Predigen mit moderner Literatur: 12 literarische Gottesdienste 9783666630552, 9783525630556, 9783647630557


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Predigen mit moderner Literatur: 12 literarische Gottesdienste
 9783666630552, 9783525630556, 9783647630557

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© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

DIENST AM WORT Die Reihe für Gottesdienst und Gemeindearbeit Band 158

Vandenhoeck & Ruprecht © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

Christian Siebold / Maike Siebold

Predigen mit moderner Literatur 12 literarische Gottesdienste

Vandenhoeck & Ruprecht © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-525-63055-6 Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhältlich unter: www.v-r.de Umschlagabbildung: © Idee und Realisation: Guido Beck © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen / Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U.S.A. www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Printed in Germany. Satz: SchwabScantechnik, Göttingen Umschlag: SchwabScantechnik, Göttingen Druck und Bindung: e Hubert & Co., Göttingen Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

Inhalt

Vorwort von Markus Klose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Wozu Literaturgottesdienste? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2. Die Entstehungsgeschichte des LitDOMs . . . . . . . . . . . .

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3. Die Idee LitDOM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die LitDOM-Zutaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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4. Der Ablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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5. Die Öffentlichkeitsarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturgottesdienste als Marke entwickeln . . . . . . . . . Werbung mit Druckerzeugnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pressearbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Öffentlichkeitsarbeit im Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kooperationspartner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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6. Ein LitDOM-Jahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Januar: Erinnerungen sind wie Beton, es kommt darauf an, was man daraus macht. „Bumerang“ von Tatiana de Rosnay . . . . . . . . . . . . . . . . .

22

Februar: Die Kraft der geschriebenen Worte „Gut gegen Nordwind“ von Daniel Glattauer . . . . . . . . . .

29

März: Rache „Der Fall Collini“ von Ferdinand von Schirach . . . . . . . . .

36

April: Umgang mit Angst „Dein Wille geschehe“ von Michael Robotham . . . . . . . .

42

Mai: Die Ehe auf dem Seziertisch „Glückliche Ehe“ von Rafael Yglesias . . . . . . . . . . . . . . . .

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© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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Inhalt

Juni: Die nackte Wahrheit „Die hellen Tage“ von Zsuzsa Bánk . . . . . . . . . . . . . . . . .

56

Juli: Der Charme der Demut „Léon und Louise“ von Alex Capus . . . . . . . . . . . . . . . . . .

62

August: Erinnerungen sind der Reichtum des Lebens „Der Geschmack von Apfelkernen“ von Katharina Hagena . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

September (20. September der Weltkindertag): Neue Sicht – Mit Kinderaugen sehen „Die geheime Bendedict-Gesellschaft“ von Trenton Lee Stewart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

74

Oktober: Ehrfurcht vor dem tierischen Leben „Das Affenhaus“ von Sara Gruen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

81

November: Einsamkeit „………… Ausgewählte Texte“ von Richard Brautigan

87

Dezember: Lichtgestalten „Steve Jobs“ von Walter Isaacson . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94

Zwei Ersatz-Gottesdienste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 Schwarz-weiß Denken „Der amerikanische Architekt“ von Amy Waldman . . . . . 102 Unser Leben aus Sicht unseres Körpers „Winterjournal“ von Paul Auster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Quellennachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

Vorwort

Zu unterstellen ist wohl, dass die solide Kenntnis der Menschen bezüglich biblischer Texte, die wesentliche Grundlage der Interpretation des zentralen Teiles eines jeden Gottesdienstes, der Predigt nämlich, sind, nicht mehr vorausgesetzt werden kann. Während Gemeindelied und Gebet noch nach wie vor ihre gewünschte Wirkung entfalten, steht die „klassische“ Predigt in der Gefahr, ihre Wirkung (und damit ihre zentrale Rolle im Gottesdienst) zu verlieren. Nun gibt es gute Gründe, nicht im Sinne eines Populismus auf Elemente eines Gottesdienstes zu verzichten, nur weil sich die GemeindeBasis von den Inhalten entfernt hat. Die Predigt bleibt immer Fundament eines Gottesdienstes. Denn die Menschen erwarten ja weiterhin Augen-Öffnendes, Weitsichtiges, Neues, ja vielleicht sogar Aufrüttelndes, Bewegendes und Handlungsanweisendes. Aus einem gelungenen Gottesdienst geht man anders heraus als hinein. In unserem Sprachraum sind Prediger, die als große Rhetoriker ihren „Schäfchen“ Ansagen machen, die sie begeistern, faszinieren wollten, nicht mehr gefragt. Der Skeptizismus der Kirchengemeinde ist zu groß, als dass mit solchen Mitteln noch Wirkungstreffer erzielt werden könnten. Vielleicht ist das auch ein gutes Zeichen, dass die Zuhörer auf solche Energie mit Vorsicht oder Ablehnung reagieren. Spricht das doch für eine wache, kritisch hinterfragende Zuhörerschaft, die nicht demagogisch manipuliert, sondern motiviert und angeregt werden will. Aus all dem ist schnell geschlossen, auch andere als biblische Texte zur Grundlage der Predigt zu machen. Hier lässt sich eine größere Nähe zur Gemeinde aufbauen, hier kommen Interessierte einfacher mit, da sie die Texte ohne Übersetzungshilfe verstehen und sich in ihrer Lebenswelt abgeholt fühlen. Auf der anderen Seite kann der Verzicht von Anstrengung, nur weil man so leichter an seine Ziel© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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Vorwort

gruppe herankommt, auch das Verschwinden vom eigentlichen Ziel des Gottesdienstes bewirken. Sich auseinandersetzen zu müssen, um zu verstehen, kann durchaus auch ein berechtigtes Anliegen eines Gottesdienstes sein. Schließlich ist Kirche kein popkulturelles Phänomen, allzu schnell wird sonst aus Nähe Anbiederung. Der Gottesdienst als Event: wohl kein gutes Ziel bei der Etablierung neuer Formate. Der LitDOM versucht die beschriebene Aufgabe anders zu beantworten. Es geht eben nicht um Anspruchslosigkeit, um Verflachung, erst recht nicht um Kitsch und Simplizität, nein, die Gemeinde wird herausgefordert und - im eigentlichen Wortsinn - beansprucht. Der LitDOM ist weit entfernt vom Event. Er kittet nicht an Stellen, an denen ohne Verzicht auf Wesentliches nicht gekittet werden darf. Der Literaturgottesdienst gibt aber einen Kontext vor, dem eine Gemeinde gerne folgt, dessen Komplexität sie sich gerne aussetzt, weil er aktuell, zeitgemäß und nah an den Lebenswelt der Gottesdienstbesucher ist. Der zeitgenössische Text wird zum Mittelpunkt von Predigt, Gebet und Gesang. Ein Buch wird vorgestellt, ein Autor und ein wertvoller Gedanke. Aus diesen Bestandteilen entsteht eine Brücke zur biblischen Botschaft. Der Text wird durch die Auslegung und Integration in den Ablauf des Gottesdienstes konkret, das Thema hat plötzlich mit dem eigenen Leben zu tun. Ob Erzählung, Roman oder Gedicht: In diese Form des Gottesdienstes lässt sich alles integrieren. Und so hört man zu, weil es neu ist, spannend und wesentlich, weil es persönlich ist, weil es das Hirn fordert, das Herz bewegt, die Sinne lockt und, ganz sicher nicht zuletzt, dem Glauben Impulse gibt. Als Marketing-Verantwortlicher in einem der führenden Publikumsverlage begrüße ich es besonders, dass es im LitDOM um aktuelle Titel geht. So wird Literatur auf ganz andere und dabei sehr zeitgemäße Art Interessierten nahegebracht und in einen aufregenden Sinnzusammenhang gebracht. Der LitDOM als Ort der Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Literatur ist eine besondere Idee, die sich in der Welt der vielfältigen kulturellen wie christlichen Angebote einen ganz eigenen Platz erobert hat. Markus Klose (Geschäftsführer von Hoffmann & Campe)

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1. Wozu Literaturgottesdienste?

Laut einer aktuellen Studie wünschen sich Besucher eines Gottesdienstes vor allem drei Dinge: Gott mit ihrem Alltag in Beziehung setzen, „Kraft tanken“ und etwas Neues zum Nachdenken zu bekommen. (Institut für Qualitätsentwicklung im Gottesdienst der EKD und der Hildesheimer Universität in einer Studie von 2013.) Durch die geistliche Auseinandersetzung mit den Figuren und Geschichten der aktuellen Literatur gelingt es gleichsam von selbst, diese drei Wünsche zu erfüllen. Die ganze Welt steckt in den Büchern, kein Thema wird ausgelassen. Die Geschichten stammen aus dem prallen Leben. Zwischen den Buchdeckeln erleben wir die Wichtigkeit wie Nichtigkeit des Menschen. Oft wird die Sinnfrage gestellt und beantwortet, wenn auch nicht religiös im kirchlichen Sinne. Die meisten Menschen sehnen sich ja nun auch nicht unbedingt nach christlicher Erlösung, sondern suchen nach Lösungen für ihre Alltagsprobleme und nach Antworten auf schwierige Lebensfragen. Die Anzahl an christlicher Literatur ist in unserem Jahrhundert aufs Ganze gesehen eher unbedeutend. In der deutschen Literaturgeschichte ist sie eine Randerscheinung; in kirchlichen Kreisen wird ihre Wirkung gern überbewertet. Christliche Autoren neigen dazu, an der Zeit und ihren jeweiligen Herausforderungen vorbeizuschreiben. „Die Literatur, die seismographisch genau die gesellschaftlichen Entwicklungen erspürt und die Fragen, die sich daraus ergeben, aufwirft oder eine schonungslose Vergangenheitsbewältigung betreibt, entwickelt sich seit Jahrhunderten außerhalb des kirchlichen Umfeldes.“ (*Religion und Literatur – Welche Rolle spielt Gott in der modernen Literatur? Ursula Homann) Der Einfluss der Kirchen ist auf unsere Gesellschaft und damit auch auf unsere Literatur immer weiter zurückgegangen, nicht aber die Auseinandersetzung mit religiösen Themen. Der Glaube an Gott kommt © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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heute indirekt daher. Nicht „gottfern“ ist die zeitgenössische Literatur, aber eben kirchenungebunden. Die meisten europäischen Autoren können oder wollen gar nicht ihre abendländisch christlichen Wurzeln verleugnen und beschäftigen sich mit religiösen Themen. Auch mit religiösen Zeichen, Bildern, Begriffen und Mythen aus der Welt der Religion spielen noch immer viele Autoren. Sie benutzen sie oft hintergründig und wecken Interesse, sich mit ihnen neu auseinanderzusetzen. Derart ermöglichen Bücher abwechslungsreich und lebendig die Reflexion über unseren Glauben und die Institution Kirche. Die mittelbare, zuweilen verschlüsselte Art der Schriftsteller, sich mit dem Glauben auseinanderzusetzten, hat längst auch in unseren Alltag Einzug gehalten. Sie ist nur ein Spiegelbild unserer gesellschaftlichen Situation. Das Thema „Glaube“ haben wir privatisiert: Müssen wir uns privat oder beruflich vorstellen, werden wir nicht ungefragt erwähnen, dass wir Christen sind oder z. B. bei einer Geburtstagsfeier von unseren Glaubenserfahrungen erzählen. Bücher können helfen, entspannt und natürlich über den Glauben ins Gespräch zu kommen. Viele Romane bauen eine Brücke zwischen unserem Leben und der Religion, indem sie unsere Sehnsucht zum Religiösen, Spirituellen wachkitzeln und neue originelle wie tiefe Einsichten in die Sinnfrage bringen.

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2. Die Entstehungsgeschichte des LitDOMs

Die Kirche als Ort für Bildung und Kultur hat eine lange Geschichte. In vielen Orten ist das Kirchengebäude selbst ein sichtbarer Ausdruck der engen Beziehung zwischen Kirche und Kultur. Der Gemeindebezirk, in dem der Literaturgottesdienst seit fünf Jahren mit großem Erfolg stattfindet, ist aufgrund dreier Faktoren wie geschaffen für ein solches spirituelles wie kulturelles Angebot: 1. In diesem Gemeindebezirk von Recklinghausen wohnen überdurchschnittlich viele Menschen, die zur so genannten mittleren oder höheren Bildungsschicht zählen: V.a. Lehrer, Ärzte und Theologen haben hier ihr Zuhause – ein lesefreundliches Publikum. 2. Das Gemeindezentrum wurde vor rund 30 Jahren als ökumenisches Zentrum gebaut und schon immer war das Interesse an ökumenischen Wortgottesdiensten groß. Der komplette Gebäudekomplex – Raumaufteilung und -gestaltung – ist für Kulturveranstaltungen sehr gut geeignet. U. a. findet in den Räumlichkeiten zweimal im Jahr ein großer Künstlermarkt statt. 3. Das ökumenische Zentrum „Arche“ beherbergt eine kleine, aber aktive katholische Bücherei. Diese drei Faktoren haben u. a. dazu beigetragen, dass der LitDOM in unserer Gemeinde zu einem beliebten Angebot wurde. Als der LitDOM Ende 2009 „geboren“ wurde, gab es bereits einmal pro Monat im Gemeindebezirk „Arche“ einen Samstagabendgottesdienst, der regelmäßig für besondere Gottesdienstformen genutzt wurde. Aufgrund des oben beschriebenen Umfeldes entstand die Idee, einen Literaturgottesdienst anzubieten. Die Recherchearbeit begann. Wo und wie innerhalb der verfassten Kirche wurden Literaturgottesdienste gefeiert? Gottesdienstentwürfe im Netz und in Büchern wurden gelesen und viele Gespräche mit Bücherfreunden über die mögliche Gestaltung eines solchen Angebots geführt. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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Nicht ahnend, wie viele Bücher und Gottesdienste folgen sollten, fand der erste LitDOM-Gottesdienst im Oktober 2009 statt. Nach einem Jahr wurden „Spielarten“ für die Jahresprogramme entwickelt. Es gab ein Jahr unter dem Motto „LitDOM & Gäste“. Prominente aus der Region stellten ihre Lieblingsbücher vor. Mit dabei waren u. a. der Bürgermeister, der Intendant der Ruhrfestspiele, der Superintendent, der Dechant und ein Chefredakteur. Die prominenten Bücherwürmer hatten im Gottesdienst Gelegenheit, für ihr Lieblingsbuch zu „werben“ und daraus vorzulesen. Die Auslegung übernahm (bis auf zwei Ausnahmen) der Pfarrer. In einem anderen Jahr wurde eine Gottesdienstreihe mit verschiedenen „Literatur-Typen“ entworfen. Ein Kinderbuch, Gedichte, eine besondere Zeitung (Enorm) und Comics rückten in den Mittelpunkt. Auch wurden aktuelle Ereignisse und Jubiläen als Anlass für die Buchauswahl genommen: Tour de France, Fußballweltmeisterschaft, Bundestagswahl oder der Geburtstag von Pippi Langstrumpf. Zu jedem Thema lässt sich spannende Literatur finden. Zukünftig wird es einen LitDOM für Kinder geben. Konzipiert ist er für die Sechs- bis Zwölfjährigen. In diesem „Kinder-LitDOM“ wird v. a. mit Hilfe visueller Kommunikation das veränderte Rezeptionsvermögen der jüngeren Generation berücksichtigt. Bei der Buchvorstellung z. B. wird eine Figur als „Walking-Act“ eine wesentliche Rolle spielen.

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3. Die Idee LitDOM

Moderne Literatur und christlicher Glaube werden oft für unvereinbar gehalten. Die Literaturgottesdienstreihe LitDOM zeigt, wie Bücher aller Genres den Glauben inspirieren können und welch aufregende Verknüpfung von literarischen und biblischen Aussagen möglich ist. Die Gottesdienste stellen eine Verbindung zwischen neuer, reizvoller Literatur und christlicher Botschaft her. Er spricht Neugierige, Lebenshungrige und Kirchenferne an, die Lust haben, dem Sinn ihres Lebens auf die Spur und Gott näher zu kommen. Die Gäste werden durch die aktuellen Bücher angeregt, Gott wieder zu entdecken und ihren Glauben zeitgemäß und reflektiert zu leben. Die Themenvielfalt der Literaturgottesdienste ist groß. Der LitDOM hat sich „gottesdienstlich wie literarisch“ bereits beschäftigt mit: Tierethik, Wirtschaftsethik, „Erinnerungen als Energiequelle“, Familiengeheimnissen, Patchworkfamilien, Rache und Vergebung, leidenschaftlicher Liebe, Abschied, der Kraft der geschriebenen Worte, dem Computerzeitalter, Lichtgestalten u.v.m. In diesem Gottesdienstformat ist man besonders bemüht darum, das Buch „sprechen“ zu lassen und aus dem Thema des Romans oder z. B. einer Biografie einen biblisch-theologischen Bezug herzustellen und daran die Lebens- bzw. Alltagsrelevanz des Glaubens deutlich zu machen. Der LitDOM zeigt, dass das „Buch der Bücher“ zu jedem Lebensthema etwas Hilfreiches und Sinnstiftendes zu sagen hat. Es geht nicht darum, die Bücher religiös zu vereinnahmen. Das Buch muss auch nicht herhalten, um biblische Aussagen zu verzieren, sondern es gibt das Thema vor, nimmt in gewissem Maß Einfluss auf Liturgie und Sprache und bestimmt die Musik. Im Konzept des LitDOMs ist das Buch der Gast und wird auch als solcher behandelt. Er steht im Mittelpunkt, wird mit Respekt behandelt, mit Interesse befragt und kann sich einiges erlauben. Unter diesen Voraussetzungen kann die Literatur ihre ganze Kraft entfalten und die christliche Botschaft ihre Stärke und Aktualität. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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Wer also dieses Gottesdienstformat umsetzen will, sollte v. a. Spaß und Interesse an zeitgenössischer Literatur haben und unbedingt von Beginn an dafür sorgen, dass alle Verantwortlichen (Presbyter, ehrenamtliche Mitarbeitende und Kollegen) dieses etwas andere, besondere gottesdienstliche Angebot mittragen. Bei einer qualitativen Befragung von 100 Gottesdienstbesuchern zu den Stärken und Schwächen des LitDOMs kam heraus, dass die Gäste die Lebensrelevanz der Themen, die geringe Ritualisierung des Gottesdienstes, das Ansprechen verschiedener Sinne und das „Vor und Nach“ des Gottesdienstes besonders schätzen. Damit ist Entscheidendes erreicht. Literaturgottesdienste sind Zielgruppengottesdienste (ähnlich wie Familiengottesdienste, Motorradgottesdienste, usw.) und daher nicht für alle Gemeindemitglieder und nicht für jede Gemeinde geeignet. Sie sind nicht die „Hauptmahlzeit“ für regelmäßige Gottesdienstgänger; daher sollte man einen „traditionellen Gottesdienst“ im Nachbarbezirk als Alternative anbieten. Der LitDOM ist in seiner Sprache und Symbolik ein bewusst niederschwelliges liturgisches Angebot für Menschen, die den Bezug zur „klassischen Liturgie“ aus unterschiedlichen Gründen weitgehend verloren haben (siehe dazu: Ablauf). Diese einfache, an liturgischen Elementen reduzierte Form der gottesdienstlichen Feier sorgt – der Befragung zufolge – dafür, dass sich auch die kirchenfremden Besucher willkommen fühlen.

Die LitDOM-Zutaten Für die Realisierung des Gottesdienstes müssen folgende Voraussetzungen geschaffen werden:

Das Team

Im LitDOM-Team sollte Personen sein, die sich um das „Vor-und Nachher“ (Dekoration, Getränke, kulinarische Kleinigkeiten) kümmern, für die Musik Verantwortung tragen, die Lesetextauswahl vor© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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nehmen, redaktionell die Texte betreuen, auf die Zeitvorgaben achten und zuletzt Personen, die sehr gut vorlesen können.

Die Buchauswahl & Textauswahl

Die Buchauswahl verläuft unterschiedlich. Mal entdeckt man das Buch spontan in einer Buchhandlung, mal stößt man auf eine interessante Rezension, mal wird es durch Freunde oder Gemeindemitglieder empfohlen. Bei der Buchvorstellung wie den Leseausschnitten sollte darauf geachtet werden, dass nicht alles verraten wird. Die Gottesdienstbesucher sollen hinterher noch Lust und Spaß haben, das Buch zu lesen.

Die Musik

Die Live-Musik sollte sich idealerweise am Buch orientieren. Erlebt der Protagonist ein Schicksal in den 80ger Jahren, wäre z. B. ein Abba-Hit vielleicht passend, lässt der Autor seine Geschichte in den 20ger Jahren spielen, geben Songs von Max Raabe möglicherweise den passenden Rahmen. Bei einem Krimi kann ein Musiker schon mal den Schlager „Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett“ variieren. Bei der Fortsetzung des Jane Austen Klassikers „Stolz und Vorurteil“ sorgt ein Cembalo für eine wirkungsvolle Atmosphäre. Der Mut, spielerisch die unterschiedlichen Musikrichtungen einzusetzen, wird an dieser Stelle belohnt.

Die Dekoration und die Überraschung

Der Mensch ist dann besonders aufnahmefähig, wenn verschiedene Sinne angesprochen werden. Aus diesem Grund ist es sinnvoll wie schön, wenn die Besucher das Thema des jeweiligen Gottesdienstes über verschiedene Sinne vermittelt bekommen. Oft sind es kleine kulinarische Überraschungen, die dafür sorgen, dass das Thema in Erinnerung bleibt. Als es um Kindheitserinnerungen ging, verteilten wir Süßigkeiten, die es auch schon vor einem halben Jahrhundert gab. Das Lutschen der Hustelinchen-Bonbons und der Salmiakpastillen rief plötzlich alte Bilder wach. Mancher Gottesdienstbesucher erinnerte © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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sich über diesen Bonbongeschmack noch zwei Jahre später an diesen besonderen Gottesdienst. Manchmal bietet es sich auch an, den Gottesdienstraum mit einem bestimmten Geruch zu füllen, z. B. wenn das Buch in der Provence spielt und „Das Lavendelzimmer“ heißt. Eine auffällige Dekoration ist zusätzlich hilfreich. Gegenstände, die in dem Buch eine wichtige Rolle spielen, im Altarraum sichtbar zu postieren, machen von Beginn an neugierig und sorgen für Aufmerksamkeit. Warum liegt eine rote, große Fahrradklingel auf dem Altar? Was soll das Rennrad an der Kanzel? Warum versperren mir Koffer den Weg zum Platz?

Das Rahmenprogramm

Vor dem Gottesdienst gibt es die Möglichkeit, sich im Vorraum der Kirche zu treffen und Heiß- oder Kaltgetränke zu sich zu nehmen. Zu dem Getränkeangebot gehören Wasser, Tee, Kaffee, Rot- und Weißwein. Wer möchte, kann sein Getränk zum LitDOM mit in den Gottesdienstraum nehmen. Nach dem Gottesdienst sind die Besucher herzlich eingeladen, sich über den Gottesdienst auszutauschen oder einfach die Geselligkeit zu genießen. Viele nehmen dieses Angebot an und plaudern bei einem Glas Wein mit den Verantwortlichen oder mit anderen Besuchern über das Buch, die Musik und die Predigt. Regelmäßig wird dieses Beisammensein mit einer kulinarischen Aufmerksamkeit „versüßt“.

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4. Der Ablauf

Der aufgeführte Gottesdienstablauf soll eine Orientierungshilfe sein und nicht als starres Gerüst verstanden werden. Je nach Gottesdiensttradition und Thema des Gottesdienstes sind Spielmöglichkeiten sinnvoll. Zu Beginn der LitDOM-Reihe gab es, was den liturgischen Ablauf betraf, eine „Experimentierphase“. Nach einem Jahr hatte sich folgender Ablauf bewährt und eingespielt: I. Eingangsmusik Begrüssung und liturgische Eröffnung Psalm / Gebet 1. Gemeindelied II. Musik 1. Lesung (max. 8 Minuten) III. Musik 2. Lesung (max. 8 Minuten) IV. Musik Kurzauslegung (5–8 Minuten), biblisch-theologischer Bezug, Lebens- Alltagsrelevanz des Glaubens 2. Gemeindelied Gebet Vaterunser 3. Gemeindelied Segen Abkündigungen V. Ausgangsmusik Die Literaturgottesdienste dauern in der Regel 60–70 Minuten. Gute wie unterschiedliche Musik haben für den Gottesdienst eine ebenso wichtige Bedeutung wie das Buch, das zu „Gast“ ist. Da die Aufnahme© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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und Konzentrationsfähigkeit bei uns Menschen begrenzt sind, ist es wichtig, die Sprechteile genau zu berechnen und zu überprüfen.

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5. Die Öffentlichkeitsarbeit

Die Gottesdienstform LitDOM eignet sich hervorragend, um Kirchendistanzierte anzusprechen. Bei der Öffentlichkeitsarbeit ist es wichtig zu bedenken, dass Glaubwürdigkeit heute auch eine Frage der Inszenierung ist.

Literaturgottesdienste als Marke entwickeln Bei einer Markenentwicklung ist der Name von entscheidender Bedeutung. Jeder Name transportiert Gefühle und Assoziationen. In diesem Fall verbindet der Name die Literatur mit dem Ort, wo sie zu Gast ist: in einem Kirchengebäude. Der Name LitDOM macht neugierig, wirkt positiv und löst bei den Meisten Interesse und ein Lächeln aus. „Lit“ ist die Abkürzung für Literatur und Dom leitet sich ab vom lateinischen Wort domus „Haus“. Wir müssen das Immergleiche, (die christliche Botschaft) immer neu an „die Frau und an den Mann bringen“. Bei dieser „Übung“ ist der Blick über den Tellerrand eine wertvolle Hilfe; er hat das LitDOM-Team u. a. dazu ermutigt, die Literaturgottesdienste als Marke zu entwickeln. Auf dem Marktplatz religiöser und kultureller Angebote positiv aufzufallen, ist bei professioneller, zeitgemäßer und besucherorientierter Vorgehensweise möglich.

Werbung mit Druckerzeugnissen Jedes Jahr gibt es ein neues Motiv, das mit der Jahresübersicht auf Plakate wie Postkarten gedruckt wird. Ein Satz über die Wirkung von © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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Büchern (z. B. Bücher verändern die Perspektive) untertitelt das jeweils passende Fotomotiv. Das Plakat- bzw. Kartenmotiv wird professionell layoutet und anschließend als DIN A 3 Plakat gedruckt (damit es in die diversen Schaukästen passt). Außerdem werden DIN A 6 Karten produziert, die in der Gemeinde, in Buchhandlungen, in den Kultureinrichtungen der Stadt und bei Kooperationspartnern ausgelegt werden. Das Jahresmotiv wird gleichzeitig im Gemeindebrief und in anderen Druckerzeugnissen z. B. des Kirchenkreises und der Stadt veröffentlicht.

Pressearbeit Bei neuen Angeboten die örtlichen Presseorgane mit einzubinden ist längst eine Selbstverständlichkeit geworden. Der LitDOM lädt am Anfang des Jahres zu einem Pressegespräch ein, bei dem das Jahresprogramm, das Jahresmotiv, Motto und Besonderheiten vorgestellt werden. Anschließend bekommt die Tagespresse einige Tage vor dem nächsten Gottesdienst eine Pressemitteilung. In der Vorankündigung wird das Buch vorgestellt, das Thema des Gottesdienstes präsentiert und die musikalischen Gäste angekündigt.

Öffentlichkeitsarbeit im Internet Da viele potenzielle Besucher eines Literaturgottesdienstes nicht die gemeindeinternen Kommunikationswege wie Abkündigungen, Plakate, Schaukasten und Gemeindebrief zur Kenntnis nehmen, ist es sinnvoll wie nötig, auch andere Werbewege zu beschreiten. Da die virtuelle Visitenkarte im „realen“ Leben immer wichtiger wird, wurde eine eigene Homepage (www.litdom.de) und eine Facebook-Seite (Litdom) ins Netz gestellt. Sie liefern nun die Einladungen und Informationen an Menschen, die sich über das Netz ihre Informationen suchen. Präsenz in der virtuellen Welt hat darüber hinaus zwei Vorteile: Es werden jüngere Interessenten angesprochen und es besteht die Möglichkeit der Beziehungspflege. Immer mal wieder werden Neuig© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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keiten rund um den LitDOM ins Netz gesetzt oder auf die Fragen der Gottesdienstbesucher reagiert. Viele Städte bieten mittlerweile Portale an, in denen man dieses Gottesdienstangebot kostenfrei veröffentlichen kann.

Kooperationspartner Wer im städtischen Umfeld mit Büchern zu tun hat, ist evtl. für einen Literaturgottesdienst ein interessanter Partner, um diese besondere Gottesdienstform bekannt zu machen. Im Fall des LitDOMS in Recklinghausen war es die Katholische Bücherei im ökumenischen Gemeindezentrum, in dem der Gottesdienst stattfindet, die Katholische Kirchengemeinde, eine Literaturvereinigung und die Buchhandlungen, die sich als Kooperationspartner anboten.

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6. Ein LitDOM-Jahr

Januar: Erinnerungen sind wie Beton, es kommt darauf an, was man daraus macht. „Bumerang“ von Tatiana de Rosnay

Eingangsmusik Begrüssung Heute geht es um das Buch Bumerang von Tatiana de Rosnay. Psychologisch geschickt verwebt die französische Autorin Liebe, Tod und Schicksalsschläge zu einem spannenden Mix aus einem Krimi und einem Selbstfindungsroman. Stück für Stück setzt Tatiana de Rosnay die verdrängte Wahrheit aus Briefen, Erzählungen und Vermutungen zu einem sehr sinnlichen, spannenden wie psychologischen Familienporträt zusammen. Die Autorin selbst hat einmal zu ihrem Buch gesagt: „Es gibt Dinge, die man nicht in den Familien sagen kann, sagen will: Geheimnisse, Familiengeheimnisse. Immer wieder tauchen sie auf und nach Jahren, Jahrzehnten im Verborgenen kommen sie plötzlich zurück wie ein Bumerang, wie ein Bumerang im Leerlauf!“ Eingangsvotum Es geht heute Abend um Kindheitserinnerungen, eine sehr schöne ist für mich das Lied, das wir jetzt singen: 1. Gemeindelied Abend ward bald kommt die Nacht (EG Nr. 487)

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Psalm 16 (in nachempfundener Form) Gott, durch dich finde ich den Weg zum Leben. Nach all den Erfahrungen, die ich von Kindestagen an gewonnen habe, bin ich zuversichtlich: Deine Nähe macht mich glücklich, aus deiner Hand strömt Leben. Du bist mein Gott. Du hältst mein Leben in der Hand. Ich danke dir, Gott, der du mir meinen Weg zeigst durch das Dunkel hindurch. Auch nachts erinnere ich mich an deine Worte. Du bist mir nahe, das ist mir klar geworden. Du stehst mir zur Seite, darum fühle ich mich sicher. Ich weiß mich beschützt und geborgen. Darüber freue ich mich und bin dankbar. Sprecherin: Wie waren Sie als Kind? Eher still, wild, langsam, klug? Welchen Ruf hatten Sie in ihrer Familie? Waren Sie der Große, Verantwortungsbewusste, die Kleine, Süße, Nachzüglerin, die Kopie des verstorbenen Großvaters, der Schwierige oder die Tapfere? Die Reise in die Erwachsenenwelt prägt unser gesamtes Leben. Die Umgebung, die Geschwister, der Erziehungsstil alles hat Einfluss auf unsere Entwicklung und auf das, was wir heute sind. In den letzten Jahren entdeckte die Wissenschaft, dass das Verhalten der Mütter sogar das Genom ihres Babys verändern kann, im Guten wie im Schlechten. Allein das Potenzial, das in der Geschwisterkonstellation steckt, hat u. a. Auswirkungen auf die Auswahl der beruflichen Herausforderungen und Kollegen, die wir instinktiv wählen. Menschen, die eine wenig glückliche Kindheit hatten, starten mit mehr Belastungen ins Leben als andere. Die seelische Stabilität ist angegriffen. Doch dass wir unseren Kindheitserlebnissen nicht hilflos ausgeliefert sind, beweist auch das Buch, das heute zu Gast ist. Über das Buch In ihrem Roman „Bumerang“ schickt Tatiana de Rosnay den geschiedenen Mittvierziger Antoine auf Spurensuche in die eigene Vergangenheit. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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Die Geschwister Antoine und Mélanie stoßen die Tür zu ihrer Kindheit wieder auf. Auf der Rückfahrt von einem Wochenende an dem Ort, an dem sie als Kinder immer ihre Sommerferien verbrachten, wird Mélanie bei einem Unfall schwer verletzt. Auf den Ausgang der Operation wartend, beginnt Antoine über bestimmte Ereignisse seiner Vergangenheit zu grübeln und stößt auf ein Familiengeheimnis. Es hängt mit dem Tod seiner Mutter Clarisse zusammen, die vor 34 Jahren plötzlich verstarb und seitdem von der Familie totgeschwiegen wird. Dieses Buch erzählt über ein Familiengeheimnis und ist gleichzeitig eine Geschichte die vielschichtig, wortgewaltig und emotional über Beziehungen, Tod und Schicksalsschläge berichtet und das den Leser von Anfang an in seinen Bann schlägt. Über die Autorin Tatiana de Rosnay ist Jahrgang 61, wuchs in Paris und Boston auf und verbrachte einige Jahre in England. (Ihre Mutter ist Engländerin). Seit 1984 lebt sie wieder in Paris, ist verheiratet und hat zwei Kinder. Sie ist die Autorin des Weltbestsellers „Sarahs Schlüssel“. I. Musik 1. Lesung Seite 21–32 (ohne Flutgeschichten) II. Musik Sprecherin: Auf der Rückfahrt vom Ferienort nach Paris wird Mélanie von einer Erinnerung aus ihrer Kindheit überwältigt. Als sie ansetzt, ihrem Bruder davon zu erzählen, verliert sie die Kontrolle über den Wagen. Melanie wird schwerverletzt ins Krankenhaus eingeliefert, Antoine (ihr Bruder) dagegen bleibt unversehrt. Entschlossen, herauszufinden, was seine Schwester so sehr erschüttert hat, spürt er einem dunklen Familiengeheimnis nach, das sich um seine Mutter rankt.

2. Lesung Seite 270–275 und direkt anschließend Seite 284–285 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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2. Gemeindelied Vergiss es nie (EG Nr. 644) Kurzauslegung Erinnerungen sind wie Beton, es kommt darauf an, was man daraus macht In ihrem neuen Roman schickt Tatiana de Rosnay den geschiedenen Mittvierziger Antoine auf Spurensuche in die eigene Vergangenheit. „Nach all den Jahren, an einen Ort zurückzukehren, an dem vergessene Kindheitserinnerungen wie etwas Unbekanntes unter einer glatten Wasseroberfläche lauern, ist das sinnvoll?“, grübelt Antoine. An was erinnern Sie sich? Vielleicht sind da auch bei ihnen Wunden, Verletzungen, Geheimnisse? Wie haben sie sich als Kind gefühlt? Was haben sie am liebsten gespielt? Ihr Lieblingsmärchen, Lieblingsgeschichte? Lieblingsgeruch? „Du bist, woran du dich erinnerst“, meinte im 17. Jh. der große Experte in Sachen Erfahrungen, Erinnerung: der englische Philosoph und der Vertreter des britischen Empirismus John Locke (1632–1704). Er sah uns Menschen als eine unbeschriebene Tafel, tabula rasa, in die das Leben nach und nach seine Schriftzeichen eingraviert. Die vielen Erinnerungen, ob bedrückend oder beglückend, bilden zusammen das große Tafelbild: unsere Identität! Dass unsere Vergangenheit uns ausmacht, merken wir spätestens dann, wenn wir uns näher vorstellen wollen. Dann müssen wir etwas über unsere Vergangenheit erzählen, denn nur dort finden wir die Informationen, die uns als Persönlichkeit ausmachen. Wir schildern in mehr oder weniger großen Zügen, was wir gemacht und erlebt haben. Wir erzählen etwas aus unserer Jugend, darüber, was uns geprägt hat, welchen Beruf wir erlernt haben, was uns in letzter Zeit zugestoßen ist oder welches unsere wichtigsten Beziehungen sind. Der Stoff, aus dem wir die Informationen für unsere Vorstellung weben, besteht überwiegend aus Erinnerungen, die wir selbst zusammensetzen. „Erinnerungen sind wie Beton, es kommt darauf an, was man daraus macht.“, las ich bei der Vorbereitung zu diesem Gottesdienst. Die Erlebnisse der Vergangenheit sind gleichsam unbehandelter Baustoff, aus dem wir etwas Neues bauen und formen können. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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Aus dem Meer der Erinnerungen ragen ein paar Inseln heraus, auf die wir immer wieder zurückkommen: die selbstdefinierenden Erinnerungen. Sie stellen sozusagen die Essenz unseres Lebens und unseres Charakters dar, denn sie geben (uns selbst und anderen) Auskunft darüber, wer wir sind und warum wir so sind, wie wir sind. Diese besonderen Erinnerungen steuern unseren Gefühlshaushalt, unsere Beziehungsmuster, unsere Meinungen und unsere Handlungen. Erinnern, Erinnerung ist auch ein zentraler biblischer Begriff. Immer wieder ist die Rede davon, dass sich Gott des Menschen erinnert, ihm liebevoll zugewandt bleibt trotz seiner Verfehlungen. Gottes Erinnerung ist eine ereignishafte, eine Fakten setzende Erinnerung. Und daran, an die Heilstaten Gottes erinnern sich (sollen sich) die Menschen, in Dankbarkeit. So entsteht Erinnerungskultur, ihr verdanken wir die großen religiösen Feste des Jahres. Aber wenn wir uns nur so erinnern, dann ist das wohl noch nicht wirklich Vergangenheitsbewältigung. Das allein reicht nicht hin, um hilfreiche Anregungen zur Aufhellung meiner Vergangenheit zu bekommen. Das biblische Zeugnis setzt eben einen anderen Akzent, wenn es um das Erinnern geht. Also bleibt die Frage: Wie kann ich konstruktiv mit meinen Erinnerungen umgehen? Die uns bekannten biblischen Handlungsmaximen „wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück“, der ist nicht geschickt zum Reich Gottes oder „lasst die Toten die Toten begraben“ und natürlich Lot und seine Familie, sind da nicht wirklich hilfreich. Lot und seine Familie in Sodom sind eher ein Paradebeispiel dafür, wie es gar nicht geht: In Sodom herrscht Gewalt, sexueller Missbrauch und Angst. Sodom ist ein Katastrophentatort. Frau Lot schaut zurück und erstarrt. Sie ist von den Gräueltaten der Vergangenheit gelähmt. Es gelingt ihr nicht, in der Gegenwart zu leben. Die vielen geweinten Tränen lassen sie zur „Salzsäule“ werden. Sie soll nicht zurückschauen, auf das, was ihr und ihren Töchtern passiert ist. Sich nicht des Vergangenen erinnern. Heute wissen wir aus der Trauma-Forschung, dass der starre Blick nach vorne gerichtet keinen Neuanfang möglich macht. Wir müssen uns mit den Monstern unserer Vergangenheit auseinandersetzen, um etwas Neues auf die Beine stellen zu können. Erst ein bewusstes Erinnern macht aus unserer Vergangenheit ein wertvolles Hilfsmittel. Für jede Lebenslage steht uns dann reich© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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haltiges Material zur Verfügung, das wir für die Entscheidungen und Gestaltungen der Gegenwart und dann der Zukunftsplanung nutzen können. Erinnerungen können aber auch wie Beton an den Füßen wirken, wenn sie mit Schuld belastet sind und wenn Menschen in unserem Umfeld uns immer auf unsere Vergangenheit festnageln wollen. Gott hat einen befreienden Umgang mit unserer Vergangenheit. Er legt uns nicht fest, er gewährt uns immer wieder den Neuanfang, glaubt an uns, vertraut darauf, dass wir es in seinem Sinne schaffen. Immer wieder. Besonders gut bekommen wir das bei Jesus mit, bei seinen zahlreichen heilvollen Begegnungen, Beziehungen, von denen die Bibel erzählt: Wie er Lebensperspektive eröffnet, dadurch, dass er Vergangenes anspricht, damit es bewusst wahrgenommen wird, Schuld, Verfehlung, Verletzung werden benannt, Jesus weiß um all das. Und dann sorgt er für Aussöhnung mit dem Vergangenen, eben damit Weiterleben möglich wird, damit die Menschen wieder durch all ihre Schuld und die dadurch verursachten Schmerzen hindurch ihren eigentlichen Kern entdecken, wieder Zugang finden zu ihren positiven Ressourcen. Darum geht es, so hat es einmal Anselm Grün formuliert: „Die Chancen entdecken, die in der eigenen Lebensgeschichte liegen. Die ureigene Lebensspur zu entdecken.“ III. Musik

3. Gemeindelied Der Tag ist um (EG Nr. 490) Fürbitten Gott, lass uns an Leib und Seele spüren, dass wir nicht aus eigener Kraft die Heilung unserer Wunden und Verletzungen leisten müssen, bring uns dahin, anzuerkennen, dass sie zu uns gehören, und dass du daraus Heilendes, Ich-Stärkendes machen kannst. Du bist die eigentliche Quelle der Heilung all unserer Wunden und Verletzungen, du bringst Heil, bist die Fülle und wir Teil davon. Lass den Kindern in unserer Umgebung durch uns das zuteilwerden, was man uns möglicherweise schuldig geblieben ist. Lass uns wieder ursprünglich und ungeschminkt unseren Familien und unseren Freunden begegnen. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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Alles soll bedacht und geplant sein. Mit einer Portion kindlicher Spontaneität bekäme unser Leben mehr Würze. Lass uns wie als Kind die Gegenwart genießen und nicht immer in die Zukunft schielen. Wir bitten dich für die Kinder die „der Gnadenlosigkeit, die ganz im Allgemeinen über der Eltern-Kinder-Beziehung heutzutage liegt“, ausgeliefert sind (M.L. Kaschnitz): Sei du gerade ihnen liebevoll zugewandt. Vaterunser Segen Abkündigungen Ausgangsmusik

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Februar: Die Kraft der geschriebenen Worte „Gut gegen Nordwind“ von Daniel Glattauer

Vorspiel Begrüssung Guten Abend, „Schreiben Sie mir, Emmi. Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen. Schreiben ist küssen mit dem Kopf.“ Heute geht es um den Roman „Gut gegen Nordwind“ von Daniel Glattauer. Es ist ein mitreißender Liebesroman mit Suchtqualität. Rund 220 Seiten, die nur aus hin und her geschickten Nachrichten bestehen. Das Internet als Postillon d’Amour! Daniel Glattauer hat innerhalb der altehrwürdigen Tradition des Briefromans etwas Neues erschaffen. Aber bevor es losgeht, habe ich eine Mail für Sie, für uns. Mail vom Superintendenten (im Vorhinein eine bekannte Person bitten, eine Mail zu formulieren) Liebe Gemeinde, genauso wie Sie wurde auch ich zu diesem Literatur-Gottesdienst in der Arche eingeladen. Aber leider kann ich nicht kommen, weil ich heute zur gleichen Zeit zu einer Gemeinde-Visitation, also zum Besuchsdienst, unterwegs bin. Ich wäre schon sehr neugierig auf diesen Gottesdienst gewesen; ein mitreißendes Buch wurde angekündigt; ein E-Mail-Dialog mit Suchtcharakter. Da wird man neugierig. Und ich wäre außerdem neugierig darauf gewesen, wie durch diese Geschichte, diese menschliche Geschichte die Gottesgeschichte mit den Menschen hindurchscheinen kann. Gottes Gegenwart in unserer Welt geht oft verborgene Wege, Alltagswege, Menschenwege. Paulus schrieb uns in die Bibel und ins Herz: Der Glaube kommt aus dem Hören. So wünsche ich Ihnen ein gutes Hören und Behalten … und einen gesegneten Gottesdienst. Mit herzlichen Grüßen Ihr … (Superintendent) © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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Eine Mail (kein Brief, wie z. B. in der Bibel, im NT, da gibt es eine umfangreiche Briefliteratur, vor allem durch den Briefeschreiber Paulus, der hat für unseren Glauben und die Auseinandersetzung mit unserem Glauben entscheidende Briefe an seine Gemeinden geschrieben), der zeitgemäße Theologe bzw. Superintendent schreibt Mails. So oder so, es ist einfach schön, Post zu bekommen, zu korrespondieren, im Austausch mit anderen zu sein. Eingangsvotum So auch jetzt, da wir im Namen Gottes diesen Literaturgottesdienst feiern, er ist die Quelle ungeahnter Möglichkeiten, in seinem Geist können wir uns in Schwächen beistehen und an Stärken freuen, Amen Gebet Gott, wir danken dir für den Reichtum, der uns durch die Sprache gegeben ist, danken dir für die Grenzen überschreitende Kraft des gesprochenen und geschriebenen Wortes, für den Buchstaben und für die Zeichen, für das Buch und die Bücher. Wir danken dir, dass du in unserer Sprache zu deinem Wort findest: So bitten wir dich jetzt, gib uns Zeit und Muße, damit wir hinhören und so zu unserer je eigenen Sprache finden, die dem anderen gut tut, Amen Über das Buch Eine falsch adressierte E-Mail ist der Auftakt für eine „Net-Beziehung“, die allmählich außer Kontrolle gerät. Bei Leo Leike landen irrtümlich E-Mails einer ihm unbekannten Emmi Rothner. Aus Höflichkeit antwortet er ihr. Und weil sich Emmi von ihm verbal angezogen fühlt, schreibt sie zurück. Es beginnt mit leichtem intellektuellem Fingerhakeln auf der Tastatur, aber dann entwickelt sich schnell eine echte Kommunikation und in weiterer Folge eine immer intimere Freundschaft. Schnell fängt es im virtuellen Netz zu knistern an. Die Versuchung eines persönlichen Treffens steigt, doch Emmi ist glücklich verheiratet. Und Leo verdaut gerade eine gescheiterte Beziehung. Aber am meisten wühlt sie die Frage auf: Werden die gesandten, empfangenen und gespeicherten Liebesgefühle einer Begegnung standhalten? Und was, wenn ja? Die Entwicklung der Beziehung der beiden Mailschreiber ist kei© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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neswegs so vorhersehbar, wie es das Thema vielleicht vermuten lässt. Überraschende Wendungen und skurrile Einfälle schüren immer wieder von neuem die Neugier auf Weiteres. Unser Tipp: Beginnen Sie lieber nur dann zu lesen, wenn Sie in den nächsten paar Stunden nichts vorhaben. Sie werden nämlich nicht mehr aufhören wollen. Es gibt mittlerweile auch eine Bühnenfassung des Romans. Über den Autor Daniel Glattauer wurde am 19. Mai 1960 in Wien geboren. Er studierte Pädagogik und Kunstgeschichte und schrieb drei Jahre lang für „Die Presse“. Seit 1989 schreibt er unter dem Kürzel „dag“ für die Tageszeitung „Der Standard“ Kolumnen, Gerichtsreportagen und Feuilletons. „Gut gegen Nordwind“ ist seine achte Buchveröffentlichung. Musik Gemeindelied Wo Menschen sich vergessen (Wort Laute – Liederheft zum Evangelischen Gesangbuch Nr. 90) 1. Lesung (Vorleser und Vorleserin im Wechsel) Seite 6–13 Musik 2. Lesung (Vorleser und Vorleserin im Wechsel) Seite 80–87 „Ich mich auch. Bis dann.“ (oben) Kurzansprache Die Macht des geschriebenen Wortes Was haben geschriebene Worte nicht schon alles ausgelöst? Liebe, Kriege, Frieden, Selbstmord, Eifersucht. Sie besitzen unglaubliche Macht. Denken wir allein an den Tenach, die Bibel und den Koran. Millionen richten ihr Leben nach den niedergeschriebenen Worten aus. Das Gedankengut hat sich über Jahrhunderte immer weiter verbreitet. Zu den Bibeltexten, die eine besonders starke Wirkung © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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haben, gehören die Briefe des Apostels und großen Theologen Paulus. Für die Ausbreitung des Christentums sind sie von entscheidender Bedeutung: die Briefe an die Gemeinden in Rom, Korinth, Ephesus, Philippi usw. Dabei ist der Römerbrief besonders wichtig. Er ist so etwas wie eine theologische Lehrschrift des Paulus, wahrscheinlich um das Jahr 56 geschrieben an die nicht von ihm gegründete, ihm unbekannte Christengemeinde in Rom. In diesem Brief kündigt er seinen Besuch an und damit die Christen in Rom wissen, wer da kommt, stellt er sich ihnen vor mit all seinen sprachlichen Möglichkeiten, mit aller Vernunft und Leidenschaft, mit seinem Glauben, seinem theologischen Denken, seinen Überzeugungen. Er gibt alles! Da geht es z. B. um das Verständnis von Abendmahl und Taufe, um das Verhältnis von Juden und Christen, um Diakonie in der Gemeinde und gegenseitiges Helfen, um Sündenvergebung und Erlösung. Paulus’ Schreiben – das gilt auch für seine anderen Briefe – fanden die Empfänger so wichtig, dass sie in den Gemeinden immer wieder in den Gottesdiensten vorgelesen wurden. Sie sind – das zeigt die neutestamentliche Sammlung seiner Briefe – von entscheidender Tragweite für unseren Glauben. Mit den Jahren hat sich der Kreis der Empfänger zeitlich und geographisch auf geradezu wunderbare Weise erweitert. Christen des Mittelalters und der Alten Kirche, Christen in der ganzen Ökumene von Sao Paulo über Karlsruhe bis Peking waren und sind angesprochen, ließen, lassen sich davon anrühren, begeistern und in ihrem Glaubensleben bereichern. Vermutlich gibt es wenige Briefe, die von so vielen Millionen von Menschen zu allen Zeiten und an allen Orten gelesen wurden und niemand kann vorhersagen, wie viele Menschen sie noch lesen und daraus Trost, Lebenshilfe, Lebenskraft empfangen werden. Warum ist das so? Sicherlich auch, weil Briefe etwas Persönliches sind mit direkter, unmittelbarer Wirkung. Sie legen die Bedeutung und den Blick auf die Schreibenden emotional/psychologisch wie historisch frei. Sie können wie eine Zeitstudie, ein zeitgeschichtliches Dokument sein, genauso aber auch eine Charakterstudie des Schreibers liefern. Einmal geschrieben ist es in der Welt, ob man will oder nicht. Noch mal Paulus: Der vermittelt oft mit Leidenschaft in seinen Briefen sowohl eine Innen- als auch Außensicht seines Glaubens. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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Die Innensicht – das ist die Herzensseite: Dann spricht er über seine Gefühle, sein Vertrauen und seine Liebe zu Gott und setzt sich unmittelbar mit seinen Adressaten auseinander. Die Außensicht – das ist die der dogmatischen Formeln, der reinen Lehre: Dann begegnen wir einem großen Theologen, einem wirkmächtigen, scharfsinnigen, wortgewaltigen Denker. So stellt das geschriebene Wort eine einzigartige Beziehung zwischen dem Schreiber und dem Empfänger her. Allein Kraft des geschriebenen Wortes entsteht diese prägende, lebensverändernde Beziehung, werden Begeisterung, Freude, Hoffnung vermittelt und – für Paulus besonders von Belang – Glaube geweckt. Paulus Glaubensbriefe sind wie Liebesbriefe: voller Passion und Engagement. Wie ein Mann, der seiner Freundin einen brennenden Liebesbrief schreibt. Er gibt zutiefst Persönliches preis durch diese Art des Schreibens. Das wird wohl auch dazu geführt haben, dass wir uns mit diesem Verfasser in der wissenschaftlichen Forschung mehr und intensiver auseinandergesetzt haben als mit anderen Autoren der Bibel. Die Faszination von Briefen ist alt. Die Anfänge des Briefes gehen auf die Babylonier zurück, die Nachrichten in Tontafeln ritzten. (Das, stelle ich mir vor, wird ziemlich aufwändig gewesen sein.) Im antiken Griechenland und Rom benutzte man zu diesem Zweck mit Wachs beschichtete Tafeln aus Holz. Seit den ersten Verfassern solcher Mitteilungen haben sich Material und Transport von Briefen stark verändert, aber nicht der Zweck: Der Brief dient noch immer als Mittel zur öffentlichen Meinungsäußerung (z. B. Leserbriefe in einer Zeitung), als literarische Form sowie als Instrument zur Verbreitung amtlicher (z. B. kultusministerielle Schreiben) und vor allem persönlicher Nachrichten. Die Zeiten, in denen in Briefkästen handgeschriebene, lange Briefe zu finden waren, sind so gut wie vergangen. Heute ist es nicht mehr der Gang zum Briefkasten, sondern das Öffnen unseres E-MailAccounts, das uns in Spannung versetzt. An die Stelle von Briefen sind seit ca. 15 Jahren E-Mails getreten und an die Stelle des Füllers oder Kugelschreibers die Tastatur. All das hat nichts von der Macht des geschriebenen Wortes eingebüßt. Persönliche Worte haben noch immer eine beeindruckende Wirkung und halten etwas fest, was mündlich keine Haltbarkeit hätte. Wer schreibt, der würdigt © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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einen anderen Menschen mit einer unverwechselbaren Aufmerksamkeit und hält wichtige Entwicklungen in seinem Leben fest. Seien wir dankbar für diese Ausdrucksmöglichkeit. Dankbar unserem Gott für den Reichtum, der uns durch die Sprache gegeben ist. Dankbar für die Grenzen überschreitende Kraft des Wortes. Dankbar dafür, dass Gott sich auch in unseren Worten äußert. Dankbar dafür, dass Worte – gesprochen wie geschrieben – so zu einem versöhnten Leben führen, Amen. Musik Fürbitten Guter Gott, umgeben von deiner Liebe lässt sich’s gut leben. Immer kommen wir von deiner Liebe her und gehen auf deine Liebe zu. Dafür danken wir dir und bitten dich für all die Menschen, die meinen, sie wären in ihrem Leben zu kurz gekommen, hätten zu selten Worte liebevoller Zuwendung gehört. Zeige ihnen doch, wie viele Gaben du auch ihnen geschenkt hast und lass sie diese Gaben für deine Sache und die Menschen einsetzen durch gute Worte und Taten. Gott, wir bitten dich für alle, die Nahen und die Fernen, denen deine Kirche aus ganz unterschiedlichen Gründen nicht mehr viel bedeutet, denen die Gemeinde, deine Gemeinde, zur Anfechtung geworden ist, die unseren Worten keinen Glauben mehr schenken können, die das Versprechen deiner Liebe mit ihrer Welterfahrung nicht verbinden können, die sich mit ihrem Glauben ins Private zurückgezogen haben. Wir bitten für sie: Gib ihnen Worte und Zeichen deines alles umgreifenden Friedens, gib ihnen glaubwürdige Zeuginnen und Zeugen, gib ihnen die Kraft des Wortes, des Gebets und die Gewissheit, dass du sie in keiner Sekunde aus deiner Liebe ausschließt. Vaterunser Gemeindelied Wo ein Mensch Vertrauen (Wort Laute – Liederheft zum Evangelischen Gesangbuch Nr. 94)

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„Gut gegen Nordwind“ von Daniel Glattauer

Segen Abkündigungen Ausgangsmusik

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März: Rache „Der Fall Collini“ von Ferdinand von Schirach

Eingangsmusik Begrüssung / Eröffnung Herzlich willkommen! „Meine Liebe ist Vergeltung und die ist niemals frei.“ Lapidar formuliert, völlig richtig. Oder im bekannten Sprichwort: „Rache ist süß“. Wissen Sie, wie das Sprichwort weitergeht? „… aber man verdirbt sich leicht den Magen daran.“ So ist es wohl, wie auf eindringliche Art das heutige Buch „Der Fall Collini“ beweist. Diesen „Fall Collini“ fasst das Magazin Focus mit den Worten zusammen: „Ein Mordprozess mit politischer Brisanz: spannend, klug, erschütternd.“ Unser gedruckter „Gast“ berichtet über ein juristisches Verbrechen in unserem Staat, über Rache und Schuld. Er nimmt uns hinein in die menschlichen Abgründe in Bezug auf Rache und Rachegefühle. Was machen wir mit solchen Gehfühlen, was machen sie mit uns, was macht Gott damit. In seinem Namen sind wir jetzt zusammen und im Vertrauen darauf, dass er behutsam umgeht mit unseren Fehlern, mit unserem Dürsten nach Rache, mit dem Sinnen auf Vergeltung, mit unserer Schuld, mit unseren Verletzungen und er uns Möglichkeiten zu einem versöhnten Leben eröffnet, mit anderen, mit uns selbst, mit Gott. So kommen wir zusammen im Namen des Vaters … 1. Gemeindelied Meine Zeit steht in deinen Händen (Wort Laute Nr. 74) Über das Buch Was treibt einen Menschen, der sich ein Leben lang nichts hat zuschulden kommen lassen, zu einem Mord? 34 Jahre hat der Italiener Fabrizio Collini als Werkzeugmacher bei Mercedes-Benz gearbeitet. Unauffällig und unbescholten. Und dann ermordet er in einem Berliner Luxushotel einen alten Mann. Grundlos, wie es scheint. Der junge Anwalt Caspar Leinen bekommt die Pflichtver© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

„Der Fall Collini“ von Ferdinand von Schirach

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teidigung. Was für ihn zunächst wie eine vielversprechende Karrierechance aussieht, wird zu einem Albtraum, als er erfährt, wer das Mordopfer ist: Der Tote, ein angesehener deutscher Industrieller, ist der Großvater seines besten Freundes; in Leinens Erinnerung ein freundlicher, warmherziger Mensch. Wieder und wieder versucht er die Tat zu verstehen. Vergebens, denn Collini gesteht zwar den Mord, aber zu seinem Motiv schweigt er. Und so muss Leinen einen Mann verteidigen, der nicht verteidigt werden will. Ein zunächst aussichtsloses Unterfangen, aber schließlich stößt er auf eine Spur, die weit hinausgeht über den Fall Collini und mitten hineinführt in ein erschreckendes Kapitel deutscher Justizgeschichte … Der Autor Ferdinand von Schirach wurde 1964 in München geboren. Er ist der Enkel des NS-Reichsjugendführers Baldur von Schirach (1946 wurde sein Großvater in den Nürnberger Prozessen wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu 20 Jahren Haft verurteilt, da er als Gauleiter für die Deportation von 185.000 österreichischen Juden in Konzentrationslager verantwortlich gewesen war.) Seit 1994 arbeitet Schirach als Anwalt und Strafverteidiger in Berlin. Zu seinen Mandanten gehören Industrielle, Prominente (wie der BND-Spion Norbert Juretzko), Angehörige der Unterwelt und ganz „normale“ Menschen. Mit seinem Debüt „Verbrechen“ gelang ihm 2009 auf Anhieb der Durchbruch als literarischer Autor. Die Übersetzungsrechte wurden in über 30 Länder verkauft, und das Buch wird demnächst verfilmt. Der Focus spricht von einem Glücksfall für die deutsche Literatur und der Spiegel feiert ihn als einen großartigen Erzähler. Ferdinand von Schirach erzählt einfach seine Geschichten: schnörkellos, angenehm, sachlich und dadurch atemberaubend. Das Ungeheurere des Sachverhalts tritt so noch viel schärfer hervor.“ II. Musik

1. Lesung Seite 11–15 „Leinen hatte noch nie so große Hände gesehen.“ Seite 47–48 bis „… fast auf jeder Titelseite stand der Mord an Meyer.“ Direkt weiterlesen auf Seite 49 (oben) bis Seite 54 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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III. Musik

2. Lesung Seite 71–75 oben „Das Gespräch hatte keine fünfzehn Minuten gedauert.“ IV. Musik

Kurzansprache Rache Rache kann befreiend sein. Ich habe das mit meinen vier älteren Geschwistern immer wieder erlebt. Wenn sie so richtig doof zu mir waren, dann habe ich darüber nachgedacht, wie ich mich an ihnen rächen könnte. Harmlos allerdings ist diese Geschwister-Rache gegen die Blutrache. Sie gibt es ja noch, nicht mehr in unserer Kulturlandschaft, aber sehr wohl kommt sie noch vor: Wenn ein Mensch einen anderen tötet oder verletzt, ist die Familie verpflichtet, dasselbe mit einem Mitglied der anderen Familie zu tun – und diese dann wiederum auch. So geht es immer hin und her, teilweise über Jahrzehnte. Nie darf man sich sicher fühlen, ständig muss man Angst vor Rache haben. Das mag uns fremd sein, nicht aber die kleinen und großen Rachegelüste des Alltags: in kleinen Aktionen am Arbeitsplatz, auch in der Partnerschaft, z. B. schon manchmal subtil versteckt in kleinen bissigen Kommentaren, eigentlich völlig unnötig, und sie dienen nur der Rache. Die Frage, ob Rache für einen Christen überhaupt denkbar ist, ist unglücklicherweise lediglich rhetorischer Art. Natürlich ist sie das, auch wenn im Neuen Testament Rache keine Thema (mehr) ist. Der zweite Teil der Bibel erzählt von Versöhnung und Vergebung. Jesus ist der Versöhner schlechthin. Und doch: Wir leben eben nicht völlig entspannt, rachefrei auf einer Blümchenwiese. Ich bin mir sicher: Selbst wenn wir Rache nicht mehr „aktiv praktizieren“ – in unseren Gedanken ist sie nach wie vor wirksam! Wer kennt sie nicht? „Ich könnte ihn …! Wenn ich die erwische …! Wenn ich dürfte, wie ich wollte …“ Rache ist ein schwieriges Thema, aber sie gehört zu uns. Dies zeigen – wenn wir wieder ein Blick ins erste, ins Alte Testament werfen – sehr eindrücklich die – auch noch so genannten – Rachepsalmen. In meinen Augen die schwierigste Kategorie, selbst wenn ich © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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das kulturhistorisch richtig weiß einzuschätzen. Mit dieser Gattung tue ich mich schwer. Und doch ist das, was da derart tiefenpsychologisch ehrlich beschrieben wird, wichtig. Die Rachepsalmen zeigen uns einen Weg, mit den eben beschriebenen Gefühlen umzugehen. (Vielleicht als Vertreter dieser Gattung Psalm 59 ansehen?) „Herr, zahl du es ihm heim! Kümmere du dich bitte um die Angelegenheit! Sei du meine Gerechtigkeit! Es regt mich auf, dass der Kerl sich schon wieder so aufführt, es ärgert mich maßlos! Schaffe mir Recht!“ Wir erleben hier eben auch noch den rächenden Gott. „Die Rache ist mein; ich will vergelten, spricht der Herr.“ (5.Mose 32,35): Rache ist die dunkle Seite der Gerechtigkeit. Doch die Grenzen zwischen beiden sind allzu oft verschwommen. Wann ist es noch Gerechtigkeit, wann ist es Rache? Rache ist es, wenn ich Böses mit Bösem vergelte. „Wer auf Rache aus ist, grabe gleich zwei Gräber.“, sagt ein Chinesisches Sprichwort. Rache ist mit Gewalt verbunden. Ich habe manche Hinrichtung im Namen der Gerechtigkeit vor Augen, die in Wahrheit doch vor allem Rache, Vergeltung war. In der jüngsten Vergangenheit fallen mir gleich zwei ein: Osama bin Laden und Gaddafi! Der Zweck heiligt niemals die Mittel. Wer die Welt in Schurken und Gute einteilt, Achsen von Bösen konstruiert und Koalitionen von Guten, hat nichts vom Menschsein verstanden. Vor allem begreift er sich selbst nicht, ist sich selbst nur an der Oberfläche begegnet. Wie grotesk alleine die Formulierung „Gerechter Krieg“. (Der ungerechteste Frieden ist immer noch besser als der gerechteste Krieg, so hat es Cicero formuliert.) Die Bibel ist ein Wegweiser hin zur Begegnung mit unseren Abgründen. Das Böse haust direkt neben dem Guten, Tür an Tür – in jedem von uns. Wer das in sich spürt, macht den ersten Schritt auf dem steilen Weg zur Feindesliebe. Denn wer sich dem Potenzial des Bösen, der Rachegelüste usw. in sich selbst stellt, schafft es sich langsam dem anderen Menschen zu öffnen: Demjenigen, der einem fremd, feindlich oder böse erscheint. Liebe deinen Feind wie dich selbst. Das funktioniert nur, wenn man dem schlummernden Bösen in sich selbst ins Auge geblickt hat. Freunde – Feinde. Freundliches Feuer – feindliches Feuer. Wir sind Meister im Abstufen des Menschlichen und bauen schil© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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lernde Skalen von Hackordnungen mit vielen Sprossen. Von jeder lässt sich herrlich auf die je unteren herabblicken. So bleibt am Schluss immer übrig, dass die anderen schlimmer sind als ich und das rechtfertigt das eigene Handeln und beruhigt das Gewissen. Eine billige Lösung, eine Lebensstrategie, die ablenkt von der eigentlichen Frage nach dem Umgang mit eigener Schuld. Das menschliche Dasein beginnt in einer Zelle und wenn es wirklich gerecht zuginge, würde es normalerweise auch in einer enden. Bei unseren Abgründen, Fehlern und Vergehen!! Vergibt Gott eigentlich immer? Gewährt er immer die Chance des Neuanfangs? Ja, zuletzt richtet der Weltenrichter auf. Davon gehe ich ganz fest aus, und doch auf jeden Fall hat unser Handeln immer Konsequenzen im Hier und Jetzt. Für die Opfer von Gewalttaten ist es für die Verarbeitung ihres Erlebnisses auch unverzichtbar, dass der Staat die Täter bestraft. Das Ausbleiben einer Sanktion ist im Fall Collini ja der Auslöser dafür, dass der alte Herr getötet wird. Für die Psychohygiene ist es entscheidend, dass das Sinnen auf Rache, Dürsten nach Gerechtigkeit berechtigterweise ernst genommen wird. Und doch nur eine einzige Art von Gerechtigkeit ist am Ende dieses Heilungsprozesses gut und nützlich, und das ist die Gnade. Für Täter und Opfer ist gleichermaßen wichtig, dass Gott nicht nach menschlichen Gerechtigkeitsempfinden handelt. Nur mit und durch Gott gibt es einen echten Neuanfang. Er hat Versöhnung und Vergebung im Sinn und kann dafür sorgen, dass sich unser innerer Schalter, der auf Rache und Vergeltung geschaltet ist, wieder umlegt. In seiner göttlichen Umarmung spüren wir etwas von dem Eigenwert, den wir haben, ohne ihn über den Status der anderen definieren zu müssen. In dieser Umarmung beginnt er etwas von unserem Selbstwert zu spüren. Es ist die Umarmung desjenigen, der Versöhnung und damit den wahren Frieden gebracht hat. Amen 2. Gemeindelied Jesus nimmt die Sünder an (EG Nr. 353, 1–3) Gebet Umarme, umhülle uns mit deiner lebens- freiheitsstiftenden Kraft, wenn wir es uns zu leicht machen wollen und wenn es schwer © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

„Der Fall Collini“ von Ferdinand von Schirach

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wird – zu schwer für uns. Umarme, umhülle uns mit deiner Kraft. Dann werden wir überall den Frieden erkennen, den du in Jesus gestiftet hast. Lass uns darin leben und uns nicht verlieren in dem Gestrüpp von Rache und Vergeltung, in dem Gestrüpp der Vorwürfe, die wir mit Recht oder Unrecht gegeneinander erheben. Gib uns den Geist Jesu, der in jedem Menschen dein Bild entdeckt, das ihn liebenswert macht. So wird dein Reich wachsen unter uns. Wir denken an die Fremden, denen wir begegnen; an die Kinder und Jugendlichen, deren Zukunft uns zuweilen Sorgen macht; an die Mitarbeitenden und Vorgesetzten, an die Kollegen und Freunde, an die Verwandten und an die Nachbarn. Wir denken an die, die sich liebhaben, und an die, die allein sind; an die Familien und alten Bürger, an die Kranken und die Traurigen; an die Armen bei uns und in der Welt. Lass uns aufstehen aus aller Enttäuschung und Angst; gib uns neue Einfälle aus Schuld und Verstrickung heraus. Umarme, umhülle uns mit deiner lebens- freiheitsstiftenden Kraft. Vaterunser 3. Gemeindelied Herr wir bitten: komm und segne uns (EG Nr. 607) Segen Bekanntmachungen Ausgangsmusik

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April: Umgang mit Angst „Dein Wille geschehe“ von Michael Robotham

Eingangsmusik Begrüssung Guten Abend, wann glauben sie, ist der ungünstigste Zeitpunkt Pfarrer und Pfarrerinnen zu erreichen? Es ist der Sonntagabend, um 20.15 Uhr! Tatortzeit. Beeindruckend, wie viele Krimifans sich gerade in dieser Berufsgruppe befinden. Die Psychologie hat längst herausgefunden, warum diese Berufsgruppe so viele Krimifans birgt. In Krimis geht es um Morde oder Gewaltverbrechen, Dinge, die uns Angst machen. Wenn wir Krimis lesen oder schauen, ist dies eine Möglichkeit, sich mittelbar mit dieser Angst auseinanderzusetzen, ja sogar zu kontrollieren, relativ entspannt, denn der Täter ist ja in der Regel am Ende gefasst. Gewalt lehnen wir kategorisch ab, ist nie Mittel zum Zweck, selbst wenn der Zweck Frieden ist. Das macht die Menschen der Kirche zuweilen wehrlos, oder es lässt sie zumindest so empfinden, so lautet der psychologische Deutungsversuch und diese Wehrlosigkeit wird dann kompensiert, verarbeitet durch die Lektüre von Krimis. Eine ähnliche psychologische Begründung wird bei Frauen angeführt. Da sie in der Regel aufgrund ihrer körperlichen Unterlegenheit häufiger Gewalt ausgesetzt sind als Männer, sind sie noch größere Krimifans als das männliche Geschlecht. Heute also, sie haben es längst gemerkt, ist ein Krimi bei uns zu Gast. „Dein Wille geschehe“ (religiöse Sprache ist übrigens auch oft in Krimis zu finden, aber das ist ein anderes Thema) von Michael Robotham. Dieser ausgefeilte Psycho-Thriller spielt in Bristol (England) und baut von der ersten Seite an eine beeindruckende Spannung auf. Sie werden das gleich hören. So kommen wir heute Abend zusammen im Namen Gottes, der am Anfang das Wort schuf, im Namen Jesu der das Wort der Wahrheit ist und im Namen des Geistes, durch den Worte heilend wirken; im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, Amen. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

„Dein Wille geschehe“ von Michael Robotham

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1. Gemeindelied Bleib bei mir Herr (EG Nr. 488) Psalm 18 (in nachempfundener Form) Als die Angst nach mir griff, als die Schatten mich einholten, da schrie ich in meiner Angst, da rief ich nach meinem Gott Und er streckte seine Hand nach mir aus, er fasste mich und zog mich ans Licht. Er führte mich ins Weite, riss mich heraus, weil er mich mag. Hell leuchtet dein Licht, Gott, in meiner Finsternis. Du gibst meinen Schritten Schwung, mit dir kann ich über Mauern springen. Gott lebt noch. Ich rede gern von ihm. Er ist der sichere Boden unter meinem Fuß. Er rettet die, die sonst verloren wären. Wir wollen ihm danken, jeden Tag. 2. Gemeindelied Laudate omnes gentes (EG Nr. 181, 6) Über das Buch Im strömenden Regen steht eine Frau nackt auf dem Geländer einer Brücke. Auf ihrem Bauch sind vier Buchstaben geschrieben: HURE. An ihr Ohr hält sie ununterbrochen ein Handy. Der Psychologe Joe O’Loughlin, der herbeigerufen wird, versucht sie vom Sprung abzuhalten, aber er kann ihren Selbstmord nicht verhindern. Grundsätzlich würde dieser Fall nun zu den Akten gelegt, aber es tauchen immer mehr Fragen auf, die den an Parkinson erkrankten Psychologen nicht in Ruhe lassen. Was bewegt eine vollkommen normale Mittvierzigerin dazu, diesen bizarren Selbstmord zu verüben? Warum wählt eine Frau, die unter panischer Angst vor Höhen leidet, gerade diese Todesart? Warum hat die Verstorbene bis zu der Sekunde ihres Sprungs mit einem Unbekannten telefoniert? Kurze Zeit später taucht die Tochter der Verstorbenen auf und überzeugt O’Loughlin davon, dass ihre Mutter ermordet wurde.

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Über den Autor Michael Robotham wurde 1960 in New South Wales, Australien, geboren. Er startete in Sydney eine Laufbahn als Journalist und zog nach London, wo er für verschiedene Zeitungen arbeitete. 1993 wurde er hauptberuflich Ghostwriter. Zusammen mit namhaften Persönlichkeiten aus Politik, Kunst, Wissenschaft und Sport schrieb er zahlreiche Biographien. Seit 2005 avancierte Michael Robotham zu einem überaus erfolgreichen Krimitautor. Er lebt am nördlichen Strand von Sidney und hat drei pubertierende Töchter. Musik 1. Lesung Seite 9–15 (Seitenmitte) Kurze Musik 2. Lesung Seite 247–252 (von oben) 1. Gemeindelied Meine Hoffnung (2x) (Wort Laute – Liederheft zum Evangelischen Gesangbuch Nr. 78) Kurzansprache „Kein Leben ohne Angst“ Es gibt kein Leben ohne Angst. Wir wissen das. Keine Angst zu haben ist unmöglich. Angst signalisiert uns Gefahr, hilft uns zu verstehen und gehört zur Erkenntnis der eigenen Begrenztheit. In Ur-Zeiten sorgte sie dafür, dass wir frühzeitig flüchteten oder Unterschlupf vor wilden Tieren suchten. Jedes Zeitalter hat seine speziellen Ängste: Früher bedrohten Kriege, Naturgewalten und Seuchen wie die Pest die Menschen. Heute hängen unsere Ängste größtenteils mit Bedrohungen zusammen, die wir selbst heraufbeschworen haben, was die Sache nicht leichter gemacht hat. Führten die Menschen anfangs die kleinen und großen Katastrophen auf Gott oder unzufriedene Götter zurück und suchten gemeinsam in Gruppen nach Linderung, stehen wir heute eher als Einzelkämpfer mit unseren je eigenen Ängsten oder sogar © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

„Dein Wille geschehe“ von Michael Robotham

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als Verursacher da. In unserem Zeitalter betrachten wir Krebs oder Hunger nicht mehr als Strafe Gottes; es gibt da keinen „Tun-Ergehen-Zusammenhang“. Warum der Eine leidet und die Andere verschont bleibt, können wir nicht erklären. Wir können lediglich anerkennen, dass wir nicht Herr im eigenen Haus sind (so hat es Freud einmal formuliert). Da wir ein Unterbewusstsein haben, das sich nicht bewusst steuern lässt, schwappen immer wieder unkontrollierbare Ängste wie eine innere Katastrophe nach oben. Nur bei einer absoluten Allmacht und der Kontrollmöglichkeit über das Leben könnten wir unsere tiefsten Ängste bändigen. Da diese Fantasie aber nie Realität wird, werden wir immer dem oft lähmenden Gefühl der Ohnmacht und Hilflosigkeit ausgeliefert sein. Ängste beschäftigen uns unser Leben lang. Auch wenn sie ihre Verpackung wechseln, mal von außen kommen, mal sich aus uns innen heraus entwickeln – begleiten werden sie uns. Im Buch „Dein Wille geschehe“ erkennen der Psychologe O’Loughlin und der Inspektor Ruiz im Fortlauf ihrer Ermittlungen, dass insbesondere ein Werkzeug dazu geeignet ist, die vollkommene Kontrolle über einen Anderen zu erlangen: Die Angst um ein Kind. Diese größte Angst aller Eltern benutzt der Täter, um Macht über seine Opfer zu bekommen. O’Loughlin selbst wird u. a. durch eine andere (persönliche) Angst überhaupt dazu gebracht, die Ermittlungen aufzunehmen. Aufgrund seiner Parkinson- Erkrankung muss er sein Dasein fristen als Hausmann mit gelegentlichen Nebenjobs. Er leidet unter dem, was vermutlich viele Elternteile im Erziehungsurlaub kennen: Langeweile, Selbstzweifel und ihn beschleicht die Angst, den Respekt und die Liebe seiner beruflich erfolgreichen Partnerin zu verlieren. Wie können wir mit unseren Ängste am besten umgehen? Die Strategien, die wir gegen die Angst entwickeln, gehören mit zu den wichtigsten Faktoren in der Gestaltung unserer Persönlichkeit. Um unsere Ängste in den Griff zu kriegen, verpacken wir das eigentlich Ängstigende, was tief in uns brodelt und sich ziemlich unangenehm anfühlt, in andere Behältnisse. Eine Schachtel für die Angst vor Krebs, eine andere für die Angst vor Klimakatastrophen, eine nächste für die Sorge um die Kinder. Sie verweisen zwar alle einerseits auf unsere Angst, aber den unheimlichen Ursprung, © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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unsere Ur-Angst, die allen anderen Ängsten zugrunde liegt, die verlieren wir aus den Augen. Sie ist von außen nicht mehr erkennbar. Jesus spricht das an, als er sich – sehr ausführlich ist das im Johannes-Evangelium beschrieben – von seinen Freunden und Freundinnen verabschiedet und zusammenfassend sagt: In der Welt (mit all den existenziellen Ängsten) habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe diese – angstmachende – Welt im Vertrauen meinem Schöpfer gegenüber überwunden. Alles Unkalkulierbare, Unvollständige, Brüchige existenziell Bedrohliche hat er abgelegt in diese unterschiedlichen Angstbehältnisse und sie ein für alle Mal GOTT übergeben, im Vertrauen darauf, dass er es wohl machen wird. Gott, so macht er klar, umgibt uns wunderbar auch in unserer Angst, belüftet unsere Angst verstopften Adern und weckt in uns immer wieder diesen Lebensimpuls, dass es doch noch irgendwie gut gehen wird. Die Beter in den Psalmen haben es uns vorgemacht. Sie beteten intensiv und verschaffen sich so Erleichterung. Gespräche mit Gott sind hilfreiche Gewohnheiten und wirksame Angstkiller. Gewohnheiten gehören zu den gesündesten und wichtigsten Formen der Angstbewältigung. Sie vermitteln uns Sicherheit. Zu solchen Bewältigungsstrategien gehören auch Rituale wie der regelmäßige Gottesdienstbesuch. Hier bekommen wir Trost und hören von Menschen, die erfahren haben, dass es jemanden gibt der stärker ist als ihre Angst, dass wir allezeit geborgen sind von guten Mächten. So lassen sich dann auch solch subtil verfasste Psychothriller lesen, Amen. Obwohl: Nun noch eine ganz persönliche Nachbemerkung Obwohl das Buch toll erzählt ist, eine sehr spannende Geschichte entwickelt und psychologisch aufschlussreich ist, kann ich es nicht uneingeschränkt Ihrer Lektüre empfehlen. Denn in einer Hinsicht ist es absolut grenzüberschreitend. Es gibt eine Haupterzählperspektive, die übernimmt O’Loughlin der Psychologe. Einen kleineren Part übernimmt der Mörder. In diesem Teil erzählt der Killer genüsslich – bis in die letzten Einzelheiten – was er kleinen Mädchen antut bzw. wie er mit diesen Fantasien die Mütter quält. Damit begeht der Autor Robotham einen Tabubruch, den er meiner Meinung nach hätte unterlassen sollen. Er überschreitet damit das © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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Genre „Unterhaltungsliteratur“. Ich habe diese Stellen, die optisch leicht zu identifizieren sind, einfach überlesen. 2. Gemeindelied Vater, unser Vater (Laute Worte, Liederheft zum Evangelischen Gesangbuch Nr. 57) Gebet Gott, deine Macht hat kein Ende, darauf vertrauen wir. Auch wenn uns zuweilen angst und bange ist, vertrauen wir gerade auch an der Grenze des Lebens darauf, dass jenseits der Grenze bei dir Leben möglich ist. In jedem guten Wort, das Angst überwindet und Mut macht zu leben, bist du uns zugewandt; und so können wir uns einander zuwenden – in Liebe. Wir möchten Leben für das Beispiel Jesu, das unser Denken bestimmt und unser Christsein begründet. Er, Jesus, hat die Angst überwunden, ja sogar die Angst vor dem Tod; bei Gott ist er gut aufgehoben und so sind auch wir allezeit von guten Mächten wunderbar geborgen. Gib uns Einfälle der Liebe, damit, was von dir gesagt wird, Menschen mit Wärme umfängt. Lass es uns nicht lästig werden, Menschen in ihren Ängsten, in ihrer Befangenheit aufzusuchen und – betroffen von ihren Nöten, von ihrer Last, von ihren Ängsten, ihr Leben mit ihnen auszuhalten. So beten wir für Verängstigte, für Bedrückte, für Bedrohte, für Kranke, für Sterbende, für Trauernde, für uns selbst: Gott, bleibe uns liebevoll zugewandt, gib uns deinen guten Geist, Amen 3. Gemeindelied Bewahre uns Gott (EG Nr. 171) Segen Abkündigungen Ausgangsmusik

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Mai: Die Ehe auf dem Seziertisch „Glückliche Ehe“ von Rafael Yglesias

Eingangsmusik Begrüssung Die Gnade und der Friede Gottes sei jetzt mit uns allen; herzlich willkommen. Heute ist bei uns die „Glückliche Ehe“ zu Gast. Der Titel verrät es: Es geht um die Liebe, um Ehe, Partnerschaft, um das Beste was uns hier auf Erden passieren kann: geliebt zu werden! Jemanden an der Seite zu haben, der uns tröstet, wenn wir traurig sind, der uns auffängt, wenn wir fallen, unsere Schmerzen lindert, der an unserer Seite bleibt, wenn wir uns von allen verlassen fühlen und der mit uns kämpft, wenn die Beziehung ins Trudeln gerät. Im Namen des Vaters … Ich lese Auszüge aus dem Psalm 36 in sprachlich nachempfundener Form, die gleichsam als Überschrift über unseren Literaturgottesdienst heute Abend stehen: Psalm 36 (in nachempfundener Form) Weit wie der Himmel ist die Liebe. Alle Menschen will sie erreichen. Zuverlässig ist ihre Gerechtigkeit, sie geht den Fragen nach bis in die Tiefe. Menschen reicht sie die Hand, verbindet Menschen und Tiere. Liebe überzeugt, Verängstigte flüchten in ihren Schutz. Von ihrem Reichtum gibt sie ab, Hungrige werden satt und froh. Die Quelle des Lebens ist Liebe, erwärmt sie uns, ist alles gut. Amen 1. Gemeindelied Laudate omnes gentes (EG Nr. 181, 6) Über den Buchtitel „Glückliche Ehe“ ist aus meiner Sicht kein glücklicher Buchtitel. Etwas leichter, unter kommerziellen Gesichtspunkten, wäre die Sache gewesen, wenn der Verlag wenigstens das Wörtchen „Eine“ davor gesetzt hätte, so wie im Original A happy marriage (Eine © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

„Glückliche Ehe“ von Rafael Yglesias

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glückliche Ehe). Der Begriff „EHE“ hat offensichtlich keinen attraktiven Klang in unseren Ohren. Eine „Glückliche Liebe“ weckt mehr und schneller unser Interesse. Als ich zu diesem Literaturgottesdienst einlud, erklärten mir die einen, sie seien zu jung oder noch nicht verheiratet, die nächsten, sie sähen die Institution EHE eher kritisch und wieder andere, dass sie keine glückliche Ehe führten und daran nicht unbedingt erinnert werden möchten. Uns geht es in diesem Gottesdienst nicht um die Institution EHE, sondern um die Liebe, dieses alles umgreifende Gefühl, dass die beiden Protagonisten 30 Jahre zusammenhält. 2. Gemeindelied Ich bete an die Macht der Liebe (EG Nr. 661, 2–4) Buchvorstellung „Glückliche Ehe“ ist ein beeindruckendes, passagenweise ergreifendes Buch über den Anfang bis zum Ende einer großen Liebe. Die Hauptpersonen sind Margaret und Enrique. Sie verlieben sich in den 1970ger Jahren in New York, heiraten und bekommen zwei Söhne. Was beschwingt beginnt, endet nach fast 30 Jahren durch die zum Tode führende Krebserkrankung von Margaret. Die Leichtigkeit und Komik des Kennenlernens in den ersten Wochen wechselt in dem Roman ab mit den bitteren, aber auch erfüllten letzten Monaten von Margarets Leben, als sie sich von Familie und Freunden verabschiedet und von ihrem Mann Enrique. Eine Spiegelredakteurin (Elke Schmitter) schrieb über das Buch, dass sie bei dem Buch weinen musste, was ihr als Kritikerin nicht mehr häufig passiere. Es ist ein intimes und anrührendes Buch, das ohne jede Sentimentalität Leben, Lieben und Sterben seiner Hauptperson beschreibt. Über den Autor Der Autor Rafael Yglesias, geboren 1954 in New York City, ist der Sohn des kubanisch-stämmigen Schriftstellers Jose Yglesias und der jüdisch-russisch-stämmigen Schriftstellerin Helen Yglesias. Mit 17 Jahren brach er die High School ab, um seinen ersten Roman zu veröffentlichen, sieben weitere folgten. Als Drehbuchautor schrieb er u. a. „Der Tod und das Mädchen“ und „Les Miserables“. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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Von 1977 bis zu ihrem Tod 2004 war er mit Margaret Joskow verheiratet. „Glückliche Ehe“ ist sein erster Roman seit 13 Jahren. Yglesias hat zwei erwachsene Söhne und lebt in New York. Vorne im Buch steht der Hinweis, dass die Geschichte erfunden sei und keine Ähnlichkeit mit lebenden Personen habe oder diese rein zufällig seien. Dann ist es also nur Zufall, dass der Erzähler den gleichen beruflichen Werdegang wie der Autor hat, seine Eltern auch Schriftsteller sind und seine Frau nach 27jähriger Ehe an Blasenkrebs starb und zwei Söhne hinterließ. Diese und noch viele andere Parallelen machen den Roman eben doch zu einem autobiographischen Buch. I. Musik 1. Lesung Seite 9 (Mitte „Bernard hatte zwar Margarets …“ bis Seite 15 (oben „… ideal für mich! Relativ ideal!“) Kurze Zwischenmusik Überleitung zwischen den Lesungen Die beiden werden ein Paar heiraten und bekommen Kinder. Die leidenschaftliche Liebe überdauert den Alltag für ein paar Jahre, dann wird sie zerrieben zwischen Kinderhüten, Karrierebestreben und sexueller Ödnis. Enrique beginnt eine heftige Affäre, wagt aber nicht den Sprung in ein neues Leben. Eine Geschichte, die es millionenfach auf der Erde gibt. Enrique, der seinen Traum vom weltberühmten Romancier begraben muss, verdingt sich als Drehbuchautor und verdient damit (sogar) viel Geld. Der Autor erzählt uns nicht genau, was und wie es passiert, aber Margaret und Enrique überstehen die Krise und obwohl sie so unterschiedlich sind, reift ihre Liebe und sie bleiben zusammen. Episodenhaft begleitet der Leser das Leben seiner Hauptpersonen durch ihre Konflikte und ihre Sternstunden. Dies ist das eine Buch im Buch, das den Leser in Rückblicken in das vergangene Leben der beiden Hauptpersonen führt. Das Besondere ist der zweite Handlungsstrang, den Yglesias gleich zu Anfang des Buches, im 2. Kapitel, beginnt: Margaret liegt im © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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Sterben. Ein metastasierender Blasenkrebs hat in ihrem Körper ein verheerendes Desaster angerichtet. So wie Margaret ihr Leben immer unter Kontrolle hatte, so will sie auch jetzt ihr Sterben kontrollieren. Sie bricht – schon unsäglich gequält – alle Behandlungen ab, einigt sich mit der Hospiz-Ärztin darauf, mit Steroiden noch eine Woche gepusht zu werden, um die Kraft zu haben, Abschied zu nehmen. Enrique wird beauftragt, an Verwandte, Freunde und Bekannte, von denen sich Margret persönlich verabschieden will, Termine zu vergeben. All dies macht Enrique, was er nicht schafft, ist dagegen, zu akzeptieren, dass auch er Margret loslassen muss. Und so ist er der Einzige, der sich nicht – zumindest nicht so, wie er wollte – von Margaret verabschiedet. Aber auch dies ist nicht wirklich schlimm, Enrique ist eben so und seine sterbende Frau hat auch dies in ihrer letzten Sekunde noch im Griff … 2. Lesung Seite 247–252 (oben) 3. Gemeindelied nach der Melodie EG Nr. 70 von Paul Gerhardt (Text s. u.) Kurzansprache „Seine Ehe war zum größten Teile: verbrühte Milch und Langeweile. Und darum wird beim Happy End im Film gewöhnlich abgeblendet.“ So sah es Kurt Tucholsky. Eine Ehe bzw. eine eheähnliche Partnerschaft ist die anspruchsvollste Verbindung, die wir Menschen eingehen können. Zwei verbünden sich. Sie wollen eine gemeinsame Wohnung, einen Urlaub, gemeinsames Konto, gemeinsame Kinder (oder nicht), vielleicht auch einen Namen, gemeinsame Freude, geteiltes Leid. Sie wollen für einander einstehen, sich Gutes tun vom Körper bis zur Seele. Ehe ist das Projekt, mit diesem Menschen alt zu werden. Es ist der einzigartige Weg dieses einzigartigen Paares. Eine glückliche, lange Partnerschaft scheint ein Wunder zu sein. Und es gibt genügend Anlass, von einem Wunder zu sprechen, wenn das gelingt, was im Buch beschrieben wird: Einen Menschen, ein schnarchendes, nicht selten schlecht gelauntes, misstrauisches, © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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mimosenhaftes Wesen, das nicht nur sein Inneres, sondern – noch schlimmer – sein Äußeres verändert, dauerhaft zu lieben. Krisen und ernsthafte Hindernisse zu überwinden und auch in Ebbezeiten unbeirrt an die nächste Flut zu glauben. Welche Geheimnisse verbergen sich hinter der Dauerhaftigkeit einer langen Beziehung? Die Verbindung von Margaret und Enrique geben ein paar wesentliche Hinweise auf die Entschlüsselung dieses Geheimnisses. Punkt 1: Es ist die Liebe. Was sonst? Die Liebe ist nicht nur ein Gefühl, sondern ein Kommunikationscode. Dieser Kommunikationscode entsteht, wenn ein Paar alle Informationen miteinander teilt – sowohl über die Welt „draußen“ als auch über das, was die beiden im Inneren, im Kern betrifft. Diese Doppelung der Informationen schafft eine besondere, einzigartige Beziehung, eine eigene Wirklichkeit nur zwischen diesen beiden. Das Ergebnis dieses intensiven, intimen Austausches ist die Liebesgeschichte, die es gilt wachzuhalten. Punkt 2 Die Akzeptanz von unlösbaren Problemen Doch in einer dauerhaften Beziehung entstehen Konflikte, ernsthafte Probleme, die nicht zu lösen sind. Keine Chance – das gilt es anzuerkennen und (das ist ein Reifeprozess) statt mit Konfrontation und Verletzungen ist es beziehungserhaltend, dem immer wieder kehrenden neuralgischen Punkt mit Humor, Ablenkung und Respekt zu begegnen. In der Psychologie nennt man dieses Umgang mit unlösbaren Problemen „Resignative Reife“. Punkt 3: Vergeben und vor allem vergessen Sie bleiben nicht aus, die Enttäuschungen und Kränkungen. Es gibt keinen Ausgleich für erlittenes Unrecht in einer Liebesbeziehung. Auch das ist eindrucksvoll geschildert in dem Buch. Die Verheißung während der Verliebtheitsphase auf Gleichheit und Gerechtigkeit kann nicht eingelöst werden. Es bleiben Reste, deswegen muss man vergeben können. Punkt 4: Eine Illusion Wir können und sollten uns unseren Partner äußerlich wie innerlich © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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schön denken und reden. In unserem heutigen Roman gelingt es dem Autor sicher besser, als es ihm im Alltag gelungen ist, aber der Versuch lohnt sich. Glauben Sie an die positive Kraft der Illusion, an die geschönte Variante. Denken sie Gutes vom anderen, trauen Sie ihm und bürsten ihm oder ihr das Ungeziefer von der Seele. Davon haben wir alle genug, so dass es der positiven Illusion bedarf. Punkt 5: Man sollte das Glück nicht zum alleinigen Maßstab seiner Ehe machen, aber ein gehöriges Maß an Glück gehört natürlich dazu. Nur: Der Partner ist nicht der verantwortliche Glückslieferant! Und man könnte zuletzt (es gibt sicherlich noch mehr) als sechsten Punkt noch aufzählen: Wichtig ist es, ein Freund zu sein! Zum Wunder einer langen, erfüllten Beziehung gehört eine funktionierende Freundschaft. Auch dieses Verhalten zeigen beispielhaft Margaret und Enrique. Sie sind ein Team, das sich vertraut. Von Nietzsche stammt die berühmte Aussage, dass „eine gute Ehe auf dem Talent der Freundschaft beruhe“. Freundschaft hat weder das Ziel, nützlich zu sein, noch angenehm. Sie ist nicht ausgerichtet an dem Erreichen kurzfristiger Ziele. Sie bringt das Kunststück fertig, freiwillig zu sein und gleichzeitig moralische Verpflichtungen einzuhalten. Und selbst wenn wir es schaffen, die sechs Punkte mit Leben zu füllen, so bleibt unsere Art zu lieben Stückwerk, wie unsere anderen Begabungen auch. Unsere irdische Liebe ist bruchstückhaft und ermüdet schnell. Doch unsere Sehnsucht nach wahrer, großer Liebe bleibt. Sie treibt uns an, immer wieder danach suchen. Wir hoffen auf eine Art von Vollkommenheit, die uns einhüllt. Der Kern der Liebe ist, dass sie uns wichtigmacht! Sie ist sinnstiftend in einer von Tod und Gewalt bedrohten Welt. Unvergängliche, vollkommene Liebe ist nur bei dem, der Leben und damit Liebe ursprünglich schafft, bei Gott, der die Liebe ist. Was wir nicht erklären können, ist der unauffindbare, geheimnisvolle Grund, warum gerade diese zwei Menschen sich verlieben und zueinander halten. Liebe ist aus göttlichem Stoff. Davon erleben wir einen Hauch, wenn wir verliebt sind und lieben. Auch die körperliche Liebe ist ein Vorgeschmack auf den Himmel. Wer liebt, erkennt den verborgenen Schatz, durch den uns Gott schon jetzt einen Hauch vom ewigen Leben fühlen lässt. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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Nutzen sie doch die Musik gleich und denken sie einmal unter den aufgezählten Gesichtspunkten an ihre Liebesbeziehung, Liebesbeziehungen, Amen. Musik Fürbitten A. Gott, in jedem guten Wort, das Angst überwindet und Mut macht zu leben, bist du uns liebevoll zugewandt; und so können wir uns einander zuwenden – in Liebe B. Liebe ist Verantwortung eines Ichs für ein Du, hierin besteht die Gleichheit aller Liebenden, vom Kleinsten bis zum Größten. (Martin Buber) A. Wir möchten leben für das Beispiel Jesu, das unser Denken bestimmt und unser Christsein begründet. Gib uns Einfälle der Liebe, damit wir Menschen mit Wärme umfangen. Lass es uns nicht lästig werden, Menschen in schwierigen Lagen aufzusuchen und – betroffen von ihrer Last – ihr Leben mit ihnen auszuhalten. B. So beten wir für die Liebenden und die in ihrer Liebe Enttäuschten, für Bedrückte, für Kranke, für Gefangene, für alle, die unserer liebevollen Zuwendung bedürfen. Gott der Liebe bleibe uns zugewandt und gib uns deinen guten Geist. Amen Vaterunser Gemeindelied Geh unter der Gnade (BLH Nr. 114) Segen Ausgangsmusik Gemeindelied zur Ehe nach der Melodie: Wie schön leuchtet der Morgenstern (EG Nr. 70)

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„Glückliche Ehe“ von Rafael Yglesias

1. Wie schön ist’s doch, Herr Jesu Christ, Im Stande, da dein Segen ist, Im Stande heil’ger Ehe! Wie steigt und neigt sich deine Gab Und alles Gut so mild herab Aus deiner heil’gen Höhe, Wann sich an dich Fleißig halten Jung und Alten, die im Orden Eines Lebens einig worden. 2. Wenn Mann und Weib sich wohl begehn Und unverrückt beisammen stehn Im Bande reiner Treue, Da geht das Glück in vollem Lauf, Da sieht man, wie der Engel Hauf Im Himmel selbst sich freue. Kein Sturm, Kein Wurm Kann zerschlagen, kann zernagen, was Gott gibet Dem Paar, das in ihm sich liebet. 3. Vor allen gibt er seine Gnad, In derer Schoß er früh und spat Sein Hochgeliebten heget. Da spannt sein Arm sich täglich aus, Da faßt er uns und unser Haus Gleich als ein Vater pfleget. Da muss ein Fuß Nach dem andern gehn und wandern, bis sie kommen In das Zelt und Sitz der Frommen.

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Juni: Die nackte Wahrheit „Die hellen Tage“ von Zsuzsa Bánk

Vorspiel Begrüssung Kennen Sie noch das Spiel „Wahrheit oder Pflicht“? Wenn der Flaschenhals auf einen Freund zeigte und er sich für Wahrheit entschied, war das ein unglaublich spannender Moment. Er sollte offen und ehrlich eine meist intime Frage beantworten. Ob diese Beichte außer dem Skandal- und Neuigkeitswert irgendetwas Produktives beinhaltete, ist im Nachhinein schwer zu ermessen, glaube ich aber eher nicht. Mit Hilfe dieses faszinierenden Buches von Zsusza Bank „Die hellen Tage“ widmen wir uns heute Abend diesem Thema Wahrheit und der Frage: Kann es Lebenssituationen geben, da das Verschweigen der bitteren Wahrheit lebensdienlicher ist, das Leben schützt und daher höher zu bewerten ist, ich mein Gegenüber aus verantwortungsethischen Gründen schütze und ihn nicht mit der Wahrheit konfrontiere oder muss ich auf Grund meines Gewissens immer für die Offenlegung der Wahrheit sorgen? Was denken Sie? Eingangsvotum Unsere Fragen, und alles, was uns Freude, aber eben auch Sorgen macht, all das bringen wir Gott, in seinem Namen kommen wir zusammen, im Namen des … Psalm „Weise mir, Herr, deinen Weg, dass ich wandele in deiner Wahrheit.“ (Psalm 86,11) In Psalm 15 heißt es in einer nachempfundenen, uns sprachlich angepassten Form: „Wer kann sich auf Gott berufen? Wer kann davon ausgehen, dass er an ihn glaubt? Der wahrheitstreu, ehrlich ist in dem, was er sagt und tut. Der es nicht nötig hat, andere schlecht zu machen. Der nichts ersinnt, was anderen schadet. Der seinen Nachbarn im Recht lässt. Der sich nicht überall anpasst, sondern in allem die Wahrheit sucht. Der für seine Überzeugung, © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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für das, wofür er Verantwortung übernommen hat, geradesteht, auch wenn es ihm schadet. Der sich für Recht und Wahrheit einsetzt, Leben schützt und dem Menschengerechten dient und sich durch nichts davon abbringen lässt. Wer so lebt, der wird vor der Wahrheit bestehen.“ Gebet Gott, zu uns selbst möchten wir kommen, möchten das Bild klarer sehen, das dir, Gott, vorschwebt von uns. Lass deine Wahrheit herankommen an uns und alles durchdringen, was uns den Blick verstellt für die Bedeutung, die du uns mit Jesus gibst. Amen. 1. Gemeindelied Geh aus mein Herz (EG Nr. 503,1–2 + 8) Über die Autorin Zsuzsa Bánk wurde 1965 als Tochter ungarischer Eltern geboren, die nach dem Ungarnaufstand (1956) in den Westen flohen. Sie wurde Buchhändlerin und studierte anschließend in Mainz und Washington Publizistik, Politikwissenschaft und Literatur. Heute lebt sie als Autorin in Frankfurt am Main. Mit ihrem preisgekrönten ersten Roman „Der Schwimmer“ schaffte sie auf Anhieb den Durchbruch. Bis heute gewann sie sieben Literaturpreise. Musik Über das Buch Lange Sommer, drei Kinder, nackte Füße im hohen Gras und ein kleiner Ort in Süddeutschland namens Kirchblüt. Dies sind wesentliche Zutaten des Romans. In Kirchblüt lebt Aja mit ihrer Mutter Évi in einem zurechtgezimmerten Häuschen ohne Anschrift. Aja und Therese durchleben ihre Kleinmädchensommer wie Schwestern, unzertrennlich seit dem Tag ihrer ersten Begegnung: „Wir fanden uns, wie sich Kinder finden, ohne zu zögern, ohne Umstände.“ Sie nehmen Karl als dritten Freund in die Mitte und wachsen gemeinsam auf. Die Tage der Drei sind meistens unbeschwert, aber sie erleben auch Unheilvolles. Karls jüngerer Bruder verschwindet plötzlich an einem hellblauen Frühlingstag, als er in ein fremdes © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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Auto steigt und nie wiederkommt. Als junge Erwachsene gehen sie gemeinsam zum Studium nach Rom. Einschneidende Veränderungen schleichen sich langsam heran, angekündigt wie ein Rascheln im Unterholz. Dunkle Geheimnisse lüften sich Stück für Stück, was die Freundschaft auf eine harte Probe stellt. Zsuzsa Bánk lässt sich bei ihren Beschreibungen viel Zeit. Beinahe endlos dehnen sich die Sommer von Aja, Therese und Karl. Dabei balanciert die Schriftstellerin geradezu waghalsig über die Abgründe des Kitsches hinweg. Zwei Dinge sind in ihrem Erzählstil besonders beeindruckend: Zum einen benutzt sie in den über 500 Seiten nicht einmal wörtliche Rede, was den Leser besonders in den Bann zieht. Die andere Besonderheit ist ihre großartige Gabe, die Geschichten der drei Hauptpersonen und ihrer Familien auf verschlungene Art, sorgfältig, immer wieder neu zu verknüpfen. Man muss schon genau lesen, denn plötzlich wird eine beiläufig beschriebene Beobachtung zum Schlüssel für ein großes Geheimnis, was allerdings erst 200 Seiten später gelüftet wird. 1. Lesung Seite 7 (erster Absatz), Seite 9 „Das Seltsamste an Aja aber war ihre Mutter …“ bis Seite 10 unten, Seite 13 „Sobald die ersten kühlen Nächte angingen …“ bis Seite 16 (erster Absatz) Musik 2. Lesung Seite 80 „Wäre sein Bruder nicht verschwunden …“ bis Seite 82 Kapitelende. Seite 86 (unten) bis Seite 91 „… die Briefe in ihre Hände gelegt hatte.“ Musik Kurzansprache „Die nackte Wahrheit“ Wenn es um die Wahrheit geht, wird’s kompliziert und man wird ergebnisoffen disputieren, argumentieren. Es gibt eine Karikatur, auf der ein Vater mit erhobenen Zeigefinger seinem Sohn erklärt: „Und hörst du! Wir möchten, dass du immer schön, die Wahrheit sagst.“ „Ok, Du Arsch“, antwortet daraufhin © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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der Junge. Ein hehres Ziel: „Immer schön die Wahrheit sagen.“ Wir fordern es ein, aber wollen es dann doch nicht wirklich, wie die Karikatur zeigt. Wir werden erzogen, die Wahrheit zu sagen und sie nicht zu verschweigen. Deswegen haben Geheimnisse oft einen schlechten Ruf. Etwas vor anderen zu verbergen gilt als unmoralisch, auch als Lüge und schädlich für die zwischenmenschlichen Beziehungen soll es auch sein. Doch nicht alle Geheimnisse sind destruktiv. Es gibt ja auch die „guten“, die das Leben schützenden, fördernden. Sie können Menschen schützen vor Zumutungen und zu viel Nähe. Ohne diese konstruktiven Geheimnisse ist ein autonomes Leben kaum denkbar – und z. B. auch keine glückliche Partnerschaft. Hold the utmost secrecy! Das soll Charles Lindberghs letzte Botschaft an seine deutsche Geliebte Brigitte Hesshaimer kurz vor seinem Tod gewesen sein. Absolute Geheimhaltung verlangte er von der Mutter seiner drei unehelichen Kinder. Die Münchner Hutmacherin gehorchte und schwieg. Erst im Jahr 2003 lüfteten die inzwischen erwachsenen Kinder das Geheimnis ihrer Herkunft: Sie belegten mit DNA-Analysen, dass sie die leiblichen Kinder des US-Fliegerhelden sind. Eine staunende Öffentlichkeit erfuhr von Lindberghs Doppelleben mit verschiedenen Frauen und insgesamt sieben unehelichen Kindern. Das Wissen der Kinder über ihre Herkunft war wichtig, aber welchen Nutzen hatte es für die Öffentlichkeit. In dem Roman, der heute zu Gast ist, taucht diese Frage immer wieder auf. Es werden große und kleine Geheimnisse Jahre oder sogar Jahrzehnte nach ihrer Entstehung gelüftet und meistens geht es denen, die von den Offenbarungen betroffen sind, hinterher schlechter. Sie haben vor allem das Gefühl belogen worden zu sein, obwohl die Verwandten „nur“ geschwiegen hatten. Arthur Schopenhauer hat auf die Bedeutung der Geheimhaltung hingewiesen. Er forderte ein Recht auf Lüge, und zwar dann, wenn etwas geheim gehalten werden muss, dessen Kenntnis ihn dem Angriff anderer bloßstellen würde. Peter Stiegnitz, der Wiener Soziologe, hat das menschliche Lügenverhalten wissenschaftlich erforscht und gilt als Begründer der sogenannten Mentiologie. Warum hat er sich so intensiv mit der Lügerei beschäftigt? Er verdankt sein Leben einer Lüge: Auf die Frage eines NS-Schergen 1944 an den damals Achtjährigen, ob © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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er ein Jude sei, antwortete er spontan mit „nein“ – und durfte so das Sammellager für den Abtransport nach Auschwitz verlassen. Er war Jude. Dies war das Schlüsselerlebnis für seine Forschung auf diesem Gebiet und Bücher wie „Lügen lohnt sich“ und „Lüge – Salz des Lebens“. Seine Forschungsergebnisse kamen zu dem Schluss, dass wir im Schnitt 200 Mal am Tag lügen, hauptsächlich, um uns Ärger zu ersparen, um uns das Leben zu erleichtern, um geliebt zu werden und aus Faulheit. Frauen lügen übrigens etwa 20 % weniger als Männer. Die Wissenschaftler erklären das mit der Fähigkeit des weiblichen Geschlechts, die Wirklichkeit besser akzeptieren zu können. Lügenforscher Stiegnitz behauptet: „Schwindler sind glücklicher und haben mehr Freunde.“ Lügen, ist in einem bestimmten Umfang sogar gesund und lebensnotwendig. Halbwahrheiten sind wichtig für unsere Psychohygiene. In unserem Roman wäre Schweigen, Geheimhaltung konstruktiv, lebensfördernd an der einen oder anderen folgenschweren Lebenssituation gewesen. Allerdings – darauf legt unser Lügenforscher Stiegnitz entscheidenden Wert, zieht er eine klare Grenze: „Lügen ist erlaubt und auch nützlich – soweit man mit ihr einem anderen Menschen keinen Schaden zufügt.“ Kindermund tut Wahrheit kund. Das stimmt aber nur bis etwa zum zarten Alter von Vier. Danach lernen Kinder Wahrheit und Lüge zu unterscheiden und beginnen selbst zu lügen. Später wird es immer schwieriger – wir wissen das – Wahrheit und Lüge auseinander zu halten und zu wissen, wann man besser schweigt und in welchen Augenblicken man sagt, was man weiß. Was ist Wahrheit? Kaum zu beantworten, je länger man drüber nachdenkt, desto schwieriger wird’s. Die deutsche Popgruppe Rosenstolz macht sich’s einfach und singt: „Wahrheit ist doch nur was für Idioten.“ Das ist natürlich Quatsch. Es gibt aber eine Wahrheit, die zeigt uns den Weg durch das Leben. Sie zeigt uns den Weg zu einem guten Ziel, (was nur schwer durch das Dickicht von Wahrheiten, Halbwahrheiten und Lügen zu erkennen ist). Schon in der kleinsten Gruppe von Menschen, also wenn zwei Menschen zusammen sind, z. B. in der Partnerschaft, aber auch sonst, gibt es plötzlich zwei Wahrheiten, zwei subjektive Wahrheiten, es kommt die persönliche Wahrheit ins Spiel. Wir brauchen also einen höheren, verbindlichen Maßstab für ein © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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gelingendes Leben. Der Maßstab für unser Leben heißt: Liebe. Sie gibt verlässlich Auskunft über die Wahrheit. Sie – die LIEBE – ist der Maßstab schlechthin, der uns und die Welt im Innersten zusammenhält. Sie zeigt uns, worauf es mit uns, den Menschen in unserer Nähe und mit der Welt hinauslaufen soll. Sie zeigt uns, was wahre Kommunikation von Mensch zu Mensch bedeutet. Jesus hat diese Liebe einzigartig mit Leben gefüllt. Uns erzählt die Bibel davon; sie präsentiert uns den, der für uns gültige Wahrheit durch sein Leben geworden ist. Der von sich sagt: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“. (Joh. 14,6) An ihm sich orientieren, heißt in der Wahrheit leben, Amen. 2. Gemeindelied O, komm du Geist der Wahrheit (EG Nr. 136 1,3) Fürbitten Gott, begleite uns mit deiner Wahrheit, dass wir uns orientieren an dem, der sagt: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“. Zu uns selbst möchten wir finden und zu anderen. So bitten wir um ehrliche Einsicht, wenn Defizite unter uns aufbrechen. Begleite uns mit deiner Wahrheit, wenn wir nachdenken über Gerechtigkeit, damit unser Recht alle einbezieht und unser Bemühen um ein friedliches Miteinander gelingt. Gott, begleite uns mit deiner Wahrheit, öffne uns, dringe ein, erleuchte uns, dass sich uns der Grund der Freude auftut, dass wir der Liebe Raum schaffen und Möglichkeiten des Friedens entdecken. Lass uns dankbar sein, damit wir dem Leben gerecht werden. Gott, begleite uns mit deiner Wahrheit und mit der Liebe, die besonnen tut, was nötig ist. Vaterunser 3. Gemeindelied Der Tag ist um, die Nacht kehrt wieder (EG Nr. 490) Segen Ausgangsmusik © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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Juli: Der Charme der Demut „Léon und Louise“ von Alex Capus

Dekoration Auf dem Lesepult und dem Altar liegt jeweils eine große, rote Fahrradklingel. Vor dem Altar steht ein altes Fahrrad. Vorspiel Begrüssung Herzlich willkommen! „Über die Jahre habe ich festgestellt, dass meine Helden allesamt gewöhnliche Menschen sind, die ungewöhnliche Dinge tun. Was mich beschäftigt, ist immer der Mensch, der sein Leben in Würde zu leben versucht.“ Das sagt Alex Capus über sein Werk, das mittlerweile fünf Romane sowie zahlreiche Erzählungen und fiktionalisierte Reportagen umfasst. „Der Mensch, der sein Leben in Würde zu leben versucht“, darum geht es in Léon und Louise, um ein von Liebe und Demut getragenes Miteinander und darum geht es jetzt auch in diesem Gottesdienst. Eingangsvotum Psalm (in nachempfundener Form) Gott, du bist uns allezeit liebevoll zugewandt. Nichts soll mich ängstigen, nichts mein Leben bedrohen und mich erschrecken. Vor dir kann ich es eingestehen: Ja, ich lebe mit Vorurteilen, wieder und immer wieder. Dabei übersehe ich den Balken in meinem eigenen Auge. Gott, hilf mir zur Umkehr, ändere du mich! Lass mich demütig werden. Vor dir gibt es keine Geheimnisse. Du kennst meine Ängste, meine Verschlossenheit. Du kennst auch meine Sehnsucht, mein Verlangen nach Offenheit und nach Heilung.

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Du wartest immer darauf, dass du mich mit deiner Liebe beschenken kannst. Du sprichst: „Lass dir an meiner Gnade genügen, nimm mein Geschenk an. Meine Gnade sei dir Heilung, meine Gnade sei dir rettende Zusage, dass ich dich gefunden und angenommen habe – mit deiner Schuld, wie groß sie auch sei.“ Amen 1.Gemeindelied Mein schönste Zier (EG Nr. 473) Über das Buch In Alex Capus’ Roman geht es offenkundig um seine eigene Familie, und der Ich-Erzähler scheint mit dem Autor weitgehend identisch zu sein. Er nimmt das Leben seines Großvaters in den Blick und damit die zwei Weltkriege des 20. Jahrhunderts. Der Roman spielt in Frankreich. Es ist die Geschichte – oft humorvoll erzählt – einer großen Liebe, der zwei Kriege nichts anhaben können und die Zeit sowieso nicht. 68 Jahre im Leben einer Frau (Louise) und eines Mannes (Léon), die nie zusammenleben, aber doch ein grandioses, ein bezauberndes Liebespaar werden. Ihre Liebe entflammt im ersten Weltkrieg in einem kleinen Dorf an der französischen Atlantikküste. Das Buch beginnt jedoch mit dem Ende, der Beerdigung von Léon. 1. Lesung Seite 8 (unten) „So lag er (mein Großvater) nun also mit …“ bis Seite 10 „… schwarze Tütchen und flinke Bekreuzigungen liegen uns nicht“. Seite 13 (unten) „Die vorderste Sitzbank von NotreDame vibrierte …“ bis Seite 15 Ende. II. Musik

2. Lesung Seite 65–70 (2. Abschnitt „… mehr als er ertragen konnte“.) III. Musik

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3. Lesung Fortsetzung von Seite 70 („Sie gingen die Hafenmole  …“) bis Seite 74 (unten) Abschluss der Lesung Auf dem Rückweg des Ausfluges geraten Léon und Louise in einen Bombenangriff. Schwer verletzt werden sie getrennt und halten sich nach der Genesung für tot. Zehn Jahre später: Léon hat inzwischen geheiratet und lebt in Paris, da sieht er Louise in einer vorbeifahrenden Metro. Sie treffen sich, verbringen eine Nacht, aber sie werden nicht zusammenkommen. Nicht für immer. Nur manchmal. Aber das stört sie nicht. Sie leben in der entspannten Gewissheit, dass ihre große Liebe füreinander nie enden wird. IV. Musik

Ansprache Der Charme der Demut Es müsste Artenschutz für vom Aussterben bedrohte Charaktereigenschaften geben. Ich habe durch die Hauptfigur des Romans eine faszinierende Eigenschaft wieder entdeckt, die auf jeden Fall mit auf die Artenschutzliste sollte. Es ist die Demut. Allein das Wort scheint aus einer anderen Zeit zu stammen und die Eigenschaft ist längst kein erklärtes Erziehungsziel mehr. Aber wir können diese Eigenschaft so gut gebrauchen. Gerade haben wir über den nervigen Autofahrer eine ironische Bemerkung gemacht, da bemerken wir, dass wir noch Fernlicht anhaben. Wir regen uns über die Habgier der Verwandtschaft auf, da erwischen wir uns dabei, wie wir in Gedanken die Wohnung eines gebrechlichen, alten Verwandten durchgehen. Da amüsiert man sich noch mit dem Partner über die Banalitäten, über die das befreundete Ehepaar streitet, da fühlt man sich genervt ob der Kaugeräusche des Partners und lässt ihn das wenig liebevoll spüren. Eben lächelt man noch über die langsame Art der Partnerin, den Tisch zu decken – da fällt einem beim schnellen Ausräumen der Spülmaschine ein Teller runter. Hochmut kommt zu Fall – im Kleinen alltäglich. Gott widersteht den Hochmütigen, den Selbstgerechten, den auf Eigenruhm Ausgerichteten, steht in der Bibel. Für manche, der Apostel und Theologe Paulus gehört dazu, ist der Eigenruhm die größte Verfehlung des Menschen überhaupt. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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Doch das Demütigsein fällt uns schwer. Mit Demut ist der Mut zum Dienen gemeint, den anderen ernst nehmen, ihn mit seinen Schwächen und mit seinen Stärken ertragen, so wie es die Hauptperson Leon – in dem Roman „Leon und Louise“ – überzeugend vorlebt. Er fügt sich den immer neuen äußeren Bedingungen, ohne sich zu verbiegen. Demut ist die harte Arbeit, mit allen gut umzugehen, egal ob sie uns passen oder nicht. Leon geht mit seiner schwierigen Frau genauso um, wie mit dem Clochard an der Ecke oder dem SS Kommandanten in seiner Abteilung, nämlich höflich, zurückhaltend, bescheiden und doch klar als Persönlichkeit erkennbar: eben demütig. Demut – der Mut zum Dienen – rührt an das Geheimnis der Menschen, die Haltung, Charme, Eleganz und Schönheit im Alltag beweisen. Paulus bringt es auf den Punkt: „Wer gibt dir einen Vorrang? Was hast du, das du nicht empfangen hast, was also rühmst du dich, klopfst dir selbst auf die Schulter?“ (1. Korinther 4,7). Demut ist nicht Selbsterniedrigung. Wir müssen uns nicht klein machen und es soll auch nicht der Wunsch dahinter stecken, unbemerkt zu bleiben. Wer im Umgang mit anderen demütig ist, dem ist bewusst, dass er für seine Fähigkeiten und Möglichkeiten nichts kann. Dass sie aus einem großen Topf stammen, die alle zum Schatz Gottes gehören. Rudi Carrell wollte für sein bescheidenes Grab nicht mal einen Namen, Willy Brandt soll verfügt haben, dass auf seinem Grabstein stehen soll: „Man hat sich bemüht“ und Johann Wolfgang von Goethe hat von sich behauptet: „Alle Wege bahnen sich vor mir, weil ich in der Demut wandle“. Weder unsere Ahnen, unsere Fähigkeiten, unsere Finanzen, noch unsere berufliche Position verschaffen uns das Recht auf eine besondere Behandlung. Diese Erkenntnis ist schwer zu schlucken. Wenn wir demütig sind, ist uns bewusst, dass wir alle aus den gleichen Bauteilen bestehen und ein Verfallsdatum haben. Wer im Lichtkegel der Demut steht, der weiß viel über sich selbst und seine Schwächen und bemüht sich, andere schonend zu behandeln. Mit dieser Sicht aufs Leben schlucken wir die ironische Seitenbemerkung herunter, lenken von der Ungeschicklichkeit des Tischnachbarn ab und erlösen andere durch Humor aus peinlichen Situationen. Darum, zum Schluss noch mal die biblische Kurzfassung aus dem Petrusbrief: „Dient einander, ein jeder mit der Gabe, die © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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er empfangen hat, als die guten Haushalter der mancherlei Gnade Gottes. Alle aber miteinander lasst uns anziehen die Arbeitsschürze der Demut; denn Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade.“ So schreibt Petrus an die christliche Gemeinde in der Diaspora (1. Petrus 4, 8–10; 5, 5). Schlüpfen wir also in den Arbeitskittel der Demut. Treten wir im Alltag immer mal wieder aus dem Scheinwerferlicht heraus und versuchen im Rückzug zu erleben, dass es etwas Größeres gibt, an dem wir teilhaben können, das, was uns alle verbindet. Was uns alle ein bisschen göttlich macht in unserer Abhängigkeit von dem Schöpfer allen Lebens. Wir können fühlen, dass wir ein Puzzleteilchen eines großen Gesamtkunstwerks sind, wenn wir ein beeindruckendes Naturschauspiel erleben, wenn wir im Wasser langsam unsere Kreise ziehen, mit nackten Füßen am Strand spazieren oder auch dann, wenn wir von der Liebe überwältigt werden. Wenn wir solche Situationen erleben, dann klappt es mit der Demut von allein und diese wichtige Eigenschaft stirbt nicht aus, Gott sein Dank! Amen 2. Gemeindelied Vergiss nicht zu danken (EG Nr. 644) Fürbitten (im Wechsel gelesen) Gott, du gehst weit mit deiner Güte. Du widerstehst den Hochmütigen und gibst den Demütigen Gnade. Wir denken an uns selbst und an die Menschen, die wir verurteilen und die wir abwerten. An uns selbst spüren wir, wie Urteile verletzen und vernichten können. Lass sie an unserer Ablehnung nicht zerbrechen. Lass sie unter uns Verständnis, Fürsprache und Unterstützung finden. Gib du ihnen Menschen, die sich auf ihre Seite stellen, so, wie Jesus es getan hat. Wir wissen, wie gut es tut, wenn wir in Schutz genommen und aufgerichtet werden. Bring uns dahin, hilfreich und demütig unseren Mitmenschen gegenüber zu werden. Lass uns zu Freunden der Menschen werden. Lass uns in allem so gesinnt sein, wie Jesus gesinnt war. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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Bring du uns über uns hinaus. Demütig und großzügig wollen wir sein. Du, Gott, widerstehst den Hochmütigen, gibst ihnen die Chance, sich zu verändern und den Demütigen gibst du Gnade, Amen. Vaterunser 3. Gemeindelied Bewahre uns Gott (Laute Worte Nr. 117) Segen V. Ausgangsmusik

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August: Erinnerungen sind der Reichtum des Lebens „Der Geschmack von Apfelkernen“ von Katharina Hagena

Eingangsmusik Begrüssung Es ist Urlaubszeit und endlich wieder mehr Zeit für ein gutes Buch. Was gibt es Schöneres als im Urlaub in ferne Welten einzutauchen?! Das heutige Buch ist ein Draußen-Buch. Man sollte es unbedingt draußen lesen, irgendwo auf einem Treppenabsatz, im Garten oder auf der Terrasse oder auf einer Parkbank. Denn das Buch beschwört nicht nur Bilder, sondern auch Gerüche herauf. Es duftet nach Sommer, nach Äpfeln und Johannisbeeren, es riecht nach dunkler, feuchter Erde und es trägt den modrigen Geruch von im Schrank vergessenen Kleidern in sich. Jede Seite atmet den Duft von Staub und Erinnerung aus. In Nomine Psalm 103 Ich lese aus Psalm 103 in nachempfundener Form: Danken müsste man können und sich ehrlich freuen! Danken und nicht vergessen: Wie gut es uns geht. Wie viel Schuld wir nicht haben ausbaden müssen. Wie viel geschlagene Wunden mit der Zeit verheilten, Vor Augen war nichts als Zerfall. Nicht alle Wunden kann die Zeit heilen. Und trotzdem gab es einen Neuanfang. Wir sind am Leben geblieben und sehen Kinder groß werden, die aus unserer Vergangenheit herauswachsen 1. Gemeindelied Vergiss nicht zu danken (EG Nr. 644) Über das Buch Der Geschmack von Apfelkernen ist das, was man früher – im positiven Sinne – als eine Familiensaga bezeichnet hätte. Es ist © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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ein nostalgisches Buch und vieles (auf den überschaubaren Seiten) wirkt wie aus einer vergangenen Zeit. Selbst manche Wörter scheinen aus einer anderen Zeit zu stammen. Die bekannte Hamburger Regisseurin Vivian Naefe hat das Buch verfilmt. Die Regisseurin begründet ihre Verfilmung des Stoffes damit, dass der Roman eine „großartige Mischung aus schwarzem Humor und großen Gefühlen“ ist. Der Inhalt Iris, eine junge Bibliothekarin aus Freiburg, erbt das leerstehende Haus ihrer Großmutter Bertha. Das Haus ist alt und verwinkelt und gleichzeitig das Herz des Buches. Iris, die Protagonistin und Icherzählerin, will nur ein paar Tage dort verbringen, um das Erbe zu regeln. Sie ist sich nicht einmal sicher, ob sie es überhaupt antreten soll. Zu viele Erinnerungen wohnen in diesem Haus. Aber der kurze Aufenthalt gerät zu einer spannenden Spurensuche, zur Inventur ihres Lebens und zu einer Neuausrichtung. In den Nischen und Gängen des Hauses ihrer Großeltern, in seinem verwilderten Garten entdeckt sie alles wieder: Erhofftes und Gefürchtetes, Vergessenes und Verdrängtes, Gelebtes und Verpasstes. Über die Autorin Der Geschmack von Apfelkernen ist der erste Roman der Hamburger Autorin Katharina Hagena. Sie wurde am 20. 11. 1967 in Karlsruhe geboren und studierte Anglistik und Germanistik in Marburg, London und Freiburg. Ihre Promotion hatte James Joyce „Ulysses“ zum Thema. Anschließend arbeitete sie zwei Jahre am Trinity College in Dublin. Heute lebt sie als freie Schriftstellerin mit ihrer Familie in Hamburg. Zwei Sachbücher und zwei bezaubernde Bilderbücher sind bisher von ihr erschienen. II. Musik

1. Lesung Seite 11–18 III. Musik © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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2. Lesung Seite 34–38 „Nur, dass sie nicht mehr im Dorf lebte  …“ und Seite 64–69 IV. Musik

Kurzansprache Erinnerungen sind der Reichtum unseres Lebens Wir wissen alle: Lieder prägen sich besonders gut ein. Oft lassen sie reflexartig eine bestimmte Situation, eine besondere Stimmung, eine Reise oder auch einen Menschen wieder lebendig werden. Demenzkranke z. B. werden aufmerksamer, geistig aktiver durch Musik aus ihrer Vergangenheit und lassen sich so zu überraschenden Reaktionen hinreißen. Das Kinderlied „Wer will fleißige Waschfrauen sehn …“ feiert bei Alzheimerpatientinnen Furore. Spontan beginnen die erkrankten Frauen mit den richtigen Bewegungen, summen mit, lächeln und wiegen sich zumindest hin und her. Es ist medizinisch noch ein langer Weg, unsere hirneigene Festplatte in Bezug auf Erinnerungen zu entschlüsseln. Wir wissen: Je weiter wir unseren Lebensfilm zurückspulen, desto fragmentarischer wird er, bis er ganz stoppt. An die ersten Jahre unseres Daseins können wir uns nicht erinnern. Die Wissenschaft meint, das läge an der Verknüpfung von Sprache und Erinnerung: Die Sprache ist der Schlüssel zur Erinnerung. Unsere Erinnerungen entsprechen allerdings, auch nachdem wir sprechen können, nie Tatsachenberichten aus der Vergangenheit. Das beweisen schon die eigenen Tagebücher, die natürlich nur einen subjektiven Blick freigeben. Und man merkt es daran, dass sich an Geschichten immer sehr unterschiedlich erinnert wird. Unser Gedächtnis folgt seiner eigenen Logik und es ist alles andere als eine zuverlässige Quelle. Das menschliche Erinnerungsvermögen ist bescheiden. Alles ist fragmentarisch und aus unterschiedlichen Perspektiven eingefärbt. Aber auch wenn die Erinnerungen kein Protokoll über Vergangenes sind, so sind sie doch unverzichtbar für uns. Die schönen Erlebnisse unserer Kindheit behalten ihre Wirkung, ihre Leuchtkraft ein Leben lang, wenn es gut läuft. Aber leider behalten auch die Kränkungen ihr Gift und geben es untergründig © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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weiter. Ideal wäre es, wenn wir die schönen Erinnerungen sammeln könnten und die schlechten Erfahrungen zu Lernstoff verarbeiten, um zu wissen, wie wir es besser machen können. Ein Schatz an guten Erinnerungen ist ein Energiespender für das gesamte Leben. Deswegen sollten alte Schulfreunde, Reisen von vor 20 Jahren, berufliche Schritte und andere Ereignisse, die wir aus dem Blick verloren haben, wie abgelegte Kleider, ab und zu hervorgekramt werden, um sie zu lüften und zu bestaunen. Fotos können da sehr hilfreich sein. Die Erinnerung macht unser Leben reich, sie ist ein Geschenk der Schöpfung. Der Rückblick auf die eigene Biografie kann helfen, Lebensfreude und Lebenssinn wiederzufinden. Nicht weniger als 169 Mal wird das Verb „zachar“ (erinnern) im Alten Testament gebraucht. Das „Gebot des Erinnerns“ begründet die jüdische Identität. Und weiter: Ohne die Erinnerung der Jünger und die ersten Nachfolger und Nachfolgerinnen gäbe es kein Christentum. Jesu Auferstehung und sein Sich–unwiederbringlich-in-Erinnerung-rufen, bis sie es für immer verinnerlichten, war das einzig wirksame Gegenmittel gegen die aufsteigende „Demenz“ seiner Jünger. Sie wollten gerade die Ereignisse vergessen und verdrängen. Jesus fordert sie auf, sich an alles zu erinnern, was geschehen war. So machte er selbst seine vergesslichen Jünger zu seinen Zeugen. Sie und die nachfolgenden Generationen schrieben die Geschichte auf. Diese Zeugen verkündigten, was die Mächtigen damals nicht hören wollten und was sonst irgendwann in Vergessenheit geraten wäre. So ist die Bibel für uns zum großen Buch der Erinnerungen geworden. Die Geschichten des Volkes Israels wie das Leben Jesu, wie wir sie heute in der Bibel lesen, sind dann im Nachhinein komprimiert, verdichtet aufgeschrieben und zu einem neuen Ganzen komponiert worden. So wie es unser Gedächtnis auch macht. Die Autorin unseres heutigen Romans stellt fest: (Seite 221, unten) „…, dass nicht nur das Vergessen eine Form des Erinnerns war, sondern auch das Erinnern eine Form des Vergessens.“ Demenzkranke vergessen zusehends alles: ihre Vergangenheit, ihre Familie, ihre Freunde, das Essen, die Körperpflege. So geht es auch Bertha, der Großmutter der Ich-Erzählerin. Für die Außenstehenden entsteht der Eindruck, der Mensch sei nicht mehr er selbst. Was uns angesichts unserer Vergesslichkeit und Sterblichkeit wirk© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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lich trösten kann, ist die Gewissheit, dass die Rettung aus der Vergessenheit und dem Tod nicht an unserer persönlichen Erinnerungskraft hängt. In Jesaja 49, 15–16 steht: Der Herr sagt: „Bringt eine Mutter es fertig, ihren Säugling zu vergessen? Hat sie nicht Mitleid mit dem Kind, das sie in ihrem Leib getragen hat? Und selbst wenn sie es vergessen könnte, ich Gott, vergesse euch nicht! Ich habe dich unauslöschlich in meine Hände eingezeichnet; deine Mauern sind mir stets vor Augen.“ Unser Name und unsere Lebensgeschichte sind aufbewahrt im Buch des Lebens wie in einem himmlischen Archiv. Gottes Archiv stürzt dabei niemals ein (wie es mit irdischen Archiven zuweilen passiert) oder gar ab wie eine Festplatte, sondern steht fest in Ewigkeit. AMEN 2. Gemeindelied Wenn ich, o Schöpfer (EG Nr. 506, 1–4) Fürbitten Gott, wir erinnern uns an die vielen Tage und Jahre, Zeiten des Spielens und Lernens, des Arbeitens und Ausruhens; Tage voll drückender Entscheidungen, voll Freude über Erreichtes, Stunden glücklichen Beisammenseins, Stunden voll Unsicherheit und Angst, Unheil und Schuld: Zeit erfahrenen Segens, guttuender Liebe. Gott wenden wir uns zu, der unsere Zeit setzt, erfüllt und bemisst. Dir, Gott, vertrauen wir uns an. Wir denken an die Orte, in denen wir zu Hause waren; die Räume, die wir bewohnen; an die Straßen, die wir entlang gingen und fuhren – staunend über Neues und Fremdes, erschrocken über Zerstörtes, voll Unruhe und Angst, voll Erwartung und Hoffnung. Gott wenden wir uns zu, der uns den Lebensraum bemisst, uns Heimat gibt in seinem weiten Haus. Dir, Gott, vertrauen wir uns an. Wir denken an die vielen Menschen, die uns auf unserem Weg begleiten, Angehörige und Freunde, Mitarbeitende und flüchtige Bekannte, Kinder, Junge und Alte; Menschen, die uns fordern und andere, die still auf uns warten, wohlwollende und kritische, vertraute und fast vergessene Gesichte. Gott, vor allem bitten wir dich jetzt: Gib uns ein Herz, das unterscheiden kann zwischen unseren eigenen Sorgen um die Zukunft © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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unseres Wohlstandes und dem verrückten, furchtbaren Überlebenskampf, in den viele Millionen Mitmenschen hineingezwungen sind. Viele haben ihn schon verloren. Wir können Menschenleben retten, nicht allein durch Kollekten und Spenden, sondern auch durch eine bescheidene Lebensweise, die dem lebensfeindlichen Klimawandel entgegen wirkt. Gott wenden wir uns zu, wenn wir jetzt gemeinsam sprechen: Vaterunser Segen 3. Gemeindelied Bleib bei mir Herr (EG Nr. 488) Abkündigungen Ausgangsmusik

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September (20. September der Weltkindertag): Neue Sicht – Mit Kinderaugen sehen „Die geheime Bendedict-Gesellschaft“ von Trenton Lee Stewart

Am Eingang … selbstgebastelte Süßigkeiten-Tütchen mit Süßigkeiten die, es schon lange gibt (Brause, Veilchen, Hustelinchen …) verteilen. Vorspiel Begrüssung Herzlich willkommen zu unserem Literaturgottesdienst, heute feiern wir den Internationalen Kinder- und Jugendbuchtag. Anlass genug, heute ein auch für Erwachsene äußerst spannendes Kinderbuch in den Mittelpunkt zu stellen: Die geheime Benedict-Gesellschaft von Trenton Lee Stewart. Anlass auch zurückzublicken. Den Rückblick erleichtern die Lieder, die wir heute Abend singen werden und auch z. B. diese Süßigkeiten-Tütchen. Erinnern, das geht ja so wunderbar über das Riechen und Schmecken. Ich bin früher ganz oft zur nah gelegenen Bude für genau eine solche Süßigkeiten-Tüte gelaufen, Sie vielleicht auch? Wechsel zum Altar: So feiern wir diesen Gottesdienst im Namen des Vaters … Gebet Guter Gott, heute am Tag des Kinderbuches würdigen wir nicht nur diese besondere Kinder – und Jugendliteratur, sondern auch wie manche Bücher, Geschichten, Helden, Träume, Erkenntnisse prägend auf unsere Leben gewirkt haben, unser Leben reicher gemacht haben, aber auch Schatten geworfen haben. Du, für den die Nacht leuchtet wie der Tag: Gib uns den Mut, uns in dein Licht zu stellen, vor deinem Angesicht unseren Schatten anzuschauen mit der Offenheit, dem Zugewandtsein und der Unbekümmertheit des Kindes in uns. Wir glauben, du liebst uns mit allem, was uns freut, und mit allem, was uns beschämt. So können wir Ja sagen zu uns selbst, einander annehmen und leben ganz im Sinne Jesu, deines Sohnes; Amen © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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1. Gemeindelied Abend ward bald kommt die Nacht (EG Nr. 487) Ein Kind liest Dass wir Kinder unsere eigene Literatur haben, ist eine relativ junge Erfindung. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es die ersten speziellen Bücher für uns. Bis weit in die Neuzeit konnten die meisten Menschen weder lesen noch schreiben. Die Frage nach Lesestoff eigens für Kinder und Jugendliche stellte sich dadurch überhaupt nicht. Bei uns in Europa sorgten die ersten Bücher (nach Erfindung des Buchdrucks Mitte des 15. Jahrhunderts), vor allem dafür, dass wir Kinder etwas über den Glauben und die Kirche lernten. Es gab z. B. die Bibel, das Gesangbuch und Luthers Kleinen Katechismus für uns. Die Kinder, die am frühesten die Chance hatten zu lesen, waren Klosterschüler. Sprecher Nun ging es in den Anfängen nicht nur religiös, sondern auch moralisch, zuweilen sehr moralisch zu. Die Autoren versuchten damals, über die Bücher auf die Kinder Einfluss zu nehmen und sie auf mehr oder weniger geschickte Weise zu einer inneren Haltung zu bringen. Beispiele dafür sind „Der Struwelpeter“ und „Der Trotzkopf “. Das finden wir natürlich auch in der Gegenwartsliteratur vor, ein Beispiel dafür ist die amerik. Jugendbuchautorin Stephenie Meyer mit ihrem Roman „Twilight“, mit ihrer Bissreihe „Bis zum Morgengrauen“ usw. Na ja und Schriftsteller wie Per Olov Enquist, Isabel Allende, Henning Mankell haben nach ihren Bucherfolgen bei Erwachsenen ja nun auch für eine jugendliche Leserschaft geschrieben. Gerade die Klassiker der Kinderliteratur wie z. B. Erich Kästner oder Astrid Lindgren greifen für die kleinen Leser auf unterhaltsame und spannende Weise die Themen ihrer Lebensweltwelt auf. Gute Literatur, egal für welches Alter bietet die wichtige, wertvolle Möglichkeit zur Auseinandersetzung mit sich und der Welt. Kind Bücher sind toll, vor allem wenn ich sie vorgelesen bekomme. Ich liebe die Olchis von Erhardt Dietl. Die benehmen sich, wie sie © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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wollen, und sind einfach lustig. Mein Lieblingsautor ist Paul Maar. Die Geschichten, die er sich ausdenkt sind spannend und komisch, und man kann anschließend gut einschlafen. Über den Autor Trenton Lee Stewart ist Dozent für Kreatives Schreiben. Die geheime Benedict-Gesellschaft war sein erstes Kinderbuch. Inspiriert zu diesem Buch hat ihn seine Überzeugung, dass Kinder zwar oft gesehen, aber selten gehört und immer unterschätzt werden. Trenton Lee Stewart lebt mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen in Arkansas. Gleich der erste Titel wurde ein Erfolg. Mittlerweile gibt es drei Nachfolgebände. Seine Bücher leben von geheimnisvollen, kniffligen Rätseln. Er selbst sagt von sich (den man in der Presse schon als Rätselkönig bezeichnete): „Ich bin in Wirklichkeit gar keiner. Für meine eigenen Kinder bin ich sicher sehr viel eher der verpennte Typ, der ihnen morgens die Cornflakes hinstellt. Aber ich habe Rätsel immer geliebt. Oft sind sie wie verbale Taschenspielertricks, d. h. der Trick an ihnen ist, dass sie die Gedanken in die falsche Richtung lenken. Darüber nachzudenken, wie Rätsel funktionieren, hat mir dabei geholfen, mir neue Rätsel auszudenken.“ Über das Buch Wer als Leser möchte, kann hier einiges lernen, aber wer nicht will, kann sich auch einfach nur der „enormen Spannung“ dieses Buches hingeben. Es geht um ein kleines Team, bestehend aus vier Kindern, das mit Hilfe seiner verschiedenen Charaktere und Fähigkeiten die Wirkung einer üblen Maschine – die die Weltherrschaft übernehmen soll – sabotiert. Viele Abenteuer müssen sie bestehen, bis sie ihr Ziel erreichen. Der Autor Trenton Lee-Stewart hat seine Figuren facettenreich und liebevoll gezeichnet. Und die jungen Leser können lernen, dass Ängste besiegbar sind und eigene Entscheidungen Großes bewirken können. Musik

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1. Lesung Seite 7–10 „…, dass Reynie gleich zum ersten gehen wollte.“ Seite 31–37 Musik 2. Lesung Übergangssatz: Reynie war jetzt allein im Raum und überlegte, was das alles zu bedeuten hatte. Seite 41–45 (Mitte) „… und besprachen die merkwürdigen Geschehnisse des Tages.“ Musik „Through the eyes of a child“ von Reamonn Kurzansprache Der Sehtipp, den der Sänger Reamonn in dem gerade gehörten Song „Through the eyes of a child“ gibt, nämlich die Welt mit Kinderaugen zu betrachten, und so unsere Probleme, auch die, die uns existentiell betreffen, lösen zu können, hat biblisches Alter. Den Rat kennen wir auch von des Sängers Reamonn Kollegen Herbert Grönemeyer. „Gebt den Kindern das Kommando!“, forderte der in den 80er Jahren. Ein Blick in das Zimmer meiner Söhne reicht, um einen lebhaften Vorgeschmack auf die Folgen dieser Forderung zu bekommen. Wo das Auge hinblickt: Chaos. Bei dem einen mehr, bei dem anderen weniger. Ein Wirrwarr von Single-Socken, verwaisten Legosteinen, verschollenen Geschirrteilen und Schulsachen. Das Großartige dabei: Die Jungs kommen im Großen und Ganzen gut klar in ihren Zimmern, fühlen sich dort wohl, auch wenn sie nicht immer alles gleich finden. Und doch dieses Ordnungsprinzip unserer Kinder möchte ich ungern auf andere Lebensbereiche übertragen. Ich sehe ein großes Durcheinander. Was sehen Kinder? Leide ich unter einem altersbedingten Sehfehler? Dass ich von Kindern Offenheit, Klarheit oder Neugier lernen kann, habe ich verstanden, und ich erkenne die Vorteile. Aber was hilft es, wenn ich das Chaos aus der Sicht der Kinder betrachte? Zwei große Autofirmen haben sich die kindliche Ordnungslogik gewinnbringend zunutze gemacht. Sie sortieren die Dinge nun auch nach © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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dem sogenannten „First in- first out“- Prinzip. Das bedeutet: Jedes neu abzulegende Teil kommt an den nächstbesten freien Platz. Ihre Lager wurden auf dieses System umgestellt. Die Folge: Die Mitarbeiter arbeiten effektiver. Nach dem gleichen System legen wir unsere Gedanken und Gefühle ab. Das Dienstgespräch von gestern liegt neben den Freizeitplänen fürs Wochenende, die geheime Liebe neben der noch zu bezahlenden Stromrechnung, die inspirierende SMS neben einem Hit aus den Neunzigern. Jedes Teil hat sein Fach in der Großhirnrinde, aber es fehlt an Übersichtlichkeit. Vielleicht hat sich das lange Lernen des Stillsitzenmüssens von klein auf mein Denken übertragen, aber ein überzeugendes Ordnungssystem kann ich nicht erkennen. Unser Gehirn besitzt eine unergründliche Genialität mit ebenso originellen wie detaillierten Inhalten. Durch Kopieren und neu Arrangieren mentaler Bilder können wir jederzeit etwas völlig Neues komponieren. Die Literatur – gerade auch die oft phantastische Kinderliteratur – ist ein großartiges Beispiel dafür, das Buch, das wir heute zu Gast haben – „Die geheime Benedict-Gesellschaft“ – illustriert das auf beeindruckende Weise. Aber unser Hirn ist gleichzeitig eine Abstellkammer, die bis an die Schädeldecke vollgestopft ist mit Altlasten, Plänen, Wünschen und Sorgen. Bis an den Rand gefüllt mit Gefühlen, wie ein Bällchenbad in großen Einrichtungshäusern. Wer versucht hier Ordnung reinzukriegen, geht unter. Vielleicht bedarf es einer größeren Entspanntheit, Gelassenheit im Umgang damit. Unsere Söhne haben eine Lösung für ihr Tohuwabohu gefunden. Sie überlassen das „Ordnung-Machen“ einfach ihren Eltern. Das funktioniert bestens, solange wir das kreative, kindliche Chaos anerkennen und uns vorrangig um die dreckige Unterwäsche und nicht unbedingt um das ganz andere Ordnungsprinzip der Kinderaugen kümmern. Übertragen auf unsere Lebenssituation heißt das: Akzeptieren wir das Chaos in unserem inneren Kinderzimmer und überlassen jemand Größerem das Aufräumen. „Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen“ (Matthäus 18,3), hat Jesus, der Berühmteste aller Söhne, festgestellt. Verlassen wir uns auf Gottes Ordnungssystem. Überlassen wir ihm das Ein- und Aussortieren unserer Erinnerungsbruchstücke, Gedankensplitter und Emotionen. Schließlich ist er seit Anbeginn der © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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Fachmann für die Chaosbewältigung und er wird es bis zum guten Ende bleiben. Das weiß auch der Pfarrer und Lieddichter Wilhelm Hey, der 1837 „Weißt du wie viel Sternlein stehen“ geschrieben hat. Das singen wir jetzt: 2. Gemeindelied Weißt du wie viel Sternlein stehen (EG Nr. 511) Fürbittengebet Guter Gott, da sind so unzählig viele großartige, oft auch fantastische Bücher: Pipi Langstrumpf, Die rote Zora, Oliver Twist, Pinochio, Winnetou, Tom Sawyer und Huckleberry Finn, Gretchen Sackmeier, Nella Propella Tintenherz, das Sams, und viele, viele mehr, Bücher, die unsere Kindheit und Jugend bereichert, ja unsere Lebenswege geprägt haben. Das ist heute – am internationalen Kinder- und Jugendbuchtag Anlass zum Dank. Für deine Zeichen in meinem Leben, für die Zeichen der Fantasie und Kreativität, für die Zeichen der Mahnung und Warnung, für die Zeichen des Aufbruchs und der Erneuerung bin ich dir dankbar, und möchte ich wachsam sein. Wachsam möchte ich auch sein für deine Zeichen in meinem Umfeld, dass mein Herz aufmerksam sei für dein Wort in den Worten, auch in den geschriebenen, deine Tat in den Taten der Menschen, mit denen ich zu tun habe, für die Zeichen der Bedürftigkeit, wenn mein Nächster verborgen unter Not leidet, für die Zeichen der großen Freiheit deiner Kinder, dass ich sie nicht in der Schulbank der Unmündigkeit halte, wenn sie längst mündig sind, um ein verantwortliches Leben vor dir zu führen. Gott, für deine Zeichen möchte ich wachsam sein, Amen Vaterunser Segen 3. Gemeindelied Der Tag ist um die Nacht kehrt wieder (EG Nr. 490) Abkündigungen © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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„Das Affenhaus“ von Sara Gruen

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Oktober: Ehrfurcht vor dem tierischen Leben „Das Affenhaus“ von Sara Gruen

Dekoration Im Altarraum viele, möglichst große Stofftiere platzieren oder große Tier-Kalendermotive präsentieren. Eingangsmusik Begrüssung Herzlich willkommen! Heute sind die Affen los. Wir beschäftigen uns mit dem aufregenden Buch „Das Affenhaus“. Es sind die Tiere, die diese Geschichte auslösen und vorantreiben, ausgesprochen sympathische, kluge, ganz friedliche Affen, Zwergschimpansen, sogenannte Bonobos. In nomine Psalm 104 (in nachempfundener Form) Gott, du strahlst uns wie die Sonne, du umgibst uns wie frische Luft. Die Erde hältst du über den Abgründen, dein Himmel geht auf über uns allen. Klares Wasser lässt du quellen und machst fruchtbar unsere Mutter Erde. Von Morgen bis in die Nacht und von der Nacht bis zum Morgen leben wir von deiner Güte: Kinder werden uns geboren und spielen in Frieden; sie wachsen heran, blühen auf und lernen sich leiben. Wir können an die Arbeit gehen, das tägliche Brot verdienen; wir können nach Hause kommen und ausruhen – unser Tisch ist gedeckt. So, wie die Fische im Wasser schwimmen und die Vögel segeln im Wind, so, wie die Bäume im Erdreich wurzeln und die Tiere Schutz finden im Unterholz, so sind und bleiben wir aufgehoben in dir. Wir wollen für Gott singen unser Leben lang, wollen ihn lieben, solange wir sind.

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1. Gemeindelied Kein Tierlein ist auf Erden dir (EG Nr. 509) Die Autorin Sara Gruen ist gebürtige Kanadierin. Sie wurde in Vancouver geboren und wuchs in London und Ontario auf. Ihr Geburtsdatum hält sie geheim. Aus beruflichen Gründen zog es sie in die USA. Als sie dort den Job verlor, begann sie zu schreiben. Ihr dritter Roman, „Wasser für die Elefanten“, wurde einer der größten Überraschungsbestseller des Jahrzehnts. Sara Gruen lebt zusammen mit ihrem Mann, drei Söhnen, zwei Pferden, zwei Hunden, vier Katzen und einer Ziege in der Nähe von Chicago. Das Buch Die Autorin hat für ihr Buch gründlich recherchiert und viele Gespräche geführt – auch mit Bonobos, der Affenart, die in ihrem Buch die Hauptrolle spielen. Sie kennt die neuesten Ergebnisse der Primatenforschung und verpackt sie elegant in einen hochspannenden Krimi. Ganz unaufgeregt gerät ihr Buch so zu einem leidenschaftlichen Plädoyer für ein anderes, ein respektvolles Miteinander – von Menschen und ihren nächsten Verwandten, den Affen. Die Geschichte nimmt einen schnell mit hinein, ist eine Mischung aus Roman und Thriller mit einer gehörigen Portion Gesellschaftsbzw. Medienkritik. Es ist gut wie leicht lesbar und wartet mit interessanten Figuren – menschlichen wie nichtmenschlichen – auf. Die spannende und interessante Geschichte verflacht nach hinten ein wenig, aber macht das Buch deswegen nicht weniger lesenswert. Unser Interesse fand das Buch vor allem wegen des Themas: Die Liebe zu den Tieren! II. Musik

1. Lesung Seite 9 (der Anfang) bis Seite 14 „… und schoss ein Foto“ (Mitte) III. Musik

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2. Lesung Übergang: Isabel, die Wissenschaftlerin an dem Institut für Menschenaffen ist abends alleine im Labor und versorgt die Bonobos. Seite 32 „Plötzlich drehten die Bonobos …“ (Mitte) bis Seite 36 „… voraussichtliche Ankunft in siebzehn Minuten.“ (unteres Drittel) Musik Ansprache Jeder von euch, von ihnen hat in seiner Lebensgeschichte eine oder mehrere wichtige Beziehungen mit Tieren erlebt. So richtig bin ich erst mit Mitte 40 auf den Hund gekommen, aber seit dem sehe ich Tiere mit anderen Augen. Unser Umgang mit Tieren ist berechtigter Weise in die Diskussion geraten. Menschen überall auf der Welt, die Tiere lieben und sich für sie verantwortlich fühlen, schlagen Alarm: Tierversuche, Massentierhaltung, Gen- und Zuchtexperimente, Robbenjagd, Überfischung, das und viele Vergehen rütteln uns auf und sollten nachhaltig, langfristig unseren Umgang mit den Tieren verändern. Ich schätze Eier aus Bodenhaltung und zahle gerne einen Euro mehr für die gerechtere Haltung der Hühner. Von Fleisch wissen wir längst, dass wir viel weniger davon essen sollten. Vor allem müssten wir ganz auf Schweinefleisch verzichten, das von irgendeiner Schweinemästerei in automatisierter Intensivhaltung stammt. Dort gibt es zum Himmel schreiendes Leid. Die Großschlachthöfe bedeuten Qual, die Thunfischjagd ist eine einzige Metzelei, die Tiertransporte quer durch Europa sind pure Schinderei, das Abrichten von Hunden zu Kampfhunden ist schlimm, ebenso die nicht artgerechte Züchtung z. B. von Pferden. Tja, so zwiespältig sind wir: Auf der einen Seite pflegen wir einzelne, wunderbare Freundschaften zu Tieren; auf der anderen Seite benutzen wir Tiere als Verbrauchssache, als Objekte unseres Wohlstandskonsums. Tiere sind ein Schöpfungswunder. Sie sind keine empfindungslosen Automaten, wie Descartes im 17. Jahrhundert noch meinte. Er stufte Tiere als Sachen ein, und diese Betrachtung fand so Eingang in die Gesetzgebung. Der Roman zeigt auf sehr eindrucksvolle Weise: Es ist ganz anders: Die Autorin hat sich intensiv mit den jeweiligen Tieren beschäftigt, © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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die in ihren Romanen die Hauptrollen spielen. Alle höheren Tiere haben Individualität, besitzen die Fähigkeit des Unterscheidens, sie bevorzugen Dinge und haben individuelle Abneigungen. In der Bibel finden wir ganz viele Stellen zu einer Tierethik, quer durch alle biblischen Bücher. Gleich zu Beginn: Die Schöpfung wird beschrieben als Gottes Tun in sechs Abschnitten. Dort wird auch Grundlegendes zum Verhältnis von Mensch und Tier gesagt. Der fünfte und sechste Tag ist gefüllt mit der Erschaffung der Lebewesen, ein Abschnitt für Wasser- und Lufttiere, ein Abschnitt für Landtiere und Mensch. Schon diese Klammer bindet uns aneinander. Die Tiere sind vor uns geschaffen worden, wie wir sind sie gesegnet und gut. Den Menschen wird zunächst – einer biblischen Tradition folgend – pflanzliche/vegane Nahrung (im ersten Buch Mose 1, 29–30) verordnet, erst nach der Sintflut ist mit Einschränkung tierische Nahrung erlaubt. Doch nur ausgeblutetes Fleisch, um nicht zu vergessen: Töten gehörte nicht zum Paradies und im Blut ist das Leben. Im Paradies hat sich der Mensch immer mehr – so erzählt die eine Geschichte – von Gott entfernt. Er hat sich selbst zur Krönung der Schöpfung gemacht, sich über die Mitgeschöpfe erhoben und so die Beziehung zum Schöpfer allen Lebens empfindlich gestört. Und so durchzieht sich durch die Bücher der Bibel die Hoffnung, bei dem Propheten Jesaja ist es die zentrale Hoffnung: nämlich Harmonie zwischen Menschen und Tieren, die nicht mehr nur über die Nahrungskette verbunden sind. Oder bei Hosea: Er verheißt den Tieren, dass Gott mit ihnen einen Bund schließen will. Es gibt ganz viele Stellen dazu in der Bibel, auch innerhalb der biblischen Gesetzgebung (im 5. Buch Mose z. B.). Ganz selbstverständlich wird auch davon ausgegangen, dass Tiere eine spirituelle Ader haben. Die Eselin sieht den Engel, während ihr Besitzer Bileam nur auf sie einschlägt. Die Tiere in der Geschichte um Ninive sind am Ende ein Beweggrund für Gott, die Stadt nicht zu zerstören. Nun ist in der Bibel ja auch davon die Rede, dass wir uns die Erde untertan machen sollen, in einer ähnlichen Weise, wie wir dem Schöpfer allen Lebens, unserem Gott zu dienen haben. Die Tragik der Christenheit ist: Uns ist diese Parallelität zu Gott abhandengekommen. Wir betreiben Weltbeherrschung bis ins letzte Nanomaß und bis in den Weltraum, aber den Gottesbezug © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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verlieren wir aus den Augen. Wir Menschen haben uns bei unseren Entscheidungen weitgehend losgerissen von dem Kriterium unserer Gottesbeziehung, aber den Auftrag, uns die Erde untertan zu machen, den haben wir verinnerlicht. Wir benehmen uns als Herrscher dieser Welt und verlieren mit der Achtung vor Gott auch die Ehrfurcht vor dem Leben aus den Augen. Wir versuchen, die Natur zu beherrschen und können uns kaum bremsen, wenn wir die Chance wittern, Vorteile zu ergattern. Unser Kostennutzenrechnen ist derart stark entwickelt, dass preisbewusstes Einkaufen mittlerweile als Tugend gilt – und damit kostengünstig Tiere zu mästen und zu schlachten – auch. Beim Umgang mit unseren tierischen Mitbewohnern zeigen wir eine „saumäßige“ Moral. Was würde wohl passieren, wenn die Tiere über uns zu Gericht sitzen könnten (die altägyptische Ethik räumt interessanterweise dem Tier dieses Recht ein) und eine angemessene Strafe für die vielen Qualen, die wir ihnen zufügten, verhängen dürften? Der Literatur-Nobelpreisträger Elias Canetti hat mal gesagt: „Ganze Weltalter voll Liebe werden nötig sein, um den Tieren ihre Dienste und Verdienste an uns zu vergelten.“ „Der Gerechte erbarmt sich seines Viehs“ heißt es in Sprüche 12, 10. Der Mensch bemisst sich, so lässt sich das in der Bibel, genauer in der weisheitlichen Literatur nachlesen, daran, wie er mit dem Tier seines Feindes umgeht. Voller Erbarmen. Zusammengefasst klingt das aus dem Römerbrief, sozusagen aus der Programmschrift des Apostels Paulus so: „Die ganze Schöpfung bis zu diesem Augenblick seufzt mit uns und ängstigt“ (Römer 8, 22) sich und „das ängstliche Harren der Kreatur wartet darauf, dass die Kinder Gottes offenbar werden“ (V. 19), d. h. dass wir Menschen wahrhaft menschlich werden. Das ist das Ziel, dessen Verwirklichung noch aussteht. Bis dahin gönnen wir auch unseren Tieren die Sabbatruhe, wie es das Alte Testament beschreibt und genießen bei aller Ehrfurcht vor dem tierischen Leben einfach nur die Schönheit, Eigenständigkeit, Fremdheit und die Nähe der Tiere als einzigartig und wertvoll. Amen. 2. Gemeindelied Du, meine Seele, singe (EG Nr. 302, 1–3)

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Fürbitten Gott, unsere tierischen Mitbewohner sind nicht dafür da, damit wir ein saftiges, billiges Steak auf dem Teller haben, sie sind nicht dafür geschaffen uns ihr Fleisch, ihre Haut, Milch, Butter und Käse zu liefern. Hilf uns das Gesetz vom Fressen und Gefressenwerden endlich zu durchbrechen und in unserem gesamten Leben einschließlich unseres Speiseplans darauf zu achten, dass wir nicht auf Kosten deiner Geschöpfe leben. Lange vor uns bewohnten sie die Erde und haben sie gut bewahrt. Gott, hilf uns, alle lebenden Dinge zu lieben, auch unsere tierischen Geschwister, denen Du diese Erde, gemeinsam mit uns als Wohnort gegeben hast. Mach uns bewusst, dass die Tiere nicht nur für uns leben, sondern auch für sich selbst und für Dich Gott. Gott, befreie uns von unserer Bequemlichkeit und bringe uns bei, dass wir unsere Augen und unsere Ohren nicht vor dem Leid deiner Tiere verschließen. Vaterunser 3. Gemeindelied Wir pflügen und wir streuen (EG Nr. 508, 3–4) Segen Abkündigungen V. Ausgangsmusik

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November: Einsamkeit „………… Ausgewählte Texte“ von Richard Brautigan

Am Eingang … Kaffeebohnen verteilen! Eingangsmusik Begrüssung Herzlich willkommen! Paulo Coelho, ein brasilianische Schriftsteller und Bestsellerautor, hat einmal gesagt: „Der Mensch kann ein paar Tage ohne Trinken auskommen, zwei Wochen ohne Essen, viele Jahre ohne ein Dach über dem Kopf, aber die Einsamkeit kann er nicht ertragen.“ Die Einsamkeit ist Thema heute Abend und der amerikanische Schriftsteller, um den es heute Abend geht, Richard Brautigan, wird uns – sprachlich treffsicher, zuweilen humorvoll-lakonisch und jedenfalls vielseitig – etwas zum Thema Einsamkeit sagen können. Von ihm stammt der Satz: „Jeder von uns hat einen Platz in der Geschichte. Meiner ist bewölkt.“ Das ist geistreich auf den Punkt gebracht. An vielen Stellen im Psalter wird die „Einsamkeit“ erwähnt. PSALM 142 (in nachempfundener Form) Ein Gebet von David, als er sich einsam, allein in der Höhle aufhielt. Mit lauter Stimme schreie ich zum Herrn, ja, laut flehe ich zum Herrn. Ich schütte mein Herz vor ihm aus und klage ihm meine ganze Not. Auch wenn ich allen Mut verliere, wachst du doch schützend über meinem Weg. Dort, wo ich gehen muss, hat man mir Fallen gestellt. Wohin ich auch schaue – da ist niemand, der sich um mich kümmert, ich bin allein, einsam. Jede Zuflucht habe ich verloren, keiner fragt nach mir. Ich schreie zu dir, Herr, und sage: Du allein bist meine Zuflucht, du bist alles, was ich zum Leben brauche! Höre doch auf mein Flehen, denn ich bin sehr schwach geworden. Rette mich vor denen, die mich verfolgen, denn sie sind zu stark für mich! Führe mich heraus aus diesem Gefängnis.

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1. Gemeindelied Meine engen Grenzen (EG Nr. 600) Über den Autor Richard Brautigan war in den späten 60ger Jahren eine kleine Hippie-Ikone. Am 30. Januar 1935 in der amerikanischen Provinz geboren, wuchs er in sozial schwachen Verhältnissen auf. Er lebte unter anderem im Gefängnis, in einer psychiatrischen Anstalt, auf einer Ranch, in Tokio und in Montana. 1967 erschien sein erfolgreichster Roman „Forellenfischen in Amerika“, der sich millionenfach verkaufte und ihm Kultstatus einbrachte. Er war mehrmals verheiratet und hinterließ eine Tochter. 1984, im Alter von 49 Jahren erschoss er sich. Die Gründe für den Suizid sind nicht bekannt. Es gab weder Ankündigungen, noch ein Abschiedsschreiben. Über das Buch Der kleine Gedichtband mit kurzen Texten enthält Romanausschnitte und 88 Gedichte zu den Themen Liebe, Essen, Trinken, Leben, Nacht und Hoffnung. Dieses kleine, liebevoll gestaltete Buch, ist eine gute Möglichkeit, Brautigan kennenzulernen. Sein besonderer Stil, schnell und treffend den Augenblick zu beschreiben und dabei doch etwas Allgemeingültiges zu sagen, wird in den Gedichten über all das, was im Leben vorkommt, deutlich. Musik 1. Lesung 30 Cent, zwei Fahrscheine, Liebe, Seite 24 Maxine Teil 1, Seite 36 Liebesgedicht, Seite 46 Im Aufzug auf der Fahrt nach unten, Seite 69 Witwenklage, Seite 75 Musik 2. Lesung Aus Angst allein zu sein, Seite 77 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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Walter Teil 11, Seite 90 7. April 1969, Seite 96 Karma Reparaturausrüstung: Teile 1–4, Seite 97 Gebrauchsanweisung für eine langweilige Nacht in einem Hotel in Tokio, Seite 102 Musik Ansprache „Ist es nicht unglaublich, dass wir maßlos unter unserer Einsamkeit leiden und uns doch mit einer brennenden Sehnsucht wünschen, allein zu sein?“ fragt Heinrich Böll. Jeder Dritte hat Angst vor Einsamkeit im Alter, so eine Forsa-Untersuchung. Und das Erstaunliche: Die Einsamsten sind zwischen 30 und 40 Jahre alt. Es ist also gar nicht die ältere Generation. Mitten im Leben ist es einsam geworden. Dabei können wir von morgens bis abends kommunizieren: Mailen, Telefonieren, Simsen, auf Facebook Freunde wie früher Briefmarken sammeln. Und doch fühlen sich immer mehr Menschen inmitten von „Kontakten“ tief isoliert. Woher rührt die Epidemie der Einsamkeit, die sich in unserer Gesellschaft ausbreitet? Die junge Weltumseglerin Laura Dekker war 519 Tage lang allein auf hoher See. „Es ist herrlich, so allein auf dem Boot zu leben“, schrieb sie in ihr Logbuch. Wissenschaftler und Künstler brauchen den Raum alleine für ihre Arbeit. Dabei ist klar: Alleinsein und Einsamkeit sind getrennte Abteilungen: „Alleinsein ist ein soziales Phänomen: Man ist nicht mit anderen zusammen. Einsamkeit hingegen ist ein psychologisches Phänomen. Man kann sich auch inmitten Hunderter Menschen einsam fühlen. Auch in der Paarbeziehung ist tiefste Einsamkeit möglich. Einsamkeit ist ein ganz großes literarisches Thema, mit Doppelgesicht mal positiv, sinnstiftend, mal vor allem in der Gegenwartsliteratur eher negativ, zerstörerisch, in Verbindung mit seelischen Phänomenen wie Entfremdung und Persönlichkeitszerfall, Einsamkeit als Grundsituation, aus der es keinen Ausweg gibt: Beckett „Warten auf Godot“, Camus, „l’Étranger“, Kafka „Der Prozess“, Thomas Mann „Der Tote in Venedig“ usw. NICHTS schützt © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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grundlegend vor Einsamkeit, vor allem nicht Bekanntsein. Prominente bilden da eine Endlosliste, nur einige Beispiele: Marilyn Monroe, Prinzessin Diana, die Grünen-Chefin, die vor Kurzem in einem Interview bekannte, „sie fühle sich verdammt einsam“, Mirko Slomka, der feststellte, dass man als Trainer sehr einsam ist und auch unser heutiger Autor Richard Brautigan fügt sich in diese illustre wie traurige Reihe ein. Wie einsam Brautigan war, zeigt u. a., dass er erst einem Monat nach seinem Suizid gefunden wurde. Einsamkeit ist die Diskrepanz zwischen dem individuellen Bedürfnis nach Nähe und der sozialen Realität! Man wünscht sich Nähe, aber kann sie nicht herstellen. Das führt zu einem tief empfundenen, existenziellen Schmerz: Wir erleben soziale Zurückweisung auf ähnliche Weise wie körperlichen Schmerz: Das gleiche Großhirnareal wird aktiv. Weil das Eingebundensein, das Mit-anderenZusammensein für unser Wohlbefinden so existenziell ist, werden Einsperren und Verbannung, Isolation seit Anbeginn der Menschheit als härteste Strafe nach Folter und Tod empfunden. Gott vertrieb Adam und Eva aus dem Paradies, schloss sie aus. Ein Menschheitstrauma! Nichts quält uns mehr, als sich ausgeschlossen zu fühlen. Sogar der verweigerte Blickkontakt eines Wildfremden versetzt uns einen Stich. Wir fühlen uns sogar emotional ausgeschlossen, wenn wir mit der Gruppe, von der wir zurückgewiesen wurden, eigentlich nicht das Geringste zu schaffen haben wollen. Eine Abfuhr bleibt eben eine Abfuhr, selbst wenn sie uns entgegenkommt. Vielleicht kann sich noch jemand an den Schmerz erinnern, den er als Schüler spürte, wenn man im Sportunterricht als Letzter in die Mannschaft gewählt wurde? Einsamkeit signalisiert uns, dass der lebenswichtige Anschluss an unsere Gruppe gefährdet ist. Das Gefühl beeinträchtigt das Steuern des Denkens und Fühlens und vor allem des Einfühlens in andere. Schier unglaublich, was da biochemisch in uns abläuft: Gene zum Herstellen entzündungsfördernder Signalmoleküle werden überaktiv, die entzündungshemmenden Botenstoffe hingegen nehmen ab, irrationale Risiken werden eingegangen, Heißhunger- und anderen Impulsen können wir schlechter widerstehen. Soziale Isolation senkt die Lebenserwartung vergleichbar stark wie Rauchen und sogar stärker als Bewegungsmangel und Übergewicht. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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In Jerusalem gab es einen Ort, an dem Hallen standen, voll von Kranken, Blinden, Gehbehinderten und Entkräfteten. Ein Mann, so berichtet uns das Johannesevangelium, lag dort schon achtunddreißig Jahre. Als Jesus ihn sah und hörte, dass er schon fast vier Jahrzehnte dort lag, fragte er ihn: „Willst du gesund werden?“ Der Kranke antwortete: „Herr, ich habe keinen Menschen.“ Das sagte er, obwohl da viele Menschen waren, er war einsam. Dieses Gefühl der Einsamkeit konnte Jesus wie kein anderer verstehen. Er hat, bis in den tiefsten Winkel seiner Existenz erlebt, was Einsamkeit ist, wie sich Ignoranz und Ablehnung anfühlen. Als es hart auf hart kam, verließen ihn alle. Heute hilft er – der Menschenkenner und Menschenliebhaber – uns aus der Einsamkeitsendlosschleife! Wie sehen weitere praktische Mittel gegen die Einsamkeit und soziale Isolation aus? Wir kennen sie alle, vermutlich, wenden sie nur nicht an, wären gern anders, kommen nur so selten dazu. Und Facebook und Co sind wohl nur Kommunikations-Snacks für den sozialen Appetit zwischendurch, aber keine andauernde sättigende Nahrung. Den Radius erweitern, ist so ein probates Mittel, sich wieder sozialen Kontakten aussetzen und mit allgemeinen Themen wie von mir aus Bundesliga und Wetter beginnen. Nicht Aufmerksamkeit fordern, sondern: Aufmerksamkeit verschenken. In Aktion treten, zum Beispiel – da sehe ich es besonders gern – in der Kirchengemeinde, in einem Verein oder bei der Hausaufgabenbetreuung. Ehrenamtliche Tätigkeiten versetzen uns in die Lage, sozial in Erscheinung zu treten, ohne Ablehnung und Verletzungen fürchten zu müssen. (Ich las von einer Frau, die, wenn sie sich schlecht fühlt, ihr Wechselgeld im Getränkeautomaten liegen lässt, damit es der nächste Kunde findet. Danach geht es ihr gleich etwas besser.) Und auch das ist wichtig: Selektieren sie! Achten sie bei der Auswahl von Kontakten auf Mitmenschen auf Augenhöhe und mit gleicher Wellenlänge. Und erwarten sie das Beste! In zwischenmenschlichen Beziehungen gilt das Prinzip der Reziprozität. Wer anderen gegenüber Wärme und guten Willen zeigt, wird ein ähnliches Zutrauen ernten, aber echte Freundschaften und Sozialkontakte sind verpflichtend, kosten Zeit und Nerven. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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November

In Italien erzählt man sich die Geschichte von einem alten Grafen, der niemals sein Haus verließ, ohne sich zuvor eine Hand voll Bohnen einzustecken. Für jede positive Kleinigkeit, die er erlebte – zum Beispiel einen fröhlichen Plausch auf der Straße, das Lachen seiner Frau, einer netten Geste beim Einkauf – für alles, was ihn erfreute, ließ er eine Bohne von der rechten in die linke Jackentasche wandern. Manchmal waren es zwei oder drei. Abends saß er dann zu Hause und zählte die Bohnen aus der linken Tasche. Er zelebrierte diese Minuten: So führte er sich vor Augen, wie viel Schönes er an diesem Tag erlebt hatte und freute sich. Den Bohnentrick können Sie nun in ihrem Alltag ausprobieren, deswegen liegt der Kaffeeduft heute Abend hier in der Luft. Schenken wir jeden Tag den positiven Kleinigkeiten Beachtung. Wir werden sehen, wie vieles „eine Bohne wert“ ist. 2. Gemeindelied Gut, dass wir einander haben (BLH Nr. 50) Fürbitten Gott, zwischen Himmel und Erde geschieht so vieles, was unser Verstehen weit übersteigt. Dazu gehört auch unsere Einsamkeit und die anderer Menschen. Wenn da niemand ist, dem man sich anvertrauen kann, obwohl da so viele Menschen sind. Und doch fühlt man sich allein, verloren. Und die anderen merken es nicht. Gott, um deine Hilfe bitten wir dich: Lass uns ein Licht aufgehen, das unsere blinden Flecken aufdeckt und uns die Gründe der Einsamkeit bei uns und anderen sehen lässt. Befreie uns aus unserer Einsamkeit, gib uns einen Menschen, mit dem wir reden können. Und genauso lass uns nicht an Menschen vorbeigehen, die auf uns warten und uns brauchen. Weite du unsere verengten Herzen, befreie uns aus dem Kreisen nur um uns selbst. Öffne die Tür vor unserem Rückzugsraum, öffne sie zu den anderen hin. Und gib uns dann den Mut hindurchzugehen. Dazu schenke uns jeden Tag einen Neuanfang. In der Stille bringen wir vor dich, was uns im Besonderen bewegt … Und wir beten gemeinsam mit den Worten Jesu:

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„………… Ausgewählte Texte“ von Richard Brautigan

Vaterunser 2. Gemeindelied Bleib bei mir Herr (EG Nr. 488) Segen Abkündigungen Ausgangsmusik

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Dezember

Dezember: Lichtgestalten „Steve Jobs“ von Walter Isaacson

Musik Merry Christmas Everyone (Shakin’ Stevens) Begrüssung Herzlich willkommen, heute ist dieser dicke Wälzer zu Gast. Wir haben eine Kerze auf den Buchrücken gestellt, denn er zählt zu den sogenannten Lichtgestalten des 21 Jahrhunderts: Steve Jobs. „Steve“ Paul Jobs wurde am 24. Februar 1955 in San Francisco geboren. Am 5. Oktober 2011 starb er im Alter von 56 Jahren in Palo Alto, Kalifornien. Als Mitgründer und langjähriger Chef von Apple gilt er als eine der bekanntesten Persönlichkeiten der Computerindustrie. Zusammen mit Steve Wozniak und Ron Wayne gründete er 1976 Apple und half, das Konzept des Heimcomputers mit dem Apple II populär zu machen. Jobs war darüber hinaus Geschäftsführer und Hauptaktionär der Pixar Animation Studios und nach einer Fusion größter Einzelaktionär der Walt Disney Company. Sein Vermögen wurde im Jahr vor seinem Tod (vom Wirtschaftsmagazin Forbes Magazine) auf 8,3 Milliarden US-Dollar geschätzt. Eingangsvotum (Wechsel zum Altar) Um Lichtgestalten also geht es heute Abend, dabei lassen wir uns beleuchten vom Licht vom unerschöpften Lichte. In seinem Namen sind wir jetzt zusammen: Psalm 139 (in nachempfundener Form) Es ist gut, die Einfälle Gottes zu lieben und von Herzen darüber froh zu sein. Sie bringen Licht in unser Leben. Wir können nur unsere Kleidung wechseln, doch er wandelt Leben in Gerechtigkeit, bringt Licht in unser Leben. Von seinem Licht, von seiner Wahrheit fühle ich mich beurteilt, durchlichtet bis auf den Grund. Ich will mich nicht dagegen wehren, mich dieser Wahrheit nicht verschließen, damit ich erkenne, wer ich bin und begreife, was aus mir werden kann. So werde ich © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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der Lichtspur Gottes nachgehen, die mich hinführt, wo man mich braucht. Es ist gut, das Wort Gottes zu lieben. 1. Gemeindelied Macht hoch die Tür (EG Nr. 1 1, 2,5) Über das Buch Die einzige autorisierte Biographie über Steve Jobs ist seit Oktober 2012 in den deutschen Buchhandlungen erhältlich. Das Buch war schon vor dem offiziellen Erscheinungstermin Platz 1 der Bestsellerliste von Amazon. Viele Kritiker hatten unkritische Lobhudelei befürchtet – doch dem Biographen Walter Isaacson ist ein differenziertes Bild jenes Mannes gelungen, der früh im Rampenlicht stand. „Ich habe viele Dinge gemacht, auf die ich nicht stolz bin“, sagte Jobs in einem seiner 40 Gespräche mit seinem Biographen Isaacson. „Aber ich habe keine Leichen im Keller.“ Der Autor geht nicht immer freundlich mit dem Mann um, der die digitale Welt revolutionierte. Auf 704 Seiten lässt Isaacson das Leben von Jobs Revue passieren, in vielen (manchmal zu vielen) Details. Er zeigt Jobs in Nuancen, die bislang verborgen blieben. „Meine Leidenschaft war es, ein Unternehmen von Bestand aufzubauen“, sagt der iGod in einem der letzten Gespräche mit dem Biographen. „Alles andere war nebensächlich.“ Genau das spiegelt sein Leben wider. Über den Autor Noch ein, zwei Sätze zu dem 1952 in New Orleans geborenen amerikanischen Schriftsteller Walter Isaacson. Er ist Präsident und Geschäftsführer des Aspen-Instituts und Vorsitzender und Geschäftsführer des Amerikanischen Nachrichtendienstes CNN und Chef vom Dienst bei der TIME. Er wurde von Präsident Obama als Vorsitzender des Broadcasting Board of Governors eingesetzt. Für die Jobs Biographie hat Isaacson Jobs in 2 Jahren mehr als 40-mal interviewt, zuletzt vor und nach seinem Rücktritt als CEO von Apple, und auch mit Mitgliedern seiner Familie, Freunden, Kollegen von Apple und Geschäftskonkurrenten gesprochen: © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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Über Steve Jobs Er war ein Despot. Jobs wusste, was er wollte – und duldete keinen Widerspruch. Schon früh setzte er sich durch, sogar gegen seine Adoptiveltern Clara und Paul Jobs. Sie hatten wenig Geld, wollten den Sohn aber auf ein College schicken. Steve wählte eines der teuersten. „Falls er nicht zum Reed College durfte, würde er nirgendwo hingehen“, so schreibt Isaacson. Steve setzte sich durch – und bereute seine Hartherzigkeit. „Ich habe ihre Gefühle verletzt.“ Doch im Verlauf der Biographie wird immer deutlicher, dass der Despot keine anderen Stimmen duldet. Wenn er etwas wirklich wollte, dann schmeichelte er, schrie, drohte und weinte sogar (im öffentlichen, beruflichen Rahmen) und zwar solange, bis er seinen Willen bekam. Er hatte wenig Interesse an Körperhygiene. Nach dem Börsengang von Apple war Jobs im Alter von nur 25 Jahren Millionär. Das hielt ihn nicht davon ab, barfuß, mit langen Haaren und ungewaschen in die Firma zu kommen. Das begann früh in einer Zeit mit „Vegetarismus und Zen Buddhismus, Meditation und Spiritualität, LSD und Rock“, so beschreibt es Isaacson. Jobs aß nur Früchte und wenig Gemüse. Das verhindere „schädlichen Schleim“, meinte er. Und mache Waschen überflüssig. Sein Umfeld empfand das anders. Als er einen Job bei der Computerspielefirma Atari antrat, überzeugten ihn Kollegen, die Nachtschicht zu übernehmen: wegen des Geruchs. Er war ein Solist. Die normalen Regeln akzeptierte Jobs nicht. Als ihn ein Reporter bei Vorstellung des ersten Macintosh 1984 fragte, ob er zuvor Kunden befragt habe, antwortete er: „Hat Graham Bell Marktforschung betrieben, bevor er das Telefon erfunden hat?“ Nicht viel anders verlief es 20 Jahre später, als er das iPhone entwickeln ließ. Der Versuch, ein musikfähiges Telefon in Kooperation mit einem Handyhersteller zu bauen, war fehlgeschlagen. „Ich bin es leid, mich mit solchen albernen Unternehmen rumzuschlagen wie Motorola“, sagte Jobs 2005: „Lasst es uns selbst machen.“ Wieder verließ er ausgetretene Pfade – und zeigte zwei Jahre später „ein revolutionäres Produkt“. Und wirklich hat das Apple-Handy die © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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Branche verändert. Es ist der größte Umsatzträger des Unternehmens. Sein größter Fehler Einen der Fehler, die Jobs am Ende seines Lebens bereut, ist der Umgang mit seiner nichtehelichen Tochter: Lisa Nicole Brennan. Mit der Mutter einigt er sich auf den Namen – und sei dann zurück zur Arbeit. „Er wollte nichts mit ihr oder mir zu tun haben“, sagt Chris-Ann Brennan. Jobs ließ einen der damals neuen DNS-Tests machen, der die Chance seiner Vaterschaft auf 94,41 Prozent berechnete. Was ihn nicht davon abhielt, zu behaupten, es gebe „eine große Wahrscheinlichkeit“, dass er es nicht sei. II. Musik Christmas Time (Bryan Adams)

1. Lesung Seite 22 (Mitte) „Steve Jobs erfuhr bereits sehr früh …“) bis Seite 23 Ende Seite 30 (Mitte) „Seine Mutter hatte ihm bereits vor dem Besuch …“ bis 33 (oben) „… in eine hübschere Gegend“ Seite 33 (Mitte) „Auch wenn Job’s Eltern nicht übermäßig religiös waren …“ bis Seite 34 (oben) „… ist das große Mysterium.“ III. Musik Feliz Navidad (José Feliciano)

2. Lesung Seite 234 Anfang bis Seite 234 (Mitte) „… der kein Topspieler war.“ Seite 292 (Mitte) „Schon unter den günstigsten Voraussetzungen …“ bis Seite 295 „… zum Leben erweckte.“ IV. Musik Mary’s Boy Child (Jester Joseph Hairston)

Ansprache Der iGod Steve Jobs und Jesus Jesus ist nicht mehr unter den Top 10, glaubt man einer Internetabstimmung zum Thema Lichtgestalten. Obama hat sich auf Platz 1 © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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katapultiert und Gandhi folgt ihm auf den Fersen. Immerhin hat es der Messias unter die ersten der 25 geschafft, der Erfolg wird allerdings etwas geschmälert, weil sich dort auch Franz Beckenbauer und Jürgen Klinsmann befinden. Lichtgestalten sind diejenigen, denen unsere besondere Verehrung gilt, die sich geistig und/oder körperlich bereits während ihrer irdischen Existenz vom Durchschnitt lösen und durch überragende Leistungen in einem Gebiet unvergesslich bleiben. Diese Menschen prägen durch ihre Leistung und Ausstrahlung ganze Lebensbereiche und oft werden sie zum Idol einer ganzen Generation. „Steve Jobs ist die erste Lichtgestalt des Digitalzeitalters“, so der Sony-Chef Howard Stringer. Jobs’ Innovationen und seine Kreativität würden noch „auf Generationen hinaus Träumer und Denker inspirieren“. Sein Leben war schwierig und holprig. Er war ein Adoptivkind, brach seine Hochschul-Karriere ab, worüber er bei einer Rede vor Elitestudenten sagte „Rückblickend war es eine der besten Entscheidungen, die ich jemals getroffen habe.“ Den Mann, der es ohne Abschluss zum Milliardär und zum Wirtschaftsführer mit Prophetenstatus brachte, zeichnete sich durch eine Eigenschaft besonders aus: Steve Jobs tat nicht unbedingt das, was vernünftig war, sondern was er für richtig hielt. Jobs’ Ratschlag an die Studenten war: „Ihr müsst darauf vertrauen, dass sich die Punkte in eurem Leben verbinden werden. Ihr müsst an irgendetwas glauben: an eure Courage, euer Karma, Schicksal, das Leben, was auch immer. Das wird euch das Vertrauen geben, eurem Herzen zu folgen. Es wird euch abseits der ausgetretenen Pfade führen – und das wird den Unterschied machen.“ Als Apple zehn Jahre alt und zwei Milliarden Dollar schwer war, flog Jobs raus. Er war in aller Öffentlichkeit gescheitert und dachte daran aufzugeben. Doch dann wurde ihm klar: Apple und das Computerbusiness waren noch immer seine Leidenschaft. Rückblickend realisierte Jobs: „Mein Rauswurf bei Apple war das Beste, was mir passieren konnte. Die Last des Erfolgs wurde abgelöst von der Leichtigkeit, wieder ein Anfänger zu sein.“ Jobs gründete mit Pixar das bis heute erfolgreichste Animationsstudio der Welt, das mit Filmen wie „Toy Story“, „Ratatouille“ und „Wall-E“ Hunderte von Millionen Dollar einspielt. „Wenn heute dein letzter Tag wäre: Würdest du tun wollen, was du © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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heute tun wirst?“: Diese Frage hat er sich jeden Morgen vor dem Spiegel gestellt. Lautete die Antwort zu viele Tage hintereinander „Nein“, dann wusste Jobs: Es ist Zeit, etwas zu verändern. „Zu wissen, dass ich bald tot sein werde, ist das beste Werkzeug, das ich kenne, um die großen Entscheidungen im Leben zu treffen.“ Er bezeichnete den Tod als die nützlichste Erfindung des Lebens. In einer Rede an Studenten 2005 sagte er „Der Tod räumt das Alte raus und schafft Platz für Neues. Jetzt seid ihr das Neue, doch schon in nicht allzu ferner Zeit werdet ihr das Alte sein. Eure Zeit ist begrenzt – also verschwendet sie nicht damit, das Leben eines anderen zu leben.“ Was haben Lichtgestalten gemeinsam? Jedenfalls: ihre individuelle wie konsequente Art, ihren Zielen und ihrem Glauben zu folgen. Egal was es für sie am Ende bedeutet. Oft war es ein früher, gewaltsamer Tod. Erfinder starben an den Spätfolgen ihrer Experimente (Madame Curie), christliche Märtyrer oder Politiker an ihrer unbeugsamen, überzeugenden Haltung (Martin Luther King). Viele dieser sogenannten Lichtgestalten waren wichtig in einer bestimmten Epoche oder einem kulturellen Zusammenhang. Eine Lichtgestalt hat alle und alles überdauert. Jesus, auf dessen Advent wir zugehen: In ihm sind vereint Gottvertrauen und daraus schöpfend Mut und Radikalität, Konsequenz, ja auch Rigorosität im Denken und Handeln und dieses unmittelbare liebevolle „Zugewandtsein“ dem Nächsten gegenüber, um uns das zu sein, was er ist: ein maßgeblicher Mensch. Von ihm wird der Satz überliefert, (er selbst wird sich vermutlich nicht als Lichtgestalt bezeichnet haben, vielleicht ist das sogar ein Kriterium, eine zu sein): „Ich bin das Licht der Welt“. Als ihm Nachfolgende sind wir „Kinder des Lichts“, leuchtende Vorbilder, ohne gleich wie z. B. ein Albert Schweitzer zu sein. Mehr Licht in das Leben anderer bringen und den unvermeidlichen Schatten verkleinern, kann man als Mutter, Vater, als Oma, Kollege oder Passantin. Was wir dafür brauchen ist u. a. eine unüberwindliche Zähigkeit mit dem, was uns das Leben vor die Füße wirft, zurechtzukommen. Eine Lichtgestalt strahlt durch ihr Leben und ihr Wirken Licht aus, Licht vom „unerschöpften Lichte“, von Gott. Wenn die Bibel erzählt, dass Gott den Menschen erscheint, dann geschieht das meist als © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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überirdischer, großer Lichtglanz, heller als alles Licht der Sonne. So hat es Mose erlebt, König Salomo, die Propheten Jesaja und Ezechiel. Überall, wo Gottes Wirkung zu sehen war, ist von diesem überirdischen Lichtglanz die Rede. Das hebräische und griechische Bibelwort für diesen speziellen Lichtglanz ist in unsere Sprache als „Herrlichkeit“ übersetzt worden. Dieser Lichtglanz war auch Teil der „Inszenierung“ von der Verkündigung der Geburt Jesu. Als Jesus längst erwachsen ist, wird von ihm ein ganz entscheidender Satz über unser Verhältnis als Christen zur Welt überliefert: „Ihr seid das Licht der Welt, ihr seid das Salz der Erde.“ Wer zu mir gehört, der schotte sich nicht ab von der ach so bösen, schlechten Welt, sondern der mische sich ein, der lebe mittendrin: Engagiert euch, tut was, damit die Welt genießbarer wird. Tretet aus dem Schatten, aus der Deckung heraus. Stellt euch den Fragen und setzt euch der Kritik aus. Von Menschen, die sagen und tun, was nötig ist, die dem Menschengerechten dienen, abseits aller Konventionen, von denen können wir nicht genug kriegen. Wir brauchen keine Helden mehr, die in kämpferischen Auseinandersetzungen fallen, sondern Menschen, die in unserer Gesellschaft über sich und etwas hinaus weisen, egal ob es um Tierschutz geht, Nachbarschaftshilfe gefragt ist oder die Stimme gegen rechte Sprüche an der Kasse zu erheben ist. Jesus, der in unvergleichbarer Weise über sich selbst hinausgewiesen hat, sagt: „Ihr seid das Licht der Welt, ihr seid das Salz der Erde!“, aber nicht als Verpflichtung, eher als Begründung, als Grund unserer Denk- und Handlungsmöglichkeiten, und zur Motivation, als Mutmacher, als Zuspruch. Wir sind Licht, (ohne Helden sein zu müssen, um bei Gott Anerkennung zu finden). Folgen wir der Lichtspur Jesu, dann wird das strahlende Auswirkung haben. Amen 2. Gemeindelied Wie soll ich dich empfangen (EG Nr. 11, 1, 4, 5, 6) Gebet Leuchte uns, Licht der Welt, Stern von Bethlehem. Geh über uns allen auf und schicke deine Strahlen in unsere Nacht. Führe uns zur Wiege unserer Hoffnung, zur Krippe, in der das Kind geboren wird. Leuchte uns, dann können wir aufbrechen und in Erfahrung brin© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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gen, wo er zu finden ist, der uns zu uns selbst befreien wird. Leuchte uns, Licht der Welt, damit wir uns nicht verirren im Irrgarten der Habseligkeiten und Träume. Beschreibe uns den Weg und wir werden uns eilen wie die Sterndeuter und Hirten – bis wir ankommen, sehen und staunen und uns orientieren an ihm. Leuchte uns, zeige uns das Menschenkind in jeder Gestalt: Zeig uns die traumverlorenen Augen hinter den Fensterscheiben ohne Licht. Lass uns den Ernst der Fragen spüren hinter der Stirn des jungen wie des alten Menschen. Zeig uns die Frau vor dem Zebrastreifen, die im Rollstuhl zäh ihr Leben lernt. Leuchte uns, dann wird uns ein Licht aufgehen; und wir werden erkennen, in welcher Gestalt er zu finden ist, der uns menschlich macht, Amen Vaterunser Gemeindelied Tochter Zion (EG Nr. 13) Segen Abkündigungen Ausgangsmusik

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Zwei Ersatz-Gottesdienste

Sollten Sie mit einem Gottesdienstthema oder der Buchauswahl nichts anfangen können, kommen nun noch zwei Gottesdienstentwürfe, die sie ersatzweise einfügen können.

Schwarz-Weiß-Denken „Der amerikanische Architekt“ von Amy Waldman

Eingangsmusik Begrüssung Heute Abend geht’s mit Hilfe dieses ausgezeichneten Buches „Der amerikanische Architekt“ darum, zu zeigen, wie fatal das Einteilen der Menschen in Gut und Böse ist und wie wertvoll die unzähligen Graustufen dazwischen sind. Über das Buch New York im Jahr 2003: Soeben findet die entscheidende Jury-Sitzung jenes Wettbewerbs statt, in dem darüber entschieden wird, wie die nationale Gedenkstätte – das 9/11 Memorial – aussehen soll, das an die Opfer der Terroranschläge vom 11. September 2001 erinnert. Von den 5000 Entwürfen gewinnt die Ausschreibung überraschend ein Moslem und löst damit nicht nur innerhalb der Jury, sondern in der gesamten amerikanischen Gesellschaft eine erbitterte Debatte aus- Scharfzüngig und kritisch werden anhand von Einzelschicksalen die unterschiedlichen Perspektiven der Betroffenen beleuchtet. Der Roman ist klug komponiert und fordert uns als Leser heraus. Unser Mit- bzw. Umdenken wird © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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benötigt. Faszinierend differenziert werden die unzähligen Graustufen zwischen Gut und Böse ausgelotet und es bleibt spannend, wie die Geschichte endet. Über die Autorin Über die Autorin Amy Waldman gibt es nicht viele Informationen. Sie wurde 1969 geboren, ist Journalistin und leitete u. a. das Südasien-Büro der NEW YORK TIMES. Zurzeit lebt sie mit ihrer Familie in Brooklyn. Ihre schriftstellerische Laufbahn begann sie mit Erzählungen. „Der amerikanische Architekt“ ist ihr erster Roman, der gleich zum Bestseller wurde. So wenden wir uns mit unseren Fragen, heute Abend vor allem mit der Frage nach dem Bösen und dem Guten an unseren Gott, in seinem Namen. Psalm 33 Ich bete mit Motiven aus Psalm 33: Die nach Gott fragen, werden es gut machen. Gott ist Gerechtigkeit und Güte, Friede für die ganze Welt. Die auf Gewalt bauen, nur Schwarz/Weiß kennen, machen noch mehr kaputt. Die groß herauskommen wollen, bringen nichts. Die es allen recht machen wollen, verwaschen die Unterschiede, das Bunte geht verloren. Die aber Frieden wollen, gehen vom anderen aus. Sie nehmen die Geschichte ernst und haben langen Atem. Sie machen sich nichts vor, vorverurteilen nicht und behalten geduldig die Hoffnung. Sie können Fehler eingestehen und verkürzen doch nicht das Ziel Sie verstehen sich auf Güte und Gerechtigkeit. Das bringt die Welt vom Tod zum Leben in Vielfalt und Fülle. 1. Gemeindelied Sonne der Gerechtigkeit (BLH Nr. 61) 1. Lesung (Vorleserin) Seite 9–14 (Mitte) „… bevor der Kellner es nachfüllen konnte.“ © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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Schwarz-Weiß-Denken

2. Lesung Seite 31–35 (unten) „… ich bin dort aufgewachsen II. Musik

3. Lesung Seite 86–91 (oben) „Er drehte das Blatt mit dem Foto um.“ III. Musik

Ansprache Wenn der Feind der Freund ist? Gut und Böse gibt es nicht in Reinform. Das ist uns klar, seit wir dem Märchenalter entwachsen sind und trotzdem verfallen wir immer wieder in dieses bequeme Schubladendenken. „Wer nicht für uns ist, der ist gegen uns“, bleibt aber auch bei Erwachsenen eine gern eingenommene Haltung, ob beim Mitfiebern der geliebten Fußballmannschaft oder in politischen Diskussionen. Diese plumpe Einteilung unserer Welt in die „Guten“ und die „Bösen“ vollzog offiziell sogar George W. Bush nach den Terroranschlägen am 11. September 2001. New York war durch die Anschläge zu einer weiteren entsetzlichen Schädelstätte in dieser Welt geworden und die Nerven der Amerikaner lagen blank. Wer nach dem Anschlag Besonnenheit und Gewaltlosigkeit anmahnte, galt als dumpfe Friedenstaube. Immer ist es das Schwarz-Weiß-Denken, das Konflikte zwischen Völkern hervorruft und oft eskalieren lässt. Früher waren es in Amerika die Indianer oder Farbigen, heute haben es dort Menschen mit muslimischem Hintergrund schwer. Im Buch lässt die Autorin eine ihrer Figuren feststellen: Früher wurden Afroamerikaner wegen „Fahrens mit schwarzer Hautfarbe“ angehalten. Und jetzt werden wir wegen „Fliegens mit muslimischen Glaubens“ herausgegriffen. Vamik Volkan, ein Psychoanalytiker, bekannt auf dem Gebiet der Friedens- und Konfliktforschung, der weltweit zwischen ethnischen Gruppen vermittelt, geht davon aus, dass dieses Jahrhundert ein „ethnisches Jahrhundert“ wird. Woher kommt unsere ethnische Identität? Als Kind entwickeln wir zuerst unsere eigene Identität, im letzten Schritt die GroßGruppenidentität (unsere kulturelle Identität). Wir lernen den © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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Geschmack von bestimmten Gerichten lieben, Lieder und Feste werden uns vertraut, auch spezielle Kleidungsstücke. Mit der Zeit verstehen wir, was die Curry Wurst, ein Kilt oder eine Sauna kulturell bedeuten. Sie werden ein Teil von uns und damit unsere ethnische Identität. Und wenn wir unter Druck geraten, keinen Ausweg mehr sehen, dann fallen wir in frühkindliche Reaktionsmuster zurück, wir regredieren. Das gilt auch für Gruppen. Werden diese bedroht und unterdrückt, dann regredieren viele auf einmal und das kann zu Kriegen führen oder eben Selbstmordanschlägen. Was alle kriegerischen Auseinandersetzungen und oder auch terroristischen Anschläge gemeinsam haben, ist dieses extreme Schwarz-WeißDenken. Die Beteiligten ertragen keine Zwischentöne mehr und keine offenen Fragen. Sie verlieren den Blick fürs Innere (das Wesentliche), bewegen sich gedanklich nur noch am äußeren Rand, extrem eben, Extremisten. Sie halten sich nur noch für das Opfer, werden paranoid, spalten die Gesellschaft in Gut und Böse. Das kann so weit gehen wie in Armenien, wo die Opfer des großen Erdbebens 1988 das von Aserbaidschanern gespendete Blut ablehnten. Gefährlich wird es eben, wenn in „die“ und „uns“ eingeteilt wird. Und gar nicht mehr gefragt wird: Was veranlasst Menschen, unmenschlichen Terror auszuüben, was müssen die erlebt haben, um zu einem derart grauenhaften Terrorakt in der Lage zu sein? Was läuft da ab im Hirn dieser oft geistig richtig fitten Menschen? Vor allem: Wie kommt es zu dieser emotionalen Entgleisung? Wie kommt es, dass sie zu Bestien werden, alles Menschliche verlieren? Das sind Fragen, die gestellt werden müssen, damit wir niemals abgleiten ins einfältige, destruktive Pauschalurteilen, in diesem Fall, wie in dem Buch geschildert: „Wir sind so und die Muslime sind einfach anders!“ Schwarz-Weiß-Denken führt in die Katastrophe, lassen Sie uns in Farben denken, von der Welt, vom Menschen! Selig sind die Buntdenkenden … Und das heißt dann: Wir sollten uns Folgendes unbedingt verbieten: (1) das sogenannte Worst-Case-Denken. Es vergrößert unsere Unsicherheit und richtet nur Schaden an. Indem wir uns auf die möglichen Gefahren konzentrieren, übersehen wir den möglichen positiven Nutzen. Kinder z. B. sollten ihren © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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Bewegungsdrang ausleben, ihre Neugierde auf Neues stillen und dadurch mehr lernen können. Das gelingt dann, wenn sie nicht permanent unter Aufsicht gestellt werden, wenn sie nicht immer in der Sorge sind, es könne was Schlimmes passieren. Ich weiß als wohl eher ängstlicher Vater: Das ist leichter gesagt als getan. Dabei wäre es hilfreich, die Grenzen unseres Wissens und Könnens anzuerkennen (2), und gelassen die Unsicherheit auszuhalten. Dinge kontrollieren zu können ist nur eine Illusion! Die Tatsache, dass Menschen davon überzeugt sind, Autofahren sei sicherer als Fliegen, kann z. B. nur auf ihre Kontrollillusion zurückgeführt werden: Sie glauben, wenn sie selbst am Steuer sitzen und sich nicht in die Hände eines unbekannten Piloten begeben, haben sie das Geschehen unter Kontrolle. Egal ob die nackten Zahlen das Gegenteil sagen. Und das tun sie in diesem Fall: Fliegen ist sicherer als Autofahren, viel sicherer. Oft sind wir ja geradezu besessen von der Erwartung, dass etwas so kommen soll, wie wir es wollen, sei es das Verhalten des Partners oder der Verkehrsfluss auf der Straße. Mit dem Versteifen unserer Erwartungen wollen wir Sicherheit gewinnen, aber wir fördern damit nur unsere Unsicherheit. Wir lieben klare Antworten und wollen wissen: „So ist es“, Zweifel und Misstrauen halten wir nicht gut aus. Geduld mit dem Ungelösten zu haben und zu versuchen, die offenen Fragen ja beinahe ein bisschen wertzuschätzen, ist ein hilfreicher Umgang – Gottvertrauen der wirkungsvollste. Gerade dann, wenn es um das Entscheidende geht, das Handeln, das Umsetzen einer Denkungsart, die differenziert, nuancenreich, aufbauend, eben bunt ist und nicht zerstörerisch, einfältig wie das platte Schwarz-Weiß-Denken. Handeln wir! Verstecken wir uns nicht hinter frommen Veranstaltungen (auch wie dieser hier im Übrigen) und unseren religiösen Ritualen. Greifen wir ein und versuchen wir, Vergiftendes auf dem Weg zur Gerechtigkeit aus dem Weg zu räumen. Säen wir im Alltag humane Ideen z. B. in Diskussionen an der Kneipentheke oder durch Aktionen, wie z. B. Spenden für den Bau einer Moschee (lokale Anspielung). Der Gott der Bibel fordert uns auf zum Handeln: „Sorgt dafür, dass jeder zu seinem Recht kommt! Recht und Gerechtigkeit sollen das Land erfüllen.“ So kann man das – sehr eindringlich beschrieben © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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schon beim Propheten Amos – nachlesen. Unser Blick auf Gott schärft unseren Blick auf die Geschehnisse hier und lässt uns genau hinsehen. Er öffnet uns den Blick für Schuldzusammenhänge, in die auch wir verstrickt sind. Christinnen und Christen wissen, wie es geht. Die Bibel ist gespickt mit Geschichten, da Menschen ihr Schwarz-Weiß-Denken über Bord werfen mussten, um das Richtige zu tun. Lehrreich ist es, biblische Erzählungen einmal unter diesem Blickwinkel zu lesen, wie Jesus immer wieder die Grenzen althergebrachter Schwarz-Weiß-Muster verlässt: Jesu heilender Umgang mit den Deklassierten der Gesellschaft (z. B. Aussätzigen oder der Frau aus Samaria). Oder Hannanias z. B., der zu Saulus geschickt wurde, um diesen harten Christenverfolger von der Blindheit zu heilen. Oder Petrus, der dem Feind „eine Römischen Hauptmann“ Einlass gewährte, um ihn und seine ganze Familie zu taufen. Mit einem liebevollen Blick auf diese Welt, eben auch aufs Detail, auf das Kleinteilige, das Besondere im vermeintlich Bekannten sind wir dem Frieden auf der Spur. So lässt es sich gut leben – angesteckt von Gottes grenzüberschreitender Liebe. AMEN (Angeregt durch den Artikel „Wir brauchen eine neue Diplomatie für das 21. Jahrhundert“, Autor: Vamik Volkan im Gespräch Psychologie heute Ausgabe: 02/2003) IV. Musik

Fürbitten Erreiche uns Gott, mit der seltenen Liebe Jesu, die uns Nähe und Befreiung schenkt. Nicht ins Leere hinein möchten wir hoffen und beten, nicht hängenbleiben in ausweglosem Verhalten, im Schwarz-Weiß-Schema unserer zerstrittenen Welt. Wir suchen die Ansätze Jesu für eine menschliche Welt. Wir lernen und beten in seinem Geist: Lass uns zweifeln an glattzüngigen, undifferenzierten Begründungen, die den Kurs der Machthaber stützen. Lass uns zweifeln an der Feindseligkeit, zu der fanatischer Glaube verleitet. Lass uns vertrauen dem seltenen Verständnis, das Schwache und © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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Schwarz-Weiß-Denken

Fremde einbezieht in unsere vertrauten Kreise. Lass uns vertrauen der seltenen Freiheit, die für das Wohl und das Recht der Gegner eintritt und so dem Frieden Brücken baut. Lass uns vertrauen der seltenen Liebe, die verkümmertes Leben behutsam zum Wachsen bringt. So denken wir an die Menschen, von denen wir in diesen Tagen hören, über die wir reden, die uns begegnen, dass sie spüren, was wir hier beten, Amen 2. Gemeindelied Unser Vater (EG Nr. 57) Segen Abkündigungen Ausgangsmusik

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Unser Leben aus Sicht unseres Körpers „Winterjournal“ von Paul Auster

Eingangsmusik Begrüssung „Tue Deinem Körper etwas Gutes, damit die Seele Lust bekommt, darin zu wohnen“, hat Theresa von Avila gesagt. Um unseren Körper, seine Bedeutung und seine Klugheit geht es heute mit Hilfe dieser beeindrucken Autobiografie von Paul Auster. Warum niesen wir? Welches Organ ist das größte? Wie viele Gerüche kann der Mensch unterscheiden? Wo liegt der Steigbügel im menschlichen Körper? Wo der Mandelkern? Unser Körper ist ein faszinierendes Wunderwerk. Wie gut kennen Sie ihn? Viele kennen ihr Auto jedenfalls besser, als ihren Körper. In nomine Gebet Gott, wir hören und lesen in der Bibel: „Unser Körper sei ein Tempel deines Geistes, der in uns ist und den wir von dir haben und dass wir uns selbst nicht gehören. Teuer sind wir erkauft, darum wollen wir dich loben mit unserem Körper.“ Du, Gott, wohnst in unserem Körper: Ganz gleich ob unser Körper alt oder jung ist, muskulös und durchtrainiert oder schlaff, schwach, krank, gebrechlich und ausgemergelt oder gesund, vor Kraft strotzend und schön, gleich ob dick oder dünn, den Idealmaßen entsprechend oder nicht. So wie dieser Körper nun mal ist, so wie er war und so wie er in Zukunft sein wird. Mit meinem Körper und allen meinen Sinnen erfahre ich Lebenslust. Solche lustvollen Erfahrungen lassen mich kurzfristig alles vergessen, was war und was kommt. Ich trete heraus aus dem Alltag, bin ganz gegenwärtig, offen für die Fülle des Lebens, fühle mich wohl und zufrieden. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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Solche Momente geben meinem Leben Qualität, lassen mich den Sinn erkennen, schenken mir Lust und Freude am Leben. Und mit diesem meinem Leib darf ich dich, Gott, loben. Das wollen wir jetzt tun, Amen. 1. Gemeindelied Lobe den Herrn meine Seele (Nr. 46 aus Lebens Weisen Beiheft 05 zum Evangelischen Gesangbuch/Ausgabe Niedersachsen-Bremen, LVH 2005) Über den Autor Paul Auster wurde am 3. Februar 1947 als Nachkomme eingewanderter österreichischer Juden in New Jersey geboren. Er studierte Anglistik und vergleichende Literaturwissenschaft in New York und fuhr danach als Matrose auf einem Öltanker zur See. Von 1971–74 lebte er in Frankreich, hauptsächlich in Paris. Nach seiner Rückkehr in die USA nahm er einen Lehrauftrag an der Columbia University an und arbeitete zusätzlich als Übersetzer französischer Autoren sowie als Herausgeber französischer Literatur in amerikanischen Verlagen. Paul Auster ist ein leidenschaftlicher Golf-Spieler. Die Inspiration für seine Bücher fand er vor allem auf dem weitläufigen Rasen eines Golfplatzes. Nach seinem letzten Roman verriet er den Journalisten, seine innere Schublade mit Geschichten sei leer. Seine Frau, die Schriftstellerin Siri Hustvedt (mit der er in Brooklyn, New York lebt), brachte 2010 den Roman „Die zitternde Frau – Eine Geschichte meiner Nerven“ heraus. Sie erforschte die Medizingeschichte, um herauszufinden, warum sie in einer bestimmten Situation völlig überraschend am ganzen Leibe zu zittern begann. Diese Arbeit an und mit ihrem Körper mag ihren Mann inspiriert haben, aus dem gleichen Blickwinkel sein Leben zu betrachten. Über das Buch Paul Auster erzählt sein Leben als Geschichte seines Körpers, den er von Anfang an mit „Du“ anredet. Er erzählt, was seine Hand, seine Füße, seine Glieder im Verlauf eines langen Lebens getan haben. Er lässt seine Liebesbeziehungen Revue passieren: erst viele und dann – dreißig Jahre lang – nur noch die eine: seine große © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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Liebe Siri. Er beschreibt seine Schlägereien als Junge, seine Stürze, seinen ungeheuren Blasendruck, lässt uns an seiner Herzattacke teilnehmen und erzählt die Begegnung mit dem Tod bei einem Autounfall. Er schreibt über die unendliche Empfindlichkeit seines physischen Systems, das ihn am Leben erhält und über das wir wenig nachdenken, solange es funktioniert. Alkohol, Zigarillos, Süchte – all die Versuche das System auszutricksen und sich dem Verfall, wie dem Alltag zu entziehen. Wenn er seine Narben auflistet und seine Körpergefühle beim Sport oder Sex beschreibt, entsteht nicht unbedingt ein schmeichelhaftes Bild von ihm. Auster hat keinen Heldenkörper. Er ist oft krank, leidet unter Schwindelgefühlen und reagiert auf Ängste und Sorgen mit Magenkrämpfen. Doch gerade durch diesen originellen Dreh (der Körperperspektive), mag man ihn von Seite zu Seite mehr und lernt einen Mann mit viel Wärme und großer Intelligenz kennen. II. Musik

1. Lesung Die Narben, Seite 13 (unten) bis Seite 14 (mitte) und Seite 76, (ab 262 West 107th Street) bis Seite 79, Wohnung 10 III. Musik

2. Lesung Seite 132, Mai 2002 bis Seite 136 Mitte, „… allein mit einer Flasche Whiskey“ Alternativ: die Unfallszene, Seite 25 bis Seite 34 IV. Musik

Ansprache Wie eine biologische Stradivari ist unser Körper, sagt der Philosoph und Wissenschaftstheoretiker Bernulf Kanitscheider. Ein sehr wertvolles, qualitativ hochwertiges Instrument, was dann besonders gut klingt, wenn wir es technisch beherrschen. Und das ist schwierig: Über Jahrhunderte hinweg haben sich die Menschen Körperver© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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achtung aufzwingen lassen. Das lag vor allem den äußeren, harten Lebensbedingungen. Von der Spätantike bis in die frühe Neuzeit hat man dem Menschen eingeredet: Für dein fehlendes Lebensglück (hier auf Erden) gibt es so etwas wie einen transzendenten Ausgleich. Seit das Jenseits für die Meisten nicht wirklich mehr eine lebenstaugliche Alternative ist, weisen wir unserem Körper die Hauptrolle bei der Sinnfindung zu. Wir betrachten unseren Körper immer mehr als Objekt der Ästhetik, ein Objekt, „das es zu bearbeiten, zu optimieren gilt“, gleichsam als Ausgangsbasis für notwendige Verbesserungsmaßnahmen. Längst reicht es nicht mehr, den Körper durch Kleidung und Frisuren in Szene zu setzen. Heute muss der Körper zum Ausdruck bringen, wie man sich sieht, (beziehungsweise wie man glaubt, aussehen zu müssen), um Anerkennung und Aufmerksamkeit zu bekommen. Darum geht es bei all den Körpermodifikationen, gleichgültig ob man Diät hält, für den Waschbrettbauch trainiert, sich unter das Messer des Chirurgen oder die Nadel des Tätowierers legt: Der Körper soll die Blicke der anderen anziehen. Gleichzeitig gibt es die Körpergleichgültigen. Nur jeder Siebte laut Statistik in Deutschland kümmert sich um das Wohlbefinden seines Körpers mit Bewegung und gesunder Ernährung. Körperobsession oder Körperignoranz zeigen, wie gestört das Verhältnis vieler Menschen zu ihrem Körper ist: Die Meisten von uns haben keinen Zugang mehr zu seinen Ressourcen und können die Weisheit, die in ihm steckt, die von ihm ausgeht, nicht nutzen. Seine Rhythmen und Reaktionsweisen bleiben unbemerkt, die Signale, die er sendet, unverstanden. Wir sind in unserem Körper nicht mehr zu Hause; er ist für uns ein Gegenüber, ein Objekt, das wir bekämpfen, vernachlässigen oder aufpimpen. Wenn in einem Seminar für Führungskräfte die Teilnehmer aufgefordert werden, unter freiem Himmel Dehnübungen zu machen und in sich hineinzuhören, was in ihrem Körper durch diese Übungen ausgelöst wird, reagieren die Damen und Herren in der Regel unwirsch. Sie finden so etwas peinlich, unprofessionell und verdächtig nah der Esoterik. Was ist mit uns los, wenn wir es okay finden, einen ganzen Tag lang in ergonomisch ungünstigster Haltung, in einem schlecht gelüfteten Seminarraum mit unangenehm künstlichen Licht zu © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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sitzen, aber es hingegen seltsam finden, nach draußen zu gehen für ein paar harmlose Körperübungen. Paul Auster zeigt mit seiner schonungslosen Offenheit, wie stark unser Leben von unserem Körper diktiert wird. Er sinniert darüber, dass sein Körper schneller und klüger ist als sein Kopf. Recht hat er. Die meisten unserer Lebensentscheidungen basieren auf unserem – gern so genannten – Bauchgefühl. Unsere Partnerwahl z. B. beruht nun wirklich nicht auf einer fein ausgearbeiteten Excel Tabelle, oder? Unser Verhalten beim Sport, im Umgang mit unseren Freunden und sogar bei den Aktien ist bestimmt durch unsere Intuition, also irgendwie durch erahnendes Erfassen ohne bewusste rationale Ableitung oder Schlussfolgerung. Einer der erfolgreichsten Drogenfahnder Amerikas (Dan Horan) erkennt unter tausenden Menschen, die sich durch einen internationalen Flughafen bewegen, Drogenkuriere. Wenn man ihn fragt, woran er die Drogenkuriere erkennt, kann er es nicht begründen. Es ist eher so ein Bauchgefühl, erklärt er. Unser „Körperdenken“ ist viel schneller als unser Denken und viel treffsicherer. Obwohl es nicht sachlich analysiert, ist es stärker/dominanter als unser Kopf und lenkt deswegen unsere Entscheidungen. Wir ignorieren die Informationen und konzentrieren uns instinktiv auf das Wesentliche. Im Sport bejubeln wir diese Vorgehensweise: Kommt ein Ball hoch geflogen und ein Spieler nimmt ihn am anderen Ende des Feldes in unbewusster Kompetenz gekonnt an, sind wir begeistert. Würde der Spieler seine Berechnungsgrundlagen in einem anschließenden Interview offenlegen müssen, wäre er aufgeschmissen. Mathematisch ist es unmöglich in dieser kurzen Zeit die genaue Flugbahn mit den entsprechenden Parametern, dem Winkel, der aktuellen Windstärke, dem Luftwiderstand, den Spin usw. zu berechnen. Viele elementare Regeln sind in unserem Unterbewusstsein durch unser evolviertes Wissen abgespeichert. Dieses Wissen kann uns an vielen Stellen entscheidend helfen. Wissenschaftler gehen davon aus, dass Ärzte in ihrer Behandlung viel erfolgreicher wären, wenn sie sich auf ihre Intuition verlassen dürften. Würden sie das zugeben und ihre Behandlungsmethode mit ihrem Bauchgefühl begründen, wären sie natürlich sofort ihre Approbation los. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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Wenn unser Körper ein derart wichtiges Instrument ist, dann sollten wir ihn auch stärker und bewusster einsetzen. Mehr als die Hälfte menschlicher Kommunikation findet nonverbal mithilfe von Körpersignalen statt. Wie viel der friedliche Einsatz des Körpers bewirken kann, haben die Montagsdemonstrationen gezeigt, zeigen immer wieder Menschenketten, Sitzblockaden oder 1955 die schwarze Bürgerrechtlerin Rosa Parks mit ihrer Busplatzaktion. In Erinnerung sind mir Bilder aus Ägypten aus dem letzten Sommer geblieben: Eine große Gruppe Muslime bildet einen schützenden Kreis um eine Kirche, um den Gottesdienst der Christen zu schützen. Christen wiederum bilden während der Demonstrationen in Ägypten einen Kreis um die Muslime, damit diese ungefährdet ihrem Gebet nachgehen können. Gott will uns, unseren Körper: Körper, Seele, Geist bauen zu einem Tempel. Das haben diese Christen und Muslime umgesetzt. Lange Zeit hat das Christentum die Chance vertan, den Körper, die Sinne und die Sexualität in seinen vielfältigen Facetten als Gottes gutes Werk zu sehen und einzusetzen. Und all das: Trotz der Fleischwerdung Gottes, trotz der körperbejahenden Heilungsgeschichten aus dem Neuen Testament, die das Heilwerden des ganzen Menschen, mit allen seinen Sinnen umfasste und trotz der alttestamentlichen Lebenszugewandtheit hat das Christentum nicht die Geschichte der Körperbejahung, Körperliebe und -Lust begründet, sondern eher das Gegenteil ausgelöst. Mit dem Körper, mit Händen und Füßen die Liebe zur Welt beweisen, das ist auch unsere Aufgabe im Leben. Nutzen wir das Potenzial der Liebe und Lust, um die Liebe zur Welt und seinen Menschen auszudrücken. Schaffen wir körperliches Wohlbefinden mit allem, was uns zur Verfügung steht. Nicht nur kluge Sprüche und Gedanken, das ist toll, dass wir das können, sondern eben auch mit unserer Körperlichkeit können wir Großartiges leisten und für andere da sein. „Wisst ihr denn nicht“, so schreibt der Apostel Paulus, „dass euer Körper ein Tempel des Heiligen Geistes ist und den ihr von Gott bekommen habt? Darum preist Gott mit eurem Leibe!“ (1. Kor. 6, 19+20) AMEN © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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2. Gemeindelied Der Tag ist um, die Nacht kehrt wieder (EG, Nr. 490) Fürbittengebet (nach einer Anregung von Pierre Stutz) 1. Dich genießen Gott: In dem Körper, der uns geschenkt ist, in der Kreativität, im lachenden, unbeschwerten Zusammensein, in sportlicher Ausgelassenheit, in der Sexualität, im Staunen über die Kraft unserer Intuition und die unerschöpfliche Phantasie, die uns bewohnt. 2. Freude haben an dir Gott: im Dasein-Können, in der zärtlichen Zuwendung, im lustvollen Essen, im Bewundern der Tiere, im Erholen bei der Gartenarbeit. Dich genießen Gott: als ganzheitliche Kraft, die uns mit der ganzen Schöpfung verbindet. 1. Gott, vielen Menschen fällt es schwer, dich zu genießen. Sie haben den Bezug zu ihrem Körper verloren. Sie haben sich eingegraben in Krankheit und Trauer. Sie können sich keinen Genuss gönnen. 2. Sie verbieten sich das Schöne. Sie sind unzufrieden mit sich und der Welt. Sie jagen dem ultimativen Genuss nach und vergessen das Leben in der Gegenwart. 2. Für diese Menschen und uns bitten wir: Lass uns deine Nähe spüren, lass uns das Leben genießen, heute und jetzt, so wie wir sind. Amen. Vaterunser Segen Abkündigungen © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

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Ausgangsmusik

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Quellennachweis

Barth, Friedrich K., Grenz, Gerhard, Horst, Peter, Gottesdienst menschlich: Eine Agende, Wuppertal 1990.

Was in der Vorbereitungsphase der Predigten erst notierte Lesefrüchte waren, sind vielleicht an der einen oder anderen Stelle in unsere Ausdrucksweise eingegangen. Es ist von daher nicht ausgeschlossen, dass Sie bei der Lektüre etwas entdecken, was Ihnen aus einer anderen Quelle bekannt vorkommt. Wenn dies geschieht, dann war es keine Absicht, sondern ist es eher als Kompliment für den Ursprungsschreiber zu sehen.

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Literatur und Bild im Gottesdienst

Stephan Goldschmidt / Inken Richter-Rethwisch

Hans-Georg Ulrichs (Hg.)

Literaturgottesdienste

Gottesdienste mit Kunstwerken

Dienst am Wort. Die Reihe für Gottesdienst und Gemeindearbeit, Band 128

Dienst am Wort. Die Reihe für Gottesdienst und Gemeindearbeit, Band 152

2010. 144 Seiten, kartoniert ISBN 978-3-525-59535-0

2013. 126 Seiten mit digitalem Zusatzmaterial, kartoniert ISBN 978-3-525-63047-1

Auch als eBook erhältlich. Format(e) und weitere Infos siehe www.v-r.de

Stephan Goldschmidt und Inken Richter-Rethwisch stellen biblische Texte Seite an Seite mit Stücken der Weltliteratur und zeitgenössischen Werken. Diese Literaturgottesdienste laden von zwei Seiten – von geistlicher und von weltlicher – dazu ein, stets neu wachzurufen, was das Leben mit Sinn erfüllt: Hoffnung, Nächstenliebe, Lebenslust und Freude.

Bilder predigen

Auch als eBook erhältlich. Format(e) und weitere Infos siehe www.v-r.de

Bilder haben das Potenzial, anregend zu sein. Darum sind sie eine Bereicherung auch für Gottesdienst und Predigt. Leicht ist der homiletische Umgang mit ihnen jedoch nicht. Da bedarf es der Anleitung. Oder besser: vieler verschiedener Beispiele. In dem von Hans Georg Ulrichs herausgegebenen Band sind es 13 Bilder und 13 Predigten, die so bereits gehalten worden sind.

www.v-r.de

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525630556 — ISBN E-Book: 9783647630557

Gottesdienst mit Filmen

Hans Martin Dober

Hans Martin Dober

Film-Predigten

Film-Predigten II

Dienst am Wort. Die Reihe für Gottesdienst und Gemeindearbeit, Band 127

Dienst am Wort. Die Reihe für Gottesdienst und Gemeindearbeit, Band 146

2. Auflage 2011. 160 Seiten, kartoniert ISBN 978-3-525-59536-7

2012. 192 Seiten, kartoniert ISBN 978-3-525-63042-6

Auch als eBook erhältlich. Format(e) und weitere Infos siehe www.v-r.de

Auch als eBook erhältlich. Format(e) und weitere Infos siehe www.v-r.de

Hans Martin Dober nimmt uns anhand populärer Kinofilme mit auf die Reise in andere Länder, andere Zeiten, andere Milieus und Lebenssituationen. Durch seine Predigten dazu eröffnet er 15 neue Zugänge zur Botschaft des Evangeliums. Die Gottesdienste sind nach dem Kirchenjahr sortiert, am Wochenspruch orientiert und halten Vorschläge zur weiteren Lektüre bereit.

Dieser zweite Band über Film-Predigten sucht den theologischen Sinn des »Gesetzes« in 15 ausgewählten Filmen und bringt die Gemeinde mit dem Evangelium ins Gespräch. Entweder finden sich Spuren zur befreienden Botschaft des Christentums in den Filmen selbst, oder aber das in ihnen zu erkennende Gesetz wird zum Anlass, es ins Licht des Evangeliums zu stellen. Ein Essay entfaltet den theologischen Sinn der für die Hermeneutik der Filme leitenden Kategorien »Gesetz« und »Evangelium«.

www.v-r.de

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