172 54 12MB
German Pages 235 [236] Year 2001
Linguistische Arbeiten
436
Herausgegeben von Hans Altmann, Peter Blumenthal, Hans Jürgen Heringer, Ingo Plag, Heinz Vater und Richard Wiese
Hans-Rainer Beck
Politische Rede als Interaktionsgefüge: Der Fall Hitler
Max Niemeyer Verlag Tübingen 2001
In Gedenken an Prof. Dr. Manfred Faust ( f 1997)
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Beck, Hans-Rainer: Politische Rede als Interaktionsgefüge: der Fall Hitler / Hans-Rainer Beck. - Tübingen : Niemeyer, 2001 (Linguistische Arbeiten ; 436) Zugl.: Konstanz, Univ., Diss., 1999 ISBN 3-484-30436-7
ISSN 0344-6727
© Max Niemeyer Verlag G m b H , Tübingen 2001 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. Druck: Weihert-Druck G m b H , Darmstadt Einband: Industriebuchbinderei Nadele, Nehren
Inhalt
Vorwort 1. Einleitung 2. Über das dialogische Verhältnis zwischen Redner und Publikum 2.1 Publikumsäußerungen 2.1.1 Kombinationen "Pfui"+Applaus/"Buh"+Applaus 2.1.2 Rein verbale Publikumsäußerungen 2.1.3 Kombinationen "bravo" + Applaus 2.2 Applaus evozierende Strategien: linguistisch realisierte Emphase 2.2.1 Formale Stilisierung: Dreierstrukturen und Paarkonstruktionen 2.2.2 Prosodische Emphase: Lautstärke und Akzentuierung als ein zentrales Kriterium emphatischen Sprechens 2.2.3 Lexikalisch-semantische Aspekte: Adversivität 2.2.3.1 Ironie und Häme 2.2.3.2 Diffamierung 2.2.3.3 Drohung
IX 1 3 5 9 10 11 12 13 16 19 20 25 26
3. Die Forschung zur Sprache im Nationalsozialismus 3.1 Sprache des Nationalsozialismus? 3.2 Sprache im Nationalsozialismus 3.2.1 Lexikalisch-semantisch und syntaktisch-stilistisch orientierte Arbeiten 3.2.2 Arbeiten zur Prosodie in Hitlers Rhetorik
29 30 31
4. Auswahlkriterien und historisch-politische Kontexte der Reden 4.1 Auswahlkriterien 4.2 Historisch-politische Kontexte der Reden 4.2.1 Kontexte 10.2.1933 4.2.2 Kontexte 26.9.1938 4.2.3 Kontexte 19.9.1939 4.2.4 Kontexte 30.1.1940 4.2.5 Kontexte 30.9.1942 4.2.6 Kontexte 8.11.1943 4.2.7 Kontexte 24.2.1944
40 40 40 41 42 43 44 45 46 47
5. Interaktionsverlauf zwischen Redner und Publikum in Phasen 5.1 Phasen 10.2.1933, Berlin, Sportpalast 5.2 Phasen 26.9.1938, Berlin, Sportpalast 5.3 Phasen 19.9.1939, Danzig, Artushof 5.4 Phasen 30.1.1940, Berlin, Sportpalast 5.5 Phasen 30.9.1942, Berlin, Sportpalast 5.6 Phasen 8.11.1943, München, Löwenbräukeller 5.7 Phasen 24.2.1944, München, Hofbräuhaus
49 82 83 84 85 85 86 86
31 36
VI 6. Formale Stilisierung 1933-1944 6.1 Syntaktisch-stilistische Gestaltung der vom Publikum ratifizierten Sequenzen 1933-1944 6.2 Vorkommen potentiell applaudierbarer formaler Stilisierungen 1933-1944
88 88 93
7. Prosodische und formal stilistische Emphase 1933-1944 7.1 Prosodie 1933-1944 7.1.1 Prosodie 10.2.1933 7.1.2 Prosodie 26.9.1938 7.1.3 Prosodie 19.9.1939 7.1.4 Prosodie 30.1.1940 7.1.5 Prosodie 30.9.1942 7.1.6 Prosodie 8.11.1943 7.1.7 Prosodie 24.2.1944 7.2 Form und Prosodie 1933-1944 7.2.1 Form und Prosodie 10.2.1933 7.2.2 Form und Prosodie 26.9.1938 7.2.3 Form und Prosodie 19.9.1939 7.2.4 Form und Prosodie 30.1.1940 7.2.5 Form und Prosodie 30.9.1942 7.2.6 Form und Prosodie 8.11.1943 7.2.7 Form und Prosodie 24.2.1944
96 96 97 98 100 101 102 103 104 105 106 107 109 111 112 114 115
8. Adversive Semantik mit Blick auf Stil und Prosodie 1933-1944 8.1 Adversivität 1933-1944 8.2 Adversivität nach Phasen 10.2.1933 8.3 Adversivität mit Blick auf formale Stilisierung und Prosodie 8.4 Adversivität nach Phasen 26.9.1938 8.5 Adversivität mit Blick auf formale Stilisierung und Prosodie 8.6 Adversivität nach Phasen 19.9.1939 8.7 Adversivität mit Blick auf formale Stilisierung und Prosodie 8.8 Adversivität nach Phasen 30.1.1940 8.9 Adversivität mit Blick auf formale Stilisierung und Prosodie 8.10 Adversivität nach Phasen 30.9.1942 8.11 Adversivität mit Blick auf formale Stilisierung und Prosodie 8.12 Adversivität nach Phasen 8.11.1943 8.13 Adversivität mit Blick auf formale Stilisierung und Prosodie 8.14 Adversivität nach Phasen 24.2.1944 8.15 Adversivität mit Blick auf formale Stilisierung und Prosodie
118 118 120 121 123 124 126 127 128 129 130 131 133 134 136 137
9. Publikumsäußerungen 1933-1944 9.1 Publikumsäußerungen 10.2.1933 9.2 Publikumsäußerungen 26.9.1938 9.3 Publikumsäußerungen 19.9.1939 9.4 Publikumsäußerungen 30.1.1940 9.5 Publikumsäußerungen 30.9.1942 9.6 Publikumsäußerungen 8.11.1943 9.7 Publikumsäußerungen 24.2.1944
10.2.1933 26.9.1938 19.9.1939 30.1.1940 30.9.1942 8.11.1943 24.2.1944
139 139 142 145 149 152 157 161
VII 10. Zusammenfassung und Interpretation 10.1 Zusammenfassung der linguistischen Befunde: Zusammenhänge zwischen Stilistik, Prosodie und semantischer Adversivität 10.1.1 Stilistik 10.1.2 Prosodie und Stilistik 10.1.3 Semantische Adversivität 10.1.4 Semantische Adversivität und Stilistik 10.1.5 Semantische Adversivität und Prosodie 10.1.6 Stil, Prosodie und semantische Adversivität 10.2 Stilistik, Prosodie und semantische Adversivität unter dem Aspekt der Interaktion und des historischen Kontextes 10.2.1 Publikumsäußerungen: Reden als Interaktionsgefüge 10.2.2 Hitlers Reden 1933-1944: Performanz und Interaktion: Interpretation im Spiegel des historischen Kontextes 10.2.2.1 Performanz im Kontext 10.2.1933 10.2.2.2 Performanz im Kontext 26.9.1938 10.2.2.3 Performanz im Kontext 19.9.1939 10.2.2.4 Performanz im Kontext 30.1.1940 10.2.2.5 Performanz im Kontext 30.9.1942 10.2.2.6 Performanz im Kontext 8.11.1943 10.2.2.7 Performanz im Kontext 24.2.1944
165
175 179 180 182 184 185 188 191
Literatur
195
Analysierte Tondokumente (Deutsches Rundfunkarchiv DRA)
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Abkürzungs- und Symbol Verzeichnis
201
Anhang: Hitlers Rede vom 24. Februar 1944, München, Hofbräuhaus
203
165 165 166 168 169 171 172 172 173
Vorwort
Die Linguistik ist eine rationale Wissenschaft. Teildisziplinen wie die logische Semantik oder die Forschung zur Prosodie mit instrumenteilen Messungen nehmen in ihrer mathematischen Exaktheit (fast) naturwissenschaftlichen Charakter an. Rationalität im wissenschaftlichen Umgang mit Themen, empirischen Daten etc. hilft, Objektivität so weit wie möglich sicherzustellen, und schafft die notwendige Transparenz, die für die Nachvollziehbarkeit gewonnener Ergebnisse unverzichtbar ist. Dies scheint banal. Der Grund, dennoch in einem Vorwort kurz darüber zu reflektieren, liegt im Untersuchungsgegenstand. Die vorliegende Arbeit analysiert sieben Reden Hitlers unter stilistischen, prosodischen und semantischen Gesichtspunkten mit Blick auf die Interaktion zwischen Redner und Publikum. Dabei werden die applaudierten oder verbal ratifizierten Sequenzen aus den Redetexten unter oben genannten Aspekten kategorisiert, quantifiziert und die Resultate beschrieben und interpretiert. Ziel ist es erstens, sich abzeichnende linguistische Zusammenhänge zwischen Stil, Prosodie und Semantik zu formulieren, zweitens zu untersuchen inwiefern eine Entwicklung in der Rhetorik Hitlers mit Blick auf die Rezipienten der Reden von 1933 bis 1944 festzustellen ist und wie diese Entwicklung aussieht, drittens zu versuchen, die Auftritte Hitlers von 1933 bis 1944 anhand der ausgewählten Tondokumente, unter Hinzuziehung weiterer Quellen zum Kontext, historisch-soziologisch zu interpretieren. Dabei soll durch ein strikt systematisches Vorgehen eine möglichst große Objektivität sichergestellt werden. Ob linguistisch oder unter welchem Gesichtspunkt auch immer betrachtet, ist der Nationalsozialismus ein Themengebiet, bei dem sich eine wissenschaftstheoretische Frage besonders drängend stellt: die Frage der Kommentierung in Zusammenhang mit der Frage nach Moral. Die Forschung zur Sprache im Nationalsozialismus in den sechziger Jahren ist geprägt von einer zum Teil polemisch geführten Diskussion unter anderem um eben diese Frage (vgl. Kap. 3). Ein stellungnehmendes Vorgehen unter Berücksichtigung eines moralischen Standpunktes muß dabei kein Moralisieren im negativen Sinne - etwa im Sinne von Unsachlichkeit - bedeuten. Im Buch über Piaton (Buch III) sagt Diogenes Laertius zum Lehrsatz ("Dogma"), der Begriff gelte "für beides (...), sowohl für das, was man als bloße Meinung äußert, wie auch für die eigentliche Meinung selbst. Das bloß Gemeinte ist ein erst zu untersuchender Satz, die Meinung selbst aber die eigentliche Überzeugung" (Diog.Laert.III: 51,52). In der Konsequenz wäre so Wissenschaft in einem ersten Schritt die Untersuchung eines Gegenstandes, in einem zweiten Schritt eine Stellungnahme dazu, und zwar nicht nur zur Untersuchung, sondern auch zum untersuchten Gegenstand. Ein solches Vorgehen würde auch Reflexionen über die eigene wissenschaftliche Disziplin und ihre historische und gesellschaftliche Einbettung mit einschließen. Beispiele hierfür sind etwa Klaus Schwabes Wissenschaft und Kriegsmoral (1969), Ruth Römers Sprachwissenschaft und Rassenideologie in Deutschland (1985), oder Carsten Klingemanns Soziologie im Dritten Reich (1996). Der hier angewandte kategorisierende, und zum größten Teil quantifizierend operierende Ansatz scheint nun wenig geeignet, um moralische Implikationen mit zu berücksichti-
χ sichtigen. Die Methodik bearbeitet die Texte Hitlers auf Kosten inhaltlicher Nähe, da Hitlers wörtliche Äußerungen durch die Kategorien und Quantitäten verdeckt werden. Utz Maas (1984) führt in der Einleitung seines Buches über Sprache im Nationalsozialismus aus, was mit der von ihm angewandten Textanalyse als einer "deskriptiv" vorgehenden "Minimal-Sprachwissenschaft", angelehnt an die "philologische Tradition der 'explication de texte'" (ebd.: 17), analysierbar ist, bzw. was nicht: "Keinesfalls können etwa Texte aus dem "Stürmer" in der Weise allgemein interpretiert werden wie die hier behandelten" (ebd.: 15). Aus diesem Grund klammert Maas den "Anti-Semitismus-Komplex" (ebd.) in seinen Analysen aus. Mit Blick darauf sei festgehalten, daß in der vorliegenden Untersuchung die Reden Hitlers, die objektiv Hetztiraden und Verdrehungen bzw. Unwahrheiten über historische Tatbestände enthalten, zwar einerseits rationalistisch analysierbar werden, indem die Texte durch Kategorisierung und weniger durch Explizierung wörtlicher Äußerungen Hitlers (was den Rahmen dieser Arbeit auch sprengen würde) erschlossen werden, aber - in Anlehnung an die Terminologie von Diogenes Laertius - andererseits diese Arbeit nur das "bloß Gemeinte", d.h den Gegenstand selbst untersucht. Was mir bleibt ist, einer Reihe von Personen meinen Dank auszusprechen. Mein Dank gilt zunächst Prof. Dr. Manfred Faust, der mich nicht mehr bis zum Ende dieser Arbeit begleiten konnte. Ohne ihn wäre dieses Vorhaben nicht begonnen worden. Ganz besonders habe ich in diesem Zusammenhang Prof. Dr. Urs Egli zu danken, der sich nach dem Tod von Herrn Faust ohne zu zögern bereit erklärt hat, mich zu betreuen, ohne daß ich am Thema oder der methodischen Vorgehensweise Änderungen vornehmen mußte. Des weiteren danke ich Prof. Dr. Hans-Georg Soeffner, daß ich meine Arbeit in das von ihm geleitete DFG-Projekt "Theatrale Inszenierungen politischen Handelns in den Medien" einbringen konnte. Der Mitarbeit im Projekt verdanke ich nicht nur wertvolle Hinweise von Seiten der KollegINNen, die der Arbeit in entscheidenden Punkten neue Impulse gaben, sondern auch die nötige materielle Basis, das Vorhaben zu realisieren. In diesem Zusammenhang geht ein Dank an PD Dr. habil. Susanne Günthner, die mich zur Promotion ermutigte, und mir in praktischer Hinsicht mit persönlichem Einsatz half, das Vorhaben auf den Weg zu bringen. Ein weiterer Dank gilt Prof. Dr. Elizabeth Couper-Kuhlen, die die Arbeit von Beginn an mit großem Interesse verfolgte, die sich die Zeit nahm, mir die Technik instrumenteller Messungen bei gesprochener Sprache nahezubringen, in der Endphase detaillierte Hinweise und Ratschläge gab und schließlich die Arbeit mit begutachtete. Schließlich danke ich den Mitarbeitern des Deutschen Rundfunkarchivs, insbesondere Herrn Roller, für die unbürokratische Verlängerung der Leihfrist der von mir benötigten Tondokumente und die ausführliche Resonanz auf meine Anfrage nach weiteren Materialien, und nicht zuletzt den Herausgebern, daß sie meine Arbeit in die Reihe der Linguistischen Arbeiten aufnahmen. Konstanz, im Oktober 2000
H.-R.B.
1. Einleitung
Diese Arbeit ist nicht nur ein Beitrag zur Forschung über die Rhetorik Hitlers bzw. in einem weiteren Sinne ein Beitrag zur Forschung über Sprache im Nationalsozialismus, sondern geht im Ansatz darüber hinaus, da die angewandte Methode ein allgemein anwendbares, systematisches Instrumentarium zur Analyse interaktiver Vorgänge beim öffentlichen Sprechen anbietet. Die Untersuchung knüpft sowohl an linguistische, als auch soziologische und historische Fragestellungen an. Es geht mit einfachen Worten um interaktives Handeln durch Sprechen im Kontext einer bestimmten historischen Situation. Es werden dazu mehrere Reden Hitlers aus dem Zeitraum von 1933 bis 1945 untersucht. Die Arbeit ist einerseits ein Beitrag zur linguistischen Grundlagenforschung, indem untersucht wird, inwiefern regelmäßige, wenn nicht gar regelhafte Zusammenhänge zwischen stilistischen, prosodischen und semantischen Aspekten gesprochener Sprache bestehen. Die historisch relevante Fragestellung ist, inwiefern im Verlauf des betrachteten Zeitraumes - von der Machtübernahme der Nationalsozialisten bis zum Kriegsende (bzw. zur letzten überlieferten und analysierbaren Rede Hitlers) - Veränderungen feststellbar sind in der Art wie Hitler sich rhetorisch präsentiert, wie Hitler und sein Publikum interagieren und ob bzw. inwiefern sich diese linguistischen Befunde vor dem Hintergrund der historisch-politischen Ereignisse deuten lassen. Soziologisch stellt sich die Frage nach der Charakterisierung des sozialen Ereignisses der Auftritte Hitlers. Anknüpfungspunkt dabei soll der in der Forschung zum Nationalsozialismus vielverwendete Begriff des Charisma sein (vgl. König 1990, König 1995, von Kotze und Krausnick 1966, Broszat 1970, Kershaw 1980, Kettenacker 1981, Elias 1989; vgl. außerdem zum Begriff des Charisma allgemein bzw. in anderem Zusammenhang: Weber 1980, Bergmann, Luckmann und Soeffner 1993, Soeffner 1993, Wang 1995). Wir verstehen dabei Charisma als eine einer Person als solcher, oder einer Person in ihrer Eigenschaft als Trägerin eines Amtes "anhaftende" Qualität, die sich empirisch nur feststellen und damit untersuchen läßt in Momenten, in denen die charismatische Persönlichkeit in Kontakt tritt mit ihrer Gefolgschaft (vgl. Bergmann, Luckmann, Soeffner 1993: 121-122). Charismatiker und Gefolgschaft bzw. Gemeinde bilden insofern eine Einheit, als Charisma erst in der Interaktion zwischen diesen beiden Protagonisten erlebbar wird, d.h. in Momenten, in denen es sich vor der Gefolgschaft "bewährt" (vgl.Weber 1980: 140-142). Dies geschieht in einer Reihe immer wiederkehrender Auftritte des Charismatikers vor seiner Gefolgschaft. Als Terminus für diese in der Interaktion wiederholt hergestellte soziale Gestalt setzen wir den Begriff einer "interaktiven Aura" als einem erlebbaren und damit empirisch nachvollziehbaren Ausdruck von Charisma (vgl. Kap. 10). Für die Untersuchung werden stilistisch-syntaktische, prosodische und lexikalisch-semantische Merkmale der Reden bearbeitet, womit die drei prinzipiell möglichen Wege, gesprochene Sprache zu untersuchen beschritten werden: Was (= Inhalt) wird wie (= stilistische Form) in welcher Weise (= Vortragsweise, Sprechweise) vermittelt? Das analytische Vorgehen und die daran anschließende interpretative Verdichtung geschieht unter dem Blickwinkel der Interaktion, d.h. es geht bei der Auswertung um die Frage nach inter-
2 aktiv wirksamen Steuerungsmechanismen, die durch sprachliche Mittel realisiert werden. Als Oberbegriff für diese Mittel bietet sich Emphase als Bezeichnung eines emotional markierten Sprachgebrauchs an. Den engen Zusammenhang zwischen Stil, Lexik und Prosodie heben auch neuere Arbeiten zur gesprochenen Sprache im Alltag hervor, wenn es darum geht, rhetorische "Effekte" (F. E. Müller 1989: 69f.; F. E. Müller 1994: 67) im Sinne von emphatischer Rede (Selting 1994) bzw. "extreme case formulations" zu produzieren (Auer, Couper-Kuhlen, Müller 1999: 160, 170; F. E. Müller 1991: 109; F. E. Müller 1994: 67; Selting 1994: 383; 403). Für das öffentliche Sprechen haben vor allem Atkinson (1984; 1985), aber auch Heritage und Greatbatch (1986) und Lemer (1993) die Bedeutung von formalen, d.h. syntaktischen Stilisierungen und deren prosodisch emphatischer Realisierung bei der Entstehung von Applaus dargelegt, wobei auch die Forschung zur Alltagssprache zu einem vergleichbaren Ergebnis kommt: '"Emphatic units' can be shown to be treated by recipients as units which call for responses" (Selting 1994: 385).
2. Über das dialogische Verhältnis zwischen Redner und Publikum
Der situative Rahmen einer unmittelbar vor einem Publikum gehaltenen Rede ist gekennzeichnet durch face-to-face-Kommunikation, durch ein dialoghaftes Agieren und Reagieren zwischen Redner und Publikum, die sich unmittelbar gegenüberstehen. Reden zielen auf Zuhörer. Ihr Zweck allgemein ist, eine Gemeinsamkeit mit dem Publikum herzustellen und es in einer gewissen Hinsicht von etwas zu überzeugen. "Es basiert nämlich die Rede auf dreierlei: dem Redner, dem Gegenstand, über den er redet, sowie jemandem, zu dem er redet, und seine Absicht zielt auf diesen - ich meine den Zuhörer" (Aristoteles, Rhetorik: 1358a, 1358b). Dies gilt sowohl in der aristotelischen Dreiteilung der Redegattungen1 (ebd.: 1358b), als auch für die Neue Rhetorik, die die Trennung der Redearten für künstlich erachtet, und die essentielle Bedeutung der epideiktischen (Prunk)rede für die Wirkung handlungsorientierter Redearten herausstreicht: Sie verstärke "die Zustimmung gegenüber den Werten, ohne die die [nur; H.-R.B] auf Handlung gerichteten Reden kein Mittel finden könnten, ihre Hörer zu erregen und zu bewegen" (Perelman 1980: 28). Denn unabhängig von Anlaß und Intention der Rede, d.h. unabhängig von der Redegattung, versucht jeder Redner "im Hinblick auf bestimmte Werte eine Gemeinsamkeit zu schaffen" (ebd.). Das steht damit auch bei der Analyse öffentlicher Auftritte von Politikern im Mittelpunkt. Gemeinsamkeit mit dem Publikum herzustellen verlangt Interaktion. Diese interaktiven Vorgänge werden im folgenden einer näheren Analyse unterzogen. Voraussetzung für die Herstellung von Gemeinsamkeit ist es, die Aufmerksamkeit des Publikums zu gewinnen und vor allem zu erhalten, denn "in settings where there is little or no chance of getting a turn to speak at all [...] there is much less incentive to pay close attention to what is being said. Many of the techniques deployed by effective public speakers thus appear to be designed to attract, sustain or upgrade the attentiveness of audience members [...]" (Atkinson 1984: 11; vgl. auch Clayman 1992; Eco 1972: 179; Gadamer 1967: 117; Heritage und Greatbatch 1986; Lerner 1993).
Durch den Untersuchungsgegenstand bedingt spielen somit rhetorische Gesichtspunkte bei der Analyse eine zentrale Rolle. Ein weiterer wichtiger Aspekt der Interaktion zwischen Redner und Publikum ist die dem Publikum inhärente Eigenschaft, sich in den ihm gegebenen Ausdrucksformen äußern zu wollen, und dafür auf die geeigneten Gelegenheiten "zu warten". Mit anderen Worten: "collective activities like clapping and booing can be used as a substitute mode of response by people who are deprived of any individual opportunities to speak. Such displays of approval and disapproval therefore also provide audiences with an in-built incentive to pay attention" (Atkinson 1984: 11).
1
Die beratende Rede (genus deliberativum), die gerichtliche Rede (genus iudicale) und die Prunkrede (genus demonstrativum).
4 Wie die antike Rhetorik wußte und die moderne Forschung empirisch belegt, gibt es einen engen Zusammenhang zwischen Publikumsverhalten und Agieren des Redners: "Orators ordinarily address their remarks to the audience as a whole - i.e., to the audience as an association - and they can design their utterances to provide prominent places for conjoined response" (Lerner 1993: 218).
Der Ausganspunkt dieser Arbeit, öffentliche Rede als Interaktionsgefüge zu begreifen, leitet sich aus verschiedenen theoretischen und empirischen Arbeiten bzw. Quellen ab. Bevor wir dies - vor allem empirisch - weiter ausführen (2.1; 2.2), soll über diesen zentralen Gedanken zuvor noch etwas genauer reflektiert werden. Gehen wir mit Aristoteles davon aus, daß Reden notwendigerweise Zuhörer haben (s.o.). Zumindest im modernen Medienzeitalter ist diese Konstellation nicht unbedingt an einen gemeinsamen Ort und einen gemeinsamen Zeitpunkt gebunden: Das Publikum muß nicht mehr face-to-face im Angesicht des Redners stehen, sondern kann auch - medial verbunden - mittelbar anwesend sein bzw. eine Rede zeitlich verschoben rezipieren. Nun haben wir es im Fall der hier analysierten Reden Hitlers am Redeort mit unmittelbaren face-to-face Situationen zu tun. Die soeben angestellte Überlegung über die Rolle moderner Medien läßt dabei jedoch ein grundsätzliches Merkmal des Verhältnisses zwischen Redner und Publikum deutlich hervortreten: Ein Redner kann Redner sein, ohne notwendigerweise ein Publikum vor sich zu haben. Er kann eine Rede produzieren und reproduzieren, d.h. vortragen, ohne sich unmittelbar den Rezipienten zu stellen (wobei er die Rezeption natürlich im Entwurf antizipiert, d.h. in diesem Sinne dennoch in einem virtuellen Dialog mit seinem Publikum steht). Anders verhält es sich mit dem Publikum. Dies ist immer nur ein solches, indem es rezipiert, sei es mittelbar oder unmittelbar. Hieraus ergibt sich zweierlei: Zum einen sind beide Seiten immer aufeinander bezogen, sei es in zeitlich-räumlicher Verschiebung oder im zeitlich-räumlich gemeinsamen Rahmen. Produktion und Rezeption bilden immer einen Handlungszusammenhang. Zum anderen folgt daraus aber auch, daß dieses interaktionale Verhältnis nicht symmetrisch angelegt ist: Rezeption ohne "Sender", d.h. ohne etwas zu rezipierendes, ist schlechthin unmöglich, Produktion (= "senden") ohne Rezeption in gewisser Weise schon. Wenn wir also öffentliche Rede als Dialog auffassen, als wechselseitig bedingtes Handlungsgefüge bestehend aus Redner und Publikum, so ist dabei diese prinzipielle Asymmetrie in Rechnung zu ziehen: Im Wechselspiel zwischen Redner und Publikum herrscht ein Ungleichgewicht zugunsten des Redners. Bildlich gesprochen wirft der Redner den ersten Ball, die Rezeption folgt darauf. Öffentliche Rede steht also in einem dialogischen Zusammenhang zum einen aufgrund der tatsächlichen Existenz und des tatsächlichen Handelns von Rezipienten, zum anderen aufgrund der antizipierten Existenz und des antizipierten Handelns von Rezipienten. Diese Grundeigenschaft einer Rede legitimiert das methodische Vorgehen, bei den Analysen auf gleichsam konversationsanalytische Kategorien zurückzugreifen: So bietet z.B. der Redner Pausen als Möglichkeit zur Ratifizierung seiner Äußerungen ("Sprecherwechsel"), oder das Publikum versucht, sich zu äußern auch in Fällen, in denen eine solche Möglichkeit nicht vorgesehen ist bzw. nicht vorliegt (versuchte Unterbrechung des Sprechers) etc. Wie sehen nun Äußerungen eines Publikums aus? Wir werden dies im folgenden näher betrachten.
5 2.1
Publikumsäußerungen
W i e oben dargelegt ist eine vor einem Publikum gehaltene Rede kein Monolog, sondern als ein Dialog zwischen Redner und Publikum anzusehen (vgl. neben den in diesem Kapitel genannten Autoren explizit Glück 1993: 497). Um sich zu äußern bedarf es geeigneter Zeichen. Für eine heterogene Menge aus Individuen ist nun ein einfach hervorzubringendes, nonverbales Zeichen besonders geeignet, um kollektiv angewendet werden zu können. Die üblichste positive Publikumsäußerung ist das Beifallklatschen. Der Grund dafür liegt in den Eigenschaften des Publikums als Masse, bzw. in den daraus resultierenden eingeschränkten Möglichkeiten, sich als Einheit zu äußern. Der Applaus ist aus vielen Gründen am geeignetsten dazu. Er ist einfach hervorzubringen, strukturell offen und daher im Prinzip von potentiell unbegrenzter Dauer (vgl. Atkinson 1984: 21). Dies alles sind zentrale Faktoren, die Applaus zum wichtigsten (semantisch positiven) Äußerungsmittel für Menschen in Gruppen und größeren Mengen machen. Kollektive verbale Äußerungen sind zwar über Vokale ebenfalls dehnbar, gelangen aber, wegen des Bedarfes an Atemluft, rasch an physische Grenzen. Auf der anderen Seite sind Ausrufe schneller als ein Klatschen in die Hände zu produzieren, und daher schneller verfügbar als eine solche körperlich-gestische Reaktion auf eine Redneräußerung. Daher ist eine oft zu beobachtende Reihenfolge die der verbalen oder paralinguistischen2 Publikumsäußerung, die dann durch Beifall abgelöst wird (vgl. Atkinson 1984: 23). Die strukturelle Offenheit des Applauses ermöglicht es jedem Individuum im Publikum, jederzeit in den Applaus einzusteigen, auch wenn es den Anfang "verpaßt" hat. Diese Möglichkeit des "Einsteigens" ist von zentraler Bedeutung für die Einzelpersonen, die das Publikum bilden. Es ist ein massenspezifisches Phänomen, daß in einer Menschenmenge jedes Individuum bestrebt ist, wie seine Umgebung zu handeln. "When we are seen to step out of line, we [...] may find our social competence called into question. [...] At public gatherings, there is thus considerable pressure on all those present to conform and 'go along with the crowd" (Atkinson 1984: 18).
Dem Publikum kann nun das einheitliche, gemeinsame Antworten auf Äußerungen des Redners erleichtert werden, indem ihm der Zeitpunkt zu antworten im Voraus angezeigt wird. Atkinson prägt dafür den Begriff des sogenannten "completion points" (vgl. Atkinson 1984; Heritage und Greatbatch 1986), der das Ende einer Äußerung anzeigt, und im Zusammenspiel mit anderen sprachlichen und nichtsprachlichen Mitteln eine "invitation to applaud" darstellt (Heritage und Greatbatch 1986: 117). Näheres zu den Kennzeichen dieser rhetorischen Strategien wird in 2.2 ausgeführt. Applaus ist grundsätzlich als ein positives Signal, als ein Signal der Wertschätzung anzusehen (Atkinson 1984: 17-31). Dies kann sich auf den Redner, auf das von ihm Geäußerte oder auf beides beziehen. Dabei ist es wichtig, zu unterscheiden zwischen dem absoluten Inhalt als solchem, und der Tatsache, daß dieser Inhalt von einer bestimmten Person zu einem bestimmten Moment in einer bestimmten Situation geäußert wird. Es ist
2
Zum Beispiel Lachen.
6 davon auszugehen, daß im Grunde beides applaudiert wird, d.h. beide Faktoren, Inhalt und Redner bzw. Inhalt und Rede. Der Inhalt kann (aus der Perspektive sowohl des Publikums als auch des Redners) isoliert gesehen positiv oder negativ konnotiert sein. Wichtig für die Ratifizierung durch das positive Signal "Applaus" ist die Äußerung des Inhalts durch eine bestimmte Person, wodurch eine Kontextualisierung, d.h. eine Positionsbestimmung des Geäußerten ermöglicht wird. Als ein wichtiges kontextuelles Unterscheidungsmerkmal von "positiven" und "negativen" Äußerungen kann dabei der soziale Bezug gelten: Es steht die Eigengruppe vs. die Fremdgruppe, "wir" vs. "die anderen". Applaudiert werden "favourable references to 'us"' und "unfavourable references to 'them'" (Atkinson 1984: 37,40). Zur grundsätzlichen Positivität des Signals "Applaus" tritt als zweites Charakteristikum seine auf der Non-Verbalität beruhende semantische Ambiguität. Die Frage ist: Was ratifiziert das Publikum positiv? Theoretisch bestehen mehrere Möglichkeiten. Die alltagspragmatisch "normale" Variante ist die, daß das Publikum das Geäußerte (u.U. weil es gerade dieser Redner sagt) und den Redner als Person aufgrund dessen Äußerung beklatscht. Eine weitere Möglichkeit ist, daß das Publikum etwas aus der Redneräußerung applaudiert, das dieser nicht ins Zentrum seiner Ausführungen gesetzt hat, und dementsprechend keinen Applaus dafür erwartet bzw. eingeplant hat. Empirisch könnte dies z.B. am - aus der Sicht des Redners - verfrühten Einsetzen des Applauses erkennbar sein. Des weiteren können Äußerungen über Handlungen der "anderen", die der Redner als negativ rezipiert wissen will, applaudiert werden. Dabei beklatscht das Publikum jedoch nicht die Handlung der "anderen", sondern die Tatsache, daß der Redner einen negativ einzuschätzenden Tatbestand bezüglich der "anderen" anspricht. In diesem Fall wird der Redner bzw. der Akt des Aussprechens eines Sachverhaltes applaudiert, nicht jedoch der Sachverhalt: "When made openly, criticisms and attacks directed at opponents also have a similar capacity for attracting a favourable response, and as such constitute another important type of applaudable message" (Atkinson 1984: 39).
Die Information, ob sich ein Applaus auf beides, Inhalt und Redner, oder schwerpunktmäßig nur auf den Redner bezieht, ist dem Klatschen allein noch nicht zu entnehmen. Durch zusätzliche Informationen wird eine Kontextualisierung und damit Desambiguierung des Applauses ermöglicht: Der Redner "sendet" nicht nur das bloße Signal der Äußerung, sondern trägt diese Äußerung auch in einer bestimmten Art und Weise vor, d.h. er bettet sie in weitere Signale linguistischer, paralinguistischer und nonlinguistischer Art ein, die verdeutlichen, wie die Äußerung "gemeint" ist, bzw. verstanden werden soll. Ein Mittel dafür - bei weitem nicht das einzige - ist z.B. die Ironisierung eines Sachverhalts. Desambiguierung geschieht jedoch nicht nur auf Seiten des Redners, sondern auch das Publikum verdeutlicht in der Regel seine Position durch verbale Signale. Meistens treten Applausbekundungen zusammen mit oder eingeleitet von verbalen Publikumsäußerungen auf, die den Applaus gleichsam vereindeutigen. Zumeist in Zusammenhang mit Applaus, aber auch in "Reinform", d.h. nicht in Verbindung mit Klatschen, treten kollektive verbale Publikumsäußerungen auf, die dementsprechend einfach aufgebaut, und damit auch einfach gemeinsam hervorzubringen sind ("pfui", "buh", "bravo"). Dadurch wird die Ratifizierung durch Applaus jeweils - zumeist schon einleitend - hinsichtlich ihrer Zielrichtung
7 und der dahinter stehenden Werthaltung spezifiziert: entweder handelt es sich um Applaus für Inhalt und Redner oder nur für den Redner und dessen rhetorischer Leistung. Im Gegensatz zum Applaus und dessen verschiedenen Formen der Begleitung handelt es sich beim Zwischenruf um die Aktion einer einzelnen Person, die eventuell von einer Gruppe aufgegriffen werden kann, selten jedoch vom ganzen Publikum. Semantisch ist er aufgrund seiner Verbalität klar definierbar: für oder gegen jemanden oder etwas, wobei auch hier unter Umständen der Kontext zur Positionsbestimmmung heranzuziehen ist. Ein Zwischenruf wie "buh" oder "pfui", für sich genommen, könnte auch gegen den Redner selbst gerichtet sein und nicht gegen einen von diesem genannten Sachverhalt. Wie der Zwischenruf gemeint ist, muß aus dem Kontext der Rede erschlossen werden. Anders verhält es sich bei Zwischenrufen, die durch ihren spezifischen Inhalt direkt auf die Rede bezogen werden können, wobei oft auch die syntaktische Formulierung als Satz oder Teilsatz den Bezug verdeutlicht. Solche Zwischenrufe sind für sich stehend eindeutig und stellen semantisch den Gegenpol zum ambigen Applaus dar. Im folgenden Kapitel werden die Ratifizierungsarten anhand von Beispielen demonstriert. Zu den Beispielsequenzen für unterschiedliche Ratifizierungsarten und den in den weiteren Teilkapiteln von Kapitel 2 aufgeführten Beispielsequenzen zu Stilistik, Prosodie und adversiver Semantik seien zum besseren Verständnis noch folgende Erläuterungen und Definitionen vorangestellt. Alle Sequenzen enthalten Notationen zur Prosodie, namentlich zur Lautstärke, zur Intonation (relative Tonhöhenvariationen), zur Akzentuierung (Betonung) und zum Rhythmus (Skandieren). Die Erhebung prosodischer Elemente geschah auditiv, wobei zur Überprüfung bestimmter Befunde auch instrumentelle Probemessungen durchgeführt wurden (Software "x-waves"Aversion 5.0 auf einem Unix-Rechner). Lautstärke wird als relative Größe notiert. Das heißt, daß notierte Lautstärkestufen in Bezug auf vorangehende und nachfolgende Notierungen innerhalb der jeweiligen Sequenz zu lesen sind. Die Konsequenz hieraus ist, daß - bei gleicher Notation - ein lautes Sprechen in der einen Rede nicht unbedingt gleichzusetzen ist mit dem lauten Sprechen in einer anderen Rede (oder auch in der selben Rede an anderer Stelle). Lautstärke wird durch musikalische Symbole dargestellt ( für "forte", für "fortissimo", für "crescendo" etc.), außerdem durch die Symbole für "gehobene Lautstärke" und für einen "normalen" Konversationston (vgl. zur Einführung der beiden zuletzt genannten Größen und auch zur Relativität der Lautstärkestufen Kap.7.1). Die Notationen zur Variation der Tonhöhe sind ebenfalls relational, d.h. bezogen auf vor- und nachstehende Notationen zu lesen. Die Höhe eines Tones beruht auf dessen Frequenz. Zur Überprüfung der auditiven Erhebung wurden in Stichproben Messungen der Grundfrequenz durchgeführt. Akzente beruhen auf der Hervorhebung von Silben. Sie können entweder durch Veränderung der Tonhöhe oder der Lautstärke (oder beidem) realisiert werden (vgl. 2.2.2). Unter Skandieren verstehen wir rhythmisches Sprechen. Hervorgebracht wird dies durch die Reihung von (mindestens drei) Akzenten in einer Äußerungseinheit in zeitlich gleichen Abständen, d.h. "im Takt". Ein bewährtes Hilfsmittel zur Überprüfung der auditiven Wahrnehmung skandierter Äußerungseinheiten ist das "Mitklopfen" dieses Taktes. Stichproben durch instrumentelle Messungen ergaben eine im Grunde vollständige Übereinstimmung mit den auditiv erhobenen Daten.
8 Betonungen werden festgehalten, da damit Rhythmisierungen (Skandieren) herausgearbeitet werden. Die Intonation wird festgehalten, um zu zeigen, wie Intonation und Lautstärke weitgehend parallel zusammenhängen, damit Lautstärke für sich als Indikator für emphatische Sprechweise herangezogen werden kann. Die Dauer von Pausen und Sprechbzw. Artikulationsgeschwindigkeit werden nicht in die Transkriptionen aufgenommen, da sie in den Analysen nicht betrachtet werden. Hinsichtlich stilistischer Formen werden Paarkonstruktionen, Listen aus drei Elementen, Kombinationen aus diesen beiden Formtypen, sowie Sequenzen ohne formale Stilisierung unterschieden. Im Transkript sind stilistische Formen durch Buchstaben gekennzeichnet: Paare durch [A] und [B], Listen durch [A], [B] und [C] und Kombinationen durch weiter unterteilende Buchstabenkombinationen (z.B. [Aa], [Ab], [Ba], [Bb]). Allgemein ausgedrückt beruhen Listen und Paare auf sprachlich realisierten Regelmäßigkeiten, die sich als Gegensätze oder Parallelen beschreiben lassen. Durch sie stellt ein Sprecher eine Äußerungseinheit aus mehreren Untereinheiten her. Eine solche Einheit kann auf verschiedenem Wege erzielt werden: prosodisch, syntaktisch oder auch inhaltlich. So kann z.B. eine Liste (üblicherweise bestehen solche aus drei Elementen; vgl. z.B. Atkinson 1984) auf der parallel gleichartigen prosodischen Realisierung von drei Äußerungseinheiten beruhen, z.B. auf einem parallelen Intonationsverlauf, oder aber auf der Reihung syntaktisch gleichartig konstruierter Äußerungseinheiten, z.B. in einer Art Aufzählung. Dabei können Prosodie und Syntax durchaus zusammenspielen und tun dies auch häufig. Eine weitere mögliche Variante der Parallelität ist die weitgehende Verwendung gleicher Wörter in den einzelnen Listenelementen. Auch im letzteren Fall wären parallele Syntax und Prosodie sehr wahrscheinlich festzustellen. Paare können ebenfalls auf Parallelen beruhen, bestehen häufig jedoch auch aus Gegensatzkonstruktionen (z.B. mit "aber", "jedoch", "nicht jedoch" u.ä.), bzw. aus kausalen und konditionalen Konstruktionen wie z.B. "wenn - dann". Detaillierter - auch anhand von Beispielen - wird auf die mögliche Beschaffenheit und Funktion derartiger Formen in 2.2.1 eingegangen. Die aufgeführten Beispielsequenzen dienen in erster Linie zur Demonstration der in den Teilkapiteln 2.2.1-2.2.3 behandelten linguistischen Elemente (Stil, Prosodie und "adversive" Semantik (vgl. zu dieser Terminologie 2.2.3), bzw. in den hier folgenden Teilkapiteln 2.1.1-2.1.3 zur Demonstration von Ratifizierungsarten. Dabei sind die jeweiligen anderen untersuchten Elemente selbstverständlich ebenfalls in den Sequenzen enthalten, weil das Zusammenspiel der verschiedenen linguistischen Faktoren von Bedeutung sein kann (z.B. prosodische Begleitung einer stilistischen Form wie in Sequenz 2/1938). Aus diesem Grund wird bei jedem Beispiel auch auf die anderen linguistischen Faktoren hingewiesen. Die meisten der vorgestellten Sequenzen können daher ebenfalls als Illustrationsbeispiele für die in anderen Teilkapiteln behandelten linguistischen Kategorien betrachtet werden.3
3
Der besseren Lesbarkeit halber wurden, anstatt alle Beispiele an einem Ort zusammenzufassen, in jedem Teilkapitel Beispiele zusammengestellt. Daher sind z.B. im Teilkapitel zu den Ratifizierungsarten auch anschauliche Beispiele für formale Stilisierung oder emphatische Prosodie zu finden.
9 2.1.1
Kombinationen "Pfui"+Applaus/"Buh"+Applaus
Das Publikum applaudiert dem Redner, weil er einen für ihn negativen Tatbestand anspricht. Das Publikum erklärt sich durch diese Ratifizierung mit dem Redner einverstanden. Es erfolgt Applaus für den Redner und Mißfallensbekundung bezogen auf das Bezeichnete. Die Auswertung der Ratifizierungen aus den Reden ergibt dabei, daß diese Kombination unter den auftretenden Ratifizierungen relativ selten vorkommt. In der Regel erfolgt Applaus begleitet von positiv konnotierten verbalen Publikumsäußerungen. In den folgenden zwei Beispielen erfolgt zunächst Applaus eingeleitet durch Lachen (Sequenz 13/1938), d.h. eine positiv einzuordnende Ratifizierung (wobei anzumerken ist, daß Lachen nicht als verbale Äußerung zu bezeichnen ist, sondern als paralinguistisches Signal), dann folgt in Sequenz 14/1938 eine Ratifizierung verbal-negativer Art verbunden mit Applaus. Zum Lachen ist festzuhalten, daß es mehr als bloße Zustimmung signalisiert. Wie die Analysen ergeben, ratifiziert es eine besondere Semantik des Vortrage, wenn man so will eine besondere "Leistung" des Redners, z.B. ironische oder hämische, d.h. versteckt boshafte, schadenfrohe Aussagen. Mit anderen Worten: Insbesondere bei Lachen als Ratifizierungsform ist die spezifische Semantik der ratifizierten Äußerungseinheit von zentraler Bedeutung (vgl. Kap.9 und 10.2.1).
Sequenz 13/1938 01 « f > i es beTstand i d i e GeTfahr idaß Thier iso—» eine Vorstellung (.) Wie einer TErbifeindschaft (.) -1-von Tunserem —»Volk und wohl auch (.) i v o m Tpolnischen —»Volk (.) ißeTsitz iergreifen würde (.) Tdem —»wollte ich Tvoribeugen (.) Ich Tweiß -IgeTnau idaß es mir alTlein nicht geTlunigen wäre wenn Tdamals 4-in TPolen —»etwa eine Demokratie (.) 05 -Iwestlicher VerTfasJ-sung gewesen 4-wäre hahahahahaha
llllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllll ((Lachen/Beifall 5.3 Sek))
Der Sequenz 13/1938 ist keine stilistische Form zugeordnet. Sie wird relativ laut ("forte"), jedoch nicht markiert laut ausgesprochen (auditiv vergleichende Perzeption). Der interaktionale Erfolg ist inhaltlich begründet: Die Aussage, daß mit Demokratien westlicher Verfassung keine politischen Übereinkünfte erzielbar seien, ruft ein Übereinstimmung signalisierendes Lachen hervor. Diese Sequenz ist semantisch-adversiv unter "Häme" eingeordnet (vgl. Zeitstrahl Kap.5): Die Aussage über die Demokratien erfolgt rückblickend aus der Perspektive des Erfolgreichen ("damals"), und wirkt dadurch abfällig-spöttisch. Im übrigen wird der Applaus zurückgewiesen (s. Zeitstrahl), d.h. vom Redner durch Weitersprechen bzw. "Hineinsprechen" abgekürzt, und ist somit auch trotz der relativ geringen Dauer als rhetorisch erfolgreich zu werten.
10 Sequenz 14/1938 01 « f > T d e n n (.) TdieJ-se (.) TFriedens(.)4-Tphrasen (.)>IT triefenden J-DemokraTtien —>sind (.)
//////////////////////////// die 4-Tblut(.)4-Tgierigsten TKriegsihetzer > ((Rufe: buh oder pfui; undeutlich)) 05
llllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllll ((Beifall 9.0 Sek))
Sequenz 14/1938 folgt direkt auf die zuvor aufgeführte Sequenz 13/1938. Inhaltlich bietet sie eine Erklärung Hitlers auf die in Sequenz 13/1938 getroffene Aussage ("denn..."). Die Einordnung unter der Kategorie "Diffamierung" ist unmittelbar aus mehreren Lexemen im Text herzuleiten: Von "Friedensphrasen" zu "triefen" ist intuitiv negativ konnotiert, die Bezeichnung "blutgierigste Kriegshetzer" ebenfalls. Der verbale Teil der Ratifizierung paßt sich dem an, indem die Übereinstimmung mit dem Redner durch offene Mißfallensbekundungen ausgedrückt wird. Prosodisch wie stilistisch gilt hier dasselbe wie für Sequenz 13/1938.
2.1.2 Rein verbale Publikumsäußerungen In der überwiegenden Zahl der Fälle erfolgen verbal negative Ratifizierungen ohne Applaus. Das Beispiel, Sequenz 39/1938, steht dabei für den Fall von Ratifizierung, in dem weiter spezifizierende Ausdrücke zum negativen "Standart"-Ausdruck "pfui" hinzutreten. Wichtig hierbei ist, daß die Zwischenrufe nach und während der "Pfui"-Rufe nicht vom gesamten Publikum ausgehen, sondern von einer Gruppe innerhalb desselben (akustisch wahrnehmbar). Wie sich gezeigt hat, ist dies meistens der Fall bei von der üblichen Form abweichenden Ausdrucksformen positiver und negativer Ratifizierung ("bravo" und "pfui"):
Sequenz 39/1938 01 [A] « f > Tdieser -ITtschechische J-Τ Staat (.) -Ibetgann —»mit einer einzi-lgen 4-ersten TLü-lge (·) [B] der TVater dieser damaligen Lüge hieß (.) T g e i n e S > pfuiiiiiiiiii pfuiiiiiiiiiiii ((kollektiv)) 05
aufhängen aufhängen aufhängen ((mehrere; auch durcheinander))
Diese den tschechoslowakischen Staatspräsidenten diffamierende Sequenz (Bezeichnung als Lügner) ist durch eine klare Struktur gekennzeichnet, die sich inhaltlich begründet: Die Lüge wird in [A] genannt und in [B] hinsichtlich ihres Urhebers (nach Hitler) spezifiziert. Die Benennnung der Person des tschechoslowakischen Staatspräsidenten zieht die personale Bezugname durch das Publikum nach sich ("aufhängen aufhängen").
11 2.1.3
Kombinationen "bravo"+Applaus
Hierbei handelt es sich um die üblichste Form des Ausdrucks von Wertschätzung durch das Publikum. Stellvertretend für die Menge an Beispielen seien nachfolgende Sequenzen angeführt. Die Sequenzen 13 und 14/1942 hängen eng zusammen. Die Ratifizierungsart, die hier vorgestellt werden soll, erfolgt in Sequenz 14, wobei es sich in diesem Fall um eine außergewöhnlich expressive Ratifizierung handelt.
Sequenz 13/1942 Ol « g > denn was Tsind 4-dann schon Tun4-sere Dinge dagegen (.) ((=hhh)) [A] wenntiwir (.) Ttauisend KiloTmelter Tvoristoßen (.) > [B] «cres>Tdann ist das eben > « f > Tnichts > (.) « p > 4-ein > (.) « f > TausgeTsprochener TMißlerfolg > 05 ((Lachen folgt in Sequenz 14: 2.0 Sek; siehe unten))
Sequenz 14/1942 01 ( , ) « g > wenn Τ wir izum Beispiel in den Tletziten (.) iah Tpaar hahahahahahahahahahahahahahahahahahahahahahahahaha TMoj-naten: 4-es Tsind 4-nur ein Tpaar TMoJ-nate die man in diesem TLand —»überhaupt (.) 4-mit VerTnunft Τ Krieg -iführen kann > (.) 05 [A] « f > zum TPon ivorstoßen [B] den TDonTabiwärts endlich die TWoliga erreichen (.) [CjTStaJ-lingrad berennen > ( , ) « f f > [Tund [les [4-auch [J-nehmen werden > bravocK)ooooooooocKX)ooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooo 10 ((kollektiv)) lllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllll « f > woira(ha)uf ((lachendes Sprechen)) Sie sich verJ. lassen können > ooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooo ((evtl. auch heiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiil)) 15 IIIIIIIIllllllllIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIΙΠ ((Beifall 11.7 Sek)) Sequenz 13/1942 ist ein Beispiel für Ratifizierung von Ironie durch Lachen. Die Ratifizierung erfolgt während des Beginns von Sequenz 14/1942. Ironisch wird Sequenz 13/1942, indem Hitler der alliierten Seite Bemerkungen über deutsche Erfolge im Kriegsverlauf ("tausend Kilometer") in den Mund legt, die diese als "nichts" bzw. als "Mißerfolg" charakterisieren (vgl. hierzu auch Sequenz 15/1942 als Beispiel für Ironie in Kap.2.2.3.1) Interessant an Sequenz 14/1942 ist, daß die Äußerung syntaktisch nicht beendet ist, wohl aber prosodisch mit einem deutlich markierten Abschluß versehen wird: Sequenz 14 stellt nur den ersten, mit "wenn" beginnenden Teil einer kausalen Konstruktion dar, deren
12 syntaktischer Abschluß erst mit Sequenz 15 erfolgt (vgl. als weiteres Beispiel für syntaktische Unabgeschlossenheit bei prosodisch realisiertem Abschluß Sequenz 59/1940, Kap.2.2.3.3). Ratifiziert wird das prosodisch durch Skandieren und Lautstärke markierte Satzglied "und es auch nehmen werden", obwohl dies in der Textlogik von Sequenz 14 und 15/1942 nur eine Parenthese im Gesamtgefüge darstellt. Daß die zweite Komponente der mit "wenn" beginnenden kausalen Konstruktion noch fehlt, wird durch die prosodische Realisierung überspielt, die auf "klassische" Art und Weise einen Abschluß signalisiert. Unterstützt wird die eine Abgeschlossenheit suggerierende prosodische Struktur zusätzlich durch die stilisierte Aufzählung als Dreierliste ([A] bis [C]) (vgl. zu Listen und anderen stilistisch-syntaktischen Konstruktionen Kap.2.2.1). Inhaltlich wird Sequenz 14/1942 als Drohung eingeordnet. Begründet liegt dies in der Ankündigung Hitlers, Stalingrad vollends zu erobern.
2.2
Applaus evozierende Strategien: linguistisch realisierte Emphase
Als Oberbegriff für publikumswirksames Sprechen setzen wir "Emphase" oder "emphatischen Sprechstil". Emphase wird als "Verstärkung einer kommunikativen Absicht durch verschiedenartige sprachliche Mittel wie Prosodie, Wortwahl oder Wortstellung" aufgefaßt (Bußmann 1990: 208; vgl auch Shipley 1966: 113; Heupel 1978: 40; Plett 1979: 75; Conrad 1988: 62). Emphase bezeichnet im "heutige(n) Sprachgebrauch [...] den Nachdruck, der auf einer bestimmten Texteinheit liegt" (Plett 1979: 75). In einer kommunikativen Situation bedeutet der Begriff die Signalisierung eines "more-than-normal involvement" (Selting 1994: 375385). Dabei kann Emphase in der Konversation vom Rezipienten unter anderem als Aufforderung zur Antwort aufgefaßt werden (vgl. Selting 1994: 385). F. E. Müller (1996) hat auf die permanent stattfindende Wechselwirkung zwischen Sprecher und Empfänger im Dialog, unabhängig von emphatischen Redeelementen hingewiesen: "A task for any description dealing with the use of spoken language in natural situations is to account for the radical interdependency of speaking and listening. Speakers [...] are at the same time also listeners. They perceive the responses coming from listeners and may instantly [...] react to them and modify their course. [...] Listeners, on the other hand, act at the same time to some degree as speakers: [...] with small tokens like Tim' [...] 'yes', 'right', etc., [...] recipients track the course of emerging talk in discourse" (ebd.: 131).
Es ist in diesem Sinne davon auszugehen, daß emphatischem Sprechen die Funktion zukommt, diese ohnehin bestehende Wechselwirkung noch zu verstärken. Übertragen auf die Dialogsituation zwischen öffentlichem Redner und seinem Publikum ist emphatischer Stil als Aufforderung an das Publikum zur Ratifizierung zu verstehen. "The role of emphasis in the generation of applause is intuitively evident. It is inherently associated with the achievement of prominence for a political message" (Heritage und Greatbatch 1986: 116). Wichtig ist dabei, daß in der speziellen Dialogsituation "Redner vs. Publikum" die Zuhörerschaft den Zeitpunkt der Reaktion, des Applauses, antizipieren können muß, um zu seiner und des Redners Zufriedenheit reagieren zu können: "Emphasis alone is rarely suffi-
13 cient to ensure response. In addition, audiences must be able to project the point at which applause will become relevant" (Heritage und Greatbatch 1986: 116). Die Projezierbarkeit (vgl. ebd.) des Endes einer Äußerung, wird durch bestimmte rhetorische Figuren ermöglicht, und wirkt - zusammen mit der der Äußerung verliehenen Emphase - hin auf die Entstehung von Applaus: "An audience that can see that a message is being given special emphasis and that is able to see in advance when the message is likely to be complete is thereby enabled to prepare to respond at the appropriate moment" (Heritage und Greatbatch 1986: 117).
Wie bereits erläutert (2.1) handelt es sich bei den in den Unterkapiteln zu Stil, Prosodie und Semantik aufgeführten Sequenzen um Beispiele, die in erster Linie auf den jeweiligen linguistischen Aspekt des Unterkapitels zu beziehen sind. Da bei allen Sequenzen jedoch auch die anderen linguistischen Elemente auftreten (ein Beispiel für eine bestimmte Prosodie ist selbstverständlich auch ein Beispiel für einen bestimmten Stil), wird bei den Erläuterungen zu den Beispielen jeweils kurz darauf verwiesen.
2.2.1 Formale Stilisierung: Dreierstrukturen und Paarkonstruktionen Die stilistischen Mittel, derer sich der Redner bedient um erfolgreich zu sein, bestehen seit der antiken Rhetorik aus "Figuren, die durch Vertauschung, Hinzufügung, Weglassen und Anordnung zustande kommen". Sie "ziehen den Hörer an, lassen ihn nicht müde werden, wenn ihn von Zeit zu Zeit eine auffällige Figur aufweckt" (Quintilian 1975: IX 3, 27). Als besonders eindringlich unter den Wortfiguren, die Quintilian deshalb im Gegensatz zu den "grammatischen" die "rhetorischen" nennt (ebd.: IX 3, 2), gilt die "Hinzufügung" ("adiectio") (ebd.: IX 3, 28), die auf verschiedene Art und Weise zustande kommt. So handelt es sich bei der "adiectio" um die Verdoppelung von Verben um der Steigerung oder des Klagens willen (ebd.), um den Beginn oder den Schluß mehrerer Glieder mit den selben Worten, was "scharf und drohend" wirke (ebd.: IX 3, 30-31), um das Wiederholen der Anfangsworte "beim Gegenüberstellen oder Vergleichen" (ebd.: IX 3, 32) und weitere Formen der Wiederkehr von Worten in einem Gefüge (vgl. ebd.: IX 3, 33-53). Unter die "adiectio" fallen dabei nicht nur Parallelismen hervorgerufen durch gleiche Wörter, sondern "manchmal stimmen, wie wir es bei der Wortverdoppelung gesagt haben, auch Satzanfänge oder -schlüsse durch zwar verschiedene, aber zum gleichen Bereich gehörende Wörter überein" (ebd.: IX 3, 45). Auch die Reihung von Begriffen in einer inhaltlich begründeten "Abstufung" ("gradatio") (ebd.: IX 3, 54-55) zählt dazu. Zusammenfassend kommt Quintilian auf die kommunikative Funktion der Figuren der "Hinzufügung" zu sprechen, deren einzelnen Bezeichnungen er durchaus sekundäre Bedeutung zukommen läßt: "Allen diesen Erscheinungen haben die Lehrbuch-Verfasser eigene Namen gegeben, jedoch verschiedenartige, und so, wie es jedem in der Erfinderlaune behagte. Ihre Quelle aber ist ganz einheitlich; denn sie macht alles, was wir sagen, energischer und eindringlicher und läßt es eine Kraft zur Schau tragen, als käme immer wieder die Leidenschaft zum Durchbruch" (ebd.: IX 3,54).
Als besonders herausragend im rhetorischen Vortrag - sofern das rechte Maß eingehalten werde - beurteilt Quintilian die Strategie, den
14 "Ausdruck durch Gleichklänge und Gegenüberstellungen reizvoll zu machen, [...] denn wenn das an sich frostige und hohle Haschen (nach Symmetrien und Antithesen) auf schlagkräftige Gedanken trifft, dann ist der Ausdruck so reizvoll, daß die Verbindung natürlich gewachsen, nicht künstlich gesucht erscheint" (ebd.: IX 3, 74).
Atkinson hat die rhetorische Bedeutung von dreifachen Listenkonstruktionen und Gegensatzpaaren in politischen Reden detailliert herausgearbeitet (Atkinson 1984; 1985; vgl. auch Heritage und Greatbatch 1986). "One of the main attractions of three-part lists is that they have an air of unity and completeness about them" (Atkinson 1984: 57). Aufzählungen werden daher gern zu einer Dreiereinheit vervollständigt, und sei es nur durch ein "et cetera" (vgl. Atkinson 1984: 57f.). Die Äußerungen sind in der Regel "technically complete by the time the first item in each list had been delivered" (Atkinson 1984: 62). F. E. Müller (1991; 1994) zeigt in seinen Arbeiten zum gesprochenen Italienisch im Alltag die Bedeutung von Listen bzw. "formulaischen Paradigmen" für Hervorhebungen und abschließende Äußerungen auch in der Konversation, und arbeitet dabei noch stärker als Atkinson (auf den er an gegebener Stelle verweist) das Zusammenspiel zwischen prosodischen Komponenten und syntaktischen Strukturen heraus: "Sprecher können Mehrgliedrigkeit und Parallelismus formulaischer Ausdrücke in der Weise zugleich ausschöpfen und gestalten, daß die strukturell parallelen Konstituenten auch parallel rhythmisiert werden" (F. E. Müller 1994: 58).
Allgemeiner ausgedrückt werden "morphosyntaktische Parallelfügungen, wie sie in [...] Listenkonstruktionen gegeben sind, [...] häufig von prosodischen Parallelismen begleitet" (F. E. Müller 1991: 109). Durch die Dreierstruktur emphatisiert der Redner seine Äußerung, und gibt darüberhinaus, über die Struktur, Hinweise auf den kommenden "completion point", auf die Stelle, die geeignet ist, und an der es erwünscht ist, zu applaudieren. Wir fassen Atkinsons Konzept einer Zweier-Struktur als Gegensatzpaar ("contrast", vgl. Atkinson 1984: 73ff.) weiter, da nicht nur Gegensätze im strengen Sinne als Zweierstruktur kategorisiert werden, sondern auch kausale bzw. konditionale Gefüge (z.B. "wenn""dann"): Wir sprechen im folgenden von Paarkonstruktionen. Kombinationen dieser formalen rhetorischen Mittel sind nicht selten. So können z.B. mehrere Paarkonstruktionen in Reihe eine Liste aus drei Elementen bilden. Kommen wir zu Beispielen:
Sequenz 1/1933 01 [Aa] « f > ? e i n s t waren wir -ITstaatlich zerrissen (.) [Ab] 4-Tnun waren wir (.) als J-Volk (.) geJ-trennt (.) [Ba] Teinst haben wir die Tstaatlichen Grenzen TeinJ-gerissen (,)~lund ein (.) natioTnal—»politisch (.) einiges ?Reich (.) geischaffen > (.) 05 [Bb] « f f > Theute müssen wir einreißen die -ItGrenzen von i Τ Klassen und ItStänden (.) BeTrufen iund ParTteien > (.) « f > l u m aus Tihinen -Izu Tmachen wie-lder > (.) « g > ein •^einheitliches ^deutsches Α Volk
bravooooooooooooo llllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllll 10 ((Beifall 9.8))
15 Die Sequenz stellt formal eine doppelte Paarkonstruktion dar. Gebildet wird sie durch die zweimalige Gegenüberstellung temporaler Adverbien ("einst" vs. "nun", bzw. "einst" vs. "heute"). Zu beachten ist dabei, daß es von [Aa] hin zu [Bb] eine Entwicklung hin zu längeren Äußerungseinheiten gibt, deren letzte auch prosodisch verstärkt markiert wird: [Bb] wird im Gegensatz zum Vorhergehenden in einem ersten Teil, der inhaltlich eine Aufzählung bildet (von "heute" bis "Parteien"), markiert laut geäußert und besonders dicht akzentuiert.
Sequenz 18/1933 Ol Izu > « f f > Tjeder TlZeit > (.) « f > wäre vertmutlich -lein Prolgramm (.) mit Tganz konkreten wenigen ^Punkten imöglich gewesen (.) für eine Re-lgierung (.) [Aa] 4-nach >«fff>Teuerer Twirt+schaft (.) [Ab] nach Teurem -lWirken (.) 05 [Ac] nach Teurer -IZerTsetzj-ung > (.) «f>—» muß man das deutsche Volk von TGrund -lauf neu Tauflbauen > [B] geTnauiso wie ihr es > (.) « f f > i b i s in den ΤiGrund hinein zerTstört 4-habt >
10
bravooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooo llllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllll ((Beifall +Trampeln 10.0 Sek))
Sequenz 18/1933 ist ein Beispiel für die Kombinierung von Liste und Paarkonstruktion. Die Sequenzteile von [Aa] bis [Ac] bilden eine Liste aus drei gleichartig gebildeten Elementen ("nach eurer" - "nach eurem" - "nach eurer"), die auch prosodisch durch markierte Lautstärke hervorgehoben wird. Diese Liste wird dann, als ganze, [B] gegenübergestellt, was stilistisch eine Paarkonstruktion ergibt. Inhaltlich handelt es sich um einen Vergleich ("genauso wie"), wobei die Gegenüberstellung wiederum auch prosodisch ihren Ausdruck findet, indem die Lautstärke im letzten Teil von [Ac] zunächst zurückgenommen wird ("forte"), um dann in [B] wieder markiert zu werden ("forte-fortissimo"). Die folgende Sequenz 27/1943 ist ebenfalls eine so gebaute Kombination, wobei auch hier der den [A]-Teilen gegenübergestellte Teil [B] mittels prosodischer Markierung hervorgehoben wird:
Sequenz 27/1943 01 [Aa] «ff>Twenn es ieinem TVolk ITmöglich —»ist (.)4 einenTKampf -Igegen eine Tganize TWelt Izu führen (.) [Ab] —»wenn es einem TVolk -ITmöglich —»ist (.) in Teiinem Tjahr ITfsechs ioder Tfacht iMilT[lionen 4-KuT[bikmeter -1-BeTiton -lin TfFesi-tungen hineinzubauen oder Tzehn J-Millio05 nen (.) [Ac] iwenn es einem TVolk ITmöglich ist (.) Ttaulsende an TRüsltungsfabriken zu ibauen >·
16 [Β] (.) « f f f > lT[dann [iTwird ies [Tuns iauch [Tmöglich —»sein Tjeldes Tjahr [ Τ zwei ioder rtdrei iMilftliolnen [TWohlnungen herzustellen > (.) /////////////////////// 10 ((Beifall 1.5))
Sequenz 20/1944 01 [A] wenn die Engländer sagen « f > diese Vergeltung halten wir aus > (·)
lllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllll [B] « f f > das ist nicht > « f > die Vergeltung (.) 05
[C] die Vergeltung kommt erst > Rufe ((unverst.)) bravooooooooooooooooooooooooooooooooooooo
llllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllll ((Beifall einzeln beginnend 21.6))
Mit Sequenz 20/1944 liegt ein Beispiel für eine "klassische" Dreierliste vor, gekennzeichnet durch das dreifach auftretende Substantiv "Vergeltung". Dabei ist es, wie man sieht, gleichgültig, in welcher grammatischen Rolle dieses Substantiv autritt: In [A] und [B] ist es Objekt, in [C] Subjekt. Offenbar ist die Aufnahme der Sequenz beim Publikum außergewöhnlich. Dies ist neben inhaltlichen Faktoren zu einem schwer bestimmbaren Teil auf die rhetorische Form zurückzuführen. In diesem Fall kann man zum einen eine besondere Wirkung durch die Wiederaufnahme des besagten Substantives annehmen, zum anderen spielt sicherlich die prosodische Realisierung von Teil [B] eine wichtige Rolle, in dem Hitler deutlich lauter als in [A] der "den Engländern" in den Mund gelegten Äußerung die inhaltliche Basis nimmt: "Das ist nicht die Vergeltung".
2.2.2 Prosodische Emphase: Lautstärke und Akzentuierung als ein zentrales Kriterium emphatischen Sprechens Prosodische Emphase kann sowohl durch ein besonders markiertes, als auch unmarkiertes Verwenden prosodischer Elemente ausgedrückt werden, (vgl. Selting 1994: 381). Wichtig ist: die Bündelung von Strategien oder Merkmalen macht einen emphatischen Sprechstil aus: "As style-constitutive cues, speakers generally use clusters of linguistic features [...]. For the signalling of emphatic speech style, prosodic, syntactic and lexico-semantic cues are most relevant" (Selting 1994: 383).
Bestehende Zusammenhänge unter den Elementen dieser "clusters" zu untersuchen, ist ein zentrales Ziel dieser Arbeit (vgl. Einleitung). Prosodische Emphase entsteht durch Akzente (einzeln und besonders hervorgehoben oder in gleichmäßigen Abständen, d.h im Takt skandierend), zusammen mit markierter Variation der Tonhöhe (nach oben oder unten), der Lautstärke (sei es hin zum Leisen oder Lauten), Variationen in der Sprechgeschwindigkeit
17 und/oder der Artikulationsgeschwindigkeit und durch eine vom "normalen" Sprechen abweichende Pausenorganisation. Dabei müssen nicht alle Elemente gleichgewichtig auftreten und auch nicht immer alle vorhanden sein. Akzente werden durch lokale Veränderung der Lautstärke und/oder durch die Veränderung der Tonhöhe einer bestimmten Einheit produziert. "Je nach der vom A[kzent] betroffenen sprachlichen Einheit unterscheidet man zwischen Silben-Akzent, Wortakzent, Wortgruppenakzent und Satzakzent" (Bußmann 1990: 63). Sie kommen oft, wenn nicht meistens - auch das hier bearbeitete Material zeigt das - durch lokal gesteigerte Lautstärke und zugleich lokal erhöhte Tonlage zustande. In umgekehrter Richtung konnte das nicht festgeteilt werden und ist auch in der Literatur nicht belegt: Akzente entstehen nicht auch durch plötzliches Leiserwerden bei gleichzeitigem Absinken der Intonation. Es handelt sich im Grunde um zwei verschiedene Akzente, einerseits um den "dynamischen Akzent (engl, "stress"), und um den musikalischen Akzent (engl, "pitch"). "Stress" kommt zustande durch Veränderung der Lautstärke ("Verstärkung des Atemdrucks", Bußmann 1992: 63), der "pitch" wird durch die Variation der Tonhöhe erzeugt (vgl.Bußmann 1992: ebd.). Das Ergebnis beider Akzentarten ist eine auditiv erkennbare, lokal begrenzte Nachdrücklichkeit des Geäußerten. Für die Emphase spielt die Frequenz der Akzentuierung an sich, sowie die rhythmische Akzentuierung eine besondere Rolle. Erhöhte Akzentdichte im Vergleich mit dem Umfeld ist ein Indikator für eine erhöhte Emotionalität, für ein erhöhtes Involviertsein des Sprechers, und damit ein Indikator für emphatischen Sprechstil. "The more dense the accentuation becomes, the more emphatic the evaluation appears to be" (Selting, 1994: 402). Sie stellt außerdem fest: "An accented syllable is, in most cases, followed by three to five unaccented syllables" (ebd.: 389). Jede engere Abfolge von Akzenten würde als Emphase aufzufassen sein. Für die vorliegende Arbeit stellt sich angesichts der Datenfülle von sieben Reden, d.h. Aufzeichnungen von mehr als sieben Stunden Dauer, das Problem der Auswahl der zu untersuchenden prosodischen Elemente, die ein Indiz für emphatisches Sprechen darstellen. Parallel zum Anstieg der Lautstärke steigt, wie sich bei der Bearbeitung der Reden gezeigt hat, in der Regel die Tonhöhe. Lokale Betonungen gehen in der Regel auch mit lokalen Sprüngen der Tonhöhe nach oben einher. Aus diesem Grunde wird in der Untersuchung eine umfassende Ausweitung der lokalen und globalen Lautstärke durchgeführt. Darüberhinaus werden skandierte Phrasen als besonders markierte Fälle von Akzentuierung festgehalten. Beides ist auditiv erarbeitet, wobei das Skandieren in Stichproben auch instrumenteil gemessen wurde, um die Zuverlässigkeit der auditiven Wahrnehmung zu überprüfen. Die instrumenteilen Messungen ergaben diesbezüglich eine überaus zufriedenstellende Übereinstimmung. Auf eine Untersuchung der Pausenorganisation wird verzichtet. Ebenso wird eine allumfassende Auswertung der Tonhöhe und der Sprechgeschwindigkeit in applaudierten Sequenzen nicht durchgeführt, obwohl beide genannten prosodischen Kategorien beim emphatischen Ausdruck eine Rolle spielen. Zur Demonstration prosodisch emphatischen Sprechens sei auf bereits in diesem Kapitel aufgeführte Beispiele verwiesen, insbesondere auf die Sequenzen 18/1933 und 20/1944 in Kap.2.2.1, und auf die Sequenz 14/1942 in Kap.2.1.3. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel für prosodische Emphase stellt Sequenz 3/1938 dar (s.u.): Nach "Sekunde" bleibt die Intonation getragen auf einer bestimmten Tonhöhe (natürlich mit leichten, von den Wor-
18 takzenten herrührenden Schwankungen). Die Sequenz endet dann mit einem fast als singend zu bezeichnenden Abschluß (ohne skandierend zu sein), ohne am Ende in der Intonation abzufallen. Schematisch ist der Intonationsverlauf wie folgt (keine instrumenteile Messung): tein TWor Tmei—>ne
ite
in (Abschluß der Sequenz 3/1938, s.u.) Die Lautstärke bleibt dabei im wesentlichen unverändert über die gesamte Sequenz hinweg. Es sei schon an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß eine solch vehemente prosodische Realisierung für die Anfangsphase einer Rede ungewöhnlich ist und dies schon Hinweise liefert über die Gestimmtheit der Akteure - Redner und Publikum - vor Ort. Es wird darauf bei der Interpretation näher eingegangen (vgl. insbesondere den Abschnitt zum 26.9.1938 in 10.2.2).
Sequenz 3/1938 01 «ff>-Lund Τ wenn —»ich jetzt Sprecher dieses deutschen Volkes (.) -LTbin (.) 4-dann Τ weiß ich (.) -lin Tdieser ISetkunde (.) —»stimmt —»Wort für —»Wort (.) —»dieses ganze Mil—»lionenvolk (.) —»in Tmei—»ne TWorJ-te ?ein> heiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiil 05 lllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllll ((Beifall+Trampeln 9.5 Sek)) Sequenz 33/1943, übrigens auch ein treffliches Beispiel für eine Dreierliste, zeichnet sich im Gegensatz zu den meisten Sequenzen (vgl. z.B. die Sequenzen 1/1933; 18/1933; 27/1943 und 20/1944 in Kap.2.2.1) durch einen prosodischen Kontrast hin zum Leisen in Teil [C] aus (Skandiert wird hier in "piano"). Sie ist deshalb nicht weniger wirkungsvoll im Gegenteil: Es wird während des gesamten Applauses, der von weit überdurchschnittlicher Dauer ist, geschrien. Außerdem ist das Klatschen über weite Strecken rhythmisiert.
Sequenz 33/1943 01 [A] « f > Tdas -List das TersJ-te was ich dazu Tsalgen muß (.) [B] —»und das Tzweite (.) 4-die Herren mögen das Tglauben —»oder nicht > (.) [C] « p > laber die [TStunide Ider VerfTgelltung wird [Tkomlmen > bravoooooooooooooooooo
05
((kollektives, durchgehendes Schreien)) /////////////////////////////////////// ((Beifall 22.0 Sek; rhythmisch))
19 2.2.3 Lexikalisch-semantische Aspekte: Adversivität Als semantischer Aspekt der Reden soll die Art und Weise der verbalen Attacken Hitlers untersucht werden. Es gibt verschiedene Anknüpfungspunkte, diesen inhaltlichen Aspekt zu wählen. Zunächst ist anzuführen, daß es allgemein zentraler Teil der Praxis politischer Rhetorik ist, das Publikum unter anderem durch ungünstige Aussagen über den oder die politischen Gegner zu gewinnen (vgl. Atkinson 1984: 40-45). Zweitens wird in der Forschung zur Rhetorik Hitlers sehr häufig gerade auf diesen Aspekt seiner Reden abgehoben. Besonders wird dabei betont, daß sich die Reden diesbezüglich auf einen Höhepunkt hin zu steigern pflegten (vgl. Grieswelle 1972: 122-130), und ein zentrales Moment der Reden Hitlers in der "Negation" (Grieswelle 1972: 64-121) von anderen und anderem bestehe. Ulonska (1990) hat diesen Topos über eine derartige Steigerung in Hitlers Reden plausibel widerlegt, und im Gegensatz dazu einen Iexikalisch-semantisch "negativen" Höhepunkt im mittleren Redebereich der von ihm untersuchten Reden festgestellt, während gegen Redeschluß Hitler, im Sinne der von Ulonska verwendeten Kategorien 4 , tendenziell "positiv" wird. Ulonska ist, soweit bekannt, der einzige Autor, der den Aspekt der Adversivität bei Hitler differenzierter betrachtet hat, und bildet damit einen Anknüpfungspunkt für diese Untersuchung. Den inhaltlichen Komplex aus Formen verbaler Attacken, Aggressionen und Bosheiten Hitlers belegen wir mit dem Begriff der "Adversivität" als Bezeichnung von gegen etwas oder jemanden gerichteten Äußerungen. Aus dem Material heraus wurde dafür eine Gliederung in vier Kategorien aufgestellt, anhand derer eine qualitative Auffächerung darstellbar ist. Die Reden werden unter den adversiven Aspekten "Ironie", "Häme", "Diffamierung" und "Drohung" untersucht. 5 Eine Hierarchisierung ist dabei nicht beabsichtigt und wird auch nicht als sinnvoll erachtet. Wichtig ist der jeweils qualitative Unterschied. Im folgenden werden die Kategorien erläutert und an Beispielen demonstriert. Deutlich werden dabei auch die Probleme, die einer derartigen Kategorisierung anhaften. Zunächst ist festzuhalten, daß bis auf die Ironie keine der gewählten Kategorien Teil der antiken oder der modernen Lehre der Rhetorik ist (letztere beruht selbstverständlich auf der ersteren). Bosheiten wie Häme, Diffamierung und Drohung gehören offenbar, wie die Durchsicht einer inhaltlichen Konkordanz zu Quintilians "Ausbildung des Redners" (Zundel 1989) ergibt, nicht zur rhetorischen Schule. Wir werden uns diesbezüglich mit Arbeitsdefinitionen helfen. An den Beispielen für adversive Semantik wird außerdem deutlich, daß eine eindeutige kategoriale Zuordnung oft nicht möglich ist, d.h. die Sequenzen oft doppelt, zuweilen auch dreifach mit semantischen Kategorien belegt sind. "Häme" und "Ironie" oder "Diffamierung" und "Häme" treten z.B. des öfteren parallel miteinander auf. Hieraus ergibt sich ein methodisches Problem bei der quantifizierenden Auswertung, da es eine Diskrepanz gibt
4
5
In Anlehnung an die antike Rhetorik Kategorien des Ethos, die der Selbstdarstellung des Redners dienen (vgl. Kap.3.2.1 bzw. Ulonska 1990: 12-58). Auswahl und Benennung dieser adversiven Kategorien beruht auf einem Gespräch mit meinem ersten Doktorvater Prof. Dr. Manfred Faust (f 1997), der mir den Anstoß dazu gab, zu versuchen, inhaltlich attackierende Redesequenzen semantisch zu unterscheiden. Die von mir verwendeten Kategorien gehen auf Vorschläge von ihm zurück.
20 zwischen der absoluten Anzahl adversiver Sequenzen und der Anzahl der einzelnen semantisch-adversiven Kategorien ("Ironie", "Häme", "Diffamierung" und "Drohung"). Auf dieses Problem wird an gegebener Stelle noch einmal hingewiesen (vgl. Fußnote zu Tab.40). Ein weiteres grundsätzliches Problem ist die Frage, ob Adversivität in einzelnen Lexemen oder in ganzen Äußerungseinheiten zu suchen ist. Die empirische Arbeit am Material brachte die Erkenntnis, daß semantische Adversivität in beidem liegen kann, d.h. nicht in einem einzelnen Lexem begründet sein muß. So kann z.B. Ironie auch nur prosodisch durch den Tonfall signalisiert werden, oder es kann eine ganze Äußerungseinheit aus dem Kontext heraus als Drohung einzuordnen sein, obwohl sie kein spezifisches Lexem für eine Drohung enthält. Auch dies werden wir in den folgenden Beispielen illustrieren.
2.2.3.1
Ironie und Häme
Aus praktischen Gründen werden diese beiden semantischen Kategorien in einem Teilkapitel abgehandelt, da sie überaus oft gemeinsam auftreten. Wie Härtung (1998) darlegt, besitzen die in der antiken Rhetorik formulierten Kennzeichen ironischer Sprechweise ihre Gültigkeit bis heute: "Bei keiner antiken Erläuterung [zur ironischen Redeweise; H.-R.B] muß man konstatieren, daß sie für das heutige Sprachgefühl keine Gültigkeit mehr beanspruchen darf (Härtung 1998: 29). Zur antiken Auffassung von Ironie als rhetorischem Mittel führt Härtung zusammenfassend aus: "Die wesentlichen Merkmale des antiken Begriffs der ironischen Redeweise bestehen [...] in folgenden Punkten: - Ironie ist eine kurzfristige Verstellung [...], die immer als Verstellung erkennbar gemacht werden muß, wenn sie ihre Wirkung erreichen soll - ein wichtiger Teil dieser Wirkung kann je nach Situation in der Erheiterung bestehen, die dadurch ausgelöst wird, daß die Verstellung nicht den allgemeinen Erwartungen entspricht - Ironie zielt darauf, den Gegner und seinen Standpunkt abzuwerten [...] - Ironie [...] wird in den meisten Fällen über gemeinsame Wissensbestände erkennbar, oft über die aktuelle Situation [...]" (ebd.).
In dieser Arbeit werden in diesem Sinne Sequenzen, für die das Kriterium der "erkennbaren Verstellung" zutrifft - d.h. der Redner sagt das Gegenteil dessen, was er meint, und signalisiert das gleichzeitig - als ironisch eingeordnet. Häme ist eine Wortbildung aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts (vgl. Duden 1989), und bezeichnet eine "sich in Worten äußernde Boßheit, Gehässigkeit Mißgunst" (Duden 1993). Unter dem Stichwort "hämisch" finden wir außerdem noch die Charakterisierungen "verhüllt, hinterhältig" und "schadenfroh" (vgl. ebd.). Die folgenden Beispiele sind in der überwiegenden Mehrheit unter beide Kategorien eingeordnet:
21 Sequenz 5/1942 Ol [Α] « g > es ist tauch (.) aus einem tanideren Grund für unsere Gegner etwas Tleichiter zu Trelden denn (.) [B] sie Thaben nun (.) inach (.) Tlangjährigem -IverTgeblichen ißeTmühen plötzlich unser ParTteiiprogramm ent-ldeckt > 05 hahahahahahahahahahahahahahahahahahahahahahahahahahahaha ((kollektiv)) ((Lachen 4.0))
Sequenz 5/1942 rekurriert inhaltlich, wie übrigens auch die gesamte Anfangspassage der Rede, auf die Tatsache, daß Hitler schon seit längerer Zeit nicht mehr öffentlich aufgetreten ist. Ironisch ist die Sequenz, indem Hitler den alliierten Kriegsgegnern ein "langjähriges Bemühen" für die Kenntnisnahme des seit langem bestehenden "Parteiprogramms" unterstellt.6 Gleichzeitig drückt die Sequenz Häme aus, da das von Hitler vermittelte häufigere Reden auf alliierter Seite (das auch massiv außerhalb der hier vorgestellten Sequenz angesprochen wird) in Bezug gebracht wird mit einer dort herrschenden, in dem "langjährigen vergeblichen Bemühen" implizit ausgedrückten Unfähigkeit. Prosodisch ist diese Sequenz als unmarkiert einzustufen. Wie in der Analyse gezeigt wird, ist dies durchaus typisch für semantisch als ironisch und/oder hämisch eingeordnete Sequenzen. Stilistisch stellt die Sequenz ein geradezu klassisches Beispiel dar für eine Paarkonstruktion in Form von Vorbereitung und Pointe, "puzzle" (Atkinson 1984: 75ff.) und "punch-line" (ebd.: 81). Die folgende Sequenz 15/1942 ist ein besonders dichtes Beispiel was semantische Adersivität hinsichtlich Ironie und Häme, aber auch hinsichtlich Stilisierung und prosodisch emphatischer Markierung anbetrifft.
Vorlauf zu Sequenz 15/1942 01 « f > wenn wir zum Kaukasus vorstoßen (.) dann ist (.) das (.) auch nichts (.) wenn wir die Ukraine besetzen (.) wenn wi:r die Donezkohlen in unseren Besitz bringen das ist alles nichts wenn wir (.) fünfundsechzig oder siebzig Prozent des russischen Eisens bekommen (.) das ist gar nichts (.) Uberhaupt nichts (.) wenn wi:r das größte Getreidegebiet der Welt (.) dem deutschen: Volk und 05 damit Europa praktisch erschließen (.) gar nichts (.) wenn wir uns die Ölquellen dort sichern (.) das ist auch nichts (.) ((=Publ.:hoho))
6
Das Programm wurde 1924 formuliert.
22 Sequenz 15/1942 Ol [Α] Talles 4-das ist inichts [B] aber Τ wenn > (.) « f f > ikaTna-idische TVoritruppen mit einem Tengilischen: Tkleinen TSchwänzilein: als tAni-hang (.) nach (.) TDieppe -l kommen (.) und sich Tdort (.) Tneun TStun hahahahahahahahaha 05
((kollektiv)) /////////////////////////// ((Lachen, Ansatz von Beifall 2.8)) i d e n > (.) « n >
t a h man x < g >
Tkann Ischon Tsagen > « f >
Tmühselig zu Thallten
verJ-mögen (.) Tum (.) dann Tendgültig (.)iverTnich4-tet zu -Lwerden > (.) 10
hahahahahahahahahahaha ((kollektiv)) ((Lachen 1.3)) [C] « c r e s > Tdann ist das ein erTmutigendes > « f f > [Tstau:nens[>lwertes [iZeichen (.) -Ider [Tun-lerrTschöpfllichen [isieigerischen [TlKraft (.) die dem rTbriitisehen Im[Tße-lrium zu
15 [Teiigen ist > hahahahahahahahahahahahahahaha bravooooooooooooo
IlllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllUlllllllllllllllllllimilllllllllllllllllll ((Beifall inkl. Lachen 11.5))
Die Sequenz wird durch eine längere Passage vorbereitet, in der die Auflistung einer Reihe deutscher Taten bzw. Vorhaben, die im Sinne Hitlers als Erfolge zählen, als "nichts" abqualifiziert werden. Dieses "Nichts-Sein", das zeigt der vorangegangene Redetext, ist eine "Zitierung" alliierter Verlautbarungen durch Hitler. Einen Hinweis, daß diese Liste, trotz der Formulierung im Indikativ, als ironisch verstanden wird, erhält man in dem schon da auftretenden einzelnen Lachen aus dem Publikum ("hoho"), wobei keine prosodischen Signale, die man als Anzeichen für Ironie deuten könnte festzustellen sind: Die Ironie wird bis dahin rein inhaltlich vermittelt, nämlich durch den Kontrast zwischen positiv konnotierten, erfolgreiche Abschlüsse von Handlungen bezeichnenden Lexemen, und der Bezeichnung eben dieser erfolgreichen Handlungen als "nichts". Die Zusammenfassung der Auflistung erfolgt in [A] von Sequenz 15: "alles das ist nichts". Im weiteren Verlauf der Sequenz wird diese Strategie der Ironie durchgehalten, allerdings unter umgekehrten Vorzeichen: In [B] und [C] spricht Hitler eine alliierte Niederlage an, das Kommandounternehmen vom 19.8.1942 bei Dieppe (vgl. Domarus 1965: 1914). In [B] ist zunächst die Erfolglosigkeit und das Scheitern der Unternehmung Thema ("mühseliges Sich-Halten" und "endgültige Vernichtung"). In [C] wird dann in starker inhaltlicher und auch prosodischer Überzeichnung die Unternehmung als erfolgreich bezeichnet ("Zeichen der unerschöpflichen siegerischen Kraft"). Die Strategie ist beide Male dieselbe: Ironie als Meinen des Gegenteils des objektiv Geäußerten, wobei im zweiten Teil der Sequenz, bei der Ironisierung der alliierten Aktion, zusätzliche linguistische Mittel zum Einsatz kommen: stärkere Variation der Lautstärke, Verzögerungen ("ah (.) man kann schon sagen") und Skandieren in [C] zur besonderen Emphatisierung der ironisch gemeinten Aussage.
23 Hitler kann sich seines Publikums sicher sein. Das Gemeinte kommt an, wie das zweimalige Lachen in [B] zeigt. Auch der abschließende überlange Applaus verbunden mit Lachen und "Bravo"-Rufen zeigt, daß diese Sequenz rhetorisch überaus erfolgreich verläuft. Häme ist wiederum begleitende semantische Komponente, da die Ironisierung der alliierten Unternehmung in [B] und [C] natürlich auch gekennzeichnet ist durch schadenfrohe Gehässigkeit über die Niederlage. Stilistisch ist die Sequenz 15/1942 eine Liste aus drei Elementen, die in den Teilen [B] und [C] sehr weit ausgedehnt ist. Kohärenz erhalten die beiden großen Teile durch die übergreifende syntaktische Struktur: [B]: "aber wenn" [C]: "dann". Bei der Sequenz 3/1940 handelt es sich inhaltlich ebenfalls um Ironie in Begleitung von Häme, wobei dieses Beispiel nicht für hämische Schadenfreude steht, sondern für Häme als Ausdruck eines seit dem 19. Jahrhundert in Deutschland gängigen Vorurteils gegenüber England als Handels- und Kolonialmacht (vgl. hierzu zahlreiche Beispiele in Schwabe 1969 passim). Hitler kann sich aufgrund dieser Tradition sicher sein, daß seine Botschaft verstanden wird, zumal sie nach der britischen Kriegserklärung eventuell noch neuen Auftrieb bekommen hat. Gängige Elemente in diesem Komplex aus Vorurteilen sind z.B. wirtschaftlicher, insbesondere kolonialer Reichtum, "gekaufte" Heerestruppen (= militärische Einheiten aus Ländern des Empire), geheuchelte Frömmigkeit etc., Aspekte, die auch Hitler in seiner Rede vom 30.1.1940, aus der folgendes Beispiel stammt, weidlich ausbreitet.
Sequenz 3/1940 01 [A] « g > durch Tdiese Abrüstung -Lsoll dann (.) die wirtschaftliche TBlüite beginnen (.) [B] THandel —>und TWanJ-del sollen dann 4-eintreten (.) [Ca] —»und zwar Thaupt—»sächlich THanJ-del
[Cb] Tviel THanidel 05 [Cc] tfrei-ler THanidel > hahahhahahahahahahahaha
((Lachen 2.7)) Der weitere Redekontext, aus dem diese Sequenz stammt, handelt von der Zeit zwischen den Kriegen, konkret von den Bemühungen innerhalb des Völkerbunds, friedens- und Wirtschaftsstabilisierende Maßnahmen zu treffen. Die Abrüstungskonferenz, auf die Hitler anspielt, und damit den Völkerbund hatte NS-Deutschland im Oktober 1933 verlassen (Kinder/Hilgemann 1966: 197). Ironisiert wird die, nach Hitler, von englischer Seite angestrebte allgemeine "wirtschaftliche Blüte". Durch die Betonung des "(freien) Handels" von [Ca] bis [Cc] werden obengenannte Topoi aufgerufen, die traditionell für England als See- und Handelsmacht stehen. Damit wendet Hitler die "wirtschaftliche Blüte" zur wirtschaftlichen Blüte Englands, und "entlarvt" damit sozusagen den "kapitalistischen Egoismus", der die eigentliche treibende Kraft auf Seiten Englands sei. Wie man sieht, kann er sich seiner Sache sicher sein, in der intendierten Art und Weise auch beim Publikum anzukommen. Prosodisch ist hier Lautstärke anscheinend kein geeignetes oder nützliches Mittel: Alles spielt sich in unmarkierter, lediglich "gehobener" Lautstärke ab. Was in dieser Sequenz
24 jedoch auffällt - in dieser Untersuchung wird diese Größe sonst nicht analysiert - ist die erhöhte Sprechgeschwindigkeit gegen Ende der Sequenz: Die massierte Auflistung von "Handel" wird deutlich rascher als der Anfang der Sequenz ausgesprochen (auditiv-vergleichende Perception). Interpretativ ist dies deutbar als Symbolisierung eines von Hitler unterstellten englischen "Eifers" o.ä., Handel zu treiben. In den beiden letzten Beispielsequenzen zum Kapitel über Ironie und Häme wird allein Häme ausgedrückt. Gegenstand der beiden Sequenzen 27 und 28/1944 sind zwei Münchner bzw. Bayrische Zeitungen, die der nationalsozialistischen Verfolgung zum Opfer gefallen sind, und an deren Verschwinden sich Hitler und sein Publikum ergötzen: Häme ist hier Ausdruck schadenfroher Gehässigkeit:
Sequenz 27/1944 Ol « g > etrinnern —»Sie sich was unsere iGegner Uber [Tuns ileinst geillacht haben (.) etrinnern —»Sie sich (.) -tan die Idamalige iMünchner IPost > ( . ) « n > Τ ganz entlschwunden —>schon> hahahahahahahahahahahahahahahahahahaha ((kollektiv)) 05 ((Lachen 2.9 Sek)) ( , ) « p > in [Tweilter i t Ferine zuitriicklliegend > (.) hahahaha((leiser werdend))hahahahahahahahahahahaha
Sequenz 28/1944 01 « g > t an den tda—»maligen ItBavrisehen Kulrier > hahahahahahahahahahahahahahaha jaaaaaah ((einzeln)) hahahahahhahahahahahahahahahahahahaha 05 ((kollektiv)) ((Lachen 1.7 Sek))
Offenbar genügt das reine Erwähnen der beiden Zeitungen, um Heiterkeit beim Publikum auszulösen. Vermutlich bestehen in dem lokalen Kontext (die Veranstaltung findet in München vor Parteifunktionären statt) Erinnerungen, die von allen Beteiligten - in diesem Fall älteren Mitgliedern der NSDAP - geteilt werden, und somit ruft das einfache Erwähnen von Stichwörtern Erinnerungen an frühere Taten hervor. Weder stilistisch noch prosodisch, sieht man vom nicht sehr ausgeprägten Skandieren in Sequenz 27/1944 ab, sind besondere Stilmittel im Sinne einer Emphatisierung festzustellen: der Vortrag ist insgesamt ruhig, und daher wirkt überwiegend der reine Inhalt für sich. Es sei an dieser Stelle schon erwähnt, daß diese beiden Sequenzen ein bezeichnendes Licht auf die Rede als Ganze werfen, wie sie sich in der Interpretation darstellt: Hier werden mit gemeinsamen Erinnerungen gleichsam Anekdoten aufgerufen, die nur in diesem kleinen Kreis in ihren internen Details bekannt sind (Die Rede wurde nie ausgestrahlt und
25 auch im Wortlaut bis heute nicht veröffentlicht; vgl. Kap.4.2.7, Kap 10.2.2 und Redetext im Anhang).
2.2.3.2
Diffamierung
Unter "Diffamie" (Duden 1993) verstehen wir "verleumderische Bosheit", "verleumderische, herabsetzende Äußerungen" bzw. "Beschimpfungen". Im Gegensatz zu Ironie und Häme ist dies nicht nur ein inhaltlich charakterisierendes Kennzeichen von Sprache, sondern bezeichnet - wie auch die vierte Kategorie "Drohung" - einen Sprechakt, d.h. eine Handlung. Für Diffamierung stehen exemplarisch folgende Beispiele aus dem Korpus:
Sequenz 29/1938 01 [A] « f > Tdieise Tganlze TTäitigkeit —»meine Volksgenossen ist Tnicht -leine Tun(.)lbeTweisibare TPhraise (.) [B] —»sondern Tdieise ?Tä4-tigkeit x wird erThär-ltet durch TTatisachen (.) [C] diex [T kein -LdemofTkraitisches [TLüigenmaul befTseiitigen kann > 05 bravooooooooooo
///////////////////////// ((Beifall 8.0 Sek))
Stilistisch könnte diese Sequenz auch als eine Paarkonstruktion definiert werden, strukturiert durch die Negation in [A] ("nicht") und die dagegengestellte Äußerung ab [B] ("sondern"). Wie man im Lauf der Untersuchung sieht, ergibt die Zuordnung einzelner Formtypen zu bestimmten linguistischen Phänomenen kein klares Resultat, weswegen wir im Verlauf der Analyse dazu übergehen werden, nur noch Stilisierung vs. Nicht-Stilisierung zu unterscheiden. Prosodisch ist die Steigerung der Lautstärke im letzten Sequenzteil von Bedeutung. Dieser Faktor ist darüberhinaus jedoch nicht ungewöhnlich, sondern häufig zu beobachten. Diffamierend wirkt die Sequenz unmittelbar durch das verwendete Lexem "Lügenmaul", das ohne weitere Information negativ konnotiert ist. Die folgende Sequenz 9/1942 ist diffamierend und hämisch zugleich. Interessant dabei ist, daß die Sequenz syntaktisch nicht abgeschlossen, die Ratifizierung vielmehr auf eine prosodische Struktur und natürlich auf den Inhalt zurückzuführen ist. Ein "completion point" (Atkinson 1984) benötigt offenbar keine syntaktische Vollständigkeit: Er kann auf prosodischem Wege signalisiert werden, ohne daß grammatisch das Ende der Äußerung erreicht sein muß.
26 Sequenz 9/1942 Ol « f > sie entdecken? plötzlich (.) Tlau—»ter (.) ?Grund—»sätze (.) des natioTnal—»sozialistischen /////////////////////////////////////// ProTlgramms (.) wenn ich nun dabei Thölre daß ein TMensch Inun Tsagt > (.) « n > lieh —»glaube (.) —»es ist (.) Herr TElden gewesen aber man > « g > Τ weiß Ija nicht [Twel]che [TNUII Idort [Tdrülben [Treldet > « p > es ist Timmer IdasTsellbe hahahahahahahahahahahaha ((kollektiv)) ////////////////////////////////////////
10 ((Beifall inkl. Lachen 8.9))
2.2.3.3
Drohung
Drohung ist, wie die Diffamierung, eine Sprechhandlung im eigentlichen Sinne. Beide Kategorien zielen im Vergleich zu den beiden davor genannten Kategorien, Ironie und Häme, aufgrund ihres Handlungscharakters stärker bzw. direkter auf andere Personen, Personengruppen, Institutionen etc. Unter dem Stichwort "drohen" finden wir die Charakterisierungen: "Jemanden durch Gesten oder emphatische, nachdrückliche Worte [Hervorh. H.-R.B] einzuschüchtern versuchen, damit er etwas nicht zu tun wagt", und des weiteren: "darauf hinweisen, daß man etwas für jemanden unangenehmes tun wird, falls er sich nicht den Forderungen entsprechend verhält" (Duden 1993). Als exemplarische Beispiele dienen die folgenden Sequenzen: Sequenz 30/1939 01 [A] « n > Iwir Thaben (.) « f f > Τ sehr b e i grenzte Intelressen (.) [Ba] Tallerdings (.) ITdiese llnteTreslsen (,)Tsind wir zu verltreten entlschlossen auf > « f f f > Tjede G e l f a h r hin (.) > [Bb] « n > und gegen Tljedermann>
05
lllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllll ((Beifall 9.2))
Sequenz 31/1939 01 « g > und daß wir Tdabei Tnicht Imit uns Tspalßen Tlaslsen (.) Idürften die [Tletzlten [Tachtlzehn [TTalge zur GeTnülge beTwielsen haben > hahahahahahahahahahahahahahahaha ////////////////////////////////////////////////////////
05 ((Beifall 7.3 Sek))
27 Sequenz 59/1940 01 [Α] « f > wenn Theute (.) iHerr DalaTdier Tzweiifelt —>an dieser Gemeinschaft [B] oder Τ wenn 4-er Tglaubt (.) idaß in dieser Gemeinschaft > « f f > T T e i i l e Tjamimern (.) [C] Toider > (.) « f > 4 - e r zitierte meine ί eigene THei-imat (.) —>und be> «ff>?mit4-leidete sie « c r e s > Τ oh (.) -J-MonTsieur ^DalaTdier (.) « f f f > Tvielleicht —»werden Sie meine Ostmärker 05 Tken—>nenlernen > (.) «ff>—»Sie werden Ihnen> bravooooooooooooooooooooooooooooooo
llllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllll ((Beifall 8.0 Sek)) « f > i—»sie werden Ihnen ja die Aufklärung perTsönllich geben (.) ((=einzeln: bravo))
Die Drohung in Sequenz 59/1940 liegt im semantischen Charakter von "kennenlernen" begründet, das an den französischen Ministerpräsidenten gerichtet ist. "Kennenlernen" bedeutet erstens: "zum ersten Mal sehen, hören, lesen" (Wahrig 1986/88). Zum anderen trägt es jedoch auch eine umgangssprachliche Bedeutung in der Redensart: "Du wirst mich noch kennenlernen" (Duden 1989a), oder: "Der soll mich kennenlernen" (Wahrig 1986/88). Die damit ausgedrückte "Warnung" (Duden 1989a) im Sinne von: "Du wirst noch merken, daß mit mir nicht zu spaßen ist" (ebd.), ist im vorliegenden Beispiel stark vorherrschend, denn aus dem historischen Kontext wissen wir, daß bereits Kriegszustand zwischen beiden Ländern herrscht. Ex post wissen wir außerdem, daß nur wenige Monate nach dieser Rede vom 30.1.1940 die deutsche Offensive im Westen beginnt (10.5.1940), die dann zunächst mit der Besetzung und Kapitulation der Niederlande, Belgiens und Frankreichs (Besetzung teilweise) endet.7 Aus diesen Zusammenhängen heraus wird die Sequenz unter die Kategorie "Drohung" eingeordnet. Stilistisch bietet diese Sequenz ein anschauliches Beispiel für eine Liste aus drei Elementen, deren letztes Glied prosodisch sehr stark emphatisch markiert ist (fff). Deutlich wird hier auch das Phänomen, daß gesteigerte Lautstärke und höhere Tonlage in der Regel parallel auftreten: Die zentrale Äußerung in [C]: "vielleicht werden Sie meine Ostmärker kennenlernen" wird in "forte-fortissimo" vorgetragen. Dabei setzt sie schon höher als die vorhergehende Äußerung an, und steigert sich bei "kennenlernen" noch einmal, ohne zwischendurch bemerkenswert in der Tonhöhe abzufallen. Es liegt hier abermals ein Beispiel vor, daß syntaktische Vollständigkeit und Korrektheit keine Grundbedingung darstellt für rhetorisch interaktiv wirksame Rede (vgl. hierzu auch oben die Sequenzen 9/1942 und 14/1942). Teil [C] ist syntaktisch vollkommen inkohärent. Die Sequenz stellt ab [A] bis zum Beginn von [C] eineAufzählung dar: [A] "wenn" [...] [B] "oder wenn" [...] [C] "oder" [...]. In [C] setzt nun eine Parenthese ein: Zunächst leiser (f) wird eingeschoben: "er zitierte meine eigene Heimat [Österreich, H.-R.B.] (.) und bemitleidete sie" (gegen Ende wieder in ff). Danach wird die durch die Parenthese unterbrochene Aufzählung jedoch nicht fortgesetzt. Hitler ruft den französischen Ministerpräsidenten
7
Der erste Befehl dazu war sogar schon vor der Rede, am 10.1.1940 ergangen, mit der Weisung, "die Offensive im Westen (...) am 17. (...) zu eröffnen". Der Termin wurde danach mehrmals verschoben (Bullock 1967: 578). Diese Tatsachen bestärken noch die Lesart der Sequenz als Drohung.
28 direkt an ("crescendo"), und beendet die Sequenz mit der sehr laut gesprochenen Äußerung: "vielleicht werden Sie meine Ostmärker8 kennenlernen". Der Abschluß in [C] steht syntaktisch in keinerlei Zusammenhang mit dem Beginn der Sequenz. Der Zusammenhalt der Sequenz wird, außer durch die fast durchgehaltene Aufzählung, vor allem durch kontrastiv wirkende, emphatisierende prosodische Mittel erreicht. Die gebrüllte Drohung als Abschluß von [C] "rettet" die nicht vollständig fortgeführte kausale oder konditionale Konstruktion. Die Prosodie rundet zum Schluß die syntaktisch zunächst vollkommen anders angelegte Liste zu einer vollständigen Sequenz ab.
8
Als "Ostmark" wurde in der Nazi-Terminologie das ins Reich eingegliederte Österreich bezeichnet.
3. Die Forschung zur Sprache im Nationalsozialismus
Die sprachwissenschaftliche Forschung zu diesem Thema war in den 60er Jahren von einer Diskussion gekennzeichnet, die kurz umschrieben werden kann als eine Diskussion über das Verhältnis von Wertung und Wissenschaftlichkeit bzw. von Moral und rationaler Methodik. Informativ und übersichtlich arbeitet S. Müller (1994) sowohl diese Diskussion als auch die einschlägige Literatur auf (vgl. insbesondere ebd.: 14-27). Des weiteren sei an dieser Stelle auf die besonders ausführliche und thematisch geordnete Bibliographie von Kinne und Schwitalla (1994) hingewiesen. Wir beschränken uns hier auf einige zentrale Arbeiten, die sich speziell mit Hitlers Rhetorik befassen. Methodisch liegt bei Arbeiten zur Sprache im Nationalsozialismus das Schwergewicht neben der - oft an der klassischen Rhetorik orientierten - Stilistik vor allem im lexikalischsemantischen Bereich. Dies ist insofern einsichtig, daß diese Ebene für sprachliche Untersuchungen besonders leicht zugänglich ist, zumal die frühen Arbeiten gerade im Bereich des Lexikons nicht auf Textzusammenhänge, d.h. auf Begriffe in ihrem textuellen Kontext eingehen, sondern den Schwerpunkt der Arbeit auf Einzelbegriffe und -Wendungen legen (vgl. v. Polenz 1978: 164, 165; Dieckmann 1975: 106-111). Dieser Punkt stellt nur einen Aspekt der Kritik dar, die in den 60er Jahren den Streit um eine adäquate Aufarbeitung des Gegenstandes hervorrief. Ausgangspunkt waren Arbeiten zur Nazi-Sprache - paradigmatisch hierfür stehen Sternberger, Storz und Süskind (1945ff.; 1968) - die den Sprachgebrauch im Nationalsozialismus unter stark politisierten und moralisierenden Vorzeichen untersuchten. Die Kontroverse drehte sich um die Frage, inwieweit bzw. ob Sprache per se amoralisch, unmenschlich und verbrecherisch sein könne, oder ob dies nicht vielmehr von deren Sprechern abhänge, d.h. vom Sprach gebrauch (Die zentralen Texte der Kontroverse sind dokumentiert im Anhang der Ausgabe von Sternberger, Storz und Süskind 1968). Von der Kritik wurde reklamiert, daß Wörter und stilistische Tendenzen, wie z.B. ein auffallend häufiger Gebrauch des Akkusativs (vgl. dazu Weisgerber 1957 und Kolb 1960) für sich gesehen keine Träger von moralischen Werten sein könnten. Vielmehr könne dies nur für die Sprecher gelten (vgl. v. Polenz 1964; 1965; 1967, Betz 1960; 1964). In der Folge des Streits fand Anfang der 70er Jahre ein paradigmatischer Wechsel im grundsätzlichen Forschungsansatz statt, der sich formelhaft als Wechsel von der "Sprache des Nationalsozialismus" hin zur "Sprache im Nationalsozialismus" bezeichnen läßt. Zusammenfassend hat dies Voigt (1974) in seinem Aufsatz "Bericht vom Ende der 'Sprache des Nationalsozialismus'" dargelegt: Die frühere Forschung hatte "die Frage nach dem Normalen des Sprachgebrauchs im Nationalsozialismus [...] nicht gestellt", mit der Folge, daß "fast jeder Wortgebrauch als den Nationalsozialismus charakterisierende Abnormität interpretiert werden" konnte (Voigt 1974: 451). Dieckmann (1975: 23), v.Polenz (1978: 160-173), Grieswelle (1972: 183-195) und Straßner (1987: 167) verweisen auf das 19. Jahrhundert als "Reservoir" (Dieckmann 1975: ebd.) für den von den Nazis präferierten Sprachstil, und untermauern damit, daß von einer isolierbaren "Sprache des Nationalsozialismus" nicht die Rede sein kann.
30 3.1
Sprache des Nationalsozialismus?
Voigt (1974) faßt folgende Kritikpunkte an der früheren Forschung zur Sprache im Nationalsozialisimus zusammen: Einzelne Wörter wurden isoliert, d.h. ohne Kontext als spezifisch nationalsozialistisch definiert. Auch am weiteren verbalen Kontext könne man an vielen Wörtern und Figuren jedoch "noch nichts spezifisch nationalsozialistisches festmachen" (Voigt 1974: 447). Die Sprache wurde in ihrem Ursprung personalisiert. So wurden von verschiedenen Autoren z.B. entweder Hitler (Berning 1964: 30) oder Goebbels (Klemperer 1995: 28; Bork 1970: 13) als Schöpfer der "Sprache des Nationalsozialismus" bezeichnet. Die Kennzeichen dieser Sprache seien mit deutlich "inhaltlich-politischen Einschätzungen" definiert worden (Voigt 1974: 448). Kein Autor hätte die "im zeitgenössischen Deutsch wirksamen Tendenzen" untersucht. Zwar weisen Seidel und Seidel-Slotty (1961) auf diese Problematik hin (ebd.: VIII), verfolgen diesen Sachverhalt jedoch nicht weiter. Andere Autoren suchten nach einzelnen Vorbildern, was jedoch als Erklärung für den Erfolg der Nazis, bzw. z.B. der Rhetorik Hitlers ungenügend bleibt (z.B. nennt Domarus (1965: 44) Wilhelm II, Kotze und Krausnick (1966: 63) das Johannes-Evangelium und Klemperer (1995: 216) Theodor Herzl). Als exemplarische Beispiele für diese Richtung sollen zwei Arbeiten kurz besprochen werden, Frind (1966) und Wedleff (1970). Für Frind stellt sich die "Sprache des 3. Reiches" durch den Aspekt der Manipulierung (ebd.: 130) als "Sondersprache" dar (ebd.: 129). Die Autorin stellt einen Hang zu Häufungen, Wiederholungen und Superlativen fest. Als besonders kennzeichnend für diese Sprache sei eine "Vulgarität", die an die "niedrigsten Instinkte appelliert", und die einen "Pseudomonumentalstil" pflege, dessen Funktion in "Heroisierung und Glorifizierung" liege (ebd.: 130). So sei die Sprache des 3. Reiches eine "gewalttätige Registriersprache", gekennzeichnet durch eine "übersteigerte Irrationalität", die den "Hörer und Leser überwältigt" (ebd.: 135). Winckler (1983) kritisiert daran das Vorgehen, "von schlechtem Sprachstil auf schlechten politischen Stil" zu schließen (ebd.: 486), ohne auf Vermittlungsstrategien einzugehen, die diese Wirkungen transportieren. Dies bedeute einen wissenschaftlichen Kurzschluß, da die Untersuchung so bei ästhetisch-normativen Sprachbetrachtungen stehenbleibe. Frinds Befunde über die Sprachverwendung (Häufungen etc.) lassen sich an zahlreichen NS-Texten zwar feststellen, wie es von mehreren Autoren - von Burke (1941) bis z.B. Voigt (1978) - auch getan wird. Dabei gehen jedoch z.B. gerade diese beiden einen entscheidenden Schritt weiter, und untersuchen rhetorische persuasive Strategien (Burke), oder - in Anlehnung an Burke - außer den rhetorischen auch psychologische, ideologische und inszenatorische, d.h. den Veranstaltungsrahmen betreffende persuasive Strategien (Voigt 1978). Des weiteren wird verschiedentlich versucht, linguistisch herausgearbeitete Wirkungen anhand historischer Quellen zu untermauern (z.B. Voigt 1978; Winckler 1983) Die Textanalyse von Wedleff (1970) zur Rede Hitlers am 1. Mai 1933 ist inhaltlich ähnlich gelagert wie die Arbeit Frinds (1966). Als stilistisch typisch hebt sie für Hitler einen sogenannten "Schreistil" (ebd.: 108) hervor, der aus der Tendenz zur Übertreibung heraus entstehe. Als mit der Übertreibung verwandte, typische stilistische Mittel Hitlers stellt Wedleff "Häufungen, Pleonasmen" (ebd.: 111) und "Wiederholungen", besonders in
31 Form der Anapher fest (ebd.: 112), des weiteren "Beschimpfungen, Schmähungen" und "Euphemismen" (ebd.: 114-118). Bezüglich der Syntax sieht Wedleff "Fragen", "Ausrufe und Einwürfe", "Einschaltungen und Anakoluthe", "Ausklammerungen", "Wiederholungen des Subjekts durch Personalpronomen" und "flektierte Formen des prädikativ gebrauchten Adjektivs" als typisch an (ebd.: 118-120). Gerade bei den letztgenannten Kriterien wird die Problematik der Zuordnung ["bestimmte sprachliche Form" = "nationalsozialistisch"] besonders deutlich, da z.B. rhetorische Fragen und Ausrufe etc. gängige rhetorische Mittel darstellen, die im Sprachschatz vorgegeben sind, ohne daß es nötig wäre, Sprache zu "manipulieren". Für den Wortschatz hebt Wedleff auf "Berauschungswörter" (ebd.: 121), "Fremdwörter" (ebd.: 123) und "Sonderwörter" (ebd.: 124) ab. Unter "Sonderwörtern" versteht sie in Anlehnung an Beming (1964) neugebildete Wörter. Abschließend stellt sie die These auf, daß "wenn man die Wiederholungen, die leeren Phrasen, die Vulgaritäten und die Dürftigkeit in Hitlers Sprache betrachtet, man annehmen [muß], daß der Erfolg seiner Reden nicht an Inhalt und Form lag, sondern hauptsächlich an seiner hypnotischen Kraft" (ebd.: 126).
Auch könne keine Tonaufnahme diesen "magnetism of a hypnotist" (Wedleff 1970: 108 = Zitat Bullock 1964: 374) in Hitlers Beredsamkeit für Analysen zugänglich machen. Wedleffs Arbeit stellt eine Auflistung stilistischer, syntaktischer und lexikalischer Besonderheiten in Hitlers Rhetorik dar, die zwar einerseits zutreffen, andererseits jedoch nicht hitlerspezifisch oder ausgesprochen nationalsozialistisch sind. Wie Winkler (1983) meines Erachtens richtig bemerkt, erhält man bei Hitler "den Eindruck einer stilistischen Überdeterminiertheit" (ebd.: 486). Ebenso berechtigt verweist er jedoch darauf, daß Wedleff keine rhetorische Analyse versucht, mit deren Hilfe man Wirkungsmechanismen aufzeigen könnte, und daß dementsprechend die "Aussagen zum ideologischen Gehalt und der Wirkung der Reden [...] unbefriedigend" bleiben (ebd.). Wedleffs Arbeit kommt über eine Hitler als schlechten Redner anprangernde Metaphorik nicht hinaus.
3.2
Sprache im Nationalsozialismus
3.2.1 Lexikalisch-semantisch und syntaktisch-stilistisch orientierte Arbeiten Unter anderem in direktem kritischen Bezug zur Arbeit Wedleffs haben Bosch (1980) und Winckler (1983) ebenfalls Hitlers Rede am 1. Mai 1933 analysiert und dabei versucht, detailliert Wirkungsmechanismen aufzuzeigen. Weitere Arbeiten zu Hitler als Redner, auf die wir eingehen wollen, sind die Untersuchungen von Burke (1967; zuerst engl.: 1941), Voigt (1978), Cancik (1980), und Volmert (1989). Größere Arbeiten sind von Grieswelle (1972), Maas (1984) und Ulonska (1990) vorgelegt worden. Burkes Essay zu Hitlers Rhetorik in "Mein Kampf' untersucht Hitlers Argumentationsstrategien. Wesentliche Momente in Hitlers Rhetorik sieht Burke in der "Spirititualisierung" von "materiellen Problemen" (Burke 1967: 30), erstens durch Herausstellung einer rassistisch begründeten "nationalen Würde", die nur für "Arier" bestimmt sei, gegenüber
32 der materiellen wirtschaftlichen Not, zweitens durch Materialisierung von immateriellen Problemen, z.B. mit der Schaffung eines einheitsstiftenden personifizierten "Teufels" (ebd.: 11), dem Judentum, dem die Schuld an der wirtschaftlichen Not zugeschrieben wird, und drittens durch Schaffung von Einheit mittels der Gegenüberstellung von "Zwietracht" der Parlamentarier und der Interessensgleichheit, die in der personalen Beziehung zwischen Volk und Führer herrsche (ebd.: 22). Diese Strategien würden umgesetzt in "endloser Wiederholung" (ebd.: 31), worin Burke neben der inhaltichen Komponente die große Wirkung Hitlers begründet sieht. Voigt (1978) klagt die bis dahin geringe Anzahl von linguistischen Einzelanalysen faschistischer Quellen ein. Er untersucht den Aufruf Hitlers vom 19.12.1941 hinsichtlich Vokabular und Stilistik. Typisch nationalsozialistisches Vokabular in Anlehung an Berning (1964) findet er nur wenig. Dagegen kann der Autor zeigen, daß der Text einerseits eine große Anzahl der oft aufgeführten und für den Nationalsozialismus als typisch bezeichneten stilistischen Charakteristika aufweist (Steigerungen, redundante Häufungen, verbale und nominale Doppelungen, übertriebene Nominalisierung, falsche Syntax etc.), andererseits aber seine beabsichtigte Wirkung als Aufruf offenbar verfehlte. Voigts These gründet sich textanalytisch auf der Entwicklung des Tempus vom Präsens hin zum Futur, was gleichzeitig eine modale Verschiebung hin zum Irrealen, zu Erhoffenden bedeutet. Die auf historischen Quellen beruhende Überprüfung bestätigt die auf linguistischem Wege gewonnene These: Zeitgenossen aus dem antifaschistischen Lager (Th. Mann, Klemperer) bis hin zu Nationalsozialisten (Goebbels) sowie Aussagen aus der breiten Bevölkerung ("Meldungen aus dem Reich" des Sicherheitsdienstes der SS = Boberach (Hg): 1984/85) zeugen von der verfehlten Wirkung des Aufrufs: Anstatt zu beruhigen und zu beschwichtigen verursachte die Nachricht von der Übernahme des Oberkommandos der Wehrmacht durch Hitler eher Unruhe, der Goebbels durch den hinausgeschobenen Zeitpunkt der Rundfunkübertragung entgegensteuerte (offenbar war ihm die Wirkung im voraus bewußt). Cancik (1980) untersucht die Rede Hitlers beim Appell der politischen Leiter auf dem "Parteitag der Ehre" am 11.9.1936 hinsichtlich der religiösen Sprachschicht, und findet Formen der Bibelsprache und mystische Motive. Die Wirkung der Rede besteht nach Cancic in der Identitätsbildung einmal durch direkte "Hinweisdefinitionen" ("Wir sind jetzt eins") (ebd.: 28), durch Analogiebildungen ("so...wie") und durch Hervorhebung der Einheit mittels gehäufter Präpositionen ("an euch", "in euch"). Religiöse Textgattungen unterstützen diese Wirkung: Gebet, Berufungsgeschichte, Prophetie, Bekenntnis etc. Zusammen mit der Betrachtung des einschlägigen Vokabulars ergebe sich der Eindruck einer "parachristlichen Festpredigt" (ebd.: 35). Cancik betont die Gefahr der Überbewertung bzw. Unterbewertung dieses Sprachaspekts, da dessen Stellenwert in Hitlers Rhetorik schwierig auszumachen sei. Auch Cancik sieht (wie z.B. Voigt 1978) die Problematik, die Wirkung von Reden Hitlers nachvollziehbar herauszuarbeiten, und dabei von pauschalisierenden und dämonisierenden, letztlich nicht nachprüfbaren Aussagen abzusehen. Bosch (1980) zeigt in seiner semantisch orientierten Untersuchung am Begriff des "1. Mai", wie Hitler einen Wechsel der Konnotationen des "1. Mai" organisiert, was zur Folge hat, daß die Bedeutung umgewandelt wird von einem "Tag der Arbeiterklasse" in einen unter dem Zeichen der kulturellen und nationalen - hier nationalsozialistischen - Einheit stehenden Feiertag.
33 Winckler (1983) untersucht Hitlers Rede zum 1. Mai 1933 orientiert an der klassischen Rhetorik , wobei er versucht, die Wirkung der Rede über verschiedene von Hitler angewandte Strategien herauszuarbeiten. So ergründet er in Anlehnung an Burke (1967) inszenatorische, psychologische, rhetorische und ideologische Strategien am Redetext, an dem er außerdem eine mit den Mitteln der klassischen Rhetorik beschreibbare Ordnung findet, die dem Topos der rhetorischen Inkompetenz Hitlers entgegensteht. Wie Voigt (1978) sucht auch Winckler, seine rhetorische Wirkungsanalyse historisch zu untermauern. Sein Verweis auf wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Untersuchungen über den ökonomischen Zustand der verschiedenen Bevölkerungsschichten im Deutschland der 30er Jahre macht den Appell an den Idealismus, bzw. (nach Burke) die Strategie, "nichtökonomische Erklärungen für ökonomische Mißstände" (Burke 1967: 18) zu liefern, aus historischen Gründen plausibel. Maas (1984) arbeitet anhand der unterschiedlichen Verwendungsweisen des Personalpronomens "wir" in einer Rede heraus, wie Hitler, indem er "wir" zunehmend in einer semantisch inklusiven Weise verwendet, Gemeinschaft herstellt (weniger "wir" im Sinne von z.B. "die Partei", sondern vermehrt "wir" im Sinne von "das Volk", "die Nation", "das Publikum und der Redner" etc.). Dies ist eine auch schon von anderen Autoren angewandte analytische Verfahrensweise. Maas bleibt dabei jedoch nicht stehen, sondern versucht darüberhinaus, "eine Lesweise [Hervorh.im Text; H.-R.B.] für Texte aus dem Nationalsozialistischen Deutschland" zu entwickeln, "die die darin inskribierte Praxis in ihren Widersprüchen aufzeigt" (Maas 1984: 17). Sein Ziel ist es, "zu einer Analyse [Hervorh.im Text; H.-R.B.] zu kommen - statt nur assoziativ wertend zu denunzieren, wie es in den Arbeiten zur 'Sprache im Nationalsozialismus' häufig geschieht" (ebd.). Wie der Autor selbst betont, bleibt das Vorhaben, im gegebenen Rahmen für die Textanalyse erstens eine "von den historischen Erklärungshypothesen unabhängige, formale (immanente) Beschreibung der Texte" zu leisten, und zweitens "ein begriffliches Koordinatensystem für die Beschreibung" zu entwicklen, "das durchlässig ist für eine sozialgeschichtlich angeleitete Interpretation der in den Texten inskribierten Sprachpraxis" (ebd.:208), bei dieser "Bandbreite [...] deskriptiver Akribie" ein Versuch (ebd.): "Mit dem Umfang, den diese in Kap.5 und 7 annimmt, ist sicher die Grenze einer noch brauchbaren immanenten Detailanalyse erreicht, wenn nicht überschritten" (ebd.: 209). Der Anspruch, "Wege aufzuzeigen, auf denen diese Analyse unternommen [...] werden kann" (ebd.: 16), wird dabei jedoch auf jeden Fall eingelöst. Auf den Widerspruch zwischen der von der Sprachkritik oft beschriebenen grammatischen Unfähigkeit Hitlers, und seiner unbestreitbaren Wirkung als Redner hat Volmert (1989) hingewiesen. Wie Volmert anmerkt, sind die Feststellungen über "informationsarme Sprache", "beschränkten Wortschatz", "zahlreiche Wiederholungen", "grammatisch oft inkorrekte Sätze" und einen "Argumentationsstil, der diesen Namen kaum verdient" durchaus zutreffend (ebd.: 137). Andererseits ist auch die besonders effiziente Wirkung Hitlers als Redner vielfach bezeugt. Bemerkenswert an seiner Untersuchung ist, daß er unter den "redebegleitenden Faktoren", deren Bedeutung er unterstreicht, neben Verhaltensmerkmalen (Mimik, Gestik etc.) und situativen Faktoren (Veranstaltungen an "historischen" Stätten, zu "historischen" Zeitpunkten) auch parasprachliche Faktoren als "oratorische Realisierung" einbezieht. Seine Analyse beschränkt sich dann allerdings auf "auffällige Wortwahl bzw. Wortstellung, Inkongruenz der Semantik prädikativer Glieder" und "besondere Syntax, Satzan-
34 schlüsse und textuelle Struktur" (ebd.: 142). Volmerts Ziel ist es, Abweichungen von "normalsprachlicher Planung" (ebd.) herauszuarbeiten, und Grad und Art der Abweichung als Maßstab für Wirkungsqualitäten heranziehen, bzw. als Kennzeichen "des Genres 'faschistische Rhetorik' definieren" (ebd.: 141). Dabei geht es hier nicht um eine Kurzschließung von Sprachform und Nazionalsozialismus. Wie Volmert betont, ist die faschistische Rhetorik "zu verstehen als ein Teil [...] der Inszenierung eines Gemeinschaftserlebnisses, das sich am ehesten noch als "säkularer Gottesdienst" charakterisieren läßt. [...] Allerdings handelt es sich bei den Redeauftritten nicht um magische Rituale, sondern um massenpsychologisches Kalkül in Verbindung mit organisatorischer Perfektion. In diesem kommunikativen Rahmen erscheint als eines [Hervorh. im Text; H.-R.B.] der Wirkungsmomente die extreme Stilisierung der sprachlichen Form" (Volmert 1989: 158).
Ulonska (1990) und Grieswelle (1972) untersuchen beide Reden aus der Zeit von 1920 bis 1933, wobei Grieswelles Untersuchung auf Stil und Inhalt abhebt, Ulonska ausschließlich lexikalisch-semantisch vorgeht. Mit Blick auf die bisherige Forschung zur Sprache im Nationalsozialismus stellt Grieswelle fest, daß "die Gretchenfrage, warum Hitler mit seiner Rhetorik so erfolgreich war, kaum gestellt [...] worden (ist) " (Grieswelle 1972: 3). Der Grund dafür liegt aus seiner Sicht in "Fragen nach Ideologie, Moral und Ästhetik", die den Blick verstellten "für eine sachgerechte Erörterung der Effizienz Hitlerscher Rhetorik" (Grieswelle 1972: 4). Hitler grammatische Fehler oder "unschöne" Sprache (ebd.) nachzuweisen, läßt "das große Geheimnis, wie ein solch schlechter Rhetor [...] die Massen aus allen Schichten des Volkes bezauberte" unaufgelöst (ebd.: 5). Er verweist in diesem Zusammenhang auf die in der antiken Rhetorik bestehenden Lizenzen, von den für das Schriftliche geltenden Regeln im mündlichen Vortrag unter bestimmten Umständen abzuweichen (vgl. Grieswelle 1972: 148; Lausberg 1973: 164): "In einer rhetorischen Analyse, die die Wirksamkeit politischer Rede erforscht, ist es unergiebig, Sprachkritik zu betreiben, sondern es gilt zu zeigen, was die sprachlichen Mittel für die Propagierung der Inhalte leisten. Falsche Grammatik, bizarre Bilder und umständliche und unscharfe Formulierungen können unter Umständen viel wirkungsvoller rhetorische Aussagen kommunizieren als exakte Grammatik, richtig gewählte Bilder und treffender Ausdruck" (Grieswelle 1972: 148).
Als zentral in Hitlers Rhetorik sieht Grieswelle eine "Strategie der Negation" und "Strategie der Diffamierung", wodurch Hitler seine Zuhörer gewinne (vgl. Grieswelle 1972: 64ff., 148ff.). Grieswelle betont dabei die Bedeutung des situativen Umfelds der Reden "deren Wirkkraft ja nur im Zusammenhang mit der spezifischen Atmosphäre nationalsozialistischer Massenversammlungen zu verstehen ist" (ebd.: 43). Für eine Untersuchung, die auf rhetorische Wirkungen abhebt zieht das die Notwendigkeit nach sich, die Reden als mündlichen Vortrag vor einer Öffentlichkeit zu sehen, und nicht nur als geschriebenen Text. "Die Diffamierung war ein wesentliches Instrument in Hitlers strategischem Repertoire" (Grieswelle 1972: 81). Sie sei Hitlers Werkzeug zur Negierung schlechthin. Er kommt zu dem Schluß, daß sich Hitlers Vortrag vor allem durch Gefühlsmomente auszeichne, nicht durch einen logisch-argumentativen "einheitlichen Überredungsprozeß" (ebd.: 151). Hitlers Vortrag sei im Gegenteil gekennzeichnet durch "die Drastik apodiktischer Behauptungen" die auf jegliche Differenzierung verzichte und nur mit stark gezeichneten Gegensätzen arbeite (ebd.: 151).
35 Als besonders wirksame stilistische Form findet Grieswelle "die Anapher in der Redefigur der Trias mit beschwertem dritten Glied in einem großen, dreiteiligen Satzgefüge" (ebd.: 154). Dieser Befund deckt sich mit Befunden aus der hier durchgeführten empirischen Arbeit, die zeigen, daß stilistische Strukturen aus drei Einheiten grundsätzlich einen beachtlichen Anteil an den vom Publikum in der Regel mit Applaus, zuweilen auch nur verbal ratifizierten Sequenzen ausmachen. Ulonska (1990) klammert die Mündlichkeit der Reden aus methodischen Gründen aus. Seine Beschränkung auf schriftliche Quellen begründet er, indem er sich auf eine These von Lange (1968) beruft, die besagt, "daß eine gehörte Hitlerrede die gleiche Wirkung auf die Hörer ausübt wie eine gelesene Rede auf den jeweiligen Leser" (Ulonska 1990:70). Der Autor geht davon aus, daß Tugenden oder Werte, die antike Rhetoriker wie Aristoteles, Cicero oder Quintilian formuliert haben, in der modernen Gegenwart immer noch Geltung besitzen, wenn sich auch ihr Stellenwert in der Gesellschaft, oder ihre Bezeichnung jeweils geändert haben mag (vgl. ebd.: 36ff.). So versucht Ulonska anhand dieser Kriterien, an neun Reden Hitlers aus dem Zeitraum von 1920 bis 1933 die Ursachen der durchschlagenden rednerischen Wirkung Hitlers auf sein Publikum herauszuarbeiten. Er wertet die Reden dabei aus nach Lexemen bzw. Phrasen und Teilphrasen, die die Darstellung des Ethos, d.h. die Selbstdarstellung betreffen, und greift dazu auf Tugendkategorien und Vermittlungsstrategien der antiken Rhetorik zurück, denen er interpretativ semantisch entsprechende Lexeme aus den Reden zuordnet. Durch Quantifizierung und deren graphische Darstellung entstehen so Verlaufsbilder der Reden, an denen das mengenmäßig unterschiedliche Vorkommen der Kategorien und Strategien zur Selbstdarstellung abgelesen und interpretiert werden kann. "Das Überzeugungsmittel der 'Charakterdarstellung' basiert auf einer Identifikation von Hörer und Redner. Aus diesem Grunde frage ich [...] danach, was an Hitlers Rhetorik (positiv), identifikationsfördernd gewirkt haben kann. Das ist ein provokanter Paradigmen Wechsel" (Ulonska 1990: 2).
Als "provokant" sieht Ulonska seine Fragestellung deshalb an, weil er sich damit gegen eine in vielen Arbeiten vorherrschende Tendenz abgrenzt, in Reden Hitlers vor allem stilistische Fehler zu suchen. "Die Schablone [des H.-R.B.] Interpretationsrahmens heißt Unfähigkeit, schlechter Stil, falsches Pathos. Den Ergebnissen zufolge bleibt es im Grunde unverständlich, warum gerade dieser Redner in der Lage war, große Versammlungen zu begeistern" (ebd.).
Ein methodisches Problem bei Ulonska liegt in der semantischen Kategorisierung von Lexemen bzw. Äußerungseinheiten, da sich bei genauerem Hinsehen zeigt, daß Lexeme oft unter mehrere Kategorien und Strategien fallen könnten, sie jedoch immer nur einem Wert (Vermittlungsstrategie + Tugendwert) zugeschrieben werden.9 Da die Werte und Strategien mittels Kurven quantifiziert und abgebildet werden, könnten sich bei einer Häufung derartiger Zweideutigkeiten andere Kurvenverläufe und damit unter Umständen andere Resultate ergeben.
9
Dieses Problem einer auf semantischen Kriterien beruhenden Kategorisierung von Äußerungseinheiten stellt sich auch bei dieser Arbeit. Es wird versucht, dem Problem durch mehrfache Zuschreibungen zu begegnen (vgl. Kap.8 u. Darstellung der Reden auf Zeitstrahlen in Kap.5).
36 Die Verlaufskurven der Vermittlungsstrategien zeigen deutlich, daß die Fragestellung Ulonskas nach dem "Positiven" in Hitlers Reden ihre Berechtigung hat. Nach einem Höhepunkt der neutralen Kategorie "persönliche Erzählung", der "rhetorischen Nullinie" (ebd.: 90), ist im Mittelteil der Reden die Strategie der Diffamierung vorherrschend. Diffamierung ist in ihrer Absicht und in ihrer praktischen Durchführung als Sprechhandlung an sich negativ. Bei dieser Negativität bleibt es im Redeverlauf jedoch nicht: Im Durchschnitt beginnen die Reden, nach der Hälfte "positiv" zu werden, indem die positiv konnotierten rhetorischen Strategien "Ziele", "Taten" (immer bezogen auf Hitler bzw. die Nationalsozialisten) und "sittliche Ermahnungen" jeweils zunehmen, und im letzten Drittel der Rede einen deutlichen Höhepunkt bilden, während die Strategie der "Diffamierung" fast ganz zurückgeht (vgl. ebd.: 129). Die Analyse der vermittelten Tugenden oder Werte bringt dabei ein Ergebnis hervor, das mit dem Resultat der Strategien-Analyse korreliert. Das bedeutet tatsächlich, daß Hitler gegen Ende seiner Reden inhaltlich "positiv" wird, was wiederum heißt, daß Ulonskas Kritik, Arbeiten über Reden Hitlers, die in der Analyse bei deren Negativität und Destruktivität stehenblieben, griffen zu kurz, ihre Berechtigung hat.
3.2.2 Arbeiten zur Prosodie in Hitlers Rhetorik Zur Sprechweise von Politikern innerhalb des Themas "Sprache im Nationalsozialismus" ist wenig geschrieben worden. Lange (1968) untersuchte in einer kleinen Arbeit die Sprechform Hitlers und deren Wirkung anhand von Polaritätsprofilen. Schnauber (1972) hat die bislang einzige größere Untersuchung zur Prosodie Hitlers (im Vergleich mit Goebbels) vorgelegt. Lange (1968) analysiert drei nicht näher bezeichnete Ausschnitte aus Reden Hitlers anhand von Polaritätsprofilen, wie sie von Hofstätter (1957) entwickelt wurden. Er untersucht die Wirkung Hitlers auf unterschiedliche Hörergruppen bei gleichzeitiger Unterscheidung von Sprach- und Sprechform Hitlers. Mehrere Gruppen von Versuchspersonen, unterschieden nach Alter (älter/jünger als 40 Jahre), Geschlecht und dialektaler Herkunft (mittelbayrisch/nicht-mittelbayrisch), erhalten Manuskripte, hören den Originalton und verschiedene Fremd-Sprechformen, d.h. die Texte werden vorgelesen. Die Methode des Polaritätsprofils geht davon aus, daß Sprache die Umwelt durch Gegensatzpaare wie "feucht/trocken" "kalt/warm" etc. kategorisieren kann (Lange 1968: 343). Dabei stehen diese "Gegensatzpaare [...] nicht unbedingt in einer sachlichen Beziehung zu dem zu untersuchenden Begriff, Zeichen, Redeausschnitt usw., [...] [haben] wohl aber assoziativ einen metaphorischen Bezug" (ebd.: 344). Je stärker die Extreme 1 oder 7 auf der Skala angenähert (oder erreicht) werden, als desto stärker sei die Wirkung anzunehmen. Ausgeglichener wirke eine Rede, wenn sich die Werte ca. in der Mitte zwischen 1 und 7 bewegen (z.B. ebd.: 347). Die Profilanalyse zeitigt einige interessante Ergebnisse. So ist offensichtlich die Sprechweise Hitlers bei den jüngeren Versuchspersonen (unter 40 Jahren) wirkungsvoller als die Sprachform, während sie bei den älteren annähernd gleich ist. Das bedeute, daß "den jüngeren [...] die spezifische Wirkungsabsicht erst durch die Sprechform deutlich [wird], während den älteren die Sprachform hierfür genügt" (ebd.: 346). Der Autor deutet dies so, "daß von den älteren Personen in die Sprachform Erinnerungen an das erlebte hitlersche Original projiziert werden" (ebd.).
37 Lange führt aus, daß zwischen Sprachform und realisierter Sprechform keine großen Differenzen bestünden, obwohl "nach landläufiger Meinung das akustisch wahrgenommene Intonatorische für die Wirkung besonders entscheidend" sei (ebd.: 345). Das nun widerspricht sämtlichen Erkenntnissen der neueren sprachwissenschaftlichen Forschung zur gesprochenen Sprache hinsichtlich der Rolle prosodischer Merkmale (Intonation, Rhythmus etc.) bei der Wirkung auf Adressaten. Schnauber (1972) vergleicht die Redeweisen von Hitler und Goebbels, und interpretiert sie als Spiegelbild des jeweiligen Charakters. Dabei schreibt er den prosodischen Befunden psychologische und physiologische Wirkungsweisen beim Publikum zu. Diese intuitivspekulative Vorgehensweise birgt methodisch große Probleme in sich. Neben dem Vergleich von Hitler und Goebbels liegt ein besonderes Gewicht auf der Prosodie Hitlers bzw. ihrer rhetorischen Wirkung. Schnauber führt aus, daß Prosodie "stumm erlebbar" sei, d.h. beim Lesen mitartikuliert werde, und daß damit "prosodische Untersuchungen von Schreib- und Sprechstil mit den gleichen Mitteln vorzugehen haben" (ebd.: VIII). Da bei Hitler davon auszugehen ist, daß auch die geschriebenen Texte im eigentlichen Sinne Redetexte sind - sein Buch "Mein Kampf' wurde diktiert, seine Reden hielt er gleichsam beim Diktieren schon zum ersten Mal (vgl. Zoller 1949: 16f.) - ist diese Beurteilung der Texte legitim. Jedoch bringt stummes Mitartikulieren keine Information darüber, wie ein Redetext tatsächlich ausgesprochen wurde. Für die Interpretation der festgestellten Phänomene greift Schnauber auf einen "subjektivistisch-biologischen "Ansatz des Wiener Psychiaters und Phonetikers Felix Trojan (1951) zurück, der von zwei entgegengesetzten "Leistungsarten im vegetativen Nervensystem des Menschen ausgeht, die sich im Sprachrhythmus niederschlagen. Diese "Leistungsarten" - "ergotrop" steht für "KräfteVerausgabung", "Wirkung auf die Außenwelt", "trophotrop" für "Kräftesammlung" (Schnauber 1972: 4ff.) - seien nun nicht nur "situationsbedingt", sondern auch "charakterlich-habituell" vorzufinden (ebd.: 5), d.h., "daß bei jedem Menschen in seiner gesamten charakterlichen Grundhaltung die eine oder andere Funktionsrichtung überwiegt" (ebd.). Hitler sei in diesem Zusammenhang eine ergotrope Grundhaltung, Goebbels eine trophotrope zuzuschreiben (ebd.: 11 u. passim). In Schnaubers Herleitung der rhetorischen Wirkung Hitlers entsteht der Eindruck, bei den Adressaten handle es sich um ein durch Redekunst willen- und bewußtlos gemachtes Publikum: Hitlers Art der Äußerungsgliederung führe zusammen mit der Art und Weise der Betonung dazu, daß "die emotionale Neigung zur Endbetonung" beibehalten werde bei gleichzeitiger Störung der "logischen Denkfuntionen der Großhirnrinde" (eben durch die dem Sprachempfinden zuwiderlaufende Art der Gliederung mittels Zäsuren). Dadurch "wird [...] wie schon durch Hitlers rhythmisches Skandieren [...] die Denkfunktion der Großhirnrinde weitgehend ausgeschaltet" (ebd.: 83). Das heißt, "daß Hitler einerseits [...] Redetexte [...] die er aus einer gewöhnlichen satzlogischen Einheit herausreißt in ihrer Wirkung suggestiv erhöht und daß der andererseits, weil er eben konträr zu unserer gewohnten Satzlogik spricht, unser Denken blockiert und uns damit ganz und gar seiner Suggestivwirkung aussetzt" (ebd.: 84).
Hitler zwinge durch "die Eigenart seiner rhythmisch-melodischen Gliederung [...] den Hörem irgendwelche Meinungen, vor allem aber irgendwelche Reaktionen" auf (ebd.: 86). Nach Schnauber findet sich auch bei den Klangfarbenänderungen "meistens ein Mißverhältnis zwischen der Bedeutung des Textes und der Bedeutung dieses von ihm angewand-
38 ten prosodischen Mitteilungswertes" (ebd.: 100). So sei auch hier "die grundsätzliche Wirkung, daß sich der Zuhörer mehr und mehr von der Bedeutung des Textes löst und der stärkeren Eindruckskraft der prosodisch-emotionalen Mitteilungswerte hingibt" (ebd.). Hier wird ein grundsätzliches Problem bei der Vorgehensweise Schnaubers besonders deutlich. Die Anwendung der biologistischen Methode Trojans führt zu einem vorschnellen Schluß von empirisch feststellbaren Phänomenen auf nicht nachprüfbare, nicht im Datenmaterial enthaltene Wirkungsweisen, Wirkungsabsichten und Charaktereigenschaften des Sprechers. Auch wenn Schnauber auf den prinzipiellen Unterschied zwischen geschriebenem und gesprochenem Text hinweist (ebd.: 36), versucht er doch, Sprachmelodik und Rhythmus an schriftlich edierten Texten darzustellen (ebd.: 1 Iff.) (z.B. anhand der Sammlung von Klöss 1967; vgl. Schnauber 1972: 37). Hinzu kommt, daß Schnauber mit meines Erachtens zu intuitiven Beschreibungskategorien arbeitet, die an den Textbeispielen kaum nachzuvollziehen sind. So werden Textbeispiele zur Demonstration von Rhythmik und Melodik mit Interpunktion versehen, d.h. als syntaktisch-normativ edierte Schrifttexte wiedergegeben, darüberhinaus ohne zusätzliche Notierung von z.B. Betonungen oder Tonhöhen. Problematisch ist zum Teil auch die Textauswahl. So untersucht er z.B. Hitlers letzte an die Öffentlichkeit gerichtete Verlautbarung, seine Proklamation an die Soldaten der Ostfront vom 15.4.1945. Dies ist ein Text, den Hitler öffentlich nie selbst gesprochen hat, sondern der per Fernschreiber erging (vgl. Domarus 1965: 2223, 2224). Hitler sei hier nicht "versöhnlicher", sondern im Gegenteil rhythmisch immer noch "scharf, hart und ergotroph" (ebd.: 35f). Zu den schwer nachvollziehbaren Folgerungen über Wirkungen anhand von Texten kommen interpretativ hergeleitete Motive Hitlers, die so nicht aus dem Text hervorgehen können. In Hitlers letzter selbstgesprochener Rede vom 30. 1. 1945 (Hitler spricht im Rundfunkstudio ohne Publikum) findet Schnauber "versöhnlicher wirkende Rhythmen", die jedoch "nur ein augenblickliches und taktisches Einschmeicheln [bedeuten]" (ebd.: 36). Auch die Intonation an dieser Stelle, eine plötzliche Senkung "in die Tiefe, in das voller Tönende, Angenehmere und Versöhnlichere" (ebd.: 36) sei so beschaffen, "daß die Absicht des Einschmeicheins sofort erkennbar" werde (ebd.). Diese Beispiele mögen genügen, um die Problematik der Vorgehensweise Schnaubers zu verdeutlichen. Schnaubers Arbeit ist ein früher Versuch in einer Disziplin, die erst ab der zweiten Hälfte der 80er Jahre verstärkt ins Blickfeld der sprachwissenschaftlichen Forschung gerückt ist, und Anfang der 70er Jahre noch in den Anfängen steckt. Dies wird auch daran deutlich, daß Schnauber auf Pionierarbeiten zur Phonetik und Prosodie angewiesen ist (Wundt 1904, Trojan 1952, v.Essen 1953). Zu Hitler im besonderen, aber auch zur Sprache im Nationalsozialismus überhaupt, ist sie die einzige größere Arbeit in dieser Richtung geblieben (vgl. Kinne und Schwitalla 1994: 18). Die Vorgehensweise, linguistischen Phänomenen psychologisierend Eigenschaften und Intentionen des Sprechers zuzuschreiben, ist methodisch zumindest problematisch. Wo knüpft nun die vorliegende Arbeit an? Es wird versucht, eine möglichst objektive Methodik zur Durchführung der Interaktionsanalyse anzuwenden, und dabei gleichzeitig die historisch wirksamen Kontexte mit zu betrachten. Um eine "Verobjektivierung" des Datenmaterials zu erreichen, geht die Analyse in folgenden Schritten vor: Erstens werden aus dem Datenmaterial als empirisch konkrete Ansatzpunkte die Ratifizierungen von Redesequenzen durch das Publikum festgehalten. Zweitens werden aus dem
39 Material heraus linguistische Untersuchungskategorien definiert (vgl. Kap.2). Die Ergebnisse aus den ersten beiden Punkten schlagen sich in Abbildungen der Reden auf Zeitstrahlen nieder (Kap.5), die die Grundlage bilden für die weitere Analyse. Drittens wird ein methodischer Kanon festgelegt, der einen "Analyse-Bauplan" darstellt. Mit Hilfe dieses Bauplans wird die rhetorische Realisierung der definierten Kategorien und ihre Beziehung zueinander systematisch, d.h. möglichst lückenlos, untersucht (Die Struktur dieses Untersuchungskanons spiegelt sich im sukzessiven Aufbau dieser Arbeit wider). Dabei bedienen wir uns einer quantifizierenden Auswertung. Viertens werden auf diese sukzessiv komplexer werdenden (weil aufeinander bezogenen) Analysen historische Kontexte gelegt, und die Ergebnisse aus der linguistischen Untersuchung anhand dieser Kontexte interpretiert. Es soll damit versucht werden, dem Anspruch einer möglichst rationalen Vorgehensweise und der parallelen Betrachtung sowohl textueller als auch kontextueller Faktoren gerecht zu werden. Mit diesem Vorgehen wird, wie im Vorwort angesprochen, nur das "Gemeinte", d.h. der Gegenstand selbst (unkommentiert) untersucht. Das liegt in der Methode begründet, die das Material in einem gewissen Sinn verfremdet, so daß die Inhalte dies betrifft vor allem das Kapitel zur Semantik der Reden - dem Leser in ihrer konkreten Ausprägung verdeckt bleiben, und nur in den kleinen Ausschnitten der Beispielsequenzen schlaglichtartig auftauchen.
4. Auswahlkriterien und historisch-politische Kontexte der Reden
4.1
Auswahlkriterien
Es werden folgende Reden Hitlers bearbeitet: 10.2.1933, Berlin, Sportpalast; 26.9.1938, Berlin, Sportpalast; 19.9.1939, Danzig, Artushof; 30.1.1940, Berlin, Sportpalast; 30.9.1942, Berlin, Sportpalast; 8.11.1943, München, Löwenbräukeller; 24.2.1944, München, Hofbräuhaus. Bei der Auswahl spielen vor allem zwei Kriterien eine Rolle. Erstens müssen die Reden für den hier verwendeten methodischen Ansatz vollständig als Tondokument überliefert sein. Zweitens soll durch die herangezogenen Fälle die Zeit zwischen 1933 und 1945 so abgedeckt werden, daß Aussagen über historische Entwicklungen getroffen werden können. Des weiteren soll möglichst ein "ziviles" Publikum anwesend sein,, d.h. ein ungesteuert zur Veranstaltung gekommenes Auditorium. Letzteres Kriterium ist nur mit Abstrichen erfüllbar. Zum Teil ist bei den ausgewählten Reden ein Publikum aus Parteifunktionären anwesend (1939, 1943 und 1944), zum Teil ist aus den Quellen heraus nicht klar abzuschätzen, inwiefern das anwesende Publikum aufgrund der Zugehörigkeit zu Parteigruppierungen ausgewählt worden ist, d.h., wenn nicht "handverlesen", so doch auf Anordnung anwesend war (1938, 1940 und 1942). So wie sich die Quellenlage darstellt, ist keine andere Auswahl möglich, wenn man vermeiden will, daß der untersuchte Zeitraum Ende 1942 endet. Um dennoch Reden mit einem relativ natürlich agierenden Publikum zur Untersuchung heranzuziehen, wurden von vornherein Reden mit rein militärischem Publikum (z.B. Hitlers Reden vor Offiziersanwärtern), und Reden, die von Ort und Anlaß her auf einen eher formalen Ablauf schließen lassen (z.B. Hitlers Reichstagsreden) aus der Auswahl der für diese Arbeit als relevant erscheinenden Reden ausgeklammert. Proben haben in der Tat ergeben, daß das Publikum bei diesen Reden, v.a. wenn es sich um Militär handelt, kaum agiert.
4.2
Historisch-politische Kontexte der Reden
Die Darstellung der politischen Kontexte soll für die Interpretation der Reden dienliche Orientierungslinien und Anhaltspunkte liefern. Eine historisch detaillierte Darstellung der jeweiligen politischen Situation, der Kriegslagen etc. würde den Rahmen dieser Arbeit
41 sprengen. Auch erscheint mir, was den "großen" historischen Rahmen als Bezugspunkt anbelangt, für die Interpretation und Einordnung der linguistischen Befunde eine skizzenhafte Darstellung als ausreichend. Ein detaillierteres Augenmerk werden wir dagegen auf individuelle zeitgenössische Aussagen legen, die zusätzlich zur Rezeption der Reden, die auf den Tondokumenten festgehalten ist, weitere Folgerungen über die Rezeption der Reden zulassen. Dieser mikroskopischere Bereich historischer Informationen wird aus arbeitsorganisatorischen Gründen jedoch erst am Ende dieser Arbeit (Kap. 10) herangezogen, da davor die Interaktionsvorgänge zwischen Hitler und dem unmittelbar am Redeort anwesenden Publikum im Detail herausgearbeitet werden sollen. Im Anschluß an diese Befunde werden dann bei der Gesamtinterpretation zeitgenössische Zusatzinformationen aus dem äußeren Kontext dazugestellt. Im folgenden wird nun lediglich holzschnittartig der historisch-politische Rahmen der einzelnen Reden abgesteckt.
4.2.1 Kontexte 10.2.1933 1933 ist das Publikum aus freien Stücken anwesend. Die Rede ist zentraler Bestandteil der ersten Kundgebung der NSDAP nach der Machtübernahme am 30. Januar 1933: Hitler ist noch nicht der "Führer" des III. Reiches, sondern lediglich seit zehn Tagen Reichskanzler der Weimarer Republik. Nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 folgt das, was in der Parteiterminologie die "legale Revolution" genannt wird: die Konsolidierung der Macht der NSDAP innerhalb des legalen Rahmens der Weimarer Republik. Dabei spielt die Reichstagsauflösung mit anschließenden Neuwahlen eine wichtige Rolle. Schon in den Verhandlungen vor der Reichstagsauflösung wird in der Ministerbesprechung vom 31.Januar 1933 die Forderung laut, daß die kommende Wahl "die letzte sein solle und eine Rückkehr zum parlamentarischen System für immer zu vermeiden sei" (Reimers et.al. 1971: 191). Nachdem Koalitionsverhandlungen mit dem Zentrum bewußt zum Scheitern gebracht worden sind, und Hitler sich in der Diskussion über Neuwahlen im Kabinett durchgesetzt hat, erlangt er die Zustimmung Hindenburgs zur Auflösung des Reichstags und zur Ausschreibung von Neuwahlen. Durch die Neuwahlen erhofft er sich einen starken Stimmenzuwachs für seine Partei und damit einen Ausbau seiner Machtposition in der Regierung. Er kann den Wahlkampf aus der Position der Regierungspartei heraus führen, wobei die ihm von der Verfassung her zustehenden Machtmittel eine wichtige Rolle spielen. In der Zeit vor der Wahl terrorisieren SA und SS politische Gegner, während die NSDAP mit Hilfe von Notverordnungen beginnt, ihre Macht zu festigen. Wichtig ist es, festzuhalten, daß es sich im Februar 1933 noch nicht um den absolut in seiner Macht gefestigten NSStaat handelt. "Noch ist keine totale Beherrschung des Staatsapparats erreicht, noch sind die Massenmedien nicht gleichgeschaltet und noch ist keine vollständige Durchdringung der publizistisch bedeutsamen Institutionen gelungen, obwohl doch die NSDAP im Besitz der staatlichen Machtmittel ist" (Reimers et.al. 1971: 211).
42 Außer dem Terror der Straße sind es vor allem zeitweilige Verbote von Zeitungen auf der Grundlage der Verordnung des Reichspräsidenten "Zum Schutz des deutschen Volkes" vom 4. Februar 1933, die den Wahlkampf kennzeichnen (vgl. Reimers et.al. 1971: 21 Iff.). So schreibt die Neue Züricher Zeitung am 21.Februar 1933: "Die oppositionelle Presse hat es unter diesen Umständen nicht leicht, den Wahlkampf zu führen, während die Blätter der Regierungsparteien in der glücklichen Lage sind, sich in der Polemik gegen ihre Gegner keinen Zwang antun zu müssen" (zit. in: Reimers et.al. 1971: 214).
4.2.2 Kontexte 26.9.1938 Die Rede vom 26.9.1938 findet drei Tage vor dem Abkommen von München statt (29.9.1938), bei dem auf vorangegangenen deutschen Druck und anschließende britische und italienische Vermittlung hin, von Sudetendeutschen bewohnte Gebiete der Tschechoslowakei an Deutschland fallen. Sie ist die letzte einer Reihe von Reden zu diesem Thema, die Hitler auf zahlreichen Parteikundgebungen im Vorfeld der Münchner Konferenz hält, und damit Endpunkt einer propagandistischen Hetzkampagne, die nicht nur durch Reden, sondern auch in der nationalsozialistischen Presse in den Wochen davor geführt wurde (vgl. die September-Ausgaben des "Völkischen Beobachters"). In weiten Teilen ist sie persönlich gegen den tschechoslowakischen Staatspräsidenten BeneS gerichtet. 1938 ist der NS-Staat längst gefestigt: Eine innere organisierte Opposition gibt es seit 1933 nicht mehr (Auflösung von Parteien und Gewerkschaften im Mai 1933, die NSDAP wird Staatspartei am 1.12.1933) und ist im weiteren auch nicht mehr möglich. 1934 übernimmt Hitler nach dem Tod Hindenburgs (2. August) auch das Amt des Reichspräsidenten. Auf ihn als "Führer und Reichskanzler" wird die Reichswehr vereidigt. Es beginnt die "'Erfassung' aller Deutschen durch die 'Gliederungen der NSDAP' und die 'angeschlossenen Verbände'" (Zusammenfassung am 24.10.1934 in der "Deutschen Arbeitsfront") (vgl. Kinder/Hilgemann 1966: 195). 1936 ist die Übernahme der gesamten Polizeigewalt (Schutz-, Kriminal- und politische Polizei) durch die NSDAP abgeschlossen. Eine durch Arbeitsbeschaffungs- und Rüstungsmaßnahmen verursachte positive wirtschaftliche Entwicklung in Innern (starke Verringerung der Arbeitslosigkeit), sowie eine Serie v.a. außenpolitischer Erfolge Hitlers seit 193510, die die durch den Versailler Vertrag geschaffene Ordnung sukzessive aufheben, sichern insbesondere ihm eine hohe Popularität in der deutschen Bevölkerung. Zu welchen Teilen das Publikum an diesem Abend im Rahmen von Parteiorganisationen oder aus freien Stücken privat anwesend ist läßt sich nicht ermitteln. Sicher muß von einem gewissen Anteil an Gruppen aus NS-Organisationen ausgegangen werden, jedoch ebenso von einem großen Teil an "ungesteuertem" Zulauf. Der Aufruf zur Teilnahme an der Kundgebung im "Völkischen Beobachter" ("VB") vom selben Tag (Norddeutsche Aus-
10
Wiedereingliederung des Saarlandes nach Abstimmung in der Bevölkerung im Januar 1935; Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht im März 1935; Einmarsch in das entmilitarisierte Rheinland im März 1936; "Wiedervereinigung Österreichs mit dem Reich" im März 1938 (Volksabstimmung im April) (vgl. Kinder/Hilgemann 1966: 197).
43 gäbe) enthält organisatorische Details, die eher auf überwiegend ungesteuerte Teilnahme schließen lassen, wobei eine quellenkritische Beurteilung nicht außer acht lassen darf, daß vom offiziellen NS-Parteiblatt nicht zu erwarten ist, Zwänge - irgendwelcher Art auch immer - herauszustreichen, sondern im Gegenteil die freiwillige Beteiligung der Bevölkerung zu betonen. Der Aufruf lautet folgendermaßen (Schrägstriche markieren den Zeilenumbruch): "Ein Aufruf der Gauleitung Berlin / Heraus zur Großen Sportpalast-Kundgebung! / Zu der Bekanntmachung über die große Volkskundgebung im Sportpalast teilt die Gauleitung / Berlin ergänzend mit: / Der Eintritt zu der morgigen Sportpalastkundgebung ist frei. / Die Kundgebung wird durch Lautsprecher auf den Anfahrtsstrecken des Führers von der Reichskanzlei, / Wilhelmstraße, Leipziger Straße, Potsdamer Platz, Potsdamer Straße übertragen. / der Sportpalast wird um 5 Uhr nachmittags für das Publikum geöffnet. / Berliner, heraus zur großen Volkskundgebung! / Soweit ihr im Sportpalast keinen Platz findet, stellt ihr für den Führer bei der Hin- und Rückfahrt zum / Sportpalast ein unübersehbares Menschenspalier und bereitet ihm einen Empfang mit den Ge/fühlen, die uns in diesen historischen Stunden alle bewegen." ("Völkischer Beobachter" Nr. 269, Montag 26. September 1938 (Nordd.Ausg): 1).
Für den freiwilligen Zulauf spricht die Ankündigung des freien Eintritts, die Angabe der Öffnungszeit des Sportpalastes, sowie die Aufforderung an diejenigen, "die keinen Platz finden", ein "unübersehbares" Spalier zu bilden.
4.2.3
Kontexte 19.9.1939
Am 19.9.1939 spricht Hitler in Danzig (Artushof), nachdem Polen in der Folge des deutschen Überfalls vom 1.9.1939 praktisch besiegt ist. Wenn auch der polnische Widerstand noch einige Tage anhält (Warschau bis 27.9., Modlin bis 28.9.), definiert die deutsche Führung die Niederlage Polens auf diesen Zeitpunkt. Dies geschieht, um aus propagandistischen Gründen dem möglichen Eindruck entgegenzuwirken, Deutschland benötige die Hilfe der Sowjetunion, die am 17.9., entsprechend dem Abkommen mit Deutschland (Geheimprotokoll zum Nichtangriffspakt zwischen NS-Deutschland und der Sowjetunion ("Hitler-Stalin-Pakt") vom 23.8.1939), ebenfalls in Polen einmarschiert (vgl. Kinder/Hilgemann 1966: 199). Zum Zeitpunkt der Rede befindet sich Deutschland schon ca. seit zwei Wochen im Krieg mit England und Frankreich. Die Kriegserklärungen erfolgten - nach einem Ultimatum an Deutschland - am 3.9.1939. Kriegerische Handlungen von Seiten Englands und/oder Frankreichs erfolgen jedoch auch nach der polnischen Niederlage noch nicht. Beim Publikum im Saal des Artushofes handelt es sich um Danziger Funktionäre der NSDAP, d.h. um ein organisiertes Publikum (vgl. die Begrüßung durch Hitler: "mein Gauleiter"; vgl. "Völkischer Beobachter" Nr. 264 vom 21.9.1939: 4 (Nordd. Ausg.): "dort in den ehrwürdigen Artushof tritt nun der Führer. Hier sind die alten Kämpfer dieses Gaues versammelt"). Mittelbar anwesendes Publikum ist - abgesehen von den Hörern am Radio die Menschenmenge auf dem Platz davor, die die Rede über Lautsprecher verfolgt.
44 4.2.4
Kontexte 30.1.1940
Anlaß der Rede ist der siebte Jahrestag der sogenannten Machtergreifung. Von englischer und französischer Seite sind noch keine kriegerischen Handlungen erfolgt, was Hitler die Gelegenheit gibt, sich in seinem bisherigen "Erfolg" selbst zu feiern. Die Analyse dieser Rede zeigt dies deutlich. Goebbels notiert zum 30.1.1940: "Mittags Führer. [...] Er will zum 30. Januar im Sportpalast sprechen. Ich muß das ganz geheim für heute vorbereiten" (Goebbels 1987, Bd.4: 26). Tags darauf schreibt er zum Vortag: "Lange an der Vorbereitung der Sportpalastversammlung gearbeitet. Es gelingt mir, sie bis 14h völlig geheim zu halten" (ebd.: 27). Die Geheimhaltung ist vermutlich als Sicherheitsmaßnahme gegenüber möglichen Attentätern zu verstehen (vgl. hierzu Goebbels: "Ich habe immer Angst vor Attentaten gegen den Führer. [...] Ein paar Versuche sind rechtzeitig entdeckt worden" (ebd.: 29). Das anwesende Publikum war auf alle Fälle kurzfristig über die Veranstaltung informiert. Entweder kommt es also relativ spontan aus freien Stücken, oder es besteht zum großen Teil aus Gruppen der Parteiorganisationen z.B. NS-Berufsverbänden, die rasch mobilisiert werden können. Für einen relativ großen Anteil an organisierten Gruppen im Publikum spricht eine Sequenz der Rede, in der aus dem Publikum auf zwei rhetorische Fragen (!) im Chor mit "ja" und "nein" geantwortet wird. Diese Rede wird außerhalb des Sportpalastes erst publik, nachdem sie gehalten worden ist (keine Direktübertragung im Rundfunk). Im "Völkischen Beobachter" der Berliner Ausgabe vom 30.1.1940 (Dienstag) sind von Seite 1 bis 3 diverse Aufsätze zum Jahrestag der Machtübernahme zu finden, unter anderem von Stabschef Viktor Lutze und Alfred Rosenberg (beide auf der Titelseite beginnend), und - entsprechend der Tagebuchnotiz von Goebbels zur Geheimhaltung - kein Hinweis auf die abendliche Rede. Die Berliner Ausgabe vom folgenden Tag (Mittwoch, 31.1.1940) veröffentlicht dann den Redetext (Seiten 3 und 4) und weitere Berichte zur Veranstaltung (Titelseite). Links unten auf der Titelseite findet sich die Ankündigung der Ausstrahlung der Rede im Radio: "Wiederholung der Führerrede / Mittwoch 12 Uhr Uber alle Sender / Berlin, 30. Januar. / Die Rede, die der Führer am Dienstag / im Sportpalast hielt, wird Mittwoch um / 12 Uhr über alle deutschen Sender wieder/holt" (VB Nr. 31 vom 31.1.1940 (Berliner Ausg.): 1).
Die Norddeutsche Ausgabe des "Völkischen Beobachters" hat am 31.1. den Redetext noch nicht, kündigt jedoch dessen Veröffentlichung für den folgenden Tag an (1.2.1940), an dem er dann auch erscheint. Ein Widerspruch (vermutlich aufgrund der kurzfristigen Bekanntgabe, d.h. aus logistischen Gründen) zeigt sich im Vergleich zur Berliner Ausgabe bei der Ankündigung der Radioausstrahlung: Die Norddeutsche Ausgabe kündigt (in der Ausgabe vom 31.1.1940) unter dem Datum des 30. Januars die Radioübertragung der Rede "heute abend, 20 Uhr" an. Eventuell wurde die Rede am 31.1. zweimal gesendet (12 Uhr und 20 Uhr), was jedoch nicht abschließend geklärt werden kann. Auf jeden Fall kann davon ausgegangen werden, daß die Rede auch für die Parteipresse eine Überraschung war.
45 4.2.5
Kontexte 30.9.1942
Am 30.9.1942 spricht Hitler anläßlich der Eröffnung des seit September 1933 bestehenden "Winterhilfswerks", einer jährlich stattfindenden, staatlich organisierten Sammelaktion von Spenden an Bedürftige (Geld, Winterbekleidung, Naturalien), die entsprechend propagandistisch inszeniert wurde (Stichwort "Volksgemeinschaft"). Der Krieg bietet im Vergleich zur Rede vom 30.1.1940 ein stark verändertes Szenario: Deutschland hat inzwischen Dänemark und Norwegen (April 1940), Holland, Belgien, Luxemburg und Frankreich (Mai/Juni 1940), Jugoslawien und Griechenland (April bis Juni 1941) und die Sowjetunion (Juni 1941) überfallen und bis auf letztere alle Staaten besiegt, die Verwaltungen übernommen oder dem NS-Regime wohlgesonnene Regierungen eingesetzt. Hitler ist Ende 1942 nicht mehr der uneingeschränkte Sieger wie 1939 und Anfang 1940, auf dessen Aktionen hin (Überfall auf Polen) zwar Kriegserklärungen, jedoch zunächst noch keine entsprechenden Handlungen gefolgt waren. Das rasche Vorrücken der deutschen Truppen in der Sowjetunion ab Juni 1941 stoppt aufgrund von Witterungseinflüssen (Herbst/Winter), Erschöpfung der nicht für den Winter ausgerüsteten deutschen Truppen und einsetzendem sowjetischem Widerstand vor Moskau. Nach teilweisem Rückzug und einer erneuten Offensive im Sommer 1942 geschieht im Herbst 1942 dasselbe (vgl. Kinder/Hilgemann 1966: 207; auch z.B. die Darstellung in Bullock 1967: 656-660, 664, 668, 687-689; oder auch: Steinert 1994: 520-611). Und nicht nur im Osten kommen Ende 1942 die deutschen Truppen zum Stehen: "Im Herbst 1942 konnte Hitlers ganzes Drängen nichts an der Tatsache ändern, daß der deutsche Vormarsch sowohl in Stalingrad wie im Kaukasus und in Nordafrika zum Stehen gebracht worden war. Diesmal bedeutete das keine vorübergehende Unterbrechung; es war das Ende von Hitlers Offensiven" (Bullock 1967: 689).
Zum Zeitpunkt der Rede ist dies selbstverständlich nicht offensichtlich. Die Kapitulation von Stalingrad hat noch nicht stattgefunden und man blickt auf eine Sommeroffensive zurück, die noch einmal "erfolgreich" war. Inhaltlich sind dennoch zahlreiche Passagen feststellbar, die besonders das Stehenbleiben der Truppen erklären und militärisch legitimieren wollen. Gegen den Strich gelesen gibt auch der "Völkische Beobachter", der die Rede ansonsten natürlich feiert, einen Hinweis auf den Charakter der Rede, wenn er betont: "Die Reden Adolf Hitlers sind niemals nur Rechenschaftsberichte" (VB Nr. 275 vom 2.10.1942 (Nordd.Ausg.): 1). Hitler zieht in der Rede besonders diese erklärenden Ausführungen stark ins Lächerliche und findet damit großen Anklang: Bezüglich rhetorischer Realisierung und des Zusammenspiels zwischen Hitler und Publikum ist diese Rede besonders herausragend. 1942 ist das Zustandekommen des Publikums im Sportpalast unklar. Es stellt sich auch hier die Frage, inwieweit diese Personen aus dem Apparat von Parteiverbänden stammen, d.h. auf offizielle Aufforderung hin zur Veranstaltung kommen. Sicherlich muß 1942 von noch schärferen Sicherheitsmaßnahmen als 1940 ausgegangen werden, was für die Annahme spricht, daß es sich weitgehend um geladenes oder zumindest organisiertes, d.h. in Gruppen eingebundenes Publikum handelt. Der Bericht im "Völkischen Beobachter" liefert zwischen den Zeilen Hinweise dafür, daß das Publikum organisiert zusammengeholt wurde, denn zumindest große Teile, wenn nicht das ganze Publikum, kommt direkt von der Arbeit: "So wie sie von der Arbeit aufgebrochen sind, sitzen sie hier Schulter an Schulter,
46 die vielen tausend unbekannten Helfer und Helferinnen der NSV" 11 (VB Nr. 275 vom 2.10.1942 (Nordd.Ausg.): 2). Goebbels verzeichnet nichts über eine Geheimhaltung, aber das Datum von Bericht und Abdruck der Rede im "Völkischen Beobachter" geben, wie bei der Rede von 1940, Aufschluß darüber. Die Mitteilung über die Rede im Sportpalast am Mittwoch, dem 30.9.1942 erscheint auf der Titelseite der Ausgabe vom Donnerstag, dem 1.10.1942: "Die Rede des Führers / Berlin, 30. September. / Am Mittwoch früh wurde in Berlin amtlich mitgeteilt: / Anläßlich der Eröffnung des Kriegswinterhilfswerks 1942/43 spricht der / Führer heute um 18 Uhr in einer Großkundgebung der NSDAP. Reichs- / minister Dr. Goebbels wird zu Beginn der Kundgebung den Rechen/schaftsbericht Uber das Kriegswinterhilfswerk des vergangenen Jahres / erstatten. Die Veranstaltung wird auf alle Sender übertragen. Eine / Wiederholung der Übertragung findet heute um 20.15 Uhr statt. / Bei Redaktionsschluß des "VB." lag die Rede des Führers noch nicht vor. / Wir veröffentlichen sie in der nächsten Nummer im vollen Umfang." ("Völkischer Beobachter" Nr. 274, Donnerstag 1. Oktober 1942 (Nordd.Ausg.): 1).
Unklar ist, wie die Deixis des zweiten Temporaladverbs "heute" zu verstehen ist. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder es bezieht sich auf das Datum des Textes und damit auf das Datum der Rede, d.h. den 30.9.1942, oder es bezieht sich auf das Datum der Zeitungsausgabe, d.h. den 1.10.1942. Der zweite Fall würde insofern Sinn machen, als so die Leser über die Möglichkeit informiert würden, eine Wiederholung der Rede im Radio empfangen zu können ("Eine Wiederholung der Übertragung findet heute um 20.15 Uhr statt"). In diesem Fall wäre allerdings die Zeitstruktur des Textes unlogisch, da das erste "heute" sich eindeutig auf den Redezeitpunkt bezieht, d.h. auf den Tag davor ("spricht der Führer heute um 18 Uhr"). Im ersten Fall wäre die Zeitstruktur logisch korrekt, beide Temporaladverbien sprächen vom selben Tag, dem Vortag der Zeitungsausgabe, jedoch wäre der Informationswert für den Leser wenig relevant, da die Rede schon stattgefunden hat und eine Wiederholung offenbar nicht vorgesehen wäre. Eine Möglichkeit, die wir bisher nicht beachtet haben, ist die, daß Ankündigungen von Redeübertragungen eventuell primär Uber den Rundfunk und nicht über die Presse erfolgten, was die zeitlichen Differenzen zwischen Reden und Presseberichten sekundär werden ließe. Ausgangspunkt für diese Überlegung ist die zentrale Rolle, die dem Rundfunk in der nationalsozialistischen Propaganda zukommt (vgl. hierzu z.B. Frei 1983: 163). Ausgestrahlt wurde die Rede auf alle Fälle, sei es am selben Tag oder am Tag danach. Als sicher kann darüberhinaus festgehalten werden, daß, wie 1940, erst am Tag der Rede eine Mitteilung darüber in Berlin verbreitet wurde ("Am Mittwoch früh wurde in Berlin [...]").
4.2.6
Kontexte 8.11.1943
Die Auswertung der Dokumentation von Domarus (1965) sowie die Auswertung der Verzeichnisse des Deutschen Rundfunkarchivs (DRA) ergibt, daß nach 1942 keine öffentlichen "großen" Reden Hitlers mehr stattfinden. Öffentlichkeit wird - sieht man vom Publi-
11
NSV = NS-Volkswohlfahrt. Angeschlossener Verband der NSDAP, zugleich Spitzenorganisation der Arbeitsgemeinschaft freie Wohlfahrtspflege Deutschlands (Deutsches Rotes Kreuz, Caritas, Innere Mission) (zitiert aus: Brackmann/Birkenhauer 1988).
47 kum in diesem Fall im Löwenbräukeller ab - ausschließlich durch Rundfunk und Presse hergestellt. Schon diese Tatsache ist bezeichnend und muß für die Interpretation beachtet werden. Zunächst seien schlaglichtartig einige Ereignisse und Fakten zum Kriegsverlauf aufgeführt, auf die auch die Rede Bezug nimmt: Die deutschen Truppen in Afrika kapitulieren am 13.5.1943. Der Bündnispartner Italien fällt aus und wird im Lauf des Jahres Kriegsgegner. 12 Bis Mitte August 1943 erobern britische und amerikanische Truppen Sizilien, und landen bei Tarent und Salerno, worauf sich die deutschen Truppen bis nördlich Neapel zurückziehen. Die sowjetische Armee ist seit Ende 1942 in der Offensive (Kapitulation der 6. Armee in Stalingrad am 31.1. und 2.2.1943). Eine letzte deutsche Offensive im Juli 1943 ("Zitadelle") wird nach einer Woche abgebrochen. Hitler befiehlt die Bildung von zu haltenden sogenannten "festen Plätzen", was das sowjetische Vorrücken jedoch nicht verhindert. Die alliierten Luftangriffe, die massiv schon 1942 beginnen, finden jetzt auch tagsüber statt. Anlaß der Rede ist der nationalsozialistische Gedenktag des gescheiterten Putsches vom 8.11.1923 ("Marsch auf die Feldherrnhalle"). Das Publikum besteht - wie bei der Danziger Rede von 1939 - aus einem relativ kleinen Kreis von Parteifunktionären, die in diesem Fall zu den ersten Mitgliedern der Partei, den sogenannten "Alten Kämpfern" gehören: Die Rede findet in geschlossener Gesellschaft vor einem exklusiven Publikum statt, das in gewisser Hinsicht den innersten Kern der Nazibewegung bzw. die engere Gefolgschaft Hitlers darstellt. Eine Ankündigung in der Presse erfolgt nicht, auch nicht am Tag der Rede. Am 9.11. erscheint ein Bericht mit der Ankündigung des Redetextes für den folgenden Tag (vgl. VB Nr. 313; Redetext in VB Nr. 314: 3-4, jeweils Nordd.Ausg.). Gesendet wird sie am selben Abend "um 8.15 über alle Sender" (Goebbels 1993, Bd.10: 262). Es ist davon auszugehen, daß die Ausstrahlung im Radio angekündigt worden ist, da die Adressaten der Rede in irgendeiner Form davon unterrichtet sein mußten, und in der Presse dieses Mal nichts erscheint. Dies kann so auch bei der Rede von 1942 der Fall gewesen sein (vgl. Ausführungen hierzu oben).
4.2.7
Kontexte 24.2.1944
Diese Rede hat für die Öffentlichkeit nicht stattgefunden. Sie wurde weder ausgestrahlt noch schriftlich veröffentlicht, und ist dem Verfasser erst auf Anfrage bekannt geworden. In dem vorliegenden Verzeichnis des DRA ist sie nicht verzeichnet, da sie erst später in den Bestand des Archivs aufgenommen wurde. Eine schriftliche Edition des Textes, wie sie für alle anderen hier bearbeiteten Reden mehrfach vorliegt, existiert nicht. Aus diesem Grund wird diese Rede im Anhang dieses Buches im Wortlaut wiedergegeben. Belegt ist die Rede, soweit bekannt, lediglich in Goebbels' Tagebuch, zuerst in einer Notiz zum
12
Entlassung und Verhaftung Mussolinis am 25.7.1943; Die Regierung Badoglio führt Geheimverhandlungen mit den Alliierten ab 3.8.1943 in Lissabon; Waffenstillstand zwischen Italien und den Alliierten (3.9.1943, Bekanntgabe am 8.9.1943); Kriegserklärung Italiens an Deutschland am 13.10.1943.
48 23.2.1944: "Der Führer hat die Absicht, nach München zu kommen und auf der Parteigründungsfeier13 eine große Rede zu halten" (Goebbels 1993, Bd.ll: 332). Die Situation auf den Kriegsschauplätzen ist allgemein durch weiteres Vorrücken der Alliierten und eine starke Intensivierung der alliierten Luftangriffe gekennzeichnet. Wenige Tage vor Hitlers Rede landen US-Truppen hinter den deutschen Linien bei Nettuno (15.2.), ein Ereignis auf das die Rede Bezug nimmt. Ab Anfang 1944 rücken sowjetische Truppen zunächst im Süden vor (wo deutsche Truppen am weitesten vorgedrungen waren). Im Jahr 1944 fällt im Vergleich zu 1943 mehr als das fünffache (in Tonnen) an Bomben auf Deutschland (vgl. Statistik in Kinder/Hilgemann 1966: 200). Zur See und in der Luft erringen die Alliierten im Lauf des Jahres praktisch die alleinige Initiative: deutsche Luftund Seestreitkräfte sind immer weniger handlungsfähig.
13
Der Anlaß findet im Redetext mehrfach Erwähnung. Durch diese und andere zeitlich einordenbare Angaben im Text ist die Datierung der Rede zweifelsfrei gesichert: " [...] es ist schon sehr selten in der Geschichte (.) daß ein Mann (.) nach vierundzwanzig Jahren (.) nachdem er ein Programm verkündet hat [...]", oder: "[...] vierundzwanzig Jahre (.) das ist eine lange Zeit (.) damals war ich einunddreissig Jahre alt (.) und da hab ich ein Programm verkündet (.) das ich heute als fünfundfünfzigjähriger [...]".
5. Interaktionsverlauf zwischen Redner und Publikum in Phasen
Als Gradmesser für die Interaktion zwischen Redner und Publikum dienen die im Verlauf der Rede auftretenden Publikumsäußerungen verbaler und non-verbaler Art, deren Auftreten mit Hilfe des Bandzählwerkes (Echtzeitangabe) notiert wird. Das methodische Vorgehen ist folgendermaßen: Aus dem Tondokument wird jeweils der Zeitpunkt ermittelt, an dem eine Ratifizierung (im folgenden auch Publikumsäußerung oder Publikumsreaktion genannt) von Seiten des Publikums einsetzt. Die Eintragung dieser Momente auf einem Zeitstrahl ergibt für jede Rede ein Bild, das die Ratifizierungen in ihrem variierenden zeitlichen Abstand zueinander zeigt. Die unterschiedliche Dichte der Publikumsäußerungen in der Zeit ermöglicht es, jede Rede in eben dadurch definierte Phasen einzuteilen. Diese Einteilung erfolgt zunächst aufgrund des optischen Eindrucks der Dichte der Eintragungen. Dann wird für jede Phase die Dichte der Ratifizierungen berechnet, ausgedrückt in Publikumsreaktionen pro Minute (=PR/Min). Ausgangspunkt der Analysen sind die Publikumsäußerungen. Die Annahme ist, daß es in den ihnen unmittelbar vorangehenden Redesequenzen Auslöser bzw. Signale geben muß, die das Publikum aufnimmt und dementsprechend - meistens kollektiv - behandelt. Diese Signale - detailliert beschrieben in Kapitel 2 - suchen wir in Anlehnung an Atkinson (1984), Heritage/Greatbatch (1986), Lerner (1993) und F. E. Müller (1989, 1991, 1994, 1996) zunächst auf syntaktisch-stilistischem Gebiet: Gesucht werden Listen und Paarkonstruktionen. Zur Stilistik werden prosodische Befunde in Bezug gesetzt: Gesucht wird nach emphatisch markierter Prosodie, als deren Indikator wir gesteigerte Lautstärke und Rhythmisierung (Skandieren) heranziehen. Schließlich werden auf diesen Komplex (Stilistik + Prosodie) ausgewählte semantische Kennzeichen der Texte bezogen. Ziel ist es erstens, im synchronen Vergleich der Reden Wechselwirkungen und Zusammenhänge zwischen den genannten linguistischen Bereichen bei gesprochener Sprache zu untersuchen. Zweitens wird diachron untersucht, inwiefern und wie sich die Rhetorik Hitlers zwischen 1933 und 1944 entwickelt bzw. verändert. Bei beiden Aspekten liegt ein besonderes Augenmerk auf der Interaktion zwischen Redner und Publikum - zum einen hinsichtlich der aus dem sprachlichen Handeln heraus wirksamen, allgemeinen Interaktionsprinzipien, die wir empirisch herausarbeiten wollen, zum anderen hinsichtlich der historischen Interaktionsverläufe. Für den diachronen Aspekt ist die jeweilige historischkontextuelle Einbettung der Reden besonders wichtig. Ein methodisches Problem bei der auf dem optischen Eindruck beruhenden Einteilung in Phasen besteht darin, zu klären, wie mit den "Leerstellen", d.h. den mehr oder weniger großen Lücken im Interaktionsverlauf zu verfahren ist. Dies ist wichtig, da hiervon unter anderem der zu errechnende Wert für die Dichte der Bekundungen aus dem Publikum abhängt (PR/Min). Wir werden so verfahren, daß entweder eine Leerstelle mit zu einer angrenzenden Phase gezählt wird, wenn diese zumindest teilweise ähnliche Zeitabstände aufweist. In diesem Fall grenzen die Phasen unmittelbar aneinander (vgl. z.B. 1933 die Phasen I und II; 1940 die Phasen I und II; 1943 die Phasen IV und V). Andernfalls, wenn der Zeitabstand nicht in diesem Sinn zuordenbar ist, fällt die applausfreie Passage der Rede aus der Einteilung heraus (vgl. z.B. 1933 zwischen den Phasen II und III; 1942 zwischen den Phasen III und IV, 1944 zwischen den Phasen I und II oder IV
50 und V). Bei unklaren Verhältnissen werden Alternativberechnungen, d.h alternative Einteilungen zum Vergleich herangezogen (vgl. z.B. 1944 die ersten 30 Minuten). Wichtig ist es, zu betonen, daß die Einteilungen in Phasen nicht als statisch zu verstehen ist, sondern bei der Interpretation auch davon abweichende bzw. phasenübergreifende Aspekte relevant werden können. Die Phasen sind in diesem Sinne als Hilfskonstruktionen zu verstehen, die einen hermeneutischen Zugang ermöglichen sollen. Ein weiteres Problem für die Interpretation der Darstellungen auf Zeitstrahlen ist die unterschiedliche Vorlaufzeit der einzelnen Beifallsbekundungen, d.h. die unterschiedliche Länge der eigentlich applaudierten Sequenzen, die in der graphischen Darstellung nicht weiter gekennzeichnet sind. Hinzu kommen in diesem Zusammenhang die Sequenzen, die die applaudierten Sequenzen inhaltlich vorbereiten, d.h. ihnen vorauslaufen, jedoch nicht im engeren Sinn dazugehören, weil sie z.B. formal-stilistisch oder prosodisch abzutrennen sind. So sind z.B. bei der Rede von 1942 die Sequenzen 18 und 19 genauso zusammenhängend, wie etwa die nachfolgende Serie der Sequenzen 19 bis 21. Der größere Abstand in der Abbildung (d.h. der längere Zeitraum von Applaus zu Applaus) rührt daher, daß Sequenz 19/1942 teilweise aus einer Aufzählung besteht, die eine längere Sprechzeit ausmacht. Ein andereres Beispiel ist Sequenz 41/1942, deren inhaltliche Vorbereitung unmittelbar nach dem Applaus von Sequenz 40/1942 beginnt, jedoch formal als konditionale Paarkonstruktion ("wenn" - "dann") erst nach diesem Vorlauf beginnt. Es ist daher unter Umständen möglich, daß Beifallsbekundungen, die anscheinend im Vergleich zu anderen Sequenzen relativ weit auseinanderliegen als genauso aneinandergereiht zu gelten haben, wie Beifallsbekundungen die sehr dicht aufeinander folgen. Um diese Fehlerquelle bei der Großeinteilung der Reden auszuschalten, muß jeweils der Text herangezogen werden. Als wirkliche "Pausen" 14 im direkten Interaktionsverlauf haben sich narrative Blöcke herauskristallisiert, die von ihrer Gattung her nicht auf Applaus angelegt sind. Die folgenden Abbildungen der sieben Reden auf Zeitstrahlen bilden die Grundlage für alle weiteren Analysen. Zum Verständnis der Abkürzungen und Symbole sei auf das Abkürzungs- und Symbolverzeichnis verwiesen. Als Lesehilfe sind auf jeder Seite links vom Zeitstrahl die Kategorien der einzelnen Zeilen aufgeführt.
14
Eine Pause im Interaktionsverlauf bedeutet in diesem Zusammenhang, daß keine hörbaren vom Publikum ausgehende Expressionen festzustellen sind. Es ist davon auszugehen, daß Interaktion zwischen Redner und Publikum immer abläuft, d.h. auch wenn nur der Redner hörbar ist und das Publikum ihn (unhörbar) rezipiert, da zur Interaktion auch nonverbale, d.h. visuelle Signale zu zählen sind. Der Begriff "Pause" gilt hier somit nur für akustische Signale.
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82 5.1
Phasen 10.2.1933, Berlin, Sportpalast
Der Redeverlauf stellt sich in vier Phasen dar. Eine überaus klare Entwicklung zeichnet sich ab. Phase I wird umrahmt von größeren, ca. fünf Minuten dauernden Passagen, in denen das Publikum ruhig bleibt. Die vier auftretenden Publikumsreaktionen liegen dabei relativ weit auseinander (ca. 1,0 bis 1,5 Min). Rechnet man die beiden stillen Passagen mit zur Phase I hinzu, so erhält man mit 0,3 PR/Min (Publikumsreaktionen pro Minute) einen sehr niedrigen Wert. Auch bei einer stärkeren Eingrenzung dieser Phase auf vier Minuten bleibt der Wert mit 1,0 PR/Min deutlich unter dem Wert von Phase II (1,4 PR/Min). Wir können also für den Beginn der Rede von einem Anlaufprozeß ausgehen, der so zu interpretieren ist, daß sich Publikum und Redner langsam einander annähern. In Phase II erfolgen Applausbekundungen in fast der Hälfte der Fälle im Abstand von einer halben Minute oder weniger, wobei ein Blick in den Text zeigt, daß die applaudierten Sequenzen dieser Phase zum größten Teil unmittelbar aufeinander folgen (vgl. Sequenzen 14 bis 26). Phase III ist mit 1,7 PR/Min die dichteste Phase der Rede. Global gesehen erfolgt also, nach einer Anlaufphase, die ca. die Hälfte der gesamten Redezeit ausmacht, im letzten Drittel der Rede die dichteste Interaktionsphase zwischen Redner und Publikum. Phase IV, die im Vergleich zu den anderen Phasen relativ kurz ausfällt, weist mit 0,7 PR/Min einen ähnlichen Wert auf wie Phase I (1,0 PR/Min), schließt mit einem Abstand von ca. 3 Minuten jedoch dichter an Phase III an, als Phase I an Phase II. Somit fallt der Wert für die interaktive Dichte zum Schluß hin zwar ab; Phase IV ist jedoch längst nicht so lang, wie die Anfangsphase, und folgt zeitlich sehr dicht auf den "rhetorischen Höhepunkt" von Phase III. Das Bild dieser globalen Entwicklung läßt sich bei interner Betrachtung der Phasen noch präzisieren. Denn schon innerhalb von Phase II findet eine Entwicklung hin zu dichterer Interaktion statt. In den 12 Minuten ab Sequenz 5 bis vor Sequenz 18 beträgt die Dichte der Publikumsäußerungen 1,1 PR/Min, in den vier Minuten von Sequenz 18 bis 26 dagegen 2,25 PR/Min. Nach der längeren, fast beifallsfreien Passage zwischen den Phasen II und III beträgt der Wert in den ersten drei Minuten (Sequenz 28 bis 34) 2,3 PR/Min, in den restlichen 6,5 Minuten von Phase III noch 1,4 PR/Min. Somit liegt das seltsam anmutende Ergebnis vor, daß die dichteste Passage der Rede im Grunde sich verteilt auf das Ende von Phase II und den Beginn von Phase III - getrennt durch ca. sieben Minuten fast ohne Applaus, dem Zeitraum, der die Phasengrenzen an diese Stelle zu setzen nahelegt. Wie ist das zu interpretieren? Der Befund entkräftet nicht die anhand der Phasen festgestellte Tatsache, daß in dieser Rede eine Steigerung hin zu einem gewissen Höhepunkt stattfindet. Er präzisiert vielmehr das Bild insofern, als daß über die Qualität dieses Momentes weitere Aussagen möglich sind: Offenbar ist die Gestimmtheit im Sportpalast schon im Verlauf von Phase II an einem Punkt angelangt, der auch einen längeren narrativen Redeabschnitt, der nicht applaudiert wird, überdauern kann. Mit dem erneuten Auftreten beifallsrelevanter Stellen, machen Publikum und Redner dann zunächst so weiter, wie sie Minuten zuvor aufgehört haben. Die Interaktivität zwischen Hitler und Publikum kommt zwischendurch auch ohne expressive Bekundungen von Seiten des Publikums aus, sie dauert gleichsam an.
83 Es ist an dieser Stelle nochmals eine Bemerkung zum methodischen Vorgehen angebracht: Die interne Betrachtung der Phasen verdeutlicht die Problematik, von der bereits bei der Erläuterung der Einteilung der Reden in Phasen die Rede war. Es sei noch einmal betont, daß die auf optisch-graphischen Eindrücken beruhende Phaseneinteilung ein Instrument darstellt, eine erste Gliederung des Datenmaterials zu erzielen, die als empirische Grundlage die Interaktion, genauer die Ratifizierungen der Reden durch das Publikum heranzieht. Einerseits ist diese Art der Einteilung durch die Zeitmessung empirisch abgesichert. Andererseits muß betont werden, daß in einer Phaseneinteilung prinzipiell die Gefahr liegt, daß lokale Entwicklungen im Redeverlauf unberücksichtigt bleiben. Dieser Gefahr muß, wie die Analyse der Phasen II und III/1933 zeigt, mit einer genaueren internen Betrachtung der Phasen begegnet werden. Stellt man sich den interaktiven Gesamtverlauf der Rede bildlich vor, so ergibt sich ein Bogen, der bis zur 30. Minute (Sequenz 26) auf ein bestimmtes Niveau ansteigt, dieses Niveau nach einer relativ langen Unterbrechung weiter aufweist (ca. von der 37. bis nach der 40. Minute), dann noch in Phase III etwas zurückgeht, jedoch nicht so weit, wie im Anfangsbereich von Phase II. Die kurze Schlußphase, Phase IV, weist zwar einen weit geringeren Wert in der Dichte auf, als die vorangehenden, ist jedoch zeitlich sehr eng an die dichteste Phase III angebunden und zeitigt im übrigen Publikumsreaktionen, die in ihrer Intensität jeden "normalen" Rahmen sprengen. Von der Qualität der Publikumsreaktionen her kann von einem "Abflauen" der interaktiven Vorgänge - wie es die Zahlen nahelegen könnten - nicht die Rede sein. Dies zeigt, in Ergänzung hierzu, die Analyse der Publikumsäußerungen (Kap.9).
5.2
Phasen 26.9.1938, Berlin, Sportpalast
Auf den ersten Blick bietet diese Rede ein ganz anderes Bild. Dennoch gibt es strukturelle Gemeinsamkeiten mit der Rede von 1933, wie die genauere Untersuchung zeigt. Es lassen sich vier Phasen identifizieren. Für Phase I steht man erneut vor dem Problem der Abgrenzung: Die Berechnung für den kleinen Zeitraum in dem die vier Publikumsäußerungen auftreten ergibt einen Wert von 2,0 PR/Min, einen im Vergleich mit anderen Reden als sehr hoch einzuschätzenden Wert. Die Tatsache, daß diese Sequenzen kurz nach Redebeginn auftreten, spricht für eine hohe Intensität der Austauschbereitschaft zwischen Hitler und Publikum von Anfang an, zumal der Beifall in Sequenz 2 mit 18,4 Sek. doppelt so lange anhält, als das bei einem durchschnittlichen Applaus der Fall ist (vgl. Atkinson 1984: 24). Definiert man als Phase I die gesamten ersten 11 Minuten, erhält man einen Wert von nur 0,4 PR/Min. 15
15
Es zeigen sich hier erneut die methodischen Grenzen der Phaseneinteilung, die kleinräumigere Entwicklungen nicht berücksichtigt. Dies läßt sich nur dadurch lösen, daß die interpretierende Beschreibung eine besondere Aufmerksamkeit auf innerhalb der schematischen Einteilung abweichende und für die Interpretation relevante Details legt.
84 Es folgen die Phasen II, III und IV, die unmittelbar aneinandergrenzen. Phase III ist mit 2,8 PR/Min die Phase, in der die Interaktion zeitlich am dichtesten abläuft. Sie wird eingerahmt von den Phase II und IV, die beide mit 1,5 PR/Min ebenfalls eine sehr dichte Interaktion aufweisen. Sie entsprechen bezüglich dieses Wertes den dichtesten Phasen 1933 (1,4 PR/Min) und dem Durchschnittswert 1938 (1,5 PR/Min). Zumindest was diese oberflächliche Interaktionsstruktur betrifft, liegt hier keine deutliche prozeßhafte Steigerung vor wie 1933. Ein extremer Höhepunkt befindet sich im Zentrum der Rede, wenn für ca. 8 Minuten fast drei Publikumsreaktionen pro Minute erfolgen. Dieser Höhepunkt ist jedoch eingebettet in einen interaktiv ebenfalls sehr dicht zu wertenden Kontext.
5.3
Phasen 19.9.1939, Danzig, Artushof
Vorauszuschicken ist, daß diese Rede in einem entscheidenden Punkt unter anderen situativen Vorzeichen steht als die vorhergehenden: Sie findet in einem Saal statt und somit in einer anderen Atmosphäre als die Hallenreden von 1933 und 1938. Das Publikum ist als Masse kleiner und die Höhe des Raumes ist sicher niedriger anzusetzen, als die des Sportpalastes. Andererseits ist davon auszugehen, daß ein anwesendes Publikum vom Redner insbesondere vom politischen Redner - immer "gewonnen" werden muß, gleichgültig in welchem äußeren Kontext die Rede stattfindet. Auf dieser Basis sind die Reden somit dennoch vergleichbar. Phase I nimmt mehr als ein Drittel der Redezeit ein und weist mit 0,3 PR/Min nur wenige Publikumsäußerungen auf. Diese wenigen setzen jedoch sehr früh ein: Die erste Beifallsbekundung erfolgt schon nach der ersten Minute und ist mit 12.4 Sekunden überdurchschnittlich lang, was - wie bei der Rede 1938 - für eine hohe Motivation zum interaktiven Austausch beim Publikum spricht. Die ersten Bekundungen aus dem Publikum sind dabei zwar nicht so zahlreich und dicht wie im Sportpalast 1938, was jedoch auf die jeweils verschiedenen Rahmenbedingungen zurückgeführt werden kann (Sporthalle vs. Saal bzw. Kundgebungspublikum vs. geladene Parteifunktionäre). Entscheidend ist das auffallend frühe Auftreten von Beifall, der zudem extrem lang ist, und von rhythmischen "Heil"Rufen begleitet wird. Die Phasen II und III zusammen sind zeitlich ungefähr so lang wie Phase I. Im Vergleich zeichnet sich in diesem Zeitraum eine Steigerung ab von 1,2 PR/Min auf 1,8 PR/Min, wobei die Dauer der dichteren Phase III mit ca. 8,5 Minuten der Dauer des Höhepunktes der Rede von 1938 in etwa entspricht (1938: Phase III: 9 Min/2,8 PR/Min). Die Rede läuft aus mit einer 13 minütigen Phase ähnlicher Dichte wie zu Anfang (0,4 PR/Min). Für die Interaktion während dieser Rede entsteht somit zunächst das Bild eines langsamen Anstiegs nach sehr früh einsetzendem, enthusiastischem ersten Beifall hin zu einem kürzeren dichten Höhepunkt in Phase III. Die Rede endet in einer längeren Schlußphase während derer die Manifestationen aus dem Publikum wieder stark zurückgehen. Der Vergleich mit dem Durchschnittswert der Rede (0,7 PR/Min) verdeutlicht das Bild. Anfangsund Endphase liegen deutlich unter, die beiden Binnenphasen deutlich über diesem Wert.
85 5.4
Phasen 30.1.1940, Berlin, Sportpalast
Schon sehr früh, zwischen der 2. und 4. Minute, setzen dicht hintereinander Publikumsäußerungen ein, die auch bei dieser Rede auf eine große Bereitschaft des Publikums schließen lassen, auf den Redner in einem für diesen positiven Sinn einzugehen. Es folgt eine längere Passage mit wenigen Beifallsbekundungen (zusammen mit dem interaktiv dichten Redebeginn als Phase I verzeichnet), die man so als Anlaufphase bezeichnen kann, wobei das Publikum schon erwiesen hat, daß es sich auf den Redner eingestellt hat und ihm wohlgesonnen ist. Dann folgen aprupt 6 Minuten mit sehr dicht auftretenden Publikumsäußerungen (Phase II: 1,8 PR/Min) die wiederum gefolgt wird von der diesbezüglich sehr ruhigen Phase III (9 Min/ 0,2 PR/Min). Die Phasen IV und V grenzen unmittelbar aneinander und weisen im Vergleich eine starke Steigerung der Dichte der Publikumsäußerungen auf: Phase V stellt betreffs der Applausbekundungen den Höhepunkt der Rede dar (2,5 PR/Min). Nach ca. 4 Minuten Rede ohne Applaus erfolgt mit Phase VI der Schluß, der wieder durch sehr dicht hintereinander erfolgende Applausbekundungen gekennzeichnet ist. Die Interaktion verläuft somit in einer Art Wellenbewegung mit einem sehr kurzen und dichten Einsetzen gleich zu Anfang, im weiteren Verlauf mit einem ersten Höhepunkt (Phase II), der durch eine ruhigere Phase abgelöst wird, bevor die Interaktion auf den eigentlichen Höhepunkt (Phase V) zusteuert.
5.5
Phasen 30.9.1942, Berlin, Sportpalast
Vollkommen anders als bei allen bisher behandelten Reden zeigt sich der Interaktionsablauf hier. Eine Anlaufphase, wie sie in den bisher behandelten Reden in unterschiedlichem Ausmaß erkennbar war, ist nicht vorhanden. Schon in der ersten Minute quittiert das Publikum eine Äußerung Hitlers mit Lachen und überdurchschnittlich langem Beifall. 16 Es folgt als erste Phase ein Block von 14 Minuten, der mit 2,4 PR/Min im Vergleich mit anderen Reden ungewöhnlich dicht ist. Dieser Wert wird im weiteren Verlauf der Rede nicht mehr erreicht. Die Interaktionsdichte geht zunächst zurück auf 1,2 PR/Min (Phase II), steigt auf 1,8 PR/Min (Phase III), fällt wieder auf 1,2 PR/Min (Phase IV) und steigt in der Endphase auf 1,5 PR/Min. Die Entwicklung läßt sich damit in einer Art Wellenbewegung beschreiben, deren höchster Punkt am Beginn steht. Der Durchschnittswert der Rede von 1,2 PR/Min deckt sich mit den Werten von Phase II und IV. Die Werte der übrigen Phasen liegen alle deutlich über dem Durchschnittswert. Vor den durchschnittlichen Phasen II und IV liegt jeweils eine "stille" Sequenz von ca. vier Minuten in der keinerlei Publikumsäußerungen auftreten. Das Bild der Wellenbewegung läßt sich damit präzisieren: Nach interaktiv ruhigen Passagen erfolgen Anlaufphasen, die jedoch als schon relativ dicht zu bezeichnen sind.
16
Die ausführliche Analyse der Bekundungen seitens des Publikums erfolgt in Kapitel 9.
86 In den jeweils folgenden Phasen (Phasen III und V) findet dann eine Steigerung statt, wobei die Steigerung von Phase II zu III doppelt so stark ausfällt wie dieSteigerung von Phase IV zu V (50% vs. 25%). Wir können daher nach Phase I einen zweiten Höhepunkt in der Interaktion zu Beginn der zweiten Hälfte der Rede ausmachen: Phase III.
5.6
Phasen 8.11.1943, München, Löwenbräukeller
Diese Rede findet, wie die Danziger Rede vom 19.9.1939, in einem Saal statt. Die Befunde sind folgende: Phase I erstreckt sich mit mehr als 14 Minuten über mehr als ein Viertel der Rede und weist dabei nur 2 Publikumsäußerungen auf. Daraus resultiert ein sehr niedriger Wert von 0,1 PR/Min. Phase II dauert ähnlich lange und liegt mit 1,4 PR/Min im Rahmen normaler bis intensiver Interaktion wie der Vergleich mit den bisher untersuchten Reden zeigt. Ca. 4 Minuten "Stille" liegen zwischen den Phasen II und III. Phase III weist einen deutlich dichteren Interaktionsablauf auf (2,0 PR/Min) und ist mit 11 Minuten Dauer etwas kürzer als die beiden vorhergehenden Phasen. Betrachtet man Phase III im Detail, so kann man eine Entwicklung hin zu einer besonders dichten Interaktivität feststellen. Der Wert für den etwas weniger dichten vorderen Bereich (Sq 21 bis Sq 25) liegt bei 2 PR/Min, und der Wert der restlichen Phase bei 2,4 PR/Min. In der letzten Phase, Phase IV, treten wiederum sehr wenig Publikumsäußerungen auf (0,6 PR/Min). Die Rede weist eine sehr lange Anlaufphase auf (doppelt so lange wie bei der Rede vom 10.2.1933), in der bezüglich der Interaktion zwischen Redner und Publikum sehr wenig geschieht. Wichtig im Vergleich mit den Reden von 1938, 1939, 1940 und 1942 ist das Fehlen der dort vorhandenen ganz frühen Publikumsäußerungen. Es ergibt sich das Bild einer fortwährenden Steigerung bis hin zur vorletzten Phase. Die vorletzte Phase, Phase III, weist einen Binnenwert von 2,4 PR/Min in den letzten zwei Dritteln - d.h. für ca. 7 Minuten - auf, einen sehr hohen Wert. Auch mit ihrem Gesamtwert von 2,0 PR/Min stellt Phase III was die Interaktion anbetrifft den Höhepunkt der Rede dar. Die Endphase fällt interaktiv sehr dünn aus. Anfangs- und Endphase liegen beide deutlich unter dem Durchschnittswert von 0,9 PR/Min; die Phasen II und III liegen deutlich darüber.
5.7
Phasen 24.2.1944, München, Hofbräuhaus
Auch diese Rede findet nicht in einer Halle, sondern in einem Saal statt. Das graphische Bild, das sich hier ergibt ist uneinheitlich und nicht so klar zu charakterisieren. Zu Beginn erfolgen für fast sieben Minuten keinerlei kollektiven Äußerungen seitens des Publikums, d.h auch hier fehlen wie 1933 und 1943 ganz frühe Signale des Publikums an den Redner. Faßt man als Phase I der Rede nur die Passage, in der Publikumsäußerungen auftreten, so
87 ergibt sich ein leicht überdurchschnittlicher Wert von 1,1 PR/Min (Durchschnittswert 0,8 PR/Min). Danach folgt eine Passage von über 6 Minuten, während derer das Publikum wieder ruhig bleibt. Phase II weist einen Wert von 0,8 PR/Min auf und entspricht damit dem Durchschnittswert, wobei in den letzten fünf Minuten dieser Phase nur eine Publikmumsäußerung auftritt. Rechnet man diesen Teil nicht mit zur Phase hinzu, so ergibt sich für die daraus resultierende Phase II mit 6 Minuten und 8 Publikumsreaktionen ein Wert von 1,3 PR/Min. Das Bild, das sich damit ergibt, sind kurze und relativ dichte Passagen, die eingerahmt werden von fast ebenso langen Passagen, in denen das Publikum still bleibt. Phase III stellt den kurzen interaktiven Höhepunkt der Rede dar. Auf 4,5 Minuten verteilen sich 2,7 PR/Min - ein Wert, der den höchsten Werten anderer Reden gleicht. Es folgen drei Minuten mit ruhigem Publikum, dann die relativ dünn mit Publikumsäußerungen besetzte Phase IV, die wiederum gefolgt wird von vier Minuten ohne Bekundungen aus dem Publikum. Die Endphase V weist dann mit 1,7 PR/Min noch einmal einen deutlich überdurchschnittlichen Wert auf. Insgesamt ergibt sich für diese Rede ein widersprüchliches Bild. Relativ kurze und zum Teil sehr dichte Passagen mit Applausbekundungen werden eingerahmt von fast ebenso langen Passagen, in denen vom Publikum nichts zu hören ist. Nach einem Höhepunkt in Phase III folgt über die Dauer von fast einem Drittel der Gesamtdauer eine Phase mit relativ wenig Applaus (Phase IV), wonach die Rede in der kurzen Endphase V (ca. 3,5 Min) mit einem relativ dichten Aufkommen von Applausbekundungen abschließt. Die Befunde aus der Analyse der Phasenaufteilung ergeben im Überblick folgendes Bild. Mögliche Alternativberechnungen sind ggf. in Klammer aufgeführt. Zu beachten ist, daß die unterschiedliche Dauer der jeweiligen Phasen in dieser Übersicht nicht berücksichtigt ist. Tab.l: Publikumsreaktionen pro Minute nach Phasen (PR/Min) 1933-1944 Phase I
Phase II
Phase III
Phase IV
Phase V
Phase VI
Durchschnitt
10.2.1933
0,3
1,4
1,7
0,7 (III+IV: 1,2)
2,8
1,5
—
—
1,5
—
—
0,7
2,5
2,0
1,1
1,5
—
1,2
—
0,9
—
0,8
(I+II: 0,9) 26.9.1938
0,4 (2,0)
1,5 (I+II: 1,1)
19.9.1939
0,3
1,2
1,9
0,4
30.1.1940
0,45 (1,0 + 0,3)
1,8
0,2
1,0
30.9.1942
2,4
1,3
1,8
1,2
8.11.1943
0,1
1,4
2,0
0,6
24.2.1944
1,1
0,8 (1,3)
2,7
0,5
0,9
—
1,7
6. Formale Stilisierung 1933-1944
6.1
Syntaktisch-stilistische Gestaltung der vom Publikum ratifizierten Sequenzen 1933-1944
Ausgangspunkt ist - in Anlehnung an Atkinson (1984), F.E. Müller (1991) u.a. - die Annahme, daß vor einer auftretenden Publikumsäußerung (als Applaus, verbal oder beides kombiniert) Signale im Text festzustellen sind, die diese Ratifizierung evozieren, d.h. ihre kollektive Realisierung durch das Anzeigen des kommenden Endes einer Äußerungseinheit ermöglichen. Diese Äußerungsgefüge sind oft stilistisch geformt. Wir untersuchen daher die Passagen vor einer auftretenden Ratifizierung zunächst auf stilistische Merkmale, konkret auf das Vorkommen von Listen oder Paarkonstruktionen hin (vgl. Kap.2.2.1). Wenn eine solche syntaktische Stilisierung nicht feststellbar ist, fallen die Sequenzen unter die Kategorie "formlos". Abgegrenzt werden solche formlosen Sequenzen dann aufgrund inhaltlicher und prosodischer Kriterien (ratifizierte Sequenzen als inhaltliche Sinneinheiten bzw. Pausen als Abgrenzungen zwischen Äußerungseinheiten). Kommentierte Beispiele zur Illustration formaler Stilisierung sind in Kap.2.2. aufgeführt. Es folgt nun, auf die Redephasen bezogen (vgl.Kap.5), die zahlenmäßige Verteilung von applaudierten Paarkonstruktionen (2er), Dreierstrukturen (3er), Kombinationen aus diesen beiden Formprinzipien (K) und in einer Restkategorie Sequenzen, die keine erkennbare äußere Form aufweisen (ohne Form: o.F.). Die Angaben in Prozent sind auf- bzw. abgerundet. Tab.2: Syntaktisch-stilistische Formen 10.2.1933, Berlin, Sportpalast Formen
2er
Phase I
Phase II
Phase III
Phase IV
14,5 Min 0,3 PR/Min
16 Min 1,4 PR/Min
9,5 Min 1,7 PR/Min
6 Min 0,7 PR/Min
2
gesamt
14: 30,4%
6
6
3er
—
4
1
2
Kombination (K)
—
2
—
7: 15,2%
3
1
6: 13%
ohne Form (o.F.)
2
10
6
1
19: 41,3%
gesamt
4
22
16
4
46
89 Tab.3: Syntaktisch-stilistische Formen 26.9.1938, Berlin, Sportpalast Formen
Phase I 12 Min 0,3 PR/Min 17
2er
—
3er Κ
4
Phase II 20,5 Min 1,5 PR/Min 12 (lx2d) 3
—
o.F. Gesamt
8 (2x2d) 1 1
—
16 31
—
4
Phase IV
Phase III 9 Min 2,8 PR/Min
gesamt
31 Min 1,5 PR/Min 11
31:29,0%
13 5
21: 19,6 % 6: 5,6 %
18 47
49: 45,8 % 107
15 25
Tab.4: Syntaktisch-stilistische Formen 19.9.1939, Danzig, Artushof Formen
2er 3er
Phase I 30,5 Min 0,3 PR/Min 2
Phase II 18,5 Min 1,2 PR/Min 4 (2x2d)
3
6(lx3d) 2 11
Κ o.F.
—
3 8
Gesamt
Phase III 8,5 Min 1,8 PR/Min 7(lx2d)
Phase IV 13 Min 0,4 PR/Min
6
4 (lx3dr)
—
23
13: 25,0 % 19: 36,5 %
1
3: 5,8 % 17: 32,7 %
5
52
—
3 16
gesamt
—
Tab.5: Syntaktisch-stilistische Formen 30.1.1940, Berlin, Sportpalast Formen
2er 3er Κ o.F. Gesamt
17 18
Phase I 20 Min 0,45 PR/Min
Phase Π
Phase III 9 Min 6 Min 1,8 PR/Min 0,2 PR/Min 2
—
5(2x3d)
4(lx3d)
1
1 4 11
3 9
1 1 — —
2
Alternativ: 2 Minuten/ 2 PR/Min Möglich aus Sequenzen 44 und 45: 3er + o.F.
Phase IV 9 Min 1,0 PR/Min 5
Phase V 13 Min 2,5 PR/Min
2
7(lx3d)
—
2 9
11 (lx2d)
(l)18 14 32
Phase VI 3 Min 2,0 PR/Min 1 1 (+lx5er) 2 1 6
gesamt
20: 29,0 % 21:30,4% 4: 5,8 % 24: 34,8 % 69
90 Tab.6: Syntaktisch-stilistische Formen 30.9.1942, Berlin, Sportpalast Formen
2er 3er Κ o.F. Gesamt
Phase I 13,5 Min 2,4 PR/Min 10 8 5 3 26 19
Phase II 15 Min 1,2 PR/Min 5 7 1 3 1620
Phase III 12,5 Min 1,8 PR/Min 7(lx2d) 10 1 3 21 21
Phase IV 11 Min 1,2 PR/Min 6(lx2d) 6(lx3d) —
Phase V 6 Min 1,5 PR/Min
gesamt
5 2 (lx3dr) 2
33: 38,8 % 33: 38,8 % 9: 10,6 % 10: 11,8% 85
1 13
—
9
Tab.7: Syntaktisch-stilistische Formen 3.11.1943, München, Löwenbräukeller Formen
2er 3er Κ o.F. Gesamt
Phase I 14,5 Min 0,1 PR/Min 1 — —
1 2
Phase II 13 Min 1,4 PR/Min 9 5 1 3 18
Phase III 11 Min 2,0 PR/Min 9 (lx2d) 4(lx3d) 2 7 22
Phase IV 12 Min 0,6 PR/Min 1 4(lx3d) 1 1 7
gesamt
20: 40,8 % 13: 26,5 % 4: 8,2 % 12: 24,5 % 49
Tab.8: Syntaktisch-stilistische Formen 24.2.1944, München, Hofbräuhaus Formen
2er 3er Κ o.F. Gesamt
Phase I 6,5 Min 1,1 PR/Min 4(lx2d) — —
3 7
Phase II 11 Min 1,3 PR/Min 3 3 —
3 9
Phase III 4,5 Min 2,7 PR/Min 2 4 —
6 12
Phase IV 9,5 Min 0,8 PR/Min 4 1 —
3 8
Phase V 3,5 Min 1,7 PR/Min 2 2 (2x3d) 2 —
6
gesamt
15: 10: 2: 15:
35,7 % 23,8 % 4,8 % 35,7 % 42
Im folgenden wird anhand der Tabellen 2 bis 8 die formal-stilistische Realisierung der Reden hinsichtlich Art und Ausmaß der Stilisierung vergleichend beschrieben. Stellt man zunächst die Reden in einer Skala zusammen, bei der man den Anteil der rhetorisch stilisierten applaudierten Sequenzen ohne Rücksicht auf die Art der Stilisierung, d.h. die einzelnen Formtypen, zugrunde legt, so erhalten wir folgende Zusammenstellung. Der Durchschnittsgrad der Stilisierung auf alle Reden bezogen beträgt 67,2 %:
19
20
21
Es erfolgen nicht nur 26 Publikumsreaktionen, sondern 32, da sich das Publikum zum Teil innerhalb von Sequenzen durch Lachen äußert. Hieraus resultiert der hohe Wert von 2,4 PR/Min. In dieser Phase erfolgen in zwei Sequenzen zwei Publikumsreaktionen (Sq 35 und Sq 41), d.h. insgesamt 18. Das ergibt den Wert von 1,2 PR/Min. In Sq 63 erfolgen zwei Publiukumsreaktionen; d.h. insgesamt 22.
91 Tab.9: Grad der Stilisierung/Nicht-Stilisierung der Reden in Prozent 1933-1944 Datum
formal stilisiert
formal nicht stilisiert
10.2.1933
58,7 %
41,3 %
26.9.1938
54,2 %
45,8 %
19.9.1939
67,3 %
32,7 %
30.1.1940
65,2 %
34,8 %
30.9.1942
88,2 %
11,8%
8.11.1943
75,5 %
24,5 %
24.2.1944
64,2%
35,8 %
Als besonders stilisiert sind die Reden von 1942 und 1943 zu bezeichnen. Drei Viertel oder mehr der positiv sanktionierten Sequenzen sind formal ausgearbeitet. Am wenigsten formal gestaltet sind die Reden von 1933 und 1938: die Werte liegen unter 60 %. Im Mittelfeld liegen die Reden von 1939, 1940 und 1944 mit im Durchschnitt 65,4 % formal stilisierten Sequenzen, was auch fast dem Durchschnittswert der Stilisierung aller bearbeiteter Reden entspricht. Betrachten wir das Verhältnis der verschiedenen Arten der Stilisierung (Formtypen) untereinander. Die Rede von 1942 weist auch im Detail bei den beiden Formkategorien "Paarkonstruktion" und "3er-Liste" den höchsten Wert aller Reden auf: 40,8% aller applaudierten Sequenzen 1942 sind Paarkonstruktionen, 38,8 % sind 3er-Listen (zum Vergleich mit den übrigen Reden s. Tab.2-8). 1940 und 1942 ist das Verhältnis zwischen 3er-Listen und Paarkonstruktionen genau gleich. 1933, 1938, 1943 und 1944 ergibt die Analyse eine deutlich höhere Anzahl an Paarkonstruktionen als an 3er-Listen. 1939 ist die Anzahl der 3er-Listen höher. Vergleichen wir die Reden bezüglich ihres Gehalts an Kombinationen aus Paarkonstruktionen und 3er-Listen, d.h. bezüglich ihres Gehalts an besonders komplexen Stilisierungsmitteln, ergibt sich das Bild folgender Abstufungen: Tab.10: Vorkommen von Kombinationen in Prozent 1933-1944 Datum
Kombinationen
10.2.1933
13,0 %
30.9.1942
10,6 %
8.11.1943
8,2%
30.1.1940
5,9%
19.9.1939
5,8%
26.9.1938
5,6%
24.2.1944
4,8%
Bei der Kategorie "Kombination" hat die Rede von 1942 den zweithöchsten Wert nach der Rede von 1933 (10,6% und 10,9%). Die meisten Kombinationen treten 1933 auf (13,0%) gefolgt von der Rede von 1942 (10,6%). Die wenigsten Kombinationen weist die Rede von 1944 auf (4,8%). Ein interessanter Widerspruch zeigt sich bei der Rede von 1933, die bei den Kombinationen den höchsten Wert aufweist, während sie bezüglich der Stilisierung der Gesamtrede den zweitletzten Platz auf der Skala einnimmt (Tab.9).
92 Als formal besonders markant realisiert stellt sich die Rede von 1942 heraus, die bei der Stilisierung insgesamt den höchsten Wert und bei den Kombinationen den zweithöchsten Wert aufweist. Ähnlich wie die Rede von 1942 muß die Rede von 1943 eingeordnet werden, die bezüglich der Kombinationen sich mit 8,2 % noch deutlich vom Mittelfeld mit ca 5-6 % abhebt, und bei der allgemeinen Stilisierung mit 75,5% den zweiten Platz nach der Rede von 1942 einnimmt (vgl. Tab.9 und 10). Betrachten wir nun noch den Grad der Stilisierung im Vergleich zur Nicht-Stilisierung in den jeweils interaktiv dichtesten Phasen mit Blick auf die entsprechenden Werte der Gesamtreden (vgl. Tab.2-8). Tab.l 1: Stilisierung vs. Nicht-Stilisierung in den interaktiv dichtesten Phasen 1933-1944 mit Blick auf die darin häufigste stilistische Form Datum
dichteste Phase
Anzahl stilisierter Sequenzen
Anzahl nicht stilisierter Sequenzen
stilisierte Sequenzen in %
nicht stilisierte Sequenzen in %
am meisten vorkommende Form
10.2.1933
III
10
6
62,5%%
37,5%
2er/formlos
26.9.1938
III
10
15
40%
60%
2er
19.9.1939
III
13
3
81,75%
18,75%
2er
30.1.1940
V
18
14
56,25%
43,75%
o.F.
30.9.1942
I
23
3
88,5%
11,5%
2er
8.11.1943
III
15
7
68,2%
31,8%
2er
24.2.1944
III
6
6
50%
50%
3er
Der höchste prozentuale Anteil an Stilisierungen findet sich in der Rede vom 30.9.1942. Dem folgen die Reden von 1939 mit einem ähnlichen Wert wie 1942, und die Reden von 1943 und 1933 mit einem schon deutlich niedrigeren Prozentsatz an auftretenden Stilisierungen. Die Rede von 1940 befindet sich prozentual gerechnet im Mittelfeld, wenn diese Rede auch von den absoluten Zahlen her, was die dichteste Phase betrifft, nach der Rede vom 30.9.1942 an zweiter Stelle steht. Den niedrigsten Wert findet man für die Rede von 1938 mit 40 %. Bei der Rede von 1944 ist das Verhältnis von Stilisierung zu Nicht-Stilisierung ausgewogen 50:50. Aufschlußreich ist nun der Vergleich der prozentualen Verhältnissse in den jeweils dichtesten Phasen mit den prozentualen Verhältnissen bezogen auf die Gesamtreden (s.Tab.9). Das Ergebnis mag erstaunlich sein: Der Vergleich der Zahlen zeigt, daß bei vier Reden der Anteil der stilisierten Sequenzen in den interaktiv am dichtesten ablaufenden Redepassagen mehr oder weniger stark abnimmt: 1938, 1940, 1943 und 1944. Wie ist dieser Rückgang an formal-rhetorischer Realisierung gerade an diesen Stellen zu erklären? In dem Moment, in dem der Austausch zwischen Redner und Publikum in seine intensivste Phase tritt, scheint die rhetorische "Arbeit", die der Redner in seinen Vortrag investiert, eingeschränkt zu werden. Positiv formuliert würde das bedeuten, daß in dem Moment, in dem die Interaktion besonders dicht zu werden beginnt, so daß quasi von einem enger gewordenen Dialog gesprochen werden kann, die formale Ausarbeitung weniger wichtig wird, weil das dialogische Zusammenspiel zwischen Redner und Publikum so in Gang gekommen ist, daß das Bündel an Signalen, die dem Publikum die Strukturierung der Sprache antizipierbar und damit respondierbar machen, schmäler werden kann.
93 Als eine weitere Möglichkeit zur Erklärung dieses Phänomens könnte man die Arbeitshypothese aufstellen, daß in den Momenten besonders intensiver Interaktion, d.h. in den Momenten, in denen das Wechselspiel zwischen Redner und Publium sehr rasch vonstatten geht, das rationale Moment der rhetorischen Formulierung weniger zum Einsatz kommt, und das Formprinzip daher zugunsten anderer, mehr aus der Emotionalität heraus eingesetzter rhetorischer Mittel, etwa prosodischer, in den Hintergrund tritt. In die andere Richtung, nämlich hin zu prozentual mehr stilisierten Sequenzen in der dichtesten Phase, verändern sich die Verhältnisse bei den Reden von 1933 und 1939: 1933 ist der Anteil an stilisierten Sequenzen in der dichtesten Phase leicht erhöht im Vergleich zum Durchschnitt (62,5% vs. 58,7%). 1939 kommen deutlich mehr stilisierte Sequenzen in der dichtesten Phase vor, als bezogen auf die Gesamtrede (81,75% vs. 67,3%). Die einzige Rede, in der die Verhältnisse fast unverändert bleiben, bei einem leichten Anstieg der Stilisierungen in der dichtesten Phase, ist die Rede von 1942, wobei diese Rede in dieser Phase einen derart hohen Wert aufweist, 88,5 % bei einem Gesamtwert von 88,2 %, daß es plausibel erscheint, die Möglichkeit einer weiteren Steigerung auszuschließen. Wie aus den Tabellen 2 bis 8 zu entnehmen ist, ist die am meisten auftretende Form in den dichtesten Phasen die Paarkonstruktion, wobei sie zuweilen nur sehr wenig mehr als die 3er-Liste vorkommt (vgl. Reden von 1933, 1939 und 1942). Eine Ausnahme bildet die Rede von 1944, in der mehr Listen vorkommen.
6.2
V o r k o m m e n potentiell applaudierbarer formaler Stilisierungen 1933-1944
Bis jetzt wurden Formen festgehalten, die applaudiert werden. Es stellt sich nun die Frage, inwieweit Formen vorkommen, bei denen das nicht der Fall ist. Dahinter steht die Frage, bis zu welchem Punkt annehmbar sein kann, daß formale Stilisierung auch zu Applaus führt. Zu diesem Zweck wurden die Reden auf potentiell applausrelevante, formale Stilisierungen hin untersucht. Sie sind in den graphischen Darstellungen der Reden ebenso wie die applaudierten Reden markiert, und ihr Formtyp oberhalb d.h. außerhalb der Analysen festgehalten. Methodisch ist dieses Vorgehen insofern legitimiert, als davon ausgegangen werden kann, daß derartige Stilisierungen in sehr großem Maße bei der Entstehung von Applaus beteiligt sind. Man kann feststellen, daß, mit Ausnahme der Reden von 1943 und 1944, im Vergleich mit den tatsächlich applaudierten Sequenzen nur wenig nicht applaudierte formale Stilisierungen auftreten. 1933 tritt nur eine 2er-Sequenz innerhalb von Phase I auf, und zwar zwischen den Sequenzen 1 und 2. 1938 konnnte ebenfalls nur eine einzige nicht applaudierte formale Stilisierung ausgemacht werden. Sie befindet sich in Phase I kurz nach der siebten Minute. In ihrem Umfeld kommen keine Beifallsbekundungen vor. 1939 sind es etwas mehr Sequenzen, die formal auffallen, insgesamt fünf. Sie befinden sich in unterschiedlicher Umgebung was den Kontext von Beifallskundgebungen anbetrifft. Die ersten beiden, eine Paarkonstruktion und eine Dreierliste, treten um die achte Minute herum auf, ca. zwei Minuten nach Sequenz 3 und ca. 5-6 Minuten vor Sequenz 4.
94 Die nächsten beiden (3er-Listen) finden sich zwischen den Sequenzen 7 und 8 gegen Ende von Phase I. Auch hier herrscht eine gewisse Nähe zu applaudierten Sequenzen, etwa entsprechend dem Zeitabstand, den diese Sequenzen untereinander haben (Phase I ist nicht sonderlich dicht in der Abfolge von Applausbekundungen). Die einzige Sequenz, die in einem interaktiv dichten Kontext zu finden ist, ist eine Paarkonstruktion gegen Ende von Phase II kurz vor der 44. Minute. 1940 sind es wiederum nur zwei nicht applaudierte Sequenzen, zwei 3er-Listen. Sie befinden sich kurz nach der 14. bzw. kurz vor der 35. Minute. Die erste befindet sich im Ausgang von Phase I, wo größere Zeitabstände zwischen den ratifizierten Sequenzen herrschen, die zweite im Eingang zu Phase IV, nach einer Phase mit sehr wenig Publikumsreaktionen (Phase III). Danach wird die Interaktivität zwischen Redner und Publikum wieder intensiver. 1942 konnten sieben nicht applaudierte Stilisierungen gefunden werden. Die erste - eine Dreierliste - kommt ca. in der Mitte der Rede vor und befindet sich in Phase III, einer sehr dichten Phase. Alle übrigen, bis auf die letzte, finden sich in Phase IV (drei Paarkonstruktionen, eine Dreierliste und eine formlose Sequenz), und zwar füllen sie dort ca. im Mittelbereich der Phase den Raum aus, den im Anfangsbereich derselben Phase applaudierte Sequenzen einnehmen. Dies ist ein interessanter Befund insofern, als es so scheint, daß Hitler an dieser Stelle versucht, mit seiner Rede dieselbe intensive Interaktion mit dem Publikum aus dem Beginn von Phase IV (und wohl auch von Phase III) aufrechtzuerhalten. Die letzte beifallsrelevante Sequenz (Dreierliste) befindet sich wieder in dichterem Kontext (68.5 Min) ca. zwei Minuten vor Schluß. Die Reden von 1943 und 1944 stehen in der Beziehung in starkem Kontrast zu den übrigen Reden. Bei beiden Reden kommen nicht applaudierte formale Stilisierungen sehr häufig vor. 1943 sind allein 15 derartige Sequenzen identifizierbar. Sieben davon befinden sich innerhalb von Phase II, d.h. innerhalb eines relativ dichten interaktiven Kontextes (1,4 PR/Min). Sechs weitere folgen unmittelbar darauf, dicht gedrängt innerhalb von ca. zwei Minuten, die einen Teil einer vierminütigen applauslosen Sequenz bilden. Offenbar stilisiert Hitler seine Rede an dieser Stelle in formaler Hinsicht weiterhin in starkem Maße ohne daß das Publikum daraufhin applaudiert. Die letzten beiden potentiell applausrelevanten Sequenzen befinden sich gegen Ende von Phase III in näherer Umgebung anderer, tatsächlich applaudierter Sequenzen. Die häufigste Anzahl nicht applaudierter formaler Stilisierungen, 26 Sequenzen, weist die Rede von 1944 auf. Oft befinden sie sich in etwas größeren zeitlichen Lücken (1 bis 2 Minuten) zwischen Applausbekundungen, so die ersten drei Sequenzen zwischen den applaudierten Sequenzen in Phase I oder die entsprechenden Sequenzen in Phase II. In den beiden Minuten vor Phase II, d.h. innerhalb der sechs Minuten ohne Applaus zwischen Phase I und II, finden sich drei Stilisierungen. Auf dieses Phänomen von nicht applaudierten Sequenzen an den Rändern zu dichteren Phasen stoßen wir auch bei Phase III. Unmittelbar vor Sequenz 17 treten dicht hintereinander drei formal stilisierte Sequenzen auf, nach Sequenz 28, dem Ende dieser besonders dichten Phase sind es zwei. Die restlichen 10 nicht applaudierte und formal stilisierte Sequenzen verteilen sich wieder auf die Lücken der relativ dünn mit Applaus durchsetzten Phase IV. Zusammenfassend stellen wir fest, daß in den Reden bis 1942 kaum Stilisierungen eingesetzt werden , die nicht vom Publikum positiv sanktioniert werden. Eine Ausnahme bildet dabei Phase IV/1942 mit fünf nicht applaudierten formal stilisierten Sequenzen. In
95 den beiden letzten Reden, 8.11.1943 und 24.2.1944, treten nicht applaudierte formale Stilisierungen deutlich häufiger auf. Neben dem Auftreten in größeren Lücken zwischen Applausbekundungen fällt dort als weiteres Phänomen das Auftreten derartiger Sequenzen an den Rändern dichterer Phasen auf: 1943 nach Phase II, 1944 vor Phase II und vor und nach Phase III.
7. Prosodische und formal stilistische Emphase 1933-1944
7.1
Prosodie 1933-1944 22
Lautstärke und Skandierungen wurden auditiv festgestellt, und durch mehrmaliges Hören verifiziert. Zum Vorgehen sind zuvor noch einige Vorbemerkungen nötig, einerseits um auf methodische Probleme bei der Analyse hinzuweisen, andererseits um die Auswertungen hinsichtlich des Zustandekommens der Untersuchungskategorien transparenter zu machen. Es sei noch einmal betont, daß in dieser Arbeit unter "Sequenz" immer "applaudierte", allgemeiner: "vom Publikum ratifizierte Sequenz" zu verstehen ist. Ist dies ausnahmsweise nicht der Fall, z.B. wenn es um potentiell applaudierbare Sequenzen geht, wird explizit darauf hingewiesen. a. Es handelt sich um relative Lautstärkestufen, die nur für die Rede gelten, in der sie vorkommen, d.h. um Lautstärkestufen, die in der Rede in Relation auf die vorhergehende und nachfolgende Lautstärke festgehalten wurden. Das bedeutet, daß ein "forte-fortissimo" z.B. 1933 in der absoluten Lautstärke anders ist, oder sein kann, als z.B. 1942. Der Vergleich der Reden diesbezüglich geschieht daher auch nicht über Vergleiche der absoluten Lautstärke von Sequenzen (Dezibel), was die zur Verfügung stehende Technik auch nicht erlaubte, sondern über die jeweilige Anzahl der unter eine bestimmte Lautstärkestufe fallenden ratifizierten Sequenzen. b. Die Einstufung der Sequenzen unter bestimmte Lautstärkestufen erfolgt aufgrund des Vorkommens dieser Lautstärkestufen in der jeweiligen Sequenz. D.h. eine Sequenz z.B. unter "forte-fortissimo" wird (in der Regel) nicht in ihrer gesamten Ausdehnung so laut ausgesprochen, sondern nur zu einem Teil. c. Um Aussagen über den prosodischen Kontext, d.h. die nähere Umgebung einer Sequenz machen zu können, wurde auf den Zeitstrahlen auch die globale Lautstärke in ihren Variationen festgehalten. Diese Notierung mußte notwendigerweise noch gröber ausfallen als die prosodische Kategorisierung der einzelnen Sequenzen, d.h. lokalere Schwankungen in der Lautstärke sind hier nicht berücksichtigt. Ziel der Notierung der globalen Lautstärke ist es, festzustellen ob z.B. eine markiert laute Sequenz für sich alleine laut geäußert wird, oder ob sie Teil einer größeren Passage ist, die insgesamt markiert laut gesprochen wird. Dieses stark vergröbernde Vorgehen ist als Untersuchungsinstrument jedoch nur begrenzt aussagekräftig, da die Lautstärkestufen der Sequenzen wie gesagt nur auf einem Vorkommen innerhalb einer Sequenz beruhen, eine als "laut" eingestufte Sequenz daher durchaus "leise" beginnen kann.
22
Vgl. hierzu auch 2.2.2.
97 7.1.1 Prosodie 10.2.1933 Tab. 12: Lautstärke + Rhythmus nach Phasen 10.2.1933 23 fff
ff
f
unmarkierte Lautstärke
Phase 1:0,3 PR/Min
1 (1 sk)
2
1
—
Phase 11:1,4 PR/Min
12 (4 sk)
8 (1 sk)
2
—
Phase 111:1,7 PR/Min
8 (1 sk)
8
Phase IV:0,7 PR/Min
4 (2 sk)
—
—
—
—
—
Betrachten wir die Rede im ganzen, so stellt man fest, daß im Grunde alle applaudierten Sequenzen markiert laut geäußert werden. Nicht weniger als 25 Sequenzen enthalten Teile, die als "forte-fortissimo" einzustufen sind. Das ist mehr als die Hälfte der in dieser Rede mit Beifall bedachten Sequenzen. 18 Sequenzen fallen unter "fortissimo", womit nur drei Sequenzen in "forte" übrigbleiben: Wenn applaudiert wird, spricht Hitler hier markiert laut bis sehr laut Ein Zusammenhang zwischen Aufkommen von Beifallskundgebungen und markiert lauter Sprechweise scheint sich abzuzeichnen, auch wenn angesichts des insgesamt sehr hohen Anteils an applaudierten Sequenzen mit markierter Lautstärke die Kontrastierung nicht so deutlich ausfällt. In Phase II, während der sich die Intensivierung der Interaktion entwickelt, stehen über die Hälfte der Sequenzen (54,5%) unter "forte-fortissimo". Zu Beginn von Phase II stehen dabei noch zwei Sequenzen ohne markierte Lautstärke, auch treten noch zwei Sequenzen unter der Notierung "forte" auf. In Phase III kommt beides nicht mehr vor: Alle Sequenzen sind unter ff bzw. fff eingeordnet, was wir beides unter markierter Lautstärke fassen. Betrachtet man nun den Verlauf der globalen Lautstärke, d.h. den Kontext, in den die applaudierten Sequenzen eingebettet sind, so wird deutlich, wie prosodische Markiertheit (als deren Indikator wir die Lautstärke heranziehen) in Zusammenhang steht mit dem Vorkommen von applaudierten Sequenzen. Die globale Lautstärke, d.h. der prosodisch-kontextuelle Rahmen in den die besonders laut geäußerten Sequenzen eingebettet sind, wird mitbestimmt von der Dichte des Auftretens der applaudierten Sequenzen. Das heißt mit anderen Worten: In weniger dichten Passagen der Rede fällt die globale Lautstärke zwischen den applaudierten Sequenzen tendenziell weiter ab, als in dichteren. Dies zeichnet sich bei dieser Rede jedoch nur in der ersten Phase deutlich ab, so daß man die Möglichkeit in Betracht ziehen muß, daß dieses Phänomen - als ein Element des Redebeginns - den Eigenschaften einer Anlaufphase und nicht allgemein der Dichte der Applausbekundungen im gesamten Redeverlauf zuzuschreiben ist. So geht nach dem ersten Applaus (Sequenz 1) die Lautstärke wieder auf eine "gehobene" Sprechweise zurück, d.h. auf eine Lautstärke, die im vorliegenden Kontext einer öffentlichen Rede als unmarkiert gilt. Ebenso ist das der Fall nach dem vierten, fünften und sechsten Applaus. Zwischen allen diesen Sequenzen bestehen relativ große zeitliche Zwischenräume. Auch später
23
Sequenz 27 fällt aus der Phaseneinteilung heraus. Deshalb ergibt die Gesamtzahl der in der Tabelle aufgeführten ratifizierten Sequenzen 46, anstatt der in der Rede auftretenden 47 Sequenzen.
98 noch, z.B. in Phase II/1933/Sq 6-16 und III/1933/Sq 34-35 treten relativ große zeitliche Zwischenräume auf, die aber nicht mehr durch ein so deutliches Zurücknehmen der Stimme gekennzeichnet sind, wenn auch lokale Schwankungen zwischen den Sequenzen nach unten durchaus vorkommen (z.B. zwischen den Sequenzen 18/19/1933, 23/24/1933, 39/40/1933 und öfter). Das könnte ein Indiz dafür sein, daß das starke Abfallen der Lautstärke charakteristisch für den Redebeginn ist, und später nicht mehr so stark in Erscheinung tritt. Neun der 47 applaudierten Sequenzen werden skandiert (19,1%). Bemerkenswert ist das parallele Auftreten von Lautstärke und Rhythmisierung: Acht der neun Sequenzen, die skandierende Sprechweise enthalten, sind als "forte-fortissimo" eingestuft. Da außer diesen Sequenzen noch sehr viel mehr unter die Kategorie "forte-fortissimo" fallen, andererseits fast alle skandierenden Sequenzen darunter einzuordnen sind, kann man für die Rede vom 10.2.1933 festhalten, daß skandierendes Sprechen von der Lautstärke abhängt insofern, daß nur skandiert wird, wenn auch die Lautstärke ansteigt. Stärker formuliert würde das bedeuten, daß ein Primat der Lautstärke vor Rhythmus vorliegt. Man kann sich angesichts des starken Gewichts von "forte-fortissimo" unter den skandierten Sequenzen fragen, ob die prosodische Kategorie "Rhythmus" bevorzugt dann eingesetzt wird bzw. vorkommt, wenn die Kategorie "Lautstärke" an ihre (physische) Grenze gelangt. Dieser Arbeitshypothese wird anhand der weiteren Fälle weiter nachzugehen sein.
7.1.2 Prosodie 26.9.1938 Tab. 13: Lautstärke + Rhythmus nach Phasen 26.9.1938 ff
f
Phase I: 0,4 (2,0) PR/Min
—
fff
3 (1 sk)
1
unmarkierte Lautstärke
Phase II: 1,5 PR/Min
—
13(6 sk)
14 (1 sk)
4 (2 sk)
—
Phase III: 2,8 PR/Min
2 (2 sk)
6 (2 sk)
10 (1 sk)
7 (1 sk)
Phase IV: 1,5 PR/Min
1
26 (13 sk)
16 (3 sk)
4
Insgesamt treten sehr viel weniger extrem laute ("forte-fortissimo") Sequenzen auf als 1933. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Rede insgesamt mit einem großen Anteil an Sequenzen in "fortissimo" (48 von 107) doch sehr laut ist, und - das ist ein wichtiger Unterschied - sehr rasch laut wird (und vielleicht auch deshalb sehr rasch Applaus erntet). Insgesamt sind nur 15 Sequenzen (14%) in der Lautstärke unmarkiert. Dagegen werden 51 Sequenzen in markierter Lautstärke geäußert (=47,7%). Der bei der Rede von 1933 beobachtete Zusammenhang zwischen dichter Interaktion und gesteigerter Lautstärke bestätigt sich hier nicht. In der dichtesten Phase (Phase III) sind sieben Sequenzen, d.h. 28% bezüglich der Lautstärke nicht markiert (Sq 41 und Sq 47-52), während in den weniger dichten Phasen davor und danach (Phasen II und IV) der Prozentsatz an Sequenzen mit unmarkierter Lautstärke deutlich niedriger ist: In Phase II sind 12,9% (vier Sequenzen), in Phase IV nur 8,5% (ebenfalls vier Sequenzen) unmarkiert.
99 Auch der Anteil der Sequenzen in "forte-fortissimo" und "fortissimo" ist in Phase III im Vergleich zu den anderen Phasen - sieht man von der eigentümlichen, im Grunde nicht quantifizierbaren ersten Phase ab - deutlich niedriger: Während in Phase III ca. ein Drittel der applaudierten Sequenzen unter fff oder ff fallen, sind es in Phase IV weit Uber die Hälfte der Sequenzen (57,4%), und in Phase II 41,9%. Applausdichte und Lautstärke lassen in diesem Fall also keinen Zusammenhang erkennen. Erst mit der Analyse aller Reden wird hier eine Aussage über eine eventuell bestehende Tendenz möglich sein. Losgelöst von der auf der Applausdichte beruhenden Phasenstruktur sind allerdings Schwerpunkte mit stark gehobener Lautstärke bezogen auf die Lautstärke von Sequenzen als auch auf die globale Lautstärke beobachtbar. Solch punktuelle Konzentrationen sind in der Rede vom 10.2.1933 nicht zu beobachten. Sie liegen 1938 in Phase I (Sq 2-4), am Beginn von Phase II (Sq 5-10), innerhalb von Phase II (Sq 18-20), am Ende von Phase III (Sq 53-57) und gegen Ende der Rede in Phase IV (Sq 97-107). Diese Schwerpunkte in der markierten Lautstärke sind in der Sequenzabfolge zum Teil dichter als die unmittelbar benachbarten Bereiche (Beginn von Phase II, Ende von Phase III), zum Teil aber auch nicht (Ende von Phase IV). Applausdichte und gehobene Lautstärke hängen somit auch an diesen Konzentrationspunkten nicht zusammen: Es folgen zum Teil in Phase III Sequenzen sehr dicht aufeinander, ohne in ihrer Lautstärke markiert zu sein (Sq 47-52). Der Verlauf der globalen Lautstärke stützt die Aussagen, die darüber für die Rede von 1933 getroffen wurden: Bei geringen Zeitabständen, wir meinen damit einen Zeitraum von ca. 5 bis 20 Sekunden wie zum Beispiel in Phase III/1938, entspricht die Performanz der globalen Lautstärke weitgehend der der einzelnen applaudierten Sequenzen - dies, obwohl dazwischen immer Publikumsäußerungen liegen, d.h. der Redner immer wieder, wenn auch in Phase III/1938 oft nur kurz durch Rufe, unterbrochen wird, physiologische Gründe für das Beibehalten der Lautstärke im Grunde also auszuschließen sind: Der Redner hätte Zeit, nach der Publikumsreaktion wieder "leiser" fortzufahren, tut es aber nicht. Bei größeren Zeitabständen, ca. eine Minute und mehr, findet ein Zurücknehmen der Lautstärke statt, allerdings nicht mehr in der Schlußphase (vgl. Verlauf der globalen Lautstärke bei Sq 4-5/1938, Sq 17-18/1938, Sq 32-33/1938, Sq 60-61/1938 im Gegensatz etwa zu Sq 66-67/1938 oder Sq 82-83/1938). Auch 1938 tritt ein Zurücknehmen der Lautstärke zwischen applaudierten Sequenzen vornehmlich am Beginn der Rede etwa bis zur Hälfte des Vortrags auf, danach seltener, im letzten Drittel praktisch nicht mehr. Insgesamt 32 Sequenzen werden skandiert (29,9%). Von diesen verteilen sich genau 75% auf die Lautstufen fff (2 Sequenzen) und ff (22 Sequenzen). Innerhalb der Lautstärkestufen fff und ff wird ca. die Hälfte der Sequenzen skandiert (wobei die Sequenzen in fff aufgrund der geringen Anzahl schlecht quantifizierbar sind). Skandierte Sequenzen in unmarkierter Lautstärke machen 9,3% aller applaudierten Sequenzen aus und innerhalb der Sequenzen mit unmarkierter Lautstärke 18,7%. Das bedeutet, daß sich auch hier eine Tendenz dahin abzeichnet, daß Skandieren bevorzugt zusammen mit gesteigerter Lautstärke auftritt, auch wenn dies hier nicht so deutlich zutage tritt wie in der Rede von 1933. 1933 fallen alle skandierten Sequenzen unter fff oder ff, 1938 sind es immerhin 75%.
100 7.1.3 Prosodie 19.9.1939 Tab. 14: Lautstärke + Rhythmus nach Phasen 19.9.1939 fff Phase I: 0,3 PR/Min
—
unmarkierte Lautstärke
ff
f
2 (1 sk)
3
3 (1 sk)
Phase II: 1,2 PR/Min
4 (2 sk)
2 (1 sk)
2
15 (3 sk)
Phase III: 1,9 PR/Min
4 (2 sk)
2 (1 sk)
2
8 (1 sk)
Phase IV: 0,4 PR/Min
1
1
1
2
Über die Hälfte der ratifizierten Sequenzen ist in der Lautstärke nicht markiert (28 Sequenzen = 53,8%). Die in der Lautstärke markierten Sequenzen verteilen sich relativ gleichmäßig auf die drei Lautstärkestufen f, ff und fff. Zunächst ist festzuhalten, daß diese Rede im Vergleich zu den Reden von 1933 und 1938 insgesamt relativ "leise" ist.24 Auch in der dichtesten Phase III ist die Hälfte der applaudierten Sequenzen in der Lautstärke unmarkiert. Andererseits erhöht sich verhältnismäßig die Anzahl der besonders laut geäußerten Sequenzen (fff + ff) in Phase III im Vergleich zu den Phasen davor von ca. 1/4 auf ca. 1/3 der applaudierten Sequenzen. Dies würde wieder für die These eines bestehenden Zusammenhanges zwischen der Dichte der Applausbekundungen und der Variation der Lautstärke des Vortrages sprechen, was sich bei der Rede von 1933 abzeichnet, bei der Rede von 1938 jedoch nicht (s.o.). Beim Verlauf der globalen Lautstärke zeichnen sich Unterschiede im Vergleich zu 1933 und 1938 ab: Ein starkes Zurücknehmen der Lautstärke zwischen applaudierten, in der Lautstärke markierten Sequenzen ist durchgehend zu beobachten, auch in der dichtesten Phase der Rede (Phase III). In den sieben Minuten zwischen der 65. und der 72. Minute, kurz vor dem markiert lauten Redeschluß, spricht Hitler in "normaler" Lautstärke (Kennzeichnung "n"). Ebenso ist dies der Fall zwischen Phase II und III (ca. Minute 48 bis 51), d.h. wiederum relativ spät im Redeverlauf. Eine prosodisch-rhetorische Steigerung in dem Sinne, daß Schwankungen in der globalen Lautstärke nach unten gegen Ende der Rede praktisch nicht mehr vorkommen, kann bei der Rede von 1939 nicht festgestellt werden. Eventuell liegt auch dieser Unterschied in den unterschiedlichen äußeren Bedingungen begründet. Insgesamt werden 12 der 52 Sequenzen skandiert (23%). Skandieren tritt sowohl bei markierter als auch bei unmarkierter Lautstärke auf. Mehr als die Hälfte der Sequenzen unter fff und ff zusammengenommen werden skandiert (58,3%). Der Rest tritt komplett zusammen mit unmarkierter Lautstärke auf, macht dort allerdings nur einen Anteil von 19,2% aus (5 von 26 Sequenzen). Es liegt hier somit eine ausgeprägte Parallelität zwischen markierter Lautstärke und Skandieren vor.
24
Wir haben bereits erwähnt, daß ein entscheidender Unterschied dieser Rede zu den vorhergehenden darin liegt, daß sie in einem Saal und nicht in einer Sporthalle stattfindet, und wir von vornherein von anderen äußeren Umständen ausgehen müssen. Wir werden versuchen, im Vergleich mit den Münchner Reden vom 8.11.1943 und vom 24.2.1944, die ebenfalls in Sälen stattfinden, zu zeigen, ob und inwiefern diese Unterschiede zwischen den Performanzen in Halle und Saal typisch sind, d.h. von der Größe des Raumes abhängen, und inwiefern eventuell auch historische Kontexte sich darin widerspiegeln lassen.
101 7.1.4
Prosodie 30.1.1940
Tab. 15: Lautstärke + Rhythmus nach Phasen 30.1.1940 fff Phase I: 0,45 PR/Min
—
1
Phase II: 1,8 PR/Min Phase III: 0,2 PR/Min
—
ff
f
3 ( 1 sk)
1
5
3
3
4
—
2
unmarkierte Lautstärke
—
Phase IV: 1,0 PR/Min
2
3
2
2
Phase V: 2,5 PR/Min
5
7
9
11
Phase VI: 2,0 PR/Min
2
2
1
1
Genau ein Drittel der applaudierten Sequenzen ist in der Lautstärke nicht markiert. Der prosodische Gegensatz, d.h. die Anzahl der mit "fortissimo" und "forte-fortissimo" markierten Sequenzen, beläuft sich auf 28 Sequenzen (40,5%), wobei der Anteil an mit ff bezeichneten Sequenzen fast doppelt so hoch ist, wie der Anteil der mit fff bezeichneten (18:10). Das Verhältnis von einem Drittel unmarkierter Sequenzen zu zwei Dritteln (unterschiedlich) markierter findet sich auch etwa in manchen einzelnen Phasen wieder, so in Phase II und V, der dichtesten Phase der Rede. Die dichteste Phase (V) ist somit, bezogen auf den Kontext der gesamten Rede, nicht überdurchschnittlich laut: Gesteigerte Dichte in der Interaktion bedeutet in diesem Fall nicht, daß die prososodische Realisierung dabei emphatischer werden muß. Die globale Lautstärke geht auch noch im hinteren Bereich der Rede, bis in die Schlußphase hinein, stellenweise stark zurück (vgl. etwa Sq 42-43/1940, Sq 58-59/1940, Sq 6364/1940). Auffallend ist eine längere beifallsfreie Passage gegen Ende (ca. 57. bis 61. Minute), in der Hitlers Stimme auf "Normalton" schaltet, ein Phänomen, das auch bei der Rede vom 19.9.1939 zu beobachten ist. Interessant daran ist die Tatsache, daß Hitler am 30.1.1940 im Berliner Sportpalast spricht, und somit die gleichen lokalen äußeren Rahmenbedingungen gelten, wie bei den Reden vom 10.2.1933 und 26.9.1938. Darüberhinaus findet eine markiert rhythmische Vortragsweise so gut wie nicht statt. Skandiert wird 1940 nur ein Mal (Sq 8). 1933 beträgt die Rate der skandierten Sequenzen insgesamt 19,1%, 1938 sind es gar 29,9%. Diese Tatsache ist für die vergleichende Interpretation der rhetorischen Realisierung von besonderer Bedeutung, da an diesem Faktor der Unterschied zu den anderen, bisher behandelten Hallenreden (1933, 1938) besonders deutlich wird: die Rede vom 30.1.1940 ist - obwohl im Sportpalast stattfindend - als relativ "leise" bzw. prosodisch unemphatisch einzustufen.
102 7.1.5 Prosodie 30.9.1942 Tab. 16: Lautstärke + Rhythmus nach Phasen 30.9.1942 ff
f
unmarkierte Lautstärke
Phase I: 2,4 PR/Min
—
fff
9 (2 sk)
9 (3 sk)
8
Phase II: 1,3 PR/Min
—
3 (1 sk)
5 (1 sk)
8
10(1 sk)
4 ( 1 sk)
4 (3 sk)
9 (1 sk)
5 (1 sk)
1
Phase III: 1,8 PR/Min Phase IV: 1,2 PR/Min Phase V: 1,5 PR/Min
2 (2 sk) —
2 (1 sk)
5 —
1
Die Verteilung der applaudierten Sequenzen auf unmarkierte und besonders markierte Lautstärke (ff + fff) ähnelt der der Rede vom 30.1.1940, mit einer Verschiebung hin zur markierten Lautstärke: 1942 liegt der Wert für unmarkierte Lautstärke bei 25,9% (1940 genau 1/3 der applaudierten Sequenzen), der für besonders markierte Lautstärke bei 41,2% (1940: 40,5%). Ebenfalls ähnlich, 1942 jedoch nicht so verbreitet wie 1940, ist die stellenweise Zurücknahme der Lautstärke auch noch gegen Ende der Rede auf eine "normale" bzw. "gehobene" Stimmlage, die wir im Kontext öffentlicher politischer Reden vor einem größeren Publikum bezüglich der Lautstärke jedoch als unmarkiert einstufen. Dies geschieht 1942 noch ca. 10 Minuten vor Schluß, aber auch davor relativ häufig über die Rede verteilt (vgl. z.B. Sq 35-37/1942, Sq 45-47/1942, Sq 63-64/1942 (=längere Passage ohne Applaus), Sq 66-67/1942, Sq 68-69/1942, Sq 74-75/1942). Die Frage nach dem Zusammenhang zwischen der Dichte applaudierter Sequenzen und der Lautstärke zeitigt bei dieser Rede widersprüchliche Fakten. Zum einen scheint sich ein Zusammenhang in den relativ dichten Phasen III und V (=Schluß) zu bestätigen. Andererseits ist das Verhältnis zwischen unmarkierter und besonders markierter Lautstärke in der dichtesten Phase der Rede, Phase I, ausgewogen (8:9 Sequenzen). Dies mag mit der seltsam anmutenden Tatsache zusammenhängen, daß die dichteste Phase dieser Rede sich am Anfang befindet (ca. bis zur 14.Minute). Das Interessante an dieser Rede ist, daß das Publikum im Grunde sofort einsetzt, Hitlers Äußerungen zu ratifizieren, die für fast 14 Minuten in bisher nicht festgestellter Dichte aufeinander folgen. 25 Lokale Steigerungen der Lautstärke an den schließlich applaudierten Sequenzen finden dabei in den ersten fünf bis sechs Minuten nicht statt, auch dies ein Phänomen, das diese Rede mit der Rede vom 30.1.1940 teilt. Bei anderen Reden kommen auch erste applaudierte Sequenzen immer in Zusammenhang mit gesteigerter Lautstärke vor und zwar unabhängig von der Art des Versammlungsortes, d.h. ob in Halle oder Saal (vgl. 10.2.1933, 26.9.1938, 19.9.1939).26
25
26
Auch 1938 und 1940 erfolgen erste Ratifizierungen schon relativ früh dicht aufeinander, treten dann jedoch für einen relativ langen Zeitraum zurück (1938), bzw. treten in größeren Zeitabständen auf (1940). Diese Befunde werden für unsere vergleichende Interpretation der Reden in ihrer rhetorischen Realisierung und interaktiven Wirkung vor dem jeweiligen historisch-politischen Hintergrund von zentraler Bedeutung sein.
103 Die Anzahl skandierter applaudierter Sequenzen liegt im Bereich der bisher festgestellten Rate skandierter Sequenzen (Ausnahme 1940): 17mal werden Sequenzen skandiert, was 20% aller applaudierten Sequenzen entspricht. Besonders deutlich zeichnet sich jedoch 1942 ein Zusammenhang zwischen Skandieren und gesteigerter Lautstärke ab: 11 der 17 skandierten Sequenzen, d.h. über zwei Drittel, sind bei ff oder fff einzuordnen. Dabei werden 3 der 4 unter fff eingeordneten Sequenzen skandiert. Da auch ca. 1/4 der mit ff bezeichneten, und ca. 1/5 der mit f bezeichneten Sequenzen skandiert werden, kann die bei der Untersuchung der Rede vom 10.2.1933 aufgestellte Arbeitshypothese eines Primats von Lautstärke gegenüber Rhythmus nicht aufrechterhalten werden.27
7.1.6 Prosodie 8.11.1943 Tab. 17: Lautstärke + Rhythmus nach Phasen 8.11.1943 fff Phase I: 0,1 PR/Min
—
Phase II: 1,4 PR/Min
—
Phase III: 2,0 PR/Min Phase IV: 0,6 PR/Min
2 ( 1 sk) —
ff
f
unmarkierte Lautstärke
1
1
3 (2 sk)
10 (4 sk)
5 (1 sk)
8 (6 sk)
7 (1 sk)
5 (3 sk)
4 (2 sk)
3 (1 sk)
—
—
Diese Rede findet wie die Danziger Rede vom 19.9.1939 in einem Saal statt, dem Löwenbräukeller in München. Dem muß beim Vergleich mit den anderen Reden Rechnung getragen werden.28 Unter die Kategorien fff+ff fallen 17 Sequenzen (=34,7%), wobei das Schwergewicht deutlich bei ff liegt. In der Lautstärke unmarkiert sind 11 Sequenzen (=22,4%). Die Danziger Rede von 1939 Hegt hinsichtlich der markierten Lautstärke etwas unter dem hier ermittelten Wert (1939: 30,7%) während der Anteil der Sequenzen mit unmarkierter Lautstärke weit darüber liegt (1939: 53,8%): Hitler spricht im Saal in Danzig insgesamt deutlich leiser als in den übrigen Reden, wie sich nun auch im Vergleich mit dieser Saalrede von 1943 deutlich zeigt. Die Reden im Sportpalast 1933, 1938, 1940 und 1942 weisen wiederum deutlich mehr Sequenzen in markierter Lautstärke auf, als diese Münchner Rede von 1943, was meines Erachtens zum Teil sicherlich mit den veränderten äußeren Rahmenbedingungen, d.h. mit den unterschiedlichen Gestimmtheiten, Atmosphären, wie auch immer, in Saal und Halle zu erklären ist. 1943 zeigt sich zum einen ein Zusammenhang zwischen dichter Interaktion und gesteigerter Lautstärke sehr deutlich, zum anderen zeigt sich in der Schlußphase eine andere 27
28
In der Rede vom 10.2.1933 sind so gut wie alle skandierten Sequenzen unter fff eingeordnet, was zu der These führte, daß Skandieren eventuell als zusätzliche Emphatisierung zum Einsatz kommt, wenn der Redner in der Lautstärke an seine physische Grenze gelangt. Mit ein Grund, warum die Danziger Rede im Artushof mit in das Korpus der Arbeit aufgenommen wurde, liegt darin, daß damit ein relativ früher Fall einer Rede in einem Saal als Vergleichsmöglichkeit mit den beiden späten Saalreden (8.11.1943 und 24.2.1944) vorliegt.
104 Entwicklung. Von Phase I bis III steigt die Dichte der Applausbekundungen und der Anteil der markiert laut gesprochenen applaudierten Sequenzen jeweils an (vgl. Tab.lATab.17). In der Schlußphase hingegen fällt die Dichte stark ab, während der prozentuale Anteil der markiert laut geäußerten applaudierten Sequenzen weiter ansteigt (bei einer geringeren tatsächlichen Anzahl). Allerdings kommen in dieser letzten Phase der Rede keine Spitzen in der Lautstärke (fff) mehr vor. Die globale Lautstärke geht die ganze Rede Uber oft auch bis zum Schluß hin - bis zu "piano" oder zu "normaler" Sprechlage () zurück. Dies ist auch - allerdings etwas weniger - in der dichtesten Phase der Fall. Skandiert werden 21 Sequenzen, was 42,8 % aller applaudierten Sequenzen entspricht. Die Rhythmisierung applaudierter Sequenzen bei dieser Rede ist somit sehr viel stärker vertreten als bei allen anderen Reden. 11 skandierte Sequenzen treten mit markierter Lautstärke auf (fff + ff), während nur vier skandierte Sequenzen mit unmarkierter Lautstärke geäußert werden. Somit liegt ein weiteres Indiz dafür vor, daß Skandieren und gesteigerte Lautstärke tendenziell zusammen vorkommende Phänomene sind.
7.1.7 Prosodie 24.2.1944 Tab. 18: Lautstärke + Rhythmus nach Phasen 24.2.1944 fff Phase I: 1,1 PR/Min
—
Phase II: 0,8(1,3) PR/Min
—
Phase III: 2,7 PR/Min
—
Phase IV: 0,5 PR/Min
—
Phase VI,7 PR/Min
ff
f
unmarkierte Lautstärke
4 ( 3 sk)
3
5 (3 sk)
1
3
6 (1 sk)
2
4 ( 1 sk)
2
4 ( 3 sk)
2
4 (3 sk)
1
1
—
40,5% aller Sequenzen sind in der Lautstärke besonders markiert, wobei fff allerdings nicht vorkommt. In der Lautstärke unmarkiert sind insgesamt 30,9%. Betrachtet man nun die prozentualen Anteile der in der Lautstärke markierten Sequenzen in den einzelnen Phasen, so kommt man zu dem Ergebnis, daß in den Phasen II, III und V die prozentualen Anteile der in der Lautstärke markierten Sequenzen höher als der Durchschnittswert der gesamten Rede ist. Das bedeutet, daß sich in den mittleren Phasen der Rede und gegen Ende die besonders lauten Sequenzen häufen. Diese Phasen sind auch die dichtesten dieser Rede. Somit können wir hier einen gewissen Zusammenhang zwischen dichterer Interaktion und erhöhter Lautstärke feststellen, allerdings mit der Einschränkung, daß der prozentuale Anteil der markiert lauten Sequenzen in der dichtesten Phase (Phase III) mit 50% nicht der höchste der Rede ist. Daher kann nur von einem tendenziellen Zusammenhang zwischen erhöhter Dichte und erhöhter Lautstärke gesprochen werden. Die Untersuchung der Einbettung der applaudierten Sequenzen in den Verlauf der globalen Lautstärke zeigt, daß die Lautstärke auch in Passagen, in denen über einen längeren Zeitraum keine Applausbekundungen auftreten, zuweilen ansteigt oder erhöht bleibt. Dies ist der Fall zwischen der 16. und der 19. Minute, der 44. und 46. Minute und der 47. und 50. Minute.
105 Des weiteren ist bei größeren Abständen zwischen applaudierten Sequenzen, wie bei den anderen Reden auch, Uberwiegend ein Absinken der Lautstärke zu beobachten, bzw. ein Ansteigen der Lautstärke vor applaudierten Sequenzen (vgl. z.B. Sq 5-6/1944, Sq 89/1944, Sq 14-, 15/1944, Sq 38-40/1944). Dies ist auch der Fall gegen Redeschluß (vgl. Sq 38-42/1944). Aufschlußreich ist die Tatsache des zeitweiligen Anstiegs der Lautstärke in längeren beifallsfreien Passagen. Wie sich bei der Untersuchung der fomalen Stilisierungen gezeigt hat, weist gerade diese Rede einen verhältnismäßig hohen Anteil an nicht applaudierten formalen Stilisierungen auf. Nun zeigt auch die Untersuchung der Prosodie, wie Hitler rhetorische Versuche macht, das Publikum zu Ratifizierungen zu bewegen. Skandiert werden insgesamt 14 der applaudierten Sequenzen (33,3%), wobei die Hälfte unter f f , fast der ganze Rest unter f eingeordnet ist. Somit ist bei diesem Fall festzuhalten, daß Skandieren grundsätzlich bei markierter Lautstärke auftritt, jedoch nicht an besondere Spitzen derselben gebunden ist. Deutlich ist, daß der Anteil skandierter Sequenzen im in der Lautstärke unmarkierten Bereich verschwindend gering ist.
7.2
Form und Prosodie 1933-1944
Bei der Untersuchung des Bezugs zwischen formaler Stilisierung und prosodischer Realisierung wird sowohl die Stilisierung allgemein, d.h. alle festgestellten Formtypen zusammengenommen, mit der Prosodie in Bezug gesetzt, als auch die prosodische Realisierung der einzelnen Formtypen untersucht. Um den Bezug zur Untersuchung der Prosodie (7.1) herzustellen, wird zudem jeweils das Zusammenspiel von formaler Stilisierung und Prosodie in den jeweils dichtesten Phasen der Reden untersucht. Die Kontrastierung der Resultate aus der Untersuchung der Gesamtreden mit den Resultaten aus den jeweils dichtesten Phasen soll Aufschlüsse zeitigen über die interaktive Rolle von Stil und Prosodie in ihrem Zusammenspiel: Die Frage zielt darauf, ob und inwiefern sich in der Rhetorik Hitlers Veränderungen feststellen lassen in Phasen, in denen die Interaktion zwischen Redner und Publikum in der zeitlichen Abfolge dichter, d.h. intensiver wird. Die linguistisch motivierte Frage, die sich dabei stellt, ist die nach einem Zusammenhang zwischen markierter Prosodie und markierter Form (=Stilisierung), und ob sich bei prosodisch markiertem Sprechen, das auf Interaktion abzielt, ein bestimmter Formtyp als präferiert feststellen läßt. Als Indikator für prosodisch markiertes Sprechen werden die Kategorien Lautstärke und Rhythmus herangezogen. Unter Formtypen verstehen wir Paarkonstruktionen, Dreierlisten und Kombinationen aus diesen beiden Kategorien (vgl. Kap.2.2.1 und 6).
106 7.2.1
Form und Prosodie 10.2.1933
Tab. 19: Verteilung formal stilisierter Sequenzen auf Stufen der Lautstärke inkl. Rhythmus 10.2.1933 Lautstärke
formal stilisiert
formal nicht stilisiert
forte-fortissimo
15 (6 sk)
10 (2 sk)
fortissimo
11
8 (1 sk)
forte
1
gesamt
2
—
unmarkierte Lautstärke
—
21 (3 sk)
26 (6 sk)
Tab.20: Lautstärke/Rhythmus und Formtypen 10.2.1933 Kombination
3er
2er
formlos
forte-fortissimo
3
5 (3 sk)
7 (3 sk)
10 (2 sk)
fortissimo
3
2
6
8 (1 sk)
Lautstärke/Formen
forte unmarkierte Lautstärke
—
....
—
1 ....
2 —
Untersucht man die Verhältnisse, wie formal stilisierte und nicht stilisierte Sequenzen in die verschiedenen Stufen der Lautstärke eingeordnet sind, so erhält man ein Ergebnis, das überraschend deutlich einen Zusammenhang zwischen steigender und fallender Lautstärke und zunehmender bzw. abnehmender Formalisierung aufzeigt. Bezogen auf die gesamte Rede ist das Verhältnis zwischen stilisierten und nicht stilisierten applaudierten Sequenzen gekennzeichnet durch ein leichtes Übergewicht an formalen Stilisierungen: Die 47 Sequenzen teilen sich in 26 formal stilisierte und 21 nicht stilisierte Sequenzen, d.h. der Anteil der stilisierten Sequenzen ist um ca. ein Fünftel höher als der der nicht stilisierten. Betrachtet man nun die Verteilung auf die Stufen der Lautstärke, so ergibt sich im Grunde ein zu schwacher Kontrast zwischen der Anzahl der stilisierten und der nicht stilisierten Sequenzen, um Aussagen über eine Beziehung zwischen Prosodie und Form zu machen: Bei den unter fff eingeordneten Sequenzen sind 60% stilisiert. Bei ff sind es nur unwesentlich weniger (57,9%). Bei "forte" ist eine statistische Aussage aufgrund der kleinen Anzahl im Grunde nicht möglich. Der Vergleich der Anzahl der Sequenzen unter "forte-fortissimo" und "fortissimo" jedoch scheint die oben formulierte Interdependenz zwischen Form und Lautstärke bestätigen zu können. Bei der Untersuchung der prosodischen Realisierung der einzelnen Formtypen stellt sich das Problem der relativ kleinen Zahlen für eine quantifizierende Auswertung. Fächert man die Formen nach Formtypen auf, so stellt man zwar ein Schwergewicht bei Dreierlisten und Kombinationen fest, die jeweils insgesamt unter markierter Lautstärke eingeordnet sind, jedoch ist der Unterschied zu den anderen Kategorien nicht so deutlich ausgeprägt, um eine klare Tendenz ausmachen zu können: Auch Paarkonstruktionen und Sequenzen ohne Form fallen fast vollständig unter markierte Lautstärke. Skandieren geht deutlich einher mit gesteigerter Lautstärke. Dabei ist der Anteil skandierter Sequenzen unter den formal stilisierten höher als der bei den nicht stilisierten (ca.
107 1/4:1/7). Eine Präferenz für skandierende Sprechweise bei einem bestimmten Formtyp kann nicht festgestellt werden. Das Zusammenspiel von Form und Prosodie in der dichtesten Phase der Rede, Phase III, ergibt folgendes Bild: Tab.21: Form und Lautstärke 10.2.1933/Phase III Lautstärke
formal stilisiert
formal nicht stilisiert
fff
6 ( 1 sk)
2
ff
4
4
f
—
—
unmarkierte Lautstärke
—
—
gesamt
10 (1 sk)
6
Während für die gesamte Rede ein leichtes Übergewicht an Stilisierungen gegenüber nicht stilisierten applaudierten Sequenzen festzustellen ist (Tab.9) schlägt das Verhältnis in der dichtesten Phase der Rede stärker zugunsten der formalen Stilisierung aus. Auch der für die Gesamtrede festgestellte Zusammenhang, daß formale Stilisierungen präferiert lauter ausgesprochen werden als nicht stilisierte Sequenzen, tritt hier noch deutlicher zutage. Der Anteil an markiert laut gesprochenen Sequenzen in Phase III insgesamt (fff+ff) ist im Vergleich mit der Gesamtrede deutlich höher: Ergibt sich für die gesamte Rede ein Wert von 89% für Sequenzen mit markierter Lautstärke, so werden in Phase III alle Sequenzen mit markierter Lautstärke geäußert. Der festgestellte Zusammenhang zwischen Skandieren und gesteigerter Lautstärke bzw. Skandieren und formaler Stilisierung läßt sich an dieser einzelnen Phase nicht zeigen, da dies nur ein Mal auftritt (Sequenz 38). Für diese Rede ist zu folgern, daß die rhetorische Performanz bezüglich Stil und Lautstärke in Zusammenhang steht mit der Entwicklung hin zu einer dichteren Interaktion zwischen Publikum und Hitler. In der dichtesten Phase der Rede kann im Vergleich zur restlichen Rede eine höhere Konzentration von formal stilisierten Sequenzen mit gesteigerter Lautstärke und von gesteigerter Lautstärke an sich festgestellt werden. Hitler spricht in der interaktiv intensivsten Phase der Rede deutlich emphatischer.
7.2.2 Form und Prosodie 26.9.1938 Tab.22: Verteilung formal stilisierter Sequenzen auf Stufen der Lautstärke inkl. Rhythmus 26.9.1938 Lautstärke
formal stilisiert
forte-fortissimo
3 (2 sk)
formal nicht stilisiert
fortissimo
30 (16 sk)
18 (6 sk)
forte
21
20 (4 sk)
—
unmarkierte Lautstärke
4 (2 sk)
11 (1 sk)
gesamt
58 (20 sk)
49(11 sk)
108 Tab.23: Lautstärke/Rhythmus und Formtypen 26.9.1938 Lautstärke/Formen forte-fortissimo
Kombination
fortissimo
3 (1 sk)
forte
3 (1 sk)
unmarkierte Lautstärke gesamt
—
6 (2 sk)
formlos
3er
2er
1
2 (2 sk)
14 (9 sk)
13 (6 sk)
18 (6 sk)
12
20 (4 sk)
—
6 —
21 (9 sk)
—
4 (2 sk)
11 (1 sk)
31 (10 sk)
4 9 ( 1 1 sk)
Selbst wenn man die wenigen Sequenzen in "forte-fortissimo" mangels Masse vernachlässigt (auch sie würden die These vom Zusammenhang zwischen formaler Stilisierung und gesteigerter Lautstärke stützen, da alle drei formal stilisiert sind), zeigt sich hier klarer als 1933 ein Zusammenhang zwischen diesen beiden Faktoren. Vergleicht man die jeweilige quantitative Ausprägung bei "fortissimo" und bei "unmarkierte Lautstärke" stellt man im Grunde eine Umkehrung der Verhältnisse fest: Bei "fortissimo" sind 30 von 48 Sequenzen (62,5%) stilisiert, dementsprechend 37,5% nicht stilisiert. Bei der Kategorie "unmarkierte Lautstärke" sind dagegen nur 4 von 15 Sequenzen (26,7%) formal stilisiert, dementsprechend 73,3% unstilisiert. Vertikal gelesen sind innerhalb aller nicht stilisierten Sequenzen 18 von 49 Sequenzen (=36,7%) unter "fortissimo" eingestuft, d.h. über ein Drittel dieser Sequenzen wird markiert laut geäußert (fff tritt nicht auf)· Bei den stilisierten Sequenzen werden insgesamt 33 von 58 Sequenzen markiert laut geäußert (ff + fff), d.h. 57,8%. So ist festzuhalten, daß, auch wenn ein beträchtlicher Teil der nicht stilisierten Sequenzen markiert laut ausgesprochen wird, dennoch verhältnismäßig mehr stilisierte Sequenzen markiert laut geäußert werden. Ausdifferenziert nach Formtypen verteilen sich die Kombinationen ausgewogen auf die Lautstärkestufen (bei Nichtbelegung von "forte-fortissimo"). Bei Paarkonstruktionen und Dreierlisten liegt das Schwergewicht jeweils auf "fortissimo", wobei der prozentuale Anteil bei den Dreierlisten im Vergleich zu den Gegensatzpaaren höher ist. Nimmt man die Kategorien "fortissimo" und "forte-fortissimo" als besonders markierte Stufen der Lautstärke zusammen, so fallen 71,4% der Dreierlisten und 48,4% der Paarkonstruktionen unter diese Kategorien. Bei den formlosen Sequenzen sind es nur 36,76%, die unter "fortissimo" fallen, während über 40% unter "forte" einzuordnen sind. Dies ist wiederum bei Paaren und Listen deutlich weniger belegt. Insgesamt ist festzuhalten, daß sich die These, mit steigender Lautstärke würden verstärkt auch formale Stilisierungen auftreten, weiter halten läßt. Im Vergleich von Paaren mit Dreierlisten stellt sich heraus, daß die Listen mit einem deutlich größeren Anteil betont laut geäußert werden. Auch Skandieren tritt deutlich parallel mit gesteigerter Lautstärke auf: Ca. die Hälfte der Sequenzen, die unter fff und ff eingeordnet sind werden skandiert gegenüber ca. 1/5 der Sequenzen bei unmarkierter Lautstärke. Auch bezüglich der Stilisierungen ist festzustellen, daß Skandieren bevorzugter bei formalen Stilisierungen auftritt, als bei unstilisierten Sequenzen: Mehr als 1/3 der formal stilisierten Sequenzen wird skandiert. Bei den formal nicht stilisierten Sequenzen beträgt die Anzahl derSkandierungen weniger als 1/5 der Sequenzen (11 von 49). Unter den Formtypen wird bei dieser Rede die Dreierliste prozentual mehr skandiert als die Paarkonstruktion oder die Kombination. Das Zusammen-
109 spiel von Form und Prosodie in der dichtesten Phase der Rede, Phase III, ergibt folgendes Bild: Tab.24: Form und Lautstärke 26.9.1938/Phase III Lautstärke
formal stilisiert
fff
2 (2 sk)
formal nicht stilisiert
ff
2 (1 sk)
4 ( 1 sk) 6 ( 1 sk)
—
f
4
unmarkierte Lautstärke
2 (1 sk)
5
gesamt
10 (4 sk)
15 (2 sk)
Es zeigen sich die in der gesamten Rede festgestellte Tendenzen auch hier: Unter den formal stilisierten Sequenzen treten im Verhältnis mehr Sequenzen mit markierter Lautstärke (fff + ff) und mehr skandierte Sequenzen auf, wobei Skandieren und markierte Lautstärke offenbar zusammenhängen. Wie die Untersuchung der Stilistik und Prosodie ergeben hat (Kap.5 und 6), ist bei dieser Rede der Anteil an formalen Stilisierungen und markierter Prosodie in der dichtesten Phase geringer als im Schnitt der gesamten Rede. Somit liegt hier der paradox erscheinende Befund vor, daß die dichterwerdende Interaktion zwischen Hitler und Publikum gekennzeichnet ist von einem abnehmenden Anteil zentraler Elemente rhetorischer Emphase (formale Stilisierung und gesteigerter Lautstärke).
7.2.3 Form und Prosodie 19.9.1939 Tab.25: Verteilung formal stilisierter Sequenzen auf Stufen der Lautstärke inkl. Rhythmus 19.9.1939 Lautstärke
formal stilisiert
formal nicht stilisiert
forte-fortissimo
7 (3 sk)
2 (1 sk)
fortissimo
4 (2 sk)
3 (1 sk)
forte
7
1
unmarkierte Lautstärke
17 (3 sk)
11 (2 sk)
gesamt
35 (8 sk)
17 (4 sk)
Tab.26: Lautstärke/Rhythmus und Formtypen 19.9.1939 Lautstärke/Formen forte-fortissimo
Kombination —
1
fortissimo forte unmarkierte Lautstärke
—
2
3er
2er
formlos
3 (2 sk)
4 ( 1 sk9
2 (1 sk)
1 (1 sk)
2 (1 sk)
3 (1 sk)
5
2
1
10(1 sk)
5 (2 sk)
11 (2 sk)
Bei der Analyse der Prosodie (7.1) wird festgestellt, daß über die Hälfte der applaudierten Sequenzen in der Lautstärke unmarkiert ist und daß die drei Lautstärkestufen relativ gleichmäßig vertreten sind. Unterschieden nach Stilisierung und Nicht-Stilisierung zeigt sich, daß sich die Gewichtung der Sequenzen mit unmarkierter Lautstärke deutlich auf die
110 Seite der nicht stilisierten Sequenzen verschiebt: 11 Sequenzen, d.h. über zwei Drittel der formal nicht stilisierten Sequenzen werden mit unmarkierter Lautstärke geäußert. Allerdings wird diese Tatsache dadurch relativiert, daß auch bei den formal stilisierten Sequenzen der Anteil mit unmarkierter Lautstärke mit 17 Sequenzen (48,5%) höher ist als der Anteil mit markierter Lautstärke (11 Sequenzen bei fff und ff, d.h. 31,4%). Hier spiegelt sich die bereits festgestellte Tatsache wider, daß diese Rede prosodisch insgesamt relativ "leise" vorgetragen wird. Die Tendenz, daß stilistisch geformte Sequenzen auch prosodisch markierter ausgesprochen werden, läßt sich dennoch erkennen, jedoch nur in dem schwächer ausgeprägten Gegensatz zwischen markierter und unmarkierter Lautstärke bei den formal stilisierten Sequenzen im Vergleich mit den unstilisierten. Von den einzelnen Formtypen sind die Paarkonstruktionen bei der markierten Lautstärke hier verhältnismäßig stärker vertreten als die Dreierlisten. Über die Hälfte der Dreierlisten sind 1939 prosodisch nicht markiert. Bei den Paarkonstruktionen ist es ein starkes Drittel. Umgekehrt ist nur ca. ein Fünftel der Dreierlisten unter fff und ff eingeordnet, während bei den Paarkonstruktionen fast die Hälfte markiert laut geäußert wird. Was das Skandieren betrifft, bestätigt sich bei dieser Rede sehr klar ein paralleler Zusammenhang zu gesteigerter Lautstärke (vgl. 7.1). 7 der 16 unter fff und ff eingeordneten applaudierten Sequenzen werden skandiert (43,7%). Bei der unmarkierten Lautstärke sind es nur 5 von 26 Sequenzen (=19,2%). Der bei den Reden von 1933 und 1938 beobachtete Zusammenhang zwischen formaler Stilisierung und Skandieren zeigt sich hier nicht. Die prozentualen Anteile sind fast gleich: 8 von 35 stilisierten, und 4 von 17 nicht stilisierten Sequenzen werden skandiert. Von den Formtypen wird die Paarkonstruktion im Verhältnis mehr skandiert als die anderen Typen. Somit liegen diesbezüglich für drei Reden drei verschiedene Resultate vor: 1933 sind die Formtypen unter den skandierten Sequenzen ausgewogen vertreten, 1938 sind es mehr Dreierlisten, 1939 mehr Paarkonstruktionen, die skandiert werden. Das Zusammenspiel von Form und Prosodie in der dichtesten Phase der Rede, Phase III, ergibt folgendes Bild: Tab.27: Form und Lautstärke 19.9.1939/Phase III Lautstärke
formal stilisiert
fff
3 (2 sk)
ff
2 ( 1 sk)
formal nicht stilisiert 1 —
f
1
unmarkierte Lautstärke
7 ( 1 sk)
1 1
gesamt
13 (4 sk)
3 (0 sk)
Bei dieser Rede geht die dichtere Interaktion in formal-stilistischer und prosodischer Hinsicht einher mit emphatischerer Rhetorik. Der Anteil an formalen Stilisierungen beträgt in Phase III 81,25% (13 von 16 Sequenzen) gegenüber 67,3% insgesamt (35 Stilisierungen bei 52 Sequenzen insgesamt). 6 von 16 Sequenzen werden in Phase III markiert laut gesprochen (=37,5%), während der Anteil insgesamt diesbezüglich bei 30,6% liegt (16 von 52 Sequenzen). Die Anzahl der Sequenzen mit unmarkierter Lautstärke geht in Phase III im Vergleich mit dem Ganzen leicht zurück, sie beträgt nun genau 50%. Das Skandieren
Ill
tritt nun ausschließlich bei formal stilisierten Sequenzen auf - im Gegensatz zur Gesamtrede, wo dieses Verhältnis ausgeglichen ist. Somit kann von einer Steigerung der rhetorischen Emphase gesprochen werden, wobei sich auch in dieser Phase - 50% der Sequenzen weisen unmarkierte Lautstärke auf - immer noch der bereits festgestellte relativ "leise" Charakter der Rede widerspiegelt.
7.2.4 Form und Prosodie 30.1.1940 Tab.28: Verteilung formal stilisierter Sequenzen auf Stufen der Lautstärke inkl. Rhythmus 30.1.1940 Lautstärke
formal stilisiert
forte-fortissimo
10
formal nicht stilisiert
fortissimo
12(1 sk)
6
forte
11
7
—
unmarkierte Lautstärke
12
11
gesamt
4 5 ( 1 sk)
24
Tab.29: Lautstärke und Formtypen 30.1.1940 Lautstärke/Formen
Kombination
3er
2er
forte-fortissimo
1
5
4
formlos
fortissimo
2
5
5
forte
1
5
5
7
unmarkierte Lautstärke
1
5
6
11
—
6
Hier zeigen die Verhältnisse überaus deutlich den bisher zum Teil festgestellten Trend, daß formale Stilisierungen tendenziell auch prosodisch markiert werden. Das Verhältnis der formal stilisierten und gleichzeitig markiert lauten Sequenzen zu den in der Lautstärke unmarkierten ist ca. 2:1 (22:12 Sequenzen), während bei den formal nicht stilisierten Sequenzen nur ein Viertel dieser Sequenzen (6 von 24) markiert laut ist (ff). So deutlich der Zusammenhang zwischen formaler Stilisierung und markierter Prosodie sich hier im Kontrast abzeichnet, so undeutlich bzw. ausgewogen sind die Verhältnisse, wenn man die prosodische Realisierung der einzelnen Formtypen miteinander vergleicht. Es läßt sich keine präferierte Form bei der markierten Lautstärke feststellen. Ein weiteres Indiz für die soeben festgestellte Tatsache, daß Stilisierung tendenziell auch prosodisch markiert wird, spiegelt sich in der Tatsache, daß die wenigen Kombinationen 1940 sämtlich in der markierten Lautstärke zu finden sind. Im übrigen ist die Verteilung sowohl bei Paarkonstruktionen wie auch bei den Dreierlisten fast gleich: Ca. die Hälfte beider Formtypen werden markiert laut (fff+ff) geäußert. Skandiert wird nur eine applaudierte Sequenz (Dreierliste in "fortissimo"), was in der Anzahl zu gering ist, um bezüglich des linguistischen Zusammenhangs eine allgemeine Aussage zu treffen. Das Zusammenspiel von Form und Prosodie in der dichtesten Phase der Rede, Phase V, ergibt folgendes Bild:
112 Tab.30: Form und Lautstärke 30.1.1940/Phase V Lautstärke
formal stilisiert
fff
5
formal nicht stilisiert
ff
3 (1 sk)
4
f
4
5
—
unmarkierte Lautstärke
5
6
gesamt
17 (1 sk)
15 (0 sk)
Hier spiegelt die interaktiv dichteste Phase nicht die Verhältnisse der gesamten Rede wider. Das Verhältnis von stilisierten Sequenzen zu nicht stilisierten ist gekennzeichnet von einem nur leichten Übergewicht an Stilisierungen (17:15 Sequenzen), und nur ein starkes Drittel der Sequenzen insgesamt wird markiert laut geäußert (12 von 32 Sequenzen). Auch der Anteil an markiert laut geäußerten Sequenzen innerhalb der stilisierten ist geringer als der diesbezügliche Anteil bezogen auf die Gesamtrede (8 von 17 Sequenzen = 47,1% markiert laut geäußerte, stilisierte Sequenzen in Phase V).29 Damit liegt hier dasselbe Phänomen vor, das auch bei der Rede vom 26.9.1938 festzustellen ist: Hitlers Rhetorik zeigt sich im Moment gesteigerter Interaktivität vergleichsweise weniger emphatisch als insgesamt.
7.2.5 Form und Prosodie 30.9.1942 Tab.31: Verteilung formal stilisierter Sequenzen auf Stufen der Lautstärke inkl. Rhythmus 30.9.1942
Lautstärke forte-fortissimo fortissimo forte unmarkierte Lautstärke gesamt
29
formal stilisiert 4 (3 sk) 31 (8 sk) 25 (5 sk) 15 75 (16 sk)
formal nicht stilisiert — —
3 (1 sk) 7 10 (1 sk)
Insgesamt ist das Verhältnis stilisierter Sequenzen in markierter Lautstärke zu stilisierten Sequenzen in unmarkierter Lautstärke 2:1 (s.o.).
113 Tab.32: Lautstärke/Rhythmus und Formtypen 30.9.1942 Lautstärke/Formen
Kombination
3er
2er
forte-fortissimo
1
1 (1 sk)
2 (2 sk)
—
fortissimo
3
18 (7 sk)
10(1 sk)
—
forte
3 (1 sk)
9 (3 sk)
13 (1 sk)
3 (1 sk)
unmarkierte Lautstärke
2
5
8
7
formlos
Hier ist der Kontrast der prosodischen Realisierung zwischen stilisierten und nicht stilisierten Sequenzen besonders stark ausgeprägt. Von den verhältnismäßig wenigen nicht stilisierten Sequenzen (nur 11,8%) ist keine einzige unter markierter Lautstärke erfaßt. Dagegen sind von den 75 formal stilisierten Sequenzen 35 (=46,7%) unter ff oder fff eingeordnet und nur ein Fünftel (15 von 75 Sequenzen) bei unmarkierter Lautstärke. Von den Formtypen ist 1942 unter markierter Lautstärke die Dreierliste prozentual stärker vertreten als die Paarkonstruktion (die in dieser Rede in der Anzahl genau gleich gewichtet sind). Dieser Fall stellt damit einen weiteren Nachweis für die These dar, daß Stilisierung und markierte Lautstärke tendenziell zusammen auftreten. Die Untersuchung des Skandierens ergibt ein sehr deutliches Ergebnis, das in die selbe Richtung weist. Skandieren tritt deutlich öfter bei formal stilisierten Sequenzen auf, als bei nicht stilisierten (ca. 1/5 vs. 1/10 der Sequenzen). Noch viel stärker erweist sich der Kontrast bei der Zuordnung von Skandieren zu markierter bzw. unmarkierter Lautstärke: Fast 1/3 der markiert laut geäußerten Sequenzen wird skandiert, während bei unmarkierter Lautstärke Skandieren überhaupt nicht vorkommt. Von den Formtypen wird die Dreierliste deutlich öfter skandiert als die anderen Typen (1/3 der Dreierlisten; 12% der Paarkonstruktionen). Dieser Sachverhalt wurde bisher einmal, bei der Rede von 1938 festgestellt. Das Zusammenspiel von Form und Prosodie in der dichtesten Phase der Rede, Phase I, ergibt folgendes Bild: Tab.33: Form und Lautstärke 30.9.1942/Phase I Lautstärke fff ff f
formal stilisiert —
9 (2 sk) 8 (2 sk)
formal nicht stilisiert — —
1 (1 sk)
unmarkierte Lautstärke
6
2
gesamt
23 (4 sk)
3 (1 sk)
Das Verhältnis stilisierter Sequenzen zu nicht stilisierten ist in etwa dasselbe wie das in der gesamten Rede, wobei der Wert für stilisierte Sequenzen mit über 88% außerordentlich hoch ist. Der Anteil markiert laut geäußerter Sequenzen in Phase I ist jedoch niedriger als in der Gesamtrede: 9 der 26 Sequenzen werden markiert laut geäußert (=34,6%) (in der Rede insgesamt sind es 41,2%). Allerdings sind in dieser Phase sämtliche markiert laut gesprochenen Sequenzen gleichzeitig auch formal stilisiert. So spricht Hitler in dieser Rede bei besonders intensiver Interaktion mit dem Publikum einerseits weniger emphatisch als durchschnittlich in der gesamten Rede (im Vergleich weniger Stilisierungen und weniger markierte Prosodie). Andererseits ist die Bündelung emphatisierender Merkmale
114 in Phase I stringenter durchgeführt, da sämtliche Sequenzen in markierter Lautstärke auch formale Stilisierungen aufweisen.
7.2.6 Form und Prosodie 8.11.1943 Tab.34: Verteilung formal stilisierter Sequenzen auf Stufen der Lautstärke inkl. Rhythmus 8.11.1943 Lautstärke
formal stilisiert
forte-fortissimo
2 (1 sk)
fortissimo
15 (10 sk)
forte
14 (5 sk)
formal nicht stilisiert — —
7 (1 sk9
unmarkierte Lautstärke
6 (2 sk)
5 (2 sk)
gesamt
37 (18 sk)
12 (3 sk)
Tab.35: Lautstärke und Formtypen 8.11.1943 Lautstärke/Formen
Kombination
forte-fortissimo
1 (1 sk)
fortissimo
2 ( 1 sk)
forte unmarkierte Lautstärke
—
1
3er —
2er 1
formlos —
6 (4 sk)
7 (5 sk)
7 (3 sk)
8 (2 sk)
6 (1 sk)
1 (1 sk9
4 ( 1 sk)
5 (2 sk)
—
Auch in dieser Rede bestätigt sich der Trend, daß formale Stilisierungen prosodisch markiert werden: Der prozentuale Anteil der markiert lauten, formal stilisierten Sequenzen liegt bei 45,9%, der der in der Lautstärke unmarkierten Sequenzen bei 16,2%. Demgegenüber ist der Anteil der nicht stilisierten Sequenzen bei unmarkierter Lautstärke mit etwas weniger als der Hälfte relativ hoch. Des weiteren kommt auch hier keine nicht stilisierte Sequenz unter der Kategorie fff oder ff vor, was den festgestellten Trend wiederum bestätigt. Die Aufspaltung der Realisierung der Lautstärke nach Formtypen läßt hier keine Aussage über einen eventuell präferierten Formtyp zu: Sechs von 14 Dreierlisten und acht von 20 Paarkonstruktionen werden in der Lautstärke markiert ausgesprochen, was jeweils ungefähr den gleichen Anteil ausmacht. Beim Skandieren zeigt sich deutlich ein Zusammenhang mit formaler Stilisierung bzw. gesteigerter Lautstärke: 18 der 37 formal stilisierten Sequenzen werden skandiert (64,7%); während bei den nicht stilisierten Sequenzen nur 3 der 12 Sequenzen skandiert werden (25%). Bei der unmarkierten Lautstärke werden 4 von 11 Sequenzen skandiert (36,4%), bei der markierten Lautstärke 11 von 17 Sequenzen (64,7%). Unter den Formtypen wird die Dreierliste prozentual mehr skandiert als die Paarkonstruktion (8 von 14 Dreierlisten vs. 8 von 20 Paarkonstruktionen). So ergibt sich bei Hinzuziehung der Kategorie "Rhythmus" eine Präferenz für den Formtyp "Dreierliste" bei emphatisch markierter Prosodie. Das Zusammenspiel zwischen Form und Prosodie in der dichtesten Phase der Rede, Phase III, ergibt folgendes Bild:
115 Tab.36: Form und Lautstärke 8.11.1943/Phase III Lautstärke
formal stilisiert
fff
2 (1 sk)
formal nicht stilisiert —
ff
8 (6 sk)
—
f
4 ( 1 sk)
3
unmarkierte Lautstärke
2 (2 sk)
3 ( 1 sk)
gesamt
16 (10 sk)
6 ( 1 sk)
In der dichtesten Phase ist ein höherer Anteil an Stilisierungen zu verzeichnen (72,7% vs. 48,6%), jedoch ein geringerer Anteil an Sequenzen mit markierter Lautstärke (45,4% vs. 64,7%) - jeweils im Vergleich mit der gesamten Rede. Skandieren nimmt jedoch in der dichteren Phase zu. Während in der gesamten Rede 42,8% der applaudierten Sequenzen skandiert werden, sind es in der dichtesten Phase 50%. Auch tritt in dieser Phase Skandieren im Verhältnis vermehrt sowohl bei formalen Stilisierungen als auch vermehrt zusammen mit gesteigerter Lautstärke auf: Zwei Drittel der skandierten Sequenzen werden in der Lautstärke markiert und über 90% sind formal stilisiert. Beide Werte sind für die gesamte Rede deutlich niedriger: Insgesamt wird etwas mehr als die Hälfte der in der Lautstärke markierten Sequenzen und ca. zwei Drittel der formal stilisierten Sequenzen skandiert. Einerseits nimmt Emphase somit in der dichtesten Phase der Rede, was die Rhythmik betrifft, zu, andererseits in einem besonders zentralen prosodischen Element, der Lautstärke, ab. Auch der Anteil der formal stilisierten Sequenzen nimmt, wie im Kapitel über Stilisierung bereits festgestellt wird, in der dichtesten Phase im Vergleich zum Durchschnitt der Rede ab. Dabei ist die Bündelung emphatisierender sprachlicher Merkmale bei den rhythmisierten Sequenzen überdurchschnittlich hoch, denn zwei Drittel der skandierten Sequenzen werden markiert laut gesprochen, und 90% der skandierten Sequenzen sind formal stilisiert.
7.2.7
Form und Prosodie 24.2.1944
Tab.37: Verteilung formal stilisierter Sequenzen auf Stufen der Lautstärke inkl. Rhythmus 24.2.1944 Lautstärke forte-fortissimo
formal stilisiert —
formal nicht stilisiert —
fortissimo
13 (6 sk)
4 ( 1 sk)
forte
8 (3 sk)
4 (3 sk)
unmarkierte Lautstärke
6
7 ( 1 sk)
gesamt
27 (9 sk)
15 (5 sk)
116 Tab.38: Lautstärke und Formtypen 24.2.1944 Lautstärke/Formen
Kombination
forte-fortissimo
—
fortissimo
—
3er
2er
—
—
formlos —
5 (3 sk)
8 (3 sk)
4 (1 sk)
forte
1
3
4 ( 3 sk)
4 (3 sk)
unmarkierte Lautstärke
1
2
3
7 (1 sk)
Auch bei dieser letzten Rede zeigt sich der bislang festgestellte Zusammenhang, daß formale Stilisierungen tendenziell prosodisch markiert werden, sehr deutlich. Der Vergleich der prosodischen Performanz von stilisierten und nicht stilisierten Sequenzen weist eine fast exakte Umkehrung der Verhältnisse auf: Ca. die Hälfte der stilisierten Sequenzen wird markiert laut ausgesprochen (13 von 27 Sequenzen) und weniger als ein Viertel in der Lautstärke unmarkiert (6 von 27 Sequenzen). Bei den nicht stilisierten Sequenzen verhält es sich genau umgekehrt. Ca. die Hälfte wird in der Lautstärke nicht markiert, während ca. ein Viertel markiert wird. Der Vergleich der Realisierung der Lautstärke bei den einzelnen Formtypen ergibt prozentual praktisch keinen Unterschied in der Gewichtung. Bei den Paarkonstruktionen ist etwa die Hälfte in der Lautstärke markiert, bei den Dreierlisten genau die Hälfte (ff). Heraus fallen die beiden Kombinationen, die in der Lautstärke unmarkiert sind, was aber aufgrund der dünnen Datengrundlage von zwei Sequenzen im Grunde keine quantifizierende Aussage zuläßt. Bezüglich des Skandierens werden im Verhältnis mehr Paarkonstruktionen als Dreierlisten skandiert. Skandieren tritt deutlich in Zusammenhang mit markierter Lautstärke auf: 7 von 17 markiert laut geäußerter Sequenzen werden skandiert (41,2%), während es bei der unmarkierten Lautstärke nur eine von 13 Sequenzen ist. Allerdings ergibt sich bei dieser Rede kein Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen formaler Stilisierung und Rhythmus. Die Gewichtung ist genau gleich: Jeweils 1/3 der Sequenzen wird skandiert. Das Zusammenspiel zwischen Form und Prosodie in der dichtesten Phase der Rede, Phase III, ergibt folgendes Bild: Tab.39: Form und Lautstärke 24.2.1944/Phase III Lautstärke fff
formal stilisiert
formal nicht stilisiert —
—
ff
4 ( 1 sk)
f
2
1 1
unmarkierte Lautstärke
1
3 (1 sk)
gesamt
7 ( 1 sk)
5 (1 sk)
Zwar steigt der Anteil an Sequenzen mit markierter Lautstärke in der dichtesten Phase leicht an (5 von 12 Sequenzen = 41,7% gegenüber 40,5% in der gesamten Rede (Tab.18); etwas stärker jedoch steigt der Anteil der Sequenzen mit unmarkierter Lautstärke (4 von 12 Sequenzen = 33,3% gegenüber 30,9% insgesamt (Tab.18). Der prozentuale Anteil an stilisierten Sequenzen in dieser Phase ist geringer, als in der gesamten Rede (7 von 12 Sequenzen = 58,3% gegnüber 64,2% insgesamt (Tab.9). Allerdings ist der Anteil an markiert laut
117 gesprochenen Stilisierungen etwas höher als der Durchschnitt (4 von 7 formalen Stilisierungen sind laut (=57,1%) gegenüber 13 von 27 Sequenzen insgesamt (=48,1%). D.h. in Einzelkategorien ist zwar weniger Emphase festzustellen, jedoch in der Bündelung eine stringentere Parallelität der emphatisierenden Merkmale erkennbar. Skandieren kommt zu wenig vor, um quantitativ beurteilt werden zu können. Im Gegensatz zum Durchschnitt der Rede verschwindet Skandieren in der dichtesten Phase fast vollständig. So liegt bei dieser Rede ebenfalls eine Verschiebung vor hin zu unemphatischerer Sprechweise in der dichtesten Redephase, wobei der Kontrast nicht so stark ausgeprägt ist, wie bei anderen Fällen. Am deutlichsten verändert sich der Faktor "Stilisierung": In der gesamten Rede werden 27 Sequenzen formal stilisiert (=64,3%), während in Phase III sieben Sequenzen (=58,3%) stilisiert werden.
8. Adversive Semantik mit Blick auf Stil und Prosodie 1933-1944
Methodisch wird mit diesem Kapitel der Arbeit die Auswertung der Rhetorik Hitlers beendet. Mit der Analyse der Publikumsäußerungen (Kap.9) werden dann die Ergebnisse aus der Untersuchung der Rhetorik (Kap.5 bis 8) mit Befunden aus der Perspektive der Rezeption der Reden, quasi von der anderen Seite des "Dialogs" her, beurteilt. Die Aufgabe in Kap.8 ist, die Befunde aus der inhaltlich-semantischen Untersuchung in Bezug zu setzen zu den Befunden aus den Kapiteln über Stilisierung und Prosodie bzw. Stilisierung + Prosodie (Kap.6 und 7).
8.1
Adversivität 1933-1944
Der adversive Gehalt der Reden im Überblick und ohne Berücksichtigung phasenweiser Verläufe ergibt folgendes Bild (Tab.40). Im weiteren werden die Befunde bezüglich ihrer Adversivität für jede Rede detailliert aufgeschlüsselt und dabei mit Stilistik und Prosodie, auch mit Blick auf die diesbezüglichen Erkenntnisse aus den vorhergehenden Kapiteln, in Bezug gestellt. Tab.40: Adversivität 1933-1944 10.2.1933
26.9.1938
19.9.193 9
30.1.1940
30.9.1942
8.11.1943
24.2.194 4
Ironie
—
5
7
17
17
1
1
Häme
—
6
13
23
27
7
5
Diffam.
12
36
19
15
15
6
2
Drohung
8
24
11
7
22
11
10
gesamt 30
20 von 47 = 42,5 %
64 von 107 = 59,8 %
39 von 52 = 75%
51 von 69 = 73,9 %
59 von 85 = 69,4 %
22 von 49 = 44,9%
16 von 42 = 38,1 %
Ohne zunächst auf die qualitativen Unterschiede einzugehen ergibt sich ein überraschend deutliches Bild einer Entwicklung. Den höchsten Anteil an adversiven applaudierten Sequenzen weist die Rede von 1939 auf (75%), dicht gefolgt von den beiden Reden aus den Jahren 1940 (73,9%) und 1942 (69,4%). Die Reden davor und danach liegen mit ihrem adversiven Gehalt deutlich unter den Werten der Reden von 1939 bis 1942.
30
Mehrfachbenennungen von Sequenzen sind nicht berücksichtigt, d.h. die Anzahl bzw. die Prozentangaben geben den tatsächlichen Anteil applaudierter adversiver Sequenzen der Reden wider und nicht unbedingt die Summe der darüber aufgelisteten Kategorien.
119 Am größten ist der Unterschied bei der Rede von 1944, die nur ca. halb so viel adversive applaudierte Sequenzen wie die Rede von 1939 aufweist. Die Rede von 1933 weist mit 42,5% ebenfalls einen deutlich geringeren Anteil an adversiven Sequenzen auf, als die drei Reden von 1939 bis 1942; der Wert für die Rede von 1943 ist nur wenig höher als der der Rede von 1933. Die Rede vom 26.9.1938 steht mit 59,8% Sequenzen adversiven Inhalts zwischen den Extremen, tendiert jedoch mit dem weit über der Hälfte liegenden Wert zu den inhaltlich adversiveren Reden. Aufschlußreich ist nun im Vergleich dazu die Auswertung des Vorkommens der vier hier herangezogenen qualitativen Ausprägungen von Adversivität: Ironie, Häme, Diffamierung und Drohung. Ironie kommt 1933 überhaupt nicht, und 1944 in verschwindend geringem Ausmaß vor. 1938 und 1943 tritt sie ebenfalls nur in relativ geringem Ausmaß auf: der Anteil der Ironie innerhalb der adversiven Sequenzen macht 1938 7,8% und 1943 4,5% aus. Somit konzentriert sich das Aufkommen ironischer Sequenzen auf die Reden, die auch allgemein den höchsten Anteil inhaltlich adversiver Sequenzen aufweisen, auf die Reden von 1939, 1940 und 1942. Allerdings sind die Verhältnisse umgekehrt. Während allgemein gesehen die Danziger Rede von 1939 den höchsten Anteil an adversiven Sequenzen zeigt, hat sie unter diesen 3 Reden den kleinsten Anteil an Ironie. Der größte Anteil an Ironie ist in der Rede vom 30.1.1940 zu finden (33,3% der adversiven Sequenzen). Die Rede vom 30.9.1942 weist den zweithöchsten Anteil auf (28,8%), gefolgt von der Rede vom 19.9.1939 (17,9%). Hämisch sind vor allem die Reden vom 30.9.1942 (45,8% der adversiven Sequenzen) und vom 30.1.1940 (45,1%) geprägt. 1933 kommt Häme nicht vor, und 1938 ist der Anteil prozentual eher gering einzuschätzen (9,4%). Bei den übrigen Reden (19.9.1939, 8.11.1943, 24.2.1944) liegen die Anteile bei ca. einem Drittel der adversiven applaudierten Sequenzen. Somit kommt Häme am meisten in zwei Reden vor, die auch insgesamt einen sehr hohen Anteil an Adversivität aufweisen: 1942 und 1940, jedoch nicht in der Rede, mit dem höchsten Anteil insgesamt (1939). Diese Rede ist bezüglich Häme zum Mittelfeld zu rechnen. Diffamierung kommt prozentual am meisten am 10.2.1933 vor, gefolgt von den Reden am 26.9.1938 und am 19.9.1939. Die Kategorie stellt dabei immer die Kategorie mit dem höchsten Anteil dar. Von 1933 bis 1944 nimmt die Diffamierung in unterschiedlichem Ausmaß ständig ab, mit der Ausnahme der Rede von 1943, wo diese Kategorie um ca. 2% im Vergleich zur Rede von 1942 zunimmt. Den geringsten Anteil an Diffamierungen weist die Rede von 1944 auf (12,5%). Die Kategorie "Drohung" zeigt im Grunde eine entgegengesetzte Entwicklung als die allgemeine Adversivität der Reden. Die Rede von 1933 hat mit 40% der adversiven Sequenzen (8 von 20) einen relativ hohen Anteil an applaudierten drohenden Sequenzen. Diese Kategorie nimmt nun von Rede zu Rede in unterschiedlich großen Intervallen kontinuierlich ab bis zu einem Anteil von 13,7% der adversiven Sequenzen in der Rede vom 30.1.1940 (7 von 51), was den niedrigsten Wert für die Kategorie "Drohung" aller Reden darstellt. In den folgenden drei Reden nimmt der Anteil an Drohungen fortlaufend zu. Den höchsten Anteil an drohenden Sequenzen weist die Rede vom 24.2.1944 auf (62,5% der adversiven Sequenzen), die Rede, die, Adversivität insgesamt betrachtet, den geringsten Anteil an adversiven Sequenzen beinhaltet. Jeweils für sich betrachtet sind die Reden vom 12.2.1933, vom 26.9.1938 und vom 19.9.1939 vor allem diffamierend angelegt, wobei bei den beiden ersteren die Drohung, 1939 die Häme an zweiter Stelle steht. Die Reden vom 30.1.1940 und vom 30.9.1942 sind
120 vor allem hämisch geprägt, wobei 1940 die Ironie an zweiter Stelle, 1942 die Drohung an zweiter Stelle steht. Bemerkenswert an diesen beiden Reden ist der jeweils relativ große Anteil an Ironien. Die Reden vom 8.11.1943 und vom 24.2.1944 drohen vor allem. An zweiter Stelle steht bei beiden Reden die Häme. Besonders stark ausgeprägt ist - innerhalb der Gruppe der als adversiv gekennzeichneten Sequenzen - die Kategorie "Drohung" in der Rede von 1944, die hier den höchsten Wert unter allen Einzelkategorien aller Reden erreicht.
8.2
Adversivität nach Phasen 10.2.1933
Tab.41: Adversivität nach Phasen 10.2.1933 Phase/ Anzahl der Sequenzen
Ironie
Häme
Phase V 4 Sq
—
—
Phase II/ 22 Sq
—
—
Phase III/ 16 Sq
—
—
Phase I V / 4 Sq
—
—
gesamt 31
—
Diffamierung
Drohung
3
1
10
6
9 (+ 1 davor)
11 1 —
12
Seq. ohne Adv.
1
—
4
—
δ
27
1933 kommen ausschließlich die Kategorien Diffamierung und Drohung vor, wobei sich eine eindeutige Verteilung abzeichnet. Allgemein die adversivste Phase ist Phase II, die dichteste der Rede. Von 22 applaudierten Sequenzen sind 12 adversiven Inhalts (=54,5%), wobei der Typ Diffamierung mit 11 Sequenzen eindeutig überwiegt. Die übrige Sequenz fällt unter die Kategorie Drohung (Sq 17). Unter den wenigen applaudierten Sequenzen der Phase I befindet sich eine Drohung am Ende der Phase (Sq 4). In Phase III sind 7 Sequenzen von 16 adversiv einzuordnen (43,75%), Phase IV weist überhaupt keine adversiv gearteten applaudierten Sequenzen auf. Zwar ist der Anteil an Adversivität in Phase III im Vergleich zu Phase II leicht gesunken, wichtig ist jedoch dabei die qualitative Veränderung derselben. In Phase III liegt das Schwergewicht auf der Kategorie Drohung, unter die bis auf eine (Sq 39, Diffamierung) alle adversiven Sequenzen fallen. Wir haben somit ein verstärktes Aufkommen an Adversivität in den beiden Binnenphasen II und III zu verzeichnen, wobei das Schwergewicht rein zahlenmäßig auf Phase II liegt. Qualitativ kann man - unter der Prämisse der Hierarchisierung adversiver Inhalte hinsichtlich ihrer Aggressivität - eine Steigerung in Phase III gegenüber Phase II festhalten: Aus der üblen Nachrede erwächst die offene Drohung. Wie verhält es sich nun noch mit der Adversivität, die nicht applaudiert wird? Auf den Zeitstrahlen sind derartige Sequenzen auf der Höhe der Sequenz-Nummerierung verzeichnet. Es sind 1933 insgesamt 12 solcher Stellen zu finden: 9 Diffamierungen, 2 Drohungen
31
Die Summe aus der Zeile "gesamt" in dieser Tabelle ist in der Regel höher als die Gesamtsumme der applaudierten Sequenzen der Reden, da einzelne Sequenzen hinsichtlich ihrer adversiven Qualität zuweilen mehrfach kategorisiert sind.
121 und einmal Ironie. Genau die Hälfte befindet sich in Phase II, was in etwa der Verteilung der applaudierten Adversivität entspricht. Zwei Diffamierungen befinden sich in längeren Passagen ohne Applaus (ca. 12. und 35. Minute), eine in Phase IV, die keine applaudierte adversive Sequenz aufweist. Ironie, die einmal auftritt, befindet sich in Phase II. Es bestätigt sich auch hier ein Schwerpunkt hinsichtlich Diffamierung in Phase II. Auch im Kontext der Rede, d.h. in diesem Fall außerhalb der applaudierten Sequenzen finden sich entsprechend adversive Passagen in unmittelbarer Nähe applaudierter Sequenzen und zwar oft gleichen Charakters (Diffamierung ohne Applaus neben Diffamierung mit Applaus etc). Von den aufgefundenen adversiven Sequenzen ohne Applaus weist keine einzige eine besondere formale Stilisierung auf. Prosodische Markierung trifft jedoch zumindest teilweise zu. Man beachte etwa das "crescendo" kurz vor der 12. Minute, die anhaltend laute Sprechweise in "fortissimo" um die 20. Minute oder das "crescendo" nach der 23. Minute alles neben der festgestellten Adversivität Signale der Emphatisierung, die jedoch an diesen Stellen nicht zu Applaus oder anderen Publikumsreaktionen führen. Es gibt mehrere denkbare Möglichkeiten, die sich soweit jedoch nicht überprüfen lassen. Entweder reichen die Signale nicht aus, um eine Publikumsreaktion zu evozieren oder der engere Kontext der Rede ist nicht auf Beifall angelegt, z.B. eher narrativ, und läßt das Publikum nicht "anspringen". Drittens - dies könnte der Fall sein bei großer Nähe zu vorangegangenen Applausbekundungen - ist das Publikum in seiner Eigenschaft als Masse möglicherweise noch nicht wieder bereit, zu antworten.
8.3
Adversivität mit Blick auf formale Stilisierung und Prosodie 10.2.1933
Tab.42: Formale Stilisierung und Adversivität/Non-Adversivität 10.2.1933 Diffamierung
Drohung
Seq. ohne Adv.
2er
Ironie —
—
1
5
7
3er
—
—
1
Kombination
—
—
1
1
3
formlos
—
—
9
2
10
Häme
7
—
122 Tab.43: Lautstärke + Rhythmus und Adversivität/Non-Adversivität 10.2.1933 Diffamierung
Drohung
Seq. ohne Adv.
forte-fortissimo
Ironie —
Häme —
7 (1 sk)
5 (2 sk)
13 (5 sk)
fortissimo
—
—
3 (1 sk)
3
13
forte
—
—
2
unmarkierte Lautstärke
—
....
—
1
— —
—
Die Leitfrage dieser Kapitel ist die nach Zusammenhängen zwischen der semantischen Kategorie "Adversivität" und formaler Stilisierung bzw. Prosodie. Als Formen formaler Stilisierung im Sinne syntaktisch-stilistischer Emphase betrachten wir wiederum Paarkonstruktionen und Listen aus drei Elementen. Als Indikator für emphatisch markierte Prosodie werden die Kategorien "Lautstärke" und "Rhythmus" herangezogen. Diffamierung tritt in der Rede von 1933 überwiegend ohne besondere formale Stilisierung auf, während bei der Drohung eindeutig die Paarkonstruktion überwiegt. Dies ist zunächst nur festzuhalten und wird vergleichend mit den anderen Reden zu einer Interpretation führen. Im Überblick wird sich die Frage klären, ob sich zwischen bestimmten Arten von Adversivität und bestimmten Stilisierungstypen Zusammenhänge hinsichtlich eines gemeinsamen Vorkommens abzeichnen. Aufgrund des allgemein hohen Anteils an markiert lauten Sequenzen (ff und fff) ist es schwierig, eine Aussage über Zusammenhänge zu treffen. Vergleicht man jeweils den Anteil an Sequenzen in "forte-fortissimo", so stellt man einen höheren prozentualen Anteil bei den adversiven Sequenzen fest: Ungefähr zwei Drittel aller adversiven Sequenzen werden in "forte-fortissimo" geäußert; bei den nicht-adversiven Sequenzen ist es ca. die Hälfte. Dabei ist die Verteilung der beiden adversiven Kategorien der Rede auf die Lautstärkestufen - nur Diffamierung und Drohung kommen vor - relativ ausgewogen. Dies könnte ein Indiz dafür sein, daß Adversivität und erhöhte Lautstärke tendenziell miteinander gekoppelt sind. Skandieren ist bei Diffamierung und Drohung gleichermaßen stark anzutreffen, wobei die Sequenzen ohne Adversivität etwas mehr skandiert werden, als die adversiven Sequenzen zusammengenommen.
123 8.4
Adversivität nach Phasen 26.9.1938
Tab.44: Adversivität nach Phasen 26.9.1938 32 Phase/ Anzahl der Sequenzen
Ironie
Phase 1/ 4 Sq
—
Phase II/31 Sq
—
Häme —
Diffamierung —
Drohung
Seq. ohne Adv.
1
3 18
2
5
8
Phase III/ 25 Sq
2
2
18
1
5
Phase IV/47 Sq
3
2
13
14
17
gesamt
5
6
36
24
43
Es wurde bereits festgestellt, daß als vorherrschende adversive Kategorie die Diffamierung anzusehen ist, gefolgt von der Kategorie "Drohung". Betrachtet man nun den Verlauf in den Phasen der Rede, so stellt man fest, daß in der interaktiv dichtesten Phase der Rede (Phase III) die Hauptkategorie "Diffamierung" mit Abstand am häufigsten vorkommt. Gleichzeitig ist die Anzahl der Sequenzen ohne Adversivität in dieser Phase am geringsten (5 Sequenzen = 20%). Die zweithäufigste Kategorie "Drohung" ist in den beiden Phasen, die im Grad der Dichte folgen (Phasen II und IV, jeweils 1,5 PR/Min) die vorherrschende, wobei in Phase IV Diffamierung und Drohung anteilsmäßig praktisch gleichgewichtet auftreten. Die Kategorie "Häme" ist von Phase II bis IV konstant mit jeweils zwei Sequenzen vertreten, was für Phase III mit den wenigsten applaudierten Sequenzen einen etwas höheren Anteil als in den angrenzenden Phasen bedeutet. Ironie tritt nur in Phase III und IV auf, etwa gleichgewichtet wie Häme. Die zahlenmäßig stärkste Gruppe in den Phasen II und IV sind die Sequenzen ohne Adversivität, wobei der Anteil in Phase II bei 58,1% und in Phase IV bei 36,2% liegt. In der Anfangsphase I ist nur eine von vier Sequenzen adversiven Inhalts. Auf der Grundlage der prozentualen Anteile der nicht adversiven Sequenzen ist der jeweilige Anteil an applaudierten adversiven Sequenzen in den Phasen ersichtlich, d.h. ohne Berücksichtigung der kategorialen Mehrfachbelegungen. Adversivität (ohne qualitative Unterscheidung) liegt in Phase II demzufolge bei 41,9%, in Phase III bei 80% und in Phase IV bei 63,8%. Es ist festzuhalten, daß die dichteste Phase der Rede bezüglich des semantischen Gehalts der applaudierten Sequenzen die adversivste Phase der Rede ist. Gleichzeitig ist die insgesamt dominierende Kategorie "Diffamierung" hier vorherrschend. In der Phase davor liegt die Adversivität im Vergleich mit Phase III ca. bei der Hälfte, in der Phase danach ca. bei drei Vierteln der ratifizierten Sequenzen. Qualitativ ist die Adversivität in Phase III fast ausschließlich diffamierend, während in Phase IV die Kategorie "Drohung" hinzutritt. Nicht applaudierte Adversivität tritt in dieser Rede überaus selten auf. Es konnten nur zwei diffamierende Passagen um die achte Minute festgestellt werden. Sie befinden sich innerhalb einer längeren Phase ohne Applaus und sind weder stilistisch noch prosodisch
32
Mehrfachbenennungen von Sequenzen sind eingerechnet, d.h. die Gesamtsummen ergeben i.d.R. eine größere Anzahl als die Menge der applaudierten Sequenzen.
124 besonders markiert. Adversivität in dieser Rede wird vom Publikum so gut wie vollständig, in welcher Form auch immer, ratifiziert.
8.5
Adversivität mit Blick auf formale Stilisierung und Prosodie 26.9.1938
Tab.45: Formale Stilisierung und Adversivität/Non-Adversivität 26.9.1938 Ironie
Häme
Diffamierung
Drohung
Seq. ohne Adv.
2er
1
3
12
7
10
5
10
3er
1
—
Kombination
1 (=Diffamier.)
—
formlos
2
3
6 3 (=1 Ironie)
3
—
12
15
20
Tab.46: Lautstärke + Rhythmus und Adversivität/Non-Adversivität 26.9.1938 Ironie forte-fortissimo
—
Diffamierung
Drohung
—
2
2 ( 1 sk)
—
16 (9 sk)
16 (7 sk)
15 (4 sk)
Häme
Seq. ohne Adv. —
fortissimo
2 (1 sk)
forte
1
4
10 (2 sk)
4
22 (3 sk)
unmarkierte Lautstärke
2
2
8 (1 sk)
2
6 (2 sk)
Die dominierende Kategorie "Diffamierung" tritt bezogen auf die Formtypen vor allem als Paarkonstruktion zutage (12 von 36), weist dabei jedoch einen noch größeren Anteil an Sequenzen ohne formale Stilisierungen auf (15 von 36 Diffamierungen). Die zweithäufigste Kategorie "Drohung" verteilt sich anteilsmäßig gleichmäßiger auf Paarkonstruktionen und Dreierlisten, wobei hier genau gleichviel stilisierte wie nicht stilisierte Sequenzen feststellbar sind. Häme tritt als Paarkonstruktion auf mit einem genau gleichen Anteil an formlosen Sequenzen, und Ironie verteilt sich vollkommen ausgewogen auf alle drei Formkategorien mit einem fast ebenso großen Anteil an formlosen Sequenzen. Die Sequenzen ohne Adversivität verteilen sich ähnlich wie die Sequenzen der Kategorie "Drohung" - sieht man von den "Kombinationen" einmal ab, die unter "Drohung" nicht vorkommen: Paarkonstruktionen und Dreierlisten sind hier genau gleich stark vertreten, und die Anzahl der formlosen Sequenzen entspricht in etwa der Anzahl der formal stilisierten. Somit ist ein Zusammenhang zwischen einem bestimmten Formtyp und einer bestimmten adversiven Kategorie höchstens bei den Diffamierungen festzuhalten, wo unter den stilisierten Sequenzen die Paarkonstruktion überwiegt. Allerdings ist hier, wie auch bei allen anderen adversiven Kategorien, der Anteil an Sequenzen ohne formale Stilisierung ähnlich oder gleich groß wie die stilisierten Sequenzen zusammengenommen. Was den Vergleich allgemein zwischen Stilisierung und Nicht-Stilisierung mit Blick auf Adversivität betrifft, zeigt sich damit ein ausgewogener Befund. Auch der Vergleich mit den Sequenzen ohne Adversivität zeitigt ein ähnliches Bild des Verhältnisses zwischen Stilisierung und Nicht-Stilisierung. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, daß bei dieser
125 Rede kein Zusammenhang zwischen semantischen Kategorien einerseits und syntaktischstilistischen Kategorien andererseits feststellbar ist. Diese Berechnung gilt für die Rede im gesamten. Interessant ist weiterhin noch die Frage, wie das Verhältnis zwischen Semantik und Stil in der interaktiv dichtesten Phase, Phase III, aussieht. Die Frage ist, ob sich bei besonders intensiv ablaufender Interaktion tendenziell eine stilistische Gleichförmigkeit feststellen läßt. Das Vorkommen der in Phase III besonders stark dominierenden Kategorie "Diffamierung" als Paarkonstruktion ist jedoch anteilsmäßig genau gleich wie in der gesamten Rede: beide Male beläuft sich der Anteil der Diffamierungen als Paarkonstruktion genau auf ein Drittel der jeweiligen Gesamtzahl. Der Anteil an formal nicht stilisierten, diffamierenden Sequenzen ist in Phase III dabei deutlich größer als auf die gesamte Rede bezogen: Die Auszählung ergibt für Phase III einen Anteil an formlosen diffamierenden Sequenzen von 61,1% (für die Gesamtrede sind es 15 von 36 Sequenzen = 41,7 %). Somit gibt es bei dichterer Interaktion weder einen Trend zu verstärkter Formalisierung adversiver Sequenzen, sondern in diesem Fall umgekehrt eine Entwicklung hin zu weniger formaler Stilisierung, noch einen Trend hin zu einer bestimmten Form. Die Auswertung von Adversivität in Bezug auf Lautstärke bzw. Rhythmus (Tab.46) ergibt, daß ein großer Teil der diffamierenden und drohenden Sequenzen mit besonders gesteigerter Lautstärke gesprochen wird (fff + ff): 50% der Diffamierungen und 75% der Drohungen sind so eingestuft, wobei das Schwergewicht bei "fortissimo" liegt. Auch der Hauptanteil der Rhythmisierungen ist dort zu finden. Bei den Drohungen erscheinen die Verhältnisse sehr deutlich: Hitler droht vor allem laut und rhythmisiert. Bei den Diffamierungen ist allerdings auch fast ein Viertel der Sequenzen mit unmarkierter Lautstärke notiert. Häme und Ironie sind unter gesteigerter Lautstärke fast nicht zu finden. Bei den Sequenzen ohne Adversivität ist der Anteil an Sequenzen mit markierter Lautstärke etwas kleiner als bei den Kategorien "Drohung" und "Diffamierung". Am deutlichsten steht die semantische Kategorie "Drohung" mit gesteigerter Lautstärke in Verbindung. Bei der Kategorie "Diffamierung" läßt sich dies ebenfalls noch halten, wenn auch der Unterschied zu den Sequenzen ohne Adversivität nicht so groß ausfällt. Auffallend ist des weiteren, daß die Kategorien Häme und Ironie eher nicht zusammen mit gesteigerter Lautstärke aufzutreten scheinen. In der Rede von 1933 kommen diese beiden inhaltlichen Kategorien nicht vor, so daß erst aus den Analysen weiterer Reden Vergleichsmöglichkeiten erwachsen.
126 8.6
Adversivität nach Phasen 19.9.1939
Tab.47: Adversivität nach Phasen 19.9.1939 Phase/ Anzahl der Sequenzen
Ironie
Häme
Diffamierung
Phase 1/ 8 Sq
1
2
6
Phase II/ 23 Sq
2
6
4
6
7
Phase III/ 16 Sq
4
6
8
4
2
1
1
3
19
11
13
Phase IV/5 Sq gesamt
—
—
7
14
Drohung —
Seq. ohne Adv. 1
Diese Rede ist, wie die beiden vorhergehenden, in erster Linie diffamierend einzuordnen, wie bereits festgestellt wurde. An zweiter Stelle ist die Kategorie "Häme" zu sehen. Die interaktiv dichteste Phase ist Phase III (1,9 PR/Min) gefolgt von Phase II (1,2 PR/Min). Des weiteren wurde bereits festgestellt, daß diese Rede hinsichtlich allgemeiner Adversivität mit 75% den höchsten Wert aller Reden aufweist. Es ist festzustellen, daß in der dichtesten Phase auch die in der Rede insgesamt dominierenden semantischen Kategorien den größten Anteil einnehmen. 50% der applaudierten Sequenzen in Phase III sind diffamierend, und 37,5% (6 von 16) hämisch einzuordnen. Auch insgesamt ist der Grad an inhaltlich adversiven Sequenzen sehr hoch, wie die geringe Anzahl der nicht adversiven Sequenzen in dieser Phase zeigt. Die zweitdichteste Phase (Phase II) weist einen mehr als doppelt so hohen Anteil an nicht adversiven Sequenzen auf als Phase III (7 Sequenzen = 30,4%). In absoluten Zahlen ist die Drohung etwas häufiger aufzufinden, die anderen Kategorien sind weniger oder gleich häufig (Häme) festzustellen. Interessant ist die Tatsache, daß in der interaktiv "dünnsten" Phase der Rede, Phase I, der gleiche Prozentsatz an adversiven Sequenzen festzustellen ist als in der dichtesten. Auch wenn Applaus in Phase I bei weitem nicht so häufig auftritt wie später, ist der als dominierend festgestellte semantische Gehalt auch im Beginn schon deutlich vorhanden: Die applaudierten Sequenzen in Phase I sind vor allem diffamierend einzuordnen. In der letzten Phase der Rede nimmt die Adversivität ab, wobei die Datengrundlage von fünf applaudierten Sequenzen sehr dünn ist, um quantitative Aussagen zu machen. Deutlich zeigt jedoch die Aufzeichnung auf dem Zeitstrahl, wie die beiden adversiven Sequenzen eher am Beginn dieser Phase stehen, und somit die letzten acht Minuten der Rede praktisch ohne inhaltliche Adversivität ablaufen. Sehr häufig ist bei dieser Rede nicht applaudierte Adversivität feststellbar. Von den 66 festgestellten Stellen sind mehr als zwei Drittel diffamierend, was den schon aufgrund der applaudierten Sequenzen festgestellten extrem adversiven, vor allem diffamierend angelegten Charakter der Rede unterstreicht und belegt. Formale Stilisierungen sind dabei nur überaus selten belegt (ca. 9. Minute und zwischen der 22. und 24. Minute), auch bewegt sich die Stimme oft im leisen Bereich bzw. "normalen" Gesprächston (vgl. 6. bis 11. Minute; 27. bis 29. Minute; 65. bis ca. 68. Minute). Prosodisch sind jedoch an solchen Stellen zuweilen auch Schwankungen in der Lautstärke feststellbar, die, wie das Transkript zeigt, mit dem diffamierenden Inhalt in Verbindung stehen (vgl. 25 bis 27. Minute; 61. bis ca. 64. Minute). Jedoch kommen große Steige-
127 rungen in der Lautstärke (bis ff) ohne Applaus relativ selten vor, ein "forte-fortissimo" niemals. Solche Stellen stehen dabei, wenn Steigerungen vorkommen, oft deutlich in Verbindung mit adversivem Inhalt (vgl. ca. 23. Minute, hier auch in Form einer Dreierliste, und mehrere Fälle hintereinander nach der 26. Minute, immer in Verbindung mit Diffamierung). An drei Stellen kennzeichnen adversive Äußerungen Hitlers in dichter Folge längere beifallsfreie Passagen der Rede, d.h. Passagen von ca. vier bis fünf Minuten (6. bis 11. Minute und 25. bis 30. Minute - beide Zeiträume in Phase I, und 61. bis nach der 64. Minute, d.h. zu Beginn von Phase IV). Formale Stilisierungen kommen dabei so gut wie nicht vor und prosodische Emphase nur sehr selten, was ein deutliches Indiz ist für die zentrale Bedeutung dieser Stilmittel bei der Evozierung von Applaus, bzw. der Iniziierung interaktiver Vorgänge zwischen Redner und Publikum bei öffentlichen Reden.
8.7
Adversivität mit Blick auf formale Stilisierung und Prosodie 19.9.1939
Tab.48: Formale Stilisierung und Adversivität/Non-Adversivität 19.9.1939
2er 3er Kombination formlos
Ironie
Häme
Diffamierung
Drohung
Seq. ohne Adv.
2
4
4
3
3
2
5
6
1
2
4
7
—
3
5
6
—
—
4
3
Tab.49: Lautstärke + Rhythmus und Adversivität/Non-Adversivität 19.9.1939 Ironie forte-fortis-
—
Häme
Diffamierung
Drohung
Seq. ohne Adv.
3(2 sk;l=Droh.)
5 (1 sk; =Diff.)
3 (2 sk)
3
5 (2 sk)
1
1 (1 sk)
2
4
1
2
9 (1 sk; =Ironie)
7 (1 sk)
4 ( 1 sk)
7 (2 sk)
—
simo 1
fortissimo forte unmarkierte Lautstärke
—
6 ( 1 sk; =Häme)
Es läßt sich weder eine präferierte Stilfigur einer bestimmten adversiven semantischen Kategorie feststellen, noch ein signifikanter Unterschied zwischen Stilisierung und NichtStilisierung. Bei allen adversiven Kategorien kommen etwa halb so viel Sequenzen ohne formale Stilisierung vor wie stilisierte. Dies gilt auch für die Sequenzen ohne adversiven Inhalt. Diese Rede läßt somit keinen engeren Zusammenhang zwischen Semantik und Stil erkennen. Die prosodische Analyse zeigt einen Befund, der so auch bei der Rede von 1938 feststellbar ist: Häme und vor allem Ironie werden auch hier überwiegend leise geäußert. Bei Diffamierungen und Drohungen hält sich der Anteil an Sequenzen mit markierter Laut-
128 stärke in etwa die Waage mit dem Anteil an Sequenzen unmarkierter Lautstärke, d.h. der Anteil an gesteigerter Lautstärke ist deutlich höher als bei den Kategorien "Ironie" und "Häme". Auch die festgestellten Rhythmisierungen liegen schwerpunktmäßig erstens bei den Kategorien "Diffamierung" und "Drohung" und zweitens vor allem im Bereich der gesteigerten Lautstärke (fff + ff). Somit scheinen sich über die prosodische Realisierung zwei Gruppen innerhalb der semantischen Kategorien abzuzeichnen: Prosodische Emphase tritt bis hierher, d.h. in den Analysen der Reden von 1933, 1938 und 1939, vor allem in Zusammenhang mit Drohung und Diffamierung auf, weniger bei Ironie und Häme.
8.8
Adversivität nach Phasen 30.1.1940
Tab.50: Adversivität nach Phasen 30.1.1940 Phase/ Anzahl der Sequenzen
Ironie
Häme
Diffamierung
Phase 1/ 9 Sq
5
5
3
Phase II/ 11 Sq
5
3
6
Phase III/ 2 Sq
—
Phase IV/ 9 Sq
—
Phase V/ 32 Sq Phase VI/ 6 Sq gesamt
7 —
17
—
2 13 —
23
Drohung 1
1
1
4
4
4
2 4 15
—
1
—
—
Seq. ohne Adv. 2
—
—
7
6 17
Insgesamt ist diese Rede fast so adversiv wie die Rede von 1939 (vgl. Tab.40), wobei die Kategorien allerdings in umgekehrter Reihenfolge vorherrschend sind: Die semantischadversiv dominierende Kategorie dieser Rede ist "Häme", gefolgt - in relativ großem Abstand - von der Kategorie "Ironie". Die dichteste Phase dieser Rede ist Phase V. Es zeigt sich besonders deutlich, wie die insgesamt dominierende Kategorie auch in der interaktiv dichtesten Phase besonders vorherrschend ist. Insgesamt sind 28 von 32 Sequenzen in dieser Phase adversiven Charakters (=87,5%). In der zweitdichtesten Phase der Rede, Phase II, sind alle applaudierten Sequenzen adversiv einzuordnen. Hier nimmt die Diffamierung einen etwas stärkeren Platz ein als Häme. Ein weiterer adversiver Schwerpunkt der Rede ist zu Beginn von Phase I festzustellen (ca. 3. bis 6. Minute), einer Passage, die sich zugleich auch durch die erhöhte Dichte der Interaktion von der Umgebung abhebt. Hier spielt Ironie neben Häme eine zentrale Rolle, ein interessanter Befund für einen Redebeginn: Hitler muß sich seines Publikums sehr sicher sein, um das riskieren zu können: Er muß wissen, daß seine Ironien ohne weitere Vorbereitung verstanden werden. Überaus oft ist ironischen Sequenzen auch die Kategorie "Häme" zuzuschreiben. Solche kommen applaudiert vor zu Beginn von Phase I (wo die Interaktion für einen Zeitraum von ca. 3 Minuten sehr viel dichter ist im Vergleich zum Rest dieser Phase), und in den beiden dichtesten Phasen der Rede, Phase II und Phase V, so daß man festhalten kann, daß Schwerpunkte der Adversivität nicht nur quantitativ sondern auch qualitativ parallel auftreten mit den Momenten dichterer und dichtester Interaktion zwischen Hitler und Publi-
129 kum. Außerhalb dieser genannten Bereiche der Rede kommt Ironie praktisch nicht vor. In der kurzen Schlußphase VI sind keine adversiven Sequenzen mehr festzustellen. Nicht applaudierte Adversivität tritt massiv zu Beginn der Rede im Umfeld der ersten sechs applaudierten Sequenzen auf und ist inhaltlich Uberwiegend gleich einzuordnen wie die applaudierte: Ironisch-hämisch. In den Phasen II und IV ist dieser inhaltliche Bezug ebenfalls festzustellen, wobei sich applaudierte und nicht applaudierte Adversivität anteilsmäßig in etwa die Waage hält: Vor kommenden - d.h. zu antizipierenden, projezierten Beifallsbekundungen - und nach Applausbekundungen ist Hitlers Vortrag semantisch gleichartig orientiert. In Phase V gibt es praktisch keine nicht applaudierte Adversivität mehr. Die Interaktion ist mit 2,5 PR/Min extrem dicht, wie der Vergleich mit dichten Phasen der anderen Reden zeigt. Im Grunde werden sämtliche Äußerungen Hitlers vom Publikum ratifiziert. Diese sind wiederum überwiegend adversiv angelegt. Somit ergibt sich, daß von Phase I bis Phase V die adversiven Äußerungen Hitlers zunehmend vollständiger applaudiert werden. In der die Rede beschließenden Phase VI gibt es ebenfalls keine nicht ratifizierte Adversivität mehr.
8.9
Adversivität mit Blick auf formale Stilisierung und Prosodie 30.1.1940
Tab.51: Formale Stilisierung und Adversivität/Non-Adversivität 30.1.1940 Ironie
Häme
Diffamierung
2er
1
9
5
3er
2
6
3
1
2
8
5
Kombination formlos
—
9
Drohung
Seq. ohne Adv. 6
—
7
3 2
—
5
Tab.52: Lautstärke + Rhythmus und Adversivität/Non-Adversivität 30.1.1940 Ironie forte-fortissimo
—
3
Häme
Diffamierung
Drohung
Seq. ohne Adv.
2
2
4
2
3
6
1
5 (1 sk)
fortissimo forte
5
5
4
1
4
unmarkierte Lautstärke
4
13
3
1
6
Bei Häme und Diffamierung sind die Paarkonstruktionen unter den formalen Stilisierungen vorherrschend bei jeweils einem gleich großen Anteil an Sequenzen ohne stilistische Form. Drohung tritt ausschließlich als Dreierliste, d.h. zu 100% stilisiert auf. Die Auswertung der Sequenzen ohne Adversivität zeigt, daß die Verhältnisse dort ähnlich sind, wie bei den beiden vorherrschenden adversiven Kategorien: Auch dort treten Paarkonstruktionen und formlose Sequenzen in etwa gleichgewichtet auf. Bei Häme und Diffamierung gibt es ca.
130 doppelt soviel formal stilisierte Sequenzen (in welcher Form auch immer) als nicht stilisierte. Allerdings ist dies auch der Fall bei den Sequenzen ohne Adversivität. Die Kategorie "Ironie" weist Verhältnisse auf, die diese Kategorie von den anderen, sowie von den Sequenzen ohne Adversivität unterscheiden: Der Anteil an Sequenzen ohne formale Stilisierung ist deutlich größer als der der stilisierten (3:1): Hier scheinen formale Mittel weniger notwendig zu sein, um das Publikum zu einer Ratifizierung zu bringen bzw. den Inhalt zu transportieren. Auch prosodisch lassen sich spezifische Unterschiede in der Realisierung der semantischen Kategorien feststellen. Diffamierung und Drohung werden überwiegend markiert laut geäußert (fff + ff), während Häme zum größten Teil mit unmarkierter Lautstärke auftritt. Die Verhältnisse zwischen markierter und unmarkierter Lautstärke bei Ironie und Sequenzen ohne Adversivität sind relativ ausgewogen, wobei bei Ironien die Kategorie "forte-fortissimo" nicht vorkommt Insgesamt bestätigt sich bei dieser Rede mit gewissen Abstrichen die Feststellung aus der Analyse der Rede vom 19.9.1939: Häme und Ironie werden prosodisch weniger emphatisch markiert als Diffamierung und Drohung.
8.10
Adversivität nach Phasen 30.9.1942
Tab.53: Adversivität nach Phasen 30.9.1942 Phase/ Anzahl der Sequenzen
Ironie
Häme
Diffamierung
Drohung
Seq. ohne Adv.
Phase 1/ 32 Sq
8
14
7
5
1
Phase II/ 17 Sq
2
7
3
2
7
Phase III/21 Sq
7
5
2
10
4
2
2
1
10
1
4
4
15
22
26
Phase IV/ 13 Sq
—
Phase V / 9 S q
—
gesamt
17
—
28
Die dichtesten Phasen, Phase I und dann Phase III, weisen den höchsten Grad an Adversivität bzw. den niedrigsten an Non-Adversivität auf: In Phase I ist nur eine Sequenz als nicht adversiv notiert (von 32 Sequenzen = 3,1%); in Phase III sind nur 4 von 21 Sequenzen nicht adversiv (=19%). Dies sind diesbezüglich mit Abstand die niedrigsten Werte in dieser Rede. Insgesamt ist Häme vorherrschend, gefolgt von der Kategorie "Drohung", wobei in Phase I das Schwergewicht auf Häme, in Phase III auf Drohung liegt. Interessant ist nun, daß in beiden Phasen nicht die jeweils andere Kategorie anteilsmäßig an zweiter Stelle steht (also in Phase I nach der Häme die Drohung und in Phase III umgekehrt), sondern in beiden Fällen als zweithäufigste Kategorie die Ironie zu verzeichnen ist. Diese wiederum tritt fast nur in diesen beiden Phasen auf, ein Phänomen, das auch bei der Rede vom 30.1.1940 festzustellen ist: Ironie scheint in besonderem Maße gebunden zu sein an gesteigerte, d.h. in der Zeit dichtere Interaktivität. Bei den anderen semantischen Kategorien ist dies so nicht feststellbar.
131 In Phase I tritt zur Ironie fast gleich stark die Diffamierung mit hinzu. Auch Drohung ist mit fünf Sequenzen noch so häufig vertreten, daß man von einer mehr oder weniger bedeutenden Rolle aller adversiven Kategorien in dieser Phase ausgehen kann. Überwiegend jedoch ist die Rede in ihrem Beginn als ironisch-hämisch zu charakterisieren. Der mittlere Bereich (Phase III) ist überwiegend ironisch-drohend ausgelegt mit einem relativ großen Anteil an Häme. In den beiden letzten Phasen geht der Anteil an semantisch adversiven Sequenzen zurück, wobei in der letzten Phase nur noch Diffamierung und Drohung vorkommen mit einem starken Gewicht auf der letztgenannten Kategorie. Nicht applaudierte Adversivität findet sich vor allem in Lücken zwischen applaudierten Sequenzen und dann inhaltlich ähnlich angelegt wie der applaudierte nähere Kontext. Insgesamt ist das Aufkommen an nicht applaudierter Adversivität jedoch sehr viel niedriger als das der applaudierten. Eine stilistische Form ist in solchen Passagen in der Regel nicht erkennbar. Die einzige festgestellte nicht applaudierte Sequenz, die sowohl formal stilisiert als auch adversiven Inhalts ist, befindet sich zwischen Sequenz 54 und 55 (die Paarkonstruktion zwischen Sequenz 69 und 70 erfolgt unmittelbar nach der dort festgestellten Diffamierung). Prosodisch werden adversive Stellen, die nicht applaudiert werden, unterschiedlich realisiert: Zwischen Applausbekundungen können sie verbunden sein mit einem Absinken der Lautstärke (vgl. die Ironien nach Sequenz 14, die Ironie nach Sequenz 15, die Drohung nach Sequenz 80). Genauso kommt jedoch auch konstantes Durchhalten (z.B. zwischen den Sequenzen 4 und 5, ebenso zwischen den Sequenzen 46 und 47), oder ein Ansteigen der Lautstärke vor (z.B. zwischen den Sequenzen 36 und 37 bzw. 37 und 38). In beifallsfreien Passagen werden inhaltlich adversive Stellen des öfteren gekennzeichnet durch ein Ansteigen der Lautstärke. Man könnte dies als Versuche interpretieren, durch prosodische Emphatisierung nach längeren Passagen ohne Ratifizierung beifallsrelevante Stellen anzubieten, eine Strategie, die nach soeben erfolgtem Beifall nicht plausibel, und aus der Sicht des Redners auch nicht notwendig wäre (vgl. das Ansteigen der Lautstärke ca. bei der 17. Minute (Drohung) oder nach der 49. Minute (Diffamierungen). Zusammenfassend kann man festhalten, daß bei der Realisierung nicht applaudierter Adversivität kein bestimmtes durchgängiges Muster erkennbar ist.
8.11
Adversivität mit Blick auf formale Stilisierung und Prosodie 30.9.1942
Tab.54: Formale Stilisierung und Adversivität/Non-Adversivität 30.9.1942 Ironie
Häme
Diffamierung
Drohung
Seq. ohne Adv.
2er
8
11
5
8
8 12
3er
5
11
6
11
Kombination
1
3
2
3
formlos
3
3
2
—
1 5
132 Tab.55: Lautstärke + Rhythmus und Adversivität/Non-Adversivität 30.9.1942 Ironie
Häme
Diffamierung
Drohung
Seq. ohne Adv.
forte-fortissimo
1
2 (2 sk)
1 (1 sk)
fortissimo
6 (2 sk; =Häme)
8 (2 sk; = Ironie)
5 (2 sk; = Droh.)
14
8 (2 sk)
forte
8 (1 sk;= Häme)
12 (2 sk;= 1 Ironie/ 1 Diff.)
6 (1 sk; = Häme)
2 (2 sk)
9 ( 1 sk)
unmarkierte Lautstärke
3
8
3
4
8
—
—
(5 sk;=2 Diff.)
Bei den ironischen Sequenzen gibt es ein Übergewicht an Paarkonstruktionen, bei den Drohungen an Dreierlisten. Bei Häme und Diffamierung ist das Verhältnis zwischen den beiden Formtypen ausgewogen. Die Sequenzen ohne Adversivität treten zumeist in Form von Dreierlisten auf, die Paarkonstruktionen sind vergleichsweise um ein Drittel weniger feststellbar. Wie weiter oben bereits festgestellt wurde, ist der Grad an formaler Stilisierung bei dieser Rede insgesamt sehr hoch. Diese hochgradige Stilisierung erstreckt sich, wie nun deutlich wird, auf alle untersuchten semantischen Kategorien. Am niedrigsten ist der Anteil an formal stilisierten Sequenzen noch bei den Sequenzen ohne Adversivität mit 80,8% (21 von 26 Sequenzen), gefolgt von der Kategorie "Ironie" mit 82,3% (14 von 17 Sequenzen). Auch diese "niedrigen" Werte sind im Vergleich als sehr hoch einzustufen. Prosodisch wird vor allem die Kategorie "Drohung" markiert: Unter fff+ff sind viermal so viel Sequenzen eingeordnet wie unter unmarkierter Lautstärke. Die Sequenzen unter "Häme" sind diesbezüglich gleichgewichtet, ebenso die Sequenzen ohne Adversivität. Bei Ironie und Diffamierung sind doppelt so viel Sequenzen unter markierter Lautstärke wie unter unmarkierter eingeordnet, wobei "forte-fortissimo" bei Ironie nicht vorkommt. Am stärksten vertreten bei den Kategorien "Ironie", "Häme" und "Diffamierung" ist der mittlere Bereich "forte". Vor allem bei "Häme", aber auch bei "Ironie" ist das der Fall. Bei den Sequenzen ohne Adversivität ist das Verhältnis zwischen den Extremen und diesem "mittleren" Bereich ausgewogen. Allein bei der Kategorie "Drohung" ist der Anteil an markierter Lautstärke besonders herausragend. Der Anteil an Sequenzen mit emphatischer Prosodie bei den Kategorien "Ironie" und "Häme" ist zwar deutlich höher, als bei den zuvor analysierten Reden. Dennoch zeigt sich im Kontrast zur prosodischen Realisierung von Drohungen auch bei dieser Rede von 1942 der bereits festgestellte Unterschied: Häme und Ironie werden prosodisch tendenziell weniger emphatisiert als Drohung. Diffamierung wird hier prosodisch ähnlich realisiert wie Ironie und Häme. Skandieren verteilt sich im Grunde prozentual gleich auf die adversiven und nicht adversiven Sequenzen. Für die Auswertung (Tab.55) muß beachtet werden, daß sehr viele semantische Mehrfachbenennungen enthalten sind, die subtrahiert werden müßten, um die Anzahl der Sequenzen (und nicht die Anzahl der vergebenen semantisch-adversiven Kategorien) zugrunde zu legen (z.B. bezeichnen die jeweils 2 Skandierungen bei Ironie und
133 Häme unter "fortissimo" die selben Sequenzen, d.h. es handelt sich um 2 skandierte Sequenzen, und nicht um 4). Legt man zur Berechnung die Sequenzen zugrunde, so ergibt sich für alle adversiven Sequenzen zusammen ein Anteil an skandierten Sequenzen von 22,0% (13 von 59 adversiven Sequenzen, vgl. Tab.40). Für die Sequenzen ohne Adversivität erhält man den Wert von 22,2%, also praktisch dasselbe. Eine vergleichende Auswertung des Skandierens bei den einzelnen adversiven Kategorien gestaltet sich aufgrund der häufigen Doppelbelegungen der Sequenzen schwierig. Trotzdem taugen die Zahlen aufgrund der großen Unterschiede als Hinweis, wenn auch die Berechnungsgrundlage verschieden ist (es werden Kategorienbelegungen und keine Sequenzen ausgewertet): Am geringsten skandiert wird demnach Häme (4 von 28mal = 14,3%), gefolgt von Ironie (3 von 17 Ironien = 17,6%). Diffamierung wird etwas mehr skandiert (3 von 15 Diffamierungen = 20%), und Drohung weist mit Abstand den größten Anteil an skandierten Sequenzen auf (9 von 22 verzeichneten Drohungen = 40,9%). Wie zuvor erläutert ist diese Berechnung problematisch, da z.B. 2 der 3 Diffamierungen auch unter Drohung fallen etc., so daß aus den nicht sehr stark differierenden Werten für Ironie, Häme und Diffamierung keine weiteren Schlüsse gezogen werden sollen. Der große Kontrast zur Drohung jedoch soll als Hinweis festgehalten werden für die Tendenz, daß Drohung im Gegensatz zu den anderen drei semantischen Kategorien vermehrt prosodisch markiert wird.
8.12
Adversivität nach Phasen 8.11.1943
Tab.56: Adversivität nach Phasen 8.11.1943 Phase/ Anzahl der Sequenzen
Ironie
Phase V 2 Sq
—
Phase II/ 18 Sq
—
Phase IV/ 7 Sq gesamt
—
1
Phase III/ 22 Sq
Häme
—
1
Drohung —
Seq. ohne Adv. 2
2
2
4
10
4
4
7
9
1
—
Diffamierung
7
—
6
—
11
6 27
Dichteste Phase ist Phase III (2,0 PR/Min), gefolgt von Phase II (1,4 PR/Min). Die insgesamt vorherrschende adversive Kategorie "Drohung" ist auch in der dichtesten und in der zweitdichtesten Phase die am häufigsten vorkommende. An zweiter Stelle stehen Häme und Diffamierung, die sich sowohl insgesamt, als auch in der dichtesten und zweitdichtesten Phase jeweils die Waage halten. Auch die Adversivität insgesamt ist in der dichtesten Phase am höchsten, denn Phase III weist den kleinsten Anteil an Sequenzen ohne Adversivität auf (9 von 22 Sequenzen = 40,9%). Die in der Dichte folgende Phase II weist diesbezüglich den zweithöchsten Wert auf (10 von 18 Sequenzen sind ohne Adversivität notiert, d.h. 55,5%). In den Phasen I und IV kommt keine bzw. nur sehr wenig applaudierte Adversivität vor.
134 Nicht applaudierte Adversivität kommt in zwei Blöcken vor, außerdem relativ regelmäßig verteilt zwischen den applaudierten Sequenzen in Phase II und zu Beginn von Phase III bevor die Interaktion besonders dicht wird. Die Sequenzen von der 3. bis zur 5. Minute sind inhaltlich vor allem als diffamierend zu bezeichnen. Sie werden prosodisch nicht hervorgehoben und sind auch formal-stilistisch nicht markiert. Die nicht applaudierten adversiven Stellen in Phase II sind prosodisch weitgehend wie der sie umgebende Kontext zu charakterisieren, d.h. entweder in der Lautstärke ebenfalls nicht hervorgehoben (z.B. 16. bis 18. Minute) oder in der selben Art und Weise, wie eine vorangegangene applaudierte Sequenz (z.B. nach den Sequenzen 3, 11 oder 19). Seltener tritt eine Steigerung in der Lautstärke an einer als adversiv zu bezeichnenden Stelle auf, die auch eine nachfolgende applaudierte Sequenz kennzeichnen wird (z.B. vor Sequenz 13). Häufiger als ein Ansteigen der Tonhöhe etwas weiter vor einer applaudierten Sequenz u.U. aus inhaltlichen Gründen, ist der Verlauf, daß nach erfolgter Ratifizierung durch das Publikum die Lautstärke der folgenden Äußerungen, auch adversiver Art, absinkt (z.B. nach den Sequenzen 8,13 oder 14). Das Verhältnis von nicht applaudierten zu applaudierten adversiven Sequenzen ist in Phase II etwa ausgewogen. Allerdings fällt auf, daß direkt im Anschluß an diese Phase, in einer Passage ohne Applausbekundungen, sich ein dichter Block an adversiv zu charakterisierenden Äußerungen anschließt (hämisch und diffamierend), die zum Teil auch formal stilisiert sind (28. bis 30. Minute). Auch sind Steigerungen in der Lautstärke, einmal bis zu "fortissimo", zu vermerken. Offenbar geht das Publikum an dieser Stelle dennoch nicht ratifizierend auf den Vortrag ein. Der nächste Applaus erfolgt erst nach einem längeren Zeitraum, ca. bei der 32. Minute. In der nachfolgenden Phase III, der dichtesten, sind nicht applaudierte adversive Sequenzen im ersten Drittel feststellbar. Inhaltlich überwiegt die Diffamierung, was dem kontextuellen Umfeld an dieser Stelle entspricht. Sobald sich die Interaktion zwischen Redner und Publikum noch mehr intensiviert (ca. von der 36. bis zur 41. Minute) kommt nicht applaudierte Adversivität praktisch nicht mehr vor, ein Phänomen, das auch bei der Rede vom 30.1.1940 (Phase V) und bei der Rede vom 30.9.1942 (Phase I) feststellbar ist.
8.13
Adversivität mit Blick auf formale Stilisierung und Prosodie 8.11.1943
Tab.57: Formale Stilisierung und Adversivität 8.11.1943 Ironie
Häme
Diffamierung
Drohung
Seq. ohne Adv.
3
4
5
10
4
10
2er
—
3er
—
—
—
Kombination
—
—
—
formlos
1
4
2
—
2
4 3
135 Tab.58: Lautstärke + Rhythmus und Adversivität 8.11.1943 Ironie
Häme
forte-fortissimo
—
—
fortissimo
—
—
forte
—
unmarkierte Lautstärke
1
Diffamierung —
Drohung —
Seq. ohne Adv. 2 (1 sk)
1 (1 sk)
5 (4 sk)
9 (5 sk)
4
2
5 (1 sk)
11 (4 sk)
3 ( 1 sk)
3 (2 sk; = 1 Drohung)
1 (1 sk; = Diffamierung)
5 ( 1 sk)
Insgesamt sind Paarsequenzen vorherrschend bei den adversiv einzuordnenden Sequenzen. Wo jedoch Dreierlisten auftauchen, bei "Drohung", sind sie gleichgewichtig vertreten. Bei der vorherrschenden adversiven Kategorie "Drohung" überwiegt die formale Stilisierung gegenüber formlosen Sequenzen sehr deutlich. Auch bei "Diffamierung" ist ein Übergewicht an Stilisierung feststellbar; bei "Häme" ist das Verhältnis praktisch ausgeglichen. Bezüglich der Kategorie "Ironie" ist mangels Masse keine quantifizierende Aussage möglich. Im Verhältnis sehr viel stilisierter als alle adversiven Sequenzen, und ebenfalls mit einem ausgewogenen Verhältnis zwischen Paarkonstruktionen und Dreierlisten, sind jedoch die Sequenzen ohne Adversivität. Adversivität, gleichsam verstehbar als semantische Emphase, scheint mit formaler Stilisierung als syntaktisch-stilistischer Emphase hier nicht in engerem Zusammenhang zu stehen. Prosodisch wird die Kategorie "Drohung" deutlich mehr markiert (d.h. mit gehobener Lautstärke geäußert), als die anderen Kategorien. Insbesondere "Ironie" und "Häme", aber auch "Diffamierung" werden prosodisch eher unmarkiert geäußert. Bezüglich Ironie und Häme ist dies ist auch bei allen anderen Reden, sofern diese Kategorien vorkommen, feststellbar. Diffamierung wird auch 1942 prosodisch weniger markiert, bzw. ähnlich wie Häme und Ironie. An diesem Punkt scheint sich wirklich ein engerer Zusammenhang zwischen Semantik und Prosodie herauszukristallisieren. Prosodische Markiertheit ist allerdings auch bei den Sequenzen ohne Adversivität vorherrschend: 11 Sequenzen fallen unter markierte Lautstärke (fff + ff) bei 5 Sequenzen mit unmarkierter Lautstärke. Das läßt folgenden Schluß zu: Adversivität an sich steht nicht in Zusammenhang mit einer bestimmten Art und Weise prosodischer Realisierung, denn Non-Adversivität wird prosodisch genauso markiert bzw. nicht markiert, wie adversiv ausgelegte Sequenzen. Wohl läßt sich dies aber vertreten für bestimmte Arten von Adversivität. Besonders deutlich ist ein Kontrast auszumachen zwischen der Kategorie "Drohung" als tendenziell prosodisch markierter Semantik einerseits, und den Kategorien "Ironie" und "Häme" als tendenziell prosodisch unmarkierter Semantik andererseits. Skandieren tritt bei fast allen adversiven Sequenzen mit gesteigerter Lautstärke auf (was bei dieser Rede nur die Kategorien "Diffamierung" und "Drohung" betrifft). Bei den Sequenzen ohne Adversivität wird ca. die Hälfte der Sequenzen, die unter gesteigerter Lautstärke eingeordnet sind skandiert. Skandieren kommt ebenfalls bei allen Sequenzen - adversiv oder nicht - unter unmarkierter Lautstärke vor. Aufgrund der geringen Anzahl von Sequenzen mit unmarkierter Lautstärke allgemein, ist bei dieser Rede keine eindeutige vergleichende Aussage über das Auftreten von Skandieren bei unterschiedlichen Lautstärkestufen zu treffen.
136 8.14
Adversivität nach Phasen 24.2.1944
Tab.59: Adversivität nach Phasen 24.2.1944 Phase/ Anzahl der
Ironie
Häme
Diffamierung
1
1
Drohung
Sequenzen Phase 1/ 7 Sq Phase II/9 Sq
—
1 (=Hä)
1 (=Ir) 3 (=1 Drohung)
1
Phase III/ 12 Sq
—
Phase IV/ 8 Sq
—
—
—
Phase V / 6 S q
—
—
—
gesamt
5
—
2
—
Seq. ohne Adv. 5
2
5
6 (=1 Häme)
4
—
8
2
4
10
26
Die vorherrschende adversive Kategorie ist "Drohung", gefolgt mit Abstand von "Häme". Die interaktiv dichteste Phase ist Phase III mit 2,7 PR/Min, dem diesbezüglich höchsten Wert im Datenmaterial insgesamt. Auch bei dieser Rede dominiert die insgesamt vorherrschende Kategorie ebenfalls die interaktiv dichteste Phase: Die Hälfte der applaudierten Sequenzen in Phase III sind als drohend einzustufen. In den anderen Phasen kommt "Drohung" im Verhältnis zu den anderen Kategorien bzw. zur Anzahl der applaudierten Sequenzen pro Phase deutlich weniger vor. Auch die allgemeine Adversivität, d.h. alle Kategorien zusammengenommen, ist in dieser Phase am höchsten, wie aus dem jeweiligen Anteil nicht adversiver Sequenzen in den Phasen zu schließen ist: In Phase III ist ein Drittel aller Sequenzen als nicht adversiv einzuordnen. In allen anderen Phasen liegt der Anteil nicht adversiver Sequenzen bei über der Hälfte der applaudierten Sequenzen - mit Ausnahme von Phase II - sehr weit über der Hälfte. Die Rede ist gekennzeichnet von einem kontinuierlichen Anstieg des Gehalts an adversiven Sequenzen von Phase I bis Phase III. In den beiden folgenden Phasen IV und V nimmt die Adversivität wieder ab, so daß von einem Block vermehrter Adversivität im Zentrum der Rede ausgegangen werden kann, dessen Höhepunkt zum einen mit der Phase der dichtesten Interaktion zusammenfällt (Phase III), zum anderen gekennzeichnet ist von der insgesamt dominanten adversiven Kategorie "Drohung". Nicht applaudierte Adversivität ist relativ wenig festzustellen. Bemerkenswert ist, daß sie vor allem in den Phasen anzutreffen ist, in denen der Anteil an adversiven applaudierten Sequenzen vergleichsweise niedrig ist: In Phase I bzw. zwischen den Phasen I und II, und zwischen den Phasen IV und V. Zum Teil sind die Passagen prosodisch emphatisiert 33
33
Diffamierung ca. bei der 22. Minute (Skandieren); Häme + Diffamierung nach der 49. Minute, Drohung ca. bei der 53. Minute, dort jedoch in der Lautstärke der vorangegangenen applaudierten Sequenz realisiert, d.h. zwar prosodisch markiert, aber nicht kontrastiert.
137 und zum Teil formal stilisiert.34 Es treten jedoch beide Faktoren nie gemeinsam zusammen mit nicht applaudierter Adversivität auf. Semantisch sind die nicht applaudierten adversiven Passagen oft ähnlich orientiert wie adversive applaudierte Sequenzen in der näheren Umgebung, wobei die jeweilige applaudierte Sequenz davor und danach auftreten kann (vgl. "Diffamierung" nach der 8. Minute in Bezug auf Sequenz 3 (=diffamierend); "Häme" nach der 10. Miunute in Bezug auf Sequenz 4 (=hämisch); "Drohung" vor der 35. Minute in Bezug auf Sequenz 26 (=drohend); "Drohung" vor der 53. Minute in Bezug auf Sequenz 41 (=drohend). Die nicht applaudierten adversiven Stellen in längeren applausfreien Passagen sind vor allem hämisch ausgelegt (vgl. 15. bis 16. Minute und 48. bis 50. Minute). Eine semantische Parallelität zu den jeweils nächstgelegenen applaudierten Sequenzen ist nicht festzustellen. Längere Passagen ohne Applaus, in denen nicht applaudierte Adversivität festzustellen ist (s.o.), finden sich 2mal, zwischen den Sequenzen 7 und 8 und den Sequenzen 36 und 37. In diesen Bereichen sind auch formale Stilisierungen festzustellen, die sich in der Regel jedoch, wie bereits erläutert, nicht mit den adversiven Passagen decken. Beide Faktoren für sich sprechen jedoch für rhetorische Versuche, beim Publikum Ratifizierungen zu evozieren, was an diesen Stellen jedoch nicht gelingt.
8.15
Adversivität mit Blick auf formale Stilisierung und Prosodie 24.2.1944
Tab.60: Formale Stilisierung und Adversivität/Non-Adversivität 24.2.1944 Ironie
Häme
Diffamierung
2er
—
1
—
3er
—
2
—
Kombination
—
formlos
—
—
2
Drohung
Seq. ohne Adv.
3
11
5
4 2
—
.
2
2
9
Tab.61: Lautstärke + Rhythmus und Adversivität 24.2.1944 Ironie
Häme
forte-fortissimo
—
—
fortissimo
—
—
forte
—
1
unmarkierte Lautstärke
—
4 ( 1 sk)
Diffamierung —
Drohung —
1 (1 sk) —
1
Seq. ohne Adv. —
6 (2 sk)
10 (4 sk)
2
9 (6 sk)
2
7
Der einzige Fall, bei dem eine bestimmte formale Stilisierung eindeutig vorherrscht, sind die Sequenzen ohne Adversivität (Tab.60), wo deutlich mehr Paarkonstruktionen vorkommen als andere Formen (11:4:2). Bei "Häme" und "Drohung" ergibt die Auswertung zwar
34
Diffamierung nach der 8. Minute als vierfache Paarkonstruktion; Drohung als Dreierliste zwischen 34. und 35. Minute; Häme als Paarkonstruktion nach der 49. Minute.
138 Zahlenwerte, die ein Übergewicht an Dreierlisten anzeigen, jedoch macht die jeweils geringe Anzahl der Sequenzen eine Quantifizierung problematisch. Deutlicher ist wieder die Betrachtung der Zahlen unter dem Aspekt "formal stilisiert" vs. "nicht stilisiert". Hier zeigt sich bei der die Rede dominierenden Kategorie "Drohung" im Vergleich zu anderen Kategorien bzw. zu den Sequenzen ohne Adversivität ein deutliches Übergewicht an formaler Stilisierung. Vier Fünftel der drohenden Sequenzen werden, in welcher Form auch immer, formal stilisiert. Bei der Kategorie "Häme" ist das Verhältnis praktisch ausgewogen, bei den Sequenzen ohne Adversivität sind ca. zwei Drittel der Sequenzen formal stilisiert. Was sich festhalten läßt ist, daß die dominierende Kategorie "Drohung" im Vergleich zu allen anderen Untersuchungskategorien deutlich mehr formale Stilisierungen aufweist. Prosodisch zeigt sich ein deutlicher Unterschied zwischen den Kategorien "Drohung" und "Häme". Während bei "Drohung" dreimal mehr Sequenzen unter "fortissimo" als unter "unmarkierte Lautstärke" fallen, sind bei "Häme" vier Sequenzen unter "unmarkierter Lautstärke" und nur eine Sequenz bei "forte" eingeordnet. Bei den Sequenzen ohne Adversivität fallen im Verhältnis ebenfalls mehr Sequenzen unter besonders markierte Lautstärke (ff) als unter unmarkierte Lautstärke, jedoch ist der Unterschied bei weitem nicht so ausgeprägt wie bei "Drohung" (10:7). Somit ist festzuhalten, daß prosodische Markiertheit und allgemeine Adversivität nicht in einem generellen Zusammenhang miteinander stehen, da auch bei Sequenzen ohne Adversivität ein - wenn auch nicht so stark ausgeprägtes - Übergewicht an markierter Lautstärke festzustellen ist, und Skandieren sogar mehrheitlich bei den Sequenzen ohne Adversivität auftritt. Jedoch zeigt sich auch bei dieser Rede tendenziell eine unterschiedliche prosodische Realisierung einzelner semantisch-adversiver Kategorien: "Häme" wird prosodisch eher unmarkiert, d.h. nicht emphatisiert geäußert, "Drohung" wird prosodisch eher emphatisiert.
9. Publikumsäußerungen 1933-1944
Vorbemerkung zu diesem Kapitel: In den vorigen Kapiteln wird mit dem Begriff "Applaus" bzw. "applaudierte Sequenz" die Ratifizierung bzw. die ratifizierte Sequenz bezeichnet, gleichgültig, welche Qualität die Ratifizierung auszeichnet (d.h. auch rein verbale Publikumsäußerungen fallen darunter). Die Vorgehensweise bis Kap.8 läßt den Gebrauch dieses Begriffes ohne weitere Spezifizierung zu. In Kapitel 9 ist nun eine Unterscheidung notwendig, da die Analyse einen Unterschied macht zwischen Verbalität und NonVerbalität. "Applaus" in Kapitel 9 bedeutet immer und ausschließlich die durch Händeklatschen hervorgebrachte Ratifizierung von seiten des Publikums.
In Anlehnung an Atkinson (1984) und Heritage/Greatbatch (1986) reden wir von einem "erfolgreichen" Applaus bei einer Dauer von 7 bis 9 Sekunden. Erfolgreich bedeutet in diesem Zusammenhang ein für beide Seiten des Dialogs, d.h. für den Redner wie für das Publikum, befriedigende Ratifizierung einer Äußerungseinheit des Redners. In die Untersuchung werden jedoch nicht nur die non-verbalen Applausbekundungen, sondern auch Publikumsäußerungen verbaler bzw. paralinguistischer Art einbezogen. In den Tabellen werden die rein verbalen Äußerungen nicht weiter qualitativ unterschieden. Ebenso werden die den Applaus meistens begleitenden verbalen Publikumsäußerungen in den Tabellen nicht erfaßt. Datengrundlage für diesbezügliche Betrachtungen in dieser Untersuchung sind die Abbildungen und Auswertungen der Reden auf Zeitstrahlen (Kap.5).
9.1
Publikumsäußerungen 10.2.1933
Bei der Rede von 1933 treten "Bravo"-Rufe in Verbindung mit Beifall, sowie "Pfui"-Rufe ohne Beifall auf. Ein Beifall ohne vorausgehende verbale Äußerungen kommt in dieser Rede nicht vor, ein "Bravo"-Ruf ohne Beifall IMal (Sq 16). Von den 47 Sequenzen insgesamt werden 36 mit Beifall ratifiziert (=76,6%), die übrigen 11 werden rein verbal quittiert (=23,4%). 17 Beifallsbekundungen liegen deutlich über 9 Sekunden, was 47% der Beifallsbekundungen ausmacht. Das Phänomen des "refusing applause" (Atkinson 1984, 1985; Heritage/Greatbatch 1986) tritt insgesamt neun mal auf. Diese Sequenzen sind ebenfalls als rhetorisch erfolgreiche einzuordnen, obwohl der Applaus meist deutlich unter der "Normaldauer" bleibt, da der Applaus durch den Redner zurückgewiesen, d.h. durch Weiterreden abgebremst wird. 12 Applausbekundungen sind unter 7 Sekunden lang, wobei davon in acht Fällen der Applaus von Hitler zurückgewiesen wird, diese Sequenzen daher wie erläutert als rhetorisch erfolgreich ratifiziert gewertet werden. Somit bleiben vier "kurz" ausfallende Ratifizierungen, was bedeutet, daß mit insgesamt 32 zur Zufriedenheit von Publikum und/oder Redner verlaufenden Applausbekundungen die Rate der rhetorisch bzw. interaktiv erfolgreichen, mit Beifall quittierten Sequenzen bei 88,9% liegt.
140 Betrachten wir nun die Verteilung auf die Redephasen, so zeichnet sich beim Applaus deutlich eine Steigerung ab: In Phase II sind 27% der Applausbekundungen gekennzeichnet durch Überlänge, in Phase III sind es fast 44%. Phase III ist als die dichteste Phase festgestellt worden (vgl. Kap.4). Mit Blick auf die Aktivität des Publikums ist daher eine deutliche Steigerung im Redeverlauf feststellbar: Die Interaktivität erfolgt einerseits dichter in der Zeit, andererseits wird sie, mit Blick auf die steigende Zahl überlanger Applausbekundungen, auf eine bestimmte Art "expressiver". Auch die kurze Abschlußphase IV ist extrem ausgeprägt hinsichtlich der Interaktion zwischen Redner und Publikum: Zweimal bremst Hitler den Applaus schon nach kurzer Zeit ab, während der jeweils folgende Applaus mit über 30 Sekunden [!] in Sequenz 45 und 46 jeden normalen Rahmen sprengt. 35 Neben dieser rein quantitativ beurteilten Steigerung ist eine qualitative Änderung der Publikumsreaktionen im Redeverlauf von Bedeutung. Es ist ein Wandel festzustellen von affirmativ-negativen Publikumsäußerungen hin zu affirmativ-positiven Ratifizierungen in Phase II: Zu Beginn von Phase II erfolgen in fast ununterbrochener Serie sieben kollektive, rein verbale negative Ratifizierungen ("pfui"). 36 Die Serie endet mit dem ersten Applaus der Rede in Überlänge (Sq 15/26.5 Sek) begleitet von Trampeln aus dem Publikum. Von da ab kommen keine negativen Affirmationen von seiten des Publikums mehr vor. Von den restlichen 12 Sequenzen in Phase II (Sq 15-26) weisen fast 42% einen Applaus mit Überlänge auf, was leicht unter dem Wert der nachfolgenden Phase III liegt. Inhaltlich ist in der Rede von 1933 für Phase II ein Schwerpunkt bezüglich der allgemeinen Adversivität und im besonderen für die Kategorie "Diffamierung" festzustellen (s. Kap.8), im Gegensatz zu Phase III, die mehr durch die Kategorie "Drohung" gekennzeichnet ist. Die rein verbale Ratifizierungsart nach Diffamierungen ist immer "pfui". Später, im weiteren Verlauf von Phase II, werden Diffamierungen auch mit Beifall bedacht. Insgesamt werden Diffamierungen etwas mehr rein verbal als mit Applaus ratifiziert (7:5 Sequenzen). Drohungen werden ausschließlich applaudiert, und zwar, bis auf zwei Ausnahmen (Sequenzen 29 und 42), immer entweder mit extremer Überlänge des Applauses (Sq 17/Phase II), Sequenzen 28, 30 und 43/Phase III), oder mit zurückgewiesenen Applausbekundungen (Sequenzen 28 und 41), wobei in Sequenz 28 beides, Überlänge des Applauses und Zurückweisung vorliegt.
35
36
Den Schlußapplaus müßte man dabei allerdings ausklammern, da die Dauer des Applauses vermutlich eng mit der Tatsache des Redeabschlusses zusammenhängt. Dennoch ist bezeichnend für die offensichtlich herrschende Euphorie am Ende der Rede, daß Goebbels über vier Sekunden lang bemüht ist, die Menge zur Ruhe zu bewegen. Die Negativität ist dabei als auf das inhaltlich Ausgedrückte und nicht auf die Person des Redners bezogen zu sehen.
141 Tab.62: Publikumsäußerungen und formale Stilisierung/Nicht-Stilisierung 10.2.1933 formal stilisiert
formal nicht stilisiert
verbale Publikumsäußerungen
3
7
Applaus
23 (4 R)
14 (6 R)
überlanger Applaus
1 3 ( 1 R)
4
verkürzter Applaus
5 ( 2 R)
7 ( 6 R)
Formal-stilistisch37 fällt auf, daß mit einer Ausnahme (Sequenz 39/Phase III) sämtliche mit "Pfui"-Rufen bedachten Sequenzen keine ausgeprägte formale Stilisierung erfahren. Bei den mit Applaus bedachten Sequenzen treten sowohl formlose als auch formal stilisierte Sequenzen auf, mit einem im Vergleich zum Stilisierungs-Durchschnittswert der Rede (vgl. Tab.9: 58,7%) größeren Anteil an Stilisierungen in den beiden Phasen II (8 Stilisierungen von 13 Sequenzen = 61,5%) und III (9 Stilisierungen von 14 Sequenzen = 64,3%) (von den Phasen I und IV sei aufgrund der jeweils geringen Anzahl ratifizierter Sequenzen an dieser Stelle abgesehen). Die Sequenzen mit überlangem Applaus als Ratifizierung sind dabei zu einem noch höheren Prozentsatz stilisiert als die Sequenzen mit Applaus insgesamt. Tab.63: Publikumsäußerungen und Lautstärke + Rhythmus 10.2.1933 forte-fortissimo/fortissimo
forte
verbale Publikumsäußerungen
9
1
—
Applaus
35 (9 sk) (9 R)
2
—
überlanger Applaus
17 (4 sk) (1 R)
verkürzter Applaus
11 (4 sk) (7 R)
—
1(1R)
unmarkierte Lautstärke
—
....
Bezüglich der Prosodie ist festzustellen, daß 5 der 8 negativ-affirmativ ratifizierten Sequenzen ("pfui"), d.h. etwas mehr als die Hälfte, unter fff eingeordnet sind (das betrifft die Phasen II und III, wo dies ausschließlich vorkommt). Bei den positiv-affirmativ sanktionierten Sequenzen ("bravo"+Beifall, bzw. einmal "heil"+Beifall) fallen insgesamt 19 von 36 Sequenzen, d.h. ebenfalls etwas mehr als die Hälfte, unter fff. Von den 13 mit "bravo"+Beifall ratifizierten Sequenzen in der dichtesten Phase (Phase II), fallen 7 Sequenzen unter fff, was dem Verhältnis in der ganzen Rede in etwa entspricht. Skandieren kommt nur vor Applaus vor, nie vor verbalen Ratifizierungen. Das könnte ein Licht darauf werfen, was inhaltlich geäußert wird vor verbalen bzw. non-verbalen Ratifizierungen. Die Frage lautet: Was wird eher verbal, was eher non-verbal ratifiziert? Und was wird demzufolge vom Redner eher skandiert? Folgt Applaus eher auf Skandieren als auf nicht skandierte Äußerungseinheiten? Oder folgt Applaus auf bestimmte Semantiken eher als auf andere, woraus folgen würde, dass bestimmte Semantiken eher skandiert werden als andere?
37
Von einer Analyse der einzelnen stilistischen Formtypen in Bezug auf Publikumsäußerungen wird abgesehen, da die Unterscheidung dieser Kategorien in der Analyse der Rhetorik (Kap.6 bis 8) kein generalisierbares Ergebnis erbracht hat.
142 9.2
Publikumsäußerungen 26.9.1938
Bei dieser Rede liegt neben dem Applaus eine große Vielfalt unterschiedlicher Äußerungen aus dem Publikum vor, die zum Teil für sich, zum Teil zusammen mit Applaus auftreten: "Heil"-Rufe, "Bravo"-Rufe, "Pfui"-Rufe, Lachen, Pfiffe, rhythmisches Schreien, Trampeln, kollektive Sprechchöre (oder auch nur zu mehreren) und einzelne Zwischenrufe. 39 Sequenzen werden rein verbal ratifiziert (=36,4 %), 68 Sequenzen mit Applaus (=63,6%), der fast immer verbal begleitet wird. Ausnahmen sind die Sequenzen 31, 57 und 64, die mit reinem Applaus beantwortet werden. Bei 40 der mit Applaus ratifizierten Sequenzen liegt eine Überlänge der Beifallsbekundungen vor, die zum Teil sehr starke Ausmaße annimmt mit Applausbekundungen von 20 bis 30 Sekunden und mehr (z.B. die Sequenzen 5, 24, 82, 95). Als rhetorisch erfolgreiche Sequenzen sind außerdem die Sequenzen mit kurzem Beifall anzusehen, wenn er vom Redner zurückgewiesen wird. Dies ist 4mal der Fall (Sequenzen 12, 13, 41 und 62). Hinzu kommen noch die Sequenzen mit Applaus von "normaler" Dauer, d.h. zwischen 7 und 9 Sekunden: Es trifft dies auf 15 Sequenzen zu, die Sequenzen 14, 16, 28, 29, 30, 33, 34, 57, 60, 80, 87, 96, 98, 103 und 105. Somit ist insgesamt von 59 Sequenzen auszugehen, die für den Redner erfolgreich applaudiert werden. Die Sequenzen mit überlangen Ratifizierungen machen davon einen Anteil von 67,8% aus. Auffallend dabei ist, daß schon relativ früh, mit der zweiten Sequenz, extrem langer Applaus festzustellen ist. Zwar erfolgt nach den ersten vier applaudierten Sequenzen eine längere Passage ohne Bekundungen aus dem Publikum; dennoch ist angesichts dieses frühen besonders langen Applauses von einer hohen Austauschbereitschaft beim Publikum auszugehen. Eine "Aufwärmphase" wie bei der Rede vom 10.2.1933 liegt nicht vor. Applaus unter 7 Sekunden Dauer, bei dem ein Zurückweisen durch den Redner nicht auftritt ist 8mal festzustellen, wobei die 3 als zu vernachlässigend eingestuften Applausbekundungen mit eingerechnet sind (Sequenzen 41, 61 und 67). Diese drei Sequenzen werden aufgrund des schwachen Ansatzes von Beifall und der im Gegensatz dazu sehr ausgeprägten Verbalität zu den verbalen Publikumsäußerungen gerechnet. Bei den kurz ausfallenden Beifallsbekundungen sind die meisten verzögert einsetzenden Beifallsbekundungen zu verzeichnen (Sequenzen 15, 21, 27). Die übrigen verzögert einsetzenden Publikumsäußerungen sind unter den "normal" andauernden Applausbekundungen (7 bis 9 Sekunden Dauer) zu finden, bzw. einmal handelt es sich um ein kollektives "bravo" (Sequenz 100). Von den Beifallsbekundungen mit Überlänge setzt keine einzige mit Verzögerung ein. Die Beifallsbekundungen im Phasenablauf weisen einen bemerkenswerten Kontrast zwischen der dichtesten Phase der Rede, Phase III, und den Phasen II und IV auf:38 In der interaktiv dichtesten Redephase agiert das Publikum überwiegend rein verbal, nämlich in 21 der 25 ratifizierten Sequenzen (den Ansatz von Beifall in Sequenz 41 vernachlässigend). In Phase II dagegen werden 30 der 31 Sequenzen mit Beifall bedacht, in Phase IV
38
Von Phase I sei in diesem Zusammenhang abgesehen, da sie für einen Vergleich zuwenig Beifallsbekundungen aufweist.
143 sind es 29 der 47 ratifizierten Sequenzen. Dabei ist der Anteil an Applaus mit Überlänge in Phase II deutlich höher als in Phase IV (17 Sequenzen in Phase II = 54,8 % und 19 Sequenzen in Phase IV = 40,4 %). Als inhaltlich adversivste Phase ist Phase III anzusehen gefolgt von Phase IV (vgl. Kap.8). Das bedeutet, daß mit zunehmender Adversivität das Publikum Sequenzen zunehmend verbal ratifiziert, weniger mit Applaus. Das Bild läßt sich präzisieren unterscheidet man die adversiven Sequenzen qualitativ: Wie bereits dargelegt, ist die vorherrschende adversive Kategorie in Phase III die Diffamierung. 16 der 18 diffamierenden Sequenzen in Phase III werden verbal ratifiziert, und zwar in der Regel mit "Pfui"-Rufen (13 Sequenzen), in wenigen Fällen auch mit Lachen (2 Sequenzen, davon eine, Sequenz 41, mit einem zu vernachlässigenden Ansatz von Beifall). In den Phasen II und IV zeigt sich dieser Befund nicht, bzw. nicht so stark ausgeprägt. In Phase II wird von den 5 als diffamierend eingestuften Sequenzen nur eine rein verbal (mit "pfui") ratifiziert, bei den anderen vieren erfolgt "bravo" mit Applaus bzw. einmal "pfui" mit Applaus. In Phase IV werden 7 der 12 als diffamierend eingestuften Sequenzen rein verbal ratifiziert (mit einem zu vernachlässigenden Ansatz von Beifall in Sequenz 67), wobei eine der diffamierenden applaudierten Sequenzen zugleich auch als drohend eingestuft ist. Betrachtet man über die gesamte Rede hinweg die Ratifizierungen der als drohend eingestuften Sequenzen, der insgesamt zweithäufigsten adversiven Kategorie (jedoch vorherrschend in den Phasen II und IV, vgl. Kap.8), so wird der Unterschied in der Ratifizierung von Diffamierung und Drohung augenfällig: Sämtliche Sequenzen, die unter die Kategorie "Drohung" fallen, werden mit Applaus ratifiziert, entweder begleitet von "Heil"- oder "Bravo"-Rufen. Häme wird - insgesamt betrachtet - zu gleichen Teilen rein verbal und non-verbal ratifiziert, wobei bei beiden Ratifizierungsarten Lachen mehr vorkommt als andere verbale Äußerungsformen. Ironie wird immer rein verbal ratifiziert, wobei Lachen und "Pfui"-Rufe ca. ausgewogen auftreten. Diffamierungen werden insgesamt deutlich mehr verbal als non-verbal ratifiziert (22 von 36 Sequenzen = 61,1%), wobei von den 14 applaudierten Sequenzen 2 nur sehr schwach applaudiert, dafür jedoch um so expressiver verbal ratifiziert werden (Sequenzen 41 und 67). 20 der 22 verbal ratifizierten Sequenzen werden durch "Pfui"-Rufe beantwortet. Tab.64: Publikumsäußerungen und formale Stilisierung/Nicht-Stilisierung 26.9.1938 formal stilisiert
formal nicht stilisiert
verbale Publikumsäußerungen
20 (1 R) (1 v)
19
Applaus
38 (3 R) (3 v)
30 (7 R) (4 v)
Uberlanger Applaus
24 (1R)
16(3 R) (1 v)
verkürzter Applaus
5 ( 1 R) (2 v)
7 (3 R) (1 v)
Insgesamt sind die mit Applaus bedachten Sequenzen etwas mehr formal stilisiert als unstilisiert (37:28 Sequenzen = 56,9 % stilisiert), wobei der Anteil der stilisierten gegenüber den unstilisierten Sequenzen bei den überlangen Applausbekundungen prozentual größer ausfällt als bei den Applausbekundungen insgesamt: 24 der 40 Sequenzen mit überlangem
144 Beifall sind formal stilisiert, das sind 60%. Ausgewogen ist das Verhältnis von Stilisierung und Nicht-Stilisierung bei den kurzen Applausbekundungen. Bei den verbal ratifizierten Sequenzen ist das Verhältnis zwischen Stilisierung und Nicht-Stilisierung ausgewogen: 20 von 39 Sequenzen sind formal stilisiert. Dieser Befund der Ausgewogenheit zeigt sich auch, wenn man, differenziert, z.B. nur die mit Lachen ratifizierten Sequenzen betrachtet (s.Zeitstrahl). Tab.65: Publikumsäußerungen und Lautstärke + Rhythmus 26.9.1938 forte-fortissimo/fortissimo
forte
unmarkierte Lautstärke
16 (6 sk) (1 v)
17 (2 sk) (1 R)
6 ( 1 sk)
35 (17 sk) (4 R) (2 v)
23 (3 sk) (5 R) (3
1 0 ( 2 sk) (1 R) (1 v)
überlanger Applaus
25 (13 sk) (3 R)
v) 8(1R)
7 (2 sk)
verkürzter Applaus
2
8 (2 sk) (3 R) (2 v)
2 ( 1 R ) ( l v)
verbale Publikumsäußerungen Applaus
Bei Applaus insgesamt und überlangem Applaus ist ein deutlich höherer Anteil an markierter Lautstärke (fff+ff) als an unmarkierter Lautstärke festzustellen, wobei der Kontrast bezüglich des Auftretens von markierter und unmarkierter Lautstärke bei Applaus mit Überlänge besonders stark hervortritt. Bei den rein verbalen Publikumsäußerungen ist ebenfalls ein höherer Anteil bei markierter Lautstärke im Vergleich zur unmarkierten festzustellen, wobei sich hier die Verteilung ausgewogen streut zwischen "forte" und "fortissimo'V'forte-fortissimo". Differenziert man die verbalen Publikumsäußerungen nach den hauptsächlich vorkommenden Ausdrucksformen Lachen, "Heil"-Rufen und "Pfui"-Rufen (s. Zeitstrahl) 39 , so stellt man fest, daß die mit Lachen ratifizierten Sequenzen überwiegend in "forte", sonst in unmarkierter Lautstärke vorgetragen werden (Sequenzen 47, 84, 86, 89). Bei "Pfui"-Rufen überwiegen die Sequenzen mit markierter Lautstärke bei einem noch relativ großen Anteil an Sequenzen in "forte" (13:10). Sequenzen mit unmarkierter Lautstärke gibt es dagegen nur 4. Verkürzter Applaus tritt überwiegend in Verbindung mit "forte" auf, d.h. es ist weder bei unmarkierter noch bei markierter Lautstärke ein bemerkenswertes Auftreten festzustellen. Prozentual ist der Anteil an skandierten Sequenzen bei überlangem Applaus am größten. Auf den deutlich sichtbaren Zusammenhang zwischen gesteigerter Lautstärke und Rhythmisierung sei nochmals hingewiesen. Er wurde bereits an anderer Stelle festgestellt (vgl. Kap.7.1). Es ist festzuhalten, daß markierte Prosodie vor allem bei außergewöhnlich langen Applausbekundungen eine wichtige Rolle spielt und auch insgesamt bei Applausbekundungen ein höherer Anteil an Sequenzen mit markierter Lautstärke als mit unmarkierter festzu-
39
Von den diese verbalen Publikumsäußerungen z.Tl. begleitenden weiteren Äußerungen (Zwischenrufe, Chöre) sei an dieser Stelle abgesehen.
145 stellen ist. Bei verbalen Publikumsäußerungen ist eine Tendenz hin zu vermehrt markierter Lautstärke noch feststellbar, jedoch nicht so ausgeprägt.
9.3
Publikumsäußerungen 19.9.1939
Die Publikumsäußerungen bestehen bei dieser Rede neben dem Applaus, der hier oft ohne verbale Einleitung und ohne nachfolgende verbale Ergänzung erfolgt, aus zum Teil rhythmischen "Heil"-Rufen, Lachen - allein oder in Verbindung mit Beifall, "Pfui"-Rufen und "Bravo"-Rufen (letzteres nur in Verbindung mit Beifall). Von den 52 vom Publikum ratifizierten Sequenzen werden 19 rein verbal beantwortet (=36,5%). Darunter befinden sich 11 Sequenzen, in denen das Publikum ausschließlich oder fast ausschließlich lacht. 40 6 Sequenzen werden mit "Pfui"-Rufen beantwortet. Ausschließlich "Heil"-Rufe kommmen nur in der Schlußsequenz vor, ansonsten immer in Verbindung mit Beifall (Sequenzen 1, 9, 12, 14, 37 und 44). Unter den 33 Applausbekundungen befinden sich 24 Sequenzen mit Überlänge (=72,7%). Zieht man die sonst noch rhetorisch als erfolgreich einzustufenden Sequenzen mit hinzu (Applausdauer von 8 bis 9 Sekunden und zurückgewiesener Applaus), so wird deutlich, daß nur eine verschwindend geringe Anzahl von Applausbekundungen bei dieser Rede "zu kurz" ausfällt: Es trifft dies nur auf zwei Sequenzen zu (Sequenzen 4 und 31). Damit ist der Grad an rhetorischer Effizienz als sehr hoch einzuschätzen bzw. es ist von einem besonders motivierten oder disziplinierten Publikum auszugehen Das erscheint plausibel angesichts der Tatsache, daß es sich bei dieser Rede um ein Publikum aus Parteifunktionären handelt, und die Rede zudem in einer historisch-politischen Situation gehalten wird, dem (von den Nationalsozialisten definierten) Moment der militärischen Niederlage Polens nach dem deutschen Überfall, die einem institutionell genuin nationalsozialistischen Publikum nur applaudierenswert erscheinen kann. In der dichtesten Phase (Phase III) sind 7 Sequenzen mit überlangem Applaus zu verzeichnen (=43,75%), davon zwei, in denen der Redner versucht, den Applaus zurückzuweisen. "Pfui" tritt nur einmal am Ende der Phase auf, Lachen dagegen ist mit 9 Sequenzen häufiger als Applaus mit Überlänge vertreten. Es kommt allein oder in Verbindung mit Beifall vor. Insgesamt werden in der dichtesten Phase 10 der 16 Sequenzen (u.a.) durch Applaus ratifiziert (=62,5%). In der Phase davor, der zweitdichtesten Phase der Rede, sind 9 der 23 Publikumsreaktionen überlanger Applaus (=39,1%). Lachen ertönt ebenfalls neun mal, womit von Phase II zu III anteilmäßig eine Steigerung stattfindet: Der Anteil an Ratifizierung durch Lachen ist in der dichtesten Phase am höchsten, ebenso der Anteil an überlangem Applaus. Auffallend ist das sehr frühe Eintreten eines überlangen Beifalls. Schon Sequenz 1 wird ca. eine Minute nach Redebeginn mit 12,4 Sekunden Applaus bedacht, wobei die rhythmischen "Heil"-Rufe davor auf den hohen Organisierungsgrad bzw. die herrschende Disziplin im Publikum hinweisen. Es liegt demzufolge auch hier - wie 1938 im Sportpalast - ein
40
In den Sequenzen 8 und 18 erfolgt mit dem Lachen ein Raunen, in Sequenz 17 ein Zwischenruf.
146 hochmotiviertes Publikum vor, wenn auch die Ratifizierungen zu Beginn nicht so fulminant ausfallen wie bei der Rede vom 26.9.1938. Während in der Rede von 1938 bei den Publikumsäußerungen eher Emotionen eine Rolle zu spielen scheinen, scheint hier eher Disziplin zu wirken. 1938 schreit Hitler, und das Publikum schreit "heil", trampelt und ergeht sich in Sequenz 4 dann in "Pfui"-Rufen. 1939 spricht Hitler am Beginn gehoben bis leise. Mit Sequenz 1 setzt zunächst Beifall ein, dann erfolgen geordnete "Heü"-Rufe. Die Gestimmtheit ist 1938 und 1939 deutlich eine andere, und es stellt sich die Frage, ob der 1939 festgestellte hohe Grad an rhetorisch erfolgreichen Sequenzen nicht in der Autorität des "Führers" gegenüber seinen Gefolgsleuten begründet liegt, und weniger in einer emphatischen Rhetorik. In der Schlußphase nimmt die Aktivität des Publikums einerseits stark ab, andererseits sind die dort vorkommenden Ratifizierungen zum Teil besonders elaboriert und außergewöhnlich lang (vgl. Sequenzen 50 und 51). Die lange Passage ohne Beifallsbekundungen ist prosodisch nicht markiert, beinhaltet auch keine formalen Stilisierungen und ist inhaltlich als deskriptive, narrative Passage einzuordnen, die somit nicht auf Applaus abzielt. Die Rede vom 19.9.1939 ist als die adversivste Rede aller untersuchten Reden festgestellt worden (vgl. Tab.40). Auch zeigt sich, daß die interaktiv dichteste Phase den höchsten Grad an semantischer Adversivität aufweist, und der Anteil der insgesamt vorherrschenden Kategorie "Diffamierung" den größten unter den adversiven Kategorien in dieser Phase darstellt (vgl. Kap.8). Die zweithäufigste Kategorie "Häme" ist auch die zweithäufigste in der dichtesten Phase. Wie werden nun die adversiven Kategorien in dieser Rede ratifiziert? Es kommen bei der Kategorie "Diffamierung" alle in dieser Rede vorkommenden Formen allein oder in Kombination vor. Diffamierung wird beklatscht (Sequenzen 2, 3, 4, 10 und 36), belacht und beklatscht (Sequenzen 5, 39, 40 und 45), zusammen mit "Bravo"-Rufen beklatscht (Sequenz 38), mit "Heil"- und "Bravo"-Rufen beklatscht (Sequenz 9), belacht (Sequenzen 35 und 46) und mit "Pfui"-Rufen bedacht (Sequenzen 6,7, 20, 21,47 und 48). Lachen und "Pfui"-Rufe halten sich genau die Waage, wenn man die Sequenzen mit Lachen + Beifall mit einbezieht (6:6). Die rein verbalen Ratifizierungen bestehen dabei überwiegend aus "Pfui"-Rufen (6mal "pfui" vs. lmal Lachen). 11 der 19 diffamierenden Sequenzen (zuweilen ist Diffamierung kombiniert mit anderen Kategorien, vgl. z.B. Sq 35) werden applaudiert, davon 8 mit überlangem Applaus. Bei den fünf bezüglich des Beifalls zu kurz ausgefallenen diffamierenden Sequenzen wird dreimal der Beifall zurückgewiesen (Sequenzen 29, 32 und 45), was trotz der Kürze des Applauses als rhetorischer Erfolg zu werten ist. Häme, die zweithäufigste Kategorie dieser Rede, ist insgesamt 14mal notiert und wird vor allem mit Lachen quittiert, davon zweimal verbunden mit Beifall (einmal überlang: Sq 19, einmal kurz: Sq 40). Einmal erfolgt "pfui" (Sq 47) und einmal nur Applaus (Sq 16). Somit wird Häme vor allem verbal ratifiziert im Gegensatz zur Diffamierung. Drohung wird vor allem in Verbindung mit Applaus ratifiziert, wobei sich als Begleitung Lachen, "Bravo"- und "Heil"-Rufe in etwa die Waage halten, von den 11 (u.a.) als drohend notierten ratifizierten Sequenzen werden 10 applaudiert. Rein verbal wird nur eine Sequenz beantwortet (Sequenz 17, die jedoch gleichzeitig auch als hämisch anzusehen ist, was das alleinige Lachen plausibel macht). Der Ausruf "pfui" taucht bei Drohung nicht auf.
147 Ironie wird in der Regel mit Lachen quittiert, wobei unterschiedliche Kombinationen möglich sind (Lachen+"bravo"+Applaus in Sequenz 15; Lachen+Applaus in Sequenz 43). Am häufigsten bei Ironie ist jedoch reines Lachen (Sequenzen 23, 35, 41 und 42). Einmal erfolgt ein kollektives einzelnes "pfui". Somit werden Häme und Ironie vor allem belacht, Drohung und Diffamierung vor allem applaudiert. Tab.66: Publikumsäußerungen und formale Stilisierung/Nicht-Stilisierung 19.9.1939 formal stilisiert
formal nicht stilisiert
verbale Publikumsäußerungen
12(1 v)
7 10 (3 R) (2 v)
Applaus
23 (2 R) (3 v)
überlanger Applaus
21 (1R) (2 v)
3(1R)
verkürzter Applaus
K1R)
3 (2 R) (1 v)
Wie aus Tabelle 9 zu ersehen ist, ist bei dieser Rede bei über zwei Dritteln der ratifizierten Sequenzen eine stilistische Form feststellbar. Betrachtet man die Stilisierung bezogen auf die unterschiedlichen Ausprägungen der Publikumsaktivität in Tabelle 66, so spiegelt sich dieser Grad der Stilisierung in etwa sowohl bei den rein verbalen Publikumsäußerungen als auch beim Applaus insgesamt wider (Zeilen 1 und 2 der Tabelle 66). Bemerkenswert ist diesbezüglich jedoch die Abweichung bei den überlangen Applausbekundungen. Betrachtet man diese Gruppe hinsichtlich ihrer Stilisierung für sich (Zeile 3 der Tabelle), so stellt man einen formal stilisierten Anteil von 87,5% fest (21 von 24 Sequenzen). Dieser Wert liegt sehr weit über dem Durchschnitt. Offenbar spielt der Aspekt der stilistischen Form eine sehr zentrale Rolle bei der Evozierung besonders lang andauernder Beifallsbekundungen. Bei den verkürzt ausfallenden Beifallsbekundungen ist eine quantifizierende Beurteilung wegen der geringen Anzahl problematisch. Aus der Tatsache, daß hier mehr nichtstilisierte als stilisierte Sequenzen vorkommen (3 vs.l Sequenz) sollen daher an dieser Stelle keine weiteren Schlußfolgerungen gezogen werden. Die meisten der "zu kurzen" Applausbekundungen dieser Rede sind auf ein Zurückweisen durch den Redner zurückzuführen, und damit als rhetorisch-interaktiv erfolgreich zu werten.41 Verzögert einsetzender Applaus ist sowohl bei Stilisierung als auch Nicht-Stilisierung feststellbar und tritt bei dieser Rede mehrheitlich bei überlangen Applausbekundungen auf. Offensichtlich muß ein verzögertes Einsetzen keinen "verfehlten", d.h. z.B. einen schwach ausfallenden Applaus (unter sieben Sekunden) bedeuten.
41
Ein Problem bei der Beurteilung der Zurückweisung des Applauses durch den Redner zeigt sich, bei der Frage nach der Funktion, bzw. Motivierung, die dahinter steht. Es bestehen verschiedene Möglichkeiten der Deutung: Handelt der Redner aus einem rhetorischen Kalkül heraus? Erwartet er an dieser Stelle (noch) keinen Applaus, weil er z.B. noch etwas hinzuzufügen beabsichtigt? Oder realisiert er im Moment des Einsetzens von Applaus, daß dieser nicht die gewünschte Ausprägung erfahren wird, weil der vorangegangenen Sequenz aus welchen Gründen auch immer die notwendige "Kraft" fehlt? Letzteres würde auf eine interaktionale Reparaturfunktion des Zurückweisens von Applaus hindeuten.
148 Zurückweisen von Applaus kommt bei verkürzten und bei überlangen Applausbekundungen vor. Bei kurzem Applaus setzt sich der Redner gegenüber dem Publikum gleichsam durch (sei es aus Kalkül, d.h. mit der Absicht, so zu tun, als sei er mit der Absicht, sein Ethos, seine Selbstdarstellung aufzuwerten, am Applaus gar nicht interessiert, sei es zum Zweck der Reparatur einer als fehlschlagend eingeschätzten Interaktion). Bei überlangem Applaus kann man davon ausgehen, daß das Kalkül des Redners im Vordergrund steht, der hier die Gelegenheit der enthusiastischen Publikumsaktivität benutzen kann, den Applaus "gefahrlos" zum Schein abzuwehren. Tab.67: Publikumsäußerungen und Lautstärke + Rhythmus 19.9.1939 forte-fortissimo/fortissimo verbale Publikumsäußerungen
7 (1 sk) (1 v)
forte —
unmarkierte Lautstärke 12 (1 sk)
Applaus
9 (5 sk) (2 R) (2 v)
8
16 (4 sk) (3 R) (3 v)
Uberlanger Applaus
7 ( 1 sk) (1 R) (1 v)
7
10 (1 sk) (1 R) (lv)
Verkürzter Applaus
1(1R)
—
3 (1 sk) (2 R) (1 v)
Es wurde bereits festgestellt, daß diese Rede insgesamt relativ "leise" vorgetragen wird (vgl. Kap.7), d.h. über die Hälfte der ratifizierten Sequenzen wird in unmarkierter Lautstärke geäußert (53,8%, vgl. ebd). Aufgeschlüsselt nach unterschiedlichen Formen der Ratifizierung und der Prosodie der ratifizierten Sequenzen (Tab.67) zeigt sich, daß - in jeweils unterschiedlichen Verhältnissen zueinander - die Sequenzen mit unmarkierter Lautstärke bei allen in der Tabelle unterschiedenen Arten der Ratifizierung gegenüber denjenigen mit markierter Lautstärke überwiegen. Vergleicht man nun bei den unterschiedlichen Arten von Publikumsäußerungen prozentual die Anteile der applaudierten Sequenzen unmarkierter Lautstärke mit denjenigen in markierter Lautstärke, so zeigt sich im Vergleich zum Durchschnittswert für Sequenzen in unmarkierter Lautstärke (53,8%) ein interessanter Befund. Der Anteil an unmarkierter Lautstärke bei verbalen Ratifizierungen ist deutlich höher als der Durchschnitt (12 von 19 Sequenzen = 63,2%). Bei Applaus hingegen liegt der Wert für unmarkierte Lautstärke unter dem Durchschnitt (48,5%). Noch stärker zeigt sich dies bei den Sequenzen mit überlangen Applausbekundungen: Hier liegt der Wert für unmarkierte Lautstärke bei 41,7%. Für die verkürzten Applausbekundungen ist es problematisch einen prozentualen Wert heranzuziehen, da nur 4 Sequenzen darunter fallen. Allerdings ist der Befund schlagend, denn 3 von den 4 Sequenzen fallen unter unmarkierte Lautstärke: Lautes Sprechen wird offenbar eher nicht verkürzt applaudiert. Es zeigt sich sehr deutlich, daß Applaus in der Ratifizierung von Redneräußerungen in Zusammenhang steht mit prosodischer Markiertheit. Auf markierte Lautstärke folgt eher Applaus als verbale Publikumsäußerung, und prozentual zeigt sich, daß der Anteil an markierter Lautstärke bei überlangem Applaus noch größer ist, als der Durchschnittswert für Applaus allgemein, während bei verkürztem Beifall deutlich das Gegenteil der Fall ist. Das bedeutet, daß lautes Sprechen tendenziell applausverlängernd wirken kann.
149 9.4
Publikumsäußerungen 30.1.1940
Diese Rede ist die einzige der hier analysierten, bei der die Anteile der verbalen und nonverbalen Ratifizierungen fast gleichgewichtig ausfallen. 34 verbale Publikumsäußerungen und 37 Ratifizierungen mit Applaus kommen vor. Den weitaus größten Anteil der verbalen Ratifizierungen macht dabei das Lachen aus (in 26 von 34 verbal ratifizierten Sequenzen = 76,5%). 42 Sieben mal tritt "pfui" auf, davon einmal zusammen mit Lachen (Sequenz 35), die Schlußsequenz (Sq 69) wird mit kollektiv geordneten "Heil"-Rufen beantwortet, und - dies ein Kuriosum - eine Sequenz, die aus rhetorischen Fragen besteht, wird mit "ja" und "nein" ratifiziert (Sq 9). Beide Sequenzen, Sq 9 und 69, könnten Indizien dafür sein, daß das Publikum zumindest in Teilen aus geschlossenen, organisierten, wie auch immer disziplinierten Gruppen besteht. 19 Applausbekundungen sind überlang, 8 verkürzt, wobei davon 2 vom Redner zurückgewiesen werden (Sequenzen 65 und 67 in der Schlußphase). 10 Applausbekundungen erfolgen in der empirisch als normal festgestellten Dauer zwischen 7 und 9 Sekunden. Die überlangen Applausbekundungen machen so ca. die Hälfte der applaudierten Sequenzen aus. Zusammen mit den "normal" applaudierten und den beiden verkürzten aber zurückgewiesenen Beifallsbekundungen ergibt sich die Summe von 31 rhetorisch erfolgreich abgeschlossenen Sequenzen (=83,8%) (wobei hier nur Applausbekundungen, nicht die verbalen Publikumsäußerungen gerechnet werden). Betrachtet man die dichteste Phase, so stellt man fest, daß der Anteil der Verbalität in den Ratifizierungen im Grunde gleich groß ist wie der in der gesamten Rede: In Phase V wird genau die Hälfte der Sequenzen verbal ratifiziert. Zweitens fällt auf, daß diese verbalen Ratifizierungen fast ausschließlich aus Lachen bestehen. Einmal erfolgt Lachen+"pfui", einmal nur "pfui". Somit ist festzuhalten, daß die insgesamt dominierende verbale Publikumsäußerung in der interaktiv dichtesten Phase fast ausschließlich allein vorkommt. Eine vergleichbare Massierung kommt in dieser Rede sonst nicht vor, weder mit dieser Art der Ratifizierung noch mit einer anderen. Nur die Anfangsphase der Rede mit den vier dicht aufeinanderfolgenden Lachsalven stellt einen ähnlichen, wenn auch viel geringer ausgeprägten Fall dar. Doch ist das Vorkommen dieser Art der Ratifizierung in solch dichter Folge so früh am Anfang auffällig und wirft für den Interpreten schon bei Redebeginn ein bezeichnendes Licht auf das Datenmaterial was den Charakter dieser Rede und die Rezeption derselben betrifft. Der Schwerpunkt der überlangen Applausbekundungen liegt in Phase V: Allein neun der 19 überlangen Ratifizierungen sind hier zu finden. Verkürzter Applaus hingegen tritt nur zweimal auf, der besonders stark verkürzte davon (Sq 61, 2,5 Sek.Beifall) direkt hinter einer extrem langen Beifallsbekundung (24,4 Sek.), was mit ein Grund für die folgende Verkürzung sein könnte.
42
Es wurde bereits an anderer Stelle darauf hingewiesen, daß Lachen linguistisch keine verbale Äußerung darstellt, sondern eigentlich unter paralinguistischen Aspekten gesprochener Sprache einzuordnen ist. Wir bezeichnen Lachen hier dennoch als "verbal", da es im Gegensatz zum Applaus (Bewegung der Hände) mit den Sprechorganen produziert wird.
150 Wir kommen zur Untersuchung der Ratifizierungen in Bezug auf adversiven Inhalt (am Zeitstrahl), Stilisierung bzw. Nicht-Stilisierung (Tab.68) und emphatisch markierte Prosodie (Tab.69). In Kap.8 wird festgestellt, daß diese Rede von 1940 nach der Rede vom 19.9.1939 den zweithöchsten Grad an gesamter semantischer Adversivität aufweist (Tab.40: 73,9%). Die vorherrschende Kategorie dabei ist "Häme", gefolgt von der Kategorie "Ironie" (fast gleich stark vertreten ist "Diffamierung"). Bei allen diesen drei Kategorien ist ein Zusammenhang zwischen gesteigerter Dichte der Interaktion festzustellen (vgl. ebd.). Wie werden die jeweiligen Kategorien nun ratifiziert? Häme wird 12mal in Verbindung mit Applaus ratifiziert, wobei bei 5 Sequenzen Lachen, bei 7 Sequenzen "bravo" vorausgeht. Außerdem wird Häme lOmal mit reinem Lachen beantwortet (in 22 Sequenzen kommt Häme insgesamt vor). Somit wird Häme einerseits vor allem applaudiert, andererseits tritt die "verbale" Ratifizierung "Lachen" - zählt man Lachen in Verbindung mit Applaus hinzu - am meisten von allen Ratifizierungsarten auf (15mal Lachen, 12mal Applaus, davon 5 mit Lachen verbunden). Ironie wird vor allem mit reinem Lachen ratifiziert, 13mal. Hinzu kommen noch vier ironische Sequenzen, die mit Lachen + Beifall beantwortet werden. Andere verbale Ratifizierungen bzw. Kombinationen mit Applaus kommen bei den insgesamt 16 (u.a.) ironisch gekennzeichneten Sequenzen nicht vor. Diffamierende Sequenzen werden im Vergleich zu den eben genannten Kategorien deutlich weniger mit Lachen ratifiziert: Bei insgesamt 15 so gekennzeichneten Sequenzen ist viermal reines Lachen (davon lmal zusammen mit "pfui") und 2mal Lachen+Applaus feststellbar, öfter, nämlich 8mal, erfolgen auf diffamierende Sequenzen "Pfui"-Rufe, jeweils eine davon zusammen mit Lachen, eine zusammen mit Applaus. "Pfui" - allein oder in Verbindung mit anderen Publikumsäußerungen - erfolgt nur auf diffamierende Sequenzen hin. Insgesamt wird Diffamierung rein verbal lOmal (überwiegend mit "pfui"), und non-verbal 5mal ratifiziert. Die letzte zu betrachtende adversive Kategorie, "Drohung", wird überwiegend in der "klassischen" Art und Weise ratifiziert, mit "bravo"+Beifall: 6 der 8 so eingeordneten Sequenzen fallen darunter. Somit läßt sich bei den Ratifizierungen in Bezug auf semantische Adversivität eine Zweiteilung vornehmen: Lachen fällt vor allem bei Ironie und Häme auf (wobei der Anteil an applaudierten Sequenzen bei "Häme" im Vergleich zum Lachen noch etwas größer ist). Bei Diffamierung kommt Lachen weniger vor und bei Drohung noch weniger. Rein verbal wird vor allem Ironie ratifiziert (lachend), gefolgt von Häme (ebenfalls lachend). Semantisch entgegengesetzt steht die rein verbale Ratifizierung von Diffamierung: "Pfui"-Rufe, die wiederum weder bei Häme noch bei Ironie vorkommen.
151 Tab.68: Publikumsäußerungen und formale Stilisierung/Nicht-Stilisierung 30.1.1940 43 formal stilisiert
formal nicht stilisiert
verbale Publikumsäußerungen
16
18
Applaus
31 (1 R)
6 (1 R)
überlanger Applaus
19
verkürzter Applaus
5 (1 R)
—
3 ( 1 R)
Bei dieser Rede sind insgesamt knapp zwei Drittel aller applaudierten Sequenzen formal stilisiert (vgl. Kap.6, Tab.9). Unterscheidet man unter dem Aspekt der Stilisierung bzw. Nicht-Stilisierung die applaudierten Sequenzen nach der Art der Ratifizierung (verbal oder Applaus), so ergibt sich ein davon abweichendes Bild. Bei den rein verbal ratifizierten Sequenzen ist die Anzahl der Stilisierungen und Nicht-Stilisierungen in etwa gleich anzusetzen (16:18). Vollkommen anders ist dagegen der Befund bei den durch Applaus ratifizierten Sequenzen. Hier sind 31 von 37 Sequenzen formal stilisiert (=83,8%). Noch extremer zeigt sich dieser Befund bei den überlang applaudierten Sequenzen: Hier kommen formal unstilisierte Sequenzen überhaupt nicht vor. In der dichtesten Phase der Rede, Phase V, sind zwei Drittel der rein verbal ratifizierten Sequenzen formal nicht stilisiert - deutlich mehr als im Rededurchschnitt. Beim Applaus entspricht der Wert für die dichteste Phase in etwa dem Rededurchschnitt: Auch hier treten vor Applaus deutlich mehr formal stilisierte Sequenzen auf als nicht stilisierte (13:3). Somit ist auch für diese Rede festzuhalten, daß für verbale Ratifizierung eine formale Stilisierung weniger wichtig ist als für die Ratifizierung durch Applaus. Anders ausgedrückt: Applaus folgt eher auf formale Stilisierung, verbale Publikumsäußerung eher auf nicht formal stilisierte Äußerungen. Dies schlägt in der interaktiv dichtesten Phase der Rede noch stärker zu Buche: Hier ist bei verbalen Ratifizierungen das Verhältnis zwischen stilisierten und nicht stilisierten Sequenzen nicht mehr ca. gleichgewichtig, sondern deutlich zugunsten der nicht formal stilisierten Sequenzen verschoben (11:5). Verkürzte Applausbekundungen treten nicht so häufig auf, um für eine quantifizierende Betrachtung eine genügende Datenbasis zu bieten, so daß die Tatsache, daß hier mehr formale Stilisierungen auftreten als Sequenzen ohne Stilisierung (5:3) kein Gegenargument darstellt gegen die Hypothese, daß insbesondere vor überlangen Applausbekundungen in der überwiegenden Zahl der Fälle formal stilisiert wird. Verzögerte Ratifizierungen wurden bei dieser Rede keine festgestellt. Zurückweisungen kommen sehr selten vor: Bei verkürztem Applaus je einmal bei formaler Stilisierung und Nicht-Stilisierung. Das heißt, daß Hitler bei dieser Rede die Applausbekundungen in der Regel voll auskostet, d.h. ganz ausklingen läßt bevor er weiterredet. Weiterhin bedeutet dieser Befund, daß so gut wie sämtliche Ratifizierungen ganz im Sinne des Redners einsetzen. Sie sind so wohlplaziert, daß von einem fast vollkommenen Zusammenspiel zwischen Redner und Publikum ausgegangen werden kann.
43
Bei der Rede von 1940 kommen in Sequenz 16 zwei Ratifizierungen vor: ein Lachen, danach "bravo"+Applaus. Ebenso ist dies der Fall in Sequenz 11, wo zuerst Lachen, danach Lachen+Beifall erfolgt. Aus diesem Grund ist hier die Gesamtzahl der verzeichneten Ratifizierungen höher, als die Zahl der ratifizierten Sequenzen der Rede insgesamt.
152 Ein weiterer Aspekt des fast vollkommenen Fehlens einer Zurückweisung von Applaus ist der, daß Hitler bei dieser Rede 1940 es offenbar nicht für notwendig erachtet, sozusagen künstlich mit diesem rhetorischen Mittel die Selbstdarstellung seines Ethos zu verbessern, indem er den Anschein erweckte, einen aufkommenden Applaus als unnötig abbremsen zu wollen. Anfang 1940 ist es für ihn offenbar nicht nötig, in dieser Hinsicht mehr für das Bild seiner Person beim Publikum zu tun. Tab.69: Publikumsäußerungen und Lautstärke + Rhythmus 30.1.1940 forte-fortissimo/fortissimo
forte
unmarkierte Lautstärke
verbale Publikumsäußerungen
9
12
13
Applaus
20(1 sk) (1 R) 11 (1 sk)
7 (1 R) 3
10
überlanger Applaus Verkürzter Applaus
3(1 R)
2(1R)
3
5
Wie aus Tab.69 deutlich wird, tritt emphatisch markierte Prosodie, als deren Indikator wir gesteigerte Lautstärke heranziehen, tendenziell eher vor Applaus auf, als vor verbalen Ratifizierungen: 20 von 37 applaudierten Sequenzen (=54,1%) stehen unter markierter Lautstärke. Bei den verbal ratifizierten Sequenzen sind es nur 9 von 34 Sequenzen (=26,5%), d.h. ca. die Hälfte. Noch größer ist der Unterschied zwischen überlangen Ratifizierungen und den verbalen: 11 der 19 überlang applaudierten Sequenzen stehen unter markierter Lautstärke (=57,9%). Applaus und insbesondere überlanger Applaus steht somit enger in Zusammenhang zu markierter Prosodie als verbale Ratifizierung.
9.5
P u b l i k u m s ä u ß e r u n g e n 30.9.1942
Insgesamt erfolgen 70 Applausbekundungen (in 68 Sequenzen) und 17 rein verbale Ratifizierungen. Von den 70 Applausbekundungen sind 33 von überlanger Dauer, d.h. über 9 Sekunden lang. 21 Sequenzen werden verkürzt applaudiert, wobei deren 15 durch ein Zurückweisen des Applauses charakterisiert sind, und daher als rhetorische "Erfolge" zu rechnen sind. Somit bleiben von den 70 Beifallsbekundungen 6 Sequenzen mit "ungenügendem" Erfolg. 44
44
Ein Problem dieser quantifizierenden Auswertung liegt in der Tatsache begründet, daß diese "erfolglosen" oder "unbefriedigenden" Ratifizierungen oft nicht nur aus Klatschen bestehen, sondern z.B. auch mit aus Rufen oder Lachen (vgl. z.B. die Sequenzen 17, 30, 40, 62, 63 etc.), die Beurteilung der Ratifizierung sich daher im Grunde nicht auf die Dauer des Applauses, d.h. des Klatschens beschränken kann. Mit anderen Worten: Mit der entsprechenden verbalen bzw. paralinguistischen Begleitung muß auch ein verkürzter Applaus als rednerischer Erfolg gelten. Diese Tatsache relativiert grundsätzlich die Feststellung von rhetorisch "erfolglosen" Redesequenzen. Die entsprechenden Sequenzen werden jedoch trotz dieser Problematik so festgehalten, um einen kontrastierenden Indikator mit Blick auf die überlangen Applausbekundungen zu haben.
153 Von den 33 überlangen Beifallsbekundungen sind 11 durch ein Zurückweisen des Applauses gekennzeichnet. Diese sind als Momente besonderen rhetorischen Erfolges anzusehen: Entweder agiert das Publikum derart enthusiastisch, daß der Redner den Applaus nicht niederreden kann, oder der Redner weiß um seinen Erfolg und fingiert das Zurückweisen, um sein von ihm auf das Publikum projezierte Selbstbild vorteilhaft auszubauen (vgl. Atkinson 1984: 99-105, Ulonska 1989: 29-31). In beiden Fällen gilt, daß der Redner beim Publikum besonders positiv rezipiert wird. Allein 7 der 11 festgestellten Sequenzen solcher Art befinden sich in den letzten beiden Phasen der Rede (Phasen IV und V; ca. 51. bis 68. Minute). Betrachtet man nicht nur die überlang applaudierten Sequenzen, sondern das Zurückweisen von Applaus insgesamt, wird noch deutlicher, wie sich dieses Phänomen gegen das Ende der Rede hin häuft: bei 15 der in den Phasen IV und V enthaltenen 22 ratifizierten Sequenzen weist Hitler die Beifallsbekundungen zurück, das sind 68,2%. Der prozentuale Anteil des Zurückweisens bezogen auf alle 87 festgehaltenen Ratifizierungen der Rede beträgt dagegen nur 35,6% (31 von 87 Ratifizierungen). Im Durchschnitt erfolgt ein Zurückweisen von Applaus m den letzten beiden Phasen der Rede - einem knappen Drittel der Redezeit - ca. zweimal so oft wie in der Gesamtrede: Die Steigerung diesbezüglich zum Redeschluß hin ist überdeutlich. Der Anteil an überlangen Applausbekundungen unter den mit Applaus ratifizierten Sequenzen (nicht gerechnet die verbal ratifizierten) ist in der letzten Phase am größten: 6 von 9 Sequenzen (=66,6%) fallen darunter. Am zweithöchsten ist der Anteil an überlangen Applausbekundungen in Phase I (9 von 17 Sequenzen = 52,9%). Das ist insofern bemerkenswert, als der Anteil an applaudierten gegenüber rein verbal ratifizierten Sequenzen in dieser Phase am niedrigsten ist (17 Applausbekundungen in 26 Sequenzen = 65,4%). 45 In Phase I kommt zum einen vergleichsweise weniger Applaus vor, als in der übrigen Rede, zum anderen ist dieser Applaus zu einem größeren Teil von überlanger Dauer. Wie wir gleich ausführen werden, muß bei dieser Rede ein besonderes Augenmerk auf Zeitraum und Anzahl der verbalen bzw. paralinguistischen Elemente der Ratifizierungen gelegt werden. Dabei ist die Tatsache, daß neben der Schlußphase auch besonders die Anfangsphase einen besonders hohen Anteil überlanger Applausbekundungen aufweist von großer Bedeutung. Applaus kommt sowohl allein als auch in Zusammenhang mit verbalen Publikumsäußerungen vor. Die verbalen Elemente, die dem Applaus vorangehen sind fast ausschließlich "Bravo"-Rufe oder Lachen. Nur bei zwei Sequenzen (Sq 59 und Sq 85 = Schlußsequenz) erfolgen vor dem Applaus "Heil"-Rufe. "Pfui"-Rufe sind während dieser Rede nicht zu hören. Insgesamt werden 25 Applausbekundungen mit "bravo", und 16 mit Lachen eingeleitet, wobei die Untersuchung der Verteilung anhand der Redephasen einen interessanten Befund ergibt: In der Anfangsphase, der interaktiv dichtesten der Rede, erfolgen über doppelt so viel Applausbekundungen mit Lachen wie mit "Bravo"-Rufen (11:6). In Phase II ist das Verhältnis genau ausgewogen (3:3), in Phase III erfolgt deutlich mehr "bravo" als Lachen
45
Zum Vergleich: In Phase II werden 14 von 17 Sequenzen applaudiert = 82,4%. In Phase III sind es 17 von 21 Sequenzen = 80,9%. In Phase II tritt dabei 6 mal überlanger Applaus auf (=42,8%), in Phase III sind es 7 Sequenzen (=41,2%).
154 bei Applaus, und in den Phasen IV und V kommt Lachen + Applaus überhaupt nicht mehr vor. Die 17 rein verbalen Publikumsäußerungen bestehen ausschließlich aus Lachen. 10 davon erfolgen in Phase I, die restlichen verteilen sich relativ ausgewogen auf die Phasen II (drei Sequenzen) und III (vier Sequenzen). Bei den verbalen Publikumsäußerungen dieser Rede, sowohl in Verbindung mit Applaus als auch rein verbal, tritt im Redeverlauf somit ein qualitativer Wandel ein, der sich quantitativ deutlich abzeichnet. Mit zu der bereits als außergewöhnlich festgestellten Tatsache, daß die dichteste Phase sich am Beginn der Rede befindet, tritt der Befund, daß dieser - im übrigen vergleichsweise außergewöhnlich dichte Interaktionsablauf in hohem Maße gekennzeichnet ist durch das Lachen als Ratifizierungsform: Allein 21 von den 26 Sequenzen dieser Phase werden - mit oder ohne Applaus - mit Lachen ratifiziert. Daß das Publikum von Redebeginn an für eine Dauer von ca. 14 Minuten massiert immer wieder in Lachen verfällt, erscheint bei einer Rede in politischem Kontext befremdend. Bei der weiteren Analyse der Publikumsäußerungen, insbesondere - mit Blick auf das Lachen - bei der Untersuchung der semantischen Aspekte (Adversivität) in ihrer Beziehung zur Aktivität des Publikums, wird ein besonderes Augenmerk auf diese Tatsache zu legen sein. Kommen wir zur Beziehung zwischen Publikumsäußerungen und Adversivität (vgl. Zeitstrahl), Stilisierung (Tab.70) und Prosodie (Tab.71) der Rede. Wie in Kap.8 festgestellt wird, handelt es sich bei dieser Rede von 1942 insgesamt betrachtet, nach den Reden vom 19.9.1939 und vom 30.1.1940, um eine der adversiveren Reden des Korpus (vgl. Tab.40): 69,4% der 85 ratifizierten Sequenzen werden als Sequenzen mit adversivem Inhalt gleich welcher Art eingeordnet. Vorherrschend ist dabei die Kategorie "Häme" gefolgt von "Drohung". "Häme" weist dabei bei dieser Rede den höchsten Wert aller Reden des Korpus auf (45,8% der adversiven Sequenzen). Festgestellt wird ebenfalls, ähnlich wie bei der Rede vom 30.1.1940, ein bemerkenswert hoher Anteil an ironischen Sequenzen (28,8% der adversiven Sequenzen). Betrachten wir die Ratifizierungsformen der vorkommenden adversiven Kategorien, so bestätigen sich weitgehend bisher festgestellte Bezüge zwischen Semantik und Ratifizierung: Häme und Ironie wird vor allem belacht, Drohung und Diffamierung vor allem beklatscht (vgl. z.B. in Phase I die Sequenzen 2, 4, 5, 6, 9, 10, 12, 13, 15, 16, 17 etc. vs. die Sequenzen 3, 7, 8, 11, 14 etc).46 Ratifizierungen ohne Lachen, d.h. bei dieser Rede entweder durch reinen Beifall oder (mit zwei Ausnahmen, s.o.) durch "bravo"+Beifall sind bei Ironie lmal (Sq 45), bei Häme 4mal, bei Diffamierung lOmal und bei Drohung 19mal festzustellen. Dabei werden Ironie, Häme und Diffamierung etwas mehr mit bloßem Beifall, als mit "bravo"+Beifall bedacht, während dies bei der Drohung umgekehrt der Fall ist: 11 der 19 drohenden Sequenzen werden mit "bravo"+Beifall ratifiziert. Es sind 25 Sequenzen ohne Adversivität bei Beifall
46
Hier ist eine Anmerkung zu einem grundsätzlichen Problem bei der Auswertung angebracht: Es wäre grundsätzlich möglich, daß z.B. sowohl Lachen als auch Häme und Ironie in Phase I jeweils am meisten vorkommen, jedoch in jeweils unterschiedlichen Seguenzen. Dieses Problem besteht im Grunde bei allen in dieser Arbeit durchgeführten vergleichenden Schlüssen, die auf der Phaseneinteilung beruhen, und stellt sich somit für die gesamte Auswertung und Analyse. Fehlschlüsse über Zusammenhänge werden vermieden durch parallel durchgeführte Kontrollen an Details des Zeitstrahls.
155 oder "bravo"+Beifall festzustellen. Hier überwiegt die Ratifizierung durch bloßen Beifall (15:10 Sequenzen). Es zeigt sich, daß die Ratifizierungen (ohne Lachen) bei den drohenden Sequenzen im Gegensatz zu anderen semantisch-adversiven Kategorien noch besonders emphatisiert werden, in diesem Fall durch "Bravo"-Ruf. Ratifizierungen mit Lachen (entweder reines Lachen oder Lachen+Beifall) sind bei Ironie 16mal, bei Häme 26mal, bei Diffamierung 9mal und bei Drohung 2mal festzustellen. Auch 2 Sequenzen ohne Adversivität werden mit Lachen, einmal mit und einmal ohne Beifall ratifiziert. Trennt man die Sequenzen nach Ratifizierung durch Lachen und durch Lachen+Beifall, so stellt man fest, daß Ironie mehr durch bloßes Lachen als durch Lachen+Beifall (10:6), Diffamierung dagegen fast nur durch Lachen+Beifall ratifiziert wird (sofern Lachen dabei ist). Bei Häme ist das Verhältnis ausgewogen (14mal Lachen : 12mal Lachen+Beifall), während bei drohenden Sequenzen nie nur gelacht wird: lediglich 2mal ist Lachen+Beifall festzustellen. Festzuhalten ist, daß Häme und Ironie eher belacht, und Diffamierung und Drohung eher beklatscht werden. Unterschieden nach verbaler und non-verbaler Ratifizierung stellt man fest, dass Drohung und Diffamierung praktisch ausschließlich non-verbal, d.h. mit Applaus ratifiziert wird (unterschiedliche verbale Zusätze mit eingeschlossen). Bei Ironie und Häme ist das Verhältnis zwischen verbaler und non-verbaler Ratifizierung ca. ausgewogen, wobei bei Ironie fast alle non-verbalen Ratifizierungen auch Lachen enthalten, und Häme meist nur in Kombination mit den adversiven Kategorien Diffamierung oder Drohung non-verbal ratifiziert wird. D.h. wenn Häme alleine (oder in Verbindung mit Ironie) auftritt, wird sie typischerweise belacht. Lachen scheint eine spezifische Art der Ratifizierung bei semantisch adversiven Äußerungen zu sein: Bei nicht-adversiven Sequenzen kommt Lachen praktisch nicht vor. Lachen ist als Ratifizierung von Redneräußerungen durch ein Publikum eine typische Antwort auf versteckte Bosheiten des Redners. Tab.70: Publikumsäußerungen und formale Stilisierung/Nicht-Stilisierung 30.9.1942
verbale Publikumsäußerungen Applaus 47 überlanger Applaus verkürzter Applaus
formal stilisiert
formal nicht stilisiert
14 (2 R) 63 (27 R) 31 (11 R) 20 (14 R)
3(1 R) 7(2 R) 2 1(1R)
In Kap.6/Tab.9 wird diese Rede als die stilisierteste des Korpus festgestellt (88,2%). Dies gilt sowohl insgesamt, als auch für die dichteste Phase der Rede (Phase I mit 88,5%). Stilisierung überwiegt in der Tat bei allen Arten der Ratifizierung. Der Vergleich zwischen verbaler Ratifizierung und Applaus (Zeilen 1 und 2 der Tabelle) zeigt, daß vor Applaus etwas mehr stilisiert wird, als vor verbaler Publikumsäußerung: 82,4% der verbalen Ratifizierungen und 90% der Ratifizierungen durch Applaus sind formal stilisiert. Allerdings ist bei dieser Rede kein Zusammenhang zwischen Stilisierung und überlangem bzw. verkürztem Applaus festzustellen etwa z.B. in dem Sinne, daß vor überlangem
47
Die Sequenzen 18 und 41 enthalten jeweils zwei Applausbekundungen. Daher ergibt die Gesamtsumme aus Zeile 2 der Tabellen 70 und 71 (Rede vom 30.9.1942) 70 Applausbekundungen bei 68 auf dem Zeitstrahl festgehaltenen (u.a.) mit Applaus ratifizierten Sequenzen.
156 Applaus noch mehr stilisiert würde. Das Gegenteil ist der Fall: Der Anteil an formal stilisierten Sequenzen bei verkürztem Applaus ist etwas höher als bei den Sequenzen mit überlanger Ratifizierung. Und betrachtet man detailliert die 6 Sequenzen mit verkürztem Applaus, bei denen kein Zurückweisen festzustellen ist, und die wir deshalb (bei aller Problematik) als eigentlich "erfolglose" Rednersequenzen bezeichnen, so muß man feststellen, daß diese durchweg formal stilisiert sind (Sequenzen 30, 35, 39, 40, 50 und 58). So zeichnet sich außer dem leichten Übergewicht an formaler Stilisierung bei Applaus allgemein gegenüber Sequenzen mit verbaler Ratifizierung kein deutlicher Zusammenhang zwischen Stil und Ratifizierungsart ab. Auch bei isolierter Betrachtung der Sequenzen, die mit Lachen oder Lachen+Applaus ratifiziert werden, ergeben sich keine anderen Erkenntnisse, als die, daß beinahe ausschließlich formal stilisiert wird. Mit von Bedeutung dabei ist sicher, daß der Stilisierungsgrad der Rede insgesamt außerordentlich hoch ist, so daß Unterschiede im Aufkommen von Publikumsäußerungen bezüglich Stilisierung und NichtStilisierung (die kaum vorkommt) schon aus diesem Grund kaum feststellbar sind. Tab.71: Publikumsäußerungen und Lautstärke + Rhythmus 30.9.1942
verbale Publikumsäußerungen
forte-fortissimo/fortissimo
forte
unmarkierte Lautstärke
3 ( 1 R)
7 (1 sk)
7 ( 2 R) 16 (2 R)
Applaus
33(11 sk) (17 R)
21 (5 sk) (10 R)
überlanger Applaus
21 (7 sk) (8 R = 1 sk)
7 (2 sk) (2 R)
5(1R)
Verkürzter Applaus
8 (3 sk) (6 R)
9 (2 sk) (8 R)
4 (1 R)
Was die Prosodie anbelangt (Tab.71), sind deutlichere Zusammenhänge als beim Aspekt der formalen Stilisierung erkennbar. Während verbale Publikumsäußerungen vor allem auf Sequenzen im mittleren Lautstärkebereich "forte" bzw. in unmarkierter Lautstärke folgen, erfolgt Applaus öfter nach Sequenzen in markierter Lautstärke (fff oder ff)· Noch stärker ausgeprägt ist dieses Übergewicht von markierter Lautstärke als Kennzeichen applaudierter Sequenzen bei überlang applaudierten Äußerungen des Redners. Bei den Sequenzen mit verkürztem Applaus ist das Verhältnis von markierter Lautstärke und Lautstärke im Mittelbereich ca. ausgewogen. Wichtig ist dabei die Tatsache, daß 6 der 8 unter fff+ff festgestellten verkürzten Applausbekundungen, und 8 der 9 unter "forte" festgestellten Applausbekundungen durch Zurückweisen des Applauses gekennzeichnet sind, und somit die Verkürzungen keine interaktiven "Mißerfolge" darstellen. Dies, und die Tatsache, daß bei den überlangen Applausbekundungen ca. zwei Drittel der Sequenzen unter fff+ff fallen bestärkt wiederum die These, daß markierte Prosodie (untersucht am Indikator "Lautstärke") durchaus mit der Intensität der Ratifikation durch das Publikum in Zusammenhang steht oder stehen kann. Auch die meisten skandierten Sequenzen, der zweite hier herangezogene Indikator für emphatisierende Prosodie, finden sich bei den überlangen Beifallsbekundungen in der Spalte für markierte Lautstärke.
157
9.6
Publikumsäußerungen 8.11.1943
Wie bereits schon mehrfach erwähnt, handelt es sich bei dieser Rede um ein Saalpublikum, d.h. um eine im Vergleich zum Sportpalast kleinere Menschenmenge. Dies könnte ein Grund dafür sein, daß mehrfach einzelne Stimmen hörbar sind, insbesondere die Stimme einer einzelnen männlichen Person vermutlich aus dem Publikum, die sich sehr nahe am Aufnahmegerät bzw. Mikrophon befindet. Offenbar ist die äußere Situation durch eine relativ große Nähe der anwesenden Akteure, zumindest was Technik und Publikum anbetrifft charakterisiert. Auch die insgesamt vergleichsweise leisere Stimme Hitlers (auch in Danzig 1939 und München 1944 ist das so) wollen wir als ein Indiz dafür anführen, daß der lokale Rahmen deutlich kleiner ist. Auf eine weitere Besonderheit im Handeln des Publikums sei ebenfalls an dieser Stelle schon hingewiesen, nämlich auf die Rhythmisierung des Beifalls. Nur diese Rede weist dieses Phänomen, rhythmisches Klatschen, auf. Woraus bestehen nun die Publikumsäußerungen dieser Rede? Rein verbal werden 7 Ratifizierungen realisiert. Dementsprechend erfolgt 42mal Applaus. Dies geschieht entweder als einfacher Beifall oder in Zusammenhang mit verbalen und/oder paralinguistischen Publikumsäußerungen: Lachen (kollektiv oder einzeln, gesprochenen Zwischenrufen eines Einzelnen ("sehr richtig"), "Bravo"-Rufen und, ein einziges Mal, auch "Heil"-Rufen. "Pfui"-Rufe kommen in dieser Rede nicht vor. Die rein verbalen Ratifizierungen sind 5mal Lachen, einmal ein "sehr richtig" einer einzelnen Person (im Grunde nicht als Publikumsäußerung zu bezeichnen, da es sich um eine Einzelperson handelt) und einmal ein dreifaches "Sieg heil" - "heil" als Dialog zwischen Hitler und Publikum in der Schlußsequenz. Sieht man von der Äußerung der Einzelperson und der von Hitler initiierten Ratifizierung der Schlußsequenz ab, so bleibt fünfmaliges Lachen als Ratifizierung ohne Klatschen (Sequenzen 32, 3 7 , 4 0 , 4 1 und 45). Bis auf die letzte zählen alle diese Sequenzen zu Phase III, der interaktiv dichtesten. Betrachtet man Lachen aus dem Publikum insgesamt, d.h. reines Lachen und Beifall einleitendes Lachen, so sind 17 derartige Momente in 15 Sequenzen festzustellen, wobei es sich nicht immer um kollektives Lachen handelt (Sequenzen 2, 3, 8, 9, 11, 12, 24, 31, 32, 37, 39, 40, 41, 42 und 45). Lachen einer einzelnen Person weisen davon die Sequenzen 3, 8, 11, 12, 24, 39, und 40 auf, wobei das einzelne Handeln in der Regel in ein kollektives übergeht (vgl. z.B. die Sequenzen 24 und 39), oder ein kollektives nachfolgt (vgl. z.B. die Sequenzen 3 und 40). Überlanger Applaus (über 9 Sekunden) ist 19 mal festzustellen. Bei 42 Applausbekundungen ergibt das 45,2%. Davon werden 3 "zurückgewiesen" (Sequenzen 21, 38 und 46). Verkürzte Applausbekundungen erfolgen 15mal (=35,7%), wobei davon 5 Ratifizierungen zurückgewiesen werden, also als rhetorisch erfolgreich zu werten sind (auf die Problematik von "zu kurzen" Applausbekundungen, die aufgrund ihrer verbalen/paralinguistischen Begleitung dennoch als erfolgreich zu gelten haben oder gelten haben wurde bereits hingewiesen). Aufgrund reiner Berechnung der Applausdauer bleiben 11 "erfolglose" Sequenzen, d.h. Sequenzen, die unter 7 Sekunden andauern und nicht zurückgewiesen werden (Sequenzen 6, 8, 9, 11, 15, 17, 24, 25, 31, 36 und 43). 9 der 19 überlangen Beifallsbekundungen sind in der dichtesten Phase, d.h. in einem Zeitraum von ca. 11 Minuten vorzufinden. Das bedeutet, daß ca. die Hälfte des überlangen
158 Aplauses in ca. einem Fünftel der Redezeit stattfindet. Hieraus könnte ein Zusammenhang zwischen gesteigerter Dichte der Interaktion und gesteigerter Dauer von Applaus formuliert werden. Andererseits ist es jedoch nicht von der Hand zu weisen, daß ein großer Teil der übrigen überlangen Applausbekundungen relativ isoliert vorkommt (vgl. z.B. die Sequenzen 1, 2, 46 und 47), d.h. Interaktionsdichte allenfalls ein Faktor für überlangen Applaus sein kann. 7 der 15 verkürzten Applausbekundungen, d.h. auch ca. die Hälfte, befindet sich ebenfalls in der dichtesten Phase. Zieht man die 3 Sequenzen, bei denen der Applaus zurückgewiesen wird, ab, so bleiben in der dichtesten Phase 4 "zu kurze" Beifallsbekundungen. Dies ist noch einmal zu relativieren, da 2 dieser 4 Sequenzen ohne Zurückweisung unmittelbar nach Applausbekundungen situiert sind, so daß angenommen werden könnte, daß das Publikum noch nicht wieder bereit ist, angemessen zu reagieren (Sequenzen 31 und 36). So gibt es mehrere Faktoren, die geeignet sind, die Anzahl der verkürzt ratifizieren Sequenzen um einiges kleiner anzusetzen, als es die reine Zeitmessung nahelegt. Betrachten wir die qualitative Ausprägung der Publikumsäußerungen nach Phasen. Lachen allein findet fast ausschließlich in der dichtesten Phase (Phase III) statt. Die bereits angesprochenen Einleitungen von Applausbekundungen durch eine einzelne Person treten in Phase III weniger auf als in der Phase davor (Phase II): Sind es in Phase III 5 Sequenzen, die einzelne Äußerungen aus dem Publikum in der Ratifizierung von Redneräußerungen aufweisen, d.h. ca. ein Viertel der ratifizierten Sequenzen, so sind es in Phase II (die Phasen I und IV weisen für einen quantitativen Vergleich zuwenig Sequenzen auf) 11 der 18 Sequenzen (=61,1%), die in unterschiedlicher Form einzeln eingeleitet werden. Das Publikum ratifiziert somit in Phase III die entsprechenden Sequenzen in einem deutlich höheren Maße kollektiver als in Phase II (auch wenn dort ebenfalls immer danach -Ausnahme Sq 4 - eine kollektive Ratifizierung folgt). Als besonders auffallendes Element innerhalb der verschiedenen Arten von Ratifizierung wurde bereits die Rhythmisierung des Applauses erwähnt. Insgesamt tritt dies 20mal auf, wobei 15 Sequenzen allein in Phase III, der dichtesten, zu finden sind. Eine folgt kurz danach zu Beginn von Phase IV, 4 befinden sich in Phase II dicht hintereinander. Offenbar scheint auch diese Art der Ratifizierung in Zusammenhang zu stehen mit der Interaktionsdichte, denn nicht nur in Phase III, sondern auch in der insgesamt weniger dichten Phase II tritt Rhythmisierung des Applauses hintereinander auf in einer relativ dichten Passage (Sequenzen 14 bis 18). Durch Rhythmisierung des Klatschens wird dem Applaus eine besondere Emphase verliehen, mit der das Publikum auf eine ausgelassene Art den Redner feiert. Die Frage, die sich angesichts dessen zum wiederholten Male stellt, ist die nach den Gründen für die verschiedenen Arten der Ratifizierung, die im untersuchten Korpus vorzufinden sind. Ist es am 30.1.1940 und am 30.9.1942 das zum Teil massiv auftretende Lachen des Publikums, so ist hier, neben dem etwas weniger vorkommenden Lachen, die Rhythmik des Beifalls hervorstechendes Element dieser Rede. Rhythmisierter Applaus kommt massiv in der dichtesten Phase der Rede vor (III), gegen Ende von Phase II und noch im Beginn von Phase IV. Ein deutlicher Bezug von Rhythmisierung der Applausbekundungen zu interaktiver Dichte ist erkennbar. Im folgenden werden die semantisch adversiven Kategorien in Bezug gesetzt zu den Publikumsäußerungen. Wie in Kapitel 8 festgestellt wird, ist diese Rede von 1943 in ihrem adversiven Gehalt in etwa gleichzusetzen mit der Rede vom 10.2.1933, d.h. der adversive
159 Gehalt ist im Vergleich zu den Reden von 1939, 1940 und 1942 deutlich niedriger anzusetzen (44,9%, vgl. Tab.40). Vorherrschend ist insgesamt die Drohung, gefolgt von Häme, was auch so für die dichteste Phase der Rede festzustellen ist. Diffamierung ist im Aufkommen etwa gleichzusetzen mit Häme, während Ironie (applaudiert) nur einmal vorkommt (Sequenz 40). Der Bezug zwischen Lachen als Ratifizierung und semantisch adversiver Kategorie ist derselbe, der bei den entsprechenden anderen Reden, vor allem der vom 30.1.1940 und vom 30.9.1942, festzustellen ist: Reines Lachen folgt in der Regel auf Häme oder Ironie. Lachen in Verbindung mit Applaus kann auch auf andere inhaltliche Zuordnungen folgen, wie in den Sequenzen 3, 8, 9, 12 und 24, wo Lachen auch auf Diffamierung oder Drohung folgt, auf letzteres jedoch nur als Einzel- nicht als Kollektivhandlung (Sequenz 12). Die einzige adversive Kategorie, die mit überlangem Beifall ratifiziert wird, ist bei dieser Rede die Drohung: Ca. die Hälfte der als drohend eingeordneten Sequenzen (6 von 11) fällt darunter. Dieses Verhältnis gilt in etwa auch für die dichteste Phase, d.h. die insgesamt vorherrschende adversive Kategorie wird im Unterschied zu den anderen Kategorien mit besonderem Nachdruck rezipiert. Die restlichen 13 überlangen Applausbekundungen der Rede folgen auf Sequenzen ohne Adversivität, von denen ebenfalls ca. die Hälfte Uberlang applaudiert wird. Tab.72: Publikumsäußerungen und formale Stilisierung/Nicht-Stilisierung 8.11.1943 formal stilisiert
formal nicht stilisiert
verbale Publikumsäußerungen
2
5(1R)
Applaus
36 (8 R) (2 v) (18 rhyth. Applaus)
6 (1 R) (2 rhyth. Applaus)
überlanger Applaus
16 (2 R) (9 rhyth. Applaus)
3 (1 R) (1 rhyth. Applaus)
verkürzter Applaus
13 (5 R) (2 v) (4 rhyth. Appl.)
2 ( 1 rhyth. Applaus)
In Kapitel 6 wird festgestellt, daß der Gesamtgrad an formaler Stilisierung in der Rede vom 8.11.1943 75,5% beträgt - gemessen an den applaudierten Sequenzen (vgl. Tab.9). Sie zählt damit nach der Rede vom 30.9.1942 zu den stilisiertesten Reden des Korpus. Setzt man die Formen der Ratifizierung von Sequenzen in Bezug zur Stilisierung bzw. Nicht-Stilisierung der Sequenzen, so zeigt sich, daß Applaus eher auf formale Stilisierung folgt als auf nicht stilisierte Sequenzen. Dabei ist zwischen Applaus allgemein, überlangem und verkürztem Applaus kein großer Unterschied festzustellen: In allen 3 Zeilen von Tabelle 72, die Applaus betreffen, liegen die prozentualen Anteile formal stilisierter Sequenzen zwischen 84% und 87% der Sequenzen. Alle drei Werte liegen Uber dem Durchschnittswert für formale Stilisierung (75,5%, vgl. Tab.9), d.h. daß bei formal stilisierten Sequenzen eine Verschiebung zugunsten von Applaus stattfindet, mit anderen Worten, daß sich vor Applaus (Klatschen) Uberdurchschnittlich viele formale Stilisierungen feststellen lassen. Die Anteile der rhythmischen Applausbekundungen liegen bei Applaus allgemein und bei überlangen Beifallsbekundungen in etwa gleich, während bei verkürztem Applaus deutlich weniger Rhythmisierungen auftreten (s.Spalte "formal stilisiert"). Bei den verbalen Ratifizierungen stellt sich das Verhältnis zwischen Stilisierung und Nicht-Stilisierung der ratifizierten Sequenzen anders dar: Hier ist das Verhältnis in etwa umgekehrt, ein Ergebnis, das jedoch aufgrund der schwachen Datenbasis von insgesamt nur 7 verbal ratifizierten Sequenzen nicht zu stark bewertet werden darf. Dennoch ist das
160 in der Anzahl überdurchschnittliche Vorkommen von formalen Stilisierungen vor Applaus Indiz genug, einen Zusammenhang zwischen Stilisierung durch den Redner und bestimmter Form der Ratifizierung durch das Publikum anzunehmen, zumal auch die Auswertung der meisten anderen Reden einen derartigen Zusammenhang erkennen läßt (1933, 1938, 1939 und 1940).48 Bei den formal nicht stilisierten Sequenzen tritt im Verhältnis weniger rhythmischer Applaus auf (ein Drittel, wobei die Messung auf der Basis der geringen Anzahl von 6 nicht stilisierten Sequenzen methodisch wieder problematisch ist). Ähnlich sind die Verhältnisse bei den überlang applaudierten Sequenzen: Auch hier wird ca. die Hälfte der formal stilisierten und ein Drittel der nicht stilisierten Sequenzen rhythmisch applaudiert. Bei verkürztem Applaus sind deutlich weniger rhythmische Beifallsbekundungen festzustellen. Nur eine Sequenz mit rhythmischem und verkürztem Applaus, Sequenz 23, ist durch Zurückweisen des Applauses gekennzeichnet, d.h. kann in der Ratifizierung als potentiell länger andauernd bewertet werden. Verkürzter Beifall tendiert offenbar nicht dazu, zusätzlich z.B. durch Rhythmisierung emphatisiert zu werden. Eher trifft dies für Applausbekundungen zu, die auch relativ lange andauern, und durch die Rhythmisierung neben der langen Dauer zusätzlich einen vermehrten Nachdruck erhalten. Tab.73: Publikumsäußerungen und Lautstärke + Rhythmus 8.11.1943 forte-fortis-
forte
unmarkierte Lautstärke
4
3 (1 sk)
simo/fortissimo verbale Publikumsäußerungen
—
Applaus
17(11 sk) (6 R) (11 rhyth. Applaus = 9 sk)
16 (6 sk) (3 R) (6 rhyth. Applaus = 2 sk)
9 (3 sk) (2 rhyth. Applaus = 1 sk, 1 verbal-rhythm. Ratifiz.=sk)
überlanger Applaus
10 (8 sk) (2 R) (8 rhyth. Applaus = 7 sk)
6 (3 sk) (1 R) (1 rhyth. Applaus)
3 (1 sk = verbal-rhythm, begleiteter Beifall, s.o.)
5 ( 3 sk) (4 R) (1 v)
6 ( 1 R) (3 rhyth. Applaus)
4 (2 sk) (1 rhyth. Applaus = sk)
Verkürzter Applaus
(2 rhyth. Applaus = sk)
Was zunächst auffällt ist das vollständige Fehlen von Sequenzen in markierter Lautstärke vor rein verbalen Ratifizierungen. Bei Applaus hingegen ist markierte Lautstärke (und mittlere Lautstärke = "forte") vorherrschend gegenüber unmarkierter Lautstärke. Bei Sequenzen mit überlangem Applaus verschiebt sich dabei das Verhältnis deutlich zugunsten
48
Daß dieser Zusammenhang kein direkter ist, sondern hier zwei Phänomene aufgrund bestimmter weiterer Faktoren parallel auftreten, wird erst deutlich, wenn die bislang in der Untersuchung aufgegriffenen und verfolgten Stränge abschließend zuammengeführt werden (Kap. 10). Es steht zu vermuten, daß - bei Einbeziehung der semantischen Kategorien - es sich um ein komplexes Netz aus Bezügen handelt in dem Sinne, daß eine gewisse Semantik einerseits die Entscheidung für Stilisierung bzw. Nicht-Stilisierung beeinflußt, andererseits die Art der Rezeption bzw. Ratifizierung beeinflußt.
161 der Sequenzen mit markierter Lautstärke: Während bei Applaus allgemein 40,5% der Sequenzen unter markierte Lautstärke fallen (17 von 42 Sequenzen), so sind es bei den Sequenzen mit überlangem Applaus 52,6% (10 von 19 Sequenzen). Bei verkürztem Applaus ist die Verteilung auf die drei untersuchten Lautstärkestufen relativ ausgewogen (jeweils ca. ein Drittel der Sequenzen). Es zeichnet sich ab, daß nach markiert laut gesprochenen Sequenzen auch vermehrt längerer Applaus erfolgt. Die Rhythmisierung des Beifalls folgt ebenfalls zum Teil dieser Logik, daß emphatisches Sprechen auch emphatischen Applaus nach sich zieht, und daß ein durch die Dauer emphatisierter Applaus, d.h. ein Applaus von überlanger Dauer, vermehrt auch durch das emphatisierende Moment der Rhythmisierung gekennzeichnet ist: Bei überlangem Applaus der Sequenzen unter markierter Lautstärke werden 80% der Applausbekundungen (8 von 10 Sequenzen) auch rhythmisiert. Das ist deutlich mehr als bei den Applausbekundungen insgesamt und auch mehr als bei den verkürzten Beifallsbekundungen. Im Bereich der mittleren Lautstärke ist das Bild uneinheitlich. Bei unmarkierter Lautstärke wird ca. ein Drittel des Applauses rhythmisiert (bei Applaus allgemein, bei überlangen sowie bei verkürzten Applausbekundungen). Festzuhalten bleibt, daß erstens Applaus nach markierter Lautstärke eher zusätzlich rhythmisiert wird als nach nicht markierter Lautstärke, und daß zweitens bei überlang andauerndem Applaus nach markierter Lautstärke die Anzahl der rhythmisierten Applausbekundungen noch ansteigt. Rhythmisierter Applaus scheint oft auch mit skandierender Sprechweise einher zu gehen, wie die Verweise in Tab.73 zeigen: In 9 von 11 rhythmisiert ratifizierten Sequenzen wird (bei markierter Lautstärke) skandiert. Betrachtet man die überlangen Applausbekundungen für sich, liegt das Verhältnis noch enger beieinander: Hier werden 7 der 8 rhythmisch applaudierten Sequenzen skandiert. Bei all dem bleibt es wichtig, zu betonen, daß die Rede vom 8.11.1943 die einzige Rede des Korpus ist, bei der rhythmisierter Applaus überhaupt vorkommt. Die Schlußfolgerung, daß rhythmisches Sprechen auch rhythmische Ratifizierung bedeutet (oder auch nur vermehrt bedeutet) kann nicht gezogen werden, da Skandieren auch in (fast) allen anderen Reden vorkommt, rhythmisierter Applaus jedoch nur hier. Der Gedanke, einen engeren Zusammenhang zwischen Rhythmus hier und Rhythmus da zu konstruieren wäre falsch. Die Ursache für Rhythmisierung des Applauses muß aufgrund der Singularität im Korpus in der spezifischen Redesituation gesucht werden. Was jedoch angenommen werden kann ist, daß Emphase der Rede (wozu Skandieren ein prosodisches Mittel darstellt) tendenziell Emphase in der "Antwort", d.h. Ratifizierung nach sich zieht. Rhythmisierung der Ratifizierung ist dazu ein mögliches Mittel.
9.7
P u b l i k u m s ä u ß e r u n g e n 24.2.1944
Auch hier handelt es sich um ein Saalpublikum und damit diesbezüglich um ähnliche äußere Voraussetzungen wie bei den Reden von 1939 und 1943. Von den 42 Publikumsäußerungen sind 6 rein verbaler bzw. paralinguistischer Natur (=14,3%): 6mal wird gelacht. Bei
162 den übrigen 36 Sequenzen handelt es sich entweder nur um Applaus oder um Applaus in Verbindung mit verbalen oder paralinguistischen Elementen, in diesem Fall "Bravo"-Rufen oder Lachen. "Pfui"-Rufe kommen in dieser Rede nicht vor. Lachen+Beifall ist 2mal festzustellen (Sequenzen 2 und 24, in letzterer mit nachfolgendem "bravo"+Beifall). Ansonsten handelt es sich bei den kombinierten Ratifizierungen um "bravo"+Beifall (20 Sequenzen). Reiner Beifall taucht 15mal auf, wobei in der Schlußsequenz (Sq 42) der Applaus durch "Heil"-Rufe abgelöst wird. Bei den Sequenzen 18 und 39, die mitgezählt werden, handelt es sich nicht um Applaus, sondern jeweils um zwei einzelne Klatscher einer Einzelperson, d.h. bezüglich der Ratifizierung der Äußerungen im Grunde um "Versager". Von den 36 applaudierten Sequenzen werden 17 (=47,2%) überlang und 8 (=22,2%) verkürzt applaudiert. Zurückgewiesen wird dabei von den verkürzten Beifallsbekundungen nur eine (Sq 25), womit die Anzahl der als rhetorisch erfolglos zu bezeichnenden Redesequenzen im Vergleich zu den anderen Reden relativ hoch ist (7 von 36 Sequenzen = 19,4%). Bei 4 der 7 verkürzt applaudierten Sequenzen setzt außerdem die Ratifizierung verzögert ein, d.h. es besteht eine hörbar längere Pause als üblich zwischen Ende der Äußerung und Einsetzen der Ratifizierung. Die dichteste Phase der Rede (Phase III) zeichnet sich im Grunde nur durch eine erhöhte Dichte der Publikumsäußerungen in der Zeit aus, nicht z.B. durch einen höheren Anteil an überlangen Applausbekundungen o.ä. Tatsächlich kommen anteilsmäßig weniger überlange Beifallsbekundungen vor, als in der gesamten Rede (3 von 10 Applausbekundungen) und mehr verkürzte (ebenfalls 3 von 10 Sequenzen). Überlange Applausbekundungen kommen vergleichweise am häufigsten in der Schlußphase, Phase V, vor (5 von 6 Sequenzen), am wenigsten jeweils in den Phasen III und IV, wobei Phase III die interaktiv dichteste der Rede darstellt. Auch in Phase I ist mehr als die Hälfte der Applausbekundungen überlang, wobei sich die Überlängen dort durchweg unter 10 Sekunden bewegen, während sie in der Schlußphase zwischen 9 und 23 Sekunden gemessen werden, die Applausbekundungen in den letzten 4 Minuten der Rede also an Intensität insgesamt zunehmen. Die dichteste Phase stellt in dieser Hinsicht daher keinen Höhepunkt der Rede dar. Kommen wir zur Beziehung zwischen Publikumsäußerungen und adversiver Semantik. In Kap.8 wird gezeigt, daß die vorherrschende adversive Kategorie am 24.2.1944 die Drohung ist, gefolgt in relativ weitem Abstand von Häme (Tab.40). Außerdem wird festgestellt, daß diese Rede in ihrem Gesamtcharakter im Vergleich zu den anderen Reden des Korpus am wenigsten adversiv ist. Gelacht wird vor allem bei hämischen Sequenzen, außerdem bei den wenigen diffamierenden. Auch Lachen+Beifall (Sequenz 2) folgt auf Häme. Eine Sequenz, die unter anderem auch mit Lachen ratifiziert wird (Sequenz 24) ist ohne Adversivität notiert, was eine Ausnahme darstellt: Lachen ist typischerweise eine Ratifizierung spezifisch-adversiver Äußerungen. Bei drohenden Sequenzen taucht Lachen nie auf. Dies ist ein Befund, der sich bei allen Reden so zeigt, und damit ein Indiz, daß Ratifizierungsarten und Semantik in einem engeren Zusammenhang stehen. Vergleicht man die reinen Applausbekundungen (ohne verbale und paralinguistische Zusätze) mit den Sequenzen, die mit "bravo"+Applaus ratifiziert werden, so zeigt sich, daß die Ratifizierungen der Sequenzen ohne Adversivität praktisch ausgewogen verteilt sind auf reinen Beifall und "bravo"+Beifall (13:12 Sequenzen). Dagegen werden die Drohun-
163 gen zum größten Teil mit "bravo"+Beifall ratifiziert (8:2 Sequenzen). Nur eine auch unter Häme eingeordnete Sequenz (Sq 26) wird applaudiert, d.h. alle anderen hämischen Sequenzen werden belacht (bezeichnenderweise steht für Sequenz 26 auch die Kategorie Drohung). Die Applausbekundungen der unter Drohung eingeordneten Sequenzen sind bis auf eine Sequenz (Sq 12) rhetorisch erfolgreich (der verkürzte Applaus von Sequenz 25 wird zurückgewiesen und ist damit als erfolgreich zu werten). Dabei ist das Verhältnis zwischen überlangen und "normal" andauernden Beifallsbekundungen ausgewogen (4:4 Sequenzen). Die vorherrschende adversive Kategorie weist somit in den Ratifizierungen keine herausragende Emphase, d.h. kein Übergewicht überlanger Applausbekundungen auf. Tab.74: Publikumsäußerungen und formale Stilisierung/Nicht-Stilisierung 24.2.1944 formal stilisiert
formal nicht stilisiert
verbale Publikumsäußerungen
2
4 1 1 ( 3 v)
Applaus
25 (6 R) (5 v)
überlanger Applaus
1 3 ( 3 R ) ( l v)
4
verkürzter Applaus
6 (2 R) (2 v)
2 ( 1 v)
Wir kommen zur Beziehung zwischen formaler Stilisierung und Publikumsäußerungen. Kap.6 zeigt, daß der Stilisierungsgrad dieser Rede sich im Mittelfeld des Korpus bewegt: 64,2% der ratifizierten Sequenzen sind formal stilisiert (Tab.9). In der dichtesten Phase (Phase III) ist das Verhältnis von Stilisierung zu Nicht-Stilisierung genau ausgewogen, d.h. daß der Grad an Stilisierung in der dichtesten Phase geringer ist, als in der gesamten Rede (wie sich auch bei einigen anderen Reden zeigt: 1938, 1940 und 1943; vgl. Tab.9 und Tab. 11). Die verbalen bzw. paralinguistischen Publikumsäußerungen folgen mehrheitlich auf nicht stilisierte Redesequenzen, wobei die quantifizierende Betrachtung wegen der kleinen Anzahl an Sequenzen problematisch ist. Bei Ratifizierung durch Applaus ist dies umgekehrt der Fall: Applaus erfolgt mehrheitlich nach formal stilisierten Sequenzen, weniger nach nicht stilisierten. Stärker ausgeprägt ist dies bei überlangen Applausbekungungen: während vor Applaus insgesamt 25 von insgesamt 36 Sequenzen formal stilisiert werden (69,4%), sind es vor überlangen Applausbekundungen 13 von 17 Sequenzen (=76,5%). Das ist prozentual jeweils mehr als der Durchschnitt der Rede. Bei den verkürzten Applausbekundungen sind 2 Sequenzen unter den stilisierten als erfolgreich abzuziehen, da der Applaus in diesen Fällen zurückgewiesen wird. Es bleiben doppelt so viele Stilisierungen im Gegensatz zu nicht stilisierten Sequenzen, d.h. es ist ebenfalls ein überdurchschnittliches Aufkommen an formaler Stilisierung festzustellen. Somit ist weniger davon auszugehen, daß Stilisierung einen Unterschied bewirkt in der Intensität von Applaus (große Dauer vs. geringere Dauer), sondern ein Unterschied besteht zwischen Stilisierung und Nicht-Stilisierung vor verbalen bzw. non-verbalen oder zum Teil non-verbalen Ratifizierungen. Daß dies nicht abhängig ist von Stil bzw. Nicht-Stil, sondern von semantischen Eigenschaften der jeweiligen Sequenzen, die aufgrund dessen einerseits eine bestimmte Stilisierung oder keine Stilisierung auszeichnet, andererseits eine bestimmte Art der Ratifizierung, ist eine These, der es in der Zusammenfassung nachzugehen
164 gilt: Stil, Prosodie und Art der Ratifizierung lassen eine Beziehung erkennen, die erklärbar ist durch den Faktor Semantik. Tab.75: Publikumsäußerungen und Lautstärke + Rhythmus 24.2.1944 forte-fortis-
forte
unmarkierte Lautstärke
simo/fortissimo verbale Publikumsäußerungen
1 (1 sk)
1
4 (1 sk)
Applaus
16 (6 sk) (3 R) (4 v)
11 (6 sk) (2 R) (1
9 (1 R) (3 v)
überlanger Applaus
8 (5 sk) (2 R) (1 v)
5 (3 sk) (1 R)
4
Verkürzter Applaus
3 ( 1 sk) (2 v)
3 (1 sk) (1 R)
2 ( 1 v)
v)
Wir kommen zur Beziehung zwischen Publikumsäußerungen und emphatischer Prosodie als deren Indikator markierte bzw. unmarkierte Lautstärke und Rhythmus angesetzt wird. Die feststellbaren Trends haben sich bereits bei anderen Reden gezeigt: Die verbalen Publikumsäußerungen folgen mehrheitlich auf in der Lautstärke unmarkierte Äußerungen, die Applausbekundungen mehrheitlich auf Äußerungen in markierter Lautstärke, wobei sich das Gewicht bei überlangen Applausbekundungen noch etwas hin zu markierter Lautstärke verschiebt, wenn auch nur sehr leicht. Bei Applaus insgesamt werden 16 von 36 Sequenzen markiert laut gesprochen (=44,4%). Bei überlangen Applausbekundungen sind es 8 von 17 Sequenzen (=47,1%). Bei verkürzt ratifizierten Sequenzen liegt der Anteil an markiert laut gesprochenen Sequenzen dagegen bei 37,6% (3 von 8 Sequenzen), d.h. der Anteil ist deutlich geringer.
10. Zusammenfassung und Interpretation
10.1
Z u s a m m e n f a s s u n g der linguistischen B e f u n d e : Z u s a m m e n h ä n g e zwischen Stilistik, Prosodie u n d semantischer Adversivität
In diesem Kapitel werden erstens die erarbeiteten Daten aus den Kapiteln 6 (Stilistik), 7 (Prosodie und Stilistik) und 8 (Adversivität, Prosodie und Stilistik) zusammenfassend zueinander in Bezug gebracht, um zunächst die Leitfrage nach regelhaften Zusammenhängen der untersuchten linguistischen Merkmale zu diskutieren. Dies geschieht bereits in einem gewissen Maße unter dem Gesichtspunkt der Interaktion zwischen Redner und Publikum (mit Blick auf Kapitel 5: Redephasen), ein Aspekt der dann in Kapitel 10.2 noch eingehender behandelt wird. Zweitens (s. Kap. 10.2) werden auf Basis dessen - als zweite Leitfrage der Untersuchung - die Reden bezüglich Performanz und Rezeption als Interaktionsgefüge (s. Kap.9: Publikumsäußerungen) und als Spiegel einer historischen Entwicklung behandelt. Das bedeutet, daß die Arbeit durch Hinzuziehung historischer Quellen den textimmanenten Rahmen verläßt, und äußere Kontexte mit heranzieht. In Kapitel 4.2 wurden bereits grob historisch-politische Kontextlinien aufgezeigt, um die historische Einbettung der einzelnen Reden zu illustrieren. Die dort zusammengestellten Informationen sind hier mit zu beachten. Darüberhinaus werden nun Quellen herangezogen, die weiteren Aufschluß geben über die Rezeption der Reden. Es sind dies zumeist nicht ausschließlich - Aussagen von Zeitgenossen zur Rezeption der Reden am Radio. Diese historisch angelegte Interpretation mündet schließlich in den Versuch, eine Charakterisierung der öffentlichen Auftritte Hitlers unter soziologischen Gesichtspunkten zu leisten. Entsprechend diesem Vorgehen werden wir zunächst synchron ("ahistorisch") die sich abzeichnenden linguistischen Zusammenhänge aus den Befunden darstellen (Kap.10.1), und in einem zweiten Schritt diachron die Entwicklungen aufzeigen, die sich aus der historischen Abfolge und kontextuellen Einbettung der Reden ergeben. Die Resultate aus dem ersten Schritt stellen somit Beiträge dar im Sinne soziolinguistischer Grundlagenforschung, der zweite Schritt betrifft speziell den hier untersuchten Fall Hitler, und zeigt an einem konkreten historisch-politischen Beispiel auf, wie die angewandte Methode zur Interpretation hinführt.
10.1.1
Stilistik
Wie die Untersuchung der Stilistik (vgl. Tab. 11) ergeben hat, ist die vorherrschende formale Struktur unter den applaudierten Sequenzen in den jeweils dichtesten Phasen der Reden 4mal die Paarkonstruktion (1938, 1939, 1942, 1943), wobei Dreierlisten jedesmal nur unwesentlich weniger oft vorkommen, d.h. von einem deutlichen Übergewicht der Paarkonstruktion nicht gesprochen werden kann.
166 In der Rede vom 24.2.1944 ist in der dichtesten Phase die Dreierliste die vorherrschende applaudierte Struktur. 1940 sind es vor allem "formlose" Sequenzen, und 1933 kommen in der dichtesten Phase Paarkonstruktionen und Sequenzen ohne formale Stilisierung gleichermaßen oft vor. Somit läßt sich bei dichterer Interaktion keine Präferenz für eine bestimmte syntaktisch-stilistische Form im Unterschied zu weniger dichter Interaktion feststellen. Eine Steigerung im Stilisierungsgrad einer Rede bei dichter werdender Interaktion kann nur zweimal festgestellt werden, 1933 und 1939. Dagegen weisen vier Reden in den dichtesten Phasen einen niedrigeren Anteil an formalen Stilisierungen auf, als im jeweiligen Durchschnitt der Reden (1938, 1940, 1943 und 1944). 1942 ist der Stilisierungsgrad der Rede im ganzen ^Durchschnittswert) und der der dichtesten Phase praktisch gleich. Somit wird in der Mehrzahl der Fälle in den Phasen, in denen der Austausch zwischen Redner und Publikum intensiver ist als in der übrigen Rede, die aufgewendete rhetorische Formulierungsarbeit weniger. Des weiteren ist festzuhalten, daß offenbar die Beschaffenheit des Ortes, der äußere Rahmen des Ereignisses, diesbezüglich keine Rolle zu spielen scheint: Von den beiden Reden, in denen der Stilisierungsgrad in der dichtesten Phase größer ist, findet eine in der Halle statt (1933), die andere im Saal (1939). Auch bei den Reden, bei denen die Stilisierung in der dichtesten Phase weniger wird, finden zwei in der Halle (1938 und 1940) und zwei im Saal statt (1943 und 1944).
10.1.2 Prosodie und Stilistik Prosodisch ist - in unterschiedlicher Deutlichkeit - bei allen Fällen ein paralleler Zusammenhang zwischen Rhythmisierung und gesteigerter Lautstärke erkennbar. Besonders deutlich ist dies bei den Reden von 1938, 1939 und 1942. Die Rede von 1933 wird insgesamt so laut vorgetragen, daß die Resultate diesbezüglich undeutlicher sind, allerdings dasselbe aussagen. An der Rede von 1944 wird deutlich, daß Skandieren zwar in Zusammenhang steht mit gesteigerter Lautstärke, jedoch nicht an die in der Rede vorkommenden Spitzen der Lautstärke gebunden ist. In vier Fällen ist in den dichtesten Redephasen der Anteil an markiert laut geäußerten Sequenzen höher als der Durchschnittswert der jeweiligen Reden (1933, 1939, 1942 und 1943). Auch 1944 ist ein Zusammenhang zwischen gesteigerter Lautstärke und dichterer Interaktion erkennbar, allerdings nicht in der dichtesten Phase, sondern bei sonst auftretenden Konzentrationen ratifizierter Sequenzen. Es zeigt sich, daß in den meisten Fällen (drei von vier Reden), in denen in den dichtesten Phasen der Anteil an formalen Stilisierungen zurückgeht, der Anteil an Sequenzen in gesteigerter Lautstärke in der dichtesten Phase ebenfalls kleiner ist (1938, 1940 und 1944). Bei den Reden, in denen der Anteil an Stilisierungen in den dichtesten Phasen größer ist als im Durchschnitt (oder praktisch gleich: 1942), ist auch der Anteil an Sequenzen in gesteigerter Lautstärke höher (1933, 1939 und 1942). Nur die Rede von 1943 bildet diesbezüglich eine Ausnahme: In der dichtesten Phase ist - im Vergleich zum Durchschnitt - bei geringerem Stilisierungsgrad der Anteil an Sequenzen in gesteigerter Lautstärke höher als der Durchschnittsanteil. Eine intensivere, d.h. in der Zeit dichter ablaufende Interaktion bedeutet sowohl in stilistischer als auch prosodischer Hinsicht nicht unbedingt einen emphatischeren Vortrag. Es kann aufgrund dieser Resultate ausgeschlossen werden, daß etwa bei Rückgang des Auf-
167 wandes an Formulierung und Stilisierung die Prosodie einen hervorgehobeneren Platz einnähme, d.h. daß der Redner auf einer anderen linguistischen "Schiene", z.B. prosodisch anstatt stilistisch, einen rhetorisch-emphatischen Eindruck realisieren würde. Wie sich zeigt, verhalten sich beide Faktoren weitgehend parallel: Wenn Hitler weniger emphatisch wird in den dichtesten Phasen, dann tut er dies sowohl stilistisch als auch prosodisch. Ausnahme dabei ist die Rede vom 8.11.1943. Es gibt - das soeben dargelegte Resultat über das Verhalten von Prosodie und Stil in den dichtesten Phasen ist ein erster Hinweis auf dieses Datum - einen parallelen Zusammenhang zwischen formalen Stilisierungen und prosodischer Markiertheit (als deren Indikator wir (neben Rhythmus) die Lautstärke herangezogen haben). Dieser Zusammenhang ist dergestalt, daß formale Stilisierungen - gemeint sind damit stets vom Publikum ratifizierte Redeeinheiten, denen eine syntaktisch-stilistische Struktur zuschreibbar ist - eher prosodisch markiert, d.h. mit gesteigerter Lautstärke ausgesprochen werden, als formal nicht stilisierte Sequenzen. Diese Tendenz kann bei sämtlichen untersuchten Reden in unterschiedlich starker Ausprägung festgestellt werden. Am undeutlichsten ist dies der Fall bei der Rede vom 10.2.1933 aufgrund der Tatsache, daß bei dieser Rede alle ratifizierten Sequenzen markiert laut ausgesprochen werden, und so nur zwischen den markierten Lautstärkestufen fff und ff unterschieden werden kann, d.h. der Kontrast diesbezüglich über den Redeverlauf hinweg relativ schwach ausgeprägt ist. Ebenfalls schwach feststellbar, aber vorhanden, ist das Phänomen der Parallelität von Stilisierung und markierter Lautstärke bei der Rede vom 19.9.1939, die als die insgesamt "leiseste" des Korpus anzusehen ist. Bei dieser Rede treten zwar auch bei den formal stilisierten Sequenzen in absoluten Zahlen mehr Sequenzen in unmarkierter Lautstärke als in markierter auf, jedoch ist der Unterschied zwischen den prozentualen Anteilen von Sequenzen in unmarkierter vs. markierter Lautstärke bei den formal nicht stilisierten Sequenzen größer als bei den stilisierten Sequenzen: Während bei den unstilisierten Sequenzen über zwei Drittel in unmarkierter Lautstärke geäußert werden, sind es bei den formal stilisierten Sequenzen etwas weniger als die Hälfte, d.h. die Tendenz, daß Stilisierungen eher laut geäußert werden, und nicht stilisierte Sequenzen eher weniger laut, ist auch hier erkennbar. Daß die Tendenz zum parallelen Auftreten von Stilisierung und markierter Lautstärke auch bei den Reden von 1933 und 1939 - den prosodischen "Extremfällen" des Korpus feststellbar ist, untermauert umso mehr die These, daß eine allgemeine Parallelität angenommen werden kann zwischen dem Auftreten von formaler Stilisierung und gesteigerter Lautstärke, mit anderen Worten: zwischen markierter Syntax und markierter Prosodie. Die anderen untersuchten Fälle zeigen diese Parallelität deutlicher bzw. sehr deutlich. Besonders hervorzuheben sind die Reden vom 30.9.1942 und vom 8.11.1943, wo bei den Sequenzen in markierter Lautstärke keinerlei nicht stilisierte Sequenzen festzustellen sind, und von den stilisierten Sequenzen 1942 46,7% und 1943 45,9%, d.h. jeweils fast die Hälfte, markiert laut geäußert werden. Unmarkiert laut ist dagegen 1942 nur ein Fünftel, 1943 nur 16,2% der Stilisierungen eingeordnet. Die Reden vom 26.9.1938, vom 30.1.1940 und vom 24.2.1944 zeigen den skizzierten Zusammenhang ebenfalls deutlich genug: 1938 wird von den nicht stilisierten Sequenzen nur ein starkes Drittel markiert laut ausgesprochen (36,7%), während bei den stilisierten Sequenzen weit über die Hälfte (57,8%) markiert laut geäußert wird. 1940 sind von den
168 Stilisierungen 22 Sequenzen markiert laut eingeordnet gegenüber 12 Stilisierungen in unmarkierter Lautstärke, d.h. fast zwei Drittel dieser Sequenzen werden in der Lautstärke markiert. Von den nicht stilisierten Sequenzen ist nur ein Viertel markiert laut und fast die Hälfte in der Lautstärke unmarkiert. 1944 wird die Hälfte der Stilisierungen markiert laut geäußert und ein Viertel in der Lautstärke unmarkiert. Bei den nicht stilisierten Sequenzen ist das Verhältnis umgekehrt. Von den Formtypen bei markierter Lautstärke überwiegt die Dreierliste in drei Fällen (1933, 1938 und 1942). Ebenfalls in drei Fällen ist das Verhältnis zwischen Paarkonstruktionen und Dreierlisten ausgewogen (1940, 1943 und 1944). In einem Fall, 1939, ist bei markierter Lautstärke überwiegend die Paarkonstruktion vertreten. Somit kann zur prosodischen Markiertheit nur der Faktor "Stilisierung" in Bezug gesetzt werden, nicht jedoch ein bestimmter stilistischer Formtyp, da die Auswertung für keinen Formtyp eine anteilmäßig herausragende Stellung ergibt.
10.1.3
Semantische Adversivität
Es kann festgestellt werden, daß in den interaktiv dichtesten Phasen fast aller Reden die allgemeine, d.h. qualitativ nicht unterschiedene Adversivität am höchsten ist. Eine - allerdings nicht ins Gewicht fallende - Ausnahme bildet die Rede vom 30.1.1940, in der der Grad der Adversivität zwar in der zweitdichtesten Phase am höchsten ist, jedoch in der dichtesten Phase mit 87,5% ebenfalls sehr hoch und auch - wie bei allen anderen Reden höher als der Durchschnitt ist. Bemerkenswert in dieser Hinsicht ist die Rede vom 19.9.1939, in der der Wert für Adversivität in der interaktiv dichtesten Phase am höchsten ist, die interaktiv "dünnste" Phase jedoch den gleichen Wert aufweist. Dies wird plausibel vor dem Hintergrund, daß diese Rede insgesamt den höchsten Wert für Adversivität aller untersuchten Reden aufweist. Des weiteren ist festzuhalten, daß in den dichtesten Phasen diejenige adversive Kategorie den größten Anteil ausmacht, die sich auch für die gesamte Rede als vorherrschend erweist: 1933, 1938 und 1939 ist das die Diffamierung, 1940 und 1942 Häme, und 1943 und 1944 die Drohung. Gegen den Redeschluß hin geht die Adversivität bei allen Reden zurück. Dies geschieht jedoch in unterschiedlichem Maße (s. Zeitstrahlen Kap.5, bzw. Tab.41, 44, 47, 50, 53, 56 und 59). 1933 und 1940 kommt in der letzten Phase überhaupt keine adversiv eingeordnete Sequenz mehr vor. 1939 und 1943 ist der adversive Gehalt in den Schlußphasen sehr gering, wobei die letzten adversiven Sequenzen in den Anfangsbereichen der letzten Phasen liegen, und somit bei beiden Reden ebenfalls von einem Schluß ohne Adversivität gesprochen werden kann. Die Rede von 1944 weist nach einer längeren Phase ohne Adversivität (Phase IV, auch mit wenig Ratifizierungen) in der letzten Phase ein erneutes Aufkommen adversiver Sequenzen auf (2 Drohungen in 6 Sequenzen), wobei im Vorfeld dieser letzten Phase mehrere nicht applaudierte adversive Passagen festzustellen sind (Häme und Diffamierungen; vgl. Zeitstrahl). 1938 und 1942 geht der Anteil adversiver Sequenzen weniger zurück: Vor allem 1938 bleibt die Adversivität auf ca. % des Werts der dichtesten Phase, d.h. relativ hoch. 1942 wird die Rede nach einer längeren Phase mit geringer Adversivität zum Schluß noch einmal vor allem drohend (ca. die Hälfte der applaudierten Sequenzen). Die Reden
169 von 1938, von 1942 und - mit Abstrichen - von 1944 sind somit Reden, bei denen eine adversive Semantik bis zum Schluß durchgehalten wird. Die vorherrschende Kategorie ist dabei interessanterweise immer die Drohung. Wie in Kap.8 gezeigt wird weisen die Duchschnittswerte der vier adversiven Kategorien von 1933 bis 1944 einen bemerkenswerten Verlauf auf (vgl. Tab.40): Die jeweiligen prozentualen Anteile innerhalb der als adversiv eingeordneten Sequenzen ergeben einen Anstieg der Kategorien Häme und Ironie von 0% 1933 bis zu einem Höhepunkt bei der Rede von 1940, wo diese beiden Kategorien die vorherrschenden sind. 1942 sind beide noch stark vertreten, Häme immer noch vorherrschend. Danach fallen beide anteilsmäßig wieder ab. Häme ist dabei 1944 immer noch zweitstärkste Kategorie nach der Drohung, Ironie geht auf 6,25 % der adversiven Sequenzen zurück (nur eine Sequenz, wie auch bei der Rede von 1943). Die Diffamierung fällt anteilsmäßig von 1933 bis 1944 ab - bei einem nur leichten Aufwärtstrend von 1942 zu 1943. Die Drohung verläuft gegensätzlich zu Ironie und Häme: 1933 nach der Diffamierung noch zweitstärkste Kategorie, fällt sie anteilsmäßig ab bis zur Rede von 1940 (wo Ironie und Häme von allen Reden am meisten vorkommen). Bei den folgenden Reden (1942, 1943 und 1944) ist sie wieder sehr stark vertreten: 1942 zweitstärkste, 1943 und 1944 stärkste Kategorie.
10.1.4
Semantische Adversivität und Stilistik
Eine regelhafte Zuordnung bestimmter einzelner Typen formaler Stilisierung (Paarkonstruktionen, Listen, Kombinationen) zu bestimmten adversiven Inhalten bzw. semantisch definierten Strategien (Ironie, Häme, Diffamierung, Drohung) über alle Reden hinweg kann nicht festgestellt werden, da die Befunde aus den Gegenüberstellungen von Semantik und Stilistik sich als sehr heterogen erweisen. Verschafft man sich einen Überblick anhand der Tabellen über "Formale Stilisierung und Adversivität/Non-Adversivität" (Tab.42, 45, 48, 51, 54, 57 und 60), so stellt man für die vier semantischen Kategorien Ironie, Häme, Diffamierung und Drohung nur selten ein besonderes Übergewicht einer bestimmten stilistischen Form fest, und wenn es der Fall ist, so ist es von Rede zu Rede unterschiedlich ausgeprägt. So ist die Drohung 1933 vor allem als Paarkonstruktion und 1940 ausschließlich als Dreierliste nachzuweisen (Tab.42 und 51). 1942 tritt die Drohung etwas mehr in Form der Dreierliste als in Form von Paarkonstruktionen auf, wobei der Unterschied nicht sehr groß erscheint (8 Paare und 11 Listen) (Tab.54). 1938, 1939, 1943 und 1944 ist das Verhältnis von Paarkonstruktionen und Dreierlisten bei Drohungen in etwa ausgewogen, bzw. zum Teil aufgrund der relativ niedrigen Anzahl entsprechener Sequenzen quantitativ problematisch abzuschätzen (Tab.45, 48, 57 und 60). Diffamierung kommt 1938 überwiegend als Paarkonstruktion und 1939 überwiegend als Dreierliste vor (Tab.45 und 48), 1943 wiederum stilisiert ausschließlich als Paarkonstruktion (Tab.57). 1933 und 1942 verteilen sich die Stilisierungen relativ ausgewogen auf Paarkonstruktionen und Dreierlisten (1933 auch auf Kombinationen) (Tab.42 und 54), und 1944 ist Diffamierung auschließlich formlos (Tab.60). Häme tritt - stilisiert - 1938 und 1943 auschließlich, und 1940 überwiegend als Paarkonstruktion auf (Tab.45, 51 und 57). 1939, 1942 und 1944 ist das Verhältnis zwischen
170 Paaren und Listen bei Häme ca. ausgewogen (Tab.48, 54 und 60) (1933 kommt Häme nicht vor, s. Tab.42). Die einzige Rede, in der Ironie bei einer bestimmten stilistischen Form überwiegt, ist die Rede von 1942. Sie tritt dort vor allem als Paarkonstruktion auf (8 Paare, 5 Listen, 1 Kombination; vgl. Tab.54). Bei allen anderen Reden, in denen Ironie in ratifizierten Sequenzen vorkommt, ist das Verhältnis unter den untersuchten stilistischen Formen ausgewogen, d.h. es überwiegt keine einzelne stilistische Form (1938, 1939 und 1940; vgl. Tab.45,48 und 51). Betrachtet man hingegen die Realisierung von Adversivität unter dem Aspekt Stilisierung vs. Non-Stilisierung, so ergibt sich, daß Drohung und Diffamierung bei den meisten Reden überwiegend stilisiert vorkommen. Drohung ist dabei die am meisten stilisierte Kategorie, da sie nur in der Rede von 1938 (Tab.45) zu gleichen Teilen stilisiert und nicht stilisiert, bei allen anderen Reden jedoch mehr in stilisierter Form vorkommt. 1940 und 1942 wird die Drohung sogar ausschließlich stilisiert (Tab.51 und 54). Diffamierung kommt nur 1933 und 1944 überwiegend nicht stilisiert vor (Tab.42 und 60), und bei allen anderen Reden mehr stilisiert (Tab.45, 48, 51,54 und 57). Häme zeigt sich ausgewogener bezüglich Stilisierung und Nicht-Stilisierung, wobei in keinem Fall die Nicht-Stilisierung überwiegt, sondern allenfalls gleichgewichtig mit Stilisierung auftritt: 1939, 1940 und 1942 wird Häme mehr stilisiert. 1938, 1943 und 1944 ist das Verhältnis zwischen Stilisierung und Nicht-Stilisierung ca. ausgewogen. Ironie wird nur ein einziges Mal, in der Rede von 1942, mehr stilisiert. 1938 und 1939 ist das Verhältnis zwischen Stilisierung und Nicht-Stilisierung ca. ausgewogen. 1940 und 1943 (hier kommt Ironie nur ein einziges Mal in einer ratifizierten Sequenz vor) ist Ironie überwiegend nicht stilisiert. Somit ist festzuhalten, daß bezüglich Stilisierung und Nicht-Stilisierung die Kategorien Drohung und Diffamierung vor allem formal stilisiert auftreten. Häme erweist sich im Korpus als etwas ausgewogener, jedoch ebenfalls mit einem Übergewicht bei Stilisierungen. Ironie wird deutlich weniger stilisiert als die anderen Kategorien. Die Ursache hierfür kann nicht rein inhaltlich begründet werden. Wohl bedarf es, um kommunikativ funktionieren zu können, d.h. in diesem Fall vom Publium ratifiziert zu werden, bei Ironie eines spezifischen Inhaltes, der einen beim Publikum bekannten Sachverhalt voraussetzt. Andernfalls bliebe eine ironisch gemeinte Äußerung unverständlich: Ironie fällt, kommunikativ gesehen, ins Leere, wenn das Ironisierte dem Kommunikationspartner nicht bekannt ist. Allerdings sind auch die anderen hier untersuchten adversiven Kategorien ohne inhaltliche Kriterien nicht definierbar. Die Ursache für die stilistisch unterschiedliche Realisierung könnte darin liegen, daß es eventuell schwieriger ist, einen Sachverhalt zu ironisieren und gleichzeitig in eine bestimmte stilistische Form zu kleiden. Dem widerspricht jedoch die Tatsache, daß Ironie durchaus in stilisierter Form vorkommt, wenn auch im Vergleich zu den anderen Kategorien nicht so häufig. Wahrscheinlicher ist, daß es bei ironischen Äußerungen aufgrund ihres spezifischen Inhaltes weniger wichtig ist, zu stilisieren, um publikumswirksam zu sein. Es bedarf bei Ironie offenbar weniger der formal strukturierten "Klatschfalle", um beim Publikum so anzukommen, daß dieses die Äußerung auch ratifiziert.
171 10.1.5
Semantische Adversivität und Prosodie
Ziehen wir die prosodischen Befunde mit hinzu. Drohung wird in allen Reden überwiegend und mit deutlichem Abstand zu den anderen adversiven Kategorien in der Lautstärke markiert. Am schwächsten ausgeprägt ist der Kontrast bei der Rede von 1939, wo 6 drohende Sequenzen in markierter Lautstärke und 4 in unmarkierter Lautstärke festzustellen sind (Tab.49). Bei allen anderen Reden ist der Unterschied zwischen der Anzahl drohender Sequenzen in markierter und unmarkierter Lautstärke weit größer. Am stärksten ausgeprägt ist der Kontrast bei der Rede von 1938, wo 18 drohende Sequenzen in markierter Lautstärke gegenüber 2 drohenden in unmarkierter Lautstärke zu verzeichnen sind. Von den insgesamt 24 Skandierungen (bei Drohungen von 1933 bis 1944) sind dabei 22 in der Lautstärke markiert (Tab.43, 46, 52, 55, 58, 61). Das "Mittelfeld" (Drohungen in "forte") ist 1943 mit 5 Sequenzen gleich stark wie die Sequenzen in markierter Lautstärke. Diffamierung wird bei 4 Reden überwiegend in der Lautstärke markiert (1933, 1938, 1940 und 1942; vgl. Tab.43, 46, 52 und 55). Bei zwei Reden ist das Verhältnis zwischen markierter und unmarkierter Lautstärke ausgewogen (1939 und 1944; vgl. Tab.49 und 61), und bei einer Rede, 1943, stehen mehr Diffamierungen unter unmarkierter als unter markierter Lautstärke (Tab.58). Auch die Skandierungen bei Diffamierung stehen bei fast allen Reden überwiegend zusammen mit markierter Lautstärke. Nur 1943 kommen - plausibel mit Blick auf die Verteilung der diffamierenden Sequenzen auf die Lautstärkestufen - alle Skandierungen zusammen mit unmarkierter Lautstärke vor. Der mittlere Lautstärkebereich "forte" ist relativ stark bei den Reden von 1938 (10 Sequenzen; Tab.46) und 1942 (6 Sequenzen, d.h. gleich viel, wie die Sequenzen in markierter Lautstärke; Tab.55). Häme wird mit Ausnahme einer Rede (1942) immer überwiegend, 1938, 1943 und 1944 sogar ausschließlich in unmarkierter Lautstärke geäußert (Tab.46, 58 und 61). 1942 ist das Verhältnis zwischen markierter und unmarkierter Lautstärke genau ausgewogen, und der Mittelbereich "forte" am stärksten ausgeprägt (Tab.55). Hämische Sequenzen weisen somit bei keiner Rede ein Übergewicht an Sequenzen in markierter Lautstärke auf. Skandieren kommt - die Reden von 1933 bis 1944 zusammengenommen - bei Häme im Vergleich zu Drohung und Diffamierung weniger vor, und verteilt sich relativ gleichmäßig auf markierte Lautstärke, unmarkierte Lautstärke und "forte". Ironie wird 1939 und 1943 überwiegend in unmarkierter Lautstärke geäußert (Tab.49 und 58; 1943 gibt es nur eine ironische Sequenz). 1938 und 1940 ist das Verhältnis zwischen den Lautstärke-Stufen ca. ausgewogen (Tab.46 und 52), und 1942 ist der Mittelbereich "forte" am stärksten vertreten, anteilsmäßig gefolgt von den Sequenzen in markierter Lautstärke. 1942 wird Ironie am wenigsten in unmarkierter Lautstärke ausgesprochen (Tab.55). Skandieren kommt bei Ironie kaum vor und verteilt sich über verschiedene Reden auf alle Lautstärke-Stufen (1938, 1939 und 1942; Tab.46, 49 und 55). Ein paralleler Zusammenhang zwischen Adversivität allgemein und prosodisch-emphatischer Markiertheit kann nicht durchgehend festgestellt werden. Die adversiven Kategorien weisen unterschiedliche prosodische Realisierungsarten auf. So zeigt sich im Überblick, daß vor allem Drohung, in gewissem Maße auch Diffamierung prosodisch eher markiert, Häme und Ironie prosodisch weniger markiert werden (vgl. Tab.43, 46, 49, 52, 55, 58 und 61). Dies gilt sowohl für Lautstärke als auch für Rhythmisierung, wobei Rhythmisierung bei der prosodischen Analyse (Kap.7.1) im Prinzip ein paralleles Auftreten mit gesteigerter
172 Lautstärke aufzeigt, sich jedoch in Bezug auf semantische Kategorien als unterschiedlich vertreten erweist: Bei den Kategorien, die überwiegend in markierter Lautstärke geäußert werden, Drohung und Diffamierung, kommt auch das Skandieren überwiegend in diesem Lautstärkebereich vor. Bei den Kategorien, die überwiegend in unmarkierter Lautstärke vorkommen, bzw. zumindest nicht überwiegend in markierter, Häme und Ironie, verteilen sich die skandierten Sequenzen relativ gleichmäßig auf die verschiedenen Lautstärkestufen. Man kann daher nicht automatisch von einem parallelen Zusammenhang zwischen den prosodischen Mitteln Lautstärke und Rhythmisierung ausgehen, sondern muß - wie die Auswertung der hier gewählten semantischen Kategorien zeigt - solche ebenfalls in Rechnung stellen.
10.1.6
Stil, Prosodie und semantische Adversivität
Schlägt man den Bogen von Prosodie und Adversivität wieder zurück zu den oben zusammengefaßten Befunden über die stilistische Realisierung der Reden, so zeichnet sich ab, wie sich syntaktische und prosodische Markiertheit zusammen in erster Linie bei der Kategorie Drohung häuft. An zweiter Stelle steht bezüglich paralleler prosodischer und stilistischer Markierung deutlich die Diffamierung. Häme und Ironie werden beide grundsätzlich weniger linguistisch markiert, wobei die Faktoren Stil und Prosodie zum Teil hinsichtlich der Markiertheit unterschiedlich ausgeprägt sind. Häme wird prosodisch überwiegend nicht markiert, stilistisch hingegen ist Markiertheit und Nicht-Markiertheit bei den 6 Reden, in denen diese Kategorie vorkommt, zu gleichen Teilen festzustellen, d.h. bei 3 Reden wird Häme eher stilisiert, bei 3 Reden eher nicht stilisiert. Ironie wird nur 1942 überwiegend stilistisch und prosodisch markiert (1943 ist das ebenso der Fall, bei nur einer einzigen ironischen Sequenz ist dieses Datum jedoch unerheblich). 1938 und 1940 sind beide Faktoren ausgewogen zwischen Markiertheit und Unmarkiertheit. 1939 ist bei Ironie das Verhältnis zwischen Stilisierung und Nicht-Stilisierung ausgewogen, jedoch überwiegen deutlich die Sequenzen in unmarkierter Lautstärke.
10.2
Stilistik, Prosodie und semantische Adversivität unter d e m Aspekt der Interaktion und des historischen Kontextes
Bis hierher wurden in Kapitel 10 die sich in den Analysen abzeichnenden linguistischen Zusammenhänge zusammengefaßt. Der Aspekt der Interaktion wurde insofern berücksichtigt, als auf die Redephasen, d.h. auf Phasen mehr oder weniger intensiver Interaktion im Redeverlauf, Bezug genommen wurde. Im folgenden (10.2.1) wird zu den linguistischen Befunden der Rhetorik Hitlers das Handeln des Publikums als Gegenpart zum Redner (vgl. Kap.9) in Bezug gesetzt. Danach (10.2.2) werden die sieben Reden, die dann erstens möglichst umfassend in ihrer rhetorischen Performanz und zweitens in ihrer Eigenschaft als Interaktionsgefüge, d.h.
173 als soziale Ereignisse analysiert worden sind, in ihre zeitliche Abfolge und damit in ihren historischen Kontext gesetzt. Sie sind damit nicht mehr nur einzeln, sondern als Teile eines Ablaufes, einer zusammenhängenden "Geschichte" zu interpretieren. Hierzu werden Quellen von außerhalb des Datenmaterials mit hinzugezogen, deren Zeugnis dazu dienen soll, die Interpretation einerseits zu kontrollieren, andererseits zu stützen.
10.2.1
Publikumsäußerungen: Reden als Interaktionsgefüge
Wie die Befunde aus Kap.5 ergeben, sind Phasen unterschiedlich dichter Interaktion bei allen Reden festzustellen. Ebenso kann bei allen Reden ca. im Mittelbereich eine Interaktionsphase festgestellt werden, die sich von der Umgebung durch eine gesteigerte Interaktionsdichte abhebt. Ausgenommen die Rede von 1942, sind diese dichteren Phasen im Mittelbereich auch die jeweils dichtesten der Gesamtreden. 1942 ist die dichteste Phase der Rede Phase I, während der - mit den anderen Reden vergleichbare - Mittelbereich bei dieser Rede den zweithöchsten Wert für Ratiflzierungsdichte aufweist (1942/Phase III). Von den Reden im Sportpalast kann im Grunde nur für die Rede vom 10.2.1933 von einer interaktionalen Anlaufphase gesprochen werden. Ca. fünfeinhalb Minuten lang spricht Hitler, ohne daß das Publikum sich in irgendeiner Form äußert. Bei allen anderen Reden in der Halle (1938, 1940 und 1942) setzen Publikumsäußerungen sehr früh ein, wobei 1938 und 1940 danach jeweils eine längere Passage ohne Ratifizierungen festzustellen ist. Die Rede von 1942 stellt dagegen in dieser Hinsicht eine absolute Ausnahme dar, da von Anfang an Ratifizierungen über einen längeren Zeitraum hinweg (ca. 14 Minuten) in einer Dichte auftreten, die diese erste Redephase zur dichtesten der gesamten Rede macht. Von den Saalreden (1939, 1943 und 1944) setzen bei der Rede von 1939 ebenfalls relativ früh erste Ratifizierungen ein, die darüberhinaus von besonderer Emphase gekennzeichnet sind: Die erste Applausbekundung ist überdurchschnittlich lang und wird zudem rhythmisiert, ein Phänomen das sonst nur bei der Rede von 1943 festzustellen ist. Die beiden anderen Saalreden des Korpus weisen wieder ruhigere Anlaufphasen mit wenigen, relativ weit auseinanderliegenden Ratifizierungen auf. Die Beantwortung der Frage nach den Ursachen für die unterschiedlichen Interaktionsabläufe vor und nach 1942 stößt auf ein interpretationstechnisches Problem insofern, als nach der Rede von 1942 nur noch Reden in Sälen vorliegen, bei denen im Vergleich zu Hallenreden - wie z.B. im Berliner Sportpalast - von einer durch den äußeren Rahmen begründeten unterschiedlichen Gestimmtheit der Anwesenden ausgegangen werden muß. Indizien für die Interpretation kann der kontrastierende Vergleich mit der frühen Saalrede vom 19.9.1939 in Danzig liefern: 1939 treten - obwohl im Saal stattfindend - Ratifizierungen relativ früh und auch intensiv auf. 1943 und 1944 dagegen sind die Publikumsäußerungen zu Beginn eher verhalten, zumindest nicht schon am Anfang herausragend emphatisiert oder organisiert wie 1939 (Stichwort: rhythmische Ratifizierung). Das kann als ein Indiz herangezogen werden für die These, daß die beiden letzten Reden des Korpus, 1943 und 1944, nicht die interaktive Wirkung aufweisen, wie die Reden davor. Das würde auch bedeuten, daß die Anlaufphase bei der Rede von 1933 einen anderen Charakter besitzt als die Anlaufphasen 1943 und 1944 unabhängig von der Tatsache, daß die beiden letzten Reden im Gegensatz zur ersten in Sälen stattfinden.
174 Den größten Anteil an rein verbalen Ratifizierungen - gemessen an der Gesamtzahl der jeweils auftretenden Publikumsäußerungen - stellt man bei der Rede von 1940 fest: Rein verbale und nonverbale Ratifizierungen (d.h. hier Applaus mit eventuell dazu auftretenden verbalen Zusätzen) kommen ca. gleich oft vor. Am zweitgrößten ist der Anteil bei den Reden von 1938 und 1939: 36,4% bzw. 36,5% der ratifizierten Sequenzen werden rein verbal ratifiziert. Den geringsten Anteil rein verbaler Ratifizierungen findet man bei den Reden von 1943 und 1944: jeweils 14,3%. 1942 liegt der verbale Anteil der Ratifizierungen bei 20%, 1933 mit 23,4% nur wenig darüber. Bezieht man nun die unterschiedenen Arten der Ratifizierung von Äußerungen durch das Publiklum, nonverbale (=Applaus+evtl.verbal) und rein verbale Realisierungen, auf die erarbeiteten Resultate zu Stilistik, Prosodie und semantischer Adversivität, so zeichnen sich einige deutliche Hinweise über bestehende Zusammenhänge ab: Applaus tritt mehr nach stilisierten Sequenzen auf als nach nicht stilisierten. Das ist so 1933, 1938, 1940, 1942 (hier nicht so stark ausgeprägt), 1943 und 1944. Nie treten vor Applaus mehr Nicht-Stilisierungen als Stilisierungen auf. Greift man nur die überlang applaudierten Sequenzen der einzelnen Reden heraus, zeigt sich der geschilderte Zusammenhang noch deutlicher: Der quantifizierende Vergleich zwischen Stilisierung und NichtStilisierung fällt hier noch stärker zugunsten der stilisierten Sequenzen aus. Eine Ausnahme bildet die Rede von 1942, wo die überlang applaudierten Sequenzen keinen Unterschied in der Anzahl der Stilisierungen gegenüber Nicht-Stilisierungen aufweisen. Stil und Applaus bzw. Stil und überlanger Applaus stehen offenbar in Zusammenhang miteinander: Applaus als Ratifizierungsart verlangt tendenziell formalen Stil in der vorausgegangenen, d.h. mit der Ratifizierung "gemeinten" Redneräußerung. Prosodisch ist in Bezug auf Ratifizierungsarten festzustellen, daß vor rein verbalen Publikumsäußerungen eher Sequenzen in unmarkierter Lautstärke (damit auch mit weniger Skandierungen) vorkommen, während hingegen vor Applaus als Ratifizierung (von den oft auftretenden verbalen Einleitungen von Applaus sei zunächst abgesehen) mehr Sequenzen in markierter Lautstärke (damit auch mit mehr Skandieren) auftreten. Dies ist so 1938, 1939, 1940, 1942, 1943 und 1944 festzustellen. 1933 ist dieser Trend wegen des hohen Anteils an Sequenzen in markierter Lautstärke nicht auszumachen. Die Tatsache, daß dieses Phänomen jedoch bei allen anderen sechs Reden des Korpus auftritt, unterstützt die These, daß es einen parallelen Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Applaus als Ratifizierung und markierter Prosodie in der sprachlichen Realisierung gibt. DieThese, die hieraus abgeleitet wird, ist, daß diese Zusammenhänge mittelbare sind, d.h. es handelt sich bei Stil und Ratifizierungsart bzw. markierter Prosodie und Ratifizierungsart um jeweils zwei tendenziell parallel auftretende Phänomene, die jedoch direkt nichts miteinander zu tun haben, sondern beide bezüglich ihrer Realisierung im Sprachgebrauch auf einen dritten Faktor zurückzuführen sind. Die These ist, daß dieser dritte Faktor in der Semantik des jeweils Geäußerten begründet liegt. Die daraus wiederum folgende These ist, daß die Semantik von Äußerungen sowohl die Entscheidung über Stilisierung und Nicht-Stilisierung, als auch über die prosodische Realisierung in weiten Teilen bestimmt. Das Vorhandensein von Adversivität allgemein ergibt in Bezug auf Ratifizierungsarten keinen verwertbaren Befund. So muß Adversivität in ihren Kategorien unterschieden werden, um Zusammenhänge zwischen den Ratifizierungsarten aufzuzeigen:
175 Drohung wird nie belacht (auch nicht in Zusammenhang mit an Lachen anschließendem Applaus), sondern immer nur, ggf. mit verbalen Einleitungen oder Zusätzen, applaudiert. Besonders diese Kategorie wird des öfteren besonders emphatisch ratifiziert: 1940, 1942 und 1944 wird vor allem die Drohung mit "bravo"+Applaus ratifiziert, die anderen adversiven Kategorien mehr mit Applaus allein. 1943 wird von den adversiven Kategorien nur die Drohung überlang applaudiert (die restlichen überlangen Ratifizierungen befinden sich bei den Sequenzen ohne Adversivität). Diffamierungen werden uneinheitlicher ratifiziert. Die verbalen Ratifizierungen bestehen dabei meistens aus "Pfui"-Rufen (vgl. 1933, 1938, 1939 und 1940), kaum aus Lachen. Überwiegend applaudiert wird die Diffamierung 1939 und 1942. Ironie und Häme werden vor allem belacht oder in Verbindung mit Lachen applaudiert. Reines Lachen ist dabei überwiegend nach Ironien festzustellen.
10.2.2 Hitlers Reden 1933-1944: Performanz und Interaktion: Interpretation im Spiegel des historischen Kontextes Bevor wir die Befunde aus den Analysen der 7 Reden in ihrer Abfolge interpretieren, werfen wir zunächst einen Blick auf die Rednertätigkeit Hitlers von 1932 bis 1945 insgesamt. Auch wenn der Überblick stark vergröbernd ausfällt, d.h. ohne weitere Unterscheidungen vozunehmen etwa zwischen Reden vor einem "öffentlichen" Publikum und z.B. Reden vor Militärs oder Parteifunktionären, sprechen die Zahlen eine deutliche Sprache. Die folgende Zusammenstellung erfolgt unter Rückgriff auf die Dokumentation der Reden und Proklamationen Hitlers von Max Domarus (1965). Es werden alle von Domarus aufgezeichneten mündlichen Verlautbarungen Hitlers berücksichtigt, also auch solche, die dem größten Teil der Bevölkerung nur über Radio (Parteitagsreden, Reden im Sportpalast vor Militärs, Reden im Reichstag etc.) oder aus der Presse (z.B. Hitler bei Empfängen) zugänglich waren. So ausufernd Hitlers Redetätigkeit bis 1932 und auch noch im Jahr 1933 ist, so rasch geht die Anzahl der Reden mit der Machtergreifung zurück, um mit Kriegsbeginn noch einmal sehr stark zurückzugehen.
176 Anzahl der öffentlich bekanntgewordenen mündlichen Verlautbarungen Hitlers (Reden, Ansprachen, Begrüßungsansprachen bzw. -worte etc.) 1932 bis 1945 (Auswertung von Domarus (1965): Bände 1.1 bis II.2) Jahr 1932
1933
1934
Anzahl der mündl. Kommentar Verlautbarungen 207 Die große Zahl rührt von den diversen Propagandakampagnen für Reichstags- und Landtagswahlen her, bei denen Hitler Kandidat ist bzw. die NSDAP zur Wahl steht. Durch den Einsatz des Flugzeugs ("Deutschlandflug"/"Freiheitsflug Uber Deutschland" u.a.) ist es Hitler möglich, sehr rasche Ortswechsel vorzunehmen. Zum Teil spricht er an einem einzigen Tag an mehreren Orten (vgl. Frei 1983: 161). Nach dem 30.1.1933 "nahm die nationalsozialistische Propaganda 118 vorher nie erreichte Ausmaße und neue institutionelle Formen an" (Frei 1983: 161). Was die neuen institutionellen Formen betrifft, ist ab Anfang 1933 ganz sicher eine Zäsur zu setzen, die darin besteht, daß sich die Nazionalsozialisten schon früh das Informationsmonopol sichern. Beim Rundfunk geht das sehr schnell vor sich. Schon Mitte März 1933 setzt Goebbels als Chef des neugegründeten "Ministeriums für Volksaufklärung und Propaganda die "zentrale Lenkung der bis dahin selbständigen regionalen Rundfunkgesellschaften" durch (Frei 1983: 163). Ab Sommer 1933 ist auch im Pressewesen "die prinzipielle Gleichförmigkeit der publizistischen Äußerungen zu den Problemen des Tages erreicht" (Bracher 1983: 280/ vgl. auch 278ff.). 60 Dieses Jahr kann mit Blick auf die Morde im Verlauf des sog. Röhm-Putsches, der Vereidigung der Wehrmacht auf Hitler am 2.8.1934 und dem Gesetz zur Vereinigung von Präsidenten- und Kanzleramt am selben Tag (Todestag Hindenburgs), als das Jahr der endgültigen Machtsicherung angesehen werden, wobei festzuhalten ist, daß z.B. der "Einparteienstaat" schon seit Sommer 1933 "gesetzlich" eingeführt ist, und schon kurz nach der Machtergreifung vom 30.1.1933 wichtige Grundrechte außer Kraft gesetzt werden (u.a. in Zusammenhang mit dem Reichstagsbrand und der daraus verbreiteten Verschwörungstheorie), und die antisemitische Gesetzgebung beginnt.
177 1935 1936 1937
49 59 62
1935-1937: Mit der endgültigen Konsolidierung der Macht pendelt sich das Aufkommen öffentlicher Auftritte Hitlers, bzw. öffentlich bekanntwerdender, mündlicher Verlautbarungen bei 50 bis 60 Auftritten pro Jahr ein. Die Verfügbarkeit über die Medien ist fast vollkommen. Personell und institutionell gehören sie zum Apparat. Auf dem Gebiet der Presse gibt es Zeitungen, die bis zum Ende des Krieges nicht zur Partei gehören, wobei jedoch deren Anteil an der Gesamtauflage von Zeitungen im Reich stark abnimmt: Kurz vor der Machtübernahme sind weniger als 5 % der Gesamtauflage nationalsozialistisch, 1945 sind es 82,5 %. Das heißt dabei keineswegs, daß die restliche Presse (z.B. die "Frankfurter Zeitung", die es bis 1943 gibt) unabhängig schreiben kann. Die inhaltliche Kontrolle ist seit Mitte 1933 institutionalisiert und greift sehr rasch ("Tagesparolen" über Reichs-propagandaämter national verteilt; nationalsozialistische Vertrauensleute bei großen Verlagsunternehmen eingesetzt + Entlassungen (z.B. Ullstein); Das Deutsche Nachrichtenbüro DNB ist amtliche Einheitsagentur; Das Schriftleitergesetz vom 3. Oktober 1933 entbindet Journalisten vom Weisungsrecht des Verlegers in redaktionellen Dingen etc. (vgl. Frei 1983: 164-171).
1938
81
1939 1940 1941 1942 1943 1944 1945
41 18 12 11 9 10 2
Die erhöhte Rednertätigkeit läßt sich in Zusammenhang bringen mit der Sudetenkrise, die zum Münchner Abkommen und zur (zunächst) teilweisen Annektierung der Tschechoslowakei führt. Wie man dem "Völkischen Beobachter" im Zeitraum mehrerer Wochen vor dem Abkommen entnehmen kann, wird auf die Besetzung von Böhmen und Mähren mit einer propagandistischen Kampagne großen Ausmaßes hingearbeitet (Reden und Berichte über angebliche Greueltaten von tschechoslowakischer Seite in großer Anzahl). Mit Kriegsbeginn geht die Rednertätigkeit Hitlers stark zurück: Von 1939 auf 1940 auf weniger als die Hälfte, dann auf ca. 1/4 des ersten Kriegsjahres. Von 1941 bis 1944 bleibt der Wert annähernd gleich, wobei hier stark nach Anlässen differenziert werden muß, da die Betrachtung der bloßen Zahlen zu Fehlinterpretationen führt: "Große" Reden gibt es nur noch selten. Domarus bezeichnet das Jahr 1938 als das letzte Jahr Hitlers als "Volksredner" (Domarus 1965: 773). Seine letzte Sportpalastrede hält Hitler am 30.9.1942. 1943 hält er noch 3 öffentliche Reden: Am 21.3.1943 eine kurze Rede zum "Heldengedenktag" im Berliner Zeughaus, am 8.5.1943 eine Ansprache im Mosaiksaal der Reichskanzlei anläßlich der Trauerfeier zum Tod des Stabschefs der SA Lutze und am 8.11.1943 eine Rede im Löwenbräukeller in München anlässlich des Gedenktages an den gescheiterten Hitler-Putsch vom 8.11.1923. 1944 spricht er noch einmal öffentlich beim Staatsakt zum Tod von Generaloberst Dietl, 1945 nicht mehr direkt öffentlich, sondern nur noch zweimal über das Radio (Neujahrstag und Tag der Machtübernahme (30.1.).
178 Aufgrund der zentralen Bedeutung, die die öffentliche Rede als politisches Propagandamittel für Hitler und die ganze NS-Bewegung hat, erwachsen aus der übergreifenden Betrachtung der Redetätigkeit Hitlers für die Interpretation nützliche Hinweise. Zentrales Moment dabei ist die starke Abnahme der Rednertätigkeit Hitlers insgesamt und der Wechsel des Publikums sowie der Orte. Die Entwicklung geht von "ungesteuert" öffentlichen Veranstaltungen in sehr großem Rahmen, wie z.B. im Sportpalast am 10.2.1933, über Veranstaltungen mit ausgesuchtem Publikum - ebenfalls noch in größerem Rahmen, z.B. im Berliner Sportpalast noch am 30.9.1942), hin zu Veranstaltungen, die im engeren Kontext der Partei stattfinden und allenfalls noch über Radio gesendet werden (z.B. Reden vor sog. "alten Kämpfern" im Löwenbräukeller (8.11.1943) oder im Hofbräuhaus in München (24.2.1944). Ein bis in die jüngste Zeit in der Forschungsliteratur über Hitler oft verwendeter Begriff, der sowohl der Beschreibung als auch der Erklärung seiner Wirkung dient, ist der des "Charismas" (vgl. König 1990, König 1995 und die darin enthaltenen Verweise auf von Kotze und Krausnick 1966; Broszat 1970, Kershaw 1980 und Elias 1989). Mit Max Weber verstehen wir unter "Charisma [...] eine als außeralltäglich [...] geltende Qualität einer Persönlichkeit [...], um deretwillen sie als mit [...] mindestens spezifisch außeralltäglichen, nicht jedem andern zugänglichen Kräften oder Eigenschaften [begabt] [...] und deshalb als "Führer" gewertet wird" (Weber 1980: 140).
Dabei ist der Interaktionsaspekt von besonderer Bedeutung, denn "über die Geltung des Charisma entscheidet die durch Bewährung [...] gesicherte freie [...] Anerkennung durch die Beherrschten. [...] Bringt seine [des Führers; H.-R.B] Führung kein Wohlergehen für die Beherrschten, so hat seine charismatische Autorität die Chance, zu schwinden" (ebd.).
Charismatische Herrschaft ist somit zu verstehen als eine aus "persönlichen Qualitäten und deren Bewährung geknüpfte soziale Beziehung" (Weber 1980: 142). Charisma als Qualität, Gabe oder auratische Ausstrahlung einer Person ist als solche nicht empirisch beobachtbar. Was beobachtbar ist, ist "nur die soziale Formierung der Beziehung zwischen dieser Persönlichkeit und ihren Anhängern, sofern diese sich als beobachtbares Ηandlungsgefüge [Hervorh. im Text; H.-R.B.] beschreiben und darstellen läßt" (Bergmann, Luckmann, Soeffner 1993: 122).
Es ist dieses interaktionale "außeralltägliche" Moment (vgl. Weber 1980; Soeffner 1993; Bergmann, Luckmann, Soeffner 1993), in dem sich Charisma als soziales Produkt von Führer und Gefolgschaft, in unserem Fall von Hitler und seinem Publikum zeigt. Wir nennen dieses gemeinsam hergestellte Produkt eine "interaktive Aura". Die Bedingung der Beobachtbarkeit des Handlungsgefüges (s.o.) ist dabei in dieser Untersuchung - quellenbedingt - eingeschränkt auf die auditive Wahrnehmung der Vorgänge (Tondokumente) unterstützt durch Quellen zum äußeren Kontext. Auch wenn die vorliegenden Tondokumente die Reden erst unmittelbar mit Redebeginn wiedergeben, d.h. Hinweise und Elemente aus dem Zeitraum unmittelbar davor (z.B. Musik, Vorredner, Einzug Hitlers etc.) nicht analysiert werden, können aus der Performanz der Rede und der Interaktion zwischen Redner und Publikum heraus Schlüsse gezogen werden zur "Gestimmtheit", die über dem Ereignis herrscht. Dies dient wiederum als Indi-
179 kator für die Interpretation der Redeereignisse mit Blick auf ein interaktiv hergestelltes, auratisches Moment. Wichtig für diesen Aspekt der Interpretation sind besonders die Redeanfänge als dem kurzen Zeitraum, in dem sich Redner und Publikum (für die jeweilige Rede) zuerst begegnen, ein Element, das aus methodischen Gründen bei der Analyse nicht beachtet worden ist. Wir werfen anhand der Zeitstrahlen auch darauf einen Blick, und verbinden damit gleichzeitig die Interpretation der Analyseergebnisse vor dem historischen Kontext.
10.2.2.1
Performanz im Kontext 10.2.1933
Im Redekorpus ist die Entstehung einer interaktiven Aura im Grunde nur bei der Rede vom 10.2.1933 nachvollziehbar. Wie in 4.2 bereits dargelegt ist, sehen sich Hitler und die NSDAP in der Tür zur Macht, besitzen sie aber noch nicht. Den NS-Unrechtsstaat gibt es noch nicht, aber er ist im Entstehen begriffen. In dieser Situation findet die Rede statt. Redner und Publikum "haben" sich zu Beginn noch nicht: Hitler spricht monoton und scheinbar stockend, mit Pausen von solcher Länge zwischen einzelnen Wörtern oder Phrasen aus wenigen Elementen, daß in den ersten Äußerungseinheiten der Rede der Eindruck mangelnder Redekompetenz bzw. Planlosigkeit entsteht. Die Stimme wird nach ein bis zwei Minuten zwar in der Intonation gehobener, die Sprechweise etwas schneller, jedoch bleiben Ratifizierungen von Seiten des Publikums zunächst aus. Dies geschieht jedoch nicht aus Gründen mangelhafter rhetorischer Kompetenz, sondern weil der Redner bzw. sein Text dies noch nicht anbietet. Die erste Ratifizierung erfolgt erst nach mehr als 5 Minuten in "klassischer" Manier ("bravo"+Beifall, 9.8 Sekunden lang). Für den weiteren Verlauf wurde bereits festgestellt, daß sich in der dichtesten Redephase sowohl Sequenzen in gesteigerter Lautstärke als auch formal stilisierte Sequenzen überdurchschnittlich häufen, und gleichzeitig die Adversivität hier ihren Höhepunkt erreicht, um in der letzten Phase vollständig zu verschwinden. Der britische Botschafter Sir Horace Rumbold berichtet über die Kundgebung im Sportpalast als einer Veranstaltung, die eher einer Oppositionspartei denn einer Regierungspartei zuzuordnen sei: "On the Chancellor's entry into the hall, preceded by the Nazi banners, the audience rose in enthusiastic welcome, and throughout his speech the most fervent passages were applauded with the loudest acclamations. The Chancellor wore his brown Nazi uniform and was surrounded by his S.S. guards. The effect of the meeting was that of a revivalist gathering rather than of an election address by the head of the government, and the Chancellor spoke with all the vehemence of an opposition leader" (zit. in Reimers et.al 1971: 262-263).
Auch Goebbels hebt die emphatisierende Wirkung der Rede hervor (Goebbels 1987, Bd.2: 371). Dies ist bei ihm allerdings nicht verwunderlich - er schreibt auch zur Rede vom 24.2.1944 zunächst noch Positives, um dann doch von einer Übertragung im Rundfunk abzusehen. Neben dem "frenetischen Beifallsturm" beim Einzug Hitlers, und der "schärfsten Kampfansage gegen den Marxismus" (Goebbels 1987: ebd.), die auch der britische Botschafter erwähnt, hebt Goebbels noch auf den Schluß der Rede ab, die Hitler mit einer an das Vaterunser evangelischer Lesart angelehnten Schlußformel versieht (ebd.). Die semantische Analyse ergibt keinerlei Adversivität in der Endphase. Hitler beschwört am Schluß, unter Anleihen beim zentralen christlichen Gebet schlechthin, eine Gemeinde, und
180 wirkt dadurch - mit Ulonska (1990: 2) - rhetorisch "positiv", d.h. "identifikationsfördernd". "Hitler machte der Bezeichnung "Nazi-Feldprediger", die ihm die sozialdemokratische Presse seit Jahren beigelegt hatte, wahrhaftig alle Ehre" (Domarus 1965: 208). Hier wird uns ein Datum Uberliefert, das die zuvor formulierte These stützt, diese Rede sei im Grunde wie eine Rede aus der Zeit vor 1933 anzusehen: Den Predigerstil, den Domarus und die SPD ("seit Jahren", d.h. vor 1933) hier feststellen, gibt es bei den späteren Reden im untersuchten Korpus in dieser Form - d.h. mit mehr oder weniger direkten Bibelzitaten - nicht mehr. Auch den Redeverlauf in semantischer Hinsicht, mit einer adversiven Spitze im Mittelbereich und einem "positiven" Schluß, wie ihn Ulonska als typisch für Hitlerreden von vor 1933 herausgearbeitet hat, ist so stringent nicht mehr festzustellen, wenn auch im Prinzip die dichtesten Phasen Konzentrationspunkte für erhöhte Adversivität auch nach 1933 immer noch sind.
10.2.2.2
Performanz im Kontext 26.9.1938
Bei der Rede vom 26.9.1938 gibt es kein Vortasten und Sich-Annähern zwischen Hitler und Publikum. Wie die Abbildung dieser Rede auf dem Zeitstrahl zeigt, setzen Ratifizierungen früh und heftig ein: Es beginnt mit "Heil"-Rufen und Trampeln (Sq 1), danach erfolgt ein extrem langer Beifall und wiederum Trampeln (Sq 2). In der vierten Sequenz erfolgen zum ersten Mal "Pfui"-Rufe und mehrere Einzelstimmen rufen "aufhängen" - wir befinden uns kurz nach der dritten Minute. Nun erfolgen für ca. neun Minuten keinerlei Ratifizierungen mehr, um danach wieder sehr dicht einzusetzen. Die Rede wird rasch laut, die den ratifizierten Sequenzen nachfolgenden neun Minuten werden dann überwiegend in gehobener Stimme gesprochen: Nach dem furiosen Beginn kehrt zunächst einmal relative Ruhe ein. Es ist jedoch offensichtlich, daß Hitler und sein Publikum von Beginn an den Kontakt gefunden haben. Wie bereits erwähnt (vgl.4.2) ist diese Rede Schlußpunkt einer bereits Wochen andauernden Hetzkampagne gegen die Tschechoslowakei vor dem Abkommen von München. Die semantische Analyse hat dies bestätigt: Hier gibt es keinen "positiven" Redeschluß. In den Quellen zur Rezeption dieser Rede fällt ein Gesichtspunkt auf, der der Interpretation einen wichtigen Aspekt beifügen kann: der Unterschied zwischen der Rezeption der Rede im Sportpalast durch das anwesende Publikum, und der Rezeption in der übrigen, nur mittelbar am Ereignis der Rede teilhabenden Bevölkerung. Das Tondokument zeugt von einer extrem erregten, geradezu aufgeputschten Zuhörerschaft, die sich zu einem ungewöhnlich großen Teil bei den Ratifizierungen in verbalen Schmähungen ergeht. Domarus berichtet hierzu: "Als er geendet hatte, brachen die fanatisierten Massen, die schon bisher fast bei jedem Satz wie rasend applaudiert hatten, in minutenlange Beifallsstürme aus und wiederholten in Sprechchören die Eingangsworte von Goebbels: 'Führer befiel, wir folgen"' (Domarus 1965: 932).
Daß Domarus diesen Eindruck gewinnt, ist angesichts der Atmosphäre nicht verwunderlich. Beifallsstürme gibt es zum Schluß jedoch nicht, vielmehr erfolgen bei den beiden letzten Sequenzen zunächst 10 bis 20 "Heil"-Rufe, bis dann die Sprechchöre beginnen.
181 Auch der Eindruck des "minutenlangen" Applauses beruht auf Täuschung. Extrem langen Applaus gibt es jedoch, den längsten in Sequenz 101 mit über 56 Sekunden. Eine Kriegsbegeisterung, wie man sie aus den Publikumsäußerungen im Sportpalast heraushören könnte, gibt es in der Bevölkerung jedoch nicht: "Die 20000 hysterischen Berliner, die Goebbels zusammengetrommelt hatte, waren nicht das deutsche Volk" (Domarus 1965: 933). Die im Auftrag des Exilvorstandes der SPD herausgegebenen "Deutschland-Berichte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SoPaDe)" 49 geben einen Eindruck von der Rezeption dieser Rede und der herrschenden Stimmung in der Bevölkerung. Auch wenn davon ausgegangen werden muß, daß diese Zitate nicht repräsentativ sind für die Stimmung in der deutschen Bevölkerung, da sie aus einem Korpus stammen, der von Mitgliedern der von den Nazis zerschlagenen Arbeiterbewegung unter Gefahr für das eigene Leben zusammengetragen bzw. ins benachbarte Ausland verbracht worden ist, werfen diese Berichte doch ein Schlaglicht darauf. Auch andere Autoren berichten gestützt auf Quellen übereinstimmend, daß von Kriegsbegeisterung im Deutschland von 1938 keine Rede sein kann (vgl. z.B. Kershaw 1980, Steinert 1970; 1994): "Die Rede Hitlers im Berliner Sportpalast hat unter der Bevölkerung ungeheure Bestürzung hervorgerufen. [...] Besonders in den Betrieben gibt es lange Debatten. [...] Als in einer Diskussion allgemein die Ansicht vertreten wurde, daß Deutschland diesen Krieg verlieren werde, erklärte ein Amtswalter, jeder, der es wagen würde, mieszumachen, würde erschossen werden. Man hätte schon vorgesorgt" (Behnken 1982: 5Jg: 915).
Ein weiterer Bericht sagt aus: "Die Frage der Sudetendeutschen hat außer bei den kommandierten Kundgebungen in der Bevölkerung keinerlei Aufregung oder Empörung hervorgerufen. Alles, was das Volk über die "Befreiung der Sudetendeutschen" sagte, war: "Was werden die für Augen machen, wenn sie erst einmal befreit sind" (ebd.: 917).
Ein weiterer Bericht vermeldet: "Die gestrige Rede Hitlers im Sportpalast hat allem die Krone aufgesetzt. Wir waren erschlagen. Eine solche Hetze ist noch nicht dagewesen. [...] Übrigens hat die Sportpalastkundgebung den Schreck, der den Leuten bereits in den Knochen saß, noch erheblich vergrößert. Die Frauen sitzen schon zu Hause und weinen, weil Krieg kommen wird" (ebd.: 936).
Die Zitate demonstrieren, wie stark der Eindruck einer Rede vor Ort, d.h. der Eindruck auf das unmittelbar anwesende Publikum, und der medial vermittelte Eindruck differieren kann (wir nehmen dabei an, daß das Publikum zwar organisiert zustandegekommen ist, aber dennoch als unter dem Eindruck der Rede handelndes anzusehen ist). Die aufgepeitschte Menge im Sportpalast gibt es nur dort. Dies wirft ein neues Licht auf die Frage nach dem charismatisch bestimmten, auratischen Gemeinschaftserlebnis, von dem Hitlers Redeveranstaltungen gekennzeichnet seien. Es wird deutlich, daß sich dies nur dort, im Moment der Rede abspielen kann. Damit soll nicht gesagt sein, daß Hitlers Reden nicht erwartet, kommentiert und auch über das Radio
49
Im folgenden zitiert unter dem Namen des Herausgebers: Behnken (1982). Die DeutschlandBerichte wurden bis März 1938 in Prag, danach bis April 1940 in Paris herausgegeben.
182 ihre Wirkung entfalten. Der "Hitler-Mythos" (Kershaw 1980) lebt nicht nur von unmittelbarer Teilnahme an dessen Reden. Das spezifische Gemeinschaftserlebnis jedoch, für das diese Reden stehen, ist nur dort zu finden.
10.2.2.3
Performanz im Kontext 19.9.1939
Der Kontext der Rede vom 19.9.1939 ist die Niederlage Polens nach dem deutschen Überfall vom 1.9.1939 (vgl. Kap.4.2). Hitlers Rede ist die Rede eines Siegers, der die Lage unter Kontrolle hat, und dem sich bislang kein Widerstand von dritter Seite - England und/oder Frankreich - entgegengestellt hat. Gleichzeitig enthält die Rede zahlreiche Passagen, in denen Hitler den Überfall auf Polen als defensive Handlung einer ständig um Frieden bemühten Staatsführung darstellt, und damit legitimieren will. An diesem Beispiel läßt sich schlaglichtartig das Problem beleuchten, das daraus erwachsen kann, daß beim methodischen Ansatz dieser Arbeit eine Kommentierung im Grunde nicht erfolgt: Hitler lügt, deutet um und verschweigt. Daß wir dies hier an einem Detail der Rede anhand einer zeitgenössischen Quelle demonstrieren können, heißt nicht, daß dies bei den anderen Reden nicht auch der Fall ist, im Gegenteil. Allerdings würde eine umfassende historische Aufarbeitung und Kommentierung von Unstimmigkeiten in den Reden Hitlers den Rahmen dieser Arbeit sprengen, und ist auch nicht Teil der Fragestellung. Paul Schmidt, Chefdolmetscher im Auswärtigen Amt des III.Reiches, wohnte der Rede in Danzig bei, und schreibt - irrtümlich unter dem Datum des 20.9.1939 - dazu: "Interessant war mit, wie dem Publikum Dinge dargestellt wurden, die ich selbst miterlebt hatte. 'Ich hatte den neuen Vorschlag ausgearbeitet', erklärte Hitler unter Hinweis auf seinen Plan zur Regelung der polnischen Frage. 'Ich habe ihn am Abend des ersten Tages dem britischen Botschafter mitteilen lassen. Er ist ihm Satz für Satz vorgelesen worden, außerdem wurden ihm von meinem Außenminister noch zusätzliche Erklärungen abgegeben'. Deutlich stand mir wieder die Szene zwischen Ribbentrob und Henderson während der stürmischen Auseinandersetzung vor Augen, in der die 'zusätzlichen Erklärungen' fast in Handgreiflichkeiten ausgeartet wären. Daß in jener Nacht Henderson um den Text dieser Vorschläge gebeten, ihn aber nicht ausgehändigt erhalten hatte, davon vernahm ich trotz aufmerksamem Zuhören in Hitlers Rede auch nicht die Spur einer Andeutung. [...] Im übrigen war er siegesbewußt und 'unbeugsam', wie die deutsche Presse später seine Rede beschrieb" (Schmidt 1964: 470).
Wie die Rede vom 26.9.1938, weist auch diese Rede früh einsetzende Ratifizierungen auf. Schon nach der ersten Minute erfolgt ein extrem langer Beifall (12,4 Sek), der zudem rhythmisiert wird. Begleitet wird der Applaus von "Heil"-Rufen. Die nächsten beiden Ratifizierungen erfolgen im Abstand von ungefähr einer Minute zueinander etwa vier Minuten nach der ersten Ratifizierung. Danach erfolgen für ca. 8,5 Minuten keinerlei Publikumsäußerungen. Es wird deutlich, daß es keine Rolle zu spielen scheint, ob eine Rede in der Halle oder im Saal gehalten wird. Zumindest muß es noch andere Faktoren geben, die den Interaktionsverlauf bzw. die Qualität der Interaktion beeinflussen. Das Publikum 1939 ist in entscheidenden Punkten ein anderes als 1938. Es besteht aus Danziger Parteifunktionären. Der Kreis ist somit nicht nur kleiner, sondern man ist auch sozusagen "unter sich". Die
183 Bevölkerung verfolgt die Rede vor dem Gebäude an Lautsprechern50 bzw. am Radio. Beide, das große Publikum von 1938 und der kleinere Kreis von 1939, kommen rasch in Kontakt mit dem Redner. Die Ratifizierungen der ersten Sequenzen sind zwar jeweils unterschiedlich, jedoch beide Male auf spezifische Weise emphatisiert, 1938 durch Trampeln, 1939 durch Rhythmisierung desApplauses. Dies ist ein wichtiges Vergleichsdatum zu den beiden anderen Saalreden des Korpus, 1943 und 1944, wo in der Tat vergleichsweise sehr lange Anlaufzeiten bis zur ersten Ratifizierung festzustellen sind, auch deutlich längere als am 10.2.1933. Die Schlußfolgerung, die wir aus dem Vergleich dieser beiden letzten Reden mit der Rede von 1939 und der von 1933 ziehen, ist, daß die langen Anlaufzeiten 1943 und 1944 nicht, zumindest nicht in erster Linie, auf die Säle als Veranstaltungsorte zurückzuführen sind, sondern auf die Semantik der Reden (Semantik bestimmt Stil und Prosodie: vgl. These in Kap.10.2.1) und die historisch politischen Kontexte. Eine zweite Schlußfolgerung ist, daß 1938 und 1939 interaktiv im Prinzip dasselbe abläuft: Publikum und Redner "finden sich" sofort. Der Unterschied der politischen Situation zwischen Ende September 1938 und Mitte September 1939 spiegelt sich in der adversiven Semantik der beiden Reden wider: 1938 nehmen Häme und Ironie noch eine untergeordnete Bedeutung ein. Hitler droht und diffamiert vor allem, wobei die an den tschechoslowakischen Staatspräsidenten Beneä gerichteten Beleidigungen eine zentrale Rolle einnehmen. Hitler steht im September 1938 vor einer Aktion, der Besetzung zunächst eines Teils der Tschechoslowakei, von der er nicht wissen kann, wie sie für ihn ausgeht. Am 19.9.1939 spricht Hitler nach einer für ihn "erfolgreichen" Aktion - dem Überfall auf Polen. Die Semantik ist eine andere: Jetzt stehen hämische Äußerungen anteilsmäßig an zweiter Stelle nach der Diffamierung, und haben im Vergleich zu 1938, bezogen auf den Anteil innerhalb der adversiven Sequenzen, um mehr als das dreifache zugenommen. Die Drohung steht jetzt anteilsmäßig vor der Ironie, die im Vergleich zu 1938 leicht zugenommen hat, an dritter Stelle (Grundlage für alle diese Berechnungen: Tab.40). Die Rede vom 19.9.1939 ist die adversivste des Korpus (75% aller Sequenzen, vgl. Tab.40), was bedeutet, daß einerseits die Qualität eine andere ist, andererseits die adversive Intensität deutlich zugenommen hat (1938: 59,8%). Adversive Qualität und Intensität erklären sich vor dem Spiegel der historisch politischen Situation: Der Krieg hat begonnen und nimmt einen bis dahin für NS-Deutschland "positiven" Verlauf. Auch prosodisch spiegelt sich der kontextuelle Unterschied zwischen September 1938 und Oktober 1939 wider: Während Hitler 1938 schon von Anfang an sehr laut spricht und viel skandiert, ist die Rede von 1939 die "leiseste" des Korpus: Eine mit dem September 1938 vergleichbare prosodische Emphase oder Spannung wie auch immer, ist bei der Rede von 1939 nicht festzustellen. Der Vergleich ist problematisch wegen der örtlich stark unterschiedlichen Rahmung, die einen direkten Vergleich im Grunde unmöglich macht. Wir wollen die unterschiedliche prosodische Realisierung dennoch wenigstens als Indiz für einen veränderten historisch-politischen Kontext anführen.
50
Vgl. VB Nr.264 vom 21.9.1939 (Norddeutsche Ausgabe): 6: Dem Bericht zufolge "[...] ist das deutsche Volk von Danzig der Rede des Führers gefolgt".
184 10.2.2.4
Performanz im Kontext 30.1.1940
Auch am 30.1.1940 treten schon kurz nach Beginn mehrere Ratifizierungen auf, die diese Rede diesbezüglich in eine Reihe stellen mit den Reden von 1938 und 1939. Nach den vier dicht aufeinanderfolgenden ersten Ratifizierungen erfolgen Publikumsäußerungen in größeren Abständen von 2 bis 4 Minuten, d.h. es folgt, vergleichbar mit den beiden anderen angeführten Reden, eine interaktiv ruhigere Passage. Ende Januar 1940 hat sich die politische Situation seit Mitte Oktober 1939 nicht grundlegend verändert. Noch immer sind von Seiten Englands und Frankreichs keine kriegerischen Handlungen erfolgt (vgl. Kap.4.2). Die deutschen Besatzer in Polen haben sich etabliert. So kann sich Hitler ein viertel Jahr nach dem Überfall auf Polen ohne alliierte Gegenmaßnahmen umso mehr als unantastbarer Sieger in Szene setzen, und das Jubiläum der nationalsozialistischen Machtübernahme in seiner Rede entsprechend begehen. Semantisch gibt diese Rede nach der Rede von 1939 ein stark verändertes Bild wider, was nun vom 10.2.1933, über den 26.9.1938 und den 19.9.1939 eine Entwicklung zeigt. Wie die Analyse ergibt (Kap.8/Tab.40) zeigt sich Hitler am 30.1.1940 vor allem hämisch. An zweiter Stelle steht die Ironie, eine bis hierher untergeordnete Kategorie. Die am wenigsten vorkommende adversive Kategorie ist die Drohung, die bislang immer relativ stark vertreten war: Hitler hat es offenbar in der Stituation, in der er sich Ende Januar 1940 befindet, deutlich weniger nötig, zu drohen: Im Innern gibt es längst keine handlungsfähige Opposition mehr, deren Organisationen seit langem zerschlagen sind. Im Äußeren liegt die Initiative anscheinend allein auf deutscher Seite. Militärische alliierte Gegenmaßnahmen zeichnen sich nicht ab. Prosodisch ist auch diese Rede wie die Rede von 1939 - und hier können wir einen weniger problematischen Vergleich zu den anderen Reden ziehen, da die Rede von 1940 auch im Sportpalast stattfindet - deutlich ruhiger als die Reden vom 10.2.1933 und 26.9.1938. Im Januar 1940 zeigt sich Hitler insgesamt - bei selbstverständlich auftretenden Lautstärkespitzen - geradezu entspannt. Besonders in den zahlreichen hämisch-ironischen Sequenzen kommt dies zum Ausdruck. Auch Skandieren kommt z.B. so gut wie nicht vor. Die auf die veränderten historisch-politischen Umstände zurückzuführende qualitative Zusammensetzung der adversiven Semantik zieht qualitativ veränderte Publikumsäußerungen nach sich: Das Publikum lacht, und das gleich zu Anfang. Hitler und das Publikum benötigen nicht nur keine Phase der Kontaktsuche und -aufnähme mehr, sondern Hitler kann sich von Anfang an kommunikativ riskante Äußerungsformen wie Ironien leisten, die von den Adressaten verstanden werden müssen, um ratifiziert zu werden. Die Rede vom 30.1.1940 "zündet" von Anfang an. Die "Meldungen aus dem Reich" des Sicherheitsdienstes der SS (SD) 51 sprechen "von einem besonders guten Eindruck der Rede im deutschen Volk", und weiter: "Das Bedürfnis, den Führer wieder einmal sprechen zu hören, war nach verschiedenen Meldungen in letzter Zeit vielfach geäußert worden. Der Gesamteindruck der Rede war der, daß [...] die Ruhe und Zuversicht, mit welcher der Führer über den Krieg sprach, sich auf die Öffentlichkeit übertrug und viele Zweifler zum Schweigen brachte. Am stärksten beeindruckten die Bevölkerung die Abrechnung des Führers mit Chamberlain und Daladier und die Stelle der Rede, in der er
51
Im folgenden zitiert unter dem Namen des Herausgebers: Boberach (1984/85).
185 davon sprach, daß er in den vergangenen 5 Monaten nicht geschlafen habe. In einigen Meldungen wird berichtet, daß in den Gesprächen der Fabrikarbeiter großer Betriebe geäußert wurde, der Führer habe es den Engländern und Franzosen dieses Mal ordentlich gegeben. Aus allen Teilen der Ostmark wird gemeldet, daß die besondere Erwähnung der Ostmärker in der Führerrede oft große Begeisterung in der Bevölkerung hervorgerufen habe. [...] In Berlin war der Ansturm auf den Sportpalast ungeheuer groß, obwohl es in der Allgemeinheit erst sehr spät bekannt wurde, daß der Führer am Abend des 30. Januar dort sprechen würde" (Boberach 1984/85: 716).
Der Betonung der positiven Aufnahme der Rede bei Fabrikarbeitern in den "Meldungen aus dem Reich" steht die Abwesenheit jeglichen detaillierten Kommentars in den "Deutschland-Berichten" der SPD (Behnken 1982) entgegen, ein Indiz dafür, daß die vom SD erhobenen "Meldungen" diesbezüglich wohl stimmen. Es werden keine kritischen Stimmen speziell zur Rede aus Arbeiterkreisen überliefert (wohl aber werden zu diesem Datum bzw. engeren Zeitraum Beispiele von NS-Kriegspropaganda über die Kriegsgegner aus einer Vielzahl von Zeitungen zitiert). Möglicherweise haben wir hier ein Moment vor uns, das demonstriert, wie unterschiedlich die Partei, bzw. kriegsbedingt und/oder regimebedingt veränderte Lebensumstände im Gegensatz zur Person Hitlers in der Bevölkerung beurteilt werden. Verkürzt formuliert wird die Person Hitlers über lange Zeit in breitesten Kreisen der Bevölkerung von jeglicher Kritik ausgenommen. Dies ändert sich erst relativ spät (vgl. Kershaw 1980, Steinert 1994). So könnte man das Ausbleiben von Kritik an dieser Hitlerrede in den "Deutschland-Berichten" bei gleichzeitiger Kritik an anderen Dingen aus dem Alltag im Nazi-Deutschland mit Hitlers Popularität zu dieser Zeit, d.h. mit der Wirksamkeit des "Hitler-Mythos" (Kershaw) erklären.
10.2.2.5
Performanz im Kontext 30.9.1942
Die Rede vom 30.9.1942 stellt, was die Interaktionsverläufe betrifft, den Höhepunkt innerhalb des untersuchten Korpus dar. Wie bereits mehrfach herausgestellt, ist die erste Phase die dichteste des Korpus und, darüberhinaus, von besonders großer Dichte. Lacht das Publikum 1940 bei 4 Sequenzen am Beginn der Rede, so belacht es 1942 in einem Zeitraum von 14 Minuten von Anfang an die meisten der in dieser Phase auftretenden 26 ratifizierten Sequenzen. Die Stimmung ist von Anfang an geradezu ausgelassen und der rhetorische Erfolg unbesteitbar. Die adversiv-semantische Analyse ergibt jedoch, daß 1942 bei zwei Kategorien - im Vergleich zu den anderen Reden - quantitativ bestimmte Scheitelpunkte überschritten sind, die auf einschneidende Veränderungen hindeuten. Die Ironie nimmt nach 1940, wenn auch nur leicht, ab. Sie ist dabei immer noch ein zentrales Charakteristikum dieser Rede. Die Drohung hat jedoch, nach dem geringen Vorkommen bei der Rede von 1940, sehr stark zugenommen und stellt 1942 die zweitstärkste Kategorie dar. Sie ist 1942 zu einem fast gleich starken prozentualen Anteil vertreten wie 1938 (jeweils zwischen 37% und 38%; als Berechnungsgrundlage dient Tab.40). Vorherrschende Kategorie bei beiden Reden - 1940 und 1942 - ist die Häme als "sich in Worten äußernde Boßheit, Gehässigkeit Mißgunst" (Duden 1993), als Kennzeichen der Überheblichkeit eines Siegers, der, wie die Geschichtsschreibung längst gezeigt hat, Ende 1942 (wenn nicht schon lange vorher) nur noch ein vermeintlicher ist.
186 Die in entscheidenden Punkten veränderte semantische Konstellation der Kategorien erklärt sich vor dem Spiegel der Historie. Wie in Kap.4.2 dargelegt, trifft die deutsche Wehrmacht in der Sowjetunion im Winter 1941/1942 erstmals auf verstärkten Widerstand und klimatische Verhältnisse, die den deutschen Vormarsch zum Halten bringen. Damit endet die Zeit der "Blitzkriege" und deutschen Siege. Zum Zeitpunkt der Rede blickt das III.Reich zwar auf eine noch einmal "erfolgreiche" Sommeroffensive im Osten zurück, jedoch schlägt Hitler was den Kriegsverlauf betrifft - dies fällt aus der hier gewählten semantischen Kategorisierung heraus - deutlich rechtfertigende, erklärende Töne an. Das ist z.B. am 30.1.1940 noch nicht der Fall. Wie die "Meldungen aus dem Reich" aussagen, wurde "als eine der bemerkenswertesten Stellen der Filhrerrede [...] zumeist jener Teil angesehen, in dem der Führer davon sprach, daß 'das deutsche Volk seine schicksalsschwerste Prüfung im Winter 1941/42 überstanden' [Hervorh. im Text/Redezitat; H.-R.B.] habe. Diese bewußte Hervorhebung durch den Führer hat wesentlich zur Festigung des Vertrauens in die deutsche Kriegsführung und der Zuversicht auf den deutschen Endsieg beigetragen" (Boberach 1984/85: 4259).
Ob es sich um eine "bewußte Hervorhebung" Hitlers handelt, wie der Berichterstatter vom SD meint, sei dahingestellt. Wichtig ist die Tatsache, daß der Erwähnung des Winters in Hitlers Rede offenbar besondere Aufmerksamkeit in der Bevölkerung zuteil wird. Sowohl unter dem 1.10.1942 als auch unter dem 5.10.1942 wird übereinstimmend berichtet, diese Passage sei in der Bevölkerung als die zentrale Stelle der Rede wahrgenommen worden (vgl. Boberach 1984/85: 4259,4279). Außerdem vermerken die "Meldungen" als zentral rezipierte Stellen die "Ausführungen über den Ausbau [...] des eroberten Ostraumes", weil man sich davon eine bessere Ernährungslage erhoffe (ebd.: 4279), und die "Versicherung des Führers, daß die von England begonnenen Terrorangriffe auf die deutsche Zivilbevölkerung in schärfster Weise vergolten werden" (ebd.: 4260). Es wird betont, daß die Hoffnung darauf bestehe, "wenn auch der Führer bei früherer Gelegenheit schon mehrfach von der kommenden Vergeltung gesprochen habe, ohne daß jedoch diesen Worten besonders im Sommer dieses Jahres die Tat gefolgt sei" (ebd.). Interessant an den Berichten zu dieser Rede ist die Kombination aus Zweifel am "Führer" (vgl. oben zitierte Stelle) bei gleichzeitiger "Festigung des Vertrauens" (ebd.: 4259). Offenbar wird dabei dieses "Vertrauen" schon allein durch die Tatsache bewirkt, daß Hitler überhaupt spricht: "Die Eröffnung des Kriegswinterhilfswerks 1942/43 durch den Führer kam den meisten Volksgenossen überraschend. [...] Schon der Beginn seiner Rede habe in überzeugender Weise bewiesen, daß sich der Führer aller Feindpropaganda und böswillligen Gerüchten zum Trotz ungebrochener Gesundheit erfreue und von unerschütterlichem Glauben an den deutschen Endsieg beseelt sei" (ebd.).
Neben der "restlosen Zerstreuung der [...] Gerüchte" um den Gesundheitszustand Hitlers als Wirkung der Rede (ebd.: 4279) wird auf die große Bedeutung von Auftritten Hitlers allgemein hingewiesen:
187 "Mehrfach war von Volksgenossen nach der Führerrede der Wunsch zum Ausdruck gekommen, daß der Führer doch öfter zum deutschen Volke sprechen möge, da man durch seine Worte wie durch kein anderes Ereignis innerlich aufgerichtet werde und neuen Mut erhalte" (ebd.).
Mit Blick auf unser in der Interpretation herangezogenes Erklärungsmodell "Hitler als Charismatiker" ist festzuhalten, daß sich schon mit dieser Rede eine Änderung abzeichnet, die in der Folge - 1943 bis 1944(1945) - offensichtlich wird. Der charismatische Führer (gemeint ist hier "Führer" im Sinne von Max Weber als Typ des charismatischen Führers, nicht Hitler als historische Figur) tritt deutlich seltener auf und wird gleichzeitig ersehnt (was gerade eine Folge dieses seltener gewordenen Auftretens in der Öffentlichkeit ist). Das Vertrauen der Gefolgschaft in den Führer ist im Wesentlichen noch ungebrochen, wenn auch die Quellen leichte Hinweise auf eine Erschütterung diesbezüglich geben. Sein Auftreten hat therapeutische Funktion, indem er Zweifler wieder auf den (vermeintlich) festen Boden der "Tatsachen" stellt. Die rhetorische "Arbeit", die Hitler in dieser Rede aufbringt ist enorm. Die ratifizierten Sequenzen sind zu einem sehr hohen Prozentsatz formal stilisiert (dem höchsten des Redekorpus), so daß wohl aus diesem Grund in der dichtesten Phase der Rede keine Steigerung mehr feststellbar ist. Die Steigerung in der Interaktionsdichte spiegelt sich jedoch prosodisch wider: In der dichtesten Phase tritt vermehrt gesteigerte Lautstärke auf. Wie wichtig die genannte "therapeutische Funktion" der Reden Hitlers von nationalsozialistischer Seite aus genommen wird, zeigt sich deutlich, wenn man die Zeit danach hinsichtlich Hitlers Auftreten in der Öffentlichkeit betrachtet (vgl. Goebbels 1993 weiter unten). Die Rede vom 30.9.1942 war die letzte Rede Hitlers im Sportpalast. 1943 wird er noch drei öffentliche Reden halten, keine jedoch in so großem Rahmen. Hitler hält am 21.3.1943 eine kurze Rede zum "Heldengedenktag" im Berliner Zeughaus, am 8.5.1943 eine Ansprache im Mosaiksaal der Reichskanzlei anläßlich der Trauerfeier zum Tod des Stabschefs der SA Lutze und am 8.11.1943 eine Rede im Löwenbräukeller in München anläßlich des Gedenktages an den gescheiterten Hitler-Putsch vom 8.11.1923. Letztere ist die zentrale Rede dieses Jahres was die Rezeption in der Bevölkerung anbelangt, und wurde deshalb in das Korpus der Untersuchung aufgenommen. Beredte Zeugnisse über Hitler als Redner Anfang 1943 finden sich in Walter Kempowskis "Echolot", einem "kollektiven Tagebuch" vom Januar und Februar 1943: Vor allem sprechen die Quellen, so sie denn Bezug auf Reden Hitlers nehmen, vom Ausbleiben der Hitler-Rede am 30. Januar. Exemplarisch sei die sarkastisch-ironische Aufzeichnung von Fritz Lehmann (1904-1956) unter dem Datum vom 31.1.1943 zitiert: "Es hat ihm die Rede verschlagen - und das will viel bedeuten. Gestern, am 10. Jahrestag der Machtergreifung, immerhin einem Markstein in der jetzigen schnelllebigen Zeit, hat der größte Redner aller Zeiten, wie er von seinen Getreuen genannt wird, es nicht gewagt, öffentlich aufzutreten; er hat einige der untergeordneten Akteure mit seiner Vertretung beauftragt. 'Sehr ernst' sollen sie gesprochen haben, die Herren Göring und Goebbles, so versichern alle, die dabei am Radio gesessen haben, und das läßt sich wohl glauben" (Kempowski 1993: Bd.II: 653).
188
10.2.2.6
Performanz im Kontext 8.11.1943
Im Vorfeld der Rede vom 8.11.1943 geben die Tagebücher von Goebbels einen deutlichen Hinweis auf den Stellenwert, den Hitlers Reden in der nationalsozialistischen Propaganda einnehmen. Es wird deutlich, daß Hitler zunehmend gedrängt werden muß, zur Bevölkerung zu reden. In Anlehnung an Max Weber (1980) kann man anhand dieser historischen Daten festhalten, daß der charismatische "Führer" (hier als Herrschertyp zu verstehen) sich zunehmend von seiner Gefolgschaft entfernt. Dieser Schritt geht von Hitler aus, nicht von einer Mehrheit seiner Gefolgschaft. Unter dem 10.9.1943 diktiert Goebbels: "Was die Lage im Reich selbst anbelangt, so plädiere ich beim Führer energisch dafür, daß er nun endlich zum deutschen Volke spricht. Ich führe alle mir zur Verfügung stehenden Argumente an, und es gelingt mir, den Führer von meinen Forderungen zu überzeugen. Eigentlich will er noch nicht recht, da er, wie er sagt, die Entwicklung in Italien noch nicht richtig überschaut. Aber darauf kann jetzt nicht mehr gewartet werden. Das Volk hat ein Anrecht darauf, daß der Führer ihm in dieser schweren Krise ein Wort der Aufmunterung und des Trostes sagt" (Goebbels 1993, Bd.9: 468).
Unter dem selben Datum, aber wohl bezogen auf einen späteren Tag (seit 1941 diktiert Goebbels seine Tagebücher), ist dann vermerkt: "Gott sei Dank hat der Führer seine Rede ausgearbeitet. Sie umfaßt etwa 20 Schreibmaschinenseiten und soll auf meinen Vorschlag Freitag nachmittag um 5 Uhr aus dem Führerhauptquartier über den Rundfunk übertragen werden. Ich werde sie dann verschiedentlich noch wiederholen lassen, damit sie von jedem an der Front und in der Heimat abgehört werden kann" (ebd.: 475).
Unter dem 11.9.1943 heißt es: "Wir lassen [...] dem Führer etwas Zeit zum Korrigieren seiner Rede, und er geht auch tatsächlich daran. Es gelingt meinem ewigen Drängen und Bitten, ihn doch dazu zu bewegen, die Rede für den Abend ansetzen zu lassen" (ebd.: 485).
Weiter unter diesem Datum zeigen die Aufzeichnungen geradezu überdeutlich, wie wenig Hitler noch willens ist, sich der Bevölkerung öffentlich zu stellen, öffentlich zu sprechen erweist sich offensichtlich als eine in hohem Maße unangenehme und lästige Aufgabe für ihn. Als treibende Kraft zeigt sich Goebbels, der ihn geradezu ans Mikrophon zieht (Möglicherweise stellt sich Goebbels in seiner Selbstdarstellung noch energischer dar, als es tatsächlich war. Dennoch gehen wir davon aus, daß die Angaben in der Sache richtig sind): "Der Führer macht mit mir noch einen Spaziergang durch die um das Hauptquartier liegenden Waldungen. Ich plädiere noch einmal energisch dafür, daß die Rede am Abend gehalten werden soll. Wir lesen sie gemeinsam noch einmal in einer letzten Korrektur.[...] Ich bringe den Führer dann vor das Mikrophon und lasse die Rede, die vom Führer in außerordentlich wirkungsvoller Weise vorgelesen wird, zuerst Uber die Leitung nach Berlin auf Magnetofonband sprechen. Ich bin richtig glücklich [...]. Damit hätte ich also den Führer endlich wieder seit dem Heldengedenktag im März vor das Mikrophon gebracht [...] Der Hauptzweck meiner Reise ist erfüllt. [...] Auch der Führer scheint mir sehr glücklich zu sein, daß er nun endlich die Rede abgestoßen hat" (ebd.: 486).
189 Das Versprechen Hitlers, "demnächst zur Eröffnung des Winterhilfswerks wieder einmal im Sportpalast zu sprechen" (ebd.: 487) wird nicht mehr erfüllt werden. Goebbels' Vorhaben, "da [...] dafür [zu; H.-R.B] sorgen, daß er wieder Geschmack daran bekommt, unmittelbar mit dem Volke Kontakt zu suchen" (ebd.), ist zu diesem Zeitpunkt schon unrealistisch: Der Führer will bzw. traut sich offenbar nicht mehr. Kommen wir zur hier analysierten Rede vom 8.11.1943. Auch hierzu lassen die Aufzeichnungen von Goebbels deutlich das Kalkül erkennen, durch eine Rede des "Führers" therapeutisch wirken zu können. Auch die Erleichterung, den "Führer" zum Reden gebracht zu haben, wird wieder deutlich: "Diese Rede wird sicherlich auf das deutsche Volk eine tiefe Wirkung ausüben.f...] Ich bin sehr froh, daß der Führer nach so langer Zeit wieder einmal vor der Öffentlichkeit das Wort ergriffen hat. Es war auch die höchste Zeit. Bei dieser Rede handelte e s sich sozusagen um das erlösende Wort" (Goebbels 1993, Bd. 10: 262).
Wie ist der äußere Kontext im November 1943? Während die Welt für NS-Deutschland im September 1942 (scheinbar) noch "in Ordnung" ist - die Niederlage in Stalingrad und die darauf einsetzende sowjetische Offensive steht noch bevor - hat sich das Blatt im November 1943 nicht nur auf dem östlichen Kriegsschauplatz in entscheidenden Punkten gewendet (vgl. Kap.4.2). Nach der Rede vom 30.9.1942 findet eine Zäsur statt, die die Wende im Kriegsverlauf zugunsten der Alliierten bedeutet, d.h. die die Niederlage der Nazi-Herrschaft konkret einläutet. Dies spiegelt sich zum einen am Rednerverhalten wider - keine Hallen-Reden mehr - zum andern läßt sich das auch an den Reden selbst zeigen. Kommen wir zur Eingangspassage der Rede vom 8.11.1943. Die ersten neuneinhalb Minuten erfolgen keine Ratifizierungen. Die erste, die dann erfolgt ist nicht besonders gekennzeichnet, aber auch nicht als "erfolglos" einzuschätzen. Auffallend ist das über die ganze Rede hinweg immer wieder festzustellende Lachen Hitlers während des Sprechens. Hitlers lachendes Sprechen ist interpretierbar als abwiegelnde Strategie, die darüberhinaus eine bestimmte Art der Ratifizierung evozieren will: Ein Lachen aus dem Publikum. Dieses erfolgt zwar, jedoch lange nicht so häufig, wie bei den Reden vom 30.1.1940 oder dem 30.9.1942. Folgende Passage zwischen den Sequenzen 45 und 46/1943 wird z.B. nicht ratifiziert, obwohl es von der Pausenorganisation her möglich wäre: Das als lächerlich dargestellte wird nicht so empfunden, und dementsprechend auch nicht ratifiziert. Passage zwischen den Sequenzen 45 und 46/1943: 01 [ . . . ] « n > daher ((unverst.)) mag sich jeder dieser ausländischen Staatsmänner von einem Gedanken (.) wirklich freimachen (.) nämlich den Gedanken daß die deutsche Führung wirklich die Ne(he)rven verli(hi)eren ((lachend gesprochen)) wird (.) oder daß sie vielleicht jemals schwach wird (.) alles ist denkbar aber nur das nicht > (.)
Auch folgende Stelle zwischen den Sequenzen 46 und 47/1943 ist ein Beispiel dafür, wie Hitler die von ihm propagierte Lächerlichkeit nicht vermitteln kann. Dieses Mal ist nicht nur das lachende Sprechen auffällig, sondern darüberhinaus eine dramatisierende Prosodie, ein Skandieren, das sich in dichterer Akzentuierung bei deutlich langsamerer Sprechweise ( = "rallentando") ausdrückt. Es lacht denoch niemand:
190 Passsage zwischen den Sequenzen 46 und 47/1943: 01 [...] « n > so haben wir dank dieser gnädigen Hilfe des Allmächtigen es fertigbringen können gegen eine Welt der Übermacht diesen Kampf erfolgreich weit Uber die Grenzen des Reiches hin; auszutragen (.) « r a l l > u(hu)nd da isoChoMlte dann [e£he]iner so [schamlo(ho)s sein ((lachend gesprochen)) und > « g > verzweifeln oder gar an der Gnade der Vorsehung irre werden > (.)
Die "Meldungen aus dem Reich" bezeugen einen großen Erfolg Hitlers: "Es habe, so heißt es in den Meldungen, den Volksgenossen einen großen Auftrieb gegeben, daß der Führer trotz der kritischen Lage an der Ostfront nach München gekommen war, um vor der Alten Garde zu sprechen" (Boberach 1984/85: 5987).
Diese Rede gehört zu denjenigen, die in der dichtesten Phase mehr markierte Lautstärke aufweisen als die selbe Rede im Durchschnitt (vgl. die Reden von 1933, 1939 und 1942). Allerdings ist die Stilisierung 1943 nicht parallel ausgeprägt: Sie wird in der dichtesten Phase im Verhältnis zum Rest der Rede weniger. Somit ist das Moment der interaktiven Steigerung bezüglich Stil und Prosodie widersprüchlich ausgeprägt. Adversiv-semantisch hat sich die Entwicklung, die sich mit der Rede von 1942 abgezeichnet hat, fortgesetzt: Jetzt ist die Drohung die stärkste Kategorie. Häme nimmt in etwa den Stellenwert ein, den 1942 die Drohung einnimmt. Ironie ist fast ganz verschwunden: Der Prozentsatz von 4,5% beruht auf einer einzigen Sequenz. Die semantische Analyse spiegelt die äußere Situation wider: Zu ironischer Überlegenheit ist kein Anlaß mehr gegeben, und zu drohen bedeutet zwar einerseits eine aggressive d.h. attackierende Handlung, andererseits ist diese Handlung als Rede rein verbal, und kündigt als Sprechakt ein geplantes Vorhaben an, das dem Sprechakt des Drohens folgen soll: In der Situation im November 1943 ist das praktisch nicht mehr möglich, wobei wir allerdings davon ausgehen müssen, daß die Zeitgenossen der Rede nicht den Überblick haben konnten, den die Geschichtsforschung bis heute ermöglicht hat. Eindruck hat die Rede offenbar gemacht: Die Quellen sprechen durchaus von einer im Sinne Hitlers positiven Wirkung: Goebbels schreibt von einem "ungeheuren Eindruck" in der Bevölkerung, und bemerkt: "Vor allem ist das Volk schon beruhigt darüber, daß der Führer überhaupt gesprochen hat". Besonders habe die "Androhung einer Vergeltung gegen England und das Versprechen, in kürzester Zeit nach dem Kriege die zerstörten Städte wieder aufzubauen [...] große Begeisterung ausgelöst. [...] Die Wirkung ist geradezu frappierend. Besonders der Passus in der Fuhrerrede, das deutsche Volk möge beruhigt sein, der Sieg werde unserer Seite zufallen, hat wie Balsam auf offene Wunden gewirkt" (Goebbels 1993, Bd. 10: 274).
Man muß sich natürlich fragen, welchen Wert die Aussagen von Goebbels haben, d.h. inwieweit in seinen Notizen mehr der Wunsch als Vater des Gedankens ausgedrückt wird, als daß er eine mehr oder weniger realistische Einschätzung trifft. Das Vorkommen kritischer Überlegungen Goebbels' zur Rede kann dabei als Hinweis herangezogen werden, daß auch andere Einschätzungen Goebbels' diesbezüglich näher an der Realität sind, als eine quellenkritische Lektüre vielleicht annehmen könnte. So führt er kritisierend aus:
191 "Wenn der Führer auch einige Wiederholungen gebraucht hat, die die Durchschlagskraft der Rede etwas mindern, so kann doch nicht davon gesprochen werden, daß das den breiten Massen aufgefallen wäre" (ebd.).
Auch die "Meldungen aus dem Reich" verzeichnen einen erfolgreichen Auftritt Hitlers. Die Rede habe die verbreitete "Resignation" beseitigt und damit zu einer "hoffnungsvolleren Beurteilung der Lage" geführt (Boberach 1984/85: 5994). "Nun, da der Führer gesprochen habe, 'sehe alles gleich wieder etwas anders aus' [Hervorh. im Text; H.-R.B.]. Solche und ähnliche Redewendungen könne man oft hören" (ebd.). Die Rede sei "wohltuend" gewesen, und habe beruhigend gewirkt (ebd.). "Tiefen Eindruck habe der Hinweis des Führers hinterlassen, daß er trotz aller Belastungen, die der Krieg für ihn bringe, niemals die Nerven verlieren werde" (ebd.). Wir haben hier deutliche Indizien vorliegen, die darauf hinweisen, wie erwartet Auftritte und Worte Hitlers noch waren. Die Aufzeichnungen von Goebbels zeigen dabei, daß dieser sich dieser Tatsache bewußt ist, und er Hitler deshalb geradezu bedrängt, zur Bevölkerung zu sprechen. Auch die Drohungen - die Rede ist, wie 1942, von "Vergeltung" etc. - werden offenbar noch für realistisch angesehen (zumindest sagen das die nationalsozialistischen Quellen aus). Interpretierend vergleichend kommt man jedoch gerade über diese semantische Spur zu dem Schluß, daß die Überlegenheit geschwunden ist: Mittels Drohungen ist Überlegenheit nicht darzustellen, sondern, wenn man so will, nur die Absicht, überlegen zu sein. Zur demonstrativ in Worte (und Szene) gesetzten Überlegenheit Hitlers gehörten bislang Mittel wie Häme und Ironie, Strategien, die nun deutlich zurückgegangen sind.
10.2.2.7
Performanz im Kontext 24.2.1944
Die Rede vom 24.2.1944 ist in der Konstellation der semantischen Kategorien ähnlich wie die Rede vom 8.11.1943: Die Drohung steht an erster Stelle der Kategorien, sie ist dabei prozentual noch etwas mehr geworden. Häme, ebenfalls an zweiter Stelle, bleibt in etwa gleich (1943 und 1944 deutlich zurückgegangen im Vergleich zu 1942), Ironie und Diffamierung nehmen beide ab (Ironie ist wiederum nur mit einer Sequenz vertreten, d.h. praktisch nicht). In der dichtesten Phase wird Hitler im Vergleich zur übrigen Rede weniger formal stilisiert und auch weniger laut. Im Unterschied zu 1943 wird Hitler in dieser Rede gegen Ende zu wieder verstärkt adversiv (drohend), wie es auch bei den Reden von 1938 und 1942 festzustellen ist. Nur ist im Februar 1944 die materielle Basis im III.Reich dazu nicht mehr gegeben. Das wichtigste Datum zu dieser Rede ist, daß sie für die zeitgenössische Öffentlichkeit nicht stattgefunden hat (vgl. Kap.4.1).52 Auch der Chronist seiner Reden und sonstigen Verlautbarungen, Domarus, schreibt:
52
Wie anfangs erwähnt, ging das Tondokument erst nach Beginn dieser Arbeit beim Deutschen Rundfunkarchiv ein, d.h. es handelt sich um einen bis in unsere Gegenwart unbekannten Text, der aus diesem Grund als Transkript erstmals veröffentlicht in den Anhang dieser Arbeit aufgenommen wurde.
192 "Hatte Hitler in den Jahren 1942 und 1943 schon nicht mehr an der Parteifgriindungsfeier in München am 24. Februar teilgenommen, sondern nur Proklamationen gesandt, so ließ er im Jahre 1944 die ganze Veranstaltung ausfallen" (Domarus 1965: 2088).
Dies ist, wie wir nun wissen können, nachweislich nicht richtig, und gleichzeitig in einem gewissen Sinne doch, da nichts über die Rede nach außen gedrungen ist (vom geladenen Publikum, dessen Angehörigen etc. sei abgesehen), weder über Radio noch in der NSPresse (Im Jahr 1944 hat Hitler noch einen relativ öffentlichen Auftritt, die Rede beim Staatsakt für Generaloberst Dietl vom 1.7.1944 in Berlin. 1945 hört man ihn nur noch zweimal über den Rundfunk). Die einzigen Hinweise zur Rede, neben dem Tondokument selbst, finden sich bei Goebbels. So steht unter dem 23.2.1944: "Der Führer hat die Absicht, nach München zu kommen und auf der Parteigründungsfeier eine große Rede zu halten. Es wäre gut, wenn der Führer bei nächster Gelegenheit auch einmal Berlin oder eine andere Luftkriegsstadt besuchte. Ein solcher Besuch ist jetzt dringend fällig und wird auch vom Volk erwartet. Der Führer hat bisher noch keine Luftkriegsstadt durch seinen Besuch ausgezeichnet. Das kann auf die Dauer nicht durchgehalten werden" (Goebbels 1993, B d . l l : 332).
Das Drängen Goebbels und der Gedanke an die therapeutische Wirkung Hitlers in der Öffentlichkeit begegnet uns hier, nach dem 8.11.1943, einmal mehr. In München hält er, so Goebbels, "eine außerordentlich frische Rede, jedenfalls so frisch, wie man sie seit langem nicht mehr von ihm gehört hat" (ebd.: 347). Die "riesigen Beifallsstürme", die bei Goebbels vermerkt sind, kommen zwar noch vor, vor allem in der letzten Phase, allerdings ist auch die Anzahl der "verkürzt" auftretenden Ratifizierungen (Applaus unter 7 Sekunden Dauer) wie wir gesehen haben insgesamt so hoch wie nie (vgl. Kap.9.7). Den deutlichsten Hinweis darauf, daß sich der "Führer" von einem Auftreten vor seiner "Gefolgschaft" nichts mehr verspricht, erhalten wir aus den Goebbels-Tagebüchern: Goebbels setzt sich in der Frage der Rundfunkübertragung nicht mehr durch. Unter dem 25.2.1944 ist noch zu lesen: "Ich werde alles daran setzen, daß diese Rede im Rundfunk übertragen wird. Der Führer hat vorläufig noch keine Meinung dazu; aber ich werde mich doch in dieser Beziehung wohl durchsetzen können" (Goebbels 1993, B d . l l : 348).
Die nächste Information darüber findet sich unter dem 26.2.1944: "Der Führer kann sich immer noch nicht dazu entschließen, seine Rede im Hofbräuhaus über den Rundfunk übertragen zu lassen. Ich halte das für sehr bedauerlich. Die Rede des Führers war eine der besten, die er seit langem gehalten hat" (ebd.: 354).
Schließlich vermerkt Goebbels unter dem 28.2.1944: "Der Führer hat keine große Neigung, seine im Hofbräuhaus gehaltene Rede für die Öffentlichkeit freizugeben. Ich habe die Rede noch einmal eingehend durchstudiert. Vielleicht ist es auch das beste. Diese Rede war für die alten Parteigenossen außerordentlich wirkungsvoll; ich glaube aber nicht, daß sie so gut für die breitere, insbesondere die internationale Öffentlichkeit wirkt. Sie enthielt doch eine Reihe von psychologischen Schlenkern, über die die alten Parteigenossen hinwegsehen, die aber in der weiteren Öffentlichkeit unter Umständen übel vermerkt werden könnten" (ebd.: 361).
193 Damit ist das Thema "Öffentlichkeit" diesbezüglich abgeschlossen. Es gibt in der Folgezeit keine vor einem Publikum vorgetragenen Reden Hitlers mehr. Hitler sprach schon in den Jahren zuvor nicht mehr persönlich auf dieser traditionellen Parteiveranstaltung, sondern ließ seit 1942 nur noch Proklamationen verlesen. Vermutlich liegt darin der Grund, daß in den "Meldungen aus dem Reich" keine Äußerungen zu finden sind etwa darüber, daß Hitler am 24.2.1944 nicht gesprochen habe. Was in den "Meldungen" vermerkt ist, läßt vielmehr darauf schließen, daß eine Rede Hitlers generell nicht erwartet wird, und auch kein Bedürfnis danach besteht (wie es bei der Rede vom 8.11.1943 noch der Fall war): Es "beginne jetzt am heilichten Tage vielfach eine "Rennerei um das Leben' [Hervorh. im Text; H.R.B.] mit der Absicht, es möglichst sicher in stabilen Bunkem unterzubringen [...] Zur Zeit habe ein Großteil der Bevölkerung 'die Nase reichlich voll' (.). Es falle schwer, in dieser Zeit, da [...] in der Politik und im Krieg 'so gar nichts da ist, was einen wieder freier atmen läßt' [Hervorh. im Text; H.-R.B.] nicht die Lust zu verlieren, wie bisher seine tägliche Pflicht zu tun. [...] Der Umstand, daß der Führer am Heldengedenktag (12.3.1944) nicht selbst gesprochen habe [Vom Februar redet offensichtlich niemand; H.-R.B.], ist zumeist als Bestätigung dafür angesehen worden, daß sich über die gegenwärtige Kriegslage nicht viel Gescheites [Hervorh. i m Text; H.R.B.] sagen läßt. Aus der allgemeinen Stimmung heraus ist die Rede von Großadmiral Dönitz durchweg ohne besonderen Eindruck geblieben" (Boberach 1984/85: 6413).
"Charismatischer Führer" und "Gefolgschaft" haben sich damit endgültig voneinander entfernt. Als Fazit ist folgendes festzuhalten. Der Typ des Charismatikers, der zusammen mit seiner Gefolgschaft, dem Publikum, eine interaktive Aura herstellt, ist bei der Rede von 1933 interpretativ nachzuvollziehen. Keine der untersuchten 7 Reden weist eine derart lange Anlaufphase oder interaktive Aufbauphase auf bei gleichzeitig starkem Kontrast zu nachfolgenden Redephasen wie die Rede von 1933 (Stockend wirkender Beginn und im Mittelbereich rasches, lautes Sprechen bzw. Schreien; stark emphatisiertes Publikum, das Äußerungen des Redners in kurz aufeinanderfolgenden Abständen ratifiziert). Auch wenn bei allen anderen Reden ein Dichterwerden der Interaktion in der Zeit im Mittelbereich der Reden stattfindet, kann bis 1942 nicht mehr von einer bei "Null" beginnenden Aufbauphase gesprochen werden: Nach 1933 "kennen" sich Hitler und sein Publikum, d.h. das Zusammenspiel funktioniert von Anfang an. Hitler muß zunehmend weniger auf ein Einstimmen des Publikums Wert legen, sondern beginnt mit Erfolg in medias res. Dies ist bereits der Fall am 26.9.1938, der im Korpus direkt nachfolgenden Rede nach 1933, und findet seinen Höhepunkt am 30.9.1942, wo sich die dichteste Interaktionsphase am Redebeginn befindet, und schon der Redeeinstieg gekennzeichnet ist von Ironien des Redners und einem lachenden Publikum. Über alle Reden hinweg zeichnet sich eine "Geschichte" des Charismas hinsichtlich Wirkung und Entwicklung ab. Dazu müssen die Reden in ihrem Zusammenhang, d.h. in ihrer historischen Einbettung und zeitlichen Abfolge, interpretiert werden. So kann die Entwicklung als Indikator für ein "auf Dauer gestelltes Charisma" interpretiert werden: Hitler kann nach 1933 machen was er will, wenn er redet, zumal er immer seltener redet: Seine seltenen Auftritte werden bis 1943 noch ersehnt und erwartet. Die Entwicklung nach 1942 ist durch einen starken Bruch gekennzeichnet, der sich auf mehreren Ebenen manifestiert. Es läuft darauf hinaus, daß der Charismatiker seine Gefolgschaft schwinden sieht, bzw. ein solches Schwinden von sich aus annimmt, und deshalb den Kontakt weniger und weniger aufrechterhält. Es gibt nach 1942 keine "großen" öffent-
194 liehen Reden mehr. Hitler tritt nur noch vor dem engeren Zirkel der sog. "alten Kämpfer" auf. Die Rede vom 8.11.1943 geht noch über den Sender, nachdem sie bearbeitet worden ist (vgl. Goebbels). Semantisch betrachtet ist die Ironie nach 1942 praktisch verschwunden. Hämische Rhetorik nimmt ab. Statt dieser Demonstration von Überlegenheit nimmt die Drohung als semantische Kategorie wieder zu (Sie nimmt zunächst prozentual von 1933 bis 1940 ständig ab). Mit Blick auf die Informationen über den äußeren Kontext (Kriegslage) wirft dies ein bizarres Bild auf den Redner, der im Grunde keine Basis mehr hat, zu drohen. In den beiden letzten untersuchten Reden, besonders 1943, ist deutlich öfter als zuvor ein lachendes Sprechen des Redners festzustellen. Zuweilen zieht dies Lachen nach sich, zuweilen nicht. Diese Passagen sind als persuasive Versuche anzusehen, "gute" Stimmung zu schaffen: Die intendierte Wirkung stellt sich jedoch auch in dem engen Parteizirkel, in dem die Reden stattfinden, nur manchmal ein (wenn auch immer noch: Hitler hat seine Gründe, hier und nicht woanders zu reden). Hitler generiert zusammen mit seinem Publikum eine beide einbeziehende Handlungsstruktur, die wir eine "interaktive Aura" nennen. Hitler hat bis 1944 das Publikum immer auf "seiner Seite", was jedoch zu relativieren ist angesichts der Tatsache, daß sich die Orte der Reden und die Zusammensetzung des Publikums nach 1942 entscheidend ändern. Obwohl auch noch im November 1943 in der Bevölkerung offenbar das Bedürfnis herrscht, den "Führer" "wieder einmal" zu hören wenn nicht gar zu sehen (vgl. die "Meldungen aus dem Reich"), wendet sich Hitler nach dem Herbst 1942 von großen öffentlichen Auftritten ab, und beschränkt sich bei den wenigen Auftritten, die noch folgen sollen auf den engeren Zirkel der sogenannten "alten Kämpfer" aus der Anfangszeit der NSDAP. Als Auftrittsort wählt er München, die von den Nationalsozialisten so genannte "Hauptstadt der Bewegung", da die NSDAP hier ihren Ausgang nahm. Auch wenn die Rede vom 8.11.1943 noch über den Rundfunk ausgestrahlt wird, und ein - zumindest nach den zur Kenntnis genommenen Quellen - positives Echo findet, ist sie schon Teil eines Zeremoniells im kleinen Kreis, in dem sich "Führer" und engere Gefolgschaft selbst feiern (vgl. rhythmische Applausbekundungen). Mit der Rede vom 24.2.1944 wird der Bruch offenbar. Sie findet nicht nur in kleinem Kreise statt, sondern darüberhinaus für alle anderen, die sich außerhalb dieses Kreises befinden, überhaupt nicht.
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Analysierte Tondokumente (Deutsches Rundfunkarchiv DRA)
Nr.
DRA-Sign.
Datum/Ort
Länge (nur Rede Hitlers)
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
C 916 52.2619 C 1346 52.8707 52.12530 52.8899 93U5564/1
10.02.33, 26.09.38, 19.09.39, 30.01.40, 30.09.42, 08.11.43, 24.02.44,
52'55 72'00 73'40 63Ί5 70'20 55Ό5 54'00
Berlin, Sportpalast Berlin, Sportpalast Danzig, Artushof Berlin, Sportpalast Berlin, Sportpalast München, Löwenbräukeller München, Hofbräuhaus
Bis auf Nr. 7. verzeichnet in: Tondokumente zur Zeitgeschichte 1933-1938. Zusammengestellt und bearbeitet von Frankfurt/M. 1980: Deutsches Rundfunkarchiv (= Bild- und Tonträgerverzeichnisse Tondokumente zur Zeitgeschichte 1939-1945. Zusammengestellt und bearbeitet von Frankfurt/M. 1975: Deutsches Rundfunkarchiv (= Bild- und Tonträgerverzeichnisse
Walter Roller. Nr.10). Walter Roller. Nr.4).
Abkürzungs- und Symbolverzeichnis
Ir Hä Di Dr < >
Τ 4. —>
η it "Erbfeindschaft"/"LETZte" "[staunens[wertes [Zeichen"
" Scha(ha)mlosigkeit" ((lachend gesprochen)) hhh Β L b
pf s.r. bB LB EB rhyth. V R Sq 2 bzw. 2er 3 bzw. 3er
Ironie Häme Diffamierung Drohung Beginn des Auftretens eines in < > bezeichneten prosodischen Elements Ende des Auftretens eines in < > bezeichneten prosodischen Elements forte fortissimo forte-fortissimo diminuendo crescendo gehobene Lautstärke "normale" Lautstärke (Konversationslautstärke) piano Dehnung steigende Intonation fallende Intonation bleibende Tonhöhe steigend-fallende Intonation fallend-steigende Intonation Betonung/starke Betonung Skandieren Skandieren (Symbol auf Zeitstrahl) lachendes Sprechen Kommentar/ Angaben zur Ratifizierung von Sequenzen Atmen Beifall Lachen "Bravo"-Ruf(e) "Pfui"-Ruf(e) "sehr richtig" "Bravo" + Beifall Lachen + Beifall einzelner Beifall rhythmischer Beifall verzögerter Beifall zurückgewiesener Beifall (Refusing) Sequenz Paarkonstruktion Dreierliste
202 Κ 3d/2d 2quad χ Publ. PR PR/Min
Kombination aus Dreierliste und Paarkonstruktion doppelte Dreierliste/doppelte Paarkonstruktion vierfache Paarkonstruktion Sequenz ohne formale Stilisierung/formlos Publikum Publikumsreaktionen Publikumsreaktionen pro Minute
Anhang: Hitlers Rede vom 24. Februar 1944, München, Hofbräuhaus1
DRA-Signatur: 93U5564/1 Dauer der Rede: 54Ό0 Ol
« p > Parteigenossen (.) und -genossinnen (16) ((=Räuspern, Husten, Stühlerücken, Stimmen im Hintergrund)) seit (.) zweitausend Jahren (.) ist (.) die Weltgeschichte (.) soweit sie (.) Europa betrifft die deutsche Geschichte (.) auch heute wieder (.) steht unser Volk (.) inmitten (.) eines gewaltigen Ringens (.) von dessen Ausgang sicherlich (.) die Zukunft (.) vieler Jahrhunderte (.) vielleicht Jahrtausende (.) abhängt (.) das Bild (.) der kommenden Welt (.) wird in diesen Jahren (.) gezeichnet (.) daß (.) das deutsche Volk (.) das Deutsche Reich (.) wieder in der Lage sind (.) diese gewaltige (.) epochale (.) Bedeutung (.) einzunehmen (.) verdanken sie (.) dem Wirken unserer Bewegung (.) es ist ein (.) dornenvoller Weg gewesen (.) den wir zurücklegen mußten 10 (.) von: jenem (.) vierundzwanzigsten: (.) Februar neunzehnhundertundzwanzig (.) bis zur Machtübernahme (.) und von dort bis heute (.) um endlich (.) jenen gewaltigen Staat aufzurichten (.) der (.) jetzt im Mittelpunkt (.) der weltgeschichtlichen Geschehnisse steht > (.) « f > wie elend damals Deutschland war > (.) « g > das weiß niemand besser als sie (.) wie aussichtslos (.) der Kampf (.) gegen dieses Elend zu sein schien (.) weiß auch in erster Linie nur der alte Parteigenosse (.) besonders das was seit dem Jahr dreiunddreissig zu uns stieß (.) hat naturgemäß in der Bewegung schon (.) die gewaltige Kraft und Macht gesehen (.) manchem dieser Männer und dieser Frauen (.) die wir seit dreiunddreißig in unseren Reihen besitzen (.) scheint es wohl (.) selbstverständlich zu sein (.) daß wir nicht nur die Macht eroberten sondern 20 daß wir sie auch behielten (.) das war nicht so in den Tagen in denen diese Bewegung gegründet wurde (.) ich habe mich damals (.) bewußt (.) an die breiten Massen gewendet (.) in erster Linie an das kleine Volk (.) der Grund lag darin (.) daß dem klügelnden (.) Verstand (.) dem sogenannten (.) Intellektuellen (.) der Sieg (.) einer solchen Bewegung von vornherein als gänzlich unwahrscheinlich ja (.) als (.) geradezu verrückt erscheinen mußte (.) ich durfte nur mit dem Glauben hoffen (.) diesen Sieg erringen zu können (.) und dieser Glaube war wie immer nur in der breiten Masse (.) zu gewinnen (.) damals (.) proklamierten wir (.) ein Programm (.) dessen Verwirkli-
1
Zur Transkription: Pausen, relative globale Lautstärke und rhythmisches Sprechen (Skandieren) sind durchgehend notiert. Die Pausen sind dabei nicht nach Dauer differenziert; sie kennzeichnen lediglich die Strukturierung des gesprochenen Textes. Die Notation der Prosodie in den ratifizierten Sequenzen ist detaillierter: Zusätzlich sind hier Tonhöhenbewegungen und Betonungen (Akzentuierung) notiert. Die graphische Symbolisierung der Applausbekundungen sagt nichts über deren tatsächliche Länge aus. Diese wurde instrumenteil ermittelt und in Sekunden festgehalten. Die Verschriftung ist mit wenigen Ausnahmen literarisch. Aus Gründen der Lesefreundlichkeit wurde - entgegen linguistisch üblichen Transkriptionskonventionen - die Großschreibung von Substantiven und Namen beibehalten.
204
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40
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70
chung (.) unseren Gegnern (.) als völlig unmöglich erschienen war (.) die uns gutgesinnt waren (.) hielten dieses Programm für gut gemeint (.) die uns schlecht gesinnt waren (.) sahen in ihm nur eine Narretei (.) daß von diesem Programm auch nur ein Punkt (.) einmal verwirklicht werden könnte (.) hielten sie alle zusammen für gänzlich unmöglich (.) « f > es wäre das auch unmöglich gewesen > « n > wenn diese Bewegung nicht ihren ersten Appell an die breite Masse gerichtet haben würde (.) an die breite Masse die zu allen Zeiten Trägerin des Glaubens ist (.) denn es gilt j a wirklich der Grundsatz daß da wo manchesmal der Verstand der Verständigen keinen Weg mehr sieht (.) daß da die Einfalt und das kindliche Gemüt trotzdem eben noch Wege findet (.) daß der Glaube dann stärker ist als die sogenannte Einsicht (.) die Einsicht die immer (.) irritiert wird (.) durch die Tages(.)ergebnisse eines vermeintlichen (.) Wissens (.) einer neuen und besseren Einsicht (.) die Einsicht die daher als solche nicht stabil ist sondern die ununterbrochen (.) dem wechsel(.)vollen Einfluß des Tages unterworfen (.) erscheint (.) demgegenüber ist der Glaube das Entscheidende (.) der Glaube der damals (.) einfach darauf basierte daß ein Volk > (.) « g > das eine tausendjährige Geschichte hinter sich hat und das sich so heldenhaft schlug im großen Krieg (.) daß ein solches Volk nicht am Ende seiner Tage angekommen sein kann (.) daß vor allem der Weltkrieg j a nicht den Beweis dafür brachte daß das deutsche Volk schwach (.) oder gar das letzte der Völker sei (.) sondern daß er im Gegenteil den Beweis dafür lieferte daß dieses Volk (.) das > « f > stärkste > « g > der damaligen Völker gewesen ist (.) und > « f > daß daher nicht anzunehmen war (.) daß nun plötzlich mit einem jähen Schlag die ganze Zukunft dieser Nation > (.) « g > beendet sein sollte (.) das haben damals (.) die sogenannten Intellektuellen nicht wahrhaben wollen (.) die die immer nur (.) die sogenannten sachlichen Argumente wie sie: sie: zu sehen glaubten (.) würdigen (.) das lag aber zutiefst (.) im Empfinden der breiten Masse begründet (.) im Empfinden (.) der unverdorbenen und gesunden Millionen Menschen (.) die sagten wieso sollen wir schlechter sein als die anderen (.) im Empfinden vor allem von Millionen deutschen Soldaten (.) die Gelegenheit hatten (.) an der Front den Gegner kennenzulernen > « f > alle Gegner > « g > kennenzulernen (.) und die > « f > nicht im Geringsten an Minderwertigkeitskomplexen litten sondern die der Überzeugung waren (.) daß der deutsche Soldat besser gewesen ist (.) als die Gegner > « g > sonst hätte nicht eine ganze Welt (.) einen jahrelangen Krieg gegen Deutschland führen müssen (.) ((= Husten Publ.)) so ist die breite Masse damals (.) als Trägerin (.) der gesünderen Instinkte (.) auch Trägerin (.) des Glaubens gewesen (.) und (.) ich habe mich seitdem bemüht (.) niemals (.) das Band zur breiten Masse abreißen zu lassen (.) viele haben das nicht verstehen können (.) sie sahen darin vielleicht ein Schwächemoment (.) [1] [o.F.] ich t glaube (.) i e s gab Tmanche i a u s —»unserem Tbürigerlichen Τ L a n g e r ((Laden?)) I d i e der ÜberT zeugung —»gewesen —»sind (.) i d a ß Τ wenn —»wir erst an der iMacht sind Tdaß wenn Tich ierst —»an Macht ((?)) sein werde (.) daß im Tselben -»Augenblick eine Τ ganz Tandere UmTgeibung bei mir i-aufkreuzen wird (.) daß ich Tdann tnur 4-noch erscheinen werde mit I a h : i n a -Isag'n mer (.) i a h h m (.) Tbürgerlichen Tlntellektuellen ^wahrscheinlich aber auch noch mit Tsehr viel i Aristokrat tie (.) i d a ß ich (.) mit dem TVolk iüberthaupt dann t w e i n i g mehr zu Ttun ihaben
205 würde (.) sie Tsind Tsehr enttäuscht ge-lwesen als sie Τ merkten 4-daß meine Umlgebung immer igleichgeblieben Iwar (.) daß sich (.) ((Husten Hitlers)) lllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllll ((Beifall einzeln beginnend 9.1)) daß sich an meinem Leben nichts änderte (.) sondern daß ich ununterbrochen (.) die llllllllllllllllllllllllllllllllllllllll 80
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Verbindung (.) mit dem Volk aufrechterhielt (.) und daß im Gegenteil Jahr für Jahr (.) unter Überwindung zahlreicher (.) Widerstände die Partei immer mehr die: (.) Beziehung zum Volk verstärkte > « f > und das Volk immer mehr in den Staat hineinhob > (.) « g > daß so etwas nicht von heute auf morgen geht (.) und daß: (.) so eine Umwälzung und Umwandlung der Menschen Zeit erfordert ist selbstverständlich (.) nichts ist schwerer zu beseitigen als Vorurteile (.) nichts dauert länger (.) in der Überwindung (.) als vorgefaßte Meinungen (.) trotzdem ist es gelungen (.) immer mehr und mehr (.) den nationalsozialistischen Staat > « p > zum Volksstaat zu machen (.) das alte Deutsche Reich (.) zum nationalsozialistischen Volksstaat umzubauen > (.) « g > heute (.) wissen wir daß dieser Volksstaat ja allein auch in der Lage ist (.) der gewaltigen Beanspruchung (.) standzuhalten > (.) « p > die jetzt an ihn herantreten (.) herantritt > (.) « g > es hat sich auch in diesem Kampf nichts geändert (.) gegenüber der damaligen Zeit (.) die gleichen Gegner (.) nur aus der inneren (.) Atmosphäre (.) in die große Weltweite übertragen (.)
[4-fache Paarkonstruktion] [Aa] damals (.) Demokratie und Marxismus [Ab] heute (.) Demokratie und Marxismus (.) [Ba] damals (.) als Führer von beiden der internationale Jude (.) [Bb] heute (.) als Führer und Dirigent in diesem Weltkampf der internationale Jude (.) [Ca] damals (.) der Kampf gegen das deutsche Volk mit allen Mitteln der Lüge und 100 der Verleumdung und so weiter der Niedertracht (.) und der Gewalt (.) [Cb] heute genauso der gleiche Kampf (.) [Da] damals der Kampf mit (.) Vorschwindelung falscher (.) falscher Versprechungen (.) ah oberflächlichen: ah Hoffnungen und so weiter [Db] heute genau das gleiche (.) ((Husten Hitlers)) [2] [2er] [A] i e s gibt TLeute die iheute Tsa—>gen (.) —»wir würden -Inicht der AtTlanitiklcharta (.) tteillhaftig werden (.) —»wenn dieser tKrieg i z u Ende 4-geht [B] (.) Tich tWILL lauch igar Inicht daß wir der Atlantikcharta ^teilhaftig werden hahahahahahahahahahahahahahahahahaha 110 lllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllll ((Lachen, Beifall inkl. Lachen 9.3)) einst hat die Atlantikcharta Vierzehn Punkte (.) Wilsons (.) geheißen (.) wenn man nun sagt warum hat man diese vierzehn Punkte denn nun aufgegeben (.) weil die vierzehn Punkte damals nach Deutschland hereinprojeziert wurden (.) man glaubte daß
206 das deutsche Volk durch diese vierzehn Punkte (.) entwaffnet werden würde (.) heute weiß man (.) dem deutschen Volk kann man so etwas überhaupt nicht mehr bieten (.) [3] [o.F.] Tjetzt wendet man sich an unsere Vertbün—»deten lund an die andere TWelt (.) 4-und hat nun ein Tanlderes Wort AtTlanitikcharta (.) im Tübingen isind die Punkte 120 tnoch Tblöider als die Tseiinerzeitigen hahahahahahahahahahahahahahahahahahaha ((Lachen 2.0)) wenn jemand behauptet daß eine kommende Welt frei von Furcht frei von Not frei haha von (.) da kann man nur sagen (.) das ist denkbar (.) aber sicherlich nicht unter dem Regime (.) der Demokratien und unter dem Regime des Marxismus (.) dort wird nur Furcht (.) und nur Hunger (.) nur Elend und nur Jammer (.) herrschen (.) wir sehen es ja in ihren eigenen Ländern (.) denn (.) > « f > spät > (.) « g > kommen diese Erkenntnisse 130 (.) daß diese Welt nicht in Ordnung sei (.) man hätte vor uns ja doch Gelegenheit gehabt (.) fünfzehn Jahre lang diese Welt zu verbessern (.) nicht bösartige Nationalsozialisten waren damals in Deutschland (.) am Ruder (.) sondern (.) Marxisten plus Demokraten (.) plus Zentrümler (.) wie leicht also diesen (.) doch so Geistesverwandten die Hand (.) entgegenzustrecken um sie teilhaftig werden zu lassen (.) der projek(.)tierten Weltgenesung > (.) « p > es ist das alles ausgeblieben > (.) « g > und heute ist es nicht anders (.) ihre eigenen Völker ihre eigenen Länder (.) leben in der größten Armut (.) [4] [2er] [f] [A] twenn man Theute l i n TEnglland sich heTrumi-streitet —»ob man einen 140 Tge—»beridge-4-Plan Tdurchlführen « f > ? K A N N > l « g > oder Tdurchlführen Tsoll loder Tnicht (.) I s o müssen wir Tüeutschen geradezu x < f > TLAlchen (.) [B] Tdas was in « f > T d e m TPlan —»steht Ihat sogar bei Tuns Idas Tfrülhere reaktioTnäre > ImonarTchisltische iDeutschland schon Igemacht gehabt (.) hahahahahaha ((Lachen raunend 1.0)) selbst soweit sind wir nicht einmal gekommen (.) nein es ist (.) die gleiche Kraft gegen die wir heute kämpfen müssen (.) es sind die gleichen Erscheinungen (.) und es ist der gleiche Dirigent und es sind auch die gleichen Phrasen so wie damals [5] [o.F.] [f] 150 es hat sich also « f > ίNICHTS > « g > geiändert und als NatioTnal—»Sozialist kann ich nur sagen lieh « f > [Tfühle mich [iso wie [leinst flganz in [Imeinem [IWasser (.) Τ ganz in Imeiner Τ Welt (.)
IIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII ((Beifall 9.7)) und ich sehe mich auch: in einer anderen Hinsicht (.) genauso an (.) wie: (.) vor (.) zwanzig vierundzwanzig Jahren nämlich (.)
207 [doppelte Paarkonstruktion] [Aa] ich bin mir heute darüber im klaren daß ((wenn?)) das Entscheidende nicht nur die Erkenntnis ist (.) 160 [Ab] sondern daß das Entscheidende das gläubige Vertrauen ist (.) [6a] und daß das Entscheidende nicht die Genialität in dem Fall allein [Bb] sondern darüber hinaus noch die Beharrlichkeit ist (.) [doppelte Dreierliste] [A] denn wenn wir diesen Riesenweg überhaupt zurücklegen konnten (.) [B] dann (.) meine lieben Volksgenossen und -genossinnen nur (.) [Ca] weil wir immer in einer unsagbaren Beharrlichkeit unentwegt unseren Weg (.) weitergegangen sind (.) [Cb] weil wir niemals Kompromisse geschlossen haben (.) [Cc] weil wir niemals vor irgendeiner Gewalt gewichen sind (.) 170 das mag im ersten Moment sehr schwer erscheinen (.) [6] [2er] [f] [geplanter 3er] es Twäre mir auch ileichter gewesen Trein iperTsönilich Tdaimals (.) statt (.) von TZeit i z u TZeit (.) i i n das GeTfängnis ioder auf die TFestung zu Twan—>dern (.) iund timmer wieder i v e r t folgt zu Τ wer—»den iTRedeverbote i z u betkommen (.) KomproTmisise abzuschließen (.) [A] Tdann wäre die BeTwegung « f > TNIE > idas geiworden iwas sie: (.) iendlich Twuride (·) dann Twäre TDeutschland «f>Tnieimals > (.) wieder in die THöihe geikommen > (.) [B] « g > iund geTnauso —»ist es auch iheute (.) es > «f>Tkann in einem fisolchen 180 rtschickisalsbeftdingiten [TRin—»gen (.) tnur einen kompro[tmiß[Tloisen [tWeg > igeben sonst igar nichts (.)
IIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII [C]Tnur der kompromißlose Weg kann zum Erifolg führen > //////////////////////////////////////////////////////////////////^ ((Beifall mit 1 Klatscher beginnend 9.8)) [7] [2er doppelt] [f] [A] « g > wenn man dann Tsagt Tja iaber (.) Sie haben doch damals Tauch i o f t ierT]ebt (.) idaß getrade Ihre iKomproTmißlosigkeit Sie ioft Tnahezu an den iRand des Veriderbens geibracht hat dann Tkann ich nur Tsagen > (.) 190 [Ba] « f > tnein (.) i s i e hat mich tnicht i a n den tRand i d e s VerTderbens geTbracht isondem Tnur zum iSieg geführt (.) [Bb] idenn Tohne —»den iwären wir [Tim Veriiderben zufT gründe —»gegangen iund hätten [Tnie den [iSieg eriirungen > (.)
IIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII ((Beifall 5.6)) « g > denn über eines meine Parteigenossen und -genossinnen müssen wir uns immer /////////////////
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klar sein (.) wir waren uns damals klar und werden uns auch in der Zukunft darüber nicht täuschen > (.) « f > alles Große auf dieser Welt hat einen schweren Weg zurückzulegen (.) es gibt keine große Erscheinung (.) die einfach nur steil bergauf gegangen wäre (.) das Schicksal pflegt Menschen und Erscheinungen (.) politische (.) Gebilde (.) Weltanschauungen (.) Religionen (.) und Staaten (.) oft zu prüfen und abzuwägen (.) ob sie hart genug sind (.) den nächsten Schritt zu tun (.) und es stürzt dann immer etwas ab (.) auf diesem Weg bleibt vieles liegen (.) das erste (.) macht vielleicht den Weg (.) überhaupt nur (.) zur ersten Station das zweite zur zweiten (.) andere wieder kommen zur dritten und zur vierten (.) wenigein ist es gegeben daß sie diesen Weg dann durchwandern (.) einem (.) Polarstem nachfolgend bis zum erfolgreichen Ende > (.) « n > das hat die Bewegung einst bewiesen > (.) « g > Versuchungen kommen dabei immer (.) zunächst an die einzelne Person die Versuchung (.) könnte man es nicht schöner haben (.) meine lieben (.) Parteigenossen und -genossinnen (.) wenn ein Mann (.) diesen Satz ausspricht > (.) « n > dann (.) hab ich das Recht dazu ihn auszusprechen (.) ich hätte mir mein Leben schöner machen können (.) um vieles schöner > (.) « g > was hätt ich mir alles ersparen können schon einst in der Zeit des Kampfes (.) wenn ich mein damaliges Leben vergleiche mit dem meiner bürgerlichen Konkurrenten (.) aber auch meiner marxistischen (.) wie schön hatten die's (.) ich stand je:den Tag irgendwo in einem Versammlungslokal (.) ich mußte mich abrackern und abraufen (.) mußte (.) ununterbrochen gewärtig sein daß irgendein Idiot mich sogar niederschlägt (.) obwohl ich nichts anderes wollte als sein eigenes Glück in der Zukunft (.) andere die haben es so schön gehabt (.) was haben die bürgerlichen Parteien doch damals für ein Leben geführt > (.) « f > Angst vor der Wahl (.) ein paar Versammlungen dann (.) und dann war die Angst wieder überstanden (.) und dann haben sie drei Jahre zwei Jahre wieder Ruhe gehabt (.) und erst wenn die Wahl sich wieder so zu nähern begann (.) dann bekamen sie's wieder etwas mit der Angst zu tun (.) und dann redeten sie wieder ein paar Mal > (.) « f f > und all die Arbeit die wir zu leisten hatten tagaus tagein ununterbrochen Woche für Woche Monat für Monat (.) und meine ganzen Kameraden mit > (.) « f > das ist ihnen alles erspart geblieben (.) und die Bürgerlichen im Gegenteil sie sagten sogar noch > (.) « f f > warum gehen Sie denn überhaupt auf die Straße (.) wenn Sie schon wissen daß es Prügel gibt (.) wenn Sie schon wissen daß die anderen (.) das als eine Provokation empfinden (.) warum müssen Sie denn hingehen (.) warum gehn bleiben sie nicht zuhause > (.) « f > beklagen Sie sich doch nicht über den Terror der anderen > (.) « f f > Sie:: reizen sie doch > (.) « f > indem sie auf die Straße hinausgehen (.) wir (.) wir werden auch nicht terrorisiert (.) wir bleiben eben hinter unseren vier Wänden und schauen hinter den Gardinen herunter (.) deswegen sind wir auch Bürger und gehn auch zum Essen (.) und leben auch unser Leben (.) ja(ha) ((lachend gesprochen)) (.) aber Deutschland wäre daran zugrundgegangen (.) eine andere Welt hätte Besitz von Deutschland ergriffen (.) wir haben damals diesen schmerzlichen Weg gewählt (.) und es gilt bis heute (.)
[Paarkonstruktion] [A] ich hätte mir immer den Weg leichter machen können (.) 240 [B] ich habe bewußt den härteren Weg gewählt ((Schnitt)) den härteren Weg gewählt (.) und das ist immer so in der Geschichte gewesen (.) sie werden sich keines großen Mannes auf dieser Erde entsinnen können (.)
209 der groß geworden ist (.) auf diesem leichten breiten Pfad des Alltags (.) das alles ist immer mit Ringen und mit Schmerzen verbunden gewesen (.) und das gilt für das ganze Völkerleben (.) Nationen steigen nicht jäh empor (.) es sei denn sie stürzen auch ebenso jäh (.) sondern das ist alles mit einem e:wigen langen Ringkampf verbunden (.) mit einem Auf- und Abwogen (.) [Dreierliste] [A] bald gibt es Höhen 250 [B] und bald gibt es Tiefen [C] und am Ende siegt die unentwegte Beharrlichkeit die niemals (.) das Ziel verliert und keinen Zentimeter vom Weg abweicht (.) so haben wir's damals (.) proklamiert an dem Tag an dem ich zum ersten Mal von diesem Platz hier aus gesprochen habe (.) damals haben wir das Versprechen abgegeben nichts zu schonen auch nicht unser eigenes Leben sondern uns immer einzusetzen für unser Ideal für unser großes Ziel (.) und (.) nach Jahrt-anderthalb Jahrzehnten ist dann (.) endlich der Erfolg gekommen (.) ein sehr großer Erfolg (.) und zwar (.) nach einem Jahr das manche andere bereits wieder endgültig zum Verzweifeln (.) und zum Verzagen gebracht hatte (.) gerade das Jahr zweiunddreißig muß sich jeder Nationalsozia260 list immer ins Gedächtnis zurückrufen (.) fast der Sieg (.) vorm Tor (.) und dann die letzten großen Schwierigkeiten (.) und nun kamen die Ratgeber und sagten (.) warum bleiben Sie so kompromißlos (.) warum geben Sie nicht nach (.) warum kommen Sie nicht auch entgegen (.) weshalb schließen Sie nicht (.) einen Pakt (.) auf der mittleren Linie (.) warum nicht (.) [Dreierliste] [A] weil eine Bewegung wie die unsere nicht paktieren kann (.) [B] weil sie niemals auf der mittleren Linie stehen bleiben kann (.) [C] weil dieses « f f > Stehenbleiben in Wirklichkeit endgültiger Verzicht heißt > (.) [8] [o.F.] [ff] 270 Tdamals war es Tauch inicht so Teinifach für tmich (.) lund (.) Twar's da ((?)) bei dem tReichs-lpräsidenten —»zu sagen Tnein > « f > ich 4-nehme Ihr Angebot -Inicht i a n (.) I t w i e : J-Tschrie: idie TbürJ-gerliche TWelt > « f f > Tso:: 4-er b e t weist i e r hat kein' VerTantwortungsifreudigkeit (.) er Twagt -les nicht eine VerTantiwortung zu überTnehlmen (.) ?i::ch -Lmußte mit das tsagen —»lassen (.) ich Τ [hätte inicht den T[Mut izur Veri [antlwortung von Tsolichen THohliköpfen (.) > hahahahahahahaha ((Lachen leise, raunend 1.3)) « f > und als das zweite Mal das Angebot an mich kam und unterdes eine schlechte Wahl vor: (.) hinter uns lag und andere vor der Türe standen (.) da gab es ja auch so280 gar in unseren eigenen Reihen (.) Menschen > (.) « g > die an mich herantraten und sagten (.) ja das kann man doch nicht so weiter machen (.) warum nehmen wir nicht (.) das was wir eben jetzt bekommen (.) was hätten wir nun bekommen (.) ei:nen: > « n > Waffenstillstand (.) un convient (.) nichts anderes (.) oder > « g > vielleicht noch einen Versailler Vertrag (.) das hätte man uns damals geboten das heißt (.) einen > « f > Scheinfrieden > « n > mit unserer späteren Vernichtung > (.) « g > man
210 mußte damals se:hr hart sein (.) denn man darf nicht sagen > « f > ja Sie haben eben schon gewußt daß Sie am dreißigsten Januar zur Macht kommen (.) deshalb (.) [Dreierliste] [A] nein das hab ich nicht gewußt > (.) 290 [B] « f f > ich habe nur etwas gewußt daß wenn jemand beharrlich sein Ziel verficht [C] (.) dann wird er einmal dieses Ziel auch erreichen (.) wenn ich den Glauben nicht besessen hätte (.) > « f > ja (.) meine Parteigenossen und Parteigenossinnen (.) wieso hätt' ich denn damals (.) vor vierundzwanzig Jahren überhaupt hier herauftreten können (.) [Dreierliste] ich hatte nichts hinter mir als [A] meinen Glauben (.) [B] meine Überzeugung (.) [C] und meine Willenskraft (.) 300 [9] [3er] [ff] ich Thabe mich idather (.) J-neunzehnhundertundTzweiund—»dreißig (.) l i n die Τ schwersten Ge-lfahren Tlieber —»begeben lals einen Tbilligen -iKomproTmiß iabzuschließen (.) vlund es ist Theute nicht -tanders (.) -Iwir Tieben —»jetzt im Jahr zweiunddreißig Xso (.) [A] wenn mir Teiner Tsagt Tja wann Tnimmt es Inun ein iEnde (.) [B] —»so muß ich ihm Tsagen (.) [C] « f f > Τ mit Tun iserem TSieg > « f > iwird es ein TEnide inehmen bravoooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooo 310 ///////////////////^ ((Beifall 17.1)) [10] [2er] [A] Tund Twenn —»mir dann ein anderer sagt ja Tglauben ISie denn noch an den /////////////////////////////////////// 4-Sieg > [B] (.) « f f > i j a [Tstärker-tals [Tjemals Izu [Tvor> (.) « f > wenn eine Nation (.) bravooooooooooooooooooooo lllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllll ((Beifall 10.4)) 320 « f f > wenn eine Nation fünf Jahre dieses Wunder vollbringt (.) dann ist sie von der /////////////////////// Vorsehung (.) bestimmt > (.) « f > ihr Ziel zu erreichen (.) [Dreierliste] unter einer Voraussetzung (.) [A] daß sie > « f f > niemals müde wird (.) [B] niemals schlapp macht (.)
211 [C] sondern daß (.) sie > « f > stur ihren Weg weiterwandert > (.) « g > natürlich (.) kann man nicht erwarten daß in so einem gewaltigen Ringen (.) daß ununterbrochen nach aufwärts geht und nie auch einmal einen Rückschlag gibt. Man 330 darf es vor allem nicht erwarten wenn einen das Schicksal (.) an Verbündete kettet (.) und wir können es heute ruhig aussprechen (.) unser größter Verbündeter in Europa (.) ist die größte Enttäuschung geworden (.) nicht wegen des dort führenden Mannes sondern wegen der Widerstände (.) denen dieser Mann zunächst einfach nicht Herr werden konnte (.) eine (.) Koalition die (.) zusammengesetzt ist aus Dummheit Trägheit (.) und Egoismus ((Publ.: richtig)) aus (.) ah-man darf wirklich sagen (.) ah (.) [Eigen[sucht im [schlimmsten [Sinn des [Wortes (.) hat sich diesem Mann entgegensgestemmt (.) wenn ich (.) die Zeit (.) die etwa (.) am Ende (.) des Jahres neunzehnhundertund(.)a-zweiundvierzig begann (.) mir zurücküberlege dann muß ich sagen > [Dreierliste] 340 [A] (.) « f f > welcher andere Staat hätte diese Krisen überhaupt meistern können > (.) [B] « f > kein anderer > (.) [C] « g > am Ende sind wir mit tausend Aushilfen doch immer wieder fertig geworden (.) [11] [2er] [ff+p] [A] lund es beTdeultet letwas wenn Tplötzlich Ibei einem > «f>TStaat > (.) « g > TfünflundT vierzig IverTbündete iDiviTsionen Iso Tgut -Lais > « f > TvÖLllig > « g > l ausfallen (.) Tolder (.) wenn nun Tplötzllich (.) durch einen Ver-> « f > TRAT > (.) « g > 4 eine ganze > « f > PosiTtion Τ preisl gegeben werden muß > (.) « g > wie die nordafriTkalnische (.) -Loder wenn plötzlich durch Ver> «f>Trat (.) 350 leinem im TRüclken geTlanldet wird > « g > wie die TLanldung von Sa-> « f > Tlerlno > (.) « g > Iwenn tplötzllich ein Tganlzer tStaat in > « f > Τ weinigen tTalgen > (.) « g > —»ver (.) Tnicht Inur > « f > Vertrat lübt > « g > Isondern sich tvölllig auf die f-tSeilte des tGeglners Isteilt (.) der tganze Baltkan labfällt (.) « f f > und man tnun Tan Taillen Τ Seilten das nun wieder Tmeisltern muß >0 [B] « p > laber wir Thalben es gelmeistert > (.) « g > ich habe (.) bravoooooooooooooooooooooo llllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllll ((Beifall verzögert, einzeln beginnend 8.3)) 360 [12] [2er] [ff| [A] ich Thabe —»in diesen vegangenen 1 Jahren Imeine: Parlteigenossen und //////////////////////// Parteigenossinnen Tnicht gelwußt Two Iwir endlich in Italien Istehenbleiben Iwerden (.) Tich Twußlte Tnicht (.) l o b es überThaupt Isüdlich der Τ Allpen sein Iwird (.) Twie Τ weit l e s südlich der Alpen sein Iwird (.) ich Twußte Izunächst Tnicht (.) l o b wir Tsüdllich des AppenTnin Iwerden stehenbleiben können (.) [B] Tich war Tnur entlschlosTsen > (.) « f > ITdort lsteThen->zubleiben Iwo > « f f > Tir::lgendTwie -»sich die iMöglichkeit -^bietet und T[jelden
212
370
Qua? TdratlkiloT[meiter tblu—»tig zu veriteidigen > (.) bravo ((leise)) /////////////////////////////////////////// ((Beifall verzögert 5.2)) [13] [o.F.] « g > Tund Tjetzt Tsteihen i w i r (.) und bravooo lllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllll ((Beifall verzögert 8.9))
[14] [3er] 380 [A] twenn iunsere t G e g i n e r tsa—»gen isie thaben i d a s (.) ia-ah (.) Tlinke Geibäude am Tßahnhof i a h i v o n (.) CasTsiino erToibert (.) und sie haben am 1 Abend wieder vertloiren [B] und am Tnächsiten Tag haben sie das Trechte —»Gebäude erobert -tund ihaben's —»wieder —»verloren (.) [C] ialso: (.) i m i t Tdem -»Tempo (.) ia-das können wir Tausihalten > hahahahahaha ((Lachen 2.1)) « n > dabei sind selbstverständlich (.) die Einsätze unserer Männer unendlich schwere (.) denn wenn Sie da hören (.) daß hier um jeden (.) Ziegelhaufen gekämpft wird (.) 390 dann ist das schon ein Heldentum von unseren Männern sondergleichen (.) [15] [o.F.] taber > (.) « g > i s i e Tstehen —»dort (.) i u n d (.) t d i e i s e s ?Durchifressen (.) diesen t S t i e i f e l heirauf (.) von ?Südiitalien Tbis 4-zu den Τ Alipen > (.) « n > —»das wird Tlanlge Tlanige Tlanige Zeit idauern > (.) « p > Tbis idorthin wird in TEngiland die t L u s t i z u m TtCrieige Trestilos vertganigen sein (.) t b i s sie an den iAlpen bravooooooooooooooooooooo llllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllll ankommen > ((ab "bis" sehr leise gesprochen)) llllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllll 400 ((Beifall 9.5)) « g > und im großen gesehen (.) ist es ja überall so (.) was war das für eine Aufgabe meine Parteigenossen und -genossinnen nun plötzlich (.) den ganzen Balkan zu säubern (.) auf der einen Seite (.) die Partisanen unserer Feinde auf der anderen Seite (.) Badoglio-Truppen und zwar (.) in der Stärke von über fünfhunderttausend Mann gleich (.) sie mußten nun entwaffnet werden es gab zum Teil blutige Kämpfe > (.) « c r e s > Insel um Insel > « f > mußte wieder erobert werden > (.) « n / g > wir haben das fertiggebracht (.) nicht nur die Insel auf denen die Badoglio-Männer saßen sondern auch die Inseln auf denen die Engländer gesessen sind (.) ((= Publ.:hä)) sie sind jetzt auch wieder in unserem Besitz (.) es sind weit über eine Million (.) italienische 410 Badoglio-Anhänger sind entwaffnet worden (.) das spricht sich hier leicht aus (.) es ist aber nicht so leicht gewesen (.) es mußten Maßnahmen getroffen werden sehr harter
213 Art (.) und es ist selbstverständlich (.) wir besitzen nicht Verbände (.) von denen wir sagen können daß sie völlig überflüssig sind (.) daher mußte man (.) um den einen (.) Feind niederzuschlagen immer vom anderen etwas wegnehmen (.) wenn daher (.) an einer Front (.) eine RUckzugsbewegung einsetzte (.) dann dürfen Sie sich nicht wundern es war die Front die wir am ehesten auch zurücknehmen konnten (.) weil wir dort das gewaltigste Gelände nach vorwärts gewonnen hatten (.) auch dort wird der Tag kommen an dem die Rückzugsbewegung aufhört (.) und zwar nicht etwa an der deutschen Grenze (.) wir denken auch hier nicht daran daß wir etwa nur (.) uns drücken 420 lassen (.) es wird das Gleichgewicht der Kräfte wieder eintreten und eines Tages wird aus dem Gleichgewicht der Kräfte heraus wieder unsere Aktivität einsetzen (.) ich habe das ja öfter als einmal auch im Inneren machen müssen (.) erinnern Sie sich nur an das Jahr Neunzehnhundertvier und -fünfundzwanzig und -sechsundzwanzig (.) gut es ging damals nicht gut (.) aber (.) [Paarkonstruktion] [A] keine Sekunde zweifelten wir daran daß wir am Ende der Situation Herr werden würden (.) [B] und keine Sekunde zweifelte ich daß wir allen Lagen ebenfalls Herr werden (.) heute (.) die sich jetzt ergeben (.) im Westen steht die Front (.) und Sie werden schon 430 verstehn daß ich hier vorsichtig bin es wird vielleicht mancher sagen (.) warum tauschen Sie nicht mehr Kräfte vom Westen nach dem Osten aus und so weiter (.) weil wir vorsichtig sein wollen (.) der Westen scheint mir gefährlicher zu sein (.) hier liegen nicht tausend Kilometer zwischen uns und dem Feind (.) hier muß man unter allen Umständen sicher sein (.) wenn: die Engländer heute wirklich landen (.) so sind wir darauf vorbereitet (.) seit Jahren vorbereitet (.) [16] [3er] [f] Thier wird es ikeine TLanidung ä la SaTlerino geben (.) ioder ä la NetTtuino (.) ^sondern Thier iTstoßen sie ivon TvorniheTrein 4-auf deutsche Divi«f>Tsionen > (.) « g > Thier stoßen sie l a u f > « f > BeTton Iund auf ?Pan—»zer (.) iund auf 440 Τ Ab—»wehr TsonlderTgleilchen (.) [A] iund wenn sie sich Tein—»bilden Idaß wir dann nicht in der TLage wären vielleicht in der TLuft zuTrückzuschlagen > (.) [B] i « g > sie > « f > Tirren —»sich > (.) [C] « g > iauch Tdas ihaben wir beidacht > lllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllll ((Beifall verzögert 7,9)) « p > auch der Luftkrieg (.) daß er hart ist (.) das weiß niemand besser wie ich (.) was es für mich persönlich bedeutet (.) so schöne alte deutsche Städte (.) zugrunde gehen (.) sehn zu müssen (.) das können Sie sich vorstellen (.) der ich selbst doch (.) ur450 sprünglich nun (.) Künstler war (.) und auch heute (.) immer noch als Künstler mit empfinde Q ' d a ß sie unsere großen Städte kaputtmachen (.) soweit es sich um die Wohnungen betrifft tut mir nur leid (.) weil die Menschen ihr Hab und Gut verlieren (.) daß Menschen dabei zugrundegehen schmerzt mich auf das meiste (.) daß sie Kultur(.)schätze vernichten (.) ist für mich oft (.) die Ursache eines tiefen inneren
214 Grimms (.) daß sie die Städte an sich (.) so zerstören > (.) « g > da sollen sie sich ja nicht einbilden daß (.) deswegen die Städte nicht wieder auferstehen werden (.) [Dreierliste] [A] die Kultur(.)dokumente werden wieder gebaut (.) [B] und die Wohnungen werden wiedererrichtet (.) 460 [C] und die Städte werden schöner als je zuvor (.) [Kombination] im übrigen kann ich nur eines sagen (.) eine ganze Anzahl von Städten da lagen Pläne vor (.) deren Verwirklichung sowieso > (.) « f > Zehntausende an Häuser ((!)) > beseitigt haben würde (.) das (.) werden wir überstehn [Aa] « f > es sind nur die Menschen es ist nur ihr Hab und Gut was sie dabei verlieren (.) ihre Ersparnisse (.) an denen sie hängen (.) [Ab] und es sind die Kinder (.) die Frauen [Ac] und es sind vor > « g > allem selbstverständlich auch unsere Kulturschätze (.) [B] das andere werden wir in Ordnung bringen > (.) 470 « f > dazu haben wir endlich einen nationalsozialistischen Staat (.) [17] [3er] [ff] [A] Twenn wir im tFrieden (.) tdrei—»vierhunderttausend —»Wohnungen —»bauen —»konnten > (.) [B] « f f > [Tlassen Sie Iden Τ [Krieg lvor[tbei —»sein (.) [C] iwir werden in [Tdrei [IJahren -Idas > « f f f > [Tganze > « f f > -l wieder [Thergestellt —»haben > 4-was sie 4-heute zerlschmeißen ////////////////////////////////////////////////////// ((Beifall 9.5)) [18] [2er] [ff] 480 [A] im Tübrigen 4-kann —»ich Ihnen noch etwas versichern (.) [B] « f f > die deutschen Städte werden > « f f f > VIEL SCHÖner > « f f > wiederauferstehn > als sie i j e gelwesen sind ((2 schwache Klatscher)) [19] [o.F.] « g > im Tübrigen (.) idarüber hiTnaus (.) ^schlagen wir jetzt auch beTginlnend wieder zuirück (.) bravo bravo ((einzelne)) 490 (0.8) lllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllll ((Beifall verzögert 8,2)) [20] [3er] [ff] [A] wenn die TEnglländer T—»sagen « f > Tdiese Vergeltung ihalten wir laus > (.)
IIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII [B] « f f > T—»DAS TlST INICHT > « f > die Verlgeltung (.)
215 [C] t d i e Ver-»geltung Tkommt 4erst > ((Rufe)) bravoooooooooooooooooooooooooooooooooo llllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllll 500 ((Beifall einzeln beginnend 21.6)) [21] [o.F.] [ff] « f f > Tich bin 4-Tmeinen 4tGegnem noch tnie 4etwas tschul4dig geiblieben bravooooooooooooooooooooooooooooooooooooo //////////////////////////////^ ((Beifall 7.4)) [22] [2er] [ff] «f> und es wird Thier Idie Tstunde —»kommen Ida wird sich ja hetrausistellen (.) [A] -lob die > « f f > Tdeutsche —»Reichshauptstadt (.) Τ völlig entlmannt und 4aus510 gerottet ist > (.) [B] « f > 4oder ob die Tbriltische Hauptstadt ^ausgerottet 4wird > bravooooooooooooo //////////////////////////// ((Beifall7.5)) [23] [o.F.] [f] « g > und ich Tmöchte —»dabei auch gleich tNOCH 4-etwas sagen > (.) « f > Twenn lllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllll —»man sich in England TeinJ-bildet (.) Tetiwa Tdie deutsche ReichsThauptistadt würde verinichten ikönnen > « g > da Tirrt i m a n sich (.) TUNlertmeßllich 4irrt 520 man 4sich (.) die tdeutsche 4tReichs4thaupt—»Stadt -list noch > « f > Tnie—»mals Xso isehr > « g > als ^Hauptstadt des iDeutschen tReiches vom ^deutschen 4Volk emipfunden worden als 4jetzt llllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllll ((Beifall 5.6)) [24] [o.F.] [ff] wenn tfrüher Tirgend4wo über den Bertliner (.) 4geTmasselt ((?)) —»wurde ((leises Lachen)) (.) 4der 4Berfüner —»ist jetzt so « f > 4Tanständig und so 4Tfebelhaft 4daß das deutsche Volk > (.) T « f f > jetzt 4überhaupt > « f > erst vielleicht zum 4ersten Mal in Tbreites4ten > « f f > TBRElitesten (.) tnicht 4nord > «f>deutschen 530 Kreisen eine Tinnere 4ßetziehung 4zum Bertli4ner be4kommen hat > bravoooooooo ////////////////////// ((Beifall 7.7)) [25] [3er] [f] « f > t w i r 4Tschlagen 4Tjetzt (.) 4nach tEngland 4zutrück (.) [A] tnicht als Ver4tgel4tung (.) [B] tauch nicht tdes4halb weil die Vertgel4tung noch nicht tkom4men 4konnte (.)
216 [C] sie Tkommt wenn sie 4-fertig ist (.) und sie wird so -ifertig gemacht daß sie Τ gründllich i w i r k t darüber kann man (.) überTzeugt -Isein (1.2) 540 ///////////////////////////////// ((Raunen, Beifall 5.5/R)) sondern ((Husten Hitlers)) //////////////////////////////////////// nach jahrelanger Arbeit (.) nach jahrelangem Projezieren und endlich Bauen > « g > kommen jetzt die Maschinen die geeignet sind die Angriffe auf England zu führen (.) und deshalb führen wir die Angriffe jetzt wieder (.) und die hören nicht mehr auf (.) da kann man der Überzeugung sein (.) und > « f > wenn die Engländer sagen (.) zweihundertfünfzig > « n > Maschinen das sind nur fünfzig (.) j a (.) bin neugierig wie lange sie das (.) ihrem Volk vorlügen können (.) seit einigen Tagen reden sie doch 550 jetzt nicht mehr so (.) vor wenigen Tagen da sagten sie noch (.) ha der Londoner empfindet diese Angriffe mit zweihundert zweihundertfünfzig Maschinen (.) nur (.) als (.) als (.) lächerlich (.) ich (.) ich dürfte das im deutschen Volk nicht sagen (.) ich dürfte nicht sagen (.) daß ein Bombenangriff lächerlich ist (.) oder daß das deutsche Volk nur Witze darüber macht (.) das dürfte ich nicht sagen (.) ich bin neugierig wie lange meine Herren Gegner sagen können das ist nur lächerlich (.) wenn bei uns zweihundertfünfzig oder dreihundert Maschinen angreifen [26] [3er] [A] (.) Tich lgla(ha)ube ((lachend gesprochen)) das -i Lachen wird ihnen (.) in -Ikurzer Zeit ^völlig vergehen (.) 560 [B] schon in den Tletzten i d r e i vier tTagen (.) i s e h ' ich kein TLachen mehr in ihrer Presse (.) ^sondern Ttief f e r n s t e B e f r a c h t u n g e n [C] sie werden noch Τ weit lernster werden da können Sie i G i f t drauf nehmen > bravoooooooooooooooooooooooooooooooooo //////////////////m ((Beifall 10.5)) « g > auch hier bin ich der alte Nationalsozialist meine Parteigenossen und -genossinnen [27] [o.F.] 570 (.) e r t i n n e m Sie sich was unsere ^Gegner über f-iuns f i e i n s t ge[l]acht haben (.) erTinnern Sie sich (.) an die -idamalige ^Münchner i P o s t (.) Τ ganz e n t s c h w u n d e n hahahahahaha ((Lachen 2.9)) —»schon in weiter Ferne zurückliegend (.) hahahahahahahahahahahahahahahahahaha
217 [28] [o.F.] an den damaligen Bayrischen Kurier (.) hahahahahahahahaha jaaah hahahahahahahahahahahahahahahahahahahaha 580 ((Lachen 1.7)) an andere Blättchen > (.) « f > die haben mich überhaupt nur > « g > von der lächerhahahaha liehen Seite aufgefaßt (.) das war immer nur zum Lachen (.) sie haben nur Witze gewußt über uns (.) es kam die Zeit in der ihnen dann die Witze ausgeblieben sind > (.) [Dreierliste] « f > und besonders unsere jüdischen Mitbürger (.) [A] was haben die nur damals für Witze gehabt ((?)) nur Witze (.) nur Späße (.) sie konnten nur lachen (.) [B] das Lachen ist ihnen vergangen (.) 590 [C] das Lachen wird auch hier drüben noch vergehen (.) [Kombination] [Aa] wir werden in diesem Jahr mit einem Fanatismus sondergleichen (.) zu kämpfen haben (.) [Ab] es wird sehr viel gefordert vom deutschen Volk (.) [Ac] aber das Jahr wird uns wieder einen gewaltigen Schritt dem Siege näherbringen [B] (.) einmal wird diese andere Welt plötzlich ins Rutschen kommen > (.) « p > und Sie müssen sich dabei auch hineinversetzen in die Situation wie sie im großen gesehen ist (.) als im Jahr neununddreißig der Krieg begann > (.) « n > standen wir [mutter[seelenal[lein und verfassen auf [Gottes weiter [Flur (.) hundertfünfzig 600 Kilometer östlich von Berlin der Feind (.) am Oberrhein der Feind (.) am Unterrhein auch fast am Rhein der Feind (.) im Norden der Gegner (.) im Süden (.) eine höchst unsichere Situation denn wenn damals bereits (.) diese Verschwörung des Königshauses (.) mit (.) diesen oberen Zehntausend geglückt wäre dann hätt' ja (.) schon (.) die Beseitigung des Duce im Jahr neunzehnhundertundneununddreißig einsetzen können (.) und dann wär' Italien schon damals unser Gegner geworden > (.) « f > damals mußte man das Herz wirklich festmachen > (.) « n > damals mußte man sich ganz stark machen (.) um nicht zu verzweifeln (.) man mußte wissen daß aber jedes Zurückweichen > (.) « f > wenige Wochen oder Monate darauf erst recht die Katastrophe gebracht haben würde > (.) « g > wir haben diese Zeit überstanden (.) von 610 sechshunderttausend Quadratkilometer ((!)) ist Deutschland über zweieinhalb Millionen Quadratkilometer mit seinen Vorräumen großgeworden > (.) « f > heute werden wir (.) jeder Gefahr auf die Dauer Herr werden > (.) « n > wenn sie auch noch so drohend sein mag (.) ich bin an sich gewohnt (.) daß weltgeschichtliche (.) Vorgänge (.) sich nicht krisenlos abspielen (.) ich habe das im kleinen einst gelernt hab es im großen dann miterlebt (.) und habe ja seit dem Jahr neunzehnhundertunddreiunddreißig nur die größten Nervenkrisen mitzumachen gehabt (.) es war nicht so einfach (.) im Jahr neunzehnhundertunddreiunddreißig (.) aus der Versailler (.) Bindung (.) aus dem
218 Völkerbund (.) aus der Abrüstungskommission (.) sprich (.) Abrüstungsverpflichtung Deutschlands (.) herauszutreten (.) es war nicht so leicht (.) den Auftrag zur Wieder620 herstellung der deutschen Gleichberechtigung zu geben (.) es war nicht so leicht im Jahre neunzehnhundertundfünfunddreißig die > « c r e s > Wehrpflicht einzuführen > (.) « f > es war nicht so leicht das Rheinland zu besetzen (.) [29] [o.F.] [f] es war Timmer lein [TWalgen [TsonlderfTgleilchen (.) lund ich Τ weiß —»nicht (.) l o b Tirlgendein Tan—»derer Idie Τ Kraft IbeTsessen hätte Idiese VerTantwortung lund Tdiese X schweren Τ Krisen lauf Tsich —>zu nehmen (.) Idie ich damals laufbringen Imußte (.) ((Husten Hitlers)) bravoo ((gemurmelt)) 630 lllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllll ((Beifall 9.7)) es ist also immer ein Kampf gewesen mit der äußersten Anspannung aller Nerven (.) warum soll es jetzt anders sein (.) wir wissen aber noch etwas (.) [30] [2er] [f+p] [A] im Τ Völkergeschehen (.) ITpflegen die geschichtlichen Erleignisse (.) Tnie Idiesen Tnie so Tablzulaufen daß am Terslten TTag Ischon eine IWaagschale mit Taillen Gelwichten zu iBoden sinkt (.) Tsondern (.) auf die GeTwichte lin der Teinen Ikommen Gewichte in der Tanderen TSchalle (.) Tund das geht ITso ITlang ITwei—»ter bis endlich TEIN iGRAMM in TEIne ISCHAle gelegt die Tletzte Ent640 Ischeidung gibt (.) [B] daß T[dielses TGramm Ivon TUNS in die Tletzlte TSchalle geTlegt -»werden wird > (.) « p > Idas ist Tsilcher > bravo ((leise kurz)) llllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllll ((Beifall 8.0)) « n > man könnte nun nur noch eines (.) einwenden (.) ja und der Glaube unserer Gegner (.) daß unsere Gegner (.) nicht glauben daß wir siegen (.) das nehm' ich wohl an (.) sie haben ja auch früher nicht geglaubt daß die Partei siegt > (.) « g > sie wer650 den mir nicht nachweisen können (.) daß etwa im Jahr neunzehnhundertund (.) sag'mer fünfundzwanzig sechsundzwanzig siebenundzwanzig in der Münchner Post immer gestanden ist (.) ja: die Nationalsozialisten die werden einmal siegen (.) einmal werden sie siegen das stand auch nicht darin sondern da stand im Gegenteil drin wir werden verlieren (.) das heißt sie sagten überhaupt gar nicht mal verlieren sie sagten es sei lächerlich (.) [31] [2er] lund wenn Tunsere Gegner Theulte erlklären daß wir Tnicht IgeTwinnen loder Tnicht siegen (.) TselbstlverTständllich (.) das Tmüslsen sie erlklären (.) das Twerlden sie erlklären > (.) « g > es Tist Inur die Frage (.) wer mehr Aussicht hat 660 (.) einen Krieg zu gewinnen
219 [Α] derjenige der zunächst schon über vier Jahre fortgesetzt Niederlagen erleidet (.) [B] oder deijenige der einer ganzen Welt gegenüber sich vier Jahre erfolgreich behauptet ////////////////////////^^ ((Beifall verzögert 6.5)) [32] [3er] [fj getrade in 1 diesem Jahr neunzehnhundertundtvierlundvierzig (.) I d a ist es tnot—»wendig (.) ITdaß (.) Idas t D e u t l s c h e TReich (.) l i n Terster -»Linie erlfüllt wird mit dem iGeist der nationalsozialistischen Parltei > (.) 670 [A] « f > T d i e l s e n l ? G e i s t ja gerade Tjetzt Tüberall ldurch>zusetzen (.) ist Tmit leine unserer Iwichtigsten lAufgaben (.) [B] und zwar Tnicht —»nur Izu THaulse (.) [C] sondern Tauch (.) Iselbstverständlich in der TWehrlmacht (.) wir Tsind —»daran tüberlall bravoooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooo lllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllll ((Beifall 10.0)) den nationalsozialistischen Geist heute (.) restlos zum Sieg zu führen (.) [Paarkonstruktion] 680 [A] denn nur wer diese innere Stärkung besitzt [B] kann wirklich mit Aussicht auf Erfolg einen solchen gewaltigen Weltkampf bestehen [Dreierliste] [A] (.) wer eine solche innere Stärkung nicht hat (.) [B] der wird (.) nur mit reiner Macht operierend (.) auf die Dauer die Nervenkraft und die Willensstärke nicht besitzen (.) [C] die notwendig sind (.) um ein solches Ringen erfolgreich bis zum allerletzten zu beenden (.) [Paarkonstruktion] 690 [A] so wie die Partei einst allein in der Lage war (.) im Inneren (.) die Gegner des deutschen Volkes niederzuringen (.) [B] so ist ihr Geist ganz allein in der Lage auch mit dem Gegner der Umwelt fertig zu werden (.) es ist ja auch von allen unseren Gegnern der gefährlichste (.) der einzige Weltanschauungsgegner den wir besitzen (.) er ist der gefährlichste (.) er kann nur niedergerungen werden durch den nationalsozialistischen ((Teil?; Geist?)) (.) nur der Nationalsozialismus (.) kann aber auch dem deutschen Volk überhaupt diesen Kampf ich möchte sagen (.) als (.) kämpfenswert (.) und durchkämpfenswert erscheinen lassen (.) wenn heute (.) die Engländer erklären (.) daß ihre Front unsicher wird weil sie sagt (.) 700 warum sollen wir überhaupt kämpfen (.) dann ist das verständlich (.)
220 [33] [2er] [if] wir Tkönnen nicht er-iwarten (.) daß in Tdielsem Jahrthunldert (.) ?Menlschen in den ?Tod -»gehen (.) Iwenn sie tnicht (.) -Ivor Tsich (.) lein ?Lebens—»ziel sehen (.) für das sie überhaupt (.) Τ streikten (.) Tkönlnen (.) und für das zu Tstreilten (.) auch einen TSinn Ihat (.) [A] tdielses tLebensziel «ff>Tkann ->nur Idas Trestlose iDurchsetzen > (.) « f > des nationalsozialistischen ^Glaubensbekenntnisses sein (.) [B] « f f > Tnur das allTlein (.) Tgibt lin der TZukunft leinen TStaat (.) Ifür Tden l e s twert ist > « f > sein Τ Leiben teinlzusetzen (.) ein > «ff>Tbürger—Richer llllllllIII II
710
IStaat > (.) « f > Iwürde den Wert Tnicht besitzen (.) ////////////////////^ ((Beifall verzögert 8.1)) mit welchem Recht würden wir denn überhaupt erwarten (.) daß Millionen von Arbeiter ((!)) an die Front gehen (.) und sich dort totschießen lassen (.) Millionen an Bauern (.) Millionen an Kleingewerbe (.) treibende ((!)) (.) an Handwerker ((!)) und so weiter ihre letzte Pflicht erfüllen (.) wenn sie sich dann sagen müssen wenn der Krieg zu Ende ist (.) in dem Staat den wir besitzen das ist (.) ein bürgerlicher Staat oder das ist (.) ein adeliger Staat oder das ist sonst irgendein Klassenstaat (.) in dem 720 haben wir nichts zu reden in dem haben wir nichts zu suchen (.) unsere Kinder können auch nichts werden (.) man kümmert sich um uns nicht (.) und so weiter (.) mit welchem Recht würden wir überhaupt eine solche Erwartung dann an diese Angehörigen unseres breiten Volkes stellen (.) nur wenn sie wissen daß dieser Staat ihr Staat ist (.) dann werden wir von ihnen das höchste Opfer erwarten können (.) und das durchzusetzen überall (.) ist unsere Aufgabe > (.) « g > und (.) einst (.) meine Parteigenossen und Parteigenossinnen da sind wir aus dem Krieg gekommen (.) und hatten ganz in uns noch das gewaltige Kriegsgeschehen (.) ich habe Ihnen so oft damals erklärt (.) war' ich nicht Soldat gewesen hätt' ich nie den Mut gefunden (.) diese Bewegung aufzurichten (.) wär' ich nicht Soldat gewesen (.) und dort meine Mitkameraden kennen730 gelernt hätte (.) hätt' > « f > ich nie den Glauben bekommen daß so etwas überhaupt gelingen kann > (.) « g > ich wäre nie Nationalsozialist geworden (.) [34] [o.F.] [f] lieh Tglaube es ist dieser I[zweite I[Kampf l[notwendig geworden (.) t u m u-in lunserem TVolk den natioTnallsozialistischen Getdanlken und (.) die nationalsozialistische lTdee (.) > « f > Terst zum allertLETZlten Durchbruch zu Ibringen (.) Τ [erst T[dielser T[Krieg Iwurde Tnotlwendig (.) Tum (.) lauch die tLETZlten —»ich möchte —»sagen PosiTtiolnen leiner überTallterten TWelt (.) Izu ertstürlmen > (.) « g > und sie Treif Izu machen (.) für Tunlsere Tneule Geldankenwelt 740 bravo ((einzeln)) lllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllll
(Beifall 8,1))
221 und auch hier gehen wir so vor (.) wie wir einst als Nationalsozialisten vorgegangen sind > [Paarkonstruktion] (.) « f > eine neue Welt wird eingerichtet (.) [A] aber nicht dadurch (.) daß wir zunächst alles in Trümmer schlagen (.) [B] sondern dadurch (.) daß wir dem neuen Bahn machen (.) 750 die Bahn frei machen (.) und daß wir nur das zurückdrängen was sich mit Gewalt (.) dem entgegenstellen denn will (.) Sie wissen ja wie das einst war (.) ich habe nie die SA oder die SS gegründet zu dem Zweck (.) andere totzuschlagen sondern nur die Bewegung zu schützen (.) [doppelte Paarkonstruktion] [Aa] aber nur wenn der andere kam (.) und unsere offene Hand mit der geschlossenen Faust beantwortete [Ab] dann allerdings sagte ich werden wir Dir mein lieber Genösse die Faust aufbrechen (.) [Ba] entweder Du wirst willig (.) unsere Aufklärung hören (.) 760 [Bb] oder (.) du wirst von uns gebrochen werden > (.) « p > so haben wir's dann nach der Machtübernahme genauso gehalten (.) wir haben nichts zertrümmert und nichts zerstört (.) sondern wir haben dem neuen allmählich die Bahn frei gemacht (.) und haben dadurch es vermieden daß unersetzbare Werte vernichtet worden sind (.) [doppelte Paarkonstruktion] [Aa] so ist eine Revolution damals im Laufe von wenigen Jahren über die Bühne gegangen [Ab] (.) ohne daß man nach außen kaum überhaupt etwas merkte (.) [Ba] und doch war es eine gewaltige Revolution die stattfand (.) 770 [Bb] unser Parteiprogramm wurde verwirklicht (.) [35] [2er] und Theute sind wir dalbei diese Revolution tdau—>ernd Iweiterzutreiben (.) [A] Twenn ich vor Tkurizer TZeit vertküniden idurfte (.) daß Tjetzt beireits (.) tüber TSECHzig Proizent lunseres ganzen jungen OffiTzierikorps (.) laus'm ?Mann-lschaftsstand herivorgegangen ist [B] (.) Tme(he)ine ((lachend)) Par—»teigenossen i d a s ist -leine Revolution ungeiheuerster Art > ( . ) « n > ertinnern —>Sie sich ((Husten Hitlers)) llllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllll ((Beifall 7,9)) 780 erinnern Sie sich noch an den Weltkrieg (.) da war die Laufbahn (.) des gewöhnlichen Deutschen (.) der Offizierstellvertreter (.) der Feldwebelleutnant (.) oder der Deckoffizier (.) Schluß > (.) « p > nur in ganz wenigen Formationen hat man (.) Angehörige des Mannschaftsstandes weiterbefördert im allgemeinen stand man noch auf dem Standpunkt daß das das Offizierkorps (.) wie man sich so böse ausdrückte (.) versauen würde > (.) « f > und heute (.) heute strömt mit > « f f > jedem jungen (.) Kurs (.) eine
222 Masse von sechzig bis siebzig Prozent > « f > aus unserem Mannschaftsstand > (.) « p > in die Offizierslaufbahn hinein (.) auch hier ist eine Revolution im Begriff (.) zum Durchbruch zu kommen (.) und so im ganzen Staat heute (.) und es gibt keinen Zweifel (.) daß wir dem unendlich viel verdanken (.) 790 [36] [o.F.] [ff] « g > twenn —»das deutsche 4-Volk iheute so Tfest lund so istark Isteht (.) dann doch ideshalb weil wir die > « f f > getsun-lde (.) Turiwüchsige tKraft (.) Ivon Tviellen THunldertttau-lsenden (.) unserer tVolkslgenossen > (.) « f > l i n die sLStaatsführung > « f f > an ttausend ^Stellen > « f > und Itausend und Izehntausend iStellen (.) hinieingepumpt haben (.)
IIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII ((Beifall verzögert 6,5)) das hält heute den Staat fest und weil heute jeder Arbeiter (.) und jeder Bauer und je-
llllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllll 800 der Kleingewerbetreibende weiß (.) daß wenn sein Kind talentiert ist (.) daß ihm dann jeder Weg offensteht (.) [Paarkonstruktion] [A] ja nicht nur daß es sich dann schwer durchringen muß (.) [B] nein wir suchen sie (.) wir suchen sie (.) [Paarkonstruktion] [A] es werden die Talente heute gesucht ohne Rücksicht auf ihre Geburt und ihre Herkunft [B] (.) wer sie auch sein mögen (.) sie werden alle auf Staatskosten heute gefördert (.) 810 und sie können unter Umgehung von zahllosen früheren Prüfungen (.) wenn sie nur überhaupt fähig sind eine Sache zu führen (.) sofort sich ((unverständlich)) vorzeigen (.) es ist eine gesellschaftliche Revolution in unserem Volk gekommen sondergleichen (.) daher allein glauben Sie mir (.) sind wir auch so immun (.) gegenüber dem ganzen bolschewistischen Gift (.) es ist für uns völlig belanglos (.) ein paar Narren (.) oder ein paar alte (.) Verbrecher (.) die unter Weltanschauung Rucksack verstehen (.) oder für die der Rucksack das Symbol der Weltanschauung ist (.) die können vielleicht noch (.) eine gewisse Schwäche für den Kommunismus haben (.) das deutsche Volk in der breiten Masse seiner Arbeiter und seiner Bauern ist völlig gefeit dagegen (.) das können wir von den anderen europäischen Völkern nicht sagen (.) und hier 820 komm' ich auf etwas (.) abschließend (.) [Paarkonstruktion] [A] das was wir hinter uns haben meine > « g > Parteigenossen (.) und -genossinnen [B] haben andere vor sich > (.) « f > sie werden das einmal mitmachen > (.) « g > ich habe vor kurzem es ausgesprochen (.) es ist ganz belanglos (.) ob die Engländer jetzt erklären (.) daß sie meinetwegen die Atlantikcharta durchsetzen wollen oder nicht was ja an sich ein Blödsinn ist
223 (.) es ist ganz belanglos oder ob sie: erklären (.) sie würden die kleinen Nationen beschützen > (.) [Paarkonstruktion] 830 « f > sie können gar nicht > (.) [A] « n > nicht weil sie die Macht nicht haben wie über Sowjetrußland (.) die Macht hat nur Deutschland allein > (.) [B] « p > sondern weil sie nicht einmal im Inneren mehr die Macht haben (.) sich durchzusetzen (.) und die Erklärungen der letzten Tage und der letzten Wochen (.) die sind ja doch eine Bestätigung für meine Behauptung (.) wie kriechen sie doch jetzt ganz klein zu Kreuz (.) sie können gar nichts machen (.) sie haben Angst im Inneren (.) ihre Juden schreiben in ihren Zeitungen gena(ha)uso ((lachend gesprochen)) unverschämt und frech wie sie bei uns einst geschrieben haben (.) ((Publikum: ha)) aber auch hier ist wieder 840 eine (.) parallele Erscheinung > (.) « f > so wie im Jahr neunzehnhu""dachzehn und neunzehn die Juden bei uns (.) die ganze Vernunft verloren haben und sich plötzlich offenbarten (.) und aus der Anonymität in das Scheinwerferlicht (.) der Öffentlichkeit getreten sind > (.) « g > so machen sie's heut' in England in Amerika in all diesen Staaten (.) auch dort treten sie plötzlich > « f > ganz unverschämt auf > (.) « g > der Jude kann es nicht mehr erwarten (.) [37] [2er] [ff] Τ glauben Sie Imir (.) « f > Tes —»wird aber auch —»hier die Erlkenntnis kommen Iund wir > « g > werden dafür Isorgen daß sie Ikommt > (.) [A] « f > Idie tanderen Staaten haben (.) Idas was wir Thinter uns haben (.) IT vor 850 sich [B] (.) laltlein lauch das > « f f > Τ Juden—»tum > « f > Ihat Tdas Iwas es in TDeutschlland schon >«ff>Thinter —»sich hat > « f > (.) lin den I tanderen Ländern lauch noch vor sich > ((Husten Hitlers)) bravooooooooooooooooooooooooooooooooooooo
IIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIJIIIIIII ((Beifall 12,7)) [38] [2er] [ff] « g > meine Partteigenossen Iund Partteilgenossinnen (.) [A] es tist schon Itsehr tlselten in der Gelschichte (.) Idaß ein tMann (.) Inach > 860 « f > tvier—»undlzwanzig t j a h l r e n > (.) « g > nachdem er ein Protgramm Iverkündet hat > (.) « f > auf den tgleilchen tPlatz wieder—»hintreten kann > (.) « g > Iund zunächst tsa—»gen > (.) « f > l t d a r f >(.) [B] « f f > thab' —»ich nicht l[ail:es I[Denkbare gel[tan > « f > um > « g > dieses Prolgramm zu verlwirklichen bravoooooooooooooooooooooooooo
llllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllll ((Beifall 12,7))
224 [39] [Κ] tvierundOizwanzig tJahire (.) das ist eine tlange iZeit (.) 870 [Aa] tdamals war ich teiniundtdreißig tjahire alt (.) iund da thab' ich (.) iein Protgramm (.) —»verkündet (.) [Ab] -Idas ich theute ials tFünfundfünfzigjähriger (.) 4 so tun 4unterbrochen zu untertschreiJ-ben vermag (.) iund an dessen Verwirklichung ich Τ jetzt inoch tuniuntertbrochen t weiterarbeite (.) [Ba] und tdamals ihab 1 ich einen tWeg begonnen (.) [Bb] iden ich Theute tunent—»wegt noch tweiiter (.) betschreiite (.) [Ca] und > T « f > damals —»sind Sie mir (.) izu einem t großen Teil schon geifolgt > [Cb] (.) « g > und iheute folgen Sie mir noch timimer (:) ((zwei einzelne Klatscher im Hintergrund)) 880 [40] [K] [f+p] [A] ich > « f > tweiß nicht (.) iob t einer meiner politischen tGeginer (.) getnau—»so aufstehen tkann iund Tsagen kann (.) [Ba] -Ivor Τ vierundzwanzig —»Jahren ihab' ich das getsagt> [Bb] « p > iheute sag' ich das tgleiche (.) [Bc] iund meine TAnihänger sind die Tseliben geblieben > (.) bravo ((kurz)) lllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllll 890 ((Beifall 9,5)) [41] [3er doppelt] [ff] [A] « f > ich tweiß —»nicht (.) iTvierundzwanzig ijahre werd' ich Tnicht imehr leben wie tlanige ich noch ilebe > (.) « f f > aber Teines ist isicher > (.) ((Rufe Publ.; u.a. do::ch (?)) [B] « f > so Τ [lange ich i[lebe fwird irdieses Proi[gramm tistur iT[weiter veri[treten > (.) ((Ruf Publ.: gu::t)) [C] « f f > und so tlange iich tlebe > « f > -»wird der Kampf [Ca] für Deutschlands Größe (.) [Cb] für seine t Zukunft (.) 900 [Cc] ifür die Ertnährung der ikommenden Generaitionen > (.) « f f > T[unienti[wegt i[weitergeführt > (.) « f > und so > « f f > tlange iich tlebe > bravo ((einzeln kurz)) lllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllll ((Beifall 11,1)) ((Husten Hitlers)) « f > werd' ich gegen jeden Front machen (.) der irgendwie //////////////////////////////////////////////// schwach zu werden droht (.) ich werde jeden beseitigen der die Nerven verliert (.) ich werde unverrückbar meinem Ziel (.) treu und gehorsam (.) nachgehen (.) weil ich nur
225 910 dann glaube > « p > daß man auch (.) rechnen kann (.) mit (.) der Zustimmung der Vorsehung (.) nur wer so ganz treu (.) und gehorsam seinem inneren Gewissensgebot (.) genügt und dient (.) der kann damit rechnen daß er am Ende auch den Segen des Allmächtigen findet (.) dieser (.) Segen der mag oft scheinbar (.) jahrelang ausbleiben (.) dann wird der Mensch eben geprüft (.) das geht nicht so leicht (.) [42] [3er doppelt] [ff] [A] -laber Τ wenn -lein TVolk (.) lund wenn seine ?Füh—»rung (.) —»treu (.) 4-beTharrlich 4-und t unentwegt iihr Tfediles Τ [Ziel -J-verT [folgen (.) [B] dann Twird 4-einmal die —»Stunde kommen in der die —»Vorsehung sagt > (.) [Ca] « f f > i t s o (.) ίjetzt igeTnug (.) 920 [Cb] -IT [jetzt 4-seid ihr ge?[nüigend get [prüft (.) [Cc] i t i j e t z t I T [kommt Ider t[Sieg i j z u Ifeuch > ////////////////////////////////////////////////// ((Beifall verzögert, einzeln beginnend 22.4)) //////////////////////////^^ ((Heilrufe ca. nach der ersten Hälfte des Beifalls)) ((anderer Sprecher:)) wir grüßen unseren Führer mit unserem alten gläubigen Ruf Adolf Hitler (.) Sieg ((Publ.: heil)) Sieg ((Publ.: heil)) Sieg ((Publ.: heil)) ((folgt Deutschlandlied))