Politischer Willensbildungsprozeß und Verteidigungsanstrengungen in der Bundesrepublik Deutschland [1 ed.] 9783428487011, 9783428087013


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German Pages 245 Year 1996

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Politischer Willensbildungsprozeß und Verteidigungsanstrengungen in der Bundesrepublik Deutschland [1 ed.]
 9783428487011, 9783428087013

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HOLGER WÖCKENER

Politischer Willensbildungsprozeß und Verteidigungsanstrengungen in der Bundesrepublik Deutschland

Libertas Optima Rerum Institut für Sicherheitspolitik an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Herausgegeben von Werner Kaltefleiter

Band 13

Politischer Willensbildungsprozeß und Verteidigungsanstrengungen in der Bundesrepublik Deutschland

Von Holger Wöckener

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Wöckener, Holger: Politischer Willensbildungsprozess und Verteidigungsanstrengungen in der Bundesrepublik Deutschland I von Holger Wöckener. - Berlin : Duncker und Humblot, 1996 (Libertas optima rerum ; Bd. 13) Zug!.: Kiel, Univ., Diss., 1995 ISBN 3-428-08701-1 NE:GT

Alle Rechte vorbehalten © 1996 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0944-8039 ISBN 3-428-08701-1 Gedruckt auf aIterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

9

Vorwort des Herausgebers Zu den Aufgaben der NATO hat stets gehört, den nationalen Streitkräften Ziele zu setzen, damit sie ihren Beitrag zum Sicherheitskonzept des Bündnisses leisten konnten. Schon in der Zeit des systemischen Konfliktes sind diese Vorgaben von den verschiedenen Streitkräften häufig nicht erfüllt worden. Innenpolitische Willensbildungsprozesse, die durch die heiden Variablen Haushaltsmittel und Bedrohungsperzeption geprägt waren, führten immer wieder zu Abweichungen von den Vorgaben des Bündnisses. Seit dem Zerfall der Sowjetunion kann man von einer an der Bedrohung orientierten Streitkräfteplanung weder in der NATO insgesamt noch bei den einzelnen nationalen Streitkräften sprechen. Holger Wöckener hat sich die Aufgabe gestellt "die Analyse der aus der politischen Struktur und dem politischen Prozeß von Demokratien, hier der Bundesrepublik Deutschland, resultierenden Bestimmungsfaktoren für den Umfang und die Qualität der Verteidigungsanstrengungen" darzulegen. Obwohl das vielfach mit der trockenen Materie der Analyse von Haushaltsplänen geschieht und geschehen mußte, ist das Buch letztlich für jeden Interessierten spannend. Es bestätigt zwar nicht die häufig formulierte Sorge, daß der Verteidigungshaushalt zur Restgröße im Bundeshaushalt geworden sei, aber die vielfaItigen Variablen, die bei der Streitkräfteplanung, der Bereitstellung von Haushaltsmitteln und auch der Personalplanung mitwirken, verdeutlichen, daß die tatsächliche wie die perzipierte Bedrohung bzw. die Aufgabendefinition der Streitkräfte nur einer unter vielen Einflußfaktoren ist. Wöckener macht deutlich, daß zumindest Zweifel erlaubt sind, ob die Aufgabendefinition der Streitkräfte auch nur die wichtigste Variable ist. Unter dem Aspekt einer an den Aufgaben ausgerichteten Streitkräfteplanung sind die anderen Einflußfaktoren als Störvariablen für eine "rationale" Willensbildung zu betrachten. Gerade aus militärischer Sicht ist eine solche Betrachtungsweise naheliegend. Sie geht jedoch von einem verkürzten Rationalitätsbegriff aus, der sich an einem Modell orientiert, in dem die vielfältigen Faktoren innenpolitischer Willensbildung in der Demokratie keine Rolle spielen. Das für außenstehende Betrachter oft nur schwer nachvollziehbare Wirken dieser

6

Vorwort

Einflußfaktoren ist in einer Demokratie nicht weniger rational als eine einfache Zweck-Mittel-Rationalität bei der Streitkräfteplanung. Die entscheidende Frage ist, ob aus den komplexen Prozessen innenpolitischer Willensbildungsprozesse stets die Haushaltsmittel für eine Streitkräfteplanung bereitgestellt werden können, die ausreichen, um der zentralen Aufgabe der Bundeswehr gerecht zu werden, nämlich die Sicherung der territorialen Integrität und der Freiheit der Eigengestaltung aller Bündnispartner. Daß dies über 40 Jahre gelungen ist, ist das überzeugendste Gegenargument gegen eine Fundamentalkritik an den häufig dschungelhaft erscheinenden Auseinandersetzungen um den Verteidigungshaushalt. Wöckener stützt seine Analyse natürlich nur auf zugängliche Quellen. Es ist aber unübersehbar, daß er in Kenntnis dessen schreibt, was er im Laufe seiner Offizierslaufbahn erfahren hat. Gerade dadurch vermittelt das Buch Einsichten in die Willensbildungsprozesse in der Bundesrepublik Deutschland, die besonders wertvoll sind.

Kiel, im März 1996 Werner Kaltefleiter

Inhalt

1. Kapitel Grundlegung und Abgrenzung

11

A. Fragestellung ....................................................

11

B. Begriffsbestimmungen ..............................................

15

I. Strukturelle Rahmenbedingungen für verteidigungspolitische Willensbildungsprozesse

15

11. Ressourcen für die Bundeswehr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

16

111. Verteidigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

20

2. Kapitel Äußere SldJerhelt als öffentliches Gut

27

A. Das Modell und seine Prämissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

27

B. Theoretische Irnplikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

32

3. Kapitel Planung und Kombination der Ressourcen für die Bundeswehr

39

A. Streitkräfteplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

39

B. Haushaltsrnittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

47

I. Haushaltsaufstellung und Finanzplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

47

11. Umfang und Unterteilung des Verteidigungshaushalts ......................

52

111. Ausgabenbereiche und ihre Disponibilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

59

IV. Die deutsche Verteidigungsquote im internationalen Vergleich ................

62

C. Personal........................................................

70

I. Personalplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

70

11. Umfang und Struktur des Personalkörpers ..............................

73

111. Die Allgemeine Wehtpflicht ............. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

80

8

Inhalt 4. Kapitel

Einfluß politischer Institutionen auf Bestimmungsfaktoren der militärischen LeIstungserstellung

89

A. Parlament und Regierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

I. Haushaltspolitik und Verteidigungsetat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

11. Bestimmung des Aufgabenbereiches .................................

107

III. Organisation der Bundeswehr ......................................

113

IV. Militärisches Personal und Dienstrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

132

V. Militärische Beschaffungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

153

VI. Stationierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

188

B. NATO und EU ..................................................

197

Schlußfolgerungen

209

Anlage: Auftrag der Bundeswehr

229

LIteraturverzeichnis

231

Verzeichnis der Tabellen und Schaubilder Tabellen Tabelle 1:

Verteidigungsausgaben als Prozentsatz des Bruuoinlandsprodukts in der NATO

66

Tabelle 2:

Aufschlüsselung der Gesamtverteidigungsausgaben in der NATO . . . . . . . . .

68

Tabelle 3:

Personalstrukturrnodell 370 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

76

Tabelle 4:

Personalkosten im EPl. 14/1994 ohne Personalnebenkosten .............

77

Tabelle 5:

IST-Personalstruktur der Bundeswehr (Soldaten) nach Laufbahn Vergleich 1994 gegenüber 1984 ................................

133

Schaubilder Schaubild 1:

Prozentanteile des Einzelplans 14 am Bundeshaushalt seit 1956

54

Schaubild 2:

Entwicklung der Anteile im Verteidigungsetat von 1985 bis 1995 .......

56

Schaubild 3:

Anteil des Einzelplans 14 am Bruttosozialprodukt zu jeweiligen Preisen von 1961 bis 1993 ........................................

64

Personalzusammensetzung der Streitkräfte nach Personalstrukturrnodell (PSM) 1984 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75

Schaubild 4: Schaubild 5:

Struktur des Zivilpersonals der Bundeswehr im Jahr 1984 .............. 76

Schaubild 6:

Entwicklung der Personalstruktur der Streitkräfte nach DienstverlläJ.tnissen

78

Schaubild 7:

Entwicklung der Personalumfänge nach Teilstreitkräften. . . . . . . . . . . . . .

79

Schaubild 8:

Entwicklung der KDV-Zahlen von 1965 bis 1995 ..................

82

Schaubild 9:

Prozentualer Anteil der KDV -Antragsteller an der Gesamtzahl der 19jährigen männlichen Bevölkerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

Schaubild 10: Problem der personellen Bedarfsdeckung der Streitkräfte: Durchschnittliche Jahrgangsstärke der Geburtsjahrgänge 1975 - 1981 - Jährlicher Ergänzungsbedarf der Bundeswehr ab 1996: 160.000, davon ca. 20.000 saZ. .......

85

Schaubild 11: Prozentuale Veränderung der nominalen verteidigungsinvestiven Ausgaben im EPl. 14 gegenüber dem Vorjahr von 1964 bis 1994 . . . . . . . . . . . . . ..

100

Schaubild 12: Spitzengliederung BMVg ............................ . ......

116

1. Kapitel

Grundlegung und Abgrenzung A. Fragestellung Der Stellenwert der äußeren Sicherheit für die Bundesrepublik Deutschland ist in der Perzeption ihrer Bürger seit der Abschwächung und nachfolgenden Auflösung des systemischen Konflikts signifikant zurückgegangen 1. Zwar plädierten nach EMNID-Mehrthemenumfragen, die im Auftrag des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr in der Zeit von Dezember 1990 bis August/September 1992 durchgeführt wurden, 52% der Bevölkerung für eine "Rückbesinnung auf die deutschen Interessen,,2. Das (bekundete) Interesse an Sicherheitspolitik hat jedoch in der ersten Hälfte der 90er Jahre gegenüber der Endphase des "Kalten Krieges" nachgelassen: Nur noch ca. 40% der Gesamtbevölkerung waren an diesem Thema überhaupt interessiert. Bei der jungen Generation und bei den Befragten in den neuen Bundesländern lag das geäußerte Desinteresse noch höher. Mit der abnehmenden Bedrohungseinschätzung und gestiegenen politischen, ökonomischen und ökologischen Herausforderungen ist "...die Sicherheitspolitik einem thematischen Verdrängungswettbewerb zum Opfer gefallen .. ."3. Nun waren für die bundesdeutsche Öffentlichkeit militärpolitische Fragen und die Belange der Streitkräfte auch zur Zeit der deutschen Teilung zumeist von geringem Interesse, sofern keine persönliche Betroffenheit angenommen wurde 4. Die verschiedenen Massenmedien konfrontieren ihre Nutzer diesbezüglich überwiegend nur mit vermeintlichen Skandalen5, der Höhe der Ver-

1 Vgl. Bergsdorf, Wolfgang: Sichemeitspolitik und öffentliche Meinung. In: Rauch, Andreas M. (Hrsg.): Europäische Friedenssicherung im Umbruch, München 1991, S. 122f.

2 V gl. Fleckenstein, Bemhard: Vereint im Desinteresse. Die neue deutsche Sicherheitspolitik in der Meinungsumfrage. In: Information für die Truppe, Nr. 3/93, S. 16. 3

Ebd., S. 18.

4 Vgl. Kielmansegg, Johann A. Graf: Gedanken zur Führung der Streitkräfte. In: Beiträge zur Konfliktforschung, H. 4/1984, S. 6.

5 Vgl. Bielfeldt, Carola/Schlotter, Peter: Die militärische Sichemeitspolitik der Bundesrepublik Deutschland. Einführung und Kritik. FrankfurtlNew York 1980, S. 119.

12

I. Kapitel: GrundlegWlg Wld Abgrenzung

teidigungsausgaben oder dem Wehrsystem. Die inhaltliche Verengung der öffentlichen Erörterung sicherheitspolitischer Themen ist multikausal. Eine wesentliche Ursache hierfür ist die begrenzte Zugänglichkeit der Fragestellung für Außenstehende: 6 Sicherheitspolitik ist z.T. geheim, politisch "unsichtbar" und empirisch schwer operationalisierbar; Sicherheitspolitik ist multidimensional, sie enthält z.B. Elemente wie Strategie, Struktur, Organisation, Beschaffung und Ausbildung; es existieren zahlreiche verschiedene Akteure; die Effektivität eingesetzter Ressourcen ist kurzfristig schwer nachweisbar; die Ziele der Sicherheitspolitik sind z.T. diffus und wenig konkret. Wenngleich die skizzierte "Fehlallokation von öffentlicher Aufmerksamkeit,,7 aufgrund der abstrakten Natur des Outputs der Sicherheitspolitik im Frieden kein spezifisch deutsches Phänomen darstellt, so haben in anderen Staaten doch Militärreformbewegungen, deren Ziel die Nutzenmaximierung der für die äußere Sicherheit eingesetzten Ressourcen ist, in Politik, Wissenschaft und Publizistik eine weniger umstrittene Tradition 8 . Anders als in Deutschland und in einigen anderen westeuropäischen Staaten konzentrierte sich in den Vereinigten Staaten von Amerika die wiederholt sehr kontrovers -, aber auch konstruktiv geführte militärpolitische Debatte auf Bemühungen um einen besseren Wirkungsgrad der personellen und finanziellen Anstrengungen im grundsätzlichen Bewußtsein der Notwendigkeit von Streitkräften. 9 Da in Westdeutschland starke pazifistische Strömungen in den Medien, den Kirchen, den Gewerkschaften, der Wissenschaft, den Parteien und der Gesellschaft insgesamt die Bundeswehr wie die Nordatlantische Vertragsgemeinschaft (NATO) schlicht für überflüssig halten, ist eine öffentliche Diskussion um Rolle, Auftrag und 6 Vgl. Clark IV, Asa A.: The Outlook. In: Clark IV, Asa A./Chiarelli, Peter W./McKitrick, Jeffrey S./Reed, James w. (Hrsg.): The Defense Reform Debate. Baltimore 1984, S. 351. 7 Kammler, Hans: Effizienz der Sicherheitspolitik: Eine Achillesferse des Westens? In: Beiträge zur Konfliktforschung, Nr. 3/1989, S. 76.

8 Vgl. zur Tradition der Militärreformbewegoog in den Vereinigten Staaten etwa Huntington, Samuel P.: Foreword. In: Gark IV, A. A./Chiarelli, P. W.!McKitrick, J. S./Reed, J. W. (Hrsg.), The Defense Reform Debate, a.a.O., S. IX f. 9 Vgl. Rojo, Fidel Vemändez: Las Fuerzas Armadas de EE.UU. Y sus Problemas. In: Ejercito. Jg. 49, H. 582, Juli/1988, S. 20, (Übersetzung durch das Bundessprachenamt, AuftragsNr. 94014).

A. Fragestellung

13

Struktur von Streitkräften hierzulande von einem gemeinsamen Fundament aus nur bedingt möglich 10. Die Frage der EffIzienz der MiUelvelWendung für die äußere Sicherheit eines Staates, hier für die Streitkräfte, ist dennoch ein höchst politisches Themall. Sie ragt insbesondere dann aus den Tätigkeitsfeldem der Militärökonomie (hier der Betriebswirtschaftslehre der Streitkräfte) 12, der Finanzwissenschaft und der Organisationssoziologie in den Erkenntnisbereich der Politikwissenschaft hinein, wenn die Ebene des Mikromanagements. also der Truppenführung oder der Eignung einzelner Waffensysteme, verlassen wird. Mit letzterer beschäftigen sich die Medien aufgrund der simpleren Vermittelbarkeit gegenüber ihren Konsumenten aber meist vorrangig. Auf die politische Dimension der EffIzienz der Streitkräftegestaltung machte bereits Carl von Clausewitz in seinem grundlegenden Werk "Vom Kriege" aufmerksam, als er ausführte: Das Maß dieser absoluten Macht (im heutigen Sprachgebrauch würde man von Umfang und Ausrüstung der Streitkräfte sprechen, d. Verf.) wird von der Regierung bestimmt, und obgleich mit dieser Bestimmung schon die eigentliche kriegerische Tätigkeit beginnt und dieselbe ein ganz wesentlicher, strategischer Teil derselben ist, so muß doch in den meisten Fällen der Feldherr, welcher diese Streitkräfte im Kriege führen soll, ihre absolute Stärke als ein Gegebenes betrachten. sei es, daß er keinen Teil an ihrer Bestimmung hatte, oder daß die Umstände verninderten. ihr eine genügende Ausdehnung zu geben. 13

Mit diesem Zitat soll aber nicht einer oft vordergründig unterstellten Gleichsetzung der Verteidigungsausgaben oder des Friedensumfangs von Streitkräften mit einer möglichen Verteidigungsleistung das Wort geredet werden. 14 Ziel dieser Arbeit ist die Analyse der aus der politischen Struktur und dem politischen Prozeß von Demokratien, hier der BWldesrepublik Deutschland,

10 Vgl. Vogel, Winfried: Umrisse der Deutschen Landesverteidigung 1995. In: Truppendienst, Nr. 2/1992, S. 140. 11 Ebenso für die Vereinigten Staaten der ehemalige Verteidigungsminister Les Aspin: Aspin, Les: The First Post-Cold War Defense Program. In: Defense, Nr. 2/1993, S. 3.

12 Oswald Hahn unterscheidet drei Teilbereiche der Militärökonomie: 1. Beziehungen zwischen Militär und Wirtschaft; 2. Wirtschaftliche Sicherstellung der Landesverteidigung; 3. Ökonomischer Aspekt der Truppenführung. Vgl. Hahn, Oswald: Der wirtschaftliche Aspekt in Streitkräften. In: Österreichische Militärische Zeitschrift. Jg. 28 (1990). Nr. 6 Nov./Dez .• S. 474. Vergleiche zu den Aspekten der Militärökonomie ebenfalls: Buck. Hans-Robert: Politische Ökonomie. In: Kirchhoff. Günter: Handbuch zur Ökonomie der Verteidigungspolitik. Regensburg 1986. S. 738.

13 Oausewitz, Carl von: Vom Kriege. Ferd. Dümmler. Bonn 1952, S. 275. 14 Vgl. zu dieser verbreiteten Praxis: Gerber. Johannes: Wie wirtschaftlich ist das "Unternehmen" Verteidigung? In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 172 vom 29. Juli 1987. S. 12.

14

I. Kapitel: Grundlegung und Abgrenzung

resultierenden Bestimmungsfaktoren für den Umfang und die Qualität der Verteidigungsanstrengungen. Es soll untersucht werden, wie sich die für die Bundesrepublik Deutschland typischen, strukturbedingten politischen Willensbildungsprozesse auf die Stärke, die Ausrtistung und die Organisation der Bundeswehr und damit auf den deutschen Beitrag zur äußeren Sicherheit im Nordatlantischen Bündnis ausgewirkt haben und weiter auswirken. Idealtypisch sollen sich Anstrengungen zur Verteidigung - ausgehend von dem Ziel der Herstellung und Erhaltung der äußeren Sicherheit - an außen- und sicherheitspolitischen Faktoren, am Ausmaß und der Art einer konkreten Bedrohung oder vermuteter Risiken und am Leistungsvermögen anderer Bündnispartner orientieren. 15 Die Realität der politischen Willensbildung und -durchsetzung zum Umfang und zur Verwendung des Verteidigungshaushalts, zur zahlenmäßigen und qualitativen Personalausstattung, zur Ausrüstung, Struktur und Stationierung von Streitkräften unterliegt in einem pluralistischen und föderalistischen System wie dem deutschen allerdings zahlreichen institutionellen Bestimmungsgrößen, Kausalbeziehungen sowie anderen Gesetzmäßigkeiten, die, wie zu zeigen sein wird, durchaus zu sicherheitspolitisch problematischen Konsequenzen führen können. Die Hypothese dieser Arbeit lautet daher: Die strukturellen Rahmenbedingungen in der Bundesrepublik Deutschland führen zu politischen Willensbildungsprozessen, als deren Ergebnis 1. Anstrengungen für die äußere Sicherheit unteralimentiert und

2. die verbliebenen Ressourcen für die äußere Sicherheit suboptimal kombiniert werden. Zur Untersuchung dieser Frage werden - nach den erforderlichen begrifflichen Eingrenzungen - zunächst die besonderen Merkmale der staatlichen Dienstleistung "äußere Sicherheit" untersucht, und es wird gefragt, welche Implikationen sich daraus theoretisch, bei Berticksichtigung der strukturellen politischen Bedingungen Deutschlands, ergeben müßten. Sodann werden die für die Bundeswehr bestimmenden Ressourcen vorgestellt und es wird analysiert, wie das militärische und zivile Management der Bundeswehr diese Ressourcen zu kombinieren versucht. Daran schließt sich die Betrachtung der Frage an, wo verschiedene politische Institutionen und Akteure auf grundlegende Ent-

15 Vgl. ReicheIstein, Hans-Egon: Ausgaben für Verteidigung: Lasten und Vorteile für die deutsche Wirtschaft. In: Europäische WehrkundeIWWR Nr. 4/89, S. 254-258.

B. Begriffsbestimmungen

15

scheidungsfelder der militärischen LeislUngserstellung Einfluß nehmen können, wie derartige Einwirkungen erfolgen und zu welchen Konsequenzen sie führen. Hierzu werden ausgewählte Beispiele herangezogen. Abschließend werden aus dem politischen Willensbildungsprozess resultierende Effizienzverluste resümierend aufgezeigt und notwendige Konsequenzen erörtert.

B. Begriffsbestimmungen I. Strukturelle Rahmenbedingungen für verteidigungspolitische Willensbildungsprozesse

Die Struktur der Bundesrepublik Deutschland - verstanden als ein mehr oder weniger dauerhaftes Relationengefüge - läßt sich analytisch in abgrenzbare Substrukturen, wie z.B. das politische System oder die Wirtschaftsordnung, unterteilen, die allerdings in der Realität interdependent verflochten sind. 1 Zu den üblichen Strukturelementen einer demokratischen Ordnung wie Mehrparteiensystem, -

Existenz einer organisierten Opposition,

-

Gewaltmonopol des Staates bei Beachtung rechtsstaatlicher Grundsätze, Meinungs- und Wertepluralismus sowie marktwirtschaftlich ausgerichtete Wirtschaftsordnung

tritt für Deutschland als wesentliches Merkmal noch der föderale Aufbau hinzu. Die Bundesländer wirken als teilautonome Subsysteme an solchen Gesetzgebungsbeschlüssen mit, die nicht ausschließlich der Bundeskompetenz unterliegen. Für Angelegenheiten der Verteidigung obliegt dem Bund nach Artikel 73 Nr. I des Grundgesetzes (GG) die ausschließliche Gesetzgebung. Weitere, für den Gang der Untersuchung relevante, strukturelle Rahmenbedingungen ergeben sich aus der Einbindung Deutschlands in über- oder zwischenstaatliche Organisationen wie Europäische Union (EU), Westeuropäische Union (WEU), Nordatlantische Allianz (NATO), Vereinte Nationen (UNO), Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und daraus resultierende Einflüsse und Verpflichtungen.

I Vg1. Karnmler. Hans: Ordnungsspezifische Probleme der westlichen Sicherbeitspolitik. In: Zeitschrift für Politik, 30. Jg., Nr. 4/1983, S. 349.

1. Kapitel: Grundlegung und Abgrenzung

16

Die Grenze der politischen Entscheidungsebene gegenüber dem Verantwortungsbereich des militärischen und zivilen Managements der Bundeswehr ist dort, wo militärische Führung und Zivil verwaltung der Bundeswehr aufgrund der ihnen übertragenen Zuständigkeit und Verantwortung die militärische Leistungserstellung beeinflussen können, ohne die politische Leitung der Bundeswehr oder andere nationale oder internationale politische Gremien konsultieren zu müssen. Diese Grenze ist keinesfalls als feste, klar defmierte Linie zu verstehen. Sie variiert je nach Entscheidungsinhalten und dem "politischen Gehalt" der anstehenden Fragestellung. Probleme der Optimierung des Durchführungsmanagements gehören wissenschaftlich im wesentlichen zum Gegenstandsbereich der Militärökonomie und Organisationssoziologie und werden in dieser Arbeit nur dann erörtert, sofern auch politische Entscheidungsträger involviert sind. Unberührt davon bleibt die Tatsache, daß die administrative und militärische Führung der Bundeswehr unterhalb der politischen Leitungsebene (Bundesminister und Staatssekretäre) Einfluß auf politische Entscheidungen ausüben kann und soll. Das Ausmaß dieses Einflusses kann sie jedoch nicht selbst bestimmen. Politische Beschlüsse, selbst wenn sie unverändert aus Vorlagen der Verwaltung oder militärischen Führung übernommen werden, haben diese nicht unmittelbar zu verantworten. Obwohl empirisch belegt ist, daß Demokratien aufgrund struktureller Merkmale ungeeignet sind, gegeneinander Krieg zu führen 2, ist damit noch keine Aussage darüber getroffen, ob sie deshalb auch besonders prädestiniert sind, langfristig den Frieden zu erhalten, solange die Staatengemeinschaft nicht ausschließlich aus Demokratien besteht. In einer strukturell heterogenen Staatenwelt existiert keine generell positive Korrelation zwischen nationalen Aufwendungen für die Streitkräfte ("Rüstung") und Kriegsgefahr et vice versa. Die Erhaltung des Friedens kann es unter bestimmten außenpolitischen Konstellationen erforderlich machen, daß auch Demokratien erhebliche Anstrengungen zur Abschreckung unternehmen und sich auf einen Krieg gegen potentielle Aggressoren rechtzeitig und glaubhaft vorbereiten müssen.

11. Ressourcen für die Bundeswehr

Der im Titel dieser Arbeit verwendete Begriff "Ressourcen für die Verteidigung" erfordert eine Präzisierung in zweifacher Hinsicht:

2

Vgl. ebd .• S. 351.

B. Begriffsbestimmungen

17

1. Welche Ressourcen, die für die Verteidigung eingesetzt werden, sind zu berücksichtigen? 2. Welche Ressourcen, die formal für die Streitkräfte verbraucht werden, dienen der Verteidigung? Ad 1. Wird von Verteidigungsaufwand oder Verteidigungsanstrengungen im landläufigen Sinn gesprochen, so wird hierunter zumeist die Höhe der Militärausgaben von Staaten verstanden. Nun bestreiten die einzelnen Staaten der Qualität nach höchst unterschiedliche Ausgaben aus ihren Militäretats. Diese Unterschiede lassen sich jedoch zu Vergleichszwekken nivellieren, wie es z.B. die NATO regelmäßig in gegenüberstellenden Veröffentlichungen der Militärhaushalte ihrer Mitgliedsländer tut. 3 Als eine weitere Kategorie von Ressourcen für Verteidigungszwecke wird mitunter der Personaleinsatz der Streitkräfte angeführt. Soll in Freiwilligen- oder Berufsstreitkäften der Personalbestand langfristig gesichert werden, so müssen die Soldaten zu arbeitsmarktähnlichen Bedingungen besoldet werden. Sind im Fall der freiwilligen Wehrform die Ressourcen für den Personaleinsatz also in realistischer Höhe im Militärhaushalt enthalten4 , so spiegeln die Personalausgaben von Wehrpflichtigen- oder Milizstreitkräften, die einen Teil ihrer Angehörigen durch staatlichen Zwang rekrutieren und nicht zu marktüblichen Löhnen bezahlen müssen, nicht den tatsächlichen personellen Ressourceneinsatz wider. Die Opportunitätskosten in Form der Differenz aus marktüblicher Entlohnung und zugestandenem Sold sind zumeist von den Betroffenen selbst, in Ausnahmefällen von den Arbeitgebern, als Naturalsteuer oder zusätzliche Abgabe zu begleichen. Ähnlich verhält es sich mit den nicht in Militärhaushalten erscheinenden Ausgaben für Reservistensysteme zur Aufrechterhaltung einer personellen Mobilisierungskapazität im Krisenoder Verteidigungsfall. Hinzu treten - aus einzelstaatlicher Sicht - schwer quantifizierbare Ressourcen, wie die Bereitstellung von Umwelt (Übungsplätze, See- und Luftraum) für Übungs- und Testzwecke oder die Aufrechterhaltung von im nationalen Interesse stehenden wehrtechnischen Forschungs- und Produktionskapazitäten, auch wenn diese durch die eigenen Streitkräfte oder durch Exporte nicht durchgängig abgerufen

3

Detaillierter wird hierauf in Kap. 3.B. eingegangen.

4 In der Bundesrepublik Deutschland werden die Ruhegehälter für Bundeswehrbeamte und Berufssoldaten nicht aus dem Verteidigungsetat (Einzelplan 14) beglichen. 2 Wöckener

18

I. Kapitel: GrundlegWlg Wld Abgrenzung

werden. Der Verbrauch derartiger Ressourcen ist in staatlichen Haushalten gar nicht oder nur unvollständig bzw. für Außenstehende nicht erkennbar erfaßt. Aus zwischenstaatlicher Perspektive - so Z.B. der eines Verteidigungsbündnisses wie der NATO - lassen sich weitere, kaum quantifizierbare Leistungen der einzelnen Mitglieder für die Sicherheit des gesamten Bündnisses identifizieren. So steht häufig der überragende geostrategische Wert einzelner BÜßdnismitglieder insgesamt oder spezieller militärischer Einrichtungen in diesen Staaten (z.B. Flugplätze, Hafenanlagen, Depot- oder Aufklärungseinrichtungen) in keinem Verhältnis zu den finanziell meßbaren Beiträgen zum Bündnis. 5 Ebenso läßt sich in einer Allianz, abhängig von der jeweiligen sicherheitspolitischen Konstellation, der Beitrag eines Mitglieds in Form der Bereitstellung eines strategischen Schutzes für andere Mitglieder (nuklearer Schutzschirm) kaum quantifizieren. Zwar lassen sich die Aufwendungen für solche Systeme berechnen. Aufgrund der völlig anderen Qualität von strategischen Nuklearsystemen und dem selbstauferlegten Verzicht oder technologischen Unvermögen anderer Staaten zur Herstellung und zum Betrieb derartiger Kapazitäten verbietet sich dennoch ein Vergleich. Wenngleich damit die Multidimensionalität von Ressourcen für die Verteidigung angerissen wurde, so ist es für den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit zweckmäßig, sich im Folgenden auf die Bereitstellung und Kombination der Ressourcen Haushaltsmittel und Personal zu konzentrieren. Einerseits steht eine einzelstaatliche Betrachtung der Entscheidungsprozesse im Mittelpunkt, weshalb aber der Einfluß externer Rahmenbedingungen auf sicherheitspolitisch relevante Maßnahmen nicht ignoriert wird. Andererseits hat die Bedeutung weiterer Ressourcen, wie z.B. Übungsraum, im politischen Willensbildungsprozeß Deutschlands zu Umfang und Art der Verteidigungsanstrengungen nach dem Wegfall des systemischen Konflikts erheblich abgenommen. Ad 2. Die Begriffe "Verteidigungsausgaben" und "Militärausgaben" werden zumeist synonym verwendet. Abgesehen von der oben erwähnten Tatsache der national unterschiedlichen Berechnung der Verteidigungshaushalte und dem Sachverhalt, daß Aufwendungen für die Verteidigung auch

5 VgI. Kaltefleiter. Wemer: Zwn Problem der Trittbrettfahrer in der Atlantischen Allianz. In: Zeitschrift für Politik. 30. Jg .• Nr. 2/1983. S. 144 f.

B. Begriffsbestimmungen

19

noch in anderen Budgets enthalten sein können6 , stellt sich bei vielen Verwendungen die Frage, ob die Militärausgaben ausschließlich der Verteidigung/Gewährleistung der äußeren Sicherheit dienen. Da der Begriff "Verteidigung", ähnlich wie die Begriffe "Frieden" oder "Gerechtigkeit", in der Alltagssprache emotional positiv besetzt ist7 , verwenden nahezu alle Staaten die Termini "Verteidigungsministerium" und "Verteidigungshaushalt" für entsprechende militärische Institutionen oder Aufwendungen, obwohl diese tatsächlich nicht immer und nicht nur Verteidigungszwecken dienen. Auch unzweifelhaft demokratische Systeme, wie Z.B. die Vereinigten Staaten, verwenden einen Teil ihrer als Verteidigungsausgaben deklarierten Militärausgaben für nicht unmittelbar der Verteidigung dienende Zwecke, beispielsweise zur Machtprojektion oder zur Aufrechterhaltung eines Weltmachtstatus. Selbst die Bundeswehr, die im Bewußtsein der Öffentlichkeit bis zur schrittweisen Erweiterung ihres Aufgabenbereiches ab 1992 ausschließlich der Verteidigung bzw. Abschreckung diente, hat einen, wenn auch kleinen Teil der ihr im Verteidigungshaushalt zugestandenen Mittel für andere Aufgaben, wie z.B. die Not- und Katastrophenhilfe, verwendet. 8 Der Begriff "Ressourcen für die Verteidigung" ist deshalb raum-zeitlich in Bezug auf bestimmte Akteure zu relativieren. 9 Eine Unterscheidung zwischen Ressourcen für das Militär und Ressourcen für die Verteidigung wäre dem Zweck dieser Untersuchung - auch im Hinblick auf die internationale Vergleichbarkeit - abträglich. Es wird daher angenommen, daß die für die Verteidigung im weiteren Sinne, d.h. für die äußere Sicherheit Deutschlands und seiner Verbündeten ("erweiterte Landesverteidigung"), eingesetzten Ressourcen auch tatsächlich diesem Zweck dienen. Eine Aussage über das außenpolitische Verhalten bestimmter Akteure in konkreten Situationen ist damit nicht verbunden. Eine Strategiediskussion ist nicht Inhalt dieser Arbeit. Weitere Aufwendungen für die Verteidigung, z.B. für den Zivilschutz, bleiben unberücksichtigt.

6 Die Ausgaben für den Zivilschutz sind im Bundeshaushalt z.B. im Einzelplan 06 (Bundesminister des lnoem) enthalten. 7 Vgl. Kerber, Markus: Verteidigung, Wirtschaft und internationaler Status. Diss., LudwigsburgBerlin 1993, S. 109.

8 Nicht alle der Bundeswehr für derartige Vorhaben zusätzlich entstandenen Kosten werden aus dem Einzelplan 60 (Allgemeine Finanzverwaltung) beglichen. 9

2*

Vgl. Kerber, M., a.a.O., S. 108.

20

1. Kapitel: Grundlegung und Abgrenrung

111. Verteidigung

Gemäß Artikel (Art.) 87a Abs. I GG stellt der Bund zur Verteidigung Streitkräfte auf. Da sich die Bundesrepublik für die Mitgliedschaft in kollektiven Verteidigungsorganisationen, NATO und WEU, entschieden hat, wird Verteidigung als erweiterte Landesverteidigung, als Bündnisverteidigung, verstanden lO• Aus dieser Verpflichtung des Grundgesetzes, deren Legitimation aus Artikel lAbs. 1 Satz 2 GG hergeleitet wird, wonach alle staatliche Gewalt die Würde des Menschen zu schützen hat, hat die Exekutive Funktionen und geforderte Fähigkeit der Bundeswehr entwickelt I 1. Diese lassen sich in Schutz-, Gestaltungs- sowie Hilfs- und Sonderaufgaben kategorisieren 12 , wobei die Schutzaufgabe die Legitimationsbasis deutscher Streitkräfte darstellt. Hans-Adolf Jacobsen schlägt daher eine schärfere Aufgabenpriorisierung in Primär-, Sekundär- und Subsidiärfuktionen vor. 13 Die NATO als Bündnis souveräner Staaten gibt in regelmäßigen Abständen Rüstungspläne für ihre Mitglieder und für gemeinsame Vorhaben heraus. 14 Dort im Konsensverfahren erarbeitete Streitkräfteziele und -planungen sind auch als Sollvorgaben für die Kampfkraft der einzelnen Partner zu interpretieren. 15 Ziele haben in soziotechnischen Systemen u.a. die Funktion, als Handlungsmaßstab und zur Erfolgskontrolle zu dienen. 16 In vordergründigen Betrachtungen, aber auch anläßlich zwischenstaatlicher Auseinandersetzungen über eine gerechtere Verteilung der Verteidigungslasten in Bündnissen werden Ausgaben für die Verteidigung oftmals mit schon realisierter Verteidigungsleistung gleichgesetzt. Dabei wird mitunter vorsätzlich übersehen, daß aussagekräftige Ver-

10 Vgl. Bundesministerium der Verteidigung: Weißbuch (WB) 1994, S. 88 f. 11

Vgl. ebd., S. 89-92.

12 Vgl. Olshausen, Klaus: Bundeswehr - wohin? Lage, Auftrag und Zukunft der Streitkräfte. In: Politische Studien, Sonderheft "Strategien für die Zukunft", Nr. 9/93, S. 28. 13 Vgl. Jacobsen, Hans-Adolf: Die Bundeswehr der neunziger Jahre vor neuen Herausforderungen. Versuch einer Zwischenbilanz. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, Nr. B 18/1991, S. 35. 14 Vgl. NATO-Presse- und Informationsabteilung (Hrsg.): NATO-Handbuch, BlÜsse11993, S.

49 f.

15 Vgl. Oldewurtel, Bemd: Lastenteilung im Bündnis aus deutscher Sicht. In: Kaltefleiter, Wemer/Oldewurtel Bemd (Hrsg.): Lastenteilung im Bündnis, Kie11984, S. 41. 16 Vgl. Wiu, Dieter: Ziele in Streitkräften. In: Kirchhoff, G.: Handbuch rur Ökonomie der Verteidigungspolitik, a.a.O., S. 1144.

B. Begriffsbestimmungen

21

gleiche erst am Ergebnis der Kombination der bereitgestellten Ressourcen ansetzen dürfen 17. Aussagen über Verteidigungsaufwendungen sind dagegen rein inputorientiert. Bereits in einem Erlaß von 1970 über die Einrichtung eines Kostenrechnungssystems in der Bundeswehr wies der Generalinspekteur der Bundeswehr darauf hin, daß mit Hilfe einer kostenorientierten Planung und Führung ein Höchstmaß an Produktivität bzw. Verteidigungsbereitschaft (Output) erzielt werden solle. 18 Kostenwirksamkeit ist in diesem Zusammenhang gleichbedeutend mit Effizienz im engeren Sinne (Le.S.) und beschreibt in militärischer Hinsicht das Maß an Verteidigungskraft, welches mit einem vorgegebenen Finanzmitteleinsatz erreicht wird. 19 Effizienz im weiteren Sinne (Lw.S.) ist identisch mit Leistungswirksamkeit und damit Ausdruck für den Grad der Aufgabenerfüllung mit einem gegebenen Ressourcensatz, wozu auch andere als finanzielle Ressourcen zählen. 20 Unter Effektivität wird das Maß an Wirksamkeit verstanden, mit dem der Einsatz bestimmter Instrumente zur Durchsetzung einer politischen oder auch militärischen Zielsetzung beiträgt. Es wird damit offensichtlich, daß auch der effiziente Umgang mit Streitkräften nicht im politisch-strategischen Sinne effektiv sein muß. Mit anderen Worten: Effizienz mißt den professionell korrekten und wirtschaftlichen Einsatz der Kräfte und Mittel. Effektivität fragt, ob der dadurch bewirkte Zustand übergeordneten Zielsetzungen entspricht und das Vorgehen in diesem Kontext ebenfalls als "richtig" zu bewerten ist. Nun können - in den Kategorien der Wirtschaftswissenschaften - Streitkräfte als ein "Dienstleistungskonzem" aufgefaßt werden, der "Sicherheit produziert,,21 oder - etwas differenzierter - als ein "Gewährleistungsbetrieb" ohne

17 So auch das Ergebnis einer nicht veröffentlichten Studie des Amtes für Studien und Übungen der Bundeswehr zur sog. "burden-sharing" -Debatte mit den Vereinigten Staaten Mitte der 80er Jahre: Amt für Studien und Übungen der Bundeswehr (Hrsg.): Analyse des "DoD-Report on Allied Contributions to the Common Defense, 1985" mit dem Ziel der Erarbeitung von Argumenten für bilaterale Gespräche mit den USA über "burdensharing", Bergisch-Gladbach, Sept. 1985, S. 12 f. 18 Vgl. Busch, Hugo W.: Kostenanalysen für Planungen der Bundeswehr. In: Kirchhoff, G.(Hrsg.), a.a.O., S. 415. 19

Vgl. Köppl, J. Bruno: Effizienz, rüstungswirtschaftliche. In: Kirchhoff, G., a.a.O., S. 209.

20 Vgl. Thom, Norbert: Ausbildungsökonomie, militärische. In: Kirchhoff, G. (Hrsg.), a.a.O., S.202. 21 Steuer, Ame: Leistung muß sich lohnen. Die Bundeswehr - ein Dienstleistungskonzem vor dem Konkurs? In: Truppenpraxis, Nr. 6/1994, S. 486.

22

1. Kapitel: Grundlegung und Abgrenzung

direkte Verbindung zu seinem Absatzmarkt22. In einer makroökonomischen Modellbetrachtung wäre die Allokation staatlicher Ressourcen dann optimal, wenn ihr Einsatz innerhalb und außerhalb der Verteidigung den gleichen Grenznutzen erwirtschaften würde. 23 Derartige gesamt- oder einzelwirtschaftlichen theoretischen Kennzahlen bzw. Aussagen sind in der politischen und militärischen Praxis für die Bestimmung des optimalen Verteidigungsbudgets oder die Bewertung seiner Verwendung nur von begrenztem Nutzen. Vom staatspolitischen Standpunkt aus sei hier angefügt, daß Anstrengungen für die Verteidigung in ihrer Qualität eben nicht mit anderen Staatsausgaben gleichgesetzt werden können, da sie unter Umständen die gesamte Existenz des Gemeinwesens berühren. 24 Damit wird nicht unterstellt, daß nun bei Demokratien Verteidigungsausgaben und äußere Sicherheit in einem durchgehend positiven funktionalen Verhältnis - mit der äußeren Sicherheit als abhängiger Variabler zueinander stehen müssen. Unter Umständen, insbesondere bei Fehlperzeptionen durch andere Staaten oder Bündnisse, können sich vermehrte Verteidigungsanstrengungen sogar negativ auf das Niveau der äußeren Sicherheit auswirken. 25 Aber auch eine nur auf die Streitkräfte beschränkte Sichtweise zeigt, daß sich Verteidigungskraft mit reinen Finanzzahlen nur sehr begrenzt messen läßt. 26 Ebenso wie Sicherheit als Ergebnis des Leistungserstellungsprozesses der Streitkräfte im Frieden schwer operationalisierbar ist, lassen sich intersubjektiv übetprütbare Aussagen zum Ausmaß seiner EffIzienz nur eingeschränkt treffen, da diese von einer Kombination zahlreicher Faktoren, wie Z.B. StrategiefTaktik, menschlichen Qualitäten und Technik, abhängt,27 Betriebswirt-

22

Vgl. Hahn, 0.: Der wirtschaftliche Aspekt in Streitkräften. a.a.O., S.

474.

23 Vgl. Hogan, Paul F.: The defense manpower program: Is it efficient? In: Defense Management Journal. Jg. 23, H. 1/1987, S. 3. 24

Vgl. Kissinger, Henry: Viele Waffen, keine Strategie.In: Der Spiegel. Nr. 10/1985. S.

149.

25 Dieser SachveIhalt wird bei Betücksichtigung ökonomischer und sozialpolitischer Faktoren sowie der Perzeption in anderen Staaten augenfällig. Vgl. hierzu auch: Keuschnigg. Christian: Auswirlmngen der Verteidigungsausgaben auf die Wirtschaft der Vereinigten Staaten von Amerika. In: Gesellschaft für Militärökonomie (Hrsg.): 1. Zur Finanzierung der Europäischen Verteidigung und 2. Gesamtverteidigung und Verteidigungswirtschaft. Koblenz 1986, S. 170. Ebenso: Kerner. M.• Verteidigung, Wirtschaft und internationaler Status, a.a.O .• S. 114.

26 Vgl. Fischer. Alf: Verteidigungshaushalt der Zukunft - eine Trend-Prognose. In: Wehrtechnik, Nr. 5/89, S. 37. 27 Vgl.Clark, Asa A.IV: Interservice Rivalry and Military Reform. In: Clark, A./Chiarelli P./McKitrick, J./Reed, J.(Hrsg.), a.a.O., S. 254, 341.

B. Begriffsbestimmungen

23

schaftliehe Kennziffern finden die Grenzen ihrer Anwendungsmöglichkeiten dort, wo nicht meßbare Leistungen zu bewerten sind. 28 Da Streitkräfte sich, zumindest in Friedenszeiten, an keinem Absatz- oder Leistungserbringungsmarkt behaupten müssen und ihr "Produkt", die Gewährleistung äußerer Sicherheit, keine unmittelbaren monetären Erträge erbringt29 • mag ihre Einordnung als Dienstleistungsbetrieb zwar betriebswirtschaftlieh zutreffendtreffend sein - der daraus resultierende Erkenntnisgewinn für politische Akteure bleibt dennoch begrenzt. Bereits in den 60er Jahren befaßte sich eine Gruppe von Systemanalytikern um den damaligen US-Verteidigungsminister McNamara intensiv mit den einzelnen Aspekten des militärischen Erfolgs. 30 Es wurde nicht nur die Erfahrung gemacht, daß eine einseitige Konzentration auf meßbare Komponenten uvollständig bleiben muß. Vielmehr kann eine Überbetonung herkömmlicher betriebswirtschaftlicher Effizienz bei der Steuerung von Streitkräften, z.B. im Bereich der Personalführung, sogar kontraproduktiv im Hinblick auf den Einsatzwert einer Truppe im Gefecht wirken, indem sie die Kohäsion und Moral der Verbände unterminiert. Militärischer Erfolg beruht eben nicht immer auf einer linearen Logik, sondern entspringt häufig einem Paradoxon. 31 Da sich das wirkliche Leistungsvermögen von Streitkräften nur im Gefecht ermitteln läßt und viele Aspekte der Karnpfkraft nur subjektiv und intuitiv faßbar sind, ist die Versuchung groß. auf "scheinobjektive" Maßstäbe auszuweichen. 32 Aber auch mit enormem methodischem Aufwand gewonnene subjektive Daten über Karnpfwille. Zusammenhalt und Moral bleiben letztlich interpretationsbedürftig, denn Ursache-Wirkungs zusammenhänge zwischen subjektiven Faktoren und Kampfkraft sind multidimensional, lassen sich nicht als Summe oder Produkt der Kampfkraft einzelner Einheiten, Verbände oder Waffensysteme berechnen

28 So auch J. Gerber und andere Referenten auf dem Symposium "Betriebswirtschaftliche Hilfen zur Lösung des Problems Strukturwandel in der Bundeswehr". Vgl. hierzu: Symposium: Strukturwandel in der Bundeswehr (o.V.). In: Österreichische Militärische Zeitschrift, Nr. 5/94, S. 529. 29 Vgl. Paulus, Alexander: Sicherheitsrisiko Kostenexplosion. Kosten- und Nutzenanalysen für Investitionsprogramme in der Verteidigungsplanung - Modelle zur Kostendämpfung. München 1981, S. 20 f. 30

Vgl. Luttwak, Edward N.: The Pentagon and the Art of War. New York 1984, S. 269.

31 Vgl. ebd., S. 269 f. 32 Vgl. Sarkesian, Sam C.: Introduction: Combat Effectiveness. In: Sarkesian, Sam C. (Hrsg.): Combat Effectiveness, Beverly HilIs 1980, S. 8 f.

24

1. Kapitel: Grundlegung und Abgrenzung

und sind nicht zuletzt abhängig vom Auftrag und dem konkreten Umfeld, in dem Streitkräfte wirken sollen. 33 Die geschilderten Schwierigkeiten treten nicht nur bei der Effizienzermittlung großer, technisch und sozial zumeist ebenso heterogener wie komplexer Truppenkörper auf. So existieren selbst in der NATO für Einheiten und Verbände, also vergleichsweise niedrigrangigen militärischen Gliederungsformen, keine durchgängig zugeordneten Leistungskriterien und -forderungen mit entsprechenden Kostenzuordnungen. 34 Nur einzelne Merkmale des Leistungsvermögens bestimmter Kampfverbände werden in der NATO regelmäßig nach einheitlichen Bewertungskriterien überpfüft. 35 Die hierbei festgestellten Ergebnisse werden jedoch nicht ins Verhältnis zum betriebenen Aufwand gesetzt, so daß zwar eine Output-, aber keine Effizienzmessung stattfindet. Qualitative, "kulturelle" Aspekte werden bei der Untersuchung der Transformation von Steuergeldem in äußere Sicherheit innerhalb des Nordatlantischen Bündnissesauch mit Rücksicht auf die Souveränität der Mitgliedsländer - allenfalls indirekt beurteilt. 36 Ersatzweise werden für solche qualitätsdetenninierenden Faktoren größerer Truppenkörper, die im Verständnis der Bündnispartner der alleinigen nationalen Entscheidungsgewalt unterliegen, - wie z.B. Führerkorps, Führungssystem, Moral und Zusammenhalt - häufig Inputs gemessen. Geld und Personalumfänge erscheinen eben homogener als Strukturen und Fähigkeiten. 37 Die Grenzen der Output- oder Effizienzmessung sind aber selbst bei der Bewertung der Fähigkeiten einzelner Waffensysteme schnell erreicht. Das in der Praxis z.B. zur Anwendung kommende Instrument der Nutzwertanalyse vermag hierbei zwar zu scheinbar objektiven Ergebnissen führen. Das zuvor unterstellte Einsatzszenarium sowie Gewichtung und Maßstäbe einzelner zu bewertender Kriterien bieten aber ebenfalls Spielraum für subjektive Interpretationen. 38

33

Vgl. ebd., S. 9-12.

Vgl. hierzu die Ausführungen des ehemaligen Beauftragten des Bundesministers der Verteidigung (BMVg) für Aufwandsbegrenzung im Betrieb: Huber. Lorenz: Aufwandsbegrenzung im Betrieb der Bundeswehr. Auftrag. Problemstellung. Ergebnisse. In: Wehrtechnik. Nr. 7/94, S. 34. 34

35

Vgl. 01dewurtel. B.. a.a.O .. S. 43.

36 Vgl. Knorr. Klaus: Burden Sharing in NATO: Aspects of U.S. Policy. In: Orbis. Vol. 29. No. 3, Fall 1985, S. 533. 37

Vgl. ebd .• S. 523.

38

Thom. Norbert: Effizienz militärischer Organisationen. In: Kirchhoff. G. (Hrsg.l. a.a.O., S.

203.

B. Begriffsbestimmungen

25

Nicht nur die Erfassung der für die äußere Sicherheit eingesetzten Ressourcen und ihre Zuordnung zu Verteidigungs- und anderen Zwecken bereitet daher Probleme. Auch im Zeitalter modernster Analyseverfahren und umfangreicher Verarbeitungskapazitäten stößt die Untersuchung der Leistungsfähigkeit von Streitkräften und ihrer Komponenten im Frieden an Grenzen. Diese ergeben sich aus der Vielschichtigkeit militärischer Effizienz und der zahlreichen, darin einfließenden qualitativen Faktoren, die einer objektiven Messung kaum zugänglich sind. Deshalb werden in dieser Arbeit Aussagen über die Wirkungen einzelner struktureller Faktoren und daraus erklärbarer politischer Entscheidungen auch nur auf der Ebene einer ordinalen Ordnung, eines "Mehr" oder "Weniger", eines "Positiv" oder "Negativ,,39, erfolgen können. Kardinale Aussagen könnten zwar den Eindruck von Objektivität erzeugen, würden aber nur auf Annahmen, Vereinfachungen und Quantifizierungen qualitativer Aspekte beruhen, die einer intersubjektiven Überprüfung nicht standhielten.

39 "Positiv" bzw."Negativ" bezogen auf zuvor definierte Kriterien, nicht im Verständnis moralischer Kategorien wie "gut" oder "schlecht".

2. Kapitel

Äußere Sicherheit als öffentliches Gut A. Das Modell und seine Prämissen

Eine Theorie zeichnet sich dadurch aus, daß sie entweder dem Besonderen einen sinnhaften Stellenwert in einem Allgemeineren zuweist oder einzelne Erscheinungen in einen ableitbaren Zusammenhang von Ursache und Wirkungen bringt. 1 Sie soll die logischen Beziehungen zwischen den in ihr enthaltenen Aussagen, deren Prüfbarkeit und deren Vereinbarkeit mit beobachtbaren Daten klären. 2 Die der ökonomischen Theorie der Politik bzw. public- oder rational choice - Schule entstammenden Ansätze versuchen, politische Phänomene mit Theorieansätzen der Nationalökonomie zu erklären. 3 Willensbildungsprozesse von Parteien und Abgeordneten sollen aus ökonomischer Sicht analysiert werden. 4 Ihr Ausgangspunkt ist der methodologische Individualismus, wonach soziale Strukturen, Prozesse und Konflikte als Ergebnis des Verhaltens einzelner menschlicher Entscheidungsträger erklärt werden. 5 Auf dieser Grundlage soll prognostiziert werden, welches Verhalten zu erwarten ist, wenn sich Menschen in der Politik im ökonomischen Sinne rational verhalten. 6 Die wesentlich von Anthony Downs entwickelte ökonomische Theorie der Demokratie unterstellt dabei, daß sich der Einzelne nicht an idealistischen oder altruistischen Motiven orientiert, sondern sich vielmehr als ausschließlich

1 Vgl. Mols, Manfred: Politik als Wissenschaft. Zur Definition, Entwicklung und Standortbestimmung einer Disziplin. In: Mols, ManfredlLauth, Hans-Joachim/Wagner, Christian (Hrsg.): Politikwissenschaft: Eine Einführung. Paderbom 1994, S. 23.

2 Vgl. Weede, Erich: Konfliktforschung. Opladen 1986, S. 7. 3 Vgl. Kammler, Hans: Ökonomische Probleme der Sichemeitspolitik: von der Forschung vernachlässigt? In: Zeitschrift für Politik, 36. Jg., Nr. 3/1989, S. 291.

4 Vgl. Zimmermann, HorstIHenke, Klaus-Dirk: Einführung in die Finanzwissenschaft. 6. Auflg., München 1990, S. 60. S

Vgl. Weede, E., Konfliktforschung, a.a.O., S. 7.

6 Vgl. Kramm, Lothar: Politische Ökonomie. München 1979, S. 174.

28

2. Kapitel: Äußere Sicherneit als öffentliches Gut

rational verhaltender homo oeconomicus nach individuellen Kosten-NutzenKalkülen auch in politischen Fragen entscheidet. 7 Der Informationsstand aller am politischen Prozeß Beteiligten sei vollkommen, die Informationsgewinnung kostenlos. 8 Nach diesem Modell handeln die Individuen im Rahmen einer konsistenten, eigennützigen Präferenzordnung dann rational, wenn sie versuchen, den subjektiven Erwartungswert des Nettonutzens ihrer Entscheidungen zu maximieren. 9 Der Erwartungswert ist das Produkt aus dem einer Handlungsoption zugeordneten Nutzenwert und der Wahrscheinlichkeit, mit der das gewünschte Ergebnis eintritt. 10 Rationalität bezieht sich ausschließlich auf die Effizienz bei der Wahl der Mittel, nicht aber auf den Inhalt der Interessen und ihrer Nutzenzumessung. ll Von Nettonutzen wird deshalb gesprochen, weil die Akteure den aufgrund der Ablehnung anderer Entscheidungsalternativen entgangenen Nutzen in ihr Kalkül einzubeziehen haben. Wegen ihres ausschließlich eigennützigen Vorgehens fließen negative Nutzenfolgen für andere (Externalitäten oder externe Effekte!Kosten) nicht in die Überlegungen der Individuen ein. 12 Auf Abgeordnete und Parteien übertragen besagt die ökonomische Theorie der Politik, daß Politiker ihren persönlichen Nutzen mit Hilfe des Instruments der Gesetzgebung, insbesondere der Budgetentscheidungen, zu maximieren suchen. 13 Zielvariable von Parteien und Politikern ist nach diesem auf Joseph

7 Vgl. Thiery. Peter: Moderne politische Theorie.ln: Mols, M./Lauth, H.-J./Wagner. C. (Hrsg.), . a.a.O., S. 224. Obgleich die Protagonisten des ökonomischen Ansatzes der Politik durchaus konzedieren, daß das individuelle Eigeninteresse nicht der einzige moralische Wert sein darf, wenn eine Demokratie langfristig effektiv funktionieren soll, so bleibt dennoch auch für die heute führenden "rational choice"-Vertreter das Menschenbild eines eigennützigen, rationalen Nutzenrnaximierers eine der Grundannahrnen des Modells. Vgl. zum gegenwärtigen Stand der Forschung über die ideengeschichtlichen Wurzeln und die Grundaxiome der Ökonomischen Theorie der Politik auch: Vatter. Adrian: Eigennutz als Grundmaxime in der Politik? Diss., Bem-Stuttgart-Wien 1994, S. 19-32. 8

Vgl. Kranun, L, a.a.O., S. 175.

9 Vgl. Weede, Erich: Der ökonomische Erklärungsansatz in der internationalen Politik. ln: Politische Vierteljahresschrift, H. 2/1989, S. 254. 10

Vgl. Weede, E., Konfliktforschung, a.a.O., S. 9.

11

Vgl. Weede, E., Konfliktforschung, a.a.O., S. 13.

12 Vgl. ebd., S. 10.

13 Vgl. Zimmermann, H.IHenke, K.-D., a.a.O., S. 60.

A. Das Modell Wld seine Prämissen

29

Schumpeter und Anthony Downs zurückgehenden Ansatz die Maximierung der Wählerstimmen; inhaltlich passen sich die um politische Macht konkurrierenden Gruppierungen den Präferenzen der Wähler an. I4 In der Literatur wird häufig eingewandt, Modellansätze der ökonomischen Theorie der Demokratie seien wertlos, da durch die einschränkenden Annahmen der Mensch mit einem Tier auf eine Stufe gestellt werde und sich von diesem nur dadurch unterscheide, daß er vorausschauend und berechnend sei. I5 Da als Preis der Abstraktion die Prämissen falsch seien, bestehe kein Erklärungswert bezüglich realer Phänomene mehr, utilitaristische Prinzipien seien nicht die alleinige Grundlage menschlichen Verhaltens. Vielmehr könne Aktivität als solche Vergnügen bereiten und damit Nutzen stiften. I6 Nun lassen sich Thesen einer formalen und einer empirischen Überprüfung unterziehen. I7 Empirisch stellen die skizzierten Annahmen eine wesentliche Einschränkung der Wirklichkeit dar. Downs' Theorie erhebt aber weder den Anspruch, die Realität vollständig abzubilden, noch wird unterstellt, daß Individuen tatsächlich nur aus eigennützigen Motiven handeln. Das Modell ist vielmehr analytischdeduktiv und nicht deskriptiv. Es handelt sich um einen der ökonomischen Theorie entlehnten entSCheidungstheoretischen Ansatz. Deshalb sind Einwendungen zunächst auch nur gegen die Logik der Argumentation, nicht aber gegen den empirischen Gehalt zulässig. 18 Aus gesamtgesellschaftlicher Sicht ist eines der angestrebten Ziele in einem Gemeinwesen das Erreichen eines gesellschaftlichen Wohlfahrtsmaximums. I9 Dieses nach dem Nationalökonomen Vilfredo Pareto benannte Optimum ist nach der volkswirtschaftlichen Allokationstheorie, die u.a. individuelle Nutzenfunktionen, eine gegebene Ausstattung mit Produktionsfaktoren und eine optimale Einkommensverteilung unterstellt, dann erreicht, wenn die Summe der Grenzraten der Substitution für mehrere Güter beim Konsum der Grenzrate der

14 Vgl. ebd., S. 61. 15 Vgl. Barry, Brian M.: Neue Politische Ökonomie. Ökonomische Wld soziologische Demokratietheorie. FrankfurtlNew York 1975, S. 186. 16

Vgl. ebd., S. 186 f.

17 Vgl. Kerber, M., a.a.O., S. 168. 18

Vgl. Kramm, L., a.a.O., S. 177.

19 Vgl. Pöcher, Harald R.: "Burden sharing" versus "Trittbrettfahrer". In: Österreichische Militärische Zeitschrift, Nr. 2194, S. 155.

30

2. Kapitel: Äußere Sicherheit als öffentliches Gut

Transfonnation bei der Produktion eben dieser Güter entspricht. 20 Voraussetzung dafür. daß sich ein solcher Zustand einstellt. ist jedoch, daß der marktwirtschaftliehe Preismechanismus, der aus dem freien Aufeinandertreffen von Angebot und Nachfrage basiert, uneingeschränkt intakt ist. Das Funktionieren dieses Preismechanismus hängt u.a. davon ab, daß ein potentieller Nachfrager, der nicht bereit ist. den am Markt entstandenen Gleichgewichtspreis für ein Gut oder eine Dienstleistung zu bezahlen, dieses Gut oder diese Dienstleistung auch nicht konsumieren kann. Die Bedingung der Ausschlußmöglichkeit vom Angebot und der Rivalität im Konsum besteht aber nur für knappe, private Güter. Für reine öffentliche Güter, die auch als Kollektivgüter bezeichnet werden, geIten hingegen Nichtausschließbarkeit vom Angebot und Nichtrivalität im Konsum. 21 Die Gewährleistung der äußeren Sicherheit/Verteidigung wird in der Literatur oftmals als typisches Beispiel für ein solches Kollektivgut angeführt. Eine derart generalisierende Betrachtungsweise greift jedoch zu kurz. Zum einen kann die Einordnung eines Gutes nur im Hinblick auf eine zuvor defmierte Gruppe erfolgen22 (hier der Bürger in einem Staat oder mehrere Staaten in einem Bündnis), zum anderen ist die Kategorisierung abhängig von dem betrachteten Aspekt der äußeren Sicherheit (hier der Abschreckung oder der Verteidigung). Abschreckung, insbesondere wenn sie auch auf der Drohung mit nuklearen Waffensystemen beruht, kann sowohl aus einzelstaatlicher Sicht wie auch aus Bündnisperspektive als öffentliches Gut eingeordnet werden. 23 Entweder die nukleare Abschreckung zeitigt ihre Wirkung für alle Bürger eines Staates bzw. für alle Mitglieder einer Allianz, oder im Falle ihres Versagens wird jeder mit den entsprechenden Konsequenzen konfrontiert. Weder funktioniert das Ausschlußprinzip noch herrscht Rivalität im Konsum.

20 Vgl. ebd .• S. 155. Unter den vereinfachenden Bedingungen nur eines Anbieters und eines Nachfragers bedeutet dies für den Anbieter. daß in dieser Situation seine Grenzkosten den Grenzerlösen entsprechen. Für den Nachfrager gilt. daß seine Budgetgerade die Indifferenzkurve mit dem höchsten Nutzenniveau tangiert.

21 Einige Autoren ziehen nur die Rivalität im Konsum als Unterscheidungskriterium heran. Vgl. Zimmermann. H./Henke. K.-D .• a.a.O .• S. 43. 22

Vgl. Weede. E .• Konfliktforschung. a.a.O .• S.12.

23 Vgl. Kennedy. Gavin: Burden Sharing in NATO. New York 1979. S. 7. Ebenso: Kammler. H .• Ordungsspezifische Probleme.... a.a.O .• S. 352.

A. Das Modell und seine Prämissen

31

Für die Komponente Verteidigung treffen diese Kriterien nicht durchweg zu.24 Schon auf einzelstaatlicher Ebene sind jenseits des Kriegsbildes des systemischen Konflikts Situationen vorstellbar, bei denen im Rahmen einer konventionellen, begrenzten Verteidigung Ausschließbarkeit vom Angebot (z.B. unter regionalen Gesichtspunkten) und Rivalität im Konsum (z.B. hinsichtlich von Einrichtungen oder Systemen zum Selbstschutz) gegeben sein können. Konventionelle, schadensbegrenzende Verteidigung stellt somit allenfalls ein lokales öffentliches Gut dar. 25 Auf ein Bündnis übertragen ist diese Argumentation für eine überschaubare Zahl territorial abgegrenzter Staaten evident. Die Einordnung seiner "Dienstleistung" hängt von der Doktrin sowie der Art und Menge der Bewaffnung ab. Für rein defensive Waffensysteme mit lokal begrenzter Wirkung (z.B. am Boden fest installierten Flugabwehreinrichtungen) gilt zwischen den Staaten Rivalität im Konsum und Ausschließbarkeit im Angebot. 26 Schutz hat damit innerhalb von Allianzen z.T. den Charakter eines privaten Gutes. Allianzen lassen sich daher nach Anteilen von abschreckenden und schützenden Komponenten klassifizieren. 27 Hierfür sind weniger Doktrinen mit deklaratorischem Charakter ausschlaggebend, als eine durch entsprechende militärische Fähigkeiten glaubhaft flankierte politische Entschlußkraft. Schließlich bieten Bündnisse ihren Mitgliedern auch rein private Leistungen in Form von nationalen, politischen oder wirtschaftlichen Vorteilen. 28 Sogenannte "Mischprodukt-Modelle" berücksichtigen, daß Verteidigungsallianzen ihren Mitgliedern neben rein öffentlichen Gütern (Abschreckung) auch öffentliche Güter mit privaten/lokalen Dimensionen (konventionelle Verteidigung) und solche mit rein privatem Charakter (nationaler Status, politische Mitsprnche, Aufträge für die nationale Wirtschaft) zur Verfügung stellen. 29 In der Realität kommt auf einzelstaatlicher Ebene die von den Streitkräften zu gewährleistende äußere Sicherheit in ihren Komponenten Abschreckung und Verteidigung, die sich in der Planung nicht auf den Schutz einzelner Personen

24

Vgl. Sandler, Todd: Impurity of Defense. In: Kyklos, No. 30/1977, S. 444.

25 Vgl. Pöcher, H., a.a.O., S. 156. 26

Vgl. Sandler, T., a.a.O., S. 446.

27

Vgl. ebd., S. 456.

28 Vgl. Field, Brian: Wirtschaftstheorie, Lastenteilung und das NATO-Bündnis. In: NATOBrief, Nr. 6/1988, S. 15. 29

Vgl. ebd.• S. 17.

32

2. Kapitel: Äußere Sicherheit als öffentliches Gut

oder spezieller Gruppen (z.B. in Schutzbauten) erstreckt, dem Charakter eines öffentlichen Gutes sehr nahe. Bei der Untersuchung politischer Willensbildungsprozesse auf nationaler Ebene kann der äußeren Sicherheit daher die Kollektivguteigenschaft weitgehend unterstellt werden. Auf "laborhafte" Inzidenzhypothesen hinsichtlich der Frage. welcher Gruppe von Bürgern die äußere Sicherheit welchen Nutzen stiftet. wird in diesem Kontext nicht eingegangen. 30

B. Theoretische Implikationen Die besonderen Eigenschaften des Gutes "äußere Sicherheit" sowie die hier angenommenen, modellhaften Maximen im privaten Entscheidungs- und politischen Willensbildungsprozeß müssen innerhalb von Nationalstaaten einerseits und zwischen Allianzpartnern andererseits nicht durchweg zu den selben Konsequenzen führen. Bei öffentlichen Gütern - aus der Sicht der Bürger eines Staates gehört äußere Sicherheit in diese Kategorie - entfällt die Signalfunktion des Preises. Da potentielle Nachfrager vom Konsum eines solchen Gutes nicht ausgeschlossen werden können. werden sie vorgeben. weniger Interesse daran zu haben. als es tatsächlich der Fall ist. um auch weniger zu bezahlen. l Weil insbesondere die Mitglieder einer großen Gruppe (Bürger in einem Staat) nur Teile des Nutzens ihrer getätigten Ausgaben zurückerhalten. werden sie den Kauf zusätzlicher Einheiten des öffentlichen Gutes abbrechen. bevor die allokationstheoretisch optimale Produktionsmenge für die Gruppe erreicht ist. 2 Eine typische Eigenschaft der äußeren Sicherheit ist es gerade. daß es sich um ein Gut für sehr große Kollektive handelt. Deshalb kann "... bei der politischen Auseinandersetzung um die Allokation der Ressourcen die Friedens-, Abschreckungs- oder Verteidigungspolitik keine so gute Lobby haben .. wie etliche Sonderinteressen. Nur eine Sicherheitspolitik, die von Jahr zu Jahr weniger kostet und damit mehr und mehr Verteilungsspielraum für Partikuliuinteressen läßt, kann leicht und in großer Zahl an Sicherheitspolitik per se desinteressierte Anhänger rekrutieren.,,3

30 Inzidenzhypothesen beziehen sich darauf, was denn durch Streitkräfte gesichert wird, das Leben und die Freiheit der Bürger oder das Vermögen bzw. Einkommen (Weniger?). Dieser Gesichtspunkt erscheint dem Verfasser für die Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland nachrangig zu sein. Vgl. hierzu: Zimmermann, H./Henke, K.-D., a.a.O., S. 248. 1 Vgl. Samuelson, Paul A.: The Pure Theory of Public Expenditure. In: Review of Economics and Statistics, Vol. 36 (1954), No. 4, S. 388 f. 2 Vgl. Weede, E., Konfliktforschung, a.a.O., S. 14.

3 Weede, E., Ökonomischer Erldärungsansatz in der Intemationalen Politik, a.a.O., S. 265.

B. Theoretische Irnplikationen

33

Die grundsätzliche Ignoranz der meisten Bürger im Hinblick auf Fragen der Verteidigungspolitik ist unter den hier getroffenen Annahmen ebenso rational wie die Weigerung von Individuen und Verteilungskoalitionen, freiwillig zusätzliche Lasten im Interesse des Ganzen zu übernehmen. 4 Hinzu kommt, daß im Gegensatz zu anderen öffentlichen Gütern, wie z.B. der inneren Sicherheit oder einer intakten Umwelt, die Ergebnisse der Sicherheitspolitik in Zeiten eines selbstverständlich erscheinenden Friedens kaum wahrnehmbar sind und somit die Notwendigkeit sicherheitsrelevanter Aufwendungen der Öffentlichkeit nur schwer vermittelbar ist.5 Rational handelnde Individuen in großen, latenten Gruppen weisen deshalb keine ausgeprägte Tendenz auf, freiwillig im Sinne ihrer gemeinsamen Interessen zu agieren, obwohl diese unter Umständen vital sind.6 Entsprechend den antizipierten Wählerpräferenzen verlaufen - in der Theorie - die parlamentarischen Willensbildungsprozesse. Parlamentarier, die sich vornehmlich als Vertreter regionaler, wirtschaftlicher oder berufsständischer Sonderinteressen verstehen, betrachten Ausgaben für allen Bürgern zukommende öffentliche Güter als pekuniäre Verfügungsrnasse, was in wohlfahrtsorientierten Demokratien zu einem Substitutionsdruck gegen klassische Staatsfunktionen und insbesondere zu einer langfristigen Verdrängung von Aufwendungen für die äußere Sicherheit führt. 7 Kleine Interessengruppen mit hohem Organisationsgrad verfügen über eine überproportionale politische Durchsetzungsfähigkeit. 8 Durch die Praxis des Stimmentausches (logrolling) zwischen Vertretern verschiedener Partikularinteressen bei Budgetentscheidungen von nicht grundsätzlicher Art kommt es zu einer Ausweitung von Einkommenstransfers und meritorischen Gütern. 9 Zwar nehmen damit entsprechend dem von Adolph Wagner aufgestellten "Gesetz der wachsenden Staatstätigkeit" in sozialen Rechtsstaaten die Aufgaben des Staates nach Art und Umfang insgesamt zu,

4

Vgl. ebd., S. 265.

5 Vgl. Kanunler, H., Ordnungsspezifische Probleme der westlichen Sicherheitspolitik, a.a.O., S.

354.

6

165. 7

Vgl. Olson, Mancur: The Logic of Collective Action. 7. Auflg., Cambridge/London 1977, S. Vgl. Karnmler, H., Effizienz der Sicherheitspolitik, a.a.O., S. 66-68.

8 Vgl. Olson, M., The Logic of Collective Action, a.a.O., S. 143-145. 9

Vgl. Zimmermann H./Henke, K.-D., a.a.O., S. 71 f.

3 Wöckener

34

2. Kapitel: Äußere Sicherheit als öffentliches Gut

der vom Staat beanspruchte Anteil am Sozialprodukt wächst lO, die Ausgaben für öffentliche Güter schrumpfen aber relativ, obwohl deren Preise aufgrund des zumeist hohen Personalkostenanteils schneller steigen 11 . Besonders vor Wahlen sind die um Wählerstimmen konkurrierenden politischen Parteien geneigt, kurzfristig merkliche Ausgaben des Staates zu erhöhen (z.B. Sozialtransfers, meritorische Güter) und diese mit wenig oder erst später spürbaren Einnahmen zu finanzieren (z.B. Kreditaufnahme, Verbrauchsteuern). In diesem Zusammenhang wird die zu einer Finanzierungs- oder Fiskalillusion führende Maxime der Stimmenmaximierung auch als "Theorie der Wahlgeschenke" bezeichnet. 12 Aber auch der für allgemeine Staatsfunktionen verbliebene Anteil an den Staatsausgaben steht nicht uneingeschränkt dafür zur Verfügung, diese im Rahmen der geltenden Gesetze nach EffIZienzgesichtspunkten in öffentliche Güter und Dienstleistungen zu transformieren. Abgesehen von Sonderinteressen und Statusdenken innerhalb der Exekutive wird von Vertretern verschiedener Partikularinteressen im parlamentarischen und vorparlamentarischen Raum, insbesondere bei öffentlichen Infrastruktur- und Beschaffungsvorhaben, versucht, diese für beschäftigungs- und regionalpolitische Zwecke zu instrumentalisieren (in den Vereinigten Staaten wird hier von "pork-barrel-politics" gesprochen).13 Dem wird in Hinblick auf Streitkräfte oft entgegengehalten, daß ein "Militärisch-Industrieller Komplex" (MIK) mit Hilfe seines ausgeprägten Lobbyismus gerade den Interessen der Streitkräfte und der Rüstungsindustrie ein unangemessen hohes Gewicht im politischen Willensbildungsprozeß verleihe. Allerdings ist es auch sich selbst als kritisch einschätzenden Autoren - selbst für die Zeit des "Kalten Krieges" mit seinen vergleichsweise hohen Rüstungsausgaben nicht gelungen, für die Bundesrepublik Deutschland die Existenz eines MIK schlüssig zu belegen. 14 Einem MIK ginge es auch nicht primär um eine als staatspolitisch notwendig erachtete Stärkung der Verteidigungs- oder AbschreckungsHihigkeit, sondern um die Verfolgung eigennütziger Interessen über

10

Vgl. ebd., S. 22.

Jl

Vgl. Kammler, H., Effizienz der Sicherheitspolitik, a.a.O., S. 69.

12 Vgl. Zimmermann, H./Henke, K.-D., a.a.O., S. 62. 13

Vg1. Kammler, H., Effizienz der Sicherheitspolitik, S. 75.

14 Vgl. Walpuski, Günter/Wolf, Dieter O. A.: Der "Militärisch-Industrielle Komplex. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, Nr. B 14/1978, S. 23-38.

B. Theoretische Implikationen

35

das Instrument der Steigerung des Streitkräfteetats. Selbst bei Strapazierung einer "Gemeinwohlrhetorik" , die aufgrund der rationalen Ignoranz vieler Bürger in sicherheitspolitischen Fragen erfolgreich sein mag, können berufsständische und industIjelle Verteilungskoalitionen im Rahmen der hier aufgestellten Annahmen letztlich nicht darüber hinwegtäuschen, daß sie um Privatgüter für ihre Klientel und nicht um Kollektivgüter für die gesamte Gesellschaft streiten. 15 Ein möglicher MIK wäre nicht als Gegengewicht zu anderen Partikularinteressen, sondern vielmehr als deren Ergänzung zu begreifen. 16

Die skizzierte Tendenz der Verdrängung staatlicher Kernfunktionen, wie z.B. der Verteidigung, zugunsten gruppenspezifischer Interessen und die damit einhergehenden Begleiterscheinungen (logrolling, pork-barrel politics, Erzeugung einer Finanzierungsillusion, Entwicklung zu einer "rent-seeking society") sind theoretisch um so ausgeprägter, je pluralistischer ein politisches System organisiert ist. 17 Der sozialschädliche Substitutionsdruck auf öffentliche Güter muß demnach bei staatlichen Allokationsentscheidungen in etablierten Wohlfahrtsdemokratien mit föderativem Aufbau sowie einem ausdifferenzierten Vielparteiensystem (begünstigt durch das Verhältniswahlrecht) und dem damit strukturell verbundenen Zwang zu einer multidimensionalen Konsenserzielung ceteris paribus tendenziell stärker sein als z.B. in präsidialen, zentralistischen Systemen mit einem aus einem Mehrheitswahlrecht resultierenden Zweiparteiensystem. Erich Weede leitet aus diesen theoretischen Überlegungen die These ab, daß die Demokratie wegen ihrer inhärenten Tendenz zur "rent-seeking society" langfristig die Marktwirtschaft untergrabe und daß die ordnungspolitische Kombination aus Marktwirtschaft und Demokratie unter endogenen Selbstabschaffungstendenzen leide. 18 Infolge der Nichtausschließbarkeit von der Nutzung kann es in großen Gruppen bei ökonomisch rationalem Verhalten der Entscheidungsträger eine "Marktläsung" bei der Bereitstellung der Dienstleistung äußere Sicherheit/Verteidigung nicht geben. Auf die Grenzen des Preis- und Marktmechanismus bei der Bestimmung der Rolle des Staates hat im übrigen schon Adam Smith, der

15 VgI. Weede, E., Der Ökonomische Erldärungsansatz in der Internationalen Politik, a.a.O., S.

266.

3'

16

VgI. ebd., S. 266.

17

VgI. Karnmler, H., Effizienz der Sicherbeitspolitik, a.a.O., S. 75.

18

VgI. Weede, E., KonfliktforschWlg, a.a.O., S. 132.

36

2. Kapitel: Äußere Sicherheit als öffentliches Gut

Begründer der klassischen Volkswirtschaftslehre und Verfechter einer grundsätzlich liberalen Wirtschaftsordnung, hingewiesen. 19 Im Gegensatz zu einer z.T. populistisch überlieferten, naiven Theorie vom "Nachtwächterstaat" mußte es nach Smith einige bedeutende Ausnahmen von dem Grundsatz geben, nach dem der Staat den Preis- und Marktmechanismus ungestört wirken lassen sollte. Zu diesen Ausnahmen zählte neben dem Schutz des Individuums und den Ausgaben zur Sicherung der staatlichen Existenz insbesondere auch die Landesverteidigung. 20 Aus dem Paradoxon der Logik des kollektiven Handelns folgt. daß es im eigenen Interesse der Mitglieder eines großen Kollektivs ist, einer Zwangsgewalt unterworfen zu sein, wenn nur so die Beschaffung von öffentlichen Gütern in der erforderlichen Art und Anzahl erreicht werden kann. 21 Die Tendenz zur suboptimalen Beschaffung kann auch dadurch gemindert werden, daß mit den öffentlichen Gütern nicht-kollektive Anreize verbunden werden. Solche Zusatzmotivationen können in privaten Wirtschaftsgütern (pekuniäre/materielle Stimulationen) oder sog. Positionsgütern bestehen. d.h. an Bemühungen um die Bereitstellung öffentlicher Güter sind Prestige. eine bestimmte soziale Stellung bzw. Machtposition oder ein Titel gekoppelt. 22 Wo solche zusätzlichen selektiven Anreize nicht möglich sind oder nicht ausreichen. können staatliche Basisleistungen nur mittels Pflichtbeiträgen ermöglicht werden. 23 Differenzierter vollzieht sich unter den gleichen Annahmen der Allokationsprozeß für öffentliche Güter in kleinen, überschaubaren Gruppen, wie z.B. Verteidigungsbündnissen zwischen Staaten. Sofern die äußere Sicherheit in Allianzen nicht ausschließlich auf strategischer Abschreckung beruht. hat diese "Mischgutcharakter" , d.h. sie weist Merkmale von Kollektiv-, Privat- und Positionsgütern auf. In welchem Ausmaß sich die jeweiligen Komponenten der äußeren Sicherheit auf die Politik einer Allianz auswirken, hängt u.a. davon ab. ob sie sich vornehmlich auf konventionelle, evtl. lokal begrenzte Verteidigung oder auf strategische Abschreckung abstützt. 24 Je mehr bei einem Bündnis die

19

Vgl. hierzu die Ausführungen in Zirnmennann, H./Henke, K.-D., a.a.O., S. 31 f.

20

Vgl. ebd., S. 32.

21

Vgl. Weede, E., Konfliktforschung, a.a.O., S. 14.

22

Vgl. ebd., S. 16.

23

Vgl. Oison, M.• The Logic of Collective Action. a.a.O., S. 98.

24

Vgl. Pöcher, H., a.a.O .• S. 156.

B. Theoretische Implikationen

37

Abschreckung im Vordergrund steht und seine Leistung damit einem öffentlichen Gut nahekommt. desto unausgewogener wird die Lastenverteilung und desto allokativ suboptimaler wird die Bereitstellung äußerer Sicherheit sein. 25 Die Verteidigungslasten werden in dem Maße fairer. d.h. in Relation zur Größe und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Mitgliedstaaten gleichmäßiger verteilt. in dem der Anteil privater bzw. ausschließbarer öffentlicher Leistungen am Angebot der Allianz zunimmt (dies ist das Ergebnis ökonomisch rationaler Überlegungen der Bündnispartner im Rahmen sog. Mischgut-Modelle).26 Das Niveau eines stabilen - wenngleich allokationstheoretisch immer suboptimalen Gleichgewichts in Allianzen ist außerdem von der Anzahl der Mitglieder und der Unterschiedlichkeit ihrer absoluten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit abhängig. 27 Als Ergebnis des Willensbildungsprozesses kommt es in Bündnissen souveräner Staaten unter Beachtung der Rationalitätsprämisse zu einer Ausnutzung der wirtschaftlich "Großen" durch die "Kleinen".28 Die Mitgliedstaaten stoppen ihre Verteidigungsausgaben vor einem für die Allianz paretooptimalen Output für die äußere Sicherheit, da die Nationen in ihrer Perzeption für zusätzliche Verteidigungsanstrengungen die vollen Kosten tragen müssen. aber nur einen Teil des Nutzens genießen können. 29 Soweit Streitkräfte auch einen rein nationalen Nutzen stiften (z.B. zusätzlicher außenpolitischer Einfluß. innenpolitische Stabilisierung des Systems, Stützung der Nachfrage nach Ausrüstungsgütem). sinkt das Ausmaß der Suboptimalität. 30 Ein gemäßigter Rückgang der politischen Einigkeit und damit der Kohäsion in Allianzen kann bewirken, daß die Ergebnisse von Anstrengungen für äußere Sicherheit vermehrt als nationaler/privater Nutzen bewertet werden. Es käme dann zu dem paradox erscheinenden Ergebnis. daß begrenzte Uneinigkeit in einem Bündnis über höhere nationale Verteidigungsbeiträge zu einer Steigerung der Bündniseffektivität führen würde. 31 Das Problem der ungleichen Lastenverteilung in Allianzen ließe sich außer durch die "Beimischung" privater Nutzenkomponen-

25

Vgl.

26

Vgl. Field, B., a.a.O., S. 15.

27

Vgl. Sandler, T., a.a.O., S. 443.

ebd.,

S. 156.

28 Vgl. 01soo, Mancur/Zeckhauser, Richard: An Economic Theory of Alliances. In: Review of Economics and Statistics, Vol. 48, August 1966, S. 267.

29

Vgl. ebd., S. 278.

30

Vgl.

ebd.,

S. 272.

31

Vgl.

ebd.,

S. 272, 279.

38

2. Kapitel: Äußere Sicherheit als öffentliches Gut

ten in das Gut äußere Sicherheit (z.B. verstärkte Abstützung auf konventionelle Verteidigung) theoretisch auch dadurch mindern, daß den einzelnen Angehörigen komplementäre Funktionen eigenverantwortlich zugewiesen werden 32, oder daß durch zusätzliche institutionelle Regelungen (z.B. verbindliche Quoten) kleinere Staaten zu verstärkten Anstrengungen bewogen werden. 33 Bereits im Rahmen theoretischer Überlegungen wird aber deutlich, daß gegenüber souveränen Staaten die Wirksamkeit derartiger Instrumente begrenzt ist. In dem skizzierten Modell bleiben sonstige sicherheitspolitische, also auch geostrategische Faktoren unberücksichtigt. Die Vertreter der These einer Ausnutzung der "Großen" durch die "Kleinen" in Militärbündnissen räumen ein, daß im Falle einer manifesten, akuten militärischen Bedrohung eines oder mehrerer Partner äußere Sicherheit zu einem alles überragenden "superior good" werden könnte, wodurch die Tendenz zu einer ungleichen Lastenverteilung außer Kraft gesetzt werden würde. 34 Es ist eine andere Frage und hier nicht zu diskutieren, ob die dann verbleibende Zeit noch ausreichte, damit sich erhöhte Verteidigungsanstrengungen auch in erhöhter Verteidigungsleistung niederschlagen können.

32 Vgl. Pöcher, H., a.a.O., S. 158. 33 Vgl. Olson, M./Zeckhauser, 34 Vgl. ebd., S. 278.

R., a.a.O., S. 279.

3. Kapitel

Planung und Kombination der Ressourcen für die Bundeswehr Wenn im Folgenden die Planung und Bereitstellung von Haushaltsmitteln und Personal als den determinierenden Ressourcen für die Streitkräfte untersucht wird, so könnte hiergegen eingewandt werden, daß die Gewinnung von Personal nach Qualität und Quantität ebenfalls von den verfügbaren Finanzen abhinge und daß nur diese daher der eigentliche Bestimmungsfaktor für das Leistungsvermögen der Bundeswehr seien. Dieses Argument mag für Freiwilligenstreitkräfte in Staaten mit einer lange ungebrochenen Tradition des Militärs zutreffen, wo die Attraktivität des Dienstes zu einem erheblichen Teil über die finanzielle Ausstattung gesteuert werden kann. Der personelle Friedensumfang der Bundeswehr setzt sich jedoch im Jahre 1995 noch zu ca. 40% aus Soldaten zusammen, die aufgrund der Allgemeinen Wehrpflicht Wehrdienst leisten. Für diesen Personenkreis, aber in abgeschWächtem Ausmaß auch für Zeit- und Berufssoldaten, sind andere als finanzielle Gesichtspunkte für den Dienst in der Bundeswehr von großer Bedeutung. Aus diesem Grund wird die Personalgewinnung als eigenständiger Bestimmungsfaktor im Rahmen der Streitkräfteplanung behandelt. Andere Variable, wie z.B. der Zugriff auf rüstungstechnische Kapazitäten, können dagegen in der Bundesrepublik Deutschland kurz- und mittelfristig (noch) als im wesentlichen von den verfügbaren Haushaltsmitteln bestimmt betrachtet werden.

A. Streitkräfteplanung Die Behandlung der theoretischen Frage, ob das für die äußere Sicherheit hauptverantwortliche Ressort seinen Ressourcenbedarf - ausgerichtet an einem risikoorientierten Auftrag - definiert und dementsprechend Personal und Finanzmittel erhält, um diese sodann effizient zu kombinieren ("need first"), oder ob durch die Legislative Personal und Haushaltsmittel - orientiert an den fmanziellen Möglichkeiten - mit der Maßgabe bewilligt werden, diese optimal im Sinne

40

3. Kapitel: Planung und Kombination der Ressourcen für die Bundeswehr

des Auftrags zu verwenden ("budget ftrst"), ist für die Praxis der Streitkräfteplanung wenig ergiebig und in dieser Fonn auch nicht beantwortbar. Da erfolgreiche Entscheidungen auf dem für einen Staat vitalen Gebiet der Außen- und Sicherheitspolitik nicht nur intuitiv erfolgen sollten, ist eine langfristige und detaillierte Planung als "... die gedankliche Vorwegnahme zukünftigen Handeins durch Abwägung verschiedener Handlungsalternativen und Entscheidung für den günstigsten Weg"l erforderlich. Zweck einer solchen Planung ist die Steigerung der Rationalität des Handeins politischer Akteure2 , deren Aufmerksamkeit nur allzuoft durch tagesaktuelle Krisen und Probleme absorbiert wird 3. Idealtypisch sollte sich ein deduktiver sicherheitspolitischer Planungsprozeß zumindest in folgenden Schritten vollziehen: 4 I. Deftnition der Interessen und Ziele in der Außen- und Sicherheitspolitik; 2. Analyse und Bewertung möglicher Hindernisse/Risiken/Bedrohungen, die diesen Zielen entgegenstehen; 3. Auswahl einer Strategie als erfolgversprechendste Alternative aus verschiedenen Optionen, um identiftzierte Hindernisse zu überwinden; 4. Detaillierte Festlegung von Instrumenten der Politik (z.B. Diplomatie, Außenwirtschaftspolitik, Militär), mit denen die entwickelte Strategie verfolgt werden kann; 5. Prognose der zur efftzienten Umsetzung der gewählten Strategie erforderlichen Ressourcen. Bundeswehrplanung als Streitkräfteplanung in der Bundesrepublik Deutschland und damit Teil des außen- und sicherheitspolitischen Planungsprozesses ist - im Gegensatz zur operativen Planung - die Planung der Weiterentwicklung der Bundeswehr. Ihr Ziel ist es, "... das Leistungsvennögen der Bundeswehr zur

1 W öhe. Günter: Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 12. überarbeitete Auflg., München 1976. S. 128. 2 Vgl. Reed. James W.: Congress and the Politics of Defense Reform. In: Clark, A./McKitrick, J./Reed, J.(Ed.), a.a.O., S. 238. 3 Vgl. Chrobok, Reiner: Das System der Bundeswehrplanung. Baden-Baden 1985, S. 88.

Vgl. Collins. John, M.: What Have We Got for $ 1 Trillion? In: The Washington Quarterly, Vol. 9 No. 2, Spring 1986, S. 48. 4

A. Streitkräfteplanung

41

Erfüllung ihres Auftrags unter gegebenen Begrenzungen und bei vertretbaren Risiken bestmöglich zu gestalten. 5 Es soll "... mit den voraussichtlich verfügbaren Ressourcen im Planungszeitraum möglichst hohe Verteidigungsfähigkeit erreicht .. ,,6 werden. Aus dieser Formulierung in einem offiziellen Dokument der Bundesregierung wird bereits ersichtlich, daß sich Bundeswehrplanung insgesamt - abhängig von politischen (nicht nur sicherheitspolitischen) und ökonomischen Faktoren - in einem permanenten Spannungsfeld zwischen Bedarfsorientierung und verfügbar gemachten Ressourcen vollzieht. Nach den am ökonomischen Prinzip orientierten theoretischen Ansätzen eines "need flrst" oder "budget frrst" lassen sich nur bestimmte Phasen des Planungsprozesses unterscheiden. Gegenüber dem parlamentarischen Entscheidungsträger wird von seiten des verantwortlichen Ressorts der sicherheitspolitisch begründete Bedarf herausgestellt werden, während für die tatsächliche Ausplanung innerhalb der Streitkräfte die von der Politik gesetzten flnanziellen und personellen Limits ausschlaggebend sind. Aufgrund der Einbindung Deutschlands in die NATO und deren Zuständigkeit für Teilbereiche der operativen Planung und Einsatzführung müssen nationale Verteidigungspläne im Bündnis abgestimmt und auf im Gesamtinteresse des Bündnisses konsensual vereinbarte Ziele ausgerichtet werden? Die Regelplanung der NATO umfaßt einen fünfjährigen Planungszeitraum, wobei in einem zweijährigen Rhythmus Streitkräfteziele mit z.T. sehr genauer Speziflkation auf der Grundlage einer militärischen und wirtschaftlichen Lagebeurteilung entwickelt und jährlich die nationalen Verteidigungsbeiträge im Rahmen einer Verteidigungserhebung festgestellt und bewertet werden (NATO-Force Planning bzw. seit 1991 auch NATO-Conventional Armament Planning System, CAPS).8 In militärischen Planungsbereichen, bei denen eine bÜßdnisgemeinsame Konzeption von besonderer Bedeutung ist, stimmen die Nationen ihre Planungsabsichten über einen Zeitraum von bis zu 15 Jahren ab. 9 Planung, Ausrüstung und Betrieb der Streitkräfte selbst liegt jedoch in der Verantwortung der Nationen. Bundeswehrplanung als eine zentrale Aufgabe im

5 Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.): Weißbuch 1985, Bonn 1985, S. 181. 6

Ebd.

7 Vgl. ebd., S. 175. 8

Vgl. ebd. S. 175.

9

Vgl. ebd., S. 180.

42

3. Kapitel: Planung und Kombination der Ressourcen für die Bundeswehr

Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung hat auch Forderungscharakter. Der zunächst beim Bundesminister der Finanzen einzubringende Bedarf muß durch die Planung konkret begründet werden. 1O Vornehmlich geht es hierbei um zwei Problembereiche: 1. Wie ist die Bundeswehr zu gestalten und weiterzuentwickeln, damit sie unter den zu erwartenden zukünftigen Bedingungen ihren (erweiterten) Auftrag erfüllen kann (konzeptionelle Vorstellungen)? 2. Welche Ausrüstung, Personalkörper und Infrastruktureinrichtungen sind hierfür unter Berücksichtigung realistischer Entwicklungen im Haushalt und beim Personalaufkommen erforderlich (planerische Absichten)? Entsprechend den Bestimmungen des "Blankeneser Erlasses" des Bundesministers der Verteidigung 11 in der derzeit gültigen Fassung ist der Generalinspekteur der Bundeswehr Gesamtverantwortlicher für die Bundeswehrplanung. 12 Die Herleitung konzeptioneller Grundlagen und planerischer Vorgaben für die mittel- und langfristige Gestaltung der Bundeswehr erfolgt realiter in drei SChritten l3 , die sich, unter Berücksichtigung der Arbeitsteilung zwischen NATO und Mitgliedsländern, an der dargestellten Vorgehensweise orientiert: 1. Beurteilung der zu erwartenden sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen; 2. Ableitung von Forderung an die Bundeswehr insgesamt und ihre Teilstreitkräfte/Sanitätsdienst; 3. Festlegung von Vorgaben und Prioritäten für die planerische Umsetzung, die Merkmale und Proftl der Streitkräfte der Zukunft bestimmen sollen. Die Bundesregierung formuliert ihre Militärpolitik, die in der Bundesrepublik Deutschland aufgrund der eingegrenzten Zielsetzung offiziell als Verteidi10 Vgl. Hartig, Hans-Christian: Preissteigerung und Kostenaufwuchs - Risiken für die Bundeswehrplanung. In: Wehrtechnik, Nr. 1/88, S. 40. 11 Vgl. Bundesministeriurn der Verteidigung (Hrsg.): Erlaß "Aufgabenverteilung im militäri schen Bereich des Bundesministeriums der Verteidigung", ("Blankeneser Erlaß"). Bonn, 21.03.1970. Die ursprüngliche Fassung des Erlasses wurde unter Verantwortung des damaligen Verteidigungsministers Helmut Schmidt (SPD) erstellt. In einer Ergänzung vom 08.01.1990 wurde auf Weisung des amtierenden Ministers Gerhard Stoltenberg (CDU) der Aufgaben- und Verantwortungsbereich des Generalinspekteurs präzisiert und erweitert.

12 Vgl. Bundesminister der Verteidigung (Hrsg.), Weißbuch 1985, a.a.O., S. 184.

13 Vgl. Olshausen, Klaus: Bundeswehr - wohin? Lage, Auftrag und Zukunft der Streitkräfte. In: Politische Studien, Sonderheft 9/93, 44. Jg., August 1993, S. 25.

A. Streitkräfteplanung

43

gungspolitik bezeichnet wird, auf der Grundlage der Wehrverfassung, unter Berücksichtigung zwischenstaatlicher Rechtsgrundlagen l4 sowie unter Einbeziehung einer sicherheitspolitischen Lagebeurteilung und legt diese in Verteidigungspolitischen Richtlinien nieder. 15 Die Verteidigungspolitischen Richtlinien haben nach ihrer Billigung durch das Bundeskabinett Vorgabecharakter für die Bundeswehr. Sie zählen - obwohl im Bundesministerium der Verteidigung (BMV g) erarbeitet - nicht zu den Dokumenten, die im Rahmen des Planungssystems der Bundeswehr zu entwickeln sind}6 Die Verteidigungspolitischen Richtlinien legen den Auftrag der Bundeswehr fest und erstrecken sich auf einen Zeitraum von mindestens 15 JahrenP Folgedokumente der Verteidigungspolitischen Richtlinien sind die Militärstrategische Zielsetzung und die Konzeption der Bundeswehr. Die Militärstrategische Zielsetzung leitet aus den Verteidigungspolitischen Richtlinien Rahmenbedingungen und Ziele aus militärstrategischer Perspektive ab, die für die Bundeswehrplanung als Vorgaben zu gelten haben. 18 Sie wird vom Führungsstab der Streitkräfte, dem Arbeitsstab des Generalinspekteurs der Bundeswehr, erarbeitet, mit den Teilstreitkräften abgestimmt und durch den Minister erlassen. 19 Die Konzeption der Bundeswehr, die ebenfalls in der Verantwortung des Generalinspekteurs formuliert und nach Abstimmung im Ressort vom Minister erlassen wird, setzt die Militärstrategische Zielsetzung in Grundsätze und Richtlinien um, nach denen die zu erwartenden Ressourcen für die Gestaltung der Bundeswehr zu verwenden sind, um den politischen Auftrag bestmöglich erfüllen zu können.20 Konzeptionen der Teilstreitkräfte werden nach Abstim-

14 Vgl. hierzu ausführlich: Chrobok, R., a.a.O., S. 39-46. IS Die Vorarbeit zur Entwicklung der Verteidigungspolitischen Richtlinien erfolgt im Planungsstab des Bundesministeriums der Verteidigung, der dem Bundesminister unmittelbar untersteht. Zum Auftrag der Bundeswehr in den Verteidigungspolitischen Richtlinien vom 26.11.1992 vgl. Anhang 1. 16 Vgl. Chrobok, R., a.a.O., S. 32. 17 Vgl. Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg): Erlaß "Bundeswehrplanung im BMVg" vom 15.03.1983, Ziffer 03. 18 Vgl. Olshausen, Klaus: Bundeswehrplanung: Zum Stand der Planungsarbeit 1993. In: Wehrtechnik, Nr. 10/93, S. 5. 19 Vgl. Bundesministerium der Verteidigung(Hrsg.): Planungserlaß, a.a.O., Ziffer (fl. 20 Vgl. Olshausen, K., Bundeswehrplanung: Zum Stand der Planungsarbeit 1993, a.a.O., S. 5.

44

3. Kapitel: Planung und Kombination der Ressourcen für die Bundeswehr

mung im Ressort von den zuständigen Inspekteuren selbst erlassen und haben für die Bundeswehrplanung keinen Vorgabecharakter. Ausgehend von den beschriebenen Zielsetzungsdokumenten ist unter Federführung des Generalinspekteurs sodann zu planen, wer welche Aufgaben in welcher Zeit und mit welchen Ressourcen zu erfüllen hat. In den Kategorien Organisation, Personal, Rüstung, Infrastruktur, Betrieb und Plankosten vollzieht sich ein iterativer Planungsprozeß zwischen sog. Bedarfsträgem21 und Bedarfsdeckem 22• Ergebnis dieses sich jährlich wiederholenden Vorgangs ist schließlich der Bundeswehrplan. Er ordnet den geforderten Fähigkeiten der Streitkräfte Mittel zu, legt Prioritäten für die Ausrüstung fest und ist Grundlage für die jährliche Anforderung zum Bundeshaushalt. 23 Der Bundeswehrplan erstreckt sich ebenfalls auf einen Zeitraum von insgesamt 15 Jahren (Zielsetzung), wobei sich die Ausplanung von Struktur, Ausrüstung und Betrieb in der Regel (i.d.R.) auf die Planjahre 3 bis 15 bezieht. Das Planjahr 1 entspricht dem laufenden Haushaltsjahr, das Planjahr 2 dem Jahr des Haushaltsentwurfs und das Planjahr 3 dem des ersten ausgeplanten Jahres des Bundeswehrplans. 24 Zwar enthält der Bundeswehrplan im Detail die bis zum Planungshorizont (Planjahr 15) vorgesehenen Ausgaben in Jahresschritten für Personal, Forschung und Entwicklung, Material, Infrastruktur und Betrieb. Eine konkretisierte Finanzerwartung existiert jedoch nur für die ersten fünf Planjahre entsprechend dem gültigen Finanzplan des Bundes. 25 So wäre z.B. durch einen im Bundeswehrplan 1997 real fortgeschriebenen Verteidigungsetat keineswegs eine politische Entscheidung über den Bundeshaushalt des Jahres 2009 präjudiziert.

21 Im wesentlichen repräsentiert durch den Führungsstab der Streitkräfte selbst, die Führungsstäbe der Teilstreitkräfte und des Sanitätsdienstes, die Abteilung Verwaltung und Recht für die Bundeswehrverwaltung sowie die NATO. 22 Im wesentlichen repräsentiert durch die Hauptabteilung Rüstung, die Abteilung Personal sowie die Abteilung Unterbringung und Liegenschaften. 23

Vgl. Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.): Weißbuch 1994, BOIm 1994, S. 101.

24 Regelmäßig soll so z.B. im Dezember 1995 der Bundeswehrplan '97 erlassen werden. Das Planjahr 2 erstreckt sich auf den Haushaltsentwurf 1996. Die Planjahre 3 bis 6 erfassen die mittelfristige Planung (1997 - 2(00) als Grundlage für den Bundeshaushalt 1997 bzw. den 30. Finanzplan bis zum Jahre 2000. Für die folgenden Planungsjahre soll "... der Mittelansatz des letzten Jahres der mittelfristigen Finanzplanung unter realistischen Annahmen fortgeschrieben" werden. Siehe hierro: Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.), Weißbuch 1985, S. 184. 25

Vgl. Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.): Weißbuch 1985, a.a.O., S. 185.

A. Streitkräfleplanung

45

Bundeswehrplanung vollzieht sich somit fonnal vom Erlaß der Verteidigungspolitischen Richtlinien bis zur Einbringung des Bundeshaushalts in den Deutschen Bundestag ausschließlich im Bereich der Exekutive. Das Parlament verfügt26 über keine eigenen institutionellen Mechanismen, um die Inhalte der Verteidigungspolitik und die hieraus von der Exekutive hergeleiteten Maßnahmen und Forderungen detailliert bewerten zu können. Dies trifft zwar auch für andere Politikbereiche zu, jedoch sind die Auswirkungen der Verteidigungspolitik in Friedenszeiten zumeist sehr abstrakt und langfristiger Art. Um verteidigungspolitischen Handlungsbedarf rechtzeitig erkennen zu können, sind Parlamentarier in besonderem Maße auf die Sensibilisierung durch Exekutivorgane angewiesen. Fehlt jedoch eine frühzeitige Verbindung zwischen politischer Programmfunktion und finanzieller Planung, dann dominieren beim parlamentarischen Budgetbewilligungsprozeß - insbesondere in Zeiten großer finanzieller Anspannungen - finanzwirtschaftliche Ordnungsfunklionen gegenüber inhaltlichen Planungsprozessen. 27 Die Wahrscheinlichkeit dieses Effekts wird auf dem Gebiet der Verteidigungspolitik dadurch erhöht, daß aufgrund der Organisation des Bundesministeriums der Verteidigung der Einzelplan (EPl.) 14 erst auf der Ebene der Hauptabteilungsleiter/Abteilungsleite~8, d.h. unmittelbar unterhalb der politischen Leitung, geschlossen bearbeitet wird. So läßt sich schon im Arbeitsablauf innerhalb des Ministeriums ein konzeptionell vorgesehener zeitlicher Vorrang des Bundeswehrplans vor dem Haushaltsvoranschlag in der Praxis nicht einhalten.29 Inhärentes Merkmal der Verteidigungspolitik ist ihre Planungsunsicherheil, die aus Ungewißheiten hinsichtlich der Entwicklung von Technologien, sicherheitspolitischen Risiken/Bedrohungen und wirtschaftlichen Gegebenheiten resultiert. 30 Dem steht das Erfordernis einer sehr langfristigen Planung gegenüber. So beansprucht die Entwicklung eines Waffensystems, das über 15 bis 35

26 Ausnahmen hietvOll sind wissenschaftliche Assistenten mit sicherheitspolitischem Sachverstand in den Fraktionen und der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages. 27

Vgl. Chrobok, R.. a.a.O., S. 166.

28 Die Ebene der Hauptabteilungsleiter ist im Bundesministerium der Verteidigung keine durchgehende Führungsebene. die etwa über den Abteilungsleitern angesiedelt wäre. Vielmehr werden nur der Generalinspekteur und der Hauptabteilungsleiter Rüstung aufgrund ihrer herausgehobenen Dienstposten innerl!alb der Ministerialhierarchie so bezeichnet.

29 Vgl. Chrobok, R., a.a.O., S. 168. 30

Vgl. Paulus, A .• a.a.O., S. 17 f.

46

3. Kapitel: Planung und Kombination der Ressourcen für die Bundeswehr

Jahre in den Streitkräften betrieben werden soll, bis zur Einsatzreife einen Zeitraum von 10 - 15 Jahren. Ähnlich lang sind die Fristen, um qualifizierten Führungsnachwuchs für die Streitkräfte auszubilden oder um militärische Großverbände (Divisionen, Korps) aufzustellen und zur vollen Gefechtsbereitschaft zu führen. Solchen Erfordernissen und externen Imponderabilien steht die Unverbindlichkeit einer auf Annahmen über ein bestimmtes verfügbares Ressourcenpotential basierenden Bundeswehrplanung gegenüber. 31 Auch das Zahlenwerk der mittelfristigen Finanzplanung ist nicht vollzugsverbindlich, wie dies der Bundesminister der Verteidigung im November 1993 spüren mußte: Durch Globalbeschlüsse des Haushaltsausschusses zur Konsolidierung der Bundesfinanzen wurde wenige Wochen vor Beginn des neuen Haushaltsjahres der Einzelplan 14 für 1994 mit einer globalen Minderausgabe von 1,25 Mrd. DM belegt, wodurch sich die im Finanzplan enthaltenen rd. 48,5 Mrd. DM auf rd. 47,2 Mrd. DM reduzierten. 32 In solchen Situation bleibt dem Management im Verteidigungsministerium dann kaum noch der Spielraum, Streitkräftestrukturen differenziert und konzeptionell auszuplanen. Stattdessen können dann die geplanten Ansätze nur noch pauschal, unter Beachtung rechtlicher Restriktionen, reduziert werden, ohne daß eine risikoorientierte Unterhaltung und Entwicklung der Streitkräfte angemessen berücksichtigt werden könnte. 33 Durch die nicht wesentlich kürzbare Zeitspanne zwischen Politikformulierung (z.B. Beschluß zur Beschaffung eines Waffensystems) und -durchsetzung/ realisierung (Einführung des einsatzbereiten Waffensystems in die Truppe) kann aber auch eine Lage eintreten, in der ursprünglich sachlich gerechtfertigte verteidigungspolitische Beschlüsse durch die sicherheitspolitische oder technologische Entwicklung überholt sind. Schließlich kann der Umstand, daß Streitkräfteplanung Forderungscharakter hat, die Exekutive dazu verleiten, unverhältnismäßig umfassend und vorsorglich zu planen, ohne die Finanzierbarkeit genau und vorsichtig zu prüfen, da letztere oftmals schon in den Verantwortungsbereich einer Nachfolgeregierung fällt. 34

31 Vgl. Kamrnler, H., Effizienz der Sicherheitspolitik, a.a.O., S. 69. 32 Vgl. Wist, Harro: Entwurf des Verteidigungshaushalts 1995. In: Bundeswehrverwaltung, H. 10, Oktober 1994, S. 225.

33 Vgl. Zakheim. Dov S./Ranney, Jeffrey M.: Matching Defense Strategies to Resources. ChaJIenges for the Clinton Administration. In: Intemational Security (USA), Vol. 18 No. 1 (Swnmer 1993), S. 52. 34

Vgl. ebd., S. 52 - 54.

B. Haushaltsmittel

47

B. Hausbaltsmittel I. HaushaltsaufsteUung und Finanzplanung

Für die Praxis ressortinterner Entscheidungsprozesse zur Bundeswehrplanung ist der Finanzplan des Bundes - von außergewöhnlichen sicherheitspolitischen Situationen abgesehen - die vorrangige Grundlage im Sinne einer oberen Begrenzung. Diese Priorität wird auch vom Führungsstab der Streitkräfte (Bedarfsträger und Gesamtverantwortlicher für die Bundeswehrplanung) getragen und öffentlich vertreten. 1 Die einen Zeitraum von fünf Jahren umfassende Finanzplanung, die tatsächlich nur drei Jahre über den Entwurf des Haushaltsplanes hinausreicht, stellt im Gegensatz zum jährlichen Budget lediglich eine unverbindliche Absichtserklärung der Regierung dar, die Bundestag und Bundesrat zur Kenntnisnahme, nicht aber zur Behandlung vorgelegt wird. 2 Vom Grundgedanken der Planungssicherheit von politischen Vorhaben her soll der Haushalt am Finanzplan ausgerichtet werden, ohne daß er aus ihm in direkter Weise herzuleiten ist. Insbesondere kurzfristige konjunkturpolitische Trends können die Basis früherer Planungen verändern. 3 Gern. Art. 109 Abs. 2 GG in Verbindung mit § 1 StabG4 sind auch Verteidigungsausgaben so einzusetzen, daß durch sie ein Beitrag zur Stabilität und zum Wachstum der Wirtschaft geleistet wird. Nach herrschender Rechtsauffassung genießt aber der aus Art. 1 Abs. 1 GG hergeleitete Auftrag der Bundeswehr grundsätzlich Vorrang gegenüber dem Gebot zur Verfolgung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts nach Art. 109 Abs. 2 GGs. Die Gesetzgebungspraxis in der Bundesrepublik hat gezeigt, daß kurz- und mittelfristige stabilitäts- und wachstumspolitische Erwägungen bei der Festlegung des EPI. 14 keine Rolle spielen. 6 So wurden trotz der wirtschaftlichen Rezession

1 Vg1. Hartig, Hans-Christian: Finanzplan des Bundes - Grundlage für die Bundeswehrplanung. In: Wehrtechnik. N. 2/87, S. 19.

2 Vg1. Zimmermann, H./Henke. K.-D .• a.a.O., S. 80. 3 Vg1. ebd., S. 81. 4

Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft.

5 Vg1. Schütz, Wolfgang: Beschaffungspraxis und gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht. In: Kichhoff, G. (Hrsg.), Handbuch zur Ökonomie der Verteidigungspolitik, a.a.O., S. 130. 6 Vg1. Maneval, Helmut: Verteidigungsausgaben - Wirkungen auf die Volkswirtschaft. In: Kirchhoff, G. (Hrsg.), a.a.O., S. 1020.

48

3. Kapitel: Planung und Kombination der Ressourcen für die Bundeswehr

in Deutschland die Ansätze des Verteidigungshaushalts von 1992 auf 1993 um 2,3 Mrd. DM (4.3% nominal) und von 1993 auf 1994 um schließlich 2,6 Mrd. DM (5,3% nominal) gekürzt. 7 Aufgrund der begrenzten Freiräume in einem gegebenen Budget und der Fristigkeit von Investitionsentscheidungen im Verteidigungsbereich ist der "... ganz überwiegende Teil der Verteidigungsausgaben der stabilitätspolitischen Zielsetzung entzogen,,8. Ausnahmen sind allenfalls bei Infrastrukturinvestitionen vorstellbar, wobei der erzielbare Effekt für die Bauwirtschaft auf Bundesebene insgesamt ebenfalls infinitesimal bleibt.9 Auf der Grundlage des von der Bundesregierung beschlossenen Finanzplans erstellt der Abteilungsleiter Haushalt (Beauftragter für den Haushalt) im Bundesministerium der Verteidigung für den Zeitraum des Finanzplans eine Finanzvorgabe und für den anschließenden Zeitraum des Bundeswehrplans eine Finanzlinie. 10 Mit Finanzvorgabe und Finanzlinie wird in konstanten Preisen geplant, d.h. es wird davon ausgegangen, "... daß die volkswirtschaftlich bedingten Preissteigerungen bei der Fortschreibung des Finanzplans von Jahr zu Jahr ausgeglichen werden"ll. Die Planungsleitlinie stellt eine "real-null" fortgeschriebene Planungsobergrenze des letzten im Finanzplan enthaltenen Jahres darP Aufgabe des Generalinspekteurs ist es. die vom Minister genehmigte Finanzvorgabe und -linie auf die Bedarfsträger13 in Form eines Plankostenrahmens zu schichten. 14 Der ranghöchste Soldat der Bundeswehr hat damit zwar letztlich bezüglich der Streitkräfteplanung das "Recht zur abschließenden Entscheidung" und ist hinsichtlich der "Entwicklung und Realisierung einer Gesamtkonzeption der militärischen Verteidigung" als ministerieller Hauptabteilungsleiter Vorgesetzter der Inspekteure der Teilstreitkräfte. 15 Die Ver-

7 Vgl. Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.): Erläuterungen und Vergleiche Regierungsentwurl des Verteidigungshaushalts 1994, Bonn, August 1993, S. 2 ff.

2llßl

8 Maneval, H., a.a.O., S. 1021. 9 Vgl. ebd. 10 Vgl. BMVg (Hrsg.): Planungserlaß, a.a.O., Ziffer 4l. 11 Vgl. Hartig. H.·C., Finanzplan des Bundes, a.a.O., S. 16. 12

Vgl. ebd.

13 Zentralmilitärische Dienststellen, Teilstreitkräfte, Sanitätsdienst, Bundeswehrverwaltung, Rüstungsabteilung für Forschung, Entwicklung und Erprobung. 14

Vgl. Hartig, H.-C., Finanzplan des Bundes. a.a.O., S. 16.

IS Vgl. BMVg (Hrsg.), Planungserlaß, a.a.O., Ziff. 38.

B. Haushaltsmittel

49

antwortung der Inspekteure als truppendienstliche Vorgesetzte für die Einsatzbereitschaft ihrer Teilstreitkraft und deren unmittelbares Vortragsrecht beim Minister wird hiervon aber nicht berührt. 16 Auch aufgrund dieser Regelungen ist es nachvollziehbar, daß zwischen den Führungsstäben großer Wert auf eine konsensuale Entscheidungsbildung gelegt wird. Damit der Verteidigungshaushalt in den engen Grenzen der kameralistisch ausgerichteten Bundeshaushaltsordnung mit einem Mindestmaß an Flexibilität vollzogen werden kann, sehen die jährlichen Haushaltsgesetze die Möglichkeit der Zulassung der begrenzten gegenseitigen Deckungsfähigkeit der Titel für Beschaffung, Materialerhaltung und für Entwicklung vor. Vergleichbare Regelungen gibt es in anderen Einzelplänen nichtP Eine vom Verteidigungsminister 1993 wegen der sich abzeichnenden Finanzierungsschwierigkeiten angestrebte grundsätzliche Schichtungsfreiheit innerhalb des ihm zugebilligten Etats mit dem Ziel, daß Einsparungen in seinem Etat (z.B. beim Betrieb) für andere Ausgaben in diesem Bereich (z.B. Investitionen) erhalten bleiben, um so die Flexibilität im Einsatz der Mittel und Anreize zu Einsparungen zu steigern, wurde vom Haushaltsausschuß 1993 und 1994 abgelehnt. 18 Ein weiteres Hindernis für die Ausschöpfung vom Parlament bereits bewilligter Mittel stellt die Einrichtung einer Berichterstattergruppe EPl. 14 des Haushaltsausschusses dar: Als Konsequenz aus den Problemen um die Finanzierung des Kampfflugzeuges MRCN'Tornado" müssen seit 1981 alle von der Bundeswehr im Bereich Entwicklung und Beschaffung einzugehenden Verträge mit einem Volumen ab 50 Mio. DM vor Abschluß diesem Gremium zur Genehmigung vorgelegt werden. 19 Für Rüstungsvorhaben mit einem Umfang von über 1 Mio. DM, die im geltenden Haushaltsplan weder veranschlagt noch als Austauschvorhaben vorgesehen sind, ist ebenfalls zuvor die Einwilligung des Haushaltsausschusses einzuholen. Zusätzlich zu Restriktionen um die konkrete Ausgestaltung von Finanzplan und Verteidigungshaushalt bestehen hinsichtlich einer effizienten finanzwirtschaftlichen Handhabung der Verteidigungsanstrengungen grundsätzliche

16

Vgl. BMVg (Hrsg.), "Blankeneser Erlaß", a.a.O., Ziff. 01, 05, 06.

17 Vgl. Hurne, W., Der Verteidigungshaushalt bietet nutzbare Hexibilität, a.a.O., S. 36. 18 Vgl. Fischer, Alf: Die Entwicklung des Einzelplans 14 (Verteidigung). In: Soldat und Technik, Nr. 9/1994, S. 453. 19

Vgl. Hurne, W., Der Verteidigungshaushalt bietet nutzbare Hexibilität, a.a.O., S. 36.

4 Wöckener

50

3. Kapitel: Planung und Kombination der Ressourcen für die Bundeswehr

Probleme. die mitunter auch auf andere Aufgabenbereiche zutreffen: Im kameralistischen System steht das "Gelddenken" in den Kategorien von Einnahmen und Ausgaben im Vordergrund. Sparsam handelt in diesem Sinne, wer in einer Abrechnungsperiode ein Ziel mit den geringsten Ausgaben erreicht.20 Wirtschaftlichkeitsdenken hingegen würde auf Kosten und Leistung abstellen und wäre gesamtorientiert (§ 7 Abs. 1 Bundeshaushaltsordnung). In diesem Verständnis von Wirtschaftlichkeit wäre eine von den Streitkräften geforderte Leistung mit einem möglichst niedrigen. in Geld bewertetem Verbrauch an Gütern und Dienstleistungen zu erzielen. Zwar existiert in der Bundeswehr ein analog zum industriellen Standard auf die spezifischen Belange der Streitkräfte abgestelltes Kostenrechnungssystem mit der Aufgabe. Güterbewegungen und Güterverbrauch im Leistungsprozeß zu erfassen 21 • Dieses Rechenwerk, das auf das Planungssystem der Bundeswehr beschränkt ist. soll aber lediglich der internen Transparenz dienen und erfaßt die entstehenden Kosten (Ist-Kosten) nicht vollständig. Da langlebige Wirtschaftsgüter nicht "abgeschrieben". ihr Verbrauch demnach nicht über die Zeit verteilt wird. läßt sich auch kein ökonomisch optimaler Ersatzzeitpunkt ermitteln. Regelmäßige körperliche Bestandsaufnahmen (Inventuren) werden nicht in den gesamten Streitkräften nach einheitlichen Kriterien durchgeführt, Kosten werden mit Ausgaben vermischt und oftmals wird als Ausweg eine Input-Output-Rechnung beschritten. bei der die Gewährleistung der äußeren Sicherheit (Leistung) mit dem Input (Ausgaben) gleichgesetzt wird. 22 Zudem muß zwischen der bundeseinheitlichen Haushaltsrechnung (Kapitel und Titel) sowie der bundeswehrinternen Kostenrechnung mittels sog. "Kontenbrücken" umgerechnet werden. Der Zwang zur Ausgabenminimierung im laufenden Haushaltsjahr. also einer nur auf ein besonders knappes Mittel bezogenen Sparsamkeit. führt dann zur Unwirtschaftlichkeit, wenn dadurch Produktionsfaktoren. die nicht unmittelbar zusätzlich entgolten werden müssen (z.B. Personal. bereits vorhandenes Gerät). übermäßig beansprucht bzw. verbraucht werden. 23 Ausdruck eines

20

Vgl. Gerber. Johannes: Ökonomie und Streitkräfte, In: Soldat und Technik. Nr. 3/89. S. 200.

21 Vgl. Bundesministerium der Verteidigung/Generalinspekteur der Bundeswehr (Hrsg.): Erlaß "Kostenrechnung im Planungssystem der Bundeswehr". Bonn. Mai 1971. 22 Vgl. Gerber. Johannes: Wie wirtschaftlich ist das "Unternehmen" Verteidigung? In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 29.07.1987. S. 12. 23 Vgl. Ehlert. Wolfgang: Knappe Ressourcen für die Menschenführung. Ober den Umgang mit den Mitteln und der Zeit. In: Reeb. Hans-Joachim/Moerchel. Siegfried-Michael (Hrsg.): Menschenführung. Regensburg 1992. S. 129.

B. Haushaltsmittel

51

kurzfristigen, periodenbezogenen jedoch systembedingten Ausgabedenkens sind in der Bundeswehr, wie in vielen anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes, die sog. "Jahresendrallyes ", wo erzielte Ersparnisse bzw. noch vorhandene Mittel vor Ende des Haushaltsjahres oftmals auch verschwenderisch ausgegeben werden, damit nicht beim Folgeetat Abstriche vorgenommen werden oder gar der Vorwurf schlechter Planung erhoben werden kann. 24 Das Übergewicht der Verwaltungsorientierung, das bereits im Rahmen der Streitkräfteplanung insgesamt die erforderliche Flexibilität beeinträchtigen kann, perpetuiert sich bei der traditionellen Budgetaufstellung - ob VolIzugshaushalt oder Finanzplan. Aufgrund der hinsichtlich der Bundeswehrplanung skizzierten ressortinternen Abstimmungsvorgänge setzt sich der beim Finanzminister anzumeldende Verteidigungsetat überwiegend aus einer Summe von Einzelanforderungen zusammen, über die zumeist politisch nicht unmittelbar verantwortliche Referatsleiter befunden haben. 25 Dieses Verfahren hat die Konsequenz, daß die politischen und administrativen Entscheider zum Denken in "Inputs" verleitet werden, denn es ist der Finanzbedarf (Personalmittel, Sachmittel etc.) und zunächst nicht der politische Inhalt, der von den Referatsleitern und allen mittelbewirtschaftenden Dienststellen jährlich anzumelden ist. 26 Die angestrebten Ergebnisse, die mit den geforderten Mitteln erreicht werden sollen oder mögliche Alternativen auf dem Weg zur Realisierung dieser Ergebnisse geraten bei dem traditionellen, inputorientierten Verfahren leicht in den Hintergrund. 27 In der auf merkantilistische Zeiten zurückgehenden kameralistischen Haushaltsordnung und dem nur unzulänglichen bundeswehrinternen Rechnungswesen liegen auch einige der Ursachen für - in der Öffentlichkeit oftmals auf große Resonanz stoßende - "Kostenexplosionen" bei Beschaffungsvorhaben. Dabei sind tatsächliche "Kostenaufwüchse" von solchen "Preissteigerungen" zu unterscheiden, die volkswirtschaftlich bedingt sind. 28 Ebenfalls ist zu berücksichti-

24

Vgl. ebd., S. 129.

25 Hierbei soll nicht veIkannt werden, daß über die Instanzen des Ministeriums politische Prioritäten vorgegeben werden. Dennoch darf der Einfluß der Fachreferate nicht unterschätzt werden. Vgl. Zimmermann, H./Henke, K.-D., a.a.O., S. 81 f. 26

Vgl. ebd., S. 82.

27

Vgl. ebd., S. 83.

28 Vgl. Hartig, Hans-Christian: Preis steigerungen und Kostenaufwuchs - Risiken für die Bundeswehrplanung. In: Wehrtechnik, Nr. 1/88, S. 39. 4'

52

3. Kapitel: Planung und Kombination der Ressourcen für die Bundeswehr

gen, daß der Preissteigerungsindex für Rüstungsgüter in allen namhaften rüstungsproduzierenden Ländern über der allgemeinen Teuerungsrate liegt.29 Der Bundesminister der Verteidigung erhebt gegenüber dem Finanzminister hinsichtlich der Finanz- und Bundeswehrplanung den grundsätzlichen Anspruch, daß volkswirtschaftlich bedingte Preis- und Lohnsteigerungen in voller Höhe ausgeglichen werden. 3D Mit dieser Haltung konnte er sich jedoch seit dem Ende 1991 beschlossenen 25. Finanzplan nicht mehr durchsetzen. In unterschiedlichem Ausmaß mußten in den Folgejahren auch allgemeine Preissteigerungen aus dem EPI. 14 selbst "erwirtschaftet" werden. Kostenaufwüchse hingegen waren auch zuvor schon grundsätzlich innerhalb des zugestandenen Plankostenrahmens auszugleichen ("umzuschichten"). Von Vertretern des Verteidigungsministeriums wie Parlamentariern wird seit langem postuliert, daß bei Rüstungsentscheidungen neben politischen und technischen Aspekten vor allem die Frage der Minimierung der Lebenszykluskosten (life cycle costs) im Vordergrund zu stehen habe. Diese Forderung basiert auf der Erkenntnis, daß ein Waffensystem während seiner 15- bis 35jährigen Nutzungsphase zwar die höchsten Kosten verursacht, Höhe und Zusammensetzung dieser Kosten aber wesentlich in der Entwicklungsphase determiniert werden. Steht die technische Auslegung eines Waffensystems fest, so ginge es betriebswirtschaftlich darum, den Barwert der von diesem Vorhaben insgesamt verursachten Kosten (Investitions- und Betriebskosten) zu minimieren. Für Ökonomen ist es keine neuartige Erkenntnis, daß es kosten günstiger sein kann, die Investitionsalternative mit den anfanglich höheren Investitionsausgaben zu wählen. Diesem Anspruch steht jedoch die oftmals zu beobachtende Praxis entgegen, im Rahmen der jährlichen Haushaltsaufstellungen für bestimmte Rüstungsvorhaben zunächst "einen Fuß in die Tür zu bekommen". Eine weitere Ursache für unvorhergesehene Kostenaufwüchse sind nachträglich vorgebrachte zusätzliche Speziflkationswünsche der Bedarfsträger.

11. Umfang und Unterteilung des Verteidigungshaushalts

Die Nationalstaaten subsumieren - auch innerhalb der NATO - teilweise sehr unterschiedliche Ausgaben unter ihren nationalen Verteidigungshaushalt. In

29 Dies ist u.a. in dem hohen technologischen Standard sowie einer personalintensiven Entwicklung und Fertigung begründet. Vgl. ebd., S. 39 f. 30

Vgl. ebd., S. 42.

B. Haushaltsmittel

53

der Haushaltssystematik der Bundesrepublik Deutschland ist der EPl. 14 der dem Bundesminister der Veneidigung zugeordnete" ...Teil des Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr... 31 Um die monetären Veneidigungsanstrengungen international vergleichbar zu machen, müssen einheitliche Kriterien dafür aufgestellt werden, was zu den Veneidigungsausgaben gehört und was nicht unter diese Kategorie fällt. Nach den von der NATO entwickelten einheitlichen Maßstäben zählen noch weitere Ausgaben aus dem Gesamthaushalt - außerhalb des Einzelplans 14 - zu den Veneidigungsausgaben: Ausgaben für den Wehrbeauftragten des Bundestages (Epl. 02); NATO-Verteidigungshilfe und der Beitrag zum NATO-Zivilhaushalt (Epl. 05); Ausgaben für den Bundesgrenzschutz (Epl. 06); Versorgungsleistungen (z.B. Militärruhegehälter) (Epl. 33); Personalverstärkungsminel, Verteidigungslasten in Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte sowie für den Zeitraum von 1991 bis 1994 Ausgaben für den Ersatz der von der Bundeswehr im Zusammenhang mit dem 2. Golfkrieg erbrachten Leistungen (Ersatzbeschaffungen sowie Entwicklungs- und Beschaffungsmaßnahmen aufgrund der Erkenntnisse aus diesem Krieg) (Epl. 60).32 Kosten für internationale Hilfsmaßnahmen der Bundeswehr sind hingegen seit 1994 aus dem Einzelplan 14 zu bestreiten. 33 Der Veneidigungshaushalt der Bundesrepublik Deutschland (Epl. 14) hat" ... sich in einer langen, kontinuierlichen Friedensperiode ohne nachhaltige krisen-

31 Buchbender, Ortwin/Bühl, HartmutlKujat, Harald: Wörterouch zur Sicherlteitspolitik. 3., vollständig überarbeitete Auflg., Herford 1992, S. 44. 32 Vgl. Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.): Erläuterungen und Vergleiche zum Regierungsentwurf des Verteidigungshaushalts 1995. Bonn, August 1994, S. 38. Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.): Erläuterungen und Vergleiche zum Regierungsentwurf des Verteidigungshaushalts 1994. Bonn, August 1993, S. 8. Vgl. hierzu auch: Martin, Mathias/Schäfer, Paul: Die Bundeswehr als Instrument deutscher Machtprojektion. In: Blätter für deutsche und internationale Politik, Nr. 1/1994, S. 55.

33 Vgl. Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.): Erläuterungen und Vergleiche zum Regierungsentwurf des Verteidigungshaushalts 1994, a.a.O., S. 14.

54

3. Kapitel: Planung und Kombination der Ressourcen für die Bundeswehr

artige Zuspitzung zum Konsolidierungsfonds der Bundesausgaben entwikkelt.,,34 So hatte der Plafond 1994, auf das Preisniveau von 1981 zuruckgerechnet, um 9,75 Mrd. DM weniger Kaufkraft als der Mittelansatz von 1981.35 Im gleichen Zeitraum ist der Anteil des Einzelplans 14 am gesamten Bundeshaushalt von 18,3% auf 10,1% gesunken. Schaubild 1

Prozentanteile des Einzelplans 14 am Bundeshaushalt seit 1956 Mrd. DM 60

Prozentanteile des EPI14 am Bundeshaushalt

,

50

(! Verteidigungshaushai (Einzelplan 14)

40 \

30

30

20

20 10 10

o

Quelle: Soldat und Technik, Nr. 9/94, S. 452. BMVg (Hrsg.): Erläuterungen und Vergleiche zum Regierungsentwurf des Verteidigungshaushalts 1994, S. 4.

Nach NATO-Kriterien sollten die Verteidigungsausgaben 199462,29 Mrd. DM betragen, was einem Anteil an den Bundesausgaben von ca. 13% ent-

34 Fischer, A.: Die Entwicklung des Einzelplans 35

Vgl. ebd.

14, aaO., S. 451.

B. Haushaltsmittel

55

sprochen hätte. 36 Hierin war aber noch nicht die Ende 1993 vom Haushaltsausschuß beschlossene globale Minderausgabe berücksichtigt, die sich auf den EPI. 14 mit 1,25 Mrd. DM auswirkte. Nun ist die Entwicklung des Anteils der Verteidigungsausgaben am Bundeshaushalt allein von begrenzter Aussagekraft, spiegeln sich doch im Nenner dieser Quote auch die Anstrengungen für andere Staatsaufgaben wider, wie z.B. seit 1990 ein Teil der Ausgaben in Zusammenhang mit der Gestaltung der deutschen Einheit. Für internationale Vergleiche eignet sich diese Zahl auch deshalb nicht, da die Aufgaben- und Ausgabenverteilung zwischen den Nationalhaushalten und den Etats anderer Gebietskörperschaften in den einzelnen Staaten unterschiedlich geregelt ist. Von besonderer Bedeutung für die langfristige Entwicklung der Kampfkraft der Streitkräfte ist das Verhältnis von Betriebsausgaben zu investiven Ausgaben innerhalb des Verteidigungshaushalts. 37 Betrug 1986 - zu einer Zeit, als sich das sicherheitspolitische Umfeld noch vergleichsweise kontinuierlich entwickelte - der Anteil der Investitionen noch 34,8%38, so sank dieser auf 21,8% im EPI. 14 des Jahres 199439. Aus diesem Betrag von insgesamt rd. 10,3 Mrd. DM (1994) für Forschung, Entwicklung und Erprobung, militärische Bauten und Beschaffungen sowie sonstige Investitionen waren 915 Mio. DM für die Verbesserung der Infrastruktur in den neuen Bundesländern vorgesehen. 40 Die naheliegende Vermutung, daß sich der Investitionsbedarf der Bundeswehr nach 1990 wegen der Übernahme von Wehrmaterial der Nationalen Volksarmee verringert hat, trifft nicht zu. Aufgrund der Einbindung Deutschlands in die NATO und dem damit verbundenen Erfordernis der Interoperabilität sowie völlig anderen qualitativen Standards

36 Vgl. Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.). Erläuterungen und Vergleiche zum Regierungsentwurl' des Verteidigungshaushalts 1994. S. 56. Hierin sind nicht die Kosten der Bundeswehr für die Beteiligung an intemationalen humanitären Hilfsmaßnahmen enthalten, die nicht zu den Verteidigungsausgaben nach NATO-Kriterien zählen.

37 Zu den Betriebsausgaben zählen im wesentlichen: Personalausgaben, Materialerhaltung und sonstige Betriebsausgaben. Unter verteidigungsinvestive Ausgaben fallen: Forschung, Entwicklung und Erprobung, militärische Beschaffungen, militärische Bauten sowie sonstige Investitionen. Vgl. hierzu Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.), Weißbuch 1994, a.a.O., S. 98 f. 38 Vgl. Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.), Erläuterungen und Vergleiche zum Regierungsentwurl' des Verteidigungshaushalts 1994, a.a.O., Anlage: Ausgabenentwicldung Einzelplan 14, S. 3.

39 Vgl. Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.), Weißbuch

1994, a.a.O., S. 98.

40 Vgl. Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.), Erläuterungen und Vergleiche zum Regierungsentwurl' des Verteidigungshaushalts 1994, a.a.O., S. 49.

56

3. Kapitel: Planung und Kombination der Ressourcen für die Bundeswehr

- auch hinsichtlich der Sicherheitsbestimmungen - konnten Waffensysteme aus der ehemaligen DDR nur sehr vereinzelt weiterbetrieben werden. 41 Anderes Gerät wurde verbündeten oder befreundeten Staaten kostenlos oder zu Preisen weit unterhalb des Marktniveaus überlassen. Ein Großteil des Materials und der Munition mußten jedoch zu Lasten des Bundeshaushalts (EPl. 14) verschrottet bzw. vernichtet werden. So wurden allein für die Vernichtung von Wehrmaterial aus dem Verteidigungshaushalt 1994457 Mio. DM und aus dem Verteidigungsetat 1995 219 Mio. DM bestritten. 42 Schaubild 2

Entwicklung der Anteile im Verteidigungsetat von 1985 bis 1995 M"d.DM

40 3S 30 2S 20 IS

10 5 0



1985

Mlllt. Beschaffungen

1987

1989

~ Ur.lnvestltlonen

Jahr

1991

~

1993

Personalllusgaben

1995

~

Cbr.8etrlebsausg.

Quelle: IAP-Dienst Sicherheitspolitik, Nr. 12-13/94, S. 7. BMVg (Hrsg.): Erläuterungen und Vergleiche zum Regierungsentwurf des Verteidigungshaushalts 1994, Anlage: Ausgabenentwicklung im EP\. 14.

Bereits in den 70er Jahren, als es im wesentlichen "nur" darum ging, die Bundeswehr auf einem modernen Stand zu halten, war die Wehrstrukturkom41

Z.B. 24 Jagdflugzeuge (davon 4 in der Trainerversion) vom Typ MIG 29.

42 In diesen Zahlen sind auch Abrüstungsverpflichtungen aus dem KSE-Vertrag enthalten. Vgl. Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.), Erläuterungen und Vergleiche zum Regierungsentwulf des Verteidigungshausdhalts 1994, a.a.O., S. 31, sowie: Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.), Erläuterungen und Vergleiche zum Regierungsentwulf des Verteidigungshaushalts 1995, a.a.O., S. 17.

57

B. Haushaltsmittel

mission zu dem Ergebnis gelangt, daß Streitkräfte in der Organisationsform der Bundeswehr dann ausgewogen zu betreiben sind, so lange mindestens 30% der Jahresausgaben der Ausrüstung und Infrastruktur zufließen, die Personalausgaben die 40-Prozent-Marke nicht überschreiten und die Betriebsausgaben insgesamt nicht mehr als 70% der Ausgaben in Anspruch nehmen. 43 Ab 1987 nahm der Anteil der verteidigungsinvestiven Ausgaben am Epl. 14 kontinuierlich ab, wobei nicht dieser Sachverhalt als solcher bei Beobachtern innerhalb und außerhalb der Bundeswehr Verwunderung auslöste, sondern die Geschwindigkeit, mit der sich dieser Prozeß vOllzog. 44 Ein Strukturbruch setzte 1991 ein: Die Betriebsausgaben schnellten von 67,5% (1989) über 73,1% (1991) auf 78,2% (1994) empor. 45 Der Anteil für militärische Beschaffungen an den Verteidigungsausgaben sank von 21,64% (1989) auf 12,2% (1994), das ist nominal ein Rückgang von 11,37 Mrd. DM (1989) auf 5,91 Mrd. DM (1994).46 Die Personalausgaben stiegen von 23,16 Mrd. DM (=43,4%) 1989 auf 24,99 Mrd. DM (=51,5%) im Jahr 1994. obwohl sich der Friedensumfang der Bundeswehr im gleichen Zeitraum von 495.000 Soldaten auf unter 370.000 (Ende 1994) reduziert hat und die Zahl der Zivilbediensteten ebenfalls leicht von 167.000 (1989) auf knapp 160.000 (Ende 1994) zurückgegangen ist.47 Die Zunahme der Kapitalintensität ist empirisch ein Merkmal von Verteidigungshaushalten in hochentwickelten Industrieländern. 48 Wie in der Pri-

43 Vgl. Fischer, A.: Die Entwicklung des Einzelplans

14, a.a.O., S. 451 f.

44 Vgl.: Füßinger, Helmut: Abriistungssituation und Konsequenzen für die Rüstungsindustrie. In: Wehrtechnik, Nr. 11191, S. 40. 45 Die Zahlenangaben im Bundeshaushalt deutschen Vereinigung nicht vergleichbar.

1990 sind wegen des Überleitcharakters im Jahr der

46 Vgl. Fischer, A.: Die Entwicklung des Einzelplans 14, a.a.O., S. 452. Zur genauen Entwicklung des Epl. 14: Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.): Erläuterungen und Vergleiche zum Entwurf des Regierungshaushalts 1994, a.a.O., Anlage: Ausgabenentwicklung Einzelplan 14. 47 Vgl. Fischer, A.: Die Entwicklung des Einzelplans 14, a.a.O., S. 452 f. Ebenso: Hubatschek, Gerhard: Hauptfaktoren der Bundeswehrplanung. In: IAP-Dienst Sicherheitspolitik, Schwerpunktheft Bundeswehrplanung, Nr. 12-13/23.06.1994, S. 7, 9.

48 Vgl. Boelcke, Willi A.: Rüstungswirtschaft, nationale. In: Kirchhoff, G. (Hrsg.): Handbuch zur Ökonomie der Verteidigungspolitik, a.a.O., S. 816.

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3. Kapitel: Planung und Kombination der Ressourcen für die Bundeswehr

vatwirtschaft wird durch "intelligente" Technik und Automatisierungsprozesse der Produktionsfaktor Arbeit tendenziell durch den Produktionsfaktor Kapital substituiert. In NATO-Streitkräften werden solche modemen, personalsparenden und -schonenden Techniken (z.B. rechnergestützte Führungs- und Informationssysteme, satellitengestützte Kommunikation und Aufklärung, zielsuchende Munition, Luftbetankungsmöglichkeiten) als "force multiplier" bezeichnet. Zu geringe Investitionen führen zu überaltertem Gerät, das immer mehr Betriebskosten verursacht, wodurch der Investitionsspielraum für neues Material weiter eingeengt wird. Der von der Bundesregierung bereits im Weißbuch 1985 aufgestellten Behauptung, daß von einem hohen Betriebskostenanteil auf eine hohe Einsatzbereitschaft geschlossen werden könne49 , muß widersprochen werden. Aus der bloßen Tatsache, daß aus dem EPI. 14 des Jahres 1994 51,55% der Mittel für Sold, Dienstbezüge, Gehälter und Löhne sowie weitere 9,42% für Materialerhaltung und Betrieb verwendet wurden, läßt sich allein in keiner Weise auf die Einsatzbereitschaft der Truppe schließen. Möglich ist auch der umgekehrte Schluß, daß durch Unterfmanzierung die Personalkosten relativ einen derart hohen Anteil am Verteidigungshaushalt ausmachen, daß für eine auftragsgerechte Ausbildung und Ausrüstung die nach Abzug der Personal- und sonstigen Betriebsausgaben verbliebenen Mittel nicht mehr ausreichen. Durch die skizzierte Entwicklung beim Umfang und der Struktur des Einzelplans 14 ist es im Jahr 1994 zu einer Situation gekommen, in der neue Großvorhaben praktisch ausblieben und im Haushaltsausschuß vorlagepflichtige Beschaffungs- oder Entwicklungsverträge mit einem Volumen von mehr als 50 Mio. DM zur Seltenheit wurden. 50 Der reduzierte Freiraum ließ allenfalls die Fortführung laufender Vorhaben sowie die Durchführung kleiner, unaufschiebbarer oder sicherheitsrelevanter Sofortmaßnahmen zu. Erstmals mußte mit den

49 Vgl. Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.), Weißbuch 1985, a.a.O.,

S. llO.

50 Ein vorlagepflichtiger Mehrbedarf in Höhe von 220 Mio. DM entstand im Verteidigungsetat 19941ediglich für die Entwicklung des Europäischen Jagdflugzeuges aufgrund Progranunumsteuerungen und Einsparungen im Haushaltsjahr 1993. Dieser Mehrbedarf mußte aber bis auf 10 Mio. DM im Ausgabenbereich Forschung, Fntwiddung und EJpn:bmg erwirtschaftet werden. Neue Fntwiddungsund Beschaffungsvornaben (z.B. Uboot 212) einschließlich der erforderlichen VerpflichtungsermächtigungenIUmschichtungen wurden vom Haushaltsausschuß erst am 29.06.1994 mit Wirkung für die Folgejahre bewilligt. Vgl. Fischer, A., Die Entwicklung des Einzelplans 14, a.a.O., S. 452 ff.. Vgl. ebenfalls: Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.), Erläuterungen und Vergleiche zum Regierungsentwurf des Verteidigungshaushalts 1994, a.a.O., S. 16,39.

B. Haushaltsrnittel

59

Ende 1993 entwickelten Vorlagen zum Bundeswehrplan '95 auch die Zielsetzung, den Materialbetrieb der Streitkräfte vorrangig sicherzustellen, aufgegeben werden. In der Folge kam es u.a. zu Stillegungen von Waffensystemen der Teilstreitkräfte und erheblichen Einschränkungen bei der lehrgangsgebundenen Ausbildung, bei Truppenübungsplatzaufenthalten sowie der Inübunghaltung von Kampfflugzeugbesatzungen. 51

Irr. Ausgabenbereiche und ihre Disponibilität Verteidigungsausgaben sind in der Bundesrepublik Deutschland zur Konjunkturbeeinflussung wenig geeignet, obwohl sie vordergründig wegen ihres Volumens als adäquates Instrument für eine antizyklische Fiskalpolitik erscheinen mögen. Dieser Sachverhalt beruht u.a. auf dem hohen Betriebs- und Personalkostenanteil im Verteidigungshaushalt, mit dem gezielte, schnell wirksame Konjunktursteuerung kaum möglich ist, sowie der Langfristigkeit, Sektorgebundenheit (wehrtechnische Industrie) und zumeist multinationalen Verflochtenheit von Rüstungsvorhaben. 52 In der Realität der deutschen Finanzpolitik war der Einzelplan 14 eher prozyklisch ausgerichtet. So sank er von 1967 nach 1968 die Bundesrepublik erlebte gerade ihren ersten größeren Konjunktureinbruch um nominal 12,6%, obwohl die Bundesausgaben insgesamt im Sinne der Keynes'schen Theorie einer antizyklischen Finanzpolitik des Staates gesteigert wurden. 53 Angesichts des Einmarsches von Truppen des Warschauer Paktes in die damalige CSSR (20./21.08.1968) stieg der Wehretat von 1968 auf 1969 wieder um nominal 10,4%. Unter Abstrahierung von anderen Einflußgrößen stand der Verteidigungshaushalt während der Rezession von 1992 bis Anfang 1994 ebenfalls unter einem prozyklischen Vorzeichen. Die prozyklische Entwicklung des EP1. 14 beruht nicht aufkonjunkturpolitischer Ignoranz der Entscheidungsträger, sondern ist das Resultat der vergleichs-

51 Gern. einer Weisung des Generalinspekteurs der Bundeswehr waren im Haushaltsjahr 1994 mindestens 15%, möglichst aber 25% der Lehrgangskosten an den Schulen und Akademien der Streitkräfte einzusparen. Die Inübunghaltung VOll flugzeugbesatzungen war auf das zur Erfüllung gesetzlicher Sicherheitsauflagen unabdingbare Minimum zu beschränken. Die Teilnahme von Kampfflugzeugkontingenten an aufwendigen internationalen Wettbewerben wurde ausgesetzt.

52 Vgl. Bielfeldt, C./Schlotter, P., a.a.O., S. 88 f. 53 Vgl. Fischer, Alf: Verteidigungshaushalt der Zukunft· eine Trend-Prognose. In: Wehrtechnik, Nr. 5/89, S. 36. Zur Theorie der antizyklischen (kompensatorischen) Finan7pOlitik vgl. Zimmermann, H./Henke, K.-D., a.a.O., S. 294 ff.

60

3. Kapitel: Planung und Kombination der Ressourcen für die Bundeswehr

weise leich1en Kontrollierbarkeit dieses Pos1ens: 54 Die Verteidigungsausgaben ".. sind der flexibelste Finanzblock der Bundesausgaben. Sie sind arn leichtesten zu verändern und arn schwersten vorauszusehen.,,55 Konjunktureinbrüche führen beim Bund tendenziell zu sinkenden S1euereinnahmen, höheren Sozialausgaben (z.B. über erforderliche Leistungen aus dem Bundeshaushalt an die Bundesanstalt für Arbeit) sowie zu wei1eren Mehrausgaben infolge von konjunkturstützenden Maßnahmen des Staates. Aus Sicht der haushaltspolitischen Akteure erscheinen die Verteidigungsausgaben - sofern keine akU1e Bedrohungsperzeption vorliegt - dann oftmals als leicht handhabbare Residualgröße. Kürzungen bei Leistungsgesetzen sind politisch schwer durchsetzbar, wären von den Empfängern (Wählern) sofort spürbar und würden sich negativ auf die volkswirtschaftliche Nachfrage auswirken. 56 Kürzungen bei den Investitionsausgaben (z.B. beim Bau) würden den Konjunktureinbruch ebenfalls noch verschärfen. Zwar ist BielfeldtiSchlotter zuzustimmen. daß die Betriebsausgaben zur Konjunktursteuerung ungeeignet sind. 57 Unzutreffend ist jedoch die Begründung, wonach Betriebsausgaben im Epl. 14 deshalb kurzfristig wenig beeinflußbar seien, da sie entweder gesetzlich festgelegt oder nur geringfügig zeitlich verschiebbar sind.58 Vielmehr sind über Kürzungen der Betriebsausgaben schnelle Einsparungen im Ver1eidigungshaushalt möglich, wie dies auch die Umsetzung der globalen Ausgabensperre von 1,25 Mrd. DM für den Verteidigungshaushalt im Jahr 1994 gezeigt hat. Dies kann über Kürzungen der Mittel für Ausbildung (Übungsmunition, Truppenübungsplatzaufenthalte/Reisekosten, Treibstoff, Lehrgänge) oder MaterialerhaltunglInfrastrukturunterhaltung geschehen. Eine drastische Senkung solcher Ausgaben beeinträchtigt zwar die Einsatzbereitschaft und Karnpfkraft der gesamten Streitkräf1e, wird aber in Friedenszeiten für die Öffentlichkeit kaum negativ wahrnehmbar. 59 Mit politischer Durchsetzungskraft vorgetragene Forderungen nach intensivier1er Ausbildung oder vermehrler Übungstätigkeit der Truppe sind so kaum zu befürch-

54 Vgl. Clark, Asa A./Fagan, Thomas W.: Trends in Defense Budgeting: Mortgaging The Future. In: Clark A./Chiarelli, P.IMcKitrick, J./Reed, J. (Hrsg.), a.a.O., S. 226. 55 Fischer, A., Verteidigungshaushalt der Zukunft, a.a.O., S. 36. 56 Vg1. ebd. 57 Vg1. Bielfeldt, C./Schlotter, P., a.a.O., S. 88 f. Ebenso: Fischer, A.: Verteidigungshaushalt der Zukunft, a.a.O., S. 36. 58 Vg1. Bielfeldt, C./Schlotter, P., a.a.O., S. 59 Vg1. Clark A./Fagan, T., a.a.O., S. 226 f.

89.

B. Haushaltsmittel

61

ten. Gerade dieser Teil der Betriebsausgaben steht deshalb unter ständigem Rechtfertigungs- und Kürzungsdruck. Auch die Personalkosten für Soldaten sind gegenüber vergleichbaren Posten im übrigen öffentlichen Dienst schnell beeinflußbar. So beenden ca. 20% aller Soldaten auf Zeit jedes Jahr ihre Dienstzeit, was auf die Personalstruktur der Bundeswehr von 1994 (Personalstrukturmodell 370) bezogen einer Zahl von mindestens 30.000 regulären Dienstbeendigungen entspricht. 60 Zudem muß die Bundeswehr, will sie die Strukturentscheidungen des Jahres 1994 ausfüllen (Friedensumfang: 338.000 Soldaten; Zahl der Grundwehrdienstleistenden: 135.000; Grundwehrdienstdauer in den Hauptverteidigungskräften: 10 Monate), jedes Jahr ca. 160.000 Wehrpflichtige zum Grundwehrdienst einziehen.61 Werden für einen Grundwehrdienstleistenden dem Bund durchschnittlich entstehende Kosten von 25.000 DM pro Jahr (Preisstand: 1994)62 unterstellt, so kann die Exekutive allein dadurch, daß sie durch weniger Einberufungen die Zahl der Grundwehrdienstleistenden im Jahresdurchschnitt um 20.000 absenkt, 500 Mio. DM einsparen, ohne daß auf diese Maßnahme hin Proteste aus der Bevölkerung oder nennenswerte Kritik in den Medien zu erwarten wären. Festzuhalten ist: In Zeiten eines als sicher empfundenen Friedens eröffnen sicherheitspolitische Lagebeurteilungen große Bewertungsspielräume und auch die tatsächliche bzw. notwendige Einsatzbereitschaft der eigenen Streitkräfte ist interpretationsfähig. Zudem erweisen sich Verteidigungsausgaben als haushaltstechnisch vergleichsweise flexibel zu handhaben, Einschnitte im Betrieb haben kurzfristig geringe unmittelbar spürbare Auswirkungen und lassen daher auch kaum innenpolitischen Widerstand erwarten. In Phasen konjunktureller Friktionen und/oder fmanzieller Engpässe gewinnt somit für politische Entscheidungsträger die Möglichkeit kurzfristiger Mitteleinsparungen bei den Streit-

60 Die Angaben von A. Fischer (Verteidigungshaushalt der Zukunft. a.a.O .• S. 39). 40.000 reguläre Entlassungen bei ca. 194.000 Zeitsoldaten (entspricht 20.6%). wurden auf das Personalstruktunnodel1 370 (Weißbuch 1994, S. 97). d.h. ca. 148.400 Soldaten auf Zeit. umgerechnet.

61 Vgl. Eckdaten für die neue Bundeswehrstruktur (0. V.). In: IAP-Dienst Sicherheitspolitik. Nr. 18/20. September 1994. S. I f .. Der Bedarf von ca. 160.000 Grundwehrdienstleistenden pro Jahr verringert sich in Abhängigkeit von der Bereitschaft Wehrpflichtiger. freiwillig länger als 10 Monate Grundwehrdienst zu leisten. Aus dem Reservoir der Wehrpflichtigen wird ein beträchtlicher Teil zukünftiger Zeit- und Berufssoldaten gewonnen.

62 Vgl. Forster. Michael: Finanzplanung der Bundeswehr. In: SISTRA. Sicherheitspolitische Strategien. Ausgabe 40/1994 vom 28.01.1994, S. 10. Die Angaben und Berechnungen von Forster, die sich auf den Preis stand Oktober 1991 beziehen und der Drucksache 12/3026 des Deutschen Bundestages vorn 10.07.1992 entnommen sind. wurden mit 3%iger Steigerung auf 1994 übertragen.

62

3. Kapitel: Planung und Kombination der Ressourcen für die Bundeswehr

kräften besonders an Attraktivität. Mögliche langfristige Risiken, auch wenn sie das Ergebnis eines sorgfältigen sicherheitspolitischen Kalküls darstellen, können dann leicht in den Hintergrund rücken. IV. Die deutsche Verteidigungsquote im internationalen Vergleich

Die Höhe der Verteidigungsausgaben eines Staates allein besagt weder etwas über das Leistungsvennögen seiner Streitkräfte noch über das Gewicht dieser Aufwendungen für die äußere Sicherheit innerhalb des gesamten WirtsChaftsprozesses63 . Um eine Relation zwischen finanziellen Verteidigungsanstrengungen und der Gesamtleistung einer Volkswirtschaft herzustellen, werden die Verteidigungsausgaben als prozentualer Bestandteil des Bruttosozialprodukts ausgedrückt und als gesamtwirtschaftliche Verteidigungsquote bezeichnet.64 Die Verteidigungsquote stellt das gebräuchlichste Belastungsmaß dar, wobei für Vergleichszwecke zwischen verschiedenen Volkswirtschaften zuvor die Bestandteile der Verteidigungsausgaben und des Bruttosozialprodukts harmonisiert werden müssen. 65 Um weitere Aussagen über die Belastung eines Staates durch Anstrengungen für die äußere Sicherheit zu gewinnen, werden die Verteidigungsausgaben auch zu den gesamten Staatsausgaben oder wird der Anteil des militärischen Personals zur Gesamtbevölkerung bzw. zur Zahl der Erwerbstätigen in Beziehung gesetzt. 66 Verteidigungsausgaben, -quoten und hieraus hergeleitete Kennziffern sowie deren Entwicklung über die Zeit werden als Indikatoren bei der Analyse zahlreicher außen- und sicherheitspolitischer Probleme herangezogen. So verspricht man sich von ihrer Analyse Hinweise auf: 67 Anstrengungen eines Staates für die äußere Sicherheit und - unter Vorbehait - auch auf militärische Fähigkeiten; -

die Entwicklung von Streitkräftestrukturen und -fähigkeiten durch Vergleich ihrer Verteilung über die Zeit;

63 Vgl. Maneval, H., a.a.O., 64

s. 1013.

Vgl. ebd.

65 Vgl. Kerber, M., a.a.O., S. 119 f. 66 Vgl. ebd. 67 Vgl. Deger, SaadetlSen, Somnath: Military Expenditure. The Political Economy of international Security. SIPRI, OxfordlNew YOrK 1990, S. 2 f.

B. Haushaltsmittel

63

-

Ziele und Peneptionen politischer Entscheidungsträger durch Trendanalysen;

-

das Ausmaß einer - gemessen an der wirtschaftlichen Leistungsfahigkeit angemessenen Lastenteilung innerhalb von Bündnissen.

Ferner können solche Kennziffern von Regierungen in innenpolitischen Auseinandersetzungen herangezogen werden, um Medien und andere politische Multiplikatoren von der Notwendigkeit erhöhter Anstrengungen für die äußere Sicherheit zu übeneugen. 68 In der Bundesrepublik Deutschland erreichte der Anteil des Einzelplans 14 am Bruttosozialprodukt zu jeweiligen Marktpreisen Mitte der 60er Jahre mit 4% einen Höhepunkt (1967: 4,0%), hielt sich von 1970 bis zur Mitte der 80er Jahre bei knapp 3%, um im Jahr 1993 mit 1,61 % seinen tiefsten Stand seit 1955 zu erreichen (1956 bereits 1,69%).69 Die Entwicklung der deutschen Verteidigungsquote zeigt aber beispielsweise auch, daß die Ablösung der NATO-Strategie der Massiven Vergeltung, MC 14/2 (Military Committee), durch die Strategie der Flexiblen Reaktion, MC 14/3, im Jahre 1967, die das Gewicht der konventionellen (d.h. nicht nuklear bewaffneten) Streitkräfte für eine glaubwürdige Abschreckung und Verteidigung wesentlich stärken sollte, bei der rein konventionell bewaffneten Bundeswehr (im Sinne von nationaler Verfügungsgewalt über Nuklearwaffen) nicht zu einer nachhaltigen Verstärkung der Verteidigungsanstrengungen geführt hat. Vielmehr lassen sich Zusammenhänge zwischen Haushaltsengpässen/Konjunktureinbrüchen und Verteidigungsausgaben bzw. -quoten belegen. Das oftmals vorgebrachte Argument, daß höhere Verteidigungsausgaben das volkswirtschaftliche Wachstum hemmen würden, läßt sich am Beispiel der Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland nicht belegen. Während der 60er Jahre wuchs die westdeutsche Wirtschaft trotz einer vergleichsweise hohen Verteidigungsquote stärker als in der Folgezeit. Innerhalb moderater Grenzen ist die behauptete Korrelation zwischen steigenden Verteidigungsausgaben und sinkenden gesamtwirtschaftlichen Wachstumsraten somit nicht gegeben. Zwar

68

Vgl. ebd., S. 3.

69 Eigene Berechnungen auf der Grundlage folgender Quellen:

Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.), Erläuterungen und Vergleiche zum Regierungsentwurf des Verteidigungshaushalts 1994, a.a.O., Anlage: Ausgabenentwicklung Einzelplan 14. Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Statistisches Jahrbuch 1994 für die Bundesrepublik Deutschland, Wiesbaden 1994, S. 682. Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.), Weißbuch 1994, aaO., S. 98.

64

3. Kapitel: Planung und Kombination der Ressourcen für die Bundeswehr

stellen Verteidigungsausgaben - aus rein ökonomischer Perspektive und ohne Berücksichtigung der durch einen Wegfall der äußeren Sicherheit möglichen Opportunitätskosten - immer eine Belastung der Volkswirtschaft dar. Sofern die Verteidigungsausgaben eine bestimmte Grenze nicht überschreiten, kann eine langfristig stetige Verteidigungsquote aber auch eine stabilisierende Wirkung auf die Entwicklung einer Volkswirtschaft ausüben.1° Der mögliche Einfluß der Verteidigungsausgaben auf die gesamte Wirtschaft relativiert sich beim Schaubild 3

Anteil des Einzelplans 14 am Bruttosozialprodukt zu jeweiligen Preisen von 1961 bis 1993 6 5,5 5

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Quelle: Eigene Berechnungen auf der Grundlage: Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Statistisches Jahrbuch 1994 für die Bundesrepublik Deutschland, S. 682.

Vergleich mit anderen öffentlichen Ausgaben. So erreichten allein die Sozialleistungen in der Bundesrepublik Deutschland nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes im Jahr 1993 eine Gesamthöhe von rd. 1.062,6 Mrd. DM. 70 Vgl. Reichelstein. Hans-Egon: Ausgaben für Verteidigung: Lasten und Vorteile für die deutsche Wirtschaft. In: Europäische Wehrlrunde/WWR. Nr. 4/89. S. 256.

B. Haushaltsmittel

65

Die Sozialleistungsquote, d.h. der Anteil aller Sozialleistungen am Bruttosozialprodukt, betrug damit 34,2%.1 1 Ein Vergleich der Verteidigungsausgaben nach NATO-Kriterien als Prozentsatz des Bruttoinlandsprodukts72 zeigt, daß die relativen deutschen Verteidigungsanstrengungen (ohne Berlin-Ausgaben) immer unter dem Durchschnitt aller NATO-Mitglieder, aber auch unter dem Durchschnitt der übrigen europäischen NATO-Staaten lagen. Das gegen Vergleiche der absoluten Verteidigungsausgaben vielfach vorgebrachte Argument, deren Aussagekraft leide unter sich ständig ändernden Währungsparitäten und unterschiedlichen Inflationsraten73, läßt sich im Hinblick auf eine Gegenüberstellung von nach einheitlichen NATO-Kriterien berechneten Verteidigungsquoten nicht aufrecht erhalten. Hier werden die in nationalen Währungen bewerteten Verteidigungsausgaben zu in nationalen Währungen ermittelten Sozialprodukten in Beziehung gesetzt.

71 Vgl. zur Tenninologie: Baratta, Mario von (Hrsg.): Der Fischer Weltalmanach 1994. Frankfurt/M. 1993, S. 379. Das Bruttosozialprodukt in jeweiligen Preisen hatte 1993 in Deutschland eine Höhe von 3.106,8 Mrd. DM. Die Sozialleistungsquote in den alten Bundesländem betrug 30,5%, in den neuen Bundesländern 70,9%. 1m einzelnen setzten sich die Sozialausgaben in vereinten Deutschland 1993 wie folgt zusammen (nur Beträge über I Mrd. DM, gerundet): Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten: 324,1 Mrd. DM - gesetzliche Krankenversicherung: 209,7 Mrd. DM - Arbeitsförderung: 131,9 Mrd. DM - steuerliche MaßnahmenlEnnäßigungen: 65,5 Mrd. DM - Beamtenpensionen: 49,2 Mrd. DM - Arbeitgeber-Entgeltfortzahlung: 48,6 Mrd. DM - Sozialhilfe: 48 Mrd. DM - Jugendhilfe: 24,4 Mrd. DM - knappschaftliche Rentenversicherung: 24 Mrd. DM - betriebliche Altersversorgung: 23,1 Mrd. DM - Kindergeld: 21,9 Mrd. DM - gesetzliche Unfallsversicherung: 18,9 Mrd DM - soziale Entschädigung: 15,3 Mrd. DM Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst: 13,1 Mrd. DM - Familienzuschläge für Beamte: 12,5 Mrd. DM - Beihilfen für Beamte: 11,9 Mrd. DM - Leistungen zur Vennögensbildung: 11,7 Mrd. DM Wohngeld: 7,3 Mrd. DM - Erziehungsgeld: 7 Mrd. DM - Altershilfe für Landwirte: 5,7 Mrd. DM Vergünstigungen im Wohnungswesen: 5.6 Mrd. DM - Sonstige Arbeitgeberleistungen: 5,4 Mrd. DM - öffentlicher Gesundheitsdienst: 3,5 Mrd. DM - Ausbildungsförderung: 2,5 Mrd. DM Wiedergutmachung: 2 Mrd. DM. Quelle: Z. T. eigene Berechnungen auf der Grundlage von: Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Statistisches Jahrbuch 1994 für die Bundesrepublik Deutschland. Wiesbaden 1994. S. 482 f .• 682. 72 Das Bruttoinlandsprodukt unterscheidet sich vom Bruttosozialprodukt dadurch, daß es die innerhalb der Grenzen der Bundesrepublik Deutschland produzierten Güter und Dienstleistungen unabhängig davon erfaßt, ob In- oder Ausländer daran beteiligt waren, während das Bruttosozialprodukt die von Inländern erbrachte wirtschaftliche Leistung im In- und Ausland erfaßt. Vgl. hierzu: Gabler Lexikon-Redaktion (Hrsg.): Kleines Lexikon Wirtschaft, Wiesbaden 1991, S. 44 f.

73 Vgl. zu dieser Argumentation auch: Bundesrninisterium der Verteidigung (Hrsg.), Weißbuch 1985. a.a.O .• S. 109.

5 Wöcken.r

0.8

3.1

3.3

6.9

LuxembuJg

Niederlande

Norwegen

Portugal

-

-

2.2

2,4

4.6

5.4

5.8

2.1

3.6

5.2

3.6

3.6

3.7

5.3 4,1

4.7

4.7

5.6

5.0

1.9

2.9

4.3

3.8

6.3

2.0

3.0

4.1

3.5

1.7

3.1

3,1 1,8

3.1

2,5

1.2

2.1

5.4

2.3

3.2

2.6

1.1

2,1

5.8

2.8

2.3 2.1

5,9

2.1

3.3

4.6

3.3

3.2

3.2

2.9

1.1

2.3

6.2

3.0

3.8

3.4

4.0

(6)

1991

1.6

3.7

4.9

5.2

1.9

2.7

3.8

3.9

3.6

4.5

4.8

1.9

2.6

3.6

4.1

1.7

2.9

3.1

3,4 3.0

2.3

2,5

1.1

2,0 1.2

5.5 2.1

5.6

-

-

3.3

-

7.1 6.8

4.3

2.4

5.8

2.3

6.9

3.7

4,1

1.7

2,5

3,4

4.1

1.6

3.0

3.2

3.2

0,8

1.1 2.2

2,2

-

-

5.1

5.4

2.0

5.1

3,9

2.1

3.9

3.1

3.0

0.9

6.7

2,6

3.4

3.8

2.5

3.2

(2)

4.7

3.5

3.9

2.6

2,8

(I)

1975 bis 1979

2.1

5.6

1.8

3.3

1.9

3,4

3.4 2.2

1.9

2.0

1.8

(9)

1970 1994 bis (a) 1974

2.0

1.8

(8)

(7)

1.9

1993

1992

3.0

5.9 4,8

5.0

6.0

6.3

3.3 2.1

4,5

3.5

2.2

3.2

3.1

3.0

1.2

2.2

6.2

3.0

3.8

2.1

2,1 5.6

(5)

1990 (6)

1991 (7)

1992

4,5

5,4

5.7

2.0

3.0

4.0

3.9

1.8

3.1

3.1

2.7

1.1

2,0

5.8

2.8

3.6

2,1

2,6

4.0

4.8

5.0

1.9

2.9

4.1

4.0

1.7

3.1

2.9

2.6

1.2

1.9

5,4

2.3

3.6

2.1

2,5

4.1

5.0

5.2

1.9

2,7

3.8

4.0

1.6

3.0

3.1

2.5

1.2

1.9

5,6

2.2

3,4

2.0

2.0

in konstanten Preisen

(4)

1985 bis 1989

3.6

5.3

3.8

2,4

3.4

3.0

3.0

1.2

2,1

6.6

3.4

4.1

2,4

3.2

(3)

1980 bis 1984

3.8

4.6

4.8

1.9

3.6

3.6

4.0

1.7

2.9

2,9

2,4

1.1

2,0

5.5

1.9

3,4

2.0

1.9

(8)

1993 1994

3.5

4.2

4,4

1.7

2,5

3.4

4.0

1.6

2.9

2.9

2.3

1.2

2.0

5.6

1.8

3.3

1.9

1.9

(9)

(a)

Quelle: NATO-Brief. Nr. 2/95, S. 34.

(a) Voranschlag (b) hn Rückgang der belgischen Verteidigungsausgaben ab 1992 kommt der Beschluß der belgisdten Regierung zwn Ausdruck. die Gendarmerie aus den Streitkräften herausZlDlehmen. (-) keine Angaben verfügbar

Gesamt-NATO

5.0

4.7

6,4

6.1

USA

Nordamerika

-

1.9

4.9

4,4

2.1

3.9

2.9

3.1

3,1

3.1

1.2

2,1

2,0

1.0

6.6

6.7

2.1

Kanada

-

5.0

UK

NATO-Europa

3,4

Tilrkei

-

2,5

Spanien

4.7

Griechenland

3,4

Italien

4.1

2,1

3.8

2.4 2.1

2,9

3.3

3,4

3.9

3.5

Frankreich

Deutschland

(5)

1990

in jeweiligen Preisen

(4)

1985 bis 1989

2,4

2.4

3.2

2.4

2.9

Belgien (b)

(3)

1980 bis 1984

Dänemark

(2)

1975 bis 1979

(\)

1970 bis 1974

(0)

Land

Tabelle 1 VerteidiguDgsausgaben als Prozentsatz des Bruttoinlandsprodukts in der NATO

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B. Haushaltsmittel

67

Allerdings gibt auch ein Vergleich der Verteidigungsquoten nach NATOKriterien keine Auskunft darüber, wieviel der nationalen Verteidigungsausgaben exklusiv das NATO-Vertragsgebiet betreffen und welcher Anteil der jeweiligen Verteidigungshaushalte auch dazu dient, mit Hilfe der Streitkräfte andere auswärtigen Interessen zu verfolgen. 74 So ist nachvollziehbar, daß die Vereinigten Staaten als Supermacht mit weltweiten Interessen, aber auch europäische NATO-Mitglieder mit überseeischem Engagement ihrer Streitkräfte, einen Teil der in die Verteidigungsquote eingehenden Mittel für überwiegend nationale Interessenpolitik verwenden. Ferner berücksichtigt die Verteidigungsquote als Personalkosten nur die den Streitkräften tatsächlich entstehenden Kosten - unabhängig von der Wehrform. 75 So gehen in die deutsche Verteidigungsquote für die Grundwehrdienstleistenden nur deren vergleichsweise niedrigen Bezüge (Wehrsold) ein, nicht aber die durch ihren Einsatz der Volkswirtschaft entstehenden Opportunitätskosten. Bei reinen Freiwillenarmeen hingegen sind in der Verteidigungsquote die vergleichsweise hohen Gehälter enthalten, die sich annähernd an den Arbeitsmarktverhältnissen orientieren müssen. Dem Vorschlag der Berücksichtigung von fIktiven Gehältern für Wehrdienstleistende76 im Rahmen internationaler Vergleiche ist aber entgegenzuhalten, daß das Leistungsvermögen eines Grundwehrdienstleistenden gewöhnlich nicht dem eines ausgebildeten und geübten Berufs- oder Zeitsoldaten entsprechen kann. Auch sind die für einen Grundwehrdienstleistenden (Dienstposten) für vergleichbare QualifIkationen aufzubringenden Ausbildungskosten wegen der kurzen Folgestehzeit und des damit verbundenen schnelleren Ausbildungsrhythmus' höher. Der Ansatz der Berücksichtigung fIktiver Gehälter für Wehrdienstleistende mag daher für die Ermittlung der einer Volkswirtschaft tatsächlich durch die Verteidigung entstehenden Kosten dienlich sein. Als modifIZierter Inputgröße lassen sich aus einer solchermaßen manipulierten Verteidigungsquote allein ebenfalls keine Rückschlüsse auf die Kampfkraft ziehen. Ein Vergleich der nach NATO-Kriterien harmonisierten Bestandteile der Verteidigungsausgaben zeigt, daß der Anteil der Personalkosten in Deutschland langfristig über dem Durchschnitt der anderen großen Bündnismitglieder liegt.

74

Vgl. Deger. S./Sen. S.• a.a.O., S. 15.

75

Vgl. ebd., S. 15 f.

76

Vgl. ebd.. S. 16 f.

63,4 68,4 46,2 56,6 58,4

61,8

50,7

54,6

62,9

60,8

58,0

62,4

65,6

59,9

Belgien

Kanada

Dänemark 60,5 64,1 57,8 76,9

59,1

77,5

57,6

61,9

85,5

59,9

82,2

Italien

Luxemburg

(7)

1992

48,5 48,7

36,6

39,3

43,3

41,9

42,0

32,8

USA

48,3

80,5

64,7 69,5

74,9

46,3 43,8

37,0

37,4

44,6

48,8

UK

75,8

63,7

55,2 57,5

70,6

64,1

41,7 43,8

37,1

45,3

47,6

66,7

Türkei

73,1 62,0

58,6

64,4 61,4

56,6

57,2 56,7

49,4 49,9

68,9 65,3

38,6 40,6

-

-

-

67,7

66,6

68,8

Portugal

-

50,8

Norwegen

53,9

52,8 43,9 43,3

55,3

48,8

61,2

52,9

65,4

52,1

Niederlande

79,6

61,6

48,9 52,1

46,6

54,6

48,8

SO,5

66,8

Griechenland

50,0

Deutschland

Spanien

(6)

1991 (8)

1993

38,8

43,5

54,5

62,3

79,8

36,0

59,4

77,3

62,9

62,2

60,2

56,8

47,7

69,6

prozentualer Anteil für Personalkosten

(5)

(4)

(3)

(2)

(1)

(0)

1990

1985 bis 1989

1980 bis 1984

1975 bis 1979

1970 bis 1974

Land

38,8

42,7

46,2

64,6

78,0

35,8

58,6

78,5

62,7

63,0

60,0

56,1

47,0

69,0

(9) (2)

9,0

19,3

1,9

19,2

-

2,2

21,4 17,6

16,6 21,6

3,9

-

7,1

15,2 16,0

12,8 18,0

1,5

15,3 14,7

8,2

16,4 16,8

16,4 18,4

7,3

10,7 11,7

(1)

(3)

1980 bis 1984 (4)

1985 bis 1989 (5)

1990 (6)

1991 (7)

1992 (8)

1993

21,9

26,2

9,1

-

5,5

19,4

20,5

1,8

17,4

17,4

20,0

16,9

17,8

13,8

25,6

24,8

18,2

-

7,6

21,7

19,8

3,5

19,7

18,2

19,6

14,0

19,7

12,1

24,8

17,9

20,0

12,7

10,3

22,6

17,9

3,2

17,5

21,4

17,7

14,9

17,0

7,9

27,3

19,4

22,7

12,9

8,5

22,0

15,6

5,4

16,3

20,3

15,6

15,8

18,1

8,2

22,9

18,1

24,8

10,9

2,2

24,4

14,2

4,6

15,0

23,4

13,3

17,8

18,6

8,2

22,0

26,0

22,9

13,5

7,2

27,6

14,0

2,8

17,2

24,7

11,2

14,6

19,2

7,0

Prozentualer Anteil für schweres Gerät

1970 1975 1994 bis bis (a) 1974 1979

Tabelle 2 Aufscbliisselung der Gesamtverteldlgungsausgaben In der NATO

19,9

26,1

34,2

13,3

8,1

26,7

15,2

2,8

17,3

24,4

10,9

14,0

19,6

7,1

(9)

(a)

1994

0'1

~

1:

i

~ ...8'! e, "

g

~

äla. B ~

9':

~

~

J

~

~

~

oe

6,5

5,5

2,8

Belgien

Kanada

Dänemark

(4)

1985 bis 1989 (5)

1990 (6)

1991 (7)

1992

2,3

2,8

4,3

3,4

-

7,3

1,7

1,9

4,4

2,3

-

5,5

2,4

1,5

Niederlande

Norwegen

Portugal

Spanien

Türkei

UK

USA

7,0 5,9 9,8 3,4

2,6 7,3 5,2 8,2 3,7

1,2

1,7

1,8 '--~

1,6

1,4

2,9

4,4

5,1

3,9

1,0 3,5

1,6 2,8

2,7

2,3

9,8 5,3

3,4

5,8

6,2 9,5

10,6

14,8

3,2

-

5,9

5,4

5,9

5,0

Quelle: NATO-Brief, Nr. 2/95, S. 35.

(a) Voranschlag (-) keine Angaben verfügbar

13,2

3,2

2,8

Luxemburg

3,7

2,3

10,3

1,8

3,2

1,6

4,9

Italien

2,2

5,9 2,7

2,4

1,7

2,1

2,8

5,3

5,8

Griechenland

4,5

4,9

5,4

6,3

6,3

Deutschland

1,6

6,8

2,9

0,9

1,0

1,8

8,0

2,0

-

18,8

-

33,5 34,5

44,1 36,8

30,1

21,9

26,7

20,3

10,2

21,0

24,9

24,6

25,7

29,0

32,0 31,9

22,6 23,7

-

37,9 25,1

28,0 26,6

8,4

8,2 1,3

18,9 17,3

4,5

9,1

23,0 21,5

18,5 17,0

22,2 23,0

21,2 21,0

24,0 27,3

4,6 1,5

(4)

1989

1984

(3)

1985

bis

1980

bis (5)

1990 (6)

1991 (7)

1992 (8)

1993

36,1

32,5

38,4

-

19,7

26,0

22,0

11,9

19,8

18,4

20,8

25,8

31,9

20,4

40,0

36,4

28,5

23,0

13,1

24,3

22,3

10,2

18,1

12,3

19,0

23,4

32,2

19,9

31,3

34,5

26,0

20,8

12,9

22,3

22,9

9,2

17,2

13,6

18,0

22,7

32,2

20,1

39,3

35,2

23,0

20,0

11,9

22,1

22,6

9,0

18,5

12,6

19,0

21,8

31,8

21,2

-

40,7

23,7

19,7

23,2

14,4

28,2

22,0

8,2

17,4

10,5

23,9

26,1

29,9

205

Prozentualer Anteil für Betriebskosten

(2)

20,9 18,8

(1)

11,1

2,5

0,6

5,1

2,5

2,2

3,9

(9)

1970 1975 1994 bis bis (a) 1974 1979

8,0

11,8

2,5

2,6

4,6

2,5

3,7

4,3

3,4

3,4

2,8

2,4

3,3

3,1

3,1

3,4

3,9

2,8

2,3

2,5

3,8

2,9

4,0

5,5

5,2

(8)

1993

2,8

prozentualer Anteil für Infrastruktur

(3)

(2)

(1)

(0)

1984

1980

bis

1975 bis 1979

1970 bis 1974

Land 1994

-

43,1

23,2

175

21,2

125

29,1

21,6

10,7

17,5

12,0

23,9

27,4

31,2

20,0

(9)

(a)

$

l

t':

er

f

?'

70

3. Kapitel: Planung und Kombination der Ressourcen für die Bundeswehr

Oftmals wird argumentiert, daß der Personalkostenanteil in Freiwilligenstreitkräften höher als in Wehrpflichtarmeen sein müsse. Die Gegenüberstellung der deutschen Personalkostenanteile mit denen von Freiwilligenanneen (USA, Großbritannien, Kanada) demonstriert aber, daß per se weder ein hoher Personalkostenanteil noch höhere Kosten insgesamt zu einem "Naturgesetz" bei modern ausgerüsteten Berufsarmeen werden müssen. Es sei jedoch nochmals darauf verwiesen, daß Zahlen wie Verteidigungsausgaben und deren Derivate Inputgrößen darstellen, die allein kaum Aussagen über die Kampfkraft (Output) zulassen. So war auch die in der Zeit von 1977 bis 1990 offIZielle Politik des Verteidigungs-Planungsausschusses der NATO, wonach die Verteidigungsausgaben der Allianzpartner jedes Jahr um real 3% zu steigern waren77, innerhalb der Mitgliedstaaten heftig umstritten, machte diese Vereinbarung doch keine genauen Vorgaben für eine bedrohungsadäquate Optimierung des Leistungsvermögens der Streitkräfte, sondern nur für eine Erhöhung der Aufwendungen. Zwar diente die getroffene Vereinbarung vielen europäischen Regierungen als Argumentationshilfe in der innenpolitischen Auseinandersetzung zur Durchsetzung höherer Verteidigungsausgaben in den 80er Jahren78 . Tatsächlich umgesetzt wurde eine jährliche Anhebung um real 3% jedoch nur von den Vereinigten Staaten, Kanada und Griechenland in wenigen Perioden zu Beginn der 80er J ahre.19

C. Personal I. Personalplanung Aufgabe der Personalplanung der Bundeswehr ist es, auch auf lange Sicht funktionsgerecht ausgebildetes Personal in der erforderlichen Anzahl und Zusammensetzung bereitzustellen, um so die personelle Einsatzbereitschaft der Streitkräfte zu gewährleisten. Sie hat personelle Umfänge vorzugeben und entsprechende Personalstrukturmodelle zu erarbeiten, die Aussagen zu SollStrukturen, detaillierten Personalumfangen und dem hieraus sich ergebenden Ergänzungsbedarf enthalten.

77

Vgl. ebd. S. 8.

78

Vgl. ebd., S. 8 - 11.

79

Vgl. Dokumentation (o.v.) in: NATO-Brief, N. 4/1994, S. 33.

C. Personal

71

Die Rahmenbedingungen für die Personalplanung der Bundeswehr sind geprägt von: - politischen Schwerpunktsetzungen zwischen sicherheitspolitischer Verantwortung und finanzpolitischen Restriktionen, - Entscheidungen zur Allgemeinen Wehrpflicht und ihrer Ausgestaltung, völkerrechtlichen Vereinbarungen, wie z.B. der Personalobergrenze von 370.000 Soldaten für die Bundeswehr im Frieden (Zwei+Vier-Vertrag und KSE la-Abkommen).1 Gegenüber einer Personalplanung in privatwirtschaftlichen Unternehmen oder anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes sind in der Bundeswehr besondere, zumeist aus der Eigenart des Auftrags sich ergebende Regelungen zu beachten: 2 Statusrechtliche, ausbildungs- und verwendungsspezifische Voraussetzungen für den Einsatz (z.B. Lautbahngruppen, Lehrgänge, Mindestverpflichtungszeiten/Mindeststehzeiten, Höchstalter, gesundheitliche Kriterien), - Rekrutierung des militärischen und zivilen Personalbestandes nahezu ausschließlich von "unten" mit entsprechenden Zeitspannen zwischen Personalentscheidungen und deren Realisierung, 3 - nationale MonopolsteIlung des Staates als "Arbeitgeber" (Dienstherr) für den Beruf des Soldaten. Wie in der Finanz-, so kann auch bei der Personalplanung in der Bundeswehr zwischen Bedarfsträgern und Bedarfsdeckern unterschieden werden. Die Abteilung Personal im Bundesministerium der Verteidigung ist zentral für die Personalsteuerung und -führung der militärischen und zivilen Angehörigen der Bundeswehr zustlindig.4 Die Durchführung dieser Tätigkeit ist für bestimmte

I

Vgl. Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.). Weißbuch 1994. a.a.O., S. 97.

2

Vgl. Armonat. Richard: Personalplanung der Bundeswehr. In: Kirchhoff. G.(Hrsg.). a.a.O., S.

682.

3 "Der Bedarf an Berufs- und Zeitso1daten wird (Stand: Anfang 1994, d. Verf.) etwa zur Hälfte durch die Einstellung ungedienter Freiwilliger, zur anderen Hälfte durch die Verpflichtung oder Übemahme von Soldaten gedeckt, die bereits in der Truppe Dienst leisten." Aus: Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.). Weißbuch 1994, a.a.O., S. 97. 4 Vgl. Armonat, R., a.a.O., S. 682.

72

3. Kapitel: Planung und Kombination der Ressourcen für die Bundeswehr

Gruppen auf andere Dienststellen delegiert. Die Inspekteure der Teilstreitkräfte bzw. des Sanitätsdienstes, der Stellvertreter des Generalinspekteurs (zentralmilitärischer Bereich) sowie der Leiter der Abteilung Verwaltung und Recht (Bundeswehrverwaltung) als Bedarfsträger stellen für ihren Verantwortungsbereich Forderungen hinsichtlich der Personalstruktur, der Personalbedarfsdeckung und des Personalhaushalts.5 Sie sind auch für Zielsetzung, Planung und Kontrolle aller Personal- und Ausbildungsmaßnahmen in dem ihnen unterstellten Bereich verantwortlich. Es erscheint zunächst als Widerspruch, daß die Personalplanung der Bundeswehr in einigen Veröffentlichungen als - im Vergleich zum sonstigen öffentlichen Dienst, sofern dort nicht gegenüber Angestellten und Arbeitern vom Instrument "betriebsbedingter" Kündigungen Gebrauch gemacht wird - besonders flexibel handhabbar beschrieben wird6, in anderen Publikationen hingegen ihre "geringe Elastizität" herausgestellt wird? In Diskussionsbeiträgen zur Personalplanung der Bundeswehr wird oftmals implizit davon ausgegangen, daß es sich hierbei nur um einen die Berufsgruppe der Soldaten betreffenden Vorgang handle. Übersehen wird dabei, daß ca. 30% der Angehörigen der Bundeswehr (ca. 160.000 Personen, Stand: Ende 1994) Beamte, Angestellte und Arbeiter sind, für die die gleichen dienstrechtlichen bzw. tarifvertraglichen Regelungen wie bei anderen Bundesbediensteten gelten. Besonderheiten in der Personalplanung bestehen tatsächlich nur für die Berufsgruppe der Soldaten. Flexibel ist die Personalplanung für Soldaten dadurch, daß aufgrund der hohen Fluktuation bei Grundwehrdienstleistenden und Soldaten auf Zeit sowie besonderer Altersgrenzen für Berufssoldaten und bestimmte Verwendungen der Umfang des Personalbestandes im Vergleich zu Beamten, Angestellten und Arbeitern schnell reduziert werden kann. Durch zusätzliche Instrumente, wie Personal struktur- oder Personalstärkegesetze bzw. die einseitige Veränderung besonderer Altersgrenzen durch den Dienstherrn, läßt sich die Anpassungsfähigkeit der Personalplanung für Soldaten unter quantitativen Aspekten weiter steigern. Wenig elastisch ist die Personalplanung unter qualitativen Gesichtspunkten. Da die Bundeswehr ihren Bedarf an Berufs- und Zeitsoldaten - bis auf wenige

5 Vgl. ebd. 6

Vgl. zu dieser Argumentation: Fischer, A., Verteidigungshaushalt der Zukunft, a.a.O., S.39.

7 Vgl. zu dieser Argumentation: Armonat, R., a.a.O., S. 682.

C. Personal

73

Ausnahmen - nicht durch Einstellung beruflich bereits qualifIZierter Bewerber, sondern durch Gewinnung freiwilliger, noch nicht ausgebildeter Personen deckt, sind langwierige allgemein-militärische und fachspezifische Ausbildungsgänge erforderlich, bevor das gewünschte Personal nach Umfang und Qualiftkation zur Dienstleistung tatsächlich zur Verfügung steht. Ein zusätzlich entstehender Personalbedarf kann nicht, wie in Wirtschaftsunternehmen, kurzfristig von außen gedeckt werden. Wegen der Kopplung von Dienstposten (Funktionen) an einen Dienstgrad muß das in Frage kommende Personal sowohl die geistigen, körperlichen und charakterlichen Anforderungsmerkmale eines dem Dienstgrad entsprechenden Vorgesetzten als auch die Kriterien der jeweiligen Fachtätigkeit erfüllen. Die Bindung von Funktionen an einen bestimmten Dienstgrad und die restriktiven Bestimmungen der Bundesbesoldungsordnung ermöglichen es nur sehr begrenzt, die Attraktivität bestimmter Tätigkeiten (z.B. Spezialtätigkeiten in den Bereichen Technik oder Datenverarbeitung) durch fmanzielle Anreize zu steigern. Die Felxibilität der Personalplanung wird schließlich dadurch weiter eingeengt, daß für zahlreiche Truppenverwendungen Grenzalter festgelegt, sind, die grundsätzlich von den Posteninhabern nicht überschritten werden sollen. Eine nicht bedarfsgerechte Rekrutierung von Personal - z.B. durch Einstellung einer zu geringen Anzahl von Offizieranwärtern aufgrund akuter Finanzengpässe - kann zu Verwerfungen in der Personalstruktur über mehrere Dekaden führen, die sich in späteren Jahren nur mit kostenintensiven zusätzlichen gesetzlichen Maßnahmen (z.B. vorzeitige Versetzungen in den Ruhestand auf freiwilliger Basis nach Personalstrukturgesetzen) beheben lassen. Die Personalplanung für Soldaten ist in der Bundesrepublik somit relativ anpassungsfähig hinsichtlich einer zügigen Reduzierung von Umfangszahlen. Starr ist sie aber im Hinblick auf die kurz- und mittelfristige Generierung qualifizierten Personals.

11. Umfang und Struktur des Personalkörpers Zur Erfüllung der den Streitkräften von der Politik vorgegebenen Aufgaben sind diesen nach Besoldung und Fachtätigkeit definierte Dienstposten zugeordnet. Die Personalführung (Bedarfsdecker) hat diese Dienstposten so mit qualifizierten Bediensteten zu besetzen, daß die jeweils übertragenen Funktionen möglichst leistungswirksam wahrgenommen werden. Ein Merkmal der Personalführung in der Bundeswehr wie auch in anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes ist es, daß die mit der Führung/Leitung von Personal in den Dienst-

74

3. Kapitel: Planung und Kombination der Ressourcen für die Bundeswehr

stellen betrauten Vorgesetzten auf die Besetzung der einzelnen Dienstposten nur begrenzten, bzw. indirekten Einfluß ausüben können. So erfolgt die Stellenbesetzung für Offiziere zentral für die gesamte Bundeswehr durch die Personalabteilung im BMVg, längerdienende Unteroffiziere (Feldwebeldienstgrade) werden personell durch die Stammdienststellen der Teilstreitkräfte geführt. In der (vom Dienstherm erwünschten) Berufsethik der Soldaten und Beamten steht gegenüber privaten Interessen und materiellen Kosten-NutzenKalkülen die Idee des Dienstes am Staat im Vordergrund, was für Soldaten unter Umständen den Einsatz des eigenen Lebens einschließt (§ 7 Soldatengesetz). 8 Freiwillig dienende Soldaten und Beamte werden - bis auf wenige Ausnahmen - nicht für spezielle Tätigkeiten oder gar Dienstposten rekrutiert, sondern für Laufbahngruppen (z.B. Offiziere, Unteroffiziere oder Beamte des höheren, gehobenen oder mittleren Dienstes) und damit verbundene Karriereziele. 9 Lehrgängen oder Vorbereitungsdiensten kommen neben der Aufgabe der Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten insbesondere auch Sozialisationsfunktionen zur Entwicklung und Festigung erwünschter Einstellungen, Werthaltungen und Verhaltensweisen zu. lO Für das berufliche Fortkommen von Soldaten und Beamten ist neben dem sich aus Artikel 33 Abs. 2 GG ergebenden Eignungs- und Leistungsprinzip das Anciennitätskriterium von Bedeutung. 11 So ist die Erreichung bestimmter Dienstgrade und damit verbundener Positionen an Mindestdienstzeiten gebunden, und Dienstaltersstufen in der Bundesbesoldungsordnung für Beamte und Soldaten sehen innerhalb bestimmter Grenzen nach jeweils zwei Jahren automatisch eine höhere Gehaltszahlung, unabhängig von der gezeigten Leistung, vor. Die Besoldung erfolgt hierbei nicht für die Übernahme und Erledigung einer bestimmten Aufgabe (mit Ausnahme einzelner Zuschläge), sondern undifferenziert aus dem übertragenen Amt/DienstgradP Die in den 80er Jahren am Personalstrukturmodell 1984 ausgerichtete Zusammensetzung des Personalkörpers wies für Soldaten folgende Merlanale auf: 13

8

Vgl. Koch, Rainer: Personalpolitik, öffentliche. In: Kirchhoff, G., a.a.O., S. 692.

9 Vgl. ebd., S. 693. 10

Vgl. ebd., S. 693.

11

Vgl. ebd., S. 695.

12 Vgl. ebd., S. 696. 13 Vgl. zu den Zahlenangaben: Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.): Weißbuch 1985, S. 238 ff.

75

C. Personal

Eine im Frieden 489.000 aktive Soldaten umfassende Bundeswehr sollte im Verteidigungsfall auf 1,34 Mio. Soldaten aufwachsen. 55% des Militärpersonals waren - nach Teilstreitkräften unterschiedlich - Zeit- und Berufssoldaten, der Rest leistete aufgrund der Allgemeinen Wehrpflicht Wehrdienst. Schaubild 4

Personalzusammensetzung der Streitkräfte nach Personalstrukturmodell (PSM) 1984 Tausend 450 400 350

Cl

~

300 250 200 150 100

v, N

(Tl

0



.... m

(Tl

m

50

Heer

Gesamtstllrl:e

Marine

Luftwaffe Teilstreitkraft

~

Wetwpfllchtlge

e

'"erj

Ze1tsoldaten

~

Berufssoldaten

Quelle: BMVg (Hrsg.): Weißbuch 1985, S. 239.

176.000 zivile Mitarbeiter (das waren 26% aller Bundeswehrangehöriger) haben nicht unmittelbar militärische Aufgaben wahrgenommen. Davon waren 99.000 Personen in der Bundeswehrverwaltung tätig, 77.000 leisteten Unterstützung in anderen Aufgabengebieten. Nachdem es im Zuge der Übernahme der Nationalen Volksarmee der ehemaligen DDR durch die Bundeswehr zu einem kurzfristigen Anschwellen des Personalumfangs auf 575.000 Soldaten und 196.000 Zivilbedienstete kam (Stand: 01.01.1991)14, betrugen die Umfangszahlen zum Jahresende 1994 366.000 Soldaten (ohne Wehrübende) und 159.600 Zivilmitarbeiter. Der Anteil 14

Vgl. Fischer, A.• Die Entwicklung des Einzelplans

14, a.a.O., S. 452 f .

76

3. Kapitel: Planung und Kombination der Ressourcen für die Bundeswehr

des Zivilpersonals erhöhte sich so auf über 30% des Gesamtpersonalumfangs der Bundeswehr. Sclwubild 5 Struktur des Zivilpersonals der Bundeswehr im Jahr 1984 Arbeiter 85858 (4996)

30032 (1796)

Quelle: BMVg (Hrsg.): Weißbuch 1985, S. 243.

Tabelle 3 PersonalstrukturmodeU 370 Personalkategorie

Berufssoldaten

Offiziere

28.000

Unteroffiziere

34.600

Mannschaften Aktive Soldaten

62.600

Zei tsoldaten

Wehrpflichtige

11.700

Gesamtstärke 39.700

98.700

133.300

38.000

155.000

193.000

148.400

155.000

366.000

WehlÜbende Friedensstärlce

Quelle: BMVg (Hrsg.): Weißbuch 1994, S. 97.

4.000 370.000

C. Personal

77

Damit entsprach der Personalkörper der Streitkräfte zu diesem Zeitpunkt annähernd dem Personalstrukturmodell 370, das auf der Grundlage der völkerrechtlichen Vereinbarungen zur Reduzierung des Umfangs der Bundeswehr entwickelt worden war. Nach Angaben des IAP-Dienstes Sicherheitspolitik l5 sahen die ursprünglichen Planungen für 1995 einen Bestand an Zivilpersonal von 169.000 Personen vor. Obwohl dies lediglich 31,4% des Gesamtbestandes der Bundeswehr entsprochen hätte, wären durch das Zivilpersonal41,6% der Personalkosten (9,8 Mrd. DM) verursacht worden. Wenngleich der langsamere Abbau des Zivilpersonals zahlreiche sachliche Gründe hat l6 , so zeigt die Entwicklung der Personalumfange und der damit verbundenen Kosten, daß bei der politischen Diskussion über Verteidigungshaushalte und Streiikräfteumfänge immer die Kosten des gesamten Personals ins Kalkül gezogen werden müssen. In Relation zum Gesamtpersonalbestand der Bundeswehr ist der Anteil des Zivilpersonals in der Zeit von 1990 bis 1994 erheblich angestiegen. Im Entwurf der Bundesregierung für den Verteidigungshaushalt 1994 waren für Besoldung/Vergütung/Löhne (ohne Personalnebenkosten wie Trennungsgeld, Entlassungsgeld, Familienheimfahrten etc.) folgende Ansätze vorgesehen: 17 Tabelle 4 Personalkosten im EPl. 14/1994 ohne Personalnebenkosten Durchschnittl. Jahresumfang Haushaltsansatz

in % der Personalkosten

10,205 Mrd. DM 48,3%

Berufssoldaten/leitsoldaten

215.000

Grundwehrdiensüeistende

148.000

0,874 Mrd. DM

Zivilpersonal

171.000

10,046 Mrd. DM 47,6%

4,1%

Quelle: Eigene Berechnungen auf der Grundlage von: BMVg (Hrsg.): Erläuterungen und Vergleiche zum Regierungsentwurf des Verteidigungshaushalts 1994, S. 22.

15 Vgl. Hubatschek, G., Hauptfaktoren der Bundeswehrplanung, a.a.O., S. 9 f. 16 Die Bundesrepublik hat hinsichtlich des Zivilpersonals keine völkerrechtlich bindenden Verpflichtungen; bestimmte Einrichtungen der Bundeswehrverwaltung können erst geschlossen werden, wenn die Auflösung lokaler Truppenteile abgeschlossen ist; die Persona1führung für Zivilbedienstete gestaltet sich aus beamtenrechtlichen, arbeitsrechtlichen und sozialen GJÜnden schwieriger als bei Soldaten. 17 Vgl. Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.), Erläuterungen und Vergleiche zum Regierungsentwurf des Verteidigungshaushalts 1994, a.a.O., S. 22.

78

3. Kapitel: Planung und Kombination der Ressourcen für die Bundeswehr

Als Ergebnis der Auseinandersetzungen innerhalb der Regierungskoalition um die künftige Gestaltung der Bundeswehr wurde im Frühjahr 1994 die Personalstruktur der Bundeswehr (Personalstrukturmodell 370), die erst zum Ende des Jahres 1994 eingenommen werden sollte, nochmals modiflziert l8 . Der Friedensumfang der Bundeswehr wurde auf 338.000 Soldaten festgelegt. Schaubild 6

Entwicklung der Personalstruktur der Streitkräfte nach Dienstverhältnissen Tausend

400 350 300

,...

Cl

N

250 200 150 100 50 0

495.000

370.000 Gesamtstllrke-Soll



WelTpflichtlge

~

8S und Saz

338.000

GI

WelTUbende

Quelle: IAP-Dienst Sicherheitspolitik, Nr. 18/94, S. 2.

Die Dauer des Grundwehrdienstes in den Hauptverteidigungskräften wurde mit Wirkung von 1996 an auf 10 Monate reduziert, der Zivildienst wurde ebenfalls um zwei Monate verkürzt. Für nach 10 Monaten entlassene Grundwehrdienstleistende schließt sich eine zweimonatige Verfügungsbereitschaft an, in der dieser Personenkreis durch einfache Regierungsentscheidung wieder zum

18 Vgl. zu den Neuregelungen: Entscheidung vor der Somrnerpause (o.V.). In: IAP-Dienst Sicherbeitspolitik, Nr. 14/19. Juli 1994, S. 1 f. Eckdaten für die neue Bundeswehrstruktur (o.V.). In: IAP-Dienst Sicherbeitspolitik, Nr. 18/20. September 1994, S. I f.

79

C. Personal

Wehrdienst eingezogen werden kann. In den Krisenreaktionskräften können Grundwehrdienstleistende auf freiwilliger Basis einen zwölfmonatigen Dienst absolvieren. Die neue Friedensstruktur soll bis Mitte 1998 eingenommen werden. Als Verteidigungsumfang werden 650.000 bis 700.000 Soldaten angestrebt. Die Zahl der Zivilbeschäftigten soll langfristig auf unter 140.000 Mitarbeiter begrenzt werden l9. Schaubild 7 Entwicklung der Personalumfänge nach Teilstreitkräften Tausend 600 cn

550

...

al

500 450 400 350 300 250 200 150 100 50 0

PSM '84

'PSM 340'

PSM 370 StnktLrmodell nach Tellstrelt.lcraften



Heer

~

Luftwaffe

m

Marine

~

Gesamtst8rke

Quelle: Eigene Berechnungen auf der Grundlage: IAP-Dienst Sicherheitspolitik: Nr. 18/94, S 1 f" Weißbücher 1985 und 1994,

Als Resultat dieser nochmaligen Neuplanung erhöht sich der Anteil der Berufs- und Zeitsoldaten in den Streitkräften gegenüber dem Personalstrukturmodell 370 von 57 auf 59,2%, der der Grundwehrdienstleistenden sinkt von 41,9 auf 39,9%. Pro Jahr benötigt die Bundeswehr so mindestens 160.000 Wehrdienstleistende, worin der Ergänzungsbedarf für Soldaten auf Zeit von ca.

19 Die gegenüber den Angaben im Weißbuch 1994 (maximal 150,000 zivile Mitarbeiter bis zum Jahr 2(00), S, 131, nochmals um 10.000 Personen reduzierten Angaben wurden entnommen: Fischer, A" Die Entwicklung des Einzelplans 14, a.a,O" S, 454,

80

3. Kapitel: Planung und Kombination der Ressourcen für die Bundeswehr

20.000 Personen enthalten ist. Nach Einnahme dieser Struktur wird der Anteil der Zivilbeschäftigten am Gesamtpersonalumfang der Bundeswehr ca. 30% betragen. Sämtliche hier dargestellten Umfangszahlen beziehen sich auf maximal ausgeplante Dienstposten und lassen keine Schlußfolgerungen auf tatsächliche, durch Haushaltsmittel unterlegte Ist-Stärken zu.

III. Die Allgemeine Wehrpflicht

Mit der Verabschiedung des "Gesetzes zur Einführung der allgemeinen Wehrpflicht" (Wehrpflichtgesetz) am 7. Juli 1956 hat der Deutsche Bundestag auf der Grundlage der Bestimmungen der 1. und 2. Wehrnovelle20 die Allgemeine Wehrpflicht als Wehrform in der Bundesrepublik Deutschland festgelegt und den Wehrdienst sowie das Wehrersatzwesen geregelt. Mit dieser Entscheidung wurde an eine in Deutschland (Preußen) auf das Jahr 1813 zurückgehende Tradition angeknüpft, wonach sich die Armee aus einem "Kern" von BerufsoffIZieren und Berufsunteroffizieren, einem "Mantel" freiwillig länger dienender Zeitsoldaten und aus Wehrdienstleistenden zusammensetzt, die aufgrund gesetzlicher Bestimmungen zwangsrekrutiert werden. 21 Auch unter dem Eindruck der militärischen Niederlagen zu Beginn des 19. Jahrhunderts gegen die französischen Massenheere hat sich Preußen so an die französische Praxis der Massenaushebungen aller jungen Männer angelehnt, die im Jahre 1798 in Frankreich gesetzlich kodifIZiert (Loi Jourdan) - jedoch bereits 1799 wieder durch ein System von "Auslosung und Ersatz" modifiziert wurde.22 In Preußen ging es den Vertretern einer grundlegenden Reorganisation des Militärs im Geiste einer liberal-freiheitlichen Gesellschafts- und Staatsverfassung um den Militärreformer Gerhard von Schamhorst mit der Einführung der Allgemeinen Wehrpflicht nicht nur um ein technokratisches Instrument zur wirksamen und kostengünstigen Ausschöpfung personeller Ressourcen. Viel-

20 Ergänzung und Änderung des Grundgesetzes am 26.03.1954 (I. Wehmovelle) und 06.03.1956 (2. Wehmovelle). Vgl. Walpuski, Günter: Verteidigung+Entspannung=Sicherheit. Bonn 1984, S. 90. 21 Vgl. Bald, Detlef: Die Wehrpflicht - das legitime Kind der Demokratie? Vom Wehrrecht zur Wehrpflicht in Deutschland. In: Sozialwissenschaftliches Institut der Bundeswehr (Hrsg.): SOWIArbeitspapier Nr. 56, München, November 1991, S. I.

22 Vgl. Cailleteau, Francois: La consription: les elements du probleme. In: Defense nationale, 46 Jg., Januar 1990, S. 14.

C. Personal

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mehr sollte die Annee, deren Offizierkorps bis dahin dem Bürgertum verschlossen war, nicht weiter als Fremdkörper die politische und gesellschaftliche Entwicklung lähmen.23 Ursprünglicher Gedanke war ein "Wehr-Recht", also das Recht von "Bürgern in Uniform", gleichberechtigt neben dem bis dahin bevorzugten Adel Waffen tragen zu dürfen. 24 Nur noch Bildung und Leistung sollten als Kriterien für Auswahl und Förderung des Führungsnachwuchses in der Annee herangezogen werden. Die tatsächliche Allgemeinheit und Gleichheit des "Wehr-Rechts" wurde durch die Einführung einer verbindlichen Wehrpflicht neuer Prägung eingelöst, die jedoch in der nachfolgenden Restaurationsphase zu einer Wehrpflicht der Untertanen degenerierte. 25 In der Bundesrepublik Deutschland sind dem Wehrdienst der Dienst bei der Polizei oder im Bundesgrenzschutz, der ehrenamtliche Dienst im Zivil- und Katastrophenschutz, der Entwicklungsdienst sowie der Ersatzdienst als anerkannter Kriegsdienstverweigerer gleichgestellt. Über die Berechtigung, den Kriegsdienst zu verweigern, wird bei ungedienten Wehrpflichtigen aufgrund des am 01. Januar 1984 in Kraft getretenen Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Kriegsdienstverweigerung und des Zivildienstes (KDVG) auf einen schriftlich begründeten Antrag hin durch das Bundesamt für den Zivildienst entschieden. Eine persönliche Anhörung ist nur vorgeschrieben, wenn durch das Vorbringen des Antragstellers das Recht auf Kriegsdienstverweigerung nicht begründet ist oder wenn Zweifel an der Wahrheit der gemachten Angaben bestehen (§ 5 KDVG). Soldaten, einberufene oder gediente Wehrpflichtige müssen sich, wie vor 1984 alle Antragsteller, einem Prüfungsverfahren vor den Prüfungsausschüssen und -kammern der Wehrersatzbehörden stellen (§§ 9 ff. KDVG). Die Dauer des Grundwehrdienstes in der Bundesrepublik ist vom Gesetzgeber in Abhängigkeit von der demographischen Entwicklung und der sicherheitspolitischen Lageeinschätzung angepaßt worden. 26 In der Verwaltungswirklich-

23 Vgl. Bald, D .• a.a.O .• S. 4 f. 24 Vgl. ebd., S. 5 f.

25 Vgl. ebd., S. 8,20. 26

6 Wöckener

Entscheidung 1961: Verlängerung von 12 auf 18 Monate; Entscheidung 1972: Verkürzung von 18 auf 15 Monate; Entscheidung 1985: Verlängerung von 15 auf 18 Monate (wurde im Zuge der Vereinigung nicht mehr vollzogen); Entscheidung 1990: Verkürzung von 15 auf 12 Monate;

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3. Kapitel: Planung und Kombination der Ressourcen für die Bundeswehr

keit wurde durch die Neuregelung des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung ab 1984 aus der ursprünglichen Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers, den Wehrdienst als den Regeldienst und den Zivildienst als die Ausnahme (Ersatzdienst) von dieser Regel zu handhaben, faktisch ein Wahlrecht zwischen Wehrund Zivildienst. Dieser Sachverhalt wird durch die Entwicklung der Zahl der anerkannten Kriegsdienstverweigerer augenscheinlich. Schaubild 8 Entwicklung der KDV-Zahlen von 1965 bis 1995 KDV-Anträge 150000

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120000

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90000

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60000

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