Präödipale Helden: Neuere Männlichkeitsentwürfe im Hollywoodfilm. Die Figuren von Michael Douglas und Tom Cruise [1. Aufl.] 9783839417973

Hollywoods Zeiten, in denen sich die Filmhelden nach Freuds ödipalem Männlichkeits-Archetypus (Mut, Tapferkeit, Virilitä

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German Pages 258 [260] Year 2014

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Table of contents :
Inhalt
Einleitung
Kapitel 1. Ödipale Heldenfiguren
Psychoanalytische Subjekttheorie I: Freuds Ödipus-Modell
Psychoanalytische Subjekttheorie II: Lacans Ödipus als Kulturtheorie
Ödipus im klassischen Hollywood (1930er - 1960er): Dispositiv – Narrativ – Helden (River of No Return, Gilda, Casablanca)
Kapitel 2. Moderne vs. Postmoderne. Ein sozialgeschichtlicher Exkurs
Das Subjekt der Moderne und seine Modellierung nach Ödipus
Postmoderne Subjektivität: Der Bruch mit Ödipus
Kapitel 3. Formen präödipaler Subjektivität nach 1970
Narzissmus
Hedonismus
Masochismus
Anti-Ödipusse (David Lynchs’ Filme, A Clockwork Orange, Falling Down)
Kapitel 4. Präödipale Helden: Die Figuren von Michael Douglas und Tom Cruise
Hollywood der frühen 1970er Jahre, Actionhelden (Die Hard) und soft men (Forrest Gump). Ein Forschungsüberblick
Michael Douglas und Tom Cruise
Star personas
Die Heldenfiguren des Michael Douglas
Die Heldenfiguren des Tom Cruise
Fazit und Ausblick. Ein Blick auf die Helden von Brad Pitt und George Clooney
Literatur
Filme
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Präödipale Helden: Neuere Männlichkeitsentwürfe im Hollywoodfilm. Die Figuren von Michael Douglas und Tom Cruise [1. Aufl.]
 9783839417973

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Hans-Christian Mennenga Präödipale Helden

Film

Danken möchte ich Dr. Jan Hans, der das Projekt mit seinen inspirierenden und kritischen Ratschlägen von Beginn an bereichert hat, Ulf Heidel, Wibke Bruns und Katrin Hörnlein für ihre überaus produktiven Anregungen und insbesondere Simone, Ingeborg und Rainer für ihre großartige Unterstützung.

Hans-Christian Mennenga (Dr. phil.) hat an der Universität Hamburg promoviert und ist Redakteur bei der WDR-Hörfunkwelle 1LIVE in Köln. Sein Arbeits- und Forschungsinteresse gilt der Populärkultur.

Hans-Christian Mennenga

Präödipale Helden Neuere Männlichkeitsentwürfe im Hollywoodfilm. Die Figuren von Michael Douglas und Tom Cruise

Das vorliegende Buch wurde 2010 als Dissertation an der Universität Hamburg angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2011 transcript Verlag, Bielefeld

Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlagkonzept: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Umschlagabbildung: © Paramount Pictures. Bild aus Fatal Attraction (1987) mit Michael Douglas und Glenn Close Satz: Hans-Christian Mennenga Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-8376-1797-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Inhalt

Einleitung | 7 Kapitel 1 Ödipale Heldenfiguren | 25

Psychoanalytische Subjekttheorie I: Freuds Ödipus-Modell | 25 Psychoanalytische Subjekttheorie II: Lacans Ödipus als Kulturtheorie | 32 Ödipus im klassischen Hollywood (1930er - 1960er): Dispositiv – Narrativ – Helden (River of No Return, Gilda, Casablanca) | 46 Kapitel 2 Moderne vs. Postmoderne. Ein sozialgeschichtlicher Exkurs | 73

Das Subjekt der Moderne und seine Modellierung nach Ödipus | 73 Postmoderne Subjektivität: Der Bruch mit Ödipus | 81 Kapitel 3 Formen präödipaler Subjektivität nach 1970 | 99

Narzissmus | 100 Hedonismus | 130 Masochismus | 140 Anti-Ödipusse (David Lynchs’ Filme, A Clockwork Orange, Falling Down) | 152

Kapitel 4 Präödipale Helden: Die Figuren von Michael Douglas und Tom Cruise | 163 

Hollywood der frühen 1970er Jahre, Actionhelden (Die Hard) und soft men (Forrest Gump). Ein Forschungsüberblick | 163 Michael Douglas und Tom Cruise | 174 Star personas | 174 Die Heldenfiguren des Michael Douglas | 181 Die Heldenfiguren des Tom Cruise | 200 Fazit und Ausblick. Ein Blick auf die Helden von Brad Pitt und George Clooney | 221 Literatur | 231 Filme | 253

Einleitung

„The hero is he who is immovably centred.“ Nach dieser Formel des US-amerikanischen Philosophen Ralph Waldo Emerson (1903: 262) agieren die von Gary Cooper, Humphrey Bogart, John Wayne und Co. gespielten großen Helden in der von den 1930er bis in die frühen 1960er Jahre reichenden Ära des klassischen Hollywood-Spielfilms. In den Grundfesten ihres Charakters sind sie determiniert durch fundamental als männlich wahrgenommene Qualitäten wie Mut, Stärke und Erhabenheit, kraft derer sie ein ums andere Mal und in stets gleicher Weise triumphieren. Seit den 1970er Jahren gilt Emersons Axiom der Unverrückbarkeit des Helden-Ich in Hollywood nicht mehr. Es ist auf grundlegende Weise transzendiert worden. Statt mit stabiler Männlichkeit und klarer Linie der ihnen auferlegten Mission zu folgen (und sie schlussendlich zu erfüllen), verfangen sich die neueren populären Helden im Prozess der eigenen Identitätsfindung. Zwei Schauspieler, auf deren Helden dies in besonderer Weise zutrifft, sind Michael Douglas und Tom Cruise. Douglas’ Helden haben ein Frauenproblem. Ihrem sexuellen Begehren steht die Unfähigkeit zu emphatischen Liebesbeziehungen gegenüber. Aus eigener Kraft können sie diesen Konflikt kaum lösen. Sie pendeln zwischen der bedrohlichen Femme fatale und der liebenden Ehefrau. Problematisch ist auch das Verhältnis zu Autoritäten, die Douglas’ Helden zumeist misstrauen oder sie nicht ernst nehmen. Ihr Auftreten wird dabei weit weniger geprägt durch männliche Attribute wie Durchschlagskraft und (Muskel-)Stärke denn durch mangelnde Kontrolle, Essensreste im Gesicht und knabenhaft umgeschnallte Rucksäcke. Tom Cruises Helden suchen ihre Bestimmung primär in einer Art adoleszentem, sportlich-körperlichem Wettstreit mit anderen

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jungen Männern, durch den Hochgefühle bei ihnen freigesetzt werden. Yuppietum, unbefangenes Abenteuer und Spaß sind wesentliche Größen ihrer Lebenswelt. Das Interesse an und Verständnis für Frauen ist demgegenüber nicht besonders ausgeprägt. Entweder werden sie weitgehend ausgeschlossen oder wirken eher wie Mütter denn wie Geliebte. Zudem tragen auch Cruises Helden kraftraubende Konflikte mit den Autoritäten aus, allen voran den bisweilen intriganten Vaterfiguren. Hollywoods männliche Helden seit den 1970er Jahren sind in ihrem Wesen, Handeln und den Konstellationen, in denen sie agieren, gekennzeichnet von Instabilitäten und Brüchen oder – positiv formuliert – von Wandelbarkeit und Dynamik. Dabei sticht ihre ostentative Unfertigkeit hervor. Trotz ihres zumeist fortgeschrittenen Alters zwischen 30 und 50 scheint es, als hätten sie ihre Entwicklung vom Jugendlichen zum Erwachsenen noch nicht abgeschlossen und wollten dies auch gar nicht so recht. Jugendlichkeit wird hier auf besondere Weise kultiviert und offenbart sich nicht als eine Frage des Alters, sondern eher als Ausdruck einer „Lebensphilosophie“ (Savage 2008: 463). Obgleich also im jüngeren Hollywood-Spielfilm unterschiedliche und widersprüchliche Bilder von Männlichkeit auftauchen, war das Thema der Männlichkeit im Film in der kulturtheoretischen Forschung, gerade in Deutschland, lange Zeit eher unterrepräsentiert und rückt erst in jüngerer Zeit in den Blick.1 Mit der vorliegenden Studie möchte ich hierzu einen Beitrag leisten, der sich diesem komplexen Themengebiet annähert, indem er zeitgenössische Repräsentationsformen des männlichen Filmhelden systematisch untersucht. Im Fokus soll dabei ein Subjekttypus des Hollywood-Helden stehen, der sich seit den 1970er Jahren herausgebildet und jenen Typus des klassischen, unerschütterlichen Helden abgelöst hat. Zum Subjektbegriff Im Verständnis der vorliegenden Studie ist der Begriff Subjekt zunächst eine formale Größe: Er bezeichnet den Schnitt- und Fluchtpunkt gesellschaftlicher, sozialer und kultureller Ordnungen und Praktiken zu einer bestimmten Zeit. Louis Althusser und Michel Foucault haben diese Perspektive auf das Subjekt eröffnet, das bei ihnen nicht

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Vgl. auch Christian Hißnauer und Thomas Klein (2002: 11ff.).

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ohne die jeweils gültigen gesellschaftlichen Machtverhältnisse zu denken ist (vgl. Zima 2000: 237ff.). In der Theorie Althussers drängen sich diese Machtverhältnisse den historisch handelnden Individuen, „vor allem als Strukturen auf, ohne durch ihr Bewusstsein hindurchzugehen“ (Althusser 1968: 183). Auf diese Weise grundieren sie ihren sozialen Alltag und werden zum „Medium unsichtbarer Identitätsmuster“ (Kaltenecker 1996: 16). Althusser spricht hierbei von der „Anrufung“ (1977: 140) des Einzelnen durch die sinngebenden Praktiken der herrschenden Ordnung. Erst durch sie wird er als gesellschaftliches Subjekt konstituiert. Für Foucault ist das Subjekt „keine Substanz, sondern eine […] Form“ (Ruffing 2008: 111), die durch die Werte der gesellschaftlichen Ordnung und sozialen Autoritäten einer Epoche mit inhaltlichen Zuschreibungen gefüllt wird. Foucault zufolge gilt es „herauszufinden, welches die Bedingungen sind, die jedem Subjekt überhaupt auferlegt sind, so dass es sich in das systematische Netz dessen, was uns umgibt, einfügen, darin funktionieren und als Knotenpunkt dienen kann“ (Foucault 2002: 528). Aus der Perspektive Althussers und Foucaults ist das Subjekt nicht auf der Ebene abstrakter, weltanschaulicher Entwürfe2 angesiedelt, sondern kann konkret in seinem Prozesscharakter und seinen Strukturen beschrieben werden. In der jüngeren deutschsprachigen Diskussion hat vor allem Kultursoziologe Andreas Reckwitz diesen Ansatz aufgegriffen und den Subjektbegriff zur zentralen Kategorie einer „subjektorientierten“ (Reckwitz 2006: 20) Kulturwissenschaft gemacht. In Das hybride Subjekt (ebd.) definiert er, das Subjekt sei „als eine sozio-kulturelle Form zu verstehen, als kontingentes Produkt symbolischer Ordnungen, welche auf sehr spezifische Weise modellieren, was ein Subjekt ist, als was es sich versteht, wie es zu handeln, zu reden, sich zu bewegen hat, was es wollen kann“ (ebd.: 40).

Das Subjekt könne als Katalog kultureller Formen einer jeweiligen Epoche entziffert werden, die es sich antrainiere und die sich in ihm qua spezifischer Dispositionen, Kompetenzen und Affektstrukturen einprägten (vgl. ebd.: 10ff.). Reckwitz bezeichnet diesen Prozess als „Subjektivation“ (ebd.).

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Zum Beispiel die Idee des Subjekts der Vernunft oder des Kapitalismus.

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Aufgabe des kulturwissenschaftlichen Forschungsprogramms sei es, jene in einem spezifischen historischen Kontext gültigen sozialen und kulturellen Formen der Subjektivation zu rekonstruieren. Als zentrale Felder solcher Subjektivationen nennt Reckwitz die greifbaren sozialen Alltagspraktiken der Arbeit, der persönlichen-intimen Beziehungen und – in Anlehnung an Foucault – der „Technologien des Selbst“, unter die er das Verhältnis der Subjekte zu sich selbst fasst, welches sich unter anderem in ihrer Nutzung von Medien oder aus ihrem Konsumverhalten herstelle (ebd.: 16). Ergänzend können die sozialen Praktiken bei der Produktion und Rezeption kulturell-materialer Artefakte – also zum Beispiel Spielfilme – untersucht werden, in denen Codes und Typen eine Wirkung entfalten, die für die jeweilige Epoche konstitutiv sind.3 Vor diesem kulturtheoretischen Hintergrund fragt die vorliegende Studie nach den Subjektivationsmustern, die der Hollywood-Spielfilm seit den 1970er Jahren thematisiert und den Subjekttypen, die er auf diese Weise zur Diskussion stellt. Materialisiert werden diese in den fiktiven männlichen Heldenfiguren, die in ihren Wunsch- und Begehrensstrukturen, körperlichen Routinen und psychisch-affektiven Orientierungen untersucht werden sollen. Sie setzen sich aus einem umfangreichen Bündel mentaler und physischer Dispositionen zusammen, das nicht homogen sondern widersprüchlich strukturiert ist (vgl. ebd.: 39). Die vorliegende Studie fragt also nach der Konstitution von Heldensubjekten als Typen der Subjektivation4 in einem spezifischen histori-

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An anderer Stelle (2008) konkretisiert Reckwitz die Bedeutung von Literatur und Film als Orte der Subjektivation anhand zweier Beispiele. Er analysiert den Spielfilm Stage Beauty von 2004, dessen Handlung Ende des 17. Jahrhunderts spielt und der dank der geschlechtlichen, intimpersönlichen und affektiven Strukturierung seiner Protagonisten die „Geburt ‚moderner‘ Subjekte – genauer: die Herauskristallisation einer spezifischen Version moderner bürgerlicher Subjektordnung“ (ebd.: 6) – repräsentiere. Des Weiteren erkennt er in Defoes Heldensubjekt des Robinson Crusoe von 1719 das Modell des homo oeconomicus, also des „zielstrebigen Arbeitersubjekts, dessen Maßstab die Nützlichkeit, dessen Ziel das Eigentum und dessen Antipode der ‚Abenteurer‘ ist“ (ebd.: 8).

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Heldenfiguren werden hier bezüglich ihrer allgemeinen Funktion als Repräsentanten und Träger körperlich-mentaler Eigenschaften also mit dem Begriff der Subjekttypen belegt. In der konkreten Analyse einer Heldenfi-

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schen Kontext5. Die von den zeitgenössischen US-amerikanischen Blockbuster-Schauspielern Tom Cruise und Michael Douglas verkörperten fiktionalen Heldensubjekte (bisweilen aber auch die gesamte Star persona beider Schauspieler) sollen dabei exemplarisch als Typen erfasst werden, in denen sich die seit den 1970er Jahren gültigen und vorherrschenden sozialen und kulturellen Alltagspraktiken der Arbeit, der persönlichen-intimen Beziehungen und der Technologien des Selbst verdichten. In diesem Zusammenhang gilt es auch zu klären, was diese Helden von ihren Vorgängern im klassischen HollywoodSpielfilm der 1930er bis 60er Jahre unterscheidet bzw. in welche gesellschaftlichen Formationen diese einzuordnen sind. Aus diesem Ansatz ergeben sich die grundlegenden Fragen, denen in der vorliegenden Studie nachgegangen werden soll: In welchem wissenschaftlichen Konzept lassen sich Hollywood-Helden als (populär-)kulturelle Subjekttypen vor und nach 1970 systematisch bestimmen und beschreiben? Welche sozialen und kulturellen Praktiken sind dafür verantwortlich, dass sie sich ab dieser historischen Schwelle etabliert haben? Wie zeichnen sich die veränderten Subjekttypen in ihrem Erscheinungsbild praktisch aus? Und welche Wechselbeziehung besteht zwischen ihrem Auftreten und der Ästhetik und Struktur des jüngeren Hollywood-Spielfilms? Die psychoanalytische Subjekttheorie und der Versuch ihrer Historisierung Subjekte werden in ihren körperlich-mentalen Strukturen aus den sozial-kulturellen Praktiken einer Epoche modelliert. Um jene körperlichmentalen Strukturen beschreiben und deuten zu können, bedarf es einer Theorie, die es ermöglicht, materiale Aussagen über das Subjekt zu

gur, zum Beispiel der des Maverick in Top Gun (1986) spreche ich jedoch, wie in der Filmtheorie üblich, vom einzelnen Heldensubjekt. 5

Ähnliche Fragen werden bereits in verschiedenen filmwissenschaftlichen Untersuchungen gestellt, zum Beispiel in Susanne Weingartens (2004) Studie über Heldensubjekte und Körperlichkeit, vor allem jedoch im Werk Slavoj Žižeks, der unter anderem die geschichtliche Vermittlung der Hitchcock-Spielfilme, ihrer Figuren und Motive untersucht (2002) und dessen Texte an mehreren Stellen der vorliegenden Studie hilfreiche Anregungen bieten werden.

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treffen (vgl. Keupp/Hohl 2006: 7ff.), das heißt die formale Kategorie Subjekt mit Substanz ‚auszufüllen‘. Die vorliegende Studie arbeitet dabei mit den Modellvorstellungen der psychoanalytischen Subjekttheorie nach Sigmund Freud und Jacques Lacan. In ihrem Zentrum steht, wenn auch bei beiden Theoretikern auf unterschiedliche Weise, die Idee, dass das Subjekt ödipal generiert wird. Ödipal meint im anthropologischen Verständnis Freuds, dass das Wesen eines jeden Subjekts durch seine frühkindliche psychosexuelle Erfahrung und Interaktion mit der geliebten, begehrten Mutter und dem störenden, autoritären Vater determiniert wird. Lacan wendet sich später partiell von Freuds Familialismus ab und überträgt das ödipale Szenario in eine formale triadische Struktur. Beiden gemein ist, dass sie die ödipale Genese des Subjekts als Voraussetzung für dessen erfolgreiche Integration ins System der Gesellschaft beschreiben. Auf Grundlage dieses hier zunächst erst einmal sehr grob skizzierten Programms psychoanalytischer Subjekttheorie soll herausgearbeitet werden, wie im Hollywood-Spielfilm seit den 1970er Jahren die klassische Vorstellung eines ödipalen, männlichen Subjekttypus weitgehend durch das massive Auftreten anderer Subjekttypen infrage gestellt wird. Diese, so die These, verweigern sich dem ödipalen Szenario und bleiben einem früheren, präödipalen Entwicklungsstadium verhaftet. Als dessen drei wesentliche qualitative Merkmale sollen später Narzissmus, Hedonismus und Masochismus identifiziert werden. In Kategorien der psychoanalytischen Theorie sollen männliche Heldensubjekte des Hollywood-Spielfilms bis ca. 1970 als ödipale und danach als präödipale Typen erfasst werden. Hierbei muss jedoch differenziert werden: Freuds psychoanalytische Theoreme bieten keine historischen Lesweisen an. Sein Entwurf zur Subjektgenese ist per se als überhistorische, anthropologische Konstante angelegt. Lacans Modell hingegen ist mehrschichtiger. Zwar zeichnet auch er den Ödipuskomplex am Beispiel des kleinen Hans „quasi-anthropologisch“ (Reckwitz 2006: 53) nach, leitet daraus aber eine formale Struktur ab, in die er die gesellschaftlichen Verhältnisse als konstitutive, veränderbare Größe mit einbezieht. Im Gegensatz zu Freud arbeitet er somit „den untrennbaren Zusammenhang von kulturellen Ordnungen und psychisch-affektiven Orientierungen“ (ebd.: 52) heraus. Ziel der vorliegenden Studie ist es, mit Lacan die Starre der psychoanalytischen Subjekttheorie aufzubrechen und das von ihr beschriebene Grundmodell – entgegen seiner ursprünglichen

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freudschen Bestimmung – zu historisieren. Das heißt konkret, danach zu fragen, wie es sich im gesellschaftlichen Kontext der 1970er Jahre umarrangiert respektive wie sich in der theoretischen Betrachtung seine Struktur und Versatzstücke im komplexen Feld veränderter sozialkultureller Praktiken verschieben.6 Zu den sozial-kulturellen Praktiken im Spannungsfeld von Moderne und Postmoderne Welche Veränderungen finden in den sozial-kulturellen Praktiken statt, so dass sich an der Schwelle zu den 1970er Jahren ein neuer Subjekttypus der Hollywood-Helden etabliert? Zur Beantwortung dieser Frage greift die vorliegende Studie auf sozialwissenschaftliche Arbeiten zurück, denen zufolge sich zu jener Zeit die homogene bürgerlichwestliche Gesellschaft der Moderne in eine heterogene postmoderne Gesellschaft umwandelt.7 Dominante Wertmuster, Sicherheit verheißende Lebensformen und Geschlechtsrepräsentationen verlieren ihre Allgemeingültigkeit und werden durch solche überlagert, die bis dato nur marginal existieren konnten. Die Lebensentwürfe der Subjekte werden zunehmend fragmentarischer, variabler und durch Konflikte und Widersprüche bestimmt. Dieser Prozess bedeutet eine massive Enttraditionalisierung. Auf den für die Produktion von Subjekten kon-

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Mit diesem Konzept folgt die vorliegende Studie der jüngeren kulturtheoretisch begründeten psychoanalytischen Subjektforschung, die die sozialhistorischen Verhältnisse bereits grundsätzlich einbezieht und in diesem Kontext Männlichkeit als ein mehrschichtiges und wandelbares, nie fertigzustellendes Produkt eines Prozesses auffasst (vgl. Mertens 1997). Auch laut John Brenkman (1993: 225ff.) muss das Feld der Männlichkeit von seiner ahistorischen und singulären freudschen Logik der ödipalen Genese abgekoppelt werden, da diese den sozialen Einflüssen und Wechselfällen nicht gerecht werde. „Many of the motifs of the Oedipus complex are simply the effects of this cultural pathology as it rebounds in the psychosexual development of boys“ (ebd.: 236).

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Präziser müsste es heißen, dass es sich um einen bereits früher einsetzenden, schleichenden Prozess der Umwandlung handelt, der die Stabilität und Dominanz der modernen Gesellschaft aber erst um 1970 brach. Ich werde die historischen Epochen der Moderne und der Postmoderne in Kapitel 2 ausführlich besprechen.

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stitutiven sozialen Feldern der Arbeit, der persönlichen und intimen Beziehungen und dem – zum Beispiel in der Freizeit und über Medien hergestellten – Verhältnis zu sich selbst ist der Verlust leitender Bezüge beobachtbar. Postmoderne Lebensentwürfe sind vielgestaltig, fragmentarisch, unverbindlich und primär durch den Wunsch nach Konsum und Erlebnis bestimmt. In diesem Kontext haben sich die sogenannten Men’s Studies (vgl. Gotto 2001: 8ff.) entwickelt, die sich vor dem Hintergrund jener Enttraditionalisierung explizit mit der postmodernen Repräsentation von Männlichkeit, häufig unter dem Schlagwort der „Männlichkeit in der Krise“ (vgl. Kimmel 1996, Petersen 1998: 15, Bronfen 2003: 15), auseinandersetzen.8 In den Sozialwissenschaften gibt es seit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert diverse Ansätze, das menschliche Individuum der Moderne als Sozialcharakter sichtbar zu machen. Diese Ansätze „haben versucht, die für eine bestimmte Epoche, Gesellschaft oder Klasse ‚typische‘, ‚durchschnittliche‘ oder ‚erwartbare‘ Subjektstruktur zu beschreiben“ (Keupp/Hohl 2006: 10), um zu zeigen, dass das Individuum in seinem Handeln nicht frei, sondern gesellschaftlichen „institutionellen Komplexe[n], vor allem politischer, rechtlicher, ökonomischer Art“ (Reckwitz 2006: 23) unterworfen ist. Von besonderem Interesse für die vorliegende Arbeit sind diverse Ansätze, die seit Mitte des 20. Jahrhunderts entworfen worden sind und auf die ich an späterer Stelle detaillierter eingehen werde. Ich rekurriere hierbei zunächst auf Theodor W. Adorno (1980) und Herbert Marcuse (1965), die in den 1950er Jahren beschreiben, wie in der späten Moderne die bürgerliche Persönlichkeit – gegenüber der sie eine kritische Haltung einnehmen – durch amoralische und konsumorientierte Dispositionen unterminiert wird, oder auch den US-amerikanischen Soziologen David Riesman (1956), der diesen Prozess als die Entstehung des „außen-geleiteten Subjekts“ bezeichnet. Retrospektiv kann konstatiert werden, dass diese kritischen Ansätze der Sozialwissenschaften zum Sozialcharakter der 1950er und 1960er Jahre auf eine epochale Wende, nämlich das Ende der bürgerlichen Moderne und den Beginn der Postmoderne vorbereiten.

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Dieses wertende Bild der Krisenhaftigkeit soll hier nicht bekräftigt werden. Vielmehr geht es darum, einen differenzierteren Blick auf männliche Subjektivität der Postmoderne herzustellen und ihre emanzipatorische Dimension herauszuarbeiten.

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Von noch unmittelbarerem Wert für den hier betrachteten Zusammenhang sind jüngere sozialwissenschaftliche Ansätze, die seit den 1980er Jahren den Sozialcharakter unter Berücksichtigung eben dieser veränderten Ordnungen und Praktiken der Postmoderne rekonzeptualisieren. Zu nennen wären unter anderem Ulrich Becks (1986) Ansatz zum Subjekt der Risikogesellschaft, Anthony Giddens’ (1991) Ausführungen zur veränderten sozialen Ordnung, die unterschiedlichste Wertsetzungen der Subjekte innerhalb diverser „Lifestyles“ (ebd.: 70) evoziere und Richard Sennetts (1998) Axiom, dem zufolge Subjekte die Postmoderne als ein „aus Episoden und Fragmenten“ (ebd.: 31) bestehendes flexibles, unlesbares Regime erlebten.9 In diesem Kontext sollen auch die veränderten Praktiken der persönlichen und intimen Beziehungen thematisiert werden. So stellen Ulrich Beck und Elisabeth Beck-Gernsheim (1990) sowie Giddens (1993) die These auf, dass in Ehe, Familie und Partnerschaft die Widersprüche der Postmoderne nicht mehr kompensiert werden könnten und sich andere Formen des Zusammenlebens und der Intimität herausbildeten. Des Weiteren soll die umfangreiche Debatte um den postmodernen Sozialcharakter als narzisstische Persönlichkeit nachgezeichnet werden. Im Zentrum stehen dabei die Ausführungen Christopher Laschs von 1979 zum Zeitalter des Narzissmus (1995) und Thomas Ziehes Proklamation eines neuen (narzisstischen) Sozialisationstypus (1980). Eingang in die vorliegende Studie findet auch Imogen Tylers (2007) neuerer Ansatz, dem zufolge die Medien mit ihrer Konsum- und Starkultur für die narzisstische Verfassung der postmodernen Gesellschaft und ihrer Subjekte verantwortlich seien. Eine ähnliche Perspektive vertritt auch Peter Winterhoff-Spurk (2005). Er bezeichnet die durch das Fernsehen und die neuen digitalen Medien sozialisierte Persönlichkeit der Postmoderne als narzisstischen „histrio“ (ebd.: 37ff.). Dieser Begriff aus der römischen Antike symbolisiere in erster Linie „theatralisches und emotional aufdringliches Verhalten“. Histrionische Sozialcharaktere würden in ihrer psychischen Verfassung vor allem insofern beinträchtig, als dass sie

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Ein guter Überblick über diverse sozialwissenschaftliche Ansätze zu diesem Themenkomplex findet sich im Reader Subjektdiskurse im gesellschaftlichen Wandel von Heiner Keupp und Joachim Hohl (2006).

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„Tag für Tag im Fernsehen vorgeführt bekommen, wie Menschen Aufmerksamkeit und Zuwendung, aber auch finanzielle und sexuelle Erfolge erzielen. Ob herausragende Stars oder nur ‚Celebreties‘ der zweiten Reihe – sie alle werden als Modelle für die Hoffnungen, Wünsche und Träume ihrer Bewunderer genutzt“ (ebd.: 173).

Für den hier betrachteten Zusammenhang ist es hilfreich, diese umfangreiche Diskussion um postmoderne Sozialcharaktere in ihren wesentlichen Thesen abzubilden, um die tiefgreifenden gesellschaftlichen Transformationen, die sich ab der Mitte des 20. Jahrhunderts entwickelt haben zu illustrieren. Ich werde diese Diskussion in Kapitel 2 vorstellen. Für das Analyseprogramm dieser Studie haben sie darüber hinaus keine Bedeutung, da sie mit anderen Annahmen über das Subjekt arbeiten. Sozialcharaktere sind in ihrer Darstellung bereits gesetzte, mit Vorannahmen befrachtete, selbst- und affektkontrollierte Individuen, auf die die Frage projiziert wird, „ob sich in der Moderne die Waage zwischen individueller Freiheit und sozialer Disziplinierung bzw. Integration mehr zur einen oder mehr zur anderen Seite neigt“ (Reckwitz 2006: 14). Die Problemstellung über den Sozialcharakter verdichtet sich also in der Polarität von Individuum und Gesellschaft. Identifiziert sich das Individuum mit ihren Handlungsoptionen, normativen Erwartungen und Rollensets oder sucht es nach Wegen, sich von diesen Zwängen zu entbinden? In beiden Fällen werden seine Handlungsfähigkeit und Reflexivität fokussiert. Dies ist jedoch nicht der begriffliche Rahmen der vorliegenden kulturtheoretischen Perspektive auf das Subjekt. Kennzeichnend für sie ist, dass das Subjekt sich erst durch die sozial-kulturellen Praktiken innerhalb der bestehenden Verhältnisse entwirft. „Es ist die kulturelle Form, die das ‚Individuum‘, der ‚Einzelne‘ selber in einem bestimmten historischen Kontext wie selbstverständlich erhält, welche nun ins Zentrum des Blicks rückt“ (Reckwitz 2008: 15). Es stellt sich also die Frage, wie sich im Diskurs der Postmoderne die Individuen der westlichen Gesellschaft Subjektivität überhaupt erst auf den – von Reckwitz für die Produktion von Subjekten als konstitutiv hervorgehobenen – sozialen Feldern der Arbeit, der persönlichen und intimen Beziehungen und der Technologien des Selbst antrainieren. „Statt das reflexive Subjekt vorauszusetzen, wird es dann als Pro-

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dukt hochspezifischer kultureller Subjektivierungsweisen sichtbar“ (ebd.: 16). Teil der kulturellen Modellierung des Subjekts der Postmoderne ist der Hollywood-Spielfilm und die in ihm artikulierten Typen der unter anderem von Michael Douglas und Tom Cruise in mehr als 25 Rollen verkörperten Heldensubjekte. Deren herausragende Bedeutung bemisst sich aus ihrer weltumspannenden Wirkung: Bereits seit mehr als 30 Jahren werden sie von einem Millionenpublikum in der westlichen Welt kollektiv rezipiert. Die psychoanalytischen Konzepte Freuds und Lacans haben ihre Praktikabilität bei der Beschreibung dieser Subjekttypen zu erweisen. Zum Erscheinungsbild der klassischen und der postmodernen Typen des Heldensubjekts Hinsichtlich der zentralen Frage nach Mustern der kulturellen Subjektivation, die vom Hollywood-Spielfilm und seinen Helden vor und nach 1970 ausgehen, gilt es zunächst darzustellen, wie der Typus des klassischen Hollywood-Helden der 1930er bis frühen 1960er Jahre mit dem psychoanalytischen Konzept der ödipalen Subjektgenese beschrieben werden kann. Ich werde verschiedene filmtheoretische Ansätze besprechen, die die enge Wechselbeziehung von ödipaler Subjekttheorie und paternal ausgerichteter bürgerlicher Moderne belegen. Sie zeigen, dass Ödipus die Subjektivierung der Helden und die Form des klassischen Hollywood-Kinos überhaupt – inklusive seiner narrativen Strukturen und des Zuschauerbegehrens – in seinen Grundfesten bestimmt. Es geht also um eine umfassende Dominanz des ÖdipusModells, die insbesondere Teresa de Lauretis (1984) kritisiert. Ihr zufolge macht das klassische Hollywood-Kino seine Zuschauer zu Komplizen des ödipalen Begehrens. Kaja Silverman (1992: 40) entwirft in diesem Zusammenhang den Begriff der ödipalen „dominant fiction“. Zum konkreten Erscheinungsbild der klassischen Heldensubjekte zählen unter anderem die schon weiter oben aufgeführten Charakteristika Mut, Stärke und Erhabenheit, kraft derer der zumeist unfehlbare und im Sinne des bürgerlichen Wertekanons moralisch intakte Held seine (ödipale) Initiationsreise bestreitet, an deren Ende er nicht nur die ihm auferlegten Mission löst, sondern auch mit der begehrenswerten Frau belohnt wird.

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Gering fällt bis dato die filmwissenschaftliche Beschäftigung mit dem Bruch des ödipalen Imperativs im Hollywood-Spielfilm seit den 1970er Jahren aus. In dieser Leerstelle situiert sich die vorliegende Studie. Sie untersucht die Etablierung präödipaler Helden-Subjekttypen innerhalb der veränderten gesellschaftlichen Realitäten der Postmoderne. Ich werde in Kapitel 3 einen umfangreichen Katalog mentaler und physischer Dispositionen erarbeiten, die für die Subjektivitäten jener postmodernen Helden charakteristisch sind. Elementarer Aspekt dabei ist die Neuausrichtung des Verhältnisses zu den Elternrepräsentanzen, das heißt die Abkehr von Vaterfiguren/Autoritäten zugunsten einer stärkeren emotionalen Hinwendung zum Bereich der Mütterlichkeit. Des Weiteren kompensieren postmoderne Hollywood-Helden ihr häufiges Desinteresse an der begehrenswerten, zu erobernden Frau durch adoleszentes, dauerjugendliches Verhalten. Und es ist mitunter ein traumhafter (imaginärer) Rückzug ins eigene Ich sowie eine Viktimisierung, das heißt ein Sich-Einfinden in einer (bisweilen erotischen) Opferrolle zu beobachten. All diese veränderten Charakteristika, die das Wesen und Handeln zeitgenössischer, postmoderner Hollywood-Helden bestimmen, sollen hier unter die Begriffe des Narzissmus, Hedonismus und Masochismus subsumiert werden. Dahinter verbergen sich drei Phänomene, die sich in ihrer theoriegeschichtlichen Bestimmung in das Subjektkonzept der Psychoanalyse einbinden lassen. In diesem symbolisieren sie das Nicht-Gelingen der ödipalen Genese der Heldensubjekte bzw. deren Widerstand gegen diese (lange Zeit funktionsstabile und identitätsstiftende) Form der Subjektivierung. Kraft ihrer narzisstischen, hedonistischen und masochistischen Eigenschaften und Begehren entwickeln die postmodernen Helden Subjektivität aus dem Stadium der Präödipalität heraus. Auf den ersten Blick scheint es, als handele es sich hierbei um einen regressiven Prozess. Dem ist jedoch nicht so. Im Diskurs der Postmoderne bieten präödipale Helden-Subjekttypen des HollywoodSpielfilms eine zeitgemäße Projektionsfläche. Ihre fundamentale Botschaft an das männliche Zuschauersubjekt lautet, dass die klassisch bürgerlichen sozialen Alltagspraktiken und Werte obsolet sind. Gemeint ist zum Beispiel die gesellschaftliche Erwartungshaltung im Hinblick auf Ehe und frühe Familiengründung, die karrieristische Entwicklungslogik mit ihrer Abhängigkeit von Autoritäten und vor allem die vermeintlich naturgegebene männliche Vorherrschaft in der

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Geschlechterordnung. Präödipale Subjekttypen des postmodernen Hollywood-Spielfilms stehen für alternative Lebens- und Repräsentationsformen von Männlichkeit. Insofern behaupte ich, dass die präödipalen Helden weniger in einen regressiven Prozess verwickelt sind, als dass von ihnen – trotz der Konflikte und Widersprüche, die sie zu bewältigen haben – ein befreiendes, emanzipatorisches Moment ausgeht. Die Heldenfiguren von Michael Douglas und Tom Cruise und das Problem der Trennung von Star persona und fiktiver Figur Michael Douglas und Tom Cruise zählen seit Mitte der 1980er Jahre zu den prominentesten und erfolgreichsten Hollywood-Schauspielern. In der vorliegenden Studie sollen einige der von ihnen über einen Zeitraum von knapp 25 Jahren verkörperten Heldensubjekte systematisch analysiert werden. Ich habe diese von Michael Douglas und Tom Cruise dargestellten Helden – stellvertretend für die Helden einer ganzen Reihe zeitgenössischer Hollywood-Schauspieler10 – als Studienobjekte ausgewählt, weil sich in ihnen meiner Ansicht nach die weiter oben aufgeführten grundlegenden Charakteristika der zeitgenössischen Heldengeneration in besonderer Form verdichten. Durch die ausgeprägte und kontinuierliche Repräsentation ihrer narzisstischen, hedonistischen und masochistischen Subjektmuster entwickelt sich jeweils eine Art präödipaler Heldenbiographie. Dabei ist die Trennung von Schauspieler bzw. Mensch, öffentlicher Star persona und fiktiven Heldenfiguren nicht unproblematisch. Susanne Weingarten (2004: 27f.) weist darauf hin, dass die herausragende Bedeutung und Popularität eines Hollywood-Stars (und damit seine Relevanz als Studienobjekt) nur im komplexen Zusammenwirken zweier Ebenen, nämlich der außerfilmischen, „extradiegetischen“ (Glamour, Boulevard, Gossip, Fanverehrung etc.) und der innerfilmisch fiktiven, „intradiegetischen“ Darstellung zustande kommt. Beide Ebenen stünden in „permanentem diskursivem Austausch“ und würden „ständig zueinander in Beziehung gesetzt“ (ebd.). Das bedeutet, dass zum Beispiel die adoleszente Heldenfigur Maverick in Top Gun (1986) eine, wenngleich schwerlich genau zu bestimmende Schnittmenge mit dem öffentlichen Image ihres Darstellers Tom Cruise hat und andersherum. Der Hauptgrund dafür liegt vornehmlich in

10 Zu ihnen zählen unter anderem George Clooney und Brad Pitt. Ich werde im abschließenden Ausblick auf sie eingehen.

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den funktionellen Mechanismen des Filmbusiness begründet. Zwecks Vermarktung und PR werden zum Start eines Films gezielt – an die Filmrolle angepasste – Interviews, Bilder und Gerüchte aus dem vermeintlich ‚wahren Leben‘ des Stars veröffentlicht. Um dem Umstand dieses komplizierten diskursiven Konzepts der Star persona in dieser Studie gerecht zu werden, soll im filmanalytischen Teil die außerfilmische, „extradiegetische“ Vita der beiden hier behandelten Schauspieler Douglas und Cruise in groben Zügen skizziert werden. In beiden Fällen wird sich (wenig überraschend) herausstellen, dass das über beide Darsteller in der Öffentlichkeit platzierte Bild in wesentlichen Zügen dem Typus ihrer präödipalen Heldensubjekte entspricht. Aussagen über die Privatmenschen Douglas und Cruise können auf Grundlage dieser Informationen indes nicht getroffen werden. Über die Frage, welche präödipalen Dispositionen in ihnen möglicherweise tatsächlich angelegt sind, so dass die Filmindustrie in der Vergangenheit immer wieder entsprechende Rollen mit ihnen besetzt (oder extra für sie kreiert) hat, kann nur spekuliert werden. Grundsätzlich gilt mein Interesse den von beiden Stars verkörperten fiktiven Heldenfiguren. Sie sind der Gegenstand dieser kulturtheoretischen Analyse von Subjekttypen. Zur Wechselbeziehung zwischen veränderten Subjekttypen und der Ästhetik und Struktur des jüngeren Hollywood-Spielfilms Das klassische Hollywood-Kino wird in seiner Form und Rezeption durch den Prozess der ödipalen Subjektivation dominiert. Im jüngeren Hollywood-Spielfilm seit den 1970er Jahren ist jedoch eine Abkehr vom ödipalen Imperativ und den mit ihm verbundenen Konventionen beobachtbar. Über die veränderte Ästhetik und Struktur hat sich eine intensive filmtheoretische Debatte entwickelt. Einige Autoren beschreiben, wie heterogene Formen und Genrevermischungen die Regeln des klassischen Hollywood-Spielfilms in vielerlei Hinsicht ersetzt haben (Schatz 1993, King 2002). Andere argumentieren hingegen, dass die konventionellen Regeln der Mach- und Bauart dennoch weiterhin gültig seien (Bordwell 1995) oder dass – wie Thomas Elsaesser (1998: 64) lapidar anmerkt – bisweilen die alte „Hollywood-Maschinerie des traditionellen Geschichten-Erzählens [nur] aufgeputzt [wurde] mit modischem Schnickschnack“. Der Befund der vorliegenden Studie ist diesbezüglich ambivalent. Auf den ersten Blick beruhen einige der hier behandelten Filme auf einer klassischen Erzählstruktur,

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die dem Helden eine ödipale Initiationsreise anbietet. Deren formale Elemente sind eine zu erfüllende Mission, durch die der Held seine Virilität bestätigen könnte, die moralische Instanz einer ödipalen Vaterfigur sowie die zu begehrende Frau. Bei genauerer Betrachtung fällt jedoch auf, dass diese Struktur von Rissen und Brüchen durchzogen ist. Während zum Beispiel der klassische Hollywood-Spielfilm River of No Return (1954), der später ausführlich besprochen werden soll, in seiner Bildästhetik und den figuralen Anordnungen immer wieder die ödipale, triangulierte Struktur und das paternale Gesetz zum obersten Prinzip erhebt, subvertiert Top Gun (1986) formal derlei Strukturierung, indem er (wie viele von Cruises Filmen) die Position der Vaterfigur suspendiert und in der Inszenierung von F-14-Kampfjets und ihrer Piloten ein präödipales, adoleszentes Allmachtsphantasma feiert. In der Douglas-Trilogie Fatal Attraction (1987), Basic Instinct (1992) und Disclosure (1994) ist es die Machtfunktion einer Femme fatale, die die ödipale Entwicklung des Helden torpediert und den Narrativen unkonventionelle Wendungen gibt. Grundsätzlich gilt, dass die hier besprochenen Helden sich an den fundamentalen ödipalen Koordinaten des Narrativs reiben und ihren narzisstischen, hedonistischen und masochistischen Begehren folgen. Zum Aufbau der Studie Die vorliegende Studie ist in vier Kapitel unterteilt. Kapitel 1 beschäftigt sich mit den Grundlagen der psychoanalytischen Subjekttheorie von Ödipus als „Produkt einer patriarchalen Kultur“ (Kaltenecker 1996: 7). Ich werde zunächst darlegen, was Freud unter der ödipalen Subjektgenese versteht und warum, laut seiner Theorie, der Junge durch die Überwindung des Ödipuskomplexes (und später der Adoleszenz) in die Lage versetzt wird, klassisch stabile Männlichkeit zu repräsentieren. Im Anschluss daran geht es um Lacan. Zwar glaubt auch er an die ödipale Subjektgenese, er konzipiert sie aber primär als ein abstraktes, formalistisches Modell, dass das Subjekt „als ein kulturell konstituiertes“ (Reckwitz 2006: 52) und damit seine Konstruiertheit und Fragilität thematisiert. Vor diesem Hintergrund ist es möglich, männliche Subjektivität zu denken, die im Kontext der sozial- und kulturgeschichtlichen Transformationen um 1970 ohne die Überwindung des Ödipuskomplexes auskommt und alternative Begehren entwickelt.

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Im Jahr 2006 zeigt die Deutsche Kinemathek eine großangelegte Ausstellung über die Beziehung von Freuds Psychoanalyse zum Kino und populären Spielfilm.11 Die Sujets begreifen Film und Kino als Projektionsfläche für innere Bilder, Wünsche und Erinnerungen und stellen Analogien zum psychischen Apparat, wie ihn Freud konzipiert hat, her. Dabei geht es um die filmischen Verarbeitungen der Traumdeutung, Schaulust und Verdrängung (vgl. Jaspers/Unterberger 2006). Zeitgleich veröffentlicht das Filmarchiv Austria den Reader Psyche im Kino – Sigmund Freud und der Film (Ballhausen/Krenn/Marinelli 2006), der sich auf ähnliche Weise mit der Thematik beschäftigt. In beiden Fällen werden primär unkonventionelle Beispiele aus dem Bereich des Autoren- und Avantgardefilmes oder aber auch Blockbuster von Regisseuren wie David Lynch oder Brian de Palma analysiert, die von verschiedenen Realitätsebenen und Traumelementen bestimmt sind. Das vorliegende Buch möchte hingegen einen fundamentaleren Zusammenhang zwischen der Psychoanalyse und Hollywood herstellen. Es geht darum, wie bestimmend das von der psychoanalytischen Subjekttheorie beschriebene Modell von Ödipus in den gemeinen, reihenweise konventionell produzierten Mainstream-Hollywood-Spielfilm eingeschrieben ist. Im letzten Abschnitt des ersten Kapitels soll illustriert werden, wie dominant die ödipale Logik die Subjektivität der Helden, das Narrativ sowie die Rezeption des klassischen HollywoodSpielfilms bestimmt. Ich werde die Theorie der ödipalen dominant fiction anhand von Analysen der beiden erfolgreichen HollywoodSpielfilme Gilda (1946) und River of No Return (1954) ausarbeiten. Kapitel 2 beschäftigt sich primär mit Überlegungen der Sozial- und Geschichtswissenschaften. Im ersten Abschnitt geht es darum, die sozial-kulturellen Praktiken und Ordnungen der bürgerlichen Moderne (insbesondere auf den drei weiter oben nach Reckwitz benannten Feldern der Arbeit, persönlichen und intimen Beziehungen sowie Technologien des Selbst) zu skizzieren, um aufzuzeigen, wie sie eine Form des Subjekts trainieren, das sich durch das psychoanalytische Modell der ödipalen Subjektgenese bestimmen lässt. Auf Grundlage dieser Überlegungen soll im zweiten Abschnitt dieses Kapitels die für die vorliegende Studie elementare Frage gestellt werden, wie die soziokulturelle Ordnung der bürgerlichen Moderne in ihren tradierten Werte-

11 Kino im Kopf. Psychologie und Film seit Sigmund Freud, Ausstellung vom Sept. 2006 bis Febr. 2007, Filmmuseum Berlin.

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und Lebensmustern an der Epochenschwelle der 1970er Jahre „umkippt“ (Reckwitz 2006: 16) und durch die einer plural ge- und erlebten Konsumgesellschaft der Postmoderne ersetzt wird. Sie evoziert neue, heterogene Formen von Subjektivität, die nicht mehr mit der freudschen Figur des Ödipus erfasst werden können. Lacans psychoanalytisch-kulturtheoretisches Subjektkonzept hingegen ermöglicht deren Bestimmung: Die Postmoderne als veränderte sozial-kulturelle Ordnung modelliert demnach männliche Subjekte, deren körperlichmentale Strukturen und Qualitäten als präödipal beschreibbar sind. Vor diesem Hintergrund stellt die vorliegende Studie die These auf, dass das Hollywood-Kino seit den 1970er Jahren durch präödipale Subjekttypen beherrscht wird. In der zweiten Hälfte dieses Buches geht es darum, präödipale Dispositionen systematisch zu erfassen und zu beschreiben. Der Begriff der Präödipalität definiert sich zunächst erst einmal ganz allgemein über den Umstand der ödipalen Verweigerung, das heißt das Nicht-Akzeptieren der väterlichen Autorität (ausbleibende Intervention des symbolischen Phallus) zugunsten einer bis ins mittlere Erwachsenenalter anhaltenden emotionalen Bindung zum Mütterlichen. Ihren konkreten Ausdruck findet Präödipalität, wie ich in Kapitel 3 ausführlich darlegen werde, in den drei Kategorien Narzissmus, Hedonismus und Masochismus. Kurz skizziert meint Narzissmus die Aufrechterhaltung adoleszenter Verhaltensmuster und Empfindungen, wie zum Beispiel die der Grandiosität und Allmacht, die praktisch unter anderem in sexuellen Abenteuern oder im körperlichen Wettbewerb ausgelebt werden. Der mit dem Narzissmus eng verknüpfte Hedonismus beruht auf intensiver, unmittelbarer Lust- und Genussbefriedigung durch Konsum, Erlebnis und Spektakel – also durch in der postmodernen Gesellschaft in hohem Maße angebotene Erfahrungswelten. Männlicher Masochismus bezieht sich primär auf die Vorstellung der Überantwortung der eigenen Macht sowie den Hang zur (erotischen) Unterwerfung und Opferrolle. Narzissmus und Masochismus sollen hier jedoch nicht als historisch neue, sondern als seit der Neuzeit, über einen langen Zeitraum von den dominanten sozial-kulturellen Praktiken der (ödipalen) Subjektivation massiv überlagerte Phänomene ausgewiesen werden. Insbesondere in der Literatur und bisweilen auch im klassischen Hollywood-Spielfilm sind sie immer latent präsent gewesen. Ich werde dies anhand einiger kulturtheoretischer Analysen nachweisen. Jedoch

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wird sich zeigen, dass es sich hierbei stets um Gegenentwürfe zur bestehenden Norm der kulturellen Ordnung handelte. Erst die Postmoderne beschwört Narzissmus, Hedonismus und Masochismus als emanzipierte Muster der Subjektivation herauf und affirmiert sie in ihren Kunstwerken. Bevor ich dies empirisch am Beispiel des Hollywood-Spielfilms aufzeige, möchte ich zuvor Gilles Deleuzes und Félix Guattaris AntiÖdipus (1974) in Bezug zur vorliegenden Studie setzen. In dem Werk verfassen die beiden Autoren eine radikale Abrechnung mit den bürgerlichen Verhältnissen und der sie repräsentierenden „pathologische[n]“ (ebd.: 65) Idee von Ödipus. Subjektivität ist ihrem Entwurf zufolge asymbolisch, rastlos energetisch und triebhaft. Ich möchte der Frage nachgehen, welche Deutungsmöglichkeiten sich aus der Grundarchitektur des Anti-Ödipus für den Hollywood-Spielfilm seit den 1970er Jahren ergeben. Tatsächlich finden sich seitdem einige Beispiele erfolgreicher Spielfilme, deren Plots und/oder Heldensubjekte durch morbide, zerstörerische Elemente sowie eine bisweilen dissoziative Struktur bestimmt und die durchaus als Anti-Ödipusse im Sinne von Deleuze/Guattari aufzufassen sind. Es wird sich aber auch zeigen, dass dieser die gesellschaftlichen Verhältnisse bedingungslos negierende Topos des Anti-Ödipus in seiner brachialen Radikalität als filmtheoretisches Deutungsmuster nur partiell nützlich ist. Das Gros der postmodernen Hollywood-Spielfilme evoziert männliche Filmhelden, von denen im Zuge ihrer ödipalen Verweigerung eine befreiende, auf die neuen Verhältnisse ausgerichtete Wirkung ausgeht. Im Hinblick auf die drei Phänomene Narzissmus, Hedonismus und Masochismus identifiziere ich sie als präödipale Subjekttypen. Ich werde meine zentrale These abschließend in Kapitel 4 empirisch am Beispiel der von Michael Douglas und Tom Cruise verkörperten Helden des jüngeren Hollywood-Spielfilms belegen. Sie vereinen in sich in besonders ausgeprägter Weise Wesensmerkmale des Narzissmus, Hedonismus und Masochismus und stehen für einen neuen Imperativ in der kulturellen Praktik des Hollywood-Spielfilms der Postmoderne.

Kapitel 1 Ödipale Heldenfiguren

Die psychoanalytische Theorie der ödipalen Subjektgenese steht im Zentrum der vorliegenden Studie. Sie soll in diesem ersten Kapitel ausführlich in ihren zwei wesentlichen Denkrichtungen nach Freud und Lacan entfaltet und in ihrer Bedeutung für die Kulturtheorie bestimmt werden. Ziel ist es, die begrifflichen Kategorien von Ödipus an späterer Stelle zu historisieren und somit Veränderungen der Subjekttypen der Helden des Hollywood-Spielfilms seit den 1970er Jahren zu erarbeiten.

P SYCHOANALYTISCHE S UBJEKTTHEORIE I: F REUDS Ö DIPUS -M ODELL Sigmund Freud gilt allgemein als Begründer der Psychoanalyse. Fundamentaler Unterbau seiner praktischen Arbeit und wissenschaftlichen Lehre ist die Auseinandersetzung mit einem Phänomen, das er als Ödipuskomplex bezeichnet. Als junger Arzt arbeitet Freud 1885/86 einen Winter lang an der bekanntesten psychiatrischen Klinik Europas, dem Hôpital Salpêtrière in Paris. Wahrscheinlich verdichtet sich bei ihm bereits hier eine erste Vorstellung dessen, was ihn fortan nicht mehr loslassen und zu einem elementaren Pfeiler seiner psychoanalytischen Theorie ausreifen wird. „In der Pariser Zeit ging er trotz chronischer Geldnot mehrmals ins Theater. Oedipus Rex mit Mounet-Sully in der Titelrolle machte ihm großen Eindruck“ (Jones 1962: 213). Dieser Eindruck hallt nach: In Sophokles’ 400 v. Chr. verfasstem Mythos vom König Ödipus identifi-

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ziert Freud 1900 die menschliche Schicksalstragödie par excellence. Der Stoff, so beschreibt er es, erschüttere den modernen Menschen nicht minder als gut zwei Jahrtausende zuvor den griechischen Zuschauer. Daher müsse es „eine Stimme in unserem Inneren geben, welche die zwingende Gewalt des Schicksals im Ödipus anzuerkennen bereit ist […]. Sein Schicksal ergreift uns nur darum, weil es auch das unsrige hätte werden können“ (Freud 1948: 269). Ödipus’ Drama liegt darin, dass er, ohne es zu wissen, den eigenen Vater erschlägt und die Mutter heiratet, mit der er vier Kinder zeugt. Erst viel später erkennt er seine verhängnisvolle Verstrickung. Er nimmt sich das Augenlicht und verlässt seine Heimat als Büßer. Freud glaubt, dass diese antike Handlung eine grundlegende Wahrheit der Menschen ausspricht, die in Familie und Gesellschaft aber üblicherweise verschwiegen wird. Bereits in einem Brief im Oktober 1897 offenbart er: „Ein einziger Gedanke von allgemeinem Wert ist mir aufgegangen. Ich habe die Verliebtheit in die Mutter und die Eifersucht gegen den Vater auch bei mir gefunden und halte sie jetzt für ein allgemeines Ereignis frühster Kindheit“ (Freud 1962: 193). Von diesem Gedanken rückt er Zeit seines Schaffens nicht mehr ab. Es sei der „urzeitliche Kinderwunsch“ (Freud 1948: 269) und gehöre zum „eisernen Bestand“ (ebd.: 267) eines jeden von uns, mit dem einen Elternteil sexuell zu verkehren und den anderen zu töten, da er dem Inzest im Wege steht. Freud deutet das ödipale Drama also als mächtige Fantasie im psychosexuellen Haushalt des Kindes, losgelöst von realen Ereignissen.1 Später beschreibt Freud diese Fantasien in seinen Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie (1949) als „polymorph-perverse“ (ebd.: 91) Regungen. Das Kleinkind sei ein autoerotisches Lustbündel, dessen sexuelle Triebe sich zunächst erst einmal nicht auf andere Objekte2 richte-

1

Zumindest korrigiert er sich sehr früh dahingehend. Ursprünglich geht Freud Lohmann (2002: 18) zufolge tatsächlich von einer Verführungsszene zwischen Kind und Eltern aus, die er aber später verwirft.

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Das Objekt, das als zentraler Begriff der psychoanalytischen Theoriebildung auch in der vorliegenden Arbeit des Öfteren eine Rolle spielen wird, kann nach Chodorow folgendermaßen definiert werden: „Objekte werden schon in frühster Kindheit internalisiert oder introjiziert und in Beziehung zu sich gesetzt. Unter Objekten sind Menschen, Aspekte von Menschen oder Symbole von Menschen zu verstehen“ (Chodorow 1986: 60).

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ten, mit Ausnahme der Mutter. Stattdessen erfreue es sich an seinen eigenen erogenen Zonen (Partialtriebe) wie Mund, Lippen, Zunge (orale Phase), Anus (anale Phase) und später den Genitalien (phallische Phase) (vgl. ebd.: 81f.). In der sexuellen Latenzperiode, etwa ab dem fünften Lebensjahr, und später noch einmal zu Beginn der Pubertät komme es dann zu einer Reaktion gegen diese Formen sexuellen Infantilismus (vgl. ebd.: 73ff.). Das „Primat der Genitalität“ (ebd.: 109) setze ein. Der Mensch werde durch Erziehung und biologische Anlage willig und fähig, die Triebe nun zum Zweck der Fortpflanzung einzusetzen und sie auf mögliche Geschlechtspartner zu richten. Dieses Szenario der verschiedenen Phasen libidinöser Triebentwicklung unter Einfluss der sexuell-fantasmatischen Beziehungswirklichkeit zur Mutter und zum Vater nennt Freud 1910 erstmals den Ödipuskomplex (vgl. Freud 1948a: 73), unter dessen Herrschaft das Kind gerate. Da sich das vorliegende Buch in seinem zentralen Interesse mit männlichen Spielfilmhelden und ihrem präödipalen Subjekttypus seit den 1970er Jahren auseinandersetzt, sei an dieser Stelle der Ödipuskomplex des Jungen konkretisiert, wie Freud ihn 1923 in Das Ich und das Es (1947a) und zeitnah in Der Untergang des Ödipuskomplexes (ebd.) darstellt. Das Drama setze kurz nach der Geburt, in der oralen Phase ein. Der Junge entwickle „für die Mutter eine Objektbeziehung, die von der Mutterbrust ihren Ausgang nimmt“ (ebd.: 260). Nach und nach verstärkten sich dabei die sexuellen Wünsche nach ihr und die Wahrnehmung des Vaters als Hindernis (vgl. ebd.). Aus dieser ungünstigen Konstellation komme der Junge nur wieder heraus, wenn er akzeptiere, dass die Mutter dem Vater gehöre. Er müsse sich mit ihm identifizieren, statt ihn als Rivalen zu betrachten, und seine Libido von der Mutter abziehen, um sie auf andere Objekte richten zu können. Dies geschehe allerdings höchst widerwillig und nur unter der Androhung einer fürchterlichen Strafe: Dem Verlust des Penis. Es tritt, „mehr oder weniger brutal, die Drohung auf, daß man ihn dieses von ihm hochgeschätzten Teils berauben werde“ (ebd.: 396). Als mögliche Vollzieher der Kastrationsstrafe kämen der Vater oder der Arzt, also die männlichen Autoritäten in Betracht (vgl. ebd.). Dies sei eine unangenehme Krise im Leben des kleinen Jungen. Sie markiere aber auch das Ende seiner ungestümen infantilen Sexualität, denn sein „Interesse an diesem Körperteile“ sei so groß, dass er sich in letzter Konsequenz vom Wunsch nach der Mutter abwende (vgl. ebd.: 398). Der post-

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ödipale Junge nehme nun stolz seine Stellung als Mann innerhalb der kulturellen Ordnung der Gesellschaft ein. „Durch den Untergang des Ödipuskomplexes hätte so die Männlichkeit im Charakter des Knaben eine Festigung erfahren“ (ebd.: 260).3 Tatsächlich handelt es sich hier aber wohl weitaus weniger um eine charakterliche Festigung als vielmehr um die Festigung eines bürgerlichen Leitbildes bzw. der gesellschaftlichen Repräsentation von Männlichkeit. Freud untermauert mit Ödipus einen „Archetypus des Männlichen“ (Hollstein 1990: 20), der mit Assoziationen wie „Stärke, Standhaftigkeit, Mut, Beharrlichkeit, Heldentum und Fruchtbarkeit“ (ebd.) besetzt ist. Wie brüchig und konstruiert dieses vermeintlich stabile Konzept von Männlichkeit jedoch ist, wird sich aus den späteren Kapiteln dieser Arbeit erschließen. Die drei ödipalen Strukturinstanzen: Es (Mutter), Über-Ich (Vater), Ich (Kind) Nach Freud lassen erwachsene Männer die Erfahrungen ihrer Kindheit nie wirklich hinter sich. Das Gegenteil ist der Fall: Die psychosexuellen Erlebnisse und Empfindungen aus dem ödipalen Szenario – und damit vor allem der sexuelle Wunsch nach der Mutter – wirkten konfliktreich stets aus dem Unbewussten und determinierten Persönlichkeit und Verhalten. Freud referiert diesbezüglich in erster Linie auf den Traum, den er als energische Wiederkehr des Verdrängten deklariert, als „die (verkleidete) Erfüllung eines (unterdrückten, verdrängten) Wunsches“ (Freud 1948: 166).4 Regressionen entstünden aber

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Darüber hinaus finden sich in Freuds Werk kaum explizite Thematisierungen von Männlichkeit (vgl. Mertens 1997: 35).

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Er unterscheidet zwischen manifestem Trauminhalt, das heißt dem Traummaterial, das Menschen im Wachzustand erinnern können, und latentem Traumgedanken, das heißt dem dahinter Verborgenen, dem Schauplatz des eigentlichen Wunsches (vgl. Freud 1948: 140). Der verdrängte Wunsch tritt demnach aus dem Unbewussten in entstellter Form auf die Traumbühne. Zusätzlich wird er dadurch verzerrt, dass er sich entweder in einem einzigen Bild verdichtet (vgl. ebd.: 284) oder sein wesentlicher Inhalt gar nicht erst zur Sprache kommt, sondern auf andere Elemente verschoben wird (vgl. ebd.: 310). Aufgabe der Psychoanalyse sei es, den ver-

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nicht nur im Traum. Laut Freud verraten z. B. Versprecher, Fehlleistungen, Fantasien und diverse Konflikte, Krankheiten und Störungen (Neurosen), dass der Mensch „nur ein Getriebener seiner unterdrückten sexuellen Wünsche [ist]. Während er glaubt Herr im eigenen Haus [Freud 1947: 11] zu sein, regieren im Keller seiner Seele animalische Triebe. Als Sklave seiner frühkindlichen Erlebnisse hat er Angst und weiß nicht, wovor“.5 Diesen ‚Keller der Seele‘ beschreibt Freud (1947a: 256ff.) selbst als das Es. Als Reservoir angeborener und verdrängter Triebe und des Wunsches nach der Mutter sei Es die ursprüngliche psychische Instanz des Menschen. Es sei nicht integriert in die Sprach- und Symbolwelt, sage daher auch nicht, was es wolle (vgl. ebd.: 289), sondern artikuliere sich chiffriert aus dem Unbewussten. Auf diese Weise bestimme Es rücksichtslos unsere Handlungen aus dem Verborgenen, was sich in den oben genannten Symptomen äußere. Da die Welt das reine Chaos wäre, dürfte Es allein regieren, muss es nach Freud ein moralisches Regulativ geben. Er weist dem ÜberIch als zweiter innerpsychischer Instanz diese Funktion zu. Das ÜberIch sei das menschliche Gewissen (vgl. ebd.: 263f.) und trete dem Es als eine Art Anwalt gegenüber. In ihm manifestierten sich die dem Es entgegengesetzten Kräfte der gesellschaftlichen Umwelt, wie z. B. Autorität, Religion oder Unterricht (ebd.: 263). Während Es also im Kern auf den unbewussten, triebhaften, infantil-sexuellen Wunsch nach der Mutter zurückgehe, entstehe das Über-Ich als Erbe des Ödipuskomplexes aus der „Identifizierung mit dem Vatervorbild“ (ebd.: 284), dessen Charakter es zeitlebens bewahre. Jessica Benjamin (1990: 137) weist darauf hin, dass Freuds Konzept vom Über-Ich die entscheidende ödipale Dimension darstellt: „Stets wird das Prinzip des Vaters stillschweigend mit Individuation und Zivilisation gleichgesetzt.“ Das Ich als dritte psychische Strukturinstanz bezeichne die reflexive, bewusste Ebene unseres Erlebens. Das Ich generiere sich aus dem inneren, dynamischen Kräftemessen von Es und Über-Ich und müsse zudem die Einflüsse und Erfordernisse der unmittelbaren äußeren Rea-

stellten Sinn zu enthüllen und Unbewusstes auf diese Weise zu dechiffrieren. 5

Lakotta, Beate: Die Natur der Seele. Hatte Sigmund Freud doch recht? In: DER SPIEGEL 18.04.2005.176ff.

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lität bewältigen. Das Ich sei „wesentlich Repräsentant der Außenwelt“ (Freud 1947a: 264). Der Ödipuskomplex definiert sich im freudschen Universum stets aus diesen drei Instanzen. Es, Über-Ich und Ich korrespondieren dabei prinzipiell mit dem triadischen Modell Mutter, Vater, Kind. Da das Erwachsen-Werden eines jeden Subjekts nur über den frühen, beschwerlichen Ödipuskomplex führt6 und auch das Erwachsen-Sein noch von seinen Auswirkungen heimgesucht wird, muss es, wie weiter oben schon angedeutet, grundlegende Gesetzmäßigkeiten geben, die für diese Universalität verantwortlich zeichnen. Freud rekonstruiert sie 1912 in Totem und Tabu (1948b). Er stellt den ödipalen Konflikt hier an den Beginn der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft und weist ihn damit als fundamentales Trauma aus. „Im Ödipus-Komplex [treffen] die Anfänge von Religion, Sittlichkeit, Gesellschaft und Kunst zusammen“ (ebd.: 188). Im Inzest- und im Tötungstabu als den „ältesten und wichtigsten Tabuverbote[n]“ (ebd.: 42) formuliert Freud die beiden zentralen Gesetze, auf denen alle menschliche Kultur beruhe. Jedes Subjekt belebe sie im Drama des eigenen Ödipuskomplexes aufs Neue. Noch kurz vor seinem Tod resümiert Freud (1946: 119f.): „Ich getraue mich zu sagen, wenn die Psychoanalyse sich keiner andern Leistung rühmen könnte als der Aufdeckung des verdrängten Ödipuskomplexes, dies allein würde ihr den Anspruch geben, unter die wertvollsten Neuerwerbungen der Menschheit eingereiht zu werden.“

Freud heute: Wozu Ödipus? Nun stellt sich gut ein Jahrhundert nach der Begründung der Psychoanalyse die Frage: Was bleibt noch von Freud? Wie wertvoll sind seine Darstellungen zum Ödipuskomplex tatsächlich und wie aussagekräftig, brauch- und haltbar sind sie für die vorliegende kulturwissenschaftliche Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen Populärkultur? Wo trifft sich Freud mit Michael Douglas und Tom Cruise? Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass Freud sich auch im 21. Jahrhundert größter Wertschätzung erfreut. Er eröffne, so Eli Zaretsky (2006: 474) die vitalste Theorie, die uns das 20. Jahrhundert hinterlas-

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Mit der Adoleszenz kommt es noch zu einem zweiten wesentlichen Entwicklungsschritt vor dem Erwachsen-Sein.

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sen habe. Freud habe das Projekt der Aufklärung vertieft und vielschichtiger gemacht. Führende Hirnforscher, die daran arbeiten, die Seele als elektrisches Aktivitätsmuster abzubilden, beschreiben ihre Erkenntnisse als „neurowissenschaftliche Renaissance der Freudschen Theorien“.7 Auch die feuilletonistische Diskussion anlässlich Freuds 150. Geburtstags fällt sehr freundlich aus. Tenor: Ohne Freud wären wir verloren.8 In der vorliegenden Arbeit geht es jedoch nicht darum, ob sich Freuds Thesen (heute noch) im wissenschaftlich-klinischen Sinn verifizieren lassen.9 Entscheidend ist vielmehr die Überzeugung, dass er mit dem Ödipuskomplex eine Theorie entworfen hat, die die dominante Form von Subjektivität in der sozial-kulturellen Ordnung der bürgerlichen Gesellschaft beschreibt. Das ödipale Szenario stellt ein Modell dar, das seit der Aufklärung die geistigen, sozialen sowie ökonomischen Prozesse und Praktiken der Subjektivation in der westlichen Gesellschaft bestimmt. Peter L. Rudnytsky (1987: 96) meint angesichts der eminenten Bedeutung, die König Ödipus vor diesem Hintergrund in der Literatur- und Philosophiegeschichte seit der Französischen Revolution zukomme: „The last two hundred years might accurately be dubbed the ‚age of Oedipus‘“. Das ödipale Szenario stellt eine strukturbildende und funktionsstabile Form dar, die seit der Aufklärung in die geistigen, sozialen sowie ökonomischen Praktiken der westlichen Gesellschaften eingeschrieben ist. Auch die Produktion (massen-)kultureller Artefakte ist Teil dieses Prozesses. Das heißt, die meisten Heldensubjekte des klassischen Hollywood-Films bis in die 1960er Jahre sind nach der ödipalen Logik konstituiert und agieren gemäß ihren Regeln. Erst mit den 1970er Jahren wird ein offener Bruch dieser Tradition erkennbar. Bevor all dies näher ausgeführt

7

Vgl. Solms, Mark: Was bleibt von Freud? In: SPIEGEL special (2003)/4.

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Vgl. Schnabel, Ulrich/Thadden, Elisabeth: Die Seele gehört nicht mir. In: DIE ZEIT 23.02.2006.; Jähner, Harald: Nichts als Worte. Vor 150 Jahren wurde Sigmund Freud geboren. Er ist noch immer ziemlich lebendig. In: Berliner Zeitung 06.05.2006.; Rutschky, Michael: Der fremde Herr in unserem Haus. In: Der Tagesspiegel 06.05.2006.

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Zur Relevanz Freuds für die Klinik des 21. Jahrhunderts vgl. Rybnickis (2006: 38) Urteil: „Wir brauchen Freud, um uns in einer Zeit, in der angeblich alles möglich ist, […] an die Tatsache zu erinnern, dass wir gespaltene, mangelhafte, der Kastration unterworfene Wesen sind“.

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werden kann, soll zunächst die ödipale Verfasstheit des Subjekts bei Lacan entfaltet werden. Dessen Ansatz befreit das Ödipus-Szenario Freuds von seinen z. T. beklemmenden psychosexuellen Dogmen (Junge will mit Mutter schlafen). Des Weiteren lässt sich erst mit Lacan der für die vorliegende Arbeit zentrale Begriff der Präödipalität erfassen.

P SYCHOANALYTISCHE S UBJEKTTHEORIE II: L ACANS Ö DIPUS ALS K ULTURTHEORIE Lacans jahrzehntelange, so intensive wie eigentümliche Auseinandersetzung mit dem Denken Freuds ist in erster Linie durch ihre Ambivalenz gekennzeichnet. Samuel Weber (1978) hat sie im Titel seiner Lacan-Interpretation Rückkehr zu Freud. Ent-Stellung der Psychoanalyse prägnant erfasst. Lacans tiefe Verbundenheit mit Freud spiegelt sich u. a. in der Gründung der École Freudienne de Psychanalyse 1964 in Paris. Allerdings beleuchtet er Freuds Subjekttheorie mit einer kühnen und kritischen Lust an der Revision. Für die vorliegende Arbeit gilt es, diese ambivalente Haltung in Bezug auf Freuds Theorie vom ödipal generierten Subjekt herauszuarbeiten. Im Grunde bestätigt Lacan die familiäre Konstellation des ödipalen Schemas als „Eichmaß [, das als] wesentlich fest gehalten werden [muss], denn es ist […] wahrhaft fundamental“ (Lacan 1990: 87f.). Dennoch soll auf den folgenden Seiten aufgezeigt werden, dass Lacan aus einer veränderten Perspektive auf das Szenario blickt und dabei äußerst fruchtbare Überlegungen für die kulturtheoretische Arbeit mit Ödipus und (Prä)Ödipalität anstellt. Lacans Trias imaginär – symbolisch – real Wer Lacan liest, stößt auf einen „mitunter verblüffend undurchsichtigen, enigmatischen Werk-Korpus“ (Eagleton 1997: 152). Er ist gekennzeichnet von verworrener Rhetorik, Mehrdeutigkeiten, Wortspielen und Polemik. Längst nicht all seine Schriften und Seminare sind

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ins Deutsche übersetzt.10 Im Zentrum seiner Arbeit stehen der Terminus des ödipal generierten Begehrens und dessen Herleitung aus dem Komplex von Imaginärem, Symbolischem und Realem. Das Imaginäre Allen Ausgang nimmt die lacansche Subjekttheorie in seiner 1949 verfassten Schrift Das Spiegelstadium als Bildner der Ichfunktion (1991a). In ihr formuliert Lacan die Ursprünge des psychischen Apparats. Ähnlich wie Freud bezieht er sich dabei zunächst einmal auf das chaotische Wesen des Kleinkindes. Lacan spricht von der „spezifische[n] Vorzeitigkeit der menschlichen Geburt“, da das Kind im Gegensatz zu Tieren in „anatomischer Unvollendetheit“ (ebd.: 66) zur Welt komme. Einerseits sei es hilflos und abhängig, andererseits sei es offen für neue Eindrücke und lerne schnell. So entdecke es im Alter von sechs bis achtzehn Monaten eine aufregende Beschäftigung: Es begrüße mit „jubilatorischer Geschäftigkeit“ (ebd.: 63) sein Spiegelbild, da dies all seine Grimassen und unbeholfenen Bewegungen nachahme. Das mache ihm Spaß, bringe aber auch einen trügerischen Effekt mit sich, denn in der Spiegelreflexion entwerfe das Kind eine Vollkommenheit von sich, der es gar nicht entspreche. Trotz seiner Hilflosigkeit und fehlender motorischer Körperbeherrschung imaginiere es sich hier als abgegrenzte, autonome Einheit. Es identifiziere sich mit dem äußeren Bild, der „Imago“ (ebd.: 68) seines eigenen Körpers. Peter Widmer (1997: 28) weist darauf hin, dass dieses duale Spiel mit dem Spiegelbild praktisch auch immer der unterstützenden Geste der Mutter bedarf. Die rückversichernde Interaktion mit ihr, also das „Sich-Spiegeln“ des Kindes in ihren bestätigenden Augen, stärke die trügerische Selbstwahrnehmung. „Das Kind wendet sich ihr zu, als ob es fragte: Bin ich das? Die Mutter stimmt zu und verleiht das Gefühl von Sicherheit.“ Was auf den ersten Blick als kindliche Spielerei erscheint, ist in Lacans Theorie von prägendem Charakter, denn vom Spiegelbild gehe dank seiner gestaltgebenden Konturen die weitere Bildung des Ich aus.

10 Daneben stütze ich mich in diesem Abschnitt auf die materialreichen Lacan-Interpretationen von Bowie (1994), Gekle (1996), Widmer (1997), Pagel (2002), Evans (2002) und Braun (2005).

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Es bahne den Weg für alle späteren Identifikationen. Lacan (1990: 105) schreibt: „Das ist das ursprüngliche Abenteuer, in dem der Mensch zum erstenmal die Erfahrung macht, dass er sich sieht, sich reflektiert und sich als anders begreift, als er ist – die wesentliche Dimension des Menschlichen, die sein ganzes Phantasieleben strukturiert.“

Bereits in einer früheren Schrift heißt es diesbezüglich, dass das Ich nicht dem Erkennen entspringe, sondern der „konstitutiven Verkennung“ (Lacan 1991a: 69). Es spalte sich in zwei Instanzen: das moi und das je (ebd.: 63ff.). Mit moi bezeichnet Lacan den fiktiven Ursprung des Ich im Spiegelstadium, also die Illusion der Vollkommenheit, die durch ihren imaginären Charakter bestimmt sei. Das ursprüngliche, wahre Subjekt des Menschen hingegen nennt er je. Mit der Zeit, so Lacan weiter, verblasse der Effekt der Spiegelreflexion für das Kind. Es verliere die Lust daran und empfinde es als etwas Natürliches, Unspektakuläres. Dennoch festige sich das Imaginäre (moi) als Bereich der täuschenden (Selbst-)Wahrnehmung. Bilder und Fantasien begleiteten und bestimmten den Menschen fortan. Das Imaginäre bleibe als „Sitz der Illusionen“ (Lacan 1990: 84) fortbestehen, was sich auch in der Beziehung zu anderen Menschen äußere, die lediglich als Spiegel des eigenen Selbst dienten (vgl. Gekle 1996: 78). Es markiert eines der drei konstitutiven Register des lacanschen Subjekts. Das Symbolische Im frühen imaginären Entwicklungsstadium ist das Kind nach Lacan an die visuelle Präsenz und tatsächliche Anwesenheit dessen gebunden, was es wahrnimmt. Stück für Stück lerne es aber, die ersten Wörter (der Mutter-Sprache) zu erinnern. Dabei entdecke das Kind die Möglichkeit, sich von den Koordinaten Raum und Zeit abzulösen und An- und Abwesenheit zu bezeichnen, insbesondere in Bezug auf die Mutter.11 Dieser Prozess trenne das Kind von seiner unmittelbaren

11 Lacan bezieht sich hier auf das „Fort-Da-Spiel“ eines Kindes, dass Freud in seiner Schrift Jenseits des Lustprinzips (1947a: 12) anführt. Durch das Spielen mit einer Holzspule am Bindfaden macht das Kind beim „Fort-Da-

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Körperlichkeit und füge es in das Symbolsystem der Sprache ein. Körper, Geist und Seele würden vom Symbolischen innerviert. Das Symbolische ist das zweite konstitutive Register der lacanschen Theorie vom Subjekt: „Alles ordnet sich in bezug auf aufgetauchte Symbole, auf Symbole, sobald sie einmal erschienen sind“ (Lacan 1991e: 42), das heißt, dass für das Subjekt Tatsachen im Bewusstsein nur existent, speicher- und abrufbar sein können, sofern sie sprachlich symbolisierbar sind. Unser ganzes System der gesellschaftlichen Beziehungen sei ein „symbolisches Universum“ (vgl. ebd.: 39ff.). Lacan schreibt: „Die menschliche Ordnung charakterisiert sich dadurch, dass die symbolische Funktion in jedem Moment und auf allen Stufen ihrer Existenz interveniert“ (ebd.: 42). Dies ist eine elementare These: Das intersubjektive Beziehungsgeflecht, also jegliche Form von Gesellschaft und Gesetz, funktioniere allein als „symbolische Ordnung“ (vgl. Lacan 1990: 278f.). In diesem Zusammenhang unterscheidet Lacan zwischen einem kleinen (a’) und einem großen (A) anderen. a’ sei in Wirklichkeit gar nicht anders, er stehe nur für die Spiegelung des eigenen Ich: „Das Ich ist referentiell auf den andern bezogen. […] Es ist ihm korrelativ. Die Ebene, auf der der andere erlebt wird, situiert genau die Ebene, auf der, buchstäblich, das Ich für das Subjekt existiert“ (ebd.: 68). A hingegen stehe für die radikale Andersheit. Er verkörpere die sprachlichsymbolische Ordnung, also sowohl die anderen Subjekte der Lebenswelt als auch die Beziehungen zu ihnen (vgl. u. a. Lacan 1991e: 299ff.). Aus dieser Außenbezogenheit des Ich leitet sich der häufig zitierte Gemeinplatz ab, wonach bei Lacan Ich ein A(a)nderer sei. 1916 beschreibt Ferdinand de Saussure die Sprache als ein System von Zeichen, die nicht durch ihren Inhalt bestimmt seien, sondern durch ihre Relation zu anderen Zeichen (vgl. de Saussure 1967: 76ff.). Das einzelne sprachliche Zeichen sei dabei kein unmittelbar gegebenes Etikett für eine Vorstellung, sondern bestehe aus zwei Komponenten: der Vorstellung bzw. dem Bezeichneten als Signifikat und dem Lautbild bzw. dem Bezeichnenden als Signifikant. Der Gegenstand, auf den das Zeichen verweise, sei der Referent. Zwischen Vorstellung und Lautbild gebe es keine stabile, natürliche Beziehung. Erst die Sprache als ordnendes System nehme Differenzierungen vor, indem

Spiel“ die elementare und lustvolle Erfahrung des Prinzips von Verschwinden und Wiederkommen.

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sie voneinander abgegrenzte Einheiten bilde. In de Saussures Verständnis enthält jedes Zeichen seine Bedeutung also erst durch die fixe Verbindung von Signifikant und Signifikat. Jacques Derrida (1967) geht später noch weiter als de Saussure. Seiner Ansicht nach enthalten Zeichen gar keine fixe, unmittelbar präsente Bedeutung. Sie sei stets abwesend. Signifikanten und Signifikate blieben getrennte Bereiche. Sprache konstituiere sich allein aus unendlich zirkulierenden Zeichen und der Abwesenheit ihrer Bedeutungen (vgl. ebd.: 424). Derridas Ansatz wird der Theorie des Poststrukturalismus zugeordnet (vgl. Bossinade 2000), da er „sich von dem systematischen, ganzheitlichen Strukturbegriff des älteren Strukturalismus und dem Prinzip der binären Opposition [distanziert] und […] als Grundstruktur die unendliche Substitution der Signifikanten und das Prinzip der Pluralität an[nimmt]“ (Schmidt 1991: 579). Analog zur poststrukturalistischen Linguistik Derridas lautet Lacans zentrale Aussage, dass das sprechende Subjekt nicht souverän über die Sprache verfügt, sondern ihren Strukturen und Regeln unterworfen ist. Bedeutung konstituiere sich erst nachträglich im Gefolge der differenziellen Bewegung der Träger der Sprache, also der Phoneme und Buchstaben. Buchstabe füge sich an Buchstabe, Wort an Wort, Satz an Satz: In der unaufhörlichen Bewegung dieser „signifikanten Kette“ produziere sich Sinn fortwährend neu bzw. schreibe sich um. Dem Subjekt sei es daher unmöglich, als Urheber den Sinn seiner Äußerungen zu bestimmen.12 Stattdessen trete es als bloßer Impuls eines materiellen Symbolsystems in Erscheinung, dessen Struktur schon längst vor ihm existiere und deren Grundform aus den ursprünglichen Tauschakten hervorgegangen sei, die einst die Bildung von Gesellschaft und Kultur ermöglicht hätten (vgl. Lacan 1991c: 19f.). Hier findet sich der Kristallisationspunkt des lacanschen Subjektbegriffs. Es werde geboren „aus dem Geist des Signifikanten“ (vgl. Braun 2005: 148ff.). „Subjektbildung ist Lacans Verständnis nach weder ein psychologischer noch ein entwicklungstheoretischer Vorgang, sondern ein Effekt der Einschreibung

12 Daher bestehe eine Inkommensurabilität zwischen dem wahren Begehren des Subjekts und seiner (Un-)Fähigkeit, es in Worten auszudrücken. Das Begehren manifestiere sich niemals im explizit formulierten Wunsch (vgl. Žižek 2001: 422).

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in die symbolische Ordnung, worunter die kulturellen, politischen, ökonomischen, familialen, pädagogischen etc. Bedingungen, kurz: das Weltverhältnis einer bestimmten Gesellschaft zu einer bestimmten Zeit zu verstehen ist“ (ebd.: 152).

Das Reale Psychische Verdrängung meint bei Lacan einen Konflikt, der auftritt, sobald ein Signifikant aus der signifikanten Kette ausgeschlossen wird. Dessen Rückkehr denkt er im Aufflackern von Symptomen. Ein Symptom sei ein abgestorbener, symbolischer Konflikt, der sich im Sprechen aufzulösen vermag, „weil es selbst wie eine Sprache strukturiert ist“ (Lacan 1991b: 109). Ab den 1960er Jahren erweitert Lacan den Begriff des Symptoms, indem er ihm eine zweite Dimension gibt. Neben dem Symptom als sprachlich strukturierter Botschaft aus dem Unbewussten existiere auch das mit ihm verwandte, aber dennoch grundverschiedene Sinthom. Dies stelle zwar auch einen Konflikt- und Knotenpunkt dar, situiere sich aber jenseits der Sprache und damit außerhalb der symbolischen Ordnung. Es habe keinen eigenen inhaltlichen Wert und widersetze sich jeglicher Bedeutung und Interpretierbarkeit. Das Sinthom sei somit nur in seiner Wirkung beschreibbar, als das, was dem Subjekt Leiden verursache, welches sich buchstäblich umwandle in Leidenschaft bzw. das Genießen (beide Begriffe können hier als Synonyme für den französischen Terminus der jouissance verstanden werden, den Lacan in diesem Zusammenhang verwendet). „Was ist das, das Genießen? Es reduziert sich hier darauf, nur negative Instanz zu sein. Das Genießen, das ist das, was zu nichts dient“ (Lacan 1972: 9). Sinthom und das Genießen sind die beiden entscheidenden Elemente des dritten konstitutiven Registers des Subjekts, dem Realen. Das Imaginäre bezeichnet den Bereich des Bildes, der Täuschung und der Fantasie, das Symbolische den Bereich der sprachlichen und gesellschaftlichen Ordnung, die sich aus dem signifikanten Spiel von Anund Abwesenheit konstituiert und das Unbewusste determiniert. Das Reale ist das, was sich all dem widersetzt. Es ist weder eine Täuschung, bewusst oder unbewusst, noch an- oder abwesend, stattdessen „immer an seinem Platz, ob wir da sind, oder ob wir nicht da sind“ (Lacan 1991e: 376). Es kann nicht logisch bestimmt oder symbolisch

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assimiliert werden, denn es ist in sich nicht differenziert, sondern „ohne Riß“ (ebd.: 123). Die Theorie der Entstehung und Funktion dieser drei Register des Subjekts imaginär – symbolisch – real ist von grundlegender Bedeutung, um im Folgenden Lacans Umschrift des Ödipus-Szenarios nachvollziehen zu können. „Ohne diese drei Bezugssysteme – unmöglich irgend etwas von […] der Freudschen Erfahrung zu verstehen“ (Lacan 1990: 97), denn sie ersetzen Freuds Trias von Es (Mutter), Über-Ich (Vater) und Ich (Kind). Lacan kehrt an vielen Stellen zurück zu Freuds Theorie des Ödipuskomplexes. Jedoch löst er sich von der darin enthaltenen, krude anmutenden Psycho-Sexualität des Kleinkindes und liest Ödipus vorwiegend in seinem psycho-linguistischen Verständnis. Das Szenario wird im Wesentlichen zu einem funktional-strukturalen Vorgang versachlicht. Vater, Mutter und Kind verlieren ein gutes Stück ihrer natürlichen Funktionen und werden zu Eckpunkten einer Dreiecksstruktur, deren Sinn darin besteht, das Kleinkind aus dem Imaginären zu lösen und in die symbolische Ordnung der Signifikanten einzugliedern. „Wenn der Ödipuskomplex nicht die Einführung des Signifikanten ist, dann verlange ich, dass man mir irgendeine Auffassung von ihm liefere“ (Lacan 1997: 224).

Der Ödipuskomplex Am Beispiel des „kleinen Hans“ zeichnet Lacan 1956 in La Relation d’objet (1994) den Verlauf des Ödipuskomplexes nach. Hans’ Übertritt vom Imaginären ins Symbolische vollziehe sich dabei in drei Phasen. Letztlich entscheide die Schlüsselposition des Vaters, ob das Prozedere – im Sinne einer erfolgreichen Subjektwerdung – glückt. Die präödipale Phase: Die Mutter-Kind-Dyade und der imaginäre Phallus Alles beginne mit der präödipalen Phase nach der Geburt. Nachdem der kleine Hans nicht mehr in den mütterlichen Stoffwechsel eingebunden sei, erlebe er ein postnatales Trauma, denn die Trennung von ihrem Körper bedeute die Auflösung einer symbiotischen Einheit. Hans sei hilflos und erfahre sein Bedürfnis nach Nahrung als einen

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bedrohlichen Mangel. Er lerne aber schnell, sich damit an die Mutter zu wenden, indem er durch Schreie auf sich aufmerksam mache. Die Mutter-Kind-Beziehung erhalte ihren intensiven emotionalen Charakter aber erst dadurch, dass das primäre Bedürfnis nach Versorgung umschlage in den Anspruch, geliebt zu werden. Lacan schreibt: „Es ist Anspruch auf eine Gegenwart oder auf eine Abwesenheit. Das bringt jene ursprüngliche Beziehung zur Mutter zum Ausdruck. […] Sie konstituiert es bereits als Inhaber des ‚Privilegs‘, die Bedürfnisse zu befriedigen […]. Dies Privileg des Andern umreißt so die radikale Gestalt der Gabe dessen, was es nicht hat, das heißt dessen, was man Liebe nennt“ (Lacan 1991d: 127).

Im Mutter-Kind-Verhältnis lokalisiert Lacan also den Prototyp der Liebesbeziehung, die im Gegensatz zu Freuds Schema ohne sexuelle Stimuli auskommt. In ihr liege eine genuine Kraft, die die präödipale Phase als einen Abschnitt markiere, dessen gewaltiger Nachhall lebenslang vernehmbar sei. Die duale Beziehung ist durch und durch imaginär. Der Umstand ihrer „dialectique imaginaire“ (Lacan 1994: 240) liege aber nicht allein im offenkundigen Mangel des kleinen Hans’ und seiner Spiegelerfahrung mit der Mutter begründet. In seiner Sicht auf die Dinge kompensiere die Mutter ihrerseits auch einen „fundamentalen Mangel“ (ebd.: 193). Sie scheine unzufrieden und unvollständig. Dieser Verdacht speise sich für ihn aus dem einfachen Faktum, dass sie ihn überhaupt begehre (sie täte es nicht, wäre sie wunschlos glücklich), sowie aus ihrer zeitweiligen Abwesenheit (es muss einen Ort geben, an dem sie irgendein geheimnisvolles Objekt mehr begehrt als mich) (vgl. ebd.: 240f.). Es stehe also ein „élément essentiel“ (ebd.) zwischen Kind und Mutter. Dieses Element sei der imaginäre Phallus (vgl. ebd.: u. a. 30f., 202). Lacan schreibt später, der imaginäre Phallus sei „ebenso wenig ein Objekt […]. Noch weniger ist er wohl das Organ, Penis oder Klitoris, das er symbolisiert“ (1991d: 125f.). Stattdessen denkt er ihn in Bezug auf das differenzielle sprachliche System der Signifikanten und Signifikate. Darin bilde er die einzige Ausnahme, da er dessen Gesetzen widerstehe (vgl. ebd.). Er sei der „privilegierte Signifikant“ (ebd.: 128), der kraft seiner durchgängigen Abwesenheit stabil sei. Der imaginäre Phallus repräsentiert nach Lacan also den Mangel schlechthin, das Nicht-Greifbare im radikalen Anderswo. Er sei eine Instanz im Verborgenen, die sich schlicht jedweder Bedeutung entziehe.

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Die ödipalen Phasen II und III: Die Intervention des symbolischen Vaters Der kleine Hans beanspruche die Liebe seiner Mutter ganz für sich allein. Das geheimnisvolle Anderswo, an dem die Mutter begehrt wird, sei hierbei ein eklatanter Störfaktor. Hans bleibe nur die Möglichkeit, zu versuchen, selbst Phallus für sie zu sein und ihren vermeintlichen Mangel auf diese Weise auszugleichen, was aufgrund der eben erläuterten Definition des imaginären Phallus aber zum Scheitern verurteilt sei. Die imaginäre Mutter-Kind-Dyade erweitere sich somit um eine dritte Position zur „triade imaginaire“ (Lacan 1994: 81) Mutter-KindPhallus. Die Beziehung sei nach wie vor durch eine enge, verführerische Nähe geprägt. Sobald sich aber die ersten genitalen Triebe des Jungen durchsetzten, trete ein Riss in dem von ihm erlebten Paradies auf. Der reale Phallus, also der Penis, komme ins Spiel und der Junge beginne zu masturbieren. Das dritte lacansche Registers, das Reale, breche hier in seiner Qualität als traumatisierendes, unsymbolisierbares Moment über den Jungen herein. Die Kraft dieses Erlebnisses wecke in ihm tiefe Zweifel, dergestalt, dass es wohl mehr als den imaginären und imaginierten Phallus brauche, um das Begehren der Mutter zu befriedigen. Angesichts seiner biologischen Unreife empfinde er es jedoch als unmöglich, den Anforderungen der Realität gerecht zu werden. Die extrauterine Idylle werde endgültig von konflikthaften Spannungen und dem Gefühl der Enttäuschung überlagert. Hans bekomme Angst (vgl. Lacan 1994: 225ff.). Um sie zu überwinden, benötige er die befreiende Instanz des Vaters, der auf den Plan treten müsse, um die zur Belastung gewordene imaginäre Dreiecksstruktur zu sprengen. Die zweite Phase des Ödipuskomplexes (vgl. ebd.: 218ff.) ist als eine Art Übergangsstadium zu verstehen, denn die Position des Vaters bleibe hier zunächst noch leer. Stattdessen werde seine Existenz vom kleinen Hans imaginiert. Der imaginäre Vater ersetze dabei den obsolet gewordenen imaginären Phallus in der Dreiecksstruktur. Hans antizipiere in ihm ein Gesetz, das er zwar nicht konkret bestimmen könne, das aber immerhin eine solch mächtige Wirkung haben müsse, dass es das Begehren der Mutter binde. Dieses Gesetz konkurriere massiv mit dem eigenen Interesse und verstärke die elementare Frage des kleinen Hans: „Wer ist eigentlich der Vater?“ (ebd.: 204)

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In der abschließenden dritten Phase des Ödipuskomplexes nehme die bis dato vage imaginierte Position des Vaters Konturen an. Dennoch bleibe sie doppeldeutig. Lacan spricht hier von einem realen Vater, aus Fleisch und Blut, der in der dritten Phase interveniere (ebd.: 220). Dieser lasse keinen Zweifel daran, dass er allein den Phallus besitze – im Sinne einer überlegenen Machtposition und nur allegorisch bezogen auf die Verfügbarkeit seines biologisch reifen Organs – und er sich des Begehrens der Mutter sicher sein könne. Zwecklos für Hans, sich mit ihm zu messen. Er müsse seine Bemühungen einstellen. Lacan bezeichnet diesen Vorgang als Kastration des Jungen (vgl. ebd.: 208ff.). Sie habe erlösenden Charakter, denn fortan laste auf des Jungen Schultern nicht mehr die erdrückende Last, Phallus für die Mutter sein zu müssen. Stattdessen führe sie zur Identifikation mit dem Vater. Die lacansche Doppeldeutigkeit des Terminus des Vaters begründet sich aus dessen Funktion. Entscheidend sei nicht sein reales, normatives Wesen, sondern die Instanz des Gesetzes, die er verkörpere und die das präödipale Verhältnis Mutter-Kind(-Phallus) aufbreche, um eine „symbolische Distanz“ (ebd.: 161) zwischen ihnen zu schaffen. Lacan führt in diesem Zusammenhang die Vatermetapher ein, in deren Mittelpunkt die Homophonie des Ausdrucks „Name-des-Vaters“ als le nom du père (der Name des Vaters) sowie le non du père (das „Nein“ des Vaters) steht (vgl. u. a. ebd.: 379ff.). Die zentrale Größe in der Auflösung des Ödipuskomplexes ist nach Lacan also die rein funktionale Position des symbolischen Vaters. Er sei „der wahre Vater“ (ebd.: 209), da er den Jungen aus seinem imaginären Universum in die symbolische Ordnung, das heißt die „irreduzible Welt der Signifikanten“ (ebd.: 220), überführe. Seine Intervention bewirke, dass der kleine Hans begreife, dass Identitäten nur als Ergebnis von Differenzen entstünden, denn die Mutter sei bereits an den Vater als Inhaber des Phallus vergeben und damit tabu. Formal schreibe sich Hans mit der Überwindung des Ödipuskomplexes in die Signifikantenkette ein (ebd.: 219). Praktisch heißt das, dass er fortan seinen definierten Platz in der Familie und später in der Gesellschaft einnehmen und seine Wünsche sprachlich artikulieren müsse. „Aus diesem ‚vollen‘, imaginären Besitz ist es [das Kind] in die ‚leere‘ Welt der Sprache vertrieben worden“ (Eagleton 1997: 154). Die geglückte symbolische Kastration in der dritten und letzten Phase des Ödipuskomplexes überführt den Jungen also als Subjekt der Sprache in die symbolische Ordnung der bürgerlichen Moderne, in der er – gemäß

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der in ihr gültigen Konventionen – sein heterosexuelles Begehren und seine Virilität artikulieren und bestätigen kann (vgl. Lacan 1994: 209). Das ödipale Begehren Der bei Lacan zentrale Begriff des Begehrens lässt sich erstmals in der präödipalen Phase als das fundamentale, kindlich inzestuöse Verlangen nach der Mutter, der „primordialen Anderen“ (Lacan 1986: 82), bestimmen. „Im Säugen, Umarmen und Anschauen des Kindes empfängt und befriedigt die Mutter zugleich das ursprünglichste aller Begehren“ (Lacan 1980: 51). Später, nach erfolgreicher Überwindung des Ödipuskomplexes, konstituiere sich das Begehren als dessen psychisches Produkt, das sich aber erst mit der Geschlechtsreife in vollem Umfang entfalte. Begehren bedeute nun „weder Appetit auf Befriedigung, noch Anspruch auf Liebe, sondern vielmehr die Differenz, die entsteht aus der Subtraktion des ersten vom zweiten, ja das Phänomen ihrer Spaltung selbst“ (Lacan 1991d: 127). Hinter dieser etwas komplizierten Formel steckt die Auffassung, dass das Begehren nicht durch ein x-beliebiges Objekt bzw. in einer zwischenmenschlichen Beziehung befriedigt werden könne. Stattdessen werde es sich zeitlebens durch einen unüberwindbaren Mangel, also durch die Differenz bemerkbar machen. Das Subjekt erfahre und verwickle sich unaufhörlich in Signifikanten der symbolischen Ordnung, wie z. B. Geschlechtspartner, Freunde, Geld, Statussymbole, soziale Ressourcen etc. Lacan nennt und modifiziert sie in seinem Werk häufig als „Objekte [klein] a“ (vgl. Lacan 1987: 85ff.). Ihr entscheidendes Merkmal sei, dass sie keine inhaltlichen und damit positiven Wesenheiten verkörperten. Es gehe nicht um ihren tatsächlichen Wert, sondern um die durch sie hervorgerufene Verlusterfahrung. In dem Moment, da das Subjekt sie mit Sinn (einem Signifikat) auflade, begännen sie, ihm buchstäblich etwas zu bedeuten. Da Signifikanten per definitionem aber für eine Abwesenheit stehen und sich nie vollständig mit dem Signifikat in Übereinstimmung bringen ließen, verwiesen sie auf einen anderen Schauplatz. Das Subjekt werde deshalb niemals in einem einzigen Objekt die Erfüllung finden können, sondern stets zu neuen Signifikanten weiterrotieren. „Diese potentiell unendliche Bewegung von einem Signifikanten zum nächsten ist es, die Lacan mit Begehren meint“ (Eagleton 1997: 154). Lacans „Verewigung des Begehrens“ (Lacan 1991b: 166) bedeutet

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damit letztlich nichts anderes als die Verewigung eines fundamentalen Mangels. Das Begehren kreist fortwährend um einen zentralen Signifikanten, den die Subjekte besitzen oder für sich vereinnahmen wollen. Dieser dynamische Prozess basiert gemäß der dem Begehren inhärenten Logik jedoch auf einer definitiven Unmöglichkeit und enttarnt und verrät zugleich den Mangel der Subjekte an Identität und Vollständigkeit. „Das Begehren ist eine Beziehung des Seins zum Mangel. Dieser Mangel ist Mangel an Sein […] im eigentlichen Sinne. Es ist nicht der Mangel an diesem oder jenem, sondern Mangel an Sein, wodurch das Sein existiert“ (Lacan 1991e: 283). Žižek (2001: 405) weist darauf hin, dass das Begehren in diesen Sinne seine eigene „Nichtbefriedigung“ begehrt, „das heißt, das Grundrezept der Reflexivität des Begehrens besagt, die Unmöglichkeit der Befriedigung des Begehrens in das Begehren nach Nichtbefriedigung umzudrehen.“ Die einzig denkbare Form der Erfüllung des Begehrens besteht in der Wiederherstellung des präödipalen, imaginären Urzustands in der dyadischen Totalität mit der Mutter. Natürlich ist der nie erloschene Wunsch nach diesem Urzustand nicht realisierbar und irreal. Er zeugt vielmehr von einer unbewussten, hochgradig affektiv erlebten psychischen Sehnsucht. Der Trieb Der Trieb meint bei Lacan das radikale Gegenstück zum Ödipuskomplex und der Verwirklichung des Begehrens. Während das Begehren als vom Mangel vorangetriebenes Gleiten zwischen den Signifikanten notwendigerweise stets unbefriedigt bleibe, sei der Trieb in gewisser Weise immer schon befriedigt. Er finde seine Befriedigung aber nicht in dem Objekt, auf das er sich beziehe, sondern in seinem wiederholten Scheitern, sich dieses Objekts zu bemächtigen (vgl. Lacan 1987: 169ff.). Ihm gehe es auch gar nicht um das Objekt. Er befriedige sich vielmehr in seinem eigenen Pulsieren. Autistisch den Runden seiner eigenen Kreisbahn folgend, stelle er eine fundamentale „Unmöglichkeit“ (ebd.: 176) dar und situiere sich abseits des Symbolischen im Feld des Realen. Insofern realisiert sich der Trieb in der lacanschen Kategorie des reinen Genießens.

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Lacan und die ödipale Familie Trotz der massiven Entsexualisierung von Ödipus bleibt die natürliche, anthropologische Familie auch bei Lacan Schauplatz der Subjektgenese. Sie „verkörpert die Angewiesenheit auf den Anderen. Sie ist der Ort der Übergänge zwischen Bedürfnis, Anspruch und Begehren, zwischen Natur und Kultur, zwischen elterlicher Pflege, Elternliebe und sexuellem Begehren“ (Rath 2005: 10). Familie steht für Emotionalität und das Ausreifen der eigenen Subjektivität im Spiegel des Anderen, der unser gesellschaftliches Bewusstsein bildet. Der Andere, zunächst also repräsentiert durch die ödipale Familie, ist die „Elementarform der Sozialisierung, also der Integration des Subjekts in die symbolische Ordnung“ (Žižek 2001: 430). In diesem Punkt wird deutlich, warum Lacans Konzept der ödipalen Subjektgenese „Kulturtheorie“ (Reckwitz 2006: 53) ist, denn er setzt das Subjekt primär in Beziehung zum Anderen bzw. zur historisch gültigen symbolischen Ordnung, „die das Subjekt interiorisiert“ (ebd.). Die Familie ist dabei als deren Grundformation zu verstehen, die in jenen sozialen und gesellschaftlichen Kontext eingebettet ist. Bereits 1938 attestiert Lacan der Familie „eine primäre Rolle bei der Weitergabe der Kultur. […] Daher steht sie den fundamentalen Prozessen der psychischen Entwicklung voran“ (Lacan 1980: 42). Lacans kulturtheoretische Perspektive ermöglicht es, in der vorliegenden Studie die geschichtliche Wandelbarkeit und Fragilität der sozialen Institution Familie als gesellschaftlichem Ort der Subjektivierung in dem an sich überhistorischen Subjektkonzept der Psychoanalyse zu berücksichtigen und sich über Freuds Dogma hinwegzusetzen, dem zufolge die stabile bürgerliche Kernfamilie als anthropologisch einzig mögliche in Frage kommt (vgl. Gekle 1996: 107f.). Zusammenfassung und Ausblick Die Kernaussage der psychoanalytischen Subjekttheorie lautet, dass das Subjekt ödipal generiert wird. In dieser Auffassung liegt die Schnittmenge der Konzepte Freuds und Lacans. Während Freud jedoch mit der auf die sozial-kulturelle Ordnung der bürgerlichen Moderne ausgerichteten psychosexuellen Vater-Mutter-Kind-Schablone operiert, zieht es Lacan vor, das ödipale Szenario zu abstrahieren und für eine historische Lesart zu öffnen. Freuds anthropologisch strenges

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Konzept der drei Familienmitglieder aus Fleisch und Blut wird weitgehend ersetzt durch den formalen Dreischritt imaginär – symbolisch – real sowie den Einfluss der historisch gültigen symbolischen Ordnung auf den Prozess der Subjektivierung. Lacan stellt hier also „den untrennbaren Zusammenhang von kulturellen Ordnungen und psychischaffektiven Orientierungen“ (Reckwitz 2006: 52) her. Aus diesem Grund steht Lacans Theorie zur Stellung des Subjekts im Vordergrund meiner folgenden Ausführungen. Sie ermöglicht eine analytische Bestimmung des männlichen Subjekts auch im Anschluss an seinen – vor dem Hintergrund einer veränderten sozial-kulturellen Gesellschaftsordnung seit den 1970er Jahren – mehr oder weniger erfolgreich überwundenen Ödipuskomplex. In diesem Zusammenhang soll später der Blick kritisch auf die bürgerliche Repräsentation von Männlichkeit und ihre Allgegenwart als vermeintlich konstitutives, gesetzgebendes ödipales Grundprinzip gerichtet werden. Ödipus „ist das Produkt einer patriarchalen Kultur, die Männlichkeit nicht als spezifisches Geschlecht mit einer spezifischen Sexualität begreift, sondern als universelles Prinzip: als Prinzip der sozioökonomischen Ordnung […] und als Prinzip einer kulturellen Normierung, die das heterosexuelle Begehren zum selbstverständlichen Fundament intelligibler Liebes- und Lebensverhältnisse macht“ (Kaltenecker 1996: 7). Tatsächlich hingegen erweist sich die Konstruktion stabiler ödipaler Männlichkeit spätestens seit den 1970er Jahren als kaum aufrechtzuerhaltende gesellschaftliche Mär. Lacans Theorie ermöglicht im Gegensatz zur freudschen die Anerkennung dieser prozesshaften Natur und akzeptiert Widerspruch, Dynamik und Veränderung. Die Vorstellung einer stabilen, bürgerlichen, männlichen Subjektentität wird neu überdacht und relativiert (vgl.: Zima 2000: 80). In diesem Kontext kommt der für das vorliegende Buch zentrale Begriff der Präödipalität zur Geltung. In ihm artikuliert sich eine (nach-bürgerliche) Subjekt- und Begehrensstruktur, die sich, bedingt durch elementare sozialhistorische Veränderungsprozesse, seit den 1970er Jahren emanzipiert.

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Ö DIPUS IM KLASSISCHEN H OLLYWOOD (1930 ER - 1960 ER ): D ISPOSITIV – N ARRATIV – H ELDEN (R IVER OF N O R ETURN , G ILDA , C ASABLANCA ) Im Vordergrund dieses Abschnitts steht die Frage nach den Mustern der Subjektivation, die der klassische Hollywood-Spielfilm im historischen Kontext der bürgerlichen Moderne thematisiert. Es soll herausgearbeitet werden, wie seine rezeptive Wirkung, Form und Inhalt (ödipales Narrativ) sowie der Subjekttypus seiner, zumeist mit klassisch männlichen Qualitäten ausgestatteten Helden umfassend von der Figur des Ödipus dominiert werden.

Historische und filmtheoretische Vorbemerkungen Vorab ist es sinnvoll, einige wesentliche Bestimmungen zur Historie und Relevanz des klassischen Hollywood-Spielfilms vorzunehmen und grundlegende Ansätze der psychoanalytischen Theorie über den Spielfilm und seine Rezeption aufzubereiten. Zur Geschichte des klassischen Hollywood-Spielfilms In den 1920er Jahren schafft das Kino seinen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Durchbruch als Massenmedium. Die „Flut der Bilder“ (Kleinspehn 1989: 296) in der modernen, kapitalistischen Industriegesellschaft kommt keinesfalls zufällig, denn „vor dem Hintergrund […], neuer Arbeits- und Lebensbedingungen gewinnt das Sehen gegenüber den anderen Sinnen herausragende Bedeutung. […] Die Selbst- und Fremdbilder sind konstitutiv für das Ich des bürgerlichen Individuums“. Während Filmmacher und Produzenten in Europa auf das Konzept des Films als Kunst setzen (zum Beispiel französischer film d’art), versteht sich die amerikanische Filmindustrie von Beginn an als Hersteller der Ware „Movies“ (vgl. Monaco 2005: 242). Spielfilme etablieren sich als wichtigste Unterhaltungsform. Die Zeit der Blockbuster bricht an. Bis heute sind darunter hochgradig kommerzielle und marktbeherrschende narrative Spielfilme zu verstehen (vgl. ebd.: 239). Die große Popularität verdankt der junge Hollywood-Spielfilm dabei

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dem Gespür seiner Macher für Interessen, Konflikte sowie kollektive Bedürfnisse und Mentalitäten der Rezipienten. „Filmmakers applied their techniques with increasing sophistication to every aspect of experience – the instinct to create laughter, questions of how we see and hear, the lives of people on the margins of communities, the dynamism of cities and how their residents behave, the unconscious and more abstract questions about life, science and the future“ (Cousins 2004: 62). Mit der Einführung des Tons 1932 beginnt das effektive HollywoodSystem, in dem „die Studios wie straff geführte Fabriken“ (Monaco 2005: 246) arbeiten, den Weltmarkt zu erobern. Es bricht eine „Goldene Ära“ des immensen wirtschaftlichen Erfolgs an. Auch wenn Hollywoods Kinospielfilme nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zunächst von der starken Konkurrenz des Fernsehens und ca. seit den 1990er Jahren durch Multimedia und Internet massiv herausgefordert werden, so üben sie als „Orte kultureller Erfahrung“ (Paech 2000: 174) bis heute großen Einfluss aus. „Films became a major force of socialisation, providing role models and instruction in dress and fashion, courtship and love, and in marriage and career“ (Kellner 2000: 128). Der Hollywood-Spielfilm zählt in diesem Sinne zu den bedeutsamen sozial-kulturellen Praktiken der westlichen Gesellschaft. In ihm entfalten Codes und Typen eine Wirkung, die für den Prozess der Subjektivation im historischen Kontext der bürgerlichen Moderne und der Postmoderne seit den 1970er Jahren konstitutiv sind. Kollektive Rezeption des Hollywood-Spielfilms Der Hollywood-Spielfilm wirkt mit seinen Themen, Handlungen, Botschaften, Überzeugungen, Wertvorstellungen, Typen etc. auf seine Zuschauer ein und erzeugt und bedient kollektive Stimmungen und Begehren (vgl. Kellner 2000: 128f.). Auf diesen Umstand verweist Walter Benjamin bereits Mitte der 1930er Jahre. Der Film sei Teil einer historisch neuen populären Kultur, in der sich die Art und Weise der menschlichen Sinneswahrnehmung verändert habe (vgl. Benjamin 1978: 478). Eines seiner wesentlichen Charakteristika liege in der Macht der massenkulturellen „Kollektivrezeption“ (ebd.: 497).

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Die Filmindustrie habe „alles Interesse, die Anteilnahme der Massen durch illusionäre Vorstellungen […] zu stacheln“ (ebd.: 494).13 Aus diesem Grunde sind industriell gefertigte, kollektiv rezipierte und damit gewissermaßen standardisierte Kulturgüter auch Horkheimer und Adorno ein Dorn im Auge. Wie sie in der Dialektik der Aufklärung schreiben, drücke sich in ihnen „die Macht der ökonomisch Stärksten über die Gesellschaft“ aus (1971: 109). Horkheimer und Adorno meinen in der Kulturindustrie gar ein totalitäres System erkennen zu können und beklagen dessen Manipulation der Gesellschaft sowie deren widerstandslose Akzeptanz (vgl. ebd: 109ff.). Bis heute hat ihre Bestandsaufnahme, der zufolge „alle Massenkultur unterm Monopol [...] identisch“ (ebd.: 108) scheint, wenig von ihrer Aktualität verloren. Warum können diese weitgehend identischen Produkte der Kulturindustrie „darauf rechnen, selbst im Zustand der Zerstreuung alert konsumiert zu werden“ (ebd.: 114)? Vermittelt sich ihre kollektive „Verfügung über die Konsumenten“, wie Adorno und Horkheimer mutmaßen, tatsächlich allein durchs „Amusement“ (ebd.: 122)? Natürlich verdanken die meisten erfolgreichen Kinospielfilme, damals wie heute, ihre Popularität und damit hohe Einspielergebnisse einer dramatischen Komposition, die Freude, Traurigkeit und Spannung hervorruft. Ich werde auf den folgenden Seiten erörtern, inwieweit jedoch insbesondere die psychoanalytische Filmwissenschaft14 seit den 1970er Jahren präzise herausgearbeitet hat, dass die Zuschauersubjekte nicht allein deshalb kontemplativ in den Filmsesseln versinken, da sie sich „Amusement“ wünschen, sondern weil Spielfilme die subjektivierenden Prozesse der Wiedererkennung und Identifikation evozieren. Bereits Freud bemerkt 1915 über die Welt der Fiktion: „Wir sterben in der Identifizierung mit dem einen Helden, überleben

13 Benjamin beschreibt hier die Psychoanalyse als probate Wissenschaft zur Auswertung dieses neuen Verhältnisses von Mensch und Kulturprodukt. „Der Film hat unsere Merkwelt in der Tat mit Methoden bereichert, die an denen der Freudschen Theorie illustriert werden können“ (ebd.: 498). Meines Wissens verfolgt er diesen Gedanken jedoch nicht entschieden weiter. 14 Zur Einführung in Geschichte und Theorie der psychoanalytischen Filmwissenschaft vgl. Zeul (1994) und Kappelhoff (2003).

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ihn aber doch, und sind bereit, ebenso ungeschädigt ein zweites Mal mit einem anderen Helden zu sterben“ (1999: 343f.).15 Identifikation und Wiedererkennung: Zur Subjektivierung durch den Hollywood-Spielfilm Der erste psychoanalytisch fundierte filmwissenschaftliche Ansatz, der sich mit den Prozessen von Wiedererkennung und Identifikation auseinandersetzt, findet sich 1947 bei Siegfried Kracauer. Er verortet die Kraft, die der populäre Spielfilm auf die „anonyme Menge“ (Kracauer 1979: 11) ausübt, nicht allein in seinen offensichtlichen, leicht erkennund deutbaren Motiven, sondern in Subtexten, charakteristischen Handlungskonstruktionen, Strukturen von Einstellungsfolgen etc. „Was die Filme reflektieren, sind weniger explizite Überzeugungen als psychologische Dispositionen – jene Tiefenschichten der Kollektivmentalität, die sich mehr oder weniger unterhalb der Bewusstseinsdimension erstrecken“ (ebd.: 12). Diese Dispositionen kennzeichneten den Film als „äußere Projektion innerer Bedürfnisse“ (ebd.: 14). Insofern es Kracauer also nicht um individuelle, sondern um „Kollektivdispositionen“ (ebd.: 15) geht, erscheint der Film bei ihm als Ausdruck untergründiger gesellschaftlicher Tendenzen. Welche Wahrnehmungs- und Identifikationsprozesse beim Filmpublikum nun genau ablaufen, ist von der modernen psychoanalytischen Filmtheorie erarbeitet worden. Hervorzuheben ist insbesondere Christian Metz’ Theorie des imaginären Signifikanten (2000).16 Zent-

15 Dem Medium des Films steht Freud allerdings zeitlebens sehr skeptisch gegenüber. Er empfinde es „in seiner materiellen Festlegung auf das Zelluloid als ungenügend, die ‚unbegrenzte Aufnahmefähigkeit und Erhaltung von Dauerspuren‘ der Seele zu spiegeln“ (Bredekamp 2006: 31). Lacan hingegen geht häufig ins Kino und spricht in seinen Vorträgen auch oft über Hitchcock und Fellini (vgl. Jacquot 2006: 46). 16 Neben Metz’ Arbeit der psychoanalytischen Filmtheorie sei hier auch auf die Ausführungen Jean-Louis Baudrys (1986) verwiesen. Ihm geht es wie Metz im Wesentlichen darum, die Position des Zuschauersubjekts als Teil einer apparativen Anordnung im kinematographischen Dispositiv zu denken. Projektor, Publikum und Leinwand simulieren demnach eine Anordnung des Sehens (vgl. ebd.: 288), die bestimmte psychische Wahrnehmungs- und Identifikationseffekte bewirkten. Metz und Baudry beschrei-

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rale Frage dieser Theorie ist, welchen Platz das Zuschauer-Ich in der Signifikantenbildung des Rezeptionsakts einnimmt: „Also, wo bin ich, wenn ich meinesgleichen auf der Leinwand ‚wiedererkenne‘?“ Die Antwort lautet, dass sich der Filminhalt, den der Zuschauer wahrnehme, in ihm selbst wie auf einer zweiten Leinwand ablagere, „dass also ich selbst der Ort bin, wo das wirklich wahrgenommene Imaginäre symbolisiert wird. […] Kurz, der Zuschauer identifiziert sich mit sich selbst, mit sich als reinem Wahrnehmungsakt“ (ebd.: 49). Ganz ähnlich charakterisiert Gilles Deleuze in seiner Kinotheorie (am Beispiel Hitchcocks) die zentrale Qualität des Films als die technische Erzeugung „mentaler Bilder“ (1997: 264ff.).17 Diese Konzepte der psychoanalytischen Subjekt- bzw. Film(rezeptions)theorie funktionieren nur unter Einbeziehung sozial-historischer Realitäten, die durch den Spielfilm kraft seiner Themen, Handlungen und spezifischen Codes und Typen transportiert werden. Der Spielfilm generiert in diesem Sinne also „mentale Bilder“, die den Zuschauer einerseits interiorisieren und es ihm zugleich ermöglichen, sich identifikatorisch in seinen bestehenden (Vor-)Erfahrungen, Emotionen, Überzeugungen etc., also seiner epochenspezifischen Subjektivität zu bestätigen.18 Kino und Spielfilm werden „zur Identitätsmaschine“ (Elsaesser 2002: 41). Sie sind als sozial-kulturelle Praktiken zu verstehen, durch die sich Subjekte formen und geformt werden (vgl. Reckwitz 2006: 39).

ben den Kinoapparat dabei in Analogie zur psychoanalytischen Bedeutung des Traumes und zum lacanschen Spiegelstadium (vgl. Metz 2000: 79ff.). 17 Zur Thematik des Kinos als Schauplatz des Imaginären und den damit verbundenen Machtpotenzialen vgl. Elsaesser (2002: 41ff.). 18 Kino bzw. Spielfilm löst mitunter einen ähnlichen Effekt aus wie die psychoanalytische Therapie: Im Spiegel des A(a)nderen werden unsere eigenen verborgenen Sehnsüchte und Konflikte an die Oberfläche befördert. „Keine andere Kunstform produziert so intensive und vielfältige Gefühlsreaktionen wie das Kino“ (Tröhler/Hediger 2005: 1). Die filmische Illusion ist „lediglich die erste Stufe einer Umwandlung des realen Bildes in eine faktische psychische Realität. Im Idealfall dokumentiert sich diese Transformation in einem körperlichen Symptom: eben den Tränen des Publikums“ (Kappelhoff 2005: 36).

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Das psychoanalytische Subjektkonzept von Ödipus und der klassische Hollywood-Spielfilm – Theorie Auf den folgenden Seiten sollen die – von der Figur des Ödipus bestimmten – Subjektivationsmuster des klassischen Hollywood-Spielfilms herausgearbeitet werden. Insbesondere die feministische Filmtheorie der 1970er und 1980er Jahre hat sich mit der Dominanz von Ödipus im klassischen Hollywood-Spielfilm kritisch auseinandergesetzt. Zum Begriff der dominant fiction Das Konzept der dominant fiction geht auf Kaja Silverman (1992) zurück. Darunter fasst sie den Prozess der Subjektanbindung an das herrschende Zeichenrepertoire der Gesellschaft. Subjekte erkannten dominante gesellschaftliche Bilder bzw. Zeichen als pure, nackte Wahrheit an, obgleich sie genau wüssten, dass es bloß rein künstliche Fabrikate der gesellschaftlichen Verhältnisse seien (vgl. ebd.: 17). Im Zentrum dieses Zeichenrepertoires pulsiere Ödipus. „The positive Oedipus complex is consequently the normative psychic response […] to the dominant fiction“ (ebd.: 40). Klassische Maskulinität, die sich durch den Besitz der phallisch-ödipalen Machtposition auszeichne, dominiere die gesellschaftlichen Verhältnisse (vgl. ebd. 34). Der Ödipuskomplex begründe insofern die sinnstiftende primäre Stellung von Männlichkeit in der symbolischen, paternal ausgerichteten Ordnung. „The positive Oedipus complex represents the primary vehicle through which the subject affirms the ‚reality‘, the family and the phallus. […] It provides, in other words, a crucial reminder of the psychic mechanisms through which the dominant fiction solicits our belief“ (ebd.: 41).

Ödipus und Geschlecht im klassischen Hollywood-Spielfilm Laut Silverman leisteten Artefakte der Populärkultur ihren konstitutiven Beitrag bei der Festigung und Ausformung der ödipalen dominant fiction (vgl. ebd.: 30). Dies geschehe primär durch geschlechtsspezifische Anordnungen, insbesondere im kinematographischen Disposi-

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tiv.19 Bereits frühere feministische filmtheoretische Ansätze setzen sich mit diesem Prozess auseinander. So basieren Laura Mulvey (1973) und Teresa de Lauretis (1984) zufolge die Identifikationsmöglichkeiten im Kino auf dem Gegensatz von männlichem Voyeurismus und weiblichem Exhibitionismus. Nach Mulvey (1973: 32) gründe die „Magie des Hollywood-Stils […] in der geschickten und befriedigenden Manipulation der visuellen Lust“ der männlichen Zuschauer, denn der Kamerablick sei mit ihrem Blick verzahnt. „Der Mann kontrolliert die Phantasie des Films“ (ebd.: 38) und bestimme somit die Wahrnehmung. Im Kinosaal existiere eine Dichotomie von aktiv/männlich und passiv/weiblich (vgl. ebd.: 36). Das männliche Subjekt habe „seinen Stellvertreter auf der Leinwand“ (ebd.: 38). Die Protagonistin hingegen würde zumeist als begehrenswertes Sexualobjekt zur Schau gestellt und befriedige somit die „sexuelle[n] Instinkte und Identifikationsprozesse“ (ebd.: 36) der männlichen Zuschauersubjekte. De Lauretis (1984: 17) zufolge „verführt“ das Kino somit die männlichen Zuschauer und mache sie zu Komplizen des ödipalen Begehrens.20 Aber auch das ödipale Moment in der Diegese von Spielfilmen konstituiert sich aus der oppositionellen Anrufung von Mann und Frau. Narrative der dominant fiction seien im Allgemeinen so strukturiert, dass die männlichen Heldensubjekte angerufen würden, sich als solche zu erkennen, und die weiblichen Subjekte, dies an-zu-erkennen und

19 Die hier zusammengefassten Überlegungen der Filmtheorie beziehen sich in erster Linie auf das Kino. Ich möchte sie auf den grundsätzlichen Prozess der Rezeption (z. B. auch vorm heimischen Fernseher) ausweiten. Grund dafür ist, dass es im vorliegenden Buch weniger um genuine Aspekte der Kino-Apparatus-Theorie geht, als vielmehr um allgemeine Fragen zur visuellen Lust und zu Identifikationsprozessen beim Schauen eines Spielfilms. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Kultur der DVDHomevideos im 21. Jahrhundert gegenüber dem Kino immer mehr an Bedeutung gewinnt. Vgl. Seeßlen, Georg: Angriff der Killerscheiben. Das Kino ist durch die Konkurrenz der DVD bedroht. Doch es arbeitet auch fleißig an seiner eigenen Auflösung. In: DIE ZEIT 28.07.2005. 20 de Lauretis beantwortet hierbei auch die Frage, warum weibliche Zuschauer ein Vergnügen beim Filmschauen entwickelten. Im Akt der Rezeption identifizierten sie sich – kraft mangelnder Alternative – mit der männlichen Position (vgl. ebd.: 13).

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den Mann als Inhaber des Phallus zu begehren (Silverman 1992: 42).21 Dieser Anordnung liege das grundlegende Modell des von der Aufklärung idealisierten, vernunftgelenkten Subjekts der bürgerlichen Gesellschaft zugrunde. Dieser ist laut Eli Zaretsky (2006: 65) „befrachtet mit geschlechtsbezogenen Annahmen: Das rationale, autonome und aktive Subjekt galt als männlich, die passive, sinnliche und private Person dagegen als weiblich kodiert“. Der männliche Filmheld agiert also gemäß der ödipalen Logik als Subjekt, das verschiedene Stationen durchläuft, bis es letztlich seine Mission erfüllt hat und seine Männlichkeit kraft seiner Macht und Privilegiertheit gefestigt wird. Auf der anderen Seite des Szenarios wartet die weibliche Hauptfigur als sinnstiftender Signifikant darauf, von ihm abgeholt zu werden. Ihre passive Position ist genau auf das Handeln des männlichen Filmhelden zugeschnitten. Nachdem er alle Probleme aus der Welt geschafft hat, wird er sie am Ende seiner Mission bekommen, da sie ihn bzw. den Phallus begehrt. De Lauretis (1984: 21) resümiert: „Die Heldin muss sich daher wie Freuds kleines Mädchen weiterbewegen und ihren Platz dort einnehmen, wo Ödipus sie finden wird“. Dieser Platz „bezeichnet und markiert buchstäblich den Ort, den der Held durchschreitet bzw. auf den er hinschreiten wird. Dort wartet sie wie Darling Clementine auf seine Rückkehr, wie sie es tatsächlich in unzähligen Western, Kriegs- und Abenteuerfilmen tut. Sie bedient das Liebesinteresse“ (ebd.: 9ff.).

Die Darstellerin fungiere als Zeichen und Wert eines durch das ödipale Inzestverbot institutionalisierten Tauschsystems, das der Film abbilde. In einem ganz ähnlichen Gedankengang identifiziert Raymond Bellour (2001: 29) das klassische Hollywood-Kino als eine Maschine zur Produktion des Paares. Thematisches Zentrum der gemeinen Handlung sei die ödipale Initiationsreise des Paares: „The hero finds himself logically carried toward the possession of a wife: Eve, the woman. This

21 Dabei konstitutiv und strukturbildend ist die Darstellung der Filmhelden bzw. der von ihnen zu erobernden Frauen mithilfe stereotyper Eigenschaften. Zu den maskulinen Eigenschaften zählen u. a. Abenteuerlust, Aggressivität, Ehrgeiz, Kühnheit, Mut und Rationalität (vgl. Hißnauer/Klein 2002: 26) und zu den femininen Eigenschaften u. a. Abhängigkeit, Einfühlsamkeit, Milde und Unterwürfigkeit (vgl. Alfermann 1996).

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substitution, at the end of an ordeal in which the hero completes his itinerary (which may justifiably be called ‚Oedipal‘) opens the way to the jouissance symbolized by the last shot“. Bellour stützt seine Überlegungen dabei auf die Analyse diverser Hitchcock-Filme (ausführlich North by Northwest 1959, Psycho 1960, The Birds 1963, Marnie 1964), in denen sich das ödipale Drama in immer neuen Variationen wiederhole (vgl. ebd.: 239). Diese Filme seien Beispiele für ein generalisiertes Muster in Hollywood. „We must suppose that this play is the ever-revived version of Oedipus the King“ (ebd.: 31).22 Žižek (2002: 16) ergänzt (ebenfalls am Beispiel Hitchcocks), dass die Funktion der Handlung in zahlreichen Hollywood-Filmen letztlich nur darin bestehe, „das Liebespaar auf die Probe zu stellen und dessen schließliche Vereinigung möglich zu machen“, die wiederum „der bürgerlichen Ideologie der Heirat“ verpflichtet sei. Der klassische Hollywood-Spielfilm arbeitet nach dieser Lesart also kraft seiner oppositionellen Geschlechterdifferenzierung immer für Ödipus und subjektiviert sowohl Zuschauersubjekte als auch Heldensubjekte nach der Vorstellung bürgerlich-klassischer Männlichkeit. Tim Carrigan, Robert Connell und John Lee (1985: 592) haben den in den Men’s Studies mittlerweile populären Begriff der hegemonic masculinity eingeführt. Er beschreibt jene Vormachtstellung klassisch ödipal generierter Männlichkeit: „It is […] a question of how particular groups of men inhabit positions of power and wealth, and how they legitimate and reproduce the social relationships that generate their dominance“.23 Siegfried Kaltenecker beschreibt in diesem Sinne die

22 Auch an anderer Stelle, in einem Gespräch mit Janet Bergstrom (1988: 189ff.), bekräftigt Bellour diese Überlegungen: „The American cinema and the 19th century novel, seems to me therefore to be result of a general, socially and historically determined phenomenon of representation founded on a scenarization of the psychic conflicts caused by the massive presence of the Oedipus complex and the castration complex“. Er veranschaulicht diese These hier u. a. am Beispiel des Westerns The Westerner (1940). 23 Zum Begriff der hegemonic masculinity vgl. auch Hißnauer/Klein (2002: 28ff.).

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„hegemoniale […] Funktion des Erzählkinos“ (1996: 273ff.), die von heterosexuellen Filmhelden bestimmt werde.24 Zur Frage nach der Wirkmächtigkeit der ödipalen Geschlechterordnung im Hollywood-Spielfilm nach 1970 Die in diesem Abschnitt behandelten, zum Teil feministisch orientierten psychoanalytischen Überlegungen der Filmtheorie stehen der Macht des Phallus im Hollywood-Spielfilm kritisch, bisweilen gar feindlich gegenüber. Silverman z. B. kritisiert die Strukturen der dominant fiction als „pathologisch“ (1992: 47). Zentral ist die Forderung nach alternativen Rollen- und Strukturmodellen, die Wege aus der ödipalen Umklammerung aufzeigen. Ich denke jedoch, dass diese Forderung weitgehend obsolet ist. In meiner Analyse verfolge ich die These, dass die hegemonic masculinity des klassischen HollywoodSpielfilms mittlerweile instabil geworden ist und ihre Wirksamkeit weitgehend eingebüßt hat. Die geschlechtlich-ödipale Dominanz des Hollywood-Kinos existiert seit den 1970er Jahren in Hollywood nicht mehr. Für die vorliegende Studie ergibt sich folgende Bestandsaufnahme: Die feministisch orientierte psychoanalytische Filmtheorie nach Silverman, Mulvey und de Lauretis erfasst den klassischen Hollywood-Spielfilm in seiner geschlechtlich-ödipalen Differenzierung und die ihm immanente Vorherrschaft des Phallus. Infolge der Transformation der gesellschaftlichen Verhältnisse seit den 1970er Jahren hat sich die sozial-kulturelle Praktik des Hollywood-Spielfilms jedoch massiv verändert. Im postmodernen Hollywood ist das Bild ödipal generierten, phallisch-virilen Heldentums nicht mehr die vorherrschende Repräsentationsform von Männlichkeit sondern wird durch präödipale Subjekttypen ergänzt und ersetzt. Ödipus als formales Prinzip im klassischen Hollywood-Spielfilm: Narrative Struktur und Helden-Initiation Um die Dominanz der Figur von Ödipus im klassischen HollywoodSpielfilm erfassen zu können, habe ich auf den voranstehenden Seiten

24 Auch Richard Dyer (1979: 30) und Susanne Weingarten (2004: 21ff.) weisen auf die hegemoniale Stellung von Männlichkeit im Hollywoodsystem hin.

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primär auf die Überlegungen der Filmtheorie zur Geschlechterordnung rekurriert. Auf den folgenden Seiten soll nun dargestellt werden, wie Ödipus als formales Prinzip (gemäß der lacanschen Trias imaginär – symbolisch – real) in das Narrativ des klassischen Hollywood-Spielfilms eingeschrieben ist. Die formale Bauart des klassischen Hollywood-Spielfilms David Bordwell (1986) hat die Prinzipien und Verfahren herausgearbeitet, die konstitutiv für den klassischen Hollywood-Spielfilm sind. Er legt dessen einzelne Schichten und Segmente frei und identifiziert so ein feststehendes Konstruktionsschema der Narration, einen „straight corridor“ (ebd.: 18), der nach dem kausalen Prinzip von Ursache und Wirkung funktioniere. „The classical film respects the canonic pattern of establishing an initial state of affairs which gets violated and which must then be set right“ (ebd.: 19). Der Protagonist, als (Begehrens-)Agent der Zuschauer mühe sich zielorientiert ab, um ein fest umrissenes Problem aus der Welt zu schaffen (z. B. Gangster dingfest machen, Geld wiederbeschaffen, Heimatland retten etc.), das sich eingangs der Handlung durch außergewöhnliche Umstände (z. B. Verbrechen) eingestellt hat. Dabei ist ihm oftmals eine Frist (z. B. Around the World in Eighty Days 1956, High Noon 1952) gesetzt. „That the climax of a classical film is often a deadline shows the structural power of defining dramatic duration as the time it takes to achieve or fail to achieve the goal“ (Bordwell 1986: 19). Mit Ausnahme einzelner Rückblenden, die dem Zweck des Auffüllens von Wissens-Leerstellen der Zuschauer dienen, sind größere Zeitsprünge dabei nicht vorgesehen. Die Ereignisse finden in chronologischer Abfolge statt und münden in ein Happy End (vgl. ebd.: 21ff.). Es geht jedoch nicht nur um die Mission des Helden. In der heterosexuellen Romanze enthält die Handlung üblicherweise eine zweite, gleichwertige narrative Linie. In den meisten Filmen fallen beide Linien in der Klimax der Handlung zusammen. Die Lösung der Mission bedingt die Erfüllung des Liebesbegehrens. „It is significant that of 100 randomly sampled Hollywood films, over 60 ended with a display of the united romantic couple – the cliché happy ending“ (ebd.: 21). Für Žižek (1999: 63) ist dies „Hollywood in Reinkultur […]. Die Erzeugung des heterosexuellen Liebespaares ist der ultimative hermeneutische Bezugsrahmen für den Sinn des Films.“ Ähnlich erfasst Thomas Christen (2002) das

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Happy End des Spielfilms als „Prototyp der Schlussfindung für die klassische Narration. […] Das Glück erscheint personifiziert in dieser Normkonstellation, in diesem gesellschaftlichen Modell, zu dessen Propagierung und Festigung der Film beiträgt“ (ebd.: 40f.).25 Die formale Bauart des klassischen Hollywood-Spielfilms als ödipales Narrativ Bordwells Standardformel zu Inhalt und Struktur der Reise des Helden in Hollywood-Filmen26 enthält signifikante Übereinstimmungen mit der formalen Logik der ödipalen Subjekttheorie Lacans. Demnach besteht die Hollywood-Handlung vereinfacht gesagt darin, dass der Held sich aus seiner imaginären Ahnungslosigkeit befreit, indem er einen bedrohlichen Mangel überwindet und sich schlussendlich als Signifikant in der symbolischen Ordnung etabliert, in der er sein Begehren frei artikulieren kann. Zu Beginn einer Handlung befinden sich das Setting und seine Subjekte in einer Art Gleichgewichtszustand. Noch ist kein Unglück über sie hereingebrochen, es existieren keine schicksalhaften Verstrickungen. Die Ausgangssituation eines üblichen Plots des klassischen Hollywood-Spielfilms beruht also auf einem „nichtstrukturierten, vor-symbolischen, imaginär homöostatischen Zustand, eine[r] indifferente[n] Balance, in der die Beziehungen zwischen den Subjekten noch nicht in einem strengen Sinn […] strukturiert sind“ (Žižek 2002: 19). Dieser Zustand, der in der psychoanalytischen Theorie durch die harmonische, pränatale Symbiose des Embryos mit der

25 Dirk Blothner (1999: 61ff.) zufolge verdankt Pretty Woman (1990) seinen Status als einer der erfolgreichsten Hollywood-Blockbuster aller Zeiten der spezifischen Konstruktion seines Happy Ends. Indem der Film „einen Mann und eine Frau zusammenbringt, die offensichtlich Welten trennen, erzeugt er von Anfang an eine gespannte Erwartung“ (ebd.: 63). In den Zuschauern werde der Wunsch freigesetzt, die beiden unterschiedlichen Menschen mögen sich zu einem Paar vereinigen. All die Hindernisse und Probleme, die die Erzählung auf dem Weg dorthin bereithält, verstärkten diesen Wunsch dabei, so dass die Zuschauer schlussendlich „eine verzögerte Verwandlung in eine neue Harmonie“ (ebd.: 67) erlebten. 26 Bordwell illustriert seine Formel an anderer Stelle (1995) am Beispiel des Action-Blockbusters Die Hard (1988). Ich werde in Kapitel 4 darauf zurückkommen.

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Mutter repräsentiert ist, wird durch ein traumatisches Erlebnis zerstört, z. B. durch einen Mord. Dieser Einbruch oder „Schock des Realen“27 (vgl. ebd.: 20) ist struktural notwendig, da er die Handlung in Bewegung setzt und damit im übertragenen Sinn die Geburt des Helden markiert. Seine Einwilligung, als solcher die Mission anzutreten, ist dabei aber eine ‚erzwungene Wahl‘, da es eben genau und nur er ist, der sich als ‚Angerufener‘ auf der Position (als Kommissar, Detektiv, Betrogener etc.) eingefunden hat und nun seine „bis zur Aufopferung des eigenen Lebens reichende Zugehörigkeit zum Gemeinwesen bestätigen muss“ (Žižek 1991: 122). Im Prinzip ist dies die gleiche Situation wie die des kleinen Jungen, der – im Sinne der Modellvorstellung der klassischen psychoanalytischen Subjekttheorie – das ödipale Szenario zu durchschreiten hat. Die imaginäre Homöostase verwandelt sich mit Einsetzen der Mission, infolge des Schock des Realen, in die Ordnung eines symbolisch strukturierten Netzes intersubjektiver Beziehungen (z. B. Detektiv – Verdächtige – Täter – Opfer – Zeugen etc.). Obgleich hier eine Vielzahl von Charakteren einbezogen ist, lässt sich das Beziehungsgeflecht für einige Narrative auf eine ödipal-triadische Struktur reduzieren.28 Entscheidend ist, dass der Held in dieser Struktur selbst zunächst noch wie der präödipale Junge agiert. Er durchblickt die wahren Verhältnisse der symbolischen Ordnung nicht (z. B. „Wer ist der Täter?“) und ist demgemäß im imaginären Zustand der Verkennung gefangen.

27 Das Reale im lacanschen Sinne ist laut Žižek (1991: 38) der eigentliche Grund, aus dem wir uns einen Film überhaupt anschauen, denn erst die Katastrophe, der Mord, die Intrige etc. zögen uns vor die Leinwand. In gewisser Weise fliege die Kugel also immer schon, bevor wir das Kino betreten. 28 Lacan selbst erarbeitet diese Handlungsstruktur in seiner einzigen systematischen Studie zur Literatur. In Das Seminar über E. A. Poes „Der entwendete Brief“ (1991) erkennt er in den Szenen der Erzählung eine prädeterminierte, sich wiederholende Dreiecksstruktur, deren Positionen sich im Verlauf der Handlung verschieben. Es geht dabei um die drei Positionen real – imaginär – symbolisch, erstens derer, die objektiv nichts sehen, zweitens derer, die sich selbst subjektiv reflektieren, das symbolische Geflecht aber (noch) nicht durchdringen bzw. wiederherstellen können, und drittens derer, die die Deutungshoheit und damit das symbolische Wissen innehaben, da sie das Szenario begreifen (vgl. Wright 1985).

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Das symbolische Netz der Handlung wird dabei aus einem zwischen den Subjekten zirkulierenden Mangel (ungelöster Mord, schöne Frau, Geldkoffer, tickende Bombe) strukturiert, auf den ihr Begehren abzielt. In der psychoanalytischen Literatur- und Filmtheorie wird dieser fundamentale Mangel auf dreifache Weise gedeutet. Lacan selbst spricht hier lediglich vom zentralen Signifikanten, insofern der Mangel „durch den Ort bestimmt wird, den der reine Signifikant […] in ihrem Trio einnimmt“ (Lacan 1991: 14). Nach Žižek (2002: 19f.) sind es hingegen verschiedene Objekt-Typen (gemäß dem lacanschen Objekt des Begehrens), die diesen Mangel symbolisieren.29 Schließlich erblickt Helga Gallas (1981: 74) im Mangel den Platzhalter für den imaginären Phallus, der seinen gültigen Existenzanspruch in der Handlung behaupte, kraft der Tatsache, dass er – wie im ödipalen Szenario – „nicht an seinem Platz [ist], sondern [er] fehlt dort, er taucht da auf, wo man ihn nicht vermutet und wird nicht dort gefunden, wo man ihn sucht“.30 Signifikant, Objekt und imaginärer Phallus meinen in diesem Zusammenhang im Grunde dasselbe und können hier gleichermaßen für den Mangel in der Spielfilmhandlung eingesetzt werden. Als dessen Substitute stellen sie stets den Platz der Leere, Unerreichbarkeit und Verdrängung aus der symbolischen Ordnung dar. „Es [das Substitut] befindet sich auf einem besonderen Platz, im Zentrum der inter-

29 Erstens den sogenannten MacGuffin, der einen leeren Platz bzw. einen reinen Vorwand symbolisiert. Dieses Objekt enthält keine positive Wesensbestimmung und ist notwendig abwesend und nicht greifbar. Es besitzt aber eine eminente Bedeutung für die Figuren (z. B. die vermeintliche Leiche in Antonionis Blowup 1966). Zweitens, ein Objekt, das der ungespiegelten materiellen Anwesenheit eines Realitätsfragments entspricht und als Garantie der symbolischen Beziehungen dient (z. B. ein Entführungsopfer). Und drittens das Objekt der massiven bedrückenden materiellen Präsenz, das das Reale stumm und bedrohlich verkörpert (z. B. die Vögel in The Birds 1963). 30 Gallas analysiert die Funktion des imaginären Phallus in Bezug auf Kleists Michael Kohlhaas: Nach dem Muster von Lacans Poe-Seminar zerlegt sie die erzählerische Konstruktion in mehrere triadische Gefüge, die vom imaginären Phallus (z.B. Kohlhaas’ Rappen) strukturiert werden. Gallas’ Analyse zeigt, dass sich unterhalb der Plot-Linie des Kohlhaas-Textes die triangulierte Substruktur des Ödipus befindet, in deren Zentrum der phallische Signifikant als das unbewusste Verdrängte steht.

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subjektiven Beziehungen: Es stiftet die Beziehungen, es stellt ihnen die notwendige Stütze bereit – aber gleichzeitig blockiert es sie, es verkörpert ihre innere Unmöglichkeit, es hindert sie daran, spiegelbildlich zu sein“ (Žižek 2002: 38).31 Nachdem seine Mission zu Beginn der Filmhandlung gestartet ist, arbeitet der Held nun zielorientiert und chronologisch verschiedene Stationen ab, um sie zu erfüllen, sprich um sich aus seinem imaginären Verhaftetsein zu befreien und den Mangel zu beseitigen. Dies gelingt ihm erst mit der finalen Closure (z. B. der Überführung der Täter). In ihr stellt sich die aus den Fugen geratene symbolische Ordnung wieder her. Insofern enthält Bordwells Beobachtung des „united romantic couple“ eine tiefere lacansche Dimension: Solange sich der Held im Imaginären seiner Mission verfangen hält, ist ihm das wahre Begehren genuin fremd. Er weiß streng genommen noch gar nicht um die Existenz der Frau und wird sie erst erkennen, begehren und erhalten können, sobald er sich durch die Erfüllung seiner Mission in die symbolische Ordnung integriert hat. Vater- und Mutterfiguren Zuschauersubjekte sind, wie weiter oben erörtert, üblicherweise mit dem Helden verzahnt und teilen seine Begehrensposition. Er gilt ihnen als zentrale Identifikationsgröße und dynamische Triebfeder der Narration. Doch nur auf den ersten Blick löst er seine Mission aus eigener Kraft. Im ödipalen Narrativ des klassischen Hollywood-Spielfilms existiert tatsächlich eine Instanz von viel größerer Macht, die über den Helden verfügt und deren Gesetz sein Handeln determiniert. Diese Macht wird durch die symbolische Autorität des Namen-des-Vaters verkörpert, dem Gesetz par excellence. Sie ist zugleich Auftraggeber, Über-Ich (bzw. Ich-Ideal) und zentrale Orientierungs-, Identifikationsund Werteinstanz für den Helden. Die reinste Form des Gesetzes im Hollywood-Spielfilm findet sich insbesondere in den Genres des Wes-

31 Dolar (2002) weist auf die Alternative hin, dass der Mangel (bzw. seine Substitute) in bestimmten Fällen nicht als zirkulierendes Element inmitten einer Dreiecksstruktur zu finden ist, sondern sich stattdessen auch selbst als dritter Eckpunkt dieser ödipalen Struktur definiert. Dies gilt für Hollywood-Plots, deren Inhalt von der Dualität bzw. Spiegelbildlichkeit zweier Protagonisten bestimmt ist, z. B. Hitchcocks Shadow of a Doubt (1943).

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terns oder Krimis/Thrillers. Gemäß dem Prinzip von Law and Order unterstehen die Helden hier einer unfehlbaren, paternalen Machtstruktur (Sheriff, Polizeiapparat, Geheimdienst etc.), die durch ihren Auftrag an und ihre Verfügung über den Helden dessen Eintritt in die symbolische Ordnung ermöglichen. Das symbolische Gesetz kann aber durchaus auch durch eine echte Vaterfigur symbolisiert werden, wie z. B. im klassischen Melodram Cat on a Hot Tin Roof (1958). Die körperliche und seelische Versehrtheit sowie die sexuellen Probleme des alkoholkranken Helden Brick sind das Ergebnis eines bitteren, tiefsitzenden Konflikts mit seinem eigenen mächtigen Vater „Big Daddy“. Erst die finale, wenngleich auch brüchige Übereinkunft der beiden deutet für Brick so etwas wie die Lösung seiner Probleme (Alkoholverzicht, Ehe) an. Darüber hinaus hat die gesetzgebende Instanz des Namen-desVaters auch eine formal-textuelle Funktion, denn als grundlegende Repräsentation des Symbolischen ermöglicht ihre Existenz überhaupt erst eine kohärente und sinnstiftende Sprach- und Bildlogik. Die symbolische Vaterfigur im filmischen wie auch literarischen Text ordnet die Signifikanten und übersetzt das ursprüngliche Chaos der undifferenzierten, vorsprachlichen Beziehungen des Imaginären in ein „vernunftvolles, geordnetes System von Zeichen“ (vgl. Lehmann 1979: 313). Ohne Vaterfigur wäre das (Helden-)Subjekt hilflos und der Artikulation unfähig. Zugleich wären damit alle weiteren Textpositionen akut von Desintegration und Sprachzerfall bedroht (vgl. ebd.: 311). Die Prekarität dieses Zustands übe sowohl innerhalb der Diegese als auch auf die Zuschauer eine unheimliche und verstörende Wirkung aus. Die Funktion der Mütterlichkeit im klassischen Hollywood-Film ist dagegen in vielen Fällen nur ein ungleichwertiges Pendant zum mächtigen Namen-des-Vaters und von eher geringfügigerer Bedeutung.32 Die „realen“ Mutterfiguren haben nur selten handlungsrelevanten Charakter. Als Gegenpart zum im Hollywood-Film leicht zu verortenden symbolischen Gesetz lässt sich die Mütterlichkeit vielmehr als das eher abstrakte Feld der Imagination (oder auch: das „Korrelat des Spiegelbilds“ [Lehmann 1979: 314]) bestimmen, aus der sich der Held befreien muss. Julia Kristeva (1978) nennt dieses Feld den Bereich der

32 Zur Bedeutung der Mutter in der Filmtheorie vgl. auch Brauerhoch (1996: 32ff.)

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„semiotischen Chora“ (vgl. ebd.: 35ff.). Damit meint sie ein undifferenziertes, „einheits-, identitäts- und gottlos[es]“ (ebd.: 37) Kontinuum, in dem keine festen Grenzen zwischen Organismus und Umwelt existieren. Es ist ein Hort „energetische[r] Ladungen“ (ebd.: 36), die sich im Rücken der vom väterlichen Gesetz dominierten symbolischen Ordnung offenbaren, und zwar nicht als semantische Sinnmuster, sondern im „semiotisierbaren Material: Stimme, Gesten, Farben“ (ebd.). Die Repräsentation von Mütterlichkeit ist in Kristevas Lesart dem „Sinn und der Bedeutung vorgängig, mobil und amorph“ (ebd.: 58). Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Logik des klassischen Hollywood-Spielfilms auf einer ödipal-patriarchalen, phallischen Symbolik basiert und im Sinne der dominant fiction die sozialkulturelle Ordnung der bürgerlichen Gesellschaft reflektiert. Dies gilt ganzheitlich für das Narrativ, also sowohl formal für die Komposition der Textelemente als auch inhaltlich für die erzählte Handlung, das heißt die Initiation des durch das ödipale Szenario konstiuierten Heldensubjekts. In Kapitel 4 wird es darum gehen, wie sich jedoch seit den 1970er Jahren u. a. die Hierarchien von väterlichem und mütterlichem Universum in der Struktur des Narrativs und damit in der erzählten Welt des Helden verschieben. Die Helden stehen daher nicht selten auf Kriegsfuß mit dem Gesetz ihrer Väter. Gleichzeitig kommt es zu einer Aufwertung der emotionalen Bindung zum Bereich Mütterlichkeit/Weiblichkeit. Die Reibung der Helden am und im ödipalen Narrativ ist damit vorprogrammiert.

Das psychoanalytische Subjektkonzept von Ödipus und der klassische Hollywood-Spielfilm – Filmbeispiele Im Folgenden sollen die theoretischen Überlegungen dieses Kapitels zur ödipalen Konstruktion des klassischen Hollywood-Spielfilms am Beispiel der beiden Blockbuster River of No Return (1954) und Gilda (1946) veranschaulicht werden.

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River of No Return (1954) River of No Return ist die Geschichte des Farmers Matt Calder zu Zeiten des Goldrauschs in den USA Mitte/Ende des 19. Jahrhunderts. Matt möchte mit seinem neunjährigen Sohn Mark ein neues Leben beginnen. Der Traum vom soliden Farmerleben zerplatzt aber schnell, denn der Spieler Harry stiehlt Matt in der Wildnis Gewehr und Pferd, lässt jedoch die attraktive Sängerin Kay zurück. Um sich vor aufgebrachten Indianern in Sicherheit zu bringen, müssen Matt, Mark und Kay schon sehr bald das Feld räumen. Sie fliehen flussabwärts auf einem Floß. Auf ihrer Reise trotzen sie weiteren Indianern, gemeinen Banditen, wilden Tieren und heftigen Stromschnellen, bevor sie letztlich ihren Zielort erreichen. Im Showdown erschießt Mark den Spieler Harry und rettet seinem Vater Matt somit das Leben. Müde, aber glücklich setzen die drei sich in der Closure mit einer Pferdekutsche in Bewegung und steuern ihrer familiären Zukunft auf Matts Farm entgegen. Das Thema der Geschichte von River of No Return ist ganz offensichtlich das grundlegende ödipale Motiv der Setzung einer kernfamiliären Trias (Matt, Kay und Mark) bzw. die Initiationsreise des Paares. Die Handlung zielt im Wesentlichen darauf, die drei Protagonisten in der Closure als Familie zu konfigurieren. Darauf bereiten bereits im ersten Drittel des Films und in kurzer Abfolge drei sich wiederholende, zugleich aber ambivalente, formale Anordnungen einer prädeterminierten Familientrias vor. Zunächst sitzen Matt und Mark nebeneinander vor ihrer Hütte und halten sich mittig das Bild der Mutter vor, so dass erstmals eine klassische geschlossene familiäre Dreiecksstruktur entsteht. Jedoch sehen wir Zuschauer selbst nur die Rückseite des Bildes und damit einen weißen Fleck. Das Bild dient als Platzhalter für die Leerstelle, die die Mutter nach ihrem Tod hinterlassen hat.33 Das Narrativ suggeriert, dass diese Leerstelle neu ausgefüllt werden muss, denn als Nächstes sind Matt und Mark bei der Bestellung ihres Feldes zu beobachten,, wobei das Ackerland als Zeichen der Fruchtbarkeit den imaginären Bereich der mütterlichen chora repräsentiert. Dieses abstrakte Substitut von Weiblichkeit kann die beiden aber nicht glücklich machen, ihren Mangel also nicht beheben, so dass schon in

33 Es gibt keine Informationen über die Mutter, weder erfahren die Zuschauer ihren Namen noch die Todesumstände.

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der nächsten Szene buchstäblich eine märchenhafte (Fluss-)Strömung die Sängerin Kay als potenzielle Kandidatin auf den freien Platz des familiären Gefüges spült, welchen sie unmittelbar einnimmt. Eine der folgenden Szenen zeigt erneut die räumliche Anordnung einer Familientrias, in deren mittiger Position anstelle des Bildes der toten Mutter nun Kay erscheint. Vater und Sohn schauen aus einem Fenster des Hauses auf Kay, die solchermaßen wie eingerahmt erscheint: „Sie ist wunderschön, nicht wahr, Vater?“ Doch in das vermeintliche Familienglück bricht der Schock des Realen ein. Spieler Harry schlägt Matt nieder und raubt ihm Gewehr und Pferd. In der Wildnis sind sie die einzigen Instrumente der Macht, die überdies überlebenswichtig sind („Es gibt bei uns ein besonderes Gesetz. Wenn einer hier einem Mann Pferd und Gewehr stiehlt, ist es so als ob er ihm das Leben nimmt“) und den Phallus symbolisieren. Die sich in dieser Szene ergebende dritte Bild-Anordnung der Familientrias ist somit auch die problematischste: Harry bedroht das Familiendreieck vom rechten Bildrand aus mit dem gestohlenen Gewehr und zieht anschließend von dannen. Ab sofort besitzt er den Phallus und das Familienglück ist erst einmal suspendiert. Matt hat keine andere Wahl, als die ödipale Reise anzutreten – an deren Ende er sich ja bereits wähnte –, um den Phallus wiederzubeschaffen und den Konkurrenten aus dem Weg zu räumen. Die anstehende Floßfahrt mit all ihren Gefahren stellt nun die wahre ödipale Reise des Helden dar. Unterwegs nähert sich Matt einmal Kay an und versucht sie gewaltsam zu küssen, aber Kay kann ihn sich vom Leibe halten. Das ist struktural auch notwendig, denn Matt ist zu diesem Zeitpunkt noch hochgradig imaginär verfangen. Seine ödipale Mission ist noch nicht beendet und ohne Phallus ist das Begehren nicht realisierbar. Der Showdown bietet eine interessante Lösung des ödipalen Konflikts. Matt wird als guter Vater bestätigt und erhält durch Harrys Tod seinen Phallus zurück. Die ödipale Mission ist beendet, das imaginäre Stadium verlassen und Held Matt erklärt sich bereit, das symbolische Mandat des Namen-des-Vaters seiner kleinen Kernfamilie anzunehmen (Kay: „Wohin bringst du mich?“ – Matt: „Nach Hause!“). Der Umstand, dass der kleine Mark dem fiesen Harry den Todesschuss verpasst, ist nicht allein als dramaturgischer Kunstgriff zu verstehen, denn damit bestätigt der Filmtext das Ideal ödipal generierter Männlichkeit in seiner Entwicklungslogik. Mark tritt mutig in die Fußstap-

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fen seines Vaters, der einst die gleiche Tat beging, und demonstriert seinerseits Anspruch auf die Position des kommenden Phallusinhabers. Natürlich existiert auch in River of No Return eine mächtige, väterliche Autorität als übergeordnete Instanz der Handlung, der sich Matt auf seiner ödipalen Mission beugt. Es ist der christliche Glaube. Er wird gleich zu Beginn der Handlung eingeführt. Inmitten der gottlosen Spielerstadt kommt es zur Begegnung mit dem Pastor, der die Religion als gültiges und gutes Gesetz verkörpert, dem Matt unterworfen ist („Hier, Ihre Bibel!“). Der Plot bietet aber noch eine zweite, konkurrierende Instanz des Namen-des-Vaters. Es ist die böse und subversive Macht von Gold und Glückspiel, die die symbolische Ordnung der Filmhandlung strukturiert. Matt erkennt allerdings ihren betrügerischen Charakter und verweigert sich ihr kategorisch. Kontrahent Harry hingegen ist ihr genuiner Mandatsträger, denn er ist Falschspieler und Goldsüchtiger zugleich. Insofern spiegelt sich in der Auseinandersetzung des Helden Matt mit seinem Widersacher Harry auch die binäre Opposition zweier ödipaler Vater-Autoritäten, an deren Ende sich die moralisch intakte durchsetzt. Bis hier noch nicht zur Sprache gekommen ist die Rolle von Sängerin Kay. Als Objekt des Begehrens ist sie das Schlüsselelement der phallischen Inszenierung. Als handlungspassiver Signifikant wartet sie darauf, vom aktiven Helden Matt in der Closure erobert zu werden. Darüber hinaus fügt sie sich beispielhaft in die Dialektik von männlichem Voyeurismus und weiblichem Exhibitionismus des klassischen Hollywood-Films. Mehrfach wird der narrative Handlungsfluss für eine ihrer Show- und Gesangseinlagen unterbrochen, u. a. gleich zu Beginn in der Goldgräberstadt. In diesen Szenen „wird der Blick des Zuschauers mit dem des männlichen Charakters im Film kombiniert, ohne die Wahrscheinlichkeit der Handlung zu beschädigen. Für einen Augenblick versetzt die sexuelle Ausstrahlung der auftretenden Frau den Film in ein Niemandsland außerhalb seiner eigenen Zeit und seines Raumes“ (Mulvey 1973: 37). Jacqueline Rose (1985: 182) spricht vom weiblichen Spektakel: „Sexuality is frozen into her body as spectacle, the object of phallic desire and/or identification.“

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Gilda (1946) Gilda ist die Geschichte des Glücks- und Falschspielers Johnny Farrell, der in Buenos Aires strandet. Hier wird er vom mächtigen Kasinobesitzer Ballin Mundson aus der Gosse aufgelesen und avanciert innerhalb kürzester Zeit zu seinem Geschäftsführer und engsten Vertrauten. Doch in dem Moment, als Ballins Ehefrau Gilda auf den Plan tritt, beginnt das Band zwischen den beiden Männern zu reißen. Gilda und Johnny waren einst ein Paar und schwanken nun zwischen Hass und Liebe, was auch Ballin nicht verborgen bleibt. Nachdem Ballin vermeintlich bei einem Flugzeugunglück umkommt (sein vorgetäuschter Tod ist Bestandteil seines geheimen, größenwahnsinnigen Plans, ein weltweites Wolfram-Kartell zu errichten), scheint die Liebe bei Johnny und Gilda zu obsiegen und die beiden heiraten. Die Ehe ist jedoch ein Desaster, da Johnny seine Frau schlecht behandelt und im Haus einsperrt. Gilda flieht, kommt aber zurück, um sich scheiden zu lassen. Bevor die Situation eskaliert, greift die Polizei ein. Sie zerschlägt das Kartell, in dessen krummen Geschäfte auch Johnny mittlerweile verwickelt ist. Im Showdown wird der heimlich zurückgekehrte und rachsüchtige Ballin mit dem ausgefahrenen Messer seines eigenen Spazierstocks erstochen. Zwischen Johnny und Gilda bricht das Eis und ihr Liebesversprechen beherrscht die Closure. Wie auch bei River of No Return beruht die Dramaturgie bei Gilda im Wesentlichen auf der Frage, ob sich das Liebespaar am Ende finden wird, also wie es dem Helden Johnny gelingen kann, sich aus seiner imaginären Ahnungslosigkeit zu befreien und ein symbolisches Netz zu festigen, in dem er Gilda begehren kann. Der Erfolg der Mission ist hier aber weniger durch äußere Umstände gefährdet34 als vielmehr durch den elementaren, ödipalen Vater-Sohn-Binnenkonflikt zwischen Johnny und Ballin. Die erste Einstellung des Films zeigt den kniend im Würfelspiel vertieften Johnny. Er wird hier als kleiner Junge inszeniert, dessen einziges Interesse dem Zocken gilt. Aus dem Nichts taucht Ballin auf und übernimmt die Rolle des Beschützers, indem er Johnny mit seinem Stock (mit integriertem Messer) vor übel gelaunten Ganoven bewahrt. Der Stock symbolisiert auf fundamentale Weise den

34 Das verbrecherische Wolfram-Kartell fungiert hier als klassischer MacGuffin.

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Phallus. Er demonstriert Ballins Macht und vermeintliche Gesetzesfunktion als Name-des-Vaters. Die Vater-Sohn-Beziehung ist also bereits nach wenigen Filmminuten etabliert und wird mit dem wachsenden wechselseitigen Vertrauens weiter gefestigt: „Hören Sie, Mr. Mundson, ich wurde geboren, als wir uns gestern Abend begegnet sind, also habe ich keine Vergangenheit, nur eine Zukunft.“ Der Konflikt ist jedoch vorhersehbar, da von beiden Männern das Weibliche zunächst keinen Platz zugewiesen bekommt und als eigentliches, unbewusstes Begehren verdrängt wird. Ballin fordert:„Ich muss Gewissheit haben, dass es keine Frau in Ihrem Leben gibt“. Stattdessen fungiert der phallische Stock als dritter Eckpunk der formalen Handlungs-Trias: „Auf uns Johnny, uns drei!“ Mit Gildas Einführung in den Plot entsteht nun zwangsläufig ein massiver Konflikt, denn obwohl sie als Ballins Ehefrau zu ihm gehört, ist sie in gewisser Weise doch abwesend und zirkuliert als Mangel zwischen Vater- und Sohnfigur.35 Johnny akzeptiert zwar Ballins väterliches Gesetz, indem er dessen Anordnungen gehorsam befolgt und sich zudem Gilda gegenüber schroff und kühl verhält, dennoch evoziert das Narrativ immer wieder Brüche und Risse, in denen sich sein Unbehagen artikuliert. So wird u. a. die ödipale Urszene inszeniert, in der das Kind Zeuge der elterlichen Kopulation wird: „Ich wollte zurückgehen und sie zusammen sehen, ohne dass sie mich bemerkten. Ich wollte es wissen!“ Außerdem wirkt Johnny verstört, als, in einer bildlich-räumlichen Anordnung der Trias an einem Tisch des Kasinos, Ballin nun erneut den Toast ausbringt „Trinken wir auf uns drei!“, er diesmal aber nicht den Stock, sondern Gilda mit einbezieht. Es ist ausgerechnet Ballins Schlafzimmer, der Ort der Urszene, in dem sich Johnny und Gilda erstmals küssen: Johnny: „Du musst mich wirklich hassen!“

35 Die strukturale Abwesenheit Gildas wird in der seltsamen ersten Zusammenkunft von Gilda, Johnny und Ballin erkennbar. Gilda und Johnny blicken sich an (Schuss – Gegenschuss), sprechen aber nicht miteinander, sondern richten ihre Worte an den im Off platzierten Ballin, der das Gesagte für den eigentlichen Adressaten Johnny bzw. Gilda kommentiert. Es entsteht eine Trias, in der die Blickpositionen durch den Dialog subvertiert werden und Gildas Zuordnung als Objekt des Begehrens zu einer der beiden männlichen Positionen verunmöglicht wird.

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Gilda: „Ich glaube, du hast keine Ahnung, wie sehr.“ Johnny: „Hass ist wirklich ein aufregendes Gefühl, ist dir das noch nicht aufgefallen?“ Gilda: „Sehr aufregend. Ich hasse dich auch, Johnny, so unbeschreiblich. Ich glaube, dass ich daran sterben muss. Liebling.“ – Kuss.

Zwischen Johnny und Ballin kommt es mit dieser Szene zum Rollentausch: Ballin ist nun derjenige, der diesen Ausschnitt heimlich beobachtet. Es folgen Ballins inszenierter Tod, Johnnys und Gildas Hochzeit, verbunden mit der Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft, die sich aber schnell zerschlägt, da die scheinbar neu aufkeimende Liebe der beiden nicht echt ist. Sie kann hier – der ödipalen Logik gemäß – auch noch nicht existieren, aus dem einfachen Grunde, da Johnny noch nicht fähig ist, zu begehren. Er ist nach wie vor, und obwohl er Ballin tot wähnt, nicht frei von dessen autoritärem Einfluss und gehorcht ihm unvermindert weiter. Sinnbild hierfür ist das riesige Ballin-Porträt im Wohnzimmer. Ballin, der unmittelbar nach der Kuss-Szene seinen Tod vorgetäuscht hatte, ist hier noch lebendig und damit weiterhin, wenn auch physisch abwesend, der Hüter des symbolischen Gesetzes und Besitzer des Phallus. Insofern ist der Showdown im Kasino mit Ballins unerwartetem Auftritt strukturell notwendig. Den Grund hierfür erläutert Žižek folgendermaßen: „Warum kehren die Toten wieder? Die Antwort, die uns Lacan gibt, ist dieselbe, die sich auch in der Populärkultur findet: weil sie nicht richtig begraben waren, das heißt weil bei ihrer Beerdigung etwas fehlte. […] Die Toten kehren wieder als Eintreiber einer nicht abgegoltenen symbolischen Schuld“ (Žižek 1991: 105).

Deswegen muss Ballin ein zweites Mal getötet werden und durch seinen ‚echten‘ Tod das Gesetz sowie die zu begehrende Gilda dem Helden Johnny überantworten. Die Tatsache, dass Johnny am Ende die eigene Vaterfigur aussticht, sabotiert nur auf den ersten Blick das ödipales Schema, denn tatsächlich entpuppt sich Ballin als falscher Vater, den Johnny und die Zuschauer irrtümlich mit dem wahren symbolischen Vater verwechselt haben. Ballin ist das Böse, Betrügerische „in Form der obszönen und rachsüchtigen Figur des genießenden Vaters“ (ebd.: 106). Bildästhe-

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tisch verweist sein schwarzer Mantel und das häufige Schattenspiel seiner Konturen darauf. Die Instanz des guten ödipalen Namen-des-Vaters, die dem Helden aus seiner imaginären Hilflosigkeit verhilft, lokalisiert sich im echten Gesetz, verkörpert durch den Polizeiinspektor Obregon. Er hält sich zwar während der Handlung die meiste Zeit beobachtend im Hintergrund, taucht aber dennoch punktuell immer wieder warnend in der Nähe der imaginären Trias Ballin, Johnny und Gilda auf.36 Im großen Finale insistiert Obregon dafür umso gewaltiger, indem er die entscheidende ödipale Wahrheit ausspricht, die Johnny die Augen öffnet: „Solange Sie ihretwegen [Gilda] noch so wirr im Kopf sind, können Sie unmöglich klar denken. […] Ich habe das Gesetz auf meiner Seite, das ist ein sehr angenehmes Gefühl. Irgendwann sollten Sie das auch mal ausprobieren. […] Das [was Sie wollen] ist im Kasino und wartet.“

Ballins endgültiger Tod und Obregons Freigabe des symbolischen Mandats aktivieren Johnnys Fähigkeit zu begehren und beschließen seine ödipale Mission.37

36 Formal auffällig ist, dass Obregon mehrfach aus dem Off der Handlung eingreift. Zunächst schiebt er seine Hand vom rechten Bildrand aus in die Szene hinein und tippt Johnny auf die Schulter und an späterer Stelle reicht er ihm aus dem Off des linken Bildrandes ein Feuerzeug. Diese filmische Konstruktion kehrt die gängige Hollywood-Konvention der Mise en Scène um, wonach die schwenkende Kamera handlungsrelevante Elemente in das Setting integriert und diese Elemente sich nicht selbstständig ihren Weg in den Frame bahnen. 37 Neben meiner Lesart, wonach das Pendeln des Helden zwischen zwei Vaterfiguren konstitutiv ist für die Erfüllung seiner klassischen, ödipalen Mission, ist sicherlich eine weitere denkbar. So kann der Schwerpunkt der Betrachtung auch auf Johnnys zweifelsfrei präödipale Verstrickung mit Gilda (nicht als Geliebter sondern als Mutterfigur) und seine fundamentale Suspension des – wenn auch boshaften – väterlichen Gesetzes Ballins gelegt werden. Nach dieser Deutung enthält Gilda im Hinblick auf die Machart des klassischen Hollywood-Spielfilms subversives Potenzial. Das Happy End des fertigen Paares dient in diesem Fall nur einer schimärenhaften ödipalen Bereinigung des Narrativs, das zuvor eigentlich durch die Reibung und das alternative präödipale Begehren seines Helden Johnny un-

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Auf die Figur der Gilda trifft exakt dasselbe zu, was hier in Bezug auf Kay in River of no Return ausgeführt wurde. Auch sie ist das personifizierte Spektakel, das die Handlung mehrfach suspendiert, unter anderem bereits durch ihre laszive Einführung in die Handlung (in weißem Kleid und mit kokettem Blick sowie wallendem Haar, den Kopf aufwärts wippend, gerahmt von zwei Kerzen) sowie in diversen ShowgirlEinlagen, insbesondere bei ihrem Auftritt im Montevideo-Nachtclub als Femme fatale („Put the blame on Mame“). Als gültige Exemplare der dominant fiction stehen Gilda und River of No Return stellvertretend für die verbreitete Praktik des klassischen Hollywood-Spielfilms, Filmhelden und Zuschauer kraft einer ödipalen Logik zu subjektivieren. Beide Filme zeichnen sich primär durch eine phallische Strukturierung und die Etablierung stabilen, virilen Heldentums aus. Dies geschieht jeweils in Form der ödipalen Reise des Helden aus dem Imaginären ins Reich des Symbolischen, im dem sich sein Begehren entfalten kann. Beide Beispiele des klassischen Hollywood-Spielfilms leben von ihrer „seemingly testosterone-driven dynamic“ (King 2002: 195). Ein weiteres Beispiel für die ödipale Formel des klassischen Hollywood-Spielfilms führen Charles Lepkowsky und Sheldon Berkowitz (1983) an. Sie weisen nach, wie Casablanca (1943) die gelungene Auflösung des Ödipuskomplexes von Protagonist Rick inszeniert (vgl. auch Zeul 1994: 989). In der Handlung markiert demnach die deutsche Invasion in Paris den Bruch der von Rick symbiotisch erlebten, präödipalen Dyade mit seiner Mutter Elsa. „She represents the positive object of nurturant mother during the preoedipal phase, and the fantasized partner of the oedipal period“ (Lepkowsky/Berkowitz 1983: 622). Ricks gekränkter Rückzug in die dunklen Nachtclubs von Casablanca bedeute seine Regression von der genitalen in die phallische Phase. Erst als er in Casablanca seine Mutter und ihren Mann Victor wiedertreffe, sei er bereit, seinen ödipalen Konflikt zu überwinden. „Symbolically, Rick has reached a stage in his development wherein he must confront the reality demands of the world […] and the reality of rejection by the mother in favor of the father“ (ebd.: 623). Ihren Ab-

terwandert wird. Die Entschiedenheit und Erhabenheit, mit der das ‚ödipale Versatzstück’ Obregon hier letztlich platziert wird, ist der Grund, warum ich jedoch zu meiner im Haupttext entfalteten Lesart tendiere.

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schluss finde Ricks symbolische Kastration in der Closure, wenn Victor (der Vater) Rick (dem Sohn) hilft, das Land zu verlassen. „In structural terms, Rick at this point evolves an ego ideal, which is shown to operate immediately as Rick begins to do the right thing“ (ebd.). Zusammenfassung und Ausblick In diesem ersten Kapitel des vorliegenden Buches ging es darum, das psychoanalytische Modell der ödipalen Subjektgenese nach Freud und Lacan darzustellen und daraus abgeleitet die ödipale Ökonomie des klassischen Hollywood-Spielfilms herauszuarbeiten. Dessen narrative Struktur, Helden-Subjekttypen und die Einbeziehung des Begehrens seiner Zuschauer verschmelzen zu einem ödipalen Dispositiv. Im Zentrum steht dabei die Identifikation mit dem männlichen Filmhelden, der auf seiner ödipalen Reise das sich herausbildende normative Ich-Ideal der bürgerlichen Gesellschaft verkörpert. In den folgenden Kapiteln wird es darum gehen, in welcher Form und warum seit den 1970er Jahren im Hollywood-Spielfilm männliche Subjekttypen in den Vordergrund rücken, die diese hegemoniale Formation massiv unterwandern und nicht mehr in die klassische Rolle des Hollywood-Helden hineinpassen (wollen). Gemein ist diesen neueren Helden, dass sie nicht als mächtige und virile Siegertypen auftrumpfen, sondern sich aufgrund veränderter Charakteristika, wie z. B. Verletzlichkeit, Unsicherheit, vor allem im Umgang mit Frauen und den Elternfiguren, oder adoleszentes Verhalten, an den narrativen Strukturen reiben. Klassische Heldensubjekte wie Robert Mitchum oder Humphrey Bogart existieren seit den 1970er Jahren so gut wie gar nicht mehr, und wenn sie doch einmal auftauchen, wirken sie anachronistisch. Als Paul Newman stirbt, schreibt BILD am Sonntag also nicht zu Unrecht: „Der letzte Held ist tot“.38 In der kulturellen Praktik des Hollywood-Spielfilms dominiert seitdem ein Bild von Männlichkeit, das nicht mehr unter der Vorherrschaft von Ödipus als Generator stabiler Männerfiguren steht. Mit dieser Thematik beschäftigt sich bereits eine Reihe von Arbeiten, deren Autoren in der veränderten, von Ödipus befreiten Darstellung von Männlichkeit seit den 1970er Jahren neue Freiräume für ein

38 Paul Newman (83). Der letzte Held ist tot. In: BILD am Sonntag 28.09.2008.

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weibliches Begehren (u. a. de Lauretis 1984, Kaplan 1990) bzw. für queere Ästhetiken (u. a. Dyer 1993, Simpson 1994) im HollywoodSpielfilm verorten. Ich möchte mich im Großen und Ganzen aus diesen Diskussionen weitgehend heraushalten. Ziel ist es nicht, das in den letzten Jahrzehnten veränderte Männerbild im Hollywood-Spielfilm als defekt oder homoerotisch zu entlarven, sondern darin einen Subjekttypus zu erkennen, der sich vor dem Hintergrund des Wandels der sozial-kulturellen Ordnung und Praktiken der westlichen Gesellschaft, das heißt der Auflösung traditioneller Strukturen emanzipiert hat. Diese neueren Filmhelden zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich ihren Platz in der veränderten symbolischen Ordnung mithilfe einer Subjektund Begehrensstruktur sichern, in deren Zentrum vor allem ein neu definiertes Verhältnis zu den Eltern- bzw. Autoritätsfiguren als Instanzen der Nähe und des Gesetzes steht. In diesem Sinne, so die zentrale These der vorliegenden Arbeit, stehen sie für einen – vom psychoanalytischen Grundmodell der ödipalen Genese abgeleiteten – präödipalen Subjekttypus. Ich werde diese Thematik der Präödipalität in ihren verschiedenen Ausdrucksformen des Narzissmus, Hedonismus und Masochismus beim zeitgenössischen männlichen Helden-Subjekt später umfassend definieren und analysieren.

Kapitel 2 Moderne vs. Postmoderne Ein sozialgeschichtlicher Exkurs

Das folgende Kapitel beschäftigt sich primär mit Überlegungen der Sozial- und Geschichtswissenschaften.

D AS S UBJEKT DER M ODERNE UND SEINE M ODELLIERUNG NACH Ö DIPUS Zunächst geht es darum, die elementaren sozial-kulturellen Praktiken und Ordnungen der bürgerlichen Moderne zu skizzieren. Im Zentrum stehen dabei die von Reckwitz (2006: 16) fokussierten sozialen Felder der Arbeit, der persönlichen und intimen Beziehungen und Technologien des Selbst sowie das Geschlechterverhältnis. Ziel ist es nachzuweisen, wie sie eine Form des Subjekts trainieren, das sich durch das psychoanalytische Modell der ödipalen Subjektgenese bestimmen lässt. Theoriegeschichtliche Bestimmung des bürgerlichen Subjekts und der Idee der Moderne Der Begriff des bürgerlichen Subjekts ist in seiner Entstehung zurückzuführen auf die Epoche der Aufklärung im 17. bis 18. Jahrhundert. Infolge des Niedergangs der höfischen Gesellschaft und des feudalen Systems vollzieht sich damals ein elementarer Wandel in Europa. Der Begriff Bürgertum bezeichnet in diesem Zusammenhang ganz allge-

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mein eine breite, heterogene Mittelschicht, die zu dieser Zeit massiv erstarkt und sich kulturell, politisch und vor allem ökonomisch durch Handel, Bankwesen und den einsetzenden Industriekapitalismus nachhaltig etabliert (vgl. Vierhaus 1981: 9). Das geistige Fundament dieser gesellschaftlichen Entwicklung bildet die neuzeitliche Subjektphilosophie, deren erster großer Vertreter Descartes im Denken und der autonomen Erkenntnis eines jeden Subjekts die Möglichkeit der systematischen Entdeckung der Wahrheit verortet (vgl. Prechtl 2000: 26). Norbert Elias (1994: 210ff.) zufolge ist Descartes damit maßgeblich an der Konstitution des individuellen Subjekts, so wie es in unseren heutigen entwickelten Gesellschaften zumeist als selbstverständlich betrachtet wird, beteiligt: Descartes sendet ein „triumphierendes Ich in die Welt hinaus“ (ebd.: 264), das sich in der westlichen Gesellschaft nachhaltig festigt. Sein Begriff des Individuums „hat heute vor allem die Funktion, zum Ausdruck zu bringen, dass jeder Mensch in der ganzen Welt ein autonomes, sich selbst regierendes Wesen ist oder sein soll“ (ebd.: 210). Descartes’ Erbe treten die Philosophen des Idealismus (ca. 1780-1831) an, allen voran Kant. Noch radikaler als Descartes erhebt er in seinem Werk das Denken und die Vernunft zum beherrschenden Prinzip (vgl. Höffe 1983: 53). Kants Auffassung, „dass die Idee eines moralischen Gesetzes in uns, im Subjekt, ihre objektiven Entsprechungen in der bürgerlichen Realität hat“ (Gröll 1991: 20), bekräftigt seinerzeit die nach politischer und wirtschaftlicher Freiheit strebenden Subjekte der in Europa erblühenden bürgerlichen Gesellschaft.1 Sozialgeschichtlich unterliegt das Bürgertum einem fortwährenden Wandel, so dass der Begriff wissenschaftlich differenziert betrachtet werden muss (vgl. Gall 1997). Entscheidend ist die Tatsache, dass die grundlegende kantsche Idee der autonomen bürgerlichen Subjektentität ihren prägenden Charakter bis weit ins 20. Jahrhundert nicht verloren hat. Für lange Zeit bleibt einer der Grundgedanken der westlichen Ge-

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Kulturgeschichtlich schlagen sich die Ideen der Aufklärung zudem in einer reichhaltigen kulturellen Produktion nieder. Wenigstens drei aufeinanderfolgende große, literarische Phasen können unterschieden werden: der Rationalismus, der Empirismus und der Kritizismus. In allen spielen Rationalität und menschliche Erkenntnis bzw. Vernunft eine herausragende Rolle (vgl. Jeßing/Köhnen 2003: 25).

M ODERNE VS. P OSTMODERNE

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sellschaft, dass „Erinnerung, Selbstheit, Biographie und Identität eine unverbrüchliche Einheit bilden“ (Zima 2000: 73). Jürgen Habermas (1980: 445) zufolge hat sich in den geschilderten Wertsetzungen des philosophischen Projekts der Aufklärung „das „Bewußtsein einer neuen Epoche […] gebildet“, die er als die „Idee der Moderne“ (ebd.) bezeichnet. Obgleich die Moderne nur schwer zu bestimmen, einzugrenzen und in ihrer Definition äußerst „vertrackt“ (Zima 2001: 23) ist, möchte ich sie im vorliegenden Text als Oberbegriff für die Epoche nach dem geistesgeschichtlichen und ökonomischen Umbruch der westlichen Gesellschaften verwenden, mit dem sich die Vorstellung des eben benannten bürgerlichen Subjekts herausbildet. In diesem Sinne beschreibt auch Hans Ebeling (1993) „die Herstellung der Moderne als Herstellung des Subjektseins“ (ebd.: 150). Ihre drei maßgeblichen Charakteristika seien „die Ausrichtung auf Selbstgewissheit, Selbsterhaltung und Selbstsetzung“ (ebd.: 180). Das bürgerliche Subjekt der Moderne und die sozial-kulturellen Praktiken der Arbeit und persönlichen und intimen Beziehungen Der entscheidende Fortschritt zum bürgerlichen Subjekt der Moderne ist der volkswirtschaftliche Wandel von der vorindustriellen zur industriellen Gesellschaft, das heißt die Subsumption aller wesentlichen Lebensbereiche unter das System der kapitalistischen Produktionsund Arbeitsverhältnisse (vgl. Bell 1979: 130ff.). Sozialgeschichtlich betrachtet kann das bürgerliche Subjekt der Moderne als Produkt einer neuen Arbeits- und Sozialordnung der Industrialisierung bzw. des sich mit ihr durchsetzenden Kapitalismus aufgefasst werden. Zu den bis weit ins 20. Jahrhundert hinein gültigen „Basisprämissen der industriellen Moderne“ gehört Heiner Keupp zufolge „die mit hoher Selbstverständlichkeit angenommene Konstruktion raum-zeitlicher Koordinaten für kollektive Identitäten und Lebensmuster. Alle das gesellschaftliche Leben bestimmenden Prozesse der Politik, Wirtschaft und Verwaltung werden als ineinander verzahnte Prozesse betrachtet“ (Keupp 1999: 40). Mit dem Durchbruch der kapitalistischen Gesellschaftsform setzt sich auch die bürgerliche Kleinfamilie durch (vgl. Ziehe 1981: 48ff.).2

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Zuvor bildet das „Ganze Haus“ die gängige Sozialstruktur im traditionellen System der vorbürgerlichen Agrargesellschaft. Ihr Charakter ist mit

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Genormt durch ihr patriarchales Leitbild hat sie sich bereits Mitte des 19. Jahrhunderts in Europa und Amerika schichtenübergreifend etabliert (vgl. Berger/Berger 1984: 131). Ihr entscheidendes Merkmal ist der Rückzug der engsten kernfamiliären Mitglieder Vater, Mutter, Kind(er) in den Bereich des Privaten. Es kommt zur Trennung von persönlichem, familialem Kontext und dem öffentlichen Raum bzw. den Produktionsstätten. Damit reagieren die Menschen auf den strengen Arbeitsethos (Fleiß, Ordnung, Pünktlichkeit), der mit der Industrialisierung Einzug gehalten hat. Sie setzten „der kleinlichen Gehässigkeit und brutalen Tyrannei des Arbeitsplatzes den berühmten sicheren Hafen in einer herzlosen Welt entgegen – die Mittelklassefamilie des neunzehnten Jahrhundert“ (Zaretsky 2006: 31). Der kernfamiliäre Verbund der Industriegesellschaft kann als „Gegenwelt zur Wirtschaftsgesellschaft und als Sitz individueller Anerkennung und emotionaler Verbindung“ (Mitterauer u. a. 2003: 391) verstanden werden.3 Dieser Rückzug ins Private bzw. die Intimisierung der Familie beinhaltet zwei Dimensionen: einerseits die Schaffung eines emotional und sexuell exklusiven Binnenverhältnisses der Ehepartner und andererseits die, im besten Fall, liebevolle Pflege und Erziehung der Kinder (vgl. Elias 1969: 246ff.). Historisch betrachtet kommt es hier überhaupt erst zur „Entdeckung der Kindheit“ (Ariès 1984: 92ff.). Es werden affektive Bindungen zu Kindern aufgebaut, Fürsorge- und Schutzmechanismen installiert, aber auch strenge, erzieherische Maßstäbe auferlegt. Im Rahmen dieses Prozesses bildet sich auch die klassische Geschlechterdifferenz der Moderne heraus. „Es entstand jenes bürgerliche Rollen- und Familienkonzept, das die Frau ganz als Mutter, Gattin und Hausfrau erforderte. […] Gleichzeitig wurde der Ehemann nun zum Haupternährer der Familie definiert“ (Mitterauer 2003: 531). Während sich der Vater also in lacanschen Termini als Instanz des symbolischen Gesetzes der bürgerlichen Familie (Name-des-Vaters) festigt, verkörpert die Mutter den imaginären Akt der Emotionalität. „Hingebende Liebe, Häuslichkeit, Anlehnungsbedürfnis und Mütterlichkeit wurden Frauen nun als gewissermaßen genetisch verankerte

den Kategorien der Psychoanalyse bzw. Ödipus noch nicht zu beschreiben (Ziehe 1981: 4). 3

So entstehen zu dieser Zeit auch die Ideale der romantischen Liebe und der Liebesheirat (vgl. Giddens 1993: 48ff.).

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Charaktermerkmale zugeschrieben“ (ebd.). Diese Zuweisung der Geschlechtscharaktere stellt für Beck (1986: 174) die funktionale Basis der bürgerlichen Gesellschaft der Moderne dar: „Ohne Trennung von Frauen- und Männerrollen keine traditionale Kleinfamilie. Ohne Kleinfamilie keine Industriegesellschaft in ihrer Schematik von Arbeit und Leben.“ Dank dieser Aufteilung behielte das „zweipolige Koordinatensystem“ (ebd.: 220) von Familie auf der einen und Erwerbsarbeit auf der anderen Achse der Lebensführung bis weit ins 20. Jahrhundert hinein seine kaum angefochtene Gültigkeit (vgl. ebd.). Die Schwächung des (symbolischen) Vaters im 20. Jahrhundert Darstellungen, die die bürgerliche Kernfamilie ab Mitte/Ende des 18. Jahrhunderts als unverbrüchliche Konstante ausweisen, greifen jedoch zu kurz. Tatsächlich weist sie, wie alle gesellschaftlich relevanten Erscheinungen historische „Diskontinuitäten“ (Giddens 1995: 12) auf. Eli Zaretsky (2006) weist dies in seiner für die vorliegenden Studie aufschlussreichen Chronologie der Psychoanalyse und ihrer gesellschaftlichen Bedeutung im 20. Jahrhundert materialreich nach: Vor allem mit Beginn des 20. Jahrhunderts erschüttern ihm zufolge massive Krisen das Familienideal. Massenproduktion und einsetzender Massenkonsum hätten das „emanzipatorische Potential“ (ebd.: 31) des Kapitalismus sichtbar gemacht. Frauen seien ins öffentliche Leben getreten und hätten sich in Frauenbewegungen organisiert (vgl. ebd. 65ff.). Homosexualität sei – zumindest partiell – offen artikuliert worden und es seien urbane Räume der Massenunterhaltung entstanden,4 deren konsumtive Kultur die Ordnung der Familien subvertiert habe (vgl. ebd.: 201). „Und plötzlich stand das Erbe der Aufklärung in Frage: Die liberale Vorstellung vom menschlichen Subjekt und dessen Autonomie wurde unversehens zum Problem“ (ebd.: 32). Der Wunsch vieler Menschen, sich aus den Grenzen der bürgerlichen Familie zu befreien, sei greifbar geworden. Zaretsky nennt diesen Prozess „Defamiliari-

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Es entstehen z. B. Tanzpaläste und Vergnügungsparks. Vor allem aber werden das Kino und bald darauf der Spielfilm zu zentralen Elementen der bürgerlichen Konsumgesellschaft. „The classical Hollywood film was the dominant popular form through which the bourgeoisie increasingly represented itself, its values and the working classes – to whom cinema was earlier largely addressed“ (Kaplan 2000: 46).

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sierung“ (ebd.: 88).5 Hinzu kommt Brigitte Berger und Peter L. Berger (1984: 79) zufolge die „desintegrative Wirkung von Prozessen der Moderne auf die Familie: Urbanität, institutionelle Differenzierung, Technologisierung und Bürokratisierung beraubten im Verbund die Familie ihrer traditionellen Funktionen in der Gesellschaft und untergraben deren Bande der Solidarität“. Auch werden die Geschlechtscharaktere im Laufe des 20. Jahrhunderts neu bewertet. Frauen emanzipieren sich. „War die Mutter in der viktorianischen Epoche der entsexualisierte ‚Engel des Haushalts‘, so verlangten die verheirateten Frauen in den zwanziger Jahren zunehmend offener sexuelle Befriedigung für sich“ (Zaretsky 2006: 278). Der Soziologe Giddens (1993: 10) spricht hierbei generell von „modellierbarer Sexualität, [eine] dezentrierte Sexualität, [die] von den Zwängen der Reproduktion befreit [ist]“. Die väterliche Autorität hingegen gerät allmählich in eine Krise. Der unmittelbare gesetzgeberische Einfluss der Männer als Namen-des-Vaters innerhalb ihrer Familien wird durch staatliche Gesetzgebung, Rechtsprechung und die Regeln des kapitalistischen Marktes aufgeweicht. Vor allem Technologie und Bürokratie übernehmen das Zepter der gesellschaftlichen Kontrolle. Symptome dieser Entwicklung sind Wortschöpfungen wie „Angsthase“ und „Waschlappen“. Sie „waren Zeichen für die weitverbreitete Wahrnehmung, daß sich die Männlichkeit im Niedergang befand“ (Zaretsky 2006: 89). Mit dem Abbau patriarchalischer Autorität und Einfluss auf die Familie beschäftigt sich allen voran Alexander Mitscherlich (1963). Er beklagt den Weg in die vaterlose Gesellschaft. Im Zuge der Modernisierungsprozesse des 20. Jahrhunderts habe eine Art „Entfremdung“ (ebd.: 179ff.) zwischen dem Vater und der Familie stattgefunden. Die „fortschreitende Arbeitsfragmentierung […] hat unaufhörlich zur Entleerung der auctoritas und zur Verringerung der innerfamiliären wie überfamiliären potestas des Vaters beigetragen“ (ebd.: 187). Insbesondere das Verhältnis zwischen Vater und Sohn wird seiner Ansicht nach

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In Europa enthält der Begriff der Defamiliarisierung im 20. Jahrhundert durch die beiden Weltkriege eine übergeordnete Bedeutungsebene. Zaretsky (2006: 171ff.) weist darauf hin, dass sich aufgrund der extremen Traumatisierung die Subjektivitätsmuster der Überlebenden der Kriegsgenerationen veränderte, was zu einer massiven Destabilisierung der Familiengefüge führte.

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arg strapaziert, da dem Jungen „die verbindliche, anschauliche väterliche Unterweisung im tätigen Leben fehlt, hier also keine verläßliche Tradition mehr besteht“ (ebd.: 189). Die Söhne befänden sich daher in einer Identitätskrise (ebd.: 197), die u. a. in Verachtung des Vaters (ebd.: 187) und Verweigerung des notwendigen Gehorsams münde (ebd.: 209). Mitscherlich unterscheidet dabei in „Vaterlosigkeit“ ersten und zweiten Grades (vgl. ebd.: 341ff.): Erstens werde der leibliche Vater unsichtbar. Zweitens würden Struktur und Ordnung der paternalen Machtverhältnisse der Gesellschaft im Ganzen aufgelöst. Autoren der Frankfurter Schule argumentieren ähnlich. So weist Herbert Marcuse (1965) zufolge die „seelische Struktur der Gesellschaft nicht mehr die Qualitäten auf […], die Freud dem psychoanalytischen Gegenstand zusprach“ (ebd.: 85), was vor allem daran liege, dass die Rolle des Vaters und damit die des ödipalen Über-Ich in den fortgeschrittenen Sektoren der modernen Gesellschaft untergraben worden sei (vgl. ebd.: 95). Auch Jules Henry (1963: 127f.) sieht (in Bezug auf die US-amerikanische Gesellschaft) die väterlichen ÜberIch-Werte zugunsten der Triebbasis des freudschen Es schwinden. „The industrial system generates hostility, instability, and fear of being obsolete and unprotected, […] we were therefore shifting from a society in which super ego values (the values of self-restraint) were ascendant, to one in which more and more recognition was being given to the values of Id (the values of self-indulgence).“

Zusammengefasst lässt sich konstatieren, dass die klassische bürgerliche Kern- oder auch Kleinfamilie im 20. Jahrhundert nicht unversehrt bleibt. Sie wird von außen (Modernisierungsprozesse) wie auch von innen (Aufweichung der Rollenverteilung) bedroht. Dennoch ist es wichtig, sich vor Augen zu führen, dass dieses System lange Zeit, bis ca. zu Beginn der 1970er nicht zerfällt, sondern seine Grundfesten behauptet. Trotz aller politischer und ökonomischer Wechselfälle bleibt die bürgerliche Kernfamilie für die Menschen ein gemeinsamer Ort, dessen Werte und Tradition es in letzter Konsequenz zu verteidigen gilt (vgl. Zaretsky 2006: 107, 349).6 Sie kann daher rückblickend als

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So erleben Europa und die USA nach dem Zweiten Weltkrieg und in den darauf folgenden 1950er Jahren aus diversen Gründen (u. a. wirtschaftlicher Aufschwung, heimischer Konsum) eine „Renaissance der Familie“

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„Träger[in] der Modernisierung“ (Berger/Berger 1984: 110ff.), „Zivilisationsideal“ (Zarestky 2006: 236) der Moderne oder als „Königin und Gefangene“ (Donzelot 1980: 12) der Gesellschaft beschrieben werden. Nach der im vorliegenden Buch eingenommenen kulturtheoretischen Perspektive entwirft sich das Subjekt in seinen körperlichmentalen Strukturen aus den sozial-kulturellen Praktiken einer historischen Gesellschaftsordnung. Das Subjekt der bürgerlichen Moderne wird vor diesem Hintergrund durch die in diesem Abschnitt geschilderten Praktiken der Arbeit, Familie und Geschlechterteilung modelliert. Die psychoanalytische Theorie erweist sich dabei als praktikables Konzept zur Beschreibung dieser Subjektivität der Moderne. Freud bezieht sich im Kern seiner Theorie auf die bürgerliche, stabile Kernfamilie als anthropologisch einzig möglicher Familienform (vgl. Gekle 1996: 107f.) und leitet unmittelbar aus ihr das ödipale Szenario ab. Nach Lacans kulturtheoretischer Lesart wird das männliche Subjekt durch die Instanz des gesetzgeberischen Namen-des-Vaters (die trotz der von Mitscherlich u. a. konstatierten Läsion ab der Mitte des 20. Jahrhunderts dominant bleibt) in die symbolische Ordnung der bürgerlich-kapitalistischen Verhältnisse überführt. Deren traditionelle Werte und Aktiva wie Disziplin, Arbeitsethos, Akzeptanz der Autoritäten und Geschlechtsrollen etc. stellen dabei dominante Orientierungsmuster des großen Anderen dar, in dessen Spiegel sich das ödipale Subjekt selbst er- bzw. verkennen und (trügerisch) als Entität stabilisieren kann.

(Berger/Berger 1984: 51). Dem privaten, familiären Bereich komme eine neue „charismatische Bedeutung zu, zentriert um Sexualität, die Vertiefung des Selbst und das persönliche Leben, womit auch die heterosexuelle Liebe und die Ehe ihre alte Aura zurückerhielten“ (Zaretsky 2006: 405). Diese Re-Stabilisierung von Familie und Ehe bringe vorübergehend auch eine Festigung des bürgerlichen Rollenverständnisses mit sich.

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P OSTMODERNE S UBJEKTIVITÄT : D ER B RUCH MIT Ö DIPUS Dieser Abschnitt geht der Frage nach, wie die gesellschaftliche Ordnung der bürgerlichen Moderne mit ihren tradierten Werten und sozial-kulturellen Praktiken an der Epochenschwelle der 1970er Jahre „umkippt“ (Reckwitz 2006: 16) und durch die einer plural ge- und erlebten Konsumgesellschaft der Postmoderne ersetzt wird. Der Fokus liegt dabei auf der performativen Neugestaltung männlicher Subjektivität. Heiner Keupp (1999: 61) zufolge beruht diese auf „Umbruch, Veränderung und oftmals auch [...] Verunsicherung bisheriger Lebensmodelle“. Das normative Modell ödipaler Männlichkeit verliert in den 1970er Jahren seinen hegemonialen Status, den es im Zeitalter der bürgerlichen Moderne unangefochten behauptet hat. Die nachindustrielle Risikogesellschaft ab 1970 Die anthropologischen Vorstellungen einer stabilen bürgerlichen Subjektentität und Kernfamilie manövrieren zu Beginn der 1970er in eine existenzielle Krise. Der Druck der globalen Modernisierungsprozesse wird innerhalb kurzer Zeit so groß, dass der bürgerliche Wertekanon der westlichen Industriegesellschaft grundlegend in Frage gestellt wird. Diese Entwicklung, ihre Ursachen und Folgen wird seither vor allem in den Sozial-, Geschichts- und Wirtschaftswissenschaften intensiv diskutiert: Nach Eric Hobsbawm (1995: 363ff.) findet ca. ab den 1970er Jahren „die größte und dramatischste, schnellste und universellste Transformation der Menschheitsgeschichte Eingang in die Reflexionen derer, die sie erlebten“.7 Daniel Bell (1979: 31f.) hat in diesem Zusammenhang den Begriff der nachindustriellen Gesellschaft geprägt. Er hebt dabei die Bedeutung des Übergangs von der güterproduzierenden zur Dienstleistungswirtschaft hervor, mit dem der Wert der Muskelkraft als Sinnbild männlicher Stärke und Virilität weitgehend verloren gegangen sei (vgl. ebd.: 131). Ulrich Beck bestimmt die nachindustrielle Gesellschaft als Risikogesellschaft (1986), in der die Lebensformen enttraditionalisiert würden. Risiken und Unsicherheiten

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Der Autor bezieht sich hier u. a. auf die globale Ökonomisierung, die Landflucht und den massenweisen Einzug von verheirateten Frauen in den Arbeitsmarkt (vgl. ebd.: 364ff.).

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hätten „das soziale Binnengefüge der Industriegesellschaft – soziale Klassen, Familienformen, Geschlechtslagen, Ehe, Elternschaft, Beruf – und die in sie eingelassenen Basisselbstverständlichkeiten der Lebensführung ausgedünnt und umgeschmolzen“ (ebd.: 115).8 Der springende Punkt für den vorliegenden Zusammenhang ist, dass die Modernisierungsprozesse seit den 1970er Jahren bis heute ganz offensichtlich mitverantwortlich sind für den Verlust von Identifikation, Orientierung und Transparenz in der symbolischen Ordnung. Die Menschen haben im Zuge eines „Zerfallsprozess[es] stabiler sozialer Zusammenhänge“ (Keupp: 1994: 338) die elementaren Sicherheitspfeiler ihrer persönlichen, familiären und gesellschaftlichen Bezüge eingebüßt. Dieser Prozess werde durch diverse „provokante Situationsdefinitionen“ signalisiert: „Dafür stehen Schlagworte wie ‚Tod der Familie‘, ‚Tod des Subjekts‘, ‚ontologische Bodenlosigkeit‘, ‚EgoGesellschaft‘, ‚Erosion des Sozialen‘, […] Wir haben es mit Diagnosen des Bruchs zu tun“ (Keupp 1999: 41). Zum Begriff der Postmoderne Es ist leicht nachvollziehbar, dass sich das enttraditionalisierte, destabilisierte Subjekt seit den 1970er Jahren kaum noch als Teil der Idee der Moderne erfassen lässt. Anthony Giddens (1996: 63) konstatiert daher, „daß uns die Bahn der gesellschaftlichen Entwicklung von den Institutionen der Moderne weg- und zu einer neuen und unterscheidbaren Art von sozialer Ordnung hinführt“. Auch Peter V. Zima (2001: 14) scheint es „nicht sinnvoll, am Bild einer sich ins Endlose perpetuierenden Moderne festzuhalten, wenn deren zentralen Begriffe von Soziologen, Philosophen und Literaten angezweifelt, aufgegeben werden und die Welt vor unseren Augen eine neue, das heißt plurale, polymorphe und von der Indifferenz geprägte Gestalt annimmt“. Er bezeichnet diese neue Welt, die „von der Krise des modernen (industriellen, kapitalistischen) Wertsystems geprägt“ ist, als Postmoderne (vgl. ebd.: 35).

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Jüngere Untersuchungen verweisen darauf, dass der Prozess der Enttraditionalisierung der westlichen Gesellschaften durch die undurchschaubare Logik der global entfesselten Börsen- und Kapitalmärkte und die dortigen Spekulationsexzesse verstärkt worden sei (vgl. Martin/Schumann 1997: 71f.).

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Der Begriff der Postmoderne geht in der Gesellschaftstheorie auf den Philosophen Jean-François Lyotard zurück und ist nicht leicht zu fassen. Seine Wesensbestimmung erscheint als schier unlösbare Aufgabe (vgl. Rausch 1999: 14ff., Zima 2001: 19ff.). Hintergrund dafür ist der Umstand, dass sich die Postmoderne jedweder Form von Normativität entzieht. Sie ist eine heterogene, in sich widersprüchliche „Konstruktion“ (Zima 2001: 19). Postmoderne bezeichnet keine Epoche, sondern das Verschwinden „fixierbarer Faktoren. Was wirklich von Bedeutung ist, ist […] das Offene, das nicht Fixierbare“ (van Reijen 1988: 380). Lyotard selbst beschreibt die Postmoderne als einen neuen Modus. Sie „wäre dasjenige, das im Modernen in der Darstellung selbst auf ein NichtDarstellbares anspielt; das sich dem Trost der guten Formen verweigert; […] das sich auf die Suche nach neuen Darstellungen begibt, jedoch nicht, um sich an deren Genuß zu verzehren, sondern um das Gefühl dafür zu schärfen, daß es ein Undarstellbares gibt“ (1988: 202).

Undarstellbarkeit und Nicht-Fixierbarkeit dürfen jedoch nicht als Auflösung der symbolischen Ordnung missdeutet werden. Es geht vielmehr darum, dass sich die bürgerliche Ordnungsstruktur zugunsten neuer unüberschaubarer Organisationsformen aufgelöst hat. Gilles Deleuze und Félix Guattari (1977) definieren die Postmoderne daher als ein vielwurzeliges, rhizomartiges Geflecht, das sich nicht in Dichotomien beschreiben lässt. Feste Punkte und Positionen im sozialen Gefüge seien dem „Prinzip der Vielheit“ (ebd.: 13) gewichen. Ähnlich wie Lacan formulieren sie mit dieser Idee eine Kritik an der Vorstellung eines einheitlichen Willens des kantschen Subjekts: Weder halten die Subjekte die Fäden ihres Lebens in der Hand, noch sind sie in der Lage, sie bewusst zu steuern (vgl. ebd.: 13). Um das Prinzip der Vielheit geht es auch Wolfgang Welsch (1987: 4ff.). Ihm zufolge bedeutet der Übergang vom festen Ordnungssystem der Moderne zur postmodernen Welt eine qualitative gesellschaftliche Erneuerung, die durch „hochgradig differente […] Wissensformen, Lebensentwürfe, Handlungsmuster“ gekennzeichnet ist. Klaus-Jürgen Bruder (1993: 82) spricht von den „Topoi des Pluralismus“. Für die Subjekte der westlichbürgerlichen Gesellschaft sei die Welt im Ganzen komplexer, undurchsichtiger, zusammenhangloser und unberechenbarer als je zuvor. Žižek (1999: 172) glaubt, dass es „heutzutage, in der postmodernen

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Risikogesellschaft […] keine unsichtbare Hand mehr [gibt], deren Mechanismus […] das Gleichgewicht wiederherstellt“. Im vorliegenden Buch bezeichnet der Begriff der Postmoderne demgemäß die Epoche seit den 1970er Jahren, die durch das vielgestaltige und unüberschaubare Feld kontingenter persönlicher und gesellschaftlicher Erfahrungen bestimmt wird. Wichtigste Merkmale der Postmoderne sind die Dispersion oder Dezentrierung des Subjekts bzw. seiner Stellung in der symbolischen Ordnung sowie die Pluralität der Lebensformen bzw. deren Unsynthetisierbarkeit. Das Subjekt der Postmoderne Pluralität und Dispersion machen sich in der Lebenswelt der postmodernen Subjekte der „nachbürgerlichen Epoche“ (Beck 1986: 17) auf den für ihre Produktion konstitutiven sozialen Feldern der Arbeit, der persönlichen und intimen Beziehungen und dem – zum Beispiel in der Freizeit und über Medien hergestellten – Verhältnis zu sich selbst bemerkbar. Leitende Bezüge, die die bürgerliche Ordnung zuvor bereitstellte, verschwinden. Das meint insbesondere die Schwächung der paternalen Autoritäts- und Identifikationsfiguren,9 an denen sich die Subjekte lange Zeit orientierten. Nach Hans Ebeling (1993) spricht dies für einen „faktisch erfahrbaren Subjektverlust“ (ebd.: 11). Das bürgerliche Subjekt sei „ortlos“ (ebd.: 29f.) geworden. Einige Sozialwissenschaftler fokussieren ihren Blick daher auf die postmoderne Notwendigkeit des gestalterischen Umgangs mit der eigenen Vita, das heißt keine langfristigen Sicherheiten, die Fähigkeit zur Neu- und Umorientierung der eigenen Lebensplanung, schnelles Arrangieren in neuen Umfeldern etc., die Bedeutung wechselnder Freundschaften und Beziehungen sowie das schier grenzenlose Über-

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Neben charismatischen Politikerpersönlichkeiten auf der öffentlichen und den eigenen Vätern auf der privaten Ebene sind hier auch leitkulturelle, fest umrissene moralische Vorstellungen und Kodizes gemeint, also allgemein gültige Erwartungshaltungen und Auffassungen dessen, „was sich gehört“ und wie ein (junger) Mensch sich innerhalb der symbolischen Ordnung zu verhalten bzw. nach welchen bürgerlichen Vorstellungen er sein Leben zu planen habe.

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angebot an Freizeit-, Konsum-, und Selbstfindungsmöglichkeiten.10 Demgemäß führt Rose-Yvonne Rausch (1999: 117ff.) aus, dass unter „postmodernen Gegenwartsverhältnissen personale Identität zweckmäßigerweise nicht als substantiell-fixiertes Konstrukt aufgefaßt wird, sondern als ein dezidiert gestalterisch-flexibler psycho-sozialer Prozeß zu verstehen ist“. Persönliche Identität komme einer lebenslang andauernden „Orientierung- und Situierungsleistung des Subjekts [gleich], in der es sein Selbst- und Weltverhältnis beständig prüft, um es an seine jeweilige Lebenssituation anzupassen, das heißt es […] zu bestätigen oder zu verändern“ (ebd.: 271f.). Nach Keupp (1999) erlebten sich die Subjekte „als Darsteller auf einer gesellschaftlichen Bühne, ohne daß ihnen fertige Drehbücher geliefert würden“ (ebd.: 53). Er verweist auf den „Prozesscharakter“ von Identität (vgl. ebd.: u. a. 66, 76ff.), das heißt dessen „diskursive Konstruktion – die Arbeit an der eigenen Geschichte“ (ebd.: 101ff.). Das Zusammenfügen von Lebensweltelementen bezeichnet er als „Patchwork“ (vgl. ebd.: 180f.) von kulturellen Identitäten: Subjekte schafften sich eigene Netzwerke, in denen – abseits einer makellosen, linearen Biographie – sehr individuelle Werte, Einstellungen und Identitätsperspektiven formuliert würden.11 Es entstehe „ein Set von angewandten Bedeutungen, die Personen entwickeln, und die definieren, wer man glaubt zu sein“ (ebd.: 219).12

10 Keupp (1994: 340f.) weist darauf hin, dass aus der Vielgestaltigkeit der Lebensentwürfe ein enormer psychokultureller Markt gediehen sei, in denen pop-psychologische Lebensratgeber, Yoga-Bücher zur Selbstfindung, Traumjournale und Meditation wichtige Funktionen übernähmen. 11 Die gleiche These vertritt der Soziologe Anthony Giddens (1991: 70ff.), wenn er behauptet, dass das posttraditionelle System vielfältige Arten der Lebensführung („lifestyle“) ermögliche. Postmoderne Subjekte bewegten sich bewusst in individuellen Lifestyle-Sektoren. Sie setzten Elemente ihrer Lebenswelt individuell zusammen, z. B. Kleidung, Ernährung, Formen des sozialen Verhaltens und bevorzugte Milieus (vgl. ebd.: 83). Verhalten und innere Haltung („demeanour“) seien in diesem Sinne durch Pluralismus geprägt, mit dem Erfolg, „that individuals tend to develop multiple selves in which there is no inner core of self-identity“ (ebd.: 100). 12 Žižek (2001: 521) zufolge bringt dieser Prozess der gesellschaftlichen Freisetzung auch Schwierigkeiten mit sich. So erfahren sich postmoderne Subjekte bisweilen als „radikal verunsicherte, ohne richtiges Gesicht, von

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Soziologe Richard Sennett (1998: 31) zufolge besteht das Leben im postmodernen High-Tech- Zeitalter nur noch „aus Episoden und Fragmenten, Identität und Lebensgeschichte können kaum zu einer Erzählung gebündelt werden“. In diesem „flexiblen Regime ist das, was zu tun ist, unlesbar geworden“ (ebd.: 81). Dies betreffe vor allem auch die zwischenmenschlichen Beziehungen. Es träten „flüchtige Formen von Gemeinsamkeit“ (ebd.: 28) auf, die den Menschen nützlicher seien als langfristige Verbindungen. Starke soziale Bindungen wie Loyalität hätten hingegen an Bedeutung verloren. Es gelte das Credo: „Bleib in Bewegung, geh keine Bindungen ein und bring keine Opfer“ (ebd.: 29).13 Das postmoderne Subjekt und die sozial-kulturellen Praktiken der persönlichen und intimen Beziehungen Allgemeine Merkmale, die der bürgerlichen Ehe als Grundfeste der Familie zugesprochen werden, sind u. a. potenziell lange Dauer, soziale Anerkennung, (sexuelle) Ausschließlichkeit (Treue), Ausdrucksform von Emotionalität, Differenzierung von Funktionen im partnerschaftlichen Alltag und die Gestaltung des affektiven Klimas (vgl. Béjin 1988: 181). Bis zu den 1970er Jahren besitzen diese Faktoren weitgehende Verbindlichkeit. Kraft ihrer gelingt es, Lebenspläne, Lebenslagen und Biographien zu bündeln und zusammenzuhalten (vgl. Beck/Beck-Gernsheim 1990: 25). Seit den 1970er Jahren finden sich vor allem in der soziologischen Literatur Bemühungen, die Unverzichtbarkeit der bürgerlichen Ehe nachzuweisen. Dieter Claessens (1979: 55ff.) beschreibt das Werteund Rollensystem von Vater-Mutter-Kind(ern) als „optimalen Beziehungsraum“ (ebd.: 57ff.). Auch Brigitte Berger und Peter L. Berger (1984) treten zur Verteidigung der bürgerlichen Familie an. Sie wird

einer Maske zur anderen wechselnd, da hinter dieser Maske letztlich nichts steckt, eine erschreckende Leere, die sie verzweifelt zu füllen versuchen, mit rastloser Aktivität oder dem zwanghaften Wechseln zwischen zunehmend idiosynkratischen Hobbys oder Kleidungsstilen, die dazu dienen sollen, ihre individuelle Persönlichkeit zu unterstreichen“. 13 Vgl. hierzu auch Giddens (1996). Er nennt diesen gesellschaftlichen Prozess „disembedding“, also die Entwurzelung der Subjekte aus ihren sozialen Systemen.

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als überzeugende historische Errungenschaft charakterisiert, die sich jedoch seit den 1970er Jahren im Niedergang befinde. Die Autoren vertreten die Ansicht, „dass dieser vermeintliche Verfall sowohl für das Individuum wie für die Gesellschaft gleichermaßen fatal ist“ (ebd.: 107). Hintergrund für derartige Darstellungen und Überlegungen zum Wert der bürgerlichen Familie ist der – im voranstehenden Abschnitt erörterte – Umstand der sozialen Transformation seit den 1970er Jahren. Das Familienleben ist konfliktreicher und schwieriger geworden. René König (1974: 80) diagnostiziert die zunehmende „Gebrechlichkeit“ der bürgerlichen Kleinfamilie, Franz-Xaver Kaufmann (1975: 177) befindet sie für besonders „störungsanfällig“ und nach Alois Herlth (1988: 312) spricht vieles dafür, „daß infolge der Modernisierungsprozesse […] die strukturelle Verankerung familialer Lebensformen in der Gesellschaft schwächer geworden ist“. Agnès Pitrou (1988: 242ff.) ergänzt, dass auch „endogene Veränderungen der familialen Zelle“ für die Krise der bürgerlichen Ehe verantwortlich zeichnen. Partner in einer Beziehung orientierten sich stärker als früher am Wunsch, individuell eine eigene Lebenslinie zu entwickeln und sich zu verwirklichen. Der Stellenwert des persönlichen Status und der eigenen Karriere (Stichwort: „Selbstverwirklichung“, vgl. Beck 1986: 156) hätten familiäre Werte überlagert und die traditionelle Rollenverteilung aufgeweicht.14 Die Krise der bürgerlichen Kleinfamilie ist statistisch nachweisbar. Louis Roussel (1988: 40ff.) belegt folgende bis heute gültige und weitgehend stabile Entwicklungen in der westlichen Welt: Rückgang der Geburten (Wandel der Fruchtbarkeit); Rückgang der Heiratsrate bei gleichzeitiger Zunahme der Scheidungsrate (Zerbrechlichkeit von Ehen); Zunahme nicht-ehelicher Lebensgemeinschaften; Rückgang der Zahl verheirateter Paare mit Kindern gegenüber einer Zunahme der Unverheirateten mit Kindern; Änderung der Haushaltstypen, das heißt eine massive Zunahme von Einpersonen-Haushalten, insbesondere bei den 20- bis 29-Jährigen („Singles-Subkultur“ [Berger/Berger 1984:

14 Neuere Untersuchungen bestätigen diese Trends. So weist der Siebte Familienbericht (2006) die „Familie im Wandel“ (ebd.: 68) aus. Es bestünde ein Spannungsverhältnis zwischen Familie und persönlichen Lebensläufen (vgl. ebd.: 206) und die „Gefahr des Fürsorglichkeitsdefizits in postmodernen Gesellschaften“ (ebd.: 7).

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37]) und Verweiblichung der Haushaltsvorstände (familiäres Regiment der Mütter bei deren gleichzeitigem Einzug ins Berufsleben). Roussel leitet aus seinen Erhebungen ab: „Die Ehe, die […] die Erwartungen der Partner regulierte, deren Verhalten prädisponierte und letztlich der Gesellschaft die Verantwortung für die wichtigsten gemeinsamen Entscheidungen zuzuweisen versuchte, hat nunmehr für eine Mehrheit der jüngeren Erwachsenen ihre Bedeutung als Bezugssystem verloren […]. Sinn und Glück sucht man jetzt bei der Spontaneität“ (ebd.: 53ff.). Auch im Bereich der Kernfamilie schlägt sich also das postmoderne Axiom der Pluralität der Lebensformen nieder und erweitert ihre Spielräume. Ausgefüllt werden diese u. a. durch „Patchwork-Familien“, also Wiederverheiratungen mit eingebrachten Kindern, aber auch weitere Formen der „fragmentierten Elternschaft“ (HoffmannRiem 1988: 216). Die diversen Kombinationsmöglichkeiten können als „Pluralisierung der Haushaltsformen“ (Mitterauer 2003: 403) verstanden werden. Sie haben sich in der postmodernen Gesellschaft etabliert (vgl. Liegle 1988: 101). Ulrich Beck und Elisabeth Beck-Gernsheim (1990) setzen in diesem Zusammenhang die Romantisierung der Liebesheirat15 und der bürgerlichen Familie in Relation zum Zusammenbruch ihrer tradierten Gewissheiten und dem anhaltenden Trend der Individualisierung (vgl. ebd.: 7). Wesentliche These ist, dass in Ehe, Familie und Partnerschaft die Widersprüche der durchmodernisierten Marktgesellschaft nicht mehr kompensiert werden könnten (vgl. ebd.: u. a. 53). „Man kann ebensogut eine Leiter an den Himmel legen und im Wolkenkuckucksheim einziehen, wie sein Glück in Ehe und Familie suchen“ (ebd.: 184). Die Enttraditionalisierung der Familie habe eklatante Gegensätze zwischen den Geschlechtern hervortreten lassen. Anzeichen seien „die ewigen Beziehungsdiskussionen […]; Verlust der Sicherheit im ande-

15 Vgl. hierzu auch die Untersuchung von Eva Illouz (2003), die die These vertritt, dass der Massenkonsum der postmodernen Gesellschaft das Ideal der romantischen Liebe ersetzt habe. Massenkonsum beruhe auf dem Drang nach der kurzzeitigen und beliebigen Erregung und stelle daher genau das Gegenteil von langlebiger, „behaglicher“ romantischer Liebe dar (vgl. ebd.: 174f.). Ähnlich argumentiert Giddens (1993): „Bei intimen Beziehungen des modernen Typs ist das Vertrauen stets ambivalent, und die Möglichkeit der Trennung ist mehr oder weniger immer präsent“ (ebd.: 178).

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ren, […]; die Vergötterung der Kinder; der Kampf um ein Stück eigenes Leben“ (ebd.: 38f.). In Zeiten der pluralen Möglichkeiten von Lebensentwürfen sei die Liebe schwieriger denn je, denn das gemeinsame Universum aus Interpretationen, Urteilen und Erwartungen sei zersplittert (vgl. ebd.: 73). Die Ökonomie des seelischen Haushalts müsse sich demnach anderswo stabilisieren, und zwar im „Ersatzpartner Kind“ (ebd.: 98ff.). Da die Hoffnung auf Nähe und Wärme durch eine dauerhaft funktionierende Partnerschaft bzw. Ehe sich nicht mehr erfüllten, bleibe nur noch das Kind. „Es verheißt eine Bindung, die so elementar, umfassend, unauflöslich ist wie sonst keine in dieser Gesellschaft“. Diese Tendenz sei vor allem bei jungen Müttern zu beobachten und zu einem festen Bestandteil der Frauenliteratur bzw. populärer Frauenratgeber geworden (vgl. ebd.: 100). Subjektivität in der Postmoderne nach dem psychoanalytisch-kulturtheoretischen Konzept Lacans Der epochale Wandel von der bürgerlichen Moderne zur kontingenten Postmoderne hat die westliche Gesellschaft massiv und nachhaltig verändert. Es sind neue, heterogene Formen von männlicher Subjektivität entstanden, die nicht mehr mit der freudschen Figur des Ödipus erfasst werden können. Lacans psychoanalytisch-kulturtheoretische Theorie des Ödipus hingegen erweist sich im Zuge ihrer Historisierbarkeit als praktikables Konzept zur Bestimmung von männlicher Subjektivität der Postmoderne. Die plural ge- und erlebte Postmoderne entspricht in lacanschen Kategorien einer performativen Umgestaltung der Funktionsmechanismen der symbolischen Ordnung. Die bürgerlichen Verhältnisse (bzw. „die Ordnung der Lüge“ [Žižek 1999: 147]), die mit ihren dominanten sozial-kulturellen Praktiken (allen voran bezogen auf Arbeit, Familie, Geschlechterverhältnisse) den Subjekten eine vermeintliche Stabilität, Ganzheit und Unversehrtheit vor Augen führten, sind „zersplittert“ (vgl. Keupp 1999: 86ff.) bzw. ihre Signifikantenkette ist zerrissen (vgl. Jameson 1997: 71). Insbesondere die Kleinfamilie als Ort, an dem laut Žižek (2001: 429) „die psychischen Bedingungen für den modernen, westlichen, dynamischen und kreativen Individualismus“ hervorgebracht wurden, ist durch postmoderne Lebens-, Liebes- und Partnerschaftsformen ersetzt worden. Daher befänden wir uns in einer „vom Untergang des Ödipus geprägten Zeit, in der der paradigmatische Modus der Subjektivität nicht mehr in

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jenem Subjekt besteht, das durch die symbolische Kastration in das väterliche Gesetz integriert wird“ (ebd.: 338). Žižek spricht hierbei auch vom „Niedergang der väterlichen symbolischen Autorität“ (ebd.: 432), den u. a. Mitscherlich und Marcuse bereits frühzeitig beschrieben haben. In der Postmoderne haben Väter und Autoritätsfiguren intensiv an Bedeutung als Orientierungsgröße verloren (vgl. u. a. Lasch 1995: 32ff.; Zaretsky 2006: 436ff.) und sind durch unterschiedlichste Wertsetzungen innerhalb diverser „lifestyles“ (Giddens 1991: 70) substituiert worden. Konkret lässt sich die postmoderne Krise des Ödipuskomplexes also in dessen dritter Phase lokalisieren, in der Lacan zufolge der Namedes-Vaters interveniert und das imaginäre, präödipale Verhältnis Mutter-Kind(-Phallus) aufbricht. Väter der Postmoderne sind jedoch nicht imstande diese Mutter-Kind-Verstrickung zu lösen (qua ausbleibender Kastrationsdrohung), und anschließend fehlen ihnen Kraft und Mittel, ihren Söhnen bis nach der Adoleszenz eine stabile Größe der Orientierung und Identifikation anzubieten. Das hat nach Žižek (2001: 460) zur Folge, „dass das Subjekt niemals erwachsen wird und wir es heute mit Individuen zu tun haben, die altersmäßig schon in den 30ern oder 40ern stehen, im Sinne ihrer psychischen Ökonomie aber unreife Adoleszente geblieben sind, die mit ihren Vätern im Konkurrenzkampf stehen“.

Diese These weist voraus auf den Kern der vorliegenden Studie. Ich werde in den folgenden Kapiteln erörtern, inwieweit das Auftreten junger, Männer als „unreife Adoleszente“ Ausdruck eines postmodernen, präödipalen Subjekttypus ist, der – so die Hauptthese dieses Buches – die Helden des Hollywood-Spielfilms nach 1970 konstituiert. Die Postmoderne mit ihren veränderten sozial-kulturellen Praktiken und Ordnungen modelliert also männliche Subjekte, deren körperlich-mentale Strukturen und Qualitäten als präödipal beschreibbar sind. Neben dem problematischen Verhältnis zu den Vätern spielt dabei auch die neue Vertrautheit und Nähe zu den Müttern eine entscheidende Rolle. Der Soziologe Anthony Giddens bemerkt hierzu: „Auf der psychischen Ebene sind die Schwierigkeiten der Männer mit der Intimität vor allem das Ergebnis von zweierlei: eines Blicks auf Frauen, […] den wir als unbewussten Rückzug auf die Mutter interpretieren können, und dem

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Fehlen einer emotionalen Geschichte des Selbst (was als abwesender Vater interpretiert werden kann)“ (1993: 145).

Die postmoderne Repräsentation von Männlichkeit(en) Die Diskrepanz zwischen dem […] Männerbild und einer längst veränderten Realität schafft bei Männern Unsicherheit und Angst. (HOLLSTEIN 1990: 28) Viele junge Männer kommen gar nicht mehr an die ödipale Mauer. (BLY 1997: 78)

Das patriarchale Bild einer starken, ödipal generierten Männlichkeit, so wie es Freud als Grundpfeiler von bürgerlicher Familie und Gesellschaft vorschwebt und es gesellschaftshistorisch lange Zeit ein universelles Prinzip darstellt, ist, wie auf den vorhergehenden Seiten dargestellt, seit den 1970er Jahren nicht mehr haltbar. Michael S. Kimmel (1996), Alan Petersen (1998: 15) und Elisabeth Bronfen (2003: 15) sprechen von einer „Krise der Männlichkeit“. Jessica Benjamin (1990: 175) konstatiert: „Daß die Männer ihre absolute Kontrolle über Frauen und Kinder verloren, hat den verletzlichen Kern der männlichen Individualität bloßgelegt, das Scheitern der Anerkennung, das sich einst hinter der Maske von Macht, Verantwortung und Familienehre verbergen konnte“.

Die ödipal-patriarchale dominant fiction hat ihren herrschaftlichen Einfluss auf die sozial-kulturellen Praktiken der westlichen Gesellschaft eingebüßt und offeriert keinen affirmativen Spiegel souveräner Männlichkeit mehr (vgl. Kaltenecker 1996: 21). In die sozialkulturellen Praktiken der postmodernen Gesellschaft haben sich neue Formen männlicher Subjektivität eingeschrieben, die hier mit Lacan, u. a. als Folge des Verlusts des Phallus bzw. symbolischer Autoritäten als präödipal beschrieben werden sollen. Im Zuge dieser Entwicklung hat sich ein seither unabgeschlossener Diskurs über die Zukunft der Männer und ihre Repräsentation bzw.

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angemessene Beschreibungskategorien einer „new masculinity“ (Savran 1998: 198ff.) entwickelt. Dieser Diskurs wird bisweilen unter dem Begriff der Men’s Studies gefasst (vgl. Gotto 2001: 8ff.), in denen es u. a. um die „Verunsicherung [geht], mit der Männer auf den Verlust ihrer alten Rollenbilder und ihrer traditionellen Rechte, Aufgaben und Sicherheiten reagieren“ (Erhart/Herrmann 1997: 6). Des Weiteren ist eine Vielzahl autobiographischer Bücher, Reader und Essays publiziert worden, in denen Männer seit den 1970er Jahren „Seelenbeichte“ (ebd.: 3) betreiben. Diese Texte sind vor allem geprägt von Irritationen und Utopien. In ihrem Mittelpunkt stehen „die Weigerung, Mann zu sein, und die Aufforderung, zum echten Mann-Sein zurückzufinden, der verunsicherte, der neue und der wiedererstarkte Mann […] und das ambivalente Wort vom Softie“ (ebd.: 4). Hier ein kurzer Überblick besonders anschaulicher Beispiele: Der Männerrechts-Aktivist Warren Farrell ruft in seinen Texten (u. a. 1989) zu „neuer Männlichkeit“ (ebd.: 269ff.), sprich zu mehr Sensibilität und Empfindsamkeit auf: „So kann man einer Frau auch zeigen, dass man sie liebt“ (ebd.: 11). Auch für Herb Goldberg (1979) hat der Mann „in unserer Kultur einen toten Punkt erreicht […]. Er ist ein Papp-Goliath, der nur mit Mühe sein Gleichgewicht halten kann“ (ebd.: 9f.). Nur wenn er die ihm indoktrinierte Vorstellung und destruktive Schablone von „Heldenhaftigkeit“ als „dem Urbild aller Männlichkeit“ ablegen könne (vgl. ebd.: 73), werde er sich verwirklichen können. Wolfgang Rath (1980: 103) beklagt in seinem Erfahrungsbericht „die Pleite der Männlichkeit – die männliche Überlegenheit und Macht, die mit den Autoritäten weggeschmolzen und zur Komikfigur verkommen ist – breitet sich immer deutlicher als Allgemeinplatz aus; der Griff des Mannes ins klassische Männlichkeitsrepertoire ersteht zunehmend klarer als lächerliche Geste.“

Ein besonders prominentes Beispiel für den Ausdruck kollektiver männlicher Therapie ist Robert Blys eklektisches New-Age-Werk Eisenhans (1991), dessen These lautet: „Wenn ein Mann fünfunddreißig ist, hat er längst erkannt, dass das Image des richtigen Mannes, des harten Mannes, des wahren Mannes, das ihm in der Jugend eingeimpft wurde, im wirklichen Leben nicht taugt“ (ebd.: 7).

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Mitschuld an diesem inneren Konflikt trage die als signifikant empfundene Vaterlosigkeit junger Männer: „Ganz offensichtlich ist das Vaterwasser zu Hause tiefer gesunken, als es die meisten Brunnen sind. Wenn sozusagen der Pegel des Vaterwassers, das Grundwasser fällt, und es zu wenig Vater gibt statt zu viel, befinden sich die Söhne in einer neuen Situation. Was machen sie dann: Bohren sie nach neuem Vaterwasser, rationieren sie es, legen sie sich Vorräte an, destillieren sie Mutterwasser zu Vaterwasser?“ (Ebd.: 127).

Die Antwort darauf lässt Bly offen. Dafür proklamiert er unter ReLektüre alter Mythen und Märchen (vor allem Grimms Der Eisenhans) eine neue männliche Initiation und ein Leid minderndes Selbstverständnis, gespickt mit soziologischen, anthropologischen und psychologischen Überlegungen und Tipps. Im deutschsprachigen Raum hat Horst-Eberhard Richter die Die Krise der Männlichkeit in der unerwachsenen Gesellschaft (2006) beklagt. Ihm geht es darum, den Stärkekult und die „Maßlosigkeit des männlichen Eroberungswillens“ (ebd.: 12) als Illusion zu entlarven. Darunter fallen seiner Ansicht nach u. a. der rastlose Rekordehrgeiz (u. a. die „komplementäre Selbsterweiterung“ beim Bergsteigen) (ebd.: 207) und der Wettkampf in der Hochbauarchitektur („Phallische Machtsymbole des Kapitalismus“) (ebd.: 199). Aufschlussreich sind zudem wissenschaftliche Abhandlungen, die diskursive Brüche postmoderner Konstruktionen und Repräsentationen von Männlichkeit ausloten. Stefan Waldows (1995: 162ff.) empirische Untersuchung über männliche Selbstbilder in der postmodernen Gesellschaft kommt zu folgendem Schluss: Zwar würden junge Männer das Bild klassischer Männlichkeit und die damit verbundenen Merkmale der bürgerlichen Rollenstereotypie kennen, doch orientierten sie sich in ihrem individuellen Lebenskontext nicht mehr daran. Sie bewerteten das Bild als krisenhaft und nähmen ihm gegenüber eine sehr differenzierte und individuelle Haltung ein. Es bestehe sogar partiell „die Tendenz, sich aus männerdominierten Bereichen der Gesellschaft zurückzuziehen“ (ebd.: 166). Männer der jungen Generationen hätten sich offenbar von „allgemein verbindlichen Männlichkeitsidealen“ (ebd.) verabschiedet (vgl. auch Phoenix/Frosh 2005: 19ff.). Ambivalenter fällt das Ergebnis von Thomas Lückes (1990) Studie über männliche Wunschbilder in der Postmoderne aus: Einerseits äußere sich in

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ihnen die Sehnsucht nach tradierten Werten der männlichen und familiären Verwirklichung, andererseits bestehe eine eklatante Scheu, Ohnmacht und Angst, sich auch tatsächlich darauf einzulassen.16 Allgemein lässt sich konstatieren, dass die Vorstellung von einer konventionellen, normativen Männlichkeit in der jüngeren Forschung kaum noch anzutreffen ist (vgl. auch Hollstein 1990: 7). Männer werden als „inkohärent, torsohaft, fragmentarisch“ (ebd.: 14) wahrgenommen. Zunehmend wird von Männlichkeiten gesprochen (vgl. Brod 1987, 1994; Erhart/Herrmann 1997: 9f.). Dieser Plural „richtet sich sowohl auf die Existenz mehrerer sozialer, kultureller und ethnischer Modelle innerhalb einer einzigen Gesellschaft als auch auf die Vielfalt historischer Männlichkeitskonzepte“ (Erhart/Herrmann 1997: 9). Derlei Konzepte von Männlichkeit seien nichts anderes als „kollektive Vorstellungen, die in den meisten Gesellschaften in Leitbilder institutionalisiert sind“ (Gilmore 1991: 31). Interessant ist, dass die Spannbreite dieser ge- und erlebten Männerleitbilder, also der Idealvorstellungen und repräsentativen Orientierungsmuster von Männlichkeit, in den vergangenen Jahrzehnten erheblich angewachsen sei (vgl. Zurstiege 1998: 180f.). Zu den kulturell-ästhetischen Praktiken in der Postmoderne Als grundlegende Charakteristika der Postmoderne wurden hier Dezentrierung, Pluralität und Unübersichtlichkeit angeführt. Fredric Jameson (1997) zeigt auf, inwieweit diese Momente der kulturellen Logik des Spätkapitalismus eine einschneidende Erfahrung für die westliche Kultur bedeuten. Mit der Überschreitung der Begreifensund Orientierungsfähigkeiten des individuellen Bewusstseins postmoderner Subjekte gingen seiner Ansicht nach „dramatische Veränderungen in der ästhetischen Produktion“ (ebd.: 46) einher. Im Zentrum seiner Überlegungen steht die These, wonach sich postmoderne Kulturphänomene durch ihre völlige Heterogenität auszeichneten (vgl. ebd.: 44). Dies analysiert und belegt Jameson an Beispielen aus der Malerei

16 Vgl. hierzu auch die Studie der Stiftung für Zukunftsfragen Angst vor der Familiengründung (2006). Demnach weigerten sich immer mehr junge Männer (in Deutschland), Verantwortung für eine Familie zu übernehmen. Laut der Studie hielten 43 % der befragten 18- bis 39-Jährigen ihre persönlichen Freizeitinteressen für wichtiger als Heirat und Familiengründung.

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und Architektur, bezieht aber gleichermaßen massen- und popkulturelle Phänomene17 mit ein: von Andy Warhols Pop Art über Punk und New Wave in der Musik bis hin zu einem „völlig neuen Typen des kommerziellen Films“ (ebd.: 45). In allen Bereichen sei „die Präsenz und die Koexistenz eines Spektrums ganz verschiedener, jedoch einer bestimmten Dominanz untergeordneter Elemente“ (ebd.: 48) vorzufinden. Diese Dominanz beruhe auf vier konstitutiven Merkmalen (vgl. ebd.: 50): Eine neue Oberflächlichkeit, „die sich auf die gesamte neue Kultur des Bildes oder des Simulakrums erstreckt“, der Verlust von Historizität, das heißt die Nicht-Integrationsfähigkeit postmoderner Kunst in den Kontext einer kohärenten symbolischen Ordnung, eine völlig neue emotionale Grundstimmung sowie die fundamentale Abhängigkeit von neuen Technologien. Außerdem attestiert Jameson (ebd.: 48) postmodernen Kulturphänomenen eine „besondere Anstößigkeit – ihre Obskurität, ihre offene Sexualität, der Psychomüll, die ungeschminkte Verachtung der Gesellschaft und der Politik, die bei weitem alles übertrifft, was die Moderne an Extremen zu bieten hatte“. Und er beschreibt postmoderne Artefakte daran anknüpfend als Kunst der Zitate („Pastiche“, vgl. ebd.: 61ff.), deren Original verschwunden sei. Sie bezeugten eine „historisch neuartige Konsumgier auf eine Welt, die aus nichts als Abbildern ihrer selbst besteht und versessen ist auf Pseudoereignisse und ‚Spektakel‘ jeglicher Art (ebd.: 63).18

17 Pop- bzw. massenhafte Jugendkultur entfaltet sich mit dem Ende der 1960er im Zuge der frühen Postmoderne als Gegenbewegung zur paternalen bürgerlichen Gesellschaft (vgl. Kemper 2002: 12). In ihr äußert sich der fundamentale Protest gegen das geschwächte autoritäre Gesetz des Namen-des-Vaters. Jugend gilt „als Metapher der Rebellion […], Pop signalisierte Frische, Freiheit, Aufbegehren“ (ebd.). Hippie- und Studentenbewegung, Rock, Punk und Künste wie Pop Art, Fluxus und Happening zielen auf Schock und können im Nachhinein als „Überschreitungshandlungen“ (Žižek 2001: 476) gegen die väterliche Ordnung der Hierarchie, Unterdrückung und strengen Regulation aufgefasst werden. Pop und Jugendkultur sind eine anti-ödipale Protesthaltung gegen „die verlogene und in doppelmoralische Konventionen verstrickte Erwachsenenwelt [und das] Bildungsbürgertum“ (Vick 2002: 95). 18 Zur weiterführenden Besprechung der Thesen über die Kultur des Spätkapitalismus bzw. der Postmoderne nach Jameson vgl. Norman K. Denzin

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New Hollywood: Der postmoderne Hollywood-Spielfilm in seiner veränderten Ästhetik und Struktur Die Postmoderne war keine Erfindung des Kinos, aber das postmoderne Kino war […] der Ort, an dem sich das Selbst- und Weltbild der postmodernen Kultur manifestiert. (FELIX 2002: 8)

Jamesons Bild der postmodernen Kultur ist in diversen jüngeren Hollywood-Spielfilmen erkennbar, so zum Beispiel im Werk David Lynchs (Eraserhead 1977, Lost Highway 1996, Mulholland Drive 2001), dessen Filme keine versteh- und logisch deutbare symbolische Handlung mehr anbieten (vgl. Felix 2002). Subjektivität weiche hier im heterogenen Spiel mit multiplen Persönlichkeiten auf oder verschwinde gar völlig im dicht bebilderten Gewebe aus Farbe, Form, Rhythmus, Atmosphäre oder Erotik. Aber auch in weniger verstörenden Spielfilmen bewahrheitet sich Jamesons Theorie. So haben Peter Kramer (2000: 71) zufolge ca. seit 1970 verschiedene, neue Aspekte Einzug in den „postklassischen“ Hollywood-Spielfilm des Erzählkinos gehalten. Zu den inhaltlichen zählen unter anderem narrative Komplexität, Genre-Mischformen, Handlungsstränge bestehend aus schwer interpretierbaren Vieldeutigkeiten sowie das verstärkte Aufgreifen sozialer Tabuthemen.19 Diverse Autoren schlagen aufgrund dieser neuen heterogenen Konventionen den Begriff des New Hollywood vor, das sich inhaltlich vor allem durch „Diversifizierung und Vermischung“ (Schatz 1993: 29ff.), durch „Dekonstruktion“ (King 2002: 128) der klassischen Genres und Filmhandlungen und durch deren „kontrollierte Anarchie“ (Tasker 1996: 220) auszeichne. Der Begriff des New Hollywood steht aber auch für eine neue postklassische Entertainmentkultur (vgl. King 2002: 49ff.) in Form der seit den 1980er Jahren unter gigantischem medialem Aufwand beworbenen sowie hochtechnologisch und digital realisierten

(1991: 41ff.; 149ff.), David Bordwell (1998) und Andreas Reckwitz (2008: 126ff.). 19 Zur Entstehung, Ästhetik und Ökonomie des postklassischen HollywoodSpielfilms vgl. auch Robert Blanchet (2003).

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Blockbuster des „corporate Hollywood“ wie z. B. Titanic (1997) oder Godzilla (1998). In ihnen sei das Spektakel zur „dominanten Tendenz“ geworden (ebd.: 179).20 Dennoch gilt es sich vor Augen zu führen, dass trotz all der inhaltlichen und formalen Veränderungen des postmodernen HollywoodSpielfilms das Gros der erfolgreichen Produktionen nach wie vor auf eine verstehbare Logik in Bezug auf Erzählkontinuität, Chronologie und Kohärenz setzt, das heißt, dass die Regeln der klassischen Form des Narrativs nur selten angetastet werden und ihre konstitutive Wichtigkeit beibehalten haben (vgl. Bordwell 1995: 153; Kramer 2000: 74). Progressive und spektakuläre Elemente des postmodernen HollywoodSpielfilms werden im Wesentlichen stets „vom klassischen System absorbiert“ (Cowie 1998: 188). Der Grund hierfür wird zumeist in wirtschaftlichen Interessen ausgemacht. Zu eklatante Mischformen und Widersprüche blockierten den psychischen Vorgang der Rezeption. Sie brächen Kohärenz auf und erschwerten den befriedigenden Akt des Deutens des filmischen Geschehens. Sie seien daher meist Kassengift. „Despite changes in its mode of production and its narrative strategies, Hollywood continued to operate successfully as a capitalist enterprise and did not disrupt the fundamental operations of the classical text“ (Kramer 2000: 74). Diese Argumentation stimmt mit der hier vertretenen These überein, wonach sich Filmvergnügen und Filmerfolg zuvorderst im Gefolge der subjektivierenden Prozesse von Widererkennung und Identifikation einstellen. Zu große Experimentierfreude im Spielfilm subvertiert derlei konstitutive Mechanismen. Es stellt sich also die Frage, in welchem Maße Identifikation und Wiederkennung im symbolischen Kontext der Postmoderne auf Leinwand und Bildschirm hergestellt werden können. Klassische bürgerliche Werte und

20 Vgl. auch Peter Kramer (2000: 71), der in Bezug auf die Entertainmentkultur auf eine neuartige, komplexe Audiovisualität hinweist, die seit den 1970er Jahren in den Film Einzug gehalten habe. Auch Thomas Schatz (1993: 32ff.) zufolge haben sich die Blockbuster seitdem mehr und mehr zu computeranimierten, multimedialen Spektakeln ausgeweitet. Für weitere Überlegungen zum Verhältnis von klassischem Hollywood-Kino und den Elementen des postmodernen New Hollywood vgl. David Bordwell (1995), Andreas Rost und Mike Sandbothe (1998) und Jürgen Felix (2002).

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das damit verbundenen Modell des ödipal generierten Subjekts kommen jedenfalls nicht mehr in Frage. In seinen Ausführungen zum postmodernen Hollywood-Spielfilm geht Jameson (1997: 65) auch auf die neuere Generation von Filmstars ein, „die sich deutlich von der früheren Garde männlicher Superstars wie Steve McQueen oder Jack Nicholson (oder noch früher Marlon Brando) unterscheiden“. Sie übernähmen „zwar die konventionellen Funktionen der Stars, insbesondere die Verkörperung von Sexualität, aber nicht mehr die Persönlichkeit im alten Sinne“ (ebd.). Neuere Filmstars bedienten sich Jameson zufolge in ihrem Spiel aus dem Repertoire früherer Rollen des klassischen Hollywood-Kinos, verkörperten dabei aber neue, heterogene Formen männlicher Identität und damit eine neue „Kultur des Bildes“ (ebd.: 50) von Männlichkeit. Diese Überlegungen verweisen in ihrer Konsequenz auf eine spezifische Ambivalenz, durch die viele Filmhelden seit den 1970er Jahren geprägt sind. Als Repräsentanten (vgl. Dyer 1979; Staiger 1997: 50f.) der dominanten Formen von Subjektivität einer Gesellschaft sitzen sie in der postmodernen Falle Hollywoods: Einerseits fordert der weiterhin häufig klassische Filmtext von ihnen das Durchschreiten einer ödipalen Initiationsreise, andererseits verfügen sie aber nicht mehr über die dafür notwendige, nämlich ödipal-normative männliche Ausstattung. Sie reiben sich (auf) an den symbolischen Koordinaten, die mit ihrer Begehrensstruktur nicht mehr korrespondieren. Verschiedene neuere filmtheoretische Texte beschäftigen sich mit dieser Ambivalenz und den multiplen Strategien in der Repräsentation und Rezeption der postmodernen Filmhelden. Auch das primäre Erkenntnisinteresse der vorliegenden Studie besteht darin, nachzuweisen, dass es im Hollywood-Spielfilm seit den 1970er Jahren einen eklatanten Umbruch gibt, dergestalt, dass das bürgerlich-ödipale Männlichkeitsbild zugunsten pluraler, heterogener Konzepte von Männlichkeit demontiert wird, die das Strukturprinzip der ödipalen Initiationsreise unterwandern: Anti- bzw. präödipale männliche Subjekttypen verbergen sich bisweilen nicht mehr im Subtext der dominant fiction, sondern sind zu ihrem offen artikulierten, konstitutiven Bestandteil geworden. Ich werde mich im finalen filmanalytischen Kapitel dieses Buches intensiv mit diesen präödipalen Subjekttypen im HollywoodSpielfilm seit den 1970er Jahren auseinandersetzen.

Kapitel 3 Formen präödipaler Subjektivität nach 1970

Zentrale These der vorliegenden Studie ist, dass die sozial-kulturellen Praktiken und Ordnungen der Postmoderne männliche Subjekte modellieren, deren körperlich-mentale Strukturen und Qualitäten – in Kategorien Lacans - als präödipal beschreibbar sind. In diesem Kapitel soll Präödipalität nun in ihren drei spezifischen Ausprägungen des Narzissmus, Hedonismus und Masochismus in der Theorie ausführlich bestimmt und diskutiert werden. Wichtig ist, dass diese Dispositionen entgegen der üblichen Bewertungen nicht als problematisch, offensichtlich krank oder gestört diagnostiziert werden sollen (vgl. Benjamin 1990: 134f.), sondern als – vom historisch obsoleten Modell des ödipalen Subjekts – emanzipierte Formen männlicher Subjektivität. Mein primäres kulturtheoretisches Erkenntnisinteresse gilt der Analyse präödipaler (Helden-)Subjekttypen im Hollywood-Spielfilm seit den 1970er Jahren. Sie haben sich – so meine These – als konstitutiver, kollektiv rezipierter und akzeptierter Bestandteil der dominant fiction etabliert. Kapitel 4 wird sich ausführlich mit ihnen auseinandersetzen.

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N ARZISSMUS Der Narzissmus scheint praktisch die beste Art und Weise zu sein, sich den Spannungen und Ängsten des modernen Lebens gewachsen zu zeigen. (LASCH 1995: 84)

Theorie- und kulturgeschichtliche Begriffsbestimmung des Narzissmus Genau wie Ödipus entspringt der Begriff des Narzissmus der griechischen Mythologie und wird über die Jahrhunderte hinweg künstlerisch vielfältig sublimiert, bevor ihn Freud für die Psychoanalyse fruchtbar macht (vgl. Kernberg 2006: 70f.). Obgleich es verschiedene Versionen der ursprünglichen Sage gibt, geht es im Kern immer um den schönen Jüngling Narziss, der sich über das Wasser gebeugt in unstillbarer und unerfüllbarer Liebe so sehr nach seinem Spiegelbild verzehrt, dass er darüber stirbt und sich in eine Narzisse verwandelt. Im Alltagsverständnis wird Narzissmus mit „Selbstliebe“1 gleichgesetzt oder nach Erich Fromm (1979: 69f.) mit „Selbstzufriedenheit“, „überhöhter Empfindlichkeit“ und „Selbst-Bewunderung“. „Wie auch immer die verschiedenen Äußerungsformen des Narzissmus aussehen mögen, gemeinsam ist ihnen allen ein Mangel an echtem Interesse für die Außenwelt“ (ebd.). Wissenschaftlich formuliert wird Narzissmus im allgemeinen Sinne als eine Art „Sammelkategorie für objektabgewandte, wenn nicht objektlose Erscheinungsformen des Seelenlebens gebraucht“ (Altmeyer 2000: 16). Tatsächlich ist eine Definition von Narzissmus insbesondere im Hinblick auf das (Nicht)-Verhältnis von narzisstischem Subjekt und Außen- bzw. Objektwelt jedoch komplizierter und, wie Psychologe Martin Altmeyer (ebd.) umfassend und anschaulich nachzeichnet, im wissenschaftlichen Diskurs „chronisch ungelöst“ (ebd.: 18).

1

Brockhaus Enzyklopädie (2006): Band 19 MOSC – NORDD. Leipzig: F. A. Brockhaus.

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NACH

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Hier ein kurzer Abriss, der hier relevanten Positionen: Freuds Adaption des Begriffs des Narzissmus für die Psychoanalyse umfasst mindestens vierzehn voneinander unterscheidbare Bedeutungen (vgl. ebd. 42f.). Er zieht ihn zur Erklärung diverser Phänomene wie Psychosen, Liebe, Eifersucht, etc. heran. Systematisch analysiert lässt sich die freudsche Theorie vom Narzissmus aber auf ein zweigliedriges Grundkonzept reduzieren (Freud 1999: 138ff.). Darin unterscheidet er zwischen einem primären und einem sekundären Narzissmus. Der primäre ist entwicklungspsychologisch noch vor der Trennung von Subjekt und Objekt, in der dyadischen Mutter-Kind-Relation angelegt, in der sich das narzisstische Subjekt in einer Einheit mit dem „pflegenden Weib“ (ebd.: 154) erlebe. Dieses undifferenzierte Selbstgefühl entspreche einer ersten libidinösen Besetzung des eigenen Ich, in das die Mutter quasi integriert ist (ebd.: 151). Das Kind errichte in sich ein allmächtiges „Ich-Ideal“ (ebd.: 161), das es genieße. „Der Narzissmus erscheint auf dieses neue ideale Ich verschoben, welches sich wie das infantile im Besitz aller wertvollen Vollkommenheit befindet“ (ebd.). Aus verschiedenen Gründen seien Subjekte im späteren Leben nicht immer ausreichend in der Lage, ihre – durch Ödipus ermöglichten – Objektbeziehungen stabil aufrechtzuerhalten, so dass sie unter Umständen in ein psychisches Stadium regredierten, in dem sie ihre Libido wieder von der Außen- bzw. Objektwelt abzögen und erneut dem eigenen Ich zuführten. Freud spricht hierbei vom sekundären Narzissmus (vgl. ebd.: 140). Er äußere sich in Größenwahn und Selbstüberschätzung sowie -idealisierung (vgl. ebd.). „Die Rückkehr der Objektlibido zum Ich, deren Verwandlung in Narzissmus, stellt gleichsam wieder eine glückliche Liebe dar“ (ebd.: 167). An anderer Stelle fasst Freud die Vorstellung vom sekundären Narzissmus als ein allgemeines, nicht-pathologisches Phänomen: „So ahnen wir doch bereits, dass die narzisstische Organisation nie mehr völlig aufgegeben wird. Der Mensch bleibt in gewissem Maße narzisstisch, auch nachdem er äußere Objekte für seine Libido gefunden hat“ (Freud 1948b: 110; vgl. auch Freud 1947a: 144). Später ergänzt Fromm (1979: 72): „Selbst beim Durchschnittsmenschen […] bleibt noch ein narzisstischer Kern bestehen, der fast unzerstörbar erscheint.“ Freuds Konzept des Narzissmus als libidinöse Idealisierung des eigenen Ich hat sich zwar sowohl in der psychoanalytischen Theorie als auch in der allgemeinen Bewertung bis heute im Wesentlichen gehal-

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ten (vgl. Altmeyer 2000: 41), dennoch haben sich konkurrierende Ansätze entwickelt. Zunächst Lacan und später die Vertreter der psychoanalytischen Objektbeziehungstheorie haben im Gegensatz zu Freud oder auch Fromm die Abhängigkeit vom A(a)nderen, also die Beziehung zur Umwelt bzw. dem Objekt, in den Vordergrund der narzisstischen Verstrickung gestellt. Narzissmus gedeihe demnach überhaupt erst in der durch den (A)anderen vermittelten Selbstsicht. „Das Selbstverhältnis, das im Narzissmus aufscheint, ist intersubjektiv kontaminiert. Die Objekte wirken dabei als Spiegel des Selbst, das sich darin seiner selbst zu vergewissern versucht“ (ebd.: 17). Der Spiegeleffekt, den der Mythos in der Wasseroberfläche beschreibt, sei demnach also keine Begegnung mit dem eigenen Selbst, sondern gebe das Bild wider, dass die Außenwelt vom Subjekt habe. „Die Spiegel-Metapher enthält den Blick von außen auf das Selbst“ (ebd.: 19). Auf dieser Idee fußt bereits die Subjekttheorie Lacans. Sie begründet seine Konzeption des Imaginären bzw. des Spiegelstadiums als Bildner der Ichfunktion (1991a). Das sich verkennende moi eines jeden Subjekts, das zeitlebens für die Illusion von Vollkommenheit stehe, sei stets vom Blick bzw. der Rückversicherung durch den A(a)nderen abhängig. Die narzisstische Beziehung, die bei Lacan nicht ohne den A(a)nderen bzw. das Objekt gedacht werden darf, lege die imaginäre Basis für die menschlichen Beziehungen. Als erstes Objekt trete dabei die Mutter in Erscheinung. Als ursprüngliche, „primordiale Andere“ (Lacan 1986: 82) verkörpere sie die präödipale, imaginäre Grunddisposition des Subjekts. Diese erste narzisstische Interaktion des Kinds mit der Mutter als frühester Objektrepräsentanz zum Prinzip erhebend, hat sich in den 1970er und 80er Jahren die psychoanalytische Objektbeziehungstheorie entwickelt (vgl. Chodorow 1986; Benjamin 1990)2. Ihre Vertreter gehen unisono davon aus, dass in erster Linie „die Beziehungserfahrung der frühesten Kindheit [mit der Mutter] das psychologische Wachstum und die Persönlichkeitsbildung bestimmt“ (Chodorow: 1986: 67). Die „intensive und relativ exklusive“ (ebd.: 79) Mutter-

2

Zur kritischen Diskussion um den ursprünglichen Ansatz der psychoanalytischen Objektbeziehungstheorie nach Melanie Klein und den hier entfalteten, neueren Überlegungen vgl. Zaretsky (2006: 362) und Chodorow (1986: 65ff.).

F ORMEN

PRÄÖDIPALER

S UBJEKTIVITÄT

NACH

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Kind-Beziehung hinterlasse „in allen Menschen die Erinnerung an eine einzigartige Intimität, die sie sich wieder schaffen wollen“ (ebd.: 78). Insofern entwickelten sich die späteren Erwartungen der Männer an ihre Liebes- und Lebenspartnerinnen aus dieser ersten Beziehung. „Der Charakter der frühen Mutterbeziehung hat großen Einfluß auf das Selbstgefühl, die späteren Objektbeziehungen und die Gefühle des Kindes für die Mutter und über Frauen schlechthin […]. Diese frühe Beziehung zur Mutter wirkt sich im späteren Leben auf die Gefangenheit in Fragen der primären Identität und der Verschmolzenheit aus“ (ebd.: 105f.).

Darin enthalten ist die Annahme, dass der frühkindliche Narzissmus der Mutter-Kind-Dyade und die mit ihm verbundenen Gefühle von „Omnipotenz“ und „Allmacht“ (ebd.: 60, 84) nie wirklich getilgt werden können.3 Die Objektbeziehungstheorie betrachtet die Entstehung von Subjektivität also weniger ausgehend von der ödipalen Geschichte als von einer präödipalen Interaktion des Kindes mit der Mutter, die zeitlebens nachwirke. Diese Position ist durchaus im entsprechenden historischen Kontext zu sehen. Möglicherweise spiegelt sich in diesem Paradigmenwechsel der hier bereits ausführlich skizzierte gesellschaftliche Strukturwandel von der bürgerlichen Moderne zur fragmentarisch erlebten Postmoderne. Da seit den 1970er Jahren das Modell der klassisch ödipal triangulierten Kernfamilie in eine existenzielle Krise geraten ist und durch individuelle Lebens- und Liebesmuster ersetzt wird, hat sich auch in der Wissenschaft der Blick vom ödipalen Imperativ des Phallus abgewandt, um der präödipalen Beziehung von Mutter und Kind und der aus ihr resultierenden Subjektivität mehr Beachtung zu schenken. Jessica Benjamin (1990: 171ff.) fordert in diesem Sinne ei-

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Einerseits liegen die Subjektentwürfe Lacans und der Objektbeziehungstheorie hier nah beieinander, denn sie betonen gleichermaßen die Bedeutung der Mutter-Kind-Dyade, die zeitlebens ihren imaginären Einfluss auf das Subjekt nicht verliere. Andererseits gibt es einen eklatanten Unterschied, der sich auf den Phallus bezieht. Während Objektbeziehungstheoretikerinnen den Phallus zugunsten der Mutter-Kind-Interaktion weitgehend verbannen (vgl. Benjamin 1990: 91 ff), streicht Lacan wiederholt dessen Bedeutung als dritte Größe im intersubjektiven Beziehungsgeflecht heraus (vgl. 1990: 140ff.).

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ne „Akzeptanz der Gültigkeit“ präödipaler Subjektivität. „Statt die Überwindung der präödipalen Identifikationen zu betonen, könnte eine neue Auffassung vom Ödipuskomplex ihn als bloße Stufe im psychischen Leben verstehen: eine Stufe, die Raum läßt für frühere wie spätere Ebenen der Integration“ (ebd.). Das männliche Subjekt, das im postmodernen Familienkontext aufwächst, erlebt Dominanz nicht mehr ausschließlich durch den symbolischen Phallus des Vaters, sondern zunehmend durch die präödipale Allmacht der Mutter. Durch die Verschmolzenheit mit ihr bleibt das Subjekt narzisstisch. Die sozial-kulturellen Praktiken der Postmoderne, die neue Männlichkeitsbilder und deren Repräsentanzen im Hollywood-Spielfilm evozieren, verdichten sich im Hinblick auf die psychoanalytische Subjekttheorie im präödipalen Narzissmus. „Narzissmus konkurriert heute mit Ödipus um die Rolle der psychoanalytischen Leit-Metapher“ (Benjamin 1990: 134). Für diese „psychoanalytisch inspirierte Zeitdiagnose“ (Altmeyer 2000: 26) sollen nun zunächst wesentliche Überlegungen zur Adoleszenz eingebracht werden. Die Adoleszenz stellt die vom Narzissmus am stärksten geprägte Entwicklungsstufe des Subjekts dar. Narzissmus und Adoleszenz beim männlichen Jugendlichen Laut der psychoanalytischen Theorie entwickelt der Säugling eine intensive narzisstische Beziehung zum eigenen Körper, da ihm dieser als Hauptlustquelle dient. Selbst die ersten Objekte, allen voran die Mutter, werden mit seiner narzisstischen Energie besetzt. Dieses präödipale Stadium wird erst mit der dritten Phase des Ödipuskomplexes überwunden, in der das Subjekt infolge der väterlichen Intervention seinen infantilen Narzissmus ablegt, um andere Objekte begehren zu können. Natürlich ist der Reifeprozess des Subjekts hier aber längst nicht beendet. Es folgt zunächst die Zeit der Kindheit, auch „Latenzperiode“ (Blos 1973: 27), und erst Jahre später etabliert sich das Subjekt tatsächlich gelöst von den Eltern, eigenständig und zumeist selbstorganisiert in der symbolischen Ordnung, was sich vor allem im Bilden dauerhafter Lebens- und Liebespartnerschaften ausdrückt. Der eigentliche „Niedergang der ödipalen Periode“ (ebd.: 94) wird also erst mit der sogenannten Adoleszenz besiegelt. Psychoanalytiker sprechen von ihr als „der zweiten Chance“ oder dem „zweiten Individuationsprozess“

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(vgl. Mertens 1997: 53; Jongbloed-Schurig 1998: 99ff.). Dennoch, so Louise J. Kaplan (1988: 94), habe Freud, wie viele Psychoanalytiker nach ihm, die Adoleszenz lange Zeit wie ein „Stiefkind“ behandelt: „Der revolutionäre Nachdruck, mit dem Freud auf die Durchschlagskraft der kindlichen Vergangenheit hinwies, hat jedoch die ungeheuren Veränderungen, die während der Jugendjahre eintreten, für lange Zeit aus dem Blickfeld gerückt.“ Tatsächlich reduzieren sich Freuds Überlegungen zu dieser Lebensphase fast ausschließlich auf den – wenn auch gewichtigen – Teilaspekt der Pubertät, also die sexuelle Reifung des Subjekts. „Die Aufgabe besteht für den Sohn darin, seine libidinösen Wünsche von der Mutter zu lösen, um sie für die Wahl eines realen fremden Liebesobjektes zu verwenden, und sich mit dem Vater zu versöhnen“ (Freud 1948c: 349). Der Begriff der Adoleszenz umfasst jedoch mehr als die sexuelle Reife. In ihm klingen „all jene Ungewissheiten mit an, die das emotionale und soziale Wachstum begleiten“ (vgl. Kaplan 1988: 27). Die Adoleszenz ist mit „einer Vielzahl von Widersprüchlichkeiten, Ambivalenzen, Ungleichzeitigkeiten und Diskontinuitäten verbunden“ (Flaake 2005: 100). Aus diesem Bewusstsein heraus hat sich seit den 1970er Jahren ein eigener Forschungszweig zur Adoleszenz entwickelt, der psychoanalytische, entwicklungs- und sozialpsychologische sowie pädagogische Überlegungen einbezieht und verschiedene Bedeutungen des Begriffs diskutiert (vgl. King 2002: 19ff.). In seiner psychoanalytischen Interpretation der Adoleszenz spricht Peter Blos (1973) von ihr als Abschnitt der neuen „Ich-Organisation“ (ebd.: 13ff.), in der sich das individuelle Bewusstsein herausbilde. Wie schon bei Freud sei es demnach das primäre Ziel des adoleszenten Subjekts, mit den Eltern und Geschwistern als libidinös besetzten Liebesobjekten der Kindheit zu brechen um eigene Objektbeziehungen einzugehen. Allerdings schenkt Blos darüber hinaus weiteren Umständen Beachtung. „Auf einem diffizileren und unbewussten Niveau beeinflusst der Adoleszenzprozess auch die Entwicklung von Interessen, sozialem Verhalten und der Qualität des Gefühlslebens“ (ebd.: 17). Er beschreibt dabei mehrere Phasen der Adoleszenz (vgl. ebd.: 66f.), die „oft widerspruchsvoll in Richtung und heterogen in Qualität [sind]. Das bedeutet, dass Progression, Digression und Regression abwechselnd zum Vorschein kommen“. Nach einem Frühstadium, in dem eine

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quantitative Triebzunahme beim Jungen4 zu verzeichnen sei (vgl. ebd.: 71), beginne für ihn mit ca. zwölf, dreizehn Jahren5 der Prozess der eigentlichen Adoleszenz, in der die entscheidende Wendung zur Heterosexualität und der endgültige und irreversible Verzicht auf inzestuöse Objekte stattfinde (vgl. ebd.: 87). Wichtig sei, dass es während dieser Zeit zu einer erneuten massiven Zunahme des Narzissmus komme (vgl. ebd.: 106f.). Diese narzisstische Regression sei als eine Art Kompensation zu verstehen. Sie diene dem Jugendlichen einerseits als mentales Abwehrschild gegen die Aufgabe seiner ihn bis dato befriedigenden Eltern und des Weiteren als Schutz vor Enttäuschung, Zurückweisung und Versagen, z. B. im ersten Liebesspiel. Es komme „zu einer Überschätzung des Selbst, einer erhöhten Selbstwahrnehmung auf Kosten der Realitätsprüfung, zu einer extremen Empfindlichkeit und Selbstbezogenheit und ganz allgemein zu Egozentrik und Selbstvergrößerung“ (ebd.: 107) sowie zu einem „erhöhten Ich-Erlebnis“ (ebd.: 116). Auch Kaplan (1988: 222ff.) beschreibt eine intensive Beziehung zwischen Narzissmus und Adoleszenz. „Der Jugendliche verkörpert all das, was offensiv narzisstisch ist. Seine Selbsterhöhung ist aufreizend“ (ebd.: 223). Zum Ausdruck komme dies in seinem aufsässigen, rücksichtlosen Verhalten, in Allmachtsfantasien und im sicheren Gefühl eigener Omnipotenz und Grandiosität (vgl. ebd.: 224). Insofern stellten auch die ersten Liebesbeziehungen oft „schlichtweg narzisstische Ausbeutung dar. […] Der Liebende könnte einer idealisierten Version von Mutter oder Vater, Schwester oder Bruder ähneln, eine Art Verkörperung des einstigen strahlenden Selbst“ (ebd.: 263). Etwaige promiskuitive Abenteuer bzw. „Don Juanismus“ (Jongebloed-Schurig 1998: 105) generierten sich demnach weniger aus wüster sexueller Gier als vielmehr aus der narzisstischen Disposition des Jungen. „Seine zahlreichen Liebesaffären mit Frauen […] sind Neuinszenierungen

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Thema hier ist die männliche Adoleszenz.

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Blos vermeidet in seiner Untersuchung Altersangaben. Aus dem Kontext lässt sich erschließen, dass der Junge mit ca. zehn Jahren in die Phase der Prä-Adoleszenz eintritt und die gesamte adoleszente Lebensphase frühestens mit 17, 18 Jahren überwindet (vgl. ebd.: 246). In einer jüngeren Studie fasst Kaplan (1988: 39) die Alterspanne mit 13 bis 23 Jahren weiter. In jedem Fall gibt es keine festen, eindeutigen Altersgrenzen und -zuweisungen wie bspw. für den Begriff der Volljährigkeit.

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seines Familienromans und nichts weiter. Und sein Publikum bestätigt seine Phantasie nur allzu bereitwillig“ (Kaplan 1988: 370f.). Die genannten Autoren stimmen darin überein, dass dieser massive adoleszente Narzissmus jedoch nur vorübergehender Natur sei und – ähnlich dem Ödipuskomplex – im Grunde gänzlich darauf ausgerichtet sei, überwunden zu werden. Am Ende der Adoleszenz, mit ca. 17, 18 Jahren, stehe das Aufgeben der narzisstischen Einstellung (vgl. Blos 1973: 104). Diese habe den Adoleszenten bis dahin befähigt, „dem emotionalen Druck standzuhalten, den der Abschied von der Kindheit ausübt […]. Der typische Jugendliche freut sich aber, erwachsen zu werden. […] Im großen und ganzen siegt die Zukunft“ (Kaplan 1988: 373f.). In einer letzten spätadoleszenzen Phase komme es nach Blos (1988: 149ff.) dann zur Konsolidierung der Persönlichkeit. Diese „bringt es zu einer größeren Stabilität und Gleichmäßigkeit in den Gefühlen und Handlungen im Leben des jungen Erwachsenen. Eine Festigung des Charakters findet statt“ (ebd.: 169). Es ist sehr aufschlussreich, das bis hier skizzierte Szenario der Adoleszenzforschung in seinem historischen Kontext zu betrachten. Adoleszenz wird als zeitlich begrenzter, narzisstischer Sturm und Drang des männlichen Jugendlichen bewertet. Dessen Unangepasstheit, Regelverletzungen und bisweilen unbeherrschtes Austoben werden ihm weitgehend zugestanden und nachgesehen, da sie kalkulierbar erscheinen. Schließlich sei davon auszugehen, dass der Jugendliche früher oder später ‚zur Vernunft‘ komme, indem er seine widerständige Haltung aufgebe und sich in die symbolische Ordnung eingliedere. Insofern werden Adoleszenz und Narzissmus hier im Sinne der bürgerlichen Verhältnisse der Moderne als integrale Bestandsteile des ödipalen Imperativs aufgeführt. Adoleszentes Aufbegehren wird zu einer Übergangsphase des Jugendlichen auf seinem Weg zum erwachsenen, mündigen Subjekt stilisiert und so in die geltende bürgerliche Ordnung eingebunden und für sie greifbar gemacht. Hafeneger (1998: 9) nennt diesen glättenden Prozess die „Vergesellschaftung“ der Jugendphase. Dabei könnten verschiedene „öffentliche Vergesellschaftungsmodi“ (ebd.) im Hinblick auf männliche Adoleszente in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts unterschieden werden (vgl. ebd.: 21ff.): von den „Wilden Cliquen“ der Weimarer Republik bis hin zu den „Halbstar-

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ken“ der 1960er Jahre.6 All diese Bezeichnungen für nonkonformistisches jugendliches Verhalten belegen Hafeneger (ebd.: 35) zufolge, „dass die Gesellschaft […] zu regulierenden und reglementierenden Reaktionen neigt.“ Die verlängerte Adoleszenz in der Postmoderne: Spielen, Raufen und keine Lust auf eine feste Freundin Im Zuge des hier bereits ausführlich geschilderten sozial-kulturellen Praktiken der Postmoderne hat sich die Möglichkeit der Klassifikation und begrifflichen Einordnung adoleszenter Jugendlicher erheblich erschwert. So müssen Reinhard Winter und Gunter Neubauer (2005: 208) zufolge postmoderne Jugendliche durch wechselnde Rollen und Lebensentwürfe ihr „Mannsein erzeugen“. Sie sind „vielfältigen soziokulturellen Einflüssen und Entwicklungen unterworfen, sie sind […] Gestalter und Akteure ihrer Adoleszenz“. Darüber hinaus, so eine zentrale These des vorliegenden Buches, bedeutet das Offen- oder Ausbleiben des klassischen ödipalen Konflikts in der Postmoderne eine Stärkung und Aufwertung des adoleszenten Narzissmus. Auf den folgenden Seiten werde ich argumentieren, dass Narzissmus seit den 1970er Jahren nicht mehr als regressives Teilstadium von Ödipus auszuweisen ist, welches es vor dem Eintritt ins Erwachsensein zu überwinden gilt, sondern als eine mit Ödipus offen konkurrierende, präödipale Subjektdisposition. In der Familie, der Gesellschaft und im populären Spielfilm, in denen die Triangulierung nicht mehr funktioniert, hat sich der Narzissmus verselbstständigt. Ganz allgemein geht es um die Darstellung eines Lebensentwurfs und -gefühls, in dessen Mittelpunkt der Wunsch steht, mit der imaginierten eigenen Allmacht und Grandiosität aufzutrumpfen. Dazu zählen z. B. der Genuss am (sexuellen) Abenteuer bzw. der „Gebrauch der Lüste“ (Žižek 2001: 511) als Widerstand zur Vernunft, das Meiden fester Objektbeziehungen als Reaktion auf die starke Repräsentanz und emotionale Bindung zum Bereich des Mütterlichen und der permanente Konflikt mit Autoritäten als Antwort auf den schwachen symbolischen Vater. Die jungen und nicht mehr ganz so jungen Männer versuchen, diese Phase mög-

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Zum Begriff der Adoleszenz als eigenständiger vergesellschafteter Lebensphase und seiner theoriegeschichtlichen Entwicklung im 20. Jahrhundert vgl. auch Jon Savage (2008).

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lichst lange über die eigentliche Adoleszenz hinaus zu konservieren. Kurzum: Ihnen gefällt ihr jugendlicher Status sehr gut, und sie wollen nicht unbedingt erwachsen werden (vgl. Flaake 2005: 99ff.; Savage 2008: 463). Robert Bly (1997: 71ff.) zufolge „leben wir heute in einer Kultur, die von Halberwachsenen geprägt ist […] ohne einen wirklichen Anhaltspunkt, wann die langsame Entwicklung zum Erwachsenen ihr Ziel erreicht hat“. Die Adoleszenzforschung hat sich diesem Phänomen bisher nur am Rande und mit skeptischem Grundton genähert. Sie hat ihm den Begriff der „Post-Adoleszenz“ (vgl. Béjin 1988; Blos 1973: 171ff.) zugewiesen. Damit gemeint sind junge Männer, die sich als Erwachsene zwar in die symbolische Ordnung eingefügt haben, aber immer noch immense adoleszente Muster aufweisen. Sie bleiben ihren hochgradig affektiv erlebten jugendlichen Bildwelten verhaftet und sind weder reif noch willens, die Sozialrollen auszufüllen, die ihnen als Erwachsenen traditionell abverlangt werden. Blos (ebd.: 172) zufolge gehe es bisweilen soweit, „dass wir unser Interesse am Adoleszenzprozess unbegrenzt in das Erwachsenenalter ausdehnen“ (ebd.: 173). Er erkennt die nachhaltige Kraft des adoleszenten Narzissmus dabei explizit an: „Eine Reifungsphase, die überwunden werden soll, nachdem sie ihren Zweck erreicht hat, wird so zur Lebensform“ (ebd.: 247). André Béjin (1988: 180f.) schließt in diesem Zusammenhang auf die immer größere Zahl von Jugendlichen, die die Lebensform der (ehe-)freien Partnerschaft erprobt und kommentiert kritisch: „Man spürt, dass diese Form des Zusammenlebens eine relative Unentschlossenheit und eine gewisse Flucht vor der Verantwortung der Betroffenen widerspiegelt, welche […] vor dem Hintergrund einer verlängerten Adoleszenz bzw. der Herausbildung einer oft bis zum 35. Lebensjahr oder gar darüber hinaus andauernden ‚Post-Adoleszenz‘ interpretiert werden müssen.“

Wesentliches Merkmal der Post-Adoleszenten sei die Sehnsucht nach anhaltender Jugend. „Die Symptome dieser Verweigerung des Alterns lassen sich kaum alle aufzählen. Sie reichen von der Schönheitschirurgie […] bis hin zu den verschiedenen Spielarten des psychologischen oder ideologischen Liftings“ (ebd.: 188ff.). Ähnlich argumentiert Benjamin (1990: 133f.). Sie konstatiert, dass die Sehnsüchte des Subjekts nach Selbsterhöhung und -befriedigung nicht mehr durch die im Arbeitsleben und der Familie vermittelten autoritären, moralischen Werte

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kanalisiert würden, „vielmehr suchen die Menschen nach unmittelbarer Erfahrung von Macht und Schönheit und Erregung“ (ebd.). Ein weiteres wichtiges Merkmal der männlichen narzisstischen Post-Adoleszenten sei die zunehmende Bedeutung und besondere Qualität von Freundschaften mit anderen Jungen bzw. jungen Männern, mit denen sie sogenannte Peer Groups bilden (vgl. Ziehe 1981: 192ff.), die sich schon während der eigentlichen Adoleszenz bildeten. Inge Seiffge-Krenke und Jakob Moritz Seiffge (2005: 267ff.) zufolge seien diese intensiven Freundschaften zunächst im Kontext der familiären Ablösung und der Neugestaltung der eigenen Identität zu betrachten. Gleichaltrige Jungen würden zur wichtigsten Bezugsgruppe, denn sie böten das Gefühl von Gemeinsamkeit, Vertrautheit (vgl. ebd.: 268), würden „bei der Konturierung der männlichen Identität“ (ebd.: 277) helfen, das heißt sie dienten der gegenseitigen „narzisstischen Spiegelung“ (vgl. Ziehe 1981: 192). Da die erwachsenen Männer in der postmodernen Gesellschaft häufig keine längerfristigen intimen Partnerschaften mit Frauen mehr eingingen und das Verhältnis zu den Eltern nicht selten belastet sei, bliebe diese identifikatorische Vertrauensverhältnis zu anderen Jungen/Männern weit über die eigentliche Adoleszenz hinaus bestehen. Es diene vor allem als Ersatz für die fehlende Beziehung zur festen Freundin oder Ehefrau. Diese zwischenmännliche Intimität werde, wie schon bei den jugendlichen Adoleszenten, „vor allem durch geteilte Aktivitäten ausgedrückt (‚boys play sport, girls like to talk‘). Ihr Fokus liege auf Handlungen, auf sportlichen Aktivitäten und den gemeinsamen und geteilten Erfahrungen von Normbrüchen“ (Seiffge-Krenke/Seiffge 2005: 270). Unter Normbrüchen seien vor allem offen ausgetragene, heftige Konflikte und Auseinandersetzungen zu verstehen. Es komme zu Rangeleien, Pseudokämpfen, Wettstreit und Mutproben (vgl. ebd.: 282). Achim Schröder (2005: 295) weist in diesem Zusammenhang auf den Drang der jungen Männer hin, sich in den öffentlichen Raum zu begeben, um sich dort „auszuprobieren“. Im Folgenden möchte ich den Begriff der Post-Adoleszenz nicht weiter verwenden, sondern werde in Bezug auf die entsprechenden qualitativen Wesensmerkmale von verlängerter Adoleszenz und adoleszentem Verhalten sprechen. Grund hierfür ist die negative Konnotation des Begriffs der Post-Adoleszenz. Die meisten hier besprochenen Autoren stellen die Post-Adoleszenz in die Tradition der ödipalen Entwicklungslogik und bewerten sie konsequenterweise kritisch als

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Mangel bzw. Störung, bisweilen wird sogar ein Bezug zur klinischen Psychologie hergestellt. Von einer solchen Position grenzt sich die vorliegende Studie dezidiert ab. Narzissmus und verlängerte Adoleszenz sollen hier möglichst wertungsfrei als Teilaspekte eines umfassenderen, nicht-klinischen Phänomens eingeordnet werden. In ihnen verdichten sich diverse Wesensmerkmale, die auf die Veränderung männlicher Subjektivierungsformen hinweisen. Dabei handelt es sich keinesfalls um Krankheit, psychischen Defekt oder Mangel an Selbstwertregulierung. Wunsch nach als auch Ausdruck von narzisstischer jugendlicher Persönlichkeit sollen als Konsequenz veränderter sozialkultureller und intimer Praktiken der postmodernen Gesellschaft verstanden werden (vgl. Rybnicki 2004). Auf den folgenden Seiten sollen hierfür relevante Überlegungen aus verschiedenen Disziplinen zusammengefasst werden. So spricht z. B. der Historiker Christopher Lasch (1995) vom Zeitalter des Narzißmus und die Pädagogen Thomas Ziehe und Hans-Jürgen Döpp (1980) vom Narziß als einem neuem Sozialisationstypus. Narzissmus ist Ziehe (ebd.: 36) zufolge „weder gut noch schlecht an sich, weder politisch noch unpolitisch, weder progressiv noch konservativ: Er ist das Ensemble von strukturell verankerten Bedürfnis- und Verhaltensdispositionen.“ Die Postmoderne als Zeitalter des Narzissmus Das Individuum, das sich von der Anstrengung der Kultur verabschiedet, erhält dafür die Erlaubnis zum Narzissmus. (BLY 1997: 77)

Einige kritische Sozialforscher und Psychoanalytiker wie Marcuse und Mitscherlich beklagen bereits zu Beginn der 1960er Jahre den Verlust väterlich-ödipaler Autorität und ordnender Instanzen der bürgerlichen Gesellschaft. Retrospektiv können diese ‚Warnungen‘ als erste Anzeichen einer Narzissmus-Diskussion gewertet werden, die wenige Jahre später, mit Beginn der 1970er, in den USA und Europa breit geführt wird. Narzissmus wird nun nicht mehr als jugendliche Findungsphase eingeordnet, sondern zu einem gesamtgesellschaftlichen Phänomen der Postmoderne stilisiert (vgl. Zaretsky 2006: 436ff.). Seitdem habe

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der Narzissmus „Konjunktur“, so Altmeyer (2000: 30). Er stehe für eine neue – vorrangig männliche – Subjektform in der Gesellschaft. So ruft zunächst Wolfe 1976 die „Me“ Decade7 aus. Die Masse der Gesellschaft verfolge den Wunsch nach narzisstischer Persönlichkeit – „remaking, remodeling, elevating, and polishing one’s very self“ (ebd.: 32). Als „Homo novus“ (ebd.: 30) beschreibt Wolfe dabei einen neuen Typus Mann, der sich vornehmlich über Geld, Freizeit und persönliche Freiheit definiere.8 Für Lasch ist 1979 das Zeitalter des Narzissmus (1995) angebrochen. In (an-)klagendem Tonfall erörtert er in seinen Ausführungen, die „durchdrungen [sind] von Sehnsucht nach alten Formen von Autorität und Moral“ (Benjamin 1990: 135), wie die Lebens- und Leitkultur des Narzissmus die traditionelle bürgerliche Gesellschaft überlagert habe. Diese Kultur sei durch den Wunsch nach Lust und Befriedigung dominiert. „Für den Augenblick, für sich selbst zu leben und nicht für Vorfahren oder Nachwelt, das ist die heute vorherrschende Passion“ (ebd.: 23). Auf allen Ebenen der Gesellschaft sei eine „ungewöhnlich starke Beschäftigung mit dem Ich“ (ebd.: 50) bzw. eine Flucht in den Narzissmus (vgl. ebd.: 30) festzustellen. Der Abwesenheit väterlicher Autoritäten (ebd.: 247f.) stehe die Verherrlichung des Sinneslebens gegenüber. Es habe sich ein Ich entwickelt, das „pompös, narzisstisch, infantil, leer ist“ (ebd.: 32ff.). Statt der realen Eltern trügen nun andere Instanzen die Verantwortung für die Kinder und Jugendlichen. Allen voran der „Patriachalismus der Werbeindustrie“ (ebd.: 116) habe die Macht übernommen. Die Subjekte seien dem Konsum verfallen (vgl. ebd.: 110). Die Konsumgüterwerbung9 habe bedeutungslose Scheinwelten (vgl. ebd.: 80)

7

Wolfe, Tom: „The ‚Me’ Decade and the Third Great Awakening”. In: New

8

Nach Wolfes Artikel veröffentlichen etliche andere Autoren vergleichbare

York Magazine 23.08.1976.26–40. Artikel und Aufsätze zum aufkommenden gesellschaftlichen Narzissmus. Eine Übersicht dieser Publikationen findet sich bei Tyler (2007: 346). 9

Zaretsky (2006: 439f.) zufolge hänge der den Narzissmus mitbegründende Massenkonsum eng mit dem Beginn der Jugendkultur und ihren Symboliken (Musik, Kleidung, Produkte der Werbung) zusammen. Nach Thomas Ziehe (1981: 138) erhielten „Jugendlichkeit und Jungsein im Kontext der Strategien der Warenästhetik tendenziell eine sozialpsychologische Leitfunktion für die gesamte Gesellschaft.“

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und eine narzisstische Leere der Subjekte heraufbeschworen. Zu den Charaktermerkmalen des männlichen narzisstischen Subjekttypus zählt Lasch u. a. Pseudoeinsicht in die eigene Verfassung, berechnendes Verführungsgehabe, Promiskuität, defensive Oberflächlichkeit und Angst vor Alter und Tod (vgl. ebd.: 62, 84). Des Weiteren suchten Jungen/Männer ihr Heil in der Rastlosigkeit von Spiel und Sport (vgl. ebd.: 150ff.). Die Bedeutung der Medien für den Narzissmus zu Beginn des 21. Jahrhunderts Verschiedene jüngere Untersuchungen haben Laschs Diagnosen aufgenommen und – von deren reaktionärem Duktus befreit – weitergeführt. Ihren Einschätzungen nach dauere das Zeitalter des Narzissmus bis heute an. So betrachten Marshall McLuhan und Bruce Powers (1989: 100) den „immensen Narzissmus“ der westlichen Gesellschaft vornehmlich als Konsequenz der durch die neuen Medien veränderten Formen der Wahrnehmung. Daran anknüpfend meint Thomas Wegmann (2002: 174), dass im 21. Jahrhundert der Mythos von Narziss durch die moderne Mediengesellschaft infolge der digitalen Bilderflut des Cyberspace aktualisiert werde. Imogen Tyler (2007: 344) geht der Vermutung nach, dass in jüngerer Zeit zuvorderst die neuen Medien, aber auch die Konsum- und Starkultur die narzisstische Verfassung der Gesellschaft elementar beeinflusst und gefördert hätten (vgl. ebd.: 354ff.). Gleichzeitig beklagt sie, dass die narzisstische Kultur der „medialen Generation“ nach wie vor weitgehend stigmatisiert werde und im Begriff des Narzissmus noch immer „überholte Semantiken und abwertende Konnotationen widerhallen“ (ebd.: 358).10 Ich teile Tylers Ansicht. Narzissmus soll, hier in Bezug auf die Helfendfiguren des postmodernen Hollywood-Spielfilms, als Ausdruck eines emanzipierten, an die sozial-kulturellen Praktiken angebundenen Subjekttypus erfasst werden.

10 Zur These des postmodernen Narzissmus als Folge der Mediengesellschaft vgl. auch Peter Winterhoff-Spurk (2005).

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Narziss als „neuer Sozialisationstypus“ Die in diesem Abschnitt bislang erörterte Entwicklung zur Kultur des Narzissmus und zum erkennbar kollektiven Begehren junger Männer nach anhaltender Jugendlichkeit (verlängerte Adoleszenz) seit den 1970er Jahren ist auch zentrales Thema in der Pädagogik. Diverse Beobachtungen verweisen darauf, dass bereits in den Persönlichkeitsund Verhaltensdispositionen von Schülern eine massive, den ‚adoleszenten Normalwert‘ überschreitende Zunahme narzisstischer Tendenzen festzustellen sei. Sie stützen die These der vorliegenden Arbeit, wonach Formen postmoderner Subjektivität in sehr frühem Alter – als Ausbleiben von Ödipus – vorbereitet werden. Martine Lerude (2005: 110) spricht in diesem Zusammenhang von der „ödipalen Neurose“ insbesondere bei fünf- bis siebenjährigen Jungen. Ziehe u. a. haben sich bereits zu Beginn der 1980er Jahre in ihren pädagogischen Studien sehr umfangreich mit dieser Thematik beschäftigt. Sie legen dar, wie sich unter Kindern und Jugendlichen infolge der „Schwächung der klassisch-bürgerlichen Motivationsbasis“ (Döpp 1980: 19) ein „neuer Sozialisationstypus“ (Ziehe 1980) entwickelt habe, der die Subjektivität im Erwachsenenalter nachhaltig determiniere. Die Abwesenheit des symbolischen Vaters und die Stärkung der imaginären Mutter-Kind-Dyade bewirkten Ziehe und Co. zufolge bei Kindern und Jugendlichen eine nachhaltige Verfestigung präödipaler Strukturen (vgl. Döpp 1980: 23f., Ziehe 1981: 106ff.) und ebneten den Weg für den narzisstischen „neuen Sozialisationstypus“. Ziehe (1980: 125) spricht in diesem Sinne auch von der Vergesellschaftung des Narzissmus. Das Subjekt aktualisiere und übertrage seine frühkindliche, präödipale Struktur später in der bzw. auf die Gesellschaft. Wichtig ist es Ziehe zufolge dabei, den Blick auch auf die „immense Verunsicherung und Ängste der Eltern“ (Ziehe 1981: 109ff.) zu richten, die sich in der postmodernen Welt eingestellt hätten. Kinder dienten insbesondere den Müttern dabei als „affektive Stütze und Kompensationsmöglichkeit“ (Ziehe 1981: 116). So münde die frühe Mutter-Sohn-Dyade in einen lebensgeschichtlichen, schwer überbrückbaren, präödipalen Bindungszwang (vgl. ebd.: 119). Der „neue Sozialisationstypus“ löse „die unbewußte Bindung an das präödipale Mutterobjekt nie ganz auf“ (ebd.: 168).

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Die von Ziehe und Co. erfassten narzisstischen Persönlichkeits- und Wesensmerkmale des „neuen Sozialisationstypus“ entsprechen im Wesentlichen den in diesem Kapitel bereits im Zusammenhang mit verlängerter Adoleszenz und der Kultur des Narzissmus erörterten Aspekten. Die vier grundsätzlichen Dispositionen in Bezug auf junge Männer sind (vgl. Ziehe 1980: 36ff., 1981: 163f.; Döpp 1980: 26ff.): •





Die schwach ausgeprägte, konflikthafte Identifikation mit dem abwesenden symbolischen Vater aufgrund des Offenbleibens des ödipalen Szenarios; das symbiotische Vertrauensverhältnis zur Mutter als Verhaftetbleiben in frühen Erfahrungsmustern bzw. als Konservierung des Imaginären; die Angewiesenheit auf narzisstische Zufuhr durch andere und die damit verbundenen, diffusen Gefühle von Grandiosität, Allmacht und Omnipotenz zur Stabilisierung des labilen, jugendlichen Ich und zur Vermeidung von Kränkung.

Darüber hinaus sind diverse sekundäre Merkmale adoleszenten Verhaltens beobachtbar wie z. B. infantiler Humor, enge Jungenfreundschaften, egoistische Interessen, Lust an Konsum, Spiel, Sport und bisweilen am körperlichen Wettstreit. Döpp (1980: 31f.) führt noch einen weiteren interessanten Aspekt an: den des „regressiven Sprachgebrauchs“. Dem „neuen Sozialisationstypus“ fehlt es an der Verfügungsgewalt über Begriffe als Mittel zur symbolischen Darstellung der Umwelt und seiner Selbst. Narzissmus und Kultur Auf den folgenden Seiten soll illustriert werden, wie sich Narzissmus und narzisstische Subjektdispositionen schon während des bürgerlichen Zeitalters in unterschiedlichen Formen subversiv an den Rändern der Populärkultur der dominant fiction finden lassen.

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Narzissmus in der Literatur: Strömungen seit der Aufklärung Die Epoche der Aufklärung gilt als elementarer Einschnitt in die europäische Gesellschaft und Ausgangspunkt einer neuen Kulturproduktion, in der fortan die bürgerliche „Idee der Moderne“ (Habermas 1980: 445) ihren Ausdruck findet. Die psychoanalytisch motivierte Kulturtheorie hat nachgewiesen, dass, trotz ganz unterschiedlicher ästhetischer Strömungen, die Verarbeitung der ödipalen Subjektgenese und der Vormachtstellung des Phallus thematisch und formal im Zentrum dieser dominant fiction stehen: zunächst in der Literatur zum Beispiel im bürgerlichen Trauerspiel und im Entwicklungs- und Bildungsroman (vgl. Jeßing/Köhnen 2003: 25ff.) und später dann auch im Spielfilm. Dennoch sind bereits von Anbeginn an verschiedene kulturelle Gegenströmungen mit anti-bürgerlichen Tendenzen zu verzeichnen. In ihnen artikulieren sich Zweifel am Programm der Aufklärung und ihrer Subjektphilosophie, die auf Vernunft, Moral, Autonomie und Räsonnement basieren. Unter dem Einfluss von englischem Empirismus und Sensualismus werden zunächst ab den 1740er Jahren die „nichtrationalen, inneren Zustände, Gefühle und Gemütsbewegungen […] immer wichtiger“ (Jeßing/Köhnen 2003: 27). In der Folge treten literarische (Anti-)Heldensubjekte auf den Plan, die sich der Vorstellung des bürgerlichen Autonomie-Ideals verweigern oder an ihm scheitern. Wolfgang Schmidbauer (1981: 167) stellt dar, dass es bei ihnen „narzisstische Fixierungen und mit ihnen verknüpft narzisstische Konflikte schon immer gegeben hat“. Bereits bei literarischen Helden der frühen Moderne sind also präödipale Strukturen erkennbar. Vom Sturm und Drang und der Romantik. Die (narzisstischen) Motive des Genies und Doppelgängers Als erste einflussreiche anti-aufklärerische Bewegung gilt der Sturm und Drang, in dem einige junge Autoren (u. a. Goethe, Herder, Lenz, Bürger und Hölty) versuchen, „die rational begründeten Regelzwänge von Gesellschaft und Kunst zu sprengen“ (Jeßing/Köhnen 2003: 27). In den Mittelpunkt ihres poetischen Konzepts tritt die Ästhetik des Genies (vgl. ebd.). Christina Julia Fleck (2006: 9ff.) zufolge verschmilzt darin der Anspruch der Dichter auf „Usurpation göttlicher Schöpferkraft“ (ebd.: 12) mit der Einbeziehung ihrer Gefühlswelt als individueller Inspirationsquelle des Schaffens (vgl. ebd.: 199). Die

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künstlerische, kreative Ästhetik des Genies im Sturm und Drang ist durchaus als Modell des Widerstands gegen das Konzept der kantschen Vernunft aufzufassen. Fleck (ebd.: 206ff.) analysiert in diesem Zusammenhang Goethes literarische Figur des jungen Werther von 1774. Werther, „der als Genie durch ein ‚Mehr an Kräften‘ ausgezeichnet“ sei, verlagere in einem emotionalen Prozess „die Moral ins eigene Herz“ (ebd. 212), was letztlich zu seinem Selbstmord führe. Mit dem tragischen Scheitern des wertherschen Genies gehe ein massiver ödipaler Konflikt einher. So deutet Michael Gratzke (2000: 144) Werthers präödipales Festhalten an der Mutter-Kind-Dyade, seine Auseinandersetzung mit dem Vater, seine Spannung und Eifersucht sowie die unmögliche Dreiecksbeziehung zu Lotte und Albert als seine „narzisstische Störung von Liebesfähigkeit“ (ebd.). Zudem weist die Ästhetik des Genies mit ihrem hohen Maß an Emotionalität und „Selbstvergöttlichung“ (Fleck 2006: 12) grundsätzlich eine starke Nähe zum Gefühl der Grandiosität auf, das konstitutiv ist für den narzisstischen Subjekttypus. Noch intensiver als im Sturm und Drang treten narzisstische Dispositionen und präödipale Subjektdispositionen literarischer (Anti-) Helden in der deutschen Romantik hervor. Romantische Dichter (u. a. Schlegel, Hoffmann) beschäftigen sich mit der „ungesicherten Position“ des „neuzeitlichen Ichs“ (Fröhler 2004: 1f.). Sie interessierten sich für das „Unergründliche [...] in der Tiefe der Psyche, wo […] fremde Verhaltensweisen wie eine unbekannte Gewalt auf ihren Ausbruch lauern“ (ebd.). In ihren Texten verarbeiten sie die von ihnen als schmerzlich empfundene Divergenz zwischen aufklärerischem IchIdeal und innerer Zerrissenheit (vgl. ebd.). Diese Divergenz werde zum stilgebenden „Lebens- und Weltgefühl“ (Krauss 1930: 7) der Romantik. Dem Motiv des Genies im Sturm und Drang folgen in der Poetologie der Romantik zwei wesensähnliche Motive. Zunächst gewinnt Eli Zaretsky zufolge der Begriff der Einbildungskraft als „innere Fundgrube von Bildern und schöpferischen Trieben“ (Zaretsky 2006: 36) an Bedeutung. Damit einher gehe der Vertrauensverlust ins Symbol als Mittel der Darstellung von weltlichen Zusammenhängen (vgl. Jeßing/Köhnen 2003: 35). Das Motiv der Einbildungskraft als antisymbolische Substituierung kann hier als romantischer Vorläufer des narzisstischen Imaginären aufgefasst werden. Des Weiteren kommt es in der Romantik zur Wiederentdeckung und Blütezeit des antiken Mo-

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tivs des Doppelgängers (vgl. Fröhler 2004: 2). Es kann literaturwissenschaftlich nach verschiedenen theoretischen Ansätzen bestimmt werden (vgl. ebd.: 11ff.). Von Interesse für den vorliegenden Zusammenhang ist der psychoanalytische Ansatz (vgl. ebd.: 23). Darin ist der Doppelgänger „als eine Projektionsfigur für die verdrängten […] IchAspekte des Originals“ (ebd.: 27) zu verstehen. So verortet 1914 zunächst der Psychoanalytiker Otto Rank (1993: 95ff.) im Doppelgänger die eigene „abgespaltene Personifikation“ des Subjekts, also die Projektion verdrängter Inhalte auf ein zweites Selbst. Daran anknüpfend konkretisiert Freud (1947: 230-268) die „Schöpfung einer solchen Verdoppelung“ des romantischen (Helden-)Subjekts als dessen Abwehrhaltung gegen die verdrängte kindliche Angst vor der ödipalen Kastration durch den gefürchteten Vater (ebd.: 244f.). Der Doppelgänger stelle die späte Wiederkehr des „uranfänglichen Narzissmus“11 aus dem infantilen Seelenleben dar (ebd.: 247). Freud beschreibt den Doppelgänger daher auch als das Unheimliche. „Das Unheimliche ist wirklich nichts Neues oder Fremdes, sondern etwas dem Seelenleben von alters her Vertrautes, das ihm nur durch den Prozeß der Verdrängung entfremdet worden ist“ (ebd.: 254).12 Nach dieser psychoanalytischen Formel, nach der „es in der Natur der Doppelgängerphantasie liege, ihrem Träger etwas Unbewußtes zum Bewusstsein zu bringen“ (Dettermering 1986: 52), analysieren Peter Dettmering (ebd.: 45-52) und Birgit Fröhler (2004) die Doppelgängermotive in diversen Texten der Romantik (u. a. Kleist, Hoffmann, Arnim, Bretano), aber auch in der Literatur der späteren Moderne (Kafka, Musil, Doderer). Besonders aufschlussreich sind die Untersuchungen der psychoanalytischen Kulturtheorie zum Doppelgängermotiv in E. T. A. Hoffmanns romantischer Novelle Der Sandmann (1817). Freud (1947) zu-

11 Das Doppelgängermotiv drückt Schmidbauer (1981: 50) zufolge „zwei narzisstische Grundsituationen aus: den Blick in den Spiegel, in dem uns das eigene Selbst begegnet, und den Wunsch nach (All)macht und Stärke, der durch die Entfaltung magischer Kräfte erfüllt wird.“ 12 In Anlehnung an Freuds Theorien des Unheimlichen und der Traumdeutung arbeitet Robert Rogers (1970: 31ff.) in seiner psychoanalytischen Studie zum Doppelgänger in der Literatur mit den Begriffen des „manifesten“ und des „latenten“ Doppelgängers, die die Identifikationsprozesse der Rezipienten determinierten.

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folge13 werde das Werk durch die – eben bereits genannte – ödipale Kastrationsangst des Protagonisten Nathanael determiniert, die sein heterosexuelles Begehren versperre und ihn letztlich in Wahnsinn und Tod treibe (vgl. ebd.: 244). In den Fokus rückt Freud dabei die Bedrohung der Augen und des Körpers (als Motiv der Kastration), die Ambivalenz gegenüber der Imago des Vaters als ‚guter‘ und ‚böser‘ Figur sowie die Bedeutung der Puppe Olimpia, in der sich Freud zufolge Nathanaels narzisstisches Double bzw. das Unheimliche darstelle (238ff.). Olimpia sei die „Materialisation von Nathanails femininer Einstellung zu seinem Vater […], sozusagen ein von Nathaniel losgelöster Komplex, der ihm als Person gegenübertritt“ (ebd.: 244). Friedrich Kittler (1977: 150ff.) erweitert diese Deutung von Der Sandmann gemäß der psychoanalytischen Traditionslinie von Freud zu Lacan. Nach dessen strukturalistischer Lesart des Ödipus könne der Sandmann als Nathanaels narzisstische Regression ins imaginäre Spiegelstadium identifiziert werden (vgl. ebd.: 153). Der Text behandele Nathanaels „vergebliche Rekonstruktionsarbeit, die Integrität des Spiegelbildes wiederzufinden“ (ebd.). „Vergeblich“, da Nathanael in der imaginären Mutter-Kind-Dyade erstarrt sei (vgl. ebd.: 155). Er „fällt, wann immer ihm die symbolische Triangulation droht, in Zweierbeziehungen zurück. Er verweigert es, die narzisstische Gliederpuppe [Olimpia] zu opfern, die ihn ganz zu machen scheint und am Begehren hindert“ (ebd.: 156). Der Eintritt in die symbolische Ordnung bleibe ihm so versperrt. „Die imaginären Verstrickungen, in denen Nathanael zu Tode kommt, sind die Folge einer Desymbolisierung“ (ebd.: 160). Symptom dieser Desymbolisierung sei zudem Nathanaels spürbarer Sprachverlust (ebd.: 157).14

13 Hierbei handelt es sich um eine der wenigen literatur- bzw. kulturwissenschaftlichen Auseinandersetzungen Freuds. 14 Noch intensiver als Kittler setzt sich Hans-Thies Lehmann (1979) mit dem Sprachverlust in Der Sandmann auseinander. Durch Entsinnlichung, Entfärbung, Entformung, Hass/Hässlichkeit und unartikulierte Laute unterminiere das Konstrukt des Sandmanns die symbolische Dimension des Textes (301ff.). Der Sandmann als literarische Figur sei daher weder festlegbar noch greifbar. „Der Sandmann – das heißt Schweigen, Sprachzerstörung oder -verstümmelung, Stottern der Angst“ (ebd.: 306). Lehmann weist hier eindrucksvoll nach, wie das Präödipale die ödipale, symbolische Ordnung des Textes überbordet.

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Sturm und Drang sowie Romantik sind zwei besonders wichtige literarische Bewegungen, in denen narzisstische, präödipale Subjektivität als Gegenentwurf zur herrschenden Idee des Subjekts der Aufklärung verarbeitet wird. Von der Ohnmacht des Helden: Der allgemeine Narzissmus in der Kultur Auch über diese beiden Strömungen hinaus spielt Narzissmus zu früheren wie späteren Zeiten in der Literatur eine Rolle. In einem material- und umfangreichen kulturhistorischen Werk stellen Ursula und Rebekka Orlowsky (1992) eine Vielzahl von Gedichten und anderen Textsorten zusammen, in denen die Sage von Narziss bzw. das Motiv des Narzissmus thematisiert wird. Die Auswahl reicht von der griechischen Mythologie über die Liebeslyrik des Mittelalters bis hin zu Texten des Ästhetizismus bzw. Fin de siècle und schließt mit Dichtungen der 1980er Jahre.15 Die Autorinnen stellen dabei die Fruchtbarkeit der Psychoanalyse für die kulturwissenschaftliche Arbeit mit dem Motiv des Narzissmus – als Gegenmacht zu Ödipus – heraus, „ungeachtet der sozio- und psychohistorischen Distanz und Entwicklung, die den realen Menschen des Industriezeitalters vom fiktiven Narziß der Antike trennt […]. Die Menschen haben ihn schon immer wie einen latenten Virus mit sich herumgeschleppt“ (ebd.: 20).

Nicht nur in der Lyrik, auch in der Prosa finden sich etliche Beispiele für die Thematisierung von Narzissmus. Insbesondere „seit Ende des 19. Jahrhunderts verkörpert Narziß eine Form der Abweichung und Gegenerzählung, die sich gegen die kulturelle Ordnung der Vorfahren und Väter erhebt“ (Renger 2002: 4). Zu den prominentesten dieser Gegenerzählungen zum bürgerlichen Roman gehören Oscar Wildes Das Bildnis des Dorian Gray (1891), Frank Wedekinds Frühlings Erwachen (1891) und Thomas Manns Der Tod in Venedig (1912). Zentrale Motive der beiden zuletzt genannten Werke sind Homosexualität, ödipale Konflikte (Spaltung der Vater-Imago und latentes Inzestmotiv), die Todesproblematik, die Rolle des Traumes sowie die narzissti-

15 Zum Narzissmus in der deutschen Gegenwartslyrik vgl. auch AlmutBarbara Renger (2002).

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sche Identifikation und Liebe des Helden (vgl. Hamburger 2001; Widmaier-Haag 1999: 95f.). Einen grundsätzlichere Perspektive nimmt Schmidbauer (1981) auf das Narzissmus-Phänomen in der Literatur ein, indem er die prinzipiell von Ödipus dominierte Geschichte des „bürgerlichen Kulturbetriebs“ (ebd.: 31) zugleich auch als eine Geschichte narzisstischer Gesellschaftsfantasien beschreibt. Dabei konstatiert er ein dialektisches Verhältnis zwischen ödipalen und narzisstischen Anteilen in den Heldenerzählungen (vgl. ebd.: 47). Die narzisstische Ebene des Inhalts drücke sich dabei im Begehren des Helden nach Wiederherstellung von Vollkommenheit aus (vgl. ebd.: 39), das heißt in Größenanspruch, Omnipotenzgefühl und Allmachtsfantasien (vgl. ebd.: u. a. 25, 43), die der Held aus seinen Taten für sich gewinne. „Der Wunsch, großartig und mächtig zu sein, muß in einer männlich beherrschten Gesellschaft notwendig zur Herstellung von Helden führen“ (ebd.: 31). Der Begriff des Helden beinhaltet nach Schmidbauers Betrachtung somit per se eine fundamentale narzisstische Symbolik, denn er „ist auf stetig fließende Bewunderung angewiesen. Er wird nicht satt, er kann keine Vorräte ansammeln für magere Zeiten, sondern ist darauf festgelegt, stets die Makellosigkeit seiner Fassade aufrechtzuerhalten“ (ebd.: 102). Schmidbauer arbeitet sich nach diesem Muster durch eine Vielzahl literarischer Texte. In Tolkiens Der Herr der Ringe erkennt er in Aragorns Aufstieg zum mächtigen König eine grundlegende Allmachtsfantasie (ebd.: 43) und in der Natur des schönen Landes Lorien die Imagination des narzisstischen Mutter-Kind-Paradieses (ebd.: 66). In ähnlicher Weise scheint ihm Melvilles Moby Dick „als Symbol des Größenselbst, der allmächtigen Einheit von Mutter und Kind“ (ebd.: 89). Auch aus dem Werk Karl Mays extrahiert Schmidbauer „Elemente der Grandiosität“ (ebd.: 92ff.) und deutet aus Mays „blumenreicher Sprache“ viele Mutter-Kind-Bilder (ebd.: 104). In seine Überlegungen bezieht Schmidbauer partiell auch die historischen Veränderungen sozial-kultureller Praktiken mit ein. Weitaus mehr als früher dienten die Helden der Moderne, wie z. B. Superman, der narzisstischen SelbstBestätigung ihrer Rezipienten (vgl. ebd.: 249f.). Im Wesentlichen liege dies an der „Verführung, die von den technischen Errungenschaften ausgeht und welche in der Konsumwirtschaft die passiv-narzisstischen Bedürfnisse überreizt. Damit werden die narzisstischen Fixierungen […] geweckt und stimuliert“ (ebd.: 249).

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Schmidbauers Analyse ist kreativ und originell, denn sie gewinnt der ödipalen dominant fiction eine inhärente narzisstische Dimension ab und bereichert die Diskussion zur bürgerlichen Kultur damit um eine interessante Perspektive. Dennoch bleibt sie methodisch ein wenig karg, da sie im Kern fortwährend um die Motive von Allmacht und Grandiosität zirkuliert und der Autor seinen Ansatz zum Verhältnis von Konsumgesellschaft und Kultur nicht konsequent ausführt. Um die ‚Präödipalisierung‘ in der Populärkultur seit den 1970er Jahren hinreichend zu verstehen, ist es notwendig, detaillierter die weiter oben erörterten sozial-kulturellen Praktiken mit einzubeziehen, die mit dem Anbruch des konsumtiven Zeitalters des Narzissmus bzw. der Etablierung des narzisstischen Subjekttypus (verlängerte Adoleszenz, „neuer Sozialisationstypus“) einhergehen. Zusammengefasst lässt sich konstatieren, dass in der Literatur seit jeher, insbesondere jedoch seit Mitte des 18. Jahrhunderts, die Motive von Narziss und des Narzissmus verarbeitet werden. In ihnen artikulieren sich zumeist Zweifel, Kritik und Widerstand gegen die Idee des kantschen Subjekts und dessen Vorherrschaft im bürgerlichen Kulturbetrieb. Entscheidend ist jedoch, dass dies quasi hinter dem Rücken der mächtigen, ödipalen dominant fiction geschieht. Narzissmus und deformierte Vater-Mutter-Kind-Triaden nehmen zwar durchaus Platz in Erzählungen und Gedichten ein, erheben und besitzen in der herrschenden Formation aber keinen echten Geltungsanspruch. Erst seit den 1970er Jahren, so die These des vorliegenden Buches, spielen präödipale männliche Subjekttypen die Hauptrollen. Sie haben sich als konstitutiver, kollektiv rezipierter und akzeptierter Bestandteil der postmodernen dominant fiction etabliert. Ich möchte diese These am Hollywood-Spielfilm, das heißt an einer kulturellen Praktik, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts geboren wird, ausführen. Narzissmus in der Filmtheorie I Um die präödipalen, narzisstischen Dispositionen männlicher Hollywood-Spielfilmhelden angemessen beschreiben zu können, muss zunächst historisch unterschieden werden: Inwieweit tritt Narzissmus als subversives Phänomen bereits im von Ödipus dominierten klassischen Hollywood-Kino auf? Und welche narzisstischen Dispositionen sind hingegen – unter Berücksichtigung der veränderten sozial-kulturellen

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Praktiken – Ausdruck veränderter Subjektivationsmuster im postmodernen Hollywood-Spielfilm seit den 1970er Jahren? Letztere Frage formuliert das Erkenntnisinteresse der vorliegenden Studie. Um sie sorgfältig beantworten und anhand diverser Beispiele erläutern zu können, gilt es, in Ergänzung zum Narzissmus zwei weitere Kategorien des präödipalen Subjekttypus einzuführen: den Hedonismus und den Masochismus. Zunächst werde ich jedoch die Frage nach der Bedeutung des Narzissmus in Hollywood vor 1970 bearbeiten. Narzissmus im klassischen Hollywood-Spielfilm: Doppelgänger, Western, Cross-Dressing und Hitchcock-Forschung In Kapitel 1 konnte gezeigt werden, wie die beiden klassischen Hollywood-Spielfilme River Of No Return und Gilda gemäß der dominant fiction im Zeichen von Ödipus aufgebaut sind. Ihre rezeptive Wirkung, formale Struktur und Handlung verschmelzen zu einem ödipalen Dispositiv. Im Zentrum steht dabei die Identifikation mit den männlichen Filmhelden als normativen Ich-Idealen der bürgerlichen Gesellschaft. Ihre Mission entspricht in Kategorien der psychoanalytischen Filmtheorie der ödipalen Reise des Helden aus dem Imaginären ins Reich des Symbolischen, im dem sich sein Begehren entfalten kann. Diese Konstellation kann als das grundlegende Muster des klassischen Hollywood-Spielfilms identifiziert werden. Dennoch gibt es eine Reihe von Untersuchungen, die auf präödipale, narzisstische Verstrickungen seiner Helden hinweisen (vgl. Marquardt 1997: 4). Hierbei geht es im Wesentlichen um das Doppelgänger-Motiv, den Western, CrossDressing/Androgynität und die Hitchcock-Forschung. Das Doppelgänger-Motiv: Laut Friedrich Kittler (1985) steht das narzisstische Motiv des Doppelgängers als „Phantom unseres eigenen Ichs“ (ebd.: 120) in einer dreigliedrigen Tradition von Romantik – Psychoanalyse – Film. In Bezug auf den Spielfilm geht es ihm jedoch weniger um das thematische als vielmehr um das formale Motiv. So treten die ersten Doppelgänger im Stummfilm auf, in Form der „verrückten, mongoloiden oder hysterischen [Schatten-]Körper der Gefilmten“. Sie evozierten einen „Narzissmus des eigenen Körperschemas“ (ebd.: 126). Später sei diese Anordnung intensiviert worden, indem Filmkameras 24 Bilder pro Sekunde geschossen und die Filmkör-

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per „zerhackt[ ]“16 hätten (ebd.: 127). Der Doppelgänger als radikale Ausformung des narzisstischen Spiegelbildes im Spielfilm ist nach Kittler also als Produkt seiner technischen Möglichkeiten, u. a. der Montage, zu verstehen. Dank ihnen sei die „Doublette Mensch, dieses Substrat romantischer Phantastik, implodiert. All jene Schatten und Spiegel des Subjekts – die Psychoanalyse hat sie klinisch verifiziert, das Kino technisch implementiert“ (ebd.: 130). In diesem Sinne untersucht Elisabeth Bronfen (2006: 137ff.) Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1920), der sich ihr „als eine beeindruckende Visualisierung der Abspaltung des Ichs und der Verselbstständigung im Doppelgänger“ darstellt (ebd.). Die Autorin zeigt auf, wie der Film von unheimlichen Schattenspielen und Spiegelbildprojektionen durchzogen sei, die auf einen verborgenen „dunklen Kern“ (ebd.) hindeuteten. Dieser narzisstische Zwiespalt werde durch die subjektive Kameraführung unterstützt. Die leibliche Verwandlung von Jekyll in Hyde verleihe dabei der inneren Entzweiung Gestalt, realisiert in Bildmontagen. Der Doppelgänger Hyde stehe für Jekylls Triebhaftigkeit und dessen strengen symbolischen Vater (vgl. ebd.: 138). Im Showdown wird Hyde erschossen, so dass Jekyll in seiner Stilllegung als Leiche letztlich zu einer einheitlichen Instanz des Ich zurückkehre (vgl. ebd.: 139). Insofern diene das Motiv des Doppelgängers in Dr. Jekyll and Mr. Hyde „einer moralischen Geschichte vom Sieg über den Ausbruch narzisstischer Kräfte“ (ebd.). Western: In kaum einem Genre des klassischen Hollywood-Spielfilms wird der männliche Typus des virilen, triumphierenden Helden derart in Reinform ausgestellt wie im Western. John Wayne, Gary Cooper, Glenn Ford u. a. verkörpern in ihren Rollen als Cowboys/Sheriffs das klassische Ideal des heroischen, rechtschaffenden und ehrenvollen Charakters. Jahrzehntelang ist dieser Mythos „das Angebot Hollywoods an die Männer […] ein Mythos, der dem Mann einen Spiegel vorhält […]: jeder Western eine Männer-Geschichte, jeder Mann ein heimlicher Western-Held“ (Erhart 1997: 321f.). Als „moralisches Vorbild“ werden Westernhelden zu einem der „größten Exportschlager

16 Kittler rekurriert hierbei auf Lacans Theorie zum Spiegelstadium, in dem das narzisstische Kind seine Unvollkommenheit bzw. die Imago seines eigenen, zerstückelten Körpers erfährt.

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Hollywoods“ (ebd.).17 In einem Interview mit Janet Bergstrom (1988: 189ff.) weist Raymond Bellour am Beispiel von The Westerner (1940) nach, wie die Heldenfigur in Verbindung mit der Handlungsstruktur eine Variation auf das ödipale Schema darstelle. Diesem Muster folgt auch meine Analyse der Initiation Matt Calders in River of no Return. Andere Autoren jedoch sehen in dieser Glorifizierung des ödipalen Helden durch den Western eine narzisstische Dynamik. Der den Cowboys und Sheriffs inhärente Größenanspruch und ihre Allmachtsfantasien seien zugleich Ausdruck narzisstischer Gesellschaftsfantasien: „Narcissism and narcissistic identification both involve phantasies of power, omnipotence, mastery and control“ (Neale 1996: 11). Steve Neale stellt die gelungene symbolische Kastration der Westernhelden in Frage und verweist auf den Mangel an Gefühlsäußerungen sowie ihr häufiges Schweigen, wodurch ihre narzisstische Persönlichkeitsstruktur untermauert werde. Mulvey (1989: 29ff.) untersucht, wie in der Closure des Western die Opposition von Narzissmus und Heirat angelegt sei. Der Westernheld im Speziellen dürfe meist frei wählen, ob er die Frau nimmt/ heiratet oder allein von dannen zieht. Letztere Version verweise laut Mulvey (illustriert an The Man Who Shot Liberty Valance 1962) auf seinen Narzissmus: „The rejection of marriage personifies a nostalgic celebration of phallic, narcissistic omnipotence“ (ebd.: 33). Die Ablehnung der zu begehrenden Frau meine also die Verweigerung des Eintritts in die symbolische Ordnung. Der Held ziehe es hier vor, allein die weite (mütterliche) Prärie zu bereiten und bliebe dabei seiner narzisstisch-präödipalen Subjektkonstitution verhaftet. Cross-Dressing/Androgynität: Rebecca Bell-Metereau (1985) führt mehr als 200 Spielfilme (zuvorderst Hollywood-Produktionen) auf, in denen Männer in Frauenkleidern ein szenisches Motiv oder gar ein Schlüsselelement der Handlung darstellen. Sie definiert diese Erscheinung als „androgyn“ (ebd.: 3) und erkennt darin einen Bruch mit dem eindimensionalen Männlichkeitsbild des klassischen Hollywood-

17 Walter Erhart weist darauf hin, dass heute, im Kontext postmoderner, pluraler Männlichkeitsentwürfe das Genre des klassischen Westerns längst ins „Spätprogramm“ (ebd.: 320) gerückt sei. Die Helden seien „entmythologisiert“ und lebten von ihrer Vergangenheit bzw. vom „nostalgischen oder ironischen Blick zurück“ (340ff.).

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Spielfilms. Volker Marquardt (1997: 44ff.) ergänzt, dass CrossDressing und Androgynität der „Deessentialisierung“ und „Denaturalisierung“ von Männlichkeit dienten und die Verkleidung des Helden sowie seines performativen Geschlechtertauschs (in Gestik, Mimik, Tonfall etc.) die klassisch ödipale Geschlechterordnung unterliefen (ebd.: 45). Seiner Ansicht nach könne die Feminisierung des Helden als eine präödipale Regression bewertet werden (vgl. ebd.: 47). Steve Cohan (1996: 63) erblickt darin dessen Narzissmus (sowie Exhibitionismus und eine theatralische Maskerade). Diese Annahme bildet auch den Ausgangspunkt der filmtheoretischen Überlegungen Siegfried Kalteneckers (1996). Die männlichen Helden der Cross-DressingKomödien (z. B. in Billy Wilders Some Like It Hot 1959) verweisen für ihn – in Anlehnung an Lacan – auf Spie(ge)lformen, das heißt Formen der narzisstischen Verkennung der klassisch männlichen Subjektkonstitution und auf Widersprüchlichkeiten und Heterogenität in der maskulinen Selbsterfahrung (vgl. ebd.: 14). Cross-Dressing und Androgynität kratzten am Fundament ödipaler Männlichkeit im klassischen Hollywood-Spielfilm, denn sie öffneten einen präödipalen Spielraum, in dem qua „symbolischer Entmännlichung“ (ebd.: 89) die sozial normierte Geschlechterordnung perforiert und der heterosexuelle Identifikations- und Begehrenszwang durchbrochen werde (vgl. ebd.: 22). Zudem verweist Kaltenecker auf den Verlust von Sprache („VerSagen“) und Blickhoheit als männliche Machtinstrumente des Phallus (u. a. in Hawks I Was a Male War Bride 1949) (ebd.: 177ff.). Er spürt Antagonismen und Risse auf, die auf präödipale, narzisstische Heldendispositionen im klassischen Hollywood-Spielfilm hinweisen und die genuine Konstruiertheit der ödipalen Vormachtstellung bestätigen. Hitchcock-Forschung: Einer der meist beachteten und analysierten Gegenstände der psychoanalytischen Filmtheorie ist das Werk Alfred Hitchcocks. Im vorliegenden Text wurde bereits auf die Ausführungen Bellours (2001) und Žižeks (2002) rekurriert, die am Beispiel diverser Hitchcock-Filme die ödipale Initiationsreise des Helden als wiederkehrendes Leitmotiv im Hollywoodfilm identifizieren. Darüber hinaus hat aber vor allem Žižek auch „den anderen Hitchcock [erforscht], der auf eine völlig neuartige Weise Ideologiekritik betreibt“ (ebd.: 8), da in seine Filme Strukturen und Dispositionen eingeschrieben seien, die die ödipale Formel nachhaltig subvertierten. Žižek greift die großen Filme Hitchcocks aus den 1950er und frühen 1960er Jahren auf. Sie seien

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„inhaltlich zentriert auf die Perspektive des männlichen Helden, für den das mütterliche Über-Ich den Zugang zu einer ‚normalen‘ sexuellen Beziehung versperrt“ (ebd.: 17). In diesen Helden seien „die Züge des pathologischen Narziß wiederzuerkennen, der Subjektivitätsform, die die sogenannte Konsumgesellschaft charakterisiert“ (ebd.: 18). Zu diesen Helden zählen u. a. Jefferies in Rear Window (1954), Scottie in Vertigo (1958), Norman Bates in Psycho (1960) und Mitch in The Birds (1963). Über sie findet sich neben Žižeks Arbeit eine Vielzahl analytischer Auseinandersetzungen. Einige von ihnen seien in einer kurzen exemplarischen Auswahl genannt: Miran Božovič (2002) leitet das Begehren der Figuren in Rear Window aus den formalen RaumBlick-Konstellationen ab. Im Ergebnis erscheint Protagonist Jeffries als narzisstischer Junge, dessen Interesse für Abenteuer und kindliche Neugierde den Wunsch nach ödipaler Initiation und stabiler Objektbeziehung überlagerten. Der zentrale Mord reflektiere hierbei „Jeffs eigenes Begehren, Lisa in der einen oder anderen Weise loszuwerden“ (ebd.: 155). Scotties Narzissmus in Vertigo leitet Marquardt (1997: 21ff.) aus seiner Höhenangst, seinen abrupten Sprachschwierigkeiten, der Unwirksamkeit des symbolischen Vaters sowie der Modellierung seines eigenen Ich nach dem Spiegelbild Madeleines als Imago der Mutter ab.18 Kaltenecker (1996) zufolge triumphiere in Vertigo daher das Weibliche über dass männliche Identitätsprinzip (ebd.: 31ff.). Bronfen (2006: 140) schränkt jedoch ein: Im Showdown würde Madeleines/Judys Leiche „als Kollateralschaden der narzisstischen Besetzung eines Frauenbildes durch Scottie wie auch durch das Kinopublikum inszeniert“. Der düstere Mörder Norman Bates in Psycho kann Žižek zufolge als „Anti-Ödipus avant la lettre“ (Žižek 2002: 212f.) in der Geschichte des Hollywood-Kinos gelten. Die Zugänge zum ödipalen Begehren und zur intersubjektiven Identifikation seien ihm fundamental versperrt. Er werde vom asymbolischen Trieb beherrscht. Die Morde an seiner Mutter und Marion, als Folge einer krankhaften Introjektion der Mutter-Imago, beschreibt Jean Douchet (1967: 18ff.) als sexuelle Psychopathologie. Ihr präödipaler Charakter sei durch Normans einziges Urbegehren motiviert, in das fötale Universum zurückzukehren. Ausführlich auf Normans präödipale Regression in die imaginierte Mutter-Kind-Dyade verweist auch Marquardt (1997: 49ff.).

18 Zu Scotties narzisstischer Regression in Verbindung zum US-Männerbild der 1950er Jahre vgl. Marquardt (1997: 107).

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Die tödlichen Vogelschwärme in The Birds sind für Žižek (2002: 183f.) „wie die Plage in Ödipus’ Theben“. Sie symbolisierten die tiefen Störungen in Mitchs Familie, in der der symbolische Vater außer Kraft gesetzt und von einem tyrannischen, mütterlichen Über-Ich absorbiert werde, das jedwede sexuelle Beziehung verhindere. In dieser Konstellation spiegele sich eine grundsätzliche Sackgasse der modernen US-amerikanischen Familie, denn sie enthalte die libidinöse Struktur des ‚pathologischen‘ Narzissmus (vgl. ebd. 184). Zusammenfassung Narzissmus Der narzisstische Subjekttypus soll hier mithilfe der Überlegungen zur verlängerten Adoleszenz und zum „neuen Sozialisationstypus“ erfasst werden. Männliche Subjekte werden bestimmt durch ihr Streben nach Befriedigung, das nicht durch Objektbeziehungen vermittelt und reguliert wird, sondern durch (häufig sexuelle) Abenteuer. Dabei sind sie angewiesen auf die narzisstische Bestätigung von Außen. Sie empfinden sich als dauerjugendlich und erleben intensiv die diffusen Gefühle von Grandiosität und Allmacht. Weitere Wesensmerkmale sind enge Jungenfreundschaften, Spiel, Sport, Wettstreit und Konsum. Obgleich das klassische Hollywood-Kino von virilen, ödipalen Helden dominiert wird, d. h. der Phallus konstitutiv ist (vgl. Kaltenecker 1996: 287), lässt es auch Räume für alternative Spie(ge)lformen männlicher Subjektivität. Diese äußern sich subversiv in verschiedenen narzisstischen, präödipalen Helden-Dispositionen. Besonders interessant sind dabei die Überlegungen der Hitchcock-Forschung, die narzisstische Dispositionen der Filmhelden der 1950er und 1960er Jahre an sozial-kulturelle Praktiken der spätbürgerlichen Ordnung binden. Ihr Narzissmus sei Merkmal der anbrechenden Konsumgesellschaft und Ausdruck einer Widerstandshaltung gegen die ödipale Subjektkonstitution im bürgerlichen Zeitalter (vgl. Žižek 2002: 11ff.).19 Das vorliegende Buch kann in diesem Sinne als eine Art ‚Anschlusstext‘

19 Ein weiteres Beispiel hierfür ist Henry W. Sullivans (1995: 20ff.) Analyse von Rays Rebel Without a Cause (1955). Gewalt, Rebellion und Nonkonformismus des Jugendlichen Jim (James Dean) seien Ausdruck für seine Wut auf den schwachen symbolischen Vater bzw. dessen Potenzverlust. Sie stellten somit seine Reaktion auf die ausbleibende ödipale Kastration dar.

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verstanden werden. Es geht darum, nachzuweisen, dass der ödipale Imperativ in der Populärkultur seit den 1970er Jahren von veränderten Formen der Subjektivation unterminiert wird. Postmoderne Heldenfiguren des Hollywood-Spielfilms lassen sich in diesem Kontext als narzisstisch-präödipale Subjekttypen erfassen. Jüngere Reflexionen zum männlichen Narzissmus in Hollywood untermauern diese These (vgl. u. a. Neale 1996; Bronfen 2006). In diesem Zusammenhang interessant ist auch Mark Simpsons (1994: 21ff.) Untersuchung der Geschichte von Männlichkeit und ihrer Darstellung zwischen den 1960er und 1990er Jahren u. a. am Beispiel von Bodybuildern, Fußballern, Pornostars und Rockmusikern. Insbesondere berücksichtigt er dabei ihre ostentative Nacktheit und Körperlichkeit. Im Ergebnis verzeichnet Simpson eine massive Zunahme des männlichen Narzissmus. „I am keen to suggest that male narcissism […] might be a model for a ‚new type‘ of masculinity“ (ebd.: 15). Bevor ich mich mit jenen präödipalen Subjekttypen des Hollywood-Spielfilms seit den 1970er Jahren beschäftigen werde, möchte ich nun zunächst erst noch die beiden hierfür relevanten Kategorien des Hedonismus und Masochismus besprechen. In Ergänzung zum Begriff des Narzissmus stellen sie die beiden wesentlichen Größen dar, in die der psychoanalytische Komplex der Präödipalität kulturtheoretisch sinnvoll eingefasst werden kann.

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H EDONISMUS Leben Sie! Leben Sie das wundervolle Leben, das in Ihnen ist! […] Seien Sie immer auf der Suche nach neuen Erlebnissen für Ihre Sinne! Fürchten Sie nicht! ... Ein neuer Hedonismus – das ist es, was unser Jahrhundert braucht. (LORD HENRY IN DAS BILDNIS DES DORIAN GRAY) It’s better to burn out, than to fade away. (KURT COBAIN20)

Theorie- und kulturgeschichtliche Begriffsbestimmung des Hedonismus Der Begriff des Hedonismus entspringt der griechischen Philosophie um ca. 400 v. Chr. Anders als Ödipus und Narziss bezeichnet er jedoch keine mythische Figur, sondern eine „ethische Grundposition, welche einen größtmöglichen Gewinn an Lust für erstrangig erstrebenswert hält“.21 Dieser ursprüngliche Hedonismus schöpft seine Kraft aus einer „heitere[n] Ruhe, die aus Sieg über Furcht vor den Göttern und dem Tod sowie der Befriedigung der elementaren Lebensbedürfnisse erwächst“ (Stumm/Pritz 2000: 271).22 In der Neuzeit wird hedo-

20 Zitat aus Kurt Cobains Abschiedsbrief von 1994. 21 Brockhaus Enzyklopädie (2006): Band 12 HANF – HURR. Leipzig: F. A. Brockhaus.178. 22 Dabei wird in zwei philosophische Strömungen unterschieden (vgl. Marcuse 1979: 252ff.). Im kyrenaischen Hedonismus geht es allein um die Lust um ihrer selbst willen. Genuss gelte hier als „das einzige Glück, dass dem Individuum beschieden sei […], und so wie die Welt ist, soll sie zum Gegenstand möglichen Genusses werden“ (ebd.: 253). Etwas differenzierter hingegen ist die epikureische Strömung des Hedonismus. Sie halte zwar daran fest, dass „Lust das höchste Gut sei“ (ebd.: 258), aber die Vernunft als Regulativ werde mit einbezogen. Diese „ermächtigt den Menschen zu

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nistisches Gedankengut vor allem im französischen Materialismus und im angelsächsischen Utilitarismus vertreten. Fred Feldman (1997: 79ff.) weist jedoch darauf hin, dass der philosophische Diskurs über den Hedonismus, der von Lust, Freude und Glück („pleasure“) handelt, heterogen, kaum greifbar und bisweilen konfus sei. „Philosophers are deeply divided about the nature of pleasure“ (ebd.: 80). Ich möchte diesen problematischen Diskurs hier nicht näher betrachten.23 Mein Interesse gilt einer zeitgemäßen Bestimmung des Hedonismus, die ihn als präödipale Subjektdisposition erfasst, welche die sozial-kulturellen Praktiken der westlichen Gesellschaft seit den 1970er Jahren hervorgebracht haben. Hilfreich dabei ist die Definition von Roland Hafen (1992), der das Phänomen des Hedonismus in der Populärkultur anhand der Rockmusik untersucht: „Hedonismus bezeichnet ein Streben nach und ein extensives Ausleben von Glückszuständen, die in momentanen Lüsten gefunden, empfunden und/oder durch Vermeidung von Unlusterlebnissen perpetuiert werden sollen“ (ebd.: 82).

Um das Phänomen genauer zu ergründen, werde ich im Folgenden auf die psychologische, psychoanalytische und die sozialphilosophische Beschäftigung mit dem Hedonismus im Hinblick auf die Kategorien Lust, Genießen und Freiheit eingehen. Hedonismus in der Psychoanalyse: Lust und Genießen als Ausdruck präödipaler Subjektivität Obgleich Freud den Begriff des Hedonismus nicht systematisch verwendet, führt er ihn indirekt 1920 mit der Entwicklung des Lustprinzips (Freud 1947a: 3ff.) in die Psychoanalyse ein (vgl. Stumm/Pritz 2000: 271). Darunter fasst er das Streben des Es nach Abfuhr unliebsamer Spannungsempfindungen und nach unmittelbarer Befriedigung seiner Bedürfnisse; kurz, das Lustprinzip diene der „Vermeidung von Unlust oder Erzeugung von Lust“ (Freud 1947a: 3). Dank seiner hohen

jenem maßvollen Genuß“, der das Risiko einer durch unbändige Lust zerstörten Seelenruhe „herabdrücke“ (vgl. ebd.: 259). 23 Zur Vertiefung vgl. Feldman (1997, 2004: 21ff., 38ff.) sowie David Baumgardt (1977: 316ff.).

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Erregungsqualität übernehme es zwar die „Herrschaft im Seelenleben“ (ebd.: 5), funktioniere aber nur im Zusammenspiel mit seinem es hemmenden Antagonisten, dem Realitätsprinzip (ebd.: 6). Dieses sorge für die Fähigkeit des Verzichts und Aufschubs von Befriedigung. Zusammengefasst besteht Freuds grundlegender Gedanke darin, das „Regulationsprinzip des psychischen Geschehens auf die Lust zu gründen“ (Laplanche/Pontalis 1992: 297). Er entwerfe eine Art „hedonistische Doktrin“ (ebd.). 1930 ergänzt Freud, dass das ‚Programm‘ des Lustprinzips den wahren Lebenszweck der menschlichen Kultur und ihres Seins setze, denn „die Absicht, daß der Mensch ‚glücklich‘ sei, ist im Plan der Schöpfung nicht enthalten. Was man im strengsten Sinne Glück heißt, entspringt der eher plötzlichen Befriedigung hoch aufgestauter Bedürfnisse. […] Uneingeschränkte Befriedigung aller Bedürfnisse drängt sich als die verlockendste Art der Lebensführung vor“ (Freud 1972: 75).

Dabei konstatiert er – mit bemerkenswertem Weitblick auf die Anfänge der Popkultur Ende der 1960er Jahre –, dass vor allem Sex und Drogen besonders verlockende Genüsse seien (vgl. ebd.: 76; Freud 1947a: 46ff.). Jahrzehnte später radikalisiert Lacan Freuds Theorie zur Funktion und Bedeutung der Lust, indem er das Konzept des Genießens (jouissance) entwickelt (vgl. Lacan 1986: 211ff.,24 1991f: 7ff.). Durch seine „exzessive Erregungsqualität“ (Evans 2002: 179) markiere das Genießen buchstäblich die Leidenschaft des Subjekts. Es wirke aus dem Register des Realen, sei nur schwer regulierbar und zeichne sich durch seine destruktive, die symbolische Ordnung störende und verletzende Kraft aus. „Das Genießen, das ist das, was zu nichts dient“ (Lacan 1991f: 9). Dennoch, und dieser Umstand scheint auf den ersten Blick etwas verwirrend, identifiziert Lacan im symbolischen Über-Ich zugleich den Befehlsgeber des Genießens. „Das Über-Ich, das ist der Imperativ des Genießens – Genieße“ (ebd.). Lacan spricht hier auch vom „Feld des Rechtes-auf-den-Genuß“ (ebd.), welches durch das Über-Ich gestärkt werde. Žižek (1999: 189ff.) löst dieses vermeintliche Paradox auf: „Zwischen den Zeilen toleriert, ja fördert das symboli-

24 Lacan setzt hier Freuds Begriff des Lustprinzips mit dem des Hedonismus gleich.

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sche Gesetz das, was es explizit verbietet“ (ebd.: 190). Es gehe hier um den vom Subjekt selbstauferlegten Zwang, Spaß haben bzw. Lust verspüren zu müssen. Diese Verbindung zwischen Über-Ich und Genießen könne mitunter empfindlich das das innere Gleichgewicht eines Menschen stören. „Jemand kann glücklich verheiratet sein, eine gute Stelle und viele Freunde haben und ist dennoch von irgendeiner spezifischen Formation der jouissance abhängig, die ihn eher alles andere aufs Spiel setzen lässt, als daß er diese aufgibt (Drogen, Tabak, Alkohol, eine bestimmte sexuelle Perversion)“ (ebd.: 87).

Der Genuss werfe hier alles durcheinander, obwohl das symbolische Universum, sprich die bürgerliche Ordnung, „wunderbar gestaltet und eingerichtet“ (ebd.) sei. Zusammengefasst meinen Lust und Genießen in ihrem jeweiligen theoretischen Kontext der psychoanalytischen Theorie subversive, bisweilen anarchische Mechanismen, die auf einen individuellen Hedonismus verweisen. Sie wohnen den Subjekten stets inne und bedrohen das Gleichgewicht der verschiedenen psychischen Instanzen, konnten in der symbolischen Ordnung der bürgerlichen Moderne jedoch weitgehend unter Kontrolle gehalten und durch das Realitätsprinzip (Freud) bzw. den Namen-des-Vaters (Lacan) reguliert werden. Vor allem durch den schleichenden Verfall des symbolischen Gesetzes in der Postmoderne haben Lust und Genießen jedoch eine neue Wertigkeit erlangt. Neben narzisstischen und masochistischen Dispositionen sind sie zu konstitutiven Wesensmerkmalen eines postmodernen, präödipalen Subjekttypus geworden. Diese These soll im Folgenden durch einen Rückgriff auf die Sozialphilosophie sowie den jüngeren Diskurs über den gesellschaftlichen Hedonismus untermauert werden. Hedonismus in der Sozialphilosophie: Lust vs. Freiheit Bereits Anfang der 1950er Jahre analysiert Adorno (1980: 71f.), dass für das europäische Bürgertum der Lustgewinn anstelle der Katharsis getreten sei. Dies habe zu einem Prozess der „bürgerlichen Selbstentfremdung“ geführt. Parallel dazu beschreibt Riesman (1956: 51f.) einen neuen „außen-geleiteten Charaktertypen“, der sich unter den jungen Menschen in der US-amerikanischen Gesellschaft etabliert habe und der mit der Tradition der Ich-Autonomie breche. Er sei „ober-

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flächlicher, freigiebiger, verhaltensunsicherer und weit mehr von der Anerkennung anderer abhängig“ (ebd.) und zeichne sich vor allem durch Konsum aus (vgl. ebd.: 53). Sein Wunsch nach „Erlebnisgehalt“ (ebd.: 235) äußere sich u. a. in modernen Essgewohnheiten, gesteigertem, „wettbewerbsbestimmten Sexualverhalten“ und Freizeitzwang (vgl. ebd.: 225ff.). Die bedeutendste Reflexion der Sozialphilosophie zum Hedonismus findet sich 1938 bei Marcuse (1979: 250ff.). Ihm geht es darum, den Begriff der Lust kritisch von dem des Glücks zu entkoppeln. Glück sei als Teil des Ideals der bürgerlichen Vernunft zu verstehen, denn „die Wirklichkeit des Glücks ist die Wirklichkeit der Freiheit, als der Selbstbestimmung der befreiten Menschen“ (ebd.: 285). Hedonismus sei der Prozess, dieses Glück von der kollektiven Freiheit in die persönliche Lust zu verlagern, wodurch eine „anarchische und elende Realität“ (ebd.: 257) heraufbeschworen werde. „Der Hedonismus ist der Gegenpol der Vernunftphilosophie“, in ihm formuliere sich „die allseitige Entfaltung und Erfüllung der individuellen Bedürfnisse, […] die Freigabe der Welt zum Genuß“ (ebd.: 256). Unter Genuss versteht Marcuse hierbei weitgehend den Warenkonsum. Dieser sei eine Form der „Ablenkung und Ersatzbefriedigung“ (ebd.: 272), in der die Lust der modernen Gesellschaft kanalisiert werde.25 Marcuse wünscht sich die Aufhebung dieses Konsum- und Warenhedonismus, denn Glück sei nicht auf sinnliche Lust zu beschränken. „Wenn die mündigen Individuen bestimmte Bedürfnisse und eine bestimme Lust als schlecht verwerfen würden, so geschähe dies aus der autonomen Erkenntnis ihres wahren Interesses heraus: der Erhaltung der allgemeinen Freiheit“ (ebd.: 280). In der Sozialphilosophie findet sich vor allem dank Adorno und Marcuse eine frühe – wenngleich auch von einer Prognose des Verfalls der Gesellschaft geleiteten – Auseinandersetzung mit dem Einzug des Hedonismus in die westliche Gesellschaft des 20. Jahrhunderts. Im allgemeinen Diskurs wird der Begriff jedoch erst ca. ab den 1980er Jahren eine relevante Größe.

25 Hier liegt der Kern seiner Kritik am Hedonismus. Seiner Auffassung nach nutzten die herrschenden Klassen den Konsumhedonismus der Menschen aus, um die etablierten Arbeits- und Produktionsverhältnisse zu sichern. „Für die meisten Menschen wird der Partner im Genuß auch der Partner im Elend derselben Klasse sein“ (ebd.: 271).

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Hedonismus als Lebenserfahrung der Postmoderne: Zur Entstehung der Termini Spaß- und Erlebnisgesellschaft Der Hedonismus als kennzeichnende Disposition postmoderner Subjektivität ist hier eng in Verbindung mit den Überlegungen zum Narzissmus zu denken, der vor allem durch den Konflikt der Subjekte mit ihren Elternrepräsentanzen, ihre Schwierigkeit, stabile Objektbeziehungen einzugehen, Wildheit und ihre Flucht ins „grandiose Ich“ (Lasch 1995: 30) dominiert wird. Entscheidend für die vorliegende Arbeit ist, dass seit den 1980er/1990er Jahren eine Verlagerung der Terminologie von der Kultur des Narzissmus zu der des Hedonismus zu beobachten ist. Hedonismus als Kategorie zur Beschreibung eines postmodernen Subjekttypus scheint die des Narzissmus in Teilen substituiert zu haben, obgleich sich beide Typen nicht signifikant voneinander unterscheiden: Die Wesensbestimmungen zum Hedonismus fügen sich im Prinzip in die Überlegungen zur postmodernen, narzisstischen Subjekt- und Gesellschaftsstruktur ein. Der besondere Fokus richtet sich dabei auf die Orientierung der Subjekte an der Qualität unmittelbarer Lust- bzw. Genussbefriedigung sowie den Lebensweltgrößen Konsum, Erlebnis, Spaß und Spektakel. Im Folgenden möchte ich nun die Diskussion um das Phänomen des postmodernen, gesellschaftlichen Hedonismus abbilden: Hermann Walther von der Dunk (2004: 453ff.) beschreibt, wie sich die postmoderne Gesellschaft im Zuge der Rebellion in Gestalt der Jugend- und Popkultur der 1970er Jahre massiv verändert hat. Die junge Generation habe zum Ausdruck gebracht, dass sie von den bürgerlichkapitalistischen Werten „emotional nicht befriedigt“ (ebd.: 453) werde. Ihre apolitische Protesthaltung sei dabei teils verpackt worden „in Albernheit, um auf diese Weise die Idiotie der Autoritäten und die Überflüssigkeit und Sinnlosigkeit der geltenden Gesetze und Regeln zu demonstrieren“ (ebd.). Konstitutive Aktiva ihres alternativen Lebens seien u. a. individuelle Freiheit, Konsum, Drogen, freie Sexualität26 und anarchischer Individualismus gewesen (vgl. ebd.: 456). Hafen

26 Auch Bruckner (2001: 62ff.) und Giddens (1993: 191f.) weisen auf die besondere Bedeutung der Sexualität für den postmodernen Hedonismus hin. Sexualität bilde den Mittelpunkt einer obsessiven, hedonistischen Konsumgesellschaft.

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(1992: 70ff.) zeichnet ein ähnliches Bild und subsumiert diesen Prozess unter dem Begriff der Entstehung des postmodernen Hedonismus. Dieser sei aus einer Haltung der Resignation und Abwendung Jugendlicher von der Erfahrung der bürgerlichen Moderne entstanden und habe sich in den Musikrichtungen Punk und Rock entladen (vgl. ebd.: 75). Aus diesen musikalischen Formen subkultureller Widerstandshaltung habe sich seit den 1980er Jahren ein gesellschaftlich relevanter Subjekttypus entwickelt. Hedonismus habe sich zu einer individualistischen, breit gefächerten, zumeist apolitischen Strömung als Antwort auf die Unsicherheiten der Postmoderne entwickelt. Er stelle eine Alternative aus hoher Befriedigungstätigkeit bzw. extensivem, extrovertiertem Genuss dar (vgl. ebd.: 75). „Immer mehr Teilbereiche des privaten und öffentlichen Lebens sind auf dem Vormarsch, um Erkenntnisgewinnung zum Thema Glück voranzutreiben […]. Dabei wird oft genug ‚Glück‘ mit ‚psychischem Wohlbefinden‘ oder purer ‚Lust‘ verwechselt“ (ebd.: 77).

Pascal Bruckner (2001) spricht von der „unbändigen Genusssucht“ (ebd.: 51), die in die westliche Gesellschaft Einzug gehalten habe. Im Genuss artikuliere sich ihr neues „hedonistisches Ideal“ (ebd.: 210). Žižek (1999: 190) zufolge ist das Subjekt der westlichen Welt mit dem Ende des Jahrtausends in eine neue Epoche eingetreten, „in der unser Leben nicht mehr von einer bestimmten Anzahl symbolischer Verbote reguliert wird. Individuen steht es in zunehmendem Maße frei, ihre Lüste zu befriedigen.“ Das postmoderne Postulat definiere sich aus einer extremen Individualisierung und Konsumtion, das heißt aus den ultimativen Figuren des Mehr-Genießens bzw. einem „radikalen narzisstischen Hedonismus“ (ebd.: 197). Im allgemeinen Diskurs sind diverse Oberbegriffe für diesen postmodernen gesellschaftlichen Hedonismus entwickelt worden. Robert Bly (1997) spricht von der jugendlichen Geschwister-Gesellschaft,27 da die Autoritäten fehlten und die Subjekte kein Interesse daran hätten, erwachsen zu werden. Ihr Ziel sei es vielmehr, Triebimpulse auszuleben (vgl. ebd.: 7f.). „Das Ernährungs-, Sexual-, und Aggressionssys-

27 So die wörtliche Übersetzung des amerikanischen Titels „sibling society“. In der deutschen Fassung wird „sibling society“ irreführenderweise mit „kindliche Gesellschaft“ übersetzt.

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tem ist bereit, Disziplin, überindividuelle Rücksichten und geduldiges Streben um Meisterschaft über Bord zu werfen und statt dessen Vergnügen und sinnliche Reize zu jeder Zeit zu fordern“ (ebd.: 49). In dieser Gesellschaft verlören die Subjekte ihre Fähigkeit, zur Reife zu gelangen (vgl. ebd.: 72) und blieben „Dauerjugendliche“ (ebd.: 178). Gerhard Schulze (1995) führt den Terminus der Erlebnis-Gesellschaft ein. Die (post-)moderne Art zu leben, basiere auf den „psychophysischen Konstruktionen“ des Erlebnisses. „Erlebnisorientierung ist die unmittelbarste Form der Suche nach Glück. […] Man investiert Geld, Zeit, Aktivität und erwartet fast im selben Moment den Gegenwert“ (ebd.: 14). Jeder sei darauf aus, zu jeder Zeit allein das zu tun, wozu er Lust habe (vgl. ebd.: 16). Das grundlegende postmoderne Axiom laute: „Erlebe dein Leben!“ (ebd.: 58ff.). Darin spiegle sich die hohe Erlebnisbedürftigkeit der Subjekte, die den täglichen Konsum von Informationen, Unterhaltung, Waren und Dienstleistungen antreibe. Die Menschen verhielten sich „wie jemand, der im Zustand der Sättigung gedankenverloren in eine volle Pralinenschachtel greift“ (ebd.: 58). Der Genuss sei in der Erlebnis-Gesellschaft daher auf einer Bedeutungsebene anzusiedeln, „die höhere Evidenz besitzt als andere Bedeutungsebenen“ (ebd.: 108).28 Kerstin Maaß (2003) rekurriert auf die Entstehung des Begriffs der Spaßgesellschaft, der Anfang/Mitte der 1990er Jahre äußerst populär geworden sei (vgl. ebd.: 39ff.). Er werde seitdem primär mit „vier Merkmalskomplexen“ verbunden (ebd.: 52): einer neuen Unterhaltungs-, Konsum- und Erlebniskultur sowie einem allgemeinen Wertewandel. „Weitere Merkmale, die sich […] fest im Semen Spaßgesellschaft etablieren konnten, sind der gezielte Tabubruch, der Körperkult und Jugendwahn sowie das Gebot zur Selbstdarstellung“ (ebd.: 76).

28 Bruckner (2001: 106f.) ersetzt Schulzes Begriff des Erlebnisses zeitgemäßer durch den Begriff des „fun“. Auf der Suche nach fun gehe es den Subjekten darum, die Welt zu genießen, ihr aber umgekehrt nicht das Recht einzuräumen, sie zu verletzen. Fun stehe für den „Traum vom vollkommen gelösten, von allem Gewicht befreiten Menschen, der das Erlebnis über die Erfahrung stellt, die knisternde Berührung über die Verwurzelung“ (ebd.: 107).

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Hedonismus in der postmodernen Sozial- und Marktforschung Über diese weitgehend feuilletonistische Diskussion zur Spaß- oder Erlebnisgesellschaft hinaus hat der Diskurs über den postmodernen Hedonismus auch einen konkreten Entwurf der Bestimmung von Subjekten hervorgebracht. Insbesondere durch die empirische Sozial- und Marktforschung ist der Terminus „Hedonist“ dabei zu einer festen Kategorie zur Klassifikation von Teilen der jungen Generation geworden. Zuvorderst sind hierbei die Arbeiten des Sinus-Instituts seit Anfang der 1980er Jahre zu nennen, das zunächst in einer über mehrere Jahre angelegten Studie (1983, 1985) die Tendenzen zu einer verwöhnten, hedonistischen Jugend ausweist. Konsum, Luxus und Spaß als dominante Aktiva junger Menschen markierten demnach ein neues, gesellschaftlich relevantes Profil des Hedonisten der Postmoderne (vgl. Sinus 1985: u. a. 11ff., 27.).29 Aufbauend auf dieser frühen Studie hat das Sinus-Institut (mittlerweile Sinus Sociovision) durch Lebensweltund soziale Milieuforschung den Subjektbegriff des Hedonisten systematisch ausgeleuchtet. Auf der Basis von empirischen Erhebungen analysiert das Institut den Struktur- und Wertewandel der postmodernen Gesellschaft in Bezug auf Arbeit, Familie, Freizeit, Geld und Konsum. Die Ergebnisse werden in Form der zehn „Sinus-Milieus“ (2007: 9f.) illustriert. Die Hedonisten stellen hierbei ein eigenes MilieuSegment junger Menschen dar. Ihre Wesensmerkmale seien u. a. extremer Individualismus, ungehinderte Spontaneität, Leben in Widersprüchen, Lifestyle, Spaßorientierung und Verweigerung von Konventionen (vgl. ebd.: 12). Darüber hinaus werden auch andere junge Si-

29 Ergänzend kann auf Studien der Jugendforschung verwiesen werden. So regt z. B. der achte Jugendbericht des Bundesministeriums für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit (1990) zu einer kritischen Diskussion über die hedonistischen Tendenzen der „Null-Bock-Generation“ (vgl. ebd.: 59ff.) an. Auch die 14. Shell-Jugendstudie (2002) befasst sich mit diesem Phänomen, wobei sie eine starke Kommerzialisierung von Freiheit und jugendlicher Identität zu Beginn des 21. Jahrhunderts verortet. Die Lebensführung und Wertehaltung junger Menschen sei als hedonistisch und materialistisch zu beschreiben (vgl. ebd.: u. a. 164). Dabei trete das Problem auf, dass derjenige, der beim Konsum nicht mithalten könne, in eine „spannungsreiche psychische Situation“ gerate (ebd.: 36).

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nus-Milieus30 mit hedonistischen Attributen belegt, wie z. B. Statusorientiertheit, Konsum und Multi-Optionalität (vgl. ebd.). Da offenbar weite Teile der jungen Generation durch eine ebensolche hedonistische Grundorientierung und Lebenskultur bestimmt sind, betreiben mittlerweile internationale Wirtschaftsunternehmen und Medienkonzerne ihr Zielgruppen-Marketing, Markenführung sowie ihre Produktentwicklung auf Basis derartiger Milieu-Studien.31 Die hedonistische Persönlichkeit ist auf diese Weise zu einem festen, wirtschaftlich und sozial überaus relevanten Typus der postmodernen Gesellschaft geworden, der sich von der Idee der bürgerlichen Moderne und ihren Werten massiv ablöst. Zusammenfassung Hedonismus Das Bestreben der Subjekte der Postmoderne nach unmittelbarer Lustbefriedigung und Genießen durch Konsum, Erlebnis, Spektakel und Spaß suspendiert zwei wesentliche Konstitutiva der ödipalen Subjektivation in der bürgerlichen Moderne: Die symbolische Autorität des Namen-des-Vaters verliert ihre intervenierende und regulierende Wirkung und das Begehren wird nicht mehr in klassischen Objektbzw. Partnerbeziehungen kanalisiert. In Ergänzung zu seinen narzisstischen Dispositionen, wie dem Erleben der eigenen Grandiosität und der verlängerten Adoleszenz, soll der postmoderne männliche Hedonist hier als präödipaler Subjekttypus bestimmt werden. Im anschließenden Abschnitt soll nun der Begriff des Masochismus als dritte Kategorie des präödipalen Subjekttypus der Postmoderne entfaltet werden.

30 Das betrifft fünf der zehn Milieus, z. B. die Modernen Performer und die Konsum-Materialisten (vgl. ebd.: 10ff.). 31 Zur Bedeutung des Hedonismus für das Marketing vgl. Heribert Meffert (1998: 192ff.) und Silke Vogelsang (1999: 198ff.); für die Medienforschung vgl. Bernhard Engel und Thomas Windgasse (2005).

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M ASOCHISMUS Masochism is more than an individual sexual or clinical phenomenon, [it is] a cultural form that integrates recalled individual psychic investments and artistic practice. (MANSFIELD 1997: 71)

Das Individuum der Postmoderne trainiert sich vor dem Hintergrund der veränderten sozial-kulturellen Praktiken als Subjekt, das durch präödipale narzisstische und hedonistische Persönlichkeitsstrukturen bestimmbar ist. In diesem Abschnitt soll nun der Begriff des Masochismus als dritte Kategorie präödipaler Subjektivität seit den 1970er Jahren entfaltet werden. Theorie- und kulturgeschichtliche Begriffsbestimmung des Masochismus Wie auch die Begriffe von Ödipus, Narzissmus und Hedonismus stammt der Begriff des Masochismus aus der Kultur, bevor ihn die Psychoanalyse für sich entdeckt. Seine Entstehungsgeschichte ist jedoch sehr viel jünger. Masochismus bezieht sich auf das Werk des Schriftstellers Leopold von Sacher-Masoch (1836-1895), das sich in weiten Teilen mit der männlichen sexuellen Lust an Hingabe, Schmerz und Bestrafung bzw. „mit der Liebe des Mannes zu unerreichbaren, starken, grausamen Frauen beschäftigt“ (Gratzke 2000: 6). Gegen den Protest Sacher-Masochs fasst zunächst der Psychiater Richard von Krafft-Ebing (1889) unter dem Begriff des Masochismus eine psycho-sexuelle, „eigenthümliche Perversion“ (ebd.: 60). Er schreibt sie Menschen zu, die von der Vorstellung beherrscht würden, „dem Willen einer Person des anderen Geschlechts vollkommen und unbedingt unterworfen zu sein, von dieser Person herrisch behandelt, gedemüthigt und misshandelt zu werden. Diese Vorstellung wird mit Wollust betont; der davon Ergriffene schwelt in Fantasien, in welchen er sich Situationen dieser Art ausmalt“ (ebd.).

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Die mit dem Masochismus gleichermaßen untrennbar verbundene wie gegensätzliche Neigung zur aktiven Misshandlung bezeichnet KrafftEbing als Sadismus.32 1924 rekurriert Freud (1947a: 371ff.) auf die Ausführungen KrafftEbings. Seiner Ansicht nach „narkotisieren“ die masochistischen Elemente von Schmerz und Unlust das Seelenleben. Er unterscheidet dabei zwischen drei Arten des Masochismus:33 erogen, feminin und moralisch. Der erogene Masochismus rühre aus „ganz dunklen Verhältnissen“ (ebd.: 373) her. Beim femininen wolle der Mann „wie ein „kleines, hilfloses, abhängiges Kind behandelt werden, besonders aber wie ein schlimmes Kind“ (ebd.: 374). Er beruhe auf der „Übereinanderschichtung des Infantilen und Femininen“ (ebd.: 375). Beim moralischen Masochismus sei es das Leiden selbst, worauf es ankäme: „Der richtige Masochist hält immer seine Wange hin, wo er Aussicht hat, einen Schlag zu bekommen.“ Dies diene der „Befriedigung eines unbewußten Schuldgefühls“ (ebd.: 378). Vor allem mit dieser dritten Variante weist Freud dem Phänomen des Masochismus eine Bedeutung zu, die sich von der strengen Definition der rein sexuellen Störung/Perversion abhebt. In diesem Sinne verweisen diverse psychoanalytische Beiträge in der Nachfolge Freuds auf die dem Masochismus inhärenten sozialen

32 Krafft-Ebing bezieht auch den Begriff des Sadismus aus der Literatur. In Anlehnung an das Werk de Sades fasst er darunter ganz allgemein „das Erleben von (sexueller) Lust, wenn einem anderen Schmerz zugefügt wird“ (Stumm/Pritz 2000: 603). Nach Eberhard Schorsch und Nikolaus Becker (1977: 41ff.) wird Sadismus in zweierlei Weise charakterisiert: als Ausdrucksform einer destruktiven Dynamik, die sich lustvoll entlade, und des Weiteren als Fantasie, die auf Dominanz bzw. Beherrschung des anderen abziele. Die Autoren verweisen hier zudem auf die Dimension des Sadismus als gesellschaftliches Phänomen. Zu den verschiedenen Ansätzen über den Sadismus in der psychoanalytischen Theorie u. a. als Ausdruck ödipaler Konflikte vgl. ebd. (58ff.). Zur Struktur des Sadomasochismus vgl. Léon Wurmser (1993: 32ff.) Sadismus ist für den vorliegenden Zusammenhang theoretisch nur von untergeordneter Bedeutung. 33 Dies ist eine stark verkürzte Zusammenfassung. Tatsächlich stellt Freud zum Masochismus, wie auch zum Narzissmus, diverse Theorien der Genese auf und entwirft verschiedene Erklärungsmodelle (vgl. Wurmser 1993: 44).

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Mechanismen und Dynamiken (vgl. Wurmser 1993: 155ff.). 1940 betrachtet der Psychoanalytiker Theodor Reik (1977: 331) Masochismus als eine „Lebenseinstellung, die dem Ich ein unterwürfiges und leidendes Verhalten vorschreibt und ihm immer wieder Niederlage, Versagung und Unglück bringt“ (ebd.: 331). Masochismus führe tief in das Gebiet der Kulturentwicklung zurück, denn der „Genuss am Leiden […] ist ein wesentlicher, integraler Teil des Lebens“ (ebd.: 441ff.). Reik schreibt dem Masochismus drei konstituierende Momente zu (ebd.: 61ff.): die Bedeutung der Fantasie, das „Suspensemoment“ als Moment der Aufrechterhaltung einer Spannung zwischen Lust und Angst sowie einen demonstrativen Zug, das heißt eine theatralische Zurschaustellung der eigene Opferposition. Nach Lacans psychoanalytischem Modell besteht die unterwürfige Disposition des Masochisten in dessen präödipalem Streben, den phallischen Mangel der Mutter füllen zu wollen. Die Formel des Masochismus laute demnach: „Sich als Begehrens-Objekt erkennen“ (Lacan 2004: 192). Das lacansche Subjekt wird also zum Masochisten, indem es „in sich den Signifikanten des Begehrens als Fetisch hervorbringt. […] Er macht sich zum Objekt a des Genießens des Anderen“ (Braun 2005: 237f.). Masochismus im postmodernen Diskurs Bis heute findet die psychoanalytische, psychologische und sexualwissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Masochismus größtenteils vor dem Hintergrund seiner Einordnung als klinischer Perversion statt. Masochismus beschreibe „eine allgemeine, in der Perversion auf die Spitze getriebene menschliche Erfahrung“ (Stumm/Pritz 2000: 421) des körperlichen Schmerzes und seelischen Leids. Erklärungsmuster darüber, woher die Lust an Unterwerfung, Schmerz und Leiden kommen, setzen häufig in der Kindheit, also bei ödipalen Konflikten des 34 Masochisten an (vgl. Gratzke 2000: 14, 57ff.; Wurmser 1993: 29ff.). Darin verbirgt sich ein wichtiger Aspekt für die vorliegende kulturtheoretische Untersuchung: Der psychoanalytische Begriff des Maso-

34 Darin ausführlich zur psychoanalytischen Historie und Definition des Masochismus sowie ein materialreicher Überblick über verschiedene aktuelle Positionen der klinischen und Sexualforschung (inkl. Erklärungsmuster für S/M-Praktiken).

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chismus ist mit dem des Narzissmus eng verwandt, da beide von der „präödipalen Prägung“ (vgl. ebd.: 72), das heißt dem Ur-Begehren des männlichen Subjekts nach der Mutter-Kind-Dyade bestimmt sind. Der Masochismus zielt auf die „Wiederherstellung dieses Dilemmas von quälend symbiotischer Beziehung und tödlicher Verlassenheit“ (ebd.). Aus diesem Grund hat er, wie auch der Narzissmus, im Kontext der Postmoderne seit den 1970er Jahren eine neue, elementare soziosymbolische und kulturelle Relevanz erlangt. Die Schauplätze der Familie, Gesellschaft und Populärkultur werden nicht mehr von der Figur des Ödipus konstituiert, vielmehr haben sich Schauplätze einer narzisstisch-hedonistischen Kultur und eines „masochistischen Theaters […], eines Theaters des Genießens“ (Lerude 2005: 114) entwickelt. Es geht hier also nicht um den Masochismus als klinische Störung oder sexuelle Perversion, sondern darum, ihn in Ergänzung zum Narzissmus und Hedonismus als „kulturelles Deutungsmuster“ (Gratzke 2000: 8) bzw. als postmodernen Subjekttypus herauszuarbeiten. „Masochism in the postmodern era, has become a metaphor more than a praxis“ (Mansfield 1997: 71). John K. Noyes (1997: 6) zufolge markiert der postmoderne Masochismus junger Männer den Zusammenbruch des bürgerlich-ödipalen Subjektkonzepts. „The body of the masochist became marked with […] problematic socio-historical aspects that had been banished when the liberal subject was imagined as self-determining and free, aggressive and self-controlled.“ Wie auch der Narzissmus ist der Masochismus also „nicht marginal. Er konstituiert Subjektivität“ (Gratzke 2000: 120). Auch David Savran (1998) identifiziert im männlichen Masochismus eine neue „historische Subjektposition“ (vgl. ebd. 19), die aus den gesellschaftlich-kulturellen Veränderungen seit den 1960er und 1970er Jahren hervorgegangen sei (vgl. ebd.: u. a. 325, 486). „Masochism is part of the very structure of male subjectivity“ (ebd.: 21). Er führt diese Entwicklung zurück auf die in sich tief widersprüchlichen, heterogenen Männlichkeitsbilder, die die Postmoderne evoziert habe. Sadistisch-aggressive, klassisch männliche Eigenschaften vermischten sich seitdem mit einem neuen Hang zur erotischen Unterwerfung und zur Einnahme der Opferrolle (vgl. ebd.: 19). Als Grund dafür nennt Savran die postmoderne „Subversion des ödipalen Phallus“ (ebd.: 325): die jungen masochistischen Männer würden einerseits von einer Vaterlosigkeit (vgl. ebd.: 486) und andererseits durch ihre tiefe präödipale Verbundenheit mit der Mutter bestimmt, „an irresistible

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threat to the imaginary coherence of the unitary subject“ (ebd.: 323). Auf diese Theorie aufbauend erfasst Savran postmoderne, masochistische Maskulinität in ihrer populärkulturellen Darstellung, beginnend mit der Literatur der Beatniks (Burroughs, Ginsberg, Kerouac) über The Doors-Sänger Jim Morrison („a masochist and phallic superman“, ebd.: 208) bis hin zu den Hollywood-Helden der 1970er bis 1990er Jahre (u. a. Sylvester Stallone und Michael Douglas). Kultureller Masochismus bei Deleuze Die in der Literatur- und Filmtheorie am meisten beachtete Arbeit über den Masochismus stammt von Deleuze (1980), der Ende der 1960er Jahre als erster und mit besonderer Raffinesse dessen kulturelle Bedeutung beschreibt (vgl. Mansfield 1997: 69ff.) Wie auch in seinem Nachfolgewerk Anti-Ödipus (1974) nimmt Deleuze hier eine „Verleugnungshaltung gegenüber dem Rahmen der ödipalen symbolischen Realität“ (Žižek: 2001: 388) ein. Er unternimmt eine „entödipalisierende Lektüre“ (Gratzke 2000: 7) der Literatur. Dies geschieht insbesondere vermittels der Verneinung des Phallus in der These, der zufolge „der Masochismus der Ausschaltung des Vaters diene“ (ebd.: 44). Ziel des Masochismus nach Deleuze sei „das Einfrieren in der Mutter-Kind-Dyade“ (ebd.: 47). Deleuze erarbeitet in seiner Textanalyse von Sacher-Masochs Klassiker Venus im Pelz (1870) ein historisch übergreifendes theoretisches Modell des männlichen Masochismus (vgl. Silverman 1992: 189). Er legt verborgene masochistische Dispositionen und Strukturen frei, die ihm zufolge rund 100 Jahre nach Sacher-Masoch, im Zuge der Entstehung postmoderner, präödipaler Subjekttypen, offen zutage treten. Venus im Pelz enthält in diesem Sinne eine „Sprache des Masochismus“ (Gratzke 2000: 36), die in Gesellschaft und Populärkultur seit den 1970er Jahren mit besonderer Intensität gesprochen werde. Konkret geht es in Deleuzes Studie dabei im Wesentlichen um drei ineinander verwobene, für die Kulturforschung bedeutsame Charakteristika des Masochismus: die Fixierung auf das Ideal der oralen Herrin/Mutter, die Suspendierung des symbolischen Vaters und das Element des Wartens (Suspense) in Verbindung mit der dualen Empfindung von Schmerz und Lust.35

35 Ich beschränke mich hier auf die für dieses Buch relevanten Aspekte der Studie.

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Nach Deleuze (1980: 176ff.) gründet die fundamentale masochistische Erfahrung der Helden auf ihrer Herstellung einer Beziehung zu einer herrischen Frau. Indem sie sich als Opfer positionierten bzw. imaginierten, bänden sie die Frau als Henkerin an sich und realisierten somit ein Wunschbild von ihr. „In ihrer Unterwerfung unter die Frau, in den Qualen, die sie ausstehen […], finden sich alle Momente des Aufstiegs zum Idealen“ (ebd.: 177). Mehr als eine reale Konstellation drücke sich in diesem masochistischen Szenario jedoch eine männliche Fantasie aus, denn einerseits sei eine „Frauennatur“, die sich auf dieses Spiel einlasse, schwer zu finden (vgl. ebd.: 196), und andererseits gehe es auch gar nicht so sehr um die Suche nach einer geeigneten Frau als vielmehr um das Ideal der eigenen Mutter, das vom masochistischen Sohn imaginiert werde. Im Zentrum seiner Fantasie stehe das intensive und ambivalente Bündnis mit ihr (vgl. Silverman 1992: 210). Wesentlich dabei ist, dass er die strafende Funktion des symbolischen Vaters auf sie übertrage; sie sei es, die in seiner Lebenswelt idealiter den Phallus besitze. Das Bild des Vaters in ihm werde auf diese Weise verkleinert und zerschlagen. „Der Vater fällt aus, wird annulliert“ (Deleuze 1980: 212). In der deleuzianischen Lesart des Masochismus geht es also weder um sexuelle Stimulanz noch um ein Opfer/Henker-Szenario im strengen Sinn, sondern um die Abwendung von der vaterzentrierten, ödipalen Subjektbestimmung und eine Zuwendung zu einer „Atmosphäre des Aufgehobenseins im präödipalen Bündnis von Mutter und Kind“ (Gratzke 2000: 47). Statt dass der Mutter ein Mangel zugeschrieben wird, wird sie zum Ideal der Ganzheit und zur Hüterin des Gesetzes im Imaginären stilisiert. Deleuze unterteilt dabei in drei Mutter-Urbilder, die er aus der griechischen Mythologie ableitet (ebd.: 199ff.). Der erste Typ ist die heidnische Frau/Mutter, die Hetäre oder Aphrodite, die das weibliche Prinzip verkörpere. Der ihr entgegengesetzte, dritte Typ ist der der Athene, der grausamen Sadistin. Der Masochist pendle nun in der Regel zwischen diesen beiden Extremen, finde in ihnen jedoch nicht sein wahres Ideal. Dieses situiere sich „in unsicherer Herrlichkeit und Vollkommenheit“ (ebd.: 205) genau zwischen den beiden Polen, repräsentiert durch den zweiten Typ, die orale Mutter, Demeter. In ihr manifestiere sich der ambivalente Zwischenbereich von guter und böser Mutter, die „Verbindung von Empfindsamkeit und Grausamkeit, […] das dreifache Gesicht des Kalten, Mütterlichen und Strengen“ (ebd.: 207).

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Das Ideal der oralen Mutter wird hier also als eine vom Vater unabhängige, mächtige und bedrohliche Instanz imaginiert. Doch bleibt es unerreichbar und erhält seine Macht nur in der Fantasie des Masochisten. Zudem hat das Ideal einen Makel: Der Masochist leide darunter, dass er das Bild seines Vaters, welches vom Ideal der oralen Mutter verdrängt und aus der Lebenswelt vertrieben worden sei, nie vollständig tilgen könne. Zu groß sei seine eigene Ähnlichkeit mit ihm. Er entwickle daher eine grundlegende Furcht vor dessen möglicher aggressiver Wiederkehr in halluzinatorischer Gestalt. Hieraus resultiere nun die den Masochismus kennzeichnende Kombination von Schmerz und Lust (ebd.: 217): Das masochistische Subjekt oszilliere zwischen dem Wunsch, mit der Mutter zu verschmelzen, und dem, zugleich von ihr gepeinigt zu werden; „was er aber in sich schlagen, demütigen und lächerlich machen lässt, ist das Bild des Vaters“. Diese Peinigung verschaffe Lust, denn sie mache ihn frei für die ersehnte „neue Geburt, in welcher der Vater funktionslos ist.“ Der Masochismus steht in diesem deleuzianischen Sinne also für die Fantasie der Niederschlagung des symbolischen Vaters als Repressionsinstanz bzw. des Über-Ichs. Er ist die „Geschichte, die erzählt, wie das Über-Ich vernichtet wurde, wer es vernichtete, und was aus dieser Vernichtung entstand“ (ebd.: 274). Wesentlicher Bestandteil dieser masochistischen Ästhetik ist der Akt der Verneinung und Suspension (vgl. ebd.: 186f.). Kraft seiner Verneinung der symbolischen Welt versetze sich der Masochist in einen Zustand der Schwebe, in dem er sich seinem Ideal der oralen Mutter öffnen könne. In der kulturellen Praxis artikuliere sich dieser Schwebezustand in Momenten „der stillstehenden Bewegung (suspense)“ (ebd.). Deleuze meint hiermit gebrochene oder erstarrte Bilder und Gesten, die in Venus im Pelz z. B. durch die niederfallende Peitsche oder den sich öffnenden Pelz dargestellt würden. Durch diese zeitweilige masochistische Erstarrung oder Suspension werde das Zusammenspiel von Schmerz und Lust hinausgezögert. Diese Technik ziehe den Leser (respektive den Zuschauer) auf die Seite des Opfers und zwinge ihn zur Identifizierung mit dem Opfer. Deleuze geht es Gratzke (2000: 101) zufolge mit dem Begriff des Suspense um „eine neue Konsistenzebene des Begehrens“, die sich dadurch auszeichne, dass das Erleben der Lust im Hinauszögern wichtiger sei als die Erfüllung im „Höhepunkt“. Das Wesen des Masochismus liege demnach im Warten.

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Masochismus in der Literatur- und Filmtheorie I Neben den Begriffen des Narzissmus und Hedonismus soll der Begriff des kulturellen Masochismus nach Deleuze in der vorliegenden Studie als Kategorie zur Beschreibung präödipaler Subjekttypen im Hollywood-Spielfilm seit den 1970er Jahren angewandt werden. Masochismus markiert ein Teilphänomen einer historisch nach-ödipalen, männlichen Subjektivität, die in der Postmoderne Einzug gehalten hat. Zunächst möchte ich aber einen kurzen Überblick über verschiedene Forschungspositionen darlegen, die sich mit masochistischen Ästhetiken und Subjektstrukturen in der Kultur vor den 1970er Jahren auseinandersetzen. Bereits in der Literatur seit der Aufklärung sowie später rudimentär auch im Erzählkino des klassischen HollywoodSpielfilms spielt Masochismus bei Heldensubjekten eine Rolle. Wie auch im Narzissmus artikuliert sich in ihm eine subversive Widerstandshaltung gegen die mächtige ödipale dominant fiction des bürgerlichen Kulturbetriebes, so dass unter kulturhistorischer Betrachtung anzunehmen steht, dass das relativ zeitgleiche Auftreten beider Phänomene in der Literatur ab den 1740er Jahren kein Zufall ist. Diverse Autoren haben – zumeist mit Deleuze – nachgewiesen, wie die masochistischen Merkmale der Unterwerfung bzw. Opferrolle, SchmerzLust, Vaterlosigkeit und Idealisierung der oralen Mutter der AntiHelden seitdem an einigen Stellen das dominante Bild viriler Siegertypen in der bürgerlichen Populärkultur unterwandern. Masochismus in der Literatur Eine der ersten modernen literarischen Verarbeitungen masochistischer Thematik und Ästhetik verortet Noyes (1997: 80ff.) bereits weit vor Sacher-Masochs Venus im Pelz in Clelands Briefroman Memoirs of a Woman of Pleasure (1748), besser bekannt als Fanny Hill. „In Fanny Hill, it seems that masochism is already an issue“ (ebd.: 85). Noyes bezieht sich dabei neben dem explizit ausgeschmückten Motiv der Schmerz-Lust durch Flagellation vor allem auf die theatrale und schwül(stig)-erotische Darstellung der Szenerie und Atmosphäre im Text. Für Gratzke (2000: 9) zeichne sich die Literatur seit 1770 (Sturm und Drang) vielfach durch eine erhöhte Empfindsamkeit des Mannes und die Zunahme masochistischer Motive aus. Im Zentrum seiner Untersuchung steht Goethes Figur des jungen Werther (ebd.: 124ff.).

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Gratzke attestiert ihm ein „pathologische Begehren“ (ebd.: 129), das sich nicht allein in seinem Narzissmus kanalisiere. Als Liebender verhalte er sich zudem wie ein Masochist und Fetischist. Werthers Fühlen und Handeln sei in ein Geflecht von Suspensionen eingebunden und von Theatralik und Affektsucht bestimmt. Es sei zudem „ein leichtes, […] Werthers Fixierung auf Mutter-Imagines als masochistisches und präödipales Festhalten an der Mutter-Kind-Dyade zu deuten“ (ebd.: 144). Nach ähnlichem Prinzip untersucht Gratzke den „konstituierenden Masochismus der Liebe“ (ebd.: 168) in Eichendorffs Märchennovelle Das Marmorbild (1818) sowie masochistische Tendenzen im Werk Kleists, manifestiert im „Scheitern der liebevollen Kommunikation an den nicht-auflösbaren Dominanzbeziehungen der Liebenden“ (ebd.: 191). Holger Rudloffs (1997) Fokus gilt der Literatur des frühen 20. Jahrhunderts. In akribischer Textanalyse stellt er Verbindungslinien her zwischen Sacher-Masochs Held Gregor/Severin aus Venus im Pelz und Kafkas Figur des Gregor Samsa in Die Verwandlung (1912) sowie Thomas Manns Figur des Hans Castorp in Der Zauberberg (1924). Sie seien durchdrungen von masochistischen Dispositionen wie z. B. der erotischen Aufladung, einer hohen Fantasietätigkeit, dem Wunsch nach Unterwerfung und der Angst vor der archaischen Rückkehr des aggressiven Vaters (vgl. ebd.: u. a. 27, 59). Rudloff bewertet diese masochistischen Dispositionen bei Kafka und Mann als Gegenkraft zur ödipalen dominant fiction, insofern sie „die herrschenden Konventionen und Vorstellungen des bürgerlichen Lebens außer Kraft“ (ebd.: 57) setzten. In seiner Auseinandersetzung mit den ganz allgemeinen narzisstischen und masochistischen Phänomenen in der populären bürgerlichen Literatur geht es Schmidbauer (1981) in Bezug auf den Masochismus primär um den deleuzianischen Aspekt des auf der regressiven Suche nach dem Ideal zwischen der guten (Aphrodite) und bösen (Athene) Mutter oszillierenden literarischen Helden (vgl. ebd.: 55f.). Sein Wunsch nach Wiederherstellung des Selbstgefühls, sprich der Dyade mit der guten Mutter, wechsle sich ab mit Bildern und Motiven von Befreiung, Licht und Bewegung, sprich der Angst vor der bösen Mutter. „Neben die Sehnsucht nach dem Paradies, vollständiger Geborgenheit tritt die Angst vor Enge, Finsternis und Tod“ (ebd.). Vor allem in populären Comics verlagere sich das Bild der bösen Mutter dabei häufig auf das Bild des Superbösewichts. Seine Zerschlagung durch

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den Superhelden stelle schlussendlich die imaginierte Einheit zwischen dem Ideal der Mutter und dem Kind wieder her (vgl. ebd.: 236). Masochismus im klassischen Hollywood-Spielfilm In Bezug auf Masochismus und Filmtheorie ist zunächst Gaylyn Studlars (1985) feministische, „theoriepolitische“ (Marquardt 1997: 70) Adaption der deleuzianischen Überlegungen zum kulturellen Masochismus zu nennen. Sie bricht darin mit dem von Mulvey erarbeiteten ödipalen Schaulusttheorem36, indem sie der Schaulust im klassischen Hollywood-Kino eine präödipale, masochistische Ästhetik zuschreibt. Studlar kritisiert zuvorderst die von Mulvey konstatierte ödipale Dichotomie von männlich/aktiv und weiblich/passiv und kehrt dieses Verhältnis um (vgl. ebd. 22ff.): Die Dar- und Ausstellung der Frau als Diva und Sexualobjekt diene nicht der vermeintlichen Festigung der patriarchalen, ödipalen Ordnung. Stattdessen evoziere sie im männlichen Zuschauer masochistische Züge der Ergebenheit, Passivität und der Bereitschaft, Leid zu erdulden (vgl. ebd.: 24). Der Grund dafür ist, dass er nicht in der Lage sei, Kontrolle auszuüben, weder über sich noch über die weibliche Imago. Vielmehr unterwerfe er sich im Rezeptionsakt dem Körper der ausgestellten, fetischisierten Frau bzw. der Imago der oralen Mutter und sei ihrem Blick ausgeliefert. Er könne sich hier also weniger in seinem ödipalen Begehren bestätigen, als dass er sich in einer masochistisch-präödipalen Konstellation verfange. Im Dispositiv des Hollywood-Kinos sei der Zuschauer „wie das Kind begehrend, aber hilflos, der passive Rezipient einer Lust, die von der Mutter […] kontrolliert wird. […] Die Frau sieht den Zuschauer in diesen Filmen direkt an […]. Dieser Akt ist der Erwiderung des Blickes durch die mächtige orale Mutter verwandt“ (ebd.: 35).

Studlar (1988) weist diese masochistische Dynamik mit ihren formalen Aspekten der Fantasie, Verneinung, Idealisierung und des Suspense in diversen Filmen Josef von Sternbergs mit Marlene Dietrich in der Rol-

36 Mulvey (1973) untersucht die geschlechtsspezifischen, ödipal determinierten Identifikationsmöglichkeiten, die in die Film-Zuschauer-Struktur des kinematographischen Dispositivs im klassischen Hollywood-Kino eingebaut sind.

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le der Femme fatale nach. Sie trete dort nicht als weibliches Mangelwesen auf, sondern als deleuzianisches Ideal der oralen Mutter, indem sie zwischen den Verkörperungen von Kontrollinstanz und Liebesobjekt oszilliere und somit die männlichen Zuschauer verunsichere. Diese seien ihrem Bild und Blick ausgeliefert. In den von Sternberg/ Dietrich-Filmen „stiehlt die femme fatale ihren ‚kontrollierenden Blick‘ nicht vom Mann, sondern übt die Autorität der präödipalen Mutter aus, mit deren Blick das Kind zum ersten Mal Liebe und Macht erlebt“ (ebd.).37 Bei Studlar geht es zusammengefasst um eine alternative formale Perspektive auf das klassische Hollywood-Kino als ein Apparat zur masochistischen Wunscherfüllung. Sie legt die „Widersprüchlichkeit kinematographischer Subjektkonsititution“ dar, indem sie die „komplexen Dimensionen einer von Macht und männlicher Unterwerfung bestimmten Geschlechterrepräsentation herausarbeitet“ (Kaltenecker 1996: 214). Diese filmtheoretische Kritik am ödipalen Dispositiv bewertet zwar das apparative Verhältnis von Film und Zuschauer neu, sagt aber nur wenig aus über die Konstitution der Hollywood-Helden. Systematische Abhandlungen, die ihnen masochistische Dispositionen nachweisen, sind rar. Zu nennen wären hier diverse Analysen der ebenfalls feministischen Filmtheorie über das Genre des Horrorfilms. So weist Barbara Creed (1993) nach, wie in diversen Horror-Blockbustern des klassischen wie auch des neuen Hollywood-Films (u. a. Psycho 1960, The Exorcist 1973, Alien 1979) das Bild der Frau/Mutter als Monster (the monstrous-feminine) die gängige ödipale Struktur zerstört. Die orale, sadistische und kastrierende Mutter übernehme hier die Funktion des phallischen Gesetzes und negiere den symbolischen Vater. Unter ihren Fittichen regrediere die männliche Figur angsterfüllt zum masochistischen Opfer bzw. ihrem Objekt (vgl. ebd.: 105ff.). Ähnlich argumentiert Annette Brauerhoch (1996: 133ff.). Im Horrorfilm werde die männliche Figur mit den beiden äußeren deleuzianischen Polen der Mutter konfrontiert: „einerseits die archaisch-primitive, furchterregende, verschlingende, vampiristische Mutter und andererseits die zärtliche, mitfühlende Mutter, bei der man Zuflucht und Geborgenheit fin-

37 Auf ähnliche Weise analysiert Silverman (1992: 125ff.) masochistische Dispositionen im Kino Fassbinders. In dessen Filmen stehe der männliche, sehnsuchtsvolle Blick für den Verlust der Kontrolle. Die Psyche der Zuschauer zentriere sich hierbei vor allem um das Bild der (oralen) Mutter.

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det“ (ebd.: 153). Somit werde die präödipale Mutter-Kind-Dyade „vom Horrorfilm als eine Situation reproduziert, in der der einstige Quell der Lust nun zur Quelle des Grauens wird […]. Der Horrorfilm übernimmt dabei die Funktion der Verarbeitung von schmerzhaften Prozessen“ (ebd.: 165). Das gleiche masochistische Muster identifiziert Brauerhoch, jedoch weitaus weniger massiv, im Melodram, in dem „nicht nur regressive Wunscherfüllung, symbiotische Fülle und Nähe repräsentiert ist, sondern eine andere Beziehungsstruktur, die von der Autorität der Mutter zeugt“ (ebd.: 81). Zusammenfassung Masochismus Abgesehen von den hier skizzierten Überlegungen zum präödipalen Apparatus nach Studlar und den Mutterbild-Analysen von Creed und Brauerhoch ist Masochismus im klassischen Hollywood-Kino kein Thema in der Filmtheorie. Offenbar sind entsprechende Charakterdispositionen der Helden in der bürgerlichen dominant fiction kaum vorhanden. Das Bild ändert sich jedoch im Hollywood-Spielfilm seit den 1970er Jahren. Unter den Existenzbedingungen der Postmoderne wird Masochismus in der Hollywood-Populärkultur ebenso offen artikuliert wie Narzissmus und Hedonismus. In diesem Sinne wird es im filmanalytischen Teil der vorliegenden Studie darum gehen, den präödipalen Masochismus jüngerer Spielfilmhelden darzustellen und unter Berücksichtigung der deleuzianischen Trias zu erarbeiten: Das Oszillieren des Helden zwischen Frauenbildern mit der Fixierung auf das Ideal der oralen Mutter, die Suspendierung des paternalen väterlichen Gesetzes und das Element des Suspense (Schmerz-Lust).

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A NTI -Ö DIPUSSE (D AVID L YNCHS ’ F ILME , A C LOCKWORK O RANGE , F ALLING D OWN ) Dass die Idee von Ödipus eine anthropologische Mär ist, steht im Zentrum der Überlegungen des Anti-Ödipus von Deleuze/Guattari (1974). Im postmodernen Kontext der 1970er Jahre haben sie die wohl radikalste Abrechnung mit dem freudschen Konzept verfasst. Zur Bestimmung des Anti-Ödipus Gilles Deleuzes und Félix Guattaris Anti-Ödipus liest sich nicht nur als Pamphlet „gegen eine autoritäre und lustfeindliche Gesellschaftsordnung“ (Gröller 2005: 45), sondern als humanistische Negation par excellence. Anti-Ödipus richtet sich gegen alle aufklärerischen Errungenschaften und Vorstellungen von Staat, Gesellschaft und ihrer kapitalistischen Ordnung, Familie und Subjekt; vor allem aber kritisieren die Autoren die all dies fundamental unterstützende Psychoanalyse und ihre „wahnsinnige Ödipalisierung“ bzw. den „Imperialismus des Ödipus“ (vgl. Deleuze/Guattari 1974: 65ff.). Sie hätten „diese Geschichten satt, in denen es einem dank Ödipus gut geht“ (ebd.: 104). Daher gelte ihre Absicht der Enttarnung des ödipalen familiären Dreiecks, sowohl in seiner konkreten Form als Vater-Mutter-Kind als auch in seiner formalen Struktur imaginär – symbolisch – real, als eine „pathologische Formation“ (ebd.: 65). Der Ödipuskomplex sei ein repressives Machtinstrument der bürgerlichen Gesellschaft, das das Subjekt bereits in seinen frühsten und intimsten Kindheitserfahrungen unterwerfe und „niederwalzt“ (vgl. ebd.: 69). Deleuze/Guattari bestreiten nicht die Existenz, Verbreitung und Wirksamkeit des Ödipuskomplexes. Vielmehr verachten sie ihn für seine dominante Präsenz; für seine Macht als Sozialisationsfeld. Ihr Ziel: „Desödipalisieren, das Spinnengewebe von Papa-Mama zerreißen“ (Deleuze/Guattari 1974: 145). Der Mensch sei von Anfang an ein System rastloser „Wunschmaschinen“ (ebd.: 7ff.). Wunschmaschinen artikulierten sich offen in alle Richtungen durch die Ströme ihrer libidinösen Energie. „Es atmet, wärmt, isst. Es scheißt, es fickt“ (ebd.). Als Partialtriebe würden sie dabei weder das eigene Ich als Subjekt noch fixierbare Objekte kennen: „Ich und NichtIch, Innen und Außen wollen nichts mehr besagen“ (ebd.: 8). Eine familiäre und symbolische Ordnung, in die es sich als Subjekt einzuglie-

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dern gilt, könne es in diesem polymorphen Zustand nicht geben, denn selbst die Eltern spielten nur die beliebige Rolle von Partialobjekten (vgl. ebd.: 130). Subjektivität sei absolut „anödipal“ (ebd.). Wunschmaschinen seien keine Maschinen der symbolischen Repräsentation, sondern der reinen Produktion. „Die Regel, immerfort das Produzieren zu produzieren […], definiert den Charakter der Wunschmaschinen“ (ebd.: 13). Produktion bedeute das Streben der Maschinen, sich in der Interaktion mit ihrer Umwelt zu verwirklichen (vgl. ebd.: 11). Dies geschehe in der assoziativen Kopplung ihrer libidinösen Ströme untereinander, beginnend mit der ursprünglichsten aller „konnektiven Synthesen“, der Kopplung der Organ- und Quellmaschinen von Brust und Mund (vgl. ebd.). Deleuze/Guattari zufolge schafft also das Ensemble der Wunschmaschinen und ihrer Konnexion den Organismus. Problematisch sei jedoch, dass dieser Organismus des menschlichen Körpers keine ganzheitliche Organisation besäße. Alles in allem sei er eine „unorganisierte Masse“ (ebd.: 14) und als solche ein steriler, unproduktiver, „organloser Körper“ (ebd.). Er liege den partiellen Wunschmaschinen zwar zugrunde, befinde sich aber gleichermaßen in einem „erkennbaren Konflikt“ mit ihnen, und so stoße er die ihm „unerträglichen Wunschmaschinen“ ab (ebd.: 15ff.). Ihren libidinösen Strömen widersetze er sich durch „sein undifferenziertes, amorphes Fließen. Den phonetisch aufgebauten Worten setze er Seufzer und Schreie, ungegliederte Blöcke, entgegen“ (ebd.: 15). Im Spannungsfeld dieser psychisch-maschinellen Instanzen, „in der Bejahung dieser Dezentrierung findet das Subjekt seine Identität“ (Loick 2000: 102). Die Crux ist, dass sich recht früh die Kräfte der gesellschaftlichen Wunschproduktion (in Form der sozial-kulturellen Praktiken der bürgerlich-kapitalistischen Ordnung) totalitär in den organlosen Körper einschrieben, der ihnen als Aufzeichnungsfläche diene. Und dieser Prozess der Aufzeichnung führe dabei nur über die Kategorie von Ödipus (vgl. ebd. 16ff.). Hier bemächtige sich das „allgemeine bürgerliche Werk“ (ebd.: 63) seiner Subjekte. Der lacansche Name-desVaters stehe diesen als oberste paternale, Ödipus begründende Gesetzesfunktion wie ein „furchtbarer Archaismus des Despoten“ (ebd.: 268) vor. Die Autoren verorten darin den grundsätzlichen „Kunstgriff der herrschenden Klasse“ (ebd.: 38) zu ihrem Machterhalt. Der Weg hinaus aus dieser bis dato „siegreichen Gesellschaftsmaschine“ (ebd.: 177) könne nur über einen Widerstand führen, der sich aus der genuinen Kraft der Wunschmaschinen speise. „Fest steht, dass die Partialob-

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jekte ausreichend geladen sind, um Ödipus in die Luft zu sprengen“ (ebd.: 56). Seit den 1970er Jahren ist eine Reihe von Hollywood-Spielfilmen entstanden, die im Sinne des Anti-Ödipus interpretiert werden können. Dafür kommen verschiedene Lesarten in Frage. Anti-Ödipus bei David Lynch Am unmittelbarsten, so denke ich, ist Anti-Ödipus anwendbar auf die ästhetische Praktik postmoderner Hollywood-Spielfilme, in deren Konstruktion die logisch-narrativen Bezüge von Erzählkontinuität, Chronologie und Kohärenz aufgegeben werden. Dominante Wesensmerkmale dieser Filme sind A-Perspektivität, Wirklichkeitsdissoziation und die Verfremdung der Figuren. Anstelle einer deutbaren Handlung tritt in ihnen das Spiel der materiellen Signifikanten. Dabei entstehen z. T. künstliche Arrangements von Bildern, Farbe, Ton, Musik, Atmosphäre, Rhythmus, Körperlichkeit etc. Grob (2002: 292) zufolge zielen diese Filme „auf irritierende, übersteigerte Künstlichkeit, auf labyrinthische Bilder, die mystifizierend wirken, auf Blickwechsel, die gegen die narrative Komposition sich richten. So daß gelegentlich das Ende geheimnisvoller und rätselhafter ist als der Anfang.“ Kontemplation ergibt sich für die Zuschauer hier weniger aus der Rezeption einer im Rahmen der symbolischen Ordnung intelligiblen Handlung, als vielmehr daraus, dass sie in enger Abfolge verschiedene Gefühle wie Angst, Erregung, Wut, Glück erleben. Unter anderem sind solche Phänomene in den Filmen der Regisseure Brian de Palma, Luc Besson und Ridley Scott anzutreffen (vgl. Felix 2002); in extremer, destillierter Form aber bestimmen sie das Werk David Lynchs (ebd.). Formal-ästhetisch betrachtet, schreibt sich Anti-Ödipus bei Lynch wohl in seiner reinsten Form filmisch realisierter Prozess- und Triebhaftigkeit ein.38 Im morbiden Eraserhead (1977) werden der Tod der Natur und die menschenverachtende Macht des industriellen Kapitalismus heraufbeschworen. Das Setting ist eine düstere Ruinenlandschaft alter Fabriken und Wohnsilos, überall aggressiv wummernde Gerätschaften. Bild,

38 Zur spezifisch postmodernen Filmkunst, der gesellschaftlichen Vermittlung und Formen der Dekonstruktion bei Lynch vgl. Georg Seeßlen (1998, 2003).

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Ton und filmische Atmosphäre evozieren ein beklemmendes Zusammenspiel lauten Maschinengetöses, gleißend flackernder Lichter und pfeifender Rohre; der Inbegriff des organlosen Körpers, dessen höllische Wunschmaschinen in einem ungezügelten, libidinösen Strom ihre Energie absondern. „Tief im Inneren […] dröhnen und brummen die Wunschmaschinen“ (Deleuze/Guattari 1974: 68). Eraserhead ist die bebilderte Ästhetik des wilden, barbarischen Aktes der reinen Produktion und zugleich die ultimative Negation alles Symbolischen. Subjekt, Familie, Triangulation, Initiationsreise? Fehlanzeige. Das Leben des Anti-Helden Henry ist eine einzige ziellose Grenzerfahrung zwischen Realität, Traumwelt und Halluzination. Seine Frau gebiert ihm ein extrem missgebildetes Kind. Henry rammt ihm eine Schere ins Herz. Bedrohliche, deformierte oder verwesende Menschen kreuzen seinen Weg, und immer wieder steht das Abjekt im Zentrum: Sperma, Blut, Ausschlag und Degeneration. Am Ende wird ihm der Kopf abgeschlagen und in einer bizarren Szene zu Radiergummiköpfen verarbeitet. „Die Geschichte am Ende dieses [20.] Jahrhunderts hat den Menschen verstoßen; sie hat, ebenso wie die tote Industrie in Lynchs Filmen, ihn nicht mehr zum Subjekt“ (Seeßlen 2003: 212). In Blue Velvet (1986) führt ein abgeschnittenes Ohr den naivneugierigen Protagonisten Jeffrey in eine fantasmatische Parallelwelt. Sie ist unheilvoll, albtraumhaft, verroht und oszilliert zwischen den bedrohlichen Farben blau (steht hier für Gewalt) und rot (steht hier für Sex). Mangel und Begehren werden in ihr substituiert durch den Trieb. Jeffrey begibt sich darin auf eine Initiationsreise in die dunklen Abgründe von Sex, Gewalt, Mord und Erniedrigung. Es ist eine obszöne Initiation, die des reinen Genießens, der lacanschen jouissance. Im Zentrum der Handlung steht die pervertierte Variante der ödipalen Urszene. Aus dem Schrank heraus erblickt (der kleine Junge) Jeffrey, wie der psychotisch entrückte Gangster Frank zwischen die gespreizten Beine Dorothys kriecht, „Mami, Baby will jetzt ficken!“ schreiend. Er schlägt und vergewaltigt sie. Im direkten Anschluss an dieses düstere Szenario tauschen die gepeinigte und dennoch erotisierende Dorothy und der verstörte Jeffrey Zärtlichkeiten aus, die sich im masochistischen Moment kanalisieren: „Siehst du meine Brüste, du kannst sie anfassen. […] Schlag mich!“ Jeffrey schlägt aber nicht. Er gehorcht diesem Befehl erst beim wiederholten Treffen in einer der darauffolgenden Nächte.

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Dorothy: „Bist du ein böser Junge? Willst du schlimme Sachen tun? Tu, was du willst! Alles! Du sollst mir wehtun!“ Flackern, hektische Bildabfolge, Jeffrey schlägt zu und dringt in sie ein. Dorothy: „Jetzt hab ich dein Gift in mir!“

Blue Velvet ist, wie Jeffrey selbst mehrfach reflektiert, sein triebhaft anti-ödipales Abenteuer „in eine fremde, seltsame Welt“. Die bürgerliche, ödipale Welt, in der sich Jeffrey in die unschuldige Sandy verliebt, ist eine Schimäre. Insbesondere in der Closure wird das übersteigerte Idyll dem triebhaften Eigenleben von Blue Velvet ironisch verachtend entgegensetzt. Unmöglich, die verworrene Handlung von Mulholland Drive (2001) nachzuerzählen. Letztlich betreibt der Film ein Spiel mit den Identitäten zweier Frauen, der blonden Betty bzw. Diane und der dunkelhaarigen Rita bzw. Camilla. In diesem Spiel werde „das Abstrahieren des Genießens vom Körper am Beispiel weiblich sexuierter Figuren inszeniert“ (Bergande 2006: 199). Das Narrativ situiert sich auf (mindestens) zwei voneinander nicht abgrenzbaren Traum- und Realitätsebenen. Ununterbrochen werden diffuse Gestalten, z. B. der Teddybär, und Orte, z. B. das Cabaret, eingeführt. Der zweite Filmteil ist ein skurriler Psychotrip von Demütigung, Eifersucht, Erotik, Wut, Verzweiflung, Hass und Tod. Dianes letzter schwerer Eifersuchtsanfall endet in einer unkontrollierten Bilderflut: an einem Feuer hockt eine entstellte Gestalt. Vor ihr, am Boden, türmt sich Abfall, durch den zwei vergnügte Miniaturfiguren kriechen: ein älteres Ehepaar. Es krabbelt unter der Tür hindurch in Dianes Wohnung und bewegt sich kreischend auf sie zu. Diane ist fieberkrank, sie zittert und schwitzt, Schreie ertönen aus dem Off, helle Stroboskopblitze flackern auf, blaue Farben wechseln mit roten. Sie flüchtet aufs Bett, nimmt einen Revolver, drückt ab, sinkt nieder und Rauch steigt auf. Eine letzte Szene führt zurück ins abstruse Cabaret. Eine Frau mit blauem Dutt vor rotem Vorhang sagt „Silencio“. Wie in den voranstehenden beiden Beispielen aus Lynchs Werk geht es auch in Mulholland Drive zuvorderst um die Inszenierung von Irrationalität und die Regression vom Begehren zum Trieb. Frei schwebende, emotional aufgeladene Bilderassoziationen ersetzen begriffliche Gedankenverbindungen und erzeu-

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gen eine „Reibung des Materials. Selten ist man so ins Vibrieren gekommen im Kino“.39 Alle drei Beispiele aus Lynchs Schaffen stehen für eine besondere Ausprägung der spezifisch postmodernen, heterogenen HollywoodÄsthetik. Ihr zentrales gemeinsames Wesensmerkmal ist, dass in ihnen die bürgerlichen sozial-kulturellen Alltagspraktiken mit ihrer psychotischen, albtraumhaften Kehrseite konfrontiert werden. Konstitutiv ist eine Topologie des prä-symbolischen Triebes. Dies gilt sowohl für den Inhalt der Handlung als auch für die filmische Komposition von Bild und Ton. Die Momente der Identifikation und des Begehrens sind ihnen fremd. Insofern wird das ödipale Dreieck hier in jeglicher Hinsicht, sprich inhaltlich, formal und bezogen auf den Rezeptionsakt, suspendiert. Im deleuzianischen Sinn sind diese Spielfilme dezidiert anti-ödipal und notwendigerweise trifft dies auch auf ihre Protagonisten zu: „Ein seltsames Subjekt ist es, bar jeder festen Identität, fortwährend auf dem organlosen Körper an der Seite der Wunschmaschinen umherirrend, definiert durch das, woran es am Produkt teilhat, überall als Gratifikation ein Werden oder eine Verwandlung erhaltend, aus Zuständen geboren, die es konsumiert, und einem jeden Zustand zurückgegeben“ (Deleuze/Guattari 1974: 24).

Anti-Ödipus und die fundamentale Verweigerung der Helden in A Clockwork Orange und Falling Down Eine zweite Möglichkeit, Anti-Ödipus im Hollywood-Kino seit den 1970er Jahren zu verorten, ergibt sich in der Sichtung einer Reihe von Blockbustern, die der klassischen narrativen Struktur weiterhin folgt. Die anti-ödipale Dimension dieser Spielfilme begründet sich aus ihrem thematischen Zentrum, in dem die fundamentale Verweigerung ihrer männlichen Helden steht. In erster Linie verweigern diese sich jeglicher Triangulation, das heißt sie erkennen den Phallus und die symbolische Ordnung nicht an. Des Weiteren sind sie nicht in der Lage, Bedürfnis/Liebesanspruch am Ort des Weiblichen zu realisieren, oder beides wird dort zurückgewiesen. Praktisch bedeutet dies, dass sie we-

39 Göttler, Fritz: Zwei Mädchen suchen eine Persona. In seinem Phantomfilm „Mulholland Drive“ feiert David Lynch die Präsenz des Wirklichen. In: Süddeutsche Zeitung 02.01.2002.

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der Gesetze noch Autoritäten respektieren, ihr bürgerliches Umfeld verachten und sich ihr Verhältnis zu Frauen meist nur in sexuellem Verlangen und/oder Bedrohung besteht. Die Bindung zu ihren Elternfiguren ist meist zutiefst belastet oder zerstört. Ihre Initiation gerät zwangsläufig zu einer anti-ödipalen, regressiven, vom Trieb bzw. dem obszönen Genießen beherrschten Reise, die nicht im Happy End, dafür aber üblicherweise im Ausagieren von Gewalt- und z. T. auch Sexualhandlungen mündet.40 Diesen anti-ödipalen Helden wohnt ein spezifisch irrationales, krankhaftes und beängstigendes Moment inne. Den Prototypen dieses anti-ödipalen Helden macht Žižek (2002: 209ff.) bereits in der Figur des Norman Bates aus Hitchcocks Psycho (1960) aus. Norman sitze in der psychotisch-triebhaften Falle der imaginären Verschmelzung seiner eigenen Identität mit der Identität seiner verhassten und zugleich bedingungslos geliebten Mutter. Daraus resultiere der zwanghafte Mord an ihr und auch an Marion, die er aufgrund seiner Regression nicht begehren könne. „Was ihm fehlt, ist die Wirkung der ursprünglichen Metapher, durch die der symbolische Andere (das strukturale, vom Namen-des-Vaters verkörperte Gesetz) jouissance/das Genießen, d. h. den geschlossenen Kreislauf des Triebes ablöst. […] Norman Bates ist demnach eine Art Anti-Ödipus avant la lettre: Sein Begehren entfremdet sich im maternen Anderen, dessen grausamen Launen es auf Gedeih und Vererb ausgeliefert ist“ (ebd.: 212).

Zwei von Normans populärsten postmodernen Nachkommen seit den 1970er Jahren sind Alex in Stanley Kubricks A Clockwork Orange (1971)41 und William Foster in Falling Down (1993). A Clockwork Orange: Für die bürgerliche Gesellschaft, in der er lebt, hat der junge Alex außer Spott und Verachtung wenig übrig. Keine Ausbildung, keine Freundin, keine Integration. Seine Eltern haben weder ihn noch ihr eigenes Leben im Griff. Die Mutter schluckt Tabletten und auch Alex selbst pumpt sich allabendlich mit den Jungs sei-

40 Zum verstörenden Erlebnis von Sex und Gewalt im postmodernen Hollywood-Spielfilm, z. B. in Natural Born Killers (1994), vgl. auch Dirk Blothner (1999: 71ff.). 41 A Clockwork Orange wurde in Großbritannien produziert. Da Stanley Kubrick Regie geführt hat, ist der Film jedoch dem Hollywood-Spielfilm zuzuordnen.

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ner Gang mit Milk-plus (Milch + Drogen) voll, um im Rausch brutal zu peinigen und zu zerstören. Sie verprügeln einen Obdachlosen und dringen in das Haus eines Paares ein, wo sie eine beispiellose Gewaltorgie veranstalten. Bereits zum Krüppel geschlagen, muss der Ehemann mit ansehen, wie Alex seine Frau vergewaltigt. Der Film zelebriert in fürchterlicher Weise Alex reines Genießen. Es ist ein Übertritt aus der symbolischen Struktur der Gesellschaft in den Bereich des extrem mit Scham und Tabus besetzen Verdrängten. Einen Mord später landet Alex im Gefängnis. Die Zustände dort sind totalitär, militärisch organisiert und zynisch. Die Staatsautorität antwortet auf Alex’ Gewalt mit Gegengewalt. Alex wird zum Probanden. Mit einem Serum sollen seine kriminellen Reflexe abgetötet und das Böse aus ihm vertrieben werden. Alex lernt die Gefühle von Todesangst, Grauen und Hilflosigkeit kennen. Sukzessive stirbt der kranke Trieb der entfesselten Wunschmaschine ab. Bald geht von Alex keine Gefahr mehr für die bürgerliche Ordnung aus, allerdings zum Preis des Verlustes seiner Identität. Alex wird zur seelenlosen Puppe, funktioniert fortan wie ein Uhrwerk. Er wird erniedrigt und misshandelt. Der letzte Teil des Filmes ist die spiegelbildliche Umkehrung des ersten. Wieder auf freiem Fuß unternimmt Alex eine regressive Reise durch die Stationen seines früheren Lebens und wird von seinen ehemaligen Opfern rachsüchtig erniedrigt und gefoltert. „Es ist nur gerecht, dass du jetzt leidest“. Am Ende stürzt sich Alex aus dem Fenster, um diese „schreckliche böse Welt“ zu verlassen. Im Grunde gilt für Alex dieselbe fatale anti-ödipale Verstrickung wie für Norman Bates. Während Normans Tod am Ende jedoch im Zeichen einer heilsamen Rückgewinnung des Gleichgewichts der ödipalen Kräfte (ein Korrektiv im Namen-desVaters) steht, lässt Alex’ Tod deformierte Verhältnisse zurück. Die offene Frage, inwieweit anti-ödipale Triebkräfte das Fundament der bürgerlichen Ordnung, allen voran ihrer Autoritäten, subvertieren, verweist meines Erachtens auf die postmoderne Essenz von A Clockwork Orange. Falling Down: Ein endloser Verkehrsstau zur morgendlichen Rushhour von Los Angeles: Falling Down beginnt mit einem Close-up von William Fosters (Michael Douglas) gezeichnetem Gesicht. Stöhnen, Schwitzen, starrer Blick. Um ihn herum surrende Fliegen, Lärm, genervte Menschen. Dieses Eingangsszenario steht sinnbildlich für die banalen Umstände des urbanen Lebens, die das Fass bei ihm zum Überlaufen bringen. Er verlässt seinen Wagen, klettert über einen Hü-

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gel und steigert sich in einen blutigen Amoklauf. Weil ihm die Dose Cola zu teuer ist, zertrümmert er mit einem Baseballschläger die Einrichtung eines kleinen Shops. Ein Disput mit zwei Latinos endet im Massaker. Ausgerüstet mit ihren Schusswaffen hinterlässt William in der Stadt eine Spur der Gewalt und Verwüstung, die im Mord an einem faschistischen Ramschhändler gipfelt. Immer wieder holt die Kamera Randgruppen ins Blickfeld: Obdachlose, Trinker, Aids-Kranke. Doch noch radikaler als sie wird hier William selbst als der nicht integrierbare, reale Überschuss der symbolischen Ordnung inszeniert. Ein anti-ödipales Sinthom des Systems: „Ich bin auf der Rückseite des Mondes, kein Kontakt zur Außenwelt.“ Die bürgerlich-kapitalistische Gesellschaftsmaschine hat ihn in die Ecke gedrängt. Obwohl er ihre repressiven Spielregeln stets befolgt hat,42 hat sie ihn fallen lassen. William lebt im steril eingerichteten Haus seiner Mutter, die er hasst. Der Vater ist tot. Kürzlich hat William seinen Job verloren, bereits zuvor ist seine Ehe gescheitert. Er darf keinen Kontakt zu seiner kleinen Tochter aufnehmen („Hier ist nicht mehr dein zuhause!“) und muss Abstand wahren. Am Tag der Filmhandlung hat sie Geburtstag. Williams blutiger Trip ist daher nicht ziellos und willkürlich. Es zieht ihn zurück, zu dem von ihm als idyllisch imaginierten Ort, an dem einst alles in Ordnung war: Seine Familie. Zorn mischt sich mit der Sehnsucht nach Triangulation und ödipaler Verwirklichung. Natürlich gelingt es ihm nicht, diesen Zustand mit Gewalt wiederherzustellen, denn William ist das personifizierte lacansche ‚Unmögliche‘, ohne jede Chance auf Rehabilitation. Ex-Frau und Tochter fliehen bei Williams Ankunft aus ihrem Haus. Der Showdown mit Kommissar Pendergast auf einem Brückenkai endet für William tödlich. Auch Pendergasts Rolle ist interessant, denn in gewisser Weise stellt er das spiegelbildliche Korrelat zu William dar. Auch seine Ehe ist kaputt: Das Kind ist tot, die Frau psychisch erkrankt und als Haustyrann mutiert. Es ist auch Pendergasts letzter Tag vor dem Ruhestand. Sein Vorgesetzter schenkt ihm dafür Verachtung: „Stehlen Sie mir nicht meine Zeit, indem sie so tun, als ob sie ein echter Polizist wären.“

42 Ausdruck hierfür ist seine penible, (spieß)bürgerliche äußere Erscheinung mit Aktentasche, Schlips und ordentlichem Kurzhaarschnitt. „Ich hab immer alles getan, was man mir gesagt hat!“

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Norbert Grob (2002: 290) zufolge „erhöht die kontradiktorische Geschichte drumherum, in der ein Polizist sich zu einem Spürhund fanatisiert, das persönliche Drama zur allgemeinen Bestandsaufnahme. Dem Polizisten, selbst ohne Ausweg, ohne Zukunft, geht es keinen Deut besser. Er hat nur das Glück, daß er auf der richtigen Seite sich austoben darf.“

Zusammenfassung und Ausblick Zusammengefasst ist das Subjekt für Deleuze/Guattari hochgradig energetisch-libidinös besetzt, es ist ein „außergesellschaftlich gesetzter körperlicher, koextensiver Ort“ (Loick 2000: 95), an dem sich die ödipale Repression der bürgerlichen Gesellschaft einschreibe. Diese sei viele Jahre nicht diskutiert, hinterfragt oder attackiert worden (vgl. Schmiedel 2004: 169). Im Anti-Ödipus artikuliert sich daher nun massiver Widerstand der Autoren gegen die „deprimierende Einheitsgeschichte des Ödipus“ (Gröller 2005: 50). Im Zentrum steht ihr Wunsch nach Befreiung. Die Topik des Anti-Ödipus hat zweifelsohne befreienden Charakter, erschwert aber den analytischen Zugang zum Subjekt. Wenn sich alles Menschsein allein aus einem anonymen, triebhaften, wunschmaschinellen Libidostrom speist, jegliche sozial-kulturell antrainierte Formen der Subjektivität radikal in Frage gestellt und symbolische Dimensionen (Produktion statt Repräsentation) negiert werden, kann das Subjekt kaum noch bestimmt werden. In Bezug auf den Hollywood-Spielfilm seit den 1970er Jahren können somit allein postmoderne Artefakte mit Anti-Ödipus interpretiert werden, die von einer zerstörerischen, dissoziativen Kraft bestimmt sind, in denen also Subjekte (z B. die Anti-Helden Alex und William Foster) oder gar ganze Narrative (z. B. die Filme David Lynchs’) radikal verfremdet und vom asymbolischen Trieb beherrscht werden. Das vorliegende Buch nimmt eine andere kulturtheoretische Position ein: Vor dem Hintergrund des hier ausführlich erörterten Bruchs mit dem ödipalen Imperativ im historischen Kontext der 1970er Jahre sollen Heldenfiguren des Hollywood-Spielfilms als präödipale Subjekttypen identifiziert werden. Von ihnen geht tatsächlich ein befreiendes (und kein zerstörerisches) Moment aus. Diese neueren – auch

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und insbesondere von Michael Douglas verkörperten – Filmhelden, um die es im nächsten Kapitel gehen wird, haben sich von der ödipalen Dominanz emanzipiert und stehen für veränderte Muster der Subjektivation im Hollywood-Spielfilm, die sich mithilfe des Narzissmus, Hedonismus und Masochismus beschreiben lassen.

Kapitel 4 Präödipale Helden: Die Figuren von Michael Douglas und Tom Cruise

Im Zuge der veränderten sozial-kulturellen Praktiken der Postmoderne ist klassisch bürgerlich-ödipale, männliche Subjektivität zugunsten heterogener Konzepte von Männlichkeit demontiert worden. Die normativen Begriffe vom Mann und von der Männlichkeit sind „frei schwebende Signifikanten ohne Referenzpunkte“ (Simpson 1994: 6). In Kategorien der psychoanalytischen Subjekttheorie haben sich Narzissmus, Hedonismus und Masochismus als präödipale Dispositionen männlicher Subjektivität massiv herausgebildet und sind zum offen artikulierten, konstitutiven Bestandteil der dominant fiction geworden. In diesem abschließenden Kapitel geht es nun um das primäre, kulturtheoretische Erkenntnisinteresse der vorliegenden Studie. Es sollen präödipale Subjekttypen des Hollywood-Spielfilms seit den 1970er Jahren bestimmt und es soll dargestellt werden, wie sie sich nicht mehr in die obsolete ödipale Ökonomie des klassischen HollywoodSpielfilms einfügen.

H OLLYWOOD DER FRÜHEN 1970 ER J AHRE , ACTIONHELDEN (D IE H ARD ) UND SOFT MEN (F ORREST G UMP ). E IN F ORSCHUNGSÜBERBLICK Einige Arbeiten der jüngeren, zumeist psychoanalytisch fundierten Filmforschung setzen sich bereits in unterschiedlicher Form mit dem Phänomen präödipaler Subjektivität von Hollywood-Spielfilmhelden

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seit den 1970er Jahren auseinander. In der Regel geschieht dies jedoch ohne explizit von Präödipalität zu sprechen und ohne systematischen Bezug auf dieses Phänomen. Im Folgenden möchte ich diesen Bezug herstellen, indem ich für meinen Zusammenhang besonders aufschlussreiche Ausführungen der Filmtheorie erörtere und diskutiere, inwiefern sie meine These einer massiven Etablierung präödipaler Subjekttypen im Hollywood-Spielfilm seit den 1970er Jahren stützen. Auf dieser filmtheoretischen Grundlage möchte ich anschließend exemplarisch eine Auswahl der von Michael Douglas und Tom Cruise verkörperten Spielfilm-Helden analysieren. Vaterfigur, Mutterimago, Held, Zuschauer: Der Bruch mit dem ödipalen Imperativ im postmodernen Hollywood-Spielfilm Wer oder was sind also die präödipalen Subjekttypen im postmodernen Hollywood-Spielfilm? Nach den bisherigen Überlegungen und Ergebnissen geht es bei ihnen allgemein um männliche Filmhelden zwischen 20 und 50 Jahren, die als Dauerjugendliche die entscheidende, dritte Phase des Ödipuskomplexes nicht erfolgreich passiert haben (vgl. auch Žižek 2001: 460). Im postmodernen Hollywood-Spielfilm ist diese Konstellation praktisch gekennzeichnet durch ein schlechtes, problembehaftetes Verhältnis der Helden zu ihren Vaterfiguren/symbolischen Autoritäten (vgl. Elsaesser 2002: 55ff.), deren schlichte Abwesenheit (vgl. Žižek 2001: 338; Gotto 2001: 8ff.1) oder Darstellung als betrügerische Schi-

1

Elisabeth Gotto weist hier nach, dass – als Korrektiv der massiven Abwesenheit der Vaterfiguren bzw. ihrer Darstellung als Versager/Betrüger – im Hollywood-Spielfilm der 1980er ein ganzer Zyklus an Filmen abgedreht wurde, in denen das Bild eines liebevollen, fürsorglichen Vater entworfen wird, wie z. B. Mr. Mom (1983) und Three Men and a Baby (1987) (vgl. ebd: 28ff.). „Spezifisch männliche Ängste des patriarchalen Machtverlustes, die mit der Restrukturierung des klassischen Familienmodells einhergehen, sollten in den Hollywoodfilmen der 80er Jahre kompensiert werden“ (ebd.: 94). Der hier dargestellte häusliche Vatertypus sei aber nicht vergleichbar mit der Rolle des autoritären Patriarchen des klassischen Hollywoods. Später, im Hollywood-Spielfilm der 1990er, sei dieses Muster domestizierter Väterlichkeit jedoch zugunsten mehrdimensionaler, heterogener Männlichkeitsentwürfe verworfen worden, wie z. B. in Look Who’s

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märe einerseits und die enge, intime Beziehung zu den Mutterfiguren (vgl. Elsaesser 2002: 61; Brauerhoch 19962) bzw. deren allgemeine Aufwertung in Hollywood3 andererseits. Zugleich zeigen die Helden zumeist wenig Interesse, feste Partnerbeziehungen einzugehen. Diese waren im klassischen Hollywood-Kino noch unabdingbar für eine erfolgreiche Beendigung der Mission des Helden. Aufgrund dieses fundamentalen ödipalen Konfliktes tritt nun eine grundsätzliche Ambivalenz auf: Einerseits fordert das weiterhin häufig klassische Narrativ von den Helden das Durchschreiten einer ödipalen Initiationsreise und das Gelingen ihrer Triangulation, andererseits verfügen sie aber nicht mehr über die dafür notwendige, ödipal-normative männliche Ausstattung. Sie reiben sich (auf) an den symbolischen Koordinaten, die mit ihrer Begehrensstruktur nicht mehr korrespondieren. Die „repressive Dimension des Ödipus-Mythos“ (Denzin 1991: 155) setzt ihnen zu. Thomas Schatz (1993: 23) konstatiert: „The seemingly one-dimensional characters and ruthlessly linear chase-film plotting are offset by a purposeful incoherence which actually opens the film to different readings (and readers), allowing for multiple interpretive strategies.“

Talking (1989) oder Mrs. Doubtfire (1993) (vgl. ebd.: 36ff.). Zur Inszenierung von fürsorglicher, häuslicher und kinderpflegender Väterlichkeit in der Populärkultur, insbesondere dem Hollywood-Spielfilm der 1980er Jahre als Antwort auf den Vaterverlust vgl. auch Neil Rattigan und Thomas P. McManus (1992: 15) und E. Ann Kaplan (1992: 180ff.). 2

Ihr zufolge konzentriert sich die Filmwissenschaft seit Mitte der 1970er Jahre auf „Theorien, in denen es um ‚die Mutter‘ geht. Ödipale, vaterzentrierte Konstrukte gerieten nun in Konkurrenz zur Bedeutung der präödipalen Mutter“ (ebd.: 6). Wie auch in Bezug auf die Vaterfigur gehe es dabei aber nicht zwangsläufig um die echte Mutter, sondern um ihre Imago, also nach Lacan um die „immer nur in der Phantasie existierende und als eine Position im Verhältnis zur symbolischen Ordnung“ (ebd.: 9).

3

Lübke, Karina: Die totale Mamamanie. In: Süddeutsche Zeitung Magazin (2008)/40. In Lübkes Artikel geht es darum, dass der Mutterschaftsboom unter Hollywoods Top-Schauspielerinnen (von Angelina Jolie über Nicole Kidman bis Sarah Jessica Parker) kein Zufall sei. In ihm äußere sich eine veränderte gesellschaftliche Wahrnehmung. „Mutterschaft mutiert wieder zum moralischen Maß“ (ebd.: 12), und so wollten allen voran die weiblichen Hollywood-Stars ihre Star persona sichern, indem „sie der ganzen Welt zeigen, dass sie ideale Mütter sind“ (ebd.: 11).

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Neuere Filmhelden seit den 1970er Jahren lassen sich also nicht in die Rollenmuster des klassischen Hollywood-Kinos einfügen und unter der statisch-ödipalen Vorhersagbarkeit eines akkuraten Matt Calders erfassen. Je nach Lesart zeichnen sie sich entweder durch Identitätsängste (vgl. Newman 1978: 429) oder historisch nach-ödipale Begehrensformen (vgl. Pfeil 1995: 31) aus und kompensieren ihren ödipalen Konflikt – so die Theorie des vorliegenden Buches – in spezifischen Ausprägungen präödipaler Subjektivität, das heißt, sie weisen narzisstische, hedonistische und masochistische Dispositionen auf. Alle drei präödipalen Subjektdispositionen sind per se durch das Scheitern der ödipalen Triangulation mit den Elternfiguren bestimmt und legen darüber hinaus eine Verweigerungshaltung gegenüber den sozialkulturellen bürgerlichen Praktiken und Konventionen an den Tag. Auch die Subjektposition der Rezipienten hat sich verändert. Das Begehren des Zuschauersubjekts der Postmoderne wird nicht mehr durch die bürgerlich-ödipale Schaulust determiniert. Rezipienten fühlen sich durch die starken, unfehlbaren Helden nicht mehr repräsentiert, das heißt, sie erkennen sich in ihnen nicht wieder. So belegt Walter Hollstein (1990) in seiner Studie, dass die MännlichkeitsArchetypen des klassischen Hollywood-Kinos, wie zum Beispiel Humphrey Bogart oder Gary Cooper, nicht mehr gefragt sind. Viel beliebter seien softere Filmstars. Sie „sind verletzbar, zeigen Schwächen, haben Probleme, kennen Niederlagen fast besser als Siege, haben es beim anderen Geschlecht nicht leicht und kämpfen sich durchs Leben […]. Sie konterkarieren das eindimensionale Männerbild der Erfolgreichen, ewig Strahlenden, immer im Sattel Sitzenden, allseits Bewunderten und von Frauen Verehrten“ (ebd.: 213).

In diesem Sinne beschreibt Thomas Elsaesser (2002: 58ff.) Kino im „postmodernen Spannungsfeld“ als den Ort, „an dem Identitäts(denken) sich auflöst in Identifikationsstrukturen und Subjektpositionen […]. Die postmodernen Artikulationen des Subjekts und seine Identifikationen […] sind Teil eines historischen Umschichtungsprozesses“.

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Narzissmus und Masochismus in der Filmtheorie II Elsaesser reflektiert Narzissmus als erkennbaren Ausdruck einer neuen, nach-ödipalen Subjektstruktur im postmodernen Spielfilm: „Allmachtsphantasien und Abenteuer des narzisstischen Ich“ (ebd.: 50) hätten das Kommando im postmodernen Hollywood-Spielfilm übernommen.4 Ähnlich argumentieren Steve Neale (1996) und Mechthild Zeul (1994). Aufgrund dieser neuen Realitäten des Spielfilms fordert Zeul einen stärkeren Einbezug narzissmustheoretischer Rezeptionsanalysen in die Filmwissenschaft (vgl. ebd.: 987), wie ihn Glen O. Gabbard und Krin Gabbard (1984) und Kenneth Newman (1978) bieten. Gabbard/Gabbard (1984) interpretieren All That Jazz (1979) und Stardust Memories (1980), deren Helden Gideon und Sandy Bates eklatant von narzisstischem Begehren durchdrungen seien. „Narcissistic issues are presented as predominant life difficulties for the major characters in the movies“ (Gabbard/Gabbard 1984: 328). Merkmale seien z. B. ihre Unfähigkeit zur Liebe, ihre obsessive Gier nach Ruhm und Schönheit und ihre manische Angst vorm Altern und Tod (vgl. ebd.: 319ff.). Nach ähnlichem Muster analysiert Newman (1978: 431ff.) diverse Hollywood-Spielfilme der 1970er Jahre: Paul, der Protagonist in Ultimo tango a Parigi (1972), versuche demnach sein ödipales Scheitern bzw. seinen strukturalen Mangel an Objektbeziehungen durch rüde Sexualität und Gewalt auszugleichen und seinem Selbst auf diese Weise Kontinuität zu verleihen. Das Ausüben von Gewalt diene auch den Protagonisten aus Bonnie and Clyde (1967) der Abwehr ihrer narzisstischen inneren Leere, Langeweile und Gefühllosigkeit. Harold and Maude (1971) thematisiere die Schwierigkeit der narzisstischen Beziehung des adoleszenten Harold zu seiner Mutter und McMurphys Beziehung zum katatonischen Häuptling in One Flew Over the Cuckoo’s Nest (1975) entspreche der zweiten Chance eines im Narzissmus verfangenen Helden-Subjekts: „The shift from the relationship with a frustratingly unempathic mother to the search for a paternal ego ideal“ (vgl. ebd.: 437f.).

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Elsaesser untersucht hierbei primär die Filme von Wim Wenders, in denen man einen „grenzenlosen männlichen Narzissmus“ (ebd.: 56) und die Subversion des ödipalen Dramas (vgl. ebd.: 59) erkennen könne.

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In den Subjektstrukturen der männlichen Helden im postmodernen Hollywood-Spielfilm entdecken filmwissenschaftliche Studien nicht nur narzisstische Dispositionen. In seiner systematisch angelegten Studie verfolgt David Savran (1998) die These, wonach das HollywoodKino zwischen den späten 1960er und den 1990er Jahren masochistische Männlichkeiten als Antwort auf die gesellschaftlichen Veränderungen im Spätkapitalismus auf die Leinwand gebracht habe. Die Macht des Phallus sei verloren gegangen. Postmoderne Maskulinität konstituiere sich nun im „act of being subjected, abused, even tortured“ (ebd.: 65). Savran analysiert dabei zunächst frühere Filme des postmodernen Hollywood, wie z. B. Easy Rider (1969), der masochistische Phantasmen beflügele: Helden in Lederkluft, die körperlich missbraucht werden und die charakterlich mehr als ihre Vorgänger des klassischen Hollywood-Kinos „Theatralik, Unschuld, Zerbrechlichkeit und Tragik“ repräsentierten (ebd.: 169). Als weiteres Beispiel nennt Savran u. a. Butch Cassidy and the Sundance Kid (1969), in dem Formen masochistischer „Selbst-Demütigung“ der Helden vorgeführt würden (vgl. ebd.: 204). In diesen von Savran untersuchten Filmen des postmodernen Hollywood-Spielfilms deutet sich eine auch von anderen konstatierte Entwicklung an, die bis in die 1980er Jahre zunimmt: Die Helden kompensieren den Verlust des Phallus durch Gewalt und Körperlichkeit. „Eighties men have muscled their way into our hearts, killing anyone who got in the way“ (Jeffords 1993: 198). Actionfilme der späten 1970er und 1980er Jahre: Sylvester Stallones masochistischer Körper und adoleszente Subjekte in Die Hard und Die Hard 2 Rambo? Rambo is a Pussy!5

Susanne Weingarten (2004: 53) zufolge ist es „die physische Beschaffenheit des Schauspielerkörpers, die im Repräsentationssystem Kino die Grundlage für seine Bedeutungskonstitution bildet.“ Anhand des körperlichen Performance einzelner Stars ließe sich analysieren, welche Geschlechtskonzepte zu bestimmten historischen Zeiten in der Gesellschaft zirkulierten (vgl. ebd.: 13). So seien die meisten Starkörper des postmodernen Hollywood-Spielfilms zwar männlich und heterose-

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Tango in Tango & Cash (1989).

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xuell kodiert, „dennoch inkarnieren Hanks, Fox, Gere und Stallone – im Zeitraum der achtziger Jahre – durchaus divergierende Konzepte von weißer Männlichkeit“ (ebd.: 8). Weingarten interessiert sich hierbei vor allem – im Sinne der gesellschaftlich-historischen Vermittlung des Hollywood-Spielfilms– für den „Körperdiskurs“ (ebd.: 178) des Actionfilm-Einzelkämpfers Stallone ab 1976 in den Rocky- und ab 1982 in den Rambo-Filmen: „Die kraftstrotzende, hyperphallische, unbesiegbar wirkende Körpersemiotik Stallones und anderer ActionHelden diente der Verleugnung und Verdrängung der (aus den siebziger Jahren ‚importierten‘) Krise patriarchaler Werte und Normen“ (ebd.: 179).6 Die Produktion und Zurschaustellung des makellosen, unversehrten und muskulösen Körpers bedinge hier zunächst einmal „Konnotationen der Eitelkeit, der autoerotischen Sinnlichkeit und des Narzissmus“ (ebd.: 217). Weingarten spricht hier auch von einer „Feminität“ (ebd.) Stallones.7 Das weitaus charakteristischere Moment dieser Inszenierung martialischer Körperlichkeit seien jedoch die vielen Verletzungen, Schmerzen und erheblichen gesundheitlichen Schäden, die die Helden im Laufe der Handlung davontrügen (vgl. ebd.: 199). Stallones Figuren Rocky und Rambo würden permanent schweren Torturen, einer „märtyrerhaft ertragenen Folter“ (ebd.: 203) ausgesetzt. Durch diese Leidensfähigkeit öffne sich „ein Raum des Selbstzweifels, der Ängste und des potenziellen Scheiterns“ (ebd.: 205). Weingarten er-

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Zum Diskurs über den exzentrischen männlichen Körper im jüngeren Hollywood-Spielfilm, insbesondere zur These des Verlusts des phallischen Signifikanten im vom Muskelkraft beherrschten Actionfilm der 1980er Jahre vgl. auch Sandra Rausch (2004: 236ff.), Thomas Morsch (2002), Susan Jeffords (1998), Yvonne Tasker (1996a: 232f.) und Barbara Creed (1987: 65). Creed bezeichnet die in ihrer Männlichkeit überzeichneten Stars als „Phalli mit Muskeln“, die das Fehlen des väterlichen Signifikanten zu kaschieren versuchten. Als weitere Actionstars, deren Geschlechtskörper diesem Prinzip zuzuordnen sei, nennt Weingarten (2004: 183) Bruce Willis, Chuck Norris, Steven Seagal, Jean-Claude Van Damme und Dolph Lundgren. Sie stellt zudem eine historische Verbindung zwischen ihrer Körperlichkeit und der neo-konservativen Reagan-Ära in den USA her (vgl. ebd.: 187ff.).

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Vgl. hierzu auch Chris Holmlund (1996), der Stallones Spiel und seine Körperoberfläche als weibliche Maskerade analysiert.

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kennt darin einen kulturellen Masochismus (ebd.: 208) der StalloneFilmhelden, begründet in einer „spezifischen Erotisierung, in der Qual, Unterwerfung und Lust eine Verbindung eingingen“. Ähnlich argumentieren Adi Wimmer (1989: 188), der in Stallones Spiel „ein gewisses masochistisches Vergnügen“ identifiziert, und Savran (1998: 316ff.), dem zufolge Stallones „maskulines Spektakel“ von „masochistischen Fantasien“ getragen werde. Neben den Stallone-Helden dienen Bruce Willis’ Rollen als Polizist John McLane in Die Hard (1988) und Die Hard 2 (1990) häufig als Gegenstand der Analyse des postmodernen Actionfilms.8 Bemerkenswert sind vor allem die Überlegungen Fred Pfeils (1995), der in seiner Analyse davon ausgeht, dass McLane für ein übergeordnetes, „nach-ödipales, narratives Begehren“ (ebd.: 31) stehe.9 In seiner „postpatriarchalen männlichen Wildheit“ manifestiere sich die fundamentale postmoderne Angst vor dem Verlust von Männlichkeit (vgl. ebd.: 2). Diese evoziere letztlich den „Zusammenbruch ödipaler Muster der klassischen Hollywood-Filmhandlung“ (ebd.: 27). Bereits das DieHard-Setting sei nicht geeignet für die Realisierung der bürgerlichödipalen Mission. Die prachtvolle architektonische Anmutung des Wolkenkratzers und seiner Suiten (Die Hard) bzw. des Flughafens (Die Hard 2) würde durch die obskure, albtraumhafte innere Kehrseite der öligen, dampfenden Maschinenräume subvertiert.10 In diesem verstörenden Setting müsse sich McLane nun als verwundeter Kämpfer für das Gute behaupten. Seine bedeutendster Makel dabei sei, dass die Autoritäten als Inhaber des symbolischen Gesetzes ihn im Stich ließen oder missbrauchten und er ganz auf sich allein gestellt sei (vgl. ebd.: 4). So sei die Polizei als Hüterin des Gesetzes zunächst blind für das Böse und später schlichtweg machtlos (vgl. ebd.: 8). In Form „ideologischer Janusköpfigkeit“ (ebd.: 11) werde das Böse selbst durch die dunkle Seite der symbolischen Macht repräsentiert, insbesondere in Die Hard 2 verkörpert durch den ehemaligen Oberst der US-Armee Stuart und General Esperanza: beide einst Kämpfer für das Gute, nun

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Vgl. Bordwell (1995), Tasker (1996a), Reicher/Robnik (2002). Pfeils Analyse umfasst auch die Lethal-Weapon-Filmreihe (ab 1987). Hierbei erarbeitet er aber keine weiterführenden Aspekte.

10 Pfeil spricht in diesem Zusammenhang auch von der De-Industrialisierung der 1980er Jahre bzw. dem Post-Fordismus, der diesem Setting konstitutiv zugrunde liege (ebd.: 6).

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paramilitärischer Killer bzw. Drogenbaron. Strukturell betrachtet, werde das ödipale Moment des Namen-des-Vaters hier suspendiert. McLane bewegt sich wie ein präödipaler Junge im Kosmos der Handlung, ohne Aussicht auf Unterstützung oder Intervention durch einen guten symbolischen Vater, dafür ist er gezwungen gegen böse, todbringende Vaterfiguren zu kämpfen. Er werde zur „seiner Autoritäten beraubten Figur […] in einer nicht-phallischen Wildnis“ (ebd.: 5ff.). Aus dieser Position, „außerhalb des symbolischen Systems“ (vgl. ebd.: 7) müsse McLane neben der Zerschlagung der kriminellen Konspiration böser Mächte noch ein zweites, konvergentes Problem lösen; nämlich sein defektes Verhältnis zu seiner Ehefrau Holly (vgl. ebd.). Sie entspricht nicht mehr dem sinnstiftenden Signifikanten und passiven Objekt des Begehrens, das dem Helden des klassischen Hollywood-Kinos am Ende seiner ödipalen Reise als Belohnung winkt. Vielmehr werde sie dargestellt als erfolgreiche Karrierefrau, die ein eigenständiges, von McLane losgelöstes Leben in L. A. führt. McLane sei damit überfordert. Er kann dieses Problem nicht lösen. Seine Ehe – und damit die ödipale Formel der Closure – werden letztlich scheitern.11 Das Ausbleiben einer stabilen Partnerbeziehung und der finalen Paarbildung wird in Die Hard durch adoleszente Männerfreundschaften kompensiert. Pfeil verweist auf die „antagonistische Seelenverwandtschaft oder Brüderschaft“ (ebd.: 12) zwischen McLane und den Bösewichten Stuart (Die Hard 2) bzw. Hans Gruber (Die Hard). All diese männlichen Figuren seien ähnlich gestrickt, vereint in ihrem Begehren, sich durch Gewalt und Abenteuer auszuleben, unterscheidbar allein durch den Umstand, dass sie in der Handlungsstruktur spiegelbildlich als gut und böse angeordnet seien. Tatsächlich finden sich im Binnenverhältnis dieser Figuren die von Seiffge-Krenke/Seiffge (2005: 274) erörterten Motive zur verlängerten männlichen Adoleszenz wieder: Das Austragen offener, heftiger Konflikte und Auseinandersetzungen, Rangeleien, Pseudokämpfe und Wettbewerb als Zeichen für Vertrautheit. Bordwell (1995: 165) konstatiert daher in Bezug auf Die

11 Auch wenn die Closure der beiden ersten Teile eine Art Versöhnung als Happy End anbietet, so ist dies nur vorübergehender Natur: In Teil drei Die Hard with a Vengeance (1995) wird Holly ihn endgültig verlassen haben.

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Hard: „In gewisser Weise ist dieser Film ein Spielplatz. Es geht um Jungen auf einem Spielplatz, die sich gegenseitig ärgern“. Zudem öffnet der Film Raum für einen Prozess, den Ziehe (1981: 192) als „narzisstische Spiegelung“ junger Männer beschreibt. Pfeil (1995: 12ff.) lokalisiert ihn in gleich zwei denkwürdigen Sequenzen des Showdowns von Die Hard. Im Angesicht der finalen, tödlichen Entscheidung stimmen zunächst alle drei verbliebenen Männer (Gruber, sein treuster Helfer und McLane) ein konspiratives, übereinkünftiges Lachen an, das jenseits von gut und böse eine innere Verbundenheit demonstriere, wohingegen Holly schockiert dreinschaut. „For just that one scant second all three man, all three outlaws, compose a community no woman can enter, and share a joy no woman can know“ (ebd.). Kurz darauf, nachdem Gruber und sein Helfer erledigt sind, folgt die zweite Sequenz, die die Bedeutung einer Männerfreundschaft in Die Hard der einer Mann-Frau-Beziehung überordne. Der wahre Enthusiasmus über die vollendete Mission äußere sich nicht in der vermeintlichen Wiedervereinigung von McLane und Holly, sondern erst, als McLane draußen auf seinen Kumpel Al, einen Streifenpolizisten, trifft. „The movie’s largest gush of romantic violins is reserved for that drawn-out moment when the two men, Al and John, at last come face to face, approach one another and fall into an embrace“ (ebd.: 15). Zusammengefasst identifiziert Pfeil im Die-Hard-Helden John McLane, ohne ihn explizit so zu nennen,12 einen präödipalen Subjekttypus des Hollywood-Spielfilms der späten 1970er und 1980er. McLane agiere wie ein „dauerhafter Adoleszent“ (Tasker 1996a: 239), der sich, dank der fehlenden Intervention des symbolischen Gesetzes, in ein exzessives Abenteuer stürzen könne. „The white man gone native/wild“ (Pfeil 1995: 4). In diesem Szenario könne er als Einzelkämpfer seine imaginierte Allmacht und Grandiosität ohne Einschränkung ausleben. Frauen haben keinen Zutritt zu dieser narzisstischen Sphäre. Seine eigentlichen Mitstreiter sind seine Widersacher. Mit ihnen liefert er sich einen spielerischen Kampf: Sie prügeln und bekriegen sich im Nahkampf mit Fäusten, Waffen und Sprüchen, bis nur noch einer von ihnen übrig bleibt. Sie leben den adoleszenten Traum der „outright

12 Aber auch Pfeil arbeitet mit dem Vokabular der psychoanalytischen Filmtheorie, denn er spricht, wie weiter oben bereits erwähnt, von einem „nachödipalen narrativen Begehrensmuster“ (ebd.: 31) in Die Hard.

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childishness“13 (ebd.: 24.). Zu ergänzen ist noch eine interessante Ambivalenz: Einerseits inszeniert die Die-Hard-Trilogie den schleichenden Verfall McLanes ob seines stetig steigenden (hedonistischen) Medikamenten- und Alkoholkonsums, andererseits weigern sich die Schauspieler Willis und Stallone offensichtlich, zu altern: So machen plastische Chirurgie und digitale Retusche die Wiederkehr ihrer Heldenfiguren McLane (Live Free or Die Hard 2007), Rocky (Rocky Balboa 2006) und Rambo (Rambo 2008) überhaupt erst möglich14. Der Tod als „größte Unschicklichkeit“ (Bruckner 2001: 210) und größte Bedrohung des hedonistisch-narzisstischen Ideals konnte hier (fürs Erste) gebannt werden. Der Wunsch nach konservierter Jugendlichkeit erfährt hier seine popkulturelle Übersetzung.15 Der Actionheld als präödipaler Subjekttypus des HollywoodSpielfilms ist keine stabile Konstante der Postmoderne. So beschreibt die Filmwissenschaft bereits ab Mitte der 1980er Jahre eine Umschrift zur Opferinszenierung vieler Helden. Zu dieser Zeit beginne „das langsame Schwinden des Actionmannes“ (Morsch 2002: 63) zugunsten einer neuen „Sensibilität“ und „Sanftmütigkeit“ (Savran 1998: 472) vieler Helden.16 Mark Simpson (1994: 3) spricht vom Einzug der „soft men“, Susan Jeffords (1993: 198ff.) konstatiert: „Ninties men are going to seize us with kindness and declarations that they are changed ‚new man‘. […] Nineties Films are telling audiences that these men were actually self-destructive“. Es scheint so, als würden die Helden des jüngeren Hollywood-Spielfilms die Abwesenheit des symbolischen Vaters nicht mehr allein und primär durch übersteigerte Männlichkeit kompensieren, sondern, im Gegensatz dazu, durch eine tiefere Emotionalität vor allem in Bezug auf die Bindung zur Mutter (vgl. Simpson 1994: 3). So wird sich auf den folgenden Seiten über die von Michael Douglas und Tom Cruise verkörperten Helden zeigen, dass

13 In anderem Zusammenhang beschreibt Norbert Grob (2002: 285) eben diese Infantilität als Erfolgskriterium des Hollywood-Kinos. 14 Vgl. Kehr, Dave: Action Stars Who Refuse To Grow Old. In: The New York Times. Articles selected for Süddeutsche Zeitung 25.02.2008. 15 Zum Verhältnis des Actionhelden zum Tod vgl. auch Isabella Reicher und Drehli Robnik (2002: 249). 16 Savran (ebd.: 467ff.) weist diese Verbindung von neuer Sanftmütigkeit und masochistischer Subjektivität in seinen Filmanalysen von Forrest Gump (1994) und Twister (1996) nach.

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die – im Actionfilm noch weitgehend ausgeschlossene – Bedeutung der Mutterimagos eine zentrale Rolle spielt.

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In diesem letzten Abschnitt geht es darum, die zentrale These der vorliegenden Arbeit über die Etablierung präödipaler Subjekttypen im Hollywood-Spielfilm seit den 1970er Jahren anhand diverser Analysen der von Michael Douglas und Tom Cruise gespielten Helden empirisch zu belegen. Diese Wahl ist keinesfalls zufällig erfolgt: Zwar verkörpern auch etliche andere Stars des jüngeren Hollywood-Spielfilms in ihren Rollen Helden, deren Verfassung durch präödipale Dispositionen bestimmt ist, jedoch selten in dieser ausgeprägten Form. In den Filmen von Douglas und Cruise prägen präödipaler Narzissmus, Hedonismus und Masochismus systematisch und über Jahre hinweg die Subjektivität der von ihnen gespielten Helden.17 Da sich einige entsprechende Motive und narrative Strukturen in den Filmen wiederholen, werde ich nicht jeden einzelnen ausführlich analysieren, sondern exemplarisch die Filme herausgreifen, in denen sich jene präödipale Subjekttypen in besonderer Weise verdichten.

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Filmhelden können aufgrund ihrer herausragenden Stellung im Prozess der Subjektivation durch den Hollywood-Spielfilm, als „Repräsentanten“ (vgl. Staiger 1997: 50f.) oder „Idealtypen des Publikums“ (Sommer 1997: 115) identifiziert werden. Sie sind als zentrale Akteure in die dominant fiction Hollywoods eingebunden.

17 Durchmustert man die untersuchten Filme, so fällt auf, dass sowohl in den Douglas- als auch in den Cruise-Produktionen nahezu alle Hollywood auteurs der 1990er Jahre involviert sind. Daraus leitet sich die Vermutung ab, dass der Einfluss des jeweiligen Regisseurs auf das Ausfantasieren des neuen Subjekttypus offenbar sehr gering war. Insofern stellt die Untersuchung – als Nebenergebnis – eine gewisse Relativierung der Autorentheorie dar.

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Hierbei gilt es jedoch, wie bereits einleitend erörtert, zu differenzieren: Wenn zunächst die Rede von Filmstars wie Michael Douglas und Tom Cruise ist, dann sind nicht die außerfilmischen Personen gemeint, sondern komplexe, diskursiv hervorgebrachte Kulturprodukte, die in ihrer Entstehung, Attraktion und dem Maß ihres Erfolgs einer bestimmten historischen Zeit entstammen (vgl. Hickethier 1997: 30f.). Filmstars sind mediale Simulakra, die sich nach Weingarten (2004: 27ff.) aus einem „besonderen Image“ zusammensetzen. Dieses Image „basiert auf der Gesamtheit aller Informationen, die über einen Star öffentlich verfügbar sind“ (ebd.), das heißt aus dem Zusammenwirken seiner innerfilmischen Verkörperung von Heldenfiguren (der LeinwandPersona) und diversen außerfilmischen Texten, wie z. B. Interviews, Reportagen, Gerüchten und Fotos der Boulevard-Medien sowie FanTools, die sich in zunehmendem Maße in Internet-Blogs organisierten. Die Rezeption des Filmstars generiere sich demnach aus einem hoch komplexen, fortwährenden diskursiven Austausch innerfilmischer und außerfilmischer Informationen. So entstehe ein „Zeichenkonglomerat Star[, das] in einem Prozess der ständigen Überarbeitung begriffen ist“ (ebd.). Aus diesem Grunde ist die Vorbemerkung wichtig, dass sich die anschließenden Filmanalysen systematisch mit den von Douglas und Cruise über einen längeren Zeitraum verkörperten fiktiven Heldenfiguren auseinandersetzen, nicht mit ihrer jeweiligen Star persona, über die zumeist eine schier uferlose Fülle an außerfilmischen Informationen existiert, deren Gültigkeit und Ursprung kaum kontrollier- und überprüfbar ist. Wer sich also auf das dünne Eis der Interpretation außerfilmischer Texte begibt, habe nach Tobias Kniebe „genau zwei Möglichkeiten: Entweder wühlt er gewissermaßen in der Mülltonne vor dem Haus […]; oder er bekennt sich resigniert zur niederen, hirnamputierten Existenzform des Hofberichterstatters“.18 Dieses Dilemma soll hier im Grundsatz vermieden werden. Ich möchte vorab dennoch zumindest grob die elementaren Auszüge der Star personas von Douglas und Cruise skizzieren, denn dieser kurze Streifzug durch diverse Meldungen, Artikel, Interviews und Bilder der letzten 20 Jahre deutet an, dass auch im außerfilmischen Text der weitgehende Bruch mit Ödipus

18 Kniebe, Tobias: Sollte sie unartig gewesen sein? Der Hollywood-Kenner David Thomson hat sich eine Biographie der Schauspielerin Nicole Kidman geschaffen. In: Süddeutsche Zeitung 14.05.2007.

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zugunsten alternativer präödipaler Subjektdispositionen vermittelt wird. Seit seinem ersten großen Kinoerfolg als Schauspieler in Fatal Attraction (1987) ist Michael Douglas’ Starimage lange Zeit geprägt vom Verlust der männlichen Kontrolle, einem narzisstisch-hedonistischen Lebensentwurf sowie der Unfähigkeit zur Partnerschaft. Immer wieder gerät er in die Schlagzeilen wegen seiner vermeintlich anhaltenden Midlife-Crisis und angeblicher Klinikaufenthalte aufgrund von Alkohol- und Sexsucht, die er teils auch bestätigt.19 Gerüchte um zahlreiche Frauengeschichten bringen ihm zu dieser Zeit den Titel „Hahn von Hollywood“20 ein. Daran scheitert offenbar auch seine erste Ehe, die er in einem Magazin-Interview retrospektiv als „langen Kampf“21 bezeichnet. In der öffentlichen Wahrnehmung manifestiert sich Douglas’ Bild des schwächelnden, „netten Jungen“ (Stresau 1990: 141), der weder erwachsen werden mag noch so recht in die Spur findet. Er wird mit Begriffen wie „Selbstzweifel“, „Schüchternheit“, „Verletzlichkeit“ (Kaye/Sclavunos 1989: 14) belegt. Grund dafür ist auch sein familiärer Hintergrund. Er komme nicht an gegen die „ödipale Trope vom ‚Sohn im Schatten des Vaters‘“ (Weingarten 2004: 289). Vater Kirk verewigt sich im klassischen Hollywood u. a. dank seiner Rolle als Spartacus (1960) als Inbegriff des echten Mannes. Ihm „wurden Attribute wie Härte, Wut, Brutalität, Grausamkeit zugeschrieben“ (ebd.). Diesem vom Vater par excellence verkörperten Konzept hegemonialer Maskulinität könne Michaels Starimage zu keiner Zeit und in keiner Form, weder inner- noch außerfilmisch, gerecht werden.22 Vielmehr formuliert sich darin über viele Jahre eine postmoderne Protesthaltung.

19 Kienle, Dela: Süchtig nach Sex. In: NEON (2005)/01. 20 Burmeister, Thomas: Michael Douglas: Der ewige Sohn wird 60. In: stern.de 25.09.2004. 21 Die glücklichen drei – Catherina Zeta-Jones und Michael Douglas erzählen hier exklusiv alles über ihren kleinen Sohn Dylan: die Schwangerschaft, die Geburt, das Glück danach – und ihre Zukunftsträume. In: Bunte 21.09.2000. 22 In einem Interview formuliert Vater Kirk einmal: „Ich habe noch drei Söhne, und alle drei sind ambitioniert und scharfsichtig. Aber Michael ähnelt meiner ersten Frau Diana am meisten“ (vgl. Ratschewa 1992: 21).

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Mit Beginn seiner zweiten Ehe mit Catherine Zeta-Jones im Jahr 2000 vollzieht sich eine 180-Grad-Wende in Douglas’ außerfilmischer Erscheinung. Es kehrt Frieden ein. Wo immer möglich, beschwören er und Catherine (bzw. ihre spin doctors) seine Rolle als fürsorglicher und liebender Ehemann und Vater: „Michael ist für die Bäuerchen zuständig. Auch nachts!“23 Douglas schaltet in einer US-Zeitung eine ganzseitige Liebeserklärung für Catherine24 und als Verfechter seines neuen Liebes- und Familienglücks geißelt er den „Konsumterror“25 des Showbiz, dem er selbst jahrzehntlang erlegen war. In Statements über Impotenz26, Meldungen über angebliches Facelifting27 und absurden Interviews, in denen Douglas z. B. seine Angst vor achselbehaarten Frauen gesteht28, blitzen jedoch immer wieder Elemente seines früheren Starimages als unreifer Dauerjugendlicher durch. Noch weitaus intensiver wird die Star persona von Tom Cruise als adoleszent, hedonistisch und vom schwierigen Verhältnis zu seinem Vater bestimmt wahrgenommen. Bereits infolge einer seiner ersten Rollen als Yuppie in Risky Business (1983) bekommt er den Stempel des coolen Sonnyboys mit dem „berühmten Lächeln“ (Schnelle 1993: 10) und dem „Babyspeck im Gesicht“ (Rall 2003: 80) aufgedrückt.29

23 Die glücklichen drei – Catherina Zeta-Jones und Michael Douglas erzählen hier exklusiv alles über ihren kleinen Sohn Dylan: die Schwangerschaft, die Geburt, das Glück danach – und ihre Zukunftsträume. In: Bunte 21.09.2000. 24 Vgl. ebd. 25 Nathan, Joanne: „Catherine möchte noch ein drittes“. Michael Douglas. Füttern, Windeln wechseln – das machte der Hollywoodstar schon bei Sohn Dylan. Und auch sein zweites Kind mit Catherine soll viel von ihm haben. In: Gala 16.04.2003. 26 Schuster, Gerd: Was den Mann zum Mann. In: Stern 06.03.2003. 27 Face-Lifting oder Unfall? Michael Douglas mit Narben im Gesicht. In: RP Online 01.04.2005. 28 Douglas has armpit hair fear. In: Thesun.co.uk 08.10.2007. 29 Veronika Rall (ebd.: 57) bemerkt, dass dieses Image u. a. durch den Umstand gefestigt werde, dass Cruise in auffällig vielen Zeitungs- und Magazinartikeln als schnittiger Sportwagenfahrer identifiziert werde: „Mit seinem blauen Porsche Carrera gleitet er elegant durch den Mittagsverkehr von Los Angeles, mit Baseballkappe und Sonnenbrille verkleidet“ (Rall 2003: 57).

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Einerseits verkörpert er dadurch „keine Rebellion, kein Opfer, sondern Erfolg“30, andererseits steht er damit aber auch für eine „Desillusionierung [dank seines] unfertigen, ja immer wieder bedrohlich ‚leeren‘ Ausdrucks“ (ebd.: 30). Dieses Bild stellt weitgehend eine Konstante in Cruises außerfilmischem Image dar. So bemerkt Suchsland31 knapp 20 Jahre nach Risky Business: „Schon immer schien Tom Cruise ein wenig am Peter-Pan-Syndrom zu leiden: Ein Mann, für den das Erwachsenwerden eine mission impossible ist, ein großes Kind, das das Pubertär-Jungenhafte in sich kultiviert und abseits der Leinwand von Gerüchten über Impotenz und Homosexualität verfolgt wird.“32

Anfang/Mitte der 1990er steigt Cruise zum bestbezahlten, allseits bewunderten „Ultra Star“ (Rall 2003: 7f.) Hollywoods auf. Das People Magazine kürt ihn zum „sexiest man alive“. Noch Jahre später gilt er dem Wirtschaftsmagazin Forbes als einflussreichster Prominenter der Welt (vgl. ebd.). Cruise trägt seinen Ruhm im erlesenen Kreis der Schönen und Reichen gern zur Schau. So feiert der Boulevard jahrelang seine glamouröse (zweite) Ehe mit Filmstar Nicole Kidman auf den Titelseiten. Zudem scheut Cruise nicht davor zurück, in Interviews seine narzisstischen Allmachtsfantasien und seinen Hedonismus auszustellen: Schon als Jugendlicher habe er sich „für den Größten“33 gehalten, er lebe seitdem getreu dem Motto: „Sieh zu, dass du deinen

30 Seeßlen, Georg: Sohn und Liebhaber. Tom Cruise. Das Herz eines Karrieristen. In: epd Film (2001)/05.25–31. 31 Suchsland, Rüdiger: Citizen Dildo. In: Frankfurter Rundschau 24.01.2002. 32 Insbesondere das Gerücht um seine Homosexualität hält sich hartnäckig. 2001 verklagt Cruise einen Pornostar und einen Verleger auf je 100 Millionen Dollar Schadenersatz, nachdem diese die Gerüchte um Cruises Homosexualität anheizen. Bereits1990 posiert Cruise wellenreitend im nassen, durchsichtigen Tank Top für das Titelblatt des Rolling Stone (vgl. Rall 2003: 10). Das Gerücht seiner Impotenz bzw. Unfruchtbarkeit wird erstmals gestreut, als Cruise und Kidman Anfang der 1990er Jahre ein Kind adoptieren (vgl. Schnelle 1993: 186). 33 „Ich hielt mich für den Größten“. „M:I-2“-Star Tom Cruise über riskante Stunts und andere Herausforderungen in seinem Leben. In: Cinema (2000)/07.37–39.

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Spaß hast“34. Der Ursprung seines Lifestyles wird zumeist in Cruises Kindheit lokalisiert. Nachdem sein „aggressiver, sturköpfiger“35 Vater die Familie frühzeitig verlässt und komplett aus Cruises Leben verschwindet, wächst er allein mit seiner Mutter und drei Schwestern auf, zudem besucht er eine Klosterschule (vgl. Rall 2003: 15). Dieses Szenario, das zentral durch die Abwesenheit des ödipalen, väterlichen Gesetzes und die innige Beziehung zur Mutter bestimmt ist, habe ihn als Menschen und Schauspieler nachhaltig geprägt (vgl. u. a. Schnelle 1993: 10ff.). Georg Seeßlen36 zufolge fand Cruise in den ersten Jahren seiner Karriere „Halt vor allem bei reifen und erwachseneren Frauen“. Später gesteht die knapp 20 Jahre ältere Sängerin Cher eine Affäre mit dem jungen Cruise, der damals „wunderbar“ und „ein schüchterner Junge“37 war, gehabt zu haben. Komorek konstatiert, Cruise habe zeitlebens „dem weiblichen Geschlecht mehr Vertrauen schenken [können] als Männern“ (Komorek 1990: 10). Jedoch beinhaltet Cruises Star persona in diesem Zusammenhang eine elementare Dichotomie: Als (Über-)Kompensation seiner – so zumindest öffentlich stilisierten - narzisstisch-hedonistischen, vom Matriarchat bestimmten Subjektivität wird seine langjährige Mitgliedschaft in der offensichtlich durch totalitäre Strukturen organisierten Scientology-Sekte gedeutet, zu deren wichtigsten Repräsentanten und Ideologen er Andrew Morton (2008: 367ff.38) zufolge mittlerweile zählt39. Cruise wird in diesem Kontext als „erbitterter Prediger“ (ebd.:

34 Connelly, Chris: Tom Cruise – Hollywoods größter Kassenmagnet spricht über die Arroganz seiner Jugend; das Glück seiner Ehe und den Antrieb, sich immer neue Herausforderungen zu suchen – wie in „Mission Impossible 2“. In: Amica (2000)/07. 35 Ebd. 36 Seeßlen, Georg: Sohn und Liebhaber. Tom Cruise. Das Herz eines Karrieristen. In: epd Film (2001)/05.25–31. 37 Sängerin Cher gesteht Affäre mit Tom Cruise. In: Spiegel online 01.05. 2008. 38 Hierin auch eine materialreiche, essayistische Beschreibung des jungen, narzisstisch-hedonistischen Cruise mit vielen Anekdoten über seine schwierigen familiären Verhältnisse und Liebesbeziehungen (ebd.: insbesondere Kapitel 1-3). 39 Interessanterweise behauptet Cruise, durch Scientology, also dank der Intervention der Sekte, als autoritärer, gesetzgebender Name-des-Vaters über

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368) und als Verkörperung der dunklen Seite des patriarchalen Gesetzes wahrgenommen.40 Im Zusammenspiel dieser extrem widersprüchlichen außerfilmischen Momente seiner Star persona zeichnet sich bisweilen ein verwirrendes, öffentliches Bild von Cruise ab. 2005 kommt er mit der 16 Jahre jüngeren Schauspielkollegin Katie Holmes zusammen und macht sich ihretwegen direkt „zum Affen“41, als er wie ein pubertärer Junge vor Millionen Fernsehzuschauern auf dem Gästesofa zweier USTalkshows herumhüpft und dabei ausruft: „Ich liebe Katie!“ Auf das „Liebesschmachten“42 des unreifen Jungen folgen jedoch alsbald Meldungen über Cruises paternale, repressive Seite. So sitze Katie bei ihm „in einem Gefängnis […]. Er erstickt sie, hält sie wie eine Puppe“43. Cruises „Kontrollsucht“44 führe zu ernsthaften Eheproblemen. Ähnlich bizarr muten Geschichten über Holms und Cruises Tochter Suri an. Geburt und Erziehung der Kleinen folgten streng scientologischen Dogmen (vgl. Morton 2008: 385ff.). Trotz dieser massiven Verstrickungen in das autoritäre, paternale System von Scientology scheint es aber so, als habe Cruise sich sein weiches, inniges Verhältnis zur Mutter bewahrt. Davon zeugt z. B. ein Familienausflugsfoto von 2006: Auf den Zuschauersitzen eines Fußballfeldes beugt sich Cruise nach rechts und turtelt mit Katie, während er dabei mit seiner Mutter, die zu seiner Linken sitzt, liebevoll Händchen hält.

seine einstige Legasthenie hinweggekommen zu sein (vgl. Schnelle 1993: 144). Scientology erscheint hier als Ersatzort für Familie und Väterlichkeit (vgl. Morton 2008: 153), an dem Cruise eine Art verspäteter ödipaler Genese erfährt. 40 Geyer, Christian: Leben aus einem Guss. Ein Thriller in anthropologischer Absicht. Andrew Morton hängt den Schauspieler Tom Cruise als Mobile im Kosmos von Scientology auf. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung 28.01.2008. 41 Seitz, Georg: Der Hollywood-Prediger. Film-Megastar Tom Cruise in der Krise: Seine Werbung für Scientology und sein Liebesschmachten schaden ihm, heißt es in den USA. In: Bunte 16.06.2005. 42 Ebd. 43 Ammerschläger, Julitta: Gefangen im goldenen Käfig. Tom Cruise & Katie Holmes sind ein sonderbares Paar. Er kontrolliert ihr Leben, sie ruiniert ihre Karriere. In: Bunte 10.08.2006. 44 Katie Holmes. Trennung von Tom Cruise? In: Focus online 18.04.2008.

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Dieses ambivalente außerfilmische Gemisch aus Scientology und pubertärer Haltung bestimmt auch die Rezensionen über Cruises Rolle als Hitler-Attentäter von Stauffenberg in Valkyrie (2008).45 Trotz der geschichtlichen Schwere des Stoffes bleibe Cruise „grün hinter der Augenklappe. […] Man will auch in Valkyrie einfach Tom Cruise sehen, Tom Cruise, der seit vielen Jahren sich so sehr anstrengt, erwachsen zu werden […]. Man spürt die Unreife unter den maskenhaften Zügen, die sich noch mit vierzig nicht legen will“.

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Michael Douglas zählt zu den erfolgreichsten und bekanntesten USamerikanischen Hollywood-Schauspielern der vergangenen 20 Jahre. Mit dem Thriller Fatal Attraction (1987) schafft er den Durchbruch und startet zugleich in eine filmische Vita, die laut Munzinger die „Themensparte des ‚amerikanischen Manns in der Krise‘“47 abdeckt bzw. für die die Ablösung ödipaler Männlichkeit als hegemonialer Norm konstitutiv ist (vgl. Weingarten 2004: 256). Masochismus in Fatal Attraction, Basic Instinct und Disclosure In Fatal Attraction (1987) spielt Douglas den erfolgreichen Anwalt Dan Gallagher, der eine kurze, aber heftige Affäre mit der Lektorin Alex eingeht. Dabei ahnt er nicht, welche Auswirkungen dieser Seitensprung nach sich ziehen wird: Die psychotische Alex wird zur bedrohlichen Stalkerin, die sukzessive von seinem familiären Leben Besitz ergreift, um es zu zerstören. Im Showdown dringt sie mit einem Messer bewaffnet in Dans Haus ein, wo sie in höchster Not von Ehefrau Beth erschossen wird.

45 Valkyrie-Drehstart. Diskussion um Cruise hält an. In: Focus online 19.07.2007. 46 Göttler, Fritz: Tom Cruise und Valkyrie. Grün hinter der Augenklappe. In: Süddeutsche online 29.12.2008. 47 Zitat nach Weingarten, Susanne: Herr D. läuft Amok. In: Der SPIEGEL 10.11.1997.

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Der Film beginnt mit einer Einstellung, die den Schauplatz des bürgerlichen Lebens par excellence zeigt, das Familienwohnzimmer. Dan, bereits „würdelos eingeführt[, weil] nur mit einer Unterhose bekleidet“ (Weingarten 2004: 273), wirkt abwesend. Er hat Kopfhörer auf und interessiert sich weder für das Treiben seiner Tochter noch für die private Modenschau seiner Frau. Auch später wird kein Raum für Sinnlichkeit zwischen beiden sein. Er muss mit dem Hund Gassi gehen, und als er wieder zuhause ankommt, belagert die Tochter das Ehebett. Die zweite Sequenz in Fatal Attraction spielt in einer größeren Gesellschaft. Hier kommt Dan erstmals in Kontakt mit Alex. Ihr heißer Flirt beflügelt seine „Phantasie der Befreiung“ (Bronfen 2004: 121) aus den bürgerlichen Strukturen. Alex ist „sein Symptom, das ihm die Wahrheit der Lücke in seinem ehelichen Glück als chiffrierte Botschaft einer verborgenen Erotik überbringt“ (ebd.). Die Indizien sprechen hier für die präödipale Verfangenheit Dans: Er ist nicht gefestigt genug, um das Mandat des Namen-des-Vaters in seiner Familie auszufüllen, sein bester Freund wirkt ihm vertrauter als Ehefrau Beth48 und er begehrt in Form narzisstischer, sexueller Abenteuerlust. Das ist die „Ursache der Erzählung […], das Moment der Instabilität, das die Narration in Gang setzt“ (Weingarten 2004: 256). Es folgen weitere Begegnungen mit Alex, bei denen sich Dan hilflos und tollpatschig wie ein adoleszenter Junge aufführt. So schmiert er sich Frischkäse ins Gesicht, redet selbst viel zu viel beim ersten Date in einem Café und scheitert am Aufspannen eines Regenschirms.49 Auch beim ersten Geschlechtsverkehr stellt er sich eher unbeholfen an (vgl. ebd.: 271).50 Nach zwei heftigen Intermezzi der beiden beginnt

48 So wirkt Dan erstmals befreit und gelöst, als er Beth auf der Feier für eine Weile gegen seinen Kumpel eintauscht, mit dem er ‚unter Männern‘ scherzen und lachen kann und an dessen Seite er auch Alex über den Weg läuft. 49 Das Motiv der adoleszenten Tölpels, der motorisch unbeholfen, bekleckert, schief angezogen etc. ist, zieht sich durch Douglas’ Filme. Ich greife es weiter unten auf. 50 Interessant ist in diesem Zusammenhang eine Anekdote vom Set von Fatal Attraction. Anne Archer, die Darstellerin der Beth, sei vor ihrer ersten Schlafzimmerszene sehr nervös gewesen. Doch Douglas habe daran keinen Anteil genommen. Während des gespielten Sex habe er nebenbei ein Baseball-Endspiel im Fernsehen verfolgt. „Da lag ich nun, fühlte mich verletzlich und sexy, und was macht Michael? Alle zwei Minuten richtete er

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das wahre Drama. Alex versucht mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln, Dans Familie zu sabotieren, um ihn an sich zu binden. Stück für Stück werden die Strukturen von Dans bürgerlicher Existenz abgetragen. Die Intensität von Alex’ Maßnahmen steigert sich auf bedrohliche Weise: von unangekündigten Besuchen, nächtlichen Anrufen und einem Treffen mit Beth unter falscher Identität, bis hin zu perfiden Lügen, einem Suizidversuch und der Entführung von Dans Tochter. Bronfen (2004: 91) zufolge tritt Alex hier mit der „totalisierenden Kraft“ der postmodernen Femme fatale auf. Sie ist für Dan „die gefährliche Frau, schmückt ihre schillernde Verführungskraft, ihre erotische Stärke, […] ausgiebig aus und spielt gleichzeitig furchtlos ihre Zerstörung durch [dadurch, dass sie] erfolgreich die Dominanz traditioneller Familienwerte unterminiert“ (ebd.: 98). In diesem Sinne stellt sie die „unterdrückte Kehrseite der ödipalen Klein-Familie“ (Kaplan 1992: 199) dar. Dabei wird Alex einerseits als bedrohlich, aggressiv und zerstörerisch (Deleuzes Mutter-Urbild der Athene) dargestellt, andererseits aber auch als verführerisch, devot und hilflos (Deleuzes Mutter-Urbild der Aphrodite), z. B. bei den ersten Dates und nach ihrem Suizidversuch. Es ist genau diese Ambivalenz ihres Charakters, die den narrativen Suspense schafft, der Dan in einen Bann zieht,51 aus dem er sich nicht mehr aus eigenen Kräften befreien kann. Der komplementäre Gegenpart zu Alex ist Ehefrau Beth. Sie ist die warmherzige Mutter und Verteidigerin der Familie. Beide verbindet insofern „eine Insistenz des Begehrens“ (Bronfen 2004: 122), welches um die Figur Dan zirkuliert. Diese binäre Opposition der beiden Frauenfiguren wird mehrfach formal, das heißt durch chronotopische Anordnungen und das Farbenspiel realisiert. Alex wohnt in einem alten, düsteren und morbiden Industrie-Loft, Beth hingegen mietet ein helles Einfamilienhaus im Grünen an. Am deutlichsten wird die Opposition in einer Szene in Alex’ Wohnung: Dan steht im rötlich-warm ausgeleuchteten, mit Bildern behängten Flur und telefoniert leise mit Beth.

sich auf und wollte sehen, wie das Spiel steht“ (vgl. Kaye/Sclavunos 1989: 243). 51 So übernimmt Alex bereits beim ersten Abendessen der beiden das Kommando. Sie stellt ein sexuelles Abenteuer in Aussicht, lässt Dan aber gleichzeitig in der Schwebe mit der Aussage „Ich habe mich noch nicht entschieden“.

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Die Kamera schwenkt in einer Mise en Scène hinüber ins kühle, in grellem Blau ausgeleuchtete Schlafzimmer, in dem Alex vor einer kargen Wand liegt. Später späht Alex aus dem kalten, bläulich-düsteren Garten der Gallaghers durchs Fenster hindurch in die vom Kaminfeuer in warmes Rot getauchte Familienidylle.52 Dan selbst oszilliert – ganz im Sinne der deleuzianischen Topik des kulturellen Masochismus – zwischen diesen beiden Imagos der bösen und der guten Frau/Mutter und ist nicht in der Lage, diese Situation für sich aufzulösen. Er „erscheint als charakterschwache Figur […], restlos unfähig zu jeder dezidierten Handlung“ (Stresau 1990: 113). „Wie ein Spielball wird er bald hierhin, bald dorthin geworfen“ (Kaye/Sclavunos 1989: 234). All seine wüsten Auftritte bei Alex bleiben erfolglos. Selbst im Showdown gelingt es ihm nicht, Alex zu beseitigen. Erst Beth erledigt die Rivalin. Dan verfügt hier also nicht über den symbolischen Phallus, um für klare Verhältnisse zu sorgen und sich aus dem imaginären, präödipalen Trauma zu befreien. „Man stelle sich einen Western vor, in dem zwei starke Frauen den Showdown um einen hilflosen Mann austragen, und man bekommt eine Vorstellung davon, wie gründlich sich dieser Film von traditionellen Männlichkeitscodes verabschiedet“ (Green 1998: 196, zit. n. Weingarten 2004: 273). Bemerkenswert ist, dass Dan eine intervenierende, väterliche Autorität verwehrt bleibt, denn die Polizei, als formale Instanz des symbolischen Gesetzes, gibt ihm zu verstehen, dass sie nichts für ihn tun könne.53 Die letzte Einstellung zeigt ein Familienfoto auf der Kommode in der Diele. Sie suggeriert die Wiederherstellung des Familienglücks in Fatal Attraction. Jedoch steht zu bezweifeln, dass dieses Abschlussbild tatsächlich ein Happy End symbolisiert. In der filmischen Realität dürfte Dans präödipales Trauma bzw. sein narzisstisch-sexuelles Abenteuer mit Alex das bürgerliche Idyll nachhaltig zerstört haben.

52 Zum Farbschema in Fatal Attraction vgl. auch Norbert Stresau (1990: 112). 53 Zudem wird auch Dans leiblicher Vater als abwesend ins Narrativ eingeführt. Aus den Dialogen geht hervor, dass er und Dans Mutter sich früh getrennt haben und Dan keine positiven persönlichen Erinnerungen an ihn hat: „Soweit ich mich erinnere, war es das einzige Mal, dass mein Vater nett zu mir war, während meiner Kindheit, als er mich mit Madame Butterfly getröstet hat.“

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„Die Darstellung der glücklichen Familie gibt es nach diesen traumatischen Ereignissen nur noch als Foto“ (Bronfen 2004: 123). So bleibt also in erster Linie haften, dass sich in der Figur Dan ein „Diskurs über Kontrollverlust, Entmachtung und Viktimisierung materialisiert“ (Weingarten 2004: 273). Dan verkörpert gleichermaßen Held und Opfer – „a bellicose masochist, aggressive yet powerless, totally domineering while battered by forces beyond his control“.54 Die Inszenierung dieser präödipalen Heldensubjektivität Dans hat Konsequenzen für das Narrativ in Fatal Attraction. Für das klassische Hollywood-Narrativ galt einst die Faustregel, dass ein Trauma in die symbolische Ordnung einbricht, welches der Held aus dem Weg räumen muss, um das Gleichgewicht wiederherzustellen und selbst zur ödipalen Erfüllung zu gelangen. Das postmoderne Fatal Attraction funktioniert anders: Es gibt keine Bedrohung der Homöostase durch ein Verbrechen oder andere äußere Umstände. Die (bürgerliche) Welt des Dan Gallagher ist zunächst vollkommen in Ordnung, er hat Frau und Kind und seine ödipale Mission erscheint damit zu Beginn der Handlung bereits vollendet. Der traumatische Kern schlummert vielmehr im Helden selbst. Es ist Dans innerer Widerstand gegen den ödipalen Imperativ, den er zu leben gehalten ist und den das Narrativ für ihn zunächst bereitstellt. Im ersten Teil des Films geht es also um die Identitätssuche eines präödipalen Helden im weitgehend konventionellen Rahmen eines ödipalen Narrativs. Dieser Rahmen verändert sich jedoch mit der Dämonisierung und Pathologisierung von Alex, dank der der präödipale Held Dan im zweiten Teil des Films überhaupt nur ‚durchgehalten‘ werden kann. Das Narrativ opfert hier in Alex eine der beiden zentralen Frauenfiguren, um eine – letztlich trügerische – ödipale Closure zu erreichen. Fatal Attraction bricht auf diese Weise mit den klassischen Gesetzmäßigkeiten des Hollywood-Narrativs. Dessen Ästhetik und Struktur werden hier dem Umstand angepasst, dass der Held aufgrund seiner veränderten Subjektivität nicht mehr aus eigener Kraft reüssieren kann. Auch die oben beschriebenen Zweifel an der Schlusseinstellung tragen hierzu bei. Trotz des Glück suggerierenden Familienfotos wird das ödipale Narrativ in Fatal Attraction hier dis-

54 Hoberman, J. (1995): Victim Victorious. Well-Fed Yuppie Michael Douglas leads the charge for resentful white men. In: Village Voice/New York 07.03.1995.

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kreditiert, da der Held die Mission nicht selbst zu erfüllen vermag und sein präödipaler Subjektstatus gefestigt bleibt. In den 1990er Jahren knüpft Douglas in seinen Rollen an das Muster aus Fatal Attraction an. Seine Figuren des Detectives Nick Curren in Basic Instinct (1992) und des Firmenangestellten Tom Sanders in Disclosure (1994) sind in erster Linie durch ihre Viktimisierung, das heißt ihren Kontroll- und Machtverlust gegenüber dem mächtigen weiblichen Phallus sowie einem entsprechenden Narrativ bestimmt.55 In Basic Instinct (1992) verfällt der desolate Nick Curran der Hauptverdächtigen, der Schriftstellerin Catherine Tramell. Sie soll einen Rockstar beim Sex mit dem Eispickel getötet haben. Letztlich wird er Catherine entlasten und eine Affäre mit ihr beginnen. Als vermeintliche Täterin ermittelt er die Polizeipsychologin Dr. Beth Garner, die er stellt und erschießt. Beth ist durch ihre prädiegetische Vergangenheit sowohl mit Nick (Ex-Freundin) als auch mit Catherine (Sex am College) verbunden. Formal legt die Mise en Scène der Closure jedoch nahe, dass nicht Beth, sondern Catherine die wahre Täterin ist. Nach einer Liebesszene zwischen Nick und ihr schwenkt die Kamera unter ihre Seite des Betts, wo ein Eispickel lagert. Nick Curran wird als gebrochener Detective eingeführt. Er ist gescheitert an Sexsucht, Drogen, Alkohol56 und einer unkontrollierten, tödlichen Schussabgabe auf zwei Touristen. Obgleich er sich zwischenzeitlich wieder gefangen hat, verrichtet er seinen Dienst nur unter Auflagen und steht unter Beobachtung der Polizeioberen. Sie misstrauen ihm und haben ihn degradiert. Nick muss zur Polizeipsychologin, ist somit abhängig vom Urteil einer Frau, die er anfleht: „Lass

55 Auch Annette Kuhn (1994: 222) liest diese Filme in einer Reihe, jedoch nicht, wie hier, in Bezug auf die von Douglas verkörperten männlichen Figuren, sondern unter dem Oberbegriff der „Women’s Pictures“ in Bezug auf das ihrer Ansicht nach problematische Bild der verführenden, beherrschenden Frauenfiguren. 56 Zigaretten-, Drogen- und Alkoholsucht sind vor allem in den späteren Douglas-Filmen ein subjektkonstituierendes Motiv (vgl. Weingarten 2004: 278f.). Neben den hier genannten Filmen bestimmt dieser Topos vor allem die Filme Traffic (2000), wo Douglas als Drogenfahnder ein Alkoholproblem hat, und Wonder Boys aus demselben Jahr, in dem sein Held das Scheitern als Mann in rosafarbenem Damenbademantel und Marihuanarausch verarbeitet.

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mich hier raus!“ Er befindet sich somit formal im belastenden Konflikt mit dem Namen-des-Vaters. Das väterliche Gesetz erkennt ihn nicht an, er ist bar seines Phallus. Ausgehend von dieser fragilen Subjektposition des Protagonisten inszeniert Basic Instinct Nicks Anti-Initiation. Wie Volker Marquardt (1997: 82ff.) nachweist, besteht sie aus seiner Regression in einen präödipalen Masochismus. Alles beginnt mit einer Allegorie auf Lacans Konzept des Spiegelstadiums als Bildner des Ichfunktion (vgl. ebd.: 85f.). Der erste nackte Körper, den Nick erblickt, ist der des verstümmelten Rockstars. Dieser traumatische Anblick stellt seine „Integrität, die imaginäre Einheit seines Ichs nachhaltig in Frage“ (ebd.). Der zweite nackte Körper, den er erblickt, ist der begehrenswerte Körper von Catherine Tramell. Er beobachtet ihn voyeuristisch im Spiegel. Durch diesen Anblick setzt er das illusionäre Bild der Einheit wieder zusammen und Catherine als sein Ich-Ideal. Der Grundstein für die Konstellation seines präödipalen Begehrens nach dyadischer Verschmelzung mit ihr ist gelegt. In kürzester Zeit verliert Nick nun die Selbstkontrolle. Er beginnt wieder mit dem Rauchen und Trinken, aber vor allem wird sein unbändiges Verlangen nach Sex57 durch Catherine und ihre lasziven Provokationen reaktiviert: „Haben Sie schon mal auf Koks gefickt?“

57 Die wilden, gierigen Sexszenen mit Catherine gleichen denen mit Alex in Fatal Attraction und der Büro-Sexszene mit Meredith in Disclosure (siehe weiter unten). Jeweils übernimmt die Frau den dominanten Part und wird somit als Besitzerin des Phallus inszeniert. Allein Nick Currans Sexszene mit der Polizeipsychologin Beth, die er weder achtet noch begehrt und später erschießt, wird durch ihn bestimmt. Weingarten (2004: 277) weist in diesem Zusammenhang auf die sexuelle Unkontrolliertheit der DouglasFiguren hin. „Sie erlagen fast jeder Versuchung durch eine sexuell attraktive und aggressive Femme fatale.“ Zudem identifiziert sie seine Performance beim Sex als „tölpelhaft“ (ebd.: 271). Interessant ist dabei eine mehrfach wiederkehrende Kameraeinstellung in Basic Instinct, Disclosure und auch in Romancing the Stone (1984) (vgl. Stresau 1990: 89), in der Douglas sich mit seinem Kopf oder Körper z. T. freiwillig, z. T. aber auch unfreiwillig in postnataler Pose zwischen den Beinen der Frau verfängt. Eine unterstützende Beobachtung in Bezug auf die Darstellung von Douglas’ Sexualität in Basic Instinct macht auch Steve Cohan (1998: 265). Er teilt mit, dass in der für das US-amerikanische Publikum veröffentlichten Version die brisanten Szenen aus dem Filmmaterial herausgeschnitten

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Wie Alex in Fatal Attraction verkörpert Catherine Tramell hier die Femme fatale in ihren beiden Extremen der verführerischen Aphrodite und der mörderischen Athene, zwischen denen Nick auf seiner Suche nach der Ideal-Imago oszilliert.58 In Catherine klingen also die „Urbilder der Sacher-Masochschen Frau an, die der männliche Masochist zu seinem Phantasma der mächtigen, präödipalen Mutter vereint“ (ebd.: 82). Das Narrativ von Basic Instinct ist in Bezug auf die weibliche Imago jedoch nicht ganz eindeutig entzifferbar. Im Laufe der Handlung verwischen die Identitäten von Catherine und der eher „mütterlich-verständnisvollen“ (König 195: 146) Beth.59 Laut Steve Cohan (1998: 269) ist hierbei allerdings nicht entscheidend, wer das Original, wer die Kopie und wer letztlich die Täterin ist. Es gehe allein darum, dass „das weibliche Begehren hier nicht regulierbar“ (ebd.) sei. Für Nick bedeutet das, dass er sich in seinem Pendeln zwischen den verworrenen Frauen-Imagos verliert. Basic Instinct inszeniert in diesem Sinne, wie Nick einem unerreichbaren wie undurchsichtigen Phantasma Stück für Stück verfällt,60 sich ihm unterwirft und nicht mehr von ihm lösen kann. Diese Regression ist nicht nur masochistischer Natur: „Im Zuge dieses Liebesrausches regrediert er [auch] auf eine narzisstische Erlebnisweise, der entsprechend er sich einzigartig und völlig sicher fühlt“ (König 1995: 148).

wurden, die Douglas’ nackten Körper zeigen. Weibliche Nacktheit wurde indes nicht geschnitten. 58 Es geht darum, wie Nick, gemäß der deleuzianischen Topik des kulturellen Masochisten, zwischen diesen beiden Extremen pendelt, in ihnen jedoch nicht sein wahres Ideal finden kann, denn dieses situiert sich „in unsicherer Herrlichkeit und Vollkommenheit“ (Deleuze 1980: 205) genau zwischen den beiden Polen. 59 Im Verlauf des Films erfährt Nick, dass Catherine und Beth gemeinsam auf dem College waren und dort kurzzeitig eine Liebes- bzw. Sexbeziehung pflegten. In diesem Zusammenhang tauchen alte Ausweise auf, die Beth mit blonden Haaren als Doppelgängerin Catherines zeigen. Zudem haben beide Gemeinsamkeiten in ihrer Familiengeschichte. 60 Dieser Prozess ist in erster Linie sexueller Natur. Ausführlich zur sexuellmasochistischen Schmerz-Lust-Ästhetik nach Deleuze in Basic Instinct vgl. Marquardt (1997: 101ff.)

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Nach Marquardt wird dieser Prozess seiner unkonventionellen Initiation formal über die Blickinszenierungen realisiert (vgl. ebd.: 82ff.). Zunächst beobachtet er Catherines nackten Körper, wie bereits geschildert, aus einem Versteck.61 Die Kameraführung macht uns Zuschauer hierbei zu seinen voyeuristischen Komplizen. Als er ihren nackten Körper das zweite Mal beobachtet, kommt es jedoch zur „Verschiebung der Machtverhältnisse“ (ebd.: 83), denn Nicks Standpunkt (bzw. der der Kamera) liegt unterhalb Catherines Körper, das heißt er blickt zu ihr hinauf. Zudem ist sie sich seiner Beobachtung bewusst und bietet einen „kalkulierten Strip“ (ebd.) dar.62 Ihre Observierung gerät für Nick zum obsessiven Spiel, in der er sich verliert. Das Verhör in ihrem Haus wird für ihn zum Bumerang. Nach wenigen Worten ist sie diejenige, die die Kontrolle über das Gespräch gewinnt und ihn ausfragt: „Sie weiß alles über mich, saugt mich aus, sie hat es auf mich abgesehen.“ Marquardt spricht hier von Nicks „Fetischisierung der strafenden Henkerin“ (ebd.).63 Wird Nick zu Beginn der Handlung zumindest noch als fragiler Teilhaber des symbolischen Gesetzes eingeführt, so löst er sich mit zunehmender Fetischisierung Catherines komplett aus ihm heraus. Er leugnet und suspendiert den Namen-des-Vaters, denn er fürchtet keine Repressionen mehr durch ihn (vgl. ebd.: 98ff.). Basic Instinct schließt

61 Wie auch in Fatal Attraction spielt hierbei das Farbschema eine Rolle. Die Position des von außen Blickenden Nick ist in kühlem Blau, die Position der innen beobachteten Catherine in warmen, rötlich-braunen Farben dargestellt. Dieses Farbschema variiert jedoch im Sinne der masochistischen Topik der strafenden Frau, so dass Catherine mal wie hier in warme Töne, an anderen Stellen (z. B. in der Verhörszene) jedoch in grell-kaltes Blau getaucht wird. 62 Dies gilt noch stärker für die bekannte Verhörszene, in der sie ihre Beine übereinanderschlägt und die lüsternen Blicke der Polizisten auf sich zieht. Catherine sitzen bzw. stehen hier fünf Männer gegenüber, die hilflos wie kleine Jungen wirken. 63 In gleichem Maße, in dem er ihr als seinem Phantasma der idealen Frau/Mutter verfällt, treibt sie ein Spiel mit ihm. In den meisten Szenen legt Basic Instinct die Deutung nah, er diene ihr nur als Vorlage für eine ihrer künftigen literarischen Romanfiguren. Zu diesem Spiel gehört auch, dass sie zwischenzeitlich androht, den (masochistischen) Vertrag mit ihm aufzukündigen, da er seine Funktion als Vorlage erfüllt habe.

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den Dritten hier aus und stellt eine reine Angelegenheit zwischen Nick und Catherine („Du steckst schon zu tief drin“) her. Als weibliches Ideal und strafende Henkerin verkörpert sie fortan sein Gesetz, bzw. besitzt sie den Phallus, was filmisch durch den Eispickel symbolisiert wird. Marquardt (ebd.: 99) zufolge wird dabei „die drohende halluzinatorische Rückkehr des Vaters […] in Basic Instinct mehrfach über Nicks Alpträume realisiert“. Ähnlich wie in der Closure von Black Rain wird Nick letztlich nur vordergründig in das symbolische Gesetz des Namens-des-Vaters reintegriert. Denn bekanntermaßen hat er vermutlich die falsche Frau erschossen. Die – wie das Filmende nahelegt – wahre Täterin Catherine hat er nicht überführt, sie kontrolliert ihn weiter. Das Narrativ von Basic Instinct widersetzt sich hier der ödipalen Logik und evoziert „the closure’s postmodernist trickery – it is over, no it is not“ (Cohan 1998: 268). Das dyadische, masochistische Verhältnis zwischen Nick und Catherine hält nach dieser Lesart an und kumuliert in der finalen Einstellung des Eispickels unter dem Bett, die der „Bestätigung [dient], dass das Gesetz in der Hand der weibliche Henkerin liegt: [der Eispickel] steht für die Unmöglichkeit, die weibliche Henkerin zu entmachten“ (Marquardt 1997: 88). In diesem Sinne ist auch der letzte Dialog der beiden zu verstehen, in dem Catherine signalisiert, dass sie sich weigern wird, Kinder in die Welt zu setzen. Die Closure sorgt somit nicht für die „Entmachtung der weiblichen Henkerin durch die Institution Familie“ (ebd.), sondern bedient stattdessen die postmoderne narrative Logik des postmodernen Hollywood-Spielfilms, in dem das Happy End des bürgerlich-ödipalen Imperativs fremd geworden ist. Disclosure (1994) schließt die Trilogie der Douglas-Filme, in denen der von ihm gespielte präödipal-masochistische Held einer Femme fatale verfällt. Der engagierte Firmenangestellte Tom Sanders plant den Sprung auf den Posten des Vize-Präsidenten einer ComputerFirma. Doch Firmenpatriarch Bob Garvin hat andere Pläne. Er installiert Toms attraktive Exgeliebte Meredith an seiner Seite. Zudem initiieren beide eine hinterhältige Intrige gegen Tom. Meredith versucht ihn zu verführen und beschuldigt ihn anschließend der sexuellen Nötigung. Sanders’ Berufs- und Familienleben scheinen ruiniert. Erst ein Tonband kann ihn in letzter Sekunde entlasten. Auch Garvins und Meredith’ zweiter Versuch, Tom loszuwerden, scheitert. Dank der anonymen Tipps einer älteren Kollegin durchschaut er rechtzeitig einen

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Sabotageakt und triumphiert.64 Vize-Präsident wird er am Ende aber dennoch nicht. Es wird die ältere Kollegin, die ihm unerkannt zur Seite stand. Die drei grundlegenden narrativen Motive präödipaler Subjektivität der Douglas-Figur in Disclosure sind bereits aus Fatal Attraction und Basic Instinct bekannt. Erstens ist Tom Sanders ein schwacher Vater bzw. Repräsentant der bürgerlich-ödipalen Familie. Seine Tochter beschwert sich eingangs, sie habe keinen Vater, sondern zwei Mütter. Später zeigt sich, dass seine Ehefrau diejenige ist, die die Familie stabilisieren kann.65 Zweitens steht er im Konflikt mit dem Namendes-Vaters, dem düsteren Firmenpatriarchen Garvin, der sich weigert, ihn anzuerkennen (und ihm somit im übertragenen Sinn die Intervention bzw. Überführung in die dritte ödipale Phase verwehrt) und ihn mithilfe seiner Schergen loszuwerden versucht. Das dritte, wesentliche Motiv baut auf den ersten beiden auf: Tom gerät in die Fänge einer starken Femme fatale, die die Kontrolle über ihn gewinnt und von der er sich aus eigener Kraft nicht mehr befreien kann. In der zentralen Verführungsszene beherrscht Meredith ihn als Doppelfigur aus Aphrodite und Athene. Sie wickelt ihn mit devoten Spielchen um den Finger und erregt ihn. Zugleich kommandiert sie, bestimmt, unterbricht und erniedrigt ihn: „Du bist wertlos“. Sexuell wie firmenhierarchisch bedroht sie seinen Phallus:66 „Lass mich dein

64 Der Plot von Disclosure ist im Gegensatz zu denen von Fatal Attraction und Basic Instinct nur mühsam zu durchdringen. Es geht um ein wirres Geflecht von Geld, CD-Roms, einer progressiven Avatare-Software und Produktionsbedingungen in Malaysia. Letztlich kann dieser diffuse Plot als großer MacGuffin verstanden werden, der den Rahmen für die eigentlich bedeutsame, das Narrativ bestimmende Konstellation der Figuren herstellt. 65 Wenn er mit dem Rücken zur Wand steht und nicht mehr weiter weiß, demonstriert sie Entschlossenheit und Familienzusammenhalt. Zudem setzt sie ihn während ihrer Aussprache unter Druck und spricht ihren Ärger über seine mangelnde männliche Stärke aus: „Dein Scheißnarzissmus kann einen aufregen!“ 66 Weingarten (2004: 239) zufolge ist die von Demi Moore verkörperte Figur Meredith auch durch ihren Körper „mit aggressiver, erotisch-phallischer Macht aus[gestattet]“. Wegen seiner Durchtrainiertheit sei ihr „hard body“ in seiner Wirkung mit dem Körper männlicher Actionhelden vergleichbar. „Selbst ihre erogenen Zonen werden also von den bedrohten Männern des

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Boss sein!“ Formal positioniert wie Alex in Fatal Attraction und Catherine Tramell in Basic Instinct stellt Meredith hier die Formulierung der strafenden Henkerin und weiblichen Kastrationsandrohung dar. Wie ein pubertärer Junge sondert Tom in der Verführungsszene einige wenig beherzte „Nein“-Ausrufe ab, lässt die Fellatio aber dennoch, zumindest ansatzweise, geschehen. Erst danach gelingt es ihm, sich loszusagen. Dies ist aber nur ein kurzer Augenblick der Gegenwehr. Bei den anschließenden Anhörungsterminen vor der Richterin bestätigt sich seine Unterlegenheit. Meredith gewachsen und souverän wirkt allenfalls Toms Anwältin. Das Gesetz in Disclosure und damit Toms Schicksal liegt eindeutig in weiblicher Hand.67 Er verzweifelt: „Ich möchte der Patriarch sein.“ Auch der Umstand, dass Tom die entscheidenden Tipps über die gegen ihn geplante Intrige unter der Mail-Kennung „A Friend“ von der großen Unbekannten, der älteren Kollegin Stephanie Kaplan, erhält, ist in diesem Zusammenhang zu sehen. Kaplan repräsentiert die wissende und gute, fürsorgliche Mutterfigur, die Tom Sanders aus den Klauen der Intriganten befreit. Er selbst erkennt sie erst in der Closure. Zuvor war er im Spiel der Femme fatale verfangen und blind für die Imago der guten Mutter. Wenn sie in diesem „ambigen Ende“ (Weingarten 2004: 284) zur Vize-Präsidentin ernannt wird, stellt er sich glücklich und Treue bekennend zu ihr. Gemäß der präödipalen Subjektstruktur erkennt er hier die gute Mutter als Hüterin des Gesetzes und Inhaberin des Phallus an. Neben dieser Grundkonstellation gibt es in Disclosure weitere filmische Motive und Kadrierungen, die Douglas’ Subjektdisposition der verlängerten Adoleszenz untermauern. So erkennt Weingarten (ebd.: 269f.), dass Tom Sanders, wie auch andere Douglas-Figuren, „demonstrativ neben einem Vorgesetzten oder einer anderen Autoritätsfi-

Unternehmens [in Disclosure] als hart, fest und bedrohlich […] halluziniert“ (ebd.). Diese maskulinen Attribute der Beherrschung und Disziplinierung ihres Körpers und ihrer selbst sind auch von konstitutiver Bedeutung in Moores Rolle in A Few Good Men (1992), die weiter unten noch besprochen werden soll. 67 Wie auch in Basic Instinct bahnt sich der suspendierte Vater hier aber per Albtraum einen halluzinatorischen Weg in Tom Sanders’ Leben zurück. Tom träumt krude davon, wie Firmenpatriarch Garvin ihm im Fahrstuhl mit wildem Blick einen Zungenkuss aufzwingt.

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gur postiert wurde, die ihn um Haupteslänge überragten“. Dieses Kleinhalten seiner Figuren betrifft aber nicht nur sein Verhältnis zu Vaterfiguren, sondern auch das zu Frauen. Sowohl in Disclosure als auch in Fatal Attraction und Basic Instinct gebe es „ikonographisch entscheidende Einstellungen […], in denen Douglas’ Gesicht weit unterhalb des Kopfes seiner Partnerin positioniert ist […], so dass er […] optisch kleiner und unterlegen wirkt“ (ebd.: 278). Zudem fällt Douglas’ permanente Tölpelhaftigkeit und unbeholfene Jungenhaftigkeit auf, die hier bereits weiter oben in Bezug auf Fatal Attraction konstatiert wurde. In Disclosure schmiert er sich Zahnpasta auf seine Krawatte, statt mit seriöser Aktentasche kommt er mit leger über die Schulter geworfenem Rucksack zur Arbeit, er spielt in seinem Büro mit einem Basketball und gibt seiner Sekretärin schelmisch einen Klaps auf den Po. Weingarten weist darüber hinaus auf seinen Haarschnitt hin, „der die einzelnen Strähnen wellig fallen lässt und im Nacken entschieden zu lang ist“ (ebd.: 274). Alles an der Figur Tom Sanders sei „etwas zerknautscht“ (ebd.). Weitere Beispiele für dieses Douglas-Motiv sind u. a. seine Tatortbegehung in Basic Instinct, bei der er versehentlich die Stereoanlage voll aufdreht und anschließend dreinschaut wie ein Junge, der Mist gebaut hat, der Rülpser im Gespräch mit seinem Chef in The War of the Roses (1989) oder sein permanent durch Ungeschick (Kugelschreiber, Eistee und Öl) beschmiertes Hemd in The Game (1997). Hedonismus in Wall Street und narzisstisch-adoleszente Fantasien in Black Rain In seinen Rollen Ende der 1980er Jahre legt Douglas vorübergehend den präödipalen Subjekttypus des masochistischen, das heißt sexuell unterwürfigen, viktimisierten, vom Verlust der Kontrolle (bzw. der Suspension des Phallus) und dem Pendeln zwischen zwei gegensätzlichen weiblichen Idealen bestimmten Charakters ab. Stattdessen verkörpert er in Wall Street (1987) und Black Rain (1989) Helden, die sich in ihrem postmodernen Hedonismus und ihrer narzisstischen, verlängerten Adoleszenz an den klassisch bürgerlich-ödipalen Heldenkonventionen reiben. In Wall Street (1987) spielt Douglas den skrupellosen, größenwahnsinnigen Börsenhai Gordon Gekko, der den jungen Broker Bud Fox in sein Imperium aufnimmt. Aus Profitgier hintergeht er jedoch

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seinen hoffungsvollen Zögling und beschwört somit einen folgenreichen Bruch der beiden herauf. Gordon steht hier nicht für die in Hollywood gängige narrative Entfaltung einer Figur. Das formale Prinzip einer Initiationsreise oder Mission ist nicht erkennbar.68 Er verkörpert hier vielmehr ein postmodernes Axiom; nämlich das des die traditionellen bürgerlichen Werte der Moderne verratenden und den gesellschaftlichen Frieden zerstörenden Börsenkapitalismus (vgl. auch Denzin 1991: 82ff.). Gordon, „der schwarz gedreßte Teufel mit öligem Haar“ (Stresau 1990: 122), ist die zynische Inkarnation vieler der damit verbundenen amoralischen (Un-)Werte: Die unerschöpfliche Gier nach Reichtum und Luxus, Unaufrichtigkeit, Falschspiel, Drogen- und Alkoholmissbrauch und Prostitution. Selbst Kunst dient ihm nur der Befriedigung seines konsumtiven Hedonismus. Er hasst die Gesellschaft und akzeptiert keinerlei Gesetze. Mit Lacan formuliert, wird in der Subjektstruktur der Figur Gordon Gekko der ödipale Name-desVaters zugunsten eines präödipalen, imaginären Allmachts- und Omnipotenzphantasmas suspendiert.69

68 Tatsächlich ist es die Figur Bud Cox, die hier die handlungskonstituierende Initiation durchläuft. Wall Street handelt von seiner Suche nach dem abwesenden Vater oder, je nach Lesart, „vom Duell zweier Vaterfiguren um die Seele eines Sohnes“ (Stresau 1990: 122). Dabei pendelt Bud zwischen seinem realen, die bürgerlichen Arbeiter-Werte vermittelnden, guten Vater, von dem er sich jedoch zeitlebens vernachlässigt fühlt (die Fahrstuhl- und die Krankenbettszenen bringen den traumatischen Konflikt der beiden an die Oberfläche), und dem postmodernen Luxus-Hedonisten und Blender Gordon Gekko als böser Vaterfigur, in deren Fänge er gerät. Erst aus seiner Position als Geläuterter heraus findet Bud schlussendlich Anerkennung vom guten Vater und lässt sich (als Signifikant) in dessen symbolischen Wertekanon überführen. 69 Die von der weltweiten Banken- und Wirtschaftskrise 2008 inspirierte Fortsetzung Wall Street: Money Never Sleeps (2010) inszeniert im Prinzip denselben Typus des Gordon Gekko. Jedoch gibt sich Gekko in der Closure geläutert und konsolidiert das zunächst von ihm selbst skrupellos zerstörte Familienidyll. So recht mag man der Figur diesen kathartischen Zug aber nicht abnehmen. Vermutlich ist dieses Finale als eine Art bewusst anachronistisch gesetztes Statement zu verstehen, verlorene Familienwerte in Zeiten sozial-kultureller Unsicherheiten zu re-vitalisieren. Regisseur Oliver Stone deutet dies jedenfalls in einem Interview an. („Die

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Black Rain (1989) kann formal als Variation auf das HollywoodActionkino der 1980er Jahre verstanden werden, so wie es bereits weiter oben nach Pfeil (1995) am Beispiel von Die Hard analysiert wurde. Der von Douglas gespielte Drogenfahnder Nick Conklin ist in seinem narrativen Begehren ein Abbild von John McLane. Alleiniges Motiv seiner Mission ist das Ausagieren „post-patriarchaler, männlicher Wildheit“ (ebd.: 2), das heißt das gesetzlose Spiel und der blutige Wettkampf mit seinem „antagonistischen Seelenverwandten“ (ebd.: 12) Sato. Nick wird im Easy-Rider-Stil eingeführt, als cooler Motorradfahrer, der sich in seiner Peer Group, also bei seinen Kumpel und ihren lauten Maschinen zuhause fühlt. Durch halsbrecherische Wettkämpfe holt er sich hier seine narzisstische Selbstbestätigung.70 Zu seiner Familie, von der er getrennt lebt, zeigt er hingegen keine besondere emotionale Bindung. Seine Exfrau wird nur als Silhouette hinter einem Vorhang angedeutet. Den Kindern drückt er allenfalls ein paar Dollar in die Hand oder er fährt mit ihnen Motorrad. Den elterlichen Erziehungsauftrag nimmt er nicht wahr, denn Nicks Subjektstruktur gibt dies nicht her. Familiäre Triangulation bzw. die Funktion des ödipalen Vaters sind ihm fremd. Daher ficht Conklin auch, genau wie John McLane in Die Hard, einen massiven Konflikt mit den Autoritäten aus. Er fühlt sich von den Polizeioberen verraten, weil sie ihn der Korruption verdächtigen. Fakt ist jedoch, dass sie dabei im Recht sind. Durch einen Wutausbruch und schwere Vorwürfe, die Nick während eines Verhörs erhebt, externalisiert er in gewisser Weise seine eigene

nächste Blase wird grün, das garantiere ich Ihnen.“ Oliver Stone spricht über Geld, Produktivität und Gier, über alternative amerikanische Helden und

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Kamerafahren.

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Süddeutsche

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20.10.2010.) 70 Motorräder ziehen sich leitmotivisch durch die Handlung. Auch Gegenspieler Sato und seine Gang sind auf ihnen unterwegs. Sie können als Substitute für den verlorenen Phallus interpretiert werden. Neben den Motorrädern gilt dies in Black Rain auch für Schusswaffen, die zu jeder sich bietenden Möglichkeit gezückt werden. Die besondere Beziehung Conklins zu Waffen wird vor allem in der Szene deutlich, als er sich feierlich den Revolver aus Charlys Nachlass aussucht, und in der Szene vor dem Showdown, als er mit einer Pumpgun auf dem ‚finalen Schlachtfeld‘ ausgesetzt wird.

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Schwäche und Unzulänglichkeit, sowohl in der Familie als auch im Job nicht ausreichend für das Mandat des Namens-des-Vaters geeignet zu sein. Genauso geht es seinem bösen Alter Ego, dem japanischen Mafioso Sato. Er lehnt sich gegen das paternale Gesetz seiner Mafia auf und startet einen von Allmachtsfantasien getriebenen Feldzug gegen sie. Die japanische Mafia, Gelddruckplatten, Glückspielmonopol und das Motiv des ‚schwarzen Regens‘ als Metapher für die „kulturelle Verseuchung“ (Stresau 1990: 128) Japans durch die USA: All diese Elemente sind jedoch nur MacGuffins, die dem Plot von Black Rain einen sinnhaften Bezugsrahmen geben. Die wahre handlungsantreibende Motivation ist eine andere: Es geht um das Begehren zweier junger Männer in der verlängerten Adoleszenz, sich durch Gewalt, Abenteuer und Wettkampf auszuleben und sich voreinander zu beweisen. Dieser hart geführte Wettstreit beginnt bereits mit ihrem ersten Aufeinandertreffen, einer wilden Verfolgungsjagd in den USA. Dieses Duell entscheidet Nick für sich, also wechseln die Männer den Schauplatz und eröffnen ein neues Spiel in Japan, das von rituellen Raufund Jagdspielen, Kampfsporteinlagen und Motorradfahrten geprägt ist.71 Was mit einfachen herausfordernden Gesten und einem Schlag ins Gesicht72 beginnt, mündet im zwischenzeitlichen Höhepunkt der Hinrichtung von Nicks Kompagnon Charly, den Sato vor Nicks Augen enthauptet. Im Showdown Mann gegen Mann auf dem ‚Abenteuerspielplatz‘ Farm, bei dem die Handlung von Black Rain in der Frage kanalisiert wird, wer von beiden besser Motorrad fahren, raufen und

71 Bemerkenswert ist die Szene, als Nick von den japanischen Autoritäten zurück in die USA geschickt wird. Mit dieser Vorgabe ist er nicht einverstanden. Er duckt und versteckt sich im Flugzeug in einem kleinen Schränkchen, flieht und eilt zurück zu den Schauplätzen des Geschehens, wie ein kleiner Junge, der noch nicht nachhause, sondern weiter mit seinem Kumpel balgen möchte. 72 Nick donnert auf dem Flug nach Japan dem mit Handschellen fixierten Sato die geballte Faust ins Gesicht, so dass der einen Zahn verliert. Grund: Er fühlt sich durch Satos Blick provoziert. Als Nicks ahnungsloser Partner Charly zurück zu seinem Platz kehrt, beschwert sich Sato aber nicht, sondern nimmt Nicks Hieb hin. Zwischen den beiden besteht offenkundig eine Art Übereinkunft, das Dritte ebenso ausschließt wie die Klage über unfaire Wettstreit-Methoden.

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schießen kann, siegt dann aber letztlich doch der ‚gute‘ Junge Nick. Sato wird dabei nicht ermordet, sondern von Nick abgeführt und in höchstem Maße gedemütigt. Nach seiner Verhaftung führt er ihn via Spießrutenlauf auf dem beiden verhassten Terrain des Polizeipräsidiums von Osaka vor. Wie auch in Die Hard und vergleichbaren Actionfilmen der 1980er Jahre überlagert das Binnenverhältnis von Männern bzw. die Bedeutung einer Männerfreundschaft die der potenziellen Mann-FrauInitiation. Denn entgegen der klassischen Hollywood-Konvention des „display of the united romantic couple – the cliché happy ending“ (Bordwell 1986: 21) versandet die vage angedeutete Sympathie zwischen Nick und der Tänzerin Joyce am Ende als leeres Motiv. Nick zeigt keine Ambitionen, ihr Avancen zu machen, und belässt es bei einem freundlichen Kuss. Viel intimer, sentimentaler und länger präsentiert Black Rain hingegen den Abschied von seinem japanischen Kollegen und neuen Freud Mashiro Matsumoto am Flughafen. Diese Schlusssequenz verweist zudem sehr aufschlussreich auf Nicks präödipale Weigerung, das symbolische, väterliche Gesetz anzuerkennen: Von den höchsten japanischen Polizeiinstanzen werden den beiden Abtrünnigen zunächst Orden für die Verhaftung Satos verliehen. Dieses Moment kann prinzipiell als versöhnliche Rückgewinnung ihrer Integrität und ihre Wiederaufnahme unter das symbolische Mandat des Namens-des-Vaters, also als Form der Re-Ödipalisierung gedeutet werden. Doch diese vollzieht sich nur vordergründig. Tatsächlich hat Nick wenig Interesse daran. In der letzten Szene stellt sich heraus, dass er heimlich die Gelddruckplatten (als Signifikanten für Betrug und Hintergehung der symbolischen Ordnung) gestohlen hat. Er schenkt sie Mashiro. Damit perpetuiert er einerseits seine präödipale Verweigerungshaltung bzw. verwirklicht weiterhin seinen adoleszenten Traum der „outright childishness“ (Pfeil 1995: 24) und zieht andererseits den korrekten Mashiro in sein korruptes, asymbolisches Universum hinein. Nach Kaltenecker (1996: 233) sind derartige finale Wendungen durchaus bezeichnend für die Realisierung eines präödipalen Begehrens, weil „selbst dort, wo das Begehren seiner traditionellen Realisierung ganz nahe kommt [hier: die vermeintliche ReÖdipalisierung durch die Ordenverleihung], unerwartete Wendungen weiteren Aufschub erzwingen“.

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Zusammenfassung und weitere Filme Zusammengefasst können die von Douglas im hier untersuchten Zeitraum gespielten Helden als Emporkömmlinge des postmodernen Hollywood-Spielfilms aufgefasst werden. In ihrem Subjekttypus ist eine ödipale Initiationsreise bzw. das Begehren nach ödipaler Verwirklichung nicht angelegt. Stattdessen vermitteln sie Widersprüchlichkeit, Inkohärenz und die hier entscheidende Größe der präödipalen Subjektivität: Black Rain inszeniert den adoleszenten Wettbewerb von Männer-Peer-Groups sowie den Ausschluss des Weiblichen. In Wall Street verkörpert Douglas den konsumtiven Hedonismus der nachbürgerlichen Ordnung und die Trilogie Fatal Attraction, Basic Instinct und Disclosure arbeitet sich an einem neuen, soften Männlichkeitsbild der späten 1980er und 90er Jahre ab, das von „Zerbrechlichkeit“ (Cohan 1998: 274) und dem Prozess der masochistischen Viktimisierung (Weingarten 2004: 259) bestimmt ist. Douglas’ „greatest thrill is pain“ (Savran 1998: 332). Gemein ist den Douglas-Helden die für den präödipalen Subjekttypus konstitutive problematische Beziehung zum symbolischen Namen-des-Vaters bei gleichzeitiger Aufwertung der Beziehung zum imaginären Mütterlichen. Ästhetik und Struktur des Narrativs werden an diese veränderte Subjektivität des Helden angepasst. Insbesondere die Trilogie Fatal Attraction, Basic Instinct und Disclosure verweigert sich einer eindeutigen ödipalen Closure und bewertet das Verhältnis der Geschlechter neu: Die weiblichen Figuren sind nicht mehr allein sinnstiftende Elemente, die der Verwirklichung des Helden dienen, sondern werden mit (bedrohlicher) Macht ausgestattet, die ihnen den Held überantwortet und die sie zu den Triebfedern des narrativen Ablaufs macht. Die hier besprochene Reihe von Douglas-Spielfilmen ist, wie eingangs erörtert, nicht vollständig. Zwar werden auch in den hier ausgelassenen Filmen Motive präödipaler Subjektivität verarbeitet, jedoch böten deren ausführliche Analysen nach meinem Dafürhalten keine Einsichten, die über die in diesem Kapitel erarbeiteten hinausgingen. So werden z. B. auch The War of Roses (1989), The Game (1997) und A Perfect Murder (1998) jeweils von der Anti-Initiation der DouglasHelden bestimmt. In The War of Roses zerstört die Unfähigkeit des Oliver Rose zum Familienleben seine vermeintlich stabilen, bürgerlichen Verhältnisse und evoziert ein zerstörerisches Spiel mit seiner Ehefrau. Narzisstisch-hedonistischer Wettbewerb löst hier die Idee ei-

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ner stabilen Partnerbeziehung (als fundamentaler Begehrensform des klassischen Hollywood-Kinos) ab. Dabei sind „die Rollen durchaus ungleich verteilt: Kathleen Turners’ Barbara ist die Gehässigere der beiden, Michael Douglas’ Oliver über weite Strecken mehr ein Opfer, dessen Racheaktionen immer etwas infantiler erscheinen als die kühlen und dafür um so effektiveren Konter Barbaras“ (Stresau 1990: 137). Ähnlich funktioniert A Perfect Murder, in dem der kriminelle Geschäftsmann und Zocker Steven Taylor den Anschein eines erfolgreichen bürgerlichen Lebens retten möchte, indem er den Mord an seiner Frau in Auftrag gibt. Obgleich diese liebevoll und eher schwach ist, scheitert Stevens Plan und er verliert mehr und mehr die Kontrolle, so dass er in der Closure selbst von ihr erschossen wird. Auch Falling Down (1993)73 und The Game (1997) machen den Bruch mit den bürgerlichen Verhältnissen zum zentralen Thema. In The Game wird der reiche Geschäftsmann Nicholas van Orton in ein fantasmatisches (Alb-)Traum-Szenario hineingezogen, das der Regression in ein präödipales Subjektstadium bzw. einer „Wiedergeburt“ (Weingarten 2004: 287) gleichkommt. In dieser Parallelwelt fernab bürgerlicher Konventionen und der schützenden Funktion eines Namens-des-Vaters kann er wild und hemmungslos seinen adoleszenten Narzissmus austoben, „unrasiert, mit blutiger Nase und Stirn, wirrem Haar und völlig verdrecktem Anzug“ (ebd.). Der Film repräsentiert in diesem Sinne erneut einen Douglas-Helden, der „keine Grenzen mehr ziehen kann und von unbekannten Mächten manipuliert wird, ohne sich wehren zu können“ (ebd.).

73 Zu Douglas’ Rolle als William Foster vgl. Anti-Ödipusse in Kapitel 3.

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Tom Cruises Filmkarriere beginnt in den 1980er Jahren. Seine Filmographie ist mittlerweile sehr umfangreich74 und kann in unterschiedliche Phasen eingeteilt werden. Zwischen schauspielerischen Leistungen und Thematik der Filmstoffe liegen bisweilen Welten.75 Dennoch besteht eine auffällige, viele Jahre überdauernde Konstanz diverser Motive seiner Heldensubjekte, aus der sich eine „neue Art des Begehrens“76 ableiten lässt und die hier unter dem Theoriekomplex des postmodernen, präödipalen Subjekttypus subsumiert werden soll. Dies möchte ich im Folgenden, wie schon in der voranstehenden Analyse der Douglas-Helden, anhand einer Auswahl besonders relevanter Cruise-Filme nachweisen. Jungen-Märchenwelten in Risky Business, Top Gun, Days of Thunder, The Color of Money und Cocktail Seine erste beachtete Hauptrolle spielt Tom Cruise in Risky Business (1983). Der Film öffnet mit einem Close-up seines SonnyboyGesichts, mit dunkler Sonnenbrille und Zigarette im Mundwinkel wird er als lässiger Typ eingeführt. In der zweiten Einstellung stürmt er hektisch das Haus seiner Eltern. Am Platz des Vaters im Wohnzimmer liegen dessen Brille, Zeitung und andere Utensilien, doch er selbst ist abwesend. Auch die Mutter ist fort. Oben, am Ende des Gangs, im Bad, steht eine nackte Schönheit unter der Dusche. Der von Cruise verkörperte Teenager Joel Goodsen keucht, lässt sich zurück an die Wand fallen und seufzt: „Sie wohnt nicht hier, sie ist ein Traum!“ Diese erste Sequenz offenbart bereits die Essenz des gesamten Films: Risky Business ist ein einziges adoleszentes Phantasma, das die bürgerlichen Konventionen negiert und die für männliche Jugendliche hochgradig affektiv besetzten Felder Sport, Spaß, Drogen und vor allem

74 Stand 2011: Cruise spielt in weit über 20 Hollywood-Spielfilmen eine tragende bzw. die Hauptrolle. 75 So macht es z. B. sicherlich wenig Sinn, seinen ersten pubertären Auftritt in Risky Business (1983) und ernsthafte Darstellungen, wie in Valkyrie (2008) bezüglich der genannten Punkte zu vergleichen. 76 Seeßlen, Georg: Sohn und Liebhaber. Tom Cruise. Das Herz eines Karrieristen. In: epd Film (2001)/05.25–31.

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Sex ins Zentrum der Lebenswirklichkeit rückt. Rückblende: Die strengen, kontrollierenden Eltern von Joel verreisen. Er bleibt allein zurück und bricht alsbald die starren bürgerlichen Regeln und Strukturen auf, die sein Leben bestimmen. Was mit Fertiggerichten, Alkohol, Zigaretten, heißen Rennen im Porsche seines Vaters und einer wilden Rock’n’-Roll-Performance in Unterhose beginnt, gipfelt darin, dass er sich bei flackerndem Rotlicht eine Prostituierte bestellt und gemeinsam mit ihr das elterliche Haus, die Festung bürgerlicher Ordnung, in ein Bordell verwandelt.77 In einer der bizarrsten Szenen des Films spielen seine Kumpel im Vorgarten Ball und warten darauf, von bildhübschen Prostituierten in Cocktailkleidern der Reihe nach zum Sex hineingerufen zu werden. Dazu gibt es Party und Alkohol: ein kollektiver Jungentraum geht hier in Erfüllung. Auf den ersten Blick legt die narrative Closure des Films Joels Läuterung nahe und bietet formal eine Art gelungener ödipaler Initiation an, tatsächlich aber festigt sich hier sein präödipaler Subjektstatus. Der Schlüssel für diese Lesart ist das Glas-Ei, das in Risky Business als weiblicher Phallus fungiert. Zunächst ist es im Besitz von Joels Mutter, was auf seinen präödipalen Status, das heißt seine Unterworfenheit unter das mütterliche Gesetz hindeutet. Erst als das Glas-Ei in den Besitz der Prostituierten Lana gelangt, löst er sich aus dem imaginären mütterlichen Universum und mimt als Zuhälter den potenten, Frauen beherrschenden Mann. In letzter Sekunde gelingt es Joel, das angerichtete Chaos zu beseitigen und sein Elternhaus wieder herzurichten, als sei nichts geschehen. Doch es gibt ein Problem: Das Glas-Ei hat einen winzigen Sprung, den die Mutter sofort nach ihrer Rückkehr registriert und der für sie Grund genug ist, sich enttäuscht von ihrem Sohn abzu-

77 Zu diskutieren wäre hierbei jedoch, ob Joel sein Treffen mit der Prostituierten Lana sowie die anschließende absurde Entwicklung nur träumt oder ob sich die Dinge in der filmischen Realität tatsächlich so zutragen. Bevor Lana auf einmal vor ihm steht (wie ist sie ins Haus gekommen?), war er über seinen Büchern eingeschlafen, was die Vermutung einer Traumsequenz bzw. eines Phantasmas nahelegt. Kompliziert wird es dadurch, dass ihn in dieser vermeintlichen Traumrealität ein weiterer (Binnen-)Traum heimsucht. Darin manifestiert sich die Wiederkehr des symbolischen Gesetzes, das gegen seine hedonistische, sexuelle Erfahrung interveniert, denn in diesem Traum umstellen plötzlich bewaffnete Polizisten das Haus, während er mit Lana schläft, und fordern ihn auf, damit aufzuhören.

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wenden. Dieser Sprung symbolisiert, so lässt sich im Anschluss an Lacan sagen, den traumatischen Einbruch in Joels präödipale MutterKind-Dyade. Der Phallus der Mutter ist irreparabel beschädigt. Die unmittelbar anschließende Nachricht seines Vaters, Joel sei an der Uni angenommen, bedeutet in diesem Sinne seine Überführung in die symbolische Ordnung (und somit die Überwindung des Ödipuskomplexes). Tatsächlich ist Joel aber weder willens noch reif dafür und nach wie vor in den Fallstricken seiner präödipalen Subjektivität verfangen. Das verdeutlicht seine gleichgültige und belustigte Haltung gegenüber dem bürgerlichen Uni-Repräsentanten sowie der Umstand, dass dieser sich mit den Prostituierten in Joels Elternhaus vergnügt und ihn nur deshalb zur Uni zulässt. Joels Reifezeugnis ist also ein Schwindel. Die Closure zeigt, wie Joel mit der Prostituierten Lana, die ihm nach wie vor „weit überlegen“ ist und „das letzte Wort behält“ (Rall 2003: 29), gen Dunkelheit ins Ungewisse davonschlendert und vom „Spaß seines Lebens“ schwärmt. Risky Business ist der Beginn einer knapp zehnjährigen Periode in Cruises Filmkarriere, in der Erfahrungs- und Lebenswelt der verlängerten Adoleszenz ins Zentrum der Sinnstiftung rücken. Top Gun (1986) und Days of Thunder (1990) sind die beiden relevantesten Beispiele hierfür. In Top Gun (1986) spielt Cruise den jungen US-Navy-Kampfpiloten Pete Mitchell, genannt Maverick. Die Geschichte reduziert sich im Wesentlichen auf den Wettbewerb zwischen ihm und seinem Konkurrenten Iceman. Es geht darum, wer von beiden der Schnellste, Geschickteste und Mutigste in seiner F-14 ist. Dramaturgische Elemente sind der tödliche Unfall von Mavericks bestem Kumpel Goose, die Liaison mit seiner Vorgesetzten Charlotte Blackwood und der Showdown am Himmel im ‚echten Kugelhagel‘. Das Top-Gun-Narrativ bietet keine ödipale Initiation oder Heldenmission im klassischen Sinne, sondern verharrt in der Repräsentation einer „märchenhaften Männerwelt“ (Rall 2003: 37). Bereits die erste Einstellung verdeutlicht dies. Untermalt von Musik steigen F-14-Maschinen im roten Nebel vom Trägerschiff auf. Darauf zu sehen sind Techniker und Fluglotsen, die gemeinschaftlich ihre schweißtreibende Arbeit verrichten. Der TopGun-Kosmos mit seiner eigentümlichen Jungen-Romantik ist hier gleich zu Beginn geschaffen und wird immer wieder in Szene gesetzt. Wenn Maverick und seine Kameraden nicht gerade ihrem größten „Spaß“ (Maverick) nachgehen und fliegen, sitzen sie auf Motorrädern

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oder hängen gemeinsam rum. „Ausgiebig stellt die Kamera Cruise und seine Kollegen […] zur Schau, ob beim Duschen, beim Lümmeln auf dem Bett, beim Krafttraining oder beim Volleyball (letzteres zum Song Playing It with the Boys)“ (ebd.: 38). Diese Szenen bilden ein eigenes, außerhalb der eigentlichen Handlung liegendes filmisches Feld, ähnlich dem des weiblichen Spektakels im klassischen Hollywood-Spielfilm. Mark Simpson (1994: 229) beschreibt Top Gun in diesem Sinne als eine Bühne für die Realisierung des männlichen Narzissmus. Das Narrativ inszeniere das selbstverliebte, überhöhte Gehabe seiner Protagonisten, deren Ziel es sei, die anderen zu übertrumpfen. „Because only the best can be the centre of the universe where all his needs will be satisfied“ (ebd.: 232). In anderen Worten formuliert, repräsentiert der Film Mavericks Angewiesenheit auf die narzisstische Zufuhr durch andere, zuvorderst Iceman, und sein damit verbundenes Phantasma von Grandiosität und Omnipotenz. Er imaginiert sich hier als „the autoerotic centre of the universe, ‚representing in himself all of life‘“ (ebd.: 234).78 Ein Begehren nach Triangulation bzw. familiärer Verwirklichung kennt Maverick nicht. Zu Goose sagt er: „Du bist meine Familie“, und nach dessen Tod, das heißt in der Peripetie des Films, muss er von Gooses Frau getröstet und bestärkt werden, nicht umgekehrt. Ohnehin bleibt Frauen der Zugang zur narzisstischen Männerwelt in Top Gun weitestgehend verwehrt. Sie haben allenfalls ergänzende Bedeutung als F-14-Substitute für Lust und Abenteuer. Grundsätzlich gilt jedoch: „The sky and its thrills remain an unchallenged boys-only world, uncontaminated by woman“ (ebd.: 235). So sind die Sexszenen zwischen Maverick und der hier einzig zugelassenen Frau Charlotte weit weniger aufregend und aufwühlend dargestellt, als die musikalisch mit Pathos unterlegten Flugsequenzen (vgl. ebd.). Es scheint zudem, als sei Maverick an Charlottes Liebe gar nicht ernsthaft interessiert. Zunächst ignoriert er ihre Andeutungen und braust mit dem Motorrad davon. Als sie ihn dann doch einmal „mit ihrem Porsche verfolgt, ihn mit gefährlichen Manövern zum Halten zwingt und ihm ihre Liebe gesteht,

78 Simpson beschreibt hier, wie Mavericks Narzissmus auf die Zuschauersubjekte projiziert wird. „His compelling self-love allows men (and women) in front of the cinema screen to take him as their own idealized reflection and love him/themselves narcissistically“ (ebd.: 230).

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ist es das fassungslose Gesicht von Tom Cruise, das wir sehen“ (Rall 2003: 40). Wenn sie nach der anschließenden Liebesnacht morgens erwacht, ist er bereits fort und dort, wo er sich am wohlsten fühlt: bei den Kameraden auf dem Flugplatz. Wenn Maverick im Showdown den Feind abschießt und seinen Status als bester Pilot festigt, erreichen die narzisstischen Allmachtsfantasien in Top Gun ihren Höhepunkt. Maverick „has achieved the dizziest heights of manhood, the focus of other men’s admiring gaze […], the masculine ego has triumphed […]. All we can be sure of in the end is that no one can truly possess Maverick – he remains the narcissistic centre of his own universe and the voyeuristic property of the audience“ (Simpson 1994: 237f.).

Dieses von Simpson geschilderte Gefühl ist so mächtig, dass es auch das vermeintliche Happy End zwischen Maverick und Charlotte überlagert. In der narrativen Closure blendet die Kamera noch einmal vom küssenden Paar über und zeigt – wie schon zu Beginn des Films – zwei (verliebte?) F-14-Maschinen, die in den roten Himmel aufsteigen. Ihnen gehört Mavericks wahres Begehren. Dieses letzte Motiv führt noch einmal den wahren Bedeutungskern von Top Gun vor. Der Film thematisiert postmoderne männliche Identitäten seit den nachbürgerlichen 1970er Jahren. So finden sich in Mavericks Subjekttypus fast alle weiter oben erörterten Aspekte der verlängerten Adoleszenz bzw. des Narziss als „neuem Sozialisationstypus“, das heißt die Sehnsüchte des Subjekts nach Selbsterhöhung und Befriedigung durch die unmittelbare Erfahrung von Macht, Schönheit und Erregung, die besondere, intime und identitätsstiftende Qualität von ‚Jungenfreundschaften‘, die die fehlende Beziehung zur festen Freundin ersetzen und primär durch geteilte körperliche Aktivitäten, Wettbewerb und Normbrüche ausgetragen werden, sowie den Drang in den öffentlichen Raum, in dem sich die jungen Männer ausprobieren können. Als Variante dieser Cruise’schen Form des „Buddy Movies“ (Holmlund 1996: 220) kann Days of Thunder (1990) gelesen werden. Der Film ist im Prinzip eine Kopie von Top Gun, denn er hat in formaler Hinsicht die gleiche narrative Struktur und in inhaltlicher Hinsicht identische Motive. Cole Trickle heißt der Held und statt in der F-14 triumphiert er hier in schnellen Autos. Sein härtester Konkurrent, der ihn am Ende bewundert, heißt Rowdy (!) und auf die Frau, die ihn be-

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gehrt, ist er erneut angewiesen: Diesmal ist sie nicht seine Vorgesetzte, sondern seine Ärztin Claire. Sie stellt hier – wie auch Charlotte in Top Gun – in gewisser Weise die Inhaberin des mütterlichen Phallus dar, denn der Cruise-Held ist beiden jeweils untergeordnet und unterlegen. Days of Thunder eröffnet ebenfalls mit einem männerdominierten Setting: Es ist das Rennstadion, ein riesiger Abenteuerspielplatz, auf dem sich die Heißsporne fortan ausagieren werden. Auch hier wird der Wettkampf zum höchsten Prinzip erhoben. Selbst abseits der Rennstrecke, etwa wenn sie in Rollstühlen um die Wette fahren, messen sie ihre Kräfte. In seinem emotionalsten Monolog huldigt Cole diesem narzisstischen, nicht-familiären Leben: „Ich habe doch nichts anderes. Ich will das nicht verlieren. Setz mich in diesen Rennwagen“. Sein Verhältnis zu Claire, die es sehr ernst mit ihm meint, gleicht dem von Maverick zu Charlotte in Top Gun. Im entscheidenden Moment übernimmt sie das Zepter und gesteht ihm ihre Liebe. Doch verhaftet in seiner präödipalen Subjektivität kann er das Begehren nicht teilen und denkt bereits nach der ersten Liebesszene wieder ans Autofahren. Später, als sie ihm in Aussicht stellt, ihn als feste Freundin zu begleiten, wirft er sich panisch in ein Autorennen mit einem Taxifahrer und entzieht sich so einer Entscheidung und somit der Verantwortung. Sie kommentiert: „Du bist selbstherrlich, irre und hast Angst.“ Auch vor und nach dem entscheidenden Rennen speist er Claire mit halbherzigen Küssen ab. Emotionale Nähe sucht er zu seinen Mitfahrern und seinem Mentor Harry, mit denen er auch weitaus intensivere Blicke tauscht. So feiert die Closure auch die beiden Männer und nicht das (glückliche?) Paar. Weitere Cruise-Filme der 1980er, die den präödipale Subjekttypus des Helden in Form seiner adoleszenten, spaß- und spielorientierten Lebenshaltung thematisieren, sind The Color of Money (1986) und Cocktail (1988). In beiden Geschichten gerät der gleichermaßen junge, naive wie talentierte und freche Held an ältere, ihm überlegene Männer, die ihn an sich binden und ihm ihre Freundschaft anbieten. Ihr Eigeninteresse und manipulativer Einfluss ist dabei jedoch so groß, dass sie die von Cruise gespielten Helden vom Wege eines bürgerlichen Lebens, der vor ihnen zu liegen schien, abbringen und in einen Trip der hedonistischen Selbstfindung drängen.79 Auch diese beiden Filme

79 In Cocktail wird dieser Prozess über eine bemerkenswert konsequente Parallelmontage im ersten Drittel des Films realisiert. Während der Cruise-

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stellen somit natürlich eine Metapher auf die in der vorliegenden Untersuchung dargestellten nach-bürgerlichen Verhältnisse und Subjektdispositionen der Postmoderne dar. In The Color of Money (1986) geht es um die schlichte, unkontrollierte Lust von Männern am Billardspiel. Cruise-Held Vincent Lauria wird dabei porträtiert als ständig grinsender großer Junge oder auch „Zappelphilipp. […] Oft ist sein ganzer Körper in Bewegung, selbst beim Computerspiel (neben Pool Vincents zweite große Leidenschaft) geht er in die Knie, wippt vorwärts und rückwärts und steht von Kopf bis Fuß unter Strom“ (Schnelle 1993: 84). Interessant ist, dass der Film durchaus bürgerlich-ödipale Werte des klassischen Hollywoods wie Mut, Charakter, Macht und Mannhaftigkeit inszeniert. Jedoch geschieht dies nicht aus den Erfordernissen einer übergeordneten Handlungsmission heraus, sondern einzig und allein im Spiel. Cocktail (1988) feiert die sorglose Traumwelt des Cruise-Helden Brian Flanagan als Cocktails mixendem Sonnyboy auf Jamaika, bis er durch eines seiner Sexabenteuer auf die Probe gestellt wird: Seine Affäre ist schwanger. Doch Brian denkt zunächst gar nicht an eine familiäre Zukunft, sondern stürzt sich ins nächste Abenteuer und wetteifert um die Gunst anderer Frauen.80 Wenn sich Brian in der Closure als geläutert präsentiert und sein ödipales Mandat der Vaterschaft und Familiengründung doch noch anerkennt und erobert, dann geschieht

Held Brian am Tage, in seinem bürgerlichen Leben (Uni, Lernen, Bewerbungen) scheitert, entwickelt er sich im nächtlichen Barleben zu einem bewunderten Cocktail-Mixer, dessen narzisstische Fantasie, ein Star zu sein, hier auf fast absurd lächerliche Weise bestätigt wird. In The Color of Money arbeitet der Cruise-Held vor seiner Indoktrination durch den Zocker Eddie Felson als Verkäufer in einem Spielzeugwarengeschäft, was die Disposition des „kindlichen, jungen Burschen“ (Rall 2003: 41) motivisch untermauert. Felson besucht ihn dort und ködert ihn mit der Aussicht auf Geld und Spaß. In beiden Filmen reichen die durchaus thematisierten Zweifel der Helden nicht, um sich der verlockenden Verheißungen zu erwehren. 80 Angestachelt wird er dabei von seinem vermeintlichen Freund Douglas Coughlin. In ihrer Beziehung realisiert Cocktail das in Cruise-Filmen wiederkehrende Motiv des adoleszenten, aufs Spiel ausgelegten Wettbewerbs zwischen (jungen) Männern: „Wenn ein Mann dich herausfordert, musst du dich stellen.“

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dies, wie in allen bisher in diesem Kapitel analysierten Cruise-Filmen, nur vordergründig und fadenscheinig. Die narrative Closure evoziert sein wahres Begehren: Auf dem Tresen stolzierend ruft er aus: „Die Bar ist eröffnet“. Tom Cruise Filme aus den 1980er Jahren lassen sich zusammengefasst als Ikonografie intensiver adoleszenter Fantasien junger Männer mit ihrer Negation bürgerlich-tradierter Werte beschreiben. Cruise Heldenfiguren haben eine „fetischistische Beziehung zur Warenwelt“81 und nichts anderes im Sinn, als „ein Flugzeug zu fliegen, Billard zu spielen oder Drinks zu mixen“ (Komorek 1990: 55).82 Ihre größte Schwierigkeit besteht darin, stabile Beziehungen zu Frauen einzugehen. Formal enthält diese narzisstisch-hedonistische Begehrensstruktur die Absage an die ödipale Initiationsreise und evoziert somit eine Ästhetik und Handlungsstruktur abseits des klassischen HollywoodNarrativs. Auch die Cruise-Filme ab den 1990er Jahren kultivieren weiterhin wichtige Aspekte dieses präödipalen Subjekttypus. So bewahren sich seine Helden, obgleich sie 30 Jahre und älter sind, häufig ihre adoleszente Verspieltheit, Selbstüberschätzung und Abenteuerlust sowie ihren naiven, unernsten Umgang mit Verantwortung bzw. einem symbolischen Gesetzesmandat: In A Few Good Men (1992) fehlt es Cruise als US-Navy-Anwalt Daniel Kaffee „nicht nur an Reife, ihm mangelt es auch an jedwedem Ehrgeiz. […] Kaffee wirkt fortwährend zerstreut

81 Seeßlen, Georg: Sohn und Liebhaber. Tom Cruise. Das Herz eines Karrieristen. In: epd Film (2001)/05.25–31. 82 Simpson (1994: 238ff.) liest selbst Cruises ernste Rolle als querschnittsgelähmter Kriegsveteran Ron Kovic in Born on the Fourth of July (1989) in diesem Zusammenhang. Zwar stelle der versehrte Kovic den Gegenpart zum glamourösen Top-Gun-Helden Maverick dar, dennoch sei die Kernaussage beider Figuren dieselbe: „Both represent Cruise as the allAmerican boy and in both films the narcissism of the American male/Cruise takes centre stage“ (ebd.). Born on the Fourth of July inszeniere Kovic die meiste Zeit wie einen adoleszenten an seine Mutter gebundenen Helden. Zwar löse er sich in der Closure aus diesem Zustand und werde ein Mann, „from boyhood to manhood“ (ebd.: 244), entscheidender noch seien aber der Ruhm und der Starstatus, die er dabei erlange: „[H]ero status has been replaced by celebrity status as the ultimate narcissistic goal“ (ebd.).

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und abwesend, er zappelt unruhig herum und ist nie bei der Sache“ (Schnelle 1993: 170). Als weitere Motive wären zu nennen: Er trägt verschiedene Socken und statt sich um seine Mandanten in Haft zu kümmern, trainiert er lieber Baseball-Abschläge. Das Motiv der Baseballschläger, Mini-Basketballkörbe etc. als jungenhaftes Basisequipment des Helden kehrt in Jerry Maguire (1996) und Vanilla Sky (2001) wieder. Insbesondere diese beiden Filme reihen sich noch einmal in die Typologie der Cruise’schen 1980er-Jahre-Helden ein.83 Als Jerry Maguire (1996) spielt Cruise einen egozentrischen und spaßsüchtigen Sportmanager, der zunächst allgemein bewundert wird („Ihr Optimismus hat etwas Revolutionäres“), bis ihm die Kündigung ins Haus flattert. Der Plot inszeniert fortan Jerrys schmerzhafte Erfahrung, sein Grandiositätsgefühl nicht mehr ausleben zu können und seinen Narzissmus nicht mehr von außen bestätigt zu bekommen. Zudem ist er blind für die Liebe einer Frau.84 In Vanilla Sky (2001) spielt Cruise den steinreichen Yuppie David Aames, der am liebsten Porsche fährt, Partys feiert und mit Freunden über seine „Bumsfreundin“ spaßt. Vorm Spiegel zupft er sich eitel sein erstes graues Haar aus. Zugleich versagt er aber in seiner Verantwortung als Geschäftsführer eines mächtigen Verlagsimperiums.85 Auf Grundlage dieses Szenarios inszeniert Vanilla Sky Davids Kontrollverlust sowie die Fragilität seiner

83 Das gilt in gewisser Weise auch für die Komödie Tropic Thunder (2008). Entscheidender Unterschied ist jedoch, dass Cruise sich hier offenbar in seinem präödipalen Subjekttypus selbst persifliert. Er ziehe in seiner Rolle als Filmstudio-Boss Les Grossman „seinen stets wohltrainierten Körper, seine an Arroganz grenzende Coolness und die böse Ahnung, dass er irgendwo in den Achtzigern oder Neunzigern steckengeblieben ist, gnadenlos durch den Kakao“. Vgl.: Rehfeld, Nina: Tom Cruise. Witzfigur wird Superclown. In: Spiegel online 23.09.2008. 84 Außergewöhnlich in Bezug auf einen Cruise-Helden ist jedoch, dass er hier letztlich dann doch eine ernsthafte Beziehung mit ihr eingeht und somit ins ödipale Koordinatensystem überführt wird. Wie im klassischen Hollywood-Narrativ feiert die Closure von Jerry Maguire die triangulierte Familieninitiation, die die Bedeutung einer Männerfreundschaft überlagert. 85 Entsprechend desinteressiert und verspielt posiert David in seiner Firma, mit Kappe auf dem Kopf und mit den Sekretärinnen flirtend, inmitten der dunklen Gestalten des Aufsichtsrates. Sie sehen ihn daher „immer noch als 11-Jährigen“.

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narzisstisch-hedonistischen Lebenswelt und rückt dabei die verpasste Chance des Helden zur erlösenden, sinnstiftenden Liebe einer Frau in den Vordergrund. Beide Filme behandeln im Kern also das präödipale Begehren des Helden (dynamisches Bild von Männlichkeit, Narzissmus, Desinteresse an partnerschaftlicher Liebesbeziehung etc.) bzw. seine Widerspenstigkeit gegenüber der ödipalen Initiation als Ausdruck postmoderner männlicher Subjektivität. Vaterkonflikte in A Few Good Men und Magnolia Ab den 1990er Jahren entsteht zudem eine Reihe von Filmen, die nicht allein den adoleszenten, hedonistischen Subjekttypus der von Cruise gespielten Helden ins Zentrum rückt. Ein neues elementares Motiv hält hier Einzug. Es ist die Präsenz einer bösen, ödipalen Vaterfigur, die in die Lebenswelt der Helden interveniert, indem sie den unreifen jungen Mann herausfordert, täuscht und ihm so seine Unbefangenheit raubt. Auch zuvor, in den Cruise-Filmen der 1980er Jahre, wird der Vater zwar bereits motivisch thematisiert, jedoch immer nur als Abwesender: In Risky Business ist es der leere Platz am Wohnzimmertisch, in Rain Man (1988) der Verlust des Vaters, der dem Leben des Helden eine radikale Wende gibt, in Born on the Fourth of July (1989) ist es die grundlegende Topik des „von allen Vätern verlassenen und verratenen Kriegsheimkehrers“86 und in Top Gun, Days of Thunder oder auch Cocktail sind es die Gespräche über die Vergangenheit, in denen die Abwesenheit des Vaters betrauert wird.87 Diese Filme verarbeiten das im vorliegenden Buch ausführlich erörterte sozialhistorische Faktum des Abhandenkommens der väterlichen Autoritäten in der nachbürgerlichen Gesellschaft durch deren Negation. Das Cruise’sche Hel-

86 Seeßlen, Georg: Sohn und Liebhaber. Tom Cruise. Das Herz eines Karrieristen. In: epd Film (2001)/05.25–31. 87 In Top Gun ist der Vater als Kampfpilot verschollen. In Cocktail und Days of Thunder haben die beiden Cruise-Helden das Verhältnis zu ihren Vätern abgebrochen. In Cocktail beschreibt Brian ihn als ‚Arthritis’ und in Days of Thunder berichtet Cole verbittert darüber, wie er von seinem Vater betrogen und ausgenutzt worden sei und seitdem nichts mehr mit ihm zu schaffen habe. Mechaniker Harry übernimmt hier als Coles Förderer eher die Position des guten, älteren Freundes als die eines autoritären Patriarchen, so wie er ab den 1990er Jahren auf den Plan tritt.

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densubjekt steht hier für eine verbreitete Form von Männlichkeit in der Postmoderne, die durch ihren narzisstisch-hedonistischen Lifestyle den Vaterverlust und die daraus resultierende Orientierungslosigkeit kompensiert und dennoch darunter leidet, dass es ihr unmöglich ist, sich mit dem fehlenden bzw. schwachen Vater auseinanderzusetzen. Da sich in Cruises frühen Filmen der Vater „längst entzogen hat, geht dieser Kampf ins Leere“.88 Ab 1992 ändert sich das. Den ersten und wohl zugleich auch größten Kampf seiner Filmvita trägt er hier mit Colonel Nathan Jessep in A Few Good Men aus. Cruise-Held Lieutenant Daniel Kaffee wird als junger, unerfahrener Anwalt der US-Navy beauftragt, zwei Soldaten zu verteidigen, die einen Kameraden ermordet haben sollen. Obgleich dieser Fall für ihn übergroß scheint, gelingt es ihm im dramatischen Showdown vor Gericht, dem mächtigen Colonel Jessep mutig die Stirn zu bieten, so dass dieser in einem Wutanfall eingesteht, den Befehl zur Beseitigung eines Soldaten gegeben zu haben und damit verantwortlich für dessen Tod zu sein. Simpson (1994: 245) hat jedoch Recht, wenn er anmerkt, dass A Few Good Men kein Gerichtsdrama sei, sondern der narrative Kern in der binären Auseinandersetzung zwischen dem jungenhaften Daniel und der Vaterfigur Nathan Jessep bestehe. Die Einführung beider Charaktere erfolgt hierbei auf Grundlage des präödipalen Szenarios. Kaffee ist der unreife Junge, der verfangen im Imaginären mit sich selbst beschäftigt ist und weder Respekt vor noch Ahnung von der wahren symbolischen Ordnung der Navy hat.89 Dem gegenüber wird Jessep als Sinnbild patriarchaler Macht förmlich überzeichnet. Er ist der böse, autoritäre Kommandeur des Stützpunkts, der die Fäden in der Hand hält und in dessen Nähe alle anderen vor Angst erstarren. Er allein besitzt den Phallus. Schon sein düsterer, stechender Blick sendet die Androhung der Kastration aus (vgl. ebd.: 247). Und es bleibt nicht bei der Androhung: Soldat Santiago, der Schwäche zeigt und um Hilfe bittet, wird von ihm durch den „Code Red“, das heißt die Anordnung einer tödlichen Prozedur bestraft. So stellt das erste Aufeinandertreffen zwischen Daniel und Jessep einen bemerkenswerten Einschnitt in Cruises Film-Biographie dar: Erstmals wird einer seiner vermeintlich lässigen und unbedarften Hel-

88 Ebd. 89 Er kommt ständig zu spät, isst während Besprechungen, klopft Sprüche und hält sich nicht an militärische Umgangsformen.

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den wehrlos und unvorbereitet von der ihm bis dato unbekannten massiven Wucht paternaler Autorität getroffen und in die Schranken verwiesen. Daniels rückgrat- und ahnungsloses Verhör auf dem Stützpunkt mündet in einem Fiasko, denn tatsächlich kontrolliert Jessep hier das Geschehen und beendet die Befragung, indem er Daniel in der bedrohlichen „Syntax eines Patriarachen“ (vgl. ebd.: 246) als „HarvardHündchen“ in „tuntiger, weißer Uniform“ ridikülisiert. Gegenüber dem knabenhaften Helden lässt er hier keinen Zweifel daran, dass er es ist, der mit der ganzen Brachialität seiner Existenz den Namen-desVaters repräsentiert.90 Diesem einschneidenden Erlebnis folgt eine Art echter persönlicher Initiation des Cruise’schen Helden. Daniel legt sein adoleszentes Schutzschild ab und bezeugt seinen Willen, der übermächtigen Vaterfigur die Stirn zu bieten. Engagiert, ernsthaft und überlegt arbeitet er auf sein zweites Aufeinandertreffen mit Jessep hin, so dass es ihm im Showdown vor Gericht gelingt, Widerstand und Rückgrat aufzubieten und den bösen Patriarchen in die Knie zu zwingen. Es ist nicht schwer zu erkennen, dass diese Szene das gelungene Ende eines „Prozesses des (verspäteten) Erwachsenwerdens [des] kindlichen Jünglings“ (Schnelle 1993: 168) bezeugt. Entscheidender scheint mir jedoch die tiefere, subjektivierende Dimension, die diesem Triumph über den Vater innewohnt. War es im klassischen Hollywood-Kino das narrative Ziel des Helden, sich durch das Bestehen seiner Mission affirmativ in die symbolische Ordnung des Vaters zu integrieren, so geschieht in A Few Good Men gerade das Gegenteil. Mit seinem Sieg über Jessep treibt Daniel „den Geist des übermächtigen Vaters aus“ (ebd.: 172) und demontiert somit das Bild der klassischen hegemonic masculinity in ihren bürgerlichen, ödipal generierten Werten (Stärke, Sturheit, Ehre etc.). Daniel selbst hat mit diesem Bild von Männlichkeit nicht mehr viel gemein. Wenn er in der finalen narrativen Einstellung inmitten des leeren Gerichtssaals noch immer ungläubig über seinen Sieg staunt, genießen wir Zuschauer mit ihm und somit, wie Simpson (vgl. ebd.: 249f.) erkennt, mit einem nach wie vor narzisstischen Heldensubjekt: „He remains the real object of his affections, leaving him to the rapacious gaze of the audience. […] He, his autoeroticism, his cheeky

90 Zudem verspottet Jessep hier Daniels abwesenden, weil verstorbenen realen Vater. Auch dadurch manifestiert er hier seine Vormachtstellung als dunkler, verachtender Patriarch.

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grin, and his baseball bat are openly and exclusively available for the consumption of the audience“. Bemerkenswert ist also die Offenheit, mit der A Few Good Men Daniels narzisstischen Subjekttypus in der Closure artikuliert (vgl. ebd.). Der Film etabliert eine alternative, präödipale Form von Männlichkeit auf der Bühne der postmodernen dominant fiction, alldieweil diese dem Imperativ klassischer bürgerlicher Männlichkeit die Stirn bietet. Der Triumph über den bösen Patriarchen in A Few Good Men ist allerdings nicht ohne die Unterstützung des Weiblichen/Mütterlichen möglich. Auch dieser Umstand ist hier neu bei Cruise. In früheren Filmen wie Top Gun oder Days of Thunder ordnet der von ihm gespielte Held die Beziehung zu einer Frau seiner eigenen Erlebniswelt unter. In A Few Good Men hingegen wird die Frau zu seiner wichtigsten Verbündeten und zur moralischen Instanz. Als Lieutenant Commander ist JoAnne Galloway dem Helden Daniel militärisch vorgesetzt.91 Das interessiert ihn zunächst wenig. Eingangs der Handlung verhöhnt er sie. Das Verhältnis zwischen beiden ändert sich jedoch ab dem Fiasko beim Verhör auf Jesseps Stützpunkt. Daniel und Galloway sitzen hier als Einheit nebeneinander, am anderen Kopfende thront Jessep. Beide Parteien werden per Schuss-Gegenschuss separiert. Doch während Daniel sich hier aus Angst vor dem mächtigen Patriarchen duckt, bietet Galloway ihm Paroli und stellt unangenehme Fragen. Dieses Moment der weiblichen Stärke kann für den beeindruckten Daniel als Initiationszündung aufgefasst werden. Ermutigt, inspiriert und moralisch unterstützt durch Galloway („Hol es raus aus ihm!“) nimmt er fortan den Kampf gegen Jessep auf und wird ihn am Ende auch gewinnen. Galloway stellt hierbei natürlich das Pendant zu Jessep dar. Sie fungiert als schützende, präödipale Mutterfigur für den Helden Daniel. Beide entwickeln ein tiefes emotionales Verhältnis zueinander, das Narrativ verzichtet aber auf romantische Avancen oder Liebesandeutungen zwischen ihnen. Das Motiv der Präsenz böser Vaterfiguren und Autoritäten als Ausdruck der Verarbeitung und Überkompensation postmoderner Vaterlosigkeit kehrt in diversen Cruise-Filmen ab A Few Good Men wieder. Dabei sind die Narrative häufig nach dem gleichen Muster gestrickt. Der Cruise-Held hat eine enge, vertrauensvolle Bindung zur

91 Auch Charlotte in Top Gun und Claire in ihrer insistierenden Rolle als Ärztin in Days of Thunder sind dem Cruise-Helden vorgesetzt.

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vermeintlich guten, schützenden Vaterfigur, die sich als sein Mentor/Förderer ausgibt. Tatsächlich aber handelt es sich hierbei um eine massive Täuschung, denn der Cruise-Held ist blind für die Wahrheit, nach der diese Vaterfigur eigentlich ein tiefgründig boshafter Betrüger ist, der ihn für seine kriminellen Zwecke zu instrumentalisieren versucht. Die Peripetie der Handlung besteht darin, dass der Cruise-Held diese schmerzhafte Wahrheit erkennt und es ihm in einem Kraftakt gelingt, die böse väterliche Ordnung zu zersprengen und sich von ihr zu lösen: In The Firm (1993) sind es die sinistren Chefs seiner für die Mafia tätigen Anwaltskanzlei, die den ahnungslosen Junganwalt Mitch McDeere ausnutzen wollen. In Mission: Impossible (1996) ist es Ethan Hunts Teamchef und väterlicher Vertrauter, der ihn als Konspirant des Bösen übel hintergeht, und in Minority Report (2002) liegt der Schlüssel zur Lösung in einer albtraumhaften Flashback-Sequenz, die den patriarchalen Organisationsgründer und Gutmenschen als berechnenden Muttermörder entlarvt, der den unwissenden Chefermittler John Anderton lange Zeit hinters Licht geführt hat. Konstitutiv für diese Filme ist also der traumatische (postmoderne) Schmerz über den Verlust des ursprünglich als gut und fördernd wahrgenommenen symbolischen Vaters. In seiner bitteren Enttäuschung über dessen wahren, nämlich morbiden Charakter mobilisiert der jungenhafte Cruise-Held all seine Reserven, um diese abgründige, boshafte Seite der patriarchalen Macht aufzudecken und zu bekämpfen. Nach anderem Muster, aber in besonderer Intensität trägt Magnolia (1999) den Konflikt des Cruise-Helden mit seinem als böse wahrgenommenen, verhassten Vater aus. Der Film setzt sich sowohl inhaltlich als auch formal deutlich vom klassischen Hollywood-Kino ab. Es entsteht weder ein zielorientiertes Narrativ, das heißt, es bricht weder ein Ereignis ein, das eine Handlung im klassischen Sinne in Gang setzen würde, noch gibt es echte Protagonisten. Vielmehr ist Magnolia ein Episodenfilm, „ein Geflecht von individuellen Erzählungen, die sich zu einer großen Erzählstruktur über männliche Identität, Familie und (Medien-)Öffentlichkeit vereinigen“ (Mädler 2008: 159). Eine dieser reduziert voranschreitenden individuellen Erzählungen schildert den innerlichen „Transformationsprozess“ (ebd.) der Cruise-Figur Frank T. J. Mackey. Frank wird als entfesselter Sex-Messias eingeführt. Auf Selbstfindungsseminaren für schüchterne Männer und in TV-Shows hält er chauvinistische Predigten („Respektiert den Schwanz und zähmt die

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Möse“) und steckt sich einen Gummipenis in die Hose. Wie im Rausch wird er dabei von seinen narzisstischen Omnipotenz- und Allmachtsfantasien angetrieben: „Ich bin Superman. […] Ich kann es jederzeit mit jeder treiben“. Doch hinter dieser Fassade verbirgt sich ein anderer, tief verletzter Frank. Die einfachen, aber bohrenden Fragen einer Journalistin über seine Herkunft fördern dieses wahre Ich (Lacans je) zutage. Wie in einem Ibsen-Drama wird im Dialog Franks Familiengeschichte rekonstruiert und seine von Konflikten besetzte Vergangenheit heraufbeschworen. Es zeigt sich, dass sein aufgesetzter, expressiver Frauenhass und Sexismus nur die verlagerten Schauplätze eines viel tiefer liegenden traumatischen Konflikts sind. Frank externalisiert darin offenkundig seinen Schmerz über den Verlust des Vaters, des mächtigen Medienmoguls Earl Partridge, der ihn und seine schwerkranke Mutter vor vielen Jahren verlassen hatte. Zum Ende des Films kommt es zum Wiedersehen der beiden. In „kontemplativer Einsamkeit“ (ebd.: 160) bricht Frank hier in einer Melange aus „abgrundtiefem Hass“ und Verlustschmerz („Oh Gott, geh nicht weg“) am Sterbebett des Vaters weinend zusammen. In ihrer Magnolia-Analyse fokussiert Kathrin Mädler (ebd.: 160ff.) auf die Bedeutung der beiden großen Vaterfiguren des Films, Earl Partridge und Jimmy Gator, die, wie sich im Laufe der Handlung herauskristallisiert, ihre Familien unterdrückt, im Stich gelassen und deren persönliche Tragödien (u. a. die von Frank) ausgelöst haben. Mädler kommt zu dem Schluss, das „männliche Identität […] hier in ihrer patriarchalischen Ausprägung eindeutig zerstörerisch und auslöschend wirkt. […] Männlichkeit ist in Magnolia disruptiv für die Familie“ (ebd.). In diesem Sinne betreibe der Film also, wie auch A Few Good Men, „Patriarchatskritik“ (ebd.: 164). Das vormals übermächtige Konzept der bürgerlichen hegemonic masculinity werde hier dekonstruiert. „Der Film präsentiert eine durch das Gesetz des Vaters defizitär gewordene Welt“ (ebd.) und begründe somit zugleich die „Notwendigkeit des Ablebens“ (ebd.: 165) dieser Väter, die der Verwirklichung postmoderner Identität im Wege stünden. In diesem Zusammenhang sei der Umstand zu sehen, dass beide Männer am Krebs dahinsiechten. Metaphorisch deutet Mädler den Krebs als Krankheit des Überflusses und des Exzesses, „was sich auf die Männer in Magnolia übertragen lässt, die immer […] ein Leben […] machtbezogenen Überflusses geführt haben“ (ebd.: 164).

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Rückzug ins Imaginäre in Eyes Wide Shut und Vanilla Sky Außer durch das zentrale Motiv des Konflikts mit dem zumeist bösen, intriganten Vater zeichnen sich diverse Cruise-Filme seit den 1990er Jahren durch eine erhöhte Empfindsamkeit des Helden in Bezug auf das Weibliche/Mütterliche aus. Primär ist hierbei die strukturale Bedeutung von JoAnne Galloway als präödipaler, schützender Mutterfigur in A Few Good Men zu nennen. Auch die Narrative von Eyes Wide Shut (1999) und Vanilla Sky (2001) rücken Weiblichkeit in den Vordergrund. Beides sind in ihrer formalen Machart sehr ähnliche Filme. In ihnen verschwimmen die klaren Trennlinien von diegetischer Realität, Traum und Fantasie, so dass eine narrative Logik kognitiv kaum herzustellen ist. Sie sind nur schwer interpretierbar, die mysteriöse und surreal anmutende Reise der Cruise’schen Heldensubjekte ist am besten als deren Rückzug ins Imaginäre (den genuinen Ort der präödipalen Mutter-Kind-Dyade) zu beschreiben. Eyes Wide Shut (1999) ist eine Adaption von Arthur Schnitzlers Traumnovelle (1926). Cruise spielt darin den New Yorker Arzt Dr. Bill Harford, der mit seiner Frau Alice ein scheinbar perfektes Familienleben führt, bis sie ihm von ihren erotischen Träumen berichtet. Der gekränkte Bill begibt sich noch in derselben Nacht auf eine traumwandlerische Suche nach eigenen sexuellen Abenteuern. Dabei durchläuft er verschiedene Stationen (Wohnung einer Prostituierten, Bar, Kostümverleih), bis er letztlich zu einer Villa am Stadtrand geführt wird, in der er, geschützt durch eine Maske, Zeuge einer düsteren sexuellen Orgie wird. Die obskure Gesellschaft enttarnt ihn jedoch als Außenstehenden. Bill entkommt ihrer Todesandrohung nur dadurch, dass sich eine geheimnisvolle Prostituierte für ihn opfert. Verstört erwacht Bill am kommenden Morgen und begibt sich auf eine neuerliche Reise, um dem Geheimnis seiner nächtlichen Odyssee auf den Grund zu gehen. Er besucht dabei die gleichen Stationen wie in der Nacht, wird aber mit bedrohlichen Anzeichen konfrontiert, die ihm signalisieren, seine Forschungen besser einzustellen. Am Ende erfährt Bill, dass sein ganzes Abenteuer eine große Inszenierung war, und er geht nach Hause. Als er auf dem Kopfkissen die von ihm in der Villa getragene Maske entdeckt, bricht er in Tränen aus. In der Closure versöhnen sich Bill und Alice. Hans-Thies Lehman (2004) unternimmt eine für die vorliegende Untersuchung sehr fruchtbare Analyse von Eyes Wide Shut. Seiner

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Auffassung nach ist nicht entscheidend, „ob und was nun Schein, Spiel, Lüge, Verführung, Irreführung war und was nicht“ (ebd.: 241). Stattdessen liest er das Narrativ nach Lacans strukturaler ÖdipusTheorie. Der Film spanne einen Bogen zwischen Bills imaginärem Subjektstatus der „narzisstischen Spiegelung und Selbstbespiegelung“ (ebd.: 239) eingangs der Handlung und der symbolischen Dimension, von der er am Ende eine (vage) Ahnung bekommt (vgl. ebd.: 242, vgl. auch Bronfen 2003: 17ff.). Kurz gesagt handelt es sich bei Eyes Wide Shut um die Erlebnisreise eines präödipalen Helden. Alices erotische Offenbarung zu Beginn löst ihn brutal aus seiner imaginären Homöostase. Er muss erkennen, dass sie noch etwas anderes begehrt, was er ihr nicht bieten kann. Aber dieses andere ist nicht existent, es beschreibt etwas strukturell Abwesendes (filmisch realisiert durch Bills blue movies, in denen er Sex zwischen Alice und einem Marineoffizier imaginiert). Bills Reise entspricht also der Suche nach etwas Unmöglichem (vgl. Lehman 2004: 238ff.). Er erscheint „als unwissender Schuljunge, während seine Frau die Stelle der Mutter einnimmt […]. Seine Geschichte bildet […] die Grunderfahrung des Kindes ab. Seine detektivische Suche, das ödipale Modell einer Suche nach dem Kern und der Basis des Selbst, […] ist […] getrieben von der Frage nach der eigenen Identität“ (ebd.: 235)92. Das Narrativ wird hierbei formal bestimmt durch Wiederholungen einzelner Szenen, Spiegelungen und Unterbrechungen, die eine inhaltliche Aussage transportieren. Es geht darum, wie auf Bills Reise Lust und Abenteuer in Gefahr und Bedrohung umschlagen. Am Ende von Eyes Wide Shut interveniert das symbolische Gesetz. Bills väterlicher Freund Victor weiht ihn in die Ordnung der Dinge ein und Bill akzeptiert, dass seine Suche nach dem Unmöglichen ins Nichts führt. Dennoch wird diese vermeintlich versöhnliche Lösung des ödipalen Konflikts von einem subversiven Moment in Frage gestellt Die wieder aufgetauchte Maske auf Bills Bett verweist auf den unlösbaren traumatischen Kern der Geschichte, der in der Einsicht besteht, „dass es keinen Weg hinter der Maske gibt, dass die dem Imaginären verhaftete Suche nach dem anderen als Bild/Imago aussichtslos

92 Diese Reise lässt sich formal auch analog zum literarischen StationenDrama definieren, als „eine Szenenfolge, deren Einheit nicht eine einheitliche Handlung, sondern das identisch bleibende Ich des Träumers beziehungsweise des Helden ausmacht“ (Szondi 1963: 51).

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ist“ (ebd.: 242). Die Maske steht in diesem Sinne also für „das Modell illusionärer Macht“ (ebd.) als dem Fundament, das den präödipalen Subjekttypus des Cruise-Helden Bill über das Ende des Films hinaus konstituiert.93 Alice repräsentiert in Eyes Wide Shut eine postmoderne, aufgewertete Form von Weiblichkeit, denn sie verfolgt – im Gegensatz zu ihren Vorgängerinnen im klassischen Hollywood-Spielfilm – ein eigenständiges, aktives Begehren und widersetzt sich damit ihrer Ausstellung als voyeuristisches Lustobjekt. Wie bereits angedeutet, fungiert sie dabei im strukturalen Positionsgefüge der Protagonisten als Mutterfigur des (präödipalen) Helden und somit als Hüterin des imaginären Phallus. Sie besitzt die Macht; der Cruise’sche Held Bill Harford orientiert sich an ihrem Gesetz. Auch Bronfen (2003) weist auf die besondere Bedeutung des Weiblichen in Eyes Wide Shut hin. An Alice „wird nämlich deutlich, wie sehr der Mann, gerade weil er sich in der Widerspiegelung der Frau in seiner eigenen Identität zu bestätigen sucht, dieser auch hoffnungslos ausgeliefert ist […]. Sie ist die Spielleiterin der Halluzinationen“ (ebd.: 22f.). Daher sei es auch kein Zufall, dass sie den Film abschließt, wenn sie in der Closure das Wort „Fuck“ ausspricht und damit formuliert, was beide sich wünschen. „Sie hat den imaginären Bereich im Gegensatz zu ihrem Gatten immer schon souverän im Griff gehabt, und hat deshalb auch das letzte Wort“ (ebd.: 25). Zwei den präödipalen Subjekttypus des Helden konstituierende Motive aus Eyes Wide Shut kehren in Vanilla Sky (2001) wieder: Die Maske als Ausdruck für den Rückzug ins Imaginäre und die besondere emotionale Bedeutung des Weiblichen für den Helden. Von Beginn an signalisiert der Plot, dass im vermeintlich unbeschwerten YuppieLeben des New Yorker Millionärs David Aames etwas nicht stimmt. Der Film startet mit einem albtraumhaften Prolog, in dem David mit seinem Porsche durch das von Menschen verlassene, bedrohlich leere Manhattan fährt. Er gerät in Panik und rennt los, bis er erwacht. Bereits in dieser ersten Sequenz verdichtet sich die grundlegende Idee des Films von einer veränderten Wahrnehmung der Subjekte in der Post-

93 Im Gegensatz dazu glaubt Lehmann, dass das Ende auf Bills Distanzierung von der Maske und damit das Ende seiner narzisstischen Suche bzw. seine Eingliederung ins Reich des Symbolischen hinweist (vgl. ebd.).

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moderne, die bestimmt ist von der Dissoziation von Wirklichkeit und der Instabilität des eigenen Ich. Das anschließende erste Drittel der Handlung konturiert, weitgehend klassisch erzählt, Davids Leben, das aus Party, Spaß und Abenteuer besteht, aber keinesfalls dem Selbstzweck dient. Er glaubt, auf diese Weise dem Erbe seines Vaters, die Geschäfte eines Verlagsimperiums zu führen, abschwören zu können. Tatsächlich aber stellt sich dieses kompensatorische „hedonistische Paradies – im Schneewittchensarg“94 – als eine unhaltbare Illusion des Heldensubjekts heraus. Mächtiger denn je liegt der große Schatten seines abwesenden, weil toten Vaters über ihm, dargestellt in Davids Wohnung als einem raumgreifenden bzw. das Filmbild füllenden Porträt des Vaters, in dem eine gewaltige Kastrationsandrohung mitschwingt.95 Folgerichtig spricht David nicht gern über ihn, wohingegen er in den Dialogen über seine ebenfalls tote Mutter ein äußerst liebevolles Bild zeichnet und seine tiefe Verbundenheit zu ihr ausdrückt. In dieser Konstellation wird am Ende der Schlüssel zum Verständnis von Vanilla Sky liegen. Doch zunächst zerbirst seine vermeintlich selbstwertstabile, hedonistisch-narzisstische Subjektstruktur bei einem Autounfall, ausgelöst durch Davids unentschlossenes Schwanken zwischen zwei Frauen: der die gute Mutter repräsentierenden Sofia (Aphrodite) und der zerstörerischen Julie (Athene). Inhaltlich wie formal funktioniert in Vanilla Sky ab diesem Moment nichts mehr wie bisher. Davids Lebenswelt und die Narration fallen in sich zusammen. Durch den Unfall ist sein Gesicht schwer entstellt. „Von nun an fürchtet er den Blick in den Spiegel, ins verstümmelte Ich. Ein Mr. Hyde ist aus dem narzisstischen Jüngling geworden“.96 Er bekommt eine Maske, dank der er, wie auch Bill in Eyes Wide Shut, seine illusionäre Macht wahren bzw. sich in seine imaginäre, selbstbezogene Inneres zurückziehen kann. Im Motiv der Maske wird nach dieser Lesart also auch in Vanilla Sky die Angst des postmodernen Subjekts vor Fragmentierung und Verlust der Ich-Integrität

94 Suchsland, Rüdiger: Citizen Dildo. In: Frankfurter Rundschau 24.01.2002. 95 Auf die bedrohliche Präsenz des abwesenden Vaters verweisen auch Macht und Intrigen seiner treuen Schergen im Aufsichtsrat des Verlags. 96 Göttler, Fritz: Eiszeit der Existenzen. „Open Your Eyes“ von Alejandro Amenabar und „Vanilla Sky“ von Cameron Crowe. Ein spanischer Film und sein US-Remake. In: Süddeutsche Zeitung 24.01.2002.

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VON

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verarbeitet: „Vanitas ist das Thema, ein junger Mann auf der Suche nach dem Sinn seines Lebens“.97 Das Narrativ inszeniert diesen Prozess auf verstörende und irritierende Weise. Die Kohärenz und die Sinnhaftigkeit der Ereignisse werden aufgehoben. Es dominieren Inkongruenzen, Risse und Brüche; Szenen und Motive wiederholen oder spiegeln sich, Realitätsebenen werden überlagert und die Identitäten verwischen, „wie in einem schlechten LSD-Trip beginnt der Film abzuheben“.98 Letztlich wird dieses filmische Labyrinth inhaltlich als luzider Traum des in Kryostase versetzten Helden David aufgelöst, in dem sich seine Wunschvorstellungen mit verdrängten Inhalten vermischt haben. Es geht also um sein Phantasma, mithilfe eines künstlichen Wachtraums eine „Reise zur Wiedergeburt“ unternehmen und sich unsterblich machen zu können. In diesem hochgradig regressiven Phantasma artikuliert sich auf fundamentale Weise seine tiefe Sehnsucht nach der Mutter bzw. sein präödipales Begehren nach der ursprünglichen Dyade mit ihr. Erst im Showdown auf dem Dach eines Wolkenkratzers wird ihm klar, in welchem Dilemma er steckt. Im Wissen um die wahre symbolische Ordnung, in die er eingebunden ist, erscheint ihm die die gute Mutter repräsentierende Sofia. Doch ihre versöhnliche Aussprache hat keine Bedeutung mehr für die Zukunft. Und so springt David in die Tiefe und erwacht in der Closure unwissend in einem neuen imaginären Leben. Vanilla Sky bildet die postmoderne Lebenserfahrung ab. Das von den bürgerlich-ödipalen Koordinaten entbundene Cruise’sche Heldensubjekt sucht nach Orientierung, kann sie zunächst aber nicht finden (allegorisch eingeleitet durch den Albtraum). So flüchtet es zunächst in seinen ostentativen Narzissmus und Hedonismus und zieht sich später geläutert hinter eine imaginäre Maske, das „Modell illusionärer Macht“ zurück. Eine Initiation im klassischen Sinn bleibt dabei aus, denn der Held ist blind für das symbolische Begehren. Er sehnt sich stattdessen nach etwas, das nicht existent und greifbar ist, dem imaginären mütterlichen Phallus: „Was ist das Leben anderes als die Jagd nach einem Traum?“ Diese erratisch-traumatische Konstruktion von Vanilla Sky mündet jedoch in einer befreienden Closure, denn in Da-

97 Ebd. 98 Taylor, Henry: Vanilla Sky. Tom Cruise möchte endlich einen Oscar kriegen. In: Neue Zürcher Zeitung 25.01.2002.

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vids finalem Sprung vom Dach des Wolkenkratzers (zu den sphärischen Klängen von Sigur Rós) liegt eine beeindruckende Leichtigkeit. Es scheint, als könne er hier den ganzen Ballast seiner ödipalen Konflikte abwerfen und sich – am Ende seines beschwerlichen Wegs – in seiner präödipalen Subjektivität emanzipieren (was durch sein neues Erwachen inszeniert wird). Zusammenfassung Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich in Tom Cruises Filmen seit Anfang der 1980er Jahre eine bemerkenswerte Konstanz präödipaler Subjektivität entwickelt. In der vorangegangenen Analyse konnte erarbeitet werden, dass sich seine Helden in ihrer Charakterund Handlungsstruktur – wie auch die von Michael Douglas verkörperten Helden – an den Narrativen reiben, insofern sie ein Begehren nach ödipaler Verwirklichung praktisch negieren. In ihrem Spiel bzw. ihren Missionen formulieren sich alternative Begehrensstrukturen, die mit den Heldeninitiationen des klassischen Hollywood-Kinos wenig gemein haben. Es kann grob in zwei Phasen unterteilt werden: In Cruises Filmen ab ca. 1983 (beginnend mit Risky Business) tun sich seine Helden primär durch ihr offen zur Schau gestelltes adoleszentes, jungenhaftes Verhalten und das gelebte Dogma des hedonistischen, spaßorientierten Lifestyles hervor. Für Beziehungen zu Frauen bietet dieser Lifestyle keinen Platz. In der anschließenden Phase ab ca. 1992 (beginnend mit A Few Good Men) ist der präödipale Subjekttypus der Cruise-Helden dann noch stärker als zuvor in der tiefen, wenngleich auch häufig verbohrten Emotionalität zum Bereich der Weiblichkeit/Mütterlichkeit und dem hochgradig problembesetzten Verhältnis zu den Autoritäten/Vaterfiguren und deren (boshafter) Präsenz begründet. Am eklatantesten thematisieren die jüngeren Cruise-Filme Eyes Wide Shut und Vanilla Sky die Schwierigkeiten postmoderner Selbstfindung. Auf der Suche nach Orientierung verstrickt sich der unwissende Held hier in seinem präödipal-imaginären Kosmos. Dennoch bleibt insgesamt festzuhalten, dass die meisten Cruise-Helden kraftvoll und mit starker Selbstwertstabilität auftreten und somit offen für ein ausdifferenziertes Bild von Männlichkeit und ‚Heldentum‘ in der dominant fiction der Postmoderne einstehen.

Fazit und Ausblick Ein Blick auf die Helden von Brad Pitt und George Clooney

In der Perspektive der vorliegenden Studie stellt der HollywoodSpielfilm eine sozial-kulturelle Praktik im Sinne Andreas Reckwitz dar. In ihm werden epochenspezifische Muster der Subjektivation verhandelt. Vor diesem kulturtheoretischen Hintergrund war es das zentrale Erkenntnisinteresse, die im Hollywood-Spielfilm seit den 1970er Jahren – also im historischen Kontext des epochalen Wandels von der Moderne zur Postmoderne – zur Diskussion gestellten Subjekttypen greifbar zu machen und ihre seit dieser Zeit veränderte Beschaffenheit nachzuweisen. Jene Subjekttypen des Hollywood-Spielfilms werden in fiktiven männlichen Heldenfiguren materialisiert. Exemplarisch für den postmodernen Typus der Hollywood-Helden wurden hier die von den US-amerikanischen Blockbuster-Schauspielern Tom Cruise und Michael Douglas verkörperten Heldensubjekte untersucht. Um deren körperlich-mentale Strukturen substanziell beschreiben und deuten zu können, hat die vorliegende Studie auf die Modellvorstellungen der psychoanalytischen Subjekttheorie nach Freud und Lacan rekurriert, die das Subjekt als ödipal generiertes ausweisen. Lacans formales Ödipus-Konzept hat sich dabei als praktikabel erwiesen, da es sich von den ahistorischen und anthropologischen Dogmen Freuds verabschiedet und die Beziehung des Einzelnen zum Anderen bzw. zur historisch gültigen symbolischen Ordnung konstitutiv mit einbezieht. Lacan stellt somit „den untrennbaren Zusammenhang von kulturellen Ordnungen und psychisch-affektiven Orientierungen“ (Reckwitz 2006: 52) her. Konkret bedeutet dies, dass die körperlich-mentalen Strukturen männlicher (Helden-)Subjekte im komplexen Feld veränderter so-

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zial-kultureller Praktiken der Postmoderne nicht mehr sinnvoll mit dem ödipalen Grundmodell beschrieben werden können. Dieses funktioniert bezogen auf Subjektivität im Kontext der bürgerlichen Moderne bis 1970. Bis zum Aufkommen der Postmoderne beherrscht Ödipus deren sozial-kulturelle Praktiken der Arbeit, persönlichen und intimen Beziehungen, Technologien des Selbst und auch die des klassischen Hollywood-Spielfilms. Dessen narrative Struktur, Helden-Subjekttypen und die Einbeziehung des Begehrens seiner Zuschauer verschmelzen zu einem ödipalen Dispositiv, in dessen Zentrum die Identifikation mit dem männlichen Filmhelden steht, der auf seiner ödipalen Reise das normative Ich-Ideal des bürgerlichen Mannes verkörpert. Matt Calder in River of No Return (1954), Johnny Farrell in Gilda (1946) und Rick in Casablanca (1943) wurden exemplarisch als Repräsentanten jenes Typus ödipal generierter Männlichkeit beleuchtet. Männliche Subjektivität in der Postmoderne hat mit diesem ödipalen Typus nicht mehr viel gemein. Lebensentwürfe sind vielgestaltig, fragmentarisch, unverbindlich geworden und primär durch den Wunsch nach Konsum und Erlebnis bestimmt. Sie unterminieren die Figur von Ödipus. Im Kontext der sozial-kulturellen Praktiken der Postmoderne verschieben sich in der theoretischen Betrachtung daher Struktur und Versatzstücke des ödipalen Modells. Es modellieren sich männliche Subjekte, deren körperlich-mentale Strukturen und Qualitäten – in Kategorien Lacans – als präödipal beschreibbar sind. Vor diesem Hintergrund haben sich in der kulturellen Praktik des postmodernen Hollywood-Spielfilms in massiver Weise präödipale Subjekttypen herauskristallisiert und etabliert. Sie finden ihren Ausdruck in männlichen Filmhelden zwischen 20 und 50 Jahren, die sich als ‚Dauerjugendliche‘ primär durch ihre ödipale Verweigerungshaltung definieren, das heißt ganz allgemein formuliert, dass die Intervention des (in der Postmoderne schwachen oder gar abwesenden) symbolischen Namen-des-Vaters weitgehend ausbleibt oder abgewiesen und die ursprüngliche emotionale Bindung zum Bereich des Imaginären/Mütterlichen konserviert und verstärkt wird. Die Helden können und/oder wollen kein stabiles ödipal generiertes Begehren entwickeln. So zeigen sie zumeist wenig Interesse, feste Partnerbeziehungen einzugehen. Diese waren im klassischen Hollywood-Kino noch unabdingbar für eine erfolgreiche Beendigung der Mission des Helden.

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Als die drei wesentlichen qualitativen Merkmale des präödipalen Subjekttypus konnten Narzissmus, Hedonismus und Masochismus herausgearbeitet werden. Der narzisstische Subjekttypus wurde mithilfe der Überlegungen zur verlängerten Adoleszenz und zum „neuen Sozialisationstypus“ erfasst. Die Subjekte werden bestimmt durch ihr Streben nach Befriedigung, das nicht durch Objektbeziehungen vermittelt und reguliert wird, sondern durch (häufig sexuelle) Abenteuer. Dabei sind sie angewiesen auf die narzisstische Bestätigung von außen. Sie kultivieren ihre (einstige) Jugendlichkeit und erleben intensiv die diffusen Gefühle von Grandiosität und Allmacht. Weitere sekundäre Wesensmerkmale sind enge Jungenfreundschaften, Spiel, Sport und Wettstreit und Konsum. Der hedonistische Subjekttypus ist eng verwandt mit dem narzisstischen. Seine besondere Qualität liegt dabei in der Orientierung der Subjekte an der Qualität unmittelbarer Lust- bzw. Genussbefriedigung sowie den Lebensweltgrößen Konsum, Erlebnis, Spaß und Spektakel. Im Hedonismus artikuliert sich das Streben nach individueller Freiheit (auch in Bezug auf Partnerschaft und Sexualität), konsumtivem Lifestyle, ungehinderter Spontaneität sowie die Akzeptanz eines Lebens in Widersprüchen. Bei keiner der drei präödipalen Dispositionen tritt die Wahrnehmung des Verlusts der Virilität in der Postmoderne so offen zutage wie bei der masochistischen. Sie wurde hier auf Grundlage des deleuzianischen Masochismus-Konzepts erarbeitet. Klassisch ödipale Eigenschaften des Mannes werden dabei abgelöst durch seinen Hang zur (erotischen) Unterwerfung und zur Opferrolle. Noch stärker als beim Narzissmus und beim Hedonismus stehen die rigorose Fixierung auf die Mutter und Verdrängung des symbolischen Vaters im Zentrum. Wichtig ist, dass Narzissmus, Hedonismus und Masochismus trotz ihrer spezifischen Charakteristika nicht als voneinander abgrenzbare Phänomene zu verstehen sind, sondern als eine Art Konglomerat. Präödipale Subjekttypen des postmodernen Hollywood-Spielfilms konstituieren sich zumeist aus dem Zusammenwirken aller drei Dispositionen und sind auf diese Weise zum offen artikulierten, konstitutiven Bestandteil der dominant fiction geworden. Diese These konnte anhand meiner Analysen des Gros der von Michael Douglas und Tom Cruise über einen Zeitraum von jeweils ca. 25 Jahren gespielten Helden empirisch belegt werden. In ihrem jeweiligen Subjekttypus ist eine ödipale Initiationsreise bzw. das Begehren nach

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ödipaler Verwirklichung nicht angelegt. Der Fokus in Bezug auf Douglas’ Helden lag auf der Trilogie Fatal Attraction, Basic Instinct und Disclosure, in der ein nach-bürgerliches Männlichkeitsbild diskutiert wird, das von mangelnder Virilität bzw. dem Verlust des Phallus und dem Prozess der masochistischen Viktimisierung bestimmt ist. Der Held überantwortet die Kontroll- und Machtfunktion den (bisweilen als bedrohlich inszenierten) weiblichen Figuren, die auch den narrativen Ablauf dominieren. In anderen Douglas-Filmen sind die Helden mit narzisstisch-adoleszenten und/oder konsumtiv-hedonistischen (Black Rain, The Game, Wall Street) Dispositionen ausgestattet, mit denen sie sich ostentativ an den zumeist bürgerlich-ödipalen Konventionen des Narrativs reiben. Das betrifft insbesondere den Konflikt mit den Autoritäten, zu denen sie ein notorisch problematisches Verhältnis unterhalten. Trotz aller Widerstände reüssieren Douglas’ Helden jedoch in vielen Fällen,1 mitunter nur dank der Hilfe der mächtigen Frau (Fatal Attraction, Disclosure), zum Teil aber auch aus eigenen Kräften (Black Rain). Die erfolgreiche Erfüllung der Mission kommt jedoch mitnichten der Realisierung eines klassischen Happy Ends, das heißt der romantischen Festigung des Liebespaares gleich. Die Frage nach dem Fortgang des Liebespaares wird entweder offen gehalten (Basic Instinct, Fatal Attraction) oder gar nicht erst thematisiert (Disclosure, Black Rain). Die Closure trifft stattdessen eine andere Aussage: Sie attestiert dem Helden die Fähigkeit, sich trotz der immanenten Widersprüche, Instabilitäten und Konflikte, die mit seiner Persönlichkeit verbunden sind und die mit der Virilität und Macht einstiger klassischer Helden wenig gemein hat, im Narrativ zu behaupten und sich von den Anforderungen eines ödipalen Subjekttypus (der also u. a. die Eroberung der Frau voraussetzt) emanzipiert zu haben. Auf diese Weise bestätigt und festigt die Closure den präödipalen Subjekttypus des Douglas-Helden. Einen ähnlichen präödipalen Subjekttypus weisen die jüngeren, von Tom Cruise gespielten Helden seit den 1980er Jahren auf. Der wesentliche Unterschied zu den Douglas-Helden liegt darin, dass sie diesen Typus weitaus unmittelbarer, selbstverständlicher und selbstwert-

1

Aber auch sein Scheitern wird in einigen Filmen suggeriert oder offen artikuliert, wie zum Beispiel in Basic Instinct, Wall Street und A Perfect Murder, was sich sicherlich auch damit begründen lässt, dass der DouglasHeld darin bisweilen der Bösewicht ist.

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stabiler auf der Bühne der postmodernen dominant fiction ausleben. Was Douglas bisweilen noch als Krise und männliche Schwäche ausgelegt wird, erscheint in der Folge bei Cruise oftmals als zeitgemäß und selbstbewusst aufbegehrend. In Cruises früheren Filmen positionieren sich seine Helden primär durch ihr offen zur Schau gestelltes adoleszentes, jungenhaftes Verhalten und das gelebte Dogma des hedonistischen, spaßorientierten Lifestyles. Für Beziehungen zu Frauen bietet dieser Lifestyle keinen Platz (u. a. Risky Business, Top Gun, Cocktail). Ab Anfang der 1990er Jahre ist der präödipale Subjekttypus der Cruise-Helden dann noch stärker als zuvor in der Emotionalität zum Bereich der Weiblichkeit/Mütterlichkeit und dem – wie auch schon für Douglas’ Helden konstitutiven – problembesetzten Verhältnis zu den Autoritäten/Vaterfiguren begründet (u. a. A Few Good Men, Magnolia, Minority Report). Seit 2000 wird zudem die Suche des Helden nach eigener (männlicher) Subjektivität vor dem Hintergrund unüberschaubar gewordener, kontingenter sozial-kultureller Praktiken der Postmoderne fokussiert. Hierbei zieht sich der Held in seinen präödipalen Kosmos zurück (Eyes Wide Shut, Vanilla Sky). „Den Mann gibt es nicht“ (Mädler 2008: 304), konstatiert Kathrin Mädler in Bezug auf das jüngere Hollywood-Kino. Die vorliegende Studie bekräftigt diese These. Ihre Film- und Figurenanalysen belegen, dass das klassische Bild stabiler, ödipal generierter HeldenMännlichkeit im jüngeren Hollywood-Spielfilm seinen hegemonialen Anspruch verloren hat. Zeitgenössische Helden haben sich vom ödipalen Imperativ, der das klassische Hollywood-Kino und seine Helden konstituierte, emanzipiert und legitimieren und profilieren sich durch veränderte Begehren bzw. modellieren sich in ihren körperlichmentalen Strukturen nach den sozial-kulturellen Verhältnissen der Postmoderne. In den Filmen von Douglas und Cruise prägen präödipaler Narzissmus, Hedonismus und Masochismus systematisch und über Jahre hinweg den Subjekttypus der von ihnen gespielten Helden. Natürlich verkörpern aber auch viele andere zeitgenössische Hollywood-Schauspieler in ihren Helden bzw. ihrer Star persona jene präödipalen Subjekttypen. Sie ließen sich auf vergleichbare Weise beschreiben. Folgender Überblick bietet entsprechende Anregungen: Thomas Klein (2002) registriert, dass die visuelle Lust an den von Richard Gere verkörperten Helden in deren filmübergreifendem Narzissmus begründet liegt: „Ein schöner Narziß, ein Star für die 80er

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Jahre“ (ebd.: 145). Die weiterführende Frage lautete, wie konstituierend dieser Narzissmus für die Initiation und den Subjekttypus des Helden ist. Ähnlich ließe sich die Frage in Bezug auf George Clooney stellen. Als durchgängiges Motiv kokettieren seine Helden mittleren Alters mit ihrer narzisstischen Selbstsicherheit und Leichtlebigkeit, im Wissen um ihre Schönheit und Verführungskraft. Auf diesem Motiv basiert z. B. die Geschichte in Out of Sight (1998). In Ocean’s Eleven (2001) und Michael Clayton (2007) basiert der Plot zum Teil auf dem hedonistischen Motiv des Hanges zum Spiel und Burn After Reading (2008) führt den schieren Nihilismus des Clooney-Helden vor, dessen Lebenswelt einzig daraus besteht, Frauen zu verführen (und einen Dildo-Sitz zu basteln). Als ihn sein Don-Juanismus zwischenzeitlich in eine prekäre Situation bringt und er in Panik gerät, ruft er: „Baby will zurück zu Mutti“. Bemerkenswert für den vorliegenden Zusammenhang ist die Filmbiographie Brad Pitts. Zunächst ist hierbei seine Rolle in Thelma & Louise (1991), der „weiblichen Version eines Road Movies“ (Willis 1993: 125) zu nennen, in der Pitt als narzisstischer Jüngling J. D. („the sexually attractive adolescent outlaw“ [Griggers 1993: 137]) in den in sich geschlossenen Kosmos der beiden (mütterlichen) Protagonistinnen einfällt und formal ihren imaginären Phallus repräsentiert. Noch intensiver wird präödipale Subjektivität in Fight Club (1999) formuliert, der einen von „unbestimmter Sehnsucht“2 getriebenen Trip männlicher Selbstfindung der Postmoderne zum Thema hat. Die Helden sind „im Grunde […] kleine Jungs, die vor der Leere des moder3 nen Lebens flüchten“. Insbesondere Pitt-Held Tyler Durden verkörpert hierbei das Prinzip der radikalen Abkehr von den bürgerlichen Axiomen. Identitätsfindung und Sinnstiftung führen bei ihm über die adoleszente Grunderfahrung des körperlichen Ausagierens. Prügel und Schmerzen dienen ihnen „als phantasmatisches Heilmittel gegen die Entfremdung des männlichen Ich in der Waren- und Konsumgesellschaft“ (Morsch 2002: 70).4 Auch Pitts Star persona fügt sich in das

2

Geisenhanslüke, Ralph (1999): Die Maso-Machos. In. Der Tagesspiegel 11.11.1999. 35.

3

Ebd.

4

Vgl. hierzu auch Bronfen (2003: 25ff.). Sie beschreibt die Macht der Weiblichkeit als entscheidende Größe, die in Fight Club das männliche (präödipale) Phantasma erst auslöse sowie die postmoderne Abkehr von

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Bild des präödipalen Subjekttypus: So wird er lange wahrgenommen als „blonder Jüngling […] auf dessen Zügen das Leben keinerlei Spuren“5 hinterlässt. „Jeder einzelne Bauchmuskel wie aus Speckstein geschnitzt […]. Sein Körper ein Kunstwerk, von feiner Hand gearbeitet“.6 Später gesteht er, ein „von Selbstzweifeln gepeinigter Mittzwanziger“7 gewesen zu sein. Auch im Alter von 41 fühle er sich erst, als „werde [er] gerade erwachsen“.8 Sein außerfilmisches Image ändert sich 2005, als er mit Schauspielkollegin Angelina Jolie zusammenkommt. Wegen ihrer perfekt inszenierten Beziehung firmieren sie seitdem allgemein unter dem Label „Brangelina“.9 Ihr Markenzeichen ist der postmoderne Lifestyle der großen Patchwork-Familie, die sie in kürzester Zeit gegründet haben. Der Boulevard richtet die Beziehung zwischen Pitt und Jolie anfänglich nah an der deleuzianischen Topik des kulturellen Masochismus aus: Angelina Jolie gilt als „femme fatale“,10 die die Männer reihenweise „entmachtet“.11 Sie habe „Vorlieben für Sado-Maso-Sex [und stelle] den Prototyp der neuen Frau des 21. Jahrhunderts [dar]. Nicht Hure, nicht Heilige, und doch von beiden ein bisschen“.12 Bezieht man das aktuellere Image Jolies als fruchtbare, liebende Ehefrau und Mutter mit ein, so erscheint sie als das deleuzianische Urbild der Demeter unter den Celebrities, in der sich der ambivalente Zwischenbereich von guter und böser Mutter, also die

den Werten der Väter, die hier thematisiert werde: „Die jungen Männer treten in den fight club ein, um sich gegen ihre Väter zu verbünden, deren gnadenlose Arbeitsmoral sie auslaugt“ (ebd.: 27). 5

Vahabzadeh, Susanne: Brad Pitt. Star Album (118). In: Süddeutsche Zei-

6

Böckem, Jörg: Pitt-Bull. In: kulturSPIEGEL 25.10.1999.

7

Aust, Christian: „Ich glaube, ich werde erwachsen“. Brad Pitt über ‚Troja’,

tung 14.03.2002.

Muskeln, den Ruhm und das Geheimnis seiner Ehe. In: Berliner Zeitung 12.05.2004. 8

Ebd.

9

Http://www.brangelina.net

10 Lau, Sarah: Ein Engel, der die Sünde liebt? Hat sie oder hat sie nicht? Hollywood klatscht über Angelina Jolie und ihr Verhältnis zu Brad Pitt. Dabei hat die erotischste Frau der Welt mehr als nur Männer im Kopf - und überrascht mit neuen Bekenntnissen. In: Gala 28.10.2004. 11 Ebd. 12 Ebd.

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Verbindung von „Empfindsamkeit und Grausamkeit“ (Deleuze) widerspiegelt. Pitt nimmt in dieser Lesart die Position des Subjekts ein, das zwischen Jolies beiden äußeren Polen als böser Femme fatale und guter Ehefrau oszilliert und in diesem (präödipalen) Schwebezustand sein Ideal von ihr fixiert. Er sei ihr „regelrecht verfallen“.13 Weitere zeitgenössische Hollywood-Stars, die in ihrem Spiel präödipale Subjekttypen repräsentieren, sind zum Beispiel Tom Hanks, dessen sanftmütige Helden laut Savran (1998: 467ff.) durch ihre masochistische Subjektstruktur geprägt sind (vor allem Forrest Gump 1994) oder Adrien Brody. Sein Held Peter Whitman tritt mit seinen Brüdern in The Darjeeling Limited (2007) eine surreale Bahnreise durchs tiefste Indien an, um die geliebte Mutter wiederzufinden, die die Familie einst verlassen hat und nun abseits der Zivilisation, im Himalaya, in einem klösterlichen Matriarchat lebt. Am Ziel angekommen, werden die Jungen jedoch kühl von ihr zurück in die Selbstständigkeit verwiesen. Das Narrativ persifliert die ödipale Helden-Initiation des klassischen Hollywoods, indem es sie in eine regressive Reise (ins Leere) umwandelt, die vom präödipalen Begehren des Helden nach der Mutter als der „primordialen Anderen“ (Lacan) bestimmt ist. In einem Magazin-Interview antwortet Brody auf die Frage, ob er sich vorstellen könne, auch mal einen klassischen Hollywood-Helden zu spielen: „Aber sicher. Ich würde ihn nur anders interpretieren“.14 Ähnlich reserviert äußert sich Daniel Craig gegenüber der klassischen Vorstellung von Männlichkeit. So bemüht er sich merklich, eine Distanz zwischen seinem Selbst-Bild und seiner Heldenverkörperung als James Bond zu schaffen: „Ich spiele Bond, ja. Und er ist ein MachoSymbol, ja. Aber privat interessiere ich mich für Kunst“.15 Bonds Härte, Muskelspiele und Don-Juanismus seien ihm als (sanftmütigem) Privatmenschen fremd. Das vom ihm in dieser Rolle inszenierte ma-

13 Lau, Sarah: Ein Engel, der die Sünde liebt? Hat sie oder hat sie nicht? Hollywood klatscht über Angelina Jolie und ihr Verhältnis zu Brad Pitt. Dabei hat die erotischste Frau der Welt mehr als nur Männer im Kopf - und überrascht mit neuen Bekenntnissen. In: Gala 28.10.2004. 14 Interview mit Oscar-Gewinner Adrien Brody: „Das hilft dir, ein richtiger Mann zu werden“. In: Spiegel online 25.03.2003. 15 „Ich bin ein schreckliches Vorbild“ Bond, Bowie, Bielski. Ein Gespräch mit dem Schauspieler Daniel Craig über Männerrollen und Selbstfindung. In: Süddeutsche Zeitung Magazin (2009)/7.

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kellose Körperbild finde er schrecklich. Als Sohn einer alleinerziehenden Mutter liege ihm zudem viel am Respekt gegenüber Frauen und den Werten postmoderner Patchwork-Familien. In der Filmtheorie findet seit Mitte der 1990er Jahre eine intensive Beschäftigung mit der veränderten Repräsentation von Männlichkeit(en) im postmodernen Hollywood-Spielfilm statt. Hervorzuheben sind die – in der vorliegenden Studie besprochenen – Beiträge von und in Cohan/Hark (1996), Neale/Smith (1998) und Savran (1998), die den Fokus auf die Genderfrage und queere Ästhetiken richten und/oder postmoderne Männlichkeit im Film primär als krisenhaft bestimmt wahrnehmen. Ähnliche Perspektiven auf die Thematik nimmt die erst in jüngerer Zeit verstärkt geführte deutschsprachige Diskussion ein, die hier ebenfalls an mehreren Stellen abgebildet wurde.16 Von Relevanz für die vorliegende Studie sind einige Arbeiten der psychoanalytisch fundierten Filmforschung, die sich partiell bereits mit historisch nach-ödipalen Begehrensformen (z. B. Schatz 1993, Pfeil 1995) auseinandersetzen. Diese Diskussion findet jedoch ohne systematischen Bezug zum hier entfalteten Konzept über den präödipalen Subjekttypus statt. Als besonders hilfreich für dessen Erarbeitung hat sich die Rezeption Slavoj Žižeks erwiesen. Žižek deutet Phänomene der Populärkultur, insbesondere die Spielfilme Hitchcocks und deren Helden (Žižek 2002) nach Theoremen Lacans17, also unter anderem auch in Bezug auf ödipale oder anti-ödipale Begehren (z. B. Norman Bates in Psycho 1960). An anderer Stelle analysiert Žižek (2001) gar die – hier mehrfach fokussierte – adoleszente Verfasstheit männlicher Subjekte der Postmoderne vor dem Hintergrund der Abwesenheit ihrer symbolischen Väter.18 Die vorliegende Studie arbeitet zwar mit dem Subjektmodell Lacans, dennoch ist sie keine psychoanalytische Analyse von Populärkultur in der Tradition Žižeks. Sie reiht sich stattdessen in das – in der

16 Zu nennen sind unter anderem die Beiträge von und in Kaltenecker (1996), Erhart/Herrmann (1997), Hißnauer/Klein (2002), Rüffert (2003), Liebrand/ Steiner (2004) und Weingarten (2004). 17 Žižek erklärt bisweilen weniger die Populärkultur mit Lacan, als dass er popkulturelle Phänomene herausgreift, um mit ihnen die Theoreme Lacans verständlich zu machen. 18 Žižek selbst verwendet den Begriff des präödipalen Subjekts nicht.

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jüngeren deutschsprachigen Kulturwissenschaft zuvorderst von Reckwitz diskutierte – Forschungsprogramm einer subjektorientierten Kulturanalyse ein. Zeitgenössische Filmhelden werden hierbei als im schwierigen Kontext der unübersichtlichen sozial-kulturellen Praktiken der Postmoderne modellierte und vor diesem Hintergrund als mit qualitativen, substanziellen Zuschreibungen (hier eben primär nach den Modellvorstellungen Lacans) darstellbare Subjektgrößen rezipiert. So heterogen und widersprüchlich, wie der jüngere HollywoodSpielfilm selbst wahrgenommen wird (vgl. Felix 2002), ist – das haben die hier vorgenommenen Analysen aufgezeigt – die Beschaffenheit seiner Heldensubjekte. Sie weisen keine konsistente Struktur auf, stellen sich vielmehr als ein Bündel von Dispositionen dar, das hier in seinen Grundzügen erarbeitet werden konnte. Dieser Ansatz kann – das hat das vorliegende Studie zu zeigen versucht – zu neuen Erkenntnissen über Männlichkeit(en) im zeitgenössischen Hollywood-Spielfilm führen, da er sich von diversen schematischen Diagnosen der Filmforschung abgrenzt. Weder befinden sich männliche Filmhelden grundsätzlich in einer Krise,19 noch sind sie der Tendenz nach homosexuell (geworden) oder teilen sich in der binären (und überholten) Opposition von „Machos und Memmen“ (Hißnauer/Klein) auf. Männliche Heldensubjekte sollen hier weder als krisenhaft ausgewiesen noch sollen sie glorifiziert werden. Vielmehr manifestieren sich in diesem Typus meiner Auffassung nach Bewältigungsstrategien, das heißt veränderte, an die sozial-kulturellen Praktiken und Ordnungen der Postmoderne angepasste Begehren, kraft derer es ihnen gelingt, sich vom nicht mehr zeitgemäßen ödipalen Imperativ zu emanzipieren. Für die kulturtheoretische Beschäftigung leitet sich aus dieser Perspektive, die (männliche) Subjekttypen in ihrem prozesshaften und dynamischen Charakter erfasst, die Notwendigkeit eines offenen, sich stets selbst aktualisierenden Umgangs mit populärkulturellen Phänomenen und den in ihnen artikulierten Mustern der Subjektivation ab.

19 Eine Krise ließe sich schließlich nur dann attestieren, wenn man die sozialkulturellen Praktiken der bürgerlichen Moderne und das durch sie modellierte klassisch-paternale Bild von Männlichkeit nach wie vor als maßgeblich einstufte.

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Filme

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Tom Cruise Risky Business (1983) (USA, R: Paul Brickman) Top Gun (1986) (USA, R: Tony Scott) The Color of Money (1986) (USA, R: Martin Scorsese) Cocktail (1988) (USA, R: Roger Donaldson) Rain Man (1988) (USA, R: Barry Levinson) Born on the Fourth of July (1989) (USA, R: Oliver Stone) Days of Thunder (1990) (USA, R: Tony Scott) A Few Good Men (1992) (USA, R: Rob Reiner) The Firm (1993) (USA, R: Sydney Pollack)

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Mission: Impossible (1996) (USA, R: Brian De Palma) Jerry Maguire (1996) (USA, R: Cameron Crowe) Eyes Wide Shut (1999) (GB, USA, R: Stanley Kubrick) Magnolia (1999) (USA, R: Paul Thomas Anderson) Vanilla Sky (2001) (USA, R: Cameron Crowe) Minority Report (2002) (USA, R: Steven Spielberg) Tropic Thunder (2008) (USA, R: Ben Stiller) Valkyrie (2008) (USA, Dtl., R: Bryan Singer)

Weitere Filme in der Reihenfolge ihrer Entstehung Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1931) (USA, R: Rouben Mamoulian) The Westerner (1940) (USA, R: William Wyler) Casablanca (1943) (USA, R: Michael Curtiz) Shadow of a Doubt (1943) (USA, R: Alfred Hitchcock) Gilda (1946) (USA, R: Charles Vidor) I Was a Male War Bride (1949) (USA, R: Howard Hawks) High Noon (1952) (USA, R: Fred Zinnemann) River of No Return (1954) (USA, R: Otto Preminger) Rear Window (1954) (USA, R: Alfred Hitchcock) Rebel Without a Cause (1955) (USA, R: Nicholas Ray) Around the World in Eighty Days (1956) (USA, R: Michael Anderson, John Farrow) Cat on a Hot Tin Roof (1958) (USA, R: Richard Brooks) Vertigo (1958) (USA, R: Alfred Hitchcock) North by Northwest (1959) (USA, R: Alfred Hitchcock) Some Like It Hot (1959) (USA, R: Billy Wilder) Spartacus (1960) (USA, R: Stanley Kubrick) Psycho (1960) (USA, R: Alfred Hitchcock) The Man Who Shot Liberty Valance (1962) (USA, R: John Ford) The Birds (1963) (USA, R: Alfred Hitchcock) Marnie (1964) (USA, R: Alfred Hitchcock) Blowup (1966) (GB, R: Michelangelo Antonioni) Bonnie and Clyde (1967) (USA, R: Arthur Penn) Easy Rider (1969) (USA, R: Dennis Hopper) Butch Cassidy and the Sundance Kid (1969) (USA, R: George Roy Hill) A Clockwork Orange (1971) (GB, R: Stanley Kubrick)

F ILME

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Harold and Maude (1971) (USA, R: Hal Ashby) Ultimo tango a Parigi (1972) (It., Fr., R: Bernardo Bertolucci) The Exorcist (1973) (USA, R: William Friedkin) One Flew Over the Cuckoo’s Nest (1975) (USA, R: Miloš Forman) Eraserhead (1977) (USA, R: David Lynch) All That Jazz (1979) (USA, R: Bob Fosse) Alien (1979) (GB, USA, R: Ridley Scott) Stardust Memories (1980) (USA, R: Woody Allen) Mr. Mom (1983) (USA, R: Stan Dragoti) Blue Velvet (1986) (USA, R: David Lynch) Three Men and a Baby (1987) (USA, R: Leonard Nimoy) Die Hard (1988) (USA, R: John McTiernan) Look Who’s Talking (1989) (USA, R: Amy Heckerling) Tango & Cash (1989) (USA, R: Andrei Kontschalowski) Die Hard 2/ Die Harder (1990) (USA, R: Renny Harlin) Pretty Woman (1990) (USA, R: Garry Marshall) Thelma & Louise (1991) (USA, R: Ridley Scott) Mrs. Doubtfire (1993) (USA, R: Chris Columbus) Natural Born Killers (1994) (USA, R: Oliver Stone) Forrest Gump (1994) (USA, R: Robert Zemeckis) Die Hard with a Vengeance (1995) (USA, R: John McTiernan) Twister (1996) (USA, R: Jan de Bont) Lost Highway (1997) (Fr., USA, R: David Lynch) Titanic (1997) (USA, R: James Cameron) Godzilla (1998) (USA, R: Roland Emmerich) Out of Sight (1998) (USA, R: Steven Soderbergh) Fight Club (1999) (USA, R: David Fincher) Oceans’s Eleven (2001) (USA, R: Steven Soderbergh) Mulholland Drive (2001) (Fr., USA, R: David Lynch) Rocky Balboa (2006) (USA, R: Sylvester Stallone) The Darjeeling Limited (2007), (USA, R: Wes Anderson) Live Free or Die Hard (2007) (USA, R: Len Wiseman) Michael Clayton (2007) (USA, R: Tony Gilroy) Rambo (2008) (USA, R: Sylvester Stallone) Burn After Reading (2008) (USA, R: Ethan Coen und Joel Coen)

Film Bettina Dennerlein, Elke Frietsch (Hg.) Identitäten in Bewegung Migration im Film Oktober 2011, ca. 350 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 32,80 €, ISBN 978-3-8376-1472-5

Tobias Ebbrecht Geschichtsbilder im medialen Gedächtnis Filmische Narrationen des Holocaust Februar 2011, 356 Seiten, kart., zahlr. Abb., 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1671-2

Gesche Joost Bild-Sprache Die audio-visuelle Rhetorik des Films 2008, 264 Seiten, kart., zahlr. Abb., 25,80 €, ISBN 978-3-89942-923-7

Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de

Film Kay Kirchmann, Jens Ruchatz (Hg.) Medienreflexion im Film Ein Handbuch Juni 2011, ca. 404 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 33,80 €, ISBN 978-3-8376-1091-8

Annette Simonis Intermediales Spiel im Film Ästhetische Erfahrung zwischen Schrift, Bild und Musik 2010, 230 Seiten, kart., zahlr. Abb., 28,80 €, ISBN 978-3-8376-1520-3

Michael Wedel Filmgeschichte als Krisengeschichte Schnitte und Spuren durch den deutschen Film 2010, 464 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., 33,80 €, ISBN 978-3-8376-1546-3

Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de

Film Joanna Barck Hin zum Film – Zurück zu den Bildern Tableaux Vivants: »Lebende Bilder« in Filmen von Antamoro, Korda, Visconti und Pasolini 2008, 340 Seiten, kart., zahlr. Abb., 32,80 €, ISBN 978-3-89942-817-9

Maik Bozza, Michael Herrmann (Hg.) Schattenbilder – Lichtgestalten Das Kino von Fritz Lang und F.W. Murnau. Filmstudien 2009, 212 Seiten, kart., zahlr. Abb., 25,80 €, ISBN 978-3-8376-1103-8

Catrin Corell Der Holocaust als Herausforderung für den Film Formen des filmischen Umgangs mit der Shoah seit 1945. Eine Wirkungstypologie 2009, 520 Seiten, kart., zahlr. Abb., 39,80 €, ISBN 978-3-89942-719-6

Daniel Fritsch Georg Simmel im Kino Die Soziologie des frühen Films und das Abenteuer der Moderne 2009, 248 Seiten, kart., zahlr. Abb., 27,80 €, ISBN 978-3-8376-1315-5

Dagmar Hoffmann (Hg.) Körperästhetiken Filmische Inszenierungen von Körperlichkeit 2010, 352 Seiten, kart., zahlr. Abb., 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1213-4

Tina Hedwig Kaiser Aufnahmen der Durchquerung Das Transitorische im Film 2008, 230 Seiten, kart., zahlr. Abb., 27,80 €, ISBN 978-3-89942-931-2

Katrin Oltmann Remake | Premake Hollywoods romantische Komödien und ihre Gender-Diskurse, 1930-1960 2008, 356 Seiten, kart., 29,80 €, ISBN 978-3-89942-700-4

Sebastian Richter Digitaler Realismus Zwischen Computeranimation und Live-Action. Die neue Bildästhetik in Spielfilmen 2008, 230 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., 25,80 €, ISBN 978-3-89942-943-5

Elisabeth Scherer Spuk der Frauenseele Weibliche Geister im japanischen Film und ihre kulturhistorischen Ursprünge Mai 2011, ca. 268 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 32,80 €, ISBN 978-3-8376-1525-8

Catherine Shelton Unheimliche Inskriptionen Eine Studie zu Körperbildern im postklassischen Horrorfilm 2008, 384 Seiten, kart., 34,80 €, ISBN 978-3-89942-833-9

Thomas Weber Medialität als Grenzerfahrung Futurische Medien im Kino der 80er und 90er Jahre 2008, 374 Seiten, kart., 33,80 €, ISBN 978-3-89942-823-0

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