, quicumque perdit. Unum, quod non scrutetur, gruepelst, quomodo hoc vel hoc possit esse. Psalmus: „Defecerunt scrutantes scrutinio“. Debes credere, quod ita sit, non scrutari, quomodo; quod pater et filius et spiritus sanctus ‹sunt› unus deus, non quomodo; quod de virgine natus ‹est›, non FbSb
5 Fb f.61v c 3 suum ] suam Sb 11 invenit ] videtur Sb 14 corda ] cordis Fb 17 tanto ] tanti Sb | et1 ] om. Sb | quod ] quoniam Sb 19 vix – cetero ] inv. Sb 26 Unum ] primum Sb 28 quod2 ] om. Sb 7–8 Vgl. Stephan von Bourb., De div. mat. praed. (QGW, S. 17): heretici [… ] speciem sanctitatis et fidei pretendentes [… ] se sub diversis hominum habitibus et artificiis transfigurantes. Aliquando quidam [… ] secum ferebat multorum artificiorum indicia, in que quasi Proteus se transfigurabat: si quereretur in una similitudine et ei innotesceret, in alia se transmutabat. Vgl. (Pseudo–)David von Augsb., De inquis. heret., cap. 8: Vadunt autem in diversis habitibus vestium isti circatores, ne agnoscantur 15 dicat – abscondi ] Nach Matth. 5,51f.: neque accendunt lucernam et ponunt eam sub modio, sed super candelabrum, ut luceat omnibus, qui in domo sunt. sic luceat lux vestra coram hominibus. Vgl. Marc. 4,21f.; Luc. 8,16; 11,33 27 Defecerunt – scrutinio ] Ps. 63,7: scrutati sunt iniquitates defecerunt scrutantes scrutinio accedet homo et cor altum
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quomodo; quod malus sacerdos potest ligare, solvere, celebrare, non quomodo; quod corpus Christi sit sub parva hostia, non quomodo: ipse scit, quomodo. Vis durhgrunden secreta dei sensu tuo, cum nec illa, que cottidie vides oculis; et cum quibus circuis, | et cum nec te. Unde credis, sancto Elie misit angelum dominus etc.? Pondera ignem! Mensura ventum! Revoca diem 5 heri! Et cum nec que in te. Psalmus: „Mirabilis facta est etc.“ Quot habes venas, guttas sanguinis, quomodo potest anima tua ubique esse, hic tota et hic tota, ita et corpus Christi noli ‹scrutari›. Proverbia: „Sicut qui mel comedit multum“. Epistula ad Romanos: „Non plus sapere“. Et ideo facti sunt heretici multi, cum cogitaverunt nec sensu perscrutari 10 poterant, cogitaverunt ita non esse. Ita invenit Manes heresim suam ille illam. Crede simpliciter, qui omnia ex nichilo potuit, potest et alia facere, que non possit perscrutari. Secundo fiunt heretici, qui credunt de fide, quibus non est credendum de illa, et econtra. Debeo textori credere de hoc, non de fide, calcifici et huiusmodi. Et ideo digne fuerunt 15 heretici tales, id est Petrus 2: „Custodite vos ipsos ne insipientium errore transducti excidatis a propria firmitate“. Venit servus vel ancilla vel vir vel mulier, trugner vel trugnerinne, que nescit legere litteram unam, sed tantum dicit aliqua verba, ut exemplo spel, et pro illius doctrina dimittis christianam fidem predecessorum tuorum. Nescis, quis sit. Conqueritur dominus in Jeremie: 20 „Transite etc.“ Nec mirabilia coram te fecit, nec mortuum suscitavit, et ita cito dimisisti pro doctrina anguli unius trugnerii. Quid fecisses, si Antichristus venisset cum gladio, cum miraculis, ubi tam cito sic. Ecce rex Tartarorum etc. Rogo, non eos audite, sed iudicio sprituali tradite, nec tam gloriosam, tam nobilem fidem abicite, etiam si angelus veniret. Epistula ad Galatas: „Si 25 angelus etc.“ Matthei 4: „Videte, ne quis vos seducat, multi enim venient in nomine meo dicentes, quod ego sum“ – qui scilicet habet 4 Fb f.61v d 1–2 malus – hostia ] inv. Sb 3 durhgrunden ] durhgruden Fb 6 que ] om. Sb | Quot ] quod Fb 11–12 suam ille ] vel scilicet primae Fb ( ie) 14 illa ] aliqua Sb | et ] est Sb 23 gladio ] gloria Sb 24 audite ] audire Sb
FbSb
4–5 sancto – etc. ] 4 Reg. 1,15 5–6 Pondera – heri ] 4 Esr. 4,5: Et dixi: Loquere, domine meus. Et dixit ad me: Vade, pondera mihi ignis pondus, aut mensura mihi flatum venti, aut revoca mihi diem quae praeteriit 6 Mirabilis – etc. ] Ps. 138,6: mirabilis facta est scientia tua ex me confortata est non potero ad eam 8–9 Sicut – multum ] Prov. 25,27: sicut qui mel multum comedit non est ei bonum sic qui scrutator est maiestatis opprimitur gloria 9 Non – sapere ] Rom. 12,3: dico enim per gratiam quae data est mihi omnibus qui sunt inter vos non plus sapere quam oportet sapere sed sapere ad sobrietatem unicuique sicut Deus divisit mensuram fidei 16–17 Custodite – firmitate ] 2 Petr. 3,17: vos igitur fratres praescientes custodite ne insipientium errore transducti excidatis a propria firmitate 21 Transite – etc. ] Ier. 2,10f.: transite ad insulas Cetthim et videte et in Cedar mittite et considerate vehementer et videte si factum est huiuscemodi / si mutavit gens deos et certe ipsi non sunt dii 25–26 Si – etc. ] Gal. 1,8: sed licet nos aut angelus de caelo evangelizet vobis praeterquam quod evangelizavimus vobis anathema sit 7,26–8,1 Videte – multos ] Matth. 24,4f.
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illam fidem – „et seducent multos“. „Si veniunt in penetrabilibus, si in deserto, ubi necessario est, nolite credere, sed sicut fulgur exit ab oriente et paret in occidente, ita erit adventus filii hominis“. Hoc est, ita debet fides eius predicari. Alia possunt disci in angulis, ut facere calcios et huiusmodi. Fides propter sui sanctitatem, gloriam et nobilitatem tantum in 5 sole, quia est gloriosior quam sol. Tertio, cum quidam nimis peccant hic. Quidam merentur etc.
FbSb 1–3 Si – hominis ] Matth. 24,26f.: si ergo dixerint vobis ecce in deserto est nolite exire ecce in penetrabilibus nolite credere sicut enim fulgur exit ab oriente et paret usque in occidente ita erit et adventus Filii hominis
6.5.2. Sermo XXVIII „Et hii omnes testimonio fidei probati, ut meliorem invenirent resurrectionem“. Potest quis cogitare: „Fidem veram omnes habemus, cur ergo nobis de fide predicare intendis?“ Sed sicut sapiens huius mundi vult lucrari, que non habet 5 – ut dicetur infra – debet servare, que habet, aliter ita periret in rebus, ac si nichil lucraretur. Ovidius: „non minor est virtus, quam querere, parta tueri“. Sic facere debet christianus. Cum enim maximum habetis thesaurum, a deo vobis in baptismo collatum, videlicet veram fidem, quam primo in baptismo dedit, quam pre omnibus deus diligit et eam pre 10 omnibus virtutibus odiunt dyaboli, immo pre omnibus insidiantur, ut sciatis, quam nobilis sit. Aliqua de hac dicere propono. Fortiter igitur et sollicite illam custodite ut summum thesaurum pre omnibus thesauris mundi! Licet magnus sit thesaurus castitatis, thesaurus tamen ille multo maior. – Ita dic de aliis virtutibus. Nomina multas 15 – Immo illa sola prevalet omnibus. Ideo ut dixi, quia dyabolus maxime querit illam homini auferre per se et per suos multiplici ratione. Quarum omnium causa brevitatis unam tantum tangam, que est, quod omnem honorem suum, qui maximus fuit quasi per totum mundum, per illam dyaboli amiserunt. Nam prius quam 20 fides nostra predi | caretur, summe honorabantur, ille ibi, ille ibi, ut Bel in Babylonia, Dathan, Meroth in Chananea Iudicum V e, Melchon sive Moloch, quod idem est, in Amon I Paralipomenon XX a, Asima in Ethnath IIII Regum XVII e, Dagon in Accaron I Regum, Astaroth in Sydonia IIII Regum XXIII et in Bawaria, Venus 25 in Grecia et in Augusta Suevie, Dyana in Epheso, et sic hinc inde. Sed modo pro vilissimis, que sunt, habentur. Ex fide enim viliores habeo vos dyabolos modo quam ranas; turpiores et viliores estis ranis. Una rana plus valet centum ex vobis, una aranea serpens; et hoc totum per fidem, quam primo deus nobis dedit in baptismo, 30 FbSb
1 Fb Incipit f.68r b
21 Fb f. 68v c
6 que ] quod Sb 7 Ovid, Ars amatoria 2,13 Studien II, S. 10ff.
25 Vgl. Sch¨onbach, Studien II, S. 8ff.
25–26 Vgl. Sch¨onbach,
2–3 Et – resurrectionem ] Vgl. Hebr. 11,39: et hii omnes testimonio fidei probati non acceperunt repromissionem. 11,35: acceperunt mulieres de resurrectione mortuos suos alii autem distenti sunt non suscipientes redemptionem ut meliorem invenirent resurrectionem 5 Sed – lucrari ] Matth. 16,26f. 22 Bel – Babylonia ] Dan. 14,2 | Dathan ] Num. 16,1 | Meroth – e ] Iud. 5,23 23–24 Melchon – a ] 1 Paral. 20,1-3 24 Asima – e ] 4 Reg. 17,30 24–25 Dagon – Regum ] 1 Reg. 5,10 25 Astaroth – XXIII ] 4 Reg. 23,13
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ideo multum ei inimicantur et per se et per suos auferre conantur. Unde fortiter hanc tenete, certissime scientes, quod hec sola vera est fides, quam ipse deus approbavit, quod hanc pre omnibus diligit, ut igitur et vos fideles hanc magis diligatis et in ipsa stabiliores et fortiores sitis. Et ut magis contempnatis audire, si quis in aliam 5 inducere vos attemptaverit, ne auditum ei prebeatis, cum hoc ipsum velle audire, si magis placeat, sit in fide hesitare et debilem esse. Ideo aliqua dicere propono, in quibus fides ecclesie precedit omnem fidem aliorum vel potius errorem. Quilibet error dicit: „Sum vicinissimus, sum dilectissimus. Si vis beatus esse, habe fidem 10 meam, aliter salvari non poteris.“ Sed dominus hanc controversiam et pugnam sive litem terminavit, sive divisit, et ostendit in fide ecclesie, quam fidem plus diligat, et que gens ei magis placeat. Et lis talis et determinatio huius litis designata est ab ipso domino pulchra figura in Numeri XVII, ubi legitur, quod, cum duodecim 15 tribus litigarent, que digna esset ministrare domino in tabernaculo federis, dicebat enim quelibet, quod se dignam reputaret et magis deo placeret quam altera. Dominus litem conpescuit et ostendit per se, quam ipse elegit ex omnibus et quomodo alias repulit. Dicebant etiam, ut dicitur in hystoriis, | quia poterat esse, quod aliqui de 20 qualibet tribu digni essent ministerio, et forte ex omnibus tribubus aliquos vellet dominus sacerdotes, ne tanta ministerii dignitas uni domui et tam paucis ministris crederetur. „Unde locutus est dominus ad Moysen dicens: Loquere ad filios Israel, et accipe ab eis virgas singulas per cognationes suas a cunctis principibus tribuum virgas 25 duodecim, et uniuscuiusque nomen superscribe virge sue. Nomen Aaron erit in tribu Levi et una preter predictas duodecim cunctas familias continebit, ponesque eas in tabernaculo federis, ubi loquar ad te. Quam ex hiis elegero, germinabit virga eius et cohibebo a me querimonias filiorum Israel“ – quasi diceret: Huius solius servitium 30 placet mihi templo meo – „quibus contra vos murmurant. Quas cum posuisset in tabernaculo coram domino, sequenti die invenit germinasse virgam Aaron in domo Levi et turgentibus gemmis eruperant flores, que foliis dilatatis amigdala protulisse inventa est. Protulit ergo Moyses virgas sequenti die de conspectu domini ad 35 cunctos filios Israel videruntque et receperunt singuli virgas suas“, 20 Fb f. 68v d 27 preter – duodecim ] virga Vulgata 28 federis ] coram testimonio add. Vulgata 32 die ] regressus add. Vulgata 34 que – est ] qui foliis dilatatis in amigdalas deformati sunt Vulgata
FbSb
15 Numeri XVII ] Num. 17,1-10 23–31 Unde – murmurant ] Num. 17,1-5 10,31–11,3 Quas – me ] Num. 17,7-10
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subaudis aridas. „Dixitque dominus ad Moysen: Refer virgam Aaron in tabernaculum testimonii, ut reservetur ibi in signum rebellium, ut quiescant querele eorum a me“. Sane hoc deo ordinante Aaron ministerium firmissime possedit, ut dicitur in historia. Ille duodecim tribus signant omne genus 5 humanum in duodecim partibus mundi; et sicut tunc quilibet dixit, quod ipsa placeret domino singulariter in spirituali ministerio et eam elegerit. Immo fuit magna contentio nimis nec suffecit, quod precedenti die descenderant in infernum Chore et Dathan, qui etiam eidem tribui rebellaverant. Ita et nunc licet scriptura tota clamet 10 iudeos, paganos, hereticos dampnari omnes, adhuc tamen dicunt se salvari. Sicut fuit inter illos tunc, ita inter istos nunc. Dicunt pagani: | „Nos soli salvamur.“ Dicunt iudei: „Nos soli salvamur.“ Heretici similiter, Arriani, Manichaei: „Nos soli.“ Sed totum est stultitia et falsitas, quia nostra tantum vera est. Sed cogitas: „Sicut tu modo dicis, christianam fidem esse optimam et solam 15 veram, ita dicit paganus, iudeus et hereticus.“ Sed ostendo lucidissime, quod nostra sit sola vera, et hanc solam deus diligat pre aliis. Et licet sint infinita, per que ostendi hoc possit, tamen ostendo in tribus illis, in quibus deus hec tria prefiguravit et ostendit, videlicet in pulchris floribus, in dilatatis foliis, in fructibus 20 multiplicibus amigdalarum, que infirmis prosunt. Primum, quod significatur per pulchros flores, est, quod fides nostra pulchrior et rationabilior ac credibilior est credulitate iudeorum, paganorum et hereticorum, et quod ita sit, facile est probare. Consideratis ibi, domini pagani, iudei, heretici et christiani, bono animo, et que fides pulchrior, rationabilior et credibilior sit, hanc eligite et tenete! 25 Primo a paganis incipiamus. Domini pagani, quid creditis? Quem adoratis? Vos esse tales nolletis etiam sine peccato, ut illi fuerunt, quos adoratis. Ecce quanta stultitia, quod paganus credit in tam flagitiosum hominem, cui similem se esse nollet, similiter nec filium nec uxorem nec filiam! Quero: „Velles esse ut Saturnus, deus tuus?“ Dicit: „Nollem aliquo modo, quia tam malivolus fuit, 30 ut etiam dicatur filios suos devorasse.“ „Velles autem filium tuum esse ut Iovem, summum deum tuum, regem aliorum deorum?“ Dicis: „Non, quia tam nefarius fuit, ut Iunonem, sororem suam, pollueret et patrem suum expellendo a regno etiam turpiter castrasse dicatur.“ – Sic quere de aliis: De Venere: „Velles uxorem FbSb
12 Fb f. 69r a 3 me ] ne moriantur add. Vulgata 7 ipsa ] corr. ex ipse Fb 23 Consideratis ] Consideatis Sb 19–20 Vgl. Bartholom. Anglicus, De proprietate rer., lib. XVII, cap. 3 30–31 Augustinus, Civ. Dei VI,8 32–34 Vgl. Civ. Dei VII,18: Facilius enim fieri potuit, ut iuvenis impius vel ab impio patre interfici metuens et avidus regni patrem pelleret regno [… ] ideo Saturnum patrem a Iove filio superatum [… ]. Civ. Dei VII,19: Quod Caelum [… ] patrem Saturnus castrasse in fabulis dicitur 8–10 Immo – rebellaverant ] Num. 16,33
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tuam talem esse, que fuit adultera pessima cum multis viris? Item filiam tuam ut Dyanam mordariam, que octo puellas occidit, ut Phebus, frater eius, ante octo iuvenes occiderat? | Item ut Bachus, qui totus fuit ebriosus et furiosus et gulosus et fugitivus? Item ut Hercules famosissimus, qui fuit ebriosus, insanus et filios suos occidit ac ipse igne interiit? Item uxorem tuam ut Bellonam, sororem 5 Martis, que dicitur auctrix belli feminarum, ut Mars virorum?“ etc. huiusmodi – Que est talis insania, quod nolles esse sine peccato tuo talis ut deus tuus? Nos christiani vellemus esse ad pedes dei nostri; estne hec pulchra et rationabilis fides? Nequaquam que et vobis displicet, et ideo virgas vestras aridas – id est fidem vestram – sumite turpem sine decore et ite et deferte eam 10 contra vos ipsos in testimonium, quia omnibus displicet, etiam ubi, si rationabiliter considerare velletis, displicere deberet. – Hoc, quod hic est, dic, si vis, cum loqueris de hereticis. – Item, o iudei, quam pulchra et rationabilis est fides vestra? Respondete, et quid creditis? Respondent: „Credimus unum deum, creatorem celi et terre, sicut 15 et vos.“ Respondeo: „Hoc est pulchrum; sed quid de illo? Quomodo remunerat eum diligentes, intime et fidelissime servientes? Debet eos diu valde secum tenere et postea adnichilare, et interim, cum secum sunt, dare piscem comedere? Debeo propter hoc tantum eum diligere et tanta pati? Immo, quia sine fine servio, debet remunerare sine fine? Sed quid credis de creato Adam, quare fecit et dedit ei 20 Evam, et quod genuit ei per triginta annos? Item dic, quam vicine tibi attinet dyabolus ex Adam?“ Si modo hoc dicerem etc. supra vera. Omnibus annis, quibus Adam fuit excommunicatus, genuit demones. Glosa: Quia sedit centum et triginta annis excommunicatus, quia dominus arguit eum, quod comederat de ligno vetito, sicut dicitur Genesis V: „Vixit autem Adam ‹centum› triginta 25 annis et genuit ad ymaginem et similitudinem“. Sensus est, quia genuit. In Hebreo non habetur „filios“, ergo usque tunc non genuerat ad ymaginem et similitudinem suam; sensus est, quia genuit demones. Cat.‹?› Item dic: „Que est noverca tua?“ Si hoc dicerem etc., vera. Habent ex dictis Rabi Eleazar. Sic: Quid est quod scriptum est | Genesis II: „Hoc nunc os ex osse meo?“ 30 Glosa: Hoc nunc ergo animalibus coiverat cum aliquibus, que non placuerunt ei, FbSb
3 Fb f. 69r b 30 Fb f. 69v c 22 dicerem ] diceremus Sb | supra ] de add. Sb 28 Vgl. Talmud, Erubin 18b 12,29–13,2 Vgl. Talmud, Jebamoth 63a. Vgl. J. Klapper, Ein Florilegium Talmudicum des 13. Jhdts., S. 15: Dicit rab Eleazar: Quid est hoc, quod scriptum est: Hoc nunc est os ex ossibus meis et caro de carne mea? Per hoc pottis dicere, quod Adam coiit cum omnibus animalibus domesticis et silvestribus et non refriguit animus eius, donec Eva fuit ei data 9–11 virgas – testimonium ] Vgl. Num. 17,4; 17,7 25–26 Vixit – similitudinem ] Gen. 5,3: vixit autem Adam centum triginta annis et genuit ad similitudinem et imaginem suam vocavitque nomen eius Seth 26–27 In – filios ] Vgl. Gen. 5,4: et facti sunt dies Adam postquam genuit Seth octigenti anni genuitque filios et filias 30 Hoc – meo ] Gen. 2,23
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ostendens, quod coivit Adam cum omnibus brutis, nec tamen cessavit appetitus eius, donec Eva ei coniuncta fuit. – Hec predicta non dic in predicatione. – De huiusmodi stultitiis habent infinitas incredulitates, omni sapienti pro magna stultitia reputandas. Aut ergo deserant aut virgam, id est fidem suam, eis aridam reddam, cum qua comburantur. 5 Item: O heretici, quam pulchra et rationabilis est fides vestra? Turpior est omnibus predictis tam paganorum quam iudeorum, et hoc multipliciter, unde quod multi vestrum dyabolum adorant. – Ut ‹infra› – Est hec pulchra fides? Et qui non adorant illum, illi tamen communiter omnes tam turpem habent fidem, quod numquam audent, deferre ad lumen, sed tantum in tenebras et in 10 angulos. Unde et nomen habetis „Catari“, quia sicut cattus in tenebris et in nocte et in angulis plus circuit et sue venationi magis intendit quam in die, in qua plus quiescit, sic et vos. Estne hec pulchra fides? Si est pulchra, cur ad lucem eam non producitis, cur sic occultatis? Item est recta fides et rationabilis, quam quilibet textor et calcifex, qui etiam nescit legere fidem, si in libro scripta 15 esset coram eo, mutat quando vult et sicut vult de anno in annum, ut, quod nunc possit, iurare? Sic dic: Primo fuit heresis una Symonis, nam fuit primus hereticus ab ecclesia recedens et quandam heresim inveniens. Post discipulus eius Menander illam in aliam mutavit, et quod magister suus malam et iniustam fidem habuisset, asseruit. Post illum venit 20 Ebyon et illam in aliam mutavit etc. supra, et illum dampnavit cum suis. – Ita dic ad alios, ubi vis – Ebyon, Cherintus tempore Iohannis, Saturninus, Basilides, Marcion tempore Polycarpi, Montanus, Severus, Basilicus, Symachus, Ebyoneus, Novatus, Novatianus, Sabellius, Manes tempore Felicis pape, Arrius, Eunomius, Leprosus, Macedo | nius, 25 Lucifer, Apollinaris, et ita mutata est modo plus quam in centum et viginti, et una non est ut alia, et tamen quilibet hereticorum alii dicit, quod pro sua dampnetur. Que est hec stultitia? Convenite in unam, et tamen adhuc erit turpior quam aliqua alia, que ita est turpis, quod nec in luce audetis eam docere. Item, est hec pulchra et vera fides, que super mendacia est fundata et super periuria? 30 Et super ypocrisim? Hec fides sit abhominabilis omni sapienti. Ecce, heretici quotiens timent, fidem suam negant, vel apertis verbis et mendaciis, vel coopertis verbis et mendaciis, vel apertis periuriis vel coopertis. Hanc fidem nullus sapiens FbSb
25 Fb f. 69v d
1 cessavit ] cesserat Sb 17 iurare ] juvare Sb 11 Vgl. Alanus ab Ins., De fide cath. contra haeret., lib. I, cap. 63 (PL 210, Sp. 366 A) 17–26 Vgl. Augustinus, De haeresibus I 1; 2; 3; 4; 8; 10; 22; 41; 49; 52; 55; 81 (PL 42, Sp. 21-50). Vgl. Isidor, Etym., lib. VIII, cap. 5 31–33 Vgl. (Pseudo–)David von Augsb., De inquis. heret., cap. 14: Docent enim, verbis coopertis loqui, ut pro veritate studeant loqui mendacium, ut, cum de uno requiritur, de alio oblique respondeant, ut sic auditores versute deludant, ubi timent per confessionem veritatis errorem suum deprehendi 4–5 virgam – reddam ] Vgl. Num. 17,9
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diligere debet, que taliter negatur, cum etiam non tantum boni nostri, sed etiam mali, qui inter nos sunt, potius vellent occidi quam fidem suam negare. Sciatis, quod si fides vestra vera esset, quod tamen non est, vos tamen dampnaremini eo, quod timore illam negatis apertis vel coopertis mendaciis et periuriis. Miror, si non verecundamini intra vos, cum dicatis, quod non debet mentiri et iurari, 5 quod statim, cum de fide vestra requirimini, et etiam peieratis, quod plus est, pro quolibet timore. Etiam mali christiani nostri hoc numquam facerent. Quis tibi licentiavit periurium facere, cum ut tu falso dicis, deus prohibuit etiam iurare. Fecit hoc magister bour, textor. Que est hec stultitia vestra? Quomodo potestis vos ita permittere instultizari? Cui ergo sapienti in toto mundo debet placere 10 et pulchra videri et rationabilis et bona et durnaehtik et redlich? Immo, domine deus, contra me do sententiam, quod me dampnes eternaliter, ita est pulchra, rationabilis et durnaehtic, quod credimus, fides hereticorum, cum quelibet et omnis illorum fides tam turpis sit, quod non audeat ad lumen deferri vix vel umquam, et quam quilibet textor vel alius, qui legere nescit, pro velle suo mutat, et que 15 totiens a credentibus suis mutatur. Nam heretici eiusdem secte, qui fuerunt ante quadraginta annos, | condempnaverunt illos, qui ante septuaginta; et qui nunc, ut patet in Waldensibus, qui primo pro toto mundo non iurassent, sed modo licentiant, quod post alios, quod coopertis iuramentis, quod quinquies vel novies, et huiusmodi. Et post breve tempus, sicut ipsi predecessorum suorum fidem in 20 quibusdam mutant, ita et istorum successores facient et eos dampnabunt. Nam multa mutaverunt de corpore domini, de purgatorio, de sanctis, de parvulis, de matrimonio et huiusmodi; quia super mendacia et periuria est fundata et super ypocrisim, non super veritatem, ideo quotiens erigitur, totiens cito cadit. Sed fides ecclesie sancte econtra in eternum stat. Accipiant ergo et nunc heretici 25 aridum lignum suum, ut prius pagani et iudei, scilicet aridam deformem fidem eius, et servent, ut cum illa comburantur. Sed, o domini christiani, producatis fidem vestram – quam pulchra est! Tam pulchra est – magnum verbum coram omni mundo dico – quod nullus in mundo aliquid turpe in ea invenire potest. Bene invenitur in vita aliquorum in ecclesia 30 aliquid turpe, cum nusquam crescat triticum purum sine malis herbis, unchrout, sed in fide nostra nichil turpe invenitur. Item, magnum verbum dico: „Pono caput meum.“ Conveniant omnes sapientes mundi cum omni sapientia sua, et omnes infideles cum odio, quod habent ad fidem, et omnes dyaboli cum eis, immo plus dico, omnes angeli et vos omnes sapientes christiani et boni, et 35 FbSb
17 Fb f. 70r a 27 eius ] om. Sb 5–7 Vgl. (Pseudo–)David von Augsb., De inquis. heret., cap. 5: Dicunt illicitum esse omne iuramentum, etiam de vero, et peccatum mortale. Sed tamen dispensant, ut iuret quis pro evadenda morte corporis vel ne alios prodat vel secretum revelet perfidie sue 25–27 Accipiant – servent ] Vgl. Num. 17,9f. 13,24-30
31 nusquam – herbis ] Vgl. Matth.
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consedete cum omni sapientia vestra: Si aliquid turpe in puncto invenitis in omni fide nostra, volo, ut decoller coram omni mundo! Quod credimus in unum bonum deum, hoc est in infinitum pulchrius quam quod in multos facinorosos, boeswihte, ut paganus credit. Quid est in hoc turpe coram omni mundo? Immo, domine deus, contra me do sententiam, quod me dampnes eternaliter, ita est 5 pulchra, rationabilis et durnaehtik, quod credimus, quod iste bonus deus, qui ad hoc nos crea | verat, ut eum diligeremus, quod humanitatem nostram de virgine assumpsit et nobis factus est similis, ut eum plus diligeremus, quia aliter numquam tantum eum dilexisset homo. Quid est in hoc turpe? – Ut supra – In eadem humanitate passus est semel, ut illa sola passione nos ab eterna morte liberaret. 10 Et quia voluit, quod pro eo multa pateremur, decuit quod ipse pro nobis etiam pateretur, ne posset cogitari, quod vellet, ut ei maiorem dilectionem ostenderemus quam ipse nobis. Item, et quod veniat ad iudicium et quod remuneret illum, quamdiu vivit, qui sibi servivit, quamdiu vixit. Responde. Omnes probi christiani homines respondent pro fide sua veritate. Dicis: „Si deberem respondere, bene 15 responderem.“ Respondeo: „Semper dicis: ‘Si deberem.’ Pro timore obmittere non debes. Sancti pro hoc non obmiserunt nec quicquam simulaverunt, ut tu illam. Quid in hoc est inconveniens, et econtra? Item, o heretice, quid est in hoc turpe, quod iuro? Quia deus ipse iuravit, angeli et sancte sepe, cum verum fuit et necesse. Tu non vis iurare, ut nec dyabolus; ideo ibis, ubi diabolus est.“ 20 Deus numquam permittat peius nobis evenire, quam quod veniamus illic, ubi deus est et ubi angeli et sancti sunt, qui sepe iuraverunt. Et ita de aliis, in quibus omnibus fides est sole lucidior. Sed quia nimis protraheretur, si laudaretur, ut est digna, ideo nunc – licet pulchrum valde esset de hoc loqui, quia singularis est sermo tantum de pulchritudine fidei nostre, quem etiam desidero aliqua dierum 25 predicare – taceo, et ideo ad secundum membrum transeo, et hoc dico valde breviter, ne nimis protrahatur. Secundum est, quod omnibus aliis est latior etc. Tertium, quod est utilior et virtuosior, tugenthaftig unde chreftig, etiam in presenti, ut taceam de futuro. In quo videmus fidei nostre virtuositatem? Virtuose res per aliquam virtutem debent agnosci. Si fides vestra, o pagane, o iudee, o heretice, est 30 virtuosa, per quid agnoscitur virtus eius? Videmus omnes, quod sola fides nostra facit virtutes et mirabilia. Ubi, queso, vestra sunt mirabilia, o iudee, pagane, heretice? Pagani numquam | fecerunt miracula, quia numquam deo placuerunt. Ecce, quam expressa probatio fidei nostre! Sed populus Israel, antequam mutaret fidem a Christo, quidam magni inter eos fecerunt magna miracula, ut Moyses. 35 – Dic Iosue, dic aliquos alios. – Postquam negaverunt, nulla faciunt. Item, vos heretici, qui vos dicitis esse sanctos et reputatis, quis vestrum facit miracula? FbSb
7 Fb f. 70r b
33 Fb f. 70v c
11 decuit ] docuit Sb 13 et1 ] om. Sb 15 deberem ] deberemus Sb 16 Respondeo ] responde Fb 19 et ] om. Sb
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Sermo XXVIII
Etiam ex martyribus vestris – quidam comburuntur, quidam coquuntur – ubi sunt miracula martyrum vestrorum? Ecce, martyres nostri fecerunt plurima miracula, protulerunt multa amigdala, quibus infirmas animas comfortaverunt et multa corpora curaverunt. Vestri martyres nulla faciunt. Per quid roborant fidem vestram et suam? Per nichil omnino. O heretice, magister bour combustus 5 vel alius ibi vel ibi facit miracula ut asinus combustus vel canis coctus. Sed, o beati christiani, nos producamus nostros, quosdam ex eis. Horum multos vidi, qui multa fecerunt miracula cum fide nostra; etiam multa, quod plus est, etiam mortui. Ecce, sanctus Basianus fidei nostre ‹coronae› cum fide nostra obtinuit, quod etc. in episcopatu, in quo sunt ossa sua etc. – Ita dic ad alia. Dic 10 multos: Patricium, Clementem, Wolfkangum, Marcellum, Humbertum – Ecce, quam virtuosa est utilis fides nostra etiam in presenti, quia multa miracula hic facit. Item, in futuro sola dat vitam eternam. Iohannes III: „Qui credit“. Sed ad quid vestra? Ad nichil utilis est, nisi ad ignem. Nostra vero sola ad vitam eternam, extra illam nullus salvabitur, ut extra archam. 15
FbSb 12 est ] esset Sb 1–2 Vgl. (Pseudo–)David von Augsb., De inquis. heret., cap. 32: Quintum est, si aliqui furtive inveniuntur ossa hereticorum combustorum nocte colligere quasi reliquias, quia dubium non est quin eos pro sanctis venerentur 9 S. Bassianus, Bf. von Lodi (19. Jan.) 3 protulerunt – amigdala ] Vgl. Num. 17,8
13 Qui credit ] Ioh. 3,15ff.
6.5.3. Sermo XXVIIII „Sancti per fidem vicerunt regna etc.“ Hystoria est de libro Numerorum XVI de tribus, qui se opposuerunt contumaciter Moysi, qui fuit fidelis in omni domo domini. Hii tres fuerunt Dathan et Abyron et Chore cum suis complicibus, quos infernus absorbuit cum suis, et 5 Chore cum suis vivum ignis consumpsit. Hii tres tria genera infidelium signant, scilicet paganos, iudeos et hereticos. Hos ultimos ignis proprie infidelitatis etiam ad litteram hic corporaliter comburit, et sic | ad infernos descendunt cum primis predictis duobus eternaliter cruciandi. Unde, fideles, ut 10 ibidem dicitur Numeri XVI: „Recedite a tabernaculis hominum impiorum et nolite tangere, que ad eos pertinent“ – videlicet aliquam infidelitatem – „ne involvamini peccatis eorum“. Ibidem: „Recedite de medio multitudinis huius et nunc delebo eos“. Unde constantiter et fortiter tenete fidem sanctam vestram nec sitis ut opinatores. 15 Nam quattuor genera hominum stant iuxta fidem, quidam contra dicunt etc. Fortiter tenete fidem vestram, quia dyabolus ei summe insidiatur semper et maxime, quod gravius est in morte. – Hic breviter dic de virgis – Ideo nunc sitis firmi in illa. Et si dyabolus non potest inducere hominem ad heresim, intendit tamen inducere ad dubium. Ergo noli in aliquo 20 dubitare in fide, ut quidam stulti faciunt, qui intra se dicunt: „Nescio, quo et ad quid me vertam: iudei dicunt, quod ipsi salvantur; saraceni, heretici, christiani.“ Cavete a talibus cogitationibus omnino et sitis fortissimi. Cum dyabolus intendit homini fidem auferre, inmittit sibi huiusmodi cogitationes pessimas. Non dubites, nam quicquid credit iudeus, paganus vel hereticus, non est nisi stultitia et fatuitas, 25 nec habet aliquid rationabilitatis, et, nisi valde intus obtenebratus, non crederet. Econtra fides nostra tota sapientia, durnaehtich, lux et summe rationabilis, ut facillime ostendam de omnibus. Quod saracenorum fides non sit nisi stultitia, patet. Ecce, multi saracenorum credunt lignum esse deum – ecce, quanta stultitia! – lapidem, aquam, solem, 30 FbSb
1 Fb Incipit f.70v c
4 fuerunt ] fecerunt Sb 5 et Sb 24 homini fidem ] inv. Sb
Chore1 ]
9 Fb f.70v d om. Sb 6 vivum ] om. Sb | ignis ] viros add.
1 Rusticanus de Communi Nr. 45 2 Sancti – etc. ] Hebr. 11,33: qui per fidem devicerunt regna operati sunt iustitiam adepti sunt repromissiones obturaverunt ora leonum 3–4 Hystoria – domini ] Num. 16,1-35 4–5 Dathan – suis2 ] Num. 16,31-33 5–6 et3 – consumpsit ] Num. 16,35 11–13 Recedite – eorum ] Num. 16,26: recedite a tabernaculis hominum impiorum et nolite tangere quae ad eos pertinent ne involvamini in peccatis eorum 13–14 Recedite – eos ] Num. 16,45 17,29–18,2 multi – huiusmodi ] Vgl. Sap. 13,2
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terram, homines malos, ut Iovem, Venerem et huiusmodi, avem, arborem et huiusmodi. Ecce, quanta stultitia! Lignum vile esset deus, quomodo me liberabit ab igne eterno, qui non potest se ab isto? Quomodo deprecabor illum, ut me adiuvet, ut dicitur Sapientia. Vilis deus sol, quem quelibet nox et nubes suo privat splendore et qui numquam valet quiescere; quomodo | oranti quietem 5 eternam dabit? Vilis deus terra, que tam est lutosa et quam tot hospites viles hospitari oportet in se, ranas, serpentes, scorpiones, usurarios et immundos et tot ossa vel cadavera maledicta; quomodo orantem me honorabit, que a tot ranis, a tot serpentibus et huiusmodi defedatur? Aqua tam inquieta et insipida, quomodo dulcedinem, quam non habet, mihi dabit et quietem? Avis, que 10 me plus timet quam ego ipsam, que cottidie tanto labore tam tenuem victum conquirit, quomodo mihi roganti eternas delicias et securitatem dabit? Ecce, omnes predicti, quales essent dii, qui nulli sibi servienti bene vel male facere possent? Ex hiis patet, quod non sunt dii, ut dicit Baruch, et quod non est nisi stultitia, quod credunt saraceni. Et quod non sit nisi unus solus deus, ostendam 15 tibi breviter et plene facillime. Ecce, scis, quod te ipsum non creasti, quod tu non es deus tuus, quia te tantum diligis, quod te multo probiorem, pulchriorem, saniorem pre omnibus, etiam pre sole, fecisses. Habent canem pro deo, avem, lignum, filtrum. – Nota de Tartaris: In quolibet anno faciunt sibi deos de filtro; viliori servo faciunt minorem, plus dilecto maiorem etc. – Estne hoc rationalis et 20 sapiens fides? – Et non dic aliquid de Iove et de aliis diis, sed in sequenti sermone; in isto autem dic de filtro et huiusmodi – Oportet credere unum deum esse verum. Ita qui esset in silva, inveniret unum deum esse verum. Ita sapientissimi pagani invenerunt, non habentes predicationem nec scripturam. Ita dicit Epistula ad Romanos: „Invisibilia dei a creatura mundi, per ea, que facta sunt, intellecta, 25 conspiciuntur etc.“ – Dic tantum latine. Ita de omnibus virtuosis accipe – Iste est pulcher, sed non est deus, quia invenitur, quod pulchrius est, ut sol; nec ille, quia angelus; nec ille, quia archangelus; nec, quia virtutes etc.; nec Seraphin, quia Maria; nec tu, Maria, es deus, quia invenitur pulchrior: Hoc ergo, quod est pulcherrimum, hoc est deus. Ita dic de clemente vel bono, de leto. | Primum 30 dic: „Tu ergo, pagane, et omnis congregatio tua, state seorsum coram domino“ – FbSb
5 Fb f.71r a
30 Fb f.71r b
19–20 Vgl. Johannes v. Plano Carp., Ystoria Mongalorum, cap. III,2 2–3 Lignum – isto ] Vgl. Sap. 13,13: et reliquum horum quod ad nullos usus facit lignum curvum et verticibus plenum sculpat diligenter per vacuitatem suam et per scientiam artis suae figuret illud et adsimilet illud imagini hominis. Vgl. Sap. 13,16: ne forte cadat prospiciens illi sciens quoniam non potest se adiuvare imago enim est et opus est et illi adiutorio 3–4 Quomodo – Sapientia ] Vgl. Sap. 13,17-19 14 Ex – Baruch ] Bar. 6,14; 21f. 25–26 Invisibilia – etc. ] Rom. 1,20: invisibilia enim ipsius a creatura mundi per ea quae facta sunt intellecta conspiciuntur sempiterna quoque eius virtus et divinitas ut sint inexcusabiles 31 Tu – domino ] Num. 16,16: dixitque ad Core tu et omnis congregatio tua state seorsum coram Domino
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id est, contra dominum, ut significat figura, que dicitur – ut simul cito et repente descendatis in infernum! Ita dic in fine ad iudeos et huiusmodi: Similiter autem et iudeum condempnabit, quia fides sua stultitia tantum est, ut faciliter ostendam. Ecce, iudeus nobiscum credit unum deum esse; in hoc bene facit. Cum enim quero a iudeo: „In quem 5 credis?“ Respondet: „In deum, qui fecit celum et terram etc.“ Hoc bonum est. Sed quia non credis, quod ipse deus factus sit homo pro nostra salute et caritate, ideo dampnaberis. Ecce, quanta est iudei stultitia! Dicit: „Quomodo deus posset fieri homo?“ Quero: „Credis deum omnipotentem?“ Respondet: „Credo.“ Si ergo est omnipotens, potest et hoc. Qui totum mundum potuit facere, cum voluit, 10 potuit se et hominem facere, cum voluit, et carnem ex virgine assumere. Sed dicit peccatis excecatus iudeus: „Quomodo potest virgo parere?“ Respondeo: „Deus, qui omnia potest, potest et hoc facere.“ Quomodo potuit deus omnem mundum facere? Quomodo potuit virgam siccam in lege tua facere florere, frondere et fructum una die proferre? Ita facere potuit, ut virgo pareret. Qui rubum etc. 15 Qui feminam de patre ut Evam potuit, immo virum sine patre et matre ut Adam. Immo vides, quod vermes multi, ut cicade et apes, quod etc. Ita dic pisces, ut anguille; aves, ut vultures nobiles; pecora, ut equi nobiles in Capadocia nascuntur sine patre, quod apis de flore, ita potuit et huiusmodi. O cece, habes pisces in aqua, reptilia et bestias in terra et volatilia in aere potentiora deo? 20 Ecce anguilla etc. Vides, quod sol transit vitrum, utroque integro remanente, sic sol iustitie Christus deus noster potuit humanitatem ex virgine assumere, ea tamen illibata permanente. Miserande iudee, cum tantum meditaris de usuris, si devote Christum implorares, ipse excecatos cordis tui oculos illuminaret. Ecce, hoc ipsum in propria scriptura habet, nec videt, cum ante oculos habeat. Ideo 25 dic: Ecce, demonstratum: „Ecce, virgo concipiet etc.“ usque „deus“. Similiter | Iosephus. Ecce, quantum ex peccatis excecatus est, ut illum Christum, quem totus mundus agnovit, ipse non agnoscat! Ecce, cum natus esset, secum venerunt servi sui angeli leti, rutilantes et cantantes: „Gloria in excelsis etc.“ Et unus FbSb 1 cito ] cite Sb
27 Fb f.71v c 9 omnipotentem ] optimum(?) Fb 29 Et ] om. Sb
17–21 Vgl. Fb 117 I, Sermo XXXVII, f.83v c-d: [… ] cicade ex imbribus terre rigate, ideo mures de terra, anguille de ceno, apes ex floribus, vultures sine coitu generantur, precipue cum sunt longevi. [… ] In omni genere animalium, tam perfectorum quam imperfectorum, fit procreatio fetus sine adiutorio consimilis speciei. Hoc patet in reptilibus, in genere animalis habitantis in triplici elemento, ut reptilia in terra, aquatilia in aqua, volatilia in aere, scilicet in aliquo illorum trium. Et dic, iudee et heretice, quia non vultis ex vestra stultitia credere deum potuisse nasci sine patre, cum anguilla in aqua sine patre, mures sine patre in terra et quidam nobiles equi in Capadocia et quidam nobiles vultures 18–19 Honor. Augustod., De imag. mundi I,19 (PL 172, Sp. 127 B) 27 Flav. Joseph., Antiquitates 18, 3, 3 14–15 Quomodo – proferre ] Num. 17,8 15 Qui – etc ] Exod. 3,2f. 22 sol iustitie ] Mal. 4,2 26 Ecce – deus ] Isai. 7,14; Matth. 1, 21-23; Luc. 1,31-33 29 Gloria – etc. ] Luc. 2,14
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dixit: „Annuntio vobis gaudium magnum etc.“ Celi stellam miserunt, que tres magos ad presepe conduxit. Terra, quia ad eius preceptum etiam mortuum quatriduanum tanta velocitate reddidit, ut ligatis manibus et pedibus prodiret; et nulla ei infirmitas in terra restitit, quam statim verbo non curaret. Mare, quia calcabile se ei prebuit. Cum vero pro nobis moreretur, omnia eum, ut 5 humano usu loquar, agnoverunt. Sol obtenebratus est etc., quia mortem filii dei clamabat mundus se sustinere non posse. In tantum miserabiliter et tristanter se habuit mundus, ut Athenienses, qui fuerunt sapientes etc. Ecce, quanta stultitia iudei et quam cecus est! Habet enim usque in hodiernum diem velamen super faciem suam et dicit: „Nimis contemptibile et indignum tante esset maiestati et 10 tanto deo, quod factus fuisset homo et talia ac tanta obprobria et incommoda sustinuisset; non decet deum hoc pati.“ O miser iudee, ecce, valde bene tibi ad hoc respondeo: Nichil magis decet dei bonitatem quam bonum se ostendere, misereri et amare. In hoc cognosco immensam bonitatem suam et caritatem, quod tanta pro me fecit, quod pro 15 mea caritate voluit conspui, ut me sic lavaret; spinis coronari, ut in celis coroner; vulnerari, ut me curaret; mori, ut vitam eternam mihi emeret. Vere, domine, probiter et bene fecisti tanta pro homine sustinendo et faciendo, numquam enim aliter tantum te homo dilexisset. Satis ostendisti potentiam tuam omnia verbo faciendo; decuit, ut etiam magnam bonitatem ostenderes et misericordiam, quod 20 et fecisti, pro homine, pro me multa patiendo, ostendes autem pulchritudinem et gloriam et gaudium tuum, te nobis in celis, sicut es, monstrando. In quo enim cognovissemus liberalitatem tuam et misericordiam maximam, clementiam et probitatem, nisi in maximis donis? Ideo postquam nobis tua et angelos tuos dedisti, addidisti dare temetipsum. | Ideo ei grates referte et diligite ex toto corde, 25 ex tota anima etc., qui vos ex toto corde dilexit, cor suum perforari permittendo; ex tota anima etc., ut scis, quem iudeus blasphemat. Igitur inconveniens nullum ex hoc sequitur, quod deus pro nostra caritate factus est homo et passus est in natura humana, cum venerationes, quas ei exhibet populus christianus in terris, multo maiores sint quam contumelie, quas intulit populus iudaicus in 30 Parasceve. – Dic de utroque – Iudee, quia igitur non vis credere, quod nullus potest contradicere, quin sit nimis credibile, ut dicit propheta: „Testimonia tua FbSb
25 Fb f.71v d
10 et3 ] in add. Sb
16 coroner ] coronerer Sb
21 ostendes ] ostendens Sb
1 Annuntio – etc. ] Luc. 2,10 1–2 Celi – conduxit ] Matth. 2,1ff. 2–3 Terra – prodiret ] Ioh. 11,44 4–5 Mare – prebuit ] Matth. 14,26; Marc. 6,48; Ioh. 6,19 6 Sol – etc. ] Luc. 23,44f.: Erat autem fere hora sexta et tenebrae factae sunt in universa terra usque in nonam horam et obscuratus est sol 8 ut – etc. ] Act. 17,21ff. 9–10 Habet – suam ] 2 Cor. 3,13-15 19–20 omnia – faciendo ] Vgl. Hebr. 1,3 25–26 Ideo – etc. ] Deut. 6,5; Matth. 22,37; Marc. 12,30ff.; Luc. 10,27 20,32–21,1 Testimonia – nimis ] Ps. 92,5: testimonia tua fidelia facta sunt nimis domum tuam decet sanctitas Domine in longitudine dierum
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credibilia facta sunt nimis“, ideo dampnaris. Quero ulterius: „Ubi ‹deus› est?“ Respondes: „In celo.“ Bonum est. Sed quero: „Quomodo ibi est?“ Respondes: „Pedes pendent ei usque ad terram.“ Ecce, quanta stultitia! Ideo indigeret longis caligis. Que est hec stultitia! Huiusmodi credunt firmiter in vita et in morte. – Ita dic animas. Item de fletu terni supra id est‹?› = Item, de nocte, quid 5 dabit – Sed quia uxorem occidit, hoc est ita verecundum. Item, que est noverca tua? Hoc esset ita turpe dicere etc. Qui fratres tui? Item, cur non loqueris? Item, cur fugis? Sed omnia hec obmitto. Sed quid credis, quid ibi facit sic sedens? Iterum hoc est purus derisus. Credis, quod cottidie ter plorat ita acerbe, quod rugit ut leo, et ter in die tantum planctum facit, quod rugit ut leo. Et 10 cottidie duas lacrimas plorat, que tam fortes sunt, quod, dum cadent in mare, faciunt terremotum in terra. Quam bene consolatur hospites suos, qui cottidie ei adducuntur. Sed quid facit in nocte? Sibi ter maledicit. – Item dic de duabus animabus. – Habet ibi aliquid gaudii? Ita: Cottidie irascitur. Quam pulchrum gaudium! Sed quo tempore diei? Nullus scit nisi gallus. Ecce, qualis trupha! 15 Habet plus? Ita: Ludit cum Leviathan, qui est in mari. Est hoc gaudium dei, quod cum bestia ludit? Ergo cattus est ita beatus ut ipse, qui etiam ludit cum mure, et canis cum cane, et symea cum sy | mea. Que est hec stultitia? Sed dicis, quod Leviathe sociam occidit dominus. Cur potius eam quam eum? Si modo dicerem fidelibus responsum tuum, pro tam indigna responsione de deo 20 numquam deberet te homo et aliqua dei creatura diligere. Erubesce ergo intra te de tali fide! Et dicunt, quod singulis noctibus sibi ter maledicit, quia dimisit templum et iudeos subdidit servituti. Item quod plane loquuuntur in cimiterio, ne mortuus audiat. Item fugiunt, quia ille per triduum flagellatur cum virga ignea, et ne audiant mortuum clamare et ex hoc pereant. Miser iudee, quid credis? 25 Cum quo remunerat? Si hoc dicerem, deridendus esses ab omni genere humano et ab avibus et bestiis. Remunerat cum pisce uno, de quo nobis dat comedere. Permisit se Ysaias pro hoc serrari, Ieremias lapidari, Ezechiel ab equis trahi, et alii FbSb
18 Fb f.72r a 3 pendent ] pendens Sb 12 faciunt ] facient Sb
15 diei ] dici Fb
1–4 Vgl. die Predigt Saelic sint die reines herzen sint (PS I, S. 401f.): Frˆaget mir einen j¨uden, wˆa got sˆi unde waz er tuo, sˆo sprichet er: „er sitzet uˆ f dem himel unde gˆent im diu bein her abe uˆ f die erden.“ Owˆe, lieber got, sˆo m¨uestest dˆu zwˆo lange hosen hˆan nˆach der rede. 9–10 Extract. de Talmut Nr. 25 (vgl. Schreckenberg II, S. 99; Browe, Juden, S. 50). Vgl. Talmud, Berakhot 59 10–12 Vgl. Talmud, Berakhot 59o 13 Extract. de Talmut Nr. 18 (vgl. Schreckenberg II, S. 99; Browe, Juden, S. 50) 16 Vgl. Talmud, Avoda Zara 3b. Vgl. Merchavia, S. 454: [XVII] Item dixit quod est in talmud quod deus cotidie exercet studium docendo pueros, et quod sedet et ludit cum levyathan 22–23 Extract. de Talmut Nr. 18 (vgl. Schreckenberg II, S. 99; Browe, Juden, S. 50). Vgl. Merchavia, S. 454: [XI] Item dixit et est in talmud deum sibi singulis noctibus ter maledicere, quia dimisit templum et iudeos subdidit servituti 24 Vgl. Sepher joreh chatraim 66 28 Vgl. Vitae Proph. 1,1 || Vgl. Vitae Proph. 2,1 || Vgl. Petrus Com., Historia scholast., lib. Ez., cap. 6 (PL 198, Sp. 1446 C) 3 Pedes – terram ] Vgl. Is. 66,1: haec dicit Dominus caelum sedis mea et terra scabillum pedum meorum 28 Ysaias – serrari ] Asc. Is. 3,14-19
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sancti se excoriari, dismembrari et huiusmodi, cum pro solido emeret quis satis, quod haberet comedere de pisce. Et latro secundum hoc ita est felix ut sancti. Postquam ita diu remuneravit, in nichilum revertamur? Hoc stultum et crudele est credere. Sed credimus nos, quod maxima gaudia dabit nobis in eternum. Immo et digne et iuste ‹credimus›, quia ex quo non do finem bone voluntati mee 5 sibi serviendi, nec ipse debet dare finem mercedi etc. – Et in precedenti sermone de iudeis usque: „Item dic, quam vicine ‹tibi attinet dyabolus ex Adam›.“ Hoc dic in precedenti sermone et similiter illud de remuneratione. – Stulte, cur fugis a domo, cum alius infirmatur, qui ut tu appellatur? – Dic de angelo Malachamaut. – Credunt iudei, quod, si fuerit mortalitas in villa, quod non est ambulandum 10 per medium viarum, quia angelus mortis illic vadit. Si autem non est mortalitas, non est ambulandum per latera viarum, quia angelus mortis per illa vadit, quia, quando non habet licentiam occidendi, vadit latitando. Dixerunt sapientes de angelo mortis, quod plenus est oculis. | In hora, qua infirmus mori debet, stat ad caput eius, gladium evaginatum habens in manu, et in ipso gladio amara gutta 15 effusa, quam, postquam infirmus videt, totus contremiscit, apertoque ore eius proicit eam intus, et per illam moritur, per illam fetet, per illam pallescit vultus eius. Infirmo sic interfecto vadit in vicinam, cultellum abluere. Si quis vero post biberet aquam ablutionis illius vel in alium usum apponeret, in periculo mortis esset. Unde mos est iudeorum, quotiens ex eis aliquem mori contingit, quod non 20 solum per viciniam, sicut eis preceptum est, sed per totam villam denuntiant, ut omnes proiciant aquas suas. In talibus stultitiis stat fides eorum. Tot sunt et tales illorum stultitie, quas credunt, quod in tribus predicationibus non possent dici. Ideo vos, christiani, ut est, habete pro stultitia. Similiter autem et heretici credunt, quia fides hereticorum maxima stultitia 25 est mundi. Stultior est quam paganorum vel iudeorum, quod in hoc videtis, quia omnes heretici mundi dicunt, quod dampnabitur, quicquid boni in toto mundo faciat homo, qui fidem eorum ‹non› recipit. – Expecta, ut proloquar. – Quis ergo debet recipere illam? Hoc non dicunt iudei nec pagani, sed heretici omnes, cum sint plures hereses quam ducenti, nisi ille solus, in cuius heresim 30 cadit. Videte omnes, quomodo illum, qui fit hereticus et eis credit, dyabolus decepit et infatuavit; nam, si essent hic heretici ducenti, et veniret homo, qui vellet fieri hereticus, et diceret primus: „Si recipis fidem cuiuscumque hic, nisi meam, dampnaberis, quicquid boni in toto mundo facis.“ Sic diceret primus, sic secundus, sic tertius etc. Ex quo igitur ita est secundum hoc, et si totus mundus 35 suaderet sibi, ut fieret hereticus, et si eum plus delectaret fieri hereticum, quam aliquid aliud fieri, tamen non deberet, donec ad minus in hoc convenirent, quod, FbSb
14 Fb f.72r b 2 latro ] otro Fb | est felix ] felix est Sb sequendum Sb | et si ] nisi Fb
3 nichilum ] nichil Sb
35 secundum ]
6–7 Fb 117 I, Sermo XXVIII, f.69r b 13–14 Vgl. Talmud, Avoda Zara 20b Talmud, Avoda Zara 20b 20–22 Vgl. Sepher Minhagim 13b
14–18 Vgl.
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qui recederet a nostra ad eorum, per illam tunc salvaretur. Sed ex quo contrarium ipsimet dicunt, nullus fieri debet hereticus. Si omnes heretici simul concordarent dicentes: „Quicumque fit hereticus, | salvabitur“, hoc tantum posset aliquem stultum movere vel ad heresim trahere. Hoc ipsum adhuc esset magna stultitia et pura dyabolica deceptio. Sed cum omnes contradicant, hec stultitia omnium 5 stultitiarum maxima est. Sed etiam quod non sit nisi stultitia maxima pre iudeorum et paganorum, patet in hoc, quod neque iudei neque pagani neque christani nullos habent nec habere volunt pro doctoribus et magistris, nisi qui sciunt legere et intelligere libros; sed qui credit hereticis, illi et illi, qui neque legere neque intelligere ‹possunt›, ‹credit› talibus, qui intromittunt se magistros 10 librorum. Heretici recipiunt pro magistris fidei, qui etiam nescirent legere fidem in libro, si ante se haberent, nec unicum verbum. Non recipiunt tam iudei quam pagani quam christiani, qui libros non bene sciunt legere et intelligere, pro magistris et doctoribus, immo nec aliud genus hominum calcificum nec fabrorum et huiusmodi. Solus vero hereticus, qui nec litteram in libro agnoscit, 15 nisi quod aliqua didicit verba, ut qui didicit rumorem de Ditrico, intromittit se de magisterio, de predicando et docendo ignotam fidem. Et tu tali doctori committis animam tuam et ei melius credis de fide quam omnibus bonis clericis mundi, qui sunt Parisius in ordine nostro predicatorum et ubique in mundo, cum 20 nec etiam ipsa verba ipsemet intelligat que docet. O fideles, o omnes sapientes, vos scitis, quod nullus potest esse bonus magister de scientia, quam numquam vidit. Numquam erit bonus magister picture, qui numquam vidit picturam. Similiter scribendi, calcios faciendi, panem pistandi et huiusmodi, ita nec iste rusticus esse potest doctor bonus sacre scripture. Dicit: „Sine libro scio.“ Respondeo: Hoc est modicum, cum sint plures libri in sacra 25 pagina quam decem, quam viginti, quam triginta. Horum omnium forte scis tria vel duo folia ad plus, que tamen non intelligis. Et quia hoc ipsum modicum non intelligis, et impossibile est, quod intelligas; et quia putas quod intelligas, et doces quod non intelligis, ideo tu es hereticus, et ille, quem doces, est stultus et digne fit hereticus. Dic, quid scis. Respondes: „Scio quinque evangelia.“ 30 Magnum quid respectu triginta librorum. „Scio et anegenge, id est: ‘In principio erat verbum etc.’ Scio berchsalmen.“ Magnum quid. „Scio merat. Scio Triginta gradus Augustini.“ Magnum, et hoc ipsum non intelligis. Quid est hoc dicere: „In principio erat verbum et verbum erat apud deum“? Expone mihi primum „verbum“, | quomodo „in principio“ erat verbum! Erat verbum in principio ut 35 FbSb
3 Fb f.72v c
35 Fb f.72v d
1 contrarium ] contradictionem Sb 5 contradicant ] contradicunt Sb 22 numquam ] nequaquam Sb 29 doces2 ] docet Sb 31 anegenge ] eangenge Fb 31 Vgl. Sch¨onbach, Studien III, S. 118 32 Vgl. Sch¨onbach, Studien III, S. 119 || Vgl. Sch¨onbach, Studien III, S. 119f. 32–33 Vgl. (Pseudo–)David von Augsb., De inquis. heret., cap. 17: Finxerunt eciam quosdam rithmos, quos vocant triginta gradus s. Augustini, in quibus docent quasi virtutes sectari et vicia detestari
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pellis mea in carne mea tota, vel ut brachium meum in copore meo in parte, vel ut vestis mea in corpore meo, nec in toto nec in parte? Si sic, tunc verbum potuit a principio excoriari vel amputari vel exui. Dic, magister bour, quomodo fuit verbum in principio? Erat in principio verbum ut albedo in cigno, que non potest separari, calor in igne, vel ut albedo in veste, calor in aqua, que potest? 5 Latine „in“ notat idemptitatem nature. Item expone mihi: „Et verbum erat apud deum“. Sedet verbum iuxta deum, ut hic sedet unus apud alium, vel ut consilium sapientis apud cor suum, vel ut dies apud solem, vel quomodo? Stulte, maxima est vis in verbis theologie, quam nullus potest intelligere, nisi sciat aliquid de scientia, que dicitur grammatica ad minus. Latine „apud“ notat diversitatem 10 persone, ut innuit Augustinus. Dic, ex quo es ita litteratus, cuiusmodi dictio est „apud“? Hoc oportet ex necessitate sciri, qui sacram scripturam vult docere et intelligere. Hoc scolaris duorum annorum scit. Unde, magister bour, dicite: Vel est illarum dictionum una, que dicitur nomen? Vel que dicitur pronomen? Una illarum, que habet „esse“? Vel que ponitur pro illis, que habent „esse“? Vel una 15 illarum, que agunt vel patiuntur? Vel una illarum, que dictiones coniungunt vel disiungunt? Vel una illarum, que aliis preponuntur? Et utrum servit accusativo vel ablativo? Quod istorum facit hic „apud“? Vel una illarum, que aliis dictionibus interiacent? Si hoc nescis, numquam intelligis, quod dicis: „Et verbum erat apud deum“. Scolaris duorum annorum hoc scit, ita est puerile, quod hic quesivi, et 20 ita grossum, rude et inferius. Quid igitur responderes, si de altis sensibus, que in hoc verbo sunt, quererem? Ideo consulo, revertere ad aratrum, ad texturam et huiusmodi, quia stultitia est maxima, quod quis docet, quod non intelligit. Item heretici in hoc stultissimi, quod deserunt firmissimam fidem, que numquam in uno verbo a principio per MCCL et plures annos, ex quo Christus 25 de celo eam tulit et nobis tradidit, fuit mu | tata et aperte predicata semper fuit, et sumunt aliam, quam quilibet textor vel calcifex vel alius, qui litteram nescit legere de fide, in occulto ‹docet› etc. supra, id est per duo et viginti lineas usque „ut a“ vel plus. – Sed, o domini christiani, etc. – supra III [/… ] usque „taceo“ per totam columpnam et plus. – Unum tamen dico, pro deo non tedeat. 30 Manifeste videtur omnis infidelitas vera deceptio, et sola nostra recta in hoc, quod nostra est virtuosior etc. – supra [u. t.] usque „Amen“.
FbSb
26 Fb f.73r a
13 Vgl. (Pseudo–)David von Augsb., De inquis. heret., cap. 13: puer XII annorum scolaris cencies plus scit quam magister hereticorum LX annorum 29–30 Fb 117 I, Sermo XXVIII, f.70r a-b 29 non inveni 32 non inveni 22 revertere – aratrum ] Vgl. Luc. 9,62
6.5.4. CLM 7961: Sancti per Fidem | „Sancti per fidem vicerunt regna“. Hystoria de libro Numerorum XVI. De tribus, qui contumaciter se opposuerunt Moysi, qui fuit fidelis in omni domo domini. Hii tres fuerunt Dathan, Chore et Abyron cum suis complicibus, et Chore cum suis ignis vivos consumpsit. 5 Hii tres tria infidelium genera signant, scilicet paganorum, iudeorum, hereticorum. Hos ultimos proprie ignis infidelitatis ad litteram corporaliter hic comburit, et sic ad inferos descendunt eternaliter trucidandi. Unde, fideles, ut dicitur ibidem: „Recedite de medio hominum impiorum et nolite tangere ea que ad eos pertinent“, – scilicet aliquam infidelitatem – „ne involvamini in peccatis 10 eorum“. Ibidem: „Recedite de medio multitudinis huius, et nunc delebo eos“. Unde, fideles, constanter et firmiter tenete fidem vestram, quia dyabolus summe ei insidiatur, et quod gravius est in morte. Ideo sitis firmi in illa et nolite dubitare ut quidam stulti, qui intra se dicunt: „Nescio, quo me vertam et ad quid: Iudei dicunt, quod ipsi salventur, sic et sarraceni, similiter heretici, christiani similiter.“ 15 Nisi talis nimis infatuatus esset, nunquam sic dubi | taret voluntarie et sponte, cum dyabolus intendit homini fidem auferre, inmittit sibi huiusmodi cogitationes pessimas. Debet igitur fidelis tales cogitationes dyabolicas statim procul abigere et cito certius scire, quod quicquid credit hereticus, paganus, iudeus, non est nisi stultitia et fatuitas, nec aliquid rationis est, et nisi valde obtenebratus esset, tales 20 stultitias non crederet. Econtra fides nostra omnino est rationabilis, pulchra et lucida et summe nobilis, ut facillime ostendam, si fidem omnium predictorum discutiamus. Quod sarracenorum fides non sit nisi stultitia, patet. Ecce, multi sarracenorum credunt esse deum lapidem, aquam, terram, solem, lunam, homines malos, avem, 25 arborem. Ecce, quanta stultitia! Lignum enim vilis esset deus: Quomodo me liberaret ab igne eterno, qui non potest se ab igne presenti liberare? Sol vilis ‹esset› deus, quem quelibet nubes suo privat splendore, et qui nunquam valet quiescere: Quomodo invocanti se dabit eternam quietem? Vilis deus ‹esset› terra, que ita lutosa ‹est› et que tot hospites viles in se hospitari permittit, scilicet ranas, 30 serpentes et tot ossa, cadavera maledicta: Quomodo honorantem se honorabit? Aqua tam inquieta et insipida ‹est›: Quomodo dulcedinem, quam non habet, BSB Muenchen Clm 7961 = K [Zisterzienserstift Kaisheim] c 16 K f.66v d
2 K Incipit f.66v
8 trucidandi ] cruciandi Fb 10 in peccatis ] peccatorum K 2 Sancti – regna ] Hebr. 11,33 3–4 De – domini ] Num. 16,1-35 5 et – consumpsit ] Num. 16,33 9–11 Recedite – eorum ] Num. 16,26: recedite a tabernaculis hominum impiorum et nolite tangere quae ad eos pertinent ne involvamini in peccatis eorum 11 Recedite – eos ] Num. 16,45: recedite de medio huius multitudinis etiam nunc delebo eos 26–27 Lignum – liberare ] Vgl. Sap. 13,16: ne forte cadat prospiciens illi sciens quoniam non potest se adiuvare imago enim est et opus est et illi adiutorio
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Clm 7961: Sancti per Fidem
dabit? Avis, que me plus timet quam ego eam, quomodo cottidie tanto labore tam tenuem victum acquirit? Quomodo mihi roganti eternas dabit delicias? Ecce, quis nisi stultus talia diceret deos, que nulli sibi servienti vel bene vel male facere possunt. Ex hiis patet, | quod non sunt dii, et quod non nisi stultitia est, quod credunt sarraceni. Et quod non sit nisi unus deus, ostenditur. Ecce, scis, quod tu 5 non es deus, et quod te ipsum non creasti, quia te tantum diligis. Si deus fuisses, te multo probiorem, saniorem, pulchriorem etiam pre sole fecisses; et quod tuus pater vel mater non fuit deus et te non creavit, patet ex eadem ratione, quia tantum dilexit et te et se, quod te et se multo probiorem et pulchriorem fecisset. Verum est, partem tui corporis habes ab utroque, sed non animam. Sic nec sui 10 eos nec illi similiter cogita in infinitum per mille milia annorum, et ita oportet, quod ultimo unum invenias, qui est principium et origo omnium, a quo cetera omnia fluunt; et iste est deus, in quem credimus, qui omnia fecit superiora et inferiora, visibilia et invisibilia, qui multa mirabilia adhuc in anima tua faciet ac te ineffabiliter glorificabit, ut promisit, et stultos sarracenos condempnabit, qui 15 eum cognoscere noluerunt sibique lapidem, lignum vel huismodi deum fecerunt. Iudei etiam fides stulta est omnino, ut faciliter ostendam. Ecce, iudeus nobiscum credit unum deum esse, in hoc bene facit. Cum ergo quero: „In quem credis, iudee?“, respondet: „In deum, qui fecit terram et celum.“ Hoc bonum est. Sed quia non credit, quod idem deus factus sit homo pro nostra salute, 20 dampnabitur. Dicit: „Quomodo posset deus homo fieri?“ Quero: „Iudee, credis deum omnipotentem?“ Respondet: „Credo.“ Si ergo est omnipotens, potest et hoc. Qui omnia potuit facere et creare de nichilo, potuit et voluit se hominem facere et carnem ex virgine assumere. Sed dicit peccatis excecatus iudeus: „Quomodo potest virgo parere?“ Respondeo: „Deus, | qui omnia potest facere, 25 potest et hoc.“ Creavit mundum ex nichilo, qui potuit virgam in vetere testamento facere florere, frondere et fructus proferre, etiam aridam et una nocte. Deus, qui rubrum etc. – Dic quattuor generationes. Nonne vides, quod sine patre in terra nascitur vermiculus? Nonne vides, quod apes nascentur sine patre? Sicut potest facere illa, ita potuit et hoc facere. O cece, habes pisces in aqua, reptilia et 30 bestias in terra, volatilia in aere, potentiora deo? Ecce, quedam anguille in aqua patrem non habent, nobilis vermiculus, apis inter vermiculos in terra. Quidam nobiles equi in Capadocia. Quidam nobiles vultures in aere. Sicut deus hoc potest facere, ita et illud, iudee. Si devote Christum implorares, forte cecos BSB Muenchen Clm 7961 = K [Zisterzienserstift Kaisheim] K f.67r b 19 terram ] celis K
22 Respondet ] Respondeo K
4 K f.67r a
25
28 rubrum ] rubum Fb
28–29 Vgl. Thomas Cantimp., De natura rer., lib. IX, cap. 52,2-6 29 Vgl. Thomas Cantimp., De natura rer., lib. IX, cap. 2,3-8 33 Honor. Augustod., De imag. mundi I,19 (PL 172, Sp. 127 B) 4 Ex – dii ] Bar. 6,14; 21f. 26–27 qui – proferre ] Num. 17,8 Exod. 14,21 (?) 28 quattuor generationes ] Matth. 1,17 (?)
27–28 Deus – etc. ]
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Clm 7961: Sancti per Fidem
oculos tuos illuminaret. Ecce hoc ipsum, quod etiam fieri oportebat, in propria habes scriptura nec vides, cum ante oculos habeas. Dicit Ysaias „Ecce, dictio est demonstrata: ‘Ecce, virgo concipiet’ etc. usque ‘deus’“. Similiter et Iosephus iudeus de Christo scribit etc. Nota: Ecce, quantum ex peccatis excecatus est, ut Ihesum Christum, quem totus mundus deum agnovit, ipse non agnoscat! Ecce, 5 cum natus esset, simile venerunt secum sui servi angeli leti in magna claritate: „Gloria in excelsis deo“. Et unus ex illis dixit: „Annuntio vobis gaudium magnum“. Celi stellam miserunt, que tres magos ad presepe conduxit. Terra etiam ad eius preceptum mortuum quadriduanum multa velocitate reddidit, ut ligatis manibus et pedibus prodiret foras. Item nulla infirmitas in terra sibi restitit, 10 quin statim verbo curaret. Mare ei se calcabile prebuit. Cum vero pro nobis moreretur, ut humano usu loqueretur, omnia eum agno | verunt. Sol obscuratus est, terra tremuit, quia mortem filii dei clamabat mundus se sustinere non posse. In tantum se tristi modo et miserabili habuit mundus, ut Athenienses, qui fuerunt sapientes etc. Ecce, quanta stultitia iudei et quam cecus est. Habet enim usque 15 in hodiernum diem velamen super faciem suam, ut dicit: „Nimis contemptibile et indignum esset tante maiestati, quod deus factus fuisset homo et tanta ac talia obprobria et incommoda sustinuisset; non decet deum hoc pati.“ Respondeo: „Miser et cece iudee, valde bene ad hoc tibi respondetur et facillime. Nichil decet magis dei bonitatem quam bonum se ostendere, misereri et amare. In hoc 20 ergo cognosco immensam bonitatem et caritatem suam, quod tanta pro me fecit et voluit conspui, ut nos sic lavaret. Spinis coronari, ut nos in celis coronaret. Vulnerari, ut nos sanaret; mori, ut nobis vitam eternam emeret. Vere, domine, fecisti bene et virtuosissime tanta pro homine sustinendo, nunquam enim homo te tantum dilexisset. Satis ostenderas potentiam tuam omnia verbo faciendo; decuit, 25 ut etiam magnam tuam ostenderes bonitatem et misericordiam, quod et fecisti pro homine tanta patiendo. Ostendes autem et pulchritudinem tuam, gloriam et gaudium tuum, te nobis sicut es in celo ostendendo et manifestando; in quo etiam cognovissemus liberalitatem, misericordiam tuam maximam, clementiam et virtutem tuam, nisi in maximis donis tuis? Ideo postquam nobis tua, id 30 est temporalia ista et tuos amicos, id est angelos tuos, donasti, decebat tuam summam caritatem, ut etiam temetipsum nobis donares. Et | magnas gratiarum actiones ei referte et ex toto corde diligite, quia vos ex toto corde dilexit, cor suum BSB Muenchen Clm 7961 = K [Zisterzienserstift Kaisheim] K f.67v d 2 Dicit Ysaias ] Ideo dic Fb 3 demonstrata ] demonstratam K et corr. K 12 obscuratus ] obtenebratus Fb
12 K f.67v c
32
11 quin ] saltim add.
3–4 Flav. Joseph., Antiquitates 18,3,3 3 Ecce2 – deus ] Luc. 1,31f.; Isai. 7,14 7 Gloria – deo ] Luc. 2,14 7–8 Annuntio – magnum ] Luc. 2,10 8 Celi – conduxit ] Matth. 2,1ff. 8–10 Terra – foras ] Ioh. 11,44 11 Mare – prebuit ] Matth. 14,26; Marc. 6,48, Ioh. 6,19 12–13 Sol – est ] Luc. 23,44f. 13 terra tremuit ] Matth. 27,51 14–15 Athenienses – etc. ] Act. 17,21ff. 15–16 Habet – suam ] 2 Cor. 3,13-15 32–33 Et – diligite ] Deut. 6,5; Matth. 22,37; Marc. 12,30ff.; Luc. 10,27
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Clm 7961: Sancti per Fidem
perforari permittendo pro nobis. Igitur inconveniens nullum ex hoc sequitur, quod deus pro nostra caritate factus est homo et passus in natura humana, cum venerationes, quas populus christianus ei facit in terris, pro hoc multo maiores sint quam contumelie, quas intulit ei populus iudaicus in die parasceve. Iudee, quia igitur non vis credere, quod nemo potest contradicere, quin sit nimis credibile, 5 ut dicit propheta: ‘Testimonia tua etc. facta etc.’, ideo dampnaberis.“ Similiter et heretici, quorum fides maxima est stultitia etiam pre stultitia paganorum et iudeorum; neque enim paganus nec iudeus pro doctore fidei sue aliquem habet, qui litteras nescit legere, quod faciunt heretici. - Dic: Queso: „In quibus libris habes, quod heresis tua sit fides vera?“ Respondet: „Ego libros 10 nescio.“ Quero: „Scis aliquod in eis legere et videre?“ Respondet: „Nescio.“ De quo ergo te intromittis? O fideles! Vos scitis, quod nemo potest esse bonus magister in scientia, quam nunquam vidit. Nunquam fuit pictor bone ymaginis quam nunquam vidit. – Sic dic de scribendo, calcios faciendo, panem pistando – Nec iste rusticus potest esse bonus doctor sacre scripture, quam nescit legere. 15 Dicis: „Sine libro scio.“ Dico, quod est modicum, cum sint plures in sacra scriptura libri quam milia, horum omnium scis forte tria vel quinque folia, que tamen ad plenum sensum non intelligis, et impossibile est, quod intelligas; sed quia putas te intelligere, doces quod non intelligis. Idcirco, o christiani, | 20 producite fidem vestram et eam tenete, et eritis beati. Quod nobis. Amen.
BSB Muenchen Clm 7961 = K [Zisterzienserstift Kaisheim] 13–14 Nunquam – vidit ] add. sub col. secunda manu K K
19 K f.68r a
13 fuit ] scriptor (?) add. et corr.
6 Testimonia – etc. ] Ps. 92,5: testimonia tua fidelia facta sunt nimis
6.5.5. CLM 8738: Dominica Duodecima | Dominica duodecima. De septem sacramentis. „Beati oculi“ – glossa: interiores – „qui vident“. Glossa: id est cognoscunt sacramenta, que revelantur parvulis, id est humilibus fidelibus, non superbis hereticis. Nota hoc, quod non solum ad beatitudinem requiruntur articuli fidei, 5 sed etiam septem ecclesiastica sacramenta firmiter sunt credenda. Primum dedit deus intrantibus, secundum pugnantibus, tertium resurgentibus, quartum itinerantibus, quintum exeuntibus. Hec quinque necessaria sunt, si haberi possunt, reliqua duo voluntaria: ordo propter suam dignitatem, matrimonium propter imperfectionem. Hec sunt septem columpne, super quas sapientia domum suam, 10 id est ecclesiam, fundavit. Has heretici naturaliter destruere ‹volunt› in cordibus fidelium. Sed qui non credit, salvari nequit. Primum est baptismus, qui datur intrantibus in remissionem omnium peccatorum. Sicut enim in baptismo Christi celi aperti sunt sic puero aperitur ianua celi | clausa propter ‹peccatum› originale. Marcus: „Qui crediderit et baptizatus 15 fuerit etc.“ Ubi opponunt heretici: „Pueri non credunt, ergo dampnabuntur“, respondeo: „Iacobus ait: ‘Qui in verbo non offendit, hic perfectus est vir’, ergo mutus vel puer sunt perfecti. Si dicis, quod intelligitur de hiis, qui possunt loqui, similiter de hiis, qui possunt credere.“ Unde deus non requirit ab eis, donec possint credere, sed ‹heretici› dicunt iterum: „Quomodo salvabitur, qui 20 nichil boni fecit?“ Respondeo: „Quomodo dampnabitur, si nichil mali fecit? Ex misericordia dei ‹salvabitur›, ut dicit apostolus ‹ad› Titum.“ – Nota „ex operibus iustitie etc.“ usque „per lavacrum regenerationis“. – Fides ergo katholica hec est, ut, cum hec quattuor conveniunt: baptizans, intentio, aqua, forma verborum, valeant baptizato ad remissionem omnium peccatorum. 25 Secundum est confirmatio, que datur ad robur pugnantibus contra vitia, mundum, carnem et dyabolum. In fronte autem fit unctio ab episcopo, quod signat gratiam spiritus sancti, que in ea tribuitur. Augustinus: „Ideo nos unxit, quia | luctatores contra dyabolum fecit.“ Hanc nemo debet negligere, et adulti contriti debent accedere et ieiuni preter infirmos, et presentatus est patrinus. 30 BSB Muenchen Clm 8738 = M [Franziskanerkloster Muenchen] f.30v c 15 M f.30v d 29 M f.31r a
2 K Incipit
9 suam ] sui M 3 non inveni 3–4 Glossa ord. zu Luc. 10,21 26 Vgl. Hugo von St. Vict., Summa sent., tr. VI, cap. 1 (PL 176, Sp. 138 C) 27 Vgl. Hugo von St. Vict., De sacramentis, lib. II, p. VII, cap. 2 (PL 176, Sp. 460 C) 28–29 Augustinus, In ev. Io. tractatus centum viginti quatuor, tr. 33,3 (PL 35, Sp. 1648) 3 Beati – vident ] Luc. 10,23 10–11 Hec – fundavit ] Prov. 9,1 12 Sed – nequit ] Vgl. Marc. 16,16 14 celi – sunt ] Ezech. 1,1 15–16 Qui – etc. ] Marc. 16,16 17 Qui – vir ] Iac. 3,2 21–22 Ex – Titum ] Tit. 3,5 22–23 ex – regenerationis ] Tit. 3,5
232
Clm 8738: Dominica Duodecima
Tertium est poenitentia eorum, qui in pugna ceciderunt et resurgere volunt, sine qua salvari non possunt. Hec consistit in contritione et confessione facta sacerdoti. Hoc dico propter hereticos, qui dicunt laicis esse confitendum. Item in satisfactione. Quartum est corpus et sanguis Christi. Hoc datur ad consolationem itine- 5 rantium, quod heretici graviter impugnant: Primo, quomodo sub tam parva forma panis potest latere tam magnum corpus? Quibus dicitur, quod non erit impossibile apud deum omne verbum. Licet tamen quodammodo simile videamus in exemplis, ut in speculo parvo ‹imagines› magnarum rerum ut solis et lune representantur, item in parvo lapide magnas virtutes esse. Similiter parvum 10 cor principis magnam habet potentiam; si hec sunt in creatura, non mirum, si in creatore. Item ‹heretici› dicunt, quomodo simul et semel | possit esse in diversis locis? Ad quod dici potest: Non esse mirum hoc in creatore, cum simile videamus in creatura. Sol enim simul et semel in diversis terris videtur, et est quasi ad illuminationem. Similiter idem verbum meum simul et semel est in 15 diversis auribus. Ad esse autem huius sacramenti exiguntur quattuor, scilicet ordo, intentio, materia, forma verborum. Quintum est extreme unctionis oleo ab episcopo consecrato. Hec datur duplici de causa, ut dicit Hugo de Sancto Victore: „Duplici ex causa sacramentum hoc institutum est: ad peccatorum remissionem et ad infirmitatis corporalis 20 alleviationem.“ Reprehendendi sunt ergo infirmi, qui hoc sacramentum horrent quasi citius ex hoc morituri, cum conferat sanitatem corporis et anime, si tamen in utroque expedit. Si autem ad sanitatem corporis non expedit, semper tamen illam, que est anime, acquirit. Pueris non datur, quia non indigent remissione actualis peccati, nec sanis, quia etiam datur ad sanitatem corporis, et reprobanda 25 est stultitia laicorum, qui dicunt, | quod inunctus non debet postea cum uxore sua dormire vel terram nudis pedibus tangere et huiusmodi. Sufficit etiam, quod statim stuppa abstergatur, est enim materia transiens unctionis. Sextum est matrimonium, de quo quicquid mentiatur hereticus cuilibet, qui contrahere non devovit; et prohibitus non est tam in veteri quam in novo 30 testamento, per angelos et apostolos et per ipsum deum matrimonium sanctum esse probatur. Nota: Raphael Saram et Thobiam copulavit, Gabriel Iohannem nuntiavit, et ‹dicit› dominus: „Quicumque uxorem dimiserit etc.“ Apostolus ‹dicit›: „Si nupserit virgo etc.“ Stulti sunt ergo heretici matrimonium dampnantes. Si BSB Muenchen Clm 8738 = M [Franziskanerkloster Muenchen] 26 M f.31v c
12 M f.31r b
5 corpus ] corporis M 19–21 Hugo von St. Vict., De sacramentis, lib. II, p. XV, cap. 2 (PL 176, Sp. 577) 22–24 Vgl. Hugo von St. Vict., De sacramentis, lib. II, p. XV, cap. 2 (PL 176, Sp. 578) 1 qui – volunt ] Vgl. Prov. 24,16 7–8 non – verbum ] Luc. 1,37 32 Raphael – copulavit ] Tob. 6,11-13; 8,1-11 32–33 Gabriel – nuntiavit ] Luc. 1,11-13 33 Quicumque – etc. ] Matth. 19,9; Marc. 10,11 34 Si – etc. ] 1 Cor. 7,28
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Clm 8738: Dominica Duodecima
enim non esset, unde homines nascerentur, unde angelorum ruina repararetur et huiusmodi? Septimum est sacer ordo, quod datur clericis, quibus dicit dominus: „Quodcumque solveritis etc.“ Cum enim dicit sacerdos penitenti: ‘Absolvo te etc.’, ipse deus et tota curia celestis ratum habet. Sed dicunt heretici: „Sacerdotes tamen 5 sint peccatores tales et tales, quomodo nos possunt mundare? | Ecclesiasticus: ‘Ab immundo quis mundabitur’. Lucas: ‘Si cecus cecum etc.’“ Quibus respondetur, quod in sacerdote duo sunt, vita et officium. Vita est sua, officium datum est ei propter alios filios dei. Si bonus est, prodest sibi; si malus, obest sibi, non mihi. Quid mihi nocet, si rex per nuntium deformem mittit mihi munera 10 pretiosa, gemmas et huiusmodi? Non enim perdunt virtutem suam, quia non sunt ministri, qui ea portant, sed deus qui ea mittit. Igitur sacerdos immundus non me immundat, quia non manu vite sue, sed officii me lavat. In quo apparet dignitas sacramentorum, que per malum ministrum deteriorari non possunt, sicut radius solis propter immunditiam loci non inficitur. Det dominus. Amen. 15
BSB Muenchen Clm 8738 = M [Franziskanerkloster Muenchen] 12 portant ] portat M
6 M f.31v d
| deus ] deo M
1 Vgl. Vincent. Bellovac., Speculum nat., lib. I, cap. 81 (Douai Bd. I, Sp. 73f.) 3–4 Quodcumque – etc. ] Matth. 18,18 – etc. ] Luc. 6,39
6–7 Ab – mundabitur ] Sir. 34,4
7 Si
Literaturverzeichnis Abkürzungen: AFH CSEL CC CM CC SL DA FMS GC HJb HWR LexMA LThK MGH SS MIÖG MJb QGW
PL PS I / II
RDL TRE WiWei VL
ZfdA ZfSK
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Register der Namen und Autoren Aaron 144, 187, 192, 198 ff. Abiron 124, 198, 200 Adémar von Chabannes 159, 161 Agnes Blannbekin 31 Alanus ab Insulis, 30, 65, 80 f., 90, 122, 127, 134, 136 Alberich von Troisfontaines 162 Albertus Magnus 21 f., 31, 37, 53, 121 Alexander IV. 21, 34, 60 Amaldus de Seranno 27 Ambrosius, Hl. 31 Anno, Bischof von Köln 75 Antonius von Padua 26, 42, 46, 70, 80, 109–114, 116, 120 Arius 137 Arnaud Amaury 103 Arnold, John 100 f., 103 Astaroth 197 Augustinus 103, 125, 137, 151, 159, 198 d’Avray, David 14, 72 Banta, Frank G. 5 Bartholomäus Anglicus 16 f. Baumgartner, Ephrem 8 Bela IV., König von Ungarn 58 Bernhard Gui 89 Bernhard von Clairvaux 47, 67, 72, 104 ff., 115 f., 126, 136, 149 Bernhardt, E. 7 Berthold von Sigmaringen 59 Boleslaus II., Herzog von Schlesien 20 f. Bonaventura 24, 31 Caesarius von Heisterbach 50, 161 Casutt, Laurentius 8, 43, 175, 177, 183, 200 Clemens IV. 141 Constable, Giles 191 Dathan 124, 192, 198, 200 David von Augsburg 16, 18, 21, 31, 54, 121, 126 Diego von Osma 104
Durandus von Osca 99 Eberhard, Bischof von Salzburg 58 Ekbert von Schönau 126, 136 f. Eleazar 145, 192 Elisabeth von Thüringen 49, 52 Everwin von Steinfeld 47, 104 f., 107, 126, 149 Franziskus von Assisi 30, 76 ff., 167 Friedrich Barbarossa 88 Friedrich II., Herzog von Babenberg 58 Friedrich II., Kaiser 19, 53, 55, 109 Friedrich von Amberg 176, 183, 185, 188 Gebeno von Eberbach 107 Gerardin Segalelli 30 Giraldus, Erzbischof von Bordeaux 55 Göbel, Franz 5 Gratian 33 Gregor IX. 19, 48, 52, 55, 109 f., 121, 142, 162 Grimm, Jacob 5 Grundmann, Herbert, 117, 137, 154 Guichard, Erzbischof von Lyon 87 Haymo von Faversham 80 Heinrich III., Graf von Sayn 49 Heinrich VII., König 49 Heinrich von Langenstein 81 Heinrich von Thann, Bischof von Konstanz 109 Heinrich von Veringen, Bischof von Straßburg 50 Hermann V., Markgraf von Baden 20 Hermann von Altaich 18 ff. Hildegard von Bingen 67, 107 f., 116 Hoetzl, Petrus 7 Honorius Augustodunensis 75 Honorius III. 78 Innozenz III. 53, 56 f., 77 f., 89, 103 f., 141 Innozenz IV. 19, 58 f., 62, 109, 139
260
Register der Namen und Autoren
Irmingard, Markgräfi n von Baden 20 Isidor von Sevilla 112, 125 Ivo von Narbonne 55 Jacob von Vitry 166 Jacobus von Voragine 46 Jakob, Georg 7, 185 Jean aux Belles-Maines, Erzbischof von Lyon 88 Jean de Joinville 36 f., 41 Jean Joly 183 Johannes von Capistrano 73, 76, 115, 168 Johannes von Plano Carpini 139 Johannes von Ronco 48, 91, 128 Johannes von Rupella 82 Johannes von Viktring 55 Johannes von Winterthur 18, 26, 28, 42, 165 Johannes XXII. 63 Jostes, Franz 173, 175, 183 Jupiter 140 Kästner, Hannes 10 Kienzle, Beverly M. 66 f., 69, 155 Kling, Christian F. 5 Konrad III., König 72 Konrad IV., König 19, 109 Konrad von Marburg 48, 52, 98, 162, 171 Konrad von Nittenau 54 Korah 124, 198, 200 Leo, Bischof von Regensburg 54 Leopold VI., Herzog von Österreich 56 ff. Leuthard 154 f. Lucius III. 50, 56, 88 Ludwig II., Herzog von Bayern 54, 121 Ludwig IX. der Heilige, König von Frankreich 36 f., 41, 143 Ludwig von Liebenzell 20 Lupus von Ferrières 74 Manegold, Bischof von Passau 56 Manes 126 Matrod, Henri 11 Merklin Sachs 16 Mertens, Volker 164 Moser, Krispin 8, 119, 174, 188 Neuendorff, Dagmar 9, 13 f. Nikolaus Donin 142 f., 145 Nikolaus Glaßberger 27 Odo von Châteauroux 143
Odysseus 76 Ortolf, Abt von Kremsmünster 60 Otto II., Herzog von Bayern 19, 21, 58 Otto von Lonsdorf 60 Ottobuoni de Razzi 55 Ottokar II. Premysl, Markgraf von Böhmen 58–62, 126 Passauer Anonymus 47, 53, 59 ff., 90, 94– 98, 115, 125, 129, 131 ff., 144, 162, 172 Peter Odranec 18, 73 Petrus Cantor 79, 81 Petrus Comestor 84 Petrus Lombardus 84 Petrus Martyr 46, 119 f. Petrus Venerabilis 141 Petrus von Blois 74 Petrus von Castelnau 103 Pfeiffer, Franz 1, 5, 15, 117 Philipp August, König von Frankreich 141 Philipp der Kanzler 33, 75 Philipp von Heinsberg 67, 107 Praepositinus von Cremona 1 Proteus 96 Pseudo-David von Augsburg 54 f., 90, 93– 97, 115, 129, 131 f., 153, 162, 169, 172 Radulf von Coggeshall 161 Radulfus Glaber 155 Raedlé, Nicolas 173 Raimund Peraudis 74 Richter, Dieter 9, 14 Rieder, Karl 6, 22 Robert von Lecce 76 Röcke, Werner 10 Roest, Bert 85 Roger Bacon 24, 41, 82, 85 Rüdiger, Bischof von Passau 58 f. Rudolf von Habsburg 59 Salimbene von Parma 24 ff., 28 f., 38, 42, 79, 83, 159, 165 Salomo 194 Samson 150 Schmidt, Hans J. 10 Schnell, Rüdiger 9 Schneyer, Johannes B. 8 Schönbach, Anton E. 2, 7, 11, 17, 44 f., 117 f., 136 ff., 173 f., 176 ff., 182 f., 185, 190 Schütz, Eva 10 Segl, Peter 12, 118, 135 Simon Magus 159, 161, 199
Register der Namen und Autoren Stephan von Bourbon 1, 89 f., 96, 128, 132 Strobl, Josef 1, 5, 117 Theobald II., König von Navarra 37 Theobald von Sézanne 143 ff. Thomas von Aquin 123 f. Thomas von Celano 167 Thomas Waleys 166 Thomas, Bischof von Breslau 20 Thomasin von Zirclaria 57 f. Ubertino da Casale 83 Ugo Pocapaglia da Reggio 79 Ulrich, Bischof von Augsburg 75 Unkel, Karl 7 Urban IV. 21, 31, 37, 41, 119
Venus 140, 192, 197 Vincent Ferrer 76, 167 Völker, Paul-Gerhard 8 von der Lühe, Irmela 10 Waldes 48, 87, 89, 91, 98 Walter Map 95 f. Wenzel, Horst 168 Werner von Kirchheim 67 Wernher von Raderach 19 Wiegand, Friedrich 11 Wilhelm von Auvergne 143 Wilhelm von Auxerre 83 Wilhelm von Saint-Amour 76 Wolfgang, Bischof von Regensburg 75 Zink, Michel 70
261
Sachregister Abendmahl 54, 133 Ablehnung – der Ehe 47, 105 – der Eidesleistung 47, 63, 89, 134 f. – des Fleischverzehrs 47, 105, 195 Adversus-Judaeos-Literatur 140 ff., 201 Albigenser 57, 89, 109 Amberg, Franziskanerkloster 27 Andechs 21 anegenge 133, 169 Anekdote 27, 33, 35–39, 41, 113, 116 Antichrist 61, 154 f., 157 ff., 170 f. apokalyptischer Drache 156 f., 195 Arles 89 f., 99, 128 Arme Lombarden 48, 89, 91 f., 95 Arme von Lyon, Leonisten 48, 54, 88 f., 91 f., 128, 138 Arriani 137, 192 artes praedicandi 74, 82–85, 165 f. Augsburg 17, 53 Autograph 44, 68 Avignon 99 Basilisk 169 Bayern 23, 54, 62, 120 Beichtsummen 84 berchsalmen 133 bettefredus 25 Bettelorden 37, 64, 77, 103, 153 Bibelübersetzungen 97 Böhmen 18, 48, 60 ff., 73, 120 Bologna 25, 80, 110 Buße 24, 33, 100, 134 Bußpredigt 102, 112 civitas diaboli 154, 156 Colmar 18 consolamentum 102 Cumanen 18, 139 Disputation 46, 50, 79 f., 82 f., 99, 104, 110, 113, 143 Dolmetscher 18, 73 f.
Dominikaner 41, 54 f., 61, 76, 108, 119, 121, 141, 143 f., 168 Drittes Laterankonzil 57, 87 Ehe 54, 123 Elevation 157 Elsaß 18, 51 Endzeit 106, 108, 116, 155, 194 Erfurt 48 Eucharistie 92, 123 Exempel 32 f., 74, 160, 166, 171 Exemptionsrecht Exhorte 77, 86, 112 Exkommunikation 88, 104 falsche Wunder 157 f., 160, 171, 196 Fegefeuer 32 Fiktion 14, 38, 41 Firmung 134 Flandern 47 Freiburg i. Ue., Franziskanerkloster 183 Freigeist-Häresie 53 Friesach 52, 55 Generalstudium 40, 80 Gestik 74 f., 115, 166 Gottesurteil 50 f. Halle 76 Heiden 60, 123 f., 138 ff., 144, 146, 149 f., 153, 169, 192, 198 ff. Heiligenlegende 31, 84, 115 Hoheliedpredigten 67, 116, 126 Hölle 32, 124, 144, 164, 198 Homilie 51, 80 f. Hospiz 91, 93 f., 130 inquisitorische Handbücher 54, 90, 115, 125 Inszenierung 76, 170 Interdikt 34, 59, 64 Italien 46, 55, 57, 64, 89, 98, 110, 133, 161
264
Sachregister
Jenseitsvision 168 Juden 60 f., 108, 123 f., 140–150, 153, 169, 171, 192, 198–201 Katharer 1 f., 12, 46–49, 55, 57, 61, 63, 86–89, 93, 99–105, 107 f., 115 f., 119 f., 125 f., 128, 130, 134–138, 149, 154 f., 168, 171, 192, 195 Katze, Kater 134, 162 f. Ketzerpredigt 12, 117, 122, 124, 163 Ketzerverhör 47, 54, 61 Köln 47, 67, 72, 104, 106 ff., 116, 126, 149, 162 Konstanz 18, 20 Konzil von Nantes 76 Körpersprache 74 f., 167 Krems 61 f. Kreuzlingen 19 f. Kreuzpredigt 21, 31, 34, 37, 41, 108 f., 121 Kreuzzug 37, 72, 108 f. Kröte, Krötenkuß 162 f. Kunstpredigt 41, 83 Laienpredigt 86 Landshut 18 f. Languedoc 47, 103 f. Leviathan 147 Levitation 161 Linz 44 Lissabon 109 Lokalheilige 23, 29, 41 Lombardei 47, 55 Luziferianer 49, 162, 171 Magdeburg 17, 40, 73, 76 Magie 157–161, 171 Mähren 18, 61 f., 73, 120 Mailand 46, 51, 89 Mainz 52, 62 Manichäer 47, 57, 104, 126, 135, 137 merât 133 Metz 50 Mimik 74, 115, 166 Mnemotechnik 167 Mohammedaner, Muslime s. Sarazenen Mongolen, Tartaren 18, 108, 139 f. Montauban 99 Mündlichkeit 9, 13, 67, 165 Musterpredigtsammlung 13, 67, 69 ff., 74, 85, 115, 187 Narbonne 57, 89, 99, 128 Niedermünster, Frauenstift 16 f.
Nittenau 120 Nördlinger Ries 53 Observanzbewegung 38 Orléans 162 Ortlieber 53, 61, 138 Österreich 18, 23, 37, 48, 57–64, 92, 98, 109, 120, 128, 163 Oxford 40, 79 Paradies 32 Paris 34, 36, 39, 68, 79, 82, 143 Parodie 169 Passau 56, 62, 120 Patareni, Pateriner, Patarener 46 f., 57 Pataria 57 Pecia-System 69 Perfecti, Vollkommene 91 f., 100 ff., 130, 135 Pforzheim 20 Poverleun, Pauperes de Lugduno s. Arme von Lyon Predigthandbücher 65, 83 f. Predigtreisen 16–20, 23, 26, 28, 38, 64, 72, 107, 110, 121, 172, 188 Predigtsprache 68 Prophetie 31, 65 Proselyten, Proselytenmachen 140, 149 Quodlibet 37 Ravenna 55 Regensburg 15 f., 18 f., 52, 55, 120 f., 138 Regula Bullata 30, 78 Reno 25 reportatio 68 f., 76 Rheinland 47 Runclarii, Runkarier 48, 91, 128 Rusticanus de Communi 3, 43 f., 190, 200 Rusticanus de Dominicis 3, 43, 134, 158 f., 190 Rusticanus de Sanctis 3, 7, 43 f. Sakramente 34, 48, 59, 63 f., 93, 105, 122, 134 f. Sandaliati, Sandalenträger 92, 130 Sarazenen 123, 126, 138 ff. Satanskult 63 Schlacht von Liegnitz 108, 139 Schriftpredigt 66 f., 70 Schwaben 23, 53 Schwäbisch Hall 53 Schweiz 18, 23, 120
Sachregister
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Sermokondensat 13, 178 Sermones ad Religiosos 3, 7, 174 Sermones speciales et extravagantes 3, 174, 176 Speyer 18 St. Lambrecht, Benediktinerabtei 95 St. Peter in Regensburg 23 St. Pölten 61 f. Steiermark 55, 58, 95 Stereotyp 137, 149, 170 Straßburg 50 ff. Sündenstrafen 33
ungelt 22 Universitätspredigt 81 f.
Talmud, Talmudverbrennung 141–148, 171, 198, 201 Tartaren s. Mongolen Taufe 54, 105, 123, 134 Teufelsanbetung 63, 94, 162 Todesengel 147 Tötungsverbot 134 Toulouse 113 Traiskirchen 62 Tränen 75, 166 Transsubstantiation 113 Trier 48 Triginta gradus Augustini 133
Wahrsagekunst 157 Waldenser 1, 2, 47 ff., 54, 61–64, 86–100, 103, 115, 119 f., 125 ff., 128–136, 138, 154 f., 163, 171, 195 Wanderprediger 43, 51, 88, 91, 96, 98, 104, 110, 132 153, 157 Wasserprobe 106 Wertlosigkeit der Sakramente 135 Wetterzauber 157, 160 Wien 58, 61 Wunder 153, 160, 166, 196 Würzburg 52
Ungarn 18, 29, 37, 61, 73, 139
Verona 46, 168 Viertes Laterankonzil 77, 86, 89, 142 Vita apostolica 87 Volkspredigt 82, 85 Vorwurf – des Bibeldiebstahls 131, 164, 169 – der Heimlichkeit 93, 105, 156, 164 – der Heuchelei 130, 152, 156, 164
Zauberei 63 Zürich 18