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German Pages 554 Year 2020
Torsten Bergau (Hrsg.) Praxishandbuch Unternehmenskauf De Gruyter Praxishandbuch
Praxishandbuch Unternehmenskauf
Recht, Steuern, Finanzen, Bewertung, Prozess 2. Auflage Herausgegeben von Torsten Bergau, Pinsent Masons, Düsseldorf Bearbeitet von Dr. iur. Torsten Bergau, LL.M., Rechtsanwalt und Partner, Pinsent Masons, Düsseldorf; Kathrin Brügger, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht und Partnerin, Pinsent Masons, München; Fin Bruhn, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Partner, Altavis GmbH, Berlin; Eike Fietz, Rechtsanwalt und Partner, Pinsent Masons, München; Jörn Fingerhuth, Rechtsanwalt und Partner, Pinsent Masons, München; Dr. iur. Paul Fort, Rechtsanwalt und Syndikus, Bayer AG, Leverkusen; Dr. iur. Joël Hofmann, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Pinsent Masons, München; Daniel-Sebastian Kaiser, Rechtsanwalt und Partner, Hoffmann Liebs Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB, Düsseldorf; Marc Lange, Altavis GmbH, Berlin; Rainer Mück, Partner, MMP Mück Management Partners AG, Schindellegi/Schweiz; Claas-Tido Risse, LL.M., Steuerberater und Partner, RLT Ruhrmann Tieben & Partner mbB, Essen; Tobias Rodehau, LL.M., Rechtsanwalt und Partner, Pinsent Masons, München; Tom Schmähling, Mediq B.V., Utrecht/Niederlande; Dr. Michael Wagenknecht, Dipl.-Ökonom, Steuerberater bei RLT Ruhrmann Tieben & Partner mbB, Essen.
Zitiervorschlag: Bergau/Brügger/Hofmann Praxishandbuch Unternehmenskauf, Kap. 12 Rn 4
Hinweis: Alle Angaben in diesem Werk sind nach bestem Wissen unter Anwendung aller gebotenen Sorgfalt erstellt worden. Trotzdem kann von dem Verlag und den Autoren keine Haftung für etwaige Fehler übernommen werden.
ISBN 978-3-11-067297-8 e-ISBN (PDF) 978-3-11-067304-3 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-067311-1 Library of Congress Control Number: 2020942597 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2021 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Einbandabbildung: gargantiopa/iStock/thinkstock Datenkonvertierung/Satz: jürgen ullrich typosatz, Nördlingen Druck: CPI books GmbH, Leck ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com
Vorwort
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Vorwort Vorwort Vorwort https://doi.org/10.1515/9783110673043-202
Bereits mit der ersten Auflage des Praxishandbuchs Unternehmenskauf setzten sich die Autoren das Ziel, einen aktuellen Überblick über Vorbereitung und Durchführung von Unternehmenskäufen als Hilfestellung in der alltäglichen Praxis zu geben. Die nun vorliegende zweite Auflage bleibt diesem Ziel treu. Um die Praxistauglichkeit noch weiter zu erhöhen, sind der Due Diligence in den wichtigsten unterschiedlichen Fachbereichen nun jeweils eigene Kapitel gewidmet. Neu hinzugekommen sind die Kapitel zu Venture Capital und Transaktionsversicherungen. Seit der ersten Auflage haben Venture Capital Investitionen den Markt für Unternehmenskäufe wieder stärker belebt. Transaktionsversicherungen werden schon seit Längerem angeboten, prägten aber vor allem in den letzten Jahren vermehrt die Praxis. Um den Umfang des Buches und damit auch seinen Ansatz als Hilfe für die Praxis beizubehalten, erforderten diese Änderungen Anpassungen an anderer Stelle, so dass insgesamt ein weitgehend überarbeitetes und aktualisiertes Werk vorliegt. Möglich gemacht haben dies neben den schon in der Vorauflage vertretenen Autoren die neuen Beiträge von Kathrin Brügger, Eike Fietz, Jörn Fingerhuth, Dr. Joël Hofmann, Tobias Rodehau und Dr. Michael Wagenknecht. Auch die zweite Auflage richtet sich zunächst an alle, die mit M&A-Transaktionen befasst sind, ohne bereits ausgewiesene Experten auf diesem Gebiet zu sein, und einen umfassenden Überblick über den gesamten Themenbereich gewinnen wollen. Ihnen bietet das Werk einen praxistauglichen Einstieg und Überblick. Ausgewiesenen Experten dient es zudem als Einstieg in die Aspekte, die nicht das jeweils eigene Fachgebiet betreffen. Insbesondere richtet sich das Buch an: – Unternehmer, die vor einer Nachfolgeplanung stehen – strategische Investoren – Private Equity-Firmen – Venture Capital-Firmen – Strategieabteilungen – Business Development-Abteilungen – M&A-Abteilungen – Rechtsabteilungen – M&A-Beratungsfirmen – Anwaltskanzleien Ein besonderer Schwerpunkt liegt in der umfassenden und praxisgerechten Darstellung aller für die erfolgreiche Durchführung einer Transaktion zu berücksichtigenden Aspekte. Dazu gehören neben rechtlichen Gesichtspunkten die Themen Steuern, Finanzen, Unternehmensbewertung, Due Diligence sowie Vertrags- und Prozessgestaltung.
https://doi.org/10.1515/9783110673043-202
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Vorwort
Die Autoren sind Praktiker, die für Praktiker schreiben. Dem Praxischarakter des Werkes tragen die vielen Beispiele, Praxistipps, Muster und Checklisten Rechnung. Frau Manuela Eßer danke ich für die erneute umsichtige und geduldige Betreuung des Manuskripts. Über Anregungen und Vorschläge zur Verbesserung des Werks freuen sich Autoren wie Herausgeber. Düsseldorf, im September 2020
Torsten Bergau
Inhaltsübersicht
Inhaltsübersicht Inhaltsübersicht Inhaltsübersicht
Vorwort | V Inhaltsverzeichnis | IX Literaturverzeichnis | XXXI Bearbeiterverzeichnis | XXXVII
Kapitel 1 Grundlagen | 1 Kapitel 2 Struktur des Prozesses | 15 Kapitel 3 Unternehmensbewertung | 47 Kapitel 4 Steuerliche Aspekte | 101 Kapitel 5 Grundlagen der Due Diligence | 129 Kapitel 6 Financial Due Diligence | 169 Kapitel 7 Legal Due Diligence | 205 Kapitel 8 Tax Due Diligence | 237 Kapitel 9 Due Diligence im Bereich Arbeitsrecht | 265 Kapitel 10 Vertragsgestaltung | 289 Kapitel 11 Transaktionsversicherungen | 349
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Inhaltsübersicht
Kapitel 12 Arbeitsrecht | 369 Kapitel 13 Fusionskontrolle und Kartellrecht | 389 Kapitel 14 Unternehmenskauf unter Beteiligung von Private Equity-Unternehmen | 439 Kapitel 15 Venture Capital | 475 Sachverzeichnis | 505
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis
Vorwort | V Inhaltsübersicht | VII Literaturverzeichnis | XXXI Bearbeiterverzeichnis | XXXVII
Kapitel 1 Grundlagen A. Begriff | 1 B. Wirtschaftliche Bedeutung von M&A-Transaktionen | 1 C. Marktbeteiligte | 2 I. Allgemeines | 2 II. Strategische Investoren | 3 III. Finanzinvestoren (Private Equity) | 3 IV. Familienunternehmen | 4 V. Management | 5 1. Management Buy-Out (MBO) | 5 2. Management Buy-In (MBI) | 5 D. Anlässe für M&A-Transaktionen im Überblick | 6 I. Überblick | 6 II. Motivation des Veräußerers | 6 1. Devestition | 6 2. Unternehmensnachfolge | 7 3. Exit eines Finanzinvestors | 7 4. Exit der Gründer und Financiers eines Start-ups | 8 III. Motivation des Erwerbers | 8 1. Kosteneinsparungen | 8 2. Marktmacht | 9 3. Markteintritt | 9 4. Wertorientierte Motive | 9 5. Persönliche Motive | 10 6. Finanzanlage | 10 E. Wesentliche Beteiligte an M&A-Transaktionen | 10 I. Veräußerer und Erwerber | 10 II. M&A-Berater | 10 III. Rechtsanwälte | 11 IV. Weitere Berater | 11 V. Notare | 11
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Inhaltsverzeichnis
Erscheinungsformen von M&A-Transaktionen | 12 I. Unternehmenskauf | 12 II. Beteiligungserwerb durch Kapitalerhöhung | 12 III. Joint Venture | 12 IV. Sonderfälle | 13 G. Zentrale Vertragswerke | 13 I. SPA/APA | 13 II. Beteiligungsvereinbarung / Joint Venture Vereinbarung | 13 III. Transaktionsvorbereitende Verträge (NDA / LOI) | 13 IV. Weitere typische Verträge | 14 F.
Kapitel 2 Struktur des Prozesses A. Einleitung | 15 I. Warum überhaupt ein strukturierter Prozess? | 15 II. Ein Prozess – zwei Sichtweisen | 16 B. Kaufprozess | 19 I. Analysephase | 19 1. Zieldefinition | 19 2. Long List | 20 3. Short List | 21 II. Kontaktphase | 22 1. Priorisierung | 22 2. Anonyme Kontaktaufnahme | 22 3. Unterzeichnung Vertraulichkeitsvereinbarung | 23 4. Gespräche mit dem Target | 23 III. Auswertungsphase | 24 1. Auswertung Unterlagen | 24 2. Bewertungsindikation | 25 3. Abgabe indikatives Angebot | 25 4. Due Diligence | 26 a) Datenraumphase | 26 b) Managementgespräche | 27 c) Q&A | 27 IV. Closingphase | 28 1. Abgabe finales Angebot | 28 2. Preisverhandlung | 28 3. Transaktionsstruktur | 29 4. Gewährleistungen/Garantien | 30 5. Signing/Closing | 30
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V. Integrationsphase | 31 C. Verkaufsprozess | 32 I. Vorbereitungsphase | 32 1. Prozessstrukturierung | 32 2. Vorbereitung der Unterlagen | 34 3. Vorbereitung Datenraum | 37 4. Erarbeitung Käuferprofil | 39 5. Long List | 39 II. Kontaktphase/Due Diligence | 40 1. Short List | 40 2. Kontaktaufnahme/Vertraulichkeitsvereinbarung | 40 3. Übergabe Unterlagen | 41 4. Einholung indikativer Angebote | 41 5. Auswahl geeigneter Investoren für 2. Phase | 42 6. Due Diligence | 42 a) Datenraum | 42 b) Managementpräsentation/Standortbesuche | 43 III. Endverhandlung | 44 1. Einholung bindender Kaufangebote inklusive Finanzierungsnachweis | 44 2. Entscheidung geeigneter Investoren für Verhandlung | 44 3. Preisverhandlung | 45 4. Garantien/Gewährleistungen | 45 5. Signing/Closing | 45 IV. Integrationsphase | 46 D. Zusammenfassung | 46
Kapitel 3 Unternehmensbewertung A. Einleitung | 47 B. Grundlagen | 48 I. Der „wahre“ Unternehmenswert | 48 II. Anlässe für eine Unternehmensbewertung | 50 III. Bewertungsrichtlinien | 50 IV. Grundbausteine für eine aussagekräftige Bewertung | 51 C. Arten der Bewertung | 53 I. Vorbemerkungen | 53 II. Übersicht über verschiedene Methoden der Bewertung | 54
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D. Gesamtbewertungsverfahren | 55 I. Discounted-Cashflow-Methode (DCF-Methode) | 55 1. Grundgedanke | 55 2. Verschiedene Varianten der DCF-Methode | 57 a) Entity-Methode | 57 b) Equity-Methode | 58 c) APV-Methode | 58 3. Schätzung der einzelnen Parameter | 60 a) Free Cashflow | 60 b) Diskontierungssatz | 65 aa) EK/GK oder FK/GK | 66 bb) Rendite einer risikolosen Anlage | 67 cc) Betafaktor | 67 dd) Marktrisikoprämie | 70 ee) Size Premium | 71 ff) Fremdkapitalkosten | 72 c) Endwert | 72 aa) Wachstumsrate | 74 bb) Alternativen | 74 cc) Plausibilisierung der Rate | 75 II. Ertragswertverfahren | 75 III. Multiplikatorenverfahren (Peer Group Analysis) | 76 1. Grundgedanke | 76 2. Nachteile | 77 3. Festlegung der Peer Group | 79 4. Herleitung der Multiples der Peer Group | 80 5. Arten von Multiplikatoren | 81 6. Mögliche Schwachstellen, Kritikpunkte und Hinweise | 82 a) Unsicherheit der richtigen Bewertung | 82 b) Mangelnde Auseinandersetzung mit dem Markt und den Unternehmen | 82 c) Bewertung von Unternehmen mit Produktvielfalt | 82 d) Fehlende Zukunftsbetrachtung | 82 e) Verwendung von Multiplikatoren aus anderen Ländern | 83 E. Mischverfahren | 83 I. Mittelwertverfahren | 83 II. Übergewinnverfahren | 84 III. Stuttgarter Verfahren | 84 F. Einzelwertverfahren | 84 I. Substanzwert | 84 II. Liquidationswert | 85
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G. Besondere Bewertungsansätze und Themen | 88 I. Aktienoptionen | 88 II. Immaterielle Bewertung und Kundenstammbewertung | 88 III. Realoptionen | 89 IV. Mögliche weitere Ab-/Zuschläge auf den Unternehmenswert | 90 V. Zusammenfassung | 91 H. Mögliche Einflussfaktoren auf die Bewertung im Prozessverlauf | 92 I. Anpassungen im Rahmen der Due Diligence | 92 II. Zeitliche Effekte | 93 III. Synergien | 95 I. Earn Out | 96 I. Grundgedanke | 96 II. Strukturierungsparameter | 98 III. Erfolgsfaktoren eines Earn Outs | 100 IV. Alternative zum Earn Out | 100
Kapitel 4 Steuerliche Aspekte A. Vorgehensweise | 101 B. Die steuerlichen Rahmenbedingungen beim Unternehmenskauf und -verkauf | 101 I. Verschiedene steuerliche Interessenlagen von Käufer und Verkäufer | 101 II. Aus steuerlicher Sicht vorzunehmende Abgrenzung | 102 1. Form der Transaktion: Share Deal versus Asset Deal | 102 2. Beteiligte an der Transaktion: Rechtsform vom Käufer und Verkäufer | 103 III. Bei Unternehmenstransaktionen zu beachtende Steuerarten und steuerliche Feststellungen | 104 1. Ertragsteuern | 104 a) Steuerarten und steuerliche Feststellungen | 104 aa) Steuerarten: Einkommensteuer (Kirchensteuer), Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer | 104 bb) Sonstige steuerliche Feststellungen | 107 b) Besteuerung des Veräußerungsergebnisses beim Veräußerer | 110 aa) Natürliche Person als Veräußerer (Asset Deal) | 110 bb) Natürliche Person als Veräußerer (Share Deal) | 111 cc) Kapitalgesellschaft als Veräußerer | 112 dd) Zusammenfassung | 113
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c)
Steuerliche Berücksichtigung des Unternehmenskaufpreises beim Erwerber | 114 d) Steuerliche Berücksichtigung der Kosten der Finanzierung eines Unternehmenskaufpreises | 115 e) Steuerliche Zurechnung des laufenden Ergebnisses vor und nach der Transaktion – Bedeutung eines Übertragungsstichtages | 116 2. Verkehrssteuern | 117 a) Umsatzsteuer | 117 b) Grunderwerbsteuer | 118 3. Exkurs: Erbschaft-/Schenkungsteuer | 120 C. Gestaltungsmöglichkeiten zur Optimierung der Transaktionsstruktur | 121 I. Perspektive des Erwerbers | 121 II. Perspektive des Veräußerers | 124 1. Im Vorfeld einer Transaktion | 124 2. Im Nachgang bzw. während einer Transaktion | 125 III. Verkehrssteuern | 126 1. Grunderwerbsteuer | 126 2. Umsatzsteuer | 127
Kapitel 5 Grundlagen der Due Diligence A. Begriff, Funktion und Ziele der Due Diligence | 129 I. Begriff | 129 II. Funktion der Due Diligence | 130 1. Erfassung des Status Quo | 130 2. Aufdeckung von Chancen und Risiken | 131 a) Risiken | 131 b) Chancen | 132 3. Element der Bewertung | 133 4. Schaffung einer Erkenntnisgrundlage für Strukturierungsüberlegungen | 133 5. Schaffung einer Grundlage für die Vertragsverhandlungen | 134 6. Haftungssituation des Käufermanagements (Business Judgment Rule) | 134 7. Nutzen in der Post-closing Phase | 135 III. Mit der Due Diligence verfolgte Ziele | 136 1. Ziele des Käufers | 136 2. Ziele des Verkäufers | 136 B. Arten der Due Diligence | 137
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C. Anlässe für eine Due Diligence | 141 D. Umfang der Due Diligence in Abhängigkeit von der Transaktionsstruktur | 142 E. Rechtliche Bedeutung einer käuferseitigen Due Diligence im M&AProzess | 143 I. Pflicht zur Due Diligence? Rechtsfolgen einer unterlassenen Due Diligence für den Käufer | 143 II. Auswirkungen einer Due Diligence für den Käufer | 144 III. Aufklärungspflichten des Verkäufers | 146 F. Haftungsfragen Dritter | 146 I. Vertretungsorgane der Zielgesellschaft | 146 1. Personenidentität oder Alleingesellschafter | 147 2. GmbH mit mehr als einem Gesellschafter | 148 3. Aktiengesellschaft | 148 II. Beraterhaftung | 149 1. Der Berater des Käufers entdeckt einen Mangel des Unternehmens in der käuferseitigen Due Diligence nicht | 149 2. Der Berater des Verkäufers entdeckt einen Mangel des Unternehmens in der Vendor Due Diligence nicht | 150 3. Inanspruchnahme von Beratern durch Dritte (Reliance) | 151 4. Haftungsbegrenzung des Beraters | 153 G. Organisation und Ablauf einer Due Diligence | 153 I. Vorbereitung | 154 1. Festlegung des inhaltlichen Umfangs | 154 2. Zeitschiene | 155 3. Zusammensetzung des Teams | 156 4. Herkunft der Informationen | 157 II. Datenraum und seine Organisation | 157 1. Ablauf und Koordination | 157 2. Vertraulichkeit | 158 3. Datenräume und Datenraumregeln | 158 4. Kick-off | 160 5. Prüfungstätigkeit und Q&A-Prozess | 160 6. Beendigung der Prüfungshandlungen | 161 H. Dokumentation der Due Diligence Ergebnisse | 162 I. Dokumentation der Prüfungshandlungen | 163 II. Due Diligence Bericht | 164 1. Empfänger | 164 2. Gestaltung des Berichts | 165 I. Verwertung der Ergebnisse einer käuferseitigen Due Diligence | 166 I. Beraterverhalten und Austausch von Ergebnissen der verschiedenen Prüfungsfelder | 166 II. Entscheidungsfindung des Käufers und Handlungsalternativen | 167
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Kapitel 6 Financial Due Diligence A. Begriff, Abgrenzung und Ziele der Financial Due Diligence | 169 I. Begriff der Financial Due Diligence | 169 II. Abgrenzung zu anderen Due Diligence Prüfungen und zur Jahresabschlussprüfung | 169 III. Anlässe zur Durchführung einer Financial Due Diligence | 171 IV. Ziele einer Financial Due Diligence | 172 B. Rahmenbedingungen der Financial Due Diligence | 173 I. Auftrag und Auftragsdurchführung | 173 II. Ablauf und Organisation | 176 III. Informationsquellen | 177 C. Durchführung der Financial Due Diligence | 180 I. Darstellung der wirtschaftlichen Verhältnisse | 180 II. Analyse der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage | 181 1. Allgemeine Vorgehensweise | 181 2. Analyse der Vermögenslage | 182 3. Analyse der Ertragslage | 187 4. Analyse der Finanzlage | 192 5. Sonstige Elemente der Analyse | 193 III. Haftungsverhältnisse und sonstige finanzielle Verpflichtungen | 194 IV. Interne Kontrollsysteme und EDV-Systeme | 195 V. Plausibilisierung der Planungsrechnungen | 196 VI. Grundzüge der Commercial Due Diligence | 198 VII. Bilanzierung des Unternehmenserwerbs | 199 VIII. Financial Due Diligence als Grundlage der Unternehmensbewertung | 200 IX. Post-Deal Analysen | 201 X. Typische Herausforderungen in der Praxis | 201 D. Berichterstattung | 202 I. Ziele und Inhalt der Berichterstattung | 202 II. Mustergliederung des Berichts über die Financial Due Diligence | 204
Kapitel 7 Legal Due Diligence A. Einführung in die Legal Due Diligence | 205 B. Inhaltlicher Umfang und Prüfungstiefe einer Legal Due Diligence | 206 I. Gesellschaftsrecht | 206
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II.
III. IV.
V.
VI.
VII.
VIII. IX.
X.
XI.
XII.
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1. Einführung | 206 2. Prüfungsinhalte | 208 Finanzierung | 210 1. Einführung | 210 2. Prüfungsinhalte | 210 Verträge mit Gesellschaftern, verbundenen Unternehmen und nahestehenden Personen | 211 Mitarbeiter | 214 1. Einführung in die Prüfung | 214 2. Prüfungsinhalte | 214 Einkauf und Vertrieb sowie Wettbewerb | 215 1. Einführung in die Prüfung | 215 2. Prüfungsinhalte | 216 a) Verträge mit Lieferanten | 218 b) Verträge mit Kunden | 218 c) Vertriebssysteme und Vertriebsmittler | 219 IT | 220 1. Einführung in die Prüfung | 220 2. Prüfungsinhalte | 221 Gewerbliche Schutzrechte | 222 1. Einführung in die Prüfung und Grundprinzipien | 222 2. Prüfungsinhalte | 222 Immobilien | 224 Bewegliche Sachen | 225 1. Einführung in die Prüfung | 225 2. Prüfungsinhalte | 226 Versicherungen | 226 1. Einführung: Prüfungsgegenstand | 226 2. Durchführung der Prüfung | 227 Öffentliches Recht | 227 1. Einführung: Prüfungsgegenstand und Bedeutung | 227 2. Prüfungsinhalte | 229 Rechtsstreitigkeiten | 230 1. Einführung: Prüfungsgegenstand | 230 2. Durchführung der Prüfung | 231 Compliance der Zielgesellschaft | 232 1. Datenschutz-Compliance | 233 2. Allgemeine Compliance | 234
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Kapitel 8 Tax Due Diligence A. Ziele der Tax Due Diligence | 237 B. Organisation der Tax Due Diligence | 238 C. Steuerliche Grundanalyse der Transaktion | 240 I. Asset Deal oder Share Deal | 240 II. Haftung des Erwerbers für Steuern | 241 III. Inlandsbezug/Auslandsbezug | 243 IV. Veranlagungsstand | 245 V. Steuerbilanz | 245 VI. Verfahrensdokumentation | 247 VII. Grundvermögen/Grunderwerbsteuer | 248 VIII. Umsatzsteuerliche Aspekte | 250 D. Typische Risikofelder bei Kapitalgesellschaften | 251 I. Leistungsbeziehungen mit nahestehenden Personen | 251 II. Behandlung von Verlustvorträgen | 253 III. Beteiligungsstrukturen | 255 IV. Fremdfinanzierungen | 256 V. Verrechnungspreise | 257 E. Typische Risikofelder bei Personengesellschaften | 258 I. Sonder- und Ergänzungsbilanzen | 258 II. Aufteilung Kaufpreis | 259 III. Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern | 260 IV. Gewerbesteuerliche Verluste bei Personengesellschaften | 261 F. Umgang mit den Ergebnissen einer Tax Due Diligence | 261 I. Antrag auf zeitnahe Betriebsprüfung | 262 II. Garantien und steuerliche Freistellungsklauseln im Kaufvertrag | 262
Kapitel 9 Due Diligence im Bereich Arbeitsrecht A. Einleitung | 265 B. Arbeitsrechtliche Prüfbereiche | 266 I. Der erste Überblick | 266 1. Personalliste | 266 a) Mustercheckliste | 267 b) Personaldaten | 267 2. Unternehmensorganisation | 270 II. Arbeitsverträge | 270 1. Musterarbeitsverträge | 271
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2. Relevante Regelungen | 271 a) Befristungen | 272 b) Stellenbezeichnung und Versetzungsklausel | 272 c) Arbeitszeitregelung und Überstundenanordnung sowie -abbau | 273 d) Grundgehalt und weitere Vergütungsbestandteile | 275 e) Arbeitnehmererfindung | 275 f) Kündigungsfristen | 276 g) Nachvertragliches Wettbewerbsverbot | 277 3. Dienstverträge mit Organmitgliedern und Arbeitsverträge mit Key Employees | 278 a) Organmitglieder | 279 b) Key Employees | 280 III. Besondere Beschäftigungsformen (freie Mitarbeiter, Leiharbeitnehmer, Arbeitnehmerüberlassung) | 281 1. Freie Mitarbeiter | 281 2. Leiharbeitnehmer | 282 3. Arbeitnehmerüberlassung | 282 IV. Mitarbeitervertretung | 282 V. Betriebsvereinbarungen | 283 1. Formelle Anforderungen an Betriebsvereinbarungen | 283 2. Regelungsgegenstand und Geltungsbereich | 284 3. Beendigung der Betriebsvereinbarung/Nachwirkung | 284 4. Interessenausgleich/Sozialplan | 285 VI. Betriebliche Übung | 285 VII. Tarifverträge | 286 VIII. Arbeitsrechtliche Streitigkeiten | 287 IX. Betriebliche Altersvorsorge | 287
Kapitel 10 Vertragsgestaltung A. Einleitung | 289 B. Grundlegende Transaktionsstruktur: Asset Deal oder Share Deal | 290 I. Bedeutung der Fragestellung | 290 II. Vor- und Nachteile | 291 1. Steuerrecht | 291 2. Erwerb einzelner Unternehmensteile | 291 3. Haftung | 291 4. Arbeitsrecht | 292
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5. Zustimmung Dritter | 293 6. Beschreibung des Kaufgegenstands | 293 7. Zurückbleiben des alten Rechtsträgers | 294 8. Zusammenfassung | 294 III. Kaufgegenstand | 294 1. Share Deal | 295 a) Anteile | 295 b) Gewinnanspruch | 295 c) Gewinnrechte bei Personengesellschaften | 296 2. Asset Deal | 296 a) Übertragung von Sachen | 296 aa) Bestimmtheitsgrundsatz | 296 bb) Regelungstechnik | 297 cc) Belastung mit Rechten Dritter | 298 dd) Übertragung folgt unterschiedlichen rechtlichen Anforderungen | 298 b) Übertragung von Rechten | 299 c) Verpflichtungen | 299 d) Dauerschuldverhältnisse | 300 aa) Spezialgesetzliche Regelungen | 301 bb) Schuldrechtliche Übertragung | 301 cc) Vertragsspaltung | 302 e) Immaterialgüterrechte | 303 aa) Firma | 303 bb) Marke | 303 cc) Patente | 304 dd) Urheberrechte | 304 ee) Know-how | 304 ff) Weitere Immaterialgüterrechte | 305 f) Öffentlich-rechtliche Genehmigungen | 305 aa) Sachbezogene Erlaubnisse | 305 bb) Personenbezogene Erlaubnisse | 305 C. Erfordernis eines vertraglichen Haftungssystems | 306 I. Rechtlicher Rahmen | 306 II. Gesetzliches Haftungssystem | 306 1. Anspruchsgrundlagen im Kaufrecht | 306 a) Sachmängel | 306 b) Rechtsmängel | 307 2. Weitere gesetzliche Ansprüche | 307 3. Rechtsfolgen der gesetzlichen Gewährleistung | 308 a) Nacherfüllung | 308 b) Rücktritt | 309
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c) Minderung | 310 d) Schadensersatz | 310 III. Schlussfolgerungen für die Transaktionspraxis | 311 D. Gestaltung eines vertraglichen Haftungssystems | 311 I. Grundstruktur von Garantieversprechen | 311 1. Selbstständige Garantieversprechen | 311 2. Informationsdivergenz | 312 II. Ausschlaggebend ist der Einzelfall | 313 III. Verhältnis zur Due Diligence | 313 IV. Themenbereich eines Garantiekatalogs | 314 V. Materieller Umfang der Garantien | 315 1. Kenntnis des Verkäufers | 315 a) Objektive Garantien | 316 b) Subjektive Garantien | 317 aa) Anforderung an Kenntnis | 317 bb) Personenkreis | 318 2. Kenntnis des Käufers | 318 a) Gesetzliche Regelung | 318 b) Interessen des Verkäufers | 319 c) Interessen des Käufers | 319 d) Gestaltungsmöglichkeiten in der Praxis | 319 e) Untersuchungs- und Rügepflicht | 320 3. Stichtag | 320 a) Signing und Closing | 320 b) Andere Stichtage | 321 VI. Rechtsfolgen | 321 1. Nacherfüllung | 322 2. Minderung | 322 3. Schadensersatz | 323 4. Rücktritt | 323 VII. Haftungsbeschränkungen | 324 1. Qualitative Beschränkungen | 324 a) Ausschluss mehrfacher Inanspruchnahme | 324 b) Ersatzansprüche gegen Dritte | 325 c) Mittelbare Schäden | 325 d) Entgangener Gewinn | 326 2. Quantitative Haftungsbeschränkungen | 326 a) Bagatellklauseln | 326 b) Freibeträge/Freigrenzen | 326 c) Haftungsobergrenzen | 327 VIII. Freistellungen | 327
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Verjährung | 328 1. Dauer | 328 2. Hemmung | 328 X. Ausschluss der gesetzlichen Gewährleistung | 329 XI. Sicherheiten | 329 1. Zurückbehaltung des Kaufpreises | 329 2. Rechtsvorbehalte | 330 3. Treuhandkonten | 330 4. Bankbürgschaft | 331 a) Selbstschuldnerische Bürgschaft | 331 b) Bürgschaft auf erstes Anfordern | 331 5. Konzernbürgschaften | 332 E. Kaufpreisregelungen | 332 F. Formerfordernisse | 332 I. Verkauf von Geschäftsanteilen einer GmbH | 332 II. Grundstücke | 334 III. Veräußerung des gesamten Vermögens | 334 IV. Notariell beurkundeter Gesellschafterbeschluss | 335 G. Weitere typische Vertragsklauseln | 336 I. Präambel | 336 II. Vollzugsbedingungen | 336 1. Öffentlich-rechtliche Zustimmungsvorbehalte | 336 2. Zivilrechtliche Zustimmungsvorbehalte | 337 3. Sonstige Bedingungen | 338 III. Material Adverse Change | 339 IV. Closing | 340 V. Wettbewerbsverbot | 341 1. Zweck | 341 2. Rechtlicher Rahmen | 341 VI. Mitteilungsklausel | 343 VII. Geheimhaltung | 344 VIII. Konfliktlösung | 345 IX. Begleitverträge | 346 X. Kosten | 346 XI. Schlussbestimmungen | 347 1. Vollständigkeit | 347 2. Schriftformklausel | 347 3. Salvatorische Klausel | 347 IX.
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Kapitel 11 Transaktionsversicherungen A. Einleitung | 349 B. Arten und Funktionsweisen der Transaktionsversicherungen | 350 I. Überblick | 350 1. W&I-Versicherung | 351 a) Versicherungsumfang und Funktionsweise | 351 aa) Verkäuferpolice | 351 bb) Käuferpolice | 352 b) Vor- und Nachteile | 352 2. Title Versicherung | 354 a) Versicherungsumfang und Funktionsweise | 354 b) Vor- und Nachteile | 354 3. Contingent Risk-Versicherung | 355 a) Versicherungsumfang und Funktionsweise | 355 b) Vor- und Nachteile | 355 4. Steuerversicherung | 355 C. Integration in den Transaktionsprozess | 356 I. Richtiger Zeitpunkt und Ablauf des Versicherungsprozesses | 356 II. Auswirkungen auf die Due Diligence (durch Käufer und Versicherung) | 357 D. Besonderheiten für den Unternehmenskaufvertrag | 358 I. Garantien- und Freistellungsregime | 358 1. Haftungsgrenzen | 359 a) Haftungshöchstbetrag | 359 b) Freibetrag oder Freigrenze? | 360 c) De Minimis-Betrag | 361 d) Haftungsauschluss bei Kenntnis des Käufers | 361 2. Verjährungszeiträume | 362 3. Schadensdefinition | 363 II. Vertragsunterzeichnung und Vollzugstag, Bring Down-Disclosures | 363 III. Beurkundungspflicht? | 365 E. Einzelne Typische Fragestellungen zur Versicherbarkeit von Garantien | 365 I. Allgemeines zur Versicherbarkeit von Garantien, Ausschlüsse | 365 II. Geltendmachung von Ansprüchen | 367 III. Vertretungsberechtigung und Veräußerungsbefugnis des Verkäufers | 367 IV. Bilanzgarantien und Jahresabschlüsse | 368 V. Umweltschäden | 368 VI. Schriftform von Gewerbemietverträgen | 368
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Kapitel 12 Arbeitsrecht A. Einleitung | 369 B. Betriebsübergang | 369 I. Vorliegen eines Betriebsübergangs | 369 1. Übergang durch Rechtsgeschäft | 369 2. Betriebsbegriff (Wirtschaftliche Einheit) | 370 II. Rechtsfolgen des Betriebsübergangs | 372 1. Unveränderter Übergang der Arbeitsverhältnisse | 372 2. Vom Betriebsübergang erfasste Arbeitsverhältnisse | 374 3. Schicksal von Kollektivvereinbarungen | 375 4. Unterrichtung nach § 613a Abs. 5 BGB | 378 5. Widerspruchsrecht der betroffenen Arbeitnehmer | 380 6. Kündigungsverbot wegen des Betriebsübergangs | 381 III. Auswirkungen auf den Unternehmenskaufvertrag | 382 C. Kollektivrechtliche Besonderheiten | 384 I. Betriebsänderung nach § 111 BetrVG | 384 II. Wirtschaftsausschuss | 386 D. Betriebliche Altersversorgung | 386
Kapitel 13 Fusionskontrolle und Kartellrecht A. Einführung | 389 I. Ziele und Praxis der Fusionskontrolle | 389 II. Gesetzliche Grundlagen | 390 III. Zentrale Begriffe | 391 1. Markt | 391 2. Unternehmen | 393 3. Wettbewerber | 394 B. Verfahren und materielle Prüfung im Überblick | 395 I. Verfahren | 395 1. Anmeldepflichtige Vorhaben | 395 2. Zuständigkeiten und Verfahrensbeteiligte | 395 3. Verwaltungsverfahren | 395 4. Kosten | 396 II. Materielle Prüfung | 397 1. Prüfungsmaßstab | 397 2. Horizontale Zusammenschlüsse | 397
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3. Vertikale Zusammenschlüsse | 398 4. Konglomerate Zusammenschlüsse | 398 C. Deutsche Fusionskontrolle | 399 I. Formelle Fusionskontrolle | 399 1. Anmeldepflichtige Vorhaben | 399 a) Vermögenserwerb (§ 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB) | 399 b) Kontrollerwerb (§ 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB) | 401 c) Erwerb von Anteilen (§ 37 Abs. 1 Nr. 3 GWB) | 403 d) Wettbewerblich erheblicher Einfluss (§ 37 Abs. 1 Nr. 4 GWB) | 403 e) Konzerninterne Umstrukturierungen | 404 2. Aufgreifschwellen | 405 a) Umsatzgrenzen | 405 aa) Beteiligte Unternehmen | 405 bb) Relevanter Umsatz | 407 cc) Räumliche Zuordnung | 408 dd) Inlandsauswirkung (§ 130 Abs. 2 GWB) | 409 b) De-Minimis-Klausel | 409 3. Verfahrensablauf | 410 a) Zuständige Behörde | 410 b) Inhalt der Anmeldung | 410 c) Form und Verfahrensablauf | 411 d) Kosten und Vollzugsanzeige | 413 e) Vollzugsverbot | 413 f) Unterlassene Anmeldung | 414 II. Materielle Fusionskontrolle | 415 1. Untersagungsvoraussetzungen | 415 2. Marktbeherrschende Stellung | 415 a) Begriff | 416 b) Marktbeherrschung durch ein einzelnes Unternehmen | 416 c) Marktbeherrschung durch mehrere Unternehmen | 419 d) Vertikale/Konglomerate Zusammenschlüsse | 420 e) Verstärkung und Verursachung | 421 3. Ausnahmen von der Untersagungspflicht | 422 4. Abhilfen | 423 5. Rechtschutz, Ministererlaubnis | 424 III. Beteiligung Dritter | 425 D. Europäische Fusionskontrolle | 426 I. Formelle Fusionskontrolle | 426 1. Anmeldepflichtige Vorhaben | 426 2. Aufgreifschwellen | 427
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3. Verfahren | 428 a) Zuständigkeiten | 428 b) Anmeldung | 429 c) Verfahrensablauf | 430 4. Vollzugsverbot | 431 II. Materielle Fusionskontrolle | 431 1. Untersagungsvoraussetzungen | 431 2. Abhilfen | 432 III. Beteiligung Dritter | 433 E. Betreuung multijurisdiktionaler Anmeldungen | 433 I. Bestimmung der relevanten Länder | 433 II. Zusammenarbeit mit ausländischen Kanzleien | 434 III. Vorbereitung und Arbeitsaufwand | 435 F. Nebenabreden | 435 I. Wettbewerbsverbot | 436 II. Lieferbeziehungen | 436 III. Lizenzvereinbarungen | 437
Kapitel 14 Unternehmenskauf unter Beteiligung von Private Equity-Unternehmen A. Einleitung | 439 I. Wesen von Private Equity-Transaktionen | 439 1. Was sind Private Equity-Transaktionen? | 439 2. Zielsetzung von Private Equity-Investitionen | 439 3. Wesentliche Unterschiede zu strategisch bedingten Transaktionen | 440 4. Bedeutung von Private Equity-Transaktionen | 441 II. Auswirkungen auf den Unternehmenskauf und -verkauf bei Beteiligung von Private Equity-Investoren | 442 1. Besonderheiten und Marktstandards beim Unternehmenskaufvertrag | 442 2. Wesentliche Aspekte bei der Ausgestaltung des Unternehmenskaufvertrags | 443 3. Beteiligung und Bindung des Managements | 443 B. Inhalte des Unternehmenskaufvertrags | 443 I. Überblick | 443 II. Kaufpreisklauseln: „Closing Accounts“ vs. „Locked Box“, „Earn Out“ | 444 1. „Closing Accounts“, „Net Debt“- und „Net Working Capital“Kaufpreisanpassung | 444
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2. „Locked Box“-Modell | 448 3. Pro/Contra der unterschiedlichen Gestaltungsvarianten | 450 4. „Earn Out“, insbesondere „Anti Embarrassment“-Klauseln | 451 III. Garantien, Freistellungen, Haftung und Sicherung möglicher Käuferansprüche | 453 1. Garantien und Freistellungen beim Unternehmenskauf | 454 2. Garantien und Freistellungen beim Unternehmensverkauf (Exit) | 454 3. Sicherung vertraglicher Haftungsansprüche | 456 IV. Transaktionssicherheit | 456 1. Certainty of Funds | 457 a) Equity Commitment Letter | 457 b) Debt Commitment Letter | 460 2. Verpflichtungen (Covenants) bei der Beteiligung eines Private EquityInvestors | 461 V. Closing, Vollzugsvoraussetzungen und -hindernisse | 461 1. Allgemeines | 461 2. Vollzugsvoraussetzungen und -hindernisse | 462 a) Termination Rights | 462 b) Break Fees | 464 VI. Sonstige typische Regelungen | 464 1. Einschränkungen der Vertraulichkeit | 464 2. Einschränkungen des Abtretungsverbots | 466 C. Beteiligung des Managements | 466 I. Allgemeines, insbesondere Ziele der Managementbeteiligung | 466 1. Ziele des Private Equity-Investors | 467 2. Ziele des Managements | 467 II. Gestaltung der Managementbeteiligung | 468 1. Investment des Managements | 468 2. Bindung des Managements, Leaver Scheme, Wettbewerbsverbot | 469 3. Teilhabe des Managements am Exiterlös | 471
Kapitel 15 Venture Capital A. Einleitung | 475 I. Typische Ausgangssituation | 475 1. Beteiligte | 476 2. Interessenlage | 477 3. Gesteigerte Komplexität von Runde zu Runde | 477
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Abgrenzung zum Unternehmenskauf (M&A) | 478 1. Gegner oder „Ehepartner“ | 478 2. Bedeutung der Garantien | 479 3. Struktur | 479 4. Zahlenwerk | 479 B. VC-Investment – Einstieg des Investors | 480 I. Rechtliche Grundlagen | 480 II. Ablauf des Prozesses | 480 III. Bestandteile des Beteiligungsvertragswerks | 481 C. Inhalt der wesentlichen Verträge: Investment Agreement und Shareholders’ Agreement | 483 I. Investment Agreement | 483 1. Erwerb neuer Anteile | 483 a) Grundsatz – Erwerb über Kapitalerhöhung | 483 b) Bewertung, Investmentbetrag, Anteilspreis | 484 2. Garantien, Haftung | 485 a) Garantiegeber | 485 b) Rechtsfolgen, Haftung | 486 3. Anpassung der Bewertung des Zielunternehmens | 486 a) Meilensteine | 486 b) Spätere Anpassungen der Bewertung | 487 II. Shareholders’ Agreement | 487 1. Investorenrechte | 488 a) Vetorechte, Stimmbindungen | 488 b) Kontrollrechte | 489 2. Verfügungsbeschränkungen | 489 3. Founders’ Vesting | 489 a) Entziehung von Anteilen | 490 b) Good Leaver/Bad Leaver | 491 c) Begründung | 492 d) Höhe der Gegenleistung | 492 4. Anti-Dilution Protection | 493 5. Exit-Rechte | 495 a) Liquidation Preference | 495 b) Drag-along | 498 c) Put-Option der Investoren | 499 D. M&A Sonderfall: Verkauf eines VC-finanzierten Targets | 499 I. Interessendivergenz der Verkäufer | 500 1. Phase bis zum konkreten Verkaufsprozess | 501 2. Phase der Verkaufstransaktion | 502 II. Haftungsaversion der Finanzinvestoren | 502 II.
Inhaltsverzeichnis
III. IV.
Auswirkungen von Optionsprogrammen auf den Verkaufsprozess | 503 Aktive Steuerung des Prozesses als Weg zum Erfolg | 504
Sachverzeichnis | 505
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Inhaltsverzeichnis
Literaturverzeichnis
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Literaturverzeichnis Literaturverzeichnis Literaturverzeichnis https://doi.org/10.1515/9783110673043-205
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Bearbeiterverzeichnis
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Bearbeiterverzeichnis Bearbeitererzeichnis Bearbeiterverzeichnis https://doi.org/10.1515/9783110673043-206 Torsten Bergau, Dr. iur., LL.M. (New York University), Jg. 1969; Rechtsanwalt und Partner bei Pinsent Masons in Düsseldorf. Studium an der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg, der Universität St. Gallen (HSG) und der New York University. Auslandstätigkeit in Brüssel, Birmingham und London. Er berät nationale und internationale Konzerne ebenso wie mittelständische Unternehmen bei Unternehmenskäufen und -verkäufen und Joint Ventures, häufig bei internationalen Transaktionen. Zahlreiche Vorträge und Fachveröffentlichungen.
Kathrin Brügger, Jg. 1983; Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht und Partnerin bei Pinsent Masons in München. Studium an der Universität Regensburg sowie der Universidad Carlos III (Madrid). Sie ist auf die Beratung von nationalen und internationalen Unternehmen zu allen Fragen rund um Restrukturierungsprojekte spezialisiert und berät ebenso zu arbeitsrechtlichen Aspekten bei M&A-, Outsourcing- und Technologietransaktionen. Sie hält regelmäßig Vorträge zu verschiedenen arbeitsrechtlichen Themen und veröffentlicht außerdem regelmäßig Beiträge in Fachzeitschriften. Fin Bruhn, Jg. 1964; Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, Partner und Niederlassungsleiter bei der Altavis GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft in Berlin. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Wirtschaftsprüfung, Transaktionsberatung und Unternehmensbewertung. Eike Fietz, Jg. 1968; Rechtsanwalt und Partner bei Pinsent Masons in München. Studium in Passau und in Melbourne. Auslandstätigkeit in Sydney und in Singapur. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind M&A-Transaktionen, Joint Ventures und Reorganisationen, auch im insolvenznahen Bereich und ganz überwiegend in einem grenzüberschreitenden Kontext. Er hält regelmäßig Fachvorträge und veröffentlicht. U.a. ist Eike Fietz Autor des Kapitels „Mergers & Acquisitions“ in einem verbreiteten Compliance-Fachbuch. Jörn Fingerhuth, Jg. 1978; Rechtsanwalt und Partner bei Pinsent Masons in München. Studium an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer und der University of California, Berkeley. Auslandstätigkeiten in Atlanta, USA, und Manchester, GB. Er betreut mit seinem Team nationale und internationale Unternehmen und Investoren bei inländischen und grenzüberschreitenden Investments, Transaktionen und Joint Ventures, insbesondere mit Immobilienbezug. Darüber hinaus hat er einen Schwerpunkt in der Betreuung von Investoren und Betreibern von Hotel- und Retail-Immobilien. Jörn Fingerhuth ist federführend für den Bereich Transactional Risk Insurance bei Pinsent Masons verantwortlich. Paul Fort, Dr. iur., Jg. 1973; Studium und Promotion in Münster; Rechtsanwalt und Syndikus der Bayer AG. Dr. Fort ist in dem Bereich Mergers & Acquisitions der Rechtsabteilung der Bayer AG tätig und für die kartellrechtliche Betreuung der M&A-Transaktionen des Bayer-Konzerns zuständig. Ferner ist er Co-Leiter der Global Practice Group Antitrust des Konzerns. Joël Hofmann, Dr. iur., Jg. 1982; Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Pinsent Masons in München; er berät nationale und internationale Unternehmen in allen Bereichen des Individualund des Kollektivarbeitsrechts. Der Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt in der Betreuung von Unternehmen bei grenzüberschreitenden und innerdeutschen Umstrukturierungen, insbesondere in allen Aspekten des Betriebsübergangs und der Betriebsänderung. Er ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen und hält regelmäßig Vorträge auf dem Gebiet des Arbeitsrechts.
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Bearbeitererzeichnis
Daniel-Sebastian Kaiser, Jg. 1972; Rechtsanwalt und Partner bei Hoffmann Liebs Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB in Düsseldorf. Studium in Osnabrück, Bochum, Lausanne und Bonn. Auslandstätigkeit in Birmingham und London. Daniel-Sebastian Kaiser berät seit bald 20 Jahren nationale und internationale, vorwiegend mittelständische Mandanten bei Unternehmenskäufen und Beteiligungserwerben. Er besitzt daneben langjährige Expertise im Bereich der Corporate Litigation und berät zum gesamten Spektrum der Konfliktlösungsmöglichkeiten. Marc Lange, Jg. 1979; Certified Valuation Analyst, Senior Manager und Prokurist im Bereich Corporate Finance bei der Altavis GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft und der Moore BRL GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft in Berlin. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Unternehmensbewertung, Financial Modelling und Financial Due Diligence. Rainer Mück, Jg. 1966; Gründungspartner der M&A Boutique MMP Mück Management Partners AG in Schindellegi/Schweiz. Er berät seit 2007 vorwiegend mittelständische Unternehmen in sämtlichen Fragen des Unternehmenskaufs und -verkaufs. Vorher war er als CFO bei OC Oerlikon, Leiter Steuern der Commerzbank AG, Leiter Steuern Deutschland bei General Electric und Steuerberater bei Price Waterhouse tätig. Claas-Tido Risse, LL.M., Jg. 1975; Steuerberater und Partner bei der RLT Ruhrmann Tieben & Partner mbB am Standort Essen; Studium in Münster und Graz. Er berät seit mehr als zehn Jahren mittelständische Unternehmen aller Rechtsformen und Eigentümerfamilien in steuerlichen Gestaltungsfragen, bei der Planung von steueroptimierten Unternehmensstrukturen sowie bei Mergers & Acquisitions – insbesondere in Tax Due Diligence-Projekten. Tobias Rodehau, LL.M., Jg. 1971; Rechtsanwalt und Partner bei Pinsent Masons in München. Studium an der Universität Hamburg, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer und am King's College London. Anwaltliche Auslandstätigkeiten in New York und Philadelphia. Leiter der deutschen Venture Capital Praxis von Pinsent Masons. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Venture Capital und Private Equity Transaktionen sowie internationale M&A-Transaktionen, jeweils mit Schwerpunkt im Bereich Technologie und Software. Tom Schmähling, CVA, Jg. 1976; Studium der Internationalen Betriebswirtschaft in Dortmund, Madrid und Stellenbosch, Südafrika. Nach dem Abschluss des MBA (University of Stellenbosch) verschiedene Tätigkeiten in der Logistikbranche, im Investmentbanking und für einige Jahre Berater von Unternehmen bei M&A-Transaktionen. Seine Schwerpunkte sind die Verhandlung, Management von M&A-Prozessen und Due Diligence-Prüfungen, vor allem aber alle Fragen, die mit der Bewertung von Unternehmen zusammenhängen. Derzeit ist Tom Schmähling Leiter der M&A Abteilung bei Mediq B.V in den Niederlanden. Dr. Michael Wagenknecht, Dipl.-Ökonom, Jg. 1980, Steuerberater bei der RLT Ruhrmann Tieben & Partner mbB am Standort Essen; Studium in Bochum und anschließende Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Unternehmensbesteuerung der Universität Duisburg-Essen, Campus Essen. Er berät mittelständische Unternehmen und deren Gesellschafter im Rahmen der laufenden Beratung und steuerlichen Gestaltungsberatung – insbesondere auch im Rahmen von Umstrukturierungen und der Unternehmensnachfolge.
A. Begriff
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Kapitel 1 Grundlagen Kapitel 1 Grundlagen Bergau
A. Begriff A. Begriff https://doi.org/10.1515/9783110673043-001 Der Begriff des Unternehmenskaufs ist nicht klar umrissen. Ein häufig verwandtes 1 englischsprachiges Synonym ist Mergers & Acquisitions. In diesem Begriff bereits angelegt ist jedenfalls die Unterscheidung zwischen Zusammenschlüssen (mergers) und dem Erwerb (acquisitions) von Unternehmen. Gemeint sind letztlich alle Transaktionen, bei denen die Inhaberschaft an einem Unternehmen ganz oder zum Teil wechselt.1 Dabei wird ein Unternehmen als funktionierende Wirtschaftseinheit verstan- 2 den, also als „eine Gesamtheit von Sachen und Rechten, tatsächlichen Beziehungen und Erfahrungen sowie unternehmerischen Handlungen“.2 Ein Unternehmen kann also auch ein Teilbetrieb eines Unternehmens sein.
B. Wirtschaftliche Bedeutung von M&A-Transaktionen B. Wirtschaftliche Bedeutung von M&A-Transaktionen Unternehmenskäufe sind ein nicht mehr wegzudenkendes Element einer entwickel- 3 ten Marktwirtschaft. In einer Vielzahl von Konstellationen ist die Fortführung eines Unternehmens durch jemand anderen als den jetzigen Inhaber effizienter.3 Ob und inwieweit sich erhoffte Effizienzen aus Unternehmenskäufen auch realisieren lassen, steht freilich auf einem anderen Blatt. Über die Frage, wie viele Unternehmenskäufe erfolgreich sind, und wie man den Erfolg überhaupt messen kann, wird seit Langem gestritten.4 Bedeutende Zusammenschlüsse von Unternehmen gibt es seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert. Seitdem hat sich das Phänomen M&A laufend weiterentwickelt, wenn auch geprägt von verschiedenen Wellen.5 Die letzten großen Einbrüche waren das Platzen der Dotcom-Blase im Jahre 2000 und die globale Finanzkrise ab 2007. Nach allen Krisen hat sich aber gezeigt, dass frühere Niveaus des M&A-Geschäfts nicht nur wieder erreicht, sondern stets auch überschritten wurden. In den letzten Jahren lag das Volumen von Unternehmenskäufen in der DACH- 4 Region konstant jedenfalls über 125 Mrd. € jährlich.
_____ 1 2 3 4 5
Vgl. zu typischen Erscheinungsformen von M&A-Transaktionen Rn 48 ff. Beisel/Klumpp/Beisel, § 1 Rn 17. Vgl. zu den Gründen und Motivationen von Unternehmenskäufen Rn 25 ff. Vgl. Bergau, S. 14 ff. mit umfangreichen w.N. Vgl. Picot/Müller-Stewens Unternehmenskauf, S. 48 ff.
Bergau https://doi.org/10.1515/9783110673043-001
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Kapitel 1 Grundlagen
Abb.1: Volumen M&A-Transaktionen 2016–2019 in der DACH-Region, Quelle Mergermarket 5 Die Fertigstellung der zweiten Auflage dieses Buches fällt in den Beginn der welt-
weiten COVID-19 Pandemie. Sind die tatsächlichen Auswirkungen auf die Weltwirtschaft auch noch kaum absehbar, drehen sich Diskussionen doch eher um das zu erwartende Ausmaß der kommenden Rezession, als um die Frage, ob es zu einer Rezession kommen wird. Ein Einbruch des M&A-Geschäfts wird daher unvermeidlich sein. Der Umfang des Einbruchs und seine Dauer bleiben abzuwarten. Selbst wenn sich Zahl und Volumen von Unternehmenskäufen für einige Zeit auf niedrigerem Niveau bewegen, werden M&A-Transaktionen auch in der Krise eine wichtige Handlungsoption von Unternehmen und Unternehmern bleiben. Die Geschichte zeigt zudem, dass nach der Überwindung des Einbruchs wieder mit einer steigenden Zahl von Transaktionen zu rechnen ist.
C. Marktbeteiligte C. Marktbeteiligte I. Allgemeines 6 Wie in jedem Markt treffen auch im Rahmen einer M&A-Transaktion mindestens
zwei Akteure aufeinander: Ein Nachfrager und ein Anbieter. Kaufgegenstand ist die Zielgesellschaft. In der Praxis sind oft mehrere Nachfrager oder Anbieter an der Transaktion beteiligt. Daneben gibt es verschiedene Dienstleister, die die Parteien unterstützen.6
_____ 6 Vgl. Rn 42 ff.
Bergau
C. Marktbeteiligte
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Käufer und Verkäufer können ganz unterschiedliche Interessen haben, je nach- 7 dem, um welche Unternehmen es sich handelt. Die Grenzen sind fließend. Es lassen sich jedoch einige typische Gruppen von Marktteilnehmern unterscheiden.
II. Strategische Investoren Die klassische Käufergruppe sind strategische Investoren. Wie bereits der Begriff 8 andeutet, suchen strategische Investoren nach einer sinnvollen Ergänzung zu ihrem Unternehmen oder ihrer Unternehmensgruppe. Sie wollen durch Akquisitionen wachsen und Synergien mit der eigenen Geschäftstätigkeit realisieren. Synergien können sich beispielsweise aus dem Zugriff auf Technologien und Know-how, dem Zugang zu neuen Absatzmärkten oder dem Zukauf von Marktanteilen ergeben.7 In den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen hat der Bereich des Corpo- 9 rate Venture Capital (CVC). Hier investieren etablierte Unternehmen (Corporates) in Start-ups. Während das klassische Venture Capital-Geschäft insbesondere finanzielle Rendite anstrebt,8 spielen bei CVC-Investitionen daneben vor allem strategische Interessen eine Rolle. Von Investitionen in neu gegründete Unternehmen erhoffen sich strategische Investoren Zugang zu neuen Technologien und Geschäftsmodellen. Start-ups auf der anderen Seite können von bestehendem Know-how, Vertriebskanälen und dem Netzwerk etablierter Unternehmen profitieren.
III. Finanzinvestoren (Private Equity) Private Equity9 bezeichnet eine Beteiligungsform, bei der private Kapitalgeber 10 Beteiligungskapital in Unternehmen investieren. Speziell zu diesem Zweck gegründete Fonds sammeln das Geld der Anleger ein. Zu den Investoren gehören typischerweise institutionelle Anleger wie zum Beispiel Pensionskassen, Versicherungen, Banken oder auch Family Offices und vermögende Privatpersonen. Diese Fonds agieren selbst als Käufer oder Verkäufer im M&A-Markt. Verwaltet werden die Fonds von Private-Equity-Gesellschaften, die den Kauf von Unternehmen, ihre Verwaltung und Entwicklung und schließlich den Exit aus den erworbenen Unternehmen steuern. Für diese Tätigkeit erhalten sie Gebühren und eine Beteiligung an der Wertsteigerung erworbener Unternehmen. Die eingeworbenen Mittel dienen als Eigenkapital (Equity) des Fonds. Dazu 11 kommt typischerweise Fremdkapital in erheblichem Umfang. Bei überwiegender
_____ 7 Zu einzelnen strategischen Anlässen siehe Rn 25 ff. 8 Vgl. hierzu gleich Rn 14; Kap. 15 Rn 9 ff. 9 Vgl. hierzu Kapitel 14.
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Kapitel 1 Grundlagen
Fremdfinanzierung spricht man von einem Leveraged-Buy-Out. Die gesammelten finanziellen Mittel werden in bestehende Unternehmen investiert. Finanzinvestoren versuchen, den Wert eines Unternehmens zu steigern und die Anteile anschließend wieder zu verkaufen. Derartige Investitionen sind risikoreich. Im Erfolgsfall sind aber hohe Renditen möglich. Oftmals unterstützen Private Equity-Anleger die Führungsverantwortlichen des Unternehmens während des Investitionszeitraums auch fachlich. Meist suchen Finanzinvestoren nach Wachstumsunternehmen. Häufig sind jedoch auch reorganisations- oder restrukturierungsbedürftige Unternehmen für Finanzinvestoren interessant. Wenn es gelingt, angeschlagene Unternehmen wieder erfolgreich zu machen, können Investoren hohe Renditen erzielen. Der höheren Renditechance steht naturgemäß ein höheres Ausfallrisiko gegenüber. Der Einstieg der Anleger eröffnet dem Zielunternehmen oftmals neue Möglichkeiten. Mit zusätzlichen finanziellen Mitteln, dem Beziehungsgeflecht oder dem eingebrachten Know-how des Investors kann es zum Beispiel neue Märkte erschließen, neue Produkte entwickeln oder passende Unternehmen akquirieren.10 Eine besondere Form von Private Equity sind Venture Capital-Anlagen.11 Sie bezeichnen Investitionen in sehr junge Unternehmen, die sich in der Aufbauphase befinden und ein hohes Wachstumspotenzial versprechen. Venture Capital wird auch als Risiko- oder Wagniskapital bezeichnet, da Investitionen in Unternehmen in der Aufbauphase ein besonders hohes Ausfallrisiko aufweisen.
IV. Familienunternehmen 16 Familienunternehmen können Zielgesellschaft, Verkäufer oder Käufer sein. 17
Kleinere Familienunternehmen treten im M&A-Markt eher als Zielgesellschaft in Erscheinung. Eine typische Konstellation ist hier ein möglicherweise bereits seit mehreren Generationen von einer Familie geführtes Unternehmen, das keinen familieninternen Nachfolger mehr findet. In diesem Fall bleibt als Nachfolger nur ein externer Käufer. Nach Schätzungen des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn stehen in Deutschland zwischen 2018 und 2022 etwa 150.000 Familienunternehmen mit insgesamt etwa 2,4 Millionen Beschäftigten zur Übernahme an.12 Gemessen an der Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in Deutschland zum 30. Juni 2019 von 33,4 Millionen13 entspräche dies einer Quote von
_____ 10 Vgl. http://www.bvkap.de/privateequity.php. 11 Vgl. hierzu Kap. 15. 12 Vgl. Kay/Suprinovič/Schlömer-Laufen/Rauch. 13 Statistisches Bundesamt (https://www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Arbeitsmarkt/Erwerbstae tigkeit/Tabellen/altersgruppen.html).
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C. Marktbeteiligte
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etwa 7,2%. Schon diese Zahlen zeigen die enorme Bedeutung von Familienunternehmen im Bereich der Unternehmenskäufe. Als Käufer treten kleinere Familienunternehmen seltener in Erscheinung, da 18 sie oft nicht über genügend freies Kapital für Akquisitionen verfügen. Außerdem gelten Familienunternehmen in der Regel als weniger risikofreudig. Anders sieht es bei größeren Familienunternehmen aus. Sie treten sowohl als 19 Finanzinvestoren als auch als strategische Käufer auf. Oft verwaltet ein sogenanntes Family Office das Vermögen einer Unternehmerfamilie und investiert im Rahmen von Private Equity-Anlagen in andere Unternehmen. Zudem suchen große Familienunternehmen auch oft geeignete strategische Übernahmeobjekte, die sie sinnvoll in ihr bestehendes Tätigkeitsgebiet integrieren können.
V. Management Eine Sonderform stellt die Übertragung im Rahmen eines Management Buy-Out 20 (MBO) oder eines Management Buy-In (MBI) dar. In beiden Fällen stellt sich die Frage der Finanzierung, falls der übernehmende Manager als Privatperson nicht über genügend finanzielle Mittel verfügt. Für diese Fälle sind diverse Finanzierungslösungen und Vereinbarungen zwischen Käufer und Verkäufer denkbar. Wird der Einstieg des Managers in erheblichem Umfang fremdfinanziert, spricht man von einem Leveraged Management Buy-Out (LMBO) bzw. Leveraged Management Buy-In (LMBI).
1. Management Buy-Out (MBO) Ein MBO bezeichnet die unternehmensinterne Nachfolge, bei der ein oder mehre- 21 re (Führungs-)Mitarbeiter das Unternehmen erwerben. Zu den Vorteilen eines MBO gehören das Know-how und die Erfahrung der Füh- 22 rungskräfte, die das Unternehmen übernehmen sollen. Auch die möglicherweise langjährigen Beziehungen zu Mitarbeitern, Kunden und Lieferanten können vorteilhaft sein. Da der oder die neuen Inhaber aus der bisherigen Unternehmensleitung stammen, ist eine Kontinuität bei wichtigen Prozessen und der grundlegenden Strategie zu erwarten. Nicht immer reibungslos verläuft der Rollenwechsel des bestehenden Managements dann, wenn es bisher nur auf der zweiten Führungsebene und somit nicht hauptverantwortlich agierte.
2. Management Buy-In (MBI) Gibt es im Unternehmen keinen Mitarbeiter, der als Nachfolger in Betracht kommt, 23 kann das Unternehmen auch an einen außenstehenden Manager verkauft werden. Auch der externe Manager muss Führungskompetenz und Managementerfahrung einbringen können.
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Kapitel 1 Grundlagen
Für einen potentiellen Nachfolger kann ein MBI eine einzigartige Chance darstellen, ohne Neugründung und die damit verbundenen Schwierigkeiten die Führung in einem bereits bestehenden und erfolgreichen Unternehmen zu übernehmen. Unterschiede zum MBO bestehen darin, dass die reibungslose Übergabe des Knowhows im MBI nicht ohne weiteres gewährleistet ist. Der Nachfolger muss sich mit der bestehenden Unternehmenskultur, Kunden und Lieferanten vertraut machen.
D. Anlässe für M&A-Transaktionen im Überblick D. Anlässe für M&A-Transaktionen im Überblick I. Überblick 25 Die Anlässe für M&A-Transaktionen lassen sich am besten aus der Perspektive des
Veräußerers und des Erwerbers erläutern.
II. Motivation des Veräußerers 1. Devestition 26 Jedes Unternehmen und jeder Unternehmer bewertet fortlaufend seine Geschäfts-
bereiche. Kommt diese Bewertung nicht zu dem Ergebnis, dass die eigene Fortführung des Geschäftsbereichs die optimale Handlungsoption ist, kann eine Devestition des Geschäftsbereichs durch einen Verkauf sinnvoll sein. Zu den typischen Fragen für diese Analyse gehören: 3 Checkliste Devestition – Sind die Geschäftsbereiche profitabel? Wenn sie es nicht sind, ist es absehbar, dass sie in den kommenden Jahren wieder profitabel werden? – Gibt es die Möglichkeit, die Profitabilität zu steigern und die Margen zu erhöhen? – Wächst der Anteil am Geschäftsfeld relativ zum Wettbewerb? Wie entwickeln sich die Marktanteile? – Wächst der Markt? – Gibt es neu eintretende Wettbewerber? – Wie stark ist die Verhandlungsmacht der Kunden, Lieferanten und Mitarbeiter? – Ist die eigene Innovationsfähigkeit groß genug? – Kann sich das Unternehmen an eingetretene oder antizipierte Veränderungen des Marktes anpassen? – Verfügt das Unternehmen über ausreichendes Eigenkapital?
27 Ist die eigene Fortführung des Geschäftsbereichs nicht die beste Option, können die
durch eine Devestition gewonnenen finanziellen Ressourcen und personellen Managementkapazitäten für wachsende und profitable Geschäftsfelder eingesetzt werden. Ist das Unternehmen sogar alleine nicht überlebensfähig, kann eine Sanie-
Bergau
D. Anlässe für M&A-Transaktionen im Überblick
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rungsfusion eine Möglichkeit zur Rettung des Unternehmens sein. Das vom Scheitern bedrohte Unternehmen muss dann nicht den Markt verlassen, sondern kann innerhalb eines anderen oder neu entstehenden Unternehmens fortbestehen.14 Ein Verkauf muss nicht zwingend ein Unternehmen insgesamt umfassen. Be- 28 trifft eine Devestition nur einen Teil der Geschäftsbereiche eines Unternehmens, spricht man von einem Spin-Off. Gerade größere Unternehmen überprüfen regelmäßig ihre Strategie. Je größer und komplexer ein Unternehmen ist, umso wahrscheinlicher ist es, dass eine Aktualisierung der Strategie die Devestition einzelner Geschäftsbereiche sinnvoll erscheinen lässt.
2. Unternehmensnachfolge Bei inhabergeführten Familienunternehmen stellt sich naturgemäß irgendwann die 29 Frage der Nachfolge. Kann oder will der Unternehmer, meist aus Alters- oder Gesundheitsgründen, sein Unternehmen nicht fortführen, muss er über das weitere Schicksal des Unternehmens entscheiden. Häufig gelingt es, das Unternehmen an Kinder oder andere Familienangehörige zu übergeben. Findet sich jedoch familienintern kein oder kein geeigneter Nachfolger, kann der Verkauf des Unternehmens eine Option darstellen. Eine wichtige Besonderheit bei Transaktionen im Rahmen einer Nachfolgelö- 30 sung ist die enge persönliche Bindung des Verkäufers an das Unternehmen. Nicht selten verkauft der Unternehmer sein Lebenswerk, oder sogar das Lebenswerk mehrerer Generationen seiner Familie. Neben einem möglichst hohen Verkaufserlös können hier auch andere Ziele eine große Rolle spielen. Dazu können der Fortbestand des Unternehmens, die Integrität des Käufers oder Arbeitsplatzgarantien für die Mitarbeiter gehören.
3. Exit eines Finanzinvestors Finanzinvestoren haben typischerweise einen begrenzten Anlagehorizont, den die 31 verbleibende Laufzeit der finanzierenden Fonds vorgibt. Der Einstieg des Investors erfolgt daher immer bereits mit Blick auf den Exit.15 Der Exit ist hier nicht das Ergebnis einer strategischen Analyse, sondern bereits im Geschäftsmodell des Finanzinvestors angelegt. Das Interesse eines Finanzinvestors bei dem Erwerb eines Unternehmens besteht neben Dividenden und Management Fees vor allem in der gewinnbringenden Veräußerung des Unternehmens.
_____ 14 Vgl. Bergau, S. 8. 15 Vgl. Kap. 14 Rn 5.
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Kapitel 1 Grundlagen
4. Exit der Gründer und Financiers eines Start-ups 32 Versteht man unter einem Start-up die Gründung eines Unternehmens mit einem
innovativen Geschäftsmodell und dem Ziel des schnellen und starken Wachstums, ist auch hier bereits in der Gründung angelegt, dass die Gründer zumindest nicht Alleininhaber eines Unternehmens bleiben werden. Die Finanzierung eines solchen Start-ups erfordert immer auch die Beteiligung von Financiers, sei es von Finanzinvestoren oder Corporates. Manche Gründer haben bereits bei der Gründung den gewinnbringenden Exit im Auge. Venture Capital-Investoren jedenfalls gibt ihr Geschäftsmodell den Exit vor.
III. Motivation des Erwerbers 1. Kosteneinsparungen 33 Die Suche nach Kosteinsparungen ist ein häufiger Treiber für Unternehmenskäufe.16
Insbesondere horizontale Fusionen, also Zusammenschlüsse von Wettbewerbern, können Skaleneffekte (Economies of Scale) haben. 5 Beispiel Arbeitsteilung in größeren Betrieben ermöglicht Spezialisierungsvorteile. Es entstehen Lernkosteneffekte. Größere Einheiten erleichtern die Automatisierung. Produktionskapazitäten können gleichmäßiger ausgelastet werden. Dadurch sinken die Fixkosten. Größere Produktionsmengen senken Rüstkosten. Einsparungen sind auch im Management möglich. Die Lagerhaltung kann zentralisiert und dadurch verringert werden. Transporte lassen sich zusammenfassen. Bei der Absatzförderung, insbesondere der Werbung, lassen sich Größenvorteile realisieren. 34 Economies of Scope können bei konglomeraten und horizontalen Zusammen-
schlüssen mit Produktausweitung entstehen. 5 Beispiel Möglicherweise können Produktionsanlagen flexibel für die Herstellung verschiedener Produkte genutzt werden. Die Verwendung von Markennamen für verschiedene Produkte kann Marketingkosten senken. Kostenersparnisse können sich im Bereich von Forschung und Entwicklung und einer verbesserten Ausnutzung von Managementkapazitäten ergeben. 35 Vertikale Fusionen, also Zusammenschlüsse von Unternehmen unterschiedlicher
Marktstufe, ermöglichen die Verringerung von Transaktionskosten.
_____ 16 Vgl. Bergau, S. 11.
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D. Anlässe für M&A-Transaktionen im Überblick
Beispiel 5 Such- und Informationskosten für Preise und Produkteigenschaften und Anbieter oder Kosten für die Qualitätskontrolle und Verwaltung können sinken.
Alle Arten von Zusammenschlüssen können Gemeinkostenersparnisse bringen.
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Beispiel 5 Zentrale Funktionen wie Datenverarbeitung oder Rechtsabteilungen können zusammengefasst werden.
2. Marktmacht Der Zukauf von Unternehmen kann die Marktmacht erhöhen.17 Die eigene Größe, 37 die Erweiterung des Produktportfolios oder eine durch vertikale Zusammenschlüsse verringerte Abhängigkeit von Zulieferern oder Großkunden können Marktmacht schaffen und potentielle Wettbewerber vom Markteintritt abhalten.
3. Markteintritt Der Erwerb eines Unternehmens kann den Eintritt in einen neuen Markt im 38 Vergleich zum eigenen Aufbau eines Unternehmens beschleunigen.18 Sind beispielsweise bestimmte öffentlich-rechtliche Erlaubnisse für die Tätigkeit im Markt erforderlich, können diese eventuell durch Zukauf eines Unternehmens erlangt werden. Möglicherweise können die Kundenkontakte der Zielgesellschaft in einem anderen geografischen Markt für den Vertrieb der eigenen Produkte genutzt werden.
4. Wertorientierte Motive Der Grund für den Erwerb eines Unternehmens kann in der Annahme bestehen, 39 dass das Unternehmen unterbewertet ist oder über ein noch nicht gehobenes Potential verfügt.19 Die Unterbewertung kann in einem vermeintlich ineffizienten Management liegen oder in abweichenden Einschätzungen künftiger Marktentwicklungen.
_____ 17 Vgl. Bergau, S. 12. 18 Vgl. Bergau, S. 13. 19 Vgl. Bergau, S. 12.
Bergau
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Kapitel 1 Grundlagen
5. Persönliche Motive 40 Kritiker sehen neben dem Streben nach Wertsteigerung häufig auch persönliche
Motive als Grund für Unternehmenskäufe.20 Die Erweiterung des persönlichen Einflussbereichs, die Erhöhung der eigenen Kompensation oder die Verringerung des Beschäftigungsrisikos können sich auf Entscheidungen über den Kauf von Unternehmen auswirken. Letztlich ist es eine Ausprägung des klassischen Agency-Problems, das unterschiedliche Interessenlagen zwischen Eigentümern und Management beschreibt. In M&A Situationen mag das Management einen Anreiz haben, freie Mittel in den Kauf anderer Unternehmen zu investieren, während die Gesellschafter von Unternehmen möglicherweise die Ausschüttung und damit eine Verwendung der Mittel außerhalb des Unternehmens bevorzugen.
6. Finanzanlage 41 Für Finanzinvestoren stehen der Anlageaspekt und die erhoffte Renditesteige-
rung im Vordergrund.
E. Wesentliche Beteiligte an M&A-Transaktionen E. Wesentliche Beteiligte an M&A-Transaktionen I. Veräußerer und Erwerber 42 Die zentralen Parteien der M&A-Transaktion sind der oder die Anbieter/Veräußer-
er und der oder die Nachfrager/Erwerber des Unternehmens.
II. M&A-Berater 43 M&A-Berater unterstützen bei Vorbereitung, Durchführung und Abschluss der
M&A-Transaktion. Sie können sowohl auf Seiten des Veräußerers als auch auf Seiten des Erwerbers tätig sein. Sie organisieren beispielsweise den Verkaufsprozess,21 suchen Kaufinteressenten oder potentielle Veräußerer und wählen diese aus, und erstellen und verwalten einen Datenraum zur Durchführung der Due DiligencePrüfung.22 Bei größeren Kauf- oder Verkaufsmandaten übernehmen häufig Investmentbanken diese Tätigkeiten.
_____ 20 Vgl. Bergau, S. 13. 21 Vgl. dazu Kap. 2. 22 Beisel/Klumpp/Beisel, § 17 Rn 35.
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E. Wesentliche Beteiligte an M&A-Transaktionen
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III. Rechtsanwälte Der Verkauf eines Unternehmens als komplexes Gebilde erfordert naturgemäß de- 44 taillierte rechtliche Regelungen. Rechtsanwälte sind daher für die Erstellung und Verhandlung der erforderlichen Dokumentation unverzichtbar. 23 Daneben übernehmen Rechtsanwälte die Prüfung eines Unternehmens auf rechtliche Risiken (Legal Due Diligence).24
IV. Weitere Berater Da ein Unternehmenskauf eine Vielzahl von komplizierten Fragen aus unter- 45 schiedlichen Fachbereichen aufwirft, kommen sowohl auf Veräußerer- als auch auf Erwerberseite spezialisierte Fachberater zum Einsatz. So unterstützen Wirtschaftsprüfer und Steuerberater bei der Financial25 und Tax26 Due Diligence. Darüber hinaus unterstützen Wirtschaftsprüfer oder andere Experten beispielsweise bei der Ermittlung des Kaufpreises27 und Steuerberater bei der steuerlichen Strukturierung der M&A-Transaktion.28 Je nach Anforderung an die M&A-Transaktion kommen noch weitere Spezialis- 46 ten zum Einsatz, z.B. Umweltspezialisten.29
V. Notare Unterfallen Unternehmenskaufverträge der Beurkundungspflicht, ist zudem ein 47 Notar an der M&A-Transaktion zu beteiligen. Neben der Beurkundung der Vertragswerke30 kümmert sich der Notar insbesondere um die Abwicklung der M&ATransaktion in den betroffenen Registern (Handelsregister, Grundbuch) und übernimmt gegebenenfalls die Verwaltung eines Treuhandkontos für den gesamten oder Teile des Kaufpreises.31
_____ 23 24 25 26 27 28 29 30 31
Vgl. zur Vertragsgestaltung Kap. 10. Vgl. Kap. 7. Siehe dazu auch Kap. 6. Siehe dazu auch Kap. 8. Vgl. Kap. 3. Vgl. Kap. 4 Rn 94 ff. Vgl. zu den verschiedenen Arten der Due Diligence Kap. 5 Rn 24 ff. Vgl. Kap. 10 Rn 189 ff. Vgl. dazu Kap. 10 Rn 177 ff.
Bergau
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Kapitel 1 Grundlagen
F. Erscheinungsformen von M&A-Transaktionen F. Erscheinungsformen von M&A-Transaktionen I. Unternehmenskauf 48 Hauptfall einer M&A-Transaktion ist der Unternehmenskauf. Kaufgegenstand sind
entweder Gesellschaftsanteile am Unternehmensträger (Share Deal) oder die zum Unternehmen gehörenden Wirtschaftsgüter (Asset Deal).32 Veräußerer beim Share Deal ist der jeweilige Gesellschafter des Unternehmensträgers und beim Asset Deal der Unternehmensträger selbst. In beiden Fällen erfolgt die Übertragung des Kaufgegenstands per Einzelrechtsnachfolge und erhält der Veräußerer einen Kaufpreis vom Erwerber.
II. Beteiligungserwerb durch Kapitalerhöhung 49 Eine weitere Möglichkeit des Erwerbs einer Beteiligung an einem Unternehmen ist
der Erwerb von Gesellschaftsanteilen im Rahmen einer Kapitalerhöhung bei einer Kapitalgesellschaft. Der Hauptunterschied zum Unternehmenskauf in Form eines Share Deals 50 besteht darin, dass bei einer Kapitalerhöhung neue Gesellschaftsanteile am Unternehmensträger gebildet und direkt vom Unternehmensträger an den Erwerber ausgegeben werden und der Erwerber im Gegenzug eine Einlage in den Unternehmensträger leistet. Die bisherigen Gesellschafter des Unternehmens erhalten somit keinen Kaufpreis. Das Geld fließt in die Gesellschaft, woran die bisherigen Gesellschafter nur mittelbar partizipieren.
III. Joint Venture 51 Bei einem Joint Venture beteiligen sich mehrere Parteien partnerschaftlich an ei-
nem Unternehmen, weil sie überzeugt sind, dass sie gemeinsam mehr erreichen können als alleine. Das ist vor allem dann der Fall, wenn die Parteien unterschiedliche Leistungen einbringen können. 5 Beispiel Einer der Partner verfügt über ein Patent, ein anderer Partner über Finanzmittel, Produktionskapazitäten oder Zugang zu Absatzmärkten. Anders als bei einem reinen Unternehmenskauf müssen sich die Parteien nicht nur über die Bedingungen des Verkaufs oder der Gründung einigen, sondern vor allem auch über die künftige Zusammenarbeit. Auch die Frage, wie ein Joint Venture gegebenenfalls
_____ 32 Vgl. dazu im Einzelnen Kap. 10 Rn 6 ff.
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G. Zentrale Vertragswerke
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wieder aufgelöst werden kann, etwa durch das Ausscheiden eines Gesellschafters oder durch den gemeinsamen Verkauf, sollte geregelt werden.
IV. Sonderfälle Sonderfälle der vorgenannten Erwerbe von Gesellschaftsanteilen sind beispielswei- 52 se Beteiligungserwerbe im Zuge von Maßnahmen nach dem Umwandlungsgesetz oder öffentliche Übernahmeangebote bei börsennotierten Gesellschaften.
G. Zentrale Vertragswerke G. Zentrale Vertragswerke I. SPA/APA Zentrales Vertragsdokument bei Unternehmenskäufen ist der entsprechende Kauf- 53 vertrag. Dieser wird bei Share Deals häufig mit der Abkürzung SPA (Share Purchase Agreement) bezeichnet. Bei Asset Deals wird häufig die Bezeichnung APA (Asset Purchase Agreement) verwendet.
II. Beteiligungsvereinbarung / Joint Venture Vereinbarung Werden bei einer M&A-Transaktion nicht sämtliche Gesellschaftsanteile an einem 54 Unternehmensträger erworben oder errichten zwei oder mehrere Parteien ein Joint Venture, besteht das Bedürfnis, neben der Kauf- bzw. Gründungsdokumentation noch weitere vertragliche Vereinbarungen über die zukünftige Zusammenarbeit im Gemeinschaftsunternehmen zu treffen. Häufig schließen die Gesellschafter daher zumindest bei Kapitalgesellschaften 55 neben dem Gesellschaftsvertrag noch eine schuldrechtliche Gesellschaftervereinbarung oder Joint Venture Vereinbarung ab. Hintergrund ist unter anderem, dass der Gesellschaftsvertrag einer Kapitalgesellschaft im Handelsregister für jedermann öffentlich zugänglich ist. Gesellschaftervereinbarungen enthalten aber häufig Regelungen zur Corporate Governance, Finanzierung, Konfliktlösung im Falle eines Streits zwischen den Gesellschaftern und Auflösung der Gesellschaft, die die Gesellschafter gerade nicht der Öffentlichkeit preisgeben möchten.
III. Transaktionsvorbereitende Verträge (NDA / LOI) Im Vorbereitungsstadium einer M&A-Transaktion kommt es zum Austausch von 56 Informationen zwischen Veräußerer und Erwerber über das Zielunternehmen (In-
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Kapitel 1 Grundlagen
formationsmemorandum, Due Diligence). Um berechtigte Geheimhaltungsinteressen des Veräußerers bzw. des Zielunternehmens zu wahren, sollte der Veräußerer daher immer darauf bestehen, eine hinreichende Vertraulichkeitsvereinbarung abzuschließen. Diese wird häufig als NDA (Non-Disclosure Agreement) bezeichnet. Ein weiteres wesentliches Vertragsdokument im Vorbereitungsstadium ist der 57 sogenannte Letter of Intent (LOI) oder das Memorandum of Understanding (MOU). Dieses Dokument enthält die zwischen den Parteien abgestimmten wesentlichen kommerziellen Eckpunkte und prozeduralen Fragen der beabsichtigten M&ATransaktion. Der LOI bzw. das MOU sind grundsätzlich als reine Absichtserklärungen ohne rechtliche Verbindlichkeit ausgestaltet. Die Dokumente dokumentieren aber die erreichte Verhandlungsposition und werden, wenn auch nicht als rechtlich verbindliche, so doch als kaufmännisch verbindliche Basis für die weiteren Verhandlungen angesehen. Häufig wird das NDA auch mit dem LOI/MOU in einem Dokument kombiniert. 58 In diesem Fall wird im Dokument differenziert: die Regelungen des NDA werden als rechtlich verbindlich vereinbart, die Regelungen des LOI/MOU als rechtlich unverbindlich.
IV. Weitere typische Verträge 59 Je nach Einzelfall kann eine M&A-Transaktion auch weitere vertragliche Vereinba60
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rungen umfassen. Es kann vorkommen, dass das Zielunternehmen nach Abschluss der M&ATransaktion für einen Übergangszeitraum noch Dienstleistungen vom Veräußerer benötigt. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn nur ein Betriebsteil veräußert wurde. Die Regelung der Dienstleistungen in der Übergangsphase erfolgt dann in einem sogenannten Transitional Services Agreement (TSA). Oft werden im Rahmen einer M&A-Transaktion auch die Konditionen des Managements neu verhandelt, so dass zusätzlich Änderungen der Vorstands-/Geschäftsführeranstellungsverträge erforderlich werden. Nutzt das Zielunternehmen eine Marke, deren Inhaber der Veräußerer ist, wird deren zukünftige Nutzung entweder durch einen Markenübertragungsvertrag oder Lizenzvertrag gewährleistet, der ebenfalls als Teil der M&A-Transaktion abgeschlossen wird. Um bisherige Lieferketten bzw. Absatzvolumina zu gewährleisten, kommt auch der Abschluss von langfristigen Liefer- oder Bezugsverträgen zwischen dem Veräußerer und dem Zielunternehmen in Betracht.
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Bergau
A. Einleitung
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Kapitel 2 Struktur des Prozesses Kapitel 2 Struktur des Prozesses Mück
A. Einleitung A. Einleitung Das folgende Kapitel soll ein Grundverständnis für den M&A-Prozess und die Not- 1 wendigkeit seiner sorgfältigen Planung wecken. Der Prozess soll hier gesamthaft dargestellt werden, während in den weiteren Kapiteln auf die wesentlichen Schwerpunkte detaillierter eingegangen wird. https://doi.org/10.1515/9783110673043-002
I. Warum überhaupt ein strukturierter Prozess? Der Verkauf eines Unternehmens unterscheidet sich fundamental von sonstigen 2 Transaktionen, mit denen man sich in seinem Leben beschäftigt. Egal ob Auto oder Haus verkauft werden sollen: Bei einem Unternehmen steckt mehr dahinter als einfach nur der Verkauf eines Gegenstandes. Hier geht es um einen Organismus mit verschiedensten Einflussfaktoren wie Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten, Konkurrenten oder aber auch Technologien, Patente, Produktionsprozesse. Während es bei einem Auto- oder Hausverkauf hauptsächlich ein Zeitverlust ist, 3 wenn man das Verkaufsobjekt verschiedenen Investoren erfolglos präsentiert, hat man bei einem Unternehmensverkauf ganz andere Risiken zu befürchten: – Der Konkurrent hat sich ein Bild über die Technologie und die Produktionsprozesse gemacht; – Die Mitarbeiter sind verunsichert, wenn ständig neue Interessenten das Unternehmen ansehen und werden sich vielleicht umorientieren, im schlimmsten Fall sogar von einem der Interessenten abgeworben, wenn hier keine Vorsorge getroffen wird; – Die Kunden suchen sich andere Lieferanten, da sie sich nicht sicher sein können, ob und in welcher Struktur das Unternehmen fortbesteht; – Lieferanten ändern auf Grund der Unsicherheit ihre Liefer- und Zahlungsbedingungen; – Banken verlangen zusätzliche Sicherheiten. Geht es um den Kauf eines Unternehmens, stellen sich die Risiken eines schlecht 4 vorbereiteten Prozesses zunächst nicht ganz so drastisch dar, aber alleine der Einsatz des eigenen Personals bei der Prüfung verschiedener Targets hält dieses ab von anderen Tätigkeiten, von den zusätzlichen Kosten für Berater, Anwälte und Wirtschaftsprüfer ganz zu schweigen. Weiterhin muss man aber nach den Konsequenzen eines Unternehmenskaufes fragen, wenn man sich nicht ausreichend vorbereitet hat. Diese werden sich erst dann massiv niederschlagen, wenn man
Mück https://doi.org/10.1515/9783110673043-002
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Kapitel 2 Struktur des Prozesses
ein paar Jahre später merkt, dass man das falsche Unternehmen zu teuer gekauft hat. War es in der Vergangenheit noch möglich und teilweise erfolgreich, spontan und unvorbereitet eine Transaktion durchzuführen, ist das heute auf Grund der Komplexität, Professionalisierung und eines immer schwierigeren und schnelllebigeren Umfelds nicht mehr möglich. Größere Unternehmen haben eigene M&A- oder Business-Development-Spezialisten, die sich täglich mit diesen Prozessen beschäftigen, aber auch sie greifen in Transaktionen regelmäßig auf externe Unterstützung zurück. Für kleinere und in derartigen Fragestellungen nicht so erfahrene Unternehmen ist es unerlässlich, sich frühzeitig mit einem spezialisierten Berater oder einer Investment Bank in Verbindung zu setzen. Diese stellen einerseits eine saubere Prozessorganisation und -durchführung sicher und wissen auch, wann weitere Spezialisten (Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer) hinzuzuziehen sind, andererseits vermeiden sie die vielen Fallstricke, die in solchen Prozessen lauern und sorgen für ein optimales Ergebnis. Letzteres muss nicht zwangsläufig eine reine Frage des Preises sein. Ist die Entscheidung für eine Transaktion gefallen, muss ein Prozess professionell festgelegt werden, in dem zunächst die wichtigsten Fragen zu klären sind: – Was ist die strategische Logik? – In welcher Form soll die Transaktion durchgeführt werden? – Welchen Preis will ich erzielen/bezahlen? – Wie ist der zeitliche Ablauf? – Wann gebe ich welche Informationen frei? – Wann involviere ich welche Mitarbeiter/Berater? – Wann und wie kommuniziere ich mit meinem Umfeld (Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten, Banken)?
9 Bei einer M&A-Transaktion handelt es sich nicht um Tagesgeschäft. Es gibt viele
Fallstricke. Bei einer unzureichenden Strukturierung des Prozesses droht zum einen eine gefährliche Vernachlässigung des Tagesgeschäfts. Zum anderen kann ein Verhandlungsprozess, wenn nicht vorher klare Regelungen und Grenzen besprochen wurden, eine unerwünschte Eigendynamik entwickeln. Man muss wissen, worauf man sich einlässt und Zeit, finanzielle und personelle Ressourcen genau planen.
II. Ein Prozess – zwei Sichtweisen 10 Unternehmenskauf und Unternehmensverkauf folgen grundsätzlich dem glei-
chen Prozess von zwei verschiedenen Seiten. Je nachdem, auf welcher Seite man steht, müssen aber deutlich unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt werden, da
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A. Einleitung
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der aktive Teil der Teilnahme anders ausgeprägt ist und die Interessen gegenläufig sind. Eine saubere Vorbereitung und ein klares Strategieverständnis des eigenen 11 Geschäfts sind zunächst die Hauptvoraussetzung für eine langfristig erfolgreiche M&A-Transaktion, egal ob Kauf oder Verkauf. Was in der ersten Phase des Prozesses einmal festgelegt wurde, gibt die Richtung vor und hat damit auch entscheidenden Einfluss auf das spätere Ergebnis. Nur in den seltensten Fällen werden die hier getroffenen Entscheidungen im Laufe eines Prozesses auf Grund opportunistischer Alternativen umgestoßen.
Abb. 1: Der M&A-Prozess
Wenn die Rahmenbedingungen gesetzt sind, ist die Geschwindigkeit entschei- 12 dend. Die gute Vorbereitung ermöglicht eine zügige Durchführung des Prozesses und schnelle Entscheidungen. Damit behält man das Heft des Handelns in der Hand und kann den Prozess in seinem Sinne führen. Der Kaufprozess verlangt neben einer klaren Abgrenzung der Kaufkriterien 13 ein hohes Verständnis in der Analyse der bereitgestellten (und nicht bereitgestellten) Informationen. Wichtig ist, sich nicht von Emotionen innerhalb des Prozesses leiten zu lassen. Ebenso ist ein ganz wesentlicher Erfolgsfaktor in der Integration des erworbenen Geschäftes zu sehen. Gerade in der aktuellen Marktsituation ist ein aktives Marktscreening ein wichtiger Bestandteil, da in der Regel die attraktiven Unternehmen nicht offen auf dem Markt angeboten werden.
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Kapitel 2 Struktur des Prozesses
Abb. 2: Der Kaufprozess 14 Der Verkaufsprozess verlangt eine saubere Vorbereitung sämtlicher Unterlagen
vor dem Prozessstart. Hier ist es sehr wichtig, zu welchem Zeitpunkt welche Stakeholder (Mitarbeiter/Berater/Banken) in den Prozess einbezogen werden und wann das Umfeld (Kunden, Lieferanten) über die Transaktion aktiv informiert wird. Auch muss der Verkäufer sich die Auswirkung des Prozesses auf den Ablauf des Tagesgeschäftes und die eigene Verfügbarkeit vorab bewusst machen.
Abb. 3: Der Verkaufsprozess
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B. Kaufprozess
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B. Kaufprozess B. Kaufprozess Im Folgenden soll von einem aktiven Kaufprozess ausgegangen werden, d.h. der 15 Käufer hat sich generell entschieden, eine Akquisition zu tätigen. Hier kommt der Analysephase entscheidende Bedeutung zu, da die Chance auf eine erfolgreiche Akquisition wesentlich höher ist, wenn man selbst am Markt tätig wird und aktiv Unternehmen anspricht, die vielleicht noch nicht über einen Verkauf nachgedacht haben. Die Geschwindigkeit des Prozesses ist wichtig, um diesen exklusiven Status zu sichern. Eine professionelle Vorbereitung schafft einen Informationsvorsprung vor möglichen Konkurrenten. Der zeitliche Aspekt kann hier zum entscheidenden Erfolgsfaktor werden. Sollte man beim Kaufprozess aktiv von einem Verkäufer bzw. dessen Berater 16 angesprochen werden, ist nach Auswertung der Kurzdarstellung („Teaser“) und Unterzeichnung der Vertraulichkeitsvereinbarung der Prozessverlauf ab der Analysephase simultan. Häufig kann es dazu kommen, dass zusätzlich zur eigenen Suche weitere Unternehmen angeboten werden, vor allem, wenn die Kaufabsicht am Markt bekannt wird. Die nachfolgende Beschreibung der einzelnen Phasen mündet jeweils in einer 17 zusammenfassenden Darstellung der Ressourcenplanung, um ein Gefühl für den Umfang und Aufwand eines derartigen Prozesses zu vermitteln. Die Erfolgsaussichten bei einem solch existenziellen Thema hängen ganz wesentlich von der Professionalität der Beteiligten ab. Auch bei der Einschaltung eines erfahrenen Beraters ist eine aktive Unterstützung durch das Unternehmen und dessen Mitarbeiter aber unerlässlich.
I. Analysephase 1. Zieldefinition Oft wird ein M&A-Prozess gestartet, weil gerade genug Geld vorhanden ist oder 18 man einer spontanen Idee folgt. Die Folgen können verheerend sein. Das liegt nicht nur an dem aufwendigen Prozess und der Bindung personeller und finanzieller Ressourcen, sondern viel mehr an dem Ergebnis des unüberlegten Handelns. Wichtig ist es immer, zunächst die eigene Position im Markt klar zu verstehen. 19 Nur aus diesem Verständnis lässt sich eine Strategie ableiten, die es möglicherweise erlaubt, auch Akquisitionen in Betracht zu ziehen. Wenn die eigene Position und die des möglichen Zielunternehmens sowie der aus dem Kauf entstehende Mehrwert verstanden sind, kann man sich gedanklich mit dem eigentlichen Prozess beschäftigen. Natürlich gibt es Opportunitäten, die von extern angeboten werden. Aber auch 20 in diesem Fall ist die Strategieüberlegung unerlässlich. Was nutzt es, den größten
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Kapitel 2 Struktur des Prozesses
Konkurrenten vermeintlich günstig zu erwerben, wenn der Markt gar nicht mehr das Potenzial für das neue Gemeinschaftsunternehmen hat?1
Abb. 4: Strategie Check 21 Der Zeitplan des Prozesses sollte von Beginn an ebenso klar sein wie die benötigten
personellen und finanziellen Ressourcen. Da Geschwindigkeit ein wesentlicher Faktor ist, muss man sich frühzeitig darüber im Klaren sein, dass es in gewissen Situationen gilt, schnell die richtigen Entscheidungen zu treffen. Die Entscheidung, in den Prozess einzutreten, will vorab wohl überlegt sein, sollte innerhalb des Prozesses – außer bei Eintreten von außergewöhnlichen Entwicklungen – aber nicht mehr in Frage gestellt werden.
2. Long List 22 Basis für die Erstellung einer Long List sind die Zielkriterien für das Marktscree-
ning (Marktsegment, geographischer Fokus, finanzielle Situation, Unternehmensstruktur, Erwerbsstruktur). Nur mit einer sauberen Erarbeitung der Zielkriterien werden später auch die passenden Unternehmen angesprochen und untersucht. In einem von Anfang an richtig aufgesetzten Prozess ergeben sich die Zielkriterien als Resultat aus der Unternehmensstrategie. Ziel der Long List ist es, möglichst alle auf Grund der Zielkriterien in Frage 23 kommenden Unternehmen zu identifizieren, auch wenn diese aus verschiedenen anderen Gründen möglicherweise nicht als Kaufobjekt in Frage kommen. Dies erweitert das Verständnis des bearbeiteten Marktes.
_____ 1 Einen kurzen Abriss über die Unternehmensstrategie im Rahmen von M&A-Projekten geben Lucks/Rothenbücher/Niewein, S. 90–100. Die Ausführungen beziehen sich auf Großkonzerne, sind aber auch auf kleinere und mittlere Unternehmen übertragbar.
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B. Kaufprozess
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Dabei gilt es, gleich zu Beginn so viel wie möglich über die potenziellen Zielun- 24 ternehmen herauszufinden. Bei größeren Unternehmen ist das im Regelfall häufig problemlos über das Internet möglich, wo zumindest die wesentlichen Finanzkennzahlen sowie die Anzahl der Mitarbeiter und die Unternehmensstruktur zu finden sind. Schwieriger stellt sich die Situation bei kleineren Unternehmen, speziell Familienbetrieben dar. Hier ist es notwendig, sämtliche Kontakte und Netzwerke zu aktivieren, um diese Unternehmen zu finden und zumindest ein Gefühl von deren wesentlichen Parametern zu bekommen.2 Praxistipp 3 Neben der Marktkenntnis aus dem eigenen Unternehmen findet man schnell einen guten Überblick in aktuellen Ausstellerverzeichnissen relevanter Messen sowie den Mitgliederlisten entsprechender Branchenverbände.
3. Short List Die Überleitung von der Long List zur Short List bedeutet nichts anderes als einer- 25 seits Unternehmen der Long List direkt auszuschließen und andererseits eine Gruppierung in der Ansprache der verbleibenden Unternehmen vorzunehmen. Wichtig ist hier, nicht auf Grund mangelnder Informationen mögliche Zielunternehmen zu frühzeitig von der Liste zu nehmen.
Abb. 5: Ressourcenplanung – Analysephase
_____ 2 Gerade im Mittelstand und der dort herrschenden Intransparenz kommt dem Berater bei der Identifizierung von Zielunternehmen eine entscheidende Bedeutung zu. Eine gute und praxisnahe Darstellung dieser Thematik findet sich bei Lucks/Röver, S. 510–519.
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Kapitel 2 Struktur des Prozesses
II. Kontaktphase 1. Priorisierung 26 Innerhalb der Short List ist eine weitere Priorisierung für die Ansprache notwendig.
Man will nicht um jeden Preis irgendein Unternehmen kaufen und hat normalerweise auch nicht die Kapazitäten, sich gleichzeitig eine größere Anzahl Zielunternehmen intensiv anzusehen. Daher ist es sehr wichtig, hier die richtige Auswahl zu treffen. Das setzt voraus, dass in der Analysephase die wesentlichen Informationen zusammengestellt wurden. Das zeigt einmal mehr, wie wichtig und vor allem richtungsweisend eine saubere Vorbereitung des eigentlichen Kaufprozesses ist.
2. Anonyme Kontaktaufnahme 27 Bei der Kontaktaufnahme ist es entscheidend, dass der richtige Ansprechpart-
ner beim Zielunternehmen gefunden wird. Dies gestaltet sich nicht immer einfach. Zum einen ist manchmal nicht klar, wer das wirklich ist. Zum anderen kann es sehr schwer sein, diese Person zu erreichen. Aber nur mit den richtigen Kontakten können vorab die wesentlichen Fragen geklärt werden. Beispielsweise kann der Fremdgeschäftsführer durchaus andere Interessen verfolgen als der Unternehmensinhaber. Mindestens genauso wichtig ist es, die Zielperson innerhalb der ersten Kontakt28 aufnahme davon zu überzeugen, dass es für sie interessant und wichtig sein kann, über einen möglichen Verkauf nachzudenken. Dazu sollte man aus den Kenntnissen des eigenen Unternehmens, des Marktes und des Zielunternehmens eine entsprechende Verkaufslogik („Strategic Rationale“) vorbereitet haben. 5 Beispiel Im Rahmen eines Kaufmandates eines weltweit führenden Unternehmens in der Baubranche wurden mögliche Zukäufe in einem kleineren Segment geprüft. Der Markt war überschaubar und neben zwei großen Playern von einer Vielzahl kleinerer, regionaler und hochspezialisierter Unternehmen geprägt. Da für diese Unternehmen auf Grund ihrer Größe und Marktzugänge ein internationales Wachstum sehr schwierig war, gaben das weltweite Netzwerk und die damit verbundenen Vertriebsund Expansionsmöglichkeiten des Interessenten regelmäßig den Ausschlag zur Aufnahme von Gesprächen.
29 Inwieweit man hier bereits den Namen des Käufers nennt, ist abhängig von der je-
weiligen Situation. Normalerweise sollte dieser auch nur anonym – aber mit seinen Vorzügen – beschrieben werden, um die Neugier des Verkäufers und die Chancen auf die Unterzeichnung einer Vertraulichkeitsvereinbarung mit anschließendem Informationsaustausch zu erhöhen.
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B. Kaufprozess
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3. Unterzeichnung Vertraulichkeitsvereinbarung Bevor man erste Details sowie später auch weitere Informationen austauscht, ist der 30 Abschluss einer Vertraulichkeitsvereinbarung („Non-Disclosure-Agreement“) notwendig. In der Praxis hat sich leider herausgestellt, dass es selbst bei offensichtlichen Brüchen dieser Vereinbarung sehr schwer ist, entsprechenden Schadenersatz durchzusetzen. Aus Käufersicht ist dieser Bereich weniger kritisch, da hier lediglich am Markt 31 bekannt wird, dass man an Zukäufen interessiert ist, was im Zweifel als positives Signal wahrgenommen wird. Schwieriger sieht es für den Verkäufer aus, der zumindest so weit als möglich Vorsorge treffen und bei der Informationsbereitstellung selektiv und schrittweise vorgehen sollte. Praxistipp 3 Wenn der Verkäufer noch nicht auf den Verkauf vorbereitet war, sollte man als Käufer versuchen, für die Phase der Analyse der Informationen und Abgabe eines Angebotes Exklusivität zu erlangen. Damit verhindert man gerade in derzeit vorherrschenden „Verkäufermärkten“ die Konkurrenz in einem Auktionsprozess. Allerdings ist dabei das strategische Zeitmanagement sehr wichtig, um die Transaktion auch innerhalb dieser Phase erfolgreich abzuschließen.
4. Gespräche mit dem Target Es empfiehlt sich, möglichst schnell ein erstes Gespräch auf Entscheiderebene zu 32 organisieren. Dabei gilt es gerade für den Käufer, Vertrauen aufzubauen, das eigene Unternehmen vorzustellen und eine erste Idee möglicher Strategien mit dem zu kaufenden Unternehmen zu präsentieren. Zunächst sollten danach die Informationen geprüft werden, die wesentlich für 33 die Entscheidung des Käufers sind, den Prozess weiter zu verfolgen. Damit kann für beide Seiten unnötiger Aufwand vermieden werden. Praxistipp 3 Eine frühzeitige aktive Involvierung der Entscheidungsträger des Käufers in den Prozess signalisiert die Ernsthaftigkeit und verhilft häufig zu einem offeneren und vertrauensvolleren Prozessverlauf.
Beispiel 5 In einem Kaufprozess eines Maschinenbauunternehmens brachte der Kaufinteressent, der deutlich größer war als das zu verkaufende Unternehmen, sämtliche Mitglieder des Aufsichtsrates zum ersten Gespräch mit. Diese betonten ihr Interesse an dem Unternehmen und erklärten den Wunsch nach einem schnellen, offenen und fairen Prozess. Damit konnten die Verkäufer und deren Berater davon ausgehen, dass ein ernsthaftes Kaufinteresse vorhanden war und die Transaktion wurde kurzfristig erfolgreich durchgeführt.
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Kapitel 2 Struktur des Prozesses
Abb. 6: Ressourcenplanung – Kontaktphase
III. Auswertungsphase 1. Auswertung Unterlagen 34 Das Information Memorandum stellt eine ausführliche Beschreibung des zu ver-
kaufenden Unternehmens dar. Es enthält sämtliche Fakten des Unternehmens, der Märkte und Konkurrenten sowie die wesentlichen Zahlen aus der Vergangenheit und Planzahlen der Zukunft. Das Information Memorandum soll den Interessenten in die Lage versetzen, ein 35 erstes indikatives Angebot abzugeben, auf dessen Basis der Verkäufer entscheidet, ob der Interessent in den weiteren Prozess aufgenommen wird. Es ist zu bedenken, dass das Information Memorandum zwar einerseits objekti36 ve Informationen enthält, andererseits aber auch ein Verkaufsprospekt ist, welches die positiven Aspekte des Unternehmens in den Vordergrund stellt. Daher ist es wichtig, diese Informationen genau zu analysieren und einer kritischen StärkenSchwächen-Analyse zu unterziehen. Es ist dem Käufer nicht geholfen, in dieser Phase potenzielle Deal Breaker zunächst zu ignorieren, nur weil er noch kein bindendes Angebot abgeben muss. Immerhin investiert er Zeit und Geld in den Prozess, die er bei frühzeitiger Kenntnis bzw. richtiger Auswertung besser in ein anderes Zielunternehmen investieren könnte. 5 Beispiel Bei der Durchsicht eines Information Memorandums eines internationalen Elektronikunternehmens durch einen Kaufinteressenten im Rahmen eines Auktionsprozesses war relativ schnell klar, dass das Unternehmen zwar strategisch sehr interessant ist, die weitere positive Entwicklung jedoch wesentlich auf einem neuen Produkt basiert, welches nicht in das Portfolio des Kaufinteressenten passte. Außerdem war offensichtlich, dass für dieses Produkt ein Oligopolmarkt besteht und die anderen Marktteilnehmer einen hohen Preis bieten würden. Daher wurde die Transaktion von dem Kaufinteressenten an dieser Stelle abgebrochen, obwohl ein grundsätzliches Interesse bestand, um wichtige Ressourcen und Geld zu sparen.
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B. Kaufprozess
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2. Bewertungsindikation Normalerweise erhält der Käufer im Rahmen des Information Memorandum genügend Informationen, um eine erste Bewertung im Rahmen der gängigen Bewertungsverfahren vorzunehmen. Sollte dies nicht der Fall sein, muss er die fehlenden Informationen vor Abgabe des indikativen Angebotes nachfragen. Dies ist auch im Interesse des Verkäufers, da er dann mit einem ernsthaften Angebot rechnen kann. Auf jeden Fall sollte sich der Käufer rechtzeitig über die entsprechenden marktüblichen Multiplikatoren informieren und parallel verschiedene Bewertungsverfahren zur Wertermittlung heranziehen.3, 4 Den einen wahren Wert eines Unternehmens gibt es nicht. Sowohl die gewählten Bewertungsverfahren selbst als auch kleinere Veränderungen einzelner Parameter innerhalb dieser Verfahren zeigen die große Bandbreite möglicher Werte. Es ist aber wichtig, diese Bewertungen durchzuführen und zu verstehen. Im Regelfall wird der Verkäufer im Rahmen des indikativen Angebots die Darstellung der Bewertungsgrundlagen verlangen. Die Diskussion über die herangezogenen Parameter ist Teil der Preisverhandlungen. Mögliche Synergieeffekte nach einem erfolgreichen Kauf sollte der Käufer ebenfalls bei der Wertermittlung berücksichtigen, aber nicht dem Verkäufer gegenüber offenlegen. Zum einen erhöhen Synergien nicht den objektiven Wert des zu verkaufenden Unternehmens, sondern kommen nur durch die Kombination der beiden Unternehmen (hoffentlich) zu Stande. Zum anderen verschafft sich der Käufer so einen gewissen Spielraum bei der Preisverhandlung.
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Praxistipp 3 Bauen Sie frühzeitig eine entsprechend flexible Bewertungsstruktur auf („Modelling“), innerhalb der Sie bei Erlangung neuer Kenntnisse z.B. im Rahmen der Due Diligence entsprechende Anpassungen vornehmen können.
3. Abgabe indikatives Angebot Das indikative Angebot spiegelt den Kenntnisstand der überlassenen Informatio- 41 nen wider. Dennoch kann es aus verschiedenen Gründen ratsam sein, ein höheres Angebot abzugeben, als die Datenbasis eigentlich zulassen würde. Das kann im Vorliegen von Synergien begründet sein, aber auch in der Tatsache, dass man auf jeden Fall weitere Informationen im Rahmen der Due Diligence sichten möchte.
_____ 3 Einen guten Überblick über die gängigen Bewertungsverfahren geben Volkard sowie Lucks/ Aders/Wiedemann/Pösch, S. 207–215. 4 Für eine erste Indikation eignet sich immer das Heranziehen von Multiples. Aktuelle Informationen über Branchen und verschiedene Unternehmensgrößen findet man unter http://www.financemagazin.de/research/multiples/.
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Kapitel 2 Struktur des Prozesses
Allerdings ist es schwierig zu begründen, von einem entsprechend hohen Angebot wieder abzuweichen, wenn sich in der weiteren Phase des Prozesses keine objektiven Anhaltspunkte finden lassen. Umgekehrt kann es auch eine Strategie sein, zunächst ein niedrigeres Angebot 43 abzugeben, um den finalen Preis möglichst gering zu halten. Sollte dieser Preis nicht ausreichend für die Teilnahme am weiteren Prozess sein, gibt es in der Regel immer noch die Möglichkeit, das Angebot nachzubessern. Letztendlich müssen diese Entscheidungen immer jeweils auf Basis der aktuel44 len Gesamtsituation des Verkaufsprozesses getroffen werden. 42
4. Due Diligence a) Datenraumphase 45 Die Datenraumphase sollte sorgfältig vorbereitet werden, da hier verschiedene
Gruppen parallel agieren. Der Umfang einer Due Diligence hängt insbesondere von der Unternehmensgröße ab. Die regelmäßig erforderliche Einbeziehung externer Berater (Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Rechtsanwälte, Umweltgutachter, Immobilienexperten) erfordert einen hohen Koordinationsaufwand, um den richtigen Fokus sicherzustellen und die Themen entsprechend zu verteilen. Typische Bereiche einer Due Diligence sind Commercial, Finanzen, Recht und Steuern. Bei größeren Transaktionen gibt es neuere Tendenzen: Compliance (fast schon generell üblich), Environmental & Health, Betriebliche Altersvorsorge, etc. Generell ist es üblich, dass der Kaufinteressent – basierend auf dem Informa46 tionsstand des Information Memorandums sowie weiterer benötigter Informationen – dem Verkäufer eine Liste mit den gewünschten Informationen aus den verschiedenen Bereichen zukommen lässt. Hierzu gibt es verschiedenste umfangreiche Muster und Vorlagen. Entscheidend ist aber die Konzentration auf die im Einzelfall relevanten Informationen. Eine umfassende und allgemeine Anfrage kann dazu führen, dass der Verkäufer diese nicht komplett beantworten kann und dann eine Auswahl nach seinem Geschmack trifft. Selbstverständlich gibt es gewisse Standardanfragen, die für jeden Prozess gel47 ten (z.B. Unternehmenszahlen aus der Vergangenheit, Planungszahlen, wesentliche Verträge, Produktinformationen, Lieferanten- und Kundenstruktur). Für jeden Prozess werden jedoch individuelle Informationen benötigt, um ein Unternehmen realistisch beurteilen und ein angemessenes finales Angebot abgeben zu können. Eine Herangehensweise mit Augenmaß stellt einerseits sicher, dass auch die 48 wesentlichen Informationen abgefragt werden und führt auch andererseits dazu, das Verhältnis zwischen Käufer und Verkäufer nicht über Gebühr zu belasten.5
_____ 5 Eine ausführliche Darstellung der Due Diligence Thematik einschließlich entsprechender Checklisten findet sich bei Berens/Brauner/Strauch/Knauer.
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B. Kaufprozess
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Praxistipp 3 Die Koordination der Due Diligence sollte von einem erfahrenen Projektleiter vorgenommen werden, der sicherstellt, dass die wesentlichen Informationen abgefragt werden und ein regelmäßiger Austausch der verschiedenen Due Diligence Teams stattfindet. Möglicherweise kann es aus Käufersicht sinnvoll sein, zunächst eine eingeschränkte Due Diligence durchzuführen, wenn bereits der Verdacht besteht, dass kritische Themen vorliegen, die die Transaktion scheitern lassen können („Red Flag Due Diligence“). Das spart Zeit und Ressourcen.
Beispiel 5 Im Rahmen eines Kaufprojektes eines Unternehmens aus dem Bereich Automobilzulieferer traten in der Vergangenheit bei dem Unternehmen verschiedenste Turbulenzen auf und es bestand eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass es im Rahmen der Due Diligence zu einem Deal Breaker kommen konnte. Daher hat der Kaufinteressent zunächst nur mit einem sehr kleinen Team von Spezialisten eine Red Flag Due Diligence durchgeführt. In der Tat wurden dadurch bereits schnell Informationen bekannt, die den potenziellen Käufer aus dem Prozess aussteigen ließen. Dieses Vorgehen führte zu einer deutlichen Kosten- und Zeitersparnis.
b) Managementgespräche Die Managementgespräche dienen aus Sicht des Käufers zum einen dazu, Informa- 49 tionen aus dem Datenraum zu hinterfragen. Zum anderen vermitteln sie auch ein Bild der Führungsmannschaft, die an Bord bleiben soll. Die Gespräche sollten keine Einbahnstraße sein, auch der Käufer ist hier ge- 50 fordert, das Management von sich zu überzeugen und für eine zukünftige Zusammenarbeit zu motivieren. Praxistipp 3 Im Vorfeld sicherstellen, dass die Manager, die man möglicherweise schon als Schlüsselpersonen identifiziert hat, auf jeden Fall an den Managementgesprächen teilnehmen.
c) Q&A Neben den Managementgesprächen wird es innerhalb der Datenraumphase einen 51 Austausch bezüglich der vorhandenen und nicht vorhandenen Informationen im Datenraum geben. Im Regelfall wird der Verkäufer Sorge tragen, dass auch dieser Prozess strukturiert abläuft und Fragen gebündelt eingereicht werden. Zusätzlich zu den allgemeinen Fragen ist hier besonderer Wert darauf zu legen, dass alle Fragen beantwortet werden, die für eine objektive Bewertung des Unternehmens notwendig sind und auch die strategischen Fragen beantwortet werden, die einen möglichen Mehrwert des Unternehmens für den Käufer betreffen. Fehlende Informationen an dieser Stelle müssen im Preis entsprechend berücksichtigt werden.
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Kapitel 2 Struktur des Prozesses
Abb. 7: Ressourcenplanung – Auswertungsphase
IV. Closingphase 1. Abgabe finales Angebot 52 Mit der Abgabe eines bindenden Angebotes begibt man sich in die Endphase der Transaktion. Neben dem reinen Kaufpreis sind die Transaktionsstruktur, die Gewährleistungen und Garantien sowie die Closingbedingungen von entscheidender Bedeutung.
2. Preisverhandlung 53 Der Kaufpreis stellt das Ergebnis der Verhandlungen zwischen Käufer und Verkäufer
dar. Hier geht es jedoch häufig nicht nur um einen festen Einmalbetrag. Die heute meist sehr komplexen und umfangreichen Kaufverträge enthalten oft vielfältige weitere Nebenbedingungen, die den Kaufpreis noch deutlich verändern können. Am einfachsten ist die Situation bei einem echten Fixpreis, der keinerlei An54 passungen zulässt. Mögliche Interessengegensätze der Parteien werden hier nicht überbrückt, sondern finden als Risiken Eingang in den Preis. Diese einfache und rasche Lösung findet vor allem beim Kauf von Wirtschaftsgütern und Minderheitsanteilen Anwendung. Ähnlich verhält es sich mit dem sogenannten Locked-Box Mechanismus. Hier 55 wird der Preis auf das Datum des letzten (Zwischen-)Abschlusses fixiert. Für die Zeit bis zum Closing ist im Regelfall eine Verzinsung vorgesehen, der Verkäufer muss das Unternehmen im Sinne eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführers bis zu diesem Zeitpunkt führen. Das operative Risiko liegt in dieser Phase allerdings beim Käufer und lässt sich lediglich durch sogenannte MAC-Klauseln (Material Adverse Change) abfedern. Darin kann festgelegt werden, dass wesentliche
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B. Kaufprozess
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Änderungen in vorher definierten Bereichen eine entsprechende Auswirkung auf den Kaufpreis haben. Immer häufiger enthalten Unternehmenskaufverträge jedoch Preisanpas- 56 sungsklauseln, insbesondere, wenn zwischen der Einigung über den Kaufpreis und dem Closing eine längere Zeitspanne liegt, aber auch bei gewissen Abhängigkeiten des Unternehmens vom Verkäufer. Hier erfolgt eine Anpassung des Kaufpreises aufgrund der Veränderung von Parametern, die für den Unternehmenswert relevant sind. Dies können je nach Art des Geschäftes das Nettoumlaufvermögen, Nettoverschuldung/Nettobarmittel, Eigenkapital, Assets under Management o.ä. sein. Wichtig ist in jedem Fall eine genaue Definition der einzelnen Parameter, da diese komplexe Vorgehensweise nicht selten zu Diskussionen führt. Da der Preis in der Regel für eine zukünftige (positive) Entwicklung des Unter- 57 nehmens gezahlt wird, hat der Käufer ein Interesse, diesen Teil des Kaufpreises auch erst zu bezahlen, wenn die positive Entwicklung tatsächlich eintrifft. Dies kann über sogenannte Earn Out Bedingungen geschehen, d.h. erst bei Eintritt gewisser Ereignisse (Umsatz-/Gewinnhöhe, Kundengewinnung etc.) wird auch dieser Teil des Preises fällig. Ein weiterer Vorteil derartiger Regelungen aus Käufersicht ist die Tatsache, dass 58 man in dieser Phase bereits Eigentümer des Unternehmens ist und somit einen wesentlichen Einfluss auf die Größen hat, die dem Earn Out zu Grunde liegen. Dennoch ist es gerade bei derartigen Klauseln wichtig, dass man vertrauensvoll miteinander umgeht und die Bedingungen fair und objektiv nachprüfbar festlegt. Eine spätere Auseinandersetzung unter Einbeziehung verschiedener Anwälte und Wirtschaftsprüfer schadet allen Beteiligten und vor allem dem Unternehmen und seiner Reputation.
3. Transaktionsstruktur Die Struktur der Transaktion wird häufig von steuerlichen Überlegungen der Ver- 59 tragspartner bestimmt. Hier gilt es, ein Gleichgewicht der Interessen zu finden, wobei sich eine Vertragspartei Kompromisse mit steuerlichen Vorteilen der anderen Vertragspartei im Regelfall über den Kaufpreis vergüten lässt. Unproblematisch ist die Struktur normalerweise bei einem einfachen Share 60 Deal, d.h. der Übertragung von Anteilen an einem Unternehmen. Schwieriger wird es bereits, wenn es sich um mehrere Gesellschaften handelt, diese nicht unter einer einheitlichen Holdinggesellschaft und möglicherweise noch in verschiedenen Ländern aufgehängt sind. Hier kann es auf Grund verschiedener Rechtssysteme zu unterschiedlichsten Präferenzen kommen. Im einfachsten Fall wird die finale Strukturierung der zu verkaufenden Gesellschaften bereits vom Verkäufer vorgenommen und dann als finale Struktur übergeben. Noch komplexer wird es bei einem Asset Deal, d.h. der Übertragung einzelner 61 Wirtschaftsgüter, Personen etc. Auch hier kann die Zielstruktur über einen Carve-
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Kapitel 2 Struktur des Prozesses
out bereits im Vorfeld vom Verkäufer vorgenommen werden, im Regelfall wird diese jedoch über die bestehende Struktur des Käufers abgebildet. Wichtig ist es in diesen Fällen, mit der Übertragung Verträge abzuschließen, die 62 eine Einbildung in das Unternehmen des Käufers und den damit verbundenen reibungslosen operativen Betrieb sicherstellen (z.B. Shared Service Agreements, Cash Pooling Vereinbarungen, Lieferantenvereinbarungen, etc.).
4. Gewährleistungen/Garantien 63 Abhängig von der Art und den dadurch bedingten Risiken des operativen Geschäf-
tes des Zielunternehmens sowie der Qualität und Aussagekraft des Zahlenwerkes werden die Garantien entsprechend ausfallen. Als Käufer ist man sowohl inhaltlich als auch zeitlich an möglichst weitreichenden Garantien interessiert. In bestimmten Bereichen ist es generell üblich, dass der Verkäufer alle erst nach Durchführung der Transaktion hervortretenden, die Zeit vor dem Verkauf betreffenden und nicht durch Rückstellungen gedeckte Risiken trägt (z.B. nicht durch Rückstellungen abgedeckter Steueraufwand für Altjahre nach einer Betriebsprüfung, Sanierungskosten aus Altlasten oder spätere Zahlungen auf Grund bekannter Prozesse). In anderen Bereichen wird der Verkäufer möglicherweise nicht gewillt sein, 64 derartige Gewährleistungen für die Vergangenheit abzugeben. Umso wichtiger ist es für den Käufer, diese Punkte in der Due Diligence zu identifizieren, zu quantifizieren und im Kaufpreis zu berücksichtigen. Sollte eine detailliertere Klärung unter zeitlichen Bedingungen möglich sein, bietet es sich an, diese in die Closingbedingungen aufzunehmen (z.B. Umweltgutachten). Wenn der Verkäufer entsprechende Garantien gegeben hat, ist es wichtig, dass 65 der Käufer schnellstmöglich alle Mängel systematisch erfasst und in den im Vertrag vorgesehenen Verfahren fristgerecht verfolgt.
5. Signing/Closing 66 Die Verhandlungsmacht hängt neben anderen Parametern auch immer von Ange-
bot und Nachfrage ab. Selbst wenn man sich als Käufer in einem Auktionsprozess befindet, sollte man sich und vor allem dem Verkäufer die eigenen Stärken und Vorteile bewusst machen und auf einen schnellen Abschluss drängen, wenn der Informationsstand dies zulässt. Häufig vereinbaren die Parteien, dass nach Unterzeichnung der Verträge 67 (Signing) erst noch verschiedene Bedingungen (Closingbedingungen) eintreten müssen, bevor der Verkauf vollzogen (Closing) wird. Unvermeidbar ist die Vereinbarung von Closingbedingungen, wenn Dritte dem Vollzug zustimmen müssen, etwa weil ein Fusionskontrollverfahren durchgeführt werden muss. Ist dies nicht der Fall, sollte man sich als Käufer auf die wichtigsten Punkte beschränken, deren Absicherung über Garantien/Gewährleistungen nicht möglich war. Ist die Entscheidung
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B. Kaufprozess
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einmal gefallen, gilt es, sich schnellstmöglich mit der Integration des erworbenen Unternehmens zu beschäftigen, um die erhofften Synergien tatsächlich zu heben, den Verbleib des Schlüsselpersonals sicherzustellen und ein klares positives Signal an den Markt zu geben. Praxistipp 3 Bei für den Käufer entscheidenden Mitarbeitern im Zielunternehmen sollte man versuchen, im Rahmen der Kaufpreisverhandlungen den Verkäufer zu verpflichten, diese Mitarbeiter für eine Zustimmung zu einer Mindestverbleibzeit zu incentivieren. Wenn dem Verkäufer die Abhängigkeit von diesen Personen klar ist, wird er sich darauf einlassen, da er sonst nicht den gewünschten Preis erzielen kann. Falls das nicht möglich ist, muss der Käufer frühzeitig selbst Vertragsverhandlungen über eine entsprechende Incentivierung mit den Mitarbeitern aufnehmen.
Abb. 8: Ressourcenplanung – Closingphase
V. Integrationsphase Je nach Art der Unternehmen und des Zusammenschlusses ist ein unterschiedliches 68 Integrationsvorgehen erforderlich. Die sogenannten Soft Facts und die Motivation der übernommenen Belegschaft sind nicht zu unterschätzen. Schnellstmöglich, am besten bereits in der Phase zwischen Signing und Closing, sollte die Strategie der zusammengeschlossenen Unternehmen vorgestellt und gemischte Projektteams gebildet werden. Auch ist es wichtig, die Hierarchiestufen so zu gestalten, dass sich die übernommenen Mitarbeiter wiederfinden und Karrieremöglichkeiten erkennen.6
_____ 6 Eine umfangreiche Darstellung der verschiedenen Aspekte der Integration findet sich bei Picot/ Bartels/Cosack/Wirtz/Jansen/Brugger Handbuch M&A, S. 533–696.
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3 Praxistipp Schnell eine vertrauensvolle und offene Kommunikation auf allen Ebenen suchen und den neu hinzugekommenen Mitarbeitern ihre Chancen aufzeigen. Eine zu lange Phase der Verunsicherung führt zu Demotivation und erhöht das Risiko der Kündigung. Wie immer gehen die besten Mitarbeiter zuerst, denn sie finden am leichtesten eine neue Herausforderung. Das gilt es zu vermeiden.
C. Verkaufsprozess C. Verkaufsprozess 69 Im Verkaufsprozess liegt ein noch stärkeres Gewicht auf der Vorbereitungsphase.
Während sowohl beim Kauf als auch beim Verkauf mit der eigentlichen Entscheidung und der Auswahl der Gesprächspartner die strategische Richtung festgelegt wird, geschieht dies hier auch in der Vorbereitung aller Unterlagen, die den potenziellen Käufern im Verlauf des Prozesses vorgelegt werden. Zwar ist aus Vorsichtsgründen eine selektive Informationsfreigabe ratsam, doch muss der Interessent die Möglichkeit bekommen, anhand der vorgelegten Informationen ein substanzielles Angebot abgeben zu können. 3 Praxistipp Starten Sie erst mit der Ansprache von potenziellen Investoren, wenn sämtliche Verkaufsunterlagen (Kurzpräsentation, Information Memorandum, Datenraum) final vorbereitet sind. Der Prozess entwickelt eine Eigendynamik und es wird sehr schwierig, unter Zeitdruck und möglicherweise bereits beeinflusst vom Auftreten der Käufer Verkaufsunterlagen zu erstellen. Als Verkäufer führen Sie den Prozess, treten Sie auch so auf! 70 Auch der Verkaufsprozess erfordert eine professionelle Ressourcenplanung.
Selbst beim Hinzuziehen von externen Beratern werden diese auf Mitarbeiter des Unternehmens zugreifen müssen, um die notwendigen Unterlagen vorzubereiten bzw. im Datenraum bereitzustellen. Spätestens in der Managementpräsentation wird der Kaufinteressent ohnehin mit den wichtigsten Mitarbeitern sprechen wollen.
I. Vorbereitungsphase 1. Prozessstrukturierung 71 Zunächst ist zu entscheiden, welche Art von Verkaufsprozess gewählt wird und
mit welcher Ausprägung. Dies ist wichtig für die unterschiedliche Ausgestaltung der weiteren Schritte. Hier ist auf die Zielrichtung des Verkäufers, die Anzahl potenzieller Käufer, die 72 Frage der Vertraulichkeit und die Auswirkungen auf den Markt besondere Rücksicht zu nehmen. Zwar ist es gerade in Zeiten hoher Nachfrage eher wahrscheinlich,
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C. Verkaufsprozess
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in einem Auktionsverfahren den höchsten Preis zu erzielen. Das setzt jedoch einen professionell gesteuerten Prozess voraus.7 Je nach Interessenlage kann es aber auch vorteilhaft sein, exklusive Verkaufs- 73 prozesse im Rahmen einer sukzessiven Ansprache zu führen. Dies ist insbesondere dann zu empfehlen, wenn der Verkauf nicht zeitkritisch und die Gruppe der ernsthaften Interessenten limitiert ist.
Abb. 9: Arten von Verkaufsprozessen
Am Anfang sollte ein Zeitplan aufgestellt werden, der festlegt, wann gewisse Ent- 74 scheidungen getroffen und Mitarbeiter eingebunden werden müssen. Es ist immer wichtig, das Heft des Handelns in der Hand zu haben und man sollte auch darauf vorbereitet sein, dass trotz aller Vertraulichkeitsvereinbarungen Mitarbeiter auf einen möglichen Verkauf angesprochen werden. Praxistipp 3 Neben dem Zeitplan ist auch ein Kommunikationsplan zu erstellen, der festhält, was Mitarbeitern, Kunden, Lieferanten zu welcher Phase des Prozesses mitgeteilt wird. Eine klare und einheitliche Sprache vermeidet mögliche Verunsicherungen.
Weiterhin muss vor Beginn des Prozesses die Form des Verkaufs bestimmt werden. 75 Die Frage, ob Anteile an einem Unternehmen (Share Deal) oder nur Wirtschaftsgüter
_____ 7 Eine ausführliche Darstellung eines Ablaufplans für Transaktionen im Wege des (beschränkten) Bietungs- bzw. Auktionsverfahrens findet sich bei Picot/Picot Handbuch M&A, S. 2.
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aus dem Unternehmen (Asset Deal) verkauft werden, hat für alle Beteiligten weitreichende Konsequenzen. Auch innerhalb dieser beiden grundsätzlichen Formen gibt es weitere Ausprägungen, wie z.B. die Höhe der zu transferierenden Anteile (100%, Mehrheit, qualifizierte Minderheit, Minderheit) oder die Auswahl der Wirtschaftsgüter. Diese Entscheidungen sind vorab zu treffen und die weitere Prozessgestaltung darauf auszurichten.
2. Vorbereitung der Unterlagen 76 Für die Vorbereitung der Unterlagen ist neben der Aufarbeitung und Zusammenstel-
lung der Daten aus Vergangenheit und Gegenwart auch die Entwicklung eines realistischen und belastbaren Budgets für die nächsten drei bis fünf Jahre notwendig. Neben dem eigenen Verständnis ist dies insbesondere wichtig, um dem Käufer die Möglichkeit einer Bewertung auf Basis der abgezinsten zukünftigen Zahlungsflüsse (Discounted-Cashflow – DCF) zu geben. Folgende Unterlagen sind wesentlich für den weiteren Prozess: 77 – Kurzpräsentation (Teaser) – Vertraulichkeitsvereinbarung – Information Memorandum – Prozessbrief einschließlich Zeitplan – Unternehmensbewertung 78 Die Kurzpräsentation des Unternehmens, dient der anonymisierten Ansprache
möglicher Kaufinteressenten. Sie sollte einige grundsätzliche Informationen enthalten. Diese ermöglichen es dem potenziellen Käufer, sich eine Meinung darüber zu bilden, ob er eine Vertraulichkeitserklärung unterschreiben soll und die Zeit für eine vertiefende Untersuchung weiterer Unterlagen investiert. Allerdings ist in dieser Phase darauf zu achten, dass durch die Kurzpräsentation möglichst nicht das Unternehmen identifiziert werden kann.
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Abb. 10: Musteraufbau Kurzpräsentation
Die Vertraulichkeitsvereinbarung sollte den Verkäufer und das zu verkaufende Un- 79 ternehmen möglichst gut schützen. Zu den Standardklauseln gehören insbesondere ein befristetes Abwerbeverbot für Mitarbeiter und die Pflicht, sämtliche vertraulichen Informationen bei Abbruch der Verhandlungen auf Verlangen an den Verkäufer zurückzusenden. Daneben sollte eine Vertraulichkeitsvereinbarung die Rechtsfolgen etwaiger Verstöße klar regeln. Erstrebenswert aus Verkäufersicht ist die Vereinbarung einer schadensunabhängigen Vertragsstrafe, was jedoch meist nur schwer durchsetzbar ist. Auch wenn Verstöße nur schwierig nachzuweisen sind, hat eine Vertragsstrafe zumindest eine gewisse Abschreckungswirkung. Das Information Memorandum sollte detailliert alle Informationen wiederge- 80 ben, die für den Erwerber notwendig sind, um ein indikatives Angebot abzugeben. Wenn es aus Sicht des Veräußerers keine zu sensiblen Informationen sind, sollte möglichst alles offengelegt werden, was für den potenziellen Käufer von Interesse sein könnte. Der Vorteil besteht in einer stärkeren Bindung des Käufers an das indikative Angebot. Er wird im Datenraum dann keine Informationen finden, die eine im Vergleich zum Information Memorandum negative Auswirkung auf den Kaufpreis haben. Natürlich sollten sensible Informationen wie Mitarbeiterdaten oder auch Einkaufsvolumen bei verschiedenen Lieferanten und Kundenumsätze nur anonymisiert wiedergegeben werden. In komplexeren Strukturen kann die Erstellung eines Information Memorandum 81 für den Verkäufer auch Informationen zu Tage bringen, die weitreichenden Einfluss auf den weiteren Prozessverlauf haben. Im Zusammenhang mit der Einrichtung des Datenraumes hat dies oftmals bei sauberer Durchführung durch die Spezialisten die Wirkung einer Vendor Due Diligence.
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5 Beispiel Im Rahmen eines geplanten Carve-outs eines internationalen Konzerns im Wege eines Asset Deals erstellten die Berater ein Information Memorandum, welches die Wirtschaftsgüter einschließlich der wesentlichen Patente des abzuspaltenden Unternehmensteils beschrieb. Nachdem auf Basis der prognostizierten Zukunftszahlen eine indikative Bewertung durchgeführt wurde, entschied sich der Vorstand des Unternehmens gegen einen Verkauf. Ein zu erzielender Veräußerungserlös stand in keinem Verhältnis zu den Risiken, die sich durch den Verkauf der Patente, die in anderen Bereichen des Unternehmens weiter genutzt wurden, ergeben hätte. Diese Erkenntnis ergab sich jedoch erst durch die saubere Aufbereitung und Analyse der Unterlagen für den geplanten Verkauf.
Abb. 11: Musteraufbau Information Memorandum
3 Praxistipp Immer alle Informationen auf ein bestimmtes Datum und vor Beginn des eigentlichen Prozesses erstellen. Dies vermeidet Verwirrungen und die Kommunikation unterschiedlicher Informationen an verschiedene Interessenten. Der festgelegte Informationsstichtag sollte bis hin zum Signing durchgezogen werden, wenn im Kaufvertrag ohnehin Anpassungsklauseln vorgesehen sind.
82 Der Prozessbrief stellt die Form der Transaktion und den wesentlichen Ab-
lauf des Prozesses dar. Er enthält die Anforderungen an das abzugebende indikative Angebot, einen detaillierten Zeitplan und alle weiteren organisatorischen Informationen. Normalerweise verlangt der Verkäufer hier auch, dass der Käufer seine Bewertungsmethode und die Annahmen offenlegt, die er dem indikativen Angebot zu Grunde gelegt hat. Damit bietet sich bereits ein Feld für Kaufpreisverhandlungen.
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Praxistipp 3 Halten Sie sich an die Vorgaben des Prozessbriefes und bestehen Sie auf deren Einhaltung, sonst verlieren Sie frühzeitig an Glaubwürdigkeit.
Auf Basis der bereitgestellten Informationen sollte daher auch eine interne Unter- 83 nehmensbewertung durchgeführt werden, um einerseits ein Gefühl für den Wert des eigenen Unternehmens zu bekommen, andererseits aber auch eine entsprechende Argumentationsgrundlage für den weiteren Prozessverlauf und die Preisverhandlungen zu haben. Ebenso kann man damit erkennen, welche Informationen bereitgestellt werden müssen und wie sich einzelne Informationen auf den Unternehmenswert auswirken. Idealerweise ist die eigene Bewertung unter Zuhilfenahme verschiedenster 84 gängiger Verfahren (DCF, Multiplikatoren) vorzunehmen, auch wenn es nie den einen richtigen Wert für das Unternehmen gibt. Entscheidend ist das Wissen um die Bandbreite und das Verständnis der Mechanik.
3. Vorbereitung Datenraum Beim Datenraum ist je nach Art des Verkaufsprozesses zwischen einem physischen und einem virtuellen Datenraum zu unterscheiden. Die Entscheidung für die eine oder andere Art des Datenraums hängt wesentlich vom festgelegten Prozess ab. Bei einer gewissen Anzahl von Investoren wird man alleine schon aus Gründen der Praktikabilität nicht um die Einrichtung eines virtuellen Datenraumes herumkommen. Zwar gibt es hier bei den entsprechenden Anbietern verschiedenste Möglichkeiten der Überwachung und Auswertung, jedoch ist keine so sicher und restriktiv wie bei einem physischen Datenraum. Die Regeln für einen virtuellen Datenraum werden automatisch vorgegeben, indem z.B. gewisse Dokumente nicht heruntergeladen werden dürfen. Im Rahmen der heutigen technologischen Möglichkeiten kann eine vollständige Übertragung der Inhalte dieser Dokumente wahrscheinlich dennoch nicht verhindert werden. Physische Datenräume sind entsprechend einzurichten und Regeln festzulegen, die den potenziellen Käufern nur gewisse Möglichkeiten der Einsichtnahme bieten.
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Beispiel 5 Kurz vor Ende der Due Diligence brach der Kaufinteressent, ein direkter Mitbewerber des Verkäufers, ohne Angabe von Gründen den Prozess ab. Trotz Unterzeichnung einer harten Vertraulichkeitsvereinbarung lancierte er auf einer internen Kundenveranstaltung die Verkaufsabsicht des Konkurrenten. Trotz des offensichtlichen Bruchs der Vertraulichkeitsvereinbarung ergriff der Verkäufer keine rechtlichen Schritte, da die daraus resultierende Öffentlichkeitswirkung nur einen noch größeren Schaden verursacht hätte. Es hat sich bewährt, im Rahmen der Due Diligence in einem physischen Datenraum zunächst nur sehr restriktiv Daten zur Verfügung zu stellen, um dadurch einen möglichen Schaden im Falle der Verletzung der Vertraulichkeit in Grenzen zu halten.
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Abb. 12: Musteranforderungen Datenraumregeln (physischer Datenraum) 3 Praxistipp Ebenfalls sollte sich im Datenraum ein Vertragsentwurf für einen Kaufvertrag befinden und Sie sollten im Prozessbrief festlegen, dass der Interessent diesen mit entsprechenden Kommentaren als Teil des finalen Angebots einreicht. Damit erleichtern Sie die Auswahl für den Prozess und nehmen einen Teil der Verhandlung vorweg. Häufig wird der Kaufvertrag erst im Laufe des Prozesses in den Datenraum eingestellt. 89 In jedem Fall ist ein Datenraumindex zu erstellen, der als Gliederung für den Auf-
bau des Datenraums dient. Dieser ist inhaltlich mit der Anforderungsliste des Kaufinteressenten zu vergleichen, wobei dort normalerweise eine Maximalanforderung aufgenommen wird und hier eher zunächst eine Beschränkung auf die wirklich wesentlichen Informationen vorgenommen wird. Je nach Ausgestaltung des Prozesses und Sensibilität der Informationen kann es 90 auch sinnvoll sein, den Datenraum in einem zweistufigen Prozess zu öffnen. Sehr sensible Unternehmensinformationen sollten erst direkt vor Vertragsunterschrift vollständig offengelegt werden. Auf jeden Fall ist darauf zu achten, dass sensible Daten (Personal, Kunden, Lieferanten etc.) zunächst nur neutralisiert wiedergegeben werden. Die Weitergabe von Mitarbeiterdaten an potenzielle Käufer im Rahmen der Due 91 Diligence stellt eine Übermittlung personenbezogener Daten dar. Hier ist vorab sehr genau zu prüfen, wann und wie eine Übermittlung dieser Daten rechtskonform umgesetzt werden kann. Bei Kundendaten ist zwischen einem Share Deal und einem Asset Deal zu unterscheiden. Während bei der Anteilsübertragung das Thema etwas
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entspannter gesehen werden kann, ist bei der Übertragung von Wirtschaftsgütern (z.B. Kundenstamm) eine vorherige Zustimmung der Kunden notwendig. In jedem Fall sollten alle Offenlegungen personenbezogener Daten frühzeitig rechtlich geprüft werden.
4. Erarbeitung Käuferprofil Die Erarbeitung eines Käuferprofils legt die Basis für die Suche und Erstellung der 92 Long List. Hier ist in erster Linie zwischen strategischen Investoren und Finanzinvestoren zu unterscheiden. Aber auch das eigene Management kann ein potenzieller Investor sein, was mit einigen Besonderheiten im Prozess verbunden ist. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund zu sehen, dass das Management das Unternehmen am besten kennt. Dieser Wissensvorsprung, möglicherweise auch gegenüber dem Eigentümer, birgt gewisse Risiken, da das Management in diesem Fall wenig Interesse an einem Verkauf an einen externen Käufer haben dürfte und so den Prozess entsprechend beeinflussen könnte. Zusätzlich stellt bei dieser Personengruppe die Finanzierung regelmäßig eine besondere Herausforderung dar. Entscheidend für die Erstellung eines Käuferprofils sind die Interessen des Ver- 93 käufers (Kaufpreis, Dealsicherheit, Geschwindigkeit, Zukunft des Unternehmens/ Standortes). Die Bewertung dieser Kriterien ergibt ein detaillierteres Bild, dem auch in einem individuellen Anspracheprozess Rechnung getragen werden muss.
5. Long List Analog des Kaufprozesses ist bei strategischen Investoren auch eine möglichst lü- 94 ckenlose Suche anhand der vorgegebenen Kriterien vorzunehmen. Neben den daraus resultierenden Unternehmen wird es immer weitere Interessenten geben, die vordergründig nicht als mögliche Kandidaten in Frage gekommen wären (z.B. interne Änderungen der Strategie, Aufbau neuer Bereiche). Hier ist es wichtig, deren Beweggründe genau zu verstehen, um die Auswirkungen eines Verkaufs entsprechend einschätzen zu können.
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Abb. 13: Ressourcenplanung – Vorbereitungsphase
II. Kontaktphase/Due Diligence 1. Short List 95 Die Shortlist priorisiert die anzusprechenden Interessenten. Während man bei einem Kaufprozess generell zwar einen guten Marktüberblick bekommen, sich dann aber zunächst lediglich einige wenige Unternehmen ansehen wird, ist es im Verkaufsprozess wichtig, möglichst viele ernsthafte Interessenten zu identifizieren. Dies gilt offensichtlich für den Auktionsprozess. Aber auch in einem befristet exklusiven Prozess tut man gut daran, nach dem möglichen Scheitern der Gespräche schnell weitere Kandidaten ansprechen zu können.
2. Kontaktaufnahme/Vertraulichkeitsvereinbarung 96 Insgesamt gestaltet sich die Kontaktaufnahme differenzierter als bei einem Kauf-
prozess, da man früh im Prozess eigene Informationen preisgeben muss, um überhaupt Interesse zu wecken. Wie beim Kaufprozess ist es auch hier wichtig, dem potenziellen Käufer mögliche strategische Vorteile für ihn und sein Unternehmen bei einem Kauf aufzuzeigen („Strategic Rationale“). 3 Praxistipp Je detaillierter man sich auf die Kontaktaufnahme vorbereitet, desto schneller kann man die Ernsthaftigkeit des potenziellen Käufers erkennen. Es ist von Vorteil, die Ansprache über einen Berater vornehmen zu lassen, um nicht frühzeitig die eigene Identität preiszugeben.
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Auch beim Verkaufsprozess ist es wichtig, direkt die Entscheider anzusprechen, 97 selbst wenn dies schwierig sein kann. Sollte man bei unteren Ebenen einsteigen, kommen deren eigene Interessen verzerrend in den Prozess. Kontakte auf dieser Ebene sollte man nur nutzen, um zu verstehen, wer der eigentliche Entscheider ist. Der Interessent erhält zunächst die Kurzpräsentation, die im Wesentlichen die 98 Informationen enthält, die man schon bei der Ansprache offengelegt hat. Sollte daraufhin Interesse an weiteren Informationen bestehen, ist in einem nächsten Schritt die Vertraulichkeitsvereinbarung zu unterzeichnen. Praxistipp 3 Um nicht vor Unterzeichnung der Vertraulichkeitsvereinbarung den Namen des zu verkaufenden Unternehmens offenzulegen, wird diese häufig zwischen dem Berater und dem Interessenten zugunsten und mit Schutzwirkung für den Verkäufer und das zu verkaufende Unternehmen geschlossen.
3. Übergabe Unterlagen Nach Unterzeichnung der Vertraulichkeitsvereinbarung erhält der Interessent das 99 Information Memorandum. Parallel hierzu erhält er den Prozessbrief, der den weiteren Ablauf der geplanten Transaktion, die Termine sowie den Inhalt des einzureichenden Angebots darstellt. Hier wird auch die Art des Verkaufsprozesses festgelegt. Wichtig ist es, spätestens hier einen konkreten Ansprechpartner auf Seiten 100 des Verkäufers zu benennen und dies ebenfalls von der Käuferseite einzufordern. Auf jeden Fall ist sicherzustellen, dass nur mit dem genannten Vertreter des Verkäufers kommuniziert wird und keinerlei Kontakt zu Mitarbeitern, Kunden und Lieferanten aufgenommen wird. Beispiel 5 Bei einem exklusiven Verkaufsprozess eines mittelständischen Unternehmens kannten sich beide Parteien sehr gut, da sie bereits bei verschiedenen Projekten gemeinsam am Markt auftraten. Dadurch kam es allerdings immer wieder vor, dass der Kaufinteressent an dem ihm genannten Ansprechpartner vorbei versuchte, Informationen zu erlangen. Zusätzlich versuchte er, Zeit zu gewinnen, da er hoffte, dass sich die finanzielle Situation des zu verkaufenden Unternehmens verschlechterte. Nach mehreren Ermahnungen wurden die Gespräche vom Verkäufer abgebrochen und das Unternehmen schließlich an einen anderen Interessenten verkauft.
4. Einholung indikativer Angebote Die indikativen Angebote – basierend auf den im Information Memorandum über- 101 lassenen Unterlagen – sind bis zu einem festgelegten Stichtag einzureichen. Nach Sichtung der eingegangenen Angebote entscheidet der Verkäufer, ob und mit wem er in den weiteren Verkaufsprozess geht und durch Öffnung des Datenraums weitere Informationen offenlegt.
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Sollten sich in den indikativen Angeboten Passagen befinden, die der Verkäufer nicht für akzeptabel hält, er aber trotzdem gern weiter mit dem Interessenten verhandeln möchte, sollte er diese Meinungsverschiedenheiten vor Öffnung des Datenraums klären, um unnötige spätere Komplexität zu vermeiden.
Abb. 14: Musteranforderungen an indikative Angebote
5. Auswahl geeigneter Investoren für 2. Phase 103 Aus den eingegangenen indikativen Angeboten wählt der Verkäufer die Teilnehmer für den weiteren Prozess aus. Neben den bereits festgelegten Kriterien des Käuferprofils ist dabei zu beachten, dass indikative Angebote nicht bindend sind und daher gerade strategische Investoren häufig hohe Angebote abgeben, um in den weiteren Prozess zu gelangen. Sollte dieser Verdacht bestehen, kann hier mit der Einrichtung eines zweistufigen Datenraumprozesses versucht werden, den Informationsfluss von sensiblen Daten möglichst zu begrenzen. Falls der erste Prozessbrief nicht schon den gesamten Prozessverlauf, sondern 104 nur den Ablauf bis zur Abgabe eines indikativen Angebots dargestellt hat, muss ein zweiter Prozessbrief den weiteren Verlauf festlegen.
6. Due Diligence a) Datenraum 105 Der Datenraum sollte, wie bereits erwähnt, bereits zu Beginn des Prozesses einge-
richtet sein. Dennoch ist dieser vor dem Hintergrund der ausgewählten Kaufinteressenten nochmals inhaltlich zu prüfen und ggf. zu ergänzen.
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Es ist wichtig, klare Regeln für die Anforderung zusätzlicher Dokumente oder 106 inhaltliche Fragen aufzustellen. Diese sind für alle Teilbereiche gesammelt zu einem festgesetzten Termin einzureichen und man sollte schon im Vorfeld einen gewissen Zeitraum für deren Beantwortung einplanen. Bei größeren Transaktionen ist es mehr und mehr üblich, dass der Verkäufer be- 107 reits eine Due Diligence in Auftrag gibt (Vendor Due Diligence) und dem Interessenten der Bericht hierüber zur Verfügung gestellt wird. Dieser prüft den Bericht im Rahmen einer sog. Confirmatory Due Diligence. Eine solche Due Diligence kann auch direkt nach dem Signing durchgeführt werden, wenn zuvor neutralisierte Informationen noch offengelegt oder bestätigt werden müssen. Gegen Ende der Due Diligence, meist auch erst nach Managementpräsentation 108 und Standortbesuch, wird der Kaufvertrag in den Datenraum eingestellt. Die Änderungen der Investoren an diesem Vertragsentwurf sind wesentlicher Bestandteil der bindenden Angebote.
b) Managementpräsentation/Standortbesuche Die Managementpräsentation dient einerseits dazu, vertiefende Informationen wei- 109 terzugeben, andererseits kann sich das Managementteam dem potenziellen neuen Eigentümer präsentieren. Vor diesem Hintergrund sollte die Präsentation aufgebaut und die Teammitglieder entsprechend positioniert werden. Häufig wird die Managementpräsentation in Zusammenhang mit einem Stand- 110 ortbesuch durchgeführt. Allerdings kann es ratsam sein, die Managementpräsentation selbst an einem neutralen Ort durchzuführen (Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwalt), um nicht für Verunsicherung innerhalb der eigenen Belegschaft zu sorgen. Der Standortbesuch selbst sollte außerhalb der normalen Arbeitszeiten oder 111 unter einem Vorwand für die Belegschaft vorgenommen werden, da die Gefahr hoch ist, dass Personen des Interessenten von eigenen Mitarbeitern erkannt werden. Auch daran zeigt sich, wie wichtig die Organisation des Prozesses und die Benennung der Teilnehmer der jeweiligen Prozessschritte ist, wie es im Prozessbrief festgelegt werden soll.
Praxistipp 3 Üben Sie die Managementpräsentation. Auch wenn es sich um erfahrene Manager handeln sollte, stellt sie eine besondere Situation dar und nicht jeder ist der perfekte Präsentator. Dabei sollte ein „Zuhörer“ kritische Fragen stellen und versuchen, Stresssituationen zu provozieren.
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Abb. 15: Ressourcenplanung – Kontaktphase/Due Diligence
III. Endverhandlung 1. Einholung bindender Kaufangebote inklusive Finanzierungsnachweis 112 Die bindenden Kaufangebote sollten inhaltlich entsprechend aufgebaut sein wie die indikativen Angebote. Da es jetzt ernst wird, ist gerade die Sicherstellung der Finanzierung der Transaktion wichtig. Dies muss der Interessent zwar nachweisen, der Verkäufer sollte aber diese Nachweise kritisch prüfen, um nicht am Ende an dieser Stelle Probleme zu bekommen. Es geht nicht allein darum, dass die Transaktion bei Scheitern einer Finanzie113 rung dann mit diesem Kandidaten nicht zustande kommt. Vielmehr hat der Verkäufer damit auch Zeit für andere Kandidaten verschenkt. Selbst wenn diese wieder in die Verhandlungen einsteigen, verschlechtert sich im Regelfall die Position des Verkäufers.
2. Entscheidung geeigneter Investoren für Verhandlung 114 Oft werden Interessenten darauf bestehen, dass ihnen Exklusivität gewährt wird,
da sie über einen längeren Zeitraum Geld und Ressourcen investieren und den Ausgang nicht vollständig transparent beeinflussen können. Diese Frage muss abhängig von der Verhandlungsstärke und der Attraktivität verbleibender Bieter entschieden werden. Exklusivität sollte jedoch nur unter sehr restriktiven Bedingungen gewährleistet werden. 3 Praxistipp Auch wenn Sie einen Favoriten haben und dieser ein für Sie ausreichendes Angebot abgegeben hat, sollten Sie immer mindestens mit zwei Investoren in die letzte Runde gehen. Dies erhöht einerseits
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den Druck und stellt andererseits sicher, dass kurzfristig eine Lösung erzielt werden kann, ohne den Prozess erneut von vorne beginnen zu müssen.
Beispiel 5 In einem Verkaufsprozess eines Unternehmens der Lebensmittelbranche gab es von Anfang an einen klaren Favoriten, der schon in der Vergangenheit häufig seine Interessen an dem Unternehmen bekundete. Obwohl er seine Ernsthaftigkeit betonte und das höchste Angebot abgab, verhandelte der Verkäufer auch mit zwei weiteren Interessenten. Kurz vor Ende des Prozesses kam es zu einem Wechsel im europäischen Management des Hauptinteressenten und sämtliche M&A-Aktivitäten wurden gestoppt. Dadurch wurde das Unternehmen kurzfristig an einen der beiden anderen Bieter veräußert, was ohne die parallele Verhandlungsführung so schnell nicht möglich gewesen wäre.
3. Preisverhandlung Durch das bindende Angebot liegt zwar ein Preis auf dem Tisch, dieser kann jedoch 115 auf Grund der weiteren Vertragsbedingungen noch beeinflusst werden. Daher ist es wichtig, auf jeder Stufe des Prozesses für klare Verhältnisse zu sorgen und mit offener Kommunikation böse Überraschungen zu vermeiden. Wichtig ist weiterhin, dass der Verkäufer vor Beginn der Verhandlungen einen 116 klaren Plan hat, der die Rollen der Teilnehmer auf seiner Seite festlegt und auch die Preisgrenzen klar definiert. Aus der Art der Preisfindung (Fixpreis vs. Earn Out) sowie des Zeitpunktes 117 des Verkaufs (Kaufpreis-Adjustments vs. Locked Box) ergeben sich verschiedenste Arten der Preisgestaltung, die in der jeweiligen Ausprägung unterschiedlich hohe Risiken bergen. Je nach Intention des Verkäufers können hier schon gewisse Parameter vorgegeben bzw. ausgeschlossen werden.
4. Garantien/Gewährleistungen Ebenso wie die Art der Kaufpreisklauseln werden auch die Garantien und Gewähr- 118 leistungen unterschiedliche Ausprägungen haben. Letztendlich weiß der Verkäufer am besten, worauf er sich einlässt, da er sein Unternehmen kennt. Dabei sollte er jedoch stets bedenken, dass er nach dem Übergang des Unternehmens wenig bis gar keine Einflussmöglichkeiten mehr haben wird. Dies sollte er auch bei den Gewährleistungen/Garantien und speziell deren Laufzeit berücksichtigen. Generell wird der Vertragsentwurf des Verkäufers sehr wenige Garantien und 119 Gewährleistungen beinhalten und sich auf den Inhalt der in den Datenraum eingestellten Dokumente beschränken.
5. Signing/Closing Mit dem Signing ist der eigentliche Verkaufsprozess vollzogen. In den meisten Fäl- 120 len werden aber noch aufschiebende Bedingungen festgelegt werden, die einen
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Kapitel 2 Struktur des Prozesses
weiteren Zeitraum bis zu deren Erfüllung erfordern. Dies ist insbesondere der Fall, wenn eine Fusionskontrolle durchgeführt werden muss. Aus Verkäufersicht ist dieser Zeitraum so kurz wie möglich zu halten. Idealerweise sollte versucht werden, Signing und Closing zeitgleich stattfinden zu lassen, was bei dem Locked Box Mechanismus leichter zu erreichen ist.
Abb. 16: Ressourcenplanung – Endverhandlung
IV. Integrationsphase 121 Diese Phase betrifft im Wesentlichen den Käufer und wurde an anderer Stelle auch
entsprechend beschrieben.
D. Zusammenfassung D. Zusammenfassung 122 Der Unternehmenskauf/-verkauf ist ein Prozess, der inzwischen weitestgehend
festgelegten Regeln folgt. Im Sinne eines positiven Ergebnisses sollten die Beteiligten diese Regeln kennen und sich möglichst akribisch darauf vorbereiten. Sie stellen mit der Entscheidung Weichen für das Gesamtunternehmen und jede Teilentscheidung lenkt den Prozess in eine bestimmte Richtung. Ebenfalls kann ein zu frühzeitiges Bekanntwerden der Kauf-/Verkaufsabsicht verheerende Folgen für alle beteiligten Personengruppen haben. Nicht zuletzt ist die Integration – gerade bei unterschiedlichen Unternehmenskulturen – ein ganz entscheidender Faktor für den langfristigen Erfolg. Daher ist die Kommunikation auf jeder Ebene des Prozesses frühzeitig festzulegen.
Mück
A. Einleitung
47
Kapitel 3 Unternehmensbewertung Kapitel 3 Unternehmensbewertung Schmähling Das Ergebnis einer Bewertung hängt immer von der jeweiligen Gemütsverfassung ab. Damaris Wieser (*1977), deutsche Lyrikerin und Dichterin
A. Einleitung A. Einleitung https://doi.org/10.1515/9783110673043-003 Wie bei allen anderen Verkaufs- bzw. Kaufentscheidungen wird man auch in einer 1 M&A-Transaktion an einen Punkt kommen, an dem sich die Parteien über den Kaufpreis einigen müssen. „Determining how much stock to give up in exchange for invested capital is perhaps the most difficult and least understood aspect of the M&A process.“1 Diese Anmerkung verwundert, da der Wert, der hier ermittelt wird, über die Realisierung der monetären Interessen aller Beteiligten entscheidet. Zu sagen, dass eine M&A-Transaktion ausschließlich über den Kaufpreis entschieden wird, wäre natürlich unzutreffend, jedoch ist diese Größe allein schon durch ihre Messbarkeit und durch die Vergleichbarkeit mit anderen Transaktionen von hoher Bedeutung. Die Bewertung eines Unternehmens und die Kaufpreisfindung nehmen folglich eine zentrale Rolle in jeder M&A-Transaktion ein. Auch wenn es in einem Unternehmenskaufvertrag viele verschiedene rechtliche und operative Stellschrauben gibt, die ebenfalls den vereinbarten Preis beeinflussen, wird fast jede Verhandlung mit dem Aufrufen des Wertes und damit eines Richtwerts für den Kaufpreis eines Unternehmens oder eines Teilbereichs eines Unternehmens eröffnet. Schon vor dem Beginn der Verhandlungen benötigen beide Seiten eine klare Vor- 2 stellung davon, was man für das Unternehmen oder den Unternehmensteil bezahlen will bzw. verlangen kann. Da in der Praxis subjektive Momente, wie z.B. emotionale Werte, die Preisvorstellungen stark beeinflussen, stimmen die Vorstellungen des Käufers fast nie mit denen des Verkäufers überein. Um den eigenen Wert später in den Verhandlungen durchsetzen zu können, ist es wichtig, die jeweils eigene Preisvorstellung weitestgehend belegbar zu machen. Somit spielt die Analyse des Geschäftsmodells und des Unternehmensumfelds eine zentrale Rolle bei der Bewertung. Ist ein erster Wert für das Unternehmen identifiziert, ist es in einem nächsten Schritt wichtig, die eigene Preisvorstellung zum richtigen Zeitpunkt zu kommunizieren.
_____ 1 Bruno/Tyebjee/Anderson, S. 17.
Schmähling https://doi.org/10.1515/9783110673043-003
48
3
Kapitel 3 Unternehmensbewertung
Das Ziel dieses Kapitels ist es nicht, neue Bewertungsansätze oder Methoden zu entwickeln – hierzu gibt es schon mehr als genug gute Literatur –, sondern praxisnahe Hinweise zu geben und Erfahrungen zu teilen.
B. Grundlagen B. Grundlagen I. Der „wahre“ Unternehmenswert 4 Als Berater beim Kauf eines Unternehmens oder von Unternehmensanteilen wird
man häufig gefragt, was das Unternehmen wert sei, mit dem ergänzenden Hinweis, dass man nicht zu viel zahlen wolle. Mit anderen Worten, die Käufer suchen den sogenannten „wahren“ Unternehmenswert. Jedoch, gibt es den einen „wahren“ Unternehmenswert überhaupt? Bei der Antwort auf diese Frage muss man unterscheiden zwischen Bewertungen 5 in Form von Gutachten und den Bewertungen bei M&A-Transaktionen in der freien Marktwirtschaft. Bei gutachterlichen Stellungnahmen ist es das Ziel, das Unternehmen „objektiviert“, also frei von jeglichen subjektiven Einflüssen, zu bewerten (objektiver oder objektivierter Unternehmenswert, Gutachten nach dem IDW S1 Standard).2 In der Praxis ist es dagegen bei M&A-Transaktionen immer wichtig, sich be6 wusst zu machen, dass es bei Käufer und Verkäufer um existenzielle Dinge, wie Geld, Lebenswerk etc. geht, was eine subjektive Beeinflussung der jeweiligen Preisvorstellungen unausweichlich macht. So werden die Preisvorstellungen des Verkäufers etwa von seinen Vorstellungen vom Markt, von der Kundenstruktur, von der Produktqualität beeinflusst, wobei der Verkäufer eher versucht, die positiven Effekte und Chancen herauszuarbeiten und darzustellen, während der Käufer dazu neigt, neben der positiven Grundeinstellung gegenüber dem Investment – ansonsten würde er ja nicht kaufen wollen – eher Risiken wie Kreditrisiken, Insolvenzrisiken etc. abzuwägen und durchzuspielen.3 7 Ein weiterer, nicht zu vernachlässigender Einflussfaktor, der zu abweichenden Preisvorstelllungen der beiden Parteien führt, ist die sogenannte „Informationsasymmetrie“.4 Auch wenn man versucht, diese weitestgehend in dem gesamten Pro-
_____ 2 IDW Verlag IDW S1. 3 Es ist davon auszugehen, dass ein strategischer Investor eine etwas andere Herangehensweise hat und seine Preisvorstellungen höher sind. Neben einigen Ausnahmen in der Praxis, bei denen die gezahlten Werte nicht mehr nachzuvollziehen sind, sollte ein strategischer Investor für Synergien oder den Mehrwert, den er dem Unternehmen bietet, nicht oder nur teilweise zahlen. 4 „Informationsasymmetrie“: Allgemein unterscheidet man folgende Varianten der Asymmetrie: 1. Ex-Ante-Informationsasymmetrie (hidden characteristics; versteckte Eigenschaften), 2. Ex-Post-
Schmähling
B. Grundlagen
49
zess durch Managementgespräche und die Due Diligence zu schließen, wird bis zuletzt immer ein Informationsungleichgewicht zwischen den Parteien herrschen. Zusammenfassend kann man festhalten, dass es bei M&A-Transaktionen den 8 „wahren“ Unternehmenswert als objektive Größe nicht gibt, sondern nur als subjektives Konstrukt. Gleichzeitig muss man sich klarmachen, dass die Begriffe „Wert“ und „Preis“ eines Unternehmens zu unterscheiden sind: Der Wert eines Unternehmens ist das Ergebnis einer Evaluation nach objektiv nachvollziehbaren Methoden (wobei die Wahl der Methode und die eingehenden Parameter durchaus subjektiv beeinflusst sein können), der Preis ist das, was ein Käufer für das Unternehmen zahlt. Die folgende Abbildung 1 zeigt beispielhaft die Entstehung der Preisvorstellung 9 von Käufer und Verkäufer.
Abb. 1: Stellenwert des Kauf-/Verkaufspreises (Preisasymmetrie)
Diese Graphik kann selbstverständlich nicht alle in der Praxis vorkommenden Situa- 10 tionen beschreiben. Speziell mit der Entwicklung des Internets haben sich die Situationen gehäuft, bei denen Unternehmen an der Börse gehandelt oder an Investoren zu Preisen verkauft worden sind, deren Höhe mit keiner der herkömmlichen Bewertungsweisen erklärt werden kann (z.B. Rocket-Internet,5 Facebook oder Skype).
_____ Informationsasymmetrie (nachvertragliche Informationsasymmetrie unterteilt in hidden action und hidden information), Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort Informationsasymmetrie. 5 Siehe http://www.wiwo.de/finanzen/boerse/boersengang-von-rocket-internet-raetselhafte-bewer tung-unbekannte-verluste/10757900-2.html.
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Kapitel 3 Unternehmensbewertung
II. Anlässe für eine Unternehmensbewertung 11 Die Anlässe, warum man ein Unternehmen oder ein Wirtschaftsgut bewertet, sind
vielfältig. Sie reichen von Auseinandersetzungen in Erbschaftsangelegenheiten bis zu Transaktionen von Unternehmen oder Immobilien, von Streitigkeiten bei Scheidungen bis hin zu steuerrechtlichen Fragen. Sie werden meist von Banken, Beratern, Wirtschaftsprüfern, oder anderen Spezialisten durchgeführt. Bewertungen kann man nach verschiedenen Kriterien unterscheiden, ob sie gesetzlich oder wirtschaftlich veranlasst sind, ob es sich um kapitalmarktspezifische oder privatwirtschaftliche Anlässe handelt, oder aber ob man es mit periodischen oder aperiodischen Bewertungen zu tun hat. Die folgende Graphik stellt diverse Anlässe sehr übersichtlich da.
Abb. 2: Zusammenfassung Bewertungsanlässe (in Anlehnung an EAVCA) 12 Für einige Anlässe in der oben dargestellten Graphik existieren Richtlinien, die
zwingend einzuhalten sind (z.B. IDW S1 Standard), oder Empfehlungen, wie man vorgehen sollte. Eine genaue Beschreibung des Anlasses und des Zweckes einer Bewertung ist 13 vor allem deshalb wichtig, weil sich hieraus das zu wählende Bewertungsverfahren ergibt oder sogar vorgegeben wird (steuerliche Bewertung, gutachterliche Stellungnahme etc.).
III. Bewertungsrichtlinien 14 So verschieden die Anlässe, so verschieden sind auch die Richtlinien über die Anferti-
gung einer Bewertung. So regelt zum Beispiel das Bewertungsgesetz (BewG) hauptsächlich die steuerliche Bewertung von Vermögensgegenständen. Auch gesetzliche
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B. Grundlagen
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Bewertungsmaßstäbe werden definiert (z.B. „Der gemeine Wert“ (§ 9 BewG)6/„Der Teilwert“ (§ 10 BewG)7/„Der Ertragswert“ (§ 36 BewG),8 um nur einige zu nennen). In der M&A-Praxis sind, wenn überhaupt, die Standards des IDW relevant, die 15 Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen festlegen, auch wenn diese Standards bei Käufen im Mittelstand oder bei Startups nicht eingehalten werden müssen. Eine Bewertung nach IDW S1 wird vor allem für gutachterliche Zwecke erstellt und in einem Sachverständigengutachten dokumentiert. Bei Veräußerung oder M&A-Transaktionen werden erzielbare Preise für die An- 16 teile des Unternehmens hingegen eher selten auf der Basis des IDW S1 ermittelt. Hier werden in der Regel subjektive Werte anhand der Discounted-CashflowMethode aus der Sicht des Käufers und Verkäufers unter Berücksichtigung individueller Ziele und Chancen abgeleitet und mit der aktuellen Situation auf dem Transaktionsmarkt verglichen, um so eine Vorstellung über einen maximal oder minimal erzielbaren Kaufpreis zu erhalten.
IV. Grundbausteine für eine aussagekräftige Bewertung Vor der ersten Verhandlung über eine mögliche M&A-Transaktion sollten beide 17 Seiten (Käufer und Verkäufer) jeweils eine klare Vorstellung über den Wert bzw. den Preis des jeweiligen Unternehmens haben und diesen dann erst kommunizieren, wenn eine fachgerechte Bewertung durchgeführt wurde. Da die Vorstellungen von Wert und damit auch vom Kaufpreis üblicherweise auseinanderliegen, sollte man unabhängig vom Bewertungsverfahren einige Punkte beachten, um die eigenen Vorstellungen der Gegenpartei gut, plausibel und vor allem belegbar darstellen zu können. Praxistipp 3 Wichtig ist es, die Anzahl der berücksichtigten Variablen im Bewertungsprozess auf die wirklich aussagekräftigen zu beschränken. Sicher kann man Unternehmensbewertungen auch mit vielen Variablen rechnen, deren Eintrittswahrscheinlichkeiten meist kaum zu schätzen sind. Man erreicht dadurch aber lediglich eine Scheingenauigkeit, vergrößert unnötig den Zeitaufwand und erzielt einen höchstens marginalen Mehrwert.
_____ 6 Verkaufspreis, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zu erzielen wäre, siehe http://www. gesetze-im-internet.de/bewg/__9.html. 7 Der Teilwert ist der Betrag, den ein Käufer eines ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde, siehe http://www.gesetze-im-internet.de/ bewg/__10.html. 8 Der Ertragswert findet bei der Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens Anwendung. Er entspricht dem 18-fachen des Reinertrags, den ein solcher Betrieb bei ordnungsgemäßer und schuldenfreier Bewirtschaftung mit entlohnten Arbeitskräften nachhaltig erzielen kann, siehe http://www.gesetze-im-internet.de/bewg/__36.html.
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Kapitel 3 Unternehmensbewertung
18 Folgende Punkte für eine aussagekräftige und nicht anfechtbare Bewertung gilt es
zu berücksichtigen: Grundbausteine für eine Bewertung9
Erläuterung
Bewertungsstichtag
Der Wert eines Unternehmens kann sich immer nur auf einen bestimmten Stichtag beziehen, den man vorab unbedingt festlegen und kommunizieren sollte. Bewertungen, die auf verschiedene Stichtage hin ermittelt wurden, müssen nicht übereinstimmen, da sich Erkenntnisund Informationsstand von Stichtag zu Stichtag unterscheiden können.
Bewertungsanlass
Wie schon erwähnt, sollte der Bewertungsanlass klar definiert sein, da hierdurch oft auch die Bewertungsmethode bestimmt wird. Der Bewertungsanlass kann die Bewertungsprämissen und somit das Resultat der Bewertung deutlich beeinflussen.
Dokumentation
Die sorgfältige Dokumentation der Annahmen und vor allem der hergeleiteten Größen gehören zur Diligence eines Bewerters. Dieser Punkt ist vor allem bei den nachgelagerten Diskussionen (während und nach der Vertragsverhandlung), bei Gutachten und vor allem bei evtl. späteren Gerichtsstreitigkeiten von Bedeutung.
Plausibilisierung der Daten
Der Bewerter ist für die sorgfältige Durchführung der Bewertung verantwortlich. Deshalb sollten alle Daten, die in der Bewertung verwendet werden, einem Plausibilitätscheck unterzogen und daraufhin überprüft werden, ob sie den aktuellen Kenntnisstand am Stichtag widerspiegeln. Besondere Bedeutung bekommt der Plausibilitätscheck der Rohdaten zum Beispiel bei „Carve-outs“, bei denen man häufig auf Daten angewiesen ist, die nicht aus dem herkömmlichen Accounting und Controlling erhältlich sind. Neben der Plausibilisierung der Rohdaten müssen vor allem auch die Planungswerte verifiziert werden.
Plausibilisierung der Bewertung
Auch wenn die Bewertungsdaten plausibilisiert worden sind, sollte man nicht vergessen, die endgültigen Ergebnisse der Bewertung zu verifizieren – z.B. durch Anwendung verschiedener Verfahren auf das Bewertungsobjekt.
3
Praxistipp Glaubt man den Statistiken, verwenden Investmentbanken, M&A-Berater, Corporate Finance Berater und Private Equity Häuser im Schnitt drei Bewertungsverfahren pro Bewertungsfall. Hingegen verwenden Unternehmen oder Steuerberater oft nur ein oder zwei Verfahren.9 Auch wenn es denkbar ist, dass das Ergebnis umso besser und belastbarer ausfällt, je mehr unterschiedliche Methoden verwendet werden,
_____ 9 Henselmann/Barth, S. 9 f.
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C. Arten der Bewertung
Grundbausteine für eine Bewertung9
53
Erläuterung
sollte man sich (schon aus zeit- und arbeitsökonomischen Gründen) auf die sorgfältige und detaillierte Anwendung von zwei oder drei Methoden beschränken.
Identifizierung von Stillen Reserven
Stille Reserven sollte man identifizieren und detailliert evaluieren, da diese das Ergebnis einer Bewertung erheblich beeinflussen können. Beispiel Grundstücke, die nicht zum betriebsnotwendigen Vermögen gehören und mit historischen Anschaffungskosten bilanziert sind, oder unterbewertete Pensionsrückstellungen.
Bewertungsmodell spezifische Bausteine
5
In einigen Bewertungsmodellen gibt es noch individuelle „Bausteine“, die man berücksichtigen sollte – auf die unter dem jeweiligen Verfahren hingewiesen wird.
Tab. 1: Grundbausteine einer Bewertung10
C. Arten der Bewertung C. Arten der Bewertung I. Vorbemerkungen Verfahren zur Bewertung von Sachanlagen, Grundstücken, Immobilien oder von 19 Unternehmen gibt es seit langer Zeit. So hat man schon im Mittelalter beim Handel einen Wert festgelegt, der sich aus einem Materialwert und einem persönlichen Wert zusammensetzte. „Der Wert eines Gutes ist der Grad seiner Brauchbarkeit zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks.“11
Ohne die Kenntnis des wirklichen und aktuellen Unternehmenswerts können Betei- 20 ligungsgesellschaften oder Unternehmen etc. keine rationale Entscheidung über ein
_____ 10 Siehe http://www.frankfurt-main.ihk.de/unternehmensfoerderung/unternehmensnachfolge/ wirtschaftliche_vorbereitung/unternehmensbewertung/. 11 Stützel, Sp. 4404.
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25
Kapitel 3 Unternehmensbewertung
angestrebtes Investment treffen. Somit gehört eine umfassende Methodenkompetenz für die Berechnung des Unternehmenswertes zum grundlegenden Handwerkszeug eines M&A-Beraters oder Mitarbeiters in einer M&A-Abteilung. Oft wird übersehen, dass Unternehmensbewertung nicht nur finanzielle Aspekte umfasst, sondern auch rechtliche, strukturelle und sogar personelle Aspekte, z.B. auch die Bewertung des Managements eines Unternehmens. Alle diese Aspekte sollten in die Bewertung einfließen und möglichst einem finanziellen Wert zugeordnet werden. So lassen sich z.B. auch rechtliche Unsicherheiten eventuell in einer monetären Form in der Bewertung berücksichtigen. Bislang hat noch niemand die endgültige Formel zur Ermittlung des adäquaten Preises für ein Unternehmen gefunden. Solange subjektive Einflüsse eine große Rolle spielen, werden immer Diskrepanzen zwischen Käufer und Verkäufer existieren, egal welches Verfahren man verwendet. In den vergangenen Jahrzehnten hat man die Bewertungsverfahren durch statistische Methoden und Schätzverfahren weiterentwickelt und versucht, die Bewertungen adäquater und präziser zu machen. In der Praxis finden solche Verfahren seit geraumer Zeit mehr Berücksichtigung, jedoch werden sie meist nur von Wissenschaftlern, Bewertungsspezialisten verwendet und weniger von M&A-Beratern oder Corporate M&A-Abteilungen. Es gibt jedoch einige Methoden, die sich durch ihre gute Anwendbarkeit und Verständlichkeit auszeichnen und die vor allem über längere Zeit bewiesen haben, dass sie gute Näherungswerte liefern. Im Folgenden soll ausführlicher nur auf die praxisrelevanten Methoden eingegangen werden.
II. Übersicht über verschiedene Methoden der Bewertung 26 Es gibt eine Vielzahl von Methoden, die zu einer Bewertung eines Unternehmens
führen. So vielseitig wie die Methoden, so unterschiedlich sind auch die Herangehensweisen. Der Vorteil und Nutzen dieser Methodenvielfalt ist vor allem, dass man eine 27 Bewertung mit Hilfe weiterer Methoden (bei gleichen Annahmen) verifizieren oder wenigstens plausibel machen kann. Dies setzt voraus, dass sich bei gleichen Annahmen in allen Bewertungsmethoden auch die gleichen Unternehmenswerte ergeben. Diese These stimmt jedenfalls für die Verwendung der DCF-Varianten, bei deren Anwendung nur deutlich differierende Annahmen zwischen Käufer und Verkäufer zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Die Wahl der Bewertungsmethode hängt vor allem von dem augenblicklichen 28 Entwicklungsstadium des Unternehmens ab. Für ein Startup-Unternehmen wird man ein anderes Verfahren wählen als für ein Unternehmen in der Wachstumsphase oder in einer Krisensituation.
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D. Gesamtbewertungsverfahren
55
Die Einteilung der Methoden wird in der Literatur sehr unterschiedlich gehand- 29 habt. Für die Zwecke dieses Buches erscheint es sinnvoll, die Verfahren in drei Gruppen zu gliedern:
Abb. 3: Eingruppierung der Bewertungsverfahren
Sehr häufig findet man auch nur die Aufteilung in Einzel- und Gesamtbewer- 30 tungsverfahren, die Mittelwertverfahren werden nicht berücksichtigt. Dafür wird dann aber bei den Gesamtbewertungsverfahren zwischen Brutto- und Nettomethoden unterschieden. Wichtig ist jedoch nicht, dass man die Verfahren richtig einteilen kann, sondern dass man die Vor- und Nachteile der in der Praxis relevanten Methoden kennt und – das ist der wichtigste Grundsatz in der Praxis – dass man ein Unternehmen nicht nur mit einer Methode bewertet. Im weiteren Verlauf dieses Kapitels werden die für die Praxis relevanten Metho- 31 den so dargestellt, dass einerseits die Grundideen verständlich werden, die hinter diesen Methoden stehen, andererseits auch die Stärken und Schwächen der einzelnen Methoden. Insbesondere geben wir Hinweise darauf, worauf man bei der jeweiligen Methode achten muss. Besonderes Augenmerk liegt auf der DiscountedCashflow-Methode und dem Multiplikatorverfahren (Peer Group Analysis), die in der Praxis am weitesten verbreitet sind.
D. Gesamtbewertungsverfahren D. Gesamtbewertungsverfahren I. Discounted-Cashflow-Methode (DCF-Methode) 1. Grundgedanke Wie bereits der Name nahelegt, orientiert sich die DCF-Methode (anerkannt bei der 32 IDW als zum Ertragswertverfahren gleichberechtigtes Bewertungsverfahren für Unternehmensbewertungen in Deutschland) am Cashflow eines Unternehmens. Die
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Kapitel 3 Unternehmensbewertung
nicht aus der Buchhaltung hergeleitete Größe „Cashflow“12 wird deshalb gerne bevorzugt, weil sie sich durch ihre Resistenz gegenüber Bilanzmanipulationen auszeichnet.13 Der Cashflow hat jedoch nicht nur diesen Vorteil, er liefert die entscheidende Maßzahl des Unternehmenserfolgs, die die finanzielle Wertschöpfung des Unternehmens abbildet und für den Käufer oder auch für Banken als die entscheidungsrelevante Größe gesehen wird.14 Im Rahmen der Unternehmensbewertung bestimmt die DCF-Methode den 33 Marktwert der Eigenkapitalanteile. Dazu wird durch die Abdiskontierung zukünftiger Cashflows sowie die Hinzurechnung des Endwertes des Unternehmens am Ende einer Planungsperiode und des Marktwerts der nicht betriebsnotwendigen Vermögensteile zunächst der Wert des Gesamtkapitals ermittelt. Kurz gesagt, die jeweiligen Überschussgrößen der folgenden Wirtschaftsjahre, 34 abgezinst mit dem Kalkulationszinsfuß ergeben einen Barwert, der den Unternehmenswert beschreibt. Somit lässt sich die DCF-Methode (analog zur Ertragswertmethode) durch die folgende allgemein gültige Formel darstellen:15 n
UW = ∑ CFt /(1 + i)t + TV
(2)
t =0
UW t CFt i n TV
= = = = = =
Unternehmenswert Zeitpunkt Cashflow zum Zeitpunkt t Kalkulationszins Planungszeit/Lebensdauer Terminal Value
35 Diese Formel und damit das Berechnungsverfahren stimmen für die Equity- und die
Entity-Methode16 formal überein. Es ist jedoch zu beachten, dass sich die einzusetzenden Werte für die Cashflows und den Kalkulationszins – wie im Folgenden erläutert – jeweils unterscheiden. Außerdem muss man beim Entity-Verfahren von
_____ 12 Cashflow: „Die Grundidee des Cashflow besteht darin, die dem Jahresabschluss anhaftende mangelnde Aussagefähigkeit bezüglich der finanzwirtschaftlichen Lage einer Unternehmung dadurch zu beheben, dass dem Bilanzleser ein Einblick in die durch den Geschäftsbetrieb induzierten Zahlungsströme bzw. deren Saldo gegeben wird. Die Kennzahl [...] soll dem Bilanzanalytiker somit Informationen über den Mittelzufluss aus dem Umsatzprozess und damit über die Selbstfinanzierungskraft der Unternehmung geben.“ – zitiert nach Dichtl/Issing. 13 Rappaport, S. 20. 14 Buchner, WiSt, S. 513. 15 Weitnauer, S. 274 f. 16 Die Entity-Methode wird auch WACC-Ansatz genannt, dabei steht WACC für Weighted Average Cost of Capital.
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D. Gesamtbewertungsverfahren
57
dem erhaltenen Wert anschließend u.a. noch den Marktwert des Fremdkapitals subtrahieren (weitere Anpassungen s. Abb. 11), um den Equity-Wert zu erhalten.17 Das wichtigste Merkmal der DCF-Methode ist, dass sie den „time value of mo- 36 ney“ berücksichtigt: „An essential feature of the DCF technique is that it explicitly takes into account that a dollar received today is worth more than a dollar received a year from now, because today’s dollar can be invested to earn a return during the intervening time.“18
2. Verschiedene Varianten der DCF-Methode Es existiert eine ganze Reihe von Varianten der DCF-Methode. Man unterscheidet 37 zwischen Bruttomethoden und Nettomethoden. Am weitesten verbreitet sind die Entity- und die APV-Methode (Adjusted-Present-Value), die zu den Bruttomethoden (wie auch der Total Cashflow Ansatz) gehören, die Equity-Methode, die zu den Nettomethoden gehört (wie z.B. auch das Ertragswertverfahren oder das DividendDiscount-Model). Der Unterschied zwischen Brutto- und Nettomethoden liegt darin, dass die beiden Methoden unterschiedlich mit den Fremdkapitalkosten umgehen und somit auch unterschiedliche Diskontierungsfaktoren verwenden. Nettomethoden ermitteln das Eigenkapital direkt, Bruttomethoden ermitteln zunächst den Gesamtwert des Unternehmens.
Abb. 4: Die verschiedenen Varianten der DCF-Methode
a) Entity-Methode Die zu diskontierende Überschussgröße wird aus dem Brutto-Cashflow vor Zinsen 38 und nach Steuern definiert. Man nimmt hier an, dass dieser Brutto-Cashflow jährlich dem Unternehmen entnommen wird und den Eigenkapitalgebern und den
_____ 17 Siehe auch Tabelle 2. 18 Rappaport Harvard Business Review S. 101.
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Kapitel 3 Unternehmensbewertung
Fremdkapitalgebern zufließt. Der Brutto-Cashflow kann indirekt19 oder direkt20 festgelegt werden. Berechnung des Diskontierungssatzes: 39
i = k EK × EK FK GK kEK kFK
= = = = =
EK FK + kFK × GK GK
(4)
Marktwert des Eigenkapitals Marktwert des Fremdkapitals Marktwert des Gesamtkapitals (GK = EK + FK) Eigenkapitalkosten Fremdkapitalkosten
b) Equity-Methode 40 Hier werden die an die Eigenkapitalgeber fließenden Zahlungsströme kapitalisiert.
Im Gegensatz zum Entity- oder WACC-Ansatz werden hier alle Zins- und Tilgungszahlungen sowie die Steuerersparnisse berücksichtigt (deshalb wird der Cashflow auch als Netto-Cashflow bezeichnet). Da bei der Ermittlung des Netto-FreeCashflows die Fremdkapitalkosten berücksichtigt sind, müssen sie bei der Diskontierung nicht mehr gesondert betrachtet werden. Daraus folgt, dass der Diskontierungssatz i der sich aus dem WACC ergebende Eigenkapitalkostensatz nach Steuern ist:21
i = k EK
(5)
c) APV-Methode 41 Ein weiteres, jedoch nicht so weit verbreitetes Bruttoverfahren ist die Adjusted-
Present-Value-Methode (kurz APV-Methode), die im Ansatz der WACC-Methode entspricht. Hier geht die Berechnung zunächst vom Wert eines unverschuldeten Unternehmens aus. Die Steuer- und Finanzierungseffekte werden in einem zweiten Schritt einbezogen (auch als „Konzept des angepassten Barwertes“ bekannt):
_____ 19 Indirekte Methode: Hier wird der Cashflow aus dem Periodengewinn (-verlust), neutralisiert um die nicht zahlungswirksamen Erträge und Aufwendungen, ermittelt. Ebenso können die erfolgsneutralen Zu- und Abflüsse berücksichtigt werden. Vgl. Dichtl/Issing, S. 374. 20 Direkte Methode: Der Brutto-Cashflow ist lediglich die Differenz zwischen den zahlungswirksamen Aufwendungen und Erträgen. 21 Weitnauer, S. 276 f.
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D. Gesamtbewertungsverfahren
1.
2.
59
Zunächst wird der Marktwert des Gesamtunternehmens unter der Prämisse berechnet, dass keine Fremdfinanzierung zugrunde liegt. Kapitalisiert wird nicht mit dem gewogenen Kapitalkostensatz, sondern nur mit dem Eigenkapitalkostensatz, der sich ergeben würde, wenn das Unternehmen frei von Fremdfinanzierung wäre. In einem zweiten Schritt werden die steuerlichen Vorteile einer Fremdfinanzierung berücksichtigt.22
Letztendlich erhält man dann wie beim WACC-Ansatz den Wert des Eigenkapitals, 42 indem man den erhaltenen Unternehmenswert um das Fremdkapital und weitere Größen korrigiert. Praxistipp 3 Die APV-Methode hat den Vorteil, dass man den Wert des operativen Geschäfts sieht. Außerdem führt die Tatsache, dass bei der APV-Methode die steuerlichen Auswirkungen einer Fremdfinanzierung von Verlustvorträgen getrennt ermittelt werden, zu einer höheren Transparenz bei der Berechnung des Eigenkapitalwerts. Deshalb wird der Ansatz gerne bei LBOs verwendet.
Praxistipp 3 Eine Bewertung nach der DCF-Methode geht immer von einer Vollausschüttungsthese aus (sonst kommt es zu hohen Finanzmitteln, was bedeuten würde, dass man das Beta dementsprechend anpassen müsste – Cash hat ein anderes Risikomaß als Eigenkapital und Fremdkapital). Oft wird in der Praxis vernachlässigt, dass es sich bei Fremdkapital und Eigenkapital um Marktwerte handelt.
Die folgende Tabelle fasst die Unterschiede der drei Methoden zusammen:
Zahlungsströme
43
Entity-Ansatz
APV-Ansatz
Equity-Ansatz
Freier Cashflow: – vor Bedienung der Eigen- und Fremdkapitalgeber – nach bei Eigenfinanzierung zu zahlenden Steuern
1. Freier Cashflow: – vor Bedienung der Eigen- und Fremdkapitalgeber – nach bei Eigenfinanzierung zu zahlenden Steuern 2. Periodische Steuervorteile aus Fremdfinanzierung
Freier Cashflow: – nach Bedienung der Fremdkapitalgeber – nach bei anteiliger Fremdfinanzierung zu zahlenden Steuern
_____ 22 Hayn, S. 180 ff.
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Entity-Ansatz Kapitalisierungs- – zins –
Berechnung des Marktwerts des EK
Eigenkapitalkostensatz bei anteiliger Fremdfinanzierung Risikoloser Zinssatz abzüglich relativer Steuervorteile aus Fremdfinanzierung
Abzug des Fremdkapitalwerts vom Unternehmenswert
APV-Ansatz
Equity-Ansatz
–
–
–
Eigenkapitalkostensatz bei Eigenfinanzierung Risikoloser Fremdkapitalsatz
Abzug des Fremdkapitalwerts vom Unternehmenswert
Eigenkapitalkostensatz
Direkte Berechnung
Tab. 2: Gegenüberstellung der DCF Verfahren (Quelle: Weitnauer, S. 27) 44 Es ist unerheblich, welche Methode man wählt, da die Methoden bei gleichen An-
nahmen zu denselben Ergebnissen führen. Auch wenn der APV Ansatz von der Herangehensweise und von der Handhabung am einfachsten erscheint, hat sich in der Literatur und auch in der Praxis der Entity-Ansatz durchgesetzt. Dies ist wohl auch darauf zurückzuführen, dass der WACC eines Unternehmens mittlerweile zu einer Standardkennzahl geworden ist und diese Größe auf Bloomberg, Reuters usw. abrufbar ist.
3. Schätzung der einzelnen Parameter 45 Wenn man die Bewertungsmethode identifiziert hat, die am besten zu dem zu Grun-
de liegenden Bewertungsanlass passt, steht und fällt die Qualität des ermittelten Unternehmenswertes mit der sorgfältigen Herleitung der einzelnen Parameter und Variablen, die in die Bewertung einfließen. Bei der DCF-Methode handelt es sich hauptsächlich um drei Parameter, die ge46 schätzt werden müssen und bei deren Schätzung es einige Schwierigkeiten zu überwinden gilt.
a) Free Cashflow 47 Der Free Cashflow, sei es ein Brutto- oder Netto-Cashflow, ist der zentrale Parame-
ter, den man für eine Bewertung mit Hilfe der DCF-Analyse braucht.
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D. Gesamtbewertungsverfahren
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Abb. 5: Berechnung des operativen Free Cashflows & Cashflows to Equity
Die Abbildung 5 zeigt links die Berechnung des Free Cashflows für die Verwendung 48 der Entity-Methode, rechts für den Equity-Ansatz. Ausgangsbasis für beide ist der EBIT des Unternehmens. Die anderen Größen wie Abschreibungen, Investitionen und vor allem die Änderung des Working Capitals setzen ebenfalls eine detaillierte, sorgfältige und integrierte Planung voraus. Welche Daten und Unterlagen man für die Planung benötigt, hängt sicher auch 49 vom Zweck der Bewertung ab. So wird ein Gutachten eine höhere Detailgenauigkeit verlangen als eine Bewertung, die nur einer Wertindikation dient. Benötigte Unterlagen
Beschreibung
Vergangenheitsdaten
Unterlagen: G&V, Bilanz sowie Kapitalflussrechnung, Abschreibungsplan und detaillierte Auflistung der getätigten Investitionen (für einige Firmen sind noch weitere Informationen notwendig) Ziel: Verständnis der Umsatzstruktur, Kostenstruktur, Kundenstruktur, Investitionsintensität, Investitionszyklen und Markteinflüsse – Hier gilt es vor allem, auch mögliche Engpässe, Kosten und Umsatzdriver zu identifizieren und zu verstehen. Dabei sind verschiedene Fragen zu beantworten, wie z.B. „Wie lang sind die normalen Produktzyklen?“ etc. Hinweis: Man sollte, wenn möglich, die letzten drei bis vier Jahre betrachten um die oben aufgeführten Trends und Effekte zu identifizieren und analysieren zu können. 3 Praxistipp Die Daten müssen unbedingt von Sondereinflüssen bereinigt werden – wie Änderung der Bilanzmethodik, nicht fortgeführte Bereiche, außerordentliche Einnahmen, sonstige Sondereffekte etc.
Schmähling
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Kapitel 3 Unternehmensbewertung
Benötigte Unterlagen
Beschreibung
Wettbewerberdaten
Unterlagen: Hilfreich sind hier meist Jahresabschlüsse, Börsennachrichten, Analystenberichte etc. Ziel: Position und Stärke der Wettbewerber, Aufstellung im internationalen Umfeld, Strategie, finanzielle Situation etc. identifizieren und verstehen.
3
Praxistipp Hier sollte man sich immer die Frage stellen, inwieweit der Wettbewerber zukünftige Umsätze, Entwicklungen etc. beeinflussen kann – besitzt ein Wettbewerber z.B. einen Gebietsschutz oder Patente, die Einfluss auf das zu bewertende Unternehmen haben könnten?
Markt- und Trendanalysen Unterlagen: Branchenberichte, Wirtschaftsprognosen, Trendberichte, (Expertenmeinungen) Produktentwicklungen etc. Ziel: Verstehen des Marktes und des Produktes sowie der Trends der Branche, mögliche Fortschritte und Trendmuster. 3
Praxistipp Wiederum ist es wichtig, dass man sich nicht im Detail verliert, sondern nur die Trends und die Einflussgrößen herausarbeitet, die tatsächlich einen quantifizierbaren Einfluss auf das eigene Geschäft haben könnten.
Hinweis: Wege und Methoden, die „Driver“ oder interne & externe Einflussfaktoren herauszuarbeiten, findet man in jedem Strategie- oder strategischem Controlling-Handbuch (z.B. Globale Perspektive – PESTE-Analyse / Wettbewerber: Porter Five Forces, Kundensegmentanalyse etc. Unternehmensanalyse: Wertschöpfungskette, 7S, SWOT etc.) Wie detailgenau man die Unterlagen und eine Planung vorbereitet, hängt auch von dem Ziel der Bewertung ab. Im Gegensatz zu Gutachten reicht es bei einigen Firmen häufig schon aus, eine PlanG&V zu erstellen und den Cashflow durch hergeleitete Annahmen zu ermitteln.
Zu erstellende Unterlagen
Beschreibung
Investitions- und Abschreibungstabellen
Ziel: Die Investitionsintensität und vor allem die Investitionszyklen sollten sorgfältig herausgearbeitet werden, da diese unmittelbaren Einfluss auf die zukünftigen Finanzmittel und den Cashflow haben. Praxistipp Neben dem Verständnis der Zyklen ist es wichtig zu erkennen, ob es eventuell Investitionsstaus gibt oder Erweiterungs- und Expansionsinvestitionen etc. zu berücksichtigen sind, die für die Erreichung des geplanten Umsatzes notwendig wären.
3
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D. Gesamtbewertungsverfahren
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Zu erstellende Unterlagen
Beschreibung
Plan-G&V
Ziel: Klare und nachvollziehbare Darstellung der zukünftigen Entwicklung der Umsatz-, Kosten- und Profitlage. Praxistipp 3 Für Außenstehende ist es meist mit sehr erheblichem Aufwand verbunden, eine aussagekräftige Planung zu erstellen. Hier sollte man sich vor allem auch auf die Erfahrungswerte der Gesellschafter und von Branchenexperten berufen. Außerdem sollten die Entwicklungen des jeweiligen Markts, der Wettbewerber sowie z.B. die Standort- und Produktstrategie berücksichtigt werden. Um die Glaubwürdigkeit einer Bewertung/Planung zu erhöhen, sollte die Umsatzplanung auf nachvollziehbaren Fakten beruhen, z.B. auf Rahmenverträgen, vergangenen Gewinnraten bei Ausschreibungen, Neukundengewinnungsraten. Es ist unwahrscheinlich, dass man ohne erhöhte Investitionen mit gleicher Kostenstruktur diese Raten drastisch anheben wird. Geht man von hohen Anfangswachstumsraten aus, wird es meist zwangsläufig zu Konvergenzprozessen kommen. Handelt es sich bei dem zu bewertenden Unternehmen um ein Unternehmen mit verschiedenen Sparten, so sollte die Planung der G&Vs, der Investitionen und Abschreibungen etc. jeweils zunächst auf Spartenebene stattfinden, um die Werte dann erst zu aggregieren. Hintergrund hierfür ist, dass die verschiedenen Bereiche unterschiedlich schnell wachsen und somit der Personalaufwand, Abschreibungen und Investitionsraten etc. sehr unterschiedlich sind. Einer der wichtigsten Schritte ist die Plausibilisierung der Daten (Margen, Investitionsraten, Umsatzrenditen, Verbindlichkeiten – Verifizierung mit internen und externen Daten).
Planbilanz & Cashflow Statement
Ziel: Darstellung der Entwicklung der einzelnen Bilanzpositionen (Anlage, Working Capital Struktur etc.) und vor allem der zukünftigen Liquiditätssituation des Unternehmens.
Weitere Parameter für die Planung
Steuerrate(n), Prozentsatz der Personalnebenkosten, Mietpreise, Materialkosten etc.
Planungshorizont
Normalerweise sollte die Planung bis zum sogenannten „eingeschwungenen Zustand“ fortgeschrieben werden, d.h. bis zu dem Zeitpunkt, ab dem das Unternehmen nur noch mit einer unendlichen Wachstumsrate weiter wächst. „A common practice is to forecast Cashflows period by period until the level of uncertainty makes management too „uncomfortable“ to go any further […]. Five or ten years appears to be an arbitrarily set forecasting duration used in many situations. A better approach suggested that the forecast duration for Cashflows should continue only as long as the expected rate of return on incremental invest
Schmähling
64
Kapitel 3 Unternehmensbewertung
Zu erstellende Unterlagen
Beschreibung ment required to support forecasted sales growth exceeds the cost of capital rate.“23 In der Praxis erhält man als Bewerter meistens nur eine Planung für ca. zwei bis drei Jahre (maximal fünf Jahre) vom Management des Unternehmens. Bei kleinen Unternehmen bekommt man zum Teil auch keine Planung oder auch nur für das laufende Planjahr. Oft wird meist auf Basis dieser Annahmen oder nach einer kurzen Anpassungsphase schon das Endwertwachstum angenommen. Praxistipp Wenn eine Planung bis zum „eingeschwungenen Zustand“ nicht möglich ist, ist es ratsam, den Terminal Value Cashflow sowie die Investitions- und die Abschreibungsrate etc. mit der unendlichen Wachstumsrate anzupassen. Vor allem die Anpassung der Abschreibungen erfolgt über eine große Zeitspanne, bis sie letztendlich mit der Rate des „eingeschwungenen Zustandes“ weiterwachsen würden.
Startups
3
Die Planung bei Startup-Unternehmen stellt sich meist etwas schwieriger dar als bei anderen Unternehmen, da es hier noch keine Vergangenheitswerte oder Erfahrungswerte gibt. Eine genauere Marktanalyse und Absatzanalyse wird notwendig sein, um ein eventuelles Umsatzpotential herauszuarbeiten. Auch weiterreichende Markt- und Wettbewerbsanalysen sind notwendig. Im Gegensatz zu den USA ist in Deutschland/Europa der Markt der Startups nicht so transparent. In den USA gibt es Statistiken über die Überlebenswahrscheinlichkeiten von Startups je nach Alter des Unternehmens. Praxistipp Man sollte andere Startups aus der gleichen Branche oder aus ähnlichen Branchen zum Vergleich heranziehen, um die Entwicklung zu verifizieren (hierzu helfen vor allem Vergleichskennzahlen der einzelnen Entwicklungsphasen). Mittel- und langfristig kann man davon ausgehen, dass sich die Umsatzraten, die Kostenstruktur sowie die Bilanzstrukturen dem Markt angleichen werden. Mit anderen Worten, man sollte eine überdurchschnittliche Wert- und Margenentwicklung genau hinterfragen.
Tab. 3: Benötigte Unterlagen für eine DCF-Bewertung 50 Da der Cashflow die Basis und die wichtigste Variable der DCF-Methode darstellt,
muss man sicherstellen, dass die Planung mit der nötigen Sorgfalt durchgeführt
_____ 23 Rappaport Harvard Business Review, 1979, S. 101 f.
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D. Gesamtbewertungsverfahren
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wird und auch genügend Zeitressourcen hierfür eingeplant werden. Zu häufig sieht man in der Praxis, dass Standardwachstumsraten und Kostenstrukturen herangezogen und zu wenig oder gar nicht hinterfragt werden. Dies kann zu überhöhten Kaufpreiszahlungen führen, die dann im schlimmsten Fall zu einem späteren Zeitpunkt durch Abschreibungen auf den Goodwill wieder bereinigt werden müssen.
b) Diskontierungssatz Es gibt zahlreiche Bücher, die die Herleitung der Diskontierungsrate und deren Va- 51 riablen in aller Ausführlichkeit diskutieren. Einige dieser Bücher sind sehr theorielastig und verwenden komplexe Methoden, um eine oder die geeignete Diskontierungsrate herzuleiten. Fraglich ist jedoch, ob sich dieser meist erhebliche Aufwand lohnt und nicht nur zu Scheingenauigkeiten führt. Es gilt also, eine Rate zu finden, die trotz einer gewissen Ungenauigkeit einen passablen Wert hat. Wie wichtig jedoch die Wahl eines passablen Diskontierungsfaktors ist, kann man an der nachstehenden Graphik sehen, bei der in einem Beispiel die einzelnen Variablen verändert wurden, um deren Einfluss darzustellen.
Abb. 6: Änderung des Unternehmenswertes bei Variierung der Variablen des Diskontierungsfaktors
In der Praxis hat sich, wenn auch meist in einer vereinfachten Form, der WACC- 52 Ansatz durchgesetzt. Diskontiert wird die Überschussgröße mit dem WACC, der die Eigenkapital- und die Fremdkapitalanteile (unter Berücksichtigung des so genannten Tax Shields (1-su)) unterschiedlich gewichtet (Basis ist das CAP-Model). Der WACC berechnet sich wie folgt:
Schmähling
66
Kapitel 3 Unternehmensbewertung
WACC = ⎡
EK
⎢⎣ GK
FK × rf + ß × ( MRP ) + a ⎤ + ⎡ × ( k FK × (1 − sU )) ⎤ ⎥⎦ ⎢⎣ GK ⎥⎦
(
)
(6)
Variable
Erklärung
EK/GK bzw. FK/GK
Marktwert des Eigenkapitals bzw. Fremdkapitals24 im Verhältnis zum Gesamtkapital – siehe Rn 53 aa)
rf
Rendite einer risikolosen Anlage – siehe Rn 57 bb)
β
Betafaktor des Unternehmens – siehe Rn 59 cc)
MRP
Marktrisikoprämie (rMarkt – rf) – siehe Rn 67 dd)
α
Sog. Size Premium – siehe Rn 68 ee)
kFK
Fremdkapitalkosten des Unternehmens – siehe Rn 71 ff)
sU
Steuerquote des Unternehmens – wird nicht gesondert erklärt
3 Praxistipp Einige Unternehmen verwenden anstelle eines WACC auch die vergangene ROCE Rate des eigenen Unternehmens. Sicherlich kann dies zu einer Vereinfachung der Bewertung von Investitionsvorhaben führen, jedoch besteht die große Gefahr, dass man einige Vorhaben damit weit über- oder unterbewertet.
aa) EK/GK oder FK/GK 53 Die Formel 6 berücksichtigt nur zwei Kapitalquellen, das Eigenkapital und das
Fremdkapital. Jedoch könnten gegebenenfalls auch ein Mezzanine-Kapital oder weitere Finanzierungskomponenten durch eine entsprechende Anpassung der Formel zu berücksichtigen sein. Zu beachten ist, dass man zur Berechnung des WACC die Marktwerte des Fremd- und Eigenkapitals verwendet. Fremdkapital: Der Marktwert des Fremdkapitals (nur zinstragende Verbind54 lichkeiten) ist verhältnismäßig einfach herzuleiten. In den meisten Fällen kann der aktuelle Buchwert als Marktwert angenommen werden, vorausgesetzt die Finanzierungskonditionen entsprechen den momentanen Marktkonditionen. Weichen die Konditionen zu sehr von den Marktkonditionen ab, muss man die Fremdkapitalkosten nochmals gesondert mit den entsprechenden Zinssätzen unter Berücksichtigung des individuellen Unternehmensrisikos anpassen. Ist davon auszugehen, dass das Unternehmen seine Finanzierungsstrategie zukünftig ändert, sollte man dies ebenfalls berücksichtigen.25
_____ 24 Ernst/Schneider/Thielen, S. 48 ff. 25 Ernst/Schneider/Thielen, S. 48 ff.
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D. Gesamtbewertungsverfahren
67
Eigenkapital: Wenn man es bei der Bewertung mit einem Unternehmen zu tun 55 hat, das nicht gelistet ist, ist die Herleitung des Marktwertes des Eigenkapitals etwas schwieriger. Man hat dann ein klassisches Zirkelproblem, das es auf die eine oder andere Weise zu lösen gilt. Zum einen kann man dies mit Hilfe von Excel und iterativen Prozessen bewältigen, zum anderen könnte man den Equity-Wert mit Hilfe eines Ertragswertes bestimmen und diesen als Eigenkapitalwert verwenden. Außerdem ist es auch möglich, die Verhältnisse aus vergangenen Transaktionen oder die Kapitalstruktur von vergleichbaren Unternehmen zugrunde zu legen. Der Vollständigkeit halber soll in diesem Zusammenhang auch auf die Möglich- 56 keit hingewiesen werden, den WACC mit Hilfe einer Zielkapitalstruktur zu berechnen.
bb) Rendite einer risikolosen Anlage Der Einfachheit halber wird oft der Zins 30-jähriger Staatsanleihen (Restlaufzeit) von 57 stabilen (was auch immer das heutzutage noch heißen mag) Volkswirtschaften herangezogen. Obwohl sich dabei das Problem der Laufzeitäquivalenz stellt (wenn man von einer unbegrenzten Lebenszeit des Unternehmens ausgeht, so sollten die herangezogenen Daten dieser entsprechen), bilden 30-jährige Anleihen eine gute Annäherung, da keine Kapitalanlagen mit unendlicher Laufzeit existieren. Man sollte jedoch diesen Zinssatz noch um den derzeitigen CDS (Credit Default Swap) bereinigen. Der FAUB (Fachausschuss für Unternehmensbewertung und Betriebswirtschaft 58 des IdW) empfiehlt für die Herleitung des risikolosen Zinses in Deutschland die Svensson-Methode. Hier wird die risikofreie Rendite aus der beobachtbaren Zinsstrukturkurve abgeleitet. Die Schätzung von Zerobond-Zinssätzen erfolgt auf Basis beobachtbarer Umlaufrenditen von Bundesanleihen, Bundesobligationen etc. mit mindestens einer Restlaufzeit von drei Monaten, aus denen dann Zerobond-Zinssätze mit möglichst langer Restlaufzeit errechnet werden. Hierzu gibt es einige Quellen im Internet, die diese Strukturkurve regelmäßig zur Verfügung stellen. Die favorisierte Variante ist nicht der Horizont über 99 Jahre, sondern die Berechnung eines Terminal Values nach 30 Jahren. Praxistipp 3 Selbstverständlich sollte man sich die Frage stellen, ob die derzeitigen, schon sehr lange anhaltenden, niedrigen Zinswerte auch für die Zukunft anzunehmen sind.
cc) Betafaktor (1) Beta des Unternehmens „Der Faktor Beta (ß) quantifiziert die Sensitivität, d.h. die Kovarianz der Wertent- 59 wicklung eines einzelnen Papiers mit den sich im Marktportfolio widerspiegelnden
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Kapitel 3 Unternehmensbewertung
Gesamtmarktwertveränderungen.“26 Kurz gesagt, das Beta gibt die Sensitivität eines Unternehmens (Wertpapiers) bezüglich des Referenzmarktportfolios wieder (Deutschland: DAX o. CDAX; USA: S&P 500; etc.).27 Relativ einfach ist die Herleitung des Betafaktors bei Unternehmen, die bör60 sennotiert sind, da hier auf öffentlich zugänglichen Portalen die notwendigen Informationen vorhanden sind. Bei den meisten Transaktionen handelt es sich jedoch um Unternehmen, die nicht an der Börse gehandelt werden, die eine je eigene Kapitalstruktur besitzen mit einem dementsprechend jeweils eigenen Risiko. Die erforderlichen Daten sind in diesen Fällen jedoch nicht öffentlich zugänglich, man unterscheidet deshalb zwei Arten von Betas, das unlevered Beta (ßu = ßcurrent/(1 + (1 – sU) × FK/EK) und das levered Beta (ßlevered = ßunlevered × (1 + (1 – sU) × FK/EK)). Wenn ein Unternehmen nur durch Eigenkapital finanziert ist, spricht man von einem unlevered Beta, bei Aufnahme von Fremdkapital von einem levered Beta.28 Bei der Variablen sU handelt es sich um die Steuerquote des jeweiligen Unter61 nehmens, dessen Beta unlevered wird. Beim „relevern“ wird dann die Steuerquote des Bewertungsobjektes verwendet. Bei der Verschuldung FK handelt es sich nur um die zinstragenden Verbindlichkeiten und bei EK um das Eigenkapital (beide Größen wieder zu Marktwerten des jeweiligen Unternehmens). Nimmt man Betafaktoren aus der Industrie oder von börsennotierten Ver62 gleichsunternehmen, muss man diese zunächst unlevern, um diese danach dann mit der eigenen Verschuldungsstruktur wieder anzupassen.
(2) Beta von vergleichbaren Unternehmen 63 Da man in der Praxis sehr selten Unternehmen findet, die die gleiche Kapitalstruk-
tur besitzen, muss man bei einem Vergleich mit einem börsennotierten Unternehmens dessen Beta ebenfalls unlevern und relevern.29 Es genügt jedoch nicht, die Werte an die eigene Kapitalstruktur anzupassen, sondern man sollte außerdem darauf achten, dass eine große Ähnlichkeit zu dem Bewertungsobjekt besteht. So soll-
_____ 26 Klemm, S. 189. 27 Exkurs: Wenn man das Gesamtmarktrisiko wie üblich durch β = 1 definiert, so weisen Wertpapiere, die ein geringeres systematisches Risiko besitzen, einen Wert kleiner als 1 auf, für Wertpapiere mit einem höheren systematischen Risiko gilt entsprechend β > 1. In anderen Worten, wenn eine Anlage mit mittlerem Risiko (ß = 1) auch nur mittlere Rendite verspricht, dann verspricht eine Anlage mit einem ß > 1 eine höhere Rendite bei gleichzeitig höherem Risiko. 28 Damodaran, S. 477 f. 29 Damodaran, S. 477 f.
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D. Gesamtbewertungsverfahren
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ten Größe, Internationalität etc. möglichst ähnlich sein. Des Weiteren sollte man darauf achten, dass die Unternehmen den gleichen Unternehmenszyklus haben, da sonst die Werte erheblich abweichen können, da hier das „Risk-Return“ Verhältnis anders eingeschätzt werden sollte.30 Praxistipp 3 Man sollte die Beta-Entwicklung der einzelnen Unternehmen auch im Zeitverlauf (1–3 Jahres-Beta) analysieren, da die Werte durch große Kursschwankungen beeinflusst werden können (hier sollte man vor allem auf Wochen-Betas zurückgreifen, da Tages-Betas nicht normalverteilt sind). Wenn man die Betaauswertung mit Hilfe des T-Tests statistisch belegen will, sollte das Ergebnis des Tests größer als 2 sein.31
(3) Branchenbetafaktoren Hier gilt das Gleiche wie bei der Wahl einzelner Vergleichsunternehmen. Durch die 64 große Grundgesamtheit werden einzelne Ausreißer (wenn nicht vorher schon bereinigt) entkräftet. Wenn man eine durchschnittliche Verschuldung und Steuerquote gegeben hat, kann man das Beta gut wieder auf das Bewertungsobjekt anwenden. Die Gefahr bei der Verwendung solcher Betas ist, dass man es hier oft mit einer Art Black Box zu tun hat und nicht weiß, wie die Werte hergeleitet wurden.
(4) Startup Betafaktoren Hier geht es um Unternehmen, die nicht börsennotiert sind und bei denen zudem 65 der Investor oder Unternehmer nicht oder fast nicht diversifiziert ist (Grundannahme im CAPM). Deshalb macht es an dieser Stelle keinen Sinn, das Marktrisiko als alleiniges Risiko einzupreisen. So muss das angewandte Beta das Risiko widerspiegeln, das ein nicht diversifizierter Anleger hat, obwohl sich hier die berechtigte Frage stellt, ob es heutzutage überhaupt noch eine richtige Diversifizierung bei den internationalen und teilweise korrelierenden Märkten gibt. Das Beta wird mit Hilfe der Betafaktoren der vorher genannten Wettbewerber 66 hergeleitet. Das so erhaltene Durchschnittsbeta wird durch die durchschnittliche Korrelation mit dem Markt geteilt. Man erhält damit ein Beta, das das „Gesamtrisiko“ des Unternehmens widerspiegelt und nicht nur das „allgemeine Marktrisiko“. Betafaktoren über 2 sind in diesen Fällen keine Seltenheit.32
_____ 30 Hier ist darauf hinzuweisen, dass in Krisenzeiten (wie z.B. Finanz- oder Coronakrise) sich die Betafaktoren erheblich ändern können (erhöhte Volatilität, Umkehrung der Marktkorrelation, etc.). Deshalb sollte man sich solche Gegebenheiten gesondert anschauen und eventuell beurteilen, ob und wie weit diese kurz- bis mittelfristigen Änderungen in die Bewertung einfließen sollten. 31 EACVA, 8.9; Keller/Warrack, S. 349 f. 32 Damodaran Dark Side, S. 242 ff.
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dd) Marktrisikoprämie 67 Die Marktrisikoprämie (MRP) ist die Differenz zwischen der „risikolosen“ Rendi-
te rf und der Rendite rMarkt einer Gruppe am Markt agierender Unternehmen, die mit dem Bewertungsobjekt vergleichbar sind. In der Praxis werden aufgrund Datenmangels oft historische Renditen von Aktienindizes für die Herleitung der Marktrendite hergenommen. Jedoch werden die Ergebnisse sehr stark von der Wahl des Index, des Zeitraums, des Wirtschaftszyklus und auch durch die Wahl der Durchschnittsmethode (arithmetisches Mittel, Median oder harmonisches Mittel) beeinflusst. Da die Indizes sehr unterschiedlich sind, sollte man einen Index wählen, der zu dem spezifischen Unternehmen passt. Bei deutschen Unternehmen kommen Dax, MDax, SDax, TechDax, CDax etc. in Frage. Welcher Index der richtige ist, hängt von dem jeweiligen Unternehmen ab. Für stark international ausgerichtete Unternehmen kann man auch andere Indizes heranziehen und eventuell einen Mittelwert der Renditen verwenden. Vor allem in Deutschland richtet man sich bei der Marktrisikoprämie nach dem vom IDW berechneten Risikozuschlag. Jahr
Zuschlag
Seit 2009
4,5%–5,5% (vor persönlicher Einkommenssteuer)
Seit 2012
5,5%–7,0% (vor persönlicher Einkommenssteuer) 33
Seit 2019 (inkl. 2020)
6,0%–8,0% (vor persönlicher Einkommenssteuer)
Tab. 4: Änderung der Marktrisikoprämie über die letzten Jahre (Quelle: Graser & IDW online) 3 Praxistipp Bei der Verwendung von historischen Marktrisikoprämien ist darauf zu achten, dass der Zeitraum nicht zu kurz ist. Es besteht sonst die Gefahr, dass man nicht einen gesamten Zyklus erfasst. Außerdem sollten die Daten neu sein und die letzten Jahre berücksichtigen, da es vor allem in den letzten Jahren zu erheblich kürzeren Zyklen mit höheren Schwankungen kam und nicht davon auszugehen ist, dass sich dies kurzfristig ändern wird.
_____ 33 Berechtigt ist natürlich die Frage, ob in Zeiten von globalen Krisen, wie z.B. in der „CoronaKrise“, das Marktrisiko steigt und somit diesen Umständen entsprechend angepasst bzw. erhöht werden sollte. Hier ist jedoch nochmals darauf hinzuweisen, dass es bei der Unternehmensbewertung um die langfristigen Werte, Renditen und Zahlungsströme eines Unternehmens geht und nicht um kurz- bis mittelfristige. Des Weiteren ist das Ausmaß der negativen Effekte sehr branchenabhängig (für spezifische Branchen kann eine Krise auch positive Effekte haben oder Chancen bieten). Mögliche Erfolgseinbußen sollten somit „zunächst“ nicht in der Marktrisikoprämie Berücksichtigung finden, sondern eher in der individuellen Umsatz- und Liquiditätsplanung des Unternehmens (z.B. Nachfragerückgänge, Lieferengpässe, Personalausfälle bis hin zur Insolvenz etc.).
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D. Gesamtbewertungsverfahren
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ee) Size Premium Die sogenannte Size Premium ist unter Praktikern und Theoretikern stark umstrit- 68 ten. In einigen Ländern hat man auf der Basis historischer Daten angeblich eine Art Size Premium nachweisen können, in anderen jedoch nicht. Dies mag aber eher mit dem Umfang und der Qualität vorhandener Daten in den Märkten zu tun haben. Ibbotson, Chen und Hu haben zwei Quellen für eine höhere Rendite für weniger liquide Aktien (Firmen) herausgefunden, die auch die Denkweise von Venture Capital Investoren widerspiegeln. Der Grundgedanke ist der Folgende: Investoren bevorzugen liquide Anlagen gegenüber illiquiden Anlagen. Eine Prämie muss gezahlt werden für alles, was ein Investor fordert und ein Discount muss gezahlt werden für alles, was er versucht zu vermeiden. Somit werden Investoren für eine nicht liquide Anlage eine niedrigere Bewertung ansetzen – also mit einem Abschlag kaufen.
Dieser Gedanke macht verständlich, dass man bei einigen kleinen Unternehmen 69 eine höhere Discount Rate ansetzen sollte als die Rate, die das normale WACCModel liefert. Wie diese Size Premium bestimmt werden kann, wird in vielen Studien diskutiert und beschrieben.34 Praxistipp 3 In der Bewertungspraxis werden häufig kleinere Aufschläge verwendet, die ein Bewerter aber zu begründen hat. Deshalb sollte man bei einfachen Zuschlägen zu den Eigenkapitalkosten vorsichtig sein und im Zweifel lieber mit einer Monte-Carlo-35 und Szenario-Analyse36 arbeiten, um den Effekt einer höheren Discountrate darzustellen und abschätzen zu können.
Um das Risikomaß und somit die hohen Abzinsungsfaktoren bei Startup-Unter- 70 nehmen zu erklären, sind in der Regel Size Premiums allein nicht geeignet. Hier kommen meist noch andere Methoden wie z.B. die Venture Capital Methode zum Einsatz.37
_____ 34 Cheridito/Schneller, S. 1 ff. und Grabowski/Harrington, S. 1 ff. 35 Monte Carlo Simulation ist eine computergestützte, mathematische Technik, die den Bewerter in die Lage versetzt, verschiedene mögliche Entscheidungsprozesse durchzuspielen und die entsprechenden Risiken abzuschätzen; siehe: http://www.palisade.com/risk/de/monte_carlo_simula tion.asp. 36 Szenario Analyse: Ähnlich wie bei der Monte Carlo Methode versucht man durch die Darstellung verschiedener Alternativen (Szenarien) den Einfluss verschiedener Größen auf das Gesamtergebnis besser zu verstehen; siehe: https://www.risknet.de/wissen/rm-methoden/szenarioanalyse/. 37 Achleitner, BB 2001, 928.
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Kapitel 3 Unternehmensbewertung
ff) Fremdkapitalkosten 71 Für die Schätzung der zukünftigen Fremdkapitalkosten greift die Praxis meist auf
die unternehmensspezifischen langfristigen Zinsaufwendungen zurück, welche bei börsennotierten Unternehmen direkt aus den Geschäftsberichten zu entnehmen sind. Hier verwendet man die aktuelle Effektivrendite des Unternehmens am Bewertungsstichtag. Es sei aber nochmals darauf hingewiesen, dass man darauf achten muss, dass das Unternehmen seine Finanzierungsgewohnheiten nicht ändert, da man ansonsten eventuell den Zinssatz anpassen muss. Anders ist es bei kleineren Unternehmen, bei denen man auf die Auskunft der 72 Unternehmer angewiesen ist, sofern man nicht auf einen geprüften Jahresabschluss zurückgreifen kann. Alternativ kann der Zinssatz auch über den risikolosen Zinssatz unter Hinzu73 rechnung eines Credit Default Swaps (CDS) hergeleitet werden. Der Credit Spread kann über Ratingagenturen bezogen werden – am einfachsten ist es, branchenbezogene CDS zu wählen. 3 Praxistipp Um die auf das Unternehmen bezogene beste Schätzung zu bekommen, sollte man die verschiedenen Laufzeiten der Kreditverträge gewichten und in Beziehung mit dem korrespondierenden Credit Spread setzen. (Dies unterstellt selbstverständlich, dass die Verschuldungsstruktur sich in der Zukunft nicht oder nur unwesentlich ändert. Geht man von einer Änderung aus, so muss diese in der Berechnung berücksichtigt werden.)
c) Endwert 74 Der Endwert (Terminal Value) ist der dritte wichtige Parameter, der in die Unter-
nehmensbewertung nach dem DCF-Modell eingeht. Er wird unter anderem mit der folgenden Formel (Gordon-Growth Model) berechnet: EWn =
EWn CFn WACC g
= = = =
CFn × (1 + g ) WACC − g
Endwert für das Jahr n Cashflow des letzten Planungszeitraums Berechneter „Weighted Average Cost of Capital“ konstante Wachstumsrate nach dem Jahr n
75 Andere Länder rechnen nicht mit einer ewigen Rendite, sondern gehen bei KMUs
von einer Lebensdauer von 20–30 Jahren aus. Nimmt man dies als Grundlage, muss man die Formel entsprechend anpassen und mit einem Exit oder einer Liquidation rechnen. Man kann natürlich auch ein-, zwei- oder dreiphasige Modelle verwenden, d.h. 76 mehrere Phasen vorsehen, bevor sich der „eingeschwungene Zustand“ einstellt.
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D. Gesamtbewertungsverfahren
Damodaran38 definiert den Endwert folgendermaßen: „Terminal value refers to 77 the value of the firm (or equity) at the end of the high growth period.“
Abb. 7: Aufteilung der Wachstumsphasen eines Unternehmens; Quelle: Damodaran, S. 620
Es ist selbstverständlich, dass der so bestimmte Endwert noch auf den Bewertungs- 78 stichtag mit den berechneten Kapitalkosten abgezinst und mit den Barwerten der Cashflows der vorangegangenen Jahre verrechnet werden muss. Man muss im Laufe der Zeit ein Gefühl dafür entwickeln, wie lang die High 79 Growth Period (oft wird noch eine Konvergenzphase berücksichtigt) einzuschätzen ist. Eine Dauer von mehr als zehn Jahren kommt in der Praxis allerdings nicht oder nur sehr selten vor, die veranschlagte Dauer wird aber durch die persönliche Einschätzung beeinflusst.39 Praxistipp 3 Der Bewerter sollte sich immer der folgenden Zusammenhänge bewusst sein:40 1. Je höher die Wachstumsrate des Umsatzes relativ zu der konstanten Wachstumsrate, desto länger ist die High Growth Period. 2. Je größer das Unternehmen absolut und relativ zur Branche ist, desto schneller wird es konstante Wachstumsraten erreichen. 3. Je höher die Eintrittsbarrieren sind, desto eher kann man von einer lang anhaltenden Wachstumsphase ausgehen.
Die Bedeutung des Endwertes wird in der Praxis oft unterschätzt. Im Gegensatz dazu 80 steht die Tatsache, dass der Wert meist über 50% des Gesamtwertes des Unternehmens ausmacht, zum Teil sogar +/- 70%. Bei Startup-Unternehmen wird oft der gesamte Unternehmenswert aus dem Endwert generiert. Prinzipiell wäre es notwendig darauf zu achten, dass das letzte Planungsjahr 81 (Cashflow) sich bereits in dem sogenannten „Steady State“ befindet, d.h. dass das gesamte Unternehmen mit einer konstanten Wachstumsrate wächst (alle Positionen wie Umsätze, Vermögensumschlag, Investitionen, Abschreibungen, Gewinnmargen etc. wachsen mit der Rate „g“).
_____ 38 Siehe http://www.stern.nyu.edu/~adamodar/(Homepage mit entsprechenden Links). 39 Damodaran, S. 623 ff. 40 Damodaran, S. 623 ff.
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Kapitel 3 Unternehmensbewertung
In der Praxis ist es allerdings äußerst selten, dass eine Planung bis zum Steady State möglich ist und auch durchgeführt wird. Dies gilt vor allem für StartupUnternehmen, bei denen es oft schwerfällt, die nächsten drei Jahre zu planen. Falls sich das Unternehmen im letzten Planungsjahr noch nicht im Gleichgewichtszustand befindet, ist es ratsam, ein weiteres Planungsjahr einzufügen, in dem man das Unternehmen in den „eingeschwungenen Zustand“ bringt. In anderen Worten, man passt die Abschreibungen, Investitionen etc. so an, dass letztendlich alle Größen von Umsatz bis zu allen Margen mit der Rate g wachsen. Wie schon erwähnt, kann es gerade bei den Abschreibungen und Investitionen zu erheblichen Verfälschungen und Verzögerungen kommen.41
aa) Wachstumsrate 83 Hier gibt es keinen einheitlichen Wert, den man für jedes Unternehmen ansetzen
kann. Das Endwertwachstum hängt vom Markt, von der Branche und natürlich von dem individuellen Unternehmen ab. Die Wachstumsrate des Endwertes liegt typischerweise zwischen der historischen Inflationsrate (z.B. 2–3%) und der historischen Wachstumsrate des BIP (2–5%). Eine Wachstumsrate größer als 5% würde implizieren, dass das Unternehmen sich langfristig besser als der Markt entwickelt. Es ist sehr fraglich, ob das realistisch ist.42 Sicher gibt es auch hier viele theoretische Methoden oder auch statistische Ver84 fahren, die sich mit der Berechnung der Wachstumsrate beschäftigen, jedoch wird in der Praxis derzeit in der Regel eine Rate zwischen 0–5% angenommen.
bb) Alternativen 85 Natürlich gibt es Alternativen zu der hier beschriebenen Methode für die Bestim-
mung des Endwerts. Für die Praxis gänzlich irrelevant ist jedoch eine langfristige Detailprognose, da die Planungssicherheit mit fortschreitender Planung immer mehr abnimmt. In einigen Fällen werden auch Einzelbewertungsverfahren herangezogen, die jedoch meist zu konservativ für die Endwertberechnung sind und somit nur eine sehr grobe Näherung darstellen. Geht man bei der Ermittlung des Endwerts von einer Unternehmensauflö86 sung am Ende der Planungsphase aus, wird der Endwert durch ein „Exit Multiple“ festgelegt. Dieses Verfahren wird vor allem dann favorisiert, wenn es zu umständlich oder zu schwierig erscheint, eine „stable growth rate“ zu schätzen, oder wenn die Absicht besteht, die Anteile an der Firma am Ende der Planungsperiode zu verkaufen.
_____ 41 Ernst/Schneider/Thielen, S. 39 f. 42 Siehe: http://www.educba.com/terminal-value-dcf/?lang=de.
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D. Gesamtbewertungsverfahren
75
Die häufigsten Multiples, die hier verwendet werden, sind P/E-Ratio sowie 87 EBIT und EBITDA, wobei der EBITDA meist bevorzugt wird.43 Die allgemeine Schwierigkeit bei dieser Herangehensweise ist, dass man sich 88 eigentlich auf Zukunftsmultiplikatoren berufen sollte, was in der Praxis meist nicht machbar ist. Auf Grund dieser Schwierigkeit werden in der Praxis deshalb die Multiples des Stichtags verwendet und auf die Zukunft angewendet. Dies wird damit begründet, dass in den meisten Fällen der Wert eines Unternehmens über einen vollen Konjunkturzyklus bestimmt wird und somit die Marktwerte (und damit die Multiples) wieder dieselben wie zum Berechnungszeitpunkt sind.44 Da sich die Länge der Konjunkturzyklen ständig ändert und nicht mehr so vorhersehbar ist wie noch vor einigen Jahren, erscheint diese Begründung jedoch nicht für alle Unternehmen stichhaltig.
cc) Plausibilisierung der Rate Wie schon vorher erwähnt macht der Endwert einen erheblichen Teil des Unter- 89 nehmenswertes aus. Somit ist es ratsam, das mit einer Methode erhaltene Ergebnis mit einer anderen Methode zu plausibilisieren. Ist der Restwert anhand eines Multiples bestimmt worden, sollte man überprüfen, ob dies mit einem implizit hergeleiteten WACC kompatibel ist.
II. Ertragswertverfahren
Bei dieser Methode geht man von den in der Zukunft anfallenden Erträgen (Ge- 90 winnen) aus, die dem Geschäftsplan entnommen werden, und diskontiert diese mit einem konkreten Diskontierungssatz auf den vorher besprochenen Bewertungsstichtag ab.45
EW = EW Et t i
= = = =
∑E
t
/(1 + i )
t
(7)
Ertragswert Ertrag in der Periode t Zeitpunkt (Periode) Diskontierungsfaktor
_____ 43 Siehe http://www.stern.nyu.edu/~adamodar/. Vgl. im Einzelnen unten Rn 108. 44 Superina, S. 205/206. 45 Leopold/Fromann, S. 134 f.
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91 Der Diskontierungsfaktor i setzt sich aus dem Basiszins und einem Risikoaufschlag
zusammen. Der Basiszins entspricht normalerweise der Rendite langfristiger öffentlicher Anleihen, der Risikozuschlag ergibt sich jeweils aus der individuellen Einschätzung der Bewerter. Nach dem 1999 verabschiedeten Entwurf des IDW Standards „Grundsätze 92 zur Durchführung von Unternehmensbewertungen“ steht die Ertragswertmethode gleichberechtigt neben der Discounted-Cashflow-Methode.46 Ein gravierender Nachteil dieser Methode besteht darin, dass hier Gewinne statt 93 Nettoentnahmen diskontiert werden. Zum einen können gewisse Bestandteile des Gewinns in der betrachteten Periode keine Zahlungswirkung haben und zum anderen kann es zu einer Doppelzählung kommen, wenn zahlungswirksame Gewinne reinvestiert werden und somit Investitionen und deren Erfolg als Erträge gezählt werden. Diese Kritik kann auch der Grund sein, dass dieses Verfahren in der M&APraxis eher selten Berücksichtigung findet.
III. Multiplikatorenverfahren (Peer Group Analysis) 94 Das Multiplikatorenverfahren ist ein Verfahren, dass in der Praxis sehr verbreitet
ist und wegen seiner vermeintlich einfachen Anwendung geschätzt wird. Für die Anwendung dieses Verfahrens ist es notwendig, dass die Vergleichsdaten von ausreichend vielen Marktteilnehmern zur Verfügung stehen. Deshalb ist verständlich, dass diese Bewertungsmethode wegen der großen Anzahl der in den USA börsennotierten Unternehmen zunächst dort von Bedeutung war.
1. Grundgedanke 95 Das Multiplikatorenverfahren schätzt die Performance und Entwicklungschancen
eines Unternehmens anhand der Daten von vergleichbaren Unternehmen ein. Es geht davon aus, dass sich Unternehmen finden lassen, die dem zu bewertenden Unternehmen sehr ähnlich sind und dass sich die Marktwerte dieser Unternehmen und die sich ergebenden Multiples auf das Bewertungsobjekt übertragen lassen.47 Bei Anwendung der Peer Group Analysis erhält man einen Schätzwert für den 96 Unternehmenswert, in dem man eine bestimmte Kenngröße des Unternehmens wie z.B. den Gewinn nach Steuern mit dem entsprechenden Multiplikator einer Gruppe von Vergleichsunternehmen multipliziert: Unternehmenswert = Bewertungsgröße × Multiplikator
_____ 46 Weitnauer, S. 276. 47 Superina, S. 73.
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D. Gesamtbewertungsverfahren
77
Die Vergleichswerte können aus verschiedenen Quellen bezogen werden.
97
Quelle für Multiplikator
Erklärung & Bemerkung
Vergleichsunternehmen
Hier werden vergleichbare Unternehmen, die an der Börse gehandelt werden, zum Vergleich herangezogen. Wie viele Unternehmen man zum Vergleich auswählt, hängt von der Passgenauigkeit der Unternehmen ab. Bemerkung: Man unterstellt hier, dass die Vergleichsunternehmen fair bewertet sind – Berücksichtigung eventueller Zu- & Abschläge.
Transaktionsmultiplikatoren
Daten von zeitnahen Transaktionen aus der gleichen Branche. Bemerkung: Sehr schwere Datenbeschaffung. Meist beinhalten die Werte nicht nachvollziehbare Prämien – eventuelle Zu- und Abschläge sind zu berücksichtigen.
IPO Multiples
Hier versucht man, die Emissionspreise bei vergleichbaren Börsengängen heranzuziehen. Bemerkung: Es gibt selten IPOs, die man direkt mit der eigenen Bewertung vergleichen kann, außerdem sind bei IPOs viele Sondereffekte enthalten, die den Wert verfälschen können (Platzierungszu-& abschläge, Under- & Overpricing etc.)
Industriemultiplikatoren
Hier wird versucht, durch allgemein gültige Multiplikatoren für eine Industrie oder eine Branche eine gute Näherung an den Unternehmenswert zu generieren. Bemerkung: Man verallgemeinert die Renditechancen einzelner Unternehmen in einer Branche – jedoch kann die Entwicklung einzelner Unternehmen in der gleichen Branche sehr unterschiedlich sein.
Tab. 5: Arten von Multiplikatoren (Quelle: EACVA + eigene Darstellung)
Auch wenn die Industriemultiplikatoren für die Praxis eher wenig geeignet erschei- 98 nen, werden diese der Einfachheit halber doch sehr oft für eine Unternehmensbewertung herangezogen. Falls man sie verwenden will, sollte man sie jedoch nur als eine Art Richtwert verwenden.
2. Nachteile Nimmt man z.B. die durchschnittliche Multiple-Entwicklung eines Index von 2008 99 bis 2020, sieht man sehr deutlich, wie die allgemeine Wirtschaftslage und die Stimmung an den Börsen die Entwicklung der Multiplikatoren (EBIT) beeinflussen kann (siehe Abbildung 8). So variieren die Multiplikatoren in diesem Zeitraum von 9 bis 21 (basierend auf dem arithmetischen Mittel).
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Kapitel 3 Unternehmensbewertung
Abb. 8: Multiple-Entwicklung des Dax (Anlehnung an Schwetzler) 100 Betrachtet man die einzelnen Multiplikatoren der Unternehmen eines Index, aus
denen der Durchschnittsmultiplikator gebildet wird, so sieht man, wie groß deren Streuung sein kann (Werte variieren von 5 bis 32) und realisiert, wie ungenau ein Durchschnittsmultiplikator auf Basis eines Index sein kann (siehe Abbildung 9).
Abb. 9: Verschiedene Multiples in einem Index 101 Die Situation ändert sich nicht wesentlich, wenn man ein Branchenmultiple wählt.
Will man z.B. ein Pharmazie-Unternehmen bewerten, so könnte man ein Durchschnittsmultiple der Pharmabranche wählen. Die folgende Abbildung 10 zeigt, wie stark dort die einzelnen Multiplikatoren streuen und wie wenig aussagekräftig deshalb ein Durchschnittsmultiple sein kann. Die große Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Lage, dem Zyklus der Branche sowie eine individuelle Kapital- und Ertragsstruktur machen die Verwendung von Branchen-Multiplikatoren oft ungenau. Die Graphik macht außerdem sehr deutlich, wie wichtig es ist, geeignete Ver102 gleichsunternehmen für das Unternehmen aus der Peer Group zu identifizieren.
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D. Gesamtbewertungsverfahren
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Abb. 10: Multiples in der Pharmaindustrie (Anlehnung an Schwetzler)
3. Festlegung der Peer Group Da die Aussagekraft und somit die Qualität dieser Bewertungsmethode mit der ak- 103 kuraten Auswahl geeigneter Vergleichsunternehmen steht und fällt, ist diese Auswahl mit größter Sorgfalt durchzuführen. Es gibt dafür eine Vielzahl an Kriterien, wobei die folgenden als maßgeblich an- 104 gesehen werden können:48 – Branchenzugehörigkeit, – Marktsegment (Produktpalette, Kundengruppen, geographische Zuordnung) – Tätigkeitsgebiet (regional/überregional), – Wettbewerbsposition (Marktführer vs. Startup oder Mitläufer) – Größe nach Umsatz, Beschäftigtenzahl, – Entwicklung von Gewinn, EBITDA, EBIT etc. – Wachstum – Finanzierungsstruktur, Anlagestruktur etc.
Natürlich müssen die zum Vergleich herangezogenen Unternehmen in etwa die glei- 105 che Risikostruktur besitzen. Bei der Suche nach geeigneten Vergleichsunternehmen wird es fast unmöglich sein, Unternehmen zu finden, die in allen oben genannten Kriterien übereinstimmen. Eine Faustregel, in wie vielen Punkten eine Vergleichbarkeit gegeben sein muss, gibt es nicht, aber natürlich gilt, je mehr Übereinstimmungen desto besser. Zusätzlich ist auch die Frage nach der Anzahl solcher Unter-
_____ 48 EACVA, 5.81 ff.
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Kapitel 3 Unternehmensbewertung
nehmen in der „Peer Group“ zu beantworten, die notwendig ist, um zu einer möglichst guten Schätzung des Unternehmenswertes zu kommen. Hier gibt es ebenfalls keine Regel, jedoch verwendet man in der Praxis oft zwischen 3–7 Unternehmen.49 Hat man die Peer Group identifiziert, ist es wichtig, diese um mögliche Sonder106 effekte zu bereinigen. Hierunter fallen zum Beispiel ungewöhnliche und außerordentliche Aufwendungen oder Erträge. 3 Praxistipp Wichtig ist, dass man nicht nur die Ergebniswirkung bereinigt, sondern auch die Wertbereinigung um den Barwert des Einmaleffekts berücksichtigt. So kann auch durch operatives Leasing die EBITund EBITDA-Marge beeinflusst werden.
4. Herleitung der Multiples der Peer Group 107 Die Multiples für die Berechnung werden auf Basis des Enterprise Values hergeleitet und dann auf das Bewertungsobjekt angewendet. Die Herangehensweise entnimmt man der folgenden Graphik:
Abb. 11: Herleitung des Multiplikators und Berechnung des Equitywertes (eigene Darstellung in Anlehnung an die EACVA)
_____ 49 EACVA, 12.10.
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D. Gesamtbewertungsverfahren
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Praxistipp 3 Für die Mittelbildung wird wohl am häufigsten das arithmetische Mittel verwendet, das jedoch anfällig gegenüber Ausreißern ist. Natürlich kann man Ausreißer bereinigen, jedoch ist es dann notwendig, dass man die Ausreißer in beide Richtungen bereinigt. Etwas konservativere Multiplikatoren erhält man bei der Verwendung des harmonischen Mittels, das relativ robust gegenüber Ausreißern ist (aber nur bei ausschließlich positiven Werten anwendbar ist). Der Median sollte immer als mögliche Alternative bedacht werden, da dieser nicht anfällig gegenüber Ausreißern ist und zu stabilen Multiples führt.50
5. Arten von Multiplikatoren Wie man bei der DCF-Methode Brutto- und Nettoverfahren unterscheiden kann, 108 kann man die Multiplikatoren in Brutto- und Netto-Multiplikatoren einteilen. Die Bruttomultiplikatoren führen zum Enterprise Value, die Nettomultiplikatoren direkt zum Equity Value. In der folgenden Abbildung sind die wichtigsten Multiples dargestellt und deren Vor- und Nachteile erklärt.
Abb. 12: Stärken & Schwächen der gängigsten Multiples (eigene Darstellung in Anlehnung an EACVA & Peemöller)
_____ 50 Vgl. EACVA, 12.11; Keller/Warrack, S. 90 ff.
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Kapitel 3 Unternehmensbewertung
6. Mögliche Schwachstellen, Kritikpunkte und Hinweise 109 Da die Qualität der Bewertung auch von der Auswahl der geeigneten Vergleichsun-
ternehmen abhängt, wird diese in der Praxis immer zu Diskussionen führen. Es kann deshalb nicht genug betont werden, dass man als Bewerter immer alle Daten, Zahlen und eben auch die Wahl der Vergleichsunternehmen begründen und belegen können muss.
a) Unsicherheit der richtigen Bewertung 110 Bei der Übernahme von Marktdaten in die Berechnung geht man prinzipiell davon
aus, dass der Markt die Vergleichsunternehmen korrekt bewertet.51 Da man dennoch mit einer erheblichen Unsicherheit rechnen muss, werden oft Bandbreiten von Multiples festgelegt, um dieser Unsicherheit entgegenzuwirken, vor allem aber bei der Verwendung von Schätzwerten als Multiplikatoren bei fehlenden Marktdaten.
b) Mangelnde Auseinandersetzung mit dem Markt und den Unternehmen 111 Man hört in der Praxis oft, dass eine Bewertung nur auf Basis von Industrie-
Multiples etc. durchgeführt wird, ohne sich intensiver mit dem Markt und dem zu bewertenden Unternehmen auseinander zu setzen. Dies wird in der Regel zu mangelhaften Ergebnissen führen. Auch die Übernahme von Industrie- bzw. Branchenmultiples setzt eine sorgfältige Analyse voraus, ob diese dem Unternehmen angemessen sind.
c) Bewertung von Unternehmen mit Produktvielfalt 112 Wird für die Bewertung ein Multiproduktunternehmen52 herangezogen, kann dies
unter Umständen zu komplett falschen Ergebnissen führen, da sich z.B. der EBIT und der EBITDA aus verschiedenen Produkten zusammensetzen und nicht jedes Produkt die gleiche Gewinnmarge hat bzw. die gleichen Wachstumschancen aufweist. Somit zieht man unter Umständen unzutreffende Multiples zur Bewertung eines Unternehmens heran. Dies kann zu erheblichen Verzerrungen bei der Ermittlung des Unternehmenswerts führen.
d) Fehlende Zukunftsbetrachtung 113 Häufige Kritik der Multiplikatormethode ist die fehlende Zukunftsbetrachtung und
vor allem die fehlende Möglichkeit, die überdurchschnittlichen Wachstumsraten bei
_____ 51 Superina, S. 78. 52 Schwetzler Lehrstuhl.
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E. Mischverfahren
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jungen Unternehmen widerzuspiegeln. Eine mögliche Umgehung des Problems wäre die Verwendung von P/E-Multiplikatoren, da in dieser Kennzahl die Zukunft des Unternehmens bereits berücksichtigt ist, da sich der Aktienkurs eines Unternehmens an den Erwartungen der Anleger und Analysten orientiert (unter der Voraussetzung, dass der Aktienmarkt den Wert realistisch wiedergibt). Des Weiteren ist es auch möglich, selbst Zukunftsmultiplikatoren herzuleiten.53
e) Verwendung von Multiplikatoren aus anderen Ländern Vorsicht ist geboten, wenn man auf Branchenmultiples aus anderen Ländern zu- 114 rückgreift. So lassen sich z.B. Multiples für eine Branche in Deutschland nicht ohne weiteres auf osteuropäische Länder übertragen, da erhebliche Unterschiede in der Kundenstruktur, Mitarbeiterqualifikation, Wettbewerbsstruktur sowie im Lohnniveau bestehen.54
E. Mischverfahren E. Mischverfahren I. Mittelwertverfahren
Es gibt eine Vielzahl von Mittelwertmethoden (auch Kombinationsverfahren ge- 115 nannt), die im Folgenden nur kurz angesprochen werden, da diese in Deutschland und allgemein in der M&A-Praxis äußerst selten angewandt werden. In der Literatur findet man verschiedene Varianten wie zum Beispiel das Schweizer, das Wiener oder das Berliner Verfahren. Allen diesen Methoden liegt im Prinzip die gleiche Herangehensweise zugrun- 116 de: Sie ermitteln den Unternehmenswert als gewichtetes Mittel von Ertragswert (EW) und Substanzwert (SW),55 wobei der Ertragswert den Barwert der ewigen Rente eines nachhaltigen Ertrags darstellt und der Substanzwert als „Teilreproduktionswert“ gesehen wird.
Unternehmenswert =
x × SW + y × EW ( x + y)
Das Schweizer Verfahren verwendet als Gewichtung x = 1/3 und y = 2/3, das Berliner 117 und das Wiener Verfahren x = y = 1. Die Gewichtung der beiden Zielgrößen unter-
_____ 53 Bodmer, S. 12. 54 Mandl/Rabel, S. 268. 55 Ernst/Schneider/Thielen, S. 5 f.
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liegt hierbei keiner Regel, sondern beruht hauptsächlich auf der subjektiven Einschätzung des Bewerters, der somit den Wert nach nicht nachvollziehbaren Regeln maßgeblich beeinflussen kann.56
II. Übergewinnverfahren57 118 Weitgehend irrelevant für die M&A-Praxis sind die sogenannten Übergewinnver-
fahren. Der Grundgedanke dieser Methoden ist, dass ein Unternehmen auf lange Sicht nur eine normale Rendite erwirtschaften kann und nur für eine kurze Zeit höhere Renditen als der Markt. Die sogenannten Übergewinne (Goodwill) sind der Überschuss der Zukunftsge119 winne, die über die Substanzwertverzinsung zuzüglich Risikozuschlag hinausgehen. Die Summe aus Substanzwert und kapitalisiertem Übergewinn ist nach dieser Methode der Unternehmenswert.58
III. Stuttgarter Verfahren 120 Das Stuttgarter Verfahren kann als eine Art Sonderfall der Übergewinnverfahren
gelten. Ursprünglich wurde das Verfahren für steuerliche Zwecke entwickelt, ist aber heutzutage für die Bewertungspraxis ebenfalls weitgehend irrelevant.59
F. Einzelwertverfahren F. Einzelwertverfahren 121 Im Einzelwertverfahren wird zwar auch ein gesamtes Unternehmen bewertet, der Unternehmenswert setzt sich jedoch aus der Summe der einzeln bewerteten Vermögensgegenstände des Unternehmens zusammen. Im Ergebnis unterscheidet man hauptsächlich zwischen einem Liquidationswert und einem Substanzwert.
I. Substanzwert 122 Der Grundgedanke dieses Ansatzes ist, dass man das Unternehmen sozusagen re-
produziert, d.h. das Unternehmen quasi auf einer grünen Wiese neu aufbaut. Verein-
_____ 56 57 58 59
EACVA, 6.60. EACVA, 6.60. Siehe http://www.unternehmenswertrechner.de/. Ernst/Schneider/Thielen, S. 6 f. oder EACVA, 6.54.
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F. Einzelwertverfahren
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facht gesagt ist der Substanzwert eines Unternehmens der Saldo aus der Summe der Aktiva und der Summe der Passiva des Unternehmens unter Berücksichtigung der stillen Reserven und Lasten.60 Zur Bewertung wird hier die Summe der (adjustierten) Preise aller Einzelwirtschaftsgüter herangezogen, wobei man die Preisbasis unterschiedlich wählen kann, z.B. durch fortgeführte historische Preise (adjustiert mittels Inflationsindices bzw. Abschreibungen), durch gegenwartsnahe Preise (Zeitwerte) oder künftige Preise (ersparte Aufwendungen – Sicht eines Investors). Der originäre Firmenwert kann in der Regel nicht Bestandteil des Substanzwertes sein, da keine Anschaffungs- oder Herstellungskosten als Marktpreise zum Vergleich vorliegen.61 Beim Substanzwert wird unterschieden zwischen dem Vollreproduktionswert 123 und dem Teilreproduktionswert:62 Vollreproduktionswert: Hier geht man von einem vollständigen Nachbau des 124 gesamten Unternehmens aus. Das bedeutet, dass alle Vermögenswerte, die materiellen und die immateriellen, zu Wiederbeschaffungszeitwerten bewertet werden, also etwa auch Bekanntheitsgrad, Managementqualität, Patente, Markenwerte oder auch der Kundenstamm. Da dies offensichtlich objektiv nicht darstellbar ist, kann der Substanzwert auf Basis des Vollreproduktionswertes also lediglich eine Art Wertobergrenze für den Käufer sein. Teilreproduktionswert: Im Gegensatz zum Vollreproduktionswert werden hier 125 nur die verkehrsfähigen Vermögenswerte zu Wiederbeschaffungswerten bewertet. Das heißt, dass nur der aktuelle Zeitwert der Vermögenswerte mit derzeitigem Abnutzungsgrad berücksichtigt wird. Da es hier nur um verkehrsfähige Werte geht, werden immaterielle Werte und Goodwill nicht berücksichtigt. Somit fehlt der Bezug zur zukünftigen Ertragskraft des Unternehmens, was meist eine Unterbewertung des Unternehmens zur Folge hat.
II. Liquidationswert
In manchen Situationen kann die Liquidation eines Unternehmens günstiger als 126 die Fortführung sein. Eine Gegenüberstellung des Liquidationswertes und des DCFoder Ertragswertes kann Aufschluss darüber geben. Ausgangsbasis für die Errechnung des Liquidationswertes ist das Inventar. In 127 manchen Fällen enthält dieses mehr Vermögensgegenstände als in der Bilanz aktiviert worden sind, was auf § 248 Abs. 2 HGB zurückzuführen ist. Hierzu können z.B. selbst erstellte Vermögenswerte zählen. Die Vermögenswerte werden dann mit
_____ 60 Siehe Koch/Wegmann, S. 174. 61 Siehe http://www.unternehmenswert-gutachten.de/index.htm?/meth_sw.htm. 62 EACVA, S 6.10 und Dichtl/Issing, S. 2038.
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Kapitel 3 Unternehmensbewertung
ihren sogenannten Zerschlagungswerten bewertet. Problematisch kann dabei allerdings sein, dass die Zerschlagungsgeschwindigkeit und die Ausgaben, die eine solche Auflösung verursacht, geschätzt werden müssen. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass z.B. laufende Zahlungen noch beglichen werden müssen. Wenn der Zerschlagungswert ermittelt ist, zieht man die Summe der Schulden (Zeitwert) ab und erhält somit den Liquidationswert des Unternehmens.63 Wichtig für die adäquate Bestimmung des Liquidationswerts ist, dass der Be128 werter auch in juristischen Fragen hinreichend erfahren ist, um z.B. eventuelle langfristige Mietverträge oder auch Rückbaupflichten und andere Verpflichtungen aus der bisherigen Geschäftstätigkeit in die Berechnung miteinzubeziehen. Im Gegensatz zum Substanzwert auf Basis des Vollreproduktionswertes gibt der 129 Liquidationswert eine Untergrenze für den Wert eines Unternehmens an. Sobald dieser Wert oberhalb des Ertrags- oder Discounted-Cashflow-Wertes ist, kann der Liquidationswert der maßgebliche Wert werden. Zu berücksichtigen sind nicht nur die allgemeinen Bilanzpositionen (Gebäude, 130 Vorräte etc.) sondern auch stille Reserven oder Lasten. Hier muss man herausfinden, inwieweit einzelne Positionen in liquide Mittel verwandelt werden oder ob laufende Kosten gekündigt werden können. In der Regel sind auf der Aktivseite wesentliche Abschläge und auf der Passivseite Zuschläge zu erwarten. Bilanzposition oder Aufwendungen
Möglichkeiten
Gebäude & Grundstücke
Hier kann der allgemeine Verkehrswert relativ schnell und auch genau bestimmt werden, entweder durch einen Gutachter oder durch vergleichbare Verkäufe oder auch Angebote. Eventuell muss man hier – abhängig von der Branche – mit Rückbaupflichten und Kosten rechnen.
Maschinen
Hier kann wie bei Gebäuden der allgemeine Verkehrswert relativ schnell und auch genau entweder durch einen Gutachter, Marktplätze oder durch vergleichbare Verkäufe oder auch Angebote bestimmt werden. Eventuell muss hier – abhängig von den Maschinen – mit Abbaukosten etc. gerechnet werden.
Vorräte
Sehr abhängig von den Produkten – man muss auf jeden Fall zwischen fertigen, halbfertigen und RHB-Stoffen unterscheiden. Hier kann man jedoch meistens hohe Abschläge vermuten.
Wertpapiere
Bei Aktien, Fondsanteilen oder Anleihen ist der Wert relativ einfach über die Börse zu bestimmen, mit positiven oder negativen Effekten. Bei Fondsanteilen oder Anleihen kann
_____ 63 Gebhardt/Gerke/Steiner, S. 169.
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F. Einzelwertverfahren
Bilanzposition oder Aufwendungen
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Möglichkeiten es zu erheblichen Abschlägen (Vorfälligkeitsabschlägen) kommen, falls eine Auflösung überhaupt möglich ist.
Verbindlichkeiten
Bei Kreditlinien kann es eventuell zu Auflösungsgebühren oder Vorfälligkeitsgebühren kommen.
Lieferungen und Leistungen
Ob es sich hier um Forderungen oder Verbindlichkeiten handelt, die letztendliche Höhe hängt von Verhandlungen ab. Es ist aber davon auszugehen, dass man Skonti bekommen kann, aber auch gewähren muss.
Tab. 6: Mögliche Wertansätze bei der Liquidationswertberechnung (Anlehnung EACVA)
Nachdem alle Vermögensgegenstände bewertet worden und die bewerteten Ver- 131 bindlichkeiten abgezogen sind, erhält man den vorläufigen Liquidationswert. Um den sogenannten Netto-Liquidationswert zu erhalten, müssen noch weitere eventuell entstehende Kosten berücksichtigt werden. Die folgende Abbildung zeigt an einem Beispiel mögliche weitere Kosten, die zu berücksichtigen sind.
Abb. 13: Liquidationswertberechnung
Bei der Beauftragung für einen Einzelgüterverkauf (z.B. der Anlagen und Vorräte) 132 kann es zu Spesen/Provisionen kommen. Mögliche Kosten für weiterlaufende Verträge (z.B. Mietverträge, Leasing etc.) müssen ebenfalls berücksichtigt werden. Um diese zu einem Zeitpunkt t zu berücksichtigen, sollten diese dann auf t abgezinst werden. Neben eventuellen Abwicklungskosten darf man auch Kosten eines Sozialplans nicht vergessen, die gerade in Deutschland einen erheblichen Anteil haben können.
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Kapitel 3 Unternehmensbewertung
G. Besondere Bewertungsansätze und Themen G. Besondere Bewertungsansätze und Themen I. Aktienoptionen 133 In der Praxis hat man häufig das Problem, dass das zu kaufende Unternehmen ausstehende Aktienoptionen z.B. in Form von Mitarbeiteroptionen vergeben hat. Bei einigen Unternehmen kann dies den Wert des Eigenkapitals bei einer Ausübung der Optionen wesentlich beeinflussen, wenn der Käufer das Unternehmen oder die Unternehmensanteile nicht „Fully Diluted“ gekauft hat. Somit sollte man die möglichen Verwässerungseffekte identifizieren und berechnen. Der Einfluss auf den Wert wird maßgeblich durch die Höhe des bezahlten oder nicht bezahlten Optionspreises beeinflusst. Aktienoptionen werden durch die fünf Parameter aktueller Aktienkurs, Basis134 preis, Volatilität, Restlaufzeit, aktueller Zinssatz und Dividende beeinflusst. Neben dem Black-Scholes-Modell, in das viele Annahmen eingehen (z.B. Normalverteilung der Aktienpreises, Dividenden werden nicht ausgeschüttet etc.) wird in der Praxis aufgrund der Einfachheit und Transparenz eher die direkte Verwässerungsrechnung oder die sogenannte Treasury-Stock-Methode angewendet.64
II. Immaterielle Bewertung und Kundenstammbewertung 135 Die Bewertung von immateriellen Gegenständen nimmt in der Praxis in den letzten
Jahren zu, da Unternehmen ihre Marken, Kundenbeziehungen etc. sehr pflegen. Im Rahmen dieses Kapitels soll jedoch hier nicht weiter darauf eingegangen werden, denn diese immateriellen Faktoren müssen abhängig von dem bewerteten Unternehmen individuell bewertet werden. Neben den sehr speziellen Bewertungen von Patenten oder Lizenzen kann man in der Praxis vor allem auch mit der Kundenstammbewertung konfrontiert werden. Es gibt dabei im Prinzip zwei Herangehensweisen: Herleitung des Kundenstammwertes ohne Diskontierung oder mit Hilfe einer geeigneten Diskontierung. Hierzu ist es wichtig, die Kundenstruktur und die Retention-Rates des Unternehmens zu verstehen. In vielen Fällen berücksichtigt man auch nur die Kunden, die in Form von Rahmenverträgen für die folgenden Jahre gesichert sind.65 Kennt man die durchschnittliche Anzahl der Bestellungen, den durchschnittli136 chen Umsatz pro Bestellung im Jahr sowie den Deckungsbeitrag und weitere Kosten
_____ 64 Siehe: http://www.ibankingfaq.com/interviewing-technical-questions/enterprise-value-andequity-value/how-do-we-use-the-treasury-stock-method-to-calculate-diluted-shares/& EACVA. 65 Siehe: http://www.iww.de/bbp/archiv/bilanzierung-die-bewertung-von-immateriellen-vermoe ensgegenstaenden-f33778.
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G. Besondere Bewertungsansätze und Themen
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oder kann darüber realistische Annahmen machen, dann kann man relativ schnell mit einem geeigneten Diskontierungsfaktor einen ersten indikativen Barwert des Kundenstammes bestimmen.
III. Realoptionen
Das Modell der Realoptionen soll die Bewertung eines Unternehmens dadurch 137 zuverlässiger und transparenter gestalten, dass die verschiedenen Optionen, die bei Entscheidungen zur Verfügung stehen, (also die Flexibilität von Entscheidungen) betriebswirtschaftlich bewertet und in den Unternehmenswert einbezogen werden. Um diesen Grundgedanken zur realisieren, geht der Realoptionsansatz über die Anwendung eines alternativen Investitionsrechenverfahrens hinaus. So zeigt der Realoptionsansatz z.B., unter welchen Bedingungen es sinnvoll wäre, Risiken auf sich zu nehmen, um den „Shareholder Value“66 zu steigern.67 Das Modell der Realoptionen überträgt das Optionskonzept der Finanzmärkte in andere Märkte. Man muss sich jedoch einen wesentlichen Unterschied zwischen Finanzoptio- 138 nen und Realoptionen verdeutlichen: Im Gegensatz zu der Situation bei Finanzoptionen können die Werttreiber der Realoption vor der Ausübung beeinflusst werden. Außerdem entstehen Realoptionen auf Grund von Entscheidungsprozessen im Unternehmen. Somit übt das Management einen gewissen Einfluss auf das Zustandekommen des Realoptionsportfolios aus, kann es managen und gegebenenfalls erweitern. Natürlich ist eine Bewertung von Realoptionen nach den Verfahren der Kapitalwertmethode nur dann möglich, wenn realwirtschaftliche Werte für die Wertetreiber gefunden werden können. Ist eine solche Bewertung gelungen, erhöht sich der Wert eines Investitionsprojekts um den Wert der zugrundeliegenden Option: Erweiterter Kapitalwert = Statischer Kapitalwert + Optionswert
(10)
Realoptionen werden entweder mit analytischen oder numerischen Verfahren be- 139 wertet.
_____ 66 Shareholder-Value-Analyse: Dieses Analyseverfahren stammt ursprünglich aus den USA und versucht, die Aktivitäten des Unternehmens wertorientiert aus Sicht der Anteilseigner zu betrachten. Da sich der Wert eines Unternehmens aus den Zahlungen bestimmt, die dem Unternehmen künftig zufließen, gilt es diese zu maximieren. Vgl. Weber, S. 64. 67 Achleitner/Thoma/Hommel/Pritsch, S. 4.
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Kapitel 3 Unternehmensbewertung
3 Praxistipp Auch wenn man in der Praxis den Realoptionsansatz äußerst selten antrifft, ist die Methode der Realoptionen durchaus ein Tool, um sich mit den strategischen Handlungsalternativen des Unternehmens gezielt und vor allem genau auseinanderzusetzen.68
IV. Mögliche weitere Ab-/Zuschläge auf den Unternehmenswert 140 Die Liste weiterer Abschläge, aber auch Zuschläge, die man bei einer Bewertung
ansetzen kann, ist lang. Einer der möglichen Zuschläge wurde schon bei der Herleitung der Eigenkapitalkosten angesprochen (Size Premium). Andere Anpassungen werden erst nach der Berechnung des Unternehmenswertes angewendet. Wenn man einen Minderheitsabschlag, Paketzuschlag oder auch Infungibilitätsabschlag berücksichtigt, ist es wichtig, dass diese nicht in die Planung mit einfließen, sondern auf den „Equity Wert“ angesetzt werden (Gefahr der doppelten Einberechnung). Manche Abschläge werden oft damit begründet, dass der Unternehmenswert 141 auf Basis vergleichbarer börsennotierter Unternehmen berechnet wird, bei denen man keinen direkten Einfluss auf die Geschäftsführung hat. Auf der anderen Seite sollte man bei gelisteten Unternehmen keinen Abschlag vornehmen,69 denn man kann annehmen, dass gelistete Unternehmen tendenziell einen höheren Wert aufweisen als nicht gelistete.
Abb. 14: Weitere Zu- & Abschläge bei der Bewertung (Nowak, S. 167)
_____ 68 Detaillierte Ausführungen findet man z.B. bei Achleitner/Thoma/Hommel/Pritsch. 69 Nowak, S. 168 f.
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G. Besondere Bewertungsansätze und Themen
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Wie hoch letztendlich Zu- oder Abschläge sein sollen, hängt wiederum sehr stark 142 von der individuelle Bewertungssituation ab, was man schon an der großen Bandbreite möglicher Werte sieht. So geben Cheridito/Schneller70 folgende Werte an: Kontrollzuschlag/Minderheitsabschlag => 10–30% Fungibilitätsabschlag => 15–20% Die Frage der Zu- und Abschläge wird sehr kontrovers diskutiert. Deshalb sei an die- 143 ser Stelle – ohne darauf näher einzugehen – lediglich noch eine Liste einiger weiterer Zu- und Abschläge in der Praxis angefügt. Zu- & Abschläge
Erklärung
Portfolio-Abschlag
Ist ein Unternehmen in verschiedenen Geschäftsfeldern tätig, der Investor jedoch nur an einer Sparte interessiert, kann dies zu Abschlägen auf den Gesamtwert führen.
Veräußerungsbeschränkungen
Man ist bei der Veräußerung durch vertragliche Bestimmungen gehindert.
Abschlag für Schlüsselpersonen
In manchen Unternehmen gibt es Schlüsselpersonen, die maßgeblichen Einfluss auf das Geschäft haben. – Bei einer möglichen Abwanderung kann es zu erheblichen Einbußen kommen.
Tab. 7: Weitere Zu- & Abschläge (in Anlehnung an Nowak71)
V. Zusammenfassung
Neben den hier genannten Bewertungsmethoden gibt es noch einige weitere Metho- 144 den, die jedoch für die Praxis kaum relevant sind. Glaubt man einigen Untersuchungen,72 verwenden unabhängig von der Branche die wenigsten Bewerter mehr als drei Bewertungsmethoden pro Bewertungsfall. An der Spitze liegen Investmentbanken, PE-Gesellschaften und Beratungen mit etwas mehr als drei Methoden pro Fall (dabei wird jedoch jede Variation als weitere Methode gesehen). Konzerne hingegen verwenden im Durchschnitt etwas weniger als zwei Ansätze. Bei den Bewertungsverfahren liegen insgesamt der Multiplikatoransatz und das 145 DCF mit der WACC-Methode mit relativen Anteilen von ca. 20% bzw. 18% ganz vorne. Gefolgt werden diese Verfahren von dem Vergleichstransaktionsansatz und der
_____ 70 Cheridito/Schneller, S. 421. 71 Nowak, S. 168 f. 72 Henselmann/Barth, S. 9 ff.
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Kapitel 3 Unternehmensbewertung
Ertragswertmethode nach IDW S1 mit ca. 12%. Der Anteil des Realoptionsansatzes wird auf unter 1% geschätzt.
H. Mögliche Einflussfaktoren auf die Bewertung im Prozessverlauf H. Mögliche Einflussfaktoren auf die Bewertung im Prozessverlauf 146 Grundlage einer Bewertung ist der Business Plan mit Einschätzungen des Umsatzes,
der Kosten, der Personalstruktur etc. für die nächsten Jahre. Jeder Verkäufer muss daher genügend Zeit und Sorgfalt auf die Vorbereitung und Durchführung dieser Planung verwenden. In jeder Phase werden diese Daten wieder als Maßstab herangezogen. Auch 147 nach der Unterzeichnung des Letter of Intent (LOI) oder der Non-Binding Offer (NBO) müssen die Daten, auf die sich die Bewertung bezieht, in der Due Diligence standhalten. 148 Die in dem Business Plan verwendeten Zahlen müssen nachvollziehbar und vor allem belegbar sein, auch wenn einem Käufer viele Informationen, die die Bewertung aus seiner Sicht beeinflussen können, bei einer Transaktion erst sehr spät bekannt werden. Es ist wichtig, von Anfang an durch eine offene und vor allem direkte, aber ehrliche Kommunikation ein Vertrauensverhältnis zwischen Verkäufer und Käufer aufzubauen. 149 Dennoch kann es im gesamten Prozess immer wieder Situationen oder neue Erkenntnisse geben, die zu einer Anpassung der Bewertung oder sogar zu einem Abbruch der Transaktion führen können.
I. Anpassungen im Rahmen der Due Diligence 150 Die folgende Tabelle soll nur beispielhaft einige mögliche Erkenntnisse aus der Due
Diligence aufzeigen, die zu einer Anpassung führen können. Es ist immer auch eine Frage der persönlichen Einschätzung, ob eine Information oder ein Ereignis letztendlich einen Einfluss auf den Unternehmenswert hat. DD Bereich
Einige Beispiele, die zu einer Preisanpassung führen könnten
Legal DD
– –
laufende Prozesse Kundenverträge sind nicht transferierbar
Tech DD
– –
Verletzung von Patenten Kompatibilitätsprobleme
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H. Mögliche Einflussfaktoren auf die Bewertung im Prozessverlauf
DD Bereich
Einige Beispiele, die zu einer Preisanpassung führen könnten
Financial DD
– – –
Identifizierung von „Off-Balance Sheet Liabilities“ Investitionsstau Abweichung vom Business Plan in wichtigen Kennzahlen (Umsatz, EBIT, Cashflow etc.)
HR DD
–
Arbeitsverträge, z.B. keinerlei Flexibilität der Anpassung
Commercial DD
– –
Hohe Abwanderungsraten Qualitätsdefizite
Tab. 8: Beispiele für mögliche Preisanpassungen in einer DD
II. Zeitliche Effekte
Die zeitliche Komponente kann ebenfalls einen erheblichen Einfluss auf die Bewer- 151 tung haben. Man sollte deshalb versuchen, die Bewertung möglichst gut geplant und zügig durchzuführen.73 Es ist sinnvoll, sich den Unterschied zwischen internen, beeinflussbaren und externen, nicht beeinflussbaren Einflussfaktoren bewusst zu machen. Interne Effekte: Bereitstellung der Daten/Verschwiegenheit/Kommunikation/Qualität der Unterlagen/etc. Externe Effekte: Änderungen des Marktgegebenheiten/Eintritt neuer Wettbewerber/Neue Produkte (vor allem in Märkten mit kurzen Lebenszyklen)/etc.
Werden in der Due Diligence diese oder andere Schwachpunkte oder falsche An- 152 nahmen aufgedeckt, wird die kaufende Partei die Kaufpreisverhandlung nochmals aufnehmen. Neben den eben genannten gibt es noch viele weitere Punkte, wie Meilensteinverfehlung, Garantieverletzungen, Wettbewerbsverstöße etc., die zu einer außerordentlichen Anpassung führen können. Die „Volatilität“ (Schwankungsbreite) des Kaufpreises während eines Transak- 153 tionsprozesses, auch wenn man sich eventuell schon auf einen indikativen Preis geeinigt hatte, wird häufig stark unterschätzt. Das folgende Schaubild versucht, die Volatilität des Kaufpreises und mögliche beeinflussende Ursachen graphisch darzustellen.
_____ 73 Vgl. Kap. 2 Rn 15.
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Kapitel 3 Unternehmensbewertung
Abb. 15: Interne und externe Einflüsse auf die Kaufpreisentwicklung
Der Ausgangspunkt: 154 Ausgangspunkt ist in fast allen Fällen der objektivierte und zu Beginn des Trans-
aktionsprozesses auch als realisierbar angesehene Firmenwert. Die zu diesem Zeitpunkt zugrunde gelegten Prognosen (finanzieller, unternehmerischer und strategischer Art) müssen optimistisch, aber auch realisierbar sein. Hierfür ist eine sorgfältige und professionelle Unternehmensbewertung unerlässlich.
Transaktionsprozess: Interne Faktoren: Während des Transaktionsprozesses wird deutlich, wie gründlich und realistisch die Planung war. Stellt sich heraus, dass Prognosen zu optimistisch waren, kann dies einen entscheidenden (negativen) Einfluss auf den Preis bzw. Wert haben, ebenso wie unerwartet positive Entwicklungen den Preis entsprechend positiv verändern können. Um einen guten Preis zu erhalten, gilt es also den Prozess professionell, schnell und mit dem richtigen Timing durchzuführen. Externe Faktoren: Es gibt viele Aspekte, die man vorab berücksichtigen kann, 156 aber während des Transaktionsprozesses gibt es auch zahlreiche Ad-hoc-Probleme (z.B. eine unvermutete Änderung des Marktes oder Kreditprobleme), mit 155
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H. Mögliche Einflussfaktoren auf die Bewertung im Prozessverlauf
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denen man professionell umgehen muss, um einer unerwünschten Verschiebung des Abschlusses oder sogar einem Scheitern der Transaktion entgegenzuwirken. Man sollte sich dabei der Asymmetrie der Volatilität bewusst sein, dass nämlich 157 negative Erkenntnisse oder eine negative Veränderung der Situation grundsätzlich einen weitaus gravierenderen Einfluss haben als positive Nachrichten (die Ausprägung der Volatilität nach unten ist demnach höher). Sicherlich ist dieses Schaubild nicht für alle Transaktionen anwendbar oder gül- 158 tig, da es immer Situationen oder individuelle Entscheidungen gibt, die durch die dargestellten Zusammenhänge nicht erfasst werden. So könnte z.B. ein strategischer Käufer über negative Erkenntnisse hinwegsehen, ohne den Preis zu verändern, da das Produkt ihm einen weitaus höheren Mehrwert bietet und er ein Scheitern der Transaktion unbedingt verhindern will. Dies ist im Übrigen auch ein Beispiel dafür, wie die schon mehrfach erwähnten subjektiven Effekte eine Transaktion beeinflussen können.
III. Synergien
Es gibt kaum eine Transaktion zwischen zwei Firmen ohne den Hinweis auf die zu 159 erwartenden außerordentlichen Synergien. Synergien entstehen aus Größeneffekten (Skaleneffekten), Know-how-, Transfer-, Verbundvorteilen etc. In M&ATransaktionen setzen Käufer neben den Kosteneffekten vor allem auf schnelle und kostengünstige Wachstumspotentiale, die eine Erhöhung des Umsatzes und der Gewinnmargen erwarten lassen. Entstehen können diese Potentiale z.B. aus der Erweiterung von Produktpaletten, Erschließung von neuen Regionen, neuen Absatzkanälen etc.74 Speziell zum Zeitpunkt der Übernahme gehen Käufer häufig von hohen Syner- 160 giepotentialen aus, jedoch bewerten die wenigsten die Potentiale richtig. Die Einschätzung möglicher Synergien gehört sicherlich auch zu einer der schwersten Aufgaben, da meist keine klar bezifferbaren Erfahrungswerte vorliegen. Außerdem sind nach einer gelungenen Transaktion die Euphorie und die Erwartungen häufig sehr groß. Dies wird durch eine Studie gestützt, die bestätigt, dass die erwarteten Potentiale meist zu hoch eingeschätzt werden.75 Oft werden in der Praxis überhöhte Kaufpreiszahlungen mit den hohen zu er- 161 wartenden Synergiepotentialen gerechtfertigt. Jedoch stellt sich hier die Frage, wa-
_____ 74 Vogel, S. 33–35. 75 Siehe: https://www.bain.com/de/ueber-uns/presse/pressemitteilungen/germany/2014/synergie effekte-werden-oftmals-ueberschaetzt-/
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Kapitel 3 Unternehmensbewertung
rum eine kaufende Firma überhaupt für die Synergien und den Mehrwert zahlen sollte. Eine Bewertung sollte immer eine „stand-alone“ Bewertung sein, d.h. der Wert eines Unternehmens richtet sich danach, wie der Verkäufer das Unternehmen weiterentwickeln könnte, ohne die Synergien und den Einfluss des potentiellen Käufers. Diese sind, wenigstens zum großen Teil, Potentiale, die der Käufer einbringt. 3 Praxistipp Der Käufer sollte den in der Praxis häufigen Fehler vermeiden, Synergieeffekte als einzelne Werte in den Kaufpreis einzuberechnen. Vielmehr sollte er Synergien direkt in die Berechnung des integrierten Business Plans einfließen lassen. Das hat den Effekt, dass alle Positionen in der Planung mit den Synergien abgestimmt werden. Um die Synergien nicht zu überschätzen, sollte man im Vorfeld des Abschlusses herausarbeiten, wo sich die größten Synergien heben lassen und Best-PracticeAnsätze maximale Wirkung zeigen. Durch Benchmarkanalysen und die Kenntnisse branchenspezifischer Skaleneffekte lassen sich schon vor der Realisierung realistische Zielwerte festlegen.
I. Earn Out I. Earn Out I. Grundgedanke 162 Das Ziel eines Earn Outs ist es zum einen, der erwähnten Informationsasymmetrie
zwischen Verkäufer und Käufer entgegenzuwirken, die unweigerlich in jeder Transaktion entsteht, zum anderen auch die Unsicherheiten zu berücksichtigen, die in jeder Bewertung enthalten sind. Earn Outs versuchen, verbleibende Unsicherheiten des Geschäfts auf Käufer und Verkäufer gleichmäßig zu verteilen, und werden deshalb in der Praxis gerne verwendet. In der Praxis gibt es unterschiedliche Ansichten darüber, ob ein Earn Out prinzipiell vorteilhaft ist oder aber eher Nachteile sowohl für den Verkäufer als auch für den Käufer beinhaltet. Earn Outs können vor allem Bewertungsdifferenzen, Integrationsrisiken oder 163 Finanzierungsrisiken ausgleichen. Die Bewertungsdifferenzen ergeben sich aus unterschiedlichen Basisannahmen in der Bewertung und Preisgestaltung. Verkäufer-Ansichten
Käufer-Ansichten
Geschäftsplanung: Häufig sehr ambitioniert mit hohen Wachstumsraten, die oft nicht mit den Vergangenheitsdaten begründbar sind. Überdurchschnittliche Margenentwicklung auf der EBIT- & EBITDA-Ebene.
Marktentwicklung: Die Unsicherheit über die zukünftige Entwicklung vor allem in neuen Märkten oder neuen Branchen ist vor allem in den letzten Jahren gewachsen.
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I. Earn Out
Verkäufer-Ansichten
Käufer-Ansichten
Bezug auf Markt-Multiplikatoren: Sehr häufig beziehen sich die Verkäufer auf in der Presse veröffentliche Transaktionen, die weit überhöhte Multiplikatoren liefern. Wie bereits ausführlich erläutert, werden auch häufig allgemein zugängliche Multiplikatoren oder Durchschnittsmultiplikatoren als Richtgrößen verwendet, die jedoch nicht allgemein auf jedes Unternehmen oder jede Branche anwendbar sind.
Zukunftsperspektiven: Sicherlich werden viele Dinge wie Skalierbarkeit, Robustheit der Organisation oder die Kundenbasis im Rahmen der Due Diligence geprüft. Jedoch gibt es viele offene Risiken, die erst nach der Entscheidung und dem Abschluss der Transaktion bekannt werden: Integrationsprobleme, Kulturunterschiede etc.
Subjektive Preisvorstellungen: Der Verkäufer wird vor allem bei kleinen Unternehmen oder Familienunternehmen in seinen Preisvorstellungen sehr stark auf einer emotionalen Ebene beeinflusst.
Synergiepotentiale: Meistens gehen Käufer von hohen realisierbaren Synergien aus, die sich jedoch wegen des Einflusses vieler Variablen sehr schwer abschätzen lassen.
Tab. 9: Unterschiede in den Wertansichten bei einem Earn Out (in Anlehnung Hilgard & EACVA)
Die aus diesen und anderen Gründen entstehenden Bewertungsunterschiede veran- 164 lassen vorwiegend die Käufer, einen Earn Out zu vereinbaren. Dadurch kann der Käufer einige der Risiken minimieren. Der Verkäufer hat die Chance, seinen Gewinn zu maximieren und bei überdurchschnittlicher Leistung eventuell einen besseren Gesamtpreis zu erzielen (falls der Earn Out nicht gedeckelt wurde). Die Abbildung stellt den Grundgedanken und die Zusammensetzung eines Earn 165 Outs dar.76
Abb. 16: Graphische Darstellung eines Earn Outs
_____ 76 Die Graphik soll nur das Prinzip des Earn Outs darstellen und sagt nichts darüber aus, dass und in welchem Umfang es dadurch, dass bestimmte Ziele erreicht oder nicht erreicht werden, zu erheblichen Anpassungen des „Earn Out-Anteils“ kommen kann.
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Kapitel 3 Unternehmensbewertung
166 Bei Vereinbarung eines Earn Outs besteht der Kaufpreis aus zwei Komponenten,
Vorteile/Chancen
einem Fixum und einem Earn Out-Anteil. Der Strukturierung der beiden Komponenten sind in der Praxis keine Grenzen gesetzt, solange man die Grundregel der klaren Messbarkeit und Quantifizierbarkeit beachtet. Wichtig ist jedoch, dass man die Struktur individuell der Branche, dem Unternehmen und dem Management (Unternehmer) anpasst. Grundsätzlich lassen sich die Vor- und Nachteile eines Earn Outs wie folgt zu167 sammenfassen: Käufer
Verkäufer
– – –
Risikoabwälzung gestaffelter Finanzbedarf (Liquidität) Motivierter Verkäufer als Erfolgsgarant Zeitgewinn für Integration Möglicher Abschluss, obwohl Preiserwartungen weit auseinander liegen
– –
Muss Transparenz gegenüber Verkäufer gewähren Verkäufer will Einfluss nehmen Umstrukturierungen werden erschwert und verzögert (Integration, Fusion etc.) Mögliche Streitigkeiten bei Earn Out Bemessung
– –
– –
Nachteile/ Herausforderungen
– – –
–
– –
– –
Möglichkeit zu höherem Verkaufserlös Verkäufer darf sich im Unternehmen weiter engagieren Einflussnahme in Unternehmensentwicklung Möglicher Abschluss, obwohl Preiserwartungen weit auseinander liegen Endgültiger Kaufpreis ist nicht sicher Begrenzte Einflussmöglichkeiten für Earn Out Anteil Emotionaler und finanzieller Druck bleibt bestehen Mögliche Streitigkeiten bei Earn Out Bemessung
Tab. 10: Vor- & Nachteile eines Earn Outs (Anlehnung an Toll/Rolinck)
II. Strukturierungsparameter 168 Um einen Earn Out erfolgreich strukturieren zu können, müssen sich Verkäufer und
Käufer über alle Grundparameter austauschen und diese vertraglich festlegen.77 Über die folgenden Punkte sollte man sich einigen: 1. Anteil des Earn Outs am Gesamtkaufpreis (er ist Verhandlungssache und variiert dementsprechend stark); 2. Laufzeit (unterschiedlich, jedoch meist zwischen zwei und vier Jahren) 3. Anzahl der Anpassungsintervalle und Gewichtung der einzelnen Intervalle; 4. Zielgrößen: Auf welche Größen soll sich der Earn Out beziehen? Bilanzkennzahlen oder andere Messgrößen? Man muss auch festlegen, wie diese Größen defi-
_____ 77 Zu vertraglichen Regelungstechniken im Einzelnen vgl. Kap. 14 Rn 33 ff.
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I. Earn Out
5.
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niert und hergeleitet werden, z.B. auf der Basis von geprüften Abschlüssen. Zusätzlich sollten diese Größen normalisiert werden. Special Events: Gibt es bestimmte Vorkommnisse, die den Vertrag oder Vertragsbestandteile negativ oder positiv beeinflussen?
Die wichtigsten Parameter sind die Definition der Zielgrößen, der Modus der Aus- 169 zahlung und die Vereinbarung des Zeithorizonts, wobei bei letzterem der Verkäufer meist für kurze Laufzeiten plädieren wird. Der Auszahlungsmechanismus legt fest, wie die Auszahlung an den Verkäufer 170 vollzogen wird. Hier gibt es viele verschiedene Möglichkeiten, wie eine sprunghafte oder digitale Funktion, die Einpreisung eines Toleranzkorridors bei einer Verfehlung der Zielgröße (individuell wählbar) oder eine Stufen- oder Treppenfunktion.78 Die nachfolgende Liste zeigt einige der häufigsten Zielgrößen für Earn Outs aus der Praxis: Software-/Produkt Entwicklung
Der Käufer bezahlt z.B. 100.000 €, wenn das Unternehmen eine bestimmte Software oder technische Fortschritte nachweisen kann (z.B. an einem bestimmten Stichtag).
Finanzkennzahlen (z.B. Umsatz/EBIT/EBITDA etc.)
Entweder wird hier ein Prozentsatz oder ein fester Betrag bezahlt, bezogen auf die ausgewählte Größe z.B. nach dem IFRS Standard. Beispiel: Ein Earn Out in Höhe von 10 Mio. € wird an den Verkäufer ausbezahlt, wenn das Unternehmen im Jahresabschluss 2017 (Herleitung auf der Basis das Accounting Manuals des Unternehmens) einen Umsatz von 100 Mio. € erreicht. Falls das Unternehmen nur ≤ 50% des Zielumsatzes erreicht, wird kein Earn Out ausbezahlt. Für jeden Prozentpunkt über 50% werden 2% des Earn Out-Betrags bezahlt. Verknüpfung von Zielgrößen: Um zu verhindern, dass nur der Umsatz vorangetrieben wird, ohne zu berücksichtigen, ob eine bestimmte Marge erreicht wird, könnte man das Umsatzziel an eine bestimmte EBIT-Marge von z.B. 15% knüpfen.
Markterweiterung
Die Zahlung kann auch an Markterweiterungskriterien geknüpft werden wie z.B. Erschließung von zwei neuen Ländern pro Jahr. Jedoch sollte man sich hier auch noch ergänzende Kriterien überlegen, wie z.B einen Mindestumsatz.
Aufnahme von neuen Kunden Man kann hier auf eine durchschnittliche Neukundengewinnungsrate pro Jahr abstellen. Hier empfiehlt es sich jedoch, auch einen Mindestumsatz pro Kunde mit zu vereinbaren. Selbstverständlich kann man auch hier wieder eine Staffelung einbauen für den Fall, dass weniger oder mehr Kunden gewonnen werden. Tab. 11: Beispiele für eine Earn Out Strukturierung
_____ 78 Siehe Niggemann/Hartisch, S. 8 ff.
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Kapitel 3 Unternehmensbewertung
III. Erfolgsfaktoren eines Earn Outs 171 Für eine erfolgreiche Implementierung gibt es einige wenige Grundregeln, die man
beachten sollte. 1. Möglichst transparente und klare Ziele definieren. 2. Die Herleitung der Zielgrößen sollte klar niedergelegt werden. 3. Größen sollten sich auf geprüfte Abschlüsse beziehen, damit Differenzen und damit Streitigkeiten minimiert werden. 4. Regelmäßige Abstimmung mit dem Management.
IV. Alternative zum Earn Out 172 Eine gute Alternative zu den besprochenen Earn Outs, die doch sehr viel Aufwand 173
bedeuten, ist ein sukzessiver Kauf des Unternehmens mit fixen Kaufoptionen. Der Käufer erwirbt z.B. einen Mehrheitsanteil von 51% sowie zwei Optionen, die restlichen 49% zu einem Festpreis oder zu einem Wert, der auf einem vorher vereinbarten Multiplikator basiert, zu erwerben. Bei dieser Alternative gilt es, das Management (Verkäufer) durch Anreize und Verträge weiterhin an das Unternehmen zu binden.
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A. Vorgehensweise
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Kapitel 4 Steuerliche Aspekte Kapitel 4 Steuerliche Aspekte Risse/Wagenknecht
A. Vorgehensweise A. Vorgehensweise https://doi.org/10.1515/9783110673043-004 Der nachhaltige Erfolg einer Unternehmenstransaktion hängt nicht zuletzt von der Analyse der steuerlichen Rahmenbedingungen und der Gestaltung der Transaktion unter steuerlichen Gesichtspunkten ab. Der folgende Abschnitt B behandelt zunächst die steuerlichen Rahmenbedingungen, die die Besteuerung einer Unternehmenstransaktion beeinflussen. Gestaltungmöglichkeiten zur Optimierung der Transaktionsstruktur stellt Abschnitt C dar. Ziel ist ein Ausgleich der unterschiedlichen steuerlichen Interessen der Parteien und eine möglichst geringe Gesamtsteuerlast. Der Schwerpunkt dieses Kapitels liegt auf inlandsbezogenen Sachverhalten im Rahmen von M&A-Transaktionen. Das breite Spektrum internationaler Aspekte bei grenzüberschreitenden Transaktionen wird nur am Rande thematisiert.
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B. Die steuerlichen Rahmenbedingungen beim Unternehmenskauf und -verkauf B. Die steuerlichen Rahmenbedingungen beim Unternehmenskauf und -verkauf I. Verschiedene steuerliche Interessenlagen von Käufer und Verkäufer Für M&A-Transaktionen finden sich zahlreiche Anlässe und Erscheinungsformen. 5 Daraus resultieren unterschiedliche Motivationen der Beteiligten. Bei nahezu allen Unternehmenstransaktionen spielen jedoch monetäre Zielsetzungen eine entscheidende Rolle. Der Verkäufer eines Unternehmens möchte aus der Transaktion hohe Zahlungsmittelzuflüsse generieren, dem Käufer ist an möglichst geringen Zahlungsmittelabflüssen gelegen. Wirtschaftliches Handeln löst neben diversen steuerlichen Verpflichtungen in 6 der Regel Steuern aus. Daher kommt den steuerlichen Aspekten im Rahmen von Unternehmenstransaktionen eine hohe Bedeutung zu. Für die beteiligten Parteien ist entscheidend, was unter Berücksichtigung der anfallenden Steuern und damit „unter dem Strich“ übrigbleibt. Seit Jahren strebt der deutsche Gesetzgeber nach steuerlicher Rechtsform- 7 neutralität, d.h. nach einer von der Rechtsform möglichst unabhängigen Steuerbelastung.1 Personengesellschaften und Einzelunternehmen einerseits und Kapitalgesellschaften andererseits sollen steuerlich gleichbehandelt werden. Bei der
_____ 1 Vgl. Brück/Sinewe/Sinewe/Witzel, § 1 D. I. Rn 59.
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Kapitel 4 Steuerliche Aspekte
sogenannten laufenden Besteuerung wurde bereits eine weitgehende Angleichung erreicht. Im Rahmen der Besteuerung von Unternehmenstransaktionen bestehen jedoch weiterhin recht große Unterschiede. Die steuerlichen Interessen des Käufers liegen vor allem in der künftigen 8 Berücksichtigung des Kaufpreises und weiterer Kosten als steuermindernde Betriebsausgaben, v.a. in Form einer Abschreibung des Kaufpreises und der Berücksichtigung von Finanzierungskosten.2 Zudem sollen mit der Unternehmenstransaktion keine steuerlichen Risiken „eingekauft“ werden, die zu künftigen Steuerzahlungen führen, deren Ursache aber vor der Unternehmenstransaktion liegen. Die steuerlichen Interessen des Verkäufers liegen dagegen in einer möglichst 9 geringen Besteuerung des Kaufpreises bzw. des Veräußerungsgewinns im Zeitpunkt der Veräußerung.3 Des Weiteren will er keine Steuerlast für die Vergangenheit übernehmen.
II. Aus steuerlicher Sicht vorzunehmende Abgrenzung 1. Form der Transaktion: Share Deal versus Asset Deal 10 Ein Unternehmen ist zivilrechtlich weder Sache noch Recht, sondern ein sich stetig änderndes Zusammenspiel verschiedener Aspekte (Sachen, Rechte, Geschäftschancen, Personal, bestehende Vertragspositionen, etc.), die bei einer Unternehmensveräußerung berücksichtigt werden müssen. Die Praxis unterscheidet bei der Veräußerung von Unternehmen zwei Grund11 typen, die auch für die steuerliche Beurteilung wesentlich sind.4 – Share Deal: Die Veräußerung des Unternehmens erfolgt durch Übertragung seines Rechtsträgers, d.h. durch die Veräußerung von Gesellschaftsanteilen, beispielsweise durch Abtretung sämtlicher Geschäftsanteile an einer GmbH. – Asset Deal: Die Übertragung des Unternehmens erfolgt durch Übertragung der einzelnen das Unternehmen bildenden Vermögensgegenstände ohne den eigentlichen Rechtsträger. Das Unternehmen wird also von seinem bisherigen Rechtsträger abgetrennt. 12 Die Übertragung von Anteilen an Personengesellschaften (GbR, KG, GmbH & Co.
KG, OHG) ist im Zivil- und Verkehrssteuerrecht grundsätzlich wie eine Über-
_____ 2 Vgl. Holzapfel/Pöllath, Rn 219 bis 222 ausführlich zu möglichen Präferenzen des Erwerbers; Brück/Sinewe/Sinewe/Witzel, § 1 D. III. Rn 67. 3 Vgl. Brück/Sinewe/Sinewe/Witzel, § 1 D. III. Rn 67. 4 Vgl. Holzapfel/Pöllath, Rn 6.
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B. Die steuerlichen Rahmenbedingungen beim Unternehmenskauf und -verkauf
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tragung des Rechtsträgers einzuordnen. Insbesondere im Ertragsteuerrecht überwiegen dabei jedoch die Elemente der Veräußerung von Unternehmensteilen. Steuerrechtlich stellt die Anteilsveräußerung an Personengesellschaftsanteilen einen Verkauf der Wirtschaftsgüter dar, die sich in der Gesellschaft befinden (transparente Besteuerung der Personengesellschaft).5 Aufbauend auf dieser Differenzierung folgt dieses Kapitel der üblichen Eintei- 13 lung aus steuerlicher Sicht und bezeichnet als Share Deal nur die Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften. Unter dem Begriff Asset Deal wird hingegen die Veräußerung von Einzelwirtschaftsgütern, Betrieben, Teilbetrieben oder Anteilen an Personengesellschaften zusammengefasst.
2. Beteiligte an der Transaktion: Rechtsform vom Käufer und Verkäufer Zudem ist es zweckmäßig, nach der Rechtsform von Käufer und Verkäufer zu differenzieren. Für die Ertragsbesteuerung können natürliche Personen, die ein Unternehmen betreiben oder Gesellschaftsanteile halten, einerseits und Kapitalgesellschaften andererseits unterschieden werden. Neben der unterschiedlichen Besteuerung der Unternehmenstransaktion (Kaufpreis, Kosten der Transaktion, etc.) bestehen auch deutliche Unterschiede in der laufenden Besteuerung vor und nach der Transaktion (Dividenden, Finanzierungskosten, etc.). Das deutsche Steuerrecht behandelt die Personengesellschaft als transparent. Es schaut quasi durch die Gesellschaft „hindurch“ und stellt – mit Ausnahme der Gewerbesteuer – auf den Gesellschafter ab.6 Für einen Überblick über die unterschiedlichen Auswirkungen genügt daher die Unterscheidung zwischen natürlicher Person und Kapitalgesellschaft.
_____ 5 Vgl. Holzapfel/Pöllath, Rn 320. 6 Zur sogenannten mehrstufigen Gewinnermittlung bei der Besteuerung von Personengesellschaften und der transparenten Besteuerung vgl. z.B. Grobshäuser/Maier/Kies, S. 111 ff.; Tipke/Lang/ Hennrichs, § 10 Rn 100 ff.; Schmidt/Wacker, § 15 Rn 400 ff.
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Kapitel 4 Steuerliche Aspekte
III. Bei Unternehmenstransaktionen zu beachtende Steuerarten und steuerliche Feststellungen 1. Ertragsteuern a) Steuerarten und steuerliche Feststellungen aa) Steuerarten: Einkommensteuer (Kirchensteuer), Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer 18 Natürliche Personen sind nach § 1 EStG Steuersubjekt der Einkommensteuer. Sofern sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort in Deutschland haben, sind sie unbeschränkt steuerpflichtig. Steuerobjekt ist das „Welteinkommen“.7 Sofern allerdings weder Wohnsitz noch gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland unterhalten wird, gilt eine beschränkte Steuerpflicht. Steuerobjekt sind dann nach § 1 Abs. 4 EStG nur die inländischen Einkünfte. Dazu können, wie bei unbeschränkt Steuerpflichtigen, auch Einkünfte aus dem Halten eines Unternehmens oder einer Beteiligung bzw. deren Veräußerungen zählen. Der Steuertarif der Einkommensteuer ist progressiv. Er liegt nach Abgeltung eines Grundfreibetrages zwischen 14% und 45% des zu versteuernden Einkommens (§§ 2 Abs. 5 Satz 1 2. Halbsatz, 32a Abs. 1 EStG). In Deutschland haben die beiden großen Kirchen die im Grundgesetz veranker19 te Möglichkeit, Kirchensteuer als Zuschlagsteuer zu bestimmten staatlichen oder kommunalen Maßstabsteuern zu erheben. Sie nutzen dies für die Erhebung einer Kircheneinkommensteuer in Höhe von 8% bzw. 9% der Einkommensteuerschuld.8 3 Praxistipp Die Kirchensteuer kann im Rahmen von Unternehmensverkäufen, bei denen häufig in einem einmaligen Veräußerungsakt über Jahrzehnte geschaffene Erträge realisiert werden, nennenswerte Beträge erreichen. Daher bietet es sich an, mit den zuständigen Kircheneinrichtungen bereits im Vorfeld einer Transaktion Kontakt aufzunehmen und über Nachlässe, Teilerlasse und ähnliches – die in der Praxis regelmäßig gewährt werden – zu sprechen. Alternativ ist natürlich auch ein Kirchenaustritt möglich.9
_____ 7 Tipke/Lang/Hey, § 8 Rn 26. 8 Vgl. Tipke/Lang/Seer, § 8 Rn 964 und 965. Da die Kirchensteuer als Sonderausgabe wiederum bei der Einkommensermittlung abgezogen wird, verringert sie sich grundsätzlich um den individuellen Einkommensteuersatz des Steuerpflichtigen. Dies gilt im Ergebnis auch für die auf die Abgeltungsteuer für Kapitaleinkünfte (§ 32d Abs. 1 Satz 1 EStG) erhobene Kirchensteuer. Technisch wird die Entlastung hier jedoch über eine pauschale Ermäßigung der Abgeltungsteuer erreicht (§ 32d Abs. 1 Satz 3 EstG). 9 Hierbei ist zu beachten, dass die Kirchensteuerpflicht in der Regel erst mit dem Ablauf des Monats, der auf die Erklärung des Kirchenaustritts folgt, entfällt. Vgl. Tipke/Lang/Seer, § 8 Rn 959.
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B. Die steuerlichen Rahmenbedingungen beim Unternehmenskauf und -verkauf
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Kapitalgesellschaften sind nach § 1 Abs. 1 KStG Steuersubjekt der Körperschaftsteuer. Je nachdem, ob sie ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz im Inland oder im Ausland haben, sind sie analog der obigen Darstellung zur Einkommensteuer unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtig.10 Steuerobjekt ist das im Kalenderjahr erzielte Einkommen vor Ausschüttung an die Gesellschafter. Das KStG definiert das Einkommen, zu dem wiederum auch Ergebnisse aus Unternehmenstransaktionen zählen können, nicht, sondern verweist hierzu auf die Vorschriften des Einkommensteuergesetzes und auf Spezialvorschriften des KStG (§ 8 Abs. 1 KStG). Der Steuertarif für die Körperschaftsteuer ist linear und beträgt aktuell 15% des zu versteuernden Einkommens (§ 23 Abs. 1 KStG). Zur Einkommen- und Körperschaftsteuer kommt als Ergänzungsabgabe derzeit noch der Solidaritätszuschlag in Höhe von 5,5% der festgesetzten Einkommenbzw. Körperschaftsteuer hinzu (§ 1 Abs. 1 SolZG). Einkommensteuerpflichtige Steuerzahler werden ab dem Jahr 2021 jedoch schrittweise durch eine Anhebung der vorgesehenen Freigrenzen (§ 3 Abs. 3 SolZG) entlastet.11 Für Kapitalgesellschaften greift diese Entlastung nicht. Gewerbliche Unternehmen unterliegen zudem der Gewerbesteuer.12 Um den Gewerbeertrag als Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer zu ermitteln, wird der nach einkommen-/körperschaftsteuerlichen Regeln ermittelte Ertrag um bestimmte Beträge erhöht oder gekürzt. Damit soll dem Objektsteuergedanken der Gewerbesteuer Rechnung getragen werden. Der so ermittelte Gewerbeertrag wird mit einer Messzahl von 3,5% multipliziert (= Gewerbesteuermessbetrag) und dann mit dem von der Gemeinde festgesetzten Hebesatz (Gewerbesteuerautonomie der Kommunen13) multipliziert. Bei einem örtlichen Hebesatz von beispielsweise 440% ergibt sich damit eine Gewerbesteuer von 15,4% auf den Gewerbeertrag. Um Einzelunternehmen und Personenhandelsgesellschaften nicht mit Gewerbe- und Einkommensteuer doppelt zu belasten, ist die Gewerbesteuer bei der Einkommensteuer in Höhe des 3,8-fachen des Gewerbesteuermessbetrags (§ 35 Abs. 1 EStG) anrechenbar. Neben anderen möglichen Restriktionen führt dies unter Berücksichtigung des Solidaritätszuschlags nur bis zu einem Hebesatz von ca. 400%
_____ 10 Vgl. Tipke/Lang/Hey, § 11 Rn 31. 11 Vgl. Schmidt/Loschelder, § 51a Rn 11. Die ab dem Jahr 2021 neu eingeführte Freigrenze mit Gleitzone entlastet zunächst ca. 90% aller einkommensteuerpflichtigen natürlichen Personen. Für ledige Steuerpflichtige fällt bis zu einem zu versteuernden Einkommen von rd. 61.700 € kein Solidaritätszuschlag an. Durch eine „Gleitzone“ bis zu einem zu versteuernden Einkommen von rd. 96.400 € ergibt sich auch darüber hinaus eine Entlastung. Für Verheiratete verdoppeln sich diese Beträge. 12 Das GewStG erklärt nicht die Erträge gewerblicher Unternehmen zum Steuerobjekt, sondern aufgrund des ursprünglichen Real- oder Objektsteuerprinzips den Gewerbebetrieb selbst. Vgl. Tipke/Lang/Montag, § 12 Rn 3. 13 Die Hebesätze variieren in Deutschland zwischen 200% und 900% (Stand 2018).
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Kapitel 4 Steuerliche Aspekte
zu einer vollständigen Vermeidung der Doppelbelastung mit Einkommen- und Gewerbesteuer.14 Fasst man die Steuersätze der verschiedenen Ertragsteuerarten zusammen, 24 ergibt sich die in der folgenden Tabelle dargestellte Steuerbelastung für gewerbliche Einkünfte.
1.
ESt/KSt-Tarif
2.
Solidaritätszuschlag 5,5% auf 1.
3.
GewSt (Hebesatz 440%)
4.
GewSt-Anrechnung
Natürliche Personen
Kapitalgesellschaft
45,00%
15,00%
2,48%
0,83%
15,40%
15,40%
–13,30%
–
49,58%
31,23%
Tab. 1: Ertragsteuerbelastung für gewerbliche Einkünfte.15 25 Einkünfte durch Kapitalgesellschaften sind also grundsätzlich mit einer deutlich
niedrigeren Ertragsteuer belastet. Werden die Gewinne allerdings nicht in der Kapitalgesellschaft thesauriert, sondern an natürliche Personen als Gesellschafter ausgeschüttet, ergibt sich eine vergleichbare Belastung (Lock-in-Effekt der Thesaurierung).16 Die folgenden Abschnitte stellen dar, inwieweit obige Ertragsteuergrundsätze 26 auch für Erträge aus Unternehmensverkäufen anwendbar sind bzw. ob es hierfür Spezialregelungen bzw. Freistellungen gibt, die aus steuerlicher Sicht bestimmte Transaktionsstrukturen begünstigen.
_____ 14 Vgl. Schmidt/Glanegger, § 35 Rn 2. 15 Bei der Einkommensteuer wurde der maximale Steuersatz (sogenannter Grenzsteuersatz) von 45% angenommen. Die ab dem Jahr 2021 vorgesehene Entlastung im Bereich des Solidaritätszuschlags auf die Einkommensteuer (keine Entlastung für Kapitalgesellschaften!) ist nicht abgebildet. Kirchensteuer ist unberücksichtigt und kommt gegebenenfalls noch als zusätzliche Belastung hinzu. Zu beachten ist, dass der für die Kapitalgesellschaft ermittelte Steuersatz nur gilt, solange keine Ausschüttungen an Gesellschafter vorgenommen werden. Die Ausschüttungen unterliegen bei natürlichen Personen als Gesellschafter grundsätzlich der Abgeltungsteuer von 25% zuzüglich Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer (§ 32d Abs. 1 EStG) oder unter weiteren Voraussetzungen dem sogenannten Teileinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 EStG) und sind damit bei tariflicher Besteuerung (§ 32a Abs. 1 EStG) nur zu 60% steuerpflichtig. Dies führt dann im obigen Beispiel zu einer zusätzlichen Belastung auf der Ebene der natürlichen Person von etwa 18,2% bis 19,7%. Bei Unterstellung einer Vollauskehrung der Gewinne bis zur natürlichen Person als Gesellschafter ergeben sich damit vergleichbare Steuerbelastungen wie für gewerbliche Einkünfte. 16 Detaillierte Darstellung vgl. z.B. bei Tipke/Lang/Montag, § 13 Rn 21 und 22.
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B. Die steuerlichen Rahmenbedingungen beim Unternehmenskauf und -verkauf
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bb) Sonstige steuerliche Feststellungen Neben den zuvor dargestellten Ertragsteuergrundsätzen sind im Rahmen der steuerlichen Betrachtung von Unternehmenskäufen bzw. -verkäufen auch weitere steuerrelevante Aspekte von Bedeutung. Für einzelne Besteuerungsgrundlagen, welche z.B. für eine Einkommen- oder Körperschaftsteuerfestsetzung von Relevanz sind, hat der Gesetzgeber eine gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen angeordnet (§ 179 Abs. 1 AO). Hier näher betrachtet werden dabei – aufgrund der Relevanz im Kontext von Unternehmenskäufen – die gesondert festzustellenden Verlustvorträge (bspw. § 10d Abs. 4 EStG oder § 10a Satz 6 GewStG) und die Feststellung des Bestandes des steuerlichen Einlagekontos (§ 27 Abs. 2 KStG). In der Vergangenheit entstandene steuerliche Verluste, welche nicht im Veranlagungszeitraum der Entstehung mit positiven Einkünften verrechnet werden konnten, führen zu verbleibenden Verlustvorträgen (bspw. § 10d Abs. 4 EStG). Diese gesondert festzustellenden Verlustvorträge können auf unterschiedlichen Ebenen eine steuerliche Wirkung entfalten und führen – bei vorhandenen Verrechnungsmöglichkeiten, also beispielsweise positiven steuerlichen Bemessungsgrundlagen – zukünftig zu geringeren Steuerzahlungen. Sofern Verlustvorträge auf Ebene der veräußernden natürlichen Person festgestellt worden sind, sind diese grundsätzlich unter Berücksichtigung der allgemeinen Regelungen zum Verlustausgleich (§ 10d Abs. 2 EStG) mit Gewinnen aus der Veräußerung des Unternehmens verrechenbar.17 Besonderheiten ergeben sich dabei bei Share Deals, also sofern Beteiligungen an Kapitalgesellschaften durch natürliche Personen veräußert werden. Im Fall von wesentlichen Beteiligungen (Beteiligungsquote von mindestens 1%) ist eine Verlustverrechnung nur möglich, wenn es sich während der letzten fünf Jahre durchgängig um eine wesentliche Beteiligung gehandelt hat (§ 17 Abs. 2 Satz 6 EStG).18 Sind im Zeitpunkt des Unternehmensverkaufs auf Ebene des veräußerten Unternehmens aus der Vergangenheit resultierende Verlustvorträge vorhanden, ist ebenfalls eine weitergehende Differenzierung vorzunehmen. Im Fall von Share Deals (Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften) können im Zeitpunkt des Unternehmenskaufs körperschaftsteuerliche Verlustvorträge und/oder gewerbesteuerliche Verlustvorträge festgestellt worden sein. Zu hinterfragen ist hier, ob
_____ 17 Die steuerlichen Regelungen zur Verlustverrechnung sind teilweise recht komplex, diverse Verlustverrechnungsbeschränkungen sind zu beachten. Die Verlustverrechnungsbeschränkungen können aus der Art der Verluste resultieren, so können Verluste aus der Veräußerung von Wertpapieren (§ 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG) beispielsweise nicht mit Verlusten aus anderen Einkunftsarten verrechnet werden. Zum anderen ist die Verlustverrechnung aufgrund der Regelungen zur Mindestbesteuerung (§ 10d Absatz 1) eingeschränkt. 18 Weitere Besonderheiten ergeben sich, wenn in den letzten fünf Jahren erworbene Anteile zur Begründung einer wesentlichen Beteiligung geführt haben oder bei unentgeltlich erworbenen Anteilen (§ 17 Abs. 1 Satz 6 Buchst. a) und b) EStG).
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Kapitel 4 Steuerliche Aspekte
diese Verlustvorträge auch nach dem Unternehmenskauf zur Verrechnung mit zukünftigen Gewinnen zur Verfügung stehen, zukünftige Steuerzahlungen mindern und damit potenzielle zukünftige Cashzuflüsse aus dem Zielunternehmen erhöhen. Im Hinblick auf körperschaftsteuerliche Verlustvorträge ist § 8c KStG als die 31 zentrale Regelung zum Verlustabzug zu beachten. Im Sinne des § 8c KStG schädliche Beteiligungserwerbe führen zu einem (vollständigen) Untergang von vorhandenen Verlustvorträgen. Ein Beteiligungserwerb ist nach derzeitiger Rechtslage insbesondere dann als schädlich einzuordnen, wenn mehr als 50% des gezeichneten Kapitals an einen Erwerber oder eine Gruppe von Erwerbern mit gleichgerichteten Interessen übertragen werden.19 Ein (vollständiger) Verlustuntergang kann durch Anwendung der sog. „Stille-Reserven-Klausel“ (§ 8c Abs. 1 Satz 5 KStG) verhindert werden, sofern der im Zeitpunkt des schädlichen Beteiligungserwerbs vorhandene Verlust die im Inland steuerpflichtigen stillen Reserven der Körperschaft nicht übersteigt oder der Erwerb der Beteiligung zum Zweck der Sanierung erfolgte (§ 8c Abs. 1a KStG). Weiterhin kann der vollständige Verlustuntergang auf Antrag auch durch Anwendung der Vorschrift zum fortführungsgebundenen Verlustvortrag des § 8d KStG verhindert werden.20 3 Praxistipp Eine Verhinderung des Untergangs des (vollständigen) Verlustvortrags führt aufgrund geringerer zukünftiger Steuerzahlungen auf der Ebene der Gesellschaft zu einer Erhöhung des potenziellen Ausschüttungsvolumens für den Erwerber, ist für diesen also „bares Geld“ wert. Angesichts der Diskussion über eine mögliche Verfassungswidrigkeit der Regelungen zum Verlustuntergang sollten vorsorglich alle Steuerbescheide, welche einen Verlustuntergang aufgrund eines Beteiligungserwerbs (§ 8c KStG) vorsehen, offengehalten werden, so dass der Erwerber bei einer für ihn günstigen Entscheidung der Gerichte noch von dieser profitieren kann.
32 Im Hinblick auf gewerbesteuerliche Verlustvorträge sind bei Share Deals zu-
nächst die körperschaftsteuerlichen Regelungen der §§ 8c und 8d KStG analog anzuwenden. Das heißt, auch hier gehen Verlustvorträge nach derzeitiger Rechtslage bei einem Anteilserwerb von mehr als 50% in der Regel vollständig unter.
_____ 19 Mit dem Jahressteuergesetz 2018 wurde § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG a.F. ersatzlos gestrichen. Ursprünglich kam es auch bei Übertragungen von 25% bis 50% des Nennkapitals zu einem anteiligen Verlustuntergang. Mit Beschluss vom 29.3.2017 2 BvL 6/11 (BStBl. II 17, 1082) hat das Bundesverfassungsgericht diese Verlustverrechnungsbeschränkung für verfassungswidrig erklärt. Noch offen ist, ob die derzeit geltenden Vorschriften zum vollständigen Verlustuntergang bei einem Beteiligungserwerb >50% verfassungsrechtlich unbedenklich sind, siehe dazu die anhängigen BFH Verfahren I R 31/11 bzw. I R 79/11. 20 Die Vorschrift des § 8d KStG knüpft u.a. an die Fortführung des bisherigen Geschäftsbetriebs durch die Erwerber an. Sie stellt vor allem auf qualitative Merkmale wie Dienstleistungen, Produkte, den Kunden- und Lieferantenkreis sowie die bedienten Märkte ab.
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B. Die steuerlichen Rahmenbedingungen beim Unternehmenskauf und -verkauf
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Bei Asset Deals ist bezüglich gewerbesteuerlicher Verlustvorträge zudem das 33 Kriterium der Unternehmeridentität heranzuziehen..21 Im Fall von Einzelunternehmen kann der gewerbesteuerliche Verlust nach einer Veräußerung nicht grundsätzlich abgezogen werden.22 Im Fall der Veräußerung von Anteilen an Personengesellschaften können Fehlbeträge grundsätzlich nur berücksichtigt werden, als der betreffende Gesellschafter im Verlustentstehungsjahr und im Jahr der Verlustnutzung an der Gesellschaft beteiligt ist.23 Im Gegensatz zur Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften können damit – zumindest im Fall eines nur anteiligen Erwerbs – Verlustvorträge der weiterhin beteiligten Altgesellschafter gerettet werden. Ausschließlich im Fall von Share Deals wirken sich auch Feststellungen 34 des Bestandes des steuerlichen Einlagekontos nach § 27 Abs. 2 KStG auf die zukünftige Besteuerung von Ausschüttungen an die Erwerber aus. Auf dem steuerlichen Einlagekonto sind die nicht in das Nennkapital geleisteten Einlagen, also z.B. Einzahlungen in die Kapitalrücklage der Gesellschaft nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB, auszuweisen. Eine Rückzahlung dieser, im Erwerbszeitpunkt schon bestehenden Einlagen an die (neuen) Gesellschafter erfolgt steuerfrei, unterliegt also nicht den üblichen Regelungen der Besteuerung von Gewinnausschüttungen, bspw. bei im Privatvermögen gehaltenen Anteilen der Besteuerung mit Abgeltungsteuer. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang jedoch die in § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG 35 geregelte „Verwendungsreihenfolge“: Zunächst ist im Fall von Leistungen der Gesellschaft an den Gesellschafter der ausschüttbare Gewinn, vereinfacht also vorhandene Gewinnrücklagen, zu verwenden, d.h. es ergibt sich eine steuerpflichtige Dividende auf Ebene des Gesellschafters.24 Erst nach Verbrauch des ausschüttbaren Gewinns kommt es zur steuerfreien Auskehrung des Bestandes des steuerlichen Einlagekontos. Praxistipp 3 Verfügt die Zielgesellschaft eines Share Deals im Erwerbszeitpunkt über (hohe) Bestände auf dem steuerlichen Einlagekonto, sind diese aufgrund der Möglichkeit der späteren steuerfreien Auskehrung (keine Besteuerung auf Ebene der Gesellschafter!) an die neuen Gesellschafter als werterhöhend anzusehen. Zu beachten ist jedoch die steuerliche Verwendungsreihenfolge.
_____ 21 Vgl. Glanegger/Güroff, § 10a GewStG Rn 90. 22 Vgl. Glanegger/Güroff, § 10a GewStG Rn 91. 23 Vgl. Glanegger/Güroff, § 10a GewStG Rn 93. 24 Nach § 27 Abs. 1 Satz 5 KStG gilt als ausschüttbarer Gewinn das Eigenkapital laut Steuerbilanz des Vorjahres abzüglich des Nennkapital und des Bestandes des steuerlichen Einlagekontos.
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Kapitel 4 Steuerliche Aspekte
b) Besteuerung des Veräußerungsergebnisses beim Veräußerer aa) Natürliche Person als Veräußerer (Asset Deal) 36 Auch die Einkünfte aus Unternehmensverkäufen zählen zu den einkommensteuer-
pflichtigen Einkünften mit daraus resultierenden erheblichen Steuerbelastungen. Die §§ 16, 34 EStG schaffen hierfür Privilegien25 (Freibetrag, Tarifminderung), wenn sämtliche, die wesentlichen Betriebsgrundlagen eines Betriebs oder Teilbetriebs umfassenden Wirtschaftsgüter in einem einheitlichen Vorgang übertragen werden.26 Sofern Personengesellschaftsanteile veräußert werden, setzt die Begünstigung voraus, dass der gesamte Anteil an der Gesellschaft übertragen wird. Damit muss gegebenenfalls zivilrechtliches Privatvermögen des Gesellschafters, welches steuerlich als Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters bei der Personengesellschaft zu qualifizieren ist, mit übertragen werden.27 Der steuerpflichtige Veräußerungsgewinn ermittelt sich gemäß § 16 Abs. 2 38 EStG wie folgt: 37
Veräußerungspreis ./. Veräußerungskosten ./. Buchwert des Betriebsvermögens/Wert des Anteils am Betriebsvermögen + gemeiner Wert ins Privatvermögen überführter Wirtschaftsgüter (nur bei Betriebsveräußerung, nicht bei Übertragung von Personengesellschaftsanteilen) ./. vom Erwerber nicht übernommene betriebliche Schulden (ebenso nicht bei Übertragung von Personengesellschaftsanteilen) =
Veräußerungsgewinn
39 Neben einem auf Antrag zu gewährenden Freibetrag in Höhe von 45.000,00 €28
und dem Einsatz einer gegebenenfalls tarifmindernden „Fünftel-Regelung“ nach § 34 Abs. 1 EStG kommt in der Praxis als wesentliche Begünstigung des Veräußerungsgewinns die Tarifbegünstigung nach § 34 Abs. 3 EStG in Betracht. Diese wird gewährt, wenn der Steuerpflichtige das 55. Lebensjahr vollendet hat oder dauernd berufsunfähig ist und diese Begünstigung zuvor noch nicht beantragt hat, da diese nur einmal im Leben beansprucht werden kann. Liegen die Voraussetzungen vor, wird der Veräußerungsgewinn bis zu einer Höhe von 5 Mio. € nur mit
_____ 25 Die Vergünstigungen sollen vor allem eine hohe Besteuerung von Einkünften verringern, die zusammengeballt in einem Jahr anfallen, aber das wirtschaftliche Ergebnis unter Umständen vieler Jahre darstellen. 26 Oder unter Aufdeckung stiller Reserven in das steuerliche Privatvermögen überführt werden. 27 Auch steuerliches Sonderbetriebsvermögen kann zurückbehalten und unter Aufdeckung der stillen Reserven in das Privatvermögen überführt werden, ohne die steuerliche Begünstigung des gesamten Aufgabe-/Veräußerungsgewinns zu gefährden, vgl. Schmidt/Wacker, § 16 Rn 414. 28 Wegen Abschmelzen des Freibetrags ab Veräußerungsgewinnen von 136.000 € hat dieser in der Praxis eine untergeordnete Bedeutung.
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B. Die steuerlichen Rahmenbedingungen beim Unternehmenskauf und -verkauf
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56% des durchschnittlichen Steuersatzes im entsprechenden Veranlagungsjahr besteuert, mindestens jedoch mit 14% (§ 34 Abs. 3 Satz 2 EStG). Grundsätzlich ist der oben dargestellte Veräußerungsgewinn auch gewerbe- 40 steuerpflichtig (§ 7 Satz 2 GewStG). Dies gilt jedoch nicht, wenn der Gewinn auf eine natürliche Person als Betriebsinhaber oder als unmittelbar Beteiligten einer Personengesellschaft entfällt. Es gibt also Begünstigungen, die die im vorangegangenen Abschnitt dargestell- 41 ten Steuersätze bei Unternehmensverkäufen durch natürliche Personen deutlich reduzieren können. Sofern Gewerbesteuerfreiheit vorliegt und die oben genannten Voraussetzungen für die begünstigte Veräußerungsgewinnsteuer erfüllt sind, ergibt sich für diesen Fall ein Grenzsteuersatz von 26,59% [(45% ESt + 5,5% SolZ darauf) × 56%].29 Die hierfür erforderlichen Voraussetzungen können aber nicht immer erreicht 42 werden. Dies ist ein wesentlicher Grund dafür, dass Unternehmensverkäufer tendenziell eher an einer Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften (Share Deal) interessiert sind. Im Vorfeld einer Transaktion sind dann gegebenenfalls Gestaltungen vorzunehmen.
bb) Natürliche Person als Veräußerer (Share Deal) Bei einem Share Deal – also der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaf- 43 ten – gelten folgende Grundsätze für die Besteuerung eines Veräußerungsgewinns auf Seiten der natürlichen Person als Veräußerer: Wird die Beteiligung im steuerlichen Privatvermögen gehalten, ist danach zu 44 unterscheiden, ob aufgrund einer Beteiligung von mindestens 1% eine wesentliche Beteiligung im Sinne des § 17 EStG vorliegt.30 Sofern eine wesentliche Beteiligung im Privatvermögen gehalten wird, ist der 45 sich aus einer Veräußerung ergebende Gewinn gemäß §§ 17, 3 Nr. 40d EStG nach dem Teileinkünfteverfahren steuerpflichtig. Danach wird der sich nach Abzug der Veräußerungskosten und Anschaffungskosten der Beteiligung vom Veräußerungspreis ergebende Veräußerungsgewinn zu 60% in das steuerpflichtige Einkommen einbezogen und mit dem individuellen Steuersatz versteuert. Legt man den Ein-
_____ 29 Dies gilt vorbehaltlich der zuvor beschriebenen, ab 2021 greifenden Vergünstigungen im Bereich des Solidaritätszuschlags. 30 Liegt keine wesentliche Beteiligung vor, ist seit dem 1.1.2009 ein aus der Veräußerung resultierender Gewinn stets steuerpflichtig. Zur Anwendung kommt die Abgeltungsteuer. Diese beträgt 25% zuzüglich Solidaritätszuschlag (insgesamt also 26,375% zuzüglich gegebenenfalls Kirchensteuer). Veräußerungen von nicht wesentlichen Beteiligungen, die vor dem 1.1.2009 erworben wurden, sind inzwischen nicht mehr steuerpflichtig. Nach der für diese Anteile weitergeltenden Altregelung griff eine Besteuerung nur, wenn zwischen Anschaffung und Veräußerung weniger als 12 Monate lagen (sogenannte Spekulationsfrist).
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Kapitel 4 Steuerliche Aspekte
kommensteuerspitzensteuersatz von 45% zugrunde, ergibt sich inkl. Solidaritätszuschlag eine Besteuerung von etwa 28,5% zuzüglich gegebenenfalls Kirchensteuer. Gewerbesteuer fällt nicht an, da es sich um Privatvermögen handelt. Wird die Beteiligung im steuerlichen Betriebsvermögen gehalten, wird unab46 hängig von der Höhe der Beteiligung das zuvor genannte Teileinkünfteverfahren angewendet. Im Betriebsvermögen ist der Veräußerungsgewinn auch gewerbesteuerpflichtig. Die Anrechnung der Gewerbesteuer gem. § 35 EStG auf die Einkommensteuer vermeidet zumindest weitgehend eine Doppelbelastung. Bei einem Share Deal kommt es also durchweg zu einer verhältnismäßig 47 geringen Besteuerung des Veräußerungsgewinns, sofern eine natürliche Person als Veräußerer auftritt. Die Besteuerung liegt in vergleichbarer Höhe der Besteuerung des Asset Deals, wenn die dort dargestellten Voraussetzungen für die Tarifbegünstigungen erfüllt sind. Bei Veräußerungsgewinnen über 5 Mio. € ist der Share Deal aus steuerlicher Sicht des Verkäufers dem Asset Deal also immer überlegen. Es gibt aber Ausnahmen von der Geltung des Teileinkünfteverfahrens bezie48 hungsweise sogenannte Nachversteuerungstatbestände, wenn die Anteile innerhalb bestimmter Fristen aus einer vorherigen Einbringung entstanden sind.31 Aus diesem Grund sollte die Anteilshistorie im Vorfeld einer Transaktion stets sorgfältig analysiert werden.
cc) Kapitalgesellschaft als Veräußerer 49 Veräußert eine Kapitalgesellschaft ein Unternehmen/einen Betrieb im Rahmen ei-
nes Asset Deals, gilt vor allem bezüglich der Ermittlung des Veräußerungsgewinns das oben dargestellte.32 Allerdings greifen für Kapitalgesellschaften die dort aufgeführten Vergünstigungen nicht, da bei einer Kapitalgesellschaft der Veräußerungsgewinn einen laufenden Gewinn darstellt. Dieser unterliegt der tariflichen Körperschaftsbesteuerung und der Gewerbesteuer.33 Beim Share Deal, also der Veräußerung von Beteiligungen an Kapitalgesell50 schaften, gelten bei der Veräußerung durch Kapitalgesellschaften jedoch deutliche Steuervergünstigungen. Der aus der Veräußerung resultierende Veräußerungsgewinn bleibt gemäß § 8b 51 Abs. 2 KStG steuerfrei. Allerdings regelt § 8b Abs. 3 KStG, dass 5% des steuerbefreiten Veräußerungsgewinns als nichtabziehbare Betriebsausgabe gelten. Diese erhöhen den steuerpflichtigen Gewinn. Im Ergebnis ist damit der Veräußerungsgewinn
_____ 31 Zum Beispiel §§ 20, 22 UmwStG. 32 Vgl. Rn 30. 33 Vgl. Rn 25, also ergibt sich unter den dort getroffenen Annahmen eine Ertragsteuerbelastung von 31,23%.
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aus der Beteiligungsveräußerung zu 95% steuerfrei.34 Diese Steuerfreiheit erstreckt sich auch auf die Gewerbesteuer. Es ergibt sich demnach eine Belastung auf den Veräußerungsgewinn bei der veräußernden Kapitalgesellschaft von lediglich 1,56% (5% × 31,23%). Da es nach aktuellem Umwandlungssteuerrecht jedoch sperrfristbehaftete An- 52 teile gibt und eine zwischenzeitlich weggefallene Regelung zu sogenannten einbringungsgeborenen Anteilen (in beiden genannten Fällen resultieren GmbH-Anteile aus vorhergehender Einbringung eines Betriebs o.ä.) bei Veräußerung der GmbHAnteile noch Wirkung entfalten kann, ist an dieser Stelle nochmals anzumerken, dass vor einer Transaktion eine sorgfältige Analyse der Anteilshistorie notwendig ist. Andernfalls besteht die Gefahr, dass mit einer zu geringen Ertragsteuerbelastung der Transaktion kalkuliert wird.
dd) Zusammenfassung Die Ertragsteuerbelastung der zuvor geschilderten Szenarien aus der Besteuerung 53 eines Veräußerungsgewinns lässt sich anhand der nachstehenden Tabelle zusammenfassen. Bei einer Veräußerung durch eine natürliche Person wäre die gegebenenfalls anfallende Kirchensteuer noch zusätzlich zu berücksichtigen, des Weiteren greifen ab 2021 für natürliche Personen gegebenenfalls die beschriebenen Vergünstigungen beim Solidaritätszuschlag: Veräußerungsfall
Ertragsteuersatz auf den Veräußerungsgewinn35
Natürliche Person als Veräußerer (Asset Deal), ohne Vorliegen von Begünstigungen
49,58%
Natürliche Person als Veräußerer (Asset Deal), bei Vorliegen von Begünstigungen
26,59%
Natürliche Person als Veräußerer (Share Deal), wesentliche Beteiligung
28,50%
Kapitalgesellschaft als Veräußerer (Asset Deal)
31,23%
Kapitalgesellschaft als Veräußerer (Share Deal)
1,56%
_____ 34 Dies gilt – im Gegensatz zu Gewinnausschüttungen, für die die Ausnahmeregelung des § 8b Abs. 4 KStG greift (keine Steuerfreiheit für Streubesitzdividenden) – auch für Veräußerungen von Beteiligungen Bereinigungen > bereinigte Ergebnisrechnung − Cash-Flow-Analysen − Produktergebnisrechnung − Überleitungsrechnung zwischen Jahresabschluss und Ergebnisrechnung laut Controlling – Aktuelle Entwicklung (z.B. Monatsabschlüsse) − Prognoserechnungen − Plan/Ist-Vergleich – Bewertung der Planungsrechnung – gegebenenfalls Bewertung der Organisation und Informationssysteme − Aufbauorganisation − Management-Informations-System − EDV-System – gegebenenfalls ergänzende Prüfungsgebiete (Management, Personal, Umweltrisiken)
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Bruhn/Lange
A. Einführung in die Legal Due Diligence
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Kapitel 7 Legal Due Diligence Kapitel 7 Legal Due Diligence Fietz
A. Einführung in die Legal Due Diligence A. Einführung in die Legal Due Diligence https://doi.org/10.1515/9783110673043-007 Eine Legal Due Diligence, also die Überprüfung der Zielgesellschaft und ihrer Verhältnisse nach rechtlichen Gesichtspunkten, ist eine der am häufigsten vorkommenden Formen der Due Diligence. Immer dann, wenn eine angemessene substantielle Due Diligence bei einem Unternehmenserwerb durchgeführt werden soll, gehört – neben einer Tax und einer Financial Due Diligence – auch eine Legal Due Diligence zum abzuarbeitenden Aufgabenspektrum. Dies hat vermutlich seinen Grund darin, dass eine Legal Due Diligence – neben den anderen Funktionen der Due Diligence – in besonderer Weise der Transaktionsstrukturierung und der Schaffung einer Informationsgrundlage für die Gestaltung des Vertragswerks dient, mit der naturgemäß Juristen betraut werden. Ferner bedarf es einer gesicherten juristischen Basis, um viele wertbeeinflussende Faktoren und steuerliche Zusammenhänge überhaupt wirtschaftlich zutreffend beurteilen zu können. Einzelne Umstände, beispielsweise das Vorliegen oder Fehlen einer zentralen öffentlich-rechtlichen Erlaubnis, sind einer wirtschaftlichen Einordnung auch überhaupt nicht zugänglich, so dass es alleine auf die rechtliche Einschätzung ankommt. Ohne rechtliche Begleitung und insbesondere ohne ein Mindestmaß an rechtlichen Informationen zum Zielunternehmen, die typischerweise im Wege einer Legal Due Diligence gewonnen bzw. überprüft werden, sind daher Unternehmenstransaktionen in aller Regel nicht durchführbar. Auf der anderen Seite gibt es auch eine Reihe von Erkenntnisbereichen einer rechtlichen Due Diligence, die ohne weitere Diskussion mit anderen Disziplinen nicht sinnvoll auf ihre wirtschaftliche Bedeutung und Relevanz hin eingeordnet werden können. Dies kann an den fachlichen, disziplinenspezifischen Kompetenzen und Erfahrungen liegen, mag aber auch in vielen Fällen schlichtweg daraus resultieren, dass eine ganzheitlich geführte Diskussion mit dem Mandanten erforderlich ist, um die wirtschaftliche Bedeutung eines Umstandes für die spezifische Transaktion richtig zu erfassen, damit dann auf dieser Basis eine sachgerechte Handlungsempfehlung ausgesprochen werden kann. Aus dem Vorstehenden ergibt sich eine nicht zu unterschätzende, besondere Koordinierungsaufgabe für das M&A-Projektmanagement, die insbesondere die Zusammenarbeit der Legal, Tax und Financial Due Diligence betrifft. Das Zusammenführen der verschiedenen Arbeitsstränge und die gemeinsame Auswertung von festgestellten Sachverhalten erfordert zwei Dinge: (1) Die jeweiligen Fachbereiche müssen in ihrem Prüfungsbereich liegende Sachverhalte, die einer Involvierung einer anderen Disziplin bedürfen, frühzeitig identifizieren und proaktiv kommunizieren. Dies muss so rechtzeitig geschehen, dass die erforderliche Abstim-
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mung nicht den Projektzeitplan gefährdet und eine effiziente Abarbeitung in den jeweiligen Due Diligence-Berichten möglich ist. (2) Das Projektmanagement der Transaktion muss hierfür sachgerechte Mechanismen vorsehen. Frühzeitig hierfür Zeitdruck aufzubauen und schnell erste Ergebnisse zu erwarten, ist in der Regel wenig hilfreich. Denn die Erkenntnis, welche Sachverhalte der genaueren Prüfung durch andere Disziplinen bedürfen, bedingt in der Regel einen umfassenden persönlichen Erfahrungshorizont. Die ausreichend erfahrenen Kompetenzträger in den Teams, die diese abstimmungsbedürftigen Themen auffinden, steigen aber typischerweise erst später im Prozess während des Reviews der Arbeitsergebnisse in die vertiefte Sacharbeit ein. Und nur wenn die Abstimmung zwischen den Disziplinen gut funktioniert, kann die Due Diligence einen Wert schaffen, der über das geordnete Zusammenstellen von bloßen Daten hinausgeht. Hinsichtlich der Art und Weise der Durchführung einer Legal Due Diligence 5 sowie des Due Diligence Berichts gelten im Übrigen die allgemeinen Hinweise für die Due Diligence.1
B. Inhaltlicher Umfang und Prüfungstiefe einer Legal Due Diligence B. Inhaltlicher Umfang und Prüfungstiefe einer Legal Due Diligence 6 Im Nachfolgenden sollen die einzelnen Prüfungsfelder einer Legal Due Diligence
und die wesentlichen Prüfungshandlungen skizziert werden. Die Darstellung folgt einer Gliederung, wie sie im Rahmen von Checklisten für die Legal Due Diligence und deren Abarbeitung in einem Due Diligence Bericht nicht unüblich ist. Es handelt sich dabei um eine Kombination von Rechtsgebieten und wirtschaftlichen Funktionen des Zielunternehmens. Bei einer Darstellungsweise, die sich an praktischen Notwendigkeiten orientieren soll, müssen Kompromisse zwischen der fachlichen Spezialisierung der die Due Diligence durchführenden Juristen, der Lesbarkeit eines Berichts und der Verarbeitung der Inhalte durch Nichtjuristen im Rahmen des Projekts gefunden werden.
I. Gesellschaftsrecht 1. Einführung 7 Der gesellschaftsrechtliche Prüfungsteil ist in der Regel ein zentrales Element einer
Legal Due Diligence. Dies trifft jedenfalls auf Transaktionen in Form von Share Deals zu. Dort betrifft er direkt den Kaufgegenstand, nämlich den oder die Geschäftsanteile.
_____ 1 Siehe Kap. 5.
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B. Inhaltlicher Umfang und Prüfungstiefe einer Legal Due Diligence
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Aber auch bei Asset Deals sind gesellschaftsrechtliche Komponenten nicht völlig zu vernachlässigen. Dafür mag es ganz unterschiedliche Gründe geben. In vielen Fällen gehören zu den Vermögensgegenständen des Unternehmens auch Beteiligungen an Tochtergesellschaften. In anderen kann es sein, dass das Eigentum an Vermögensgegenständen über gesellschaftsrechtliche Strukturmaßnahmen hinweg zu verfolgen ist. In allen Fällen ist es erforderlich, dass der Erwerber den gesellschaftsrechtlichen Status und Kontext versteht, in dem sich der Veräußerer und das Zielunternehmen bewegen. Er muss wissen, wer der Verkäufer ist, wie dieser vertreten wird, welche Zustimmungserfordernisse es für die Transaktion gibt, also beispielsweise ob Minderheitsgesellschafter der Verkäufergesellschaft(en) bei einem Asset Deal die Veräußerung des Zielunternehmens verhindern können oder ob die Veräußerung von Geschäftsanteilen der Zustimmung anderer Gesellschafter oder der Gesellschaft bedarf. Darüber hinaus mag das Zielunternehmen in einem Konzernverbund stehen und Partei von Unternehmensverträgen sein. Eine Erfassung der gesellschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen einer Transaktion ist in einem angemessenen Mindestmaß stets unerlässlich. Wie dargestellt ist es für den Käufer immer zwingend notwendig, sich schon frühzeitig, oft vor Unterzeichnung eines LoI, einen ausreichenden Überblick über den Kaufgegenstand und dessen gesellschaftsrechtliche Einbettung zu verschaffen. Dies gelingt oft bereits mit öffentlich zugänglichen Unterlagen. Hierzu gehören der Internetauftritt des Zielunternehmens und dort enthaltene Angaben, einschließlich etwaiger Geschäftsberichte, Angaben zur Unternehmenshistorie und Übersichten über die Gruppenstruktur, Impressumsangaben, Handelsregisterauszüge und im Handelsregister enthaltene Satzungen und Gesellschafterlisten sowie im Unternehmensregister offen gelegte Jahresabschlüsse. Dies betrifft sowohl das Zielunternehmen selbst, als auch etwaige eingetragene Zweigniederlassungen und Tochtergesellschaften. In Bezug auf Mitgliedstaaten der EU kann man davon ausgehen, dass sehr ähnliche Publikationserfordernisse und korrespondierende Register existieren, so dass mit Hilfe ausländischer Anwälte dort Informationen schon im Vorfeld der Datenraumöffnung besorgt werden können. In außereuropäischen Staaten herrscht allerdings zum Teil ein deutlich niedrigeres Transparenzniveau. Hier muss in jedem Einzelfall mit Hilfe ortsansässiger Berater überlegt werden, welche Informationen herangezogen werden können. Die gesellschaftsrechtliche Prüfung ist naturgemäß stark rechtsformabhängig. Wegen der Einzelheiten muss auf die gesellschaftsrechtliche Fachliteratur verwiesen werden. Ein Due Diligence Team sollte aufgrund der Häufigkeit des Auftretens der entsprechenden Rechtsformen mit den Grundsätzen des GmbH-Rechts, des Aktienrechts und des Rechts der GmbH & Co KG, insbesondere des relevanten Personengesellschaftsrechts, vertraut sein. Andere Rechtsformen sind in Mid CapM&A-Transaktionen zwar denkbar, treten aber ausgesprochen selten auf.
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Sachbearbeiter der gesellschaftsrechtlichen Due Diligence sollten auch in der Lage sein, angemessen mit eventuell auftretenden ausländischen Rechtsformen umzugehen. Am ehesten kann dies aktuell noch die sogenannten „Limiteds“ englischen Rechts2 betreffen, die in der Vergangenheit in großer Zahl in Deutschland registriert wurden. Ihr Schicksal hängt jedoch nach dem voraussichtlichen Auslaufen des Austrittsabkommen zwischen der Europäischen Union und Großbritannien am 31.12.2020 von weiteren internationalen Vereinbarungen oder einer davon unabhängigen ausdrücklichen Anerkennung durch deutsches Recht ab. Während der Übergangsphase gilt weiterhin EU-Recht in Bezug auf das Vereinigte Königreich, insbesondere bleibt das Vereinigte Königreich Teil des EU-Binnenmarktes unter Weitergeltung der Niederlassungsfreiheit, auf die sich die Verwendung von englischen Limiteds in Deutschland gegenwärtig noch stützt.
2. Prüfungsinhalte 13 Zu prüfen sind der gesellschaftsrechtliche Zustand des Zielunternehmens und sei-
ner Tochtergesellschaften (soweit sie Kaufgegenstand sind) sowie die rechtlichen Beziehungen zu Gesellschaftern und anderen verbundenen Unternehmen oder nahestehenden Personen. Dabei sind vor allem folgende Fragen von Relevanz: − Ordnungsgemäße Gründung und gegebenenfalls Eintragung der Zielgesellschaft − Kapitalstruktur, Einzahlung und Erhaltung des Stammkapitals − Ordnungsgemäße Durchführung von Kapitalerhöhungen oder -herabsetzungen − Regelungen des Gesellschaftsvertrages des Zielunternehmens − Schaffung von Anteilen und deren Übertragung bzw. deren Erwerb − Vorliegen von Optionen auf Anteilserwerbe oder deren Veräußerung (Call- und Put-Optionen) − Belastungen von Anteilen (Verpfändung) sowie sonstige Rechte an Anteilen (Treuhandschaften, Unterbeteiligungen, stille Beteiligungen) − Restrukturierungen, sowohl nach den Regelungen des Umwandlungsrechts als auch anderer Art − Einbindung in Konzernstrukturen und Vorliegen von Unternehmensverträgen, insbesondere von Beherrschungs- und Ergebnisabführungsverträgen − Ordnungsgemäße Bestellung und Besetzung von Organen der Zielgesellschaft − Vertretung der Zielgesellschaft
_____ 2 Genauer: private company limited by shares.
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Vereinbarungen mit Gesellschaftern (Gesellschaftervereinbarungen, Beteiligungsverträge, Gesellschafterdarlehen und -sicherheiten, Darlehen an Gesellschafter, sonstige Liefer- und Leistungsbeziehungen) Besonderheiten der Governancestruktur Angaben zu veräußerten Beteiligungen, sofern und soweit daraus noch Haftungsrisiken resultieren
Beispiel 1 5 Ein typischer Fallstrick bei der Gründung bzw. Kapitalerhöhung von Kapitalgesellschaften sind sogenannte verdeckte Sacheinlagen. Zur Umgehung von besonderen Anforderungen für Sacheinlagen (oder weil schlichtweg nicht bemerkt wurde, dass es sich um ein Problem handelt) erfolgt eine Bargründung bzw. Barkapitalerhöhung. Die entsprechende Bareinlage wird durch den Gesellschafter geleistet. Die Gesellschaft zahlt die Bareinlage danach jedoch ganz oder teilweise an den Gesellschafter als Darlehen zurück, um etwa damit einen Vermögensgegenstand zu erwerben. Es handelt sich um eine sogenannte verdeckte Sacheinlage (§ 19 Abs. 4 GmbHG). Die Rechtsfolgen des Vorliegens einer verdeckten Sacheinlage sind vielfältig: Der Gesellschafter hat zunächst seine Bareinlagepflicht nicht erfüllt, weil die Einlage nicht wie vom Gesetz gefordert „zur freien Verfügung der Geschäftsführer“ stand. Die von der Zielgesellschaft abgeschlossenen Rechtsgeschäfte (Kauf des Vermögensgegenstands und Eigentumserwerb) sind wirksam. Die Gesellschaft bzw. die Kapitalerhöhung sollte nicht in das Handelsregister eingetragen werden. Nach gleichwohl erfolgter Eintragung haftet der Gesellschafter allerdings nur in Höhe des Betrages, mit dem der Verkehrswert des Vermögensgegenstands hinter der Einlagepflicht zurückbleibt. Es findet also eine Anrechnung auf die Einlageforderung statt. Dies ist zwar eine relativ milde Folge für den Gesellschafter (und somit auch den Erwerber, der ebenfalls dafür haftet, § 16 Abs. 2 GmbHG), hat aber erhebliche Folgen für anmeldende Geschäftsführer: Ihre Versicherung gem. § 8 Abs. 2 GmbHG über die Leistung der Bareinlagen zur freien Verfügung ist falsch. Daran sind zivilrechtliche, aber insbesondere auch strafrechtliche Folgen geknüpft.
Beispiel 2 5 Das Zielunternehmen hat vor einigen Jahren selbst eine Tochtergesellschaft veräußert. Typischerweise wird für die Haftung des Veräußerers gegenüber dem Erwerber auf Ausgleich für vor dem wirtschaftlichen Stichtag liegende steuerliche Sachverhalte eine Verjährungsfrist vereinbart, die auf die Bestandskraft der steuerlichen Festsetzung abstellt und danach noch eine drei- oder sechsmonatige Frist zur Geltendmachung von Ansprüchen gewährt. Dies bedeutet für den Erwerber der hier geplanten Transaktion, dass sich das Zielunternehmen noch Jahre später Ansprüchen aus der Vortransaktion ausgesetzt sehen kann. Es muss sichergestellt sein, dass das Zielunternehmen dann mit dem Anspruch aus der Vortransaktion umgehen kann, also die erforderlichen Informationen hat, Zugriff auf informiertes Personal hat etc. und bei negativem Ausgang auf den Verkäufer der Zielgesellschaft Rückgriff nehmen kann.
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II. Finanzierung 1. Einführung 14 Auch Finanzierungsfragen haben vornehmlich für den Fall eines Share Deals Be-
deutung. Vor dem Hintergrund der üblichen „cash free / debt free“-Berechnung des Kaufpreises kommt den Einzelheiten in der Regel weniger eine wirtschaftliche Bedeutung zu, als vielmehr eine praktische und haftungsrechtliche. Die Parteien stehen beiderseits vor der Frage, ob und wie die bestehende Finanzierung des Unternehmens übernommen werden soll bzw. muss oder aus den vorhandenen Strukturen herausgelöst werden kann. Möglicherweise hat der Erwerber die Möglichkeit, die Zielgesellschaft günstiger zu finanzieren, als das bisher der Fall war, oder möchte aus anderen Gründen nicht auf die vorhandene Finanzierung zurückgreifen. Oft ist es auch schlichtweg so, dass der Erwerber Anteile und das Unternehmen selbst lastenfrei erwerben möchte, um dann gegebenenfalls später zu entscheiden, wie es weiter zu finanzieren ist. Der Verkäufer möchte seinerseits verhindern, dass er – wie in Konzernstrukturen nicht untypisch – nach dem Vollzug der Transaktion selbst oder durch seine sonstigen verbundenen Unternehmen oder nahestehenden Personen für die Zielgesellschaften Sicherheiten stellt, für die er in Anspruch genommen werden könnte.
2. Prüfungsinhalte 15 In der rechtlichen Due Diligence sind im Zusammenhang mit der Finanzierung des
Unternehmens insbesondere folgende Sachverhalte zu prüfen: − Eigenkapitalaufbringung (sofern dies nicht bereits im gesellschaftsrechtlichen Teil erfolgt ist3) − Gesellschafterdarlehen (sofern dies nicht bereits im gesellschaftsrechtlichen Teil erfolgt ist4) − Bankenfinanzierung des Unternehmens − Vom Zielunternehmen für die eigene Finanzierung bzw. von Dritten für das Zielunternehmen gestellte Sicherheiten − Finanzierung durch Lieferanten / Kunden − Öffentlich-rechtliche Finanzierungsbestandteile, insbesondere Beihilfen, und deren Auflagen und Nebenbestimmungen − Vom Zielunternehmen gewährte Darlehen und vergleichbare Finanzierungsformen − Vom Zielunternehmen für Dritte (einschließlich verbundener Unternehmen und nahestehender Personen) gestellte Sicherheiten
_____ 3 Vgl. Rn 13. 4 Vgl. Rn 13.
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Praxistipp 1 3 Es ist zweckmäßig, vom Zielunternehmen eine tabellarische Übersicht der Finanzmittel und Sicherheiten anzufordern. Sollte dies nicht möglich sein, sollte eine solche in Absprache mit den Sachbearbeitern einer etwaigen Financial Due Diligence erstellt werden. Dies ermöglicht eine übersichtliche Zuordnung von Vertragsbeziehungen, Valutaständen und Sicherheiten.
Praxistipp 2 3 Der Verifizierung der Angaben können zunächst aktuelle Jahresabschlüsse dienen. Aus diesen lassen sich aktuelle Valutastände zwar aufgrund des Zeitablaufs nicht entnehmen, aber sie bieten zumindest Anhaltspunkte. Ferner können aktuelle Kontoauszüge bzw. Bankbestätigungen angefordert werden. In jedem Fall sollte ein Abgleich mit den Ergebnissen der Financial Due Diligence erfolgen, idealerweise bereits im laufenden Due Diligence-Prozess, damit sich daraus ergebende neuere Erkenntnisse noch sinnvoll verarbeiten lassen.
Praxistipp 3 3 Darlehensverträge enthalten oft sogenannte Change of Control-Klauseln, die den Darlehensgeber berechtigen, ein Darlehen zu kündigen. Eine einheitliche Gestaltungspraxis hinsichtlich der Definition des Kontrollwechsels und der daran geknüpften Rechtsfolgen besteht nicht. Oft knüpfen die Regelungen an den Wechsel der Mehrheitsbeteiligung am Zielunternehmen ab. Dann stellt sich beispielsweise die Frage, ob auch ein entsprechender Wechsel auf höherer Ebene in der Konzernstruktur einen Kontrollwechsel darstellt. Möglich, wenngleich in der Finanzierungspraxis eher unüblich, sind auch Klauseln, die auf einen Wechsel maßgeblicher Personen aus dem Kreis des TopManagements (Geschäftsführer, Vorstände) abstellen. Es ist in diesen Fällen daher empfehlenswert, frühzeitig mit der entsprechenden Bank Kontakt aufzunehmen, um die Einordnung und das weitere Vorgehen zu klären. Neben Change of Control-Klauseln ist auch an die in den AGB der Banken und der Sparkassen enthaltenen Regelungen zur Veränderung des Kreditrisikos, einem gegebenenfalls daraus folgenden Anspruch auf Nachbesicherung und dem Kündigungsrecht bei nichterfolgter Nachbesicherung zu denken.5
III. Verträge mit Gesellschaftern, verbundenen Unternehmen und nahestehenden Personen Verträge des Zielunternehmens mit Gesellschaftern, verbundenen Unternehmen 16 und nahestehenden Personen sind stets genauer zu untersuchen. In aller Regel trifft man derartige Verträge in zwei Konstellationen an: − Zielunternehmen, die im Konzernverbund stehen, werden auf dieser Basis oft Leistungen anderer Gesellschaften des Konzerns zur Verfügung gestellt. Dies ist oftmals betriebswirtschaftlich sinnvoll (Beispiel: Konzern-IT). Das Risikopotential ist verhältnismäßig gering, denn diese Leistungsbeziehungen werden oft
_____ 5 Nr. 13 Abs. 2 iVm. Nr. 19 Abs. 3 AGB Banken (Stand 07/2018); Nr. 22 Abs. 1 iVm. Nr. 26 Abs. 2 AGB Sparkassen (Stand 11/2018).
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auch durch Wirtschaftsprüfer und Finanzbehörden untersucht, und unterliegen besonders kritischer Prüfung immer dann, wenn es variierende Gesellschafterstrukturen auf den beteiligten Seiten gibt. Allerdings passiert es relativ häufig, dass sich die Verhältnisse im Lauf der Zeit weiterentwickeln, die vertragliche Situation allerdings nicht angepasst wird, so dass diese Verträge anders gelebt werden als ihr eigentlicher Regelungsinhalt besagt. Aus rechtlicher Sicht (anders aber unter Umständen die steuerliche Beurteilung) ist dies oft kaum zu beanstanden. Es ist aber darauf zu achten, dass diese Verträge dann nicht einfach durch den Erwerber übernommen werden können, sollte das Zielunternehmen nach dem Vollzug die Leistung weiterhin benötigen. Auch bei Zielunternehmen in typisch mittelständischen Strukturen finden sich derartige Verträge oft. Auch hier verfolgt man oft sinnvolle Ziele. Dazu gehören die Trennung von operativem Risiko und wesentlichen betrieblichen Grundlagen (Immobilien, gewerbliche Schutzrechte), Versorgungs- und Nachfolgelösungen unter Einbeziehung von Familienangehörigen und Finanzierungslösungen. Es verbirgt sich allerdings unter verschiedenen Gesichtspunkten einiges an Risikopotential (dazu im Weiteren).
17 Inhaltlich handelt es sich bei derartigen Verträgen typischerweise um beidseitige
Verträge wie beispielsweise − Miet- bzw. Pachtverträge über betrieblich genutzte Immobilien, − Darlehensverträge6 und sonstige finanzierungsbezogene Gestaltungen, − Dienstleistungsverträge aller Art, z.B. über allgemeine Managementleistungen, Beratungsleistungen, IT-Leistungen, HR-Leistungen einschließlich Payroll, zentralen Einkauf und Vertrieb, sowie − Lizenzverträge über Patente, Marken, Software oder sonstige gewerbliche Schutzrechte. 18 Die Prüfung hat vor allem unter folgenden Gesichtspunkten zu erfolgen:
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Sind die Leistungen überhaupt erforderlich? Sind die Verträge, insbesondere die Gegenleistungen, marktüblich ausgestaltet, d.h. halten sie einem Fremdvergleich nach dem sogenannten „at arm’s length“-Prinzip stand? Genügen die vertraglichen Beziehungen und der vereinbarte Leistungsumfang den Anforderungen, die der Käufer an den zukünftigen Betrieb des Unternehmens stellt?
_____ 6 Dazu bereits oben Rn 13.
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Beispiel 1 5 Ein kleines mittelständisches Softwareunternehmen soll veräußert werden. In der arbeitsrechtlichen Legal Due Diligence des Käufers stellt sich heraus, dass ein verhältnismäßig hoher Anteil der Mitarbeiter als sogenannte Minijobber (geringfügig entlohnte Beschäftigte) beschäftigt wird. Ein persönliches Gespräch mit einem Mitarbeiter des Zielunternehmens am Rande der eigentlichen Managementgespräche ergibt, dass alle Minijobber im Unternehmen bekannt sind, aber nicht als Mitarbeiter, sondern vom Firmensommerfest als Angehörige der Gesellschafter. Ob die betreffenden Personen tatsächlich Leistungen erbringen, ist nicht bekannt. Tatsächlich werden die Minijobber nach den Feststellungen des Käufers für den Betrieb nicht benötigt. Alle Arbeitsverhältnisse mit geringfügig entlohnten Beschäftigten werden daher vor dem Vollzug der Transaktion beendet. Der Käufer erhält von den Verkäufern im Rahmen des Kaufvertrages eine vollumfängliche Freistellung für etwaige steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Risiken. Für den Käufer hat dies schlussendlich sogar Vorteile, denn eine um die Lohn- und Lohnnebenkosten korrigierte pro forma Gewinn- und Verlustrechnung würde ein positiveres Betriebsergebnis zeigen.
Beispiel 2 5 Ein mittelständisches IT-Unternehmen soll von einem börsennotierten Konzern erworben werden. Das Zielunternehmen unterhält eine Firmenzentrale für etwa 100 Mitarbeiter, die auf Basis eines über 10 Jahre laufenden Mietvertrages genutzt wird. Von der Mietzeit sind bereits 5 Jahre abgelaufen. Vermieter ist eine aus Angehörigen der Verkäufer bestehende BGB-Gesellschaft. Der Käufer lässt neben den rechtlichen Regelungen auch die wirtschaftlichen Konditionen des Mietvertrages und den Zustand der Immobilie prüfen. Die Konditionen sind insgesamt marktgerecht, die Immobilie in einem guten Zustand. Der Käufer entscheidet sich, den Mietvertrag nach dem Vollzug unverändert fortzuführen.
Beispiel 3 und Praxistipp 5 Der Käufer möchte ein junges, mittelständisches Technologieunternehmen erwerben. Wesentliches Kernelement der Technologie ist eine von den Gründern persönlich vor der Gründung des Zielunternehmens entwickelte Softwarelösung, die dann im Lauf der Jahre durch das Zielunternehmen weiterentwickelt wurde. Die Gründer sind noch Gesellschafter und verkaufen neben später hinzu gekommenen Gesellschaftern. Bei Aufnahme eines dieser weiteren Gesellschafter vor Jahren fiel auf, dass das Zielunternehmen möglicherweise keine ausreichenden Nutzungsrechte für die Software hatte. Aus diesem Grund findet sich im Datenraum ein rudimentärer Lizenzvertrag zwischen dem Gründerteam und dem Zielunternehmen über die Nutzung der Software. Derartige Situationen sind im Technologieumfeld häufig. In aller Regel wird die vertragliche Dokumentation nicht in ausreichendem Maße rechtlichen Anforderungen entsprechen. Gleichzeitig wird das Term Sheet bzw. der Letter of Intent voraussetzen, dass die Technologie dem Zielunternehmen uneingeschränkt zur Verfügung steht. Aus Sicht des Käufers ist es zwingend erforderlich, dass die zukünftige Nutzung hinreichend gesichert ist. Insofern müssen vor dem Vertragsschluss, spätestens jedoch zum Vollzug der Transaktion, alle Nutzungsrechte weitestgehend auf die Zielgesellschaft übertragen werden. Im allseitigen Interesse ist der Vertrag zwischen den Beteiligten und dem Käufer abzustimmen.
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Kapitel 7 Legal Due Diligence
IV. Mitarbeiter 1. Einführung in die Prüfung 19 In M&A-Transaktionen mit deutschen Zielgesellschaften kommt der arbeitsrechtli-
chen Due Diligence-Prüfung7 immer mehr Bedeutung zu. Dies liegt zum einen an dem Kostenfaktor „Arbeit“, der in einer Volkswirtschaft wie der deutschen einen erheblichen Anteil an den Gesamtkosten eines Unternehmens hat. Aber es liegt auch an dem besonderen Interesse von Investoren an dem Know-how von deutschen Unternehmen, insbesondere im Bereich der industriellen Fertigung, das sich kaum anders schützen lässt, als dadurch, dass man sicherstellt, die Know-howTräger an das Unternehmen zu binden. Vor diesem Hintergrund ist auch zu erklären, dass die sogenannte Cultural Due Diligence immer wichtiger wird.
2. Prüfungsinhalte 20 Wesentliche Prüfungsthemen der arbeitsrechtlichen Due Diligence sind:
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Dienstverträge der Organmitglieder Arbeitsverträge wesentlicher Mitarbeiter Arbeitsvertragsmuster für die verschiedenen Arbeitnehmergruppen im Unternehmen (es bietet sich in der Regel nicht an, die einzelnen Arbeitsverträge aller Mitarbeiter zu prüfen) besondere Beschäftigungsformen (freie Mitarbeiter, Leiharbeitnehmer, konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung) sofern dies relevant sein sollte (im Fall eines geplanten Asset Deals): Vorprüfung eines möglichen Betriebsübergangs Mitarbeitervertretung, betriebliche Mitbestimmung Betriebsvereinbarungen, betriebliche Übung tarifvertragliche Bindungen und sonstiges Kollektivarbeitsrecht arbeitsrechtliche Rechtsstreitigkeiten Umgang mit Sozialversicherungsrecht Betriebliche Altersvorsorge
3 Praxistipp 1 Es erleichtert die Abarbeitung der arbeitsrechtlichen Due Diligence sehr, wenn der Datenraum eine Aufstellung sämtlicher Mitarbeiter enthält, die in übersichtlicher Form zentrale Angaben zusammenfasst. Dazu gehören – die konkrete Arbeitgeber-Gesellschaft des jeweiligen Arbeitnehmers, – das Geburtsdatum, – das Eintrittsdatum und die Dauer der Betriebszugehörigkeit,
_____ 7 Detailliertere Ausführungen dazu siehe Kap. 9.
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B. Inhaltlicher Umfang und Prüfungstiefe einer Legal Due Diligence
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– –
die ausgeübte Funktion, das Jahresgehalt (einschließlich aller sonstigen Gehaltsbestandteile, z.B. Dienstwagen und betriebliche Altersvorsorge), – die Angabe von etwaiger Teilzeit und – die Angaben eines etwaigen arbeitsrechtlichen Sonderstatus (z.B. schwerbehindert oder im Erziehungsurlaub), ferner – eine Aufstellung der Mitarbeiter, deren Arbeitsverhältnis ausgesetzt ist oder die von der Arbeitsverpflichtung freigestellt sind, sowie – Angaben zu langfristig erkrankten Mitarbeitern und – Angaben zu Rückstellungen für Urlaubsansprüche. Die Liste oder Datenbank sollte allerdings aus datenschutzrechtlichen Gründen jedenfalls in einem frühen Stadium des Veräußerungsprozesses durch den Verkäufer bzw. das Zielunternehmen nur anonymisiert zur Verfügung gestellt werden.
Praxistipp 2 3 Bei der arbeitsrechtlichen Due Diligence sind Schnittstellen mit der Financial Due Diligence zu beachten. Lohnsummen und Arbeitnehmerzahlen sollten mit den Ergebnissen der Financial Due Diligence abgeglichen werden. Ferner ist darauf zu achten, dass arbeitsbezogene Rückstellungen ausreichend gebildet worden sind. Dies betrifft vor allem Urlaub, Überstunden und betriebliche Altersvorsorge.
V. Einkauf und Vertrieb sowie Wettbewerb 1. Einführung in die Prüfung Die vertrags- und vertriebsrechtlichen Themen eines Zielunternehmens sind ohne 21 ein gutes Verständnis des Geschäftsmodells des Unternehmens, des Marktes, in dem es aktiv ist, und der damit verbundenen Chancen und Risiken sowie der spezifischen Marktstandards und -üblichkeiten kaum sachgerecht beurteilbar. Es ist wichtig, dass sich die Bearbeiter der rechtlichen Due Diligence mit diesem Umfeld vertraut machen. Eigene Marktkenntnis von auf die entsprechende Industrie spezialisierten, erfahrenen Rechtsberatern ist extrem förderlich für den Wertbeitrag der Legal Due Diligence. In jedem Fall ist es aber sinnvoll, sich mit einem kundigen Mitarbeiter des Käufers und gegebenenfalls anderen Beratern auszutauschen. Wie für viele Due Diligence-Prüfungsarten ist es auch für die Legal Due Diligen- 22 ce wichtig, eine Wesentlichkeitsschwelle (materiality threshold) zu definieren oder in anderer Weise festzulegen, welche Verträge als so wesentlich angesehen werden, dass eine Prüfung erforderlich ist. Dies muss zwischen Rechtsberater, Käufer und Zielunternehmen (bzw. Verkäufer) vereinbart werden.
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Kapitel 7 Legal Due Diligence
Oft bestehen auf Seiten des Verkäufers bzw. des Zielunternehmens Bedenken, als vertraulich eingestufte Informationen zu teilen.8 Dazu gehören oft Namen von Kunden, Einzelheiten zu Preisen und Kalkulationen oder technische Details zu Produkten. Hindernisse ergeben sich auch aus dem Datenschutzrecht, sofern personenbezogene Daten in den Unterlagen enthalten sind. Weiter ist zu bedenken, dass wesentliche Verträge des Zielunternehmens mit Lieferanten oder Kunden oftmals vertragliche Vertraulichkeitsvereinbarungen enthalten. Und zu guter Letzt stehen auch kartellrechtliche Hürden im Weg, wenn bestimmte Informationen mit Kaufinteressenten geteilt werden sollen, die gleichzeitig Wettbewerber des Zielunternehmens sind (dies ist bei Finanzinvestoren typischerweise nicht der Fall). Die Parteien müssen darüber rechtzeitig ein Einvernehmen erreichen. Gut beratene Verkäufer antizipieren die Problematik und erarbeiten bereits im Zusammenhang mit dem Aufsetzen des Datenraums angemessene Lösungen.
3 Praxistipp Situationen, bei denen wettbewerbsrelevante Informationen des Zielunternehmens mit einem Käufer geteilt werden sollen, der selbst Wettbewerber des Zielunternehmens ist, sind kartellrechtlich bedenklich. Gleichwohl muss der Informationsfluss bei Unternehmenskäufen oft dennoch erfolgen, weil ansonsten wesentliche wertbildende Faktoren dem Käufer unbekannt bleiben würden, so dass ein Verkauf an strategische Investoren aus dem Wettbewerbsumfeld überhaupt nicht möglich wäre. Einem eventuellen Wettbewerbsverstoß kann naturgemäß nicht mit einer Vertraulichkeitsvereinbarung begegnet werden. Die Situation kann aber oft durch Einsatz eines Clean Teams gelöst werden. Dabei beauftragt der Verkäufer ausschließlich ausgewählte Berater und Mitarbeiter aus Zentralfunktionen mit den Teilen der Due Diligence, in der die wettbewerbsrelevanten Informationen verarbeitet werden müssen (das Clean Team). Dies geschieht auf Basis einer besonderen Clean Team-Vereinbarung mit dem Zielunternehmen bzw. dem Verkäufer. Die Mitglieder des Clean Teams sind zur besonderen Vertraulichkeit der Informationen verpflichtet und dürfen diese nicht konkret, sondern nur in abstrahierter oder zusammenfassender Form im Rahmen ihrer Arbeitsergebnisse weitergeben. Damit soll verhindert werden, dass Mitarbeiter, die in Einkaufs- oder Vertriebsprozesse involviert sind, diese Informationen erhalten und zu wettbewerblichen Zwecken verwenden können.
2. Prüfungsinhalte 24 Die Prüfungsthemen und -ziele hängen vom wirtschaftlichen Kontext ab. Es gibt
dabei eine Reihe übergreifender oder wiederkehrender Elemente. Zu prüfen sind in aller Regel: 25 − Haftungs- und Gewährleistungsfragen: Den Käufer wird interessieren, wie die Haftungsregelungen ausgestaltet sind, d.h. wie das Zielunternehmen gegenüber den Kunden für Mängel haftet oder aus Produkthaftungsrecht in An-
_____ 8 Siehe dazu auch Kap. 5 Rn 54 f.
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spruch genommen werden kann und welche Ansprüche es gegenüber den eigenen Lieferanten hat. Praxistipp 3 Eine besondere Qualität der rechtlichen Due Diligence liegt dementsprechend darin, bei produzierenden Unternehmen auf Lücken in der Gewährleistungskette aufmerksam zu machen, also die Situationen aufzuspüren, in denen das Zielunternehmen für Mängel eingekaufter Teile oder Materialien gegenüber den Kunden eintreten muss, ohne dass es seinerseits Rückgriff auf die Lieferanten nehmen kann. Der Käufer müsste nach dem Erwerb eine Änderung der eigenen AGB des Zielunternehmens veranlassen bzw. die Einkaufs- und Kundenverträge nachverhandeln lassen. Der Zustand sollte nur dann hingenommen werden, wenn die Marktlage keine anderen Vereinbarungen erlaubt. Der Käufer müsste dann aber konsequenterweise im Zielunternehmen ein besonderes Augenmerk auf die Qualitätssicherung legen.
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Allgemeine Geschäftsbedingungen: Der Inhalt und die Wirksamkeit der vom 26 Zielunternehmen verwendeten AGB ist aufgrund des Multiplikationseffektes etwaiger rechtlicher Probleme stets zu prüfen. Zahlungskonditionen, Leistungszeitpunkt und Sicherheiten: Naturgemäß 27 besteht ein wirtschaftliches Interesse des Käufers daran zu wissen, wann nach den vertraglichen Regelungen mit Zahlungen zu rechnen ist, wenn die eigene Leistung des Zielunternehmens erbracht werden muss, und wie die Parteien jeweils abgesichert sind, also ob eine Seite in Vorleistung treten muss und ob besondere Sicherheiten gestellt werden.
Praxistipp 3 Eine Legal Due Diligence sollte einen Beitrag dazu leisten aufzuzeigen, welche Liquiditätseffekte das Gefüge der Zahlungskonditionen auf Einkauf und Vertrieb hat. Es kann wesentlich zu einem angemessenen Working Capital Management beitragen, wenn eine möglichst kurze Debitorenlaufzeit bei Kundenforderungen durch entsprechende Fälligkeitsregelungen vertraglich abgesichert ist. Gleichzeitig ist es gut zu wissen, auch wenn man dies wegen des Wegfallens von Skonti möglicherweise nicht in Anspruch nehmen würde, wenn ein größerer Spielraum bei der Fälligkeit auf Kreditorenseite besteht. Eine gute Legal Due Diligence kann darüber hinaus dem Käufer auch einen Eindruck darüber verschaffen, ob die vertraglichen Regelungen, z.B. kurze Lieferfristen von Lieferanten) Spielraum eröffnen, die Vorratshaltung optimal zu gestalten und den Vorratsbestand niedrig zu halten.
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Kartellrecht: Im Rahmen einer Due Diligence kann ein Rechtsberater nicht 28 selbst ermitteln, ob das Zielunternehmen gegen kartellrechtliche Vorschriften verstoßen hat. Informationsanforderungschecklisten müssen jedoch auch nach wettbewerbsbeschränkenden Abreden fragen. Darüber hinaus müssen vorgelegte Verträge mit Kunden, Lieferanten und Vertriebsmittlern auf Hinweise für möglicherweise kartellrechtswidriges Verhalten untersucht werden.
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a) Verträge mit Lieferanten 29 Verträge im Bereich der Beschaffung können über die dargestellten, stets relevanten
Fragestellungen hinaus auch nach einer Reihe von weiteren Kriterien zu untersuchen sein: 30 − Ein Gesichtspunkt könnte sein, ob die Supply Chain (Lieferkette) ausreichend vertraglich abgesichert ist. Dies ist von besonderer Bedeutung, wenn es für das Zielunternehmen überhaupt keine alternativen Möglichkeiten der Beschaffung gibt. Ferner könnte wichtig sein, dass die Konditionen der Belieferung gesichert sind, insbesondere wenn es sich um einen wesentlichen Kostenfaktor handelt (Extremfall: Die Lieferverträge der sogenannten Oil Majors mit Mineralölhändlern und Tankstellenbetreibern). In einigen Industrien spielt die Absicherung von Qualitätsstandards eine besondere Rolle (z.B. bei Zulieferern in komplexen Fertigungsindustrien wie etwa der Automobilindustrie). Daher spielen in diesem Zusammenhang Vertragslaufzeiten, Kündigungsmöglichkeiten für den Lieferanten, Lieferverpflichtungen und Preisanpassungsmöglichkeiten eine wesentliche Rolle. Oft ist auch ein Zusammenhang mit Kooperationspflichten wie der gemeinsamen Weiterentwicklung des Produkts, Supportleistungen durch den Lieferanten oder besonderen Verhaltensregeln für den Fall von Produktmängeln gegeben. Es mag darüber hinaus auch Konstellationen geben, in denen die Exklusivität der Belieferung für das Zielunternehmen eine besondere Rolle spielt, beispielsweise wenn es sich um eine besondere technische Lösung handelt, die mit Hilfe eines bestimmten Lieferanten nur das Zielunternehmen am Markt anbieten kann. Auch Change of Control-Klauseln, die den Lieferanten zur Kündigung berechtigen, sind gelegentlich zu finden. 31 − Eine ganz andere Konstellation liegt vor, wenn der Käufer selbst Alternativen für die Beschaffung hat und sich nach dem Erwerb von unvorteilhaften Lieferbeziehungen lösen oder die Konditionen nachverhandeln möchte. Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn der Käufer ein Großunternehmen ist, das eine größere Nachfragemacht hat als das Zielunternehmen und daher mit besseren Ergebnissen verhandeln kann. Dann stehen im Vordergrund der Prüfung Fragen wie etwa die nach der Laufzeit des Vertrages und den Kündigungsmöglichkeiten des Zielunternehmens sowie nach etwaigen Mindestabnahmeverpflichtungen.
b) Verträge mit Kunden 32 Die rechtliche Due Diligence bei Kundenverträgen ist in einigen Bereichen spiegel-
verkehrt zur Prüfung der Lieferbeziehungen zu sehen. Wiederum stellen sich die bereits dargestellten allgemeinen Fragen. Darüber hinaus geht es in den meisten Situationen dem Erwerber darum festzustellen, inwieweit zukünftige Umsätze vertraglich abgesichert sind. Plant der potentielle Erwerber hingegen strategische Änderungen, die beispielsweise auch Auswirkungen auf die Bestandskunden des Ziel-
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unternehmens haben, stellt sich die Frage der Flexibilität der Verträge mit den Kunden. Dies kann Lieferverpflichtungen betreffen, aber auch das Bevorraten von Ersatzteilen oder sonstigen zukünftigen Produktsupport. Beispiel 5 Ein Softwarekonzern beabsichtigt den Erwerb eines kleineren Softwareunternehmens, das eine besondere Stärke bei Kunden im Bereich der öffentlichen Hand hat. Der Softwarekonzern selbst ist technologisch besser aufgestellt als das Zielunternehmen und möchte die Kunden nach dem Erwerb des Zielunternehmens bei gleichbleibender Funktionalität und unveränderten Preisen auf eine neue technologische Plattform stellen und das Kernprodukt des Zielunternehmens selbst aus dem Markt nehmen. Synergien sollen dadurch entstehen, dass man den Support der alten Technologie mittelfristig einstellt. Auf Basis der neuen Technologie sind darüber weitere, neue Funktionalitäten in Planung, die man an die Bestandskunden ebenfalls verkaufen möchte. Die rechtliche Due Diligence muss demzufolge verschiedene Fragen beantworten: Besteht die vertragliche Möglichkeit, das Produkt als solches auszutauschen (wenngleich man möglicherweise den Namen behält und nur die Versionsnummer ändert), um die Bestandskunden auf die neue Plattform zu migrieren? Wann kann der Support für ältere Versionen eingestellt werden? Müssen die Verträge mit den Kunden aus dem öffentlichen Sektor möglicherweise neu ausgeschrieben werden, so dass gar nicht gesichert ist, dass diese überhaupt Kunden bleiben?
c) Vertriebssysteme und Vertriebsmittler Die rechtliche Due Diligence im Bereich des Vertriebs hat sowohl rückwärts gerich- 33 tete Elemente, als auch zukunftsbezogene. Es gilt natürlich aktuelle Risiken zu identifizieren. Der vertragliche Status quo ist aber wichtig, um eine Erkenntnisgrundlage für eine etwaige zukünftige Umgestaltung des Vertriebs zu schaffen. Zu prüfen sind etwa: − Die Abgrenzung und rechtlich zutreffende Einordnung von Vertragshändlerverträgen und Handelsvertreterverträgen bringt oft Schwierigkeiten mit sich. − Es gibt immer wieder Verträge anderer Art als Vertragshändlerverträge, die zwar nicht ausdrücklich als Handelsvertreterverträge deklariert sind, aber die entsprechenden Elemente enthalten, so dass sich u.a. die Frage stellt, ob bei einer zukünftigen Beendigung ein Handelsvertreterausgleich nach § 89b HGB zu zahlen wäre. − Sind Vertriebsmittler, die alleine (also ohne eigene Mitarbeiter) agieren, möglicherweise Scheinselbständige? − Details zur Entstehung und Berechnung des Kommissionsanspruchs von Handelsvertretern − Mindestabnahmemengen von Vertragshändlern − Regelungen zur Exklusivität in Bezug auf bestimmte Gebiete und Kunden. Dies ist insbesondere dann ein Problem, wenn der Kaufinteressent bereits ein eigenes Vertriebsnetz unterhält, in dem er seinen Vertriebsmittlern Exklusivität in irgendeiner Form gewährt hat. − Einzelheiten zum Marketing und zur Nutzung von Marken
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Einzelheiten zur Vertragsdauer, zur Kündigung und zu sonstigen Beendigungsmodalitäten (insbesondere beim Vertragshändler zur Übertragung des Kundenstamms, Rückgabe von Vertragsware etc.). Typischerweise ist das schwerwiegendste Thema immer wieder die Frage des bei Beendigung etwa zu zahlenden Handelsvertreterausgleichs. Die Regelung des § 89b HGB geht auf eine EU-Richtlinie zurück. Das insoweit harmonisierte EU-Recht sieht in allen Mitgliedstaaten ein nicht abdingbares Recht des Handelsvertreters auf Ausgleich vor. In Deutschland wird diese Regelung unter Umständen auch auf Vertragshändler angewendet. Auch Vertragshändlerverträge oder ähnliche Verträge sind daher daraufhin zu untersuchen, ob bei Beendigung ein Handelsvertreterausgleich nach § 89b HGB zu zahlen wäre. Das entscheidende Kriterium ist regelmäßig die Frage nach der Pflicht zur Übertragung des Kundenstamms an den Prinzipal bei Vertragsbeendigung. Vertrieb ist stets mit kartellrechtlichen und allgemeinen ComplianceRisiken behaftet. Hierauf ist ein besonderes Augenmerk bei der rechtlichen Due Diligence zu richten.
VI. IT 1. Einführung in die Prüfung 34 Wenn wir im Allgemeinen von Unternehmens-IT sprechen, meinen wir die Hard-
und Software-Infrastruktur und ihre elektronischen Datenverarbeitungsprozesse. Das Recht der Informationstechnologie ist insofern kein originäres Rechtsgebiet, sondern bezeichnet die rechtliche Betrachtung von Sachverhalten aus der IT. Als Querschnittsfachgebiet erstreckt es sich auf IT-relevante Teilbereiche aller Hauptrechtsgebiete, so beispielsweise das Vertragsrecht, einschließlich des AGB-Rechts und der Besonderheiten des Rechts des elektronischen Geschäftsverkehrs, das Immaterialgüterrecht (Recht des geistigen Eigentums, IP-Recht), Recht des Datenschutzes und der Sicherheit der Informationstechnologien, das Telekommunikationsrecht und das Strafrecht. Insofern stellen sich bei der Bearbeitung im Rahmen der Due Diligence auf 35 Käufer- und Verkäuferseite bereits sehr früh im Prozess strukturelle Fragen. Der Käufer muss überlegen, in welchen Teilen (Ordnern) des Datenraums die entsprechenden Informationen abgespeichert werden sollen. Der Käufer muss die Zuständigkeiten im Käuferteam verteilen und einordnen, wie die Darstellung im Due Diligence-Bericht zu erfolgen hat, nämlich in einem gesonderten Abschnitt „IT“ oder jeweils bei den entsprechenden Rechtsgebieten, z.B. IT-Dienstleistungs- und Beschaffungsverträge, bei den übrigen Verträgen auf Beschaffungsseite oder Softwarelizenzen bei den gewerblichen Schutzrechten. Möglicherweise bietet sich eine besondere Einteilung und Gliederung dann an, wenn das Zielunternehmen ein IT-Unternehmen ist. Im Übrigen wird jedoch hier vertreten, dass es aufgrund der
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heutigen Bedeutung der IT für die meisten Unternehmen sachgerecht ist, die Bearbeitung der IT-bezogenen Sachverhalte separat vorzunehmen. IT-Sachverhalte stellen dann einen eigenen Gliederungspunkt im Datenraum dar, der von einem dafür bestimmten Team des Käufers geprüft und im Due Diligence Bericht gesondert dargestellt wird. Dies betrifft vor allem das Beschaffen der IT-Infrastruktur (Hard- und Software). Ausnahmen von der Darstellung bieten sich möglicherweise bei bestimmten Rechtsgebieten an, bei denen die zu klärenden Rechtsfragen einen geringen IT-Einschlag haben. So könnte man beispielsweise Finanzierungsleasingverträge über wesentliche Bestandteile der Hardware-Infrastruktur auch im Teil „Finanzierung“ abarbeiten und datenschutzrechtliche Fragen in einem eigenen Abschnitt zum Datenschutz.
2. Prüfungsinhalte Folgende Fragen sind für den Käufer typischerweise besonders relevant: 36 − Gibt es Haftungsrisiken aus der Unternehmensvergangenheit im Zusammenhang mit der Nutzung der IT? − Ist die IT geeignet für die Zwecke des Zielunternehmens oder müssen selbst bei unveränderter Fortführung des Unternehmens Investitionen getätigt werden? − Welche Kosten entstehen durch die Integration der IT-Systeme des Zielunternehmens in die Systeme des Käufers? Grob kann man sich an folgenden wesentlichen Überlegungen für die rechtliche 37 Due Diligence der IT orientieren: − Wie sieht die IT-Hardware-Struktur aus? Welche wesentliche Hardware existiert? Wem gehört sie? Wo steht sie? Wer betreibt sie? − Welche wesentliche Software benötigt das Zielunternehmen für die eigenen Prozesse? Handelt es sich um Standardsoftware oder um Individuallösungen? Ist die Software selbstentwickelt oder lizensiert? Hat das Zielunternehmen die Lizenzen für die Zahl seiner User? Hat das Zielunternehmen den Quellcode oder jedenfalls Zugriff darauf? − Wer macht den IT-Support? Wie wird die IT (Hard- und Software) gewartet und gepflegt? − Welche Ausfälle und sonstigen Probleme, z.B. im Bereich der IT-Sicherheit, gab es in der Vergangenheit? − Was ist die Laufzeit der Dauerschuldverhältnisse und wie sind sie kündbar?
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Kapitel 7 Legal Due Diligence
VII. Gewerbliche Schutzrechte 1. Einführung in die Prüfung und Grundprinzipien 38 Fast alle Unternehmen verfügen über gewerbliche Schutzrechte (Intellectual Pro-
perty, IP) der einen oder anderen Art oder nutzen die Rechte anderer. Dies sind zumindest Namens- und gegebenenfalls Markenrechte, oft zusammen mit einer dazugehörigen (und durch sie geschützten) Internet-Domain. Ferner kann es Urheberrechte geben, beispielsweise in Form von gestalterischen oder textlichen Arbeitsprodukten oder Softwarerechten. Technologisch-orientierte Unternehmen haben in aller Regel Patente. Regelmäßig stellen die gewerblichen Schutzrechte einen erheblichen Teil des Werts eines Unternehmens dar oder sind sogar Grundbedingung für das Geschäftsmodell. Die Bedeutung der gewerblichen Schutzrechte für die Transaktion und somit auch für die Legal Due Diligence darf daher nicht unterschätzt werden. Die Bandbreite der Sachverhalte und der Schutzrechte ist groß und erfordert spezialisierte Rechtsberater als Sachbearbeiter der IP-rechtlichen Due Diligence.
2. Prüfungsinhalte 39 Die wesentlichen zu prüfenden Fragen in diesem Bereich sind:
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Welche gewerblichen Schutzrechte besitzt das Unternehmen? Welche Rechte nutzt es? Welches sind eigene, gegebenenfalls selbstgeschaffene Rechte des Zielunternehmens? Welches sind abgeleitete Rechte, die beispielsweise auf Basis eines Lizenzvertrages genutzt werden? Gibt es IP-Rechte, die derart verwertet werden, dass sie an Dritte (Kunden) weiterlizensiert werden? Gibt es Verträge (beispielsweise Forschungs- und Entwicklungsverträge, Joint Venture-Verträge mit F&E betreffende Klauseln oder Beraterverträge mit Softwareentwicklern), die das Schicksal von gewerblichen Schutzrechten wesentlich beeinflussen?
40 Für die einzelnen Prüfungshandlungen verbieten sich schematische, verallgemei-
nernde Ansätze. Es ist unter Effizienzgesichtspunkten, aber auch im Hinblick auf den Wertbeitrag, den die Due Diligence zur Transaktion leistet, zweckmäßig, sich zunächst mit dem Geschäftsmodell des Unternehmens sowie den Plänen des Kaufinteressenten für das Zielunternehmen unter IP-Gesichtspunkten zu beschäftigen. Sodann wäre eine Bestandsaufnahme der eigenen gewerblichen Schutzrechte 41 und der vom Zielunternehmen genutzten Rechte durchzuführen. Bereits zu diesem Zeitpunkt ist typischerweise der Datenraum nicht vollständig. Es ist fast immer ein
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intensives Gespräch des Rechtsberaters mit den maßgeblichen Personen im Zielunternehmen erforderlich, um sich wenigstens einen halbwegs abgerundeten Überblick zu verschaffen. Die einzelnen Schutzrechtsarten, die in Deutschland vorzufinden sind, sind – 42 wie erwähnt – recht vielfältig und erfordern vom Sachbearbeiter vertiefte Kenntnisse: − Know-how − Urheberrechte − Geschäftsbezeichnungen, d.h. Unternehmenskennzeichen (Firma, Name) und Werktitel − Domains − Marken − Designs − Patente − Gebrauchsmuster − Sonstige Rechte, z.B. das Sortenschutzrecht Wesentliche Prüfungspunkte und erforderliche Informationen für den Due Diligen- 43 ce-Bericht sind: − Schutzrechtsbezeichnung − Inhaber des Schutzrechts − Registrierungs- oder Anmeldenummer, sofern einschlägig − Status des Eintragungsprozesses Bei registrierten Rechten bieten sich stets eigene Recherchen an. Dies ist in Bezug 44 auf Patente und Marken beim Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) und beim Europäischen Patentamt (EPA) sowie in Bezug auf Top Level Domains bei den jeweiligen Registrierungsstellen recht leicht möglich. Bei größeren Patent- und Markenportfolien sollte auf die Unterstützung der betreuenden Patentanwaltskanzlei zurückgegriffen werden. Es ist jedoch im Vorfeld der Due Diligence darauf zu achten, dass die Vorgehensweise und die durchzuführenden Prüfungen eindeutig und abschließend im Scope des Transaktionsmandats beschrieben werden. Praxistipp 3 Sofern das Geschäftsmodell stark von der Internet-Domain abhängt (wie beispielsweise bei vielen Einzelhandelsunternehmen), ist eine eigene Domain-Recherche dringend zu empfehlen. Es stellt sich fast immer heraus, dass Unternehmen den Domainrechten nicht ausreichend Aufmerksamkeit geschenkt haben und Risiken bestehen, beispielsweise, dass Domains auf einen bereits aus dem Zielunternehmen ausgeschiedenen Mitarbeiter der IT registriert sind.
Schnittstellen können sich mit anderen Prüfungsfeldern ergeben, z.B. wesentli- 45 chen Kundenverträgen, Rechtsstreitigkeiten, Arbeitsrecht (Arbeitnehmererfindungen) sowie der Business und der Financial Due Diligence.
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VIII. Immobilien 46 Die rechtliche Due Diligence mit Bezug auf Immobilien hat aus verschiedenen
Gründen besondere Relevanz: − Immobilien sind oft geschäftsnotwendig. Die Umsetzung des Geschäftsmodells erfordert in den allermeisten Fällen das Vorhandensein physischer Räumlichkeiten für Mitarbeiter und Kunden. − Miet- und Pachtzins oder, alternativ, die Finanzierung und Kapitalbindung von im Eigentum stehenden Immobilien stellen ganz erhebliche Kostenfaktoren dar. − Das mit vielen Immobilienarten verbundene Risiko ist hoch. Dies betrifft beispielsweise öffentlich-rechtliche Nutzungsuntersagungen oder mit erheblichen Kosten verbundene Auflagen, Streitigkeiten mit Nachbarn (mit der Folge der Nutzungsuntersagung bzw. ebenfalls mit Kosten verbundenen Auflagen) oder umweltrechtliche Haftungsrisiken in Bezug auf Altlasten und Emissionen. − Mit Blick auf Geschäftschancen stecken in bestimmten Geschäftsmodellen (auch außerhalb von reinen Immobilieninvestments) erhebliche Wertpotentiale in Immobilien. 5 Beispiel Baumärkte und große Möbelhäuser spielen oft eine erhebliche Rolle bei der Entwicklung von Gewerbegebieten. Gerade in wachsenden Ballungszentren hat sich gezeigt, dass die Immobilienentwicklung bei diesen Unternehmen ein Teil des Geschäftsmodells ist. Die Immobilien für diese großen Einzelhandelsunternehmen werden daher oft im Eigentum oder als Erbbaurecht gehalten und zu einem geeigneten Zeitpunkt gewinnbringend weiterveräußert. Darauf muss die rechtliche Due Diligence eingehen. 47 Typischerweise zu prüfende Fragen bei angemieteten oder gepachteten Immobilien:
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Vertragslaufzeit und Kündigungsfristen Optionen auf die Anmietung weiterer Flächen Nutzungsbeschränkungen Möglichkeiten zur Untervermietung Schriftformerfordernis bei Vertragsänderungen Rückbauverpflichtungen bei Vertragsbeendigung
3 Praxistipp Bei den verschiedenen Arten vom Immobilien und ihrer Nutzung gibt es eine Vielzahl von Besonderheiten (z.B. bei der Mietzinsberechnung und den Nebenpflichten bei Einzelhandelsimmobilien in großen Einkaufszentren (Malls) oder der Pacht von Hotelimmobilien; weitere Spezialimmobilien sind etwa Factory-Outlets, Tankstellen, Seniorenwohnheime und Gaststätten). In der immobilienrechtlichen Due Diligence von Spezialimmobilien ist dringend zu empfehlen, hierfür Spezialisten hinzuzuziehen.
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Oft relevante Prüfungsfelder bei im Eigentum stehenden Immobilien: 48 − Wirksamer Eigentumserwerb durch das Zielunternehmen − Belastung mit Grundpfandrechten und sonstigen in Abt. II eingetragenen Belastungen − Grundbuchstand und noch laufende Eintragungsanträge sowie etwaige Eigentümerstellung aufgrund von Vorgängen außerhalb des Grundbuchs − Altlastenkataster, Kampfmittelbelastungen und Anforderungen sonstigen Umweltrechts − Öffentlich-rechtliche Baulasten (Einsicht im Baulastenverzeichnis, sofern im jeweiligen Bundesland vorhanden) − Planungsrecht − Unerledigte Baumängel − Brandschutz − Immobilienbezogene Versicherungen − Historische Funde und Denkmalschutz
IX. Bewegliche Sachen 1. Einführung in die Prüfung Bewegliche Sachen (Mobilien), so der juristische Begriff, sind oft wertmäßig ein we- 49 sentlicher Teil des Vermögens eines Unternehmens. In vielen Fällen ermöglichen erst bestimmte Produktionsmittel die wirtschaftliche Tätigkeit des Zielunternehmens. Insofern kommt es essentiell auf die Berechtigung zur Nutzung an. Ferner spielen bewegliche Sachen eine Rolle bei der Finanzierung des Unternehmens, sei es, dass ihre Anschaffung selbst finanziert wird, bei Maschinen oder Fahrzeugen etwa im Wege eines Leasingvertrages, oder bei Rohstoffen durch den Lieferanten mit entsprechenden Zahlungszielen. Sie dienen gleichzeitig als Sicherungsmittel, beispielsweise dem Darlehensgeber im Wege einer Sicherungsübereignung oder dem Lieferanten im Wege des Eigentumsvorbehalts. Eine besondere Rolle spielt die rechtliche Due Diligence der Mobilien bei Asset 50 Deal-Strukturen, da hier die einzelnen Vermögensgegenstände an den Käufer übertragen werden müssen. Der im deutschen Recht geltende Bestimmtheitsgrundsatz erfordert, anders als manche anderen Rechtsordnungen, eine eindeutige Beschreibung der einzelnen Kaufgegenstände. Das Bestimmtheitserfordernis ist nur erfüllt, wenn jeder Dritte, der die Vereinbarung der Parteien kennt, ohne weiteres übereignete von nicht übereigneten Sachen unterscheiden kann. Es können somit nicht alle Vermögensgegenstände einer Gesellschaft pauschal übertragen werden, denn für die Identifizierung müsste der Dritte eine detaillierte Due Diligence-Übung vornehmen. Es bedarf zumindest einer räumlich eindeutigen Abgrenzung durch die Vertragsparteien, beispielsweise im Fall von Vorräten, die sich in einem Lager befinden.
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Aufgrund der Vielzahl beweglicher Sachen in einem Unternehmen und der Schwierigkeiten, diese mangels vollständiger Dokumentation des Eigentums, öffentlicher Register etc. einzeln rechtlich beurteilen zu können, müssen der Kaufinteressent und der Rechtsberater sich auf den sachlichen Umfang und die Prüfungstiefe einigen. So kann es empfehlenswert sein, das Eigentum und die Verfügungsbefugnis des Zielunternehmens an bestimmten Vorräten nur pauschal anhand der Verkaufsbedingungen des Lieferanten und einem Beispiel der Bestell- und Lieferdokumentation zu prüfen. Bei wesentlichen Maschinen und Anlagen hingegen kann eine Einzelfallprüfung in Betracht kommen, dann ist es aber oft sinnvoll, die Prüfung inhaltlich auf ganz bestimmte Gegenstände des Anlagevermögens und dabei bestimmte nachvollziehbare Aspekte zu beschränken und sich im Übrigen auf Auskünfte des Zielunternehmens bzw. Verkäufers zu verlassen. Schließlich ist zu beachten, dass inhaltlich Schnittstellen mit der vertrags52 rechtlichen Due Diligence, der rechtlichen Due Diligence im Bereich der Finanzierung sowie der Financial Due Diligence bestehen. 51
2. Prüfungsinhalte 53 Die Prüfung konzentriert sich auf folgende Themenschwerpunkte:
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− −
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Kauf-, Liefer- und Vertriebsverträge für bewegliche Sachen Eigentumserwerb Sofern ein Erwerb unter Eigentumsvorbehalt vorliegt, Erwerb des Anwartschaftsrechts und gegebenenfalls Recht zur Weiterverarbeitung im Rahmen des üblichen Geschäftsbetriebs Sicherungsübereignungen Pfandrechte, sowohl vertragliche, als auch gesetzliche (z.B. Vermieterpfandrecht, Werkunternehmerpfandrecht sowie Pfandrechte von Kommissionär, Spediteur und Lagerhalter) Miet-, Leih- und Leasingverträge
X. Versicherungen 1. Einführung: Prüfungsgegenstand 54 Dem Transaktionsanwalt ist es typischerweise nicht möglich, in belastbarer und
effizienter Weise die versicherungsrechtliche Situation des Zielunternehmens9 zu überprüfen. Dies liegt zum einen daran, dass es alleine schon anwaltlich nicht dar-
_____ 9 Gegenstand dieser Ausführungen ist nicht die Due Diligence eines Versicherungsunternehmens. Ferner ist nicht Teil der Due Diligence Prüfung die gesetzliche Unfallversicherung und andere Zweige der Sozialversicherung.
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stellbar ist, eine zuverlässige Aussage über den für einen bestimmten Betrieb erforderlichen Versicherungsschutz zu treffen. Zum anderen ist es im Rahmen einer rechtlichen Due Diligence nicht effizient, mehr oder weniger standardisierte Versicherungsbedingungen ohne konkrete Hinweise auf bestimmte Risiken dezidiert durchzusehen und zu prüfen. Die versicherungsrechtliche Überprüfung kann daher nur summarischer Natur sein. Obwohl in mittelständischen Transaktionen oft noch immer ein Versicherungselement in der Legal Due Diligence enthalten ist, ist es regelmäßig sinnvoller, dass der Kaufinteressent einen Versicherungsmakler oder seine eigene Versicherungsabteilung hinzuzieht.
2. Durchführung der Prüfung Geprüft werden kann, ob jedenfalls die Versicherungen, die typischerweise in Un- 55 ternehmen vorhanden sind, überhaupt abgeschlossen sind. Dazu gehören: − Feuerversicherung − Gebäudeversicherung − Inventar- und Elektronikversicherung − gegebenenfalls mit gekoppelter oder separater Versicherung wegen Betriebsunterbrechungen − Betriebs- und Produkthaftplichtversicherung − Vermögensschadenversicherung − D&O-Versicherung Es ist zu diesem Zweck sinnvoll das Zielunternehmen zu bitten, eine Bestätigung 56 seines Versicherungsmaklers über die bestehenden Versicherungen einzuholen. Ferner sollten Anhaltspunkte abgefragt werden, die geeignet sind zu indizieren, dass der Versicherungsschutz gefährdet ist. Indizien könnten sein: − Nicht gezahlte Versicherungsprämien (die Bestätigung des Versicherungsmaklers kann auch die Zahlung der Versicherungsprämien erfassen) − Verstöße des Versicherungsnehmers gegen Obliegenheiten (oft Auskunfts- und Anzeigepflichten) − In der jüngeren Vergangenheit aufgetretene Versicherungsfälle Mit Blick auf den Handlungsbedarf zum Vollzug sollte schließlich geklärt werden, 57 ob die Versicherungsverträge Change of Control-Klauseln enthalten.
XI. Öffentliches Recht 1. Einführung: Prüfungsgegenstand und Bedeutung Um es leger auszudrücken: Das öffentliche Recht ist ein weites Feld. Welche Rechts- 58 gebiete des öffentlichen Rechts für die Legal Due Diligence bei einem bestimmten
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Unternehmen von Bedeutung sind, hängt von den ganz konkreten Gegebenheiten des Zielunternehmens ab. Die Regelungen dieser Rechtsgebiete bestimmen jedoch die Rahmenbedingungen für das Handeln des Zielunternehmens und haben daher entscheidenden Einfluss auf die Werthaltigkeit des Unternehmens. Für den Fall eines Unternehmenskaufs reicht die Bandbreite der einschlägigen Regelungen von grundstücksbezogenem Recht (Planungsrecht, Naturschutz, Denkmalschutz, Wasserrecht, Bodenschutzrecht, Abgabenrecht) über Regelungsbereiche betreffend Anlagen und Betrieb (Planungsrecht, öffentliches Baurecht, Denkmalschutz, Immissionsschutz, Naturschutz, Wasserrecht, Abfallrecht, REACH-Verordnung, technische Gewerbeaufsicht, Arbeitssicherheit und Arbeitsschutz, Geräte- und Anlagensicherheit, Strahlenschutz, Umgang mit gefährlichen Stoffen etc.) zu Regelungen betreffend personenbezogene Genehmigungen (z.B. Gewerbeerlaubnis, Gaststättenerlaubnis, Spielhallenerlaubnis, Erlaubnis für bestimmte Tätigkeiten unter dem Kreislaufwirtschaftsgesetz). Dem öffentlichen Recht in Deutschland ist zu eigen, dass es Ausfluss eines fö59 deralen Systems ist. Das bedeutet für die rechtliche Due Diligence, dass es nicht genügt, bundesrechtliche Regelungen zu prüfen. Weite Teile des anwendbaren Rechtsregimes werden durch das jeweils einschlägige Landesrecht bestimmt. Darüber hinaus sind in einer Vielzahl von Rechtsgebieten die Länder für den Vollzug zuständig. Bei der typischen Prüfungstiefe einer rechtlichen Due Diligence ergeben sich insofern keine besonderen Vorgaben für die Aufstellung des Due Diligence Teams, die zu berücksichtigen wären. Es kann aber im Ausnahmefall dazu kommen, dass eine landesrechtliche Besonderheit oder die Verwaltungspraxis eines Bundeslandes oder einer Kommune erheblichen Einfluss auf die Bewertung des Sachverhalts hat. Dann kann es erforderlich werden, dass – typischerweise außerhalb der eigentlichen Due Diligence – Spezialisten hinzugezogen werden müssen, die die Bearbeitung des Problems begleiten. Die besondere Eigenart des öffentlichen Rechts ist es, dass es zwingend Anwen60 dung findet. Die Parteien können zwar untereinander vereinbaren, dass der Verkäufer den Käufer von bestimmten Risiken freistellt. In vielen Situationen kann dies aber für keine Seite eine befriedigende Lösung darstellen. 5 Beispiel In Mischgebieten nach § 6 BauNVO sind „sonstige Gewerbebetriebe“ nur zulässig, wenn sie „das Wohnen nicht wesentlich stören“. Das Zielunternehmen verarbeitet unter erheblicher Lärmentwicklung Holz. Die Holzverarbeitung findet seit Jahren in einer in einer Werkhalle statt, um die Wohnbevölkerung nicht zu stören. Das Unternehmen ist aber aufgrund der begrenzten Produktionskapazitäten inzwischen nicht mehr profitabel. Der Käufer will den Betrieb ausbauen. Er muss also prüfen, ob eine Vergrößerung der Halle, der Bau einer weiteren Halle oder das Verarbeiten außerhalb der Halle auf dem Hof zulässig wären. Wenn dies nicht möglich wäre, würde eine Freistellung nicht weiterhelfen. Die Transaktion als solche wäre sinnlos. Für den Verkäufer wäre möglicherweise eine Abwicklung des Betriebs wirtschaftlich sinnvoller als eine betraglich unbegrenzte Freistellung des Käufers verbunden mit dem Risiko, dass die Erweiterung der Produktion aus öffentlich-rechtlicher
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Sicht nicht zulässig ist. Während für den Verkäufer das Risiko nicht hinnehmbar ist, stellt die Freistellung für den Käufer auch keine sinnvolle und dauerhafte Lösung dar. Sinnvollerweise treiben die Parteien daher die öffentlich-rechtliche Klärung einer aussichtsreichen Entwicklungsalternative voran und warten solange mit dem Abschluss eines Kaufvertrages oder machen die bestandskräftige Genehmigung ihrer Planungen zu einer Vollzugsbedingung für die Transaktion.
Es ist zu beachten, dass einer öffentlich-rechtlichen Due Diligence inhaltlich Gren- 61 zen gesetzt sind. Ab einem bestimmten Detaillierungsgrad der Prüfung ist es unabdingbar, technische Spezialisten zu involvieren. Insofern bestehen Schnittstellen mit der Immobilien Due Diligence, der Umwelt-Due Diligence, der technischen Due Diligence und anderen Formen der Due Diligence mit speziell technischem oder naturwissenschaftlichem Fokus.
2. Prüfungsinhalte Fragen, die sich aus öffentlich-rechtlicher Sicht im Zusammenhang mit der Due Di- 62 ligence in Bezug auf Grundstücke stellen, sind: − Ist das Grundstück für die konkret beabsichtigten Zwecke nutzbar? − Welche Haftungsrisiken resultieren aus dem Zustand des Grundstücks? − Welche Abgaben (Steuern, Beiträge, Gebühren) sind in Bezug auf das Grundstück zu zahlen? In Bezug auf Anlagen und Betrieb des Unternehmens ist danach zu fragen 63 − ob bestimmte Genehmigungen erforderlich sind und diese bestandskräftig vorliegen, − welche Nebenbestimmungen und sonstigen Vorgaben einzuhalten sind und ob diese tatsächlich eingehalten werden sowie − welche technischen Anforderungen im Übrigen einzuhalten sind. Praxistipp 1 3 Nebenbestimmungen von Realkonzessionen, wie etwa wasserrechtlicher Erlaubnisse, schränken gelegentlich bereits erteilte Genehmigungen in ähnlicher Form wie Change of Control-Klauseln ein. In diesen Fällen muss das weitere Vorgehen mit der zuständigen Behörde im Rahmen der Transaktion geklärt werden. Eine ganz ähnliche Problematik gilt für bestimmte Zertifizierungen und Registrierungen: Beispielsweise sind Hersteller und Importeur im Bereich der REACH-VO zur Registrierung verpflichtet. Andernfalls darf das Produkt nicht in den Verkehr gebracht werden. Sofern nur ein Betrieb oder ein Teilbetrieb im Wege des Asset Deals veräußert wird und der Verkäufer die Registrierung für den verbleibenden Betrieb benötigt, muss der Erwerber eine neue Registrierung beantragen.
Praxistipp 2 3 Aus einer Vielzahl von Fachgesetzen und Durchführungsvorschriften ergibt sich das Erfordernis der Beschäftigung von besonders qualifizierten Mitarbeitern (z.B. Immissionsschutzbeauftragter). Dies stellt ein besonderes Risiko für Transaktionen in Form eines Asset Deals dar, nachdem in diesen
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Konstellationen Mitarbeiter, die im Rahmen eines Betriebsübergangs übergehen sollen, dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses widersprechen können. Im Übrigen wäre auch bei einem Share Deal im Rahmen der Integrationsbemühungen darauf zu achten, dass diese Mitarbeiter an das Unternehmen gebunden bleiben. Ein Käufer muss also gegebenenfalls die betreffenden Personen nahtlos ersetzen können. Dies kann einem strategischen Investor aus der Branche leichter fallen als einem Finanzinvestor. 64 Anders als grundstücks- und anlagenbezogene Genehmigungen gehen person-
enbezogene Genehmigungen nicht ohne weiteren öffentlich-rechtlichen Rechtsakt auf einen Erwerber über. Dies stellt insbesondere bei Asset Deals ein Hindernis dar. 3 Praxistipp Gewerbeanmeldungen bzw. Gewerbeanzeigen können unproblematisch nachgeholt werden. Im Hinblick auf personenbezogene Genehmigungen muss geklärt, ob die Transaktion eine Neuerteilung erforderlich macht und, wenn ja, was passieren soll, wenn der Erwerber diese nicht erhält. 65 Eine Besonderheit des öffentlichen Rechts stellen sogenannte öffentlich-rechtliche
Verträge dar. Statt durch einen Verwaltungsakt zu handeln, kann die öffentliche Hand ein Rechtsverhältnis auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts auch durch Vertrag i.S.v. §§ 54 bis 62 VwVfG begründen, ändern oder aufheben. Behörden machen immer häufiger Gebrauch von dieser Handlungsmöglichkeit. Sie ist vor allem dann sinnvoll, wenn die öffentliche Hand in besonderem Maße auf die Kooperation auf privater Seite angewiesen ist, beispielsweise bei der städtebaulichen Entwicklung. Grundsätzlich gelten im Zusammenhang mit Transaktionen die gleichen Grundsätze wie bei privatrechtlichen Verträgen. Öffentlich-rechtliche Verträge sind an die Vertragsparteien gebunden. Ein Asset Deal bedarf insofern der Zustimmung der Behörde. Für den Fall eines Share Deals ist es Aufgabe der Due Diligence auf vertragliche Change of Control-Klauseln zu achten.
XII. Rechtsstreitigkeiten 1. Einführung: Prüfungsgegenstand 66 Üblicherweise wird der Bereich der Rechtsstreitigkeiten,10 an denen das Zielunter-
nehmen beteiligt ist oder die in absehbarer Zukunft drohen, eigenständig abgearbeitet. Ob dies sinnvoll ist, darf mit Recht bezweifelt werden. Einige Rechtsberater sind inzwischen dazu übergegangen, jedenfalls die arbeitsrechtlichen Streitigkeiten im Zusammenhang mit der arbeitsrechtlichen Due Diligence abzudecken. Dafür, ande-
_____ 10 Nicht hierher gehören Rechtstreitigkeiten vor den Finanzgerichten, die im Rahmen der Tax Due Diligence zu behandeln sind, siehe auch Kap. 8 Rn 38.
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re Rechtsstreitigkeiten in einem spezifischen Abschnitt abzuhandeln spricht jedenfalls, dass so ein schnellerer und einfacherer Überblick über das Gesamtbild der Rechtsstreitigkeiten des Unternehmens entsteht. Dies ermöglicht Rückschlüsse auf das Risikoprofil des Geschäftsmodells und die Art und Weise, wie das Geschäft geführt wird. Zu beachten sind die Schnittstellen zur Financial Due Diligence, vor allem in 67 Bezug auf die Bildung von Rückstellungen und die Wertberichtigung von Forderungen, sowie zur Cultural Due Diligence mit Blick auf „Ruf“ eines Unternehmens bei außenstehenden Dritten und Mitarbeitern sowie zur HR-Due Diligence und zur Compliance Due Diligence.
2. Durchführung der Prüfung Es bietet sich an, alle Prozesse listenmäßig mit Nennung des Gegners und einer Beschreibung des Streitgegenstands zu erfassen. Bei betragsmäßig wesentlichen oder, beispielsweise aus strategischen Gründen, sonst wichtigen Rechtsstreitigkeiten sollte eine Stellungnahme der die jeweilige Angelegenheit betreuenden Anwaltskanzlei eingeholt werden. Diese Stellungnahme sollte eine Aussage zu den betragsmäßigen Auswirkungen und den Erfolgsaussichten enthalten. Schlussfolgerungen sind in zweierlei Weise daraus möglich: Aus dem Gesamtbild der Rechtsstreitigkeiten ergibt sich ein Bild über das Verhalten des Zielunternehmens oder das Umfeld, in dem es agiert. Dies gilt sowohl für Aktivprozesse, wie auch für Passivprozesse. Aktivprozesse sind diejenigen Prozesse, in denen das Zielunternehmen selbst als Kläger auftritt. Auf den ersten Blick scheint bei diesen Prozessen das Risikopotential gering zu sein. Ein besonderes Augenmerk ist aber auf die konkreteren Umstände dieser Gerichtsverfahren zu legen. So können Klageverfahren zur Beitreibung von Forderungen gegen einen wesentlichen Kunden zum einen Widerklagen nach sich ziehen und zum anderen Rückschlüsse auf die konkrete Kundenbeziehung und aber auch die Kundenzufriedenheit als solcher (bzw. der Produktqualität) zulassen. Möglicherweise ist der Kunde, eventuell sogar seine Branche insgesamt, in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Ferner könnten aktiv betriebene Patentverletzungsverfahren Rückschlüsse auf das wettbewerbliche Umfeld oder die IP-Strategie des Zielunternehmens zu lassen. Offensichtlich naheliegender ist es, Gerichtsverfahren rechtlich zu untersuchen, bei denen die Zielgesellschaft beklagt ist (Passivprozesse), weil in diesen Fällen ein Unterliegen vor Gericht mit unmittelbaren Konsequenzen verbunden ist. Die Ergebnisse dieses Teils der Untersuchung sind mit den handelsbilanziell gebildeten Rückstellungen und mit der Financial Due Diligence abzugleichen.11
_____ 11 Siehe Kap. 6 Rn 68.
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Zu sonstigen Formen der prozessualen Beteiligung, beispielsweise als Streithelfer einer Prozesspartei, sind keine verallgemeinernden Aussagen möglich. Diese müssen konkret eingeordnet werden.
5 Beispiel Das Zielunternehmen ist Zulieferer eines Herstellers von Werkzeugmaschinen. Der Kunde wurde durch einen seiner Abnehmer wegen eines Mangels an der Maschine verklagt (Hauptprozess). Es ist möglich, dass der Mangel durch das vom Zielunternehmen gelieferte Teil verursacht wurde. Der beklagte Hersteller hat daher dem Zielunternehmen den Streit verkündet (§§ 72 ff. ZPO). Das Zielunternehmen ist dem Hauptprozess als sogenannter Nebenintervenient und Streithelfer des Herstellers beigetreten (§ 74 Abs. 1, § 68 ZPO). Grund der Streitverkündung ist, dass das Zielunternehmen als Zulieferer die technischen Fragestellungen und andere Teile des Sachverhalts möglicherweise besser kennt, als der Hersteller der Maschine. Außerdem hat die Streitverkündung die Wirkung, dass sich die Feststellungen des laufenden Hauptprozesses eine Bindungswirkung für einen Folgeprozess des Maschinenherstellers gegen das Zielunternehmen entfalten, mit dem dieser das Zielunternehmen in Regress nehmen könnte. Für die Legal Due Diligence hat daher der Ausgang des Hauptprozesses eine ähnliche Bedeutung wie eine Klage gegen das Zielunternehmen selbst.
XIII. Compliance der Zielgesellschaft 73 Anstelle einer vollständigen Compliance Due Diligence werden Rechtsberater zu-
nehmend damit beauftragt, im Rahmen der Legal Due Diligence zu bestimmten Compliance-Themen Stellung zu nehmen. Es geht vornehmlich um zwei Fragestellungen. Zum einen wird die datenschutzrechtliche Compliance immer wichtiger. Zum anderen geht es darum, einen besseren Eindruck von dem generellen Ansatz des Zielunternehmens zur Compliance und zum Compliance-Management zu gewinnen, als dies ohne ein dediziertes Arbeitspaket möglich wäre. Dies kann keine vollständige, fokussierte Due Diligence in den Bereichen Datenschutz und Compliance ersetzen,12 gibt aber den Entscheidern einen Eindruck von der Situation, der mehr als nur ein „Bauchgefühl“ ist. Mit Fug und Recht könnte man heute vertreten, dass es wohl zu einem Haftungsrisiko für Vertretungsorgane führen könnte, wenn sie sich bei Entscheidungen über materiell relevante Transaktionen nicht mit diesen Themen auseinandergesetzt haben und die Transaktion dann ein Misserfolg wird, weil sich Risiken aus diesem Themenfeld verwirklicht haben. Gemäß § 93 Abs. 1 S. 2 AktG liegt eine Pflichtverletzung des Vorstands nur dann nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung „vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener
_____ 12 So auch Leisch/Lohner, S. 133.
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Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln“ (Business Judgment Rule). Alleine angesichts der drohenden Reputationsschäden bei Compliance-Verstößen ist es stets sinnvoll, sich mit Compliance-Themen im Transaktionskontext zu befassen.13 Beispiel 5 Der Hotelkonzern Marriott kaufte 2016 die Hotelkette Starwood auf. Eine besondere Überprüfung mit Fokus auf die IT und den Datenschutz bei Starwood unterblieb augenscheinlich. Es blieb vermutlich daher wohl auch unentdeckt, dass sich bereits 2014 Hacker bei Starwood Zugang zu den ITSystem verschafft und auf Kundendaten in der Reservierungsdatenbank zugriffen hatten. Es hieß, größtenteils ginge es um Namen und Adressinformationen, nur in einigen Fällen auch um vertrauliche Daten wie Pass- und Kreditkartennummern. Die britische Datenschutzbehörde ICO (Information Commissioner’s Office) leitete Bußgeldverfahren gegen Marriott ein, in denen Bußgelder in Höhe von umgerechnet 110 Millionen Euro drohten. Hiergegen hat sich Marriott rechtlich zur Wehr gesetzt. Es ist möglich, dass das Bußgeld noch reduziert wird. In jedem Fall dürfte der Imageschaden erheblich sein.
1. Datenschutz-Compliance Die Fragestellungen, mit denen sich die Due Diligence im Datenschutzbereich be- 74 schäftigen sollte, sind folgende: − Welche Rolle spielt die Nutzung personenbezogener Daten (im Gegensatz zu beispielsweise technischen Daten) für das Geschäftsmodell des Zielunternehmens? − Verarbeitet das Zielunternehmen personenbezogene Daten? − Auf welcher Rechtsgrundlage findet die Verarbeitung statt? − Hält das Zielunternehmen die Grundsätze der Datenverarbeitung gemäß der DSGVO und sonstige datenschutzrechtlichen Pflichten ein? Neben einer allgemeinen Beschreibung der Verarbeitungsprozesse können zur Prü- 75 fung folgende Unterlagen herangezogen werden: − Musterformulierung zur Einholung datenbezogener Einwilligungen von Betroffenen (sogenannten Datensubjekten) − Konformitätserklärungen, Gap-Analysen oder Datenschutz-Auditberichte − Beispielhafte Datensätze − Daten-Aufbewahrungs- und Löschkonzepte − Direktmarketing-Konzepte − Datenschutzfolgenabschätzungen − Wesentliche Verträge mit Dritten, die von dem Zielunternehmen zur Durchführung von relevanten Aktivitäten genutzt werden und die personenbezogenen
_____ 13 Umnuß/Fietz, Kap. 12 „Mergers & Acquisitions“ Rn 75.
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Daten (z.B. von Mitarbeitern, Kunden, Interessenten oder Lieferanten) verarbeiten könnten (z.B. Cloud-Anbieter, Payroll-Anbieter, Direktmarketingunternehmen), sowie die dazugehörigen spezifischen datenschutzrechtlich motivierten Verträge (Controller-/Prozessor-Vereinbarungen, Auftragsdatenverarbeitungsverträge) Umstände/Verträge, nach denen das Zielunternehmen seinerseits für einen Dritten als Datenverarbeiter tätig werden könnte Informationen zu aktuellen und vergangenen Streitigkeiten der letzten Jahre, Ermittlungen, Verstößen etc. die im Zusammenhang mit Datenschutz stehen
2. Allgemeine Compliance 76 Ziel einer Compliance Due Diligence wäre die Darstellung und Bewertung des dem Zielunternehmen innewohnenden Compliance-Risikos. Typischerweise wird hier zunächst eine High Level-Einordnung vorgenommen und dann gegebenenfalls die Due Diligence entsprechend erweitert und fokussiert.14 Die Prüfung geschieht mit Hilfe von historischen Daten (z.B. Rechtsstreitigkeiten und Strafverfahren der Vergangenheit), aber auch durch Analyse der vorhandenen Strukturen und Prozesse des Zielunternehmens. Im Einzelnen kann untersucht werden: − Art der betriebenen Geschäfte − Geografische Verteilung der Geschäftstätigkeit − Markt-Umfeld − Unternehmenskultur − Compliance-Management-System: Aufbau- und Ablauf-Organisation einschließlich Überwachungsmechanismen, Integrationsfähigkeit des Systems beim Käufer − Historische Compliance-Probleme − Beschreibung der Haftungs- und Reputationsrisiken, insbesondere mit Bezug zu Korruption, Kartellrechtsverstößen, Import- und Exportkontrolle, Einkauf und Zulieferer, Vertrieb und Vertriebsmittler, branchenspezifische Regulatorik) − Mitigationsmaßnahmen im Rahmen der Transaktionsstruktur (z.B. Auswirkungen einer Asset Deal-Struktur) − Maßnahmen zur Integration der Compliance-Management-Systeme nach der Transaktion 77 Zur Prüfung können folgende Informationen und Unterlagen herangezogen wer-
den: − Liste der für Compliance zuständigen Personen im Zielunternehmen, Organigramm der Managementfunktionen, Beschreibung der Berichtslinien
_____ 14 Vgl. auch Leisch/Lohner, S. 133 ff.
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Ergebnisse von durchgeführten Compliance-Risikobeurteilungen der letzten Jahre Verhaltenskodizes (Code of Conduct) und anderer Compliance-Grundsätze und Richtlinien (z.B. für Arbeitnehmer, Lieferanten, Vertriebsmittler oder anderer Akteure), die compliance-relevante Themen betreffen (z.B. Unternehmensethik, Integrität, Korruptionsvermeidung, Geldwäsche, Kartellrecht, Wettbewerb, Betrugsprävention, Geldwäscheprävention, Geschenke & Bewirtungen (aktiv und passiv), Einkauf, Interessenkonflikte, Exportkontrolle & Sanktionen und ähnlich typischen Themen Vorhandene Kommunikation der Zielgesellschaft zu compliance-bezogenen Themen gegenüber Arbeitnehmern, Unterlagen zu Compliance-Schulungen, Dokumentation der Teilnahme Beschreibung wesentlicher compliance-bezogener Geschäftsprozesse und Kontrollen (z.B. allgemeiner Unterschriftenrichtlinie, Genehmigungsprozesse) Berichte von Compliance-Audits jeder Art, die bei der Zielgesellschaft durch eigene Abteilungen (z.B. Controlling, Innenrevision, Einkauf, Compliance, Rechtsabteilung) oder externe Berater (Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte, Compliance-Berater) durchgeführt wurden und den dazugehörigen und Handlungsempfehlungen Ergebnisse behördlicher Untersuchungen, sonstige Entscheidungen und Sanktionen (inkl. Black Listing, Ausschluss bei der Vergabe öffentlicher Aufträge) Bekannt gewordene historische oder gegenwärtige Compliance-Verstöße Liste aller Länder, in denen das Zielunternehmen geschäftlichen Aktivitäten nachgeht Genauere Beschreibung der geschäftlichen Verbindungen in die USA und nach UK Untersuchung der eingeschalteten Vertriebsmittler Untersuchung aller Regierungskontakte auf allen Ebenen der Exekutive sowie aller Geschäftsbeziehungen zu staatlich kontrollierten Unternehmen
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A. Ziele der Tax Due Diligence
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Kapitel 8 Tax Due Diligence Kapitel 8 Tax Due Diligence Risse/Wagenknecht
A. Ziele der Tax Due Diligence A. Ziele der Tax Due Diligence https://doi.org/10.1515/9783110673043-008 Die steuerliche Due Diligence dient der Analyse der steuerlichen Situation des Zielunternehmens. Dabei stehen nicht nur die Risiken, sondern auch die Chancen im Fokus der Betrachtung. Primäres Ziel ist jedoch die Aufdeckung steuerlicher Risiken im Zielunternehmen. Die (endgültigen oder temporären) Steuereffekte sind für die Bewertung des Zielunternehmens und die damit verbundene Festlegung des Kaufpreises relevant. Ferner soll die Tax Due Diligence eine Einschätzung der Steuerpolitik des Zielunternehmens ermöglichen. Ob ein Unternehmen diesbezüglich eher eine konservative oder eine progressive Vorgehensweise gewählt hat, rundet zumeist das Risikoprofil eines Unternehmens ab. Der Käufer versucht mittels der Tax Due Diligence zudem, Risiken abzuschätzen und sich durch Steuerklauseln oder Garantien vor einer Inanspruchnahme zu schützen. Daneben sollte die Tax Due Diligence die Möglichkeiten einer optimalen Gestaltung der Akquisition selbst und die Chancen für eine postakquisitorische Restrukturierung zur steuerlichen Optimierung aufzeigen.1 Nicht zuletzt dient eine Tax Due Diligence auch zur Beweissicherung für mögliche spätere Auseinandersetzungen, sodass der Dokumentation der im Datenraum zur Verfügung gestellten steuerlichen Unterlagen eine zentrale Rolle zukommt.2
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Praxistipp 3 Bildlich gesprochen: Setzen Sie sich bei einer Tax Due Diligence – auch wenn dieser Gedanke teilweise schwerfallen sollte! – die Brille der Finanzverwaltung auf und starten eine Betriebsprüfung. Legen Sie dabei aber nicht nur Wert auf eine sachliche und fachliche Prüfung, sondern versuchen Sie, sich auch ein Bild darüber zu machen, mit welcher Sorgfalt in der Vergangenheit im Bereich „Steuern“ gearbeitet wurde. Legen Sie dabei in Zeiten der Digitalisierung auch besonderen Wert auf die steuerlichen Bearbeitungsprozesse und lassen sich diese im Rahmen einer sogenannten Verfahrensdokumentation darlegen.3
In der Praxis beobachtet man zudem immer häufiger, dass der Verkäufer im Vorfeld 5 der Transaktion selber Berater beauftragt, um eine Tax Due Diligence vorzunehmen (sogenannte Vendor Due Diligence). Diese Maßnahme ermöglicht dem Verkäufer
_____ 1 Vgl. Schiffers, GmbH-StB 2004, 239. 2 Vgl. Kneip/Jänisch/Hogh, A. II. Rn 12 und 32. 3 Vgl. Rn 44 ff.
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Kapitel 8 Tax Due Diligence
eine bessere Vorbereitung auf mögliche steuerliche Vorbehalte, die der potentielle Erwerber in die Vertragsverhandlungen einbringt. Ferner kann auf Basis der gewonnen Erkenntnisse ein detaillierteres Factbook erstellt werden, das in der Regel das Vertrauen in die steuerlichen Angelegenheiten der Zielgesellschaft schon zu Beginn des Erwerbsprozesses deutlich erhöht.
B. Organisation der Tax Due Diligence 6
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B. Organisation der Tax Due Diligence Die Tax Due Diligence ist ein Teilbereich des gesamten Due Diligence Prozesses. Ihr Umfang ist genauso wie die gesamte Due Diligence auf das Transaktionsobjekt abzustimmen. Von einem pauschalierten Ansatz ist genauso dringend abzuraten wie vom Einsatz bzw. Beauftragung eines unpassenden Beraterteams. In der Praxis führen in der Regel nur qualifizierte Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater die Prüfung durch, da sie komplexe steuerliche Wechselwirkungen und Risikofelder aus sämtlichen steuerlichen Teilbereichen beurteilen müssen. Neben der Auswahl des Teams ist für eine effiziente Abarbeitung der zeitliche und sachliche Umfang der Tax Due Diligence im Vorfeld zu planen. Dabei ist der Verlauf extrem abhängig von den individuellen Rahmenbedingungen. Steuerliche Unternehmensanalysen stehen in der Regel unter einem hohen zeitlichen Bearbeitungsdruck. Es bietet sich daher an, sich mit den Teams, die die anderen Due Diligence „Disziplinen“ bearbeiten, auf einen einheitlichen zeitlichen Ablauf zu verständigen. Welchen sachlichen Umfang eine Due Diligence annimmt bzw. annehmen soll, ist größtenteils vom Auftraggeber, dem Transaktionsobjekt und nicht zuletzt auch vom beauftragten Umfang abhängig. Als Ausgangspunkt der Analyse dienen sogenannte Tax Due Diligence Checklisten. Sie ermöglichen es zum einen, strukturiert verschiedene steuerliche Risikofelder abzuarbeiten, und zum anderen, Prüfungsschwerpunkte zu setzen. Von einer ungefilterten Auswahl und Benutzung dieser Checklisten ist aber zu warnen. Sie bilden im Rohformat immer eine gute und ausführliche Ausgangssituation, sind ohne eine Anpassung auf das jeweilige Transaktionsobjekt in der Regel indes zu umfangreich und unspezifisch.4 Mindestens hat eine Anforderungsliste den folgenden Inhalt: – sämtliche Steuererklärungen und Steuerbescheide für die Veranlagungs- bzw. Erhebungszeiträume, die aufgrund einer Betriebsprüfung noch nicht über eine erhöhte Bestandskraft verfügen; jedoch mindestens für die drei zurückliegenden Jahre,
_____ 4 Für eine umfassende Checkliste hinsichtlich einer Tax Due Diligence vgl. Kneip/Jänisch, E. Anhang: Checklisten.
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B. Organisation der Tax Due Diligence
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zugehörige handelsrechtliche Jahresabschlüsse und gegebenenfalls Steuerbilanzen nebst Gesellschafterbeschlüssen, letzter Betriebsprüfungsbericht, letzter Bericht über eine Umsatz- und/oder Lohnsteuersonderprüfung, Organigramm, Registerauszüge, Verträge mit nahestehenden Personen, Verfahrensdokumentation über steuerliche Prozessabläufe, Auskünfte über Umstrukturierungen innerhalb der letzten sieben Jahre.5
Praxistipp 3 In der Praxis ist es sinnvoll, die Checklisten der Legal Due Diligence, der Financial Due Diligence und der Tax Due Diligence eng untereinander abzustimmen, um Dopplungen bei der Abfrage zu vermeiden. Dies ist häufig insbesondere bei Gesellschaftsverträgen, Jahresabschlüssen, Registerauszügen, bei Verträgen des Zielobjektes mit nahestehenden Personen oder bei Finanzierungsverträgen der Fall.
Die Ergebnisse der Tax Due Diligence werden in einem so genannten Due Diligence-Report gesammelt und nach Beendigung an den Auftraggeber übergeben. Je nach Beauftragung gibt es verschiedene Varianten, die sich insbesondere im Umfang unterscheiden, beginnend bei einer „Executive Summary“ oder auch „Management Summary“ über einen „Red Flag-Report“ bis hin zu einem deskriptiven Tax Due Diligence-Bericht.6 Die „Executive Summary“ ist eine kurze stichwortartige Zusammenfassung der Ergebnisse auf wenigen Seiten. Der „Red Flag-Report“ zählt alle wesentlichen Prüfungsfeststellungen auf, beschreibt das Problem stichwortartig und enthält bereits eine kurze stichwortartige Bewertung und eine abgeleitete Handlungsempfehlung. Im Gegensatz zu diesen beiden „zusammenfassenden Varianten“ enthält ein deskriptiver Tax Due Diligence-Bericht eine ausführliche Beschreibung der Prüfung. Dabei werden auch die Prüfungsbereiche, die zu keiner Prüfungsfeststellung geführt haben, im Detail dargestellt. Die systematische rechtliche Herleitung, eine ausführliche Quantifizierung der steuerlichen Risiken sowie ausformulierte Empfehlungen zur weiteren Vorgehensweise grenzen diese Berichtsvariante von den beiden erstgenannten ab.
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Praxistipp 3 In der Praxis wird überwiegend ein Red Flag-Report beauftragt. Diese Variante der Berichterstattung über eine Tax Due Diligence bietet in der Regel das beste Kosten/Nutzen-Verhältnis und stellt dabei
_____ 5 Ausführlicher Sinewe/Kewitz/Jundt, Kap. 2 S. 7 ff. 6 Vgl. auch Sinewe/Kewitz/Jundt, Kap. 2 S. 21.
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Kapitel 8 Tax Due Diligence
alle Prüfungsfeststellungen strukturiert dar. Vereinbaren Sie zudem mit Ihrem Dienstleister, dass er die steuerlichen Risiken direkt bei der Erstellung des Reports in Risikoklassen einteilt. Hierzu bietet sich ein farbliches Ampelsystem an, wobei die Farbe „rot“ einen möglichen „Deal Breaker“, die Farbe „gelb“ einen dringenden Abstimmungsbedarf mit dem Verkäufer und die Farbe „grün“ ein Risiko darstellt, welches jedoch durch eine Formulierung innerhalb der Steuerklausel bzw. Kaufvertrags in den Griff zu bekommen ist. Sollten sich jedoch während der Tax Due Diligence steuerliche Problemfelder herauskristallisieren, die sich zu einem „Deal Breaker“ entwickeln können, ist es sinnvoll, die beauftragte Berichtsvariante partiell bzw. feststellungsbezogen auf die deskriptive Variante zu erweitern. 16 Ein Bericht über die Tax Due Diligence, der bei künftigen Betriebsprüfungen dro-
hende Steuerrisiken auflistet, und somit eine spätere Betriebsprüfung quasi antizipiert, weckt Begehrlichkeiten bei den Betriebsprüfern. Er ist quasi eine willkommene Blaupause für den Betriebsprüfungsbericht. Ob der Bericht über die Tax Due Diligence zu den nach § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO herausgabepflichtigen „sonstigen Unterlagen, soweit sie von steuerlicher Bedeutung sind“ gehört, ist umstritten.7 Aus dieser Norm abgeleiteten Herausgabeansprüchen seitens der Finanzverwal17 tung ist mit aller Vehemenz zu widersprechen. Zwar enthält der Bericht Aussagen oder Teilaussagen über steuerlich relevante Vorgänge, jedoch beziehen sich die Herausgabe- bzw. Aufbewahrungspflichten des §§ 147 Abs. 1 Nr. 5 AO vornehmlich auf relevante Tatsachen des originär Steuerpflichtigen, hingegen nicht auch auf steuerrechtliche Wertungen und Schlussfolgerungen durch seine Berater.8
C. Steuerliche Grundanalyse der Transaktion C. Steuerliche Grundanalyse der Transaktion I. Asset Deal oder Share Deal 18 Zu Beginn einer Tax Due Diligence gilt es die grundsätzliche Frage zu beantworten,
ob es sich bei der zu analysierenden Transaktion um einen Asset Deal oder einen Share Deal handelt. Je nachdem, welches „Typenschild“ die Transaktion trägt, entwickeln sich für die Tax Due Diligence unterschiedliche Handlungs- und Prüfungsschemata. So ist beispielsweise die Einschätzung der Risikolage des Erwerbers im Hinblick 19 auf steuerliche Risiken und Haftungstatbestände sowie der Umgang mit bestehenden Verlustvorträgen und vorhandenem Abschreibungspotential stark abhängig von der Art der anstehenden Unternehmensakquisition.
_____ 7 Vgl. Tipke/Kruse/Drüen, § 147 AO Rn 23. 8 Vgl. Klein/Rätke, § 147 Rn 5; Tipke/Kruse/Drüen, § 147 AO Rn 23; Dörr/Geißelmeier/Mayr, NWB, Fach 17, 2081 f.
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C. Steuerliche Grundanalyse der Transaktion
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Wie vorstehend bereits dargestellt, können Verkäufer und Käufer durchaus di- 20 vergierende Interessen bei der Wahl der Transaktionsart haben.9 Dabei stehen die Interessen von Käufer und Verkäufer aber nicht unweigerlich in einem unauflösbaren Widerstreit. Die Transaktionspraxis zeigt jedoch, dass oftmals beide Seiten Zugeständnisse machen müssen, um die Transaktion zum Erfolg zu führen. Praxistipp 3 Spätestens zu Beginn der Tax Due Diligence sollten sich die Parteien nach Möglichkeit darüber einigen, ob sie über einen Share Deal oder einen Asset Deal verhandeln wollen. Der Abschlusszeitpunkt eines Letter of Intents (sog. LOI) ist hier ein sinnvolles Datum. Einer Absprache der geplanten steuerlichen Struktur der Akquisition wird teilweise nicht genügend Raum gegeben.
II. Haftung des Erwerbers für Steuern Die Risiken für eine Haftung des Erwerbers für Steuern hängen von der Struktur der geplanten Transaktion ab. Bei Kapitalgesellschaften sowie bei der GmbH & Co. KG und den Kommanditisten einer KG haften die Gesellschafter – von einigen Ausnahmefällen abgesehen – grundsätzlich nicht für Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Die Gesellschaft haftet nur mit ihrem Vermögen.10 Bei einem Share Deal übernimmt der Käufer mittelbar sämtliche steuerlichen Verpflichtungen der Vergangenheit. Deshalb kann bei einem Share Deal die Haftung für im Unternehmen begründete und zukünftig entstehende Verbindlichkeiten auch nicht ausgeschlossen werden. Die Untersuchung muss daher grundsätzlich alle Steuerarten und sämtliche Jahre erfassen, die noch nicht Gegenstand einer Betriebsprüfung waren und damit einer erhöhten Bestandskraft unterliegen oder festsetzungsverjährt sind. Ist die Zielgesellschaft Teil einer steuerlichen Organschaft, kann die Haftung sogar über die Zielgesellschaft hinausgehen. Für den Fall, dass die Zielgesellschaft als Organträgerin fungiert, haftet sie auch für Steuerschulden der Organgesellschaft infolge der tatsächlichen Durchführung des Beherrschung- und Gewinnabführungsvertrags. Ist die Zielgesellschaft Organgesellschaft, ist die Haftungsnorm § 73 Abs. 1 AO zu beachten. Hiernach haftet eine Organgesellschaft für solche Steuern des Organträgers, für welche die Organschaft zwischen ihnen von steuerlicher Bedeutung ist.11 Angesichts des großen Haftungsrisikos müssen diese Konstellationen im Rahmen eines Share Deals genau analysiert werden.
_____ 9 Vgl. Kap. 4 Rn 6 ff. 10 Vgl. Ettinger/Jaques/Jaques, D. VII. Rn 140. 11 Vgl. Kneip/Jänisch/Hogh, B. II. Rn 10.
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Kapitel 8 Tax Due Diligence
3 Praxistipp Auch wenn das Organschaftsverhältnis zum Zeitpunkt der Anteilsübertragung nicht mehr existiert, eine steuerliche Organschaft aber in der Vergangenheit vorgelegen hat, besteht die Haftung, sofern noch kein Verjährungstatbestand vorliegt, auch für zurückliegende Veranlagungszeiträume.
25 Der Kauf einzelner Wirtschaftsgüter im Rahmen eines Asset Deals ist für den Er-
werber gegenüber dem Kauf von Anteilen grundsätzlich steuerlich weniger riskant. Denn anders als beim Share Deal tritt der Erwerber nicht in die Rechtsposition als Inhaber der Gesellschaftsrechte und damit grundsätzlich auch nicht in die steuerlichen Verpflichtungen des zu erwerbenden Unternehmens ein. Damit die Besteuerungsquellen aber infolge einer Unternehmensveräußerung 26 und dem damit verbundenen Betriebsübergang nicht verloren gehen, regelt die Abgabenordnung für den Asset Deal eine beschränkte steuerliche Haftung des Betriebsunternehmers im § 75 AO für sog. „Betriebssteuern“. Der Erwerber übernimmt beim Asset Deal kraft Gesetzes die Haftung für Be27 triebssteuern und Steuerabzugsbeträge des erworbenen Unternehmens, welches im Ganzen übereignet werden muss. Konkret bedeutet dies, dass die vorhandenen Betriebsgrundlagen im Wesentlichen auf den Käufer übergehen müssen – die Übereignung des wirtschaftlichen Eigentums gem. § 39 AO genügt – und die Identität mit dem bisherigen Betrieb erhalten bleiben muss. Zu den Betriebssteuern zählen insbesondere die Gewerbesteuer, die Umsatzsteuer sowie Steuerabzugsbeträge wie insbesondere für Lohnsteuern, Abgeltungssteuer oder andere im Wege des Abzugsverfahrens geschuldete Steuern. Die Haftung beschränkt sich zeitlich auf die Steuern, die seit dem Beginn des 28 letzten, vor dem Vollzugsstichtag liegenden Kalenderjahres in dem erworbenen Bereich entstanden sind und die innerhalb eines Jahres seit der Anmeldung des Betriebs durch den Erwerber festgesetzt oder angemeldet werden.12 3 Praxistipp Im Gegensatz zum Share Deal muss für eine Risikoeinschätzung bei einem Asset Deal hinsichtlich der Betriebssteuern „lediglich“ eine Analyse der letzten zwei zurückliegenden Jahre erfolgen. Einkommensteuer bzw. Körperschaft- oder Gewerbesteuer des Veräußerers fallen nicht unter § 75 AO, was eine Tax Due Diligence im Falle eines Asset Deals erheblich verkürzt und vereinfacht. 29 Die Haftung des § 75 AO beschränkt sich auf das übernommene Aktivvermögen,
wonach sich faktisch eine Haftungsobergrenze ergibt – übernommene Schulden bleiben hierbei jedoch unberücksichtigt.13 Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass bei Erwerbsvorgängen im Rahmen eines Asset Deals die Haftung gemäß § 75
_____ 12 Ausführlich hierzu AEAO zu § 75. 13 Vgl. AEAO zu § 75 Nr. 4.3.
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Abs. 2 AO gänzlich ausgeschlossen ist, sofern der Erwerb eines Betriebes aus einer Insolvenzmasse erfolgt. Die Vorschriften des § 25 HGB und § 13c UStG komplettieren die steuerlichen Haftungsnormen. Führt der Erwerber die bisherige Firma fort, haftet er gemäß § 25 HGB für alle im 30 Betrieb des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers, wobei im Gegenzug auch die Forderungen als mitübertragen gelten. 14 Praxistipp 3 Eine Haftung nach§ 25 HGB besteht nicht, wenn die Firma nach dem Erwerb geändert wird oder Verkäufer und Käufer einen Haftungsausschluss vereinbaren und dies im Handelsregister eintragen.15
Sofern im Rahmen eines Asset Deals einzelne Forderungen auf den Käufer überge- 31 hen, ist unter haftungsrechtlichen Gesichtspunkten auch der § 13c UStG zu beachten. Diese Norm sieht für den Fall der Abtretung, Verpfändung oder Pfändung von Forderungen eine verschuldensunabhängige Haftung des Erwerbers vor. Sie will sicherstellen, dass die aus den veräußerten Forderungen geschuldete Umsatzsteuer in jedem Fall an das Finanzamt abgeführt wird.16
III. Inlandsbezug/Auslandsbezug Grundsätzlich hängen die unterschiedlichen Interessen von Verkäufer und Erwerber 32 nicht davon ab, ob es sich um eine grenzüberschreitende Unternehmenstransaktion oder um einen Inlandsfall handelt. Bei grenzüberschreitenden Unternehmenstransaktionen sind allerdings weitere steuerplanerische Ziele des Erwerbers zu berücksichtigen. Bei einer Tax Due Diligence mit Auslandsbezug sollte ferner ein Schwerpunkt auf der Identifikation steuerlicher Gestaltungen liegen, die beim Verkäufer aufgrund der parallelen Anwendung von unterschiedlichen Rechtssystemen möglich sind bzw. waren und zur Senkung der Gruppensteuerquote beitragen bzw. beigetragen haben. Die Problemfelder in diesem Bereich sind weitestgehend unabhängig von den 33 einzelnen involvierten nationalen Steuersystemen, da sie zwar in verschiedenen Ausprägungsformen vorkommen, aber dem Grunde nach die gleichen Themengebiete umfassen. Entscheidungsrelevant sind dabei insbesondere: – Verrechnungspreisgestaltungen insbesondere auch bei konzerninterner Finanzierung,
_____ 14 Vgl. hierzu ausführlich Ettinger/Jaques/Jaques, D. VII. Rn 148 ff. 15 Vgl. Kneip/Jänisch/Hogh, B. II. Rn 29. 16 Vgl. Rau/Dürrwächter/Stadie, § 13c Rn 3 ff.
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Reduktion von Quellensteuern, Vermeidung von Doppelbesteuerung in den jeweiligen Ländern durch Nutzung von Doppelbesteuerungsabkommen, steuerliche Abzugsfähigkeit von Finanzierungsaufwendungen, insbesondere hinsichtlich der Transaktionsfinanzierung, steuerliche Behandlung von bestimmten Transaktions- und Rechtsformen in den jeweils involvierten Ländern (Share Deal vs. Asset Deal).17
34 Bereits im Rahmen der Tax Due Diligence ist zu bedenken, in welchem steuerlichen
Umfeld sich die Zielgesellschaft befinden wird und mit welchen steuerlichen Konsequenzen die anstehenden postakquisitorischen Maßnahmen durchgeführt werden können. Hierzu gehören beispielsweise die Planung von Dividenden-, Lizenzund Zinszahlungen oder die Planung der steuerlichen Konsequenzen einer zukünftigen Veräußerung. Der Umstand, dass einzelne Länder bei der Transaktion oder zukünftigen Um35 strukturierungsmaßnahmen Besteuerungssubstrat verlieren, löst in der Regel bei der abgebenden Jurisdiktion sogenannte „Exit-Tax-Regelungen“ aus, die für einen potentiellen Erwerber von Bedeutung sein können. 5 Beispiel Ein „Klassiker“ in diesem Zusammenhang ist der Formwechsel einer inländischen Kapitalgesellschaft mit ausländischer Muttergesellschaft in eine inländische Personenhandelsgesellschaft. Die Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) nach dem OECD-Musterabkommen weisen das Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Anteilsveräußerung einer Kapitalgesellschaft regelmäßig dem Staat zu, in dem der Anteilseigner ansässig ist.18 Dieses Besteuerungsrecht für Veräußerungsgewinne wechselt vom Ausland in das Inland zu dem Zeitpunkt, an dem die inländische Kapitalgesellschaft ihre Form in eine inländische Personenhandelsgesellschaft wechselt. Der sich nun bei einer potentiellen Veräußerung der inländischen Betriebsstätte ergebende Veräußerungsgewinn ist gemäß § 16 EStG im Inland unbeschränkt steuerpflichtig.
3 Praxistipp Grenzüberschreitende Unternehmensakquisitionen und Umstrukturierungsvorgänge stellen immer eine besondere Herausforderung für die Berater dar. Neben dem Einblick in das nationale Steuerrecht erfordert die Begleitung grenzüberschreitender Sachverhalte einen Einblick in die betroffenen ausländischen Steuerrechtssysteme. Sofern keine „inhouse“-Expertise für die betroffenen Länder besteht, sollten die mit der Due Diligence beauftragten Berater, z.B. über einen internationalen Empfehlungsverbund, Kontakt zu entsprechenden ausländischen Beratern herstellen können.
_____ 17 Vgl. für eine ausführliche Darstellung Kneip/Jänisch/Jänisch, C. VI. Rn 8–43; Hölters/Gröger, Rn 5.261 ff. 18 Ausnahmen hierfür sind das DBA Tschechien, Slowakei und Zypern.
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IV. Veranlagungsstand Die Basis und der Einstieg einer jeden Tax Due Diligence bildet die Aufnahme des 36 Veranlagungsstands. Im Ergebnis handelt es sich dabei um die Analyse und übersichtliche Darstellung der einzelnen ergangenen Steuerbescheide, gegliedert nach den einzelnen Veranlagungs- bzw. Erhebungszeiträumen und den einzelnen Steuerarten. Dieser Abschnitt dokumentiert, ob und wann ein Steuerbescheid ergangen ist, 37 ob dieser noch durch einen Vorbehaltsvermerk änderbar ist, oder ob der Steuerbescheid einer erhöhten Bestandskraft aufgrund einer bereits abgeschlossenen Betriebsprüfung unterliegt. Insbesondere die Bestimmung des ersten „offenen“ Veranlagungszeitraums nach einer Betriebsprüfung ist in diesem Zusammenhang von entscheidender Bedeutung, da dieser als historischer Startpunkt der Tax Due Diligence gilt. Die Angabe von noch laufenden Rechtsbehelfs- und Finanzgerichtsverfahren 38 sowie die Aufzählung der noch nicht abgegebenen Steuererklärungen und Steueranmeldungen ermöglichen eine erste Einschätzung über das steuerliche Risikoprofil der Zielgesellschaft. Praxistipp 3 In der Beratungspraxis hat es sich als sinnvoll erwiesen, den Veranlagungsstand in Form einer tabellarischen Übersicht von maximal zwei Seiten aufzuzeigen und an den Beginn des Due DiligenceBerichts zu stellen. Bei einer deskriptiven Beschreibung des Veranlagungshergangs der letzten Jahre besteht die Gefahr, dass diese von den Auftraggebern eher als langatmig erachtet wird und die Gesamtaussage nicht mehr transparent darstellbar ist.
V. Steuerbilanz Mit der Einführung des BilMoG19 wurde die umgekehrte Maßgeblichkeit der Steuer- 39 bilanz für die Handelsbilanz abgeschafft. Nach der Neufassung des § 5 Abs. 1 EStG besteht die Möglichkeit, steuerrechtliche Wahlrechte unabhängig von der Handelsbilanz auszuüben. Was auf der handelsrechtlichen Seite die Informationsfunktion des Jahresab- 40 schlusses stärken und eine Annäherung an internationale Rechnungslegungsvorschriften herbeiführen soll, führt auf der steuerlichen Seite zu einer höheren Kom-
_____ 19 Das Gesetz wurde am 28.5.2009 im Bundesgesetzblatt verkündet und ist am 29.5.2009 in Kraft getreten. Die erstmalige Anwendung war in der Regel für die Geschäftsjahre vorgesehen, die nach dem 31.12.2009 begonnen haben.
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plexität bei der Bilanzerstellung und zu einer größeren Anzahl an Abweichungen zur Handelsbilanz. Insoweit hat die Steuerbilanz in den vergangenen Jahren stark an Bedeutung gewonnen und ist damit auch zentraler Bestandteil einer Tax Due Diligence. Allerdings stellen bei weitem nicht alle Unternehmen neben der Handelsbilanz 41 eine gesonderte Steuerbilanz im eigentlichen Sinne auf. Häufiger erstellen die Unternehmen neben der Handelsbilanz eine Überleitungsrechnung, in der die Differenzen zur handelsrechtlichen Bilanzierung in einer Art Nebenrechnung dargestellt werden (auch Abweichungstabelle gemäß § 60 II EStDV genannt). Im Zeitablauf wird sich diese Vorgehensweise aber aufgrund der Pflicht zur Übertragung der sogenannten „E-Bilanz“ an die Finanzämter, die eine Erstellung der Steuerbilanz voraussetzt, jedoch ändern. Aufbauend auf der Bilanzanalyse der Handelsbilanz, die in der Regel Bestand42 teil der Financial Due Diligence ist,20 sind etwaige Abweichungen zwischen Handels- und Steuerbilanz aus der Vergangenheit zu analysieren und insbesondere auf ihre zeitlichen Wirkungen hin zu untersuchen. Eine Differenzierung zwischen temporären, quasi-permanenten und permanenten Abweichungen – wie bei den latenten Steuern – ist im Hinblick auf die Analyse der bestehenden Abweichungen und deren steuerliche Auswirkungen unerheblich. Steuerlich induzierte Bilanzierungs- und Bewertungsunterschiede bestehen ins43 besondere bei: – der Bewertung von Anschaffungs- und Herstellungskosten (unterschiedliche Pflicht- und Wahlbestandteile), – Abschreibungen und Teilwertabschreibungen (zeitliche Einordnung der Wertminderung; Wertaufholungsgebote), – selbstgeschaffenen immateriellen Wirtschaftsgütern (steuerliches Aktivierungsverbot), – derivativen Geschäfts- oder Firmenwerten (unterschiedliche Nutzungsdauern), – geleasten Wirtschaftsgütern (Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums gemäß § 39 Abs. 2 AO), – Beteiligungen an Personengesellschaften (Bilanzierung nach der Spiegelbildmethode), – Rücklagen für Ersatzbeschaffung gemäß R 6.6 EStR und für Reinvestition gemäß § 6b EStG (Übertragung von stillen Reserven aus Ersatzwirtschaftsgüter), – Drohverlustrückstellungen (steuerliches Passivierungsverbot), – Jubiläumsrückstellungen (steuerliches Passivierungsverbot), – Pensionsrückstellungen (Berechnungsparameter).21
_____ 20 Vgl. hierzu Kap. 6. 21 Ausführlich und mit weiteren Nennungen Kneip/Jänisch/Ackermann/Geiger, B. III.
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Praxistipp 3 Besonders aussagekräftig ist oftmals die Steuerbilanz bzw. Abweichungstabelle gemäß § 60 II EStDV, die die Betriebsprüfung, unter Berücksichtigung sämtlicher Prüfungsfeststellungen, zum Ende eines Prüfungszeitraums aufstellt. Diese ist ein zentraler Bestandteil des Betriebsprüfungsberichts und ist die Basis für die Fortentwicklung der Steuerbilanz in den folgenden Veranlagungszeiträumen.
VI. Verfahrensdokumentation Mit Veröffentlichung des BMF-Schreibens vom 14.11.2014 zu den GoBDs (Grundsät- 44 ze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff) gelten diese Regelungen seit dem 1.1.2015 grundsätzlich für alle buchführenden Betriebe, die bei ihren unternehmerischen Prozessen auf EDV-gestützte Verfahren zurückgreifen und ihre gesetzlichen Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten teilweise oder ganz in elektronischer Form erfüllen.22 Die Finanzverwaltung fordert für jedes EDV-System, das in irgendeiner Weise 45 für die elektronische Buchführung relevant ist, eine Verfahrensdokumentation. Inhalt, Aufbau, Ablauf und Ergebnisse des mit Hilfe des betreffenden EDV-Systems ablaufenden Verfahrens sollen darin vollständig und klar dargelegt sein. Fettnapf 3 Bitte lassen Sie sich in diesem Zusammenhang nicht zu dem Gedanken hinreißen, dass es sich hier nur um das EDV-System handelt, mit dem die originäre Finanzbuchführung abgewickelt oder Bilanzen erstellt werden. Nein, vielmehr sind auch alle digitalen Vorsysteme in die Verfahrensdokumentation einzubeziehen. Als relevante Vorsysteme für die Buchführung gelten insbesondere Anlagenbuchführungssysteme, Archiv- und Datenmanagementsysteme, Auftragsverwaltungssysteme, elektronische Kassensysteme, elektronische Warenwirtschaftssysteme, elektronische Zahlungssysteme, Fakturierungssysteme sowie Lohnbuchhaltungssysteme.
Die Verfahrensdokumentation dient der Finanzverwaltung dazu, sich bei einer Be- 46 triebsprüfung in angemessener Zeit ein Bild vom Aufbau der EDV-Landschaft und der entsprechenden Prozesse zu machen. Eine weitere Anforderung an die Verfahrensdokumentation ist daher, dass sie übersichtlich gegliedert und vollständig sein soll. Als Hilfsmittel für die Betriebsprüfung als auch für die Durchführung einer Tax Due Diligence ist die Verfahrensdokumentation zukünftig von großer praktischer Relevanz. Die wesentlichen Inhalte einer Verfahrensdokumentation sind eine einfüh- 47 rende allgemeine Beschreibung der buchführungsrelevanten Prozesse, die Anwen-
_____ 22 Vgl. BMF- Schreiben zu GoBD, zuletzt aktualisiert am 28.11.2019 (BMF IV A 4 - S 0316/13/10003).
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derdokumentation der zuvor bereits aufgezeigten Prozesse (Darstellung des Datenwegs, Regeln für den Datenaustausch, Beschreibung ERP-Software, Schnittstellenbeschreibung, etc.), eine technische Systemdokumentation (Aufzählung eingesetzter Hard- und Software inkl. etwaiger Anpassungen, etc.), eine Betriebsdokumentation (Funktionsnachweis des Systems im Alltag, Notfallkonzept bei Stromausfällen und Hackerangriffen) sowie einer Beschreibung des internen Kontrollsystems (Benutzerregelungen, Kontrollen der Datenerfassung und Verarbeitung, etc.). Das Finanzamt verlangt die Verfahrensdokumentation in der Regel schon zu 48 Beginn der Prüfung. Bei einer sogenannten Kassennachschau kann sie sogar unangekündigt verlangt werden, und zwar sofort. Sich auf sein Glück zu verlassen und die Dokumentation erst bei Verlangen erstellen zu wollen, ist also gefährlich, da nicht mehr genügend Zeit verbleiben wird, um eine regelkonforme Dokumentation vorzulegen. Dies ist insbesondere für den Käufer eines Unternehmens ein großes Problem, sofern diese Anforderung einer Verfahrensdokumentation kurz nach der Übernahme erfolgt und für vergangene Veranlagungszeiträume angefordert wird, in denen der Käufer noch keinen Bezug zum Unternehmen hatte. 3 Fettnapf Sollte der Betriebsprüfung eine Verfahrensdokumentation nicht vorgelegt werden können, wird eine Betriebsprüfung zukünftig – nicht wie bisher – eine Zuschätzung wegen etwaiger formaler oder fachlicher Mängel aussprechen können, sondern schlichtweg auch mit der Begründung, dass eine Prüfung der Gesellschaft nicht möglich ist, da die digitalen Prozesse und damit der damit einhergehende GoBD-konforme Umgang mit digitalen Daten nicht nachvollziehbar ist.
3 Praxistipp Die Anforderungen an eine vollständige Verfahrensdokumentation sind komplex und vielschichtig. Aber auch hier gilt, wie in vielen Bereichen des Lebens, dass jede Verfahrensdokumentation – wie auch immer sie aussehen sollte – besser ist als gar keine Verfahrensdokumentation, sofern eine professionelle äußere Form gegeben ist (z.B. gesondert aufbewahrt, mit Inhaltsverzeichnis, Aufbau: Masterfile mit Anhängen, etc.) und die buchführungsrelevanten Prozesse dem Grunde nach dokumentiert und bereits vorhandene Informationen (Handbücher, EDV-Inventar, Arbeitsanweisungen, etc.) gesammelt vorhanden sind. Mit dieser Basisdokumentation sollte zumindest die erste Hürde des „Vorhandenseins“ einer Verfahrensdokumentation genommen sein, sodass sich das Risiko einer Zuschätzung aus formalen Gründen extrem verringern dürfte. Im Rahmen einer Due Diligence Prüfung sollte daher zumindest auf das Vorhandensein einer solchen Basisdokumentation geachtet werden.
VII. Grundvermögen/Grunderwerbsteuer 49 Zur steuerlichen Grundanalyse des Zielobjektes gehört die Frage, ob (anteiliges)
Grundvermögen Bestandteil der Transaktion ist. Bei einem Share Deal von Kapitalgesellschaftsanteilen ist die Antwort auf diese Frage in der Regel unmittelbar aus
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der Handelsbilanz der Zielgesellschaft abzulesen, da entsprechend vorhandene Vermögensgegenstände zu aktivieren sind. Bei einem Erwerb von Anteilen an einer Personengesellschaft hingegen ergibt sich die Zuordnung von Grundvermögen zum notwendigen Betriebsvermögen – sofern nicht die Personengesellschaft selbst im Grundbuch eingetragen ist – nicht zweifelsfrei aus der Handelsbilanz. Durchaus üblich ist, dass sich das von der Personengesellschaft genutzte Grundvermögen im zivilrechtlichen Privatvermögen der Gesellschafter befindet und nur durch die steuerliche Fiktion des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG zu steuerlichem (Sonder-) Betriebsvermögen umqualifiziert wird. Steht eine Übertragung dieser Grundstücke ebenfalls zur Disposition, wird sich die Tax Due Diligence auch auf Teilbereiche des zivilrechtlichen Privatvermögens der Veräußerer erstrecken müssen. Bei der Übertragung von Grundvermögen stellen sich insbesondere Fragen aus den Bereichen der Grunderwerbsteuer und der Umsatzsteuer.23 Besondere Bedeutung ist den grunderwerbsteuerlichen Risiken auch deshalb beizumessen, weil es bei der Grunderwerbsteuer keine Umkehreffekte in den Folgejahren geben kann und es sich somit immer um eine definitive Steuerlast des Unternehmens bzw. des Erwerbers handelt.24 Auch im Bereich der Umsatzsteuer kann die Übertragung von Grundvermögen unerwünschte Folgen haben. Beispielhaft sei an dieser Stelle auf die Anwendung des § 15a Abs. 10 UStG im Nachgang einer Transaktion, die als Geschäftsveräußerung im Ganzen zu qualifizieren war, hingewiesen. In diesem Fall hat der Erwerber den Berichtigungszeitraum für die in Abzug gebrachte Vorsteuer von zehn Jahren fortzuführen. Die steuerliche Risikoeinschätzung für den Bereich des Grundvermögens erfordert also die Prüfung einer Vielzahl verschiedener Einzeldokumente, die in der Regel nicht gesammelt verfügbar sind. Für eine strukturierte Herangehensweise bietet sich es sich daher an, sämtliche Dokumente über das Grundvermögen zusammenzutragen und daraus das Gesamtbild der Verhältnisse abzuleiten. Wichtige Dokumente in diesem Zusammenhang sind: – Anlagenspiegel zur Herleitung der historischen Anschaffungskosten und des Buchwerts zum Übertragungsstichtag, – Grundstückskaufvertrag, – Grundbuchauszüge, – Miet- und Pachtverträge, – Grunderwerbsteuerbescheide, – Angaben über die Bodenrichtwerte, – Unterlagen über Gesellschafterwechsel.25
_____ 23 Vgl. auch Ausführungen unter Kapitel 4 Rn 75 ff. 24 Vgl. Kneip/Jänsch/Wischott/Schönweiß, B. VI. Rn 235. 25 Vgl. Kneip/Jänsch/Wischott/Schönweiß, B. VI. Rn 237 f.; Sinewe/Sinewe, Kap. 5.4.1.
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54 Der Erwerb von Anteilen an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft (Share
Deal) gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 3 GrEStG löst Grunderwerbsteuer aus.26 Verändert sich bei einer grundbesitzenden Personengesellschaft innerhalb 55 von fünf Jahren der Gesellschafterbestand, so entsteht die Grunderwerbsteuer aufgrund § 1 Abs. 2a GrEStG.27 Gemäß § 13 Abs. 1 GrEStG sind Verkäufer und Käufer Gesamtschuldner der 56 Grunderwerbsteuer. Im Rahmen einer Tax Due Diligence sind daher insbesondere die diversen im Grunderwerbsteuergesetz vorgesehenen Haltefristen zu beachten. Möglicherweise war ein grundsätzlich grunderwerbsteuersteuerpflichtiger Vorgang nur aufgrund einer im Gesetz kodifizierten Behaltensregelung steuerbefreit. Wird eine Behaltensfrist nunmehr durch die anstehende Transaktion unterbrochen, wird möglicherweise nicht nur Grunderwerbsteuer durch die aktuelle Transaktion ausgelöst, sondern rückwirkend auch für den bereits zurückliegenden Vorgang.28 3 Praxistipp Ist Grundvermögen Bestandteil der Transaktion, so sollte der Due Diligence-Bericht Ausführungen darüber enthalten, ob der Anfall von Grunderwerbsteuer unausweichlich ist und in welcher Höhe Grunderwerbsteuer anfällt, damit der Erwerber diese im Rahmen einer erforderlichen Finanzierung berücksichtigen kann.
VIII. Umsatzsteuerliche Aspekte 57 Umsatzsteuerliche Aspekte haben im Rahmen einer Tax Due Diligence oft eine
nachrangige Priorität. Es ist jedoch zu beachten, dass es insbesondere bei der Umsatzsteuer, abhängig von der unternehmerischen Tätigkeit der Zielgesellschaft, schnell zu einer definitiven Kostenbelastung für das Unternehmen kommen kann.29 Daher ist es ratsam, eine Tax Due Diligence in diesem Bereich mit der Erstellung 58 eines Risikoprofils für Umsatzsteuerzwecke zu beginnen. Folgende Fragen und Kriterien ermöglichen in der Regel eine erste Einschät59 zung: – Werden ausschließlich Umsätze ausgeführt, die einen Vorsteuerabzug nicht ausschließen? – Liegen komplexe Lieferanten- und Leistungsstrukturen vor? – Gibt es grenzüberschreitende Geschäftsvorfälle?
_____ 26 Vgl. Kap. 4 Rn 80 f. 27 Vgl. Kap. 4 Rn 82 f. 28 Beispielhaft seien hier die Nachbehaltensfristen des § 5 Abs. 3 und des § 6 Abs. 3 GrEStG genannt. 29 Vgl. Kneip/Jänisch/Alzuhn/Wipfler, B. VI. Rn 322.
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Gibt es Sachverhalte, für die gemäß § 13b UStG der Leistungsempfänger Steuerschuldner ist? Werden die Buch- und Belegnachweise vorschriftsmäßig geführt? Gibt es ein unternehmensinternes Kontrollsystem hierfür? Gab es im letzten Betriebsprüfungsbericht Feststellungen, die die Umsatzsteuer betrafen? Liegt eine umsatzsteuerliche Organschaft gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG vor?30
Praxistipp 3 Nach dieser kursorischen Risikoanalyse ist es ratsam, mit dem Auftraggeber die Intensität der Prüfung umsatzsteuerlicher Sachverhalte abzustimmen.
D. Typische Risikofelder bei Kapitalgesellschaften D. Typische Risikofelder bei Kapitalgesellschaften I. Leistungsbeziehungen mit nahestehenden Personen Eine Tax Due Diligence umfasst die Prüfung steuerlicher Risiken aus Rechtsgeschäften oder Leistungsbeziehungen zwischen der Zielgesellschaft und ihren Anteilseignern bzw. nahestehenden Personen oder verbundenen Unternehmen. Maßgeblich ist in diesem Zusammenhang das Stichwort „Fremdüblichkeit“.31 Insbesondere bei inhabergeführten Unternehmen und Unternehmensgruppen ist eine Fremdüblichkeit der Rechtsgeschäfte nicht immer gegeben. Als Konsequenz sind solche Rechtsgeschäfte entweder als verdeckte Gewinnausschüttung oder als verdeckte Einlage zu qualifizieren. Je nach Ausgestaltung löst dies eine außerbilanzielle Gewinnminderung bzw. -erhöhung aus, die das steuerliche Einkommen der Gesellschaft verändert. Hieraus kann sich eine erhebliche Steuerbelastung für die Gesellschaft ergeben, die die verdeckte Gewinnausschüttung – aufgrund der Erhöhung des zu versteuernden Einkommens – zu versteuern hat. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen die verdeckte Gewinnausschüttung nicht unter die grundsätzliche 95%ige Steuerfreiheit gemäß § 8b KStG fällt oder die Voraussetzungen für eine Gewerbesteuerfreiheit nicht gegeben sind. Eine besondere Brisanz entwickelt das Thema verdeckte Gewinnausschüttungen in den Fällen, in denen ein beherrschender Gesellschafter (Beteiligungsquote größer 50%) involviert ist. Die steuerliche Wirksamkeit dieser vertraglichen Abreden verlangt die Einhaltung besonderer Formvorschriften. Gemäß R 8.5 III KStH
_____ 30 Detaillierte Darstellung in Kneip/Jänisch/Alzuhn/Wipfler, B. VI. 4. Rn 321 ff.; Sinewe/Sinewe, Kap. 5. 31 Vgl. auch R 8.5 III KStH 2015.
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müssen diese Rechtsgeschäfte im Vorhinein klar und eindeutig vereinbart werden, um nicht als durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst zu gelten und damit eine verdeckte Gewinnausschüttung auszulösen. Rückwirkende Vereinbarungen und Verzichtserklärungen sind in diesen Fällen steuerlich unwirksam. Eine vollständige Aufzählung sämtlicher in Betracht kommender verdeckter 64 Gewinnausschüttungen ist schlichtweg nicht möglich. Die folgende Aufzählung zeigt daher nur einige typische Leistungsbeziehungen auf:32 – Gesellschafterdarlehen, – Nutzungsüberlassungen, – Pensions- und Dienstverträge, – Beraterverträge, – Verrechnungspreise. 65 Neben den ertragsteuerlichen Auswirkungen einer verdeckten Gewinnausschüt-
tung sind im Rahmen einer Tax Due Diligence auch die einschlägigen Kapitalertragsteuervorschriften zu überprüfen. Wie offene Gewinnausschüttungen unterliegen diese gemäß § 43 Abs. 1 EStG grundsätzlich der Kapitalertragsteuer in Höhe von 25% zuzüglich 5,5% Solidaritätszuschlag, sofern der Gesellschafter die Steuer schuldet. Wird die verdeckte Gewinnausschüttung einem inländischen Gesellschafter zugerechnet, so kann auf die Erhebung der Kapitalertragsteuer inklusive Solidaritätszuschlag verzichtet werden – was auch die potentiellen Haftungsrisiken des Erwerbes der Zielgesellschaft minimiert.33 Wird die verdeckte Gewinnausschüttung allerdings einem ausländischen Gesellschafter zugerechnet, so ist der Einbehalt von Quellensteuern – sofern keine Freistellungsbescheinigung vorliegt – zwingend.34 Fremdunübliche Leistungsbeziehungen zwischen Unternehmen und ihren Ge66 sellschaftern, die als verdeckte Einlagen zu qualifizieren sind, stellen aus Sicht des Zielunternehmens ein weitaus geringeres Risiko dar. In aller Regel sind mit ihnen Vermögensvorteile für die Gesellschaft verbunden.35 Der Verzicht des Gesellschafters auf eine Darlehensforderung gegenüber seiner 67 Gesellschaft ist ein klassischer Fall für die Fragestellung nach einer verdeckten Einlage und deren steuerlichen Folgen.36
_____ 32 Vgl. ergänzend Kneip/Jänisch/Behrendt/Lingscheidt, B. IV. Rn 66 ff. 33 Gem. OFD Münster v. 7.11.2007 – S 2408a – 1-St 22–31 ist dem Veranlagungsverfahren Vorrang vor dem Abzugsverfahren zu gewähren. 34 Vgl. ergänzend Kneip/Jänisch/Behrendt/Lingscheidt, B. IV. Rn 32. 35 Vgl. hierzu H 8.9 „einlagefähiger Vermögensvorteil“ KStH 2015. 36 Im Fokus steht hier die Frage nach der Werthaltigkeit zum Zeitpunkt des Verzichts. Hierzu ausführlich Sinewe/Adolf, Kap. 3.2.3.2.
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Weitere typische Risikobereiche für eine verdeckte Einlage sind die verschlei- 68 erte Sachgründung, eine verunglückte ertragsteuerliche Organschaft oder der Versuch einer Rückgängigmachung einer verdeckten Gewinnausschüttung.37 Praxistipp 3 Sofern sich die Tax Due Diligence auf eine Unternehmensgruppe bezieht, in der es Leistungsbeziehungen zwischen Schwestergesellschaften gibt, so sind diese ebenso auf ihre Fremdüblichkeit hin zu überprüfen. Eine verdeckte Gewinnausschüttung oder eine verdeckte Einlage kann nicht direkt zwischen den Schwestergesellschaften entstehen. Hierfür wäre ein unmittelbares Anteilsverhältnis notwendig. Für steuerliche Zwecke wird erst eine verdeckte Gewinnausschüttung an die gemeinsame Muttergesellschaft fingiert und von dieser dann gegebenenfalls eine verdeckte Einlage in die (andere) Schwestergesellschaft (sogenannte Dreiecksfälle).
II. Behandlung von Verlustvorträgen Bei Unternehmenstransaktionen stehen die vorhandenen Verlustvorträge der Ziel- 69 gesellschaft in einem besonderen Fokus. Für den Verkäufer kann ein Asset Deal insbesondere dann interessant sein, wenn die verkaufende Einheit über einen Verlustvortrag verfügt, der mit dem Veräußerungsgewinn der Assets verrechnet werden kann. Nach den Mindestbesteuerungsregeln sind Verlustvorträge nur noch bis zu einer Höhe von 1 Mio. € im laufenden Veranlagungszeitraum unbeschränkt verrechenbar, darüber hinausgehende positive Einkünfte jedoch lediglich mit 60% des übersteigenden Betrages.38 Bei einem Share Deal rücken die Vorschriften des § 8c KStG, welche im Rahmen 70 der Umsetzung des URefG 2008 die Mantelkaufregelungen des § 8 Abs. 4 KStG a.F. ersetzt hat, in den Fokus der Betrachtung. Im Sinne des § 8c KStG schädliche Beteiligungserwerbe führen zu einem (vollständigen) Untergang von vorhandenen Verlustvorträgen. Ein Beteiligungserwerb ist nach derzeitiger Rechtslage als schädlich einzuordnen, wenn mehr als 50% des gezeichneten Kapitals an einen Erwerber oder eine Gruppe von Erwerbern mit gleichgerichteten Interessen übertragen werden.39
_____ 37 Vgl. Kneip/Jänisch/Behrendt/Lingscheidt, B. IV. Rn 120 ff. 38 Der BFH hält gem. Beschluss v. 26.2.2014 – I R 59/12 die Beschränkung des Verlustausgleichs für verfassungswidrig, wenn der zeitliche Aufschub zu einem endgültigen Ausschluss der Verlustverrechnung führt. Bis zur Klärung durch das BVerfG dürfte einige Zeit vergehen. Entsprechende Fälle sollten bis dahin mittels Einspruch offen gehalten werden. 39 Mit dem Jahressteuergesetz 2018 wurde § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG a.F. ersatzlos gestrichen. Ursprünglich kam es auch bei Übertragungen von 25% bis 50% des Nennkapitals zu einem anteiligen Verlustuntergang. Mit Beschluss vom 29.3.2017 2 BvL 6/11 (BStBl. II 17, 1082) hat das Bundesverfassungsgericht diese Verlustverrechnungsbeschränkung für verfassungswidrig erklärt. Noch offen ist,
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Eine im Transaktionsbereich wichtige Ausnahme zu diesem Grundsatz bildet der § 8c S. 6–8 KStG, die „stille Reservenklausel“. Demnach bleiben Verlustvorträge bestehen und sind weiterhin nutzbar, soweit im Zeitpunkt des schädlichen Beteiligungserwerbs wertmäßig stille Reserven im Betriebsvermögen der Körperschaft vorhanden und im Inland steuerpflichtig sind. Nachweise über stille Reserven können in der Regel mit einem Expertengutachten von dritter Seite erbracht (z.B. bei Grundstücken und Gebäuden) oder aus dem vereinbarten Kaufpreis abgeleitet werden.
3 Fettnapf Nach dem Entwurf des BMF-Schreibens zur Anwendung des § 8c KStG unter Berücksichtigung der Konzernklausel vom 15.4.2014 plant die Finanzverwaltung, sofern sich das Eigenkapital der Zielgesellschaft auf der Aktivseite befinden sollte, dass zum Nachweis der Werthaltigkeit der stillen Reserven ein Gutachten gemäß den Vorgaben des IDW S1 erstellt werden muss.40 Ein erhöhter Beratungs- und Kostenaufwand im Nachgang der Transaktion wäre die Folge. 72 Weiterhin kann der vollständige Verlustuntergang vermieden werden, sofern die
Beteiligung zum Zweck der Sanierung erfolgte (§ 8c Abs. 1a KStG) oder die Anwendung der Vorschrift zum fortführungsgebundenen Verlustvortrag des § 8d KStG beantragt wird.41 Kommen die Vorschriften des § 8c Abs. 1 und Abs. 2 KStG zur Anwendung, so 73 gilt dies auch für die gesondert festzustellenden Verlustverrechnungstöpfe zu den negativen Einkünften mit Bezug zu Drittstaaten gemäß § 2a EStG, zum Zinsvortrag gemäß § 4h Abs. 1 der 2 EStG i.V.m. § 8a KStG und für die gewerbesteuerlichen Verlustvorträge gemäß § 10a GewStG.42 3 Praxistipp Im Rahmen der Tax Due Diligence ist – gegebenenfalls unter Rückgriff auf die im Bereich der Legal Due Diligence vorliegenden Verträge – die Historie der Anteilsübertragung im zurückliegenden Fünfjahreszeitraum eingehend zu analysieren, um festzustellen, ob ein additives Überschreiten der 50%-Grenze erfolgt ist.
_____ ob die derzeit geltenden Vorschriften zum vollständigen Verlustuntergang bei einem Beteiligungserwerb >50% verfassungsrechtlich unbedenklich sind (siehe dazu die anhängigen BFH Verfahren I R 31/11 bzw. I R 79/11). 40 Vgl. Entwurf BMF-Schreiben v. 15.4.2015 – IV C 2 – S 2745a/09/10002: 004, Rn 50. 41 Die Vorschrift des § 8d KStG knüpft u.a. an die Fortführung des bisherigen Geschäftsbetriebs durch die Erwerber an. Dabei wird vor allem auf qualitative Merkmale wie Dienstleistungen, Produkte, den Kunden- und Lieferantenkreis sowie die bedienten Märkte abgestellt. 42 Bei dem Erwerb von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die ihrerseits mittelbar oder unmittelbar an einer Personengesellschaft beteiligt ist, ist zudem gem. § 10a S. 10 GewStG für Anteilsübertragung nach dem 28.11.2008 zu beachten, dass die Regelung des § 8c KStG neben den originären Verlustbeschränkungen des § 10a GewStG auf Ebene der Tochterpersonengesellschaft Anwendung findet. Vgl. H 10a.3 (3) GewStH 2009.
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D. Typische Risikofelder bei Kapitalgesellschaften
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III. Beteiligungsstrukturen Laufende Dividendenerträge und verdeckte Gewinnausschüttungen sind beim Ge- 74 sellschafter nach dem steuerlichen Teilfreistellungsprinzip zu behandeln. Bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften ist gemäß § 3 Nr. 40 75 S. 1d) in Verbindung mit S. 2 EStG 40% der Ausschüttung einschließlich der Kapitalertragsteuer außerbilanziell zu kürzen. Bei einer Körperschaft ist der gesamte Beteiligungsertrag einschließlich Kapi- 76 talertragsteuer grundsätzlich nach § 8b Abs. 1 KStG außerbilanziell in voller Höhe zu kürzen. Nach § 8b Abs. 5 KStG sind allerdings 5% der Dividende als nicht abziehbare Betriebsausgabe zu behandeln, sodass wirtschaftlich eine Freistellung der Erträge in Höhe von 95% erfolgt. Fettnapf 3 Verfügt eine beteiligte Kapitalgesellschaft über eine Beteiligung, aus der sie Dividenden erhält, gilt die Steuerbefreiung gemäß § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG für Dividenden und andere Bezüge (z. B. vGA) nicht, wenn die unmittelbare Beteiligung zu Beginn des Kalenderjahres weniger als 10% des Nennkapitals beträgt (sogenannte Streubesitzbeteiligung). Entsprechend kommt auch die 5%-Pauschale des § 8b Abs. 5 KStG nicht zur Anwendung.43
Eine Freistellung der Beteiligungserträge für gewerbesteuerliche Zwecke ist gemäß § 9 Nr. 2a GewStG dann möglich, wenn diese aus Anteilen an inländischen Kapitalgesellschaften stammen, an denen der Empfänger zu Beginn des Erhebungszeitraums (un-)mittelbar zu mindestens 15% beteiligt ist. Nach derzeitiger Rechtslage kann für Erträge aus Beteiligungen zwischen 10% und 15% die 95%ige Freistellung auf Ebene der Körperschaftsteuer in Anspruch genommen werden, gewerbesteuerlich sind die Erträge jedoch in dem entsprechenden Erhebungszeitraum des Zuflusses in Gänze Bestandteil des zu versteuernden Gewerbeertrags. Diese und andere Unterschiede44 in der steuerlichen Beurteilung von laufenden Beteiligungserträgen im Rahmen der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer machen es sinnvoll, die genauen Umstände im Rahmen einer Tax Due Diligence zu prüfen. Neben dem Grundfall, dass jede Kapitalgesellschaft ein eigenständiges steuerpflichtiges Steuersubjekt ist, sind in Unternehmensgruppen oft Organschaftsverhältnisse anzutreffen, die sämtliche in der Unternehmensgruppe erwirtschafteten Ergebnisse bei einem beherrschenden Gesellschafter konsolidieren. Das konsolidierte Ergebnis bildet dann die steuerliche Bemessungsgrundlage.
_____ 43 Vgl. § 8b Abs. 4 KStG n.F. (maßgebend ist der Zeitpunkt des Ausschüttungsbeschlusses). 44 Z.B. Prüfung, ob diese Erträge aus aktiv tätigen Gesellschaften i.S.d. § 8 Abs. 1 AStG stammen.
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Kapitel 8 Tax Due Diligence
Die Voraussetzungen für eine ertragsteuerliche (Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer) Organschaft sind: – ein wirksam abgeschlossener Ergebnisabführungsvertrag zwischen dem Organträger und der Organgesellschaft, und – von Beginn des Wirtschaftsjahres an die finanzielle Eingliederung der Organgesellschaft an den Organträger (mehr als 50% der Anteile an Organgesellschaft).
82 Wenn das Organschaftsverhältnis erst kürzlich implementiert wurde, ist neben der
wirksamen Begründung der Organschaft auch die tatsächliche Durchführung zu prüfen.45 „Verdeckte Gewinnausschüttungen“ sind zwischen Gesellschaften im Organ83 kreis zu vernachlässigen, da diese gemäß R 14.6 Abs. 4 Satz 1 KStR als vorweggenommene Gewinnabführung an den Organträger zu qualifizieren sind. An dieser Stelle sei nochmals auf die erweiterte Haftungsnorm des § 73 AO hin84 gewiesen, wonach eine Organgesellschaft für sämtliche im Organkreis anfallenden Unternehmenssteuern haftet.46
IV. Fremdfinanzierungen 85 Die Abzugsfähigkeit betrieblicher Schuldzinsen ist im deutschen Steuerrecht seit
Jahren im steten Wandel. So ist die Abzugsfähigkeit von fremdüblichen Zinsaufwendungen derzeit durch die ab dem Veranlagungszeitraum 2008 eingeführte Zinsschranke gemäß § 4h EStG i.V.m. § 8a KStG beschränkt. Diese Regelungen verbieten faktisch den Abzug von Betriebsausgaben auf Ebe86 ne des Betriebs für das jeweilige Wirtschaftsjahr in Höhe des Netto-Zinsaufwands (Zinsaufwendungen abzüglich Zinserträge), der 30% des steuerlichen EBITDA übersteigt. Die Zinsaufwendungen, die nicht abgezogen werden können, werden im Rahmen eines Zinsvortrags für nachfolgende Veranlagungszeiträume vorgetragen. § 4h Abs. 2 EStG formuliert von dieser Grundregel drei Ausnahmen. Neben der 87 sogenannten „Konzernklausel“ gemäß § 4h Abs. 2 Buchst. b EStG und der sogenannten „Escape-Klausel“ gemäß § 4h Abs. 2 Buchst. c EStG ist die Anwendung der Freigrenze gemäß § 4h Abs. 2 Buchst. a EStG in Höhe von 3 Mio. € der in der Praxis häufigste Anwendungsfall.47
_____ 45 Für eine idealtypische Vorgehensweise bei der Prüfung vgl. Kneip/Jänisch/Schildknecht/Heidrich, B. VII. 3. c. 46 Vgl. Rn 23. 47 Vgl. Kneip/Jänisch/Ufer/Hölzer, B. IV. Rn 639 ff. für eine ausführliche Diskussion der Ausnahmetatbestände.
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D. Typische Risikofelder bei Kapitalgesellschaften
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Beispiel 5 Insbesondere beim derzeitigen Zinsniveau ist diese Freigrenze – zumindest für die üblichen Finanzierungsbelange des Mittelstands – als großzügig zu bewerten. Bei einem unterstellten Refinanzierungszins in Höhe von 2,0% wären demnach Darlehensvaluten von bis zu 150 Mio. € (3 Mio. €/2%) und den damit als Betriebsausgaben verbuchten Fremdkapitalzinsen für Zwecke der Zinsschrankenberechnung unschädlich.
Sofern bei einer Tax Due Diligence absehbar ist, dass die Vorschriften der Zins- 88 schranke zur Anwendung kommen, ist der Fokus auf der Berechnung des NettoZinsaufwands, der Prüfung der Anwendung der sogenannten „Escape-Klausel“ sowie dem Untergang des Zinsvortrags aufgrund des angestrebten Anteilseignerwechsels zu legen.
V. Verrechnungspreise Ein weiterer wichtiger Aspekt – insbesondere bei multinationalen Transaktionen – 89 ist der Bereich der Verrechnungspreise. Gemäß § 90 Abs. 3 AO muss die zugehörige Dokumentation sämtliche grenz- 90 überschreitende Geschäftsbeziehungen mit nahestehenden Personen einzeln aufführen und auf ihre Fremdüblichkeit (arm’s length principles) hin analysieren. Dies geschieht anhand der Identifikation der einzelnen Leistungsbeziehungen zwischen den verbundenen Unternehmen mit anschließender Funktions- und Risikoanalyse und anhand der verschiedenen Verrechnungspreismethoden.48 Praxistipp 3 Sofern bei einem Unternehmen im laufenden Wirtschaftsjahr weder die Summe der Entgelte für die Lieferung von Gütern und Waren aus Geschäftsbeziehungen mit verbundenen Unternehmen in Höhe von 5.000.000 € noch die Summe der Vergütung für andere Leistungen in Höhe von 500.000 € überschritten wird, muss keine ausführliche Dokumentation erfolgen. In diesen Fällen ist es ausreichend, der Finanzverwaltung eine plausible Berechnung vorzulegen oder sogar aufgrund der Geringfügigkeit einzelner Leistungsbeziehungen auf eine Dokumentation ganz zu verzichten.
Die Analyse, ob in der Vergangenheit eine Funktionsverlagerung gemäß § 1 AStG ins 91 Ausland stattgefunden hat sowie die Quantifizierung sämtlicher steuerlicher Risiken aus den internationalen Geschäftsbeziehungen mit nahestehenden Personen runden die Verrechnungspreisanalyse im Due Diligence Bericht ab.49
_____ 48 Vgl. OECD-Verrechnungspreisleitlinien. 49 Ausführlich zur Verrechnungspreisanalyse vgl. Kneip/Jänisch/Loh/Merkel, B. VIII.
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Kapitel 8 Tax Due Diligence
E. Typische Risikofelder bei Personengesellschaften E. Typische Risikofelder bei Personengesellschaften I. Sonder- und Ergänzungsbilanzen 92 Wie bereits bei den typischen Risikofeldern von Kapitalgesellschaften ausge-
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führt, sind auch bei dem Erwerb von Anteilen an Personengesellschaften die Leistungsbeziehungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter eingehend zu prüfen. Verdeckte Gewinnausschüttungen und verdeckte Einlagen kann es hier aus steuersystematischen Gründen nicht geben. Vielmehr ist zu kontrollieren, ob Sonderbetriebsvermögen vorhanden ist und dieses steuerlich richtig behandelt wurde. Zum Sonderbetriebsvermögen gemäß § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG zählen hierbei alle Wirtschaftsgüter, die im zivilrechtlichen Eigentum eines Gesellschafters oder mehrerer Gesellschafter der Personengesellschaft stehen und dieser zur Nutzung überlassen werden (dies gilt auch für die Hingabe von Darlehen). Die Zuordnung von Sonderbetriebsvermögen zum Gesamtvermögen einer Personengesellschaft ist unter anderem im Hinblick auf die Festsetzung der Gewerbesteuer von Bedeutung. Wurden zugehörige Sonderbetriebseinnahmen und -ausgaben in den zurückliegenden Erhebungszeiträumen nicht oder nicht in der richtigen Höhe erfasst, so ist im Rahmen einer zukünftigen Betriebsprüfung mit einer Nacherhebung zu rechnen. Da die Gesellschaft Steuerschuldner der Gewerbesteuer ist, bliebe es – sofern keine entsprechenden Maßnahmen getroffen würden – bei einer Definitivbelastung der Gesellschaft und damit mittelbar auch bei einer Belastung der Neugesellschafter. Zumeist noch wichtiger als für den Erwerber ist die Identifikation von Sonderbetriebsvermögen für den Veräußerer. Um in den Genuss der steuerlichen Vergünstigungen der §§ 16 Abs. 4 oder 34 EStG zu kommen, müssen alle wesentlichen Betriebsgrundlagen auf den Erwerber übergehen.50 Die wichtigsten Fragen, die im Zusammenhang mit Sonderbetriebsvermögen gestellt werden sollten, lauten: – Gibt es Wirtschaftsgüter im Eigentum der Gesellschafter, die dem Betrieb der Gesellschaft dienen (sogenanntes Sonderbetriebsvermögen I) oder die der Beteiligung des Gesellschafters an der Personengesellschaft zumindest förderlich sind (sogenanntes Sonderbetriebsvermögen II)? – Gibt es Bilanzierungskonkurrenzen zwischen verschiedenen (Sonder-)Betriebsvermögen? – Besteht eine Betriebsaufspaltung, die dazu führt, dass Anteile an der Besitzkapitalgesellschaft im Sonderbetriebsvermögen zu bilanzieren sind?51
_____ 50 Hier gilt die sogenannte funktional-quantitative Betrachtungsweise, vgl. u.a. Kirchhoff/Reiß, § 16 Rn 273 ff. 51 Vgl. für ergänzenden Fragen Kneip/Jänisch/Grube/Hummitzsch, B. V. Rn 33.
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E. Typische Risikofelder bei Personengesellschaften
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Neben den Sonderbilanzen haben auch Ergänzungsbilanzen Einfluss auf den Ge- 97 winn aus Gewerbebetrieb gemäß § 7 GewStG. Eine Ergänzungsbilanz ist immer dann aufzustellen, wenn bei allen oder einzelnen Gesellschaftern Wertdifferenzen zwischen dem gesellschafterspezifischen Wertansatz (z.B. hervorgerufen durch einen Kauf von Gesellschaftsanteilen) und dem entsprechenden Wertansatz im Gesamthandsvermögen der Personengesellschaft bestehen. Steuerliche Risiken, die sich aus Ergänzungsbilanzen ergeben, bestehen insbe- 98 sondere in den vorgenommenen Wertansätzen, den zugehörigen Abschreibungsmethoden und den gewählten Abschreibungszeiträumen.52 Insoweit ist bei jedem Erwerb von Personengesellschaftsanteilen zu prüfen, 99 ob Ergänzungsbilanzen vorhanden sind, und ob sie die vorstehenden Kriterien erfüllen. Fettnapf 3 Verschärft wird das gewerbesteuerliche Risiko aus Sonder- und Ergänzungsbilanzen durch den Umstand, dass, sofern es zu einer Gewerbesteuernachzahlung kommt, die zugehörige Anrechnung der gezahlten Gewerbesteuer gemäß § 35 EStG auf die festgesetzte Einkommensteuer des Altgesellschafters erfolgt, da dieser in diesem Erhebungszeitraum noch Gesellschafter der Personengesellschaft war. Diese Regelung gilt selbstverständlich nicht nur für Gewerbesteuernachzahlungen, die aus einer Nichtberücksichtigung von Sonderbetriebsvermögen resultieren, sondern für sämtliche Gewerbesteuernachzahlungen.
II. Aufteilung Kaufpreis In sachlichem Zusammenhang mit den aus vorangegangenen Erwerben entstande- 100 nen Ergänzungsbilanzen steht die Allokation des Kaufpreises auf die verschiedenen zu übernehmenden Wirtschaftsgüter. Grundsätzlich besteht dabei die Zielsetzung, den Mehrpreis möglichst schnell 101 durch Abschreibungen aufwandswirksam zu verrechnen. Die vorhandenen Wirtschaftsgüter sind daher auf stille Reserven hin zu untersuchen. Der Kaufpreis sollte vorrangig auf die Wirtschaftsgüter allokiert werden, die eine geringe Restnutzungsdauer aufweisen.53 Von besonderer Bedeutung ist die Identifikation von anderen immateriellen 102 Wirtschaftsgütern als dem klassischen Firmenwert, der gemäß § 7 Abs. 1 S. 3 EStG über eine Nutzungsdauer von 15 Jahren abzuschreiben ist. Andere selbstständig bilanzierungsfähige immaterielle Wirtschaftsgüter sind zum Beispiel Patente, Mar-
_____ 52 Vgl. Sinewe/Dumser, Kap. 4.2.4. 53 Vgl. Kap. 4 Rn 59.
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Kapitel 8 Tax Due Diligence
kenrechte, Lizenzen, Kundenstamm, Wettbewerbsverbote oder andere Leistungsverträge mit vordefinierten Nutzungsdauern.54 Daher sollte der Tax Due Diligence-Bericht Hinweise darauf enthalten, welche 103 Wirtschaftsgüter besonders geeignet sind, um die, im Vergleich zu den bestehenden Buchwerten, zu zahlenden Mehrpreise möglichst steueroptimal zu allokieren. 3 Praxistipp Bei allem Willen zu einer möglichst steueroptimalen Allokation ist jedoch dringend davon abzuraten, den Kaufpreis willkürlich zu verteilen. Vielmehr ist eine Aufteilung nach den objektiven, plausiblen und wirtschaftlichen Gegebenheiten vorzunehmen. Die Allokation des Gesamtkaufpreises auf die einzelnen Wirtschaftsgüter sollte im Kaufvertrag vorgenommen werden. Dass diese Allokation einer besonders guten wirtschaftlichen Begründung bedarf, da dieser Vorgang mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein Schwerpunkt der nächsten Betriebsprüfung sein wird, soll hier nicht unerwähnt bleiben.
III. Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern 104 Die Regelungen des § 6 Abs. 5 S. 3 EStG ermöglichen es, einzelne Wirtschaftsgüter
auf verschiedenen Wegen zwischen verschiedenen Betriebsvermögen bzw. Sonderbetriebsvermögen der einzelnen Gesellschafter einer Personengesellschaft ohne die Aufdeckung von stillen Reserven – also steuerneutral – zu übertragen bzw. zu überführen.55 Im Rahmen einer Tax Due Diligence sind Übertragungen dieser Art zu identifi105 zieren und eine Risikoeinschätzung abzugeben, ob die geplante Transaktion auf diesen zurückliegenden Geschäftsvorfall Auswirkungen hat. So ist beispielsweise zu prüfen, ob sich das gewählte Vorgehen mit der Auffas106 sung der Finanzverwaltung deckt. In diesem Zusammenhang gibt es einige Gestaltungsoptionen, bei denen, trotz der mittlerweile finanzgerichtlichen Aufweichung, ein Fall der Gesamtplanrechtsprechung und damit eine missbräuchliche Gestaltung gemäß § 42 AO vorliegen könnte.56 Ferner formuliert § 6 Abs. 5 S. 4–6 EStG Sperrfristen, wonach ein Wirtschafts107 gut nicht mehr steuerneutral zum Buchwert übertragen werden kann, wenn die Übertragung der Vorbereitung einer nachfolgenden Veräußerung oder Entnahme
_____ 54 Vgl. Kneip/Jänisch/Grube/Hummitzsch, B. V. Rn 76. 55 Für eine Übersicht der möglichen Übertragungswege vgl. Kneip/Jänisch/Grube/Hummitzsch, B. V. Rn 161. 56 Z.B. bei der Übertragung zwischen zwei Gesamthandsvermögen zweier Schwesterpersonengesellschaften über den Umweg des Sonderbetriebsvermögens eines Gesellschafters; vgl. BMF-Schreiben v. 8.12.2011 – IV C 6 – S 2241/10/10002, Rn 19.
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F. Umgang mit den Ergebnissen einer Tax Due Diligence
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dient. Eine (rückwirkende) Realisierung der stillen Reserven des übertragenen Wirtschaftsguts wäre die Folge. Die Sperrfrist verlängert sich sogar von drei auf sieben Jahre, wenn innerhalb 108 dieses Zeitraums nach der Übertragung ein Anteil einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse an dem übertragenen Wirtschaftsgut begründet wird oder sich erhöht. Der Hintergrund dieser Verlängerung der Sperrfrist ist eine mögliche zeitnahe Inanspruchnahme des Teileinkünfteverfahrens im Falle einer Veräußerung der Anteile an der Kapitalgesellschaft.
IV. Gewerbesteuerliche Verluste bei Personengesellschaften Im Gegensatz zu den unternehmensbezogenen körperschaftsteuerlichen Verlustvor- 109 trägen bei Kapitalgesellschaften sind gewerbesteuerliche Verluste bei Personengesellschaften nicht nur unternehmens-, sondern zusätzlich auch gesellschafterbezogen (die sogenannte Unternehmeridentität). Dies hat zur Folge, dass ein Gewerbeverlust nur von dem Gesellschafter geltend gemacht werden kann, dem der Verlust auch entstanden ist. Beim Erwerb von Anteilen an Personengesellschaften gehen die gewerbesteuer- 110 lichen Verlustvorträge insoweit verloren, wie Mitunternehmeranteile übergehen, da in diesen Fällen die Voraussetzung der Unternehmeridentität nicht mehr gegeben ist.57 Zukünftige Steuerplanungen dürfen daher anteilige Gewerbesteuerverluste des ausscheidenden Gesellschafters nicht mehr einbeziehen. Die in der Praxis häufigsten Geschäftsvorfälle, die die Nutzung von gewerbe- 111 steuerlichen Verlustvorträgen beeinflussen können, sind:58 – Eintritt eines neuen Gesellschafters, – Ausscheiden eines Altgesellschafters, – mittelbarer Gesellschafterwechsel etc.
F. Umgang mit den Ergebnissen einer Tax Due Diligence F. Umgang mit den Ergebnissen einer Tax Due Diligence Nach Abschluss der Tax Due Diligence stellt sich die Frage nach dem Umgang mit 112 den herausgearbeiteten Steuer- und Haftungsrisiken. Hierfür bietet es sich an, entweder den direkten zeitnahen Dialog mit der Finanzverwaltung zu suchen, oder im Unternehmenskaufvertrag steuerliche Garantien und/oder Freistellungsvereinbarungen in Steuerklauseln zu vereinbaren.
_____ 57 Vgl. R 10.2 und 10.3 GewStR. 58 Vgl. für weitere Geschäftsvorfälle Kneip/Jänisch/Grube/Hummitzsch, B. V. Rn 228 ff.
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Kapitel 8 Tax Due Diligence
Beide Möglichkeiten sollen im Folgenden in ihren Grundzügen vorgestellt werden.
I. Antrag auf zeitnahe Betriebsprüfung 114 Die Beantragung einer zeitnahen Betriebsprüfung kann in den Fällen sinnvoll sein,
in denen die Transaktion unter keinem großen Zeitdruck steht oder der Übertragungsstichtag noch mindestens sechs Monate in der Zukunft liegt. Dies liegt vor allem daran, dass die Finanzverwaltung zur Terminierung, Durchführung und Abschluss der Betriebsprüfung eine gewisse Vorlaufzeit benötigt. 3 Fettnapf Bei einem Antrag auf eine zeitnahe Betriebsprüfung ist allerdings zu beachten, dass diese nur für abgeschlossene Veranlagungszeiträume beantragt werden kann. Insoweit ist zumindest der Zeitraum zwischen Übertragungsstichtag und dem Enddatum des letzten vollständigen Veranlagungszeitraums nicht abschließend durch die Finanzverwaltung geprüft. Für diese Zeitspanne sind daher entsprechende steuerliche Garantien bzw. Freistellungsklauseln im Kaufvertrag zu formulieren.
II. Garantien und steuerliche Freistellungsklauseln im Kaufvertrag 115 Innerhalb des Kaufvertrags ist zwischen Steuergarantien auf der einen Seite und
Steuerfreistellungsregelungen auf der anderen Seite zu differenzieren. Diese auf den ersten Blick deckungsgleichen Begriffe unterscheiden sich darin, dass Freistellungen Steuerrisiken auf den Veräußerer verlagern, während Garantien nur über Schadensersatzansprüche für einen finanziellen Ausgleich sorgen, nachdem sich der Schaden realisiert und damit zu einer Zahlungsverpflichtung des Erwerbers geführt hat.59 Tritt ein Garantiefall ein, so muss der Verkäufer in der Regel den geltend gemachten Schadenersatz in Form von Geldzahlungen leisten. Beispiele für die in der Praxis am häufigsten anzutreffende steuerliche Garan117 tien in Unternehmenskaufverträgen sind: – Garantie für bisherige fristgerechte und vollständige Steuerzahlungen, – Garantie für die fristgerechte Abgabe von Steuererklärungen in der Vergangenheit, – Garantie über die Bekanntgabe sämtlicher Rechtsbehelfsverfahren, – Garantie über die ordnungsgemäße Führung von steuerlichen Unterlagen, – Garantie über Ansässigkeit der Gesellschaft etc.60
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_____ 59 Vgl. Hölters/Gröger, Rn 5.296. 60 Vgl. Kneip/Jänisch/Balda/Kiegler, D. II. Rn 33 ff.
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F. Umgang mit den Ergebnissen einer Tax Due Diligence
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Freistellungen werden dagegen typischerweise gerade für Sachverhalte abgege- 118 ben, die ein immanentes Haftungsrisiko beinhalten, das beide Parteien dem Grunde nach kennen.61 In der Regel werden diese Freistellungsklauseln in der Weise formuliert, dass der Erwerber von sämtlichen Steuern freigestellt wird, die sich für Zeiträume ergeben, die vor oder am wirtschaftlichen Übertragungsstichtag enden. Sie beziehen sich im Allgemeinen auf alle Nachzahlungen für Steuern, die z.B. 119 aus einer nach dem Erwerb stattfindenden Betriebsprüfung resultieren. Deckt die Tax Due Diligence zudem einige risikobehaftete Sachverhalte auf, so sind diese selbstverständlich auch in die Freistellungsklausel mit einzubeziehen. Praxistipp 3 Um eine nachträgliche Zahlung des Verkäufers an den Erwerber nicht als Betriebseinnahme bei der Zielgesellschaft verbuchen zu müssen, bietet es sich an, den Kaufvertrag so zu gestalten, dass Zahlungen aufgrund einer Steuerfreistellungsklausel als eine (rückwirkende) Anpassung des Kaufpreises anzusehen sind.62
Damit sich diese Freistellungs- und Garantieregelungen im Nachgang einer Trans- 120 aktion aufgrund einer Vielzahl von Kleinstbeträgen nicht zu einem regulatorischen Mammutwerk entwickeln, ist es ratsam, in dem Zusammenhang von Steuerklauseln Haftungseingangsschwellen und Haftungshöchstbeträge festzulegen. Die Verständigung auf eine Haftungseingangsschwelle führt dazu, dass kleinere Vermögensschäden bzw. Sachverhalte von untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung vom Käufer zu tragen sind. Die Festlegung dieser „Bagatellgrenze“ stellt daher typischerweise einen Punkt im Rahmen der Kaufvertragsverhandlungen dar. Entsprechend der Art der zu Grunde liegenden Transaktion (Asset Deal oder 121 Share Deal) sind auch die steuerlichen Garantien und Freistellungsklauseln – zusätzlich zu den allgemeinen Bestandteilen – zu formulieren und speziell auszuhandeln. Der Erwerber bei einem Asset Deal ist typischerweise an folgenden Regelungs- 122 inhalten interessiert: – Abbedingen der gesetzlichen Haftung gemäß § 75 AO auf schuldrechtlicher Basis, – umsatzsteuerliche Rückfallklausel, sofern die Finanzverwaltung die Einstufung eines Asset Deals als eine nicht umsatzsteuerbare „Geschäftsveräußerung im Ganzen“ von der Finanzverwaltung nicht teilt, – Gewerbesteuerklausel, die den Verkäufer mit der Gewerbesteuerschuld wirtschaftlich belastet, die gegebenenfalls durch den Anteilsverkauf auf der Ebene der Zielgesellschaft entsteht,
_____ 61 Vgl. Kneip/Jänisch/Balda/Kiegler, D. I. Rn 21. 62 Vgl. Ettinger/Jaques/Ettinger, D. X. Rn 404.
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–
Kapitel 8 Tax Due Diligence
Abgrenzung der Gewinnzuweisungen bei (unterjährigem) Erwerb von Personengesellschaftsanteilen etc.63
123 Bei einem Share Deal sind in den Steuerklauseln ergänzend folgende Sachverhalte
regelungsbedürftig: – Regelung des Gewinnbezugsrechts bei (unterjährigem) Erwerb, – Garantien für verdeckte Gewinnausschüttungen und Einlagen, – Schuldner einer anfallenden Grunderwerbsteuer, – Abbedingen der gesetzlichen Haftung gemäß § 73 AO auf schuldrechtlicher Basis sofern eine Gesellschaft aus einem Organkreis erworben wird etc.64 124 Die Steuerklausel in einem Kaufvertrag vervollständigen eine einheitliche Definition
der Begriffe „Steuern“ und „Steuerbehörden“, Regeln über die Verjährung für steuerliche Angelegenheiten und etwaige Mitwirkungsrechte des Veräußerers z.B. bei Betriebsprüfungen, die nach dem Erwerbszeitpunkt für Veranlagungszeiträume vor dem Erwerb des Zielunternehmens stattfinden.
neue rechte Seite
_____ 63 Vgl. Brück/Sinewe/Gottgetreu/Petrikowski/Sinewe/Witzel, § 5 F Rn 312 ff. 64 Vgl. Ettinger/Jaques/Ettinger, D. X. Rn 402 ff.
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A. Einleitung
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Kapitel 9 Due Diligence im Bereich Arbeitsrecht Kapitel 9 Due Diligence im Bereich Arbeitsrecht Brügger/Hofmann
A. Einleitung A. Einleitung https://doi.org/10.1515/9783110673043-009 Der Bereich Arbeitsrecht hat im Rahmen einer Due Diligence erheblich an Bedeu- 1 tung gewonnen. Das liegt zum einen daran, dass insbesondere Personalkosten (u.a. Mitarbeitergehälter einschließlich Sozialversicherungsbeiträge) oftmals einen großen Kostenblock (ca. 65%1) für Unternehmen darstellen und der Käufer diese finanziellen Risiken frühzeitig kennen und bewerten muss. Zum anderen hat das kaufende Unternehmen häufig Interesse an bestimmten Schlüsselarbeitnehmern mit besonderen Fähigkeiten und Kenntnissen (sogenannte Key Employees) und möchte wissen, wie man diese Mitarbeiter am besten auch nach dem Unternehmenskauf halten kann. Ferner möchte der Käufer insbesondere bei Technologieunternehmen sicherstellen, dass die entsprechenden Technologien auch uneingeschränkt nach dem Kauf nutzbar sind. Die Gewährleistung einer solchen Technologienutzung wurzelt unter anderem im Arbeitnehmererfinderrecht. Schließlich spielt die arbeitsrechtliche Gesamtbetrachtung eine erhebliche Rolle und der Käufer wird basierend auf der Due Diligence bereits überlegen, ob eine Integration des Targets (Zielunternehmen) nach der Transaktion sinnvoll scheint oder ob Restrukturierungsmaßnahmen erforderlich sind. Der Umfang einer Due Diligence im Bereich Arbeitsrecht hängt neben der 2 Größe des Zielunternehmens und der Anzahl der Mitarbeiter unter anderem davon ab, ob es einen oder mehrere Betriebsräte gibt, und wenn ja, wie die Zusammenarbeit mit diesem funktioniert. Darüber hinaus ist relevant, ob weitere arbeitsrechtliche Fundgruben vorhanden sind, aus denen sich arbeitsrechtliche Erkenntnisse (sogenannte Findings) ergeben, wie beispielsweise eine betriebliche Altersvorsorge oder die Unternehmensorganisation in Form einer Matrixstruktur (möglicherweise sogar mit internationalem Bezug). Auch richtet sich der Umfang der Due Diligence oftmals nach den rechtlichen Kenntnissen des Mandanten: Hat der Mandant Vorkenntnisse, ist ein Red Flag Report ohne weiteren Erklärungen oftmals ausreichend; beabsichtigt ein ausländischer Käufer seinen ersten Unternehmenskauf in Deutschland, sind neben den wichtigsten Ergebnissen wohl auch rechtliche Erläuterungen zur lokalen Gesetzeslage erforderlich. Schließlich ist auch die konkrete Gestaltung der Arbeitsverhältnisse durch die unternehmensinterne Personalabteilung (sofern vorhanden) relevant: Häufig findet man im Rahmen einer Due Diligence nämlich längst vergessene Arbeitsverträge oder erkennt, dass vertrag-
_____ 1 Meyer-Sparenberg/Jäckle/Liebers, § 39 Rn 1.
Brügger/Hofmann https://doi.org/10.1515/9783110673043-009
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Kapitel 9 Due Diligence im Bereich Arbeitsrecht
liche Regelungen erheblich von den tatsächlich gelebten Vertragsinhalten abweichen. Dies ist gerade bei Überstunden, Arbeitszeiten und Urlaubsregelungen oftmals der Fall. Daher ist eine übersichtliche, aktuelle und umfassende Zurverfügungstellung von arbeitsrechtlichen Inhalten (Dokumente sowie Darstellungen der tatsächlichen Arbeitsbedingungen) der Schlüssel für eine detaillierte und gründliche Prüfung. Aus den sodann erlangten Findings kann der Käufer etwaige Risiken identifizie3 ren, die möglicherweise seine Kaufentscheidung beeinflussen werden. Auch lassen sich gerade aus der Due Diligence im Bereich Arbeitsrecht Gewährleistungen und Freistellungen im späteren Kaufvertrag begründen oder Argumente für eine etwaige Kaufpreisanpassung herleiten.
B. Arbeitsrechtliche Prüfbereiche B. Arbeitsrechtliche Prüfbereiche 4 Für den Käufer ist es in der Regel wichtig, das Zielunternehmen aus arbeitsrechtli-
cher Sicht vollumfänglich zu verstehen. Denn der Käufer übernimmt die vom Unternehmenskauf betroffenen Mitarbeiter und tritt somit mit allen Rechten und Pflichten in die entsprechende Arbeitgeberposition ein. Daher ist eine Übersicht der dann geltenden vertraglichen Arbeitgeberpflichten erforderlich. Auch ist gerade im Arbeitsrecht neben dem vertraglich Vereinbarten auch das tatsächlich gelebte Vertragsverhältnis relevant und „weiche“ Faktoren wie Mitarbeiterzufriedenheit, Fluktuation und die Art der Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat sind von Interesse. All das muss bei der arbeitsrechtlichen Prüfung im Rahmen der Due Diligence ebenso berücksichtigt werden.
I. Der erste Überblick 5 In der Regel beginnt die arbeitsrechtliche Due Diligence mit einer detaillierten Über-
sicht der Arbeitnehmer und des Unternehmens. Mit diesem Überblick kann man direkt einige erste Schlüsse ziehen – insbesondere bezogen auf den Altersdurchschnitt, das Gehaltsgefüge und die durchschnittlich geltenden Kündigungsfristen der Belegschaft auf der einen Seite sowie Aufbau und Organisation des Zielunternehmens auf der anderen Seite.
1. Personalliste 6 Für den Käufer sind die Mitarbeiter des Zielunternehmens in der Regel ein essentiel-
ler Bestandteil der Transaktion. Dabei sind natürlich industrielle Produktionsunternehmen mit tausenden von Arbeitnehmern nach anderen Kriterien zu prüfen als ein
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B. Arbeitsrechtliche Prüfbereiche
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betriebsmittelarmes Dienstleistungsunternehmen mit wenigen, aber hochqualifizierten Spezialisten.2
a) Mustercheckliste Häufig werden in einem Due Diligence Verfahren Musterchecklisten verwendet, um 7 die erforderlichen Belegschaftsinformationen zu erhalten. Obwohl diese den Ablauf erheblich erleichtern, macht es dennoch Sinn, sie nicht blindlings zu nutzen, sondern immer auf den konkreten Fall anzuwenden: Was ist das eigentliche Ziel des Käufers? Liegt der Fokus auf den Arbeitnehmern, weil der Käufer einen anschließenden Personalabbau beabsichtigt? Oder möchte er nur absolute Deal Breaker wissen und keine weiteren Details? Diese Überlegungen sind wichtig, um die Mustercheckliste entsprechend anzupassen. Praxistipp 3 Das Arbeitsrecht ist ein sehr schnelllebiger Bereich, gerade bei häufigen Ein- und Austritten von Arbeitnehmern. Daher sollten immer aktuelle Informationen angefragt werden. Sofern sich die Due Diligence über mehrere Wochen oder gar Monate hinzieht, sollte beispielsweise regelmäßig eine aktualisierte Version der Personalliste angefragt werden. Außerdem lohnt sich dabei auch das Erfragen einer Excel-Liste, weil dies eine automatisierte Auswertung der Daten erheblich vereinfacht.
b) Personaldaten Um einen umfänglichen Eindruck der Personalstruktur zu erhalten, sollten die 8 folgenden Informationen für jeden Arbeitnehmer (einschließlich leitender Angestellter), Auszubildenden sowie Organe abgefragt werden: Alter Am Alter bzw. am Geburtsdatum kann der Käufer sehen, ob das Zielunternehmen 9 eine ausgewogene Altersstruktur hat, oder ob es insgesamt eine eher junge oder ältere Belegschaft beschäftigt. Dabei hilft der Altersdurchschnitt sämtlicher Mitarbeiter oder auch die Einteilung in Altersgruppen. Das Alter ist ferner Bestandteil einer ordnungsgemäßen Sozialauswahl gemäß § 1 Abs. 3 KSchG. Für Käufer, die einen späteren betriebsbedingten Personalabbau beabsichtigen und daher eine solche Sozialauswahl durchführen müssen, ist diese Information daher von großer Relevanz. Betriebszugehörigkeit / Eintrittsdatum Zum einen kann man aus der Dauer der Betriebszugehörigkeit bzw. dem Eintrittsda- 10 tum erkennen, wie groß die Fluktuation bei dem Zielunternehmen ist. Wenn bei ei-
_____ 2 Meyer-Sparenberg/Jäckle/Liebers, § 39 Rn 3.
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nem bereits seit mehreren Jahren bestehenden Unternehmen keine langjährigen Mitarbeiter vorhanden sind, sollte man die Frage stellen, ob es dafür einen Grund gibt bzw. warum das Unternehmen Mitarbeiter nicht langfristig halten kann. Zum anderen dient die Dauer der Betriebszugehörigkeit der Berechnung einer 11 möglichen Abfindung bei etwaigen Kündigungsszenarien. Käufer wissen zum Zeitpunkt der Due Diligence häufig noch nicht, ob sie das Zielunternehmen gänzlich weiterführen oder möglicherweise mittels eines Personalabbaues restrukturieren werden. Obwohl es in Deutschland keine festgelegte Formel für eine Abfindungsberechnung gibt, setzt sich eine Abfindung häufig aus den Komponenten Gehalt und Betriebszugehörigkeit zusammen. In Kombination mit dem Alter kann man in der Regel davon ausgehen, dass ein Personalabbau mit älteren, langfristigen Mitarbeitern eher „schwieriger und teurer“ werden würde als mit jüngeren Mitarbeitern mit einer kurzen Betriebszugehörigkeit. Grundgehalt und weitere Vergütungsbestandteile 12 Den Käufer interessieren natürlich insbesondere die Personalkosten. Idealer-
weise werden die Informationen auf Monats- sowie auf Jahresbasis zur Verfügung gestellt. Aus den Brutto-Angaben kann man dann unter Berücksichtigung der noch fälligen Sozialversicherungsangaben die Gesamtkosten berechnen. Neben dem Grundgehalt sollten sämtliche weiteren Vergütungsbestandteile aufgelistet werden, wie beispielsweise Boni, Provisionen, Tantieme, Mitarbeiterbeteiligungen, Ansprüche auf Urlaubs- bzw. Weihnachtsgeld und sonstige Zahlungen wie z.B. Car Allowance. Kündigungsfristen 13 Ferner sollte direkt erkennbar sein, welche Kündigungsfrist gilt – unabhängig da-
von, ob es sich um die gesetzliche oder vertragliche Kündigungsfrist handelt. Dies ist gerade für Arbeitnehmer interessant, die der Käufer nach dem Kauf als Mitarbeiter unbedingt halten möchte.3 Arbeitszeit 14 Aus der Angabe der Arbeitszeit, die idealerweise in Prozenten angegeben werden
sollte, erhält man die Anzahl der sogenannten Full Time Equivalents (FTE). Darunter versteht man die Anzahl fiktiver Vollzeitmitarbeiter, wobei unterschiedliche Arbeitszeitmodelle entsprechend berücksichtigt werden. Auch wenn die Gesamtzahl der Mitarbeiter bereits hilfreich ist, ist die Anzahl der FTEs im Unternehmen für die Ermittlung des vorhandenen sowie erforderlichen Personalbedarfs relevant.
_____ 3 Zu den Kündigungsfristen siehe auch unter Rn 45 ff.
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Sonderkündigungsschutz Die Angabe der Mitarbeiter mit Sonderkündigungsschutz ist für den Käufer relevant, 15 da dadurch eine mögliche ordentliche Kündigung nur unter bestimmten Voraussetzungen erfolgen kann oder sogar gänzlich ausgeschlossen ist. Einem gesetzlichen Sonderkündigungsschutz unterliegen unter anderem 16 Schwangere und Mütter gemäß § 17 MuSchG, Mitarbeiter in Elternzeit gemäß § 19 BEEG, Mitglieder des Betriebsrates gemäß § 15 Abs. 1 KSchG, Datenschutzbeauftragte gemäß § 6 Abs. 4 BDSG und Schwerbehinderte oder Gleichgestellte Menschen gemäß §§ 168 ff. SGB IX. Arbeitnehmer sind zur Angabe einer etwaigen Schwerbehinderung nicht verpflichtet; der Veräußerer kann daher nur die Informationen offenlegen, die ihm tatsächlich bekannt sind. Ruhende Arbeitsverhältnisse Neben den aktiven Arbeitnehmern gibt es möglicherweise auch ruhende Arbeits- 17 verhältnisse, die keine aktuellen Kosten verursachen. Auch die Angabe dieser Mitarbeiter ist erforderlich, weil die Arbeitsverhältnisse wieder aufleben und entsprechende Pflichten für den Käufer als neuen Arbeitgeber verursachen können. Hierunter fallen insbesondere Arbeitnehmer, die eine Auszeit in Form eines Sabbaticals genommen haben oder Arbeitnehmer mit einer Langzeiterkrankung. Standorte / Betriebe / Betriebsstätten Bei der Gesamtzahl der Mitarbeiter ist es hilfreich, wenn diese auf die einzelnen Be- 18 triebe bzw. Standorte oder Betriebsstätten heruntergebrochen werden. Der Käufer kann dann sehen, wie viele Arbeitnehmer wo beschäftigt sind. Hat ein Unternehmen mehrere Betriebe, können zudem nur manche dieser Betriebe einen Betriebsrat haben. Gerade im Hinblick auf etwaige Beteiligungsrechte des Betriebsrates ist es daher wichtig zu wissen, wie viele Arbeitnehmer in einen etwaigen Schutzbereich des Betriebsrates fallen. Position / Stellenbeschreibung Die Angabe der Position bzw. des Stellentitels und der damit verbundenen Auf- 19 gaben der vom Unternehmenskauf betroffenen Arbeitnehmer erleichtert den Überblick über die einzelnen Arbeitsbereiche. Hat ein Käufer seinen Fokus auf einen bestimmten Bereich gesetzt, kann er sodann auf einen Blick die Anzahl der Mitarbeiter, die Kosten, etc. dieses Bereichs herausfiltern. Auch können auf diese Weise Key Employees schneller identifiziert werden. Befristungen / Kündigungen Steht ein Beendigungsdatum für vom Unternehmenskauf betroffene Arbeitnehmer 20 schon fest, sollte auch dies im Rahmen der Due Diligence unbedingt offengelegt werden. Hierbei sollte zwischen einer auslaufenden Befristung, der Arbeitnehmerkündigung sowie einer Arbeitgeberkündigung, gegen die möglicherweise noch
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Kapitel 9 Due Diligence im Bereich Arbeitsrecht
Kündigungsschutzklage erhoben werden kann, unterschieden werden. Auch sollten Beendigungen des Arbeitsverhältnisses durch Aufhebungs- oder Abwicklungsvertrag entsprechend gekennzeichnet und etwaige dort verhandelte Abfindungspakte eruiert werden. Altersteilzeit 21 Immer beliebter werden Altersteilzeitvereinbarungen, die gerade langjährigen Mit-
arbeitern den Übergang in die Rente erleichtern sollen. Relevant ist hier die Frage, ob das Zielunternehmen die Altersteilzeitvereinbarung möglicherweise monetär unterstützt und ob es entsprechende Rückstellungen gebildet hat. 22 Die Personalliste und ihr Aussagegehalt werden in der Praxis häufig unterschätzt.
Oftmals werden zur Verfügung gestellte inhaltsleere Personallisten hingenommen, insbesondere wenn der Verkäufer auf angeblich fehlende Personaldaten verweist. Als Käufer sollte man daher immer nach einer umfänglichen Personalliste fragen. Zum einen zeigt sich bereits hier die Personalführung des Zielunternehmens. In einer ordentlichen Personalabteilung sind die Daten schnell zusammengestellt. Zum anderen beinhaltet die Personalliste viele relevante Informationen auf einen Blick. Gerade aufgrund dieser hohen Relevanz der Personalliste sollte sich der Käufer die Richtigkeit der dort aufgeführten Personalangaben im Unternehmenskaufvertrag zusichern lassen.
2. Unternehmensorganisation 23 Neben der Personalliste sollten auch Übersichten und Charts zur Unternehmensor-
ganisation zur Verfügung gestellt werden. Aber was helfen diese Dokumente einem potentiellen Käufer? Zum einen erhält er eine genaue Übersicht über den Aufbau der vorhandenen Unternehmensbereiche wie beispielsweise Produktion, Vertrieb, Entwicklung, Marketing, IT, Personal. Zum anderen sind in der Regel in den einzelnen Bereichen auch die jeweiligen Mitarbeiter bzw. zuständige Geschäftsführer gelistet, so dass man schnell Schlüsselfunktionen und Key Employees erkennen kann. Der Käufer kann darauf basierend erste strategische Überlegungen anstellen: Ist das gesamte Zielunternehmen von Interesse oder nur einzelne Bereiche? Welche Mitarbeiter sind relevant und für eine mittelfristige Weiterentwicklung des Geschäfts erforderlich? In welchen Bereichen kann leicht Personal abgebaut werden? Und wo kann man mit möglichen Konzerngesellschaften Synergieeffekte erzielen?
II. Arbeitsverträge 24 Nach einem ersten Überblick über die gesamte Belegschaft beginnt die Durchsicht
der Arbeitsverträge, die in der Regel den Schwerpunkt der arbeitsrechtlichen Due Diligence darstellt.
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1. Musterarbeitsverträge In der Praxis stellen Verkäufer selten alle Arbeitsverträge sämtlicher Mitarbeiter zur 25 Verfügung. Vielmehr enthält der Datenraum häufig Musterarbeitsverträge, worunter sowohl aktuelle Standardverträge, die im Zielunternehmen aktiv verwendet werden, als auch frühere Vertragsmuster fallen. Um sämtliche Arbeitsverhältnisse abzudecken, sollten folgende Musterarbeitsverträge zur Verfügung gestellt werden: – Musterarbeitsvertrag Arbeitnehmer Standard unbefristet / befristet – Musterarbeitsvertrag tariflicher Mitarbeiter / AT-Mitarbeiter – Musterarbeitsvertrag leitender Angestellter – Musterarbeitsvertrag Teilzeit – Musterarbeitsvertrag Auszubildender – Musterarbeitsvertrag geringfügig Beschäftigter – Musterarbeitsvertrag Altersteilzeit – Muster etwaiger Nebenvereinbarungen (z.B. Bonusvereinbarungen, Geschäftswagenvereinbarungen, nachvertragliche Wettbewerbsverbote, etc.) Idealerweise werden alle jeweils verwendeten Musterverträge zur Verfügung ge- 26 stellt, um sämtlich mögliche Vertragsklauseln abzudecken. Praxistipp 3 Bei der Vorlage von Musterarbeitsverträgen empfiehlt es sich für Käufer, sich ausdrücklich vom Verkäufer bestätigen zu lassen, dass die vorgelegten Musterarbeitsverträge abschließend sind und mit sämtlichen Arbeitnehmern einer dieser Musterarbeitsverträge geschlossen wurde. Diese Zusicherung ist relevant, falls sich ein Arbeitnehmer nach dem Kauf auf eine Klausel beruft, die nicht im Rahmen der Due Diligence offengelegt wurde.
Ziel der Durchsicht der Arbeitsverträge ist die Identifikation etwaiger Risiken für 27 den Käufer. Dabei wird man in der Regel jede Klausel auf ihre Wirksamkeit hin unter Berücksichtigung von §§ 305 ff. BGB sowie der dazu entwickelten Rechtsprechung prüfen, wobei die Detailtiefe abhängig vom konkreten Prüfauftrag ist.
2. Relevante Regelungen Natürlich sind in einem Arbeitsvertrag grundsätzlich sämtliche Regelungen von Be- 28 lang. Gerade im Arbeitsrecht wird die Privatautonomie der Parteien allerdings durch Gesetz und Rechtsprechung beschränkt, so dass viele Klauseln im Arbeitsvertrag der gesetzlichen Norm entsprechen, von der in der Regel nicht abgewichen wird. Die folgenden Klauseln werden in der Praxis regelmäßig im Rahmen einer Due Diligence Prüfung untersucht:
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a) Befristungen 29 Sofern das Zielunternehmen auch befristete Arbeitsverträge verwendet, ist deren
Wirksamkeit zu überprüfen. Ein unwirksam befristeter Arbeitsvertrag gilt nämlich als unbefristeter Arbeitsvertrag gemäß § 16 TzBfG. Für den Käufer ist es aber ein Unterschied, ob sich Arbeitnehmer des Zielunternehmens in einem befristeten Arbeitsverhältnis befinden, das irgendwann ausläuft, oder ob ein unbefristeter Arbeitsvertrag besteht. In der Regel sind bei der Prüfung zwei Punkte relevant: 30 – Grundsätzlich muss die Art der Befristung – also ob mit oder ohne Sachgrund befristet wurde – im Arbeitsvertrag nicht angegeben werden. Es genügt, wenn der Befristungsgrund zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorlag.4 Daraus folgt aber, dass ein potentieller Käufer die Wirksamkeit der Befristung allein mit Durchsicht des Arbeitsvertrages schwer nachprüfen kann. Daher muss hier explizit nach den Hintergründen der jeweiligen Befristung gefragt werden. 31 – Daneben bedürfen befristete Arbeitsverträge der Schriftform (§ 14 Abs. 4 TzBfG). Auch hier empfiehlt sich eine konkrete Nachfrage bzw. Bestätigung dahingehend, dass bei sämtlichen Befristungen die Schriftform eingehalten wurde.
b) Stellenbezeichnung und Versetzungsklausel 32 Die meisten Arbeitsverträge beinhalten eine konkrete Stellenbezeichnung des Ar-
beitnehmers. Es macht Sinn, diese mit der aktuellen Personalliste zu überprüfen. Gerade bei länger beschäftigten Arbeitnehmern stimmen manche Bezeichnungen nicht mehr überein, weil der Arbeitnehmer in der Zwischenzeit möglicherweise die Abteilung gewechselt und andere Positionen übernommen hat. Neben der Stellenbezeichnung verweisen Arbeitsverträge häufig auch auf eine 33 Stellenbeschreibung, die als Anlage beigefügt ist. Auch hier empfiehlt sich ein Abgleich mit der Personalliste – sofern dies möglich ist. Warum ist die Stellenbezeichnung bzw. die Stellenbeschreibung für einen Käu34 fer interessant? Ein Arbeitgeber möchte in der Regel die größtmögliche Flexibilität haben, wenn es um die Aufgabenzuweisung an Arbeitnehmer geht. Der Arbeitgeber zieht diese Flexibilität grundsätzlich aus seinem Direktionsrecht gemäß § 106 GewO. Danach kann er neben Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung auch Ordnung und Verhalten seiner Arbeitnehmer nach „billigem Ermessen‟ bestimmen. Allerdings kann dieses allgemeine Direktionsrecht durch den Arbeitsvertrag eingeschränkt werden. Als Faustregel gilt: Je allgemeiner die Vertragsinhalte im Arbeitsvertrag festgelegt sind, desto mehr kann der Arbeitgeber im Einzelfall bestimmen; je enger die Vertragsinhalte hingegen vereinbart wurden, desto weniger Spielraum hat er.5 Hier kommen die Stellenbezeichnung und die Stellenbeschreibung ins Spiel: Je
_____ 4 BeckOK/Bayreuther, § 14 Rn 7. 5 Grundlegend hierzu Brügger/Willems, S. 662.
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konkreter die Tätigkeit des Arbeitnehmers beschrieben ist, desto weniger Möglichkeiten hat der Arbeitgeber, eine andere Tätigkeit zuzuweisen. Allerdings kann dieses eingeschränkte Direktionsrecht durch eine sogenannte 35 Versetzungsklausel wieder erweitert werden. Daher ist im Rahmen der Due Diligence ebenfalls zu prüfen, ob eine solche Klausel vorliegt und ob diese auch wirksam ist. Versetzungsklauseln unterliegen einer strengen AGB-rechtlichen Prüfung und dürfen insbesondere Arbeitnehmer nicht benachteiligen und unangemessen behandeln. Gerade Versetzungsklauseln aus älteren Verträgen werden einer gerichtlichen Überprüfung heutzutage in der Regel nicht mehr standhalten. Das Ergebnis der obigen Prüfung, nämlich inwieweit der Arbeitgeber Arbeit- 36 nehmern andere Aufgaben zuweisen kann, hat ferner Auswirkungen auf eine mögliche Sozialauswahl, die im Rahmen von etwaigen betriebsbedingten Kündigungen – z.B. sofern zeitlich oder im Nachgang mit dem Unternehmenskauf Sanierungsmaßnahmen geplant sind – durchgeführt werden muss. Bei einer Sozialauswahl sind grundsätzlich die Arbeitnehmer einzubeziehen, die miteinander vergleichbar, also austauschbar sind.6 Eine Voraussetzung für diese Austauschbarkeit ist, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer einseitig, also ohne Vertragsänderung oder Änderungskündigung, auf den anderen Arbeitsplatz versetzen kann. Diese Versetzung richtet sich in der Regel nach der Reichweite des Weisungsrechts bzw. eines etwaigen Versetzungsvorbehalts.7 Je umfangreicher daher das Direktionsrecht des Arbeitgebers ist, desto mehr Arbeitnehmer fallen in die Vergleichbarkeit im Rahmen einer Sozialauswahl. Dieser Punkt ist gerade für Käufer relevant, die einen Personalabbau nach dem Unternehmenskauf in Erwägung ziehen.
c) Arbeitszeitregelung und Überstundenanordnung sowie -abbau Als Nächstes lohnt sich ein Blick in die Arbeitszeitregelung. Diese wird in der Re- 37 gel unproblematisch sein. Ist ein Betriebsrat vorhanden, liegt hier möglicherweise ein entsprechender Verweis auf eine Betriebsvereinbarung vor. Auch gibt es unter Umständen einen Verweis auf ein bestehendes Arbeitszeitsystem. Wenn dem Mitarbeiter bestimmte Arbeitszeitverteilungen vertraglich gestattet sind, hat er darauf einen Anspruch. Der Arbeitgeber kann die Arbeitszeit im Rahmen des Direktionsrechts dann grundsätzlich nicht einseitig ändern.8 In der Praxis ist in diesem Zusammenhang die Überstundenregelung relevant. 38 Als erstes sollte geprüft werden, ob der Arbeitgeber überhaupt Überstunden anordnen darf. Viele Arbeitgeber glauben, Überstunden per se anordnen zu dürfen. Dies ist ein Mythos des deutschen Arbeitsrechts. Die wirksame Anordnung von Überstun-
_____ 6 Grobys/Panzer/Mohnke, Kap. 103 Rn 52. 7 Grobys/Panzer/Mohnke, Kap. 103 Rn 54. 8 Siehe zum Direktionsrecht des Arbeitgebers auch Rn 34.
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den bedarf einer Rechtsgrundlage, die sich aus einem Arbeitsvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder einem Tarifvertrag ergeben kann. Ohne eine solche Regelung sind Arbeitnehmer grundsätzlich nicht verpflichtet, Überstunden zu erbringen.9 Sofern Überstunden angeordnet werden dürfen, stellt sich als nächstes die Fra39 ge, wie diese vergütet werden. In der Regel gibt es dazu eine vertragliche Abrede, beispielsweise der Ausgleich in Freizeit oder Geld. Interessant sind pauschale Abgeltungsregeln, die gerade in älteren Arbeitsverträgen noch häufig zu finden sind, und eine Abgeltung sämtlicher Überstunden mit dem Festgehalt regeln. Eine solche Klausel ist wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam.10 Der Arbeitnehmer kann nämlich nicht erkennen, wie viel Arbeitsleistung er für wie viel Entgelt erbringen muss.11 Ist die Klausel unwirksam, richtet sich der Vergütungsanspruch nach § 612 BGB. Danach kann sich ein Anspruch auf die Bezahlung von Überstunden ergeben, wenn dies den Umständen nach zu erwarten ist.12 Eine solche objektive Vergütungserwartung besteht allerdings nicht automatisch und kann beispielsweise dann fehlen, wenn der Arbeitnehmer als „Besserverdienender“ die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung überschreitet.13 Daher ist bei pauschalen Abgeltungsregeln bei der Prüfung immer auch das Gehalt des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, um das Risiko einer Nachzahlung einzuschätzen. 3 Praxistipp Als Faustformel gilt: Verdient der Arbeitnehmer über der Beitragsbemessungsgrenze, müssen Überstunden auch bei einer unwirksamen Pauschalierungsabrede eher nicht vergütet werden. Liegt der Verdienst des Arbeitnehmers unter der Beitragsbemessungsgrenze, muss der Arbeitgeber eher mit einer Abgeltung der Überstunden rechnen. Der Käufer kann das finanzielle Risiko von bestehenden Überstundenkonten also bereits auf diese Weise in etwa ausrechnen. 40 Allerdings enthalten Verträge mittlerweile häufig Pauschalierungsabreden, die le-
diglich eine bestimmte oder zumindest bestimmbare Anzahl von Überstunden abgelten. Sofern die Pauschalabgeltung in angemessenem Verhältnis zu den tatsächlich geleisteten Überstunden steht (z.B. 20% der Normalarbeitszeit oder die ersten 20 Überstunden monatlich14), ist eine solche Regelung wirksam.15
_____ 9 Grobys/Panzer/Wahlig, Kap. 155 Rn 9. 10 BAG, Urt. v. 27.6.2012 – 5 AZR 530/11. 11 ErfKomm/Preis, § 310 BGB Rn 92. 12 Grobys/Panzer/Wahlig, Kapitel 155 Rn 21. 13 ErfKomm/Preis, § 310 BGB Rn 92; BAG 22.2.2012 NZA 2012, 861. 14 Grobys/Panzer/Wahlig, Kapitel 155 Rn 22. 15 ErfKomm/Preis, § 310 BGB Rn 92.
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d) Grundgehalt und weitere Vergütungsbestandteile Den Käufer interessieren insbesondere hohe Kostenblöcke, daher sollten bei der 41 Due Diligence sämtliche Kostenansprüche aufgelistet werden. Das Grundgehalt ist in der Regel unproblematisch. Hier sollte aber geprüft werden, ob es auf Jahresbasis angegeben ist oder möglicherweise auf Monatsbasis mit Hinweis auf 13 Monatsgehälter. Bei der variablen Vergütung gibt es verschiedene Regelungsmöglichkeiten von 42 Bonus über Provision bis hin zur Tantieme. Die Wirksamkeit variabler Vergütungsregelungen muss im Detail geprüft werden. Bei einem Verweis auf jährlich neu zu vereinbarende Zielvereinbarungen sollte explizit nachgefragt werden, ob diese auch tatsächlich jährlich vereinbart wurden. Ist dies unterblieben, kann dies einen möglichen Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers bis zu einer hundertprozentigen Bonusauszahlung für das jeweilige Bonusjahr begründen. Bei Konzernen gibt es oftmals Mitarbeiterbeteiligungsprogramme (z.B. Akti- 43 enoptionsprogramme), die für sämtliche Mitarbeiter aller Konzerngesellschaften gelten sollen. Gerade US Konzerne nutzen häufig dieses Konstrukt. In diesem Fall muss genau geprüft werden, an welcher Gesellschaft die Beteiligung erfolgen soll und wer Schuldner für aus der Beteiligung resultierende Vergütungsansprüche sein soll. Je nach Regelung kann dies die (ausländische) Konzernmutter sein. Wird das deutsche Tochterunternehmen in einem solchen Fall verkauft, müssen betroffene Arbeitnehmer auch weiterhin ihre Ansprüche gegenüber der Konzernmutter geltend machen. Das Beteiligungsprogramm kann aber auch die Tochtergesellschaft als Schuldner regeln (z.B. häufig bei Phantom Share Programmen), sodass etwaige Ansprüche auf den Erwerber übergehen könnten. Bei einer Due Diligence muss hier genau geprüft werden, welche finanziellen Risiken ein Käufer möglicherweise hat. Auch ist eine entsprechende Regelung im Unternehmenskaufvertrag ratsam, um zu verhindern, dass Arbeitnehmer etwaige Ansprüche anschließend gegen den Käufer geltend machen.
e) Arbeitnehmererfindung Gerade bei Technologieunternehmen möchte ein Käufer sicherstellen, dass er die 44 relevante Technologie nach dem Kauf uneingeschränkt nutzen kann. Daher ist eine Überprüfung der gewerblichen Schutzrechte von wesentlicher Bedeutung. Daneben ist aus arbeitsrechtlicher Sicht in diesem Zusammenhang auf das Arbeitnehmererfindergesetz hinzuweisen, das bei der Prüfung berücksichtigt werden muss. Die meisten Arbeitsverträge beinhalten eine Klausel, die sich mit Arbeitsergebnissen und Erfindungen auseinandersetzt. Im Rahmen der Due Diligence Prüfung muss sichergestellt werden, dass sämtliche Rechte beim Zielunternehmen liegen und Arbeitnehmer keine finanziellen Ansprüche mehr haben.
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f) Kündigungsfristen 45 Die Kündigungsfrist ist für Käufer aus zweierlei Hinsicht relevant: Mit welcher Frist
kann er sich von Arbeitnehmern trennen, die er nach dem Unternehmenskauf nicht weiter beschäftigen möchte, und wie lange kann er Arbeitnehmer halten, die möglicherweise das Unternehmen verlassen möchten? Gerade bei Key Employees, deren weitere Beschäftigung für den Käufer relevant ist, ist die Frage der Kündigungsfrist von erheblicher Bedeutung. Grundsätzlich gilt die gesetzliche Kündigungsfrist gemäß § 622 BGB. Danach 46 kann gemäß Abs. 1 ein Arbeitsverhältnis mit einer Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats gekündigt werden. Gemäß Abs. 2 verlängert sich diese Kündigungsfrist für den Arbeitgeber in Abhängigkeit von der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers bis hin zu sieben Monaten. Die gesetzliche Verlängerung der Kündigungsfrist gilt dabei grundsätzlich nur für Arbeitgeber und nicht für Arbeitnehmer. Sofern also vertraglich nichts anderes geregelt ist, muss der Arbeitgeber bei einem zwanzig Jahre bestandenen Arbeitsverhältnis eine Kündigungsfrist von sieben Monaten zum Ende eines Kalendermonats beachten, der Arbeitnehmer dagegen nur vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats. Vertraglich kann von den gesetzlichen Kündigungsfristen in den Grenzen des 47 § 622 BGB abgewichen werden. Während eine Verkürzung der Kündigungsfrist in der Regel nur während der Probezeit möglich ist, können längere Kündigungsfristen grundsätzlich vereinbart werden. Nach § 622 Abs. 6 BGB dürfen für Arbeitnehmer keine längeren Kündigungsfristen als für Arbeitgeber vereinbart werden. Eine solche Regelung wäre unwirksam und für den Arbeitgeber würde auch die längere Kündigungsfrist gelten. 16 Wird eine längere Kündigungsfrist für beide Parteien vereinbart, gilt diese so lange, bis die gesetzliche Kündigungsfrist aufgrund der Betriebszugehörigkeit die vertragliche Frist überholt und das Arbeitsverhältnis zu einem späteren Zeitpunkt beenden würde. Dies ergibt sich aus dem Günstigkeitsvergleich zwischen vertraglicher und gesetzlicher Kündigungsfrist, wobei die längere Frist als die günstigere angesehen wird. Eine vertragliche Kündigungsfrist von drei Monaten (zum Ende eines Kalendermonats) gilt daher so lange bis der Arbeitnehmer zehn Jahre bei dem Arbeitgeber beschäftigt ist, weil die gesetzliche Kündigungsfrist dann gemäß § 622 Abs. 2 Nr. 4 BGB vier Monate zum Ende eines Kalendermonats betragen würde. Der Günstigkeitsvergleich muss jeweils im Einzelfall betrachtet werden und kann gerade bei Quartalskündigungsfristen schwierig zu bestimmen sein.
_____ 16 Grobys/Panzer/Powietzka, Kap. 107 Rn 14.
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Praxistipp 3 Um sicherzustellen, dass Arbeitnehmer keine kürzere Kündigungsfrist als Arbeitgeber haben, wird häufig im Arbeitsvertrag geregelt, dass die gesetzliche Verlängerung der Kündigungsfrist für Arbeitgeber nach § 622 Abs. 2 BGB auch für Arbeitnehmer gelten soll. Selbst wenn man sich auf eine vertragliche Kündigungsfrist geeinigt haben sollte, wird dadurch sichergestellt, dass sich gerade bei langjährigen Mitarbeitern die Kündigungsfrist wie auch beim Arbeitgeber verlängert.
g) Nachvertragliches Wettbewerbsverbot Unter einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot versteht man eine Vereinbarung 48 dahingehend, dass der Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses für einen bestimmten Zeitraum nicht für einen Wettbewerber tätig werden darf. Eine solche Regelung muss ausdrücklich erfolgen und unterliegt strengen formellen und inhaltlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen, die sich primär an den §§ 74 HGB orientieren. Eine Hauptvoraussetzung ist die Zahlung einer Karenzentschädigung. Der Arbeitnehmer soll für die Dauer des Verbots eine gewisse Entschädigungszahlung erhalten, da er durch das nachvertragliche Wettbewerbsverbot in seiner Berufsausübung beschränkt wird. Dies kann zu erheblichen Kosten für den Käufer führen, so dass im Rahmen der Due Diligence herauszuarbeiten ist, mit wie vielen und insbesondere mit welchen Mitarbeitern ein wirksames nachvertragliches Wettbewerbsverbot zu welchen Kosten geschlossen wurde. Bei der Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes sind neben 49 einer Vielzahl weiterer Vorschriften insbesondere die folgenden Grundsätze zu beachten.17 Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot – kann in zeitlicher Hinsicht höchstens für die Dauer von zwei Jahren nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses vereinbart werden (§ 74a Abs. 1 Satz 3 HGB); – bedarf zur Wirksamkeit der Schriftform gemäß § 126 BGB, also der eigenhändigen Unterschrift, sowie der Aushändigung der Vereinbarung an den Arbeitnehmer (§ 74 Abs. 1 BGB); – setzt die Zusage einer monatlich zu zahlenden Karenzentschädigung in Höhe von mindestens der Hälfte der zuletzt bezogenen Vergütung voraus, wobei die zuletzt bezogene Vergütung sämtliche Vergütungsbestandteile umfasst, insbesondere Provisionen, Tantiemen, Gratifikationen oder auch geldwerte Vorteile z.B. aus der Privatnutzung eines Dienstwagens (§ 74 Abs. 2 HGB). Das Fehlen einer solchen Karenzentschädigung führt zur Nichtigkeit des gesamten Verbots; eine zu geringe Entschädigung macht das Verbot unverbindlich;18
_____ 17 Dazu insgesamt ausführlich Grobys/Panzer/Middendorf, Kap. 171 Rn 24 ff. 18 Grobys/Panzer/Middendorf, Kap. 171 Rn 38 f.
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ist nur denkbar, sofern der Arbeitgeber ein berechtigtes geschäftliches Interesse daran hat, den Wettbewerb zu verbieten. Anerkannte Gründe sind nach der Rechtsprechung zum einen der Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen des Arbeitgebers und zum anderen der Schutz des Kunden- bzw. Lieferantenstammes;19 muss auch in sachlicher und örtlicher Hinsicht angemessen sein: In sachlicher Hinsicht kann sich das nachvertragliche Wettbewerbsverbot dabei zum einen auf eine Tätigkeit für konkret benannte oder durch die Nennung einer bestimmten Branche definierte Unternehmen beziehen, alternativ auch auf eine bestimmte Art von Tätigkeit des Arbeitnehmers. In örtlicher Hinsicht kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nur in dem Gebiet zur Wettbewerbsenthaltung verpflichten, in welchem ihm tatsächlich Konkurrenz droht.
3 Praxistipp Die Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots ist in Einzelfällen durchaus sinnvoll, insbesondere bei Arbeitnehmern, die ein hohes Maß an Know-how haben und bei denen es schädlich wäre, wenn sie dieses Know-how nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses sofort bei einem Wettbewerber einsetzen würden. Allerdings verursacht ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot aufgrund der zwingenden Karenzentschädigung oftmals verhältnismäßig hohe Kosten, so dass bei jeder Vereinbarung abgewogen werden muss zwischen dem „Schaden“, den der Arbeitnehmer bei einem Wettbewerber finanziell verursachen könnte, und der für das nachvertragliche Wettbewerbsverbot erforderlichen Karenzentschädigung. Diese Überlegung sollten Arbeitgeber regelmäßig, am besten jährlich, auch mit sämtlichen bestehenden Vereinbarungen durchführen. 50 Sollten im Rahmen der Due Diligence „ungewollte‟ nachvertragliche Wettbewerbs-
verbote festgestellt werden, empfiehlt es sich für den Käufer, auf diese nach dem Unternehmenskauf einseitig unter Beachtung der diesbezüglichen Frist von einem Jahr zu verzichten (§ 75a HGB) oder das nachvertragliche Wettbewerbsverbot mit dem jeweiligen Arbeitnehmer einvernehmlich aufzulösen.
3. Dienstverträge mit Organmitgliedern und Arbeitsverträge mit Key Employees 51 Während bei den „normalen“ Arbeitnehmern in der Regel Musterarbeitsverträge zur
Verfügung gestellt werden, werden bei Organmitgliedern und Key Employees, die sich als solche unter anderem aufgrund ihrer Funktion oder auch durch ihre hohe Vergütung definieren, individualisierte Verträge vorgelegt.
_____ 19 Grobys/Panzer/Middendorf, Kap. 171 Rn 43.
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a) Organmitglieder Organmitglieder gelten grundsätzlich im Arbeitsrecht nicht als Arbeitnehmer, so 52 dass abweichende vertragliche Vereinbarungen durchaus möglich sind und in der Praxis häufig verwendet werden. Im Rahmen der Due Diligence sollten bei Organen die folgenden Punkte beachtet werden: Dienstvertrag Gerade in Konzernen ist es nicht unüblich, dass Geschäftsführer mehrere Ämter ver- 53 schiedener Unternehmen innehaben. Daher sollte ausdrücklich geklärt werden, ob es einen oder mehrere Dienstverträge gibt und wer Vertragspartner ist. Praxistipp 3 In der Praxis erfolgt eine Geschäftsführerstellung häufig im Anschluss an eine langjährige Arbeitnehmertätigkeit. In diesem Fall sollte geprüft werden, ob die frühere Arbeitnehmerstellung mit der Bestellung zum Geschäftsführer möglicherweise ausdrücklich nur ruhend gestellt wurde. Letzteres hätte zur Folge, dass nach einer Trennung von dem Geschäftsführer der Arbeitnehmerstatus mit sämtlichen Rechten und insbesondere dem Kündigungsschutz wieder aufleben würde.
Change of Control-Klausel Eine Change of Control-Klausel gewährt dem Organ bestimmte Rechte für den Fall, 54 dass sich die Kontroll- oder Mehrheitsverhältnisse bei der Gesellschaft ändern.20 In der Regel ist die Rechtsfolge ein Sonderkündigungsrecht. Bei einem Unternehmenskauf ist es für den Käufer daher wichtig, eine solche Lösungsmöglichkeit zu erkennen, insbesondere wenn der Käufer eine Weiterführung des Dienstverhältnisses – zum Beispiel mit dem Geschäftsführer – beabsichtigt. Kündigungsfrist / Befristung In der Praxis haben Organe häufig längere Kündigungsfristen als Arbeitnehmer, die 55 im Einzelfall durchaus bis zu zwölf Monate betragen können. Auch eine bestimmte Vertragsdauer von möglicherweise zwei bis vier Jahren bei Ausschluss der ordentlichen Kündbarkeit ist nicht selten. Möchte sich ein Käufer nach dem Kauf von einem Organ trennen, muss er die Kosten für die Restlaufzeit entsprechend berücksichtigen. Nachvertragliches Wettbewerbsverbot: Anders als beim Arbeitnehmer finden die §§74 ff. HGB keine direkte Anwendung bei 56 Organen einer Gesellschaft.21 Trotzdem kann ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot mit Organen ausdrücklich im Dienstvertrag vereinbart werden, wobei die Zuläs-
_____ 20 Grobys/Panzer/Kelber, Kap. 92 Rn 73. 21 Grobys/Panzer/Kelber, Kap. 92 Rn 69.
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sigkeit an der Generalklausel des § 138 BGB gemessen22 und das jeweilige berechtigte Interesse der Gesellschaft mit dem des Geschäftsführers abgewogen wird. Viele gerichtliche Entscheidungen haben daher bei Geschäftsführern eine geringere Karenzentschädigung als zulässig erachtet, als sie nach § 74 Abs. 2 HGB betragen müsste. Ähnliches gilt für die Frist, mit der der Geschäftsherr auf das Wettbewerbsverbot verzichten kann. Bei Arbeitnehmern beträgt sie ein Jahr (§ 75a HGB), bei Geschäftsführern wird im Einzelfall auch eine Frist von sechs Monaten als wirksam erachtet. Verbindlichkeiten frühere Organe 57 Aufgrund der oftmals hohen Vergütungen und zusätzlichen Vereinbarungen sollte
auch immer geprüft werden, ob es noch Verbindlichkeiten gegenüber bereits ausgeschiedenen Organmitgliedern gibt (z.B. Karenzentschädigung bei einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot, betriebliche Altersvorsorge, garantierte Abfindungen bei Kündigung, etc.). 3 Praxistipp Im Rahmen der gesellschaftsrechtlichen Due Diligence werden häufig Handelsregisterauszüge zur Verfügung gestellt. Gerade die chronologischen Auszüge sind auch für die arbeitsrechtliche Due Diligence hilfreich, da sie nicht nur die aktuellen Organe, sondern auch z.B. frühere Geschäftsführer, Prokuristen, etc. anzeigen. Dadurch erhält man einen guten Überblick und erkennt gerade auch in Konzernen etwaige Verknüpfungen.
b) Key Employees 58 Bei den Key Employees gelten hinsichtlich der arbeitsvertraglichen Klauseln grund-
sätzlich die Ausführungen zu den Musterarbeitsverträgen.23 Dabei sollte insbesondere auf die Kündigungsfristen geachtet werden, wenn man als Käufer diese Schlüsselarbeitnehmer halten möchte. 3 Praxistipp Im Zuge einer Transaktion werden mit Key Employees häufig sogenannte Retention Boni vereinbart, d.h. der Arbeitnehmer erhält eine Bleibeprämie, wenn er über den Kauf hinaus noch für einen bestimmten Zeitraum bei dem Käufer verbleibt. Solche Regelungen unterliegen ebenfalls der AGBKontrolle und die Höhe der Bleibeprämie muss insbesondere in einem angemessenen Verhältnis zu der zugesicherten Bleibedauer stehen.
_____ 22 Grobys/Panzer/Kelber, Kap. 92 Rn 69. 23 siehe Rn 28 ff.
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Bei Führungskräften lohnt sich auch die Nachfrage, ob diese als leitende Angestellte einzustufen sind. Dies gilt es kritisch zu hinterfragen, da es für die Einordnung als leitender Angestellter doch gewisse Hürden gibt.
III. Besondere Beschäftigungsformen (freie Mitarbeiter, Leiharbeitnehmer, Arbeitnehmerüberlassung) Neben den Arbeitsverträgen sind im Rahmen der Due Diligence im Bereich Arbeits- 59 recht auch sämtliche weiteren Vertragsverhältnisse anzufragen und durchzusehen, da sich auch aus diesen mögliche Risiken für den Käufer ergeben können.
1. Freie Mitarbeiter Bei freien Mitarbeiterverträgen 24 sind neben Laufzeit bzw. Kündigungsmöglichkeit insbesondere die vereinbarte Vergütung sowie eine bestimmte Mindestabnahme/-umfang relevant. Das Hauptaugenmerk bei freien Mitarbeiterverträgen allerdings liegt in der Prüfung, ob der freie Mitarbeiter seine Leistungen tatsächlich als Selbständiger erbringt, oder ob die Tätigkeit vielmehr als Arbeitnehmer erbracht wird und somit eine Scheinselbständigkeit vorliegt. Dabei ist nicht auf den Vertrag an sich abzustellen, sondern auf die praktische Durchführung des Vertragsverhältnisses.25 Vertragsklauseln können dabei aber dennoch ein Indiz sein, genauso wie ein früheres Arbeitsverhältnis beim vermeintlichen Auftraggeber. Wie unterscheidet man aber den freien Mitarbeiter vom Arbeitnehmer? Entscheidend ist der Grad der persönlichen Abhängigkeit, der sich unter anderem in der Eingliederung in die Arbeitsorganisation sowie dem Weisungsrecht des Auftraggebers (bzw. vermeintlichen Arbeitgebers) widerspiegelt. Dabei ist eine Gesamtwürdigung aller maßgebenden Umstände vorzunehmen. Allgemeingültige Kriterien lehnt die Rechtsprechung ab.26 Somit muss für jeden Einzelfall geprüft werden, ob der Leistungsbringer tatsächlich selbständig agiert oder nicht. Für den Käufer ist diese Prüfung von entscheidender Bedeutung, weil eine Scheinselbständigkeit erhebliche Konsequenzen im Bereich Sozialversicherung, Arbeitsrecht, Strafrecht und Steuerrecht haben kann: – Sozialversicherungsrechtliche Konsequenzen: Den Arbeitgeber trifft eine Nachzahlungspflicht (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile zur Renten-, Kranken-,
_____ 24 Neben dem freien Mitarbeiter gilt dies auch für selbständige Handelsvertreter, Berater oderWerkunternehmer. 25 Grobys/Panzer/Langer/Pfeiffer, Kap. 84 Rn 5. 26 Grobys/Panzer/Langer/Pfeiffer, Kap. 84 Rn 3.
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Pflege und Arbeitslosenversicherung) rückwirkend für vier Jahre (bei Vorsatz bis zu 30 Jahre), zzgl. etwaiger Säumniszuschläge, wobei ein Rückgriff beim Arbeitnehmer nur beschränkt möglich ist. Arbeitsrechtliche Konsequenzen: Im Falle einer Scheinselbständigkeit erhält der Scheinselbständige einen Arbeitnehmerstatus mit Anspruch auf Kündigungsschutz, Urlaubsanspruch und Entgeltfortzahlungsanspruch im Krankheitsfall. Strafrechtliche Konsequenzen: Bei vorsätzlichem Handeln kann eine Strafbarkeit nach § 266a StGB in Betracht kommen.
2. Leiharbeitnehmer 64 Im Rahmen der Due Diligence sollten die Vertragskonditionen bezüglich etwaiger Leiharbeitnehmer genauestens daraufhin überprüft werden, ob sie im Einklang mit dem mittlerweile seit dem 1.4.2017 neugefassten AÜG stehen. Dabei sind auch die jeweilige konkrete Überlassungsdauer sowie etwaige Unterbrechungszeiten zu kontrollieren. Eine Überschreitung der 18-monatigen Überlassungshöchstdauer begründet ein Arbeitsverhältnis zum Entleiher (also dem Zielunternehmen), sofern nicht der Arbeitnehmer dem Übergang des Arbeitsverhältnisses widerspricht. Dieselbe Rechtsfolge gilt, wenn der Verleiher keine Überlassungserlaubnis vorweisen kann. Gerade bei einer großen Anzahl von Leiharbeitnehmern im Zielunternehmen kann eine illegale Arbeitnehmerüberlassung daher zu erheblichen (finanziellen) Risiken für den Käufer führen.
3. Arbeitnehmerüberlassung 65 Sofern das Zielunternehmen selber als Verleiher auftritt, müssen ebenfalls die Vor-
aussetzungen des AÜG vorliegen und sollten im Rahmen der Due Diligence überprüft werden. Vor allem muss eine wirksame Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung vorliegen. Eine Kopie ist explizit anzufragen.
IV. Mitarbeitervertretung 66 Für den Käufer ist es von nicht zu unterschätzender Relevanz, mit wem er zukünftig
bestimmte arbeitsrechtliche Sachverhalte besprechen muss. Daher ist eine Auflistung sämtlicher Arbeitnehmergremien hilfreich. In Betracht kommen insbesondere die folgenden Mitarbeitervertretungen:27
_____ 27 Siehe Checkliste bei Beisel/Andreas/Fischer, § 20 Rn 55.
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Betriebsrat Gesamtbetriebsrat Konzernbetriebsrat Europäischer Betriebsrat Wirtschaftsausschuss Schwerbehindertenvertretung Mitbestimmter Aufsichtsrat
Die Auflistung soll neben den im jeweiligen Gremium sitzenden Mitarbeitern28 auch 67 eine Übersicht der regelmäßig anfallenden Kosten enthalten. Gerade die Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat kann in der Praxis Auswirkun- 68 gen auf die Unternehmenskultur und die Mitarbeiter haben. Daher sind auch Protokolle der letzten Betriebsversammlungen oftmals hilfreich. Praxistipp 3 Die Betriebsratsstruktur kann auch eine Rolle bei der Entscheidung spielen, ob der Kauf als Share Deal oder Asset Deal durchgeführt wird. Es kann nämlich durchaus die Situation entstehen, dass der betriebsratslose Käufer als Folge der Transaktion einen Betriebsrat erhält, der seine Rechte aus einem Übergangsmandat herleitet (§§ 21 a, 21b BetrVG).
V. Betriebsvereinbarungen Sofern in einem Zielunternehmen ein Betriebsrat besteht, sind im Rahmen der Due 69 Diligence sämtliche Betriebsvereinbarungen zu sichten. Neben der inhaltlichen Reichweite und etwaigen finanziellen Risiken, ist für den Käufer in der Regel interessant, ob die Betriebsvereinbarungen wirksam geschlossen wurden, für welche Betriebe sie gelten und wie man sie kündigen kann.
1. Formelle Anforderungen an Betriebsvereinbarungen Eine Betriebsvereinbarung ist gemäß § 77 Abs. 2 BetrVG von Betriebsrat und Arbeit- 70 geber zu schließen. Fraglich ist, wer konkret zuständig ist. Auf Arbeitgeberseite ist Vertragspartner grundsätzlich der Inhaber des Betriebs bzw. bei juristischen Personen das Unternehmen.29 Auf Betriebsratsseite ist der örtliche Betriebsrat zuständig für betriebliche Angelegenheiten. Die Zuständigkeiten des Gesamtbetriebsrats sowie Konzernbetriebsrats sind gesetzlich in den §§ 50, 58 BetrVG vorgegeben. Die Parteien haben also grundsätzlich kein Wahlrecht, mit wem eine Betriebsvereinbarung
_____ 28 Siehe zum Sonderkündigungsschutz Rn 16. 29 Grobys/Panzer/Ziai-Ruttkamp, Kap. 58 Rn 8.
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geschlossen werden soll. Zwischen den Betriebsräten können Zuständigkeiten zwar grundsätzlich delegiert werden, dies muss aber im Einzelfall geprüft werden. Der Arbeitgeber wiederum kann sich nicht einfach einen Betriebsrat „rauspicken“. Wird eine Betriebsvereinbarung mit einem falschen Gremium geschlossen, ist diese grundsätzlich unwirksam.30 Daneben bedarf eine wirksame Betriebsvereinbarung der Schriftform, d.h. sie muss von beiden Seiten unterzeichnet werden.
2. Regelungsgegenstand und Geltungsbereich 71 Betriebsvereinbarungen können über eine Vielzahl von Fragen geschlossen werden.
Man unterscheidet dabei oftmals zwischen erzwingbaren und freiwilligen Betriebsvereinbarungen. Der Unterschied liegt darin, dass bei erzwingbaren Betriebsvereinbarungen eine Einigungsstelle angerufen und eine Entscheidung auch gegen den Willen des anderen Betriebspartners durchgesetzt werden kann, z.B. die Mitbestimmungsrechte in sozialen Angelegenheiten gemäß § 87 BetrVG oder bei Betriebsänderungen (§§ 111 ff. BetrVG). Bei einer freiwilligen Betriebsvereinbarung bedarf es hingegen der Einigkeit der Betriebsparteien, die auch darin liegen kann, dass man sich auf die Hinzuziehung einer Einigungsstelle einigt.31 Worüber darf allerdings keine Betriebsvereinbarung geschlossen werden? Zum 72 einen dürfen Betriebsvereinbarungen nicht gegen höherrangiges Recht, Gesetze oder Verordnungen verstoßen.32 Ferner ist ausdrücklich auf § 77 Abs. 3 BetrVG hinzuweisen, nach dem Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein können. Beim Geltungsbereich ist zwischen dem räumlichen, personellen, zeitlichen 73 und fachlichen Geltungsbereich zu unterscheiden. Relevant ist dabei insbesondere der räumliche Geltungsbereich: Dieser ist im BetrVG geregelt und der Betriebsrat kann diese Organisationsabgrenzung nicht einfach übergehen und etwaige andere Betriebe mit einschließen. Beim personellen Geltungsbereich ist darauf hinzuweisen, dass insbesondere leitende Angestellte i.S.v. § 5 Abs. 3 BetrVG nicht in den Geltungsbereich von Betriebsvereinbarungen fallen.
3. Beendigung der Betriebsvereinbarung / Nachwirkung 74 Sofern eine Betriebsvereinbarung nicht automatisch durch Zeitablauf bzw. Zwecker-
reichung endet, ist die typische Beendigung die Kündigung. Diese Möglichkeit ist auch für den Käufer relevant. Bei fehlender anderweitiger Regelung beträgt die
_____ 30 ErfKomm/Kania, § 77 BetrVG Rn 24. 31 Grobys/Panzer/Ziai-Ruttkamp, Kap. 58 Rn 26. 32 Grobys/Panzer/Ziai-Ruttkamp, Kap. 58 Rn 31.
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Kündigungsfrist drei Monate gemäß § 77 Abs. 5 BetrVG. Die Ausübung der Kündigung bedarf dabei keiner Rechtfertigung.33 Die Unterscheidung zwischen erzwingbaren und freiwilligen Betriebsvereinba- 75 rungen34 ist relevant für die Frage der Nachwirkung. Gemäß § 77 Abs. 6 BetrVG haben Betriebsvereinbarungen im Bereich der erzwingbaren Mitbestimmungsrechte eine sogenannte Nachwirkung, d.h. sie gelten weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden. Die Nachwirkung kann in der Betriebsvereinbarung selbst abbedungen werden.35 Bei freiwilligen Betriebsvereinbarungen kann eine Nachwirkung ausdrücklich vereinbart werden.
4. Interessenausgleich/Sozialplan Für den Käufer sehr relevant sind geltende oder auch frühere Interessenausgleichs- 76 und Sozialplanvereinbarungen, wobei hier durchaus Vereinbarungen der letzten fünf bis acht Jahre herangezogen werden können. Ist im Zielunternehmen ein Interessenausgleich und /oder Sozialplan noch gül- 77 tig, ist dies genau zu prüfen. Möglicherweise besteht ein Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen, der einen etwaigen Personalabbau erst einmal ausschließen würde. Daneben könnten auch Abfindungsregelungen vorliegen, die bei einer betriebsbedingten Trennung zu erheblichen Kosten führen könnte. Selbst wenn kein aktueller Interessenausgleich / Sozialplan vorliegt, lohnt sich 78 eine Durchsicht der früheren Regelungen. Betriebsräte und Arbeitnehmer verweisen bei anstehenden Personalmaßnahmen häufig auf frühere Vereinbarungen. Bei einem hohen Abfindungsfaktor muss der Käufer dies in seiner Planung bei einem möglichen Personalabbau einpreisen.
VI. Betriebliche Übung Unter einer betrieblichen Übung versteht man die regelmäßige Wiederholung be- 79 stimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers, aus denen Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden.36 In der Regel entwickelt sich eine betriebliche Übung über Jahre hinweg ohne 80 entsprechende schriftliche Dokumentationen. Daher ist eine Durchsicht von Unterlagen zur Prüfung einer etwaigen betrieblichen Übung in der Regel nicht möglich.
_____ 33 34 35 36
Grobys/Panzer/Ziai-Ruttkamp, Kap. 58 Rn 47. Siehe dazu Rn 71. Grobys/Panzer/Ziai-Ruttkamp, Kap. 58 Rn 60. Grobys/Panzer/Altenburg, Kap. 47 Rn 1.
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Daher sollte ein Käufer ausdrücklich nach sämtlichen betrieblichen Übungen im Zielunternehmen fragen und sich dies auch entsprechend im Kaufvertrag bestätigen lassen. Es mag durchaus betriebliche Übungen geben, die keine (vermeintlich) erhebli81 chen Auswirkungen auf den Käufer haben, beispielsweise ob ein Urlaub abweichend vom BurlG erst zum 30.6. verfällt. Sobald eine betriebliche Übung jedoch nicht unerhebliche Zahlungsverpflichtungen beinhaltet, ist sie für den Käufer relevant. So sind beispielsweise häufig vorkommende betriebliche Übungen die Gewährung von Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld oder auch eine jährliche automatische prozentuale Gehaltserhöhung.
VII. Tarifverträge 82 Neben Betriebsvereinbarungen spielen auch Tarifverträge eine entscheidende Rolle.
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Für den Käufer ist neben den bestehenden und früheren Mitgliedschaften in Arbeitgeberverbänden auch die Rechtsgrundlage für die Anwendbarkeit der Tarifverträge relevant. Schließlich muss im Rahmen der Due Diligence auch eine Bestandsaufnahme der Inhalte durchgeführt werden. Zunächst ist eine etwaige Mitgliedschaft des Zielunternehmens zu prüfen und ob eine Tarifbindung besteht. Bei früheren Mitgliedschaften ist eine etwaige Nachbindung gemäß § 3 Abs. 3 TVG sowie Nachwirkung gemäß § 4 Abs. 4 TVG zu klären. In einem nächsten Schritt ist die Rechtsgrundlage für den Tarifvertrag zu prüfen. Ein Tarifvertrag findet in der Regel nur dann Anwendung, wenn entweder beide Arbeitsvertragsparteien aufgrund ihrer jeweiligen Mitgliedschaft dem Tarifvertrag unterliegen, wenn der Arbeitsvertrag die Anwendbarkeit eines bestimmten Tarifvertrages ausdrücklich regelt, oder wenn ein Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt wurde (§ 5 TVG). Gerade die arbeitsvertragliche Bezugnahme kann dabei eine Herausforderung darstellen, weil man zwischen dynamischen und statischen Bezugnahmeklauseln unterscheiden muss und die Unterscheidung oftmals nicht eindeutig ist. Hinsichtlich des Inhalts lohnt sich eine Aufzählung der tarifvertraglichen Regelungen. Gerade bei Käufern, die einem Tarifvertrag unterliegen, ist es wichtig zu wissen, was auf sie zukommen könnte. Der Käufer wird die Übersicht über die tarifvertraglichen Regelungen in seine Entscheidung darüber einfließen lassen, ob der Kauf als Share Deal oder Asset Deal erfolgen soll.37
_____ 37 Zu den Folgen beim Betriebsübergang siehe Kap. 12.
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VIII. Arbeitsrechtliche Streitigkeiten Die Angabe arbeitsrechtlicher Streitigkeiten kann dem Käufer unter Umständen ei- 87 nen guten Einblick in die interne Unternehmenskultur des Zielunternehmens verschaffen. Daher werden in der Regel nicht nur anhängige Verfahren abgefragt, sondern auch bereits abgeschlossene Streitigkeiten, wobei der Zeitraum meistens zwischen zwei und fünf Jahren liegt. Unter arbeitsrechtliche Streitigkeiten fallen zum einen von Arbeitnehmern er- 88 hobene Kündigungsschutzverfahren oder Zahlungsklagen. Sollten in den Verfahren Vergleiche geschlossen worden sein, ist die Angabe einer etwaigen Abfindungszahlung interessant, da diese zeigt, welche Abfindungspolitik beim Zielunternehmen herrscht. Praxistipp 3 Gerade bei größeren Unternehmen und einem langen Zeitraum von beispielsweise drei bis fünf Jahren kann es Sinn machen, die Anfrage für vergangene Verfahren dahingehend einzuschränken, dass nur solche Verfahren offengelegt werden müssen, deren Gegenstandswert einen bestimmten Wert überstiegt, zum Beispiel 5.000 €.
Daneben sind auch Streitigkeiten mit dem Betriebsrat einzusehen, weil auch diese 89 insbesondere die Art der Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat widerspiegeln: In welchen Situationen geht der Betriebsrat gegen den Arbeitgeber vor? Konnte man Fragen bezüglich Mitbestimmungsrechte bislang zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat klären oder musste eine Einigungsstelle einbezogen werden? Gab es bereits einstweilige Verfügungsverfahren? Schließlich sind auch solche Verfahren zu betrachten, die weder Arbeitnehmer 90 noch Betriebsrat als Verfahrensgegner haben, sondern einen sonstigen arbeitsrechtlichen Bezug, wie zum Beispiel Zustimmungsverfahren vor dem Integrationsamt, Statusfeststellungsverfahren bei der Deutschen Rentenversicherung oder Streitigkeiten mit der Gewerkschaft.
IX. Betriebliche Altersvorsorge Auch die betriebliche Altersvorsorge ist ein relevanter Prüfungspunkt der Due Dili- 91 gence im Arbeitsrecht, da sich daraus hohe finanzielle Verbindlichkeiten ableiten lassen. Dabei ist insbesondere zu klären, ob überhaupt – und wenn ja – welche Leistungszusagen im Unternehmen bestehen, auf welcher Rechtsgrundlage diese beruhen und wie diese abgewickelt werden, weil dies unter anderem Auswirkungen auf die Rückstellungen hat. Diese Fragen sollte der Verkäufer lückenlos klären. Der Käufer wird die gewonnenen Erkenntnisse über die möglichen Verbindlich- 92 keiten, die sich aus der betrieblichen Altersvorsorge ergeben, in seine Überlegungen
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Kapitel 9 Due Diligence im Bereich Arbeitsrecht
einfließen lassen, ob der Kauf in Form eines Share Deals oder Asset Deals erfolgen soll, weil es dabei einen Unterschied bei den Verbindlichkeiten gibt.38 Gegebenenfalls kann dies auch Auswirkungen auf den Kaufpreis haben. Die Betriebliche Altersvorsorge ist einer der wenigen arbeitsrechtlichen Punkte in der Praxis, die einen Deal Breaker für eine Transaktion darstellen können. Daher sollte hier sehr sorgfältig und umfassend geprüft werden.
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_____ 38 Siehe dazu auch Kap. 12 Rn 40 ff.
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A. Einleitung
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Kapitel 10 Vertragsgestaltung Kapitel 10 Vertragsgestaltung Bergau
A. Einleitung A. Einleitung https://doi.org/10.1515/9783110673043-010 In den Unternehmenskaufvertrag fließen die Ergebnisse aller in den vergangenen Kapiteln beschriebenen Vorarbeiten ein. Auf der Grundlage der Prüfung des Zielunternehmens und seiner Bewertung haben sich die Parteien in der Regel vor Beginn der eigentlichen Vertragsverhandlungen auf die wesentlichen Eckpunkte einer Transaktion verständigt. Der Unternehmenskaufvertrag bringt das bereits erreichte Verhandlungsergebnis in eine rechtlich verbindliche Form. Zudem offenbaren die Verhandlungen über die konkrete Ausgestaltung des Vertrags in der Regel die Punkte, über die sich die Parteien erst noch einigen müssen. Für Unternehmenskaufverträge haben sich in unterschiedlicher Ausprägung Marktstandards herausgebildet. Die zunehmende Internationalisierung von Unternehmenstransaktionen hat dazu geführt, dass Verträge auch international immer ähnlicher werden. Nicht zuletzt weil die englische Sprache die internationale Wirtschaft in allen Bereichen dominiert, haben Vertragstechniken und Fachbegriffe aus dem englischsprachigen Raum in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend auch die Entwicklung der Vertragsstandards im deutschsprachigen Raum beeinflusst. Daneben folgen deutsche Unternehmenskaufverträge den Anforderungen und Besonderheiten des deutschen Rechts. Ohne ein gerüttelt Maß an Anglizismen und Vertragskonzepten, die ansonsten im deutschen Rechtsraum wenig verbreitet sind, kommt die Praxis der deutschen Unternehmenskaufverträge dennoch nicht aus.1 Zusammenstellungen typischer Klauseln eines Unternehmenskaufvertrags finden sich in verschiedenen Musterbüchern.2 Jede Vorlage kann jedoch nur eine grobe Vorstellung der Punkte vermitteln, die ein Unternehmenskaufvertrag üblicherweise regelt. Jeder einzelne Unternehmenskaufvertrag ist für den konkreten Fall maßgeschneidert. Nicht selten ist er das Ergebnis zäher Verhandlungen, in denen Käufer wie Verkäufer ihre Interessen wahren wollen. Das folgende Kapitel verfolgt daher drei wesentliche Ziele: – Vermittlung verbreiteter Standards Auch wenn sich Parteien und Berater in Verhandlungen häufig darauf berufen: allgemein verbindliche Standards gibt es in der Praxis nicht. Gleichwohl haben
_____ 1 Anstelle einer weiteren Untersuchung der vertraglichen Standards in unterschiedlichen Jurisdiktionen genüge hier der Verweis auf die bahnbrechenden Nagelmann’schen Thesen zur Rechtsvergleichung: „Manches ist anders, manches ist genauso.“, zitiert nach Umbach/Urban/Fritz/Böttcher/ von Bargen, S. 515. 2 Vgl. beispielsweise die umfangreiche Mustersammlung bei Seibt.
Bergau https://doi.org/10.1515/9783110673043-010
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sich in bestimmten Bereichen übliche Regelungstechniken herausgebildet, die im Folgenden dargestellt werden sollen. Darstellung typischer Regelungsbereiche Der konkrete Inhalt eines Unternehmenskaufvertrags hängt von vielen Umständen ab, etwa von der Branche, in der die Zielgesellschaft tätig ist, oder davon, wer als Käufer oder Verkäufer auftritt. Es gibt jedoch typische Regelungsbereiche, die die meisten Verträge enthalten. Beschreibung typischer Interessen der Parteien Auch die Interessen der Parteien sind so unterschiedlich wie die einzelnen Transaktionen. Das Verständnis typischer Interessenlagen ist für die effiziente Gestaltung der Verhandlungen jedoch unverzichtbar.
B. Grundlegende Transaktionsstruktur: Asset Deal oder Share Deal B. Grundlegende Transaktionsstruktur: Asset Deal oder Share Deal I. Bedeutung der Fragestellung 6 Rechtlich betrachtet ist ein Unternehmen die Gesamtheit unterschiedlichster
Rechtsbeziehungen. Ein Unternehmen hat Eigentum oder andere Rechte an unbeweglichen oder beweglichen Gegenständen wie Grundstücken oder Maschinen und an immateriellen Wirtschaftsgütern wie Marken und Patenten. Aus Verträgen mit Kunden, Lieferanten und Arbeitnehmern resultiert eine Vielzahl unterschiedlicher Rechte und Pflichten. Träger eines Unternehmens kann eine einzelne natürliche Person sein. In der 7 Praxis sind die Unternehmenswerte (von Kleinstunternehmen abgesehen) jedoch fast immer in einer Gesellschaft zusammengefasst. In Deutschland sind Kapitalgesellschaften als Unternehmensträger in der Regel Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Aktiengesellschaften kommen vor allem als Unternehmensträger börsennotierter Gesellschaften in Betracht. Häufigste Rechtsform einer Personengesellschaft als Unternehmensträger ist die GmbH & Co. Kommanditgesellschaft (KG). Wegen der unbeschränkten persönlichen Haftung der Gesellschafter dienen Gesellschaften bürgerlichen Rechts und offene Handelsgesellschaften nur in Ausnahmefällen als Unternehmensträger. Inhalt und Aufbau eines Unternehmenskaufvertrags hängen wesentlich davon 8 ab, ob ein Unternehmensträger (Share Deal) oder die einzelnen Vermögensgegenstände des Unternehmens (Asset Deal) verkauft beziehungsweise gekauft werden. Kaufgegenstand beim Share Deal ist eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung am Unternehmensträger. Bei einem Asset Deal werden die einem Unternehmen zuzuordnenden Sachen, Rechte und immateriellen Vermögensgegenstände sowie Arbeitsverhältnisse, Verträge, Forderungen und gegebenenfalls Verbindlichkeiten im Wege der Einzelrechtsnachfolge verkauft und übertragen.
Bergau
B. Grundlegende Transaktionsstruktur: Asset Deal oder Share Deal
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II. Vor- und Nachteile 1. Steuerrecht In der Praxis spielen steuerliche Überlegungen die größte Rolle bei der Entschei- 9 dung darüber, ob ein Unternehmenskauf als Share Deal oder als Asset Deal gestaltet wird. Welche Gestaltung steuerlich am günstigsten ist, hängt von einer Vielzahl von 10 Faktoren ab, die im Einzelfall zu untersuchen sind. Häufig haben Verkäufer und Käufer gegenläufige Interessen.3
2. Erwerb einzelner Unternehmensteile Gelegentlich soll nicht ein Unternehmen insgesamt, sondern nur ein Teil davon 11 veräußert werden. Eine einzige Gesellschaft kann Träger verschiedener Unternehmen oder Unternehmensteile sein. Möglicherweise möchte ein Käufer nur einen Teil der wirtschaftlichen Betätigung des Unternehmensträgers erwerben. Auch den umgekehrten Fall gibt es. Manchmal ist ein wirtschaftliches Unternehmen auf verschiedene Unternehmensträger verteilt, etwa weil sich dies historisch so entwickelt hat, oder weil es in einem Konzern unterstützende Tätigkeiten für mehrere andere Unternehmen ausübt. In diesen Konstellationen sind zwei Gestaltungen denkbar. Entweder werden 12 die zu veräußernden Unternehmensteile in einem Rechtsträger vereinigt, der dann im Wege eines Share Deals übertragen werden kann. Oder der Unternehmensträger veräußert die zu erwerbenden Unternehmensteile im Wege des Asset Deals.
3. Haftung Auch haftungsrechtliche Risiken spielen bei der Strukturierung einer Transaktion 13 häufig eine wichtige Rolle. Bei einem Share Deal erwirbt der Käufer das Zielunternehmen mit allen Rechten und Pflichten, egal, ob er sie kennt oder nicht. Insbesondere wenn der Käufer das Bestehen wesentlicher verdeckter Verbindlichkeiten beim Zielunternehmen vermutet, spricht dies für die Strukturierung als Asset Deal. Zwar sind Garantien des Verkäufers für bestimmte Risiken ein wesentlicher Be- 14 standteil eines Unternehmenskaufvertrags. Jeder Verkäufer wird jedoch versuchen, so wenig Garantien wie möglich abzugeben, vereinbarte Garantien möglichst eng zu formulieren und die Rechtsfolgen der Verletzung einer Garantie möglichst zu beschränken. Zudem ist die Durchsetzung einer Garantie stets zeitaufwändig und kostspielig. Besser ist es also für den Käufer, die Übernahme unerkannter Verbind-
_____ 3 Vgl. dazu umfassend Kap. 4 Rn 10 ff.
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Kapitel 10 Vertragsgestaltung
lichkeiten möglichst zu vermeiden. Das kann er dadurch erreichen, dass er nicht den gesamten Unternehmensträger mit allen mit ihm verbundenen Rechten und Pflichten, sondern nur einzelne, klar definierte Rechtsverhältnisse erwirbt. Auf vertraglicher Ebene kann eine Strukturierung als Asset Deal die Übernahme 15 möglicher unerkannter Verbindlichkeiten durch den Käufer vermeiden. Die Gestaltung des Vertrags muss jedoch gesetzliche Haftungstatbestände berücksichtigen. Die gesetzliche Haftung können die Parteien durch vertragliche Vereinbarungen untereinander nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen ausschließen. Soweit wie möglich muss die Transaktion also so gestaltet werden, dass die Voraussetzungen einer gesetzlichen Haftungsübernahme nicht eingreifen. Ist dies nicht möglich, kann vereinbart werden, dass der Verkäufer den Käufer von einer möglichen Inanspruchnahme freistellt.4 Ein klassisches Beispiel für einen gesetzlichen Haftungstatbestand ist § 25 HGB. 16 Nach dieser Bestimmung trifft den Käufer die gesetzliche Haftung für alle Verbindlichkeiten eines erworbenen Unternehmens, wenn der Käufer das Unternehmen zwar unter einem neuen Rechtsträger, jedoch unter der alten Firma weiter führt. Die Parteien können eine abweichende Regelung treffen. Eine solche Regelung wirkt auch gegenüber Dritten, wenn sie im Handelsregister eingetragen wird.5 Ein anderes typisches Beispiel ist § 75 AO, der die Haftung des § 25 HGB im Hin17 blick auf Steuerforderungen ergänzt.6 Nach dieser Bestimmung haftet der Käufer für die Steuern des erworbenen Unternehmens seit dem Beginn des letzten vor der Übereignung liegenden Kalenderjahrs.
4. Arbeitsrecht 18 Bei einem Asset Deal gehen Rechtsbeziehungen des Unternehmens mit Dritten
grundsätzlich nur dann auf den Käufer über, wenn die Parteien dies ausdrücklich vereinbart haben. Soweit Verbindlichkeiten des Unternehmens gegenüber Dritten übertragen werden sollen, hat die Übertragung für den Verkäufer zudem nur dann schuldbefreiende Wirkung, wenn der Dritte zugestimmt hat. Für Arbeitsverhältnisse bestimmt § 613a BGB eine Ausnahme von diesem Grundsatz.7 Nach dieser Bestimmung gehen im Falle eines Betriebsübergangs auch die dem Betrieb zuzuordnenden Arbeitsverhältnisse auf den Käufer über. Die Arbeitnehmer können dem Übergang widersprechen. Wird das gesamte 19 Vermögen eines Unternehmens übertragen, ist ein solcher Widerspruch von Arbeitnehmern unwahrscheinlich. Die Rechtsfolge wäre nämlich, dass sie beim übertra-
_____ 4 5 6 7
Vgl. Hettler/Stratz/Hörtnagel/Lips/Stratz/Rudo, § 4 Rn 472. Vgl. Baumbach/Hopt/Hopt, § 25 Rn 13 ff. Vgl. Klein/Rüsken, § 75 Rn 3; Kap. 8 Rn 26 ff. Vgl. Kap. 12 Rn 3 ff.
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B. Grundlegende Transaktionsstruktur: Asset Deal oder Share Deal
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genden Unternehmen zurückbleiben. Das übertragende Unternehmen wiederum kann aber nach der Veräußerung eines gesamten Vermögens keinen Betrieb mehr führen, was die betriebsbedingte Kündigung der Arbeitnehmer ermöglicht.8 Anders kann sich die Situation bei der Übertragung von Betriebsteilen darstel- 20 len. In einer solchen Konstellation können Arbeitnehmer durchaus zu dem Ergebnis kommen, dass ihr Arbeitsplatz beim alten Unternehmen sicherer ist als beim Erwerber. Widersprechen sie dem Betriebsübergang, fehlen dem erworbenen Betriebsteil möglicherweise wichtige Arbeitnehmer, ohne die der Betriebsteil nicht fortgeführt werden kann. Umgekehrt muss der Verkäufer solche Arbeitnehmer weiterhin vergüten, zumindest bis er die Arbeitsverhältnisse durch eine Kündigung beenden kann. Die Folgen eines Asset Deals und ein interner schuldrechtlicher Ausgleich zwi- 21 schen den Parteien bedürfen stets einer umfassenden Regelung im Einzelfall.9
5. Zustimmung Dritter Verpflichtungen gegenüber Dritten und Dauerschuldverhältnisse mit Dritten kön- 22 nen nur dann mit schuldbefreiender Wirkung für den Verkäufer übertragen werden, wenn der Dritte zustimmt. Der jeweilige Dritte muss also um die Erteilung seiner ausdrücklichen Zustimmung gebeten werden. Praxistipp 3 Selbst wenn im Ergebnis alle angesprochenen Dritten der Transaktion zustimmen, erfordert die Einholung der Zustimmungen einen nicht unerheblichen Aufwand. Ein Dritter wird seine Zustimmung nur dann erteilen, wenn er durch die Transaktion nicht schlechter gestellt wird. Um dem Dritten eine Grundlage für seine Entscheidung zu geben, muss der Hintergrund der Transaktion zumindest kurz beschrieben werden. Auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Käufers kann ein wichtiges Kriterium für die Entscheidung des Dritten sein, ob er seine Zustimmung erteilt oder nicht.
Stimmen Dritte einer Übertragung von Verpflichtungen oder Dauerschuldverhält- 23 nissen nicht zu, bleibt der Verkäufer im Außenverhältnis zu dem Dritten weiterhin Vertragspartei.10 Die Parteien der Transaktion müssen dann Regelungen über einen Ausgleich im Innenverhältnis treffen.
6. Beschreibung des Kaufgegenstands Beim Share Deal ist die Beschreibung des Kaufgegenstands in der Regel einfach. 24 Gegenstand der Transaktion sind insbesondere die Gesellschaftsanteile, die den
_____ 8 Vgl. ErfKomm/Preis, § 613a BGB Rn 107. 9 Vgl. Kap. 12 Rn 37 ff. 10 Vgl. MünchKomm-BGB/Heinemeyer, § 415 Rn 15.
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Rechtsträger verkörpern. Beim Asset Deal hingegen werden die einzelnen Vermögensgegenstände eines Unternehmens nicht automatisch zusammen mit dem Unternehmensträger übertragen. Vielmehr müssen die einzelnen Gegenstände genau beschrieben werden. Daraus resultiert eine größere Komplexität des Unternehmenskaufvertrags, die jedoch in aller Regel gut beherrschbar ist.11
7. Zurückbleiben des alten Rechtsträgers 25 Überträgt ein Unternehmensträger sein gesamtes Vermögen im Wege des Asset Deals, bleibt die alte Gesellschaft als leere Hülle zurück. Die Abwicklung dieser Hülle verursacht Aufwand und Kosten. Aus Sicht des Verkäufers spricht dieser Aspekt für einen Share Deal.
8. Zusammenfassung 26 Vor- und Nachteile von Share Deal und Asset Deal lassen sich im Überblick wie
folgt zusammenfassen:
Asset Deal
Vorteile
Nachteile
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grundsätzlich keine Haftung für Altverbindlichkeiten Übernahme nur bestimmter Unternehmensteile oder Vermögensgegenstände möglich Vermeidung des Erwerbs versteckter Verbindlichkeiten
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Share Deal
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Eintritt in alle bestehenden – Rechtsbeziehungen, Zustimmung Dritter ist nicht erforderlich Kaufgegenstand ist eindeutig definiert
Vertragsbeziehungen gehen nur mit Zustimmung der Vertragspartner über Aufdeckung stiller Reserven Aufwändigere Beschreibung des Kaufgegenstands Zurückbleiben des alten Rechtsträgers Arbeitnehmer können widersprechen Übernahme aller Verbindlichkeiten
III. Kaufgegenstand 27 Was der im Rahmen einer Transaktion verkaufte Gegenstand ist, hängt davon ab,
ob die Transaktion als Share Deal oder als Asset Deal strukturiert ist.
_____ 11 Vgl. Rn 35 ff.
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B. Grundlegende Transaktionsstruktur: Asset Deal oder Share Deal
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1. Share Deal Vertraglich deutlich einfacher zu gestalten ist ein Share Deal.
28
a) Anteile Beim Share Deal müssen die einzelnen Vermögensgegenstände des Unternehmens- 29 trägers nicht gesondert übertragen werden. Die Zielgesellschaft bleibt unverändert der Unternehmensträger. Grundsätzlich genügen daher der Verkauf und die Übertragung der Gesellschaftsbeteiligung. Fettnapf 3 Die Übertragung von Gesellschaftsanteilen alleine lässt die Rechte und Pflichten der Gesellschaft gegenüber Dritten unberührt. Allerdings ist es möglich, dass sich Dritte gegenüber der Gesellschaft Rechte vorbehalten haben für den Fall, dass sich die Beteiligungsverhältnisse an der Gesellschaft verändern. An solchen sogenannten Change of Control-Klauseln haben Dritte immer dann ein Interesse, wenn es ihnen gerade auf die wirtschaftliche Identität eines Vertragspartners ankommt. Gründe hierfür können die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Unternehmensverbundes oder der Zugang zu Ressourcen sein. Verändern sich die Beteiligungsverhältnisse an der Gesellschaft, verändern sich auch diese Rahmenbedingungen. Für diese Fälle können sich Dritte bestimmte Rechte vertraglich ausbedungen haben. Möglicherweise steht ihnen im Falle eines Kontrollwechsels das Recht zu, Verträge vorzeitig zu kündigen oder die Vertragsbedingungen anzupassen. Die Aufdeckung solcher Change of Control-Klauseln gehört zu den wichtigen Zielen einer rechtlichen Due Diligence.12 Daneben wird der Käufer versuchen, sich durch eine Garantie des Verkäufers vor Change of Control-Klauseln zu schützen.
b) Gewinnanspruch In jedem Fall sollte der Unternehmenskaufvertrag ausdrücklich regeln, wem der 30 Gewinn der Gesellschaft für bestimmte Zeiträume zusteht. Gesetzlich ist dies nicht praktikabel geregelt. Bei der GmbH etwa steht der Gewinn gemäß §§ 29, 46 Nr. 1 GmbHG demjenigen zu, der im Zeitpunkt des Gewinnverwendungsbeschlusses Gesellschafter ist. Für die Aktiengesellschaft ergibt sich dies aus § 174 Abs. 1 AktG. Wird ein Gewinnverwendungsbeschluss also erst gefasst, nachdem der Verkäufer seinen Anspruch bereits übertragen hat, hat er keinen Gewinnanspruch gegen die Gesellschaft mehr. Dies gilt auch für Zeiträume, in denen er noch Gesellschafter war. Im Verhältnis zum Käufer als neuem Gesellschafter gilt die Regelung der §§ 99 31 Abs. 2, 101 Nr. 2 BGB, wonach der Gewinn im Innenverhältnis zwischen Verkäufer und Käufer zeitanteilig zu verteilen ist. Diese Rechtsfolge ist bei einem so komple-
_____ 12 Vgl. Kap. 7 Rn 15, 30, 57, 63.
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Kapitel 10 Vertragsgestaltung
xen Gebilde wie einem Unternehmen nicht praktikabel. Das gilt umso mehr, wenn das Geschäft der Zielgesellschaft saisonal unterschiedlich ist. Es muss daher vertraglich geregelt werden, wem Gewinne für welche Zeiträume 32 zustehen. In der Regel geschieht dies durch die Definition eines wirtschaftlichen Stichtags. Sofern dieser wirtschaftliche Stichtag nicht ohnehin identisch mit dem Stichtag des Jahresabschlusses der Gesellschaft ist, wird eine Zwischenbilanz aufgestellt. Bis zum wirtschaftlichen Stichtag steht der Gewinn der Gesellschaft dem Verkäufer zu. Der Gewinn für Zeiträume nach dem wirtschaftlichen Stichtag steht dann dem Käufer zu. Je nach Interessenlage der Parteien können jedoch auch ganz andere Regelungen getroffen werden.
c) Gewinnrechte bei Personengesellschaften 33 Bei der Kapitalgesellschaft verkörpert der Gesellschaftsanteil (Geschäftsanteil der
GmbH oder Aktie der Aktiengesellschaft) die Mitgliedschaft, also die Gesamtheit der Rechte und Pflichten eines Gesellschafters aus seiner Gesellschafterstellung. Die Personengesellschaft hingegen kennt keinen verkörperten Kapitalanteil. 34 Übertragen werden kann nur die Gesellschaftsbeteiligung als solche. Welche mitgliedschaftlichen Rechte und Pflichten mit der Gesellschaftsbeteiligung verbunden sind, hängt bei der Personengesellschaft von der Ausgestaltung der Gesellschafterstellung, insbesondere durch den Gesellschaftsvertrag ab. Beispielsweise definieren Gesellschaftsverträge von Personengesellschaften regelmäßig verschiedene Konten, auf denen feste Kapitalanteile, Gewinnanteile oder Darlehen gebucht werden. Bei Personengesellschaften muss der Unternehmenskaufvertrag daher klar regeln, welche mit dem Gesellschaftsverhältnis verbundenen Rechte und Pflichten auf den Käufer übergehen sollen.
2. Asset Deal 35 Beim Asset Deal ist nicht der Unternehmensträger als solcher Kaufgegenstand, son-
dern die einzelnen Wirtschaftsgüter, die das Unternehmen ausmachen. Um ein Unternehmen vollständig zu übertragen, müssen daher alle das Unternehmen repräsentierenden Vermögensgegenstände erfasst und nach den für sie einschlägigen Regelungen einzeln übertragen werden.
a) Übertragung von Sachen aa) Bestimmtheitsgrundsatz 36 Für die Übertragung von Sachen ist der sachenrechtliche Bestimmtheitsgrund-
satz von erheblicher praktischer Bedeutung. Nach diesem Grundsatz können Sachen nur dann übereignet werden, wenn sie hinreichend gegenständlich be-
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stimmt sind. Grundsätzlich erfordert die Übertragung daher die Auflistung aller einzelnen zu übertragenden Sachen. Anknüpfungspunkt bei der Vertragsgestaltung ist in der Regel die Bilanz des 37 Unternehmensträgers.13 Hat das veräußernde Unternehmen selbstständig bilanziert und soll sein gesamtes Vermögen übertragen werden, kann der Kaufvertrag auf die Bilanz des veräußernden Unternehmens nebst Inventarliste Bezug nehmen. Hat das veräußernde Unternehmen bislang nicht selbstständig bilanziert, oder sollen nicht alle seine Vermögensgegenstände übertragen werden, müssen gesonderte Aufstellungen angefertigt werden. Auch hier kann jedoch die Bilanz des übertragenden Unternehmens als Ausgangspunkt dienen. Zudem müssen nicht alle Sachen, die im Eigentum eines Unternehmens ste- 38 hen, zwingend bilanziert werden.14 Das gilt etwa für sofort abgeschriebene geringwertige Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens. Wirtschaftsgüter, die bereits voll abgeschrieben sind, erscheinen ebenfalls nicht in der Bilanz. Alle Sachen, die nicht in der Bilanz erfasst sind, muss der Unternehmenskaufvertrag gesondert auflisten.
bb) Regelungstechnik In der Praxis versuchen Unternehmenskaufverträge, in einem ersten Schritt die zu 39 übertragenden Vermögensgegenstände so genau und so detailliert wie möglich zu erfassen. In einem zweiten Schritt finden sogenannte All-Formeln Verwendung, bei- 40 spielsweise „alle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens im Sinne des § 266 Abs. 2 lit. A HGB einschließlich nicht bilanzierungspflichtiger Wirtschaftsgüter“, oder „alle Gegenstände des Vorratsvermögens, die sich am Stichtag in der Halle Nr. ... befinden“. Auch konkreter gefasste All-Formeln sollten nach Möglichkeit nur hilfsweise verwandt werden. Ergeben sich aus ihrer Anwendung Abgrenzungsschwierigkeiten, führt die fehlende Konkretisierung zur Unwirksamkeit des dinglichen Verfügungsgeschäfts. Fettnapf 3 Nicht sachdienlich sind bloße Beschreibungen oder Abgrenzungen nach dem Wert wie beispielsweise „Einzelgegenstände mit einem Wert von 1.000 €“. Derartige Formulierungen sind nicht konkret genug. Sie erfüllen nicht die Voraussetzungen des sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes.
_____ 13 Vgl. Heckschen/Herrler/Starke/Heckschen, § 25 Rn 16. 14 Vgl. Heckschen/Herrler/Starke/Heckschen, § 25 Rn 16.
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41 In einem dritten Schritt schließlich kann der Unternehmenskaufvertrag für den
Fall, dass die Übertragung bestimmter Vermögensgegenstände am sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz scheitert, zumindest eine schuldrechtliche Verpflichtung des Verkäufers vorsehen, die Übereignung möglicherweise beim Verkäufer verbliebener Gegenstände nachzuholen. Für den Fall, dass der Käufer nicht das Eigentum an bestimmten Sachen erhält, hat er dann zumindest einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Verkäufer, die Übereignung solcher Sachen zu verlangen.
cc) Belastung mit Rechten Dritter 42 Grundsätzlich kann ein Verkäufer nur das Eigentum an solchen Sachen übertragen,
an denen ihm auch tatsächlich Eigentum zusteht.15 Gerade bei Unternehmen ist dies nicht selbstverständlich. Häufig dienen verschiedene Vermögensgegenstände eines Unternehmens Dritten als Sicherheit. Dritten kann beispielsweise ein Eigentumsvorbehalt zustehen. Vermögensgegenstände können auch zur Sicherheit an Dritte übereignet worden sein. Im Falle von Eigentumsvorbehalten oder Sicherungsübereignungen ist es ein43 em Verkäufer typischerweise gestattet, die Gegenstände im ordnungsgemäßen Geschäftsgang zu übereignen. Allerdings sind der Verkauf und die Übertragung im Rahmen eines Unternehmenskaufes gerade keine Veräußerung im ordnungsgemäßen Geschäftsgang. Die Übertragung des Eigentums an Vorbehalts- und Sicherungsgegenständen bedarf daher der Zustimmung des jeweiligen Eigentümers. Wird die Zustimmung des Eigentümers nicht eingeholt oder nicht erteilt, kann der Verkäufer nur ein ihm möglicherweise zustehendes Anwartschaftsrecht übertragen.16 Einen gewissen Schutz bietet dem Käufer das Rechtsinstitut des gutgläubigen 44 Erwerbs des § 932 BGB. Vertraut der Käufer gutgläubig darauf, dass der Verkäufer Eigentümer einer von ihm übertragenen Sache ist, kann er in der Regel das Eigentum auch dann erwerben, wenn der Verkäufer nicht der rechtmäßige Eigentümer ist. Voraussetzung ist, dass ihm das fehlende Eigentum des Verkäufers nicht bekannt oder grob fahrlässig unbekannt ist.
dd) Übertragung folgt unterschiedlichen rechtlichen Anforderungen 45 Die tatsächliche dingliche Übertragung der einzelnen verkauften Sachen erfolgt
nach den für die jeweiligen Sachen geltenden Vorschriften.
_____ 15 Vgl. Heckschen/Herrler/Starke/Heckschen, § 25 Rn 18. 16 Vgl. MünchKomm-BGB/Westermann, § 449 Rn 52.
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Bewegliche Sachen werden grundsätzlich gemäß § 929 BGB durch die Eini- 46 gung über den Eigentumsübergang und Übergabe der Sache übertragen. Die tatsächliche Besitzeinräumung als Voraussetzung der Eigentumsübertragung bedarf beim Asset Deal einer eigenen vertraglichen Regelung. Muster Besitzeinräumung 5 „Der Verkäufer hat dem Käufer am Vollzugstag den Besitz an den nach diesem Vertrag verkauften beweglichen Sachen einzuräumen. Soweit der Käufer am Vollzugstag nicht den unmittelbaren Besitz an bestimmten beweglichen Sachen erlangt, wird die zur Übertragung des Eigentums erforderliche Übergabe durch die Vereinbarung ersetzt, dass der Verkäufer diese Sachen ab dem Vollzugstag für den Käufer aufzubewahren hat. Soweit einzelne bewegliche Sachen am Vollzugstag im Besitz Dritter sind, wird die zur Übertragung des Eigentums erforderliche Übergabe dadurch ersetzt, dass der Verkäufer dem Käufer seinen Anspruch auf Herausgabe dieser Sachen abtritt. Alsbald nach dem Vollzugstag werden die Parteien gemeinsam eine Liste aller beweglichen Sachen erstellen, an denen dem Käufer bereits der Besitz eingeräumt worden ist oder hinsichtlich derer die Übergabe durch Vereinbarung eines Verwahrungsvertrags zugunsten des Käufers oder durch die Abtretung des Herausgabeanspruchs des Verkäufers an den Käufer ersetzt worden ist.“
Für die Übertragung von Grundstücken gelten besondere Vorschriften ein- 47 schließlich der Auflassung und der Eintragung im Grundbuch.17
b) Übertragung von Rechten Der Bestimmtheitsgrundsatz gilt auch für die Übertragung von Rechten. Auch sie 48 müssen also so konkret bezeichnet werden, dass sie klar abgrenzbar sind.18 Isolierte Rechte eines Unternehmens können grundsätzlich ohne die Zustim- 49 mung des jeweiligen Schuldners übertragen werden.19 Sind Forderungen jedoch zur Sicherung abgetreten, können sie nur mit Zustimmung des jeweiligen Forderungsinhabers erworben werden. Rechte können anders als Sachen grundsätzlich nicht gutgläubig erworben werden. Ausnahmen gibt es dann, wenn die Rechte verbrieft sind.
c) Verpflichtungen Zumindest dann, wenn ein Unternehmen als Ganzes übertragen werden soll, müs- 50 sen neben den Rechten auch die Verpflichtungen eines Unternehmens übertragen werden. Problemlos ist der Eintritt des Käufers in Verpflichtungen des Verkäufers.
_____ 17 Vgl. Rn 196. 18 Vgl. MünchKomm-BGB/Roth, § 398 Rn 67. 19 Ausnahmen gelten bei vereinbarten Zustimmungserfordernissen sowie bei konkurrierenden Ansprüchen, BGH, Urt. v. 9.12.1998, XII ZR 170/96, NJW 1999, 715.
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Hierfür reicht eine Vereinbarung zwischen Käufer und Verkäufer. Dem Verkäufer jedoch genügt nicht der bloße Eintritt des Käufers in bestehende Verpflichtungen. Für ihn ist es von entscheidender Bedeutung, mit dem Eintritt des Käufers selbst aus diesen Verpflichtungen auszuscheiden. Eine für den Verkäufer schuldbefreiende Übernahme einer Verbindlichkeit 51 bedarf stets der Zustimmung des jeweiligen Gläubigers.20 Für den Fall, dass der Gläubiger seine Zustimmung nicht erteilt, wird der Verkäufer eine Regelung verlangen, nach der der Käufer ihn für diesen Fall von einer Inanspruchnahme durch den Gläubiger freistellt. Bei ungewissen Verbindlichkeiten drängen Käufer auf Höchstbeträge für die Schuldübernahme. Derartige Höchstbeträge können sich beispielsweise an der Höhe gebildeter Rückstellungen orientieren. Häufig werden Verbindlichkeiten zeitlich abgegrenzt.21 Verbindlichkeiten, die 52 bis zu einem bestimmten Zeitpunkt rechtlich entstanden oder zumindest wirtschaftlich verursacht wurden, sind dann vom Käufer zu übernehmen. Andere Verbindlichkeiten verbleiben beim Verkäufer. 3 Praxistipp Der Umfang bestehender oder künftig entstehender Verpflichtungen ist selten eindeutig. Häufig sind Verpflichtungen eines Unternehmens nicht aus den Geschäftsunterlagen erkenntlich. Dritten können Ansprüche zustehen, die sie noch nicht geltend gemacht haben. Schadensersatzansprüche können auf einem Verhalten eines Unternehmens in der Vergangenheit beruhen. Wenn Schäden aus solchen Handlungen erst nach der Abwicklung eines Unternehmenskaufs entstehen, sind sie zum Zeitpunkt der Durchführung der Transaktion naturgemäß noch nicht absehbar oder zumindest nicht in voller Höhe zu übersehen.
d) Dauerschuldverhältnisse 53 Bei jedem Unternehmen bestehen Dauerschuldverhältnisse, etwa Miet-, Leasing-,
Wartungs-, Arbeits- oder Beratungsverträge.22 Je nach Geschäftsmodell können gerade bestehende Dauerschuldverhältnisse den Wert eines Unternehmens ausmachen, beispielsweise in Form von Kunden- oder Lieferantenverträgen. Dauerschuldverhältnisse regeln nicht nur einzelne Rechte oder Verpflichtungen, sondern eine ganze Reihe wechselseitiger Ansprüche. Die Rechte und Pflichten werden nicht nur punktuell begründet. Die Verträge haben vielmehr eine bestimmte Laufzeit oder werden unbefristet geschlossen.
_____ 20 Vgl. MünchKomm-BGB/Bydlinski, § 415 Rn 6 ff. 21 Vgl. Hettler/Stratz/Hörtnagel/Lips/Stratz/Rudo, § 4 Rn 506 ff. 22 Zum Begriff des Dauerschuldverhältnisses vgl. BeckOK-BGB/Sutschet, § 241 Rn 27 ff.
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aa) Spezialgesetzliche Regelungen Für einige wenige gesetzlich geregelte Typen von Dauerschuldverhältnissen gibt 54 es gesetzliche Vorschriften über die Übertragung dieser Verträge. Dazu gehören beispielsweise Mietverträge über Wohnraum (§§ 563 ff. BGB) oder Arbeitsverträge (§ 613a BGB).23
bb) Schuldrechtliche Übertragung In der Regel ist die Übertragung von Dauerschuldverhältnissen nicht besonders ge- 55 regelt. Der Unternehmenskaufvertrag kann naturgemäß nur die Vereinbarung zwischen Käufer und Verkäufer als den beteiligten Parteien enthalten. Für die Wirksamkeit der Übertragung zwingend erforderlich ist jedoch darüber hinaus stets die Zustimmung aller weiteren an dem betroffenen Vertragsverhältnis beteiligten Parteien.24 Kaufverträge über einen Asset Deal regeln die Zusammenarbeit zwischen den 56 Parteien bei der Einholung der für die Übertragung von Vertragsverhältnissen erforderlichen Zustimmungen Dritter. Für den Fall, dass die Zustimmung des Dritten nicht erlangt werden kann, stellen sich die Parteien im Innenverhältnis so, als hätte der Dritte die Zustimmung erteilt und als wäre der Vertrag wirksam übergegangen. Der Verkäufer bleibt im Außenverhältnis Vertragspartner. Er muss jedoch den Weisungen des Käufers über die Ausübung von Rechten aus den Vertragsverhältnissen Folge leisten. Im Gegenzug stellt der Käufer den Verkäufer von einer Haftung frei. Der Käufer wird im Innenverhältnis alle Verpflichtungen aus dem Vertrag erfüllen. Der Verkäufer wird alle aus dem Vertrag erlangten Vorteile an den Käufer weiterleiten. Die Regelungen über Kooperations-, Zahlungs- und Freistellungsverpflichtun- 57 gen müssen für jeden einzelnen Fall maßgeschneidert werden. Eine sehr einfache Formulierung für eine Regelung der Zusammenarbeit der Parteien bei der Einholung der Zustimmung Dritter und der Regelung eines Ausgleichs im Innenverhältnis könnte beispielsweise lauten: Muster Kooperation und Innenausgleich 5 „Nach Abschluss dieses Vertrags werden sich die Parteien unverzüglich gemeinsam um die zur Übertragung der übernommenen Vertragsverhältnisse erforderlichen Zustimmungen der jeweiligen anderen Vertragspartei bemühen. Soweit die Zustimmungen nicht vor dem Vollzugstag eingeholt werden können, bleibt der Verkäufer im Außenverhältnis Partei der betroffenen Vertragsverhältnisse. Die Parteien werden sich im Innenverhältnis jedoch so stellen, als wäre der betreffende Vertrag am Vollzugstag wirksam übertragen worden. Insbesondere (i) holt der Verkäufer die Weisungen
_____ 23 Vgl. Kap. 12 Rn 3 ff. 24 Vgl. MünchKomm-BGB/Bydlinski, § 415 Rn 6 ff.
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des Käufers hinsichtlich der Ausübung von Rechten aus diesen Vertragsverhältnissen ein, (ii) stellt der Käufer den Verkäufer von jeglicher Haftung aus diesen Vertragsverhältnissen frei, (iii) erfüllt der Käufer im Innenverhältnis alle Verpflichtungen aus diesen Vertragsverhältnissen, (iv) leitet der Verkäufer alle aus den Vertragsverhältnissen erlangten Vorteile unverzüglich und vollständig an den Käufer weiter und (v) wenden die Parteien bei der Erfüllung dieser Pflichten die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns an.“
cc) Vertragsspaltung 58 Insbesondere wenn der Verkäufer nicht sein gesamtes Unternehmen, sondern nur
einen Teil davon verkaufen möchte, kann es Verträge geben, die sich sowohl auf den verkauften Geschäftsbereich als auch auf beim Verkäufer verbleibende Geschäftsbereiche beziehen. Solche Verträge können nicht einfach auf den Käufer übertragen werden, weil möglicherweise auch der Verkäufer weiterhin auf die Vertragsbeziehung angewiesen ist. In diesem Fall kann eine sogenannte Vertragsspaltung erforderlich werden. Eine einfache Formulierung für eine Vertragsspaltung könnte sein: 59
5 Muster Vertragsspaltung „Nicht zu den übernommenen Vertragsverhältnissen gehören die in Anlage ... aufgeführten Verträge, die sich überwiegend auf den Bereich ..., jedoch auch auf die anderen Geschäftsbereiche des Verkäufers beziehen. Nach Closing werden sich die Parteien in gutem Glauben darum bemühen, mit dem jeweiligen Vertragspartner eine Vereinbarung über die Aufspaltung der in Anlage ... aufgeführten Verträge mit Wirkung zum Closing zu erzielen. Die den Geschäftsbereich ... betreffenden Teile sollen zu unveränderten Bedingungen auf den Käufer übertragen werden und die andere Geschäftsbereiche des Verkäufers betreffenden Teile sollen beim Verkäufer verbleiben. Kann mit dem jeweiligen Vertragspartner hierüber keine Verständigung erzielt werden, werden sich die Parteien im Innenverhältnis so stellen, als wären die betreffenden Vertragsteile bei Closing wirksam auf den Käufer übertragen worden.“
Interessen des Käufers 60 Die dargestellte Lösung ist aus Sicht des Käufers insbesondere dann unbefriedi-
gend, wenn einzelne Verträge für die Fortführung des Geschäfts von entscheidender Bedeutung sind. Je nach der Bedeutung der betroffenen Verträge könnte der Käufer auf eine differenzierte Regelung drängen. Sind bestimmte Verträge für den Käufer unverzichtbar, so wird er möglicher61 weise einen Kaufvertrag erst dann unterzeichnen, wenn die Zustimmung des jeweiligen Dritten zur Übertragung des Vertrags bereits vor Unterzeichnung des Unternehmenskaufvertrags vorliegt. Alternativ oder zusätzlich kann sich der Käufer mit Blick auf andere wesentliche 62 Verträge den Rücktritt vom Unternehmenskaufvertrag vorbehalten.
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Eine weitere Möglichkeit ist es, bestimmte Verträge im Unternehmenskaufver- 63 trag zu bewerten und den Kaufpreis für den Fall entsprechend zu reduzieren, dass ein Dritter der Übertragung des Vertrags nicht zustimmt. Für weniger wichtige Verträge kann es dann bei den beschriebenen Regelungen über einen Ausgleich im Innenverhältnis bleiben.
Interessen des Verkäufers Der Verkäufer hingegen wird versuchen, das Risiko, dass die Zustimmung Dritter zu 64 einer Überleitung von Verträgen nicht erlangt werden kann, möglichst vollständig auf den Käufer zu verlagern. Er wird argumentieren, dass der Grund für die Verweigerung der Zustimmung des Dritten ja gerade in der Person des Käufers liegt. Diesen Umstand kann der Verkäufer jedoch nicht beeinflussen. Die Einholung der Zustimmung bereits vor Vertragsschluss kann insbesondere 65 wegen des Bedürfnisses nach Vertraulichkeit schwierig sein. Rücktrittsrechte des Käufers verringern stets ganz erheblich die Transaktionssicherheit. In jeden Fall wird der Verkäufer versuchen, seine Mitwirkungspflichten zeitlich zu begrenzen.
e) Immaterialgüterrechte Die Übertragung von Immaterialgüterrechten unterliegt häufig besonderen Ein- 66 schränkungen und Formerfordernissen. Im Folgenden kann nur ein grober Überblick über die Anforderungen der wichtigsten Immaterialgüterrechte gegeben werden.
aa) Firma Die Firma, also der Name eines Unternehmens, kann gemäß § 23 HGB nicht ohne 67 das Handelsgeschäft übertragen werden, für welches sie geführt wird.25 Eine Übertragung der Firma ist daher nur dann möglich, wenn ein Unternehmen im Wesentlichen insgesamt übertragen wird.
bb) Marke Marken können gemäß § 27 Abs. 1 MarkenG übertragen werden. Die Übertragung ist 68 formlos möglich. Sie kann daher unmittelbar im Unternehmenskaufvertrag vereinbart werden. Der Gegenstand der Abtretung muss klar bestimmt oder zumindest bestimmbar sein.26 Der Kaufvertrag sollte die Parteien dazu verpflichten, an einer
_____ 25 BGH, Urt. v. 22.11.1990, I ZR 14/89, DB 1991, 590. 26 Vgl. Ingerl/Rohnke, § 27 Rn 7 ff. m.w.N.
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Eintragung des Übergangs der Marke im Markenregister mitzuwirken. Die Eintragung im Markenregister hat für die Übertragung zwar lediglich deklaratorische und keine konstitutive Bedeutung.27 Gemäß § 28 Abs. 1 MarkenG besteht jedoch die gesetzliche Vermutung, dass die Rechte aus einer Marke demjenigen zustehen, der als Inhaber im Register eingetragen ist.
cc) Patente 69 Die Übertragung von Patenten ist gemäß § 15 Abs. 1 PatG möglich. Die Übertragung ist formlos möglich. Allerdings bedarf die Übertragung europäischer Patentanmeldungen der Schriftform.28 Der Käufer sollte auf die Umschreibung der Inhaberschaft im Patentregister gemäß § 30 Abs. 3 PatG achten. Allerdings ist die Umschreibung wiederum nur deklaratorisch und nicht konstitutiv.29 Einen gutgläubigen Erwerb von Patenten gibt es nicht. Das Patent kann nur von dem wahren Berechtigten übertragen werden, auch dann, wenn er nicht im Register als solcher eingetragen ist.
dd) Urheberrechte 70 Urheberrechte sind gemäß § 29 Abs. 2 UrhG nicht übertragbar. Die Praxis behilft
sich mit der Übertragung einfacher oder ausschließlicher Nutzungsrechte an Urheberrechten. Die Übertragung solcher Nutzungsrechte ist formfrei möglich. Die Übertragung des Nutzungsrechts an einem fremden Urheberrecht gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 UrhG erfordert grundsätzlich die Zustimmung des Urhebers. Allerdings entfällt dieses Zustimmungserfordernis gemäß § 34 Abs. 3 UrhG im Falle der Veräußerung eines Unternehmens oder eines Unternehmensteils. Als Teil eines Unternehmens gilt dabei nicht nur der rechtlich, sondern auch der fachlich abgrenzbare Teil. Allerdings hat der Urheber gemäß § 34 Abs. 5 UrhG ein Rückrufsrecht, wenn ihm die Ausübung des Nutzungsrechts durch den Unternehmenskäufer nicht zuzumuten ist.
ee) Know-how 71 Unter dem Know-how eines Unternehmens versteht man nicht durch Schutzrechte
gesichertes Erfahrungswissen auf technischem und betriebswirtschaftlichem Gebiet.30 Häufig kann gerade das Know-how den Wert eines Unternehmens darstellen.
_____ 27 28 29 30
Vgl. Fezer, § 55 MarkenG Rn 17. Artikel 72 des Europäischen Patentübereinkommens. Vgl. Mes, § 30 PatG Rn 18. Vgl. Pfaff/Osterrieth/Osterrieth, Teil B. I. Rn 53 ff.
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Das Know-how ist nicht zwingend verkörpert, was die Sicherstellung der Überleitung des Know-hows erschwert. Der Käufer wird auf eine möglichst weitgehende Dokumentierung des Know-hows drängen. Allerdings wird dies meist nicht vollständig möglich sein. Träger des Know-hows sind meist die Mitarbeiter des verkauften Unternehmens.31 Wichtig sind daher Vereinbarungen über die Mitwirkung des Verkäufers bei der Überleitung des Know-hows.
ff) Weitere Immaterialgüterrechte Weitere Immaterialgüterrechte, an deren Übertragung zu denken ist, können ohne 72 Anspruch auf Vollständigkeit beispielsweise Geschmacksmuster, Designrechte, Sortenschutzrechte oder Internet-Domains sein.
f) Öffentlich-rechtliche Genehmigungen Öffentlich-rechtliche Genehmigungen können entweder sach- oder anlagenbezo- 73 gen oder aber personenbezogen sein.
aa) Sachbezogene Erlaubnisse Sach- oder anlagenbezogene Erlaubnisse werden im Hinblick auf ihren Gegen- 74 stand erteilt. Ein typisches Beispiel ist die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zu der Errichtung oder dem Betrieb umweltverschmutzender Anlagen gemäß § 4 BImSchG. Solche Erlaubnisse sind unabhängig von Personen und gehen grundsätzlich mit einem Betrieb als organisatorischer Einheit über. Allerdings kann das Gesetz oder die einzelne Genehmigung bestimmte Anzeigepflichten enthalten oder die Übertragung von der Zustimmung von Behörden abhängig machen. Eine genaue Prüfung aller für den Betrieb des Unternehmens erforderlichen sachbezogenen Erlaubnisse ist daher unverzichtbar.
bb) Personenbezogene Erlaubnisse Personenbezogene Erlaubnisse sind nicht an den Betrieb, sondern an bestimmte 75 Personen gebunden. Beispiele sind die Bankerlaubnis nach § 32 KWG oder die Genehmigung für den Betrieb eines Luftfahrtunternehmens gemäß § 20 LuftVG. Da personenbezogene Erlaubnisse nicht gemeinsam mit dem Betrieb übertragen werden können, müssen sie vom Käufer neu beschafft werden. Dies liegt in der Regel in der ausschließlichen Verantwortung des Käufers.
_____ 31 Vgl. Immenga/Mestmäcker/Fuchs EU, TT-GVO Art. 1 Rn 65.
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C. Erfordernis eines vertraglichen Haftungssystems C. Erfordernis eines vertraglichen Haftungssystems I. Rechtlicher Rahmen 76 Der Kauf ist in der Praxis eines der häufigsten Rechtsgeschäfte überhaupt. Egal,
ob ein Kaufvertrag über Frühstücksbrötchen, Autos oder Wohnhäuser geschlossen wird, folgt er im Grundsatz stets den gleichen Regeln. Ohne besondere Vereinbarung gälte dies auch für den Unternehmenskauf. Ein Unternehmen kann, wie jede andere Sache auch, mangelhaft sein.32 Das 77 Gesetz bietet hierfür Gewährleistungsvorschriften, die dem Grunde nach in gleicher Weise auf alle Kaufgegenstände anwendbar sind. Ein Unternehmen als komplexes Gebilde von Rechten und Pflichten und vielfältigen Rechtsverhältnissen lässt sich jedoch nicht sinnvoll ausschließlich unter normalen kaufrechtlichen Gesichtspunkten betrachten. In der Praxis ist es daher unverzichtbar, die gesetzlichen Gewährleistungs78 vorschriften auszuschließen. An ihrer Stelle vereinbaren die Parteien ein maßgeschneidertes Haftungssystem, das auf die Besonderheiten des verkauften Unternehmens und die konkreten Interessen der Parteien abgestimmt ist. Ein kurzer Blick auf das gesetzliche Haftungssystem ist für das Verständnis der Vertragsgestaltung eines Unternehmenskaufvertrags dennoch unerlässlich.
II. Gesetzliches Haftungssystem 1. Anspruchsgrundlagen im Kaufrecht 79 Kaufrechtliche Ansprüche des Käufers eines Unternehmens setzen voraus, dass ein
Unternehmen einen Sachmangel im Sinne des § 434 BGB oder einen Rechtsmangel im Sinne des § 435 BGB hat.
a) Sachmängel 80 Nach der gesetzlichen Definition des § 434 BGB hat eine Kaufsache dann einen
Sachmangel, wenn sie bei Gefahrübergang nicht die vereinbarte Beschaffenheit hat. Grundlage der gesetzlichen Sachmangelgewährleistung ist daher die Beschaffenheit. Vereinbaren die Parteien nicht, welche Beschaffenheit ein Unternehmen haben soll, ist es nach dem Gesetzeswortlaut dann frei von Sachmängeln, wenn es sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, und wenn es sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist,
_____ 32 Vgl. Beisel/Klumpp/Beisel, Kap. 16 Rn 1 ff.
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die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.33 Beim Kauf von Frühstücksbrötchen und Auto funktioniert dieser Ansatz in der 81 Praxis gut. Wann sich jedoch ein Unternehmen für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, oder wann sich ein Unternehmen für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei gleichartigen Unternehmen üblich ist, ist in der Praxis nicht verlässlich zu beantworten. Die Anwendung der gesetzlichen Sachmängelgewährleistungsvorschriften eröffnet daher breiten Spielraum für Diskussionen, ob ein Unternehmen die erwartete Beschaffenheit hat oder nicht. Ein Streit ist geradezu vorprogrammiert. Vermeiden lässt sich dies nur durch den Ausschluss der gesetzlichen Gewährleistungsbestimmungen.
b) Rechtsmängel Gemäß § 435 BGB ist eine Sache frei von Rechtsmängeln, wenn Dritte in Bezug auf 82 die Sache keine oder nur die im Kaufvertrag übernommenen Rechte gegen den Käufer geltend machen können. Rechtsmängel können etwa an den verkauften Gesellschaftsbeteiligungen bestehen. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn die Anteile verpfändet oder belastet waren oder bei Kapitalgesellschaften noch Einlagen auf den Anteil ausstehen. Daneben können sich Rechtsmängel auf einzelne Vermögensgegenstände oder auf ein Unternehmen insgesamt beziehen. Rechtsmängel, die sich auf das Unternehmen insgesamt beziehen, können beispielsweise öffentlich-rechtliche Verbote oder gewerbliche Schutzrechte34 sein, die der Geschäftstätigkeit des Unternehmens entgegenstehen.
2. Weitere gesetzliche Ansprüche Gemäß § 280 BGB kann die Verletzung vertraglicher Nebenpflichten Schadens- 83 ersatzforderungen nach sich ziehen. Anknüpfungspunkt in der Praxis ist hier vor allem die Behauptung der Verletzung von Offenlegungspflichten.35 Im Verlauf des Prozesses über den Erwerb eines Unternehmens werden vielfältige Unterlagen ausgetauscht und Gespräche auf unterschiedlichen Ebenen geführt. Nach dem Rechtsinstitut der culpa in contrahendo (c.i.c.), auch als Verschulden bei Vertragsverhandlungen bezeichnet, kann der Verkäufer verpflichtet sein, dem Käufer bestimmte Informationen offen zu legen. Auch wenn dieses Rechtsinstitut seit der Schuldrechtsreform 2002 nunmehr ausdrücklich in § 311 BGB geregelt ist, ist sein Anwendungsbereich unscharf. Welche Informationen offengelegt werden müs-
_____ 33 Zu Einzelheiten des Sachmangelbegriffs vgl. MünchKomm-BGB/Westermann, § 434 Rn 6 ff. 34 Vgl. MünchKomm-BGB/Westermann, § 453 Rn 30. 35 Vgl. Hübner, BB 2010, 1483, 1485 ff.
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sen, bestimmt sich stets nach den Umständen des Einzelfalls.36 Es lässt sich trefflich darüber streiten, welche Informationen etwa zu welchem Zeitpunkt hätten gewährt werden müssen. Um Unsicherheiten für alle Beteiligten auszuschließen, sollten daher auch An84 sprüche aus der Verletzung von Nebenpflichten ausgeschlossen werden. Wenn sich die Parteien im Einzelfall auf bestimmte Pflichten der Parteien verständigt haben, sollten sie sowohl die Pflichten selbst als auch die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen diese Pflichten eindeutig im Kaufvertrag niederschreiben. Weitere Beispiele für Nebenpflichten können Mitwirkungspflichten, etwa bei 85 der Erlangung der Zustimmung Dritter für die Übertragung von Vertragsverhältnissen37 oder die Verletzung von Vertraulichkeitspflichten sein. Schadensersatzansprüche können sich auch aus der Verletzung der Vorschrif86 ten über unerlaubte Handlungen gemäß §§ 823 ff. BGB ergeben.
3. Rechtsfolgen der gesetzlichen Gewährleistung 87 Ist ein Unternehmen im Sinne des gesetzlichen Gewährleistungssystems mangelhaft, stehen dem Käufer die in § 437 BGB geregelten Gewährleistungsansprüche zu.38 Danach kann der Käufer Nacherfüllung verlangen, vom Vertrag zurücktreten oder den Kaufpreis mindern oder Schadensersatz oder den Ersatz vergeblicher Aufwendungen verlangen.39
a) Nacherfüllung 88 Gemäß § 439 BGB kann ein Käufer als Nacherfüllung nach seiner Wahl die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen. Die Neulieferung einer mangelfreien Sache ist als Rechtsfolge eines Gewährleistungsfalls beim Unternehmenskauf ausgeschlossen, weil ein Unternehmen als solches einzigartig ist. Es ist daher nicht möglich, ein anderes, mangelfreies Unternehmen anstelle des mangelhaften Unternehmens zu liefern.40 Sind lediglich einzelne Gegenstände mangelhaft, kommt die Lieferung einer 89 mangelfreien Sache jedoch durchaus in Betracht. Gemäß § 275 Abs. 2 BGB kann die Nacherfüllung verweigert werden, wenn sie in einem groben Missverhältnis zum Leistungsinteresse des Käufers steht. Gemäß § 275 Abs. 3 BGB kann der Verkäufer
_____ 36 Vgl. Möller, NZG 2012, 841, 842 ff. 37 Vgl. dazu Rn 53 ff. 38 BGH, Urt. v. 7.1.1970, I ZR 99/68, NJW 1970, 556. 39 Zu den durch die Schuldrechtsreform herbeigeführten Änderungen der Rechtsfolgen von Mängeln vgl. Knott, NZG 2002, 249, 252 ff. 40 Vgl. Beisel/Klumpp/Beisel, Kap. 16 Rn 26.
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die Nacherfüllung zudem dann verweigern, wenn ihm dies unzumutbar ist. Schließlich kann der Verkäufer die Nacherfüllung gemäß § 439 Abs. 3 BGB verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist.41 Es ist offensichtlich, dass die Nacherfüllung keine taugliche Rechtsfolge bei Mängeln eines Unternehmens ist. Es lässt sich nur schwer ermitteln, was im Einzelfall unzumutbar ist oder was ein grobes Missverhältnis darstellt. Die Parteien eines Unternehmenskaufvertrags sind jedoch auf die Formulierung eindeutiger Rechtsfolgen im Falle von Mängeln angewiesen.
b) Rücktritt Der Käufer hat gemäß § 440 BGB ein Rücktrittsrecht, wenn die Nacherfüllung unmöglich, fehlgeschlagen oder dem Käufer unzumutbar ist oder vom Verkäufer verweigert wird. In der Praxis wäre der Rücktritt von einem Unternehmenskaufvertrag in der Regel schlicht ein Desaster.42 Anders als bei einem Gebrauchsgegenstand kann bei einem Unternehmen nicht davon ausgegangen werden, dass es sich im Zeitablauf, vom normalen Verschleiß abgesehen, nicht wesentlich verändert. Ein Unternehmen ist ein lebendes Gebilde, das laufend neue Produkte entwickelt, neue Kunden akquiriert, alte Kunden verliert und der steten Fluktuation von Mitarbeitern unterliegt. Schon nach kurzer Zeit kann sich der Zustand eines Unternehmens verbessern oder verschlechtern. In jedem Fall wird sich das Unternehmen laufend verändern. Hinzu kommt, dass der bloße Umstand des Verkaufs eines Unternehmens erhebliche Auswirkungen auf Kunden, Lieferanten, Mitarbeiter und andere Interessengruppen hat. Die bloße Rückabwicklung eines Unternehmenskaufs wird daher nahezu nie eine interessengerechte Lösung sein. Selbst wenn zwischen Verkauf und Rückabwicklung nur wenig Zeit liegt, wird sich der Wert des Unternehmens allein durch die Außenwahrnehmung der gescheiterten Transaktion typischerweise verringert haben. Ist eine Rückabwicklung der Transaktion unmöglich, etwa weil das erworbene Unternehmen bereits vollständig in die Unternehmensgruppe des Erwerbers integriert wurde,43 kann der Verkäufer gemäß § 346 Abs. 2 BGB Wertersatz verlangen. Die Ermittlung eines „objektiven Unternehmenswerts“ zu einem bestimmten Zeitpunkt ist jedoch mit großen Unsicherheiten behaftet und kann schnell in eine jahrelange Gutachterschlacht münden.
_____ 41 Zur Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung beim Unternehmenskauf vgl. Beisel/Klumpp/ Beisel, Kap. 16 Rn 33. 42 Vgl. Knott, NZG 2002, 249, 253. 43 Zu weiteren Fallgruppen der Unmöglichkeit der Rückabwicklung vgl. BGH, Urt. v. 5.7.2006, VIII ZR 172/05, NJW 2006, 2847; BGH, Urt. v. 14.1.2002, II ZR 354/99, NJW 2002, 1340.
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c) Minderung 94 Steht dem Käufer ein Rücktrittsrecht zu, kann er gemäß § 441 BGB statt des Rück-
tritts auch die Minderung, also die Herabsetzung des Kaufpreises, verlangen. Er kann den Kaufpreis um die Differenz zwischen dem tatsächlichen Wert des Unternehmens und dem Wert, den es ohne den Mangel zur Zeit des Vertragsschlusses gehabt hätte, reduzieren.44 Das Problem der Bestimmung eines objektiven Unternehmenswerts stellt 95 sich hier also gleich zweimal. Zum einen muss der Käufer den objektiven Wert mit dem Mangel nachweisen. Zudem muss er den fiktiven objektiven Wert darlegen, den das Unternehmen gehabt hätte, wenn es bei Vertragsschluss mangelfrei gewesen wäre. Auch diese Rechtsfolge ist für den Unternehmenskauf daher nicht praktikabel.
d) Schadensersatz 96 Sach- oder Rechtsmängel muss der Verkäufer vertreten, wenn ihn Vorsatz oder
zumindest Fahrlässigkeit trifft. Ist dies der Fall, kann der Käufer gemäß § 281 BGB Schadensersatz statt der Leistung verlangen. Grundsätzlich muss dem Verkäufer zunächst eine Frist zur Nachbesserung gesetzt werden. Der Käufer kann zwischen dem sogenannten großen Schadensersatz und dem sogenannten kleinen Schadensersatz wählen. Der große Schadensersatz setzt gemäß § 281 Abs. 1 Satz 3 BGB voraus, dass die 97 Pflichtverletzung des Verkäufers nicht unerheblich ist. Der Käufer kann dann die Rückabwicklung des gesamten Vertrags gemäß §§ 346 ff. BGB verlangen. Letztlich kommt es zur gleichen Rechtsfolge wie beim Rücktritt. Der Käufer muss das Unternehmen zurückgeben. Dafür kann er Wertersatz verlangen. Auch hier stellen sich die gleichen Probleme wie beim Rücktritt.45 Beim kleinen Schadensersatz hingegen kann der Käufer den Ersatz eines ihm 98 entstandenen Schadens verlangen. Der Rechtsfolge nach ist der kleine Schadensersatz beim Unternehmenskauf durchaus interessengerecht. Auch im vertraglichen Haftungsregime ist der Schadensersatz in aller Regel die vereinbarte Rechtsfolge.46 Allerdings gelten nach der gesetzlichen Regelung nicht die üblicherweise zwischen den Parteien eines Unternehmenskaufvertrags vereinbarten Haftungsbeschränkungen.47
_____ 44 45 46 47
Vgl. Beisel/Klumpp/Beisel, Kap. 16 Rn 37 f. Vgl. dazu Rn 90 ff. Vgl. dazu Rn 87. Vgl. dazu Rn 150 ff.
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III. Schlussfolgerungen für die Transaktionspraxis Das System der gesetzlichen Gewährleistungsansprüche ist für die Praxis des 99 Unternehmenskaufs vollständig ungeeignet. Die gesetzliche Sachmängelhaftung orientiert sich an der Beschaffenheit eines Unternehmens. Dieser unbestimmte Rechtsbegriff ist für die Zwecke eines Unternehmenskaufs jedoch viel zu unklar und damit unbrauchbar. Wie ein Unternehmen beschaffen sein muss, beurteilt sich stets aus der Sicht des Betrachters. Erforderlich ist daher eine klare Vereinbarung der Parteien über den Zustand, in dem sich das verkaufte Unternehmen befinden soll. Auch die Rechtsfolgen der gesetzlichen Gewährleistung entsprechen nicht den 100 Interessen der Parteien. Insbesondere ein drohender Rücktritt kann für das Unternehmen selbst ebenso wie für die beteiligten Parteien erhebliche Nachteile mit sich bringen. Aus diesen Gründen gehört es zur best practice eines Unternehmenskaufs, das 101 gesetzliche Gewährleistungssystem so weit wie möglich auszuschließen, um dann ein für den konkreten Fall maßgeschneidertes vertragliches Gewährleistungskonzept zu entwickeln.
D. Gestaltung eines vertraglichen Haftungssystems D. Gestaltung eines vertraglichen Haftungssystems I. Grundstruktur von Garantieversprechen 1. Selbstständige Garantieversprechen Systematisch sind Garantien im Unternehmenskaufvertrag als selbstständige Ga- 102 rantieversprechen gemäß § 311 BGB ausgestaltet.48 Der Verkäufer erklärt gegenüber dem Käufer ausdrücklich in der Form eines selbstständigen Garantieversprechens, dass bestimmte im Kaufvertrag enthaltene Aussagen zutreffend sind.49 Es empfiehlt sich die Klarstellung, dass sich die Parteien darüber einig sind, dass die Garantieversprechen weder Beschaffenheitsvereinbarungen im Sinne des § 434 Abs. 1 BGB noch Garantien für die Beschaffenheit der Sache im Sinne der §§ 443, 444 BGB darstellen.50
_____ 48 Vgl. Michalski/Heidinger/Leible/Schmidt/Ebbing, § 15 GmbHG Rn 182. 49 Zum Begriff der selbständigen Garantie vgl. BGH, Urt. v. 10.2.1999, VIII ZR 70/98, NJW 1999, 1542. 50 Zur Frage der Zulässigkeit der Vereinbarung von Haftungsbeschränkungen für den Fall der Verletzung von Garantieversprechen vgl. die Vorauflage Kap. 7 Rn 103 ff. Die Praxis geht davon aus, dass § 444 BGB derartigen Beschränkungen nicht entgegensteht, vgl. Nerlich/Krepin/Tautorus/Janner, § 20 Rn 78.
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Diese Systematik ermöglicht eine genaue Beschreibung der Annahmen, die der Käufer seiner Kaufpreisberechnung zugrunde gelegt hat.51 Der Verkäufer steht für die Richtigkeit der von ihm abgegebenen Garantieversprechen ein, ohne dass es darauf ankäme, ob er eine möglicherweise falsche Garantieaussage verschuldet, ob ihm also Vorsatz oder Fahrlässigkeit zur Last zu legen ist.52 Bei der Regelung von Garantieversprechen kommt es nicht darauf an, ob der Verkäufer etwas falsch gemacht hat. Vielmehr geht es um eine Abgrenzung von Risiken.
2. Informationsdivergenz 104 Ein wichtiger Gesichtspunkt im Rahmen der Risikoabgrenzung ist eine typischer-
weise beim Unternehmenskauf bestehende Informationsdivergenz.53 Zumindest theoretisch hat der Verkäufer das Unternehmen in der Vergangenheit geführt und weiß daher, in welchem Zustand sich das Unternehmen aktuell befindet. Zumindest hätte er unbeschränkte Informationsrechte und damit die Möglichkeit gehabt, sich diese Kenntnis zu verschaffen. Der Käufer hingegen muss sich auf die Informationen verlassen, die ihm der Verkäufer zur Verfügung gestellt hat. Selbst im Rahmen einer umfassenden Due Diligence wird der Käufer hingegen 105 letztlich nur eine eingeschränkte Einschätzung über das Zielobjekt erlangen können. Zum einen ist es für den Käufer im Zuge der Due Diligence schwierig, einzelne erhaltene Informationen zueinander in Verbindung zu setzen. Zum anderen will der Käufer möglichst sicherstellen, dass er alle zur Bewertung des Unternehmens erforderlichen Informationen auch tatsächlich und vollständig erhalten hat. In der Praxis kann der Informationsstand über das Unternehmen bei den Be106 teiligten einer Transaktion sehr unterschiedlich sein. So hat etwa ein Finanzinvestor oder ein Konzern, der eine kleinere Tochtergesellschaft oder einen kleineren Teil seiner Geschäftstätigkeit veräußert, häufig nur beschränkte Kenntnisse über Einzelheiten des verkauften Unternehmens. Umgekehrt mag ein Alleingesellschafter einer Zielgesellschaft, der das Unternehmen selbst führt, möglicherweise umfassend über die Produkte und die Kundenbeziehungen informiert sein. Die rechtlichen Verhältnisse seines Unternehmens mag er jedoch vielleicht vernachlässigt haben, so dass ein Käufer, gerüstet mit den Prüfungsergebnissen seiner rechtlichen Berater, insoweit sogar einen Informationsvorsprung vor dem Verkäufer haben kann.
_____ 51 Vgl. dazu Kap. 3. 52 BGH, Urt. v. 10.2.1999, VIII ZR 70/98, NJW 1999, 1542. 53 Oder auch Informationsasymmetrie, vgl. Kap. 3 Rn 7.
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II. Ausschlaggebend ist der Einzelfall Welche Garantien ein Käufer fordern und welche Garantien ein Verkäufer zu geben 107 bereit sein wird, wird immer von der Interessenlage und der Verhandlungsposition der Parteien abhängen. Beispiel 1 Abhängigkeit von betroffener Branche 5 Ist die Zielgesellschaft ein Softwareunternehmen, ist der Bestand eigener Urheberrechte und die Freiheit von Verstößen gegen Urheberrechte Dritter von besonderer Bedeutung. Bei Unternehmen der chemischen Industrie sind Umweltgarantien besonders wichtig. Der Käufer eines Windparks wird absichern wollen, dass der Netzzugang gewährleistet ist und Standort- und Leitungsrechte ausreichend dinglich gesichert sind.
Beispiel 2 Abhängigkeit von Position des Verkäufers 5 Ist der Verkäufer Gründer und alleiniger Gesellschafter sowie der einzige Geschäftsführer der Gesellschaft, wird der Käufer eine umfassende Kenntnis des Verkäufers über die Situation des Unternehmens erwarten und umfangreiche Garantien fordern. Ist der Verkäufer hingegen ein Finanzinvestor, der die Zielgesellschaft erst vor kurzem erworben hat, mag es dem Käufer deutlich schwerer fallen, umfangreiche Garantien durchzusetzen.54
Beispiel 3 Abhängigkeit vom Verfahren 5 Wird ein Unternehmen in einem Auktionsverfahren veräußert, muss ein potentieller Käufer stets bedenken, dass die Forderung nach umfangreichen Garantien sein Angebot im Vergleich zu möglichen Mitbietern unattraktiver macht. Das wird ihn veranlassen, sich auf die Garantien zu beschränken, die er für besonders wichtig hält. Oder aber er wird auf bestimmte Garantien verzichten und das Risiko bei der Berechnung des Kaufpreises berücksichtigen. Allerdings kann natürlich auch und gerade ein niedrigerer Kaufpreis die Attraktivität seines Angebots im Vergleich zu anderen Bietern verringern.
III. Verhältnis zur Due Diligence Die Struktur des Garantienkatalogs steht in engem Zusammenhang mit der Due Di- 108 ligence. Dies gilt vor allem unter drei Gesichtspunkten. Bei allen Unterlagen, die dem Käufer im Due Diligence Prozess zugänglich ge- 109 macht wurden, weiß er natürlich nie, ob die Unterlagen vollständig sind oder ob es zu den abgefragten Themenblöcken noch weitere relevante Informationen gibt. Hierfür will sich der Käufer mit Vollständigkeitsgarantien absichern.55
_____ 54 Vgl. hierzu auch Kap. 14 Rn 41 ff. 55 Kritisch zu generalklauselartigen Garantien aus Verkäufersicht Hettler/Stratz/Hörtnagel/Lips/ Stratz/Rudo, § 4 Rn 121.
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5 Muster Vollständigkeitsgarantie „Anlage ... enthält eine vollständige Aufstellung der von der Zielgesellschaft abgeschlossenen Versicherungen und der diesen Versicherungen zugrundeliegenden Vereinbarungen.“ 110 Manche Umstände kann der Käufer auch anhand der ihm vorgelegten Unterlagen
nur eingeschränkt selbst prüfen. Hier kann er eine Bestandsgarantie mit dem Inhalt fordern, dass sich etwa Gegenstände oder Grundstücke in einem bestimmten Zustand befinden.56 5 Muster Bestandsgarantie „Die in Anlage ... bezeichneten Vermögensgegenstände des Anlagevermögens sind in einwandfreiem Zustand und erlauben es der Zielgesellschaft, ihren Geschäftsbetrieb in Art und Umfang unverändert fortzuführen. Alle Erhaltungsmaßnahmen an diesen Vermögensgegenständen sind rechtzeitig durchgeführt und Investitionen sind nicht aufgeschoben worden.“
111 Schließlich können in der Due Diligence tatsächliche Risiken identifiziert worden
sein, etwa ein noch nicht abgeschlossenes Gerichtsverfahren. Es mag bestimmte Risiken geben, bei denen noch unklar ist, ob sie sich realisieren. Hier kann der Käufer Unsicherheitsgarantien verlangen. Ein typischer Anwendungsfall ist die Bilanzgarantie.57 Hier kann sich der Käufer beispielsweise zusichern lassen, dass die im Jahresabschluss gebildeten Rückstellungen für bestimmte Risiken ausreichend sind. 5 Muster Unsicherheitsgarantie „Die für das Risiko ... im Jahresabschluss gebildete Rückstellung in Höhe von ... ist ausreichend.“
IV. Themenbereich eines Garantiekatalogs 112 Ein Garantiekatalog umfasst jedenfalls die Bereiche, die auch im Rahmen der Due
Diligence geprüft wurden. Dazu gehören ohne den Anspruch auf Vollständigkeit: – Steuerliche Due Diligence58 – Financial Due Diligence59 – Gesellschaftsrecht60
_____ 56 Zu weiteren möglichen Gegenständen von Bestandsgarantien im Rahmen eines Unternehmenskaufvertrags vgl. Saenger/Aderhold/Lenkaitis/Speckmann/Bergjan, § 11 Rn 148. 57 Vgl. Saenger/Aderhold/Lenkaitis/Speckmann/Bergjan, § 11 Rn 149 ff. 58 Vgl. Kap. 8. 59 Vgl. Kap. 6. 60 Vgl. Kap. 7 Rn 7 ff.
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Finanzierung61 Verträge mit verbundenen Unternehmen62 Wichtige Verträge mit Lieferanten und Kunden63 Sonstige wesentliche Verträge Kartellrecht64 Immobilienrechtliche Verhältnisse65 Gewerbliche Schutzrechte66 IT67 Arbeitsrecht68 Öffentliches Recht69 Rechtsstreitigkeiten70 Versicherungen71 Compliance72
Hat die Zielgesellschaft Tochterunternehmen oder Beteiligungen an anderen Un- 113 ternehmen, beziehen sich die Garantieversprechen je nach den Einflussmöglichkeiten der Zielgesellschaft auf die Beteiligungsgesellschaften auch auf diese.
V. Materieller Umfang der Garantien 1. Kenntnis des Verkäufers Mit einem Garantieversprechen sichert der Verkäufer zu, dass bestimmte Aussagen 114 richtig sind. Die Garantien sind verschuldensunabhängig. Ist eine bestimmte Aussage unzutreffend, ist die entsprechende Garantie also auch dann verletzt, wenn der Verkäufer die Unrichtigkeit der Aussage nicht zu vertreten hat, ihm also weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit zur Last zu legen ist.73
_____ 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73
Vgl. Kap. 7 Rn 14 f. Vgl. Kap. 7 Rn 16 f. Vgl. Kap. 7 Rn 29 ff. Vgl. Kap. 7 Rn 28. Vgl. Kap. 7 Rn 46 ff. Vgl. Kap. 7 Rn 38 ff. Vgl. Kap. 7 Rn 34 ff. Vgl. Kap. 7 Rn 19 und Kap. 9. Vgl. Kap. 7 Rn 58 ff. Vgl. Kap. 7 Rn 66 ff. Vgl. Kap. 7 Rn 54 ff. Vgl. Kap. 7 Rn 73 ff. Vgl. Rn 103.
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a) Objektive Garantien 115 Ist nichts weiteres geregelt, stellt eine unzutreffende Garantieaussage auch dann
eine Garantieverletzung dar, wenn der Verkäufer keine Kenntnis davon hatte, dass bestimmte Garantieaussagen nicht richtig waren, oder wenn der Verkäufer bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt im Einzelfall hätte wissen müssen, dass eine Garantieaussage unrichtig ist (fahrlässige Unkenntnis).74 Weil es nicht auf die Kenntnis des Verkäufers ankommt, spricht man von objektiven Garantien.
5 Muster Objektive Garantie „Die Gesellschaft verfügt über die in Anlage ... genannten gewerblichen Schutzrechte.“
116 Häufig wird ein Verkäufer argumentieren, dass er von bestimmten Umständen, für
die ein Käufer Garantieaussagen fordert, keine Kenntnis haben kann. Tatsächlich gibt es Fälle, in denen auch ein Verkäufer, der das verkaufte Unternehmen sehr gut kennt, nicht sicher beurteilen kann, ob bestimmte Aussagen richtig sind. Das gilt insbesondere dann, wenn es um Umstände geht, die zumindest auch in der Sphäre Dritter liegen. 5 Beispiel Der Käufer fordert vom Verkäufer die Aussage, dass keine strafrechtlichen Ermittlungsverfahren im Hinblick auf das verkaufte Unternehmen geführt werden. Weil jedoch die von einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren Betroffenen nicht zwingend von dem Verfahren Kenntnis erlangen müssen, kann der Verkäufer nicht abschließend beurteilen, ob die von ihm geforderte Aussage richtig ist.
117 Selbst wenn es jedoch um Umstände geht, die sich der vollständigen Kenntnis des
Verkäufers entziehen, bedeutet dies nicht zwingend, dass der Verkäufer hierzu keine Garantieaussage treffen kann. Ziel der Garantieversprechen ist es nicht, den Verkäufer für ein irgendwie geartetes Fehlverhalten zu bestrafen. Vielmehr geht es darum, eine angemessene Verteilung der Risiken zu erreichen, die jedem Unternehmen immanent sind. 118 Ein sinnvoller Ansatzpunkt für die Risikoverteilung kann der Gedanke sein, dass diejenige Partei ein Risiko tragen sollte, die „näher dran“ ist. Dies wird in aller Regel der Verkäufer sein, der zumindest die Möglichkeit gehabt hätte, sich ein umfassendes Bild des verkauften Unternehmens zu verschaffen. Der Verkäufer wird gegen dieses Argument einwenden, dass der Käufer ein lebendes Unternehmen erwirbt, das zwangsläufig mit Risiken behaftet ist. So wird er versuchen, Risiken auf den Käufer überzuwälzen.
_____ 74 Vgl. Saenger/Aderhold/Lenkaitis/Speckmann/Bergjan, § 11 Rn 139.
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b) Subjektive Garantien Soll bei der Formulierung bestimmter Garantieversprechen gleichwohl die Kennt- 119 nis des Verkäufers über bestimmte Umstände berücksichtigt werden, können die Garantien durch eine entsprechende Qualifikation als subjektive Garantien, auch als Wissensgarantien bezeichnet, formuliert werden.75 Typische Formulierungen sind „nach Kenntnis des Verkäufers“ oder „nach bestem Wissen des Verkäufers“.
aa) Anforderung an Kenntnis Bei der Formulierung subjektiver Garantien ist es von entscheidender Bedeutung, 120 welche Anforderungen an die Kenntnis des Verkäufers gestellt werden. Die am wenigsten weitreichende Qualifikation einer subjektiven Garantie stellt 121 auf die positive Kenntnis des Verkäufers ab. Hier ist eine Garantie nur dann verletzt, wenn der Verkäufer bei ihrer Abgabe tatsächlich (also positiv) wusste, dass die Aussage unrichtig war.76 Für den Verkäufer ist diese Einschränkung natürlich günstig. Für den Käufer wird es naturgemäß schwierig sein, den Nachweis zu führen, dass der Verkäufer bestimmte Umstände tatsächlich kannte. Dieser Nachweis wird nur im Ausnahmefall gelingen können, etwa wenn der Käufer auf Dokumente stößt, in denen die Kenntnis des Verkäufers dokumentiert ist. Eine weitergehende Qualifikation kann eine Kenntnis des Verkäufers in den 122 Fällen fingieren, in denen er bestimmte Umstände grob fahrlässig oder gar leicht fahrlässig nicht kannte. Ansatzpunkt ist hier also die Frage, ob der Verkäufer von einem bestimmten Umstand Kenntnis gehabt hätte, wenn er einer ihm obliegenden Sorgfaltspflicht in ausreichendem Maße nachgekommen wäre.77 Hier wird man darüber streiten, welche Sorgfaltspflichten ein Verkäufer denn in einer bestimmten Konstellation hatte. Zumindest wird man verlangen müssen, dass er die Geschäftsführung des verkauften Unternehmens befragt hat. Ein Käufer kann nach einem fehlgeschlagenen Unternehmenskauf vielleicht sogar argumentieren, dass der Verkäufer derartige Wissensgarantien nur dann hätte abgeben dürfen, wenn er gerade anlässlich der vereinbarten Transaktion die Richtigkeit einer Aussage besonders überprüft hat, etwa im Wege einer Vendor Due Diligence.78
_____ 75 76 77 78
Vgl. Saenger/Aderhold/Lenkaitis/Speckmann/Bergjan, § 11 Rn 139. Vgl. Saenger/Aderhold/Lenkaitis/Speckmann/Bergjan, § 11 Rn 140. Vgl. Saenger/Aderhold/Lenkaitis/Speckmann/Bergjan, § 11 Rn 140. Vgl. dazu Kap. 5 Rn 4, 7, 66 ff.
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bb) Personenkreis 123 Zudem empfiehlt es sich, den Kreis der Personen zu definieren, deren Kenntnis
dem Verkäufer zugerechnet werden kann.79 Ist der Verkäufer eine Gesellschaft, hat er ohnehin keine eigene Kenntnis. Ihm wird dann die Kenntnis seines Vorstands oder seiner Geschäftsführung zuzurechnen sein. Daneben kann es insbesondere bei größeren Zielgesellschaften sinnvoll sein, auch die Zurechnung des Wissens leitender Angestellter an den Verkäufer vertraglich festzuschreiben. Im Idealfall sollten die Wissensträger namentlich benannt werden. Ist dies nicht möglich, müssen abstrakte Kriterien gefunden werden, die eine zweifelsfreie Ermittlung der zurechenbaren Wissensträger ermöglichen.
5 Muster Kenntniszurechnung „Soweit der Verkäufer in diesem Vertrag Aussagen nach bestem Wissen macht, gilt die Garantie nur dann als verletzt, wenn der Verkäufer die Unrichtigkeit der Aussage positiv kannte oder grob fahrlässig nicht kannte. Dabei sind sich die Parteien darüber einig, dass der Verkäufer nicht dazu verpflichtet war, aus Anlass der Transaktion eine gesonderte Überprüfung der Richtigkeit der jeweiligen Aussage vorzunehmen. Der Verkäufer hat sich das Wissen oder die grob fahrlässige Unkenntnis der Geschäftsführer, Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten der Gesellschaft sowie der in Anlage ... genannten Personen zurechnen zu lassen.“
2. Kenntnis des Käufers 124 Umstritten ist regelmäßig der Umgang mit der Kenntnis des Käufers über Umstän-
de, die eine Verletzung eines Garantieversprechens auslösen.
a) Gesetzliche Regelung 125 Im gesetzlichen Gewährleistungsrecht, das auf Mängel der Kaufsache abstellt,80 sind
Ansprüche eines Käufers wegen eines Mangels dann ausgeschlossen, wenn der Käufer den Mangel bei Vertragsschluss kannte.81 Kannte er den Mangel in Folge grober Fahrlässigkeit nicht, soll er Ansprüche nur unter besonderen Voraussetzungen haben, nämlich wenn entweder der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen oder der Verkäufer eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen hat (§ 442 BGB).
_____ 79 Vgl. Saenger/Aderhold/Lenkaitis/Speckmann/Bergjan, § 11 Rn 141. 80 Vgl. Rn 79 ff. 81 Erforderlich ist positive Kenntnis, vgl. Palandt/Weidenkaff, § 442 BGB Rn 7.
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b) Interessen des Verkäufers Auf den ersten Blick ist es naheliegend, die gesetzliche Regelung entsprechend 126 auch auf Garantieversprechen anzuwenden, die in einem Unternehmenskaufvertrag enthalten sind. Ein Verkäufer würde dann für unrichtige Garantieversprechen nicht haften, wenn der Käufer die Unrichtigkeit kannte. Für den Verkäufer jedenfalls wäre eine solche Regelung günstig. Er kann mögliche Haftungsrisiken dadurch minimieren, dass er im Rahmen der Due Diligence so viele Unterlagen wie möglich zur Verfügung stellt. Aus Sicht des Verkäufers ist der Käufer für Umstände, die ihm bekannt sind, nicht schutzwürdig.
c) Interessen des Käufers Der Käufer hingegen wird aus mehreren Gründen versuchen, die entsprechende 127 Anwendung des § 442 BGB auszuschließen. Ein wichtiges Argument hierfür ist der Hinweis darauf, dass selbst eine breit 128 angelegte Due Diligence es letztlich nur erlaubt, in einem beschränkten Zeitraum eine große Zahl von Unterlagen zu prüfen. Nachfragen zu den Unterlagen sind typischerweise nur eingeschränkt möglich. Jedenfalls beziehen sich die Unterlagen auf Vorgänge, an deren Entwicklung der Käufer nicht teilgenommen hat. Ohne dieses Hintergrundwissen sind für den Käufer nicht immer alle Risiken, die in den ihm offengelegten Unterlagen möglicherweise angedeutet sind, auch tatsächlich erkennbar. Der Käufer fürchtet daher für den Streitfall das Argument, dass sich die Unrichtigkeit bestimmter zugesicherter Umstände aus den Due Diligence Unterlagen ergibt. Im Einzelfall kann es für den Käufer schwierig sein zu belegen, dass sich die fraglichen Umstände nicht aus der bloßen Kenntnis vorgelegter Unterlagen ergeben. Der Käufer wird jedenfalls argumentieren, dass der Ausschluss der Haftung für 129 bekannte Umstände letztlich den Zweck einer Due Diligence ins Gegenteil verwandelt. Der Käufer führt eine Due Diligence durch, um Risiken möglichst vollständig zu identifizieren, um sich dann entsprechend absichern zu können. Schließt aber jede Kenntnis seine Ansprüche aus, schadet sich der Käufer durch die Durchführung einer Due Diligence letztlich selbst. Je mehr er in einer Due Diligence erfährt, desto geringer werden seine Ansprüche gegen den Verkäufer.
d) Gestaltungsmöglichkeiten in der Praxis In der Praxis sind sowohl Vertragsgestaltungen denkbar, die dem Käufer seine ge- 130 samte Kenntnis zurechnen, als auch Vertragsgestaltungen, die jede Zurechnung der Kenntnis des Käufers ausschließen. Meist finden die Parteien jedoch eine differenzierte Lösung. Üblich sind Regelungen, mit denen ein Verkäufer zusichert, dass bestimmte allgemeine Aussagen richtig sind. Er weist jedoch ausdrücklich auf bestehende Ausnahmen hin, etwa in Anlagen, die dem Vertrag beigefügt werden. Die
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Kenntnis der Umstände, auf die der Verkäufer auf diesem Weg ausdrücklich hingewiesen hat, muss sich der Käufer dann zurechnen lassen.
e) Untersuchungs- und Rügepflicht 131 Noch weiter als § 442 BGB reicht § 377 HGB. Diese Bestimmung verpflichtet den Käu-
fer, eine Ware unverzüglich nach der Ablieferung durch den Verkäufer zu untersuchen und entdeckte Mängel unverzüglich mitzuteilen. Unterlässt der Käufer eine solche Anzeige, gilt die Ware als genehmigt. Nach überwiegender Meinung findet § 377 HGB keine Anwendung auf einen Unternehmenskauf.82 Vorsorglich sollte jedoch der Unternehmenskaufvertrag auch eine entsprechende Anwendung der Vorschrift ausdrücklich ausschließen.
3. Stichtag 132 Um möglichst große Rechtssicherheit für beide Parteien zu schaffen, sollte der Ver-
trag festlegen, zu welchem Referenzzeitpunkt die vom Verkäufer abgegebenen Garantieversprechen richtig sein müssen.
a) Signing und Closing 133 Als Anknüpfungspunkt kommt zum einen der Tag der Vertragsunterzeichnung
(oft als Signing Date bezeichnet) in Betracht. Dies ist der Zeitpunkt, an dem sich die Parteien verbindlich über die Konditionen des Unternehmensverkaufs einigen. Der Tag des Vollzugs des Unternehmenskaufs wird häufig als Closing bezeichnet. Vollzug ist in der Regel die tatsächliche Übertragung des Kaufgegenstands. 83 Häufig kann der Kauf nicht unmittelbar nach seinem Abschluss vollzogen wer134 den. Der Zeitpunkt des Signing und der Zeitpunkt des Closing fallen dann auseinander. Das ist dann der Fall, wenn erst noch bestimmte Vollzugsvoraussetzungen herbeigeführt werden müssen. Ein klassisches Beispiel ist die Freigabe der geplanten Transaktion durch Kartellbehörden.84 Daneben kann es viele andere Gründe für den Vollzug erst zu einem späteren Zeitpunkt geben. Möglicherweise müssen noch Zustimmungen von Organen der Parteien eingeholt werden, Organe der Zielgesellschaft müssen zurücktreten oder neu bestellt werden, Zustimmungen Dritter müssen eingeholt werden oder andere behördliche Genehmigungen müssen vor dem Vollzug erst noch erteilt werden.
_____ 82 Vgl. Baumbach/Hopt/Hopt, § 377 Rn 2; vor § 1 Rn 44. 83 Vgl. Rn 27 ff. 84 Vgl. Kap. 13 Rn 70 ff., 117.
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Fallen Signing und Closing nicht zusammen, wird der Käufer darauf drängen, dass der Verkäufer die Richtigkeit der von ihm abgegebenen Garantieversprechen auch für den Zeitpunkt des Closing zusichert. Dabei wird der Käufer argumentieren, dass der Verkäufer schließlich bis zum Closing die Kontrolle über das Unternehmen hat. Der Verkäufer wird einwenden, dass er die Entwicklung des Unternehmens zwischen Signing und Closing, also in der Zukunft, auch dann nicht garantieren kann, wenn er bis zum Closing die Kontrolle über das Unternehmen behält. Dies gilt insbesondere dann, wenn er Garantien für Umstände abgegeben hat, deren Entwicklung in der Zukunft er nicht kontrollieren kann. Ein Beispiel ist die Zusicherung, dass kein Dritter die Verletzung von Urheberrechten durch die Gesellschaft schriftlich gegenüber der Zielgesellschaft geltend gemacht hat.85 Auch hier sind differenzierte Regelungen denkbar und üblich. So kann als allgemeiner Referenzstichtag für die Richtigkeit von Garantieversprechen beispielsweise auf das Signing abgestellt werden. Bestimmte Zusagen müssen dann bis zum Closing richtig sein. Der Zeitraum zwischen Signing und Closing wird üblicherweise durch sogenannte Covenants abgedeckt. Sie spezifizieren die Verpflichtung des Verkäufers, die Geschäfte des verkauften Unternehmens auch nach Unterzeichnung des Kaufvertrags bis zum Vollzug im ordentlichen Geschäftsgang in Übereinstimmung mit bisheriger Praxis fortzuführen.86
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b) Andere Stichtage Denkbar ist auch, als Referenz einen Zeitpunkt vor Signing zu vereinbaren. Sichert 139 der Verkäufer beispielsweise die Richtigkeit bestimmter von ihm vorgelegter versicherungsmathematischer Gutachten zu, die zu einem Stichtag erstellt wurden, der vier Monate vor dem Signing liegt, wird er versuchen, auch seiner Garantie über die Richtigkeit des Gutachtens den Stichtag des Gutachtens zugrunde zu legen.
VI. Rechtsfolgen Die in der Praxis des Unternehmenskaufs wichtigste Rechtsfolge bei der Verle- 140 tzung von Garantien ist der Schadensersatz. In einigen Fällen kann jedoch eine andere Rechtsfolge den Interessen einer Partei oder auch mehrerer Parteien eher entsprechen.
_____ 85 Vgl. hierzu Donle, DStR 1997, 74, 77. 86 Vgl. Kap. 14 Rn 28.
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1. Nacherfüllung 141 Viele Unternehmenskaufverträge sehen vor, dass der Verkäufer eine Garantieverlet-
zung dadurch beheben kann, dass er nachbessert.87 Entsprechend der gesetzlichen Regelung des § 249 BGB wird der Verkäufer verpflichtet, den Zustand herzustellen, den das Unternehmen hätte, wenn das von ihm abgegebene Garantieversprechen richtig wäre (Naturalrestitution). Der Verkäufer wird versuchen, sich diese Möglichkeit in jedem Fall vertraglich einräumen zu lassen. Der Käufer hingegen wird sich um eine Regelung bemühen, nach der er allein entscheiden kann, ob er Nachbesserungen vom Verkäufer verlangen will oder aber direkt den Ersatz des finanziellen Schadens fordert. In vielen Fällen ist die Nachbesserung durchaus eine angemessene Rechtsfol142 ge.88 Hat der Verkäufer beispielsweise zugesagt, dass bestimmte Vertragsverhältnisse bei der Zielgesellschaft nicht (mehr) bestehen und erweist sich nach dem Closing, dass es solche Vertragsverhältnisse doch gibt, kann er mit dem jeweiligen Vertragspartner der Zielgesellschaft über die Beendigung der entsprechenden Verträge verhandeln. Es sind Konstellationen denkbar, in denen der Käufer zur Führung solcher Verhandlungen besser in der Lage ist als der Verkäufer. Das kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn der Verkäufer eine laufende Geschäftsbeziehung zu dem Dritten unterhält. In einer solchen Konstellation kann die Rechtsfolge der Nachbesserung für beide Parteien sinnvoller sein als der Ersatz des entstandenen finanziellen Schadens. Aus Sicht des Verkäufers lässt sich möglicherweise relativ einfach der Zustand herstellen, den der Käufer erwartet hat. Für den Verkäufer mag es finanziell weniger Aufwand bedeuten, den zugesicherten Zustand herzustellen, als den sonst entstehenden finanziellen Schaden auszugleichen. 5 Muster Nacherfüllung „Soweit eine der in § ... dieses Vertrags enthaltenen Aussagen unrichtig sein sollte, kann der Käufer schriftlich vom Verkäufer verlangen, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn die betreffende Aussage richtig wäre. In diesem Fall hat der Verkäufer die Möglichkeit, innerhalb von zwei Monaten nach Zugang des schriftlichen Verlangens des Käufers den entsprechenden Zustand herzustellen. Gelingt ihm dies nicht innerhalb dieser Frist, hat der Verkäufer Schadensersatz in Geld zu leisten.“
2. Minderung 143 Der Käufer kann sich insbesondere für die Fälle ein Minderungsrecht ausbedin-
gen, in denen sich die Unrichtigkeit eines Garantieversprechens unmittelbar auf den
_____ 87 Zum gesetzlichen Nacherfüllungsrecht bei Mängeln vgl. Rn 88 f. 88 Zu einzelnen Fallgestaltungen vgl. MünchKomm-BGB/Westermann, § 453 Rn 41.
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Kaufpreis auswirkt. In diesem Fall kann die Herabsetzung des Kaufpreises eine sinnvolle Rechtsfolge sein. Dafür ist jedoch zwingend erforderlich, dass sich sowohl der Wert, den eine bestimmte Sache haben soll, als auch der Wert, den eine Sache tatsächlich hat, eindeutig bestimmen lässt.89 Ein typischer Anwendungsfall für Minderungsrechte sind Bilanzgarantien.90 144 Hier kann der Zielwert eindeutig definiert werden. Muster Minderung 5 „Unterschreitet das Eigenkapital im Sinne des § 266 Abs. 3 A, 272 HGB gemäß der Closingbilanz den Betrag von ... €, so mindert sich der Kaufpreis um die Differenz.“
In dem beschriebenen Beispiel ist sowohl der Sollwert (durch eine betragsmäßige 145 Festlegung im Kaufvertrag) als auch der Istwert (durch den Bezug auf die Closingbilanz, für deren verbindliche Festlegung ein Mechanismus im Kaufvertrag vorgesehen werden kann) eindeutig bestimmbar. Die Minderung wird dadurch im konkreten Fall zu einer praktikablen Rechtsfolge.
3. Schadensersatz Der Schadensersatz ist die für die Praxis wichtigste Rechtsfolge. Ist ein Garantie- 146 versprechen unrichtig, ist der Käufer verpflichtet, dem Käufer den hieraus entstandenen Schaden zu ersetzen.
4. Rücktritt Wie bereits im Rahmen der Rechtsfolgen des gesetzlichen Gewährleistungsrechts 147 dargestellt,91 sind Rücktrittsrechte für die Praxis des Unternehmenskaufs in der Regel kaum praktikabel. Sie sollten daher nur im Ausnahmefall vereinbart werden. Rücktrittsrechte sind dann sinnvoll, wenn die Parteien einen Kaufvertrag aus 148 rechtlichen Gründen nicht vollziehen können. Ein typisches Beispiel hierfür ist die Versagung einer fusionskontrollrechtlichen Freigabe einer Behörde.92 Ein Vollzug des Kaufvertrags ist in diesem Fall rechtlich nicht möglich. Ein für diesen Fall vereinbartes Rücktrittsrecht schafft für die Parteien Rechtssicherheit. Daneben kann ein Rücktrittsrecht im Falle der Verletzung solcher vertraglicher 149 Verpflichtungen sinnvoll sein, die eindeutig sind und deren Erfüllung für die andere Vertragspartei von herausragender Bedeutung ist. Hier ist ein typisches Beispiel
_____ 89 90 91 92
Vgl. Rn 94 f. Vgl. Rn 111. Vgl. Rn 87 ff. Vgl. dazu Kap. 13 Rn 70 ff., 117.
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die Kaufpreiszahlung. Jedenfalls wenn der Kaufpreis betragsmäßig festgelegt ist, ist die Verpflichtung zu seiner Bezahlung eindeutig. Für den Verkäufer ist die Kaufpreisforderung natürlich der wichtigste Anspruch überhaupt. Zahlt der Käufer den Kaufpreis nicht, ist es durchaus angemessen, dem Verkäufer das Recht einzuräumen, sich durch Rücktritt von dem Vertrag zu lösen.
VII. Haftungsbeschränkungen 150 Ein wesentliches Element eines vertraglichen Gewährleistungssystems ist, dass
die Haftung des Verkäufers für Garantieverletzungen typischerweise nicht unbeschränkt ist, sondern qualitativ und quantitativ auf den Einzelfall zugeschnitten wird.
1. Qualitative Beschränkungen 151 Die Haftung des Verkäufers kann zunächst unter verschiedenen qualitativen Gesichtspunkten beschränkt oder ausgeschlossen werden.
a) Ausschluss mehrfacher Inanspruchnahme 152 Der Verkäufer will vermeiden, dass er im Zusammenhang mit dem gleichen Sach-
verhalt mehrmals in Anspruch genommen wird. Beispielsweise ist denkbar, dass ein bestimmtes Risiko bereits im letzten Jahresabschluss der Zielgesellschaft zu berücksichtigen ist, dessen Richtigkeit der Verkäufer typischerweise garantiert.93 Daneben ist denkbar, dass der Verkäufer eine ausdrückliche vertragliche Garantie94 für das Risiko übernommen hat. Wenn sich das Risiko tatsächlich realisiert, kann dies wirtschaftlich zu einer doppelten Inanspruchnahme führen. Der Verkäufer wird argumentieren, dass die Berücksichtigung des betreffenden 153 Risikos im Jahresabschluss bereits eine ergebnismindernde Wirkung hatte. Weil der Käufer die Ermittlung des Kaufpreises in der Regel auf das Zahlenwerk der Zielgesellschaft stützt, ist dieser Abzugsposten bei der Ermittlung des Kaufpreises bereits berücksichtigt. Mit der daraus resultierenden Herabsetzung des Kaufpreises hat der Verkäufer bereits das entsprechende Risiko übernommen. Realisiert sich dann das im Abschluss bereits berücksichtigte Risiko zu einem Zeitpunkt nach Closing und muss der Verkäufer den daraus entstehenden Schaden wegen eines von ihm übernommenen Garantieversprechens ersetzen, bezahlt er letztlich doppelt. Der Verkäu-
_____ 93 Zu Bilanzgarantien vgl. Blunk/Rabe, GmbHR 2011, 408. 94 Vgl. dazu Rn 102.
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fer wird daher auf eine Klarstellung im Kaufvertrag drängen, die eine doppelte Inanspruchnahme ausschließt. Muster Ausschluss doppelte Inanspruchnahme 5 „Ansprüche des Käufers gegen den Verkäufer sind ausgeschlossen, soweit Umstände, auf die der Käufer Ansprüche stützt, sich aus dem Jahresabschluss der Zielgesellschaft ergeben.“
b) Ersatzansprüche gegen Dritte In ähnlicher Weise will der Verkäufer die Haftung für Fälle ausschließen, in denen der Zielgesellschaft Ersatzansprüche gegen Dritte zustehen. Die Zielgesellschaft kann vertragliche Ansprüche gegen Kunden oder Lieferanten oder Regressansprüche gegen Versicherer haben. Der Verkäufer will vermeiden, dass der Käufer und die Zielgesellschaft die Konfrontation mit den Geschäftspartnern scheuen und sich stattdessen lieber an den Verkäufer halten. Der Käufer hingegen will gerade vermeiden, gegen Geschäftspartner vorgehen zu müssen. Ein typischer Streitpunkt ist, ob bereits das Bestehen eines Anspruchs der Zielgesellschaft gegenüber Dritten die Inanspruchnahme des Verkäufers ausschließt, oder ob der Verkäufer eine Inanspruchnahme nur dann verweigern kann, wenn die Zielgesellschaft ihren Anspruch gegen Dritte auch durchsetzen kann. Auch wenn ein Schaden versichert ist, kann der Zielgesellschaft ein Nachteil entstehen. Ersetzt die Versicherung den Schaden, kann dies zu einer Erhöhung von Versicherungsprämien führen.95 Auch dies sollte der Käufer bei den Vertragsverhandlungen berücksichtigen.
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c) Mittelbare Schäden Um das Schadenspotential möglichst überschaubar zu halten, fordert der Verkäufer 158 häufig eine Beschränkung seiner Haftung durch den Ausschluss von Folgeschäden und mittelbaren Schäden.96 Er will nur für solche Schäden haften, die sich unmittelbar aus der Verletzung eines Garantieversprechens ergeben. Allerdings lässt sich häufig nicht genau ermitteln, welche Schäden als unmittelbare Schäden oder als Folgeschäden einzustufen sind. Ein Käufer wird den Ausschluss der Haftung für Folgeschäden daher zu vermeiden suchen.
_____ 95 Zur Einordnung erhöhter Versicherungsprämien als Schaden vgl. Palandt/Grüneberg, § 249 Rn 55. 96 Zu den Begriffen vgl. BeckOK-BGB/Flume, § 249 Rn 321.
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Kapitel 10 Vertragsgestaltung
d) Entgangener Gewinn 159 Ähnlich verhält es sich mit dem Wunsch des Käufers nach dem Ausschluss einer
Haftung für entgangenen Gewinn.97 Auch hier wird er argumentieren, dass eine Haftung für entgangene Gewinne unübersehbar sein kann. Allerdings besteht der eigentliche Zweck bestimmter Garantieversprechen gerade in der Verpflichtung zum Ersatz des entgangenen Gewinns. Beispielsweise kann der Wert eines Unternehmens gerade in bestimmten Kundenverträgen bestehen, in denen sich die Kunden zur Abnahme bestimmter Mindestmengen verpflichtet haben. Hat der Verkäufer den wirksamen Bestand dieser Verträge garantiert und ist diese Garantie unrichtig, besteht der Schaden für das Unternehmen gerade in dem entgangenen Gewinn, den das Zielunternehmen bei Richtigkeit des Garantieversprechens mit der Abnahmeverpflichtung der Kunden erzielt hätte. Ist die Verpflichtung des Verkäufers zum Ersatz entgangenen Gewinns ausgeschlossen, ist eine Garantie über den Bestand der im Beispiel genannten Kundenverträge wirtschaftlich wertlos.
2. Quantitative Haftungsbeschränkungen 160 Daneben kann die Haftung des Verkäufers quantitativ beschränkt werden.
a) Bagatellklauseln 161 In der Regel vereinbaren die Parteien sogenannte Bagatellklauseln, wonach der
Verkäufer bestimmte Schäden dann nicht ersetzen muss, wenn sie unter bestimmten Schwellenwerten bleiben. Diese auch De Minimis Klauseln98 genannten Regelungen sollen vermeiden, dass zwischen den Parteien Streit über verhältnismäßig kleine Beträge entsteht. Bis zu welcher Höhe Beträge jedoch als verhältnismäßig klein einzustufen sind, ist Verhandlungssache. 5 Muster Bagatellklausel „Der Verkäufer haftet im Falle einer Garantieverletzung nur für Schäden, die im Einzelfall einen Betrag von 10.000 € oder insgesamt einen Betrag von 100.000 € überschreiten.“
b) Freibeträge/Freigrenzen 162 Daneben vereinbaren die Parteien üblicherweise Freibeträge oder Freigrenzen. In
beiden Fällen haftet der Verkäufer nur dann, wenn der festgelegte Betrag überschritten ist. Beim Freibetrag haftet der Verkäufer allerdings nur für den Betrag, der die vereinbarte Grenze überschreitet. Ist hingegen eine Freigrenze vereinbart, haftet
_____ 97 Zum Begriff vgl. Palandt/Grüneberg, § 252 Rn 1. 98 Vgl. Hanke/Socher, NJW 2010, 1576 f.
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D. Gestaltung eines vertraglichen Haftungssystems
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der Verkäufer für den gesamten Schaden, wenn der vereinbarte Schwellenwert erst einmal überschritten ist. Muster Freibetrag/Freigrenze 5 „Ist der Betrag von 100.000 € überschritten, haftet der Verkäufer [Freibetrag: nur für den übersteigenden Betrag] oder [Freigrenze: für den gesamten Betrag].“
c) Haftungsobergrenzen Schließlich enthalten Unternehmenskaufverträge regelmäßig Haftungsobergren- 163 zen (sogenannte Caps). Sie sollen sicherstellen, dass der Verkäufer einen bestimmten Teil des Kaufpreises auch dann behalten kann, wenn der Käufer umfangreiche Garantieverletzungen geltend macht. Aus Sicht des Käufers muss die Haftungsobergrenze so gewählt werden, dass ihm eine ausreichende Sicherheit für mögliche Ansprüche verbleibt. Häufig wird die Haftungsobergrenze als Prozentsatz des Kaufpreises angegeben. Durchaus üblich ist es, unterschiedliche Haftungshöchstgrenzen für unter- 164 schiedliche Sachverhalte vorzusehen. So ist es beispielsweise denkbar, für bestimmte Bereiche, die der Käufer als besonders risikoträchtig identifiziert hat, gar keine Haftungshöchstgrenze zu vereinbaren. Das kommt beispielsweise in Betracht, wenn ein Unternehmen mit unübersehbaren Umweltrisiken belastet ist. Für andere Regelungsbereiche wie etwa die Inhaberschaft der verkauften Anteile kann eine Haftung bis zur Höhe des Kaufpreises vorgesehen werden. Für alle anderen Garantien kann dann in diesem Beispiel eine Haftungshöchstgrenze in Höhe eines vereinbarten Prozentsatzes des Kaufpreises vereinbart werden. Muster Haftungsobergrenze 5 „Die Haftung des Verkäufers wegen Verletzung von Garantieversprechen nach § ... ist insgesamt auf einen Betrag in Höhe von ...% des Kaufpreises begrenzt („Haftungshöchstbetrag“). Der Haftungshöchstbetrag findet jedoch keine Anwendung auf eine Verletzung von Garantieversprechen gemäß § ... (anteilsbezogene Garantien), für die der Verkäufer bis zur Höhe des Kaufpreises haftet, sowie für Ansprüche aus § ..., für die die Haftung des Verkäufers auf einen Betrag in Höhe von ...% des Kaufpreises begrenzt ist.“
VIII. Freistellungen Neben Garantien enthalten Unternehmenskaufverträge häufig auch Freistellun- 165 gen. Der Inhalt der beiden Begriffe Garantie und Freistellung kann von Fall zu Fall unterschiedlich sein und muss im Unternehmenskaufvertrag genau beschrieben werden.99 Typischerweise sind Freistellungen im Gegensatz zu Garantien jedoch
_____ 99 Zur Abgrenzung vgl. Saenger/Aderhold/Lenkaitis/Speckmann/Bergjan, § 11 Rn 166.
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weder qualitativ noch quantitativ beschränkt. Üblich sind Freistellungen vor allem für Steuern und für solche Risiken, deren Eintritt wahrscheinlich ist, die Höhe des zu erwartenden Schadens jedoch nur schwer abzuschätzen ist.100
IX. Verjährung
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1. Dauer Auch die Dauer der Verjährung regeln die Parteien üblicherweise abweichend von den gesetzlichen Regelungen. Käufer fordern häufig, dass wenigstens zwei volle Prüfungen des Jahresabschlusses in den Verjährungszeitraum fallen sollen, um ausreichend Zeit für die Entdeckung möglicher Garantieverletzungen zu haben. Der Verkäufer hingegen hat naturgemäß ein Interesse an möglichst kurzen Verjährungsfristen. Auch bei der Verjährung sind unterschiedliche Regelungen für unterschiedliche Sachverhalte denkbar und üblich. Für anteilsbezogene Garantien beispielsweise wird typischerweise ein längerer Verjährungszeitraum vereinbart.101 Daneben können wiederum Ausnahmen für bestimmte Sachverhalte gemacht werden, die der Käufer als besonders risikoträchtig identifiziert hat. Für Steuern, Abgaben, Zölle und Sozialversicherungsabgaben vereinbaren die Parteien typischerweise die Verjährung sechs Monate nachdem die jeweiligen Steuern, Abgaben, Zölle und Sozialversicherungsabgaben bestandskräftig festgesetzt wurden. Gibt es offene gerichtliche oder außergerichtliche Auseinandersetzungen mit Behörden oder Dritten, für die der Verkäufer Garantien oder Freistellungen übernommen hat, könnte ebenfalls die Verjährung von Ansprüchen sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung über die Auseinandersetzung vereinbart werden.
2. Hemmung 170 Unternehmenskaufverträge schließen häufig die Anwendung des § 203 BGB aus.102
Nach dieser Bestimmung ist die Verjährung für die Dauer von Verhandlungen über einen Anspruch gehemmt. In der Praxis ist oft nur schwer zu bestimmen, ob die Parteien über Ansprüche verhandelt haben, und wann solche Verhandlungen begonnen haben oder beendet wurden. Der Ausschluss des § 203 BGB stellt für beide Par-
_____ 100 Vgl. Saenger/Aderhold/Lenkaitis/Speckmann/Bergjan, § 11 Rn 168 ff. 101 Vgl. Saenger/Aderhold/Lenkaitis/Speckmann/Bergjan, § 11 Rn 173. 102 Vgl. Hoffmann-Becking/Gebele/Meyer-Sparenberg, Teil III A.17. allerdings wird § 203 BGB z.T. für unabdingbar gehalten, vgl. Staudinger/Peters/Jacoby, § 203 BGB Rn 18.
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D. Gestaltung eines vertraglichen Haftungssystems
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teien klar, dass es auch im Falle von Verhandlungen beim vertraglich festgelegten Verjährungszeitpunkt bleibt. Sollten die Parteien zu einem späteren Zeitpunkt dann doch über Garantiean- 171 sprüche verhandeln, bleibt es ihnen natürlich unbenommen, im Einzelfall eine Hemmung der Verjährung zu vereinbaren. Eine solche Einzelfallvereinbarung vermeidet, dass der Käufer zur Erhebung einer Klage gezwungen ist, um die Verjährung zu unterbrechen.
X. Ausschluss der gesetzlichen Gewährleistung Weil das gesetzliche Gewährleistungssystem nicht zur Regelung des Kaufs von 172 Unternehmen geeignet ist, sollte es durch ein vertragliches Gewährleistungssystem mit den dargestellten Eckpunkten ersetzt werden. Um zu vermeiden, dass sich der Käufer neben dem vereinbarten vertraglichen Gewährleistungssystem im Streitfall dennoch auf die gesetzliche Gewährleistung beruft, sollte das gesetzliche Gewährleistungssystem ausdrücklich ausgeschlossen werden. Ein solcher Haftungsausschluss ist grundsätzlich ohne weiteres zulässig. Lediglich die Haftung für Vorsatz kann dem Verkäufer gemäß § 276 Abs. 3 BGB nicht erlassen werden.
XI. Sicherheiten Wie bei allen Ansprüchen, die nicht sofort erfüllt werden, stellt sich die Frage nach 173 ihrer Sicherung. Dem Käufer nützen beispielsweise umfassende Garantieansprüche nichts, wenn der Verkäufer zu dem Zeitpunkt, zu dem der Käufer Garantieverletzungen entdeckt hat oder gar erst nach Jahren die rechtskräftige Feststellung von Garantieansprüchen erreichen konnte, insolvent ist. Mögliche Ansprüche im Zusammenhang mit einem Unternehmenskaufvertrag können beachtliche Höhen erreichen. Auch aus diesem Grund besteht ein besonderes Sicherungsbedürfnis. Die Praxis kennt verschiedene typische Sicherungsmechanismen.
1. Zurückbehaltung des Kaufpreises Für den Käufer am einfachsten ist es, zur Sicherung möglicher Garantieansprüche 174 Teile des Kaufpreises zunächst zurückzubehalten.103 Im Rahmen des Vollzugs eines Unternehmenskaufvertrags zahlt der Käufer dann nur einen Teil des Kaufpreises. Der verbleibende Kaufpreis wird zunächst gestundet und wird erst zu einem
_____ 103 Gesetzliche Zurückbehaltungsrechte können sich insbesondere aus §§ 273, 320 BGB ergeben.
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späteren vereinbarten Zeitpunkt fällig, spätestens, sobald Garantieansprüche des Käufers verjährt sind. Im Falle der Zurückbehaltung des Kaufpreises wird jedoch der Verkäufer sei175 nerseits eine Sicherheit für die noch nicht bezahlten Kaufpreisraten fordern.
2. Rechtsvorbehalte 176 Die Vereinbarung von Rechtsvorbehalten dient meist dazu, die Übertragung eines
Unternehmens Zug-um-Zug gegen die Kaufpreiszahlung sicherzustellen. So wird beim Share Deal vereinbart, dass die Anteile an dem Unternehmen erst mit dem Erhalt des vollständigen Kaufpreises auf den Käufer übergehen.104 Auch beim Asset Deal kann die Übertragung der einzelnen Vermögensgegenstände an die Zahlung des Kaufpreises geknüpft werden.
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3. Treuhandkonten Ein weiteres verbreitetes Sicherungsmittel sind Treuhandkonten. Sie sind meist so ausgestaltet, dass der Käufer zum Vollzug des Unternehmenskaufvertrags zwar den gesamten Kaufpreis bezahlt. Der Verkäufer erhält jedoch nur einen Teil des Kaufpreises unmittelbar. Den verbleibenden Teil zahlt der Käufer auf ein Treuhandkonto (Escrow Account), das von einem Treuhänder (Escrow Agent) verwaltet wird. Als Treuhänder fungieren meist Notare oder Rechtsanwälte. Die Parteien verpflichten den Treuhänder in einem gesondert abzuschließendem Treuhandvertrag (Escrow Agreement),105 Auszahlungen von dem Treuhandkonto nur aufgrund einer übereinstimmenden Weisung der Parteien vorzunehmen. Intern verpflichten sich die Parteien dazu, eine Weisung dann zu erteilen, wenn einer der Parteien ein fälliger Anspruch gegen die andere Partei zusteht. Hat der Käufer beispielsweise Ansprüche gegen den Verkäufer aus einer Garantieverletzung, muss der Verkäufer seine Zustimmung zur Weisung an den Treuhänder zur Auszahlung eines Betrages erteilen, der dem zu ersetzenden Schaden entspricht. Erteilt der Verkäufer eine solche Weisung nicht, muss ihn der Käufer auf Abgabe der Weisung verklagen. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung darüber, ob tatsächlich ein Garantieanspruch des Käufers besteht, bleibt das Geld auf dem Treuhandkonto und sichert die Ansprüche beider Parteien, die ihnen im Fall des Obsiegens in dem Rechtstreit zustehen. Umgekehrt muss der Käufer den Treuhänder zur Auszahlung von Beträgen von dem Treuhandkonto anweisen, wenn eine vertraglich von den Parteien vereinbarte Frist abgelaufen ist, ohne dass der Käufer Ansprüche gegen den Verkäufer geltend
_____ 104 Vgl. Beisel/Klumpp/Beisel, Kap. 11 Rn 38. 105 Vgl. Picot/Temme Unternehmenskauf, § 5 Rn 30 f.
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gemacht hat. Spätestens kann der Verkäufer die Auszahlung der Gelder von dem Treuhandkonto verlangen, wenn die von ihm gegebenen Garantien verjährt sind, vorausgesetzt natürlich, der Käufer hat keine Ansprüche gegen den Verkäufer geltend gemacht.
4. Bankbürgschaft a) Selbstschuldnerische Bürgschaft Ganz ähnlich wie Treuhandkonten funktionieren Bankbürgschaften.106 Die von der Bank verbürgte Zahlung ersetzt die Hinterlegung eines Barbetrags auf dem Treuhandkonto. Auch die Inanspruchnahme einer Bankbürgschaft erfolgt typischerweise dadurch, dass beide Parteien dies gemeinsam verlangen. Eine Partei muss dies wiederum dann verlangen, wenn der einen Partei ein Anspruch gegen die andere zusteht. Streiten die Parteien darüber, ob tatsächlich Ansprüche bestehen, muss derjenige, der einen Anspruch geltend macht, die andere Partei darauf verklagen, ebenfalls die Inanspruchnahme der Bankbürgschaft zu verlangen. Um die Funktion einer Bankbürgschaft der eines Treuhandkontos anzugleichen, sind Bankbürgschaften üblicherweise selbstschuldnerisch ausgestaltet. Die Einreden der Anfechtbarkeit und der Aufrechenbarkeit (§ 770 BGB) sowie die Einrede der Vorausklage (§ 771 BGB) sind ausgeschlossen.107 Bürgschaften lauten stets auf bestimmte Höchstbeträge.108 Sie sollten klarstellen, ob diese Höchstbeträge auch Zinsen und Kosten umfassen. Auch die Laufzeit der Bürgschaft kann gestaffelt werden. Üblicherweise erlischt die Bürgschaft, wenn Garantieansprüche verjährt sind.
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b) Bürgschaft auf erstes Anfordern Gelegentlich verlangen Käufer die Abgabe von Bürgschaften auf erstes Anfordern. 185 Eine solche Bürgschaft geht deutlich über andere Sicherungsmittel hinaus. Mit Ausnahme des Einwands des Rechtsmissbrauchs schließt die Bürgschaft auf erstes Anfordern alle Einwendungen aus.109 Behauptet der Berechtigte einen Anspruch, erhält er zunächst eine Zahlung auf sein erstes Anfordern hin. Es obliegt dann dem Anspruchsgegner, darzulegen und gegebenenfalls auch vor einem Gericht oder Schiedsgericht zu beweisen, dass der vom Berechtigten erhobene Anspruch tatsäch-
_____ 106 107 108 109
Vgl. Beisel/Klumpp/Beisel, Kap. 11 Rn 59. Vgl. Beisel/Klumpp/Beisel, Kap. 11 Rn 60. Zur Höchstbetragsbürgschaft vgl. MünchKomm-BGB/Habersack, § 765 Rn 111 ff. Vgl. BeckOK-BGB/Rohe, § 765 Rn 111.
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Kapitel 10 Vertragsgestaltung
lich nicht besteht.110 Erst dann kann er den an den Berechtigten ausgekehrten Betrag zurückverlangen.
5. Konzernbürgschaften 186 Für Parteien, die Teil eines Konzerns sind, ist zudem die Gewährung einer Kon-
zernbürgschaft denkbar. Dabei verbürgt sich ein im Konzern mit einem Vertragspartner verbundenes Unternehmen für Ansprüche gegen den Vertragspartner.111 Der Wert einer Konzernbürgschaft hängt von der Bonität des Unternehmens ab, das die Bürgerschaft gewährt.
E. Kaufpreisregelungen E. Kaufpreisregelungen 187 Kaufpreise können entweder betragsmäßig fest vereinbart oder aufgrund ver-
schiedener Parameter angepasst werden. Eine variable Gestaltung des Kaufpreises ermöglicht es den Parteien, Veränderungen zwischen der Unterzeichnung eines Unternehmenskaufvertrags und dessen Durchführung, oder sogar über diesen Zeitraum hinaus, Rechnung zu tragen. Dies gilt im Grundsatz für jeden Unternehmenskauf. In der Praxis haben vor allem Private Equity-Investoren die Entwicklung von Kaufpreisanpassungsklauseln vorangetrieben. Eine ausführliche Beschreibung für die Praxis relevanter Kaufpreisregelungen findet sich daher im Kapitel über den Unternehmenskauf unter Beteiligung von Private Equity-Unternehmen.112
F. Formerfordernisse F. Formerfordernisse 188 Ein Unternehmenskauf kann unter verschiedenen Gesichtspunkten besonderen
Formerfordernissen unterliegen.
I. Verkauf von Geschäftsanteilen einer GmbH 189 Der Verkauf von Geschäftsanteilen einer GmbH muss gemäß § 15 GmbHG beur-
kundet werden. Das gilt sowohl für die Verpflichtung zur Übertragung von Geschäftsanteilen als auch für die Übertragung selbst.113
_____ 110 111 112 113
Vgl. MünchKomm-BGB/Habersack, § 765 Rn 98. Vgl. Beisel/Klumpp/Beisel, Kap. 11 Rn 70. Vgl. im Einzelnen Kap. 14 Rn 17 ff. Vgl. Michalski/Heidinger/Leible/Schmidt/Ebbing, § 15 GmbHG Rn 54.
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F. Formerfordernisse
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Für die Praxis von sehr großer Bedeutung ist der Umstand, dass alle Vereinbarungen, die eine wirtschaftliche Einheit mit der Übertragung der Geschäftsanteile bilden, ebenfalls zu beurkunden sind.114 Die Rechtsprechung fordert die Beurkundung aller Vereinbarungen, mit denen das unmittelbar beurkundungspflichtige Geschäft „steht und fällt“.115 Die Kontrollfrage lautet also: Hätten die Parteien den Verkauf eines Geschäftsanteils auch ohne eine bestimmte Nebenabrede vereinbart? Nur wenn diese Frage verneint werden kann, muss die Nebenabrede nicht beurkundet werden. In aller Regel wird jedoch davon auszugehen sein, dass nach dem Willen der Parteien alle Vereinbarungen, die zeitgleich oder in einem gewissen zeitlichem Zusammenhang geschlossen wurden, ein einheitliches Geschäft darstellen und daher die Gesamttransaktion mit der Vereinbarung aller einzelnen Elemente steht und fällt.116 In diesem Fall sind dann alle einzelnen Elemente der Transaktion zu beurkunden. Die Folge ist, dass auch solche Vereinbarungen beurkundungspflichtig sind, bei denen man dies auf den ersten Blick nicht vermutet hätte. Typische Fälle sind Begleitverträge, die im Zusammenhang mit einem Unternehmenskaufvertrag geschlossen werden.117 Die Beurkundung weiterer Vereinbarungen erhöht natürlich die Notarkosten. Gleichwohl kann die Empfehlung des Beraters im Zweifel immer nur eine möglichst vollständige Beurkundung aller Vereinbarungen sein. Der Grund hierfür liegt in der drakonischen Rechtsfolge eines möglichen Formmangels. Ein Verstoß gegen Formerfordernisse führt nämlich nicht nur zur Nichtigkeit der nicht beurkundeten (Neben-)Vereinbarung, sondern zur Nichtigkeit der gesamten Transaktion.118 Im schlimmsten denkbaren Fall, den der Käufer vor Augen hat, wird der Kaufvertrag zunächst vollzogen. Der Käufer bezahlt den Kaufpreis und erhält dafür die Geschäftsanteile. Anschließend geht der Verkäufer in die Insolvenz. Der Insolvenzverwalter erkennt, dass eine Nebenvereinbarung zur Übertragung der Geschäftsanteile nicht beurkundet wurde. Er beruft sich auf die Nichtigkeit der Transaktion und fordert die Geschäftsanteile zurück. Zwar kann der Käufer dann grundsätzlich den Kaufpreis zurückverlangen. Allerdings richtet sich dieser Anspruch nur gegen die Insolvenzmasse.119 Der Käufer wird also nicht den vollen Kaufpreis zurückerhalten, sondern nur die Insolvenzquote, die in der Regel nur einem sehr geringen Teil des Gesamtanspruchs entspricht.
_____ 114 115 116 117 118 119
BGH, Urt. v. 25.9.1996, VIII ZR 172/95, DStR 1996, 1982. BGH, Urt. v. 19.1.1979, I ZR 172/76, WM 1979, 458. Vgl. Michalski/Heidinger/Leible/Schmidt/Ebbing, § 15 GmbHG Rn 90. Vgl. Rn 254. Vgl. Michalski/Heidinger/Leible/Schmidt/Ebbing, § 15 GmbHG Rn 100. Vgl. Buth/Hermanns/Kurney/Stenzel, § 23 Rn 50.
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Nicht nur für den Käufer, sondern auch für den Verkäufer kann die Nichtigkeit der Transaktion existenzbedrohende Folgen haben. Geht etwa der Käufer nach Durchführung der Transaktion in die Insolvenz und behauptet wiederum der Insolvenzverwalter des Käufers die Formunwirksamkeit der Transaktion, kann der Insolvenzverwalter auch nach Jahren noch die Rückabwicklung der Transaktion verlangen. Insbesondere wenn einige Jahre vergangen sind, können die Geschäftsanteile in der Hand des Käufers deutlich an Wert verloren haben. Im internationalen Vergleich ist das ausufernde Beurkundungserfordernis 195 des deutschen Rechts wohl einmalig. Insbesondere wenn ausländische Unternehmen als Käufer oder Verkäufer an der Transaktion beteiligt sind, löst es häufig Unverständnis aus. Nicht selten bedarf es erheblicher Anstrengung der Berater, ihre ausländischen Mandanten vom Umfang des deutschen Beurkundungserfordernisses zu überzeugen.
194
II. Grundstücke 196 Wird ein Unternehmen, das Grundeigentum hat, im Rahmen eines Share Deals
veräußert, löst der Grundbesitz keine Beurkundungspflicht aus. Wird jedoch ein Grundstück unmittelbar verkauft, etwa im Falle eines Asset Deals, muss der Vertrag gemäß § 311b Abs. 1 BGB beurkundet werden. Auch hier müssen wie beim Verkauf eines Geschäftsanteils alle Vereinbarungen beurkundet werden, mit denen die Grundstücksveräußerung „steht und fällt“.120
III. Veräußerung des gesamten Vermögens 197 Beim Asset Deal nicht selten übersehen wird, dass die gesamte Transaktion gemäß
§ 311b Abs. 3 BGB beurkundungspflichtig sein kann. Nach dieser Bestimmung bedarf ein Vertrag, mit dem sich eine Partei verpflichtet, ihr gegenwärtiges Vermögen oder einen Bruchteil davon zu übertragen, der notariellen Beurkundung. Die Bestimmung gilt auch für juristische Personen.121 Nach der Rechtsprechung gilt die Beurkundungspflicht dann, wenn das gesam198 te Vermögen („in Bausch und Bogen“) veräußert wird.122 Unklar ist, ob die Beurkundungspflicht dadurch vermieden werden kann, dass alle Gegenstände, die das gesamte Vermögen ausmachen, einzeln aufgezählt werden.123 Veräußert ein Unter-
_____ 120 121 122 123
BGH, Urt. v. 19.1.1979, I ZR 172/76, WM 1979, 458. Vgl. Palandt/Heinrichs, § 311b Rn 65. OLG Hamm, Urt. v. 26.3.2010, I-19 U 145/09, NZG 2010, 1189. MünchKomm-BGB/Ruhwinkel, § 311b Rn 118 m.w.N.
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F. Formerfordernisse
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nehmen im Wege des Asset Deals jedoch sein gesamtes Vermögen, enthält der Vertrag typischerweise „Catch all“-Klauseln, wonach auch solche Gegenstände übertragen werden sollen, die nicht im Einzelnen aufgeführt sind. Es ist zumindest denkbar, dass solche „Catch all“-Klauseln eine Beurkundungspflicht auslösen können.124 Auch bei einem Verstoß gegen die Beurkundungspflicht des § 311b Abs. 3 BGB 199 droht die drakonische Rechtsfolge der Nichtigkeit. Deswegen bleibt dem Berater auch vor dem Hintergrund dieser Vorschrift nichts anderes übrig, als auf die Beurkundung einer Transaktion zu drängen. Der Nachteil der Beurkundungskosten wiegt weniger schwer als der Nachteil der sonst drohenden Unsicherheit über die Wirksamkeit der Transaktion.
IV. Notariell beurkundeter Gesellschafterbeschluss Eine inhaltlich mit der Bestimmung des § 311b Abs. 3 BGB vergleichbare Regelung 200 findet sich im Aktiengesetz. Dort fordert § 179a AktG einen Beschluss der Hauptversammlung, wenn eine Gesellschaft ihr ganzes Vermögen veräußert. Das „ganze Vermögen“ ist dann umfasst, wenn die Gesellschaft ihren satzungsmäßigen Zweck mit dem zurückbehaltenen Vermögen nicht mehr verfolgen kann.125 Die Bestimmung des § 179a AktG gilt analog auch für alle anderen Personen- 201 und Kapitalgesellschaften.126 Jedenfalls bei der Aktiengesellschaft und der GmbH erfordert der Beschluss eine Mehrheit von 75% und ist beurkundungspflichtig.127 Im Falle eines Verstoßes gegen § 179a AktG ist das Verpflichtungsgeschäft we- 202 gen der fehlenden Vertretungsmacht der handelnden Organe schwebend unwirksam.128 Das hat zur Folge, dass der Käufer bis zur Genehmigung durch die Gesellschafterversammlung das Geschäft widerrufen kann. Übt der Käufer den Widerruf aus, ist die Rechtsfolge also ähnlich wie bei der Nichtigkeit. Auch hier wird das Geschäft durch den Widerruf endgültig unwirksam und muss rückabgewickelt werden.
_____ 124 Bejahend OLG Hamm, Urt. v. 26.3.2010, I-19 U 145/09, NZG 2010, 1189; a.A. Klöckner, DB 2008, 1083, 1088 f. 125 BGH, Urt. v. 25.2.1982, II ZR 174/80, NJW 1982, 1703; Hüffer/Koch/Koch, § 179a Rn 5; MünchKomm-AktG/Stein, § 179a Rn 19. 126 Vgl. MünchKomm-AktG/Stein, § 179a Rn 14. 127 Vgl. MünchKomm-AktG/Stein, § 179a Rn 14. 128 Vgl. Hüffer/Koch/Koch, § 179a Rn 13; MünchKomm-AktG/Stein, § 179a Rn 35.
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Kapitel 10 Vertragsgestaltung
G. Weitere typische Vertragsklauseln G. Weitere typische Vertragsklauseln I. Präambel 203 Eine Präambel ist dem eigentlichen Vertrag vorangestellt. Zwingend erforderlich ist
sie nicht. Sie enthält auch keine Regelungen, die unmittelbar rechtlich verbindlich sind. Dennoch ist es weithin üblich, in der Präambel die wichtigsten Motive der Parteien zum Abschluss des Vertrags darzustellen. Besonders wichtig ist eine Präambel für einen Vertrag, der Teil eines Gesamtsys204 tems unterschiedlicher Verträge ist. Je komplexer die Transaktion insgesamt ist, desto sinnvoller ist eine Erläuterung in der Präambel. In einem solchen Fall kann die Präambel als Wegweiser dienen und dem unbefangenen Leser den Gesamtzusammenhang aufzeigen, dessen Teil der Vertrag ist. Sie kann damit einem Leser (nicht zuletzt möglicherweise einem Richter oder Schiedsrichter), der nicht an den Vertragsverhandlungen beteiligt war, den Einstieg in die Systematik eines Vertrages erleichtern. Eine Präambel kann bereits den Kaufgegenstand bezeichnen und die gesell205 schaftsrechtliche Situation der Zielgesellschaft darstellen. Dazu können die Identität der Gesellschafter, die Besetzung der Organe, etwaige Gesellschaftervereinbarungen und Geschäftsordnungen zählen. Der Garantiekatalog des Vertrags kann dann auf die Präambel Bezug nehmen und die Zusicherung enthalten, dass die in der Präambel enthaltenen Angaben richtig sind. Daneben kann die Präambel auch eine Vorgeschichte des Vertrags oder andere 206 Begleitumstände schildern.
II. Vollzugsbedingungen 207 Häufig sind nach Unterzeichnung des Kaufvertrags noch verschiedene Bedingun-
gen zu erfüllen, bevor der Vertrag vollzogen werden kann. Dem trägt ein Unternehmenskaufvertrag dadurch Rechnung, dass zwar der Kauf als solcher unbedingt vereinbart wird. Die Verpflichtung der Parteien zum Vollzug des Kaufvertrags hingegen steht unter dem Vorbehalt, dass bestimmte aufschiebende Bedingungen erfüllt werden. Grob unterscheiden lassen sich öffentlich-rechtliche Zustimmungsvorbehalte, zivilrechtliche Zustimmungsvorbehalte und sonstige Bedingungen.
1. Öffentlich-rechtliche Zustimmungsvorbehalte 208 Die in der Praxis häufigste erforderliche öffentlich-rechtliche Genehmigung ist
eine fusionskontrollrechtliche Freigabe. 129 Unterliegt ein Unternehmenskauf der
_____ 129 Vgl. Kap. 13 Rn 2, 19.
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G. Weitere typische Vertragsklauseln
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Fusionskontrolle, muss der Vollzug des Vertrags von der fusionskontrollrechtlichen Freigabe abhängig gemacht werden. Der Vollzug der Transaktion ohne die erforderliche Freigabe würde nach deutschem und europäischem Kartellrecht gegen das gesetzliche Vollzugsverbot verstoßen. Der Vollzug wäre nichtig und könnte zudem erhebliche Bußgelder auslösen.130 Ist eine Freigabe in verschiedenen Ländern erforderlich, muss der Vertrag eindeutig regeln, welche Freigaben aufschiebende Bedingungen für den Vollzug des Vertrags darstellen sollen.131 Je nach Art der Tätigkeit der beteiligten Unternehmen können weitere öffent- 209 lich-rechtliche Genehmigungen erforderlich sein. Der Unternehmenskaufvertrag muss die Anforderungen für die Erteilung der Genehmigung und das hierfür durchzuführende Verfahren widerspiegeln, um die Einhaltung aller gesetzlichen Bestimmungen sicherzustellen.
2. Zivilrechtliche Zustimmungsvorbehalte Zivilrechtliche Zustimmungsvorbehalte ergeben sich häufig aus der gesellschafts- 210 rechtlichen Struktur der beteiligten Unternehmen. Bereits angesprochen wurde das Erfordernis der Zustimmung der Hauptver- 211 sammlung gemäß § 179a AktG, der auch auf andere Gesellschaftsformen entsprechend angewandt wird. Bei Aktiengesellschaften ist die sogenannte HolzmüllerRechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu beachten.132 Sie verpflichtet den Vorstand einer Aktiengesellschaft, bestimmte Maßnahmen, die in Mitgliedschaftsrechte oder Vermögensinteressen der Aktionäre eingreifen, von der Hauptversammlung genehmigen zu lassen. Die Vorlagepflicht besteht dann, wenn der Vorstand vernünftigerweise nicht annehmen darf, dass er die Entscheidung in eigener Verantwortung treffen kann. Welche Entscheidungen im Einzelfall der Genehmigung durch die Hauptversammlung bedürfen, und mit welcher Mehrheit der Beschluss gefasst werden muss, ist häufig rechtlich nicht eindeutig zu bestimmen. Im Interesse der Rechtssicherheit kann es daher sinnvoll sein, vorsorglich eine Zustimmung der Hauptversammlung herbeizuführen. Je nach Struktur des Aktionärskreises kann dies jedoch aufwändig sein und die Transaktion verzögern. Daneben enthalten viele Gesellschaftsverträge Vinkulierungen. Danach bedarf 212 die Übertragung von Gesellschaftsanteilen der Zustimmung entweder der Gesellschaft selbst (die dann von den vertretungsberechtigten Organen, beispielsweise Vorstand oder Geschäftsführung, erteilt werden muss) oder der Gesellschafterversammlung.133
_____ 130 131 132 133
Vgl. Kap. 13 Rn 71. Vgl. Kap. 13 Rn 126. BGH, Urt. v. 25.2.1982, II ZR 174/80, NJW 1982, 1703; ZIP 2004, 993, 1001; OLG Hamm AG 2008, 421. Zu Einzelheiten vgl. Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 15 GmbHG Rn 97 ff.
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Kapitel 10 Vertragsgestaltung
Zudem sind Unternehmenskäufe in der Regel ungewöhnliche Geschäfte, die häufig bestimmten Gremienvorbehalten unterliegen. Gremienvorbehalte regeln, dass bestimmte Geschäfte der Zustimmung bestimmter Organe bedürfen. Solche Vorbehalte können in Gesellschaftsverträgen und Geschäftsordnungen für die Geschäftsführung oder den Vorstand oder auch in Anstellungsverträgen der vertretungsberechtigten Organe geregelt sein. In der Praxis häufig übersehen wird, dass minderjährige Gesellschafter, die 214 ihre Gesellschaftsanteile veräußern oder die Gesellschaftsanteile kaufen, der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung gemäß der §§ 1821 ff. BGB bedürfen.134 Derartige Konstellationen sind in der Praxis durchaus anzutreffen, etwa wenn Unternehmer Anteile ihres Unternehmens an ihre Kinder übertragen haben. Ist der Verkäufer eine Privatperson, ist stets § 1365 BGB zu beachten. Nach die215 ser Bestimmung kann ein Ehegatte, der im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebt, sein gesamtes Vermögen nur mit Zustimmung des Ehegatten verkaufen. In der Praxis lässt sich häufig nicht ausschließen, dass eine verkaufte Unternehmensbeteiligung im Wesentlichen das gesamte Vermögen des Verkäufers darstellt. Zumindest vorsorglich sollte der Käufer daher auf der Vorlage einer Zustimmung des Ehegatten bestehen. Wird ein Unternehmen aus einem Nachlass heraus verkauft, müssen mögliche 216 erbrechtliche Beschränkungen wie Vorerbschaft, Testamentsvollstreckung oder Nachlassverwaltung beachtet werden. 213
3. Sonstige Bedingungen 217 Daneben können die Parteien die Verpflichtung zum Vollzug eines Vertrags von weiteren Bedingungen abhängig machen, die sie für unverzichtbar halten. Enthalten beispielsweise Verträge, die für die Zielgesellschaft besonders wichtig 218 sind, Change of Control-Klauseln, kann der Vollzug des Vertrags davon abhängig gemacht werden, dass die jeweiligen Vertragspartner der Transaktion zugestimmt haben.135 Da beim Asset Deal die Verträge ohnehin zumindest im Außenverhältnis nur mit Zustimmung des jeweiligen Vertragspartners übertragen werden können, können auch solche Zustimmungen als Vollzugsbedingung in den Vertrag aufgenommen werden.136 Daneben gibt es eine Vielzahl weiterer denkbarer Vollzugsbedingungen, 219 etwa den Abschluss oder die Beendigung bestimmter Verträge oder die Erklärung besonders wichtiger Mitarbeiter, weiterhin für die Zielgesellschaft tätig sein zu wollen.
_____ 134 Vgl. zum Ganzen Fortun, NJW 1999, 754. 135 Vgl. Rn 29. 136 Vgl. Rn 55.
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III. Material Adverse Change Angelsächsische Unternehmenskaufverträge haben eine lange Tradition zur Regelung eines sogenannten Material Adverse Change (sogenannte MAC-Klausel).137 Damit sollen wesentliche negative Veränderungen erfasst werden, die in einem bestimmten Zeitraum eintreten. Meist wird auf den Zeitraum zwischen Signing und Closing Bezug genommen. Je länger dieser Zeitraum ist, etwa wegen aufwändiger Fusionskontrollverfahren, die möglicherweise in unterschiedlichen Jurisdiktionen durchgeführt werden müssen,138 desto größere praktische Bedeutung hat eine MACKlausel. Insbesondere bei einem langen Zeitraum zwischen Signing und Closing will sich der Käufer vor unerwarteten negativen Entwicklungen schützen. Für den Verkäufer hingegen verringert die Vereinbarung einer MAC-Klausel vor allem dann die Transaktionssicherheit, wenn er die Umstände, die von einer MAC-Klausel erfasst werden, nicht kontrollieren kann. Eine erste Weichenstellung für den Wirkungsmechanismus einer MAC-Klausel ist die Ausgestaltung ihres Tatbestands. Dabei kann danach unterschieden werden, welche möglichen negativen Einflüsse Berücksichtigung finden sollen. Für den Verkäufer noch am leichtesten zu akzeptieren ist die Anknüpfung an interne Veränderungen bei der Zielgesellschaft. Ein Material Adverse Change wird dann für den Fall definiert, dass sich Parameter wie etwa Umsatz, Ergebnis oder auch Personalbestand negativ verändern. Solange der Verkäufer die Zielgesellschaft noch kontrolliert, kann er die Entwicklung solcher internen Parameter beeinflussen. Schwieriger für den Verkäufer zu akzeptieren sind externe Einflüsse, die naturgemäß außerhalb seines Einflussbereichs liegen. Dazu gehören erhebliche Veränderungen des allgemeinen volkswirtschaftlichen Rahmens oder konkreter volkswirtschaftlicher Parameter wie beispielsweise die Zinsentwicklung, Veränderungen in der Entwicklung einer bestimmten Branche oder auch Veränderungen rechtlicher Rahmenbedingungen. Vor allem aus Sicht des Verkäufers empfiehlt es sich, den Tatbestand einer MAC-Klausel so genau wie möglich zu konkretisieren, um eine mögliche Rechtsunsicherheit soweit wie möglich zu minimieren. Denkbar ist es auch, eine MAC-Klausel quantitativ einzugrenzen. So kann vereinbart werden, dass die negativen Auswirkungen einer nachteiligen Veränderung auf die Zielgesellschaft bestimmte Schwellenwerte übersteigen müssen.139 Bleiben die Auswirkungen unterhalb dieser Schwellenwerte, muss der Käufer die nachteili-
_____ 137 Vgl. dazu Kuntz, DStR 2009, 377. 138 Vgl. Kap. 13 Rn 123 ff. 139 Vgl. Picot/Picot Unternehmenskauf, § 4 Rn 461.
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gen Veränderungen hinnehmen. Erst wenn die Schwellenwerte überschritten werden, greifen die von den Parteien vereinbarten Rechtsfolgen. Welche Rechtsfolgen gelten sollen, wenn es nach der von den Parteien ver227 einbarten Definition zu einer wesentlichen nachteiligen Veränderung kommt, ist der freien Verhandlung der Parteien überlassen.140 Denkbar ist ein Anspruch auf Anpassung des Vertrags, auf Minderung des Kaufpreises oder auf Schadensersatz. Diese Regelungen werden jedoch nur dann praktikabel sein, wenn sich die Parteien im Einzelnen genau auf ein Verfahren zur Ermittlung der richtigen Rechtsfolgen geeinigt haben. Weit verbreitet ist es, eine MAC-Klausel als Vollzugsbedingung auszugestalten. In diesem Fall ist der Käufer nur dann zum Vollzug der Transaktion verpflichtet, wenn bis zu dem Zeitpunkt, zu dem der Vollzug erfolgen soll, kein Material Adverse Change eingetreten ist.141
IV. Closing 228 Insbesondere Unternehmenskaufverträge nach angelsächsischem Vorbild sehen ein
sogenanntes physisches Closing vor, bei dem Vertreter der Parteien persönlich zusammenkommen, um die Transaktion zu vollziehen. Dafür nehmen sie im Rahmen des Closing die Maßnahmen vor, die der Vertrag als Vollzugshandlungen bestimmt. Dazu können beispielsweise gehören: – Nachweis über die Erfüllung von Vollzugsbedingungen – Kaufpreiszahlung und Erbringung eines Nachweises hierfür – Rücktritt, Abberufung oder Neubestellung von Organmitgliedern – Entlastung von Organmitgliedern – Abschluss von Nebenverträgen wie Anstellungsverträge für die Geschäftsführung, Lieferverträge oder Service-Level-Agreements142 229 Zu Nachweiszwecken halten die Parteien in einem Vollzugsprotokoll (Closing
Protocol) fest, dass die Vollzugshandlungen vollständig vorgenommen wurden.143 So lässt sich später einfach der Nachweis führen, dass die Transaktion auch tatsächlich vollzogen wurde. Nicht zuletzt kann dies im Rahmen einer Due Diligence wichtig sein, die im Rahmen einer etwaigen Weiterveräußerung des Zielunternehmens durchgeführt wird.
_____ 140 Zu möglichen Rechtsfolgen vgl. Picot/Picot Unternehmenskauf, § 4 Rn 478 ff. 141 Vgl. dazu Kapitel 14 Rn 64. 142 Vgl. Rn 254. 143 Vgl. das Muster eines Vollzugsprotokolls bei Hoffmann-Becking/Gebele/Meyer-Sparenberg, Teil 3 A.30.
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Alternativ kann der Vollzug des Kaufvertrages auch nur vom Eintritt verschie- 230 dener aufschiebender Bedingungen abhängig gemacht werden, insbesondere von der Bezahlung des Kaufpreises. Eine physische Zusammenkunft der Beteiligten wird dann entbehrlich. Auch hier kann der Nachweis des Vollzugs durch ein Vollzugsprotokoll geführt werden, das die Parteien getrennt voneinander unterzeichnen und dann einander per Fax oder physisch übermitteln.
V. Wettbewerbsverbot 1. Zweck Der Kaufpreis für ein Unternehmen wird üblicherweise auf der Grundlage seines 231 Ertragswerts berechnet.144 Dem liegt die Annahme zugrunde, dass das Unternehmen in Zukunft Erträge in bestimmter Höhe erzielen wird. Wird der Verkäufer nach dem Verkauf als Wettbewerber der Zielgesellschaft tätig, verringert dies die Erträge der Zielgesellschaft. Wirtschaftlich wird der Zielgesellschaft damit ein wesentlicher Teil dessen entzogen, für das der Kaufpreis bezahlt wurde. Um dies zu vermeiden, enthalten Unternehmenskaufverträge Wettbewerbsverbote.145 Die Bedeutung eines Wettbewerbsverbots hängt ganz erheblich vom Ge- 232 schäftsmodell der Zielgesellschaft ab. In Ausnahmefällen mögen Kundenbeziehungen keine Rolle spielen, etwa wenn es vor allem auf die technischen Anlagen und die Produktionskapazität eines Unternehmens ankommt. In der Regel jedoch wird der Wert eines Unternehmens ganz entscheidend von seiner Stellung im Wettbewerb und den Beziehungen zu seinen Kunden, also dem sogenannten Goodwill geprägt. Insbesondere bei bisher inhabergeführten Unternehmen können die Kundenbeziehungen zudem vor allem in der Person des Verkäufers gebündelt sein. Wird der Verkäufer in einem solchen Fall nach dem Verkauf seines Unternehmens als Wettbewerber tätig, schmälert dies den Wert der Zielgesellschaft ganz erheblich. Wettbewerbsverbote sind daher legitim und üblich. Sie unterliegen jedoch ver- 233 schiedenen Beschränkungen.
2. Rechtlicher Rahmen Wettbewerbsverbote können in die durch Artikel 12 GG geschützte Berufsfreiheit 234 des Verkäufers eingreifen.146 Wettbewerbsverbote dürfen nicht gemäß § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig sein. Ein 235 Wettbewerbsverbot ist sittenwidrig, wenn es den Verkäufer unter angemessener
_____ 144 Vgl. Kap. 3 Rn 90 ff. 145 Vgl. Picot/Picot Unternehmenskauf, § 4 Rn 486. 146 Vgl. BVerfG, Urt. v. 7.2.1990, 1 BvR 26/84, NJW-RR 1990, 736.
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Berücksichtigung der schützenswerten Interessen des Käufers in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise beschränkt.147 Das ist dann der Fall, wenn das Wettbewerbsverbot über das hinausgeht, was zum legitimen Schutz des Interesses des Käufers an dem Erwerb des gesamten Werts der Zielgesellschaft hinausgeht. Ein Wettbewerbsverbot ist dann nicht erforderlich, wenn es sachlich, räumlich oder zeitlich über das erforderliche Maß hinausgeht.148 Räumlich muss ein Wettbewerbsverbot auf das Gebiet beschränkt werden, in dem die Zielgesellschaft bereits vor dem Verkauf tätig war. Ein räumlich darüber hinausgehendes Wettbewerbsverbot würde den Verkäufer in seiner wirtschaftlichen Tätigkeit beschränken, ohne dass dies zur Wahrung der legitimen wirtschaftlichen Interessen des Verkäufers erforderlich wäre. Geht ein Wettbewerbsverbot in räumlicher Hinsicht über das erforderliche Maß hinaus, ist es nichtig.149 Insbesondere kann ein Gericht den räumlichen Geltungsbereich nicht im Wege einer sogenannten geltungserhaltenden Reduktion auf das zulässige Maß beschränken.150 Sachlich darf das Wettbewerbsverbot nicht über den Tätigkeitsbereich der Zielgesellschaft hinausgehen. Ansonsten ist das Wettbewerbsverbot nicht erforderlich und damit nichtig. Auch insoweit kommt keine geltungserhaltende Reduktion durch ein Gericht in Betracht. Zeitlich schließlich ist ein Wettbewerbsverbot auf die Dauer zu beschränken, die der Käufer benötigt, um die Kundenbeziehungen so weit zu verfestigen, dass ihm der gesamte Wert der Zielgesellschaft zuwächst.151 Welche Dauer noch angemessen und erforderlich ist, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden. Die Rechtsprechung ist nicht einheitlich. Allgemein geht man davon aus, dass Wettbewerbsverbote mit einer Dauer von bis zu zwei Jahren zulässig sind.152 Zumindest in besonderen Fällen kann wohl auch ein längeres Wettbewerbsverbot zulässig sein.153 Überschreitet ein Wettbewerbsverbot das zeitlich zulässige Maß, können die Gerichte die Dauer des Wettbewerbsverbots im Wege der geltungserhaltenden Reduktion auf das zulässige Maß reduzieren.154 Neben der Schranke der Sittenwidrigkeit gemäß § 138 BGB sind zudem die kartellrechtlichen Schranken des § 1 GWB und des Artikel 101 des Vertrags über die
_____ 147 Vgl. MünchKomm-BGB/Armbrüster, § 138 Rn 79. 148 BGH, Urt. v. 26.3.1984, II ZR 229/83, NJW 1984, 2366. 149 BGH, Urt. v. 20.3.1984, KZR 11/83, WuW/E BGH 2085. 150 BGH, Urt. v. 28.4.1986, II ZR 254/85, WM 1986, 1251; BGH, Urt. v. 15.3.1989, VIII ZR 62/88, DB 1989, 1620, 1621. 151 BGH, Urt. v. 19.10.1993, KZR 3/92, NJW 1994, 384. 152 BGH, Urt. v. 19.10.1993, KZR 3/92, NJW 1994, 384; BGH, Urt. v. 29.9.2003, II ZR 59/02, NZG 2004, 35. 153 Vgl. Michalski/Heidinger/Leible/Schmidt/Lieder, § 13 GmbHG Rn 250. 154 BGH, Urt. v. 29.10.1990, II ZR 241/89, GmbHR 1991, 15; OLG Hamm, Urt. v. 15.2.1993, 8 U 154/92, GmbHR 1993, 655.
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Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) zu beachten.155 Diese Bestimmungen enthalten das sogenannte Kartellverbot, das wettbewerbsbeschränkende Absprachen zwischen Unternehmen verbietet. Wettbewerbsverbote in Unternehmenskaufverträgen beschränken den Verkäufer in seiner Teilnahme am Wettbewerb und unterfallen daher grundsätzlich dem Kartellverbot.156 Allerdings ist allgemein anerkannt, dass ein Wettbewerbsverbot aus kartellrechtlicher Sicht dann zulässig ist, wenn es für die Durchführung eines Vertrags erforderlich ist.157 Der Unternehmenskauf ist eine der wichtigsten Fallgruppen, in denen die Vereinbarung eines Wettbewerbsverbots auch kartellrechtlich für zulässig gehalten wird. Voraussetzung ist auch hier, dass das Wettbewerbsverbot räumlich, sachlich und zeitlich nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung des gemeinsamen Vertragszwecks erforderlich ist. Insoweit gelten zumindest keine strengeren Grundsätze als die, die die deutsche Rechtsprechung zu § 138 BGB entwickelt hat. Muster Wettbewerbsverbot 5 „1) Der Verkäufer verpflichtet sich, für die Dauer von zwei Jahren nach Closing nicht in Wettbewerb zu der Gesellschaft zu treten. In räumlicher Hinsicht gilt das Wettbewerbsverbot für das Gebiet .... In sachlicher Hinsicht gilt das Wettbewerbsverbot für .... Der Verkäufer wird insbesondere kein Unternehmen, das mit dem gegenwärtigen Geschäftsbetrieb der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar in Wettbewerb steht, gründen oder erwerben oder sich an einem solchen Unternehmen beteiligen oder ein solches Unternehmen beraten oder in sonstiger Weise fördern. Ausgenommen von diesem Verbot ist der Erwerb von Anteilen von höchstens 5% an börsennotierten Gesellschaften. 2) Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das vorstehende Wettbewerbsverbot verpflichtet sich der Verkäufer, an den Käufer eine Vertragsstrafe in Höhe von ... zu zahlen. Setzt der Verkäufer die Zuwiderhandlung trotz schriftlicher Abmahnung durch den Käufer fort, gilt je ein Kalendermonat einer fortgesetzten Verletzung als unabhängige und selbstständige Verletzung. Das Recht des Käufers, einen ihm oder der Gesellschaft entstehenden weiteren Schaden geltend zu machen und Unterlassung zu verlangen, bleibt unberührt.“
VI. Mitteilungsklausel Häufig legt der Unternehmenskaufvertrag ein Verfahren dafür fest, wie die Par- 240 teien einander Mitteilungen im Zusammenhang mit dem Unternehmenskaufvertrag übermitteln. Solche Mitteilungen können beispielsweise Kündigungserklärungen, Fristsetzungen oder die Geltendmachung von Ansprüchen sein. Schon angesichts der von einem Unternehmenskauf typischerweise erfassten erheblichen Volumina und der verkürzten Verjährungsfristen dient ein ausdrücklich geregeltes
_____ 155 Vgl. auch Kap. 13 Rn 130 ff. 156 Vgl. Beisel/Klumpp/Beisel, Kap. 12 Rn 53 ff. 157 BGH, Urt. v. 10.12.2008, KZR 54/08, NJW 2009, 1751.
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Verfahren dem Bedürfnis aller Beteiligten nach Rechtssicherheit. Neben Kontaktpersonen und Ansprechpartnern kann die für Mitteilungen erforderliche Form geregelt werden. 5 Muster Mitteilungsklausel „1) Sämtliche Mitteilungen nach diesem Vertrag müssen schriftlich, [durch Einschreiben], [durch Einschreiben mit Rückschein], [per Fax] oder [in elektronischer Form] erfolgen. 2) Mitteilungen an den Käufer müssen an die folgende Adresse erfolgen: .... Eine Kopie aller Mitteilungen soll ... erhalten. 3) Mitteilungen an den Verkäufer müssen an die folgende Adresse erfolgen: .... Eine Kopie aller Mitteilungen soll ... erhalten.“
VII. Geheimhaltung 241 Der Abschluss einer Vertraulichkeitsvereinbarung gehört zu den ersten Maßnah-
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men, die im Rahmen des Prozesses zum Verkauf eines Unternehmens überhaupt getroffen werden. Die Parteien wollen im gesamten Prozess sicherstellen, dass ausgetauschte Informationen vertraulich behandelt werden und auch der Umstand selbst, dass Verhandlungen geführt werden, nicht in die Öffentlichkeit getragen wird. Vor allem der Verkäufer fürchtet, dass der Käufer im Zuge einer Due Diligence erhaltene Informationen nach dem möglichen Abbruch von Verhandlungen zum eigenen Nutzen verwendet, oder dass der Zielgesellschaft die Nachricht über einen gescheiterten Verkauf schaden könnte. Diese Interessen fallen nach dem Abschluss der Transaktion weg. Auch nach Abschluss einer Transaktion haben die Parteien das Bedürfnis nach Vertraulichkeit. Soweit wie möglich möchten sie insbesondere die Bedingungen des Verkaufs vertraulich behandeln. Deswegen enthalten auch praktisch alle Unternehmenskaufverträge Vertraulichkeitsvereinbarungen.158 Faktisch sind Geheimhaltungsvereinbarungen nur von beschränktem Nutzen. Werden einzelne vertrauliche Informationen bekannt, fällt erfahrungsgemäß der Nachweis, dass gerade die andere Partei unter Verletzung einer Vertraulichkeitsvereinbarung die Information preisgegeben hat, sehr schwer. Selbst wenn der Anspruchsteller der anderen Partei einen Verstoß gegen die Vertraulichkeitserklärung nachweisen kann, muss er zusätzlich beweisen, dass ihm hieraus ein Schaden entstanden ist. Auch dieser Nachweis ist erfahrungsgemäß nur sehr schwer zu führen. Vertragsstrafen können das Nachweisproblem vermeiden, sind in der Regel jedoch nicht durchsetzbar.
_____ 158 Muster einer Vertraulichkeitsvereinbarung bei BeckOF-Vertrag/Alfes, Nr. 20.2.
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Dennoch sind Geheimhaltungsvereinbarungen sinnvoll. Sie dokumentieren 246 immerhin den Willen der Parteien, bestimmte Informationen vertraulich zu behandeln und bieten zumindest einen gewissen Schutz.
VIII. Konfliktlösung Über Streitigkeiten aus Unternehmenskaufverträgen entscheiden je nach Vereinbarung der Parteien entweder staatliche Gerichte oder Schiedsgerichte. Treffen die Parteien keine besondere Vereinbarung, sind die staatlichen Gerichte für Auseinandersetzungen über einen Unternehmenskaufvertrag zuständig. Staatliche Gerichte bieten die Möglichkeit eines Instanzenzugs. Die unterlegene Partei hat die Möglichkeit, eine Entscheidung von einer höheren Instanz überprüfen zu lassen. Jedenfalls das Verfahren bis zu einem Urteil erster Instanz ist häufig schneller abgeschlossen als ein Schiedsverfahren. Schiedsverfahren hingegen haben zunächst den großen Vorteil, dass sie nicht öffentlich sind. Sowohl der Umstand, dass sich Parteien streiten, als auch der Sachverhalt und die Beweismittel, die dem Schiedsgericht zur Begründung der geltend gemachten Ansprüche vorgelegt werden, bleiben vertraulich.159 Die Entscheidung eines Schiedsgerichts ist im Normalfall unanfechtbar. Nur in besonderen Ausnahmefällen, etwa bei der Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs, können staatliche Gerichte einen Schiedsspruch korrigieren.160 Im Vergleich zu einem staatlichen Verfahren, das sich über mehrere Instanzen hinziehen kann, kann ein Schiedsverfahren kostengünstiger und schneller sein. In der Praxis realisiert sich diese Hoffnung jedoch nicht immer. Ein erheblicher Vorteil eines Schiedsverfahrens liegt darin, dass in der Regel jede Partei einen eigenen Schiedsrichter benennen darf. Dadurch können die Parteien sicherstellen, dass das Schiedsgericht mit Experten besetzt ist, die mit internationalen Standards von Mergers & Acquisitions vertraut sind. Staatliche Gerichte hingegen haben wegen der weiten Verbreitung von Schiedsklauseln in diesem Bereich nur selten über Streitigkeiten aus Unternehmenskaufverträgen zu entscheiden. Es ist deswegen durchaus wahrscheinlich, dass die zur Entscheidung berufenen staatlichen Richter keine oder nur wenig Erfahrung mit Unternehmenskaufverträgen haben. Zumindest bei Unternehmenskaufverträgen, die ein gewisses Volumen erreichen, sind Schiedsklauseln daher üblich. Die Praxis greift meist auf bestehende Schiedsgerichtsordnungen zurück, wie etwa die der International Chamber of Commerce ICC161 oder der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V.
_____ 159 Zur Reichweite der Vertraulichkeit im Einzelnen vgl. Heussen/Hamm/Kreindler/Harms/Rust, § 7 Rn 28. 160 Vgl. Heussen/Hamm/Kreindler/Harms/Rust, § 7 Rn 30. 161 Vgl. http://www.iccgermany.de.
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(DIS).162 Die DIS beispielsweise empfiehlt die Aufnahme folgender Schiedsklausel in den Vertrag: 5 Musterklausel Schiedsvereinbarung „Alle Streitigkeiten, die sich aus oder im Zusammenhang mit diesem Vertrag oder über dessen Gültigkeit ergeben, werden nach der Schiedsgerichtsordnung der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (DIS) unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges endgültig entschieden.“ 253 Daneben ist es sinnvoll, Vereinbarungen über den Ort des Schiedsgerichtsverfah-
rens, die Anzahl der Schiedsrichter, die Sprache des Schiedsverfahrens und über das anwendbare materielle Recht zu treffen.163
IX. Begleitverträge 254 Zusammen mit einem Unternehmenskaufvertrag werden oftmals verschiedene Be-
gleitverträge geschlossen. Typische Fälle sind: – Anstellungsverträge mit Gesellschaftern, die ihre Anteile ganz oder teilweise verkaufen, dennoch aber weiterhin Geschäftsführer der Gesellschaft bleiben sollen – Lieferverträge mit dem Verkäufer – Vertriebsverträge mit dem Verkäufer – Service-Level-Agreements, wenn die Zielgesellschaft in der Vergangenheit Dienstleistungen aus dem Konzern des Verkäufers bezogen hat und zumindest für eine Übergangszeit auf die Fortführung der Unterstützung durch den Verkäufer angewiesen ist. Typische Fälle sind etwa Dienstleistungen für Personal, Buchhaltung, Controlling, Versicherungen, IT, Einkauf oder ähnliche Dienstleistungen.
X. Kosten 255 Die Verteilung der im Zusammenhang mit einem Unternehmenskaufvertrag entste-
henden Kosten ist Verhandlungssache. Die Kosten für ihre eigenen Berater tragen die Parteien üblicherweise selbst. Häufig trägt der Käufer die Kosten für eine etwa erforderliche Beurkundung und die Durchführung eines Fusionskontrollverfahrens. Auch andere Regelungen sind jedoch denkbar und üblich. In jedem Fall sollte der
_____ 162 Vgl. http://www.disarb.org. 163 Vgl. die von der DIS für die DIS-Schiedsgerichtsvereinbarung 2018 empfohlene Schiedsklausel, http://www.disarb.org/de/17/klauseln/musterklausel-f%C3%BCr-schiedsverfahren-2018-id36.
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Vertrag eine ausdrückliche Klausel enthalten, um spätere Streitigkeiten nach Möglichkeit zu vermeiden. Muster Kostenregelung 5 „Jede Partei trägt die Kosten der von ihr beauftragten Berater selbst. Die Kosten der notariellen Beurkundung und die Kosten für die Durchführung des Fusionskontrollverfahrens vor dem Bundeskartellamt trägt der Käufer. Registerkosten trägt die Gesellschaft.“
XI. Schlussbestimmungen 1. Vollständigkeit In der Regel schließen die Parteien verschiedene Vereinbarungen zu unterschied- 256 lichen Zeitpunkten des Prozesses. Dazu gehören beispielsweise Vertraulichkeitsvereinbarungen vor dem Austausch erster Informationen und Vorverträge wie ein Memorandum of Understanding (MoU) oder ein Letter of Intent (LoI),164 die, meist unverbindlich, erste Vereinbarungen zu Inhalt und Prozess enthalten. In der Regel sind solche Vereinbarungen mit dem Abschluss eines Unternehmenskaufvertrags überholt. Um für alle Parteien Rechtssicherheit zu schaffen, sollte dies ausdrücklich festgehalten werden. Muster Vollständigkeit 5 „Dieser Vertrag enthält sämtliche Vereinbarungen zwischen den Parteien im Zusammenhang mit dem Erwerb der Zielgesellschaft. Der Vertrag ersetzt alle zu einem früheren Zeitpunkt von den Parteien zum Gegenstand dieses Vertrags getroffenen Vereinbarungen.“
2. Schriftformklausel Damit Änderungen eines Unternehmenskaufvertrags stets eindeutig dokumentiert 257 sind, sollten die Parteien vereinbaren, dass der Vertrag nur schriftlich geändert werden kann.165 3. Salvatorische Klausel Für den Fall, dass die Parteien einzelne Punkte übersehen haben oder einzelne Be- 258 stimmungen des Unternehmenskaufvertrags nichtig sind, sollte der Vertrag eine salvatorische Klausel enthalten, wonach im Zweifel die verbleibenden Teile des Vertrags wirksam bleiben sollen.166
_____ 164 Vgl. hierzu Picot/Picot Unternehmenskauf, § 2 Rn 18 ff. 165 Muster einer Schriftformklausel bei BeckOF-Vertrag/Pfisterer, Nr. 20.3. 166 Vgl. dazu MünchKomm-BGB/Busche, § 139 Rn 8.
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A. Einleitung
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Kapitel 11 Transaktionsversicherungen Kapitel 11 Transaktionsversicherungen Fingerhuth
A. Einleitung A. Einleitung https://doi.org/10.1515/9783110673043-011 Jede unternehmerische Tätigkeit, und damit jedes Unternehmen, birgt Risiken. Ei- 1 ner der wichtigsten Punkte aller Verhandlungen über Unternehmenskäufe ist die Frage, wie diese Risiken verteilt werden. Transaktions-Versicherungen (auch häufig als M&A- oder Warranty und Indemnity (kurz: W&I)-Versicherung bezeichnet) für Unternehmenskäufe können Risiken auf Versicherer übertragen. Sie bieten damit einen hohen strategischen Nutzen sowohl für Käufer als auch Verkäufer. Sie eröffnen Verhandlungsfreiräume, weil die Versicherung von Risiken eine weitere Handlungsalternative neben der Übernahme des Risikos durch Käufer oder Verkäufer darstellt. M&A-Versicherungen können insbesondere bei der Preisfindung direkt und effizient helfen. Risiken, die die Versicherung übernimmt, muss der Käufer nicht durch eine Reduzierung des angebotenen Kaufpreises berücksichtigen. Versicherungen ermöglichen den Vertragsparteien die Optimierung des Risikoprofils der Transaktion. In Auktionen beeinflusst die Bereitschaft eines Bieters zum Abschluss einer Versicherung erheblich die Wettbewerbsfähigkeit seines Angebots. M&A-Versicherungen finden immer größere Berücksichtigung und sind je- 2 denfalls in Transaktionen unter Beteiligung ausländischer Käufer oder Verkäufer mittlerweile Marktstandard. In Auktionsverfahren ist die Einbindung von Versicherungslösungen durch den Käufer zudem häufig Voraussetzung für ein erfolgreiches Angebot. Angesichts der erhöhten Nachfrage im M&A-Markt entwickeln die W&I-Versicherer ihre Produkte kontinuierlich weiter Es wird immer wichtiger, die Versicherungslösungen an der richtigen Stelle in den Transaktionsprozess einzubinden. Das Kapitel behandelt daher die folgenden Themenbereiche: 3 – Arten und Funktionsweisen der Transaktionsversicherungen mit Vor- und Nachteilen Es gibt unterschiedlich ausgestaltete Versicherungslösungen, die sich je nach Versicherungsnehmer (Käufer oder Verkäufer) und Umfang der Versicherung stark unterscheiden. Die Beteiligten jeder M&A-Transaktion sollten daher bereits im Vorfeld sorgfältig über den Einsatz der verfügbaren Möglichkeiten nachdenken. – Integration in den Transaktionsprozess Eine erfolgreiche Transaktion benötigt einen sorgfältig geplanten Prozess. Die Einbindung der Versicherung stellt einen eigenen Arbeitsstrang dar und muss, insbesondere aus zeitlicher Sicht, von Beginn an berücksichtigt werden. – Besonderheiten für den Unternehmenskaufvertrag
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–
Kapitel 11 Transaktionsversicherungen
Der Abschluss einer Transaktionsversicherung hat Auswirkungen auf die Regelungen des Kaufvertrags, da insbesondere das Garantieregime verändert wird. Wesentliche Punkte sollen hier beleuchtet werden. Einzelne, typische Fragestellungen zur Versicherbarkeit von Garantien Es gibt im Rahmen der Verhandlungen über den Abschluss einer Transaktionsversicherung mit einem Versicherungsunternehmen typische Fragestellungen, die in diesem Abschnitt behandelt werden sollen.
B. Arten und Funktionsweisen der Transaktionsversicherungen B. Arten und Funktionsweisen der Transaktionsversicherungen I. Überblick 4 Derzeit sind bei M&A-Transaktionen insbesondere die folgenden Versicherungslö-
sungen üblich: – W&I-Versicherung; – Title Versicherung; – Contingent Risk-Versicherung; und – Steuerversicherung. 5 Über die genannten hinaus gibt es eine Vielzahl weiterer Versicherungsprodukte,
die im Vorfeld oder anlässlich einer Transaktion abgeschlossen werden können. Diese weiteren Versicherungen sind in der Regel haftpflichtbasierte Versicherungen (d.h. Versicherungen, die eine eigene Haftung des Versicherungsnehmers als Voraussetzung haben), z.B. für Umwelt oder andere Bereiche. Im Rahmen einer Transaktion kann entweder der Käufer das Risiko übernehmen, aber gleichzeitig eine Reduktion des Kaufpreises vereinbaren. Alternativ sichert der Verkäufer die ihm bekannten Risiken im Vorfeld der Transaktion ab, um so mögliche Versuche interessierter Bieter, den Kaufpreis zu reduzieren, von vorne herein auszuschließen. Alle üblichen transaktionsbezogenen Versicherungslösungen lassen sich bei 6 einem Versicherer einkaufen, oder als sogenannte Stapled Insurance1 auf mehrere Versicherer verteilen. Dies ist insbesondere bei hohen Deckungssummen notwendig, da alle Versicherer eine Obergrenze für Deckungssummen haben, die sie in einer einzelnen Versicherungspolice zur Verfügung stellen dürfen. Dabei stellen die Versicherer wie bei Bausteinsystemen ihre Versicherungslinien übereinander zur Verfügung (sogenannter Tower), d.h. der Primärversicherer trägt alle Schäden bis zu einem bestimmten Betrag, bevor der nächste Versicherer alle Schäden über diesen Betrag hinaus bis wiederum zu einer weiteren Obergrenze abdeckt. Dies lässt sich beliebig fortsetzen, bis die gewünschte Versicherungssumme erreicht wird.
_____ 1 Eilers/Koffka/Mackensen/Paul/Doll/Mackensen, Private Equity, VIII.2. Rn 31.
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B. Arten und Funktionsweisen der Transaktionsversicherungen
Für den Versicherungsnehmer wird der zu durchlaufende Prozess bei einer 7 Stapled Insurance nur unwesentlich aufwendiger, da die Versicherer sich in der Regel alle auf die Ergebnisse des Underwritings des Primärversicherers stützen.
1. W&I-Versicherung a) Versicherungsumfang und Funktionsweise Die W&I-Versicherung versichert unbekannte Risiken, die zu einer Verletzung von 8 Garantien in dem Unternehmenskaufvertrag führen. Die Bezeichnung Warranty and Indemnity-Versicherung ist daher etwas irreführend, da Freistellungen („Indemnities“) grundsätzlich bekannte Risiken betreffen. Tatsächlich umfasst die W&IVersicherung jedoch keine Freistellungen, mit Ausnahme der Steuerfreistellung. Ein für Versicherungszwecke unbekanntes Risiko liegt vor, wenn es trotz einer dem Marktstandard entsprechenden Due Diligence durch den Käufer und einer entsprechenden Offenlegung durch den Verkäufer unerkannt geblieben ist. Aus diesem Zusammenspiel folgt die für die W&I-Versicherung griffige Formel: 9 „Ohne Due Diligence gibt es keinen Versicherungsschutz.“
Es gibt im Rahmen der Transaktionsversicherungen auch einige Ausnahmen 10 von dieser Formel. Diese werden an anderer Stelle in diesem Beitrag näher beleuchtet.2 Die im Rahmen der Due Diligence gefundenen Risiken gelten zudem als offengelegt und damit von der Versicherung ausgenommen. Die W&I-Versicherung hat in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen 11 und ist mittlerweile ein absolut gängiges Mittel bei M&A- und Immobilien3Transaktionen. Nicht mehr nur anglo-amerikanische Investoren (die das Produkt auf den deutschen und europäischen Transaktionsmarkt importiert haben), sondern zunehmend auch europäische und deutsche Investoren nutzen sie. Eine W&I-Versicherung kann sowohl als Verkäufer- als auch als Käuferpolice 12 ausgestaltet werden.
aa) Verkäuferpolice Bei einer Verkäuferpolice ist der Verkäufer Versicherungsnehmer. Wenn er von 13 dem Käufer aus dem Kaufvertrag auf eine Garantieverletzung in Anspruch genommen wird, kann der Verkäufer beim Versicherungsunternehmen Rückgriff nehmen. Die Versicherung verändert also nicht das Haftungsregime des Kaufvertrags.
_____ 2 Siehe dazu die Ausführungen zu Title- und Contingent Risk-Versicherungen in Rn 19 ff. 3 Söhnchen/Zentis/Berka/Eichler/Huperz, BB 2018, 1090, 1091.
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Kapitel 11 Transaktionsversicherungen
Der Käufer hat unverändert Gewährleistungsansprüche gegen den Verkäufer, und nicht gegen den Versicherer. Der Verkäufer kann Schäden, die er nach dem Kaufvertrag dem Käufer ersetzen muss, anschließend gegenüber der Versicherung geltend machen. Die Verkäuferpolice ist daher eine Haftpflichtversicherung i.S.d. §§ 100 ff. VVG.4 Deswegen besteht bei Vorsatz des Verkäufers kein Versicherungsanspruch, § 103 VVG. Gemäß § 112 VVG kann dieser Haftungsausschluss vertraglich auf grobe Fahrlässigkeit des Verkäufers ausgedehnt werden.5 Führt ein Versicherungsnehmer einen Versicherungsfall grob fahrlässig herbei, kann der Versicherer gemäß § 81 Abs. 2 VVG seine Leistung grundsätzlich in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis kürzen. Viele M&ATransaktionen sind jedoch Großrisiken i.S.d. § 210 VVG, bei denen dieses Prinzip der Quotelung abbedungen werden kann. 3 Praxistipp Vorsicht ist in diesem Zusammenhang bei W&I-Versicherungen für Immobilientransaktionen geboten. In der Regel erfüllen diese Transaktionen nicht die Kriterien eines Großrisikos und sonst übliche Abweichungen vom VVG in der W&I-Police können somit unwirksam sein. Dies ist für den Versicherungsnehmer günstig, weil es zu einer nachträglichen Kündigungsmöglichkeit führen kann. Es muss allerdings jeder Einzelfall gesondert überprüft und beurteilt werden.
bb) Käuferpolice 14 Eine Käuferpolice ist eine Eigenschadenpolice. Versicherungsnehmer ist der Käu-
fer. Er kann seine Ansprüche direkt gegenüber der Versicherung geltend machen und muss sich nicht an den Verkäufer wenden. Aus diesem Grund hat sich diese Form der W&I-Versicherung in den letzten Jahren durchgesetzt, natürlich auch verstärkt durch den anhaltenden Verkäufermarkt. Der Anspruch des Käufers gegen den Versicherer entfällt auch im Falle von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Verkäufers nicht, denn Versicherungsnehmer ist, anders als bei der Haftpflichtversicherung, der Käufer. Ein Haftungsausschluss besteht aber bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Käufers als Versicherungsnehmer, insbesondere im Falle eines kollusiven Zusammenwirkens von Verkäufer und Käufer zum Schaden des Versicherers.
b) Vor- und Nachteile 15 Käuferpolicen sichern Risiken auch dann ab, wenn Ansprüche gegen Verkäufer mit
beschränkter Solvenz oder in einem ausländischen Rechtssystem nur schwer
_____ 4 Hensel/Namislo, BB 2018, 1475, 1476 m.w.N. 5 Hensel/Namislo, BB 2018, 1475, 1476.
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B. Arten und Funktionsweisen der Transaktionsversicherungen
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durchsetzbar wären. Weil eine mögliche Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber der Versicherung und nicht gegenüber dem Verkäufer erfolgt, belastet sie nicht möglicherweise fortbestehende Geschäftsbeziehungen mit dem Verkäufer. Darüber hinaus bietet die Versicherung die Möglichkeit, die Verjährungsfrist eines Anspruchs zu verlängern und Haftungsgrenzen zu erhöhen,6 sowie eine Absicherung gegen grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz des Verkäufers zu erhalten. Will ein Verkäufer nur eingeschränkte Gewährleistungen übernehmen, wird der Käufer eine entsprechende Risikovorsorge durch eine Reduzierung des Kaufpreises vornehmen müssen. Will der Verkäufer eine solche Kaufpreisreduzierung nicht hinnehmen, kann eine W&I-Versicherung festgefahrene Verhandlungen aufbrechen. Der Verkäufer muss dann keine weiteren Gewährleistungen abgeben oder eine Kaufpreisreduzierung akzeptieren. Das Risiko des Käufers ist durch die Versicherung abgedeckt, so dass er auf eine Reduzierung des Kaufpreises zur Risikovorsorge verzichten kann. In der Vergangenheit konnte eine Versicherung dem Bieter einen entscheidenden Vorteil in einem Auktionsverfahren geben, weil sie es ihm ermöglichte, vom Verkäufer weniger Gewährleistungen zu fordern. Allerdings hat sich dieser Vorteil in der Praxis mittlerweile deutlich relativiert, da sich die Verwendung von W&I-Versicherungen in einem Bieterverfahren inzwischen zu einem Standard entwickelt hat. Eher wird man umgekehrt sagen müssen, dass die Weigerung eines Bieters, in einem Auktionsverfahren eine W&I-Versicherung abzuschließen, einen erheblichen Wettbewerbsnachteil bedeutet. Nachteilig sind der erhöhte Aufwand in der Transaktionsabwicklung durch 16 die Begleitung des Underwritings, den Verhandlungen der Police und auch die zusätzlichen Kosten für die Versicherungsprämie. Auf Verkäuferseite sind die genannten Vorteile nur eingeschränkt nutzbar. Dort 17 stehen die erhöhten Kosten naturgemäß mehr im Vordergrund. In der Praxis hat sich vor diesem Hintergrund das Modell des sogenannten Seller Buyer Flip7 entwickelt: Der Verkäufer holt mit Hilfe eines Versicherungsmaklers unverbindliche Angebote von Versicherern ein und legt den Umfang der im Unternehmenskaufvertrag enthaltenen, zu versichernden Garantien vorab mit dem ausgewählten Versicherer fest. Der Verkäufer verhandelt die Grundzüge der Versicherungspolice schon mit dem Versicherer und legt das Ergebnis dem Käufer zur Übernahme vor, der dann noch Änderungen und Ergänzungen der Police und des Deckungsumfangs verhandeln kann. Auch hier findet die oben erwähnte Formel der W&I-Versicherung Anwendung, so dass der Käufer nur Deckung in dem Umfang erhält, in dem er auch eine marktübliche Due Diligence durchgeführt und diese keine ausgewöhnlichen Feststellungen getroffen hat. Zudem wird der Verkäufer verlangen, dass wesentliche, bereits vorverhandelte Bedingungen der Versicherung nicht zum Nachteil
_____ 6 Siehe dazu auch unten Rn 40 ff. 7 Meyer-Sparenberg/Jäckle/Wiegand, § 84 Rn 33.
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des Käufers abgeändert werden. Dies betrifft vor allem die Möglichkeit eines Rückgriffs des Versicherers, der in jedem Fall auf Arglist und Vorsatz beschränkt sein sollte. 3 Praxistipp Ein Verkäufer sollte den mit einem Seller Buyer Flip verbundenen Aufwand nur auslösen, wenn dadurch substantielle Verbesserungen der Transaktionsgeschwindigkeit, -sicherheit oder des Kaufpreises zu erwarten sind. In aller Regel werden die Käufer nämlich von sich aus Versicherungslösungen in Betracht ziehen und können durch eine entsprechende Gestaltung des Kaufvertrags dazu angehalten werden. Mit diesen einfachen Mitteln lässt sich in der Regel - zumindest bei kleineren bis mittelgroßen Transaktionen - der Aufwand für einen Seller Buyer Flip auf Verkäuferseite vermeiden.
18 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass aufgrund der aufgeführten Vor- und
Nachteile gegenwärtig in der der Praxis sehr viel häufiger eine Käuferpolice abgeschlossen wird als eine Verkäuferpolice.
2. Title Versicherung a) Versicherungsumfang und Funktionsweise 19 Die Title-Versicherung versichert die Eigentümerstellung des Verkäufers an Ge-
schäftsanteilen, Aktien oder Immobilien. Die Versicherung zahlt für alle Schäden, die dem Käufer dadurch entstehen, dass der Verkäufer nicht Eigentümer ist oder der Käufer nicht Eigentümer wird. Gleichzeitig versichert die Title-Versicherung auch die Verfügungsbefugnis 20 und Vertretungsberechtigung der Verkäufer bzw. der handelnden Personen sowie jegliche Belastung der Anteile mit Rechten Dritter. Aufgrund der fundamentalen Bedeutung der betroffenen Bereiche bewegt sich die vom Versicherungsnehmer gewünschte Deckungssumme häufig im Bereich des Werts des Zielunternehmens bzw. im Bereich des kompletten Kaufpreises (je nachdem, welcher Betrag höher ist). In Abweichung des bei der W&I-Versicherung dargestellten Konzepts erfasst 21 eine Title-Versicherungspolice auch gerade bekannte Risiken bezüglich der Eigentümerstellung. Die Title-Versicherung kann auch unabhängig von einer Transaktion abge22 schlossen werden. Die meisten Versicherer haben sich mit dem Versicherungsumfang ihrer Policen von dem Wortlaut der Garantien und Freistellungen im Kaufvertrag gelöst.
b) Vor- und Nachteile 23 Die beiden größten Vorteile einer eigenständigen Title-Versicherung sind (i) der
erweiterte Umfang der Deckung der Versicherung im Vergleich zu einer W&I-
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Versicherung und (ii) die prozentual geringere Prämie. Die derzeit am Markt tätigen Title-Versicherer sind in der Lage, Deckungssummen im hohen dreistelligen Millionenbereich anzubieten. Darüber hinaus bieten Versicherungen häufig einen Deckungsumfang an, der über den Wortlaut der Garantieerklärung selbst hinausgeht. Die Title-Versicherungen stellen auf Schadensereignisse und nicht ausschließlich auf den im Kaufvertrag vereinbarten Wortlaut der Garantieerklärungen ab. Der Nachteil einer eigenständigen Title-Versicherung ist, dass der Versiche- 24 rungsnehmer weitere Ressourcen für die Abstimmungen und Verhandlungen mit dem Title-Versicherer zur Verfügung stellen muss, sofern bei der gleichen Transaktion auch eine W&I-Versicherung abgeschlossen werden soll. Allerdings ist der Aufwand auf Seiten des Versicherungsnehmers bei einer Title-Versicherung aufgrund des geringeren Umfangs der zu versichernden Sachverhalte meist deutlich geringer.
3. Contingent Risk-Versicherung a) Versicherungsumfang und Funktionsweise Weiter transaktionsrelevant ist die Contingent Risk-Versicherung. Sie versichert be- 25 kannte, aber unsichere und/oder nicht quantifizierbare Risiken. Beispiele sind drohende oder anhängige Rechtsstreitigkeiten, bestehende sanierungswürdige Umweltbelastungen einer Betriebsstätte, mögliche Angreifbarkeit von Patenten oder anderen wesentlichen Schutzrechten oder eine Steuerprüfung. Wichtig ist, dass immer nur rechtliche Risiken, nie aber faktische Unsicherheiten versichert werden können. Daher ist entscheidend, dass der zu versichernde Sachverhalt möglichst genau und eindeutig aufgeklärt wurde. Die Contingent Risk-Versicherung kann ebenso wie die Title-Versicherung un- 26 abhängig von einer Transaktion abgeschlossen werden.
b) Vor- und Nachteile Die Struktur der Contigent Risk-Versicherung ermöglicht es, große (d.h. teure) Risi- 27 ken abzusichern, die eine Transaktion sehr erschwert oder unmöglich gemacht hätten. Sie dient somit als Brücke in schwierigen Verhandlungssituationen oder bei der Vorbereitung einer Transaktion. Die Versicherung erfordert allerdings einen hohen Aufwand bei der Aufberei- 28 tung des Risikos für die Versicherung. Zudem verlangen Versicherer in der Regel deutlich mehr Prämie als für eine W&I- oder Title-Versicherung.
4. Steuerversicherung Eine Steuerversicherung ist eine auf Steuerrisiken beschränkte Contingent Risk- 29 Versicherung. Insoweit lässt sich an dieser Stelle auf die dort gemachten Ausfüh-
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rungen verweisen. Steuerversicherungen bieten sich an, wenn der mögliche Schaden sehr hoch, die Eintrittswahrscheinlichkeit aber sehr gering ist, aber noch keine einheitliche Rechtsauffassung besteht. Typische, versicherte Risiken sind z.B. steuerliche Auswirkungen einer gruppeninternen Reorganisation.
C. Integration in den Transaktionsprozess C. Integration in den Transaktionsprozess I. Richtiger Zeitpunkt und Ablauf des Versicherungsprozesses 30 Der Transaktionsversicherer ist bereits zu einem möglichst frühen Zeitpunkt in den
Transaktionsprozess einzubinden. Nur so kann vermieden werden, dass im Versicherungsprozess auftretende Fragen des Versicherers oder intensive Verhandlungen der Versicherungspolice den Abschluss der Transaktion insgesamt verzögern. Allerdings verlangen die Versicherer in aller Regel zu Beginn des Prozesses die Unterzeichnung eines sogenannten Expense Agreements,8 das ihnen eine sogenannte Underwriting Fee einräumt. Üblicherweise wird diese Zahlung nur dann fällig, wenn die Versicherung nicht abgeschlossen wird. Sie soll im Wesentlichen die externen Beratungskosten der Versicherung abdecken. Bei einem Abschluss der Versicherung wird die Underwriting Fee in aller Regel mit der Prämie verrechnet bzw. der Versicherer verzichtet auf die Zahlung. Die Partei, die letztlich die Versicherung abschließen und die Prämie bezah31 len wird, wird aus diesen Gründen immer eine Abwägung der möglichst frühen Einbindung des Versicherers mit der bereits bestehenden Transaktionssicherheit vornehmen, um die Verpflichtung zur Zahlung der Underwriting Fee nur bei einer ausreichend großen Sicherheit eines Abschlusses der Transaktion einzugehen. Die Abstimmung von Kaufvertrag und Versicherung initiiert in der Regel der 32 Käufer. Bei strukturierten Verkaufsverfahren kann dies auch der Verkäufer tun, der die W&I-Versicherung dann erst in einer späteren Phase des Verkaufsverfahrens im Rahmen des Seller Buyer Flip9 auf den Käufer überleitet. Ein Versicherungsmakler spricht für den Käufer (oder Verkäufer) auf Basis eines 33 ersten Entwurfs des Kaufvertrags und verfügbarer Informationen zum Zielunternehmen verschiedene, für die Transaktion passende Versicherungsunternehmen im Markt an und holt nicht bindende Angebote ein. Mit dem Umfang der Garantien im ersten Entwurf des Kaufvertrags kann der Versicherungsnehmer daher direkt eine Erwartungshaltung an den Versicherer übermitteln. Es ist somit ratsam, dass über
_____ 8 Grädler/Fritsche/Beilborn, GWR 2018, 464 f. 9 Siehe dazu oben Rn 17 ff.
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die Einbindung der W&I-Versicherung bereits zum Zeitpunkt des ersten Entwurfs des Kaufvertrags entschieden ist. Die weitere Abstimmung zwischen Kauf- und Versicherungsvertrag erfolgt in 34 der Regel eng abgestimmt unter den Beteiligten. Nach erster Durchsicht des Kaufvertragsentwurfs durch einen Makler und dessen Marktansprache an interessierte Versicherer erhält der Versicherungsnehmer Anmerkungen zur Versicherbarkeit des gewünschten Gewährleistungskatalogs und kann diese im Kaufvertrag berücksichtigen. Dies geschieht meist noch durch den Verkäufer. Gelegentlich beginnt der Verkäufer auch damit, die Bedingungen der Versicherungspolice mit der Versicherung zu verhandeln, bevor er den Versicherungsprozess in einer späteren Phase des Verkaufsverfahrens auf den Käufer überleitet, der letztlich Versicherungsnehmer wird und die finalen Verhandlungen über die Versicherungspolice mit dem Versicherer führt. Versicherer wollen dabei typischerweise über den Fortschritt der Kaufvertragsverhandlungen informiert werden, um Änderungen im Kaufvertrag kommentieren und gegebenenfalls durch Anpassung der Versicherungspolice reflektieren zu können. Praxistipp 3 Es sollte jede (wesentlich) neue Fassung des Kaufvertrags an den W&I-Versicherer versendet werden. Diese Fassung sollte auch die Änderungen gegenüber der letzten dem Versicherer bekannten Version kenntlich machen. Bei der Abstimmung kommt es Käufer und Verkäufer zu Gute, dass sich die W&I-Versicherung zu einem individualisierbaren Produkt entwickelt hat, dessen Bedingungen zwar im Ausgangspunkt von der Versicherung vorgegeben werden, in gewissen Grenzen aber gestaltbar sind.
II. Auswirkungen auf die Due Diligence (durch Käufer und Versicherung) Der oben stehenden Formel folgend muss der Versicherungsnehmer in allen Berei- 35 chen, in denen er eine Garantieerklärung versichert haben möchte, eine markübliche Due Diligence durchführen und auch einen entsprechenden Bericht fertigen lassen. Dies erfolgt meist durch externe Berater. Grundsätzlich ist es auch denkbar, interne Ressourcen für die Due Diligence zu nutzen. Allerdings muss dem Versicherer immer die Marktüblichkeit der Due Diligence nachgewiesen werden, zu der auch das Reporting gehört. Daher sollte der Versicherungsnehmer die Einbindung interner Ressourcen und das entsprechende Reporting nach Möglichkeit mit dem Versicherer abstimmen. Gleichzeitig bedarf es sehr detaillierter interner Vorgaben, um sich nicht bereits zu Beginn der intern durchgeführten Due Diligence eine Versicherung von Garantien für einzelne Bereiche zu erschweren. Darüber hinaus sollten die eigenen Berater bereits vor Beginn der Due Diligence auf den gewünschten Einsatz einer W&I-Versicherung hingewiesen werden. Es kann sich negativ auf die Deckung der Versicherung auswirken, wenn Risiken abstrakt und ohne An-
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haltspunkte in den Due Diligence-Unterlagen in den Due Diligence Reports dargestellt werden. Der W&I-Versicherer führt nur eine sehr eingeschränkte eigene Due Diligence 36 durch. Er bildet sich seine Risikoeinschätzung, indem er Verkäufermaterialien und die Due Diligence des Käufers plausibilisiert und die dabei gewonnenen Erkenntnisse gegenprüft. In diesem Rahmen sammelt der Versicherer Fragen zu der Due Diligence, deren Ergebnissen, dem Datenraum und der Transaktion insgesamt. Diese werden im Rahmen des sogenannten Underwriting Calls besprochen und müssen zudem in der Regel schriftlich beantwortet werden. Die Antworten fließen in das Ergebnis der eingeschränkten Due Diligence des Versicherers ein und bilden die Grundlage für die Deckungsposition der Garantien. Neben der Durchführung der eigenen Due Diligence anhand der genannten Kriterien sollte auch bei der Beantwortung der Fragen sehr sorgfältig gearbeitet werden. Ein reiner Verweis auf die Ergebnisse des Due Diligence-Reports erschwert meist die Gespräche mit der Versicherung, da diese eine „mundgerechte“ Aufbereitung der aufgekommenen Fragen wünscht, um dem meist engen Zeitplan gerecht zu werden.
D. Besonderheiten für den Unternehmenskaufvertrag D. Besonderheiten für den Unternehmenskaufvertrag I. Garantien- und Freistellungsregime 37 In M&A-Transaktionen erfolgt die Absicherung des Käufers vor unbekannten Risi-
ken durch Gewährleistungen bzw. Garantien im Unternehmenskaufvertrag, und vor bekannten Risiken durch entsprechende Freistellungen. Diese werden unter Abbedingung des gesetzlichen Gewährleistungsregimes mit eigenen Haftungsgrenzen, Verjährungszeiträumen und eigener Schadensdefinition im Vertrag vereinbart.10 Grundsätzlich lässt die Versicherungspolice diese Regelungen des Kaufvertrags unberührt. Punktuell vereinbart das Versicherungsunternehmen allerdings mit dem Versi38 cherungsnehmer im Rahmen des Versicherungsvertrags Abweichungen von diesen Regeln des Kaufvertrags, die aufgrund der Verankerung in der Police nur im Verhältnis zwischen Versicherung und Versicherungsnehmer wirken. Dies betrifft insbesondere die folgenden Bereiche: – Haftungsgrenzen; – Verjährungszeiträume; und – Schadensdefinition.
_____ 10 Vgl. zu dieser Systematik Kap. 10 Rn 102 ff.
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In ganz speziellen Ausnahmesituationen ist auch eine Abweichung vom Garantieka- 39 talog als solchem möglich. So werden Kenntnisqualifizierungen für die Zwecke der Versicherungspolice für unbeachtlich erklärt (sogenannter „knowledge scrape“) oder Wesentlichkeitsschwellen im Rahmen der Versicherung nicht angewendet. Äußerst selten werden sogar vollständig synthetische Garantien oder Steuerfreistellungen versichert. Als Standardprodukt ist dies aber bisher nur bei Immobilientransaktionen verfügbar.
1. Haftungsgrenzen a) Haftungshöchstbetrag Der Kaufvertrag enthält in aller Regel Klauseln, die die Ansprüche des Käufers aus 40 Verletzung der Garantien des Käufers auf einen Haftungshöchstbetrag begrenzen.11 Demgegenüber wird die Versicherungspolice einen Selbstbehalt beinhalten, den der Versicherungsnehmer zu tragen hat. Dieser liegt häufig bei 0,5 bis 1% des Unternehmenswerts. Aus diesem Grund werden die Verhandlungen zum Kaufvertrag in diesem Punkt darauf abzielen, dass der Selbstbehalt unter der Versicherungspolice und die Haftungshöchstgrenze für den Verkäufer deckungsgleich sind. Für alle Schäden, die bis zur Haftungshöchstgrenze reichen, haftet danach der Verkäufer, darüber hinaus haftet die Versicherung. Sofern der Haftungshöchstbetrag unter dem Selbstbehalt liegt, entsteht für den Käufer eine Haftungslücke, die er im Falle eines Schadens selbst zu tragen hätte.12 Zudem ist es immer häufiger auch ein Anliegen des Verkäufers und seiner Bera- 41 ter, die Haftungshöchstgrenze auf Null oder einen symbolischen Betrag von 1,00 € zu setzen. Dies führt faktisch dazu, dass der der Verkäufer für die Richtigkeit der Garantien nicht mehr verantwortlich ist. Für den W&I-Versicherer und den Käufer kommt es in diesen Fällen besonders 42 darauf an zu überprüfen, ob der Verkäufer Garantien sorglos abgibt, und insbesondere ob auch die Offenlegung von Unterlagen zu den vereinbarten Garantien (die gegebenenfalls nicht in diesem Umfang bei einer Transaktion ohne Versicherung vereinbart worden wären) noch dem üblichen Umfang und einem angemessenen Sorgfaltsmaßstab entspricht. Sollte dies nicht der Fall sein, sollte der Käufer unbedingt auf eine Verbesserung hinwirken, da der Versicherer sonst gegebenenfalls seinen Deckungsumfang für die Bereiche, in denen die Offenlegung nicht (mehr) sorgfältig erfolgt, einschränkt. Häufig ist eine Erinnerung an die Vorsatzhaftung des Verkäufers bei Garantieerklärungen „ins Blaue hinein“ schon ausreichend. Ganz
_____ 11 Vgl. Kap. 10 Rn 163 f. 12 Hoger/Baumann, NZG 2017, 811 ff.
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von der Hand weisen lässt sich das Risiko eines verringerten Sorgfaltsmaßstabs des Verkäufers bei einer Haftungsbegrenzung aber trotzdem nicht. Inwieweit eine signifikante Reduzierung der Haftung für Garantien bei gleich43 zeitiger Verlagerung der Haftung auf den Versicherer rechtlich wirksam vereinbart werden kann, ist nicht unumstritten. Argumente, die an die Nichtigkeit einer Abrede mit geheimem Vorbehalt nach § 116 S. 2 BGB anknüpfen, sind allerdings nicht überzeugend, da es sich in der Regel nicht um einen geheimen Vorbehalt, sondern um einen gegenüber allen Parteien kommunizierten Punkt handelt. Ähnlich verhält es sich mit den Regelungen zu einem Scheingeschäft nach § 117 Abs. 1 BGB. Käufer und Verkäufer beabsichtigen nicht die Täuschung eines Dritten. Die Versicherung kennt den faktischen Haftungsausschluss und preist ihn bei der Kalkulation der Versicherungsprämie ein. Es sprechen daher mehr Argumente für eine Wirksamkeit eines faktischen Haftungsausschlusses.13 Lediglich die Anwendbarkeit AGB-rechtlicher Überlegungen könnte zu einer anderen Auffassung führen. Daher ist besonders darauf zu achten, dass es sich um individuell ausgehandelte bzw. aushandelbare Regelungen handelt.
b) Freibetrag oder Freigrenze? 44 Ebenso wie der Haftungshöchstbetrag sollte auch ein vereinbarter Freibetrag oder
eine Freigrenze in den Verhandlungen mit den Versicherern berücksichtigt werden.14 Bei einem Haftungsfreibetrag haftet der Verkäufer gegenüber dem Käufer nur 45 für die den Freibetrag übersteigende Schadenssumme, bei einer Freigrenze dagegen haftet der Verkäufer für alle Schäden ab dem ersten Euro bei Überschreiten der Schwelle. Der Käufer ist daran interessiert, dass bei einem Haftungsfreibetrag die Versicherung alle Schäden deckt, die die Summe aus Haftungsfreibetrag und Haftungshöchstbetrag übersteigen. Daher müssen Haftungsfreibetrag und Haftungshöchstbetrag in der Summe dem Selbstbehalt unter der Versicherungspolice entsprechen. Abhängig von der Verhandlungsposition der Parteien kann der Haftungsfreibetrag entsprechend hoch bzw. der Haftungshöchstbetrag entsprechend niedrig (verkäuferfreundlich) gewählt werden oder umgekehrt (käuferfreundlich).15 Findet eine Haftungsfreigrenze Eingang in den Kaufvertrag, sollte aus Käufer46 sicht bei Erreichen der Freigrenze der gesamte Schaden vom Verkäufer bzw. dem W&I-Versicherer ersetzt werden. Das ist gewährleistet, wenn der Verkäufer mindestens bis zum Erreichen der Haftungsfreigrenze und einem gegebenenfalls höherliegenden Haftungshöchstbetrag einsteht und die W&I-Versicherung darüber hinaus
_____ 13 Hoger/Baumann, NZG 2017, 811 ff. 14 Vgl. Kap. 10 Rn 162. 15 Grädler/Fritsche/Beilborn, GWR 2018, 464 f.
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einspringt. Folglich sollte der Haftungshöchstbetrag auch immer die Haftungsfreigrenze übersteigen, da ansonsten eine Deckungslücke für den Käufer entsteht.16
c) De Minimis-Betrag Der De Minimis-Betrag im Kaufvertrag17 sollte ebenfalls auf den De Minimis-Betrag 47 der Versicherungspolice abgestimmt werden. Käufer und Verkäufer vereinbaren im Rahmen des Gewährleistungsregimes, dass ein Schaden aus einer Gewährleistungsverletzung nur bei Überschreiten einer Mindestschwelle durch den Käufer geltend gemacht werden kann. Die Versicherung macht als Vorgabe, dass die De Minimis-Schwelle nicht unter den Aufgriffsschwellen der Due Diligence Reports liegen kann.18 Dies ist insbesondere bei Financial und Tax Due Diligence zu beachten, die in der Regel deutlich höhere Schwellenwerte für ihre Due Diligence haben als die anderen Due Diligence-Disziplinen. Eine Unterschreitung eines De Minimis-Betrags von 25.000 € ist bei operativ 48 tätigen Unternehmen derzeit nur schwer mit Versicherern verhandelbar. Lediglich bei W&I-Versicherungen für Immobilientransaktionen ist ein Schwellenwert von 10.000 € nicht unüblich. Praxistipp 3 Die Aufgriffsschwellen des Due Diligence Reports sollten explizit mit allen Beratern vor deren Beauftragung besprochen werden, um etwaige „Überraschungen“ im Rahmen der W&I-Versicherung zu vermeiden.
d) Haftungsauschluss bei Kenntnis des Käufers Kennt der Käufer bei Vertragsschluss eine Garantieverletzung oder die sie begrün- 49 denden Umstände, sind seine Ansprüche meist sowohl unter dem Kaufvertrag als auch unter der Versicherungspolice ausgeschlossen.19 Hintergrund der dem Gesetz nachgebildeten Regelung ist, dass der Käufer diese Punkte bei den Verhandlungen berücksichtigen und im Zweifel mit einem Kaufpreisabschlag versehen konnte. Dies gilt allerdings nicht für Tatsachen, die dem Käufer aufgrund ihrer Offenlegung im Datenraum oder in sonstigen transaktionsbezogenen Informationen hätten bekannt sein können, aber tatsächlich nicht bekannt sind. Im Kaufvertrag wird für diese Fälle häufig das Fair Disclosure-Konzept ver- 50 einbart, das nur solche Umstände als bekannt qualifiziert, die im Datenraum so de-
_____ 16 17 18 19
Eingehend: Hoger/Baumann, NZG 2017, 811 ff. Vgl. Kap. 10 Rn 161. Grädler/Fritsche/Beilborn, GWR 2018, 464 f. Vgl. Kap. 10 Rn 124 ff.
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tailliert, offensichtlich und fair offengelegt waren, dass ein professionell beratener Käufer hieraus Qualität und Ausmaß eines Gewährleistungsverstoßes erkennen konnte. Grundposition der W&I-Versicherung ist allerdings, dass der gesamte Datenraum als offengelegt gilt und damit das Fair Disclosure-Konzept für die Zwecke der Versicherung keine Anwendung findet. Dies lässt sich aber häufig im Verhandlungswege ändern, so dass im Ergebnis 51 die meisten Versicherungen den Maßstab zur fairen Offenlegung auch in die Versicherungspolice integrieren. In jedem Fall sollte der Käufer sicherstellen, dass der Haftungsausschluss für offengelegte Umstände unter der Versicherungspolice nicht weiter reicht als unter dem Kaufvertrag. Insbesondere sollten auch bei (fingierter) Kenntnis des Käufers nur bereits entstandene Gewährleistungsverletzungen zu einem Haftungsausschluss führen. Unter der Versicherungspolice gelten Umstände standardmäßig häufig schon dann als bekannt und vom Versicherungsschutz ausgeschlossen, wenn der Käufer von ihnen erwarten kann, dass sie in Zukunft zu einer Gewährleistungsverletzung führen können.20
2. Verjährungszeiträume 52 Die im Kaufvertrag vereinbarten Verjährungszeiträume21 haben nur einen bedingten
Einfluss auf die Verjährung im Rahmen der Versicherungspolice. Es gibt eine Tendenz in der Vertragsgestaltung des Kaufvertrags, nicht nur wie oben beschrieben die Haftungshöchstgrenze zu minimieren, sondern auch die Verjährung bereits nach einem Tag eintreten zu lassen. 3 Praxistipp Eine Diskussion um Verjährungszeiträume zwischen den Parteien des Kaufvertrags erübrigt sich in der Regel mit Blick auf Garantieerklärungen, die in das Regime der Versicherungspolice fallen. Es sollte allerdings nicht außer Acht gelassen werden, dass das Regime des Kaufvertrags auch darüber hinausgehende Ansprüche regelt, so dass der Käufer in jedem Fall auf einen angemessenen Verjährungszeitraum achten sollte.
53 Für die Wirksamkeit einer solchen Regelung gilt das oben Gesagte.22 In jedem Fall
aber wird die Versicherungspolice diese Regelung abändern und dem Versicherungsnehmer ein gewünschtes Schutzniveau bieten. Eine Verjährung nach drei Jahren bei Verletzung operativer Garantien und nach sieben Jahren bei Verletzung der Fundamentalgarantien und Ansprüchen unter der Steuerfreistellung ist als derzeit üblich anzusehen.
_____ 20 Hoger/Baumann, NZG 2017, 811 ff. 21 Vgl. Kap. 10 Rn 166 ff. 22 Vgl. Rn 43.
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3. Schadensdefinition Käufer und Verkäufer vereinbaren im Kaufvertrag eine vom Gesetz abweichen- 54 de, eigenständige Definition des ersatzfähigen Schadens im Fall einer Garantieverletzung.23 Übliche Diskussionspunkte sind hierbei entgangener Gewinn und Mangelfolgeschäden, sowie die Berücksichtigung von Multiples aus der Unternehmensbewertung. Meist knüpft die Versicherungspolice an den vereinbarten Schadensbegriff an, stellt aber einige zusätzliche Einschränkungen auf.24 Sofern es nicht bereits der Verkäufer getan hat, modifiziert der Versicherer den Schadensbegriff dahingehend, dass indirekte Schäden, entgangener Gewinn und Schäden aus Strafzahlungen25 explizit ausgenommen sind. Ein weitergehender Schadensbegriff im Kaufvertrag erscheint vor diesem Hintergrund lediglich dann sinnvoll, wenn der Schaden in diesem Umfang auch versicherbar ist oder eine originäre Verkäuferhaftung neben der W&I-Versicherung gewollt wird. Letzteres kann insbesondere relevant sein, wenn der Verkäufer für Gewährleistungsverletzungen neben der W&I-Versicherung, für Schäden über der Versicherungshöchstsumme oder unterhalb des Selbstbehalts weiterhin haftet.
II. Vertragsunterzeichnung und Vollzugstag, Bring Down-Disclosures Grundsätzlich wollen Verkäufer Garantien im Kaufvertrag ausschließlich auf den 55 Vertragsabschluss abgeben. Bei den meisten Transaktionen fallen der Vertragsabschluss und der Vollzug der Transaktion allerdings zeitlich auseinander. Bei einem Auseinanderfallen von Unterzeichnung und Vollzug verlangt der 56 Käufer regelmäßig, dass die Garantieerklärungen auch zum Vollzugstag abgegeben werden.26 Für den Verkäufer bedeutet eine zur Unterzeichnung und zum Vollzugstag abgegebene Garantie ein gesteigertes Risiko einer (unverschuldeten) Garantieverletzung, da er bei Erklärung der Garantie die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Vollzugs nicht vorhersehen oder prüfen kann. Grundsätzlich ist der Verkäufer eher bereit, die Fundamental-Garantien und 57 Garantien, die in seinem Einflussbereich stehen, auch zum Vollzugstag abzugeben. Sofern die Garantien die operativen Verhältnisse des Unternehmens betreffen, ist die Bereitschaft dazu meinst gering. Allenfalls werden Garantien in Betracht gezogen, die kenntnisqualifiziert sind. Angesichts des erhöhten Haftungsrisikos ist der Verkäufer im Hinblick auf Garantien zum Vollzugstag bestrebt, zumindest die Haftung für solche Garantieverletzungen auszuschließen, die auf Umständen beruhen,
_____ 23 24 25 26
Vgl. Kap. 10 Rn 151 ff. Grädler/Fritsche/Beilborn, GWR 2018, 464 f; Hoger/Baumann, NZG 2017, 811 ff. Veith/Gräfe/Gebert/Boche, § 25 Rn 141. Vgl. Kap. 10 Rn 133 ff.
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die ihm nach der Vertragsunterzeichnung (aber vor dem Vollzugstag) bekannt werden. Dies kann er durch die Vereinbarung eines vertraglichen Bring Down-Mechanismus (auch als Bring Down-Disclosure bezeichnet)27 erreichen. Danach ist die Haftung für solche Verletzungen von zum Vollzugstag abgegebenen Garantien ausgeschlossen, die auf Umständen beruhen, die er dem Käufer bei oder kurz vor Vollzug offengelegt hat. Wenn der Versicherungsvertrag (wie typischerweise) unmittelbar vor oder zur 58 Vertragsunterzeichnung des Kaufvertrags abgeschlossen wird, umfasst die Deckung der W&I-Versicherung vom Grundsatz her nur Garantien, die auch zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung abgegeben werden.28 Wie bereits oben ausgeführt wird für in der Zukunft liegende Ereignisse keine Deckung übernommen, weil hierfür keine angemessene Due Diligence möglich ist. Eine Deckung der Garantien zum Vollzugstag kann ein Versicherer nur dann übernehmen, wenn es eine weitergehende Offenlegung von Umständen im Zeitraum zwischen Vertragsunterzeichnung und Vollzugstag gibt. Dies erfolgt über den Bring Down-Mechanismus. Sachverhalte, die zu einer Garantieverletzung führen, sind in der Regel so we59 sentlich, dass sie dem Management des Verkäufers oder des Zielunternehmens nicht verborgen bleiben. Aus dieser Überlegung heraus und der meist relativ kurzen Zeitspanne zwischen Vertragsunterzeichnung und Vollzugstag gewinnt der Versicherer ausreichend Sicherheit, auch Garantien zum Vollzugstag abzudecken. Voraussetzung ist dabei aber immer, dass die folgenden Punkte gegeben sind: (i) der Zeitraum zwischen Unterzeichnung und Vollzug ist in einem üblichen, überschaubaren Rahmen, (ii) die Ergebnisse des Bring Down-Mechanismus und die Inhalte der zugehörigen Erklärung des Verkäufers führen zu einem Deckungsausschluss unter der Versicherungspolice, und (iii) die Versicherungspolice ist aufschiebend bedingt auf die entsprechende Erklärung des Verkäufers. Die Rechtsfolgen, die Käufer an den Bring Down-Mechanismus knüpfen, sind für die Versicherbarkeit der Garantien zum Vollzugstag nicht relevant. Da der Bring DownMechanismus in der Regel auf Betreiben des Käufers in den Kaufvertrag aufgenommen wird, wird der Verkäufer im Gegenzug ebenfalls versuchen, eine Haftung für diese Fälle auszuschließen oder zumindest ein Rücktrittsrecht im Fall eines sehr substantiellen Schadens aufgrund einer Garantieverletzung zum Vollzugstag zu verhandeln. Schließlich unterscheiden die Versicherer für diesen Zeitraum noch zwischen 60 „Alt-Schäden“, d.h. Garantieverletzungen, die bereits vor Abschluss des Kaufvertrags vorlagen, aber erst danach bekannt geworden sind, und neuen Umständen zwischen Unterzeichnung und Vollzug des Kaufvertrags. Es gibt Versicherer, die entgegen dem zuvor dargestellten Prinzip solche neuen Umstände trotz Offenlegung
_____ 27 Giessen/Luettges, BB 2018, 647, 648. 28 Veith/Gräfe/Gebert/Boche, § 25 Rn 143.
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E. Einzelne Typische Fragestellungen zur Versicherbarkeit von Garantien
zum Vollzug in die Deckung mit aufnehmen (sogenanntes „New Breach Coverage“). Allerdings verlangen sie für diesen Fall in der Regel eine substantielle Prämienerhöhung.
III. Beurkundungspflicht? Sofern der Kaufvertrag selbst beurkundungspflichtig ist, stellt sich für den Versiche- 61 rungsprozess die Frage, ob die W&I-Versicherungspolice ebenfalls beurkundet werden muss.29 Überwiegend wird dies verneint. Die zu Nebenabreden mit Dritten im Grundstücksrecht entwickelten Grundsätze lassen sich aufgrund der unterschiedlichen Normzwecke des § 311b Abs. 1 BGB und des § 15 Abs. 3 und Abs. 4 GmbHG nicht auf das Anteilskaufrecht übertragen. Der Anteilskaufvertrag hängt in der Regel auch nicht von der W&I-Police ab. 62 Umgekehrt ist die W&I-Police ohne den Anteilskaufvertrag gegenstandslos und hängt damit selbst von diesem ab. Die einseitige Abhängigkeit des formfreien von dem formbedürftigen Rechtsgeschäft führt aber nicht zu einer Mitbeurkundungspflicht der W&I-Police. Die Versicherungspolice als Nebenabrede zum Anteilskaufvertrag mit Dritten ist daher grundsätzlich nicht beurkundungspflichtig. Etwas anderes kann sich ausnahmsweise dann ergeben, wenn die Parteien einen expliziten Verknüpfungswillen äußern, was in der Praxis regelmäßig nicht der Fall ist. Allerdings wird in der Praxis aus Vorsichtsgesichtspunkten mit zunehmender 63 Häufigkeit auch die Versicherungspolice beurkundet. Dies beeinflusst den Prozess dahingehend, dass entweder ein Vertreter der Versicherung bei Beurkundung anwesend sein muss, oder die Versicherung die Police im gleichen Beurkundungstermin wie den Kaufvertrag mitbeurkunden lässt und ein Beteiligter als vollmachtloser Vertreter auftritt. Die Versicherung genehmigt die beurkundete Police nach erfolgreicher Beurkundung des Kaufvertrags anschließend nach.
E. Einzelne Typische Fragestellungen zur Versicherbarkeit von Garantien E. Einzelne Typische Fragestellungen zur Versicherbarkeit von Garantien I. Allgemeines zur Versicherbarkeit von Garantien, Ausschlüsse In der Praxis hat sich etabliert, dass der W&I-Versicherer den Versicherungsschutz 64 für jede einzelne Garantie detailliert regelt. Dies erfolgt in einer Tabelle, die Anhang zur Versicherungspolice wird (sogenanntes „warranty spreadsheet“). Darin wird
_____ 29 Vgl. zum Umfang der Beurkundungspflicht im Einzelnen Kap. 10 Rn 190 ff.
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gekennzeichnet, welche Garantien voll versichert, teilweise versichert oder vom Versicherungsschutz ausgenommen sind. Üblicherweise erhält der potenzielle Versicherungsnehmer sogar bereits vor dem Vorliegen der Due Diligence Berichte eine erste Einschätzung über die Versicherbarkeit des Garantiekatalogs über ein sogenanntes „preliminary warranty spreadsheet“, welches nur die allgemeine Marktpositionierung der Versicherung zu einzelnen Gewährleistungen enthält, aber noch keine Ergebnisse des Underwritings. Bei der Ausgestaltung des Garantiekatalogs sollte es deshalb grundsätzlich im 65 gemeinsamen Interesse von Käufer und Verkäufer liegen, möglichst viele Gewährleistungen als voll versicherbar auszugestalten. Jede nicht oder nur eingeschränkt versicherbare Gewährleistung, für die aufgrund der vertraglichen Haftungsbeschränkung auch der Verkäufer nicht einstehen muss, wäre ein zahnloser Tiger. Dies sollte insbesondere der Käufer berücksichtigen, wenn er vom Verkäufer zusätzliche Gewährleistungen verlangt. Generell nicht versicherbar sind zukunftsbezogene Gewährleistungen (sogenannte „forward-looking statements“), die etwa bestimmte Umsatzziele, Gewinnerwartungen oder andere bloß erwartete Entwicklungen absichern sollen. Risiken aus solchen Gewährleistungen wären für einen Versicherer kaum kalkulierbar. Hinzu kommt, dass W&I-Versicherungen konzeptionell darauf ausgelegt sind, anhand einer stichtagsbezogenen Betrachtung mögliche Risiken aus vergangenen Ereignissen abzudecken. Der W&I-Versicherer bildet sich seine Risikoeinschätzung, indem er Verkäufermaterialien und die Due Diligence des Käufers plausibilisiert und die dabei gewonnenen Erkenntnisse in einer (eingeschränkten) eigenen Due Diligence gegenprüft. Insoweit unterscheiden sich W&IVersicherungen grundlegend von Versicherungsarten, die zukünftig eintretende Schadensfälle abdecken und die der Versicherer anhand einer Berechnung der Wahrscheinlichkeit des Eintritts künftiger ungewisser Ereignisse bepreist (z.B. allgemeine Haftpflichtversicherungen). Vom Versicherungsschutz typischerweise generell ausgenommen sind außer66 dem Risiken, die ein hohes Schadenspotential aufweisen und schwer oder nicht überprüfbar sind, so z.B. die Unterdeckung von Pensionsverpflichtungen, steuerliche Risiken im Zusammenhang mit Ergebnisabführungsverträgen und Verrechnungspreisen, eine sekundäre Steuerhaftung und Cyberrisiken. Gleiches gilt für Sachverhalte, die schon durch andere Versicherungen (etwa eine bestehende Produkthaftpflichtversicherung) abgedeckt sind. Standardmäßig ausgeschlossen sind außerdem z.B. Konstruktions- bzw. Baufehler, Verstöße gegen Wirtschaftssanktionen der USA und der EU (etwa Ausfuhrverbote) und auch andere Geldstrafen oder –bußen, sowie Compliance-Verstöße allgemein. 3 Praxistipp Es ist dringend zu raten, einzelne Ausschlüsse der Versicherer zu hinterfragen und zu verhandeln. Insbesondere bei Vorliegen einer guten und ausführlichen Due Diligence lässt sich gegenüber dem Versicherer häufig eine Änderung von dessen Ersteinschätzung zur Versicherbarkeit erreichen.
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E. Einzelne Typische Fragestellungen zur Versicherbarkeit von Garantien
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II. Geltendmachung von Ansprüchen Verschiedene Studien der Versicherer zu Schäden und Auszahlungen unter den W&I-Versicherungspolicen aus den letzten Jahren zeigen, dass immer häufiger Ansprüche geltend gemacht werden. Mittlerweile werden bei rund 25% der versicherten Transaktionen Schäden an den Versicherer gemeldet. Häufigster Grund für die Geltendmachung von Ansprüchen sind dabei Steueransprüche gefolgt von Ansprüchen unter Bilanzgarantien. Es ist zudem nicht erforderlich, dass ein Anspruch gleichzeitig unter dem Kaufvertrag geltend gemacht wird. Die Versicherung soll ja gerade eine Trennung der beiden Haftungsregimes erreichen. Eine W&I-Versicherungspolice beinhaltet in der Regel ein dezidiertes Regime zur Geltendmachung von Ansprüchen. Dabei ist zu beachten, dass der Versicherer relativ früh über einen möglichen Anspruch benachrichtigt werden sollte, da die Fristen mit 14 bis 21 Tagen zumeist relativ kurz sind. Diese Fristen beginnen mit der Kenntnis des Versicherungsnehmers über die den Anspruch gegen die Versicherung begründenden Umstände. Da aber eine abschließende Einschätzung, ob tatsächlich ein Anspruch besteht, häufig erst zu einem späteren Zeitpunkt vorgenommen werden kann, empfiehlt sich eine Notifizierung des Versicherers, die lediglich die Umstände und Fakten des möglichen Anspruchs beschreibt. Eine streitige Geltendmachung gegenüber dem Versicherer erfolgt in der Regel in Schiedsverfahren, da die Versicherer die Verfahrensöffentlichkeit vor staatlichen Gerichten scheuen.
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III. Vertretungsberechtigung und Veräußerungsbefugnis des Verkäufers Die Vertretungsberechtigung und Veräußerungsbefugnis des Verkäufers in Be- 71 zug auf den Kaufgegenstand (i.d.R. Geschäftsanteile, Aktien oder Immobilien) wird normalerweise nicht durch eine marktübliche Due Diligence geprüft. Es stellt sich damit für eine Deckung im Rahmen der Versicherungspolice die Frage, inwieweit diese Garantien versicherbar sind. Üblicherweise wird die Versicherung hier auch keine förmliche Due Diligence 72 verlangen, sondern möchte lediglich über die sorgfältigen Nachforschungen des Käufers diesbezüglich informiert werden. Klar ist damit allerdings, dass der Käufer sich nicht vollständig auf die Garantie verlassen darf, sondern zumindest Registerauszüge oder ähnliche Nachweise, Bilanzen und ähnliches heranziehen muss, um sich über die Vertretungsberechtigung und die Veräußerungsbefugnis des Verkäufers zu informieren.
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Kapitel 11 Transaktionsversicherungen
3 Praxistipp In der Regel ist es insbesondere für die Versicherbarkeit der Vertretungsbefugnis des Verkäufers ausreichend, wenn auf den Prüfungsumfang des beurkundenden Notars hingewiesen wird. Allerdings ist bei der Beurkundung vor einem ausländischen Notar sicherzustellen, dass dieser auch solche Prüfungen durchführt, wenn man sich darauf berufen möchte.
IV. Bilanzgarantien und Jahresabschlüsse 73 Bilanzgarantien sind sehr schadensträchtig. Daher stellen die Versicherer besonders
hohe Anforderungen an deren Versicherbarkeit. Derzeit sind die Versicherer im Markt nur bereit, bei einer Pflichtprüfung des Jahresabschlusses eine Garantie zu versichern, deren Wortlaut den des Testats wiederholt. Die Versicherung deckt insoweit also „nur“ ein fehlerbehaftetes Testat ab. Sofern keine Prüfung des Jahresabschlusses vorliegt, werden Garantien, die auf 74 den „true and fair“ view abstellen, nur mit einer Kenntnisqualifikation und einer Materialitätsgrenze versichert.
V. Umweltschäden 75 Umweltgarantien werden, sofern nicht von einer gesonderten Umweltpolice abge-
deckt, nur versichert, wenn eine Phase I Umwelt Due Diligence durchgeführt wurde, diese keine wesentlichen Risiken identifiziert hat und der Geschäftsbetrieb in Bezug auf Umweltsachverhalte nicht grundsätzlich risikogeneigt ist. Grundsätzlich von einer Deckung ausgeschlossen sind allgemeine Umweltfreistellungen.
VI. Schriftform von Gewerbemietverträgen 76 Gewerberaummietverträge werden meist über eine feste Laufzeit abgeschlossen.
Sofern diese mehr als ein Jahr beträgt, bedarf der Mietvertrag der Schriftform. Wird diese nicht eingehalten, können die Mietvertragsparteien nicht erst am Ende der Vertragslaufzeit, sondern jederzeit ordentlich kündigen. Gegenwärtig unterscheiden die Versicherungen in der Regel bei einer Versicherbarkeit, ob ein Schriftformverstoß wegen mündlicher oder schriftlicher Abreden, die nicht offengelegt wurden, existiert, oder ob sich aus in der Due Diligence vorliegenden Unterlagen ein solcher Verstoß ergibt. Nur der zuerst genannte Fall wird durch die Versicherer im Rahmen einer W&I-Versicherung abgedeckt, jeweils allerdings immer nur im Rahmen speziell auf diesen Fall ausgerichteter Garantieerklärungen. neue rechte Seite
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A. Einleitung
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Kapitel 12 Arbeitsrecht Kapitel 12 Arbeitsrecht Brügger/Hofmann
A. Einleitung A. Einleitung https://doi.org/10.1515/9783110673043-012 Arbeitsrechtliche Fragen, die im Rahmen eines Unternehmenskaufs relevant sind, 1 ergeben sich zunächst aus den Ergebnissen der Due Diligence im Bereich des Arbeitsrechts.1 Daneben hängt die arbeitsrechtliche Betrachtung maßgeblich davon ab, ob die einzelnen zum Zielunternehmen gehörenden Vermögensgegenstände erworben werden (sogenannter Asset Deal), oder ob der Rechtsträger als solcher übertragen wird (sogenannter Share Deal).2 Ein Asset Deal führt in der Regel zu einem Betriebsübergang – mit all den damit verbundenen Rechten und Pflichten für die Käufer und Verkäufer sowie die betroffenen Arbeitnehmer. Zudem kann sich ein Unternehmenskauf auf die Betriebsstruktur auswirken. 2 Führt der Unternehmenskauf beispielsweise zu einer Spaltung des Betriebes oder mehrerer Betriebe des Zielunternehmens, haben der Betriebsrat oder andere Mitarbeitervertretungen in der Regel zwingende Mitbestimmungsrechte, deren Ausübung den Prozess verzögern kann.
B. Betriebsübergang B. Betriebsübergang I. Vorliegen eines Betriebsübergangs Ein Betriebsübergang liegt nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB immer dann vor, wenn 3 ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber übergeht. Eine vollständige Übertragung aller Vermögensgegenstände des Zielunterneh- 4 mens lässt sich in der Regel leicht als Betriebsübergang qualifizieren. Oft umfasst ein Verkauf jedoch lediglich Teile eines Unternehmens (sogenannter Carve-out). Hier ergeben sich häufig erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten, die einer eingehenderen Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 613a BGB bedürfen.
1. Übergang durch Rechtsgeschäft Ein Betriebsübergang liegt gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB nur dann vor, wenn der 5 Betrieb oder Betriebsteil „durch Rechtsgeschäft“ auf einen anderen Inhaber übergeht. Dieses Tatbestandsmerkmal ist weit zu verstehen. Der Begriff „Rechtsge-
_____ 1 Siehe dazu Kap. 9. 2 Siehe dazu Kap. 10 Rn 6 ff.
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Kapitel 12 Arbeitsrecht
schäft“ erfasst alle Fälle einer Fortführung der wirtschaftlichen Einheit im Rahmen vertraglicher und sonstiger rechtsgeschäftlicher Beziehungen, ohne dass unmittelbar Vertragsbeziehungen zwischen dem bisherigen Inhaber und dem Erwerber bestehen müssen.3 Auch umwandlungsrechtliche Vorgänge können einen Betriebsübergang 6 darstellen. Weil der Gesetzgeber in § 324 UmwG klargestellt hat, dass § 613a Abs. 1 und Abs. 4 BGB durch die Wirkungen der Eintragung einer Verschmelzung, Spaltung oder Vermögensübertragung unberührt bleiben, scheitert die Anwendbarkeit des § 613a BGB in den Fällen der Gesamtrechtsnachfolge jedenfalls nicht an dem fehlenden Merkmal einer Übertragung „durch Rechtsgeschäft“.4
2. Betriebsbegriff (Wirtschaftliche Einheit) 7 Eine weitere Voraussetzung eines Betriebsübergangs ist, dass ein Betrieb oder Be-
triebsteil auf den neuen Inhaber übergeht. Der Wortlaut des § 613a BGB selbst enthält jedoch keine Definition des Betriebs- oder Betriebsteilbegriffes. Auch der EuGH, der die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Betriebsübergang in den letzten Jahren maßgeblich geprägt hat, definiert nicht die Begriffe „Betrieb oder Betriebsteil“, sondern stellt das Merkmal der wirtschaftlichen Einheit in den Vordergrund der Prüfung. Diese wirtschaftliche Einheit ist eine organisatorische Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung.5 Das Bundesarbeitsgericht hat sich in ständiger Rechtsprechung diesem Betriebsbegriff angeschlossen.6 Eine wirtschaftliche Einheit bedarf demnach einer organisatorischen Einheit, 8 die einen wirtschaftlichen Zweck verfolgt. Darüber hinaus muss die wirtschaftliche Einheit im Rahmen der Übertragung auf den neuen Inhaber ihre Identität bewahren und der Erwerber muss diese Einheit auch tatsächlich fortführen. Ob ein im Wesentlichen unveränderter Fortbestand der wirtschaftlichen Einheit unter einer solchen Identitätswahrung bei dem neuen Inhaber anzunehmen ist, richtet sich nach den Umständen des konkreten Einzelfalles.7 Ohne eine detaillierte Prüfung der Gesamtumstände ist daher häufig schwer einzuschätzen, ob ein Betriebsübergang vorliegt. Diese Abgrenzungsschwierigkeiten hat auch die Rechtsprechung erkannt und 9 einen sogenannten „7-Punkte-Katalog“ entwickelt. Anhand dieses Kataloges ist
_____ 3 BAG, Urt. v. 18.8.2011, 8 AZR 230/10, NZA 2012, 267, m.w.N. 4 Vgl. BR-Drs. 75/94. 5 EuGH, Urt. v. 11.3.1997, C-13/95 – Ayse Süzen, NZA 1997, 433. 6 Siehe beispielhaft: BAG, Urt. v. 22.5.1997, 8 AZR 101/96, NZA 1997, 1050. 7 EuGH, Urt. v. 11.3.1997, C-13/95 – Ayse Süzen, NZA 1997, 433; BAG, Urt. v. 25.5.2000, 8 AZR 416/99, NZA 2000, 1115.
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B. Betriebsübergang
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nach ständiger Rechtsprechung des EuGH und des Bundesarbeitsgerichts im Einzelfall zu prüfen, welche der nachfolgenden sieben Kriterien für oder gegen einen Übergang einer wirtschaftlichen Einheit sprechen: – die Art des Unternehmens, – der Übergang der Aktiva (z.B. materielle Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter) sowie deren Wert und Bedeutung, – der Wert der immateriellen Aktiva, – die Übernahme der Arbeitnehmer, – die Übernahme der Kundschaft und Lieferantenbeziehungen, – die Ähnlichkeit der Tätigkeit vor und nach der Übernahme sowie – die Dauer einer Unterbrechung der Geschäftstätigkeit. Diese Aspekte sind im Rahmen einer Gesamtbewertung aller Umstände des Ein- 10 zelfalles zu würdigen und dürfen deshalb nicht isoliert betrachtet werden.8 Die rechtzeitige und verlässliche Beschaffung näherer Informationen zu allen der vorgenannten Kriterien ist damit eine wichtige Aufgabe des arbeitsrechtlichen Beraters im Rahmen des Unternehmenskaufs. Praxistipp 3 Je nach Umfang und Komplexität der möglichen Betriebsübergänge im Rahmen eines Unternehmenskaufs kann es von sehr großer Hilfe sein, einen Fragebogen zur Vervollständigung durch den jeweiligen Ansprechpartner im Unternehmen zu entwerfen, welcher die Aspekte des „7-PunkteKataloges“ beinhaltet. In diesem Zusammenhang sollten im Rahmen eines oder mehrerer Betriebsteilübergänge auch bereits detaillierte Fragen zur Bestimmung der wirtschaftlichen Einheit dieser Betriebsteile gestellt werden, um die Arbeitsverhältnisse der vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer und der beim Betriebsteilveräußerer „zurückbleibenden“ Belegschaft klar zuordnen zu können.9 Weiterhin kann ein solcher Fragebogen die Möglichkeit bieten, etwaige Schwellenwerte im Rahmen der kollektiven Mitbestimmung frühzeitig auszuloten.10
Aus dem „7-Punkte-Katalog“ wird ersichtlich, dass sich die Identität der wirtschaft- 11 lichen Einheit auch aus anderen Merkmalen wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und gegebenenfalls den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln ergeben kann.11 Daher ist es zwingend notwendig, auch die vom Unternehmenskauf betroffenen Tätigkeiten im Detail zu überprüfen. In einem Betrieb, in dem es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt (sogenannter betriebsmittelarmer Betrieb), kann eine Ge-
_____ 8 BAG, Urt. v. 25.8.2016, 8 AZR 53/15, NZA-RR 2017, 123. 9 Vgl. zur Zuordnung der Arbeitsverhältnisse bei Betriebsteilübergang auch die Ausführungen unter Rn 17 f. 10 Vgl. zur Mitbestimmung der Arbeitnehmervertretungen auch die Ausführungen unter Rn 43 ff. 11 BAG, Urt. v. 11.12.1997, 8 AZR 426/94, NZA 1998, 532.
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Kapitel 12 Arbeitsrecht
samtheit von Arbeitnehmern, die durch eine gemeinsame Tätigkeit dauerhaft verbunden sind, eine wirtschaftliche Einheit darstellen. Diese wirtschaftliche Einheit kann ihre Identität über ihren Übergang hinaus bewahren, wenn der neue Unternehmensinhaber nicht nur deren Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt, das sein Vorgänger gezielt für diese Tätigkeit eingesetzt hat.12 Bei einem sogenannten betriebsmittelgeprägten Betrieb hingegen kann es sein, dass bei wertender Betrachtungsweise der Einsatz der sächlichen Betriebsmittel den eigentlichen Kern des zur Wertschöpfung erforderlichen Funktionszusammenhangs der wirtschaftlichen Einheit ausmacht, die Arbeitnehmer an sich also lediglich eine untergeordnete Rolle spielen. Zur näheren Konkretisierung, wann ein solcher betriebsmittelgeprägter Betrieb anzunehmen ist, hat das Bundesarbeitsgericht mittlerweile weitere Kriterien entwickelt. So kann es maßgebend sein, dass die Betriebsmittel, die unverzichtbar zur auftragsgemäßen Verrichtung der Tätigkeiten sind, auf dem freien Markt nicht erhältlich sind, oder ihr Gebrauch vom Auftraggeber zwingend vorgeschrieben ist.13 Dagegen liegt allein in der bloßen Fortführung einer Tätigkeit durch einen anderen (Funktionsnachfolge) oder der bloßen Auftragsnachfolge kein Betriebsübergang.14 Für die betroffenen Arbeitnehmer spielt es keine Rolle, ob ein Betrieb oder ein 12 Betriebsteil übergeht. In beiden Fällen muss eine wirtschaftliche Einheit identitätswahrend übertragen werden.15 3 Praxistipp Ein Betriebsübergang kann nicht nur im Rahmen eines reinen Transfers von Sachwerten relevant werden. Auch die Übertragung von Tätigkeiten auf einen Dritten, die das übertragende Unternehmen zuvor selbst ausgeführt hat (sogenanntes Outsourcing), kann einen Betriebsübergang darstellen. Gleiches gilt für die im Anschluss an das Outsourcing stattfindende Rückübertragung der Tätigkeiten zum ursprünglichen Unternehmen (sogenanntes Insourcing) oder die Übertragung der „outgesourcten“ Tätigkeiten an einen weiteren Dritten (sogenanntes Second Generation Outsourcing).
II. Rechtsfolgen des Betriebsübergangs 1. Unveränderter Übergang der Arbeitsverhältnisse 13 Bei einem Betriebsübergang wechselt nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB der Vertragspartner auf Arbeitgeberseite. Das zwischen dem Arbeitnehmer und dem früheren Arbeitgeber bestehende Arbeitsverhältnis bleibt unverändert. Die zum Zeitpunkt des
_____ 12 13 14 15
Vgl. BAG, Urt. v. 11.12.1997, 8 AZR 426/94, NZA 1998, 532. BAG, Urt. v. 23.5.2013, 8 AZR 207/12, DB 2013, 2336, m.w.N. BAG, Urt. v. 22.5.2014, 8 AZR 1069/12, NZA 2014, 1335. Vgl. BAG, Urt. v. 16.5.2002, 8 AZR 319/01, NZA 2003, 93, m.w.N.
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B. Betriebsübergang
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Betriebsübergangs zwischen dem Betriebsveräußerer und seinen Arbeitnehmern bestehenden Arbeitsverhältnisse gehen also von Gesetzes wegen allein aufgrund des Betriebsübergangs vom Veräußerer auf den Erwerber über – und zwar auch bei einem möglicherweise entgegenstehenden Willen des Veräußerers, des Erwerbers oder des Arbeitnehmers selbst, und auch bei der Weigerung des Erwerbers, seine dahingehenden Verpflichtungen zu erfüllen.16 Der Betriebserwerber tritt demnach kraft Gesetzes im Zeitpunkt des Betriebs- 14 übergangs in alle Rechte und Pflichten aus den betroffenen Arbeitsverhältnissen ein, so dass das Arbeitsverhältnis zum bisherigen Betriebsinhaber ab diesem Augenblick vollständig erlischt.17 Das bedeutet jedoch auch, dass der Betriebserwerber ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs Schuldner aller Ansprüche aus den betroffenen Arbeitsverhältnissen wird. Er haftet daher ab diesem Moment insbesondere für jegliche Ansprüche auf Entgelt, variable Vergütung (Tantiemen, Kommissionen, Boni, etc.),18 zusätzliche Vergütungsbestandteile (Geschäftswagen, Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, etc.), Urlaubsansprüche sowie im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge.19 Gleichzeitig wird der Erwerber aber natürlich auch Gläubiger aller entstandenen und fällig gewordenen Ansprüche aus den übergegangenen Arbeitsverhältnissen. Dazu gehören unter anderem Bereicherungsansprüche wegen überzahlter Vergütung sowie Schadensersatzansprüche wegen unerlaubter Handlungen, die eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung darstellen.20 Der Betriebsübergang befreit den Betriebsveräußerer jedoch nicht von allen An- 15 sprüchen der übergehenden Arbeitnehmer. § 613a Abs. 2 BGB bestimmt vielmehr eine abgestufte Haftung. Danach haftet der Betriebsveräußerer neben dem Betriebserwerber für Verpflichtungen nach § 613a Abs. 1 BGB als Gesamtschuldner, die vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden. Für nach dem Zeitpunkt des Übergangs fällig werdende Verpflichtungen haftet der Betriebsveräußerer gemäß § 613a Abs. 2 Satz 2 BGB nur zeitanteilig. Weiterhin haftet der Betriebsveräußerer natürlich auch für Ansprüche, die aus vor dem Betriebsübergang beendeten Arbeitsverhältnissen resultieren. Diese abgestufte Haftungsregelung kommt jedoch nicht zum Tragen, wenn sich der Betriebsübergang im Rahmen einer Umwandlung nach dem Umwandlungsgesetz vollzieht. Dies ergibt sich aus dem Umkehrschluss aus dem Wortlaut des § 324 UmwG, der lediglich auf § 613a Abs. 1 und Abs. 4 BGB verweist.
_____ 16 Vgl. EuGH, Urt. v. 14.11.1996, C 305/94, DB 1996, 2546; BAG, Urt. v. 22.2.1978, 5 AZR 800/76, DB 1978, 1453. 17 ErfKomm/Preis, § 613a BGB Rn 66; a.A. Löwisch, ZIP 1986, 1101, 1102. 18 Hierbei ist jedoch die Regelung des § 613a Abs. 2 BGB zu beachten. 19 Vgl. zur betrieblichen Altersvorsorge auch die Ausführungen unter Rn 49 ff. 20 BAG, Urt. v. 21.8.2014, 8 AZR 655/13, NZA 2015, 94.
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Kapitel 12 Arbeitsrecht
2. Vom Betriebsübergang erfasste Arbeitsverhältnisse 16 Der Betriebsübergang erfasst alle Arbeitsverhältnisse, unabhängig davon, ob es
sich um Arbeiter, Angestellte oder Auszubildende handelt.21 Irrelevant ist zudem, ob es sich um Teilzeit- oder Vollzeitarbeitsverhältnisse handelt oder die Arbeitsverhältnisse befristet oder unbefristet sind. Auch leitende Angestellte22 und ruhende Arbeitsverhältnisse (Elternzeit, Wehrdienst) gehen grundsätzlich auf den Erwerber über.23 Der Betriebsübergang erfasst hingegen nicht unter anderem Ruhestandsarbeitsverhältnisse,24 Heimarbeitsverhältnisse,25 freie Dienstverhältnisse26 oder Anstellungsverträge von Organmitgliedern.27 Besteht ein Unternehmenskauf aus dem Erwerb eines von mehreren Betrieben 17 eines Unternehmens, lediglich eines Betriebsteils von mehreren oder etwa aus der Kombination von Betriebsteilerwerb und Betriebsteilstilllegung, ist nicht selten schwer abzugrenzen, welche Arbeitsverhältnisse welchem Betrieb oder Betriebsteil zuzuordnen sind. Dies stellt in der Praxis ein nicht unerhebliches Problem dar. Denn der Betriebserwerber möchte grundsätzlich nur eine, zumeist im Rahmen einer Anlage zum Asset Deal beschriebene Gruppe von Arbeitnehmern übernehmen. Die übrigen Arbeitnehmer sollen beim Betriebsveräußerer verbleiben beziehungsweise im Rahmen einer Betriebsteilstilllegung betriebsbedingt gekündigt werden. Darüber hinaus hat es erhebliche Konsequenzen für die Haftung des Betriebserwerbers, wenn statt der ursprünglich geplanten Zahl der Arbeitnehmer nun kraft Gesetz das Doppelte oder Dreifache an Arbeitsverhältnissen auf ihn übergeht.28 Aus arbeitsrechtlicher Sicht sind diese Abgrenzungsschwierigkeiten wie folgt 18 zu lösen: Maßgeblich für die Zuordnung der Arbeitsverhältnisse zu den Betrieben oder Betriebsteilen beim Veräußerer sind primär die Umstände im Zeitpunkt des Betriebsübergangs, wobei sich die Zuordnung inhaltlich in erster Linie nach dem Willen der Arbeitsvertragsparteien richtet.29 Fehlt es an einer solchen – ausdrücklichen oder konkludenten – Zuordnung durch den Veräußerer und den Arbeitnehmer, erfolgt sie auf der zweiten Ebene grundsätzlich – ebenfalls ausdrücklich oder konkludent – durch den Veräußerer aufgrund seines Direktionsrechts.30 Fehlt sie auch hier, erfolgt die Zuordnung zuletzt nach objektiven Kriterien. Hierbei ist zu untersuchen, ob der einzelne Arbeitnehmer tatsächlich in den übergegange-
_____ 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30
Vgl. beispielhaft BAG, Urt. v. 13.7.2006, 8 AZR 382/05, NZA 2006, 1406. BAG, Urt. v. 22.2.1978, 5 AZR 800/76, DB 1978, 1453. MünchKomm-BGB/Müller-Glöge, § 613a BGB, Rn 83, m.w.N. BAG, Urt. v. 11.11.1986, 3 AZR 194/85, NZA 1987, 559. BAG, Urt. v. 3.7.1980, 3 AZR 1077/78, BB 1981, 1466. BAG, Urt. v. 13.2.2003, 8 AZR 59/02, NZA 2003, 854. BAG, Urt. v. 13.2 2003, 8 AZR 654/01, NZA 2003, 552. Vgl. zur vertraglichen Gestaltung der Haftung auch die Ausführungen unter Rn 37. BAG, Urt. v. 17.10.2013, 8 AZR 763/12, NZA-RR 2014, 175. BAG, Urt. v. 21.2.2013, 8 AZR 877/11, DB 2013, 1178.
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nen Betrieb(steil) eingegliedert war.31 Etwaige diesbezügliche Vereinbarungen zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber zulasten des Arbeitnehmers – etwa die Zuordnung einzelner Arbeitnehmer zu Betriebsteilen im Rahmen des Unternehmenskaufvertrages – sind grundsätzlich unbeachtlich,32 so dass die Parteien eine solche Zuordnung auch nicht nachträglich und von diesen gewillkürt festlegen können. Hier hilft einzig eine vorherige Zuordnung der Arbeitnehmer durch den Betriebsveräußerer im Rahmen des Direktionsrechts oder mittels einvernehmlicher Vertragsänderung mit dem jeweiligen Arbeitnehmer. Im Rahmen einer solchen gewillkürten Zuordnung sind jedoch insbesondere zwei Dinge zu beachten: Zum einen stellt eine einseitige Umsetzung durch den Betriebsveräußerer regelmäßig eine Versetzung nach § 99 BetrVG dar und bedarf daher – sofern vorhanden – der Zustimmung des Betriebsrates. Nicht selten sieht der Betriebsrat eine solche Maßnahme als „Vorbereitungshandlung“ auf eine mögliche Transaktion und positioniert sich entsprechend. Zum anderen muss auch der Betriebserwerber darauf achten, dass bestimmte Schlüsselarbeitnehmer nicht zuvor durch den Betriebsveräußerer aus der zu übertragenden wirtschaftlichen Einheit herausgenommen werden, um diese (gewollt oder ungewollt) dem Übergang zu entziehen. Gerade für den zuletzt genannten Fall bietet es sich daher an, im Unternehmenskaufvertrag entsprechende Absicherungen für eine solche kurzfristige „Verschiebung“ von Schlüsselkräften zu schaffen. Praxistipp 3 Häufig möchte der Betriebserwerber bestimmte Arbeitnehmer auf jeden Fall übernehmen, da sie für die Fortführung des Betriebes dringend benötigte Fähigkeiten haben oder Know-how Träger sind. Bestehen für diese Arbeitnehmer jedoch Zweifel, ob sie eindeutig dem zu übertragenden Betrieb oder Betriebsteil zuzuordnen sind, kann der Unternehmenskaufvertrag einen Ausgleich im Verhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber enthalten. Daneben können die Parteien auch gemeinsam mit diesen Arbeitnehmern eine dreiseitige Vereinbarung über die Überleitung ihres Arbeitsverhältnisses schließen und so Klarheit schaffen.
3. Schicksal von Kollektivvereinbarungen Das Schicksal von Kollektivvereinbarungen wie Tarifverträgen und Betriebsverein- 19 barungen im Zuge eines Betriebsübergangs ist in der Literatur und Rechtsprechung umstritten. Umso mehr – oder gerade deswegen – verwundert es, dass im Rahmen eines Unternehmenskaufs dieser durchaus komplexe Themenbereich häufig nur eine untergeordnete Rolle spielt. So ist eine Bestandsaufnahme der anwendbaren Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen und ihrer Auswirkungen auf die Arbeits-
_____ 31 BAG, Urt. v. 21.6.2012, 8 AZR 181/11, NZA-RR 2013, 6. 32 BAG, Urt. v. 21.6.2012, 8 AZR 181/11, NZA-RR 2013, 6.
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Kapitel 12 Arbeitsrecht
verhältnisse der vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer zwar in der Regel Teil der arbeitsrechtlichen Due Diligence. Eine detaillierte Auseinandersetzung mit der Transformation dieser Kollektivnormen beim Betriebserwerber fehlt jedoch zumeist und ist, wenn überhaupt, nur von Seiten des Unternehmenskäufers gewünscht, da dieser im Rahmen der bei diesen geltenden kollektivrechtlichen Strukturen in die Kollektivvereinbarungen der übergehenden Arbeitnehmer „eintritt“. So kommt es nicht selten vor, dass ein nicht tarifgebundener Unternehmenskäufer, in dessen Betrieb kein Betriebsrat und damit auch keine Betriebsvereinbarungen existieren, einen Betrieb erwirbt, für dessen Arbeitnehmer ein Tarifvertrag und/oder mehrere Betriebsvereinbarungen (z.B. zur Arbeitszeit, zur Ordnung im Betrieb oder zu allgemeinen Urlaubsgrundsätzen) Anwendung finden. In dieser Situation hat der Unternehmenskäufer ein großes Interesse an der Klärung, wie sich diese Kollektivvereinbarungen nach dem Betriebsübergang auf die dann von ihm beschäftigten Arbeitnehmer des Unternehmensverkäufers auswirken – also ob diese Regelungen uneingeschränkt weitergelten, verdrängt werden, gekündigt werden können oder sich gar auch auf seine bisherigen Arbeitnehmer auswirken. Aus diesem Grund sollte die Bewertung eines Unternehmenskaufs auch die Auswirkungen des Betriebsübergangs auf Kollektivvereinbarungen einbeziehen. Im Grundsatz regelt § 613a Abs. 1 Satz 2 bis Satz 4 BGB das Schicksal der Kollek20 tivvereinbarungen im Falle eines Betriebsübergangs. So besagt § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB, dass Rechte und Pflichten, die durch Rechtsnormen eines Tarifvertrages oder durch eine Betriebsvereinbarung geregelt sind, Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem Betriebserwerber und dem Arbeitnehmer werden, und nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden dürfen. Nach der neueren – in der Literatur umstrittenen33 – Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts werden die Kollektivnormen dabei zwar in das Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Betriebserwerber transformiert, behalten jedoch dennoch ihren kollektivrechtlichen Charakter.34 Das bedeutet im Grundsatz, dass die zuvor für die Arbeitnehmer des Unternehmensverkäufers beispielsweise als Betriebsvereinbarung geltenden Regelungen (z.B. zur Arbeitszeit) nach dem Betriebsübergang auf einen Unternehmenskäufer, bei welchem keine (diesbezüglichen) Betriebsvereinbarungen abgeschlossen wurden, als Teil des Arbeitsverhältnisses des Arbeitnehmers fortgelten. Der Unternehmenskäufer muss demnach diese Regelungen mindestens ein weiteres Jahr ab dem Betriebsübergang gegen sich gelten lassen und kann sich ihrer nicht im Zuge des Betriebsübergangs entledigen. Ein anderes Bild zeigt sich jedoch, sobald der Unternehmenskäufer selbst einer 21 Tarifbindung oder Betriebsvereinbarungen unterliegt. Denn nach dem Regierungs-
_____ 33 Siehe zum Streitstand zum Beispiel ErfKomm/Preis, § 613a BGB Rn 112. 34 BAG, Urt. v. 22.4.2009, 4 AZR 100/08, NZA 2010, 41.
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entwurf zu § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB hat dieser lediglich einen Auffangcharakter, wenn nicht die „kollektivrechtlichen Regelungen wie üblich vorgehen”.35 Dies bedeutet zum einen, dass Widersprüche in Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen von Unternehmenskäufer und –verkäufer, die im Rahmen eines Betriebsübergangs aufeinandertreffen, nach den im kollektiven Arbeitsrecht geltenden Kollisionsregelungen aufgelöst werden müssen. Zum anderen ist diese kollektivrechtliche Weitergeltung grundsätzlich vorrangig zu § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB.36 Eine solche Kollision von Kollektivvereinbarungen lässt sich grundsätzlich wie folgt lösen: Verbandstarifverträge Soweit der Unternehmenskäufer demselben Arbeitgeberverband angehört wie der 22 Unternehmensverkäufer und auch die vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer tarifgebunden sind, bleibt die kollektivrechtliche Geltung des Verbandstarifvertrages auch nach Betriebsübergang bestehen. Ist der Unternehmenskäufer jedoch nicht dahingehend tarifgebunden, so werden die in dem veräußerten Betrieb geltenden Rechte und Pflichten aus tariflichen Normen nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB Inhalt des auf den neuen Inhaber übergegangenen Arbeitsverhältnisses. Das gilt nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB jedoch dann wiederum nicht, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber durch einen anderen Tarifvertrag geregelt sind und der andere Tarifvertrag kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit für das übergegangene Arbeitsverhältnis gilt.37 Eine kollektivrechtliche Weitergeltung des Verbandstarifvertrages beim Unternehmenskäufer ist darüber hinaus auch im Falle einer Allgemeinverbindlicherklärung nach § 5 TVG denkbar. Firmentarifverträge Ein Betriebsübergang begründet für den Unternehmenskäufer keine unmittelbare 23 und zwingende Geltung (§ 4 Abs. 1 TVG) eines mit dem Unternehmensverkäufer abgeschlossenen Firmentarifvertrages.38 Führt der Unternehmenskäufer demnach keine normative Geltung herbei oder besteht diese nicht, da der Betriebserwerber seinerseits nicht an denselben Tarifvertrag gebunden ist, greift erneut der Auffangtatbestand des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB. Hiernach werden die tarifvertraglichen normativen Regelungen zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses, wenn sie bislang für das Arbeitsverhältnis mit dem Unternehmensverkäufer zwingend und unmittelbar galten.39
_____ 35 BT-Dr 8/3317, S. 11. 36 BAG, Urt. v. 26.8.2009, 4 AZR 280/08, NZA 2010, 238; ebenfalls umstritten; siehe zum Streitstand zum Beispiel ErfKomm/Preis, § 613a BGB Rn 113. 37 BeckOK/Gussen, § 613a BGB, Rn 221, m.w.N. 38 BAG, Urt.v. 20.6.2001, 4 AZR 295/00, NZA 2002, 517. 39 BAG, Urt. v. 20.6.2001, 4 AZR 295/00, NZA 2002, 517.
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Kapitel 12 Arbeitsrecht
Einzelbetriebsvereinbarungen 24 Der Unternehmenskäufer bleibt dann an eine beim Unternehmensverkäufer beste-
hende Einzelbetriebsvereinbarung gebunden, wenn die Betriebsidentität nach dem Betriebsübergang im Wesentlichen erhalten bleibt.40 Denn in diesem Fall würde der für diesen Betrieb bestehende Betriebsrat grundsätzlich auch nach dem Betriebsübergang fortbestehen. Gesamtbetriebsvereinbarungen 25 Gesamtbetriebsvereinbarungen gelten nach dem Betriebsübergang kollektivrechtlich fort, wenn auch nur einer oder mehrere Betriebe unter Wahrung ihrer Betriebsidentität übergehen.41 Eine Ausnahme soll nach der Rechtsprechung hierbei der Fall bilden, dass die Gesamtbetriebsvereinbarung nach ihrem Inhalt die Zugehörigkeit zum bisherigen Unternehmen zwingend voraussetzt und nach dem Betriebsübergang gegenstandslos wird.42 Konzernbetriebsvereinbarungen 26 Für Konzernbetriebsvereinbarungen gelten die Ausführungen zu den Gesamtbetriebsvereinbarungen grundsätzlich entsprechend.
4. Unterrichtung nach § 613a Abs. 5 BGB 27 Ein Betriebsübergang hat erhebliche Auswirkungen auf den einzelnen Arbeitneh-
mer, insbesondere bekommt er einen neuen Arbeitgeber. § 613a Abs. 5 BGB schreibt daher eine Unterrichtung aller vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer vor. An die Unterrichtungspflicht knüpft wiederum unmittelbar das Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers nach § 613a Abs. 6 BGB an. Mit einem Widerspruch kann der Arbeitnehmer aus eigener Kraft den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Betriebserwerber verhindern.43 Die Unterrichtung dient dem Arbeitnehmer dabei als maßgebliche Grundlage für die Entscheidung, ob er sein Widerspruchsrecht ausübt.44 Sie soll es dem Arbeitnehmer ermöglichen, sich zu erkundigen und gegebenenfalls beraten zu lassen, um dann über einen etwaigen Widerspruch entscheiden zu können.45 Aus diesem Grund stellt die Rechtsprechung erhebliche Anforderungen an den Inhalt einer solchen Unterrichtung. § 613a Abs. 5 BGB verlangt zunächst eine Unterrichtung über folgende Punkte:
_____ 40 41 42 43 44 45
BAG, Beschl. v. 5.2.1991, 1 ABR 32/90, NZA 1991, 639. BAG, Beschl. v. 18.9.2002, 1 ABR 54/01, NZA 2003, 670. BAG, Beschl. v. 24.1.2017, 1 ABR 24/15, NZA-RR 2017, 413. Vgl. zum Widerspruchsrecht auch die Ausführungen unter Rn 31 ff. BT-Drs. 14/7760 S. 19. BAG, Urt. v. 10.11.2011, 8 AZR 430/10 – juris.
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B. Betriebsübergang
– – – –
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den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs, den Grund des Übergangs, die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.
Das Unterrichtungsschreiben sollte diese Punkte sehr detailliert darstellen.46 Die 28 frühere Rechtsprechung forderte nur, dass die Unterrichtung über die rechtlichen Folgen „im Kern richtig“ und „ausreichend“ ist.47 Die Rechtsprechung hat ihre Anforderungen zwischenzeitlich aber erheblich erhöht. Sie fordert nun präzise Hinweise auf die Rechtsfolgen, die keinen juristischen Fehler enthalten dürfen.48 Im Ergebnis ist bei komplexen Rechtsfragen eine Unterrichtung nur dann fehlerfrei, wenn Betriebsveräußerer und -erwerber bei angemessener Prüfung der Rechtslage, die gegebenenfalls die Einholung von Rechtsrat über die höchstrichterliche Rechtsprechung beinhaltet, rechtlich vertretbare Positionen gegenüber dem Arbeitnehmer kundtun.49 In der Praxis führt dies häufig dazu, dass der eigentliche Adressat des Unterrichtungsschreibens, nämlich der zu informierende und zu schützende Arbeitnehmer, dessen Inhalt nicht mehr ausreichend nachvollziehen kann. Praxistipp 3 Die Unterrichtung kann nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts grundsätzlich in einem Standardschreiben erfolgen. Sie muss jedoch etwaige Besonderheiten der Arbeitsverhältnisse erfassen. Daher empfiehlt es sich unter Umständen für einzelne Arbeitnehmergruppen, für die zum Beispiel unterschiedliche kollektivrechtliche Regelungen gelten, jeweils ein eigenes Unterrichtungsschreiben zu entwerfen.
Neben diesen gesetzlichen Unterrichtungsgegenständen ist dem Arbeitnehmer im 29 Rahmen der rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangsinsbesondere Klarheit über die Identität des Erwerbers zu verschaffen, was die Angabe des Namens oder der Firma (§ 17 Abs. 1 HGB) des Erwerbers nebst Anschrift erfordert.50 Weiterhin erstreckt sich die Unterrichtungspflicht auf mittelbare Rechtsfolgen des Betriebsübergangs, die unter anderem bei einer Ausübung des Widerspruchsrechts eintreten und im Zeitpunkt der Unterrichtung das Stadium konkreter Planungen erreicht haben.51
_____ 46 Vgl. zu den von der Rechtsprechung geforderten Inhalten im Einzelnen Ascheid/Preis/Schmidt/ Steffan, Rn 206a ff. 47 BAG, Urt. v. 20.3.2008, 8 AZR 1016/06, NZA 2008, 1354. 48 BAG, Urt. v. 20.3.2008, 8 AZR 1016/06, NZA 2008, 1354. 49 BAG, Urt. v. 14.12.2006, 8 AZR 763/05, NZA 2007, 682. 50 BAG, Urt. v. 25.8.2016, 8 AZR 53/15, NZA-RR 2017, 123. 51 BAG, Urt. v. 10.11.2011, 8 AZR 430/10 – juris.
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Kapitel 12 Arbeitsrecht
Die Unterrichtung ist darüber hinaus keine bloße Obliegenheit, sondern eine echte Rechtspflicht.52 Sowohl der Betriebserwerber als auch der Betriebsveräußerer sind zur Unterrichtung verpflichtet. Sie haften damit als Gesamtschuldner nach § 421 BGB mit der Folge, dass die Erfüllung durch den Betriebsveräußerer auch für den Betriebserwerber oder umgekehrt wirkt.53 Die Unterrichtung muss in Textform (§ 126b BGB) erfolgen. Sie ist nach dem Wortlaut des § 613a Abs. 5 BGB grundsätzlich vor dem Übergang vorzunehmen. Erfolgt eine Unterrichtung erst nach dem Vollzug des Betriebsübergangs, beginnt die einmonatige Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 BGB erst mit dem Zugang der Unterrichtung zu laufen.54
3 Praxistipp In Anbetracht der einmonatigen Widerspruchsfrist nach § 613a Abs. 6 BGB ist es grundsätzlich zu empfehlen, die Unterrichtung der vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer spätestens einen Monat vor dem geplanten Zeitpunkt des Betriebsübergangs durchzuführen. Damit haben Betriebserwerber und -veräußerer zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs positive Kenntnis von möglichen, dem Betriebsübergang widersprechenden, Arbeitnehmern und damit Klarheit über die tatsächliche Anzahl der auf den Betriebserwerber übergehenden Arbeitnehmer.
5. Widerspruchsrecht der betroffenen Arbeitnehmer 31 Ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs ist der Betriebserwerber der neue Schuldner aller Ansprüche des Arbeitnehmers aus seinem Arbeitsverhältnis. Dies erfolgt auch gegen den Willen des Arbeitnehmers und ohne seine (ausdrückliche) Zustimmung.55 Da dem Arbeitnehmer damit ein Arbeitgeber aufgezwungen wird, den er selbst nicht gewählt hat, ordnet § 613a Abs. 6 BGB an, dass der Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach § 613a Abs. 5 BGB schriftlich gegenüber dem Betriebserwerber oder -veräußerer widersprechen kann. Das Widerspruchsrecht ist dabei nach ständiger Rechtsprechung des Bundesar32 beitsgerichts ein Gestaltungsrecht in der Form eines Rechtsfolgenverweigerungsrechts, das durch eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung ausgeübt wird.56 Ein wirksamer, erst nach dem Betriebsübergang erklärter Widerspruch wirkt hierbei auf den Zeitpunkt des Betriebsübergangs zurück, mit der Folge, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Betriebsveräußerer über den Zeitpunkt des Betriebsübergangs hinaus unverändert fortbesteht.57 Ist der Arbeitnehmer in der Zwischen-
_____ 52 53 54 55 56 57
BAG, Urt. v. 31.1. 2008, 8 AZR 1116/06, NZA 2008, 642. Willemsen/Lembke, NJW 2002, 1159, 1162; a.A. Worzalla, NZA 2002, 353, 354. BT-Drs. 14/7760 S. 12. BAG, Urt. v. 22.2.1978, 5 AZR 800/76, DB 1978, 1453. BAG, Urt. v. 13.7.2006, 8 AZR 382/05, NZA 2006, 1406. BAG, Urt. v. 23.7.2009, 8 AZR 538/08, NZA 2010, 89.
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B. Betriebsübergang
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zeit bereits für den Betriebserwerber tätig geworden, richten sich die Rechtsbeziehungen zwischen dem Arbeitnehmer und dem Betriebserwerber nach den Grundsätzen des fehlerhaften beziehungsweise faktischen Arbeitsverhältnisses.58 In der Praxis von großer Bedeutung ist, dass die Widerspruchsfrist nicht nur bei 33 einer komplett fehlenden, sondern auch bei einer fehlerhaften Unterrichtung nicht zu laufen beginnt.59 Der Arbeitnehmer kann dem Betriebsübergang dann grundsätzlich auch noch Jahre später rechtswirksam widersprechen. Die strengen Anforderungen der Rechtsprechung an den Inhalt einer Unterrichtung machen es in der Praxis beinahe unmöglich, ein über jeden Zweifel erhabenes Unterrichtungsschreiben rechtssicher aufzusetzen.60 Praxistipp 3 Um Rechtssicherheit darüber zu erlangen, dass Arbeitnehmer dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auch bei einer fehlerhaften Unterrichtung nicht mehr widersprechen können, können sich Veräußerer und Erwerber um einen Verzicht der vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer auf das Widerspruchsrecht bemühen. Dem Unterrichtungsschreiben kann eine vorformulierte Verzichtserklärung beigefügt werden. Arbeitnehmer, die nicht von ihrem Widerspruchsrecht Gebrauch machen wollen, können darin um einen Verzicht auf dieses Recht gebeten werden. Damit lässt sich zumindest für diejenigen Arbeitnehmer, welche eine solche Erklärung abgeben, positiv feststellen, dass ein Widerspruchsrecht nicht mehr ausgeübt werden kann. Die damit verbundenen Risiken für Betriebserwerber und –veräußerer entfallen dann.
Ein Vorausverzicht für einen wie auch immer gearteten, nicht näher bestimmten, 34 Betriebsübergang in der Zukunft dürfte unwirksam sein. Im Vorfeld eines konkret anstehenden Betriebsübergangs ist ein solcher Verzicht auf das Widerspruchsrecht hingegen möglich.61 Verzichtet ein Arbeitnehmer nicht und widerspricht noch Jahre nach einem Betriebsübergang aufgrund einer fehlerhaften Unterrichtung, bleibt nur der Einwand der Verwirkung62 oder des Rechtsmissbrauchs.63
6. Kündigungsverbot wegen des Betriebsübergangs § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB stellt klar, dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses 35 durch den Betriebsveräußerer oder durch den Betriebserwerber wegen eines Be-
_____ 58 LAG Nürnberg, Urt. v. 5.10.2011, 2 Sa 765/10 – juris, m.w.N. 59 BAG, Urt. v. 13.7.2006, 8 AZR 305/05, NZA 2006, 1268. 60 In diesem Zusammenhang sorgte unter anderem die Erwägung des 8. Senats des Bundesarbeitsgerichts für Aufregung, eine fehlerhafte Unterrichtung bereits dann anzunehmen, wenn die der Vornamen des Geschäftsführers der Erwerberin fehlerhaft ist (Jochen statt Joachim), BAG, Urt. v. 13.7.2006, 8 AZR 305/05, NZA 2006, 1268. 61 BAG, Urt. v. 28.2.2019, 8 AZR 201/18, NZA 2019, 1279. 62 Siehe beispielhaft BAG, Urt. v. 2.4.2009, 8 AZR 178/07 – juris. 63 Siehe beispielhaft BAG, Urt. v. 30.9.2004, 8 AZR 462/03, NZA 2005, 43.
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Kapitel 12 Arbeitsrecht
triebsübergangs unwirksam ist. Die Norm bildet hierbei ein eigenständiges Kündigungsverbot in Sinne der §§ 13 Abs. 3 KSchG, 134 BGB und findet deshalb auch Anwendung, wenn das Arbeitsverhältnis noch nicht länger als sechs Monate bestanden hat (§ 1 Abs. 1 KSchG) oder die Betriebsgröße des § 23 Abs. 1 KSchG nicht erreicht ist.64 Das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt jedoch nach § 613a Abs. 4 Satz 2 BGB unberührt. Das bedeutet, dass anderweitige – nicht auf dem Betriebsübergang basierende – personen-, verhaltensoder betriebsbedingte Kündigungen durchaus möglich sind. Diese setzen nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts voraus, dass es – neben dem Betriebsübergang – einen sachlichen Grund gibt, der die Kündigung „aus sich heraus“ zu rechtfertigen vermag, so dass der Betriebsübergang nur äußerer Anlass, nicht aber der tragende Grund für die Kündigung gewesen ist.65 Das Kündigungsverbot des § 613a Abs. 4 BGB spielt im Rahmen von Unterneh36 menskäufen auch noch in einigen anderen, rechtlich durchaus umstrittenen Konstellationen eine Rolle, die hier nur der Vollständigkeit halber ohne weitere detaillierte Behandlung genannt seien.66 Dazu gehören insbesondere Eigenkündigungen und Aufhebungsverträge mit Einstellungsgarantie beim Betriebserwerber (sog. Lemgoer Modell),67 der Abschluss von Aufhebungsverträgen als Voraussetzung für die Weiterbeschäftigung in einer Beschäftigungs- und/oder Qualifizierungsgesellschaft68 oder vorgezogene Kündigungen des Betriebsveräußerers aufgrund eines Erwerberkonzeptes im Sanierungsfall.69
III. Auswirkungen auf den Unternehmenskaufvertrag 37 In Anbetracht der beschriebenen Chancen und Risiken eines Betriebsübergangs
können sich Regelungen im Unternehmenskaufvertrag insbesondere für folgende Themenkomplexe anbieten: Haftung für geplant übergehende Arbeitsverhältnisse 38 Die gesetzlich vorgeschriebene gesamtschuldnerische Haftung nach § 613a Abs. 2
BGB stellt in vielen Fällen keine adäquate Lösung für die Parteien dar.70 Sinnvoll ist
_____ 64 ErfKomm/Preis, § 613a BGB Rn 153. 65 BAG, Urt. v. 20.9.2006, 6 AZR 249/05, NZA 2007, 387. 66 Eine sehr ausführliche Darstellung dieser Themen findet sich beispielsweise bei BeckOK/Rolfs/ Giesen/Kreikebohm/Udsching/Gussen, § 613a BGB, Rn 122 ff. 67 BAG, Urt. v. 28.4.1987, 3 AZR 75/86, NZA 1988, 198. 68 BAG, Urt. v. 25.10.2012, 8 AZR 575/11, NZA 2013, 203. 69 BAG, Urt. v. 20.3.2003, 8 AZR 97/02, NZA 2003, 1027. 70 Vgl. Rn 15.
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B. Betriebsübergang
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es vielmehr, die Haftung im Innenverhältnis genau zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs abzugrenzen. Dann haftet der Betriebsveräußerer bis zu diesem Stichtag und der Betriebserwerber ab diesem Stichtag. Zu berücksichtigen sind dabei zum Stichtag gegebenenfalls noch offene Ansprüche auf beispielsweise variable Vergütung, Urlaub oder Überstunden. Dies kann etwa durch eine Kaufpreisadjustierung oder durch vollständige Abgeltung durch den Betriebsveräußerer vor dem Stichtag geregelt werden. Haftung für entgegen dem Parteiwillen nicht übergehende Arbeitsverhältnisse Die Parteien halten die nach ihrer Ansicht vom Betriebsübergang betroffenen Ar- 39 beitsverhältnisse regelmäßig in einer Liste fest. Nicht selten führt eine unzureichende Zuordnung der Arbeitsverhältnisse zu den Betrieben oder Betriebsteilen beim Betriebsveräußerer71 jedoch dazu, dass bestimmte Arbeitsverhältnisse wider Erwarten nicht dem Betriebsübergang unterfallen und damit beim Veräußerer verbleiben. Gleiches gilt, wenn Arbeitsverhältnisse zwar im ersten Schritt durch den Betriebsübergang auf den Erwerber übergehen, die betreffenden Arbeitnehmer dann aber von ihrem Widerspruchsrecht nach § 613a Abs. 6 BGB Gebrauch machen und auf diese Weise auf den Veräußerer „zurückfallen“.72 Der Betriebsveräußerer muss diese – ungeplanten – Arbeitnehmer weiterhin vergüten. Vor allem aber kann er sie möglicherweise nicht mehr bei sich einsetzen, weil er den Betrieb oder Betriebsteil veräußert hat. Hierdurch entstehen weitere Kosten für die Beendigung dieser Arbeitsverhältnisse. Dazu gehören insbesondere die Vergütung während der Frist für eine betriebsbedingte Kündigung, etwaige Kosten eines Kündigungsschutzverfahrens, mögliche Abfindungen sowie Ansprüche oder Forderungen des Finanzamts, der Sozialversicherungsträger oder anderer öffentlichen Stellen. Auch die Haftung für diese Posten sollte klar im Unternehmenskaufvertrag geregelt sein. Haftung für ungeplant übergehende Arbeitsverhältnisse Spiegelbildlich kann es bei unzureichender Zuordnung der Arbeitsverhältnisse zu 40 den Betrieben oder Betriebsteilen beim Betriebsveräußerer auch dazu kommen, dass Arbeitsverhältnisse vom Betriebsübergang erfasst werden, die die Parteien nicht eingeplant haben. Diese Arbeitnehmer versuchen dann zumeist, sich beim Betriebserwerber nachträglich „einzuklagen“ (etwa weil dort bessere Bedingungen herrschen). In der Regel kann der Betriebserwerber diese Arbeitnehmer für seine Betriebszwecke jedoch nicht gebrauchen – er hatte mit diesen ja gerade nicht gerechnet und deswegen nicht für sie budgetiert. Auch hier können betriebsbedingte Kündigungen erforderlich sein und es entstehen die gleichen Kosten wie bei entge-
_____ 71 Vgl. Rn 16 ff. 72 Vgl. Rn 31 ff.
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Kapitel 12 Arbeitsrecht
gen dem Parteiwillen nicht übergehenden Arbeitsverhältnissen. Auch die Haftung für diese Kosten sollte der Unternehmenskaufvertrag regeln. Gemeinsame Unterrichtung nach § 613a Abs. 5 BGB 41 Wegen der großen Bedeutung der Unterrichtung der Arbeitnehmer verpflichtet der Unternehmenskaufvertrag die Parteien in der Regel dazu, bei der Erstellung des Unterrichtungsschreibens zusammenzuwirken. Hohe Anzahl von Widersprüchen 42 Vielfach ist der Betriebserwerber für die erfolgreiche Fortführung des Betriebes nach
Betriebsübergang maßgeblich auf die Mehrheit der mit diesem auf ihn übergehenden Arbeitnehmer angewiesen. Für den Fall, dass insgesamt oder in bestimmten wesentlichen Abteilungen so viele Arbeitnehmer widersprechen, dass die Erbringung der betrieblichen Tätigkeiten beim Erwerber erheblich gefährdet ist, kann der Unternehmenskaufvertrag Anpassungen vorsehen, um der geringeren Zahl übergegangener Arbeitnehmer Rechnung zu tragen.
C. Kollektivrechtliche Besonderheiten C. Kollektivrechtliche Besonderheiten 43 Nicht selten ändert ein Unternehmenskauf – unabhängig davon, ob ein Share Deal
oder Asset Deal vorliegt – die Betriebs- oder Unternehmensstruktur an sich. So kann beispielsweise ein Betriebsteilerwerb zu einer Spaltung des Betriebes des Zielunternehmens nach § 111 Satz 3 Nr. 3 2. Alt. BetrVG oder generell zu einer grundlegenden Änderung der Betriebsorganisation, des Betriebszwecks oder der Betriebsanlagen nach § 111 Satz 3 Nr. 4 führen. Hat der betroffene Betrieb einen Betriebsrat, hat er hierbei zwingende Mitbestimmungsrechte, die in zeitlicher und haftungsrechtlicher Hinsicht berücksichtigt werden müssen.
I. Betriebsänderung nach § 111 BetrVG 44 Nach § 111 Satz 1 BetrVG hat der Arbeitgeber in Unternehmen mit in der Regel mehr
als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern den Betriebsrat über geplante Betriebsänderungen, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben können, rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und die geplanten Betriebsänderungen mit dem Betriebsrat zu beraten. Unter einer Betriebsänderung versteht der Gesetzgeber verschiedene in § 111 Satz 3 BetrVG aufgeführten Tatbestände. Im Rahmen eines Unternehmenskaufs spielen davon insbesondere die Einschränkung und Stilllegung des ganzen Betriebes oder von wesentlichen Betriebsteilen (§ 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG) oder die Spaltung von Betrieben (§ 111 Satz 3 Nr. 3 2. Alt. BetrVG) eine Rolle.
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C. Kollektivrechtliche Besonderheiten
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Bei einer Betriebsänderung ergeben sich weitere Rechte und Pflichten haupt- 45 sächlich aus den §§ 112 und 113 BetrVG. Insbesondere müssen die Betriebsparteien nach § 112 Abs. 1 bis 3 BetrVG versuchen, einen Interessenausgleich zu schließen. Dieser soll unter anderem das Ob, Wann und Wie der durchzuführenden Maßnahme regeln. Die Einigung der Betriebsparteien über den Ausgleich beziehungsweise die Abmilderung der wirtschaftlichen Nachteile für die von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer erfolgt sodann in einem Sozialplan. Anders als der Interessenausgleich ist der Sozialplan jedoch im Rahmen einer Einigungsstelle erzwingbar. § 113 BetrVG ordnet zudem an, dass die von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer Nachteilsausgleichsansprüche geltend machen können, wenn der Arbeitgeber ohne zwingenden Grund von einem vereinbarten Interessenausgleich abweicht oder überhaupt keinen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht hat. Eine Betriebsänderung kann sowohl beim Share Deal als auch beim Asset Deal 46 gegeben sein. Weitaus höher ist die Wahrscheinlichkeit einer Betriebsänderung jedoch im Rahmen eines Asset Deals. Ein Betriebsübergang als solcher stellt noch keine Betriebsänderung nach § 111 BetrVG dar.73 Erschöpft sich der rechtsgeschäftliche Betriebsübergang jedoch nicht in dem bloßen Betriebsinhaberwechsel, sondern ist er mit Maßnahmen verbunden, die als solche einen der Tatbestände des § 111 BetrVG erfüllen, so sind die Beteiligungsrechte des Betriebsrates nach den §§ 111, 112 BetrVG zu wahren.74 Kommt es im Rahmen des Unternehmenskaufs also zu einer Ausgliederung eines Betriebsteils beim Verkäufer, um diesen auf den Käufer zu übertragen, so liegt in der organisatorischen Spaltung des Betriebes eine mitbestimmungspflichtige Betriebsänderung.75 Gleiches gilt grundsätzlich im Rahmen von vorgezogenen Kündigungen des Betriebsveräußerers aufgrund eines Erwerberkonzeptes im Sanierungsfall,76 sollte der Personalabbau die Schwellenwerte des § 17 Abs. 1 KSchG überschreiten.77 Die Relevanz der Prüfung des Vorliegens einer Betriebsänderung im Rahmen 47 eines Unternehmenskaufs ist nicht zu unterschätzen. Denn hierbei ergeben sich zum einen haftungsrechtliche Fragen, welche grundsätzlich im Unternehmenskaufvertrag abgebildet werden sollten. So sollte dieser insbesondere Regelungen vorsehen, die die Kostentragung der Verhandlungen mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich und Sozialplan an sich, von etwaigen Nachteilsausgleichsansprüchen nach § 113 BetrVG sowie der im Rahmen des Sozialplans vereinbarten Ausgleichs- und Milderungsansprüche der betroffenen Arbeitnehmer abdecken.
_____ 73 74 75 76 77
Vgl. beispielhaft BAG, Beschl. v. 17.3.1987, 1 ABR 47/85, NZA 1987, 523. BAG, Urt. v. 4.12.1979, 1 AZR 843/76, DB 1980, 743. BAG, Beschl. v. 10.12.1996 ,1 ABR 32/96, NZA 1997, 898. Vgl. Rn 36. Siehe beispielhaft: BAG, Beschl. v. 22.5.1979 ,1 ABR 17/77, DB 1979, 1896.
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Kapitel 12 Arbeitsrecht
Darüber hinaus können diese Verhandlungen mit dem Betriebsrat auch einen nicht unerheblichen Einfluss auf die zeitliche Abwicklung des Unternehmenskaufs haben. Denn nicht selten ziehen sich solche Verhandlungen über Wochen, bei Anrufung einer Einigungsstelle sogar Monate, hin. Sollten die Parteien die Betriebsänderung zudem ohne den Abschluss dieses Beteiligungsverfahrens durchführen, besteht das Risiko, dass der Betriebsrat die Betriebsänderung mittels einer einstweiligen Verfügung untersagen kann.78
II. Wirtschaftsausschuss 48 Im Rahmen eines Unternehmenskaufs kann es zusätzlich zu den Beteiligungsrech-
ten des Betriebsrates bezüglich einer Betriebsänderung79 auch weitere Beteiligungsrechte des Betriebsrates oder sonstiger betriebsverfassungsrechtlicher Organe geben. Hierbei ist insbesondere ein etwaig im Unternehmen gebildeter Wirtschaftsausschuss zu nennen. Dieser ist in der Regel ebenfalls vor einer Betriebsänderung zu unterrichten. Denn die in § 106 Abs. 3 BetrVG enumerativ genannten wirtschaftlichen Angelegenheiten stimmen fast vollständig mit den in § 111 Satz 3 N.1 bis 5 BetrVG aufgezählten Betriebsänderungen überein. 3 Praxistipp Besteht eine Unterrichtungspflicht des Betriebsrates nach § 111 BetrVG sowie eine solche gegenüber dem Wirtschaftsausschuss nach § 106 BetrVG, so sollte grundsätzlich zuerst der Wirtschaftsausschuss beteiligt werden. Denn dieser hat nach § 106 Abs. 1 Satz 2 BetrVG eigentlich die Pflicht, den Betriebsrat über die mit dem Unternehmen besprochenen, wirtschaftlichen Angelegenheiten zu unterrichten. Eine gleichzeitige Unterrichtung beider Organe ist jedoch ebenfalls möglich, solange die Beteiligung des Wirtschaftsausschusses vor dem Verfahren nach §§ 111 ff BetrVG abgeschlossen wird.80
D. Betriebliche Altersversorgung D. Betriebliche Altersversorgung 49 Im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung ist erneut zu unterscheiden, ob der Unternehmenskauf durch einen Share Deal oder einen Asset Deal erfolgt. Auch in-
_____ 78 Str., bejahend z.B.: LAG Berlin, Beschl. v. 7.9.1995, 10 TaBV 5/95, NZA 1996, 1284, LAG Hamburg, Beschl. v. 26.6.1997, 6 TaBV 5/97, NZA-RR 1997, 296, LAG Thüringen, Beschl. v. 18.8.2003, 1 Ta 104/03 – juris; abl. z.B.: LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 7.12.2017, 5 TaBVGa 3/17 – juris, LAG Düsseldorf, Besch. v. 19.11.1996, 8 TaBV 80/96, NZA-RR 1997, 297, LAG München, Beschl. v. 24.9.2003, 5 TaBV 48/03, NZA-RR 2004, 536. 79 Vgl. Rn 43 ff. 80 ErfKomm/Kania § 111 BetrVG Rn 4.
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D. Betriebliche Altersversorgung
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soweit ist der Share Deal einfacher. Er lässt grundsätzlich alle Verpflichtungen aus der betrieblichen Altersversorgung bei der zu erwerbenden Gesellschaft gegenüber aktiven und ehemaligen Mitarbeitern und Organen der Gesellschaft sowie abgeschlossene Verträge mit Lebensversicherungsunternehmen, Pensions- und Unterstützungskassen sowie Pensionsfonds unverändert, da lediglich die gesellschaftsrechtliche Beteiligung an der Zielgesellschaft übertragen wird. Praxistipp 3 Gestaltet sich die betriebliche Altersversorgung insbesondere in Form einer Pensionskasse, so muss grundsätzlich auch im Rahmen eines Share Deals überprüft werden, in welchem Umfang der Unternehmenskäufer auch weiterhin die Pensionskasse des Verkäufers für die übernommenen Pensionskassenzusagen nutzen kann. Denn Pensionskassen sind häufig tragenden Unternehmen, Unternehmensgruppen oder bestimmten Branchen zugeordnet. Dies ergibt sich in den meisten Fällen aus der Satzung der jeweiligen Pensionskasse.
Bei einem Asset Deal hingegen kommt es in vielen Fällen zu einem Betriebsüber- 50 gang nach § 613a BGB.81 In diesem Fall tritt der Unternehmenskäufer in alle Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Diese umfassen damit auch sämtliche Ansprüche aus betrieblichen Versorgungszusagen, unabhängig davon, ob sie bereits zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs unverfallbar sind. 82 Die oben bereits im Rahmen des Share Deals bezeichneten Verträge des Betriebsveräußerers mit Lebensversicherungsunternehmen, Pensions- und Unterstützungskassen sowie Pensionsfonds, die geschlossen wurden, um die betriebliche Altersversorgung durchzuführen, gehen nicht schon nach dem Gesetz nach § 613a BGB auf den Betriebserwerber über. In der Praxis bedeutet dies, dass der Betriebserwerber zwar ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs für sämtliche Ansprüche aus betrieblichen Versorgungszusagen haftet,83 jedoch keine entsprechenden Versorgungssysteme vorweisen kann. Die Parteien müssen sich also über eine etwaige Übertragung der Verträge mit externen Versorgungsträgern verständigen. Ist dies nicht möglich, so muss der Betriebserwerber die notwendigen Vorkehrungen treffen, um die Haftung im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung entsprechend abzubilden (zum Beispiel im Rahmen einer Direktzusage). Vom Betriebsübergang nicht erfasst sind Rechte und Pflichten aus Ruhe- 51 standsverhältnissen mit Betriebsrentnern sowie unverfallbare Versorgungsanwartschaften bereits ausgeschiedener Arbeitnehmer.84
_____ 81 82 83 84
Vgl. Rn 3 ff. BAG, Urt. v. 24.3.1977, 3 AZR 649/76, DB 1977, 1466. Vgl. Rn 13 ff. BAG, Urt. v. 24.3.1987, 3 AZR 384/85, NZA 1988, 246.
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Kapitel 12 Arbeitsrecht
Die Pflicht zur Unterrichtung der Arbeitnehmer nach § 613 a Abs. 5 BGB85 erstreckt sich darüber hinaus auch auf die betriebliche Altersversorgung. Die vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer haben jedoch keinen Anspruch gegen den Betriebsveräußerer oder den Betriebserwerber auf Auskunft über die zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs erworbenen Betriebsrentenanwartschaften.86
neue rechte Seite
_____ 85 Vgl. Rn 27 ff. 86 BAG, Urt. v. 22.5.2007, 3 AZR 834/05, NZA 2007, 1283.
Brügger/Hofmann
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Kapitel 13 Fusionskontrolle und Kartellrecht Kapitel 13 Fusionskontrolle und Kartellrecht Fort
A. Einführung A. Einführung https://doi.org/10.1515/9783110673043-013 Das Kartellrecht ist vielen vor allem durch die Verfahren der Kommission gegen ille- 1 gale Absprachen zwischen Wettbewerbern1 oder wegen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung 2 bekannt. Die Fusionskontrolle stellt neben dem Verbot wettbewerbswidriger Absprachen und Marktmissbrauch die dritte Säule des Kartellrechts dar. Für die Praxis des Unternehmenskaufs hat die Fusionskontrolle schon deswe- 2 gen eine große Bedeutung, weil der Vollzug (Closing) eines Unternehmenskaufes nach den meisten Kartellgesetzen erst nach Freigabe des Zusammenschlusses3 durch die zuständigen Kartellbehörden erfolgen darf (Vollzugsverbot), soweit die Transaktion angemeldet werden muss. Dementsprechend gehört die Freigabe des Zusammenschlusses durch bestimmte Kartellbehörden zu den üblichen Vollzugsbedingungen im Unternehmenskaufvertrag.
I. Ziele und Praxis der Fusionskontrolle Ziel der Fusionskontrolle ist es, Marktstrukturen zu verhindern, welche dem Wettbe- 3 werb abträglich sind. Der Begriff des Wettbewerbs ist unscharf, für die Praxis reicht die Feststellung, dass Wettbewerb da besteht, wo Unternehmen durch bessere Produkte oder günstigere Preise um Kunden werben. Die Fusionskontrolle zielt darauf ab, die Rahmenbedingungen für diesen Zustand aufrecht zu erhalten. Erwirbt der Marktführer seinen ärgsten oder gar einzigen Wettbewerber, verringern sich die Auswahlmöglichkeiten seiner Abnehmer. Gleichzeitig entfällt der Druck auf den Marktführer, seine Produkte zu angemessenen Preisen anzubieten oder diese weiterzuentwickeln.
_____ 1 https://ec.europa.eu/germany/news/eu-kommission-verh%C3%A4ngt-rekordgeldbu%C3%9Fevon-293-milliarden-euro-gegen-lkw-kartell_de (die Abstimmung mehrerer LKW-Hersteller über Verkaufspreise und Kosten der Einhaltung von Emmissionsvorgaben wurde mit Rekordbußgeldern von insgesamt 2,93 Mrd. € bestraft). 2 https://ec.europa.eu/germany/news/20180718-kommission-google-android-strafe-von-434milliarden-euro_de (Die Kommission warf Google vor, Smartphone-Herstellern unzulässige Vorschriften für die Verwendung von Android zu machen und unter anderem zu verlangen, bestimmte Google-Apps vorzuinstallieren und verhängte ein Bußgeld von 4,34 Mrd. € ). 3 Zusammenschluss ist ein technischer Begriff, der, neben anderen Konstellationen wie etwa der Neugründung eines Gemeinschaftsunternehmens, den in diesem Werk behandelten Unternehmenskauf umfasst.
Fort https://doi.org/10.1515/9783110673043-013
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In der Praxis werfen viele Transaktionen keine oder nur untergeordnete kartellrechtliche Probleme auf, d.h. sie gefährden den Wettbewerb nicht. So hat die Europäische Kommission vom 1.1.1990 bis zum 31.12.2019 von 7.394 angemeldeten und nicht zurückgenommenen Fällen nur 30 gänzlich untersagt und mit 6.721 gut 90% aller Fälle in der erste Prüfungsphase ohne Auflagen freigegeben.4 Auch das Bundeskartellamt hat in der Zeit von 1990 bis 2017 nur 189 von 39.205 angemeldeten Vorhaben untersagt.5 Oftmals will ein Unternehmen nicht einen unmittelbaren Wettbewerber erwerben, sondern neue Märkte erschließen, in welchen es aus eigener Kraft nicht oder nicht ausreichend vertreten sein kann, so dass sich durch den Kauf keine Verringerung der Wettbewerberzahl ergibt. Dennoch bedarf es in solchen Fällen einer Anmeldung bei den Kartellbehörden, weil die entsprechenden Kartellgesetze die Anmeldepflicht in der Regel an leicht feststellbare Kriterien wie Umsatz oder Vermögenswerte knüpfen und nicht an wettbewerbliche Probleme. Insofern spielen Fragen zu Zuständigkeiten und Verfahren (formelle Fusionskontrolle) in der Praxis oft eine wichtigere Rolle als etwaige inhaltliche Bedenken gegen einen Zusammenschluss (materielle Fusionskontrolle).
II. Gesetzliche Grundlagen 5 Für Deutschland finden sich die Fusionskontrollvorschriften in den § 35 ff. des Ge-
setzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), für die EU ist die VO 139/2004 (Fusionskontrollverordnung oder FKVO) maßgeblich. Diese für ein deutsches Unternehmen oft wichtigsten Vorschriften stehen dabei in einem Ausschlussverhältnis: nach § 35 Abs. 3 GWB findet das GWB keine Anwendung, soweit die Kommission nach der FKVO ausschließlich zuständig ist. Gerade bei Unternehmenskäufen mit Auslandsbezug sind neben dem GWB oder 6 der FKVO auch ausländische Kartellgesetze zu beachten. Inzwischen haben circa 130 Länder Fusionskontrollvorschriften. Einen Überblick zu behalten fällt selbst den auf das Kartellrecht spezialisierten Kanzleien schwer und es ist nicht ungewöhnlich, dass solche Kanzleien mehrere Mitarbeiter ausschließlich mit der Aufgabe betrauen, für einen entsprechenden Überblick zu sorgen. Die Vielzahl von Fusionskontrollvorschriften, die gerade bei jüngeren Gesetzen unausgereift bzw. sehr weitgehend sind, stellt eine erhebliche Herausforderung insbesondere beim Kauf von Unternehmen mit umfangreichem Auslandsgeschäft dar.6
_____ 4 http://ec.europa.eu/competition/mergers/statistics.pdf. 5 XXII. Hauptgutachten der Monopolkommission, S. 228. 6 Siehe hierzu Rn 123 f.
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III. Zentrale Begriffe Im Kartellrecht gibt es eine Reihe immer wiederkehrender Begriffe, die von zentraler 7 Bedeutung sind. Es handelt sich dabei um Begriffe, die zum Alltag eines Unternehmens gehören, aber im Kartellrecht eine spezifische Bedeutung haben und oft eine Vermittlung zwischen geschäftlicher und rechtlicher Sicht erfordern.
1. Markt Der „Markt“-Begriff ist der wichtigste Begriff des Kartellrechts und derjenige, bei 8 dem die anwaltliche und die Geschäftssicht am ehesten auseinanderfallen können. Der kartellrechtlich definierte Markt ist ein Hilfskonstrukt, um Wettbewerbsbeziehungen offenzulegen7 und um die Marktmacht der zusammengeschlossenen Unternehmen zu überprüfen. Als Indikator für Marktmacht kommt wiederum dem Marktanteil eine wichtige Rolle zu. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Prüfungspraxis der Kommission in der pharmazeutischen Industrie. Fusionieren zwei große Pharmaunternehmen, sind oft hunderte von Märkten betroffen, da fast jedes Medikament einem unterschiedlichen Markt zugewiesen wird. Um Anmeldungen solcher Zusammenschlüsse innerhalb der gesetzlichen Fristen zu prüfen, wendet die Kommission eine 35 + 1 Regel an. Diese besagt, dass sich die Kommission im Rahmen der Prüfung des Vorhabens intensiv (nur) mit solchen Märkten beschäftigen wird, bei denen der Marktanteil eines beteiligten Unternehmens von 35% oder mehr um 1% oder mehr erhöht wird.8 Kartellbehörden grenzen Märkte sachlich und räumlich ab: 9 Dem sachlichen Markt gehören diejenigen Produkte oder Dienstleistungen an, die nach Preis, Beschaffenheit und Verwendungszweck aus Sicht der Marktgegenseite (Abnehmer) austauschbar sind.9 Beispiel 5 Der X-Konzern stellt eine breite Palette von Personenkraftwagen her, die von Kleinstwagen bis zu luxuriösen Limousinen reicht. Jedes dieser Fahrzeuge vermittelt dem Fahrer individuelle Fortbewegungsmöglichkeiten und hat damit einen vergleichbaren Verwendungszweck (unter Ausklammerung verschiedener Transportanforderungen). Dies könnte für die Annahme eines einheitlichen Automobilmarktes sprechen. Insbesondere die Preise der verschiedenen Fahrzeuge sind aber der-
_____ 7 Bechtold/Bosch, § 18 Rn 6 m.w.N. 8 EG Kommission, Fall Nr. COMP/M.5555 – 22.9.2009 – Novartis/Ebewe, Rn 21; EG Kommission, Fall Nr. COMP/M.5778 – 9.8.2010 – Novartis/Alcon, Rn 25; EG Kommission, Fall Nr. COMP/M.6705 – 9.11. 2012 – Procter & Gamble/Teva Pharmaceutical OTC II, Rn 12. 9 Ziffer 6.1 des Formblatts CO, Anhang Durchführungs-VO; Emmerich/Lange, § 4 Rn 58; Immenga/Mestmäcker/Fuchs/Möschel GWB, § 18 Rn 32 mit umfassenden Nachweisen zur deutschen Rechtsprechung.
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art unterschiedlich, dass gemeinhin von einer Vielzahl von einzelnen Märkten innerhalb der Automobilindustrie ausgegangen wird.10 10 Der räumliche Markt umfasst das Gebiet, in dem die beteiligten Unternehmen die
relevanten Produkte oder Dienstleistungen anbieten, in dem die Wettbewerbsbedingungen hinreichend homogen sind und das sich von benachbarten Gebieten durch spürbar unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen unterscheidet.11 Zu den Wettbewerbsbedingungen, auf die es bei der Bestimmung des räumlichen Marktes ankommt, gehören unter anderem: Erforderlichkeit von lokalen Geschäftsräumen, Zugangsbedingungen zu den Vertriebswegen, Kosten der Errichtung eines Vertriebsnetzes, etwaige regulatorische Schranken im öffentlichen Auftragswesen, Preisvorschriften, den Handel oder die Produktion einschränkende Kontingente und Zölle, technische Normen, Monopole, Niederlassungsfreiheit, erforderliche behördliche Genehmigungen, Verpackungsvorschriften sowie Transportkosten.12 3 Praxistipp Gerade bei der Darstellung des räumlichen Marktes in der Anmeldung ist Vorsicht geboten. Hier besteht die Versuchung, mittels der Annahme globaler Märkte seine Marktanteilszahlen zu verkleinern. Dabei sind gerade stark variierende Marktanteile von Land zu Land ein starkes Indiz für nationale Märkte. Auch darf eine globale Verfügbarkeit sowie eine global starke Marke nicht mit einem weltweiten Markt gleichgesetzt werden. Ein instruktives Beispiel für die weite – und für sich berechtigte – Geschäftssicht gegenüber der Betrachtung der Kartellbehörden ist die Entscheidung der Kommission zur Übernahme des Kopfhörerherstellers Beats durch Apple. Hier ging Apple für Kopfhörer von weltweiten, zumindest aber europaweiten Märkten aus.13 Die Kommission tendierte zur Annahme nationaler Märkte und führte dafür nationale Vertriebssysteme, Kundendienste, Vermarktungsstrategien, spezifische Kundenwünsche sowie Verkaufsorganisationen an.14 Für die Praxis bedeutet dies, dass man bei der Vorbereitung einer Fusionskontrollanmeldung neben den Marktzahlen für den als richtig angenommenen Markt auch diejenigen Zahlen bereithalten sollte, die bei der Annahme eines räumlich engeren Marktes zum Tragen kämen. 11 Welcher Markt am Ende der zutreffende sachliche und/oder räumliche Markt ist,
lässt sich oft nur schwer bestimmen. In der Entscheidung der Kommission zum Zusammenschluss von Volkswagen und Porsche hatten die Parteien vorgetragen, dass es einen einheitlichen Markt für sog. SUVs einschließlich „echter“ Geländewagen gibt. Dies wurde seitens befragter Wettbewerber in Zweifel gezogen15 und auch dem
_____ 10 EG Kommission, Fall Nr. COMP/M.5250 – 23.7.2008 – Porsche/Volkswagen, Rn 18 ff. 11 Ziffer 6.2 des Formblatts CO, Anhang Durchführungs-VO; Bechtold/Bosch, § 18 Rn 25. 12 Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft, ABl. 1997 Nr. C 372, Rn 30. 13 EG Kommission, Fall Nr. COMP/M.7290 – 25.7.2014 – Apple/Beats, Rn 14. 14 EG Kommission, Fall Nr. COMP/M.7290 – 25.7.2014 – Apple/Beats, Rn 15. 15 EG Kommission, Fall Nr. COMP/M.5250 – 23.7.2008 – Porsche/Volkswagen, Rn 24.
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automobilen Laien wird fraglich sein, ob ein „Range Rover“ mit einem „Dacia Duster“ um Kunden kämpft. Um zumindest näherungsweise den „richtigen“ Markt im Rahmen seiner An- 12 meldung zu bestimmen, orientiert man sich in der Praxis an den folgenden Informationsquellen: – Entscheidungen der Kommission/nationaler Behörden in Fusionskontrollverfahren oder auch allgemeinen Kartellverfahren16 – Jahresberichte der Kommission/nationaler Behörden17 – Leitlinien der Kommission zu bestimmten Industriezweigen, etwa Nutzung der ATC-Klassifizierung für Fälle der Pharmabranche18 – Experten aus dem Haus des Mandanten – Spezialisierte Berater (neben den bekannten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften gibt es hochspezialisierte Unternehmen wie z.B. Compass Lexecon, RBB, Oxera, NERA, Charles River Associates usw.) Praxistipp 3 Die im Sinne eines reibungslosen Fusionskontrollverfahrens optimale Marktabgrenzung ist diejenige, nach der Käufer und Zielunternehmen nicht auf demselben sachlichen oder räumlichen Markt tätig sind. In diesem Fall wird die Anzahl der Wettbewerber nicht reduziert und eine etwaige Marktmacht des Käufers nicht gestärkt, so dass meist keine wettbewerblichen Bedenken bestehen. Dieses Wunschergebnis verleitet oft dazu, Märkte sehr eng zu definieren. Dies führt zwar einerseits zur fehlenden Überschneidung, andererseits oft zu hohen Marktanteilen auf dann sehr engen Märkten. Das wiederum kann sich später rächen, weil man in den Akten der Kartellbehörde als in diesem Bereich womöglich marktbeherrschend vermerkt ist und ein marktbeherrschendes Unternehmen besonderen Beschränkungen unterliegt. Hier ist also Vorsicht geboten.
2. Unternehmen Der Unternehmensbegriff im Kartellrecht ist denkbar weit, er erfasst jede natürliche 13 oder juristische Person, die einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit nachgeht.19 Bedeutung erlangt der Unternehmensbegriff für die Fusionskontrolle zum einen dadurch, dass nur ein Zusammenschluss von Unternehmen anmeldepflichtig ist. Zum anderen ist der Begriff des beteiligten Unternehmens für die Umsatz- und Marktanteilsberechnung von zentraler Bedeutung. Dabei ist wichtig zu wissen, dass
_____ 16 Siehe etwa Übersicht bei Immenga/Mestmäcker/Fuchs/Möschel GWB, § 18 Rn 73. 17 Das BKartA veröffentlicht alle zwei Jahre einen Wettbewerbsbericht; hinzu kommen die Hauptgutachten der Monopolkommission, welche sich auch zur Praxis der deutschen Fusionskontrolle äußern, vgl. www.monopolkommission.de. 18 EG Kommission, Fall Nr. COMP/M.6705 – 9.11.2012 – Procter & Gamble/Teva Pharmaceutical OTC II, Rn 8. 19 Bechtold/Bosch, § 1 Rn 7 zum deutschen Recht und Schulte/Henschen, Rn 956 ff. zum europäischen Recht.
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Konzerne im Kartellrecht (grob vereinfacht) als ein Unternehmen behandelt werden. Würde also Skoda Rolls-Royce erwerben, könnte man nicht sagen, dass das unproblematisch wäre, denn neben Skoda gehört auch Bentley zum VolkswagenKonzern, so dass es unter Umständen zu einer Marktkonzentration im Bereich der Luxuslimousinen käme.
3. Wettbewerber 14 Man unterscheidet zwischen aktuellen und potentiellen Wettbewerbern. Aktuelle Wettbewerber sind solche, die derzeit auf dem gleichen sachlichen und räumlichen Markt tätig sind. Potentielle Wettbewerber sind solche, welche die Möglichkeit, Fähigkeit und den Anreiz haben, innerhalb eines nicht allzu langen Zeitraums (zwei bis drei Jahre) nachhaltig in einen Markt einzutreten. Sie spielen in der Fusionskontrolle in zweierlei Hinsicht eine Rolle. Zum einen kann der Erwerb eines potentiellen Wettbewerbers dem Wettbewerb abträglich sein (Ausschaltung eines kommenden Wettbewerbers durch Übernahme). Zum anderen kann eine drohende Beeinträchtigung des aktuellen Wettbewerbs aufgrund eines Zusammenschlusses durch das Vorhandensein eines potentiellen Wettbewerbers wieder aufgewogen werden (würde das fusionierte Unternehmen seine Preise erhöhen, würde ein neuer Wettbewerber auf den Markt treten und die Kunden beliefern, die nicht bereit sind, die höheren Preise zu zahlen). Neben dem aktuellen oder potentiellen Wettbewerb kann auch der Innovationswettbewerb eine Rolle spielen. So prüft die Europäische Kommission, ob sich Zusammenschlüsse auf (i) den (zukünftigen) Wettbewerb in sog. Innovationsräumen20 und/oder (ii) die Innovationskraft eines gesamten Industriezweigs21 auswirken können. Bislang spielte diese Herangehensweise vor allem in zwei großen Agrarfusionen (Dow/DuPont und Bayer/Monsanto) eine größere Rolle. In beiden Fällen waren die Märkte nach Ansicht der Behörden durch eine sehr geringe Anzahl von vollwertigen Wettbewerbern gekennzeichnet sowie einen Rückgang an Innovationen, die auf die Konsolidierung der Branche zurückzuführen war. Für die Praxis sollten sich diese Besonderheiten in den seltensten Fällen stellen.
_____ 20 Europäische Kommission, Entsch. v. 27.3.2017, COMP/M.7932, Rn 1955, 3056 – Dow/DuPont. 21 Europäische Kommission, Entsch. v. 27.3.2017, COMP/M.7932, Rn 1955, 3056 – Dow/DuPont.
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B. Verfahren und materielle Prüfung im Überblick B. Verfahren und materielle Prüfung im Überblick I. Verfahren 1. Anmeldepflichtige Vorhaben Der Fusionskontrolle unterliegen im Kern drei M&A-Konstellationen: Der Erwerb der 15 alleinigen oder gemeinschaftlichen Kontrolle über ein Unternehmen (in der Regel durch Übernahme der Mehrheit der Anteile oder erheblicher Vermögenswerte), die Fusion zweier Unternehmen zu einem neuen Unternehmen sowie die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens. Hinzukommen können, je nach Kartellgesetz, weitere Tatbestände, etwa der Erwerb von Minderheitsbeteiligungen (Deutschland, Österreich, Korea) oder der Abschluss von exklusiven Lizenzverträgen (Vereinigte Staaten, Brasilien, Deutschland, Österreich).
2. Zuständigkeiten und Verfahrensbeteiligte In welchen Ländern eine fusionskontrollrechtliche Anmeldung vorzunehmen ist, 16 richtet sich nach den jeweiligen Kartellgesetzen der Länder. Typischerweise greift die Fusionskontrolle eines Landes ein, wenn alle beteiligten Unternehmen gemeinsam einen bestimmten weltweiten oder landesweiten Umsatz erzielen und mindestens zwei der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen jeweils für sich einen bestimmten Umsatz im jeweiligen Land erzielen. Als Beispiel sei Frankreich genannt, wo die Fusionskontrolle ausgelöst wird, wenn alle beteiligten Unternehmen zusammen einen Umsatz von weltweit 150 Mio. € und jeweils zwei beteiligte Unternehmen mehr als 50 Mio. € Umsatz in Frankreich erzielen. Nach den meisten Kartellgesetzen kommt es auf der Erwerberseite grundsätz- 17 lich auf den Konzernumsatz der erwerbenden Gesellschaft an, während man auf der Verkäuferseite nur den Umsatz des Bereichs oder der Gesellschaft, die verkauft wird, berücksichtigt. Prominente Ausnahme ist Brasilien, d.h. dort muss der gesamte Verkäuferumsatz berücksichtigt werden. Geht man also von dem vorgenannten fiktiven Beispiel (Skoda erwirbt Rolls-Royce) aus, wäre in den meisten Ländern einerseits der Konzernumsatz von VW maßgeblich, andererseits nur der Umsatz von Rolls-Royce, nicht aber der Umsatz des BMW-Konzerns, zu dem Rolls-Royce gehört, zu berücksichtigen. In Brasilien wäre hingegen der Konzernumsatz von BMW maßgeblich.
3. Verwaltungsverfahren Ein Fusionskontrollverfahren wird in der Regel auf Antrag des erwerbenden Unter- 18 nehmens eröffnet. Hierzu wird eine zum Teil sehr umfassende Anmeldung eingereicht, welche Details über das anmeldende Unternehmen, das Zielunternehmen, die betroffenen Produkte, mögliche Märkte, Kunden, Lieferanten etc. enthal-
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ten muss. Gerade bei Verfahren der Kommission finden oft (mehrere) vorbereitende Treffen mit Behördenvertretern statt, um unter anderem Schwerpunkte der Prüfung einzugrenzen, den Umfang der zu liefernden Informationen abzustimmen oder mögliche Verkäufe von Unternehmensteilen zu besprechen. Das Verfahren dauert je nach Land unterschiedlich lang, es gibt aber gewisse Parallelen. Typisch ist eine erste Phase von etwa einem Monat Dauer, innerhalb derer unproblematische Fälle beschieden werden. Wirft ein Fall komplexere Fragen auf, wird oft eine zweite Prüfungsphase seitens der Kartellbehörde eröffnet, in welcher der Fall näher erörtert wird. Diese kann mehrere Monate dauern und mit sehr großem Aufwand für die beteiligten Unternehmen verbunden sein. 3 Praxistipp Bei der zeitlichen Dimension eines Fusionskontrollverfahrens ist immer auch der Vorbereitungszeitraum zu berücksichtigen. Dieser kann von wenigen Tagen bis zu mehreren Monaten dauern; (das Vorverfahren bei der Europäischen Kommission in der Sache Bayer/Monsanto dauerte 12 Monate, in komplexen Fällen dauert es im Durchschnitt etwa 7 Monate). In vielen Ländern (gerade Lateinamerikas) dauern zudem selbst Verfahren, die keinen problematischen Fall zum Gegenstand haben, viele Monate. Dies ist sowohl bei der Wahl der Länder, deren kartellrechtliche Freigabe man im Vertrag als Vollzugsbedingung vereinbaren möchte, als auch der Planung des Vollzugs zu beachten. 19 Die Kartellbehörde gibt ein Vorhaben am Ende des Verfahrens entweder frei, stimmt
ihm nur unter Auflagen und/oder Bedingungen zu oder untersagt es. Die Untersagung ist dabei sehr selten, denn entweder äußert die Behörde schon während des Verfahrens so große Bedenken, dass die Anmeldung zurückgenommen wird, oder man findet eine Lösung über Auflagen/Bedingungen. In letzterem Fall wird in der Regel vereinbart, dass die beteiligten Unternehmen bestimmte Unternehmensteile oder gewerbliche Schutzrechte (Marken, Patente) an einen unabhängigen Dritten veräußern, der mit Hilfe dieser Vermögenswerte den Wettbewerbsdruck auf die sich zusammenschließenden Unternehmen aufrechterhalten kann.
4. Kosten 20 Die behördlichen Kosten für ein Fusionskontrollverfahren, welche in der Regel im
Kaufvertrag dem Erwerber aufgebürdet werden, betragen zwischen 0 € (Kommission) bis hin zu umgerechnet 700.000,00 € (Anmeldegebühren in Nicaragua). Hinzu kommen die Kosten für externe Rechtsanwälte, die bei großen und komplexen Fusionskontrollverfahren zweistellige Millionenbeträge erreichen können.
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II. Materielle Prüfung 1. Prüfungsmaßstab Während bis zum Jahr 2004 innerhalb der EU nur die Entstehung oder Verstärkung 21 einer marktbeherrschenden Stellung eine Untersagungsentscheidung oder Freigabe des Vorhabens nur unter Auflagen und Bedingungen befürchten ließen, kommt es heute auf die erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs an. Dabei spielt die Frage der Marktbeherrschung nach wie vor eine große Rolle. Marktbeherrschend ist nämlich das Unternehmen, das insbesondere Preise erhöhen kann, ohne durch den Verlust von Umsatz bestraft zu werden, da für die Kunden keine ausreichenden Ausweichmöglichkeiten bestehen. Entsteht ein solches Unternehmen durch den Zusammenschluss, ist damit eine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs gegeben. Eine solche droht auch, wenn durch einen Zusammenschluss die Verhältnisse auf einem Markt derart geändert werden, dass für die Unternehmen kein Anreiz besteht, gegeneinander zu konkurrieren. Dabei ist insbesondere an Märkte zu denken, auf denen aufgrund ähnlicher Produkte und Anbieter ohnehin wenig Wettbewerb und nach dem Zusammenschluss noch weniger Auswahl für die Abnehmer besteht.
2. Horizontale Zusammenschlüsse Die größte Aufmerksamkeit schenken Kartellbehörden nach wie vor den sogenann- 22 ten horizontalen Zusammenschlüssen, bei denen zwei oder mehrere Wettbewerber zusammengehen. Hierdurch verringern sich die Anzahl der Wettbewerber und damit die Ausweichmöglichkeiten für die Abnehmer. Je größer die Konzentration auf dem Markt vor dem Zusammenschluss war, desto kritischer werden Kartellbehörden den Zusammenschluss betrachten, insbesondere wenn marktanteilsstarke Unternehmen fusionieren. Neben dem Marktanteil ist insoweit auch der Konzentrationsgrad relevant. Berechnet wird dieser oft mit dem Herfindahl-Hirschmann-Index (HHI): Man nimmt die Marktanteile sämtlicher Wettbewerber jeweils zum Quadrat und addiert sie dann. Je höher der Wert, desto höher die Konzentration. Eine hohe Konzentration (EU: über 2.000; Vereinigte Staaten: über 2.500) ist jedoch unschädlich, wenn der Zuwachs gering ist (EU: Delta von weniger als 150; Vereinigte Staaten: Delta von weniger als 100).22 Beispiel 5 Nimmt man etwa einen Markt mit 20 Wettbewerbern an, die jeweils 5% Marktanteil haben, ergäbe sich ein HHI von 500 (52 × 20). Ein Zusammenschluss von zweien dieser Wettbewerber würde einen
_____ 22 Leitlinien zur Bewertung horizontaler Zusammenschlüsse gemäß der Ratsverordnung über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, ABl. 2004 C 31/03, Rn 20; US Horizontal Merger Guidelines, S. 19.
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HHI von 550 (52 × 18 + 102) ergeben, d.h. eine geringe Erhöhung einer Konzentration, die nach wie vor niedrig ist, so dass keine wettbewerblichen Bedenken bestünden. Geht man von einem Markt aus, auf dem nur 4 Wettbewerber mit jeweils 25% tätig sind, käme man auf den hohen Wert von 2500 (252 × 4). Schlössen sich hier zwei Unternehmen zusammen, käme es zu einem deutlichen Zuwachs auf 3750 ((502 + 252 + 252), so dass eine nähere Prüfung des Zusammenschlusses erforderlich wäre.
3. Vertikale Zusammenschlüsse 23 In Fällen, in denen Unternehmen sich aktuell oder potentiell als Kunde und Lieferant gegenüberstehen, prüfen die Behörden, ob hierdurch für die Wettbewerber der Beteiligten Nachteile beim Marktzugang entstehen.23 Erwirbt ein Automobilhersteller einen Hersteller von Bremsanlagen für Automobile, steht unter Umständen zu befürchten, dass das fusionierte Unternehmen anderen Automobilherstellern den Zugang zu diesen Bremsanlagen durch entsprechende Preissteigerungen erschwert.
4. Konglomerate Zusammenschlüsse 24 Schließlich kann auch der Zusammenschluss von Unternehmen in benachbar-
ten Märkten problematisch sein. Zum einen könnte das fusionierte Unternehmen verschiedene Produkte so koppeln, dass Kunden gezwungen werden, bestimmte nicht gewünschte Produkte mitzukaufen, nur um das eigentlich gewünschte Produkt zu erwerben. Zum anderen könnte ein Unternehmen nach dem Zusammenschluss über ein so breites Portfolio verfügen, dass andere Unternehmen dem etwa bei Rabattgestaltungen nichts entgegen zu setzen haben.24 Da die genannten Praktiken oft für sich verboten sind, muss die Kartellbehörde in diesen Fällen nachweisen, dass ein zukünftiges rechtswidriges Verhalten des Unternehmens wahrscheinlich ist.25
_____ 23 Emmerich/Lange, § 16 Rn 20; Bundeskartellamt Leitfaden zur Marktbeherrschung in der Fusionskontrolle, Rn 138. 24 Emmerich/Lange, § 16 Rn 22 f. 25 Emmerich/Lange, § 16 Rn 24; Mäger, Kap. 8 Rn 232. Auffällig ist, dass in der Fusionskontrolle der Vereinigten Staaten, die vielen Praktikern als zumindest inhaltlich sehr viel lebensnäher vorkommt, konglomerate Aspekte keine praktische Rolle spielen.
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C. Deutsche Fusionskontrolle C. Deutsche Fusionskontrolle I. Formelle Fusionskontrolle 1. Anmeldepflichtige Vorhaben § 37 Abs. 1 GWB unterscheidet vier Fälle von Zusammenschlussvorhaben, nämlich 25 – Erwerb des (wesentlichen) Vermögens eines anderen Unternehmens – Erwerb der Kontrolle über ein anderes Unternehmen oder eines Teils desselben – Erwerb von mehr als 25% oder mehr als 50% der Anteile eines anderen Unternehmens – Erwerb wettbewerblich erheblichen Einflusses auf ein anderes Unternehmen
a) Vermögenserwerb (§ 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB) Vermögen eines Unternehmens im Sinne dieser Vorschrift ist die Gesamtheit aller 26 geldwerten Güter und Rechte eines Unternehmens ohne Rücksicht auf Art, Verwendung und gesonderte Verwertbarkeit, beschränkt auf das Aktivvermögen.26 Es muss sich um den Erwerb des gesamten Vermögens oder eines wesentlichen Teils dessen handeln. Der Begriff des wesentlichen Vermögensteils ist allerdings nicht exakt definiert. Unstrittig ist, dass das nahezu gesamte Vermögen eines Unternehmens oder mehr als die Hälfte dessen unter diesen Begriff fällt.27 In der Praxis hin und wieder strittig sind die Fälle des Erwerbs einzelner Anlagen oder Produktportfolien: Hier kommt es nicht so sehr auf den absoluten oder relativen Buch- oder Umsatzwert an. Entscheidend ist, ob der übertragene Vermögensteil die Stellung des Erwerbers auf dem betroffenen Markt erheblich zu verändern in der Lage ist.28 Das ist dann der Fall, wenn die Grundlage der Marktstellung des Veräußerers übertragen wird.29 So wurde entschieden, dass die folgenden Vorgänge unter § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB (bzw. die entsprechenden Vorgängervorschriften) fielen: – Der Verkauf einer Zementmahlanlage, mit der die Schlacke aus der Stahlproduktion des Veräußerers zu Zement verarbeitet wurde, obwohl die An-
_____ 26 KG Berlin, Urt. v. 22.5.1985, WuW/E OLG 3591, 3593 – Coop Schleswig-Holstein/Deutscher Supermarkt. Umstritten an dieser Formel ist lediglich, ob es nicht ausschließlich auf das unternehmerisch genutzte Vermögen ankommt (so Bechtold/Bosch, GWB, § 37 Rn 5). In der Praxis dürfte dies regelmäßig keine Rolle spielen, da Unternehmen unter dem fortwährenden Diktat der Effizienzsteigerung kaum noch nicht unternehmerisch genutztes Vermögen haben dürften. 27 Langen/Bunte/Kallfaß Band 1, GWB, § 37 Rn 8. 28 BGH, Beschl. v. 12.2.1980, KVR 4/79, WuW/E 1763, 1771 – Bituminöses Mischgut; BGH, Urt. v. 13.3.1979, KVR 8/77, WuW/E 1570, 1573 – Kettenstichmaschinen. 29 BGH, Urt. v. 10.10.2006, KVR 32/05, WuW/E DE-R 1979, 1981 – National Geographic I; Bechtold/Bosch, § 37 Rn 8; Emmerich/Lange, § 32 Rn 4.
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lage weniger als 1% des Umsatzes des verkaufenden Klöckner-Konzerns ausmachte.30 Der Verkauf eines von mehreren Produktionsprogrammen (besondere Industrienähmaschinen) einer Unternehmensdivision, da die Produkte dieses Programms für einen von den anderen Produktionsprogrammen unterscheidbaren Absatzmarkt bestimmt waren.31 Der Verkauf einer Marke, unter welcher der Verkäufer Folien zum Verkauf von Lebensmitteln vertrieb, an einen Hersteller von vergleichbaren Folien.32
27 Seit dem Jahr 2017 ist unter bestimmten Umständen auch die Übertragung von
Vermögenswerten, denen noch kein Umsatz zugeordnet wird, ausreichend, etwa die Übertragung oder Einräumung einer exklusiven Lizenz, die im betroffenen Markt noch nicht verwendet wurde. Durch die Einführung der Transaktionswertschwelle in § 35 Abs. 1a33 ist bei einem Transaktionswert von mehr als 400 Mio. € denkbar, dass auch die Übertragung von Vermögenwerten ohne Umsatz (etwa eine kostenlose App oder ein Forschungsprojekt) der Fusionskontrolle unterliegt. 3 Praxistipp Nicht jeder größere unternehmensbezogene Kauf von Vermögenswerten unterliegt der Fusionskontrolle. Werden aber Vermögensgegenstände erworben, denen sich ein Umsatz zurechnen lässt oder lassen könnte (bei entsprechend hohem Kaufpreis), sollte zumindest immer auch an eine mögliche Fusionskontrolle gedacht werden.
28 Nur der Erwerb, sei es durch Rechtsgeschäft oder Gesetz (z.B. Erbschaft)34 von Voll-
rechten löst die Fusionskontrollpflicht nach § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB aus, d.h. es muss das Eigentum an Sachen oder die Inhaberschaft von Rechten übertragen werden. Somit ist die Einräumung von Nutzungsrechten, die etwa durch Lizenz- oder Mietverträge vermittelt werden, kein Vermögenserwerb.35 Sie können aber vom Tatbestand des Kontrollerwerbs gem. § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB erfasst sein.
_____ 30 BGH, Urt. v. 23.10.1979, KVR 1/75, WuW/E, 1377, 1379 ff. – Zementmahlanlage I; BGH, Urt. v. 23.10. 1979, KVR 3/78, WuW/E 1655 – Zementmahlanlage II. 31 BGH, Urt. v. 13.3.1979, KVR 8/77, WuW/E 1570, 1573 – Kettenstichmaschinen. 32 BGH, Urt. v. 7.7.1992, KVR 14/91, BGHZ 119, 117, 127 – Warenzeichenerwerb. 33 Siehe Rn 41. 34 Bechtold/Bosch, § 37 Rn 4. 35 BGH, Urt. v. 10.10.2006, KVR 32/05, WuW/E DE-R 1979, 1980 – National Geographic I m.w.N.
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b) Kontrollerwerb (§ 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB) Kontrolle bedeutet die Möglichkeit für ein oder mehrere Unternehmen, einen bestimmenden Einfluss auf die Tätigkeit eines anderen Unternehmens auszuüben. Diese Möglichkeit – eine tatsächliche Ausübung ist nicht erforderlich36 – ist zumindest dann gegeben, wenn das herrschende Unternehmen die Geschäftspolitik des abhängigen Unternehmens insgesamt bestimmen und diese Entscheidung durchsetzen kann.37 Auch der Erwerb von Kontrolle über Unternehmensteile kann den Tatbestand des § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB erfüllen. Dabei kommt nicht jeder Unternehmensteil, etwa eine isolierte Lagerhalle, in Betracht. Vielmehr wird der gleiche Maßstab angelegt, wie bei dem Erwerb eines (wesentlichen) Teils des Vermögens nach § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB, d.h. es kommt auch insoweit darauf an, dass die Grundlage der Marktposition des Veräußerers kontrolliert wird.38 Auf welchem Wege die Kontrolle erworben wird, ist unerheblich. Der wichtigste Fall des Kontrollerwerbs ist der Erwerb einer Mehrheit der Anteile oder der Erwerb der Vermögenswerte eines Unternehmens. Nicht erforderlich ist eine gesellschaftsrechtliche Grundlage; es reichen auch personelle Verflechtungen (so könnte auch eine Hochzeit zwischen Angehörigen von Unternehmensfamilien ausreichen) oder wirtschaftliche Verbindungen aus. Hier wird aber die in jedem Fall erforderliche Dauerhaftigkeit der die Kontrolle vermittelnden Umstände besonders festzustellen sein.39 Ebenfalls von § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB erfasst ist der Erwerb gemeinsamer Kontrolle. In diesen Fällen sind mehrere Unternehmen an einem anderen Unternehmen beteiligt und üben gemeinsam bestimmenden Einfluss auf dieses aus. Dabei reicht es nach der Rechtsprechung der deutschen Gerichte nicht aus, dass etwa aufgrund Stimmengleichheit der Gesellschafter ein Einigungszwang hinsichtlich der Führung des Unternehmens besteht.40 Vielmehr müssen zwischen den Gesellschaftern Vereinbarungen oder sonstige tatsächliche Verbindungen bestehen, die bedingen, dass eine gemeinsame Führung stattfindet. Ausreichend sind insoweit dauerhaft gemeinsame Interessen, soweit diese dazu führen, dass die Gesellschafter gegenüber dem beherrschten Unternehmen als eine Einheit auftreten.41
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Beispiel 5 Die Unternehmen A und B sind in der Stahlindustrie tätig. Um Kosten zu sparen, beschließen sie, eine gemeinsame Vertriebstochter zu gründen, die C. A übernimmt 60% und B 40% der Anteile an
_____ 36 Immenga/Mestmäcker/Thomas GWB, § 37 Rn 86. 37 Schulte/Peter, Rn 140 m.w.N. 38 BGH, WuW DE-R 1979, 1980 – National Geographic I; Langen/Bunte/Kallfaß GWB, § 37 Rn 19; Schulte/Peter, Rn 134 m.w.N. 39 Immenga/Mestmäcker/Thomas GWB, § 37 Rn 93; Bechtold/Bosch, § 37 Rn 13. 40 BGH, Urt. v. 8.5.1979, KVR 1/78, BGHZ 74, 359, 366 – WAZ. 41 BGH, Beschl. v. 18.11.1986, KVR 9/85 – WuW/E 2337, 2339 – Hussel-Mara.
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der C. Im Gesellschaftsvertrag der C ist bestimmt, dass grundsätzlich alle Entscheidungen mit einfacher Mehrheit gefasst werden, aber die Bestellung der Geschäftsführung, der Abschluss zentraler Verträge und die Festlegung des Jahresbudgets sowie der Geschäftspläne einer Mehrheit von 75% der Anteile bedürfen. Der Umstand, dass A und B sich über zentrale Fragen bei der Führung der C einigen müssen, würde nicht für eine gemeinsame Kontrolle im Sinne des § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB ausreichen. Vielmehr müssten A und B aufgrund weiterer Umstände verbunden sein. Da A und B beide an einem kostengünstigen Vertrieb ihrer Produkte durch C interessiert sind, spricht einiges dafür, dass in dieser Konstellation eine gemeinsame Kontrolle angenommen würde.
33 Während der Kontrollerwerb in anderen Rechtsordnungen der zentrale Tatbestand
ist, spielt er in der Praxis der deutschen Fusionskontrolle keine derart herausgehobene Rolle, da die typischen Konstellationen des Unternehmenskaufs (Erwerb aller Anteile an einem Unternehmen oder von wesentlichem Betriebsvermögen) von den sonstigen Tatbeständen erfasst werden und damit zusätzlich zum Kontrollerwerb eingreifen. Der Kontrollerwerbstatbestand kann aber in den folgenden Fällen eine eigenständige Bedeutung entfalten: – Kontrolle vermittelnde Nutzungsverträge: Da § 37 Abs. 1 Nr. 1 GWB nur den Erwerb von Vollrechten erfasst, können insbesondere Beherrschungsverträge, Betriebspacht- oder Betriebsführungsverträge dem Beherrscher/Pächter/Betriebsführer die Kontrolle über ein Unternehmen vermitteln.42 Denkbar sind auch Lizenzverträge über Marken- oder Patente, wenn sie exklusiv, d.h. eine Nutzung des Schutzrechtes durch den Inhaber ausschließend, und langfristig sind43 und den Marken/Patenten entweder bereits ein bestehender Umsatz zugewiesen werden kann oder die vereinbarten Lizenzgebühren 400 Mio. € überschreiten. 44 – Erwerb von weniger als 25% oder Aufstockung eines Anteils von über 25% auf unter 50%, wenn aufgrund tatsächlicher Umstände hiermit eine Kontrolle des Unternehmens möglich ist. Häufig genannter Fall ist die gesicherte Hauptversammlungsmehrheit, d.h. eine Situation, in der dem Gesellschafter mit den meisten Anteilen aufgrund Streubesitzes die faktische Mehrheit zufällt.45 – Outsourcing: Wird ein Unternehmensteil, etwa die Informationstechnologie, an einen Dritten ausgeliedert, kann das ebenfalls ein anmeldepflichtiger Kontrollerwerb sein, wenn die übertragenen Vermögenswerte es dem Erwerber erlauben, innerhalb kurzer Zeit eine eigene Marktpräsenz aufzubauen und nicht nur, das ausgliedernde Unternehmen zu versorgen.46
_____ 42 43 44 45 46
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Langen/Bunte/Kallfaß GWB, § 37 Rn 24 f. Albert, S. 64 f. Siehe Rn 41 aE. Bechtold/Bosch § 37 Rn 12; Immenga/Mestmäcker/Thomas GWB, § 37 Rn 122. Immenga/Mestmäcker/Thomas GWB, § 37 Rn 221.
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c) Erwerb von Anteilen (§ 37 Abs. 1 Nr. 3 GWB) Dieser Tatbestand wirft in der Regel keine größeren Schwierigkeiten auf. Erfasst ist 34 der Erwerb von Anteilen an einem anderen Unternehmen für eigene Rechnung, wenn die Anteile entweder 50% oder 25% des Kapitals oder der Stimmrechte des anderen Unternehmens erreichen. Während mit dem Erwerb von mehr als 50% der Stimmrechte eines Unternehmens in der Regel auch die (alleinige) Kontrolle im Sinne von § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB verbunden ist, kann auch eine reine Kapitalbeteiligung (Anteile ohne Stimmrechte)47 die Fusionskontrolle auslösen. Erwerben Kreditinstitute, Finanzinstitute oder Versicherungsunternehmen 35 Anteile an einem anderen Unternehmen zum Zwecke der Veräußerung, gilt dies nach § 37 Abs. 3 Satz 1 GWB nicht als Zusammenschluss, wenn sie das Stimmrecht aus den Anteilen nicht ausüben und die Veräußerung innerhalb eines Jahres erfolgt (sog. Bankenklausel). Diese Bestimmung beabsichtigt keine Privilegierung dieser Unternehmen, sondern berücksichtigt, dass diese im Rahmen ihrer üblichen Geschäftstätigkeit (Unterstützung der Unternehmensgründung, Veräußerungsauftrag, Vorbereitung Börsengang) Unternehmensanteile treuhänderisch verkaufen dürfen.48 Da bei dieser Art von Zwischenerwerb kein externes Marktwachstum oder keine Beeinflussung des Marktes (Verbot der Stimmrechtsausübung) stattfindet, bedarf dieser Vorgang keiner Fusionskontrolle. Läuft die Jahresfrist, die nach § 37 Abs. 3 Satz 2 GWB verlängert werden kann, ohne Veräußerung ab oder übt das Unternehmen die Stimmrechte aus, bleibt es bei der Erforderlichkeit einer Anmeldung.49
d) Wettbewerblich erheblicher Einfluss (§ 37 Abs. 1 Nr. 4 GWB) § 37 Abs. 1 Nr. 4 GWB erfasst jede sonstige Verbindung zwischen Unternehmen, 36 aufgrund derer ein oder mehrere Unternehmen unmittelbar oder mittelbar wettbewerblich erheblichen Einfluss auf ein anderes Unternehmen ausüben können. Dieser Tatbestand kommt nur zur Anwendung, wenn ein Vorgang nicht unter einen der vorgenannten Tatbestände fällt.50 Es geht dabei nicht um Kontrolle. Vielmehr soll eine Konstellation erfasst werden, in welcher der Mehrheitsgesellschafter als eigentlich kontrollierende Partei auf den Minderheitsgesellschafter Rücksicht nehmen muss, wenn es um den Einsatz wettbewerblicher Ressourcen geht.51 Ein rein faktischer oder wirtschaftlicher Einfluss reicht nicht, vielmehr muss 37 dieser gesellschaftsrechtlich vermittelt sein, etwa durch einen Erwerb einer ge-
_____ 47 Immenga/Mestmäcker/Thomas GWB, § 37 Rn 247. 48 Immenga/Mestmäcker/Thomas GWB, § 37 Rn 396. 49 Langen/Bunte/Kallfaß GWB, § 37 Rn 73. 50 Schulte/Peter Fusionskontrolle, Rn 184. 51 Bechtold/Bosch § 37 Rn 42; BKartA, Beschl. v. 22.7.2004, B 8 27/04, WuW/E DE-V 983, 984 – Mainova/Aschaffenburger Versorgungs-GmbH.
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ringen Beteiligung am Zielunternehmen.52 Eine derartige Vermittlung besteht vor allem bei einer Minderheitsbeteiligung von (knapp) unter 25%53 in Kombination mit sog. Plus-Faktoren wie Informations-, Mitsprache- und Kontrollmöglichkeiten, die über die üblichen Minderheitenrechte hinausgehen.54 Dabei ist nicht erforderlich, dass diese Plus-Faktoren rechtlich abgesichert sind, vielmehr können sie sich auch aus den Umständen ergeben.55 „Wettbewerblich erheblich“ ist der Einfluss nur, wenn die Unternehmen sich als Wettbewerber oder im Verhältnis Kunde/Lieferant gegenüberstehen.56
e) Konzerninterne Umstrukturierungen 38 In Konzernen werden häufig Beteiligungen „umgehängt“, etwa Enkelgesellschaften von einer auf die andere Tochtergesellschaft der Konzernmutter übertragen, gerade auch in Vorbereitung von Unternehmenskäufen. Streng genommen stellen diese Vorgänge Zusammenschlüsse nach § 37 Abs. 1 Nr. 2 und/oder 3 GWB dar, da die aufnehmende Tochtergesellschaft die Kontrolle und/oder mehr als 50% der Anteile an der Enkelgesellschaft erwirbt. Derartige offensichtlich für den Wettbewerb irrelevante Vorgänge werden aber bereits mit Rücksicht auf die Einheit des Unternehmensbegriffs57 von der Fusionskontrolle ausgenommen.58 Außerhalb dieser reinen Konzernfälle kann es vorkommen, dass sich Unter39 nehmen zeitlich versetzt mehrfach zusammenschließen und daher eigentlich für jeden weiteren Zusammenschluss erneut eine Anmeldung einreichen müssten. Nach § 37 Abs. 2 GWB ist jedoch eine erneute Anmeldung dann nicht erforderlich, wenn der zeitlich nachfolgende Zusammenschluss keine wesentliche Verstärkung der bestehenden Unternehmensverbindung bewirkt. Eine wesentliche Verstärkung nimmt man immer dann an, wenn die bestehende Verbindung weiter abgesichert wird oder der Erwerber zusätzliche Rechte erhält.59 5 Beispiel Unternehmen X erwirbt 45% der Anteile an der Y-Aktiengesellschaft. Aufgrund einer gesicherten Hauptversammlungsmehrheit erlangt X damit die Kontrolle über Y nach § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB. Später stockt X seine Anteile an der Y auf über 50% auf und erfüllt dadurch den Tatbestand des § 37
_____ 52 Immenga/Mestmäcker/Thomas GWB, § 37 Rn 306. 53 Emmerich/Lange, § 32 Rn 26; Bechtold/Bosch § 37 Rn 41. 54 Immenga/Mestmäcker/Thomas GWB, § 37 Rn 308. 55 OLG, Beschl. v. 6.7.2005, VI-Kart 26/04 (V), WuW/E DE-R 1581, 1583 – Bonner Zeitungsindustrie. 56 Bechtold/Bosch § 37 Rn 45. 57 Rn 13. 58 OLG Düsseldorf, Urt. v. 31.1.2001, Kart 5/00 (V), WuW/E DE-R 647, 648 f. – OTZ; Immenga/ Mestmäcker/Thomas GWB, § 37 Rn 370. 59 Emmerich/Lange, § 32 Rn 29; umfassend Immenga/Mestmäcker/Thomas GWB, § 37 Rn 375 ff.
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Abs. 1 Nr. 3 GWB. Auch die Aufstockung stellt einen anzumeldenden Zusammenschluss an, da aus der faktischen eine absolute Mehrheit geworden ist und damit die Kontrolle von X auch bei einer Konsolidierung der anderen Anteile an der Y abgesichert wäre.
2. Aufgreifschwellen Liegt ein Zusammenschluss im Sinne des § 37 GWB vor, führt dies nicht zwangsläu- 40 fig zu einer Anmeldepflicht. Vielmehr müssen zusätzlich die Umsatzschwellen des § 35 Abs. 1 oder 1a GWB erfüllt sein und die (deutsche) Fusionskontrolle darf nicht nach § 35 Abs. 2 GWB (sog. De-Minimis-Klausel) oder § 35 Abs. 3 GWB (Vorrang der europäischen Fusionskontrolle) ausgeschlossen sein.
a) Umsatzgrenzen Nach § 35 Abs. 1 GWB greift die deutsche Fusionskontrolle, wenn der weltweite Um- 41 satz aller an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen 500 Mio. € übersteigt, ein beteiligtes Unternehmen mindestens 25 Mio. € Umsatz in Deutschland erzielt und ein anderes beteiligtes Unternehmen mindestens 5 Mio. € Umsatz in Deutschland erwirtschaftet. Die Schwelle von 5 Mio. € soll auf 10 Mio. € angehoben werden. 60 Hat das zu erwerbende Unternehmen weniger als 5 Mio. € (zukünftig 10 Mio. €) erwirtschaftet, beträgt aber der Wert der Gegenleistung mehr als 400 Mio. € und ist das Zielunternehmen im erheblichen Umfang in Deutschland tätig, ist nach § 35 Abs. 1a die deutsche Fusionskontrolle anwendbar, vorausgesetzt, der Erwerber (oder ein sonstiger Beteiligter) hat einen Umsatz von mehr als 25 Mio. € in Deutschland erzielt. § 35 Abs. 1a wurde 2017 in das deutsche Recht eingeführt, um das Aufkaufen von Startups mit wenig Umsatz, aber großem Marktpotential (etwa wegen zahlreicher Nutzer eines digitalen Angebots) durch Großkonzerne kontrollieren zu können. Besondere Herausforderungen können sich bei der Bewertung der Gegenleistung sowie bei dem Bestimmen eines Tätigwerdens im erheblichen Umfang ergeben. Hierzu hat das BKartA einen entsprechenden Leitfaden entwickelt.61
aa) Beteiligte Unternehmen Dementsprechend hat der Begriff des beteiligten Unternehmens insbesondere für 42 diese Vorschrift große Bedeutung. Wer im Einzelnen als beteiligtes Unternehmen gilt, hängt entscheidend von der Art des Zusammenschlusses ab:
_____ 60 Referentenentwurf zur 10. Novelle des GWB vom 24. Januar 2020. 61 https://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Publikation/DE/Leitfaden/Leitfaden_Transak tionsschwelle.pdf?__blob=publicationFile&v=6
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Beim Vermögenserwerb sind der oder die Erwerber und das übertragene Unternehmensvermögen die beteiligten Unternehmen.62 Beim Kontrollerwerb sind grundsätzlich der oder die Erwerber und das Unternehmen, über das Kontrolle erworben wird, beteiligt. Beim Erwerb gemeinsamer Kontrolle stellt sich vielfach die Frage, ob das Gemeinschaftsunternehmen beteiligtes Unternehmen ist oder nicht.63 Beim Anteilserwerb sind der Erwerber und das Unternehmen, an dem Anteile erworben werden, beteiligte Unternehmen.64 Im Fall des wettbewerblich erheblichen Einflusses sind das einflussnehmende und das Unternehmen, auf das Einfluss genommen wird, beteiligte Unternehmen.65
43 In der Praxis werden bei Unternehmenskäufen oft Zwischen- oder Vorratsgesell-
schaften verwendet. Da diese häufig keinen oder nur nominellen Umsatz haben, würde oftmals keine fusionskontrollrechtliche Prüfung stattfinden. Vor diesem Hintergrund ordnet § 36 Abs. 2 Satz 1 GWB für beteiligte Unternehmen, die abhängige Unternehmen im Sinne von § 17 AktG oder Konzernunternehmen im Sinne von § 18 AktG sind, an, dass diese als einheitliche Unternehmen anzusehen sind. In der Konsequenz kommt also bei einem Zusammenschluss, an dem ein Kon44 zernunternehmen beteiligt ist, der gesamte Konzernumsatz zum Tragen. Dies gilt aber uneingeschränkt nur für die Erwerberseite, nicht für die Verkäuferseite. Für die Verkäuferseite kommt es grundsätzlich nur auf den Umsatz des verkauften Unternehmens an, § 38 Abs. 5 S. 1 GWB. Hierzu gibt es wieder eine Rückausnahme, denn nach § 38 Abs. 5 S. 2 GWB kommt es beim Verbleib von mehr als 25% der Anteile beim Veräußerer auf dessen Konzernumsatz an. In der Regel wird die Ermittlung der relevanten Umsatzträger keine großen Prob45 leme bereiten. In vielen Fällen ergeben sich die maßgeblichen Konzernzahlen aus Jahresabschlüssen und -berichten. Besonderheiten können sich aber bei Gemeinschaftsunternehmen ergeben. Nach § 36 Abs. 2 Satz 2 GWB gelten alle Unternehmen, die gemeinsam beherrschenden Einfluss auf ein anderes Unternehmen (Gemeinschaftsunternehmen) ausüben, als beherrschende Unternehmen, sog. Mehrmütterklausel. Um eine gemeinsame Beherrschung anzunehmen, muss neben der gemeinsamen Interessenlage aufgrund bestimmter Umstände eine auf Dauer gesicherte, beständige und einheitliche Einflussnahme der Mütter zu erwarten sein – entsprechend der Annahme einer gemeinsamen Kontrolle gemäß § 37 Abs. 1 Nr. 2
_____ 62 63 64 65
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Immenga/Mestmäcker/Thomas GWB, § 37 Rn 154. Siehe hierzu Immenga/Mestmäcker/Thomas GWB, § 37 Rn 234, 236 ff. Immenga/Mestmäcker/Thomas GWB, § 37 Rn 292. Immenga/Mestmäcker/Thomas GWB, § 37 Rn 355.
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GWB.66 Welche Umstände dies sein können, lässt sich abstrakt nicht sagen, es kommen sowohl rechtliche als auch tatsächliche Umstände in Betracht, beispielsweise eine ausdrückliche Gesellschaftervereinbarung zu einer gemeinsamen Unternehmenspolitik, Gemeinsamkeiten der Gesellschafter aus der Entstehungsgeschichte, über die Gesellschafterstellung hinausgehende gemeinsame Ziele und Motive, familiäre Bindungen oder eine langjährige Praxis des einheitlichen Abstimmens.67 Konsequenz der Mehrmütterklausel ist, dass einerseits dem Gemeinschaftsun- 46 ternehmen der Umsatz aller beherrschenden Mütter zugerechnet werden, andererseits den jeweiligen Müttern auch der volle Umsatz des Gemeinschaftsunternehmens zugerechnet wird. Eine Zurechnung zwischen den Müttern findet dagegen nicht statt. Eine Umgehung der Fusionskontrolle durch Stückelung einer Transaktion, so 47 dass diese nicht die Schwellenwerte des § 35 Abs. 1 GWB erreicht, verhindert § 38 Abs. 5 Satz 3 GWB, welcher Art. 5 Abs. 2 UAbs. 2 FKVO entspricht: Finden zwischen denselben beteiligten Unternehmen innerhalb von zwei Jahren Zusammenschlüsse statt, die zusammengerechnet die Schwellenwerte erreichen, werden die einzelnen Zusammenschlüsse als ein Zusammenschluss gewertet und insgesamt der Fusionskontrolle unterworfen. Hat ein Unternehmen mit vier etwa gleich umsatzstarken Geschäftsbereichen also einen Gesamtumsatz von 8 Mio. €, können Käufer und Verkäufer die Fusionskontrolle nicht dadurch aushebeln, dass sie alle drei Monate den Verkauf eines der vier Geschäftsbereiche vereinbaren. Angemeldet werden muss dabei die Transaktion, mit der die Schwelle überschritten wird,68 im genannten Fall also die dritte.
bb) Relevanter Umsatz Hat man nach den vorstehenden Grundsätzen eruiert, welche Unternehmen bei der 48 Umsatzberechnung zu berücksichtigen sind, ist zu klären, welche Erlöse als Umsätze zu berücksichtigen sind. § 38 Abs. 1 Satz 1 GWB verweist insoweit auf § 277 Abs. 1 HGB. Nach § 277 Abs. 1 HGB sind Umsätze die Erlöse aus der typischen Tätigkeit des Unternehmens nach Abzug von Erlösschmälerungen (etwa Preisnachlässe, Treuerabatte, Skonti, Fracht- und Verpackungskosten) und Umsatzsteuer. Als nicht typische Erlöse sind außerordentliche Erträge wie Gewinne aus
_____ 66 BGH, Beschl. v. 22.6.1981, KVR 7/80, NJW 1981, 2699, 2700 – Transportbeton Sauerland; zur Übereinstimmung mit den Beherrschungskriterien nach § 37 GWB vgl. Langen/Bunte/Kallfaß GWB, § 36 Rn 154. 67 BGH, Urt. v. 8.5.1979, KVR 1/78, WuW 1608, 1611 – WAZ; BGH, Urt. v. 30.9.1986, KVR 8/85, WuW/E 2321, 2323 – Mischguthersteller; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6.10.2004, VI-Kart 14/04 (V), WuW/E DE-R 1413, 1415 – Radio TON-Regional. 68 Immenga/Mestmäcker/Thomas GWB, § 38 Rn 80 f.
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Unternehmensverkäufen und Umstrukturierungen einzustufen.69 In der Praxis spielt die Frage nach typischen/atypischen Umsätzen regelmäßig keine große Rolle, während die Tatsache, dass es auf Netto- und nicht Bruttoerlöse ankommt, hin und wieder Bedeutung hat. Nach § 38 Abs. 1 Satz 2 GWB sind Umsätze zwischen verbundenen Gesellschaf49 ten im Sinne des § 36 Ab. 2 Satz 1 GWB herauszurechnen, es kommt also nur auf die Außenumsätze an. Werden Umsätze in einer anderen Währung als EUR erzielt, sind diese Beträge nach dem jeweiligen Jahresmittelkurs der Europäischen Zentralbank umzurechnen.70 In zeitlicher Hinsicht kommt es auf den Umsatz aus dem letzten abgeschlos50 senen Geschäftsjahr an. Soweit etwa in den ersten Monaten eines Jahres noch keine geprüften Zahlen für das Vorjahr vorliegen, übermittelt man in der Regel die Zahlen des Vorvorjahres. Hat der Erwerber und/oder das Zielunternehmen in der Zeit zwischen letztem abgeschlossenen Geschäftsjahr und Anmeldung Unternehmensteile erworben oder veräußert, sind deren Umsätze (aus dem letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr) hinzuzurechnen oder abzuziehen.71 Für bestimmte Unternehmen gibt es Sonderregeln: Bei Handelsunternehmen 51 werden nach § 38 Abs. 2 GWB nur drei Viertel der Umsätze in Ansatz gebracht, wobei Handel mit Waren voraussetzt, dass ein Unternehmen die Erzeugnisse nicht ver- oder bearbeitet.72 § 38 Abs. 3 GWB regelt Besonderheiten für Presse- und Rundfunkunternehmen, Banken und Versicherungsunternehmen.
cc) Räumliche Zuordnung 52 § 35 Abs. 1 Satz 1 GWB setzt voraus, dass mindestens eines der beteiligten Unternehmen einen Umsatz von 25 Mio. € in Deutschland und ein weiteres beteiligtes Unternehmen einen Umsatz von 5 Mio. € in Deutschland erzielt. Für die Frage, welcher Umsatz als in Deutschland erzielt anzusehen ist, gibt es 53 keine gesetzlichen Vorgaben. Es entspricht aber allgemeiner Auffassung, dass es im Grundsatz auf den Standort des Abnehmers der Ware oder Dienstleistung ankommt.73 Entscheidend ist jeweils, wo der Wettbewerb beim Verkauf der Waren stattfindet.74
_____ 69 Immenga/Mestmäcker/Thomas GWB, § 38 Rn 13. 70 Immenga/Mestmäcker/Thomas GWB, § 38 Rn 19. 71 Bechtold/Bosch, § 36 Rn 67. 72 Bechtold/Bosch, § 38 Rn 6. 73 Bechtold/Bosch, § 35 Rn 33; Langen/Bunte/Kallfaß GWB, § 35 Rn 29. 74 Konsolidierte Mitteilung der Kommission zu Zuständigkeitsfragen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, ABl. 2009, C 43/ 10 (zit.: Konsolidierte Zuständigkeitsmitteilung), Rn 196.
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dd) Inlandsauswirkung (§ 130 Abs. 2 GWB) Im Normallfall führen die beiden Inlandsumsatzschwellen dazu, dass die Über- 54 nahme von Unternehmen mit einem geringen Umsatz in Deutschland nicht nach deutschem Recht fusionskontrollpflichtig ist. Denkbar sind aber Szenarien, in denen auf der Erwerberseite mehrere Unternehmen stehen, die jeweils die Umsatzschwellen erreichen, ohne dass das Zielunternehmen einen nennenswerten Umsatz in Deutschland erzielt. In diesen Fällen ist § 130 Abs. 2 GWB zu berücksichtigen, der das GWB insgesamt auf Vorgänge erstreckt, aber auch beschränkt, die Auswirkungen auf seinen Geltungsbereich Deutschland haben. Das BKartA hat in seinem Merkblatt zu Inlandsauswirkungen75 festgehalten, dass für den Fall, dass mehrere beteiligte Unternehmen ein Gemeinschaftsunternehmen erwerben, auch bei formaler Erfüllung der Inlandsumsatzschwellen keine Anmeldung erfolgen muss, wenn das Gemeinschaftsunternehmen auf keinem Inlandsmarkt aktuell oder potentiell tätig ist. Das gilt nach Auffassung des BKartA auch, wenn die Muttergesellschaften (einschließlich verbundener Unternehmen) auf keinem Markt im Inland aktuelle oder potentielle Wettbewerber sind, auf dem das Gemeinschaftsunternehmen im Ausland tätig ist. Die Muttergesellschaften dürften auch nicht auf Märkten, die dem Produktmarkt des Gemeinschaftsunternehmens vor- oder nachgelagert sind, tätig sein. In diesem Fällen bestehe keine Gefahr, dass die Gründung oder Übernahme eines Gemeinschaftsunternehmens das Wettbewerbsverhältnis der Mütter negativ beeinflusst, etwa in dem die gemeinsamen Entscheidungen betreffend des Gemeinschaftsunternehmens dazu dienen, das wettbewerbliche Verhalten der Mütter zu koordinieren.76 Darüber hinaus nimmt das BKartA ein Fehlen der Inlandswirkung an, wenn 55 das Gemeinschaftsunternehmen (i) Umsätze von weniger als 5 Mio. € in Deutschland hat, (ii) in Deutschland auf allen relevanten Märkten einen Marktanteil von weniger als 5% hat und (iii) keine weiteren Umstände vorliegen, die für eine Inlandsauswirkung sprechen. Als Umstände, die für eine Inlandsauswirkung sprechen, werden die Übertragung von erheblichen Ressourcen auf das Gemeinschaftsunternehmen, etwa gewerbliche Schutzrechte oder Know-how, genannt.77
b) De-Minimis-Klausel Selbst wenn die vorstehenden Voraussetzungen erfüllt sind, findet eine Fusionskon- 56 trolle nicht statt, wenn sich ein Unternehmen, das einen weltweiten Umsatz von
_____ 75 Merkblatt – Inlandsauswirkungen in der Fusionskontrolle, 30. September 2014 (zit.: Merkblatt Inlandsauswirkungen). 76 Merkblatt – Inlandsauswirkungen, S. 6. 77 Merkblatt – Inlandsauswirkungen, S. 7 f.
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weniger als 10 Mio. € hat und kein abhängiges Unternehmen im Sinne des § 36 Abs. 2 GWB78 ist, einem anderen Unternehmen (unabhängig von dessen Größe) anschließt. Dementsprechend ist der Erwerb eines Unternehmens, das insgesamt, also einschließlich aller verbundenen Gesellschaften, einen Umsatz von weniger als 10 Mio. € Umsatz hat, fusionskontrollfrei möglich. Durch das Erfordernis der fehlenden Abhängigkeit wird verhindert, dass Großkonzerne sich ohne Fusionskontrolle von kleineren Unternehmensteilen trennen.79
3. Verfahrensablauf a) Zuständige Behörde 57 Das BKartA in Bonn ist die für die Fusionskontrolle ausschließlich zuständige Kartellbehörde in Deutschland.80 Innerhalb des BKartA sind diejenigen neun der zwölf Beschlussabteilungen für die Fusionskontrolle zuständig, die nach Industriezweigen aufgestellt sind.81 An diese ist die Anmeldung zu richten. Wer also zum Beispiel ein Telekommunikationsunternehmen zu erwerben gedenkt, richtet seine Anmeldung an den oder die Vorsitzende(n) der 7. Beschlussabteilung.
b) Inhalt der Anmeldung 58 Der Umfang einer Anmeldung zum BKartA ist im Vergleich zu Anmeldungen in an-
deren Rechtssystemen gering. Die wesentlichen Hinweise ergeben sich aus § 39 GWB. Zur Anmeldung verpflichtet sind alle am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen sowie im Fall des Vermögens- oder Anteilserwerbs auch der Veräußerer (§ 39 Abs. 2 GWB). 3 Praxistipp In der Praxis meldet eine der Parteien, in der Regel der Erwerber, zur Erfüllung der Anmeldeverpflichtung aller beteiligten Unternehmen an. Das BKartA ist sehr pragmatisch und fordert insbesondere keine Vollmachtsurkunden ein. 59 Der Inhalt der Anmeldung ist in § 39 Abs. 3 GWB festgelegt. Im Übrigen hat das
BKartA auf seiner Internetseite ein Anmeldeformular hinterlegt, aus dem sich
_____ 78 Siehe Rn 43. 79 Langen/Bunte/Kallfaß GWB, § 35 Rn 38. 80 Neben dem Bundeskartellamt sind noch das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie und die Landeskartellbehörden Kartellbehörden im Sinne des GWB. 81 Das Organigramm des Bundeskartellamts lässt sich unter http://www.bundeskartellamt.de/ SharedDocs/Publikation/DE/Sonstiges/Organigramm.pdf?__blob=publicationFile&v=19 abrufen, hieraus ergeben sich die exakten Zuständigkeiten.
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die vom BKartA gewünschten Angaben ergeben.82 Dabei handelt es sich um Angaben zu den beteiligten Unternehmen, nämlich Firma, Niederlassung, Art des Geschäftsbetriebs, Umsatzerlöse (Deutschland, EU-weit, weltweit), Marktanteile von über 20%, bei Anteilserwerb die exakte Zahl erworbener und gehaltener Anteile sowie – in der Praxis gerne vergessen – eine zustellungsbevollmächtigte Person im Inland bei ausländischen Unternehmen. Nach § 39 Abs. 5 GWB kann das BKartA zusätzliche Informationen zu Marktanteilen und der Grundlage ihrer Berechnung anfordern. In der Regel deckt man die erforderlichen Angaben zu Umsätzen und Beteili- 60 gungen durch die Beifügung von Geschäftsberichten ab. Ferner nennt man in der Regel die Marktanteile auf den für den Zusammenschluss relevanten Märkten, auch wenn diese unter 20% liegen. Relevante Märkte sind dabei die Märkte, auf denen sich die Tätigkeiten der Unternehmen überschneiden oder die Märkte, auf denen das Zielunternehmen/Gemeinschaftsunternehmen tätig ist. Praxistipp 3 Nach dem Gesetz müssen alle Märkte, auf denen die beteiligten Unternehmen mehr als 20% Marktanteil haben, benannt werden. Bei Unternehmen mit sehr weit verzweigten Tätigkeiten können dies hunderte sein. Im Allgemeinen genügt aber der Hinweis in der Anmeldung, dass das Unternehmen ggf. auf anderen als den relevanten Märkten Marktanteile von mehr als 20% hat, diese aber für den Zusammenschluss keine Rolle spielen.
c) Form und Verfahrensablauf Die Anmeldung kann seit 2013 per E-Mail mit qualifizierter elektronischer Sig- 61 natur eingereicht werden, § 39 Abs. 1 Satz 2 und 3 GWB. Nach wie vor wird sie aber überwiegend vorab per Telefax mit anschließendem Postversand eingereicht, zumal sich die elektronische Kommunikation mit dem BKartA noch im Aufbau befindet. Eine einfache E-Mail genügt nicht. Anders als im Rahmen eines Verfahrens bei der Europäischen Kommission 62 sind Vorfeldtreffen mit dem BKartA nur bei möglicherweise problematischen Vorhaben üblich. Im Normalfall wird eine Anmeldung ohne Vorankündigung eingereicht. Es gibt keine gesetzliche Anmeldefrist, d.h. es ist nicht erforderlich, die Anmeldung innerhalb einer bestimmten Tagesanzahl nach Abschluss etwa des Unternehmenskaufvertrags einzureichen. In der Praxis wird häufig eine Frist von 5 bis 10 Werktagen nach Vertragsunterschrift vereinbart, innerhalb derer anzumelden ist.
_____ 82 http://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Publikation/DE/Mustertexte/Muster%20%20Anmeldeformular%20Fusionskontrolle.html?nn=3590938.
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3 Praxistipp Das Fehlen einer Anmeldefrist ist zwar in der EU üblich, in Ländern außerhalb der EU gibt es aber durchaus Vorschriften, die eine Anmeldung innerhalb einer bestimmten Frist nach Vertragsunterzeichnung fordern. So muss man in Serbien innerhalb von 15 Wochentagen, in Ecuador sogar innerhalb von 8 Wochentagen nach Vertragsunterzeichnung anmelden. Dies sollte man bei der Transaktionsplanung/Vorbereitung der Anmeldungen berücksichtigen. 63 Nach erfolgter Anmeldung prüft das BKartA zunächst die Vollständigkeit der An-
meldung. Das BKartA nimmt in der Regel innerhalb weniger Tage Kontakt zu dem anmeldenden Unternehmen auf, entweder um auf etwaig fehlende Angaben oder Unterlagen hinzuweisen oder aber um weitere Informationen, insbesondere zu den Produkten, Wettbewerbern, Kunden oder Lieferanten zu erbitten. Gleichzeitig wird der Zusammenschluss auf der Internetseite des Bundeskartellamts veröffentlicht. 3 Praxistipp Oftmals möchten die Unternehmen verhindern, dass das angemeldete Vorhaben veröffentlicht wird, etwa im Hinblick auf noch ausstehende Gespräche mit Arbeitnehmervertretern oder Kunden. Das BKartA kann diesem Wunsch schon aus Gründen der Gleichbehandlung nicht entsprechen. Es ist daher ratsam, vor einer Anmeldung jegliche erforderliche Kommunikation vorgenommen zu haben, um nicht von der Veröffentlichung des BKartA in Zugzwang gesetzt zu werden. 64 Das BKartA hat nach § 40 Abs. 1 Satz 1 GWB ab Erhalt der vollständigen Anmel-
dung einen Monat Zeit, den beteiligten Unternehmen mitzuteilen, ob es in ein Hauptprüfverfahren eingetreten ist (sog. Monatsbrief). Tut es das nicht, kann der Zusammenschluss nicht mehr untersagt und somit von den Unternehmen vollzogen werden. In der Praxis lässt das BKartA diese Frist allerdings nicht ablaufen, sondern gibt unproblematische Fälle zum Teil deutlich vor Ablauf der Monatsfrist frei. Leitet das BKartA ein Hauptprüfungsverfahren ein, hat es innerhalb von vier 65 Monaten nach Eingang der vollständigen Anmeldung per Verfügung zu entscheiden, ob es den Zusammenschluss freigibt oder nicht (§ 40 Abs. 2 Satz 1 und 2 GWB). Ergeht keine Entscheidung innerhalb dieses Zeitraums, gilt der Zusammenschluss als freigeben, es sei denn, die anmeldenden Unternehmen haben einer Fristverlängerung zugestimmt (§ 40 Abs. 2 Satz 4 Nr. 1), dem BKartA wurden falsche Angaben gemacht (§ 40 Abs. 2 Satz 4 Nr. 2) oder es fehlt ein Inlandsvertreter für ein ausländisches Unternehmen (§ 40 Abs. 2 Satz 4 Nr. 3). Diese Frist von vier Monaten wird gehemmt, wenn eines der beteiligten Unter66 nehmen eine formale Auskunftsanfrage des BKartA nach § 59 GWB schuldhaft nicht rechtzeitig oder vollständig beantwortet hat und das BKartA daher gezwungen ist, eine zweite Auskunftsanfrage zu stellen. Macht ein beteiligtes Unternehmen erstmals im Hauptprüfverfahren Vorschlä67 ge zu Bedingungen und Auflagen, verlängert sich die Vier-Monats-Frist um einen weiteren Monat, § 40 Abs. 2 Satz 7 GWB. Hiermit gleicht der deutsche Gesetzgeber das GWB an Art. 10 Abs. 1 und Abs. 3 FKVO an.
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d) Kosten und Vollzugsanzeige In der Regel endet ein Fusionskontrollverfahren mit einer Freigabe ohne Hauptprü- 68 fungsverfahren, die keine nähere Begründung enthält, sondern lediglich die Zahlung einer Verwaltungsgebühr von maximal 100.000 €. Die exakte Höhe ist abhängig vom Aufwand des BKartA. In der Regel liegt die Summe zwischen 5.000 und 15.000 €, Tendenz steigend. In der Praxis manchmal vergessen wird die Vollzugsanzeige nach § 39 Abs. 6 69 GWB – ein schlichtes Schreiben der beteiligten Unternehmen an das BKartA über den Vollzug des Zusammenschlusses.
e) Vollzugsverbot Nach § 41 Abs. 1 GWB dürfen Unternehmen den Zusammenschluss erst dann voll- 70 ziehen, bis eine Freigabe durch das Bundeskartellamt erfolgt ist. In der Praxis stellen sich regelmäßig Fragen zu der Reichweite dieses Vollzugsverbots. Hierfür hat sich in der Praxis ein gewisser Standard etabliert, der nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen anderen Ländern zum Tragen kommt. Nachfolgend ist ein typischer Leitfaden wiedergegeben: Unzulässig sind
Zulässig sind
die rechtliche und organisatorische Zusammenführung einzelner Unternehmen
Personalplanungen und Nominierungen, sofern die Posten noch nicht tatsächlich übernommen werden
die Aufnahme gemeinsamer Geschäftsaktivitäten
die Vorbereitung eines Geschäftsplans
die Einführung gemeinsamer Berichts- und Organisationsstrukturen
die Erarbeitung der (gemeinsamen) Berichts- und Organisationsstrukturen
die Befolgung interner Weisungen der zukünftigen Geschäftsführung/Anteilseigner
das Erarbeiten der zukünftigen Strategie für die Zeit nach Freigabe des Zusammenschlusses
die Abstimmung und Anpassung von Produkten
die Benennung zukünftiger Teams
die Abstimmung der beiderseitigen Vermarktungs- und Absatzbemühungen
die Vorbereitung eines gemeinsamen Marktauftritts für die Zeit nach Freigabe des Zusammenschlusses
die Umbenennung und eine entsprechende Öffentlichkeitskampagne
Informationsveranstaltungen mit den und für die betroffenen Mitarbeiter
der gemeinsame Vertrieb
Mitarbeiterschulungen für das zukünftige Verhalten nach Freigabe des Zusammenschlusses bzw. nach Ablauf der Wartefristen
die Ausübung gesellschaftsrechtlicher Kontrollrechte
die Veröffentlichung von Informationen über die zukünftige interne Personalstruktur/-ernennung
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3 Fettnapf Zu beachten ist weiterhin, dass die beteiligten Unternehmen, wenn sie bisher Wettbewerber waren, dies auch bis zum Vollzug des Zusammenschlusses (nicht schon ab Erteilung der Freigabe) bleiben. Bis dahin verboten sind also jegliche Absprachen über Kunden- oder Gebietsaufteilungen sowie der Austausch von Geschäftsgeheimnissen wie Preise, Kosten, Kunden, Forschungsprojekte, Gewinnmargen, Produktionsmengen oder Geschäftspläne. Soweit für die Integrationsplanung vertrauliche Informationen der Gegenseite benötigt werden, kann insbesondere ein sog. Clean Team Abhilfe schaffen. Dieses besteht aus externen Beratern sowie Mitarbeitern ohne operative Verantwortung, etwa aus dem Steuer- oder Personalbereich, welche Zugang zu vertraulichen Informationen erhalten, diese aber nicht oder nur in Form von durch die jeweilige Gegenpartei freigegebene Zusammenfassungen weitergeben dürfen. 71 Verstöße gegen das Vollzugsverbot führen einerseits zur schwebenden Unwirksam-
keit etwaiger Rechtsgeschäfte (etwa einer Übertragung von Anteilen, vgl. § 41 Abs. 1 Satz 2 GWB) und werden andererseits mit Bußgeldern gegen die handelnden Personen von bis zu 1 Mio. € sowie mit Unternehmensbußgeldern von bis zu 10% des im Vorjahr erwirtschafteten Gesamtumsatzes geahndet (§ 81 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 4 GWB). Verstöße gegen das Vollzugsverbot werden zunehmend streng verfolgt und sollten unbedingt vermieden werden. Wichtig ist auch, dass sogenannte Interim Operating Covenants, also Vorgaben im Unternehmenskaufvertrag, wie der Verkäufer eines Unternehmens dieses zwischen Vertragsunterzeichnung und Vollzug zu führen hat, lediglich dem Schutz des Unternehmenswertes dienen, nicht aber zu einer kleinteiligen Überwachung des Geschäfts durch den zukünftigen Inhaber führen. Wird der nachträglich angemeldete Zusammenschluss freigegeben, werden die entsprechenden Rechtsgeschäfte wirksam bzw. bei unanfechtbarer Untersagung endgültig nichtig.83 Vom Vollzugsverbot kann das BKartA auch eine Befreiung erteilen, wenn die 72 beteiligten Unternehmen schwerwiegende Gründe hierfür vortragen, z.B. ein schwerer Schaden für die Unternehmen (§ 41 Abs. 2 GWB). Der klassische Fall ist derjenige der sog. Sanierungsfusion.84
f) Unterlassene Anmeldung 73 Wird eine Anmeldung gänzlich unterlassen, wurde dies früher in der Regel nicht
bestraft. Vielmehr wurde vom BKartA nur eine Nachholung der Anmeldung gefordert. Inzwischen werden hohe Bußgelder für unterlassene Anmeldungen ausgesprochen. Erweist sich der nicht angemeldete Zusammenschluss dann als nicht freigabefähig, leitet das BKartA zudem ein Entflechtungsverfahren ein, § 41 Abs. 3 GWB.
_____ 83 Langen/Bunte/Kallfaß GWB, § 41 Rn 2. 84 Siehe hierzu Rn 92.
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II. Materielle Fusionskontrolle Nach § 36 Abs. 1 Satz 1 GWB sind Zusammenschlüsse zu untersagen, durch die 74 wirksamer Wettbewerb erheblich behindert würde. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn zu erwarten ist, dass der Zusammenschluss eine marktbeherrschende Stellung begründen oder verstärken würde. „Zu erwarten sein“ bedeutet, dass eine Prognoseentscheidung zu treffen ist. Hierbei sind die Wettbewerbslage auf dem betroffenen Markt vor und nach dem Zusammenschluss zu vergleichen85 und sowohl die unmittelbaren Folgen des Zusammenschlusses als auch die längerfristigen Veränderungen der Wettbewerbsbedingungen zu berücksichtigen. Längerfristige Veränderungen werden berücksichtigt, wenn sie sich in drei bis fünf Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit einstellen.86
1. Untersagungsvoraussetzungen Für die Frage, ob eine Untersagungspflicht des BKartA besteht, kam es bis zum 26. 75 Juni 2013 allein auf die Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung an. Mit der Neufassung des § 36 Abs. 1 Satz 1 GWB, welcher nunmehr eine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs verlangt, wurde eine Anpassung an den Standard der FKVO87 beabsichtigt.88 Insbesondere sollen Vorhaben erfasst werden, die zwar keine marktherrschende Stellung begründen oder verstärken, aber dem Wettbewerb nachhaltig schaden. Beispiel 5 A ist mit einem Marktanteil von 70% das beherrschende Unternehmen auf dem Markt für Toilettenpapier. B und C halten jeweils 15% des Marktes. Drogerien und Supermärkte führen neben den Produkten von A in der Regel auch Produkte von B oder C, aber meist nicht Produkte von A, B und C. Insofern herrscht intensiver Wettbewerb zwischen B und C um den „2. Platz im Regal“. Fusionieren B und C, würde dieser Restwettbewerb erlöschen und insgesamt eine erhebliche Behinderung des Wettbewerbs auf dem Markt eintreten, ohne dass das fusionierte Unternehmen B+C eine marktbeherrschende Stellung einnähme, da diese weiterhin A zukäme.
2. Marktbeherrschende Stellung Das Gesetz geht davon aus, dass insbesondere die Begründung oder Verstärkung 76 einer marktbeherrschenden Stellung eine erhebliche Behinderung wirksamen Wett-
_____ 85 BGH, Urt. v. 21.2.1978, KVR 4/77, WuW/E 1501, 1507 – KFZ-Kupplungen; Schulte/Ewen Fusionskontrolle, Rn 460 f. 86 Immenga/Mestmäcker/Thomas GWB, § 36 Rn 612 m.w.N. 87 Vgl. insoweit Rn 118. 88 Regierungsbegründung 8. GWB Novelle, BT-Drucksache 17/9852, S. 28.
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bewerbs bewirken würde. Ob eine solche entsteht oder verstärkt wird, dürfte also auch zukünftig die wesentliche Frage bei der Prüfung eines Zusammenschlusses sein.89 Auch das BKartA geht von einer weiterhin großen Bedeutung dieses Kriteriums aus.90
a) Begriff 77 Marktbeherrschung liegt nach § 18 Abs. 1 GWB vor, wenn ein Unternehmen auf
dem sachlich und räumlich relevanten Markt ohne Wettbewerber ist, keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist oder eine im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern überragende Marktstellung hat. Entscheidend ist, dass das betreffende Unternehmen über so viel Marktmacht verfügt, dass seine Verhaltensspielräume nicht hinreichend durch den Wettbewerb kontrolliert werden, so dass es ohne Sanktion (= Verlust von Kunden) Preise erhöhen, Mengen verringern oder sein Dienstleistungsniveau senken kann.91 § 18 Abs. 3 GWB nennt die Faktoren, die insbesondere – also nicht nur – bei der Bestimmung der Marktbeherrschung zu berücksichtigen sind: Marktanteil, Finanzkraft, Zugang zu Beschaffungs- und Absatzmärkten, Verflechtungen mit anderen Unternehmen, Marktzutrittsschranken, potentieller Wettbewerb durch Dritte, Angebotsumstellungsflexibilität und Ausweichmöglichkeiten der Marktgegenseite.
b) Marktbeherrschung durch ein einzelnes Unternehmen 78 Im Fokus der Untersuchung eines Zusammenschlusses steht die Frage, ob ein Un-
ternehmen durch den Zusammenschluss den relevanten Markt beherrschen wird. Besondere Bedeutung hat dabei § 18 Abs. 4 GWB, der die widerlegbare Vermutung enthält, dass ein Unternehmen marktbeherrschend ist, wenn es einen Marktanteil von mindestens 40% hat. Diese Vermutung kommt allerdings erst dann zum Tragen, wenn die Untersuchungen des BKartA ergebnislos waren, also weder eine marktbeherrschende Stellung positiv festgestellt noch ausgeschlossen werden konnte.92 Bei der Erstellung einer Anmeldung zum BKartA wird dementsprechend von 79 den beteiligten Unternehmen in erster Linie eine Marktabgrenzung angestrebt, die, wenn sich eine Überschneidung der Aktivitäten nicht bestreiten lässt, für die beteiligten Unternehmen einen Anteil ergibt, der weit unterhalb der 40% liegt.93 Da es
_____ 89 90 91 92 93
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Bechtold/Bosch, § 36 Rn 34 f. Leitfaden Marktbeherrschung, Rn 1. Leitfaden Marktbeherrschung, Rn 22 zur Einzelmarktbeherrschung. Leitfaden Marktbeherrschung, Rn 26. Siehe Rn 8–12 zu Fragen der Marktabgrenzung.
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sich aber um eine widerlegbare Vermutung handelt, können im Einzelfall Gründe vorliegen, die trotz eines Marktanteils von weniger als 40% eine marktbeherrschende Stellung begründen können. Beispiel 5 A und B fusionieren zum Unternehmen C. Unternehmen C hat einen Marktanteil von 32%. Nächster Wettbewerber ist Unternehmen D, das einen Marktanteil von 8% hat. Der restliche Markt ist zersplittert. In diesem Fall könnte insbesondere § 18 Abs. 1 Nr. 3 GWB Bedeutung gewinnen, der auf eine überragende Stellung gegenüber den Wettbewerbern abstellt. Verfügt C zusätzlich über ein überragendes Marken- und Patentportfolio und sind seit Jahren keine neuen Anbieter in den Markt eingetreten, dürften es die beteiligten Unternehmen schwer haben, gegen die Feststellung einer marktbeherrschenden Stellung zu argumentieren.
Berechnet werden Marktanteile in der Regel nach Umsatz, nicht nach Menge. Dies 80 macht insbesondere bei heterogenen Produkten Sinn, also Produkten, die demselben Markt zugehörig sind, aber qualitativ und preislich recht deutliche Unterschiede aufweisen.94 Praxistipp 3 Es kann sich anbieten, in einer Anmeldung die Marktanteile sowohl nach Umsatz als auch nach Menge darzustellen. So lassen sich etwa für Unternehmen, die Markenprodukte herstellen, Konstellationen denken, in denen man den Wettbewerbsdruck durch Nachahmerprodukte anhand deren hoher Stückzahlen belegt, ggf. unter Hinweis auf bald auslaufende Patente des Originalherstellers. Des Weiteren kann sich eine Darstellung der Marktanteile über mehrere Jahre anbieten, vorausgesetzt, die Marktanteile gehen zurück (und man erwirbt nicht das Unternehmen, das einem die Anteile abgenommen hat).
In der Praxis ist der Marktanteil das wichtigste Kriterium – und sei es auch nur, um 81 unter Hinweis auf die niedrigen Marktanteile die Unbedenklichkeit des Zusammenschlusses hervorzuheben. Neben dem Marktanteil können, in den unterschiedlichsten Konstellationen, auch andere Faktoren eine Rolle spielen, wobei es immer um die Feststellung geht, ob die nach dem Zusammenschluss verbleibenden Unternehmen Druck auf die beteiligten Unternehmen ausüben können. Im Einzelnen sind die folgenden Fragen zu klären. – Kapazitäten: Können Wettbewerber der beteiligten Unternehmen aufgrund eigener Überkapazitäten bzw. leicht und schnell erweiterbarer Kapazitäten auf eine Einschränkung/Verschlechterung des Angebots der beteiligten Unternehmen reagieren?95
_____ 94 Leitfaden Marktbeherrschung, Rn 29. 95 Leitfaden Marktbeherrschung, Rn 40.
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Kundenpräferenzen/Wechselkosten: Können Kunden selbst in Abwesenheit langer Vertragsbindungen bei einer etwaigen Preiserhöhung der sich zusammenschließenden Unternehmen auf andere Anbieter ausweichen oder sind sie aufgrund von etwa Markentreue oder hoher Wechselkosten an diese gebunden?96 Gewerbliche Schutzrechte/Know-how: Ist eine möglicherweise führende Stellung der beteiligten Unternehmen durch Schutzrechte abgesichert oder können Wettbewerber diese umgehen oder haben gar eigene Entwicklungen, die ihnen einen Angriff auf die Zusammenschlussbeteiligten erlauben?97 Marktphase: Ist der Markt noch jung, so dass hohe Marktanteile nur eine Momentaufnahme sind oder handelt es sich um reife Märkte, bei denen größere Veränderungen der Marktverhältnisse weniger wahrscheinlich sind? Zugang zu Absatz- und Beschaffungsmärkten: Hat ein beteiligtes Unternehmen besondere Vorteile gegenüber Wettbewerbern, weil es vertikal integriert ist und wichtige Inhaltsstoffe selbst herstellt (Zugang zu Beschaffungsmärkten) oder ein besonders gutes Vertriebsnetzwerk hat?98 Verflechtung mit anderen Unternehmen: Bestehen Verflechtungen rechtlicher, wirtschaftlicher, personeller oder finanzieller Art mit anderen Unternehmen, insbesondere solchen, die aktuelle oder potentielle Wettbewerber sind?99 Finanzielle Ressourcen: Hat ein beteiligtes Unternehmen deutlich überlegene finanzielle Möglichkeiten, um etwa eine längere Kampfpreiskampagne durchzuhalten?100
82 Stellt das BKartA fest, dass nach den aktuellen Gegebenheiten möglicherweise eine
marktbeherrschende Stellung besteht, wird seitens der beteiligten Unternehmen oft mit dem potentiellen Wettbewerb argumentiert. Dabei wird vorgetragen, dass die Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung dadurch ausgeschlossen ist, dass derzeit noch nicht auf dem betroffenen Markt tätige Unternehmen in Kürze eintreten werden und dadurch den Handlungsspielraum des scheinbar marktmächtigen fusionierten Unternehmens einschränken. Ein solcher potentieller Wettbewerb wird nur dann vom BKartA anerkannt, wenn ein Markteintritt wahrscheinlich ist und anzunehmen ist, dass dieser, wenn er sich realisiert, rechtzeitig und in ausreichendem Umfang erfolgt.101
_____ 96 Leitfaden Marktbeherrschung, Rn 43 ff. 97 Leitfaden Marktbeherrschung, Rn 47. 98 Leitfaden Marktbeherrschung, Rn 49–51. 99 Leitfaden Marktbeherrschung, Rn 52 f. 100 Leitfaden Marktbeherrschung, Rn 54 ff. 101 Leitfaden Marktbeherrschung, Rn 73.
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c) Marktbeherrschung durch mehrere Unternehmen Neben der Marktbeherrschung durch ein Unternehmen ist auch denkbar, dass mehrere Unternehmen einen Markt gemeinsam beherrschen (Oligopol). Nach § 18 Abs. 5 GWB sind zwei oder mehrere Unternehmen marktbeherrschend, soweit zwischen ihnen kein wesentlicher Wettbewerb besteht (§ 18 Abs. 5 Nr. 1 GWB) und sie in ihrer Gesamtheit die Voraussetzungen der Marktbeherrschung erfüllen (§ 18 Abs. 5 Nr. 2 GWB). Dementsprechend ist für die Annahme einer solchen gemeinsamen Marktbeherrschung entscheidend, dass es keinen Binnenwettbewerb zwischen einer Gruppe von Unternehmen gibt und auf diese Gruppe kein wesentlicher Wettbewerbsdruck durch Außenseiter ausgeübt wird. Eine gemeinsame Beherrschung kommt vor allem in solchen Märkten in Betracht, die gekennzeichnet sind durch eine geringe Anzahl von Wettbewerbern, relativ hohe Marktzutrittsschranken, eine regelmäßige Interaktion auf einem oder mehreren Märkten, Markttransparenz, Homogenität der Produkte, eine geringe Nachfragemacht, eine gewisse Symmetrie der Oligopolmitglieder und bestehende Verflechtungen zwischen diesen sowie Stabilität der Marktbedingungen.102 Die Gruppe der Wettbewerber, die das Oligopol bilden, ist in der Regel durch ein Bewusstsein der Interessengleichheit und wechselnden Abhängigkeiten geprägt.103 Fehlender Binnenwettbewerb bedeutet dabei, dass keiner der Oligopolisten größere Wettbewerbsvorstöße unternimmt, sondern seinen angestammten Kundenkreis zu gleichbleibenden Bedingungen verwaltet. Die wichtigsten Voraussetzungen für den langfristigen Bestand einer solchen Situation sind neben den im vorstehenden Absatz genannten Faktoren eine hohe Markttransparenz (die Wettbewerber wissen genau, was die jeweils anderen machen, bemerken also insbesondere „unerwünschte“ Preis- oder Leistungsoffensiven) und glaubhafte Sanktionsmöglichkeiten (aufgrund der vielfach bestehenden und häufig genutzten Verbindungen können die anderen entweder die Kostenlast des ausbrechenden Unternehmens vergrößern oder ihrerseits auf den Wettbewerbsvorstoß einsteigen).104 Hinzutreten muss nach § 18 Abs. 5 Nr. 2 GWB, dass die Unternehmen in ihrer Gesamtheit auf dem Markt entweder keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt sind oder in ihrer Gesamtheit eine überragende Marktstellung haben.105 Nach § 18 Abs. 6 GWB wird eine gemeinsame Marktbeherrschung vermutet, wenn drei oder weniger Unternehmen mehr als 50% oder fünf oder weniger Unternehmen weniger als zwei Drittel des Marktes innehaben. Anders als die Einzelmarkbeherrschungsvermutung hat diese Oligiopolvermutung keine große praktische Bedeutung, da
_____ 102 103 104 105
Leitfaden Marktbeherrschung, Rn 90. Bechtold/Bosch, § 18 Rn 64. Leitfaden Marktbeherrschung, Rn 91 ff. Bechtold/Bosch, § 18 Rn 67.
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die Feststellung gemeinsamer Beherrschung umfassende Tatsachenermittlungen erfordert.106 Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass eine Situation der ge87 meinsamen Marktbeherrschung langfristig entsteht. Insofern stellt sich die Frage, inwiefern ein punktueller Zusammenschluss eine derartige Situation entstehen oder verstärken lassen kann. Unstrittig sind die Fälle, in denen ein Zusammenschluss zwischen Unternehmen zu einer Verengung des Oligopols und größeren Symmetrie der Oligopolisten führt.107 5 Beispiel Die geplante Übernahme aller Anteile an ProSiebenSat.1 durch Axel Springer wurde unter anderem deswegen untersagt, weil die zwischen ProSiebenSat.1 und Bertelsmann (RTL) bestehende gemeinsame Marktbeherrschung auf dem deutschen Fernsehwerbemarkt (80% gemeinsamer Marktanteil) noch weiter verstärkt würde, da dann auch ProSiebenSat.1 die Möglichkeit gehabt hätte, sein Angebot mit Printmedien zu verknüpfen, was bis dahin lediglich Bertelsmann möglich war.108
88 Nach Auffassung des BKartA und der Gerichte kann es für eine Untersagung durch
das BKartA aber auch genügen, wenn die Marktmacht lediglich eines Oligopolisten durch die Transaktion gestärkt wird.109
d) Vertikale/Konglomerate Zusammenschlüsse 89 Die vorstehenden Ausführungen beziehen sich im Wesentlichen auf horizontale
Zusammenschlüsse, also die Übernahme oder das Zusammengehen von aktuellen oder potentiellen Wettbewerbern. Wie bereits oben110 ausgeführt, kann ein Zusammenschluss aber auch dann wettbewerbliche Probleme hervorrufen, wenn es sich bei dem zu übernehmenden Unternehmen um einen Kunden bzw. Lieferanten handelt (vertikaler Zusammenschluss) oder um ein Unternehmen in benachbarten Märkten (konglomerater Zusammenschluss). Ausweislich der Regierungsbegründung sollen gerade die mit derartigen Zusammenschlüssen verbundenen Schwierigkeiten von dem neuen Prüfungsmaßstab der erheblichen Beeinträchtigung wirksamen Wettbewerbs erfasst werden.111
_____ 106 Leitfaden Marktbeherrschung, Rn 89. 107 Bechtold/Bosch, § 36 Rn 28. 108 OLG Düsseldorf, Urt. v. 3.12.2008, VI-Kart 7/06, WuW/E DE-R 2593, 2599 – Springer/ProSiebenSat.1. 109 BGH, Beschl. v. 11.11.2008, KVR 60/07, WuW/E DE-R 2451, 2461 – E.ON/Stadtwerke Eschwegen, BGH, Beschl. v. 8.6.2010, KVR 4/09, WuW/E DE-R 3067, 3076 – Springer/ProSieben II. 110 Rn 23 f. 111 BT-Drucks. 17/9852, S. 28.
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Vertikale Aspekte spielen gerade im Energiebereich eine wichtige Rolle. So hat 90 das BKartA mehrfach Beteiligungen der beiden großen Energieversorger RWE und E.ON – die im Bereich der Stromweiterverteilung in vielen Regionen als entweder allein oder gemeinsam marktbeherrschend angesehen wurden – an Stadtwerken untersagt. Das BKartA befürchtete, dass die betroffenen Stadtwerke Bezugsverträge ausschließlich mit ihrem jeweiligen neuen Gesellschafter abschließen und diese somit ihre marktbeherrschende Stellung stärken würden.112 Konglomerate Aspekte wurden insbesondere im Bereich der Medien untersucht. So wurde der Springer/ ProSiebenSat.1 Zusammenschluss auch deshalb untersagt, weil das BKartA annahm, dass die marktbeherrschende Stellung von Springer im Bereich der Straßenverkaufszeitungen durch die Vernetzung mit Fernsehinhalten weiter verstärkt würde, sog. cross-mediale Promotion.113 Ein weiterer Aspekt kann ein erheblicher Zuwachs von Finanzkraft für ein marktbeherrschendes Unternehmen sein. Hier wird es aber regelmäßig darauf ankommen, ob der Erwerber in einem marktnahen Umfeld tätig ist und somit ein „Abschreckungseffekt“ für Wettbewerber eintritt.114 Wissen die ohnehin unterlegenen Wettbewerber des Marktbeherrschers, dass dessen neuer Eigentümer im Zweifel viel Geld in diesen stecken wird, kann dies nach Auffassung des BKartA dazu führen, dass sie gar nicht erst versuchen, die Position des übernommenen Unternehmens anzugreifen.
e) Verstärkung und Verursachung § 36 GWB nennt ausdrücklich die Begründung oder Verstärkung als Regelbeispiel 91 für eine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs. Eine Verstärkung tritt ein, wenn der oder die Marktbeherrscher aufgrund des Zusammenschlusses noch eher als vorher in der Lage sein werden, Angriffe auf ihre herausgehobene Marktposition abzuwehren. Eine derartige Verstärkung ist insbesondere anzunehmen, wenn ein aktueller oder potentieller Wettbewerber übernommen wird.115 Je größer die aktuelle Marktmacht ist, desto geringere Anforderungen stellt das BKartA an den Zuwachs.116 In der Praxis spielt die Verstärkung vor allem bei gemeinsamer Marktbeherrschung und vertikalen sowie konglomeraten Zusammenschlüssen eine Rolle.
_____ 112 BGH, Beschl. v. 15.7.1997, KVR 33/96, WuW/E DE-R 24, 29 f. – Stromversorgung Aggertal; BGH, Beschl. v. 11.11.2008, KVR 60/07, WuW/E DE-R 2451, 2461 – E.ON/Stadtwerke Eschwegen; BKartA, 20.11.2003, B 8 – 84/03, WuW/E DE-V 837, 843 – E.ON/Stadtwerke Lübeck. 113 BGH, Beschl. v. 8.6.2010, KVR 4/09, WuW DE-R 3067, 3076 – Springer/ProSieben II. 114 BGH, Urt. v. 21.2.1978, KVR 4/77, WuW/E 1501, 1510 – KFZ-Kupplungen; BGH, Urt. v. 25.6.1985, KVR 3/84, WuW/E 2150, 2157 – Rheinmetall/WMF. 115 Bechtold/Bosch, § 36 Rn 22. 116 Leitfaden Marktbeherrschung, Rn 14.
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Sowohl Entstehung als auch Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung müssen durch den Zusammenschluss verursacht werden. Diese Verursachung ist insbesondere dann ausgeschlossen, wenn das zu übernehmende Unternehmen für sich nicht überlebensfähig ist, kein alternatives Unternehmen als Übernehmer in Betracht kommt und im Fall des Untergangs des angeschlagenen Unternehmens dessen Marktposition im Wesentlichen auf den Erwerber übergehen würde.117 Hierfür wird der Begriff Sanierungsfusion verwendet.
3. Ausnahmen von der Untersagungspflicht 93 Führt ein Zusammenschluss zur erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs
auf einem Markt, kommt dennoch eine Freigabe durch das BKartA in Betracht, wenn – die beteiligten Unternehmen nachweisen, dass der Zusammenschluss auch Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen (auf einem anderen – ebenfalls beherrschten – Markt als dem betroffenen Markt118) verursacht und diese Verbesserungen die Behinderungen überwiegen (§ 36 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 GWB), – es sich bei dem betroffenen Markt um einen Bagatellmarkt handelt (§ 36 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GWB) oder – die Übernahme eines kleinen oder mittleren Zeitungs- oder Zeitschriftenverlags durch einen anderen Verlag dessen Überleben sichert (§ 36 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 GWB). 94 Praktisch am bedeutendsten ist der Fall des § 36 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GWB. Ein Baga-
tellmarkt § 36 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GWB liegt vor, wenn auf einem Markt seit mehr als 5 Jahren Waren oder gewerbliche Leistungen angeboten werden und dabei im letzten abgelaufenen Geschäftsjahr ein Gesamtumsatz von weniger als 15 Mio. €119 erzielt wurde. Für die Berechnung dieser 15 Mio.-Grenze (sog. Bagatellschwelle) kommt es auf den Umsatz in Deutschland an, auch wenn der räumliche Markt größer als Deutschland ist.120 Die Bagatellschwelle gilt aber nur dann, wenn ein isolierter Bagatellmarkt be95 troffen ist. Sie ist dann nicht anwendbar, wenn mehrere kleine Märkte betroffen sind, die für sich, aber nicht zusammen genommen unterhalb der Bagatellschwelle liegen und die sachlich oder räumlich miteinander verknüpft sind – dies ist der Fall, wenn die Nachfrager und Anbieter auf den verschiedenen Märkten im Wesentlichen die gleichen sind, die Unternehmenspolitik der beteiligten Unternehmen für die
_____ 117 Leitfaden Marktbeherrschung, Rn 184. 118 Leitfaden Marktbeherrschung, Rn 191/192. 119 Nach dem Referentenentwurf zur 10. Novelle des GWB soll diese Summe auf 20 Mio. € angehoben werden. 120 BGH, Beschl. v. 25.9.2007, KVR 19/07, WuW/E DE-R 2133, 2136 – Sulzer/Kelmix; Langen/Bunte/ Kallfaß GWB, § 36 Rn 133.
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Märkte die gleiche ist und die Wettbewerbsbedingungen auf den einzelnen Märkten nicht isoliert betrachtet werden können.121 Ferner ist sie nicht anwendbar, wenn die Anmeldepflicht nach § 35 Abs. 1a GWB besteht oder es um einen Markt geht, auf dem unentgeltliche Leistungen erbracht werden. Beispiel 5 Im Fall Sulzer/Kelmix akzeptierte der BGH, dass aufgrund unterschiedlicher Anbieter, Kunden und Marktanteilsverteilungen auf dem Markt für Kartuschen, Mischer und Austragsgeräte für Zweikomponenten-Material für medizinische Anwendungen einerseits und dem Markt für entsprechende Produkte für industrielle Anwendungen andererseits keine Verbindung der beiden Märkte bestand, so dass die Bagatellmarktklausel Anwendung fand.
4. Abhilfen Stellt das BKartA fest, dass ein Zusammenschluss zu einer erheblichen Behinderung 96 wirksamen Wettbewerbs führt, muss es den Zusammenschluss nicht zwangsläufig untersagen. Nach § 40 Abs. 3 Satz 1 GWB besteht für das BKartA die Möglichkeit, eine Freigabe mit Auflagen und Bedingungen (zusammen: „Nebenbestimmungen“) zu versehen, „um sicherzustellen, dass die beteiligten Unternehmen den Verpflichtungen nachkommen, die sie gegenüber dem Bundeskartellamt eingegangen sind, um eine Untersagung abzuwenden“. Dabei bedeutet eine Bedingung, dass die Freigabe nur Wirksamkeit erlangt (aufschiebend bedingt) oder beibehält (auflösend bedingt), wenn die beteiligten Unternehmen ihren Verpflichtungen nachkommen, während die Auflage neben der Freigabe steht und bei Nichterfüllung gesonderte Sanktionen erfordert. Die aufschiebende Bedingung ist in der Praxis die bevorzugte Nebenbestimmung, da bei Nichterfüllung dieser Nebenbestimmung nie eine Freigabe erteilt wurde.122 Das BKartA kann nicht frei entscheiden, ob es untersagt oder mit Nebenbe- 97 stimmungen freigibt: Ist eine Lösung der wettbewerblichen Probleme durch eine Nebenbestimmung möglich, muss eine Freigabe mit Nebenbestimmungen erfolgen.123 Nebenbestimmungen kommen auch nur in Betracht, wenn das Vorhaben ohne sie untersagt werden müsste.124 Es ist also nicht möglich, „auf Verdacht“ bestimmte Nebenbestimmungen zu verhängen. Nach § 40 Abs. 3 Satz 2 GWB dürfen die Nebenbestimmungen nicht darauf ge- 98 richtet sein, die beteiligten Unternehmen einer laufenden Verhaltenskontrolle zu
_____ 121 BGH, Beschl. v. 25.9.2007, KVR 19/07, WuW/E DE-R 2133, 2136 – Sulzer/Kelmix. 122 Krueger, NZKart 2013, 130, 131. 123 BGH, Beschl. v. 20.4.2010, KVR 1/09, WuW/E DE-R 2905, 2920/2921 – Phonak/GN Store. 124 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.7.2003, WuW/E DE-R 1159, 1162 – BASF/NEPG; Bechtold/Bosch, § 40 Rn 29; Langen/Bunte/Kallfaß, § 40 Rn 33.
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unterwerfen. Zulässig sind damit nur strukturelle Maßnahmen, also solche, welche die Wettbewerbsbedingungen verändern.125 Vor diesem Hintergrund ist in der Praxis die Auflage oder Bedingung, einen Unternehmensteil innerhalb eines überschaubaren Zeitraums abzugeben, die typische Zusage.126 Möglich sind aber auch Verhaltenszusagen, wie die Gewährung einer exklusiven Lizenz an Dritte zur Herstellung bestimmter Produkten aus einem erworbenen Produktportfolio.127 Weitere Beispiele aus der Praxis des BKartA sind Zusagen, Slots an Flughäfen an Dritte zu vergeben, exklusive Liefervereinbarungen zu beenden oder Dritten den Zugang zu wichtigen Infrastruktureinrichtungen zu gewähren.128 In der Praxis machen die beteiligten Unternehmen selbst Vorschläge für die 99 richtigen Zusagen. Das BKartA erstellt hierzu ein Eckpunktepapier, mit dem es die wesentlichen Umsetzungsmaßnahmen beschreibt. Meist bestehen dann noch Meinungsverschiedenheiten, die im Verhandlungswege ausgeräumt werden müssen. Kernpunkte der Vorgaben des BKartA sind in der Regel, dass der Erwerber von den beteiligten Unternehmen unabhängig ist, über Markterfahrung und ein plausibles Marktkonzept für den abzugebenden Unternehmensteil verfügt, die schnelle Abwicklung des Verkaufs, die Bestellung eines Sicherungstreuhänders für diese Zeit und – im Fall des Scheiterns eines „Privatverkaufs“ – die Bestellung eines Veräußerungstreuhänders.129 3 Praxistipp Bei der wettbewerblichen Prüfung eines Unternehmenskaufs sollte man als Käufer abwägen, welche Zusagen man zu geben bereit ist. Oft wird der Verkäufer eine sog. „Hell or High Water“-Klausel einfordern, die besagt, dass der Käufer jegliche Zusagen machen muss, um das Vorhaben zum Erfolg zu bringen. Der Käufer wird sich jedoch in der Regel nicht von allen erdenklichen Vermögenswerten trennen mögen. Insofern besteht hier beträchtliches Konfliktpotential oder aber auch die Chance, sich in einem Bieterprozess von vorsichtigeren Bietern abzusetzen.
5. Rechtschutz, Ministererlaubnis 100 Gegen die Entscheidungen des BKartA kann man Beschwerde beim OLG Düsseldorf
einlegen. Gegen dessen Entscheidung kann Rechtsbeschwerde beim BGH eingelegt werden, wenn das OLG Düsseldorf dies zugelassen hat.130
_____ 125 Langen/Bunte/Kallfaß, § 40 Rn 36. 126 Siehe auch die Übersicht der zwischen 1999 und 2008 vereinbarten Nebenbestimmungen in Entscheidungen des BKartA bei Schulte/Schulte Fusionskontrolle, Rn 675. 127 BKartA, Beschl. V. 22.5.2003, B3-6/03, WuW/E DE-V 801, 804 – BASF/Bayer CropScience. 128 Krueger, NZKart 2013, 130, 131 f. 129 Krueger, NZKart 2013, 130, 133 f. 130 Einen Überblick über die Rechtsmittel findet sich bei Schulte/Spitze, Rn 727 ff.
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C. Deutsche Fusionskontrolle
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Sieht man keine Möglichkeit zu widerlegen, dass eine erhebliche Behinderung 101 wirksamen Wettbewerbs vorliegt, besteht die Möglichkeit, nach § 42 GWB eine Ministererlaubnis zu beantragen. Diese lässt es insbesondere zu, Aspekte wie Arbeitsplatzsicherung, internationale Wettbewerbsfähigkeit und sonstige Aspekte zur Erhaltung des Wirtschaftsstandorts Deutschlands zu berücksichtigen, welche das BKartA von Rechts wegen außer Acht lassen muss. Praxistipp 3 Für den Alltag des Unternehmenskaufs ist die Ministererlaubnis kaum relevant: In den fast 42 Jahren seit seiner Einführung 1973 wurden erst 20 Anträge gestellt und davon nur 8 gewährt. Der letzte Erfolg gelang E.ON bei der Übernahme von Ruhrgas, ein Verfahren, von dem vor allem viele Kanzleien profitiert haben.
III. Beteiligung Dritter Es sind zwei Szenarien zu unterscheiden: Die Befragung Dritter durch das BKartA und die Intervention Dritter gegen den Zusammenschluss. Nach § 59 Abs. 1 Nr. 1 GWB kann die zuständige Kartellbehörde – bei Zusammenschlüssen also das BKartA – von Unternehmen und Unternehmensvereinigungen Auskunft über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse sowie die Herausgabe von Unterlagen verlangen. Nach § 59 Abs. 1 Nr. 2 GWB kann sich dies auch auf verbundene Unternehmen im Sinne von § 36 Abs. 2 GWB beziehen. Der Begriff „wirtschaftliche Verhältnisse“ wird dabei sehr weit verstanden und umfasst die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit des Adressaten.131 Eine solche formelle Anfrage des BKartA im Rahmen der Fusionskontrolle ist aber eher selten, da die meisten Fälle unproblematisch sind und das BKartA daher in der Regel informelle Anfragen stellt. Anders als bei formellen Anfragen nach § 59 GWB besteht hier keine Antwortpflicht der Unternehmen und es droht auch kein Bußgeld.132 Da das BKartA aber eine formelle Anfrage stellen könnte, werden diese informellen Anfragen üblicherweise beantwortet. Als Dritte kommen vor allem Kunden, Lieferanten und Wettbewerber in Betracht. Einwänden von Kunden wird im Allgemeinen größere Bedeutung zugemessen. Insofern empfiehlt es sich, bei der internen Vorprüfung darüber nachzudenken, wie Kunden auf einen Zusammenschluss reagieren werden. Da Zusammenschlüsse im Internet bekannt gemacht werden, ist es Dritten jederzeit möglich, formlos Bedenken gegen den Zusammenschluss vorzutragen. Möchte man sich als Dritter die Möglichkeit offenhalten, Beschwerde gegen die Freigabeentscheidung des BKartA gemäß § 63 Abs. 1 GWB zu erheben, sollte man
_____ 131 Schulte/Ewen, Rn 698; Immenga/Mestmäcker/Klaue GWB, § 59 Rn 25. 132 Bechtold/Bosch, § 59 Rn 13; Von Dietze/Janssen, Rn 576.
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sich gemäß § 54 Abs. 2 Nr. 3 GWB zum Fusionskontrollverfahren beiladen lassen. Die Beiladung erfolgt seitens des BKartA, wenn die wirtschaftlichen Interessen des Antragsstellers erheblich berührt sein können – dies wird bei Wettbewerbern, aber auch bei Kunden und Lieferanten regelmäßig der Fall sein.
D. Europäische Fusionskontrolle D. Europäische Fusionskontrolle 106 Die europäische Fusionskontrolle spielt in der M&A-Praxis selbst der meisten Dax30-Konzerne aufgrund der hohen Aufgreifschwellen keine alltägliche Rolle und soll daher im Folgenden nur kurz skizziert werden.
I. Formelle Fusionskontrolle 1. Anmeldepflichtige Vorhaben 107 Nach der FKVO sind Zusammenschlüsse mit gemeinschaftsweiter Bedeutung anmeldepflichtig. Art. 3 FKVO definiert als Zusammenschluss die Fusion von mehreren vorher un108 abhängigen Unternehmen oder aber den Erwerb der Kontrolle über ein oder mehrere Unternehmen durch ein oder mehrere Unternehmen. Hinsichtlich des Kontrollerwerbs kann für die Zwecke der Praxis und des vorliegend angestrebten Überblicks weitgehend auf die Ausführungen zu § 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GWB verwiesen werden, zumal das GWB an dieser Stelle der FKVO nachempfunden ist.133 Abweichend zur Praxis des BKartA genügt es aber der Kommission im Bereich der gemeinsamen Kontrolle, wenn sich mehrere Gesellschafter eines Unternehmens gegenseitig behindern können, es genügt also die negative Kontrolle. Folglich ist eine gemeinsame Kontrolle bei einer paritätischen Beteiligung134 oder aber einem Vetorecht eines Minderheitsgesellschafters in strategischen Fragen (Budget, Geschäftsplan, größere Investitionen und die Besetzung der Unternehmensleitung)135 gegeben. Als eine Besonderheit der europäischen Fusionskontrolle ist in Art. 3 Abs. 4 109 FKVO festgehalten, dass die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens (GU) nur dann den Tatbestand des Kontrollerwerbs erfüllt, wenn es auf Dauer alle Funktionen einer selbstständigen wirtschaftlichen Einheit erfüllt (sog. Vollfunktions-GU). Für ein Vollfunktions-GU kennzeichnend ist, dass es zwar nicht in jeder Hinsicht selbständig sein muss, aber nicht nur eine spezifische Funktion für die Muttergesellschaften ausübt, sondern eigenständig am Markt auftritt und auf Dauer angelegt
_____ 133 Rn 29 ff. 134 Konsolidierte Zuständigkeitsmitteilung, Rn 64. 135 Konsolidierte Zuständigkeitsmitteilung, Rn 65 ff.
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D. Europäische Fusionskontrolle
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ist.136 Die Eigenständigkeit erfordert nicht, dass keine Verbindungen zu den Muttergesellschaften bestehen, doch muss ein erheblicher Teil des Umsatzes des GU mit Dritten erzielt werden; übersteigt dieser Anteil 50%, indiziert dies die Vollfunktion.137 Darüber hinaus muss es ein eigenes Management haben und eine ausreichende Kapitalausstattung haben.138 Praxistipp 3 Erfüllt ein Gemeinschaftsunternehmen nicht die Voraussetzungen eines Zusammenschlusses nach der FKVO, ist zum einen eine Prüfung nach dem allgemeinen Kartellverbot des Art. 101 AEUV durchzuführen, zum anderen kann insbesondere eine fusionskontrollrechtliche Anmeldung zum BKartA erforderlich sein. Ein Beispiel hierfür wäre ein Gemeinschaftsunternehmen zweier Lebensmittelkonzerne, das ausschließlich für diese den Einkauf bestimmter hochpreisiger Waren vornimmt, um Kosten zu sparen. Nach EU-Recht handelt es sich um eine Einkaufskooperation, die unter bestimmten Umständen zulässig ist, nach deutschem Recht wäre es ein Zusammenschluss gemäß § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB.
2. Aufgreifschwellen Zusammenschlussvorhaben, welche die nachfolgend dargestellten Umsatzschwel- 110 len erreichen, haben nach Art. 1 Abs. 2 oder Abs. 3 FKVO „gemeinschaftsweite Bedeutung“ und unterliegen daher der Fusionskontrolle durch die Kommission: – Der gemeinsame weltweite Umsatz der beteiligten Unternehmen liegt bei 5 Mrd. € und mindestens zwei der beteiligten Unternehmen haben einen gemeinschaftsweiten Umsatz von 250 Mio. € oder – alle am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen haben zusammen einen weltweiten Gesamtumsatz von mehr als 2,5 Mrd. € und – mindestens zwei der beteiligten Unternehmen erzielen einen gemeinschaftsweiten Umsatz von jeweils mehr als 100 Mio. € und – alle am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen erzielen zusammen in mindestens drei Mitgliedstaaten einen Gesamtumsatz von jeweils mehr als 100 Mio. € und – mindestens zwei der beteiligten Unternehmen erzielen in jedem dieser drei Mitgliedstaaten einen Umsatz von jeweils mehr als 25 Mio. €. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist die Kommission nur dann nicht zuständig, 111 wenn alle beteiligten Unternehmen mehr als zwei Drittel ihres Umsatzes in ein und demselben Mitgliedstaat erzielen.
_____ 136 Siehe im Einzelnen Konsolidierte Zuständigkeitsmitteilung, Rn 91–109. 137 Konsolidierte Zuständigkeitsmitteilung, Rn 98. 138 Mäger, Kap. 9 Rn 17 f.
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Kapitel 13 Fusionskontrolle und Kartellrecht
3 Praxistipp In der Praxis kann man den folgenden „Schnelltest“ anwenden: Liegt der Umsatz des Zielunternehmens in der EU unter 100 Mio. €, ist keine Anmeldung bei der Kommission erforderlich. Es verbleibt jedoch die Möglichkeit des Antrags auf Verweis an die Kommission, wenn die dafür erforderlichen Voraussetzungen gegeben sind.139
112 Hinsichtlich der Umsatzberechnung kann in weiten Teilen auf die Ausführungen
zur deutschen Fusionskontrolle verwiesen werden. 140 Hervorzuheben ist jedoch Art. 5 Abs. 4 FKVO, der anders als § 36 Abs. 2 GWB bei der Berechnung des Konzernumsatzes vornehmlich auf Stimm-, Mandats- und Anteilsmehrheiten sowie ausdrückliche Weisungsrechte abstellt, welche die Konzernbeziehung begründen, und damit in Grenzfällen eine einfachere Berechnung erlaubt.141
3. Verfahren a) Zuständigkeiten 113 Ist die Kommission zuständig, ist in den Mitgliedstaaten kein Fusionskontrollver-
fahren nötig. Dieser „One-Stop-Shop“ bringt eine große Erleichterung, da man statt theoretisch 27 „kleinen“ Anmeldungen nur eine, wenngleich sehr umfangreiche Anmeldung vorbereiten muss. Vor diesem Hintergrund besteht die Möglichkeit, dass die beteiligten Unternehmen die Prüfung eines Vorhabens durch die Kommission erbitten, auch wenn nach Art. 1 Abs. 2 oder 3 FKVO kein Fall gemeinschaftsweiter Bedeutung vorliegt. Nach Art. 4 Abs. 5 FKVO können sie hierfür einen Antrag bei der Kommission stellen, vorausgesetzt, dass der Zusammenschluss nach dem Wettbewerbsrecht mindestens dreier Mitgliedstaaten geprüft werden muss. Umgekehrt kann nach Art. 4 Abs. 4 FKVO auch beantragt werden, dass ein Verfahren von der Kommission an einen Mitgliedstaat abgegeben wird. Beiden Fällen ist gemein, dass die Anträge jeweils vor einer Anmeldung (bei der nationalen Kartellbehörde oder Kommission) gestellt werden müssen. Nach Anmeldung sind Verweisungen zwar auch möglich, aber nur auf Antrag der involvierten Behörden (Art. 9 bzw. 22 FKVO).142
_____ 139 Siehe Rn 113. 140 Vgl. Rn 48 ff. 141 Siehe hierzu Mäger, Kap. 8 Rn 109. 142 Die Kommission lehnte einen Antrag der spanischen Kartellbehörde ab, einen bei der Kommission angemeldeten Zusammenschluss auf dem spanischen Telekommunikationssektor an sie zu verweisen, Pressemitteilung der Kommission vom 26.1.2015 – Orange/Jazztel.
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Praxistipp 3 Ob ein solcher Verweisantrag Sinn macht, hängt von den Besonderheiten des Einzelfalls ab. Insbesondere ist zu beachten, dass dieser Antrag recht umfangreich zu begründen ist und im Falle von nur wenigen Anmeldungen in Mitgliedstaaten mit recht leicht vorzubereitenden Anmeldungen der Arbeitsaufwand geringer sein kann. Eine Verweisung zu nationalen Kartellbehörden kann Sinn machen, wenn man davon ausgeht, dass eine Behörde aufgrund nationaler Interessen wohlwollender als die Kommission entscheidet oder aber ein Verfahren wie die Ministererlaubnis nach § 42 GWB in Betracht kommt.143
b) Anmeldung Das Verfahren vor der Kommission ist im Vergleich zum Verfahren vor dem BKartA 114 recht formal und aufwendig, auch bei einfachen Fällen. Insbesondere ist durch die sog. Durchführungs-VO144 exakt vorgegeben, wie eine Anmeldung zu erfolgen hat. Wichtige Begriffe sind hierbei das „Formblatt CO“ und das „Vereinfachte Formblatt CO“, nach denen die Anmeldungen zu erfolgen haben. Ferner hat die Kommission noch sog. „Best Practices“ herausgegeben, die Hinweise zum Verfahrensablauf geben.145 Praxistipp 3 Zentraler Begriff für die Anmeldung nach Formblatt CO ist derjenige des „betroffenen Marktes“. Ausweislich Ziffer 6.3 des Formblatts CO sind betroffene Märkte solche, auf denen zwei beteiligte Unternehmen als Wettbewerber tätig sind und einen gemeinsamen Marktanteil von 20% haben oder aber in einem vertikalen Verhältnis (Kunde/Lieferant) stehen und auf einem der so betroffenen Märkte einen Marktanteil von mehr als 30% haben. Gibt es solche betroffenen Märkte, muss eine Reihe von Fragen zu Kunden, Lieferanten, Wettbewerbern und sonstigen Marktbedingungen beantwortet werden, was die Arbeitslast der Unternehmen erheblich ansteigen lässt. Daher ist ein Ziel des informellen Vorverfahrens, mit der Kommission zu vereinbaren, dass bestimmte, besonders aufwendige Abschnitte des Formblatts CO nicht ausgefüllt werden müssen, insbesondere wenn etwa der gemeinsame Marktanteil 25% oder weniger beträgt. Fehlt es an betroffenen Märkten, reicht eine Anmeldung nach dem Vereinfachten Formblatt CO. Dieses kommt auch zur Anwendung, wenn ein Wechsel von gemeinsamer zu alleiniger Kontrolle angemeldet wird, also etwa wenn die eine Mutter eines Gemeinschaftsunternehmens ihre Anteile an die andere Mutter veräußert. Andere Fälle für das vereinfachte Verfahren sind die Gründung oder Übernahme eines Gemeinschaftsunternehmens, das in der EU einen Umsatz oder Vermögenswerte von weniger als 100 Mio. € hat oder fehlende horizontale oder vertikale Überschneidungen der beteiligten Unternehmen.146
_____ 143 Zu praktischen Aspekten der Verweisungen vgl. Mäger, Kap. 8 Rn 126/135. 144 Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1269/2013 vom 5.12.2013 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 802/2004 zur Durchführung der FKVO. 145 http://ec.europa.eu/competition/mergers/legislation/proceedings.pdf. 146 Insoweit besteht eine Parallele zur Sicht des Bundeskartellamts auf die Inlandsauswirkung bestimmter Zusammenschlüsse, siehe Rn 54 f.
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Kapitel 13 Fusionskontrolle und Kartellrecht
c) Verfahrensablauf 115 Der Verfahrensablauf eines normalen Falls ist nachfolgend im Überblick dargestellt:
Zeit vor geplantem Vollzug
Ereignis
Anmerkung
10–13 Wochen
Treffen mit der Kommission zur Erläuterung des Vorhabens
Vorbereitet durch ausführliches Memorandum
7–9 Wochen
Einreichung eines Entwurfs des Formblatt CO
Kommission führt nach erstem Kontakt oft Telefonkonferenzen mit Wettbewerbern/Kunden durch
6–8 Wochen
Anmeldung – Kommission hat 25 Arbeitstage Zeit, den Zusammenschluss zu prüfen
Es besteht auch nach FKVO keine Anmeldefrist
2 Wochen
Freigabe
Kommission verschickt (oft sehr lange) Fragebögen an Kunden, Lieferanten, Wettbewerber
0
Frist verlängert sich um 10 Arbeitstage, wenn beteiligte Unternehmen Zusagen anbieten oder ein Mitgliedstaat Verweisung beantragt
Kommission verschickt bei Zusagen abermals Fragebögen und eruiert Interesse von Dritten, Unternehmensteile zu übernehmen
116 Entscheidet die Kommission innerhalb der 25 (35) Arbeitstage nicht, gilt der Zu-
sammenschluss als freigegeben. Hat die Kommission Anlass zu ernsthaften Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit des Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt (Art. 6 Abs. 1 lit. c), eröffnet sie ein Hauptprüfungsverfahren (oft Phase II genannt). Dies kann 90 Arbeitstage ab der Eröffnungsentscheidung in Anspruch nehmen, bei Angebot von Zusagen seitens der Unternehmen bis zu 125 Arbeitstage. Zu beachten ist, dass die Fristen auf einmaligen Antrag der Parteien hin um 20 Arbeitstage verlängert werden können. Immer öfter nutzt die Kommission auch Art. 8 Abs. 4 der FKVO, der es ihr ermöglicht, den Fristenlauf anzuhalten, wenn von ihr angeforderte Informationen nicht innerhalb der gesetzten Frist bereitgestellt werden. Für die praktische Planung eines Unternehmenskaufes bedeutet dies, dass zwischen Unterschrift des Vertrages und Vollzug bis zu zwei Jahre vergehen können. Denn neben der Verlängerung des formalen Prüfungsverfahrens kann die Kommission durch entsprechende Anforderungen an die Anmeldung das Vorverfahren erheblich in die Länge ziehen – meldet man nämlich ohne Abstimmung an, kann die Kommission eine Anmeldung auch als unvollständig zurückweisen.147
_____ 147 So geschehen im Fall Nr. COMP/M.7477 - Halliburton/Baker Hughes – die Kommission wies die Anmeldung am 31.7.2015 zurück, eine überarbeitete Anmeldung wurde am 27.11.2015 eingereicht, die angeblich doppelt so lang wie die ursprünglich eingereichte Anmeldung war.
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D. Europäische Fusionskontrolle
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4. Vollzugsverbot Das europäische Recht kennt wie das deutsche Recht ein Vollzugsverbot. Im We- 117 sentlichen kann auf die Ausführungen zum deutschen Recht verwiesen werden.148 Erwähnt sei nur, dass die Kommission Verstöße gegen das Vollzugsverbot in den letzten Jahren sehr konsequent verfolgt.149 Andererseits hat der EuGH entschieden, dass einseitige Maßnahmen des Zielunternehmens, die im Hinblick auf eine anstehende Transaktion vorgenommen werden, für sich keinen Verstoß gegen das Vollzugsverbot darstellen. Mit ihnen sei nämlich keine Kontrollausübung durch den Erwerber verbunden.150
II. Materielle Fusionskontrolle 1. Untersagungsvoraussetzungen Nach Art. 2 Abs. 3 FKVO sind Zusammenschlüsse, durch welche wirksamer Wettbe- 118 werb im Binnenmarkt oder in einem wesentlichen Teil desselben erheblich behindert wird, insbesondere durch Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung, für unvereinbar mit dem Binnenmarkt zu erklären (sog. SIECTest).151 Vor 2004 kam es allein auf die Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung an. In der Praxis hat es seit 2004 aber trotz der Neuformulierung von Art. 2 Abs. 3 FKVO keine großen Umwälzungen gegeben. In den meisten Fällen prüft die Kommission nach wie vor, ob ein oder mehrere Unternehmen durch den Zusammenschluss auf den betroffenen Märkten eine überragende Marktstellung einnehmen.152 Gerade im Mobilfunksektor gab es jedoch nur unter Auflagen freigegebene Zusammenschlüsse, die keine marktbeherrschende Stellung, sondern lediglich eine Verschlechterung der Marktbedingungen begründeten (Reduzierung der Wettbewerberzahl von vier auf drei in einem Markt mit hohen Zutrittsschranken).153 In der Praxis wird man daher darzulegen versuchen, dass keine marktbeherr- 119 schende Stellung begründet oder verstärkt wird. Eine marktbeherrschende Stellung
_____ 148 Rn 70. 149 Im Jahre 2018 verhängte sie ein Bußgeld von 125 Mio. € gegen das niederländische Unternehmen Altice, das sich für die Zeit zwischen Unterzeichnung und Vollzug des portugiesischen Unternehmens PT Portugal weitgehende Kontrollrechte über PT Portugal einräumen ließ. Das Bußgeld war damit sechs Mal so hoch wie das bisherige Rekordbußgeld. 150 EuGH, Urt. V. 31. Mai 2019, Az. C-633/16, Rn 59 ff. 151 Significant Impediment of Effective Competition, siehe englische Fassung des Art. 2 Abs. 3 FKVO. 152 Von Dietze/Janssen, Rn 728; Emmerich/Lange, § 16 Rn 9. 153 Fall Nr. COMP/M.6497 – Hutchison 3G Austria/Orange Austria, Rn 83; Fall COMP/M.7018 – Telefónica Deutschland/E-Plus, Rn 210 f.
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wird im Wesentlichen wie nach § 18 GWB definiert154 – es kommt also darauf an, ob ein Unternehmen sich dauerhaft unabhängig von seinen Wettbewerbern und Kunden verhalten kann.155 Zwar fehlt es an einer Vermutung wie in § 18 Abs. 6 GWB, doch hat die Kommission in ihren Leitlinien zur Bewertung horizontaler Zusammenschlüsse ausgeführt, dass ein gemeinsamer Marktanteil von 50% oder mehr für die Annahme einer marktbeherrschenden Stellung ausreichen kann.156 Gleichzeitig geht die Kommission davon aus, dass bei einem gemeinsamen Marktanteil von weniger als 25% die Begründung einer marktbeherrschenden Stellung nicht vermutet wird.157 Die weiteren Faktoren, die eine Rolle für die Frage nach Begründung einer marktbeherrschenden Stellung spielen, entsprechen im Kern denen in der deutschen Fusionskontrolle.158 3 Praxistipp Aufgrund der hohen formalen Anforderungen des Formblatts CO ist man bemüht, die relevanten Märkte so zu definieren, dass entweder keine Überschneidungen bestehen oder die gemeinsamen Anteile unter 20% liegen. So spart man sich sowohl Diskussionen über eine marktbeherrschende Stellung als auch das Ausfüllen eines vollständigen Formblatts CO.159
2. Abhilfen 120 Wie im deutschen Recht kann auch die Kommission einen Zusammenschluss unter
Auflagen und Bedingungen freigeben, Art. 6 Abs. 2 UAbs. 2 und Art. 8 Abs. 2 UAbs. 2 FKVO, statt diesen zu untersagen. Die Kommission hat zu Inhalt und Umfang von Zusagen eine ausführliche Mitteilung160 sowie Mustertexte161 herausgegeben. Ebenso wie das BKartA gibt dabei auch die Kommission der Zusage einer Veräußerung von Unternehmensteilen den Vorrang.162 Aufgrund entsprechender Erfahrungen neigt die Kommission immer mehr dazu, sehr weitreichende Verkäufe anzuordnen, die nicht nur das kartellrechtliche Problem lösen, sondern auch dem Erwerber hinreichende Möglichkeiten zur Gewinnerzielung mit dem verkauften Unternehmensbe-
_____ 154 Dazu Rn 77. 155 Emmerich/Lange, § 16 Rn 10 m.w.N. 156 Leitlinie horizontale Zusammenschlüsse, Rn 17. 157 Erwägungsgrund 32 FKVO. 158 Siehe dazu Rn 81. 159 Siehe zu diesem Aspekt Rn 114. 160 Mitteilung der Kommission über nach der Verordnung (EG) Nr. 139/2005 des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 802/204 der Kommission zulässige Abhilfemaßnahmen, ABl. 2008/C 267/01. 161 http://ec.europa.eu/competition/mergers/legislation/best_practice_commitments_trustee_en. pdf. 162 Mitteilung Zusagen, Rn 22; Mäger, Kap. 8 Rn 244.
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E. Betreuung multijurisdiktionaler Anmeldungen
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reich ermöglichen (ergeben sich etwa in mehreren Mitgliedstaaten Probleme, wird die Kommission oft einen EWR-weiten Verkauf anordnen).
III. Beteiligung Dritter Die Kommission führt bei normalen Verfahren, also solchen, bei denen es betroffene 121 Märkte gibt, regelmäßig intensive Befragungen von Wettbewerbern und Kunden durch. Dabei führt sie vor Einreichung der Anmeldung Telefonkonferenzen mit Wettbewerbern und Kunden durch, um sich ein Bild über die betroffenen Märkte zu machen. Im eigentlichen Verfahren folgt dann ein umfassender Fragebogen, der angesichts der engen Fristen des Verfahrens innerhalb weniger Tage zu beantworten ist. Gegen die Freigabe eines Zusammenschlusses können insbesondere die Haupt- 122 wettbewerber der beteiligten Unternehmen vor dem EuG klagen; Kunden oder Lieferanten werden die Klagebefugnis nur ausnahmsweise haben.163
E. Betreuung multijurisdiktionaler Anmeldungen E. Betreuung multijurisdiktionaler Anmeldungen Wie eingangs erwähnt, sind die meisten Vorhaben inhaltlich wenig problematisch, 123 so dass dem Verwalten der Fusionskontrollverfahren in der Praxis oft eine größere Bedeutung als die Lösung komplexer inhaltlicher Fragen zukommt. Dabei ist besonderes Augenmerk auf ausländische Rechtsordnungen zu legen, da immer mehr Länder ein Kartellrecht und damit ein Fusionskontrollregime haben, dessen Beachtung sie einfordern und durchsetzen.
I. Bestimmung der relevanten Länder Die meisten EU-Mitgliedstaaten haben sehr klare Fusionskontrollvorschriften, die 124 voraussetzen, dass mindestens zwei beteiligte Unternehmen im jeweiligen Land bestimmte Umsätze erzielen oder Vermögenswerte haben.164 Andere Fusionskontrollrechte stellen auf den Wert einer Transaktion ab, insbesondere die Vereinigten
_____ 163 Mäger, Kap. 8 Rn 347. 164 So greift die italienische Fusionskontrolle ein, wenn alle beteiligten Unternehmen zusammen einen Umsatz von 489 Mio. € in Italien und der Umsatz des Zielunternehmens in Italien 49 Mio. € beträgt.
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Staaten (für 2020: 94 Mio. USD).165 In diesen Ländern kann man relativ schnell und einfach klären, ob man bei den jeweiligen Wettbewerbsbehörden anmelden muss. Hingegen gibt es eine Reihe von Ländern, insbesondere in Lateinamerika,166 bei denen es auf Marktanteile ankommt. Dies bringt immer dann größere Probleme mit sich, wenn zum einen der relevante Markt unklar ist und zum anderen die Daten über Marktanteile nicht ohne weiteres verfügbar sind. Diese Vielzahl und Vielfalt der Fusionskontrollregime macht die Berücksichti125 gung im Rahmen des Unternehmenskaufvertrages schwierig. Verkäufer tun sich in der Regel schwer mit einer Liste von 30 Ländern, deren Freigabe Vollzugsbedingung ist, zumal viele jüngere Wettbewerbsbehörden oft überfordert sind und für Vorhaben, die das BKartA in 10–15 Tagen freigeben würde, mehrere Monate benötigen. Aber auch der Käufer wird mit einem solchen Schwebezustand nicht glücklich sein. Ist eine Transaktion erst einmal publik, möchte er so schnell wie möglich die Kontrolle über sein neues Unternehmen übernehmen, auch um Unsicherheiten in der Belegschaft und bei den Kunden zu vermeiden. Bei großen Transaktionen einigt man sich daher regelmäßig auf zwei Listen: 126 Eine kurze mit den für den Vollzug relevanten Behörden der betreffenden Länder und eine längere mit den Behörden der anderen Länder, deren Freigabe man anstrebt, aber die nicht Voraussetzung für den Vollzug sind. 3 Praxistipp Steht man vor dem Vollzug einer Transaktion und liegen zwar die nach dem Vertrag erforderlichen, nicht aber alle nach den jeweiligen Gesetzen erforderlichen Freigaben vor, stellt sich oft die Frage nach sog. Hold Separate-Vereinbarungen. Darin verpflichten sich die Unternehmen, den Zusammenschluss im Lande nicht umzusetzen, die Transaktion im Übrigen in den anderen Ländern aber zu vollziehen. Derartige Vereinbarungen werden jedoch vielfach von den jeweiligen Behörden kritisch gesehen und es empfiehlt sich, eine Lösung mit der jeweiligen Behörde zu eruieren.
II. Zusammenarbeit mit ausländischen Kanzleien 127 Oftmals wird man bei einem Unternehmenskauf auf seinen angestammten Rechts-
berater zurückgreifen wollen. Im Zusammenhang mit der Fusionskontrolle empfiehlt es sich aber in der Regel, eine im Kartellrecht versierte Anwaltskanzlei mit der Betreuung des gesamten Fusionskontrollverfahrens zu betrauen. Je nach Zuschnitt der Kanzlei hat diese entweder in vielen Ländern Büros, die in der Regel insbeson-
_____ 165 Hierbei handelt es sich um vereinfachte Darstellungen, insbesondere die US-Fusionskontrolle ist eine nur schwer zugängliche Materie. 166 Spanien und Portugal haben Mischsysteme aus Umsatz- und Marktanteilen, gegebenenfalls ist hier ein Zusammenhang zu sehen.
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F. Nebenabreden
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dere die Fusionskontrolle als Teil der Beratung zu nationalen Regularien anbieten, oder verfügt über ein Netzwerk von unabhängigen Kanzleien, welche die identische Leistung anbieten. In jedem Fall sollte ein Anwalt/eine Anwältin zentraler Ansprechpartner sein, bei dem/der alle Informationen und Informationsanfragen zusammenlaufen, um die beteiligten Unternehmen nicht mit sich überlappenden Informationsanfragen zu überfordern.
III. Vorbereitung und Arbeitsaufwand Der erste Schritt, den man aus Sicht des Käufers – der nach den üblichen Regeln des 128 Unternehmenskaufs die Verantwortung für die Fusionskontrolle trägt – unternimmt, ist, möglichst viele Informationen über das Zielunternehmen im Rahmen der Due Diligence zu erhalten. Insbesondere sollte man auf eine vollständige Übersicht der Umsätze und Tätigkeiten des Zielunternehmens drängen, damit nicht im Laufe des Verfahrens neue Anmeldeerfordernisse entdeckt werden. Es bietet sich ebenfalls an, möglichst früh eine Arbeitsbeziehung mit den „geg- 129 nerischen“ Anwälten aufzubauen, da man zum einen bestimmte Fragen schneller klären kann als im Zuge der Due Diligence und zum anderen für den Erfolg von Fusionskontrollverfahren auch eine gute Zusammenarbeit entscheidend ist. Gerade als Unternehmensvertreter sollte man darauf achten, dass die jeweiligen Kanzleien sich nicht auszustechen versuchen – die Gegenseite von heute ist der Mandant von morgen –, sondern konstruktiv zusammenarbeiten.
F. Nebenabreden F. Nebenabreden Entgegen der früheren Praxis der Kommission gibt sie heute vertraglich vereinbarte 130 Wettbewerbsverbote und andere eigentlich wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen zwischen den beteiligten Unternehmen, die für den Erfolg der Transaktion als erforderlich angesehen werden, nicht mehr ausdrücklich frei. Vielmehr hat sie für diese Fälle eine Bekanntmachung herausgegeben, an der man sich auch für die deutsche Praxis orientieren kann.167
_____ 167 Bekanntmachung der Kommission über Einschränkungen des Wettbewerbs, die mit der Durchführung von Unternehmenszusammenschlüssen unmittelbar verbunden und für diese notwendig sind, ABl. 2005/C 56/03 (zit.: Bekanntmachung Nebenabreden).
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I. Wettbewerbsverbot 131 Mit einem Wettbewerbsverbot wird dem Verkäufer für einen begrenzten Zeitraum
untersagt, die gleichen Produkte und Leistungen wie das verkaufte Unternehmen anzubieten. Soweit der Erwerber ausschließlich Maschinen und gewerbliche Schutzrechte übernimmt, wird ein solches Verbot als nicht notwendig angesehen, da er aus seinen Eigentums- und sonstigen Rechten gegen den Verkäufer vorgehen kann.168 Vor diesem Hintergrund werden Wettbewerbsverbote zugelassen, wenn auch 132 der Geschäftswert und/oder das Know-how des Unternehmens auf den Erwerber übertragen werden. Das Verbot muss sachlich auf den derzeitigen Unternehmensgegenstand, räumlich auf den Raum, in dem das Unternehmen tätig war und zeitlich auf zwei oder drei Jahre beschränkt sein, je nachdem ob auch Knowhow übertragen wird; wird nur der Geschäftswert übertragen, verkürzt sich dieser Zeitraum auf höchstens zwei Jahre.169 3 Praxistipp Der Verkäufer muss aufpassen, sich nicht auf ein allzu breites Wettbewerbsverbot einzulassen. Gerade bei dem Verkauf von Unternehmensteilen gibt es oft Überschneidungen zwischen dem verkauften und den zurückbehaltenen Geschäftsbereichen, so dass sich empfiehlt, Klarstellungen und Ausnahmen zum Wettbewerbsverbot zu vereinbaren. Verkauft ein Chemieunternehmen etwa ein Produktportfolio, das auf einer bestimmten Chemie beruht und behält Produkte, die auf einer anderen Chemie beruhen, aber eine ähnliche Funktion haben, sollten letztere Produkte ausdrücklich vom Wettbewerbsverbot ausgenommen werden. Es empfiehlt sich hier auch mehrfaches Nachfragen bei den involvierten Geschäftsbereichen. 133 Wettbewerbsverbote zu Lasten des Käufers sind grundsätzlich verboten.170 Dem-
entsprechend muss der Verkäufer auf gewerbliche Schutzrechte und einen entsprechenden Zuschnitt der verkauften Vermögenswerte setzen, um zu verhindern, dass etwa der Käufer seines Geschäfts in Spanien ihm auch das Geschäft in Portugal abnimmt.
II. Lieferbeziehungen 134 Oft werden bei einem Unternehmenskauf nicht alle Vermögenswerte, die das Unter-
nehmen genutzt hat, auf den Erwerber übertragen. Stellt ein Unternehmen in einem Konzernverbund bestimmte Rohstoffe für alle Konzerntöchter her, wird die entspre-
_____ 168 Bekanntmachung Nebenabreden, Rn 21. 169 Bekanntmachung Nebenabreden, Rn 18 ff. 170 Bekanntmachung Nebenabreden, Rn 17.
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F. Nebenabreden
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chende Produktionsanlage beim Verkauf einer Tochtergesellschaft in der Regel nicht mit übertragen, da sie noch für die verbleibenden Tochtergesellschaften genutzt wird. Dennoch ist für die Fortführung des erworbenen Unternehmens der Zugang zu diesem Rohstoff wichtig. Entsprechende Lieferverträge zwischen Unternehmensverkäufer und -käufer werden dementsprechend für eine bestimmte Zeit geduldet. Als mit dem Unternehmenskauf verbunden gelten Lieferbeziehungen, die der 135 Umsetzung des Unternehmenskaufs dienen, wenn sie fünf Jahre nicht überschreiten. Gleiches gilt für entsprechende Dienstleistungs- und Vertriebsvereinbarungen. Insbesondere letztere können eine Rolle spielen, wenn der Vertrieb der Produkte einer behördlichen Genehmigung (z.B. Zulassung nach § 21 Arzneimittelgesetz) bedarf, welche nicht unmittelbar mit dem Closing übertragen oder neu ausgestellt werden kann. Dann tritt der Verkäufer als Inhaber der Zulassung bis zu deren Übertragung als Distributor des Käufers auf. Exklusive Liefer- oder Bezugsbindungen werden hingegen nicht dadurch privi- 136 legiert, dass sie im Zusammenhang mit einem Unternehmenskauf geschlossen wurden.171 Derartige Vereinbarungen können aber aufgrund anderer kartellrechtlicher Vorschriften zulässig sein.172
III. Lizenzvereinbarungen Ähnlich wie eine Lieferbeziehung kann auch die Gewährung eines Nutzungsrechts 137 für Patente oder Know-how (Lizenz) erforderlich sein, um entweder den Käufer in die Lage zu versetzen, das neue Unternehmen zu betreiben oder den Verkäufer, sein zurückbehaltenes Geschäft fortzuführen. Entsprechende Lizenzen sind als unbefristete und auch als ausschließliche Lizenz (= nur der Lizenznehmer darf das Recht nutzen, kein Dritter, nicht einmal der Lizenzgeber) durch den Unternehmenskauf gerechtfertigt. 173 Während dabei eine gegenständliche Beschränkung auf bestimmte Anwendungsbereiche zulässig ist, kann der Lizenznehmer bei der Herstellung der Produkte nicht auf das Gebiet, in dem die übertragene Geschäftsaktivität ausgeübt wurde, beschränkt werden. Aber auch hier bietet das sonstige Kartellrecht unter bestimmten Umständen Möglichkeiten, den Handlungsspielraum von sowohl Lizenzgeber- als auch Lizenznehmer einzuschränken.174
_____ 171 172 173 174
Bekanntmachung Nebenabreden, Rn 33 f. Vgl. zu den Möglichkeiten exklusiver Lieferbeziehungen Mäger, Kap. 4 Rn 114 ff. Bekanntmachung Nebenabreden, Rn 28. Vgl. zu den Möglichkeiten der Ausgestaltung von Patentlizenzen Mäger, Kap. 5 Rn 1 ff.
Fort
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Kapitel 13 Fusionskontrolle und Kartellrecht
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Fort
A. Einleitung
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Kapitel 14 Unternehmenskauf unter Beteiligung von Private Equity-Unternehmen Kapitel 14 Unternehmenskauf unter Beteiligung von Private Equity-Unternehmen
A. Einleitung A. Einleitung Kaiser
https://doi.org/10.1515/9783110673043-014
I. Wesen von Private Equity-Transaktionen 1. Was sind Private Equity-Transaktionen? Unter „Private Equity“ versteht man gemeinhin die Investition von privatem Betei- 1 ligungskapital in nicht börsennotierte Unternehmen.1 Auch findet sich die Beschreibung, Private Equity-Transaktionen seien die Übernahme von Unternehmen durch Finanzinvestoren auf Zeit.2 Eine trennscharfe Abgrenzung zu anderen Spielarten der Investition in und Fi- 2 nanzierung von Unternehmen (z.B. Venture Capital, Mezzanine Capital oder Hedge Fonds) ist nicht immer möglich. Kriterien zur Abgrenzung von Private EquityInvestitionen sind etwa der Umstand, dass in der Regel nicht in Unternehmen investiert wird, die sich noch in der Aufbauphase befinden (in Abgrenzung zu Venture Capital), oder die Mittel- bis Langfristigkeit der Investitionen (in Abgrenzung zu Hedge-Fonds).3 Die zeitliche Befristung der Investition ist wiederum ein wesentliches Kriterium zur Unterscheidung von Private Equity-Transaktionen gegenüber Unternehmensakquisitionen strategischer Investoren. Wichtiger als der Versuch einer umfassenden Definition von Private Equity ist 3 jedoch gerade im Kontext von Unternehmenskäufen und -verkäufen das Verständnis für die Besonderheiten und Unterschiede, die sich ergeben, wenn ein Finanzinvestor beteiligt ist. Diese Besonderheiten und Unterschiede resultieren dabei maßgeblich aus den Zielen, die Private Equity-Investoren bei Unternehmensakquisitionen verfolgen.
2. Zielsetzung von Private Equity-Investitionen Laut dem Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK) e.V., 4 nach eigenem Bekunden die „Stimme und das Gesicht der Beteiligungsbranche in
_____ 1 Vgl. auch Hölters/Weinheimer, S. 1238 sowie Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK) e.V.: „Private Equity ist der englische Begriff für das Kapital, das überwiegend institutionelle Anleger über Beteiligungsgesellschaften in nicht-börslich gehandelte Unternehmen investieren.“ 2 Eilers/Koffka/Mackensen/Eilers/Koffka, S. 7. 3 Eilers/Koffka/Mackensen/Eilers/Koffka, S. 2.
Kaiser https://doi.org/10.1515/9783110673043-014
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Kapitel 14 Unternehmenskauf unter Beteiligung von Private Equity-Unternehmen
Deutschland“,4 haben Finanzinvestoren allein ein Ziel: Unternehmen besser und wettbewerbsfähiger und damit wertvoller zu machen. Etwas anders formuliert lässt sich sagen, dass Private Equity-Investoren die Wertsteigerung ihrer PortfolioUnternehmen und damit vor allem die eigene Renditeoptimierung verfolgen. Das investierte Eigenkapital soll innerhalb eines überschaubaren Zeitraums eine hohe Rendite erwirtschaften, die dann an die Kapitalanleger der Private Equity-Fonds weitergegeben werden kann.5 Private Equity-Investoren haben kein Interesse an der Erzielung laufender Divi5 dendeneinkünfte. Sie verfolgen eine sogenannte „Exit-Strategie“, d.h. ihr Ziel liegt in der Realisierung der Wertsteigerung eines Portfolio-Unternehmens im Rahmen einer späteren Veräußerung.6 Im Unterschied zu strategisch motivierten Transaktionen ist damit die überschaubare zeitliche Befristung der Beteiligung – in der Regel ein Zeitraum von drei bis sieben Jahren7 – ein ganz wesentliches Element einer Private Equity-Transaktion, das bereits beim Erwerb der Beteiligung Berücksichtigung findet. Sonstige, strategische Akquisitionen üblicherweise dominierende Motive wie die Stärkung der eigenen Marktposition, die Nutzung von Skaleneffekten oder die Realisierung von Synergien treten demgegenüber in den Hintergrund. Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist daneben die Bestrebung, eine Renditeopti6 mierung durch den Einsatz von Fremdkapital zu bewirken. Das bei der Kaufpreisfinanzierung aufgenommene Fremdkapital wirkt als Hebel (sogenannter „LeverageEffekt“) für die Eigenkapitalrendite. Dies bedingt allerdings eine (frühe) Einbindung der finanzierenden Banken in die Transaktion, die auch das Verhältnis und die Verhandlungen zwischen den eigentlichen Kaufvertragsparteien unmittelbar beeinflusst.8
3. Wesentliche Unterschiede zu strategisch bedingten Transaktionen 7 Die wesentlichen Unterschiede zwischen Private Equity-Transaktionen und sonsti-
gen, strategisch motivierten Transaktionen hinsichtlich Zielsetzung und Vorgehensweise lassen sich wie folgt zusammenfassen:9
_____ 4 Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK) e.V. 5 Eilers/Koffka/Mackensen/Eilers/Koffka, S. 7. 6 Jesch/Striegel/Boxberger/Inhester, S. 252. 7 Hölters/Weinheimer, S. 1246. 8 Nach Eilers/Koffka/Mackensen/Eilers/Koffka, S. 10, beeinflussen die beteiligten Banken sogar maßgeblich das Timing und die Dynamik von Private Equity-Transaktionen. 9 Vgl. auch Checkliste zur Motivlage bei Seibt, A.I.3.
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A. Einleitung
Finanzinvestor
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Strategischer Investor
Zielsetzung und Strategie – –
– –
Wertsteigerung u. Renditeoptimierung auf Stand-Alone-Basis Ggf. Ergänzung zu bestehenden Portfoliounternehmen bei sogenannten „Buy & Build“ Strategien Investmenthorizont zwischen drei und sieben Jahren Zeitlich begrenzte Planung und frühzeitige Prüfung der Exitstrategie
– – –
– –
Erwerb aufgrund strategischer Position des Unternehmens Stärkung der eigenen Marktposition Realisierung von Synergien; Nutzung von Skaleneffekten und Kosteneinsparungspotenzial Integration in vorhandene Unternehmensgruppe Langfristiger Investmenthorizont und Planung
Due Diligence und Transaktionsprozess –
–
–
Ziel: Transparenz schaffen und Plausibilisierung von Wachstumspotenzial, Unternehmensplanung, künftigen Cash-Flows und Optimierung des Managements Vorwiegend Einsatz von externen Beratern, da kein eigenes unternehmensbezogenes Know-how verfügbar ist Prüfung u.U. umfangreicher und intensiver als bei strategischem Investor, der Branche und Gegenstand des Zielunternehmens gut kennt
–
–
Ziel: Transparenz über Vergangenheit und Gegenwart schaffen, Synergiepotenzial identifizieren und kalkulieren; Basis für Post Merger Integration schaffen Vorwiegend Einsatz eigenen Personals mit Unterstützung von Beratern für Tax, Commercial oder Legal Due Diligence
Management – –
Beteiligung und Bindung des Managements – erforderlich Beteiligung des Managements am Kapital – der Zielgesellschaft und am Weiterveräußerungserlös bei Exit
Integration in bestehende Strukturen des Käufers, soweit sinnvoll Ggf. Beteiligung an Bonus- und/oder Optionsprogramm
4. Bedeutung von Private Equity-Transaktionen Wie wichtig es gerade auch für Verkäufer im deutschen Markt ist, sich mit den Be- 8 sonderheiten und Gepflogenheiten der Private Equity-Branche auseinanderzusetzen, zeigt die Bedeutung, die Private Equity-Transaktionen im Laufe der Jahre auch hierzulande erlangt haben: Bei mehr als 5.000 deutschen Unternehmen ist ein Private Equity-Fonds als Ge- 9 sellschafter und Geldgeber involviert.10 Die Jahresumsätze deutscher Private Equity-
_____ 10 Quelle: Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK) e.V.
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Kapitel 14 Unternehmenskauf unter Beteiligung von Private Equity-Unternehmen
finanzierter Unternehmen betrugen 2019 ca. 206 Mrd. €. In diesen Unternehmen sind über eine Million Arbeitnehmer beschäftigt.11 2019 erreichten die Private Equity-Investitionen in Deutschland einen neuen 10 Rekordwert von 14,3 Mrd. € und übertrafen damit nochmals deutlich das bereits hohe Vorjahresvolumen (12,03 Mrd. €). Dabei haben keineswegs nur große Transaktionen, sondern auch kleine und mittlere Buy-Outs sowie mittelständische Wachstumsfinanzierungen zu diesem Ergebnis beigetragen. Von den Investitionen in Deutschland wurden 9,91 Mrd. € von in Deutschland ansässigen Beteiligungsgesellschaften investiert. Weitere 2,44 Mrd. € investierten deutsche Beteiligungsgesellschaften im Ausland.12 Bei einem derartigen Wachstum der Private Equity-Branche13 verwundert es 11 nicht, dass ein Verkäufer eines attraktiven Unternehmens bei der ersten Marktansprache inzwischen sogar überwiegend Interessensbekundungen von Finanzinvestoren und Kapitalbeteiligungsgesellschaften erhält.
II. Auswirkungen auf den Unternehmenskauf und -verkauf bei Beteiligung von Private Equity-Investoren 1. Besonderheiten und Marktstandards beim Unternehmenskaufvertrag 12 Viele der heutigen sogenannten Marktstandards bei der Gestaltung von Unternehmenskaufverträgen sind ursprünglich von der Private Equity-Branche entwickelt und in den Markt eingeführt worden.14 Dies gilt etwa für die heute bei den Kaufpreismodellen allgemein übliche Unterscheidung zwischen „Closing Accounts“ und „Locked Box“, oder die sogenannten „MAC“-Klauseln.15 Dabei hatten die jetzigen Standardregelungen oftmals besondere Anforderungen des Private EquityMarktes zum Ursprung, die auch zu besonderen Gestaltungen in der Vertragspraxis führten. Mittlerweile haben viele ursprünglich von der Private Equity-Branche entwickelte Regelungen Standards auch für den (strategischen) M&A-Markt gesetzt. Die Unterschiede zwischen Private Equity-Transaktionen und strategischen, industriellen Unternehmenskäufen haben sich deutlich relativiert. Einige Besonderheiten bestehen jedoch nach wie vor. Die Kenntnis dieser Eigenarten und deren Hintergründe ist nicht selten ein wesentlicher Faktor für die erfolgreiche Durchführung von Transaktionen mit Private Equity-Investoren.
_____ 11 12 13 14 15
BVK-Statistik 2019, Der deutsche Beteiligungskapitalmarkt 2019, Berlin, Februar 2020. BVK-Statistik 2019, Der deutsche Beteiligungskapitalmarkt 2019, Berlin, Februar 2020. Vgl. zur Entwicklung seit 2003 auch Hölters/Hölters, S. 21. Zu den Hintergründen Eilers/Koffka/Mackensen/Schrader, S. 58. Siehe dazu unten Rn 16 ff.
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B. Inhalte des Unternehmenskaufvertrags
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2. Wesentliche Aspekte bei der Ausgestaltung des Unternehmenskaufvertrags Teil B dieses Kapitels stellt die wesentlichen Aspekte und Besonderheiten bei der 13 Vertragsgestaltung von Unternehmenskäufen und -verkäufen unter Beteiligung von Private Equity dar. Dabei kann die Darstellung freilich keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, da die in der Praxis vorkommenden Regelungsbereiche und Gestaltungsvarianten gleichermaßen sehr vielfältig und umfangreich sind. Im Einzelnen wird es um folgende Vertragsaspekte gehen: – Kaufpreisklauseln, – Garantien, Freistellungen, Haftung und Sicherung möglicher Käuferansprüche, – Transaktionssicherheit, – Closing, Vollzugsvoraussetzungen und -hindernisse, – sonstige typische Regelungen.
3. Beteiligung und Bindung des Managements Die Beteiligung und Bindung des Managements ist ein ganz wesentlicher Teil einer 14 Transaktion unter Beteiligung eines Private Equity-Investors. Im Gegensatz zu einem strategischen Investor, der regelmäßig über branchenspezifisches Know-how und ein eigenes erfahrenes Management verfügt, ist ein Private Equity-Investor viel stärker darauf angewiesen, nicht nur das Unternehmen als solches, sondern insbesondere auch das bestehende (gute) Management zu übernehmen und zu binden. Die daraus resultierenden Besonderheiten gilt es daher ebenfalls zu kennen 15 und zu verstehen, wenn ein Unternehmenskauf- bzw. verkauf unter Beteiligung eines Private Equity-Investors zum Erfolg geführt werden soll. Nicht selten bestehen zunächst große Vorbehalte, wenn das Management erstmals mit Begriffen wie „Good Leaver“ und „Bad Leaver“ oder Vertragsstrafen zur Absicherung von Wettbewerbsverboten in Millionenhöhe konfrontiert wird. Teil C dieses Kapitels geht daher auf die maßgeblichen Aspekte der Beteiligung und Bindung des Managements ein.
B. Inhalte des Unternehmenskaufvertrags B. Inhalte des Unternehmenskaufvertrags I. Überblick Kapitel 10 hat bereits die typischen Regelungsbereiche und Inhalte eines Unter- 16 nehmenskaufvertrags dargestellt. Die dortigen Ausführungen zur Vertragsgestaltung gelten grundsätzlich auch für Unternehmenskaufverträge bei Private EquityTransaktionen. Im Folgenden werden ergänzend einige Besonderheiten bei der Vertragsgestaltung von Unternehmenskäufen und -verkäufen unter Beteiligung von Finanzinvestoren erläutert.
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Kapitel 14 Unternehmenskauf unter Beteiligung von Private Equity-Unternehmen
II. Kaufpreisklauseln: „Closing Accounts“ vs. „Locked Box“, „Earn Out“ 17 Die M&A-Praxis unterscheidet bei Kaufpreisklauseln seit jeher Modelle, denen ein
fester Kaufpreis (Fixkaufpreis) zugrunde liegt, und Modelle mit einem variablen Kaufpreis, der endgültig erst auf Basis einer Abrechnungsbilanz bzw. eines Zwischenabschlusses zum Übertragungsstichtag bestimmt wird.16 Dabei erfolgte die Kaufpreisanpassung in der Vergangenheit oftmals um den Betrag, um den das Eigenkapital zum Closing von dem bei Vertragsschluss festgelegten Eigenkapitalwert abwich (auch Eigenkapitalgarantie genannt).17 Diese Unterscheidung zwischen festem und variablem Kaufpreis wurde in der 18 Private Equity-Praxis fortgeschrieben und dort perfektioniert. Üblicherweise unterscheidet man heute noch die Kaufpreisanpassung auf Basis von sogenannten „Closing Accounts“, also eines Zwischenabschlusses zum Übertragungsstichtag, sowie das fixe, sogenannte „Locked Box“-Modell, welches an den letzten (feststehenden) Jahresabschluss der Zielgesellschaft anknüpft.
1. „Closing Accounts“, „Net Debt“- und „Net Working Capital“Kaufpreisanpassung 19 Gegenstand der Kaufpreisanpassung auf Grundlage von „Closing Accounts“ ist die Erhöhung oder Verringerung des vereinbarten (vorläufigen) Kaufpreises um die Nettofinanzverbindlichkeiten (Net Debt) und das Nettoumlaufvermögen (Net Working Capital) zum Übertragungsstichtag. Nettofinanzverbindlichkeiten meint dabei den Saldo aus Verbindlichkeiten mit Finanzierungscharakter (Debt) (insbesondere Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten) und Barmitteln (Cash) (insbesondere Kassenbestand und Guthaben bei Kreditinstituten). Unter Nettoumlaufvermögen bzw. Net Working Capital wird in diesem Kontext regelmäßig der Saldo aus Vorräten und kurzfristigen Forderungen sowie kurzfristigen Verbindlichkeiten verstanden. 5 Muster Kaufpreis-Klausel/Closing Accounts „Anteilskaufpreis (1) Die Gegenleistung für die Veräußerung der Anteile nach diesem Vertrag (der „Anteilskaufpreis“) beträgt a) ... € (in Worten: ... Euro) (der „Unternehmenswert“) b) zuzüglich der Barmittel (wie in Anlage ... definiert) zum Übertragungsstichtag c) abzüglich der Finanzverbindlichkeiten (wie in Anlage ... definiert) zum Übertragungsstichtag
_____ 16 Hierzu Hölters/Semler, S. 847; zu sogenannten „Bilanzausgleichsformeln“ Holzapfel/Pöllath, S. 423. 17 Liebs, S. 27.
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B. Inhalte des Unternehmenskaufvertrags
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d)
zuzüglich bzw. abzüglich des Nettoumlaufvermögen-Differenzbetrags (wie in Anlage ... definiert) zum Übertragungsstichtag. Für die Bestimmung des Anteilskaufpreises und die vorstehend in b)–d) bezeichneten Positionen ist der Stichtagsabschluss gemäß § ... maßgeblich.“
Hintergrund dieser Anpassung um Cash und Debt ist die der Kaufpreisermittlung 20 regelmäßig zugrunde liegende sogenannte Cash-/Debt-free-Bewertung des Private Equity-Investors. Dabei wird das Zielunternehmen zunächst finanzierungsneutral betrachtet und sowohl die bestehende Fremdfinanzierung als auch die vorhandenen Barmittel ausgeblendet.18 Da das Zielunternehmen aber tatsächlich beim Closing nicht Cash-/Debt-free übergeben wird, sind die vorhandenen Posten zum Übergangsstichtag zu ermitteln und – je nachdem, ob Cash oder Debt überwiegt – kaufpreiserhöhend oder -reduzierend zu berücksichtigen. Ähnliches gilt für das Net Working Capital. Hier geht der Erwerber allerdings re- 21 gelmäßig von einem positiven Saldo des Nettoumlaufvermögens aus. Dies bedeutet, dass nicht bereits dann, wenn die kurzfristigen Forderungen die kurzfristigen Verbindlichkeiten überwiegen, der Kaufpreis zu erhöhen ist. Vielmehr müssen Käufer und Verkäufer im Kaufvertrag einen Schwellenwert für das Net Working Capital vereinbaren, dessen Über- oder Unterschreitung dann zu einer entsprechenden Kaufpreisanpassung nach oben oder unten führt. Muster Anpassung Net Working Capital 5 „Nettoumlaufvermögen-Differenzbetrag“ meint den Betrag, um den das Nettoumlaufvermögen (wie in Anlage ... definiert) einen Betrag von ... € übersteigt (als positive Zahl ausgedrückt) oder unterschreitet (als negative Zahl ausgedrückt).
Die Anpassung um das Net Working Capital ist für Private Equity-Investoren von be- 22 sonderer Bedeutung, da andernfalls Schwankungen beim Nettoumlaufvermögen regelmäßig die Notwendigkeit mit sich bringen würden, dass der Investor dem Zielunternehmen weitere Liquidität zur Verfügung stellen müsste. Bei der üblichen Fremdfinanzierung der Akquisition bedeutet dies aber wiederum einen (meist schwierigen) Nachfinanzierungsbedarf für den Finanzinvestor, den es zu vermeiden gilt. Ein weiterer, ganz wesentlicher Aspekt der Kaufpreisanpassung um das Net 23 Working Capital liegt aber in dem damit erreichten Manipulationsschutz. Dem Versuch, durch geeignete Maßnahmen gezielt die Barmittel zum Stichtag zu erhöhen bzw. die Bankverbindlichkeiten zu reduzieren, wird durch die Net Working Capital Anpassung ein Riegel vorgeschoben.19
_____ 18 Sehr instruktiv Eilers/Koffka/Mackensen/Schrader, S. 59; zu Cash-/Debt-free-Klauseln vgl. auch Picot/Picot Handbuch M&A, S. 309 f.; Hölters/Semler, S. 847. 19 Seibt/Schrader, C.II.1 Anm. 26.
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Kapitel 14 Unternehmenskauf unter Beteiligung von Private Equity-Unternehmen
5 Beispiel Der Verkäufer könnte etwa Vorräte veräußern, Forderungen gegenüber Kunden beschleunigt einziehen oder Verbindlichkeiten gegenüber Lieferanten verzögert begleichen, um dadurch eine Kaufpreiserhöhung zu erreichen.
24 Welche (Bilanz-)Positionen bei der Berechnung der Nettofinanzverbindlichkeiten
(Debt) und des Nettoumlaufvermögens (Net Working Capital) konkret zu berücksichtigen sind, ist im Einzelfall oftmals Gegenstand kontroverser Verhandlungen zwischen Käufer und Verkäufer. Naturgemäß hat der Verkäufer ein Interesse daran, insbesondere die Positionen der Finanzverbindlichkeiten gering zu halten, um die Wahrscheinlichkeit einer Kaufpreisreduzierung zu minimieren. Demgegenüber wird der Käufer eine weitreichende Definition der Finanzverbindlichkeiten anstreben. Diskussionen entstehen regelmäßig über Pensions-, Steuer- und sonstige Rückstellungen, Verbindlichkeiten aus Finanzierungsleasing sowie Verbindlichkeiten aus Anlageinvestitionen. 5 Beispiel Der Käufer verlangt regelmäßig die Berücksichtigung der folgenden Positionen bei der Berechnung der Nettofinanzverbindlichkeiten: – Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten, – Anleihen, – Darlehen des Verkäufers und der mit ihm verbundenen Unternehmen, einschließlich etwaiger Cash-Pool-Salden zugunsten des Verkäufers oder der mit ihm verbundenen Unternehmen, – dem Verkäufer oder seinen verbundenen Unternehmen geschuldete Verbindlichkeiten jeder Art mit Ausnahme von Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen, – jegliche anderen verzinsten finanziellen Verbindlichkeiten wie Verbindlichkeiten aus Schuldscheinen, Wertpapiere oder Darlehen von anderen Dritten als Banken, dem Verkäufer oder mit ihm verbundenen Unternehmen, – Verpflichtungen aus Finanzierungs- und Operating Leasingvereinbarungen, – Factoring, – Verbindlichkeiten aus Wechseln, – Vorfälligkeitsentschädigungen aufgrund einer vorzeitigen Zahlung auf eine der vorausgenannten Verbindlichkeiten, – Rückstellungen für Pensionsverbindlichkeiten.
25 Die endgültige Festlegung der (einzelnen Positionen der) Nettofinanzverbindlich-
keiten und des Nettoumlaufvermögens und damit der Kaufpreisanpassung erfolgt auf Basis des Stichtagsabschlusses zum Closing. Dabei zeigt sich in der Praxis immer wieder, dass selbst bei sorgfältigster Definition der einzelnen Positionen im Kaufvertrag unterschiedliche Auffassungen der Parteien zutage treten und mühsame Diskussionen über die Kaufpreisanpassung auslösen können. Üblicherweise
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B. Inhalte des Unternehmenskaufvertrags
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wird daher im Kaufvertrag direkt ein Streitbeilegungsmechanismus durch Beauftragung eines Schiedsgutachters vereinbart.20 Muster Klausel Stichtagsabschluss 5 „Stichtagsabschluss 1. Der Endgültige Kaufpreis für die Veräußerung der Verkauften Anteile gemäß § ... und die Kaufpreisanpassung gemäß § ... sind auf Grundlage eines zum Stichtag aufzustellenden [un]geprüften Zwischenabschlusses (bestehend aus Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung) der Gesellschaft („Stichtagsabschluss“) zu ermitteln. 2. Der Käufer wird die Gesellschaft unverzüglich nach dem Vollzugstag veranlassen (und die Verkäufer werden den Käufer und die Gesellschaft hierbei unterstützen), den Stichtagsabschluss zum Stichtag aufzustellen. Der Stichtagsabschluss ist in Übereinstimmung mit den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung und allen übrigen anwendbaren Vorschriften des Handelsgesetzbuchs unter Wahrung der Bewertungs- und Bilanzkontinuität aufzustellen. Der Stichtagsabschluss ist den Verkäufern innerhalb von einem (1) Monat nach dem Vollzugstag zuzuleiten. Dem Stichtagsabschluss sind folgende Unterlagen beizufügen: a) eine Aufstellung über die in § ... bezeichneten Positionen, und b) eine darauf basierende Berechnung der Kaufpreisanpassung. 3. Sind die Verkäufer der Auffassung, dass der ihnen vom Käufer zugeleitete Stichtagsabschluss und die darauf basierende Berechnung der Kaufpreisanpassung nicht in Übereinstimmung mit den Regelungen dieses Vertrags aufgestellt worden sind, können sie dies dem Käufer innerhalb von sieben (7) Bankarbeitstagen nach Zugang der in Absatz 2 genannten Unterlagen schriftlich im Wege einer schriftlichen Mitteilung unter Angabe der betroffenen Bilanz- bzw. Berechnungspositionen, der jeweiligen (aus ihrer Sicht zutreffenden) Beträge und der Gründe für einzelne Abweichungen mitteilen. Soweit die Verkäufer nicht innerhalb der Frist Einwendungen gegen den Stichtagsabschluss erheben, gilt der vom Käufer vorgelegte Stichtagsabschluss als von den Verkäufern genehmigt und ist für alle Parteien bindend. 4. Soweit die Parteien Meinungsverschiedenheiten über den Stichtagsabschluss nicht innerhalb von zwei (2) Wochen nach Zugang der schriftlichen Mitteilung gemäß § ... beim Käufer beilegen können, wird hierüber auf Antrag einer Partei durch einen neutralen Wirtschaftsprüfer als Schiedsgutachter im Sinne von § 317 BGB abschließend und für alle Parteien bindend entschieden. Können sich die Parteien nicht innerhalb von vier (4) Wochen nach Zugang der schriftlichen Mitteilung gemäß § ... beim Käufer auf den Schiedsgutachter einigen, wird dieser auf Antrag jeder Partei vom Sprecher des Vorstands des Instituts der Wirtschaftsprüfer e.V. (IDW) in Düsseldorf bestimmt. Die Entscheidung des Schiedsgutachters, die sich innerhalb des zwischen den Vertragspartnern streitigen Rahmens zu halten hat, ist für die Vertragspartner in den Grenzen des § 319 Abs. 1 BGB verbindlich. Der Schiedsgutachter wird vor seiner Entscheidungsfindung den Parteien ausreichend Gelegenheit geben, ihre jeweiligen Standpunkte schriftlich sowie im Rahmen von Anhörungen in Anwesenheit ihrer Berater darzulegen. Die Kosten tragen die Parteien im Verhältnis ihres Obsiegens und Unterliegens. Die Parteien werden dafür sorgen, dass der Schiedsgutachter Zugang zu allen bei der Gesellschaft verfügbaren Unterlagen und Informationen sowie die Gelegenheit zu Gesprächen mit der Geschäftsführung und allen maßgeblichen Mitarbeitern der Gesellschaft erhält, soweit dies jeweils für die Überprüfung des Stichtagsabschlusses relevant ist.“
_____ 20 Hölters/Semler, S. 849.
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Kapitel 14 Unternehmenskauf unter Beteiligung von Private Equity-Unternehmen
2. „Locked Box“-Modell 26 Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei dem „Locked Box“-Modell um ein Gestal-
tungskonzept mit einem Fixkaufpreis, der regelmäßig auf Basis des letzten, in der Vergangenheit liegenden Jahresabschlusses der Zielgesellschaft ermittelt wird. Die Besonderheit des „Locked Box“-Modells liegt dabei nicht in der Kaufpreisklausel als solcher. Vielmehr geht es um die Gestaltung der Absicherung des Erwerbers für den Zeitraum ab dem zugrunde gelegten Abschlussstichtag. Damit der Erwerber zum Closing nicht sprichwörtlich „die Katze im Sack“ kauft, ist es ganz wesentlich, den finanziellen Status der Zielgesellschaft, den der Erwerber seiner Kaufpreisermittlung zugrunde gelegt hat, bis zum Closing weitgehend zu konservieren. Dies erfolgt in dreierlei Hinsicht: Erstens beugt eine sogenannte „No Leakage“-Klausel im Unternehmenskaufver27 trag Mittel- bzw. Wertabflüssen bei der Zielgesellschaft seit dem letzten Bilanzstichtag vor und verbietet insbesondere eine Gewinnausschüttung an den Verkäufer. Technisch erfolgt dies durch eine Kombination einer auf den Zeitraum zwischen Bilanzstichtag und Signing bezogenen Garantie des Verkäufers und einer zukunftsbezogenen Verpflichtung („Covenant“) für den Zeitraum zwischen Signing und Closing. 5 Muster No Leakage „Kein Vermögensabfluss 1 Zusagen des Verkäufers Der Verkäufer 1.1 garantiert im Wege eines selbständigen Garantieversprechens gemäß § 311 BGB, dass es im Zeitraum zwischen dem Bilanzstichtag und dem Abschluss dieses Vertrags nicht zu einem Vermögensabfluss an ihn oder ein mit ihm Verbundenes Unternehmen gekommen ist, bei dem es sich nicht um einen Zulässigen Vermögensabfluss gehandelt hat, und 1.2 verpflichtet sich dafür zu sorgen, dass es zwischen dem Abschluss dieses Vertrages und dem Closing nicht zu einem Vermögensabfluss an ihn oder ein mit ihm Verbundenes Unternehmen kommen wird, bei dem es sich nicht um einen Zulässigen Vermögensabfluss handelt, es sei denn, dass in diesem Vertrag etwas anderes vorgesehen ist. 2 Vermögensabfluss, Zulässiger Vermögensabfluss 2.1 Ein „Vermögensabfluss“ ist jede von der Zielgesellschaft zugunsten des Verkäufers oder eines mit diesem Verbundenen Unternehmens außerhalb des ordnungsgemäßen Geschäftsverlaufs vorgenommene und nicht in diesem Vertrag zugelassene oder bis zum Tag des Closings rückgängig gemachte oder ausgeglichene (i) Dividendenzahlung oder vergleichbare Ausschüttung einschließlich einer Gegenleistung für den Erwerb eigener Anteile, (ii) Übertragung wesentlicher Vermögensgegenstände, (iii) Übernahme von Verbindlichkeiten des betreffenden Verkäufers oder eines mit diesem Verbundenen Unternehmens, (iv) Rückzahlung von Verbindlichkeiten (einschließlich der Closing-Gesellschafterforderungen) an den betreffenden Verkäufer oder ein mit diesem Verbundenes Unternehmen, (v) Zahlung oder Verpflichtung zur Zahlung von Aufwendungen oder Kosten für die in diesem Vertrag vorgesehenen Transaktionen, die nicht ausschließlich im Interesse der Zielgesellschaften liegen, sowie
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B. Inhalte des Unternehmenskaufvertrags
3
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(vi) sonstige den vorstehenden Leistungen gleichwertige Zuwendung. 2.2 Ein „Zulässiger Vermögensabfluss“ ist jede (i) Zahlung oder sonstige Leistung, die auf schriftliches Verlangen oder mit schriftlicher Zustimmung des Käufers erfolgt, (ii) Zahlung oder sonstige Leistung, die gegen eine vollwertige Gegenleistung erfolgt, (iii) .... Rechtsfolgen Für den Fall der Unrichtigkeit der Garantie gemäß Ziffer 5.1.1 oder eines Verstoßes gegen die Verpflichtung gemäß Ziffer 5.1.2 hat der Verkäufer den jeweiligen Vermögensabfluss auszugleichen bzw. dessen Ausgleich zu veranlassen. Die Art und Weise des Ausgleichs richtet sich danach, in welcher Form der Vermögensabfluss im Einzelfall erfolgt ist, und hat insbesondere im Wege (i) der Rückzahlung, falls der Vermögensabfluss in einer Zahlung bestanden hat, (ii) der Herausgabe oder, bei Unmöglichkeit der Herausgabe, des Wertersatzes, falls der Vermögensabfluss in der Übertragung einer Sache bestanden hat, (iii) der (Rück-)Übernahme der betreffenden Verbindlichkeit oder, bei Unmöglichkeit der (Rück-)Übernahme, der Freistellung von der betreffenden Verbindlichkeit, falls der Vermögensabfluss in einer Übernahme von Verbindlichkeiten bestanden hat, (iv) der Befreiung von der betreffenden Verpflichtung, falls der Vermögensabfluss in der Eingehung einer Verpflichtung bestanden hat, oder (v) auf sonstige Art und Weise zu erfolgen.“
Zweitens ist im Kaufvertrag sicherzustellen, dass das Unternehmen seit dem letzten 28 Bilanzstichtag bis zum Signing im ordentlichen Geschäftsgang bzw. ordnungsgemäßen Geschäftsverlauf fortgeführt wurde bzw. zwischen Signing und Closing fortgeführt wird. Eine einfache Klausel könnte sein: Muster Ordnungsgemäßer Geschäftsgang (einfach) 5 „Garantie zum ordnungsgemäßen Geschäftsverlauf Die Gesellschaft hat [nach Kenntnis des Verkäufers] ihren Geschäftsbetrieb zwischen dem Bilanzstichtag und dem Abschluss dieses Vertrags als laufenden Betrieb im ordnungsgemäßen Geschäftsverlauf und im Wesentlichen in der gleichen Weise wie zuvor weitergeführt.“
Ein Beispiel für eine ausführliche Formulierung wäre: Muster Ordnungsgemäßer Geschäftsgang (ausführlich) 5 „Verpflichtung zum ordnungsgemäßen Geschäftsverlauf Der Verkäufer verpflichtet sich, soweit rechtlich zulässig, dadurch, dass er (i) nicht für einen Gesellschafterbeschluss stimmt, durch den die Gesellschafterversammlung der Zielgesellschaft eine Maßnahme billigen würde, die außerhalb des ordnungsgemäßen Geschäftsverlaufs liegt, insbesondere eine Maßnahme nach Ziffer 1.2, und (ii) darauf hinwirkt, dass ein Gesellschafterbeschluss gefasst wird, mit dem die Geschäftsführer der Zielgesellschaft angewiesen werden, die Bestimmungen dieser Ziffer einzuhalten, sicher zu stellen, dass, soweit nicht in diesem Vertrag etwas anderes bestimmt ist, 1.1 die Zielgesellschaft ihren Geschäftsbetrieb zwischen dem Abschluss dieses Vertrags und dem Closing als laufenden Betrieb im ordnungsgemäßen Geschäftsverlauf wie vor Abschluss dieses Vertrags weiterführt und
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Kapitel 14 Unternehmenskauf unter Beteiligung von Private Equity-Unternehmen
1.2 unbeschadet der generellen Regelung in Ziffer 1.1 bei der Zielgesellschaft ohne vorherige schriftliche Zustimmung des Käufers, die nicht unbillig verweigert oder verzögert werden darf, eine der folgenden Maßnahmen durchgeführt wird: (i) Änderung der Satzung; (ii) Umwandlung im Sinne des UmwG (Umwandlungsgesetz); (iii) Abschluss eines Unternehmensvertrags im Sinne der §§ 291, 292 AktG (Aktiengesetz) oder eines Vertrags über eine stille Beteiligung; (iv) Verfügung bzw. Verpflichtung zur Verfügung über Anteile an der Zielgesellschaft im Wege einer Veräußerung oder Belastung; (v) Schaffung oder Ausgabe neuer Anteile an der Zielgesellschaft bzw. Gewährung von Optionen zu deren Bezug; (vi) Erwerb von Beteiligungen an Gesellschaften oder Unternehmen in Höhe von mehr als 5% aller Anteile an dieser Gesellschaft oder diesem Unternehmen; (vii) Erwerb oder Veräußerung bzw. Verpflichtung zum Erwerb oder zur Veräußerung von wesentlichen Vermögensgegenständen, wenn Gegenleistungen, Investitionen und/oder eine Haftung von insgesamt mehr als [500.000] € (ausschließlich Umsatzsteuer) damit verbunden sind; (viii) Besicherung einer Verpflichtung eines Dritten durch Garantie, Bürgschaft oder auf andere Weise oder Freistellung Dritter von Verbindlichkeiten oder Belastung von wesentlichen Vermögensgegenständen.“ 29 Drittens sollte der Käufer auf eine (nach Möglichkeit „harte“) Bilanzgarantie21 drän-
gen, um die Basis seiner Kaufpreiskalkulation, also den letzten Jahresabschluss der Zielgesellschaft, abzusichern. Denn anders als bei der Kaufpreisanpassung auf Grundlage von „Closing Accounts“ gibt es beim „Locked Box“-Modell keine spätere Prüfung der relevanten Bilanzpositionen mehr.
3. Pro/Contra der unterschiedlichen Gestaltungsvarianten 30 Da sowohl die Kaufpreisanpassung auf Grundlage von „Closing Accounts“ als auch das „Locked Box“- Modell Vor- und Nachteile haben, lässt sich schwerlich die Aussage treffen, welches Konzept „besser“ oder „schlechter“ ist. Der Vorteil des „Locked Box“- Modells liegt sicher in seiner geringeren Komplexität. Auch entfällt bei diesem Modell der (teils nicht unerhebliche) Aufwand der Aufstellung und Prüfung eines Stichtagsabschlusses. Daraus resultiert jedoch auch sein Nachteil. Anders als bei dem Kaufpreisanpassungsmodell ermöglicht das „Locked Box“-Konzept nämlich nicht, etwaige Unternehmensveränderungen seit dem letzten Bilanzstichtag beim Kaufpreis zu berücksichtigen. Trotz der vorstehend beschriebenen Sicherungsmechanismen verbleibt somit ein Restrisiko, dass der Käufer möglicherweise „überzahlt“. Weiter kann sich das Argument des geringeren Aufwands beim „Lo-
_____ 21 Zur Bilanzgarantie und der Unterscheidung zwischen „harten“ und „weichen“ Garantien vgl. Blunk/Rabe, S. 408.
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B. Inhalte des Unternehmenskaufvertrags
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cked Box“-Konzept auch relativieren, da nicht selten der Käufer aufgrund des Wegfalls einer späteren Kaufpreiskorrektur die Prüfung des Zielunternehmens im Rahmen der Due Diligence intensiviert und damit ein erhöhter Aufwand ins Vorfeld der Transaktion verlagert wird. Entscheiden sich die Parteien demgegenüber für eine Kaufpreisanpassung, 31 nehmen sie nicht nur den damit verbundenen höheren Aufwand nach Closing in Kauf. Eine Kaufpreisanpassung auf Basis einer Stichtagsbilanz ist nämlich nicht nur aufwändiger, sondern gegebenenfalls auch streitanfälliger, da nicht selten Meinungsverschiedenheiten über die „korrekte“ Bilanzierung und Berücksichtigung von Bilanzpositionen bei der Kaufpreisanpassung aufkommen. Vereinfacht lassen sich die Vor- und Nachteile der einzelnen Modelle wie folgt darstellen: „Locked Box“- Modell
Kaufpreisanpassungsmodell
Pro: – Geringere Komplexität – Frühzeitige Klarheit über endgültigen Kaufpreis – Einfachere Durchführung/weniger Aufwand – Verminderte Streitanfälligkeit/hohe Transaktionssicherheit
Contra: – Komplexe Regelung – Höherer Aufwand bei Verhandlung und Vertragsgestaltung – Höherer Aufwand bei Aufstellung und Prüfung des Stichtagsabschlusses – Höhere Streitanfälligkeit nach Closing
Contra: – Restrisiko hinsichtlich Veränderungen des Zielunternehmens und operativer Risiken seit Bilanzstichtag – Gegebenenfalls ungeeignet, sofern Bilanzstichtag länger zurückliegt
Pro: – Erfassung von Geschäftsvorfällen und operativen Risiken seit letztem Bilanzstichtag
Hinsichtlich der Abwägung der dargestellten Vor- und Nachteile in der M&A-Praxis 32 lässt sich bei Private Equity-Transaktionen ein gewisser Trend hin zum „Locked Box“-Modell verzeichnen.22 Bei Unternehmenskäufen zwischen strategischen Investoren scheint hingegen weiterhin eine Kaufpreisanpassung zum Stichtag das vorherrschende Konzept zu sein.
4. „Earn Out“, insbesondere „Anti Embarrassment“-Klauseln Der Begriff „Earn Out“ bezeichnet Kaufpreisregelungen, bei denen der endgültige 33 Kaufpreis von der zukünftigen Entwicklung der Zielgesellschaft abhängig gemacht wird.23 In der Regel erfolgt dies durch die Zahlung eines zusätzlichen Kaufpreises in
_____ 22 Eilers/Koffka/Mackensen/Schrader, S. 67.
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Abhängigkeit von dem Erreichen bestimmter Meilensteine, z.B. konkrete Umsatzoder Ertragswerte.24 5 Muster Earn Out „Earn Out 1. Der zusätzliche Kaufpreis (Earn out) beträgt bis zu ... € (in Worten: ... Euro) („Maximalbetrag“) und bemisst sich nach Maßgabe der folgenden Regelungen in Abhängigkeit von der Erreichung bestimmter Ertragsziele in den Geschäftsjahren 2020 bis einschließlich 2022: a) Erzielt die Zielgesellschaft in den jeweiligen genannten Geschäftsjahren in Summe ein (konsolidiertes) EBIT von mehr als ... €, so steht den Verkäufern ein variabler Kaufpreis in Höhe von 15% des jeweils den Schwellenwert von ... € überschießenden Betrags zu, höchstens jedoch bis in Summe der Maximalbetrag erreicht wird. b) „EBIT“ im Sinne des vorstehenden lit. a) meint das (Jahres-)Ergebnis vor Zinsaufwendungen bzw. -erträgen und vor Ertragsteuern im Sinne des Umsatzkostenverfahrens gemäß IFRS der jeweiligen Zielgesellschaften. 2. Der zusätzliche Kaufpreis ist – sofern die Voraussetzungen gemäß Absatz (1) erfüllt sind und der Maximalbetrag noch nicht ausgeschöpft ist – für jedes der genannten Geschäftsjahre jeweils im Folgejahr zehn (10) Bankarbeitstage nach Feststellung des letzten der Jahresabschlüsse der Zielgesellschaften fällig und zahlbar.“ 34 Earn Out-Klauseln haben ihre Berechtigung in Fällen, in denen die Geschäftsent-
wicklung der Zielgesellschaft aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls schwer abschätzbar ist. In solchen Situationen können sie das Risiko des Käufers minimieren, einen zu hohen Kaufpreis zu zahlen. Der Nachteil solcher Kaufpreisgestaltungen liegt für den Verkäufer darin, dass er nach Übergabe der Verfügungsgewalt über das Unternehmen keine Einflussmöglichkeit hinsichtlich der Erreichung der relevanten Bezugsgrößen des Earn Outs mehr hat. Das Risiko einer Manipulation durch die Erwerberseite liegt auf der Hand. Anders mag die Situation sein, wenn der Verkäufer als Minderheitsgesellschafter und Geschäftsführer im Unternehmen verbleibt. In jedem Fall ist aber darauf zu achten, dass der Kaufvertrag die Voraussetzungen des Earn Outs detailliert regelt und für den Verkäufer ausreichende Informations- und Prüfungsrechte festlegt. 5 Beispiel Sofern als Bemessungsgrundlage für die Berechnung des Earn Outs an Umsatzerlöse angeknüpft wird, die durch den zukünftigen Verkauf von speziellen Produkten der Zielgesellschaft erzielt werden, sollte der Verkäufer neben der jährlichen Rechnungslegung zu Informationszwecken zumindest quartalsweise Auflistungen der maßgeblichen Umsatzerlöse erhalten. Weiter sollte der Verkäufer ein Audit durch einen beruflich zur Verschwiegenheit verpflichteten Wirtschaftsprüfer durchführen lassen dürfen.
_____ 23 Hölters/Semler, S. 851 m.w.N.; Hölters/Gröger, S. 380 f.; vgl. auch Picot/Picot Handbuch M&A, S. 308 f. 24 Zu üblichen Zielgrößen vgl. Kap. 3 Rn 108.
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Eine besondere Form des Earn Outs stellen die sogenannten „Anti-Embarrass- 35 ment“- oder „Clawback“-Klauseln dar.25 Diese werden von Finanzinvestoren im Fall des Exits, wenn sie also auf Verkäuferseite stehen, verwendet. Gegenstand dieser Klauseln ist die Vereinbarung eines zusätzlichen Kaufpreises für den Fall, dass der Erwerber innerhalb eines kurzen Zeitraums von einigen Monaten die Zielgesellschaft zu einem (überproportional) höheren Kaufpreis weiterveräußert. Hiermit soll erreicht werden, dass ein Teil des kurzfristig erzielten höheren Kaufpreises an den Erstverkäufer weitergereicht wird. Hintergrund dieser Gestaltung ist, dass ein Finanzinvestor sich bei solchen Fällen nicht vorhalten lassen möchte, offenkundig nicht den optimalen Kaufpreis erzielt zu haben.26 Ein schneller Weiterverkauf zu einem höheren Preis dürfte beim Erwerb durch einen strategischen Investor kaum zu erwarten sein. Solche Klauseln finden sich daher überwiegend bei Secondaryoder auch Management Buy-Outs, also einer Weiterveräußerung an einen anderen Finanzinvestor bzw. einem Verkauf an das Management, wo eher damit gerechnet werden kann, dass die Erwerber eine günstige Gelegenheit zum Weiterverkauf nicht auslassen.
III. Garantien, Freistellungen, Haftung und Sicherung möglicher Käuferansprüche Die Praxis des Unternehmenskaufs schließt das (unpassende) gesetzliche Gewähr- 36 leistungssystem des Kaufrechts weitgehend aus27 und ersetzt es durch ein eigenständiges vertragliches Haftungsregime auf der Grundlage von abschließenden Garantieversprechen 28 und klar definierten Rechtsfolgen. 29 Regelmäßig stellen dabei die Garantien und die Haftung der Verkäuferseite einen ganz wesentlichen Teil der Verhandlungen zwischen den Kaufvertragsparteien dar. Dies liegt nicht zuletzt an den Wechselwirkungen zwischen Kaufpreis und Umfang der Garantien. Einen „schlanken“ Garantiekatalog wird ein Verkäufer in der Regel nur dann durchsetzen können, wenn er Einbußen bzw. eine „Einpreisung“ beim Kaufpreis akzeptiert. Umgekehrt lässt sich ein „maximaler“ Kaufpreis wohl nur erzielen, wenn auch umfangreiche Garantien und Freistellungen gewährt werden. Während jedoch der Kaufpreis bzw. Unternehmenswert regelmäßig isoliert im Vorfeld verhandelt und im Letter of Intent oder einer vergleichbaren Vereinbarung fixiert wird, finden sich dort im Hinblick auf die noch zu verhandelnden Garantien/Freistellungen meist nur rudimentäre Aussagen, wie etwa „Der Kaufvertrag wird die für Unternehmenskäufe
_____ 25 26 27 28 29
Eilers/Koffka/Mackensen/Ellrott, S. 604. Vgl. auch Eilers/Koffka/Mackensen/Schrader, S. 78. Siehe auch Kap. 10 Rn 101. Kap. 10 Rn 102 ff. Hölters/Semler, S. 877; siehe auch Kap. 10 Rn 140 ff.
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üblichen Garantien enthalten“. Damit ist das Feld für teils ausufernde Verhandlungen eröffnet. Dem Grundsatz nach gilt Vorstehendes auch für Transaktionen mit Private 37 Equity-Investoren. Danach differenzierend, ob Private Equity auf Käufer- oder Verkäuferseite auftritt, haben sich hier jedoch gewisse eigene Standards entwickelt.
1. Garantien und Freistellungen beim Unternehmenskauf 38 Beim Erwerb eines Unternehmens durch einen Private Equity-Investor treten zumeist keine Besonderheiten zutage, zumindest dann nicht, wenn der Erwerb von einem strategischen bzw. industriellen Verkäufer erfolgt. Regelmäßig ist der Private Equity-Investor nämlich – wie jeder andere Käufer – daran interessiert, möglichst umfangreiche Garantien und/oder Freistellungen zu erhalten. Bisweilen mag der Private Equity-Investor sogar ein besonderes Interesse an einem umfangreichen Garantiekatalog haben, weil er diesen, insbesondere im Fall eines „Secondary BuyOuts“, also einer späteren Weiterveräußerung an einen anderen Finanzinvestor, möglicherweise weiterreichen kann.30 Bei den heutzutage üblicherweise kurz bemessenen vertraglichen Verjährungsfristen von ca. 18 bis 24 Monaten dürfte dieser Fall freilich praktisch seltener vorkommen. In jedem Fall positiv zu vermerken ist der Umstand, dass Private Equity39 Investoren in der Regel sehr professionell sowohl bei der „Due Diligence“ als auch bei der späteren Vertragsverhandlung agieren. Unnötige oder gar emotional geführte Diskussionen über (unwesentliche) Garantien erlebt man mit Finanzinvestoren selten.
2. Garantien und Freistellungen beim Unternehmensverkauf (Exit) 40 Im Fall der Veräußerung eines Unternehmens aus dem Portfolio eines Private Equi41
ty-Fonds sieht die Sache hingegen anders aus. Während Verkäufer bei Garantieversprechen und Freistellungen naturgemäß zurückhaltend sind, regelmäßig aber die Notwendigkeit solcher Versprechen im Verhältnis zum Käufer erkennen, haben veräußernde Private Equity-Investoren geradezu eine Aversion gegen Garantien und Freistellungen. Ähnliches gilt auch hinsichtlich der Rechtsfolgenseite. Private Equity-Veräußerer sind sehr darum bemüht, ihre Haftung auch durch besonders niedrige Haftungshöchstgrenzen, sogenannte „Caps“, und umfangreiche Haftungsausschlüsse oder -begrenzungen sowie kurze Verjährungsfristen weiter einzuschränken.31
_____ 30 Vgl. hierzu Eilers/Koffka/Mackensen/Schrader, S. 70. 31 Vgl. EVCA Professional Standards, Governing Principles May 2003 (updated 2010), S. 23 f.; zum angestrebten sogenannten „Clean Exit“ s.a. Eilers/Koffka/Mackensen/Ellrott, S. 598.
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Als Begründung hierfür wird regelmäßig angebracht, dass der Private EquityFonds darauf angewiesen sei, den Veräußerungserlös möglichst vollständig und zeitnah an seine Investoren auszuschütten. Dem stünden vertragliche Gewährleistungsrisiken jedoch entgegen. Weiter fiele es einem Private Equity-Investor auch grundsätzlich schwerer, Garantien abzugeben, da er typischerweise ein PortfolioUnternehmen nicht so detailliert kennenlernen könne wie ein strategischer Investor.32 Wirklich überzeugend sind diese Argumente nicht. Auch ein strategischer Investor wird einen Veräußerungserlös lieber ausschütten oder reinvestieren wollen, anstatt Gewährleistungsrisiken auf Zeit zu akzeptieren. Dass ein Private EquityInvestor das verkaufte Unternehmen letztlich nicht so gut kennt, kann ebenfalls nicht überzeugen. Vor dem Hintergrund, dass es bei den Garantien letztlich um die Allokation von (abstrakten) Risiken geht, stellt sich die Frage des „Kennens“ des Unternehmens nur bedingt. Im Zweifel wird der Erwerber weniger Kenntnisse vom Unternehmen haben. Damit ist die Frage der Risikoübernahme aber noch nicht vorentschieden, sondern bleibt Verhandlungssache. Gleichwohl ist festzustellen, dass es sich in der Tat als eine Art „Standard“ in der M&A-Praxis etabliert hat, dass Private Equity-Veräußerer grundsätzlich nur Garantien hinsichtlich der Anteile an der Zielgesellschaft sowie im Hinblick auf bestimmte gesellschaftsrechtliche Umstände abgeben. Auf das operative Geschäft bezogene Garantien erhält ein Erwerber hingegen seltener; wenn überhaupt, werden sie subjektiv ausgestaltet, d.h. nur „nach Kenntnis des Verkäufers“ abgegeben. Auch Freistellungen, etwa für Umwelt- oder steuerliche Risiken, werden selten eingeräumt, da sie regelmäßig erst spät verjähren33 und damit der gewünschten zeitnahen Vollabwicklung des Fonds-Investments entgegenstehen. Ein gewisser Ausgleich bei den operativen Garantien mag dadurch geschaffen werden, dass nicht der Investor, sondern das Management persönlich gewisse Garantien gegenüber dem Erwerber abgibt (sogenannte „Management Warranties“).34 Da solche Garantien jedoch nur eine eingeschränkte finanzielle Sicherheit bieten können, sind sie eher „psychologischer“ Natur und dienen vornehmlich dazu, dem Erwerber ein „besseres Gefühl“ zu vermitteln. Vom Management persönlich eingegangene Garantien bieten nämlich eine gewisse Gewähr dafür, dass sie sorgfältig erwogen wurden.35 Dieser „Standard“ wird auch gerne in den Verhandlungen vom Private EquityVeräußerer bzw. seinen Beratern bemüht. Letztlich hängt der Umfang der Garan-
_____ 32 Siehe dazu Hölters/Weinheimer, S. 1265; Eilers/Koffka/Mackensen/Schrader, S. 69; Jesch/Striegel/Boxberger/von Beauvais/Hellich, S. 382 f. 33 Ansprüche aus Steuerfreistellungen verjähren nach der gängigen Praxis erst sechs Monate nach Bestandskraft des relevanten Steuerbescheids und damit mitunter erst nach vielen Jahren. 34 Hierzu näher Eilers/Koffka/Mackensen/Schrader, S. 72; s.a. Schaffner, BB 2007, 1292 ff.; Seibt/ Wunsch, ZIP 2008, 1093 ff.; Hohaus/Weber 2008, BB 2008, 2358, 2359. 35 Vgl. Eilers/Koffka/Mackensen/Ellrott, S. 600.
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tien/Freistellungen aber vom Einzelfall ab und bleibt Verhandlungssache. Dies gilt insbesondere, wenn der Erwerber eine – aufgrund eines käuferfreundlichen Marktumfelds – starke wirtschaftliche Position innehat und sich dem (Schein-)Argument des angeblichen Marktstandards nicht beugt.36 Lediglich bei den bereits erwähnten „Secondary Buy-Outs“ dürfte es tatsächlich uneingeschränkt akzeptiert sein, dass ein Private Equity-Veräußerer nur einen limitierten Garantiekatalog und keine Freistellungen – mit Ausnahme solcher zur Absicherung des „Locked Box“- Modells – zugesteht.
3. Sicherung vertraglicher Haftungsansprüche 46 Eine vergleichbare Diskussion ergibt sich regelmäßig auch im Zusammenhang mit
der Absicherung möglicher Haftungsansprüche des Käufers. Verbreitet in der allgemeinen M&A-Praxis ist hier eine Einzahlung eines Teils des Kaufpreises auf ein Treuhandkonto („Escrow Account“). Der so hinterlegte Betrag dient dem Erwerber als Sicherheit für etwaige Ansprüche aus der Verletzung einer Verkäufergarantie. Vor dem Hintergrund der dargestellten Zielsetzung eines Private Equity-Fonds, 47 den Veräußerungserlös möglichst vollständig und zeitnah an seine Investoren auszuschütten, stößt diese sonst übliche Sicherungsmethode bei einem Private EquityVeräußerer oftmals auf Widerstand. Letztlich gilt hier aber dasselbe wie bei den Garantien: ob ein (strategischer) Käufer seine möglichen Ansprüche über einen Treuhandbetrag absichern kann, ist Verhandlungssache und hängt von der stärkeren bzw. schwächeren Position der beteiligten Parteien ab. Festzustellen ist jedenfalls, dass die frühere, eher kategorische Ablehnung der „Treuhandlösung“ einer zunehmenden Akzeptanz auch bei Private Equity-Veräußerern gewichen ist.
IV. Transaktionssicherheit 48 Die Sicherstellung, dass es tatsächlich zum Vollzug der Transaktion (Closing)
kommt, ist für beide Vertragsseiten von wesentlicher Bedeutung. Aufwand und Kosten, die den Parteien auf dem Weg zum Vertragsabschluss entstehen, sind meist erheblich. Bei Private Equity-Transaktionen ergeben sich dabei im Zusammenhang mit der Akquisitionsfinanzierung spezielle Anforderungen.
_____ 36 Gleiches gilt auch für die Möglichkeit, etwaige nicht durch Garantien/Freistellungen abgedeckte Risiken „einzupreisen“, die sich dem Käufer nur eröffnet, wenn er bei den vorherrschenden Gegebenheiten des Marktes gleichwohl einen wettbewerbsfähigen Preis bieten kann.
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1. Certainty of Funds Nicht selten setzt der Erwerber zum Zwecke des Unternehmenskaufs ein Akquisi- 49 tionsvehikel ein, d.h. eine lediglich mit Mindestkapital ausgestattete Gesellschaft, die nur zu diesem Zweck gegründet wurde. Bei Private Equity-Transaktionen ist dies naturgemäß ausnahmslos der Fall. Die Sicherstellung der Kaufpreisfinanzierung wird damit zu einer wesentlichen Anforderung. Dabei ist zwischen dem Interesse des Verkäufers an der erforderlichen Transaktionssicherheit und dem Interesse des Finanzinvestors, eine frühzeitige Kapitalbindung zu vermeiden, ein angemessener Ausgleich zu schaffen. Bei der Akquisitionsfinanzierung im Kontext von Private Equity-Transaktionen hat sich diesbezüglich ein Konzept etabliert, welches in Anlehnung an die bei öffentlichen Übernahmen bestehenden Regeln unter dem Begriff „Certainty of Funds“ oder schlicht „Certain Funds“ zusammengefasst wird. Ursprünglich wurde darunter nur die Finanzierungszusage von Seiten der kreditgebenden Bank verstanden. Im weiteren Sinn ist damit aber neben der Sicherstellung des fremdfinanzierten Teils des Kaufpreises auch die Bereitstellung bzw. Zusage des erforderlichen Eigenkapitals umfasst.37 Letztlich geht es darum, dem Veräußerer bereits bei „Signing“, also Unter- 50 zeichnung des Kaufvertrags, die notwendige Sicherheit zu verschaffen, dass das Käufervehikel bei „Closing“, d.h. dem Vollzug des Vertrags,38 in der Lage ist, den Kaufpreis zu zahlen. Bei strategischen Investoren wird dieses Thema oft durch Patronatserklärungen oder entsprechende Garantien der hinter dem Akquisitionsvehikel stehenden Gesellschafter oder Konzernholding gelöst. Im letzteren Fall werden die Garantiegeber zu diesem Zweck Partei des Unternehmenskaufvertrags. Bei Private Equity-Transaktionen bedient man sich hingegen – je nachdem ob es die Eigenkapital- oder Fremdkapitalausstattung betrifft – sogenannter „Equity Commitment Letter“ bzw. „Debt Commitment Letter“.
a) Equity Commitment Letter Bei einem Equity Commitment Letter handelt es sich um die Zusage des Fonds, 51 das Akquisitionsvehikel mit dem – neben der Fremdfinanzierung – zur Kaufpreiszahlung erforderlichen Eigenkapital auszustatten. Die Bezeichnung als „Letter“ resultiert daraus, dass diese Zusage regelmäßig in Briefform an das Vehikel oder auch den Verkäufer selbst erfolgt. Andere Gestaltungen, etwa in Form einer gesonderten Vertragsurkunde, sind jedoch ebenfalls denkbar.39
_____ 37 Zum Konzept des „Certain Funds“ Jesch/Striegel/Boxberger/Ingenhoven, S. 268 ff.; vgl. auch Eilers/Koffka/Mackensen/v. Rosenberg, S. 82 f., 90. 38 Zum Closing siehe unten Rn 60 ff. 39 Vgl. auch Eilers/Koffka/Mackensen/v. Rosenberg, S. 82.
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In rechtlicher Hinsicht handelt es sich hierbei zunächst um eine Verpflichtung, einmalig einen konkret festgelegten Eigenkapitalbetrag zur Verfügung zu stellen. Damit unterscheidet sich der Equity Commitment Letter dem Umfang nach von der Patronatserklärung, die eine stets ausreichende Kapitalausstattung des Vehikels zum Gegenstand hat, oder der sonst nicht unüblichen Garantie, für sämtliche Verpflichtungen der Erwerbergesellschaft unter dem Kaufvertrag einzustehen. Besteht die Verpflichtung nur gegenüber dem Akquisitionsvehikel, ist ihre Einhaltung im Verhältnis zum Veräußerer durch eine Garantie abzusichern. In der Regel wird die Verpflichtung aber direkt gegenüber dem Veräußerer ausgesprochen. Falls dem Akquisitionsvehikel ein eigenständiges Recht auf Zahlung eingeräumt wird, liegt ein sogenannter „echter Vertrag zugunsten Dritter“ vor. In zeitlicher Hinsicht erfolgt die Zusage durch den Equity Commitment Letter in 53 der Regel bei Signing mit Leistungsversprechen zum Closing. Bei Bieterverfahren (Auktionsprozessen) kann es aber auch vorkommen, dass zur Erhöhung der Erfolgschancen der Equity Commitment Letter bereits mit dem bindenden Angebot verknüpft wird.40 Um eine vorzeitige Kapitalbindung zu vermeiden, wird die Ausstattungsverpflichtung dabei mit dem Eintritt der Vollzugsvoraussetzungen des Kaufvertrags („Closing Conditions“) verknüpft. So wird erreicht, dass die Ausstattungsverpflichtung nicht vor der Vollzugsverpflichtung nach dem Kaufvertrag eintritt. Genauso wie Patronatserklärung oder Garantie bietet der Equity Commitment 54 Letter dem Veräußerer nur dann eine adäquate Sicherheit, wenn der ausstellende Private Equity-Fonds ausreichend solvent ist. Dies kann der Veräußerer oft nur schwer überprüfen, da der Fonds seinerseits die benötigten Mittel erst kurz vor dem Closing bei seinen Geldgebern einfordert. Am Ende bleibt es meist dabei, dass der Veräußerer schlicht auf die Solvenz des Fonds vertrauen muss. Dies wird ihm umso leichter fallen, als es sich um einen Fonds einer bekannten und renommierten Beteiligungsgesellschaft handelt. 52
5 Muster Equity Commitment Letter „From: ... (the „Purchaser“); and ... (the „Parent Shareholder“) To: ... (the „Seller“)
[Date]
Ladies and Gentlemen: The following commitments and undertakings are in consideration of you entering into the share purchase agreement dated on or around the date of this letter (the „SPA“) regarding the sale and purchase of 100% of the share capital of ... („Target“) to Purchaser. 1. The Parent Shareholder hereby confirms that the funds necessary to fulfil its obligations under this letter are, or at Closing, will be, available to it and no internal or other approval is required
_____ 40 Eilers/Koffka/Mackensen/v. Rosenberg, S. 83.
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for the Parent Shareholder to fulfil its obligations hereunder. The Parent Shareholder hereby undertakes to the Seller and the Purchaser that (i) on the Closing Date, the Parent Shareholder shall cause the Purchaser to receive – directly or indirectly by way of equity contribution, shareholder loans and/or similar instruments – an amount on one of its bank accounts equal to ... € (the „Commitment“) (or any greater amount to which the Seller and the Purchaser may agree) to be used by the Purchaser, together with the amount drawn down under the [Purchaser Acquisition Facility], to make the payments the Purchaser is obligated to make (y) pursuant to Clause ... of the SPA at Closing or (z) resulting from any breach by Purchaser of any provision of the SPA, and (ii) the Commitment will not be withdrawn until the Purchase Price and interest thereon, if any, has been fully paid in accordance with the terms of the SPA. The Purchaser undertakes to the Seller that: a) prior to Closing, it will not terminate, amend or agree to amend the terms of the [Purchaser Acquisition Facility], or waive or agree to waive any of its rights or obligations under the [Purchaser Acquisition Facility], in any case where such termination, amendment or waiver would prejudice its ability to either (i) draw down funds under the [Purchaser Acquisition Facility] or (ii) otherwise make the payments that it is obligated to make pursuant to Clause ... of the SPA at Closing; b) it shall take all steps necessary to enforce all its rights under the [Purchaser Acquisition Facility] in order to allow it to draw down immediately available funds in an amount equal to at least ... € on the Closing Date; and c) it shall not breach any term of the [Purchaser Acquisition Facility] which would prejudice the Purchaser’s ability to obtain the proceeds of draw downs of funds thereunder. The obligations of the Parent Shareholder and the Purchaser under paragraphs 1 and 2 of this letter are subject to the satisfaction at or before Closing of the conditions precedent that the Purchaser is obligated to consummate the Closing on the Closing Date pursuant to, and on the terms and subject to the conditions of, the SPA, including, for the avoidance of doubt, possible waivers. This letter together with the SPA and the [Purchaser Acquisition Facility], constitutes the whole and only agreement of the Parties with respect to the subject matter hereof, and supersedes all prior agreements, written or oral, with respect to such subject matter. This letter, including this provision, may not be amended or waived, except by a written instrument signed by all the parties hereto and expressed to be a variation of this letter. If one or more provisions of this letter shall be invalid or unenforceable, the validity and enforceability of the other provisions of this letter shall not be affected. In such case the invalid or unenforceable provision shall be deemed to have been replaced by such valid and enforceable provision or provisions that reflect as closely as possible the commercial intention of the Parties as regards the invalid or unenforceable provision. The same shall apply in the event that this letter contains any unintentional omissions (Vertragslücken). This letter shall terminate and be of no further force or effect upon the termination of the SPA in accordance with its terms. This letter is being provided to the Seller solely in connection with the SPA and shall be kept confidential and not be disclosed to any third party, unless otherwise provided for herein. This letter may not be used, circulated, quoted or otherwise referred to in any document (other than the SPA) except with the written consent of the Purchaser; provided that, no such written consent is required for any disclosure of the existence or terms of this letter to the parties to the SPA or their representatives or advisors or to the extent required by applicable law, by the applicable rules of any national securities exchange or if required in connection with any required filing or notice with any Governmental Authority relating to the SPA. No Party shall be entitled to set off (aufrechnen) against any claims of any other party under or in connection with this letter or to exercise any right of retention (Zurückbehaltungsrecht).
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This letter shall be governed by, and be construed in accordance with, the laws of the Federal Republic of Germany without reference to its conflict of law provisions. 10. All disputes arising under or in connection with this letter or its validity shall be finally settled by three arbitrators in accordance with the Arbitration Rules of the German Institution of Arbitration e.V. (Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V.) as applicable from time to time without recourse to the ordinary courts of law. The venue of the arbitration shall be Frankfurt am Main, Germany. The language of the arbitration proceedings shall be German, provided that documents originating in the English language are not required to be translated. This arbitration clause shall be governed by the laws of the Federal Republic of Germany.“
b) Debt Commitment Letter 55 Das Gegenstück zum Equity Commitment Letter stellt hinsichtlich des fremdfinan-
zierten Kaufpreisteils der sogenannte Debt Commitment Letter dar. Er wird von der finanzierenden Bank ausgestellt und enthält eine (verbindliche) Finanzierungszusage gegenüber dem Akquisitionsvehikel. Eine (direkte) Verpflichtung gegenüber dem Veräußerer gibt es im Gegensatz zum Equity Commitment Letter nicht, da eine eigenständige Durchsetzbarkeit der Finanzierungszusage durch den Veräußerer von der finanzierenden Bank regelmäßig nicht akzeptiert wird.41 Den Debt Commitment Letter gibt es in den unterschiedlichsten Erscheinungs56 formen. Teils wird er gemeinsam mit der Unterzeichnung des Kreditvertrags über den fremdfinanzierten Teil des Kaufpreises (Facility Agreement) oder zumindest eines Überbrückungskredits (Interim Facility Agreement) erteilt.42 Sofern bereits bindende Kreditverträge vorliegen, bedürfte es freilich eines Debt Commitment Letters nicht mehr. In der Regel wird jedoch der Commitment Letter lediglich mit einem sogenannten Term Sheet bzw. Eckpunktepapier verbunden, welches die Rahmenbedingungen des vor Kreditausreichung abzuschließenden Facility Agreements enthält. Von einem „Fundable Commitment Letter“ spricht man, wenn die Bank gegebenenfalls sogar ohne vorherigen Vertragsabschluss allein auf Basis des Commitment Letters eine Auszahlung vornimmt.43 Dies dürfte allerdings nur ausnahmsweise vorkommen. Der Veräußerer wird stets den bindenden Abschluss eines vollständigen und 57 endgültigen Kreditvertrags bereits zum Signing bevorzugen. Jedoch liegt es regelmäßig auch im Interesse des Erwerbers, wenn er bei Signing auch die Fremdfinanzierung sichergestellt weiß.
_____ 41 Eilers/Koffka/Mackensen/v. Rosenberg, S. 89. 42 Jesch/Striegel/Boxberger/Ingenhoven, S. 270. 43 Jesch/Striegel/Boxberger/Ingenhoven, S. 270.
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2. Verpflichtungen (Covenants) bei der Beteiligung eines Private Equity-Investors Dass es beim „Locked Box“-Modell aus Sicht des Erwerbers wesentlich ist, dass der 58 Veräußerer sich bis zum Closing gewissen Verpflichtungen im Hinblick auf die Fortführung des Geschäftsbetriebs unterwirft, wurde bereits oben ausgeführt.44 Darüber hinaus wird der Investor aber noch auf weitere Verpflichtungen drän- 59 gen, um Transaktionssicherheit zu erhalten. Hierzu zählt die Mitwirkungsverpflichtung des Veräußerers im Zusammenhang mit der Bankenfinanzierung. Regelmäßig verlangen nämlich die Banken, dass die Zielgesellschaft dem Kreditvertrag bereits zum Closing bzw. zum Auszahlungszeitpunkt als (weiterer) Schuldner beitritt oder zumindest dessen Erfüllung garantiert. Dies erfordert die entsprechende Mitwirkung des Verkäufers bereits im Zeitraum zwischen Signing und Closing,45 was regelmäßig im Kaufvertrag zu vereinbaren ist. Auch werden nicht selten im Vorgriff auf das Closing vorbereitende Maßnahmen vereinbart, die eine schnellere – zumeist steuerlich motivierte – Umstrukturierung nach dem Vollzug ermöglichen sollen.46 Im Gegenzug tut der Veräußerer gut daran, für den Fall, dass es nicht zum Vollzug kommen sollte, eine Freistellungsverpflichtung des Erwerbers hinsichtlich sämtlicher mit dieser Umstrukturierung verbundenen Nachteile oder die Zahlung von sogenannten Break Fees47 zu verlangen.
V. Closing, Vollzugsvoraussetzungen und -hindernisse 1. Allgemeines Wie bereits oben erwähnt, wird beim Unternehmenskaufvertrag zwischen „Sig- 60 ning“, also der Unterzeichnung des Kaufvertrags und dem „Closing“, d.h. dem Vollzug des Vertrags unterschieden. Rechtstechnisch werden beim Signing die schuldrechtlichen Verpflichtungen zur Übertragung des Unternehmens und zur Zahlung des Kaufpreises begründet. Beim Closing werden diese Verpflichtungen erfüllt, also der Kaufpreis gezahlt und das Unternehmen (bzw. die Anteile daran oder seine Vermögensgegenstände) dinglich übertragen. In der Praxis werden daneben meist noch eine ganze Reihe weiterer (tatsächlicher oder rechtlicher) Handlungen (sogenannte „Closing Actions“) vorgenommen, wie etwa die Übergabe von Dokumenten, der Abschluss oder die Beendigung von Verträgen oder der Rücktritt von Organmitgliedern.48
_____ 44 45 46 47 48
Vgl. Rn 27 f. Hölters/Weinheimer, S. 1266. Eilers/Koffka/Mackensen/Schrader, S. 73. Dazu unten Rn 67 f. Vgl. Holzapfel/Pöllath, S. 41; Rödder/Hötzel/Mueller-Thuns, S. 149.
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2. Vollzugsvoraussetzungen und -hindernisse 61 Zum Closing kommt es nur, wenn sämtliche zwischen den Parteien vereinbarten
Vollzugsvoraussetzungen bzw. -bedingungen (sogenannte „Closing Conditions“) eintreten oder die Parteien auf diese Voraussetzungen verzichten. Neben den Vollzugsvoraussetzungen werden regelmäßig auch Vollzugshinder62 nisse vereinbart, welche – gleichsam einer negativen Vollzugsvoraussetzung – nicht vorliegen dürfen, wenn es zum Vollzug kommen soll. Bei Eintritt solcher Vollzugshindernisse dürfen die Parteien bzw. die Partei, in deren Interesse das Vollzugshindernis in den Vertrag aufgenommen wurde, den Vollzug verweigern und vom Vertrag zurücktreten.
a) Termination Rights 63 Bei Private Equity-Transaktionen haben sich diesbezüglich einige besondere Ver-
tragsgestaltungen herausgebildet, insbesondere die sogenannte MAC-Klausel. Diesen Vertragsklauseln ist allen gemein, dass sie es dem Käufer ermöglichen, sich nach Signing, aber vor Closing wieder vom Unternehmenskaufvertrag zu lösen. Aus diesem Grund werden diese Vollzugshindernisse auch „Termination Rights“ genannt. MAC-Klauseln zielen darauf ab, das Risiko des Erwerbers zu minimieren, das 64 Unternehmen bei Closing übernehmen und den bei Signing festgelegten Kaufpreis zahlen zu müssen, obwohl das Unternehmen in der Zwischenzeit aufgrund einer wesentlichen nachteiligen Veränderung („Material Adverse Change“ kurz „MAC“) einen wesentlichen Wertverlust erlitten hat. Die vereinbarten Garantien schützen den Erwerber in einem solchen Fall in der Regel nicht ausreichend. Zwar mögen sie teils verletzt sein und dem Erwerber einen Schadensersatzanspruch verschaffen. Ist die eingetretene nachteilige Veränderung und Werteinbuße jedoch von erheblicher Natur, kann es für den Käufer im Einzelfall besser sein, vom Erwerb gänzlich Abstand zu nehmen. Letztlich bedeutet dies die Risikoverlagerung auf den Verkäufer. Dieser kann nicht bereits bei Vertragsschluss, sondern erst bei Closing sicher sein, dass die Transaktion auch durchgeführt wird. Dies gilt umso mehr, wenn die MACKlausel allgemein und umfassend gehalten ist, um möglichst alle denkbaren nachteiligen Veränderungen einschließlich etwaiger allgemeiner Marktveränderungen erfassen zu können. Demgegenüber tut der Verkäufer gut daran, wenn er – sofern er überhaupt eine MAC-Klausel akzeptiert49 – auf einer detaillierten Formulierung besteht und die „Wesentlichkeit“ der nachteiligen Veränderung konkret beziffert.
_____ 49 Dies mag z.B. der Fall sein, wenn der Investor seinerseits in den Finanzierungsverträgen MACKlauseln der Banken akzeptieren muss, die es dann gegebenenfalls im Unternehmenskaufvertrag zu spiegeln gilt, vgl. dazu Eilers/Koffka/Mackensen/Schrader, S. 68.
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B. Inhalte des Unternehmenskaufvertrags
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Muster MAC 5 „Der Käufer kann das Closing verweigern, wenn zuvor eine Wesentliche Nachteilige Veränderung eingetreten ist. Unter einer „Wesentlichen Nachteiligen Veränderung“ sind Ereignisse, Tatsachen oder Umstände zu verstehen, die allein oder gemeinsam (i) durch ihre Auswirkungen auf Vermögensgegenstände, den Umsatz, den Ertrag, die Finanzlage, die Geschäftslage oder die finanziellen oder geschäftlichen Aussichten der Zielgesellschaft einen Gesamtschaden [im Sinne von §§ 249 ff. BGB] in Höhe von mehr als ... € zur Folge haben oder erwarten lassen, wobei für Zwecke der Berechnung des Gesamtschadens etwaige Ersatzoder Freistellungsansprüche der Zielgesellschaft gegen Dritte (einschließlich von Versicherern) außer Betracht bleiben, oder (ii) einen negativen Effekt auf das durchschnittliche Jahres-EBITDA der Zielgesellschaft für das bis zum ... endende Geschäftsjahr von mindestens ... € haben oder erwarten lassen, wobei die Berechnung in Übereinstimmung mit bis zum Abschluss dieses Vertrags von der Zielgesellschaft angewandten Bilanzierungsgrundsätzen, und -verfahren zu erfolgen hat. Eine Wesentliche Nachteilige Veränderung liegt unabhängig davon vor, ob die zugrunde liegenden Ereignisse, Tatsachen oder Umstände Ersatz- oder Freistellungsansprüche oder andere Rechte, Ansprüche oder Einwendungen des Käufers nach diesem Vertrag begründen. [Eine Wesentliche Nachteilige Veränderung liegt nicht vor, sofern die betreffenden Ereignisse, Tatsachen oder Umstände vergleichbar schwerwiegende Auswirkungen generell auf Gesellschaften mit gleicher oder ähnlicher Geschäftstätigkeit haben.]“
Breach-of-Warranty-Klauseln haben einen ähnlichen Zweck wie die MAC- 65 Klauseln. Sie ermöglichen es dem Käufer, den Vollzug des Kaufvertrags zu verweigern und zurückzutreten, wenn bereits zum Closing eines oder mehrere der Garantieversprechen des Verkäufers in wesentlicher Hinsicht verletzt wurden. Solche Breach-of-Warranty-Klauseln sind gegenüber den MAC-Klauseln deutlich spezifischer, da sie aufgrund der Anknüpfung an die vertraglichen Garantien konkreter auf das verkaufte Unternehmen bezogen sind. Weiter lässt sich durch die Festlegung eines konkreten Schadensbetrags die Schwelle der erforderlichen „Wesentlichkeit“ der Garantieverletzung besser bestimmen.
Muster Breach of Warranty 5 „Der Käufer kann das Closing verweigern, wenn zuvor eine oder mehrere der Garantien des Verkäufers gemäß § ... dergestalt verletzt sind, dass der Zielgesellschaft hieraus einen Gesamtschaden [im Sinne von §§ 249 ff. BGB] in Höhe von mehr als ... € entstehen würde, wobei für Zwecke der Berechnung des Gesamtschadens etwaige Ersatz- oder Freistellungsansprüche der Zielgesellschaft gegen Dritte (einschließlich von Versicherern) außer Betracht bleiben.“
Financing Out-Klauseln sollen es dem Finanzinvestor ermöglichen, sich vom Un- 66 ternehmenskaufvertrag zu lösen, wenn die erforderliche Fremdfinanzierung nicht zustande kommt. Angesichts des oben dargestellten „Certainty of Funds“-Konzepts
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Kapitel 14 Unternehmenskauf unter Beteiligung von Private Equity-Unternehmen
verwundert es nicht, dass solche Klauseln sich – zumindest im deutschen Markt – nicht durchsetzen konnten.50
b) Break Fees 67 Besteht der Erwerber auf Termination Rights, könnte der Veräußerer versucht sein,
sich im Gegenzug eine Abfindung („Break Fee“) für den Fall des Rücktritts versprechen zu lassen. Bei Financing Out-Klauseln erscheint dies auch durchaus als angemessener Ausgleich. Bei den MAC-Klauseln und insbesondere bei den Breach-ofWarranty-Klauseln ist dies hingegen zweifelhaft. Erfolgt der Rücktritt aufgrund einer wesentlichen Garantieverletzung, die den Verkäufer andernfalls zu erheblichen Schadensersatzzahlungen verpflichten würde, kann er kaum noch eine Abfindung beanspruchen. Gelegentlich werden Break Fees auch für den Fall vereinbart, dass die Transak68 tion aus fusionskontrollrechtlichen Gründen scheitert. Dies ist immer dann der Fall, wenn der Käufer akzeptiert, dass das Risiko einer kartellrechtlichen Untersagung der Transaktion in seine Sphäre fällt, jedenfalls aber von ihm getragen wird.
VI. Sonstige typische Regelungen 69 Neben den vorstehend dargestellten wesentlichen Regelungsbereichen des Unter-
nehmenskaufvertrags gibt es noch weitere typische Vertragsregelungen, die aufgrund der spezifischen Anforderungen von Finanzinvestoren Modifikationen erfahren. Insbesondere handelt es sich dabei um die typischen Klauseln zur Geheimhaltung51 sowie das generelle Abtretungsverbot, welche aufgrund der regelmäßigen Fremdfinanzierung der Unternehmensakquisition und der vorherrschenden Exitstrategie von Private Equity-Investoren eingeschränkt werden.
1. Einschränkungen der Vertraulichkeit 70 Die in jedem Unternehmenskaufvertrag enthaltenen Klauseln zur Geheimhaltung
bzw. Vertraulichkeit bezwecken einen strikten Schutz sowohl des Inhalts des Unternehmenskaufvertrags als solchem, als auch der im Zusammenhang mit der Transaktion ausgetauschten (vertraulichen) Informationen der beteiligten Parteien und verbundenen Unternehmen sowie insbesondere auch des Zielunternehmens selbst. Ausnahmen von der Geheimhaltungsverpflichtung gibt es regelmäßig nur, wenn und soweit die Offenlegung von vertraulichen Informationen gesetzlich oder
_____ 50 Anders wohl der US-amerikanische Markt, vgl. Eilers/Koffka/Mackensen/Schrader, S. 79. 51 Vgl. dazu bereits Kap. 10 Rn 241 ff.
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B. Inhalte des Unternehmenskaufvertrags
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aufsichtsbehördlich erforderlich ist oder gemäß den Regularien einer anerkannten Börse, bei der die Anteile einer der Parteien oder eines mit dieser Verbundenen Unternehmens notiert sind, gefordert wird. Wird der Kaufpreis (teilweise) durch Banken fremdfinanziert, haben auch diese 71 ein berechtigtes Interesse daran, sowohl über das Zielunternehmen als auch über die Inhalte des Kaufvertrags informiert zu sein. Gleiches gilt auch hinsichtlich der Investoren des Private Equity-Fonds. Verträge mit Finanzinvestoren auf Käuferseite müssen daher die Offenlegung der geschützten Information an die finanzierenden Banken und Investoren ermöglichen. Muster Einschränkung Vertraulichkeit 5 „Die Parteien verpflichten sich, den Inhalt dieses Vertrages sowie alle im Zusammenhang mit seiner Verhandlung und Durchführung über die jeweils andere Partei und mit ihr verbundene Unternehmen erlangten Informationen streng vertraulich zu behandeln. Von der vorstehenden Verpflichtung nicht umfasst sind Informationen, die öffentlich bekannt sind oder ohne eine Verletzung dieser Verpflichtung öffentlich bekannt werden oder deren Offenlegung durch Gesetz oder kapitalmarktbezogene Regularien vorgeschrieben ist. Der Käufer ist berechtigt, den mit ihm verbundenen Unternehmen sowie Dritten, insbesondere Banken, sonstigen Kreditgebern, seinen Investoren und professionellen Beratern sämtliche hiernach geschützten Informationen zugänglich zu machen, wenn dies zur Durchführung dieses Vertrags und der hierin vereinbarten Rechtsgeschäfte oder sonst zur Wahrnehmung seiner berechtigten Interessen notwendig ist.“
Bei einem Verkauf der Zielgesellschaft (Exit) kann der Finanzinvestor auch gehalten 72 sein, den Unternehmenskaufvertrag gegenüber dem neuen Kaufinteressenten offenzulegen. Zwingend ist dies dann, wenn er versucht, die mit dem ursprünglichen Verkäufer vereinbarten Garantien an einen Erwerber weiterzureichen.52 Soweit die Vertraulichkeitsklausel keine zeitliche Beschränkung ihrer Gültigkeit enthält, die eine spätere Offenlegung gegenüber Kaufinteressenten zulässt, wird der Private Equity-Investor daher darauf achten, die Geheimhaltungsverpflichtung im Kaufvertrag auch für diesen Fall einzuschränken. Um die grundsätzliche Geheimhaltungsverpflichtung nicht mehr als notwendig 73 einzuschränken, sollte der Verkäufer aber darauf drängen, dass die Banken, Investoren, Berater, Kaufinteressenten etc. nur auf einer sogenannten „Need-to-know“Basis und unter der Bedingung informiert werden dürfen, dass sie, soweit sie nicht ohnehin zur Berufsverschwiegenheit verpflichtet sind, sich auch zugunsten des Verkäufers einer Vertraulichkeitsverpflichtung unterwerfen.
_____ 52 Vgl. dazu oben Rn 38.
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Kapitel 14 Unternehmenskauf unter Beteiligung von Private Equity-Unternehmen
2. Einschränkungen des Abtretungsverbots 74 Üblicherweise sehen Unternehmenskaufverträge ein grundsätzliches Abtretungsver-
bot hinsichtlich der aus dem Vertrag resultierenden Rechte vor. Ausnahmen erfolgen in der Regel nur soweit die jeweils andere Vertragspartei der Abtretung (ausdrücklich und schriftlich) zustimmt, oder die Abtretung zugunsten von verbundenen Unternehmen der Vertragsparteien erfolgt.53 Bei der Beteiligung von Private Equity-Investoren sind die Ausnahmen vom Abtre75 tungsverbot meistens vielfältiger. So wird sich der Private Equity-Erwerber etwa vorbehalten, dass eine (partielle) Abtretung an mögliche Co-Investoren zulässig ist. Insbesondere aber wird ein Finanzinvestor darauf bestehen, Rechte aus dem Vertrag an die finanzierenden Banken abtreten zu können. Dies resultiert daraus, dass die Banken üblicherweise in den Finanzierungsverträgen darauf drängen, unter anderem auch die Gewährleistungsrechte des Erwerbers als Sicherheit abgetreten zu erhalten. 5 Muster Einschränkung Abtretungsverbot „Eine Abtretung von Rechten und Ansprüchen aus diesem Kaufvertrag ist nur mit vorheriger schriftlicher Zustimmung der jeweils anderen Partei wirksam, unbeschadet zwingender Bestimmungen des deutschen Rechts. Der Zustimmung des Verkäufers bedarf es nicht, soweit die Abtretung durch den Käufer allein zur Absicherung der finanzierenden Banken im Rahmen von Finanzierungsmaßnahmen zu dem Erwerbsvorhaben dient.“ 76 Auch im Hinblick auf den späteren, planmäßigen Exit wird der Finanzinvestor ein
Interesse daran haben, seine Gewährleistungsrechte an einen Dritten abtreten zu können, um seinerseits bei der Weiterveräußerung keine eigene Garantieverpflichtung eingehen zu müssen.54
C. Beteiligung des Managements C. Beteiligung des Managements I. Allgemeines, insbesondere Ziele der Managementbeteiligung 77 Unter dem Stichwort „Managementbeteiligung“ versteht die M&A-Praxis die Ge-
samtheit aller derjenigen Regelungen, die im Zusammenhang mit einem Unternehmenserwerb in Bezug auf die Art, den Erwerb, das Halten und die Beendigung einer (echten) Kapitalbeteiligung des Managements an der Zielgesellschaft getroffen werden.55 Mit ihr soll ein Gleichlauf der Interessen von Investor und Management erzielt bzw. eine Interessendivergenz vermieden werden.56
_____ 53 54 55 56
Rödder/Hötzel/Mueller-Thuns, S. 503. Zur Weitereichung von Garantien siehe bereits oben Rn 38. Jesch/Striegel/Boxberger/Hohaus, S. 207 f. mit Abgrenzung zu anderen Anreizmodellen. Eilers/Koffka/Mackensen/Mackensen, S. 415 f. Jesch/Striegel/Boxberger/Hohaus, S. 208 m.w.N.
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C. Beteiligung des Managements
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Die Managementbeteiligung, welche technisch nicht im Unternehmenskaufver- 78 trag, sondern in einer separaten (Gesellschafter-)Vereinbarung zwischen dem Finanzinvestor und dem Management umgesetzt wird, stellt ein ganz wesentliches Element bei Private Equity-Transaktionen dar. Wie bereits erwähnt, resultiert dies daraus, dass der Private Equity-Investor im Gegensatz zu einem strategischen Investor viel stärker auf die Übernahme und Bindung des bestehenden Managements angewiesen ist. Darüber hinaus lässt sich das zentrale Ziel eines jeden Finanzinvestors, die größtmögliche Steigerung des Unternehmenswerts, nur realisieren, wenn es gelingt, die (gegensätzlichen) Interessen von Investor und Management in Gleichklang zu bringen.57
1. Ziele des Private Equity-Investors Mit einer Managementbeteiligung verfolgt der Investor maßgeblich zwei Ziele: Zum 79 einem soll sie dem Management einen Anreiz geben, dem Unternehmen längerfristig, zumindest bis zur Weiterveräußerung zur Verfügung zu stehen. Zum anderen soll das Management sein Handeln darauf ausrichten, einen möglichst hohen Erlös beim späteren Exit zu erzielen. Dies gelingt dadurch, dass mit einer Kapitalbeteiligung ein eigenes wirtschaftli- 80 ches Interesse des Managements an der Wertsteigerung des Ziel- bzw. Portfoliounternehmens bis zum Exit begründet wird.58 Das Management erhält, genauso wie der Investor, die Möglichkeit am Exiterlös zu partizipieren. Allerdings auch nur dann, wenn es auch tatsächlich bis zum Exit aktiv an der Wertsteigerung mitarbeitet.
2. Ziele des Managements Das primäre Ziel des Managements liegt darin, ein möglichst hohes Einkommen bei 81 eher geringem Risiko zu erzielen. Da die laufenden Gehalts- und Bonuszahlungen, die an den Arbeitseinsatz des Managements anknüpfen, begrenzt sind, bietet sich die Beteiligung am Exiterlös geradezu als Anreizmodell an. Freilich wird das Management immer darauf bedacht sein, einen hohen Erlös bei möglichst geringem Kapitaleinsatz zu erzielen, und auch das Risiko hinsichtlich des Verlusts des eigensetzten Kapitals zu minimieren.59
_____ 57 Jesch/Striegel/Boxberger/Hohaus, S. 208. 58 Eilers/Koffka/Mackensen/Mackensen, S. 415 f. 59 Jesch/Striegel/Boxberger/Hohaus, S. 208.
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Kapitel 14 Unternehmenskauf unter Beteiligung von Private Equity-Unternehmen
II. Gestaltung der Managementbeteiligung 82 Zu den Kernelementen bei der Gestaltung der Managementbeteiligung zählen
– – –
das Investment des Managements, also die Ausgestaltung der eigentlichen Beteiligung am Kapital, die Regelungen für den Fall des Ausscheidens vor Exit, sogenanntes „Leaver Scheme“, und die Teilhabe des Managements am Exiterlös.
1. Investment des Managements 83 Das Investment des Managements erfolgt meist durch einen Erwerb von Anteilen
an dem Erwerbsvehikel des Private Equity-Investors oder die Übernahme von Anteilen im Rahmen einer Kapitalerhöhung. Der Umfang der gesamten Beteiligung des Managements liegt dabei in einer Bandbreite von 5 bis 20%60 des rechtlichen Eigenkapitals. Höhere Quoten, insbesondere über 25%, wird es schon deshalb kaum geben, weil damit das Management eine Sperrminorität erhalten würde, die seitens des Finanzinvestors nicht gewünscht ist. Damit liegt die wirtschaftliche Beteiligung des Managements unter Berücksichtigung von Zahlungen in die Kapitalrücklage und Gesellschafterdarlehen regelmäßig in einer Größenordnung von lediglich ca. 1 bis 5%.61 Der Preis, den das Management für den Erwerb seiner Beteiligung zu zahlen 84 hat, entspricht dabei regelmäßig dem Marktpreis. Dieser resultiert aus dem Betrag (Kaufpreis plus Transaktionskosten), den auch der Finanzinvestor für den Erwerb des Zielunternehmens aufwenden muss. Erfolgt die Beteiligung auf Ebene des Erwerbsvehikels, ist der für das Zielunternehmen aufgewendete Kaufpreis auf den Wert der übernommenen Beteiligung herunter zu brechen, indem die eingesetzten Fremdmittel abgezogen werden.62 Der Einstieg zum Marktpreis ist auch von steuerlicher Bedeutung. Im Gegensatz zu einem verbilligten Einstieg unter Marktpreis („Sweet Equity“)63 besteht hierbei kein geldwerter Vorteil, der unmittelbar als Teil der Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit zum persönlichen Steuersatz zu versteuern wäre, obwohl zu diesem Zeitpunkt (noch) keine Liquiditätszuflüsse bestehen. Die Finanzierung der Beteiligung erfolgt über Eigen- und/oder Fremdmittel. 85 Teils wird dabei gefordert, dass der Eigenmitteleinsatz des Managements bei 20 bis
_____ 60 Jesch/Striegel/Boxberger/Hohaus, S. 210; vgl. auch die Nachweise bei Eilers/Koffka/Mackensen/ Mackensen, S. 420, der selbst von einem Umfang von 5 bis 15% ausgeht. 61 Hierzu Eilers/Koffka/Mackensen/Mackensen, S. 420. 62 Eilers/Koffka/Mackensen/Mackensen, S. 425. 63 Siehe hierzu Eilers/Koffka/Mackensen/Mackensen, S. 426.
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C. Beteiligung des Managements
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25% liegen soll, damit die gewünschte Selbstbetroffenheit und Mitverantwortung erzielt werde.64 Die Fremdfinanzierung erfolgt meistens wiederum über den Investor und nur selten über Bankkredite. Je nach Ausgestaltung unterscheidet man bei den Krediten des Finanzinvestors sogenannte Full- bzw. Non-Recourse-Darlehen. Während es sich bei ersteren um eine bloße Brückenfinanzierung handelt, mit der Liquiditätslücken beim Management geschlossen werden, sind bei Non-RecourseDarlehen der Darlehensbetrag und Zinsen erst mit Exit und dann auch nur in dem Umfang zurückzuzahlen, wie auch Erlöse aus der Anteilsveräußerung erzielt werden.65 Reicht der Exiterlös nicht zur vollständigen Ablösung des Darlehens aus, verzichtet der Investor auf den Differenzbetrag. Daneben gibt es auch LimitedRecourse-Darlehen, bei denen ein Kredit im Fall eines unzureichenden Exiterlöses nur teilweise zurückbezahlt werden muss.66
2. Bindung des Managements, Leaver Scheme, Wettbewerbsverbot Die Bindung des Managements über die gewährte Beteiligung gelingt nur dann, 86 wenn sie an die fortbestehende Tätigkeit des Managements für das Unternehmen gekoppelt ist. Aus diesem Grund besteht für den Fall des Ausscheidens, d.h. der Beendigung des Dienstverhältnisses und/oder der Organstellung des einzelnen Managers, regelmäßig ein Recht des Finanzinvestors auf Rückübertragung der Beteiligung (Kaufoption bzw. „Call Option“).67 Die Vertragsbedingungen, die diese Kaufoption und ihre weiteren Bedingungen in Abhängigkeit von dem Grund des Ausscheidens regeln, werden einheitlich als „Leaver Scheme“ bezeichnet. Typischerweise wird zwischen sogenannten Good Leaver bzw. Bad Leaver 87 Fällen unterschieden, also danach, ob der betroffene Manager unverschuldet („im Guten“) oder aufgrund eines eigenen (Fehl-)Verhaltens („im Bösen“) ausscheidet.68 Beispiel 5 Typische Good Leaver Fälle sind insbesondere: – Tod des Managers, dauernde unverschuldete Berufs-/Erwerbsunfähigkeit oder Erreichen des Renteneintrittsalters; – Außerordentliche Kündigung des Anstellungsvertrages durch den Manager aus wichtigem Grund;
_____ 64 Jesch/Striegel/Boxberger/Hohaus, S. 217 m.w.N. 65 Jesch/Striegel/Boxberger/Hohaus, S. 218; zu den steuerlichen Folgen vgl. Eilers/Koffka/Mackensen/Mackensen, S. 423 f. 66 Jesch/Striegel/Boxberger/Hohaus, S. 218. 67 Vgl. hierzu auch Drinkuth, NJW 2006, 410, 413; Hohaus/Weber 2007, BB 2007, 2582 ff. 68 Hölters/Weinheimer, S. 1283 f.; Eilers/Koffka/Mackensen/Mackensen, S. 435 ff.; Jesch/Striegel/ Boxberger/Hohaus, S. 220 ff.
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Ordentliche Kündigung oder Nichtverlängerung des Anstellungsvertrages durch die Gesellschaft, es sei denn, der Anstellungsvertrag hätte durch die Gesellschaft auch aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden können; oder Aufhebungsvereinbarung zwischen dem Manager und der Gesellschaft, wenn der Investor und der Manager sich darin dahingehend verständigen, dass ein Good Leaver Fall vorliegen soll.
Typische Bad Leaver Fälle sind insbesondere: – Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Managers; – Beendigung oder Nichtverlängerung des Anstellungsvertrages, soweit dies nicht auf einem Good Leaver Fall beruht; – Schwerwiegende Verletzungen des jeweiligen Anstellungsvertrages durch den Manager; oder – Verurteilung des Managers oder Erlass eines Strafbefehls gegen ihn wegen eines schwerwiegenden Vermögensdelikts. 88 Diese Unterscheidung kommt bei der Bestimmung des Kaufpreises, der bei Aus-
übung der Kaufoption durch den Investor zu zahlen ist, zum Tragen. Während beim Good Leaver in der Regel der Verkehrs- bzw. Marktwert der Beteiligung ausgeglichen wird, erfolgen beim Bad Leaver Abschläge und damit eine Sanktionierung seines Ausscheidens. 5 Beispiel Typischerweise erhält der Bad Leaver nur den Wert seiner Anschaffungs- bzw. Einstiegskosten beim Beteiligungserwerb, oder, falls dieser niedriger ausfallen sollte, den Verkehrs- bzw. Marktwert seiner Beteiligung. Der Good Leaver erhält hingegen den höheren Wert von Anschaffungs- bzw. Einstiegskosten oder Verkehrs- bzw. Marktwert.69 89 Zusätzliche Unterscheidungen bei der Kaufpreisbestimmung kann es auch über das
sogenannte „Vesting“ geben.70 Danach wird die Höhe des Kaufpreises von weiteren Kriterien, insbesondere vom Zeitraum des Bestehens der Managementbeteiligung („Time Vesting“)71 abhängig gemacht. Auch hinsichtlich der Ermittlung des Verkehrs- bzw. Marktwerts ergeben sich 90 Besonderheiten. Die in Gesellschaftsverträgen für das Ausscheiden von Anteilsinhabern üblicherweise herangezogene IDW-S 1 Bewertung wird von Finanzinvestoren ungern akzeptiert, da sie aufwändig und kostspielig ist. Stattdessen greifen sie gerne auf brancheneigene Bewertungsrichtlinien (z.B. IPEV Valuation Guidelines) zurück.
_____ 69 Vgl. zu den unterschiedlichen Gestaltungsvarianten Jesch/Striegel/Boxberger/Hohaus, S. 224. 70 Zur Bedeutung des Vestings Jesch/Striegel/Boxberger/Hohaus, S. 219. 71 Zur Unterscheidung von Time u. Performance Vesting Eilers/Koffka/Mackensen/Mackensen, S. 438.
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Eine weitere Bindungswirkung wird auch über die typischen, nachvertrag- 91 lich wirkenden Wettbewerbsverbote72 für das Management erreicht. Diese verbieten es einem ausscheidenden Manager für einen gewissen Zeitraum – in der Regel zwei Jahre – eine Tätigkeit auszuüben, mit der er in irgendeiner Form in Konkurrenz zu dem Portfoliounternehmen treten würde. Je nach Branchenfokussierung des jeweiligen Managers kann so ein Wettbewerbsverbot im Einzelfall auch einem Berufsverbot gleichkommen. Dies wiegt dann besonders schwer, wenn das Verbot nicht mit einer Karenzentschädigung verknüpft ist. Weiter werden solche Wettbewerbsverbote gerade in Private Equity-Transaktionen häufig durch hohe, teils unangemessene Vertragsstrafen für das Management abgesichert. Hierdurch wird eine besondere Abschreckungswirkung erzielt. Die Wirksamkeit solcher weitreichenden Wettbewerbsverbote steht zwar immer wieder in Frage. Das Risiko, möglicherweise gegen das Wettbewerbsverbot zu verstoßen und gegebenenfalls eine empfindliche Vertragsstrafe zu verwirken, trägt aber allein der ausscheidende Manager.
3. Teilhabe des Managements am Exiterlös Der Exit bei einem Private Equity-Investment kann auf unterschiedliche Art durch- 92 geführt werden. Der wohl häufigste Fall es Exits ist der sogenannte „Trade Sale“, d.h. der Verkauf der Anteile an der Portfoliogesellschaft im Wege eines individuell verhandelten Kaufvertrags an einen Dritten, in der Regel einen strategischen Investor.73 Daneben kommen aber auch ein Börsengang („Listing“) oder die Liquidation der Gesellschaft in Betracht. Letztlich ist es der vertraglichen Vereinbarung zwischen Finanzinvestor und Management überlassen, die möglichen Exitszenarien festzulegen. Muster Definition Exit 5 „Als „Exit“ im Sinne dieses Vertrages gelten jeweils in einem oder mehreren Schritten a) der Verkauf sämtlicher Vermögensgegenstände der Gesellschaft im Rahmen eines Trade Sale gemäß Ziffer ...; b) die Durchführung eines Listings gemäß Ziffer ...; oder c) die Auflösung oder Liquidation der Gesellschaft.“
Für die Verteilung des Exiterlöses, also die Auskehrung des bei Veräußerung des 93 Portfoliounternehmens erzielten Erlöses, an den Investor und das Management werden ebenfalls detaillierte vertragliche Regelungen getroffen. Dabei erfolgt die Erlösverteilung – nach der vorrangigen Rückführung der Akquisitionsfinanzierung an die Banken und dem Ausgleich der Kosten des Exits – regelmäßig im Verhältnis
_____ 72 Zu Wettbewerbsverboten in Beteiligungsverträgen vgl. Jesch/Striegel/Boxberger/Inhester, S. 249 f. 73 Jesch/Striegel/Boxberger/von Beauvais/Hellich, S. 364.
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der bestehenden (wirtschaftlichen) Beteiligung des Investors und des Managements.74 Zum Teil gibt es jedoch auch eine von den vorstehenden Quoten abweichende Erlösverteilung auf Basis sogenannter „Ratchets“.75 Dabei gewährt der Private Equity-Investor dem Management bei Erreichen bestimmter Renditeschwellen zusätzliche Anteile (positives Ratchet). Zur Vereinfachung des Exitprozesses muss die Anteilsgewährung dabei nicht tatsächlich durchgeführt werden. Vielmehr kann sie auch durch eine disproportionale Erlösverteilung Berücksichtigung finden. Bei der anzusetzenden Zielgröße wird zumeist auf eine vom Finanzinvestor zu erzielende Mindestrendite (Internal Rate of Return – IRR) von 20 bis 30% sowie ein Mindestkapitalmultiple von 2,5 bis 3,5 abgestellt. Daneben wird für die Erlösverteilung auch eine Reihenfolge festgelegt, in der 94 die Beteiligten ihren Anteil erhalten (sogenannter „Waterfall“). Dieser Waterfall ist dann von besonderer Bedeutung, wenn der Exiterlös nicht ausreicht, um allen Beteiligten den vollen, ihrer Beteiligung entsprechenden prozentualen Anteil auszuzahlen. 5 Muster Waterfall „Die beim Exit jeweils erzielten Exiterlöse werden wie folgt und in der folgenden Reihenfolge verwendet bzw. unter den Parteien dieses Vertrages verteilt („Waterfall“) a) Erstens, zur Rückführung von Darlehensverbindlichkeiten, die der Gesellschaft von finanzierenden Banken zur Verfügung gestellt wurden, oder von Tranche A unter dem ... Darlehensvertrag, einschließlich aufgelaufener Zinsen, soweit diese Verbindlichkeiten nicht vom Erwerber bei dem Exit übernommen wurden; b) Zweitens, zum Ausgleich sämtlicher Kosten, Gebühren und anderen Ausgaben der Gesellschaft im Zusammenhang mit dem Exit; c) Drittens, zur Rückführung von Tranche B unter dem ... Darlehensvertrag nebst aufgelaufener Zinsen; d) Viertens, zur Rückführung bestehender Gesellschafterdarlehen der Managementgesellschafter nebst aufgelaufener Zinsen; e) Fünftens, zum Ausgleich der von den Parteien jeweils erbrachten Zahlungen Kapitalrücklage, wobei hierfür zur Verfügung stehende Nettoexiterlöse vorrangig zur vollständigen Rückführung der Zahlungen Kapitalrücklage des Investors zu verwenden sind; f) Sechstens, zum Ausgleich der von den Parteien jeweils erbrachten Zahlungen Stammeinlage, wobei hierfür zur Verfügung stehende Nettoexiterlöse vorrangig zur vollständigen Rückführung der Zahlungen Stammeinlage des Investors zu verwenden sind; g) Siebtens, an sämtliche Parteien unter Anwendung der für die jeweilige Partei geltenden Wirtschaftlichen Beteiligung sowie Zahlungen auf Finanzierungsbeiträge gemäß folgender Formel: Betrag X = (Nettoexiterlös × Wirtschaftliche Beteiligung) ./. Zahlungen auf Finanzierungsbeiträge
_____ 74 Zur abweichenden Erlösverteilung aufgrund sogenannter „Liquidationspräferenzen“ vgl. Hölters/Weinheimer, S. 1286. 75 Hierzu ausführlich Eilers/Koffka/Mackensen/Mackensen, S. 442 ff.
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C. Beteiligung des Managements
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Für Zwecke dieses Vertrages bedeuten: „Exiterlös“ sämtliche von der Gesellschaft oder den Parteien im Zusammenhang mit einem Exit realisierten Erlöse, einschließlich Zahlungen auf bestehende Finanzierungsbeiträge, Gesellschafterdarlehen, Veräußerungserlöse, Dividenden etc.; „Nettoexiterlös“ den nach Rückführung bzw. Ausgleich der in vorstehender lit. a) und b) genannten Beträge verbleibende Exiterlös; „Zahlungen auf Finanzierungsbeiträge“ sämtliche Zahlungen welche die jeweilige Partei auf ihre Finanzierungsbeiträge gemäß vorstehender lit. c) bis f) bereits erhalten hat.“
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Kapitel 14 Unternehmenskauf unter Beteiligung von Private Equity-Unternehmen
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A. Einleitung
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Kapitel 15 Venture Capital Kapitel 15 Venture Capital Rodehau
A. Einleitung A. Einleitung https://doi.org/10.1515/9783110673043-015 Venture Capital („VC“) Finanzierungen sind Investments, die unter Verlustrisiko 1 zur Finanzierung eines jungen Unternehmens eingesetzt werden.1 Im Deutschen spricht man, wenn auch die VC-Szene sehr viel und gern mit Anglizismen arbeitet, von Wagniskapital oder Risikokapital. VC-Investments sind nahezu immer Eigenkapital-(Equity-)Investments in eine Kapitalgesellschaft, ganz überwiegend in eine GmbH, seltener in eine Aktiengesellschaft. Venture Capital ist eine Untergruppe der Private Equity Transaktionen.2 2 Im Folgenden werden die Grundzüge eines VC-Investments beschrieben, in Teil D 3 dann die Besonderheiten eines Unternehmenskaufs einer VC-finanzierten Gesellschaft.
I. Typische Ausgangssituation Die Ausgangsituation eines VC-Investments hängt zunächst von der Finanzierungs- 4 phase ab, in der sich die zu finanzierende Zielgesellschaft, man spricht hierbei vom Target, befindet. Im VC-Bereich werden verschiedene Finanzierungsphasen unterschieden. Ent- 5 sprechend bekommen die einzelnen Finanzierungen spezifische Bezeichnungen, die aufgrund der Tatsache, dass ein VC-Target erwartungsgemäß mehrere und wiederholt Finanzierungen benötigt, Finanzierungsrunden genannt werden. Eine sehr frühe Finanzierungsrunde eines Start-ups wird als pre-Seed Runde 6 bezeichnet. Sie erfolgt meist kurz nach der Gründung des Unternehmens. Darauf folgt dann gegebenenfalls eine Seed-Runde. Die folgenden Finanzierungsrunden werden mit Buchstaben bezeichnet. Die erste ist die A-Runde, gefolgt von B-Runde usw. D- und E-Runden sind eher selten und überwiegend in sehr kapitalintensiven Bereichen (BioTech oder auch Retail) zu finden. Teilweise wird auch, eher aus Marketingründen, von diesen Bezeichnungen abgewichen. So wird alternativ oft von Growth- oder Expansion-Finanzierungsrunden gesprochen.
_____ 1 https://www.gruenderszene.de/lexikon/begriffe/venture-capital-vc?interstitial. 2 Zur Abgrenzung vgl. Weitnauer, Rn 2.
Rodehau https://doi.org/10.1515/9783110673043-015
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Kapitel 15 Venture Capital
1. Beteiligte 7 Die Beteiligten an einem VC-Investment können grundsätzlich in drei Gruppen ein8
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geteilt werden: Gründer, Investoren und Target. Die Gründer sind die Personen, die tatsächlich das Start-up selbst gründen und in diesem als Geschäftsführer oder Mitarbeiter tätig sind. Die von den Gründern gegründete Gesellschaft ist das Target. Das Target hat den Finanzierungsbedarf, den die Gründer nicht aus eigenen Mitteln erfüllen können. Das Geschäftsmodell des Investors ist die Beteiligung am Eigenkapital des Targets. Es ist dem Modell immanent, dass das Investment ein sehr hohes Ausfallrisiko hat. Dieses Risiko muss auf der anderen Seite durch die Möglichkeit einer sehr hohen Rendite ausgeglichen werden. Daher muss zwingend zu der oben genannten Definition als weiteres Wesensmerkmal hinzugefügt werden, dass es sich um die Finanzierung eines jungen Unternehmens mit sehr hohem Wertsteigerungspotential handelt. Der Investor muss mit dem vollständigen Ausfall einiger Investments rechnen. Für eine erfolgreiche Gesamtstrategie müssen andere seiner Investments daher einen extrem hohen Wertzuwachs realisieren.3 Nur so kann ein Investor insgesamt, über einen oder mehrere Fonds gerechnet, zu Renditen der eingesetzten Mittel gelangen, die dem Risiko angemessen sind. Investoren treten in unterschiedlichen Ausprägungen auf. Das Idealbild ist der typische Venture-Capital Investor oder Finanzinvestor, dessen Geschäftsmodell es ist, durch die Beteiligungen an Start-ups und (denknotwendig) den Verkauf dieser Beteiligungen, Gewinne zu erwirtschaften. Der VC-Investor beteiligt sich allein mit dem Ziel eines Ausstiegs (Exit) zu einem späteren Zeitpunkt. Der strategische Investor ist meist eine selbstständige oder auch nicht-selbstständige Einheit eines am Markt tätigen Unternehmens. Während früher in Deutschland hauptsächlich große Konzerne als strategische VC-Investoren (Siemens, Allianz) tätig waren, so sind seit einigen Jahren auch vermehrt große Mittelständler in diesem Bereich tätig. Die Zielrichtung kann hier unterschiedlich sein: es kann um die Erzielung von Veräußerungsgewinnen gehen, aber auch um die spätere Eingliederung in den Konzern durch Kompletterwerb oder auch um den Zugriff auf innovative Technologien und die Erschließung neuer Märkte. Neben diesen beiden Gruppen gibt es weitere Investorentypen, wie Business Angels,4 dezidierte Seed- (also Frühphaseninvestoren), ausschließliche GrowthInvestoren, Venture Debt-Geber etc. Nicht zu hoch einzuschätzen ist die Rolle der staatlichen Risiko-Kapitalgeber und sonstiger Förderinstitute, wie HTGF, BayernKapital, KfW, um nur einige zu nennen. Deren Motivation und Aufgabe ist vielschichtig, man wird aber sagen
_____ 3 Möllmann, BWNotZ 2013, 74, 79. 4 Zur Definition eines Business Angels siehe https://www.bbva.com/en/what-is-business-angel/.
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A. Einleitung
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können, dass auch sie zu marktwirtschaftlichen Bedingungen investieren, auch wenn die Erwirtschaftung einer Rendite nicht ausschließliches Ziel ihres Handelns ist.5
2. Interessenlage Hier ist die Ausgangposition recht leicht zu beschreiben. Alle sind daran interes- 15 siert, den Wert des Targets möglichst weit zu erhöhen, im besten Fall auch möglichst schnell. Jeder Gesellschafter hat zudem das Interesse, eine möglichst große Beteiligung am Target zu halten. Neben diesen grundsätzlichen Aussagen gibt es noch für die einzelnen Gruppen 16 folgende Besonderheiten: Interessen des Investors: 17 – Interesse an einem möglichst günstigen Einstieg, also möglichst viele Anteile für ein festgelegtes Investment – Interesse an der Möglichkeit eines Ausstiegs aus der Gesellschaft (Exit), im Regelfall durch einen Gesamtverkauf – Interesse an weitgehenden Kontrollrechten, die ihn in der Position eines Minderheitsgesellschafters absichern – Interesse an unternehmerischen Mitspracherechten bei wesentlichen Entscheidungen – Interesse an einer Tätigkeit der Gründer in der Gesellschaft Interessen der Gründer: 18 – Interesse an einem möglichst teurem Einstieg des Investors, also Ausgabe möglichst weniger Anteile für ein festgelegtes Investment des Investors – Interesse an einer möglichst weitgehenden Finanzierung der Gesellschaft – meist auch Interesse an einem Exit; im Einzelfall wollen Gründer aber auch langfristig beteiligt und tätig sein, anstatt zu verkaufen – Interesse an möglichst wenig Mitspracherechten und Kontrolle der Investoren
3. Gesteigerte Komplexität von Runde zu Runde Während die Situation in einer ersten Finanzierungsrunde sehr überschaubar ist, 19 auf der einen Seite die Gründer, auf der anderen der Investor, wird es mit weiteren Finanzierungsrunden zunehmend komplexer. In einer B-Finanzierungsrunde gibt es im bestehenden Gesellschafterkreis neben den Gründern oft schon Business Angels, Seed-Investoren sowie einen oder mehrere A-Runden-Investoren. Diese ganzen
_____ 5 Vgl. auch zu staatlichen Venture Capital-Investoren Weitnauer, Rn 22 f.
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Kapitel 15 Venture Capital
Gruppen haben unterschiedliche Interessen. Aufgrund des unterschiedlichen Einstiegszeitpunkts haben diese Gesellschafter unterschiedliche Preise für ihre Anteile gezahlt, manche Fonds sind aufgrund ihrer Fondslaufzeit an einem baldigen Exit interessiert, andere bevorzugen hiermit zu warten und später und dann teurer zu verkaufen. Einzelne Gründer mögen inzwischen schon gar nicht mehr für die Gesellschaft 20 tätig, sondern nur noch Gesellschafter sein. Zudem gibt es zu diesem Zeitpunkt oft Mitarbeiter und Geschäftsführer, die nicht Gründer, aber dennoch für das Target wichtig sind. Um mit ihnen einen Gleichlauf ihrer Interessen zu erreichen, sollen sie zumindest wirtschaftlich eine Beteiligung an der Gesellschaft erhalten, sodass ein Mitarbeiterbeteiligungsprogramm erforderlich wird.6
II. Abgrenzung zum Unternehmenskauf (M&A) 21 Eine VC-Transaktion unterscheidet sich in vielfältiger Weise von einem Unterneh-
menskauf.
1. Gegner oder „Ehepartner“ 22 Während bei einer M&A-Transaktion die Rolle der Beteiligten klar festgelegt und von gegenläufigen Interessen geprägt ist, ist es bei einer VC-Transaktion anders. In der M&A-Transaktion hat der Verkäufer ein reines Interesse an einem hohen 23 Kaufpreis und möglichst geringer Haftung, und der Käufer umgekehrt ein Interesse an einem möglichst niedrigen Kaufpreis und möglichst umfassender Haftung der Verkäufer (zudem gibt es auch gelegentlich Nebeninteressen, beispielsweise ein Wunsch des Verkäufers eines Familienunternehmens am Erhalt des Unternehmens und der Arbeitsplätze). Bei der VC-Transaktion gehen Bestandsinvestoren (je nach Phase nur die Grün24 der oder auch Gründer und Altinvestoren) und neue Investoren quasi eine „Ehe auf Zeit“ ein. Alle Seiten binden sich in einer Gesellschaft für eine bestimmte Zeit im Hinblick auf ein gemeinsames Ziel. Dass die Dauer dieser „Ehe“ nicht feststeht und auch oft wohl länger anhält als es sich die Beteiligten wünschen, macht es aber in vielen Fällen nicht einfacher. Gleichwohl herrscht aufgrund dieses Gleichlaufs der Interessen meist eine freundlichere Atmosphäre bei den Verhandlungen und Gesprächen als gelegentlich bei M&A-Transaktionen.
_____ 6 Zur Behandlung bei einem Unternehmensverkauf siehe Rn 154 ff.
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A. Einleitung
2. Bedeutung der Garantien Die Gründer und die Gesellschaft geben gegenüber den einsteigenden Investoren in 25 (nahezu) jedem Fall mehr oder weniger umfassende Garantien im Beteiligungsvertrag ab.7 Rechtsfolge bei Garantieverletzungen ist eine persönliche Haftung der Gründer gegenüber dem Investor. Im Vergleich zur M&A-Transaktion hat nun hier der Garantieempfänger ein ge- 26 ringes Interesse daran, Garantieansprüche geltend zu machen, da diese (i) nicht zu einer Verringerung des Kaufpreises für ihn führen und (ii) meist die Garantiegeber ohnehin nur über eingeschränkte Mittel zur Erfüllung der Ansprüche verfügen. Darüber hinaus investiert der Investor gerade in die Gründer8 und kann nicht daran interessiert sein, Mittel zurückzuerhalten, dafür aber die Gründer zu frustrieren. Bei der M&A-Transaktion dürfte dem Käufer die Zufriedenheit des Verkäufers eher gleichgültig sein.
3. Struktur Während bei der M&A-Transaktion der Käufer nahezu ausschließlich eine gesam- 27 te Gesellschaft kauft, erwirbt der VC-Investor immer nur neue Anteile am Target, die zu den bestehenden hinzukommen; im Ergebnis immer eine Minderheitsposition.
4. Zahlenwerk Sowohl M&A als auch VC sind sicherlich keine Bereiche für jemanden, der sich 28 nicht mit Zahlen beschäftigen will (oder kann). Weniger relevant bei VC-Investments sind zwar Closing Accounts und Net Debt und Working Capital Adjustments. Vielleicht noch mehr als beim Unternehmenskauf erfordert eine VC-Transaktion aber die intensive Beschäftigung mit einem komplexen Zahlenwerk und den dahinterstehenden bzw. daraus resultierenden wirtschaftlichen Hintergründen. Beides zusammen wird dann beim Verkauf eines VC-finanzierten Unternehmens relevant.9 Der Captable, das Dokument, das die Beteiligungsstruktur des Targets histo- 29 risch und aktuell wiedergibt, von der Gründung bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt, kann ein recht komplexes Dokument werden. Er enthält nicht nur die reine Beteiligungshöhe und -quote, sondern im besten Falle auch alle erfolgten Zahlungen an die Gesellschaft sowie die jeweiligen einer Finanzierungsrunde zugrunde liegenden Preis pro Anteil und Unternehmensbewertungen. Ein guter Captable ist unerläss-
_____ 7 Zu Details sowie Umfang und Bedeutung dieser Garantien vgl. Bank/Möllmann, Rn 101 ff. 8 Hier gilt die häufig gehörte Aussage von Investoren „We invest in people, not in companies“. 9 Siehe unten Rn 136 ff.
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lich, um Auswirkungen von Entscheidungen über die Anpassung von Bewertungen, das Erreichen von Meilensteinen usw. beurteilen zu können. Im besten Fall bildet der Captable auch ab, wie bei angenommenen Szenarien 30 Veräußerungserlöse zu verteilen sind. Diese Verteilung entspricht nicht immer, tatsächlich eher sehr selten, den Beteiligungsquoten.10
B. VC-Investment – Einstieg des Investors B. VC-Investment – Einstieg des Investors I. Rechtliche Grundlagen 31 Der hinzukommende Investor erhält immer neue Geschäftsanteile oder Aktien an
der Target-Gesellschaft, die im Wege einer Kapitalerhöhung geschaffen werden. Er erwirbt somit nie bestehende Anteile von anderen Gesellschaftern, da ansonsten die Gegenleistung für diese Anteile, der Kaufpreis, nicht an das Target fließen würde, sondern an den Verkäufer. Damit wäre der Hauptzweck, nämlich die Finanzierung der Zielgesellschaft, nicht erfüllt. Wegen des Erwerbs neuer Geschäftsanteile und der Zahlung des Gegenwerts 32 hierfür an das Target bieten hier die kaufvertraglichen Regelungen des BGB keine angemessene Grundlage. Die Parteien wollen keine Wandlung durch Rückgabe der Anteile oder Minderung des Kaufpreises bei Sach- oder Rechtsmängeln. Daher werden die kaufvertraglichen Regelungen weitgehend ausgeschlossen und durch andere vertragliche Regelungen, wie beispielsweise selbständige Garantieversprechen, ersetzt.11 Hinsichtlich der Garantien ist die Systematik mit der bei M&ATransaktionen vergleichbar.12
II. Ablauf des Prozesses 33 Grundsätzlich ähnelt der Ablauf des Prozesses beim VC-Investment dem Prozess bei
einer M&A-Transaktion. Es beginnt damit, dass die Parteien sich zunächst überhaupt finden müssen. Dann ist eine grundsätzliche Einigung über die wesentlichen Vertragsbestandteile zu erzielen und ein Termsheet oder ein Letter of Intent abzuschließen.
_____ 10 Zur sogenannten Liquidation Preference im Detail siehe unten Rn 110 ff. Hinzu kommen noch die Auswirkungen von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen („ESOP“), die unmittelbaren Einfluss auf die zu verteilenden Mittel und/oder ihre Verteilung haben. Es wird hierbei von „shareholding non-diluted“, also ohne Auswirkungen von ESOPs, bzw. „shareholding fully-diluted“, mit Auswirkungen von ESOPs, gesprochen. 11 Liebs, Rn 109 ff. zur vergleichbaren Situation bei M&A-Transaktionen. 12 Siehe auch zu Garantien bei M&A-Transaktionen ausführlich Kap. 10 Rn 102 ff.
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B. VC-Investment – Einstieg des Investors
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Beim Termsheet beginnen die Unterschiede. Der inhaltliche Teil eines M&A- 34 Termsheets befasst sich überwiegend mit der Ermittlung des Kaufpreises, was hier das zentrale Element ist. Hingegen ist dieser Teil im VC-Termsheet eher kurz. Hier lautet eine Formulierung oft nur: „Der Investor investiert im Rahmen der hier geplanten Finanzierungsrunde einen Betrag in Höhe von 1.500.000 € auf einer pre-money-Bewertung der Gesellschaft von 8.500.000 €.“
Dagegen sind die weiteren Regelungen im VC-Termsheet bedeutend umfangreicher und komplexer als beim Unternehmenskauf, da hier neben dem reinen Teil des Anteilserwerbs und der Garantien umfangreiche Rechte und Pflichten der (zukünftigen) Gesellschafter des Targets für die Zukunft geregelt und abgestimmt werden müssen. Ein weiterer Unterschied im Prozess ist die weniger verbreitete Einbindung von Finanzierungsberatern. Solche Berater sieht man bei VC-Transaktionen nur in Ausnahmefällen, weiter verbreitet sind sie lediglich bei größeren (späteren) Finanzierungsrunden mit einem Volumen von mehr als 15.000.000 €. Die Tatsache, dass ein Start-up auf Kapitalsuche ist, wird nicht als Geheimnis gehütet, sondern im Gegenteil, da ja ganz normaler Teil dieser Unternehmensart und -kultur, sehr offen gespielt. Oft wird das auch in den Spezialmedien bewusst gestreut, um möglichst viel Interesse von Investoren anzuziehen. Auf der anderen Seite informieren die involvierten M&A-Berater oder Investmentbanken bei einer M&A-Transaktion nur einen begrenzten Empfängerkreis darüber, dass ein Unternehmen zum Verkauf steht. Auktionsprozesse finden im Venture Capital-Bereich nicht statt. Zwar gibt es, wenn das Target attraktiv genug ist, parallele Verhandlungsstränge, aber auch eher selten. Für einen stark strukturieren Prozess scheint es keinen Bedarf zu geben. Vermutlich widerspräche das auch dem Selbstverständnis der Branche.
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III. Bestandteile des Beteiligungsvertragswerks Eine Beteiligungsdokumentation eines VC-Investments besteht zunächst einmal 39 aus den folgenden Hauptdokumenten: – Investment Agreement oder Beteiligungsvertrag – Shareholders’ Agreement oder Gesellschaftervereinbarung13 – Gesellschaftsvertrag/Satzung
_____ 13 Bei der AG entsprechend Aktionärsvereinbarung genannt.
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40 In den meisten Fällen kommen folgende Dokumente hinzu, die jedoch auch, ab-
hängig von der Finanzierungsphase, inhaltlich in die obigen Dokumente integriert werden können: – Geschäftsordnung für die Geschäftsführung – Geschäftsordnung für Beirat/Aufsichtsrat – Geschäftsführer-Dienstverträge 41 Ergänzend und komplettiert wird das um Unterlagen und Verträge, die nur im Ein-
zelfall erforderlich sind, wie z.B. IP-Transfer Agreements, sowie die Dokumente zur Umsetzung des vertraglich in den genannten Dokumenten Vereinbarten, wie Kapitalerhöhungsbeschlüsse etc. Die drei Hauptdokumente, von denen Investment Agreement und Sharehol42 ders’ Agreement als die mit den wesentlichen Regelungen im folgenden Kapitel genauer besprochen werden, unterscheiden sich wie folgt: Das Investment Agreement enthält nur die Regelungen, die unmittelbar mit 43 dem Investment zu tun haben, also insbesondere: – Wie erfolgt die Schaffung und Ausgabe neuer Geschäftsanteile (oder Aktien) und ihr Erwerb durch den neuen Investor? – Wie erfolgt der Zufluss der Gegenleistung für diese Anteile an die Gesellschaft? – Gibt es Anpassungen der wirtschaftlichen Grundannahmen für die Beteiligung in bestimmten Fällen? – Welche Garantien erhält der Investor im Rahmen der Beteiligung, wer gewährt diese Garantien, was sind die Rechtsfolgen? – Welche Maßnahmen werden unmittelbar im Zusammenhang mit dem Abschluss des Investment Agreements umgesetzt, wie beispielsweise Neufassung der Satzung, Erlass von Geschäftsordnungen, Abschluss von neuen GFVerträgen? 44 Im Ergebnis ist das Investment Agreement so aufgebaut, dass alle seine Regelungen
nach Umsetzung des Investments „abgearbeitet“ sind und dieses Dokument, mit der Ausnahmen von späteren Garantieansprüchen, im täglichen Leben der Gesellschaft keine Rolle mehr spielt; gerade anders als das Shareholders’ Agreement. Das Shareholders’ Agreement ist das komplexere Dokument und regelt wie es 45 oft in der Präambel hierzu heißt: „The Parties intend to coordinate their interests, rights and obligations as shareholders in the Company, their respective (current and future) shareholdings in the Company and the relationship between the Shareholders and between the Shareholders and the Company through this Shareholders’ Agreement as follows:“ 46 Das gibt schon gut die eigentliche Zielrichtung wieder. Das Shareholders’ Agree-
ment ist in die Zukunft gerichtet. Es regelt dabei nicht nur die aktuell relevanten
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Punkte wie Stimmrechtsbindungen bei Abstimmungen im Gesellschafterkreis, sondern bereits sehr früh auch Themen, die erst in fernerer Zukunft von Bedeutung werden, wie beispielsweise das Verhalten und die ökonomischen Rechte bei einem Exit. Der Gesellschaftsvertrag einer GmbH ist im Handelsregister einsehbar. Wegen 47 seiner Publizität wird er möglichst kurz gehalten und enthält im Regelfall nur die Punkte, die zwingend aufgrund gesetzlicher Regelung dort geregelt werden müssen. Der Rest wird im Shareholders’ Agreement umgesetzt, das vertraulich bleibt. So ist beispielsweise nicht schon aus dem Handelsregister ersichtlich, dass Gesellschafter X im Jahre 2024 von allen anderen Gesellschaftern den Verkauf der gesamten Gesellschaft verlangen kann. Es gibt vereinzelt Vertragsgestaltungen in denen zur Vermeidung von Notarkos- 48 ten einzelne Regelungen in den Gesellschaftsvertrag verschoben werden. Durchgesetzt haben sich diese Gestaltungen nicht.14
C. Inhalt der wesentlichen Verträge: Investment Agreement und Shareholders’ Agreement C. Inhalt der wesentlichen Verträge: Investment Agreement und Shareholders
I. Investment Agreement 1. Erwerb neuer Anteile Zentraler Gegenstand des Investment Agreement sind die Regelungen über die 49 Schaffung und den Erwerb der neuen Anteile an der Zielgesellschaft durch den Investor.15
a) Grundsatz – Erwerb über Kapitalerhöhung Es ist ausschließlich so, dass der Investor keine bestehenden, sondern neue Ge- 50 schäftsanteile an der Gesellschaft erwirbt. Diese neuen Geschäftsanteile werden durch einen Gesellschafterbeschluss der Bestandsgesellschafter geschaffen. Zur Übernahme der neuen Anteile wird, unter Verzicht auf das Bezugsrecht durch die Bestandsgesellschafter, ausschließlich der neue Investor zugelassen. Die neuen Anteile werden zum Nominalbetrag von (im Regelfall) 1,00 € pro 51 Anteil ausgegeben und übernommen. Daher braucht der Investor zunächst nur den
_____ 14 So bereits auch Maidl/Kreifels, NZG 2003, 1091, 1092 15 Die nachfolgende Darstellung geht von einer einfachen Gesellschafterstruktur aus, bei der es beim Target um eine GmbH mit drei Gründergesellschaften geht und ein Investor in die Gesellschaft investieren will. Dies dient der Vereinfachung der Struktur des Beteiligungserwerbs. Die Systematik ist bei komplexeren Beteiligungsstrukturen im Grundsatz identisch.
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eher geringen Gesamt-Nominalbetrag für die neuen Anteile einzuzahlen. Der Rest des „Kaufpreises“ wird erst nach Eintragung der Kapitalerhöhung, also nach Erhalt der Gesellschafterstellung, fällig. Diese Konstruktion wird gewählt, damit nicht der Investor seine gesamte Zahlung vorab leisten und sich dann darauf verlassen muss, dass er die vertraglich zugesicherten Anteile auch erhält.
b) Bewertung, Investmentbetrag, Anteilspreis 52 Die wirtschaftlich entscheidende Frage ist, wie viele Anteile der Investor erhält. Das
hängt von zwei Parametern ab: der Investmentsumme und der Unternehmensbewertung. Die Investmentsumme ist der Betrag, den der Investor in das Unternehmen in53 vestieren will, und den auch die Gründer vom Investor erhalten wollen. Es ist nicht zwingend so, dass hier gilt, je mehr desto besser. Denn oft wollen Gründer in einer frühen Phase, in der die Bewertung noch niedrig ist, einen nicht so großen Investmentbetrag einwerben, um die Verwässerung der eigenen Anteile in Grenzen zu halten (siehe Berechnungsbeispiel unten). Der andere Parameter ist die Unternehmensbewertung. Es handelt sich hierbei 54 nicht um einen wissenschaftlich ermittelten Wert. Die üblichen Methoden der Unternehmensbewertung (hier soll nicht gesagt werden, dass diese wissenschaftlich sind), sind für ein Start-up nicht geeignet; hier wird nicht in Substanz investiert, sondern in zukünftige Aussichten und Chancen. Die für das Investment anwendbare Bewertung ist somit nichts anders als der Wert, auf den sich die Beteiligten einigen. Hierbei wird von pre-money Bewertung und post-money Bewertung gespro56 chen, wobei pre-money eben die vereinbarte Bewertung ist und post-money die Summe aus pre-money und Investmentbetrag. 5 Beispiel Gründer A, B und C und Investor X einigen sich auf ein Investment von 1.000.000 € des Investors zu einer pre-money Bewertung der y-GmbH von 4.000.000 €. Der vereinbarte Wert des Targets ist also 4.000.000 €, post-money somit 5.000.000 €. Da der Investor hiervon 1.000.000 € gezahlt hat, also 20% der post-money, muss er nach dem Investment 20% der Geschäftsanteile der y-GmbH halten. Angenommen, das Stammkapital der y-GmbH betrug vor dem Investment 40.000 €, so erhält der Investor 10.000 neue Anteile im Wert von je 1,00 € und hält danach genau 20% (10.000/50.000) aller Anteile an der Gesellschaft. Die Anzahl der Anteile der Gründer an der Gesellschaft ändert sich nicht, lediglich ihre prozentuale Beteiligungsquote. Gründer A, der vorher 20.000 Geschäftsanteile hält, hält danach auch 20.000 Geschäftsanteile. Ihm gehörten vorher 50% der Gesellschaft, nach dem Investment noch 40%.
57 Rein rechnerisch müsste der Investor hier pro neuem 1,00 €-Geschäftsanteil 100 €
zahlen. Tatsächlich zahlt er pro Anteil 1,00 € in das Stammkapital und leistet die verbleibenden 99,00 € pro Anteil, oder anders gesagt die verbleibenden insgesamt 990.000 €, als Zuzahlung in die Kapitalrücklage gemäß § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB.
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2. Garantien, Haftung Empfänger der Garantien ist der neue Investor, der sich diese Garantien im Sinne einer Beschreibung des Zustands der Gesellschaft geben lässt. Primärer Schuldner bei Garantieverletzungen sind die Gründer. Daher haben die Garantien bei einem VC-Investment eine andere Zielrichtung als bei einer M&A-Transaktion. Die Möglichkeit von Schadensersatzansprüchen soll hauptsächlich als Anreiz dienen, dass die Gründer die Zielgesellschaft offen, richtig und vollständig beschreiben, damit der Investor bei seinem Investment mögliche Risiken abschätzen kann. Gäbe es keine Garantien oder nur sehr eingeschränkte Rechtsfolgen, so wäre der Anreiz für die Gründer, die Gesellschaft und mögliche Risiken umfassend richtig zu beschreiben, sehr gering. In diesem Fall könnten sich Garantiegeber, die unbedingt die Finanzierung ihrer Gesellschaft sicherstellen wollen, hinreißen lassen, falsche Garantien abzugeben. Es geht bei den Garantien jedoch nicht um die Absicherung des unternehmerischen Risikos. Die Einschätzung des Investors, ob eine Gesellschaft erfolgreich sein wird, muss dieser selber treffen. Der Umfang der Garantien betrifft auch niemals in die Zukunft gerichtete Aussagen über Erfüllung des Business Plans oder einen Unternehmenserfolg allgemein. Die Garantien sind immer stichtagsbezogen auf den Einstiegszeitpunkt und beschreiben anstatt zu prognostizieren. Die Garantien werden grundsätzlich als objektive Garantien abgegeben,16 eine Haftung tritt somit bei einer falschen Garantie unabhängig vom Verschulden des Garantiegebers ein. Einzelne Garantieerklärungen werden jedoch als wissensqualifizierte Garantien abgegeben, bei denen nur das Vorliegen von Sachverhalten nach „bestem Wissen“ zugesichert wird.17 Hierbei ist dann jeweils zu verhandeln, was unter „bestem Wissen“ zu verstehen ist: nur positive Kenntnis oder auch fahrlässige Unkenntnis oder Zwischenabstufungen. Eine übliche Eingangsformel zu den Garantieerklärungen ist:
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„Die Gründer („Garantiegeber“) garantieren den Investoren als Einzelschuldner im Wege einer selbständigen, verschuldensunabhängigen Garantie im Sinne von § 311 Abs. 1 BGB, dass die in der Präambel dieser Beteiligungsvereinbarung enthaltenen Angaben sowie die nachfolgend aufgeführten Tatsachen zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Beteiligungsvereinbarung zutreffend sind:“
a) Garantiegeber Regelmäßig stellt sich die Frage, wer der richtige Garantiegeber sein kann. 63 Zunächst wird von Gründerseite oft angeregt, dass nur das Target die Garantien 64 abgeben soll und auch dafür haften soll, was jedoch wegen der Eigenkapitalregeln nur in sehr stark eingeschränktem Maß möglich ist.
_____ 16 Vgl. auch Kap. 10 Rn 115 ff. 17 Siehe ferner Kap. 10 Rn 119 ff.
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So bleiben im Regelfall nur die Bestandsgesellschafter als Garantiegeber. Im Idealfall unserer drei Gründer, die alle in der Gesellschaft als Geschäftsführer tätig sind, ist die Antwort sehr einfach, dass alle drei Gründer die Garantien abgeben und dafür haften müssen. Uneinheitlicher ist die Antwort, wenn eine abweichende Situation besteht, bei66 spielsweise wenn einzelne Gesellschafter gar nicht mehr in der Gesellschaft tätig sind oder im entgegengesetzten Fall, wenn die eigentliche Kenntnis über die Gesellschaft bei Geschäftsführern liegt, die gar nicht (oder nicht maßgeblich) an der Gesellschaft beteiligt sind. Bei Letzteren dürfte die Neigung zur Eingehung einer persönlichen Haftung im Rahmen solcher Garantien eher beschränkt sein. 65
b) Rechtsfolgen, Haftung 67 Rechtsfolge einer Garantieverletzung ist ein Schadensersatzanspruch. Grundsätz-
lich müssen die Gründer den garantierten Zustand herstellen, so genannte Naturalrestitution. In den allermeisten Fällen wird das nicht möglich sein. Die Rechtsfolge ist dann ein Zahlungsanspruch gegen die Garantiegeber in Höhe des Schadens. Da die Gründer oft wirtschaftlich gar nicht in der Lage sind, Schäden in Höhe 68 der Investmentsumme eines Investments abzudecken (den Gründern fließt ja durch das VC-Investment nichts zu, anders als beim Verkäufer einer M&A-Transaktion), werden immer Haftungshöchstgrenzen, sog. „Caps“ vereinbart. Sehr verbreitet ist eine Regelung wonach der Cap für jeden Gründer auf zwei Bruttojahresgehälter festgelegt wird. Schadensersatzansprüche in Geld gegen die Gründer sehen oftmals beide 69 Seiten als unbefriedigend an. Die Gründer halten die persönliche Haftung für zu hoch, die Investoren fürchten, in Fällen massiver Garantieverletzungen den eingetretenen Schaden nicht ersetzt zu bekommen. Daher hat sich in den letzten Jahren die Vereinbarung eines Schadensausgleichs im Wege einer kompensatorischen Kapitalerhöhung stark verbreitet. Hierbei erhält der Investor einen Anspruch darauf, so viele weitere (dann im Wege einer Kapitalerhöhung neu zu schaffende) Anteile zum Nominalwert zu erwerben, dass er so gestellt ist, als hätte er auf Basis einer um den eingetretenen Schaden reduzierten Bewertung in das Target investiert. In Extremfällen hilft ein solcher Anspruch dem Investor jedoch nicht weiter, 70 wenn er bei sehr großen Schäden statt mit 20% nun mit 80% an einer nur sehr eingeschränkt werthaltigen Gesellschaft beteiligt ist.
3. Anpassung der Bewertung des Zielunternehmens
a) Meilensteine 71 Oftmals möchte der Investor nicht die gesamte Investmentsumme in einer Tranche
zahlen, sondern möchte seinem Investment (i) eine erfolgsabhängige Komponen-
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te geben oder (ii) über die Meilensteine Kontrolle über bestimmte zu erzielende Maßnahmen erhalten. So könnte ein Investor sein Investment in zwei gleiche Teile teilen und die ersten 50% bei Einstieg zahlen, die weiteren 50% nur bei Erreichen bestimmter Ziele (Meilensteine). Diese Meilensteine müssen präzise definiert werden; hierbei handelt sich im rechtliche Sinne um Bedingungen. Solche Bedingungen könnten die unterschiedlichsten Ziele sein, beispielsweise Umsatzziele, Patentanmeldungen, Anstellung eines CFO. Die Frage die sich immer wieder stellt, und die bei aller Detailverliebtheit in 72 Termsheets oft nicht behandelt wird, sind die Rechtsfolgen bei Nichterreichen eines Meilensteins. Ist die Rechtsfolge einfach der Verfall der Pflicht zur Zahlung der 2. Tranche (in Höhe von 50%), so bedeutet das praktisch eine Halbierung der Bewertung. Ist das nicht gewollt, so könnte die Rechtsfolge auch die Rückgabe von 50% der Anteile des Investors sein. Hier gibt es einen sehr weitgehenden Handlungsspielraum, der bedacht werden muss.
b) Spätere Anpassungen der Bewertung Insbesondere wenn sich die Parteien über die Unternehmensbewertung uneins oder 73 unsicher sind, können sie bereits im Investment Agreement spätere, nachträgliche Bewertungsanpassungen vertraglich vereinbaren.18 Es kann vereinbart werden, die Bewertung nur in eine Richtung (nach oben oder nach unten) anzupassen. Möglich ist aber auch eine Anpassung in beide Richtungen. Beispielsweise können alle Beteiligten der Auffassung sein, dass die Umsätze 74 im ersten folgenden Geschäftsjahr maßgeblich den Wert des Targets bestimmen und daher bereits die Aufnahme des Produkts im Markt im ersten Jahr über die gesamte Unternehmensentwicklung und deren Erfolg entscheidet. Sie können dann vereinbaren, bei Erfüllung der Umsatzplanung die Bewertung um beispielsweise 10% anzuheben. Das gleiche kann in die andere Richtung gelten.
II. Shareholders’ Agreement Das Shareholders’ Agreement („SHA“) regelt die Rechte und Pflichten der Gesell- 75 schafter untereinander. Die Notwendigkeit eines SHA ergibt sich daraus, dass die gesetzlichen Regelungen nicht ausreichen, um die Sondersituation und die besondere Interessenlage bei einer mit Venture Capital finanzierten Gesellschaft abzubilden. Diese besondere Interessenlage ergibt sich aus Folgendem: – der VC Investor trägt das gesamte finanzielle Risiko, ist aber gleichzeitig Minderheitsgesellschafter
_____ 18 Maidl/Kreifels, NZG 2003, 1091 f.
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– – –
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der VC Investor investiert für eine begrenzte Zeit, es müssen also bereits bei Einstieg Regelungen zum Exit vereinbart werden aufgrund seiner Position als Minderheitsgesellschafter müssen vertragliche Kontrollrechte, Vetorechte und Minderheitsschutzrechte verankert werden der Erfolg der Zielgesellschaft hängt von der Tätigkeit der Gründer im Unternehmen ab, es muss daher möglichst sichergestellt sein, dass die Gründer für die Gesellschaft tätig bleiben
1. Investorenrechte
a) Vetorechte, Stimmbindungen 76 Es gibt Entscheidungen der Gesellschafterversammlung, die den Wert der Beteili-
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gung des Investors massiv beeinträchtigen können. Darüber hinaus kann es Gesellschafterbeschlüsse geben, die den Interessen des Investors zuwider laufen. Dasselbe gilt für Entscheidungen der Geschäftsführung. In beiden Bereichen, also auf der Gesellschafterebene wie auf der Geschäftsführungsebene, lässt sich der Investor Vetorechte einräumen. Hierbei wird jeweils ein Katalog von Maßnahmen definiert und vereinbart, die nicht ohne die Zustimmung des Investors beschlossen werden können. Für Gesellschafterbeschlüsse kann das im Gesellschaftsvertrag vereinbart werden, wenn statutarische Wirkung gewünscht ist, also tatsächlich Beschlüsse zu den beschriebenen Bereichen nicht wirksam ohne die Zustimmung des Investors gefasst werden können sollen. Alternativ oder auch zusätzlich können solche Regelungen auch im Shareholders’ Agreement verankert werden; in diesem Fall handelt es sich um eine vertragliche Stimmbindungsvereinbarung,19 bei deren Bruch zwar wirksame Beschlüsse gefasst werden können, jedoch eine Schadensersatzpflicht des Verstoßenden entsteht.20 Für die Geschäftsführungsebene erfolgt die Umsetzung meist in einer Geschäftsordnung für die Geschäftsführung. Ein solcher Katalog zustimmungspflichtiger Geschäfte wird nur sehr selten auch in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen. Es bringt zwar ein Mehr an Rechtssicherheit, jedoch wird es häufig als unangemessen empfunden, solche Beschränkungen der Geschäftsführungskompetenzen durch Aufnahme in den Gesellschaftsvertrag nach außen erkennbar zu machen. Besteht bei der Gesellschaft ein Beirat, wird die Kompetenz zu Entscheidungen über zustimmungspflichtige Geschäfte auf den Beirat übertragen und durch eine
_____ 19 Siehe auch Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack GmbHG, § 47 Rn 113 ff.; Brehm S. 41. 20 Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack GmbHG § 47 Rn 119.
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Geschäftsordnung für den Beirat sichergestellt, dass das vom Investor entsandte Beiratsmitglied hierbei ein Vetorecht hat.
b) Kontrollrechte Den Investoren, die meist als einzige Gesellschafter nicht operativ in der Gesell- 82 schaft tätig sind, werden zum Ausgleich dieses strukturellen Informationsdefizits umfangreiche Kontrollrechte eingeräumt und der Gesellschaft umfassende Reportingpflichten auferlegt.
2. Verfügungsbeschränkungen Die Möglichkeiten, über die Anteile an der Gesellschaft zu verfügen, werden stark 83 eingeschränkt. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass es gerade gewollt ist, dass die vorliegenden Gesellschafter auch die Gesellschafter bleiben und nicht gegen Dritte ausgetauscht werden.21 Die Gründer suchen sich gerade diese Partei als Investor aus und der Investor will sicherstellen, dass die Gründer beteiligt bleiben. Umgesetzt wird dies dadurch, dass die Anteile vinkuliert werden, d.h. nur mit 84 bestimmten Zustimmungen überhaupt übertragen werden können. Ferner wird eine komplexe Systematik vorgesehen, die aus Vorerwerbsrechten 85 und Mitverkaufsrechten (sogenanntes Tag-Along), 22 die miteinander verzahnt sind, besteht. In der Regel hat jeder Gesellschafter ein anteiliges Vorerwerbsrecht bei einer beabsichtigten Veräußerung von Anteilen eines Mitgesellschafters. Wird das Vorerwerbsrecht nicht ausgeübt, kann dann jeder Gesellschafter den (anteiligen) Mitverkauf der eigenen Anteile verlangen.
3. Founders’ Vesting Das Founders’ Vesting ist eine Venture Capital Besonderheit. In ähnlicher Art gibt 86 es diese Regelungen bei Management-Beteiligungen in klassischen Private EquityTransaktionen.23 Hintergrund dieser Regelungen ist zunächst das Ziel des Investors, eine Tätig- 87 keit der Gründungsgesellschafter für die Gesellschaft sicherzustellen. Die Regelungen zum Founders’ Vesting sind aber keine reinen Investorenschutzrechte, sondern dienen dem Schutz der Gesellschaft und liegen auch im Interesse der weiteren Gründer.24
_____ 21 22 23 24
Vgl. Maidl/Kreifels, NZG 2003, 1091, 1094. Ausführlicher zum Tag-Along beispielsweise Bank/Möllmann, Rn 396 ff. Vgl. auch Kap. 14 Rn 14 f. Bank/Möllmann, Rn 219.
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In Start-ups hängt der Erfolg des Unternehmens von diversen Faktoren ab. Das kann die Technologie sein, das Produkt, der Vorteil, als erster in einem neuen Bereich vertreten zu sein usw. Kern eines jeden erfolgreichen Start-ups und Hauptgrund für den Einstieg eines VC Investors ist jedoch immer das Team. Im Idealfall sind alle für das Start-up ganz wesentlichen Personen an der Gesellschaft als Gesellschafter beteiligt und für die Gesellschaft als Geschäftsführer tätig.25 Aus Investorensicht soll die Incentivierung der Gründer darin liegen, dass sie durch ihre Tätigkeit den Wert der Gesellschaft steigern und durch den späteren Verkauf ihrer Beteiligung einen Vermögenszuwachs erhalten. Mit dieser Begründung (und um die Liquidität der Gesellschaft zu schonen) werden in Start-ups den Geschäftsführern anfänglich meist Gehälter gezahlt, die unter dem Marktüblichen liegen. Aus Sicht der Investoren lautet es daher: „Die Gründer sollen, mit uns zusammen, am Exit reich werden, nicht durch ihr Gehalt!“
89 Die Gründer können ihre Anteile in der Regel nicht ohne Zustimmung des Investors
oder der anderen Gesellschafter veräußern. Somit besteht hinsichtlich der Beteiligung eine ausreichende Bindung. Eine weitere Frage ist jedoch, wie ein Gründer auch über längere Zeit hinweg zu 90 einer Tätigkeit für die Gesellschaft verpflichtet werden kann, bzw. wie sein Interesse an einer Tätigkeit für die Gesellschaft erhöht werden kann. Die Vereinbarung einer festen Laufzeit, beispielsweise vier Jahre, in der nur das 91 Target, nicht aber der Gründer seinen Anstellungsvertrag beendigen kann, ist rechtlich nicht möglich. Hier kommen die Regelungen über das Founders’ Vesting ins Spiel.
a) Entziehung von Anteilen 92 Nach diesen Regelungen kann dem Gründer ein Teil seiner Anteile entzogen wer-
den, wenn er nicht für eine bestimmte Laufzeit des Vestings für die Gesellschaft tätig bleibt. Der Großteil der vereinbarten Laufzeiten dürfte zwischen zwei und fünf Jahren liegen.26 Bei späteren Finanzierungsrunden ist ein Vesting eher seltener und wenn, dann auch mit kürzerer Laufzeit.27 Der Entzug der Anteile kann über Einziehungen, Call-Optionen oder reine Übertragungsverpflichtungen geregelt werden.
_____ 25 Das gilt für die frühe Aufbauphase eines Start-ups zum Zeitpunkt der Beteiligung des Investors. Im weiteren Verlauf wird es dann immer weitere Personen geben, die zum Kernteam gehören und nicht von Anfang an dabei waren. Auch für diese wird dann versucht, einen Gleichlauf von Interessen herzustellen, indem diese Personen auch direkt oder indirekt an der Gesellschaft beteiligt werden. 26 So auch Bank/Möllmann, Rn 262. 27 Bank/Möllmann, Rn 263 f.
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Dabei richtet sich die Anzahl der Anteile des betroffenen Gründers, die vom 93 Entzug betroffen sind, in der Regel nach dem Zeitpunkt der Beendigung der Tätigkeit. Je später dieser liegt, desto weniger Anteile sind betroffen.
b) Good Leaver / Bad Leaver Die Gründe der Beendigung des zugrundeliegenden Tätigkeitsverhältnisses28 be- 94 stimmen über Rechtsfolgen im Zusammenhang mit dem Entzug der Anteile. Hier ist eine Einteilung in Good und Bad Leaver üblich, teilweise gibt es auch 95 eine feinere Einteilung in mehr als zwei Fallgruppen. In den individuellen Verträgen sind die unterschiedlichsten Einteilungen denkbar, auch gibt es alle möglichen Spielarten, die die hier beschriebenen Parameter (auch die Höhe der Gegenleistung) in diversen Kombinationen miteinander verknüpfen. In der überwiegenden Zahl der Fälle wird jedoch wie folgt unterschieden: Good Leaver
Bad Leaver
Kündigung durch den Gründer aus wichtigem Grund
Kündigung durch die Gesellschaft aus wichtigem Grund
Beendigung durch Tod oder Berufsunfähigkeit
Kündigung durch den Gründer ohne wichtigen Grund
Ablauf der Laufzeit eines befristeten Vertrages29 Kündigung durch die Gesellschaft ohne wichtigen Grund30
Die Einteilung in Good und Bad Leaver hat zwei Auswirkungen. Zum einen bemisst 96 sich hiernach die Höhe der Gegenleistung für den Entzug der Anteile, zum anderen wird vereinzelt vereinbart, dass im Bad Leaver Fall bis zum Ende der Laufzeit die gesamten dem Founders’ Vesting unterliegenden Anteile entzogen werden können, die Anteile in diesem Fall also nur für den Good Leaver Fall über die Laufzeit anteilig „vesten“, d.h. unentziehbar werden. Aus der Tabelle ergibt sich auch, dass der Fall eines Underperformers nur in sel- 97 tenen Fällen über ein Vesting gelöst werden kann. Denn ohne wichtigen Grund er-
_____ 28 Vesting Regelungen können für Geschäftsführer ebenso wie für Arbeitnehmer sowie Beiräte/ Aufsichtsräte vereinbart werden. Dieses System ist immer dann sinnvoll, wenn die Gewährung von Anteilen mit einer zu erbringenden Tätigkeit in Zusammenhang steht. 29 Meist wird darauf geachtet, dass die Laufzeit mindestens der Laufzeit des Vestings entspricht, sodass dieser Fall eher kaum eintritt. 30 Üblicherweise halten die Gründer zusammen die einfache Mehrheit in der Gesellschafterversammlung, sodass dieser Fall gegen den Willen aller Gründer nicht eintreten kann.
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fordert die Kündigung des Grundverhältnisses faktisch immer die Zustimmung des Investors sowie eines oder mehrerer der übrigen Gründer, die nur in seltenen Fällen vorliegen wird.
c) Begründung 98 Begründet wird die Notwendigkeit eines Founders’ Vesting mit zwei Argumenten.
Zum einen soll, wer nicht mehr für die Gesellschaft tätig ist, nicht mehr im vollen Umfang an zukünftigen Wertsteigerungen (Upside) teilhaben, zu denen er nicht mehr beiträgt. Zum anderen wird im Regelfall die frei werdende Position extern neu zu besetzen sein. Da das Start-up dann nicht in der Lage ist, geeignete Personen über ein angemessenes Gehalt an Bord zu holen, werden Anteile im Start-up benötigt, die der nachrückende Geschäftsführer erhalten kann. Auch wenn das Founders’ Vesting oft als Ausprägung der Dichotomie Investor – 99 Gründer angesehen wird, zeigt sich in der Herleitung und auch in der praktischen Umsetzung, dass es sich in der Tat um ein Institut handelt, das nicht nur dem Schutz des Investors, sondern auch dem Schutz der Gesellschaft und der übrigen Gründer dient.
d) Höhe der Gegenleistung 100 Die Höhe der zu erbringenden Gegenleistung für den Entzug der Anteile, sei es als
festgelegte Einziehungsvergütung oder als Kaufpreis, wird im SHA abstrakt festgelegt und hängt von der Art des Ausscheidens ab. Naturgemäß ist die Gegenleistung beim Bad Leaver geringer als bei Good Leaver. Die Untergrenze dürfte praktisch der Nominalwert der betroffenen Anteile sein, die Obergrenze ihr Verkehrswert. In der Praxis wird versucht, im Bad Leaver Fall einen möglichst geringen Wert zu vereinbaren, im Good Leaver Fall einen Prozentsatz vom Verkehrswert31. Was hier vereinbart wird, hängt von den individuellen Verhandlungen ab. 101 Rechtlich ist zudem zu beachten, dass die gesamten Vesting-Regelungen, wie alle Vereinbarungen, im Falle einer Sittenwidrigkeit gemäß § 138 BGB unwirksam wären. Eine zu geringe Gegenleistung, die zu einem groben Missverhältnis zwischen vertraglich vereinbartem Wert und dem Verkehrswert führt, ist, von begründeten Ausnahmefällen abgesehen, wohl unwirksam.32 Die Bewertung, ob ein Missverhältnis vorliegt, muss den Grund des Ausscheidens berücksichtigen. Abschließend sei noch festgehalten, dass die Founders’ Vesting Regelungen 102 nicht automatisch greifen. Es bedarf hierfür zusätzlich zur Beendigung des Grund-
_____ 31 Dieser Prozentsatz dürfte überwiegend im Bereich von 50% bis 100% des Verkehrswertes liegen. 32 Vgl. BGHZ 116, 359, 374 ff.; BGH NJW 2005, 3641 ff.; BGH NJW 2005, 3944 ff.
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verhältnisses noch eines Gesellschafterbeschlusses.33 Es kann also auch sein, dass die Gesellschafter im Einzelfall gar nicht auf die Anteile zugreifen wollen.
4. Anti-Dilution Protection Die Anti-Dilution Protection schützt den Investor davor, dass sich im Nachhinein 103 herausstellt, dass die beim Einstieg vereinbarte Bewertung zu hoch war. Es handelt sich also hierbei gar nicht um einen Verwässerungsschutz, wie der englische Begriff nahelegt, sondern um einen Schutz vor zu hoher Einstiegsbewertung. Dennoch hat sich dieser Begriff als üblich durchgesetzt. Der Nachweis, dass die Einstiegsbewertung zu hoch war, ist dann erbracht, 104 wenn bei einer Folgefinanzierungsrunde die Bewertung niedriger ist; es müsste also die pre-money-Bewertung der Folgerunde geringer sein als die post-money-Bewertung des Investoreneinstiegs. Diese niedrigere Bewertung wird als Down-Round bezeichnet.34 Eine Down-Round berechtigt den Altinvestor, weitere neue Anteile zu nomi- 105 nal zu erhalten. Für die Ermittlung, wie viele neue Anteile er erhält, gibt es grundsätzlich zwei Varianten (die praktisch wieder diverse Untervariationen haben können).35 Die technischen Begriffe hier sind: – full-ratchet anti-dilution – weighted-average anti-dilution Bei der full-ratchet Variante wird der Altinvestor so gestellt, als hätte er von Anfang 106 an auf der Grundlage der niedrigeren Bewertung der Down-Round investiert. Bei der Variante weighted-average ist nicht nur die Bewertung der Down- 107 Round maßgeblich, sondern auch das Investmentvolumen der Down-Round. Hier wird der Investor so gestellt, als hätte er von Anfang an auf der Grundlage einer Bewertung investiert, die sich aus dem gewichteten Mittelwert der Ursprungsrunde und der Folgerunde ergibt. Wegen der „Gewichtung“ wirkt sich eine DownRound mit einem größeren Volumen mehr aus als eine Down-Round mit einem geringeren Volumen. Diese Anti-Dilution, also die Ausgabe weiterer Anteile an den Altinvestor, be- 108 lastet wirtschaftlich alle anderen Bestandsinvestoren, da der Wert ihrer Anteile verwässert wird. Es kann jedoch auch vereinbart werden, dass bestimmte Gruppen von Gesellschaftern, meist die Gründer, die Lasten der Anti-Dilution allein tragen.
_____ 33 Hierbei ist dann über eine Stimmbindungsvereinbarung oft nur der Wille des Investors maßgeblich. 34 Thelen, RNotZ 2020, 121, 130. 35 Zur nicht sehr verbreiteten „Pay To Play“ Regelung vgl. Weitnauer, Rn 134.
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Kapitel 15 Venture Capital
36 5 Beispiel Berechnungsbeispiel zur Anti-Dilution Protection: In unserem Beispiel ist die Anteilsverteilung nach Einstieg des Investors X wie folgt:
Ausgangssituation der y-GmbH Gründer A
20.000 €
40%
Gründer B
12.000 €
24%
Gründer C
8.000 €
16%
Investor X
10.000 €
20%
Gesamt
50.000 €
100%
Situation nach Full-Ratchet Anpassung, Pre-Money der Down-Round 3 Mio. €37 Gründer A
20.000 €
37,50%
Gründer B
12.000 €
22,50%
Gründer C
8.000 €
15,00%
Investor X
13.334 €
25,00%
Gesamt
53.334 €
100%
Da Investor X so gestellt werden muss, als hätte er seine Investmentsumme von 1.000.000 € auf Grundlage einer pre-money-Bewertung von 3.000.000 € investiert, muss er nach Anpassung 25% der Anteile halten. Situation nach weighted-average Anpassung, Pre-Money der Down-Round 3 Mio. €38, Volumen der Down-Round 2 Mio. €39 Gründer A
20.000 €
38,46%
Gründer B
12.000 €
23,08%
Gründer C
8.000 €
15,38%
Investor X
12.002 €
23,08%
Gesamt
52.002 €
100%
_____ 36 Im Anschluss an das Beispiel nach Rn 56. 37 Tatsächlich ist das nur die Anteilsverteilung unter den Bestandsgesellschaftern eine logische Sekunde vor dem Einstieg des neuen Investors im Rahmen der Down-Round; dessen Aufnahme in die Tabelle wäre jedoch für die Darstellung nicht hilfreich. 38 Tatsächlich ist das nur die Anteilsverteilung unter den Bestandsgesellschafter eine logische Sekunde vor dem Einstieg des neuen Investors im Rahmen der Down-Round, dessen Aufnahme in die Tabelle wäre jetzt nur für die Darstellung nicht hilfreich. 39 Damit ergibt sich bei weighted-average Ermittlung eine Zielbewertung von 3.333.333 €. Wäre das Volumen der Down-Round gleich dem Volumen der Vorrunde, so wäre die Zielbewertung exakt in der Mitte zwischen den beiden Bewertungen, also bei 3.500.000 €.
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C. Inhalt der wesentlichen Verträge: Investment Agreement und Shareholders
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Da Investor X so gestellt werden muss, als hätte er seine Investmentsumme von 1.000.000 € auf Grundlage einer pre-money-Bewertung von 3.333.333 € investiert, muss er nach Anpassung 23,08% der Anteile halten.
5. Exit-Rechte Wie beschrieben hat der Investor beim Einstieg bereits einen Exit vor Augen. Hierbei 109 hat er zwei Aspekte im Blick: zum einen muss geregelt werden, was der Investor (und auch die anderen Gesellschafter) im Fall eines Exits erhält; zum anderen muss sichergestellt werden, vorausgesetzt es findet sich ein Käufer, dass ein Exit auch durchgeführt werden kann.
a) Liquidation Preference Auch hier wieder ein englischer Begriff, der übersetzt den Gegenstand der Regelung 110 nicht präzise beschreibt, sich aber verbreitet hat und so genutzt wird, jedoch mit einer über den eigentlichen Wortlaut hinausgehenden Bedeutung. Die Liquidation Preference (kurz: LP) regelt nämlich nicht nur den Fall der Liquidation, sondern alle Fälle einer Erlösverteilung. Der Hauptanwendungsfall der Liquidation Preference ist die Verteilung des Verkaufserlöses beim Verkauf des Targets. Erfolgt dieser Verkauf im Wege eines Asset Deals, findet vor Erlösverteilung tatsächlich eine Liquidation der Gesellschaft statt. Bei einem Verkauf im Wege des Share Deals geht es jedoch schlicht um die Allokation des Kaufpreises. Die vertraglich vereinbarte Liquidation Preference findet in allen Fällen eines Exits Anwendung.
Bedeutung Die Liquidation Preference regelt die Erlösverteilung im Falle eines Exits. Gibt es 111 keine solche Regelung, so findet diese Verteilung im Verhältnis der Anteile der Gesellschafter (pro rata) statt. Nahezu jede Venture Capital Finanzierung sieht jedoch in der einen oder anderen Variante eine Liquidation Preference vor. Die Grundaussage dieser Regelung ist, dass der Investor in jedem Falle eines 112 Exits zunächst vorab einen Betrag in Höhe seiner Investmentsumme erhält. Erst danach erfolgt die Verteilung des verbleibenden Erlöses. Hintergrund ist, dass diejenigen, die kein Geld investiert haben (im Regelfall die Gründer), keinen Erlös erhalten sollen, wenn nicht der Investor zumindest sein Geld einfach zurückerhalten hat. Diese Voraberlöse richten sich nach dem Zeitpunkt der Zuführung und hierbei 113 gilt der Grundsatz „last in, first out“. Bei Gesellschaften mit vielen Finanzierungsrunden fließen nach diesem Prinzip zunächst die Mittel der (aktuellsten) C-Runde zurück, dann die Mittel der B-Runde, dann A-Runde usw. Bei hohen Investmentsummen verbunden mit geringen Veräußerungserlösen kann das dazu führen, dass
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keine Mittel mehr übrig sind, die an die Investoren der frühen Runden oder die Gründer verteilt werden können. Es klingt auf den ersten Blick nicht richtig, dass jemand seine Anteile verkauft und hierfür keine Gegenleistung erhält. Allerdings muss man sich vor Augen führen, dass in diesen Fällen der Kaufpreis, also der Wert des Unternehmens, unter der Summe der investierten Mittel liegt, somit das Management der Gesellschaft überhaupt keinen Wert geschaffen hat.
Varianten 114 Von dem dargestellten Prinzip gibt es wiederum eine Vielzahl an möglichen Ab-
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wandlungen und Modifikationen. So kann beispielsweise das zugeflossene Geld zusätzlich verzinst werden, es können multiple Liquidation Preferences vereinbart werden (beispielsweise der Investor erhält das Doppelte seiner eingesetzten Mittel vorab), es können Wertschwellen vereinbart werden, bei denen die Liquidation Preference wegfällt oder beginnt abzuschmelzen etc. Im Grundsatz gibt es jedoch meist eine einfache LP und hierbei zwei Varianten. Bei der participating LP erhält der Investor den Voraberlös und nimmt an der Verteilung des Restes anteilig teil. Bei der non-participating LP wird der Voraberlös bei der folgenden Verteilung angerechnet. Was zunächst einfach und überschaubar klingt, ist in der Praxis und im Detail ein recht komplexes System; insbesondere dann, wenn es mehrere Finanzierungsrunden nacheinander gibt und die Regelungen umfangreiche Details regeln, wann Sonderfälle eingreifen. Zudem ist es auch nicht vorhersehbar, welche Regelung im Einzelfall besser oder schlechter sein kann, da man nicht absehen kann, wie sich die Beteiligten in Folgerunden verhalten und welche Erlöse überhaupt erzielt werden können. Beispielsweise scheint es für einen Seed Investor auf den ersten Blick immer besser zu sein, eine participating LP zu vereinbaren. Das ist jedoch nicht uneingeschränkt korrekt. Erfolgt ein Exit zu einem frühen Zeitpunkt, stellt die participating LP den Investor sicher besser. Folgen aber diverse weitere Finanzierungsrunden, in denen der Seed Investor nicht mehr mitfinanziert, und vereinbaren die Folgeinvestoren auch wieder für sich participating LPs, so gehen ihre Voraberlöse in vielen Fällen mehr zu Lasten des Seed Investors, als hätten er und die anderen Investoren nur non-participating LPs. Andererseits ist auch das hypothetisch, da man nicht vorhersagen kann, ob die Folgeinvestoren überhaupt erforderlich sind und ob diese nicht ohnehin eine participating LP gefordert hätten. Mit Ausnahme von sehr einfachen Strukturen bietet es sich an, die Auswirkungen der LP mit Hilfe von Excel für verschiedene Erlösszenarien durchzuspielen, um einen Überblick zu bekommen, welche Varianten für welche Gesellschaftergruppe welche Auswirkungen haben.
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Für unseren (sehr einfachen) Basisfall der y-GmbH sollen die Auswirkungen der 120 Liquidation Prefence in den zwei Grundvarianten kurz dargestellt werden. Wir haben folgende Beteiligungsquoten und Investor X hat 1.000.000 € inves- 121 tiert: Gründer A
40%
Gründer B
24%
Gründer C
16%
Investor X
20%
Participating LP bei verschiedenen Erlösszenarien: Verteilung bei Gesamterlös € 2 Mio. €
Verteilung bei Gesamterlös € 5 Mio. €
Verteilung bei Gesamterlös € 10 Mio. €
Verteilung bei Gesamterlös € 15 Mio. €
Gründer A
40%
400.000 €
1.600.000 €
3.600.000 €
5.600.000 €
Gründer B
24%
240.000 €
960.000 €
2.160.000 €
3.360.000 €
Gründer C
16%
160.000 €
640.000 €
1.440.000 €
2.240.000 €
Investor X
20%
1.200.000 €
1.800.000 €
2.800.000 €
3.800.000 €
Bei dieser Variante erhält der Investor immer mehr als ihm bei anteiliger Vertei- 122 lung zustehen würden. Die Auswirkungen der LP verringern sich mit höheren Erlösen. Non-Participating LP bei verschiedenen Erlösszenarien: Verteilung bei Gesamterlös 2 Mio. €
Verteilung bei Gesamterlös 5 Mio. €
Verteilung bei Gesamterlös 10 Mio. €
Verteilung bei Gesamterlös 15 Mio. €
Gründer A
40%
500.000 €
2.000.000 €
4.000.000 €
6.000.000 €
Gründer B
24%
300.000 €
1.200.000 €
2.400.000 €
3.600.000 €
Gründer C
16%
200.000 €
800.000 €
1.600.000 €
2.400.000 €
Investor X
20%
1.000.000 €
1.000.000 €
2.000.000 €
3.000.000 €
Bei der non-participating LP handelt es sich lediglich um eine Downside-Protec- 123 tion des Investors. Solange die Erlöse nicht unter seiner Investmentsumme liegen, bekommt er immer mindestens sein Geld zurück. Wird mindestens ein Erlös erzielt, der der post-money Bewertung des Einstiegs des Investors entspricht, erfolgt die Verteilung anteilig und die LP findet praktisch keine Anwendung. Der non-partici-
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Kapitel 15 Venture Capital
pating LP ist es immanent, dass es in der „Aufholphase“ (hier zwischen Erlösen von 1 Mio. € und 5 Mio. €) keinen Zuwachs beim Erlös des Investors gibt, was oft als unbefriedigend empfunden wird.
b) Drag-along 124 Die Drag-along Regelung bezeichnet eine Mitverkaufspflicht von Gesellschaftern
in bestimmten Fällen. Hintergrund ist hier, dass Investoren eine Regelung wünschen, wann sie aus 125 der Beteiligung aussteigen können. Da ein Exit dann am lukrativsten ist, wenn das Unternehmen zu 100% verkauft wird, macht es Sinn, eine Regelung mit dem Dragalong zu haben, bei dessen Eingreifen alle Gesellschafter zum Verkauf verpflichtet sind. Hier gibt es diverse Varianten und Gestaltungsmöglichkeiten, die meist inten126 siv diskutiert und verhandelt werden, da es sich um eine sehr zentrale Regelung handelt.40 Es gilt folgende Fragen zu beantworten: 127 – Wer kann das Drag-Recht ausüben? (Beispiel: Gesellschafter, die 50% der Anteile halten einschließlich des Investors) – Gibt es zeitliche Schranken? (Beispiel: der Mitverkauf kann frühestens nach 4 Jahren verlangt werden) – Gibt es Wertgrenzen? (Beispiel: der Mitverkauf kann nur verlangt werden, wenn der Gesamterlös mindestens 5.000.000 € beträgt) 128 Oftmals sind es Kombinationen aus diesen Punkten, die vereinbart werden; bei-
spielsweise dass die Ausübungsmehrheit anfangs höher ist und mit fortschreitender Zeit sinkt (nach sechs Jahren kann der Investor den Verkauf allein verlangen), dass bei Überschreitung von Wertgrenzen geringere Anforderungen an die Mehrheit gestellt werden (beträgt der Erlös mindestens 15 Mio. €, reichen 35%, um den Mitverkauf auszulösen), oder Kombinationen hieraus. 5 Beispiel Eine einfache, unqualifizierte Drag-along-Regelung lautet: „Auf Verlangen von Gesellschaftern, die zusammen die einfache Mehrheit am Stammkapital halten, sind alle Gesellschafter verpflichtet, so viele von ihnen gehaltene Geschäftsanteile an der Gesellschaft an einen oder mehrere Dritte(n) zu verkaufen und zu übertragen oder einem Beschluss über die Veräußerung der Gesellschaft oder der wesentlichen Vermögenswerte der Gesellschaft zuzustimmen, wie für die Durchführung der gewünschten Veräußerung und Übertragung der Geschäftsanteile bzw. der Vermögenswerte erforderlich sind.“
_____ 40 Mehr zu den Auswirkungen beim Verkauf unter Rn 144 f.
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D. M&A Sonderfall: Verkauf eines VC-finanzierten Targets
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c) Put-Option der Investoren Da die Investoren aus ihrer Erfahrung wissen, dass sich ein Teil ihrer Beteiligungen 129 nicht erfolgreich entwickelt, und auf der anderen Seite die Verwaltung einer jeden Beteiligung Kosten und Aufwand verursacht, vereinbaren einige Investoren regelmäßig das Recht, ihre Beteiligung am Target gegen einen Kaufpreis von 1,00 € an die Gründer oder auch die Gesellschaft veräußern zu dürfen.41 Das klingt zunächst kurios, kann aber durchaus praktische Relevanz haben, wenn Investoren den Wert einer Beteiligung auf Null abgeschrieben haben, keine Aussicht auf Verbesserung der Lage sehen und sich von der Last, diese Beteiligung zu halten, befreien möchten. In der Branche werden solche Beteiligungen als „living deads“ bezeichnet, die möglicherweise noch Jahre ohne Aussicht auf Veränderung sich gerade einmal selbst erhaltend vor sich hindümpeln. Eine solche Regelung muss nicht unbedingt für zynisch gehalten werden, son- 130 dern kann Sinn machen und eine Chance für die Gründer sein, die dann vielleicht im eigenen Unternehmen ihr Schicksal wieder selbst in die Hand nehmen können. Für ein Gründerteam (und die Belegschaft) kann es durchaus wirtschaftlich sinnvoll sein, dieses Unternehmen ohne größere auszuschüttende Gewinne, aber sich und die Gehälter selbst tragend, weiter zu führen. Beispiel 5 Eine entsprechende Regelung lautet (auf Englisch, da eine solche Regelung meist von größeren Fonds verlangt wird): „Each of the Founders hereby irrevocably offers to each holder of Preferred Shares (a „Put Option Holder“ and, collectively, the „Put Option Holders“) to purchase and acquire, subject to the terms and conditions of this section, all or, at the discretion of each Put Option Holder, a portion of the Shares held by each Put Option Holder at an aggregate purchase price of 1.00 € (in words: Euro one), immediately upon acceptance of such offer by a Put Option Holder (the “Investor Put Option”).“
D. M&A Sonderfall: Verkauf eines VC-finanzierten Targets D. M&A Sonderfall: Verkauf eines VC-finanzierten Targets Eine „normale“ M&A-Transaktion ist schon komplex genug und bringt die Beteilig- 131 ten, die solche Transaktionen nicht regelmäßig begleiten, auch oft an ihre Grenzen. Jedoch ist zumindest das Setup der involvierten Parteien oft überschaubar. 132 Wenn ein einheimisches, inhabergeführtes mittelständisches Unternehmen im Familienbesitz an einen Konkurrenten verkauft wird, dann ist die Struktur einfach: es gibt einen Verkäufer (im besten Fall personenidentisch mit der Geschäftsführung) und einen Käufer.
_____ 41 Vgl. auch Bank/Möllmann, Rn 213, dort jedoch mit der Auffassung, dass diese Regelungen hauptsächlich bei Liquidationen und Abwicklungen praktische Bedeutung hätten.
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Kapitel 15 Venture Capital
Sicherlich ist das auch selten der Fall, aber die Ausgangsbasis beim Verkauf eines VC-finanzierten Unternehmens ist doch sehr viel komplexer als in den meisten M&A-Transaktionen von Unternehmen vergleichbarer Größe. Hier ist es praktisch relevant, rechtliche Berater einzubeziehen, die sowohl Er134 fahrung und Expertise im Bereich Venture Capital wie auch im Bereich M&A haben. Zu der grundsätzlichen Problematik, viele verschiedene Beteiligte im Verkaufs135 prozess zu haben, kommt hinzu, dass diese Beteiligten nicht nur grundlegend unterschiedliche Interessen haben können, sondern auch, dass diese Beteiligten komplett unterschiedliche Erfahrungswerte und einen divergierenden kulturellen Background beim Herangehen an den Verkaufsprozess haben. Für die Finanzinvestoren gehört der Verkauf einer Beteiligung überwiegend 136 zum business as usual. Der konkrete Deal ist für sie ein Puzzlestein in Gesamtbild. Für die Gründer hingegen ist es oft ein singuläres Ereignis, wenn das selbst aufgebaute Unternehmen nach Jahren der Arbeit nun verkauft wird und auch die eigene Position im Unternehmen nach dem Verkauf oft unklar ist. 133
I. Interessendivergenz der Verkäufer 137 Wir haben beim Verkauf eines VC-finanzierten Unternehmens grob eingeteilt vier
Gruppen: – Gründer – über Mitarbeiterbeteiligungsprogramme indirekt beteiligte Mitglieder der Geschäftsführung und Mitarbeiter – Business Angels und Frühphaseninvestoren – Finanzinvestoren42 138 Innerhalb dieser Gruppen liegen die Interessen keineswegs immer gleich. So gibt es
in der Gruppe der Gründer oft unterschiedliche Auffassungen zu einem Exit, manche wollen ohnehin gern verkaufen, andere hätten lieber später verkauft, möglicherweise auch gar nicht. Neben der Interessendivergenz über die Gruppen hinweg gibt es gerade in der 139 Gruppe der Investoren doch erheblich unterschiedliche wirtschaftliche Interessen und Auffassungen im Hinblick auf den Exit.
_____ 42 In diese Gruppe fallen dann bei einem konkreten Verkauf an Dritte auch die strategischen Investoren. Die staatlichen Institute sind je nach Investitionsphase der dritten oder vierten Gruppe zuzuordnen.
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D. M&A Sonderfall: Verkauf eines VC-finanzierten Targets
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1. Phase bis zum konkreten Verkaufsprozess In der Phase, in der sich zunächst die Meinungen der einzelnen Beteiligten bilden, ob, wann und zu welchen Bedingungen für sie jeweils ein Verkauf wirtschaftlich interessant sein könnte und noch kein konkretes Angebot vorliegt, sondern vielmehr gerade erst überlegt wird, ob ein Verkauf zeitnah überhaupt angestrebt wird, sind oft die Investoren die Treiber. Abhängig von der jeweiligen Einzelsituation haben gerade Finanzinvestoren oftmals ein Interesse an einem Exit. Das mag daran liegen, dass ein Fonds eines Investors am Ende der Laufzeit angelangt ist, oder daran, dass ein Investor einen neuen Fonds auflegen möchte und hierfür eine Erfolgsstory durch einen Exit benötigt. Der Wert einer Beteiligung eines Finanzinvestors realisiert sich nur im Exit. Zwar wirbt ein Investor auch damit, dass er an einem erfolgreichen Unternehmen maßgeblich beteiligt ist, wie viel mit dieser Beteiligung verdient wird, kann sich aber erst durch den Exit zeigen. Hinzu kommt, dass die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen innerhalb der Gruppe der Investoren sehr unterschiedlich sein können. Ein Frühphaseninvestor ist sehr früh eingestiegen und zu einer vergleichsweise niedrigen Bewertung. Er hat dann möglicherweise bei einem Gesamterlös von X schon seine angestrebte Rendite erzielt. Ein anderer Investor ist spät eingestiegen und zu einer hohen Bewertung. Er verdient bei einem Verkauf zu X gar nichts und braucht einen Erlös von 2,5X. Manche Investoren haben einen längeren Atem (gerade solche mit Evergreen-Fonds) und setzen lieber auf einen höheren Erlös in einigen Jahren, andere benötigen für sich dringend einen Exit und nehmen lieber einen sicheren Multiple von 2 auf ihr eingesetztes Geld jetzt als vielleicht einen Multiple von 3 zu einem späteren Zeitpunkt. Ähnliche Überlegungen, nur anders herum, können für Business Angels oder Gründer gelten. Bei diesen kommt aufgrund vorrangiger Liquidationspräferenzen bei bestimmten Erlösen gar nichts mehr an, sodass sie lieber auf höhere Erlöse in der Zukunft setzen. Hieraus ergibt sich, dass nur in wenigen Fällen alle gleichgerichtet auf denselben Exit hinarbeiten, nämlich dann, wenn der individuelle Erlös für alle zufriedenstellend ist. Gibt es in solchen Situationen kein rechtliches Regelwerk im Sinne von Dragalong-Regelungen, so kann ein Gesamtverkauf nur erfolgen, wenn alle Gesellschafter dem zustimmen. Über die Drag-along-Regelungen reicht eine Einigkeit innerhalb einer bestimmten Gruppe von Gesellschaftern, beispielsweise solcher Gesellschafter, die mehr als 50% der Stimmrechte halten, um einen Gesamtverkauf auslösen zu können. Praktisch durchgesetzt wird eine Drag-along-Regelung äußerst selten, meist reicht schon ihr Vorliegen und die Gefahr von Schadensersatzansprüchen gegen sich hieran nicht haltende Gesellschafter, um eine einheitliche Haltung in Bezug auf einen Gesamtverkauf zu erreichen.
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2. Phase der Verkaufstransaktion 147 Ist die Meinungsbildung innerhalb der Verkäufer abgeschlossen, ein potentieller
Erwerber identifiziert und ein Termsheet abgeschlossen, verringern sich die Wirkungen dieser strukturellen Interessendivergenz. Allerdings ist auch die Flexibilität, um auf Änderungen der Bedingungen zu reagieren, eingeschränkt. Ergeben sich beispielsweise aufgrund einer Due Diligence oder im Rahmen eines Working Capital Adjustment Reduzierungen des Kaufpreises, ist oftmals nicht nur mit dem Käufer, sondern auch innerhalb des Verkäuferkreises neu zu verhandeln. Eine Reduzierung des Kaufpreises um 10% gegenüber den ursprünglichen An148 nahmen führt bei einer klassischen M&A-Transaktion dazu, dass der Verkäufer sich überlegen muss, ob er zu diesen Bedingungen noch verkauft oder nicht (oder eben an anderen Stellen Verhandlungserfolge erzielt). Beim Verkauf eines VC-finanzierten Unternehmens führen 10% weniger Erlös eben nicht für jeden nur zu 10% weniger Kaufpreis, sodass für einzelne die Transaktion dann nicht mehr interessant sein könnte. Oftmals verhandeln dann Verkäufer untereinander, wie die Erlösverteilung angepasst werden kann, um für alle tragbare Ergebnisse zu erzielen.
II. Haftungsaversion der Finanzinvestoren 149 Von Vorstehendem abgesehen läuft dann eine VC Transaktion sehr ähnlich wie eine
übliche M&A-Transaktion ab. Ein Sonderfall ist jedoch die Position von Finanzinvestoren, bei Veräußerungen ihrer Beteiligungen lediglich in sehr eingeschränktem Umfang Garantien abgeben zu wollen.43 Meist sind die Finanzinvestoren nicht bereit, über den Bestand der Zielgesellschaft und über den Bestand und die Lastenfreiheit der von ihnen übertragenen Anteile (sog. title warranties) hinaus Garantien abzugeben und eine Haftung einzugehen.44 Diese Position, die bei klassischen Finanzinvestoren sehr stark verbreitet ist, 151 wird auch im Markt im Regelfall als Standard akzeptiert und so hingenommen.45 Wenn der Finanzinvestor eine solche Position einnimmt, schließen sich diesem oft auch andere Investoren und Business Angels an, sodass im Ergebnis als Garantiegeber oft nur noch die im Unternehmen tätigen Gründer übrig bleiben. Aus Käufersicht ist das insofern misslich, als dann im Extremfall als Haftungs152 masse eigentlich nur noch der Kaufpreis, der an die Gründer gezahlt wird, übrig bleibt. Wenn zudem die Gründer aus Sicht des Käufers noch weiterhin für die Ge-
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_____ 43 Vgl. Eilers/Koffka/Mackensen/Paul/Ellrott S. 598. 44 Siehe auch Kap. 14 Rn 44. 45 Vgl. Kap. 14 Rn 41, 45.
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sellschaft tätig bleiben sollen, so ist ein Regress gegen diese oft auch nicht opportun. Andererseits ist das vielen Käufern ohnehin von Anfang an bewusst. Wenn man als Käufer eine weitergehende Haftung auch der Finanzinvestoren 153 für erforderlich hält, so sei dem Käufer geraten, diesen Punkt bereits bei Verhandlung des Termsheets deutlich zu machen. Zu diesem Zeitpunkt ist für den Käufer zum einen ein Abstandnehmen von der Transaktion noch einfacher, zum anderen wird auch der ein oder andere Finanzinvestor, wenn in dieser frühen Phase damit konfrontiert, doch eine weitergehende Haftung akzeptieren.
III. Auswirkungen von Optionsprogrammen auf den Verkaufsprozess Bei VC-finanzierten M&A-Targets sind in weitaus größerem Maß Optionsprogramme verbreitet. Mit solchen Programmen, gemeinhin bezeichnet als Employee Stock Option Program, kurz ESOP, sind Instrumente gemeint, die einen nicht als Gesellschafter an der Gesellschaft Beteiligten wirtschaftlich so stellen, als hielte er eine Beteiligung an der Gesellschaft.46 Solche Programme gab es und gibt es in einer Vielzahl von Varianten. Allgemein durchgesetzt hat sich in der Praxis die Gewährung von sog. Phantom Shares oder Virtual Shares. Stark vereinfacht wird der Berechtigte hier vertraglich so gestellt wird, als hielte er eine bestimmte Anzahl von Geschäftsanteilen oder Aktien. Im Exitfall hat er einen Anspruch auf Zahlung eines Betrages, der dem Wert der ihm eingeräumten (virtuellen) Anteile entspricht. Selbst mit solchen virtuellen Anteilen wird der Verkaufsprozess noch komplexer. Von der Auflösung weniger durchdachter oder inzwischen überholter Beteiligungsprogramm in einem M&A-Prozess soll hier gar nicht die Rede sein. Aber auch die Abwicklung eines de lege artis entwickelten und umgesetzten ESOP ist nicht ganz einfach. Aus steuerlichen Gründen haben die ESOP-Berechtigen meist einen Anspruch gegen die Zielgesellschaft, d.h. die ESOP-Ansprüche stellen eine Verbindlichkeit der Gesellschaft dar, die über die Kaufpreisermittlungsmechanik, gleich ob Locked-Box oder Closing Accounts, Auswirkungen auf den Kaufpreis haben. Auch müssen diese Ansprüche, selbst wenn sich ihre Höhe feststellen lässt, überwiegend bei Closing abgelöst werden, da der Erwerber eine Gesellschaft ohne Ansprüche ihrer Mitarbeiter gegen diese erwerben will. Eine weitere Ebene der Komplexität ergibt sich dann, wenn der Kaufpreis nicht fix ist, sondern auch deferred payments oder earn-out Komponenten enthält. In diesem Fall ist nämlich weder bei Signing noch bei Closing die Höhe der Ansprü-
_____ 46 Weitere geläufige Bezeichnungen sind VSOP für Virtual Stock Option Programm oder MSOP für Management Stock Option Programm, was im Ergebnis aber nur andere Bezeichnungen sind.
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che der ESOP-Berechtigten zu bestimmen, sodass hier individuelle und innovative Lösungen gefragt sind.
IV. Aktive Steuerung des Prozesses als Weg zum Erfolg 159 Die dargestellte höhere Komplexität erfordert von Anfang an eine aktive Steue-
rung des gesamten Verkaufsprozesses. Eine solche kann durch einen erfahrenen Lead Investor erfolgen, der bereits im 160 Vorfeld die internen Abstimmungen und auch die wirtschaftliche Verhandlungsführung übernimmt. Ist das kein gangbarer Weg und ist die Gesellschafterstruktur sehr komplex, 161 kann oft ein professioneller M&A-Berater zusammen mit erfahrenen rechtlichen Beratern den Weg zum Ziel eines erfolgreichen Verkaufs des durch Venture Capital finanzierten Unternehmens ebnen.
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Sachverzeichnis
DV
Sachverzeichnis Sachverzeichnis Sachverzeichnis https://doi.org/10.1515/9783110673043-016
A Abdiskontierung Kap. 3 33 Abfindung Kap. 9 11, Kap. 14 67 Abschreibungen Kap. 3 61, Kap. 4 8, Kap. 8 101 Adjusted EBIT Kap. 6 82 Adjusted-Present-Value siehe APV-Methode Aktienoptionen – Black-Scholes-Modell Kap. 3 134 – Treasury-Stock-Methode Kap. 3 134 „Als ob“ Konzernabschlüsse Kap. 6 24 Altersteilzeit Kap. 9 21 Analysephase Kap. 2 15, 18 Angebot Kap. 2 42, Kap 5 5 Anlagen Kap. 5 122, Kap. 10 130 anonym Kap. 2 29 Anrechnung der Bewerbesteuer Kap. 4 73 Anreizmodell Kap. 14 81 Ansprache Kap. 2 78 Ansprechpartner Kap. 2 100 Anti-Dilution Protection Kap. 15 103 Anti-Embarrassment Kap. 14 35 Anwartschaftsrecht Kap. 10 43 APV-Methode Kap. 3 37, siehe auch AdjustedPresent-Value-Methode Arbeitsrecht Kap. 7 18, Kap. 9, Kap. 12 Arbeitsverträge Kap. 9 24, 25 Arbeitszeit Kap. 9 14, 37 Asset Deal Kap. 1 48, Kap. 2 61, 75, Kap. 5 7, 40, Kap. 7 7–8, 19, 50, 63, 73, Kap. 10 9, 13, 24, 27, 197 – Betriebsübergang Kap. 10 18 – Eigentumsübertragung Kap. 10 46 – Grundeigentum Kap. 10 196 – Interessen des Käufers Kap. 10 60 – Interessen des Verkäufers Kap. 10 64 – Letter of Intent Kap. 5 41 – Marken Kap. 10 68 – Rechte Dritter Kap. 10 42 – sachenrechtlicher Bestimmtheitsgrundsatz Kap. 10 36 – Übertragung von Dauerschuldverhältnissen Kap. 10 55 – Übertragung von Immaterialgüterrechten Kap. 10 66 – Übertragung von Patenten Kap. 10 69 – Übertragung von Rechten Kap. 10 47 – Übertragung von Sachen Kap. 10 36
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– Übetragung von Verpflichtungen Kap. 10 50 – Urheberrechte Kap. 10 70 – Vertragsspaltung Kap. 10 58 – Vorteile und Nachteile Kap. 10 26 – Zustimmung Dritter Kap. 10 22 „at arm’s length“-Prinzip Kap. 7 17 Aufgriffsschwellen des Due Diligence Reports Kap. 11 47 Aufklärungspflicht Kap. 5 53 Auktionsprozess Kap. 2 31, 36, 66, 95 Auktionsverfahren Kap. 2 72, Kap. 10 107 Auskunftsanspruch Kap. 5 58 Ausschluss der gesetzlichen Gewährleistungsbestimmungen Kap. 10 81 Ausschluss von Folgeschäden Kap. 10 158 Ausschlüsse Kap. 10 81, Kap. 11 66 ausufernde Beurkundungserfordernis Kap. 10 195 Auswertungsphase Kap. 2 34 B Bad Leaver Kap. 14 87 Bankbürgschaft – Bürgschaft auf erstes Anfordern Kap. 10 185 befristeter Arbeitsvertrag Kap. 9 29 Bereiche einer Due Dilligence Kap. 2 45 Berichtsadressat – Adressat Kap. 5 114 – Adressatenkreis Kap. 5 116 Berufshaftpflichtversicherung Kap. 5 67, 71 – Vermögensschadenshaftpflicht Kap. 5 71 Bestimmtheitsgrundsatz – Bilanz Kap. 10 37 – All-Formeln Kap. 10 40 Betafaktor Kap. 3 58, 60, 62 – Branchenbetafaktoren Kap. 3 64 – levered Beta Kap. 3 60 – Startup Betafaktoren Kap. 3 65 – unlevered Beta Kap. 3 60 Beteiligungsvertrag Kap. 15 39 betriebliche Altersversorgung Kap. 9 91, Kap. 12 49 betriebliche Übung Kap. 9 79 Betriebsänderung – Einstweilige Verfügung Kap. 12 47 – Interessenausgleich Kap. 12 45 – Sozialplan Kap. 12 45
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Sachverzeichnis
Betriebsrat Kap. 9 66, 69–70 Betriebsübergang Kap. 5 7, 13, 40, Kap. 10 20, Kap. 12 3 – Betriebsmittelarmer Betrieb Kap. 12 11 – Betriebsmittelgeprägter Betrieb Kap. 12 11 – Funktionsnachfolge Kap. 12 11 – Haftung Kap. 12 15, 38 – Kollektivvereinbarungen Kap. 12 19 – Kündigungsverbot Kap. 12 35 – Umwandlung Kap. 12 6 – Unterrichtung Kap. 12 27 – Widerspruchsrecht Kap. 12 31 – Wirtschaftliche Einheit Kap. 12 6 – Zuordnung der Arbeitsverhältnisse Kap. 12 18 Betriebsvereinbarung Kap. 9 69–71, 74 Bewegliche Sachen Kap. 7 49 Bewertung von – Lizenzen Kap. 3 135 – Patenten Kap. 3 135 Bewertungsanlass Kap. 3 45 Bewertungsanpassung Due Diligence Kap. 3 150 Bewertungsanpassung – Anpassung der Bewertung Kap. 3 149 – Zeitliche Effekte Kap. 3 151 Bewertungsgrundlage Kap. 3 4 Bewertungsindikation Kap. 2 37 Bewertungsmethode – Bruttomethoden Kap. 3 30, 37 – DCF-Methode Kap. 3 32, siehe DiscountedCashflow-Methode – Discounted-Cashflow-Methode Kap. 3 16, 32 – Einzel- und Gesamtbewertungsverfahren Kap. 3 30 – Einzelwertverfahren Kap. 3 121 – Entity-Methode Kap. 3 35, 38 – Equity Kap. 3 35 – Ertragswertverfahren Kap. 3 90 – Methoden der Bewertung Kap. 3 26 – Mittelwertmethoden Kap. 3 115 – Multiplikatorenverfahren Kap. 3 94 – Nettomethoden Kap. 3 30, 37 – Peer Group Analysis Kap. 3 94, 96 – Stuttgarter Verfahren Kap. 3 120 – Übergewinnverfahren Kap. 3 118 – Wahl der Bewertungsmethode Kap. 3 28 Bewertungsverfahren, siehe auch Bewertungsmethode Bilanzgarantien Kap. 10 144
Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften Kap. 6 25 Branchenmultiple Kap. 3 101, 111 Breach-of-Warranty-Klauseln Kap. 14 54 Break Fee Kap. 14 67 Bring Down-Mechanismus Kap. 11 57, 59 Brutto-Cashflow Kap. 3 38 Bürgschaft – Bankbürgschaft Kap. 10 181 – Höchstbeträge Kap. 10 183 – Konzernbürgschaft Kap. 10 186 – Laufzeit Kap. 10 184 – Selbstschuldnerische Bürgschaft Kap. 10 181 Bürgschaften auf erstes Anfordern Kap. 10 185 Business Due Diligence Kap. 5 25, Kap. 7 45 Business Judgment Rule Kap. 5 16, 19, Kap. 7 70 Business Judgment Rule Kap. 5 19 C Call Option Kap. 14 86 CAPM-Modell – CAPM Kap. 3 65 Caps siehe auch Haftungsobergrenzen Captable Kap. 15 29–30 Cash-/Debt-free-Bewertung Kap. 14 20 Cashflow Kap. 3 32 Certain Funds Kap. 14 49 Certainty of Funds Kap. 14 49 Chancen- und Risikoinventur Kap. 6 93 Change of Control-Klausel Kap. 7 14, 29, 57, 63, Kap. 10 218 Clawback-Klauseln Kap. 14 35 Clean Team Kap. 5 55, Kap. 7 22 Closing Kap. 2 67, Kap. 10 133, 135, Kap. 14 50 – Closing Accounts Kap. 14 18–19 – Closing Actions Kap. 14 60 – Closing Conditions Kap. 14 61 – Closing Date Kap. 10 133 – Closingbedingungen Kap. 2 64, 67 – Closingbilanz Kap. 10 145 – Closingphase Kap. 2 52 – Vollzugsprotokoll (Closing Protocol) Kap. 10 229 Commercial Due Diligence Kap. 5 25, Kap. 6 106–107 Compliance Due Diligence Kap. 5 32, Kap. 7 65, 70 Confirmatory Due Diligence Kap. 2 107, Kap. 5 75, 88, Kap. 6 9
Sachverzeichnis
Corporate Venture Capital Kap. 1 9 Credit Default Swap Kap. 3 57, 73 Cultural Due Diligence Kap. 5 33, Kap. 7 65 CVC siehe auch Corporate Venture Capital D Darstellung der Bewertungsgrundlagen Kap. 2 39 Datenraum Kap. 2 85, Kap. 5 22–23, 64–65, 70, 79, 83, 91, 93, 97–99, 102–104, Kap. 7 35, 41 – physischer Kap. 2 85 – virtueller Kap. 2 85 Datenraumindex Kap. 2 89 Datenrauminhalt Kap. 5 22, 49, 77, 93, 105 Datenraumphase Kap. 2 45 Datenraumregeln Kap. 5 99 Datenschutzrecht Kap. 5 32, 54, Kap. 7 22, 72 – Datenschutz Kap. 7 70 – Datenschutzbereich Kap. 7 19, 34–35, 70–71 Datentraum Kap. 5 49 Dauerschuldverhältnisse Kap. 10 22, 53 Deal Breaker Kap. 2 36, Kap. 5 6, 9, 127, Kap. 6 14 Debt Commitment Letter Kap. 14 55 Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. Kap. 10 252 Devestition Kap. 1 26–28 Direktionsrecht Kap. 9 34, 36 DIS siehe auch Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. Discounted-Cashflow – DCF Kap. 2 76, Kap. 6 115 Dividend-Discount-Model Kap. 3 37 Drag-along Kap. 15 124, 144 Due Diligence Bericht Kap. 5 112, 127, Kap. 7 4, 6, 35 Due Diligence Kap. 2 45, Kap. 5 1, Kap. 10 108, 111–112, Kap. 11 8, 10 – Abbruch Kap. 10 242 E Earn Out Kap. 2 57, Kap. 3 162, Kap. 6 120, Kap. 14 33 – Alternative Kap. 3 172 – Auszahlungsmechanismus Kap. 3 170 – Erfolgsfaktoren Kap. 3 171 – Strukturierungsparameter Kap. 3 168 EBIT Kap. 3 48, Kap. 6 80 EBIT-Multiples Kap. 6 118
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EBITDA Kap. 3 87, Kap. 6 80 EBITDA-Multiples Kap. 6 118 EBT Kap. 6 80 Economies of Scale Kap. 1 33 Economies of Scope Kap. 1 34 eigenes Management Kap. 2 92 Eigentumsvorbehalt Kap. 10 42 Einflussfaktoren Kap. 2 2 Einkommensteuer Kap. 4 18 Einzelwertverfahren – Liquidation Kap. 3 126 – Substanzwert Kap. 3 122 Employee Stock Option Program Kap. 15 153 Endverhandlung – bindende Kaufangebote Kap. 2 112 – Finanzierung Kap. 2 112 Endwert – Endwert (Terminal Value) Kap. 3 74 – Exit Multiple Kap. 3 86 – Gordon-Growth Model Kap. 3 74 – High Growth Period Kap. 3 79 – Startup Kap. 3 80 – Steady State Kap. 3 81 – Wachstumsrate Kap. 3 83 Enterprise Values Kap. 3 107 entgangener Gewinn Kap. 11 54 Entity-Methode – WACC-Ansatz Kap. 3 40, 52 – Weighted Average Cost of Capital Kap. 3 74 Environmental Due Diligence Kap. 5 30, Kap. 6 68 Equity Commitment Letter Kap. 14 51 Erbschaft-/Schenkungsteuer Kap. 4 90 Ermessensentscheidung Kap. 5 3, 16, 129 Ertagswertverfahren – Ertragswertmethode Kap. 3 92 – Nachteil Kap. 3 93 Ertragsteuerbelastung Kap. 4 53 Ertragswert Kap. 6 115 Ertragswertverfahren Kap. 3 37 – Formel Kap. 3 90 Escrow Account Kap. 10 177 Escrow Agent Kap. 10 177 Escrow Agreement Kap. 10 178 Executive Summary Kap. 5 121 Exit Kap. 1 31 Exiterlös Kap. 14 80 Exit-Strategie Kap. 14 5
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Exkklusivität Kap. 2 114 exklusiver Verkaufsprozess Kap. 2 73, 95 Expense Agreements Kap. 11 30 F Fact Book Kap. 5 66–67 Fair Disclosure-Konzept Kap. 11 50 Familienunternehmen Kap. 1 16–17 Family Office Kap. 1 19 Fehlerfolgen Kap. 2 4 finales Angebot Kap. 2 52 Financial Due Diligence Kap. 5 26, Kap. 6 1–2, Kap. 7 1, 4, 14, 19, 45, 52, 65, 69 – Abgrenzung Kap. 6 3 – Ablauf einer Financial Due Diligence Kap. 6 33 – Analyse der Ertragslage Kap. 6 72 – Analyse der Finanzlage Kap. 6 84 – Anlässe Kap. 6 7 – Auftragsinhalt Kap. 6 20 – Auftragsumfang Kap. 6 20 – Beurteilung der Ertragslage Kap. 6 80 – Beweissicherungsfunktion Kap. 6 18 – Bilanzierungsrichtlinien Kap. 6 59 – Carve-out Kap. 6 23 – Commercial Due Diligence Kap. 6 4 – Durchführung Kap. 6 44 – Financial Due Diligence Bericht Kap. 6 129 – Funktionen Kap. 7 1 – Haftungsverhältnisse Kap. 6 94 – Hold-Harmless Letter Kap. 6 41 – Informationsquellen Kap. 6 38 – Jahresabschlussprüfung Kap. 6 – Legal Due Diligence Kap. 6 4 – Mustergliederung eines Berichts Kap. 6 133 – Planungsphase Kap. 6 34 – Planungsrechnung Kap. 6 72 – Plausibilisierung der der Kaufpreisberechnung Kap. 6 17 – Working Paper Review Kap. 6 36 Finanzierung Kap. 7 13 Finanzierungsrunden Kap. 15 5 Finanzinvestor Kap. 15 11 Finanzinvestoren Kap. 2 92 Finanzkennzahlen Kap. 2 24 Finanzoptionen Kap. 3 138 Finanzverbindlichkeiten Kap. 6 70 Findings Kap. 5 121 Formelle Fusionskontrolle Kap. 13 4, 25, 107
Formerfordernis – Beurkundungspflicht Kap. 10 198 – Grundeigentum Kap. 10 196 – internationaler Vergleich Kap. 10 195 – Veräußerung des gesamten Vermögens Kap. 10 197 – Verkauf von Geschäftsanteilen einer GmbH Kap. 10 189 – Verletzung Kap. 10 192 Formmangel Kap. 10 192 – Nichtigkeit Kap. 10 192 fortführungsgebundener Verlustvortrag Kap. 4 31 forward-looking statements Kap. 11 65 Founders’ Vesting Kap. 15 86 Free Cashflow Kap. 3 47 – Berechnung Kap. 3 48 – Unterlagen Kap. 3 49 – Working Capitals Kap. 3 48 Freistellung Kap. 10 165, Kap. 11 37 Fremdkapitalkosten Kap. 3 71 Fremdüblichkeit Kap. 8 61 Fremdvergleich Kap. 6 83, 90, Kap. 7 17 Full- bzw. Non-Recourse-Darlehen Kap. 14 85 Fundable Commitment Letter Kap. 14 56 Fundamental-Garantien Kap. 11 57 Fusionskontrollverfahren Kap. 2 67 G Garantie Kap. 2 63, 118, Kap. 10 165, 169 – Ausschluss der Haftung Kap. 10 129 – Bestandsgarantie Kap. 10 110 – Bilanzgarantie Kap. 10 111 – Covenants Kap. 10 138 – fahrlässige Unkenntnis Kap. 10 115 – Freistellungen Kap. 10 165 – Garantiekatalog Kap. 10 112. 205 – Garantieversprechen Kap. 10 113 – Gestaltungsmöglichkeiten Kap. 10 130 – Haftungsbeschränkungen Kap. 10 98 – Interessenlage Kap. 10 32, 107 – Minderungsrecht Kap. 10 143 – Nacherfüllung Kap. 10 141 – Naturalrestitution Kap. 10 141 – Objektive Garantien Kap. 10 115 – Rechtsfolge Kap. 10 142 – Risikoverteilung Kap. 10 118 – Rücktrittsrecht Kap. 10 149 – Schadensersatz Kap. 10 146
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– Sicherheit Kap. 10 175 – Subjektive Garantien Kap. 10 119 – Unkenntnis des Verkäufers Kap. 10 122 – Verhandlungsposition Kap. 10 107 – Verjährung Kap. 10 166 – verschuldensunabhängig Kap. 10 114 – Vollständigkeitsgarantien Kap. 10 109 Garantienkatalog Kap. 10 108 Garantieverletzung Kap. 10 163, 166, 178 Garantieversprechen Kap. 10 114 Gegenstand der Kapitalflussrechnung Kap. 6 85 Gemeinkostenersparnisse Kap. 1 36 Gesamtbewertungsverfahren – Adjusted-Present-Value-Methode Kap. 3 41 – Entity-Methode Kap. 3 40 Gesamtkostenverfahren Kap. 6 73 Geschäftsleiter Kap. 5 3–4, Kap. 5 16 – Fremdgeschäftsführung Kap. 5 108 – Management Kap. 5 19 Geschäftsveräußerung im Ganzen Kap. 4 75 Geschmacksmuster Kap. 10 72 Gesellschafterbeschluss Kap. 5 59–60 Gesellschaftervereinbarung Kap. 15 39 Gesellschaftsrecht Kap. 7 6 gesetzliche Haftungstatbestände Kap. 10 15–16 gesetzliches Haftungssystem Kap. 10 79 – Ausschluss des Kap. 10 172 – Auswirkung auf Transaktionspraxis Kap. 10 99 – culpa in contrahendo Kap. 10 83 – Minderung Kap. 10 94 – Nacherfüllung Kap. 10 87–88 – Offenlegungspflichten Kap. 10 83 – Rechtsfolgen Kap. 10 87 – Rechtsmängel Kap. 10 82 – Rücktrittsrecht Kap. 10 90 – Sachmangel Kap. 10 80 – Schadensersatz Kap. 10 96 – vertragliche Nebenpflichten Kap. 10 83 Gewährleistung Kap. 5 22–23, 28, 46, 63–66, Kap. 5 104 – Garantie Kap. 5 17, 94, 131 – Garantieansprüche Kap. 5 8 – Garantienkatalog Kap. 5 130 Gewährleistungen bzw. Garantien Kap. 2 118, Kap. 11 37 Gewährleistungsansprüche Kap. 5 48 Gewährleistungskatalog Kap. 5 50 Gewährleistungssystematik Kap. 5 47
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Gewährleistungsversicherungen Kap. 5 83 Gewährleistungsvorschriften Kap. 10 77 Gewerbesteuer Kap. 4 18 gewerbesteuerliche Verlustvorträge Kap. 4 30 Gewinn- und Verlustrechnung Kap. 6 23, 53, 73, 84, 112 GoBDs Kap. 8 44 Good Leaver Kap. 14 87 Goodwill Kap. 3 125, Kap. 6 111, Kap. 10 232 Großrisiken Kap. 11 13 Gründer Kap. 15 8, 20, 25 Grunderwerbsteuer Kap. 4 80 gutgläubiger Erwerb Kap. 10 44 H Haftpflichtversicherung Kap. 11 13 Haftungsausschluss Kap. 11 14 Haftungsbeschränkung Kap. 5 71, Kap. 5 115 – Ausschluss mehrfacher Inanspruchnahme Kap. 10 152 – Bagatellklauseln Kap. 10 161 – entgangener Gewinn Kap. 10 159 – Ersatzansprüche gegen Dritte Kap. 10 154 – Freibeträge Kap. 10 162 – Freigrenzen Kap. 10 162 – Haftungsobergrenzen Kap. 10 163 – mittelbare Schäden Kap. 10 158 – Qualitative Beschränkungen Kap. 10 151 – Quantitative Haftungsbeschränkungen Kap. 10 160 Haftungshöchstbetrag Kap. 11 46 Haftungsmaßstab Kap. 5 3 Haftungsobergrenze Kap. 10 14, 164 Handelsvertreterausgleich Kap. 7 33 HR-Due Diligence Kap. 7 65 I Immaterialgüterrechte Kap. 10 72 – Designrechte Kap. 10 72 – Geschmacksmuster Kap. 10 72 – Internet-Domains Kap. 10 72 – Sortenschutzrechte Kap. 10 72 immaterielle Werte Kap. 3 125 Immobilienrecht Kap. 7 46 indikatives Angebot Kap. 2 35, 41, 80, 101, Kap. 5 5 Industrie-Multiples Kap. 3 111 Information Memorandum Kap. 2 34, 77, 80, 99, Kap. 5 5
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Informationsasymmetrie Kap. 3 7, Kap. 6 10 Informationsbeschaffung Kap. 5 6 Informationsfreigabe Kap. 2 69 Informationsmemorandum Kap. 1 56, Kap. 5 95 Informationsstichtag Kap. 2 81 Infungibilitätsabschlag Kap. 3 140 Innovationswettbewerb Kap. 13 14 Insiderrecht Kap. 5 54, 96 Insurance Due Diligence Kap. 5 31 Integration Kap. 2 67 Integrationsphase Kap. 2 68 Interessenausgleich Kap. 9 76 International Chamber of Commerce ICC Kap. 10 252 Investment Agreement Kap. 15 39, 42, 49 IP-Recht – gewerbliche Schutzrechte Kap. 7 38 IT-Recht – Recht der Informationstechnologie Kap. 7 34 J Joint Venture Kap. 1 51, 54–55 K Kalkulationszinsfuß Kap. 3 34 Kapitalerhöhung Kap. 1 49 Kapitalflussrechnung (Cashflow Statement) Kap. 6 53, 84 Kartellrecht Kap. 5 55, Kap. 7 22, 27, 33, 74 – Kartellrechtsverstöße Kap. 7 73 Käuferprofil Kap. 2 92 Kaufpreis Kap. 5 9, 12, 20, 63, 107 – Herabsetzung des Kaufpreises Kap. 10 94, 143 – Kaufpreisabschläge Kap. 5 50 – Kaufpreisanpassungen Kap. 5 132 – Kaufpreisvorstellungen Kap. 5 23 Kaufpreisallokation (Purchase Price Allocation oder PPA) Kap. 6 110 Kaufpreisberechnung Kap. 6 17 Kaufpreisermittlung Kap. 6 71, 80 Kaufprozess Kap. 2 12, 15 Kenntnis des Käufers Kap. 10 124 Kenntnis des Verkäufers Kap. 10 114 Kern der Financial Due Diligence Kap. 6 50 Key Employees Kap. 9 1, 23, 58 Kick-off-Meetings Kap. 5 100–101 Kirchensteuer Kap. 4 18 KMU Kap. 6 26
Know-how Kap. 10 71 „knowledge scrape“ Kap. 11 39 Konsignationslagervereinbarungen Kap. 6 98 Kontaktaufnahme/Vertraulichkeitsvereinbarung Kap. 2 96 Kontaktphase Kap. 2 26 Körperschaftsteuer Kap. 4 18 körperschaftsteuerliche Verlustvorträge Kap. 4 30 Kundenstammbewertung Kap. 3 135 Kundenstammwert Kap. 3 135 Kündigungsfrist Kap. 9 45 L Laufzeitäquivalenz Kap. 3 57 Leaver Scheme Kap. 14 82 Legal Due Diligence Kap. 5 28, Kap. 6 68, Kap. 7 4 Leiharbeitnehmer Kap. 9 64 Letter of Intent Kap. 1 57, Kap. 5 5, 76, 99, Kap. 10 256 Leveraged Management Buy-In Kap. 1 20 Leveraged Management Buy-Out Kap. 1 20 Leveraged-Buy-Out Kap. 1 11 Liquidation Preference Kap. 15 110, 114, 120 Liquidationspräferenzen Kap. 15 142 Liquidationswert Kap. 3 126, Kap. 6 117 LMBI siehe auch Leveraged Management Buy-In LMBO siehe auch Leveraged Management Buy-Out Locked Box Mechanismus Kap. 2 55, 120 Locked Box-Modell Kap. 14 18, 26 LoI siehe auch Letter of Intent LOI/MOU Kap. 1 58 Long List Kap. 2 22, 94 M M&A-Transaktion Kap. 11 13, 37 – Bewertung eines Unternehmens Kap. 3 1 – Closing Kap. 10 133 – Due Diligence Kap. 10 105 – Garantien Kap. 10 14 – haftungsrechtliche Risiken Kap. 10 13 – Informationsdivergenz Kap. 10 104 – Kaufpreisfindung Kap. 3 1 – Signing Date Kap. 10 133 – Unternehmenskaufvertrag Kap. 10 1 – Vollzugsvoraussetzungen Kap. 10 134
Sachverzeichnis
M&A-Versicherungen Kap. 11 1–2 M&A-Prozess Kap. 2 1 MAC-Klausel Kap. 2 55, Kap. 14 64, siehe auch Material Adverse Change Makler Kap. 11 34 Management Buy-In Kap. 1 20, 23 Management Buy-Out Kap. 1 20 Management Warranties Kap. 14 44 Managementbeteiligung Kap. 14 77 Managementgespräch Kap. 2 49, Kap. 5 103 Managementpräsentation Kap. 2 108–109 Mangelfolgeschäden Kap. 11 54 Marktbeherrschung Kap. 13 21, 77–78, 83, 86, 87, 91 Marktmacht Kap. 1 37 Marktrisikoprämie Kap. 3 67 Marktscreening Kap. 2 13 marktübliche Due Diligence Kap. 11 35 Marktwert der Eigenkapitalanteile Kap. 3 33 Material Adverse Change Kap. 10 220, Kap. 14 64 materiality threshold siehe Wesentlichkeitsschwelle materielle Fusionskontrolle Kap. 13 4, 74, 118 MBI Kap. 1 24 MBI siehe auch Management Buy-In MBO siehe auch Management Buy-Out MBO Kap. 1 21–22, 24 Meilensteine Kap. 15 71 Memorandum of Understanding Kap. 1 57, Kap. 10 256 Minderheitsabschlag Kap. 3 140 Minderungsrechte Kap. 10 144 Mischverfahren Kap. 3 115 – Übergewinnverfahren Kap. 3 118 Mitarbeiterbeteiligungsprogramm Kap. 9 43, Kap. 15 20 Mitteilungsklausel Kap. 10 240 Mittelwertmethoden – Berliner Verfahren Kap. 3 115 – Schweizer Verfahren, Kap. 3 115 – Wiener Verfahren Kap. 3 115 Mittelwertverfahren Kap. 3 30 Modelling Kap. 2 40 Monte-Carlo-Analyse Kap. 3 69 MoU siehe auch Memorandum of Understanding Multiple-Entwicklung Kap. 3 99
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Multiples Kap. 3 87 – EBIT Kap. 3 87 – Forward Multiples Kap. 6 119 – P/E-Ratio Kap. 3 87 – Trailing Multiples Kap. 6 119 Multiplikatorbewertung Kap. 6 71 Multiplikatoren Kap. 3 96 – Arten von Multiplikatoren Kap. 3 97, 108 – Brutto- und Netto-Multiplikatoren Kap. 3 108 – Durchschnittsmultiplikator Kap. 3 100 – Entwicklung der Multiplikatoren (EBIT) Kap. 3 99 – P/E-Multiplikatoren Kap. 3 113 Multiplikatorenverfahren – Grundgedanke Kap. 3 95 – Nachteile Kap. 3 99 Multiplikator-Methoden Kap. 6 118 Multiproduktunternehmen Kap. 3 112 Musterchecklisten Kap. 9 7 N Nachfolge Kap. 1 29 nachvertragliches Wettbewerbsverbot Kap. 9 48, 56 nahestehende Personen Kap. 7 15 NDA siehe Vertraulichkeitsvereinbarung Net Debt Kap. 6 71 Net Working Capital Kap. 6 64 Nettofinanzverbindlichkeiten (Net Debt) Kap. 6 71, Kap. 14 19 Netto-Liquidationswert Kap. 3 131 Nettoumlaufvermögen (Net Working Capital) Kap. 14 19 New Breach Coverage Kap. 11 60 Nichtigkeit der gesamten Transaktion Kap. 10 192 No Leakage-Klausel Kap. 14 27 non-binding offer Kap. 5 5 Non-Disclosure Agreement siehe auch NDA normalisierter EBIT Kap. 6 82 Notifizierung Kap. 11 69 O objektiver Unternehmenswert – objektiver Kap. 3 5 Offenlegung Kap. 11 49 Öffentliches Recht Kap. 7 2, 14, 46, 48, 58–63 Öffentlich-rechtliche Zustimmungsvorbehalte Kap. 10 208
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Sachverzeichnis
Operating-Leasing Verträge Kap. 6 98 operative Garantien Kap. 11 53 Organeinkommen Kap. 4 72 Organmitglieder Kap. 9 52 originärer Firmenwert Kap. 3 122 P Paketzuschlag Kap. 3 140 Personalstruktur Kap. 9 8 Personenbezogene Erlaubnisse Kap. 10 75 Pflichtverletzung Kap. 5 16, 64–65 Phantom Shares Kap. 15 154 Phase I Umwelt Due Diligence Kap. 11 75 physisches Closing Kap. 10 228 Planung Kap. 2 1 Planungsrechnung Kap. 6 105–106 Post Merger Integration Kap. 6 120 potentielle Wettbewerber Kap. 13 14, 81, 89, 91 PPA siehe auch Purchase Price Allocation Präambel Kap. 10 203 Pre-Deal-PPA Kap. 6 112 Preisanpassungsklauseln Kap. 2 56 Preisverhandlung Kap. 2 53 – Fixpreis, Earn Quot Kap. 2 117 – Kaufpreis-Adustments Kap. 2 117 – Locked Box Kap. 2 117 Preisvorstellungen Kap. 3 2 Preliminary Due Diligence Kap. 5 74 preliminary warranty spreadsheet Kap. 11 64 Private Equity Kap. 1 10, 12, 15, 19, Kap. 15 2 „Pro Forma“ Konzernabschlüsse Kap. 6 24 Process Letter Kap. 5 5, 76 Pro-Forma-Bilanzen Kap. 6 56 Projektmanagement Kap. 7 4 Prozess Kap. 2 1 Prozessbrief Kap. 2 77, 82, 88, 99, 104, 111 Prozessstrukturierung Kap. 2 71 Q Q&A Kap. 2 51 Q&A-Prozess Kap. 5 102 Q&A-Sessions Kap. 6 39 R Ratchets Kap. 14 93 räumlicher Markt Kap. 13 10 Realoptionen Kap. 3 137–138 Realoptionsansatz Kap. 3 137
Rechtsmangel Kap. 10 79 Rechtsstreitigkeiten Kap. 7 64 Red Flag Due Diligence Kap. 2 48, Kap. 5 112, 123 Regeln Kap. 2 87–88 Reliance Letter Kap. 5 67–68, 70 Request Lists Kap. 6 39 Ressourcenplanung Kap. 2 17, 70 Richtlinien Kap. 3 14 Risiko Kap. 2 3, 9 Risikomanagement Kap. 6 35 ROCE Rate Kap. 3 52 Rückgriff des Versicherers Kap. 11 17 S Sach- oder anlagenbezogene Erlaubnisse Kap. 10 74 sachlich und räumlich relevanter Markt Kap. 13 9, 11–12, 14, 77 Sachmangel Kap. 10 79 Sale-and-lease-back-Geschäfte Kap. 6 98 Sanierungsfusion Kap. 1 27 Schadensersatz Kap. 10 87 Scheinselbständigkeit Kap. 9 61, 63 Schiedsgutachter Kap. 14 25 Schriftformverstoß Kap. 11 76 Selbstbehalt Kap. 11 45 Seller Buyer Flip Kap. 11 17, 32 Share Deal Kap. 1 48, Kap. 2 60, 75, Kap. 5 7, 41, Kap. 7 5, 13, 63, Kap. 10 12–13, 25 – Change of Control-Klauseln Kap. 10 29 – Grundeigentum Kap. 10 196 – Kaufgegenstand Kap. 10 8, 24, 27 – Vorteile und Nachteile Kap. 10 26 Share Deal-Transaktionsstruktur Kap. 5 41 Shareholders’ Agreement Kap. 15 39, 42, 75 Short List Kap. 2 25, 95 Signing Kap. 10 133, Kap. 14 50 Signing/Closing Kap. 2 120 Size Premium Kap. 3 68 Skaleneffekte Kap. 3 159 Sonderbetriebsvermögen Kap. 8 93 Sonderkündigungsschutz Kap. 9 15–16 Sorgfaltspflichten Kap. 5 42 Sozialplan Kap. 9 76 Spin-Off Kap. 1 28 stable growth rate Kap. 3 86 Standortbesuch Kap. 2 111 Stapled Insurance Kap. 11 6
Sachverzeichnis
Start-up Kap. 1 9, 32 Steuerarten Kap. 4 18 Steuerbelastung für gewerbliche Einkünfte Kap. 4 24 Steuerbescheide Kap. 8 36 Steuerbilanz Kap. 8 39 Steuerklauseln Kap. 8 3 steuerliche Freistellungsklauseln Kap. 8 115 steuerliche Risiken Kap. 8 1 steuerliches Einlagekonto Kap. 4 27 Stichtag des Datenraums Kap. 5 105 Stichtag Kap. 5 6, 104 Stille Reserven Kap. 3 18, 122 „Stille-Reserven-Klausel“ Kap. 4 31 Stimmbindungsvereinbarung Kap. 15 79 Strategic Rationale Kap. 2 28, 96 Strategie Kap. 2 19 strategischer Investor Kap. 2 92, Kap. 15 12, 136 strategische VC-Investoren Kap. 15 12 Streitbeilegungsmechanismus Kap. 14 25 Substanzwert Kap. 3 123 – Teilreproduktionswert Kap. 3 125 – Vollreproduktionswert Kap. 3 124 Svensson-Methode Kap. 3 58 Sweet Equity Kap. 14 84 Synergieeffekte Kap. 2 40, Kap. 6 19, Kap. 9 23 Synergien Kap. 1 8, Kap. 3 159 Synergiepotential Kap. 3 160 synthetische Garantien oder Steuerfreistellungen Kap. 11 39 Szenario-Analyse Kap. 3 69 T Tarifvertrag Kap. 9 72, 82 Tax Due Diligence Kap. 5 14, 27, Kap. 7 1, 4, 64, Kap. 8 2 Teaser Kap. 2 16, 77, 98 Technical Due Diligence Kap. 5 29 Teileinkünfteverfahren Kap. 4 45 Term Sheet Kap. 14 56, Kap. 15 33–34, 152 Termination Rights Kap. 14 63 time value of money Kap. 3 36 Time Vesting Kap. 14 89 Total Cashflow Ansatz Kap. 3 37 Trade Sale Kap. 14 92 Transaktionskosten Kap. 1 35 Transaktionsstruktur Kap. 2 59, Kap. 5 9, Kap. 10 6 – Asset Deal Kap. 10 8
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– haftungsrechtliche Risiken Kap. 10 13 – Share Deal Kap. 10 8 – steuerliche Überlegungen Kap. 10 9 – Struktur Kap. 5 40–41 – Strukturierung Kap. 5 13, 128 – Transaktionsstrukturierung Kap. 7 1 Transaktionswertschwelle Kap. 13 27 Transitional Services Agreement Kap. 1 60 „true and fair“ view Kap. 11 74 TSA siehe auch Transitional Services Agreement U Übergewinne (Goodwill) Kap. 3 119 Umsatzkostenverfahren Kap. 6 73 Umsatz-Multiples Kap. 6 118 Umsatzsteuer Kap. 4 75 Umweltfreistellungen Kap. 11 75 Underwriting Calls Kap. 11 36 Underwriting Fee Kap. 11 30 unsichere und/oder nicht quantifizierbare Risiken Kap. 11 25 Unsicherheitsgarantien Kap. 10 111 Unternehmensbewertung Kap. 2 83, Kap. 3 21, Kap. 6 71, 80, 115–116 – Ab-/Zuschläge Kap. 3 140 – Anlässe Kap. 3 11 – Anpassungen Kap. 3 140 – Ausgangspunkt Kap. 3 154 – Bewertung Kap. 5 12, 132 – Bewertungsgesetz Kap. 3 14 – Bewertungsstichtag Kap. 3 18 – Bewertungsverfahren Kap. 3 13 – Earn Outs Kap. 3 162–163 – IDW S1 Standard Kap. 3 5 – Immaterielle Bewertung Kap. 3 1135 – Plausibilitätscheck Kap. 3 18 – „stand-alone“ Kap. 3 161 – wertbeeinflussende Faktoren Kap. 5 107, Kap. 7 2 Unternehmenskaufvertrag – Anstellungsverträge Kap. 10 254 – Bedingungen Kap. 10 207 – Begleitverträge Kap. 10 254 – Closing Kap. 10 133, 228 – Covenants Kap. 10 138 – Formerfordernisse Kap. 10 188 – Geheimhaltung Kap. 10 241 – Gewinnanspruch Kap. 10 30
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– Gewinnrechte bei Personengesellschaften Kap. 10 33 – großer Schadensersatz Kap. 10 97 – Haftungssystem Kap. 10 78 – Herabsetzung des Kaufpreises Kap. 10 94 – Kaufgegenstand Kap. 10 24 – Kaufpreisanpassungsklauseln Kap. 10 187 – Kaufpreisregelungen Kap. 10 187 – kleiner Schadensersatz Kap. 10 98 – Konfliktlösung Kap. 10 247 – Kooperation und Innenausgleich Kap. 10 57 – Kosten Kap. 10 255 – Lieferverträge Kap. 10 254 – Minderung Kap. 10 94 – Mitteilungen Kap. 10 240 – Nacherfüllung Kap. 10 87 – Rechtsvorbehalte Kap. 10 176 – Regelungsbereiche Kap. 10 5 – Rücktritt Kap. 10 62 – Salvatorische Klausel Kap. 10 258 – Schiedsklauseln Kap. 10 252 – Schiedsverfahren Kap. 10 249 – Schlussbestimmungen Kap. 10 256 – Schriftformklausel Kap. 10 257 – Service-Level-Agreements Kap. 10 254 – Sicherungsmechanismen Kap. 10 173 – Signing Date Kap. 10 133 – Treuhandkonten Kap. 10 177 – Untersuchungs- und Rügepflicht Kap. 10 131 – Vertragsgestaltung Kap. 10 37 – Vertragsstandards Kap. 10 2 – Vertraulichkeitsvereinbarung Kap. 10 241 – Vertriebsverträge Kap. 10 254 – Wettbewerbsverbote Kap. 10 231 – wirtschaftlicher Stichtag Kap. 10 32 Unternehmensverwertung – Aktienoptionen Kap. 3 133 Unternehmenswert – subjektive Beeinflussung Kap. 3 6 V VDR Kap. 5 22, 102, siehe Datenräume Vendor Due Diligence Kap. 2 81, 107, Kap. 5 4, 7, 15, 38, 56, 66, 68, 73, 75, 86, 90, 117, Kap. 6 9 Venture Capital Kap. 1 9, 15, 32 verdeckte Einlage Kap. 8 68 verdeckte Gewinnausschüttung Kap. 8 61 Verfahrensdokumentation Kap. 8 44
Verfügungsbefugnis und Vertretungsberechtigung Kap. 11 20 Verjährung – anteilsbezogene Garantien Kap. 10 167 Verkäufergewährleistung Kap. 5 102 Verkaufsprospekt Kap. 2 36 Verkaufsprozess Kap. 2 14, 69 Verlustuntergang Kap. 4 31 Verlustvorträge Kap. 4 27 verschleierte Sachgründung Kap. 8 68 Verschwiegenheitspflicht Kap. 5 54 Versetzungsklausel Kap. 9 36 Versicherungsrecht Kap. 7 54 Verstoß gegen Formerfordernisse Kap. 10 192 vertragliches Haftungssystem – Garantien Kap. 10 107 – Garantieverletzung, Rechtsfolge Kap. 10 140 – Garantieversprechen Kap. 10 102 – Haftungsbeschränkungen Kap. 10 150 Vertragsabschluss Kap. 11 55 Vertragsrecht Kap. 7 20 Vertraulichkeitsvereinbarung („Non-DislosureAgreement“) Kap. 1 56, Kap. 2 16, 30, 77, 79, 98–99, Kap. 5 55, 95, Kap. 7 22 Vertreter Kap. 5 51 Vertriebsrecht – Vertrieb Kap. 7 33 – vertriebsrechtlich Kap. 7 20 Vesting Kap. 14 89 VFE-Lage Kap. 6 50, 115 Vinkulierungen Kap. 10 212 Vollzug Kap. 11 55–57 Vollzugsbedingung Kap. 10 2047 – öffentlich-rechtliche Zustimmungsvorbehalte Kap. 10 207 – Zivilrechtliche Zustimmungsvorbehalte Kap. 10 210 – Zustimmung der Hauptversammlung Kap. 10 211 – Zustimmung Dritter Kap. 10 22 Vollzugstag Kap. 11 57–58 Vollzugsverbot Kap. 13 2, 70–71, 117 Vorbereitung Kap. 2 11 Vorsteuerabzug Kap. 4 78 W W&I-Versicherung Kap. 5 83, Kap. 11 11, 14–15, 17, 20, 24, 32, 35, 50, 58 Wagniskapital Kap. 15 1
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„wahrer“ Unternehmenswert Kap. 3 4 warranty spreadsheet Kap. 11 64 Warranty und Indemnity (kurz: W&I)Versicherung Kap. 11 1 Waterfall Kap. 14 94 Wechselkursschwankungen Kap. 6 91 wesentliche Beteiligung Kap. 4 44 Wesentlichkeitsschwelle (materiality threshold) Kap. 5 64, 81, 112, Kap. 7 21, Kap. 11 39 Wettbewerbsverbot – kartellrechtlichen Schranken Kap. 10 239 – räumliche Beschränkung Kap. 10 236 – Tätigkeitsbereich Kap. 10 237 – zeitliche Beschränkung Kap. 10 238 Wirtschaftsausschuss Kap. 12 48 Wissensvertreter Kap. 5 51
Working Capital Analyse Kap. 6 65 Working Capital, Free Cashflow Kap. 6 16 Working Paper Review Kap. 6 41 Z Zeitplan Kap. 2 21, 74 Zerschlagungsgeschwindigkeit Kap. 3 127 Zerschlagungswert Kap. 3 127 Zieldefinition Kap. 2 18 Zielkriterien Kap. 2 22 Zielperson Kap. 2 28 Zielunternehmen Kap. 2 24 zukünftige Liquiditätsbelastung Kap. 6 99 Zukunftsmultiplikatoren Kap. 3 88, 113 Zustimmung des Ehegatten Kap. 10 215 zweistufiger Datenraumprozess Kap. 2 103
515
VIII
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