Politische Ökonomie des Politikbetriebs: Die konzeptionellen Unterschiede verschiedener ökonomischer Theorietraditionen in Analyse und Bewertung politischer Ordnungen 9783110510362, 9783828202993


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German Pages 170 [184] Year 2004

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Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
1. Von der Kritik zur Reform des politischen Betriebs
2. Theorien politischer Eliten
3. Grundprinzipien einer Ordnungstheorie der Demokratie
4. Die neoklassische Perspektive: Neue Politische Ökonomie
5. Die Perspektive der Österreichischen Schule: Politische Marktprozesse
6. Folgerungen für eine Politische Ökonomie des Politikbetriebs
Literaturverzeichnis
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Politische Ökonomie des Politikbetriebs: Die konzeptionellen Unterschiede verschiedener ökonomischer Theorietraditionen in Analyse und Bewertung politischer Ordnungen
 9783110510362, 9783828202993

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Politische Ökonomie des Politikbetriebs Franz Beitzinger

Franz Beitzinger

Politische Ökonomie des Politikbetriebs Die konzeptionellen Unterschiede verschiedener ökonomischer Theorietraditionen in Analyse und Bewertung politischer Ordnungen

Lucius & Lucius • Stuttgart

Anschrift des Autors Dr. Franz Beitzinger Council on Public Policy Universität Bayreuth 95440 Bayreuth [email protected]

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar

ISBN 3-8282-0299-3 (Lucius & Lucius) © Lucius & Lucius Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart 2004 Gerokstr. 51, D-70184 Stuttgart www.luciusverlag.com

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigung, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung, Verarbeitung und Übermittlung in elektronischen Systemen.

Druck und Einband: Ebner & Spiegel, Ulm Printed in Germany

Vorwort Im Schlußwort zu seiner „General Theory" brachte John Maynard Keynes mit der Formulierung, jeder Praktiker sei gewöhnlich Sklave irgendeines verblichenen Ökonomen, den Einfluß wissenschaftlicher Lehrmeinungen auf die Politik gekonnt zum Ausdruck. Nicht nur im angesprochenen Beispiel der Wirtschaftspolitik sind Politiker vielfach einer bestimmten Denktradition verhaftet und können nur innerhalb dieser gedanklichen Fesseln agieren. Denktraditionen beeinflussen vielmehr die Ausgestaltung jeglicher konkreter Politik. Hat beispielsweise ein Politiker die theoretische Konzeption des oben zitierten Ökonomen verinnerlicht, wird er danach streben, diese Lehrmeinung in seinem Handeln praktisch umzusetzen und damit wirtschaftspolitische Aufgaben vorzugsweise mit Hilfe staatlicher Eingriffe zu lösen. Der Gedanke, auf die Fähigkeiten des Markts zur Selbstorganisation zu vertrauen, liegt hingegen unerreichbar weit außerhalb seines ideologischen Gefängnisses. Denktraditionen definieren, welches Spektrum möglicher Lösungen für gesellschaftliche Probleme von Politikern als prinzipiell umsetzungswürdig angesehen und welches bestenfalls ignoriert wird. Sie enthalten also im gewissen Sinne bereits die Antwort auf die Frage, mit welchen Konzepten die Politik auf gesellschaftliche Problemlagen reagieren soll. Dieses Phänomen läßt sich nicht nur in der konkreten Politik selbst beobachten. Es trifft auch auf die wissenschaftliche Betrachtung der Politik zu. Mit der Wahl eines bestimmten gedanklichen Ausgangspunkts wird die Perspektive festgelegt, mit der ein zu untersuchender Gegenstand betrachtet wird. Gleichzeitig wird durch diesen spezifischen Blickwinkel die Richtung möglicher Schlußfolgerungen gleichsam vordefiniert. In den Wirtschaftswissenschaften existieren wie in allen akademischen Disziplinen eine Vielzahl mehr oder minder wirkungsmächtiger Denktraditionen, die in unterschiedlicher Weise auch ihren Weg in die benachbarten Fachbereiche gefunden haben. In den Politikwissenschaften scheint die wirtschaftswissenschaftliche Perspektive jedoch von einem einzigen theoretischen Ansatz dominiert zu sein. Diese oftmals auch ökonomisch genannte Theorie der Politik entstammt der neoklassischen Denktradition der Wirtschaftswissenschaften und teilt sich mit dieser die gleichen gedanklichen Fesseln. Eine weitere wirkungsmächtige Richtung in den Wirtschaftswissenschaften wird von der Österreichischen Schule der Nationalökonomie vertreten. Dieser theoretische Ansatz läßt sich in gleicher Weise wie die Neoklassik für die Analyse politischer Vorgänge nutzen, erlaubt jedoch ein ganz anderes Spektrum möglicher Schlußfolgerungen und Bewertungen politischer Ordnungen. Die Ergänzung der politikwissenschaftlichen Diskussion um die Perspektive der Österreichischen Schule sowie der Vergleich beider wirtschaftswissenschaftlicher Denktraditionen in ihrer Anwendung auf politikwissenschaftliche Fragestellungen sind Thema dieses Buches. Die vorliegende Publikation ist die überarbeitete und gestraffte Fassung meiner im Winter 2003 von der Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Bayreuth angenommenen Dissertationsschrift. An dieser Stelle möchte ich all jenen danken, die auf unterschiedlichste Art und Weise die Fertigstellung dieser Arbeit unterstützt haben. BeV

sonders danken möchte ich Jens Lemke und Dr. Martin Zeitler für den gedanklichen Austausch sowie die kritische Lektüre des Manuskripts. Vor allem aber geht mein aufrichtiger Dank an Prof. Michael Zöller, der nicht nur diese Arbeit wohlwollend betreute und mit vielen wertvollen Anregungen und Hinweisen begleitete, sondern auch mein Interesse an ordnungspolitischen Fragestellungen weckte und mir die Perspektive der Osterreichischen Schule nahebrachte. Danken möchte ich außerdem dem Verlagshaus Lucius & Lucius für die sorgfältige Betreuung der Drucklegung. Mein letzter und herzlichster Dank geht an meine Lebensgefährtin Pauline Daubertay, die durch ihr Verständnis und ihre Unterstützung sehr zum Gelingen dieser Arbeit beitrug. Bayreuth im August 2004

VI

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

V

1. Von der Kritik zur Reform des politischen Betriebs ....:

1

2. Theorien politischer Eliten 2.1. Der Begriff der politischen Elite 2.2. Der Gegensatz von Masse und Elite 3. Grundprinzipien einer Ordnungstheorie der Demokratie

7 7 16 25

3.1. Von der Wirtschafts- zur Staatsordnungspolitik

26

3.2. Grundlagen ökonomischer Analyse

34

3.2.1. Eigennutz als individuelles Handlungsmotiv

34

3.2.2. Marktliche Koordination individueller Handlungen

36

3.2.3. Modelldenken als methodisches Grundprinzip

41

3.3. Freiheit und Gleichheit im demokratietheoretischen Denken

43

3.4. Theorien der Demokratie

49

3.5. Die Verbindung von Ordnungstheorie und Demokratietheorie

58

4. Die neoklassische Perspektive: Neue Politische Ökonomie

63

4.1. Modelltheoretische Grundprinzipien

64

4.2. Die neoklassische Gleichgewichtskonzeption

66

4.3. Demokratie im neoklassischen Modell

73

4.4. Die Bewältigung politischen Marktversagens

80

4.4.1. Externe Effekte in politischen Ordnungen

80

4.4.2. Transaktionskosten und Institutionen

86

4.4.3. Effizienzsteigerung und Optimierung

90

4.5. Schwerpunkte einer neoklassischen Politischen Ökonomie 5. Die Perspektive der Österreichischen Schule: Politische Marktprozesse 5.1. Grundlagen marktprozeßtheoretischer Ansätze

94 101 101

5.1.1. Die subjektive Begründung individueller Handlungen

102

5.1.2. Die Bedeutung von Wissen in Marktprozessen

106

5.1.3. Methodologischer Subjektivismus 5.2. Aspekte der Koordination individueller Pläne

111 118

5.2.1. Marktprozesse

118

5.2.2. Unternehmer

125

5.2.3. Institutionen

130

VII

5.3. Marktprozesse in politischen Ordnungen 5.3.1. Politische Märkte 5.3.2. Politische Unternehmer 5.3.3. Politische Parteien 5.3.4. Institutionelle Hemmnisse politischer Marktprozesse

135 136 140 144 146

6. Folgerungen für eine Politische Ökonomie des Politikbetriebs

151

Literaturverzeichnis

159

VII!

1. Von der Kritik zur Reform des politischen Betriebs Politiker und Parteien sind wesentliche Bestandteile des politischen Betriebs in modernen, demokratischen Gesellschaften und müssen als solche seit jeher umfangreiche Kritik erdulden. Insbesondere die Figur des Politikers steht dabei im Zentrum abfalliger Äußerungen. Als typisches Beispiel hierfür kann die Auffassung von Adam Smith gelten, der den Typus des Politikers als heimtückisches und listiges Geschöpf, als „insidious and crafty animal" (Smith 1991: 365) bezeichnete. Wenn heute das Thema des politischen Betriebs in die öffentliche Diskussion eingebracht wird, ist dies in der Regel entweder ausdrücklich oder stillschweigend mit Politikerschelte, der Beschreibung des politischen Systems als Parteienoligarchie oder dem Beklagen der Politikverdrossenheit der Wählerschaft verbunden. Politikverdrossenheit ist gleichbedeutend mit der Unzufriedenheit der Bürger mit dem politischen Betrieb. Politikerschelte und Parteienkritik sind verschiedene Seiten ein und derselben Medaille, denn Parteien setzen sich aus Politikern zusammen bzw. sind, wie Hans Herbert von Arnim unterstellt, dem Treiben der politischen Klasse ausgesetzt. „Das eigentliche Problem bildet eine kleine Minderheit in den Parteien, die rund 17.000 Berufspolitiker in Deutschland, die eine neuere politikwissenschaftliche Forschungsrichtung 'politische Klasse' nennt" (Arnim 2000). Aus dieser Sichtweise wird der Staat, vermittelt durch das Parteiensystem, zur Beute der Politiker (vgl. Arnim 1993; Arnim 1995). Die Kritik an der politischen Klasse geht im allgemeinen mit einer Unzufriedenheit mit den Leistungen dieser politischen Elite einher, d.h. mit einer Verdrossenheit an der Politik. Für Jürgen W. Falter unterliegt der Grad der Politiker- und Parteienkritik gleichsam konjunkturellen Schwankungen. Vor wichtigen Wahlen verringert sich die Politikverdrossenheit, nach Wahlen steigt sie an. Er fuhrt dies insbesondere auf die Auswirkungen einer mediengerechten Wahlkampffuhrung zurück, den Konsumenten von Politik Leistungen zu versprechen, diese jedoch nicht erfüllen zu können. So führte zum einen die nach dem Wahlsieg Helmut Kohls im Jahr 1983 ausgebliebene, aber versprochene „geistig-moralische Wende" zu erheblicher Unzufriedenheit bei den Wählern. Auch das Ausbleiben einer sich der Sorgen und Nöte der sogenannten „Neuen Mitte" annehmenden Politik nach den Bundestagswahlen von 1998, so wie es vom Gewinner dieser Wahlen versprochen wurde, bewirkte einen ungeahnt raschen Anstieg von Politikverdrossenheit (vgl. Falter 2000: 30 ff.). Gerade in jüngster Vergangenheit erreichte die Kritik an der politischen Klasse einen neuen Höhepunkt. Ernüchtert durch die Wiederwahl Gerhard Schröders im Jahr 2002 und desillusioniert durch die vertan geglaubte Chance, endlich eine die drängenden Probleme dieses Landes angehende Politik durchzusetzen, wurde vielfach der Vorwurf des Wahlbetrugs erhoben. In diesem Zusammenhang stellte Arnulf Baring in einem hohe Wellen schlagenden Aufruf an die Bevölkerung provokant die sich selbst beantwortende Frage: „Wofür halten uns die Leute, die uns repräsentieren? Selbst Unmündige darf man nicht hinters Licht führen" (Baring 2002). Aufgrund der von ihm der politischen Klasse vorgeworfenen Unfähigkeit zu einer auf die Lösung gesellschaftlicher Sachfragen bezogenen Politik forderte er die Bürger dieses Landes zur Rebellion gegen die politische Klasse 1

auf. „Bürger, a u f die Barrikaden! Wir dürfen nicht zulassen, daß alles weiter bergab geht, hilflose Politiker das Land verrotten lassen" (Baring 2002). Gerade in Zeiten epochaler Veränderungen, d.h. der erhofften Lösung drängender, bedrohlicher gesellschaftlicher Probleme, erwartet die Bevölkerung von der sogenannten politischen Klasse bzw. der politischen Elite Führung, Kompetenz und Entscheidungsfähigkeit, um einer ungewissen Zukunft Perspektive und Gestalt zu geben. Andererseits wird im gleichen Atemzug bezweifelt, o b diese Führungsgruppen und politischen Eliten dazu überhaupt in der Lage seien. Im Rahmen dieser Kritik am Politiker als Typus geht es nicht um die Verfehlungen einzelner, sondern vielmehr u m die Sorge u m die gesamte Gesellschaft, denn politische Eliten sind die maßgeblichen Gestalter jedweder Politik. Deshalb sind in der öffentlichen Diskussion Politikerschelte und Parteienkritik in der Regel mit der Forderung nach „ordnenden" Eingriffen in das System der Politik verbunden, damit Politiker eben nicht eigennützig den eigenen Vorteil anstreben, sondern Politik zum „Wohle" der Gesellschaft gestalten. Ein großer Teil solcher Empfehlungen richtet sich auf die Entmachtung von Politikern und Parteien durch die Stärkung direktdemokratischer, plebiszitärer Verfahren, um damit die Abhängigkeit der Politik von den Eigeninteressen der politischen Klasse zu verringern (vgl. bspw. Arnim 2000). Beispielhaft für eine solche Position kann das von Klaus Schweinsberg aufgestellte Reformprogramm gelten. Er fordert unter anderem die Beschneidung des Einflusses der Parteien bei der Auswahl von Kandidaten für politische Wahlen durch die Einführung einer listenlosen Verhältniswahl, einen Verfassungsrat als Kontrollorgan für das Parlament, die Etablierung von direkten Volksrechten zur Sanktion von Politikerhandeln durch Abwahl oder auch das Verbot der Häufung politischer Ämter (vgl. Schweinsberg 1998: 289 ff.). Ein anderer Teil reformatorischer Bestrebungen versucht hingegen Regelungen zu entwerfen, die als Vorteilsnahme verstandenes, „eigennütziges" Verhalten von Politikern von Grund auf, d.h. auch ausgehend von einer Reform der Rekrutierungsmuster von Politikern, verhindern sollen. Als prominentes Beispiel hierfür sei auf die im Rahmen ihrer Untersuchung politischen Klüngels von Erwin K. und Ute Scheuch genannten Thesen zur „strukturellen Erneuerung der politischen Führung" hingewiesen. Unter anderem fordern diese Autoren die Koppelung des passiven Wahlrechts an die vorhergehende Ausübung eines öffentlich bekanntgemachten Berufs, die Ausrichtung der Vergütung für Inhaber politischer Mandate grundsätzlich an dem aus dieser vorhergehenden, nicht-politischen Tätigkeit erzielten Einkommen, die Einführung von zeitlichen Beschränkungen der Ausübung von Ämtern, die Trennung von Amt und Mandat, das Verbot der Ausübung von Aufsichtsratsfunktionen für Betriebe der öffentlichen Hand durch Mandatsträger und Parteifunktionäre, die öffentliche Ausschreibung von Vorstands- und Geschäftsführerpositionen solcher Betriebe sowie die Reduzierung der Zahl der Abgeordneten (vgl. Scheuch/ Scheuch 1992: 122 ff.). Die Kritik an der politischen Klasse und damit auch die hieraus abgeleiteten Bestrebungen zur Reform des politischen Betriebs entzünden sich vielfach an der Beobachtung, 2

daß Politiker ihr Handeln eben nicht allein am fiktiven Ziel eines allgemeinen Wohls der Gesellschaft ausrichten, sondern eigene Interessen verfolgen, also auch nach Verbesserung ihres persönlichen Wohls streben. Wenn jedoch Politiker so sind, wie sie sind, sollten realistische Bestrebungen zur Reform des Politikbetriebs berücksichtigen, daß Politiker eben eigennützig handeln, dies nicht als Ursache allen Übels betrachten, sondern im Streben nach d e m eigenen Vorteil vielmehr einen grundsätzlich wertvollen Antrieb menschlicher Handlungen sehen. Bereits A d a m Smith wies ja eindringlich darauf hin, daß allgemeines Wohl auch als Nebenfolge eigennützigen Verhaltens aufzufassen ist. Schließlich verkauft der Bäcker uns in Smiths berühmtem Beispiel nicht deswegen Brot, weil er uns wohlgesonnen ist, sondern weil es in seinem eigenen Vorteil liegt. „It is not from the benevolence o f the butcher, the brewer, or the baker, that we expect our dinner, but from their regard to their own interest. We address ourselves, not to their humanity but to their self-love, and never talk to them o f our own necessities, but o f their advantages" (Smith 1991: 20). Ausgehend von der vielfältigen Kritik an Politikern und Parteien wird in dieser Untersuchung der notwendige theoretische Rahmen erarbeitet, mit dessen Hilfe die mannigfaltigen Vorschläge zur Reform des politischen Betriebs dahingehend bewertet werden können, ob sie in Ubereinstimmung mit den Strukturbedingungen politischen Handelns zu einer substantiellen Verbesserung der Leistungsfähigkeit politischer Ordnungen beitragen können. Hierbei geht es nicht um die unmittelbare Steuerung des politischen Prozesses, u m beispielsweise bestimmte politische Ergebnisse hervorzubringen, sondern vielmehr u m eine Reform des Ordnungsrahmens, in dem Politik prinzipiell demokratisch und freiheitlich ablaufen soll. Reformen der Rahmenbedingungen des politischen Betriebs, so wie sie eingangs beispielhaft aufgeführt wurden, müssen also in ihrer ordnungspolitischen Perspektive betrachtet werden. U m jedoch eine dem Gegenstand des politischen Betriebs angemessene Ordnungspolitik formulieren zu können, bedarf es eines geeigneten theoretischen Fundaments, damit aus einer zutreffenden Erklärung der Funktionsweisen des politischen Betriebs mögliche Dysfunktionalitäten identifiziert und Ansatzpunkte zu deren Beseitigung entwickelt werden können. In Übereinstimmung mit der Wahrnehmung, daß politische Akteure in ihrem Handeln grundsätzlich ihren eigenem Interesse folgen, wird letztendlich im ökonomischen, d.h. v o m Eigennutzprinzip ausgehenden Ansatz die geeignete theoretische Grundlage für eine auf den politischen Betrieb gerichtete Ordnungspolitik gesehen. Die Wahl des ökonomischen Ansatzes erlaubt darüber hinaus die Übertragung der Grundprinzipien einer Wirtschaftsordnungspolitik auf den Gegenstand des Politischen. Insofern versteht sich diese Untersuchung auch als der sogenannten Politischen Ökonomie im Sinne der Anwendung ökonomischen Denkens auf primär nichtwirtschaftliche Zusammenhänge zugehörig. Der sogenannte ökonomische Ansatz ist nicht mit einem monolithischen Theoriegebäude gleichzusetzen. Vielmehr bedingen die unterschiedlichen Denktraditionen ökonomischer Theorie in ihrer Anwendung auf den Gegenstand der Politik unterschiedliche Sichtweisen des politischen Betriebs. Zu den wichtigsten dieser Konzeptionen gehören zum einen die sogenannte neoklassische ökonomische Theorie, die individuelle Hand3

lungen als Maximierung individuellen Nutzens begreift, und z u m anderen der Ansatz der Osterreichischen Schule der Nationalökonomie, der menschliches Handeln als subjektivinteressegeleitet betrachtet und deshalb auch als Sozialtheorie im soziologischen Sinne mit methodologisch-subjektivistischer Grundlage aufzufassen ist. Die Hauptaufgabe dieser Untersuchung besteht darin, einerseits den Gedanken ordnungspolitischen Denkens v o m Gegenstand der Ökonomie auf den der Politik zu übertragen und andererseits die Konsequenzen der Anwendung zweier unterschiedlicher Denktraditionen der ökonomischen Theorie, nämlich zum einen des neoklassischen Ansatzes und z u m anderen der Osterreichischen Schule, für die Formulierung einer solchen Ordnungspolitik herauszuarbeiten. Zu den wohl wirkungsmächtigsten theoretischen Modellen, mit deren Hilfe Empfehlungen zur Gestaltung der Rahmenbedingungen von Politik gegeben werden, zählen die verschiedenen Ansätze der sogenannten, auch als Neue Politische Ökonomie bezeichneten Public Choice. Diese Theorierichtung versucht explizit das Instrumentarium der neoklassischen MikroÖkonomie auf die Sphäre der Politik zu übertragen und diese auf Grundlage der Modellvorstellung rational handelnder und dabei ihren Nutzen maximierender Akteure zu erklären. Die Public Choice im Sinne der Zugrundelegung von Modellannahmen der neoklassischen Ökonomie ist im Bereich der Politikwissenschaften zu einem Standardansatz zur Generierung politökonomischer Aussagen geworden (vgl. Heinemann 1999: 11). In gleicher Weise läßt sich ein in der Tradition der Österreichischen Schule der Nationalökonomie beheimateter, marktprozeßtheoretischer Ansatz auf den Gegenstand des Politischen anwenden. Ausgangspunkt ist hier ebenfalls ein rational handelnder, d.h. seine Interessen verfolgender Akteur. Aufgrund der im Vergleich zu neoklassischen Modellen weiteren Definition menschlichen Handelns, nämlich der Betonung eines dem einzelnen nur subjektiv, unvollständig und fehlerbehaftet zur Verfugung stehenden Wissens, der Berücksichtigung der zeitlichen Dimension des Handelns sowie der Eingebundenheit von Handlungen in einen institutionellen Rahmen, erlaubt die Anwendung des Österreichischen Ansatzes die Entwicklung eines „realistischeren" Modells des politischen Betriebs als es im Rahmen der neoklassischen Public Choice möglich wäre. Die neoklassisch ausgerichtete Public Choice geht von wesentlich

restriktiveren

Grundannahmen als die Österreichische Schule aus und in der Anwendung dieser Ansätze bedingen diese Differenzen auch einen jeweils unterschiedlichen analytischen Fokus. Politische Phänomene werden im Verständnis der Public Choice letztendlich in Analogie z u m dort vorherrschenden Marktmodell als Gleichgewichtspunkt aufgefaßt, der den Schnittpunkt von marginalen Kosten und marginalen Nutzen individueller Handlungen der einzelnen politischen Akteure markiert. In der Tradition Österreichischer Ansätze betrachtet, lassen sich politische Vorgänge demgegenüber als Marktprozesse interpretieren, in denen politische Unternehmer Situationen zu ihrem eigenen Vorteil nutzen, weil sie politischen Profit zu erzielen suchen, und deshalb, im Sinne einer Reaktion auf sozio- und politökonomische Problemlagen, Wissen generieren, entdecken, transportieren, transformieren und damit Politik gestalten. 4

Beiden Denktraditionen ist gemeinsam, daß sie die Handlungen von Politikern nicht als absichtsvoll auf das Gemeinwohl orientiert betrachten. Vielmehr steht in beiden Ansätzen das interessegeleitete Handeln von Individuen am Beginn aller Überlegungen. In neoklassischen Theorien endet dieses Handeln in einem Gleichgewichtspunkt, es besitzt also gleichsam ein definierbares Ziel. Im Verständnis der Osterreichischen Schule mündet es demgegenüber in einem evolutionären, dynamischen Prozeß. Handeln wird also grundsätzlich als ergebnisoffen interpretiert. Politische Ordnungen, in denen politische Akteure handeln, werden in diesem Sinne gleichsam durch die unbeabsichtigten Nebenwirkungen dieser Handlungen geschaffen. J e nach Wahl entweder der neoklassischen oder der Osterreichischen Perspektive ergeben sich unterschiedliche politökonomische Fragestellungen und entsprechende Lösungsmöglichkeiten. Faßt man Politik als die Wahl des besten bereits bestehenden Mittels zur Lösung von bestehenden Sachfragen auf, denn eignet sich die neoklassische Doktrin. Interpretiert man hingegen Politik als Prozeß, der Lösungsmöglichkeiten für gesellschaftliche Problemlagen erst entdecken soll, dann eignet sich ein marktprozeßtheoretischer Ansatz in Anlehnung an die Österreichische Schule der Nationalökonomie. Der neoklassische Ansatz betrachtet Politik insbesondere aus dem Blickwinkel der Auswahl von Handlungsalternativen und deshalb primär als Problem kollektiver Entscheidungen. Er betont damit den Aspekt der Nachfrage nach Politik. Die sich hieraus ergebende politökonomische Fragestellung nach dem Ziel der Gestaltung des Ordnungsrahmens von Politik lautet deshalb: Wie kann der politische Betrieb organisiert werden, damit eine optimale Auswahl der Politik durch deren Konsumenten sichergestellt ist? Die Osterreichische Schule der Nationalökonomie hingegen interpretiert den politischen Betrieb als Marktplatz von Ideen, d.h. aus der Perspektive Wissen schaffender Wettbewerbsprozesse. Ihr analytischer Schwerpunkt liegt primär auf der Seite des Angebots politischer Leistungen. Dies begründet auch eine andere politökonomische Fragestellung als etwa a u f Grundlage neoklassischer Theorien. Die Frage von marktprozeßtheoretischen Ansätzen lautet nämlich: Wie muß eine politische Ordnung gestaltet sein, damit in ihr ein „innovationsfreundliches Klima" herrscht, das die Entdeckung politischer Lösungen für gesellschaftliche Problemlagen zuläßt? Das primäre Ziel dieser Untersuchung, die Konsequenzen der Anwendung sowohl der neoklassischen Tradition ökonomischen Denkens als auch der Osterreichischen Schule auf den Gegenstand der Politik für eine Ordnungspolitik des politischen Betriebs herauszuarbeiten, impliziert, daß Politik, den Grundannahmen des ökonomischen Ansatzes folgend, grundsätzlich als Ergebnis der Handlungen einzelner Akteure aufgefaßt werden muß. Den Handlungen von Politikern bzw. der politischen Elite einer Gesellschaft wird also zentrale Bedeutung für die Gestaltung von Politik zugemessen. In einem ersten Schritt werden daher zum einen die Funktionen politischer Eliten, an deren faktischer oder unterstellter Nichterfüllung sich ja eine vielfältige Politikerschelte entzündet, und z u m anderen das Beziehungsverhältnis von Eliten zu den nicht-herrschenden Schichten einer Gesellschaft anhand eines Uberblicks über die Hauptaussagen relevanter soziolo5

gischer und politikwissenschaftlicher Elitentheorien erörtert (s. Kap. 2.). Aufgrund ihrer „politischen" Funktion nehmen politische Eliten auch in demokratischen Gesellschaften einen zentralen Platz ein, die Existenz politischer Eliten ist also grundsätzlich mit dem Gedanken der Demokratie vereinbar. Die Idee der Gestaltung des Ordnungsrahmens von Politik, u m es den politischen Eliten zu ermöglichen, ihrer Aufgabe der Entwicklung und Umsetzung im Interesse aller liegender Lösungen fiir gesellschaftliche Problemlagen gerecht zu werden, verlangt entsprechend der Konzeption von Ordnungspolitik eine der Formulierung von Gestaltungsempfehlungen vorausgehende, hinreichende Analyse des politischen Betriebs. In Rahmen der Übertragung des Gedankens der (Wirtschafts-) Ordnungspolitik auf den Gegenstand des politischen Betriebs (s. Kap. 3.) werden sowohl die Grundprinzipien ökonomischen Denkens erläutert als auch die Eignung verschiedener soziologischer und politikwissenschaftlicher Theorien des politischen Systems „Demokratie" für eine ordnungspolitisch motivierte Analyse hinterfragt. Diese verschiedenen theoretischen Konzeptionen liefern zwar verschiedene Ansätze, an welcher Stelle in die Politik einzugreifen ist, nämlich entweder am „Input" oder am „Output" des Systems, blenden in der Regel aber die Analyse des eigentlichen politischen Prozesses aus. Aufgrund der prinzipiellen Eignung des ökonomischen Ansatzes zur Erklärung der Funktionszusammenhänge des politischen Betriebs stellt dieser auch die geeignete Grundlage für die Verbindung von Ordnungstheorie und Demokratietheorie dar. Ideengeschichtlich lassen sich innerhalb der modernen ökonomischen Theorie zwei Denktraditionen im Sinne von Varianten der sogenannten Grenznutzenschule unterscheiden. In einem weiteren Schritt (s. Kap. 4.) werden die Grundprinzipien des neoklassischen Ansatzes auf den Gegenstand der Politik bezogen erörtert und das korrespondierende Modell der Demokratie dargestellt. Ferner wird der auf Verhinderung politischen Marktversagens gerichtete Schwerpunkt einer neoklassisch inspirierten Politischen Ökonomie kritisch hinterfragt. Im Anschluß hieran wird ein der Tradition der anderen Variante der Grenznutzenökonomie, der Osterreichischen Schule der Nationalökonomie, entsprechendes Modell des politischen Betriebs entwickelt (s. Kap. 5.). Zu diesem Zweck werden zunächst die methodischen Grundlagen erörtert, das hierauf aufbauende Verständnis sozialer Phänomene diskutiert und schließlich politische Phänomene als Marktprozesse beschrieben. In diesem Zusammenhang wird insbesondere auf die ordnungspolitischen Implikationen des marktprozeßtheoretischen Ansatzes eingegangen. Den Abschluß dieser Untersuchung bildet die zusammenfassende Gegenüberstellung der politökonomischen Konsequenzen der Anwendung sowohl des neoklassischen als auch des marktprozeßtheoretischen Ansatzes auf den Gegenstand des politischen Betriebs (s. Kap. 6.).

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2. Theorien politischer Eliten Politiker und Parteien sind einer vielfältigen Kritik durch die öffentliche Meinung ausgesetzt. Diese entzündet sich insbesondere an der Überlegung, daß sie in ihrem Handeln Verantwortung für die nicht der „politischen Klasse" zuzurechnenden, „breiten Masse" der Bevölkerung tragen, dieser jedoch nicht gerecht werden. Im Lichte verschiedener soziologischer und politikwissenschaftlicher Theorien betrachtet, besitzen politische Eliten, die ja die bevorzugten Adressaten jeder Politikerschelte darstellen, bestimmte Eigenschaften oder Aufgaben (s. Kap. 2.1.) und unterschieden sich in dieser Beziehung auch von den von ihnen „Beherrschten" (s. Kap. 2.2.).

2.1. Der Begriff der politischen Elite Mit dem Begriff Elite wird vielfach diejenige soziale Gruppe umschrieben, deren Mitglieder als die „Besten" in einem bestimmten gesellschaftlichen Bereich gelten. Gerade bezogen auf die Sphäre des Politischen ist mit der Anwendung des Elitebegriffs häufig die Forderung nach der Herrschaft eben dieser „Besten" über alle anderen verbunden. Diesen „Besten" werden dabei bestimmte Eigenschaften zugeschrieben, die diese besonders zur Herrschaft über andere qualifizieren. Hierzu gehören beispielsweise eine besondere fachliche Qualifikation, eine herausragende moralische bzw. charakterliche Qualität oder auch bestimmte Werthaltungen. Für Louis Baudin ist eine Elite keine festumrissene soziale Gruppe oder organisierte Vereinigung, sondern gründet sich auf die Eigenschaften der diese Elite bildenden Individuen. Diese zeichnen sich durch Willenseinsatz und sittliches, d.h. an einer Wertordnung orientiertes Verhalten aus (vgl. Baudin 1957: 53 f.). Geht man nun davon aus, daß solche Eigenschaften Elitepersonen auch zur Übernahme der politischen Führung prädestinieren und politische Herrschaft deshalb auch von Eliten ausgeübt wird, lassen sich weitere Charakteristika einer solchen politischen Elite identifizieren. Hierzu gehört z.B. die Verfügbarkeit von Macht, das Innehaben bestimmter gesellschaftlicher Positionen oder auch das Ausüben besonderer gesellschaftlicher Funktionen. Politische Eliten lassen sich damit zum einen durch ihre Eigenschaften und zum anderen durch ihre Stellung in der Gesellschaft beschreiben. Gerade ausgehend von der letzten Interpretation wird der Elitebegriff jedoch häufig mit dem Generalverdacht belegt, daß die Existenz von Eliten nicht mit der demokratischen Konzeption gesellschaftlicher „Gleichheit" zu vereinbaren sei (vgl. dazu Herzog 1982: 2). Politische Eliten werden nämlich nicht selten als diejenige Gruppe betrachtet, deren Herrschaftspositionen eben nicht auf Begabung oder Leistung beruhen, sondern auf Herkunft und „Pfründen". Auf diese Art und Weise betrachtet, scheinen Eliten den „demokratisch-egalitären" Fundamenten der modernen, westlichen Industriegesellschaft zu widersprechen (vgl. Grimm 1999). Andererseits eignet sich aber gerade der Elitebegriff als soziale Kategorie in hohem Maße dazu, aufgrund seiner „Verschwommenheit" die

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diffuse Struktur der politischen und kulturellen Führungskräfte komplexer Industriegesellschaften in einfachen Worten zu fassen (vgl. Dreitzel 1962: 1 f.). Die Untersuchung politischer Eliten begründete ideengeschichtlich gesehen die Entstehung der modernen politischen Soziologie (vgl. Czudnowski 1991: 208). Gaetano Mosca gilt als Schöpfer des Begriffs der „politischen Klasse" (vgl. Borchert 1999: 9), der im allgemeinen die Gesamtheit der an der Staatsleitung beteiligten Personen und Gruppen bezeichnet. Dabei ist es unerheblich, ob die Meinungen dieser Personen den konkreten politischen Entscheidungsprozeß dominieren oder nicht, wesentlich für die Begriffsbestimmung ist lediglich die regelmäßige Teilnahme an autoritativen Entscheidungen (vgl. Herzog 1991). Nach Mosca zeichnet sich die Grundstruktur jeder Gesellschaft durch das Vorhandensein zweier Klassen aus, nämlich derjenigen, die herrscht, und derjenigen, die beherrscht wird. U m ihre Herrschaft zu legitimieren, bediene sich die politische Klasse einer der jeweiligen Zeit und jeweiligen Gesellschaft angemessenen politischen Formel. Die Grenze zwischen politischer und beherrschter Klasse ist nach Mosca jedoch nicht starr und undurchdringbar. Vielmehr leite sich die Stabilität des Staatswesens direkt von der Permeabilität dieser Grenze her, denn die politische Klasse müsse sich beständig erneuern und das einzige Reservoir, aus dem sie zu diesem Zweck schöpfen könne, bestehe in der an der Grenze von politischer und beherrschter Klasse angesiedelten Zwischenschicht bzw. Unterelite (vgl. Mosca 1950: 371 f.). Der Begriff der „Elite" zur Kennzeichnung einer herausgehobenen sozialen Gruppe wurde ursprünglich von Vilfredo Pareto in die (politik-) wissenschaftliche Diskussion eingeführt (vgl. Sahner 1975: 19; Dreitzel 1962: 11). Pareto geht in seiner „formalen" Definition des Elitebegriffs von einer quasi natürlichen Ungleichheit der Menschen untereinander aus. Die einzelnen Menschen seien nun einmal sowohl physisch, moralisch als auch intellektuell verschieden und deshalb sei die sich aus diesen Personen zusammensetzende Gesellschaft auch heterogen (vgl. Pareto 1976: 255/§2025). In einer Art Gedankenexperiment mißt Pareto die Leistungsfähigkeit eines jeden Menschen in seinem jeweiligen Tätigkeitsbereich und ordnet diesem dann einen seiner „Kapazität" entsprechenden Indexwert zu. Herausragenden Menschen weist Pareto hohe Indexwerte zu. Diejenigen Menschen, die auf diese Art und Weise in ihrem jeweiligen Tätigkeitsbereich den höchsten Indexwert erhalten haben, faßt Pareto zur sogenannten Elite bzw. zur ausgewählten Klasse zusammen (vgl. Pareto 1976: 256/§2027 u. 257/§2031). Um dieses Elitekonzept von besonders befähigten Personen, den „Besten", für die Zwecke politischer Analyse fruchtbar zu machen, differenziert Pareto zwischen einer herrschenden Elite und einer nicht-herrschenden Elite. Das Wechselspiel dieser beiden Elitegruppen bestimmt nach Pareto die Entwicklung einer Gesellschaft. Die nicht zur Elite gehörigen Menschen zeigen dagegen keinerlei Einfluß auf die politische Entwicklung einer Gesellschaft. „Wir erhalten also zwei Bevölkerungsschichten, d.h. 1. die Unterschicht, die 'nicht ausgewählte' Klasse, deren mögliche Einwirkung auf die Regierung wir jetzt nicht untersuchen; 2. die Oberschicht, die 'ausgewählte Klasse' oder Elite, die in zwei Teile zerfällt, nämlich a) die herrschende Elite; b) die nicht herrschende Elite" (Pareto 1976: 8

257/§2034). Zur Definition der Elite wird von Pareto damit die tatsächliche Leistung bzw. die Leistungskraft der jeweiligen Individuen herangezogen. Die potentiellen, d.h. nicht entwickelten Qualitäten einer Person interessieren ihn nicht. Was zählt, ist ausschließlich die tatsächliche Befähigung. Auch die moralische Qualität des entsprechenden Tätigkeitsbereichs ist in Paretos Definition unerheblich. So ist nicht nur der überragende Wohltäter Teil der Elite, sondern eben auch der herausragende Verbrecher (vgl. Pareto 1976: 256 f./§2027-2031). Pareto verwendet also eine von Werturteilen freie Definition von Eliten. Geschichte ist für Pareto ein „Friedhof von Eliten" (Pareto 1976: 261/§2053). Dies bedeutet, daß die Herrschaft einer bestimmten, herrschenden Elite niemals von Dauer sei. Vielmehr strebe die nicht-herrschende Elite beständig nach der eigenen Herrschaft und versuche so, die herrschende Elite zu verdrängen. A u f diese Art und Weise komme ein beständiger Prozeß der „Zirkulation" der beiden Untergruppen der Elite zustande (vgl. Pareto 1976: 260/§2047). J e rascher diese Elitezirkulation ablaufe, je einfacher weniger fähige, dafür aber herrschende Mitglieder der Elite durch fähigere, jedoch nicht-herrschende ersetzt werden, desto besser entwickle sich auch der Wohlstand einer Gesellschaft. K o m m e die Elitenzirkulation hingegen zum Erliegen, herrsche gesellschaftliche Stagnation (vgl. Baudin 1957: 42). Wichtiger Motor dieses Prozesses der Elitenzirkulation ist also, daß in der realen Gesellschaft die herrschende Elite eben nicht nur aus den Besten und Fähigsten bestehe, sondern auch aus einer wechselnden Zahl von Menschen, die lediglich über das Etikett der Elitenzugehörigkeit, nicht jedoch über die damit verbundenen Eigenschaften bzw. Qualitäten verfügten. „Die Abweichungen zwischen Etikett und Verdienst sind nicht so geringfügig, als daß wir sie einfach übergehen könnten. Ihre Zahl ist variabel, und aus dieser Veränderlichkeit resultieren Phänomene von großer Bedeutung für das gesellschaftliche Gleichgewicht" (Pareto 1976: 258/§2040). Im Normalfall findet nach Pareto ein permanenter und schleichender Austausch der herrschenden Elite statt. K o m m e es jedoch zu einem starken Anwachsen von Personen in der herrschenden Elite, die nicht über die hierfür nötigen Eigenschaften verfügten bzw. umgekehrt von Elite-Persönlichkeiten in den nicht-herrschenden Schichten, so könne die Elitenzirkulation auch schlagartig, revolutionsartig voranschreiten. Wenn sich also in den nicht zur herrschenden Elite gehörenden, gesellschaftlichen Gruppen solche Personen übermäßig ansammeln würden, die Eliteneigenschaften besitzen und gleichzeitig die Zahl weniger fähiger Personen in den herrschenden Schichten zunehme, könne das gesellschaftliche Gleichgewicht, d.h. die Stabilität einer gesellschaftlichen Ordnung, nachhaltig gestört bzw. zerstört werden (vgl. Pareto 1976: 261/§2055; Albertoni 1992: 28). Aus seiner formalen und mit dem Anspruch quasi-mathematischer Exaktheit auftretenden Elitedefinition formte Pareto eine universale Entwicklungstheorie von Gesellschaften. In seiner Theorie der Elitenzirkulation lassen sich viele Aspekte finden, die auch in aktuelleren Arbeiten zum Thema eine wichtige Rolle spielen. So entspricht Pareto mit seiner neutralen Definition von Eliten als den besonders befähigten Personen dem „Minimalkonsens" aller heute existierenden Elitedefinitionen, nämlich daß sich „Eliten gegen9

über anderen Personen eines Sozialverbandes durch besondere Merkmale auszeichnen" (Sahner 1975: 19). Eine wichtige Rolle spielt bei Pareto darüber hinaus das Merkmal von Leistung und Qualifikation. Ebenso werden von ihm das Phänomen einer nicht durch diese Eigenschaften legitimierten Herrschaftsausübung angesprochen und herrschende Eliten durch ihre gesellschaftlichen Positionen oder ihre Macht beschrieben. Definiert man wie Pareto oder auch Urs Jaeggi den Elitebegriff formal, d.h. als ahistorisches, für alle Zeiten u n d Gesellschaften geltendes Konzept, so liegt es nahe, sich bei der Begriffsbestimmung auf das Phänomen der Macht als zentrales „äußeres" Charakteristikum von politischen Eliten zu stützen. Beispielsweise ist für Pareto das „innere" Charakteristikum der tatsächlichen Leistungskraft einer Person zwar von Bedeutung, um diese zur Elite dazuzurechnen oder nicht. Uber die Frage, ob diese Elite-Person aber zur herrschenden oder zur nicht-herrschenden Elite gehört, entscheide jedoch deren faktische Macht. Für Jaeggi ist der Begriff der Elite identisch mit derjenigen sozialen Gruppe, welche in einer Gesellschaft die Herrschaft ausübe. Zur Elite gehöre in diesem Sinne also nur derjenige, der über tatsächliche Macht verfuge (vgl. Schluchter 1963: 239). Das soziale Phänomen der Macht beschreibt Jaeggi in Anlehnung an den Weberschen Versuch der Definition von Herrschaft als die „Chance, daß innerhalb sozialer Beziehungen Weisungen und Befehle von bestimmten Personen bei anderen Personen Gehorsam finden" (Jaeggi 1960: 13). Der Webersche Herrschaftsbegriff zielt im Gegensatz zum Machtbegriff jedoch auf die innere Akzeptanz der Herrschaft durch die Beherrschten ab. In seinem Machtbegriff versucht Jaeggi hingegen, sämtliche Uber- und Unterordnungsprozesse zu erfassen. Um dennoch „legitime" Herrschaftsbeziehungen von Machtbeziehungen unterscheiden zu können, differenziert er zwischen formellen und informellen Machtbeziehungen. Nur die ersteren weisen für ihn Legitimitätscharakter im Weberschen Sinne auf (vgl. Sahner 1975: 26 f.). Politische Eliten lassen sich durchaus durch ihr Charakteristikum der Macht definieren, insbesondere wenn man wie Jaeggi einen differenzierten und nicht, wie Wolfgang Schluchter es ihm unterstellt (vgl. Schluchter 1963: 240), einen unbestimmten und amorphen Machtbegriff verwendet. Besonderes Gewicht gewinnt der Machtbegriff als Definitionsmerkmal von zur Elite gehörigen Personen jedoch, wenn man die gesamte Gruppe der (Macht-) Elite analytisch untersucht. Für Jaeggi ist beispielsweise die Machtelite einer Gesellschaft nicht allein durch ihre Machteigenschaft bestimmt, sondern auch durch das Vorhandensein homogener, d.h. auf bestimmte Ziele ausgerichteter Interessen. Eliten sind damit immer auch Interessengruppen im Dahrendorfschen Sinne (vgl. Dahrendorf 1965; Sahner 1975 : 27; Schluchter 1963: 239 f.). Formale Begriffe wie z.B. die Elitenkonzeption Jaeggis sind primär ahistorisch. Ihre Richtigkeit können sie nur durch die Konfrontation mit der empirischen Realität zeigen. Und an genau diesem Punkt entzündet sich auch die Frage, ob die Konzeption Jaeggis von Machteliten als homogene Interessengruppen auch wirklich zutreffend ist. In seiner Untersuchung über die Führungsschicht der Vereinigten Staaten identifizierte C. Wright Mills beispielsweise drei Elite-Subgruppen, bestehend aus den sich alle aus der Oberschicht rekrutierenden Führern von Wirtschaftsunternehmen, Politik und Militär. Diese 10

Personen formen nach Mills eine abgeschlossene und durchaus homogene Machtelite, die damit auch als herrschende Klasse im Marxschen Sinne gelten kann. Als Grund für diese Homogenität nennt Mills die Zusammenhalt stiftende, enge Zusammenarbeit dieser Personen während des Zweiten Weltkriegs (vgl. Mills 1962; Sahner 1975: 31 f.). Die gegenteilige Auffassung vertrat David Riesman, der in seiner empirischen Untersuchung über den gleichen Gegenstand vielmehr zu dem Schluß kam, daß die Millssche Machtelite nicht existiere, sondern die „Mächtigen" in den Vereinigten Staaten im Gegenteil durch Interessenpluralität und deshalb auch durch eine gewisse Form von Machtlosigkeit geprägt seien, nämlich durch die Machtlosigkeit der Elite als ganzer (vgl. Riesman 1956; Sahner 1975: 31 f.). Diese Diskussion bzw. dieser Streit entgegengesetzter Auffassungen läßt sich auch in bezug auf Arbeiten über die bundesrepublikanischen, politischen Eliten feststellen. So entspricht der Ansatz Jaeggis in etwa der Millsschen Position, daß tatsächlich eine homogene Machtelite existiere, während die Dahrendorfsche Auffassung, die bundesdeutschen Führungsgruppen seien eine durch Interessenpluralität geprägte, „multiforme" Elite, mit der Konzeption Riesmans korrespondiert (vgl. Jaeggi 1960; Dahrendorf 1965; Sahner 1975: 33 ff. u. 39 f.). Unabhängig von der eng mit dem Verständnis von Demokratie und Rechtsstaat verbundenen Problematik der inneren Form von Führungsgruppen, nämlich Homogenität oder Pluralität, läßt sich dennoch behaupten, daß politische Eliten zweifellos über Macht verfugen. Es stellt sich jedoch die Frage, ob das Phänomen der Macht tatsächlich ursächlich für die Zugehörigkeit einer Person zur Elite oder nur eine Folge der Elitenzugehörigkeit ist, weil z.B. die Positionen, die Elitemitglieder in einer Gesellschaft innehaben, mit Macht verbunden sind. Will man politische Eliten identifizieren, so ist dies anhand ihrer gesellschaftlichen Position sehr leicht möglich, wie dies die meisten empirischen Arbeiten zum Elitethema zeigen. Als Inhaber von Elite-Positionen gelten im allgemeinen die Führer von Exekutive, Legislative, Judikative, Militär und teilweise auch der Medien (vgl. bspw. Zapf 1965). Solche Positionen sind mit Macht verbunden und damit verfugen auch deren Inhaber über die hiermit verbundene Macht. Wie Mills, der die Inhaber dieser Positionen als MachtElite beschrieb, zutreffend erkannte, ist Macht in einer funktional differenzierten Gesellschaft niemals Eigenschaft einer Person, sondern immer Eigenschaft einer Position. In einem Gedankenexperiment versuchte sich Mills vorzustellen, was denn mit denjenigen Personen passiere, die sich durch besondere Machtfulle, großes Vermögen oder auch Berühmtheit auszeichnen, wenn sie nicht mehr über diejenigen Positionen verfugten, durch die sie beispielsweise Macht über andere Menschen ausüben können. Die Antwort Mills ist eindeutig, „sie wären machtlos, arm und unbekannt" (Mills 1962: 24). Eigenschaften wie Macht sind für Mills nämlich keine einer einzelnen Person anhaftenden Eigenschaften, sondern sie begründen sich ausschließlich aus dem Zugang zu gesellschaftlichen Positionen, die über den Erwerb dieser Eigenschaften entscheiden (vgl. Mills 1962: 24). Die Auffassung, daß gesellschaftliche Macht über entsprechende Positionen vermittelt wird, besitzt indirekt auch Einfluß auf die Analyse von Eliten. Interpretiert man Eliten nämlich als Mächtige, so wie es Mills und Jaeggi tun, und akzeptiert, daß Macht keine 11

persönliche, sondern eine vermittelte Eigenschaft von Elite-Personen ist, so stellt sich die Frage, wie solche Personen in Machtpositionen gelangen. Nach Mills werden nur solche Personen in die Machelite durch die Inhaber von Elitepositionen aufgenommen, die in etwa ihrem eigenen „sozialen Typus" entsprechen, also ähnliche charakterliche Merkmale und Einstellungen aufweisen. Auf diese Art und Weise entstehe eine sozial homogene Machtelite. Es geht Mills jedoch nicht um Eigenschaften, die beispielsweise aus der jeweiligen sozialen Herkunft, der Konfessionszugehörigkeit, dem Geburtsort oder einer spezifischen Erziehung ableitbar sind. Vielmehr seien die Kriterien der Aufnahme von Personen in den Kreis der Elite Ursache für die Herausbildung einer homogenen Schicht von Eliteangehörigen. Einheitliche Kriterien der Elitenselektion bedingten in diesem Sinne die Auswahl einander ähnlicher sozialer Typen und deshalb auch die Bildung einer homogenen Machtelite. Die Analyse solcher Selektionskriterien ist für Mills damit für das Verständnis von Eliten wichtiger als die Betrachtung ihrer sozialen Herkunft (vgl. Mills 1962: 313). Auch für Jaeggi entsteht, vermittelt durch die Rekrutierungs- und Selektionsmechanismen von Elitemitgliedern, eine relativ homogene Machtelite. Er identifiziert insbesondere das gegliederte Bildungssystem als Ursache für die Sozialisation der Nachfahren von derzeitigen zu künftigen Elitemitgliedern (vgl. Weege 1992: 50 f.). Im Gegensatz zu Mills verortet Jaeggi die bundesdeutschen Inhaber von mit tatsächlicher Macht ausgestatteten Personen jedoch nicht in den Bereichen Wirtschaft, Politik und Militär, sondern ausschließlich in der Wirtschaft. Die Elite der Wirtschaft habe durch ihre Marktmacht, ihren Informationsvorsprung und ihre Finanzkraft wiederum Macht über die Politik und könne so Entscheidungen in ihrem Sinne beeinflussen (vgl. Jaeggi 1971; Weege 1992: 50). Jaeggi und Mills kommen in ihrer Analyse jeweils zu einem negativen Bild von Eliten. Da diese sich durch „undemokratische" Selektions- und Rekrutierungsprozesse bilden, entbehren auch die Eliten selbst jeglicher demokratischer Legitimität. Eine andere Wertung ergibt sich hingegen, wenn man die Genese von Eliten als durch ihre Qualifikation bestimmt interpretiert. Undifferenziert betrachtet besitzen solche politischen Eliten deshalb ein „legitimes" Anrecht zu herrschen, weil sie aufgrund ihrer „Qualifikation" dazu besonders befähigt sind. Qualifikationseliten gelten damit als die soziale Gruppe der „Besten" einer Gesellschaft. Folgt man Hans P. Dreitzel, so lassen sich insgesamt drei verschiedene, typische Deutungen des Elitebegriffs unterscheiden, durch welche Eigenschaften sich diese „Besten" auszeichnen sollen. Zum einen ist dies die „utopische" Forderung, daß die „objektiv" Besten einer Gesellschaft an deren Spitze treten sollen. Zum anderen findet sich auch die Auffassung, daß die politische Elite eines Landes aus den in einem ideologisch-subjektiven Sinne zur Führung am besten Geeigneten bestehen soll. Die dritte Interpretation von Qualifikationseliten besteht schließlich darin, daß nur solche Personen Teil einer politischen Elite sein sollen, die sich durch überprüfbare Fähigkeiten auszeichnen, beispielsweise gemessen an ihren bisherigen Taten, und sich deshalb für die Übernahme von Führungsaufgaben besonders eignen (vgl. Dreitzel 1962: 12). Qualifikationseliten legitimieren ihren Herrschaftsanspruch also durch Verweis auf ihre jeweiligen Eigenschaften, entweder dem utopisch geforderten Ideal zu entsprechen, die 12

„Besten" zu sein, aufgrund ihrer Weltanschauung zur Führung berufen zu sein oder über meßbare Qualifikationen zu verfugen. Diese Quellen der Qualifikation schließen sich jedoch nicht gegenseitig aus. Vielmehr gründet sich der Herrschaftsanspruch von „realen" Eliten gleichzeitig sowohl auf utopische, ideologische und tatsächliche Qualifikationen (vgl. Dreitzel 1962: 65). Ein typisches Beispiel für die utopische Forderung nach der Herrschaft der objektiv Besten stellt das platonische Staatsmodell dar. Demnach solle die allein zur „wahren" Erkenntnis befähigte Kaste der Philosophen aufgrund dieser Eigenschaft über die anderen beiden sozialen Gruppen des Idealstaats herrschen, nämlich Wehrstand und Nährstand (vgl. Baudin 1957: 45). Nur den Gebildetsten des Volkes stehe der Weg in die politische Klasse offen. Die Befähigung dieser Personen z u m Herrschen leitet sich nach Piaton von Ausbildung und Entwicklung der Eigenschaft der Weisheit ab. Demgegenüber gründeten sich Wehr- und Nährstand auf die Ausbildung der Dispositionen Tapferkeit und Erwerbssinn. Die politische Elite in Piatons Staat basiert also auf der Qualifizierung von durch ihre Anlagen zur Weisheit und damit zum Herrschen besonders talentierten Personen durch ein entsprechendes Erziehungssystem. Die Aufgabe dieser Philosophenkönige bestehe nun darin, die Wirklichkeit den von ihnen „geschauten" Idealen anzugleichen - eine Auffassung, die sich in mehr oder weniger stark abgewandelter Form auch in „modernen" Staatstheorien wiederfinden läßt, wie z.B. in positivistischen oder sozialdarwinistischen Utopien (vgl. Dreitzel 1962: 15 ff.). Gewisse Ähnlichkeiten mit der utopischen Auffassung von Qualifikationseliten weist die ideologisch-subjektive Interpretationslinie auf. „Ideologie und Utopie sind an und für sich nur die zwei Seiten ein und desselben Phänomens. Wo in der Utopie der ersehnte Zustand nur im Bewußtsein antizipiert wird, klammert sich das ideologische Denken an partiell schon vorhandene Realitäten und will diese in politischer Aktion auf die Gesamtgesellschaft ausdehnen" (Dreitzel 1962: 24). Im Unterschied zur utopischen Auffassung von Qualifikationseliten will die ideologisch-subjektive Interpretationsrichtung Eliten nicht aufgrund „objektiv" erkennbarer Eigenschaften, sondern im Sinne der Anforderungen einer bestimmten politischen Ideologie bestimmen. In der totalitären politischen Ideologie des Kommunismus bzw. des Leninismus bilden ideologisch gefestigte, sich durch kämpferische Tugenden auszeichnende Berufsrevolutionäre den Kader der Funktionäre und damit der politischen Elite. Der ebenso totalitäre Faschismus bzw. Nationalsozialismus verlangte demgegenüber nach einer Elite, die aus sozialdarwinistischen bzw. rassischen Gründen besonders „überlegen" und dadurch zum Herrschen berufen sei (vgl. Dreitzel 1962: 24 ff.). Die ideologisch-subjektive Herleitung der Legitimation politischer Eliten ist jedoch kein Alleinstellungsmerkmal totalitärer Gesellschaftskonzeptionen wie Kommunismus oder Faschismus. Auch die Forderung des Liberalismus des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts nach Aufrechterhaltung des Honoratiorenprinzips in der Politik läßt sich in diesem Sinne interpretieren. D a s typisch liberale Verständnis eines zur Führung geeigneten Politikers basierte auf der Auffassung, staatsbürgerliches Verantwortungsgefühl gründe sich insbesondere auf die persönliche, durch Besitz und Bildung sich kon13

stituierende Unabhängigkeit des Politikers. In diese Tradition politischer Theorie ist auch die Auffassung Max Webers einzuordnen, daß demokratische Gesellschaften politisches Führertum im Sinne eines Lebens für die Politik benötigten, wollten sie nicht in einem „stählernen Gehäuse" bürokratischer Herrschaft, d.h. beherrscht durch von der Politik lebende „Beamte", erstarren (vgl. Weber 1988e: 320 ff.; Weber 1992). Die Befähigung zum politischen Führertum leitet sich in klassisch-liberalem Sinne insbesondere von der wirtschaftlichen Unabhängigkeit der Führungspersönlichkeiten ab, d.h. von ihrer Fähigkeit, für die Politik statt von ihr zu leben. Der zur Zeit der Wende zum 20. Jahrhundert aufkommende Typus des Berufspolitikers, also des von der Politik Lebenden, rührte nun an den Grundfesten des liberalen Verständnisses eines nicht durch fremde Interessen beeinflußbaren Staatsbürgers. Die drohende Zerstörung des liberalen Staats durch die Massendemokratie, d.h. die Wahrnehmung des Honoratiorensystems unter den Bedingungen der aufkeimenden Industriegesellschaft als Ideologie, führte im deutschen Liberalismus zur Ausbildung zweier Gegenstrategien, d.h. zweier unterschiedlicher Formen der Überwindung dieser Ideologie (vgl. Dreitzel 1962: 39 u. 43). Zum einen war dies die durch Heinrich von Treitschke (vgl. Treitschke 1899; Treitschke 1911) vertretene Auffassung, daß insbesondere die finanziell unabhängigen und damit fremden Interessen großen Widerstand entgegenstellenden Beamten zur politischen Führung geeignet seien. Zur Übernahme von Elitepositionen befähige demnach insbesondere die Stellung innerhalb der Verwaltungsaristokratie (vgl. Knoll 1957: 114 f.). Die Gegenposition zu Treitschke, die ihren exponiertesten Vertreter in Friedrich Naumann (vgl. Naumann 1904) besaß, bestand darin, daß eben nicht der Staatsbeamte Prototyp politischer Eliten sei, sondern daß sich demokratisch gesinnte, den Gefahren der Massendemokratie widerstehende politische Eliten am besten innerhalb der sich entwickelnden politischen Parteien, also durch innerparteiliche Selektionsprozesse, durch parlamentarische Auslese politischer Führer (vgl. dazu insb. Weber 1988e: 340) und unterstützt durch ein hohes Maß an staatsbürgerlicher Erziehung bilden könnten (vgl. Knoll 1957: 137 ff.). Neben Besitz war Bildung bzw. das Verfügen über Bildungstitel eines derjenigen Merkmale, die Personen entsprechend der Auffassung des klassischen Liberalismus zur Übernahme von Elitenpositionen und -Sanktionen qualifizierte. Solche Eliten zeichnen sich damit durch eine gewisse Leistungsfähigkeit aus bzw. dank dieser Eigenschaft erwerben sie die für den Aufstieg in die politische Elite notwendigen Qualifikationen. „Qualität" als Eigenschaft politischer Eliten kann jedoch auch als zugeschrieben und nicht als erworben aufgefaßt werden (vgl. dazu Dreitzel 1962: 44). Die Selektion solcher, sich durch zugeschriebene Qualität auszeichnender Eliten erfolgt nicht auf Grundlage ihrer individuellen Leistung, sondern auf der Annahme, daß die Zugehörigkeit zu beispielsweise einem bestimmten Personenkreis wie dem Adel allein ausreichend sei, die Ausübung von Herrschaft zu legitimieren. Die Art und Weise der Qualifizierung von Personen, sei es durch Zuschreibung oder durch den faktischen Erwerb von Qualifikationen, führt damit auch zu einem jeweils unterschiedlichen Modell von Herrschaft. Qualifikationseliten, deren Selektion auf der Bewertung ihrer individuellen Leistung beruht, sind prinzipiell „offene" Eliten, d.h., der Zugang zur politischen Klasse steht 14

grundsätzlich jedem offen. Anders verhält es sich mit politischen Eliten, deren Qualifikation zugeschrieben wird. Der Herrschaftsanspruch der Aristokratie basierte beispielsweise darauf, in einen auserwählten Stand hineingeboren bzw. Teil einer „auserlesenen Minderheit von besonderer sozialer und sittlicher Q u a l i t ä t " (Stammer 1951: 513) zu sein. Damit erfolgt die Elitenselektion nur aus einem sehr eingeschränkten Personenkreis, unabhängig von den individuellen Qualitäten dieser Personen. Solche Werteliten sind geschlossene, exklusive Eliten. Überprüfbare Qualifikationen, unabhängig davon, ob die Bewertung solcher Eigenschaften durch spezifische Selektionsprozesse oder durch Dritte erfolgt, stellen immer erworbene Qualifikationen dar. In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, ob diese Eigenschaften in bestimmten Werthaltungen bestehen, bestimmten Bildungstiteln, der Fähigkeit, ein bestimmtes Einkommen zu erzielen, oder auch in sachlichen oder fachlichen Qualifikationen. Qualifikationseliten, die durch nachweisbare Qualitäten definiert werden, zeichnen sich neben diesen reinen Qualifikationen auch noch durch den Aspekt des Erfolgs aus (vgl. Dreitzel 1962: 69). Zwar befähigen die entsprechenden Eigenschaften prinzipiell dazu, zu einem Mitglied der politischen Elite zu werden. Potentielle Eliten werden jedoch erst dann zu wirklichen Eliten, d.h. sie übernehmen tatsächliche Spitzenpositionen und -funktionen, wenn ihre Leistung bzw. ihre Qualifikation von den sie rekrutierenden Instanzen auch anerkannt wird, unabhängig davon, ob die Elitenselektion z.B. durch öffentliche Wahl oder durch Entscheidung der politischen Eliten selbst über die Aufnahme von Anwärtern geschieht. Eine Qualifikation ist damit gleichbedeutend mit der Befähigung, Leistung erbringen und Erfolg haben zu können. Erst wenn diese Qualifikation sichtbar gemacht wird, die potentiellen Mitglieder von Eliten also ihre Befähigung in die Tat umsetzen, können sie in den Kreis der tatsächlichen Elite aufsteigen (vgl. Schluchter 1963: 243). Geht man wie Dreitzel davon aus, daß sich jede Elite durch eine bestimmte Qualität auszeichnet, und differenziert man die Art dieser Qualität (s.o.), können bestimmte typische Konzeptionen von Qualifikationseliten mit bestimmten Sozialstrukturtypen in Beziehung gesetzt werden. „Offenbar hat es die Soziologie, wenn sie Begriffe wie 'Elite' aus dem politischen Sprachgebrauch übernimmt, mit Kategorien zu tun, deren Wesensmerkmal das Zutreffen auf bestimmte historische Situationen ist" (Dreitzel 1962: 56; vgl. Dreitzel 1962: 65). Die Entstehung der modernen Industriegesellschaft läßt sich damit mit einer Veränderung in den Prozessen der Elitenselektion in Verbindung bringen. Die Betonung von Besitz und Bildung als qualifizierende Merkmale, wie sie noch zur Zeit des klassischen Liberalismus vorherrschte, wurde durch das Konzept der fachlichen Leistung ersetzt. Für Dreitzel qualifizieren sich die politischen Eliten von modernen Gesellschaften durch ihre Leistung, denn die Funktionszusammenhänge von Industriegesellschaften bedingten, daß die vielfältigen politischen, ökonomischen und kulturellen Bedürfnisse nur auf der Grundlage von Expertenwissen befriedigt werden könnten (vgl. Dreitzel 1962: 51). Dieses Spezialistentum, das Max Weber insbesondere dem Typus bürokratischer Herrschaft zugeordnet hat (vgl. bspw. Weber 1988e: 330 f.; Weber 1980: 125 ff. u. 825 ff.), ist sowohl ein an politische Eliten herangetragenes Erfordernis als auch Legitimitätsgrund 15

politischer Eliten (vgl. Schluchter 1963: 243), weil eben nur sie über die fachliche Qualifikation für die Ausübung ihrer Führungsfunktion verfügten. Genauso wie sich Eliten durch ihre Macht, Position oder Qualifikation charakterisieren lassen, können sie auch durch ihre jeweiligen Funktionen in der Gesellschaft bestimmt werden. Während die Merkmale „Macht" oder „Qualität" in gewisser Weise Eigenschaften der Eliten selbst sind, ist deren Position und auch deren Funktion ein Charakteristikum der jeweiligen Sozialstruktur. Für Otto Stammer ist Demokratie ohne bestimmte Funktionen übernehmende Eliten überhaupt nicht denkbar, denn in einer Massendemokratie konzipieren sie den „politischen Willen", ermöglichen also gerade die Kontrolle dieses Willens durch die Bevölkerung und stellen die für politische Entscheidungen notwendige Akzeptanz her (vgl. Stammer 1951: 527). Die Demokratie ist damit auf Eliten als Bildner des politischen Willens angewiesen, um im Sinne eines Repräsentativsystems „funktionieren" zu können. Solche Funktionseliten können im Verständnis Stammers ihre Herrschaft nur durch die erfolgreiche Ausübung ihrer Funktion legitimieren. Sie besitzen also eine erworbene Qualifikation kraft ihrer Leistung und ihres Erfolgs (vgl. Stammer 1951: 513).

2.2. Der Gegensatz von Masse und Elite Die Definition von Eliten gründet sich auf bestimmte Eigenschaften, die sie vom anderen Teil der Gesellschaft unterscheiden, sei es Macht, seien es bestimmte Qualitäten, sei es das Innehaben hervorgehobener Positionen oder das Ausüben besonderer Funktionen. Die „Nicht-Elite", häufig mit dem geringschätzenden Etikett der „Masse" versehen, ist damit der logische Gegenbegriff zur Elite. Je nachdem, auf welche Art und Weise politische Eliten definiert werden, wird gleichzeitig eine bestimmte Definition der Masse gegeben. Das Gegenstück zur Machtelite sind die vielen Machtlosen. Werden Eliten über ihre Qualifikationen definiert, so verfügen die vielen anderen eben nicht über diese. Sollen Eliten eine bestimmte Qualität aufweisen, so besitzt die Masse folglich nicht solche, in gewisser Weise „aristokratische" Eigenschaften. In jeder Konzeption von politischen Eliten schwingt typischerweise immer auch eine bestimmte Vorstellung über die Masse bzw. die Nicht-Elite mit. Bei Pareto findet sich beispielsweise die Vorstellung von der Nicht-Elite bzw. dem nicht-herrschenden Teil der Bevölkerung als einem potentiellen Reservoir zur Rekrutierung von Personen in die Elite (s. Kap. 2.1.). Die meisten Elitentheorien gestehen der Masse hingegen ausdrücklich oder stillschweigend keinerlei Bedeutung für die gesellschaftliche Analyse zu. In wieder anderen Auffassungen spiegelt sich die Furcht vor der die Qualität der politischen Eliten gefährdenden Masse, die damit auch für den drohenden Niedergang der „Massengesellschaft" verantwortlich gemacht wird (vgl. bspw. Röpke 1957; Röpke 1948). Pareto analysiert Gesellschaften in seiner Elitentheorie insbesondere unter dem Blickwinkel der Systemstabilität. In jedem Staatswesen gebe es Eliten und Nicht-Eliten. Individuen mit den höchsten Qualifikationen und Fähigkeiten bildeten die Elite. Diese differenziert Pareto ferner in eine herrschende und eine nicht-herrschende Elite. Letztere 16

sei in gewisser Weise zwar Teil der Masse, d.h. der Nicht-Elite, zeichne sich jedoch durch ein besonders starkes, über jenes der herrschenden Elite hinausgehendes Streben nach Herrschaft aus. Diese Disposition bewirke, daß beständig besonders fähige Elemente der Masse bzw. der nicht-herrschenden Elite in die herrschende Elite aufstiegen und auf diese Art und Weise eine Zirkulation der Eliten in Gang setzten. In welcher Gestalt und in welcher Geschwindigkeit diese Elitenzirkulation nun voranschreite, hängt für Pareto davon ab, ob innerhalb einer Gesellschaft ein soziales Gleichgewicht herrsche (vgl. Pareto 1976: 257 ff./§2034, §2043 u. §2047). Ein soziales Gleichgewicht besteht flir Pareto dann, wenn innerhalb der herrschenden Eliten ein ausgewogenes Verhältnis von Menschen mit den Eigenschaften fortschrittlich, klug, geschickt und wenig gewaltbereit sowie von Menschen mit entgegengesetzten Eigenschaften vorhanden sei. Diese Typen von Menschen umschreibt er mit Hilfe der klassischen, weit über Niccolö Machiavelli zurückreichenden, antiken Metapher von den klugen Füchsen und den gewaltbereiten Löwen (vgl. Eisermann 1987: 245). Die Füchse repräsentieren in Paretos „Anthropologie" in idealtypischerweise eine ganz bestimmte Form charakterlicher „Residuen", nämlich des „Instinkts der Kombinationen". Die Löwen wiederum versinnbildlichen das Residuum der „Persistenz der Aggregate". Ein Residuum stellt für Pareto eine psychische Konstante dar, die den Akteur zu bestimmten Handlungen treibe. Es ist nicht mit einem Instinkt vergleichbar, sondern am ehesten als bestimmtes, typisches Verhaltensmuster zu verstehen. Für seine Elitentheorie sind insbesondere zwei Residuen von Relevanz. Das eine ist das Residuum des „Instinkts der Kombinationen", welches den Menschen zu spekulativen Handlungen oder Erneuerungen bewege. Das andere Residuum der „Persistenz der Aggregate" veranlasse den Menschen, im Bestehenden zu verharren (vgl. Hamann 1964: 6 f.). Der Kreislauf der Eliten beginne, wenn in einer Gesellschaft die Löwen, d.h. Personen mit dem Residuum der Persistenz der Aggregate, die Elite dominierten. Eine solche Gesellschaft sei entsprechend der Dominanz dieses Residuums unbeweglich und starr geworden. Jetzt drängten aber Füchse, d.h. auf Wandel und Veränderung zielende Menschen, aus den Unterschichten nach oben und verdrängten in Form eines sukzessiven Austauschs der Eliten nach und nach die Löwen aus ihren Positionen. Eine von Füchsen geprägte Gesellschaft ist für Pareto jedoch in hohem Maße instabil, denn die herrschende Elite sei wenig gewaltbereit, während sich im Gegenzug in den Unterschichten die eben zu jener fähigen Löwen ansammelten. Würden jetzt keine Löwen aus der Unterschicht im Sinne eines evolutionären Elitenwandels aufgenommen, bestehe die Gefahr eines revolutionären Elitenwandels bzw. eines Umsturzes, in dem die Löwen die Füchse gewaltsam aus ihren Elitepositionen verdrängten (vgl. Pareto 1976: 261/§2058 u. 268 ff./§2221 ff.). Pareto geht in seinem Modell politischer Eliten von einer freien sozialen Mobilität aus. Jedes Individuum habe also prinzipiell die gleiche Chance, die seinen Fähigkeiten entsprechende Position innerhalb der Gesellschaft einzunehmen (vgl. Hamann 1964: 15). Diese Mobilität zu beschränken, d.h. den Elitenkreislauf grundsätzlich zu blockieren, ist nach Pareto unmöglich, denn durch fortwährende Unterdrückung würden weite Bevölkerungsteile radikalisiert und es komme zum Umsturz. Stabilität einer Gesellschaft sei nur 17

durch fortwährenden, evolutionären Elitenwandel möglich, d.h. durch Kooptierung der fähigsten Individuen aus der Unterschicht durch die Eliten. Gesellschaftliche Stabilität könne also nur durch ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen den individuellen Verhaltensdispositionen der Residuen des Instinkts der Kombinationen und der Persistenz der Aggregate erreicht werden. Paretos Elitentheorie basiert damit auf dem permanenten K a m p f zwischen jeweils die Elite und die Masse dominierenden Verhaltensmustern. Gesellschaftliche Stabilität sei daher insbesondere Folge eines ausgewogenen Gleichgewichts der entsprechenden Residuen. M a x Weber betrachtet in seiner Herrschaftssoziologie schwerpunktmäßig die Methoden des „Organisationsherrn" zur Herrschaftssicherung. Zur Aufrechterhaltung seines legitimen Herrschaftsanspruches und der Bewahrung seiner Macht ist der Herrscher, vor allem in den Alltagsformen der Herrschaft, auf einen Verwaltungsstab angewiesen (vgl. Weber 1980: 545). Die politische Elite einer Gesellschaft umfaßt für Weber die Gesamtheit der diesen Verwaltungsstab ausmachenden Personen. Seine Herrschaftssoziologie erhält durch den Begriff des Verwaltungsstabs eine zweite Ebene (vgl. Breuer 1991: 23). Es genügt daher nicht, Webers Herrschaftsbegriff ausschließlich nach den Typen der legitimen Herrschaft (vgl. Weber 1980: 122 ff.; Weber 1988a) zu differenzieren, vielmehr muß in jedem dieser Typen in einem zweiten Schritt die Struktur des Verwaltungsstabs analysiert werden. D a der Herrscher im starken Maße auf die Tätigkeit des Verwaltungsstabs angewiesen ist, um seinen Herrschaftsanspruch zu sichern, muß dessen „Fügsamkeit" auch eine besondere Qualität aufweisen und deshalb im Vergleich zu jener der beherrschten Bevölkerung besonders stark ausgeprägt sein. Wenn Weber in seiner Herrschaftssoziologie den Begriff der Fügsamkeit verwendet, bezieht er diesen in der Regel auf das Verhältnis von Verwaltungsstab und Herrscher (vgl. Weber 1980: 122). Der Herrscher ist auf das „reibungslose" Funktionieren seines Stabs angewiesen, um den dauerhaften Bestand der Ordnung gewährleisten zu können. Daher müssen vor allem die Mitglieder des Stabs auf dauerhaften Gehorsam durch ihren Glauben an die Legitimität der Herrschaftsordnung „eingestellt" sein, damit die Verwaltung eines Herrschaftsgebiets ohne die permanente Machtausübung des Herrschers, also quasi aus sich selbst heraus, funktionieren kann. Die Motive der Masse, den Anordnungen des Stabs bzw. des Herrschers gegenüber fügsam zu sein, sind für Weber zweitrangig, d.h., sie sind nicht „strukturbildend" (vgl. Breuer 1991: 209), und deshalb richtet sich die Typologie legitimer Herrschaft auch nach den Formen der Stabs- und nicht der Massenfügsamkeit. Stabsfügsamkeit bedeutet für Weber Fügsamkeit entweder kraft traditionalen, rationalen oder charismatischen Legitimitätsglaubens. Die Herrschaftssoziologie Webers stellt einen Versuch dar, die spezifische Loyalität von Verwaltungsstäben als Macht und Herrschaft vermittelnde Instanzen zu analysieren. Dies tritt deutlich in seiner Konzeption des bürokratischen bzw. rationalen Herrschaftstypus hervor. Die Entwicklung der rationalen Herrschaft und damit auch der „rationalen" Verwaltung, der Bürokratie, ist für Weber durch einen allgemeinen Rationalisierungsprozeß begründet, der sich jedoch nicht nur auf eine Elite von Menschen beschränke, sondern vielmehr Massenwirkung zeige. Rationale Gehorsamsgründe in einer rationalen 18

Herrschaft sind nach Weber typischerweise abhängig vom eingehaltenen Formalismus der Rechtssatzung bzw. vom individuellen Glauben an eingehaltene Verfahrensregeln. Die höchste Steigerung des spezifisch okzidentalen Rationalisierungsprozesses, die Völlendung rationaler Herrschaft, und damit des rationalen Prinzips, sieht Weber in der bürokratischen Herrschaft (vgl. Weber 1980: 126). Zumindest in seiner Schreckensvision „vollkommener" bürokratischer Herrschaft sind Stabsfugsamkeit und Massenfügsamkeit miteinander identisch, d.h., die Prinzipien bürokratischer Herrschaft sind untrennbar mit dem unentrinnbaren Schicksal eines jeden einzelnen, der Gefangenheit im „Gehäuse der Hörigkeit" verbunden (vgl. Schluchter 1988b: 502 ff.). Betrachtet man dagegen „reale" Formen rationaler Herrschaft läßt sich nach Weber ein alltäglicher Gehorsam der Massen rein aus Gewöhnung heraus feststellen (vgl. Weber 1988b: 473). Dies bedeutet, daß die einzelnen Beherrschten allein aus ihrer Gewöhnung an die „Richtigkeit" gesatzten Rechts fugsam sein können, ohne an den Eigenwert dieses Rechts zu glauben. Die Masse nehme das Faktische widerspruchslos als Faktisches hin. Bei Betrachtung des tatsächlichen Vorkommens rationaler Herrschaft nimmt Weber eine Dominanz unreflektierter, „traditionaler" Fügsamkeit der Masse an, insbesondere weil der abstrakte „Formalismus" des bürokratischen Verwaltungshandelns der alltäglichen, praktisch-rationalen, ethisch fundierten Lebensführung der Masse widerspreche (vgl. Weber 1980: 565). Damit gehorchten die Beherrschten in einer empirisch existierenden, rationalen Ordnung lediglich kraft deren Faktizität, d.h. aufgrund einer „dumpfen Gewöhnung" an die Herrschaft. Gleichzeitig sei die Masse auf das Funktionieren eben des bürokratischen Verwaltungsstabs angewiesen (vgl. Weber 1980: 570). Der rationale Legitimitätsglaube ist also nur für die Fügsamkeit der Beamtenschaft relevant, denn diese müsse den Bestand einer rationalen Ordnung garantieren. Im Zentrum von Webers Herrschaftssoziologie steht ein der jeweiligen Herrschaftsform entsprechender Typus politischer Eliten. Verstanden als Verwaltungsstab bestehe die politische Elite einer legalen Herrschaft aus Beamten, also aus Menschen, die gegen Sicherung ihrer materiellen Existenz durch ein festes Gehalt hauptberuflich die Verwaltungsarbeit erledigten. Gegenüber der Masse hebten sich die Beamten, die ja die Herrschaft der jeweiligen Ordnung umsetzten und somit auch über die Masse herrschten, durch ihre Fachqualifikation ab (vgl. Weber 1980: 129). Der rationale Verwaltungsstab ist damit eine Qualifikationselite. Der Gehorsam dieser Elite gegenüber der formalen Ordnung gründet sich nach Weber auf dem rationalen Legitimitätsglauben, d.h., die Ordnung wird von der Elite als gültig empfunden, weil sie auf gesatzten Regeln basiere und nach formalen Rechtsgrundsätzen zustandegekommen sei. Quelle der Legitimität ist also die Regel, die Art des Verfahrens. Dieser Glaube ist das gemeinsame Wertfundament der Elite, das die Masse nicht besitzt. Diese Rationalisierungsthese Webers widerspricht jedoch scheinbar der Auffassung von der Differenzierung zwischen Elite und Masse in rationalen Ordnungen, denn sie beruht gerade auf ihrer Massenwirkung, d.h. der massenhaften Verbreitung des formalrationalen Prinzips und damit auch des Glaubens an die Richtigkeit formal korrekt zustandegekommener Satzungen. Weber beschreibt mit dieser These aber auch, aus seiner 19

Sicht heraus, zukünftige Entwicklungen. Der Rationalisierungsprozeß besitze prinzipiell Massenwirkung. Die zunehmende Formalisierung aller Lebensbereiche führe zu einer Gefangenschaft des Menschen im „Gehäuse der Hörigkeit". Real existierende „rationale" Herrschaftsformen seien noch nicht vom Totalitarismus formaler Prinzipien betroffen, die Herrschaft des Formal-Rationalen sei noch nicht allumfassend, sondern nur auf den Verwaltungsstab begrenzt. Webers Metapher v o m „Gehäuse der Hörigkeit" bedeutet damit, daß zwischen Masse und Elite nicht mehr differenziert werden könne, daß die Elite aufhöre, Elite zu sein, und nur noch bestimmte gesellschaftliche Funktionen kraft ihrer Qualifikation übernehme. Dieses Bild der Bedrohung der Elite durch die Moderne, sei es durch Prozesse gesellschaftlicher Rationalisierung oder durch die aufkommende Massendemokratie, schlägt sich in Webers politischen Schriften unter anderem in seiner Furcht nieder, die bürokratisierenden Tendenzen würden die Gesellschaft in eine unentrinnbare Maschine verwandeln, weil die politische Elite vom „Geist" der Bürokratie infiziert und so „wahres" politisches, verantwortungsbewußtes Führertum unterbunden werde. Das Beamtentum ist für Weber zu wirklicher Staatsfiihrung nicht fähig. „Wenn ein leitender M a n n dem Geist seiner Leistung nach ein 'Beamter' ist, sei es auch ein noch so tüchtiger: ein Mann also, der nach Reglement und Befehl pflichtgemäß und ehrenhaft seine Arbeit abzuleisten gewohnt ist, dann ist er weder an der Spitze eines Privatwirtschaftsbetriebs noch an der Spitze eines Staates zu brauchen. Wir haben leider innerhalb unseres eigenen Staatslebens das Exempel darauf zu machen gehabt" (Weber 1988e: 334). Diese Furcht vor der Entwertung politischer Eliten durch die Massengesellschaft findet sich auch bei zahlreichen anderen Autoren. Für Wilhelm Röpke beispielsweise verliert der einzelne seine Individualität, d.h. an „Gesicht, Seele, Eigenwert und Person" (Röpke 1957: 17), wenn er in der Massengesellschaft aufgeht. Prominent hat auch Ortega y Gasset in seinem Essay über den „Aufstand der Massen" (vgl. Ortega y Gasset 1989) die akute Bedrohung der Gesellschaft durch die „Vermassung" der politischen Eliten, d.h. durch den Verlust der Qualitätseigenschaft von Eliten, beschrieben. Für ihn ist das öffentliche Leben Europas dadurch geprägt, daß die Massen zu einer sozialen Macht werden. Diese seien mangels entsprechender Qualitäten jedoch nicht in der Lage, Führungspositionen zu bekleiden, und deshalb stehe Europa auch vor einer ernsten Krise (vgl. Ortega y Gasset 1989: 5). Die Gesellschaft besteht für Ortega y Gasset grundsätzlich aus zwei sozialen Gruppen, nämlich der Elite und der Masse. Eliten zeichneten sich durch eine besondere Qualifikation aus. Die Masse bestehe dagegen aus den nicht besonders Qualifizierten, den Durchschnittsmenschen (vgl. Ortega y Gasset 1989: 8). Die Qualifikation bzw. die Qualität des Individuums adelt es in den Augen Ortega y Gassets zum Mitglied der Elite. Daher sei „die Einteilung der Gesellschaft in Masse und Elite (...) keine Einteilung nach sozialen, sondern nach menschlichen Kategorien; sie braucht nicht mit der Rangordnung der höheren und niederen Klassen zusammenzufallen" (Ortega y Gasset 1989: 10). Das Vorhandensein politischer Eliten sei damit gleichzeitig eine gesellschaftliche Notwendigkeit, denn bestimmte Aufgaben wie beispielsweise die „Aufgaben einer Regierung" oder „das politische Urteil über öffentliche Angelegenheiten" könnten nur dann erledigt werden, 20

wenn die entsprechenden Individuen über die jeweilige Qualifikation verfugten (vgl. Ortega y Gasset 1989: 11). Folgt man Ortega y Gasset, so führten drei Entwicklungen des 19. Jahrhunderts, die liberale Demokratie, die experimentelle Naturwissenschaft und die Industrialisierung zur „Vervollkommnung" der gesellschaftlichen Organisation und damit zur „Vermassung" der gesamten Gesellschaft, d.h. zum Sieg des „Durchschnittsmenschentums" über die sich durch ihre Qualität bzw. ihre Qualifikation auszeichnenden Eliten (vgl. Ortega y Gasset 1989: 56, 59 f. u. 113). Die Masse vernichte alles, was „ausgezeichnet" und „erlesen" sei (vgl. Ortega y Gasset 1989: 13), denn die Idee der liberalen Demokratie des 19. Jahrhunderts von der Souveränität des „unqualifizierten" Individuums sei mittlerweile in das Bewußtsein dieser „Massenmenschen" eingedrungen, mit der Folge, daß eben diese Menschen sich jetzt zum Herren aufschwängen (vgl. Ortega y Gasset 1989: 18 f.). Die europäische Geschichte, so meint Ortega y Gasset unter dem Eindruck der sich ausbreitenden faschistischen und syndikalistischen Bewegungen, sei erstmals abhängig von den Entscheidungen der Masse geworden (vgl. Ortega y Gasset 1989: 74 u. 100). Der Grund hierfür sei jedoch nicht im allgemeinen Wahlrecht zu suchen, sondern in der aktiven Entscheidung des „Massenmenschen", sich selbst regieren zu wollen. Das Wahlrecht als solches gebe der Masse nämlich nicht die eigentliche Befugnis zur Herrschaft über die Gesellschaft, sondern erlaube es dieser lediglich, den Entscheidungen des einen oder des anderen Teils der Elite zuzustimmen oder sie abzulehnen (vgl. Ortega y Gasset 1989: 46 f.). Die psychische Verfassung dieses sich zum Herrscher aufgeschwungenen Massenmenschen bestehe aus den Eigenschaften, einerseits von einem „Herrscher- und Siegesgefuhl" durchdrungen zu sein und andererseits die eigene Befähigung zum Herrschen zu postulieren, obwohl sie faktisch nicht gegeben sei. Dies führe schließlich dazu, daß der Massenmensch keine Autorität neben seiner eigenen anerkenne, seinen Herrschaftsanspruch geltend mache und handle, als gebe „es auf der Welt nur ihn selbst und seinesgleichen" (Ortega y Gasset 1989: 100), also ohne Rücksichtnahme auf andere Meinungen und Ansichten seine eigenen rücksichtslos, auch unter Einsatz von Gewalt durchsetze. In einer „guten" Ordnung handelt die Masse für Ortega y Gasset nicht aus sich selbst heraus, sondern wird von einer sich selbst an ein höheres Ziel bindende Elite vertreten (vgl. Ortega y Gasset 1989: 121 u. 63). Eine solche Ordnung sah er in der liberalen Demokratie, in welcher sich die öffentliche Gewalt selbst begrenze und damit auch den Andersdenkenden Raum gewähre (vgl. Ortega y Gasset 1989: 77 f.). Von den politischen Eliten verlange diese Selbstbeschränkung jedoch Disziplin bei den eigenen Entscheidungen und unbedingte Achtung der Grundsätze einer solchen Gesellschaftsordnung. Diese Qualität der alten politischen Eliten und die Uberzeugung der Masse, öffentliche Entscheidungen jenen zu überlassen, die etwas davon verstünden, garantierten den Schutz des liberalen Prinzips auch für Minderheiten (vgl. Ortega y Gasset 1989: 12). Massendemokratie hingegen bedeute die Herrschaft der Zahl und damit die Negation dieses Rechtsschutzes. Ferner bediene sich der Massenmensch in seiner Herrschaftsausübung des Staats. Er gebrauche ihn, als sei er sein Eigentum. Der Staat repräsentiere für den Massenmenschen eine anonyme Macht, die ihn schütze und versorge. Nicht bewußt 21

sei ihm jedoch, daß der Staat als Menschenwerk von Voraussetzungen und Tugenden seiner Schöpfer, der liberalen Elite des 19. Jahrhunderts lebe, nämlich des wohlüberlegten und damit begrenzten Einsatzes staatlicher Mittel (vgl. Ortega y Gasset 1989: 126 f.). Der Massenmensch in seiner unüberlegten Bewunderung für den Staat gebrauche seine Macht also gedankenlos. Die letzte Ursache der Gefährdung moderner Gesellschaften durch die Massendemokratie besteht damit auch für Ortega y Gasset in einer übergreifenden Bürokratisierung und Verstaatlichung aller Lebensbereiche, die letztendlich die individuelle Verantwortung des Menschen für sich selbst und für andere vernichte. „Das ist die größte Gefahr, die heute die Zivilisation bedroht: die Verstaatlichung des Lebens, die Einmischung des Staates in alles, die Absorption jedes spontanen sozialen Antriebs durch den Staat; das heißt die Unterdrückung der historischen Spontaneität, die letzten Endes das Schicksal der Menschen trägt, nährt und vorwärtstreibt. Wenn die Masse irgendein Unbehagen oder einfach ein heftiges Gelüst verspürt, bedeutet die beständige Gewißheit, alles ohne Mühe, Kampf, Zweifel noch Gefahr erreichen zu können, indem man auf einen K n o p f drückt und die wundertätige Maschine arbeiten läßt, eine große Versuchung für sie" (Ortega y Gasset 1989: 127; vgl. Ortega y Gasset 1989: 130). Die Vermassung der politischen Eliten, d.h. der Verlust der Wertbindung der Eliten an rechtsstaatliche Prinzipien bzw. eine damit unvereinbare Elitenselektion, stellt für Ortega y Gasset die große Gefahr der Moderne dar (vgl. dazu Stürmer 1989: 212). Denn ohne das Bewußtsein der wertbezogenen Voraussetzungen des Funktionierens des Staats neige die Masse z u m rückhaltlosen Gebrauch des Staats für die Interessen der Mehrheit, d.h. zur Delegation von Führung auf die staatliche Maschinerie bei gleichzeitiger Negation der Führung durch politische Eliten. Ähnlich der Auffassung Ortega y Gassets erkannte auch Max Weber die Gefahren des Ausbreitens des Staats auf alle Lebensbereiche, was er mit dem Bild des „ehernen Gehäuses der Hörigkeit" (s.o.) umschrieb. Im Gegensatz zu Ortega y Gasset sah er die Ursache einer solchen Entwicklung jedoch nicht in einem Zurückdrängen der alten Eliten bzw. deren Wertvorstellungen durch den Massenmenschen, sondern in einem Ausbreiten abstrakt-formaler Loyalität von der Elite zur Masse. Beides meint aber im Prinzip das Gleiche, nämlich den Verlust der Autonomie der gesellschaftlich relevante Funktionen übernehmenden Individuen gegenüber den Automatismen des Staats bzw. der sich diesem bedienenden Masse. Ortega y Gasset sah den einzigen Ausweg aus der Massendemokratie in einem Wiedererstarken politischer Programmatik, d.h. in einer Repolitisierung des öffentlichen Lebens bei gleichzeitiger Betonung der Wahrung parlamentarischer Prinzipien (vgl. Ortega y Gasset 1989: 46 ff. u. 156 ff.), denn ein Zurück z u m Honoratiorenstaat des 19. Jahrhunderts schien unmöglich zu sein (vgl. Ortega y Gasset 1989: 50 f.). Auch Weber betrachtete den Weg einer Rückkehr in die Vergangenheit als nicht mehr gangbar. Parlamentarismus und Repräsentation waren auch für ihn wichtige, bewahrenswerte Prinzipien, die nur durch die Integration „unbürokratischer", d.h. nicht den Gesetzen formal-rationalen Denkens unterworfener Elemente wie das Charisma eines Reichspräsidenten oder die fesselnde

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Wirkung von Ideen bzw. politischer Programme in die bürokratische Gesellschaft geschützt werden könnten. Durch parlamentarische Konkurrenz und durch den Machtkampf innerhalb politischer Parteien können sich Weber zufolge fähige politische Eliten herausbilden. Notwendige Voraussetzung sei jedoch, daß politische Parteien Weltanschauungsparteien seien, also die Durchsetzung politischer Ideen verfolgten, und nicht etwa Organisationen der Ämterpatronage (vgl. insb. Weber 1988e: 324 ff. u. 339 ff.). Das Prinzip der Amtspatronage verhindere nämlich den für die Genese politischer Eliten erforderlichen Konkurrenzkampf, d.h. den Austausch der Eliten, und verursache letztendlich eine Verfestigung der politischen Klasse im Sinne der Herrschaft von Parteibeamten statt von Parteiführern (vgl. Weber 1988e: 358), so wie es beispielsweise Robert Michels in seiner Untersuchung von Führungsgruppen in sozialistischen Parteien als Tendenz zur Oligarchiebildung beschrieb (vgl. Michels 1989). In diesen Kontext einer wahrgenommenen Gefährdung der bürgerlichen Gesellschaft durch die Massendemokratie muß auch die Forderung Wilhelm Röpkes eingeordnet werden, daß dem „Aufstand der Massen" ein „Aufstand der Eliten" entgegentreten müsse (vgl. Röpke 1957: 37). Hierunter versteht er insbesondere, daß durch Dezentralisation, und damit durch Verlagerung von Entscheidungen für oder gegen das Wohl des einzelnen zunehmend auf eine diesem nah gelegene Ebene, dem Menschen die Verantwortung für sich selbst zurückgegeben werden müsse, u m die als Gegenprinzip der Auslieferung des Menschen an die Bürokratie gedachte, moralische Haltung von „Verantwortung" wieder in der Gesellschaft zu verankern. Ebenso wie Ortega y Gasset, Weber oder auch Röpke sah auch Michael Oakeshott die Entwicklung der modernen Gesellschaft als von der Entstehung einer „anti-individualistischen" Bewegung, der Massengesellschaft, geprägt (vgl. Oakeshott 1957). Allerdings relativiert Oakeshott die Gefährdung der Gesellschaft durch die Masse. Eine tatsächlich von der Masse geprägte Regierung würde nämlich bürgerliche Freiheitsrechte durch soziale Rechte und die parlamentarische Demokratie durch eine Volksregierung ersetzen, moderne Demokratien seien jedoch nur zum Teil durch solche Prinzipien geprägt. Der Grund hierfür liegt für Oakeshott darin, daß auch das „Anti-Individuum" des Massenmenschen seine eigene Individualität nicht aufzugeben bereit sei (vgl. Oakeshott 1957: 212 ff.). Ganz im Bereich formaler Analyse bleibt demgegenüber Paretos Lösung der Dichotomie von Masse und Elite (s.o.). Die Masse stelle nämlich das Reservoir dar, aus dem sich die Elite rekrutiere und die Funktions- und Handlungsfähigkeit des Staats wäre dann garantiert, wenn besonders qualifizierten Mitgliedern der Masse Aufstiegsmöglichkeiten in die politische, regierende Elite in ausreichender Zahl offenstünden und so ein Gleichgewichtszustand zwischen herrschender und nicht-herrschender Elite hergestellt werde. Eliten lassen sich sowohl durch ihre Eigenschaften als auch ausgehend von ihrer Funktion in einer politischen Ordnung beschreiben. Die Konzeption politischer Eliten ist untrennbar mit dem gedanklichen Gegenprinzip der Masse als Sammelbegriff von nicht zu dieser Gruppe gehörigen Personen verknüpft. Betrachtet man nun im Rahmen dieser 23

begrifflichen Annäherung an politische Führungsgruppen das Verhältnis dieser Eliten zum Begriff der Demokratie, so zeigt sich, daß die Vorstellung der Existenz von Eliten mit Hilfe des Konzepts der Repräsentation des „Volkswillens" durch Treuhänder in Ubereinstimmung mit der demokratischen Grundidee der Herrschaft durch das Volk gebracht werden kann. Die Existenz politischer Eliten widerspricht damit nicht den in demokratischen politischen Systemen herrschenden Prinzipien (vgl. bspw. Klein 1992; Klingemann/Stöss/Weßels 1991). Aufgrund der im Elitebegriff mitschwingenden Differenz von Elite und Beherrschten gilt dies jedoch nur für die Idee repräsentativer Demokratie und nicht für in der Tradition Rousseaus stehende Konzeptionen, die auf der Unteilbarkeit des politischen Willens, absoluter Gleichheit und damit der Identität von Herrschern und Beherrschten basieren. Die hervorgehobene Stellung politischer Eliten, die ja die primären Adressaten der mannigfaltigen Politikerkritik in der öffentlichen Meinung darstellen (s. Kap. 1.), wird in demokratischen Ordnungen insbesondere durch ihre Aufgabe bzw. ihre Funktion legitimiert, Entscheidungen stellvertretend für die Beherrschten, d.h. in deren Interesse liegend, zu treffen. Wenn nun politische Eliten sich insbesondere durch ihre Qualifikation auszeichnen, wie es verschiedene Theorien von Eliten nahelegen, kann die primäre Aufgabe solcher Eliten als das Erarbeiten und Umsetzen der jeweils besten Lösung für gesellschaftliche Probleme angesehen werden. Kritik an politischen Eliten ist damit dann gerechtfertigt, wenn auf der Grundlage eindeutiger Beurteilungskriterien ein „Versagen" dieser politischen Klasse nachgewiesen werden kann, also Dysfunktionalitäten des politischen Betriebs auftreten. Eine solche Kritik sollte jedoch weniger die politische Klasse an sich dämonisieren, sondern vielmehr auf die Reform des jeweiligen Ordnungsrahmens gerichtet sein, in dem die politischen Eliten beeinflußt durch spezifische Restriktionen und Anreize handeln.

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3. Grundprinzipien einer Ordnungstheorie der Demokratie Unterschiedliche Gesellschaftskonzepte beinhalten unterschiedliche Vorstellungen über den Stellenwert, den politische Eliten in diesen einnehmen sollen. Totalitäre Staatskonzeptionen fassen Eliten häufig im Sinne einer starken Führung auf. Liberaldemokratische Konzeptionen thematisieren hingegen die Frage nach der Vereinbarkeit von Eliten und demokratischen Prinzipien. Die bloße Existenz von Spitzenpositionen, die von Eliten besetzt werden, bedeutet nämlich die faktische Ausübung von „Macht", unabhängig davon, o b es sich um Positionen in Politik, Wirtschaft oder anderen gesellschaftlichen Bereichen handelt. Herrschaft soll in einer demokratischen Ordnung jedoch nur v o m „souveränen" Volk ausgehen. In den Grundzügen entspricht diese scheinbare Unverträglichkeit von Eliten und Demokratie bzw. der Macht einzelner und dem Anspruch aller auf Herrschaft jener der Prinzipien von Freiheit und Gleichheit. Wie bereits Alexis de Tocqueville in seinen Beobachtungen über die „Demokratie in Amerika" feststellte (vgl. Tocqueville 1979), würde ein Absolutsetzen der Freiheit, d.h. des Handlungsspielraums des einzelnen, zu Ungleichheiten fuhren, die noch weniger als jene eines ständischen Systems zu ertragen wären. Die Uberbetonung des Prinzips der Gleichheit zöge jedoch die Zerstörung der Freiheit nach sich. In diesem Sinne betrachtet repräsentieren Eliten die Freiheit des einzelnen, seine Neigungen und Fähigkeiten zu verwirklichen und zu entwickeln, während Demokratie für die Gleichheit aller steht. Sowohl in der angelsächsischen als auch in der kontinentaleuropäischen Tradition einer liberalen Demokratie ging man von der Notwendigkeit der Existenz von Eliten für das Funktionieren eines Staatswesens aus und versuchte die moralphilosophisch begründbare Unvereinbarkeit der gleichzeitigen Verwirklichung der Prinzipien von Freiheit und Gleichheit einerseits durch Repräsentation des v o m Volk ausgehenden Willens und andererseits durch entsprechende Kontrollinstanzen aufzulösen. Das maßgeblich im Federalist (vgl. Hamilton/Madison/Jay 1993) entwickelte, angelsächsisch-amerikanische Modell der Demokratie basiert auf dem Aufbau eines Vertrauens- und Treueverhältnis zwischen dem wahlberechtigten Volk und den gewählten politischen Eliten, das durch verfassungsmäßig garantierte Rahmenbedingungen wie beispielsweise vertikaler und horizontaler Gewaltenteilung vor den potentiell schädlichen Wirkungen sogenannter „factions", also gegen die Interessen anderer bzw. der Allgemeinheit gerichteter Gruppen innerhalb der Eliten geschützt werden soll (vgl. Hamilton/Madison/Jay 1993: 93 ff./Federalist 10 [Madison]; Göhler/Klein 1993: 372 ff.; Göhler 1992: 111 ff.). Das kontinentaleuropäische Modell, wie es z.B. von Abbé Sieyès (vgl. Sieyès 1982) vertreten wurde, versucht dagegen mit Hilfe eines auf den Prinzipien des freien Mandats und der Meinungskonkurrenz aufbauenden Willensbildungsprozesses innerhalb einer repräsentativen Volksversammlung einen „Gemeinwillen" entstehen zu lassen, der die individuelle Freiheit nicht zerstört (vgl. Göhler/ Klein 1993: 382 ff.; Göhler 1992: 113 ff.). Die Prinzipien von Freiheit und Gleichheit lassen sich in vielerlei Gestalt in den heutigen und vergangenen Diskussionen wiederfinden. Hierzu gehört beispielsweise die Auf25

fassung von der Bedrohung des mit dem Prinzip der Freiheit gleichzusetzenden, gemäß dem klassischen Liberalismus durch die als Besitz- und Bildungsaristokratie interpretierte politische Klasse gewährleisteten Rechtsschutzes durch die das Prinzip der Gleichheit repräsentierende Massendemokratie bzw. durch den Gleichheit herstellenden, sich ausbreitenden allmächtigen Staat (s. dazu auch Kap. 2.2.). Angesichts dieser „Bedrohungslage" scheint das Konzept pluraler, ständig zueinander in Konkurrenz stehender politischer Eliten eine sinnvolle Möglichkeit darzustellen, eine demokratische Gesellschaft mit einem funktionierenden Selbstschutz zu versehen. Das optimale Funktionieren einer solchen Demokratie muß jedoch durch geeignete ordnungspolitische Rahmenbedingungen, d.h. durch die Aufrechterhaltung einer freien Konkurrenz und damit ohne den Einsatz des Mittels der Gewalt seitens der Konkurrenten gewährleistet werden. Die Handlungen politischer Eliten konstituieren die Ausgestaltung des politischen Betriebs (s. Kap. 2.). Das Vorhandensein von Eliten steht ferner durchaus in Einklang mit den in demokratischen politischen Systemen herrschenden Prinzipien. Gerade aufgrund ihrer Bedeutung für das Funktionieren moderner Demokratien entzündet sich an der Tätigkeit politischer Eliten vielfach heftige Kritik, wenn diese die ihnen zugewiesenen Aufgaben nicht zu erfüllen scheinen (s. Kap. 1.). Empfehlungen zur „ O r d n u n g " des Rahmens, innerhalb dessen die Handlungen eben dieser kritisierten politischen Eliten zu verorten sind, müssen jedoch aus einer diesem Gegenstand angemessenen Analyse abgeleitet werden, d.h., Beurteilungen des politischen Betriebs, ob gegebenenfalls Schwächen, Fehlentwicklungen oder Dysfunktionalitäten vorhanden sind und wie diese zu vermeiden bzw. zu korrigieren wären, können nur auf geeigneter theoretischer Grundlage vorgenommen werden (s. K a p . 3.1.). Ordnungspolitisches Denken ist in theoretischer Hinsicht eng mit dem sogenannten „ökonomischen" Ansatz verbunden (s. Kap. 3.2.). Aus der Diskussion klassischer und moderner demokratietheoretischer Konzepte (s. Kap. 3.3. u. 3.4.) läßt sich ableiten, daß ein solcher, auf die Erklärung politischer Prozesse gerichteter „ökonomischer" Ansatz eine geeignete theoretische Grundlage für eine auf den politischen Bereich zielende Ordnungspolitik darstellt und damit auch jenseits der Grenzen einer wirtschaftswissenschaftlichen Fachdisziplin Anwendung finden kann (s. Kap. 3.5.).

3.1. Von der Wirtschafts- zur Staatsordnungspolitik Im allgemeinen wird der Begriff der Ordnungspolitik auf Wirtschaftspolitik bezogen. Nach beispielsweise Vahlens Großem Wirtschaftslexikon formuliert Ordnungspolitik diejenigen „Regeln, nach denen in der arbeitsteiligen Wirtschaft die Aktivitäten koordiniert werden" (Vahlens Großes Wirtschaftslexikon 1994: 1577). In engerem Sinne läßt sich Ordnungspolitik damit als gleichberechtigt neben Struktur- und Konjunkturpolitik stehende Wirtschaftspolitik zur Gestaltung einer marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung auffassen. In weiterem Sinne wird der Begriff der Ordnungspolitik jedoch auch im Kontext der Konstruktion einer Wirtschaftsordnung im allgemeinen verwendet (vgl. dazu Behrends 2001: 221). Gablers Wirtschaftslexikon definiert Ordnungspolitik als „ S u m m e 26

aller rechtlich-organisatorischen Maßnahmen, durch die die Träger der Wirtschaftspolitik über eine entsprechende Ausgestaltung der Wirtschaftsverfassung die längerfristigen Rahmenbedingungen für den Wirtschaftsprozeß innerhalb der Wirtschaftsordnung setzen" (Gabler Wirtschaftslexikon 1997: 2891). Dieser vielfach nur in einem wirtschaftspolitischen Kontext gebrauchte Begriff läßt sich durchaus auch auf den politischen Betrieb anwenden, Ordnungspolitik ist also nicht exklusiv auf die Gestaltung von Wirtschaftsordnungen beschränkt. Dieter Cassel beispielsweise definiert als den Gegenstand von Ordnungspolitik „die Gestaltung der ethischen, rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen des Verhaltens von Wirtschaftssubjekten und politischen Entscheidungsträgern, d.h. der Wirtschaftsordnung einerseits (Wirtschaftsordnungspolitik) und der politischen Ordnung andererseits (Staatsordnungspolitik)" (Cassel 1988: 313). Diese Definition läßt sich dahingehend interpretieren, daß Wirtschaftsordnungspolitik und Staatsordnungspolitik eine hohe Kongruenz aufweisen und aufeinander bezogen sind. Die Grundsätze einer auf den politischen Betrieb bezogenen Ordnungspolitik lassen sich somit aus den Konzepten einer ideengeschichtlich insbesondere im sogenannten Ordoliberalismus verwurzelten Wirtschaftsordnungspolitik ableiten. Unter Ordnung wird im Kontext von Wirtschaftsordnungspolitik vor allem der konkrete Rahmen verstanden, in dem der alltägliche Wirtschaftsprozeß abläuft. Das Denken in Ordnungen dient dabei als Grundlage der Formulierung einer entsprechenden Ordnungspolitik. Walter Eucken versteht unter Wirtschaftsordnung „die Gesamtheit der realisierten Formen, in denen in concreto jeweils der alltägliche Wirtschaftsprozeß abläuft. (...) Wir untersuchten besonders die Wirtschaftsordnungen des 19. und 20. Jahrhunderts, die mannigfaltig sind und rasch wechseln. Sie waren und sind oft unzweckmäßig; der alltägliche Wirtschaftsprozeß findet in ihnen oft kein Gleichgewicht. Oder sie sind ungerecht, und die Freiheit ist in ihnen bedroht. Die Analyse dieser Ordnungen ist die Basis für die Ordnungspolitik. Wir haben sie als Tatsachen anzusehen und haben die Zusammenhänge der Tatsachen zu ermitteln" (Eucken 1990: 372). Im Zentrum des ordnungspolitischen Denkens des Ordoliberalismus steht die Analyse der möglichen Ordnungen des menschlichen Zusammenlebens, vor allem hinsichtlich ihrer gesellschaftlichen Auswirkungen, um die für eine Gesellschaft zweckmäßigen Rahmenbedingungen einer Volkswirtschaft „optimal" gestalten zu können (vgl. Starbatty 1994: 240 f.; Grossekettler 1997: 1). Besonderen Stellenwert besitzt in diesem Zusammenhang die analytische Differenzierung zwischen zwei einander entgegengesetzten Grundsystemen volkswirtschaftlicher Ordnung, nämlich zum einen der Wettbewerbsordnung bzw. Verkehrswirtschaft und zum anderen der Zentralverwaltungswirtschaft bzw. zentral geleiteten Wirtschaft. Diese Begriffe stellen im Euckenschen Sinne gedankliche, idealtypische Modelle konstitutiver Grundformen einer Ordnung dar. Sie sind keine Abbilder konkreter Wirklichkeit, sondern lediglich Abstraktionen (vgl. Ambrosius 2001: 23). Durch diese Art der Modellbildung versucht Eucken die wirtschaftliche Wirklichkeit in Anbetracht ihrer real feststellbaren Komplexität überhaupt analysierbar zu machen. „Wenn wir aus dem Gewirr 27

der ungeheuren geschichtlichen Mannigfaltigkeit herauskommen wollen, die alles Erkennen und alles Handeln unsicher macht, ist es nötig, einen archimedischen Punkt zu suchen, von dem aus es möglich ist, die wirtschaftliche Wirklichkeit in ihren Formen und ihrem alltäglichen Ablauf zu erkennen. Dieser archimedische Punkt, den die Morphologie uns liefert, ist die Tatsache: Stets und überall basiert alles wirtschaftliche Handeln auf Plänen" (Eucken 1990: 20). Ausgehend von der Art der Planung des wirtschaftlichen Alltags identifiziert Eucken die Typen der Zentralverwaltungswirtschaft und der Verkehrswirtschaft als wirtschaftliche Grundformen. In der Zentralverwaltungswirtschaft wird der wirtschaftliche Alltag von den Plänen eines „Planträgers" wie z.B. dem Staat bestimmt. In der Verkehrswirtschaft entwickeln hingegen Einzelwirtschaften wie Betriebe und Haushalte selbständig Pläne, treten in wirtschaftlichen Verkehr miteinander und ihre Pläne werden vom Markt koordiniert (vgl. Eucken 1990: 21 f.). Zielrichtung der Analyse ist aus ordnungspolitischer Perspektive immer auch die Gestaltung der Ordnung. Eucken betont in diesem Zusammenhang den Ordo-Gedanken als weitere Bedeutungsebene einer Ordnung (vgl. Streit/Kasper 1995: 113 ff.). A u f diese Art und Weise interpretiert bedeutet Ordnung die „sinnvolle Zusammenfugung des Mannigfaltigen zu einem Ganzen" (Eucken 1990: 372), d.h. die Gestaltung der Ordnung, damit sie der Sache und dem Menschen angemessen ist. Eine solche Ordnung (Ordo) zeichnet sich damit durch „Effizienz" aus (vgl. Grossekettler 1997: 41). Nach Eucken wolle der Mensch also einerseits wissen, wie die konkreten Ordnungen ausgestaltet seien. D e m entspricht das Ansinnen des Ordoliberalismus, Ordnungen zu analysieren. Andererseits befinde sich der Mensch jedoch auch auf der Suche nach einer besseren Ordnung. Hierauf läßt sich das Ziel von Ordnungspolitik beziehen, Ordnungen „effizient" zu gestalten (vgl. Eucken 1990: 373). Die Betonung liegt dabei auf der Gestaltung der Ordnungsformen und nicht in der Gestaltung des Wirtschaftsprozesses (vgl. Eucken 1949: 93; Eucken 1990: 335 ff.; Behrends 2001: 221). Der Grund für diese „Selbstbeschränkung" besteht in der zutreffend angenommenen, begrenzten Informationsverarbeitungskapazität von Menschen. Deshalb dürfen nur die Rahmenbedingungen der Ordnung gestaltet werden und die im Inneren ablaufenden Prozesse müssen dem Markt überlassen werden, der in dieser Hinsicht weitaus leistungsfähiger als jeder menschliche Planer ist. Die Wirtschaftsordnung sollte also ganz im Sinne der liberalen Tradition so gestaltet werden, daß wirtschaftliche Leistung, sinnvolle Ordnung und individuelle Freiheit gewährleistet sind (vgl. Behrends 2001: 223; Streit/Kasper 1995: 106 ff.). Dies kann jedoch nur gelingen, wenn der Staat als ordnungsgestaltende Instanz die Macht wirtschaftlicher Subjekte oder Gruppen auf das Maß beschränkt, wie es zur Aufrechterhaltung einer wettbewerblichen Ordnung notwendig ist. Anderenfalls würde die staatliche Einheit aufgelöst, welche ja Grundbedingung für die staatliche Ordnungsfunktion ist (vgl. Eucken 1990: 335). Auch ist von direkten staatlichen Eingriffen in den Wirtschaftsprozeß abzusehen, denn dies ermöglicht die Einflußnahme organisierter Interessen auf die Interventionspolitik des Staats, was in der Folge mit seiner ordnungspolitischen 28

Aufgabe kollidiert. Nach Eucken bzw. entsprechend der ordoliberalen Auffassung können sich also dann keine Machtgruppen bilden, wenn der Staat sich darauf beschränkt, den rechtlichen Ordnungsrahmen konsequent wettbewerblich auszugestalten und innerhalb dieses Rahmens auf Eingriffe zu verzichten (vgl. Behrends 2001: 223; Grossekettler 1997: 44 ff.). Ein solcher Ordnungsrahmen, unabhängig davon, ob er von Menschen gesetzt wurde oder spontan aus den Handlungen der einzelnen heraus entstand, ist für das Funktionieren eines Markts unumgänglich. Wettbewerb findet nämlich immer innerhalb des Regelnetzes bzw. des institutionellen Rahmens einer Wettbewerbsordnung statt. Reales Markthandeln wird damit nicht als autonom betrachtet, sondern immer auch als „geordnet" durch den konkreten historischen und institutionellen Kontext. Der klassischen, Euckenschen ordnungspolitischen Konzeption des Ordoliberalismus haftet immer etwas Statisches an. Das analytische Ziel der Typisierung bzw. Klassifikation von Ordnungen ist nämlich immer auf die Beschreibung des Zustands eines Wirtschaftssystems bzw. einer Gesellschaft gerichtet. D e m Umstand, daß sich Wirtschaftsordnungen beständig wandeln können, wird hierdurch nicht Rechnung getragen (vgl. dazu insb. Ambrosius 2001: 27; Starbatty 1994: 247). J e d o c h beschränkt sich die Analyse von Ordnungen nicht notwendig auf deren Typologisierung, sondern kann auch auch deren Evolution umfassen. Als Beispiele hierfür können insbesondere die vor allem durch die Arbeiten Friedrich A. v. Hayeks propagierte Auffassung von Märkten als Entdeckungsverfahren (vgl. Streit/Kasper 1995: 123) und die hierauf aufbauende Forschungsrichtung zur Transformation von Wirtschaftssystemen (vgl. bspw. Brinkmann 1995) herangezogen werden. Jegliche Ordnungspolitik basiert auf einer vorhergehenden Analyse der jeweiligen Ordnung, denn nur auf dieser Grundlage können entsprechende Leitlinien entwickelt werden, die betreffende Ordnung angemessen zu gestalten. Die Berücksichtigung beispielsweise der dynamischen Komponente von Wirtschaftsordnungen verlangt daher, diese mit Hilfe eines geeigneten theoretischen Instrumentariums zu analysieren, das dynamische Prozesse hinreichend zu erklären vermag. Die Wahl eines bestimmten theoretischen Fundaments für die Analyse der Ordnung beeinflußt dabei die konzeptionellen Schwerpunkte des hieraus abzuleitenden Gestaltungsrahmens von Ordnung und schlägt sich auch in einer jeweils unterschiedlichen Auffassung über die Art der zu erreichenden „Effizienz" einer Ordnung nieder. Eine statische Konzeption von Ordnungspolitik strebt Zustandseffizienz an. Dies bedeutet, daß durch eine solche Ordnungspolitik ein Gleichgewichtspunkt einer Wirtschaftsordnung geschaffen bzw. aufrechterhalten werden soll. „Ein von allen Konzeptionen bejahtes Ziel der Politik ist das Produktions- oder Tauschoptimum der Wohlfahrtstheorie, in modernerer Sicht verstanden als ein paretooptimaler Zustand, der sich nicht nur durch die gleichzeitige Realisation von Produktions- und Tauscheffizienz auszeichnet (und somit in vereinfachten Modellen als ein Tangentialpunkt einer Transformations- und einer Indifferenzkurve dargestellten werden kann), sondern auch durch Informationseffizienz (Gleichheit von Grenzkosten und Grenznutzen eines weiteren Informationserwerbs) und Transaktionskosteneffizienz (Berücksichtigung von Grenzkosten und Grenznutzen 29

bei Strukturierungs- und Interventionsentscheidungen)" (Grossekettler 1997: 42). Das theoretische Rüstzeug einer solchen Art der Ordnungspolitik besteht insbesondere aus dem Instrumentarium der neoklassischen Ökonomie (s. Kap. 4.). Jenseits des in der Ordnungsökonomik fraglos eine große Rolle spielenden neoklassischen Denkens (vgl. dazu Hartwig 1988) entwickelte sich jedoch auch eine in der Tradition der Osterreichischen Schule der Nationalökonomie (s. Kap. 5.) stehende Interpretation ordnungspolitischer Analyse (vgl. Streit 2000: 23; insb. aber auch H o p p m a n n 1967; H o p p m a n n 1988; H o p p m a n n 1993). Im Rahmen dieser Weiterentwicklung des Euckenschen Konzepts von Ordnungspolitik wird insbesondere die Rolle des Markts als Koordinierungsinstitution betont. Solche „dynamischen" ordnungspolitischen Ansätze streben eine andere F o r m der „Effizienz" der zu gestaltenden Ordnung an als im Kontext der neoklassischen Tradition. Es geht ihnen nicht um die Herstellung eines möglichst „effizienten" Zustands, sondern u m die Gestaltung einer koordinationseffizienten Ordnung, d.h. u m eine die „Transaktionen" der Marktteilnehmer „sinnvoll" koordinierende Ordnung. Solche Koordinationsleistungen, wie z.B. der Ausgleich von Angebots- und Nachfragemengen, werden dabei als Marktprozesse aufgefaßt (vgl. Grossekettler 1997: 42 f.). Koordinationsprozesse in einem Markt lassen sich auch als Prozesse der Verteilung und Koordination von Wissen beschreiben. Ordnungen konstituieren sich durch die aufeinander bezogenen und miteinander verwobenen Handlungen einzelner. Dies ist jedoch nur möglich, wenn eine wechselseitige Erwartbarkeit und Planbarkeit von Handlungen besteht, d.h. die Handlungen der jeweils einen vorhersehbar sind, damit die jeweils anderen ihre eigenen Handlungen planen können. Der Markt übt eine zentrale Rolle in der Koordination des Wissens der einen über die Handlungen der anderen und umgekehrt aus. Ordnung entsteht in dieser Interpretation als unbeabsichtigte Nebenfolge der Tauschverhandlungen von Marktteilnehmern (vgl. Zeitler 2000: 57). Der Ordnungsbegriff ist aus der marktprozeßtheoretischen Sichtweise einerseits weiter gefaßt als aus der klassisch-ordoliberalen, d.h. nicht primär auf die Wirtschaftsordnung im engeren Sinne gerichtet, sondern auf aufeinander bezogene Handlungen von einzelnen im allgemeinen. Andererseits ist dieser Ordnungsbegriff auch wissenstheoretisch fundiert. Eine Ordnung strukturiert in diesem Sinne die Handlungen von Individuen durch die Schaffung von Erwartbarkeiten, die sich wiederum aus dem Wissen der einen über die Handlungen der anderen konstituieren. „Die zweckmäßigste Definition des Begriffes 'Ordnung' scheint (..) das Bestehen von Beziehungen zwischen wiederkehrenden Elementen zu sein, die es für uns möglich macht, aufgrund der Kenntnis eines (räumlich oder zeitlich) beschränkten Teils eines Ganzen Erwartungen bezüglich des Restes zu bilden, die gute Aussicht auf Erfüllung haben" (Hayek 1969c: 164). Grundlegend für eine solche marktprozeßtheoretische Sichtweise ist die Annahme, daß Wissen ungleichmäßig verteilt ist und die Marktteilnehmer daher nicht alle in gleichem Maße Wissen über die Handlungen anderer besitzen. Bei perfektem Wissen über die Welt ist kein Markt als Koordinationsinstanz des Wissens notwendig, da ja jeder auf den gesamten Wissensschatz zurückgreifen kann. Die Koordinationsleistung des Markts wird als permanenter Prozeß angesehen, der auch nicht zu einem Gleichgewicht in der 30

Wissensverteilung fuhren kann, weil Wissen beständig neu geschaffen wird und nicht in gleicher Weise allen Marktteilnehmern zur Verfügung steht. Die Aufgabe einer marktprozeßtheoretisch ausgerichteten Ordnungspolitik zielt also darauf, eine Ordnung zu „gestalten", in der der Markt in Anbetracht der naturgegebenen Unwissenheit der Marktteilnehmer diese Koordinationsleistung auch tatsächlich erbringen kann. Ordnungspolitik wird damit in marktprozeßtheoretischer Interpretation ebenso, wenn nicht sogar in noch stärkerem Maße wie in der klassisch Euckenschen Auffassung, auf die Gestaltung der Rahmenbedingungen menschlichen Handelns und nicht auf dessen Steuerung bezogen. „In diesem Sinn ist die Aufgabe des Gesetzgebers nicht, eine bestimmte Ordnung herzustellen, sondern nur Bedingungen zu schaffen, unter denen sich eine solche Ordnung bilden und immer wieder erneuern kann" (Hayek 1991: 194). Wichtig für die marktprozeßtheoretische Sichtweise ist also die Annahme, daß eine solche Marktordnung als nicht durch Menschen konstruierbar angesehen wird, sondern vielmehr „spontan" aus dem sich beständig an verändernde Umstände anpassenden Handeln der Menschen entsteht. „Eine solche Ordnung, die in der Anpassung an Umstände besteht, die niemand zur Gänze kennt, kann nur eine spontane Ordnung sein, weil ja die einzige alternative Form einer Ordnung, die Anordnung oder Organisation, voraussetzt, daß der Anordner über alle erforderlichen Informationen verfügt. Das Problem, das die spontane Marktordnung löst, ist gerade das der Nutzung von mehr Wissen, als irgendein einzelner Verstand besitzt. Die Marktordnung erreicht dies durch ein Entdeckungsverfahren, das wir Wettbewerb nennen" (Hayek 1969c: 167). Ordnungen strukturieren in diesem Verständnis durch die in mehr oder weniger ausgeprägter Form geleistete Koordinierung von Wissen die Handlungen einzelner. Welchen Zweck eine Ordnung erfüllt, ist in diesem Zusammenhang nicht von analytischer Bedeutung. Ordnung ist daher kein Wert- oder Normbegriff, sondern ein wissenschaftlicher Tatsachenbegriff (vgl. Hayek 1969c: 166). Aufgrund dieser Zweckunabhängigkeit kann eine ordnungspolitische Bewertung einer Ordnung auch nicht an ihrem spezifischen Zweck ansetzen, sondern nur an der unabhängig hiervon zu betrachtenden Leistung einer Ordnung, ihre Aufgabe der Koordinierung von Wissen zu erfüllen. Die „Effizienz" einer Ordnung bemißt sich aus marktprozeßtheoretischer Sichtweise also an ihrer Koordinationsleistung. Unabhängig davon, ob man nun Ordnungspolitik auf das Erreichen von Zustandseffizienz wie im klassischen, Euckenschen Ordoliberalismus oder von Koordinationseffizienz wie im eben dargestellten, marktprozeßtheoretischen Fall bezieht, ist die Anwendung einer solchen Konzeption nicht auf das begrenzte Feld einer Wirtschaftsordnung beschränkt. Ebenso wie klassische Autoren der Nationalökonomie wie beispielsweise Adam Smith, David Ricardo oder auch J o h n Stuart Mill (vgl. Smith 1991; Ricardo 1923; Mill 1976; insb. aber auch Behrends 2001: 2) geht auch Eucken von einer Interdependenz der Wirtschaftsordnung mit anderen Ordnungen aus. Sein Hauptargument besteht darin, daß die Wirtschaftssubjekte in andere Ordnungen eingebettet seien. „Darüber hinaus steht die Wirtschaftsordnung als Ganzes wie in ihren Teilordnungen, die sie umfaßt, in gegenseitiger Abhängigkeit mit allen übrigen menschlichen Ordnungen, in denen auch dieser 31

Haushalt lebt. Es besteht also nicht nur eine ökonomische Interdependenz, sondern auch eine Interdependenz der Wirtschaftsordnung mit allen übrigen Lebensordnungen" (Eucken 1990: 14). Die Ausprägung der Wirtschaftsordnung stehe also immer in engem Zusammenhang mit der Gesellschaftsordnung im allgemeinen und der politischen Ordnung im besonderen. „Je nach der Wirtschaftsordnung ist z.B. die Führungsschicht der Gesellschaft verschieden geartet und gegliedert. Sie sieht in einer Wirtschaftsordnung des zentralverwaltungswirtschaftlichen Typs anders aus als in einer konkurrenzwirtschaftlichen Ordnung. (...) Die Auslese der Führung vollzieht sich hier und dort anders; daraus resultiert ein anderer Charakter der Gesellschaftsordnung" (Eucken 1990: 181). Ö k o n o m i e und Politik beeinflussen sich gegenseitig. Die Politik nimmt Einfluß auf den Bereich der Wirtschaft durch ordnungs-, konjunktur- und strukturpolitische Maßnahmen. Die Wirtschaft wirkt auf den politischen Bereich durch die ökonomischen Auswirkungen der Wirtschaftsordnungspolitik ein, wie sie beispielsweise in der allgemeinen konjunkturellen Wirtschaftslage zum Ausdruck kommt (vgl. Behrends 2001: 1 f.). Aufgrund der Interdependenz von Wirtschaftsordnung und politischer bzw. Gesellschaftsordnung muß jede Wirtschaftsordnungspolitik in eine entsprechend gestaltete politische Ordnung eingebettet sein. Aus ordoliberaler Perspektive wird das Vorhandensein einer funktionierenden, freiheitlichen Demokratie vorausgesetzt, um die konstituierenden Prinzipien einer marktwirtschaftlichen Ordnung wie Garantie des Privateigentums, Vertragsfreiheit, H a f t u n g für Vereinbarungen und Handlungen, Freiheit des Markteintritts und -austritts, Währungsstabilität und Konstanz der Wirtschaftspolitik herstellen bzw. aufrechterhalten zu können. Dies bedeutet, daß auch das politische System ebenso wettbewerblich zu gestalten ist wie das Wirtschaftssystem (vgl. Grossekettler 1997: 74; Streit/Kasper 1995: 117; Streit 1995: 24 f f ) . Eucken selbst hat jedoch die Erforschung politischer Entscheidungsprozesse, die jeder Wirtschaftspolitik zugrunde liegen, aus seiner nationalökonomischen Analyse ausgeklammert, weil diese jenseits der mit Hilfe seines ökonomischen Instrumentariums analysierbaren gesamtwirtschaftlichen Daten liege (vgl. dazu Behrends 2001: 224). Gleichwohl ist die ordnungspolitische Analyse von Politik mit diesem Instrumentarium möglich. Dies zeigt beispielsweise die Übertragung des ökonomischen Marktmodells auf den Bereich des Politischen durch Anthony Downs (vgl. Downs 1957; s. Kap. 4.3.) oder auch der ökonomische Analogieschluß J o s e p h A. Schumpeters, wonach sowohl im ökonomischen als auch im politischen Bereich der einzelne grundsätzlich versuche, seinen individuellen Nutzen zu maximieren, d.h., in einer Demokratie jeder Politiker nach Maximierung der auf ihn entfallenen Wählerstimmen strebe (vgl. Schumpeter 1946; s. Kap. 3.4. u. Kap. 4.). Darüber hinaus kann, gemessen an einer allgemeinen Definition wirtschaftlichen Handelns als optimale Allokation knapper Güter, auch der Bereich des Politischen als Teil der Wirtschaftswissenschaften angesehen werden, weil politische wie auch alle anderen denkbaren „Entscheidungen ebenfalls unter diesen Gesichtspunkten getroffen werden müssen" (Frey 1970: 2). Insofern läßt sich das wirtschaftswissenschaftliche Instrumentarium auch auf diesen Gegenstand anwenden.

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Kern der Annahme der Übertragbarkeit ökonomischer Theorien auf scheinbar nichtökonomische Zusammenhänge ist die sowohl dem neoklassischen als auch dem marktprozeßtheoretischen Ansatz zugrundeliegende Auffassung, daß die Motive und Restriktionen der Handlungen von einzelnen auf jedem Gebiet die gleichen seien (vgl. bspw. Kirchgässner 1988: 55 ff.). Die gemeinsame Basis der menschlichen Handlungen wird dabei im Eigennutz gesehen. Menschen gestalten also ihr Handeln in der Absicht, den jeweils größten Nutzen aus diesen Handlungen zu ziehen (s. Kap. 3.2.). Eine ordnungspolitisch motivierte Analyse des politischen Betriebs läßt sich damit mit Hilfe einer sogenannten politökonomischen Strategie bewältigen (vgl. Grossekettler 1997: 74). Anders als es die ursprüngliche Bedeutung von „Politischer Ö k o n o m i e " nahelegen würde, ist dieser Begriff jedoch nicht im Sinne einer Gleichsetzung mit klassischer Nationalökonomie zu interpretieren - und ausdrücklich auch nicht im Sinne einer marxistisch motivierten Analyse gesellschaftlicher Zusammenhänge. Vielmehr ist unter politökonomischer Strategie lediglich die Verwendung des Instrumentariums der Wirtschaftswissenschaften für die Erklärung politischer Strukturen und Prozesse zu verstehen (vgl. bspw. Behrends 2001: 1 ff.; Frey 1970: 1 ff.). Die Anwendung ökonomischer Theorien auf den Bereich des Politischen kann, wie gezeigt, als zulässig betrachtet werden. A u f diese Art und Weise ist es möglich, eine ordnungspolitisch motivierte Analyse des politischen Betriebs durchzuführen. Allerdings wird damit das scheinbare Problem aufgeworfen, daß ordnungspolitische Maßnahmen von der Politik auf sich selbst angewandt werden müssen bzw. Politik mit politischen Mitteln begrenzt werden muß, während im wirtschaftspolitischen Bereich die in gewissem Sinne außerhalb der Ö k o n o m i e stehende Politik die Wirtschaftsordnung gestalten soll. J e d o c h kann auch im wirtschaftspolitischen Bereich Ordnungspolitik aufgrund der herrschenden Interdependenz der Ordnungen nur im Zusammenhang mit der gleichzeitigen, wettbewerblichen Ordnung des Politischen erfolgen. „Die Interdependenz von Staatsordnung und Wirtschaftsordnung zwingt dazu, den Ordnungsaufbau von beiden in einem Zuge in Angriff zu nehmen. Das ist das Entscheidende. - Beide Ordnungen sind nur Teile einer Gesamtordnung, die aufzubauen ist. - O h n e eine Wettbewerbsordnung kann kein aktionsfähiger Staat entstehen und ohne einen aktionsfähigen Staat keine Wettbewerbsordnung" (Eucken 1990: 338). Aufgrund des Interdependenzproblems ist jede Ordnungspolitik immer auf die Ordnung des eigenen Gegenstands bezogen. Es gibt keine äußere Instanz, die im Sinne eines wohlwollenden Diktators die Ordnung in angemessener Weise gestaltet - und es kann keine geben. Jede Ordnungspolitik steht grundsätzlich vor dem Problem, daß durch politische Entscheidungen Ordnung gewissermaßen aus sich selbst heraus gestaltet werden muß. Eucken weist in diesem Zusammenhang a u f die Entstehung des Rechtsstaats hin, der ja auch ohne das Vorhandensein ordnender Institutionen quasi aus dem institutionellen „Nichts" heraus entstand. „Mutatis mutandis befinden wir uns in Fragen der Ordnung der Wirtschaft im 20. Jahrhundert in einer Lage, die mit dem Stande der Rechtspolitik im 17. und 18. Jahrhundert verglichen werden kann. Gegenüber den dauernden Willkürakten der Fürsten, der Stände und ihrer Organe verlangten damalige Rechtsdenker (...) die Rea33

lisierung des Rechts durch eine zureichende Rechtsordnung. Sie entwickelten Prinzipien des Rechts. Wer aber sollte sie realisieren? Gesellschaftliche und politische Institutionen standen zunächst nicht zur Verfugung. Aber auf die Dauer wurde der Einfluß des rechtsstaatlichen Denkens s o stark, daß es die staatliche und positiv-rechtliche Realität gestaltete. Es wurde faktisch zu einer ordnenden Potenz" (Eucken 1990: 339 f.). Ordnungspolitik zielt auf eine, auf der hinreichenden Analyse des entsprechenden Gegenstands aufbauende Gestaltung eines Ordnungsrahmens. Das im Rahmen einer Wirtschaftsordnungspolitik angewandte Instrumentarium der Wirtschaftswissenschaften kann mit Hilfe einer politökonomischen Strategie auch auf den Bereich des Politischen übertragen werden. Als theoretische Grundlage für eine ordnungspolitisch motivierte Analyse des politischen Betriebs stehen damit prinzipiell zwei Ansätze zur Verfügung. Z u m einen kann im Sinne der Erreichung einer Zustandseffizienz des politischen Betriebs das neoklassische Instrumentarium herangezogen werden. Z u m anderen kann der Gegenstand auch mit Hilfe marktprozeßtheoretischer Konzepte mit dem Ziel der Erreichung von Koordinationseffizienz analysiert werden.

3.2. Grundlagen ökonomischer Analyse Die Übertragung des Gedankens der Ordnungspolitik vom Gegenstand der Ökonomie auf den der Politik impliziert die Anwendung des methodischen Instrumentariums der Wirtschaftswissenschaften, d.h. ökonomischer Theorien, zur Analyse politischer Strukturen und Prozesse. Grundsätzlich ist der ökonomische Ansatz methodologisch-individualistisch. Dies bedeutet, daß wirtschaftliche Phänomene und Zusammenhänge durch das Handeln von Individuen erklärt werden. Das grundlegende Handlungsmotiv wird im Eigennutz der Individuen gesehen (s. Kap. 3.2.1.). Durch das Wechselspiel jeweils eigennütziger Handlungen lassen sich wirtschaftliche und durch Übertragung des Ansatzes auf nicht-ökonomische Zusammenhänge auch gesellschaftliche bzw. soziale Phänomene erklären. Die Koordination individueller Pläne vollzieht sich dabei vermittelt durch die Institution eines Markts (s. Kap. 3.2.2.). Ferner ist es für den ökonomischen Ansatz grundlegend, die Realität wirtschaftlicher Erscheinungen mit Hilfe von hochabstrakten Begriffen zu erfassen und mit hieraus abgeleiteten hypothetischen Aussagen zu erklären. Wirklichkeit wird durch den ökonomischen Ansatz also mit Hilfe eines auf bestimmten Annahmen gründenden, hypothetischen Modells zu beschreiben versucht (s. Kap. 3.2.3.).

3.2.1. Eigennutz als individuelles Handlungsmotiv Ideengeschichtlich betrachtet erhielt die Analyse der Wirtschaft bedeutenden Auftrieb durch die sich verstärkt seit dem 16. Jahrhundert verändernden Rahmenbedingungen wirtschaftlichen Handelns, d.h. der Erosion der feudalen Gesellschaftsordnung sowie der Erschließung neuer Märkte durch „Fabrikanten" und Handelsgesellschaften. Vorher er34

schöpften sich Aussagen zu wirtschaftlich relevanten Fragestellungen meist in Stellungnahmen zu wirtschaftlichen Einzelfragen, die zudem in übergeordnete Zusammenhänge gestellt wurden. In der Scholastik beispielsweise stand die Beschäftigung mit der Ökonomie immer in enger Verbindung mit der Frage nach der Vereinbarkeit ökonomischen Verhaltens mit der christlichen Ethik. Zu dieser Zeit ging es also weniger um die Analyse ökonomischen Handelns, sondern vielmehr um aus „theologischen" Prinzipien abgeleitete Empfehlungen zur Gestaltung der wirtschaftlichen Ordnung (vgl. Pribram 1998a: 21 f f , 73 ff. u. 90 ff.; Mundorf 1957: 51 ff.; Schinzinger 1984: 15 u. 22). Die Analyse wirtschaftlicher Phänomene gewann erst mit dem Entstehen der Nationalstaaten an Bedeutung. Ausgehend von der politischen Auffassung über den Charakter von Staaten als organische Einheiten, die sich mit anderen in einem Machtkampf befänden, veränderten sich auch die Auffassungen über die Ökonomie. Lehnte beispielsweise die scholastische Tradition Profitstreben noch als unmoralisch ab, akzeptierten merkantilistische Autoren das Streben nach wirtschaftlichem Wohlstand (vgl. bspw. Pribram 1998a: 99 ff.). In diesem ideengeschichtlichen Klima der wachsenden Bedeutung der Ökonomie entstanden nun zunehmend analytische Ansätze, die wirtschaftliche Zusammenhänge und Handlungen zu erklären versuchten (vgl. Blaich 1984: 35). In diesem Kontext entwickelte sich auch die Auffassung, daß der Eigennutz die Triebfeder menschlicher Handlungen darstelle und jegliche Art ordnender Politik dies berücksichtigen müsse. In einem vermutlich von John Haies verfaßten und 1581 veröffentlichten Essay mit dem Titel „Discourse of the C o m m o n Weal of this Realm of England" diskutieren Vertreter verschiedener gesellschaftlicher Gruppen mit jeweils unterschiedlichen Denk- und Argumentationsmustern insbesondere über den Getreidemangel, unter dem das damalige England litt. In diesem Essay läßt Haies die fiktive Figur eines „Gelehrten" die Position vertreten, daß der Eigennutz das allen menschlichen Handlungen zugrundeliegende Prinzip darstelle. Jeder strebe nämlich das an, worin sein größter Vorteil liege, und solange die Viehzucht profitabler als der Ackerbau sei, werde erstere auch letzteren verdrängen. Deshalb würden die damaligen, den Getreidepreis künstlich niedrig haltenden Korngesetze die Produktion von Getreide verhindern. Die von Haies bzw. der Figur des „Gelehrten" propagierte Schlußfolgerung hieraus besteht nun in der Forderung nach Erhöhung der Getreidepreise, weil auf diese Art und Weise durch das individuelle Streben nach persönlichem Nutzen ein Vorteil für das gesamte Gemeinwesen, nämlich eine Verbesserung der Versorgung mit Getreide erreicht werden könne (vgl. Pribram 1998a: 96 f. Schumpeter 1965a: 224 f.; Blaug 1979: 31 f.). In seiner berühmten, zuerst 1705 erschienen Fabel „Der unzufriedene Bienenstock oder Die ehrlich gewordenen Schurken" thematisiert Bernard Mandeville (vgl. Mandeville 1998) in ähnlicher Weise die Auswirkungen egoistischen Verhaltens einzelner auf das Gemeinwohl. Ahnlich wie Haies ging auch Mandeville von der merkantilistischen Grundüberzeugung aus, daß das letzte Ziel der Wirtschaftspolitik letztendlich in der Steigerung der nationalstaatlichen Macht und dessen Wohlstand liege. Mandeville beschreibt in seinem „Lehrgedicht" einen Bienenstock, dessen wirtschaftliches Wohlergehen insbesondere in individuellen Lastern wie u.a. der Ausbeutung anderer zum eigenen Nutzen begrün35

det sei. Nach einem moralischen Sinneswandel des Bienenstocks, d.h. der Ausrichtung des Handelns an „moralischen" Prinzipien bei gleichzeitigem Unterlassen „egoistischer" Handlungen, schwinde auch dessen wirtschaftliche Prosperität. Mandeville stellt in seiner Fabel am Beispiel dieses Bienenstocks die gesamtwirtschaftlichen Folgen sowohl egoistischen, individuellen auf der einen Seite als auch altruistischen Verhaltens auf der anderen Seite dar und schließt hieraus, daß die egoistischen Motive individuellen Verhaltens zwar für sich genommen unmoralisch seien, allgemeines Wohl jedoch die alleinige Folge eben dieses unmoralischen Handelns sei (vgl. Pribram 1998a: 235 ff; Schumpeter 1965a: 244 f.). Auch Adam Smith geht grundsätzlich davon aus, daß das einzelne Individuum sein Handeln eher auf das Erzielen eines Nutzen für sich selbst denn eines Nutzens für alle anderen ausrichtet, weil es seinen eigenen persönlichen Nutzen besser erkennen und besser erfahren könne als den für ihn fernen Nutzen aller. Dieses sich im Streben nach Existenzsicherung, Steigerung der eigenen Wohlfahrt und Verbesserung der eigenen Stellung in der „Gemeinschaft" ausdrückende Selbstinteresse des einzelnen Individuums stellt für Smith die eigentliche Triebfeder für die - nicht nur ökonomische - Entwicklung eines Gemeinwesens dar (vgl. Recktenwald 1984: 51). Das Zusammenwirken der eigennützigen Handlungen einzelner könne, wie durch das Wirken einer unsichtbaren Hand gesteuert, allgemeines Wohl entstehen lassen. Allgemeines Wohl und damit auch der Wohlstand einer Nation sei somit nicht die Folge absichtlichen Handelns, sondern vielmehr unbeabsichtigte Nebenfolge egoistischen, individuellen Verhaltens (vgl. Smith 1991: 351 f.). Nationaler Wohlstand könne somit aus dem Wechselspiel von Produktion und Konsum auf einem freien Markt entstehen, d.h. durch das Verfolgen der jeweils individuellen Interessen durch diese selbst (vgl. Smith 1991: 444). Hieraus begründet Smith auch die Forderung nach wirtschaftlichem Nichteingreifen des Staats, um eben das Wirken der „unsichtbaren Hand" nicht zu behindern. Im Laufe der Entwicklung des ökonomischen Denkens entstand, wie oben exemplarisch an Aussagen von Haies, Mandeville und Smith dargestellt, sukzessive die „realistische" Auffassung, man müsse zur Analyse wirtschaftlicher Zusammenhänge die tatsächlichen und nicht etwa „wünschenswerten" Motive der Individuen zu wirtschaftlichen Handlungen berücksichtigen (vgl. Recktenwald 1984: 51 ff.). Das Eigeninteresse von Individuen wird folglich in den Rang eines wesentlichen Handlungsmotivs erhoben. Die wirtschaftlichen Handlungen von Menschen erscheinen damit als „rational", denn es liegt immer in ihren Interesse, sich für diejenige Handlungsalternative zu entscheiden, die für sie vorteilhafter erscheint.

3.2.2. Marktliche Koordination individueller Handlungen Eng verbunden mit der Vorstellung eines primär von eigenen Interessen geleiteten Handelns von Individuen ist auch die Interpretation wechselseitiger wirtschaftlicher Handlungen als Austauschprozesse auf einem Markt. Entsprechend der auch das Werk von Adam 36

Smith stark beeinflussenden physiokratischen Wirtschaftslehre entstehe durch das freie Spiel der Marktkräfte, versinnbildlicht durch das jeweils eigennützige Streben wirtschaftlich handelnder Individuen, ein den „wahren" Wert einer Ware ausdrückender Preis. Bei Abwesenheit staatlicher Eingriffe, d.h. unter den Bedingungen eines freien Markts, würde der durch diesen Preis repräsentierte Tauschwert einer Ware ihren Produktionskosten entsprechen (vgl. Pribram 1998a: 212 ff. u. 224 f.; Schumpeter 1965a: 300 ff; Blaich 1984: 40 ff.). Auch Adam Smith nahm an, daß die Marktpreise von Waren und Gütern diesen natürlichen Preisen entsprächen bzw. um diese schwankten. Dieser natürliche Preis ist durchaus im Sinne eines Gleichgewichtspreis aufzufassen, denn in der Smithschen Konzeption entspricht, langfristig gesehen, das Angebot einer Ware zu diesem natürlichen Preis der effektiven Nachfrage nach dieser Ware. Dieser Preis sei ferner, ebenfalls langfristig gesehen, äquivalent zu den mit der Gesamtsumme von Löhnen, Renten und Profiten identischen Produktionskosten dieser Ware (vgl. Pribram 1998a: 287; Schumpeter 1965a: 391). Die Ableitung des Tauschwerts aus der für die Produktion eines Guts aufgewandten „produktiven" Arbeit einschließlich der entsprechenden Gleichgewichtskonzeption von Angebot und Nachfrage findet sich auch in der Wirtschaftslehre David Ricardos (vgl. bspw. Ricardo 1923). Er war analog der Smithschen Auffassung davon überzeugt, daß die Marktpreise eines Guts um den natürlichen Preis schwankten und sich damit hinter den beobachtbaren Marktpreisen, langfristig gesehen und unter der Bedingung vollkommenen Wettbewerbs, ein der aufgewandten Arbeit äquivalenter natürlicher Preis einer Ware verberge. Aus dieser Perspektive betrachtet bedeutet ökonomisches Gleichgewicht, daß die Marktpreise den natürlichen Preisen entsprechen. Die Gleichgewichtskonzeption impliziert somit, daß sich Angebot und Nachfrage ausgleichen, d.h. weder ein Uberangebot noch ein Mangel an Gütern herrscht. Entsprechend der Vorstellung eines natürlichen Preises läßt sich nun ableiten, daß langfristig und unter den Bedingungen vollkommener Konkurrenz jede durch die Produktion von Gütern, d.h. durch die eingesetzte Arbeit, geschaffene Kaufkraft eine entsprechende Nachfrage nach Gütern nach sich ziehen müsse. Nachdem nun nach Ricardo der den natürlichen Preis eines Guts bestimmende Arbeitswert dem lebensnotwendigen Unterhalt eines Arbeiters entspreche und durch Arbeit geschaffene Kaufkraft sofort in Konsum umgesetzt werde, werde die Gesamtmenge der produzierten Güter zu ihrem jeweiligen natürlichen Preis auch immer ihre Nachfrage finden (vgl. Schumpeter 1965a: 695 f.; Pribram 1998a: 289 u. 298 ff.; Recktenwald 1984: 57 ff.; Blaug 1979: 95 ff.). Adam Smith und David Ricardo als Vertreter der sogenannten klassischen Ökonomie gingen von einem in der Produkteigenschaft substantiell verankerten Wertbegriff aus und verneinten die Möglichkeit, daß Tauschwerte von Gütern aus dem Begriff des Nutzens abgeleitet werden könnten. Nutzen interpretierten beide als „objektiven" Nutzen, den der Gebrauch des entsprechenden Guts stifte. Aus einem solchen objektiven Nutzenbegriff läßt sich jedoch nicht die Entstehung von Tauschwerten bzw. Marktpreisen logisch ableiten. 37

Der entscheidende Hinderungsgrund besteht im sogenannten „Wertparadoxon", daß manche Güter, denen ein hoher objektiver Nutzen innewohnt, keinen oder nur einen geringen Marktpreis aufweisen, während andere Güter mit nur einem geringen objektiven Nutzen einen sehr hohen Marktpreis erzielen. Smith erläuterte dieses Paradoxon am Beispiel von Wasser als Gut mit hohem Nutzen und Diamanten als Gut von geringem Nutzen. Wasser als unentbehrliches Gut habe Smith zufolge keinen marktgängigen Wert, während ein Diamant trotz seines relativ begrenzten Nutzens nur zu einem hohen Preis auf dem Markt zu erhalten sei. Sowohl Smith als auch Ricardo verkannten jedoch die im Wechsel von einem objektiven zu einem subjektiven Nutzenbegriff liegende Lösungsmöglichkeit für dieses Wertparadoxon (vgl. Schumpeter 1965a: 381 ff.; Pribram 1998a: 247 f.). Entsprechend der klassischen Lehre von Smith und Ricardo entstehen Tauschwerte bereits im Verlauf der Produktion von Waren und Gütern, nämlich durch die hierfür aufgewandte Arbeit. Die aus der sogenannten „Marginalistischen Revolution" (vgl. Blaug 1979: 309 ff.; Winch 1972) hervorgegangene nach-klassische Ökonomie geht demgegenüber davon aus, daß Tauschwerte erst auf dem Markt, d.h. durch das Wechselspiel von Angebot und Nachfrage, entstehen. Zentrale Gedanken dieser nach-klassischen Ökonomie hat Ferdinando Galiani vorweggenommen. Er vertrat die Auffassung, daß sich der Wert eines Guts im Sinne einer subjektiv, d.h. von Menschen hergestellten Beziehung zwischen dem aus dem Besitz eines Guts erwachsenden Nutzen und dem eines anderen Guts beschreiben ließe. Der Wertbegriff sei damit nur in Relation zu einer bestimmten Menge einer anderen Ware sinnvoll zu verwenden. Dies bedeutet, daß sich der Wert eines Guts einerseits aus dem subjektiven Nutzen und andererseits aus der verfügbaren Menge dieses Guts in Relation zu dessen Verwendungsmöglichkeiten, also aus dessen Knappheit ableitet. Unter Nutzen darf allerdings nicht die „Nützlichkeit" eines Guts im objektiven Sinne verstanden werden, sondern vielmehr die Eignung eines Guts, subjektive Bedürfnisse gleich welcher Art zu befriedigen. Preise sind nach Galiani abhängig von der Nachfrage nach einem begrenzten Angebot an Gütern. Der Preis wirkt sich jedoch auf die vom Konsumenten subjektiv empfundene Knappheit aus, d.h., er begrenzt die Menge des Guts, die von diesem Konsumenten erworben werden kann. Der Preis eines Guts beeinflußt damit die Nachfrage nach diesem Gut. Preise und Nachfrage stehen also in einem wechselseitigem Abhängigkeitsverhältnis (vgl. Schumpeter 1965a: 381 ff.; Pribram 1998a: 226 ff.). Die Ablösung der klassischen Arbeitswertlehre durch eine auf subjektivem Nutzen und Knappheit beruhende, nach-klassische Konzeption von Märkten bedingt jedoch eine veränderte Vorstellung von der Art der Rationalität eigennützig handelnder Menschen. Entsprechend der klassischen Ökonomie liege das Handlungsziel von Akteuren darin, einen möglichst großen Anteil an der Menge produzierter Güter zu erlangen. Die nachklassische, auf Nutzen und Knappheit basierende Konzeption von Märkten geht dagegen davon aus, das Handlungsmotiv von Menschen bestehe in der Steigerung ihres subjektiven, auf die Befriedigung von Bedürfnissen bezogenen Nutzens.

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Nutzensteigerung ist jedoch nicht ins Unendliche hinein möglich. Vielmehr gibt es eine Beziehung zwischen dem Nutzenzuwachs und der bereits verfugbaren Gütermenge. In mathematischer Hinsicht gebrauchte David Bernoulli diesen Gedanken im Kontext seiner Analyse von Glücksspielen und damit verbundenen Problemen, dem sogenannten St. Petersburger Paradox, und stellte die Hypothese auf, daß für ein Individuum der Nutzengewinn aus einer zusätzlichen Geldeinheit umgekehrt proportional zur G r ö ß e des bereits vorhandenen Vermögens sei. J e mehr jemand also besitze, desto weniger persönlichen Nutzen zöge er im Vergleich zu einem weniger besitzenden Individuum aus dem identischen Vermögenszuwachs. Bernoulli gelang es mit Hilfe dieser Hypothese, aus Geldgewinnen stammende Wohlstandsverbesserungen interpersonal zu bewerten (vgl. Blaug 1979: 347 f.; Pribram 1998a: 524; Schumpeter 1965a: 384 ff.). Ebenso wie Bernoulli analysierte auch Hermann Heinrich Gossen die Beziehungen von Individuen und einzelnen Gütern. Ausgehend von der utilitaristischen Auffassung, daß jedes Individuum danach trachte, seinen persönlichen Nutzen so groß wie möglich werden zu lassen, leitete er verschiedene Gesetze ab. Das sogenannte erste Gossensche Gesetz besagt, daß der Nutzen eines Guts und damit die Intensität der hiermit erzielten Bedürfnisbefriedigung mit dem Zuwachs jeder Einheit dieses Guts abnehme. Dieser Nutzenzuwachs wird in der modernen ökonomischen Theorie auch als Grenznutzen bezeichnet. Gossen nahm ferner an, daß ein Individuum zur maximalen Befriedigung seiner Bedürfnisse und damit zur Maximierung seines subjektiven Nutzens bei begrenzten Möglichkeiten des Gütererwerbs immer nur einen gewissen Teil seiner vielfältigen Bedürfnisse befriedigen könne. Diese Bedürfhisse würden jeweils einzeln bis zu einem gewissen Sättigungsgrad befriedigt, führten aber in der Gesamtheit zu einer Art M a x i m u m der Bedürfnisbefriedigung. Das O p t i m u m der jeweiligen Bedürfnisbefriedigung ist gemäß dem zweiten Gossenschen Gesetz dann erreicht, wenn die Grenznutzen der beschafften Güter gleich seien (vgl. Gossen 1967; Pribram 1998a: 525 f.; Schumpeter 1965b: 1110; Schumann 1984: 127). Der Kern des von Gossen formulierten und die Basis der nach-klassischen Ö k o n o m i e darstellenden Grenznutzenprinzips besteht aus zwei Annahmen. Die erste besagt, daß der Grenznutzen mit jeder zusätzlich erworbenen Gütereinheit abnimmt. Der Grenznutzen der jeweils zuletzt erworbenen Einheit eines Guts bestimmt den Wert der gesamten im Besitz eines Individuums befindlichen Menge dieses Guts. Gemäß der zweiten Annahme versucht jedes Individuum seine verschiedenen Bedürfnisse so zu befriedigen, daß die jeweiligen Grenznutzen gleich werden. Dieses Grenznutzenprinzip ermöglicht es daher, den relativen Tauschwert von Gütern aus dem subjektiven Gebrauchswert der jeweils zuletzt erworbenen Gütereinheit abzuleiten und damit ein rein den Prinzipien von Angebot und Nachfrage gehorchendes Marktmodell zu konstruieren (vgl. Schumann 1984: 127 ff.). Ausgehend von unterschiedlichen Interpretationen dieses Grenznutzenprinzips lassen sich zwei verschiedene Schulen der ökonomischen (Grenznutzen-) Analyse unterscheiden, die auch im modernen ökonomischen Denken eine bedeutende Rolle spielen (vgl. Grassl 1986: 146 ff.). Die mit dem Begriff der Neoklassik (vgl. dazu Neumann 1984) belegte Variante geht von der Modellvorstellung aus, daß sowohl individuelle Bedürfnisbefriedi39

gungen als auch Güter und Dienste sich in unbegrenzt kleine Elemente teilen ließen. Auf diese Art und Weise läßt sich der Grenznutzen in Form einer mathematischen Funktion beschreiben. William Stanley Jevons (vgl. Jevons 1965) und insbesondere Leon Walras (vgl. Walras 1988) entwickelten auf Grundlage dieser Auffassung ein mathematisch-ökonomisches Modell, mit dem sich Marktzustände mit Hilfe einer Gleichgewichtsanalyse untersuchen lassen. Marktpreise entstünden dabei durch die aufeinander bezogenen Handlungen aller Wirtschaftssubjekte, die jeweils ihre Grenznutzen entsprechend dem zweiten Gossenschen Gesetz auszugleichen versuchten. Ein wirtschaftliches System befinde sich dann im Gleichgewicht, wenn das System aus sich selbst heraus nicht mehr zu Veränderungen neige. Entsprechend der Modellannahmen sei dies dann der Fall, wenn die Grenznutzen der wirtschaftlichen Subjekte ausgeglichen seien und damit jedes bei gegebenen Ressourcen eine maximale Bedürfnisbefriedigung erreicht habe (vgl. Pribram 1998a: 531 ff.; Schumpeter 1965b: 1157 ff. u. 1213 ff.; Schumann 1984: 127 ff.). Die Modellannahmen flir die mathematisch-logische Begründung dieser Gleichgewichtskonzeption sind jedoch sehr weitreichend. Neben der bereits für die mathematische Formulierung des Gleichgewichtsprinzips notwendigen Annahme der unbegrenzten Teilbarkeit von Nutzen und Gütern basiert diese Konzeption ferner auf der Annahme des Vorhandenseins vollkommener Konkurrenz auf einem vollkommenen Markt. Dies impliziert, daß jeder Marktteilnehmer immer über die Handlungen aller anderen Wirtschaftssubjekte informiert und damit gleichsam allwissend sei (s. Kap. 4.1. u. 4.2.). Unter anderem diese neoklassischen Modellannahmen wurden von einer anderen bedeutenden Richtung der Grenznutzenanalyse, der sogenannten Osterreichischen Schule der Nationalökonomie, vehement bestritten. Für Carl Menger (vgl. Menger 1968) sind beispielsweise die individuellen Grenznutzen weder direkt meß- noch miteinander vergleichbar und deshalb sei der Grenznutzenbegriff nur dazu geeignet, die subjektiven Wertschätzungen zu beschreiben, die dem jeweiligen Zuwachs einer Gütereinheit entsprechen. Preise entstünden in diesem Sinne aus dem Zusammenspiel der verschiedenen Grenznutzeneinschätzungen wirtschaftlicher Subjekte. Diese Preise reflektierten also die subjektiven Nutzeneinschätzungen von Individuen und deshalb gingen in diese auch Informationsveränderungen beispielsweise über sich verändernde wirtschaftliche Zusammenhänge ein. Dies bedeutet, daß Preise als Ausdruck von Wissen über wirtschaftliche Zusammenhänge aufgefaßt werden und deshalb die Idee von Preisgleichgewichten nicht im Hauptblickfeld der ökonomischen Analyse steht. „Die Preise sind hiebei aber lediglich accidentielle Erscheinungen, Symptome des ökonomischen Ausgleiches zwischen den menschlichen W i r t s c h a f t e n " (Menger 1968: 172). In neoklassischer Vorstellung entstehen Preise durch das Markthandeln vollständig informierter Akteure in vollständiger Konkurrenz. Sie seien also aus dem jedem Individ u u m zu jeder Zeit gegebenen, vollständigen Wissen über den Markt direkt berechenbar. Die der Osterreichischen Schule zuzuordnenden Theoretiker gehen demgegenüber davon aus, daß Preise subjektives Wissen repräsentieren und dieses deshalb als unvollständig und

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durchaus auch als fehlerbehaftet aufzufassen ist (vgl. bspw. Menger 1968: 175 ff. u. 179 ff.; Hayek 1952c). Durch menschliche Handlungen wird solches Wissen im Wechselspiel mit den Handlungen anderer geschaffen und verbreitet. Im Osterreichischen Ansatz wird jedoch nicht nur die Bedeutung von Wissen, sondern auch die zeitliche Komponente wirtschaftlicher Zusammenhänge hervorgehoben. Letztere ist, wie Menger selbst formuliert, eng mit dem Anspruch der Osterreichischen Schule verbunden, kausale Beziehungen zwischen wirtschaftlichen Phänomenen herzustellen. „Die Idee der Causalität ist nun aber unzertrennlich von der Idee der Zeit. Ein jeder Wandlungsprocess bedeutet ein Entstehen, ein Werden, ein solches ist jedoch nur denkbar in der Zeit" (Menger 1968: 21). Ein Markt wird damit im Österreichischen Ansatz im Sinne eines sich in den Handlungen von Individuen ausdrückenden und durch diese geschaffenen Prozesses aufgefaßt. Dies bedeutet, daß der Markt im Gegensatz zur eher statischen, gleichgewichtsorientierten neoklassischen Konzeption aus dynamischer Perspektive betrachtet wird. Das Grenznutzenprinzip, so wie es in den beiden Gossenschen Gesetzen zum Ausdruck kommt, bildet die Grundlage für zwei unterschiedliche ökonomische Traditionen bzw. Schulen der Grenznutzenanalyse. Z u m einen ist dies die insbesondere mit statischen Begriffen von Gleichgewicht und Gleichgewichtszuständen operierende neoklassische Analyse und zum anderen die besonderen Wert auf die Analyse dynamischer Marktprozesse legende Österreichische Schule.

3.2.3. Modelldenken als methodisches Grundprinzip Ökonomisches Denken ist in hohem Maße „hypothetisch". Es basiert auf abstrakten Begriffen, mit deren Hilfe die „Wirklichkeit" bzw. Teile hiervon erklärt werden sollen. Die Idee des rational und eigennützig handelnden Individuums stellt eine solche Annahme über die „Wirklichkeit" dar. Die Entwicklungsgeschichte des ökonomischen Denkens im allgemeinen läßt sich Karl Pribram zufolge aus der Perspektive der Auseinandersetzung zwischen essentialistischen und hypothetischen Denkmustern und des sukzessiven Durchsetzens der hypothetischen Sichtweise betrachten. Essentialistisches Denken ist von der Auffassung geprägt, mit Hilfe entweder wie im Fall der Scholastik ewig oder wie beispielsweise im Fall der sogenannten Historischen Schule unter bestimmten geschichtlichen Bedingungen gültiger Begriffe Einsicht in Natur und Wesen von Dingen und Ereignissen gewinnen zu können. Jegliches hypothetisches Denken streitet hingegen die Existenz solcher Begriffe ab. Die erstere Konzeption läßt sich auch als erkenntnistheoretischer Realismus und letztere als erkenntnistheoretischer Nominalimus bezeichnen. In hypothetischen Denkmustern basieren sämtliche analytischen Begriffe und Kategorien auf Annahmen. Von der Gültigkeit dieser Annahmen kann dann ausgegangen werden, wenn es mit logisch von diesen abgeleiteten, modellhaften Gesetzen gelingt, zwischen beobachtbaren Phänomenen kausale wie im Fall des Ansatzes

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der Österreichischen Schule oder funktionale Beziehungen wie im Fall des neoklassischen Ansatzes herzustellen (vgl. Pribram 1998b: 1107 ff.). Die sowohl im Kontext der modernen Entwicklung des ökonomischen Denkens als auch der Herausbildung der verschiedenen sozialwissenschaftlichen Disziplinen wie beispielsweise der Soziologie oder der Volkswirtschaftslehre bedeutende Auseinandersetzung zwischen essentialistischen (realistischen) und hypothetischen (nominalistischen) Denkmustern fand im sogenannten Methodenstreit zwischen Gustav von Schmoller und Carl Menger ihren Höhepunkt. Im Verlauf dieser Auseinandersetzung wurde nicht nur die Methodologie des ökonomischen Ansatzes verfeinert, sondern es wurden auch die logischen Schwächen des essentialistischen bzw. historischen Ansatzes offenbar (vgl. insb. H o m a n n 1989; Eucken 1940; aber auch Menger 1966). Methodologischer Ausgangspunkt der sogenannten Historischen Schule ist die beschreibende Analyse historischen Materials. A u f diese Art und Weise sollte das Wesen wirtschaftlicher Zusammenhänge erkannt werden, die wiederum als von spezifischen historischen Gegebenheiten geprägt angesehen wurden. Insofern wurde auch jede (nationale) Volkswirtschaft als organisches und jeweils von eigenen Gesetzen und Zielen bestimmtes Ganzes interpretiert (vgl. Schmölders 1984; Pribram 1998a: 406; Schumpeter 1965b: 986 ff.). Schmoller, einer der wohl wichtigsten Vertreter der sogenannten Historischen Schule, war der Ansicht, jegliche ökonomische Analyse müsse die Eingebundenheit wirtschaftlicher Phänomene in einer Art gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang berücksichtigen. Er strebte danach, das Wesen bzw. den essentiellen Gehalt ökonomischer Phänomene zu erfassen und zu erkennen. Methodisch sollte dies insbesondere durch intuitive Betrachtung einer möglichst umfassenden Darstellung historischen Materials erreicht werden, d.h. durch induktive Schlußfolgerung vom Besonderen zum Allgemeinen. Aus der Auffassung, ökonomische Phänomene nicht isoliert betrachten zu dürfen, läßt sich die nahezu unbegrenzte Möglichkeit der Ausweitung des Forschungsgegenstands ableiten, denn Ökon o m i e müsse Schmoller zufolge als eingebettet in ein gesellschaftliches Ganzes aufgefaßt werden. Dieser Ausweitung des Forschungsgegenstands auf der einen Seite entspricht eine Verengung der Erklärungstiefe auf der anderen Seite. Die enge Bindung der getroffenen Aussagen an singuläre historische Gesamtzusammenhänge läßt nämlich logisch gesehen keine generellen Verallgemeinerungen zu, mit deren Hilfe funktionale oder kausale Zusammenhänge erklärbar werden (vgl. Schumpeter 1965b: 992). Menger wandte sich strikt gegen die insbesondere in Deutschland in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verbreitete Auffassung, historiographische Wesensschau stelle die einzig sinnvolle sozialwissenschaftliche Methodologie dar. In einer Untersuchung über sozialwissenschaftliche Methoden (vgl. Menger 1969) weist er der wissenschaftlichen Disziplin der Nationalökonomie die Aufgabe zu, generelle Zusammenhänge von wirtschaftlichen Phänomenen zu analysieren, d.h., ein auf generalisierten Gesetzen fußendes Modell der Ö k o n o m i e zu entwickeln. Menger unterscheidet drei grundsätzlich verschiedene Formen wissenschaftlicher Disziplinen. Individuelle Wissenschaften wie Geschichte oder Statistik beschäftigen sich mit 42

konkreten, d.h. realen Phänomenen und den zwischen diesen bestehenden konkreten Beziehungen. Methodik dieser Wissenschaften ist die reine Beschreibung von Tatsachen. Ferner fuhrt er sogenannte praktische Wissenschaften an, die nicht Tatsachen, sondern Zielzustände beschreiben. Menger subsumiert unter anderem die Wirtschaftspolitik unter diese Kategorie. Die theoretischen Wissenschaften hingegen, zu denen er auch die Nationalökonomie zählt, widmen sich verallgemeinerbaren Beziehungen zwischen Erscheinungen. Methodisch basieren diese Wissenschaften auf dem Prinzip der Abstraktion (vgl. Menger 1969: 3 ff.). Je nach der Art der Ermittlung dieser Zusammenhänge bzw. je nach Abstraktionsgrad der zur Erklärung von Realität gefundenen Gesetze unterscheidet Menger noch zwischen realistisch-empirischer und exakter theoretischer Forschung. In ersterer wird versucht, auf einer möglichst großen Datengrundlage Erkenntnisse über Regelmäßigkeiten zwischen realen Phänomenen zu gewinnen. Diese sind jedoch nur ungefähr gültig und nicht übertragbar (vgl. Menger 1969: 36). Exakte theoretische Forschung, die Menger gegen den Anspruch der Historischen Schule verteidigt, allein gültige Ergebnisse zu produzieren, versucht auf der Grundlage von Annahmen über die Realität allgemeingültige, d.h. in jeder beliebigen Situation zutreffende Gesetze zu ermitteln. Diese Gesetze werden mit Hilfe logischer Schlußfolgerungen aus diesen Annahmen gewonnen. Das Ziel dieser Methodologie besteht darin, Ursachen und Wirkungen sozialer Phänomene zu erklären. Aufgrund ihres hypothetischen Charakters können diese Gesetze bzw. theoretischen Modelle jedoch nicht direkt an der Wirklichkeit überprüft werden. Vielmehr besitzen sie innerhalb des gebildeten Modells bei korrekter logischer Ableitung aus den Annahmen gleichsam automatisch Gültigkeit (vgl. Menger 1969: 41 ff.). Aus einer solchen theoretischen Analyse gewonnene Erkenntnisse können nicht direkt in die Wirklichkeit übertragen werden, denn sie stimmen nicht vollständig mit der Realität überein. Dennoch sind sie bei Gültigkeit der Modellannahmen prinzipiell richtig, d.h. auch ohne Prüfung an der Realität. Hypothetisches Denken, wie es nicht nur in der Osterreichischen Schule der Nationalökonomie in der Tradition Mengers, sondern auch für die Neoklassik in der Tradition Léon Walras' typisch ist, versucht Wirklichkeit mit Hilfe theoretischer und hypothetischer Modelle zu erklären. Gerade die Osterreichische Schule strebt danach, das Wesen sozialer Phänomene zu verstehen, und hat insbesondere durch die Herausarbeitung ihres methodologisch-subjektivistischen Fundaments im Rahmen des „Methodenstreits" trotz fraglos bestehender methodologischer Unterschiede den Ansatz Max Webers einer verstehenden Soziologie entscheidend mitgeprägt (vgl. insb. Mäki 1997; Boettke/Storr 2002; Zafirovski 2002; Kim 1996; s. Kap. 5.1.3.).

3.3. Freiheit und Gleichheit im demokratietheoretischen Denken Der ordnungstheoretische Rahmen des politischen Betriebs in modernen, westlichen Gesellschaften läßt sich stark vereinfacht mit dem Begriff der Demokratie umschreiben. In diesem Sinne verstanden definiert dieser Begriff die Rahmenbedingungen, in denen politi43

sehe, demokratische Prozesse ablaufen. Er beschreibt nicht nur Eigenschaften bestimmter politischer Systeme, sondern beinhaltet ebenso eine starke normative Komponente. Diese wiederum besitzt verschiedene Bedeutungsebenen, die sich jeweils aus der ideengeschichtlichen Betrachtung verschiedener „Demokratietraditionen" ableiten lassen. Gemeint ist hiermit zum einen eine „liberale" Konzeption von Demokratie, welche die Freiheit des einzelnen als dominanten Wert begreift, und zum anderen eine „radikale" Konzeption, welche in ihrem politischen Denken die Gleichheit aller betont. Robert Dahl bezeichnet diese beiden Demokratietraditionen im Kontext der Betrachtung der us-amerikanischen, politischen Ideengeschichte auch als „Madisonian" und als „Populistic Democracy". Die von ihm nach James Madison benannte liberale Tradition sucht nach einem Kompromiß zwischen den Interessen der Mehrheit in einer demokratischen Ordnung und den Minderheiten, d.h. nach einem Kompromiß zwischen der politischen Gleichheit der Staatsbürger und deren notwendigen Beschränkung z u m Schutz der Freiheit des einzelnen (vgl. Dahl 1956: 4 ff.). Die „populistische", radikale Tradition möchte demgegenüber dem souveränen Willen des Staatsvolkes in seiner Gesamtheit Ausdruck verleihen (vgl. Dahl 1956: 34 ff.). Ideengeschichtlich geprägt wurde die liberale Demokratietradition insbesondere von Autoren wie J o h n Locke oder Charles Montesquieu und die radikale Variante von Jean-Jacques Rousseau. Gedanklicher Ausgangspunkt der Lockeschen Staatskonzeption ist die naturrechtliche Annahme von individuellen Grundrechten wie dem Recht auf Selbsterhaltung. Hieraus begründet Locke ein Recht auf Eigentum im Sinne des Eigentums des einzelnen an seiner eigenen Person, seiner eigenen Arbeit und deren Ergebnissen. Die Legitimation einer staatlichen Ordnung leitet er nun aus einem gedanklichen Vertrag ab, den die „Staatsbürger" z u m Zwecke des gegenseitigen Schutzes dieser Rechte eingegangen seien. Der Staat ist für ihn damit Instrument zum Schutz der insbesondere als Eigentumsrechte des einzelnen Staatsbürgers aufgefaßten Freiheit. Eine diesen Zweck erfüllende staatliche Ordnung muß sich nach Locke vor allem durch die Beschränkung der Macht ihrer Organe auszeichnen. Staatliches Handeln sollte deshalb einerseits in einen klar definierten Rechtsrahmen eingebunden und andererseits die staatliche Macht in eine gesetzgebende und eine ausführende Gewalt geteilt werden. Legislative, von Locke als höchste staatliche Gewalt angesehen, und Exekutive dürften ferner nur in engen Grenzen agieren. Hierzu gehörten die rechtliche Bindung der Gewalten, die Orientierung der Gesetze am „Wohl des Volkes" sowie die Notwendigkeit der Zustimmung der Staatsbürger bzw. deren Repräsentanten bei Eingriffen in den Bereich der Ökonomie. D i e gesetzgebende Gewalt müsse aus dem Staatsvolk hervorgehen und die Gesetzgebung mit dem sich aus den Einzelinteressen zusammensetzenden „Willen" des Volkes übereinstimmen. Regierungshandeln sollte gemäß der Lockeschen Vorstellung also immer einem Konsens des Staatsvolkes über den jeweiligen Gegenstand entsprechen. Konkret bedeutet dies, daß die im Sinne einer Vertretung der Staatsbürger aufzufassende Legislative, der notwendigen Begrenzung staatlicher Macht folgend, ausschließlich innerhalb des gegebenen rechtlichen Rahmens agieren, ihr Handeln auf die unmittelbaren Staatszwecke 44

beschränken und die Rechte der Bürger respektieren müsse. Ein weiterer Sicherheitsmechanismus in der Lockeschen Konzeption eines die Freiheitsrechte des einzelnen bewahrenden Staats besteht ferner im Widerstandsrecht der Staatsbürger, wenn fundamentale Rechte wie Leben und Eigentum durch den Staat nicht mehr gewährleistet würden. Legislative und Exekutive üben somit politische Macht als Treuhänder des Volkes aus und können das in sie gesetzte Vertrauen auch wieder verwirken (vgl. Locke 1983; Schmidt 2000: 66 ff.: Schwan 1993: 190 ff.; Nonnenmacher 1989; Euchner 1987). Stärker noch als Locke betont Montesquieu die Notwendigkeit der Teilung staatlicher Gewalten zur Begrenzung staatlicher Macht zum Schutz des einzelnen vor staatlicher Willkür und damit zur Wahrung seiner Freiheitsrechte. Ausgangspunkt der Konzeption Montesquieus ist die idealtypische Analyse verschiedener Staatsformen, die er in eine sich durch einen „despotischen" Alleinherrscher auszeichnende Despotie, eine Monarchie mit einem in seiner Machtausübung durch Gesetze beschränkten Herrscher und eine von vielen regierten und in ihrer Herrschaft ebenfalls durch Gesetze gemäßigten Republik unterscheidet. Republiken wiederum differenziert Montesquieu in Aristokratien und Demokratien. In der Aristokratie gehe die souveräne Machtausübung von einem Teil des Volkes und in der Demokratie vom gesamten Volk aus. O b die Quelle der Souveränität jedoch bei einer Person, bei vielen oder gar beim ganzen Volk liege, ist in bezug auf die von Montesquieu präferierte Staatsordnung irrelevant. In Anbetracht der seinem Werk immanenten Kritik am französischen Staatsabsolutismus liegt ihm vielmehr an einer Mäßigung der Machtausübung durch die Regierenden. Dies kann nach Montesquieu vor allem durch die Zügelung der Macht durch andere Instanzen der Macht erreicht werden. Montesquieu schlägt in seiner Verfassungslehre damit ein System verteilter und sich gegenseitig ausbalancierender Gewalten vor. Im Unterschied zu Locke trennt er nicht nur Gesetzgebung und ausfuhrende Gewalt, sondern zusätzlich auch noch die Rechtsprechung. Legislative und Exekutive müßten jeweils die von Montesquieu als relevant identifizierten gesellschaftlichen Kräfte Besitzbürgertum, Adel und Krone bzw. die diesen zugeordneten Staatsorgane Volkskammer, Adelskammer und Monarch repräsentieren. An der Judikative hingegen sollten nur „Volk" und Adel teilhaben, nicht jedoch der Monarch. Im Sinne einer gegenseitigen Kontrolle der Machtausübung müßten die drei Gewalten durch ein System von Befugnissen wie z.B. Vetorechten miteinander verbunden werden. Diese wechselseitige Kontrolle auf der einen Seite und die Teilhabe aller relevanten gesellschaftlichen Kräfte an den einzelnen Gewalten auf der anderen Seite gewährleiste die individuelle Freiheit jedes einzelnen (vgl. Montesquieu 1980; Falk 1987; Schmidt 2000: 74 ff.; Schwan 1993: 206 ff.). Der zentrale Aspekt sowohl der Lockeschen als auch der Montesquieuschen Konzeption besteht darin, eine Lösung für das Problem zu finden, die Freiheitsrechte des einzelnen durch den Aufbau einer adäquaten, übermäßige Machtfiille beschränkenden Staatsordnung zu schützen. Andere Fragestellungen wie beispielsweise die Souveränitätsquellen staatlicher Machtausübung bzw. politischer Entscheidungen sind in diesen politischen Theorien also nur von untergeordneter Bedeutung. Die demokratietheoretische Konzeption Jean-Jacques Rousseaus hingegen setzt argumentativ an einer solchen, normativen 45

Basis gesellschaftlich-politischer Ordnung an und versucht ein von der Vorstellung eines unteilbaren Gemeinwillens des gesamten Staatsvolkes und damit unbedingter Gleichheit ausgehendes Ordnungsideal zu konstruieren. Für Rousseau gründet sich jegliche staatliche Ordnung auf der gedanklichen Vorstellung eines Vertragsschlusses von Einzelindividuen. Vor dieser Ubereinkunft sei der Mensch frei, durch die Vertragsunterzeichnung übertrage er Rechte auf die entstehende Gesamtheit aller Vertragspartner. Der Mensch reserviere für sich beim Eingehen dieses Gesellschaftsvertrags keine Rechte aus dem Naturzustand, sondern gehe in die Gesellschaft bzw. den Staat vollständig, also in einem totalitären Sinne ein. Diese Selbstentäußerung ermöglicht es Rousseau argumentativ, politische Gleichheit für alle Mitglieder der Gesellschaft in Anbetracht der natürlichen Ungleichheit der Menschen zu proklamieren. Mit der Aufgabe aller Rechte werde jeder vor dem Gesetz gleich. Mit der Aufgabe von Rechten bildeten die einzelnen eine Gesellschaft bzw. einen Staat, übertrügen aber keine Souveränität an diesen. Die Souveränität verbleibe also beim Volk. Für Rousseau ist diese prinzipiell unbeschränkt und insofern auch unbeschränkbar. Die Volkssouveränität könne also nicht durch Gesetze oder Rechtsansprüche eingeschränkt und deshalb auch nicht übertragen werden. Aufgrund dieser Vorstellung einer unveräußerlichen, undelegierbaren und unteilbaren Souveränität müßten alle politischen Entscheidungen direkt auf den Willen des souveränen Volkes zurückgeführt werden. Eine Repräsentation dieses Willens beispielsweise auf Delegierte in einem Parlament sei nicht zulässig. Das im Rahmen der gesellschaftlichen Ordnung zu lösende Hauptproblem bestehe daher darin, den Willen des gesamten Volkes und nicht etwa verschiedene Einzelwillen zur Grundlage politischer Entscheidungen zu erheben. Durch die aus der Herstellung politischer Gleichheit ableitbare Verortung der Souveränität beim Volk als Ganzem müsse dessen Wille auch in seiner Ganzheit berücksichtigt werden. Rousseau geht nun davon aus, daß dieser Gemeinwille nicht aus der Addition der Einzelwillen - verstanden als Aggregation von Individualpräferenzen - hervorgehe, sondern das Resultat einer allgemeinen Abstimmung sei, bei welcher der Allgemeinwille gleichsam aus den vielen Einzelwillen herausgefiltert werde. Der das Allgemeine abbildende Gemeinwille zielt Rousseau zufolge auf das Gemeinwohl, die Summe der Einzelwillen hingegen nur a u f Erfüllung privater Interessen. Treffen nun Einzelwillen ungefiltert in Form einer Abstimmung aufeinander, heben sie sich nach Rousseau aufgrund ihrer Unvereinbarkeit und Widersprüchlichkeit auf. Zurück bleibe nur das den Gemeinwillen auszeichnende Allgemeine. Grundbedingung hierfür sei jedoch die Abwesenheit organisierter Interessen, denn diese verfälschten nur den Ermittlungsprozeß des Gemeinwillens und führten als Resultat zu einem gemeinwohlschädlichen Gesamtwillen. Politische Gleichheit ist eine zentrale Kategorie zum Verständnis der Rousseauschen Ordnungskonzeption. Nur durch die Herstellung dieser Gleichheit durch Aufgabe natürlicher Freiheit könne gesellschaftliche Ordnung hergestellt und damit natürliche Freiheit in gleichsam organizistischer Gestalt bewahrt werden (vgl. Rousseau 1989; Maier 1987; Schwan 1993: 219 ff.; Schmidt 2000: 91 ff.; Nonnenmacher 1989). 46

Im Zentrum solcher Konzeptionen, die vom Grundwert politischer Gleichheit her argumentieren, steht die Gestaltung einer diesem Wert entsprechenden gesellschaftlichen Ordnung. Die Einhaltung von normativ fundierten Konstruktionsprinzipien wird in diesem Fall als wesentlich bedeutsamer angesehen als die tatsächlichen „Leistungen" bzw. Wirkungen politischer Ordnungen. Für freiheitliche Konzepte hingegen ist die Realisierung solcher Prinzipien wie beispielsweise von Gleichheit von nur eingeschränktem Interesse. Diese konzentrieren sich vielmehr auf die Herstellung bzw. Bewahrung individueller Freiheit durch die Ordnung. Freiheit und Gleichheit als Werte stehen damit auf zwei unterschiedlichen Ebenen. Gleichheit spiegelt sich in den Konstruktionsprinzipien einer Ordnung wieder, während Freiheit insbesondere auf die Auswirkungen einer Ordnung fur den einzelnen zielt. Reale Demokratien versuchen beide Werte zu vereinen und damit das Spannungsverhältnis von Gleichheit und Freiheit auszugleichen. Während Rousseau nicht von einem Konflikt von Gleichheit und Freiheit ausgeht - letztendlich läßt er Freiheit konzeptionell in Gleichheit aufgehen - sieht Montesquieu durchaus eine Spannung im Verhältnis beider Werte zueinander. O h n e Gleichheit nämlich könne die Demokratie, d.h. diejenige Regierungsform, in der die souveräne Macht in den Händen des Volkes liege, entarten. Die Uberbetonung des Prinzips der Gleichheit führe jedoch zur Vernichtung der Freiheit und münde daher in Despotie (vgl. Schmidt 2000: 83; Montesquieu 1980: 180 ff./Buch VIII). Die Rousseausche Konzeption impliziert hingegen, hinsichtlich der Identifikation und Durchsetzung des souveränen Willens des Staatsvolkes auch gegen die dem Prinzip der Gleichheit widersprechenden Sonderinteressen einzelner bzw. bestimmter Gruppen, die Einrichtung einer „aufgeklärten Diktatur", in der ein „Législateur" faktisch zum Stifter des Gemeinwillens wird. Der Rousseausche Ansatz begründete damit nicht nur die moderne politische Idee direkter, d.h. unmittelbarer Demokratie (vgl. bspw. Barber 1994), sondern kann zu Recht auch als theoretischer Vorläufer des Totalitarismus angesehen werden (vgl. insb. Talmon 1961). Freiheit und Gleichheit stehen in wechselseitigem Spannungsverhältnis zueinander. Einerseits impliziert der Begriff der Freiheit auch die Gleichheit der Freiheit einzelner. Gleichzeitig setzt politische Gleichheit die Existenz von Freiheit- voraus. „Es gibt natürlich eine Gleichheit, die der Freiheit vorausgeht und keine Beziehung zu ihr hat; doch es ist die Gleichheit zwischen Sklaven, zwischen Individuen, die darin gleich sind, daß sie nichts haben oder nichts gelten oder beides, die gleich in der totalen Unterwerfung sind. D o c h die Gleichheit von Sklaven oder Versklavten ist keine Errungenschaft auf dem Gebiet der Gleichheit und hat (...) nichts von den positiv bewerteten Gleichheiten zu tun. Es ist also schwierig zu bestreiten, daß Freiheit in dem Sinne zuerst kommt, daß der Unfreie in dieser Sache nicht einmal eine Stimme hat" (Sartori 1992: 349). Die Uberbetonung des Prinzips der Gleichheit kann daher das ihr zugrundeliegende Prinzip der Freiheit und damit sich selbst zerstören. Alexis de Tocqueville hat in seiner Analyse der Demokratie in Amerika sehr pointiert den Zielkonflikt von Freiheit und Gleichheit herausgearbeitet. Im Kontext politischer Entscheidungen bewirke politische Gleichheit nämlich den Vorrang der Entscheidungen der Mehrheit und die Entartung dieses Prinzips bedeute totalitäre Macht der Mehrheit 47

über die Interessen von Minderheiten. Damit führe die alleinige Konzentration auf den als den Willen der Mehrheit des Volkes gedeuteten Volkswillen zu einer Tyrannei eben dieser Mehrheit. Unter „Despotie der Mehrheit" versteht Tocqueville jedoch nicht nur die Unterdrückung nicht-mehrheitskonformer Meinungen einzelner, u m zwangsweise die Gleichheit durchzusetzen, interpretiert als gleiche Meinungen und Uberzeugungen und damit gleichen Denkens. Vielmehr glaubt er, daß vermittelt durch die Zentralisation der Verwaltung die Menschen in ihrem Wesen einander angeglichen werden, indem die Bürokratie nämlich den Menschen von allen Entscheidungen entlaste, für ihn sorge und damit zu unmündiger Gleichheit erziehe. Insofern betont Tocqueville als Gegengewicht zu dieser Tendenz zur Gleichheit unter anderem auch die Notwendigkeit der Dezentralisierung der Verwaltung (vgl. Tocqueville 1979; Hereth 1979; Schmidt 2000: 127 ff.; Göhler/Klein 1993: 435 ff.; Rausch 1987). A u s dieser Perspektive betrachtet beinhaltet das Prinzip der Gleichheit immer auch den Vorgang der Gleichmacherei. Dieser ist dabei nicht nur auf politisches Gebiet beschränkt, sondern greift auch auf andere Bereiche des Lebens aus. Tocqueville hat in diesem Zusammenhang nicht nur die Tyrannei der Mehrheit in politischer Hinsicht beschrieben, sondern auch auf die Rückwirkungen des Gleichheitsstrebens auf die Freiheit des einzelnen hingewiesen. Gleichheit könne nämlich gleichsam sichtbar gemacht werden, während Freiheit abstraktes Prinzip bleibe, und deshalb strebten die Menschen auch nach diesem „greifbaren" Prinzip der Gleichheit. Die Gefahr dieses Strebens liege nun in der Negierung der Freiheit und damit auch des Prinzips politischer Gleichheit. Das Streben nach Gleichheit könne sich also in sein Gegenteil verwandeln. „ M a n hört oft, wie die Freiheit den Wenigen nütze, so wirke die Gleichheit als die Macht der Vielen (indem sie die Macht durch Anzahl begünstige). D o c h die Parallele gilt nicht durchweg. Es gibt einen entscheidenden Unterschied, nämlich daß mit den Instrumenten der Freiheit weder die Wenigen noch die Vielen einander völlig unterdrücken können, während im Namen und mit den Instrumenten der Gleichheit die Vielen wie die Wenigen in Ketten geraten können. Der Unterschied ist also der: Während der Grundsatz der Freiheit - in seiner praktischen Durchfuhrung - nicht in sein genaues Gegenteil verkehrt werden kann, ist dies beim Gleichheitsgrundsatz möglich" (Sartori 1992: 354). J e d o c h kann das Prinzip der Freiheit wohl zu einer Beschränkung der Freiheit führen, wenn Freiheit gleichzeitig nicht als Freiheit aller gedacht wird und damit Freiheit einzelner auf Kosten der Freiheit anderer verwirklicht wird. Im Prinzip der Freiheit ist deshalb grundsätzlich auch das Prinzip der Gleichheit enthalten. Moderne Gesellschaften sehen sich immer dem Spannungsverhältnis von Bewahrung von Freiheit und Streben nach Gleichheit ausgesetzt. In demokratietheoretischer Hinsicht läßt sich dieses Spannungsverhältnis je nach favorisierter Zielgröße entweder entschärfen oder auflösen. Die liberale, die Zielgröße der Freiheit favorisierende Tradition sucht die Freiheit durch Integration von Sicherungsmechanismen wie beispielsweise wechselseitiger Kontrolle zu bewahren. Die radikale, das Prinzip der Gleichheit betonende Konzeption hingegen löst das Spannungsverhältnis zugunsten der Gleichheit auf.

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3.4. Theorien der Demokratie Ausgehend von den demokratietheoretischen Schlüsselbegriffen Freiheit und Gleichheit läßt sich im Rahmen der theoretischen Beschäftigung mit demokratischen Ordnungen entweder die Zielgröße der Freiheit auf der einen oder der Gleichheit auf der anderen Seite hervorheben. Die Bewertung, was eine Demokratie auszeichne bzw. wie eine demokratische Ordnung zu gestalten sei, unterscheidet sich nach dem jeweils bevorzugten Zielwert. Auch reale demokratische Ordnungen stehen immer unter dem Einfluß sowohl des Wunsches nach Freiheit als auch des Strebens nach Gleichheit. Dieses Bild spiegelt sich in der Landschaft moderner Theorien über die Demokratie wider. Auch Theorien der Demokratie streben nämlich vielfach nach Erfüllung bestimmter Zielwerte. Der Demokratiebegriff wurde in diesem Zusammenhang zu einem Synonym für eine erstrebenswerte Ordnung (vgl. Conze et. al. 1972). Aufgrund der Vielschichtigkeit dieses Begriffs und der damit implizierten Zielvorstellungen gibt es jedoch keine allgemeingültige, d.h. von jedermann geteilte Vorstellung dessen, was Demokratie ist und sein soll, sondern nur konkurrierende demokratietheoretische Ansätze (vgl. Waschkuhn 1998: 8). In Anbetracht der starken normativen Komponente der Beschäftigung mit der Demokratie ist Bernd Guggenberger der Ansicht, daß Demokratietheorien einen Mittelweg zwischen der analytischen „Pflicht" und der normativen „Kür" einschlagen sollten. Eine Demokratietheorie „darf sich nicht einem einzelnen Zielwert (Partizipation oder Effizienz, Freiheit oder Gleichheit, Autonomie oder Autorität) allein verschreiben, sondern muß eine möglichst große Zahl jener Zielvorstellungen kombinieren, welche sich in der westlichen Demokratiephilosophie und Demokratiepraxis als sozial bedeutsam herausgestellt haben. Sie darf weder Wirklichkeit bloß wiedergeben, noch darf sie sich in uneinholbar realitätsfernen Utopien verlieren. Gefordert ist ein komplexer Theorieansatz, der eine mittlere Distanz zwischen Vision und Wirklichkeitsbezug hält; eine Demokratietheorie, die ihrer Realität stets voraus ist, ohne sie jedoch aus dem Auge zu verlieren" (Guggenberger 1993: 79). Guggenberger fordert also die explizite Bewahrung normativen Denkens in Theorien über die Demokratie und thematisiert damit eine Differenzierung dieser Theorien in normative und „realistische" bzw. empirische Ansätze. Auch Fritz W. Scharpf mit seiner komplexen Demokratietheorie steht explizit auf dem Standpunkt, eine moderne Demokratietheorie dürfe sich der Einbeziehung des Wertefundaments der Demokratie nicht entziehen, wie es rein empirische Ansätze versuchten. Er argumentiert dahingehend, daß der Demokratiebegriff als solcher ein Wertbegriff und deshalb die Demokratietheorie mit der „Konkurrenz normativer Zielvorstellungen und damit auch mit dem wissenschaftstheoretischen Werturteilsstreit konfrontiert" (Scharpf 1975: 9) sei. Aussagen über demokratische Ordnungen seien daher per se Werturteile. Dennoch seien wissenschaftliche fundierte Urteile über solche Werte möglich. Scharpf interpretiert Max Webers Aussage dahingehend, wissenschaftliche Urteile über die Realisierbarkeit einer Zielsetzung könnten die indirekte Kritik an diesem normativen Ziel selbst begründen (vgl. Weber 1988c), daß „auch Wertungen sich pragmatisch bewähren oder an der Erfahrung scheitern können" 49

(Scharpf 1975: 11), d.h. wissenschaftlich über diese geurteilt werden könne. Eine diesem Umstand Rechnung tragende Demokratietheorie müsse daher ein wissenschaftlich-empirisches Urteil über die in einer Demokratie realisierten Zielvorstellungen erlauben und es damit ermöglichen, diese weiterzuentwickeln. Angesichts der vielen konkurrierenden, normativen Zielvorstellungen müsse eine solche Demokratietheorie komplex genug sein, Aussagen über die Realisierungschancen dieser treffen zu können. Es gehe also darum, „eine Mehrzahl jener Zielvorstellungen, die in unserer westlichen Demokratietradition als relevant anerkannt werden, in einem komplexen Modell zu akkomodieren" (Scharpf 1975: 92). Das Ziel dieser komplexen Demokratietheorie besteht nach Scharpf darin, Wege aufzuzeigen, „auf denen eine Gesellschaft ein mögliches O p t i m u m ihrer relevanten Wertungen realisieren könnte" (Scharpf 1975: 92). Bei allem normativen Gehalt, quasi als Handlungsanleitung für die politische Praxis zu dienen, müsse eine solche Theorie jedoch auch realistisch genug sein, u m als politikwissenschaftlicher Bezugsrahmen dienen zu können (vgl. Scharpf 1975: 93). Normative Demokratietheorien wie beispielsweise die sogenannte komplexe Demokratietheorie nach Scharpf (s.o.) bewerten Ist- und Sollzustände von demokratischen Ordnungen (vgl. Schmidt 2000: 20). Unabhängig ihres unterschiedlichen empirischen Gehalts umschreiben sie damit Demokratie als Utopie, d.h. als anzustrebenden Zustand. Zu solchen normativen Theorien moderneren Datums gehören in Anlehnung an die Unterscheidung nach Manfred Schmidt (vgl. Schmidt 2000) beispielsweise auch pluralistische, soziale und partizipative Demokratietheorien. In pluralistischen Demokratietheorien wird prinzipiell von einer Differenz von Staat und Gesellschaft ausgegangen und die Vielgliedrigkeit dieser beiden Elemente sowie der zwischen ihnen vermittelnden, intermediären Instanzen betont. Pluralismus steht damit für eine vielgliedrige politische Ordnung und ist in normativer Hinsicht mit dem Konzept der Demokratie verwoben. Im Gegensatz hierzu zeichnen sich autokratische und totalitäre politische Systeme durch „monistische" Formen der Willensbildung aus (vgl. Schmidt 2000: 226 ff.). Pluralismus wird von solchen Demokratietheorien als wünschenswert, d.h. als anzustrebender Wert, angesehen. Die Präferenzen gesellschaftlicher Kräfte wie Parteien, Interessengruppen, Verbände, öffentliche Meinung oder verschiedene gesellschaftliche Gruppen sollten dabei in den politischen Willensbildungsprozeß einfließen, d.h. in die politische Ordnung integriert werden. Gleichzeitig gelte es der Gefahr vorzubeugen, daß der Einfluß einer oder weniger Gruppen bzw. gesellschaftlicher Kräfte dominant werde (vgl. Fenske 1993: 716 ff.). Dies bedeutet, daß die in einer Gesellschaft vorhandenen, pluralen Interessen „gleichberechtigt" in den politischen Prozeß eingehen und diesen prägen müssen (vgl. Waschkuhn 1998: 19 f.). Durch die Einbeziehung vielfältiger Interessengruppen in die politische Willensbildung erhofft sich die pluralistische Demokratietheorie, ganz in Ubereinstimmung mit Freiheit als Zielwert thematisierenden liberal-demokratischen Demokratietradition (s. Kap. 3.3.), totalitäre Herrschaft zu verhindern, die Macht der Exekutive zu zügeln und damit die Freiheit des einzelnen zu bewahren (vgl. Schmidt 2000: 228 f.).

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Im Rahmen der zunehmend kritischen Einschätzung über das tatsächliche Potential der Mitwirkung von Mitgliedern bestimmter sozialer Gruppen an politischen Entscheidungsprozessen (vgl. dazu insb. Dahl 1956) bezog der pluralistische Ansatz in seine Analyse schließlich die „realistische" Auffassung ein, daß Politik in erster Linie von politischen Eliten gemacht werde. Deshalb müsse auch eine pluralistische Demokratiekonzeption die feststellbare Differenz zwischen Eliten und Nicht-Eliten berücksichtigen. In der Folge thematisierte dieser Ansatz deshalb weniger das Prinzip des Pluralismus als Konstitutionsbedingung für Demokratie und betonte stärker, daß Demokratie in ihrer Wirkung auch die Interessen eben dieser Nicht-Eliten befriedigen müsse (vgl. Waschkuhn 1998: 21). Demokratie wird damit von der pluralistischen Demokratietheorie nicht nur aus dem Blickwinkel der in ihr konstituierten pluralistischen Prinzipien betrachtet, sondern auch aus der Perspektive der Berücksichtigung pluraler Interessen in den Ergebnissen demokratischer Entscheidungsprozesse. Im Gegensatz zur klassischen Ausprägung des pluralistischen Ansatzes widmet sich die insbesondere in der ideengeschichtlichen Traditionslinie von Sozialismus und Sozialdemokratie stehende, sogenannte soziale Demokratietheorie nicht konstituierenden Bedingungen von Demokratie, sondern definiert normativ die Aufgabe der Demokratie als die Herstellung sozialer Gleichheit. Demokratie dürfe sich also nicht nur auf Prozesse der Willensbildung und damit auf Politik beziehen, sondern müsse auf die sozialen und wirtschaftlichen Lebenszusammenhänge aller politischen Subjekte ausgedehnt werden. Demokratie werde damit zum auf sämtliche gesellschaftliche Bereiche zu übertragendes Prinzip (vgl. Schmidt 2000: 240 ff). Hierzu sei es jedoch nötig, durch Herstellung von insbesondere in materieller Hinsicht verstandener sozialer Gleichheit die Macht wirtschaftlich stärkerer über wirtschaftlich schwächere Interessen zu brechen (vgl. dazu insb. Marshall 1992). Während die pluralistische Demokratietheorie Freiheit im liberalen Sinne als Zielwert anstrebt, strebt die soziale Demokratietheorie nach vor allem materiell verstandener Gleichheit. Diese insbesondere durch Umverteilung, Auf- und Ausbau des Wohlfahrtsstaats sowie Zügelung der Ökonomie - und damit durch staatliche Aktivität - zu erreichende Gleichheit wird als Voraussetzung von staatsbürgerlicher Gleichheit, d.h. der aktiven und „gerechten" Beteiligung des einzelnen an politischen Willensbildungsprozessen, verstanden. Diese Freiheit des einzelnen zur Partizipation unterscheidet sich grundlegend von der liberalen Freiheitskonzeption. Sie wird nämlich nicht als unabhängiger Wert im Sinne des Handlungsspielraums des einzelnen auch gegenüber staatlicher Aktivität interpretiert, sondern als von staatlicher Aktivität erst herzustellende (vgl. Fraenkel 1973) und damit von sozialer Gleichheit abhängige Größe (vgl. Schmidt 2000: 246 ff). Die sich insbesondere in parteipolitischen, programmatischen Papieren ausdrückende soziale Demokratietheorie setzt auf Ausdehnung demokratischer Prinzipien auf alle gesellschaftlichen Bereiche. Hiermit wird implizit die Partizipation aller an solchen demokratischen Prozessen angedacht. Explizit die Partizipation von Bürgern an politischen Entscheidungsprozessen zum Gegenstand haben die sogenannten partizipatorischen Demokratietheorien. Diese Ansätze definieren normativ die umfassende Beteiligung mög51

liehst vieler Bürger an möglichst vielen politischen Entscheidungsprozessen als demokratische Zielgröße (vgl. Schmidt 2000: 251 ff.). Leitmotiv der Vorstellung umfassender Partizipation ist die Idee politischer Gleichheit. Aus der normativen Betonung der Gleichheit wird also die politische Beteiligung aller „Gleichen" als notwendiges Prinzip der Demokratie abgeleitet. Partizipationshemmnisse gilt es dabei zu entfernen. Im Extremfall wird dieser Gedanke - logisch konsequent - auf die Rousseausche These (s. Kap. 3.3.) hin zugespitzt, daß Repräsentation die Partizipation unterlaufe und damit Demokratie als direkte Demokratie zu gestalten sei (vgl. bspw. Barber 1994). Politische Beteiligung ist für die partizipatorischen Ansätze ein Wert an sich. Folgt man dieser Auffassung, müsse eine demokratische Ordnung so gestaltet werden, daß sie Partizipation ermögliche. Da Willensbildungsprozesse durch die partizipatorische Demokratietheorie nicht als Transformation von Einzelwillen in einen Gemeinwillen interpretiert, sondern der politische Wille eines jeden einzelnen vielmehr als Produkt dieser Prozesse aufgefaßt wird, sollten politische Entscheidungen daher auch auf „kommunikativem" Wege im Sinne eines öffentlichen Diskurses zustande kommen (vgl. Schmidt 2000: 254 u. 261). Normative Demokratietheorien widmen sich unterschiedlichen Zielen demokratischer Ordnungen. Sie unterscheiden sich nicht nur in der Dimension der jeweils zugrundeliegenden Werthaltungen. Wie beispielsweise Arno Waschkuhn zutreffend feststellt, treten diese Differenzen in der terminologischen Dichotomie zwischen den Konzeptionen von Freiheit und Gleichheit und den hieraus ableitbaren Begrifflichkeiten von „Identität und Repräsentation, (..) Mehrheitsprinzip und gewaltenteilendem Rechtsstaat oder (..) universeller Partizipation (also allgemeiner politischer Teilnahme und Teilhabe) einerseits und Elitenkonkurrenz andererseits" (Waschkuhn 1998: 10) zutage. Normative Demokratietheorien unterscheiden sich darüber hinaus auch hinsichtlich ihrer analytischen Dimension. Während die eine Seite, beispielsweise die partizipative Demokratietheorie, eine demokratische Ordnung danach bemißt, in welchem Maße in ihr bestimmte Werte wie z.B. Partizipation realisiert seien, bewertet die andere Seite, zu der auch die soziale Demokratietheorie gehört, demokratische Ordnungen danach, wie bestimmte Werte wie z.B. „soziale Gerechtigkeit" durch sie realisiert würden. Diese analytische Dimension läßt sich in Anlehnung an die Ausfuhrungen von Fritz W. Scharpf (vgl. Scharpf 1975: 21) und Arno Waschkuhn (vgl. Waschkuhn 1998: 10) anschaulich unter Zuhilfenahme systemtheoretischer Begrifflichkeiten und Kategorien darstellen. Das politische System ist in systemtheoretischer Hinsicht ein funktionales Teilsystem der Gesamtgesellschaft. Seine Aufgabe sei die Herstellung für die Uberlebensfähigkeit des Gesamtsystems notwendiger Entscheidungen zur Lösung gesellschaftlicher Probleme (vgl. Waschkuhn 1998: 12). Diese Entscheidungen können entsprechend des systemtheoretischen Modells politischer Systeme nach David Easton als „Output" des politischen Systems angesehen werden. Grundlage dieses „Outputs" seien bestimmte Anforderungen an das politische System, wie sie beispielsweise gesellschaftliche Probleme darstellten, aber auch die Unterstützung des politischen Systems durch die Gesamtgesellschaft. Quellen der „Inputs" 52

seien einerseits die Umwelt des Gesamtsystems und andererseits die in dieser Gesamtgesellschaft liegende Umwelt des politischen Systems selbst. Zu ersterer gehörten beispielsweise internationale politische oder Sozialsysteme. Zu letzterer zählten die als personale Systeme aufgefaßte Bevölkerung der Gesamtgesellschaft oder auch deren Sozialsysteme wie das ökonomische oder kulturelle System. Mit diesen „Inputs" seien dann die „Outputs" wieder in Form einer Rückkopplungsschleife verbunden, d.h., die „Outputs" wirken wieder auf die „Inputs" ein (vgl. Easton 1979: 30). Auf welche Art und Weise die „Inputs" in „Outputs" umgesetzt werden, vermag dieses Systemüberlebensmodell jedoch nicht zu beantworten (vgl. Waschkuhn 1998: 14). Verwiesen wird einerseits darauf, daß solche Umsetzungsprozesse genauso abliefen wie in anderen, allgemeinen Systemen auch. „Conversion of inputs to outputs is not peculiar to any kind of political system; it describes the processes underlying all systems" (Easton 1979: 478). Andererseits wird es als notwendige Vereinfachung des Modells angesehen, diese Prozesse der Transformation von „Inputs" in „Outputs" analytisch auszuklammern und statt dessen lediglich die Eingabe- und Ausgabewerte zu betrachten. „Later we shall see that a useful way of simplifying and organizing our perceptions of the behavior of the members of the system, as reflected in their demands and support, is in terms of the consequences of these inputs for what I shall call the political outputs. These are the decisions and actions of the authorities (...). But the formulation of a conceptional structure for this aspect of a political system would draw us into a different level of analysis" (Easton 1979: 28). Systemtheoretische Betrachtungen politischer Ordnungen klammern, vereinfachend und verallgemeinernd ausgedrückt, die Analyse des politischen Betriebs aus. Politik wird aus dieser Perspektive als Verfahren zur Herstellung von Entscheidungen zu gesellschaftlichen Problemen betrachtet und damit werden politische Systeme von ihrer Funktion her analysiert. Die Ebene dieser Betrachtung ist jedoch immer auf das System als ganzes bezogen und deshalb beschränkt. Handlungen von politischen Akteuren wie z.B. Politikern, Wählern etc. werden, wenn sie überhaupt eine Rolle in dieser Analyse spielen, als Folge von Strukturbedingungen gedeutet und nicht etwa im Sinne von Handlungen verschiedener Subjekte. Eine politische Ordnung wie z.B. eine Demokratie wird folglich als Teilsystem betrachtet und als ganzes analysiert. Im Fall der Systemüberlebenstheorie nach Easton übersetze Demokratie wie jedes andere System „Inputs" in „Outputs". In der Luhmannschen Variante der (autopoietischen) Systemtheorie gewinne das System „Demokratie" durch die Ausbildung eines systemspezifischen binären und durch das Medium Macht vermittelten Codes konstitutive Identität (vgl. insb. Luhmann 2000). Hiermit wird Politik bzw. der politische Prozeß auf die Reproduktion von Kommunikation reduziert. Das „Letztelement, das in sozialen Systemen reproduziert wird, [ist] nicht Person, nicht Rolle, nicht Handlung, sondern Kommunikation" (Luhmann 1988a: 299). Im Fall der Eastonschen Variante systemtheoretischer Ansätze wird der politische Prozeß als nicht analysierbare „Black Box" aufgefaßt und damit explizit von der Analyse ausgeblendet. In der Luhmannschen Variante wird er auf systemimmanente Prozesse der Kommunikation reduziert. Soziale Systeme werden damit 53

allein durch Kommunikation konstituiert und ausdrücklich nicht durch etwa die Handlungen individueller Akteure (vgl. Luhmann 1975: 5). Die Ebene individueller Akteure bleibt in systemtheoretischen Ansätzen also unberücksichtigt (vgl. Scharpf 1989: 12 ff.). An der Frage der Zulässigkeit der Ausblendung der Akteursebene entzündeten sich in der wissenschaftlichen Diskussion häufig heftige Auseinandersetzungen zwischen individualistischen und holistischen bzw. kollektivistischen sozialtheoretischen Konzeptionen (vgl. bspw. Scharpf 1989; Luhmann 1989; Habermas/Luhmann 1990) - oder in anderen Begriffen ausgedrückt, zwischen dem ökonomischen und dem soziologischen Ansatz (vgl. insb. Barry 1975). In Anlehnung an Viktor Vanberg lassen sich die individualistische und die holistische Sozialtheorietradition jeweils im Sinne einer spezifischen Antwort auf die Hobbessche Frage interpretieren, wie soziale Ordnung in Anbetracht des menschlichen „Egoismus" möglich sei. Für Thomas Hobbes (vgl. Hobbes 1989) ist Ordnung nur durch die ordnende Tätigkeit einer Herrschaftsinstanz denkbar und damit Eigenschaft eines sozialen Gebildes, das den egoistischen, individuellen Handlungen entgegengesetzt sei. Holistische Ansätze folgen den Hobbesschen Annahmen und betrachten Ordnung ebenfalls als Eigenschaft eines Ganzen, das individuelles Handeln „strukturiere" (vgl. Voss 1998: 117 f.). Sie erklären Ordnung, verstanden als soziale Struktur, indem sie auf die „Eigenqualitäten" sozialer Gebilde als „Ganzheiten" rekurrieren (vgl. Vanberg 1975: 6). Aus den Handlungen individueller Akteure ließe sich in diesem Verständnis das Phänomen sozialer Ordnung nicht erklären, denn für holistische Sozialtheorien werde individuelles Handeln von Strukturen geprägt und nicht umgekehrt. Individualistische Ansätze hingegen erklären soziale Ordnung, diesem Gedanken genau widersprechend, als unbeabsichtigte Nebenfolge individuellen Handelns. „Im Gegensatz zur Hobbesschen und zur systemtheoretischen Variante einer kollektivistischen Sozialauffassung, die gleichermaßen auf dem Axiom aufbauen, sozialer Konflikt, soziale Desintegration seien das - aufgrund der Eigenart der individuellen Handlungsantriebe - 'an und fiir sich' Erwartbare, wohingehend soziale Ordnung, soziale Integration nur durch die Heranziehung eines neuen, individuen-unabhängigen Faktors zu erklären seien, besteht die individualistische Konzeption darauf, daß sowohl sozialer Konflikt und soziale Desintegration als auch soziale Ordnung und soziale Integration aus den individuellen Handlungsantrieben in ihrer wechselseitigen Verflechtung erwachsen und auch solchermaßen als Resultat individueller Handlungen zu erklären sind" (Vanberg 1975: 7). Handlungstheoretische Ansätze betonen, daß ordnungspolitische Ansätze notwendig auf handelnde Akteure im Sinne von Subjekten politischen Handelns rekurrieren müssen (vgl. dazu insb. Mayntz 1987). Aufgrund der Nichtigkeit individueller Handlungen im Kontext holistischer Sozialtheorien wird hingegen im Luhmannschen Ansatz folgerichtig die Möglichkeit „politischer Steuerung" verneint (vgl. Luhmann 1988b). Gleichwohl gibt es vielfältige Offhungsversuche des systemtheoretischen Ansatzes im Hinblick auf ordnungspolitische Anforderungen (vgl. bspw. Willke 1996; Willke 2001). Von ihrer Konzeption her blendet die systemtheoretische Interpretation von Politik jedoch zum einen den individuellen Akteur und zum anderen den „politischen Prozeß" 54

aus ihrer Analyse aus. Beides ist aber entscheidend für die Anwendung des ordnungspolitischen Denkens a u f den Gegenstand der Politik. Deshalb wird an dieser Stelle weder der Konflikt zwischen individualistischen und holistischen Sozialtheorien weiter erörtert n o c h a u f die systemtheoretische Politikinterpretation näher eingegangen. Von gewissem Wert für die Diskussion verschiedener Demokratietheorien ist j e d o c h die insbesondere aus d e m Ansatz Eastons ableitbare, analytische Differenzierung zwischen den an ein politisches System herangetragenen Anforderungen in F o r m v o n „ I n p u t s " und dessen feststellbaren bzw. beobachtbaren Leistungen, d.h. dessen „ O u t p u t " . N a c h S c h a r p f können nämlich normative Demokratietheorien „ d a n a c h unterschieden werden, o b sie das politische System primär v o n seinen inputs oder v o n seinen Outputs her zu rationalisieren versuchen" (Scharpf 1975: 21). Uberträgt m a n dieses S c h e m a auf die o b e n kurz skizzierten, normativen Demokratietheorien, so kann m a n die ursprüngliche pluralistische Demokratiekonzeption eindeutig als inputorientiert bezeichnen. Für sie seien in einer Gesellschaft plurale, d.h. verschiedene Interessen vorhanden u n d diese müßten deshalb gleichberechtigt in den politischen Prozeß eingehen. Demokratie wird damit v o n den in die Politik eingehenden Variablen her analysiert. Diese „einseitige" Betrachtungsweise wird in weiterentwickelten partizipatorischen Konzepten jedoch zugunsten der zusätzlichen Berücksichtigung der Leistungen demokratischer Prozesse aufgegeben. Plurale Interessen werden also nicht nur als Eingangsvariablen von Demokratie betrachtet, sondern auch deren Erfüllung als wünschenswertes Ergebnis politischer Prozesse. Insofern sind die weiterentwickelten Pluralismuskonzepte sowohl input- als auch outputorientiert. Die sogenannten sozialen Demokratiekonzepte betrachten demgegenüber allein die Leistungen einer Demokratie. Sie definieren die Herstellung sozialer Gleichheit als primäre A u f g a b e demokratischer O r d n u n g e n . Dementsprechend werden Demokratien in dieser Theorietradition auch dahingehend analysiert, o b sie diesen Zielwert erfüllen können oder nicht. Soziale Demokratietheorien sind also reine outputorientierte Konzepte. Konsequent inputorientiert sind hingegen die partizipatorischen Konzepte ausgerichtet. In diesen wird eine demokratische O r d n u n g nicht danach bemessen, was sie tatsächlich zu leisten vermag, sondern rein nach dem Grad der Beteiligung möglichst vieler an den politischen Entscheidungsprozessen. Die Q u a l i t ä t solcher Entscheidungen wird dabei unhinterfragt vorausgesetzt, weil die Entscheidungen ja unter der Beteiligung aller zustande g e k o m m e n seien. Demokratische O r d n u n g e n werden damit danach bewertet, welchen Grad an Partizipation sie ermöglichen. Bei Betrachtung der normativen Demokratietheorien wurden unter „ I n p u t " u n d „Outp u t " insbesondere bestimmte Werte verstanden. Diese Theorien lassen sich danach unterscheiden, o b solche Werte a u f der Eingangsseite demokratischer O r d n u n g e n verwirklicht werden sollten oder o b eine Demokratie zur Realisierung solcher Werte beitragen solle. D e n Kern der Analyse durch sogenannte „realistische" bzw. empirische Konzeptionen bildet demgegenüber nicht die Frage, o b bestimmte Werte in bzw. durch eine demokratische O r d n u n g verwirklicht würden, sondern das Interesse nach dem primär unabhängig v o n Werten betrachteten „Funktionieren" einer solchen O r d n u n g . 55

Im Zentrum der „realistischen" Theorie politischer Ordnungen Max Webers steht die Differenzierung nach Typen legitimer Herrschaft und deren „Legitimitätsgründen" (vgl. Weber 1980: 122 ff.; Weber 1988a). Ausgangspunkt seiner Analyse politischer Ordnungen ist das Handeln politischer Eliten (s. Kap. 2.2.). Im Fall demokratischer Ordnungen stehen das Werben der Eliten u m Zustimmung für ihr Handeln bei den Beherrschten sowie die Mechanismen der Herausbildung bzw. Rekrutierung politischer Eliten im Zentrum von Webers Ansatz (vgl. Schmidt 2000: 179). In diesem Sinne zeichne sich eine demokratische Ordnung vor allem durch einen hohen Grad an Wettbewerb und Konkurrenz unter den politischen Eliten aus. Weber selbst bringt dies sehr pointiert durch seine begriffliche Gleichsetzung von Politik und K a m p f zum Ausdruck (vgl. Weber 1988e: 347). Eine solche „realistische" Analyse läßt sich jedoch nicht unter die oben beschriebenen Kategorien input- und outputorientierter Theorien subsumieren. Ihr Ausgangspunkt sind weder Anforderungen an eine demokratische Ordnung noch deren Leistungen, statt dessen steht die Funktionsweise des politischen Prozesses im Vordergrund. Gleichwohl interessiert sich auch Weber für die Leistungen, d.h. den „ O u t p u t " einer demokratischen Ordnung in durchaus normativem Sinne. Denn auf Grundlage seiner Analyse des politischen Prozesses formulierte er Empfehlungen zur Gestaltung einer politischen Ordnung, damit diese in die Lage versetzt werde, bestimmte „Leistungen" zu erbringen. Diese Leistungen bestehen für ihn beispielsweise in einer erfolgreichen Weltmachtpolitik Deutschlands. Hierzu sei insbesondere eine leistungsfähige politische Führungsschicht unabdingbar, die sich nur durch die Konkurrenz von Politikern herausbilden könne. Dementsprechend laufen seine, im Kontext der politischen Neuordnung Deutschlands nach dem Ersten Weltkrieg entwickelten ordnungspolitischen Empfehlungen auch auf eine Stärkung demokratischer Institutionen wie des Parlaments sowie die Schaffung miteinander konkurrierender Parteien hinaus (vgl. Weber 1988d; Weber 1988e). Zusammengefaßt dient die „realistische" Analyse des politischen Betriebs durch Weber also der Formulierung einer normativ auf der „Output-Seite" politischer Ordnungen ansetzenden Ordnungspolitik. A u c h J o s e f A. Schumpeters „realistische" Demokratietheorie stellt eine primär von Werturteilen über die Ordnung unabhängige Analyse des politischen Betriebs dar. Sie ist daher ebenfalls nicht mit der begrifflichen Differenzierung von input- und outputorientierten Demokratietheorien faßbar. Demokratie ist für Schumpeter eine Methode. Ebenso wie Weber betrachtet er Demokratie als Verfahren zur Generierung von gesellschaftlichen Entscheidungen, das durch die Konkurrenz politischer Eliten untereinander gekennzeichnet sei (vgl. Schumpeter 1946: 428). Seine Übertragung des Konzepts des Markts aus den Wirtschaftswissenschaften auf den politischen Bereich verdient dabei besondere Würdigung. Politische Akteure handeln für ihn ebenso wie wirtschaftliche Akteure. Sie versuchten als „Unternehmer" ihren Nutzen zu maximieren - die einen ihren wirtschaftlichen Profit, die anderen ihren politischen Profit in Form von „Wählerstimmen" (vgl. Schumpeter 1946: 453 f.). In Übereinstimmung mit der Auffassung Webers interpretiert auch der durchaus in seiner Tradition stehende Schumpeter (vgl. insb. Swedberg 1995; Swedberg 2000) Demokratie als von der Konkurrenz politischer Führer geprägte politische Ordnung. Im Zentrum 56

seiner Analyse steht also ebenso wie für Weber der politische Prozeß und nicht der normative Blick auf an eine demokratische Ordnung zu richtende Anforderungen oder von dieser zu erreichende Zielgrößen wie beispielsweise einem sogenannten „Gemeinwohl" (vgl. Lieber 1993: 708 ff.). Dennoch ist die realistische Analyse sowohl Schumpeters als auch Webers offen für eine ordnungspolitische Anwendung. Grundvoraussetzung für das Funktionieren der „demokratischen Methode" ist nach Schumpeter nämlich das Vorhandensein einer politischen und administrativen Führungsschicht von hoher Qualität. Letztere stelle sich jedoch nicht quasi automatisch als Ergebnis des marktlichen Ausleseprozesses her, sondern sei vor allem vom Vorhandensein eines entsprechenden, zur Politik bereiten „Potentials" in der Bevölkerung abhängig, aus dem dann in einem Ausleseprozeß die Eliten sich rekrutierten. „Wie schon früher betont, trifft die demokratische Methode ihre Auswahl nicht einfach aus 'der' Bevölkerung, sondern nur aus jenen Elementen der Bevölkerung, die für den politischen Beruf verfügbar sind oder, noch genauer, die sich zur Wahl offerieren" (Schumpeter 1946: 461). Mit seiner Analyse wendet sich Schumpeter gegen die normative Auffassung, reale Demokratien bzw. in diesen ablaufende Prozesse an den Wertmaßstäben einer ideal gedachten Demokratie zu messen (vgl. Schmidt 2000: 202). Jenseits des wertfreien, analytischen Ansatzes ist die Demokratie für ihn aber durchaus eine wünschenswerte Ordnung. A u f Grundlage dieser „normativen Hintertür" läßt sich Schumpeter nun auch ordnungspolitisch interpretieren. In diesem Sinne sollte eine demokratische Ordnung so gestaltet werden, daß sie sich selbst bewahren könne. Diese Leistung bzw. diesen „ O u t p u t " bezeichnet Schumpeter als Erfolg der demokratischen Methode. „Unter 'Erfolg' verstehe ich nicht mehr, als daß sich der demokratische Prozeß stetig reproduziert, ohne Situationen zu schaffen, die zur Zuflucht bei nicht-demokratischen Methoden zwingen, und daß er die laufenden Probleme in einer Weise anpackt, die allen Interessen, die politisch ins Gewicht fallen, auf die Länge annehmbar erscheint. Ich verstehe nicht darunter, daß jeder Beobachter von seinem individuellen Standpunkt aus die Ergebnisse zu billigen braucht" (Schumpeter 1946: 461/Fn. 5). Schumpeter geht durchaus in Ubereinstimmung mit der Tocquevilleschen Auffassung von der Gefährdung der Freiheit durch die Tendenz zur Gleichheit (s. Kap. 3.3.) von einer der Demokratie inhärenten Gefahr zur Selbstzerstörung aus und identifiziert in diesem Zusammenhang vier notwendige Grundvoraussetzungen, damit der demokratische Prozeß, so wie er „tatsächlich" funktioniere, diese Leistungen tatsächlich erbringen könne. Diese bestehen erstens darin, daß der politische Konkurrenzkampf auch wirklich fähige Führer hervorbringe, zweitens in einer Beschränkung des Bereichs politischer Entscheidungen, drittens im Vorhandensein einer „fähigen" Bürokratie und viertens in der Existenz einer „demokratischen Selbstkontrolle" (vgl. Schumpeter 1946: 460 ff.). Diese Grundbedingungen lassen sich insgesamt betrachtet auf die Kernaussage reduzieren, daß auch wirklich politisch geeignete und tüchtige Personen in die wettbewerbliche Führungsauslese eintreten. Hierzu muß nach Schumpeter einerseits eine entsprechende soziale Schicht in der Gesellschaft existieren (vgl. Schumpeter 1946: 462) und andererseits die „Beherrschten" die gesellschaftliche Aufgabenteilung akzeptieren, daß politische Entscheidungen von ih57

ren Repräsentanten getroffen würden und damit, „daß wenn sie einmal jemanden gewählt haben, die politische Tätigkeit seine Sache ist und nicht die ihre" (Schumpeter 1946: 468). Im Rahmen seiner Ausfuhrungen gibt Schumpeter selbst keine ordnungspolitischen Empfehlungen fiir die „optimale" Gestaltung des politischen Prozesses, dennoch eignet sich sein Ansatz fiir ordnungspolitische Zwecke, weil in ihm Grundbedingungen fiir das Funktionieren eines politischen Prozesses genannt werden. Der Schumpetersche Ansatz wurde maßgeblich von Anthony Downs zu einer „ökonomischen Theorie der Demokratie" (vgl. Downs 1957) weiterentwickelt. Auch dieser Ansatz ist rein deskriptiv bzw. analytisch. Er versucht Demokratie als einen politischen Markt von Politikern bzw. Parteien und Wählern zu beschreiben. Durch diesen politischen Markt werden die Präferenzen der Wählerschaft in das Kräfteverhältnis politischer Parteien zueinander übersetzt (s. dazu ausführlich Kap. 4.3.). Mit Hilfe des Ansatzes von Downs läßt sich also der politische Prozeß erklären und damit werden Aussagen über die Qualität politischer Prozesse realer demokratischer Ordnungen möglich. Solche Aussagen können in ordnungspolitisch motivierte Empfehlungen zur Gestaltung dieses Prozesses münden. Beispielsweise widmet sich ein breites Spektrum der in der Tradition des (neoklassischen) ökonomischen Ansatzes stehenden Arbeiten der optimalen Gestaltung von Wahlverfahren, u m individuelle Präferenzen möglichst optimal zu aggregieren (vgl. bspw. Schmidt 2000: 268; Schweinsberg 1998; Heinemann 1999). Damit wird auch im Fall der neoklassischen Demokratietheorie die Leistung des politischen Prozesses als Ausgangspunkt gewählt, u m eventuelle Gestaltungsempfehlungen für die Ausgestaltung des Prozesses oder dessen Rahmenbedingungen formulieren zu können. Normative Demokratietheorien bewerten demokratische Ordnungen entweder von den an sie gestellten Anforderungen („Input") oder von deren Leistungen („Output") her. Realistische Konzeptionen betrachten hingegen den politischen Prozeß. Sie sind also zwischen der gedanklichen Differenzierung zwischen „Input" und „ O u t p u t " angesiedelt. Aus dieser Analyse lassen sich nun prinzipiell, v o m „ O u t p u t " des demokratischen Prozesses her betrachtet, ordnungspolitische Empfehlungen ableiten. Ziel solcher Empfehlungen ist die Erhöhung der Leistungskraft einer demokratischen Ordnung. Unter Rückgriff auf die eingangs erörterte Konzeption von Ordnungspolitik (s. Kap. 3.1.) und die typologische Differenzierung zwischen input- und outputorientierten normativen Demokratietheorien auf der einen Seite und realistisch-empirischen Konzeptionen auf der anderen Seite läßt sich nun ein Anforderungsprofil einer (ökonomischen) Theorie des politischen Betriebs in einer Demokratie entwickeln, auf deren Grundlage ordnungspolitische Aussagen über demokratische Ordnungen möglich werden.

3.5. Die Verbindung von Ordnungstheorie und Demokratietheorie Im Laufe der ideengeschichtlichen Herausbildung des ökonomischen Ansatzes (s. Kap. 3.2.) ging die einmal gegebene „Einheit" sozialwissenschaftlichen Denkens verloren und es entwickelten sich verschiedene Disziplinen zur Analyse unterschiedlicher Gegenstände. 58

Soll nun der entsprechend dieser Entwicklung eigentlich auf ökonomische Zusammenhänge „beschränkte" ökonomische Ansatz auch a u f das Phänomen „Politik" angewandt werden, m u ß die Grenzziehung zwischen ökonomischen und nicht-ökonomischen sozialwissenschaftlichen Konzeptionen zumindest in Teilen wieder „aufgehoben" werden. Dies kann zum einen durch eine ordnungspolitisch motivierte Herangehensweise an den Gegenstand der Politik und zum anderen durch den Rückgriff auf die ursprünglich politökonomische Programmatik klassischer Ansätze erreicht werden und bedeutet letztendlich eine Übertragung des wirtschaftswissenschaftlichen Instrumentariums einschließlich des „erklärenden" erkenntnistheoretischen Paradigmas auf die Analyse politischer Phänomene. Wirtschaftsordnungspolitik läßt sich als die Gestaltung der Rahmenbedingungen wirtschaftlichen, d.h. marktlichen Handelns interpretieren, um eine bestimmte Form von „Effizienz" zu erzielen. Zu Beginn der Formulierung jeder Wirtschaftsordnungspolitik steht die Analyse des in diesem Fall wirtschaftlichen Teilbereichs einer Gesellschaft mit Hilfe eines bestimmten theoretischen Instrumentariums. Eine Ordnungspolitik auf Grundlage neoklassischer ökonomischer Theorien definiert das Beurteilungskriterium von Ordnungen als „Zustandseffizienz". In der Tradition der Osterreichischen Schule stehende Ansätze zielen demgegenüber auf eine Art „prozessualer Effizienz", d.h., sie interessieren sich für die Leistungsfähigkeit einer Ordnung, individuelle Pläne koordinieren zu können. A u f Grundlage des jeweils verwendeten theoretischen Rahmens lassen sich schließlich diejenigen Bedingungen identifizieren, die notwendig sind, damit dieser Teilbereich als „effizient" im Sinne des gewählten theoretischen Ansatzes angesehen werden kann. Die Übertragung einer wirtschaftsordnungspolitischen Konzeption auf den Bereich des Politischen ist gleichbedeutend mit der Anwendung des dort verwendeten theoretischen Instrumentariums auf den Gegenstand des politischen Betriebs. Nicht zuletzt aufgrund der Interdependenz wirtschaftlicher und politischer Bereiche kann diese Übertragung als prinzipiell zulässig angesehen werden. Wirtschaftsordnungspolitik m u ß nämlich immer die politischen Rahmenbedingungen wirtschaftlichen Handels berücksichtigen und deshalb umfaßt die wirtschaftsordnungspolitische Analyse immer auch den politischen Bereich. Dies impliziert, daß sowohl wirtschaftliches als auch politisches individuelles Handeln mit dem identischen theoretischen Instrumentarium analysiert werden kann, die „Bestimmungsgründe" menschlichen Handelns also auf ökonomischem wie a u f politischem Gebiet gleich sind. „Wenn dieses Modell in all seiner Abstraktion einen geeigneten Ansatz darstellt, um das (durchschnittliche) Verhalten des 'repräsentativen' Individuums in wirtschaftlichen Entscheidungssituationen zu analysieren, und dies wird von der Ordnungstheorie ja wohl unterstellt, ist nicht einzusehen, weshalb es nicht auch zur Analyse des Verhaltens von Individuen in politischen Entscheidungssituationen geeignet sein soll" (Kirchgässner 1988: 57). Ordnungspolitik bedeutet die Analyse von bestimmten gesellschaftlichen Bereichen mit dem Ziel, auf diese einzuwirken. Wirtschaftsordnungspolitik verkörpert damit die Verknüpfung der Analyse ökonomischen Handelns mit politischen Entscheidungen. Un-

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ter dem Stichwort „Politische Ö k o n o m i e " analysierte bereits die klassische Nationalökonomie diese Aufeinanderbezogenheit von Politik und Ökonomie. Der Begriff der Politischen Ökonomie wurde insbesondere durch James Steuart und Adam Smith popularisiert. Steuart und Smith verwendeten diesen Ausdruck einerseits zur Analyse wirtschaftlicher Zusammenhänge in einer Volkswirtschaft, d.h. im Kontext des Wirtschaftens in einem Staat. Andererseits wurde dieser Begriff aber auch im Zusammenhang mit staatlicher Wirtschaftspolitik angewandt, d.h. hinsichtlich staatlicher Eingriffe bzw. Nicht-Eingriffe in „die" Wirtschaft z u m Zwecke der Wohlstandsmehrung einer Nation. James Steuart versuchte durch diesen Begriff beispielsweise zu verdeutlichen, daß das Staatsoberhaupt in einer nationalen Ökonomie ganz in der Tradition des Merkantilismus quasi die Rolle des „Wirtschaftslenkers" besitze und gleichsam für den Wohlstand dieses nationalen „ o i k o s " zu sorgen habe. Insofern läßt sich Politische Ökonomie in Steuarts Sinne auch als forschungsleitendes Programm zur Analyse des gesamten gesellschaftlichen Lebens innerhalb einer Nation interpretieren (vgl. M u n d o r f 1957: 83 ff.; Pribram 1998a: 173). Eine vergleichbare Position findet sich auch im Werk von Adam Smith, wie sich am Beispiel seiner Definition dieses Begriffs illustrieren läßt. „Political oeconomy, considered as a branch o f the science o f the statesman or legislator, proposes two distinct objects: first, to provide a plentiful revenue or subsistence for people, or more properly to enable them to provide such a revenue or subsistence for themselves; and secondly, to supply the State or Commonwealth with a revenue sufiicient for the public services. It proposes to enrich b o t h the people and the sovereign" (Smith 1991: 325). Smith thematisiert hiermit die Ordnungsaufgabe der Politik auf dem Gebiet der Wirtschaft. Er versucht also die Ursachen für den „Wohlstand von Nationen" und damit die Funktionsweisen der Ökonomie zu analysieren, um daraufhin definieren zu können, wie der Staat den Ordnungsrahmen dieser Wirtschaft setzen solle. Aus seiner Analyse leitete Smith dabei die Forderung ab, daß der Staat die Wirtschaft nicht steuern darf, sondern dies den aus eigenen Interessen gespeisten Handlungen individueller Wirtschaftssubjekte überlassen muß (s. Kap. 3.2.). A d a m Smith analysiert Wirtschaft nicht als isoliertes Phänomen, sondern in ihrem gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang, d.h. auch in ihrer Interdependenz mit politischen Handlungen. Das Individuum wird von Smith also nicht exklusiv als wirtschaftliches Subjekt betrachtet, sondern als gesellschaftliches Wesen, d.h., in seiner Untersuchung zielt er auf die Wechselbeziehung von Individuum und Gesellschaft insgesamt. „ S o ist die politische Ökonomie z.B. von Adam Smith in ihren Grundzügen zugleich soziologische Theorie. Das Theorem ungewollter sozialer Rückwirkungen zielgerichteten, aber anders motivierten, individuellen Handelns; der Nachweis eines Steuerungs-, Kontroll- und Sanktionsmechanismus; die Analyse unterschiedlicher Einstellungen von Individuen zur Gesellschaft und verschiedener Formen des Vertrauens in die Funktionsweise gesellschaftlicher System, die Grundlage für die Funktionsweise z.B. marktwirtschaftlicher Steuerungsmechanismen sind, erweisen sich als tiefgreifende Einsichten in die Funktionsweisen moderner Gesellschaften" (Heinemann 1974: 38). 60

Politische Ökonomie im klassischen Sinne ist immer auch Sozialtheorie. Sie versucht, auch wenn sie in verschiedenen Ausprägungen sich in erster Linie der Sphäre der Wirtschaft gewidmet hat, die Funktionsweisen der Gesellschaft zu erklären und die strukturelle Ähnlichkeit von Handlungen in allen gesellschaftlichen Bereichen zu berücksichtigen. Die sogenannte Neue Politische Ökonomie (vgl. Frey 1970) baut nun auf dieser Konzeption auf und versucht mit Hilfe des insbesondere aus der neoklassischen Tradition der Grenznutzenanalyse stammenden Instrumentariums sowohl wirtschaftspolitische als auch politische Strukturen und Prozesse im allgemeinen zu erklären. Im Laufe der Entwicklung der Neuen Politischen Ökonomie wurde dieses Instrumentarium jedoch auch auf andere gesellschaftliche Bereiche als den der Politik bezogen und somit diese Konzeption insgesamt als genereller Erklärungsansatz menschlichen Handelns aufgefaßt. Gesellschaftliche Phänomene werden damit grundsätzlich, methodologisch-individualistisch, aus den rationalen und eigennützigen Handlungen einzelner Individuen abgeleitet (vgl. Behrends 2001: 1 ff.; Buchanan 1983: 12 f.). Ausgehend vom Grundaxiom einer vom Prinzip des Eigennutzes geleiteten Handlungsmotivation der Akteure läßt sich ein abstraktes und hypothetisches Modell zur Erklärung wirtschaftlicher Zusammenhänge entwickeln. Dieses Grundaxiom kann entsprechend der Neuen Politischen Ökonomie auch auf politische Zusammenhänge angewandt werden, wenn man diese genauso als Folge der Handlungen bzw. der Entscheidungen von politischen Akteuren interpretiert. Bruno S. Frey betont in diesem Zusammenhang, daß der Gegenstand der Analyse der Wirtschaft und der Politik deshalb in gleicher Art und Weise durchgeführt werden kann. „Falls man die übliche Definition der Volkswirtschaftslehre verwendet - nämlich die 'optimale Allokation knapper Güter', ist dies zwar zutreffend, da politische Entscheidungen ebenfalls unter diesen Gesichtspunkten getroffen werden müssen, aber darüber hinaus ebenso alle übrigen Entscheidungen" (Frey 1970: 2). Die Beziehungen der handelnden Akteure auf politischem Gebiet können somit analog zur Vorgehensweise in den Wirtschaftswissenschaften als Marktbeziehungen aufgefaßt werden (vgl. Behrends 2001: 28). Ökonomische Ansätze eigenen sich aufgrund ihrer Erklärungstiefe für die ordnungspolitische Analyse wirtschaftlicher Zusammenhänge. Will man den Gegenstand des Politischen einer solchen Analyse zugänglich machen, läßt sich dies mit Hilfe einer politökonomischen Strategie bewältigen. Dies bedeutet, daß soziale Phänomene wie z.B. die Politik auf der Grundlage ökonomischer Theorien erklärt werden, um daraufhin den Ordnungsrahmen ableiten zu können, in dem in diesem Fall politische Prozesse ablaufen. Entsprechend der Differenzierung der Grenznutzenanalyse in eine den Markt als Gleichgewichtsphänomen betrachtende (Neoklassik) und eine den dynamischen Charakter von Marktprozessen betonende Variante (Österreichische Schule der Nationalökonomie) kann eine ökonomische Analyse des Politischen nun sowohl entsprechend der einen oder der anderen Denktradition durchgeführt werden. Folgt man der neoklassischen Tradition, so muß Politik vor allem unter dem Gesichtspunkt eines Gleichgewichts von politischer Nachfrage und Angebot sowie als Entscheidungsproblem politischer Akteure zugunsten oder gegen verschiedene Handlungsalternativen betrachtet werden (s. Kap. 4.). 61

Von einem „Österreichischen" Standpunkt ausgehend läßt sich hingegen die Rolle betonen, die politische Unternehmer bei der Entdeckung und Verbreitung politischer Ideen einnehmen (s. Kap. 5.). Die Differenzen einerseits des neoklassischen Erklärungsversuchs politischer Vorgänge, so wie ihn die Neue Politische Ökonomie vertritt, und andererseits eines in der Tradition der Österreichischen Schule stehenden, marktprozeßtheoretischen Erklärungsansatzes beschränken sich dabei nicht auf unterschiedliche Erklärungsschwerpunkte. Vielmehr resultieren aus der Anwendung dieser beiden Denktraditionen auf den Gegenstand des Politischen gravierende Unterschiede hinsichtlich des Spektrums der aus ihnen jeweils ableitbaren ordnungspolitischen Empfehlungen.

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4. Die neoklassische Perspektive: Neue Politische Ökonomie Die auch mit dem Begriff der Public C h o i c e bezeichnete, neoklassische Variante der Grenznutzenschule hat sich zweifelsohne zu einer Art Standardtheorie entwickelt, wenn es um die Beantwortung politökonomischer Fragen geht (vgl. Heinemann 1999: 11 ff.). Erkenntnisse der neoklassischen Public C h o i c e flössen in die Gestaltung sowohl politischer Rahmenbedingungen als auch von Politik selbst ein. In den Bereich ersterer fällt beispielsweise die in den 1980er Jahren erfolgte Veränderung des Modus der Aggregation von Wählerpräferenzen in der Bundesrepublik Deutschland, d.h. der Änderung der sogenannten Wahlformel. Das d'Hondtsche wurde dabei durch das Hare-Niemeyer-Verfahren ersetzt, um den sogenannten Disproportionalitätseffekt des d'Hondtschen Verfahrens zu verringern (vgl. Schweinsberg 1998: 124 f. u. 211 ff.; Nohlen 1993: 777 ff.). Als Beispiel fur den Einfluß der neoklassischen Public C h o i c e a u f den Bereich inhaltlicher Politik selbst kann die Veränderung der Nuklearstrategie der N A T O zur Zeit der Blockkonfrontation angeführt werden. Die anfängliche Strategie, die vollständige Zerstörung des Gegners im Fall eines Angriffs zu garantieren (Mutually Assured Destruction - M A D ) , erwies sich bei Betrachtung mit dem Instrumentarium der Public Choice als hypothetisch wenig wirksam. Als Folge dieser Analyse veränderte die N A T O ihre Strategie schließlich hin zu einer „rationaleren" Variante namens „Flexible Response", die hauptsächlich a u f dem Einsatz taktischer Nuklearwaffen auf europäischen B o d e n basierte und bis zur Auflösung des Warschauer Pakts bestehen blieb (vgl. dazu Heap et. al. 1992: 148 ff.). Mit Hilfe des neoklassischen Ansatzes lassen sich die Funktionsweisen politischer Ordnungen erklären und bewerten. Das aus diesem Ansatz unmittelbar ableitbare Bewertungsschema lenkt den Blick jedoch auf nur ganz bestimmte Eigenschaften politischer Ordnungen, während andere hingegen unbeachtet bleiben. Die Anwendung der Neoklassik erlaubt deshalb nur die Entwicklung ganz bestimmter politökonomischer Fragestellungen. Das thematische Spektrum der sich hieraus eventuell ergebenden Gestaltungsempfehlungen fur politische Ordnungen m u ß dabei als Konsequenz der spezifischen Modellannahmen des neoklassischen Ansatzes a u f der Mikroebene individuellen Handelns (s. Kap. 4.1.) in Verbindung mit der hieraus ableitbaren Gleichgewichtskonzeption (s. Kap. 4.2.) interpretiert werden. A u f der Grundlage dieser Annahmen läßt sich zwar ein durchaus anschauliches Modell politischer Märkte konstruieren (s. Kap. 4.3.), die herkömmliche, insbesondere in der Tradition der Arbeiten von Léon Walras, Harold Hotelling, Kenneth J . Arrow und A n t h o n y Downs stehende neoklassische Theorie weist jedoch modellimmanente Beschränkungen auf, die eine hinreichende, politökonomische Bewertung politischer Marktzustände erschweren. Diese theoretischen Probleme lassen sich mit Hilfe einer neoklassisch interpretierten, maßgeblich durch Ronald H. Coase geprägten und in der Tradition der Chicago-School stehenden institutionenökonomischen Konzeption durchaus lösen (s. Kap. 4.4.). Allerdings betont auch ein a u f diese Art und Weise erweiterter neoklassischer Ansatz nur bestimmte Markteigenschaften und deshalb sind auch nur ganz bestimmte politökonomische Fragestellungen mit ihm verknüpfbar (s. Kap. 4.5.). 63

4.1. Modelltheoretische Grundprinzipien Der methodologische Ausgangspunkt der modernen neoklassischen Public Choice ist das rational handelnde Individuum, das den erwarteten Nutzen von Handlungen im Vergleich zu den zu erwartenden Kosten bewertet und dann die für ihn beste, d.h. nutzenmaximierende Strategie wählt. Die Art der Umstände solcher Handlungen ist ohne Einfluß auf diese grundlegende Handlungskonzeption. Dieses Modell des seinen Nutzen maximierenden Akteurs ist daher sowohl im Kontext der Ökonomie als auch beispielsweise der Politik prinzipiell anwendbar, unabhängig davon, ob es nun auf moderne repräsentative Demokratien, Diktaturen oder auf beliebige Zeitepochen etc. bezogen wird. Der Public Choice als neoklassischen ökonomischen Ansatz liegt also ein bei enger Auslegung des Begriffs „ahistorisches" Konzept zugrunde, denn die Handlungslogik der Nutzenmaximierung wird als konstant und allgemeingültig angenommen. Diese Grundannahme ist jedoch nicht damit gleichzusetzen, daß das rational handelnde Individuum von äußeren Umständen unberührt bleibt. Konstant ist nur die Systematik seiner Handlungen (vgl. Schweinsberg 1998: 4; Heap et. al. 1992: 87 ff; Heinemann 1999: 33). Makroskopische Akteure wie z.B. der Staat fuhren in den Augen der neoklassischen Public Choice kein Eigenleben, d.h., sie handeln nicht. Was auf den ersten Blick vielleicht als Handlungen solcher Makroakteure identifiziert werden kann, ist vielmehr das Resultat der einzelnen Handlungen der diese „Makroakteure" bildenden Individuen. Zur Erklärung von Makrophänomenen wie z.B. von politischen Systemen ist damit grundsätzlich vom Verhalten einzelner Akteure auszugehen. Der neoklassische Ansatz ist deshalb in einem durchaus radikalen Sinne methodologisch-individualistisch. Rationalität ist in der neoklassischen Modellwelt nicht mit der Wahl einer „objektiv" besten Handlungsalternative gleichzusetzen. Vielmehr handelt das Individuum immer unter unvollständiger Information, also unter Risiko, und die Kosten für die Beschaffung von Informationen, z.B. Transaktionskosten, fließen zumindest teilweise in die erwarteten Kosten der Handlung ein. Rationale Handlungen sind daher nicht immer optimal im Sinne eines allwissenden äußeren Beobachters. Sie sind lediglich situativ rational (vgl. Schweinsberg 1998: 4 ff.) und für die neoklassische Public Choice der bei gegebenem Wissen über den erwarteten Nutzen jeweils optimale Weg für den einzelnen Akteur, seine Wünsche und Präferenzen zu befriedigen. Dieses Wissen wiederum ist das beste, das dieser sich bei gegebenen Fakten aneignen kann und auch die gesammelten Informationen über diese Fakten sind in Anbetracht der Situation selbst „optimal" (vgl. Elster 1986: 16; Heinemann 1999: 42). Die Handlungsmotivation des einzelnen Akteurs besteht in seinem Interesse an der Realisierung seiner Präferenzen und an der Befriedigung seiner Bedürfnisse. Die Entscheidung, eine bestimmte Handlungsoption auszuüben oder nicht, folgt der Abwägung von erwarteten Handlungsnutzen und -kosten. Letztere werden von den äußeren Umständen der Handlung bestimmt, wie z.B. der Verfügbarkeit von Ressourcen oder den Handlungen anderer. Nachdem im neoklassischen Ansatz jedoch die Präferenzen der Akteure als konstant angenommen werden, besteht der Anknüpfungspunkt zur zielgerichteten Steuerung 64

des Verhaltens einzelner oder mehrerer Individuen in der Veränderung dieser äußeren Umstände von Handlungen (vgl. Schweinsberg 1998: 4 f.), d.h. des institutionellen Arrangements, in das diese Handlungen eingebettet sind (s. dazu Kap. 4.4.3.). Die im neoklassischen Modell enthaltene Annahme der Konstanz von Präferenzen bedeutet, daß sich die Präferenzen eines Individuums im Zeitablauf, d.h. während des Wirkens des Marktmechanismus, nicht verändern. O h n e die notwendige Annahme konstanter Präferenzen könnten Verhaltensänderungen willkürlich durch Präferenzänderungen erklärt werden, dies hätte jedoch zwangsläufig die Beliebigkeit der getroffenen theoretischen Aussagen zur Folge. Modelltheoretisch kann die Auffassung sich verändernder Präferenzen ohne weiteres zurückgewiesen werden, denn eine vermeintlich inkonsistente Nutzenfunktion, d.h. die formale Abbildung individueller Präferenzen, kann immer auch durch eine Veränderung der Produktionsfunktion, d.h. durch die Veränderung von Güterpreisen und -mengen, erklärt werden (vgl. Kirchgässner 1991: 38 f.; Schweinsberg 1998: 5; Stigler/Becker 1977). Damit das einzelne Individuum in einem Prozeß der rationalen Wahl schließlich zwischen den erwarteten Nutzen und Kosten verschiedener Handlungsalternativen differenzieren und sich für eine entscheiden kann, m u ß es seine Handlungsoptionen entsprechend ihrer erwarteten Folgen ordnen. Die so entstehende Präferenzordnung muß jedoch widerspruchsfrei sein, d.h. immer eine eindeutige Entscheidung ermöglichen (Heinemann 1999: 40). Insgesamt betrachtet lassen sich vier verschiedene, sehr eng miteinander verknüpfte Grundaxiome des neoklassischen Ansatzes identifizieren. Erstens ist dies ein radikaler methodologischer Individualismus. Sämtliche auf der Makroebene beobachtbaren Erscheinungen werden also als die Folge individueller Handlungen beschrieben. Die einzelnen Handlungen von Individuen haben zweitens ihren Ursprung im zweckrationalen Bestreben der Akteure, ihre Ziele möglichst unter Einsatz minimaler Mittel zu verwirklichen und damit ihren Nutzen zu maximieren. Die Ziele der Akteure und damit ihre Präferenzen werden drittens als konstant angenommen. Dies bedeutet, daß bei bekannten Präferenzen eines Individuums dessen Handlungen prinzipiell vorhersehbar und berechenbar sind. Die Handlungen selbst sind viertens als Wahl von Alternativen anzusehen, sei es als Wahl der am besten geeigneten, optimalen bzw. rationalen Strategie zur Erreichung eines Ziels oder als Wahl des bei gegebenen Mitteln am besten zu erreichenden, d.h. am meisten präferierten Ziels. Handlungen sind also das Ergebnis der Wahl derjenigen Handlungsoption, die den Nutzen für den handelnden Akteur maximiert, und damit letztendlich als Gleichgewichtspunkt von Nutzen- und Produktionsfunktion zu interpretieren. An diesem pareto-optimalen Punkt ist nicht möglich, die Ressourcenallokation neu so zu arrangieren, daß mindestens ein Akteur bessergestellt ist, ohne einen anderen Akteur gleichzeitig schlechter zu stellen. Der gedankliche O r t der Interaktion eines solchen als „ h o m o o e c o n o m i c u s " interpretierten Individuums mit anderen Akteuren wird als Markt, d.h. als Ort des Austauschs, aufgefaßt. Sämtliche Interaktions- bzw. Marktteilnehmer handeln a u f die gleiche Art und Weise, nämlich rational nutzenmaximierend. Mit Hilfe der genannten Grundannahmen läßt sich nun das „Ergebnis" dieser vielen, wechselseitigen und aufeinander bezogenen 65

Handlungen als ein Gleichgewicht beschreiben, in welchem die jeweils auf ein bestmögliches Ergebnis zielenden Handlungen der einzelnen Marktteilnehmer in der S u m m e ihr „optimales" Resultat erreichen. Dieses Marktgleichgewicht läßt sich aus den genannten Axiomen sowohl logisch als auch mathematisch-formal ableiten.

4.2. Die neoklassische Gleichgewichtskonzeption Durch mathematische Formalisierung der Grundannahmen der Handlungsweisen von Akteuren läßt sich im neoklassischen Modell das Verhalten eines einzelnen Akteurs gewissermaßen berechnen. Zu diesem Zweck ist es erforderlich, eine „Funktion" zu ermitteln, die den erwarteten Nutzen bestimmt, den ein Akteur aus der Realisierung seiner auch als Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen aufzufassenden Präferenzen erzielt. Damit wählt ein rationaler Akteur auf der Nachfrageseite bei gegebenen Mitteln immer das Güterbündel bzw. die Mengenkombination von Gütern und Dienstleistungen, aus dem bzw. der er den für ihn maximalen Nutzen ziehen kann. Neben dem rein formalen A x i o m der Reflexivität, d.h., daß bei einem Vergleich eines Güterbündels mit sich selbst es in dieser Bewertung mindestens so gut ist wie es selbst, besteht eine weitere Grundvoraussetzung dieser Entscheidung darin, daß immer jeweils zwei Güterbündel miteinander vergleichbar sind, also der Akteur entweder das eine dem anderen vorzieht oder zwischen beiden indifferent ist. Ist beim jeweils paarweisen Vergleich verschiedener Güterbündel auch noch das Axiom der Transitivität erfüllt, läßt sich eine Rangordnung verschiedener konsumierbarer Güterbündel aufstellen. Die Bedingung der Transitivität besagt, daß wenn Kombination A der Kombination B und diese wiederum der Kombination C vorgezogen wird, dann auch Kombination A gegenüber C im direkten Vergleich präferiert wird. A u f diese Art und Weise läßt sich eine konsistente individuelle Präferenzordnung erstellen, die Auskunft darüber erteilt, welche Mengenkombination von Gütern und Dienstleistungen ein rationaler Akteur gegenüber anderen bevorzugt. Geht man davon aus, daß der rationale Akteur keine absolute Sicherheit über den tatsächlichen Nutzen besitzt, der ihm aus dem Konsum verschiedener Güterbündel zufließt, sondern lediglich mit Wahrscheinlichkeiten operiert, die sein Risiko zum Ausdruck bringen, falsche Entscheidungen zu treffen, so ergibt sich aus den obigen Annahmen eine den erwarteten Nutzen des Akteurs repräsentierende Präferenzordnung. Unter der Bedingung weiterer Annahmen läßt sich diese Präferenzordnung in eine Nutzenfunktion, genauer gesagt in eine Funktion des erwarteten Nutzens nach Neumann und Morgenstern (vgl. Neumann/Morgenstern 1967) überführen. Hierzu gehört neben der prinzipiellen Anwendbarkeit der Wahrscheinlichkeitsrechnung auf dieses axiomatische System, daß eine höhere Wahrscheinlichkeit eines erwarteten Nutzens auch die Präferenz für das entsprechende Güterbündel erhöht. Eine weitere Annahme besteht darin, daß immer für jeweils drei Nutzenerwartungen eine Wahrscheinlichkeitskombination des Eintreffens der besten und der schlechtesten Nutzenerwartung gefunden werden kann, bei welcher der Akteur indifferent zur mittleren dieser drei Nutzenerwartungen ist. Durch diese Annahme 66

beschreibt das Modell jetzt primär solche Handlungen, in denen der Akteur auch bereit ist, ein gewisses Risiko einzugehen, also Nutzen zu maximieren statt Risiken zu minimieren. Ferner wird von der Existenz starker Unabhängigkeit ausgegangen, d.h., daß im Fall indifferenter Güterkombinationen deren einzelne Elemente ausgetauscht werden können (vgl. Heap et. al. 1992: 5 ff.). Die rationale Handlung des Akteurs ist eine Entscheidung für den aus einem Güterbündel maximal erzielbaren Nutzen. Der Akteur versucht also eine Maximierungsaufgabe zu lösen, d.h. ein Nutzenmaximum festzustellen und entsprechend zu handeln. Dieser Akteur läßt sich in Anlehnung an Lionel Robbins (vgl. Robbins 1984, s. Kap. 5.2.1.) als Ökonomisierer typisieren. Damit dieser „Robbins'sche Ökonomisierer" seine Optimierungsaufgabe erfüllen kann, ist es nicht notwendig, den aus dem K o n s u m von Güterbündeln entstehenden Nutzen zu quantifizieren, d.h. im Sinne eines kardinalen Nutzenbegriffs direkt zu messen. Ein rationaler Akteur wird nämlich immer diejenige Entschcidungsalternative vorziehen, die seinen Nutzen maximiert, gleichgültig wie groß der Unterschied zwischen der besten und der zweitbesten Alternative ist. Die Differenzen zwischen den einzelnen Nutzenerwartungen sind deshalb für die individuelle Entscheidung nicht von Relevanz. In den Worten J o s e p h A. Schumpeters ausgedrückt existieren nämlich Mittel, „mit deren Hilfe wir ausdrücken können, o b wir uns auf dem Gipfel eines Hügels befinden oder nicht, ohne daß wir die H ö h e des eingenommenen Standortes zu messen brauchen" (Schumpeter 1965b: 1290). Ein solches Mittel ist der paarweise Vergleich von Entscheidungsalternativen, mit dem man entsprechend des oben dargestellten axiomatischen Systems eine auf Rangordnungen basierende Präferenzordnung einschließlich einer diese repräsentierende Nutzenfünktion, d.h. im Sinne eines ordinalen Nutzenbegriffs, ableiten kann (vgl. Seidl 1980: 407 ff.; Franke 1988: 49 f.; Tarascio 1972). Eine solche ordinale Nutzenfunktion läßt sich als ein Bündel von Indifferenzkurven auffassen. Jede Indifferenzkurve beschreibt jeweils die Mengenkombinationen von Gütern, gegenüber deren Konsum der Akteur indifferent ist. Bei gegebenen Mitteln, z.B. bei feststehenden Preisen für Güter und verfügbarem Einkommen, liegt das von einem Akteur erzielbare Nutzenmaximum auf dem Schnittpunkt der durch die gegebenen Mittel, verstanden als Budgetbeschränkung, theoretisch erreichbaren, maximalen Mengenkombinationen und der jeweils ranghöchsten Indifferenzkurve (vgl. Franke 1988: 56 ff.). U m Güter zu „konsumieren", tritt das rational handelnde Individuum in Tauschbeziehungen zu anderen, ebenfalls rational handelnden Individuen, die diese Güter zur Verfugung stellen. Während die Konsumenten ihren Nutzen durch den Konsum von Gütern zu maximieren versuchen, streben die Produzenten dieser Güter an, ihren Nutzen bzw. ihren Gewinn durch den Verkauf solcher Güter zu maximieren. Diese Tauschbeziehungen finden auf Güter- oder Faktormärkten statt. Die Mittelausstattung, die einem Akteur zur Befriedigung seiner Bedürfnisse zur Verfügung steht, ist begrenzt. Güter sind also knapp. Ein Akteur kann damit nicht mehr konsumieren, als ihm Mittel hierfür zur Verfügung stehen. A u f Märkten treffen die jeweiligen Pläne der einzelnen Akteure aufeinander, ihren eigenen Nutzen bei gegebenen Mitteln zu maximieren. Die zahlreichen Einzelpläne der ver67

schiedenen Akteure werden dabei auf diesen Märkten gleichsam koordiniert. Eine solche Koordination kann als das Entstehen des Marktpreises eines bestimmten Guts aufgefaßt werden, zu dem ein Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage auf diesem Gütermarkt herrscht, d.h., zu dem die Menge des auf einem Markt angebotenen Guts genau der zu diesem Marktpreis nachgefragten Menge entspricht. Mathematisch gesehen stellt ein solcher Marktpreis die Lösung eines Gleichungssystems dar, in das die Nutzenfunktionen aller Marktteilnehmer eingehen (vgl. Walras 1988; Arrow/Debreu 1954). Ein solches komplexes Gleichungssystem läßt sich rechnerisch durch einen iterativen Prozeß lösen. Auf das Marktmodell übertragen bedeutet dies, daß die Marktteilnehmer diesen Marktpreis schrittweise zu erreichen versuchen. Die Marktteilnehmer selbst stehen in einer Wettbewerbssituation, d.h., sie streben jeweils nach Maximierung ihres Nutzens bei gegebenen Mitteln. Gedanklich läßt sich dieser Wettbewerb in Art einer „englischen" Auktion (vgl. zu den verschiedenen Auktionsformen bspw. Milgrom/Weber 1982) veranschaulichen, in der ein Auktionator, der sogenannte „Walras'sche Auktionator", den Ort versinnbildlicht, an dem Angebot und Nachfrage aufeinandertreffen. Diese Auktion bzw. der marktliche Preisbildungsmechanismus beginnt, indem der Auktionator einen Preisvektor fur ein einzelnes Gut ausruft, d.h. allen Marktteilnehmern bekannt gibt, und die Gebote der Marktteilnehmer aufnimmt. Die Marktteilnehmer nehmen nun diesen Marktpreis als gegeben an und richten die Menge ihres Angebots an bzw. ihrer Nachfrage nach diesem Gut entsprechend des ausgerufenen Preises aus. Im Fall eines den Gleichgewichtspreis unterbietenden Preis sind zwar viele Konsumenten bereit, das Gut bzw. eine große Menge dieses Guts zu erwerben, doch nur wenige Anbieter möchten zu diesem Preis das Gut bzw. die nachgefragte Menge verkaufen. Es herrscht also ein Nachfrageüberhang vor. Ist der Preis jedoch zu hoch, steht einer großen Zahl von Anbietern bzw. einer großen Menge des nachgefragten Guts eine geringe Zahl an Konsumenten gegenüber und es besteht ein Angebotsüberhang. Wie bei einer „richtigen" Auktion erhöht der Auktionator den Preisvektor des Guts im Fall eines Nachfrageüberhangs bzw. senkt ihn bei einem Angebotsüberhang, ruft diesen erneut aus und nimmt wiederum die Gebote der Marktteilnehmer zu diesem Preis entgegen. Diesen Schritt wiederholt der Auktionator schließlich solange, bis Angebot und Nachfrage übereinstimmen. Jetzt wird der Marktpreis für dieses Gut festgesetzt und die tatsächlichen Markttransaktionen können stattfinden. Dieser Prozeß der schrittweisen Annäherung („Tâtonnement") an den Angebot und Nachfrage ausgleichenden Gleichgewichtspreis findet simultan auf allen Güter- und Faktormärkten statt. Aufgrund der Knappheitseigenschaft von Gütern verfugt ein ökonomischer Akteur nur über ein begrenztes Budget. Die Gesamtausgaben eines auf verschiedenen Märkten tätigen Akteurs, z.B. durch „Kauf' von Gütern und Dienstleistungen auf einem Gütermarkt, dürfen also seine Gesamteinnahmen, z.B. durch „Verkauf' seiner Arbeitskraft auf einem Faktormarkt, nicht überschreiten. Deshalb befinden sich auch alle Teilmärkte in wechselseitiger Abhängigkeit. Preiskorrekturen auf einem Markt im Laufe des Tätonnement-Prozesses verändern damit die Entscheidungssituationen auf den jeweils anderen Märkten und machen auch dort Preiskorrekturen notwendig. Irgendwann be68

finden sich schließlich alle Teilmärkte in Gleichgewicht und gleichzeitig herrscht damit auch ein allgemeines (Wettbewerbs-) Gleichgewicht. Angebot und Nachfrage nach allen Gütern sind jetzt ausgeglichen u n d das gesamte wirtschaftliche System befindet sich in einem stabilen Zustand. Der Preisbildungsprozeß ist abgeschlossen u n d der Marktpreis, d.h. A n g e b o t u n d Nachfrage, ändert sich nur n o c h im Fall äußerer Einflüsse. In einem konzeptionell auf der Vorstellung des Walras'schen Auktionators aufbauenden Marktmodell kann jedoch nur dann ein allgemeines Gleichgewicht erreicht werden, wenn verschiedene modelltheoretische A n n a h m e n gültig sind. N e b e n den für die Existenz einer Nutzenfunktion a u f der Akteursebene bereits aufgeführten Bedingungen gehört hierzu das Vorhandensein einerseits v o n vollständiger Konkurrenz u n d andererseits von vollständiger Information der Marktteilnehmer. Vollständige Konkurrenz bedeutet, daß a u f einem Markt eine hohe Anzahl sowohl v o n Produzenten als auch v o n Konsumenten vorhanden ist, also weder a u f der Angebots- n o c h auf der Nachfrageseite einzelne Akteure über eine solche Marktmacht verfügen, daß sie den Prozeß des Tâtonnement beeinflussen könnten. Marktmacht ist in diesem Fall monopolistischen Strukturen gleichzusetzen. M o n o p o l i s t e n , egal o b a u f Seiten des A n g e b o t s oder der Nachfrage, können nämlich den Preis eines Guts in weiten Grenzen selbst festlegen und sich so d e m für die Herausbildung eines allgemeinen Gleichgewichts notwendigen

Preisbildungsmechanis-

m u s entziehen. Dies impliziert, daß selbst bei einer großen Zahl v o n Marktteilnehmern sowohl a u f Seiten des Angebots als auch der Nachfrage keine Präferenzen für bestimmte Produzenten oder Konsumenten herrschen dürfen. Konsumenten beispielsweise dürfen also bei gleichen Preisen nicht bestimmte Produzenten anderen vorziehen. Ein solches Verhalten hätte nämlich zur Folge, daß aufgrund partieller monopolistischer Strukturen verschiedene Preise für das gleiche G u t auf ein und demselben Markt möglich wären. Dies widerspricht j e d o c h der im skizzierten neoklassischen Marktmodell zur Erlangung eines Gleichgewichtszustands notwendigen Annahme, daß es für jedes G u t immer nur einen einzigen Marktpreis gibt, der die gesamten angebotenen und nachgefragten Mengen eines Guts ausgleicht. D a m i t durch die Handlungen der in vollkommener Konkurrenz zueinander stehenden Marktteilnehmer jedoch tatsächlich ein Gleichgewichtspreis entstehen kann, müssen diese sowohl über ihre eigenen Pläne als auch über die Pläne der jeweils anderen Marktteilnehmer vollständig informiert sein. Sie müssen also a u f der einen Seite in der Lage sein, bei unzähligen konsumierbaren Gütern u n d Dienstleistungen eine nahezu unendliche Zahl v o n Alternativen enthaltende Präferenzordnung zu generieren, u m entsprechend der M a x i m e der Maximierung des eigenen Nutzens agieren zu können und damit dasjenige Güterbündel zu wählen, das bei gegebenen Preisen das eigene N u t z e n m a x i m u m repräsentiert. A u f der anderen Seite müssen die Marktteilnehmer gleichzeitig wissen, welche Menge eines G u t s zu welchem Preis und zu welchem Preis welche M e n g e angeboten bzw. nachgefragt wird. Dies wird im skizzierten gedanklichen M o d e l l des Preisbildungsmechanismus als Auktion dadurch versinnbildlicht, daß der Auktionator die entsprechenden Preise ausruft u n d damit der Prozeß der sukzessiven Preisanpassung allen Marktteilnehmern transparent ist. Diese Marktpreise repräsentieren die zentrale Informationsquelle der 69

Wirtschaftssubjekte über das Verhalten der jeweils anderen, denn im Preisbildungsprozeß verdichten sich die Handlungen aller Marktteilnehmer und damit deren Präferenzordnungen zu einem Gleichgewichtspreis. Dieser Gleichgewichtspreis markiert einen Punkt, an dem sich Angebot und Nachfrage der einzelnen Marktteilnehmer ausgleichen. Dies bedeutet wiederum, daß an diesem Punkt die Marktteilnehmer jeweils ihren Nutzen maximieren können. Die Pläne der einzelnen, rational handelnden Akteure sind deshalb im Wettbewerbsgleichgewicht optimal koordiniert, d.h., K o n s u m und Produktion und damit auch die Nutzenfunktionen aller Akteure gleichen sich genau aus. Dieser sich bei Zutreffen der Modellannahmen gleichsam automatisch einstellende Zustand wird im allgemeinen mit dem Begriff der ParetoEfiizienz bzw. des Pareto-Optimums umschrieben. Entsprechend dem sogenannten ersten Theorem der Wohlfahrtsökonomie kann zu diesem Zustand der Nutzen eines Akteurs nur n o c h zu Lasten mindestens eines anderen Akteurs gesteigert werden. Marktgleichgewichte sind pareto-effiziente bzw. -optimale Zustände, die sich durch eine „optimale" Güterallokation auszeichnen, sie können also durch das freie Spiel der Marktkräfte Zustandekommen. Diese Folgerung wird auch als das zweite Theorem der Wohlfahrtsökonomie bezeichnet (vgl. Heap et. al. 1992: 186 f.). Die Pareto-Effizienz von Marktgleichgewichten umschreibt lediglich einen Zustand optimaler, d.h. ohne jemanden zu schaden nicht mehr zu „verbessernden" Verwendung knapper Güter, d.h. eines Ausgleichs von Angebot und Nachfrage, trifft jedoch keine Aussage über die Art der Güterverteilung. Dies läßt sich am Beispiel einer modellhaften Ö k o n o m i e verdeutlichen, in der 100 Einheiten eines Guts auf zwei Wirtschaftssubjekte verteilt werden. In dieser ist jede Form der Verteilung pareto-effizient, solange sämtliche 100 Einheiten tatsächlich auf diese beiden Wirtschaftssubjekte verteilt werden. Sowohl der einseitige Konsum aller 100 Einheiten durch entweder den einen oder den anderen Akteur als auch eine gleichmäßige Verteilung von jeweils 50 Einheiten auf die beiden Akteure ist damit pareto-effizient, weil in diesen Fällen eine Nutzensteigerung in Form einer Erhöhung der Zuteilung für jeweils einen Akteur nur durch eine Nutzenreduzierung und damit durch eine Verminderung der Zuteilung für den jeweils anderen Akteur möglich ist. Wenn jedoch nicht alle vorhandenen Einheiten auf die beiden Akteure aufgeteilt werden, beide also beispielsweise jeweils 49 Einheiten erhalten, kann für jeden der beiden Akteure der Nutzen durch zusätzliche Zuteilung von Einheiten dieses Guts erhöht werden, ohne den Nutzen des anderen zu schmälern, d.h. ihm Einheiten wegzunehmen. Der pareto-optimale Zustand wird also erst dann erreicht, wenn sämtliche Einheiten verteilt sind (vgl. Heap et. al. 1992: 342 ff.). Der neoklassische Marktmechanismus beschreibt, wie rational handelnde und vollständig informierte Individuen auf einem durch vollkommene Konkurrenz geprägten Markt durch ihre eigennützigen Handlungen auf aggregierter Ebene einen Zustand optimaler Verteilung von Gütern und optimaler Verwendung von Faktoren erreichen. O b dieses Marktgleichgewicht auf individueller Ebene jedoch tatsächlich den Bedürfnissen der einzelnen Akteure entspriche, also „gerecht" sei, darüber kann keine Aussage getroffen werden, denn der subjektive Nutzen der einzelnen Akteure ist interpersonal nicht 70

vergleichbar. Der Grund hierfür liegt insbesondere in der Herleitung der jeweiligen Nutzenfunktionen der Akteure aus einer ordinalen Präferenzordnung. In dieser ist jedoch nicht der absolute, d.h. quantifizierbare Nutzen aus dem Konsum verschiedener Güter abgebildet, sondern nur der jeweils maximale. Diese Nutzenfunktion beinhaltet lediglich die Information darüber, daß dieses Güterbündel am meisten präferiert wird, gibt jedoch keine Auskunft über den hieraus dem Individuum konkret erwachsenden Nutzen. Insofern kann auch kein Vergleich angestellt werden, welcher Nutzen bei einem Individuum höher zu bewerten ist als bei einem anderen oder umgekehrt. Diese Gleichgewichtskonzeption ist der Kern der neoklassischen ökonomischen Theorie und damit auch für die aus ihr hervorgehende Public Choice, d.h. die ökonomische Analyse politischer Vorgänge. „ D e n Stolz der theoretischen Ökonomie bildet die Theorie des allgemeinen wirtschaftlichen Gleichgewichtes" (Morgenstern 1935: 337). Ohne diese Gleichgewichtskonzeption ist keine neoklassische Erklärung wirtschaftlicher und politischer Vorgänge möglich, denn sie geht gedanklich immer von solchen Gleichgewichtszuständen aus (vgl. bspw. Huerta de Soto 1998; Streissler 1980). Unabhängig vom zu untersuchenden Gegenstand, sei es die Ö k o n o m i e oder sei es die Politik, besteht der Ausgangspunkt der neoklassischen Analyse darin, daß letztendliches Ziel allen ökonomischen Handelns die optimale Bedürfnisbefriedigung sei. Auf aggregierter Ebene läßt sich dieses Ziel als Marktgleichgewicht beschreiben. Aus der Interaktion verschiedener rationaler Akteure stellt sich auf dem Gebiet der Politik ebenso wie auf dem der Ökonomie jedoch nicht gleichsam automatisch wie von einer unsichtbaren Hand getrieben so etwas wie „Gemeinwohl" im Sinne klassischer Vorstellungen von Demokratie ein. Es existiert also keine Form der Aggregation individueller Präferenzen zu einer kollektiven, demokratischen Vorstellungen entsprechenden Präferenzordnung. In der neoklassischen Modellwelt ist der Gleichgewichtszustand nämlich durch Pareto-Optimalität gekennzeichnet. A u f ökonomischer Ebene bedeutet dies, daß eine Güterverteilung auch dann einen optimalen und effizienten Gleichgewichtszustand beschreibt, wenn die vorhandenen Güter beispielsweise auf nur einen einzigen Marktteilnehmer „verteilt" werden. A u f die Sphäre der Politik übertragen kann damit sowohl eine Diktatur als auch eine Demokratie das effiziente und optimale Ergebnis politischer Marktvorgänge sein. Anders formuliert bedeutet diese Einsicht, daß im Rahmen der neoklassischen Modellwelt keine eindeutige Bewertungsregel der Aggregation individueller zu kollektiven Präferenzen denkbar ist, die sowohl mit den Modellannahmen als auch mit demokratischen „Minimalbedingungen" vereinbar ist. Die wettbewerbliche Aggregation individueller Präferenzen durch einen Markt führt zwar zu pareto-optimalen Ergebnissen, jedoch existiert keine Regel, mit deren Hilfe dieses Marktgleichgewicht als konform mit Wertvorstellungen, beispielsweise über demokratische Entscheidungsprozesse, angesehen werden kann. Der mathematisch-formale Beweis für diese Behauptung geht auf Kenneth J . Arrow zurück (Unmöglichkeitstheorem nach Arrow, vgl. insb. Arrow 1973; Sen 1970). Als Minimalbedingungen der Demokratie nahm Arrow an, daß erstens beliebige individuelle Präferenzen in die Entscheidung eingehen können. Es dürfen also weder Individuen noch bestimmte Präferenzen nicht in die Ent71

Scheidung einfließen. Zweitens darf keine Person diktatorisch die kollektive Entscheidung festlegen. Drittens müssen sich einhellige Präferenzen der Individuen in der kollektiven Präferenzordnung widerspiegeln und viertens darf eine demokratische Entscheidung zwischen Alternativen ausschließlich von den individuellen Präferenzen abhängen (vgl. Arrow 1973; Sen 1970). Diese verschiedenen Bedingungen können nicht widerspruchsfrei aufgelöst werden, denn im Rahmen der kollektiven Präferenzaggregation läßt sich immer mindestens ein Fall finden, in dem eine Person quasi diktatorisch die Entscheidung festlegt. Dies läßt sich beispielhaft an einer Modellwelt mit zwei Personen (I und II) sowie drei Gütern (A, B und C) verdeutlichen. Die Präferenzordnung für Person I lautet beispielsweise, daß A vor B präferiert wird und B vor C. Person II auf der anderen Seite präferiert B vor A und - ebenso wie Person I - B vor C. Bei Annahme einer pareto-optimalen kollektiven Präferenzordnung, im Sinne eines Marktgleichgewichts, sollte diese nun enthalten, daß das Gut B dem Gut C vorzuziehen ist, da dies den Präferenzordnungen beider Personen entspricht. Weil n u n beide Personen A und B gegensätzlich präferieren, läßt sich als Kompromiß annehmen, daß die kollektive Präferenzordnung indifferent zwischen beiden Alternativen A und B ist. Nur auf diese Art und Weise läßt sich vermeiden, daß die kollektive Präferenzordnung quasi diktatorisch von entweder Person I oder II bestimmt wird. Jedoch bedeutet diese Indifferenz, daß in der kollektiven Präferenzordnung sowohl A als auch B der Alternative C vorgezogen wird. Wenn aber nun Person II in ihrer individuellen Präferenzordnung die Alternative C der Alternative A vorzieht, besteht ein Widerspruch zwischen der individuellen und der kollektiven Präferenzordnung. Insgesamt gesehen kann im geschilderten Fall also nur dann eine kollektive Präferenzordnung aufgebaut werden, wenn entweder die individuelle Präferenzordnung von Person I oder Person II zum Maßstab der Bildungsregel erhoben wird und damit quasi diktatorisch die Entscheidung determiniert (vgl. Arrow 1973; Sen 1970: 41 ff.; Heap et. al. 1992: 209 ff. u. 289 ff.). Arrow zeigte, daß keine Möglichkeit der Aggregation individueller Präferenzen zu einer kollektiven Präferenzordnung existiert bzw. theoretisch existieren kann, die demokratische Minimalbedingungen erfüllt (vgl. Heinemann 1999: 58; Riker 1982). Die Analyse politischer Prozesse durch die neoklassische Public Choice kann deshalb nicht auf der Vorstellung basieren, Gemeinwohl erreichen zu wollen, sondern nur auf einer „realistischen" und im gewissen Sinne elitistischen Vorstellung von Politik. Als deren Ausgangspunkt kann dabei die Schumpetersche Analogie von ökonomischem und politischem Markt gelten, die dieser in Form einer Bemerkung eines Politikers über das Wesen seiner eigenen Tätigkeit zum Ausdruck brachte. „Was die Geschäftsleute nicht verstehen, ist, daß ich genau so mit Stimmen handle, wie sie mit Öl handeln" (Schumpeter 1946: 453). Die eigennützigen Handlungen von Politikern münden damit in ein Wettbewerbsgleichgewicht. Auf eine politökonomische Fragestellung bezogen lassen sich aus der neoklassischen Public Choice nun Aussagen ableiten, unter welchen Bedingungen ein solches optimales Wettbewerbsgleichgewicht existieren kann und unter welchen Bedingungen ein solches Marktergebnis ineffizient ist.

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4.3. Demokratie im neoklassischen Modell Ein sehr prominenter Ansatz der Übertragung des neoklassischen Instrumentariums auf den politischen Bereich ist die a u f der Konzeption des räumlichen Markts nach Harold Hotelling aufbauende Arbeit von Anthony Downs (vgl. Downs 1957). In seiner „ökonomischen Theorie der Demokratie" versuchte Downs die Bedingungen zu identifizieren, die zum Erreichen eines optimalen Wettbewerbsgleichgewichts miteinander konkurrierender Parteien notwendig sind. Zu diesem Zweck übertrug er das neoklassische Modell ökonomischer Märkte auf den Gegenstand der Politik. In Anbetracht der spezifischen Wettbewerbssituation, daß ja in diesem Fall einer Vielzahl von Konsumenten (Wählern) nur eine geringe Zahl von Anbietern (Parteien) gegenüberstehen, mußte jedoch die Annahme der vollkommenen Konkurrenz, also vieler Anbieter und Nachfrager eingeschränkt werden. Insofern handelt es sich beim Downs'schen Modell der Politik eher u m eine Konzeption oligopolistischer denn vollständiger Konkurrenz (s.u.). In Ubereinstimmung mit dem skizzierten neoklassischen Marktmodell geht Downs davon aus, daß alle Akteure entsprechend der die Wirklichkeit stark vereinfachenden Konzeption des „rationalen Verbrauchers" (vgl. Downs 1957: 7) handeln. Der in einem politischen System agierende Mensch versucht daher, den ihm aus seinen Handlungen erwachsenen Nutzen zu maximieren und die Handlungskosten zu minimieren (vgl. Downs 1957: 5). Entsprechend des neoklassischen Handlungsmodells ist jeder rationale Akteur, egal ob Bürger oder politische Partei (vgl. Downs 1957: 27), grundsätzlich dazu in der Lage, Entscheidungen zu treffen und damit zu handeln. Jeder Akteur ordnet seine Handlungsalternativen nach den aus ihnen zu erwarteten Nutzen und wählt aus dieser Rangordnung stets diejenige Option, mit der er sein Handlungsziel am ehesten erreichen kann. Der Akteur stellt also eine ordinale Präferenzordnung auf und entscheidet sich für die seinen Nutzen maximierende Alternative. Die Handlungen „rationaler Verbraucher" in Demokratien manifestieren sich fur Downs in Wahlen. Auf diese Art und Weise wählen die Bürger aus den vorhandenen Alternativen diejenige Regierung aus, die ihren eigenen Interessen mutmaßlich am besten dienlich sein wird (vgl. Downs 1957: 7), d.h. deren Wahl am meisten zur Mehrung ihres persönlichen Nutzens beiträgt. „All citizens are constantly receiving streams o f benefits from government activities. Their streets are policed, water purified, roads repaired, shores defended, garbage removed, weather forecast, etc. These benefits are exactly like the benefits they receive from private economic activity and are identified as government-caused only by their source" (Downs 1957: 37). Die Bewertung dieses potentiellen und letztendlich geldwerten Nutzens (vgl. Downs 1957: 164 ff.) bemißt sich nach Downs dabei aus der spezifischen Lösung politischer Sachfragen durch die zur Wahl stehenden politischen Parteien bzw. der Beurteilung deren jeweiliger politischer Vorhaben. Wähler versuchen rational die jeweils für sie beste Regierung auszuwählen und Regierungen versuchen den auf sie entfallenen Stimmanteil zu maximieren (vgl. Downs 1957: 11). In einer demokratischen Ordnung wird die Regierung von einer oder auch mehreren Parteien gebildet, die zusammen die Mehrheit der Wählerstimmen auf sich vereinen. Jede 73

Partei besteht aus vielen verschiedenen Personen, die durch diesen Zusammenschluß ein gemeinsames Ziel verfolgen. Auch diese handeln eigennützig rational. Da die Wahl in politische Amter diesen Akteuren auch persönliche Vorteile bietet, liegt es in ihrem Interesse, gewählt bzw. wiedergewählt zu werden. Regierungsparteien bzw. deren Mitglieder müssen also eine im Interesse der Mehrheit der Wählerschaft liegende, d.h. der Maximierung ihres Nutzen dienliche Politik betreiben, um nicht ihre Unterstützung zu verlieren (vgl. Downs 1957: 2 3 ff. u. 73 f.). In jedem demokratischen politischen System werden Regierungen durch Wahlen bestimmt. In solchen Wahlen entscheidet sich jeder Bürger a u f Grundlage seiner jeweils eigenen Nutzenkalkulation für eine Partei. Er vergleicht dabei die Gesamtnutzen, die ihm bei der mutmaßlichen Wahl einer jeden Partei zufließen würden, und berücksichtigt auch den Nutzen, den er von der amtierenden Regierungspartei bereits erhalten hat. Seine Stimme wird dann auf diejenige Partei entfallen, die ihm in Zukunft den größten persönlichen Nutzen bieten könnte (vgl. Downs 1957: 38 ff.). Die Komplexität dieser persönlichen Nutzenkalkulation ist dabei abhängig von der Zahl der zur Wahl stehenden Parteien. In einem Zweiparteiensystem wird sich der Wähler direkt für diejenige Partei entscheiden, die ihm entsprechend seiner Analyse den größten Nutzen verspricht. In einem Mehrparteiensystem wäre eine solche Wahlentscheidung jedoch nur dann rational, wenn die direkt vom Wähler bevorzugte Partei auch eine realistische Chance a u f den Wahlsieg besitzt. Der rationale Wähler muß folglich in seiner eigenen Entscheidung auch die potentiellen Handlungen der anderen Akteure berücksichtigen. Ist der Wahlsieg der von ihm am meisten präferierten Partei unwahrscheinlich, weil diese von seinen Mitwählern wahrscheinlich nicht präferiert wird, kann der Wähler zum einen für eine andere Partei stimmen, um den Wahlsieg der von ihm am meisten abgelehnten Partei zu verhindern. Z u m anderen kann er bei dieser Wahl jedoch auch durch seine Stimme seiner bevorzugten Partei Unterstützung gewähren, um damit ihre Wahlchancen bei den nächsten Wahlen zu erhöhen (vgl. Downs 1957: 4 9 f.). I m Gegensatz zum oben skizzierten neoklassischen Marktmodell beinhaltet die Konzeption von Downs eine zeitliche Komponente. Der erwartete Nutzen eines Wählers aus der Entscheidung für oder gegen eine Partei fließt ihm nämlich erst in Zukunft durch die Handlungen der Parteien zu. Gleichzeitig wissen die Parteien nicht, o b die von ihnen vorgeschlagenen M a ß n a h m e n auch tatsächlich den Nutzen der umworbenen Wähler steigern können. Im politischen System herrscht nach Downs deshalb kein Zustand perfekter Information, sondern Unsicherheit (vgl. Downs 1957: 77 ff.). U m nun trotz dieser Unsicherheit individuelle Entscheidungen rational möglich werden zu lassen, führt Downs das Konzept der „Ideologie" bzw. des Parteiprogramms als den erwarteten Nutzen eines jeden Akteurs repräsentierendes Element ein. Unsicherheit kann durch zusätzliche Informationen verringert werden. Parteien besitzen ebensowenig wie die Wähler gesichertes Wissen über die Auswirkungen bestimmter politischer Vorhaben auf das jeweils eigene Nutzenkonto. In der Beschaffung solcher Informationen sind die Parteien und aufgrund der direkten Wirkungen des Regierungshandelns auf das Nutzeneinkommen der Wähler insbesondere die Regierungsparteien auf

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die Vermittlung durch beispielsweise verschiedene Interessengruppen angewiesen, die in diesem Sinne als Repräsentanten des öffentlichen Willens wahrgenommen werden (vgl. Downs 1957: 94). Dieses Mittel der Informationsbeschaffung steht insbesondere den Parteien zur Verfugung. Wähler hingegen sind in ihrer Informationsbeschaffung vielfach von der Selbstdarstellung der Parteien abhängig, können also mit Hilfe werblicher Mittel, d.h. durch im Auftrag von Parteien vermittelte Informationen, in ihrer Wahlentscheidung beeinflußt werden (vgl. Downs 1957: 82 ff.). „Wherever men can be influenced, other men appear whose specialty is influencing them" (Downs 1957: 87). Durch „Wahlwerbung" und damit durch selektive Informationen kann dem in seiner Entscheidung unsicheren Wähler somit der Weg gewiesen werden, wie er sich entscheiden soll, damit durch Realisierung einer bestimmten Politik sein individueller Nutzen vermehrt werden kann. Zu einem System zusammengefaßte, d.h. aufeinander abgestimmte selektive Informationen bilden eine Ideologie, ein verbales Abbild der wünschenswerten Gesellschaftsordnung (vgl. Downs 1957: 96). Durch ihre Eignung als Mittel zur Wahlwerbung dienen Ideologien immer dem Machterhalt bzw. dem Machterwerb. Politiker und Parteien vertreten Ideologien daher nicht aus Uberzeugung, sondern gebrauchen sie als (Kommunikations-) Mittel zur Maximierung ihres Stimmanteils. Abweichend v o m ursprünglichen neoklassischen Marktmodell stehen Informationen den Marktteilnehmern in der Modellwelt Downs' weder unbegrenzt zur Verfugung, noch ist ihre Beschaffung frei von Kosten (vgl. insb. Downs 1957: 164 ff.). Wähler verfügen also nur über ungesichertes und unzulängliches Wissen über die sie berührenden Wirkungen der hypothetischen Umsetzung der Programme der einzelnen zur Wahl stehenden Parteien. Zutreffende Informationen stellen jedoch die Grundlage rationalen Entscheidens dar und müssen daher von den Wählern beschafft werden. Die Annahme von Kosten für die Informationsbeschaffung unterwirft nun auch diesen Vorgang der persönlichen Nutzenkalkulation. Damit wird die Nutzung von Parteiideologien als Informationsquelle „rationaler" als die Beschaffung präziser Informationen. Ideologien entlasten den einzelnen, die Vielzahl von Parteien favorisierten Einzelmaßnahmen gegeneinander abzuwägen, und fokussieren gleichzeitig die Unterschiede der Parteien (vgl. Downs 1957: 98). Die Wahlbürger können also die Beschaffungskosten für Informationen senken, indem sie statt die politischen Vorhaben der Parteien zu bewerten ihre Wahlentscheidung allein auf Grundlage ideologischer Nähe treffen (vgl. Downs 1957: 113). Ideologien als Kommunikationsmittel der Parteien werden von den Wählern bereitwillig genutzt. Jede Partei versucht mit ihrer jeweiligen Ideologie möglichst viele Wähler anzusprechen. Die unterschiedlichen Lebenssituationen der Wähler lassen es jedoch als unmöglich erscheinen, mit einer einzigen Ideologie alle glauben zu lassen, die Umsetzung dieses politischen Programms würde ihren Nutzen mehren. Ideologien entfalten ihre Wirkung immer spezifisch für bestimmte soziale Gruppen. A u f die Interessen nur einer Gruppe bezogene Ideologien widersprechen daher oftmals den Interessen anderer und deshalb sind Parteien nicht in der Lage, sämtliche soziale Gruppen erfolgreich zu umwerben. In politischen Gemeinwesen werden daher immer verschiedene, auf unterschiedliche soziale Gruppen gerichtete Ideologien entstehen (vgl. Downs 1957: 100). 75

In ihren Wahlentscheidungen orientieren sich die Wähler aus Gründen hoher Kosten für die Informationsbeschaffung an Parteiideologien. Diese Entscheidung ist für die Wähler jedoch nur dann eine rationale Alternative zur Beschaffung präziser Informationen, wenn Ideologien auch tatsächlich Rückschlüsse auf die künftigen Handlungen von Parteien im Fall des Wahlsiegs zulassen. Ideologien müssen also verläßlich sein, d.h., die Parteien müssen politisches Handeln u n d Ideologie in Ubereinstimmung bringen, damit sich die Wähler an ihnen orientieren können. „In order to be rational short cuts, ideologies must be integrated with policies closely enough t o f o r m accurate indicators of what each party is likely to do in the future. W h e n policies change significantly, ideologies must also change; otherwise they are not effective signals and the Citizens in our model will not use t h e m " (Downs 1957: 102). Ferner dürfen sich die einzelnen Bestandteile einer Ideologie auch nicht gegenseitig widersprechen, wenn diese ihren Charakter als verläßliche Informationsquelle nicht verlieren soll (vgl. Downs 1957: 109 f.). In ihre Wahlentscheidungen lassen die Wähler auch ihr Wissen über das vergangene politische Handeln von Parteien einfließen. Rasche Veränderungen des politischen Standpunkts von Parteien verringern den Wert dieses Wissens u n d schwächen die Glaubwürdigkeit der Aussagen dieser Partei ab. Parteien versuchen daher, eine einmal etablierte Ideologie möglichst beizubehalten. Dieses Handlungsmuster wird dadurch verstärkt, daß Parteiideologien vielfach von bestimmten Politikern verkörpert werden und bei einem abrupten Wechsel des politischen Programms die Parteien deshalb auch ihr politisches Personal austauschen m ü ß t e n (vgl. Downs 1957: 110 ff.). D e n n o c h sind Parteiideologien nicht für die Ewigkeit fixiert. Begründet durch die Zwänge, z u m einen die Ideologie an das auf die Lösung sich wandelnder politischer Sachfragen gerichtete, tatsächliche politischen Handeln anzupassen und z u m anderen dieses Instrument im Parteienwettbewerb u m Wählerstimmen beständig zu verbessern, sind Ideologien durchaus Veränderungen ausgesetzt. Ideologische Veränderungen der Parteien schlagen sich dabei in einem veränderten politischen Marktgleichgewicht nieder. Im politischen Modell nach Downs streben Wähler danach, durch die Wahl einer Partei ihren künftigen Nutzen, d.h. ihren Wohlstand, zu vermehren. In ihrer Entscheidung orientieren sie sich an den politischen Programmen bzw. Ideologien der Parteien. Diese Ideologien haben ihren Ursprung in der realistischen Annahme, daß an Tatsachen orientierte Entscheidungen immer einerseits mit Unsicherheit behaftet sind u n d die Informationssuche zur Verringerung dieser Unsicherheit mit Kosten verbunden ist. Downs macht also scheinbar „realistischere" Annahmen über den Entscheidungsprozeß rationaler Akteure als die neoklassische Modellwelt in ihrer idealen, ursprünglichen Ausformung. Diese Auffassung wird jedoch durch die Einfuhrung des Konzepts der „Ideologien" dahingehend abgeschwächt, daß diese Repräsentationen von Nutzenerwartungen den Status gesicherter Informationen einnehmen und damit rationale Entscheidungen der Akteure, d.h. sowohl von Wählern als auch von Parteien, überhaupt erst möglich werden. Voraussetzung für die Anwendung des neoklassischen Preisbildungsmechanismus, also um Marktgleichgewichte feststellen und analysieren zu können, ist neben dem Vorhandensein vollständiger Information der Marktteilnehmer auch die Existenz vollkomme76

ner Konkurrenz. Letztere ist jedoch im Downs'schen Modell nicht gegeben, denn einer Vielzahl von Konsumenten (Wählern) steht nur eine geringe Anzahl von Produzenten (Parteien bzw. Ideologien) gegenüber. Wettbewerbssituationen mit nur wenigen miteinander konkurrierenden Anbietern, Oligopole oder Duopole, neigen entsprechend der im neoklassischen Marktmodell enthaltenen Annahmen zu Instabilität, d.h., es gibt mehrere Lösungen des aus verschiedenen Nutzenfunktionen bestehenden Gleichungssystems, und deshalb ist auch keine Herausbildung eines stabilen Marktgleichgewichts möglich (vgl. Hotelling 1929: 41 ff.). Allerdings läßt sich das neoklassische Marktmodell perfekten Wettbewerbs dahingehend erweitern, daß auch solche Fälle hiermit erfaßt werden können. Zu diesem Zweck überträgt Downs die Konzeption des „räumlichen" Markts von Harold Hotelling auf seine Gleichgewichtsanalyse des politischen Markts (vgl. Downs 1957: 115 f.). Hotelling zeigte, daß durch Einfuhrung von Präferenzen von Konsumenten für bestimmte Produzenten auch im Fall unvollkommener, duopolistischer Konkurrenz ein stabiles Marktgleichgewicht entstehen kann, nämlich indem das neoklassische Marktmodell gleichsam um eine „räumliche" Komponente erweitert wird. Zur Verdeutlichung dieses Gedankens symbolisiert Hotelling diese Präferenzen durch Kosten für den Transport von Gütern von den Produzenten zu den Konsumenten. Wenn nun beispielsweise alle Konsumenten eines Markts gedanklich entlang einer Straße angesiedelt sind und zwei Produzenten in Form zweier, jeweils an unterschiedlichem Ort an dieser Straße beheimateten Geschäfte diese Konsumenten bedienen, die Konsumenten die Transportkosten der Ware vom Produzenten zu ihnen mit einkalkulieren, dann existiert nach Hotelling ein stabiles Marktgleichgewicht, an dem kein Produzent seinen Profit erhöhen kann, ohne die Preise zu verändern. Zu diesem Gleichgewichtspreis „schöpft" ein Anbieter nämlich jeweils die Nachfrage eines Teils des Markts, d.h. „seines" Teils der gedanklichen Straße ab. Für die jenseits dieser Marktgrenze liegenden Konsumenten ist es ökonomischer bzw. rationaler, das Gut beim jeweils anderen Anbieter zu erwerben (vgl. Hotelling 1929: 45 ff.). Wenn nun der gedankliche Ort der Geschäfte in diesem räumlichen Marktmodell als variabel angesehen wird, dann werden sich nach Hotelling die Geschäftsstandorte im Laufe der Zeit einander annähern. Diese Vorhersageleistung seiner Konzeption ist nach Hotelling dabei nicht nur empirisch feststellbar, sondern auch auf nicht-ökonomische Bereiche wettbewerblicher Konkurrenz wie z.B. die Politik übertragbar. „The competition for votes between the Republican and Democratic parties does not lead to a clear drawing of issues, an adoption of two strongly contrasted positions between which the voter may choose. Instead, each party strives to make its platform as much like the other's as possible" (Hotelling 1929: 54). Genau diesen Gedanken greift nun Downs in seiner Adoption dieses Marktmodells auf. Downs übernimmt die Vorstellung Hotellings, die Präferenzen von Konsumenten „aufzureihen", und weist jedem Nachfrager politischer Güter, d.h. jedem Wähler, einen seinen politischen Präferenzen entsprechenden Platz auf einer linearen Skala zu. Der eine Endpunkt dieser Skala entspricht einer extrem „linken", der andere einer extrem „rechten" politischen Grundhaltung. Die Klassifikation der politischen Akteure nimmt Downs 77

anhand deren Stellung zur Lösung einer Vielzahl politischer Sachfragen vor. Bezogen auf die beispielhafte Frage nach dem Staatseinfluß auf die Wirtschaft würden sowohl Wähler als auch Parteien eher a u f der „linken" Seite der politischen Landschaft verortet, wenn sie einen interventionistischen Staat favorisierten, liberale Positionen hingegen eher auf der „rechten" Seite des politischen Spektrums (vgl. Downs 1957: 115 ff. u. 132 f.). Die Verteilung der Wähler bzw. deren ideologischer Positionen auf der beschriebenen Links-Rechts-Skala steht in enger Beziehung zur Zahl der um die Wählerstimmen konkurrierenden Parteien. Wenn die Mehrheit der Wähler in der Mitte der politischen Landschaft angesiedelt ist und extreme Positionen nur von wenigen Personen geteilt werden, besitzt die korrespondierende Verteilungskurve in ihrer Mitte nur einen einzigen Gipfel und flacht zu den Extremen hin stark ab. Politische Ordnungen mit einer eingipfligen Verteilung der Wählerpräferenzen werden nach Downs wahrscheinlich ein Zweiparteiensystem entwickeln. Mehrparteiensysteme entstehen hingegen bevorzugt in Ordnungen mit mehrgipfligen Präferenzverteilungen. Gleichzeitig besitzt auch die Art des Wahlrechts Einfluß auf die mögliche Zahl der Parteien. Das Prinzip der Mehrheitswahl begünstigt dabei das Entstehen eines Zweiparteiensystems und jenes der Verhältniswahl eines Mehrparteiensystems (vgl. Downs 1957: 122 ff. u. 139 ff.). Wird nun analog zur Vorstellung Hotellings der „ O r t " des Anbieters (Partei) als variabel angesehen, wird die spezifische Verteilung der Wählerpräferenzen in Abhängigkeit von der Anzahl der miteinander konkurrierenden Parteien eine bestimmte Veränderung des politischen Standorts der Parteien nach sich ziehen. Im Fall einer eingipfligen Verteilung der Wählerpräferenzen werden sich in einem Zweiparteiensystem die ideologischen Positionen der Parteien langfristig zum Median der Verteilung hinbewegen. An diesem Punkt der politischen Skala ist die größte Zahl der Wähler beheimatet und von dort aus können die Parteien jeweils eine Mehrheit der Wähler erreichen. Bei einer simultanen Bewegung der Parteien zu diesem Punkt werden sich dabei die Parteiprogramme und aufgrund des Zwangs zur Kohärenz von Verhalten und Ideologie auch die politischen Handlungen einander annähern (vgl. Downs 1957: 116 f.). Die Parteiprogramme werden dabei nicht nur immer ähnlicher, sondern auch immer vieldeutiger. Diese zunehmende ideologische Diffusität der Parteien erhöht die Zahl der von der Ideologie ansprechbaren Wähler. Parteien werden in solchen politischen Ordnungen im Fall kontroverser Themen also versuchen, einen Standpunkt einzunehmen, der so ausgleichend wie nur möglich ist (vgl. Downs 1957: 136). Anders verhält es sich hingegen bei Ordnungen mit polymodaler Präferenzverteilung. Vor allem unter den Bedingungen eines Verhältniswahlsystems können dort die Parteien dann ein relatives O p t i m u m an Stimmen auf sich vereinen, wenn sie sich programmatisch an einem Modalwert der politischen Präferenzverteilung der Wählerschaft ansiedeln oder an einer Position genau zwischen zwei Modalwerten. Jede Veränderung der Parteiideologie hin zu einem dieser Orte fuhrt zu einem positiven Saldo aus Stimmengewinn und -verlust, das Verlassen eines dieser Orte hingegen zu einem negativen Saldo. Die Parteien in einer solchen Ordnung werden damit in ihrem Streben nach Maximierung des auf sie entfallenen Stimmanteils eine ideologische Position an einem dieser Orte anstreben. Sie 78

werden sich also sowohl programmatisch als auch in ihren Handlungen voneinander abzugrenzen versuchen (vgl. Downs 1957: 125 ff.). Die zunehmende Ununterscheidbarkeit von Parteien in Zweiparteiensystemen bzw. in Ordnungen mit nur eingipfliger Präferenzverteilung der Wähler besitzt gravierende Auswirkungen auf die Entscheidungsfähigkeit des Wahlbürgers. Die Nutzung von politischen Programmen als Informationsquelle macht nämlich nur im Fall feststellbarer Unterschiede Sinn. In einer politischen Ordnung ideologisch weitestgehend identischer Parteien muß sich der Wähler daher an anderen Kriterien wie z.B. der Persönlichkeit von Kandidaten oder überlieferten Wahltraditionen seines Milieus orientieren. Nicht auf der Grundlage von Sachfragen bzw. Parteiprogrammen getroffene Wahlentscheidungen sind nach Downs jedoch nicht rational, weil diese eben nicht auf die persönliche Nutzenkalkulation des Wählers bezogen sind (vgl. Downs 1957: 127 ff.). Politische Ordnungen mit sich unterscheidenden Parteien, d.h. in der Regel solche mit polymodaler Verteilung der Wählerpräferenzen, ermöglichen dem Bürger zwar eine rationale Wahlentscheidung, der im Regelfall bestehende Zwang der Bildung von Koalitionsregierungen erschwert jedoch die vom Wähler vorzunehmende Schätzung einerseits der Gewinnchancen der von ihm bevorzugten Partei und andererseits der mutmaßlichen Politik der künftigen Regierungskoalition. Die Zusammensetzung der künftigen Regierung wird davon abhängen, welche Parteien mit welchen anderen mit welcher Wahrscheinlichkeit Koalitionen eingehen, in welchen Koalitionen welche politische Handlungen wahrscheinlich sind und welche Stärke die Koalitionsparteien haben werden (vgl. Downs 1957: 156 ff.). U m letzteres jedoch abzuschätzen, muß der Wähler Wissen über das Wahlverhalten der jeweils anderen Wähler besitzen. Das hiermit aufgeworfene Problem der „konjekturalen Variation" läßt sich jedoch theoretisch nicht lösen. „As a result, there is n o way to predict what voters will do if the decision o f each depends u p o n what he thinks all other voters are going to do, and he knows the others also make decisions this way. The outcome depends u p o n at what point each man cuts o f f the process o f conjecture and counterconjecture, and, theoretically speaking, that point is not predictable" (Downs 1957: 151). Eine Strategie der Bewältigung dieses Problems der konjekturalen Variation besteht nun darin, die potentiellen Handlungen anderer zu ignorieren und die Nähe von Parteien zu den eigenen programmatischen Präferenzen zum alleinigen Entscheidungskriterium zu erheben. Dieses Wahlverhalten, diejenige Partei zu wählen, die den eigenen Präferenzen am nächsten steht, ist jedoch nicht rational, weil es die Auswirkungen der Entscheidung auf das Wahlergebnis nicht einbezieht. Allerdings beinhaltet eine solche Strategie die größte Entlastung v o m Zwang zur Informationssuche, d.h. die stärkste Reduktion der Informationskosten, und deshalb kann „irrationales" Wahlverhalten durchaus rational sein (vgl. Downs 1957: 153/Fn. 6 u. 163). J e nach der Struktur der aggregierten Präferenzordnungen der Wähler entstehen unterschiedliche Parteiensysteme. Diese sind als Gleichgewichtspunkte einer politischen Marktordnung aufzufassen, d.h., sie repräsentieren den Ausgleich politischer Angebote und politischer Nachfrage. Wie auch immer das entstehende politische Gleichgewicht aussehen mag, entsprechend der neoklassischen Modellwelt ist ein stabiles Parteiensystem immer 79

effizient. Schließlich stimme das ökonomische Modell politischer Märkte sehr gut mit dem Bereich der Wirtschaft zugeordneten Gleichgewichtsmodellen überein und deshalb seien in beiden Bereichen auch die gleichen Schlußfolgerungen möglich (vgl. Wittman 1989; Wittman 1995).

4.4. Die Bewältigung politischen Marktversagens Wenn politische Ordnungen als Markt organisiert sind, sollten sie entsprechend der neoklassischen Grundannahmen „effiziente", d.h. „optimale" Ergebnisse produzieren. Abweichungen von diesen Grundvoraussetzungen können sich jedoch in nicht effizient arbeitenden Märkten niederschlagen. Solche Abweichungen v o m modelltheoretischen Ideal können insbesondere durch die Wirkung sogenannter externer Effekte (s. Kap. 4.4.1.) entstehen, d.h. durch die Nicht-Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten und Nutzen von Gütern durch den Preismechanismus. Mit Hilfe der Einfuhrung des Konzepts der Transaktionskosten ist das neoklassische Modell eher in der Lage, die Wirkungen solcher Effekte zu berücksichtigen (s. Kap. 4.4.2.). Die Transaktionskostenökonomik ermöglicht es nun, politische Ordnungen dahingehend zu bewerten, in welchem Maße sie zur Senkung solcher Transaktionskosten beitragen (s. Kap. 4.4.3.).

4.4.1. Externe Effekte in politischen Ordnungen Das neoklassische Modell der Demokratie nach Hotelling und Downs stellt ein einfaches Modell des politischen Lebens dar, das ausgehend von den rationalen Handlungen einzelner Akteure erklärt, wie sich die vielen einzelnen Handlungen zu einem „Politikgleichgewicht" aggregieren. Es beinhaltet zwei verschiedene Formen von Akteuren, nämlich die als Konsumenten aufgefaßten Wähler und politische Parteien als Produzenten. Der Parteienwettbewerb auf dem politischen Markt sorgt dabei für die Aggregation der individuellen Präferenzen der Wähler zu einer als stabiles, optimales und effizientes Wettbewerbsgleichgewicht aufzufassenden politischen „Machtverteilung". Die Wähler handeln im Sinne parametrischer Rationalität. Sie versuchen, das beste Ziel bei gegebenen Mitteln zu erreichen, treffen ihre Wahl jedoch im Glauben an eine konstante Umwelt. Sie handeln also rational, ohne aber die Folgen des rationalen Handelns der jeweils anderen Wähler einzukalkulieren. Nur auf diese Weise kann nämlich die Annahme von Rationalität angesichts der Folgen konjekturaler Variation im Sinne des Downs'schen Modells von Demokratie aufrechterhalten werden. Die rationalen Handlungen der Wähler führen schließlich zu einer entsprechend der Präferenzen der Wähler auf der einen Seite und des Verfahrens der Präferenzaggregation auf der anderen Seite spezifisch zusammengesetzten politischen Elite, d.h. zu einem bestimmten Kräfteverhältnis der politischen Parteien untereinander.

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Diese in ihren Handlungen von ihrem Eigeninteresse bestimmte Elite, deren Zustandekommen im Fall demokratischer Ordnungen vom Wählerwillen abhängt, handelt im Vergleich zu den Wählern jedoch entsprechend einer anderen Form von Rationalität, nämlich im Sinne einer sogenannten strategischen Rationalität. Dies bedeutet, daß die einzelnen Mitglieder der Elite „strategische Spiele" (im spieltheoretischen Verständnis) durchfuhren. Jeder Akteur agiert also so, als o b auch die anderen Akteure, d.h. die anderen Mitglieder der Elite, genauso strategisch rational handeln würden. A u f diese Art und Weise entsteht durch das Handeln der politischen Elite ein Gleichgewicht der jeweils einzelnen Kosten- und Produktionsfunktionen und damit auch eine F o r m von politischer Ordnung. Diese als Ausdruck eines stabilen Wettbewerbsgleichgewichts aufzufassende Ordnung ist grundsätzlich pareto-optimal. Entsprechend der Modellaxiome sind unendlich viele pareto-optimale Gleichgewichtslösungen denkbar. Es entsteht also nicht automatisch eine wirklich „gerechte" Gleichgewichtssituation im Sinne der Aggregation der individuellen Präferenzordnungen der einzelnen beteiligten Akteure zu einer kollektiv geteilten, d.h. für alle akzeptablen Präferenzordnung. Beispielsweise kann sich als pareto-optimale Lösung sowohl eine stark linksgerichtete als auch eine stark rechtsgerichtete Regierung herausbilden, deren Handlungen vom jeweils auf der anderen Seite beheimateten Wählerspektrum als „ungerecht" empfunden wird. Das System selbst erbringt zwar die Leistung der Generierung eines wie auch immer gearteten, optimalen Wettbewerbsgleichgewichts. O b jedoch andere Gleichgewichtspunkte existieren, die vielleicht „effizienter" sind als das wettbewerblich gerade erreichte, kann aus dem System heraus nicht entschieden werden. Allerdings kann ein äußerer Beobachter - z.B. in Form eines wohlwollenden Diktators - durchaus zwischen verschieden Gleichgewichtspunkten unterscheiden. Diese Konzeption einer zentralen Planungsinstanz ist mit dem neoklassischen Ansatz also prinzipiell vereinbar. Im Zentrum der neoklassischen Analyse steht das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage. Sie zeigt auf, wie dieses (Mengen-) Gleichgewicht wettbewerblich, d.h. mit Hilfe eines „Preissystems", erreicht werden kann. Es sind jedoch Fälle denkbar, in denen der reale „Markt" nicht so organisiert ist, wie es zur Herausbildung effizienter Ergebnisse eigentlich erforderlich wäre. In diesen Situationen „versagt" der Markt. Als Gründe für ein solches Marktversagen gelten in der Regel das Vorhandensein unvollkommener Konkurrenz, unzulängliche Information der Wirtschaftssubjekte oder auch das Auftreten sogenannter externer Effekte. Sowohl die Probleme unvollkommener Konkurrenz als auch unzulänglicher Information können jedoch als weitestgehend gelöst betrachtet werden. Schließlich kann zum einen auch im Fall oligopolistischer Parteienkonkurrenz ein stabiles Marktgleichgewicht entstehen (s. Kap. 4.3.). Z u m anderen sind Wähler als politische Konsumenten in der Regel ausreichend informiert, um rationale Wahlentscheidungen entsprechend der neoklassischen Modellannahmen treffen zu können. „It would be foolish to argue that voters are perfectly informed about political markets. However, efficiency does not require perfectly informed voters any more than efficient economic markets require all stockholders to know the intímate workings o f the firms in which they hold stock or all principáis 81

to perfectly monitor their agents" (Wittman 1989: 1400). Als Grundlage einer rationalen Wahlentscheidung genügt nämlich die Kenntnis der eigenen Präferenzen entsprechend des Modells oligopolistischer Parteienkonkurrenz nach Downs (s. Kap. 4.3.). Externe Effekte sind nicht über Preismechanismen transportierte Nutzenveränderungen von Marktteilnehmern. Positive externe Effekte erhöhen den Nutzen von Individuen, ohne daß diese die hierfür anfallenden Kosten tragen müssen. Ein Beispiel für die Bereitstellung eines solchen öffentlichen Guts (vgl. bspw. Samuelson 1954) stellt der Bau einer Straße dar, die auch derjenige benutzen kann, der den Bau dieser Straße nicht mitfinanziert hat. Negative externe Effekte verringern hingegen den Nutzen von Individuen zugunsten eines Nutzenzuwachses anderer, wie das Beispiel der für die Verursacher nutzensteigernden Verschmutzung der Umwelt zeigt, die gleichzeitig den Nutzen anderer verringert, den diese aus einer unverschmutzten Umwelt ziehen. Wenn nun in einem wettbewerblichen Umfeld die tatsächlichen Kosten und Nutzen öffentlicher Güter für alle Marktbeteiligten nicht durch den Marktmechanismus transportiert werden, entsteht entsprechend der neoklassischen Modellvorstellung ein Zustand, der, gemessen an einem wohl nur durch Beobachtung von einem außerhalb des Markts gelegenen Standort feststellbaren optimalen Marktgleichgewicht, ein zu hohes M a ß an negativen externen Effekten und ein zu geringes M a ß an positiven externen Effekten aufweist (vgl. Heap et. al. 1992: 316 f.). Insbesondere auf dem Gebiet der Politik k o m m t dem Problemfeld externer Effekte eine große Bedeutung zu, denn der einzelne Bürger kann sich von der Erduldung und vor allem auch von der Finanzierung bestimmter Leistungen des politischen Systems nicht ausschließen (vgl. bspw. Wohlgemuth 2000: 101 ff. u. 266). Gerade im politischen Bereich ist aber n o c h eine andere Art des „Marktversagens" denkbar. Während externe Effekte ein gemessen an einer optimalen Gütermengenverteilung suboptimales Marktergebnis umschreiben, kann das Marktergebnis als solches jedoch auch von außen als abzulehnen betrachtet werden. In diesem Fall wäre das Ergebnis des marktlichen Wettbewerbs ethisch unerwünscht bzw. aus moralischen Gründen abzulehnen (vgl. Heap et. al. 1992: 239). Ein Beispiel für ein solches ethisches Marktversagen im Bereich der Politik ist unschwer zu finden. Beispielsweise stellt, vom moralischen Standpunkt des Herstellens „sozialer Gleichheit" durch Umverteilung privater Besitztümer aus betrachtet, die demokratische Wahl einer Regierung, welche die persönliche Verantwortung des einzelnen für sein eigenes Wohlergehen in den Vordergrund ihres Programms stellt, einen klaren Fall von Marktversagen dar. Wenn nun entsprechend einer neoklassischen Gleichgewichtsanalyse das Vorliegen von Marktversagen diagnostiziert wird, sei es gemessen an Effizienzkriterien oder an ethischen Gesichtspunkten, bleibt als einzige Lösung nur die nicht-marktliche Korrektur dieses Zustands von außen. Die Empfehlung des Einschreitens durch nicht-marktliche Steuerungsinstanzen steht dabei nicht im Widerspruch zum grundlegenden Paradigma der Neoklassik, daß funktionierende Märkte effiziente Güterverteilungen zum Ergebnis haben, denn Märkte stellen nur eine denkbare Möglichkeit des Erzielens einer solchen effizienten Befriedigung der Konsumentennachfrage dar. S o kann theoretisch auch eine zentrale Pla-

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nungsinstanz den Marktmechanismus ersetzen und ein ebenso effizientes Ergebnis nach sich ziehen. „Die Konkurrenzpreise sind als Schattenpreise das Dual effizienter Mengenverwendung; Planung über Mengen oder über Preise läßt sich als beliebig austauschbare Alternative gleich effizient durchfuhren. Damit ist gerade für den Neoklassiker zentrale Planwirtschaft letztlich gleich effizient wie die effizienteste Marktwirtschaft, die bei reiner Konkurrenz" (Streissler 1980: 46). Externe Steuerung des Markts bis hin zur Aussetzung des Marktmechanismus ist folglich ein durchaus empfehlenswertes Instrument neoklassischer Ordnungspolitik, um entsprechend bestimmter Bewertungsmaßstäbe, sei es Effizienz oder Ethik, wünschenswerte Ergebnisse zu erzielen. Zur Veranschaulichung eines solchen äußeren Eingriffs in den Markt kann das Beispiel einer als Kreisverkehr gelösten Kreuzung von Straßen gelten. In einem solchen ist es für jeden Verkehrsteilnehmer rational, sich in Vorfahrtsfragen so zu verhalten wie die jeweils anderen. Nur so lassen sich Unfälle vermeiden. Uberläßt man die Etablierung von Regeln über die Vorfahrt in Kreisverkehren den Autofahrern selbst, so kann eine Vielzahl möglicher Regeln entstehen. Beispielsweise kann sich die Regel bilden, daß der im Kreisverkehr fließende Verkehr Vorrang hat. J e d o c h ist es genauso möglich, daß wenn sich eine Hauptstraße mit einer Nebenstraße in einem Kreisverkehr kreuzt, dann der Verkehr auf der Hauptstraße Vorrang vor dem von einer Nebenstraße in den Kreisverkehr einbiegenden Verkehrsteilnehmern besitzt. Beide Lösungen sind pareto-optimal und einmal etabliert ist es für jeden Verkehrsteilnehmer rational, sich entsprechend dieser einmal aufgestellten Regel zu verhalten. Im Sinne eines möglichst reibungslos fließenden Verkehrs stellt jedoch die Regel des im Kreisverkehr bevorrechtigten Verkehrs die „bessere" Lösung dar. In einem sich selbst regelnden System etabliert sich eine solche „wirklich" optimale Gleichgewichtslösung jedoch nicht notwendig von selbst. Will man also „Prozeßoptimalität" herstellen, bleibt als einzige Steuerungsmöglichkeit nur der Eingriff von außen und damit das bewußte Setzen dieser Regel. Als in Großbritannien die Idee des Kreisverkehrs Eingang in den Straßenbau fand, entwickelte sich durch die Interaktion der einzelnen Verkehrsteilnehmer spontan diejenige Gleichgewichtslösung, daß Verkehr auf vorrangigen Straßen auch im Kreisverkehr Vorrang hat. Die Etablierung einer effizienteren Lösung konnte nur durch Intervention der damaligen, für Verkehrsfragen zuständigen Behörde erreicht werden (vgl. H e a p et. al. 1992: 184). Märkte gleich welcher Art produzieren jeweils pareto-optimale Gleichgewichtspunkte. Diese unterscheiden sich jedoch in ihrer „Optimalität". Einen höheren Grad an Optimalität zu erreichen, ist nun im Verständnis der neoklassischen Public Choice durch einen externen Eingriff in den Markt möglich, z.B. durch das gezielte Setzen von Anreizstrukturen. Ein ganz anderes Problem wirft die Frage nach dem Maßstab von Optimalität eines politischen Systems auf. Von ihren theoretischen Anlagen her betrachtet kann die Public Choice nämlich keinen eindeutigen Maßstab für Optimalität zur Verfügung stellen. Die Definition von Optimalität ist damit reine Willkür. Im Beispiel des Kreisverkehrs ist der Verkehrsfluß noch ein einsichtiges Bewertungskriterium von Gleichgewichtspunkten. Im politischen Bereich ist ein vielfach diskutiertes Optimalitätskriterium die Herstellung von

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sogenannter „sozialer Gerechtigkeit" bzw. Gleichheit, gleichsam im Sinne eines öffentlichen Guts. Eine entsprechend diesem Leitgedanken organisierte politische Ordnung weist in ihrem Ablauf einige fundamentale Unterschiede z u m anfangs skizzierten Modell oligopolistischer Konkurrenz auf. Jetzt überträgt nämlich das Volk seine Präferenzen auf eine politische Elite, die nicht aus Eigennutz handelt, sondern entsprechend des Leitbilds „sozialer Gerechtigkeit" Politik gestaltet. Diese repräsentiert im Fall des optimalen Funktionierens dieser politischen Ordnung die von allen geteilten, aggregierten Präferenzen der politischen Nachfrager. Dieses Modell stellt damit die Lösung eines kollektiven Entscheidungsproblems dar, während das eingangs dargestellte Politikmodell die Folge individueller Entscheidungen ist. Die Frage nach der „Effizienz" einer solchen, entsprechend eines Kollektiventscheidungsparadigmas (s. Kap. 4.5.) konstruierten politischen Ordnung bezieht sich damit nicht mehr auf das Kriterium, ob sich ein als politisches Kräfteverhältnis vorzustellendes Marktgleichgewicht ergibt, wie im anfangs skizzierten und gemäß einem Individualentscheidungsparadigma konstruierten Modell, sondern danach, o b die Politische Klasse entsprechend dem gewählten Leitbild handelt bzw. o b das Leitbild den aggregierten Präferenzen entspricht. Diese Beurteilung könnte theoretisch auch von einer zentralen Planungsinstanz geleistet werden (vgl. Streit 1995: 17 ff.). Unter Wahrung eines demokratischen Ordnungsrahmens ist es jedoch erforderlich, daß dieses Leitbild „legitim" ist, d.h. den vielen verschiedenen individuellen Präferenzen entspricht. Dies ist entsprechend der neoklassischen Theorie aber nur dann gegeben, wenn sich die individuellen Präferenzen konsistent in eine kollektive Präferenzordnung überfuhren lassen, die wiederum das Leitbild politischen Handels umschreibt. Das Ergebnis einer solchen politischen Ordnung ist also nur dann „effizient", wenn individuelle Präferenzen und kollektive Präferenzordnung übereinstimmen. Aufgrund des Unmöglichkeitstheorems nach Arrow (s. Kap. 4.2.) lassen sich jedoch selbst unter demokratischen Minimalanforderungen individuelle Präferenzen nicht konsistent aggregieren. Eine einheitliche kollektive Präferenzordnung läßt sich vielmehr nur dann finden, wenn eine Person bzw. eine Gruppe von Personen gleicher individueller Präferenzen quasi diktatorisch die kollektive Präferenzordnung festlegt. Dieses Problem läßt sich auch im Downs'schen Modell der Parteienkonkurrenz wiederfinden. Illustriert werden kann dies am Beispiel eines Zweiparteiensystems, in der die Parteien jeweils versuchen, eine politische Position zu erreichen, an der jeweils ein Maximum der individuellen Präferenzen der Wählerschaft abgedeckt wird. An diesem Ort ist die politische Position eines Maximums der Wähler näher an der politischen Position der einen Partei als an derjenigen der jeweils anderen Partei. Bei einer eingipfligen und eindimensionalen Verteilung der individuellen Präferenzen der Wähler nähern sich die politischen Positionen der beiden Parteien einander an. Der Treffpunkt dieser politischen Positionen entspricht dem Median der Präferenzverteilung der Wählerschaft. Diese Position repräsentiert nun genau die politischen Präferenzen eines Wählers bzw. einer G r u p p e von Wählern und infolgedessen entscheidet dieser sogenannte „Medianwähler" über den 84

Wahlausgang bzw. dessen Präferenzen determinieren die entstehende kollektive Präferenzordnung (vgl. Downs 1957: 114 ff.; Black 1948; Black 1958). Der Medianwähler, der in diesem Fall die kollektive Präferenzordnung definiert, ist ein sogenannter Condorcet-Gewinner (vgl. Heap et. al. 1992: 219 ff.). Die Präferenzen dieses Medianwählers schlagen bei paarweisem Vergleich alle anderen Alternativen, sind also (relativ) „mehrheitsfähig". Diesem Medianwähler kommt damit die gleiche Rolle zu wie demjenigen Individuum, das gemäß dem Unmöglichkeitstheorem nach Arrow die Struktur einer kollektiven Präferenzordnung bei Aggregation individueller Präferenzen diktatorisch bestimmen müßte. Entsprechend diesem Theorem ist nämlich keine Aggregation individueller zu kollektiven Präferenzen möglich, die allen gerecht wird. Jedes demokratische Wahlsystem ist deshalb „ungerecht" (vgl. insb. Riker 1982). Auch im Fall des Medianwählerproblems repräsentiert das entstehende Marktgleichgewicht nicht alle individuellen Präferenzen in gleicher Weise, sondern ist nur mit denen des Medianwählers identisch, d.h., ein im Extremfall nur aus einer einzigen Person bestehender Teil der Wählerschaft bestimmt über alle anderen Wähler. Ausgangspunkt dieser Überlegungen war die Frage nach einem Bewertungskriterium für die „Ergebnisse" einer politischen Ordnung, wenn aufgrund externer Effekte von nur suboptimalen Leistungen einer wettbewerblich organisierten Ordnung auszugehen ist. Die mit der neoklassischen Theorie vereinbare Alternative, das Maß der Ubereinstimmung der kollektiven mit den individuellen Präferenzordnungen als Bewertungskriterium aufzufassen, ist jedoch fehlgeschlagen, da entsprechend der Modellannahmen prinzipiell keine eindeutige Lösung der Problems der Präferenzaggregation gefunden werden kann. Auch Mehrheitsentscheidungen stellen keine adäquate Möglichkeit der Präferenzaggregation dar, da in diesem Fall die Präferenzen der Minderheit nicht in die kollektive Präferenzordnung, d.h. das Leitbild der Politik, eingehen. Der scheinbar einzige Ausweg - und damit das Marktmodell von Politik in Anbetracht des Vorhandenseins von Marktversagen zu retten - besteht in einer Veränderung der individuellen Präferenzen, bis diese mit der kollektiven Präferenzordnung übereinstimmen. Wenn jedoch die externe und quasi diktatorische Korrektur der individuellen Präferenzen ethisch unerwünscht ist, bleibt als einzig denkbare Option zur Herstellung einer kollektiven Präferenzordnung nur der Weg der Veränderung der individuellen Präferenzordnungen in Form eines Diskurses, welcher auch im Sinne einer kollektiven Suche nach dem bestmöglichen Kompromiß aufgefaßt werden kann (vgl. dazu Heap et. al. 1992: 213). Dieses Konzept verletzt aber das A x i o m fixierter Präferenzordnungen der rationalen Akteure und kommt damit einer Infragestellung des gesamten neoklassischen Ansatzes gleich. Dies bedeutet, daß in diesem Fall die Gültigkeit der Modellannahmen der Neoklassik nicht mehr gewährleistet ist und deshalb diese Theorie auf diesen Gegenstand nicht mehr angewandt werden dürfte. Aufgrund des Vorhandenseins externer Effekte und damit der Existenz von Marktversagen kann mit Hilfe des neoklassischen Ansatzes nicht aus dem Modell selbst heraus festgestellt werden, o b eine bestehende politische Marktordnung entsprechend der Modellannahmen tatsächlich „effizient" oder vielleicht nur suboptimal ist. Eine sinnvolle 85

Bewertung der Leistungskraft einer politischen Ordnung ist deshalb nur extern möglich, z.B. mit Hilfe von ethischen Maßstäben. Diese müssen, um das demokratische Prinzip zu wahren, ihren Ursprung in den individuellen Präferenzen haben, d.h. hierdurch legitimiert sein. Die Aggregation dieser individuellen Präferenzen zur einer kollektiven Präferenzordnung ist entsprechend der neoklassischen Modellwelt jedoch unmöglich. Damit scheint der einzige Ausweg in der Aufhebung des Marktmechanismus bei gleichzeitiger Errichtung einer zentralen Planungsinstanz für Politik zu bestehen. Schließlich kann gemäß der neoklassischen Modellvorstellung zentrale Planung genauso effizient sein wie eine marktliche Lösung. Möchte man diese Option jedoch aufgrund der Wahrung demokratischer Prinzipien ausschließen, muß das neoklassische Modell so verändert werden, daß trotz des Vorhandenseins externer Effekte eine Bewertung des Modells aus sich selbst heraus möglich ist, d.h. auf die Bewertung anhand externer Kriterien wie z.B. ethischer Prinzipien verzichtet werden kann. Ein Ansatzpunkt zur Modifikation der neoklassischen Gleichgewichtskonzeption ist im Downs'schen Demokratiemodell bereits angelegt. So versucht Downs das Problem zu berücksichtigen, daß die Gewinnung von Informationen, die für die rationalen Handlungen von Akteuren notwendig sind, Kosten verursacht. Auf ähnliche Art und Weise wie sich durch Einfuhrung der Dimension des Abstands der Präferenzen der Konsumenten (Wähler) von den Präferenzen der Anbieter (Parteien bzw. deren Programme) das modelltheoretische Problem unvollständiger Konkurrenz lösen läßt, können durch die Einführung eben der Dimension von Informations- und Transaktionskosten auch externe Effekte in der neoklassischen Gleichgewichtskonzeption berücksichtigt werden.

4.4.2. Transaktionskosten und Institutionen Transaktions- und Informationskosten können als Instrument betrachtet werden, die im neoklassischen Markt- bzw. Preismechanismus in ursprünglicher Ausprägung nicht „effizient" vermittelten Kosten und Nutzen bestimmter Güter dennoch zu berücksichtigen. Auf diese Art und Weise ist es möglich, mit Hilfe des Gleichgewichtsmodells auch trotz des Vorhandenseins externer Effekte sinnvolle Aussagen über die Funktionsweisen von Märkten zu treffen. Letztendlich wird durch Berücksichtigung von Informations- und Transaktionskosten das Maß dieser Kostenarten zum Kriterium, ob ein Marktzustand „effizient" ist oder nicht. Auf politische Ordnungen übertragen bedeutet dies, daß eine solche dann effizient ist, wenn in ihr diese Kosten und damit das Ausmaß potentieller externer Effekte minimal werden (vgl. Wittman 1989: 1402 f.). Eine Fortentwicklung des neoklassischen Modells, von Erich Streissler auch neo-neoklassische bzw. neo-neo-neoklassische Modelle genannt (vgl. Streissler 1980: 40), die genau diese Kostenarten in ihrer Analyse berücksichtigen, stellen sogenannte institutionenökonomische Ansätze dar (vgl. Richter/Furubotn 1996: 2). Der traditionelle neoklassische Ansatz geht davon aus, daß die Koordinierung von Angebot und Nachfrage auf dem Markt weder auf der Angebots- noch auf der Nachfrageseite Kosten verursacht, d.h. alle für eine 86

optimale Allokation von Gütern relevanten Informationen durch den Markt bereitgestellt werden. Ausgangspunkt institutionenökonomischer Ansätze ist hingegen die Auffassung, daß sämtliche Markttransaktionen Kosten verursachen, weil im Markt Informationen nicht permanent und unumschränkt verfügbar sind. Der rationale Akteur handelt damit immer nur auf der Grundlage seines eigenen, begrenzten Wissens (vgl. Richter/Furubotn 1996: 45). Dieses begrenzte Wissen läßt sich nun mit dem Begriff der Transaktionskosten umschreiben, die bei jeglicher Art von Austauschhandlungen auf einem Markt entstehen. Unter Markttransaktion wird dabei nicht nur die konkrete Form z.B. des Erwerbs von Gütern verstanden, sondern vielmehr jegliche Art der Übertragung von Verfügungsrechten über Waren und Leistungen. Anfallende Transaktionskosten bei dieser Übertragung von Rechten resultieren insbesondere aus Informationsdefiziten bzw. -asymmetrien und stellen damit auch ein Maß für das aus unvollständiger Information der Marktteilnehmer erwachsene, jede Wahl der jeweils besten Handlungsalternative beeinflussende Risiko dar. In diesem Zusammenhang unterscheidet man insbesondere zwischen Transaktionskosten, die vor und die nach den eigentlichen Markttransaktionen anfallen. Zu den ersteren (ex-ante-Transaktionskosten) zählen durch die Suche nach Vertragspartnern entstehende Kosten, z.B. durch Werbung, Verhandlungs- und Vereinbarungskosten oder auch Anbahnungskosten, z.B. durch Lieferung oder Bereitstellung der Leistung. Zu der zweiten Kostenart (ex-post-Transaktionskosten) gehören Kontrollkosten, z.B. durch Kontrolle der Bezahlung durch den Abnehmer einer Ware, oder auch Anpassungskosten, die z.B. bei Nachverhandlungen entstehen. Die einzelnen Marktteilnehmer versuchen in ihrem Bestreben, rational zu handeln, diese Kostenarten möglichst gering zu halten. Eine Möglichkeit der Reduktion von Transaktionskosten ist die Schaffung von Institutionen und Organisationen, zu denen beispielsweise Unternehmungen oder auch Rechtssysteme gehören, die in ihrer Gesamtheit gleichsam das institutionelle Arrangement einer Marktordnung umschreiben. In der traditionellen neoklassischen Theorie finden Institutionen so gut wie keine Beachtung. Beispielsweise kann die neoklassische Theorie nicht erklären, warum es Unternehmungen gibt, in denen die Allokation von Gütern qua Anordnung, also hierarchisch, und nicht vermittelt durch einen Preismechanismus geschieht, obwohl der Preismechanismus ja doch für eine effiziente Güterallokation sorgen kann. Die traditionelle neoklassische Theorie kann folglich die Existenz von Institutionen nicht erklären, sondern nur hinnehmen. Im Fall von Unternehmungen betrachtet sie diese beispielsweise als quasi individuellen und rational handelnden, einzelnen Akteur. Ronald H. Coase, auf dessen Überlegungen die Institutionenökonomie zu großen Teilen zurückgeht, erklärte nun genau solche Unternehmungen mit Hilfe von Transaktionskosten. Sämtliche Markttransaktionen und damit auch der Preismechanismus selbst sind nach Coase mit Kosten verbunden. Wenn nun Transaktionen in einem Markt höhere Kosten verursachen als im Fall einer nicht-marktlichen, hierarchischen Güterallokation, so entsteht eine formale Organisation, denn diese kann die Allokation effizienter, d.h. „rationaler" gewährleisten als der Markt. Allerdings fallen auch innerhalb einer Unternehmung Kosten an, die mit der Größe der Organisation ansteigen. Deshalb wird eine Un87

ternehmung nur solange Transaktionen integrieren, d.h. hierarchisch durchfuhren, bis die hierbei anfallenden Kosten die bei Koordination über den marktlichen Preismechanismus entstehenden übersteigen. Diese Kostendifferenz zwischen marktlicher und hierarchischer Koordination definiert gleichzeitig die Grenze zwischen Unternehmung und Markt (vgl. C o a s e 1988b; Williamson 1975; Klein 2000: 464). Durch die Berücksichtigung von Transaktionskosten werden Marktzustände theoretisch beschreibbar, in denen gemäß der traditionellen neoklassischen Theorie ein Marktversagen vorliege, d.h. der Marktmechanismus nicht in der Lage sei, die tatsächlichen Kosten und Nutzen von Gütern zu transportieren. Transaktionskosten repräsentieren jedoch Informationen hierüber und durch rationale Senkung dieser Kostenart ist ein effizientes Marktgleichgewicht gemäß dem neoklassischen Modell theoretisch erreichbar. Hierfür ist jedoch erforderlich, daß solche Kosten auch tatsächlich durch den Markt berücksichtigt werden. So ist z.B. denkbar, daß positive externe Effekte, die bei bestimmten Marktteilnehmern auftreten, mit den hierdurch bei anderen Marktteilnehmern entstehenden negativen externen Effekten gleichsam verrechnet werden. Als fiktives Beispiel hierfür kann eine Marktbeziehung zwischen Farmern und Rinderzüchtern herangezogen werden (vgl. dazu Coase 1988c). Wenn man unterstellt, daß Farmund Weideland benachbart und nicht durch Zäune voneinander getrennt sind, verursachen die weidenden Rinder dem Ackerbauern Schäden durch Zerstörung der Felder. Die Anzahl der weidenden Rinder bestimmt die H ö h e des auf dem Ackerland angerichteten Schadens. Der Bau eines Zaunes zur Verhinderung dieser Schäden verursacht ebenfalls Kosten. Im Fall des Vorhandenseins eines ideal funktionierenden Preissystems, d.h., es fallen keine Kosten für die Marktbenutzung an, entsteht nun ein effizientes Marktgleichgewicht zwischen Farmern und Rinderzüchtern, wenn letztere für den von ihren Rindern verursachten Schaden aufkommen müssen. Diese lassen in diesem Fall ihre Herden nur so groß werden, solange der Nutzen aus einer zusätzlichen Fleischproduktion die aufzuwendenden Kosten für den Ausgleich entstandener Schäden übersteigt. Dieses trotz des Vorhandenseins externer Effekte entstehende, effiziente Marktgleichgewicht entwickelt sich auch dann, wenn die initiale Verteilung der Verfügungsrechte anders gestaltet ist und damit z.B. der Rinderzüchter nicht für die von ihm verursachten negativen externen Effekte haftet. In diesem Fall würde der Farmer, bei stillschweigender Annahme vollständig freier Vertragsverhandlungen in der beschriebenen Marktordnung, den Rinderzüchter dafür entschädigen, seine Herde nicht zu groß werden zu lassen, um das Ausmaß der Schäden zu verringern. Der Farmer wird dabei solange zahlen, solange der Nutzen aus vermiedenen Schäden die Kosten für die Entschädigungszahlungen überwiegt. Egal o b nun die Verantwortung für den Schaden auf Seiten des Rinderzüchters oder des Ackerbauern liegt, es entsteht in diesem Modell immer das gleiche Mengengleichgewicht der Produktion von Getreide und der Größe der Rinderherde. D i e Allokation der Güter ist in beiden Fällen gleich effizient, jedoch sind die Einkünfte der Marktteilnehmer, im obigen Beispiel von Rinderzüchtern und Ackerbauern, je nach unterschiedlicher Anfangsverteilung der Rechte verschieden (vgl. Wegehenkel 1981: 70). In einem Fall entstehen auf Seiten der Rinderzüchter zusätzliche Kosten zur Vermei88

dung von Schäden (in Form von Ausgleichszahlungen), im anderen Fall auf Seiten der Farmer (in Form von Verhinderungszahlungen). Unabhängig von der Anfangsverteilung der Verfiigungsrechte entsteht also, solange der Marktmechanismus selbst keine Kosten verursacht, ein effizientes Marktgleichgewicht, das ja immer auf die Mengenallokation von Gütern bezogen ist. Allerdings muß eine solche Anfangsverteilung gegeben sein, denn anderenfalls sind überhaupt keine Markttransaktionen vorstellbar. „It is necessary to know whether the damaging business is liable or not for damage caused since without the establishment o f this initial delimination o f rights there can be no market transactions to transfer and recombine them. But the ultimate result (which maximizes the value of production) is independent o f the legal position if the pricing system is assumed to work without cost" (Coase 1988c: 104). Dieses sogenannte Coase-Theorem zeigt, daß bei Annahme freier Vertragsgestaltung Marktteilnehmer von selbst und unabhängig von der initialen Verteilung der Verfiigungsrechte ein institutionelles Arrangement zur Berücksichtigung der Kosten externer Effekte entwickeln können (vgl. bspw. Medema/Zerbe 2000; Wegehenkel 1980). Dies impliziert, daß der Marktmechanismus selbst bei der Bereitstellung öffentlicher Güter nicht versagt, denn die Transaktionskosten bei hierarchischer bzw. staatlicher Bereitstellung können größer sein als bei marktlicher Koordination. Deshalb ist die Bereitstellung öffentlicher Güter durch den Staat nicht prinzipiell effizienter als durch den Markt (vgl. Klein 2000: 458). Ein in der Literatur zum Thema vielfach strapaziertes Beispiel für ein solches öffentliches Gut ist ein Leuchtturm. Von den Leistungen eines Leuchtturms, also von Licht, profitiert jedes Schiff, das daran vorbeifährt, unabhängig davon, ob es an dieser Bereitstellung partizipiert hat oder nicht. Also gibt es Nutznießer dieses öffentlichen Guts, die sich nicht an den Kosten für dessen Bereitstellung beteiligen. Für diese entstehen positive externe Effekte. Entsprechend der traditionellen neoklassischen Theorie läßt sich dieses Trittbrettfahrer- bzw. Free-Rider-Problem marktlich nicht lösen - der Markt versagt - und deshalb könnten öffentliche Güter wie ein Leuchtturm auch nur durch nicht-marktliche Institutionen wie den Staat bereitgestellt werden. Das Coase-Theorem besagt demgegenüber, daß dennoch eine marktliche Lösung denkbar ist. In der Tat wurden Leuchttürme über Jahrhunderte hinweg von privaten Investoren betrieben und befanden sich in deren Eigentum (vgl. Coase 1988a: 199 ff. u. 208 ff.). Das gleiche gilt auch fur andere Beispiele öffentlicher Güter wie innerer Sicherheit oder öffentliche Straßen (vgl. bspw. Benson 1994). Öffentliche Güter können entsprechend dem Coase-Theorem also auch durch einen Markt bereitgestellt werden. Gemäß den Modellannahmen gilt dies aber nur bei Abwesenheit von Kosten für den Preismechanismus, d.h. von Transaktionskosten für die Marktbenutzung. Dies ist jedoch auch Coase zufolge eine unrealistische Annahme. „In order to carry out a market transaction it is necessary to discover who it is that one wishes to deal with, to inform people that one wishes to deal and o n what terms, to conduct negotiations leading up to a bargain, to draw up the contract, to undertake the inspection needed to make sure that the terms o f the contract are being observed and so on. These 89

Operations are often extremely costly, sufficiently costly at any rate to prevent many transactions that would be carried out in a world in which the pricing system worked without cost" (Coase 1988c: 114). Bei Berücksichtigung dieser auf Benutzung des Marktmechanismus zielenden Transaktionskosten gilt das erwähnte Coase-Theorem nicht mehr vollständig, d.h., die Verteilung von Verfiigungsrechten besitzt jetzt Einfluß auf die Ergebnisse des Marktmechanismus, ohne jedoch die Koordinierungseffizienz des Markts prinzipiell in Frage zu stellen. Der Marktmechanismus kann deshalb nur im dem Maße „effizient" operieren, wie es das institutionelle Arrangement erlaubt, in das er eingebettet ist.

4.4.3. Effizienzsteigerung und Optimierung Grundgedanke des institutionenökonomischen bzw. Transaktionskostenansatzes ist die Überlegung, daß eine gesellschaftliche Ordnung auch im Sinne verschiedener Institutionen aufgefaßt werden kann, welche unter anderem die einer rationalen Wahl zugrundeliegenden relativen Preise bestimmen, d.h. die Kosten einer Handlungsalternative. Institutionen können formaler Natur sein wie z.B. Verfassungsvorschriften, Gesetze etc. oder informaler Natur wie z.B. ethische Regeln, Normen oder Sitten. Diese Institutionen beeinflussen neben anderen Restriktionen wie z.B. der Knappheit von Gütern und Ressourcen die einer rationalen Wahl zugrundeliegende Anreizstruktur (vgl. Schweinsberg 1998: 9 ff.) und bestimmen damit auch die potentiellen Kosten von Handlungsoptionen. Die Interaktion von Menschen, sei sie wirtschaftlicher wie im Fall der neoklassischen MikroÖkonomie oder politischer Natur wie im Fall der Neuen Politischen Ökonomie, läßt sich als Geben und Nehmen, also als Tausch interpretieren. Ein solcher Tausch basiert immer auf einem Vertrag, sei er explizit geschlossen oder implizit zugrundeliegend. Die Anbahnung, Durchsetzung und Überwachung eines solchen Vertrags ist jedoch für die Vertragsparteien mit sogenannten Transaktionskosten verbunden. Eine rationale Handlungsstrategie besteht nun darin, den Vertrag so zu gestalten, daß der Nettonutzen maximiert wird und damit die Vertragskosten so gering wie möglich gehalten werden. Da die Gestaltungsmöglichkeit solcher Verträge vom jeweiligen institutionellen Rahmen abhängt, besteht eine Möglichkeit der Optimierung von Verträgen in eben der Optimierung der institutionellen Rahmenbedingungen, d.h. in der Minimierung von Transaktionskosten. Transaktionskosten sind damit als aus dem theoretischen Ansatz unmittelbar ableitbares Kriterium der Effizienz von Marktvorgängen und -phänomenen anzusehen. Nachdem das institutionelle Arrangement einen relevanten Einfluß auf die Ergebnisse von Marktvorgängen besitzt und die prinzipielle Koordinationsfähigkeit des Markts als gegeben angesehen werden kann, sind ineffiziente Marktergebnisse primär nicht auf ein Marktversagen, sondern vielmehr auf ein Ordnungsversagen zurückzuführen, d.h. auf eine ineffiziente Gestaltung der institutionellen Rahmenbedingungen wie Werte, Normen oder Gesetze (vgl. Wegehenkel 1981: 149). Mit Hilfe des traditionellen neoklassischen Ansatzes ist eine Bewertung von Marktzuständen nur sehr schwer möglich. Das Kriterium dieser Bewertung ist die an den Zustand 90

optimaler Güterallokation gekoppelte Effizienz von Märkten. Aufgrund des Arrowschen Unmöglichkeitstheorems ist jedoch auf der einen Seite keine konsistente Allokation individueller Präferenzen zu einer kollektiven Präferenzordnung möglich. Eine solche - und damit auch ein effizienter Zustand - ließe sich nur durch nicht-marktlichen, äußeren Eingriff, also quasi diktatorisch erreichen. Auf der anderen Seite ist der Marktmechanismus nicht in der Lage, durch Externalitäten verursachte Kosten und Nutzen adäquat zu transportieren. Mit Hilfe des Transaktionskosten berücksichtigenden, institutionenökonomischen Ansatzes läßt sich jedoch die neoklassische Theorie, durch Erhöhung der Komplexität des Modells, dahingehend modifizieren, daß Marktzustände dennoch eindeutig bewertet werden können. Bewertungskriterium ist in diesem Fall das Maß, in dem die institutionelle Ordnung, in die der Markt eingebettet ist, zur Senkung von Transaktionskosten beiträgt und damit das Erreichen eines effizienten Marktgleichgewichts durch den Preisbildungsprozeß gewährleistet. Mit dem neoklassisch-institutionenökonomischen Ansatz wird also die politökonomische Fragestellung überhaupt erst beantwortbar, wie ein solches institutionelles Arrangement bzw. ein Ordnungsrahmen beschaffen sein muß, um effiziente Marktzustände zu erreichen. Der aus diesem Ansatz ableitbare Lösungsweg ist direkt den Modellannahmen zu entnehmen. Zu diesem Zweck muß nämlich der Ordnungsrahmen so beschaffen sein, daß er die Transaktionskosten minimiert. Dieser Gedanke läßt sich ohne Modifikation auf das Gebiet politischer Märkte übertragen. Sollen politische Märkte effizient funktionieren, so m u ß das sie umgebende institutionelle Arrangement die Transaktionskosten von Demokratie verringern (vgl. Schweinsberg 1998: 11 f.). Als mögliche Institutionen, die solche Transaktionskosten senken, können beispielsweise die Mehrheitsregel bei Entscheidungen oder auch die repräsentativ-demokratische Ausgestaltung des politischen Systems gelten. Erstere senkt die Verhandlungskosten im Vergleich zur Herstellung von Einstimmigkeit und letztere verringert im Vergleich zu direktdemokratischen Systemen die Kosten von Entscheidungen (vgl. Wittman 1989: 1402 f.). Zum institutionellen Arrangement von Marktzuständen gehört auch die Definition der Verfügungsrechte der einzelnen Marktteilnehmer. Entsprechend dem Coase-Theorem ist eine eindeutige Definition dieser Verfugungsrechte Vorbedingung für das effiziente Funktionieren von Märkten. Folglich besteht eine weitere Möglichkeit der Optimierung von politischen Prozessen darin, bei gegebenem institutionellem Rahmen die Ausgestaltung der Verfugungsrechte selbst und damit die vertraglichen Beziehungen der Marktteilnehmer bei der Übertragung solcher Verfugungsrechte zu optimieren. Jede Interaktion rationaler Akteure, also jede Form von Marktbeziehung, läßt sich als Übertragung von Verfugungsrechten interpretieren. Der Erwerb eines Guts kann dabei als der Erwerb des Verfugungsrechts über diese Ressource aufgefaßt werden. Um dieses Kontrollrecht zu erhalten, tauscht der Akteur in einer Marktbeziehung dieses gegen das Verfügungsrecht über eine andere Ressource wie z.B. Geld ein. Die Übertragung solcher Verfugungsrechte muß jedoch nicht zwingend als wechselseitiges Tauschgeschäft ausgerichtet sein. Vielmehr kann die Rechteübertragung auch einseitig geschehen. Einseitig bedeutet in diesem Fall, daß durch die Rechteübertragung keine Gegenleistung desjenigen 91

Akteurs verlangt wird, a u f den diese Rechte übergehen. Entsprechend der Grundannahme nutzenmaximierenden Verhaltens der einzelnen Akteure wird eine solche einseitige Rechteübertragung dann vorgenommen, wenn hierdurch diesem Akteur ein größerer Nutzen entsteht als bei eigener Kontrolle über diese Ressource. Dies bedeutet, daß die einseitige Übertragung von Verfugungsrechten eine Möglichkeit darstellt, Transaktionskosten zu senken. Der rationale Akteur wird sich also dann zu einer solchen einseitigen Rechteübertragung entschließen, wenn der Saldo der Abwägung von Kosten und Nutzen bei einer wechselseitigen Rechteübertragung geringer ausfällt (vgl. Coleman 1991: 4 0 u. 98). Sowohl die zweiseitige als auch die einseitige Übertragung von Verfugungsrechten läßt sich in Beziehung zu politischen Ordnungen setzen, denn solche Rechteübertragungen können Herrschaftssysteme konstituieren. Die Art der Rechteübertragung definiert dabei die Art der entstehenden Herrschaftsstruktur. Beim Tausch von Verfugungsrechten über eine Ressource gegen solche über eine andere können Organisationen wie Unternehmungen entstehen, bei denen beispielsweise das Recht, die eigenen Handlungen zu bestimmen, gegen die Kontrolle über eine andere Ressource, beispielsweise Arbeitsleistung gegen eine Vergütung getauscht wird. Bei einseitiger Rechteübertragung können hingegen Herrschaftsstrukturen entstehen, die weitestgehend politischen Ordnungen, d.h. Staaten, entsprechen (vgl. dazu Maurer 1998: 106 ff.). In diesem Fall überträgt ein Akteur das Verfiigungsrecht z.B. über manche seiner Handlungen ohne explizite Gegenleistung auf einen anderen Akteur, weil er annimmt, daß der andere eher in der Lage ist, in seinem Interesse zu handeln, als er es im Fall der Beibehaltung dieses Verfügungsrechts selbst könnte (vgl. C o l e m a n 1991: 90 ff.). Konkret a u f demokratische politische Systeme bezogen, finden solche einseitigen Kontrollrechtsübertragungen beispielsweise zwischen Wählern und Repräsentanten im Sinne der staatlichen Legislative, also Abgeordneten, sowie zwischen letzterer und der staatlichen Exekutive statt. I m Fall der Vertragsbeziehung zwischen Wählern und Abgeordneten beauftragt der Wähler als Prinzipal den Parlamentarier als Agenten, eine Leistung in seinem Namen auszufuhren, d.h. in seinem Interesse zu handeln. Hierzu überträgt der Prinzipal dem Agenten die nötigen Ressourcen und Kompetenzen z.B. in F o r m demokratischer Legitimation. Diese Rechteübertragung ist einseitig, weil der Wähler anders als beispielsweise im Fall eines Stimmenkaufs durch seine Wählerstimme keine explizite Gegenleistung erwartet. Gleiches gilt für die Vertragsbeziehung zwischen dem Abgeordneten und der staatlichen Exekutive. Ersterer ist jetzt der Prinzipal und letztere der Agent. Die staatliche Exekutive handelt damit im Auftrag der Legislative, d.h. in deren Interesse, und wird von ihr mit den zu diesem Zweck notwendigen Befugnissen ausgestattet. Auch in diesem Fall erwartet die Legislative von der Exekutive keine explizite Gegenleistung für diese Rechteübertragung (vgl. Schweinsberg 1998: 13). D u r c h eine einseitige Übertragung von Verfugungsrechten entsteht immer eine Art von Vertrag. Eine solche Vertragsbeziehung zwischen Prinzipal und Agenten ist jedoch asymmetrisch, da die Tätigkeit des Agenten einerseits nicht vom Prinzipal unmittelbar überwacht werden kann und andererseits der Agent Informationen sammeln kann, die dem Prinzipal nicht zugänglich sind. Ferner ist es für den Prinzipal aufgrund der bei 92

Überwachung von Verträgen anfallenden Transaktionskosten auch nicht rational, die Handlungen des Agenten unmittelbar zu überwachen oder zu disziplinieren. Transaktionskosten sind darüber hinaus die Ursache, daß solche Verträge wie z.B. zwischen Wählern und Repräsentanten unvollständig ausgestaltet sind, d.h., es werden nicht alle nur denkbaren Auswirkungen des Vertragsverhältnisses in einem Vertrag berücksichtigt (vgl. Schweinsberg 1998: 13 f.; Richter/Furubotn 1996: 163). A u f einseitigen Kontrollrechtsübertragungen basierende Vertragsbeziehungen zwischen einem Prinzipal und einem Agenten gründen sich immer auf Vertrauen. Es besteht also grundsätzlich das Risiko der Nichterfüllung dieses Vertrags und dieses Risiko läßt sich in Form von Transaktionskosten ausdrücken. Die Verringerung dieser Transaktionskosten läßt sich als Optimierung dieses Vertragsverhältnisses interpretieren. Eine solche, an der Vertragsgestaltung ansetzende Optimierung politischer Zustände besteht beispielsweise im Aufbau von Institutionen der Kontrolle des Agenten durch den Prinzipal. Solche, die Transaktionskosten demokratischer politischer Systeme verringernden Institutionen können beispielsweise in der Möglichkeit der Abwahl der Repräsentanten durch ihre Wähler bestehen, sollten erstere nicht im Interesse letzterer Handeln. Diese Kontrollrechte können entweder in Form zyklischer Wahlen ausgeübt werden, wie es in repräsentativen Demokratien eigentlich üblich ist, oder auch in Form von direkten Volksrechten zur Abwahl von Politikern, die ihre Verträge als Agent der Wähler nicht erfüllen (vgl. bspw. Schweinsberg 1998: 310 ff.; Wohlgemuth 2000: 244 ff.). Durch eine solche Art der „Optimierung" politischer Systeme handelt es sich letztendlich u m den Versuch, Verfügungsrechte eindeutiger zu fixieren und damit Transaktionskosten zu senken. Zusammengefaßt stellt der Ansatz der Transaktionskostenökonomie, interpretiert als Erweiterung der traditionellen neoklassischen Ö k o n o m i e nach Walras, Hotelling, Arrow und Downs durch Coase, Oliver E. Williamson und James S. Coleman, ein geeignetes Instrument dar, politische Marktzustände zu bewerten und allein aus diesem theoretischen Ansatz heraus Empfehlungen für eine „effiziente" Gestaltung des den politischen Markt umgebenden institutionellen Arrangements zu geben. Dieser Ansatz ist ferner geeignet, einerseits die Schwächen der traditionellen Neoklassik bei der Berücksichtigung externer Effekte sowie andererseits der Herstellung von Marktgleichgewichten unter demokratischen Bedingungen, d.h. der Unmöglichkeit der Herstellung einer konsistenten kollektiven Präferenzordnung, zu umgehen (vgl. Heinemann 1999: 60; Richter/Furubotn 1996). Der Ansatzpunkt des Aufbaus einer effizienten politischen Ordnung besteht in diesem Fall in der Gestaltung des institutionellen Arrangements, in dem der politische Markt sich befindet, u m damit anfallende Transaktionskosten zu minimieren. Zu diesem institutionellen Rahmen gehören sowohl ex-ante-Transaktionskosten senkende Institutionen wie Normen, Werte, politische „Institutionen" (z.B. Parteien oder Parlamente) oder auch Wahlverfahren als auch ex-post-Transaktionskosten senkende Institutionen wie z.B. Kontrollrechte der Wähler über die Handlungen ihrer Repräsentanten. Wenn das institutionelle Arrangement nun dazu beiträgt, die Transaktionskosten auf politischen Märkten zu senken, produzieren politische Systeme wie z.B. Demokratien effiziente Ergebnisse, d.h., die Markttransaktionen der politischen Akteure münden in ein 93

effizientes Marktgleichgewicht (vgl. Wittman 1989; Wittman 1995). Umgekehrt bedeutet dies, daß effiziente Marktgleichgewichte dann erreicht werden können, wenn das institutionelle Arrangement transaktionskostensenkend gestaltet ist. Jedoch wirft auch jede Änderung dieses Arrangements Transaktionskosten auf. Diese Kosten müssen aber bei der Gestaltung des Ordnungsrahmens von Politik berücksichtigt werden. „But in choosing between social arrangements within the context of which individual decisions are made, we have to bear in mind that a change in the existing system which lead to an improvement in some decisions may well lead to a worsening of others. Furthermore we have take into account the costs involved in Operation the various social arrangements (...) as well the costs involved in moving to a new system. In devising and choosing between social arrangements we should have regard for the total effect" (Coase 1988c: 155 f.). Insofern ist jede Gestaltung von Ordnungsrahmen selbst der Ökonomie des Transaktionskostenansatzes unterworfen.

4.5. Schwerpunkte einer neoklassischen Politischen Ökonomie Das neoklassische Erklärungsmodell von Politik folgt den Grundannahmen eines rational handelnden Individuums entsprechend der Rational Choice, der Theorie der rationalen Wahl. Ordnungen, zu denen auch politische Ordnungen zählen, entstehen durch das Interagieren verschiedener rationaler Akteure. Genauer formuliert besteht die Ursache fiir das Entstehen von politischen Ordnungen in einer einseitigen Übertragung von individuell behaupteten Verfugungsrechten auf einen „kollektiven" Akteur, wodurch eine Art Gesellschaftsvertrag zustande kommt (vgl. Coleman 1991: 67). Mit Hilfe des institutionenökonomisch erweiterten neoklassischen Ansatzes, so wie er oben skizziert wurde, läßt sich also die Existenz von politischen Ordnungen begründen, d.h., warum sie entstehen und wie sie funktionieren. Um Entstehen und Funktionsweise von politischen Ordnungen zu verdeutlichen, eignet sich der Rückgriff auf die Sozialtheorie von Thomas Hobbes (vgl. insb. Hobbes 1989). Im Hobbesschen Verständnis handelt der Mensch aus seinem Selbsterhaltungstrieb heraus feindselig gegenüber seinen Mitmenschen und damit in der Furcht, sein Leben und/oder sein Hab und Gut zu verlieren. In dieser Hinsicht gleicht der Mensch einem Tier. Diese Handlungsorientierung begründet für Hobbes einen bestimmten gesellschaftlichen Naturzustand, in dem jeder gegen jeden kämpft. Der Mensch strebt weder einem höheren Ziel entgegen, noch findet er im Politischen seine Erfüllung. Gesellschaftliche Ordnung entsteht nur dadurch, daß sich die Menschen rein aus ihrem Selbsterhaltungstrieb heraus zusammenschließen und dem Staat quasi im Sinne eines Herrschaftsvertrags die Aufrechterhaltung der Ordnung übertragen, damit dieser den Menschen vor seinesgleichen schützt. Dieser Zusammenschluß ist gedanklich ein rationaler Vorgang. Die Subjekte schließen einen Vertrag, weil sie sich davon einen Nutzen versprechen. Ist diese Nutzenkalkulation nicht mehr aufrechtzuerhalten, wird also der Vertrag gebrochen, stellt sich wieder der Naturzustand des Kriegs aller gegen alle her. 94

Der Hobbessche Naturzustand gleicht in gewissem Sinne der Vorstellung eigennützig rational handelnder Individuen. Der Krieg aller gegen alle ist in diesem Fall das Resultat jeweils nutzenmaximierender Strategien der einzelnen Akteure. Veranschaulichen läßt sich dies im Rahmen der modernen Spieltheorie unter Zuhilfenahme des sogenannten Gefangenendilemmas. D o r t stehen zwei Angeklagte (A und B) vor Gericht, die jeweils eine Reihe von Verbrechen gemeinschaftlich begangen haben. Aufgrund der Beweislage können beide Angeklagte ohne ein Geständnis nur zu einer relativ geringen Haftstrafe von vielleicht zwei Jahren verurteilt werden. Der Staatsanwalt in diesem Beispiel versucht deshalb jeweils einen Angeklagten zu überreden, gegen Zusicherung von Straffreiheit auszusagen. In diesem Fall geht der Geständige straffrei aus, während der andere, Nicht-Geständige, zur Höchststrafe für die begangenen Verbrechen von zwölf Jahren verurteilt wird. Gehen beide auf das Angebot des Staatsanwalts ein, liegen jeweils Beweise gegen den anderen vor, so daß die Kronzeugenregelung nicht mehr greift, und beide erhalten eine Strafe von jeweils zehn Jahren. Von einem äußeren Standpunkt aus betrachtet, besteht die optimale Lösung dieses Gefangenendilemmas darin, daß beide miteinander kooperieren, schweigen und deshalb jeder mit einer geringen Strafe von jeweils zwei Jahren Gefängnis bestraft wird. Dies ist der Punkt des maximalen Nutzens für beide Gefangene zusammenbetrachtet, d.h., die Summe der Haftstrafen erreicht ein absolutes Minimum. Nachdem jedoch v o m Standpunkt jedes einzelnen Angeklagten aus gesehen, also bei Berücksichtigung seiner Unsicherheit über die Entscheidung des anderen, keiner weiß, wie der jeweils andere handeln wird, Kooperation damit ausgeschlossen und faktisch unmöglich ist, bleibt jedem einzelnen nichts anderes übrig, als die unter diesen Bedingungen optimale Lösung des Dilemmas im Sinne der Maximierung seines eigenen Nutzens anzuwenden, d.h., an sich und nur an sich zu denken und damit letztendlich zu gestehen. Gesteht der Gefangene A, so erhält er bei Schweigen des Gefangenen B Straffreiheit und bei dessen Aussage zehn Jahre Haft. Bei Aussageverweigerung von A sieht die Rechnung jedoch anders aus. Jetzt erhält der Gefangene A zwei Jahre bei Schweigen von B und zwölf Jahre bei dessen Geständnis. In jedem denkbaren Fall profitiert A von seinem Geständnis. Für B gilt das Gleiche. Es ist also für jeden einzelnen der beiden Gefangenen rational zu gestehen, und damit strebt das Dilemma dem Gleichgewichtspunkt zu, an dem beide Gefangene jeweils zehn Jahre Haft erhalten. Die rationalen Strategien nicht miteinander kooperierender Akteure führen folglich zu einer Ordnung, die nicht optimal ist. Man könnte diese auch als anarchische Ordnung bezeichnen. Gleichwohl repräsentiert diese Ordnung als Lösung des nicht-kooperativen Gefangenendilemmas einen optimalen Gleichgewichtszustand, der durchaus im Sinne des Hobbesschen Naturzustands interpretiert werden kann (vgl. Heap et. al. 1992: 203). Jeder handelt eigennützig für sich und gegen die jeweils anderen. Der Hobbessche Gesellschaftsvertrag gründet sich gegenüber dem Naturzustand auf bindende Vereinbarungen, nämlich auf einen Vertrag. Uberträgt man diesen Gedanken auf spieltheoretische Überlegungen, so sollten diese die Möglichkeit zur geplanten Interaktion, d.h. zur Verständigung unter den Spielern, enthalten (vgl. Luce/Raiffa 1957: 89).

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Diese Veränderung der Rahmenbedingungen läßt jeden einzelnen Spieler diejenige Strategie rational wählen, also u m den eigenen Nutzen zu maximieren, sich kooperativ zu verhalten und, u m im Beispiel des Gefangenendilemmas zu bleiben, zu schweigen und damit jeweils die Strafe von zwei Jahren Gefängnis als Option zu wählen (vgl. Heap et. al. 1992: 205). Diese Lösung entspricht dem maximalen in diesem Spiel zu erzielenden Ergebnis für die „Gemeinschaft" der miteinander kooperierenden Gefangenen. Zusammengerechnet erhalten in diesem Fall beide Gefangene vier Jahre Haft. Schweigt der eine und gesteht der andere, beträgt die Summe jeweils zwölf Jahre und gestehen beide sogar zwanzig Jahre. Letzteres ist der Gleichgewichtspunkt des Dilemmas bei Nichtkooperation der Akteure. Das Entstehen gesellschaftlicher Ordnung ist im Verständnis der Spieltheorie die Folge der Anwendung rationaler Strategien durch eigennützig handelnde Akteure. In Analogie zur Vorstellung A d a m Smiths über das Wirken der Marktkräfte entsteht aus den eigennützigen Handlungen der einzelnen, individuellen Akteure, nämlich sich selbst zu schützen, gleichsam durch die „unsichtbare H a n d " des Markts vermittelt eine unbeabsichtigte Nebenwirkung. Diese besteht im Aufbau einer Institution, d.h. einer Ordnung, von der alle Marktteilnehmer profitieren. Es entsteht also ein im Interesse aller liegender, quasi optimaler Marktzustand (vgl. Heinemann 1999: 16 f.). Die Erklärung des Entstehens von Ordnung als Resultat rationalen Handelns kann letztendlich auch als Maß für die prinzipielle Validität der Übertragung eigentlich mikroökonomischer Modellannahmen der neoklassischen Public Choice auf die Sphäre des Politischen gelten. Jedenfalls läßt sich mit Hilfe dieser Modellannahmen erklären, warum eine „erträgliche" gesellschaftliche Ordnung möglich ist, obwohl Politiker nicht von der Sorge u m das Gemeinwohl, sondern vom Streben nach persönlichen Vorteilen wie z.B. dem Verbleiben im Amt, dem politischen Aufstieg etc. angetrieben werden (vgl. Schweinsberg 1998: 7 f.). Entsprechend der Modellvorstellung des skizzierten neoklassischen Ansatzes in seiner institutionenökonomischen Erweiterung sind solche Ordnungen immer (pareto-) optimal und damit effizient, denn die den Ordnungsrahmen bildenden Institutionen wirken senkend auf das Effizienzkriterium der Transaktionskosten. Zwar könnte eine weitere Senkung von Transaktionskosten entsprechend des neoklassisch-institutionenökonomischen Ansatzes zu einer weiteren Effizienzsteigerung beitragen, jedoch ist eine solche Evolution nur möglich, wenn die durch den Systemwandel bedingten Kosten den Aufwand lohnen. Deshalb kann dieser Ansatz zwar politische Ordnungen erklären und Maßstäbe zur „optimalen" Gestaltung des Ordnungsrahmens definieren, Ausgangspunkt der Analyse ist jedoch grundsätzlich ein stabiler Gleichgewichtszustand der politischen Ordnung, der letztendlich nur durch Einflüsse von außen in der Lage ist, sich zu verändern. In diesem Fall strebt er wiederum einem, den äußeren Umständen entsprechenden, neuen Gleichgewichtspunkt entgegen, der effizienter sein kann als der alte, jedoch durchaus auch weniger effizient. Die Vorstellung des Gleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage ist wohl das zentrale Element eines jeden neoklassischen Ansatzes. „In any case, the neoclassical econo96

mists have converted the model o f equilibrium into the focal point o f their research. In this model, they assume that all information is 'given' (either in certain or probabilistic terms) and that the different variables are perfectly adjusted" (Huerta de Soto 1998: 83). Dieses Gleichgewicht entsteht durch Ausgleich der Interessen individueller Akteure auf einem Markt bei als gegeben angesehenen Ausgangsbedingungen, wozu individuelle Präferenzen und Informationen über Präferenzen ebenso gehören wie der Ordnungsrahmen des Markts (vgl. Heinemann 1999: 137). Eine zentrale Rolle in diesem Modell besitzt der „Konsument" im Rahmen der „Verteilung" von Gütern und Leistungen, denn letztendlich entscheiden die vielen einzelnen Nachfrager durch ihre individuelle Wahl verschiedener Güterbündel über die sich durch den Marktmechanismus einstellende, effiziente Allokation dieser Güter. Die neoklassische Public Choice stellt damit eine nachfragedominierte Theorie dar. Gleichzeitig berücksichtigt sie nicht in ausreichendem Maße die Angebotsseite, vernachlässigt also die Art der Bereitstellung von Gütern und Leistungen (vgl. dazu insb. Streissler 1980: 39). Aus diesen Gründen sind aus der neoklassischen Theorie ableitbare Empfehlungen zur „Optimierung" von Märkten immer darauf gerichtet, eine aus Konsumentensicht möglichst effiziente Allokation von Gütern, d.h. deren Verteilung, zu erzielen, z.B. durch Gestaltung von Institutionen mit dem Ziel der Senkung von Transaktionskosten. Eine direkte Folge der starken Nachfrageausrichtung neoklassischer Theorie ist die Annahme, daß Güter und Leistungen bereits vorhanden sind und damit als feste Größen in den Marktmechanismus eingehen. A u f welche Art und Weise dieses Angebot von Gütern und Leistungen - auf politischem Gebiet ist dabei insbesondere an Konzepte und Ideen zur Lösung von Problemen bzw. politischen Sachfragen zu denken - zustande kommt bzw. wie diese Güter entstehen, vermag die neoklassische Theorie nicht zu beantworten. Die Daten des neoklassischen Modells, d.h. die im Rahmen der Gleichgewichtsanalyse berücksichtigten Variablen, sind gegebene Techniken und gegebene Präferenzen der Konsumenten. Innovationen haben in diesem Modell keinen Platz. Innovationen implizieren, aus zukünftigen Preiskonstellationen Gewinne zu erzielen. Solche Spekulationen stören aber das neoklassische Gleichgewicht, weil diese Informationen den gegenwärtigen Ausgleich von Angebot und Nachfrage aufgrund der gegenwärtigen Verteilung von Präferenzen verzerren. Überhaupt sind Innovationen im wahrsten Sinne des Wortes, nämlich Neues zu erschaffen, überhaupt nur dann gewinnversprechend und damit rational, wenn man annimmt, daß sich Präferenzen bzw. Präferenzordnungen verändern. Individuelle Präferenzordnungen sind nämlich immer nur auf die Nachfrage nach bereits bestehenden Gütern bezogen. Neu geschaffene bzw. neu zu schaffende Güter, also Innovationen, müssen jedoch von „künftigen" Präferenzordnungen berücksichtigt werden, die sich folglich von den „alten" unterscheiden. Die Stabilität von Präferenzordnungen ist aber eine zentrale Annahme des neoklassischen Theoriegebäudes. Deshalb kann „Zukünftiges" und damit Innovation im neoklassischen Modell grundsätzlich nicht erfaßt werden. Deshalb kann dort innovatives Verhalten auf der Anbieterseite auch keine Beachtung finden. Will nämlich dieser Ansatz innovatives Verhalten rationaler Akteure berücksichtigen, müssen - um die Gültigkeit der 97

Modellannahmen nicht zu gefährden - Informationen über künftige Ereignisse selbst als Güter aufgefaßt werden. Gleichzeitig müssen zu einem jetzigen Zeitpunkt die Grenznutzen dieser Informationen über Zukünftiges bereits bekannt sein. Eine solche ex-anteKosten-Nutzenabschätzung kann jedoch immer nur spekulativ sein und deswegen auch nicht rational entsprechend der Modellannahmen durchgeführt werden. Infolgedessen ist auf Grundlage des neoklassischen Modells, stark zusammengefaßt, auch keine Theorie der Innovation möglich (vgl. bspw. Wohlgemuth 2000: 24). Deshalb ist der neoklassische Ansatz nur dazu geeignet, bestehende Zustände zu analysieren, die zu diesem Zweck als statisch und damit als quasi unveränderbar angesehen werden. „Die typische Statik zentraler neoklassischer Erklärungsansätze fuhrt überhaupt zum Stabilitätsfetischismus des Neoklassikers, der sich in der Spekulationsskepsis nur besonders deutlich manifestiert oder andrerseits in der Spekulationsblindheit (...). Die falsche Stabilitätshoffhung des Neoklassikers und sein hilfloses Erstauen angesichts zeitbezogener Prozesse belegt schlagend die Investitionstheorie - oder vielleicht besser das Fehlen einer solchen" (Streissler 1980: 49). Die Dimension zeitbezogenen Handelns unter der Prämisse, über Zukünftiges weder gesichertes noch probabilistisches Wissen im Sinne zu erwartender Nutzen zu verfugen, wird im neoklassischen Ansatz nicht berücksichtigt. Er stellt eine auf gegebene Zustände bezogene Entscheidungstheorie individueller Akteure dar. Diese Akteure handeln gleichzeitig und auf aggregierter Ebene entsteht als Folge dieser Handlungen ein Marktzustand. Individuelle Entscheidungen bilden die Grundlage des neoklassischen Modells. Im Zentrum der neoklassischen Analyse stehen jedoch aus diesen individuellen Handlungen entstandene aggregierte Größen wie beispielsweise marktliche Gleich- oder Ungleichgewichte. Durch diesen analytischen Fokus auf Aggregate spielt die Betrachtung individueller Handlungen nur noch eine untergeordnete Rolle. Insofern werden auch die mikroökonomischen, d.h. auf individueller Ebene liegenden Beweggründe dieser Aggregation vernachlässigt (vgl. Huerta de Soto 1998: 96). Das neoklassische Modell unterstellt also grundsätzlich, daß durch die Aggregation individueller Präferenzen ein marktlicher Gleichgewichtszustand entsteht, die Art und Weise dieser Aggregation wird jedoch nur unzureichend erklärt. So ist das Entstehen von Gleichgewichtspreisen auf einem Markt aus neoklassischer Sichtweise nur dann denkbar, wenn in die Preisbildung die Entscheidungen aller Marktteilnehmer simultan eingehen. Der Preismechanismus operiert entsprechend dieses Modells also zeitlos, d.h. mit quasi unendlicher Reaktionsgeschwindigkeit (vgl. Streissler 1980: 52 f.). Die gleichzeitige Entscheidung der individuellen Akteure stellt in ihrem Ergebnis eine kollektive Entscheidung dar. Streng genommen handelt es sich beim neoklassischen Preisbildungsmechanismus damit nicht mehr um das Ergebnis der Handlungen einzelner Akteure, sondern u m die Festlegung des Kollektivs aller Marktteilnehmer auf einen gemeinsamen Preis. Dies bedeutet, daß das explizite Individualentscheidungsparadigma der neoklassischen Theorie, d.h. der in individuellen Handlungen liegende Ausgangspunkt, durch ein implizites Kollektiventscheidungsparadigma, d.h. die Einigung des Kollektivs auf eine gemeinsame Entscheidung, ersetzt wird (vgl. insb. Seidl 1980: 390 f.). Dieser 98

Wechsel des Entscheidungsparadigmas läßt sich beispielsweise auch daran erkennen, daß selbst in der Beschreibung des Preisbildungsprozesses nach Walras zur Festlegung der kollektiven Entscheidung ein externer Entscheider benötigt wird. In diesem Fall ist dies der den Marktpreis eines Guts bestimmende Walras'sche Auktionator. Kollektiventscheidungen in Form der Aggregation individueller Präferenzen zu einer konsistenten, alle individuellen Präferenzordnungen abbildenden, kollektiven Präferenzordnung sind im neoklassischen Modell aufgrund des Arrowschen Unmöglichkeitstheorems jedoch nicht durchfuhrbar. Dieses Theorem gilt aber nur bei Vorliegen ordinaler individueller Präferenzordnungen. Im Fall kardinaler Nutzenfunktionen und damit bei Annahme der interpersonalen Vergleichbarkeit von Präferenzen ist eine konsistente Kollektiventscheidung jedoch durchaus vorstellbar. Zu diesem Zweck müssen die ordinalen Präferenzordnungen der einzelnen Akteure in eine kardinale Nutzenfunktion transformiert werden. Aufbauend auf den neoklassischen Modellannahmen lassen sich Märkte dahingehend interpretieren, daß diese eine solche Transformation leisten, d.h., die dem Gleichgewichtssystem zugrundeliegenden Nachfrage- und Angebotsfunktionen können als interpersonal vergleichbare Reaktionen der Akteure auf die durch den Markt bereitgestellten Preisinformationen aufgefaßt werden (vgl. Seidl 1980: 420 u. 428). Ausgehend von einer ordinalen Präferenzordnung sind unendlich viele Kardinalisierungen durch den Markt denkbar. Diese können als Gleichgewichtspunkte aufgefaßt werden. Der Markt entscheidet sich entsprechend der ihn umgebenden Rahmenbedingungen jedoch nur für eine bestimmte Transformation „ordinaler" Nutzen und damit für einen bestimmten Gleichgewichtszustand. Andere Marktzustände hingegen können durchaus eine effizientere Güterallokation zur Folge haben, z.B. bei einem Transaktionskosten minimierenden Ordnungsrahmen. Die Entscheidung für eine bestimmte Transformation von individuellen in kollektive Präferenzen ist entsprechend der neoklassischen Modellannahmen nur durch eine Kollektiventscheidung möglich (vgl. Seidl 1980: 428 f.). Diese Entscheidung kann über den Markt geschehen, in Form einer spezifischen Transformation individueller Präferenzen, die marktliche Lösung ist jedoch nicht zwingend. Insbesondere Entscheidungen zur Veränderung beispielsweise des Ordnungsrahmens können nämlich auch nicht-marktlich getroffen werden, wenn der Markt selbst sich gleichsam in der Annahme ihrer „Optimalität" für die bestehende Ordnung entschieden hat. In letzter Konsequenz können Veränderungen hin zu vielleicht effizienteren und optimaleren Zuständen der Güterallokation daher auch nur durch externe Eingriffe bzw. durch einen externen Entscheider - vielleicht in Art eines mit weitreichenderen Kompetenzen ausgestatteten Walras'schen Auktionators - erreicht werden. Ein Teil der neoklassischen ökonomischen Theorie sieht durchaus die Gefahren einer solchen Konzeption für die Handlungsfreiheit der einzelnen und versucht diesen externen Entscheider auf die „ethisch neutrale" Rolle zu beschränken, zu entdecken, was die Menschen wollen, und lediglich den Ordnungsrahmen menschlichen Handelns dementsprechend zu gestalten (vgl. bspw. Buchanan 1959). Ein anderer Teil betont hingegen die prinzipielle Überlegenheit dieses externen Entscheiders gegenüber dem einzelnen Indi99

viduum und gewährt ihm deshalb auch umfangreiche Kompetenzen, über die optimale Allokation von Gütern zu entscheiden. Insofern ist es nicht verwunderlich, daß manche Anhänger der neoklassischen Gleichgewichtskonzeption die These verfechten, Zentralverwaltungswirtschaften bzw. Planwirtschaften seien aufgrund der hierarchischen Festlegung von Preisen und damit von Gleichgewichtspunkten effizienter als Märkte (vgl. dazu insb. Streissler 1980: 55). Letztendlich sind für neoklassische Ansätze Marktzustände statisch und zeitlos. Sie zeichnen sich durch einen gewissen Grad von Effizienz hinsichtlich der Versorgung der Konsumenten mit bestehenden Gütern und Leistungen aus. Eine Effizienzsteigerung, z.B. in Form der Senkung von Transaktionskosten, ist nur durch eine von außen herbeigeführte kollektive Entscheidung möglich. Deshalb ist der Markt aus neoklassischer Sichtweise nicht dazu geeignet, den ihn umgebenden institutionellen Ordnungsrahmen quasi evolutorisch aus sich selbst heraus zu verändern. Die Evolution von Ordnungen ist im neoklassischen Modell nicht vorgesehen. Begreift man Politik hingegen als kreative und innovative Lösung von Sachfragen und nicht als Verwaltung des Bestehenden in Form einer möglichst effizienten Verteilung politischer Güter und Leistungen, so kann aus dem neoklassischen Ansatz nicht geschlossen werden, in welcher Form einer politischen Ordnung neue politische Ideen, z.B. zur Lösung politischer Sachfragen, überhaupt entstehen können, d.h., welche politische Ordnung ein innovationsfreundliches Klima erzeugen kann und welche Innovationen hemmt. Die Neoklassik stellt zweifellos einen geeigneten Ansatz zur Verminderung von „Reibungsverlusten" politischer Zustände dar. In diesem Sinne sind aus diesem Modell ableitbare politökonomische Empfehlungen im wesentlichen auf die Senkung von Transaktionskosten mit dem Ziel der Herstellung eines möglichst effizienten, gegenwärtigen Zustands gerichtet. Aussagen, in welchem Maße eine politische Ordnung in der Lage ist, auf künftige Ereignisse durch die Entwicklung adäquater Lösungsmöglichkeiten zu reagieren, sind aufgrund der statischen Analyse einerseits und der Nachfragedominanz andererseits nicht möglich. Eine Analyse der Innovationsfähigkeit politischer Ordnungen ist jedoch durchaus vorstellbar. Zu diesem Zweck muß aber vom neoklassischen Modell mit der dort dominierenden Gleichgewichtskonzeption Abschied genommen werden. An dessen Stelle m u ß eine Theorie dynamischer Ungleichgewichte treten, in der Suchprozesse eine zentrale Rolle spielen, die wiederum konsequent auf individuelle Handlungen zurückgeführt werden (vgl. Seidl 1980: 430). Mit Hilfe eines solchen marktprozeßtheoretischen Ansatzes gelingt nicht nur die Berücksichtigung der zeitlichen Komponente in Marktprozessen, sondern auch der Bedeutung von Anbietern von Gütern und Leistungen für die Fähigkeit von Marktordnungen zur Innovation und damit zur Evolution.

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5. Die Perspektive der Österreichischen Schule: Politische Marktprozesse Neben der Denktradition der neoklassischen ökonomischen Theorie entstand im Rahmen der sogenannten „marginalistischen Revolution" die Osterreichische Schule der Nationalökonomie als weitere bedeutende Ausprägung der Grenznutzenökonomie (s. Kap. 3.2.2.). In der Tradition der Osterreichischen Schule stehende Ansätze werden hier auch als Marktprozeßtheorien bezeichnet, weil in ihrem analytischen Fokus im Gegensatz zu neoklassischen Modellen nicht „statische" Marktgleichgewichte, sondern vielmehr Marktprozesse stehen. Die neoklassische Variante der Grenznutzenschule betont die „marginalistischen" Komponenten des Grenznutzengedankens, d.h., sie versucht eine Antwort auf die Frage zu geben, wie eine Allokation knapper Güter erreicht werden kann, damit sie den Nutzen aller Konsumenten maximal befriedigt. Die Osterreichische Schule geht demgegenüber in ihrer Analyse stärker von den „subjektiven" Bestandteilen des Grenznutzengedankens aus und entwickelte eine Konzeption dynamischer Märkte, in der optimale Güterallokationen aufgrund deren beständiger Veränderung nur eine untergeordnete Rolle spielen (vgl. Streissler 1972). Dieser Ansatz fokussiert also weitaus stärker als die Neoklassik die rein subjektive Wahrnehmung der Welt durch die im marktlichen Umfeld handelnden Akteure. „Radical subjectivism has been, in short, the distinctive method of the Austrian economists" (White 1977: 1). Die ökonomische Theorie insgesamt wird heute vor allem von neoklassischen Ansätzen dominiert. In Folge der vielfältigen Probleme der neoklassischen Theorie, adäquate Aussagen über die zahlreichen, insbesondere wirtschaftlichen Probleme unserer Zeit zu treffen, kam es jedoch zu einer Wiederentdeckung und damit zu einer Befruchtung ökonomischer Theorie im allgemeinen durch den Osterreichischen Ansatz (vgl. insb. Huerta de Soto 1998: 97 ff. u. 105 ff.; Lewin 2001: 242 ff.; Boettke 1998). Die Anwendung marktprozeßtheoretischen Denkens auf den Gegenstand der Politik resultiert in einer ganz bestimmten Schwerpunktsetzung hieraus folgerbarer Ordnungspolitik. Ausgehend von den methodischen Grundlagen des Osterreichischen Ansatzes (s. Kap. 5.1.), der spezifischen Konzeption der Interaktion von Akteuren und den hieraus ableitbaren Folgerungen für das Entstehen sozialer Phänomene (s. Kap. 5.2.) läßt sich nun ein sich in seinen Konsequenzen deutlich vom neoklassischen Pendant unterscheidendes Modell politischer Marktprozesse entwerfen (s. Kap. 5.3.). Eine marktprozeßtheoretische Politische Ökonomie wird nämlich insbesondere auf die Frage zielen, welche institutionellen Hemmnisse der evolutorischen Weiterentwicklung von politischen Ordnungen entgegenstehen, d.h., ihre Fähigkeit beeinträchtigen, auf künftige, unvorhersehbare Problemlagen durch Entwicklung adäquater Lösungsmöglichkeiten zu reagieren.

5.1. Grundlagen marktprozeBtheoretischer Ansätze In der Tradition der Osterreichischen Schule stehende, marktprozeßtheoretische Ansätze betrachten Märkte als prinzipiell ergebnisoffenes Verfahren der Koordination individu101

eller Pläne. Die Österreichische Schule der Nationalökonomie entstand im Rahmen der sogenannten „Marginalistischen Revolution" (s. Kap. 3.2.2.) und kann neben der neoklassischen Variante theoretischer Ökonomie als ein besonderer Zweig der Grenznutzenökonomie aufgefaßt werden. Die besonderen Charakteristika des Österreichischen Ansatzes, die ihn deutlich von der gegenwärtigen, eher neoklassisch ausgerichteten Hauptströmung ökonomischer Theorie abheben, bestehen erstens in einem strengen Subjektivismus. Hierunter ist zu verstehen, daß jegliches menschliches Handeln, das als Grundlage aller sozialen Phänomene betrachtet wird, auf die individuelle Wahrnehmung von Bedürfnissen und Mitteln zu deren Befriedigung zurückgeführt wird. Gemessen an einer hypothetischen „objektiven" Überprüfung sind auf Grundlage dieser subjektiven Wahrnehmungen getroffene Urteile nicht notwendigerweise korrekt, sondern können vielmehr auch fehlerhaft sein (s. Kap. 5.1.1.). Zweitens betonen Österreichische Ansätze die Bedeutung von Wissen in allen Marktprozessen. Wissen wird als subjektiv, nur fragmentarisch vorhanden u n d sich ständig verändernd aufgefaßt. Der Markt dient einerseits als Kommunikationsmedium solcher Wissensbestandteile und schafft andererseits auch neues Wissen, d.h., Individuen entdekken im Laufe von Marktprozessen neues Wissen. Die Wechselwirkung der jeweils nur auf Wissensbruchstücken basierenden, auf den eigenen Nutzen bezogenen individuellen Handlungen läßt, als quasi unbeabsichtigte Nebenfolge, Ordnungen bzw. Institutionen entstehen, die zur Koordination der individuellen Pläne beitragen (s. Kap. 5.1.2.). Drittens bedingen sowohl die subjektivistische Herangehensweise als auch die Betonung nur partiell vorhandenen Wissens eine spezifische Methodologie, durch die sich die Österreichische Schule auch gegenüber anderen ökonomischen Ansätzen hervorhebt. So kann im Sinne der Österreichischen Schule theoretische Erkenntnis nur die Form abstrakter Modelle annehmen, die nicht zuletzt aufgrund des subjektiven Charakters jeglichen Wissens nicht direkt aus der Erfahrung abgeleitet werden können. Mit Hilfe solcher axiomatischer Modelle wird versucht, auf die empirische Wirklichkeit anwendbare Kausalzusammenhänge aufzudecken, die zwar nicht konkrete Vorgänge im Detail erklären und vorhersehen können, jedoch das „Wesen" dieser Prozesse erfassen (s. Kap. 5.1.3.).

5.1.1. Die subjektive Begründung individueller Handlungen Neoklassische ökonomische Theorien (s. Kap. 4.) haben ihren konzeptionellen Ursprung in der Vorstellung eines rational handelnden, seinen Nutzen maximierenden Akteurs. Die Österreichische Schule der Nationalökonomie verwendet als methodologischen Ausgangspunkt ebenfalls das handelnde Individuum, betont aber wesentlich stärker den subjektiven Charakter jeglichen menschlichen, wirtschaftenden Handelns. Exemplarisch läßt sich dies anhand der subjektiven Wertlehre Carl Mengers verdeutlichen. Für Menger ist der Wert eines Guts nicht ihm inhärent, im Sinne eines objektiven Werts, sondern begründet sich vielmehr ausschließlich durch dessen marginalen, subjektiven Nutzen für das jeweilige handelnde Individuum (vgl. Taylor 1980: 7 f.). Güter sind für ihn all diejenigen Dinge, 102

denen die Eigenschaft zugeschrieben wird, der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse zu dienen, und über welche der Mensch auch tatsächlich verfugen kann, d.h., der Mensch muß diese „nützlichen Dinge" auch tatsächlich zur Befriedigung seiner Bedürfnisse heranziehen können (vgl. Menger 1968: 1 ff.). Menger rechnet nicht nur Sachgüter, sondern sämtliche „nützlichen Handlungen" und „Unterlassungen", d.h. sämtliche Dienstleistungen einschließlich menschlicher Arbeit, zu solchen Gütern (vgl. Menger 1968: 6 f.). Der Wert eines Guts wird dabei ausdrücklich nicht als von der zu dessen Herstellung bzw. Bereitstellung aufgewandten Arbeit abhängig angesehen, sondern ausschließlich von dessen jeweils subjektiv empfundener Eignung, Nutzen zu stiften. Güter besitzen also keinen inneren Wert (vgl. Menger 1968: 119 f.). Für Menger zeichnen sich Güter insbesondere dadurch aus, daß sie Nutzen stiften. Der Nutzenbegriff ist für die Osterreichische Schule genauso zentral wie für die neoklassische Spielart der Grenznutzenökonomie, allerdings betont erstere den subjektiven Charakter des Nutzens. Grundvoraussetzung, daß überhaupt vom Vorhandensein von Gütern gesprochen werden kann, ist nach Menger die Existenz menschlicher Bedürfnisse, die durch die Eigenschaften dieser Güter befriedigt werden können, wenn der Mensch sowohl Wissen über diesen Kausalzusammenhang als auch die notwendigen Verfugungsrechte über diese Güter besitzt (vgl. Menger 1968: 1 ff.). Der subjektive Charakter dieser Beziehung zwischen Ursache (Gütereigenschaft) und Wirkung (Bedürfnisbefriedigung) zeigt sich auch daran, daß diese Beziehung unabhängig einer tatsächlichen, objektiven Eignung des entsprechenden Guts für eben diese Bedürfnisbefriedigung Bestand hat. Insofern existieren auch eingebildete Güter, denen subjektiv bestimmte Eigenschaften zugeschrieben werden, die diese jedoch, objektiv betrachtet, gar nicht besitzen. In diesem Fall geht der Mensch irrtümlich davon aus, daß diese Güter seine Bedürfnisse befriedigen können (vgl. Menger 1968: 3 ff.). Güter müssen nicht in einem unmittelbaren Kausalzusammenhang mit der Befriedigung von Bedürfnissen stehen. Wenn beispielsweise das Gut Brot unmittelbar zur Befriedigung des Bedürfnisses Hunger verwendbar ist, dienen Maschinen zur Herstellung von Brot indirekt dieser Bedürfnisbefriedigung, wenn hierzu die notwendigen Rohstoffe bzw. komplementären Güter und das notwendige Wissen um deren Weiterverarbeitung vorhanden bzw. verfugbar sind (vgl. Menger 1968: 8 ff.). Wenn nun die notwendigen Voraussetzungen fehlen, um mittelbar auf die Bedürfnisbefriedigung zielende Güter quasi in unmittelbare Güter umzuwandeln, verlieren die mittelbaren ihre Gütereigenschaft und damit ihren Nutzen für den Menschen (vgl. Menger 1968: 12). Menger fuhrt in diesem Zusammenhang das Beispiel an, daß durch den nordamerikanischen Bürgerkrieg die für Europa wichtigste Bezugsquelle für Baumwolle versiegte und hierdurch das Gut der Arbeitsleistungen der in den europäischen Baumwollfabriken Beschäftigten die Gütereigenschaft und damit den Nutzen verlor (vgl. Menger 1968: 15). Ökonomisches Handeln ist für Menger immer auf die Befriedigung von Bedürfnissen bezogen. Deshalb ist der Wert von Gütern abhängig von ihrer Eigenschaft, Nutzen zu stiften, also Bedürfnisse zu befriedigen. „Aus dem Obigen ist ersichtlich, dass die Güterqualität nichts den Gütern Anhaftendes, das ist keine Eigenschaft derselben ist, sondern sich 103

uns lediglich als eine Beziehung darstellt, in welcher sich gewisse Dinge zu den Menschen befinden, eine Beziehung, mit deren Verschwinden dieselben selbstverständlich aufhören, Güter zu sein" (Menger 1968: 3/Fn. *). Dies impliziert, daß der Wert eines Guts sich nach dem Verhältnis von verfügbarer Menge dieses Guts zu dem Bedarf nach diesem Gut bemißt (vgl. Menger 1968: 77 ff.). Wenn nun die verfugbare Gütermenge größer ist als zur Bedürfnisbefriedigung notwendig, besitzt die den Bedarf übersteigende Menge auch keinen Wert für den Menschen. Nur knappe Güter, also ökonomische Güter, besitzen deshalb einen ökonomischen Wert. Wenn sich nun die verfügbare Gütermenge oder das Bedürfnis selbst verändert und damit das Verhältnis von Bedürfnis und Gut, muß sich auch der Wert eines Guts verändern. „Der Güterwerth ist in der Beziehung der Güter zu unseren Bedürfnissen begründet, nicht in den Gütern selbst. Mit dem Wechsel dieses Verhältnisses muß auch der Werth entstehen oder vergehen" (Menger 1968: 85). Analog zur neoklassischen Konzeption läßt sich auch mit der Mengerschen Variante des Grenznutzengedankens das klassische Paradoxon lösen, daß das Gut Wasser keinen Wert, ein Diamant hingegen einen sehr großen Wert besitzt. Solange nämlich Wasser nicht knapp ist, eine Verringerung der verfugbaren Menge an Wasser also keinen Einfluß auf die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse besitzt, solange ist Wasser „wertlos". Diamanten hingegen sind knapp und besitzen deshalb Wert (vgl. Menger 1968: 113 f.). Der Wert von Gütern bemißt sich immer am subjektiven Nutzen dieses Guts bzw. dessen verfugbarer Menge im Hinblick auf die mittelbare oder unmittelbare, tatsächliche oder eingebildete Befriedigung menschlicher Bedürfnisse. Die Bewertung dieses Nutzens wird rein subjektiv durch die wirtschaftlich handelnden Individuen vorgenommen und ist unabhängig von objektiven Eigenschaften des entsprechenden Guts. „In allem Güterwerth tritt uns demnach lediglich die Bedeutung entgegen, welche wir der Befriedigung unserer Bedürfnisse, also unserem Leben und unserer Wohlfahrt, beimessen" (Menger 1968: 87). Auch Bedürfnisse, aus deren Befriedigung ja der Wert der Güter herrührt, besitzen für Menschen eine unterschiedliche, subjektive Bedeutung. Höherwertige Bedürfnisse zielen auf die Erhaltung des eigenen Lebens, geringwertigere auf die Erhöhung der menschlichen „Wohlfahrt" (vgl. Menger 1968: 88 f.). Menschen streben damit zuerst nach Befriedigung ihres Bedürfnisses nach Lebenserhaltung, bevor sie mit anderen Gütern ihr Wohlergehen steigern wollen. Das ihnen zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse zur Verfügung stehende Güterbündel setzen ökonomisch handelnde Individuen also zuerst für diejenigen Bedürfnisse ein, die für sie die jeweils subjektiv höchste Bedeutung besitzen. Erst wenn diese primären Bedürfnisse befriedigt sind, werden sie den verbleibenden Teil des Güterbündels für andere Bedürfnisse einsetzen, und zwar in der Reihenfolge deren subjektiv empfundener Wichtigkeit (vgl. Menger 1968: 97 f.). Bei dieser „Bedürfnishierarchie" handelt es sich dabei um eine rein subjektive. Verschiedene Individuen können also völlig unterschiedliche, subjektive Bedürfhishierarchien besitzen und es kann in keiner Weise von einer allgemeingültigen Rangordnung verschiedener Bedürfnisse gesprochen werden, die für alle Individuen einer Gesellschaft gültig sei, so wie es etwa die Bedürfhispyramide nach Maslow unterstellt (vgl. Maslow 1943). 104

Der Grad der Befriedigung und damit der aus einem Gut bzw. Güterbündel erwachsende Nutzen ist darüber hinaus abhängig vom Grad der bereits erzielten Befriedigung, d.h., der Nutzen durch Konsum weiterer Teilquantitäten eines Guts bzw. Güterbündels sinkt bei fortschreitendem Konsum immer weiter ab. Der Wert eines Guts ist also abhängig von dessen marginalem Nutzen. In diesem Fall ähnelt die u.a. durch Menger begründete, Österreichische Variante der Grenznutzenschule ganz der neoklassischen Konzeption. Mit zunehmendem Konsum einer Güterquantität verringert sich der durch diese erzielbare Mehrnutzen. Während jedoch die Neoklassik diesen Gedanken des Grenznutzens mathematisch formalisierte, bevorzugte Menger nicht zuletzt aufgrund des subjektiven und sich beständig verändernden Charakters der individuellen Nutzenbewertungen eine verbale Beschreibung des Grenznutzenprinzips. Er illustrierte dieses Prinzip u.a. am Beispiel des Bedürfnisses, über eine Wohnung zu verfugen. So hängt von dessen Befriedigung z u m gewissen Teil die Erhaltung des Lebens ab, von einer darüber hinausgehenden Befriedigung das menschliche Wohlbefinden. Der erzielte Nutzenzuwachs verringert sich also. Ein weiterer Konsum des Guts Wohnung hat schließlich keinen nennenswerten bis gar keinen Effekt mehr auf die Steigerung der Bedürfnisbefriedigung und damit auf den erzielbaren Nutzen. Ubermäßiger Konsum kann sich sogar in einer Verringerung des erzielten Nutzens niederschlagen (vgl. Menger 1968: 91 f.). Wenn die wirtschaftlich handelnden Individuen zuerst ihre primären und erst danach ihre subjektiv weniger wichtigen Bedürfhisse durch Konsum von Güterbündeln zu befriedigen versuchen, die Nutzenbefriedigung mit fortschreitendem Konsum aber abnimmt, hängt der Wert eines jeden Teils dieser Gütermenge davon ab, welcher Nutzen aus der Befriedigung der jeweils am wenigsten wichtigen Bedürfnisse des Individuums erzielt werden kann (vgl. Menger 1968: 98 f.). Der Wert einer solchen Teilquantität bemißt sich damit aus dem bei Nichtkonsum entgangenen Nutzen. Güter, die in gleicher Weise zur subjektiven Bedürfnisbefriedigung beitragen, sind für den einzelnen Akteur austauschbar. Auf der Ebene der Gesamtbedürfhisbefriedigung fuhrt der alternative Konsum dieser Güter also z u m gleichen Ergebnis. Sämtliche ökonomischen Handlungen von Individuen basieren auf subjektiven Entscheidungen. Ökonomische Subjekte müssen die Bedeutung ihrer Bedürfnisse abwägen und in Abhängigkeit von den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln entscheiden, welche ihrer Bedürfnisse zu welchem Grad damit befriedigt werden können und welche nicht (vgl. Menger 1968: 91 ff.). Im Gegensatz zum neoklassischen Nutzenmaximierer, der über seine Bedürfnisse genaue Kenntnis besitzt, diese in die Form einer stabilen Präferenzordnung transformieren kann und somit über klare und eindeutige Entscheidungsregeln verfugt, kann der ökonomische Akteur nach Menger nur auf der Grundlage subjektiver Einschätzungen über seine sich durchaus verändernden Bedürfnisse entscheiden, wie er handeln soll. „He still must act on the basis o f his choice, made without füll knowledge o f what his needs exactly are" (White 1977: 3 f.). Die Befriedigung von Bedürfnissen ist nach Menger für das wirtschaftende Subjekt deshalb von großer Bedeutung, weil diese Befriedigung Auswirkungen auf sein Leben 105

und seine Wohlfahrt besitzt. Die Bestimmung dieser Wirkungen ist jedoch der subjektiven Beurteilung durch das handelnde Individuum unterworfen (vgl. Menger 1968: 121) und deshalb auch mit Unsicherheit behaftet. Dies bedeutet zum einen, daß menschliche Entscheidungen fehlerbehaftet sein können, und zum anderen, daß die Bewertung der Bedürfnisbefriedigung von Subjekt zu Subjekt unterschiedlich sein kann. Deshalb variiert auch die Einschätzung des Werts von Gütern je nach bewertender Person, der Güterwert ist intersubjektiv nicht vergleichbar (vgl. Menger 1968: 95). Die Entscheidung über die Bewertung von Gütern sowie deren Auswahl hinsichtlich ihrer vermuteten Eignung zur Befriedigung von Bedürfnissen erfolgt also auf rein subjektiver Ebene und kann deshalb auch von Individuum zu Individuum diametral entgegengesetzt sein (vgl. Menger 1968: 119). Für die Osterreichische Schule basiert menschliches Handeln, wie sich am Beispiel der Mengerschen Konzeption von Gütern und Bedürfnissen zeigen läßt, allein auf subjektiven Wertungen und Entscheidungen auf Grundlage ungesicherten, unvollständigen und sich verändernden Wissens. Für die neoklassische Modellwelt sind hingegen die Präferenzen wirtschaftender Subjekte fixiert. Akteure handeln auf der Grundlage der starren Logik des Nutzenmaximierens und reagieren deshalb lediglich auf äußere Einflüsse. Die Osterreichische Schule betont hingegen die Rolle der Schaffung und Verbreitung subjektiven Wissens für die Entwicklung einer Wirtschaftsordnung. „Therefor, for the Austrians, and to a great extent unlike the neoclassicals, the constraints in economics are not imposed by objective phenomena or material factors (for example, the oil reserves), but a human entrepreneurial subjective knowledge (the discovery, for example, o f a carburetor that doubles the efficiency o f the internal combustion engine has the same economic effect as the duplication of all the physical oil reserves)" (Huerta de Soto 1998: 77). Die Konzeption subjektiven Wissens ist damit zentraler Bestandteil „Osterreichischen Denkens".

5.1.2. Die Bedeutung von Wissen in Marktprozessen Die Bewertung von Bedürfnissen und der zu deren Befriedigung verwertbaren Güter durch das handelnde Individuum ist für die Vertreter der Osterreichischen Schule rein subjektiv. Jedes handelnde Individuum verfugt nur über jeweils eigenes, subjektives, d.h. auf seinen eigenen Wahrnehmungen basierendes, unvollständiges und fehlbares Wissen über seine Bedürfnisse und Wege zur deren Befriedigung. Die subjektive Wertlehre der Osterreichischen Schule läßt sich daher auch als eine Wissenstheorie bezeichnen. Für Carl Menger sind die sich auf einem ökonomischen Markt bildenden Güterpreise das Ergebnis der in eine rationale Wahl von Mitteln und Zwecken mündenden, subjektiven Bewertung dieser Güter bezüglich ihrer Eignung zur Befriedigung ebenso subjektiver Bedürfnisse. Diese Bewertungen von Mitteln und Zwecken variieren von Person zu Person und wandeln sich im Laufe der Zeit. Marktpreise sind als das sichtbare Zeichen der Koordination der individuellen Pläne durch die wechselseitigen individuellen Handlungen auf dem Markt zu interpretieren, bestimmte Zwecke mit bestimmten Mitteln erreichen 106

zu wollen. Der Markt stellt somit eine Instanz der Koordination subjektiven Wissens dar. Diesen Gedanken hat Friedrich A. von Hayek aufgegriffen und insbesondere in Auseinandersetzung mit der neoklassischen Vorstellung von einem Gleichgewicht als Folge marktlicher Koordination individueller Pläne weiterentwickelt (s. Kap. 4.2. u. 5.2.1.). Jeder Akteur in einer gesellschaftlichen Ordnung besitzt Wissen. Dieses ist jedoch nur ein geringer Teil des gesamten in dieser Ordnung vorhandenen Wissens. Letzteres existiert dabei nur in fragmentarischer Form. „Der eigentümliche Charakter des Problems einer rationalen Wirtschaftsordnung ist gerade durch die Tatsache bestimmt, daß die Kenntnis der Umstände, von der wir Gebrauch machen müssen, niemals zusammengefaßt oder als Ganzes existiert, sondern immer nur als zerstreute Stücke unvollkommener und häufig widersprechender Kenntnisse, welche all die verschiedenen Individuen gesondert besitzen" (Hayek 1952b: 103 f.). Das Wissen einzelner ist also unvollständig und aufgrund seines subjektiven Charakters auch nicht immer zutreffend. Es besteht insbesondere aus Annahmen über die künftigen Handlungen anderer und darf deshalb nicht mit gesichertem Wissen über Fakten gleichgesetzt werden. Die handelnden Individuen besitzen nur Wissen über ihre eigenen Wahrnehmungen, nicht aber über das Wissen aller anderen Akteure. Durch die Handlungen anderer werden sie jedoch über bestimmte Aspekte der Situation informiert, in der sich der jeweils andere befindet und auf die sich dessen spezifisches Wissen bezieht (vgl. Taylor 1980: 19 f.). Es stellt sich nun die Frage, wie in einer Gesellschaft, in der die einzelnen Individuen nur über ein begrenztes Wissen verfugen, sie die ihnen zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse zur Verfugung stehenden Ressourcen jeweils „effizient" nutzen können. In einem nur aus einem Haushalt bzw. einem einzigen ökonomischen Akteur bestehenden Wirtschaftssystem, einer sogenannten Robinson-Crusoe-Ökonomie, kann dieser Akteur direkt auf der Grundlage des ihm zur Verfugung stehenden Wissens über seine Mittel und seine Bedürfnisse, d.h. relativ zu seinem subjektiven Wissen, effiziente Entscheidungen über die jeweils beste Verwendungsweise seiner Mittel treffen. In einer aus vielen Akteuren bestehenden Ökonomie können diese ihre Entscheidungen jedoch nicht isoliert voneinander treffen, sondern müssen die Wahrnehmungen und Handlungen anderer in ihre Entscheidung mit einbeziehen. Uber die anderen besitzen sie aber kein bzw. nur sehr geringes Wissen. Damit alle Akteure jeweils effiziente Entscheidungen treffen können, benötigen sie jedoch genaue Informationen über die Pläne der jeweils anderen. „In diesem Sinn ist alle wirtschaftliche Tätigkeit ein Planen und in jeder Gesellschaft, in der viele Menschen zusammenarbeiten, wird dieses Planen, von wem immer geplant wird, in gewissem Maß auf Kenntnisse gegründet sein, die zunächst nicht dem Planenden gegeben sind, sondern irgend jemand anderem und die auf irgend eine Weise dem Planenden erst vermittelt werden müssen" (Hayek 1952b: 105). Dies bedeutet, daß Wissen in einer solchen Ökonomie nur dezentral vorhanden ist. Die Koordinierung der individuellen Pläne verlangt jedoch nach Koordinierung dieses dezentralen Wissens. Die wechselseitige Abstimmung individueller Pläne erfolgt in einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung direkt durch das Interagieren der einzelnen Akteure auf einem Markt. Durch aufeinanderbezogene Handlungen tauschen die einzelnen Akteure gerade diejeni107

gen Teile ihres Wissens aus, die für die Durchfuhrung ihrer jeweils eigenen Handlungen notwendig sind. A u f ökonomischen Märkten bestehen diese relevanten Wissensbestandteile unter anderem in Preisen. „Im wesentlichen ist es also so, daß in einem System, in dem die Kenntnis der relevanten Fakten unter viele Menschen verteilt ist, die Preise imstande sind, die gesonderten Tätigkeiten der verschiedenen Menschen in derselben Weise zu koordinieren, wie die subjektiven Werte dem Individuum helfen, die verschiedenen Teile seines Plans zu koordinieren" (Hayek 1952b: 113). Die in Preisen enthaltenen Informationen decken nur einen geringen Teil des jeweils subjektiven Wissens ab. Diese Menge genügt jedoch, die individuellen Pläne zu koordinieren, ohne daß die einzelnen Marktteilnehmer umfangreiches bzw. vollständiges Wissen über die marktlichen Zusammenhänge selbst besitzen müssen. Hayek beschreibt dies anschaulich am Beispiel des Markts für Zinn. Wenn beispielsweise das Angebot an Zinn zurückgeht oder durch neue Verwendungsmöglichkeiten neue Nachfrage entsteht, wird Zinn knapper und die Verbraucher müssen mit diesem Material sparsamer umgehen. Sie müssen aber nur die Verknappung als solche wahrgenommen haben. O b sie deren Ursachen kennen oder nicht, spielt für die Planung ihrer Handlungen keine Rolle. Sobald ein Marktteilnehmer über diese Knappheit Kenntnis besitzt und seine eigenen Handlungen entsprechend anpaßt, vermitteln seine Handlungen anderen Marktteilnehmern hierüber Wissen und so verbreitet sich dieses Wissen schließlich über den gesamten Markt, bis ein diese neuen Umstände entsprechender Marktpreis entsteht. „Das ganze funktioniert als ein Markt, nicht weil irgend eines seiner Mitglieder das ganze Feld überblickt, sondern weil der begrenzte Gesichtskreis des Einzelnen den des anderen genügend überschneidet, daß durch viele Zwischenglieder die relevante Information allen übermittelt wird" (Hayek 1952b: 114). Hayek betrachtet den marktlichen Preismechanismus also insbesondere als effizient arbeitenden Informationsvermittler. Durch den Preis wird die relevante Information genau an diejenigen Personen weitergegeben, die diese benötigen, u m ihre eigenen Handlungen planen zu können (vgl. Hayek 1952b: 115). J e d o c h läßt sich die Rolle des Preissystems auch dahingehend interpretieren, daß durch Preise die verstreuten Informationen nicht direkt kommuniziert werden. Vielmehr stellen sie nur Indikatoren für v o m handelnden Individuum ausnützbare Situationen dar und signalisieren damit Möglichkeiten zu unternehmerischem Handeln (vgl. Zappia 1997: 270). Wissen ist daher nicht als in der Ordnung bereits vorhandene Information aufzufassen, die lediglich durch den Preismechanismus transportiert wird. Vielmehr ist Wissen eine veränderliche Größe, an eine konkrete räumlich und zeitlich abzugrenzende Situation gebunden und kann durch den Marktprozeß beständig neu geschaffen werden, denn die Handlungen von Individuen beeinflussen das Wissen der jeweils anderen. Dieses dynamische Konzept eines Markts als Institution der Vermittlung und Schaffung von Wissen unterscheidet sich stark von der neoklassischen Auffassung von Märkten, die dieser zufolge die individuellen Pläne der Akteure zu Gleichgewichtspreisen koordinieren (s. dazu auch Kap. 5.2.1.). D o r t wird implizit davon ausgegangen, daß die Kenntnis der zur Herstellung eines Marktgleichgewichts notwendigen Informationen, d.h. die individuellen Nutzenfunktionen, allen Marktteilnehmern gegeben ist, weil diese die Grundlage der 108

Handlungen der jeweils anderen Marktteilnehmer darstellt und umgekehrt (vgl. Hayek 1952c: 56 f.). Nach Hayek wird dieses Wissen jedoch erst durch den Marktprozeß geschaffen. Beispielsweise wird auf Seiten der Produzenten von Gütern erst durch den Markt, d.h. durch die marktliche Konkurrenz dieser Produzenten, aufgedeckt, welches die in einer bestimmten Situation niedrigsten Produktionskosten dieses Guts sind. Konsumenten wiederum entwickeln auch erst im Laufe dieses Marktprozesses, z.B. vermittelt durch Werbung, Kenntnis darüber, welches ihre eigentlichen Handlungsalternativen sind (vgl. Hayek 1952a: 126 f.). Der Marktprozeß läßt sich in zweierlei Hinsicht charakterisieren. Zum einen wird durch ihn Wissen kommuniziert. Dieses Wissen existiert nur in Form einzelner Bruchstücke, die über die einzelnen Marktteilnehmer verteilt sind. Durch wechselseitige Handlungen der einzelnen Akteure verbreiten sich diese Wissensbestandteile und die Marktteilnehmer versuchen sie zu ihrem eigenen Vorteil zu benutzen. Der Marktprozeß zeigt also auf, wie von einzelnen subjektiv wahrgenommene Chancen profitabel genutzt werden können. Zum anderen schafft der Marktprozeß auch neues Wissen, indem einzelne Akteure profitable Situationen entdecken, die noch von niemandem vorher ausgebeutet wurden. Er belohnt folglich die Aufmerksamkeit von Akteuren gegenüber solchen Situationen. Das in Handlungen umgesetzte Wissen über solche Situationen verbreitet sich schließlich über den Marktprozeß und beeinflußt die subjektive Wahrnehmung, die Pläne und damit die Handlungen anderer Akteure (vgl. Zappia 1997: 269). Aufgrund des subjektiven Charakters des in den Entscheidungen des einzelnen verwendeten Wissens können diese nur unter Unsicherheit durchgeführt werden. Die Situationen, in denen die einzelnen Akteure auf Grundlage ihres nur partiell vorhandenen Wissens urteilen müssen, sind immer einzigartig, d.h. an einen bestimmten Ort und eine bestimmte Zeit gebunden. Die Akteure können daher auch keine Abschätzung über die Art und Weise konkreter, künftiger Handlungen anderer in dieser Situation vornehmen, d.h., sie sind nicht in der Lage, ihre Unsicherheit durch die Berechnung der Wahrscheinlichkeit der Handlungen anderer zu verringern, weil dies Erfahrungen über die Handlungsweise anderer Akteure in genau dieser Situation bedingen würde. Handlung unter Unsicherheit ist daher immer von einer Handlung unter Risiko zu unterscheiden (vgl. insb. Knight 1964; O'Malley 2000: 462). Der rationale Akteur entsprechend der neoklassischen Modellvorstellung handelt jedoch genau auf diese Art und Weise, d.h., er verringert seine „Unsicherheit" aufgrund imperfekter Information durch probabilistische Überlegungen (s. Kap. 4.2.). Die Wissenskonzeption der Osterreichischen Schule betont demgegenüber, daß im Laufe des Marktprozesses die Akteure nicht auf der Grundlage von Wahrscheinlichkeiten, sondern vielmehr von wahrgenommenen „Tatsachen" handeln (vgl. Heap et. al. 1992: 54). Darüber hinaus verschließt sich das bruchstückhafte Wissen der einzelnen Marktteilnehmer auch aufgrund seiner qualitativen Natur einer rein kalkulatorischen Betrachtung. Beispielsweise stellt das durch den Preismechanismus in Marktpreise transformierte Wissen der einzelnen Akteure nur einen Teil ihres jeweiligen Wissens dar. Wissen ist nämlich nicht einfach gegeben, so wie beispielsweise Informationen, die sich ein Marktteilnehmer aneignen kann. Wissen ist vielmehr auch stillschweigend vorhanden, 109

d.h., der Besitzer dieses Wissens ist sich dessen nicht bewußt und kann es deshalb auch nicht kommunizieren (vgl. Zappia 1997: 273). Hayek beschreibt diese Art von Wissen als „Kenntnis der besonderen Umstände von Ort und Zeit" (Hayek 1952b: 107). Hierunter sind insbesondere individuelle, im Laufe des sich vertraut Machens mit bestimmten Umständen zu erwerbende Fähigkeiten zu verstehen, faktisches Wissen einzusetzen. Dieses Wissen ist also im Sinne eines „Gewußt Wie" aufzufassen. „Wir brauchen nur daran zu erinnern, wie viel wir in jedem Beruf noch zu lernen haben, welch großen Teil unseres Berufslebens wir damit zubringen, uns mit einem speziellen Arbeitsgebiet vertraut zu machen, und was fiir ein wertvoller Aktivposten in allen Berufen die Kenntnis von Menschen, von örtlichen Bedingungen und besonderen Umständen ist" (Hayek 1952b: 107). Diese Art des Wissens ist z u m einen, aufgrund seiner situativen Gebundenheit, nicht wie z.B. allgemeingültige Fakten in Form allgemeiner Regeln darstellbar und damit auch nicht vermittelbar. Deshalb kann das gesamte, in einer Marktordnung fragmentarisch vorhandene Wissen auch nicht einem äußeren, sich nicht in dieser Situation befindenden Beobachter zugänglich gemacht werden, der vielleicht im Sinne einer zentralen Planungsinstanz aufgrund dieses gegebenen Wissens über die optimale Ressourcenallokation entscheiden würde (vgl. Zappia 1997: 273 ff.; Hayek 1952b). Zum anderen ist dieses Wissen demjenigen, der darüber verfugt, unbewußt und er kann es nur dann nutzen, wenn die spezifischen Umstände einer Situation auf dieses Wissen gleichsam hinweisen, d.h., der Akteur entdeckt dieses Wissen erst im Laufe des Marktprozesses. Insofern ist marktlicher Wettbewerb ein Entdeckungsverfahren, durch das verstreutes und unvollständiges Wissen der Marktteilnehmer mobilisiert und genutzt werden kann (vgl. Hayek 1981b: 100 ff.). Jegliches Handeln gründet sich auf individuelle, subjektiv motivierte Entscheidungen. Der Marktprozeß setzt nun für den einzelnen Akteur Anreize, vorhandenes Wissen zu verwerten und neues zu schaffen, indem er Möglichkeiten signalisiert, die vom einzelnen profitabel ausgenutzt werden könnten. Folglich fördert der Marktprozeß bei allen Marktteilnehmern ein solches individuelles Handeln, das im Laufe der Zeit die individuellen Pläne zu koordinieren vermag (vgl. Boettke 2002: 267). Allerdings ist für alle Entscheidungen des einzelnen ein spezifisches Wissen notwendig, das aufgrund der situativen Gebundenheit dieses Wissens nur innerhalb des jeweiligen institutionellen Rahmens existieren kann. Akteure außerhalb dieses Rahmens verfugen nicht über dieses Wissen und können dementsprechend auch nicht diesem Rahmen angemessene Entscheidungen treffen (vgl. Boettke 2002: 268). Ein äußerer Beobachter kann also niemals die Handlungen der einzelnen so koordinieren, wie es durch die marktliche Selbstkoordination möglich ist, weil er prinzipiell nicht über das gesamte hierzu notwendige Wissen verfügen kann (vgl. Hayek 1952c: 75 f.). Diese Selbstkoordination entspringt den spontanen, aus Eigeninteresse motivierten Handlungen der einzelnen, individuellen Akteure. Diese führen in ihrer wechselseitigen Aufeinanderbezogenheit, in Form eines Prozesses von Versuch und Irrtum (vgl. Taylor 1980: 21), z u m Aufbau von Institutionen, d.h. von Regeln bzw. Verhaltensmustern, welche den Akteuren die Koordination ihrer Pläne ermöglichen. Eine solche Institution reprä110

sentiert für Hayek der Preismechanismus von Angebot und Nachfrage. „Das Preissystem ist einfach eine jener Bildungen, die der Mensch zu gebrauchen gelernt hat (...), nachdem er darauf gestoßen ist, ohne es zu verstehen. Mit seiner Hilfe wurde nicht nur die Teilung der Arbeit möglich, sondern auch eine koordinierte Verwendung der Produktionsmittel, die sich auf ebenso geteiltes Wissen gründet" (Hayek 1952b: 117). Dieses Preissystem beschreibt gleichzeitig ein wichtiges Charakteristikum einer solchen spontanen Ordnung bzw. Institution gegenüber einer geplanten Ordnung, nämlich dem Menschen Anreize zu geben, das Wünschenswerte zu tun, ohne es ihnen vorzuschreiben.

5.1.3. Methodologischer Subjektivismus Die subjektivistische Sichtweise der Österreichischen Schule auf gesellschaftliche Zusammenhänge, die sich auch in der zentralen Bedeutung von Wissen in dieser Konzeption niederschlägt, bedingt eine spezifische Methodologie, die in ihren Konsequenzen den Osterreichischen Ansatz deutlich vom neoklassischen unterscheidet. Während beispielsweise die Neoklassik aufgrund der ihr innewohnenden Modellannahmen soziale Phänomene prinzipiell als berechen- und damit als vorhersagbar betrachtet, sind diese für die Osterreichische Schule aufgrund des subjektiven Charakters von Wissen einerseits und der Schöpfung neuen Wissens andererseits eben nicht vorhersagbar. Deshalb besteht das einzig sinnvolle Fundament von Ökonomie als Wissenschaft für die Österreichische Schule allein im konzeptionellen Verstehen sozialer Prozesse und nicht, wie entsprechend des neoklassischen Ansatzes, im Studium quantitativer Beziehungen (vgl. Taylor 1980: 10). Der methodologische Subjektivismus der Österreichischen Schule betrachtet soziale und damit auch ökonomische Phänomene als das Ergebnis der Handlungen bewußt agierender Individuen und ihrer jeweils subjektiven Wertungen. Wissenschaftliche, theoretische Forschung auf diesem Gebiet muß dem subjektiven Charakter des Gegenstands Rechnung tragen und kann sich in ihrer Analyse deshalb nur auf die Methode des interpretativen Verstehens stützen. In methodologischer Hinsicht besteht das Forschungsprogramm der Österreichischen Schule also insbesondere darin, das „Wesen" sozialer Phänomene zu erfassen und verbal zu beschreiben (vgl. Huerta de Soto 1998: 84; Hulbert 1986: 4). Ziel ist es, allgemeingültige Aussagen über die Beziehungen sozialer Erscheinungen untereinander zu erhalten. In methodologischer Hinsicht strebt die Österreichische Schule danach, Wirklichkeit durch davon abstrahierende, streng in der (Mikro-) Ebene der Handlungen des einzelnen Subjekts wurzelnde Modelle zu beschreiben. Diese Methodologie wurde vor allem von Carl Menger in Auseinandersetzung mit der Deutschen Historischen Schule im sogenannten Methodenstreit herausgearbeitet. Der Historismus, insbesondere repräsentiert durch Gustav Schmoller, vertrat die Auffassung, daß jegliche theoretische Forschung auf ökonomischem Gebiet sich unmittelbar auf die empirische Wirklichkeit in ihrer ganzen Mannigfaltigkeit stützen müsse und deshalb die Verwendung abstrakter Begriffe unzulässig sei. Menger hingegen, der Widerpart Schmollers in diesem Disput, betrachtete Öko111

nomie als exakte Wissenschaft, die in ihrem Bestreben, allgemeingültige Aussagen treffen zu können, vom konkreten empirischen Einzelfall abstrahieren müsse. Menger verteidigte also die Existenz einer rein theoretisch vorgehenden Sozialwissenschaft gegenüber dem streng empiristischen Ansatz der Historischen Schule (vgl. bspw. Pribram 1998a: 419 ff.; Eucken 1940; Mäki 1997: 476; Homann 1989: 94 ff.; s. Kap. 3.2.3.). Für Menger besteht der eigentliche Zweck jeglicher theoretischer Forschung in der Erkenntnis über unmittelbare Erfahrung hinausgehender realer Phänomene. Durch solche Theorien können reale Phänomene als Beispiele allgemeiner Gesetze aufgefaßt werden und durch deren Kenntnis kann von beobachteten Erscheinungen auf andere, unmittelbar nicht wahrgenommene geschlossen werden. Dieses konzeptionelle Verständnis realer Phänomene bzw. Prozesse ermöglicht es Menger zufolge, darauf steuernd Einfluß zu nehmen. „Die theoretischen Wissenschaften sollen uns, wie wir sahen, die Typen (die Erscheinungsformen) und die typischen Relationen (die Gesetze) der Phänomene lehren und uns dadurch das theoretische Verständniss, eine über die unmittelbare Erfahrung hinausreichende Erkenntnis und, wo immer wir die Bedingungen einer Erscheinung in unserer Gewalt haben, die Gewalt über diese letztere verschaffen" (Menger 1969: 34). Exakte Typen oder Gesetze beinhalten nach Menger keine Ausnahmen, beanspruchen also Naturgesetzen gleich umfassende Gültigkeit. Aufgrund der Mannigfaltigkeit des empirischen Gegenstands sozialwissenschaftlicher Forschung, die sich durch den subjektiven Charakter eines jeden sozialen Phänomens begründet, kann das Ziel der Bildung solcher exakten Gesetze nicht auf der Grundlage der Typisierung realer Phänomene und ihrer Beziehungen erreicht werden (vgl. Menger 1969: 34 f.). Dies bedeutet jedoch, daß exakte Erkenntnis nicht durch einen empirisch-realistischen, induktiven Ansatz zu leisten ist, da hiermit nur tatsächlich beobachtete Regelmäßigkeiten in der Beziehung realer Phänomene aufgezeigt werden können, die als solche nicht ausnahmslos gültig sind. Außerdem bedarf es einer über die unmittelbare Erfahrung hinausgehenden, d.h. nicht empiristisch zu gewinnenden Theorie, um identifizierte Realtypen auch angemessen interpretieren zu können (vgl. Huerta de Soto 1998: 90). „Strenge (exacte) Gesetze der Erscheinungen vermögen niemals das Ergebnis der realistischen Richtung der theoretischen Forschung, und wäre sie die denkbar vollkommenste, die ihr zu Grunde liegende Beobachtung die umfassendste und kritischste, zu sein" (Menger 1969: 36). An die Stelle empirischer Induktion setzt Menger einen deduktiven Ansatz, d.h., statt von der Beobachtung des Besonderen auf das Allgemeine zu schließen, verwendet er exakte Gesetze und Typen zur Erklärung der Wirklichkeit. Diese repräsentieren die Essenz sozialer Phänomene und werden in einem introspektiven Prozeß der Reflexion über Realphänomene gewonnen (vgl. Hulbert 1989: 4; Huerta de Soto 1998: 90). Eine solche theoretische Forschung versucht nach Menger die elementaren Elemente sozialer Phänomene zu ergründen. Dabei ist es nicht von Bedeutung, ob diese in ihrer „vollen Reinheit" in der empirischen Wirklichkeit vorhanden sind bzw. überhaupt vorhanden sein können. Exakte Typen bzw. Gesetze als Ergebnisse theoretischer Forschung können daher nicht direkt an der empirischen Wirklichkeit überprüft werden (vgl. Menger 1969: 41). Die introspektiv gewonnen, exakten Typen Mengers dürfen trotz vorhandener Ähnlichkeit nicht mit dem 112

Weberschen Konzept des Idealtypus (vgl. Weber 1988c) gleichgesetzt werden. Max Weber ist analog zu Menger der Auffassung, daß nur Realtypen, also unmittelbar aus der empirischen Erfahrung abgeleitete Typen, auch tatsächlich in der Wirklichkeit vorgefunden werden können. Es handelt sich damit weder bei der Mengerschen noch bei der Weberschen Konzeption um eine Beschreibung von Wirklichkeit. Der Webersche Idealtypus dient als Instrument dem Verstehen realer Phänomene, ohne daß er, streng nominalistisch gedacht, weder als ideales noch als reales Phänomen tatsächlich existent ist. Menger hingegen betrachtet exakte Typen bzw. exakte Gesetze als, jedoch nicht in der empirischen Wirklichkeit, tatsächlich existierend. Im Unterschied zu einer platonistisch-realistischen Sichtweise geht Menger aber nicht von einer von realen Phänomenen unabhängigen Existenz exakter Typen bzw. Gesetze aus. Diese Universalien existieren für Menger, entsprechend der klassisch-aristotelischen Sichtweise, nämlich nur als Aspekte realer Phänomenen, d.h. als diesen immanent (vgl. Mäki 1997: 483 ff.). Diese maßgeblich von Menger entwickelte, subjektivistische Methodologie der Erklärung sozialer, d.h. aus den Handlungen bewußter Subjekte entstandener Phänomene mit Hilfe von introspektiv gewonnenen Modellen ist wesentliches Merkmal der gesamten Österreichischen Schule (vgl. Hulbert 1986: 3 f.). Dabei eignet sich diese Methode nicht allein zur Erklärung ökonomischer Phänomene, sondern vielmehr auch zur Erklärung sozialer Phänomene insgesamt (vgl. Zeitler 2000: 73 ff.). Ludwig von Mises beispielsweise stellt den methodologisch-subjektivistischen Ansatz der Osterreichischen Schule explizit in Beziehung zu jeglichem menschlichen Handeln. Den wissenschaftlichen Zugang zu menschlichem Handeln bezeichnet Mises als „Praxeologie", als universelle Theorie menschlichen Handelns. Ökonomische Theorien, von Mises „Katallaxie" genannt, müssen auf der Grundlage dieser Praxeologie gebildet werden, weil auch ökonomische Handlungen Teil dieses allgemeinen Handlungsbegriffs sind (vgl. Mises 1996: 7). Grundlage dieses durchaus mit der Mengerschen Konzeption exakter Typen und Gesetze vergleichbaren Praxeologie ist menschliches Handeln. Das Axiom des Handelns beinhaltet aufgrund seines Bezugs auf subjektive Wertungen des einzelnen Akteurs auch die Kategorien von Zeit, Fehlerhaftigkeit, Erwartungen und Unsicherheit (vgl. Hulbert 1986: 7). Es ist damit eine höchst dynamische Konzeption. Konkretes Handeln ist immer in eine konkrete historische Situation eingebunden und für Mises grundsätzlich auf ein subjektives Ziel ausgerichtet, d.h., der Mensch versucht durch sein Handeln einen bestimmten Zweck zu erreichen. Dieser besteht immer in der Befriedigung eines jeweiligen, subjektiven Bedürfnisses, unabhängig davon, o b das Bedürfnis durch die Handlung tatsächlich befriedigt wird oder nicht. Insofern ist jede Handlung rational, d.h. bewußt durchgeführt, auch wenn der Zweck dieser Handlung einem äußeren Beobachter irrational erscheinen mag. „ H u m a n action is necessarily always rational. The term 'rational action' is therefore pleonastic and must be rejected as such. When applied to the ultimate ends o f action, the terms rational and irrational are inappropriate and meaningless" (Mises 1996: 19). Das Gegenteil solcher „rationalen" Handlungen sind deshalb auch keine irrationalen Handlungen, die es der Misesschen Konzeption zufolge gar nicht gibt, sondern vielmehr im

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Sinne einer nicht dem freien Willen unterworfenen Reaktion auf einen äußeren Reiz zu verstehen. Die Konzeption Mises' von Praxeologie als exakter Wissenschaft von den menschlichen Handlungen ist explizit und analog zur Konzeption Mengers exakter Typen und Gesetze als Gegenentwurf zu streng empiristischen Erkenntnismodellen aufzufassen (vgl. Smith 1986: 2 ff.). Praxeologie ist daher eine von der empirischen Wirklichkeit zunächst einmal unabhängige, theoretische und systematische Wissenschaft. „Its Cognition is purely formal and general without reference to the material content and the particular features of the actual case. (...) Its statements and propositions are not derived from experience. They are, like those o f logic and mathematics, a priori. They are not subject to verification or falsification on the ground of experience and facts. They are both logically and temporally antecedent to any comprehension o f historical facts" (Mises 1996: 32). Ein empiristischer Versuch, die Wirklichkeit zu erklären, beschränkt sich nach Mises naturnotwendig auf die Sammlung und die geschickte Anordnung verfügbarer Daten über die Wirklichkeit. Anders als naturwissenschaftliche, a posteriori gewonnene Erkenntnis, können auf die gleiche Weise erzielte sozialwissenschaftliche Erkenntnisse nicht isoliert in Experimenten getestet werden, da historische Ereignisse einzigartig und einmalig sind, und weil sie auf unterschiedlichste Weise interpretiert werden können, auch nicht zu allgemeingültigen Theorien verallgemeinert werden (vgl. Mises 1996: 31). Ausgangspunkt der Praxeologie, nach Mises einzig sinnvoller Weg allgemeingültige Erkenntnis über soziale Phänomene zu gewinnen, ist das menschliche Handeln, das als selbstevident angenommen wird, d.h., von dessen Existenz a priori ausgegangen wird (vgl. White 1977: 8 ff.). Menschliches Handeln kann dabei durchaus als exakter Typus bzw. Universalie im Sinne Mengers aufgefaßt werden, deren Erkenntnis auf introspektiver Interpretation allgemeiner Erfahrung basiert und auf deren Grundlage dann ein logisch konsistentes Modell im Sinne einer Theorie formal abgeleitet werden kann. Die Grundlage der Praxeologie ist damit nicht die willkürliche Wahl von Axiomen, sondern die Reflexion über das Wesen menschlichen Handelns (vgl. Mises 1996: 39 f.). Auf diese Art und Weise lassen sich aprioristische Folgerungen, d.h. aus einem a priori angenommenen Axiom deduktiv, logisch-formal abgeleitete, konzeptionelle Erkenntnisse, mit der empirischen Wirklichkeit in Verbindung bringen. Praxeologische Implikationen sind logisch von den Prämissen abgeleitet und in letzter Konsequenz tautologischer Natur (vgl. Mises 1996: 38), weil beispielsweise die Konzeption menschlicher Handlung das Wesen jeder konkreten menschlichen Handlung, unabhängig der ihr jeweils zugrundeliegenden Motive, zum Ausdruck bringt. „There is n o action in which the praxeological categories do not appear fully and perfectly" (Mises 1996: 39 f.). Aufgrund der Herleitung der axiomatischen Grundannahmen durch einen introspektiven Prozeß aus der allgemeinen Erfahrung des Wissenschaftlers, der ja als selbst handelndes Individuum gleichzeitig Teil des von ihm zu untersuchenden Gegenstands ist, besitzt das axiomatische Modell Erklärungskraft für die empirische Wirklichkeit (vgl. White 1977: 9 f.) Die deduktiv-axiomatische Methodologie der Osterreichischen Schule der Nationalökonomie ist zwar konzeptionell mit der empirischen Wirklichkeit verbunden, u.a. Men114

ger und Mises weisen jedoch auf die prinzipielle Schwierigkeit hin, theoretisch auf diese Art und Weise gewonnene Erkenntnisse empirisch zu überprüfen (s.o.). Schließlich werden in diesem Fall analytisch-deduktiv gewonnene Theoreme logisch aus selbstevidenten Prämissen abgeleitet und diese sind unter der Voraussetzung einer logisch korrekten Ableitung genauso wahr wie die ihnen zugrundeliegenden Prämissen. Empirisch überprüft werden können diese Theoreme nicht. Der einzig formal korrekte „Test" solcher Theoreme liegt in der Uberprüfung ihrer Herleitung aus den Prämissen (vgl. dazu Hulbert 1986: 10 ff.). Allerdings ist ein analytisch-deduktives Denken nicht vollkommen von empirischer Wirklichkeit unabhängig. Schließlich bemißt sich der wissenschaftliche Wert solcher Aussagen an deren Anwendbarkeit für die Erklärung sozialer Phänomene (vgl. Mises 1962: 41). Und diese Frage der Anwendbarkeit deduktiv gewonnener Theorien läßt sich nur in Rückkopplung mit empirischen Daten beantworten (vgl. Hulbert 1986: 12 ff.). Jedoch können ökonomische Theorien, auch wenn ihre Anwendbarkeit auf die empirische Wirklichkeit angenommen werden kann, keine vollständige Erklärung der beobachteten sozialen Phänomene in ihrer jeweils historisch einzigartigen Ausprägung bieten, da es nach Mises im Bereich des realen menschlichen Handelns keine allgemeingültigen Beziehungen zwischen dem Handeln und den es möglicherweise beeinflussenden Faktoren gibt (vgl. Mises 1962: 62). Die im Denken der gesamten Osterreichischen Schule manifeste Problematik, daß einerseits in den Sozialwissenschaften ein empiristisches Erkenntnisparadigma keine allgemeingültigen Aussagen zuläßt, ein analytisch-deduktives, methodologisch-subjektivistisches Vorgehen jedoch nur sehr schwierig auf die empirische Wirklichkeit bezogen werden kann, wird durch Hayek dadurch zum Ausdruck gebracht, daß die beobachtbaren Erscheinungen deutlich von dem jeweils subjektiven Sinn dieser Erscheinungen für die handelnden Individuen unterschieden werden müßten und die Bestimmung der Beziehung zwischen der subjektiven Begründung menschlichen Handelns und den empirisch zu beobachtenden Phänomenen eines der Hauptprobleme ökonomischer Theorie darstelle (vgl. Hayek 1952c: 57). Er betont, daß das Forschungsprogramm entsprechend des methodologischen Subjektivismus nicht auf die Erklärung menschlicher Handlungen an sich zielt. Wie für Mises besteht auch für Hayek der notwendige Ausgangspunkt sämtlicher theoretischer Überlegungen im menschlichen Handeln. Das Untersuchungsgebiet bewußter menschlicher Handlungen ist für ihn hingegen jenes der Psychologie. „Es ist ein Irrtum, der durch nachlässige Ausdrucksweise seitens der Sozialwissenschaftler oft noch unterstützt wird, zu glauben, daß es ihr Ziel ist, bewußtes Handeln zu erklären. Das ist, wenn es überhaupt getan werden kann, eine andere Aufgabe, und zwar die der Psychologie" (Hayek 1959: 49). Forschungsgegenstand sind für Hayek daher nicht die Handlungen als solche, sondern vielmehr die Folgen dieser Handlungen - und insbesondere die vom Handelnden unbeabsichtigten (Neben-) Folgen, die in sozialen Institutionen münden können (s. Kap. 5.2.3.). Im Gegensatz zu solchen sozialen Phänomenen, die durch planvoll auf ihre Entstehung gerichtete Handlungen geschaffen werden, verlangen soziale Institutionen nach einer hinreichenden theoretischen Erklärung. „Wenn die sozialen Erscheinungen keine andere 115

Ordnung zeigen würden, als insoferne sie bewußt entworfen wurden, wäre allerdings kein Raum für theoretische Wissenschaften der Gesellschaft (...). Nur insoweit als Resultat der individuellen Handlungen eine Art Ordnung entsteht, doch ohne daß sie von irgend einem Individuum geplant ist, erhebt sich ein Problem, das theoretische Erklärung fordert" (Hayek 1959: 49 f.). Analog zur Position Mengers oder Mises - und Max Webers (s.o.) - kann auch für Hayek eine solche theoretische Erklärung nicht empiristisch, sondern nur durch Introspektion gewonnen werden. Empiristische Methoden können aufgrund der subjektiven Natur jeglicher Art menschlicher Wahrnehmung kein allgemeingültiges Wissen über das Wesen sozialer Phänomene schaffen. Empirisch gewonnene Daten beschreiben nicht direkt die Beziehung sozialer Erscheinungen untereinander, sondern immer nur vermittelt durch den subjektiven Charakter menschlicher Wahrnehmung (vgl. Hayek 1959: 31 f.; Hulbert 1986: 17 f.; White 1977: 11). Dies bedeutet, daß auch für Hayek introspektiv gewonnenes Wissen nicht empirisch überprüft werden kann. Allerdings sind für ihn aus Prämissen abgeleitete Tautologien zwar ein wichtiger, dennoch nur ein Bestandteil theoretischer Forschung. Aufgrund der großen Bedeutung, die subjektives Wissen in Marktprozessen besitzt, sind nämlich Hypothesen darüber erforderlich, wie Individuen Wissen erwerben und kommunizieren (vgl. Boettke 2002: 267). Diese Hypothesen stellen für Hayek das einzig empirische Element ökonomischer Theorie dar, denn sie sind aus der Erfahrung gewonnen und deshalb auch empirisch überprüfbar. „Kurz gesagt, ich werde die Behauptung aufstellen, daß das empirische Element in der Wirtschaftstheorie - der einzige Teil, der sich nicht nur mit Implikationen, sondern mit Ursachen und Wirkungen befaßt und daher zu Schlußfolgerungen führt, die, zumindest im Prinzip verifiziert werden können - in Aussagen über die Erwerbung von Wissen besteht" (Hayek 1952c: 49). Introspektiv gewonnene Theorien sind nicht direkt an der empirischen Wirklichkeit überprüfbar. Ihre Überprüfung erfolgt vielmehr in einem andauernden Prozeß, die Argumentation der Herleitung dieser Theorien kritisch zu hinterfragen. Hierbei nimmt die Anwendbarkeit dieser Theorien auf eine spezifische, historische Situation einen wichtigen Raum ein und die Frage nach eben dieser Anwendbarkeit kann nur auf der Grundlage empirischer Daten beantwortet werden (vgl. Hulbert 1986: 24). Die spezifische Methodologie der Österreichischen Schule, so wie sie insbesondere aus den Arbeiten Mengers, Mises und Hayeks herausgearbeitet werden kann, umschreibt insbesondere die Ableitung eines theoretischen, soziale Phänomene erklärenden Modells aus „vernünftigen", d.h. axiomatischen Annahmen. Diese Axiome stehen im Einklang mit der Auffassung, daß alle menschliche Wahrnehmung und Handlung subjektiven Charakters ist. Nur auf diese Art und Weise - und ausdrücklich nicht durch ein empiristischinduktives Vorgehen - können allgemeingültige Gesetzmäßigkeiten schöpferisch entdeckt werden. Dieses formal-deduktiv hergeleitete Modell ist als solches zwar nicht direkt an der empirischen Wirklichkeit überprüfbar, jedoch kann seine Anwendbarkeit an eine konkrete, d.h. an eine bestimmte Zeit und einen bestimmten Raum gebundene Situation auf der Grundlage empirischer Daten hinterfragt werden.

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Die konzeptionellen Unterschiede der neoklassischen und der Österreichischen Denktradition liegen insbesondere in ihrem jeweiligen Handlungsbegriff begründet, der wiederum eine verschiedene methodologische Herangehensweise an die Analyse gesellschaftlicher Phänomene bedingt. Beide Theorietraditionen lassen sich als methodologisch-individualistisch charakterisieren, fuhren also soziale Phänomene letztendlich auf individuelle Handlungen zurück. Der in der neoklassischen ökonomischen Theorie verwendete Handlungsbegriff beinhaltet jedoch sehr restriktive Modellannahmen. Handlungen sind dort Entscheidungen mit dem Ziel gleichzusetzen, den jeweils individuellen Nutzen zu maximieren. Der neoklassische Handlungsbegriff umfaßt damit nur einen eingeschränkten Aspekt der Mannigfaltigkeit menschlicher Handlungen und unterbewertet die Bedeutung des subjektiven, kulturell-historischen Hintergrundes individueller Präferenzen (vgl. bspw. Zafirovski 2000: 189 f. u. 196 f.; Tomer 2001). Der marktprozeßtheoretische Zugang zu menschlichem Handeln ist demgegenüber wesentlich breiter angelegt, wie sich beispielsweise an der ausdrücklichen Verortung des Handlungsbegriffs durch Mises in einer umfassenden Sozialtheorie, nämlich der Praxeologie erkennen läßt. Als Sozialtheorie hat der Ansatz der Osterreichischen Schule der Nationalökonomie dabei großen Einfluß auf die Entwicklung soziologischer Theorien ausgeübt. Ausdrücklich gilt dies für die Konzeption Max Webers einer verstehenden Soziologie, die wiederum, im Sinne einer wechselseitigen Befruchtung, zur Weiterentwicklung der Osterreichischen Ansätze beigetragen hat (vgl. bspw. Swedberg 2000: 202 f.; Zafirovski 2002: 43 ff.; Boettke/Storr 2002: 173 ff.; Kim 1996). In methodologischer Hinsicht lassen sich die Weberschen Konzepte des Idealtypus, des interpretativen Verstehens menschlichen Handelns oder auch des Anspruchs wertfreier Analyse in der Osterreichischen Schule wiederfinden (vgl. Zafirovski 2002: 51; Boettke/Storr 2002: 162 f.). Die Arbeiten Webers wurden einerseits stark von der subjektiven, auf dem Begriff des Grenznutzens aufbauenden Wert- und Preistheorie beeinflußt (vgl. Zafirovski 2002: 36 ff.; Swedberg 2000: 186). Andererseits versucht Weber, ganz in dieser Tradition stehend, soziale Phänomene wie Institutionen als unbeabsichtigte Nebenfolge menschlichen Handelns zu interpretieren (vgl. Zafirovski 2002: 38 ff.). Exemplarisch verdeutlichen läßt sich die konzeptionelle Ähnlichkeit des Weberschen Ansatzes mit der Denktradition der Osterreichischen Schule an verschiedenen Begrifflichkeiten im Werk Webers. So scheinen sowohl die Weberschen Typen von traditionellem und wertrationalem als auch von zweckrationalem Handeln (vgl. Weber 1980: 12 f.) dekkungsgleich zur Unterscheidung Hayeks zwischen regel- und zweckgeleitetem Handeln zu sein (vgl. Zafirovski 2002: 41; Hayek 1980: 26 f.). Auch gibt es konzeptionelle Ähnlichkeiten zwischen dem Weberschen Typus des charismatischen Führers und dem Typus des Unternehmers in der Osterreichischen Schule. „Like business entrepreneurs, charismatic leaders would produce desocializing (often destructive) effects for both established praxeology and conventional wisdom in economy and society" (Zafirovski 2002: 52). Die hier nur in Grundzügen versuchte Verortung des Weberschen Ansatzes in der Denktradition der Osterreichischen Schule zeigt die weit über die Ökonomie im engeren Sinne hinausreichende Reichweite dieses Ansatzes auf (vgl. dazu Boettke/Storr 2002). 117

A u f diese Art und Weise verstanden ist der Österreichische Ansatz, wie sich an den Verbindungslinien z u m Theoriegebäude Max Webers zeigen läßt, keine reine Anwendung ökonomischen Denkens auf gesellschaftliche Phänomene, sondern vielmehr auch soziologische Theorie und damit durchaus in den Kontext einer die Differenzierung zwischen ökonomischer und soziologischer Fachdisziplin überbrückenden, allgemeinen sozialwissenschaftlichen Konzeption einzuordnen.

5.2. Aspekte der Koordination individueller Pläne Aus den Grundprinzipien marktprozeßtheoretischen Denkens, nämlich der subjektivistischen Begründung individuellen Handelns, der Rückführung von Marktprozessen auf nur fragmentarisch vorhandenes Wissen sowie der formal-deduktiven, methodologischsubjektivistischen Herangehensweise zur Erklärung sozialer Phänomene, läßt sich ableiten, wie Akteure aus „Österreichischer" Perspektive miteinander interagieren und welche Wirkungen diese Handlungen besitzen. Aus dem Eigeninteresse der Akteure motivierte, wechselseitig aufeinander bezogene Handlungen initiieren einen Marktprozeß. Dieser koordiniert die individuellen Pläne und unterscheidet sich sowohl in seiner dynamischen Konzeption als auch in seiner Ergebnisoffenheit v o m eher statischen Gleichgewichtsmodell der Neoklassik (s. Kap. 5.2.1.). Als „schöpferischer" Prozeß basiert er auf einem völlig anderen Akteurstyp - nämlich dem des Unternehmers - als neoklassische Ansätze, die menschliches Handeln als Optimierung von bereits Bestehendem und damit als Entscheidungen für oder gegen bestimmte Verhaltensoptionen interpretieren (s. Kap. 5.2.2.). Im Ergebnis, d.h. auf der Makroebene individuellen Handelns, sind solche Marktprozesse in der Lage, soziale Phänomene jenseits der von den einzelnen Akteuren intendierten Zwecke zu generieren, nämlich zur Koordination der individuellen Handlungen beitragende Institutionen. Der marktprozeßtheoretische Institutionenbegriff geht dabei auf der einen Seite über die a u f Rechte- und Informationsübertragung basierende Konzeption der Transaktionskostenökonomie und auf der anderen Seite über den eher soziologisch inspirierten, die quasi-deterministische Eingebundenheit individuellen Handelns in einen institutionellen Rahmen betonenden Neo-Institutionalismus weit hinaus (s. K a p . 5.2.3.).

5.2.1. Marktprozesse Die wechselseitig aufeinander bezogenen Handlungen der einzelnen Akteure initiieren entsprechend der marktprozeßtheoretischen Konzeption der Österreichischen Schule einen Prozeß, welcher ihre individuellen Pläne koordiniert. Die Handlungen der Akteure sind als Austauschhandlungen zu interpretieren, die wiederum durch das nur bruchstückhafte Wissen der Akteure und deren subjektive Wahrnehmungen geformt werden (vgl. Hulbert 1986: 64). Märkte stellen in erster Linie einen Entdeckungsprozeß dar, in dem beständig neues Wissen generiert wird (s. Kap. 5.1.2.). Weil die Akteure selbst nur über 118

begrenztes, auch auf fehlerhaften Wahrnehmungen beruhendes, subjektives Wissen verfugen, kann das durch den Marktprozeß geschaffene bzw. entdeckte neue Wissen auch nur durch Versuch und Irrtum durch die Akteure entstehen. „Decisions are made without full perfect knowledge, which means the underlying data, far from being a given for all to use, are elusive and tenuous and available only by discovery and perception. Thus the market process is in essence a continuum of trial and error as new perceptions on the part of participants result in changes in plans and actions" (Taylor 1980: 21). Diese besondere Betrachtungsweise von Märkten als Entdeckungsverfahren, d.h. als ergebnisoffener dynamischer Prozeß, unterscheidet den Ansatz der Osterreichischen Schule deutlich von der neoklassischen Konzeption von Märkten. Während aus marktprozeßtheoretischer Sichtweise marktlicher Wettbewerb auf Schaffung und Entdeckung neuen Wissens gerichtet ist, besteht das Ziel des Wettbewerbs aus neoklassischer Perspektive darin, ein Marktgleichgewicht zu schaffen, in dem die Allokation vorhandener Ressourcen gleichsam „optimal" ist (s. Kap. 4.2.). Von der Österreichischen Schule wird nun gerade die Erklärungskraft des Gleichgewichtskonzepts für Marktvorgänge in Frage gestellt (vgl. Hulbert 1986: 64). Für Friedrich A. v. Hayek beispielsweise kann die Gleichgewichtskonzeption nur beantworten, wie vorhandene Güter durch vorhandene Mittel „optimal" verteilt werden können, jedoch nicht erklären, wie und warum neue, der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse dienende Güter und Leistungen geschaffen werden. „Das wirkliche Problem in all dem ist nicht, ob wir gegebene Güter oder Dienstleistungen zu gegebenen marginalen Kosten erhalten werden, sondern vor allem, durch welche Güter und Dienstleistungen die Bedürfnisse der Menschen am besten befriedigt werden können. Die Lösung des wirtschaftlichen Problems der Gesellschaft ist in dieser Hinsicht eine Forschungsreise ins Unbekannte, ein Versuch, neue Wege zu entdecken, wie die Dinge besser gemacht werden können als bisher. Das m u ß solange so bleiben, als es überhaupt wirtschaftliche Probleme gibt, weil alle wirtschaftlichen Probleme durch unvorhergesehene Änderungen hervorgerufen werden, die Anpassung erfordern" (Hayek 1952a: 133). Während das marktprozeßtheoretische Modell die Evolution von Märkten, d.h. die Schaffung und Entdeckung neuen Wissens, ausdrücklich berücksichtigt, läßt das neoklassische Gleichgewichtsmodell den Markt auf einen Fixpunkt zustreben, der durch gegebene Bedingungen vorhandener Mittel und Zwecke bereits vordefiniert und quasi berechenbar ist. Der analytische Fokus marktprozeßtheoretischer Ansätze liegt also insbesondere auf der Dynamik des Wechselspiels individueller Handlungen, während die Neoklassik Marktzustände als komplexes Gleichungssystem interpretiert. „In other words, for the Austrians, the basic economic problem does not consist of the maximization of a known target function subject to constraints that are also known" (Huerta de Soto 1998: 82). Das neoklassische Modell des Marktgleichgewichts basiert im wesentlichen auf einem ursprünglich von Léon Walras (s. Kap. 3.2.2. u. 4.2.) entwickelten Modell des Markts. Interaktionen auf einem Markt werden dort als Tauschhandlungen aufgefaßt. Es gibt Produzenten und Konsumenten von Gütern. Jeder Konsument besitzt Präferenzordnungen für den Gebrauch von Gütern bzw. Bündeln von Gütern. Die Präferenzen können in Form 119

einer Nutzenfunktion dargestellt werden. Jeder Produzent besitzt wiederum eine Produktionsfunktion, welche die Kosten eines Guts repräsentiert, zu dessen Herstellung Ressourcen notwendig sind. Für Ressourcen und Güter existieren Nachfrager (Produzenten) und Anbieter (Konsumenten). Durch das Wechselspiel von Angebot und Nachfrage entsteht nun für jedes Gut ein Marktpreis. Zu diesem Marktpreis herrscht zwischen Angebot und Nachfrage ein sogenanntes Wettbewerbsgleichgewicht oder auch Walras'sches Gleichgewicht (s. dazu Kap. 4.2.). Dieses Modell impliziert verschiedene Folgerungen. Zum einen stellt sich unter den Bedingungen vollkommener Konkurrenz, d.h. unter Ausschluß einer die Preise beeinflussenden Marktmacht einzelner Anbieter oder Konsumenten, grundsätzlich ein die Nutzenfunktionen der Akteure koordinierendes Wettbewerbsgleichgewicht ein. Dieses Wettbewerbsgleichgewicht ist zum anderen immer pareto-optimal. Durch dieses sogenannte erste Theorem der Wohlfahrtsökonomie wird also ein Zustand beschrieben, in dem keiner der Akteure seinen Nutzen durch eine andere Art der Ressourcenallokation steigern kann, ohne gleichzeitig den Nutzen der jeweils anderen Marktteilnehmer zu verringern. Hieraus läßt sich ferner das sogenannte zweite Theorem der Wohlfahrtsökonomie folgern. Wenn nämlich ein ohne äußere Einflüsse entstandenes Marktgleichgewicht sich durch Pareto-Optimalität auszeichnet, können solche optimale Ressourcenallokationen prinzipiell durch den Markt erzielt werden (s. Kap. 4.2.; vgl. Heap et. al. 1992: 186 f.). Ein Wettbewerbsgleichgewicht repräsentiert einen Zustand, in dem die sich in Form von Marktpreisen ausdrückenden Nutzenfunktionen der einzelnen Marktteilnehmer koordiniert sind. Marktgleichgewichte sind somit als Preisgleichgewichte aufzufassen, zu denen Güterangebot und -nachfrage ausgeglichen sind. Walras selbst nahm an, der Preisbildungsmechanismus und damit die Entstehung eines Wettbewerbsgleichgewichts funktioniere ähnlich wie eine „englische" Auktion. Bei einer solchen gibt ein Auktionator eine provisorische Preisliste der zu versteigernden Güter vor. Jedes Gut wird zu diesem, relativ niedrigen Preis ausgerufen und der Preis solange erhöht, bis nur noch eine dieses Angebot nachfragende Person übrig geblieben ist. Angebot und Nachfrage befinden sich jetzt in einem Gleichgewicht. Die Vorstellung eines Auktionators als Koordinierungsinstanz der individuellen Pläne der verschiedenen Marktteilnehmer verwendet Walras zur konzeptionellen Erklärung marktlicher Preisbildungsprozesse. Im Zentrum dieses Modells steht ein imaginärer Auktionator, der wie sein reales Vorbild von einer provisorischen Liste von Preisen für alle einzeln zu handelnden Güter und Ressourcen ausgeht. Diese Preisliste repräsentiert einen Nachfrageüberhang, da eine Vielzahl von Bietern das Gut bzw. die Ressource zu diesem Preis erstehen würden. Beim sich gegenseitigen Uberbieten von potentiellen Nachfragern für jedes einzelne Gut bzw. jede einzelne Ressource reduziert sich der Nachfrageüberhang nun solange, bis ein Gleichgewicht und damit der endgültige Marktpreis entsteht. Findet sich aber keine Nachfrage bei der Ausrufung des provisorischen Preises, läßt sich dies als Angebotsüberhang interpretieren und der Walras'sche Auktionator reduziert jetzt den provisorischen Preis, um Nachfrage entstehen zu lassen und dann im Rahmen der Aukti-

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on wieder einen Ausgleich von Angebot und Nachfrage herbeizufuhren und den Marktpreis festzusetzen (s. Kap. 4.2.). Im neoklassischen Gleichgewichtsmodell entsteht durch Angebot und Nachfrage eine pareto-optimale Ressourcenallokation. Dieses zweite Theorem der Wohlfahrtsökonomie schließt jedoch nicht aus, daß ein solches, effizientes Ergebnis durch eine nicht-marktliche Allokation herbeigeführt werden könnte. Die neoklassische Modellvorstellung entsprechend des Walraschen Auktionators impliziert damit, daß es möglich wäre, diesen Auktionator bürokratisch nachzuformen, Preislisten zu publizieren, Informationen über Nachfrage und Angebot einzuholen und auf diese Art und Weise im Rahmen eines administrativen Planungsprozesses Preise festzulegen und so, also durch einen iterativen Prozeß, ein marktsozialistisches System zu etablieren (vgl. bspw. Lange/Taylor 1964; Heap et. al. 1992: 189). Eine zentrale, ökonomische Planungsinstanz müßte zur optimalen, den jeweiligen Bedürfhissen entsprechenden Verteilung der Güter lediglich die hierzu notwendigen und gemäß dem neoklassischen Modell auch fraglos vorhandenen Daten erheben. Zentralwirtschaftliche Ökonomien wären damit mindestens genauso in der Lage, die Frage nach effizienter Ressourcenallokation zu lösen wie marktwirtschaftliche Ökonomien. Ludwig von Mises, der entsprechend der Märkte als ergebnisoffen und nicht vorhersagbar betrachtenden Konzeption marktprozeßtheoretischer Ansätze (s. Kap. 5.1.2.) eine „effizient" arbeitende zentrale Wirtschaftsplanung als theoretisch unmöglich erachtet, beschreibt diese Austauschbarkeit von Markt- und Zentralwirtschaft folgendermaßen. „The result is that from the writings of the mathematical economists the imaginary construction of a socialist commonwealth emerges as a realizable system of cooperation under the division of labor, as a full-fledged alternative to the economic system based on private control of the means of production. The director of the socialist community will be in a position to allocate the various factors of production in a rational way, i.e., on the ground of calculation" (Mises 1996: 702). Das Walras'sche Fundament der neoklassischen Gleichgewichtstheorie besagt, daß zur Generierung eines Wettbewerbsgleichgewichts Informationen über die Produkt- und die Nutzenfunktionen jedes einzelnen Akteurs sowohl notwendig als auch objektiv gegeben sind. Der Markt bzw. der Preisbildungsmechanismus koordiniert diese Informationen. Die Handlungsmotivation eines jeden einzelnen rational handelnden Akteurs, des sogenannten Robbins'schen Ökonomisierers (s. Kap. 4.2.), besteht nun darin, gegebene Mittel gegebenen Zwecken anzupassen. Mittel und Zwecke bzw. Produkt- und Nutzenfunktionen, unabhängig davon, ob sie erwartet oder objektiv feststehend sind, müssen in dieser Vorstellung gegeben sein, um eine rationale Wahl von Handlungsalternativen und damit letztlich die Schaffung eines Wettbewerbsgleichgewichts überhaupt zu ermöglichen (vgl. Kirzner 1978: 27). Das neoklassische Modell beinhaltet eine sehr statische Vorstellung von Märkten. Nachdem nämlich Produkt- und Nutzenfunktionen gegeben sind, ist mit dem Erzielen eines Wettbewerbsgleichgewichts gleichzeitig das Ende des marktlichen Preisbildungsprozesses erreicht. Schließlich besteht die Aufgabe eines Markts im neoklassischen Modell 121

darin, dieses Wettbewerbsgleichgewicht in Form eines Ausgleiches von Produkt- und Nutzenfunktionen herbeizuführen. Ist dieses Ergebnis erfolgreich erreicht, ist auch der Preisbildungsmechanismus beendet. Dieser kann nur durch von außen auf das ökonomische System einwirkende Faktoren wieder angestoßen werden, weil das neoklassische Modell von gegebenen Präferenzen ausgeht, d.h. von feststehenden Mitteln und Zwecken (s. Kap. 4.1.). Das Erreichen eines Wettbewerbsgleichgewichts beendet damit den Wettbewerb. „Das Aufhören des Marktprozesses, das wir bereits als charakteristisch für den Gleichgewichtszustand erkannt hatten, ist zugleich ein Aufhören des wettbewerblichen Prozesses" (Kirzner 1978: 10). Die Erfahrung mit real existierenden Märkten widerspricht jedoch dieser Modellvorstellung, denn Märkte scheinen immer in Bewegung zu sein. Der Markt scheint also etwas fundamental anderes als lediglich ein - wenn auch zweifellos wichtiger - Aspekt der Preistheorie zu sein. Die Auffassung der Osterreichischen Schule, daß ein Markt zum einen als ein dynamischer Prozeß und zum anderen als neues Wissen generierendes Verfahren angesehen werden kann (s. Kap. 5.1.2.), scheint somit nicht nur umfassender, sondern auch eher auf „reale" Märkte anwendbar zu sein als die neoklassische Konzeption des Marktgleichgewichts. Es ist aber nicht so, daß die neoklassische Gleichgewichtsanalyse ohne jeglichen heuristischen Wert ist. Sie blendet jedoch den dynamischen Charakter von Marktprozessen aus und besitzt deshalb - wie Hayek eindringlich schildert - nur begrenzte Aussagekraft. „Ich bin weit davon entfernt zu leugnen, daß in unserem System die Gleichgewichtsanalyse eine nützliche Funktion auszuüben hat. Aber wenn sie dazu führt, daß sie einige unserer führenden Denker dazu verleitet, zu glauben, daß die Situation, welche sie beschreibt, direkten Bezug auf die Lösung praktischer Probleme hat, ist es an der Zeit, daß wir uns daran erinnern, daß sie sich mit dem sozialen Prozeß überhaupt nicht befaßt und daß sie nicht mehr ist als eine nützliche Vorstufe zum Studium des Hauptproblems" (Hayek 1952b: 121). Den Unterschied zwischen der Auffassung eines Markts als schöpferischer Prozeß und als Preisfindungsmethode kann das Beispiel einer imaginären Insel illustrieren helfen (vgl. dazu Heap et. al. 1992: 189 f.). Im nur wenig bevölkerten Norden dieser Insel gibt es Quellen mit natürlichem Mineralwasser, welche die dortigen Bewohner für ihre Wasserversorgung nutzen. Relativ zur dortigen Bevölkerungszahl ist dieses Wasser im Überfluß vorhanden, also nicht knapp und deshalb auch ohne Marktwert. Im dicht besiedelten Süden hingegen ist Wasser eine knappe Ressource, der Gebrauch von Mineralwasser aber unbekannt. Im neoklassischen Modell würde nun der niedrige Marktpreis von mineralisiertem Wasser, vermittelt über den imaginären Auktionator, die Nachfrage durch die potentiellen Konsumenten im Süden der Insel steigen lassen, die Mineralwasserquellen im Norden würden ökonomisch ausgebeutet werden und es würde sich ein die Nachfrage der südlichen Insulaner und das reichhaltige Angebot im nördlichen Teil der Insel ausgleichendes Marktgleichgewicht einstellen. Damit dieses Marktgleichgewicht jedoch entstehen kann, müssen die Bewohner im Süden der Insel wissen, daß dieses Gut Mineralwasser für sie nützlich ist, d.h. der Befriedigung ihrer Bedürfnisse dient. Dieses Wissen wird im 122

neoklassischen Modell als gegeben und damit als bereits in den individuellen Präferenzordnungen enthalten vorausgesetzt (vgl. Heap et. al. 1992: 189 f.). Ohne dieses Wissen würde sich keine Nachfrage nach dem Gut Mineralwasser einstellen und die vorhandenen, natürlichen Ressourcen im Norden der imaginären Insel blieben für die Bevölkerung des südlichen Teils ungenutzt. Geht man davon aus, daß dieses Wissen tatsächlich nicht vorhanden ist, würde sich entsprechend des neoklassischen Modells, ohne exogene Effekte, nichts an diesem Zustand ändern, da die individuellen Präferenzordnungen, die das Wissen des einzelnen repräsentieren, unveränderlich sind (s. Kap. 4.1.). Das neoklassische Modell der marktlichen Preisfindung besitzt in der eben skizzierten Situation nur dann Erklärungswert, wenn man annimmt, daß die Information über den Wert jedes beliebigen, vorhandenen oder in Zukunft irgendwann einmal vielleicht verfügbaren Guts zu jedem Zeitpunkt bekannt ist. Nur unter dieser Voraussetzung erkennen die Konsumenten im Süden der Insel im Rahmen der imaginären Auktion die für sie günstige Gelegenheit, fragen Mineralwasser zu Nettokosten von Null massenhaft nach, der Preis steigt, die Besitzer der Quellen im Norden bauen Abfullanlagen etc. Die Vorstellung omnipräsenter und verläßlicher Informationen über zukünftige und hypothetische Dinge, die ja die Grundannahme neoklassischer Modelle darstellt, ist jedoch wenig plausibel. In marktprozeßtheoretischer Hinsicht wird demgegenüber davon ausgegangen, daß das Wissen der einzelnen Marktteilnehmer nur subjektiv und bruchstückhaft ist, sich aber im Laufe des Marktprozesses verändern, d.h. auch neu entdeckt bzw. geschaffen werden kann. Auf das obige Beispiel der imaginären Insel übertragen bedeutet dies, daß das Wissen um die Nutzung des Guts Mineralwasser von

findigen

Marktteilnehmern gleichsam zuerst entdeckt werden muß, bevor sich ein Markt für dieses Gut entwickeln kann. Folglich stellt es eine von findigen Unternehmern auszunutzende Gelegenheit dar, Mineralwasser zu geringen Kosten in den Süden der Insel zu transportieren und die dortigen Konsumenten auf die Nützlichkeit dieses Guts aufmerksam zu machen, Nachfrage zu stimulieren und damit aus dieser Gelegenheit maximalen Profit für sich zu ziehen (vgl. Heap et. al. 1992: 190). In marktprozeßtheoretischer Interpretation entdeckt der diese Gelegenheit zuerst nutzende Unternehmer neues Wissen und zieht aus der Verbreitung dieses Wissens durch den Marktprozeß persönlichen Profit. Die Wahrnehmung dieser findigen Unternehmer ist genauso subjektiv wie die aller anderen Marktteilnehmer. Insofern müssen die Pläne dieser Unternehmer auch nicht zutreffend sein, sondern sie können auch scheitern. „Der Markt entscheidet über Erfolg und Mißerfolg und zwingt die Erfolglosen zur Revision ihrer Pläne. Dadurch wird der Marktprozeß zum Ausleseprozeß der jeweils Erfolgreichen" (Lachmann 2000: 188). Die Handlungslogik von Unternehmern folgt also nicht der Berechnung erwarteter Nutzen und erwarteter Kosten bei gegebenen Marktinformationen analog z u m nutzenmaximierenden Akteur der neoklassischen Modellwelt. Möglicherweise fehlerhafte oder unvollständige Informationen machen die Entscheidung des Nutzenmaximierers in einem probabilistischem Sinne risikobehaftet. Unternehmer ignorieren demgegenüber in ihrer Suche nach neuen Chancen, daß verläßliche Informationen, seien sie vollständig oder unvollständig, über den zu entdeckenden Gegenstand nicht für die Marktteilnehmer vorhanden sind. Es 123

ist erst diese Tätigkeit, die, vermittelt durch Versuch und Irrtum, und damit durch eine quasi evolutorische Auslese am Markt, solches Wissen schafft bzw. den Marktteilnehmern kommuniziert (s. Kap. 5.1.2.). In marktprozeßtheoretischen Ansätzen nimmt der findige Unternehmer, der profitable Chancen für sich auszunutzen versucht und auf diese Art und Weise neues Wissen schafft, eine zentrale Rolle ein. Er handelt auf vollkommen andere Weise als der die Verwendung vorhandener Mittel zu optimieren versuchende Akteur in neoklassischen Modellwelten (s. Kap. 5.2.2.). Jedoch geht die Marktprozeßtheorie nicht davon aus, daß jeder Akteur zwingend unternehmerisch tätig sein muß. Es genügt vielmehr, wenn einige dieser findigen Akteure in einer Ökonomie vorhanden sind, damit neues Wissen durch den Markt geschaffen werden kann. Die Marktprozeßtheorie kann als umfassender Ansatz zur Beschreibung der Funktionsweise von Märkten angesehen werden, der die neoklassische Gleichgewichtskonzeption als Sonderfall in sich einschließt. Wenn nämlich das Axiom gegebener Informationen über Ziele und Mittel erfüllt ist, kann ein Akteur durchaus entsprechend neoklassischer Modellvorstellungen agieren. Ein Beispiel für einen solchen Fall, in dem es sinnvoll ist, von einem Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage zu sprechen, ist die Börse. Dort agieren die Marktteilnehmer sehr schnell und es bildet sich auch ein Gleichgewichtspreis, der Angebot und Nachfrage ausgleicht. Allerdings ist dieser „Gleichgewichtspreis" nicht stabil und neu in den Markt eintretende Informationen, z.B. in Form anderer Erwartungen der Marktteilnehmer, verändern die Angebots- und Nachfragestruktur mit der Folge, daß der Preisbildungsprozeß sehr schnell einem neuen Gleichgewichtspunkt entgegenstrebt. Diese Variabilität von Marktpreisen, so wie sie sich in Form kontinuierlicher Schwankungen des Börsenkurses niederschlägt, stellt jedoch den Erklärungswert der neoklassischen Konzeption auch in solchen Fällen in Frage, in denen sinnvoll von einem Ausgleich von Angebot und Nachfrage gesprochen werden kann, denn ein sich beständig verändernder Marktpreis widerspricht der Vorstellung eines aus der Modellannahme gegebener und unveränderlicher Information abzuleitenden, stabilen Wettbewerbsgleichgewichts (vgl. Lachmann 2000: 181 u. 188 f.). Insgesamt betrachtet besitzt die Gleichgewichtskonzeption für eine Welt voller handelnder - und nicht nutzenmaximierender - Menschen, die beständig neue Informationen generieren und entdecken, damit nur geringen Erklärungswert. „In other words, the neoclassical approach is merely a specific case, of relatively minor importance, which is included and subsumed under the Austrian conception, which is much more general, richer and more explicative of the real world" (Huerta de Soto 1998: 82). Die Gründe für die geringe Erklärungskraft des neoklassischen Gleichgewichtsmodells sind vor allem darin zu sehen, daß die Gleichgewichtskonzeption zum einen nicht erklären kann, wie neues Wissen geschaffen wird, und zum anderen die zeitliche Dimension des Marktprozesses nicht erfaßt (vgl. Hulbert 1986: 86). Schließlich geht das neoklassische Modell implizit davon aus, daß gegebene und unveränderliche Nutzenfünktionen in Form eines marktlichen Preisbildungsprozesses quasi ohne zeitliche Verzögerung koordiniert werden (s. Kap. 4.2.). 124

5.2.2. Unternehmer Aus der Sicht der Österreichischen Schule sind Marktprozesse ergebnisoffene Vorgänge, in denen die Akteure in der Lage sind, neues Wissen zu schaffen und damit den Ablauf von Marktprozessen zu verändern. Genauso wie dieses Wissen nicht vorhersagbar ist, d.h., nicht funktional aus dem gegebenen Wissen abgeleitet werden kann, ist auch der Verlauf des auf diesem Wissen basierenden Marktprozesses nicht zu prognostizieren (s. Kap. 5.3.4.). In neoklassischen Modellen beschränken sich Marktvorgänge hingegen auf den Ausgleich individueller Pläne bei gegebenen und unveränderlichen Informationen. In diesen Modellen handelt jeder Marktteilnehmer rational entsprechend der gegebenen Informationen und versucht daher die Beziehung von verfugbaren Mitteln und gegebenen Zwecken möglichst optimal zu gestalten (vgl. Holcombe 1999: 229 ff.). Handeln wird damit primär als Optimierung verstanden. Im neoklassischen Modell versucht der Akteur, der Robbins'sche Ökonomisierer, bei gegebenen Wissen über den zu erwartenden Nutzen aus verschiedenen Handlungsalternativen rational die jeweils beste Option zu wählen, die seinen Präferenzen am besten entspricht, d.h., die gegebenen Mittel optimal einzusetzen, um möglichst viele seiner Ziele im Sinne der Befriedigung seiner Bedürfnisse zu realisieren (vgl. insb. Robbins 1984). Handlungen werden also als Entscheidungen zugunsten der Durchführung von solchen Handlungen interpretiert, welche die Bedürfnisse des Akteurs am besten befriedigen. Die Präferenzen des Akteurs werden als fest und unveränderlich angesehen, er besitzt damit eindeutiges Wissen über seine Bedürfnisse und kann sie entsprechend ihrer Wichtigkeit in eine eindeutige Präferenzordnung überführen. Gleichzeitig weiß er um die zu erwartenden Kosten und Nutzen, die bei Realisierung verschiedener Handlungsalternativen anfallen. Handlung wird damit auf die Wahl zugunsten oder gegen bestimmte Handlungsalternativen reduziert. Das Wissen über Kosten und Nutzen dieser Verhaltensoptionen wird beim einzelnen Akteur als gegeben, feststehend und bekannt angesehen (s. Kap. 4.1.). Ohne dieses Wissen kann der rationale Nutzenmaximierer nicht entscheiden, welche seiner Handlungsalternativen wirklich optimal ist. Auch im Sinne marktprozeßtheoretischer Ansätze wägen die Akteure die Bedeutungen ihrer Bedürfnisse gegeneinander ab und müssen entscheiden, welche dieser Bedürfnisse zu welchem Grad mit welchen der zur Verfügung stehenden Mittel befriedigt werden können. Aufgrund des subjektiven Charakters des Wissens der einzelnen Akteure um Zwecke und Mittel sind diese Entscheidungen jedoch immer mit großer Unsicherheit behaftet. Dieses Wissen befindet sich in einem Fluß beständiger Veränderung und insofern wandeln sich auch die individuellen Präferenzen kontinuierlich. Aus marktprozeßtheoretischer Perspektive kann der einzelne Akteur also immer nur auf der Grundlage seines eigenen, begrenzten und veränderbaren Wissens entscheiden (s. Kap. 5.1.1.). Die Auffassung eines variablen Wissens bedeutet aber, daß der handelnde Mensch vor jeder Handlung den hierfür relevanten Zweck-Mittel-Rahmen immer wieder neu identifizieren muß. Ein Nutzenmaximierer entsprechend der neoklassischen Modellwelt muß diese Aufgabe nicht bewältigen, weil dieses Wissen fraglos als bereits gegeben vorausgesetzt wird. „Menschli125

ches Handeln umfaßt das nach Effizienz strebende Verhalten, das für den Robbins'schen Ökonomisierer typisch ist, es schließt aber noch ein Element ein, das beim Ökonomisieren definitionsgemäß fehlt. Ökonomisierendes Verhalten - oder genauer dessen Analyse - vernachlässigt notwendigerweise die Aufgabe, die Zwecke und Mittel zu identifizieren. Der Begriff Ökonomisierung setzt definitorisch voraus, daß diese Aufgabe (und deren Analyse) bereits anderswo erledigt wurde" (Kirzner 1978: 27). Dies bedeutet, daß der neoklassische Ökonomisierer nur einen geringen Teil jenes Spektrums menschlicher Handlungen abbildet, zu denen ein Akteur entsprechend marktprozeßtheoretischer Ansätze in der Lage ist (vgl. Endres 1997: 209). Vernachlässigt wird insbesondere die subjektivistische Komponente dieser Handlungen, nämlich auf Grundlage subjektiven Wissens Zweck-Mittel-Relationen einerseits immer wieder neu zu bewerten und hierdurch andererseits auch neues Wissen generieren zu können. Ökonomische Handlungen umfassen in marktprozeßtheoretischer

Interpretation

sämtliche Handlungen, die Menschen mit dem Ziel unternehmen, ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Aufgrund des nur unvollständigen Wissens der Akteure einerseits und der Berücksichtigung der zeitlichen Dimension von Marktprozessen andererseits sind hierunter auch solche Handlungen zu verstehen, die spekulativ auf die Erhöhung des eigenen Nutzens gerichtet sind, also in der Absicht, gegenwärtige Situationen in Erwartung eines künftigen Gewinns auszunutzen (vgl. Kirzner 1978: 68 ff.). Akteure, die in diesem Sinne handeln, versuchen neue Mittel zu finden, mit denen neue Ziele erreicht werden können. Sie handeln also unternehmerisch. „In any real and living economy every actor is always an entrepreneur and speculator" (Mises 1996: 252). Die Grundannahme unvollständigen Wissens bedeutet, daß in einer Ökonomie immer auch Situationen vorhanden sind, die bisher von keinem Akteur profitabel für sich ausgenutzt wurden. Will nun ein unternehmerischer Akteur Nutzen aus diesen Situationen ziehen, m u ß er diese aufspüren, d.h. neues Wissen schaffen. Hierzu benötigt er eine gewisse „Findigkeit". Entscheidend für das Erzielen unternehmerischer Gewinne ist damit nicht ein Wissen über das tatsächliche Vorhandensein konkreter Situationen, sondern vielmehr ein Wissen, diese Situationen aufspüren zu können (vgl. Gunning 1997: 175 ff.; Yu 2001: 51 ff.). „Letztlich ist also die für Unternehmertum benötigte Art von 'Wissen' 'das Wissen, wo man nach Wissen suchen muß', nicht dagegen das Wissen in Form wirklicher Marktkenntnisse. Das Wort, das diese Art von 'Wissen' am besten trifft, scheint Findigkeit (alertness) zu sein" (Kirzner 1978: 55). Unternehmerische Gewinne, die aus dieser Findigkeit resultieren, sind insbesondere spekulative Arbitragegewinne. Die Möglichkeit, solche Arbitragegewinne zu erzielen, ist vor allem dann gegeben, wenn Preisdifferenzen eines Guts auf Produkt- und Faktorpreisen vorliegen, d.h., die Güterpreise auf den Produktmärkten höher sind als die aus den zur Herstellung dieses Guts notwendigen Faktorbündeln resultierenden Kosten. Ein und das gleiche Gut läßt sich damit auf einem Markt, auch z.B. durch verbesserte Produktionsverfahren, günstiger erwerben als es auf anderen Märkten verkauft wird. Solche Situationen können nun von findigen Unternehmern ausgenützt werden, falls sie diese erkennen. Aufgrund der zeitlichen Dimension des Marktprozesses handelt es sich hierbei jedoch 126

nicht u m ein sicheres Wissen des Unternehmers, dieses Gut auch tatsächlich auf den Produktmärkten zu diesem Preis veräußern zu können, sondern lediglich u m Preiserwartungen. Der Akteur als Arbitrageur berücksichtigt in seinem Handeln also auch die zeitliche Dimension dieses Handelns (vgl. Gloria-Palermo 1999: 35). Schließlich erfolgt die unternehmerische Entscheidung, ein solches Gut bzw. die zu dessen Herstellung benötigten Faktoren zu erwerben, zeitlich vor dessen (Wieder-) Veräußerung. In dieser Zeitspanne kann sich der Produktpreis jedoch aufgrund des sich beständig verändernden Markts wieder geändert haben. Dies bedeutet zum einen, daß dem Unternehmer insbesondere dann ein solcher Arbitragegewinn zufallt, wenn er die künftigen Güterpreise besser als andere Unternehmer vorhersagen kann. Zum anderen kann der Unternehmer aber auch in seiner Wahrnehmung bzw. Erwartung irren und muß deshalb das Risiko unternehmerischen Verlusts tragen (vgl. Kirzner 1978: 68 ff.; Mises 1996: 289 ff.). Sowohl unternehmerischer Gewinn als auch unternehmerischer Verlust sind damit immer davon abhängig, in welche Richtung sich der Markt entwickeln wird. „The ultimate source from which entrepreneurial profit and loss are derived is the uncertainty o f the future constellation o f demand and supply" (Mises 1996: 293). Weil jedoch kein Marktteilnehmer über vollständige Information verfügt und Wissen beständig neu durch die Marktteilnehmer geschaffen wird, ist diese Zukunft auch nicht exakt zu prognostizieren. Wenn Unternehmer durch ihre Findigkeit solche Gelegenheiten gefunden haben und im Laufe des Marktprozesses spekulative Arbitragegewinne realisieren, verbreitet sich durch ihre Handlungen das Wissen u m diese Gelegenheiten unter den Marktteilnehmern. Andere Akteure greifen also dieses Wissen auf und versuchen ebenfalls diese Situation profitabel für sich zu nutzen, mit der Folge, daß diese Gelegenheit schließlich verschwindet. Der Unternehmer erwirtschaftet durch Ausbeutung der gewinnbringenden Situation, von der zunächst nur er weiß, quasi monopolistische Gewinne, jedoch nicht aufgrund seiner alleinigen Verfugungsmacht über diese Situation, sondern weil er zunächst als einziger diese Situation für sich gewinnbringend nutzt. Dies erregt die Aufmerksamkeit anderer Unternehmer, das Wissen um diese Situation wird bekannt, sie treten in diesen Markt ein und der Marktprozeß strebt einem neuen „Gleichgewicht" von Angebot und Nachfrage entgegen. Dies bedeutet, daß die auf der Grundlage unsicheren Wissens beruhende Erwartung potentieller, künftiger Gewinne Anreize für Unternehmer darstellt, findig zu sein, entsprechende Situationen auszunutzen und damit diese Situationen letztendlich wieder zu vernichten (vgl. Kirzner 1978: 65 u. 106 ff.; Hulbert 1986: 76; H o l c o m b e 1999: 234). Unternehmerisches Handeln bewirkt damit, daß der Marktprozeß durch eine Tendenz zum Gleichgewicht charakterisiert ist. Durch den Versuch, Arbitragegewinne zu realisieren, lenken Unternehmer den Marktprozeß in Richtung des Ausgleichs von Angebots und Nachfrage und sorgen deshalb auch für die Koordination der individuellen Pläne der Marktteilnehmer (vgl. insb. Kirzner 1978: 176 ff.). Aufgrund des sich beständig verändernden Wissens einerseits und des unternehmerischen Handelns der Akteure in einer Ö k o n o m i e andererseits wird dieses Marktgleichgewicht jedoch niemals erreicht. Jede Entdeckung einer neuen, profitablen Situation, z.B. in Form neuer Produktionsverfahren, 127

stellt nämlich nichts anderes als die immer wieder neu gewonnene Erkenntnis dar, daß der bisherige Zustand durch Ungleichgewicht gekennzeichnet ist, die individuellen Pläne der Marktteilnehmer also nicht miteinander koordiniert sind. Das unternehmerische Ausnutzen dieser Situation lenkt den Marktprozeß schließlich in Richtung auf ein neues „Gleichgewicht" (vgl. Kirzner 1978: 56 ff.). Für neoklassische Modelle ist dieses Marktgleichgewicht nicht nur eine Marktprozessen inhärente Tendenz, sondern vielmehr tatsächliches Resultat marktlichen Wettbewerbs. Handlung wird in diesen Modellen als Optimierungsaufgabe verstanden. Der Unternehmer hingegen versucht nicht, eine optimale Wahl aus gegebenen Mitteln und gegebenen Zwecken zu treffen, sondern vielmehr Ungleichgewichte für sich kreativ zu nutzen. Die Vorstellung eines solchen Akteurs ist jedoch, wie Israel M. Kirzner verdeutlicht, nicht mit den neoklassischen Modellannahmen vereinbar. „Im Gleichgewicht gibt es keinen Platz für den Unternehmer. Wenn die Entscheidungen aller Marktteilnehmer völlig aneinander angepaßt sind, so daß jeder Plan zutreffend die korrespondierenden Pläne der anderen Teilnehmer unterstellt und keine geänderten Pläne auftreten können, die simultan von den relevanten Marktteilnehmern vorgezogen werden, dann gibt es für einen Unternehmer nichts mehr zu tun. Er kann keine Möglichkeiten entdecken, bei Verkäufern, die die Kauflust ihrer potentiellen Käufer unterschätzen, einzukaufen, um seinerseits an diese kauflustigen Käufer zu verkaufen (die ihrerseits vielleicht die Verkaufslust der Verkäufer unterschätzt haben). Deshalb kann er keinen Beitrag zu einer Reallokation der Ressourcen oder Produkte liefern, um aus Unwissenheit entstandene UnWirtschaftlichkeiten und Koordinationsmängel zu beseitigen, weil es diese Unwissenheit und Koordinationsmängel im Gleichgewicht nicht gibt" (Kirzner 1978: 21). In neoklassischen Modellen wählt ein rationaler Akteur eine ihm den maximalen Nutzen versprechende Strategie auf der Grundlage erwarteter und bekannter Nutzen und Kosten und damit letztendlich probabilistischer Überlegungen. Er besitzt keine absolute Sicherheit über Nutzen- und Produktionsfunktionen, doch kann er diese auf der Grundlage von Wahrscheinlichkeiten abschätzen. Für die Entscheidung eines Unternehmers für oder gegen bestimmte Handlungsoptionen ist demgegenüber Wissen relevant (s. Kap. 5.1.2.). Der Begriff des Wissens verdeutlicht damit, daß der Unternehmer eben nicht Informationen über Wahrscheinlichkeiten verarbeitet, sondern Informationen über Tatsachen. Der zentrale Aspekt der unternehmerischen Entscheidung besteht jedoch nicht in einem absoluten, gesicherten Wissen, sondern vielmehr in einem Nichtwissen. Handelnde Akteure können nämlich lediglich Bruchstücke von Wissen über Tatsachen erwerben, u m damit ihr Unwissen gegenüber der Wirklichkeit in mehr oder weniger umfangreichem Maße zu reduzieren (vgl. Heap et. al. 1992: 54 f.). Wenn nun ein Unternehmer glaubt, daß die vielen einzelnen von ihm erworbenen Bruchstücke des Wissens über Tatsachen genügen, u m eine Gelegenheit zu erkennen, die er profitabel nutzen könnte, so ergreift er diese Chance und handelt. Die Entscheidung zu handeln oder nicht zu handeln ist nicht das Resultat von Wahrscheinlichkeitsberechnungen, sondern gründet sich auf dem Glauben zu wissen, ob eine Gelegenheit günstig ist oder nicht, und basiert damit auf der Aufmerksamkeit beim Zusammensetzen verschie128

dener Bruchstücke von Wissen und deshalb letztendlich auf dem Ausmaß des Unwissens des Unternehmers gegenüber seiner Umwelt. Das Ergreifen einer als profitabel geglaubten Chance durch den Unternehmer stellt nun den anderen Marktteilnehmern gesichertes Wissen über die Welt zur Verfugung und reduziert auf diese Art und Weise auch deren Unwissen gegenüber der Welt. Die Idee eines gewinnbringende Gelegenheiten aufspürenden und für sich nutzenden Unternehmers ist fest mit der Vorstellung verbunden, daß der Markt nur als permanenter Prozeß gedacht werden kann. Neoklassische Modelle reduzieren den Markt hingegen auf einen Preisbildungsmechanismus, der bei Erreichen eines Wettbewerbsgleichgewichts aufhört zu arbeiten - und damit zu existieren. Markt und Wettbewerb sind also Phänomene, die gemäß der Neoklassik ihrer Auflösung entgegen streben. Unternehmer lassen statische Gleichgewichte aber gar nicht erst entstehen, vielmehr fuhren ihre Handlungen zu dynamischen „Gleichgewichten", die sich durch die Handlungen der Unternehmerakteure sogleich wieder verändern. Marktlicher Wettbewerb ist damit auch nicht im Sinne einer „zeitlosen" Situation, sondern vielmehr als fortlaufender Prozeß aufzufassen (vgl. Huerta de Soto 1998: 81 ff.; White 1977: 16). Insofern unterscheidet sich das oben dargestellte Unternehmerkonzept nach Kirzner auch von demjenigen Joseph A. Schumpeters, der Unternehmern insbesondere die Rolle der schöpferischen Zerstörung von Marktgleichgewichten zuweist (vgl. Schumpeter 1964; Schumpeter 1946). Unternehmerische Tätigkeit ist in diesem Verständnis als ein exogener Einflußfaktor auf den Markt zu betrachten, der den Markt auf der einen Seite zwar stört, auf der anderen jedoch auch Innovationen und damit neues Wissen in den Markt integriert (vgl. Streit/Wegener 1995: 45 f.). Marktprozeßtheoretisch gesehen sind Unternehmer aber endogener Bestandteil des Markts, sie zerstören nicht den Markt, sondern schaffen permanent neue Marktzustände (vgl. bspw. Kirzner 1978: 58 f.). Auf diese Art und Weise erfährt die Marktordnung, die durch das unternehmerische Interagieren von Akteuren auf einen Markt spontan zustandekommt, permanente Veränderung. Sie unterliegt also einer dynamischen Evolution, letztendlich getrieben durch das Durchsetzen erfolgreich am Markt getesteter Pläne von Unternehmern in einem Prozeß des „Trial-and-Error" (s. Kap. 5.1.2.). Eine solche Ordnung ist unbeabsichtigte Folge eigennütziger Handlungen der Marktakteure und damit, wie Friedrich A. v. Hayek eindringlich schildert, etwas anderes als etwa ein statisches Marktgleichgewicht, das unmittelbar aus der Optimierung von Zweck-Mittel-Relationen durch die einzelnen Akteure abgeleitet werden kann. „Wir sind gewohnt, die Ordnung, die der Wettbewerb herbeifuhrt, als ein Gleichgewicht zu bezeichnen - ein nicht sehr glücklicher Ausdruck, denn ein wirkliches Gleichgewicht setzt voraus, daß die relevanten Tatsachen schon entdeckt sind und der Prozeß des Wettbewerbs daher zum Stillstand gekommen ist. Der Begriff der Ordnung, den ich, zumindest in wirtschaftspolitischen Diskussionen, dem des Gleichgewichts vorziehe, hat den Vorteil, daß wir sinnvoll davon sprechen können, daß eine Ordnung in geringerem oder größerem Grade verwirklicht werden kann und daß sich eine Ordnung auch durch Veränderungen hindurch erhalten kann" (Hayek 1969d: 255). Ordnungen lassen sich somit als Resultat der Selbstorganisation wechselseitig aufeinander bezogener, 129

eigennütziger Handlungen begreifen. Das Ergebnis dieser Selbstorganisation ist eine nicht von den einzelnen Akteuren beabsichtigte Koordination der individuellen Pläne, welche sich geformt durch die unternehmerischen Handlungen der Marktteilnehmer kontinuierlich neuen Gegebenheiten anpassen kann.

5.2.3. Institutionen Marktprozeßtheoretische Ansätze in der Tradition der Osterreichischen Schule widmeten sich von Beginn an ausfuhrlich der Frage, wie soziale Phänomene entstehen, die zur Koordination individueller Handlungen beitragen (vgl. Foss 1997). Solche Institutionen werden dabei auf die unbeabsichtigten Nebenfolgen eigennützigen menschlichen Handelns zurückgeführt. Sie sind Verhaltensregelmäßigkeiten, die sich im Laufe eines evolutionären Prozesses als tauglich für die Koordination individueller Handlungen erwiesen haben und bilden den Ordnungsrahmen menschlichen Handelns. In Anlehnung an Carl Menger kann u.a. das Geld als Beispiel für eine solche Institution angesehen werden. Wenn Individuen auf einem Markt Güter tauschen möchten, versuchen sie zunächst diejenigen Güter mit einem für sie subjektiv niedrigen Gebrauchswert gegen solche mit einem hohen einzutauschen. Tauschhandlungen finden also nur dann statt, wenn sich zwei Menschen treffen, von denen der jeweils eine genau das besitzt und tauschen möchte, was der andere benötigt. Dieses Problem, immer den richtigen Tauschpartner zu finden, verringerte sich nach Menger durch die Entwicklung der Verhaltensregelmäßigkeit, Güter indirekt zu tauschen, d.h. über marktgängige Güter, deren primärer Wert für die Tauschpartner in deren Tauschfähigkeit besteht. Eine weitere Evolution des Tauschhandels besteht darin, diese Güter durch das Gut „Geld" zu ersetzen. Diese Institution bzw. Verhaltensregelmäßigkeit des Gütertauschs über Tauschmittel wie dem Geld entstand für Menger jedoch nicht durch absichtsvolle Ubereinkunft, sondern vielmehr in einem evolutorischen Prozeß. In diesem Sinne setzte sich der Gebrauch von Tauschmitteln langsam allgemein durch, weil immer mehr Tauschpartner von deren Nützlichkeit für ihr eigenes wirtschaftliches Handeln überzeugt waren, und wurde gleichsam zu einer Selbstverständlichkeit, zu einer Institution (vgl. Menger 1968: 250 ff.). Solche Institutionen entstehen nicht planvoll, sondern sind Folge des eigennützigen Strebens von Individuen, die durch ihre Handlungen den Aufbau einer solchen, das menschliche Handeln „ordnenden" Institution nicht beabsichtigten. Menger bezeichnet solche Ordnungen als „organisch" (vgl. Menger 1969: 140 f.), Friedrich A. von Hayek als „spontane Ordnungen". Ordnungen tragen für Hayek zur Koordination der Handlungen einzelner bei. „Da wir als Mitglieder der Gesellschaft leben und für die Befriedigung unserer meisten Bedürfnisse von verschiedenen Formen der Kooperation mit anderen abhängig sind, hängen wir für die wirksame Verfolgung unserer Ziele offensichtlich ab von der Ubereinstimmung der Erwartungen bezüglich der Handlungen anderer, auf die sich unserer Pläne gründen, mit dem was sie wirklich tun werden. Dieses Aufeinanderabstimmen der Absichten und Erwartungen, die die Handlungen der verschiedenen Individuen 130

bestimmen, ist die Form, in der sich Ordnung im gesellschaftlichen Leben manifestiert" (Hayek 1980: 58). Ebenso wie Menger zwischen organischen und pragmatischen, also „geplanten" Organisationen (vgl. Menger 1969: 161 ff.) differenziert, unterscheidet auch Hayek grundsätzlich zwischen zwei Arten von Ordnung, nämlich zum einen einer spontanen, gewachsenen Ordnung („kosmos") und einer geplanten Ordnung bzw. Organisation („taxis"). Spontane Ordnungen sind evolutionär ohne äußeres Zutun aus dem Handeln der Menschen entstanden und insofern werden hierdurch, d.h. vermittelt durch Institutionen, Zwecke erreicht, ohne daß die in diesem Ordnungsrahmen handelnden Menschen deren Verwirklichung absichtsvoll anstreben. Organisationen hingegen sind vom Menschen geplante Ordnungen und durch ihr Handeln dienen die Individuen innerhalb dieser Organisationen unmittelbar den Zwecken dieser geplanten Ordnung. Organisationen sind durch das nur begrenzte Wissen von Menschen und deren damit eingegrenzte Planungsfähigkeit auf einen gewissen Grad an Komplexität begrenzt. Spontane Ordnungen können hingegen jeden Grad an Komplexität aufweisen und, wie z.B. gesamte Gesellschaften, auch Organisationen als Elemente enthalten (vgl. Hayek 1980: 57 ff.; Hayek 1969a). Ordnungen sind durch Verhaltensregelmäßigkeiten gekennzeichnet, d.h., innerhalb von Ordnungen befolgen Menschen in ihrem Handeln Regeln, die Ausdruck dieser Ordnungen sind. In spontanen Ordnungen sind diese Regeln ausschließlich abstrakt, d.h., die Befolgung solcher Regeln ( „ n o m o s " ) ist zunächst einmal von einem Zweck unabhängig. Diese Regeln sind in einem evolutionären Prozeß entstanden, gleichsam „natürlich" gewachsen und stellen „im Gegensatz zu Befehlen eine Ordnung auch unter Menschen her, die kein gemeinsames Ziel verfolgen" (Hayek 1980: 139). Der „Zweck" dieser Regeln ist folglich von den „Motiven" der Handelnden unabhängig. Organisationen stützen sich hingegen primär auf konkrete Regeln („thesis"), können aber auch auf abstrakte Regeln zurückgreifen und so gleichsam die Handlungen von Individuen in einer Organisation durch abstrakte Regeln einer diese umgebenden spontanen Ordnung leiten lassen. Konkrete Regeln stellen also Organisationsregeln dar, die menschlich geplant wurden, u m bestimmte Zwecke zu erreichen. Sie geben einem Individuum unmittelbar vor, wie es sich innerhalb dieser Organisation zu verhalten hat (vgl. Hayek 1980: 72 ff. u. 170; Hayek 1969a; Hayek 1969b; Hayek 1969c). D u r c h die Österreichische Schule der Nationalökonomie wurde die Bedeutung ungeplanter Institutionen bzw. spontaner Ordnungen für die Koordination menschlicher Handlungen deutlich erkannt. Denn eine Gesellschaft kann „nur bestehen, wenn sich durch einen Selektionsprozess Regeln entwickelt haben, die die Individuen dazu fuhren, sich in einer Weise zu verhalten, die gesellschaftliches Leben möglich macht" (Hayek 1980: 67). Osterreichische Ansätze betrachten Institutionen nicht als einfach nur gegeben. Die Beantwortung der Frage nach deren Entstehung ist für sie vielmehr konstitutives Element. „Institutions, in an Austrian framework, cannot be taken for granted. It is necessary to develop an analysis o f their genesis, in the same way as the Mengerian analysis o f monetary institutions" (Gloria-Palermo 1999: 39). Die Österreichische Schule der Nationalökonomie erklärt nun die Genese solcher spontanen Ordnungen ausgehend 131

von der Mikroebene menschlichen Handelns, nämlich aus der Evolution von Verhaltensregelmäßigkeiten, die „zufällig" aus dem Interagieren eigennütziger Individuum ungeplant entstanden sind. In der Tradition der Neoklassik stehende Ansätze hingegen sind in ihrer ursprünglichen Ausrichtung, also ohne ihre institutionenökonomische Erweiterung (s.u.), „institutionslos", d.h., Institutionen spielen in ihnen keine Rolle (vgl. Foss 1997: 245 f.; Streissler 1980: 50 ff.). Solche neoklassischen Ansätze waren daher auch nicht in der Lage zu erklären, warum bestimmte soziale Phänomene wie beispielsweise Unternehmungen existieren. In Unternehmungen erfolgt die Allokation von Gütern hierarchisch, d.h. qua Anordnung, und nicht vermittelt durch marktliche Preisbildungsmechanismen. Die Existenz solcher Unternehmungen ist in neoklassischen Ansätzen jedoch unter der Annahme eines freien Markts nur dann erklärbar, wenn die hierarchische Güterallokation effizienter ist als die marktliche. Der Preisbildungsmechanismus sorgt aber für eine solche effiziente Güterallokation und deshalb ist die Überlegenheit hierarchischer Lösungen des Allokationsproblems nicht aus sich selbst heraus erklärbar. Dieses „Paradoxon" konnte innerhalb der neoklassischen Denktradition nur durch Aufgabe der Annahme gelöst werden, daß der Preisbildungsmechanismus arbeitet, ohne den Marktteilnehmern Kosten zu verursachen (s. K a p . 4.4.2.). D u r c h die Einführung von Kosten für Transaktionen auf einem Markt einschließlich der Übertragung von Verfügungsrechten über Güter werden Unternehmungen erklärbar, wenn durch diese hierarchische Güterallokation geringere Kosten verursacht werden als durch eine marktliche Lösung. In diesem Fall kann eine formale Organisation wie eine Unternehmung eine gleich „optimale" Güterallokation herstellen wie durch einen Markt, jedoch bei geringeren Kosten und daher a u f einem höheren Effizienzniveau. Organisationen entstehen damit durch das rationale Bestreben der einzelnen Akteure, Transaktionskosten zu senken und hierdurch ihren Nutzen zu steigern. Diese Überlegungen gelten nicht nur für formale Organisationen, sondern für jegliche Form von Verhaltensregeln, die das Handeln von Individuen im marktlichen Umfeld koordinieren. S o besagt das sogenannte Coase-Theorem (s. Kap. 4.4.2.), daß bei Annahme der Möglichkeit zu freier Vertragsgestaltung Marktakteure durch ihr Handeln ein institutionelles Arrangement schaffen können, das auf eine Reduktion von Transaktionskosten gerichtet ist. Die neoklassisch inspirierte Transaktionskostenökonomik stellt zum einen die Annahme eines keine Kosten verursachenden Preisbildungsmechanismus in Frage. Z u m anderen erlaubt die Idee der Transaktionskosten, die Annahme vollständiger Information der Marktteilnehmer fallenzulassen, ohne jedoch die grundlegende Gleichgewichtskonzeption zu verlassen. Im Verständnis der Transaktionskostenökonomik sind die einzelnen Marktteilnehmer nur auf Grundlage von unsicherem und partiellem Wissen über die Pläne anderer Individuen informiert. Diese Unsicherheit impliziert nun, daß die im Rahmen von Markttransaktionen notwendige Suche nach geeigneten Vertragspartnern, die Vertragsvereinbarung und schließlich die Durchführung der Übertragung von Verfügungsrechten mit Kosten verbunden sind (vgl. Foss 1997: 246).

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Institutionen können diese Transaktionskosten senken. Beispielsweise ist die juristische Institution des Vertragsrechts in der Lage, die Kosten für die Verhandlung eines Vertrags zu verringern. Institutionen repräsentieren in diesem Verständnis versunkene, d.h. aus der Ökonomie entfernte Transaktionskosten. „Versunkene Transaktionskosten können als Entwicklungskosten für äußere und innere Institutionen angesehen werden. Der informationelle Gehalt dieser Institutionen besteht in der Beschränkung, die sie dem Verhalten der Wirtschaftssubjekte auferlegen, welche entweder verpflichtet sind, sich diesen unterzuordnen (äußere Institutionen) oder sich selbst verpflichten dies zu tun (innere Institutionen)" (Streit/Wegener 1995: 43). Institutionen verkörpern somit Wissen, sie bestehen aus Erwartungen, wie die anderen Marktteilnehmer sich in einer spezifischen Situation voraussichtlich verhalten werden. Dies bedeutet, daß Institutionen die Unsicherheit der Marktteilnehmer, die ja Transaktionskosten verursacht, reduzieren. Der Transaktionskostenansatz stellt zwar eine Weiterentwicklung des neoklassischen Modells dar, behält aber die grundlegende Konzeption der Gleichgewichtsanalyse bei. Die Informationen, die durch Institutionen den Markteilnehmern bereitgestellt werden, werden nämlich als handelbares Gut interpretiert und damit in die Idee eines Marktgleichgewichts integriert. Aufgrund des statischen Charakters der Gleichgewichtskonzeption, d.h. der Vernachlässigung der zeitlichen Dimension menschlichen Handelns, wirft diese Modellvorstellung jedoch ein fundamentales logisches Problem auf. Informationen als handelbares Gut implizieren nämlich, daß denjenigen, die dieses Wissen erwerben möchten, der Wert dieser Information, d.h. deren Informationsgehalt und damit die Information selbst, bekannt sein muß, um auf dieser Grundlage eine rationale Kosten-Nutzen-Kalkulation, die ja Grundlage des marktlichen Preisbildungsmechanismus ist, überhaupt durchfuhren zu können. Uber dieses Wissen können die Marktteilnehmer jedoch erst zeitlich nach dem Erwerb dieser Information verfügen (vgl. Zappia 1997: 276 ff.; Streit/Wegener 1995: 39 f.). Bei Berücksichtigung der zeitlichen Dimension menschlichen Handelns erscheint also die Integration von Transaktionskosten in die Gleichgewichtsanalyse als logisch unmöglich. In marktprozeßtheoretischen Ansätzen wird Wissen demgegenüber als durchaus unbewußt verfügbar und ausdrücklich eben nicht als ein marktfähiges, knappes Gut angesehen. Deshalb kann es auch nicht Gegenstand marktlicher Tauschhandlungen sein. Institutionen, die durchaus auch im Sinne einer spontanen Ordnung im Osterreichischen Verständnis als versunkene Transaktionskosten aufgefaßt werden können, wenn Transaktionskosten als Folgen der menschlichen Unsicherheit und damit des nur fragmentarischen und subjektiven Wissens interpretiert werden, repräsentieren solche Wissenstatbestände und sind somit in der Lage, die menschliche Unwissenheit zu verringern (vgl. Gloria-Palermo 1999: 36; Zappia 1997: 276). Aufgrund der Wissensproblematik - Wissen ist dem Menschen nur fragmentarisch, subjektiv und vielfach nur unbewußt zugänglich - sind nur spontane Ordnungen in der Lage, menschliche Pläne in komplexen Situationen zu koordinieren. Geplante Ordnungen sind nur dann zur Koordination individueller Pläne fähig, wenn die Situationen, auf die sie angewandt werden sollen, vom menschlichen Planer vollständig erfaßt werden können. Die neoklassische Institutionenökonomik be133

trachtet Institutionen hingegen aufgrund der Vernachlässigung der Wissensproblematik als grundsätzlich plan- und durch den Menschen formbar. Insofern geht sie auch von der prinzipiellen Möglichkeit der Effizienzsteigerung durch absichtsvolle Planung des institutionellen Rahmens von Marktvorgängen aus (s. Kap. 4.4.3.). Die Veränderung von Institutionen ist damit, wie jede Fortentwicklung marktlicher Systeme, nur in Form exogener Schocks möglich, d.h. durch äußere Eingriffe (vgl. Streit/ Wegener 1995: 46 f.). Marktprozeßtheoretisch gesehen entstehen spontane Ordnungen hingegen evolutionär, d.h., Verhaltensregelmäßigkeiten müssen ihre Tauglichkeit im Wettbewerb behaupten und können sich vermittelt durch neues Wissen schaffende Handlungen von Marktakteuren in einem Prozeß des Trial-and-Error fortentwickeln (s.o.). Diese Konzeption besitzt Auswirkungen auf jeden Versuch, den institutionellen Rahmen menschlichen Handelns bewußt zu verändern. Diese Veränderungen können nämlich aufgrund der Unabwägbarkeit der hierdurch verursachten Folgen auch negative Wirkungen zeigen und damit zu einer Fehlkoordination menschlicher Handlungen fuhren (vgl. Hayek 1980: 94 f.). Gleichwohl können sie jedoch auch die Evolution von Institutionen befruchten, wenn sie sich im Wettbewerbsprozeß bewähren und dieser durch die Veränderungen nicht beeinträchtigt wird. Dies bedeutet, daß gemäß marktprozeßtheoretischer Auffassung eine „bessere" Marktordnung nur durch das Handeln der Akteure selbst und nicht durch eine gleichsam außerhalb des Systems angesiedelte, wohlwollende, die Ressourcenallokation optimierende Planungsinstanz erreicht werden kann (vgl. DiLorenzo 1990: 64). Institutionen äußern sich im Verständnis marktprozeßtheoretischer Ansätze primär in Form von Verhaltensregelmäßigkeiten, die aber nicht statisch betrachtet werden, sondern die sich vielmehr fortlaufend verändern können. Insbesondere in der Offenheit von Institutionen für solche evolutionären Prozesse unterscheiden sie sich dabei, ebenso wie die evolutionäre Institutionenökonomie, von der neoklassischen Institutionenökonomik. Institutionen sind in marktprozeßtheoretischer Interpretation eng mit der Problematik eines nur unsicheren Wissens der einzelnen Akteure verbunden. Sie repräsentieren nämlich Wissenstatbestände und sind daher in der Lage, die Unsicherheit der Akteure zu verringern, wenn sie sich in ihrem Handeln an diesem institutionellen Rahmen orientieren. Die Orientierung menschlichen Handelns an institutionellen

Rahmenbedingungen

steht auch im Zentrum von eher soziologisch geprägten, ursprünglich der Organisationssoziologie zugehörigen Ansätzen des Neo-Institutionalismus (vgl. Hasse/Krücken 1999). Kennzeichen dieser theoretischen Konzepte ist die sogenannte soziale Einbettung wirtschaftlichen Handelns. Eingebundenheit bedeutet in diesem Zusammenhang, daß auch wenn Menschen rational-ökonomisch handeln, dieses von ihrer sozialen Umwelt geformt wird, weil es eben innerhalb eines sozialen Netzwerks, d.h. eines bestimmten sozialen Rahmens, stattfindet (vgl. bspw. Granovetter 1985). Dieser soziale Rahmen besteht aus formal gesetzten oder auch aus nicht ausdrücklich vorhandenen, aber dennoch fraglos befolgten Normen, Werten und Regeln, also aus Institutionen. Der Neo-Institutionalismus führt die Entstehung dieser Institutionen auf das Wechselspiel von Konstruktion gesellschaftlicher Wirklichkeit durch menschliches Handeln bei gleichzeitiger Formung dieses Handelns 134

durch das gesellschaftliche Umfeld zurück (in expliziter Anlehnung an Berger/Luckmann 1990), fokussiert jedoch wie alle auf einer analytischen Makroebene angesiedelten Theorien (s. Kap. 3.4.) nicht auf den Akteur als eigentliche Ursache sozialer Phänomene, sondern auf soziale Phänomene formende, außerhalb der Akteursebene liegende Strukturen (vgl. dazu Boettke/Storr 2002: 165 f.). Im Sinne des Neo-Institutionalismus inkorporieren handelnde Akteure wie Individuen oder auch Organisationen Normen, Regeln und Werte des sie umgebenden institutionellen Rahmengeflechts, akzeptieren diese als fraglos gegeben und richten ihr Handeln an ihnen aus. Deshalb gleichen sich beispielsweise Organisationen auch der sie umgebenden Gesellschaft an. Der Grund hierfür liegt nicht etwa darin, daß die Verinnerlichung dieser institutionellen Normen zur Erhöhung der Organisationseffizienz beiträgt, wie es etwa die Transaktionskostenökonomik nahelegen würde, sondern weil Normbefolgung die Eigenlegitimität der Organisation erhöht (vgl. Meyer/Rowan 1977). Dieser normative Druck des institutionellen Umfelds von Organisationen führt nicht nur zu einer „Isomorphie" der einzelnen Organisationen und der Gesellschaft, sondern auch zu einer fortschreitenden Angleichung der Organisationen untereinander (vgl. DiMaggio/Powell 1983). Institutionen werden aus neo-institutionalistischer Sichtweise also vor allem als handlungsprägend betrachtet. Der einzelne Akteur ist damit in dem ihn umgebenden institutionellen Rahmen gefangen, was in neo-institutionalistischen Ansätzen auch durch die von Max Weber ausdrücklich entlehnte, jedoch nicht im gleichen Kontext gebrauchte Formulierung eines „stählernen Gehäuses" (vgl. bspw. Weber 1988e: 331 f., s. Kap. 2.1.) z u m Ausdruck gebracht wird (vgl. bspw. DiMaggio/Powell 1983). In marktprozeßtheoretischen Ansätzen determinieren Institutionen nicht den einzelnen Akteur. Sie entstehen als unbeabsichtigte Nebenfolge individueller Handlungen und sind als Verhaltensregelmäßigkeiten zu interpretieren, die sowohl formal gesetzt als auch abstrakt und nur subjektiv-unbewußt vorhanden sein können. Auch im streng mikrofundierten Ansatz der Österreichischen Schule können sie das Handeln der einzelnen Akteure formen. Dieser betrachtet das einzelne Individuum daher nicht in der gleichen atomistischen Strenge wie die Neoklassik in ihrer ursprünglichen Ausrichtung (vgl. Gloria-Palermo 1999: 36). Im Unterschied zu institutionalistischen Konzeptionen gehen marktprozeßtheoretische Ansätze explizit von der Handlungsfreiheit des einzelnen aus. Institutionen repräsentieren damit lediglich ein Entlastungsangebot, an dem sich der einzelne orientieren kann, jedoch nicht dazu gezwungen ist. Diese Handlungsfreiheit ist gleichzeitig die Ursache, daß die von den Handlungen einzelner ausgehenden Wirkungen Institutionen im Laufe des Marktprozesses evolutionär verändern können.

5.3. Marktprozesse in politischen Ordnungen Ein in der Tradition der Osterreichischen Schule stehender, marktprozeßtheoretischer Ansatz baut auf einer allgemeingültigen Konzeption menschlichen Handelns auf und läßt sich daher auch für die Erklärung politischer Ordnungen nutzen, d.h., sowohl die grund135

legenden Prinzipien (subjektive Wertlehre, Wissen und methodologischer Subjektivismus; s. Kap. 5.1.) als auch die Konzeption der Koordination individueller Pläne (Marktprozesse, Unternehmer und Institutionen; s. Kap. 5.2.) können auf diesen Gegenstand angewandt werden. Politische Ordnungen lassen sich somit als Marktordnungen beschreiben (s. Kap. 5.3.1.), in denen politische Unternehmer agieren (s. Kap. 5.3.2.) und politische Parteien als institutioneller Bestandteil gelten (s. Kap. 5.3.3.). Mit Hilfe einer modellhaften Skizze politischer Marktprozesse lassen sich ferner die aus dem Osterreichischen Ansatz folgerbaren und sich deutlich von einer neoklassischen Politischen Ökonomie unterscheidenden Anknüpfungspunkte für demokratiereformatorische Bestrebungen herausarbeiten (s. Kap. 5.3.4.). In der neoklassischen Public Choice wurde der ökonomische Ansatz explizit auf den Gegenstand der Politik bezogen (s. Kap. 4.3.; vgl. Downs 1957). Eine hiermit vergleichbare Anwendung des eigenen Ansatzes auf diesen Gegenstand findet man auf Seiten der Osterreichischen Schule der Nationalökonomie hingegen nicht. Allerdings gibt es vielfaltige Versuche, Kerngedanken marktprozeßtheoretischer Ansätze in die Analyse politischer Vorgänge zu integrieren (vgl. bspw. Wohlgemuth 2000; Lopez 2002; H o l c o m b e 2002; DiLorenzo 1990). Im Hinblick auf das Ziel, die Aussagekraft des marktprozeßtheoretischen Ansatzes für politökonomische Fragestellungen zu erörtern, ist es jedoch nicht zwingend notwendig, ein detailliertes, zur Anwendung auf jeden nur denkbaren, konkreten Fall politischer Phänomene geeignetes Modell von Politik zu konstruieren. Vielmehr lassen sich die ordnungspolitischen Implikationen einer in der Tradition der Osterreichischen Schule stehenden Interpretation von Politik bereits aus den Grundlinien eines marktprozeßtheoretischen Modells ableiten.

5.3.1. Politische Märkte Die Übertragung ökonomischer Theorien auf andere Gegenstände als den Bereich der Wirtschaft wirft im allgemeinen nur geringe Probleme auf (s. Kap. 3.). Der Anwendung ökonomischer Ansätze auf politische Zusammenhänge widmet sich insbesondere die Neue Politische Ö k o n o m i e bzw. Public Choice (vgl. Frey 1970). Diese Forschungsrichtung wird insbesondere von der Denktradition der Neoklassik dominiert (vgl. dazu Boettke/Löpez 2002; DiLorenzo 1990). Grundsätzlich geht die Neue Politische Ö k o n o m i e davon aus, daß politische Phänomene ebenso wie wirtschaftliche auf Individualhandlungen rationaler Akteure zurückgeführt werden können. Dies ist ebenso Ausgangspunkt der Erklärung sozialer Phänomene durch marktprozeßtheoretische Ansätze, so daß deren Übertragung auf den Gegenstand der Politik ebenso durchführbar erscheint wie im Fall einer neoklassischen Public Choice (vgl. Boettke/Lopez 2002: 111). Für die Neue Politische Ökonomie wurde die Gültigkeit der Übertragung eigentlich auf die ökonomische Sphäre bezogener Theorien auf andere gesellschaftliche Bereiche mit Hilfe von Überlegungen über die Entstehung von „ O r d n u n g " aus den Strategien rationaler Akteure überprüft (s. Kap. 4.5.). Gemäß den dortigen Modellannahmen ist Ord136

nung, aufbauend auf Überlegungen zum Hobbesschen Gesellschaftsvertrag, prinzipiell möglich. Die Möglichkeit der Existenz einer politischen Ordnung kann somit als Form einer theoretischen Validität dieses Konzepts betrachtet werden. U m nun die Frage zu beantworten, ob das faktische Vorhandensein politischer Ordnungsrahmen auch mit den marktprozeßtheoretischen Modellannahmen übereinstimmt, ist es sinnvoll, ebenfalls auf die Hobbesschen Vorstellungen von Ordnung zurückzugreifen. Das Hobbessche Konzept von Ordnung gründet sich nämlich nicht nur auf die Vorstellung bindender Vereinbarungen, also auf Kooperation, sondern beinhaltet auch eine dynamische Komponente. Geschichte endet deshalb nicht mit der Etablierung einer Ordnung, d.h. eines Gleichgewichts von Nutzen- und Produktionsfaktoren im Sinne der neoklassischen Public Choice. Vielmehr muß diese Ordnung aufrechterhalten werden und es besteht immer die Gefahr, beispielsweise bei Vertragsbruch, daß der Naturzustand des Kriegs aller gegen alle wieder hergestellt wird (vgl. Luce/Raiffa 1957: 89). Die Hobbessche Auffassung scheint damit besser mit der Österreichischen Sichtweise eines aus sich selbst heraus veränderbaren Ordnungsrahmens übereinzustimmen als die neoklassische Konzeption von Ordnung als Marktgleichgewicht. Ausgehend von einem kooperativen Gefangenendilemma (s. Kap. 4.5.) läßt sich die Dimension der Zeit dadurch in das eigentlich zeitlose und damit statische neoklassische Modell integrieren, indem man das „Spiel" nicht nach Erreichen eines Gleichgewichtspunkts als beendet ansieht, sondern beständig wiederholt. Die Geschichte endet also nicht mit dem Eingehen eines Gesellschaftsvertrags, sondern - u m in dieser Analogie zu bleiben - es müssen permanent gesellschaftliche Konflikte gelöst werden. Jeder dieser Konflikte wird durch ein „Spiel" in Art des Gefangenendilemmas repräsentiert. Spiele werden kontinuierlich gespielt. Bei jedem dieser Spiele geht es darum, o b der Gesellschaftsvertrag aufrechterhalten werden kann oder nicht, also ob die Akteure weiterhin kooperieren werden. Wiederholt man nun gedanklich beständig Spiele nach Art des kooperativen Gefangenendilemmas, so erweist sich schließlich diejenige Strategie als die erfolgreichste und damit langfristig den Nutzen maximierende, die sich zunächst kooperativ verhält und bei eingehaltener Kooperation des Interaktionspartners auch kooperativ bleibt. Erst bei Vertragsbruch durch den jeweils anderen wandelt sich diese Strategie zu nicht-kooperativ und wird damit im Sinne des Hobbesschen Naturzustands rational (vgl. Heap et. al. 1992: 204 f.; Axelrod 1987; Ziegler 1998). Diese Erweiterung des neoklassischen Modells unterstellt jedoch, daß die Akteure kein gesichertes Wissen, sondern nur Unsicherheit über ihren zukünftigen Handlungsrahmen besitzen und deshalb Strategien entwickeln und am Markt austesten, also gleichsam Wissen schaffen müssen (vgl. Foss 2000). Im Laufe eines evolutionären Prozesses erweisen sich manche Strategien gegenüber anderen als überlegen und es entstehen Verhaltensregelmäßigkeiten. Dies kann durchaus im Sinne der Entstehung spontaner Ordnungen als unbeabsichtigte Nebenfolge eigennützigen Handelns aufgefaßt werden (s. Kap. 5.2.3.). In der Tat versuchen neuere Entwicklungen spieltheoretischer Ansätze (vgl. Morgenstern 1950; Neumann/Morgenstern 1967) viele der Kernannahmen marktprozeßtheoretischen Denkens zu integrieren, wie beispielsweise die subjektive Wahrnehmung der Umwelt durch 137

die einzelnen Akteure, evolutorische Lernprozesse oder auch die Formung individuellen Handelns durch quasi institutionelle Verhaltensregelmäßigkeiten (vgl. insb. Foss 2000: 42 u. 48 ff.). Selbst die Vorstellung unternehmerischen, Wissen schaffenden Handelns von Akteuren findet teilweise Beachtung (vgl. insb. Littlechild 1979). Versucht man also, das Entstehen von Ordnung innerhalb des neoklassischen Modells zu analysieren, und integriert, wie beschrieben, die Dimension der Zeit und gibt infolgedessen auch die Idee gegebener Information auf, gelangt man rasch zu einem evolutionären Konzept der Ordnungsentstehung im Sinne marktprozeßtheoretischer Annahmen. Die Konzeption spontaner Ordnungen wird von der Osterreichischen Schule der Nationalökonomie ausdrücklich nicht auf „Wirtschaftsordnungen" im engeren Sinne begrenzt. Vielmehr findet „Wirtschaft" im Rahmen einer gesamten gesellschaftlichen Ordnung statt. Motor der Entstehung spontaner Ordnungen sind die Austauschbeziehungen handelnder Individuen. Wird nun menschliches Interagieren mit wirtschaftendem Handeln gleichgesetzt, wie es ja der Osterreichische Ansatz nahelegt, läßt sich jedes soziale Phänomen mit ökonomischen Kategorien fassen. „Was gewöhnlich wirtschaftliche Beziehungen genannt werden, sind tatsächlich Beziehungen, die durch die Tatsache bestimmt sind, daß der Gebrauch aller Mittel durch das Streben nach diesen vielen verschiedenen Zwecken berührt wird. In diesem weiten Sinne des Ausdrucks 'wirtschaftlich' ist die Interdependenz oder Kohärenz der Teile der Großen Gesellschaft rein wirtschaftlich" (Hayek 1981a: 155). Das Entstehen und der Bestand spontaner Ordnungen im Sinne des gesellschaftlichen Ganzen basiert auf Austauschbeziehungen. Soziale Phänomene im allgemeinen können damit auf Marktprozesse zurückgeführt werden und deshalb kann auch der politische Bereich einer Gesellschaft mit Hilfe von Marktprozessen erklärt, d.h. der marktprozeßtheoretische Ansatz auf diesen Gegenstand angewandt werden. Die marktprozeßtheoretische Konzeption ist sehr viel breiter gefaßt als rein neoklassische Modelle und scheint reale politische Phänomene daher auch umfassender als diese erklären zu können. Der Grund hierfür liegt insbesondere in der Fundierung des marktprozeßtheoretischen Ansatzes in einer allgemeinen Theorie menschlichen Handelns. Während die neoklassische Ökonomie den einzelnen Akteur insbesondere auf die Funktion der Maximierung seines eigenen Nutzens reduziert, umfaßt der Handlungsbegriff der Osterreichischen Schule jegliche absichtsvolle, d.h. auf einen bestimmten Zweck gerichtete Handlung. Deshalb versteht die Osterreichische Schule ökonomische Theorie auch als die Anwendung fundamentaler, d.h. allgemeingültiger Gesetze menschlichen Handelns auf den Gegenstand der Ökonomie. Nur auf diese Weise kann, wie Ludwig von Mises deutlich zum Ausdruck bringt, die ökonomische Theorie zutreffende Aussagen über das menschliche Handeln im Bereich der Wirtschaft treffen. „It is no longer enough to deal with the economic problems within the traditional framework. It is necessary to build the theory o f catallactics upon the solid foundation o f a general theory of human action, praxeology" (Mises 1996: 7). Die konzeptionelle Grundlage marktprozeßtheoretischen Denkens besteht somit in einer prinzipiell allgemeingültigen Sozialtheorie und deshalb muß es auch nicht notwendig auf den Gegenstand der Wirtschaft beschränkt werden. Schließlich bezieht es sich auf menschliches Handeln im allgemeinen. Im ökonomischen 138

Kontext gewonnene Erkenntnisse über menschliches Handeln können daher direkt auf den Gegenstand der Politik bezogen werden. „There is no reason why these ideas cannot be applied to politics" (Heap et. al. 1992: 55). Auch wenn die Übertragung des marktprozeßtheoretischen Denkens auf den Gegenstand der Politik prinzipiell zulässig ist, bedeutet dies nicht, daß politische und ökonomische Märkte unkritisch einander gleichgesetzt werden können. Zwar basieren politische Prozesse ebenso auf Tauschhandlungen wie ökonomische (Markt-) Prozesse, diese finden jedoch nicht auf perfekten Märkten analog zur idealen neoklassischen Marktkonzeption statt. In politischen Märkten empfangen nämlich weder die Wähler von Politikern und politischen Parteien politische Leistungen direkt aus den Händen dieser Anbieter, noch erhalten letztere als Gegenleistung hierfür Wählerstimmen aus den Händen der Konsumenten. Diese Vorstellung impliziert nämlich, daß politische Anbieter gleichsam auf einem vollkommenen Markt in Konkurrenz zu vielen anderen ihre Leistungen an Konsumenten anbieten und diese dann genau denjenigen Anbieter frei wählen, der ein ihren Bedürfnissen entsprechendes Angebot besitzt, um genau diese Leistungen zu konsumieren. A u f politischen Märkten innerhalb repräsentativer Demokratien ist die hiermit angesprochene Freiheit der Konsumenten, genau diejenigen Leistungen des Produzenten zu konsumieren, für den sie sich entschieden haben, und keinen anderen, vielmehr stark eingeschränkt. „The fundamental differences arise from the fact that market exchange is based on voluntary agreement, whereas political action always has an element of compulsion behind it" (Holcombe 2002: 143). Aus demokratischen Wahlen gehen nämlich Regierungen hervor, deren politische Leistungen, z.B. in Form von Gesetzen und Verordnungen, durch die Gesamtheit der Wähler bzw. der Staatsbürger konsumiert werden. Der einzelne „Konsument" kann nicht frei entscheiden, diese Leistungen zu konsumieren, sondern ist dazu gezwungen. Die Regierung hat damit gleichsam ein - temporäres - Zwangsmonopol auf das Angebot politischer Leistungen. Ist der einzelne Bürger kein Nutznießer dieser Politik, sondern Leidtragender, besitzt er innerhalb der politischen Ordnung, während der Dauer einer Legislaturperiode, keine (legale) Möglichkeit auf Konsumverzicht, weil der Konsum auch mit Zwangsmitteln seitens des Staats durchgesetzt werden kann. Unabhängig von der Möglichkeit auf diesen Zwang mit eigenem Zwang zu antworten, beispielsweise durch Revolten einen zwangsweisen Anbieterwechsel zu erreichen, bleibt dem einzelnen nur die Option, gleichsam durch Abwanderung den Geltungsbereich dieses M o n o p o l s zu verlassen. Politische Leistungen sind also nicht teilbar, d.h., sie gelten für jeden. Erst mit Ende einer Legislaturperiode können die Konsumenten wieder darüber entscheiden, welche Politiker bzw. Parteien sie in den Rang von monopolistischen Anbietern erheben. Durch Wahlen werden Politiker und Parteien zu zeitweiligen monopolistischen Anbietern. Die Konkurrenz von Politikern und Parteien um Wählerstimmen stellt also einen Wettbewerb darum dar, Anbieter politischer Leistungen werden zu können. „Es rivalisieren potentielle Anbieter von Leistungen mithilfe mehr oder minder expliziter Leistungsversprechen u m das exklusive Recht, aktueller Produzent werden zu dürfen" (Wohlgemuth 2000: 122; vgl. Wohlgemuth 1998). Politischer Wettbewerb ist damit dem Gegenstand der 139

Politik vorgelagert. Auf dem eigentlichen Feld politischer Leistungen finden zwischen Anbietern und Konsumenten keine freiwilligen Tauschhandlungen statt, wohl aber auf dem der Politik vorausgehenden Bereich politischer Wahlen. Die Angebote von Politikern und Parteien bestehen in diesem Fall in Leistungsversprechen, die um Zustimmung werben, also gleichsam gegen Wählerstimmen getauscht werden. Politische Märkte sind folglich keineswegs mit perfekten Märkten im Sinne neoklassischer Modelle gleichzusetzen. Für marktprozeßtheoretische Ansätze ist es jedoch unerheblich, ob Märkte mit Kategorien vollkommenen Wettbewerbs beschrieben werden können oder diesen nicht entsprechen. Damit Marktprozesse ablaufen können genügt es vielmehr, daß Unternehmer in wettbewerblicher Konkurrenz zueinander stehen, worauf beispielsweise Andrew Hindmoor hingewiesen hat. „In what circumstances will this market process work? The basic Austrian position is that it will work when there is 'rivalrous' - rather than perfect competition between entrepreneurs" (Hindmoor 1999: 254). Auch wenn politische Märkte keinesfalls „perfekt" sind und diese deshalb auch nur teilweise mit der neoklassischen Konzeption ökonomischer Märkte übereinstimmen (vgl. dazu insb. Wohlgemuth 1998; Wohlgemuth 2000: 121 ff.), lassen sich dort doch in wettbewerblicher Konkurrenz zueinander stehende Unternehmer finden, nämlich Politiker (s. dazu auch Kap. 5.3.2.). Wettbewerbliche Konkurrenz kann unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Bedeutende Einflußfaktoren auf das Maß wettbewerblicher Konkurrenz und damit auch auf den Marktprozeß selbst stellen im Sinne der Osterreichischen Schule die institutionellen Rahmenbedingungen des Wettbewerbs dar. Friedrich A. v. Hayek hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß es gerade unter schwierigen Wettbewerbsbedingungen wichtig ist, daß Wettbewerb überhaupt stattfindet. „Wenn die objektiven Tatsachen einer Situation und der Charakter der menschlichen Reaktionen auf sie nicht auseinandergehalten werden, übersehen wir leicht die bedeutsame Tatsache, daß der Wettbewerb umso wichtiger ist, je komplizierter oder 'unvollkommener' die objektiven Bedingungen sind, unter denen er wirksam sein soll" (Hayek 1952a: 136 f.). Gerade im Anbetracht der „Unvollkommenheit" politischen Wettbewerbs ist es also notwendig, Wettbewerb zu ermöglichen, damit Wissen schaffende (Markt-) Prozesse ablaufen können und so die Evolution der politischen Ordnung insgesamt voranschreiten kann. Die potentiellen Hemmnisse wettbewerblicher Konkurrenz erschließen sich dabei aus den Umständen des Konkurrenzkampfes von Politikern um das Mandat der Machtausübung, d.h. des monopolistischen Angebots politischer Leistungen.

5.3.2. Politische Unternehmer In der Tradition der Osterreichischen Schule werden Märkte als fortlaufende Prozesse betrachtet, die durch die wechselseitig aufeinander bezogenen (Austausch-) Handlungen der Marktakteure konstituiert werden. Diese Akteure handeln interessegeleitet auf der Grundlage subjektiver Wahrnehmung der eigenen Bedürfnisse und der sie umgebenden Umwelt. 140

Die hieraus resultierende Unsicherheit über die „Welt" beschränkt einerseits die Menschen in ihrem Handeln, weil sie eben nicht vorhersehen können, wie andere handeln und die Zukunft sich entwickelt, ermöglicht es andererseits aber Unternehmern, Profit aus geeigneten Situationen zu ziehen. A u f den Gegenstand der Politik übertragen bedeutet dies, politische Vorgänge als Marktprozesse aufzufassen, für deren Fortentwicklung politische Unternehmer eine wesentliche Rolle spielen. Politiker versuchen eigennützig (politischen) Profit aus der Durchsetzung ihrer Pläne zu ziehen. Diese Pläne können beispielsweise darin bestehen, neue oder auch etablierte politische Ideen in konkrete Politik umzusetzen, und sind als Angebot an politischen Leistungen an die Konsumenten dieser konkreten Politik, z.B. die Bürger einer staatlichen Ordnung, zu verstehen. Für die Anbieter dieser Politik kann das Durchsetzen ihrer Pläne in vielerlei Hinsicht gewinnbringend sein. Zu denken ist dabei nicht nur an das aus politischen Amtern zu erzielende Einkommen, sondern auch an eine persönliche Befriedigung durch mediale Präsenz, durch das Gewinnen von Wahlen oder auch durch Machtgewinn etc. Im Vergleich mit neoklassischen Ansätzen kann die Marktprozeßtheorie, analog z u m Gegenstand der Wirtschaft, aufgrund ihres breiter gefaßten Handlungsbegriffs Aussagen von größerer Relevanz für den politischen Bereich treffen und deshalb auch solche Handlungsweisen und soziale Phänomene erklären, die jenseits der Reichweite des neoklassischen Ansatzes liegen (vgl. Boettke/Löpez 2002: 114; DiLorenzo 1990: 59). Dies deutet daraufhin, daß im Fall der Anwendung der Marktprozeßtheorie auf die Sphäre der Politik ein größeres Spektrum empirisch beobachtbarer Phänomene theoretisch erklärt werden kann, als dies mit Hilfe der neoklassischen Ökonomik möglich wäre. Beispielsweise scheinen die Handlungsweisen von Politikern eher mit dem marktprozeßtheoretischen Akteursbegriff des Unternehmers übereinzustimmen als mit jenem der neoklassischen Modellwelt, dem Optimierer. Die von Schumpeter einmal getätigte Bemerkung über einen Politiker, der sich genauso als Unternehmer begreift wie jemand auf wirtschaftlichem Gebiet, kann dies verdeutlichen helfen (s. Kap. 3.4. u. Kap. 4.2.; vgl. Schumpeter 1946: 453). Unabhängig davon, ob sich unternehmerisches Handeln nun auf Wählerstimmen oder auf das „Olgeschäft" bezieht, ist nämlich die diesem Handeln zugrundeliegende Handlungslogik die gleiche. Unternehmer handeln auf der Grundlage subjektiven Wissens und sind deshalb auch in der Lage, als profitabel geglaubte Gelegenheiten zu ergreifen (s. Kap. 5.2.2.). Wenn ein Politiker beispielsweise zu erkennen glaubt, daß der Führer seiner Partei an Popularität eingebüßt hat, und ihm die Situation als günstig erscheint, dem Parteiführer die Führerschaft streitig zu machen, sind die notwendigen Bedingungen erfüllt, damit er unternehmerisch handeln kann, also diese Chance zu ergreifen. Diese Gelegenheit stellt eine bisher ungenützte Situation dar, denn die anderen Politiker seiner Partei verfugen nicht über das subjektive Wissen, daß die Zeit für einen Führungswechsel reif ist, und treten deshalb auch nicht in den Wettbewerb um die Parteiführerschaft ein (vgl. Heap et. al. 1992: 54 f.). Entsprechend neoklassischer Modelle würde ein solcher Politiker demgegenüber die möglichen Chancen und die Widerstände probabilistisch abschätzen und die gleichen 141

Überlegungen potentieller Mitakteure ebenfalls in seine Berechnungen mit einbeziehen. Die neoklassische Theorie geht vom prinzipiellen Vorhandensein von Informationen über zukünftig eintretende Fälle aus und deshalb muß auch jedes andere Mitglied dieser Partei die gleichen Überlegungen anstellen, um rational zu handeln (vgl. Heap et. al. 1992: 55). Unter Zugrundelegung neoklassischer Ansätze ist es also sehr schwierig zu erklären, warum denn nur ein Politiker in dieser Situation seinen Machtanspruch äußert und nicht alle gleichzeitig, da entsprechend der Modellannahmen ja alle über das gleiche Wissen verfugen müßten. In der neoklassischen Modellwelt interagieren rationale Akteure auf einem Markt, auf dem Güter getauscht werden und sich vermittelt durch einen die Handlungen der Akteure koordinierenden Preismechanismus ein Marktgleichgewicht herausbildet. Für die Übertragung neoklassischer Theorien auf nicht-ökonomische Gebiete m u ß daher notwendig angenommen werden, daß auch auf diesen Gebieten ein solcher Preisbildungsmechanismus funktionieren kann. Für den Bereich der Politik ist dies beispielsweise dadurch möglich, daß Wünsche und Werte von Akteuren in mit dem Preisbildungsmechanismus kompatible Kategorien von Präferenzen und Nutzen transformiert werden (vgl. Heinemann 1999: 19 f.). In diesem Fall handeln politische Akteure, z.B. Wähler und Politiker, im neoklassischen Modell ebenso wie im Bereich der Ökonomie rational auf der Grundlage gegebener Information. Aus der Sicht marktprozeßtheoretischer Ansätze ignorieren neoklassische Modelle jedoch das Problem, daß Wissen den einzelnen Akteuren nur bruchstückhaft und durch subjektive Wahrnehmung gefärbt zur Verfügung steht und damit auch nur Unsicherheit über den zukünftigen Handlungsrahmen besteht (vgl. bspw. Boettke/Löpez 2002: 112). Diese konzeptionelle Differenz zeigt dabei unmittelbare Auswirkung auf das jeweilige, grundsätzliche Verständnis politischer Ordnungen (s. Kap. 5.3.1.). Der demokratische Wettkampf von Politikern und Parteien um Wählerstimmen zielt darauf, auf bestimmte Zeit das Monopol über die Bereitstellung politischer Leistungen zu besitzen. Die Tatsache alleine, daß bestimmte Anbieter, d.h. in diesem Fall eine Regierung bildende Politiker, ein Monopol der Leistungserbringung besitzen, stellt für marktprozeßtheoretische Ansätze noch keine Beschränkung von Wettbewerb dar. Wettbewerb ist vielmehr erst dann eingeschränkt, wenn Bedingungen herrschen, die verhindern, daß potentielle Konkurrenten dieses Monopolisten mit diesem um seine Position konkurrieren. Dies bedeutet, daß Wettbewerb nur dann herrschen kann, wenn Konkurrenten die marktbeherrschende Stellung eines „Monopolisten" herausfordern können, sie also in den Markt, d.h. in den Wettbewerb, eintreten können. Anders als im Fall neoklassischer Ansätze ist marktlicher Wettbewerb damit grundsätzlich nicht von der Zahl der Anbieter abhängig. „For the fact that one entrepreneur currently dominates a market does not, in itself, prevent another entrepreneur from challenging his or her position. If monopolists always offer the best products at the most competitive price, no rival will be able to challenge them. This inability is not, however, the result of any coercion and so cannot be thought to constitute a barrier to entry" (Hindmoor 1999: 255). Politischer Wettbewerb ist also in hohem Maße vom Vorhandensein von Marktzugangschancen potentieller Bewerber um die „politische Marktführerschaft" abhängig. Diese werden jedoch von der 142

herrschenden Wettbewerbsordnung mitbestimmt. Gerade die institutionellen Rahmenbedingungen politischer Konkurrenz, insbesondere die in sehr vielen politischen Ordnungen beobachtbare Eingebundenheit von Politikern in Parteien, sind eine Quelle vielfältiger Marktzugangsschranken. Die Aussagen einer marktprozeßtheoretischen Politischen Ö k o n o m i e dürfen aber nicht auf die Forderung nach Abbau von Wettbewerbsschranken reduziert werden. Vielmehr gilt es darauf zu achten, daß auch die „richtigen" Anreize für Unternehmer gesetzt sind. Eine marktprozeßtheoretisch fundierte Ordnungspolitik muß daher darauf abzielen, Unternehmer in „schöpferische Unruhe" zu versetzen, damit diese ihre Marktstellung durch Schaffung neuen Wissens erzielen, statt Profite durch „politisch sanktionierte Verzerrungen und Begünstigungen zu erwirtschaften" (Streit/Kasper 1995: 132). Gerade politischer Wettbewerb bietet solche Profitgelegenheiten für politische Unternehmer. Mit Randall G. H o l c o m b e lassen sich beispielsweise zwei potentielle Quellen solcher Profite politischer Unternehmer unterscheiden, nämlich zum einen durch die Schaffung neuen Wissens, d.h. beispielsweise durch die Entwicklung auf die Lösung gesellschaftlicher Sachfragen zielender politischer Angebote. Z u m anderen können politische Unternehmer jedoch auch dadurch politischen Profit erzielen, wohlfahrtsstaatliche Transfers von einer gesellschaftlichen Gruppe auf eine andere zu initiieren und sich dies von der nutznießenden Gruppe in Form von „politischer Unterstützung" vergüten zu lassen (vgl. H o l c o m b e 2002: 147 ff.). Dieses „plünderische" Unternehmertum scheint für Politiker eine profitablere Strategie als die Schaffung neuen politischen Wissens zu sein, weil durch wohlfahrtsstaatliche Transfers bestimmte gesellschaftliche Gruppen einen klar abgrenzbaren Nutzen erzielen können, während der Nutzen aus Innovationen auf politischem Gebiet eher allen, dafür aber nicht in diesem konzentrierten Maß zugute kommt. Politökonomisch erwünscht ist aber schöpferisches und nicht etwa „plünderisches" Unternehmertum. Nur ersteres ist nämlich in der Lage, neue Lösungsmöglichkeiten gesellschaftlicher Probleme zu generieren. „The nature of market activity is to enhance people's propensity to truck, barter, and exchange - generally a positive-sum game - and entrepreneurship facilitates this process. By contrast, the nature o f government activity, including political entrepreneurship, is to promote wealth transfers, which is, at best, a zero-sum game" (DiLorenzo 1990: 69). Der Fokus politischen Handelns auf wohlfahrtsstaatliche Transfers ist dabei, nebenbei bemerkt, auch eine der Hauptursachen wirtschaftlicher Stagnation (vgl. dazu bspw. Olson 1982; Olson 2000). Anreize für politische Unternehmer, sich „plünderisch" statt produktiv zu verhalten, sind durch den institutionellen Rahmen politischen Handelns vorgegeben und liegen insbesondere im selbstzugewiesenen Anspruch moderner politischer Ordnungen, individuelle Lebensbedingungen durch ebensolche wohlfahrtsstaatlichen Transfers einander anzugleichen. Will man nun die Anreize für produktives politisches Unternehmertum erhöhen, gilt es die Möglichkeiten politischen Profits durch wohlfahrtsstaatliche Transfers zu reduzieren, indem die Durchführung dieser „Umverteilung" durch adäquate Gestal-

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tung des Ordnungsrahmens von Politik erschwert wird. Dies impliziert gleichzeitig die Aufgabe, das Ausmaß wohlfahrtsstaatlicher Transfers insgesamt zu hinterfragen.

5.3.3. Politische Parteien In einer Parteiendemokratie oder einem Parteienstaat (vgl. bspw. Stöss 2001) wie in der Bundesrepublik Deutschland besitzen Parteien eine hervorgehobene Stellung innerhalb der politischen Ordnung. Beispielhaft sei auf Artikel 21 des Grundgesetzes hingewiesen, der die Mitwirkung von Parteien bei der politischen Willensbildung des Staatsvolkes garantiert und damit Parteien als verfassungsmäßige Elemente der politischen Ordnung anerkennt. Im ökonomischen Verständnis sind Parteien korporative Akteure, hierarchisch gegliederte Organisationen mit dem Ziel, die gemeinsamen Zwecke der hierin zusammengeschlossenen einzelnen Akteure zu verfolgen. Sie sind in dieser Hinsicht durchaus mit Unternehmungen auf ökonomischem Gebiet vergleichbar (vgl. Wohlgemuth 2000: 167). Politische Unternehmer handeln durch Parteien. Sie ermöglichen es den darin agierenden Politikern, wirksam in Konkurrenz zu anderen zu treten, die nicht in dieser Partei zusammengeschlossenen sind. Parteien sind also Organisationen zur Vorbereitung und Durchfuhrung von Wahlkämpfen. Als solche besitzen Parteien bzw. die Gesamtheit der darin organisierten Politiker Entscheidungsmacht über die Chancen der in ihnen agierenden politischen Unternehmer auf Erlangung von Regierungsverantwortung, d.h. auf den Sieg im Konkurrenzkampf u m das M o n o p o l auf das Angebot an politischen Leistungen. In der neoklassischen Interpretation von Politik sind die Parteien die entscheidenden Akteure auf der Angebotsseite des politischen Betriebs (s. Kap. 4.3.). Sie werden von den Bürgern gewählt, damit sie politische Leistungen bereitstellen. Sie sind aus Politikern bestehende, hierarchisch gegliederte Unternehmungen, die in ihrem Streben nach Regierungsverantwortung a u f einem oligopolistischen Markt mit ihrem in eine Parteiideologie gekleideten politischen Programm, d.h. mit ihrem spezifischen Leistungsversprechen, mit anderen Parteiunternehmungen um Wählerstimmen konkurrieren. In einer Partei zusammengeschlossene Politiker verfolgen in diesem Modell gemeinsame Interessen und handeln als Repräsentanten ihrer jeweiligen Partei. Neoklassische Politikmodelle blenden damit die innerparteiliche Konkurrenz von Politikern weitestgehend aus. Aus marktprozeßtheoretischer Sichtweise besitzen Parteien hingegen nicht nur Organisations-, sondern auch Institutionscharakter. Sie stellen also Regelnetzwerke dar, die das Handeln der in ihnen agierenden politischen Unternehmer formen und auch deren Handlungsspielraum beschränken. Parteien dürfen deshalb nicht als monolithische Organisationen aufgefaßt werden, deren Mitglieder alle im Gleichklang das gemeinsame Interesse verfolgen. Sie bestehen vielmehr aus einer Vielzahl von politischen Unternehmern, die durch ihr Handeln neben gemeinsamen auch noch eigene Interessen verfolgen. Politische Unternehmer handeln also nicht nur durch Parteien, sondern auch in Parteien. Dies bedeutet, daß politischer Wettbewerb sich nicht nur in Form einer Konkurrenz um

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Wählerstimmen, sondern auch in Form einer Konkurrenz um die besten Startbedingungen für diesen Wettbewerb im Inneren politischer Parteien äußert. Dieser innerparteiliche Wettbewerb um die besten Chancen im Wettstreit um die Wählerstimmen kann sogar als die bedeutendere Form unternehmerischer Konkurrenz angesehen werden, weil dieser über den Marktzutritt politischer Unternehmer entscheidet. Randall G. Holcombe vergleicht die Konkurrenz verschiedener Parteien mit dem Wettstreit von Verkäufern innerhalb eines Unternehmens, wer denn den größten Verkaufserfolg erzielen könne. Dieser Wettstreit stellt aber nur eine Nebenfolge des eigentlichen Wettbewerbs dar, der im Bereich des Politischen insbesondere zwischen denjenigen ausgetragen wird, die bereits gefestigte Stellungen bzw. Marktpositionen besitzen, und solchen, die die Amtsinhaber herausfordern (vgl. Holcombe 2002: 154 f.). Aufgrund der Definitionsmacht von Parteien über die Zugangschancen zum politischen Markt sind etablierte politische Unternehmer, die innerhalb dieser Parteien agieren, auch in der Lage, den Marktzutritt von Herausforderern zu beschränken. Beispielsweise sind innerhalb der politischen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland die Mitwirkungs- und Einflußmöglichkeiten eines Parlamentariers, also eines politischen Unternehmers, der aus dem Wettbewerb um Wählerstimmen bereits erfolgreich hervorgegangen ist, stark von seinem Status innerhalb der Fraktionshierarchie und damit von seiner Stellung innerhalb der Machtstruktur politischer Parteien abhängig (vgl. bspw. Ismayr 2001: 363; Alemann 2001: 125 ff.). Insofern ist auch die bekannte These von der Abhängigkeit politischer Karrieren von der Eingebundenheit in „politische Seilschaften" durchaus plausibel (vgl. dazu insb. Scheuch/Scheuch 1992: 155 ff.). Parteien besitzen ferner eine wichtige Rolle bei der Nominierung von Kandidaten für politische Wahlen, d.h., sie bestimmen über den Zugang politischer Unternehmer zum Wettbewerb um Wählerstimmen. In der Bundesrepublik Deutschland entscheiden im Fall anstehender Bundestagswahlen insbesondere die Organe der Parteien auf Wahlkreisebene, vor allem hinsichtlich der Aufstellung direkter Wahlkreiskandidaten, sowie auf Landesebene in Form der Aufnahme und Rangordnung von Kandidaten für die „Landesliste" über den Zugang zum (Wählerstimmen-) Wettbewerb. Letztendlich bestimmen damit die Machtverhältnisse in beispielsweise Orts- und Kreisverbänden oder auf Landesparteitagen darüber, ob Herausforderer sich gegen etablierte politische Unternehmer durchsetzen können und damit Zugang zum politischen Markt erhalten (vgl. Wöyke 1998: 87 ff.; Nohlen 2000: 304 ff.). Aufgrund der Bedeutung niederer Parteigliederungen im Rahmen der Kandidatennominierung können durchaus auch Herausforderer gegen die Inhaber hoher politischer Amter in den Markt eintreten, wenn sie sich denn innerhalb dieser unteren Gliederungen durchgesetzt haben und beispielsweise als direkt gewählte Abgeordneter über eine stabile lokale Basis verfügen (vgl. Poguntke 2001: 266 f.). Jedoch ist es keineswegs so, daß solche Herausforderer qua Wahlgewinn in den innerparteilichen Wettbewerb um politische Gestaltungsmacht eintreten können. Einfluß auf die Gestaltung von Politik erhalten in der Regel nämlich nur solche politischen Unternehmer, die sich diese Position im Laufe einer langen (partei-) politischen Karriere erarbeitet haben und damit auch fester 145

Bestandteil des Machtgefüges innerhalb einer Partei geworden sind (vgl. bspw. Herzog 1975; Borchert/Golsch 1999: 125 ff.; Beyme 2001). Die Notwendigkeit des Durchlaufens politischer Karrieren, d.h. beispielsweise der Eintritt in das politische Berufsleben auf lokaler Ebene, die Mitgliedschaft in verschiedenen Parteigremien, erste Wahlerfolge sowohl innerhalb als auch außerhalb von Parteien, das Erringen „wichtigerer" Mandate, das Aufrücken in die Führungsspitze von Parteien etc., kann somit als institutionelle Barriere des Marktzugangs für politische Unternehmer interpretiert werden.

5.3.4. Institutionelle Hemmnisse politischer Marktprozesse Die bisherigen Ausfuhrungen zur Funktionsweise von Marktprozessen in als Parteiendemokratien gedachten politischen Ordnungen lassen sich anschaulich in Form eines stark abstrahierenden Modells verdichten. Politische Leistungen werden von Wählern bzw. den Bürgern eines Staats bei Parteien und Politikern in Form politischer Wahlen nachgefragt. Die zur Wahl stehenden politischen Unternehmer sind bereits als Sieger aus innerparteilichen Konkurrenzkämpfen hervorgegangen. Die Eingebundenheit von Politikern in Parteien bedingt nun, daß aus demokratischen Wahlakten Regierungs- und Oppositionsparteien hervorgehen. Sowohl innerhalb von Regierungs- als auch Oppositionsparteien stehen politische Unternehmer, d.h. insbesondere Herausforderer und Amtsinhaber, miteinander im Wettstreit um Einfluß auf die Parteipolitik. Abhängig vom relativen Kräfteverhältnis von Regierung und Opposition entsteht aus der Konkurrenz von Einfluß besitzenden Politikern untereinander ein von den Nachfragern nach Politik zwangsweise zu konsumierendes Angebot politischer Leistungen, z.B. in Form von Gesetzen und Verordnungen. Politische Unternehmer reagieren jedoch nicht ausschließlich auf die Nachfrage seitens der Wähler, indem allein hieraus politische Angebote entstehen. Vielmehr versuchen sie auch Nachfrage nach ihren politischen Leistungen zu stimulieren. Wahlwerbung ist nur eines der zahlreichen, hierfür verwendeten Instrumente. Beispielsweise dient auch die staatliche Unterstützung von nicht-parteilichen Interessengruppen, die von in Regierungsverantwortung stehenden politischen Unternehmern beschlossen wird, dazu, über den Umweg der Öffentlichkeitsarbeit dieser Interessengruppen („partisan politics") die Nachfrage nach bestimmten politischen Leistungen erst zu schaffen (vgl. dazu insb. DiLorenzo 1990: 68). Auf politischen Märkten herrscht zweifelsohne vielfältige Konkurrenz zwischen verschiedenen politischen Unternehmern. Zum einen sind dies der Wettbewerb um die Nominierung zu politischen Wahlen und der Wettbewerb um Wählerstimmen. Zum anderen ist dies auch der Wettbewerb aus diesem ersten Konkurrenzkampf siegreich hervorgegangener Politiker u m Einfluß auf die Gestaltung konkreter Politik. Politischer Wettbewerb findet also insbesondere innerhalb der politischen Klasse statt. Dieser Wettbewerb ist vor allem darauf gerichtet, Zugang zur Konkurrenz um Wählerstimmen und zur Konkurrenz um die Gestaltung von Politik zu erwerben. Auf genau diesen beiden Ebenen können nun durch das spezifische institutionelle Arrangement bedingte Marktzugangsschranken die 146

Wettbewerbschancen von politischen Unternehmern und damit auch das Funktionieren politischer Marktprozesse beeinträchtigen. Neoklassische und marktprozeßtheoretische Ansätze unterscheiden sich bedingt durch ihre jeweils unterschiedlichen Grundannahmen in ihrem analytischen Fokus. Neoklassische Ansätze betrachten Marktzustände, die sich im Idealfall durch eine „optimale" Allokation von Ressourcen auszeichnen. Politische Marktgleichgewichte stellen eine in diesem Sinne effiziente Ressourcenallokation dar (vgl. bspw. Sutter 2002). Marktprozeßtheoretische Konzeptionen betonen hingegen den Prozeßcharakter von Marktphänomenen, durch den, besser als es prinzipiell durch menschliche Planung erzielbar ist, Wissen als Folge der Koordination individueller Pläne auf dem Markt geschaffen werden kann. Politische Ordnungen können sich deshalb genauso evolutionär weiterentwickeln wie Wirtschaftsordnungen, wenn sie nur wettbewerblich organisiert und damit in der Lage sind, die Koordination individueller Pläne angemessen zu unterstützen. Diese unterschiedlichen Interpretationen von Marktphänomenen schlagen sich auch in einer unterschiedlichen Politischen Ökonomie nieder (vgl. Yeager 2000: 227). Neoklassische Ansätze urteilen über Marktphänomene also anders als marktprozeßtheoretische Ansätze. Das Beurteilungskriterium ist im ersten Fall die anhand einer optimalen Güterallokation gemessene „Effizienz" von Marktzuständen. Abweichungen von einem optimalen Zustand rechtfertigen nach neoklassischer Theorie den externen Eingriff in den Markt. „Perfect competition and its Pareto efficient allocation is used as a benchmark for judging the workings of actual markets. Deviations from the competitive norm such as those generated by product differentiation, advertising, price discrimination, etc., are treated as being indicative of resource misallocation or other inefficiencies. When combined the objective theory of cost and the neoclassical conception of social welfare, the structuralist paradigm has been used to justify various governmental interventions in the workings of market to improve the outcome yielded by markets" (Hulbert 1986: 70 f.). Marktvorgänge werden durch die Osterreichische Schule als Prozesse aufgefaßt. Diese basieren auf wettbewerblicher Konkurrenz von Unternehmern, die jeweils durch die Suche nach profitabel nutzbaren Situationen Wissen schaffen und so die treibende Kraft der Evolution spontaner Ordnungen darstellen. Ordnungen entstehen dabei als (unbeabsichtigte Neben-) Folge der wettbewerblichen Konkurrenz dieser Unternehmer. Marktprozesse tragen also zur Weiterentwicklung von Ordnungen bei. Das Ziel dieser Entwicklung wird grundsätzlich als ergebnisoffen angesehen und erschöpft sich nicht im Zustand einer optimalen Ressourcenallokation. Die Handlungen von Unternehmern sind ferner in einem institutionellen Rahmen eingebunden. Die schöpferische Kraft von Marktprozessen kann ihre Wirkung deshalb nur dann entfalten, wenn dieser institutionelle Rahmen wettbewerblicher Konkurrenz keine Beschränkungen aufweist. Marktordnungen können damit danach bewertet werden, in welchem Maße sie wettbewerbliche Konkurrenz von Unternehmern zulassen, d.h., in welchem Maße sie im Umkehrschluß unternehmerische Konkurrenz beschränken. Besondere Bedeutung besitzen in diesem Zusammenhang Zugangsbarrieren zu wettbewerblicher Konkurrenz. Uberträgt man diesen Gedanken auf den Gegenstand der Politik, rücken institutionelle Marktzugangsbarrieren für politische 147

Unternehmer in das Zentrum der Analyse. Politökonomische Handlungsempfehlungen, die aus marktprozeßtheoretischen Ansätzen abgeleitet werden können, zielen damit nicht auf Markteingriffe zur Herstellung „optimaler" Marktzustände, sondern a u f den Abbau von Wettbewerbshemmnissen. J e d e Politische Ökonomie besitzt immer zwei konzeptionelle Dimensionen. Z u m einen ist dies eine „positive" Komponente, nämlich eine Theorie zur Erklärung ökonomischer, d.h. marktlicher Phänomene. Die zweite Komponente ist demgegenüber „normativ". Unter dieser Perspektive betrachtet beinhaltet eine Politische Ökonomie Handlungsempfehlungen, wie, aufbauend auf der Erklärung von Marktphänomenen, der „Wohlstand der Nationen" gesteigert werden könnte (vgl. dazu insb. Waterman 2002: 14). Neoklassische ökonomische Theorien implizieren die grundsätzliche Steuerbarkeit von Marktphänomenen. Marktlich organisierte und geplante Wirtschaftsordnungen werden damit als gleich leistungsfähig betrachtet (s. Kap. 5.2.1.). Das historische Scheitern von Zentralverwaltungswirtschaften, das sich insbesondere im Zusammenbruch der sozialistischen Staaten u m das Jahr 1989 eindringlich manifestierte, gilt dabei nicht als Argument gegen zentrale Wirtschaftsplanung. A u f einer Tagung der Mont-Pelerin-Gesellschaft in Prag im Jahre 1991 über die „Suche nach einem Ubergang in eine freie Gesellschaft" versuchte beispielsweise Gary S. Becker das Scheitern des ökonomischen Sozialismus durch die falsche Interpretation statistischer Daten oder den ungenügenden Einsatz von Anreizstrukturen in diesen Wirtschaftsordnungen zu erklären (vgl. Huerta de Soto 1998: 94/Fn. 46). A u f den Gegenstand der Politik übertragen bedeutet dies, daß auch politische Ordnungen absichtsvoll so konstruiert werden könnten, daß sie möglichst „effiziente" Ergebnisse produzieren. Ein wichtiger Ansatzpunkt einer solchen neoklassisch fundierten Politischen Ökonomie besteht insbesondere in der Verringerung von „Reibungsverlusten" von Demokratie bzw. der Senkung von Transaktionskosten (s. Kap. 4.5.). Marktprozeßtheoretische Ansätze verneinen hingegen die prinzipielle Planbarkeit der Ergebnisse von Marktphänomenen, weil das Ergebnis von Marktprozessen aufgrund der Annahme nur subjektiven und bruchstückhaften Wissens der Akteure prinzipiell nicht vorhersagbar sein kann. U m die Entwicklung von Marktordnungen vorherzusagen, bedarf es einer vollständigen Erklärung aller menschlichen Handlungen in dieser Ordnung. Die subjektivistische Fundierung marktprozeßtheoretischer Ansätze läßt dies jedoch als logisch unmöglich erscheinen, da dies den Zugang eines menschlichen Planers zu objektiven Daten verlangt. Als menschliches Wesen verfugt dieser aber nur über subjektives, d.h. durch die eigene Wahrnehmung gefärbtes, bruchstückhaftes und deshalb auch fehlerbehaftetes Wissen (vgl. bspw. Hulbert 1986: 19, s. Kap. 5.1.2.). Darüber hinaus ist Wissen kein objektives Datum, da Wissen durch unternehmerische Handlungen beständig neu geschaffen werden kann. Zukünftige Entwicklungen sind also deshalb nicht prognostizierbar, weil zu einem gegebenen Zustand nicht feststeht, welches Wissen denn künftig geschaffen wird. Jeglicher Anspruch, Handlungsempfehlungen zur Gestaltung von Marktordnungen geben zu können, verlangt die prinzipielle Vorhersagbarkeit der Wirkungen dieser Eingriffe. Wenn im Rahmen marktprozeßtheoretischer Konzeptionen nun Bewertungen von 148

Marktordnungen angestellt werden, müssen hieraus abgeleitete Folgerungen, die ja auf „Gestaltung" des Marktprozesse umgebenden institutionellen Rahmens gerichtet sind, in ihrer Wirkung vorhersagbar sein. Anders als es die obigen Ausfuhrungen über die Unvorhersehbarkeit zukünftiger Entwicklungen vermuten ließen, besitzen marktprozeßtheoretische Ansätze diese prinzipielle Vorhersagekraft, jedoch nicht verstanden als quantitative Vorhersage der Wirkungen von Markteingriffen analog zu neoklassischen Modellen. Die Vorhersageleistung ist vielmehr eine qualitative. „Economics can predict the effects to be expected from resorting to definite measures of economic policies. It can answer the question whether a definite policy is able to attain the ends aimed at and, if the answer is in the negative, what its real effects will be. But, of course, this prediction can be only 'qualitative'. It cannot be 'quantitative' as there are no constant relations between the factors and effects concerned" (Mises 1962: 67). In diesem Sinne versuchen marktprozeßtheoretische Ansätze insbesondere die Frage zu beantworten, wie Interventionen in den Marktprozeß die Koordination der Pläne der einzelnen Marktakteure stören (vgl. Huerta de Soto 1998: 101). Märkte sind entsprechend der Auffassung der Osterreichischen Schule nicht perfekt, d.h., sie sind durch Informationsasymmetrien gekennzeichnet (s. Kap. 5.1.2. u. 5.2.1.). Diese stellen nun die treibende Kraft des unternehmerischen Handelns dar, denn Unternehmer versuchen solche Ungleichgewichte zu identifizieren, zu ihrem Vorteil auszunutzen und damit letztendlich Wissen über diese Situationen zu schaffen, durch ihr Handeln zu verbreiten und die Aufmerksamkeit anderer hierauf zu lenken. Andere Unternehmer versuchen gleichfalls diese Situationen für sich zu nutzen und auf diese Art und Weise verschwinden im Laufe des Marktprozesses auch die identifizierten Informationsasymmetrien. Diese Leistung können Marktordnungen jedoch nur dann erbringen, wenn dem unternehmerischen Streben der einzelnen Akteure keine Schranken auferlegt werden, Unternehmern also Anreize gegeben sind, „Wissensungleichgewichte" zu identifizieren, auszunutzen und damit zu beseitigen (vgl. Hindmoor 1999: 257). Den Wettbewerb behindernde Institutionen können insbesondere als Beschränkungen des Marktzugangs interpretiert werden. „Where anti-competitive institutions such as barriers to entry (e.g. incumbent advantage to dissuade effective challengers) distort entrepreneurial incentives, less efficient outcomes will be predicted" (Lopez 2002: 225). Der Wert marktprozeßtheoretischer Ansätze fur die Bewertung politischer Ordnungen liegt also vor allem in der Identifikation von Beschränkungen politischen Wettbewerbs. Hierunter sind insbesondere Hemmnisse des Eintritts politischer Unternehmer in die wettbewerbliche Konkurrenz zu anderen politischen Unternehmern zu verstehen (s. Kap. 5.3.2.). Das Ausmaß dieser Marktzugangsschranken beeinflußt dabei die Fähigkeit einer politischen Ordnung, auf nicht vorhersagbare, künftige Ereignisse durch die Entwicklung adäquater Lösungsmöglichkeiten zu reagieren, denn politische Innovationen können nur durch die wettbewerbliche Konkurrenz von Unternehmern entstehen. Das Ziel einer marktprozeßtheoretischen Politischen Ökonomie beteht somit darin, den institutionellen Rahmen politischer Ordnungen dahingehend zu hinterfragen, ob dieser die Lösung von gesellschaftlichen Sachfragen durch die Tätigkeit politischer Unter149

nehmer ermöglicht. Zu diesem Zweck ist z u m einen die Aufmerksamkeit darauf zu richten, o b der herrschende Ordnungsrahmen auch die „richtigen" Anreize für politisches Unternehmertum setzt. Die bestehende Möglichkeit zur Initiierung wohlfahrtsstaatlicher Transfers durch politische Unternehmer behindert dabei die „produktive" Fortentwicklung politischer Ordnungen und folglich muß das wohlfahrtsstaatliche Selbstverständnis moderner Gesellschaften einer kritischen Prüfung unterzogen werden. Z u m anderen stellt sich die Frage nach den vorhandenen Beschränkungen politischen Wettbewerbs. Schließlich ist wettbewerbliche Konkurrenz entsprechend des marktprozeßtheoretischen Ansatzes notwendig, damit neues Wissen geschaffen werden kann. Der Zugang politischer Unternehmer zu dieser Konkurrenz darf deshalb nicht durch außermarktliche Mittel beschränkt sein. Marktzugangsschranken sind Teil des institutionellen Rahmens politischer Marktprozesse und als solche zu hinterfragen. Dies läuft auf die Schaffung einer doppelten Anreizstruktur hinaus (vgl. dazu insb. Kirzner 1978: 184 f.). Z u m einen muß das Motiv, produktiv Gewinne zu erzielen, beim politischen Unternehmer handlungsleitend sein. Z u m anderen muß gewährleistet sein, daß unternehmerische Chancen auch identifiziert und genutzt werden, politische Unternehmer also in die Markt eintreten können. In diesem Sinne bleibt kritisch zu fragen, ob die sich im Laufe des Konkurrenzverhältnisses von politischen „Marktführern", d.h. den Amtsinhabern, und deren Herausforderern herausgebildete institutionelle Regelung, den Marktzugang an das Durchlaufen einer politischen Karriere zu binden, eine solche Marktzugangsbarriere darstellt, die derzeitige Praxis der Rekrutierung politischen Personals durch die Institution von „Politik als B e r u f ' (vgl. Weber 1992) also politischen Wettbewerb behindert.

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6. Folgerungen für eine Politische Ökonomie des Politikbetriebs Politische Eliten können zweifelsohne als maßgebliche Bestandteile des politischen Betriebs angesehen werden und im Fall vorhandener Dysfunktionalitäten eben dieses Politikbetriebs sind sie deshalb sowohl als Individuum (Politiker) als auch als Gruppe (Parteien) heftiger Kritik ausgesetzt (s. Kap. 1.). Die Existenz einer politischen Klasse gilt somit als notwendiges Übel einer jeden Gesellschaft. „Unfortunately, good or bad, politicians are an indispensable element of modern society in which government must provide services that the people cannot produce by voluntary association in markets" (Seidon 1993: 7). Die Bewertung der Leistungen des politischen Betriebs verlangt die angemessene Berücksichtigung der Handlungsweisen des hierin eine gewichtige Rolle einnehmenden, politischen Personals. In soziologischen und politikwissenschaftlichen Theorien politischer Eliten wird diesem ausdrücklich ein hoher Stellenwert in gesellschaftlichen Ordnungen zugebilligt (s. Kap. 2.). Politische Eliten werden dort entweder durch ihre Stellung in der Gesellschaft oder durch ihre Eigenschaften charakterisiert (s. Kap. 2.1.), zu denen Macht ebenso wie tatsächliche, zugeordnete und erwartete Qualifikationen oder auch ihre spezifische gesellschaftliche Funktion, nämlich Herrschaft auszuüben, gerechnet werden können. Die spezifische Genese politischer Eliten, d.h. deren Rekrutierung bzw. Reproduktion, stellt dabei für die Klassiker der Elitentheorie ein entscheidendes Kriterium für die Art und Weise der weiteren Entwicklung einer Gesellschaft dar. Eliten sind als der logische Gegenbegriff zur „Masse", d.h. den Nicht-Eliten, zu betrachten (s. Kap. 2.2.), denn diese verfugen eben nicht über die soziale Stellung bzw. die Eigenschaften von Eliten. Die Nicht-Elite kann je nach Standpunkt entweder als Reservoir für die Rekrutierung von Elitemitgliedern oder auch als nur untergeordnet strukturbildendes Element politischer Herrschaft gedeutet werden. Trotz vielfacher Geringschätzung der Masse sehen viele Autoren in dieser eine Gefährdung für die gesellschaftliche Ordnung. Durch eine „Vermassung" der Gesellschaft, d.h. durch die Aufhebung des qualitativen Unterschieds von Elite und Masse als Folge einer Angleichung der Elite an die Masse, verliere nämlich die politische Elite ihre zur Führung eines Gemeinwesens berechtigenden Eigenschaften und könne daher den Schutz der Freiheitsrechte des einzelnen nicht mehr vor dem Zugriff der unumschränkten Herrschaft der Mehrheit gewährleisten. Wenn politische Eliten in demokratischen Ordnungen als Inhaber bestimmter Qualifikationen angesehen werden, deren Besitz Vorbedingung ihrer Funktion ist, Herrschaft im Interesse, d.h. als Treuhänder der Beherrschten ausüben, entzündet sich Kritik an der politischen Klasse vor allem am Nicht-Erfiillen dieser Funktionen. Politische Akteure handeln jedoch nicht lösgelöst von institutionellen Rahmenbedingungen, sondern eingebettet in eine politischen Ordnung (s. Kap. 3.). Die Beantwortung der Frage nach der Gestaltung eines Ordnungsrahmens, damit die darin handelnden Akteure bestimmte gesellschaftliche „Funktionen" erfüllen können, ist insbesondere Thema der Wirtschaftsordnungspolitik. Diese Konzeption kann durchaus v o m Gegenstand der Ökonomie auf den der Politik übertragen werden (s. Kap. 3.1.). Die Idee einer in der Tradition Walter Euckens stehenden Ordnungspolitik impliziert, daß der Bewertung einer Ordnung, um angemessene Empfeh151

lungen zu deren Ausgestaltung zu formulieren, die hinreichende Erklärung der Funktionszusammenhänge des entsprechende Gegenstands auf geeigneter theoretischer Grundlage vorausgehen muß. Zu diesem Zweck eignet sich ein methodologisch-individualistischer, ökonomischer Ansatz. Seine theoretischen Grundannahmen (s. Kap. 3.2.) bestehen in der Erklärung individuellen Verhaltens durch das Eigennutzprinzip, in der Konzeption sozialer Phänomene als das Ergebnis der Interaktionen von Individuen auf einem Markt und in der Beschreibung von Wirklichkeit mit Hilfe hypothetischer Modelle. Ideengeschichtlich betrachtet lassen sich dabei zwei aus der Grenznutzenschule hervorgegangene, wirkungsmächtige Denktraditionen unterscheiden, nämlich die neoklassische ökonomische Theorie und die Osterreichische Schule der Nationalökonomie. Die Prinzipien von Freiheit und Gleichheit können als Schlüsselbegriffe theoretischer Betrachtung demokratischer Ordnungen angesehen werden (s. Kap. 3.3.). Nur bestimmte Typen der verschiedenen Demokratietheorien eigenen sich jedoch für eine ordnungspolitische Analyse des politischen Betriebs. Vor allem normative demokratietheoretische Konzepte bewerten politische Ordnungen einerseits anhand der an sie gestellten Erwartungen, d.h. ihrem „Input", und andererseits anhand der von diesen Ordnungen hervorgebrachten Ergebnisse, d.h. ihrem „ O u t p u t " (s. Kap. 3.4.). Die Idee einer Ordnungspolitik des politischen Betriebs verlangt jedoch eine hinreichende Analyse politischer Prozesse durch eine „realistische" Demokratietheorie, die von normativen Theorien nur unzureichend geleistet wird. Insbesondere der ökonomische Ansatz eignet sich, nicht zuletzt aufgrund seiner methodologisch-individualistischen Fundierung, zu einer solchen Analyse und kann darüber hinaus als Grundlage einer die verloren gegangene Einheit von Sozial- und Wirtschaftswissenschaften überwindenden, politökonomischen Strategie zur Bewertung politischer Ordnungen dienen (s. Kap. 3.5.). Innerhalb des ökonomischen Ansatzes lassen sich zwei wesentliche Denktraditionen identifizieren, die in ihrer Analyse menschlichen Handelns jeweils unterschiedliche Schwerpunkte verfolgen. Eine dieser Denktraditionen besteht in der neoklassischen theoretischen Ö k o n o m i e , die hier insbesondere als durch die Arbeiten von Léon Walras, Harold Hotelling, Kenneth J . Arrow und Anthony Downs sowie - in ihrer institutionenökonomischen Erweiterung - durch Ronald H. Coase, Oliver E. Williamson und James S. Coleman geprägt aufgefaßt wird (s. Kap. 4.). Zu den modelltheoretischen Grundannahmen der neoklassischen ökonomischen Analyse (s. Kap. 4.1.) gehören erstens ein methodologischer Individualismus, zweitens die Annahme einer im individuellen Streben nach Maximierung des eigenen Nutzens bestehenden Handlungsmotivation, drittens das Axiom stabiler bzw. unveränderlicher Ziele der Akteure und viertens die Interpretation von Handlungen als rationale Entscheidungen. Ausgehend von diesen Grundannahmen lassen sich die Ergebnisse der Interaktion von Individuen als Marktgleichgewicht beschreiben, wenn bestimmte Annahmen wie beispielsweise das Vorhandensein perfekten Wettbewerbs oder vollständiger Information erfüllt sind. Diese Gleichgewichtskonzeption im Sinne einer jeweils „optimalen" Lösung der Aggregation individueller Präferenzen, d.h. des jeweils besten Ausgleichs von Angebot und Nachfrage, ist zentral für das Verständnis der gesamten neoklassischen Theorietradition (s. K a p . 4.2.). Wie das Beispiel der ökonomi152

sehen Theorie der Demokratie nach Anthony Downs zeigt, lassen sich die methodischen Grundannahmen über den einzelnen Akteur sowie das Interagieren von Individuen auf einem Markt auch auf politische Ordnungen anwenden (s. Kap. 4.3.). Politische Parteien konkurrieren in diesem Sinne mit Hilfe ihrer jeweiligen politischen Programmatik um Wählerstimmen und als Folge dieser Konkurrenz bildet sich ein der Verteilung der politischen Präferenzen der Wähler entsprechendes, politisches Marktgleichgewicht heraus. Ubereinstimmend mit den neoklassischen Grundannahmen ist dieses gleichsam automatisch entstandene Marktgleichgewicht „effizient", d.h., als optimale Aggregation individueller Präferenzen aufzufassen. Weichen Marktordnungen jedoch von diesen Grundannahmen ab, können Märkte versagen, d.h. nicht-effiziente Ergebnisse produzieren (s. Kap. 4.4.). Nicht durch den marktimmanenten Preismechanismus transportierte Nutzenveränderungen von Marktteilnehmern, sogenannte externe Effekte, stellen eine wesentliche Ursache für ein solches „Marktversagen" dar. Durch die konzeptionelle Einführung von Transaktionskosten kann der neoklassische Ansatz jedoch so erweitert werden, daß er auch Fälle zu erklären vermag, in denen der Markt nicht in der Lage ist, die tatsächlichen Kosten und Nutzen von Gütern zu transportieren. A u f diese Art und Weise läßt sich aus dem neoklassischen Ansatz ableiten, daß politische Ordnungen danach bewertet werden können, in welchem Maße sie die Berücksichtigung von Transaktionskosten durch den Markt zulassen. Das von einer neoklassischen Politischen Ö k o n o m i e zu erreichende Ziel, so wie es aus dem Modellannahmen gefolgert werden kann, besteht in einem möglichst effizienten Zustand, gemessen an der Versorgung der Konsumenten mit bestehenden Gütern und Leistungen (s. Kap. 4.5.). Im Kontext politischer Ordnungen ist es folglich erforderlich, beispielsweise die „Reibungsverluste", d.h. die Transaktionskosten von Demokratie zu verringern. Aufgrund der unter anderem in der Nichtbeachtung der zeitlichen Dimension von Marktvorgängen liegenden Probleme, die Entwicklung institutioneller Lösungen zur Berücksichtigung externer Effekte, d.h. der Quelle nicht nur politischen Marktversagens, aus dem Markt heraus zu erklären, ist Effizienzsteigerung entsprechend der neoklassischen Theorietradition gedanklich nur durch einen externen Planer möglich. Die Evolution von Ordnungen ist im neoklassischen Modell des politischen Betriebs also konzeptionell nicht vorgesehen. Die andere, auch als Osterreichische Schule der Nationalökonomie bezeichnete Denktradition des ökonomischen Ansatzes, die hier insbesondere als durch die Arbeiten von Carl Menger, Ludwig von Mises, Israel M . Kirzner und Friedrich A. von Hayek geformt interpretiert wird, fokussiert demgegenüber die Dynamik von Marktvorgängen (s. Kap. 5.). Die Grundprinzipien des Osterreichischen Ansatzes bestehen erstens in der subjektiven Begründung jeglicher Handlungen, zweitens in der Auffassung eines den Marktteilnehmern nur bruchstückhaft gegebenen Wissens und drittens in einer streng subjektivistischen Erkenntnislehre (s. Kap. 5.1.). Aufbauend auf diesen Grundprinzipien ergibt sich eine spezifisch marktprozeßtheoretische Sichtweise menschlicher

Interaktionen.

Wechselseitig aufeinanderbezogene Handlungen initiieren nämlich einen schöpferischen Marktprozeß, in dem Wissen entdeckende, schaffende und übermittelnde Unternehmer 153

eine zentrale Rolle einnehmen und in dem als Verhaltensregelmäßigkeiten aufzufassende, zur Koordination der individuellen Handlungen beitragende Institutionen entstehen. Mit Hilfe dieses Institutionenbegriffs werden dabei aus sich selbst heraus, evolutionär entwikkelnde Ordnungen konzeptionell erklärbar. Nicht zuletzt aufgrund des breiten, mit dem Anspruch der Allgemeingültigkeit belegten Handlungsbegriffs des Osterreichischen Ansatzes kann dessen Anwendung auf den Gegenstand des politischen Betriebs als prinzipiell zulässig erachtet werden. In einem auf marktprozeßtheoretischer Grundlage entwickelten Modell politischer Marktordnungen (s. Kap. 5.3.) nehmen sowohl inter- als auch intraparteilich in wettbewerblicher Konkurrenz zueinander stehende politische Unternehmer eine zentrale Rolle ein. Aufgrund der prinzipiellen Ergebnisoffenheit politischer Marktprozesse und der in der Beschränktheit des menschlichen Wissens liegenden Unmöglichkeit der Planung spontaner Ordnungen besteht das logisch einzig sinnvolle Beurteilungskriterium politischer Ordnungen deshalb in dem Maß, in dem die institutionellen Rahmenbedingungen die wettbewerbliche Konkurrenz politischer Unternehmer zulassen. In diesem Zusammenhang kommt zum einen insbesondere den verschiedenen, durch den Ordnungsrahmen bedingten Zugangsbarrieren zu wettbewerblicher Konkurrenz und z u m anderen der Anreizstruktur, bestimmte politische Profite zu erzielen, entscheidende Bedeutung zu. Politische Ordnungen sind aus der Perspektive der Osterreichischen Schule also dahingehend zu hinterfragen, ob sie den Marktzutritt beschränken und ob sie die „richtigen" Anreize für politische Unternehmer setzen. Politische Unternehmer können durchaus als diejenigen Personen angesehen werden, die in ihrer Gesamtheit, um die anfangs verwendete Terminologie wieder aufzugreifen, die politische Elite einer gesellschaftlichen Ordnung bilden. Während in den klassischen Theorien (s. Kap. 2.) der (Kollektiv-) Begriff der Elite jedoch metaphysisch überhöht ist, werden politische Eliten in marktprozeßtheoretischer Interpretation methodologisch-subjektivistisch gedeutet und somit auf eine „ethisch neutrale", allgemeingültige Konzeption menschlicher Handlungen zurückgeführt. Eliten sind also nicht „an sich" wertvoll, jedoch kann aus den eigennützigen Handlungen politischer Unternehmer - im Fall eines angemessen gestalteten Ordnungsrahmens - durchaus so etwas wie „allgemeines Wohl" entstehen. Aus der Anwendung entweder des neoklassischen oder des Osterreichischen Ansatzes resultieren jeweils unterschiedliche Folgerungen für die Formulierung einer auf den Gegenstand des politischen Betriebs gerichteten Ordnungspolitik. Neoklassische Ansätze sind durch einen methodologischen Individualismus geprägt und versuchen Marktphänomene daher durch die Handlungen einzelner Akteure zu erklären. Diese handeln auf der Grundlage vollständig oder probabilistisch gegebener Informationen, indem sie rational jeweils diejenige Handlungsalternative wählen, die ihnen den größten Nutzen verspricht. Handlungen werden also als Optimierungsaufgabe verstanden. Wechselseitig aufeinander bezogene (Austausch-) Handlungen münden schließlich in ein Marktgleichgewicht, in dem die individuellen Pläne gleichsam optimal koordiniert sind, d.h., in dem aus sich 154

selbst h e r a u s k e i n e V e r b e s s e r u n g d e r A g g r e g a t i o n i n d i v i d u e l l e r P r ä f e r e n z e n m e h r m ö g l i c h ist. N i c h t - m a r k t l i c h e P h ä n o m e n e wie O r g a n i s a t i o n e n u n d I n s t i t u t i o n e n e n t s t e h e n d a n n , w e n n d i e K o o r d i n a t i o n individueller Pläne d u r c h d e n M a r k t h ö h e r e K o s t e n v e r u r s a c h t als i m Fall einer n i c h t - m a r k t l i c h e n , g e p l a n t e n K o o r d i n a t i o n . M a r k t p r o z e ß t h e o r e t i s c h e A n s ä t z e g r ü n d e n sich a u f e i n e m strengen m e t h o d o l o g i s c h e n S u b j e k t i v i s m u s . Sie f u h r e n M a k r o p h ä n o m e n e ebenfalls a u f individuelle H a n d l u n g e n zur ü c k , b e t o n e n a b e r die jeweils subjektive W a h r n e h m u n g s o w o h l der P r ä f e r e n z e n des h a n d e l n d e n I n d i v i d u u m s als a u c h d e r es u m g e b e n d e n Welt. I n d i v i d u e n agieren d a m i t a u f der G r u n d l a g e u n s i c h e r e n u n d u n v o l l s t ä n d i g e n W i s s e n s . D i e H a n d l u n g s m o t i v a t i o n ist n i c h t die M a x i m i e r u n g des eigenen N u t z e n s b e i g e g e b e n e n M i t t e l n u n d Z w e c k e n ,

sondern

v i e l m e h r das u n t e r n e h m e r i s c h e A u s n u t z e n v o n b i s h e r u n b e k a n n t e n G e l e g e n h e i t e n , u m hieraus A r b i t r a g e g e w i n n e zu erzielen. U n t e r n e h m e r i s c h e s H a n d e l n s c h a f f t u n d verbreitet Wissen über solche Situationen. Marktliche Vorgänge m ü n d e n aufgrund der Ergebnisoff e n h e i t m e n s c h l i c h e n H a n d e l n s also n i c h t i n ein M a r k t g l e i c h g e w i c h t , s o n d e r n stellen v i e l m e h r einen p e r m a n e n t e n P r o z e ß dar. V e r h a l t e n s r e g e l m ä ß i g k e i t e n bzw. I n s t i t u t i o n e n k ö n n e n i m m a r k t p r o z e ß t h e o r e t i s c h e n A n s a t z als Folge u n b e a b s i c h t i g t e r N e b e n w i r k u n g e n menschlicher H a n d l u n g e n interpretiert werden.

Neoklassische und marktprozeßtheoretische Sichtweise politischer Ordnungen

• Methodologischer Subjektivismus;

• Handlungen sind gleichbedeutend mit einer rationalen Wahl bei gegebenen bzw. probabilistisch zu bewertenden Informationen;

• Handlungen sind die Folge unternehmerischen Gewinnstrebens unter Unsicherheit;

• Wechselseitig aufeinanderbezogene Handlungen münden in ein Marktgleichgewicht;

• Wechselseitig aufeinanderbezogene Handlungen begründen einen andauernden Marktprozeß;

• Organisationen und Institutionen sind die Folge von Kosten der marktlichen Koordination.

• Institutionen sind Ergebnis der ungeplanten Nebenwirkungen individueller Handlungen.

• Parteien dominieren die Angebotsseite politischen Wettbewerbs, Politiker handeln als Bestandteile von Parteien;

• Politische Unternehmer nehmen in politischen Märkten eine zentrale Rolle ein, sie handeln sowohl durch als auch in Parteien;

• Parteien sind mit ökonomischen Unternehmungen identisch;

• Parteien besitzen sowohl Organisationsais auch Institutionscharakter;

• Politischer Wettbewerb ist Konkurrenz um Wählerstimmen, das politische Gleichgewicht repräsentiert die Präferenzverteilung der Wählerschaft.

• Politischer Wettbewerb ist mehrdimensional: Konkurrenz sowohl um Marktzugangschancen als auch um Wählerstimmen.

• Eingriffe in den politischen Markt zielen • Reformen der politischen Marktordnung dienen der Herstellung bzw. der Aufrechtauf Beseitigung bzw. Verhinderung von erhaltung politischen Wettbewerbs; Marktversagen, also auf Herstellung effizienter Marktzustände; • Beschränkungen des Wettbewerbs haben • Politisches Marktversagen liegt dann ihre Ursache insbesondere in institutionelvor, wenn die Präferenzen der Wählerlen Marktzugangsbarrieren und in falsch schaft nur unzureichend in politische gesetzten Anreizstrukturen. Leistungen transformiert werden.

Allgemeine Charakteristika

• Methodologischer Individualismus;

Konzeption politischer Marktordnungen

Marktprozeßtheorie

Ordnungspolitische Schwerpunkte

Neoklassik

155

Neben den Wählern als Nachfragern nach politischen Leistungen betrachtet das neoklassische Modell der Demokratie auf der Angebotsseite angesiedelte Parteien als die relevanten Akteure eines politischen Markts. Sie besitzen den gleichen Stellenwert wie Unternehmungen in einem ökonomischen Markt und können damit als planvoll entstandene Organisationen zur Verfolgung der gemeinsamen Interessen der in ihnen zusammengeschlossenen Politiker aufgefaßt werden. Parteien stellen sich dem Wettbewerb um Wählerstimmen, indem sie politische Leistungen anbieten. Bei der Gestaltung dieses Leistungsangebots orientieren sich die Parteien an den Wählerpräferenzen, d.h., die Verteilung dieser Präferenzen bestimmt letztendlich das politische Wettbewerbsgleichgewicht. Im Zentrum einer marktprozeßtheoretischen Interpretation von Politik steht der politische Unternehmer. Politiker agieren sowohl durch Parteien, also als Teil von Parteiorganisationen, als auch in Parteien. Sie konkurrieren mit anderen politischen Unternehmern innerhalb des institutionellen Geflechts des politischen Systems um die besten Chancen für den Wettbewerb um Wählerstimmen. Parteien werden damit nicht nur aus der Perspektive planvoller Organisation, sondern insbesondere auch als institutionelles Regelnetzwerk betrachtet, das den Handlungsspielraum von Politikern bestimmt. Politischer Wettbewerb beinhaltet also mehrere Dimensionen, nämlich sowohl die Konkurrenz u m Wählerstimmen als auch um den Zugang zu diesem Wettbewerb. Wenn die Ergebnisse politischer Marktvorgänge nicht die Präferenzen der Wählerschaft optimal aggregieren, liegt aus neoklassischer Perspektive ein Fall politischen Marktversagens vor, der durch äußere Eingriffe korrigiert werden kann. Ziel einer solchen Steuerung ist die planvolle Herstellung eines effizienten Marktzustands, d.h. einer effizienten Transformation der Präferenzen der Wählerschaft in politische Leistungen. In marktprozeßtheoretischer Sichtweise dienen Reformen des politischen Ordnungsrahmens nicht der Schaffung von Zuständen, d.h. bestimmter zu erzielender Ergebnisse, sondern der Beseitigung von Wettbewerbsbeschränkungen, damit Marktprozesse ungehindert wirken können. Der Markt selbst kann nicht versagen, allerdings kann ihm der umgebende institutionelle Rahmen Beschränkungen auferlegen. Auf politischen Märkten sind dies insbesondere institutionelle Marktzugangsbarrieren für politische Unternehmer und falsch gesetzte Anreizstrukturen für politische Profite. Die verschiedenen Perspektiven der neoklassischen und der Osterreichischen Denktradition bedingen jeweils unterschiedliche ordnungspolitische Folgerungen. Politik wird in neoklassischer Interpretation primär als Problem von Kollektiventscheidungen und damit unter Betonung der Nachfrageseite nach politischen Leistungen betrachtet. Die entsprechende, neoklassische politökonomische Fragestellung ist auf das Ziel gerichtet, wie der politische Betrieb organisiert sein muß, damit eine als Marktgleichgewicht konzipierte, optimale Auswahl politischer Leistungen durch deren Konsumenten gewährleistet werden kann. Die neoklassische Antwort auf diese Fragestellung besteht in einer Schwächung politischer Eliten beispielsweise durch Schaffung direktdemokratischer Kontrollrechte. Eine in der Tradition der Österreichischen Schule der Nationalökonomie stehende Interpretation politischer Phänomene als Marktprozesse betrachtet politische Ordnungen als Marktplätze politischer Ideen und damit liegt der analytische Fokus auf der Seite des 156

Angebots politischer Leistungen. Der dynamischen und evolutionären Perspektive des marktprozeßtheoretischen Ansatzes entsprechend ist die korrespondierende politökonomische Fragestellung auf das Ziel gerichtet, wie politische Ordnungen zu gestalten sind, damit sie die Entdeckung und Entwicklung politischer Lösungen für gesellschaftliche Problemlagen zulassen und so die Fortentwicklung einer Ordnung aus sich selbst heraus überhaupt erst möglich wird. Die „Osterreichische" Antwort hierauf besteht nun im ausdrücklichen Zulassen wettbewerblicher Konkurrenz politischer Unternehmer durch das Zurückdrängen von Marktzutrittsbeschränkungen. Die Interpretation des politischen Betriebs durch marktprozeßtheoretische Ansätze verlangt also nicht die Schwächung der Anbieter politischer Leistungen wie im Fall der Neoklassik, sondern vielmehr eine Stärkung politischer Eliten, die jedoch gleichzeitig fest an rechtsstaatliche Prinzipien gebunden werden müssen. Der Kerngedanke einer neoklassisch inspirierten Politischen Ökonomie zur Bewertung demokratischer Ordnungen besteht darin, den Ordnungsrahmen absichtsvoll so zu gestalten, daß getroffene Kollektiventscheidungen, d.h. für alle geltende Entscheidungen eines „Kollektivs", gewissermaßen als optimales Gleichgewicht der individuellen Pläne angesehen werden können. D a entsprechend des neoklassischen Ansatzes solche Kollektiventscheidungen nicht durch den Markt zu einer mit sämtlichen individuellen Präferenzen übereinstimmenden, kollektiven Präferenzordnung aggregiert werden können, besitzen diese Kollektiventscheidungen immer Zwangscharakter. Die Instanz, welche über die kollektive Präferenzordnung entscheidet, wird im Sinne einer neoklassischen Demokratietheorie insbesondere im souveränen Staatsvolk gesehen, dessen Präferenzen bei möglichst geringen Transaktionskosten durch eine geeignete Entscheidungsregel zu kollektiven Präferenzen aggregiert werden und damit Gültigkeit für alle erlangen. Die neoklassische Politische Ö k o n o m i e favorisiert also die „Demokratisierung" politischer Entscheidungen und versucht deshalb auch im Kontext ableitbarer Empfehlungen zur Gestaltung politischer Ordnungen die Kontrollrechte eben dieses Staatsvolkes zu stärken, z.B. durch Etablierung direktdemokratischer Institutionen. Friedrich A. von Hayek als einer der Hauptvertreter der Österreichischen Schule hat demgegenüber darauf hingewiesen, daß in solchen „demokratischen" Verfahren nicht die oberste Instanz staatlicher Machtausübung gesehen werden darf, weil ohne institutionelle Verankerung des Schutzes individueller Freiheitsrechte auch der Mehrheitswille diktatorische Züge annehmen kann. „Es scheint, daß überall, wo demokratische Institutionen nicht länger durch die Tradition der Herrschaft des Rechts eingeschränkt wurden, sie nicht nur zu einer 'totalitären Demokratie', sondern zu gegebener Zeit sogar zu einer 'plebiszitären Diktatur' führten" (Hayek 1981b: 18 f.). Der Grund hierfür ist darin zu sehen, daß komplexe Ordnungen wie demokratische politische Systeme aufgrund der prinzipiellen Beschränktheit menschlichen Wissens niemals planvoll so gestaltet werden können, daß unbeabsichtigte Nebenwirkungen menschlichen Handelns in ihnen ausgeschlossen werden können. Demokratische Institutionen wurden für Hayek mit dem Ziel errichtet, festzustellen, was für den Mehrheitswillen gehalten werden kann. Ergebnisse dieser Institutionen sind 157

jedoch keinesfalls als bewußter Plan einer Entscheidungsmehrheit aufzufassen. Insofern ist durch politische Institutionen hervorgerufener Zwang grundsätzlich nicht unbeschränkt legitimiert, sondern kann nur in dem Fall als gerechtfertigt angesehen werden, die Befolgung eines Systems allgemeiner moralischer Regeln durchzusetzen, um damit einerseits Frieden und andererseits die freiwillige Kooperation der Menschen aufrechtzuerhalten (vgl. Hayek 1981b: 18 u. 185). Um also das Ziel der Bewahrung individueller Freiheit in einer demokratischen politischen Ordnung zu gewährleisten, „darf die Mehrheit einer politischen Körperschaft gewiß nicht die Macht haben, eine Gesellschaft zu 'formen', oder ihre Mitglieder bestimmten Zielen dienstbar zu machen - d.h. anderen als der abstrakten Ordnung, die sie nur dadurch sichern kann, daß sie gleichermaßen abstrakte Verhaltensregeln durchsetzt" (Hayek 1981b: 190). Dies ist im Sinne Hayeks nur durch ein System allgemein geteilter, rechtlicher Beschränkungen staatlicher Gewalt möglich, dem sich auch der plebiszitäre Mehrheitswille unterwerfen muß. Nur unter dieser Voraussetzung einer institutionellen Beschränkung staatlicher Macht ist die aus einer marktprozeßtheoretischen Politischen Ökonomie ableitbare Forderung nach einer Stärkung politischer Eliten, d.h. der Angebotsseite politischer Leistungen, sinnvoll zu verstehen. Denn Stärkung ist in diesem Sinne nicht mit einem Machtzuwachs gleichzusetzen, sondern vielmehr als Betonung der Leistungen politischer Eliten zu interpretieren, deren Erbringung in hohem Maße von der Existenz einerseits wettbewerblicher Konkurrenz politischer Unternehmer und andererseits einer entsprechenden Anreizstruktur für das Erzielen politischer Gewinne abhängig ist. Dementsprechend zielt eine marktprozeßtheoretische Politische Ökonomie auch auf den Abbau institutioneller Marktzugangsbarrieren sowie auf die Verhinderung solcher politischer Profite, die mit Einschnitten in die Freiheitsrechte des einzelnen verbunden sind. Wohlfahrtsstaatliche Transfers stellen eine Quelle solcher „ungewollter" politischer Gewinne dar. Hayek beispielsweise sah in der Herstellung distributiver Gerechtigkeit durch eine solche „Umverteilung" die Beseitigung des einzigen Anreizes, „durch den freie Menschen dazu bewogen werden können, irgendwelche Moralregeln zu befolgen: die unterschiedliche Achtung durch ihre Mitmenschen" (Hayek 1981b: 229). Wohlfahrtsstaatliche Transfers als Quelle politischer Profite, welche die Erfüllung von Sonderinteressen mit dem Deckmantel der Herstellung sozialer Gerechtigkeit zu legitimieren versuchen (vgl. Hayek 1981a: 93 ff. u. 133; Hayek 1957), sind also deshalb abzulehnen, weil sie die auf Sicherung der individuellen Freiheit bezogenen, abstrakten Regeln einer demokratischen Ordnung schwächen (vgl. bspw. Radnitzky 1991: 273 ff.; Hayek 1945). Politische Ordnungen sind in Übereinstimmung mit einer marktprozeßtheoretischen Politischen Ökonomie nur dann in der Lage, der Funktion politischer Eliten zu entsprechen, adäquate Lösungen gesellschaftlicher Sachfragen zu entwickeln, wenn erstens der politische Betrieb konsequent wettbewerblich ausgestaltet wird, insbesondere in der Institution des Berufspolitikertums zu verortende Marktzutrittsbarrieren also verringert werden, und zweitens die Anreizstruktur politischer Profite auf ihre Konformität mit abstrakten Regeln zur Bewahrung individueller Freiheit kritisch hinterfragt wird.

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Juergen B. Dönges / Andreas Freytag

Allgemeine Wirtschaftspolitik 2., überarbeitete und erweiterte Auflage 2004. XXII/401 S.r m. 46 Abb. u. 2 Tab. kt. € 19,90 / sFr 34,90 UTB 2191 (ISBN 3-8252-2191-1). Dieses Lehrbuch behandelt in moderner Weise und aktualitätsbezogen die Möglichkeiten und Probleme wirtschaftspolitischer Entscheidungsträger, angesichts fortschreitender Globalisierung wichtige gesamtwirtschaftliche Ziele erreichen zu können. Die Autoren verzichten bewusst auf eine enzyklopädische Behandlung sämtlicher Teilbereiche der Wirtschaftspolitik. Statt dessen wird anhand zahlreicher Beispiele ein ganzheitlicher Ansatz vorgestellt. In sechs Hauptkapiteln werden dargestellt: • Ziele und Methoden der Wirtschaftspolitik • Wirtschaftspolitische Bewertungskriterien als normative Grundlage • Marktversagen als Rechtfertigung für staatliche Einflussnahme • Staatliche Einflussnahme auf Märkten im Lichte der positiven Theorie • Konsistenz in der Umsetzung wirtschaftspolitischer Maßnahmen • Europäische Integration und nationale Wirtschaftspolitik. Die Neuauflage wurde durchgehend aktualisiert und in Teilen ergänzt. Wiederholungsfragen, umfassendere Register und ausführliche Literaturhinweise verstärken den Nutzen für die Leser. Das Lehrbuch richtet sich primär an Studierende wirtschaftswissenschaftlicher Fächer im Hauptstudium, bietet aber auch Interessierten in Wirtschaft und Politik einen Überblick über Grundfragen der Wirtschaftspolitik.

Der Ökonom als Politiker Europa, Geld und die soziale Frage Hrsg. W. Hankel, K. A. Schachtschneider und J. Starbatty 2003. XXIII/660 S„ gb. € 72,- / sFr 121,-. ISBN 3-8282-0267-5 Im vorliegenden Band sind Beiträge von Politikern, Zentralbankern, Unternehmern, Gewerkschaftern, Publizisten und Wissenschaftlern versammelt, die sich mit den Problem- und Tätigkeitsfeldern Europa, Geld und die soziale Frage befassen. Die Europäische Union wird daran gemessen, wie in ihrem institutionellen Geflecht die soziale Frage angegangen wird und wie aus der hinkenden Konstruktion - Währungsunion ohne politische Union - ein festes Fundament gezimmert wird. Da an dieser Festschrift Autoren mitwirkten, die den Europäischen Integrationsprozess und besonders die Europäische Währungsunion politisch gestaltet haben, aber auch solche, die diesen Prozess kritisch begleitet haben, ist ein faszinierendes Zeitdokument mit Beiträgen höchst unterschiedlicher Weltsichten entstanden.

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Manfred Streit

Theorie der Wirtschaftspolitik 6. Aufl. 2005. ca. 470 S„ kt. ca. € 38,90 ISBN 3-8282-0298-5 (UTB Große Reihe) Zielsetzung dieses Lehrbuches ist es, überkommene Elemente der Allgemeinen Wirtschaftspolitik mit Ergebnissen der ökonomischen Theorie, der Entscheidungs- und der Wissenschaftstheorie zu verknüpfen sowie Nahtstellen zur Sozialphilosophie und Demokratietheorie aufzuzeigen. Der Autor stellt die politische Begründbarkeit und den politischen Primat aller wirtschaftspolitischen Entscheidungen heraus und macht die Spannung zwischen formulierten Politikidealen und tatsächlichen wirtschaftspolitischen Lösungsmöglichkeiten deutlich.

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Neue Politische Ökonomie 5. überarbeitete und erweiterte Auflage 2004. XXVIII/464 S„ kt. € 32,90 / sFr 57,10. ISBN 3-8282-0270-5. UTB 8272 (ISBN 3-8252-8272-4) Dies ist nicht nur ein Buch über Politik, sondern auch ein politisches Buch. Anhand der wichtigsten theoretischen Ansätze der Neuen Politischen Ökonomie erörtert es die Gefahren für die Freiheit des Einzelnen, die heute von der privaten Gewalt und der staatlichen Herrschaft ausgehen. Die Neuauflage trägt den neueren theoretischen Entwicklungen und den realen Herausforderungen der Gegenwart Rechnung, indem sie unter anderem Verbrechen und Verbrechensbekämpfung, Angst, Medien, Bürgergesellschaft und zwischenmenschliche Vertrauensbeziehungen miteinbezieht. Das Buch wendet sich an Studierende der Wirtschaftswissenschaften und der politischen Wissenschaft sowie an alle, die als Bürger die Logik des politischen Handelns verstehen und nutzen wollen.

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