Politik – Recht – Gesellschaft: Studien zur Alten Geschichte 3515071504, 9783515071505

Eine Auswahl an Arbeiten, die teilweise an weniger zugänglichen Stellen publiziert wurden, wird hier nochmals vorgelegt.

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German Pages 331 [366] Year 1997

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Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Politik
Der Rachegedanke in der griechisch-persischen Auseinandersetzung
Das Weltreich Alexanders des Großen als Tropaion im Triumphzug des Cn. Pompeius Magnus (61 v. Chr.)
Das Königtum im Geschichtsbewußtsein des republikanischen Staates. Ein Kontinuitätsproblem der römischen Geschichte
Cicero und der Aufstieg Oktavians
AEGVPTO CAPTA. Die Bedeutung der Eroberung Ägyptens für die Prinzipatsideologie
Das Drususdenkmal apud Mogontiacum und die Galliarum civitates
Der römische Ehrenbogen von Mainz-Kastel: Ianus Germanici aut Domitiani?
Die Rolle der Mainzer Legionen in der Krise des römischen Kaisertums 68–70 n. Chr
SAEC(ulum) AVR(eum) – Das Säkularbewußtsein des Kaisers Hadrian im Spiegel der Münzen
Christianissimus Imperator. Zur Christianisierung der römischen Kaiserideologie von Constantin bis Theodosius
Recht
Sullas Brief an den interrex L. Valerius Flaccus. Zur Genese der sullanischen Diktatur
Novus status – Novae leges. Kaiser Augustus als Gesetzgeber
Zur Appellation vom Senat an den Kaiser
Rez. J. Bleicken, Senatsgericht und Kaisergericht
Die ‘Verstaatlichung’ des Privatvermögens der römischen Kaiser im 1. Jh. n. Chr.
Gesellschaft
Die Krise der italischen Landwirtschaft unter Kaiser Tiberius (33 n. Chr.). Ursachen – Verlauf – Folgen
Μᾶλλον χρῆσα (1. Cor. 7, 21). Verzicht auf Freilassung als asketische Leistung?
Antike Staatsräson. Die Hinrichtung der 400 Sklaven des römischen Stadtpräfekten L. Pedanius Secundus im Jahre 61 n. Chr.
Corpus Imperii oder Corpus Germaniae? Die Agrippinenser und die „Freiheit“ im Jahre 70 n. Chr.
Die antike Sklaverei als moderne Herausforderung. Zur Situation der internationalen Sklavenforschung
Schriftenverzeichnis Heinz Bellen
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Politik – Recht – Gesellschaft: Studien zur Alten Geschichte
 3515071504, 9783515071505

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Heinz Bellen

Politik – Recht – Gesellschaft Studien zur Alten Geschichte

Herausgegeben von Leonhard Schumacher

HISTORIA Einzelschriften 115

Franz Steiner Verlag Stuttgart

HEINZ BELLEN

POLITIK –RECHT –GESELLSCHAFT

HISTORIA ZEITSCHRIFT FÜR ALTE GESCHICHTE REVUE D’HISTOIRE · ANCIENNE J OURNAL OF ANCIENT HISTORY RIVISTA

·

DI STORIA ANTICA

·

EINZELSCHRIFTEN HERAUSGEGEBEN VON MORTIMER CHAMBERS / LOS ANGELES HEINZ HEINEN / TRIER FRANÇOIS PASCHOUD / GENEVE HILDEGARD · TEMPORINI / TÜBINGEN / BASEL GEROLD WALSER ·

HEFT 115

FRANZ STEINER VERLAG STUTTGART

1997

HEINZ BELLEN

POLITIK

– R ECHT



GESELLSCHAFT STUDIEN ZUR ALTEN GESCHICHTE

MIT 24 TAFELN

FRANZ STEINER VERLAG STUTTGART

1997

CIP-Einheitsaufnahme Die Deutsche Bibliothek –

[Historia / Einzelschriften] Historia : Zeitschrift für alte Geschichte. Einzelschriften. –Stuttgart : Steiner

Früher Schriftenreihe Reihe Einzelschriften zu:Historia Gesellschaft. –1997 Recht – H. 115. Bellen, Heinz: Politik – Bellen, Heinz: Gesellschaft : Studien zuralten Geschichte / Heinz Recht – Politik – Bellen. Hrsg. Leonhard Schumacher. –Stuttgart : Steiner, 1997 (Historia : Einzelschriften; H. 115) 4 07150– 515– ISBN 3–

ISO 9706

Jede Verwertung des Werkes außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig undstrafbar. Dies gilt insbesondere fürÜbersetzung, Nachdruck, Mikroverfilmung odervergleichbare Verfahren sowie fürdieSpeicherung inDatenverarbeitungsanlagen. © 1997byFranz Steiner Verlag Wiesbaden GmbH, SitzStuttgart. Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Druck: Druckerei Proff, Eurasburg. Printed inGermany

Inhaltsverzeichnis

VII

Vorwort

Politik

DerRachegedanke in dergriechisch-persischen

Auseinandersetzung

1

DasWeltreich Alexanders desGroßen alsTropaion imTriumphzug desCn.Pompeius Magnus (61 v. Chr.)

25

DasKönigtum imGeschichtsbewußtsein desrepublikanischen Staates. EinKontinuitätsproblem derrömischen Geschichte

35

Cicero undderAufstieg Oktavians

47

AEGVPTO CAPTA. DieBedeutung derEroberung Ägyptens fürdie Prinzipatsideologie

71

DasDrususdenkmal apudMogontiacum unddieGalliarum civitates

85

Derrömische Ehrenbogen vonMainz-Kastel: Ianus Germanici aut Domitiani?

103

DieRolle derMainzer Legionen

in der Krise des römischen Kaisertums 68–70 n. Chr

SAEC(ulum) AVR(eum) imSpiegel derMünzen

115

–Das Säkularbewußtsein desKaisers Hadrian 135

Christianissimus Imperator. ZurChristianisierung derrömischen Kaiserideologie vonConstantin bis Theodosius

151

Recht Sullas Brief an deninterrex L. Valerius Flaccus. ZurGenese dersullanischen Diktatur Novus status

– novae leges. Kaiser Augustus als Gesetzgeber

167 183

VI

Inhaltsverzeichnis

ZurAppellation vomSenat andenKaiser

213

Rez. J. Bleicken, Senatsgericht undKaisergericht

231

Die ‘Verstaatlichung’desPrivatvermögens derrömischen Kaiser im 1. Jh. n. Chr.

237

Gesellschaft

DieKrise deritalischen Landwirtschaft unter Kaiser Tiberius Folgen (33 n. Chr.). Ursachen –Verlauf – ῆ σ α ι(1. Cor. 7, 21). Verzicht auf Freilassung als ρ ᾶ Μ λ νχ ο λ

259

asketische Leistung?

277

Antike Staatsräson. Die Hinrichtung der400 Sklaven desrömischen Stadtpräfekten L. Pedanius Secundus imJahre 61 n. Chr.

283

Corpus Imperii oder Corpus Germaniae? Die Agrippinenser unddie Freiheit“imJahre 70 n. Chr. „

299

Dieantike Sklaverei alsmoderne Herausforderung. ZurSituation derinternationalen Sklavenforschung

307

Schriftenverzeichnis Heinz Bellen

319

Vorwort Mit seinen „Grundzüge(n) der Römischen Geschichte I. Von der Königszeit 2 bis zumÜbergang derRepublik in denPrinzipat“(1994, 1995) zielte Heinz Bellen auf ein breites, historisch interessiertes Publikum. Sein Angebot einer problemorientierten, aber stets verständlichen Darstellung wurde mit Beifall aufgenommen, diemitSpannung erwartete Fortsetzung steht kurzvorihrem Abschluß. In mehrfacher Hinsicht erscheint dieses Werk für denJubilar, der am 1. August dieses Jahres sein 70. Lebensjahr vollendet, charakteristisch: zunächst in bezugauf denGegenstand der Geschichte Roms, die ihn stets in besonderem Maße fesselte, dann im Blick auf die Fragestellung des Zusammenhanges von inneren Strukturen undexpansiver Politik, aber auch hinsichtlich derMethodik einer VerEntwicklungen in Recht undWirtschaft, Religion undKultur ... mit knüpfung der„ dempolitisch-militärischen Geschehen“(VII) aufderGrundlage unterschiedlicher Quellengattungen. AufdemPrüfstand einer über Jahrzehnte währenden Lehrerfahrung in Vorlesungen, Seminaren undÜbungen gewann seine Konzeption an Gestaltungskraft. Doch waren es nicht allein diese akademischen Veranstaltungen, die der Arbeit ihren charakteristischen Stempel aufprägten, sondern auch zahlreiche Einzeluntersuchungen, die sich mit zentralen Aspekten der historischen Entwicklung befaßten undneue Akzente setzten. In besonderem Maße bilden auch hier Probleme von Politik, Recht und Gesellschaft einen Interessenschwerpunkt von Heinz Bellen mit demZiel, komplexe Zusammenhänge zu verdeutlichen unddemLeser ‘erfahrbar’zumachen. Eine Auswahl dieser Arbeiten, die teilweise an weniger zugänglichen Stellen publiziert wurden, wird hier nochmals vorgelegt. Ankonkreten Beispielen vermitteln diese Studien Einblicke in Methodik und Zielsetzung des Autors, gelangen aufgrund einer innovativen Gesamtschau zu wesentlichen Erkenntnissen für die Aktualität derAntike in unserer Gegewart. UmdenUmfang dieses Bandes nicht zu sprengen, mußten monographisch erschienene Abhandlungen hier ausgeklammert werden. Betroffen sind leider auch die mentalitätsgeschichtlichen Studien zumFurchtmotiv in der römischen Republik (1985) und die sozialhistorische Untersuchung der germanischen Leibwache während derJulisch-Claudischen Dynastie (1981). Mit der Auswahl habe ich versucht, einen repräsentativen Querschnitt der Publikationen von Heinz Bellen vorzulegen, die seine Forschungsinteressen im Bereich derrömischen Republik undKaiserzeit spiegeln. Vorangestellt wurde die Studie zum Rachegedanken in der griechisch-persischen Auseinandersetzung (1974); sie markiert denBeginn derMainzer Lehrtätigkeit desJubilars undvermittelt auch, oder: besonders, Studierenden eine transparente Analyse der Wirkungsmacht vonIdeen in geschichtlichen Prozessen.

VIII

Vorwort

Aufgrund umfassender Fragestellungen sind die Untersuchungen nicht im Gesellschaft’ zuRecht – strengen Sinne derhier gewählten Konzeption ‘Politik – zuordnen. Vielmehr ergänzen sie sich wechselseitig in bezug auf kulturelle und religiöse, politische undjuristische, mentale und sozialgeschichtliche Aspekte historischer Entwicklungen. Insofern soll die Gliederung lediglich den Hauptlinien der Fragestellungen korrespondieren. Daß Heinz Bellen in diesem Kontext auch engagiert Probleme der Provinzialgeschichte aufnahm undso einem interessierten Publikum außerhalb derUniversität vermittelte, bezeugt seine enge Verbundenheit mitdemUmfeld seiner hauptsächlichen Wirkungsstätten: Köln undMainz. In unsere Gegenwart zielen schließlich auch seine Überlegungen zurSituation derinternationalen Sklavenforschung (1989), ein Bereich, demer sich seit Beginn seiner akademischen Laufbahn intensiv zugewandt hatte. Zunächst als korrespondierendes (1975), dann als ordentliches Mitglied (1978) derAkademie derWissenschaften undderLiteratur, Mainz, hater diesem Forschungsgebiet zahlreiche neue Impulse gegeben. Wenn diese ‘Situationsanalyse’ hier deshalb dasbisherige Oeuvre von Heinz Bellen abrundet, so geschieht dies in dem Sinne, daß die Mitarbeiterinnen undMitarbeiter des Instituts für Alte Geschichte in Mainz demJubilar auch weiterhin Gesundheit, Glück undfrohe Schaffenskraft wünschen: ad multos annos! Zudanken habe ich in erster Linie Frau Hannelore Caps, dieals Institutssekretärin in selbstlosem Einsatz die Druckvorlagen erstellte. Frau Angelika Schurzig (Institut für Klassische Archäologie) danke ich für die fototechnische Gestaltung derAbbildungen. Mein besonderer Dank gilt ferner meinen Mitarbeitern für ihre sorgfältigen Korrekturen derTexte: Frau Patrizia Petroff, M. A., Dr. Frank Bernstein, Dr. Wolfgang Hoben, Priv.-Doz. Dr. Gerhard Horsmann, Dr. Oliver Stoll sowie denwissenschaftlichen Hilfskräften Snjezana Teljega, Annette Winter, Stefan Sommer und Andreas Wilhelm. Insofern stellt diese Auswahlsammlung im eigentlichen Sinne eine Gemeinschaftsarbeit darals Dank für denemeritierten Ordinarius, der das Institut über zwei Jahrzehnte fördernd leitete. Für die bereitwillige Aufnahme desBandes in die Reihe derHistoria-Einzelschriften danke ich den Herausgebern, insbesondere Herrn Kollegen Heinz Heinen; dem Steiner-Verlag gilt schließlich mein Dank fürdieprofessionelle Umsetzung derDruckvorlagen.

Mainz,

imFebruar 1997

Leonhard Schumacher

Der Rachegedanke

in der griechisch-persischen Auseinandersetzung* In der großen prophetischen Rede, die Aischylos in den ‘Persern’ dem Geist desDareios in denMundgelegt hat, wird dieNiederlage despersischen Heeres in der Schlacht vonPlataiai als letzter undgrößter Vergeltungsakt für dengegen die göttliche Ordnung verstoßenden Griechenlandzug desXerxes undseinen in Athen verübten Tempelfrevel verkündet1 . Zu dieser zeitgenössischen Deutung des Geschehens will scheinbar nicht passen, daß 150 Jahre später Alexander der Große denKönigspalast in Persepolis mit der Begründung anzünden ließ, er wolle Vergeltung üben für die Zerstörung Athens und die Niederbrennung der Tempel2. Selbst wenn manmit Polybios denvonPhilipp aufgegriffenen undvonAlexander ausgeführten Rachegedanken nurals Vorwand für eigene Pläne wertet3, bleibt die Frage bestehen, wie der Frevel des Xerxes trotz Salamis undPlataiai so lange und so mächtig nachwirken konnte. Dieser Frage nachzugehen, ist umso reizvoller, als dadurch gewissermaßen die Untersuchung fortgeführt wird, die Herodot zuAnfang seines Geschichtswerkes über die Ursachen des Streites zwischen Hellenen und Barbaren angestellt hat4 . Wichtig ist zunächst, daß die Überlieferung erkennen läßt, auf welche Weise die Rachegefühle derGriechen, insbesondere derAthener, in denauf Plataiai folgenden Jahren undJahrzehnten wachgehalten wurden. Die Athener hatten das ihnen im Winter 480/79 von Mardonios im Auftrage des Xerxes unterbreitete Bündnisangebot, das ihnen den Wiederaufbau der zerstörten Tempel mit persischem Geld garantierte, abgelehnt. Mit Xerxes könne es, so hatten sie den ob des persischen Schrittes besorgten Spartanern erklärt, keine Versöhnung geben, da die

*

1

2 3

4

in: Chiron 4, 1974, 43– 67. 30.6.1973) zumGedächtnis. Hans Ulrich Instinsky († Aischyl. Pers. 800 ff. Vgl. bes. 807 f.: μ έ ν ε μ ιπ α θ ε ῖν ᾽ἐπ α , φ ιν τ κ α ισ ο ὗσ κ ῶ ν ὕ ψ μ ά τ η ω ρ ν ρ ο ε ν ω φ ὕβ ςἄπ ν ο έ ω ιν ακἀθ 812) die Ausmalung des von Xerxes begangenen Gottesfrevels. Dazu P. Es folgt (V. 809– Perdrizet, Le témoignage d’Eschyle sur le sac d’Athènes par les Perses, REG 34, 1921, 57 ff. ZurHybris desXerxes, die nach Aischylos in derÜberschreitung der Grenze zwischen Asien undEuropa bestand, vgl. W. Kierdorf, Erlebnis undDarstellung der Perserkriege, Hypomnemata 16, 1966, 60 ff.; J. Vogt, Die Hellenisierung der Perser in der Tragödie des Aischylos, in: Antike undUniversalgeschichte. Festschrift H. E. Stier, 1972, 139 f.

Arr. an. 3, 18, 12. Polyb. 3, 6, 13.

5. Hierzu K. Reinhardt, Herodots Persergeschichten: Vermächtnis derAntike, 1960, Hdt. 1, 1– 153. Jetzt in: Herodot. Eine Auswahl ausdermodernen Forschung, hsg. vonW. Marg, 151– 21965, 342– 344; F. Altheim/R. Stiehl, Geschichte Mittelasiens imAltertum, 1970, 33– 36. Vgl. 20. auch K. Goldammer, Der Mythus vonOst undWest, 1962, 13–

2

Politik

zerstörten Heiligtümer Rache forderten5 . Eben dieser Haltung entsprang der Entschluß, die Tempelruinen als Mahnmale für die nachfolgenden Generationen stehenzulassen6. Sie erinnerten jeden Athener sozusagen täglich an das Zerstörungswerk desXerxes. Diese Rolle spielten sie bis zurMitte des 5. Jh.7, als derKalliasVertrag denKriegszustand mitPersien beendete undPerikles einen gesamtgriechischen Beschluß über den Wiederaufbau der Heiligtümer herbeizuführen sich bemühte8. Dieser kamzwar nicht zustande, aber im Zuge desperikleischen Bauprogramms erstanden die Tempel neuundverloren damit ihren Charakter als Mahnmale. Die Verpflichtung zur Rache an den Persern, der die Athener nach der Schlacht vonPlataiai gemeinsam mit den Spartanern nachkamen9 , bot Aristeides,

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6

7

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9

Hdt. 8, 144, 2. Zur stilistischen undgedanklichen Einordnung des von denAthenern auch gegenüber dem als Unterhändler fungierenden Alexander von Makedonien abgelegten Gelöbnisses (8, 143, 2) s. H. Kleinknecht, Herodot undAthen, Hermes 75, 1940, 254 ff. Jetzt im Sammelband Herodot (s. o. Anm.4) 559 ff. Diod. 11, 29, 3; Lycurg. c. Leocr. 81. Es handelt sich hierbei angeblich umeine Klausel des Eides, dervondenHellenen vorderSchlacht vonPlataiai geschworen sein soll. Die Historizität des Eides ist stark umstritten. Zuletzt hat P. Siewert, Der Eid von Plataiai, Vestigia 16, 1972, die Echtheit der inschriftlich erhaltenen Fassung vertreten, aber die nur in der literarischen Überlieferung des Eides (s. o.) enthaltene Klausel über das Verbot des Wiederaufbaus derHeiligtümer als späteren, vermutlich durch Ephoros vorgenommenen Einschub (aus Isokr. paneg. [4] 156) verworfen. Siewert räumt indes ein (S. 104), daß nach der Schlacht von Plataiai inAthen einentsprechender Schwur geleistet worden sein könnte. In derTat dürften die Tempelruinen Athens nach 479 aufwelche Weise auch immer Memoriacharakter erhalten haben, gleich denpersischen Totenhügeln beiPlataiai, dieAischylos gewissermaßen zuihnen in Parallele setzt, wenner sagt (Pers. 818 f.), sie sollten diePerser bis indiedritte Generation an ihre Schuld erinnern. Argumente für die Authentizität der Tempel-Klausel im Rahmen des Gesamteides hatjüngst R. Meiggs, TheAthenian Empire, 1972, 505, vorgebracht. Natürlich konnten die Athener nicht alle Tempelruinen unter ‘Denkmalschutz’ stellen. Es wäreja sonst die Kultausübung zumErliegen gekommen. Tatsächlich wurde nach 479 eine Anzahl von Tempeln in Attika restauriert. J. S. Boersma, Athenian Building Policy from 561/0 to 405/4, 1970, 50 f., registriert von479 bis 449 v. Chr. 9 Fälle. Der Vorsatz, denTempelfrevel derPerser nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, konnte als erfüllt gelten, wenn einige markante Ruinen stehen blieben. Plut. Per. 17, 1. R. Seager, TheCongress Decree: Some Doubts anda Hypothesis, Historia 18, 1969, 129 ff., undA. B. Bosworth, The Congress Decree. Another Hypothesis, Historia 20, 1971, 600 ff., halten denvon Plutarch überlieferten Plan des Perikles, einen Kongreß aller griechischen Staaten nach Athen einzuberufen, für eine athenische bzw. makedonische Fälschung des 4. Jh. Seager 139 sucht denWiederaufbau derTempel als Tagesordnungspunkt mitdemArgument in Frage zustellen, außer denAthenern habe niemand ein Interesse daran gehabt. Er verkennt den Prestige- und Symbolcharakter der Angelegenheit. Bosworth 605 f. setzt Perikles’Wiederaufbauplan zuPhilipps Racheplan in Parallele („ Theparallel could not ), ohne zubemerken, daßPerikles ja gerade nicht die Rache, sondern denFrieden be closer“ wollte. M. E. ist auch nach denneuesten Angriffen dieAbsicht desPerikles, einen panhellenischen Kongreß zuveranstalten, nicht ausderGeschichte des5. Jh. zustreichen. Vgl. Meiggs

515. a. O. 513– Für die Schändung des Protesilaos-Heiligtums in Elaius am Hellespont durch Artayktes mit Billigung desXerxes gelang dieRache vollständig. Artayktes wurde nach derEinnahme von 120. Sestos durch die Athener unter Xanthippos gekreuzigt: Hdt. 9, 116–

Rachegedanke

demBefehlshaber deramHellespont

operierenden athenischen Flotte,

3

die Hand-

habe zu einer politisch hochbedeutsamen Aktion. Unter demArchontat des Ti0 mosthenes (478/77)1 verlockte er die über den spartanischen König Pausanias

aufgebrachten Ionier der Inseln unddes Festlandes unter der Versicherung zum Bündnis mit Athen, der Bund werde für das, was manvon den Persern erlitten habe, Rache üben, undzwar durch Heimsuchung ihres Gebietes11. Die vonThukydides übermittelte Nachricht ist in doppelter Hinsicht aufschlußreich. Sie zeigt einμ α ) auffassen konnte1 2, η ρ σ ό χ mal, daßmanAthens Racheparole als Vorwand (π undsie weist zumanderen auf die Talion als typische Ausprägung des Rachege2a. Beide Gesichtspunkte finden sich als Elemente der griechischdankens hin1 persischen Beziehungen bereits bei Herodot undkönnen von dorther aufgehellt werden. Dareios hatte denAthenern undEretriern wegen ihrer Beteiligung anderZerstörung vonSardes, bei derauch die Tempel niederbrannten, Rache geschworen13; ein Diener erinnerte ihn vorjedem Mahle daran14. Im Jahre 492 sollte Mardonios die Rache an den beiden Städten vollziehen15. Infolge der Katastrophe am Athos blieb derAuftrag jedoch unausgeführt. ImJahre 490 erhielten dann Datis undArtaphernes dieselbe Aufgabe zugewiesen. Dieses Mal gelang es, Eretria der Strafe zuzuführen: Die Tempel wurden geplündert undverbrannt, die Bewohner in die Sklaverei verschleppt16. Athen entzog sich durch den Sieg bei Marathon der Strafe. für Sardes undMarathon Erst zehn Jahre später konnte Xerxes anAthen Rache – nehmen1

7.

10 Aristot. Ath. pol. 23, 5. ύ ν ρἦ εσ θ ιὧ α τ νἀμ νἔπ α θ ὰ α ο α νδῃοῦν σ ιλ ςτ ὴ νβ μ έ ω αγ ς η σ χ ό ρ 11 Thuk. 1,96, 1:π νs. A. H.Jackson, TheOriginal Purpose oftheDelian ο ῦ ρ ν α . ZurWortbedeutung vonδῃ ώ χ 16. League, Historia 18, 1969, 12– 12 F. Kiechle, Athens Politik nach der Abwehr der Perser, HZ204, 1967, 279, will den GedankendesRachekrieges erst Kimon zuschreiben, derdenBundseit 476/75 vonVerteidigung auf Angriff umgestellt habe. DiePlausibilität spricht aber dafür, daßschon Aristeides denIoniern dasInteresse Athens an ihrem Schutz eben mitdemGedanken desRachekrieges klargemacht hat. H. D. Meyer, Vorgeschichte undBegründung des delisch-attischen Seebundes, Historia 12, 1963, 439, hatdenspäter vondenIoniern erhobenen Vorwurf desMeineids, denAristeides auf sich nahm (Plut. Arist. 25, 1), wohl mit Recht auf denbei der Seebundsgründung vorgeschobenen Rachegedanken bezogen.

12a ZumVergeltungsdenken vgl. A. Dihle, Die goldene Regel, 1962, 13 ff. 13 DemSchwur desDareios (Hdt. 5, 105, 2) entspricht derderAthener (Hdt. 8, 143, 2. 144, 2). ν η α ίω νhat ihr Gegenstück ν ε οτ νἈ θ ῶ έμ α ,μ τ ο π έσ 14 Hdt. 5, 105, 2. 6, 94, 1. Die Formel δ (vgl. denKommentar vonBroadhead 101f.). ῶ ν ν ν ε η θ σ έμ ᾽Ἀθ beiAischyl. Pers. 824: μ 15 DaßderZugdesMardonios sich tatsächlich, wieHdt. 6, 43, 4 sagt, gegen Athen undEretria richtete, hat H. U. Instinsky, Herodot undder erste Zug des Mardonios gegen Griechenland, Hermes 84, 1957, 477, jetzt im Sammelband Herodot (o. Anm. 4) 471 ff., durch eine scharfe Interpretation der auf die Expedition bezüglichen Herodot-Passage (6, 43– 45) soweit wie möglich gesichert.

16 Hdt. 6, 101, 3. , 3 motiviert Xerxes dengeplanten Ra17 In derRede vordenpersischen Großen bei Hdt. 7, 8β chezug ausdrücklich mitderdoppelten Schmach: Sardes undMarathon.

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Politik

Herodot behauptet nun, daß Eretria undAthen sowohl 492 als auch 490 den φ ρ μ α α ό σ ,π ις η ) gedient hätten, umnoch anρ ό σ χ Persern nur als Vorwand (π dere griechische Städte unterwerfen zu können18. Erst recht beurteilt er den Xerxeszug in diesem Sinne: Er habe zwar in erster Linie Athen gegolten19, sein größeres Ziel aber sei die Unterwerfung ganz Europas gewesen20. Der Kern dieser Argumentation besteht darin, daß einer als Vergeltung deklarierten Maßnahme eine Zielsetzung zugeschrieben wird, dienicht nurdenUrheber desUnrechts zutreffen, 1. sondern weiterreichende Absichten zu verwirklichen sucht2 Genau dies aber wollte auch Thukydides sagen, als er den von Athen bei Abschluß des Delischμ αbezeichnete22. Denn η ρ ό σ Attischen Seebundes propagierten Perserkrieg als π χ als geheimen Zweck des Bundes erkannte er die Unterwerfung der Bündner unter die Herrschaft Athens2 3. Es scheint also daspolitische Rachedenken, wiees bei Herodot undThukydides in bezug auf das griechisch-persische Verhältnis erfaßt werden kann, in starkemMaße vonderVorstellung genährt worden zusein, mit derRache mehr erreichen zu können, als der Gegner Schaden angerichtet hatte. Andererseits war die Rache als solche fest mitderTalion verbunden: Gleiches mußte mitGleichem vergolten werden24. Auch dies mußmanim Auge behalten, wenn manverstehen will, daß Philipp undAlexander die Rache für den Frevel des Xerxes als noch nicht vollzogen betrachten konnten. Das Talionprinzip hat schon Aischylos auf das Geschehen der Jahre 480/79 ρκα ῶ κ τ ε ςδράσαν ςο ὰ ὐ κἐλάσσ α ο ν σ ά χ |π ο σι25.Er υ ιγ ο angewendet: τ verstand aber, wie eingangs erwähnt, Plataiai als vollgültige Rache, während doch eigentlich nur ein griechischer Kriegszug nach Asien dem Prinzip Genüge getan

18 Hdt.6, 44, 1. 94, 1. J. deRomilly, Lavengeance comme explication historique dans l’oeuvre d’Hérodote, REG 85, 1972, 325 f., weist auf die Verzahnung der vonHerodot demDareios zugeschriebenen Absicht, möglichst viele griechische Städte zu unterwerfen, mit demvon Atossa lange vorSardes geäußerten Wunsch hin, diePerser sollten gegen Hellas ziehen (Hdt. 19

20 21

22 23

3, 134, 5). Zu Hdt. 6, 44, 1. 94, 1 vgl. auch L. Pearson, Prophasis andAitia, TAPhA 83, 1952, 208 f. Nach der Schlacht von Salamis läßt Herodot Artemisia vonHalikarnaß zumRückzug raten mitdemArgument, dasZiel, Athen einzuäschern, seija erreicht (Hdt. 8, 102, 3). VonderUnterwerfung Europas unddemVordringen bis an die Grenzen der Erde läßt Hero, 1 f. 50, 4. 54, 2). Zum Verhältnis von Rache und Exdot Xerxes mehrmals sprechen (7, 8γ pansionsdrang vgl. wiederum deRomilly a. O. 328 f. Der Sachverhalt wird von R. Sealey, Thucydides, Herodotos andthe Causes of War, CQ 51, If A wishes tojustify aninjury, hehasdoneto B, heoften 1957, 4, nicht scharf genug erfaßt: „ In deraufS. 5 als Beleg daasserts that previously hehadsuffered injury atthehands of B.“ φ α σ ις ρ ό . fürangeführten Herodot-Stelle 6, 94, 1 bildet zudem Sardes, nicht Marathon dieπ Thuk. 1, 96, 1 (Text obenAnm. 11). Thuk. 3, 10, 3 (Gesandtschaft ausMytilene in Sparta), 6, 76, 3 (Hermokrates vonSyrakus in Kamarina).

24 Im Falle Eretrias stellt Hdt. 6, 101, 3 ausdrücklich fest, daß die Tempelzerstörung wegen des gleichen Aktes in Sardes erfolgte. Vgl. auch Hdt. 1, 2, 1: τ ρ ὸ ςἴσ ὲ νδ απ ὴἴσ α αμ τ ῦ α έσ α ι(Raub derEuropa durch Hellenen [Kreter] alsVergeltung fürdenRaub derIo θ ιγεν φ σ durch Phoiniker).

25 Aischyl. Pers. 813 f.

Rachegedanke

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hätte. Wenn daher Aristeides bei seinen Verhandlungen mitdenIoniern versprach, den Krieg in das Gebiet des Großkönigs zu tragen, so mußte die darin mitklingende Talion seine Glaubwürdigkeit erhöhen. DaßAthen denPerserkrieg gegenüber denIoniern nurals Mittel zumZweck der Aufrichtung seiner Hegemonie –benutzte, haben die Betroffenen schon bald erkannt undsich darüber entrüstet, getäuscht worden zusein. Ihrer Klage vermochtendieAthener nurmitdemrabulistischen Hinweis zubegegnen, Aristeides habe diebetreffende Zusicherung eigenmächtig gegeben26. αdesPerserkrieges spielte indes nicht nurbei derBegründung, μ η ρ σ ό χ Dasπ sondern noch bei einem anderen wichtigen Ereignis in derGeschichte desDelischAttischen Seebunds eine Rolle. Als im Jahre 454 die Bundeskasse vonDelos nach 6a, geschah dies angeblich ausFurcht vor denPersern, die Athen überführt wurde2 gerade die Kämpfe in Ägypten siegreich beendet hatten; in Wirklichkeit ging es dabei umdievolle Verfügungsgewalt Athens über dieBundeskasse. Daszeigte die wenig später einsetzende Inanspruchnahme dieser Kasse für die Finanzierung der Bautätigkeit in Athen. Die Kritiker des von Perikles in Gang gebrachten Unternehmens wiesen in der Volksversammlung nachdrücklich darauf hin, daß den Athenern durch den Griff in die Bundeskasse der schönste Vorwand φ ά σ ε ν) für deren Wegschaffung von Delos, nämρ ω ο ητ ῶ νπ ρ επ εσ τ τ ά (ε ὐ π lich die Sicherstellung vor denPersern, verlorengegangen sei. Wenn Perikles darauf erwiderte, über die Verwendung des Schatzes sei Athen keine Rechenschaft schuldig, daesja die Bundesgenossen als Gegenleistung für ihre Gelder vor den μ αdesPerserkriegs η ρ ό σ χ Persern schütze27, so ist in dieser Äußerung zwar dasπ aufrechterhalten, der Rachegedanke aber als Motivation ersetzt durch die Schutzverpflichtung der Hegemonialmacht. Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, daß der Rachegedanke zu dieser Zeit kaum noch wirksam war. Athen hatte ihn gewissermaßen zurZündung beim Start des Seebunds benutzt undkambei dessen flotter Fahrt ohne ihnaus. Den Schlußpunkt unter diese Entwicklung setzte der Kallias-Vertrag des Jahres 449. Das Arrangement, zu demAthen darin mit Persien gelangte28, ließ dem Rachedenken keinen Raum mehr. Der beste Beweis dafür ist Perikles’ schon er-

Plut. Arist. 25, 1. H. D. Meyer, Historia 12, 1963, 439 f., hat zu zeigen versucht, daß der Perserkrieg nicht Bestandteil des Vertragstextes gewesen sei, sondern vonAristeides in den Verhandlungen als Köder benutzt worden sei, umdenAbschluß desBündnisses zuerreichen. ρ κ ο ι) enthalten Aber irgendwie mußderKampf gegen die Perser doch in demDokument (ὅ gewesen sein, danurdanndieIonier voneinem Meineid (ἐ ρ ) sprechen konnten. κ ία π ιο 26a FüreinDatum vor454 tritt W.K. Pritchett, TheTransfer of theDelian Treasury, Historia 18, 21, ein. 1969, 17– 27 Plut. Per. 12, 1. 3. Zur politischen Beurteilung des Streites umVerlegung undVerwendung desBundesschatzes vgl. H. D. Meyer, Thukydides Melesiou unddie oligarchische Opposition gegen Perikles, Historia 16, 1967, 146 ff. 28 DieÜberlieferung derVertragsklauseln bei H.Bengtson, Die Staatsverträge desAltertums II, 1962, Nr. 152. Neuere Arbeiten verzeichnet J. Hofstetter, Zudengriechischen Gesandtschaftennach Persien, in: Beiträge zurAchämenidengeschichte, hsg. vonG. Walser, Historia Einzelschriften 18, 1972, 95 f. Dazunoch Meiggs a. O. 129 ff.

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Politik

wähnter Vorschlag, dieGriechen sollten aufeinem Kongreß denWiederaufbau der zerstörten Tempel unddieDarbringung dergelobten, aber noch nicht ausgeführten Opfer beschließen29. Der Perserkrieg sollte damit auch symbolhaft abgeschlossen 0. werden3 Angesichts dieser Sachlage kommt der Frage nach dem Schicksal des Rachegedankens in dernunfolgenden Zeit erhöhte Bedeutung zu.Fest steht, daßes sich nurumein Fortwirken im Unterbewußtsein gehandelt haben kann. Wie aber gelangte der Rachegedanke in das Unterbewußtsein der Athener und der übrigen

Griechen? Bei dieser Frage mußmandavon ausgehen, daßseit derInvasion von480 die 1. Perser denGriechen als die Barbaren undFeinde schlechthin galten3 In der KiFeinde vonNatur aus“ monbiographie läßt Plutarch seinen Helden die Perser als „ ιο ύ σ ε ιπ ο (φ ι) bezeichnen3 2.Mages sich hierbei auch umeinen erst vonIsoλ έμ krates geprägten Begriff handeln33, sein Gehalt dürfte der Vorstellungswelt Kimons und seiner Zeit durchaus entsprechen. Betrachtete doch Herodot, dessen Werk die Anschauungen jener Zeit repräsentiert, die Feindschaft zwischen HellenenundBarbaren als eine Grundtatsache des Geschichtsverständnisses34. Diese Feindschaft wurde durch den Kallias-Vertrag keineswegs beseitigt35, sondern nurin dieLatenz verwiesen. Daaber Feind- undRachedenken aufs engste miteinander verbunden waren, wurde derRest des letzteren, die unerfüllte Talion, mit in das Unterbewußtsein gedrängt. In dieses warbereits die Erkenntnis eingegangen, daßmit der Rache an den Persern ein bequemer Vorwand für eigensüchtige Ambitionen bereitlag36.

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Plut. Per. 17, 1. Vgl. oben Anm. 8.

30 Das Scheitern des Kongreßplanes hing nicht etwa mit demauf denPerserkrieg bezüglichen Vorschlag zusammen. Sparta widersetzte sich, wiePlut. a. O. ausführt, demKongreß als solchem.

31 Zur Bedeutung des Xerxeszuges für die Ausbildung des Barbarenbegriffs vgl. J. Jüthner, Hellenen undBarbaren, 1923, 12; H.Diller, DieHellenen-Barbaren-Antithese imZeitalter der Perserkriege, Fondation Hardt, Entretiens 8, 1962, 39. 44 f.; Siewert a. O.62 f. ᾽ μ αδ 32 Plut. Kim. 18, 1 (Rechtfertigung der Expedition gegen Zypern undÄgypten [450]): ἅ ρ ία φ ελ θ εῖσ α ιδικα ςε νεὐπ ο ίω νἙλλ ίω ἰςτ ὴ ά δ α ὠ ςτ ο ιπ σ ε λ ύ εμ νφ ῶ ὸτ π ςἀ ὰ μ ίζο α τ ν ς . κ ο

529, hat nachgewiesen, 33 J. Kaerst, Geschichte des Hellenismus I3, 1927 (Nachdr. 1968), 525– daßdiepanhellenischen Auffassungen desIsokrates inderspäteren Geschichtsschreibung auf Kimon übertragen worden sind. Bei Plutarch liegt diese Tradition vor. θ α ιτ ὸ ν ὸἙλληνικ . 1,4, 4: ἀ ὶἡγήσασ ρ ά ἰε π ὸτού τ ο υα ο 34 Vgl.bes. Hdt. 1, 1, 1:διαφ η . ς ρ ῆ ὴτ ςἔχθ ιο φ ν ίσ ρ χ ι(sc.το . 1,5, 1:ἀ σ α ις α ιπ ο σ ) εἶν έμ λ ῖςΠ έρ 35 Vgl. die auf die Perser bezogene Feststellung, die Gorgias in seinem etwa 420 v. Chr. verfaßten Epitaphios traf: Siege über die Barbaren verdienten Preisgesänge, Siege über Hellenen

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Klagelieder, Philostr. vit. soph. 1, 9, 3, dazu W. Vollgraff, L’oraison funèbre de Gorgias, 1952, 75. Noch im Jahre 415/14 erinnerte Hermokrates von Syrakus die Kameriner daran, daß die Athener die Rache an Persien als Vorwand für die Unterwerfung derBundesgenossen mißbraucht hätten. In dieser Methode derTäuschung seien sie sich gleichgeblieben: Thuk. 6, 76,

3.

Rachegedanke

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Einhalbes Jahrhundert lang ruhte nundieAuseinandersetzung zwischen Grie7. chenland undPersien3 Dermehr als dieHälfte dieser Zeit dauernde Krieg Athens mit Sparta ließ es dazu kommen, daßbeide kriegführenden Mächte in Erwägung zogen, mit Hilfe Persiens die Niederringung des Gegners zu erreichen38. Es war Sparta, das sich bereitfand, dafür denPreis des Verzichts auf die kleinasiatischen Griechenstädte zu zahlen. In den Verträgen mit dem Satrapen Tissaphernes 9. (412/11 v. Chr.) wurde dieser Verzicht paraphiert3 Er führte nach demSieg über η ῆ ςτ ς σ ιπ ά α τ τ ά σ ρ ο Athen zudergrotesken Situation, daßdie Spartaner, als π ο ςvondenpreisgegebenen Griechenstädten gegen Tissaphernes umHilfe δ ά λ Ἑ λ angegangen, eben denMann, demgegenüber sie diePreisgabe vollzogen hatten, an 9a. derAusübung seiner Herrschaft in Ionien zuhindern suchten3 DermitdemJahre 400 beginnende Krieg Spartas gegen Persien in Kleinasien, dersich 395 mitdemsogenannten Korinthischen Krieg in Griechenland verflocht, hatdanndasFeuer desRachedenkens neuentfacht. Dies geschah aufdoppelte Art: Als imJahre 396 der Spartanerkönig Agesilaos die Kriegführung übernahm, begab er sich vor der Überfahrt nach Ephesos an den Ort, wo Agamemnon vor der Ausfahrt nach Troja ein Opfer dargebracht hatte: nach Aulis, umgleichfalls dort zu 0. opfern4 Er tat dies in demBewußtsein, gegen dieselben Feinde ins Feld zuziehen wie einst Agamemnon41. Dessen Zug nach Troja aber war, wie Herodot betont hatte42, ein Rachezug undbildete den Auftakt zu der großen Auseinandersetzung 3. zwischen Europa und Asien, die sich in den Perserkriegen vollzog4 In diese Tradition stellte sich Agesilaos mit derOpferhandlung in Aulis, undmanverstand inGriechenland sehr wohl deren symbolischen Charakter4 4.

Plut. Kim. 19, 3 f. datiert die ‘Ruhepause’ vom Tode Kimons (450) bis zum Feldzug des Agesilaos (396). 38 Bei der Anbahnung der Verbindung zwischen Persien und Sparta spielte Alkibiades eine wichtige Rolle (Thuk. 8, 6, 3). Vonihmging auch derPlan eines Bündnisses zwischen Persien undAthen aus(Thuk. 8, 46, 3. 47, 2. 48, 1. 53, 1). 39 Im 1. Vertrag wurde gar festgelegt, daßalles Land, dasjemals imBesitz des Großkönigs gewesen war, ihmgehören solle (Thuk. 8, 18, 1). Dadiese Fassung in Sparta auf starke Kritik stieß (vgl. Thuk. 8, 43, 3), wurde sie im3. Vertrag aufdiein Asien liegenden Gebiete einge202. schränkt (Thuk. 8, 58, 2). Die drei Verträge bei Bengtson, Staatsvertr. d. Alt. II Nr. 200– Auch in den Verhandlungen zwischen einer athenischen Gesandtschaft und Tissaphernes stand dieAbtretung Ioniens unddervorgelagerten Inseln zurDebatte (Thuk. 8, 56, 4). 39a Xen. hell. 3, 1, 3; Diod. 14, 35, 6. Vgl. W. Judeich, Kleinasiatische Studien, 1892, 41 f. 40 Xen. hell. 3, 4, 3. 41 Plut. Ages. 6, 7. 42 Hdt. 1, 4, 1 f. Auf Herodot als Mittler zwischen der Ilias undAgesilaos hat L. von Ranke, Weltgeschichte I 245, hingewiesen. Vgl. H. U. Instinsky, Alexander der Große amHellespont, 27. 1949, 61 und(zu Agesilaos’ Opfer) 24– 43 Eine Verbindung zwischen derZerstörung Trojas unddemGeschehen derPerserkriege stellte auch Aischylos her, als er für die Schilderung derTempelzerstörung in Troja undAthen (Ag. 527 bzw. Pers. 811) einen fast gleichlautenden Vers verwendete. Vgl. Kierdorf a. O. 15. 44 Als derThebaner Pelopidas imJahre 367 v. Chr. in Susa umein Bündnis mit Artaxerxes II. nachsuchte, wies er darauf hin, daßdie Thebaner dadurch, daßsie Agesilaos in Aulis beim Opfer gestört hatten, eine neue Eroberung T rojas’verhindert hätten: Xen. hell. 7, 1, 34. ‘

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Politik

Agesilaos mußte nach Feldzügen, die ihnbis vordie Satrapenresidenzen Daskyleion undSardes geführt hatten 45, denkleinasiatischen Kriegsschauplatz imJahre 394 verlassen, um gegen die mit persischem Geld zustandegekommene Koalition von Theben, Korinth, Argos undAthen zu kämpfen46. Die von ihm in den kleinasiatischen Gewässern unter demKommando desPeisandros zurückgelassene spartanische Flotte wurde vondemin persischen Diensten stehenden Athener Kononbei Knidos geschlagen47. Infolge dieses Ereignisses gelangten die kleinasiatischen Griechenstädte unter die persische Herrschaft48, undes war dieser in Griechenland als Schmach empfundene Vorgang, der den Schrei nach Rache hervorrief49. Lysias artikulierte ihn bei denOlympischen Spielen des Jahres 388 v. Chr.: Ein beträchtlicher Teil Griechenlands sei den Barbaren anheimgefallen50. Diese hätten zuZeiten derVorfahren für ihre Absicht, Griechenland zuerobern, mit dem 1, 2. Verlust eigenen Landes gebüßt5 jetzt aber sei noch keine Rache erfolgt5 Über das Wiederaufleben des Rachegedankens zu Beginn des 4. Jh. v. Chr. läßt sich demnach folgendes ausmachen: Bedrohung undnachfolgende Annexion derkleinasiatischen Griechenstädte durch die Perser hoben einerseits denmythischen undhistorischen Aspekt des Problems ins Bewußtsein der Griechen, andererseits gaben sie ihrem Barbarenhaß einen aktuellen Bezug53. AusderVerbindung dieser beiden Komponenten ist dann dasKonzept desRachekrieges gegen die Bar45 Xen. hell. 3, 4, 13. 21. Zur Schilderung der Feldzüge des Agesilaos in den Kapiteln 11 und 12 37 Bartoletti) vgl. jetzt den hi16. 32– sowie 21 und 22 der Hellenika von Oxyrhynchos (11– 149. 88. 132– storischen Kommentar vonBruce S. 77– 46 Xen. hell. 4, 2, 1 f., Diod. 14, 83, 1, Plut. Ages. 15, 2. 7. 12, Diod. 14, 83, 5– 47 Xen. hell. 4, 3, 10– 3. 48 Xen. hell. 4, 8, 1– 49 Umgekehrt unterstellt Xenophon (hell. 4, 8, 6, vgl. 4, 8, 9) demSatrapen Pharnabazos bei der Flottenexpedition gegen die lakonische Südküste Rachegelüste gegen dieSpartaner wegen des Schadens, densie ihmzugefügt hatten. ῳ . Schon im Epitaρ β ά ρ α ῆ ῷβ ς(sc. Ἑ λ τ λ ὐ ά να δ ο )ὄ ὲ τ αὑ ς ὸτ ν π 50 Lys. 33, 3: π ο λ λ ὰμ phios (2, 59) hatte Lysias den Verlust der kleinasiatischen Griechenstädte beklagt: δ υ ο ν ν ή ω . Gegen M. Pohlenz, Zudenattischen Reden auf die νἙ λ λ ῶ ιςτ ό ε ὲπ λ ινδ σ υ ο ύ ε λ Gefallenen, SO 26, 1948, 69, der meinte, im Epitaphios des Lysias sei das Schicksal der kleinasiatischen Griechen übergangen, hat E. Buchner, Der Panegyrikos des Isokrates, Historia Einzelschriften 2, 1958, 158, aufdieobige Stelle hingewiesen. ο υ σ α ντ ῆ ςἐπ ο ίη ία ςἀλλοτρ ς γ ο ν ο ι) το ὲ νβαρβάρ ὺ ό ςμ ρ 51 Lys. 33, 6: ο ἱ (sc. π ρ α α ι. Vgl. dieentsprechende Feststellung ετ έ μ α τ ςαὐ ο ν τ νστερεῖσθ ῦ ῶ ςτ ῆ ςσφ υ ἐπ ιθ η ν μ ιντο σ α ύ τ νδ ύ ν α να ὑ τ ῶ ὴ im Epitaphios (2, 56) [von den Toten der letzten 70 Jahre]: τ ᾽ μ ε ι, ἀ λ λ ύ νέπ ίω εθ νἀλλοτρ γ ιλ ῶ σ α α ε ιτ ὺ τ έ ςβ ςοὐκ έ ᾽ὁμ θ ε σ τ είξ ς ,ὥ ν ιδ α ἐπ β ε ῖτ ο ο . Beide Stellen beziehen sich speῶ νἐφ ῶ νλοιπ ὶτ ρ ε ῦκ α ὶπ ο τ νἑαυ ῶ υτ ο ίδ ἐδ ziell auf die Leistungen Kimons, der als einziger das von Aristeides bei der Gründung des das Land des Großkönigs Delisch-Attischen Seebundes gegebene Versprechen wahrmachte, „ heimzusuchen“(Thuk. 1, 96, 1). ρ ία . ω ιμ τ ῶ ν τ α ὐ ία μ ε δ ιν ο ὐ σ η λ λ ῖςδ 52 Lys.33,9: το ὲἝ ῆ ετ ς όγ 53 Nach Plat. Menex. 17, 245 b/c führte der naturgegebene Barbarenhaß Athens (τ ρ ο ν ) zuderWeigerung, derbeidenFriedensverhandβ α ρ β ά ισ ο ύ ιμ σ ε ὶ] φ τ π ό σ λ ε ω ς... [ἐ lungen in Sardes 393/92 verlangten Auslieferung der kleinasiatischen Griechenstädte an die Perser zuzustimmen. Vgl. zuderStelle W.Judeich, Kleinasiatische Studien, 1892, 84 Anm. 1, U. Wilcken, Über Entstehung undZweck desKönigsfriedens, SB Berlin 1941, 15, 11.

Rachegedanke

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baren entstanden, das Isokrates 380 v. Chr. im Panegyrikos voll ausgebildet vorlegte. VonLysias übernahm Isokrates dasBild desdurch die Barbaren geknechteten 4 Ionien5 unddenHinweis, daßes dieselben Barbaren seien, die vondenVorfahren 5. fürihren Zugnach Europa mitVerwüstung ihres Gebietes bestraft worden seien5 Neben dieses Bild stellte er dann das Gegenstück: Griechenland selbst in persieine Darstellung derpolitischen Ohnmacht Griechenscher Kriegsgefangenschaft – lands nach demFrieden von386 v. Chr. Undauch hierfür lieferte die Vergangenwenigstens in derSicht desIsokrates heit denKontrast: DerKallias-Vertrag hatte – - denPersern Fesseln angelegt, der Antalkidas-Frieden öffnete ihnen ganz Grie6. chenland5 Wenn nunIsokrates denKrieg gegen die Perser als notwendige Reaktion aufderen Machtgewinn propagierte, sotat er damit zunächst nichts anderes als die ‘Sophisten’, die vor ihm über ‘Krieg gegen die Barbaren undEintracht unter den Griechen’ gesprochen hatten57. Vernimmt manjedoch, daß Isokrates von der unverzüglichen Aufnahme des Perserkriegs Frieden undWohlstand für Griechenland, d. h. das Aufhören von Krieg undParteienstreit einerseits unddie Beseitigungjeglicher Notandererseits, erwartete58, so wird einem klar, daßer die ‘Rache für Susa’59 nurzumAnlaß nahm, umdamit tieferliegende Probleme einer Lösung 0. zuzuführen6 Inwieweit solche Probleme schon vonseinen Vorgängern unter dem Schlagwort ‘Homonoia’behandelt worden waren, entzieht sich unserer Kenntnis. Isokrates jedenfalls ließ keinen Zweifel daran, daß hinter seiner Forderung nach ‘gemeinsamer Rache’dieErwartung allgemeinen Nutzens stand61. Die Betonung desNutzeffekts, denderPerserkrieg bringen sollte, drängte den Rachegedanken zwangsläufig in die Rolle des Vorwandes. Anders ausgedrückt: Dadurch, daß Isokrates die Möglichkeit aufwies, die politischen und sozialökonomischen Schwierigkeiten, in denen Griechenland steckte, mit Hilfe des Perser-

54 Seit demFrieden von 386 war Ionien offiziell an die Perser abgetreten: Xen. hell. 5, 1, 31 (Bengtson, Staatsvertr. d. Alt. II Nr. 242). 55 Isokr. paneg. (4) 117 f. Zur Abhängigkeit von Lys. 33, 3. 6 und2, 56 vgl. Buchner a. O. 131 bzw. 116 f.

56 Isokr. paneg. (4) 120 f. 57 Vgl. Isokr. paneg. (4) 3. 15. Mit denReden der ‘Sophisten’hätte Isokrates nach Buchner a. O. 22 f. 28 dieEpitaphioi gemeint. 58 Isokr. paneg. (4) 173 f. 59 DaßIsokrates’Rachedenken sich andemvomGroßkönig in Susa diktierten Frieden von386 entzündete, kommt amklarsten im § 181 des Panegyrikos zumAusdruck: Ὑ ρὧ νἄ π ὲ ξ ιο ν ίζεσ γ ρ θ α ι, κ ὀ α ὶ σκοπ ε π ῖνὅ ω ῶ ςτ ντ εγεγενημέν ω νδίκ η νληψόμ ε θ ακ α ὶτ ὰ μ έλ λ ο ν τ α δ ιο ρ θ ω μ σ ε θ ό α . 60 U.Wilcken, Philipp II. vonMakedonien unddiepanhellenische Idee, SB Berlin 1929, 18,294 Anm.4, folgerte ausIsokr. paneg. (4) 173, „ daßderNationalkrieg ansich nicht dasletzte Ziel des Isokrates war, sondern nur das Mittel, um zu einem Dauerfrieden in Griechenland zu kommen.

ὴτιμ ρ 61 Κ ω ία ο ιν : Isokr. paneg. (4) 182, vgl. 185. Als nützlich (σ φ ω έρ μ ν ) erscheint der υ ά ρ ξ ε ιςμ ά λ Krieg im§ 182undgesteigert (π ισ τ α λ υ σ ιτ ελ ο ύ σ ε ις ) im§ 183.

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Politik

kriegs zulösen62, mußte fürihnderRachegedanke dieFunktion derRechtfertigung desgeforderten Eroberungskrieges annehmen. Vondaher erklären sich die starken Impulse, die er demRachedenken verlieh. Predigte er doch HaßundFeindschaft gegen die Perser, indem er denUrgrund dieser Gefühle aufdeckte: dennaturgege3. benen unddaher immerwährenden Gegensatz zudenBarbaren6 Die Vergangenheit floß so mitderGegenwart zusammen, undIsokrates konnte die Rache fürfrüherundjüngst erlittenes Unrecht miteinander verquicken64. Bei einer solchen Sicht der Dinge aber mußte der Tempelfrevel von 480/79 erneut Bedeutung gewinnen undeinen hervorragenden Platz imRachedenken erlangen. Isokrates hatin derTat dieAufwertung jenes Ereignisses vollzogen. Während Lysias sich im Epitaphios demWesen dieser Redeform entsprechend – mitderKommemoration derTempelzerstörung durch Xerxes begnügte65, benutzte Isokrates im Panegyrikos darüber hinaus66 denAsebie-Akt ganz offenkundig als Stimulans des Barbarenhasses und 7. damit desRachegedankens6 Wollte Isokrates mit demPlan eines als Racheunternehmen deklarierten, dem Nutzen Griechenlands dienenden Feldzuges nach Asien durchdringen, so mußte er dessen Realisierbarkeit aufzeigen. Daswarinsofern leicht, als derZugdes Kyros mit den Zehntausend dafür ein Paradebeispiel geliefert undAgesilaos erneut demonstriert hatte, daß ein Marsch ins Perserreich erfolgreich durchgeführt werden könne. Die beiden Präzedenzfälle führte Isokrates denn auch als Hauptbeweise für dievonihmstark herausgestellte Kriegsuntüchtigkeit (μ α ) derPerser an68, α κ λ ία undsie verfehlten ihre Wirkung nicht, wenngleich es mehr als vier Jahrzehnte dauerte, bis derKriegsbeschluß derGriechen zustandekam, undzwar auf eine Weise,

62 Vgl. hierzu A. Fuks, Isocrates andthe Social-economic Situation in Greece, Ancient Society 44, bes. 38 ff. Speziell zumSöldnerproblem: L. P. Marinovic, Die Stellung der 3, 1972, 17– 34. Söldner in den gesellschaftspolitischen Ansichten des Isokrates (russ.), VDI 1965, 3, 22– ι: Isokr. paneg. (4) 184, ο ρ ιο ικ ρ ικ ὶ ἔχθ α ο ὶπ τ ε λ έμ α ύ σ ο ιπ 63 Die Perser erscheinen als φ ή(§ 157). vgl. 158. DerHaßwird als ewig bezeichnet: ἀ γ η σ ρ τ ο ν ςὀ είμ τ α ν σ α ς ιή ο απ δ ά νἙλλ ρ ὴ ο ν κ α ῶ κ ςτ ρό τ ρ ὸ ε ςτο ὺ ὐπ α ὶπ ςκ 64 Isokr. paneg. (4) 183: ο έν μ ᾶ ο υ ς ςδιακειμ . ρ ὸ ςἡ ρό ν ο τ π υ λ εύ ο ν ν α τ ω ο ὕ ο ὸ ν ατ ςκ ν τ α χ ά ὶπ ιβ ἐπ ν ῦ α ὶν κ

65 Lys. 2, 37. 66 Die Lysias-Stelle (2, 37) hat ihre Entsprechung bei Isokr. paneg. (4) 96. ,ο ῖν ῶ ν ἳκ ὰτ α ὶτ ᾽ἡμ ρ ὸ ρ να α ὐ τ ο ῖςἐσ νπ ᾽ο ῶ ὐ ιτ τ κἐχθ ίδ 67 Isokr. paneg. (4) 155: τ ῳκ α ὶκ α τ α ῳπ κ μ ά ο ε ιν λ έ ηκ θ ρ ρ α ε ο ὶ το ῶ νἕ τ ῷπ δ έ ὺ ςν ε ὼ νἐ λ ςσ υ ᾶ ντ η σ α ν ; die Stelle erhält ihre von G. Dobesch, Der panhellenische Gedanke im 4. Jh. v. μ λ ἐτό Chr. undder„Philippos“desIsokrates, 1968, 138 Anm. 10, geleugnete Akzentuierung durch denVergleich mit paneg. (4) 96. Wilcken a. O. 315 betont, daß im vorstehend ausgeschriebenen Text von Rache nicht die Rede sei. Das ist natürlich richtig. Aber welchem anderen Zweck als der Rache sollte denn die von Isokrates durch die Anführung des Xerxes-Frevels vorgenommene Anheizung des Barbarenhasses dienen? Die Annahme Wilckens, Isokrates habe denHaßnur„begründen“wollen, verbietet sich angesichts des leidenschaftlichen Tons der Stelle. ίαfällt in § 149, κ α λ α 149. Agesilaos: § 144. Das Stichwort μ 68 Kyros: Isokr. paneg. (4) 145– 152. Es ist möglich, daßIsokrates bei seinen Ledienähere Ausführung folgt in den§§ 150– sern die Kenntnis vonXenophons Anabasis voraussetzen konnte, vgl. J. Morr, Xenophon und der Gedanke eines allgriechischen Eroberungszuges gegen Persien, Wiener Studien 45, 1926/27, 186 ff., bes. 198 f.

Rachegedanke

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dieIsokrates imJahre 380 keineswegs imAuge hatte. Denn imPanegyrikos sah er in Athen undSparta die Führer für denKrieg gegen die Perser69, während er schon 0. bald erkennen mußte, daßdies eine Illusion gewesen war7 Immerhin gab es Anzeichen dafür, daß der Gedanke eines Perserkriegs sich auszubreiten begann. In den siebziger Jahren des 4. Jh. spielte Iason von Pherai mit ihm, undes verdient Hervorhebung, daßer seine optimistische Prognose für denAusgang des Krieges mit derfehlenden Tapferkeit derPerser sowie mit denErfolgen desKyros unddes Agesilaos, also mit eben denArgumenten begründete, die Isokrates im Panegyrikos bereitgelegt hatte71. Im Zusammenhang mit dem Friedensschluß des Jahres 362 (nach der Schlacht von Mantineia) gaben die daran beteiligten griechischen ηvon ν ὴεἰρή ο ιν Staaten ihrer Entschlossenheit Ausdruck, eine Störung der κ seiten des Großkönigs oder seiner Satrapen mit Krieg zu beantworten72. Um die 3 Mitte derfünfziger Jahre des4. Jh. brach in Athen infolge persischer Rüstungen7 geradezu eine Kriegspsychose aus. Demosthenes unternahm es mit seiner Rede über die Symmorien (354 v. Chr.), vor einem übereilten Kriegsbeschluß gegen Persien zuwarnen. Daßer meinte, dies nurmit demBekenntnis tunzukönnen, er halte denGroßkönig für den gemeinsamen Feind aller Griechen74, zeigt, wie stark derHaßgegen die Perser zu dieser Zeit eingeschätzt werden muß. Ihn nahm Demosthenes denn auch zurZielscheibe seiner Kritik: Die Athener sollten ihren Haß gegen den Großkönig nicht als Vorwand (π φ α ις σ ρ ό ) für Kriegsvorbereitungen gegen ihn benutzen; das sei weder klug noch nützlich75. Vergleicht man diese Argumentation mit derdesIsokrates imPanegyrikos, so erkennt manunschwer, daß Demosthenes in derSymmorienrede diegenaue Gegenposition zuIsokrates bezog, wasbedeutet, daßdessen Gedankensaat vomewigen Haßder Griechen gegen die Barbaren undvomNutzen, den ein Krieg gegen sie bringen werde, aufgegangen war7

6.

In unserem Zusammenhang ist vonbesonderer Wichtigkeit, daßDemosthenes dieGefahr erkannte, die deraufgeputschte Haßin sich barg: Er konnte allzu leicht zumVorwand für einen Krieg aufgenommen werden. So geschah es letzten Endes

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Isokr. paneg. (4) 185. Vgl. auch § 17unddazuBuchner a. O. 31 f. Isokr. Phil. (5) 129. Denrealen Verhältnissen, wie sie nach demKönigsfrieden sich darstellten, entsprach dieVorstellung desIsokrates ohnehin nicht, vgl. Xen. hell. 4, 8, 14. Xen. hell. 6, 1, 12. Vgl. auch Isokr. Phil. (5) 119. DenEinfluß desPanegyrikos auf Iason von Pherai betont G. Mathieu, Les idées politiques d’Isocrate2, 1966, 100 f. 17 (Bengtson, Staatsvertr. d. Alt. II Nr. 292). Vgl. T. T. B. Ryder, Koine Tod, GHI 145, 12– 144. Eirene, 1965, 85 f., 142– Über deren gewaltigen Umfang s. Diod. 16, 40, 6. Sie waren gegen Phönizien undÄgypten gerichtet, aber dieAthener bezogen sieaufsich, vgl. Demosth. 14,2. 4 f. 7. Demosth. 14, 3. J. Luccioni, Démosthène et le panhellénisme, 1961, 41, hält es für möglich, daßDemosthenes hier nureinZugeständnis ansein Publikum macht. ο ςεἰπ εῖν , ό α ο ν ιδ ςἢδεύτερ ὲμ ἶμ Demosth. 15, 6 (Rückblick auf die Symmorienrede): ο ρ ὸ ς νπ α φ σ ιντ ρ ὴτὴ α σ ῆ ρ κ ῆ ό ε υ ςπ ςμ α ,ε νπ ἰτ ρ νδο ε ε ὴ ο κ ῖτ ν ῖνἂ ε φ ο ι σω ιμ τ ὅ ε. Den Nutzen seines Rates betonte Demosthenes in der Rede θ ιο ῖσ ο ρ α νπ νἔχθ ο εῖν ἐκ selbst mehrmals: 14, 1. 2. 3. 28. 41. Ewiger Haßgegen dieBarbaren: Isokr. paneg. (4) 157. Nutzen desPerserkriegs: Isokr. paneg.

(4) 182 f.

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Politik

ja auch, undwir müssen uns nunmehr diesem entscheidenden dem Philippos’desIsokrates imJahre 346 begann, zuwenden.

Stadium,

das mit

hatte 354 unddann wieder 351 auf Philipp II. vonMakedonien Demosthenes ‘ als deneigentlichen Feind Griechenlands hingewiesen77. Isokrates dagegen sahmit Philipp die Möglichkeit näherrücken, ‘seinen’ Plan eines Perserkriegs, der Grieρ ία μ ό ν ιαundderεὐπ ο bringen sollte, doch noch zu ο chenland denZustand derὁ verwirklichen. In der demMakedonenkönig gewidmeten Schrift, dem Philippos’, suchte er ihn für die Führung des Perserkriegs zu gewinnen78. Er stellte ‘ ihm den unvergleichlichen Ruhm vor Augen, dener dadurch erlangen könne79. Macht und Reichtum seien der selbstverständliche Siegespreis80. Das ganze Perserreich werde ihmzufallen, zumindest Kleinasien bis zueiner vonKilikien bis Sinope verlaufenden Grenzlinie81. Wiederum waren es die Beispiele des Kyros undAgesilaos, die Isokrates neben demHinweis auf den unkriegerischen Charakter der Perser benutzte, umdenFeldzug als durchführbar underfolgversprechend hinzustellen82. Es ist nun ausdrücklich überliefert, daß Philipp hieraus die Konsequenzen gezogen habe. Er sei, sagt Polybios, durch den Zug der Zehntausend, insbesondere ihren Rückmarsch, sowie durch dieUnternehmungen desAgesilaos in Kleinasien zuder Überzeugung gelangt, er könne die Perser, da sie feige und träge seien, leicht überwinden. Polybios geht so weit, diese Erkenntnis Philipps zusammen mit seinemVerlangen nach demsich darbietenden prächtigen Kampfpreis als eigentliche φ α σ ιςzu Ursache desPerserkriegs zubezeichnen. Vonderα ρ ό ἰτ ίαaber sei dieπ unterscheiden. Alssolche habe Philipp derRachegedanke gedient: DerKrieg sollte denFrevel rächen, dendiePerser gegen dieGriechen begangen hatten8 3. In derTat hat Philipp die Griechen nach Chaironeia (338) mit derVorstellung geködert, er werde für sie die alte Rachepflicht wegen der durch Xerxes geschändeten Heiligtümer übernehmen84, under hat beim Synhedrion des Korinthischen

77 Demosth. 14, 11. 41; 15, 6. Vgl. Luccioni a. O. 48. 150. 78 Zu der Philipp von Isokrates zugedachten Führerstellung vgl. Dobesch a. O. 148– ηκ α ηδό ὶκ τ ίσ α γ ίσ λ λ τ ξ ε α . Dazu und zu den übrigen 79 Vgl. bes. Isokr. Phil. (5) 134: μ 123. Stellen imPhilippos, andenen derRuhmesgedanke erscheint, Dobesch a. O. 121– τ ο ο ῦ λ ς ὶπ . ε ίακ α τ σ α ν υ 80 Isokr. Phil. (5) 133: δ 81 Isokr. Phil. (5) 120. DaßIsokrates denPlan einer Annexion Kleinasiens „voneinem Vorgänger“übernommen habe, betont Dobesch a. O. 23. 144 Anm. 39. Daß der Historiker von Oxyrhynchos (22, 4. [37 Bartoletti]) ihn dem König Agesilaos unterschiebt, hat G. A. LehPhilippos“ , Historia 21, 1972, 385 ff., mann, Die Hellenika von Oxyrhynchos undIsokrates’ „ erkannt.

98. Agesilaos: § 86– 88. 92. 95– 82 Kyros: Isokr. Phil. (5) 90– 12. Vgl. zu dieser Stelle K.-W. Welwei, Könige und Königtum im Urteil des 83 Polyb. 3, 6, 10– φ σ ις innerhalb der„théorie descauα ό ρ Polybios, Diss. Köln 1963, 27, undzurRolle derπ ses“des Polybios P. Pédech, La méthode historique de Polybe, 1964, 75 ff., mit den Bemer373. kungen vonK.-E. Petzold, Gnomon 45, 1973, 369– ρτ ή ν ω ῶ νἙ ν α σ λ λ ρ ὲ ςὑ π ὸ έρ ςΠ α ιπ ιβούλετ ν τ ὅ ο γ ὺ ο ὲλό δ ςδ ια 84 Diod. 16,89,2: Δ ο ρ ὰγεν ᾽αὐ ὰἱε ρ ρτ τ ῶ νδίκ ῆ ἰςτ α ςε ςὑ β α π θ α ικ α ε ὲ ῖνπ ὶλ α μ ο νἄρασ π ό λ ε μ η έ ν ςπ ρ μ α α ία σ ο τ α . DieAusnutν ο ςἰδίο υ η ν α ο ιή α ῖςεὐν ία ιςἐπ ο ὺ ςτ ςτο ς Ἕ λ λ zung fremder Rachegefühle zumeigenen Vorteil warnicht ungewöhnlich. So forderten die Thebaner nach derSchlacht vonLeuktra (371) dieAthener mitdemHinweis, nunkönnten sie

Rachegedanke

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Bundes mit dieser Begründung den Kriegsbeschluß erreicht85. Es ist die Frage, inwieweit die Formulierung des Vorhabens bzw. des vorgeblichen Kriegsgrundes vonPhilipp selbst stammt; denn die Annahme liegt ja nahe, daßer dabei vonIsokrates beeinflußt worden ist. Wilcken, derdieFrage als erster eingehend behandelt Nationalkriegs“ hat, fand folgende Antwort: Philipp habe nur den Gedanken des „ von Isokrates übernommen, die Motivation als „Rachekrieg für die Gottesfrevel des Xerxes“sei seine eigene Zutat86. Diese Antwort verkennt, daß Philipp nur dann aufWirkung seiner Racheparole hoffen konnte, wenn derRachegedanke und die Erinnerung an denFrevel des Xerxes lebendig waren. Daßer dies tatsächlich voraussetzen konnte, dürften die obigen Ausführungen über daszu Beginn des 4. Jh. wiedereinsetzende Rachedenken und Isokrates’ Beitrag dazu ergeben haben. Wenn Wilcken behauptet, für Isokrates sei der Krieg gegen Persien kein Rache-, sondern ein Eroberungskrieg, so beweist dies, daßer denZusammenhang, derzwiφ α σ ρ ιςundα ό schen π ἰτ ίαbesteht, nicht berücksichtigt hat. Isokrates jedenfalls ist sich im Panegyrikos sehr wohl bewußt gewesen, daß er den wahren Kriegsgrund, die Lösung innergriechischer Schwierigkeiten durch einen Eroberungszug nach Osten, bemänteln müsse, under hat dies durch Ausgestaltung des Rachemotivs getan87. Dieses konnte also ebenso nutzbar gemacht werden, wie es mit den Beispielen des Kyros undAgesilaos nachweislich geschehen ist. Nunwurden freilich jene Beispiele demMakedonenkönig im Philippos’persagen? sönlich vor Augen geführt. Läßt sich dies auch von demRachegedanken ‘ Wilcken hat das Fehlen jeglicher Belege für denRachekrieg im ‘Philippos’ konstatiert. Das einzige Mal, wo von Rache die Rede sei – im § 125 -, handele es sich , daßdie Perser die Feindseligkeiten eröffnet umdie „geschichtliche Feststellung“ unddie Griechen das erlittene Unrecht nicht gerächt hätten. Hier sei aber Xerxes nicht ausdrücklich genannt88. Es stimmt, daßderRachegedanke im Philippos’nur an dieser Stelle sich findet89. Indes hat Isokrates ihn mit einer Brisanz versehen, ‘ dersich niemand entziehen konnte, seit Herodot die Frage nach denUrsachen des Streites zwischen Hellenen undBarbaren dahin zugespitzt hatte, wermit demUn0. rechttun begonnen habe9 Isokrates griff die herodoteische Fragestellung auf, gab

85 86 87

88 89

90

für alles, wasdie Spartaner ihnen angetan hätten, Rache nehmen, zur Teilnahme am Kampf gegen Sparta auf (Xen. hell. 6, 4, 19). Vgl. imübrigen schon Thuk. 1, 96, 1 (oben Anm. 11). U. Wilcken, Beiträge zur Geschichte des korinthischen Bundes der Hellenen, SB München 1917, 10, 9 Anm. 1. 28 f.; ders., Philipp II. vonMakedonien unddiepanhellenische Idee, SB Berlin 1929, 18, 310. 316. Wilcken, SB Berlin 1929, 18, 314. 316. Dobesch a. O. 138 Anm. 10 gesteht zwar das Vorhandensein des Rachegedankens zu, betont aber zugleich, daß er für Isokrates „keine besondere Rolle spielte“ . Die Erkenntnis seiner φ α σ ιςläßt diese Ansicht nicht zu. ό ρ Funktion alsπ Wilcken a. O. 314. 315 Anm. 1. Vgl. Dobesch a. O. 138: „Ganz amRande...“ . S. Perlman, Isokrates’„Philippus“–a Reinterpretation, Historia 6, 1957, 316 Anm.64: „ very closely hidden“ . ἶδ ὲο γ νδ α α ω ρ νἐ ὸ ὐ ρ ῶ τ Vgl.bes. Hdt. 1,5, 3: τ τ ο ν ὸ π ὑ ά ςπ ξ α αἀ τ ν δ ςτο ίκ ὺ ν ω ἔρ ς

ή μ σ β ή ν ρ α α ο ο ι. ςπ μ η σ ν ο τ ν η α , τοῦ ς Ἕ λ λ

14

Politik

aber eine neue, die Perser belastende Antwort91. Zugleich verschob er den Blick-

winkel, unter demer die Ereignisse derVergangenheit im Panegyrikos betrachtet davon ausgegangen, daßdie Vorfahren sich für wie Lysias – hatte. Dort warer – 2, denÜbergang derPerser nach Europa gerächt hätten9 jetzt stellte er die Rache als 3. noch nicht erfolgt hin9 Es läßt sich, wie ich glaube, zeigen, daß gerade die von Isokrates im ‘Philippos’ vorgenommene Nuancierung des Rachegedankens aufs beste geeignet war, die Aufmerksamkeit des Makedonenkönigs zu erregen, undes fehlt nicht an Anhaltspunkten dafür, daßsie es tatsächlich gewesen ist, die Philipp zurFormulieα ιςfürdenPerserkrieg angeregt hat. φ σ ρ ό rung derπ Philipp dürfte sich, als er nach Chaironeia demPlan eines Perserkriegs nähertrat, im klaren darüber gewesen sein, daß sein Vorgehen gegen den Großkönig 4 wegen des früheren Bündnisses9 e iner Begründung bedürfe, die ihn ins Recht ώ νderGriechen. γ εμ setzte, undzwar mehr als König derMakedonen denn als ἡ Sein Sohn Alexander hatjedenfalls diese Notwendigkeit erkannt, wie seine Argumentation in demBriefwechsel mit Dareios III. nach der Schlacht von Issos (333) beweist95. An ihr fällt nun auf, daß sie sich sogar wörtlich mit jener Passage aus dem‘Philippos’ des Isokrates berührt, die von der vorgängigen Schuld der Perser undder unausgeführten Rache der Griechen handelt. Alexander sagte nämlich in UmandenPersern Rache zunehmen, binichnach Asien demBrief anDareios9 6: „ hinübergegangen, nachdem ihr den Anfang (mit den Streitigkeiten) gemacht

91 FürHerodot hatte derLyderkönig Kroisos als erster Unrecht gegen dieGriechen verübt: 1, 6, 2. FürdiePerser bildete derZugderGriechen nachTroja dieUrsache derFeindschaft: Hdt. 1, 5, 1. Hierzu A. E. Wardman, Herodotus on the Cause of the Greco-Persian Wars, AJPh 82, 1961, 133 ff. 92 Isokr. paneg. (4) 117 f., vgl. oben S. 9 mit Anm. 55. ᾽ἐκεῖν ,ὥ ν ι ε ο σ τ ι τυγχάνομ ο έν μ νἀπ ῶ ο τ να λ ὐ ελ ειμ ο τ 93 Isokr. Phil. (5) 125: τοσοῦ μ ὲ ῖς ν ε ο η ὐ ν α ὸ λ , ἡμ ρ ςτο ς ὺ λ κὤ ςἝ ρ η σ α κ ῆ ρ ϋ ο ν ςπ π ιτ ρ ά α νο ξ α ῆ ςτ ὐ δ ὲπ ςἔχθ ύ ς ε ναὐτο μ . Dieveränderte ῶ ι τολμ θ α ύ ν εσ νἀμ μ ε ο θ ά ςἐπ ῶ κ νκα ρὧ ὲ π ᾽ὑ δ ὐ ᾽ο δ Ansicht läßt sich vonderamSchluß desPanegyrikos (§ 183) vollzogenen Verschmelzung von Vergangenheit undGegenwart herbegreifen: Die fürdieGegenwart ausstehende Rache (vgl. Lys. 33, 9) wurde zurRache schlechthin. μ α χ ία(Arr. an. 2, 14, 2, Bengtson, Staatsvertr. μ υ ίακ α ὶσ ιλ 94 DerZeitpunkt, zudemdie φ d.Alt. II Nr.333) zwischen Philipp II. undArtaxerxes III. zustande kam, ist ungewiß. Zuletzt ist G. L. Cawkwell, Demosthenes’ Policy after the Peace of Philocrates, CQ 57, 1963, 127 f., aufGrund vonDemosth. 4, 48 für351 eingetreten. DerSpätansatz (343) wird z. B. vonF. R. Wüst, Philipp II. von Makedonien undGriechenland in den Jahren 346 bis 338, 1938, 89 f., vertreten.

95 Die Behandlung derKriegsschuldfrage durch Alexander erhielte besonderes Gewicht, wenn sie in demBrief desDareios garnicht angeschnitten war, derbei Arr. an.2, 14, 2 f. paraphra-

96

sierte Inhalt dieses Briefes also die durch Diod. 17, 39, 1 f. bezeugte Fälschung Alexanders beträfe, wie G. T. Griffith, The Letter of Darius at Arrian 2, 14, Proceed. Cambr. Philolog. Soc. 194, 1968, 33 ff. bes. 43 ff., nachzuweisen versucht. Eingehende Behandlung aller diesen Brief betreffenden Fragen bei W. B. Kaiser, Der Brief Alexanders des Großen an Dareios nach der Schlacht bei Issos (maschinenschr. Diss. Mainz 1956). Für Überlassung des Exemplars aus der Bibliothek des Instituts für Alte Geschichte der Universität Mainz danke ichDr.W.Hoben.

Rachegedanke

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97. Den Beweis für die letztere Behauptung führte Alexander auf zweifache Art, einmal durch denHinweis auf die persische Hilfe für Perinth, dasPhilipp im Jahre 341/40 belagert hatte9 8,zumanderen durch Rückgriff aufdieZeiten derVorfahren, in denen die Perser nach Makedonien undGriechenland gekommen seien undSchaden angerichtet hätten, ohne daßihnen vorher ein Unrecht zugefügt worden sei99. Bei diesem Beweisgang ist die Argumentation mit der Vergangenheit insofern aufschlußreich, als Alexander auch Makedonien als Opfer derPerserkriege des 5. Jh. bezeichnete1 00.Er verlieh dadurch seiner Behauptung, die Perser hättenzuerst Schuld auf sich geladen, die es zurächen gelte, stärkeres Gewicht. Denn in bezug auf Athen konnten die Perser ja die Zerstörung von Sardes als erste Un01. Alles in allem rechtfertigte Alexander auf sehr geschickte rechtstat anführen1 Weise den von seinem Vater undihm selbst in Werk gesetzten Krieg gegen das Perserreich. Danun, wiegesagt, schon Philipp sich verpflichtet fühlen mußte, den von ihm geplanten und begonnenen Krieg gegen seinen einstigen Verbündeten hinreichend zubegründen, ist es wohl nicht abwegig anzunehmen, daßAlexander sich in seinem Brief anDareios auf Erwägungen stützte, die bereits imKreise seines Vaters angestellt worden waren. Dann fände auch die auffällige Übereinstimmung mit Isokrates ihre Erklärung. Denn daßPhilipp dessen Grundgedanken aus der an ihn gerichteten Schrift in sich aufgenommen hat, darf doch als sicher gel-

habt“

ten1

02.

Die ‘herodoteische’ Wendung, die Isokrates dem Rachegedanken im Philippos’gab, dürfte also denBlick desMakedonenkönigs in die Vergangenheit gelenkt undihmgezeigt haben, daßdie Schuld, diediePerser damals aufsich ge‘ laden hatten, noch als offenstehend betrachtet werden konnte. Nunhandelte es sich bei dieser Schuld, wiejedermann wußte, umeinen Gottesfrevel. Philipp aber war, als ihmdie Schrift des Isokrates zuging, gerade dabei, einen Frevel dieser Art, der μ ίαderPhoker unter Philomelos ρ ν α ο α sichjüngst ereignet hatte, zurächen: dieπ in Delphi (356)103. Schon Kaerst hat daher die Meinung vertreten, daß Philipp die θ α ι βουλόμεν ο α σ ή σ ςΠ ρ σ έρ α η ω ςδιέβ νἐ ςτ ὴ νἈ 97 Arr. an. 2, 14, 4: ... τιμ σ ία ν σ αἐ π ὶσ ν ρ ῶ ρ ὲὑπ μ . Vgl.2, 14,6: ἐστράτευ ά ω ν τ ὑ α ξ ξ ά ν π α ν ὑ τ ο ςσ ο ῦτῆ ρ α ςἔχθ ς .

Der wörtliche Anklang an Isokr. Phil. (5) 125 (Text oben Anm. 93) wird durch das Verb ) hergestellt. Demτιμ ή ρ χ ε ιν σ ρ α σ ρ ω ο θ ϋ ά π α ι Alexanders entspricht ρ χ ιν(Isokr.: π ε ά π ὑ ρ ιbei Isokrates, derimPanegyrikos (4, 182. 185) auchvonτιμ α ίαsprach. θ ω εσ μ ύ ν dasἀ ή σ α τ θ ίο ιςἐβοηθ ε ιν ,ο ερ ρΠ ἳτ μ ὸ ὸ ν ν ὰ ἠ ἐ ρ π δ α ίκο α τ έ ὶγ α υ 98 Arr.an.2, 14,5: κ ν . ν ιἐλθόν ο τ ε ςε ο ιπρόγο ἰςΜ α κ 99 Arr. an.2, 14,4: ο εδ ο ν ία ἱὑμέτερ νκ α ὶτὴ νἄλ η ν λ μ η η δ έν ικ ρ ο ο ᾶ μ ςοὐ ν ι. ὲ δ π ἡ ν α σ ίη ῶ ο ά α κ δ α ςἐπ κ λ Ἑ λ ἰς Μ α κ εδ ία ν ο νκ α ὶτ ὴ νἄλ η 100 Über die Deutungsmöglichkeiten der Wendung ε ν λ 36 und F. Schachermeyr, Alexander der Große, ά δ α(Arr. 2, 14, 4) vgl. Kaiser a. O. 34– Ἑ λ λ 671. 1973, 667– 4. Auf diese Stelle weist Kaiser a. O. 36 hin, erkennt aber nicht, daß Alex101 Vgl. Hdt. 7, 11, 2– ander mit der Einreihung Makedoniens unter die Leidtragenden der Perserkriege die davor liegenden Geschehnisse eliminierte.

102 Vom‘Nationalkrieg’nimmt diesja auchWilcken, SB Berlin 1929, 18,314. 316 an. 103 Frevel: Diod. 14, 117, 7. 16, 14, 4 ( = Kallisthenes, FgrHist 124 F 27). Rache: Diod. 16, 35 (352 v. Chr., vgl. M. Sordi, RFIC 36, 1958, 134 ff.). 16, 60 ff. (346 v. Chr.). Zum Ausgang desdritten ‘Heiligen Krieges’vgl. Wüst a. O. 17; Kaiser a. O. 38.

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Politik

04.

Übernahme der neuen Rächerrolle besonders nahegelegen habe1 Voraussetzung dafür warallerdings die Auffassung, daßdie Rache im Falle derPerser noch nicht vollzogen sei, undeben diese Auffassung mußPhilipp durch Isokrates vermittelt worden sein. Bestärken mochte den Makedonenkönig darin sein im dritten ‘Heiligen Krieg’geschärftes Taliondenken: DerGottesfrevel erforderte besondere, soll heißen: gleichgewichtige Ahndung1 05, die für die π μ ίαdes Xerxes ν ρ ο α α tatsächlich ausgeblieben war. Schließlich wäre noch zu berücksichtigen, daß Philippviel daran gelegen sein mußte, mitAthen wenigstens eine derbeiden einstmals berühmten Vormächte Griechenlands für den Zug ins Perserreich zu gewinnen. Umdies zuerreichen, mußte er versuchen, diejenigen anzusprechen, die sich noch im Jahre 343 demvon Demosthenes geforderten Bündnis mit Persien widersetzt hatten, indem sie denGroßkönig als „ Barbaren“und„ gemeinsamen Feind füralle“ abstempelten106. Mathieu hat in den Widersachern des Demosthenes Anhänger der politischen Ansichten des Isokrates gesehen107. Wenn dies der Fall war, undalles spricht dafür, dann lag doch für Philipp nichts näher, als daß er die Klage ihres Rache für das Schändliche, daswir erduldet haMeisters über die unausgeführte „ ben“ in dasVersprechen umsetzte, „ Rache fürdenFrevel andenHeiligtümern 108, 109.

zunehmen“

φ α σ ιςfürdenPerserkrieg erfüllte ihρ ό Die solcherart zustandegekommene π renZweck nach zwei Seiten: Sie gabPhilipp gegenüber Athen unddenanderen im Korinthischen Bund zusammengeschlossenen Griechen einen Rechtstitel für die beanspruchte militärische Führerstellung110 undsie bildete gegenüber dem Großkönig dieRechtfertigung fürdiedurch denmakedonischen Einfall nach Kleinasien im Jahre 336111 offiziell vollzogene Annullierung des persisch-makedonischen Bündnisses. Philipp gelang also mitderÜbernahme desRachegedankens eine ausgezeichnete Motivierung seines Handelns. Wieklug er dabei die Gefühle derGriechen einkalkulierte, zeigt die Formulierung derAufgabe, die er dennach Kleinasi-

104 J. Kaerst, Geschichte des Hellenismus I3, 1927 (Nachdr. 1968), 272. Vgl. weiter Wilcken a.

O. 316 undSchachermeyr a. O. 60. Wichtig ist derHinweis Kaisers a. O. 38 aufDiod. 16, 60, 4 f. und64, 2 f., woPhilipps Rache andenPhokern geradezu als Voraussetzung für seinen Perserkrieg erscheint.

105 ImFalle derPhoker bestand dieTalion indemihnen auferlegten Tribut vonjährlich 60 Talenten, derso lange zuentrichten war, bis derGegenwert desgeraubten Tempelguts erreicht sei: Diod. 16, 60, 2. Die an denTempelräubern selbst vollzogene Rache, die Todesstrafe (Diod. 16, 31, 1 f. 35, 6), resultierte aus dem Fluch, der auf ihnen lastete. Vgl. die diesbezügliche Klausel desAmphiktyoneneides: Aischin. 2, 115. ό ρ ς “ . Demosthenes ρ ο ς β “κ α σ ινἐχθ α ὶ„ ὸ ιν α ὁκο π ςἅ ρ ά ὴβ ὁδ 106 Demosth. 10, 33: „ hoffte, im Bunde mit Persien werde Athen über Philipp triumphieren wie einst Sparta mit demselben Bundesgenossen überAthen ([Demosth.] 11,6). 107 G. Mathieu, Les idées politiques d’Isocrate2, 1966, 167. 108 Isokr. Phil. (5) 125. 109 Diod. 16, 89, 2. ρ γ ρ τ ὸ ά ω ςα η ὐ το κ τ α τρ 110 Philipp wurde vom Synhedrion des Korinthischen Bundes zumσ bestellt: Diod. 16, 89, 3, vgl. Wilcken, SB München 1917, 10, 27; Bengtson, Die Strategie in hellenistischer Zeit I, 1937, 3 ff. 111 Diod. 16, 91, 2.

Rachegedanke

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Truppen stellte: Sie sollten die griechischen Städte befreien112. Der Verlust eben dieser Städte hatte ja denRachegedanken wieder in deröffentlichen 13, undIsokrates sahihre Wiedergewinnung als Minimum desMeinung verankert1 senan,wasseiner Meinung nach Philipp inAsien erreichen könnte 113a. Es bleibt jetzt noch übrig, die Ausführung dervonPhilipp denGriechen versprochenen Rache ins Auge zufassen. DaßAlexander nach demTode seines Vaters dessen Konzeption des Perserkrieges in vollem Umfang übernahm, hat sich oben S. 14 f. bei derAnalyse seiner diesbezüglichen Bemerkungen in demBrief an Dareios ergeben. Daßer persönlich weitere Gründe zumVollzug derRache hatte, sagte er in demselben Brief. Von ihnen wiegt wohl am schwersten der Vorwurf, Dareios sei fürdieErmordung Philipps verantwortlich114. Aber auch die vonAlex15waren geeigander angeführten Störversuche des Großkönigs in Griechenland1 net, das Rachemotiv zu verstärken. Die Frage ist nur, wie es beim Alexanderzug zurGeltung kam. Arrian hat eine Äußerung Alexanders überliefert, die eine klare Antwort auf die Frage nach der Erfüllung der übernommenen Rächerrolle enthält: Alexander rechtfertigte die Anzündung der Königsburg in Persepolis mit seinem Vorhaben, die Zerstörung Athens unddie Niederbrennung der Tempel sowie alle Übel, die die Perser über die Griechen gebracht hätten, zu rächen1 16. In der Vorstellung Alexanders wardemnach die Einäscherung der Achämenidenresidenz der Racheφ α σ ιςdes Krieges ρ ό akt, durch den der Frevel des Xerxes egalisiert undder π Genüge getan wurde. Mankönnte sich mitdieser Feststellung begnügen, wennnicht über denBrand von Persepolis eine andere Version existierte117, die zwar auch das Rachemotiv kennt, es aber nicht bei Alexander, sondern bei der Hetaire Thais wirksam sein läßt118. Wäre die auf Kleitarchos zurückgehende Darstellung, die Thais zur Urheberin des Brandes macht119, richtig, dann könnte von einer planmäßigen Aktion Alexanders schwerlich gesprochen werden. Will manalso anderbei Arrian vorliegenden Erklärung Alexanders zudemGeschehen in Persepolis festhalten, so muß manbeweisen, daß ihre Glaubwürdigkeit größer ist als die der widerstreitenden Überlieferung bzw. daßein solcher Widerstreit nurscheinbar vorhanden ist.

en entsandten

ρ σ ο τ ά ο ῦ ξ α ν ςἐλευθ 112 Diod. a.Ο ερ τ ὰ .: π η ίδ α ν ςἙ ις ό ε ςπ . λ λ λ

113 Vgl. oben S. 8 f. 113a Isokr. Phil. (5) 123. 114 Arr. an. 2, 14, 5. Die Berechtigung dieses Vorwurfs prüfen H. Willrich, Wer ließ König PhilippvonMakedonien ermorden?, Hermes 34, 1899, 174 ff., undKaiser a. O.41 f. 115 Arr. a. O. νἀ θ σ ν ρ ή α ε κ σ ᾽ὧ ὶτὴ ω α σ νἐ π σ θ α α ιἐθ ν ςἔφ έ ὲτιμ λ ε έρ ινΠ 116 Arr.an.3, 18, 12:ὁδ η σ α ν ,κ ρ Ἑ λ λ α ή δ ε ά τ ά ν αἐλάσαν ςτ ὰἐνέπ ὶ α ρ ςτ ὰἱε ςκα εἈ θ α ὶτ τ έσ νκ α κ α ψ λ αἄ λ ακ η α κ ὺ σ ὰτο ν ὅ ςἝ α λ λ ςεἰργάσαν ρτού τ τ ο ω ,ὑ νδίκ π ὲ α ςλαβεῖν . Vgl. Strabo 15, 3, 6 p. 730; Itin. Alex. 67 (29) [51 H.-J. Hausmann, Diss. Köln 1970]. Zur Rückführung der Darstellung Arrians und Strabos (über Ptolemaios bzw. Aristobulos) auf Kallisthenes s. zuletzt Bosworth, Historia 20, 1971, 605 Anm. 30. 6; Plut. Alex. 38; Curt. 5, 7, 3– 7. 117 Diod. 17, 72, 1– 118 Diod. 17, 72, 3; Plut. Alex. 38, 3 f.; Curt. 5, 7, 3. 119 Kleit. FgrHist 137 F 11 (= Athen. 13, 37 p. 576 D/E).

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Politik

Zudiesem Zweck hatmanaufderTatsache zuinsistieren, daßin beiden Versionen der Rachegedanke eine Rolle spielt. Nunsteht fest, daßfür Alexander die Rache einen integrierenden Bestandteil seines Kriegsplans bildete120. Wenn daher in der Thaisepisode die Hetaire auf Ausführung der Rache drängt121, so beweist dasnur, daßAlexanders Umgebung mit seiner diesbezüglichen Intention vertraut war. Es wäre also auch nach dieser Version Alexander dereigentliche Träger des Rachegedankens, undThais hätte nur Einfluß auf den Zeitpunkt genommen, zu demdie Rache ins Werk gesetzt wurde122. Zugespitzt würde dieses Ergebnis lauten: Manwußte in derUmgebung Alexanders, daßderKönig denPalast des Xerxes als persönliches Racheobjekt ausersehen hatte1 23, und nutzte eine passende Gelegenheit, Alexander für die sofortige Ausführung seines Planes zu begeistern 123a . Daß aber Alexander überhaupt nach einem solchen Fanal verlangte, erklärt sich einmal aus dem‘trojanischen’ Beginn seines Asienzuges, zumanderen ausdemTalioncharakter derandenPersern zuvollziehenden Rache123b. In Elaius amHellespont hatte Alexander demProtesilaos, der aus demHeer Agamemnons als erster den Boden Asiens betreten hatte, ein Opfer dargebracht undwardann als erster seines eigenen Heeres anLandgesprungen124. Dertrojanische Krieg aber hatte mit demBrand undder Zerstörung Trojas geendet. Wenn also Alexander jenen Krieg erneuerte, mußte er danicht darauf aussein, denselben 120 Abgesehen vonderbetreffenden Bekundung Alexanders imBrief an Dareios (oben S. 14 f.) ist auf Strabo 13, 1, 11 p. 588 hinzuweisen, der berichtet, Kallisthenes habe Wert auf die Feststellung gelegt, daß das Schlachtfeld am Granikos Adrasteia hieß, nach Adrastos, der als erster der ‘Rächerin’ (Nemesis) einen Tempel erbaut habe. F. Altheim/R. Stiehl, Geschichte daßderSieg über diePerser amGraniMittelasiens imAltertum 1970, 200, folgern daraus, „ . kosirgendwie mitderRache fürdasWüten derPerser inGriechenland verbunden war“ 121 E. Mederer, Die Alexanderlegenden bei den ältesten Alexanderhistorikern, 1936, 81, will die starke Hervorhebung des Thaismotivs“als romanhaftes Element ausscheiden, erzwar „ kennt aber (81 Anm. 44) mitH. Berve, DasAlexanderreich auf prosopographischer Grundlage II, 1926, 175, doch „als wahren Kern“dasleidenschaftliche Eintreten derHetaire für die Inbrandsetzung desKönigspalastes an. 122 Bei einem solchen Sachverhalt wäre es verständlich, daßArrian (an. 3, 18, 11 f.) seine Darstellung ganz aufdasVerhalten Alexanders konzentrierte. M. Wheeler, Flammen über Persepolis, 1969, 27, weist dazu noch auf Arrians „ nüchternen Stil“hin. Jedenfalls trifft die Alter, auf die H. H. vonder Osten, Die Welt der oder „trunkene Laune“ politischer Akt“ native, „ Perser5, 1966, 101, diebeiden Überlieferungen reduziert, nicht denKern derSache. 123 Die übrige Stadt hatte Alexander als „hassenswerteste der Städte Asiens“seinen Soldaten ν (Diod. 17, 70, 1).AusdemPalast selbst waren, worίω ιλ ε σ α ὶςτ ρ ῶ νβ ω überantwortet, χ aufAltheim/Stiehl a. O. 201 aufmerksam machen, die Schätze auf seinen Befehl abtransportiert worden (Diod. 17, 71, 1 f.; Arr. an.3, 19,7; Curt. 5, 6, 9; Strabo 15, 3, 9 p. 731). Zuden dies bestätigenden Ausgrabungsergebnissen vgl. E. F. Schmidt, Persepolis II, 1957, 3. 5. 123aRichtig unterscheidet G. Wirth, Dareios undAlexander, Chiron 1, 1971, 149 f. Anm. 68, zwischen Ursache undAnlaß desBrandes vonPersepolis undbemerkt, daßihre unterschiedliche Betonung indenbeiden Überlieferungssträngen nicht besagt, daßsieeinander ausschließen. 123bWirth a. O. 150 mit Anm. 70 betont (wie schon Th. Nöldeke, Aufsätze zur persischen Geschichte, 1887, 83 f. 141) neben der panhellenischen die „ : die orientalische Komponente“ . Ägypter, Babylonier, Kleinasiaten“ Wirkung desBrandes auf„ 124 Arr. an. 1, 11, 5. 7. H. U. Instinsky, Alexander amHellespont, 1949, 17 ff.

Rachegedanke

Abschluß,

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d. h. denBrand unddieZerstörung desvonihmbekämpften T roja’, zu

‘ Was den schon mehrfach berührten Taliongedanken betrifft, so ist hier folgendeszubedenken: Xerxes hatte Athen undseine Tempel zerstört1 25a, also mußte die

erreichen125?

Rache dafür in einem gleichartigen Zerstörungsakt bestehen. Das hatte schon Aristeides erkannt, als er die ‘Verwüstung des königlichen Landes’ zumZiel der 26.Auch Alexander mußte daher miteinem spezifischen Aktdie auf Rache erklärte1 σ ιςdesKrieges erfüllen. Nunbesitzen wireinZeugnis, das α φ ρ ό Rache lautende π die ‘Zerstörung derpersischen Städte’als dievonAlexander vollzogene, denVorfahren schuldige Rache bezeichnet. Bei diesem Zeugnis handelt es sich umdas in der Anthologia Palatina aufbewahrte Epigramm, mit dem die Thespier, die am Alexanderzug teilgenommen hatten, auf ihr Weihgeschenk, einen kostbaren Drei27. fuß, hinwiesen1 DasEpigramm gibt die Stimmung wieder, mit derdie Kämpfer auszogen undheimkehrten. Mankann auch sagen: Es spricht vonderRachepflicht - Thespiai war von Xerxes niedergebrannt worden128 –und ihrer Erfüllung. Mit letzterer, derZerstörung derpersischen Städte, ist implizite ein Bezug auf die Zerstörung von Persepolis gegeben, doch weist die Formulierung selbst nur auf das 29. allgemeine Rachekonzept hin1 Jedenfalls erscheint vondiesem herderBrand des Königspalastes in Persepolis als notwendiger Abschluß130. Unser Zeugnis bestätigt damit, waswir oben denvonArrian mitgeteilten Worten Alexanders entnommen

125 J. Rehork, Homer,

Herodot und Alexander, in: Beiträge zur Alten Geschichte und deren Nachleben, Festschrift für F. Altheim I, 1969, 251 ff., glaubt der Überlieferung über den Brand vonPersepolis (Curtius, Plutarch, Diodor) entnehmen zukönnen, Alexander undseine Umgebung (Kallisthenes!) hätten unter dem Einfluß Herodots und seiner Sicht des Trojaherbeigeführt. historische Parallele“ Mythos die„ 106 hatte das Schicksal den Persern „ 125a Nach Aischyl. Pers. 101– die Zerstörung von Städten“ (π ό τἀν λ ώ ν ε ) auferlegt. σ ις ε τ ά σ α 126 Thuk. 1, 96, 1. Oben Anm. 11. ᾽344 (H. Beckby, Anthologia Graeca I2, 1965, 646/7 = J. Geffcken, Griechische 127 Anth. Pal. 6, Epigramme, 1916, Nr. 158 = F. Hiller vonGaertringen, Historische griechische Epigramme, 1926, Nr. 79): α ν π ψ ο τ ὲτού σ έμ δ εσυνόπ ρ ιπ ο ὶεὐρύχο ια λ ο π υ Θ εσ ς ρ ο β νε α ρ ἰςἈ ρ ά γ ο ν ρ ό ὺ , ν ο νβ ω σ ίη ςπ ω τιμ ηκαθ σ ελ τ ῶ ν ἄ σ ᾽Ἀλεξάνδρ ό υΠ ερ τ ν ο ε τ ε ς ο ἳμ

ῃδαιδάλ ρ εμ έ ῆ τ σ ρ α νἘ ιβ ίπ ε ο ν τρ ο δ τ α σ . 128 Hdt. 8, 50. Zuerinnern ist auch daran, daßandenThermopylen 700 Thespier im Kampf gegenXerxes gefallen waren (Hdt. 7, 202. 222). 129 Es wäre möglich, daßAlexander bei derVerabschiedung derGriechen in Ekbatana (Arr. an. 3, 19, 5 f., etwas spätere Ansetzung desEreignisses [nach demTode des Dareios] bei Diod. 17, 74, 3; Curt. 6, 2, 17) diesen seine Auffassung vomSinn desPerserkriegs noch einmal vor Augen geführt hat. Das Thespier-Epigramm würde dann die offizielle’ Darstellung widerspiegeln, unddas ‘Städte-Zerstören’ wäre das Pendant zu den ‘ ‘Leiden der Vorfahren’, von denen sowohl imBrief Alexanders anDareios (Arr. an. 2, 14, 4, oben Anm. 99) als auch im Thespier-Epigramm dieRede ist. 130 Curtius (5, 7, 3) läßt Thais sagen, eserwarteten dieAnzündung desKönigspalastes diejenigen, deren Städte

lessent).

die Barbaren zerstört hätten (expectare hoc eos, quorum urbes barbari de-

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Politik

haben. Der Bericht Arrians darf also, obwohl er über die Rolle der Thais schweigt, für sich beanspruchen, das Verhalten Alexanders, auf das es einzig ankommt, so wiedergegeben zuhaben, wiees nach dem, waswirüber dieVorstellungswelt des Makedonenkönigs wissen, zuerwarten war. Wichtig ist noch Arrians Hinweis, daßAlexander bei derNiederbrennung des Achämenidenpalastes gegen den Rat des Parmenion handelte, der den König mahnte, nicht das, wasjetzt ihm gehöre, zuzerstören undnicht die Gefühle seiner 31 neuen Untertanen zu verletzen1 . Ferner ist von Belang, daß Arrian berichtet, Alexander habe, als er imJahre 324 vomIndus nach Persepolis zurückkehrte, sein Bedauern darüber geäußert, die Königsburg zerstört zuhaben132. DerTenor beider Nachrichten ist dergleiche. Arrian selbst faßt ihnin dieWorte, Alexander habe bei derBrandlegung „ohne Verstand“gehandelt133. Dieses Verdikt verkennt indes den ideologischen Zwang, unter demAlexander handelte. Daßer Parmenions politisch weitsichtigen Rat 330 mißachtete, 324 aber – nach neuen Erfahrungen1 34–dessen Richtigkeit (indirekt) zugab, ist wohl der beste Beweis für den Einfluß, den der Rachegedanke bei der Brandlegung in Persepolis auf Alexander ausgeübt hat. Vielleicht darf man seine, realpolitische Erwägungen in diesem Falle ausschalο θ ς ό tende Kraft mit derjenigen vergleichen, die Arrian in anderen Fällen demπ Alexanders zuschreibt135. Nach alledem war der Brand von Persepolis der Kulminationspunkt des Rachekrieges, denAlexander von seinem Vater übernommen undzudemer sich in seinem Brief anDareios bekannt hatte. Aber die letzte Rachehandlung desKrieges warPersepolis nicht. Diese richtete sich vielmehr gegen dasPriestergeschlecht der Branchiden, das nach seiner Wegführung aus Milet eine neue Wohnstatt in Baktrien gefunden hatte. DieBranchiden hatten einst die Schätze desApollotempels in 36.Alexander mußder Meinung gewesen sein, Didyma an die Perser ausgeliefert1 dieser Vorfall habe sich unter Xerxes ereignet137, während nach Herodot die Plünderung undZerstörung des Tempels zuDidyma sowie die Verschleppung der Mi-

131 Arr. an. 3, 18, 11. 132 Arr. an. 6, 30, 1. Nach Plut. Alex. 38, 8 (vgl. Ps. Kallisth. 2, 17; Curt. 5, 7, 11) wäre Alexandernoch während desBrandes anderen Sinnes geworden undhätte dasFeuer löschen lassen. Hierbei scheint es sich umeine Dramatisierung des durch Arrian bezeugten (späteren) Sinseinerseits dramatisieneswandels Alexanders zuhandeln. Anders Mederer a. O. 82 f., der– rend –Plutarch beipflichtet: „ In der kühleren Nachtluft mochte angesichts der lodernden . Flammen ... desKönigs Begeisterungstaumel baldgeschwunden sein“ ο . γ εἈλέξανδρ ς ῦ ό ιτο τ ρ α σ ᾶ ῷ δ ε ο ὶδο ῖσ κ ν ν ὺ δ ὐ λ λ ᾽ἐμ ᾽ο 133 Arr.an.3, 18,12:ἀ 324 für die Entwicklung Alexanders zum Weltherrscher 134 Über die Bedeutung der Jahre 330– vgl. H. Bengtson, Griechische Geschichte4, 1969, 354. ο ς-Problems gibt J. Seibert, Alexanθ ό 135 Einen Überblick über die Versuche zurKlärung desπ 186. Jüngste Äußerung: Schachermeyr a. O. der der Große, Erträge der Forschung, 1972, 183– 657. 654– 136 Curt. 7, 5, 28; Strabo 11, 11, 4 p. 518. 137 Daserschließen Altheim/Stiehl a. O. 161ausderErwähnung desKallisthenes bei Strabo 17, 1, 43 p. 814 als Gewährsmannes fürdieBeziehung derBranchidenaffaire aufXerxes. Zuder allgemein zubeobachtenden Tendenz, Xerxes alle griechischen Tempelruinen anzulasten, vgl. J. Jüthner, Hellenen undBarbaren, 1923, 12.

Rachegedanke

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38.

Es spielt keine Rolle, daßAlexander lesier unter Dareios (494 v. Chr.) stattfand1 in dieser Hinsicht offenbar falsch informiert war139, wichtig ist nur, daß ihm die ίαder Branchiden1 40infolge des erwähnten Überliefeσ ο δ ρ ο ο σ υ λ ίαundπ ἱερ rungsfehlers als Teil jener Freveltaten erscheinen mußten, die zu rächen er nach Asien gekommen war141. ZurRache mochte er sich in diesem Falle speziell Apollo gegenüber verpflichtet fühlen. Denn das Orakel zu Didyma, von dem seit jenem 41a, hatte mit einer Vorhersage der Erfolge Unheil kein Spruch mehr ergangen war1 Alexanders sein Schweigen gebrochen, was so gedeutet werden konnte, daß mit 42.So ließ denn Alexander die NachkomAlexander jener Fluch ein Ende nehme1 menderBranchiden, die sich ihmgemeinschaftlich ergaben, in ihrer Stadt töten143. Abschließend müssen wir uns mit einigen Urteilen beschäftigen, die in der Antike über Alexanders Rache andenPersern gefällt worden sind. Sie werden uns helfen, über das Wesen des Rachegedankens und seine Bedeutung für die griechisch-persische Auseinandersetzung Klarheit zugewinnen. Arrians Kritik anAlexanders Verhalten in Persepolis ist, wasdenVorwurf der politischen Kurzsichtigkeit angeht, bereits erwähnt worden144. An derselben Stelle erhebt Arrian den weitergehenden Vorwurf, Alexanders Rache sei überhaupt wi45. Beide Voralten Perser“getroffen habe1 dersinnig gewesen, da sie nicht die „ würfe führen uns zu der eingangs aufgeworfenen Frage zurück, wie denn die Ra-

138 Hdt. 6, 19 f.

139 Die Richtigkeit derNachricht Herodots (vorige Anm.) ist durch Entdeckung vonSpuren der verschleppten Milesier in Susa gesichert: Syll.4 3 g, ( = Didyma II, 1958, n. 7); BurgbauInschrift desDareios ausSusa (DSf 33 f.) dazuAltheim/Stiehl a. O. 160. 140 Diese Klassifizierung der Tat der Branchiden findet sich bei Strabo 11, 11, 4 p. 518. 14, 1, 5 p. 634. Vgl. Curt. 7, 5, 28. 32. 35. Bei Diodor (Inhaltsangabe zu Teil 2 von Buch 17) heißen ή ν ν ω τ δ ό ρ ο α . ιτ νἙ ῶ λ λ dieBranchiden π 141 H.Berve, DasAlexanderreich aufprosopographischer Grundlage I, 1926, 267 Anm.3, meint, zuderZeit, daAlexander auf dieBranchiden getroffen sei (328/7 nach Diodor, bei demdas Ereignis inderLücke zwischen Kapitel 83 und84 geschildert war), hätten ihmpanhellenische Rachepläne ferngelegen. Dieser Ansicht liegt die irrige Vorstellung zugrunde, Alexander habe inPersepolis undEkbatana denPanhellenismus wieeine Hautabgestreift. 141a A. Rehm, Didyma II, 1958, p. 322, hält es allerdings für „schwer glaublich, daß das Orakel , dadie Prozessionen seit 479 wieder stattfanden (Milet I 3, 1914, n. völlig geschwiegen hat“ 133).

142 Strabo 17, 1, 43 p. 814 ( = Kallisthenes, FgrHist 124 F 14a). W. W. Tarn, Alexander der Gro-

ße, 1968, 561 f., betrachtet die Prophezeiungen des Orakels unddie damit eng verbundene Branchidengeschichte als Erfindung des Kallisthenes. Es ist jedoch sehr unwahrscheinlich, daßdieser dieGesandtschaft derMilesier zuAlexander unddasWiederaufleben desOrakels -

seinen Lesern vorgeschwindelt haben soll. nachprüfbare Fakten also – 143 Diod. a.Ο χ ίδ .: το α ὺ ςΒραγ ς... ὡ ρ ο τ δ ό α ςπ ή ςτ ῶ ν ν ω ν Ἑ ἀ ν ε λ λ ῖλ ε ν Ἀλ ρ έξ ο ς . ν δ α Strabo 11, 11,4 p. 518; Curt. 7, 5, 33 f. Altheim/Stiehl a. O. 161weisen noch darauf hin, daß Alexander seit 330 gegen ‘Verräter’(Dimnos, Philotas, Parmenion) einschritt undgerade erst

Bessos als solchen bestraft hatte. 144 Oben S. 20. 145 Arr. an.3, 18, 12: ο ὐ δ ὲεἶν ίτ α ιςα ηΠ σ ῶ ντ ὕ ερ τ ῶ νπ ά λ ρ α ιτιμ ία ω . Ebenso urteilt Curtius (7, 5, 35) über die Rache an denBranchiden: Quae si in ipsos proditionis auctores excogitata essent, iusta ultio esse, noncrudelitas videretur.

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Politik

Jahrhunderten mit solcher Intensität ausgeführt werden konnte. Arrian hat hierauf offenkundig keine Antwort gewußt. Nunhat unsere Untersuchung ergeben, daß als Ferment des Rachedenkens, welches die Erinnerung an Xerxes über Generationen fortleben ließ, dessen Religionsverletzung gewirkt hatunddaßdadurch die Talion zudertragenden Rolle bei derBewältigung dieses Geschehnisses gelangt ist. Weiter hatsich unsergeben, daßdasRachedenken einer ständigen Politisierung unterworfen war, die die Propagierung der Rache als Vorwand für politische Ziele zur Folge hatte. Im Kriegsplan Philipps undAlexanders wardas religiöse Element des Rachedenkens so innig mitdempolitischen verbunden, daßsie in ihrer Wirkung einander bedingten. Konkret gesprochen heißt das: Die Eroberung des Perserreiches war an die Erfüllung der Rache für den Tempelfrevel des Xerxes gebunden. Berücksichtigt mandiese eigentümliche Konstellation, so versteht mansehr wohl, daßAlexander dieRache sokonsequent verfolgte, obwohl sie nicht die„alten Perser“traf1 46. Mit der religiösen Funktion von Alexanders Rachekrieg haben sich Polybios ε ια : Er habe die ὐ σ έβ undCicero auseinandergesetzt. Polybios preist Alexanders ε Rache an den Menschen vollzogen, das Eigentum der Götter aber unangetastet gelassen, obwohl die Perser sich in Griechenland besonders daran versündigt hät47.Diese Feststellung besagt, daßAlexander, indem er derἀ ε ιαdesXerσ έβ ten1 ε ιαentgegensetzte, den Rachekomplex neutralisiert hat. έβ σ xes seine eigene εὐ Zu diesem gehörte ja, wie wir erkannt haben, die Verwendung einer religiös geφ α σ ιςfürmilitärisch-politische Aktionen: DieZerstörung derTempel ρ ό färbten π in Sardes während des ionischen Aufstandes diente den Persern als Vorwand für ihre Westexpansion, derTempelfrevel desXerxes in Athen lieferte denGriechen, d.h. letztlich: Alexander, denVorwand fürdieOstexpansion. Hätte nunAlexander 48, seine Rache nicht nurgegen die Menschen undihre Städte1 sondern auch gegen φ α σ ιςfür die eventuelle ρ ό die Kultstätten gerichtet, so wäre wiederum eine π Fortsetzung des Kampfes zwischen Persern undGriechen geschaffen worden. Polybios’ Äußerung führt somit zu einer einleuchtenden Erklärung für das Verschwinden des Rachegedankens, der die Ost-West-Auseinandersetzung so lange beherrscht hatte. Ciceros Ansicht über die religiöse Fundierung des Rachekrieges gegen die Perser ist vonderErkenntnis geprägt, daßdie persische Form derGötterverehrung

che für den Frevel des Xerxes noch nach anderthalb

146 Dasselbe gilt für seine Rache an den Branchiden. –Es entsprach im übrigen griechischem Denken, bei derRache für ein erlittenes Unrecht keine Rücksicht darauf zunehmen, ob die eigentlich Schuldigen oder ihre Nachkommen davon betroffen wurden. Vgl. die Beispiele bei R. Sealey, Thukydides, Herodotos andthe Causes of War, CQ51, 1957, 7. σ ν ῶ οτ ε τ ὴ νΠ ερ ρ εύ ο ετεπ ὰ β νμ ία ἰςτ σ ςε νἈ ὴ τ εδια ὴ νὅ α ὶμ 147 Polyb. 5, 10, 8: κ η ν β ηλ ε α ῖνδίκ θ ά ρ ώ π νἐπ ω ειρ ὲ ντ ῶ νἀνθ ρ ὰμ α ν η ,π α ς ε νε ια ἰςτο ὺ ἀ σ έβ λ λ ςἝ μ έ ν ω νπ ά ν τ ν ω μ ισ μ έν ω η ,τ ν ῶ νδ γ ὲτο ῖςθ ρ α ε ο εφ ῖςκαταπ επ ιπ ισ νσφ ἀ ῶ ντ ία ξ ν νἐ ρ τό ν τ ω ο ςἐξαμ α ρ ῦ ὶτο τ οτ ὸμέρ ά τ απ λ ισ νμ σ ῶ ε νΠ ῶ ρτ ερ , καίπ ε ο ἀ π έσ χ ε τ ις. Vgl. hierzu K.-W. Welwei, Könige und Königtum im ο π τ ο νἙ λ λ ά δ ατό ὴ ῖςκ ὰτ α τ Urteil des Polybios, Diss. Köln 1963, 29. 148 Vgl. dasThespier-Epigramm (oben S. 19 undAnm. 127).

Rachegedanke

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grundverschieden sei149. Xerxes habe die griechischen Tempel zerstört, weil denPersern Tempel undGötterbilder als Frevel erschienen. DenGriechen aber habe diese Tat als ein so großes Verbrechen gegol50 ten, daß sie die Ruinen als Wahrzeichen für die Nachwelt stehenließen1 . Philipp 51.Wirgelangen mit undAlexander hätten dann dieRache geplant bzw. ausgeführt1 denvorstehend wiedergegebenen Ausführungen Ciceros in dietiefste, vonreligiöser Animosität beherrschte Schicht des Rachedenkens. Xerxes’ Tempelzerstörungen erscheinen als das Werk eines religiösen Fanatikers undAlexanders Gegen52. So sicher dieses religiös orientierte Urteil schlag als göttlich legitimierte Rache1 derErgänzung durch eine die Rache als Politikum erfassende Wertung bedarf, so richtig ist nach demsoeben formulierten Ergebnis unserer Ermittlungen die starke Betonung derreligiösen Wurzel desRachedenkens153. Zurpolitischen Bedeutung dervonAlexander andenPersern vollzogenen Racheliegt wiederum eine Stellungnahme desPolybios vor. Seine Betrachtungsweise entspricht hier derdesIsokrates (post eventum, versteht sich), denner sieht aufden ‘Nutzen Griechenlands’ 154. Von daher erscheint ihm die Rache als Befreiung aus schwerer Bedrängnis. Alexander habe die Barbaren unterworfen und ihnen dadurch die Möglichkeit genommen, Griechenland wie in der Vergangenheit zugrunde zu richten155. In dieser Wertung kommt so recht der π φ α σ ις-Charakter ρ ό

von der griechischen (und römischen)

149 Vgl. Hdt. 1, 131. 150 Cicero ist (wie Paus. 10, 35, 2) ein später Zeuge fürdenvonDiod. 11, 29, 3 undLycurg. c. Leocr. 81 als Teil des Eides vonPlataiai behandelten Schwur derAthener bezüglich der zerstörten Tempel. Vgl. oben S. 2 mitAnm.6. 151 Cic. rep. 3, 14 f.: (videat) deinde Graeciae sicut apud nos delubra magnifica humanis consecrata simulacris, quae Persae nefaria putaverunt, eamque unam ob causam Xerxes inflammari Atheniensium fana iussisse dicitur, quod deos, quorum domus esset omnis hic mundus, inclusos parietibus contineri nefas esse duceret post autem cumPersis et Philippus, qui cogitavit, et Alexander, quigessit, hanc bellandi causam inferebat, quodvellet Graeciae fana poenire; quae ne reficienda quidem Grai putaverunt, ut esset posteris ante os documentum Persarumsceleris sempiternum. Vgl. leg. 2, 26; Verr. 2, 1, 48 mit demKommentar des Ps. Ascon. (235 Stangl).

152 In Ciceros Terminologie ist Alexanders Perserkrieg wegen des Rachemotivs ein bellum iustum. Vgl. die Definition rep. 3, 35: namextra ulciscendi autpropulsando-

rumhostium causa bellum geri iustum nullum potest. 153 Goethe hat in den ‘Noten undAbhandlungen’ zumWest-östlichen Divan (unter der Überschrift ‘Geschichte’ [Sophien-Ausgabe derWerke Goethes I 7, 27]) mit Cic. Verr. 2, 1, 48 die Schuld der Perser darin gesehen, daß sie „Staat undGottesdienst zugleich bekriegten“ ; die Griechen hätten dieTempelruinen „ zuAnreizung künftiger Rache“liegenlassen (Diod. 11,29, 3; Lycurg. c. Leocr. 81; Paus. 10, 35, 2) undseien schließlich inAsien erschienen, um„ihren beleidigten Gottesdienst zu rächen“ . Goethe war mit den betreffenden antiken Zeugnissen durch die Lektüre des Buches vonB. Brissonius, De regio Persarum principatu 1. III, 1595, 173, bekannt geworden, daser in einer Tagebucheintragung vom 11./13.7.1818 erwähnt 169– (Werke [s. o.] III 6, 227 f.). 154 Vgl. dazu oben S. 9 f. 155 Polyb. 9, 34, 2 f. (aus der Rede des Lykiskos): „ ρ ία ρ β νἔλ επ ὰτ ω α α ῶ ν ὅ τ ιδ ὲτιμ ρτ σ ῶ ῆ νὑ π ὲ ςε Π ερ ἰςἅπ α ν τ α ςτο η ν ὺ ςἝ μ η ν ς ,ο λ ή α μ λ ὐ ςὕβρεω κἐπ ν σ ω ο ιή ά εγ ο ὐ δ ὲδιό λ ιμ τ ω νκα κ ῶ νκο ιν ῇπ ά ν τ α μ ςἡ ᾶ ςἔλυ σ ε , καταδουλω μ ε ν σ ά ο ς τ ο ο ὺ υ ςβαρβάρ ςκ α ὶπ ρ α ελ μ ε ν ο ό ςαὐ τ ῶ ντ γ ία η ς ,α ἷςἐκεῖν ρ ὰ ςχω ο ιχρώμεν ο ι

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Politik

desRachedenkens zumAusdruck. WiefürIsokrates besteht auch für Polybios der eigentliche Zweck der Rache in derAnnexion des Perserreichs. Die Verwendung ςundὑπ ή κ ο ο υ ο ν π ο ιε ῖν α τ τ vonVokabeln wieκα δ ὴ ο υ ν λ ο ν ῦ τ ο ὺ ςβαρβάρ ία νwirkt in dieser Hinsicht geradezu entlarvend 156. Zugleich wird durch sie Α σ unser Blick über Griechenland hinaus aufdieweltpolitische Bedeutung vonAlexanders Rachekrieg gelenkt. Sie ist dochwohl darin zusehen, daßderOsten, dessen Versuch, seine Herrschaft auf denWesten zuerstrecken, unter Xerxes gescheitert war, in ein Weltreich westlicher Provenienz eingegliedert wurde. Daßnunsowohl der gelungene als auch der mißlungene Griff nach der Herrschaft über Ost und West unter dem Vorwand der Rache erfolgte, wirft auf die Bedeutung dieser Ideologie ein letztes, grelles Schlaglicht.

ῖς ντο ία σ ὴ νἈ ετ σ ίη ο νἐπ ο ο κ ή η ο ςὑπ ν α α ὶ τέλ , ... κ ς ντο ὺ α ςἝ λ λ θ ειρ κ α τέφ ι“ σ . ZurEinordnung dieser Stelle in dasGesamturteil des Polybios über Alexander den η λ λ Ἕ Großen vgl. Welwei a. O.30. ; ε ῖν τ α ρ ία σ ῆ ςκ η ςἈ ςτ λ 156 Isokrates bedient sich ähnlicher Vokabeln. Vgl. paneg. (4) 186: ὅ ρ νὡ ω ν ω τ ςπ είσ ά λ β ρ α νβ ῶ ε ῖν ; § 154: τ να ιλ ἱρ σ ε ία α ὴ νβ ντ η λ Phil. (5) 120: ὅ ρ χ ε ιν . Schon Thukydides hatte denimDelisch-Attischen Seebund wirksamen Rachegedanἄ ken als Herrschaftsanspruch Athens über seine Bündner ‘entlarvt’: Thuk. 3, 10, 3. 6, 76, 3 (oben S. 4).

Das Weltreich Alexanders des Großen als Tropaion im Triumphzug des Cn. Pompeius Magnus (61 v. Chr.)* Unter den mannigfachen Einzelheiten, welche die antiken Autoren vom (dritten) Triumph des Pompeius am28. und29. September des Jahres 61 v. Chr. Mitführung eines demSieg über vonCassius Dioberichtete – überliefern1 , hatdie– die Oikumene gewidmeten Tropaions in der Forschung nicht die Beachtung gefunden, die ihr der Triumphator bei den Zuschauern seines Festzuges ganz offenkundig zu verschaffen bemüht war. Das Tropaion bildete den Beschluß γ α= res gestae) des Pompeius im ρ desjenigen Zugteils, in dem die Taten (ἔ einzelnen vorgeführt wurden. Jeder, auch der geringste, Erfolg war auf einem eigenen, schön gestalteten Tropaion dargestellt und durch eine entsprechende ή= titulus) erklärt2 . Von der Art der Darstellungen vermitteln φ α ρ Inschrift (γ einige Münztypen der 50er Jahre des 1. Jh.s v. Chr. noch eine Vorstellung3 . Auf groß und diese Vielzahl von Tropaia nunfolgte eines, welches Cassius Dio als „ prächtig hergerichtet“bezeichnet, womit er es über die anderen erhebt. Die zugehörige Inschrift tat kund, daßdieses Tropaion demSieg über die Oikumene (den orbis terrarum) gelte4 . Waswardamit gemeint? Anscheinend lag Plutarch über die Tropaia im Triumphzug des Pompeius die gleiche Überlieferung vorwieCassius Dio. Auch er spricht vonihrer großen Zahl, da alle Schlachten, in denen Pompeius selbst oder seine Legaten gesiegt hätten, hier dargestellt gewesen seien5 . Undauch bei ihmerscheint die Oikumene, aber – nicht als alle anderen überragendes Tropaion, sondern als liegt der Unterschied – Gegenstand der Reflexion: Pompeius’ höchster Ruhm bestehe darin, daß er mit jedem seiner drei Triumphe einen Erdteil bezwungen habe, so daß nun (mit dem

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in: W. Will (Hrsg.): Zu Alexander d. Gr. Festschrift G. Wirth zum 60. Geburtstag am 878. 9.12.1986. (Amsterdam 1988) 865– 578) und Plut. Pomp. 45. Die übrigen Die Hauptquellen sind App. Mithr. 116 f. (§ 568– verzeichnet K. Ziegler in seiner Ausgabe derVitae Parallelae Plutarchs III 2 (21973) p. 298 f. (ad loc. cit.) Datumsangaben bei Plin. nat. hist. 7, 98 und37, 13. ὲἄ ιαδ επ λ ατ ο λ λ α ρ π λ ό ὰκ Cass. Dio37, 21, 2: τ α ὶ κα έ λ ν ῶ ακ ςκεκοσμημ α θ ᾽ τ ο μ νἔπ ε ψ γ ω νκ ὸβραχύτα ε ὶτ . –Es versteht sich, daßτρόπ α ντ ῶ νἔρ ἕκ α σ τ ο α ιο ν hier imweiteren Sinne desWortes gebraucht ist. Sie sindzusammenfassend behandelt beiK. Kraft, Taten desPompeius aufdenMünzen, JNG 24 (= Kleine Schriften II [1978] 273– 18 (1968), 7– 290). Cass. Dio 37, 21, 2 (in Anschluß an den in Anm. 2 abgedruckten Text): κ α ὶ ἐπ ὶπ ᾶ σ ινἓν μ γ έ α ,π ο λ υ τε λ ὴ ο φ ῶ νκ νἔχ ςτ α εκεκοσμημέν ὶγρα ο νὅ τ ιτ ῆ ςοἰκουμέν η ςἐστίν . - Zur Funktion der Schrifttafeln in Triumphzügen vgl. G. Zinserling, Studien zu den

Historiendarstellungen der römischen Republik, Wiss. Zeitschr. der Friedr.-Schiller-Univ. Jena 9 (1959/60), 425– 427. η σ α ν... κ θ Plut. Pomp. 45, 5: ἐ α εύ μ π ὶ τρόπ α ιαπ ο π μ π ά ο λ λ ά ατ α ῖςμ ά χ α ιςἰσ ρ ιθ μ α π ά σ α ις ,ἃ ιὰ ὸ τ ςἢαὐ τ ρ γ ςἢδ ῶ τ ν σ ῶ α τη ν ἐν η ίκ σ ε .

26

Politik

γ α έ die ganze Erde besiegt sei6 . Das μ ό π ιο α ν bei Cassius Diohatalso imμ ρ ισ τρ ὸ ςδό τ έγ ο bei Plutarch seine νπ ν α ξ ηals Darstellung bei ersterem entspricht die έ ν ἰκο υμ Entsprechung; der ο ηals Vorstellung bei letzterem. έν μ ο ἰκ ο υ

dritten Triumph über den dritten Erdteil)

Es liegt auf derHand, daßCassius Diobeschreibt, während Plutarch interpreDie Frage ist, ob die Interpretation der Beschreibung gerecht wird, d. h. ob η μ ςimTriumpzug desJahres 61 v. Chr. auchaufdie ῆ έν τ ςο ἰκ ν π α ιο ο υ ό dasτρ beiden früheren Triumphe des Pompeius (79 bzw. 71 v. Chr. über Africa bzw.

tiert.

Europa) hinweisen sollte. VanOoteghem hatdies unter Berufung auf die Quellenstellen, welche von der Herrschaft über den orbis terrarum als Ergebnis der drei Triumphe des Pompeius sprechen, bejaht7, undGreenhalgh hat gar vermutet, das Tropaion habe auseiner allegorischen Darstellung derdrei Erdteile bestanden8 . Demgegenüber ist zubetonen, daßes verständlich ist, wenn dieTriumphe des Pompeius nach Vollzug des dritten als Einheit betrachtet wurden9 , nicht aber, wenn bei der Aufführung des dritten die beiden anderen gleichsam als Stützen wieüberhaupt jeder Triumph benutzt worden wären. Dieser dritte Triumph hatte – - seine eigene Thematik. Plinius hat denText des Transparents aufbewahrt, welches demZugvorangetragen wurde. Aufihmwaren dieXIVnationes verzeichnet, 0. über die Pompeius triumphiert: Völker desOstens1 Dasgleiche Urteil gilt für die

6

7

β ο ν μ ρ ία ρ νθ ο ρ χ ῆ ὸ επ ντρίτ ισ ςδό ὸ ᾽ὑπ έγ τ τ ιτ ο α νδ ν..., ὅ ξ Plut. Pomp. 45, 6 f.: μ είρ ο η υκατήγ γ η ςἠπ ε ,τ ὸ νδ α ς ν... τ ύ ὲ ρ ῶ τ ὲ ο νἐ νπ ιβ ὸ ῆ ςτρίτ κΛ νμ ὸτ ἀ π , ώ ν ρ ο νἐ δ εύ τε η ξΕὐρώ ςεἰσαγαγ ία ς , τοῦ σ ὸτ ὴ τ π ο νδ νἀ ντελευτα ςἈ π ὸ ὲτ ῖο β ο ις . μ ρ ιά ό π ο ν τ η μ ιν ῆ ν ὰ τ χ θ ἐδ έ τρ ὴ ν ο α ιθ υ ἰκ ο ό ν κ ε ιτο ισ ὑ π ῖςτρ ὶν J. vanOoteghem, Pompée le Grand (1954) 285. VondenQuellenstellen vgl. bes. Cic. Balb. 16: cuius (sc. Pompeii) tres triumphi testes essent totum orbem terrarum nostro imperio teneri. Zurallgemeinen Verbreitung derVorstellung vonderHerrschaft Roms über denorbis terrarum am Ausgang der Republik s. J. Vogt, Orbis Romanus, in: ders., Orbis (1960) 156–

8 9

10

159.

P. Greenhalgh,

Pompey. TheRoman Alexander (1980) 171, vgl. 173. Erwähnungen der drei Triumphe des Pompeius (als eines gewissermaßen einzigen Ereignisses) hat M. E. Deutsch, Pompey’s Three Triumphs, Class. Phil. 19 (1924), 279, gesammelt undbesprochen. Dazu treten zwei Münzen, Denare des Faustus Sulla, 277– mit drei Tropaia bzw. drei gleichartigen Kränzen (und einem vierten, andersartigen, dem ‘Theaterkranz’ des Volksbeschlusses bei Vell. 2, 40 4): E. A. Sydenham, The Coinage of the Roman Republic (1952) 146Nr.884 bzw. 882 f. Vgl. zudiesen Denartypen Kraft (oben Anm. 3) 15(= Kl. Schr. II 281); D.Michel, Alexander alsVorbild fürPompeius, Caesar undMarcus 52; T. Hölscher, Victoria Romana (1967) 148 f.; Antonius (Collection Latomus 94), 1967, 50– ders., Römische Siegesdenkmäler der späten Republik, in: Tainia. Festschrift für Roland Hampe I (1980) 366 f., O. Weippert, Alexander-Imitatio und römische Politik in republikanischer Zeit (Diss. Würzburg 1970), 1972, 92 Anm. 3. ZumGlobus zwischen den vier Kränzen s. unten Anm.39. Plin. nat. hist. 7, 98. Vgl. Plut. Pomp. 45, 2. ZudenUnterschieden der beiden Listen s. E. Pais, Fasti triumphales populi Romani I (1920) 253 f. –Pompeius ließ die XIV nationes als Statuen in dem von ihm errichteten Theater aufstellen. Plin. nat. hist. 36, 41. Über sie F. Coarelli, Il complesso pompeiano del Campo Marzio e la sua decorazione scultorea, 122, hier: 106 ff., doch s. jetzt M. Rendiconti della Pontificia Accademia 44 (1972/72), 99– 80 (Hinweis Fuchs, Eine Musengruppe aus demPompeius-Theater, MDAI (R) 89 (1982), 69– vonU.Höckmann, Mainz).

Die literarischen

Weltreich Alexanders

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Inschrift, die Pompeius über seine Taten amTempel der Minerva anbringen ließ; Plinius sagt von ihr: hoc est breviarium eius ab oriente11. Der dritte Triumph des Pompeius war, um nochmals Plutarch zu zitieren, ein solcher über den dritten 2. Erdteil: Asien1 Unter dieser Voraussetzung mußdieFrage nach demSinn desTropaions, welches im Triumphzug des Jahres 61 v. Chr. den Sieg über die Oikumene verkündete, gestellt werden. Daist denn andieTatsache zuerinnern, daßAsien, nämlich das Perserreich mitsamt den übrigen von Alexander demGroßen eroberten Ländern, als die Oikumene par excellence galt13, und zwar gerade den Römern des zweiten understen Jahrhunderts v. Chr. Livius läßt diese Ansicht denAntigoniden Perseus beim Ausbruch des dritten römisch-makedonischen Krieges (171 v. Chr.) vertreten14 undpflichtet ihr in seinem Epilog über Makedonien nach der Schlacht von Pydna (168 v. Chr.) bei: Die Makedonen haben durch den Übergang nach Asien und die Eroberung des Perserreichs die Weltherrschaft erlangt15. Von der gleichen Auffassung zeugt die bei Polybios überlieferte Episode, daßdie Gesandten des Seleukiden Antiochos III. nach der Schlacht von Magnesia (190 v. Chr.) vordemrömischen Kriegsrat umMilde undGroßmut baten undihre Bitte mit dem Hinweis unterstützten, eine solche Haltung liege nicht nur im Interesse des Antiochos, sondern auch demder Römer, „ weil die Tyche ihnen Herrschaft und Macht über die Oikumene gegeben habe“ 16. Es dürfte klar sein, daß hier mit der Oikumene in erster Linie der Herrschaftsbereich des „ Großkönigs“Antiochos gemeint ist17, über den die Römer dann ja auch in den Friedensbedingungen verfügten.

11 Plin. nat. hist. 7, 98. In der Inschrift (7, 97) heißt es u. a.: terris a Maeotis ad Rubrum mare subactis.

12 Plut. Pomp. 45, 6 (Text oben Anm. 6). 13 Zu den Persern als Erben der babylonisch-assyrischen Weltreichsidee vgl. A. Heuss, Weltreichsbildung im Altertum, HZ232 (1981), 283 f., zu ihrer „ Weltreichspolitik“ebd. 288f. 14 Perseus versucht, denMakedonen Mutzumachen, indem er sie auf ihre Vorfahren hinweist, die „nach Asien hinübergegangen seien undeine ihnen unbekannte Welt mit den Waffen erschlossen hätten“(qui ... transgressi in Asiam incognitum famae aperuerint armis orbem terrarum), Liv. 42, 52, 14. 15 Liv. 45, 9, 5: superfudit (sc. Macedonum gens) deinde se in Asiam, et tredecim annis, quibus Alexander regnavit, primum omnia, qua Persarum prope inmenso spatio imperium fuerat, suae dicionis fecit. 6: Arabas hinc Indiamque, qua terrarum ultumos finis Rubrum mare amplectitur, peragravit. 7: turn maximum in terris Macedonum regnum nomenque. ρ έδ ηπ α ω κ ε να ὐ χ τ ὴ ν ρἡτύ η χ ςἀρ ε είπ ο ςοἰκουμέν ῆ ντ 16 Polyb. 21, 16, 8: ἐπ ὴ ῖςτ κ α ὶδ υ ν ν . Dazu Vogt (oben Anm. 7) 155. –In dem zeitgenössischen Werk des α σ τ εία deannis populi Romani“(bei Vell. 1, 6, 6) wird derSieg über Antiochos als Aemilius Sura „ Übergang der Weltherrschaft von den ‘Makedonen’ auf die Römer angesehen, vgl. J. W. Swain, The Theory of the Four Monarchies, Class. Phil. 35 (1940), 2 f. undzuletzt R. Urban, Historiae Philippicae“bei Pompeius Trogus: Versuch einer Deutung, Historia 31 (1982), 86. „ 17 Das entscheidende Faktum war der Sieg über Antiochos. –Den Titel „Großkönig“hatte Antiochos nach demZugin die sog. Oberen Satrapien (212– 205 v. Chr.) angenommen, H. H. Schmitt, Untersuchungen zur Geschichte Antiochos’ des Großen und seiner Zeit (Historia 95. Einzelschr. 6), 1964, 92–

28

Politik

Roms Übergang nach Asien stellte sich demnach als Eindringen in die „Welt“ Alexanders des Großen dar. An ihr haftete in signifikanter Weise der Anspruch auf Weltherrschaft, undes war nach Magnesia, daß die Römer mit der Möglichkeit, diesen Anspruch ihrerseits zu erheben, konfrontiert wurden. Zwischen der Möglichkeit undder Wirklichkeit bestand indes ein beträchtlicher Unterschied. Alexander warauf seinem Zugdurch Asien bis nach Indien gelangt, under hatte den Indischen Ozean erreicht, der „ die äußersten Enden der Welt umgibt“18. Die Römerdagegen erhielten durch denFrieden vonApamea (188 v. Chr.) nurKleinasien bis zum Tauros19. Es dauerte noch geraume Zeit –mehr als 120 Jahre -, bis sie in der Herrschaft über Asien sich mit Alexander demGroßen in etwa messen konnten. DerMann, welcher denRömern diesen Ruhm verschaffte, warPompeius, und dieLeistung, mitderer anAlexander anknüpfte, scheint auf demhier zurDebatte stehenden Tropaion in seinem Triumphzug dargestellt gewesen zusein. Plutarch hat von den Unternehmungen des Pompeius im Osten den Plan zur Eroberung Syriens mit besonderen Mitteln beschrieben. Die Einleitung erinnert sprachlich an die Pothos-Formel ausderAlexander-Geschichte: ein gewisses Verῆ λ ο ) hätten Pompeius ergrifς ω ρ ) und eine gewisse Begeisterung (ζ ς langen (ἔ fen20. Der Plan selbst erhält sein Kolorit durch die Übereinstimmung mit einer der großen Leistungen Alexanders, dem Vordringen an den Indischen Ozean: Pompeius wollte nach der Eroberung Syriens durch Arabien zum Indischen Ozean 1. gelangen2 Plutarch interpretiert denPlan als Endglied einer Kette: In Afrika und Spanien habe Pompeius dasbegrenzende (südliche bzw. westliche) Meer erreicht, beim Kampf gegen die (kaukasischen) Albaner sei er fast bis ans Kaspische Meer imNorden gelangt, es fehlte jetzt nurnoch die Berührung mit demErythräischen (Roten) Meer im Osten, umden weltumfließenden Ozean an allen vier Enden als Sieger gesehen zuhaben22. Es mußallerdings bezweifelt werden, ob die Pompeius von Plutarch unterstellte umfassende Konzeption dessen tatsächlicher Intention entsprach23. Diese sollte m. E. auf die Alexander-Nachfolge, d. h. auf das Rote Meer als Hauptbezugspunkt, beschränkt werden. 18 Liv. 45, 9, 6: qua (sc. in Arabien und Indien) terrarum

19

ultumos finis Rubrum mare amplectitur. Die geographisch genaue Abgrenzung, welche der Vertragstext festlegte, bei Liv. 38, 38, 4: cis Taurum montem usque adHalyn amnem, et a valle Tauri usque ad iuga, qua in Lycaoniam vergit. Zum Text (Halyn statt Tanaim = Emendation Budés) und seiner Interpretation ausführlich Th. Liebmann-Frankfort, La frontière orientale dans la politique extérieure de la 64 und A. H. McDonald, The Treaty of Apamea (188 B. C.), République romaine (1969) 49–

JRS 57 (1967), 3 f. ε. Die Verbindung zur Pothosἶχ ο ςε λ ὶ ζῆ α ω ςκ ιςἔρ έτ νδ ὸ τ ὐ 20 Plut. Pomp. 38, 4: α Formel betont F. Altheim, Weltgeschichte Asiens imgriechischen Zeitalter I (1947) 215. Zu Parther, Armenien – ähnlichen Anklängen bei Cassius DioundAppian G. Wirth, Pompeius – Bonner Jahrbücher 183 (1983), 32 Anm. 97. ν ρ ὰ νἘρυθ ὴ ὶτ π ςἐ ία β α ςἈρ ῆ ιὰτ ὶδ α ε ῖνκ β α α νἀν λ ία ρ υ 21 Plut. Pomp. 38, 4: Σ . α ν σ σ α λ ά ιθ α ἐλ ά σ 22 Plut. Pomp. 38, 3. 23 Wiestark Plutarch bei derInterpretation desRotmeer-Unternehmens voneigenen Ansichten ausging, zeigt die Parallelisierung zumVorstoß auf dasKaspische Meer, vondemer zugeben muß, daß er nur „beinahe“geglückt sei. Pompeius selbst sah nicht das Kaspische Meer,

Weltreich Alexanders

29

Es läßt sich zeigen, daß gerade in der zu den Römern gelangten Kunde von den Taten Alexanders der Vorstoß an den Indischen Ozean als Vollendung der Welteroberung herausgestellt war und daß dieser Vorstoß der römischen Ostexpansion als nachahmenswertes Ziel galt. Eben dieses Ziel erreicht zuhaben, sahPompeius alsKrönung seiner Taten imOsten an. Wichtig ist zunächst die Feststellung, daß der Begriff Rubrum mare bzw. αmitdemIndischen Ozean identisch ist undauch dieAusbuchτ τ α λ ά ὰθ ρ υ ρ Ἐ θ tungen desselben, den Persischen Golf und das heute so genannte Rote Meer, 4. bezeichnen kann2 So heißt es von Alexander undseinen Soldaten in der schon erwähnten Perseus-Rede bei Livius, sie hätten nicht eher zu siegen aufgehört, bis 5. ihnen das Rubrum mare nichts mehr übrigließ, das sie besiegen könnten2 Livius selbst sagt vonAlexander anderebenfalls schon zitierten Stelle seines Epilogs, er sei durch Arabien undIndien dorthin gezogen, wodasRubrum mare dieäußersten Enden der Erde umfasse26. Als römische Zielvorstellung begegnet das Rubrum mare in derRede, die Livius denKonsul M’. Acilius Glabrio vor derSchlacht an denThermopylen gegen Antiochos III. (191 v. Chr.) anseine Soldaten richten läßt: Der Sieg werde ihnen Asien, Syrien unddie reichsten Königreiche bis zumAufgang der Sonne öffnen. Dann sei dasRömische Reich vonGades bis zumRubrum mare durch denerdumfließenden Ozean begrenzt27. Diesen Stellen ist gemeinsam, daßin ihnen dasRubrum mare die ausschlaggebende Rolle für die makedonische bzw. römische Weltreichsbildung spielt28. Als Gestaltungen des Livius29 spiegeln sie insgesamt die Vorstellung wider, die das 1. Jh. v. Chr. vom Rubrum mare als demSymbol fürdieGrenzen derErde (imOsten) hatte. Von dieser Vorstellung her erscheint die Erwähnung des „Roten Meeres“ ρ ὰθ ά λ α τ τ (Rubrum mare bzw. Ἐ ) in zwei Inschriften, die Pompeius zur θ α υ ρ Erinnerung an den Triumph des Jahres 61 v. Chr. setzen ließ, erst im richtigen Licht. In dereinen, von Plinius überlieferten, Inschrift, die an demaus der Beute des Ostfeldzugs errichteten Minerva-Tempel die Erfüllung eines diesbezüglichen Gelübdes festhielt, rühmte sich Pompeius, alle Länder von der Maeotis bis zum die Maeotis als das(von ihmerreichte) Ende der Welt imNorden an (s. unten Anm. 30 u. 31). 24 Vgl. R. Syme, Tacitus II (1958, ND 1979) 768, der auf Mela 3, 72 undPlin. nat. hist. 6, 107 sondern

verweist.

25 Liv. 42, 52, 14: nec ante vincere desierint, quamRubro mari inclusis, quid vincerent, defuerit. 26 Liv. 45, 9, 6: Arabas hinc Indiamque, qua terrarum ultumos finis Rubrum mare amplectitur. 27 Liv. 36, 17, 14 f.: Asiam deinde Syriamque et omnia usque ad ortum solis ditissima regna Romano imperio aperturos. quid deinde aberit, quin ab Gadibus ad mare Rubrum Oceano finis terminemus, quiorbem terrarum amplexu finit.

28 Vgl. fürAlexander noch Sen. debenef. 7, 2, 5; nat. quaest. 3 praef. 10; ep. 119, 7 f. DazuH. Volkmann, Zur Datierung der Annalen des Tacitus, Gymnasium 60 (1953), 238. Zur Bedeutung desRubrum mare für dasrömische Kaiserreich vgl. Tac. ann. 2, 61, 2; Cass. Dio 37, 15, 1.

29 Zu der in Anm. 27 zitierten

Passage aus der Rede des Acilius Glabrio bemerkt J. Gagé, Hercule-Melquart, Alexandre et les Romains à Gadès, REA 42 (1940), 435, es handle sich um ein„programme antidaté“(vgl. 429 mitAnm.2 zuLiv. 44, 9). S. auch Weippert (oben Anm.

9) 89 Anm. 2.

30

Politik

0.

Rubrum mare unterworfen zuhaben3 Die andere, bei Diodor erhaltene, Inschrift, die vielleicht denTempel derVenus Victrix imKomplex des Pompeius-Theaters zierte, verkündete dieselbe Großtat –Unterwerfung aller Völker zwischen dem under hat Pontos unddem„ Roten Meer“-, fügte dann aber hochtönend hinzu: „ die Grenzen des Reichs bis an die Enden der Erde vorgeschoben“31.Daß hier mit den „Enden der Erde“die Maeotis unddas Rubrum mare gemeint sind, dürfte sicher sein. Die Maeotis galt, wie Plinius überliefert, als Ausbuchtung des nördlichen Ozeans undwird zusammen mit dem Rubrum mare von Aelius Aristides 2. ausdrücklich zu den früher angenommenen Grenzen der Erde gerechnet3 Das Rubrum mare aber war, wie gezeigt, seit Alexanders Zug in den Osten geradezu das Ende derErde33. Vergleicht man allerdings die Gegenden am Rubrum mare, die zum Alexanderreich gehört hatten3 4, mit dem Küstenstreifen des Nabatäerreiches am heutigen Roten Meer, den Pompeius gemeint haben muß, als er von der bis an die Enden der Erde“sprach35, so wird Vorschiebung der Grenzen Roms „ klar, wieviel Anmaßung in dieser Behauptung steckt. Es wird aber auch klar, daß Pompeius gerade den Hinweis auf das Rubrum mare brauchte, um in der 6 Nachfolge Alexanders die Eroberung ganz Asiens3 und den Sieg über die Oikumene fürsich inAnspruch nehmen zukönnen. η ςimTriumphzug desPomμ έν ῆ ντ ςο ιο α π ό ἰκ υ ρ ο Damit erhält denn dasτ peius seinen spezifischen Sinn: Es kündete vomVordringen des Pompeius an die

30 Plin. nat. hist. 7, 97: terris a Maeotis ad Rubrum mare subactis. η ρ ᾶ ς ςθ α τ τ ῆ λ ά ςκ α ῆ ὶτ ςἘρυθ ὸ τ ςτ ῆ ὰἐν ητ ςΠ τ ικ ο ν ν ὰἔθ ατ τ ά ν 31 Diod. 40, 4: π . Vorher wird die Maeotis als nördliche Begrenzung des unterworfenen ικ α ῦ τ ο ν το α κ ιδο ς τ ). ιώ ετ μ α α ὶΜ α ο ξ ςκ τ ὺΚ ῦ ὰ λ α ίδ φ ο λ χ ὰ ιπ ὰλο Gebiets genannt (τ 32 Plin. nat. hist. 2, 168; Arist. or. 26 (Keil) 28 (in derSonderausg. vonR. Klein, Die Romrede desAelius Aristides, 1983, S. 22). Die beiden Stellen verdanke ich meinen Mitarbeitern im Institut für Alte Geschichte der Universität Mainz, Dr. W. Hoben und Dr. P. Herz. Zur Maeotis vgl. A. Herrmann, RE XIV 1 (1928) 591. 33 Als locus classicus hat Liv. 45, 9, 6 (oben Anm. 26) zu gelten. Zur Alexander-Überlieferung ) die Rede ist, und α σ σ α λ αθ ά vgl. bes. Arr. anab. 5, 26, 1, wo vom östlichen Ozean (ἑῴ Curt. 9, 1, 4, woes vonAlexander heißt: ut, cumtotam Asiam percucurrisset, finem terrarum, mare inviseret. Zum Verhältnis beider Stellen zueinander D. Kienast, Alexander und der 182. Ganges, Historia 14 (1965), 180– 34 Es genügt hier, auf die Fahrt des Nearchos von der Indusmündung zumPersischen Golf hinzuweisen. ZuihrH.Schiwek, DerPersische Golf inAchämenidischer Zeit undin derZeit 72. Alexanders desGroßen, Bonner Jahrbücher 162 (1962), 60– 35 Über die Ausdehnung der Nabatäer in Richtung auf das Rote Meer vgl. die beiden Kartenskizzen bei A. Negev, The Nabateans and the Provincia Arabia, Aufstieg und Niedergang der Römischen Welt II 8 (1977) 534 und 550. Dort auch die Besprechung der schriftlichen Zeugnisse. Vgl. bes. Diod. 3, 43, 4 f. (S. 533). Zur Geschichte der Nabatäer s. Die Nabatäer“ (Führer des Rhein. zuletzt H. P. Roschinski, Ausstellungskatalog „ 26, undG. W. Bowersock, Roman Arabia (1983) 1– Landesmuseums Bonn Nr. 106), 1981, 1– 44. 36 In diesem Sinne interpretiert Liebmann-Frankfort (oben Anm. 19) 314 die Feststellung der Pompeius-Inschrift amMinerva-Tempel: terris a Maeotis ad Rubrum mare subactis, Plin. nat. hist. 7, 97. ZudenGrenzen Asiens, s. R. vonScheliha, DieWassergrenze imAltertum (1931) 37. 60 f. 34–

Weltreich Alexanders

31

, vonderGewinnung derHerrschaft über ganz Asien, vomSieg Enden derErde“ „ über die Oikumene. All dies hatte einst den Ruhm Alexanders begründet. Das Tropaion bezeichnete also die Ineinssetzung des Pompeius mit demWelteroberer es symbolisierte dasrömisch gewordene

Alexanderreich. natürlich verlockend, Betrachtungen über das Aussehen des im vorstehenden hinsichtlich seiner Bedeutung gewürdigten Tropaions anzustellen, doch gilt es dabei der Spekulation zu wehren. So soll denn hier nur eine der aufgezeigten Bedeutung entsprechende Möglichkeit der bildlichen Darstellung erwogen werden: Als im Jahre 175 v. Chr. Ti. Sempronius Gracchus in seinem Triumphzug denZuschauern besonders einprägsam vor Augen führen wollte, daß er Sardinien unterworfen habe, datat er das durch eine ‘Karte’der Insel, auf der Bilder seiner Schlachten dargestellt waren37. Es versteht sich, daß die Umrißzeichnung Sardiniens eine topographische Vorstellung der Ereignisse (Schlachten) vermittelte. Genau darauf aber mußte es Pompeius ankommen, wenn er sein Vordringen zurMaeotis undzumRubrum mare, d. h. an die Grenzen der Oikumene, plastisch hervortreten lassen wollte. Die Darstellung von Unterwerfungsszenen nach Artderjenigen, diederDenar desM. Aemilius Scaurus in bezug auf den Nabatäerkönig Aretas festgehalten hat38, vermochte diesen Eindruck nicht zu erwecken. So scheint es denn durchaus denkbar, daßPompeius seinen Sieg über die Oikumene durch eine Umrißzeichnung derselben39 und an der Maeotis undam Rubrum mare –plazierte Gemälde der von entsprechend – ihmprätendierten Leistung, derVorschiebung der „Grenzen des Reichs bis an die , auch dem letzten Zuschauer seines Triumphzuges deutlich Enden der Erde“ gemacht hat. η ό π ςdes Pompeius tatα ῆ ιο μ έν ντ ςο ἰκ Wie immer aber auch dasdasτρ ο υ sächlich ausgesehen haben mag, feststehen dürfte sein Alexanderbezug, unddieser ist es, der hier in der Hauptsache interessiert. Denn er schließt sich mit anderen Hinweisen auf das gleiche Phänomen zu einer Kette zusammen, die den ganzen

Alexander,

Es ist

37 Die ‘Karte’wurde imJahre 174 v. Chr. imTempel derMater Matuta (am Forum Boarium) 10. Zinserling (oben Anm. 4) 408 vermutet wohl mit Recht, daß sie angebracht, Liv. 41, 28, 8– imTriumphzug desVorjahres mitgeführt worden war. ZumAussehen der‘Karte’undzuihrer Topographen“vgl. dens. 408 f. Anfertigung durch einen „

38 E. A. Sydenham, The Coinage of the Roman Republic (1952) 152 Nr. 913. Vgl. Kraft (oben Anm. 3) 21 f. (= Kl. Schr. II 287 f.). Die Vorderseite des Denars zeigt Aretas kniend mit Dromedar am Zügel. Gute Abbildung in: Kent/ Overbeck/ Stylow/ Hirmer, Die römische Münze (1973) Tafel 16, Nr. 63. 39 DieUmrisse derOikumene sind beim Denar desFaustus Sulla mitdenvier Kränzen umden Globus (oben Anm. 9) auf letzterem erkennbar (beste mirbekannte Abbildung bei Hölscher, in: Tainia [oben Anm. 9] II Tafel 69, 9). Vgl. zudiesem TypdesGlobus A. Schlachter, Der

Globus (Stoicheia 8), 1927, 68 f.; G. Tabarroni, Globi celesti e terrestri sulle monete romane, Physis 7 (1965), 339; Hölscher, Victoria (oben Anm. 9) 44. Die Darstellung der Oikumene auf demDenar des Faustus Sulla könnte sehr wohl auf dasdasτρό π ιο α ῆ ντ η ςο μ ἰκ έ ν ο ς υ des Triumphzuges zurückgehen, wie St. Weinstock, Divus Iulius (1971) 43, vgl. 38, Coarelli (oben Anm. 10) 118– 121zieht vondemGlobus aufdem andeutungsweise vermutet. – Denar des Faustus Sulla eine Verbindung zumsog. Pompeius im Palazzo Spada, der den Globus in derLinken trägt. Die Statue wirft indes so viele Probleme auf, daßsie hier besser außer Betracht bleibt.

32

Politik

Triumph durchzieht und ihn als den des neuen Alexander kennzeichnet4 0. Vor allem gewinnt die Nachricht Appians, wonach Pompeius beim Triumphzug des Jahres 61 v. Chr. einen Mantel Alexanders desGroßen (aus demBesitz desMithri1, ρ η ιο ό π ῆ α ντ μ ςeinen über die dates) trug4 im Blick auf das das τ ςο έν ἰκ ο υ bloße Alexander-Imitatio hinausgehenden konkreten Sinn: Alexander der Große feierte in eigener Person seinen Sieg über die Oikumene undübergab diese, d. h. sein Weltreich, an denhöchsten römischen Gott, Jupiter Optimus Maximus42. Bei dieser Interpretation erfährt auch die weiter von Appian mitgeteilte Tatsache, daß die 324 Gefangenen, welche vor demTriumphwagen einherschritten, nicht gefes3, selt waren4 eine entsprechende Erklärung: Sie sollten in ihren Nationaltrachten44 mehr dieVölker desAlexanderreichs repräsentieren denn als wirkliche Gefangene erscheinen45. Schließlich gilt es, hier ein Zeugnis über die Wirkung des Triumphzuges auf dasrömische Publikum einzuordnen. In derLivius-Periocha desBuches CIII findet sich die Feststellung, daß die an dem Triumph teilnehmende VolksMagnus“zujubelte46. In dieser Akklamation darf menge Pompeius mit dem Ruf „ manmit Sicherheit die unmittelbare Reaktion der Zuschauer auf die Präsentation der Leistungen des neuen Alexander, gipfelnd in dem Sieg über die Oikumene, sehen. Denn dasCognomen Magnus, welches Pompeius schon im Jahre 81 v. Chr. beigelegt worden war47, hatte erst durch die Eroberungen im Osten seine eigentli-

40 Nach Plin.

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nat.hist. 7, 95 hätte Pompeius mit seinen Leistungen es nicht nur Alexander gleichgetan, sondern auch Herakles und Dionysos. G. Wirth, Alexander und Rom, in: Alexandre le Grand (Entretiens sur l’Antiquité Classique 22), 1976, 187 f., versteht dies als Hervorhebung derFunktion desPompeius als Ordner neben derdesEroberers underinnert an die Städtegründungen. Zu diesen s. jetzt aber A. Dreizehnter, Pompeius als Städtegründer, 245. Chiron 5 (1975), 213– App. Mithr. 117 (§ 577). Gegenüber demZweifel an der Echtheit der Chlamys, die schon Appian äußert, ist mit Recht betont worden, daß es nicht auf die tatsächliche Herkunft des Beutestücks ankommt, sondern auf die Meinung, die Pompeius von dessen Herkunft hatte. Weippert (oben Anm. 9) 84 unter Hinweis auf J. B. Nadell, Alexander andthe Romans (Diss. Univ. of Pennsylvania 1959 [Mikrofilm]) 39 undMichel (oben Anm. 9) 41; dazujetzt noch Dreizehnter (oben Anm. 40) 244. –Weinstock (oben Anm. 39) 38 Anm. 8. 335, hält die Nachricht Appians fürfalsch; sie sei erfunden worden, umPompeius zudiskreditieren. Dreizehnter (oben Anm. 40) 244 betont mit Recht, daß der Mantel „ aus dem AlexanderNachahmer einen zweiten Alexander“machte. DenBezug aufdietranslatio imperii hatschon M. Gelzer, Pompeius (21973, ND 1984) 109, hergestellt: „Pompeius warals Triumphator mit diesem ehrwürdigen Kleidungsstück angetan undverkörperte so in anschaulicher Weise den . –DaßPompeius durch die Übergang derWeltherrschaft vondenMakedonen auf die Römer“ Chlamys Alexanders aufdessen absolute Herrschaft habe anspielen wollen, mußmitWeippert (oben Anm.9) 100, als gänzlich unwahrscheinlich angesehen werden. ο ν έν . αδεδεμ έν App. Mithr. 116 (§ 570): ο ὐ δ έν ο υ μ . ς τ λ α ια ἐσ ρ App.Mithr. 116(§570): ἐ τ ά π ςτ ὰ App. Mithr. 117 (§ 578) betont, daßPompeius die meisten Gefangenen „ auf Staatskosten in ο σ μ ίο ιςδαπ ψ εδημ ε μ α α σ ν ι). α ίδ ρ ςἔπ ή τ α ὰ ihreHeimat zurückschickte“(ἐ ςτ ςπ Liv. per. 103: Magnusque a tota contione consalutatus est. Plin. nat. hist. 7, 96; Plut. Pomp. 13, 8 (vgl. Reg. et Imp. Apothegm., mor. p. 203 E). Dazu P. P. Spranger, Der Große, Saeculum 9 (1958), 38 f.; Michel (oben Anm. 9) 36 f.; Weippert 65. ZudemAureus über denafrikanischen Triumph mit der Vorderseiten(oben Anm. 9) 63–

Weltreich Alexanders

33

che Berechtigung im Hinblick auf denAlexanderbezug erhalten4 8, undeben diese Eroberungen botderTriumphzug sozusagen handgreiflich dar. So schließt sich denn derKreis: DasLeitthema, welches Pompeius fürdie Arrangierung des Triumphzuges gewählt hatte, die Eroberung der Oikumene durch ihn als neuen Alexander, kam beim römischen Publikum glänzend an. Die -Rufe bescherten ihm genau das, was er sich von dieser Thematik verMagnus“ „ sprechen konnte: Die Umgebung seiner Person mit demNimbus des großen Makedonenkönigs. Daß Pompeius diesen Nimbus im politischen Tageskampf der folgenden Jahre schon bald verlor, gehört auf ein anderes Blatt seiner Lebensgeschichte49.

Abschließend mußnoch ein Detail des Triumphes vom28./ 29. September 61 v. Chr. behandelt werden, nämlich die zweitägige Dauer, näherhin: die Tatsache, daßin denQuellen nicht genau angegeben ist, wasamersten undwasamzweiten

Tag vorgeführt wurde50. Greenhalgh hat zwei Plinius-Stellen so ausgelegt, als habe dereigentliche Triumphzug (mit demTriumphator) am28. September stattgefun1. den; amnächsten Tag sei die Beute vorübergetragen worden5 Dies ist m. E. sehr unwahrscheinlich. Es wardoch gerade dieBeute, mit deren Menge undPracht der Triumphator das Publikum beeindrucken undfür sich gewinnen wollte. Staunen undBewunderung aber wären verpufft, wenn die Beute sozusagen hinterhergeschoben worden wäre. Sie mußte vielmehr zumAuftakt dargeboten werden, wie dies beim dreitägigen Triumph des Aemilius Paullus im Jahre 167 v. Chr. geschehen war52. Am28. September 61 v. Chr. dürfte also die Beute zur Schau gestellt worden sein undam 29. September dann der Aufzug des Triumphators mit der Darstellung seiner Taten stattgefunden haben, wasnicht ausschließt, daß auch an 3. diesem Tage besondere Kostbarkeiten mitgeführt wurden5 Keinesfalls aber wird derdie res gestae betreffende Teil desZuges vonjenem getrennt worden sein, der durch die Gefangenen, den Triumphwagen unddie Offiziere des Pompeius gebildet wurde, wie van Ooteghem ohne Anhalt in der Überlieferung vorgeschlagen hat54. Eine solche Trennung hätte die nunmehr klar erkennbare Klimax des Zuges zerstört: Die Darstellung der einzelnen Taten des Pompeius wurde überragt von demTropaion, welches den Sieg über die Oikumene, verstanden als das Alexan-

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Legende Magnus (Sydenham [oben Anm.38] 171Nr. 1028) s. H.Castritius, ZumAureus mit 35. demTriumph desPompeius, JNG21 (1971), 25– Weippert (oben Anm. 9) 65 f. Plut. Pomp. 46, 1 äußert denGedanken, es wäre einGlück fürPompeius gewesen, wenn nach demTriumph sein Leben geendet hätte. Vgl. Gelzer (oben Anm. 42) 110; van Ooteghem (oben Anm. 7) 645; Weippert (oben Anm. 9) 86 f. Treffend die Überschrift desbetreffenden Kapitels (11) beiGreenhalgh (oben Anm. 8): „ Triumph andAnticlimax“(168). Zweitägige Dauer: Plut. Pomp. 45,1; App. Mithr. 116 (§ 568); Vell. 2, 40, 3. Genaue Angabe derTage: Plin. nat. hist. 7, 98: 28. September; 37, 13:29. September. Greenhalgh (oben Anm.8) 172f. Plut. Aem. 32, 4– 9: Amersten undzweiten Tag wurden Kunstwerke undWaffen gezeigt. 33, 34, 7: Am dritten Tag zog der Triumphator mit auserlesenen Beutestücken und den 1–

Gefangenen zumKapitol. 53 Darauf deutet Plin. nat. hist. 37, 13 f. hin. 54 vanOoteghem (oben Anm.7) 283.

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Politik

derreich, verkündete; die 324 in ihrer Nationaltracht auftretenden hohen Gefangenenvermittelten einBild vonderBevölkerung desReiches; derTriumphator selbst erschien alsBezwinger derWelt, alsInkarnation Alexanders desGroßen.

Das Königtum im Geschichtsbewußtsein des republikanischen Staates.* Ein Kontinuitätsproblem der römischen Geschichte Urbem Romam a principio reges habuere, so lautet der erste Satz der 2. Catilina“ Annalen“des Tacitus1. Initio reges ..., so heißt es auch bei Sallust im „ „ populi regum gestae Unddaserste Buch der„Origines“Catos handelt vondenres Romani3. Soweit wir die römische Geschichtsschreibung zurückverfolgen können wir können es bis an ihren Anfang, bis auf Fabius Pictor um200 v. Chr. -, die Königszeit ist fester Bestandteil derGeschichte desrömischen Volkes, die Könige treten unsals die ersten großen Gestalten derrömischen Geschichte entgegen4. Aber es waren nicht nurdie Geschichtsschreiber, welche denKönigen Gestalt verliehen. Auf dem Kapitol, in der Vorhalle des Jupitertempels, standen sie leibhaftig, von Künstlerhand geschaffen, sieben an der Zahl. Allerdings fehlte einer, Tarquinius Superbus, derletzte König, derTyrann, dervertrieben worden war. Die Siebenzahl wurde erreicht durch Titus Tatius, denSabinerkönig, dereine Zeitlang zusammen mit Romulus geherrscht hatte. In dieser Reihenfolge standen sie also

*

1

italienischen Originalpublikation: La monarchia nella coscienza storica Deutsche Fassung der dello stato repubblicano. Un problema di continuità della storia Romana (Athenaeum 79 15, Tav. I-IV). [1991] 5–

DerAufsatz stellt die leicht überarbeitete undmitAnmerkungen versehene Fassung des Vortrags dar, den ich auf Einladung meines Freundes Emilio Gabba am 23.4.1990 in der Universität Pavia gehalten habe. Meiner Mitarbeiterin dott.ssa Silvia Riccardi, Mainz, danke ich fürdieÜbersetzung desdeutschen Textes ins Italienische. DenGrundgedanken desAufsatzes habe ich zusammen mitmeinem Assistenten Dr. Gerhard Horsmann, Mainz, schon in einem anderen Zusammenhang dargestellt: Römische Geschichte in Münzbildern, Forschungsmagazin derJohannes Gutenberg-Universität Mainz 1/90, 6. Jahrgang 1990, 22– 26.

2

Tac. ann. 1, 1, 1. Sall. Cat. 2, 1. Die allgemeine Aussage dieser Stelle wird später (6, 6) auf Rombezogen:

3

Nep. Cato 3,3.

(Romani) nomen imperi regium habebant.

4

ZurBehandlung derKönigszeit im Rahmen derκ τ ίσ ιςRoms vgl. D. Timpe, Fabius Pictor unddieAnfänge derrömischen Historiographie, in: Aufstieg undNiedergang derrömischen Welt (ANRW, herausgegeben von H. Temporini) I 2, 1972, 932– 940. Eine eingehende Betrachtung der gesamten Literatur über die Königszeit vonNaevius bis Cicero bietet die Abhandlung vonC. J. Classen, DieKönigszeit imSpiegel derLiteratur derrömischen Republik, Historia 14,1965, 385– 403.

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Politik

da: Romulus, Titus Tatius, Numa Pompilius, Tullus Hostilius, Ancus Marcius, Tarquinius Priscus, Servius Tullius5. Die Könige waren gewissermaßen allgegenwärtig im republikanischen Rom. Eine ganze Reihe vonFamilien führte ihren Stammbaum auf einen von ihnen zurück, allein fünf gentes aufNuma Pompilius, nämlich die Aemilii, Pomponii, Pinarii, Calpurnii und die Marcii6. Sinnfällige Zeugnisse für die Rolle, die solche Anknüpfungen im politischen Leben der späten Republik spielten, sind die Münzenmit Bildnissen von Königen als Ahnherren derbetreffenden Münzmeister. So berief sich L. Titurius Sabinus auf den Sabinerkönig Titus Tatius, dessen bärtigen Kopf er auf die Vorderseite eines vonihmim Jahre 89 v. Chr. geprägten Denars setzte (Abb. 1). Die Ligatur TA(tius), rechts imFeld, ließ keinen Zweifel, umwen es sich handelte, während SABIN(us), links im Feld, sowohl auf den König als auch auf denMünzmeister bezogen werden konnte, derals L.TITVRI(us) im Abschnitt derRückseite erschien. Das Bild derRückseite stellte denRaub der Sabinerinnen dar7. Schon im Jahre 97 v. Chr. hatte der Münzmeister L. Pomponius Molo auf König NumaPompilius als Stammvater derPomponii hingewiesen. Die Rückseite des betreffenden Denars (Abb. 2) stellt eine Opferszene dar: Links steht König Numa Pompilius mit demAugurenstab (lituus) vor einem Opferaltar. Von rechts führt ein Opferdiener eine Ziege heran. Im Abschnitt steht, zumTeil in Ligatur: NVMA POMPIL(ius)8. ImJahre 49 v. Chr. brachte Cn. Calpurnius Piso (als Proquästor) denbärtigen Kopf Numas auf die Vorderseite eines Denars (Abb. 3). Der König trägt das Diadem, auf demderNameNVMA zulesen ist. Links amRand findet sich derName des prägenden Beamten: CN(aeus) PISO PROQ(uaestor). Die Weglassung des Gentilnamens Calpurnius darf als Hinweis auf denBekanntheitsgrad der Abstammungdergens Calpurnia vonNumagewertet werden9. Die gens Marcia führte ihren Stammbaum auf denKönig Ancus Marcius und über diesen auf König NumaPompilius zurück. Dementsprach es, daßderMünzmeister C. Marcius Censorinus (88 v. Chr.) die Köpfe beider Könige auf derVorderseite eines Denars abbildete (Abb. 4). Auf der Münze sind die Köpfe gestaffelt

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sieben

Von Königen spricht Cassius Dio (43, 45, 4), Titus Tatius als Bestandteil der Gruppe wirdvonPlin. nat. hist. 34, 23 erwähnt. DenSchluß, daßTarquinius Superbus fehlte sonst wären esja acht Könige gewesen -, hatschon F. Münzer, Beiträge zurQuellenkritik 262, gezogen. Vgl. O. Vessberg, Studien zur der Naturgeschichte des Plinius (1897) 261– Kunstgeschichte derrömischen Republik (1941) 10. 3. Vgl. zu dieser Tradition E. Gabba, Considerazioni sulla tradi19; 21, 2– Plut. Numa 8, 18– zione letteraria sulle origini della repubblica, in: Les origines de la république romaine 161. (Entretiens sur l’antiquité classique XIII), 1967, 159– M. H. Crawford, Roman Republican Coinage (1974) Nr. 344/1a. –Zueinem weiteren Denar desL. Titurius Sabinus mitTitus Tatius auf derVorderseite unddemTodderTarpeia aufder Rückseite vgl. J.-P. Morel, Thèmes Sabins et Thèmes Numaïques dans le monnayage de la 37. république romaine, MEFR 74, 1962, 32– Crawford Nr. 334/1. Crawford Nr.446/1. Gabba (Anm. 6) 161hält denAnnalisten L. Calpurnius Piso (cos. 133 v. Chr.) fürdenErfinder derGenealogie seiner Familie.

Königtum

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hintereinander dargestellt. Vorne Numa, bärtig, mit Diadem, dahinter Ancus, bartlos undohne Diadem. Auf dengrößeren Stücken dieser Serie, denasses, sind die Köpfe mitNamen versehen10. Einanderer Angehöriger dergens Marcia, derMünzmeister L. Marcius Philippus, benutzte einen im Jahre 56 v. Chr. geprägten Denar, umden König Ancus Marcius über dieAqua Marcia näher andie Gegenwart heranzuholen. Die Vorderseite des betreffenden Denars (Abb. 5) zeigt das Porträt des Ancus Marcius. Der König trägt das Diadem. Links hinter ihm ist ein Augurenstab (lituus) sichtbar. Unten steht: ANCVS. Auf derRückseite sieht maneinen Aquädukt, auf demeine Reiterstatue (nach rechts) steht. Unter demPferd ist eine Blume angedeutet. In den Bögen des Aquädukts: AQUA MAR(cia), teils in Ligatur. Links im Feld: PHILIPPVS. Der Bau der Aqua Marcia soll auf Ancus Marcius zurückgehen. Q. Marcius Rex machte sie um 140 v. Chr. zurberühmtesten Wasserleitung Roms11. Die vorstehend beschriebenen Münzen gehören mit ihren Anspielungen auf römische Könige unter die Rubrik „Familienpropaganda“12,die in der römischen Republik aufvielfältige Artbetrieben wurde. Eine Gelegenheit besonderer Art, das Lob der eigenen Familie zu singen, bot die Leichenrede bei der Leichenfeier für ein Mitglied derführenden Geschlechter. Caesar hat imJahre 69 v. Chr. eine solche Gelegenheit benutzt, um sein Geschlecht, das der Julier, sozusagen in den Himmel zu heben. Seine Tante Iulia war gestorben, die Gattin des C. Marius. Caesar pries ihre Abkunft: Mütterlicherseits stamme sie von Königen ab, väterlicherseits gar von den unsterblichen Göttern. Uns interessiert hier nur die von Caesar betonte königliche Abkunft. Die Mutter seiner Tante lulia, so führte er aus, gehörte zum Geschlecht der Marcii Reges, das seinen Ursprung auf den König Ancus Marcius zurückführte. Caesar sprach auch aus, worin der Stolz auf diese Abkunft seinen Grund hatte: Der Königsname besaß nicht nur ehrwürdiges Alter (sanctitas), er warauch Ausdruck für die größte Macht auf Erden, mit denWorten Caesars: reges plurimum inter homines pollent13. 25 Jahre nach diesem Lobpreis aufdie königliche Abkunft seines Geschlechts wurde Caesar durch die Macht, die er als Diktator erlangt hatte, selbst in Versuchung geführt, den Königstitel anzunehmen. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung war der Senatsbeschluß des Jahres 45 v. Chr., der verfügte, daß eine Statue Caesars auf dem Kapitol bei den Statuen der Könige aufgestellt werden sollte. Cassius Dio, derdas Faktum derAufstellung vermerkt, bringt an dieser Stelle sei-

4. 10 Crawford Nr. 346/1. Die Asses: Crawford Nr. 346/3– 11 Crawford Nr.425/1. Füreine möglichst nahe Heranrückung derMünze andie erste Aufstellung einer Reiterstatue (Sulla: 79 v. Chr.) tritt H. Gesche ein: Die Reiterstatue derAemilier undMarcier, JbNG 18, 1968, 40. Sie ist im übrigen (S.32) der Meinung, die Reiterstatue auf der Rückseite unserer Münze sei diejenige des Ancus Marcius (Plin. nat. hist. 31, 41). Die Blume unter demPferd der Statue wird als arum Martiale gedeutet, vgl. J. van Ooteghem, Lucius Marcius Philippus et sa famille (1961) 11– 13. 12 Vgl. dazuH.Chantraine, Münzbild undFamiliengeschichte inderrömischen Republik, Gym545. nasium 90, 1983, 530– 13 Suet. Caes. 6, 1. ZurInterpretation desRedefragments s. M.vonAlbrecht, Meister römischer 80 und W. Kierdorf, Laudatio funebris (1980) 114– Prosa von Cato bis Apuleius (1971) 75– 115.

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Politik

neVerwunderung über eine eigenartige Koinzidenz zumAusdruck: Mitdensieben Königen stand L. Iunius Brutus, derdenletzten König, Tarquinius Superbus, vertrieben hatte undin denFasten als erster Konsul geführt wurde, auf demKapitol. Neben Brutus nunerhielt die Statue Caesars ihren Platz. Cassius Dio sagt, hauptsächlich deswegen habe Marcus Brutus Mordpläne gegen Caesar geschmiedet14. DervonCassius Dio sozusagen auf die Bühne geholte spätere Caesar-Mörder M.lunius Brutus hieß nach seiner Adoption in die gens Servilia: Q. Servilius Caepio Brutus. Im Jahre 59 v. Chr. ließ er als Münzmeister zwei Denartypen prägen, die denGegensatz verstehen lassen, in dener zuCaesar durch dessen Königspläne geraten mußte. Auf derVorderseite desersten derbeiden Denare (Abb. 6) ist der bärtige Kopf des L. Iunius Brutus zu sehen, des Mannes also, der denKönig Tarquinius Superbus im Jahre 509 v. Chr. vertrieben hatte. Im Feld links steht kurz undknapp: BRVTVS. Die Rückseite dieses Denars zeigt denbärtigen Kopf desC. Servilius Ahala. Er zählte zu den Großen der gens Servilia. Im Jahre 439 v. Chr. hatte er als magister equitum denSpurius Maelius getötet, demvorgeworfen wurde, nach der Königswürde zu streben. Im Feld links steht ebenso lapidar wie auf derVorderseite: AHALA15. Die Vorderseite deszweiten Denars (Abb. 7) ziert der Kopf derGöttin Libertas, deren Name links imFeld erscheint. Die Rückseite zeigt denAufzug desKonsuls Brutus, derzwischen zwei Liktoren daherschreitet. Angeführt wird der Zug von einem Amtsdiener (accensus). Im Abschnitt liest man: BRVTVS16. Die beiden Denare sind eindrucksvolle Zeugnisse für die Traditionsverbundenheit des Münzmeisters Brutus. Sie ließ ihn voller Stolz des Urahns gedenken, der durch seine Großtat, die Vertreibung des Königs Tarquinius Superbus, den Staat begründet hatte, dernunschon viereinhalb Jahrhunderte bestand, unddessen hervorragende Kennzeichen Konsulat undFreiheit waren17. Sie ließ ihn des weiteren der Verteidigung dieser Staatsform gedenken, für die Ahala, der Heros der gens Servilia, in die Brutus adoptiert worden war, als Symbolfigur galt. Die Aussagen der beiden Münzen lassen sich dahingehend verallgemeinern, daß die Abschaffung desKönigtums ein unwiderruflicher Aktwarunddaßjeder Versuch, es wieder einzuführen, zumTode desjenigen führt, dersolches wagt. Undnunwarda wieder jemand, der mit demKönigtum wie mit demFeuer spielte: Caesar. Aufmassenhaft geprägten Denaren trug er dengoldenen Kranz der römischen Könige, mit demer sich amLuperkalienfest (15. Februar) desJahres 44

4; vgl. Suet. Caes. 76, 1, Cic. Deiot. 33. Die Statue des Brutus –mit dem 14 Cass. Dio 43, 45, 3– stand inmitten derKönige (Plut. Brut. 1, 1). G. Dobesch, Caesars ApoSchwert in derHand– theose zuLebzeiten undsein Ringen umdenKönigstitel (1966) 60, hatmitRecht darauf hingewiesen, daß Caesars Statue ebenso wie die des Brutus einen neuen Abschnitt markieren . Vgl. auch K.-W. Welwei, Das Angesollte, „ einen Abschnitt, der nicht mehr Republik war“ botdesDiadems anCaesar unddasLuperkalienproblem, Historia 16, 1967, 61. 15 Crawford Nr.433/2 mitderDatierung insJahr 54 v. Chr. FürdasJahr 59 v. Chr. ist mitguten Gründen zuletzt G. Lahusen, Die Bildnismünzen derrömischen Republik (1989) 18, eingetreten. ZudenBrutus-Münzen insgesamt vgl. H.Bengtson, ZurGeschichte desBrutus, Sitzungs49. berichte der Bayer. Akad. d. Wiss., Phil.-hist. Klasse 1970, Heft 1, 46– 16 Crawford Nr. 433/1. 17 Vgl. Tac. ann. 1, 1, 1: libertatem et consulatum L. Brutus instituit.

Königtum

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gezeigt hatte. Die Abb. 8 zeigt einen solchen Denar. Er stammt vondemMünzmeister L. Aemilius Buca. DerKopf Caesars ist nach rechts gewandt. Den goldenen Kranz kann manbesonders an demstarken Vorspringen über die Stirn erkennen. Die Legende lautet: CAESAR IM(perator) P(ontifex) M(aximus). AlsBeizeichen erscheint eine Mondsichel18. Auf Q. Servilius Caepio Brutus wirkten die Königspläne Caesars wie eine Herausforderung, unddiese wurde noch verstärkt durch Bekundungen ausderBeer warimJahre 44 v. Chr. Stadtvölkerung. So fanden sich an seinem Tribunal – prätor –Sprüche wie: „ Du bist kein echter Brutus!“19. Brutus, du schläfst!“und: „ Auch an den Statuen auf demKapitol fanden sich Inschriften, die sich auf die gegenwärtige Situation bezogen: Andie Statue desL. Iunius Brutus schrieb jemand: , undan der Statue Caesars brachte jeWenn dudoch noch am Leben wärest!“ „ Weil er die Könige vertrieb, ist Brutus als erster Konsul mand die Inschrift an: „ geworden; weil er die Konsuln vertrieb, ist dieser (nämlich Caesar) letztendlich König geworden“20. AndenIden des März 44 v. Chr. entsprach Brutus denHoffnungen, die man auf ihn gesetzt hatte. Mit demMord an Caesar tat er es seinen Ahnherren Brutus undAhala gleich. Mehr noch: Zusammen mit demanderen Haupt derVerschwörung gegen Caesar, C. Cassius, trat er andie Seite derklassischen Tyrannenmörder Harmodios undAristogeiton, die im Jahre 514 v. Chr. Athen vomTyrannen Hipparchos befreit hatten. In Athen auf derAgora wurden im Herbst desJahres 44 v. Chr. die Statuen von Brutus undCassius neben der berühmten Tyrannenmördergruppe aufgestellt21, undes ist eine plausible Vermutung, daßschon kurz nach der Ermordung Caesars jene Kopie der Gruppe des Harmodios unddes Aristogeiton aus Athen nach Rom gekommen und am Südost-Abhang des Kapitols beim Tarpejischen Felsen aufgestellt worden war, vonder 1938 der Torso des Aristogeiton bei Sant’Omobono gefunden wurde. Der Kopf war schon länger bekannt. Er befand sich bis 1957 im Vatikan, aber schon 1939 hatte A. M. Colini ihn als zum soeben gefundenen Torso gehörig erkannt. Die ganze Statue steht jetzt imKonservatorenpalast in Rom(Abb. 9)22.

v. Chr. unddann öfter

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19

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Crawford Nr. 480/4. A. Alföldi hat diesem Denar einen eigenen Beitrag im Rahmen seiner Studien zurAuswertung derMünzquellen desJahres 44 v. Chr. gewidmet: Caesariana (1984) 41. Den Halbmond deutet Alföldi in Verbindung mit dem Stern auf dem Denar des P. Se29– pullius Macer (Crawford Nr. 480/5a) als „ polemische(n) Parallelismus zumMünzbildnis des Großkönigs“kurz vor Beginn des Partherfeldzugs (S. 40). Die Identifizierung der Kopfbedeckung Caesars aufdenMünzen mitdemgoldenen Kranz, dener amLuperkalienfest trug, 21. 31– 39. wirdK. Kraft verdankt: Dergoldene Kranz Caesars (21969) 7– ῶ τ εκαθ ο ῦ ρ ς ε ύ δ ε ις “ Β . εἀληθ τ ῦ Plut. Brut. 9, 7: „ “κ α ὶ„ο ὐ κε ἶΒρο Suet. Caes. 80, 3: subscripsere quidam Luci Bruti statuae: utinam viveres! item ipsius Caesaris: Brutus, quia reges eiecit, consul primus factus est: hic, quia consules eiecit, rexpostremo

factus est.

21 Cass. Dio 47, 20, 4. 22 Fundgeschichte undBeschreibung desAristogeiton imKonservatorenpalast: W.Fuchs in: W. Helbig, Führer durch die öffentlichen Sammlungen klassischer Altertümer in Rom II4 (1966) 441) mit Literaturnachtrag in Helbig IV4(1972) S. 401. Die Ansicht, daßdie Nr. 1646 (S. 438– Aufstellung derTyrannenmördergruppe auf demKapitol mit Brutus undCassius im Zusam-

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Politik

Brutus selbst ließ zur Erinnerung an die Iden des März 44 v. Chr. durch L. Plaetorius Cestianus einen Denar prägen (Abb. 10), auf dessen Vorderseite sein Porträt zu sehen ist, nach rechts gewandt undmit Andeutung eines Bartes. Über seinem Kopf steht: BRVT(us), rechts amRand: IMP(erator). Links liest manden Namen des Münzbeamten: L(ucius) PLAET(orius) CEST(ianus). Die Rückseite dieses Denars zeigt in der Mitte die Filzkappe, denpilleus, das Symbol der Freiheit. Links und rechts je ein Dolch. Darunter: EID(ibus) MAR(tiis). Die beiden Dolche sollen anzeigen, was an den Iden des März geschah: Brutus undCassius haben demrömischen Volk die Freiheit gesichert, die durch Caesar bedroht war23. An dieser Stelle muß kurz innegehalten werden, um einen merkwürdigen Sachverhalt zu konstatieren: Die römischen Könige, mit Ausnahme des letzten, erfreuten sich im Geschichtsbewußtsein des republikanischen Staates großer Beliebtheit. Der gleichen Beliebtheit erfreute sich aber auch der Mann, welcher dem Königtum in Romein Ende machte: Brutus. Vielleicht kann mansogar sagen: Seine Beliebtheit war noch größer. Darin liegt doch wohl ein Widerspruch! Läßt er sich lösen? Ichmeine: Ja. AmBeispiel desjüngeren Brutus hatsich meines Erachtens gezeigt, daßer die Tat des älteren Brutus als Aufforderung verstand, nie wieder einem König die Herrschaft über Romzugestatten. In derliterarischen Überlieferung hat diese Aufforderung die Form eines Eides angenommen, den das römische Volk nach Vertreibung desTarquinius Superbus ablegte24. Damit war, so könnte manmeinen, ein Verdikt über dasKönigtum als solches ausgesprochen, also auch über die Vorgänger des Tarquinius Superbus. Nicht aber nach Auffassung der Römer! Diese beschränkten den Schuldspruch auf Tarquinius Superbus, sahen sich dadurch aber genötigt, jeden, der versuchte, das Königtum wiederaufzurichten, als neuen Tarquinius Superbus, als Tyrannen, zu betrachten. Gute Könige konnte es nach ihrer Meinung in Romnicht mehr geben, sie gehörten ein für alle Mal der Vergangenheit an.In ihraber hatten sie durchaus ihren Platz. Es ist dieFrage, wiedieses Geschichtsbild entstanden ist. Umsie zubeantwordie Geschichte der ten, mußmansich auf ein sumpfiges Terrain begeben. Denn „ , nach einem vielzitierten Satz von B. G. Nievier ersten Jahrhunderte Roms ist“ buhr, „ anerkannt ungewiß undverfälscht“25.Bei dieser Sachlage ist es unerläßlich, einen einigermaßen festen Standort zu finden, um nicht sofort einzusinken. Als solcher bietet sich das Kapitol an. Dort standen, wie schon erwähnt, die Statuen der sieben Könige unddes Brutus, Monumente aus früher Zeit, wie sich zeigen

23

menhang stehe, hat zuletzt Christa Landwehr, Die antiken Gipsabgüsse aus Baiae (1985) 41– 42 (inAuseinandersetzung mitF. Coarelli, MEFR 81, 1969, 137 ff.), vertreten. 42 v. Chr. ZumEindruck, dendie Münze hinterließ, vgl. Crawford Nr. 508/3. Datierung: 43– Cass. Dio47, 25, 3 unddazuT. H.R. Ehrhardt, Roman Coin Types andthe Roman Republic,

JbNG 34, 1984, 41– 42. 24 Liv. 2, 1, 9. 2, 5. 25 B. G. Niebuhr, Römische Geschichte, Vorrede zum1. Teil, Erste Ausgabe = Berichtigte Ausgabe (1853) X: „ DieGeschichte dervier ersten Jahrhunderte Roms ist anerkannt ungewiß und verfälscht“ .

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Königtum

wird. Vielleicht läßt sich ihnen eine Antwort

aufdie soeben gestellte Frage entlok-

ken.

Die Statuen derKönige auf demKapitol

werden

in derÜberlieferung zumer-

sten Mal fürdasJahr 133 v. Chr. erwähnt26, aber sie waren älter, wie sich ausihrer Naturalis Historia“ergibt. Freilich stammen sie Beschreibung bei Plinius in der „ nicht

aus der Königszeit selbst, wie Plinius anzunehmen scheint. Dagegen

spre-

chen vielerlei Gründe, vor allem der, daß der Jupitertempel erst nach dem Sturz desletzten Königs eingeweiht wurde, sodann auch dieTatsache, daßdieKönige ab NumaPompilius mit derTunika unter derToga dargestellt waren, waserst gegen Ende des4. Jahrhunderts v. Chr. möglich erscheint. Schließlich läßt dieGenese der Gestalt

desBrutus, dieja als integrierender Bestandteil derKönigsgruppe zugelten

hat, eine statuarische Ausprägung erst um 300 v. Chr. zu. Solche und ähnliche Gründe haben T. Hölscher veranlaßt, für die Entstehung der Statuengruppe eben dieZeit um300 v. Chr. anzunehmen. Lediglich die Statuen des Romulus unddes Titus Tatius (ohne Tunika unter derToga) könnten nach ihmetwas älter sein27. Im

Römischen Geschichte“ übrigen hatte schon Th. Mommsen im 1. Band seiner „ um300“vertreten28. (1854) denZeitansatz „ Es ist gewiß kein Zufall, daß das erste Denkmal aus Roms Frühzeit, das sich sicher datieren läßt, in die Zeit um300 v. Chr. gehört. Gemeint ist die Statue der Wölfin mit den Zwillingen Romulus undRemus, welche die beiden Ogulnii im Jahre 296 v. Chr. amFußdespalatinischen Hügels aufstellen ließen29. Es ist wahrscheinlich dieses Denkmal, das auf den zwischen 269 und266 v. Chr. in Rom geprägten Didrachmen erscheint (Abb. 11). AufderRückseite dieser Stücke steht die Wölfin nach rechts. Ihr Kopf wendet sich nach unten denZwillingen Romulus und Remus zu,die sie säugt. ImAbschnitt liest man: ROMANO fürRomanorum30. Das Motiv wurde später auch bei derDenar-Prägung verwendet. Im Jahre 137 v. Chr. setzte es der Münzmeister Sex. Pompeius Fostlus auf die Rückseite eines von ihm geprägten Denars (Abb. 12). Die Szene ist bereichert durch den Hirten Faustulus, der links im Bild erscheint, sowie durch den Feigenbaum (fìcus Ruminalis) in der Bildmitte. Im Abschnitt steht: ROMA. Die Legende lautet: SEX(tus) PO(mpeius) FOSTLVS31. DerMünzmeister Fostlus wollte mit demDenar auf die Abkunft seines Geschlechts von Faustulus, dem Pflegevater der Zwillinge Romulus undRemus, aufmerksam machen. Mantrifft hier also wieder auf die in der römischen Republik so beliebte genealogische Anknüpfung an berühmte Vorfah-

26 App. bell. civ. 1, 16 (§ 70). Hier findet sich diegenaueste Angabe zumStandort der Statuengruppe: κ α τ ὰτ ρ α ς(sc. το ο ). Zur area Capitolina als Aufstellungsort für Ehῦ ύ ὰ ςθ ῦἱερ renstatuen in republikanischer Zeit vgl. G. Lahusen, Untersuchungen zur Ehrenstatue in Rom

9. (1983) 7– 27 T. Hölscher, Die Anfänge derrömischen Repräsentationskunst, MDAI (R) 85, 1978, 328– 331. Hölscher interpretiert die schriftliche Überlieferung, insbesondere Plin. nat. hist. 33, 9. 24; 34, 23, mit äußerster Sorgfalt undin aller Ausführlichkeit. 22– 28 Th. Mommsen, Römische Geschichte I (1854) 300. Wie Vessberg (Anm. 5) 83 Anm. 2 gesehenhat, ist derbetreffende Passus seit der 11. Auflage (1912) fortgefallen. 12. 29 Liv. 10, 23, 11– 30 Crawford Nr.20/1. 31 Crawford Nr. 235/1c.

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Politik

ren. Ich binüberzeugt, daßauch die Statuengruppe derKönige unddesBrutus auf demKapitol diesem Bestreben wenn nicht ihre Entstehung, so doch ihre Ausgestaltung verdankt. Romulus war, wie die Ogulnierwölfin amPalatin beweist, um300 v. Chr. als Stadtgründer bekannt. Es ist daher gut vorstellbar, daß er in dieser Eigenschaft bereits durch eine Statue geehrt worden war, diedort ihren Platz erhalten hatte, wo derhöchste Gott desvonRomulus gegegründeten Staates verehrt wurde: auf dem Kapitol. UnddaTitus Tatius nach demZeugnis desPlinius in dergleichen Tracht dargestellt warwie Romulus, kann manannehmen, daßseine Statue sogleich oder wenig später derdes Romulus beigesellt worden war, wieja auch beide vereint an derVia sacra standen. Letzteres berichtet jedenfalls derVergil-Kommentator Servius32.

Wie für die Wölfin der Ogulnii, so darf auch für die Statue des Romulus auf demKapitol ein nationalrömisches Interesse vorausgesetzt werden. FürTitus Tatius kann jedoch ein solches nurbedingt in Ansatz gebracht werden, da es in Rom einflußreiche Geschlechter, wie die Valerii undClaudii, gab, die wegen ihrer sabinischen Herkunft ein gentilizisches Interesse daran haben konnten, daßder Sabinerkönig Titus Tatius die gleiche Ehre wie Romulus erhielt33. Für die übrigen Könige mußdieses gentilizische Interesse in noch viel stärkerem Maße als Grund für die Aufstellung ihrer Statuen in Betracht gezogen werden, undzwar in der Form einer direkten genealogischen Anknüpfung an einen bestimmten König. In dieser Hinsicht ist derNachweis, den E. Gabba geführt hat, von großer Bedeutung, daß die Inanspruchnahme Numas als Ahnherrn durch die Pinarii in die erste Hälfte des 4. Jahrhunderts v. Chr. oder in gar noch frühere Zeit zurückgehen muß, als das Geschlecht in Blüte stand34. So darf angenommen werden, daßauch die auf Münzen spät bezeugten Anknüpfungen in frühere Jahrhunderte zurückreichen, wobei gerade die Zeit um 300 v. Chr. bevorzugt in Frage kommt. Z. B. spielten die Marcii zu dieser Zeit eine maßgebende Rolle. Von C. Marcius Rutilus, demKonsul desJahres 310 v. Chr., gilt dies ebenso wie für Q. Marcius Philippus, denKonsul von 281 v. Chr.35. Selbst daß ein Tarquinier, Tarquinius Priscus, durch eine Statue geehrt worden ist, ließe sich mit demAnsehen des tuskulanischen Fürstengeschlechts derMamilii in Verbindung bringen, dasmit denTarquiniern verwandt war. L. Mamilius Vitulus war 265 v. Chr. Konsul, sein Bruder Quintus 262 v. Chr.36.

32 Serv. Aen. 8, 641. 33 Zu den gentes, für die sabinische

Herkunft erwiesen ist oder behauptet wird, vgl. J. Poucet, 124. Les Sabins aux origines deRome, ANRW I 1 (1972) 120– 34 Gabba (Anm. 7) 160. 35 F. Münzer, Römische Adelsparteien undAdelsfamilien (1920,21963) 63, stellt für C. Marcius Rutilus fest, daß er „ im Jahre 300 nicht nur aus der Plebs, sondern aus der ganzen Bürger. ZuQ. Marcius Philippus s. Münzer a. O. 64 undausführlich van schaft auffällig herausragte“ 57. Ooteghem (Anm. 11) 45– 36 Octavius Mamilius hatte eine Tochter desKönigs Tarquinius Superbus geheiratet (Liv. 1, 49, 9; Dionys. Hal. 4, 45, 1) undseinem Schwiegervater nach dessen Vertreibung seine Hilfe angedeihen lassen (Cic. Att. 9, 10, 3). ZurÜbersiedlung derMamilii nach Romundihrer Nobi68. litierung vgl. Münzer a. O. 66–

Königtum

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Wiegesagt, dieVervollständigung derKönigsgruppe vordemKapitolinischen Tempel dürfte mit größter Wahrscheinlichkeit auf denEhrgeiz derführenden Geschlechter zurückgehen, ihr Alter undihre Bedeutung möglichst hoch hinaufzudatieren37. Natürlich bleibt die Frage, warum sie sich nicht scheuten, einen König als Ahnherrn in Anspruch zu nehmen, wodoch das Königtum ein gewaltsames Ende gefunden hatte, die Erinnerung an diese Zeit also zumindest getrübt war. Ich halte es für möglich, daßdies seinen Grund hatte in demAnspruch dergens lunia, mit L. Iunius Brutus denBegründer der römischen Republik als Ahnherrn zu haben, vorallem dann, wenn sie diesen Anspruch monumental erhob, nämlich durch eine Statue auf dem Kapitol. Das würde allerdings bedeuten, daß die Brutus-Statue als Pendant zuderdesRomulus, eventuell noch derdesTitus Tatius, aufgestellt wordenwäre. Die Könige vonNumaPompilius bis Servius Tullius wären dann später umBrutus genealogisch zuübertrumpfen. hinzugekommen – Wie demaber auch sei –die Statue des Brutus erfordert besondere Aufmerksamkeit. Man ist sich in der Forschung weitgehend darüber einig, daß zwischen jenem Brutus, denwirausderÜberlieferung als Befreier vonderKönigsherrschaft kennen, unddergens lunia des 4. Jahrhunderts v. Chr. ein Abgrund klafft38. An der vondenIunii behaupteten Verbindung haben schon die Römer selbst Anstoß genommen, weil in derLegende, die vonjener frühen Zeit erzählte, Brutus seine beiden Söhne hinrichten ließ. Es mußte erst ein dritter Sohn hervorgezogen werden, umder Anknüpfung eine gewisse Glaubwürdigkeit zu verleihen39. Bestehen blieb aber die Tatsache, daßdie Iunii derhistorisch hellen Zeit Plebejer waren, während der Freiheitsheld Brutus ein Patrizier gewesen sein müßte. Hier hat die moderne Forschung angesetzt. Sie hatdarauf hingewiesen, daßdieIunii erst imLaufe des4. Jahrhunderts v. Chr. zueinem bedeutenden Geschlecht heranwuchsen, daßsie erst durch dasKonsulat desD. Iunius Brutus Scaeva imJahre 325 v. Chr. in dieNobilität aufstiegen40. Sie hat ferner auf die lex Ogulnia des Jahres 300 v. Chr. als terminuspost quem fürdie Manipulation derKonsulliste zugunsten desFreiheitshelden Brutus aufmerksam gemacht. Denn erst die Zulassung der Plebejer zum Priesteramt derpontifices durch die lex Ogulnia ermöglichte jene Manipulation41. Diese 37 Noch über die Königszeit

38 39

40 41

hinaus griffen diejenigen Familien, die sich trojanischer Abkunft rühmten. AmEnde der Republik waren das etwa 50 (Dionys. Hal. 1, 85, 3). Von Varro ist eidefamiliis Troianis“bekannt. DazuH.J. Bäumerich, Über die neAbhandlung mitdemTitel „ Bedeutung der Genealogie in der römischen Literatur (Diss. Köln 1964) 41– 62 mit Fragment15). sammlung (12– Dasprägnante Bild vom„Abgrund“findet sich bei Münzer a. O. 336. Es war der Geschichtsschreiber Poseidonios, der den unmündigen dritten Sohn des Brutus ausfindig machte (Plut. Brut. 1, 7). T. Pomponius Atticus fertigte fürdenjüngeren Brutus (den Caesarmörder) einen kompletten Stammbaum seiner Familie an,über denCicero (Att. 13,40, μ α ) lustig machte. η 1) sich als „Kunststück“(φ τέχ ο ν ιλ NachR. Werner, DerBeginn derrömischen Republik (1963) 265 Anm. 1, hätten dieIunii erst seit demKonsulat desD. Iunius Brutus Scaeva (325 v. Chr.) jenen Brutus, derinderKönigssage als „ derBlöde“figuriert, als ihren Ahnbeansprucht. Aufdie lex Ogulnia (300 v. Chr.) als terminus post quem für die Interpolation des L. Iunius Brutus indieKonsulliste, undzwaranderen Spitze, hatE. Gjerstad, Legenden undFakten der frühen römischen Geschichte, in V. Pöschl (Hrsg.), Römische Geschichtsschreibung, 1969, 423, hingewiesen. Er zählt auch die führenden Iunii derZeit um300 v. Chr. auf, außer dem

44

Politik

modernen Erkenntnisse zwingen im Verein mit denantiken Bedenken zu derAnnahme, daßdie Gestalt des Brutus erst in derZeit um300 v. Chr. so ausgeformt wurde, wie sie dann in die Überlieferung eingegangen ist. Dasheißt aber, daßdie Aufstellung der Statue des Brutus auf demKapitol diesem Vorgang (man könnte fast sagen) derMenschwerdung Ausdruck verlieh. Natürlich möchte mangerne wissen, wiedie Statue desBrutus auf demKapitol ausgesehen hat. In derspäten Republik behaupteten einige Mitglieder dergens lunia, sie sähen jener Statue ähnlich. Daher darf manannehmen, daß das Porträt des Freiheitshelden, welches der jüngere Brutus im Jahre 59 v. Chr. auf seine Münzen setzte, demKopf jener Statue nachgebildet war42. Eine gewisse Ähnlichkeit zwischen diesem Münzporträt unddembronzenen Porträtkopf imKonservatorenpalast in Rom hat dazu geführt, diesen als „ Brutus“zu bezeichnen (Abb. 13). Der Kopf stammt von einer überlebensgroßen Bronzestatue undvermag durchaus eine Vorstellung von jenen Statuen vor dem Kapitolinischen Tempel zu geben. Auch die Entstehungszeit paßt: Die Kenner setzen den sogenannten Brutus in die erste Hälfte des 3. Jahrhunderts v. Chr43. Der Statue des Brutus vor demKapitolinischen Tempel kommt, wie sich gezeigt hat, eine Schlüsselrolle bei der Deutung der ganzen Gruppe zu: Es spricht einiges dafür, daßdie Aufstellung dieser Statue dazu geführt hat, daß aus gentilizischem Ehrgeiz sozusagen im Gegenzug die Könige vonNuma Pompilius bis Servius Tullius aufgestellt worden sind. Aber auch wenn das nicht der Fall gewesen sein sollte, hat die Brutus-Statue als Kontinuitätsfaktor gewirkt: Sie stand mitten unter denKönigen, warmit ihnen aufs innigste verbunden, verknüpfte Königszeit undRepublik. Anders ausgedrückt: Sie machte die Könige zumaiores im republikanischen Sinne. Dabei deutete nichtsdestoweniger dasSchwert desBrutus darauf hin, daßer RomvomKönigtum befreit hatte. Indem er sozusagen andie Stelle des Tarquinius Superbus getreten war, eliminierte er die Entartung desKönigtums und ermöglichte dadurch eine positive Gesamtwertung der Königszeit. Es blieb der Geschichtsschreibung vorbehalten, die Rolle der einzelnen Könige genauer zu beschreiben, undes fand sich schließlich auch jemand, der ein Gesamtbild des römiÜber den Staat“ schen Königtums zeichnete: Cicero in seinem Werk „ 44. oben genannten Konsul von325 v. Chr. vor allem denvon 317 v. Chr.: C. Iunius Bubulcus Brutus sowie beider Söhne, die Konsuln von 292 bzw. 291 v. Chr. Fertig ausgebildet war die genealogische Verbindung, als L. Accius für seinen Gönner D. Iunius Brutus Callaicus (cos. 138v. Chr.) diePrätexta „Brutus“schrieb, vgl. Münzer a. O.336 Anm. 1. 42 Plut. Brut. 1,8. FürdenAbbildcharakter desMünzporträts zurStatue aufdemKapitol hatsich

zuletzt Lahusen (Anm. 15)46 ausgesprochen. Brutus steht inderSala deiTrionfi, links vomEingang: T. Dohrn, in: H.Helbig, Führer durch die öffentlichen Sammlungen klassischer Altertümer in RomII4 (1966) Nr. 270). Zuletzt ausführlich W. H. Groß, Zum sogenannten Brutus, in: P. Zanker 1449 (S. 268– 580. (Hrsg.), Hellenismus in Mittelitalien I (1976) 564– 64) unddie DarstelEs handelt sich umdie sogenannte Königsrede Scipios im 1. Buch (54– 40). Vgl. dazu R. Klein, Königtum undKönigszeit bei lung der Königszeit im 2. Buch (4– 31; J. Michelfeit, Der König und sein Gegenbild in Cicero (Diss. Erlangen 1961), 1962, 15– 287. Weitere Literatur bei P. L. Schmidt, Cicero , Philologus 108, 1964, 262– Ciceros „Staat“

43 Dersogenannte

44

303. ‘Dere publica’, ANRW I 4 (1973) 297–

Königtum

45

DenAbschluß möge eine kurze Bemerkung zumVerhältnis vonmonumentaler undliterarischer Überlieferung bilden! T. P. Wiseman hat kürzlich anhand einer Stelle aus den „ Metamorphosen“des Apuleius auf den Vorrang der Monumente vor der Historiographie hingewiesen, undzwar gerade in bezug auf deren zeitliches Verhältnis45. In unserem Falle ist dieses Verhältnis von hoher Bedeutung. Denn wenn tatsächlich die Statuengruppe der Könige unddes Brutus um 300 v. Chr. oder sagen wir: in der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts v. Chr. errichtet wurde, dann liegt sie demBeginn der literarischen Überlieferung beträchtlich voraus. Mankann dasNationalmonument auf demKapitol dann geradezu als Archetypus der geschichtlichen Überlieferung der römischen Frühzeit bezeichnen. Undnoch etwas: Die Monumente gaben das Bild der Frühzeit Roms an alle Römer, nicht nur, wie die Geschichtsschreibung, an die gebildeten Römer weiter. Die Könige standen jedem Römer leibhaftig vorAugen, sie gehörten zumGeschichtsbild auch desletzten Proletariers.

45 T. P. Wiseman,

Monuments andthe Roman Annalists, in: I. S. Moxon, J. D. Smart, A. J. Woodman (Hrsg.), Past Perspectives (1986) 87– 100. Die Apuleius-Stelle findet sich in den 29, 2. Dazu Wiseman 87– 88: „First comes the res gesta, the exploit Metamorphosen 6, 28, 3– worthy of record; then the rewards for achievement, honores andthe triumph; then the monumentum to preserve the memory of the deed; then the celebration of it by story-tellers and learned historians, fortheunlettered multitude andthe literate élite respectively.“

Abbildungen:

7 u. 12: 1–

10: 8–

9 u. 13: 11:

Institut fürAlte Geschichte derUniversität Mainz (Angelika Schurzig) Hirmer Verlag, München Deutsches Archäologisches Institut, Rom Römisch-Germanisches Zentralmuseum, Mainz

Cicero undder Aufstieg Oktavians* Der Aufstieg vomPrivatmann zumKonsul des römischen Staates, den Oktader Großneffe undTestamentserbe Caesars, im Alter von 19 Jahren (44/43 v. Chr.)2 bewerkstelligte, bildet für die Forschung ein Problem ersten Ranges3 . Es läßt sich auf dieFrage reduzieren: Verdankte er diesen Aufstieg weitgehend fremder Hilfe oder war es vor allem die eigene Leistung, die ihm den spektakulären darunter könnte manauch denZufall verstehen, Erfolg bescherte? Fremde Hilfe – der im Leben historischer Persönlichkeiten oft eine Rolle gespielt hat. Im Falle , die Oktavians spricht R. Syme gar voneiner „ Serie vonZufällen undWundern“ seinen Aufstieg ermöglichten4. Indes soll im folgenden nicht etwa das Fatum als Wegbereiter Oktavians beschworen werden5. Mit fremder Hilfe sind hier ganz konkret die Dienste gemeint, die andere historische Persönlichkeiten ihmgeleistet vian1 ,

haben. Hilfe in diesem Sinne erfuhr Oktavian zweifellos von seinem Adoptivvater Junge, Caesar, derihmmit seinem Namen sozusagen dasTorzumErfolg öffnete: „ , hielt ihmAntonius in einem Brief vor, der duverdankst ja alles deinem Namen“ am20. März 43 v. Chr. in Rombekannt wurde6. Caesar wares auch, derOktavian durch die testamentarische Erbeinsetzung in denBesitz einer Klientel brachte, die ihmganz handfeste Hilfe bei seinem Sprung in die Politik darbot (Schmitthenner

*

1

2

3 4

5 6

189. in: Gymnasium 92, 1985, 161–

DerAufsatz geht aufmeine Mainzer Antrittsvorlesung vom17. 4. 1975 zurück. In Vortragsformhabe ichdasThema auchandenUniversitäten Innsbruck (14. 6. 1978) undFrankfurt am Main (20. 6. 1979) behandelt. DenKollegen, die mich dazu eingeladen hatten, F. Hampl und E. Ruschenbusch, möchte ichauchhier meinen Danksagen. Diemoderne Benennung kann sich aufCic. Att. 15, 12,2, u.ö. Octavianus bzw. Cic. fam. 12, 13, 2. 25, 4 Caesar Octavianus stützen. Sie führt auf den Geburtsnamen C. Octavius, dessen Gentile in derForm auf-anus bei derAdoption demneuen Namen hätte hinzugefügt werden können. Das aber tat Octavius nicht; er nannte sich nur Caesar (vgl. Cic. Att. 14, 12, 2). Ausführliche Behandlung derNamenfrage durch W. Schmitthenner, Oktavian unddasTestament 76. Cäsars (2München 1973) 65– Oktavian vollendete am23. September 44 v. Chr. sein 19. Lebensjahr (geb. 63 v. Chr.). Zur Altersangabe im ersten Satz der Res gestae: annos undeviginti natus vgl. jetzt die so überschriebenen Bermerkungen von S. Lauffer in: Althistorische Studien H. Bengtson zum70. 177. Geburtstag dargebr. (Historia Einzelschriften 40), Wiesbaden 1983, 174– Vgl. D.Kienast, Augustus (Darmstadt 1982) 1. Theascension of Caesar’s heir R. Syme, TheRoman Revolution (Oxford 1939, ND1979) 1: „ . hadbeena series ofhazards andmiracles“ DashatHoraz getan, dercarm. 4, 2, 38 Augustus als Geschenk desFatum (und derGötter) bezeichnet, fata donavere bonique divi. Phil. 13, 24 et te, o puer, qui omnia nomini debes. Cicero hielt seine 13. Philippica am20. März 43 v. Chr. Der Brief des Antonius wurde darin Stück für Stück vorgetragen undkommentiert. Rekonstruktion des Briefes (deutsch): M. Fuhrmann, M. Tullius Cicero, Sämtliche 398. Reden, Bd. VII (Zürich-München 1982) 395–

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Politik

[o. Anm. 1] 43. 89 f.). Vor allem Oppius und Balbus, die engsten Vertrauten Caesars, waren Helfer vonunschätzbarem Wert7. Die Helferrolle dieser beiden Männer ist nunvonA. Alföldi in seinem Buch „ Oktavians Aufstieg zur Macht“gewissermaßen potenziert und auf die Formel gebracht worden, Oppius undBalbus seien „ als verantwortlich für denblitzschnellenAufstieg Oktavians zubetrachten“ . Dabei deutet dasWort „verantwortlich“an, daß Alföldi die Leistung der beiden Caesarianer höher einstuft als die Oktavians8. Diese Bewertung stellt eine Reaktion auf das Ergebnis dar, zu demW. Schmitthenner in seiner Untersuchung „ Oktavian unddasTestament Cäsars“gelangt war. Schmitthenner hatte die ArtundWeise, wie Oktavian vondemTestament Caesars Gebrauch machte, auf dessen „ außergewöhnliche Fähigkeit“ zurückgeführt (Schmitthenner 92). Es ist dieFrage, ob dievonAlföldi undSchmitthenner gewählten ‘Prüfsteine’ geeignet sind, auf das eingangs formulierte Forschungsproblem eine Antwort zu geben. Beim Testament Caesars läßt sich nicht mit Sicherheit entscheiden, ob Oktavian hinsichtlich der Adoption wirklich mehr aus ihm gemacht hat als es ‘normal’ für ihn hergab9 . Undin bezug auf die Dienste von Oppius undBalbus lassen die Quellen keine Entscheidung darüber zu, inwieweit sie von Oktavian erbeten oder ihm angetragen wurden10. Unter diesen Umständen erscheint es angebracht, voneiner besseren Möglichkeit Gebrauch zumachen, dieFrage nach der Bedeutung von fremder Hilfe und eigner Leistung beim Aufstieg Oktavians zu beantworten. Eine solche Möglichkeit bietet m. E. die Beziehung Oktavians zu Cicero. Cicero hatdieBedeutung, dieer seiner Rolle beim Aufstieg Oktavians beimaß, ineinen Satz zusammengefaßt, dersich ineinem Brief anM.Brutus vomJuli 43 v. Chr. findet: „Dieser junge Mann ist derQuelle meiner Entschlüsse entsprungen“11. Umgekehrt hat der zum Augustus erhobene Oktavian in seiner Autobiographie sein Verhältnis zuCicero so dargestellt, als habe er, Oktavian, sich die Beredsamkeit unddasMachtstreben Ciceros zunutze gemacht12. Damit läßt sich die nachfolgende Untersuchung auf die Frage zuspitzen: Welchen Anteil hatte Cicero tatsächlich am Aufstieg Oktavians, undwie hoch ist demgegenüber Oktavians eigene Leistung zuveranschlagen? Zuihrer Beantwortung empfiehlt es sich, die Etappen der Beziehungen Ciceros zu Oktavian einzeln zu betrachten. Es sind deren vier, undsie lassen sich mitMarksteinen desAufstiegs Oktavians bezeichnen. 7 8 9 10 11 12

Die diesbezüglichen Hinweise der Quellen bespricht A. Alföldi, Oktavians Aufstieg zur 54. Macht (Bonn 1976) 43– derFührung eines vielseitigen, Alföldi 31; vgl. auch 10, woes vonOktavian heißt, daßer „ bedurfte. überlegenen Routiniers“ ZurDiskussion umdieThese Schmitthenners vgl. zuletzt Kienast (o. Anm.3) 5 f. Syme 131schreibt dieAufnahme derVerbindung mitOppius undBalbus derInitiative Oktavians zu. Vgl. Alföldi 43 f. ad. Brut. 23, 6 (Sjögren) Caesarem hunc adulescentem ... fluxisse ex fonte consiliorum meorum. Plut. Cic. 52, 1 = comp. Dem. cum Cic. 3, 1; vgl. 45, 5 f.(= Imperatoris Caesaris Augusti operum fragmenta, ed. H. Malcovati, 51969, opera historica n. VIII. IX p. 88 sq.).

Cicero

undderAufstieg

Oktavians

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1. Der erste Marsch auf Rom

DerMarsch aufRom, denOktavian imNovember 44 v. Chr. mitdenvonihm aufgebotenen Veteranen Caesars unternahm, hat, demersten Satz der Res gestae zufolge, als Ergebnis die Befreiung der res publica vonder Gewaltherrschaft der factio des Antonius gebracht13. Wortwahl undFügung des Satzes4.weisen größte Ähnlichkeit mit Formulierungen Ciceros aus der 3. Philippica auf1 Besteht auch inbezug aufdenSachverhalt eine Abhängigkeit vonCicero? Die Aufstellung eines Heeres durch Oktavian war die Folge der Feindschaft zwischen ihm unddemKonsul Antonius. Diese hatte im Mai 44 v. Chr. mit der Forderung Oktavians nach Herausgabe des von Antonius in Besitz genommenen 5 Vermögens Caesars begonnen1 und erreichte im Oktober mit dem auf Antonius angeblich verübten undOktavian angelasteten Attentat ihren Höhepunkt16. Beide Kontrahenten verließen Rom, Antonius, umdie Legionen Caesars, die aus dem Osten heimkehrten, in Brundisium zu übernehmen, Oktavian, um in Kampanien ausdort angesiedelten Veteranen Caesars eine Truppe zuformieren1 7. Anfang November 44 v. Chr. wandte sich Oktavian brieflich unddurch den Mittelsmann Caecina anCicero, deraufseinem Landgut bei Puteoli weilte, mitder Bitte, er möge ihmraten, ob er mit denangeworbenen Veteranen nach Rommarschieren oder Antonius bzw. denLegionen sein Augenmerk zuwenden solle (Cic. Att. 16, 8). Nachdem Cicero zumMarsch auf Romgeraten hatte, bestürmte Oktavian ihnmit einer Flut vonBriefen, selbst nach Romzugehen, im Senat die Initiative zuergreifen undein zweites MaldenStaat zuretten18. Die Briefe Ciceros an Atticus aus den ersten Novembertagen lassen keinen Zweifel daran, daßOktavian dietreibende Kraft war, während Cicero sich abwarJener drängt, ich aber suche Ausflüchte“ tend verhielt. „ , heißt es im Brief vom4. 13

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Annos undeviginti natus exercitum privato consilio et privata impensa comparavi, per quem rempublicam a dominatione factionis oppressam in libertatem vindicavi. Phil. 3, 3 C. Caesar adulescens ... necpostulantibus nec cogitantibus ... nobis ... exercitum ... comparavit patrimoniumque suum ecfudit. 5 qua peste privato consilio rem publicam... Caesar liberavit. Wie J. Béranger, Cicéron précurseur politique, in: ders., Principatus (Genf 1973) 128 treffend bemerkt, geht die Übereinstimmung bis in die Klauseln, comparavi –vinliberavit. dicavi bzw. comparavit – Die Nachrichten über die Inbesitznahme des Privatvermögens Caesars durch Antonius hat 82 überprüft. Zum Streit um die Herausgabe an Oktavian vgl. dens. 85– 92. Zur Alföldi 80– Chronologie E. Becht, Regeste über dieZeit vonCaesars Ermordung bis zumUmschwung in der Politik des Antonius (Diss. Freiburg i. Br. 1911) 61. DieBerichte über dasgeheimnisumwitterte Attentat referiert U. Ehrenwirth, Kritisch-chronologische Untersuchungen für die Zeit vom 1. Juni bis zum9. Oktober 44 v. Chr. (Diss. Mün-

95. chen 1972) 93– 17 Als Tag derAbreise desAntonius

18

steht der9. Oktober fest (Cic. fam. 12, 23, 2), Oktavians Aufbruch erfolgte wenig später, vgl. Ehrenwirth 95. Über sein Vorgehen in Kampanien vgl. H.Botermann, DieSoldaten unddierömische Politik inderZeit vonCaesars Todbis zurBegründung deszweiten Triumvirats (München 1968) 36– 43. Cic. Att. 16, 8, 2 (2. 11.) equidem suasi, utRomam pergeret. 16, 9 (4. 11.) binae unodie mihi litterae ob Octaviano. 16, 11, 6 (5. 11.) ab Octaviano cotidie litterae, ut negotium susciperem. Capuam venirem, iterum rempublicam servarem, Romam utique statim.

50

Politik

VondenVorschlägen Oktavians ist hier derbesonders wichtig, welcher Cicero dieRettung desStaates ansHerz legte. Erzeigt nämlich, daßOktavian sich darüber im klaren war, daßdurch dasvonihmeingeleitete Unternehmen der Staat gerettet werden könnte, wenn Cicero sich dafür einsetze. Cicero konnte es nicht, daeine Senatssitzung vor dem 1. Januar 43 v. Chr. kaum möglich war, und erwollte es auch nicht, dadieGesinnung Oktavians ihmKopfzerbrechen machte2 0. So wardenn Oktavian nicht nurbei seinem Marsch auf Rom, sondern vor allem bei seinen Handlungen inderStadt aufsich selbst gestellt.

November19.

DerAufenthalt Oktavians in Romhatte seinen

Höhepunkt

in derRede, die er,

wohl am 10. November, an das durch denVolkstribunen Ti. Cannutius auf dem Forum versammelte Volk hielt. Oktavian kennzeichnete in dieser Rede sein Unter-

nehmen als zum Schutz der Stadt erfolgt, under bekundete seine Absicht, dem Staat gegen die befürchtete Tyrannis des Antonius zur Verfügung zu stehen21. Er mußdabei prägnant von der Rettung des Staates gesprochen haben, welche man vonihmerwarten dürfe. Denn Cicero kommentierte dieRede Oktavians gegenüber Atticus mit demBekenntnis: „ Von einem, der sich so benimmt, möchte ich aber 22! nicht gerettet werden“ Cicero spielte damit speziell aufdie Szene an, in derOktavian die Rechte zur Statue Caesars erhob unddenSchwur tat: „ So wahr ich die 23! Ehren meines Vaters erlangen möchte“ Zwei Dinge müssen in bezug auf die Rede Oktavians in der Contio des Cannutius festgehalten werden:

μ ι. M. Bellincioni, Cicerone politico nell’ultiα τ π ο 19 Cic. Att. 16, 9 ille urget, egoautem σκή moanno di vita (Brescia 1974) 230 f. betont mit Recht, daßOktavian „eine raffinierte psychologische Taktik“ anwandte.

20 Att. 16, 9 velle se (sc. Octavianum) remagere per senatum. cui ego nonposse senatum ante Kal. Ian. ... nonconfido aetati, ignoro, quoanimo. ZurSkepsis Ciceros in bezug aufOktavian vgl. 16, 8, 1 vide nomen, vide aetatem undschon 15, 12, 2 (10. 6. 44). Ciceros Situation insgesamt beleuchtet das Eingeständnis: numquam in malore ἀ ρ ίᾳ fui Att. 16, 8, 2). ο π σ ν ε ῄ ε νὡ α ὶ ςκ ά ν τ ἱἐπ ςο τ τ α α σ ιώ ή ὺ ςτο ςὰκολουθ ὺ ςστρα 21 Cass. Dio45, 12,5: το ρ ία ντ ῆ ρ ὸ ο υ ςπ ικ π ςἐπ εἐ ό ρ ντ ό ό α λ ν τ τ α ςκ ὶἑαυ ο ε ω ὶπ ρ ελ τ ςπ α ο ν ἐθ ῇπ τ ὐ ᾽α η ς τ έ ίδ ο ςὑπ ερ τρ ῆ α ατ ςπ τ ητ ά ν εἐ μ έν ο ςπ υ ς . App.b. c. 3, 41 (§ 169): ἔφ ισ κ εχ ειρ ο . ς ιμ ν ἕτο ιο ν ρ ὸ α ικ θ ςἈντώ ο ο α ὶἐ ςἔσεσ π ν ν ὺ ὰ ςτ κ α ὶκατήκ τ ιο ετο ύ νὑ ο υ ! η δ θ ὲσ π ε ω ίη όγ 22 Att. 16, 15, 3 μ 23 Att. 16, 15, 3 iurat, ita sibi parentis honores consequi liceat, et simul dextram intendit ad 82 versteht die Stelle, abstatuam. H. Gesche, Die Vergottung Caesars (Kallmünz 1968) 79– weichend vondercommunis opinio (vgl. zuletzt Chr. Habicht, Augusteische Zeit und1. Jh. n. Chr., in: Le culte dessouverains dans l’empire romain, hrsg. vonW.denBoer, VandoeuvresGenève 1973, 53), als Versprechen Oktavians, seinem Vater dieEhren zuverschaffen, diefür ihnbeschlossen worden waren. Diese schon vonE. Ciaceri, Cicerone e suoitempi II (Mailand 1926) 351 vertretene Interpretation (dagegen H. Frisch, Cicero’s Fight for the Republic, Kopenhagen 1946, 150, Anm.34) wirdm.E. durch Cic. adBrut. 25, 2 widerlegt. Brutus spricht hier gegenüber Atticus in ironischem TonvondenEhrungen, dieCicero fürOktavian erwirkt damit er sich nurja nicht hat, neeiuspudeat concupiscere fortunam, cuius nomen susceperit („ , H.Kasten, Tuscheut, die Stellung dessen zubegehren, dessen Namen er angenommen hat“ sculum-Ausgabe derEpist. adBrut., München 1965, 261). Ich sehe in dieser Stelle eine Anspielung aufOktavians Schwur.

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1. daßOktavian nach derAufforderung an Cicero, denStaat zuretten, erneut diese Formel, nunmehr auf sich bezogen undin aller Öffentlichkeit, gebrauchte; 2. daßer denMarsch aufRomals Demonstration seiner Absicht, demStaat zu helfen, verstand, dieRettung als solche aber nurinAussicht stellte. Wendet mansich mit diesem Ergebnis demersten Satz der Res gestae zu, so fällt auf, daßdieRettung desStaates, vonderOktavian in derContio desCannutius sozusagen nurim Potentialis gesprochen hatte, in denRes gestae in denRealis erhoben, d. h. als Erfolg des mit der Heereswerbung in Gang gesetzten Unternehmensdargestellt ist. Entspricht diese Darstellung denTatsachen? Oktavians Versprechen, mit seiner Streitmacht den Staat vor Antonius zu schützen, hatte zurFolge, daßderGroßteil derVeteranen ihnausAbneigung gegen eine solche Auseinandersetzung verließ. Er war daher genötigt, den Rest seiner Truppe vor demmit der legio VAlaudae anrückenden Konsul Antonius aus Rom nach Etrurien (Arretium) zu führen, umneue Kräfte zu sammeln24. Antonius hielt sich nurkurze Zeit in Romauf, weil derAbfall zweier Legionen ihn zumHandeln zwang: am 28. November begab er sich zu den ihm treu gebliebenen Legionen nach Tibur undsetzte sie in Marsch nach Gallia Cisalpina25. Die beiden abgefallenenLegionen, die legio Martia unddie legio IV, stellten sich in Alba Fucens unter das Kommando Oktavians2 6, der so in den Besitz eines schlagkräftigen Heeres gelangte. Aber weder mit diesem noch mit den neuformierten Veteranen unternahmereine Aktion, welche er als Befreiung desStaates hätte bezeichnen können. Die Auffassung derHandlungen Oktavians –vonderVeteranenwerbung über den Marsch auf Rom bis zur Übernahme der beiden Legionen –als Rettung des Staates beruht auf einer ganz bestimmten Sicht derDinge, unddiese Sicht ist diejenige Ciceros. Sie fand ihren Ausdruck in der 3. Philippica, die am20. Dezember 44 v. Chr. gehalten wurde, als derSenat doch vorzeitig zusammentrat. Cicero waram9. Dezember nach Romgekommen27. In denTagen bis zum20. Dezember reifte in ihm der Entschluß, das Anfang November an ihn ergangene Angebot Oktavians anzunehmen. Andiesem Entschluß hatte sowohl diepolitische Lage als auch diePersönlichkeit Ciceros ihren Anteil.

174). Dem Bericht Appians zufolge trat Oktavian den Marsch nach 24 App. b. c. 3, 42 (§ 170– Desertionen“an. Demgegenüber möchte M. Sordi, Ottaviano Etrurien unter demZwang der„ 17 in ihm eher eine taktische Maßnahme gegen e l’Etruria nel 44 a. C., Studi Etr. 40, 1972, 3– dienachGallia Cisalpina marschierenden Legionen desAntonius sehen. Diese Vermutung beruht auf der Anzweiflung des Aufbegehrens der Veteranen gegen Oktavian in Rom. Deren Handlungsweise ist aber sehr wohlverständlich undderBericht Appians folgerichtig, vgl. Bo45. H.Aigner, Die Soldaten als Machtfaktor in derausgehenden Retermann (o. Anm. 17) 43– publik (Innsbruck 1974) 80 f. 25 Über Antonius’ Aufenthalt in Romundseine Reaktion auf denAbfall derbeiden Legionen 155. vgl. Frisch 151– 26 Cic. Phil. 11, 20 legio Martia et legio quarta ita se contulerant adauctoritatem senatus et rei publicae dignitatem, utdeposcerent imperatorem et ducem C. Caesarem. ZurBedeutung von deposcere vgl. P. Herrmann, Derrömische Kaisereid (Göttingen 1968) 86, Anm. 104. 27 fam. 11, 5, 1, Romam autem veni a. d. VId. Dec.

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Politik

Antonius warim Begriff, Gallia Cisalpina auf Grund der lex depermutatione 8 provinciarum2 in Besitz zunehmen. DaßD. Brutus, derStatthalter dieser Provinz, sich Antonius widersetzen würde, waranzunehmen, aber nicht ganz sicher. Cicero beschwor ihngleich am9. Dezember undeinige Tage später nochmals, so zuhandeln. Dasrömische Volk erwarte, daßer (Brutus) es vonderGewaltherrschaft des Antonius befreie. Gelange dieser in denBesitz derProvinz, so sei keine Hoffnung aufRettung mehr29. Imletzteren derbeiden Briefe erwähnte Cicero auch die Veteranen Oktavians unddiebeiden Legionen; sie hätten sich entschlossen, gegen Antonius die Verteidigung des Staates zu übernehmen30. Ciceros Ausdrucksweise gegenüber D. Brutus beweist eindeutig, daßer Mitte Dezember 44 v. Chr. die Befreiungstat als noch nicht erfolgt ansah; im Rückblick (Mitte Juli 43 v. Chr.) sprach er vondiesen Tagen als derZeit, in der„ wiranfingen, die Freiheit zurück-

31.

zurufen“

Wenn Cicero nunam20. Dezember 44 v. Chr., wenige Tage nach denÄußeD. Brutus, Oktavian alsVollbringer jener Befreiungstat pries, so kann dies nurals taktisches Manöver bezeichnet werden, ausgeführt zudemZwekke, das Bündnis, welches Oktavian ihm angetragen hatte, seinerseits zu be2. kräftigen3 Dahinter stand die Erkenntnis, daßOktavians Heer im Augenblick die 3. einzige verfügbare Streitmacht darstellte, die sich gegen Antonius einsetzen ließ3 Angetrieben aber wurde Cicero von der Vorstellung, im Kampf gegen Antonius

rungen gegenüber

die Führung übernehmen zukönnen34. Oktavian hatte sie ihm vor Augen gestellt, die Situation botdieMöglichkeit zuihrer Realisierung. Umalso Oktavian denBeginn ihrer Zusammenarbeit zusignalisieren undihn dem Senat gegenüber als Trumpfkarte auszuspielen, verschaffte Cicero ihm den 28 ZudenQuellen fürdiese am2. Juni 44 v. Chr. beschlossene lex vgl. Ehrenwirth (o. Anm. 16)

15. 6– 29 fam. 11, 5, 2 populum

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33 34

Romanum omnia a te exspectare atque in te aliquando reciperandae libertatis omnem spemponere ... si enim iste provinciam nactus erit, ... spemreliquam nullam video salutis. 11, 7, 2 Caput autem est hoc, ... ut ne in libertate et salute p. R. conservanda auctoritatem senatus exspectes. fam. 11, 7, 2 (von Oktavian) qui tantam causam publicam privato consilio susceperit; (von den Veteranen und den beiden Legionen) quae ... se ad salutem rei p. defendendam contulerunt. adBrut. 23, 7 utenimprimum libertatem revocare coepimus. Der letzte Kontakt mit Oktavian lag einen Monat zurück. Oppius hatte Cicero umden 10. November 44 v. Chr. aufgesucht undihn dringend gebeten, utadulescentem totamque causam manumque veteranorum complecterer (Cic. Att. 16, 15, 3). Cicero stellte damals die Bedingung, Oktavian müsse denCaesarmördern seine Freundschaft bezeigen. Oppius sagte dies zu. Vgl. über die Abmachung Alföldi (o. Anm. 7) 35. 52, deraber Oppius nurals „Sendbote(n) des Balbus“ansieht unddessen Selbständigkeit zustark betont. Cic. adBrut. 23, 7 cumse nondum ne Decimi quidem Bruti divina virtus ita commovisset, ut iamscire possemus atque omnepraesidium esset inpuero. fam. 11, 6 a, 2 (am20. 12. 44 v. Chr. an D. Brutus) appetam huius rei principatum. Gemeint ist hier die Förderung der dignitas des D. Brutus, doch handelte es sich dabei nach Ciceros DaßCicero beiseinem WiedereinVorstellung ja umeine dergroßen politischen Aufgaben. – tritt in die Politik sich vomEhrgeiz leiten ließ, warf M. Brutus ihmvor: ambitiose habe er geρ χ ίαals ιλ α handelt (Cic. ad Brut. 25, 1 [Brutus an Atticus]). Vgl. auch Plut. Cic. 45, 1 φ Motiv.

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Nimbus desErfolgs. Seine Heereswerbung habe RomvordemZugriff desAntoni5. us bewahrt und damit den Staat von dieser Pest befreit3 Es ist nun höchst bezeichnend, daß Oktavian die ihm von Cicero zugeschriebene Rettung des Staates offenbar zunächst nicht einleuchtete. Cicero mußte ihn, wie er am21. April 43 v. daßwirseinem Einsatz unsere Chr. anM. Brutus schrieb, erst davon überzeugen, „ 36. Das aber gelang Cicero vollkommen; Beweis ist der AnRettung verdanken“ fangssatz derRes gestae. Fürdieerste Phase derVerbindung Ciceros mitOktavian ergibt sich damit die Erkenntnis, daß zwar Oktavian den Plan zur Befreiung des Staates von der Gewaltherrschaft desAntonius faßte undmit demMarsch auf Romin Angriff nahm, daßaber erst Ciceros Rhetorik daraus einen Erfolg machte unddiesen zurGroßtat stilisierte. Die ciceronische Verbrämung der Oktober- undNovemberereignisse wurde dann von Oktavian/ Augustus für so bedeutsam angesehen, daß er mit ihr seinen Leistungsbericht begann37 .

2. DasImperium Oktavian hatte Cicero Anfang November 44 v. Chr. wissen lassen, er wolle das, waser vorhabe, im Einvernehmen mit demSenat undnach demRat Ciceros tun38. Der so Aufgeforderte unternahm es am 20. Dezember 44 v. Chr., die Vorstellungen Oktavians in die Tat umzusetzen. In der 3. Philippica brachte er sein Anliegen auf die Formel: publica auctoritas. Was Oktavian aus privatem Ent-

schluß für den Staat getan habe, solle öffentlich (durch den Senat) sanktioniert werden39. Cicero ging in seinem Bemühen, Oktavians Heereswerbung undseinen Marsch aufRomzulegitimieren, so weit, diese Handlungen als auf seinen Rat und

5; vgl. 4, 4. Voraussetzung für die Feststellung, Oktavian habe den Staat befreit, ist, 35 Phil. 3, 3– 358, wie H. Braunert, ZumEingangssatz der res gestae Divi Augusti, Chiron 4, 1974, 343– bes. 352, gezeigt hat, Ciceros Staatsbegriff, dessen wesentliche Komponenten die Stadt Rom undderSenat bildeten. 36 ad Brut. 9, 1 persuasum adulescenti, et maxime per me, eius opera nos esse salvos; et certe, nisi is Antonium ab urbe avertisset, perissent omnia. 37 Es ist natürlich zu berücksichtigen, daß Augustus denersten Satz der Res gestae vor dem Hintergrund derrespublica restituta, d.h. derAnerkennung dieses seines Verdienstes imJahre 27 v. Chr. (Res g. 34) schrieb. Nichtsdestoweniger will der Satz, wie die chronologische Angabe annos undeviginti natus nahelegt, hinsichtlich der in ihm konstatierten Leistung für sich genommen, nämlich auf die Ereignisse im Oktober undNovember 44 v. Chr. bezogen werden. Ch.Wirszubski, Libertas alspolitische Idee imRomderspäten Republik unddesfrühenPrinzipats (Darmstadt 1967) 125weist dafür nochaufdasfolgende eonomine hin. Zuden unterschiedlichen Folgerungen, die ausdemersten Satz derRes gestae gezogen worden sind, vgl. Braunert (o. Anm.35) 345 f. . 38 Att. 16, 9 velle se (sc. Octavianum) remagere per senatum ... ille autem addit „consilio tuo“ 39 Phil. 3, 3. 5. 7. Diegleiche Forderung erhob Cicero imHinblick auf D. Brutus: Phil. 3, 12. Zusammenfassung (auctoritas für Oktavian und Brutus): Phil. 3, 14. Den Inhalt derpublica auctoritas bezeichnet Cicero mit der Wendung: recte atque ordine exque re publica fecisse (vonD.Brutus: Phil. 3, 38; vgl. 5, 36).

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Politik

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seine Aufmunterung hinerfolgt zubezeichnen4 DerSenat billigte Ciceros Antrag undverpflichtete sich, Oktavian, den Veteranen undden beiden Legionen Dank undAnerkennung auszusprechen41. In derSenatssitzung am 1. Januar 43 v. Chr. verfolgte Cicero die Sache Oktavians weiter. Er hielt seine 5. Philippica undstellte denAntrag, Oktavian ein proprätorisches Imperium zuerteilen, ihn in denSenat aufzunehmen undfür die Ämterbewerbung von den Altersvorschriften zu befreien42. Sein persönliches Bekenntnis zu Oktavian vom20. Dezember 44 v. Chr. erweiterte Cicero bei dieser Gelegenheit zu einer förmlichen Bürgschaft: Er verpfändete sein Wort für das 3. Wohlverhalten Oktavians gegenüber derres publica4 Der Senat entsprach am 2. Januar Ciceros Antrag auf Verleihung desImperiums undentschied in modifizierter Form auch über die weiteren Bestandteile seines Antrags positiv44. Fünf Tage später, am7. Januar 43 v. Chr., trat Oktavian in Spoletium durch Auspikation sein Kommando an45. Cicero hatsich vonM. Brutus denVorwurf gefallen lassen müssen, Oktavians Aufstieg ermöglicht zuhaben46. Das Imperium wardie staatsrechtliche Basis, von der aus sich dieser Aufstieg vollzog. J. Carcopino hat deshalb Cicero als den 7. Baumeister der Machtstellung“Oktavians bezeichnet4 Kann aber das SC über „

40 Phil. 3, 19 quorum consiliorum Caesari me auctorem et hortatorem et esse et fuisse fateor. Vgl. 5, 23 Oktavians Veteranenwerbung geschah adprobatione auctoritatis meae. 41 Phil. 3, 38 f.; 4, 4; 10, 23. Vgl. App. b. c. 3, 47 (§ 193); Cass. Dio 45, 15, 3. Der entsprechende Antrag für D. Brutus warvorangestellt: Cic. Phil. 3, 37 f. 42 Phil. 5, 45 Demus igitur imperium Caesari ...; sit pro praetore eo iure, quo qui optimo. 5, 46

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senatorem esse sententiamque loco praetorio dicere, eiusque rationem, quemcumque magistratum petet, ita haberi, ut haberi per leges liceret, si anno superiore quaestor fuisset.. Außerdem beantragte Cicero inbezug aufOktavian Belohnungen fürseine Veteranen (Befreiung vomKriegsdienst, Landzuteilung) unddie zu ihmübergetretenen Legionen (Befreiung vom Kriegsdienst, Landzuteilung, Zahlung der von Oktavian versprochenen Gelder durch den Staat): Phil. 5, 53. Phil. 5, 51 audebo etiam obligare fidem meam, patres conscripti, vobis populoque Romano reique publicae ... promitto, recipio, spondeo, patres conscripti, C. Caesarem talem semper fore civem, qualis hodie sit. ZumRisiko, welches Cicero damit einging, vgl. sein Urteil über Oktavian vomApril 44 v. Chr.: quem(sc. Octavium) negoposse bonum civem, Att. 14, 12, 2. DaßCicero sich dieses Risikos bewußt war, zeigt die in einem Brief anOktavian enthaltene Bitte, er (Oktavian) möge Gewähr leisten, daßseine (Ciceros) Bürgschaft Bestand habe (Cic. ad. Caes. iun. fr. 11 [Purser] tu si meamfidem praestiteris, quod confido te esse facturum), vgl. T. Rice Holmes, TheArchitect of theRoman Empire (Oxford 1928) 41. Über dasVerhältnis vonCiceros Antrag zudenendgültigen Beschlüssen des Senats handelt ausführlich W. Weber, Princeps I (Stuttgart 1936, ND Aalen 1969) 145 f. mit Anm. 569. Weberweist auch darauf hin, daßindenResgestae divi Augusti (c. 1) dieWendung et imperium alswörtliche Wiederholung desAntrags Ciceros“zuverstehen ist (o. Anm.42). mihidedit „ Ortsangabe: Plin. n. h. 11, 190. Tagesangabe: Feriale Cumanum und Fasti Praenestini: V. Ehrenberg/ A. H. M. Jones, Documents illustrating the Reigns of Augustus und Tiberius (2Oxford 1955) p. 44. ad Brut. 12, 2 (Brutus an Cicero). Hier ist allgemein von dendurch Cicero veranlaßten Beschlüssen (decretis tuis) dieRede, durch welche Oktavian emporgekommen sei (ascendisse). J. Carcopino, Les secrets dela correspondance deCicéron (Paris 1947) 166: „l’artisan de sa puissance“ .

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dieVerleihung desImperiums anOktavian als dasalleinige Werk Ciceros betrachtetwerden? Cicero selbst hat seinen Antrag mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit (necessitas) begründet undsich auch M. Brutus gegenüber mit diesem Argument 8. damit meinte Cicero dieNutzbarmachung desprivato verteidigt4 Notwendigkeit – consilio aufgestellten Heeres für die res publica, damit meinte er aber auch die Was ist denn ein Heer ohne Eigengesetzlichkeit einer solchen Heereswerbung. „ , hielt er M. Brutus entgegen4 9. Dasheißt aber letztlich, daßOktavian Imperium?“ auch ohne Ciceros Eintreten für ihn in den Besitz des Imperiums gelangt wäre, eben wegen der im letzteren Sinne verstandenen necessitas50. Für diese Behauptung gibt es einen handfesten Beweis: Appian berichtet voneiner Aktion der Soldaten Oktavians in Alba Fucens, dieihnihrerseits zumPropraetor erheben wollten, weil sie bisher immer von Magistraten geführt worden seien. Als Oktavian dies, weil dem Senat zukommend, ablehnte, wollten sie in Masse oder in Abordnung vor dem Senat ihre Forderung vertreten. Oktavian brachte sie auch hiervon mit demHinweis ab, derSenat werde vonsich ausdiesen Schritt tun, wenn er vonihrem Eifer und seinem Zögern höre51. Dem entspricht es, daß Oktavian bei der Übernahme des Imperiums am 7. Januar 43 v. Chr. in einer Ansprache vor den Soldaten erklärte, derSenat habe ihmihretwegen dasImperium übertragen52. Derbei derVerleihung desImperiums an Oktavian wirksame Automatismus scheint Ciceros Rolle bei dieser Aktion auf die formale Antragstellung zu beschränken. Dem ist jedoch keineswegs so. Ciceros Verdienst liegt freilich auf einemanderen Gebiet: In der 5. Philippica hat er, wie schon in der 3., ein Preislied auf den „göttlichen Jüngling“–so nannte er Oktavian53 –gesungen unddabei be48 Phil. 5, 45 qui honos ... ad necessitatem

rerum gerendarum valet. Vgl. 11, 20 imperium C. Caesari belli necessitas, fasces senatus dedit; adBrut. 23, 7 huic (sc. Caesari) habiti a mehonores nulli quidem, Brute, nisi debiti, nulli nisi necessarii. ... decrevi etiam imperium; quod quamquam videbatur illi aetati honorificum, tamen erat exercitum habenti necessarium. 49 adBrut. 23, 7 quid enimest sine imperio exercitus. Vgl. Phil. 5, 45 sine quo (sc. imperio) res militaris administrari, teneri exercitus, bellum geri nonpotest. 50 DieNotwendigkeit alsrechtfertigendes Prinzip warschon inCiceros Bemühen umdiepublica auctoritas für die privato consilio unternommene Heereswerbung Oktavians enthalten. Sie

stand mit dessen ganzem Auftreten in engster Verbindung, vgl. Tac. ann. 1, 9, 3 necessitudo rei publicae, bzw. 1, 10, 1 tempora rei publicae. Über das Verhältnis der beiden Tacitus-StellenzudenRes gestae divi Augusti zuletzt R. Urban, Tacitus unddie Res gestae divi Augusti, Gymnasium 86, 1979, 61 ff. 196). Dazu die eingehende Analyse von Botermann (o. Anm. 17) 57– 51 App. b. c. 3, 48 (§ 194– 60. Zuwenig kritisch äußert sich Aigner (o. Anm.24) 85 f. 52 App. b. c. 3, 65 (§ 265). Botermann 62 f. 53 Phil. 5, 43 quis tumnobis, quispopulo Romano optulit hunc divinum adulescentem deus? Vgl. 5, 23 und3, 3, wodasEpitheton divinus aufdieTugenden Oktavians angewendet wird; 5, 28 werden auchdiebeiden zuihmübergegangenen Legionen (Martia etquarta) sobenannt. Zum Gewicht, welches derGebrauch vondivinus bei Cicero hat, vgl. nurCic. Manil. 36. – Adulescens ist sozusagen dieoffizielle Bezeichnung Ciceros fürOktavian (auch umihnvonseinem Adoptivvater zuunterscheiden, Phil. 3, 27). In privaten Äußerungen nannte Cicero ihnmeist puer (dazu J. H. McCarthy, Octavianus puer, Class. Phil. 26, 1931, 362 ff. W. Hartke, Römische Kinderkaiser, Berlin 1951, 207 mit Anm. 1). Das Verhältnis beider Bezeichnungen zueinander beleuchtet Phil. 3, 3 C. Caesar adulescens, paene potius puer; vgl. 4, 3. Für abwegig

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sonders seine Führungseigenschaften54 herausgestrichen: Mut, Entschlußkraft, Tüchtigkeit, Autorität55. Seiner Jugend wegen hat er ihn in eine Reihe mit großen Männern derrömischen Geschichte gestellt, die injungen Jahren durch ihre Taten die Herrschaft desrömischen Volkes vergrößerten: Rullus, Decius, Corvinus, der ältere Africanus, T. Flamininus, Pompeius56. Damit dürfte m. E. klar sein, worin Ciceros Leistung für Oktavian bestand: Er hat denjungen Truppenführer mit der Aureole des Feldherrn umgeben, die er genauso dringend brauchte wie das Imperium, under hat ihn mit großen Vorbildern konfrontiert, die ihm den Weg zum Ruhm weisen konnten. DerErfolg derBemühungen Ciceros läßt sich mit Händen greifen: Als Augustus dasseinen Namen tragende Forum errichtete, ließ er in den Exedren undPortiken zusammen mitdenStatuen desAeneas unddesRomulus die Statuen derjenigen Römer aufstellen, die dasrömische Volk auskleinsten Anfängen zu höchster Blüte geführt hatten5 7. In einem Edikt gab er dem Wunsche Aus-

ich dieBehauptung vonCarcopino (o. Anm. 47) 168, Cicero habepuer etwa imSinne gebraucht. von„Wirrkopf“ Cicero hatnoch imSeptember 44 v. Chr. gegenüber Q. Cornificius geklagt: oppressa omnia sunt, nechabent ducem boni (fam, 12,22, 2). Vondaher versteht sich, wiehellhörig erwurde, als Oktavian die Veteranenwerbung betrieb: plane hoc spectat, ut se (sc. Octaviano) duce bellum geratur cumAntonio (Att. 16, 8, 1); bezeichnend seine Feststellung: ducem se profitetur(a. O. § 2). In der5. Philippica betonte Cicero dieStellung Oktavians alsduxbesonders in bezug auf die legio Martia quartaque (5, 23. 46). ZurAnwendung des Wortes duxauf den jungen Oktavian vgl. E. Knierim, DieBezeichnung „dux“ inderpolitischen Terminologie von Cicero bis Juvenal (Diss. Gießen 1939) 14. J. Hellegouarc’h, Le vocabulaire latin desrelations et des partis politiques sous la république (Paris 1963) 326, Anm. 5. Phil. 5, 23 divina animi, ingeni, consili magnitudine ... eximiaque virtute (vgl. 3, 38 opera, virtute, consilio C. Caesaris). Die auctoritas Oktavians wird 5, 53 (vgl. 3, 7. 38) hervorgehoMuthatte Cicero Oktavian schon beidessen erstem Auftreten bescheinigt: satis ingenii, ben. – satis animi (Att. 15, 12, 2). Entschlußkraft undTüchtigkeit bewies Oktavian, nach Ciceros Urteil, durch die Aufstellung eines Heeres unddenMarsch auf Rom: is (sc. Octavianus) tamen egit sane strenue et agit (Att. 16, 11, 6). Autorität, die Cicero noch umden 10. November Oktavian abgesprochen hatte (Att. 16, 14, 2 in isto iuvene, quamquam animi satis, auctoritatis parum est), gewann dieser in Ciceros Augen durch den Übertritt der beiden Legionen des Antonius zuihm(s. vor. Anm.). Phil. 5, 48 at vero apud antiquos Rulli, Decii, Corvini multique alii, recentiore autem memoria superior Africanus, T. Flamininus admodum adulescentes consules facti tantas res gesserunt, utpopuli Romani imperium auxerint, nomen ornarint. Über Pompeius heißt es (§ 43) magni honores habiti Cn. Pompeio, cumesset adulescens, et quidem iure. Suet. Aug. 31, 5 Proximum a dis immortalibus honorem memoriae ducum praestitit, qui imperium p. R. ex minimo maximum reddidissent. itaque et opera cuiusque manentibus titulis restituit et statuas omnium triumphali effigie in utraque fori suiporticu dedicavit. SHAAlex. Sev. 28,6 qui (sc. Augustus) inforo suo summorum virorum statuas e marmore collocavi additis gestis. Über die Anordnung der Statuen vgl. P. Zanker, Forum Augustum (Tübingen 18. Einer der von Cicero genannten summi viri ist für die Heldengalerie des Au1968) 14– gustus sicher bezeugt: M.Valerius Corvus (oder: Corvinus): Gell. 9, 11, 10; vgl. A. Degrassi, Inscr. It. XIII 3 (Rom 1937) p. 8. ZuAugustus’Anteil anderAbfassung derElogien vgl. P. 98. Frisch, ZudenElogien desAugustusforums, ZPE39, 1980, 91– halte

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druck, an jenen Vorbildern gemessen zu werden58. Bei seinem Tode stiegen die vonihm Geehrten sozusagen von ihren Sockeln herab undgeleiteten ihn zu Gra9. be5 Es ist wohl kein Zweifel möglich: Augustus erscheint hier als der Bewahrer

derTradition desrömischen Ruhmesdenkens, in die Cicero ihn als adulescens am 20. Dezember 44 v. Chr. undbesonders am 1. Janaur 43 v. Chr. bei der BeantragungdesImperiums hineingestellt hatte.

3. Imperatorakklamation undTriumph Mit dem auf Ciceros Antrag zustandegekommenen Senatsbeschluß über das Imperium Oktavians wardasBündnis zwischen demerfahrenen Konsular unddem 0. hochstrebenden Caesarerben sozusagen ratifiziert worden6 Cicero übernahm nun 62; aufihnsetzte er seine Hoffnungen für 1 voll dieNestorrolle6 bei „seinem Caesar“ die Zukunft6 3. Verbunden war die persönliche Festlegung Ciceros auf Oktavian mit einer ostentativ vollzogenen Änderung seines politischen Konzepts. In der Mitte Januar 43 v. Chr. gehaltenen 7. Philippica (7.-9. 19) erklärte er, der Mann desFriedens, daßerdenKrieg mitAntonius wolle. Die von Cicero am 1. Januar 43 v. Chr. für Oktavian abgegebene Bürgschaftserklärung hatte eine psychologisch hochinteressante Folge: Cicero identifizierte sich mit Oktavian, d. h., er glaubte, ihn zukennen, wie er sich selbst kann58 Suet. Aug. 31, 5 (= Malcovati [o. Anm. 12] edicta n. XIII p. 66) professus e[s]t edicto: commentum idse, utad illorum(...) velut ad exemplar et ipse, dumviveret, et insequentium aetatiumprincipes exigerentur a civibus. 59 Cass. Dio 56, 34, 2 über die imagines berühmter Römer im Leichenzug des Augustus. Vgl. dazu H.T. Rowell, The Forum andFuneral Imagines of Augustus, Memoirs of the American 143. H. Volkmann, Bemerkungen zu den Res gestae divi Academy in Rome 17, 1940, 131– Augusti, Historia 3, 1954, 86. 60 In diese Zeit dürfte Cic. ad Caes. iun. fr. 28 (Purser) gehören: Posthac quod voles a mefieri scribito; vincam opinionem tuam.

61 Siewarihmvonseiner Beziehung zuDolabella vertraut, fam.9, 14,2 (3. Mai44 v. Chr.). 62 Schon imApril 44 v. Chr. hatte Cicero vonOktavian denEindruck, er sei ihmganz undgar ergeben (Att. 14, 11, 2 mihi totus deditus). Imponiert hatCicero dann besonders, daßsich am 20. Dezember 44 v. Chrerfüllte, wasOktavian ihmgewissermaßen vorhergesagt hatte (Att. 16, 11, 6): dasVolk feierte ihnmitdemRuf, er habe ein zweites MaldenStaat gerettet (Phil. 6, 2). –Caesar

63

meus: fam. 11, 8, 2 (am24. 1. 43 v. Chr. an D. Brutus), vgl. ad Brut. 12, 2 (M. Brutus an Cicero: Caesar tuus). Umgekehrt soll Cicero vonOktavian pater genannt worden sein: Plut. Cic. 45, 2. Cic. adBrut. 25,5. Cic. adfam. 10, 28, 3 (2. Februar 43 v. Chr., an C. Trebonius) egregius puer Caesar, de quo spero equidem reliqua. Äußerungen wiediese machen deutlich, daßCicero seine Verbindung zuOktavian ‘pragmatisch’verstanden hat. Obdaneben noch irrationale Erwartungen für ihn eine Rolle spielten, wiePlutarch (Cic. 44, 2) auseinem Traumgesicht Ciceros gefolgert hat, in demein Knabe als Retter Roms auftrat, ist schwer zu sagen. Augustus scheint den Traum Ciceros inseiner Autobiographie erwähnt zuhaben (Tert. an.46, 7 = Malcovati [o. Anm. 12], opera historica n. IV p. 85; vgl. jedoch J. H. Waszink, Tert., De anima, Amsterdam 1947, 494). Fürdiebei Suet. Aug. 94, 9 undCass. Dio45, 2, 2 vorliegende Version hatG. Radke, 86 durch Anknüpfung an Lucr. 2, 1153 f. die Echtheit Aurea funis, Gymnasium 63, 1956, 82– desTraumgesichts zusichern versucht.

58

Politik

te64 . Dieser Anspruch

barg die Gefahr in sich, daßCicero bei seinen Plänen in bezug auf Oktavian zu sehr von seinen eigenen Anschauungen ausging undaußer acht ließ, daßjene Identifikation nicht bzw. nicht in gleichem Maße auch für Oktavian galt. Weiterhin konnte die neue Einstellung Ciceros zuOktavian leicht dahinführen, daßer seinen Einfluß überschätzte, daßerandere, aufOktavian einwirkende Kräfte zuwenig in Rechnung stellte. Es bedeutet für die Aufhellung dieses Aspekts derweiteren Zusammenarbeit Ciceros mitOktavian einen großen Verlust, daß der Briefwechsel zwischen beiden nicht auf uns gekommen ist6 5. Indes läßt sich ausdervorliegenden Überlieferung, vorallem ausdenBriefen Ciceros anM. Brutus, noch hinlänglich erkennen, welche Intentionen Cicero nach dem 1. Januar 43 v. Chr. bei seinen Aktionen in bezug aufOktavian leiteten, so daßweitere Auf-

schlüsse über seinen Anteil andessen Aufstieg zuerwarten sind. DasvonCicero für Oktavian beantragte Imperium war, wieerwähnt, ein proprätorisches. Die mit ihm verliehene Kommandogewalt hatte zwar selbständigen Charakter, aber nur so lange, wie sie nicht mit demImperium eines höheren Ma6. gistrats kollidierte6 Der letztere Fall trat für Oktavian schon kurz nach Antritt des Kommandos ein. DemKonsul A. Hirtius fiel durch dasLosdieAufgabe zu, gegen Antonius ins Feld zu ziehen (Phil. 7, 11 ff. 14, 4). Dafür standen aber einstweilen nur die Truppen Oktavians zur Verfügung; neue Aushebungen sollte der andere Konsul, C. Pansa, vornehmen (Phil. 7, 13. 10, 21). Oktavian mußte also denOberbefehl über ‘sein’Heer anHirtius abgeben (App. b. c. 3, 64 [§ 263]). Dieser übernahm dasdirekte Kommando über die legio Martia unddie legio IV(App. b. c. 3, 65 [§ 266]); die Veteranen, die inzwischen als legio VIIundlegio VIII geführt wurden, blieben unter dem Kommando Oktavians67. Als Winterlager wählte Hirtius Claterna, Oktavian Forum Cornelium (Cic. fam. 12, 5, 2), zwei nahe beieinander liegende Orte an dernach Mutina führenden Via Aemilia, woD. Brutus vonAntonius belagert wurde. ImApril 43 v. Chr. suchte Pansa mitdenvier vonihmaufgestellten Legionen die Vereinigung mit Hirtius undOktavian vor Mutina. Bei Forum Gallorum aber trat ihm am 14. April Antonius entgegen undsiegte in der ersten Schlacht, doch griff dann Hirtius ein undentschied die zweite Schlacht zu seinen Gunsten; Okta-

64 Phil. 5, 50

65

omnis habeo cognitos sensus adulescentis. nihil est illi re publica carius, nihil vestra auctoritate gravius, nihil bonorum virorum iudicio optatius, nihil vera gloria dulcius. Über die Zusammenfassung der Briefe Ciceros an Oktavian undOktavians an Cicero zu Bübesteht keine Klarheit. K. Büchner, RE nach Non. 329 M. (= 518 L.) waren es drei – chern – VIIA(1939) 1215 nimmt gesonderte Herausgabe ausCiceros Archiv an,Carcopino (o. Anm. 47) 429 f., vgl. 314, sieht in den Buchangaben des Nonius Hinweise auf die von ihm (Carcopino) postulierte erste Ausgabe derepistulae adfamiliares (wir besäßen nurdiezweite), d.h. aufderen Bucheinteilung. Die29 Fragmente gehörten nach Carcopino zuetwa 10bis 12

Briefen.

66 Vgl. Th. Mommsen, Römisches Staatsrecht I3(Leipzig 1887, NDDarmstadt 1963) 25. 67 MitdenLegionsbezeichnungen wurden die Veteranen Oktavians zuerst vonCicero in der7. Philippica (§ 37) Mitte Februar 43 v. Chr. erwähnt. Botermann (o. Anm. 17) 62 vermutet, daß dieRestitution derbeiden Legionen beim Antritt desImperiums durch Oktavian (7. Januar 43 80. v. Chr.) erfolgte. Zurschwierigen Interpretation derCicero-Stelle Botermann 74–

Cicero

undderAufstieg Oktavians

59

vian schlug in einer dritten Schlacht die Angriffe auf das Lager vor Mutina zurück6

8.

Die Nachricht von dem Sieg bei Forum Gallorum traf am 20. April in Rom 9. ein; am21. April wurde der Bericht des Hirtius im Senat verlesen6 An diesem Taghielt Cicero seine 14. Philippica. In ihrbeantragte er, denKonsuln Hirtius und Pansa sowie demPropraetor Caesar (Oktavian also) denImperatortitel zuzuerken0.Liest mandasLob, welches Cicero ihnen spendet, so fällt auf, daßOktavian nen7 insofern besonders hervorgehoben wurde, als seine frühere Leistung, der Marsch auf Rom, in diejetzige, den Schlachtensieg, miteingeschlossen wurde71. Auch die Betonung seines jugendlichen Alters diente der besonderen Beleuchtung seiner 2. Tat7 Hielt Cicero dies vielleicht deshalb für nötig, weil Oktavian der rangniedrigste derdrei Feldherren war? Mußalso derImperatortitel Oktavians als besonde-

resVerdienst Ciceros angesehen werden? Aufdiese Fragen gibt derBericht desCassius Dioüber dieSchlacht bei Forum Gallorum eine geradezu ernüchternde Antwort: Oktavian wurde ebenso wieHirtius undPansa auf dem Schlachtfeld von den Soldaten zum Imperator akklamiert73! Der Senat bestätigte also nur die Akklamation des Heeres, undda diese für alle drei Feldherren galt, konnte er schlechterdings nicht einen vonihnen ausschließen. Es bedurfte demnach gar nicht Ciceros besonderen Einsatzes, um Oktavian die Bestätigung desImperatortitels zuverschaffen. Trotzdem kamdie Art undWeise, wie Cicero seinen Antrag zu Ehren von Hirtius, Pansa undOktavian begründete, besonders letzterem zugute: J. Béranger hat darauf aufmerksam gemacht, daß Cicero nicht so sehr denSchlachtensieg als vielmehr die moralische Leistung, die Abwendung vonKnechtschaft undUntergang desStaates, durch denImperatortitel 68 Über den Schlachtverlauf liegt der Augenzeugenbericht des Ser. Sulpicius Galba vor: Cic. fam. 10, 30. Die weiteren Quellen bei Rice Holmes (o. Anm. 43) 209 f. Oktavians Rolle: Cic. Phil. 14, 28. 37. Cass. Dio 46, 37, 7; vgl. auch die Eintragung im Feriale Cumanum (Ehrenberg/ Jones [o. Anm.45] p. 48) undOv.fast. 4, 627 mitBömers Kommentar (S. 262). ZudenEinzelheiten der Schlacht von Forum Gallorum H. Bengtson, Untersuchungen zum 504. Mutinensischen Krieg, in: ders., Kleine Schriften (München 1974) 497– 69 Cic. ad.Brut. 9, 2. Phil. 14, 12, 16. DieSiegesmeldung derKonsuln undOktavians (Phil. 14, 6, 22) warvonHirtius abgefaßt (Phil. 14,28). 70 Phil. 14, 11 sed hoc primum faciam, ut imperatores appellem eos, quorum

virtute, consilio,

felicitate maximis periculis servitutis atque interitus liberati sumus. 71 Phil. 14, 25 Caesarem deorum beneficio rei publicae procreatum dubitemne appellare imperatorem? quiprimus Antoni immanem etfoedam crudelitatem nonsolum a iugulis nostris, sed

etiam a membris et visceribus avertit. 72 Cic. Phil. 14, 28: Anvero quisquam dubitabit appellare Caesarem imperatorem? aetas eius certe ab hac sententia neminem deterrebit, quandoquidem virtute superavit aetatem. ac mihi semper eo maiora beneficia C. Caesaris visa sunt, quominus erant ab aetate ilia postulanda. τ ο ςδ ρ ε ν ὲαὐ ςο ο ὐμό τ ο νὁ ῦ(sc. Ἀντω ) αὐτοκράτο ν ίο 73 Cass. Dio46,38, 1ἡττηθέν υ ρ , καίτ ά α ο α λ λ ι ῖσ α ῶ α ςἀπ ξ , ὅτ εΚ ρκα κ ς ε , καίπ ὶὁΟ ς α ὐ ιο ὰκ ίβ λ λ ςἀ ιο τ ρ Ἵ η μ δ ὲμ α η χ σ μ ά εν ο ς , κ α ὶ ὑ π ὸτ ῶ νστρατιω τ ῶ νκ α ὶ ὑ ῆ π ὸτ ῆ ς ς βου λ η . Als Datum der Heeresakklamation steht durch die Eintragung im Feriale σ α ν μ ά θ σ ὠ ν ο Cumanum (Ehrenberg/ Jones [o. Anm.45] a. O.p.48) der 16.April 43 v. Chr. fest. Vgl. Ov. 676, dazu Bömer, Kommentar S. 268 f. Zu den imperatorischen Akklamationen fast. 4, 673– Oktavians insgesamt: L. Schumacher, Dieimperatorischen Akklamationen derTriumvirn und die auspicia desAugustus, Historia 34, 1985, 191– 222.

60

Politik

belohnt sehen wollte ([o. Anm. 14] 123 ff. mit Bezug auf Phil. 14, 11 [Text: o. Anm. 70]). Oktavian aber hatte in dieser Hinsicht, wie schon erwähnt, eine Vorleistung erbracht. Insofern ergibt sich eine direkte Verbindung zwischen der Argumentation bei Zuerkennung des Imperatortitels undderDeutung, welche Cicero in der 3. Philippica Oktavians Marsch auf Rom gegeben hatte: Befreiung des Staates. Undda feststeht, daß Oktavian diese später zur Grundvoraussetzung der Prinzipatsideologie gemacht hat, ist es wohl erlaubt, auch den Imperatortitel in diesen Rahmen einzupassen. Damit aber wird Ciceros Anteil an Oktavians Imperatortitel deutlich. Er bestand in derHinzufügung einer ‘zivilen’Bedeutung zuder militärischen, d. h. in derqualitativen Veränderung desTitels, welche als wesentliche Vorbedingung für dessen Weiterverwendung alspraenomen durch Oktavian/ Augustus zugelten hat74. Amselben Tag, andemder Senat Hirtius, Pansa undOktavian zuImperatoren akklamierte –21. April 43 v. Chr. –siegten Hirtius und Oktavian in der Schlacht 508) über Antonius undbefreiten dadurch vonMutina (Bengtson [o. Anm.68] 504– denin dieser Stadt eingeschlossenen D. Brutus. Hirtius fiel in der Schlacht (App. b. c. 3, 71 [§ 293]. Cass. Dio46, 39, 1). Pansa hatte anihr nicht teilgenommen; er war bei Forum Gallorum verwundet worden undstarb am 23. April 43 v. Chr. (Cic. fam. 11, 13, 2). Oktavian undD. Brutus waren die überlebenden Sieger. Am 26. April beantragte Cicero im Senat für D. Brutus denTriumph unddie Eintragung seines Namens in dieFasten7 5.FürOktavian dagegen sahderAntrag nurdie ovatio, den sog. kleinen Triumph, vor76. In einem Brief an M. Brutus brüstete sich Cicero später, die ovatio sei sein klügster Gedanke in diesem Krieg gewesen, und erbildete sich etwas darauf ein, fürdieZukunft vorgesorgt zuhaben77. In denBeziehungen zwischen Cicero undOktavian bezeichnet Ciceros Verhaltenhinsichtlich desTriumphes Oktavians denWendepunkt. Markiert wurde dieser einerseits durch dasAufkommen vonBedenken, ob es möglich sei, dendurch sei-

74

Diese Feststellung erhält besonderes Gewicht, wennmandieAnnahme despraenomen Imperatoris durch Oktavian als Übertrumpfung des von Sex. Pompeius geführten Praenomens Magnus versteht (vgl. R. Syme, Imperator Caesar, in: Augustus, hrsg. v. W. Schmitthenner, Darmstadt 1969, 280. K. Kraft, Der goldene Kranz Caesars, 2Darmstadt 1969, 69). Denn dazu reichte diemilitärische Bedeutung vonImperator allein nicht aus, wohlaber, wennin ihmder Ehrenname conservator reipublicae (vgl. Phil. 3, 14. 5, 49) mitklang. ZumZeitpunkt derAnnahme despraenomen Imperatoris (40 v. Chr.) vgl. A. Degrassi, I nomi dell’imperatore Augusto, in: ders., Scritti vari III (Venedig-Triest 1967) 364– 371. Es ist die Zeit der drohenden Auseinandersetzung mit Sex. Pompeius vor dem Vertrag von Misenum. Dazu jetzt auch Schumacher a. O. 75 Triumph: Cass. Dio 46, 40, 1. Vell. 2, 62, 4, Eintragung in die Fasten: Cic. ad Brut. 23, 8. fam. 11, 10, 1. Dieletztere Ehrung wurde vomSenat abgelehnt. 76 Cic. adBrut. 23, 9 utovanti introire Caesari liceret, decreverim. M.Brutus wertete dieovatio wieeinen Triumph: adBrut. 25, 2 (Brutus anAtticus). Daßdie ovatio vomSenat tatsächlich beschlossen wurde, betont P. Stein, DieSenatssitzungen derciceronischen Zeit (Diss. Münster 1930) 90, Anm. 505. 77 ad Brut. 23, 9 nihil mihi videor hoc bello sensisse prudentius. cur autem ita sit, aperiendum nonest, ne magis videar providus fuisse quamgratus.

Cicero

undderAufstieg

Oktavians

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ne „erstaunliche Tüchtigkeit“zumMann gereiften puer weiterhin zu lenken78, andererseits durch die Fehleinschätzung der von D. Brutus zu erwartenden Lei9. stungen7 So kam es zur Politik der Abstufung: der Caesarmörder wurde in der Frage des Triumphes dem Caesarerben vorgezogen. Ganz in diesem Sinne beschloß der Senat am 27. April 43 v. Chr., Oktavian für die Weiterführung des Krieges gegen Antonius demOberbefehl des D. Brutus zu unterstellen80. Darüber hinaus sollte Oktavian dielegio Martia unddie legio IV, dieer schon s. Zt. anHirtius ‘ausgeliefert’hatte, nunanD. Brutus abgeben (Cic. fam. 11, 19, 1). Cicero hat 1; sich diesem Beschluß keineswegs widersetzt8 er entsprach seiner neuen Taktik gegenüber Oktavian.

Was Cicero für einen klugen Gedanken hielt, mußte aus der Sicht Oktavians als Affront erscheinen, unddementsprach seine Reaktion: er verlangte denTriumphfür seine Siege (App. b. c. 3, 80 [§ 325]). Mit dergleichen Konsequenz reagierte Oktavian auf den Senatsbeschluß, der D. Brutus ihm überordnete und die Abgabe zweier Legionen an den neuen Oberkommandierenden vorschrieb: er erklärte sich außerstande, denKrieg gegen dennunmehr (Cic. adBrut. 10) zumhostis erklärten Antonius fortzusetzen sowie die beiden Legionen abzugeben; für seine Soldaten forderte er die Einlösung der Versprechungen in bezug auf Land undGeld8 2. Damit trat der Fall ein, daß Oktavian ohne Ciceros Vermittlung seine Absichten kundtat undseine Forderungen stellte. Die neue Lage stand in engstem Zusammenhang mit der Vakanz des Oberamtes undden diesbezüglichen Plänen Oktavians.

78 Cic. ad Brut. 9, 1 (etwa 21. April 43 v. Chr.) utinam tamfacile eum(sc. Caesarem) florentem et honoribus et gratia regere ac tenere possimus, quamfacile adhuc tenuimus! est omnino illuddifficilius, sedtamen nondiffidimus. 79 D. Brutus warfür Cicero nach demSieg von Mutina der Feldherr des römischen Staates: fam. 11, 18, 3 (19. Mai43 v. Chr.). Später mußte er zugeben, daßDecimus Fehler über Fehler begangen habe, so daßderSieg ihmausdenHänden glitt, adBrut. 18, 2 (Juni 43 v. Chr.). 80 Liv. per. 120. Cass. Dio 46, 40, 1. Ap. b. c. 3, 74 (§ 302). 81 D. Brutus (Cic. fam. 11, 19, 1) bemerkte zudemAntrag desM.Livius Drusus Claudianus und desL. Aemilius Paullus über die4. unddie Marslegion, daßer die Billigung des Senats fand (vobis adsentientibus), Cicero eingeschlossen. M. Gelzer, RE VIIA (1939) 1075 (= ders., Cicero. Ein biographischer Versuch, Wiesbaden 1969, 394) behauptet, Cicero habe denBeschluß mißbilligt. Seine Belege (Cic. fam. 11, 14, 2 und Cass. Dio 46, 40, 4) kommen aber gegen dasZeugnis desD. Brutus nicht auf. 82 Oktavian hatte schon in einer Unterredung mitD. Brutus amTag nach derSchlacht vonMutina, dem22. April 43 v. Chr., zuerkennen gegeben, daßer Antonius nicht verfolgen werde. Cic. fam. 11, 10, 4, vgl. 11, 13, 1. Seine Stellungnahme zudenSenatsbeschlüssen vom26./ 27. April 43 v. Chr. dürfte nach denBerechnungen vonBotermann (o. Anm. 17) 136. 139 mit Anm. 8 umden 13. Mai im Senat zurVerhandlung gestanden haben. Über die diesbezüglichen Beschlüsse s. Cic. fam. 11, 21, 1 (Zehnmännerkommission für die Landzuteilung) und Cass. Dio 46, 40, 6 in Verbindung mit App. b. c. 3, 86 (§ 357): 2500 Denare für die beiden vonAntonius abgefallenen Legionen (legio Martia et legio quarta).

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Politik

4. Derzweite Marsch aufRomunddasKonsulat In einem an Cicero gerichteten Brief vom5. Mai43 v. Chr. äußerte D. Brutus größte Besorgnis hinsichtlich derres urbanae. Invorsichtiger Formulierung sprach er vonderGier nach demKonsulat undhatte dabei offenbar Oktavian vorAugen. Bei Cicero setzte er voraus, darüber im Bilde zu sein8 3. Der Brief beweist, daß Oktavian nach demTodderKonsuln Hirtius undPansa sofort seine Anwartschaft aufdasKonsulat angemeldet hatte unddaßdies in RomAnfang Maibekannt war; am 15. Mai43 v. Chr. wußte M. Brutus imOsten davon84. DerVorstoß Oktavians warauf keinen Fall mit Cicero abgesprochen. Andere Senatoren lancierten die Kandidatur desProprätors, dernach demSenatsbeschluß vom2. Januar 43 v. Chr. erst im Jahre 30 v. Chr. hätte Konsul werden können8 5. Cicero kannte die Verfechter der Konsulatsbewerbung Oktavians, die wohl auch denMitkonsul stellen wollten, sehr genau86. Er sah in ihnen Gegner seiner soeben (in der Frage des Triumphes) praktizierten retardierenden Politik gegenüber Oktawie er sagte –„verbrecherischen Pläne“ vian undbezog Stellung gegen ihre – . Bei dieser Charakterisierung mußmangewiß auch in Anrechnung bringen, daßCicero glaubte, dasAlleinvertretungsrecht fürOktavian zubesitzen, undnunsehen mußte, daß „sein Caesar“anderen Ratgebern folgte. Gegen diese wandte er sich in persönlichen Attacken, an Oktavian schrieb er abmahnende Briefe87. Vielleicht stammt aus diesen das Fragment, in dem Cicero Oktavian an sein Versprechen erinnerte. Unter ihmwäre dann die imNovember 44 v. Chr. gegebene Zusage zu verstehen, sich Ciceros Rat anzuvertrauen88. Mit seiner Agitation gegen die Konsulatsbewerbung Oktavians erreichte Cicero, daß im Senat, der Anfang Juni 43 v. Chr. die Angelegenheit behandelte, 9. niemand sich für eine solche Lösung der Vakanzfrage aussprach8 Die Wahlko-

83 Cic. fam. 11, 10, 2 quantamque cupiditatem hominibus iniciat vacuitas, non tefugit. 84 Cic. adBrut. 12, 2. Botermann 136 rechnet vomDatum dieses Briefes 10 Tage Laufzeit zurück, und kommt –ohne Berücksichtigung von Cic. fam. 11, 10, 2 –gleichfalls auf Anfang MaialsBeginn derKonsulatskampagne Oktavians inRom. 85 Cass. Dio 46, 29, 2. App. b. c. 3, 51 (§ 209): 10 Jahre führer als gesetzlich zulässig, vgl. Weber (o. Anm. 47) 146 mit Anm. 569 (S. 145*). 86 adBrut. 18, 3 praesentes eius (sc. Caesaris) necessarii. Gemeint sind wohl Oktavians Stiefvater, L. Marcius Philippus, undSchwager, C. Claudius Marcellus. Den Kandidaten für die zweite Konsulstelle sieht R. Syme, TheRoman Revolution (Oxford 1939, ND1979) 182 in P. Servilius Isauricus, mit dessen Tochter Oktavian sich zudieser Zeit verlobte (Suet. Aug. 62, 1). 87 ad Brut. 18, 3 quod simul atque sensi, neque ego ilium absentem litteris monere destiti nec accusare praesentes eius necessarios, qui eius cupiditati suffragari videbantur, nec in senatu sceleratissimorum consiliorum fontes aperire dubitavi.

88 adCaes. iun. fr. 28 (Purser) promissa tua memoria teneas. 89 ad Brut. 18, 3 nec vero ulla in re memini aut senatum meliorem aut magistratus; numquam enim in honore extraordinario potentis hominis ... accidit, utnemo tribunus plebis, nemo alio in magistratu, nemoprivatus auctor exsisteret. ZurDatierung desBriefes (vor dem9. Juni 43 v. Chr.) s. Rice Holmes (o. Anm.43) 212 f.

Cicero undderAufstieg Oktavians

63

imStaatsinteresse“bis Januar 42 v. Chr. aufgeschoben90. mitien wurden vielmehr „ Cicero warhieran nach eigener Aussage maßgeblich beteiligt91, undso darf ihm denn auch der Vorschlag zugeschrieben werden, Oktavian insoweit entgegenzukommen, daß er sich für das Jahr 42 v. Chr. um die Prätur bewerben könne92. Denkt manan Ciceros Verhalten in der Frage des Triumphes zurück, so erkennt mandiegleiche Taktik: Gewährung derniederen statt derverlangten höheren Aus3. zeichnung9 Warum hielt Cicero diese neue Taktik sokonsequent bei? Es ist vorhin von denBedenken die Rede gewesen, die sich bei Cicero nach derSchlacht bei Forum Gallorum hinsichtlich derweiteren Lenkbarkeit Oktavians einstellten. Diese Bedenken hatten sich durch das Verhalten Oktavians nach der Schlacht vonMutina verstärkt. Während Cicero glaubte, Oktavian verfolge Anto4, nius9 belehrte ihn D. Brutus, daß es durch dessen Weigerung, den Apennin zu überschreiten, dazu gekommen sei, daß P. Ventidius Bassus drei Veteranenlegionen demAntonius zuführte (Cic. fam. 11, 10, 3 f. [5. Mai 43]). Dieser stand nunwieder so stark da, daßmanes, wie Cicero hörte, nicht ohne Gefahr mit ihm 5. aufnehmen könne; der Krieg warneuentfacht9 Undin dieser Situation versagte sich Oktavian, den Cicero doch –wie er es sah –in den Kampf gegen Antonius 6. geschickt hatte9 Die geschilderten Umstände machen es verständlich, daßCicero vonOktavian enttäuscht warundentsprechend, das hieß für ihn: klug reagierte. Denn nach wie vor wares ja möglich, daß Oktavian zu seinem Wort stand undauf Ciceros Rat hörte. Indes schloß Cicero in seinen Überlegungen nicht aus, daß Oktavian den Kurs, aufdemCicero ihnbisher gehalten zuhaben glaubte, verlasse. Dann, so folgerte er, käme alles auf M. Brutus undseine Armee an97. Der Brief, in demCicero diese Gedanken äußerte, enthielt die dringende Aufforderung an M. Brutus, seine 90 fam. 10, 26, 3 comitia ..., quantum facere possumus, quod multis de causis rei p. arbitramur conducere, inlanuarium mensem protrudimus. 91 adBrut. 22, 1sacerdotum comitia measumma contentione inalterum annum esse reiecta. Zur 92

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Verflechtung von Beamten- undPriesterwahlen vgl. Th. Mommsen, Röm. Staatsr. II3 (Leipzig 1887, NDDarmstadt 1963) 31 f. Cass. Dio 46, 41, 3 mit dem Kommentar Gelzers, RE VIIA (1939) 1079 (= Cicero 398): . womit ihmfür 39 auch dasConsulat in Aussicht gestellt wurde“ „ Vgl. Dios Stimmungsbild vonderBeschlußfassung über diePrätur Oktavians (46, 41, 4) τ ὸ ν ίσ ετ α θ α κ ιἔδο ε φ ῶ χ ε ιρ ςμ ρ α... σο ξ (sc. ο α ν α ἱἐ ίσ α νπ Κ ό λ ε ι) mitCiceros Frohlokken über seinen Einfall hinsichtlich der ovatio Oktavians: nihil mihi videor hoc bello sensisse prudentius (adBrut. 23, 9). adBrut. 10 (27. April 43 v. Chr.) reliquias hostium Brutus persequitur et Caesar. fam. 11, 12, 1 non modo non restinctum bellum sed etiam inflammatum videtur. 11, 12, 2 ut confligi cumeo (sc. Antonio) sinepericulo nonpossit. Vgl. bes. fam. 12, 25, 4 quem(sc. Antonium) egoructantem et nauseantem conieci in Caesaris Octaviani plagas. Oktavians Haltung: sed Caesarem meis consiliis adhuc gubernatum, praeclara ipsum indole admirabilique constantia ..., Cic. ad Brut. 18, 3 hoc adulescentis praesidium equidem adhuc firmum esse confido, sed ita multi labefactant, ut, ne moveatur, interdum extimescam, 18, 5. Die Folgerung: qui (sc. Caesar) si steterit fide mihique paruerit, satis videmur habituri praesidii; sin autem impiorum consilia plus valuerint quamnostra aut imbecillitas aetatis nonpotuerit gravitatem rerum sustinere, spes omnis est inte (sc. Bruto), 18,4.

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Armee nach Italien zu führen, wie es der Senatsbeschluß vorsah, der nach der Vereinigung des Antonius mit Ventidius Bassus gefaßt worden war98. M. Brutus rückte damit für Cicero in diePosition einer Alternative zuOktavian, d. h. eigentlich: zu D. Brutus, derja nach Mutina den Oberbefehl gegen Antonius erhalten, sich ihmaber nicht gewachsen gezeigt hatte. Vor diesem Hintergrund muß Ciceros Ablehung der Konsulatsbewerbung Oktavians undderen Kompensierung durch die Genehmigung seiner Kandidatur fürdiePrätur gesehen werden. Cicero wollte einerseits denStaat nicht anOktavian undseine „schlechten“Ratgeber ausliefern, andererseits den„mächtigsten Mann“ nicht vordenKopf stoßen99. Oktavian hat offenbar Ciceros Haltung in der Konsulatsfrage eindringlich analysiert. Denn seine Reaktion suchte genau die Bedenken auszuräumen, die Cicero zuseiner vehementen Stellungnahme veranlaßt hatten: er warnicht umRat undHilfe angegangen worden, und er befürchtete einen Mißbrauch der zweiten Konsulstelle. Im Juli 43 v. Chr. erneuerte Oktavian seinen Anspruch auf das Konsulat100, indem er Cicero den Plan unterbreiten ließ, er solle sich selbst um das Amtbewerben undihn (Oktavian) als zweiten Kandidaten Senat undVolk empfehlen. Würden sie so gewählt, so wolle er Cicero die Politik überlassen undsich fürsein Teil mitNamen undEhre desAmtes begnügen1 0 1. DerVorschlag erhält sein eigentliches Kolorit erst, wenn manberücksichtigt, daßer einem Manne gemacht wurde, der, wieOktavian hörte, dendoppeldeutigen Ausspruch getan haben sollte, manmüsse denjungen Mann (Oktavian) loben, auszeichnen, befördern (nämlich: in seinem Rang oder insJenseits)102, undderbei den Soldaten Oktavians geradezu verhaßt war, weil er als Exponent desSenats galt, der dievonOktavian erhobenen Land- undGeldforderungen nach Auffassung derSol03. Oktavian mußalso viel daran gelegen haben, daten skandalös behandelt hatte1 Cicero für das gemeinsame Konsulat zu gewinnen. Das ersieht manauch daraus, daßer später dendiesbezüglichen Vorschlag in seiner Autobiographie ausführlich behandelte. Danach befürchtete Oktavian denVerlust seiner Machtstellung undsah

98 adBrut. 18, 1,dazuBotermann (o. Anm. 17) 144mitAnm.4.

99 Impii: Cic. adBrut. 18, 4, potentissimus homo: ebd. 18, 3. 100 Die sachlich und chronologisch exakte Trennung dieses erneuten Vorstoßes Oktavians von demfrüheren ist das Verdienst Gelzers, RE VIIA (1939) 1081 (= Cicero 401, Anm. 432). 101 App. b. c. 3, 82 (§ 337). Cass. Dio 46, 42, 2. Plut. Cic. 45, 5. Als Munatius Plancus am 27. Juli 43 v. Chr. Cicero sein Erschrecken über die „abgeschmackte“Konsulatsforderung Oktavians kundtat undihn zur Abwehr aufrief (fam. 10, 24, 6), wußte er offenbar nichts von Ciceros Verstrickung

indiese Affäre.

102 fam. 11, 20, 1 (D. Brutus über denBesuch desLabeo

Segulius bei Oktavian). Das Diktum Ciceros lautete: laudandum adulescentem, ornandum, tollendum. Oktavians Kommentar: se nonesse commissurum, uttolli possit. 103 Über die feindselige Einstellung derVeteranen Oktavians gegenüber Cicero vgl. schon Phil. 12, 28 f., sodann fam. 11, 20, 1. Hierzu undzudenVorgängen umdie Senatskommission, die Ende Mai 43 v. Chr. im Lager Oktavians war, vgl. die klärenden Ausführungen von Boter147. mann (o. Anm. 17) 78 f. 139–

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dieGefahr, isoliert zuwerden. In dieser Zwangslage habe er aufdasMachtstreben 04. Ciceros gesetzt undihmjenes Angebot unterbreitet1 05 Die ambitio Ciceros anstacheln1 hieß imFalle Oktavians: durch denMeister derSenats- undVolksrede womöglich doch dieZustimmung eben dieser Instanzen fürsein (Oktavians) Konsulat erlangen. ImHinblick aufseine persönlichen Beziehungen zuCicero knüpfte Oktavian mit demKonsulatsangebot gewissermaßen an sein Verhalten imNovember 44 v. Chr. an, als er Cicero auf dasdringlichste bat, nach Romzugehen unddie Leitung derPolitik zuübernehmen (Att. 16, 11, 6: o. Anm. 18). Jetzt, imJuli 43 v. Chr., brachte er gardashöchste Staatsamt ins Spiel! Cicero mußte denSchritt Oktavians als Beweis für dessen Wunsch nach Aufrechterhaltung des ‘alten’Bündnisses werten, undes dürfte ihndarüber hinaus mit Genugtuung erfüllt haben, daßOktavian ihnanscheinend so sah, wieer sich selbst: als Sachwalter des Senats unddesrömischen Volkes1 06.Dementsprach denn auch seine Reaktion. In vorsichtiger Form scheint er demSenat die Kandidatur Oktavians und die eines „klugen, älteren“Kollegen für das vakante Oberamt vorgeschlagen zu haben107. Mit voller Energie konnte er ja schon um seiner eigenen Person willen nicht vorgehen. In der Debatte hielt er sich zurück, aber auch dies erregte als Form der Befürwortung Anstoß: D. Laelius erhob schwere Vorwürfe gegen sein beredtes Schweigen (Plut. Cic. 53, 4; vgl. 46, 1). DerAntrag als solcher wurde, wahrscheinlich unter Berufung auf die im Juni beschlossene Verschiebung der Wahlen, abgelehnt (Cass. Dio 46, 42, 3. App. b. c. 3, 83 [§ 340]). Dasabermalige Scheitern desKonsulatsplans imSenat hatte diedirekte Folge, daßOktavian sozusagen die höhere Instanz anrief: er wandte sich an seine Soldaten. Waser in bezug aufdasImperium s. Zt. zurückgewiesen hatte, verlangte er im Hinblick auf das Konsulat jetzt geradezu: die Intervention des Heeres gegenüber demSenat (App. b. c. 3, 87 [§ 360]). Eine 400 Mann starke, vorwiegend ausZenturionen bestehende Abordnung begab sich nach Romundbrachte Ende Juli/ Anfang August 43 v. Chr. imSenat Oktavians Anspruch aufdasKonsulat sowie ihren

γ ε ῖδ ο ρα λ ο ὲΚ 104 Plut. Cic. 45, 6 (= Malcovati {o. Anm. 12] p. 89) ὁμ ὐ α τό ῖσ α ς ,ὡ ςδ ε μ ο ςγενέσθ ή σ α α ιτ ι, χρ ὶκινδυνεύ ω ινκ α δ ιὼ νἔρη οτ ά λ υ σ τ ςκα ῇΚ ω ικ ν ο έρ ςἐ ν ρ μ χ ε ρ ν ά ο ιλ α εψ ττο ά ςαὐ ετ τ ὸ δ νὑπ έο ιέ ιφ ν ία ν τ τρ τ ε ο τ α νμ ρ ν ο ι συμπ α ς ίᾳ , π εσ ιά ρ χ α ιρ ζο α ν τ ο ς . ὶσυν α ῦκ α ὐ τ ο ρ χ ίαCiceros als Ansatzpunkt fürOktavians Konsulatsplan erscheint auch bei App. ιλ α 105 Dieφ b. c. 3, 82 (§ 338). AlsCharaktereigenschaft Ciceros bezeichnet sie Plut. Cic 45, 1. Die lateinische Entsprechung (ambitio) findet sich bei M. Brutus (Cic. adBrut. 25, 1 ambitiose). 106 Vgl. Phil. 11, 20 cumdico mihi, senatui dico populoque Romano (mit Bezug auf seine Beziehungen

zuOktavian).

107 App. b. c. 3, 82 (§ 338). Gelzer, RE VIIA (1939) 1081 (= Cicero 401, Anm. 432) bezeichnet . denBericht Appians als„gehässige Übertreibung, umCiceros Eitelkeit lächerlich zumachen“ Er verkennt, daßOktavian diebetreffende Argumentation Cicero nahegelegt hatte (App. b. c. 3, 82 [§ 337]) unddaßsie angesichts dervehementen Opposition Ciceros gegen denfrüheren Plan (adBrut. 18, 3 [o. Anm. 87]) die einzig mögliche war. ZumWert derbei Appian vorliegenden Überlieferung vgl. H. Homeyer, Die antiken Berichte über denTodCiceros undihre 27. H. Bengtson, Die letzten Monate derrömischen SenatsQuellen (Baden-Baden 1964) 19– (Berlin-New York 1972) 968. 972. 975. herrschaft, ANRW I 1

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eigenen auf die versprochenen Belohnungen vor1 Hier interessiert einzig ihre Argumentation in bezug aufdasKonsulat Oktavians. Diese konzentrierte sich auf dasHindernis desjugendlichen Alters. Sorgfältig instruiert, führten sie Corvinus, die beiden Scipiones (Africani), Pompeius und Dolabella als Beispiel für die Erlangung desAmtes vorErreichen desgesetzlich festgelegten Alters anundwiesen darauf hin, daßOktavian ja schon bei Übertragung desImperiums gestattet worden sei, das Konsulat früher als zulässig zu bekleiden, wenn auch damals nur um 10 Jahre (App. b. c. 3, 88 [§ 361]). Die vondenZenturionen angeführten Präzedenzfälle lassen keinen Zweifel an ihrer Herkunft. Sie waren zumgrößten Teil derRede entnommen, mit der Cicero am 1. Januar 43 v. Chr. denAntrag auf Erteilung desImperiums an Oktavian begründet hatte (Phil. 5, 48: o. Anm. 56). Der Griff in Ciceros rhetorisches Arsenal macht deutlich, wie hoch Oktavian die Wirkung solcher Mittel einschätzte oder durch Cicero. besser: einzuschätzen gelernt hatte – Dasfreimütige Auftreten derZenturionen imSenat wurde voneinigen Senatoren als Verstoß gegen die disciplina militaris gerügt (App. b. c. 3, 88 [§ 362]); der Senat insgesamt konnte sich nicht entschließen, dasBegehren der Soldaten Oktavians, ihrem Feldherrn dasKonsulat zuerwirken, positiv zubescheiden (Cass. Dio 46, 43, 2). Dieser Mißerfolg veranlaßte denFührer derZenturionenabordnung, sein Dieses Schwert zu holen undmit der Hand amGriff die Drohung auszustoßen: „ wird’s tun, wenn ihr’s nicht tut“ 109.Es warCicero, derdarauf antwortete, undzwar sarkastisch: „Wenn ihrso bittet, wirder (Oktavian) es wohl auch erhalten (nämlich . Cassius Dio bemerkt zu dieser Äußerung, sie habe Cicero den das Konsulat)“ Untergang gebracht (46, 43, 4 f.). Daran ist richtig, daß sie das Ende der Zusammenarbeit mit Oktavian bedeutete undinsofern das Ende des Politikers und dann auch des Menschen Cicero einleitete. So erhält denn die Szene im Senat gewissermaßen symbolische Bedeutung: Cicero stand seinen eigentlichen Rivalen, den Soldaten Oktavians, Auge in Auge gegenüber und mußte erkennen, daß er unterlegen war. Stellt mandie Erkenntnis, zuder Cicero durch die Zenturionen Oktavians gelangte, mit demUrteil zusammen, welches er über seine Verbindung mit Oktavian wenige Tage vorher gegenüber M. Brutus abgegeben hatte, so kann mansich des Eindrucks nicht erwehren, daß Cicero von der Zähigkeit, mit der Oktavian seine Konsulatsforderung durchzusetzen suchte, genauer: von seiner Bereitschaft, Gewalt anzuwenden, überrascht worden ist. Wiesoll mansonst verstehen, daßCicero nach denzwei fehlgeschlagenen Versuchen Oktavians, das Konsulat zu erlangen, 108 App. b. c. 3, 88 (§ 361). Cass. Dio 46, 43, 1. Suet. Aug. 26, 1. –Nach Cass. Dio hätten die Zenturionen auf Anweisung Oktavians auch Straffreiheit für irgendeinen der Anhänger des

Antonius verlangt, umdie Haltung des Senats in dieser Frage zuerkunden. Die Begründung ist nicht so unwahrscheinlich, wie Botermann a. O. 152 sie hinstellt. Die Autorin übersieht, daßes umeinen bestimmten Fall, nicht generell umdieAnhänger desAntonius ging. Gelzer, RE VIIA 1083 (= Cicero 402) spricht garvonderForderung nach „Aufhebung derÄchtung . desAntonius“ ν ία ε τ α π νὑ ὴ ῖςτ ε μ νὑ 109 Suet. Aug. 26, 1 hicfaciet, si vos nonfeceritis. Cass. Dio 46, 43, 4 ἂ μ ὴδ ῷ ῶ Κ τ ρ α ίσ ι, το ετ α ῦ τ οδ ι. DerName desCenturio wird von Sueton mit Corώ ε σ nelius angegeben.

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die Hoffnung äußern konnte, ihn vomGriff nach der „falschen Ehre“abbringen bei derStange halten“zukönnen? Offenbar warOktavian fürCicero nurein und„ militärischer Faktor. Seine politischen Ambitionen mußten ihm deshalb, sofern sie nicht, wie im Falle des gemeinsamen Konsulats, mit ihm abgestimmt waren, als Verirrungen, hervorgerufen durch Einflüsterungen falscher Freunde, erscheinen110. Ihn bei der Stange halten, hieß also, ihn weiter als Werkzeug der res publica im Kampf gegen denhostis publicus Antonius gebrauchen. In diesem Punkt aber zeigt sich Ciceros Dilemma mit voller Deutlichkeit. Es war ihm klar, daß durch die Verlagerung desKriegsschauplatzes in dieNarbonensis, woAntonius sich mitden Legionen des Statthalters dieser Provinz (und derHispania Citerior), M. Aemilius 11, Oktavians Heer in der Cisalpina beim EntscheidungsLepidus, vereinigt hatte1 kampf gegen Antonius dem Staat nichts nutze112. Damit reduzierten sich Ciceros Bemühungen umOktavian auf dessen Verhältnis zurrespublica überhaupt. Indes saher auch in dieser Beziehung seine Felle davonschwimmen. Die immer dringlicher an M. Brutus ergehende Aufforderung, er möge in Italien erscheinen, hatte ihren tiefsten Grund in derUnsicherheit, in derCicero sich über die politische Zu13.Nurso ist ja sein Bekenntnis zuverstehen, daß verlässigkeit Oktavians befand1 größter Schmerz ihn quäle wegen der am 1. Januar 43 v. Chr. übernommenen in bezug auf die Staatsgesinnung Oktavians1 14. Die Bürgschaft ‘Gegenüberstellung’ mit den Zenturionen brachte Cicero die Gewißheit, daß er sein damaliges Versprechen, Oktavian werde immer ein guter Staatsbürger bleiben (o. Anm.43), nicht halten könne. Sein Bundmitihmwarendgültig zerbrochen.

110 adBrut. 26, 3 (27. Juli 43 v. Chr.) quamquam et hunc, utspero, tenebo multis repugnantibus; videtur enim esse indoles, sedflexibilis aetas multique ad depravandum parati; qui splendore falsi honoris obiecto aciem boni ingenii praestringi posse confidunt. itaque ad reliquos hic quoque labor mihi accessit, ut omnes adhibeam machinas ad tenendum adulescentem. Vgl. o. Anm. 97. 111 Die Vereinigung fand am29. Mai43 v. Chr. in Forum Iulii (Fréjus) statt. Lepidus berichtete darüber einen Tag später nach Rom(fam. 10, 35). Über die näheren Umstände vgl. Boter130. mann (o. Anm. 17) 114– 112 adBrut. 22,2 (14. Juli 43 v. Chr.) renatum enim bellum est idque nonparvum, scelere Lepidi; exercitus autem Caesaris, quierat optimus, nonmodo nihil prodest, sedetiam cogit exercitum tuumflagitari. Imgleichen Brief erwähnte Cicero dieVereinigung derLegionen desD. Brutus mitdenen desStatthalters derGallia Comata, L. Munatius Plancus, die umden 11. Juni 43 v. Chr. in Cularo (Grenoble) erfolgt war(vgl. denBericht derbeiden: fam. 11, 13 a). 113 Oktavians Heer galt, seit es sich nicht an der Verfolgung des Antonius beteiligt hatte, als Schutz Italiens“(fam. 11, 14, 2; vgl. adBrut. 18,4 f.), aber seine Existenz wurde mehr und „ mehr als Bedrohung empfunden: ad Brut. 22, 2 exercitus autem Caesaris, qui erat optimus, nonmodo nihil prodest, sedetiam cogit exercitum tuumflagitari. Unter denHilferufen an M. Brutus (18,1. 4; 20, 2; 26, 1) ist dervom14. Juli 43 v. Chr. (22, 2) besonders aufschlußreich, weil er Brutus’Anwesenheit in Italien auch für denFall eines vorherigen Sieges über Antonius fordert, vgl. W. Heilmann, Ethische Reflexion und römische Lebenswirklichkeit in Ciceros Schrift deofficiis (Wiesbaden 1982) 190 f., derCiceros „ Fixierung aufAntonius“für dessen Unsicherheit verantwortlich macht. 114 ad Brut. 26, 3 maximo autem, cum haec scribebam, adficiebar dolore, quod, cum me pro adulescentulo ac paene puero res publica accepisset vadem, vix videbar, quod promiseram, praestare posse.

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Nach derRückkehr derZenturionenabordnung zuOktavian setzte dieser seine 8 Legionen in Marsch nach Rom1 15;in seinem Tagesbefehl erklärte er ausdrücklich, er folge demDrängen der Soldaten116. Als er sich mit eigens zusammenge-

stellten Eliteverbänden der Stadt näherte, beschloß der Senat sozusagen in letzter Minute, ihm seine Forderungen zu bewilligen. Vor allem sollte er sich um das Konsulat bewerben dürfen –in absentia (App. b. c. 3, 90 [§ 370]). Damit hoffte man, ihn vomweiteren Vorrücken abzubringen. Cicero hatte an diesen Beschlüssenkeinen Anteil (App. b. c. 3, 89 [§ 369]). Er erschien erst wieder im Senat, als die Ankunft zweier Legionen aus Africa, die im Mai angefordert worden waren, die Stimmung umschlagen ließ. Die soeben gefaßten Beschlüsse wurden rückgängiggemacht, die Stadt inVerteidigungsbereitschaft gesetzt undOktavian befohlen, sich 100 Meilen vonRomentfernt zuhalten117. Dieser ließ sich jedoch in seinem Vormarsch nicht aufhalten. Als er in Romeinzog, gingen diebeiden afrikanischen undeine der s. Zt. von Pansa ausgehobenen Legionen zu ihm über; die Bevölke18. rungnahm ihnfreundlich auf1 Über Cicero wird berichtet, daßer demBeispiel anderer Senatoren folgte und Oktavian seine Aufwartung machte; Freunde des letzteren hatten ihmdie Unterredungverschafft. Cicero erinnerte Oktavian daran, daßer dessen Konsulatskandidaturs. Zt. auftragsgemäß demSenat vorgeschlagen habe. Oktavian aber ging darauf nicht ein, sondern stellte nurfest, daß Cicero als der letzte seiner Freunde zu ihm komme119. Hinter der spöttischen Form verbarg sich ein ernster Hinweis: Der letzte unter denFreunden lief Gefahr, ausdiesem Kreis ausgeschieden zuwerden. Cicero dürfte daher Oktavians Äußerung sozusagen als Drohung mitderrenuntiatio amicitiae verstanden haben1 20. Die Wahl Oktavians zumKonsul warjetzt nur noch eine Frage von Tagen. Wie schlecht Cicero damit fertig wurde, zeigte sich, als er auf das Gerücht hin, zwei dervorderStadt lagernden Legionen, die legio Martia unddie legio IV, hättensich demStaat zurVerfügung gestellt, weil sie vonOktavian bei ihrem Marsch auf Rom getäuscht worden seien, auf einer Nachtsitzung des Senats den Widerstand gegen Oktavian zu organisieren versuchte121. Die Nachricht, das Gerücht sei

115 App.b. c. 3, 88 (§ 364). ZudenLegionen Oktavians vgl. Botermann (o. Anm. 17)202 f. 116 Cass. Dio 46, 43, 6, dazu Aigner (o. Anm. 24) 89. 117 App. b. c. 3, 91 (§ 373). Cass. Dio 46, 44, 4 (750 Stadien = 100 Meilen = 150 km; bei Gelzer, RE VIIA 1084 [= Cicero 404] ist irrtümlich von 15 kmdie Rede, ebenso bei Botermann [o. Anm. 17] 153). Zur Anforderung der beiden Legionen aus Africa vgl. fam. 11, 14, 2 und 11, 26 sowie App. b. c. 3, 85 (§ 351). 118 App. b. c. 3, 92 (§ 380 f.); zuderLegion Pansas vgl. App. 3, 91 (§ 374). Die drei Legionen wurden vonOktavian durch Goldmünzen geehrt, welche A. Alföldi, DerEinmarsch Octavians 495 in denhistorischen Rahmen einordnet. in Rom, August 43 v. Chr., Hermes 86, 1958, 480– Vgl. allerdings diekritischen Bemerkungen vonKienast (o. Anm.3) 31, Anm. 138. 119 App. b. c. 3, 92 (§ 382). ZurAuthentizität desAusspruchs vgl. Homeyer (o. Anm. 107) 23. DenHintergrund der Szene beleuchtet dieNachricht Appians (b. c. 3, 92 [§ 379], daßeine Anzahl Senatoren, wohldie‘eigentlichen’Freunde Oktavians, diesen schon einen Tagfrüher imLager vorderStadt aufgesucht hatten. 120 Vgl. zudiesem Komplex W.Kierdorf, Freundschaft undFreundschaftskündigung, in: Saecu245. lumAugustum I, hrsg. v. G. Binder (Darmstadt 1987) 223– 121 App. b. c. 3, 93 (§ 385), dazu Bengtson (o. Anm. 107) 974 f.

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falsch, mußihnwieein Keulenschlag getroffen haben; sie besiegelte sein Schicksal als Politiker. Auf seine Bitte hin gewährte Oktavian ihm Befreiung von den Pflichten als Senator. In seinem Dankschreiben verstand Cicero dies als Gnadenakt, mit der die Vergangenheit begraben undHoffnung für die Zukunft geweckt wurde122.

Unter derLeitung vonduoviri comitiis consularibus habendis mitprokonsularischer Gewalt, welche derpraetor urbanus hatte wählen lassen123, wurde am 19. August 43 v. Chr. Oktavian zusammen mit seinem Vetter Q. Pedius zumKonsul , wieCassius Dio die Szene charakterisiert1 24.DemKonsukreiert- „ unter Waffen“ lat folgte alsbald (Ende Oktober 43 v. Chr.) der Abschluß des Triumvirats mit und Ciceros Ermordung (7. Dezember 43 v. Chr.) auf Antonius und Lepidus – Grund des Proskriptionsedikts. Oktavian soll versucht haben, Cicero vor der Proskribierung zu bewahren125, dieser wiederum soll bis zuletzt auf Oktavian gehofft haben (Plut. Cic. 47, 5).

* DieBilanz dervorstehend beleuchteten Etappen desAufstiegs Oktavians kann im Hinblick auf denAnteil Ciceros mit der Feststellung eröffnet werden, daß die

formalen Akte, welche Cicero für Oktavian bewirkte, nicht zumMaßstab seiner Leistungen fürdiesen genommen werden dürfen. So wichtig derAntrag auf Erteilung des proprätorischen Imperiums für dasweitere Anvancement Oktavians war, so mußte doch darauf hingewiesen werden, daßOktavian dasImperium auch ohne Cicero erhalten hätte, nämlich durch die Initiative derSoldaten. Dasgleiche ergab sich für die Imperatorakklamation. Derdie ovatio betreffende Antrag Ciceros war aus der Sicht Oktavians eine Fehlleistung; die ovatio selbst fand nicht statt. Den Konsulatsanspruch Oktavians schließlich hat Cicero mehr bekämpft als gefördert; auf die Wahl am 19. August 43 v. Chr. hatte er überhaupt keinen Einfluß, sie war einWerk derWaffen. Ciceros Leistungen für Oktavian müssen, wie die Untersuchung gezeigt hat, vielmehr unter zwei Gesichtspunkten gewürdigt werden, dem des agitatorischen unddemdes patriotischen Wirkens. Die Agitation bestand in der Umfunktionierung vonOktavians erstem Marsch auf RomzumMarsch desrömischen Volkes in die Freiheit, sie bestand in der Stilisierung des „ jungen Caesar“zum „göttlichen Jüngling“undschließlich inderVindizierung vonFeldherrneigenschaften aneinen unerfahrenen Truppenführer. Das patriotische Wirken Ciceros zeigte sich in der Vorbildlichkeit seiner einstigen Rettertat für Oktavians Ausgangsposition imJahre

122 adCaes. iun. fr. 15 (Purser) quod mihi et Philippo vacationem das, bis gaudeo; namet praeteritis ignoscis et concedis futura. 123 Cass. Dio46, 45, 3 f. Zudieser singulären

Prozedur

s. Th.Mommsen (o. Anm.9) 663 f. Den

praetor urbanus identifiziert Alföldi (o. Anm. 118) 489 mitC. Norbanus (cos. 38 v. Chr.). 124 Cass. Dio46, 45, 5. ZumDatum vgl. dasFeriale Cumanum (Ehrenberg/Jones [o. Anm.48] p. 50); Cass. Dio 56, 30, 5. 125 Plut. Cic. 46, 2 f. Homeyer (o. Anm. 107) 12 bezweifelt auf Grund derMachtlage die Möglichkeit einer Fürsprache Oktavians fürCicero.

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Politik

44 v. Chr., sie stellte sich darin derBeschwörung

großer Feldherrngestalten und ihrer Leistung, der Mehrung des Reiches, sie trat hervor in der Manifestation des römischen Staatsgedankens durch Ciceros Identifikation mitSenat undVolk. Das in dieser Aufstellung (unvollständig) erfaßte Wirken Ciceros entfaltete sich nicht nurin denformal erfolgreichen Aktionen, sondern auch dort, woer vom Standpunkt Oktavians erfolglos waroder Wege beschritt, die diesem nicht paßten. Ciceros ganze Verbindung mit Oktavian war für letzteren ein großartiger Anschauungsunterricht derepublica, der, zumal er sich auch schriftlich niederschlug (in den Briefen), das Studium des gleichnamigen Werkes gewissermaßen über26. Oktavian hat offenbar selbst empfunden, wie viel er Cicero in flüssig machte1 dieser Hinsicht verdankte. Jedenfalls läßt eine von Plutarch berichtete Episode diesen Schluß zu. Danach überraschte einmal Oktavian/ Augustus einen seiner Enkel (Gaius oder Lucius Caesar) beim Lesen eines Buches. Bestürzt verbarg es derJunge unter seiner Toga, es warein Buch desproskribierten Cicero. Augustus ließ es sich geben, las stehend eine Zeitlang darin, reichte es seinem Enkel zurück Ein redegewaltiger Mann war das, Junge, redegewaltig und vaterund sagte: „ landsliebend“127. Das Diktum ist in der Tat die Formel, auf die sich Ciceros Bedeutung fürdenAufstieg Oktavians bringen läßt. DieHerausarbeitung desspezifischen Anteils, denCicero amAufstieg Oktavians hatte, erleichtert die abschließende Aufgabe, Oktavians eigene Leistung ins rechte Licht zu stellen. Es dürfte klar geworden sein, daßOktavian von demAugenblick an, daer über denEinsatz desvonihmangeworbenen Heeres Ciceros Rat erbat, bei allen Aktionen, die ihm denAufstieg zumKonsulat ermöglichten, die Initiative hatte. Mit demHeer stand ihmein Machtinstrument zurVerfügung, das er militärisch undpolitisch zu nutzen wußte. Mit Cicero hatte er einen Agitator vonhöchster Wirksamkeit gewonnen, der, während er glaubte, eigene Politik zu betreiben, durch die von Oktavians Heer verkörperte necessitas vorangetrieben wurde. DasWichtigste aber war, daßdieNatur Oktavian mit derFähigkeit ausgestattet hatte, das Mögliche zu erkennen undentschlossen zuverfolgen. So erwies sich denn sein Aufstieg zum Imperium undzum Konsulat ganz überwiegend als seine eigene Leistung. Aber ohne Cicero hätte dieser so wichtigen Phase seines Lebens der Katalysator gefehlt, der in ihmjene Reaktion auslöste, die ihn an die respublica band. Überspitzt kann mansagen: Es warCiceros Werk, daßOktavian am 13. Januar 27 v. Chr. die res publica aus seiner Machtbefugnis in die Verfügungsgewalt vonSenat undVolk zurückgab.

126 Zur Frage des Einflusses, den Ciceros Werk über den Staat auf Augustus unddie Prinzipatsideologie ausgeübt hat, vgl. P. L. Schmidt, Cicero ‘dere publica’: Die Forschung der letzten 332. H. Cambeis, Das monarchifünf Dezennien, ANRW I 4 (Berlin-New York 1973) 323– sche Element unddie Funktion der Magistrate in Ciceros Verfassungsentwurf, Gymnasium

261. 91, 1984, 258– ρ ις . K. Ziegler, Plutarch, Groιο τ α ό ιλ π ςκ ,ὦ π α ῖ, λόγ ρ α ὶφ ή ιο ςἀν γ ό 127 Plut. Cic. 49, 5 λ γ ιο ς mit „Meister der ό ße Griechen undRömer IV (Zürich-Stuttgart 1957) 306 übersetzt λ Rede“ , M. Schäfer, Cicero undderPrinzipat desAugustus, Gymnasium 64, 1957, 318, Anm. 4 mit „redegewandt“ . Nicht richtig m. E. K. Büchner, Kl. Pauly I (1964) 1185: „geistiger Mensch“ .

AEGVPTO CAPTA* DieBedeutung der Eroberung Ägyptens für diePrinzipatsideologie Maria R.-Alföldi

in wissenschaftlicher und menschlicher Verbundenheit

zum6. Juni 1991

Ägypten habe ich dem Herrschaftsbereich des römischen Volkes hinzuge„ . Mit diesem lapidaren Satz blickte Augustus in seinem Tatenbericht1 amEnfügt“ de seines Lebens auf dasjenige Ereignis zurück, das wie kein anderes den Grund für seinen Prinzipat gelegt hatte. Kalendarisch fixiert war es auf den 1. Tag des Monats, der eben dieses Ereignisses wegen von Sextilis in Augustus umbenannt worden war2. DasJahr trug ohnehin denNamen desImperator Caesar Divi filius als Jahr seines vierten Konsulats, 30 v. Chr. gemäß unserer Zeitrechnung. Vom umihnhandelte es sich beijenem Senat warderTag derEinnahme Alexandrias – Ereignis –zum Festtag erklärt worden, der Jahr für Jahr gefeiert werden sollte, an diesem Tag der Imperator Caesar den , wie es in demBeschluß hieß, „ weil“ „ 3. Staat aus furchtbarer Gefahr errettet hat“ Die abgeklärte Formulierung des Tatenberichts steht in eigenartigem Gegensatz zu der vielfältigen propagandistischen Herausstellung der Eroberung Ägyptens, dieAugustus vonAnfang anbetrieben hat. Ihr Ziel ist leicht zuerkennen: Sie sollte ihm einen Nimbus verschaffen, gegen den niemand aufzukommen ver-

*

1

2

3

in: R. Albert (Hrsg.): Politische Ideen auf Münzen. Festschrift zum 16. Deutschen Numismatikertag, Mainz 1991. Schriftenreihe der Numismatischen Gesellschaft Speyer e. V., 31 59. (Speyer 1991) 33–

Res gestae divi Augusti c. 27: Aegyptum imperio populi Romani adieci. Dazu R. Dion, ExpliResgestae divi Augusti“ cation d’ unpassage des„ , in: Mélanges d’archéologie, d’épigraphie etd’histoire offerts à Jérôme Carcopino (1966) 251: uneformule dont labrièveté estd’ailleurs d’ungrand effet. Dasbetreffende Senatusconsultum erging imJahre 8 v. Chr.: Suet. Aug. 31, 2; Cass. Dio 55, 6, 6; Cens. dedienat. 22. Sein Text ist erhalten bei Macrob. sat. 1, 12, 35. In derBegründung heißt es u.a.: cum... et Aegyptus hoc mense (scil. Sextili) inpotestatem populi Romani redacta sitfinisque hoc mense bellis civilibus impositus sit, ... piacere senatui ut hic mensis Augustus appelletur. ZumZustandekommen des Beschlusses vgl. die Vermutungen von A. B. Bosworth, Augustus andAugust., Harv. Stud. Class. Phil. 86, 1982, 166– 170. Fasti fratrum Arvalium zum 1. Sextilis/August (Inscr. Ital. XIII 2, 30– 31): F(eriae) ex s(enatus) c(onsulto) [q(uod) e(o) d(ie) imp(erator) Caesar rempu]blic(am) tristiss(imo) periculo [libera]vit. Die übrigen Fasti (Praen., Amit., Ant.) bei V. Ehrenberg/A. H. M. Jones, Documents illustrating thereigns of Augustus andTiberius (21955) p.49. Vgl. auch Cass. Dio

51, 19, 6.

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Politik

möchte, einen Nimbus, derihnauf Dauer umgäbe undseine Ausnahmestellung im Staat legitimiere. Da ihm dies geglückt war, konnte Augustus sich im Rückblick mit derbloßen Erwähnung des Faktums begnügen; die Auswirkungen hatten sich verselbständigt. Wir aber müssen sie aufspüren und zurückverfolgen, wenn wir erkennen wollen, in welchem Maße die Eroberung Ägyptens an der ideologischen Grundlegung desPrinzipats beteiligt war. Dassoll imfolgenden geschehen. Den Ausgangspunkt für unsere Recherchen bildet der Denar aus der AEGVPTO CAPTA-Emission, den die Abb. 1 zeigt. Auf der Vorderseite ist der nach links gewandte Kopf Octavians (dahinter ein lituus) mit der Umschrift CAESAR COS VI versehen, die als Prägedatum das Jahr 28 v. Chr. ergibt. Die Rückseite zeigt ein Krokodil als Symbol Ägyptens, darüber AEGVPTO, darunter CAPTA4. Mit dieser Münze brachte Octavian auf anschauliche Art zumAusdruck, daßer durch die Eroberung Ägyptens denAnspruch erhob, als Propagator imperii zugelten, d.h. dengroßen Römern zugezählt zuwerden, „welche denHerrschaftsbereich des römischen Volkes aus kleinsten Anfängen zu größter Ausdehnung ge5. Auf den Denkmälern dieser bedeutenden Feldherren fand sich ja bracht hatten“ Er hat die Grenzen des Reiches erweitert“(fines imperii die stereotype Formel: „ propagavit)6. Nun war die Eroberung Ägyptens eine Herrschaftserweiterung besonderer Art, handelte es sich doch um das alte Land der Pharaonen, das über Alexander den Großen an die Ptolemäer gelangt war. Octavian konnte gewissermaßen als ihr Erbe gelten; denn Cleopatra hatte ihmdieköniglichen Insignien ausgeliefert7. Wie er dies machtpolitisch umsetzte, ist bekannt8. Es genügt hier, daran zuerinnern, daßer Ägypten ganz undgar für sich reservierte; kein Senator durfte

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RIC I Aug. 19 (= RIC I2275 b). Hinsichtlich der Motivwahl ist zu bedenken, daß das Krokodil als demNil eigentümlich galt (vgl. Plin. nat. hist. 8, 89: Crocodilum habet Nilus), der Nil aber warsozusagen Ägypten (vgl. Prop. 1, 2, 30: Autcanerem Aegyptum et Nilum). Beim Triumph über Ägypten imJahre 29 v. Chr. hatte Octavian eine Darstellung dessiebenarmigen 32 (hier begegnet auch das in der Nils unter den Gefangenen mitgeführt. Prop. 2, 1, 30– Münzlegende verwendete capta: Vers 30: Et Ptolomaeei litora capta Phari). Krokodile hatte manin Romzuerst imJahre 58 v. Chr. bei denSpielen desÄdils M.Aemilius Scaurus zuGesicht bekommen (zusammen miteinem Nilpferd), Plin. nat. hist. 8, 96. Suet. Aug. 31, 5: Proximum a dis immortalibus honorem memoriae ducum praestitit (scil. Augustus), qui imperium p. R. ex minimo maximum reddidissent. Zur Bedeutung von capere imKontext derrömischen ‘Eroberungsterminologie’ vgl. K. Christ, Antike Siegesprägungen, 514, der auch den Aspekt berücksichtigt, daß die AEGVPTO Gymnasium 64, 1957, 509– CAPTA-Münzen Octavians eine Antwort auf dieARMENIA DEVICTA-Emission des Antonius (Sydenham n. 1210; Crawford n. 543/1) darstellen. Cic. dere publ. 3, 24. Dazu F. Hampl, DasProblem desAufstiegs Roms zurWeltmacht, in: 63 mit dem Hinweis auf Res gestae ders., Geschichte als kritische Wissenschaft III (1979) 62– c. 26: Omnium provinciarum populi Romani... fines auxi. –ZurWunschvorstellung Vergils in bezug auf Augustus (Aen. 6, 794/5: super et Garamantas et Indos / proferet imperium) vgl. L. Berlinger, Beiträge zurinoffiziellen Titulatur derrömischen Kaiser (Diss. Breslau 1935) 67– 68.

Cass. Dio 51, 6, 5.

Vgl. E. G. Huzar, Augustus, Heir of the Ptolemies, in: Aufstieg undNiedergang der römi382. schen Welt (im folgenden: ANRW) II 10, 1 (1988) 343–

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das Land auch nur betreten9. Wie aber führte Octavian bzw. Augustus der römischen Öffentlichkeit den besonderen Charakter Ägyptens vor Augen, und wie machte er ihnfürsein Prestige nutzbar? Da wäre zunächst das Mausoleum des Augustus auf dem Marsfeld in den Blick zu nehmen (Abb. 2). Seine Erbauung in den Jahren 32 bis 28 v. Chr. erfolgte, wie K. Kraft gezeigt hat, als propagandistische Antwort auf die Testamentsbestimmung desAntonius, ihnanderSeite Cleopatras in Alexandria beizusetzen10. Octavian dokumentierte mit dem Mausoleum, daß für ihn Rom der Ort seines politischen Wirkens sei und daß es in dem Kampf gegen Antonius und Cleopatra darum gehe, der Stadt amTiber ihre Stellung als Haupt derWelt zuerhalten11. Nach seinem Triumph über Ägypten undseiner Erhebung zumAugustus (29 bzw. 27 v. Chr.) lenkte er dann denmehr allgemeinen ägyptischen Bezug des Mausoleums durch gewisse dekorative Zutaten in eine ganz bestimmte, nämlich ihn als Eroberer Ägyptens kennzeichnende Richtung. An der Vorderfront des Mausoleums, wohl an denEcken, ließ er zwei Obelisken, Beutestücke aus Ägypten, aufstellen12. Sie stehen heute auf demQuirinal (Abb. 3) bzw. vor der Apsis vonS. Maria Maggiore (Abb. 4). DerEingang desMausoleums erhielt, wie in der Rekonstruktionszeichnung (Abb. 5) angedeutet, eine Reliefverzierung: beiderseits einen Lorbeerbaum undüber der Tür einen Schild, vielleicht auch einen Eichenkranz13. Dabei handelte es sich umEhrungen, die Augustus imJahre 27 v. Chr. für dieBeendigung derBürgerkriege unddieRückgabe desStaates anSenat undVolk Lorbeerbäume, erhalten hatte. Sie erschienen auch auf Münzen, undzwar einzeln – 8) –sowie in Kombinationen –z. B. LorClupeus virtutis, Corona civica (Abb. 6–

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Tac. ann.2, 59, 3, dazuG.Geraci, Laconcezione augustea delgoverno d’Egitto, in: ANRWII 407. 10, 1 (1988) 404– 206 (= ders., Kleine K. Kraft, Der Sinn des Mausoleums desAugustus, Historia 16, 1967, 189– 5 46). Über das Testament des Antonius berichten Cass. Dio 50, 3, 3– Schriften I [1973] 29– 8. DervonKraft angenommene frühe Baubeginn ist nicht allgemein akundPlut. Ant. 58, 4– Mausoleum“ zeptiert, s. bes. J.- Cl. Richard, „ : D’Halicarnasse à Rome, puis à Alexandrie, La378, doch paßt er trefflich zumGesamtverhalten Octavians gegenüber tomus 29, 1970, 376– Antonius undCleopatra, vgl. P. Zanker, Augustus unddie Macht der Bilder (21990) 80. Nach demSieg über Antonius undCleopatra gabAugustus in einem Edikt zuverstehen, daß er alles daransetzen werde, denSitz desStaates in Romzusichern: Suet. Aug. 28, 2 nach der Interpretation vonP. Ceausescu, Dasprogrammatische Edikt desAugustus, Rhein. Mus. 124, 353. 1981, 348– D. Boschung, Tumulus Iuliorum –Mausoleum Augusti: Ein Beitrag zu seinen Sinnbezügen, 41, hatdenNachweis geführt, daß Hefte desArchäolog. Seminars derUniv. Bern 6, 1980, 38– Amm. 17, 4, 16: Secutaeque aetates alios (scil. obeliscos) transtulerunt, quorum ... duoinAugusti monumento erecti sunt so verstanden werden kann, daßAugustus selbst die beiden Obelisken aufstellen ließ, nicht erst Domitianus, wiemeist angenommen wird. ZurPostierung an denEcken der Frontseite s. H. vonHesberg, Das Mausoleum des Augustus, in: Kaiser Augustus unddie verlorene Republik (Ausstellung Berlin 1988), 1988, S. 246. Die Rekonstruktionszeichnung verdanke ich H. von Hesberg (Köln), der zusammen mit S. Panciera (Rom) in Kürze eine Arbeit über dasMausoleum Augusti veröffentlichen wird. Wie von Hesberg mir freundlichst mitteilte, sind die Reliefs für Lorbeerbäume undSchild gesichert. Die Einzeichnung desEichenkranzes in die Rekonstruktion beruht auf der(plausiblen) Vermutung, daßdieser auf Grund seiner Zusammengehörigkeit mit denbeiden anderen Emblemen amMausoleum nicht gefehlt haben kann.

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Politik

beerbäume + Clupeus virtutis (Abb. 9), Corona civica + Clupeus virtutis (Abb. 4.Hinter demMausoleum befand sich ein großer Hain mit schönen Spazierwe10)1 gen; in derNähe lag die Verbrennungsstätte, das Ustrinum15. Sicher gab es beim Mausoleum auch Portiken undandere Bauten. Aus einem dieser Gebäude dürfte dasFragment vomGesims einer Kassettendecke stammen, daseinhöchst bezeichnendes Motiv enthält: eine Pharaonenkrone (Abb. 11)16. Augustus führte mit diesemneuartigen, in regelmäßigen Abständen wiederkehrenden Dekor jedem Besucher derParkanlage vorAugen, daßdasReich derPharaonen nunRomzurZierde dank derEroberung durch ihn17. diene – Der ägyptische Bezug seines Mausoleums genügte demumseinen Ruhm besorgten Augustus keineswegs. Er dachte aneinMonument, dasinbesonderer Weise die Erinnerung an seine Großtat wachhielte. Ein erster Plan betraf die Herbeischaffung eines riesigen, über 30 m hohen Obelisken aus Theben in Ägypten, dener an exponierter Stelle in Romaufrichten undmit einer entsprechenden Inder Obelisk schrift versehen wollte. Der Plan scheiterte an religiösen Bedenken – wardemSonnengott geweiht –undan Transportschwierigkeiten (schließlich war er umdie Hälfte größer als die beiden Obelisken vordemMausoleum)18. Aber Augustus ließ von seinem Anliegen nicht ab. 12 v. Chr. wurde ein 20 m hoher Obelisk ausHeliopolis miteinem Spezialschiff nach Romgebracht; ihmfolgte 11 oder 10 v. Chr. einzweiter vongleicher Größe nach. Dererste sollte als Gnomon derim Baubefindlichen Sonnenuhr in derNähe desMausoleums dienen, derzweite war für den Circus Maximus bestimmt19. Beide erhielten die gleiche Inschrift (Abb. 12). Sie verkündete, daß Augustus die Obelisken im 14. Jahr seiner tribunicia ponachdem Ägypten in testas, das ist 10/9 v. Chr., demSonnengott geweiht habe, „ die Gewalt des römischen Volkes gebracht war“(Aegupto in potestatem populi

14 Abb. 6: Denar RIC I2Aug. 51. Abb. 7: Denar RIC I2Aug. 42. Abb. 8: Denar RIC I2Aug. 40. Abb. 9: Aureus RIC I2Aug. 52. Abb. 10: Aureus RIC I2Aug. 78. 15 Strab. 5, 3, 8 (p. 236). Suet. Aug. 100, 4 fügt hinzu, daß die Umgebung des Mausoleums nach Fertigstellung des Baus der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt wurde. 16 FürdieHerkunft desFragments ausderUmgebung desMausoleums: vonHesberg inderoben Anm. 13 angekündigten Arbeit (mündliche Mitteilung). Es befindet sich jetzt im Mausoleum selbst undwurde publiziert vonM. deVos, L’egittomania in pitture e mosaici Romano-Campani della prima età imperiale (1980) 74 (foto: frontespizio). Dort auch Maße undBeschreibung.

17 M. de Vos (vor. 18 19

Anm.) bezieht die Pharaonenkrone auf Augustus als Pharao (Augusto Faraone), während Geraci (oben Anm.9) 408 Anm. 113 in ihrnureine Erinnerung andieEroberungÄgyptens sieht. Amm. 17, 4, 12. Es handelt sich umdenspäter (357 n. Chr.) vonConstantius II. in denCircus 15; Corp. Inscr. Lat. VI 1163), derjetzt Maximus gebrachten Obelisken (Amm. 17, 4, 1. 13– vordemLateran steht. 72; Strab. 17, 1, 27 (p. 805). ZumZeitpunkt undzur Reihenfolge des Plin. nat. hist. 36, 70– Transportes der beiden Obelisken s. E. Buchner, Solarium Augusti und Ara Pacis, Mitt. 360. Deutsch. Archäolog. Inst., Röm. Abt. 83, 1976, 358–

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Romani redacta)20. Der Obelisk der Sonnenuhr erhielt seine besondere Bedeutung durch die gleichzeitige Errichtung derAraPacis Augustae in etwas mehr als 80 m Entfernung21. Die Inschrift des Obelisken bekam dadurch folgenden Sinn: Die Eroberung Ägyptens hat derWelt denFrieden, die Pax Augusta, gebracht. Der heutige Standort desObelisken ist die Piazza di Montecitorio (Abb. 13). Der Obelisk aus demCircus Maximus steht jetzt auf der Piazza del Popolo (Abb. 14). Seine einstige zentrale Stellung imCircus läßt ein Sesterz Trajans erkennen (Abb. 15)22. AlsAugustus am30. Januar 9 v. Chr. dieAraPacis einweihte unddie Sonnenuhrmit demObelisken ausÄgypten ihrer Bestimmung übergab, ging derBau eines anderen Monumentes, daswomöglich in noch stärkerer Beziehung zurEroberung Ägyptens stand, seiner Vollendung entgegen. Gemeint ist der Mars UltorTempel mitsamt demForum Augustum. Die Kosten für das großartige Bauwerk, , wiePlinius (nat. hist. 36, 102) sagt, wurden nach den „ dasschönste aufderWelt“ Worten des Augustus (Res gestae c. 21) aus Beutegeldern bestritten, ex manibiis. Beute in diesem Ausmaß aber hatte er nur in Ägypten gemacht23. Wenn es eines Beweises bedürfte, daßderMars Ultor-Tempel unddasForum Augustum mitdem Ptolemäer-Schatz finanziert wurden, dann liefert ihn das Dedikationsdatum. Augustus wählte dafür den Gedenktag an die Einnahme Alexandrias, den 1. August desJahres 2 v. Chr24. Umaber auch wirklich jedem Römer diesen Zusammenhang vorAugen zuführen, ließ er zurFeier desTages 36 Krokodile imCircus Flaminius vorführen undimKampf zuTode bringen25. An hervorragender Stelle seines Forums stellte Augustus zwei Gemälde des berühmten Malers Apelles auf, die mit großer Wahrscheinlichkeit zumPtolemäer-

20 Die Abb. 12 zeigt die Inschrift desObelisken ausdemCircus Maximus (jetzt auf derPiazza delPopolo), Corp. Inscr. Lat. VI 701. Die Inschrift desObelisken vomCampus Martius trägt

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im Corpus Inscriptionum Latinarum VI die Nr. 702. Wie G. Alföldy, Der Obelisk auf demPe54, gezeigt hat, tersplatz in Rom (Sitz. Ber. Heidelb. Akad. Wiss., Phil.-hist. Kl. 1990, 2) 52– ist der30 v. Chr. aufdemForum lulium in Alexandria vonC. Cornelius Gallus iussu Imperatoris Caesaris (Année épigraphique 1965, 255) errichtete Obelisk (der heutige „ vatikanische“ ) als Vorbild für die beiden von Augustus 10/9 v. Chr. in Rom dedizierten Obelisken zu betrachten. ZurVerbindung vonSolarium undAraPacis s. dasgroßartige Panorama, dasBuchner (oben Anm. 19) 347 entwirft. Vgl. dazu allerdings die Einschränkungen von M. Schütz, Zur Son455. nenuhr des Augustus auf demMarsfeld, Gymnasium 97, 1990, 449– RIC II Trai. 571. Der Obelisk bildet die Mitte der Rückseitendarstellung, links hinter dem Obelisken die Statue desSol aufdemihmgeweihten Tempel. ZurVerbindung desCircus mit dem Sonnengott vgl. Tert. de spect. 8, 1. Auch der Obelisk wardemSol geweiht, Corp. Inscr. Lat. VI 701: soli donum dedit (Abb. 12). Die Umschrift der Münze lautet: S(enatus) P(opulus) Q(ue) R(omanus) OPTIMO PRINCIPI. Im Abschnitt: S(enatus) C(onsulto). W. Wunderer, Manibiae Alexandrinae (Progr. kgl. alt. Gymn. Würzburg, Studienj. 1893/94),

27. 1894, 26– 24 Cass. Dio 60, 5, 3. Gegenüber der Symbolträchtigkeit dieses Datums hat derneuerlich unternommene Versuch, den 12. Mai als Dedikationsdatum des Mars Ultor-Tempels zu erweisen (vgl. G. Alföldy, ZudenMonumenten derrömischen Provinzen auf demAugustusforum, in: Festschrift Thomas Pekáry [hrsg. von H.-J. Drexhage und J. Sünskes], 1989, 234), keine Chance. Vgl. auchdiefolgende Anmerkung. 25 Cass. Dio 55, 10, 8. DerKampf gegen die in Romso selten gezeigten Krokodile gibt nureinenSinn, wenndamit aufdenSieg über Ägypten angespielt werden sollte.

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Politik

Schatz gehörten. Das eine zeigte Alexander den Großen im Triumphwagen, den personifizierten Krieg gefesselt mit sich führend. Aufdemanderen sahmanihn in derPose des Siegers mit Nike unddenDioskuren. Beide Bilder übertrugen durch ihren Aufstellungsort den Ruhm Alexanders des Großen auf Augustus26. Dieser selbst beherrschte als Triumphator in derQuadriga, die vor demMars Ultor-Tempel stand, weithin dasForum27. Die Inschrift des Denkmals verewigte den Senatsbeschluß, der Augustus am 5. Februar des Jahres 2 v. Chr. den Ehrentitel Pater patriae verliehen hatte28. Bedenkt man, daßdieser Titel die Potenzierung jener Ehrung darstellte, die ihm im Jahre 27 v. Chr. mit derVerleihung der Corona civica zuteil geworden war29, so läßt sich leicht auch dieses Denkmal auf die in Ägypten erfolgte alles entscheidende Tat, die Errettung des Staates aus furchtbarer Gefahr, beziehen. Seine simplifizierte Aussage lautet dann: Der Triumph über Ägypten war Anfang und Voraussetzung des Aufstiegs zum Vater des Vaterlandes. Mit dieser Glorifizierung konnte keiner dergroßen Feldherren, deren Statuen undElogien in denPortiken desMars Ultor-Tempels aufgestellt waren, konkurrieren. Augustus übertraf sie alle. Eine Inschrift mit dem Senatsbeschluß über die Verleihung des Pater patriaeTitels an Augustus wurde auch in der Curia Iulia, dem Sitzungsgebäude des Senats, angebracht. Sie trat hier zu den beiden Denkmälern, die an den Sieg über Ägypten und die Rückgabe des Staates an Senat und Volk erinnerten. Bei dem einen Denkmal handelte es sich umdie Statue der Victoria, die Octavian am 28. August des Jahres 29 v. Chr., 14 Tage nach dem Triumph über Ägypten, in der Kurie dedizierte30. Sie stammte aus Tarent und wurde für die Aufstellung in der Curia Iulia mit ägyptischem Beutegut geschmückt31. Kürzlich hat G. Hafner einleuchtend vermutet, daßzudiesem Beutegut der Globus gehörte, auf demstehend die Victoria in der Münzprägung erschien32. Die Abb. 16 zeigt ein solches Exemplar: Die Rückseite eines Denars ausdenJahren 29/28 v. Chr. Die nach links gerichtete Victoria steht auf der Weltkugel, einen Palmzweig in der Linken, einen Kranz in der Rechten. Im Feld links: CAESAR, rechts: DIVI F(ilius)33. Das andere, eben erwähnte Denkmal warder vom Senat am 16. Januar 27 v. Chr. an Augustus

29. 26 Zudenbeiden Bildern undihrer Herkunft ausAlexandria s. Wunderer (oben Anm. 23) 28– Ihre Aufstellung auf demForum Augustum ist bezeugt durch Plin. nat. hist. 35, 27. 93. Zur 24. Deutung undzumBezug derBilder aufAugustus P. Zanker, Forum Augustum (1968) 23– 27 Zanker (vor. Anm.) 12. 28 Resgestae c. 35. 113). Zur 29 Res gestae c. 34. Vgl. die Fasti Praenestini zum 13. Januar (Inscr. Ital. XIII 2, 112– ‘Ergänzung’desBeschlusses über denEichenkranz durch denTitel Pater Patriae s. A. Alföldi, DerVater desVaterlandes imrömischen Denken (1971) 74. 30 DieFasti bei Ehrenberg/Jones (oben Anm. 3) p. 51. DazuCass. Dio 51, 22, 1. 31 Cass. Dio 51, 22, 2. Umfassende Behandlung der mit dieser Victoria zusammenhängenden 17. Vgl. auch H. A. Pohlsander, VictoProbleme bei T. Hölscher, Victoria Romana (1967) 6– 597. ry. The Story of a Statue, Historia 18, 1969, 588– 558. 32 G. Hafner, Die Romana Victoria in der Curia Iulia, Archäolog. Anz. 1989, 553– 33 RIC I Aug. 27 (= RIC I2 254 b). Vgl. die ausführliche Beschreibung dieses Münztyps im Rahmen derVarianten undverwandten Münztypen durch W. Trillmich imBerliner AugustusKatalog (oben Anm. 12) unter Nr.329 aufS. 509.

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verliehene goldene Ehrenschild, der an gleicher Stelle wie die Victoria postiert wurde. AufdemSchild waren dieTugenden genannt, die Augustus auszeichneten: Virtus, Clementia, Iustitia, Pietas34. Auch dieses Denkmal erschien, wie oben schon erwähnt, auf Münzen35. Im jetzigen Zusammenhang ist folgendes Motiv besonders interessant: Es zeigt (Abb. 17) die Victoria mit Lorbeerzweigen in den Händen über demCL(upeus) V(irtutis) schwebend. Im Hintergrund ist die Säule sichtbar, auf der die Victoria in der Kurie stand. Links undrechts unter denFlügeln: S(enatus) P(opulus) Q(ue) R(omanus)36. Dieenge Verbindung derVictoria-Statue mitdemClupeus virtutis in derCuria Iulia, welche die Münzen in alle Welt hinaustrugen, hatte die selbstverständliche Folge, daßdie Victoria ebenso wiederTugendkanon auf die Person desAugustus bezogen wurde. Sein Sieg über Ägypten erschien auf diese Weise als Anbruch der Herrschaft desidealen Princeps. Die Victoria-Statue in der Curia Iulia hat für das Lebenswerk des Augustus, die Neuordnung des römischen Staates, höchsten Symbolwert erlangt. Dies beweist schlagend ihre Rolle nach demTode des Augustus. Da wurde im Senat der Antrag gestellt, sie solle demLeichenzug auf seinem WegvomForum durch die Porta triumphalis zumUstrinum beim Mausoleum vorangetragen werden37. Diese Ehrung entsprach ganz demCharakter des Leichenzuges, der als Triumph ausgerichtet wurde: Das Wachsbild auf der Totenbahre trug das Triumphalgewand, ein anderes Bildnis des Augustus wurde auf einem Triumphwagen einhergefahren, undim Zug waren alle von ihm unterworfenen Völkerschaften als symbolische Darstellungen vertreten38. Die Victoria an der Spitze des Zuges erhielt so die Bedeutung, daß sie die Urheberin aller Siege des Augustus sei, daß sie ihn zumTriumphator par excellence gemacht habe, oder, in der Sprache der Res gestae: daß sie ihn dazu befähigt habe, den Erdkreis der Herrschaft des römischen Volkes zu unterwerfen39. So sehr nunauch die Victoria-Statue in derCuria Iulia mit denLeistungen des Augustus verknüpft wurde, so kames doch nicht zueiner Identifikation mit seiner Person, anders ausgedrückt: Die Victoria-Statue in derKurie wurde nicht zurVictoria Augusta: das ließ ihr Aufstellungsort einfach nicht zu40. Die Entwicklung

34 Res gestae c. 34. 35 Abb. 7, 9, 10, dazu die Katalogangaben oben Anm. 14. 36 RIC I Aug. 259 (= RIC I2 45). Es handelt sich um die Rückseite eines Denars, der 19/18 v. Chr. geprägt worden ist. Die Säule imHintergrund hatM.R.-Alföldi, Signum Deae, Jb. Num. 28, mit Hilfe des Commodus-Sesterzes RIC III Commod. 613 als die Geldgesch. 11, 1961, 25– derVictoria erkannt. ZudeninderKurie vorhandenen Resten ihrer Basis s. A. Bartoli, Curia Senatus (1963) 57 mit Abb. 31. 37 Suet. Aug. 100, 2. W. Weber, Princeps (1936, Neudr. 1969) 77– 78, hat ermittelt, daß dieser Antrag angenommen wurde.

38 Cass. Dio 56, 34, 1. 3, dazu Weber (vor. Anm.) 77. 39 Cass. Dio51, 22, 1 sagt vonderVictoria inderCuria Iulia, daßAugustus durch sie die Herrschaft erlangt habe. In der Überschrift der Res gestae heißt es: quibus (scil. rebus gestis) orbemterrarum imperio populi Romani subiecit. 40 Hölscher (oben Anm. 31) 10– 11; D. Fishwick, The Imperial Cult in the Latin West I 1 (1987) 115.

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Politik

trieb aber in Richtung aufeine Personifikation derSiege desAugustus. ImJahre 4 n. Chr., als der Festkalender von Cumae, das Feriale Cumanum, aufgezeichnet wurde, war sie abgeschlossen. Denn unter dem 14. April erfolgte der Eintrag: Supplicatio Victoriae Augustae. Es handelte sich umdenTag der Schlacht bei ForumGallorum imJahre 43 v. Chr., denersten Sieg des späteren Augustus41. In unserem Zusammenhang kommt es nundarauf an, daßauch an dieser Entwicklung der Sieg über Ägypten maßgeblich beteiligt war. AmJahrestag dieses Sieges, am 1. August 12 v. Chr., wurde in Lugdunum/Lyon derAltar derRoma unddesAugustus eingeweiht42. Jahr fürJahr trat hier künftig andiesem TagdieProvinzialversammlung der drei gallischen Provinzen zusammen, umder Roma unddemAugustus durch eine kultische Feier zu huldigen. Der Altar, an dem dies geschah, war, wie die Münzen zeigen, vonje einer Säule mit daraufstehender Victoria flankiert. Die Darstellung auf demin Lugdunum geprägten As, dessen Rückseite die Abb. 18 zeigt, läßt deutlich die beherrschende Funktion der Victorien erkennen. Die Mitte der Altarfront wurde von der Corona civica eingenommen43. Gewissermaßen als Rekonstruktion desAltars kann die Rückseite eines Paduaners der Gebrüder Cavino gelten (Abb. 19)44. Dedikationsdatum, Victorien, Corona civica –das alles führt auf den Retter Augustus, derdurch seinen Sieg über Ägypten „ denStaat aus furchtbarer Gefahr , um nochmals die Fasteneintragung zum 1. August des Jahres 30 v. befreit hat“ Chr. zuzitieren45. Nunkann mannatürlich fragen, ob denn dieses Ereignis für Gal-

41 Fer. Cum. zum 14. April (Corp. Inscr. Lat. I2p. 229). Vgl. St. Weinstock, Victor and Invictus, Harv. Theol. Review 50, 1957, 240. In denInscr. Ital. XIII 2, 279 (mit demKommentar auf S. 442) wird der 15. April bevorzugt. Dieses Datum auch bei Hölscher (oben Anm. 31) 161. 441– 42 Das Jahr (12 v. Chr.) bei Liv. per. 139 undCass. Dio 54, 32, 1. Das Tagesdatum (1. August) bei Suet. Claud. 2, 1. Das durch die Erwähnung des Jahres 10 v. Chr. bei Sueton aufgewor99 mit der Entscheifene Quellenproblem erörtert ausführlich Fishwick (oben Anm. 40) 97– dung für 12 v. Chr. 43 RIC I Aug. 360 (= RIC I2 230), Prägedatum: ca. 10 v. Chr. Zu den sog. Altarmünzen als Quellen fürdasMonument s. bes. R. Turcan, L’Autel deRome et Auguste ‘AdConfluentem’, 638. in: ANRW II 12, 1 (1982) 615– 44 Z. Klawans, Imitations and Inventions of Roman Coins (1977) p. 26, 1. Die in der wissenschaftlichen Literatur unterbreiteten Rekonstruktionsvorschläge bei Turcan (vor. Anm.) Fig. 621). 613 und620– 1– 4 (S. 612– Derägyptische Bezug desAltars vonLyonwürde entschieden verstärkt, wenn 45 ObenAnm.3. – sich erweisen ließe, daßdie Säulen ausgrauem ägyptischem Granit in derKirche St-Martind’Ainay (pl. V bei Fishwick [oben Anm.40]), dieals diejenigen desAltars derRomaunddes 611 mit Anm. 21 + 22), vonAuAugustus angesehen werden (Turcan [oben Anm. 43] 610– gustus andieRhone gebracht wurden undnicht erst vonHadrian, wiejetzt angenommen wird (zuletzt: A. Audin/D. Fischwick, L’autel lyonnais de Rome et d’Auguste, Latomus 49, 1990, 659). Dasdafür angeführte Argument, es handele sich umGranit vomMons Claudianus, der frühestens für das Trajansforum verwendet worden sei, ist nicht zwingend. Grauer Granit wurde auch in Syene abgebaut (J. Räder, ZurSteinbruchgeschichte des Rosengranits vonAssuan, Jb. Deutsch. Archäol. Inst. 80, 1965, 468), könnte also schon unter Augustus Verwendung gefunden haben, zumal derNil denTransport erleichterte. Weiterhelfen kann nureine exakte Materialuntersuchung derSäulen in Ainay undein Vergleich mitdenin RomerhaltenenSäulen. Zuletzteren J.Th. Peña, P. Giss. 69: evidence forthesupplying of stone transport

AEGVPTO CAPTA

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lien die gleiche Bedeutung hatte wie für Rom. Antwort geben die Bronzemünzen ausNemausus/Nîmes mit denKöpfen vonAugustus undAgrippa auf derVorderseite undeinem Krokodil, dasan eine Palme gekettet ist, auf derRückseite (Abb. 20). DieNemausus-Stücke wurden erstmals imJahre 28 v. Chr. unddann während der ganzen Regierungszeit des Augustus geprägt46. Alle gallischen Provinzen gehörten zu ihrem außergewöhnlich großen Verbreitungsgebiet47. Die Botschaft, die sie verkündeten, war eindeutig: Das Krokodil an der Kette drückte bildlich das AEGVPTO CAPTA der Aurei undDenare des Jahres 28 v. Chr. aus. In Verbindung mit derVorderseite hieß das: Augustus hat mit Hilfe Agrippas Ägypten bezwungen. Es darf also mit ziemlicher Sicherheit angenommen werden, daß der Sieg über Ägypten auch in Gallien großen Widerhall gefunden hatte48, so daß es durchaus logisch war, den Kult des Augustus an die damals erfolgte Rettung aus großer Gefahr anzuschließen. Die Victorien mußten in dieser Sicht als diejenigen erscheinen, dieAugustus in diegöttliche, d.h. in ihre Sphäre erhoben. Es ist naheliegend, darin denentscheidenden Schritt zur festen Verbindung der Siegesgöttin mit Augustus zu sehen. Überspitzt ließe sich also sagen, die Victoria Augusta sei am 1. August 12 v. Chr., demGedenktag andenSieg über Ägypten, bei der Einweihung desAltars derRomaunddesAugustus in Lugdunum ins Leben getreten49. Über die Krokodilmünzen vonNemausus ist gewissermaßen wieder derAusgangspunkt der bisherigen Betrachtungen erreicht, die AEGVPTO CAPTA-Emission des Jahres 28 v. Chr. Es gilt nun noch, eine ebenfalls von ihr ausgehende Entwicklungslinie zu verfolgen, die in besonders signifikanter Weise die Bedeutung der Eroberung Ägyptens für die Entstehung der Prinzipatsideologie zu demonstrieren in der Lage ist. Dazu aber mußeine Variante des eingangs benutzten Typs dienen: Auf derVorderseite dieses gleichfalls im Jahre 28 v. Chr. geprägten Denars (Abb. 21) ist unter demHals des nach rechts gewandten Kopfes Octavians

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operations in Roman Egypt andthe production of fifty-foot monolithic column shafts, Journ. 131. Rom. Archeol. 2, 1989, 130– Der in Abb. 20 vorgestellte As (RIC I p. 44 [= RIC I2 Aug. 158]) gehört zu den zwischen 8 und3 v. Chr. geprägten Stücken (Serie 2 nach der gängigen Klassifizierung). Diese unter9 v. Chr.) durch denEichenkranz des Auscheiden sich von ihren Vorgängern (Serie 1: 28– gustus (Agrippa trägt immer die Schiffskrone [corona rostrata]). AufdenStücken der3. Serie (zwischen 10und14/15 n. Chr.) ist dieallen Serien gemeinsame Vs.-Legende IMPDIVI F um die Buchstaben PP, Pater Patriae, ergänzt. Rs.-Legende aller Stücke: COL(onia) NEM(ausus). Über dieReihenfolge derPrägungen s. dieListen bei K. Kraft, DasEnddatum desLegionslagers Haltern, Bonner Jahrbücher 155/156, 1955/56, 95 (= ders., Kleine Schriften II [1978] 18); J.-B. Giard, Le monnayage antique deNîmes, École antique deNîmes, Bulletin annuel n. 72, 60; J.-M. Roddaz, Marcus Agrippa (1984) 596. Zur Interpretation dieser 7, 1971– s. 6– 596. Münzgruppe s. bes. Roddaz a. O. 207, 595– Vgl. dieFundangaben bei M.Grant, From Imperium to Auctoritas (1946). Narbonensis: S. 70 Anm.7; Gallia Comata: S. 71 Anm. 1 + 2. DieAngaben fürdasübrige Reichsgebiet (einschl. 13. derGermania libera) ebd. S. 71 Anm. 3– Der Sieg von Actium stand den Galliern in Gestalt der dabei erbeuteten Kriegsschiffe vor Augen, die in Forum Iulii (Fréjus) stationiert wurden (Tac. ann. 4, 5, 1). Weinstock (oben Anm. 41) 240 setzt die Victoria Augusta vor derPax Augusta (13 v. Chr.) an.ZumCharakter derVictoria Augusta vgl. dieAusführungen vonHölscher (oben Anm.31)

164. 161–

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als kleines Beizeichen der Capricornus, das Tierkreiszeichen des Steinbocks, angebracht. Die Rückseite zeigt dasNilkrokodil undträgt die Legende AEGVPTO

CAPTA50 wie das früher behandelte Exemplar. Der Capricornus ist das Sternzeichen, in dembei der Geburt Octavians der Mond stand51. Das Erscheinen dieses Symbols auf den AEGVPTO CAPTA-Münzen nahm Bezug auf den Senatsbeschluß des Jahres 30 v. Chr., der den Geburtstag Octavians, den 23. September, wegen des Sieges von Actium zum Festtag erklärt hatte52. Den tieferen Sinn des Senatsbeschlusses hat K. Kraft darin gesehen, daß Octavians Geburt als für den Staat heilsam bezeichnet werden sollte53. ‘Liest’ man unsere Münze in diesem Kontext, so besagt sie, daßderzumHeile desStaates geborene Sieger vonActium Ägypten erobert unddadurch dieRomdrohende Gefahr endgültig beseitigt hat. Die heilsame Wirkung der Eroberung Ägyptens erschöpfte sich nun keineswegs inderBeendigung derBürgerkriege ganz allgemein. Ägypten wareinreiches Land; seine Schätze waren in den Besitz Octavians gelangt, undder gab sie mit vollen Händen aus. In Rom herrschte 29 v. Chr. geradezu eine Geldschwemme, aber auch allenthalben im Reich breitete sich Wohlstand aus, wie Cassius Dio schon für das Jahr 30 v. Chr. konstatiert54. Als Symbol für diesen weltweiten Wohlstand erschien imJahre 27 v. Chr. sowohl aufAurei undDenarii als auch auf Cistophori der Capricornus mit einem Füllhorn auf demRücken. Das Beizeichen der AEGVPTO CAPTA-Münzen war zumselbständigen Merkmal des durch die Eroberung Ägyptens bewirkten Weltzustandes geworden! Anders ausgedrückt: DerzumAugustus erhobene Eroberer Ägyptens stellte sich durch sein Nativitätszeichen als Weltbeglücker, als Locupletator orbis terrarum vor55.

50 RIC I Aug. 20 (= RIC I2545). 51 ZurFrage, ob derCapricornus sich aufdieNativität oder die Konzeption bezieht, s. K. Kraft, ZumCapricorn auf den Münzen des Augustus, Jb. Num. Geldgesch. 17, 1967, 17 (= ders., Kleine Schriften II [1978] 262) sowie D. Kienast, Augustus (1982) 183 Anm. 52. ZumBezug desCapricorns auf denEmpfängnismonat zuletzt Buchner (oben Anm. 19) 346 mitAnm. 80. Zur Bedeutung der Stellung des Mondes bei der Geburt des Augustus mit neuem Material 449. Schütz (oben Anm. 21) 448– 52 Cass. Dio 51, 19, 2. DerCapricornus stand zuÄgypten in bestimmter Beziehung. Es wardas Sternzeichen, unter demPanan denHimmel versetzt worden war, weil er die nach Ägypten geflohenen Götter von der Herrschaft Typhons befreit hatte. Zudieser vonNigidius Figulus verbreiteten Geschichte s. E. J. Dwyer, Augustus andthe Capricorn, Mitt. Deutsch. Archäol. 67. Vgl. auch J. R. Fears, The Theology of Victory at Rome, in: Inst., Röm. Abt. 80, 1973, 59– 811. ANRW II, 17, 2 (1981) 810– 268. 53 Kraft (oben Anm. 51) 265– 54 Cass. Dio 51, 17, 8. Copia nummaria: Suet. Aug. 41, 1; abundantia pecuniarum: Oros. 6, 19, 19. T. Frank, On Augustus andthe Aerarium, Journ. Rom. Stud. 23, 1933, 146 schätzt, daß damals 1000 Millionen Sesterzen ins Volk unddamit in die Wirtschaft flossen. Zur Steuer2. Das ägyptische Gekraft Ägyptens, die nun ständig genutzt wurde, vgl. Vell. Pat. 2, 39, 1– treide begann seine besondere Rolle fürdieVersorgung Roms zuspielen (Epit. deCaes. 1,6; Jos. bell. Iud. 2, 16, 4 [§ 383]). Vgl. auch Tac. hist. 3, 8, 2: Aegyptus, claustra annonae. in bezug 55 DieStaatstheorie verlangte vomidealen Princeps u. a., daßerdasLeben derBürger „ aufdiemateriellen Güter reich“(copiis locuples) mache, Cic. dere publ. 5, 8 = adAtt. 8, 11, 1. Die Bezeichnung locupletator civium inquasititularer Verwendung ist zuerst fürTrajan bezeugt (Corp. Inscr. Lat. VI 958). Hadrian heißt dann auf Münzen (RIC II Hadr. 585): locupletator orbis terrarum.

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Die Aurei undDenare zeigen denCapricorn, wie bereits erwähnt, mit einem auf demRücken. Zwischen denBeinen eine Weltkugel, hinter demrechten Bein ein Steuerruder. Darunter: AVGVSTVS (Abb. 22)56. Bei dem Globus handelt es sich vielleicht umdenzurägyptischen Beute gehörenden ausderCuria Iulia, auf demdie Victoria stand. Das Steuerruder könnte auf die Seeschlacht von Actium hindeuten. Stimmen diese Bezüge, dann würden die beiden Attribute die entscheidenden Siege des unter dem Zeichen des Capricorn geborenen Augustus symbolisieren, der nundie Segnungen des Friedens über die Welt ausgießt. Auf dem Cistophor (Abb. 23) ist ein anderer Typus des Capricorn dargestellt. Sein Kopf ist rückwärts zum Füllhorn hin gewandt. Dieses reicht mit seinem unteren Ende bis an das rechte Bein des Capricorn. Unter dessen geschwungenem Leib: AVGVSTVS. Bild undAufschrift sind umrahmt voneinem Lorbeerkranz57. Dieser wurde übernommen von einem Cistophorentyp, mit demOctavian im Jahre 28 v. Chr. seine soeben vollbrachte Leistung für denrömischen Staat unddie römische Welt bekannt gemacht hatte. Er wird im folgenden behandelt. ZumCapricorn mit dem Füllhorn aber bleibt festzuhalten, daß Augustus mit diesem Münzbild in höchst einprägsamer Form kundmachte, daß er vom Schicksal dazu bestimmt sei, Wohlstand über dieganze Welt zubringen. Der schon angesprochene Cistophorentyp aus demJahre 28 v. Chr. zeichnet sich zunächst dadurch aus, daß Octavians Kopf (Abb. 24) denLorbeerkranz trägt zum ersten Mal auf einer Münze überhaupt. Sodann erregt die Bezeichnung LIBERTATIS P(opuli) R(omani) VINDEX Aufsehen. Sie bildet den letzten Teil derVorderseitenlegende IMP CAESAR DIVI F COS VI. Die Rückseite zeigt die Friedensgöttin, PAX, auf einem Parazonium stehend, mit einem ihrer Attribute, demCaduceus. Hinter ihr in derrechten Bildhälfte die Cista mystica, dasWahrzeichen dieses Münztyps. DasGanze ist umrahmt voneinem Lorbeerkranz58. Den Lorbeerkranz Octavians und den der Rückseitenumrandung hat D. Mannsperger aus dem Gegensatz zu Antonius und dessen Bevorzugung des dionysischen Efeukranzes verstanden: Derapollinische Lorbeer wardasSymbol des göttlichen Schutzes, unter demOctavian den Kampf gegen Antonius unddessen Anspruch, der neue Dionysos zu sein, siegreich zu Ende geführt hatte59. Mit der Apostrophierung Octavians als Vindex libertatis auf dieser Münze hat man sich in der Forschung schwergetan. Dabei ist es m. E. doch ganz evident, daß hier ein Nachhall deseingangs zitierten Senatsbeschlusses vorliegt, derdenTag derEroberung Alexandrias zum Festtag erklärt hatte, „weil an diesem Tag der Imperator Caesar den Staat aus furchtbarer Gefahr errettet hat“ (rempublicam ... liberavit)60. Füllhorn

56 Der abgebildete Denar RIC I Aug. 264 (= RIC I2 126) wurde wohl seit 27 v. Chr. geprägt. Ein Aureus dieses Typs ist abgebildet undbeschrieben imBerliner Augustus-Katalog (oben Anm. 12) unter Nr. 338 (W. Trillmich, S. 513). 57 RIC I Aug. 12 (= RIC I2477). Bei Sutherland/Olcay/Merrington, The Cistophori of Augustus (1970) ist dieser Typus (Vs. Kopf des Augustus nach rechts ohne Lituus) unter Nr. 123– 136 desKatalogs erfaßt. 58 RIC I Aug. 10 (= RIC I2 476); Sutherland/Olcay/Merrington (vor. Anm.) Nr. 1– 72 a) (S. 40– 44). 59 D. Mannsperger, Apollon gegen Dionysos, Gymnasium 80, 1973, 383– 398.

60 ObenAnm.3.

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Politik

Die Averslegende unseres Cistophors bezog sich also in erster Linie auf die res publica oder, wie sie selbst sagt, denpopulus Romanus61. Mit demReversbild und derLegende PAX aber wurde jeder angesprochen, der zumImperium Romanum gehörte, alle Menschen, dieganze Welt. Gerade in Kleinasien, woderCistophor in großen Mengen umlief62, warmangewohnt, großräumig zudenken. Hier waresja auch, woim Jahre 9 v. Chr. Augustus mit der Einführung eines neuen Kalenders geehrt wurde, deranseinem Geburtstag begann, weil dieser Tagals Anfang seiner Freudenbotschaften für die Welt“galt63. Damit ist zugleich die Verbindung zwi„ schen unserem Cistophorentyp unddemein Jahr später geprägten mit Capricorn undFüllhorn enger geknüpft: Der Lorbeerkranz der Rückseiten ist das Zeichen einer inneren Zusammengehörigkeit beider Typen, so wie eben Frieden und Wohlstand zusammengehören. Beide sind das Werk des Mannes, der einmal als Vindex libertatis unddas andere Mal unter seinem glückbringenden Sternzeichen erscheint. Die Betrachtung der im augusteischen Festkalender als zentrales Ereignis gekennzeichneten Eroberung Ägyptens in ihrer Auswirkung auf die Entstehung der Prinzipatsideologie hat ein ganzes Geflecht von Bezügen sichtbar gemacht, das nunnochmals in schlagwortartiger Vereinfachung vorgeführt werden soll. Diebeherrschende Stellung indieser Übersicht kommt zweifellos demVindex libertatis zu,weil er sozusagen denPrinzipat begründet hat. Schon daserste Auftreten Octavians gegen Antonius imJahre 44 v. Chr. warvonCicero als Befreiung des Staates propagiert worden64. Augustus übernahm diese Charakterisierung und stellte sie an den Anfang seiner Res gestae: rempublicam in libertatem vindicavi65. Er erhob damit denAnspruch, daßsein politisches Wirken vonAnfang an diesem Ziel gedient habe. Nichtsdestoweniger markierte aber erst der Tod des Antonius am 1. August 30 v. Chr. die eigentliche Befreiung, wie der in die Fasti eingegangene Senatsbeschluß unddie Vindex libertatis-Münze bezeugen. Nurweil die von Alexandria herdrohende riesengroße Gefahr abgewendet wurde, konnte Augustus dieAntizipation desBefreiungsaktes imersten Satz derResgestae vornehmen. Direkt neben demVindex libertatis hat der Propagator imperii seinen Platz. DieBefreiung desStaates am1. August 30 v. Chr. warzugleich einAktderEroberung: Ägypten wurde demHerrschaftsbereich des römischen Volkes hinzugefügt. Augustus trat in die Fußstapfen derrepublikanischen Feldherren, welche die Grenzen des Reiches erweitert hatten, undwollte sein Verhalten als Vorbild für die künftigen Principes verstanden wissen. Tatsächlich rühmte sich Claudius mit Be61 So richtig K.-W. Welwei, Augustus als vindex libertatis, Der altsprachl. Unterr. XVI 3, 1973, 30, gegen die ‘außenpolitische’ Interpretation vonCh.Wirszubski, Libertas als politische Idee 9. (1967) 131, undP. Sattler, Augustus undder Senat (1960) 8– 62 Nach derBerechnung vonMannsperger (oben Anm. 59) 402 liefen einst 500 000 Exemplare um. 63 Dasdiesbezügliche Dekret desLandtages derProvinz Asia ist inmehreren Exemplaren erhalten. Zusammenfassende Ausgabe: U.Laffi, Studi Classici e Orientali 16, 1967, 5 ff. 64 Cic. Phil. 3,5. 65 Resgestae c. 1, dazu J. Béranger, Cicéron précurseur politique, in: ders., Principatus (1973) 128.

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AEGVPTO CAPTA

zug auf die Eroberung Britanniens: auctis populi Romani finibus66, und Trajan, demEroberer par excellence, brachte mandie Widmung dar: propagatori orbis terrarum67. Viele derspäteren Kaiser haben denPropagator-Titel getragen68. Die unmittelbare Folge der Eroberung Ägyptens war die Ausschüttung des , Das römische Reich wurde mit Wohlstand ausgestattet“ Ptolemäer-Schatzes. „ hieß es bei Cassius Dio. Augustus erwies sich dadurch als Locupletator orbis terrarum. DasZeichen dieser seiner Wohltätigkeit warderCapricornus mit einem Füllhorn auf demRücken. Er signalisierte gewissermaßen die Aufnahme der liberalitas in den gerade erst in seinem Grundbestand festgelegten Tugendkanon des Princeps69. Wasdiesen letzteren betrifft, so erhielten die auf demClupeus virtutis verzeichneten vier Kardinaltugenden durch die Verbindung mit der an den Sieg über Ägypten erinnernden Victoria in derCuria Iulia geradezu denAnschein einer geistigen Urheberschaft an demweltbewegenden Geschehen in Alexandria am 1. August 30 v. Chr. Die Victoria aber erfuhr auf demWegüber denAltar derRoma unddes Augustus in Lyon die Transformation zur Victoria Augusta, der Göttin aller Siege desOctavianus/Augustus. Aufweite Sicht wardermitdemJahre 30 v. Chr. eingetretene Weltfrieden die bedeutendste Folge der Eroberung Ägyptens70. Von der Friedensgöttin selbst auf demCistophor des Jahres 28 v. Chr. verkündet, erfuhr er in der Ara Pacis Augustae auf dem Marsfeld seine monumentale Gestaltung. Daß dieses Bauwerk in unmittelbarer Nähe des zumDenkmal des Sieges über Ägypten bestimmten Obelisken undgleichzeitig mit diesem errichtet wurde, warAusdruck der Koinzidenz desaufdemObelisken verewigten Ereignisses mitderGeburt jenes göttlichen Wesens, dasunter demNamen derPax Augusta derWelt denlangersehnten Frieden brachte. Damit läßt sich denn dasHauptergebnis dieser Betrachtungen in die Gleichung fassen: AEGVPTO CAPTA = PAX AUGUSTA.

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68 69

Diese stereotype Formel findet sich auf denPomeriumssteinen, z. B. auf demnoch in situ befindlichen (Roma, Via del Pellegrino) Corp. Inscr. Lat. VI 31537 d. Corp. Inscr. Lat. VI 958. DieBelege beiBerlinger (oben Anm.6) 70. ZurEntfaltung der liberalitas desAugustus H.Kloft, Freigebigkeit undFinanzen, der soziale undfinanzielle Aspekt deraugusteischen Liberalitas, in: Saeculum Augustum I (hrsg. vonG. 388. Auf Münzen erschien die LIBERALITAS AVG zuerst unter Hadrian, Binder), 1987, 361– vgl. die Münzlisten bei A. U. Stylow, Libertas undLiberalitas (Diss. München 1970), 1972,

237. 215– 70 ZurBedeutung derPaxAugusta vgl. etwa H.E. Stier, 54. in: ANRW II 2 (1975) 3–

Augustusfriede

undrömische Klassik,

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Politik

Abbildungsnachweise Münzsammlung desInstituts fürAlte Geschichte derUniversität Mainz: 6. 8. 16. 18. 19. 22. 23 (Fotos: Christel Silz, Institut fürKlassische Archäologie derUniversität Mainz). Fotoarchiv amSeminar fürGriechische undRömische Geschichte, Abteilung II, derUniversitätFrankfurt amMain(Dr. Helmut Schubert): 1.9. 10. 15. 17.20. 21. 24. H.vonHesberg, Köln: 5. O. Hein/R. Mader, Wiesbaden: 2. 3. 4. 11. 12. 13. 14 (diese Aufnahmen vonMonumenten in Romsind ganz neuen Datums undwurden mir in selbstloser Weise zurVerfügung gestellt, wofür ichvielmals danke).

Das Drususdenkmal apudMogontiacum unddie Galliarum civitates* Die Überführung desimJahre 9 v. Chr. auf demRückmarsch vonderElbe in einem Sommerlager zwischen Saale undRhein verstorbenen (älteren) Drusus in das Winterlager amRhein, von demaus er denFeldzug dieses Jahres mit einem Vorstoß gegen die Chatten begonnen hatte1 , warfür die Geschichte dieses Lagers undseiner Umgebung ein Ereignis von weitreichender Bedeutung. Hier fand die Zeremonie des Abschieds der Legionen von ihrem toten Feldherrn statt, dessen Leichenzug sein Bruder Tiberius nach Ticinum (Pavia) führte2 , woAugustus persönlich das Ehrengeleit nach Rom übernahm3 . Die Legionen ließen es aber bei demeinmaligen Trauerakt nicht bewenden; sie beschlossen die Errichtung eines Denkmals, an demalljährlich Drusus zu Ehren eine decursio veranstaltet werden sollte. DenLegionen traten die Galliarum civitates an die Seite; sie verpflichteten sich zuregelmäßigen supplicationes in Verbindung mitdermilitärischen Feier am Drususdenkmal4. Aufdieses Drususdenkmal, dasSueton als tumulus honorarius bezeichnet, ohnedaßer es lokalisiert5, scheint sich Cassius Dio zubeziehen, wenn er voneinem ιο φ νspricht, welches für Drusus „ τά ο εν κ amUfer des Rheines“errichtet worden sei6 . Die Verbindung zwischen denbeiden Nachrichten stellt das Heer des Drusus

*

in: JRGZ 31 (1984) 385– 396.

ετ α μ ό ,ο ς ὗμ ξ ὺ α τ ο α λ ςπ ά ὶΣ α ὲκ ιδ τ 1 ZumTodesort vgl. Strabo 7, 1, 3 (p.291): ἔσ α ν ικ ό ς ; νὁΓερμ σ ε μ ρ ο ῦ σ ο ῶ ήν ο υπ ςἐτελεύτη νκ θ ο ῶ λ ε νΔ α ὶ κατορ κ α ὶτ ο ῦῬ

2 3 4 5

6

Zur Überführung Suet. Claud. 1, 3: in aestivis castris, quae ex eo Scelerata sunt appellata. – τ α ο δ ῦίο υτ ο ῦστρα ο ῦχειμ ρ ιτ έ χ desLeichnams insWinterlager s. Cass. Dio55, 2, 1: μ ς DaßDrusus imJahre 9 v. Chr.zunächst insGebiet derChatten zog, sagt Cass. Dio55, 1,2: ἔ α νἐσ λ λ τ ῶ έβ ε τ . -Über denweiteren Verlauf desFeldzugs vgl. K. Christ, α νΧ ῶ ντ τ ετὴ 55; D. Timpe, Drusus’ Umkehr an der Elbe. Rhein. Mus. Drusus undGermanicus (1956) 50– 306. 110, 1967, 289– Tiberius warvonTicinum ausnach Germanien geeilt undhatte amSterbebett seines Bruders dieTruppen übernommen. ZudenEinzelheiten derspektakulären Reise desTiberius undzum 8. Leichenzug des Drusus vgl. L. Schumacher, Römische Kaiser in Mainz (1982) 6– Tac. ann. 3, 5, 1. Suet. Claud. 1, 3: exercitus honorarium ei tumulum excitavit, circa quem deinceps stato die

quotannis miles decurreret Galliarumque civitates publice supplicarent. Suet. Claud. 1, 3 (Anm. 4). ῷ ῷ τ ρ ὸ ίο υτ επ ςα ὐ τ ὰ ὶ εἰκό ςκ α ν ω ο νκ α ῖδ ὶἁψ ςκενοταφ ιμ Cass. Dio55, 2, 3: τ ῳ dürfte ή ν ῷῬ ῷ τ ῳ β ώ ρ ο ν (sc. ὁΔ λ ῦ α σ ο τ ρ ). Dergriechischen Ortsangabe π ὸ ς ὐ ςα ήν Ῥ die lateinische apud ripam Rheni (vgl. Tac. ann. 2, 83, 2) zugrunde liegen: H. U. Instinsky, Historische Fragen desMainzer Drususdenkmals. Jahrb. RGZM7, 1960, 186, Anm.33.

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Politik

als Dedikant desDenkmals dar; dasHeer warja andenRhein zurückgekehrt7. Die genauere Bestimmung seines dortigen Winterlagers unddes ebendort errichteten Denkmals ergibt sich aus der Kombination dreier Fakten: 1. der Erwähnung des Chattenlandes als Stoßrichtung der Offensive des Jahres 9 v. Chr.8, 2. der archäologischen Bezeugung eines zudieser Zeit bestehenden Zweilegionenlagers in Mogontiacum gegenüber derMainmündung, demEinfallstor ins Gebiet derChatten9, 3. derAngabe Eutrops, apudMogontiacum gebe es ein monumentum Drusi10. Das Ineinandergreifen dieses Faktenmaterials führt zudemErgebnis, daßdie Ortsangabe Eutrops, apud Mogontiacum, mit größtmöglicher Wahrscheinlichkeit das Denkmal betrifft, welches imJahre 9 v. Chr. dieLegionen desDrusus ihrem FeldamUfer desRheines“weihten1 1.Es ist freilich eine andere Frage, ob dieses herrn „ Denkmal mit jenem identisch ist, welches sich bis heute als Drususstein (Eichelstein) in Mainz erhalten hat. Sie kann bei dennachfolgenden Ausführungen zunächst auch außer Betracht bleiben undwird erst zum Schluß von der inzwischen gewonnenen neuen Erkenntnis hergestellt werden. Suetons Bericht über dieBegründung eines jährlich zuvollziehenden Festaktes amDrususdenkmal weist zwei Komponenten auf, eine militärische undeine zivile. Erstere, die decursio, ist von H. U. Instinsky umfassend undüberzeugend behan2. delt worden1 Dasvonihmherangezogene Vergleichsmaterial läßt sie als grandiosen Trauerakt des Heeres erscheinen, dessen jährliche Wiederholung demFestkalender der Legionen vonMogontiacum eine besondere Note verlieh. Instinsky hat auch in bezug auf die zivile Komponente der Drusus-Gedächtnisfeier eine wertvolle Beobachtung gemacht, diese allerdings nicht konsequent verfolgt. Er brachte die supplicatio der Galliarum civitates mit den Verdiensten des Drusus umdie Tres Galliae in Verbindung underinnerte vor allem an die Dedikation des Altars derRoma unddesAugustus in Lugdunum am 1. August desJahres 12 v. Chr.; sie

7 8

9

Cass. Dio 55,

. ἐλ θ ε ῖν

ῆν ο ν νῬ ί τὸ ὶνἐπ ρ 1, 4 (vom Tod des Drusus auf dem Rückmarsch): π

Cass. Dio 55, 1, 2 (Anm. 1).

Nach denErgebnissen derAusgrabung vonD. Baatz in denJahren 1957/58 fiel die Anlage

desLegionslagers in dasvorletzte Jahrzehnt des 1. Jahrhunderts v. Chr.: D. Baatz, Mogontiacum. Neue Untersuchungen am römischen Legionslager in Mainz. Limesforschungen 4

(1962) 77 f. 86. 10 Eutr. 7, 13, 1: qui (sc. Drusus) apud Mogontiacum monumentum habet. 187, der auch die in derälteren Forschung vertretene Lokalisie11 Vgl. Instinsky (Anm. 6) 184– rung des Drususkenotaphs bei Vetera Castra (Th. Mommsen, Römische Geschichte 5 [11. Aufl. 1933] 27 Anm. 1) bzw. bei der Ara Ubiorum (O. Hirschfeld, Die kaiserlichen GrabstätteninRom.In: Kleine Schriften [1913] 454; E. Kornemann, Mausoleum undTatenbericht des undzurückweist (a. a. O. 181f.). DieErrichtung Augustus [1921] 83 mitAnm. 1) behandelt – eines Kenotaphs für Drusus amOrt der ersten Trauerzeremonie fand Nachahmung im Falle seines Sohnes Germanicus (Antiochia in Syrien: Tac. ann. 2, 83, 2) undschon vorher beim ToddesC. Caesar (Limyra inLykien: P. Herz, DasKenotaph vonLimyra. Kultische undjuristische Voraussetzungen. In: J. Ganzert, DasKenotaph für Gaius Caesar in Limyra. Instanbu192. ler Forschungen 35 (1984) 178– Vgl. auch J. Sulser, Disciplina (Diss. Basel 1920) 37. 192. – 12 Instinsky (Anm. 6) 188–

87

Drususdenkmal

3.

habe ihm gewissermaßen das Patronat der gallischen civitates eingebracht1 Hier gilt es anzusetzen. Ein Wegweiser zu weiteren Aufschlüssen über die supplicatio der Galliarum civitates steht mit demvon Sueton verwendeten Terminus publice zurVerfügung. Er besagt, daß demjährlichen Opfer am Drususdenkmal ein Beschluß der betrefin öffentlichem Auffenden gallischen civitates zugrundelag; dasOpfer erfolgte „ 14. trag“ Wer aber waren diese Galliarum civitates? Die genaue Übersetzung gibt die Stammesverbände der (drei) gallischen Provinzen“15. Da eine erste Antwort: „

alle

gemeint Sueton keine Einschränkung macht, mußangenommen werden, daß sind, d.h. die 60 civitates, deren Namen laut Strabo aufder AraRomae etAugusti in Lugdunum verzeichnet waren16. Sie alle hätten demnach diejährliche supplicatio amDrususdenkmal apudMogontiacum gelobt. Dasaber kann unmöglich durch Einzelaktionen der civitates geschehen sein, es muß vielmehr dahinter ein Beschluß ihrer Gesamtheit, des Concilium Galliarum stehen. Damit ergibt sich als nächste Antwort auf die oben gestellte Frage: Bei denGalliarum civitates Suetons handelt es sich um die 60 Mitgliedstämme des Landtags der drei gallischen Provinzen. Ein Landtagsbeschluß, wie ihn diejährliche supplicatio der Galliarum civitates amDrususdenkmal apudMogontiacum voraussetzt, paßt ausgezeichnet in das von der Forschung entworfene Bild des gallischen Landtags17 und bereichert es beträchtlich. Das Concilium der gallischen civitates warvonDrusus im Jahre 12 v. Chr. als Ausweg aus einer Krisensituation ins Leben gerufen worden. Diese hatte ihren Grund in derDurchführung desCensus, welcher mitderKonstituierung der Tres Galliae verbunden war18. Den von Drusus versammelten primores Galli13 Instinsky (Anm. 6) 188. 14 Suet. Claud. 1, 3 (Anm. 4). –Vgl. z. B. die von den Aresaces im Kultbezirk des Mars Leucetius bei Klein-Winternheim aufgestellte Brunneninschrift: Aresaces publice p[osuerunt], CIL XIII 7252; dazujetzt L. Schumacher, DasGebiet derVerbandsgemeinde Nieder-Olm in römi4. Jh. n. Chr.) In: K.-H. Spiess, Nieder-Olm. Der Raum der Verscher Zeit (1. Jh. v. Chr. – bandsgemeinde inGeschichte undGegenwart (1983) 51 f. 15 Galliae ist die Kurzfom für Tres provinciae Galliae bzw. für Tres provinciae oder Tres GalBelgica); vgl. J. Toutain, Dizionario epigrafico III (1922) 377. Lugdunensis, liae (Aquitania, 16 Strabo 4, 3, 2 (p. 192). –Zu den Namen der civitates (bei Strabo: ἔθ η ) gehörten Statuen ν (ε ἰκ ό ε ν ς ), welche die einzelnen Stämme symbolisierten. Während Strabo die Zahl 60 nennt, erwähnen Tacitus (ann. 3, 44, 1) undServius (Aen. 1, 286) 64 Galliarum civitates (an beiden

17 18

Stellen der in unserem Zusammenhang wichtige Terminus). – Zu denZahlenangaben s. E. Kornemann, DieZahl dergallischen civitates in derrömischen Kaiserzeit. Klio 1, 1901, 331– Zurcivitas als Strukturelement Galliens vgl. J. F. Drinkwater, Roman Gaul (1983) 103– 348. – 111. – ZumRoma/Augustus-Kult amAltar inLugdunum vgl. D. Fishwick, TheDevelopment of Provincial Ruler Worship intheWest. Aufstieg undNiedergang derrömischen Welt (Hrsg. H. Temporini u. W. Haase) [im folgenden zitiert: ANRW ] II 16, 2 (1978) 1204– 1208; R. Mellor, The Goddess Roma. ANRW II 17, 2 (1981) 986 f. Vgl. bes. J. Deininger, DieProvinziallandtage derrömischen Kaiserzeit. Vestigia 6 (1965) 21– 107. –Ergänzend dazu A. J. Christopherson, The Provincial Assembly of the Three 24. 99– 366. Gauls in the Julio-Claudian Period. Historia 17, 1968, 351– Cass. Dio 54, 32, 1. – ZumCensus vgl. H. Braunert, Derrömische Provinzialzensus undder Schätzungsbericht des Lukas-Evangeliums. Historia 6, 1957, 198 f. (= Gesammelte Aufsätze 221). undReden. Kieler historische Studien 26 [1980] 219–

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Politik

arum mußder ständige Zusammenschluß zu einem Landtag so verheißungsvoll erschienen sein, daß sie ihren ganzen Einfluß geltend machten, umihre civitates

davon abzuhalten, gegen denCensus aufzubegehren. Sie sicherten, wie später (48 Claudius in seiner Rede für das ius honorum derGallier sagte, Drusus denRücken bei derUnterwerfung Germaniens19. Es waralso in erster Linie Drusus, demdieprimores Galliarum sich verbunden undverpflichtet fühlten. Da verseht es sich eigentlich von selbst, daßsie seinen Tod gebührend betrauerten. IhrBeschluß wies aber auch über Drusus hinaus. MitderPerpetuierung dersupplicatio signalisierten sie ihre fortwährende Loyalität, ihre immobilis fides, umnochmals denKaiser Claudius zuzitieren20. Daßdiesupplicatio derGalliarum civitates aufs engste mit derdecursio militum verbunden wurde, warein zusätzlicher Hinweis auf die Kooperationsbereitschaft des soeben erst konstituierten gallischen Landtags. WasdenZeitpunkt derBeschlußfassung angeht, so ist davon auszugehen, daß das Concilium Galliarum seine Jahrestagung jeweils in Verbindung mit demFest 1. der Dedikation des Roma/Augustus-Altars am 1. August hielt2 Es ist also zuzu fragen, ob zumZeitpunkt der Tagung des Jahres 9 v. sicherheitshalber – nächst – Chr. der Tod des Drusus schon erfolgt war. Leider ist das genaue Sterbedatum nicht bekannt. Der 14. September, der in den einschlägigen Publikationen angeführt zuwerden pflegt22, beruht auf einem Irrtum; es handelt sich umdenTodestag des jüngeren Drusus23. Andererseits könnte der September durchaus der Monat gewesen sein, in demDrusus sein Leben beschloß. Cassius Dio spricht von Eile beim Rückmarsch, welche auf das Ende derguten Jahreszeit (August?) hinzudeuten scheint; Livius weiß von einem dreißigtägigen Siechtum nach demSturz mit demPferd; Tacitus erwähnt, daß es Winter war, als der Leichenzug in Ticinum anlangte24. Diese Angaben führen auf den Spätsommer oder Herbstbeginn als mutmaßliche Sterbezeit. Damit dürfte wohl ausgeschlossen sein, daßdergallische Landtag auf seiner Tagung am 1. August desJahres 9 v. Chr. mit demGeschehen umDrusus befaßt war, es rückt vielmehr dernächste Termin (1. August 8 v. Chr.)

n. Chr.) derKaiser

indenBlickpunkt.

39: Illis patri meoDruso Germaniam subi19 CIL XIII 1668 (= Dessau, ILS 212) Col. II Z. 36– genti tutam quiete sua securamque a tergo pacem praestiterunt et quidem cuma census Christopherson (Anm. 17) 352. novo turn opere et inadsueto Gallis ad bellum avocatus esset. – 20 CIL XIII 1668 Col. II Z. 34. 21 Deininger (Anm. 17) 22. 144 f. 22 L. Schmidt, Geschichte der deutschen Stämme. Die Westgermanen I (2. Aufl. 1938) 95. W. SuerInstinsky (Anm. 6) 188 Anm. 39 (auf Grund von RE III 2715 undPIR2 II p. 197). – D. Kienast, Augustus (1982) 105. baum, Merkwürdige Geburtstage. Chiron 10, 1980, 348. –

Schumacher (Anm. 2) 7. 23 DieErgänzung indenFasti Antiates zum14. September: infer(iae) Dr[usi Caesaris], Inscr. It. XIII 2 (1963) p. 209 wird durch dieFasti Viae dei Serpenti gesichert, in denen es zumselben Tag heißt: inferiae Drusi Caesaris, Inscr. It. XIII 2 p. 215. –Vgl. L. Vidman, Inferiae und

24

iustitium. Klio 53, 1971, 209; Herz (Anm. 11) 190, Anm. 576. ). –Liv. perioch. υ σ ο ύ ο ρ ῦ(sc. Δ ο τ έψ ο α ν τ ςαὐ δ ο σ ο υ εὑπ τρ π ῇτ Cass. Dio55, 1, 4: σ 142: ipse exfractura, equo super crus eius conlapso, XXX die, quam id acciderat, mortuus. Tac. ann. 3, 5, 1: asperrimo hiemis.

Drususdenkmal

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Inzwischen hatte die eingangs erwähnte Abschiedszeremonie des Heeres in Mogontiacum stattgefunden, bei derdie Errichtung desDenkmals unddiejährliche 5 Veranstaltung einer decursio amTodestag des Drusus2 beschlossen worden waren. Es ist anzunehmen, daßandieser Trauerfeier auch dienächstgelegenen civitates derGallier beteiligt waren, dies umso mehr, als vonMogontiacum ab diepriτ ι) deramWege liegenden Städte denToten auf seinem Wegin die ρ ο ῶ mores (π 6. Heimat begleiteten2 Manbraucht sich also keine weiteren Gedanken darüber zu machen, aufwelche Weise dergallische Landtag vondemBeschluß derLegionen in Mogontiacum Kunde erhielt bzw. wie derPlan, die supplicatio der Gallier mit derdecursio derSoldaten zuverbinden, zustandekam. Daßderbetreffende Antrag auf der Tagung im August des Jahres 8 v. Chr. gestellt undangenommen wurde, dürfte nach demGesagten einleuchten. Mit der Zurückführung derjährlichen supplicatio der Galliarum civitates am Drususdenkmal apud Mogontiacum auf einen Beschluß des Landtages der Tres Galliae ist eines der frühesten Zeugnisse für die Tätigkeit dieser Institution ins 7. Licht gerückt worden2 DerGegenstand desBeschlusses fiel, formal betrachtet, in doppelter Hinsicht unter die Zuständigkeit des Concilium Galliarum. Einmal han8, delte es sich umeine Ehrung für denStatthalter des Kaisers in denTres Galliae2 zumanderen lag derPlatz, an demdasDrususdenkmal errichtet wurde, auf galli9. schem Boden2 Was den letzteren Punkt betrifft, so ist hervorzuheben, daß die Repräsentanz des gallischen Landtags in Mogontiacum die Absicht erkennen läßt, dasWirken desGremiums nicht aufdenTagungsort Lugdunum zubeschränken. Wichtig wäre es nunzuwissen, welche Modalitäten derLandtagsbeschluß für dasAuftreten dercivitates Galliarum bei derDrusus-Feier festlegte. Hier empfindetmanbesonders schmerzlich, daßnicht das Dokument selbst, sondern nureine auf dieses zurückweisende kurze Notiz in der Biographie des Drusus-Sohnes Claudius (des Kaisers) erhalten ist30. Auf welche Weise wurde die von Sueton als

25 Daß mit stato die bei Suet. Claud. 1, 3 (Anm. 4) der Todestag des Drusus Instinsky (Anm. 6) 188ausdemDecretum Pisanum (Anm. 32) gefolgert.

gemeint ist, hat

26 Suet. Claud. 1, 3. –Cass. Dio 55, 2, 1. –Über die spätere enge Beziehung der „rheinischen“ Stämme Galliens (proximae Germanicis exercitibus Galliarum civitates) bzw.pars Galliarum, quae Rhenum accolit, Tac. hist. 1, 8, 1. 51, 3) zumLegionslager in Mogontiacum vgl. Tac.

hist. 1, 53, 3. 54, 1 (69 n. Chr.). 27 Dererste Beschluß desgallischen Landtags nach seiner Konstituierung könnte dieVerleihung eines goldenen torques anAugustus gewesen sein: Quint. inst. 6, 3, 79. – Deininger (Anm. 17)

28 29

104.

Ehrenbeschlüsse für die betreffenden Statthalter zu fassen, gehörte zu denHaupttätigkeiten derLandtage überhaupt; Deininger (Anm. 17) 162. 165– 167. wie überhaupt der Befehlsbereich der Kommandeure des ober- undniederMogontiacum – germanischen Heeres – gehörte formal zurProvinz Belgica. – Vgl. E. Stein, Die kaiserlichen Beamten undTruppenkörper im römischen Deutschland unter demPrinzipat (1932) 2 f.; F. Vittinghoff, Die politische Organisation der römischen Rheingebiete in der Kaiserzeit. In: Convegno Internazionale Renania Romana (Roma 1975). Atti deiConvegni Lincei 23, 1976,

75. 30 Suet. Claud. 1, 3 (Anm. 4).

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Politik

supplicatio charakterisierte Opferhandlung31 vollzogen? Undvor allem: Wervollzog sie „ im Auftrag“der Galliarum civitates? In bezug auf die erstere Frage hat Instinsky dasDekret derDekurionen vonPisa deaugendis honoribus L. Caesaris als Parallele herangezogen undauf diedarin enthaltenen genauen Vorschriften für die Opfer, welche den Manen des im Jahre 2 n. Chr. verstorbenen kaiserlichen 2. Prinzen jährlich dargebracht werden sollten, hingewiesen3 Wenngleich der Unterschied, daß es sich bei Pisa umeine colonia, bei den Galliarum civitates um einen Provinziallandtag handelt, nicht übersehen werden darf, lassen sich für den Vollzug von Totenopfern an einem nach römischer Sitte errichteten Kenotaph doch zumindest ähnliche Anordnungen erwarten. Insofern, d. h. im Hinblick auf denallgemeinen Rahmen, läßt sich dasDecretum Pisanum also durchaus zurAufhellung dervomgallischen Landtag beschlossenen supplicatio amDrususdenkmal apudMogontiacum verwerten. Das hervorstechende Merkmal der Totenfeier amKenotaph des L. Caesar in Pisa war deren Zuschnitt auf die ganze Bevölkerung. Zunächst brachten die Magistrate dasOpfer „ imAuftrag“dercolonia (publice) dar33, dann erhielt jeder Bürger von Pisa Gelegenheit, „ in seinem Namen“(privatim) zu opfern34. Die Teilnahme der Bevölkerung war fester Bestandteil des „ öffentlichen“Aktes undtrug erheblich zudessen Solennität bei. Tritt man mit diesem Eindruck an die zweite der oben formulierten Fragen heran, so erwartet man eine starke Beteiligung der Galliarum civitates bei der supplicatio am Drususkenotaph. Man möchte daher Sueton auch in dem Sinne wörtlich nehmen, daßvonjeder der60 Galliarum civitates mindestens ein Vertreter zugegen war, dazu der Oberpriester als Repräsentant des Landtages selbst35 . Mankönnte sogar daran denken, daß der gesamte Landtag –er bestand aus mehr als 60 Mitgliedern36 –sich mit Oberpriester undBeamten zur supplicatio in Mogontiacum einfand. Darüber weitere Vermutungen anzustellen, verbietet die fehlende Quellengrundlage. Für die erwähnte Mindestrepräsentanz aber darf das Zeugnis Suetons durchaus in Anspruch genommen werden, undes läßt sich noch durch folgendes Argument verstärken: Die supplicatio der Galliarum civitates bildet das Pendant zur decursio militum. An letzterer war das ganze Heer beteierfuhr, vgl. A. S. Hoey, TheCult Acts of the Feriale. In: R. O. Fink, A. S. Hoey u. W. F. Snyder, The Feriale Duranum. Yale Classical 202; R. Freudenberger, Das Verhalten der römischen Behörden gegen Studies 7 (1940) 190– die Christen im 2. Jahrhundert. Münchener Beiträge zur Papyrusforschung und antiken 126; G. Freyburger, La supplication d’action de grâce sous le Rechtsgeschichte 52 (1967) 124– 1434. Haut-Empire. ANRW II 16, 2 (1978) 1432– 32 Instinsky (Anm. 6) 187 f. –Das Dekret für L. Caesar (CIL XI 1420 [= Dessau, ILS 139]) ist zusammen mit dem für C. Caesar (CIL XI 1421 [= Dessau, ILS 140]) von A. R. Marotta D’Agata, Decreta Pisana (1980) in einer Sonderausgabe mit Übersetzung (ital.) undkurzem

31 ZumWandel, dendiesupplicatio inderKaiserzeit

Kommentar vorgelegt worden.

23. 33 CIL XI 1420 Z. 17– 27. 34 CIL XI 1420 Z. 23– 35 ZurFunktion dessacerdos adaramRomae etAugusti s. Deininger (Anm. 17) 101f. 36 Dashat Deininger (Anm. 17) 101 ausderMehrzahl derEhrensitze für einzelne civitates im Amphitheater derTres Galliae schlüssig bewiesen.

Drususdenkmal

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7; sie war, wenn manso will, eine Massenparade. Sollte die supplicatio ihrem Schauspiel“gerecht werCharakter als zivilem Gegenstück zudemmilitärischen „ den, so mußte sie in feierlichem, d. h. auch zahlenmäßig in die Augen fallendem, Aufzug erfolgen. Das aber wäre nicht derFall gewesen, wenn etwa eine nuraus wenigen Teilnehmern bestehende Gesandtschaft desgallischen Landtags diesuppligt3

licatio vollzogen hätte. Als Ergebnis der vorstehenden Untersuchung darf also festgehalten werden, daßalljährlich amTodestag des Drusus, wahrscheinlich im September, die 60 civitates derTres Galliae auf Grund eines imAugust desJahres 8 v. Chr. vomConcilium Galliarum gefaßten Beschlusses durch eine ansehnliche Zahl vonVertretern in feierlicher Form denManen desToten an seinem Denkmal apud Mogontiacum ihre Opfer dargebracht undsich so andervondenLegionen veranstalteten DrususGedächtnisfeier beteiligt haben. Es liegt aufderHand, daßdieses Ergebnis fürden Ort des Geschehens, für Mogontiacum, gewichtige Konsequenzen hat. Diese gilt esjetzt zuziehen. Die Errichtung des Drususdenkmals in derNähe des Winterlagers der Legionengegenüber derMainmündung unddie Festlegung des Termins für diejährlich zuveranstaltende decursio dürfen als Beweise dafür angesehen werden, daßbesagtes Winterlager von nun an den Charakter eines Standlagers hatte. Mit anderen Worten: Es galt im Jahre 9 v. Chr. als sicher, daßdas Legionslager auf Dauer hier bleiben werde, wasbei seiner Anlage etwa im Jahre 13 v. Chr. noch keineswegs feststand38 . DasDrususdenkmal liefert also ein gesichertes Datum für die Einwurzelung der beiden von Drusus an die Mainmündung beorderten Legionen (XIV 9. Gemina, XVI Gallica) in ihrem dortigen Lager3 DerBeschluß desgallischen Landtags, derDrusus-Feier desrömischen Heeres eine supplicatio der Galliarum civitates an die Seite zu stellen, war für die Entwicklung deszivilen Bereichs umdasLegionslager, d. h. fürdessen Ausgestaltung zueinem stadtähnlichen Gebilde, ein Stimulans besonderer Art. Es ist nicht ausgeschlossen, daßsogar die Ortsbezeichnung Mogontiacum ihre Übertragung auf das 0. Legionslager der Initiative des gallischen Landtags verdankte4 Schließlich mußte

37 Vgl. Tac. ann. 2, 7, 3 (von derdecursio,

38 39

40

welche Germanicus imJahre 16 n. Chr. amwiedererrichteten Altar seines Vaters Drusus in derNähe des Kastells Aliso ausführte): princeps ipse cumlegionibus decucurrit. ZurDiskussion umdenCharakter derLegionslager amRhein vgl. D. Timpe, Arminius-Stu93; H. vonPetrikovits, Die Innenbauten römischer Legionslager während der dien (1970) 90– Prinzipatszeit (1975) 33 f.; Kienast (Anm. 22) 266 f. Diebeiden Legionen blieben bis zumJahre 43 n. Chr. in Mogontiacum; Stein (Anm. 29) 88. 94 f. –Vgl. die Übersicht bei K.-V. Decker u. W. Selzer, Mogontiacum. ANRW II 5, 1 (1976)

534. 532– Römische Legionslager dürften imallgemeinen mitdenNamen derdort stationierten Legion bezeichnet worden sein; vgl. Baatz (Anm. 9) 86 mitAnm.209. Mogontiacum aber ist einkeltischer Ortsname, der eher vonKelten (Galliern) auf das Legionslager übertragen unddann vondenRömern übernommen worden ist, alsdaßdieRömer ihnfürihrLager geprägt hätten. Denn eine größere Siedlung, die eine solche direkte Übernahme nahelegen könnte, gab es wohl nicht; vgl. K. Böhner, Mainz imAltertum undfrühen Mittelalter. Gymnasium 90, 1983, 372. -Zu denkeltischen Siedlungsspuren in Bretzenheim (Zahlbachtal), die demLegionslager amnächsten liegen, vgl. B. Stümpel, Die Urgeschichte vonMainz. In: Mainz. Führer z. vor-

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Politik

ja derOrt, andemmansich versammeln

wollte, klar beschrieben werden. FürMogontiacum hatte dasjährliche Erscheinen derprimores Galliarum geradezu prägende Bedeutung. Als Repräsentanten derim Concilium Galliarum zusammengeschlossenen gallischen civitates brachten sie etwas vondemGlanz ihrer Hauptstadt Lugdunum mit in die Gegend amRhein, wodasDrususdenkmal stand. Aber auch die Tatsache, daß sie große und berühmte Stämme vertraten, dürfte sich auf das Ansehen vonMogontiacum, d. h. auf seinen wirtschaftlichen undkulturellen Aufschwung, ausgewirkt haben. Überspitzt könnte man sagen, daß Mogontiacum durch die Zusammenkunft des gallischen Adels am Drususdenkmal zu seinem Rang als Legionslager „Stadtcharakter“hinzugewann41. Eine letzte Frage betrifft die Fortdauer derFeier amDrususdenkmal apudMogontiacum über die augusteische Zeit hinaus; sie ist verknüpft mit demProblem der Identifikation des literarisch bezeugten Denkmals, von dembisher die Rede war, mit denÜberresten eines Monumentes in Mainz, andemderName des Drusushaften geblieben ist. Die Totenfeier am Drususdenkmal hatte zwei Stützen, die Legionen in Mogontiacum unddie Galliarum civitates. Für die Legionen bildete die alljährliche decursio ein herausragendes Ereignis ihres Garnisondienstes, für die Galliarum civitates wardiejährlich wiederholte supplicatio ein Loyalitätsakt gegenüber Rom schlechthin. Aus dieser Feststellung ergibt sich die starke Verwurzelung der Drusus-Feier in Mogontiacum. Doppelt gesichert, konnte ihre Tradition nicht so leicht abreißen. Diese Gefahr tauchte wohl erst in denKrisenjahren 69/70 n. Chr. auf, als dieGalliarum civitates sich infolge desBataveraufstands vonRomabwandten und dierömischen Soldaten in Mogontiacum vondemTrever Iulius Tutor gargezwungen wurden, denEidpro imperio Galliarum zu leisten42. Nach demSieg der romkamen“ , wie Tacitus treuen Sequaner über die Lingonen des Iulius Sabinus aber „ ; fas et foedera sagt, „ die Galliarum civitates allmählich wieder zur Besinnung“ wurden wieder beachtet; ein außerordentlicher Landtag im Gebiet der Remer

und frühgesch. Denkm. 11 (1969) 32; Decker u. Selzer (Anm. 39) 463. –Zur Deutung des Namens Mogontiacum s. G. Behrens, Mainz vor der Römerzeit. Kulturgeschichtliche Wegweiser durch dasRömisch-Germanische Zentralmuseum 19 (1947) 27. Älteste Belege für seineVerwendung durch die Römer sind zwei Meilensteine ausderNähe vonKoblenz: CIL XIII 9143. 9145 (44/45 n. Chr.).

41 Dendeutlichsten

Beweis für denstadtähnlichen Charakter dermit demLegionslager aufblüdie Inschrift derJupitersäule (CIL XIII 11806). Sie wurde dem im öffentlichen Auftrag“(pu[bli]ce) von den Bewohnern der canabae Kaiser Nero „ (canaba[ri]) geweiht. Die beiden Männer, welche Kosten undAusführung des Denkmals übernahmen (Q. Iulius Priscus undQ. Iulis Auctus), vergleicht H. U. Instinsky, Kaiser Nero unddieMainzer Jupitersäule. Jahrb. RGZM6, 1959, 139mitdenDuoviri „wirklicher“Städte. imsiedlungs- Über die Entwicklung voncanabae undbenachbarten Siedlungen zuStädten „ geographischen Sinn“ s. H.vonPetrikovits, Diecanabae legionis. In: 150 Jahre Deutsches Ar175. chäologisches Institut (1981) 163– Tac. hist. 4, 59, 2 f. Zudeneinzelnen Ereignissen vgl. H.vonPetrikovits, Die Rheinlande in 75. –Speziell zum Eid vgl. G. Walser, Rom, das Reich und die römischer Zeit (1980) 72– fremden Völker inderGeschichtsschreibung derfrühen Kaiserzeit (1961) 114. henden Zivilsiedlung liefert

42

Drususdenkmal

93

stellte die Weichen für die Rückkehr unter die römische Herrschaft43. Nach dem, wasoben über denCharakter dersupplicatio amDrususdenkmal als Loyalitätsbekundung gesagt wurde, erscheint es fast ausgeschlossen, daß die Galliarum civitates diesen althergebrachten Brauch nicht wieder aufgenommen hätten. Was die Legionen in Mogontiacum betrifft, so ist hervorzuheben, daß im Jahre 71 n. Chr. mit der legio XIV Gemina eine der beiden Legionen nach Mogontiacum zurückkehrte, welche im Jahre 9 v. Chr. das Drususkenotaph errichtet undbis 43 n. Chr. die decursio veranstaltet hatten. Manwird annehmen dürfen, daßsich die DrususTradition in dieser Legion auch über dasJahr 43 n. Chr. hinaus erhalten hatte. Im Jahre 71 n. Chr. wurde sie jedenfalls mit dem diese Tradition repräsentierenden Denkmal in Mogontiacum konfrontiert, zusammen mitderlegio I Adiutrix. Diesen beiden Legionen wäre also die Wiederbegründung der Drusus-Feier zuzuschrei4. ben4 Daßinzwischen eine neue Dynastie denPrinzipat übernommen hatte, tat der Drususverehrung als solcher keinen Abbruch. Titus ließ das Bild des Drusus auf einer seiner Restitutionsmünzen erscheinen, und Domitian erinnerte auf einer Münzemission desJahres 85 n. Chr. an denersten Sieg des Drusus (in Rätien) vor 100 Jahren45. Wie aber stand es umdasDrususdenkmal selbst? Mogontiacum warEnde 69 n. Chr. von Chatten, Usipetern undMattiakern belagert worden; die Germanen hatten reiche Beute ausderUmgebung des Legionslagers, dassich halten konnte, 6. mitgenommen4 Als im Jahre 70 n. Chr. die Treverer Tutor undClassicus sowie derLingone Sabinus dasImperium Galliarum zuerrichten begannen, wardies mit einem Wüten gegen die Denkmäler verbunden, welche an das Bündnis mit den Römern erinnerten47. Es wäre fast ein Wunder zu nennen, wenn das Drususdenkmal von den erwähnten Ereignissen nicht betroffen worden wäre. Vielmehr ist anzunehmen, daß sein Zustand im Jahre 71 n. Chr. eine Erneuerung erforderlich

machte.

Von diesem Sachverhalt ist auszugehen, wenn man den Mainzer Drususstein in die bisher auf Grund literarischer Quellen geführte Erörterung einbezieht. Dann 43 Tac. hist. 4, 67, 2. 68, 5. –Christopherson (Anm. 17) 364 behauptet, die Zusammenkunft der Galliarum civitates imGebiet derRömer habe nichts mitdemLandtag in Lugdunum zutun. Es ist jedoch nicht einzusehen, daß das bestehende Concilium durch ein neues (an Caesars Zeiten anknüpfendes!) ersetzt worden sein soll. M. E. vermied mannur, in Lugdunum zusammenzukommen.

44 Die legio XIVGemina hatte sich imBritannienfeldzug desClaudius die Ehrennamen Martia Victrix verdient. – Zum Legionswechsel des Jahres 71 n. Chr. in Mogontiacum vgl. Stein

(Anm. 29) 100; Decker u. Selzer (Anm. 39) 483, – Zur Fortdauer des Drusus-Gedenktages im Heer vgl. als Analogie dendies natalis desGermanicus, derin Dura-Europos noch im3. Jahrhundert n. Chr. begangen wurde: Fer. Dur. II 12 f. (R. O. Fink, Roman Military Records on Papyrus [1971] no. 117 p. 425). – Vgl. P. Herz, Kaiserfeste der Prinzipatszeit. ANRW II 16, 2

(1978) 1159.

45 BMC Emp. II, 288 n. 292. –Zu den Restitutionen des Titus

46 47

insgesamt: H. Mattingly, The Restored Coins of Titus, Domitian andNerva. Num. Chron IV, 20, 1920, 179 ff. – Zu Domitians „Gedenkmünze“für Drusus (BMC Emp. II 366 n. 311, 373 n. 351 f.) vgl. M. Grant, RomanAnniversary Issues (1950) 95. Tac. hist. 4, 37, 2 f. Tac. hist. 4, 67, 1:proiectis foederis Romani monumentis.

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Politik

aber verwundert es nicht, daß die provisorische Untersuchung des als Gußwerkkern erhalten gebliebenen Monuments wiederverwendetes Steinmaterial nachge8, wiesen hat4 welches den Bau auf jeden Fall später als die augusteische Zeit da-

tiert. Hinsichtlich derSpolien, dievonfrüher errichteten Steinbauten stammen, hat schon Instinsky betont, daßes nicht angeht, Steinbauten in Mogontiacum vor der Zeit derFlavier zunegieren; mit ihnen sei vondemAugenblick anzurechnen, wo 9 feststand, daßdas Legionslager an der Stelle verbliebe . Das aber war, wie oben S. 91 gezeigt, seit 9 v. Chr. der Fall. Hinzu kommt, daßWiederverwendung von Steinmaterial die Zerstörung derBauten voraussetzt, vondenen es genommen ist. Muß nun, wie soeben erwähnt, 69/70 n. Chr. mit Zerstörungen im Umkreis des Legionslagers gerechnet werden, so wäre für die Verwendung von Spolien im Mainzer Drususstein zumindest einplausibler Grund gefunden. Diese Erwägungen lassen es nicht nurals möglich erscheinen, daßderMainzer Drususstein auf das im Jahre 71 n. Chr. erneuerte Kenotaph zurückgeht, welches nach Cassius Dio undSueton im Jahre 9 v. Chr. für Drusus errichtet worden war, sie führen, wenn manweitere Fakten hinzunimmt, sogar mit großer Wahrscheinlichkeit zudiesem Ergebnis50. K.-V. Decker undW. Selzer haben mitNachdruck darauf hingewiesen, daßder Mainzer Drususstein ca. 800 m von der Südfront des ehemaligen Legionslagers Übungsplatz“ oder entfernt in einem ebenen Gelände stehe, das sich als „ 1. Versammlungsstätte“geradezu angeboten haben müsse5 Bringen wir nun das „ Ergebnis unserer Studie hier ein, wonach zurDrusus-Feier alljährlich eine zahlenmäßig starke Abordnung der Galliarum civitates nach Mogontiacum kam, so gewinnt die Tatsache an Bedeutung, daß ca. 340 m vom Drususstein entfernt am 2. heutigen Südbahnhof eingroßes römisches Bühnentheater festgestellt worden ist5 Seine Entstehungszeit hat man zwar ins 2. Jahrhundert n. Chr. datieren wollen, doch ist diese Datierung keineswegs sicher53. Es erscheint vielmehr angebracht, dieAnlage desTheaters mitdemvorallem denVertretern derTres Galliae gegenüber bestehenden Repräsentationsbedürfnis in Zusammenhang zu bringen und

48 ZumDrususstein vgl. Decker u. Selzer (Anm. 39) 474 f. unddiedort angegebene Literatur. 49 Instinsky (Anm. 6) 193. Zudenvon ihmu. a. angeführten frühen Grabdenkmälern aus Stein

50

51

ist inzwischen noch das der beiden Cassii hinzugekommen, welches durch seine Größe und Vortrefflichkeit derAusführung inbesonderem Maßegeeignet ist, Instinskys Bedenken gegen die herrschende Auffassung zu unterstreichen. –P. Herz, Neue Mainzer Steininschriften 79, 280 f. (Nr. 11). –Vgl. Decker u. Selzer 74, 1978– 1976). Mainzer Zeitschr. 73– (1964– (Anm. 39) 544 (Abbildungsverzeichnis Tafel XIV, 21). DieDatierung desjetzigen Baus inhadrianische Zeit (vgl. K. H.Esser, Mogontiacum. Bonner Jahrb. 172, 1972, 217) beruht aufeinem Urteil über dieBauform, dasdurchaus nicht bindend ist.

Decker u. Selzer (Anm. 39) 475. 13, 1917– 52 E. Neeb, Das römische Bühnentheater beim Südbahnhof. Mainzer Zeitschr. 12– 76. DieEntfernungsangabe zumDrususstein aufS. 69 (mit Lageplan). 1918, 68– 53 Datierung „frühestens indasEnde des2. Jh.“aufGrund derMauertechnik durch G. Behrens, Neeb (Anm. 54, 78. – 49, 1953– Verschwundene Mainzer Römerbauten. Mainzer Zeitschr. 48– ArtderAufmauerung“keine Schlüsse für 52) 75 hatte ausderauch vonihmbeobachteten „ dieDatierung gezogen underklärt: „ÜberdieEntstehungszeit desrömischen Theaters wissen . wiralso bisjetzt nichts“

Drususdenkmal

95

dementsprechend früh, d. h. noch ins 1. Jahrhundert n. Chr. zu datieren. Vielleicht 53a. Jedenfalls dürfte die Lage ging demsteinernen Theater ein hölzernes vorauf 4. desTheaters mitderFeier amDrususstein engzusammengehören5 Unter Domitian, spätestens 90 n. Chr., wurde derbis dahin formal zurProvinz Belgica gehörende Kommandobereich des legatus Augusti propraetore exercitus 5. Germaniae superioris in Mogontiacum zur selbständigen Provinz erhoben5 Bedeutete dies das Ende der Teilnahme der Galliarum civitates an der Drusus-Feier in Mogontiacum? Dasdürfte keineswegs die Folge gewesen sein. Anein kaiserliches Verbot des Loyalitätsaktes (!) ist nicht zu denken. Dem Statthalter der Germania superior mußte derPrestigezuwachs, dendasjährliche Erscheinen der Vertreter der Gallliarum civitates in seiner Hauptstadt bedeutete, genauso erwünscht sein wie vorher dem Konsularlegaten des obergermanischen Heeres. Die Galliarumcivitates aber konnten schwerlich denüberkommenen, politisch bedeutsamen 6. Brauch aus administrativen Rücksichten aufgeben5 So wird manannehmen dürfen, daß die Einheit von decursio militum undsupplicatio Galliarum civitatum erhalten blieb, solange die Feier als solche bestand. Das dürfte bis ins 3. Jahrhun7. dert n. Chr. der Fall gewesen sein5 Das Denkmal selbst bestand noch länger. Eutrop bezeugt es für das 4. Jahrhundert n. Chr., Otto vonFreising für das 12.; das monstratur adhuc8 desletzteren gilt immer noch.5 53a AufdieExistenz eines Theaters imJahre 39 n. Chr. führt dieNotiz Suetons (Galba 6, 2), daß

vonCaligula zumNachfolger desals Verschwörer hingerichteten Gaetulicus ernannt, am Tage nach seiner Ankunft in Mogontiacum einem sollemne spectaculum beiwohnte (freundl. Hinweis vonDr.P. Herz), vgl. Herz(Anm. 44) 1160, Anm. 163; Schumacher (Anm.

Galba,

2) 23.

54 In Lugdunum

(genau: in Condate bei Lugdunum) wurde unter Tiberius in unmittelbarer Nähe des Roma/Augustus-Altars ein Amphitheater angelegt: Deininger (Anm. 17) 100; R. Chevallier, Gallia Lugdunensis. ANRW II 3 (1975) 926. 55 DerName derProvinz (Germania superior) erscheint zumerstenmal auf demMainzer Militärdiplom für den Reiter Mucapor vom 27.10. 90 n. Chr.: CIL XIII 6821 = CIL XVI 36 (= ZudenProblemen, diemitderBegründung derProvinz Germania supeDessau, ILS 1998). – rior (und derGermania inferior) zusammenhängen, vgl. zuletzt Schumacher (Anm. 2) 54 f.

mitweiterer Literatur.

56 Imübrigen

wurde auch dieAdministration derneuen Provinz Germania superior nicht völlig vonder Belgica getrennt. Die Finanzverwaltung verblieb demprocurator provinciae Belgicae mit Sitz in Trier: O. Hirschfeld, Die Verwaltung derRheingrenze in denersten drei Jahrhun384; Stein (Anm. 29) 68; W. derten der römischen Kaiserzeit. In: Kleine Schriften (1913) 379–

Meyers, L’administration delaprovince romaine deBelgique (1964) 15f. 57 Ihr Aufhören wird mit denzunehmenden Germaneneinfällen imLaufe des3. Jahrhunderts n. Chr. unddemZerfall der alten Ordnung in Gallien zusammenhängen; vgl. dazu Drinkwater 227. –Das letzte Zeugnis für die Existenz des Concilium Galliarum (Année (Anm. 16) 212– 261 n. Chr., Deininger (Anm. 17) 107. Epigr. 1934, 161) stammt ausdenJahren 258– 58 Otto von Freising, Chronik 3, 3 (MGH Script. rer. Germ. 45, 140): monstratur adhuc monumentum eius (sc. Drusi) Maguntiae in modum pyrae. Dazu Instinsky (Anm. 6) 196. -Von der Drusus-Tradition in Mainz zeugt auch derViergötterstein (aus dem3. Jahrhundert n. Chr.),

der in mittelalterlicher Monumentalschrift die Inschrift erhielt: in memoriam Drusi Germani[ci]: K. Körber, Römische Inschriften des Mainzer Museums. 3. Nachtrag zum Bekker’schen Katalog (1897) 297 f. (Nr. 238). S. jetzt G. Bauchhenß, Die Iupitergigantensäulen in derrömischen Provinz Germania superior (Beih. Bonner Jahrb. 41 [1981]) 172 (Nr. 305).

96

Politik

Korrektur-Nachtrag Während der Drucklegung des vorstehenden Aufsatzes wurde mir durch das große Entgegenkommen von W. Eck (Köln) der Text des neuen Inschriftenfragments zugänglich, welches denbisher nurvage bekannten Anfang des als Tabula Hebana berühmt gewordenen Senatsbeschlusses über die Ehrungen für Germanicus (†19n. Chr.) enthält. Dasneue Fragment bringt zunächst die Überraschung, daß der von Tacitus (ann. 2, 83, 2) erwähnte Ehrenbogen des Germanicus apud ripam Rheni bei demtumulus seines Vaters Drusus, d. h. gemäß deroben S. 85 f. vorgenommenen Quellenkombination: apud Mogontiacum, lokalisiert wird. Sodann ist vonderErrichtung eines demDrususdenkmal entsprechenden Monuments für Germanicus an gleicher Stelle undmit gleicher Zweckbestimmung, nämlich der Darbringung von Totenopfern durch die Galliarum civitates, die Rede. Schließlich spricht der neue Text von einer Stätte in der Nähe des Drususdenkmals, an welcher der dies natalis des Germanicus begangen werden sollte. Die erwähnten Einzelheiten bestätigen, verstärken undergänzen in vielfältiger Weise die oben durch Neuinterpretation der Suetonstelle Claud. 1, 3 gewonnenen Ergebnisse. Ich bindaher demRömisch-Germanischen Zentralmuseum für dieMöglichkeit sehr dankbar, die ausdemNeufund sich ergebenden Erkenntnisse hier in gehöriger Ausführlichkeit nachtragen zukönnen. Inzwischen liegt die neue Germanicus-Inschrift (Tabula Siarensis [nach dem Fundort Siarum/Baetica]) in derEdition vonJ. González gedruckt vor: Zeitschrift für Papyrologie undEpigraphik 55, 1984, 58 ff. Der hier interessierende Passus 34 [S. 60]) lautet mitdenErgänzungen desHerausgebers59: (Fragment I Z. 26–

26 sculperetur. Tertius Ianus vel m[armoreus fieret apud ripam Rheni circa eumtumulum] quemDruso, fratri Ti(beri) Caesaris Aug(usti) p[rincipis nostri, exercitus p.R. excitasset ci-] tus, deinde permissu Divi Aug(usti) per[fecisset, itemque honorarius tumulus Germanici Cae-] saris constitueretur accipienti[s eas supplicationes ab Germanis etpraecipue ab Gal-] 30 lis Germanisque quicitra Rhen[um incolunt quorum civitates iussae essent ab Divo] Aug(usto) remdivinam adtumulu[m Drusi facere, atque darent memoriae eius solemne et ritua-]

le sacrificium parentant[es

quodannis

in eo die quoGermanicus Caesar

defunctus esset;]

et cumesset in ea regio[ne 34 li Germanici Caesar[is

---

ex h(oc) s(enatus) c(onsulto) factus

- --]

---] Die Datierung der Inschrift führt ins 9./10. Jahrhundert (K. F. Bauer, Mainzer Epigraphik. Beiträge zurmittelalterlichen Monumentalschrift. Zeitschr. Ver. f. Buchwesen 9, 1926, 22 f. 3). –Vgl. Decker u. Selzer (Anm. 39) 474; Schumacher (Anm. 2) 8. Nr. 2–

59 Folgende Druckfehler sind richtiggestellt: Z. 26 m[armoreus] statt m[onumentum] Z. 28per[fecisset] statt per[fecissent] Z. 29 [praecipue] statt [praecipus] Z. 30 [incolunt] statt [incolant].

97

Drususdenkmal

DieErgänzungen beruhen teils aufdemstadtrömischen Fragment desgleichen 17), teils stützen sie sich auf entSenatsbeschlusses (CIL VI 911 = 31199 Z. 12– sprechende Erwähnungen in der literarischen Überlieferung (Cass. Dio 55, 2, 3; Suet. Claud. 1, 3; Tac. ann. 2, 83, 2); sie können bis aufzwei Stellen als zutreffend gelten. Zu beanstanden ist in Z. 29, abgesehen von demüberflüssigen Demonstrativumeas, die Ergänzung desdurch CIL VI 911 = 31199 Z. 14 gesicherten manis zu [Ger]manis. In Z. 30 erscheinen die Germani, qui citra Rhenum incolunt zusammen mit den Galli als Supplikanten. Die Germani der Z. 29 müßten dann eine durch die politischen Gegebenheiten ausgerechtsrheinische Germanen sein – schlossene Vorstellung. Gonzáles scheint einfach Henzen gefolgt zu sein, der in 0, CIL VI 911 die Ergänzung [Germanis] in Vorschlag gebracht hatte6 nicht ahnend, daßnachetpraec[ipue] Germanen genannt sein könnten, waserst dieTabula Siarensis ans Licht gebracht hat. Als passende Ergänzung scheint sich [Ro]manis anzubieten, denn es mußangenommen werden, daßdierömischen Bürger, die sich nach undnach in der näheren undweiteren Umgebung des Legionslagers niederließen, an den Totenopfern für Drusus beteiligt wurden. Der Senatsbeschluß des Jahrs 19 n. Chr. hätte dann diese Erweiterung des Teilnehmerkreises berücksichtigt. Diezweite Änderung ist in Z. 30 erforderlich: [quorum civitates iussae essent]. Die Galliarum civitates brachten ihre Opfer am Kenotaph des Drusus nicht auf Befehl desAugustus, sondern imAuftrag ihrer Stammesverbände dar(Suet. Claud. 1, 3). Die Rolle des Kaisers beschränkte sich auf die Genehmigung des vom gallischen Landtag gefaßten Beschlusses. Eine direkte Parallele bietet das Decretum Pisanum fürL. Caesar. In ihmwirdAugustus gebeten, uti colonis ... ex hoc decreto ea om[n]ia facere exsequique permittat (CIL XI 1420 = Dessau, ILS 139 Z. 36 f.). DieErgänzung inZ. 30 mußalso lauten: [quorum civitatibus permissum esset]. Wasdie Ergänzung derZeile 33/34 angeht, so hatGonzáles imApparat seiner Edition, also mitgewisser Reserve, einen Vorschlag unterbreitet: 33 et cumesset in ea regio[ne, quatumulus Germanici Caesaris esset, amphitheatrum, die nata-] 34 li Germanici Caesar[is circensis ludus ex h(oc) s(enatus) c(onsulto) factus annuus celebraretur.]

Dagegen ist einzuwenden, daßnicht vomtumulus Germanici als einem bereits vorhandenen Monument die Rede gewesen sein kann; die Ortsangabe in ea regio[ne] dürfte sich auf dentumulus Drusi beziehen. Weiter ist fraglich, ob 19 n. Chr. (zum Zeitpunkt des Senatsbeschlusses für Germanicus) in Mogontiacum bereits ein Amphitheater vorhanden war61. Wohl läßt sich die Existenz eines Bühnentheaters für dasJahr 39 n. Chr. beweisen (oben Anm. 53 a), so daßeher dieses

60 In CIL VI 31199 ist die Ergänzung [Germanis] weggelassen. Vermutungen über seine Lage bei E. Neeb, Über die Lage desrömischen 38; vgl. Behrens (Anm. 53) 78. Mainz. Mainzer Zeitschr. 14, 1919, 34–

61

Amphitheaters

bei

98

Politik

für 19 n. Chr. vorausgesetzt werden sollte. Unter Berücksichtigung dieser Überlegungen könnte denZeilen 33/34 folgende Gestalt gegeben werden6 2: 33 et cumesset inea regio[ne, quaest tumulus Drusi patris eius, theatrum, ibidem dienata-] 34 li Germanici Caesar[is solemnis ludus exhocs. c.factus quodannis celebraretur.]

DerDeutlichkeit halber seien dieZeilen 26– 34 mitdenverbesserten Ergänzungen im Zusammenhang vorgestellt; die Unterstreichungen beziehen sich auf das 17: stadtrömische Paralleldokument CIL VI 911 = 31199 Z. 12– 26

sculperetur. Tertius Ianus velm[armoreus fieret apudripam Rheni circa eumtumulum]

quem Druso, fratri Ti. Caesaris Aug. p[rincipis nostri, exercitus p. R. excitasset ci-]

tus, deinde permissu Divi Aug.per[fecisset, itemque honorarius tumulus Germanici Cae-] saris constitueretur accipienti[s supplicationes ab civibus Romanis etpraecipue ab Gal-]

30 lis Germanisque quicitra Rhen[um incolunt, quorum civitatibus permissum esset ab Divo] Aug. remdivinam adtumulu[m Drusi facere, atque darent memoriae eius solemne et ritua-] le sacrificium parentant[es quodannis ineo diequoGermanicus Caesar defunctus esset;] et cumesset inea regio[ne, quaest tumulus Drusi patris eius, theatrum, ibidem dienata-] 34 li Germanici Caesar[is solemnis ludus ex hoc s. c.factus quodannis celebraretur.] Wendet mansich dendurch diesen Text vermittelten neuen Fakten in bezug auf dasDrususdenkmal apud Mogontiacum unddie Galliarum civitates zu, so ist zuerst darauf hinzuweisen, daßdertumulus Drusi in zwei Phasen errichtet wurde, als Provisorium undin endgültiger Ausführung: WasdasHeer spontan (Z. 27/28: citus) in Angriff genommen hatte, brachte es mit Erlaubnis des Augustus (Z. 28: permissu DiviAug.) zurVollendung (Z. 28:per[fecisset]). Bei Sueton (Claud. 1, 3)

sind beide Phasen zusammengezogen: exercitus honorarium tumulum ei excitavit.

Die Genehmigung des Augustus bezog sich selbstverständlich nicht nur auf den tumulus honorarius, sondern auch auf die gelobte jährliche decursio (Suet. Claud. 1, 3: circa quemdeinceps stato die quotannis miles decurreret). Daszweite wichtige Faktum desobigen Textes betrifft die Galliarum civitates. Sie erscheinen hier (Z. 29/30) als Galli Germanique, quicitra Rhenum incolunt, d. h. in ethnischer Aufgliederung: die diesseits des Rheines wohnenden Germanen werden vondenGalliern, mitdenen sie administrativ (in denTres Galliae) verbundenwaren, geschieden. Es scheint sich dadurch die vonE. Kornemann vertretene Auffassung zubestätigen, daßdieRhenum accolentes Germaniae gentes (Plin. nat. hist. 4, 106) als eigene civitas dem Concilium Galliarum in Lugdunum angehör3. Denn daß ihre Teilnahme an der Drusus-Gedächtnisfeier auf das Votum dieten6 62 Bei derRekonstruktion 63

dieser Zeilen konnte

ichHinweise vonDr.P. Herzverwerten, demich

dafür danke. Kornemann (Anm.

16)338 f. Demgegenüber vertrat C. Jullian, Histoire dela Gaule IV (1924) 90 Anm. 8, die These, dengrößeren Stämmen Galliens seien kleinere attribuiert gewesen.

Dann hätten die Germani, quicitra Rhenum incolunt, keine selbständige, sie alle erfassende, civitas gebildet. FürKornemann spricht auch diegeschlossene Heranziehung derGermani cis Rhenum colentes zurTruppengestellung imJahre 15 n. Chr. (Tac. ann. 1, 56, 1); dazuTimpe

Drususdenkmal

99

ses Gremiums zurückgeht, darf durch ihren Einschluß in Suetons Formel Galliarumcivitates als sicher gelten. Es ist natürlich aufschlußreich, daßdie Römer im

offiziellen Sprachgebrauch die Germanen Galliens von deneigentlichen Galliern unterschieden; die spätere Verselbständigung dergermanischen Gebiete amRhein deutet sich darin bereits an. Wie das römische Heer für die Errichtung des Drususdenkmals (und die decursio), so erhielt auch der gallische Landtag für die supplicatio der Galliarum civitates an diesem Denkmal die Genehmigung des Augustus. Der dabei verwendete Ausdruck remdivinam adtumulu[m Drusi facere] ist insofern vonBelang, als erdierömische Einschätzung dervomgallischen Landtag beschlossenen Totenehrunginaller Deutlichkeit wiedergibt. Wenndieoben S. 97 vorgeschlagene Ergänzung inZ. 29 [abcivibus Ro]manis stimmt, dann erführen wir durch die Tabula Siarensis noch ein drittes, bisher nicht bekanntes, Faktum der Drusus-Gedächtnisfeier: die Einbeziehung der römischen Bürger in den Kreis der Supplikanten. Zu denken wäre vor allem an die in den 4, canabae desLegionslagers ansässigen (consistentes) cives Romani6 aber auch an die in dencivitates Galliarum bestehenden Zusammenschlüsse römischer Bürger 65. (conventus civium Romanorum) Daßdie Römer bei derDrusus-Feier nicht hinter denProvinzialen zurückstehen wollten, würde demBild, welches wirunsvondiesemEreignis zumachen haben, eine neue Facette hinzufügen. Den bisher der Tabula Siarensis entnommenen Hinweisen auf den Totenkult amDrususdenkmal müssen die imselben Text enthaltenen Angaben über die Einrichtung eines ebensolchen Kultes für Germanicus an die Seite gesetzt werden. Allgemein gilt es zubemerken, daßdieKombination derTotenehren fürVater und Sohn angleicher Stätte dieser eine Bedeutungssteigerung gebracht haben muß, die kaum abzuschätzen ist. Im einzelnen bestimmte der Senatsbeschluß, daß Germanicus beim tumulus seines Vaters einen Ehrenbogen (Z. 26: Ianus; Tac. ann. 2, 83, 2: arcus), wenn möglich ausMarmor (vel m[armoreus]) erhalten sollte. Seine Ausführung wird mansich nach Art des auf demMons Amanus in Syrien errichteten vorzustellen haben, d. h. er wird mit einem inschriftlichen Tatenbericht versehen 6. gewesen sein, undauf ihmwird eine Statue des Geehrten gestanden haben6 Weiter sollte für Germanicus ein der Darbringung von Totenopfern (Z. 32: parentant[es]) dienendes Monument errichtet werden. Daßdieses Monument ein tumulushonorarius wiederdesDrusus gewesen sei, ist dienächstliegende Annahme. Die derTabula Siarensis zuverdankende Lokalisation desdritten derfür Germanicus beschlossenen Ehrenbögen beim tumulus Drusi beseitigt die Schwierig-

64

65 66

(Anm. 38) 54 mitAnm. 13, derallerdings mitdemengeren caesarischen Begriff derGermani cisrhenani (vgl. L. Weisgerber, Germano-Celtica [1969] 277) operiert, derzudieser Zeit von derpolitischen Entwicklung überholt war. FürMogontiacum ist schon ausderersten Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr. ein curator civiumRoman[or(um)] bekannt: CIL V 5747 (ein Veteran der legio XVI Gallica). Zu der Organisationform römischer Bürger als consistentes adcanabas legionis vgl. F. Vittinghoff, Die rechtliche Stellung dercanabae legionis. Chiron 1, 1971, 299 ff. Zudenconventus civium Romanorum vgl. A. N. Sherwin-White, The Roman Citizenship (2. 227. 344– 346. Aufl. 1973) 225– Tabula Siarensis Fragm. I Z. 25 (S. 59).

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Politik

keit, daß sowohl für Drusus (Cass. Dio 55, 2, 3) als auch für Germanicus (Tac. amUfer desRheines“bekannt war, mitdieser Benenann. 2, 83, 2) einDenkmal „ nung aber zwei verschiedene Plätze gemeint zusein schienen. Die Gewißheit, daß es sich um ein und denselben Ort handelt, sichert diesem jetzt den Rang einer Familienkultstätte der von Drusus begründeten Seitenlinie des Kaiserhauses. Zugleich taucht aber einneues Problem auf: Wennmandenoben S. 92– 94 versuchten Nachweis, daßdasvonSueton, Cassius Dio undEutrop erwähnte Drususdenkmal (apud Mogontiacum) im Mainzer Drususstein fortbesteht, als geglückt betrachtet, woist dann die Erinnerung an Germanicus undseine einstmals angleicher Stelle vorhandenen Ehrenmale geblieben? Die Antwort auf diese Frage kann nur als Vermutung gegeben werden: Drusus erhielt nach seinem Tode für sich undseine Nachkommen den Ehrennamen Germanicus67. Dementsprechend wird die mit ῳ (Cass. Dio 55, 2, 3) geschaffene Kultή ν ῷῬ ῷ τ ρ ὸ φ ιο ςα ὐ νπ τ τά ο demκεν stätte als area (sacra) Drusi Germanici bezeichnet worden sein. Sie wird diesen Namen auch nach demHinzutreten desKenotaphs (unddesIanus) fürGermanicus imJahre 19 n. Chr. behalten haben, zumal Drusi Germanici als Drusi et Germanici verstanden werden konnte. Wasdaserhaltene Monument angeht, denDrususstein, so mußin Betracht gezogen werden, daßnach denoben S. 93 für die Jahre 69/70 n. Chr. vermuteten Zerstörungen nunmehr ein, jetzt riesiges, Kenotaph wiedererrichtet wurde, welches demAndenken andie Familie desDrusus Germanicus geweiht war. Der Name des Sohnes wäre dann in der Erinnerung gegenüber dem desVaters zurückgetreten, wasumso leichter geschehen konnte, als beider Namen übereinstimmten68. Germanicus – in einem wesentlichen Bestandteil – Diebauliche Ausgestaltung desKultbezirks apudripam Rheni, welche dasSC des Jahres 19 n. Chr. verfügte, war begleitet von einer Vermehrung der hier zu begehenden Festtage. Germanicus erhielt die gleichen Ehrungen wie sein Vater Drusus, diedecursio desMilitärs unddiesupplicatio derZivilbevölkerung, auszuführen alljährlich an seinem Todestag (10. Oktober)69. Von der decursio militum ist im Senatsbeschluß nicht die Rede; ihr Vollzug fiel in den Kompetenzbereich des Heereskommandanten in Mogontiacum, der seine Instruktionen direkt vom Kaiser erhielt. Anihrer Ausführung ist wegen derAnalogie zurDrusus-Feier nicht zu zweifeln. Die supplicatio der Galliarum civitates wird in der Tabula Siarensis (Z. 29) mit demPartizip accipiens (auf Germanicus bezogen) eigentlich nur konstatiert. Es bleibt offen, aufwelche initiierenden Akte derSenat sich dabei stützte. Wahrscheinlich warder betreffende Vorschlag voneiner Trauergesandtschaft der 0. Tres Galliae in Romgemacht worden7 Der gallische Landtag hätte dann auf seiner nächsten Sitzung im August 20 n. Chr. den bestätigenden Beschluß gefaßt.

67 Suet. Claud. 1, 5; Cass. Dio 55, 2, 3. Bezeichnenderweise enthielt auch die mittelalterliche

68 69

Inschrift

auf dem oben Anm. 58 er-

wähnten Viergötterstein denEhrennamen Germanicus: in memoriam Drusi Germani[ci]. ZumTodestag des Germanicus vgl. Fast. Ant. (Inscr. It. XIII 1 [1947] p. 329; XIII 2 [1963]

p.

209). 70 Vgl. die Gesandtschaft derTres Galliae, welche nach demTodderjüngeren Agrippina bei Nero in Rom erschien, Quint. 8, 5, 15; dazu E. Hohl, RE Suppl. 3 (1918) 370; Instinsky (Anm. 4) 137.

101

Drususdenkmal

Germanicus warja mitdenTres Galliae in gleich enger Weise verbunden wiesein 1, Vater Drusus7 so daßdieparallele Ehrung nahelag. DieBeteilung derrömischen Bürger an der supplicatio (vgl. oben S. 99) müßte auf ähnliche Weise erklärt wer-

den.

Zweimal im Jahr also, im September (?) undOktober (10.), kamen die primores Galliarum nach Mogontiacum, umihren verstorbenen Statthaltern Drusus undGermanicus Totenopfer darzubringen, zweimal imJahr warMogontiacum der Schauplatz römisch-gallischer Begegnung. Dieoben S. 91 f. gezogenen Schlußfolgerungen für den „Stadtcharakter“des Siedlungsbereichs in der Umgebung des Legionslagers können mithin potenzierte Geltung beanspruchen. Für die Legionen in Mogontiacum trat zu den Totenfeiern für Drusus und Germanicus noch die durch das SC des Jahres 19 n. Chr. (Z. 33/34) angeordnete Feier des dies natalis Germanici Caesaris (24. Mai) hinzu72. Sie scheint im Theater begangen worden zusein, wiedasspäter vonCaligula am25. oder 26. Oktober 39 n. Chr. an gleicher Stelle veranstaltete sollemne spectaculum zumdies natalis 3. seiner Mutter Agrippina, derGemahlin desGermanicus, nahelegt7 So erhält auch dieoben S. 94 f. geäußerte Vermutung in bezug aufdenZusammenhang zwischen Drususstein undBühnentheater (am Südbahnhof) durch die Tabula Siarensis eine

neue Stütze.

71 DieInschrift amEhrenbogen desGermanicus imCircus Flaminius nannte alseine seiner Leistungen: ordinato statu Galliarum (Tabula Siarensis, Frag. I Z. 15[S. 59]. 31 [Pasoli] 72 Festfeiern amdies natalis desGermanicus vermerken dieArvalakten (AFA 9 c 29– u.ö.), dasFeriale Cumanum (Inscr. It. XIII 2 [1963] p. 279) und dasFeriale Duranum (Anm. 44). Zudensonstigen Zeugnissen P. Herz, Untersuchungen zumFestkalender derrömischen 73

Kaiserzeit nach datierten Weih- undEhreninschriften (Diss. Mainz 1975) Suet. Galba 6, 2 mitderoben Anm.53aangegebenen Literatur.

212 f.

Der römische Ehrenbogen vonMainz-Kastel Ianus Germanici autDomitiani?* Schon baldnach Auffindung derFundamente eines römischen Ehrenbogens in Mainz-Kastel (Anfang September 1986) äußerte H. G. Frenz die Vermutung, es handele sich bei diesem Monument umdenarcus Germanici, dessen Errichtung apud ripam Rheni der Senat nach Tacitus (ann. 2, 83, 2) im Jahre 19 n. Chr. be. schlossen hatte1 Die Zuweisung erfolgte unter dem Eindruck der 1984 von J. González in der Zeitschrift für Papyrologie undEpigraphik, Band 55, S. 58 ff. = L’année épigraphique 1984 Nr. 85, veröffentlichten Tabula Siarensis, welche den Wortlaut des Senatsbeschlusses aus demJahre 19 n. Chr. enthielt unddie Lokalisation des betreffenden Ehrenbogens in der Gegend des Drususdenkmals apud Mogontiacum nahelegte2 . DasZusammentreffen derEntdeckung des Ehrenbogens in Mainz-Kastel mit der Publikation des spanischen Inschriftenfundes hatte die fatale Folge, daßdie archäologischen Überlegungen zurzeitlichen Einordnung der Überreste des monumentalen Bauwerks ausschließlich darauf abzielten, dessen Entstehung in denJahren nach demTode des Germanicus (19 n. Chr.) zu beweisen. Die andere, durch die Bauinschriften gleichermaßen gebotene Möglichkeit, denEhrenbogen nach 70 anzusetzen unddann mitdemChattenkrieg Domitians in Verbindung zubringen, wurde zwar grundsätzlich nicht bestritten3 , aber zugunsten der Frühdatierung beiseite geschoben, und zwar aufgrund von Vergleichen der Bauweise undderBaudekoration mit entsprechenden frühdatierten Parallelen4.

*

1

2

3

4

AKB 19, 1989, 77– 84.

Ichhörte denVortrag 4.1.1987 im RGZM.

„Repräsentative Architektur

imrömischen

Mainz“vonH.G. Frenz

am

ImText derTabula Siarensis istdertumulus Drusi imZusammenhang mitderOrtsangabe für den tertius ianus des Germanicus erwähnt (fragm. I Z. 31). González S. 60 [hier und im fol-

genden ist immer die Edition in derZPEgemeint] vermutete daher, die in Z. 26 verlorene genauere Formulierung habe gelautet: circa eumtumulum. Zurquellenmäßigen Begründung des Bezuges auf denMainzer Drusus- bzw. Eichelstein vgl. meine Darlegung imJahrb. RGZM 396: Das Drususdenkmal apud Mogontiacum und die Galliarum civitates [in 31, 1984, 385– 101]. diesem Band S. 85– Vgl. Frenz, AKB 19, 1989, 69. Zu den amFundament des Ehrenbogens von Mainz-Kastel gefundenen Baumarken der 14. Legion (9 voninsgesamt 13) s. denBericht vonFrenz in: Archäologische Denkmäler in Hessen 76: Der römische Ehrenbogen von Mainz-Kastel, Stadt Wiesbaden. Ein imperiales Monument derfrühen Kaiserzeit apudripam Rheni (1988), unter Beschreibung desBefundes“(keine Paginierung). Dort auch eine Abbildung. Dadie 14. Le„ gion von 13v. Chr. bis43 n. Chr. undvon70– 92 n. Chr. inMainz war, kommen aufgrund der Inschriften beide Zeiträume fürdieErrichtung desEhrenbogens inFrage. Frenz, Ein imperiales Monument (Anm. 3), unter „Datierende Vergleiche“(kurz) undders., 72 (ausführlicher). AKB 19, 1989, S. 70–

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Politik

Angesichts der bisher vernachlässigten bzw. nurpauschal behandelten Frage nach der historischen undtopographischen Situation, in welche der Ehrenbogen

von Mainz-Kastel hineingehört5, sollen im folgenden die Gründe zusammengestellt underörtert werden, die gegen seine Identifizierung mit demliterarisch und epigraphisch bezeugten Germanicusbogen undfür eine Urheberschaft Domitians sprechen6. Auszugehen ist vonderschwer vorstellbaren Behauptung, dieRömer hätten 19 n. Chr. in einem Gebiet, vondemzwei Jahrzehnte später noch bezeugt ist, daßes als ‘Feindesland’7 galt, einen Monumentalbau errichtet, der den „Machtanspruch“ Roms dokumentieren sollte, während diemilitärische Präsenz andieser Stelle sich auf ein kleines Holz-Erde-Kastell beschränkte. Ein stärkerer Kontrast auf engstem Raum wäre wohl kaum denkbar8! In den gleichen nebulosen Vorstellungsbereich gehört die Annahme, der Ehrenbogen trans Rhenum sei Schauplatz derjährlichen Parade zuEhren des Germanicus gewesen9, wasbedeuten würde, daßderAn- und Abmarsch der Legionen über denRhein erfolgte, wozuja wohl eine demfeierlichen Anlaß entsprechende ‘repräsentative’Brücke vorhanden gewesen sein müßte, deren Existenz aber zumindest umdasJahr 19 n. Chr. nicht ohne weiteres voraus-

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Skizzenhafte Behandlung bei Frenz, Ein imperiales Monument (Anm. 3), unter „ Der Bogen . Vgl. auch dens., AKB 19, 1989, S. 72. desGermanicus apudripam Rheni“ Ich danke meinem Assistenten amInstitut für Alte Geschichte der Universität Mainz, Herrn Dr. G. Horsmann, fürviele hilfreiche Gespräche. Im Jahre 39 n. Chr. wählte Caligula das dem Legionslager in Mogontiacum gegenüberliegende Rheinufer als Manövergebiet für dengeplanten Germanenfeldzug. Die von Suet. Cal. 45, 1. 51, 2 undCass. Dio59, 21, 3 berichteten Einzelheiten lassen deutlich erkennen, daßes sich umÜbungen handelte, beidenen Feindberührung fürmöglich gehalten wurde. Vgl. dazu J. P. V. D. Balsdon, The Emperor Gaius, 1934 (Neudr. 1964), 79– 82. Wieunsicher die Lage in dieser Gegend war, zeigt dieNachricht, daßder39 n. Chr. zumlegatus Augusti propraetore in Mogontiacum ernannte Ser. Sulpicius Galba sich mit Germanen auseinandersetzen mußte, die denRhein überschritten hatten undnach Gallien vorgedrungen waren (Suet. Galba 6, 3). Im Jahre 41 n. Chr. errang Galba einen Sieg über die Chatten (Cass. Dio 60, 8, 7). Hierauf bezieht sich wohl der eintorige Triumphbogen mit der Inschrift DE GERM bzw. DE GERMANIS auf der Rückseite von Aurei undDenarii des Claudius: RIC I 125, 16+17 (= I2 122, 3. 123, 35). Vgl. dazu W. Trillmich, Familienpropaganda der Kaiser Caligula und Claudius (1978) 53 f. Anm. 125. Zu Galbas Statthalterschaft s. L. Schumacher, Römische Kaiser in 27; W. Eck, Die Statthalter der germanischen Provinzen vom 1.-3. JahrhunMainz (1982) 24– dert (1985) 13 f. DasZitat bei Frenz, Ein imperiales Monument (Anm. 3) unter „Mogontiacum undCastellum . Dort auch das Bekenntnis: „Das rechtsrheinische Kastell Mattiacorum in tiberischer Zeit“ wird in derFrühphase ebenfalls nurein Holz-Erde-Lager gewesen sein, vondessen Größe und genauer Lage wir noch nichts wissen“ . Das Kastell diente einem begrenzten Zweck: der Sicherung des Rheinübergangs, vgl. D. Baatz, in: D. Baatz u. F.-R. Herrmann, Die Römer in Hessen (1982) 369. Die Kastelle in Hofheim undWiesbaden waren Vorposten, soweit sie um 19n. Chr. überhaupt schon bestanden, vgl. dievonFrenz, AKB 19, 1989, S. 74 Anm.63+64, 272 undH. G. Simon, in: zitierten Arbeiten von B. Pferdehirt, Jahrb. RGZM 33, 1986, 270– Die Römer in Hessen 485 f. Voneiner „Sicherung desrechtsrheinischen Vorlandes bereits in früher Zeit undseine(r) Beherrschung auch nach demAbbruch der Germanicus-Feldzüge“ (Frenz, AKB 19, 1989, S. 72) kannjedenfalls keine Rede sein. Mogontiacum undCastellum Mattiacorum Frenz, Ein imperiales Monument (Anm. 3), unter „ intiberischer Zeit“ .

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0.

gesetzt werden darf1 Undwie soll mansich die verbürgte Teilnahme derVertreter der Galliarum civitates an demFestakt für Germanicus vorstellen? Zogen sie etwadenTruppen voran aufdieandere Seite desRheines? Gegenüber solchen alles andere als plausiblen Folgerungen ausderZuweisung desEhrenbogens vonMainz-Kastel an Germanicus läßt sich m. E. ausderTabula Siarensis derNachweis führen, daß der tertius ianus des Germanicus11 nicht auf rechtsrheinischem Gebiet gestanden haben kann, der dort gefundene Ehrenbogen also nicht mitjenem identifiziert werden darf. Die im Zusammenhang mit der Errichtung des tertius ianus für Germanicus vomSenat festgelegten Einzelheiten bezeugen eine enge Verbindung derjährlich vorzunehmenden kultischen Feiern zu seinen Ehren mit denen zu Ehren seines Vaters Drusus: DasOpfer fürGermanicus wardasgleiche wiefürDrusus12, undes , demvon Augustus „gestattet anempfohlen“ wurde demgleichen Personenkreis „ , remdivinam ad tumulum Drusi face[re], nämlich den [Gal]lis Gerworden war“ manisque qui citra Rhen[um incolunt]13. Die Erwähnung des Drususdenkmals muß daher so verstanden werden, daßbeide Opferhandlungen angleicher Stelle begangen werden sollten. Dementsprechend hatte González in seiner Ausgabe der Tabula Siarensis gemeint, auch für Germanicus die Errichtung eines tumulus honorarius annehmen zumüssen, undich warihmdarin bei meiner Bearbeitung der betreffenden Textpassage gefolgt14. Datum für die Mainzer Rheinbrücke liefert der 1986 von G. Rupprecht, Mainz, gehobene Pfahl, dervonM. Neyses, Trier, dendrochronologisch ins Jahr 27 n. Chr. datiert worden ist (Fundmeldungs-Nr. 86/ 73 des Amtes für Bodendenkmalpflege Rheinhessen, Mainz [frdl. Mitteilung vonK.-V. Decker, Mainz]). Er könnte zudervonE. Mensching, Die Koblenzer Rheinbrücke, P. Pomponius Secundus undderBrückenbau an Rhein undMosel. Bonner Jahrbücher 181, 1981, 346 f., für das Jahr 39 n. Chr. (Caligulas Rheinübergang) als existent angesehenen Pfahljochbrücke gehören, bei deraber unklar ist, wanngenau sie gebaut wurde. Ein einzelner Pfahl vermag darüber keinen Aufschluß zu geben. Auf eine Schiffsbrücke als Vorgängerin der Pfahljochbrücke weist das Ankerteil CIL XIII 10029, 309 hin, das eine Inschrift derlegio XVI trägt, also in die Zeit von 13 v. Chr. bis 43 n. Chr. gehört. Beide Brückentypen (zu ihnen Mensching a. O. 328 f. 330 f.) entsprachen nicht denoben im Text geforderten ‘repräsentativen’ Ansprüchen, diesen konnte erst die nach 71 n. Chr. errichtete Pfahlrostbrücke genügen. Dazuunten S. 112. 11 Die beiden anderen sollten im Circus Flaminius in Rom undauf dem Mons Amanus bei Antiochia errichtet werden. Zudendiesbezüglichen Bestimmungen des Senatsbeschlusses s. W. D. Lebek, Die drei Ehrenbögen für Germanicus. ZPE 67, 1987, 129– 148, mit neuen Ergänzungsvorschlägen zuTab. Siar. fragm. I Z. 9– 34. 12 Tab. Siar. fragm. I Z. 31/32: [simi]le sacrificium, nach der Ergänzung von Lebek (Anm. 11) 147, dazu derKommentar auf S. 146. –Es läßt sich leicht ausmachen, wie diese Ehrung zustandegekommen ist: ZumTode desGermanicus waren viele Gesandtschaften ausItalien und demReich nach Romgekommen (vgl. Tab. Siar. fragm. II col. b Z. 24/25, wovon magistratus undlegati municipiorum et coloniarum die Rede ist). Darunter dürfte sich auch eine des gallischen Landtags befunden haben, diedenentsprechenden Vorschlag unterbreitete. 31. Lebek (Anm. 11) 145, erschließt in Z. 29 wohl zu Recht die 13 Tab. Siar. fragm. I Z. 29– Verbform praec[iperetur]. In Z. 30 behält er dagegen dasvonmir(o. Anm. 13 [hier: S. 97]) monierte [iussae essent] bei. Ich verweise daher nochmals auf die für meine Ergänzung [permissum esset] sprechende Parallele ausdemDecretum Pisanum (CIL XI 1420 Z. 36 f.). 14 Tab. Siar. fragm. I Z. 28– 29; González S. 60, Bellen (Anm. 13) 394 [hier: S. 98].

10 Das früheste

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W. D. Lebek aber hat gezeigt, daß dem tumulus Drusi am Rhein das sepulcrum Germanici in Antiochia (Tac. ann. 2, 83, 3) entspricht, einzweites Kenotaph für ihn also überflüssig ist. In seinem Ergänzungsvorschlag gibt Lebek daher als OrtderOpferhandlung fürGermanicus an: ibi = adtumulum Drusi1 5. Dertumulus honorarius desDrusus warin derTat dergeeignete Platz fürdas Totenopfer zuEhren des Germanicus. Für denVater errichtet, konnte er auch für den Sohn als Gedenkstätte in Anspruch genommen werden. Seine Funktion entsprach in dieser Hinsicht demMausoleum desAugustus, in demsowohl Drusus als auch Germanicus ihre letzte Ruhe gefunden hatten (Cass. Dio 55, 2, 3 bzw. Tac. undhierauf kommt es nunan– ann. 3, 4, 1). Allerdings – mußte derHinzutritt des Sohnes zum Kult des Vaters deutlich in Erscheinung treten. Man könnte an die 6 Hinzufügung einer Germanicus-Inschrift zu derdes Drusus amtumulus1 denken, doch liegt es aus Gründen, die noch auszuführen sind, näher, diese Aufgabe dem Ehrenbogen zuzuweisen, der laut Senatsbeschluß für Germanicus apud ripam Rheni errichtet werden sollte. Dieser Ehrenbogen mußte dann aber in unmittelbarer NähedesDrususdenkmals, etwaalsDurchgang zuihm1 7,seinen Standort finden. Wasdie weiteren Gründe angeht, welche dasräumliche Beieinander vonDrususdenkmal undGermanicusbogen verlangen, so ist als der wichtigste die durch Sueton (Claud. 1, 3) feststehende Einheit von decursio militum und supplicatio Galliarum civitatum anzusehen. Diese Einheit war geradezu das Kennzeichen der Gedenkfeier am Drususdenkmal: Die Legionen ehrten ihren verstorbenen Feldherrn durch eine Parade, die Galliarum civitates brachten Totenopfer für ihren patronus dar. Wenn nunin derTabula Siarensis vongleichen Opfern für Germanicus die Rede ist18, so müssen auch diese supplicationes mit einer decursio der 9. Soldaten verbunden gewesen sein1 Eine decursio aber war, wie H. U. Instinsky nachgewiesen hat, an einen Scheiterhaufen, ein Grab, zumindest an einen dem Totengedenken geweihten Altar gebunden20. Apud ripam Rheni kam hierfür nur dertumulus honorarius desDrusus in Frage. Ein Ehrenbogen als solcher genügte nicht der speziellen Anforderung aneine decursio. Dagegen konnte er sehr wohl, ja mußte geradezu in diese einbezogen werden, wenn er, wie oben angedeutet, mit demtumulus Drusi sozusagen eine Einheit bildete2 1.Eine solche, wie sich gezeigt hat, notwendige Einheit wäre aber nicht vorhanden gewesen, wenn der ianus Ger15 Lebek (Anm. 11) 144 f., Ergänzungsvorschlag: 147. 16 Daßdertumulus honorarius desDrusus eine entsprechende Inschrift trug, darf als sicher gelten. Vgl. denRekonstruktionsvorschlag vonH. G. Frenz, Drusus maior undsein Monument zuMainz. Jahrb. RGZM 32, 1985, 415 f. Abb. 18+19. 17 Vgl. die Bemerkungen von Lebek (Anm. 11) 135 zur Wortbedeutung von ianus: transitio pervia (Cic. denat. deor. 2, 67). 18 S. Anm. 12.Dabei ist daran zuerinnern, daßGermanicus gegenüber denGalliern imgleichen Verhältnis stand wiesein Vater Drusus. Es genügt hier, die Durchführung desCensus zuer39; Germanicus: Tac. ann. 1, 31, 2. 33, 1). wähnen (Drusus: CIL XIII 1668 col. II Z. 35– 19 Lebek (Anm. 11) 146 meint, die decursio müsse auch imText derTabula Siarensis erwähnt gewesen sein. Dazuunten S. 108f. 20 H.U.Instinsky, Historische Fragen desMainzer Drususdenkmals. Jahrb. RGZM7, 1960, 188– 192.

21 Diesnimmt auchLebek (Anm. 11) 146an.

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manici auf der anderen Rheinseite gestanden hätte. Mit anderen Worten: Eine decursio zu Ehren des Germanicus „unter seinem Bogen (scil. in Mainz-Kastel) , wieFrenz sie annimmt22, widerspricht demWesen derdecursio undder hindurch“ Analogie zumFestakt fürDrusus. Neben der durch die postulierte Einheit von decursio undsupplicatio gebotenenLokalisation des tertius ianus der Tabula Siarensis in unmittelbarer Nähe des tumulus Drusi spricht für die linksrheinische Standortbestimmung folgende Überlegung: Der Senatsbeschluß über die Ehrungen für Germanicus enthielt die Bestimmung, daß Abschriften seines Wortlauts an die Munizipien undKolonien in Italien sowie an die Kolonien in den Provinzen geschickt werden sollten. Des weiteren wurde den Provinzstatthaltern nahegelegt, dafür zu sorgen, daß der Sean möglichst belebter Stelle angeschlagen werde“ (quam natsbeschluß „ celeberrumo loco figeretur)23. Selbstverständlich erhielt auch der legatus Augusti propraetore in Mogontiacum, C. Silius, ein solches Dokument, unddaßer es publizierte, darf ebenso selbstverständlich angenommen werden24. Als hervorragender Platz im Sinne des Senatsbeschlusses bot sich der Kultbezirk um das Drususdenkmal in zweifacher Hinsicht an: Einmal wurden hier die Opferhandlungen 5, vollzogen, von denen der Senatsbeschluß sprach2 zumanderen ergab nurhier, d. h. links des Rheins, die Formel Galli Germanique qui citra Rhenum incolunt26 einen Sinn. Eine Aufstellung des Senatsbeschlusses trans Rhenum hätte Verwirrung angerichtet undnicht diejenigen erreicht, welche derText ansprach. Es müßte aber erwartet werden, daßer rechts des Rheins seinen Platz gefunden hätte, wenn dasin ihmals tertius ianus bezeichnete Monument in Mainz-Kastel errichtet wordenwäre. Denn dann hätte dieGermanicusverehrung dort ihrZentrum gehabt, und es wäre nicht mehr als recht undbillig gewesen, dort auch das SC de honoribus Germanici zuplazieren. So ergibt sich denn ausderPublikationsklausel derTabula Siarensis ein neues Argument für die Lokalisation des Germanicusbogens beim Drususdenkmal, undes wiegt umso schwerer, als für Ehrenbögen allgemein der Grundsatz galt, daß sie celeberrimo loco errichtet wurden27. Nicht zu unterschätzen ist sodann die Bedeutung der Ortsbezeichnung apud ripam Rheni, mit der Tacitus den Standort des betreffenden Germanicusbogens bezeichnet28. Sie entstammt offenbar demSenatsbeschluß, so daßGonzález sie mit

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24

Frenz, Einimperiales Monument (Anm. 3), unter „ Mogontiacum undCastellum Mattiacorum intiberischer Zeit“ . 27. Lebek hatdiesen Teil des Senatsbeschlusses zusammenTab. Siar. fragm. II col. b Z. 21– 240: Consensus universorum civium. Vgl. auch H. fassend behandelt: ZPE 72, 1988, 235– Galsterer, TheTabula Siarensis andAugustan Municipalization in Baetica. In: Estudios sobre la Tabula Siarensis. Anejos de Archivo Español de Arqueología IX, C. S. IC. Madrid, 1988, 74. 61– Vgl. Eck (Anm. 7) 6.

25 ObenAnm. 12.

26 Tab. Siar. fragm. I Z. 29/30.

27

Ausdrücklich erwähnt imDecretum Pisanum für C. Caesar ZurVerallgemeinerung s. H.Kähler, RE 7 A (1939) 472.

28 Tac. ann.2, 83,2.

(4 n. Chr.): CIL XI 1421 Z. 34.

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Politik

Recht als Ergänzung fürdie Tabula Siarensis verwendete29. Mit dergleichen Wendung war aber schon 9 v. Chr. die Lage des Drususdenkmals bestimmt worden: 30.Es ist also davon auszugehen, daß im Jahre 19 n. Chr. ήνῳ ῷῬ ῷτ ρ ὸ ςα ὐ τ π apudripam Rheni einen als bekannt vorausgesetzten Ortbezeichnete, bei demvor allem (durch das Drususdenkmal) klar war, auf welcher Seite des Rheins er lag. Die Wiederholung dermit demtumulus Drusi verbundenen Ortsbezeichnung für denPlatz deszuerrichtenden Germanicusbogens führt also wiederum aufdaslinke Rheinufer31.

Schließlich ist zugunsten der Standortbestimmung des Germanicusbogens

beim Drususdenkmal noch das Bühnentheater anzuführen, das 340 m von der

heute als Eichelstein bezeichneten Ruine entfernt aufgefunden worden ist32. Im Jahre 39 n. Chr. scheint in ihmausAnlaß des Geburtstages derälteren Agrippina, der Gattin des Germanicus, ein sollemne spectaculum stattgefunden zu haben3 3. Ichhatte deshalb imletzten Satz desvomtertius ianus desGermanicus handelnden Textes der Tabula Siarensis das von González vorgeschlagene amphitheatrum durch theatrum ersetzt undauch sonst einige Änderungen vorgenommen. Dadurch 4: erhielten diebetreffenden Zeilen folgende Gestalt3

33 34

et cumesset inea regio[ne, quaest tumulus Drusi patris eius, theatrum, ibidem die nata-] li Germanici Caesar[is solemnis ludus ex hoc s. c.factus quodannis celebraretur.]

Andieser Textherstellung hatLebek Anstoß genommen unddenbeiden Zeilen durch neue Ergänzungen einen völlig anderen Sinn gegeben35: 33 34

et cumesset inea region[e exercitus p R ipso diequodecessisset veldienata-] li Germanici Caesar[is utidecurreret per eumianum quiex hocs cfactus esset.]

Es muß indes bezweifelt werden, ob die von Lebek in den Text hineingebrachte decursio wirklich dort gestanden hat, weil der Senat kein Recht hatte, dem 29 Tab. Siar. fragm. I Z. 26 (González S. 60). Lebek (Anm. 11) 147: apud Rhenum ist gegenüber demtaciteischen apudripam Rheni nicht präzise genug. 30 Cass. Dio 55, 2, 3, dazu Instinsky (Anm. 20) 186 Anm. 33. 31 Mein Kollege P. Herz, Mainz, macht mich darauf aufmerksam, daßdie Bezeichnung apud ripam Rheni gewählt sein könnte, umdenKultbezirk vomLegionslager abzusetzen, wieja auch in Lugdunum die AraRomae et Augusti zwar unmittelbar bei Lugdunum, aber doch in einem eigenen Distrikt lag, deradconfluentem hieß, vgl. J. Deininger, Die Provinziallandtage der römischen Kaiserzeit (1965) 99 f.; R. Turcan, L’Autel de Rome et d’Auguste ‘Ad 615. Confluentem’. ANRW II 12, 1 (1982) 608– 18, 13, 1917– 32 E. Neeb, Dasrömische Bühnentheater beim Südbahnhof. Mainzer Zeitschr. 12– 49, 1953– 76. Die Datierung ins 2. Jahrhundert n. Chr. (G. Behrens, Mainzer Zeitschr. 48– 68– 54, 78) ist unsicher. Zudem muß, wie ich früher schon ausgeführt habe (Jahrb. RGZM 31, 1984, 391 [hier: S. 94 f.]) miteinem hölzernen Vorgängerbau gerechnet werden. 33 Suet. Galba 6, 2. Dazu Schumacher (Anm. 7) 23; P. Herz, Kaiserfeste der Prinzipatszeit. ANRW II 16, 2 (1978) 1160 Anm. 163. 34 Jahrb. RGZM 31, 1984, 393 f. 35 Lebek (Anm. 11) 147 und (leicht modifiziert) ZPE 70, 1987, 59. Die letztere Fassung wird hier zugrundegelegt.

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Heer des Kaisers gewissermaßen eine Dienstanweisung zu erteilen36. Im übrigen verstand sich die decursio als Pendant zudensupplicationes der Galliarum civitates undin Analogie zurDrusus-Gedächtnisfeier vonselbst; ihre Anordnung lag in

der Zuständigkeit des Befehlshabers der Truppen in Germania superior. Damit verliert derErgänzungsvorschlag Lebeks anWahrscheinlichkeit, so daßmeine, auf der Existenz eines Theaters basierende, Textgestaltung erneut zur Diskussion gestellt werden kann. Das Vorhandensein des Theaters im Jahre 39 n. Chr. scheint mir durch Suet. Galba 6, 2 gesichert. Lebek hat zwar recht, wenn er das Wort spectaculum allein nicht für beweiskräftig hält37. Aber es ist ja nicht nur der Ausdruck sollemne spectaculum, derauf ein Bühnentheater hindeutet, es ist vielmehr derBefehl Galbas an die Soldaten, Beifall durch Händeklatschen zu unterlassen unddie Hände 8. Theateratmosphäre“verleiht3 unter derpaenula zuhalten, derdemspectaculum „ Meine Ergänzung derZeilen 33/ 34 setzt nundasTheater schon imJahre 19 n. Chr. voraus, d. h. ich rechne damit, daß seine Entstehung mit den am Drususdenkmal stattfindenden Feierlichkeiten, insbesondere mit den Repräsentationspflichten der Römer gegenüber denVertretern der Galliarum civitates, zusammenhängt. Trifft dies zu, dann zeigt sich darin dasBestreben, denBezirk umdas Drususdenkmal baulich entsprechend zugestalten. Ist es da denkbar, daßmandie Gelegenheit hätte vorübergehen lassen, den vom Senat dekretierten Germanicusbogen hier sozusagen als Blickfang zuerrichten? So spricht denn eine Reihe vonGründen dafür, daßdergemäß Senatsbeschluß am Ufer des Rheines“zu errichtende Germanicusbogen ganz in der Nähe des „ Drususdenkmals seinen Standort erhalten hat. Die These, ihn hier zu lokalisieren, kann für sich beanspruchen, der historischen Situation, die vor allem durch das Faktum der Kultgemeinschaft von Vater und Sohn gekennzeichnet ist, in ebenso vollem Maße gerecht zuwerden wie denbesonderen topographischen Anforderungen an Bau undWirkung eines Ehrenbogens. Demgegenüber hat der in MainzKastel entdeckte Ehrenbogen keine Chance, in die an das Drususdenkmal gebundenen militärischen und zivilen Feierlichkeiten einbezogen werden zu können. Seine topographische Situation beruht auf historischen Voraussetzungen, die erst Jahrzehnte nach demTode desGermanicus gegeben waren. Damit wäre der Blick auf Domitian zurichten! Denn er wares, derdurch seinenFeldzug gegen die Chatten im Jahre 83 n. Chr. unddie anschließenden Erfolge seiner Legaten das rechtsrheinische Vorfeld von Mogontiacum, d. h. das Gebiet zwischen Taunus, Vogelsberg undSpessart, demrömischen Herrschaftsbereich am

36 Lebek (Anm. 11) 146 ist sich dieser Schwierigkeit bewußt, glaubt ihr aber zuentgehen, indem er utidecurreret vonpraeciperetur in Z. 29 abhängig sein läßt. Es macht aber doch wohl ei32) oder dem nenUnterschied, ob Galliern undGermanen etwas „anempfohlen“wird (Z. 29– HeerdesKaisers unddamit diesem selbst. Davon ganzabgesehen, istdieErgänzung exercitus nach et cumesset in ea region[e] bedenklich. Das Legionslager war immer belegt. Ebenso bedenklich ist dieAlternative zwischen demTodes- undGeburtstag desGermanicus. 37 Lebek (Anm. 11) 146 Anm. 5. 38 Suet. Galba 6, 2 (Ihm) lautet im Zusammenhang: A Gaio Caesare lici substitutus, postridie quam ad legiones venit, sollemni forte spectaculo plaudentes inhibuit data tessera, utmanus paenula{s} continerent.

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Mittelrhein einverleibte3 Domitian schuf hier einen neuen Grenzverlauf, für den die im Taunus geschlagenen „Schneisen“(limites) sozusagen das Modell abga0. ben4 K. Christ hat mit Recht betont, daßDomitian diese Grenzregelung als endgültig ansah, under hat deshalb vondem„ entscheidende(n) Akzent“gesprochen, denDomitian in derrömischen Germanienpolitik gesetzt habe4 1. Domitian selbst hat seinen Feldzug gegen die Chatten unddie von ihm eingeleitete Unterwerfung dieses Stammes als Sieg über die Germanen schlechthin und als Eroberung ihres Landes hochstilisiert: Er erhielt vomSenat den Siegerbeinamen Germanicus4 2 und ließ Münzen mit der Umschrift GERMANIA CAPTA prägen43. In Rom wurden zur Erinnerung an seinen Triumph in allen Regionen 4; großartige Ehrenbögen errichtet4 auf demForum symbolisierte eine riesige Reiterstatue (Equus Domitiani) seine Siege amRhein45 . In Anbetracht der Fülle domitianischer Ehrenbögen in Rom stellt sich von selbst die Frage, ob Domitian denn nicht daran gedacht habe, sich auch dort ein Denkmal zu setzen, wo er den Siegerbeinamen Germanicus erlangt hatte. Die Antwort kann eigentlich nur lauten, daß die Ruhmsucht des Kaisers mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Dokumentation seines Sieges auch undgerade amRhein vermuten läßt. Dabei ist derFlußname nicht als vage Angabe, sondern als nähere Bestimmung des Platzes für das postulierte Denkmal gemeint. Denn sowohl die Beschreibung des Equus Domitiani durch Statius als auch Hinweise bei Martial führen darauf, daß der Rhein für Domitian geradezu als Feindbild galt: Auf dem 6, Forum trat derrechte Vorderhuf seines Pferdes denpersonifizierten Fluß nieder4

39 Vgl. Schumacher 40

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(Anm. 7) 46, in Anlehnung an H.Nesselhauf, Umriß einer Geschichte des 166. obergermanischen Heeres. Jahrb. RGZM 7, 1960, 162– 16 mit Abb. 1 (S. 13); Frontin. strat. 1, 3, 10, vgl. D. Baatz, Der römische Limes (1974) 14– 583. G.Perl, Frontin undder Limes. Klio 63, 1981, 563– K. Christ, ZurGeschichte deshessischen Raumes in derrömischen Kaiserzeit. In: AusGeschichte undihren Hilfswissenschaften. Festschrift für W. Heinemeyer (hrsg. von H. Bannasch u. H. P. Lachmann; 1979) 535. P. Kneissl, DieSiegestitulatur derrömischen Kaiser (1969) 44: Verleihung beim Triumph; L. Schumacher, DerGrabstein desTi. Claudius Zosimus ausMainz. Epigraphische Studien 11, 1976, 138 f. Anm. 44: Verleihung vorderRückkehr nach Rom. Die letztere Ansicht halte ich fürdiewahrscheinlich richtige. 523. K. Christ, Antike Siegesprägungen. Gymnasium 64, 1957, 519– Suet. Dom. 13, 2: lanos arcusque cumquadrigis et insignibus triumphorum per regiones urbis tantos ac tot extruxit, ut cuidam Graece inscriptum sit: arci. Auf demHaterierrelief von der Via Labicana sind drei dieser Bögen dargestellt: E. Künzl, Der römische Triumph (1988) 45– 47. DerSuetontext schließt die imZusammenhang mitdenbeiden übrigen Triumphen Domitians (86 und89, vgl. Suet. Dom.6, 1) errichteten Ehrenbögen ein. DaßSueton vonprovinzia), das ῖ, „genug“ ε ρ κ lenEhrenbögen nichts sagt, liegt andemmitgeteilten Witzwort (arci = ἀ sich nuraufdieStadt Rombezog. Der Equus Domitiani ist dargestellt auf dem Sesterz RIC II 206, 414 (Rückseite). Vgl. E. Nash, Bildlexikon zur Topographie des antiken Rom I (1961) 389; H. Küthmann u. B. Overbeck, Bauten Roms auf Münzen undMedaillen (1973) S. 19 f. Nr. 27. Rekonstruktion des Denkmals aufgrund der drei an Ort undStelle (beim Lacus Curtius) sichtbaren Travertinblöcke bei F. Coarelli, Rom. Ein archäologischer Führer (1975) 80. Stat. silv. 1, 1, 50 f.: Vacuae pro caespite terrae/aerea captivi crinem terit ungula Rheni.

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und Martial apostrophierte Domitian als summe Rheni domitor47. Vielleicht läßt sich einer stadtrömischen Inschrift, die nach Mommsen von einem Ehrenbogen Domitians stammen könnte, sogar die genaue Bezeichnung derRheingegend entnehmen, mit welcher derSieg desKaisers verknüpft wurde: ad divortia Rheni, d.

h. amZusammenfluß vonRhein undMain48. Domitian hat seinen Feldzug gegen die Chatten vom Legionslager Mogon9. tiacum ausunternommen4 DerÜbergang über denRhein erfolgte auf der Pfahl0. rostbrücke, die in denJahren nach 71 n. Chr. die Pfahljochbrücke abgelöst hatte5 Als Aufmarschgebiet für die eigentlichen Operationen diente das dem Brückenkopf aufderrechten Rheinseite vorgelagerte Gelände51. ObderBrückenkopf schon unter Vespasian als Steinkastell ausgebaut worden waroder erst durch Domitian 2. diese Gestalt erhielt, magdahingestellt bleiben5 Da nunin dieser Gegend, näm, die Fundamente des 36 m vor der Landseite des flavischen Steinkastells“ lich „ 3, Ehrenbogens gefunden wurden5 umdenes hier geht, spricht doch wohl zunächst alles dafür, daßsie zueinem Monument gehören, dassich aufdenvonDomitian so spektakulär gefeierten Sieg überdieGermanen bezieht. Imeinzelnen wirkt eine ganze Anzahl vonGründen zusammen, umdemersten Eindruck Gewicht zu verleihen. Die historisch undtopographisch bedeutsamsten seien hier in Kürze angeführt:

1. DerEhrenbogen vonMainz-Kastel wurde auf kriegsrechtlich gewonnenem 4, in einem weithin sicheren Gebiet, fernab der Grenze, zur Erinnerung an diehier vollbrachte „Unterwerfung Germaniens“errichtet. Boden5

47

Mart. epigr.

9, 5, 1 vgl. 2, 2, 3.

48 CIL VI 1207: ad divortia Rheni pervasi

hostiles depopulator agro[s] dum tibi bella foris aeternaq. sudo trop[a]ea Hister pacatis levior ibi aquis. Mommsen (ad loc.) verweist darauf, daßDomitian an Rhein undDonau Krieg geführt habe, unddaßauch das Kolorit der poetischen Inschrift auf ihnpasse. Vgl. H. Kahler, RE 7 A (1939) 387. 49 Das beweisen die Inschriften des Vorkosters Domitians, des Freigelassenen Ti. Claudius Zosimus (gefunden aufdemGelände derUniversität Mainz), unddesMilitärberaters Domitians, A. Didius Gallus Fabricius Veiento (gefunden in Klein-Winternheim bei Mainz). Beide In43. schriften undihre Interpretation bei Schumacher (Anm. 7) 41– 50 Die dendrochronologische Datierung (nach 71 n. Chr.) bei E. Hollstein, Mitteleuropäische Eichenchronologie (1980) 87 f. ZumUnterschied von Pfahljoch- undPfahlrostbrücke s. Men332. Zuanderen Pfahlrostbrücken imgallisch-germanischen Raum ebd. sching (Anm. 10) 330– 345. Beschreibung der „wahrscheinlich noch vespasianische(n) Brücke“von Mogontiacum bei K.-V. Decker u. W. Selzer, Mogontiacum. ANRWII 5, 1 (1976) 490 f. 51 Vgl. H.Braunert, ZumChattenkriege Domitians. Bonner Jahrbücher 153, 1953, 100 Anm. 30: DieAusgangsposition vomBrückenkopf anderMainmündung warbesonders günstig fürei„ nenÜberraschungsangriff“ . 52 Baatz (Anm. 8) 370 spricht sich für gleichzeitige Entstehung mit derRheinbrücke (um71 n. die Jahre zwischen Chr.) aus, H. Schoppa, Aquae Mattiacae (1974) 65, gibt als Entstehung „ 83 und86 n.Chr.“an. 53 Frenz, AKB 19, 1989, S. 69. 54 DerKrieg gegen die Chatten endete mit einem Friedensschluß, vgl. Stat. silv. 1, 1, 27; 3, 3, 168. Durch die Schaffung derProvinz Germania superior (terminus ante quem: 27.10.90 n. Chr., CIL XVI 36) wurde das Gebiet zumprovinciale solum. Zum Rechtssatz in provinciali

112

Politik

2. Steinkastell undEhrenbogen bildeten insofern eine Einheit, als letzterer sozusagen einen monumentalen Vorbau darstellte. 3. Diedurch denEhrenbogen führende, vonderBrücke herkommende unddas Kastell durchquerende Straße verlief in gerader Richtung nach Hofheim. Sie ist als Elisabethenstraße“bekannt. Ihr Ausbau dürfte mit PfahlrostSteinerne“oder „ „ 5. brücke undSteinkastell gleichzeitig liegen, also in dieflavische Zeit gehören5 50– 54 mvomLagertor derLandseite entfernt, d. h. 14– 18mvordemBogen (in Richtung Hofheim), zweigte eine Straße nach Wiesbaden (Aquae Mattiacorum) ab, wie zwei hier gefundene Meilensteine beweisen56. DerEhrenbogen stand also an einer Straßenkreuzung, unddasmachte ein gut Teil seiner Wirkung aus, allerdings nur bei entsprechender Verkehrsfrequenz. Diese aber war erst möglich in einem befriedeten Gebiet, das Händlern sicheren Durchzug zur Rheinbrücke verhieß. Der Ehrenbogen von Mainz-Kastel war, so betrachtet, gewissermaßen das Tor zum römischen Mainz füralle, dieausdemrechtsrheinischen Gebiet dorthin wollten. 4. Das Problem, welches die seltenen drei Durchgänge des Ehrenbogens auf7, werfen5 könnte seine Erklärung darin finden, daßDomitian denEhrenbogen des Germanicus beim Drususdenkmal durch sein Monument übertreffen wollte, wieer ja auch denRuhm seines Bruders Titus als Sieger über Iudaea durch seinen Germanensieg in denSchatten zustellen suchte58. Natürlich mußmanbei einer Zuweisung des Ehrenbogens von Mainz-Kastel anDomitian die Frage stellen, wasausdemBauwerk geworden ist, nachdem über denKaiser im Jahre 96 n. Chr. die damnatio memoriae verhängt worden war. Die Antwort wird erleichtert durch das Beispiel der Mainzer Jupitersäule: Sie wurde 9. nicht etwa zerstört, sondern nur der Name Neros aus der Inschrift eradiert5 In ähnlicher Weise dürfte auch mit demEhrenbogen verfahren worden sein: Die Inschrift wird manganz oder teilweise ausgemeißelt haben, ansonsten aber wird der Ehrenbogen erhalten geblieben sein. Vielleicht hat man ihn später mit Trajan in Verbindung gebracht, der im Jahre 97 n. Chr. Statthalter in Germania superior

solo dominium populi Romani est vel Caesaris (Gai. inst. 2, 7) vgl. E. Seidl, Römisches Pri414. vatrecht (1963) 68 undausführlich J. Bleicken, Chiron 4, 1974, 359– 55 Vgl. E. Schmidt, Kastel bei Mainz. In. ORL Abt. B II 3 Nr. 30 (1912) 6 f. 19. 56 CIL XIII 9124 (Hadrian), 9125 (3. Jahrhundert n. Chr.) = Landesmuseum Mainz. Römische Steindenkmäler (1988) Nr. 323+324. Die Entfernungsangabe vom Kastelltor bei Schmidt (Anm. 55) 6. DerAbstand zumEhrenbogen ergibt sich ausderDifferenz zwischen der Ent54 m) undderdes Ehrenbogens (36 m, Frenz, AKB 19, 1989, S. fernung derMeilensteine (50– 69) vomKastell.

57 Frenz, Einimperiales Monument (Anm. 3), unter „Datierende Vergleiche“ . 6: 58 Vgl. bes. Mart. 2, 2, 3–

nobilius domito tribuit Germania Rheno, nomine, Caesar, eras. frater Idumaeos meruit cumpatre triumphos, quae datur ex Chattis laurea, tota tua est. DazuKneissl (Anm. 42) 49. G. Bauchhenß, Die Große Jupitersäule aus Mainz (Corpus Signorum Imperii Romani

etpuer hocdignus

59

1984, 32 f.

II 2),

Ehrenbogen

113

0. Auf eine solche Verbindung könnte jedenfalls die Errichtung eines Denkmals fürTrajan direkt anderoben erwähnten Straßenkreuzung, also in unmittelbarer Nähe des Ehrenbogens, hindeuten. Sockel und Dedikationsinschrift der 22. war6

Legion wurden 1896 gefunden61. Mit dieser Bemerkung möchte ich meinen Diskussionsbeitrag zumEhrenbogenvonMainz-Kastel beschließen. Er ist ausdemBlickwinkel des Althistorikers geschrieben undbezieht eindeutig Stellung für die Zuweisung der Überreste an Domitian. Ich bin davon überzeugt, daßderbisher favorisierte Germanicus seinen Ehrenbogen beim Drususdenkmal hatte. DieArchäologen werden wissen, wasnun zutunist. Ausmeiner Sicht wärewünschenswert, daßdieBeziehung zwischen den Fundamenten des Ehrenbogens und den an dieser Stelle gefundenen Straßenschichten62 sowie das Verhältnis zwischen Steinkastell undEhrenbogen63 näher bestimmt werden könnten. Aufjeden Fall aber muß der Stilvergleich auf Denkmäler der flavischen Zeit ausgedehnt werden. Sollten sich dann auch von archäologischer Seite Möglichkeiten ergeben, den Ehrenbogen von Mainz-Kastel Domitian zuzuschreiben, so ließe sich der Meinungsstreit mit demGedanken beenden, daßauch Domitian ein Germanicus war.

60 Eck (Anm. 7) 45 f. 61 CIL XIII 7285, dazu Schmidt (Anm. 55) 6 f. 62 Andeutungen dazubei Frenz, AKB 19, 1989, S. 70. 63 Vielleicht ergeben sich ausdenBaumarken unddemverwendeten Material Aufschlüsse. Am BaudesKastells wardie 14. Legion ja ebenso beteiligt wieamBaudesEhrenbogens. Vgl. z. B. die bei Ausschachtungsarbeiten für das Volksbad in der Kirchgasse, Mainz-Kastel, gemachten Funde: Bodenaltertümer inNassau VI (Nassauische Heimatblätter 46), 1956, 68 f.

Die Rolle der Mainzer Legionen

70 n. Chr.* in der Krise desRömischen Kaisertums 68– Am9. Juni desJahres 68 n. Chr. setzte derKaiser Nero seinem Leben ein Ende, nachdem derSenat ihn zumStaatsfeind erklärt undAnordnung gegeben hatte, dieTodesstrafe anihmzuvollziehen1. DasAndenken Neros wurde geächtet; seine Bilder fielen der Vernichtung anheim2 , Inschriften mit seinem Namen verstümmelte man. Als Beispiel für die letztere Form derMemoriastrafe kann die Mainzer Jupitersäule dienen. Auf ihr ist der Genetiv Neronis als Bestandteil des Kaiserna-

menseradiert3 . Nero wardererste römische Kaiser, gegen denbei Lebzeiten die Hostiserklärung erging, deralso ‘abgesetzt’wurde. Derstaatsrechtliche Akt bildete indes nur

denSchlußpunkt einer Entwicklung, diedarauf hinauslief, einen anderen Kaiser an die Stelle Neros zusetzen. Sie begann etwa Mitte März 68 n. Chr. in Gallien4 , und an ihr waren die beiden Mainzer Legionen, die 4. (IV Macedonica) unddie 22. (XXII Primigenia), nicht unerheblich beteiligt. Hätten sie mit ihren Bemühungen *

in: MZ 82 (1987) 111– 122.

DerAufsatz gibt in leicht überarbeiteter undmitAnmerkungen versehener Form denVortrag wieder, welchen ich am29.5.1987 imLandesmuseum Mainz undam30.6.1987 an derUniversität Bielefeld gehalten habe. Fürdie Einladungen danke ich Herrn Museumsdirektor Dr. Berthold Roland (Mainz) bzw.meinem Kollegen Rolf Rilinger (Bielefeld). Folgende Abkürzungen wurden

Aufstieg undNiedergang derRömischen Welt Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum

FHG JRS RE RAC

Fragmenta Historicorum Graecorum Journal of Roman Studies Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft Reallexikon für Antike undChristentum

RGZM

Römisch-Germanisches Zentralmuseum Transactions andProceedings of theAmerican Philological Association Zeitschrift für Papyrologie undEpigraphik

ZPE

2

3

4

benutzt:

ANRW CSEL

TAPhA

1

indenAnmerkungen

4; Joh. Antioch. fr. 91 (Müller FHG IV 576) = Cass. Dio 63, 29, 1a Suet. Nero 49, 2– (Boissevain III 97). Plut. Galba 8, 7; Cass. Dio 63, 29, 1 (Boissevain III 97). Als Kuriosität sei eine Nero-Münze mitdurchtrenntem Hals erwähnt: V. Zedelius in: DasRheinische Landesmuseum Bonn 5/85,

68 f.

G. Bauchhenß, Die Große

Jupitersäule

aus Mainz.

Corpus Signorum Imperii Romani

II 2

(1984) 32 f. Zur Memoriastrafe insgesamt vgl. F. Vittinghoff, Der Staatsfeind in der römi43. schen Kaiserzeit (1936) 12– Zumzeitlichen Ablauf desAufstands gegen Nerovgl. bes. D.C.A. Shotter, A Time Table for 74. , Historia 24, 1975, 59– the „Bellum Neronis“

116

Politik

Erfolg gehabt, so wäre der legatus Augusti pro praetore des obergermanischen Heeres, L. Verginius Rufus, als Nachfolger Neros Kaiser geworden. Tacitus hat denVorgängen umden Sturz Neros unddie Erhebung seiner vier Nachfolger hohe Bedeutung beigemessen. DasKaisertum, Galba, Otho, Vitellius, Vespasian – sagt er, sei damals seines Geheimnisses entkleidet worden, indem die Menge entdeckte, daßeinKaiser auch außerhalb Roms erhoben werden könne5 . Es lohnt sich, der Frage nachzugehen, wie der Gedanke aufkommen konnte, die Person des Kaisers sei auswechselbar, undwie gerade die Mainzer Legionen nicht nurdurch ihrVerhalten gegenüber Verginius Rufus, sondern auch gegenüber Vitellius zuVorkämpfern dieses Prinzips geworden sind. Urheber desAufstands gegen Nero warderStatthalter derProvinz Gallia Lugdunensis, C. Iulius Vindex, ein romanisierter Gallier ausAquitanien, der sich königlicher Abkunft rühmen konnte6. Er rief die Gallier gegen Nero zu den Waffen undwandte sich an den Statthalter der Provinz Hispania Tarraconensis, Ser. Sulpicius Galba, mit der Aufforderung, die Führung der Befreiungsbewegung zu . übernehmen7 Dabei versicherte er, alles im Interesse des Senats undVolks von Rom zu tun8 . Es warjedoch offenkundig, daß Vindex den Römern in der Person Galbas nicht nurden„ Befreier undFührer“ , wie Sueton sagt, sondern bereits den neuen Kaiser präsentierte9.

5

6

7 8

9

Tac. hist. 1, 4, 2: evolgato imperii arcano, posse principem alibi quam Romae fieri. Als arcana imperii galten Tacitus auch die Beamtenwahlen: ann. 2, 36, 1. Vgl. noch ann. 2, 59, 3

(Sperrung Ägyptens fürSenatoren undRitter als Bestandteil derdominationis arcana desAugustus). Über denabschätzigen Sinn desBegriffs vulgus beiTacitus s. H.G. Seiler, DieMasse bei Tacitus (Diss. Erlangen), 1936, 80 f. Cass. Dio 63, 22, 12(Boissevain III 84). DenAufstand desVindex haben M.Raoss, Larivolta diVindice edil sucesso di Galba, Epigraphica 20, 1958, 46– 120; 22, 1960, 37– 151 undP. A. Brunt, The Revolt of Vindex andthe 569 eingehend analysiert. Fall ofNero, Latomus 18, 1959, 531– In einer Rede läßt Cassius Dio(63, 22, 6 [Boissevain III 85]) ihndie Gallier auffordern, sich μ ῖνα ὐ το ῖς , ἐπ ὲ νὑ ιή σ α τ εμ ρ υ ο ικ π selbst und den Römern zu Hilfe zu kommen: ἐ ις ίο α μ . Es ist die Formel, mit der auch die pisonische Verτ εδ ή ῖςῬω σ α ὲτο ρ υ ο κ schwörung gegen Nero im Jahre 65 n. Chr. gerechtfertigt wurde: finem adesse imperio deligendumque quifessis rebus succurreret, Tac. ann. 15, 50, 1. Sie läßt sich auf denBegründer desrömischen Kaisertums selbst zurückführen, wiedasGebet Vergils fürdenjungen Caesar (Oktavian) zeigt: hunc saltem everso iuvenem succurrere saeclo / neprohibite, georg. 1, 500 f. Weitere Beispiele fürdieAnwendung dieser Formel bei W.Hartke, Römische Kinderkaiser (1951) 152. NeuwarimFalle desVindex derAppell andie Provinzbevölkerung. Aber dieser galt der Erneuerung des römischen Kaisertums, nicht einem wie immer gearteten gallischen Separatismus. Vgl. zudiesem Problem S. Mazzarino, La rivolta di Vindice e il problema del , Accademia Nazionale La Gallia Romana“ separatismo“gallico, Atti delcolloquio sultema „ „ 51. Nach Zonaras (11, 13 [Dindorf 41]) = Cass. dei Lincei, Quaderno 158, Roma 1973, 37– Dio 63, 23, 1 (Boissevain III 86) hätte Vindex die Gallier schwören lassen, alles für Senat und

Volk vonRomzutun. Brief des Vindex an Galba: ut humano generi assertorem ducemque se accommodaret, Suet. Galba 9, 1. J. B. Hainsworth, Verginius and Vindex, Historia 11, 1962, 91 macht darauf aufmerksam, daßdies die Ausdrucksweise Suetons ist, während Plutarch (Galba 4, 5) offenbar denText desBriefes selbst zitiert, vgl. Anm. 12. D. Timpe, Untersuchungen zur Kontinuität

des frühen

Prinzipats (Historia-Einzelschriften

5), 1962, 108 f. sieht in der Ausdrucksweise

Mainzer Legionen

117

Bei derVorgehensweise desVindex gegen Nero hatmanwohl seine gallische undinsbesondere seine königliche Herkunft in Rechnung zu stellen. Ein König besaß bei denGalliern, wie es einmal Ambiorix, derKönig derEburonen, gegenüber Caesar formulierte, nicht mehr an Rechten in bezug auf die Menge als die 0. Menge in bezug auf denKönig1 Die Äußerung scheint zubesagen, daßderMenge auch das Recht auf Absetzung und Neuwahl des Königs zukam11. Vielleicht wirdvordiesem Hintergrund dierätselhafte Berufung aufdie Menge verständlich, diesich in einem Brief desVindex anGalba findet: diegallischen Provinzen hätten 100 000 Mann unter Waffen; dieser starke „Körper“suche nach einem „Haupt“ 12. Wenn die vorgetragene Ansicht voneinem gallischen Anteil anderimJahre 68 n. Chr. praktizierten Absetzung undNeuwahl desrömischen Kaisers richtig ist, dann mußVindex die Rolle des Initiators bei der von Tacitus konstatierten Preisgabe desKaisertums andieMenge zugewiesen werden. AlsVindex denAufstand gegen Nero begann, befand dieser sich aufderRückreise ausGriechenland. VonNeapel ausließ er durch denSenat Vindex zumhostis erklären und auf seinen Kopf 10 Millionen Sesterzen aussetzen13. Die HostisErklärung ermächtigte, ja, verpflichtete jeden, den Staatsfeind unschädlich zu machen. Dasgalt vorallem fürdie Staatsorgane. ImFalle desVindex kamhinzu, daß er mit bewaffneter Macht auftrat, womit seine Ausschaltung Sache des Heeres wurde. Das Vindex am nächsten stehende Heer war das obergermanische, das heißt die bereits erwähnten zwei Legionen in Mogontiacum (die 4. unddie 22.) unddie in Vindonissa stationierte 21. Legion (XXI Rapax). Kommandeur dieses Heeres wardergleichfalls schon erwähnte Verginius Rufus, der63 n. Chr. in Rom Konsul gewesen undEnde 67 oder Anfang 68 n. Chr. ins Hauptquartier nach Mogontiacum gekommen war14. Die Überlieferung läßt nicht erkennen, ob er ausRom denAuftrag erhielt, gegen Vindex zuziehen, oder ob er vonsich ausdie Legionen und ihre Hilfstruppen mobilisierte. Jedenfalls setzte er Ende März oder Anfang Führerstellung Oktavians vordemJahre 27“ Suetons zuRecht eine Erinnerung andie„ . Dagegenist ihmnicht zuzustimmen, wenn er meint, Vindex habe in Galba nicht denKaiser geseώ νerscheinen in den Quellen eindeutige Termini wie γ εμ hen. Neben dem zweideutigen ἡ ρ : Zon. 11, 13 (Dindorf 41) und β τ ρ ά ω το κ α ὐ α σ ιλ εύ ς: Joh. Antioch. fr. 91 (Müller FHG IV 575) = Cass. Dio 63, 23, 1. Vgl. auch Hainsworth a. O. 10 Caes. bell. Gall. 5, 27, 3. 11 G. Dottin, Manuel pour servir à l’étude de l’Antiquité Celtique (1906) 169; vgl. dens., Die Welt derKelten (1977) 94. 12 Plut. Galba 4, 5. Σ μ αist hier nicht gleich corpus imperii, wie Timpe (Anm. 9) 109 Anm. 1 ῶ meint, denn es folgt sogleich der Hinweis auf die Tres Galliae: Γ α λ α τ ία ι. Damit erledigt sich auch die Vermutung von Hainsworth (Anm. 9) 91 f., mit den 100 000 Mann sei die

Rheinarmee nebst ihren Auxilien gemeint. J. Sancery, Galba ou l’armée face au pouvoir (1983) 41, sieht in den100000 Mann, aufdieVindex sich beruft, dessen gesamte Anhängerschaft, wovon allerdings nur20 000 Mannwirklich unter Waffen standen (Plut. Galba 6, 4). Dasgleiche Verhältnis (5 : 1) ergebe sich übrigens fürdieAnhängerschaft des Sacrovir (Tac.

ann.3, 43, 2).

13 Petr. Patr. exc. Vat. 76 (Dindorf 197) und Zon. 11,13 (Dindorf 197) = Cass. Dio 63, 23, 2 (Boissevain III 89 f.). Vgl. Suet. Nero 41, 1. 14 ZuPerson undHerkunft des Verginius Rufus s. W. Eck, Die Statthalter der germanischen Provinzen vom 1.-3. Jahrhundert (Epigraphische Studien 14), 1985, 28 f.

118

Politik

April 68 n. Chr. sein Heer in Marsch nach Vesontio (dem heutigen Besançon) im Gebiet der Sequaner. Vindex zog vonLugdunum ausmit seinen gallischen Truppen ebendorthin. Die Überlieferung will von Verhandlungen zwischen Verginius Rufus undVindex in Vesontio wissen15 . Tatsache aber ist, daßdieHeere in Kampf gerieten und das obergermanische Sieger blieb; vom gallischen Heer deckten 20000 Mann das Schlachtfeld; Vindex beging Selbstmord16. Nach derSchlacht vonVesontio riefen die Soldaten desVerginius Rufus diesen zumImperator aus, wobei sie ihn auch Caesar undAugustus nannten. Die Bilder Neros rissen sie vondenFeldzeichen undvernichteten sie17. Wie kames zu dieser spontanen Aktion desHeeres? Daist zunächst der Schlachtensieg, derdem Heer das Recht zur Imperator-Akklamation gab. Sie war seit geraumer Zeit dem Kaiser vorbehalten und deshalb die passende Gelegenheit kundzutun, daß man einen anderen Kandidaten für das Kaisertum favorisiere. Die Akklamation des Verginius Rufus zumImperator aber setzte voraus, daßdasobergermanische Heer die von Vindex verfochtene Kandidatur Galbas nicht billigte. Dies wiederum scheint seinen Grund in derRivalität derdenMainzer Legionen engverbundenen Stämme der Lingonen undTreverer zu den auf Seiten des Vindex stehenden Se8. quanern, Häduern undArvernern zu haben1 Die Lingonen undTreverer hatten offenbar beträchtliche Kontingente an Hilfstruppen für das obergermanische Heer gestellt19. Darüber hinaus dürften aber auch die Legionen selbst keine Sympathie dafür aufgebracht haben, daß Vindex und seine Gallier einen römischen Kaiser kreierten. Jedenfalls trat dasobergermanische Heer mit derAkklamation des Verginius Rufus zum Imperator in Konkurrenz zu den 100 000 Galliern, die nach Vindex’ Formulierung ein neues „Haupt“suchten. Mit Blick auf Vesontio kann man auch sagen: Das obergermanische Heer übernahm die Rolle der Gallier als Menge, die sich anheischig machte, über dasKaisertum zuverfügen.

15 Joh. Antioch. fr. 91 (Müller FHG IV 575) = Cass. Dio 63, 24, 2 (Boissevain III 87). Hainsworth (Anm. 9) 94 f. hatversucht, dieAngaben desspäten Autors indieGegebenheiten des 1. Jh. n. Chr. zurückzuführen. Danach wäre für Galba dasKaisertum, für Verginius Rufus ein gallisches Kommando gleich demdesDrusus undfürVindex eine spanische Statthalterschaft ausgehandelt worden. Zudemumstrittenen Verhältnis zwischen Vindex undVerginius Rufus 27; L. vgl. weiter J. van Ooteghem, Verginius et Vindex, Les Études Classiques 36, 1968, 18– 100. C. Daly, Verginius at Vesontio, Historia 24, 1975, 75– 41(Boissevain III 87 f.); Plut. Galba 6, 4. 16 Cass. Dio 63, 24, 3– 17 Cass. Dio 63, 25, 1 (Boissevain III 88); vgl. Plut. Galba 10, 1. G. E. T. Chilver, The Army in 70, JRS 47, 1957, 33, spricht treffend von a movement, which started from Politics, A. D. 68–

18

below. Außer denSequanern, Häduern undArvernern (Tac. hist. 1, 51, 4; 4, 17, 3) werden noch die Viennenser in derNarbonensis als Bundesgenossen desVindex erwähnt (Tac. hist. 1, 65, 2). Zudiesen Galbiani (Tac. hist. 1, 51, 4) standen dieamRhein wohnenden civitates Galliarum, vorallem dieTreverer undLingonen, nicht erst seit Vindex imGegensatz (Tac. hist. 1, 8, 1; 1,

51, 3). 19 Dasgeht ausÄußerungen desTacitus wie Vindicis motucum Verginio steterant (sc. Treveri Lingonesque) hervor (hist. 4, 69, 2), vgl. B. Hallermann, Untersuchungen zudenTruppenbewegungen in den Jahren 68/69 n. Chr. (Diss. Würzburg), 1963, 70. Auch Hilfstruppen der Belger undBataver befanden sich im Heer desVerginius (Tac. hist. 4, 17, 3), Hallermann a. O. 25 f. 70.

Mainzer Legionen

119

Verginius Rufus aber warinbezug aufdasRecht derSoldaten, ihnzumKaiser anderer Meinung. Er erklärte, es sei Vorrecht des Senats undVolks vonRom, denKaiser zu wählen. Deshalb werde er die ihm angetragene Würde nicht annehmen20, under soll hinzugefügt haben, er werde auch nicht dulden, daß ein anderer zumKaiser erhoben werde, dennicht der Senat gewählt habe21. Diese letztere Äußerung wäre dann in Richtung Spanien gesprochen undwürde erklären, 2. warum Galba in bezug auf denFortgang derDinge besorgt war2 Denn wenn Galba auch die Begrüßung als Kaiser durch eine bunt zusammengesetzte Menge in Carthago Nova (heute: Cartagena) abgelehnt hatte undSenat undVolk von Rom durch Führung des Titels legatus senatus populique Romani seine Reverenz erwies, so tat er doch alles, seine zukünftige Kaiserstellung vorzubereiten23. Durch dieVorgänge bei Vesontio geriet dasobergermanische Heer in eine eigenartige Situation: Es hatte durch den Sieg über Vindex seine Abneigung gegen dessen Kandidaten für das Kaisertum, Galba, bekräftigt, durch denAkt der Bildervernichtung sich vonNero losgesagt undmit der Akklamation des Verginius Rufus zumImperator einen Schlag ins Leere geführt. Wemdiente dieses Heer überhaupt? Nun, zunächst seinem Kommandeur, Verginius Rufus. Von daher erklärt sich dieHartnäckigkeit, mitderdie Truppen bei ihrem Entschluß blieben, ihnzum Mehrmals“unternahmen sie diesen Versuch, zuletzt im Juni Kaiser zu ‘machen’. „ 68 n. Chr., als der Tod Neros bekannt wurde2 4. Zu diesem Zeitpunkt waren die Legionen wieder an ihre Standorte zurückgekehrt, die 4. und22. also nach Mogontiacum. Hier mußsichjene Szene abgespielt haben, vonderPlutarch berichtet: EinLegionstribun verlangte mitgezogenem Schwert, Verginius solle zwischen der Kaiserwürde unddemTodwählen25. Die Lage verschärfte sich noch dadurch, daß eine Gesandtschaft der von Nero aus Illyrien nach Italien beorderten Truppen Verginius zumHandeln drängte26. Dieser aber blieb bei seiner Haltung, das Kaisertum nicht sich selbst anzueignen, sondern demVaterland zuüberantworten, wie er später in seiner Grabinschrift stolz verkündete27. Das hieß aber, daß er auch Galba gegenüber seine Haltung nicht änderte, obwohl dieser ihn nach Vesontio brieflich für sich zu gewinnen suchte28. Ob dabei die Tatsache, daß Nero außer

zuerheben,

3 (Boissevain III 88 f.). 20 Cass. Dio 63, 25, 1– 21 Plut. Galba 6, 3. 22 Plut. Galba 6, 4. 23 Ablehnung der Imperator-Akklamation: Suet. Galba 10, 1; Plut. Galba 5, 2; Truppenaushebung: Suet. Galba 10,2; Verkauf derGüter Neros inSpanien: Plut. Galba 5, 6. ά κ ις; ebenso λ ο λ 24 Cass. Dio 63, 25, 1 (Boissevain III 88) und68, 2, 4 (Boissevain III 188): π Plut. Galba 6, 3. Nach Neros Tod: Plut. Galba 10, 4 : π . ιν λ ά 25 Plut. Galba 10, 4. 26 Tac.hist. 1,9, 3. ZumZeitpunkt: Chilver (Anm. 17)32. 27 Die Grabinschrift ist bei Plin. ep. 6, 10, 4 und 9, 19, 1 überliefert. Sie lautet: Hic situs est Rufus, pulso qui Vindice quondam / imperium adseruit nonsibi sedpatriae. Vgl. Cass. Dio 68, 2, 4 (Boissevain III 188). Zur Überlieferung in bezug auf Verginius Rufus vgl. Raoss (Anm. 7), Epigraphica 22, 1960, 89– 101; G. B. Townsend, The Reputation of Verginius Rufus, Latomus 20, 1961, 337– 341. 28 Plut. Galba 6, 5. Vielleicht warderÜberbringer desBriefes jener Pedanius Costa, denVitellius vomKonsulat ausschloß utadversus Neronem ausus et Verginii exstimulator (Tac. hist. 2, 71, 2), vgl. W. Eck, RE Suppl. XI (1978) 295.

120

Politik

9,

Vindex auch Galba zumStaatsfeind hatte erklären lassen2 eine Rolle spielte, ist schwer zusagen. Es ist schon bemerkenswert, wiebeharrlich sich dieLegionen inMogontiacum weigerten, die Kandidatur Galbas zuunterstützen. Dabei darf es als erwiesen gelten, daß dieser sogar durch das Mittel der Bestechung –gemeint sind die sogezumZiel zugelangen suchte3 0. nannten anonymen Münzen desJahres 68 n. Chr. – Außer derbereits erwähnten Animosität gegen den‘Kaisermacher’Vindex mußes daher noch einen weiteren Grund gegeben haben, derdie Mainzer Legionen gegen Galba, undzwar gegen ihn persönlich, einnahm. Dieser Grund ist unschwer im kraftloser Greis“ Alter Galbas zufinden. Er stand im72. Lebensjahr undgalt als „ (invalidus senex)31. Verginius Rufus dagegen war fast 20 Jahre jünger und ein ρ ιο ή ςἀνήρ)32. Ein Prätendent für die Kaiserwürde ρ α σ τ energischer Mann“(δ „ hatte eben auch hinsichtlich desAlters bestimmte Bedingungen zuerfüllen33. Galbaerfüllte sie nach Meinung derSoldaten desVerginius Rufus offenbar nicht. VomSenat aber wurde Galba nach Absetzung undTodNeros als Kaiser anerkannt; die Imperator-Akklamation der Prätorianergarde hatte den entscheidenden Anstoß gegeben34. Manvermag sich leicht vorzustellen, daßdieNachricht vonden Vorgängen in RomBestürzung im Mainzer Legionslager hervorrief. Wahrscheinlich hatte Verginius Rufus eine andere Entscheidung des Senats erwartet, nämlich eine solche, die ihm selbst das Kaisertum übertragen hätte. Den Soldaten aber gallische Krieg“ , densie geführt hatten, ihnen wurde nunvollends klar, daßder„ nicht nurkeine Belohnungen, sondern imGegenteil mancherlei Unannehmlichkeiten einbringen werde3 5. Nichtsdestoweniger unternahm es Verginius Rufus als

29 Plut. Galba 5, 4. 30 P.-H. Martin, Die anonymen Münzen des Jahres 68 nach Christus (1974) 61. 67 f., hat wahrscheinlich gemacht, daßGalba mit der Münzlegende FIDES EXERCITVVM vornehmlich dieSoldaten undOffiziere desober- undniedergermanischen Heeres ansprechen, d. h. sie bestechen wollte.

31 Nach Cass. Dio 64, 6, 52(Boissevain III 106) war Galba bei seiner Ermordung 72 Jahre und 23 Tage alt, vgl. Suet. Galba 23: tertio et septuaginta aetatis anno. Das 72. Lebensjahr hatte er demnach am24. Dezember (Suet. Galba 4, 1) 68 n. Chr. vollendet. ZuderUnstimmigkeit derGeburtsangabe bei Suet. Galba 4, 1 (3 v. Chr.) vgl. Prosopographia Imperii Romani III Invalidus senex: Tac. hist. 1, 6, 1; vgl. 1, 12, (1898) 285, dort auch die weiteren Zeugnisse. – 2:fessa iamaetate. Vomkraftlosen Alter istauchbeiPlut. Galba 8, 1. 15,9 dieRede. 32 Verginius Rufus wurde ca. 14n. Chr. geboren (vgl. Plin. ep.2, 1, 4: 97 n. Chr. verstorben im 83. Lebensjahr), waralso 68 n. Chr. etwa 54 Jahre alt. DasUrteil über seine Tüchtigkeit steht bei Cass. Dio 63, 25, 1 (Boissevain III 88). 33 Hohes Alter galt als Defekt imHinblick aufdieKaiserwürde, vgl. Hartke (Anm. 8) 151. 34 Zon. 11, 13 (Dindorf 42) = Cass. Dio 63, 27, 2b (Boissevain III 93), vgl. Plut. Galba 7, 2: corporis cuImperator-Akklamation imPrätorianerlager, dazu F. Grosso, L’importanza dei „ stodes“ nella successione all’impero romano. Clio. Rivista trimestrale distudi storici 3, 1965, 392 f. 395. 402. Zon. 11, 13 (Dindorf 42) = Cass. Dio 63, 29, 1 (Boissevain III 96), vgl. Plut. 7, 2: Beschluß derlex imperii durch Senat undVolk, dazuTimpe (Anm. 9) 113; B. Grenzheuser, Kaiser undSenat in derZeit vonNero bisNerva (Diss. Münster), 1964, 59; H.Castritius, Derrömische Prinzipat alsRepublik (1982) 102. 35 Bei Plut. Galba 10, 2 heißt es, Verginius habe durch denSieg über Vindex Romvor einem gallischen Krieg“bewahrt. Die Soldaten sprachen vondenGalliern als Feinden undBesieg„

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loyaler Offizier, die Legionen undihre Hilfstruppen auf Galba zuvereidigen. Das 36. Das niedergermanische Heer war da gelang ihm nur „ mit Mühe und Not“ schneller, wodurch erneut ein Schatten aufdasPrätorium inMogontiacum fiel37 . Eine derersten Regierungsmaßnahmen Galbas wardaher die Abberufung des Verginius Rufus vonseinem Kommando über dasobergermanische Heer. Die Ordererging noch von Spanien aus. Als Nachfolger erschien Hordeonius Flaccus in Mogontiacum38. Verginius Rufus übergab ihm das Heer, zog Galba entgegen und kehrte, ohne daßihmeinZeichen vonAblehnung oder Anerkennung zuteil gewordenwäre, in seinem Gefolge nach Romzurück39. Mit Hordeonius Flaccus kehrte Disziplinlosigkeit in das Legionslager in Mogontiacum ein. Er war ein gichtkranker alter Mann, der seiner Aufgabe nicht im geringsten gewachsen war; es fehlte ihmjegliche Autorität. Nicht einmal in der Garnison hatte er die Soldaten imGriff. Es dauerte nicht lange, dawarer bei allen 0. verachtet undallen verhaßt4 In denMonaten, die auf denAmtsantritt des Hordeonius Flaccus (im Sommer 68 n. Chr.) folgten, mußdasLegionslager in Mogontiacum einem siedenden Kessel geglichen haben. Die Legionen waren empört über die Abberufung ihres Abbild Galbas“ , wie es bei Plutarch Kommandeurs undseinen Ersatz durch ein „ dasVorgehen gegen Vindex undden (Galba 22, 7) heißt. DieAbberufungsgründe – 1. schrieben sie sich selbst zu4 Nunwurde Vindex von späten Anschluß an Galba – Galba durch Totenopfer geehrt, seine gallischen Anhänger belohnt, die Gallier aber, die auf Seiten des Verginius Rufus gekämpft hatten, bestraft42. Waren da nicht auch Sanktionen gegen sie selbst zuerwarten statt desDonativs, das sie sich durch denSieg über Vindex erstritten zuhaben glaubten? Schon kursierte dasGerücht, die Legionen würden dezimiert unddie tatkräftigsten Zenturionen entlassen werden43. Die Stimmung wurde noch angeheizt von einer Gesandtschaft der Lingonen, die durch Gastgeschenke ihre Verbundenheit mit denLegionen in Mogontiacum zumAusdruck brachte undin Trauerkleidung vor dem Hauptquartier und den Mannschaftsunterkünften Klage über ihre eigene Demütigung und die 4. Schmach desHeeres führte4

36 37

38

39

40 41 42

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ten (Tac. hist. 1, 51, 3). ZudenBelohnungen, die sie für ihren Sieg über Vindex erwarteten, vgl. Plut. Galba 18, 7. ό λ ις. νκ α ὶμ ὲ Plut. Galba 10, 5: χ ῶ ςμ π ε λ α Plut. Galba 10, 5; Tac. hist. 1, 53, 2, vgl. 1, 52, 3. ZuHerkunft, Laufbahn undAntrittstermin (Sommer 68 n. Chr.) Eck(Anm. 14)31. Plut. Galba 10, 6; Cass. Dio 63, 29, 5 (Boissevain III 100). Zum Verhältnis des Verginius Rufus zuGalba (und Otho) vgl. D. C. A. Shotter, Tacitus andVerginius Rufus, Class. Quart. 381. 17, 1967, 370– Tac. hist. 1, 9, 1, vgl. 1, 56, 1; Plut. Galba 18, 8. Tac. hist. 1, 8, 2. Plut. Galba 22, 2, vgl. 18, 1; Tac. hist. 1, 8, 1, vgl. 1, 51, 4. Tac. hist. 1, 51, 5. Anlaß für dasGerücht dürfte Galbas Vorgehen gegen die classiarii beim Einzug in Romgewesen sein. Ihre Niedermetzelung (Tac. hist. 1, 6, 2; Plut. Galba 15, 7– 8) bezeichnet Sueton asdecimare (Galba 12,2). Tac. hist. 1, 54, 1.

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Politik

Hordeonius Flaccus sahsich zumEingreifen genötigt, tat dies aber aufdenkbar ungeschickte Weise. Er verbot den Gesandten der Lingonen den Aufenthalt im Lager undwies sie an, es bei Nacht zuverlassen, damit ihr Aufbruch unbemerkt bleibe. Gerade die Heimlichkeit aber erregte Aufsehen. Die Soldaten mutmaßten, die Gesandten seien in der Dunkelheit umgebracht worden und fürchteten, daß ihnen selbst, sofern sie sich durch Äußerungen desUnmuts hervorgetan hatten, das gleiche Schicksal bevorstehe. Ungewißheit undAngst führten dazu, daßdiebeiden Legionen sich heimlich untereinander verbanden, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. In den Bund wurden auch die Hilfstruppen aufgenommen, obwohl manzunächst gerade vonihnen Unheil befürchtet hatte45 . Der Entschluß der Legionen undHilfstruppen, sich gegen ihre Diffamierung durch Galba zurWehr zusetzen, führte am24. Dezember 68 n. Chr. zueiner ersten Aktion. Dieser Tag war der Geburtstag Galbas, an dem sich das Heer, wie an Kaisergeburtstagen üblich, zum Gebet für Glück und Wohlergehen Galbas versammelte. Als die Tribunen undZenturionen die Gebetsformel sprachen, störten die 46. Soldaten sie mit Lärm undZwischenrufen wie: „ Wenn er es verdient“ Das aber war, wiegesagt, nurderAnfang. Am1. Januar 69 n. Chr. ließ Hordeonius Flaccus dasHeer zurLeistung desNeujahrseides auf denKaiser antreten. Da geschah es: Die Soldaten zerstörten die Bilder Galbas und schworen den Eid nicht auf ihn, sondern auf Senat undVolk von Rom47. Vier Zenturionen der 22. Legion wurden bei demVersuch, die Bilder Galbas zuschützen, beiseite gedrängt undin Fesseln gelegt. Tacitus überliefert ihre Namen, was auf eine demEreignis nahestehende Quelle schließen läßt. Ähnlich detailliert ist die Angabe, die 22. Legion habe insgesamt anfangs eine zögernde Haltung eingenommen, vorangegangen sei die 4. Legion48. Mit demErsatz des Kaisernamens durch „Senat undVolk von Rom“folgten die Mainzer Legionen dem Beispiel, das Verginius Rufus gegeben hatte, als er ihnen das Recht absprach, durch ihre Akklamation einen neuen Kaiser zu erhe-

3. 45 Tac. hist. 1, 54, 2– 46 Plut. Galba 18, 9: „ ἄ ιο ξ ς “ . Die Stelle ist ein wichtiger Beleg für die Feier des Geburtstags desregierenden Kaisers imrömischen Heer derfrühen Kaiserzeit. Fürdas3. Jh. gibt darüber derFestkalender vonDura-Europos, dasFeriale Duranum, Auskunft. Vgl. dazu P. Herz, Kaiserfeste derPrinzipatszeit, ANRWII 16, 2 (1978) 1194; M.Clauss, RACXIII = Lieferung 103(1986) s. v. Heerwesen (Heeresreligion) 1089. 4, vgl. 1, 12, 1; Suet. Galba 16, 2; Plut. Galba 22, 4. Zur Bedeutung der 47 Tac. hist. 1, 55, 3– Stellen fürdenKaisereid als Institution, insbesondere für seine jährliche Wiederholung, s. P. 114. ZumAustausch des Herrmann, Der römische Kaisereid (Hypomnemata 20), 1968, 110– Kaisernamens gegen die Formel senatus populusque Romanus: A. von Premerstein, Vom 81. Werden undWesen desPrinzipats (1937) 79– 48 Tac. hist. 1, 56, 1. Denvier Zenturionen waranscheinend dieAufsicht über dasHeiligtum, in demdie imagines sich befanden, anvertraut, vgl. R. W. Davies in: Aegyptus 53, 1973, 79 Die Einzelheit über die 4. Legion als Urheberin desAbfalls von Galba steht bei Tac. Anm. 2. – hist. 1, 55, 3. Vgl. hierzu dieBeobachtung vonM. Szilágyi, ZurRangordnung derrheinischen Legionen im 1. Jahrhundert n. Chr., in: Studien zu den Militärgrenzen Roms III (1986) 787– 791, wonach die4. Legion gegenüber der22. alsdieranghöhere galt.

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Mainzer Legionen

9. Dementsprechend

blieb es am 1. Januar 69 n. Chr. (wie nach Vesontio) bei der Gehorsamsverweigerung gegenüber dem regierenden Kaiser. Nach Plutarch hätten die Legionen allerdings von vornherein Vitellius, den Kommandeur des niedergermanischen Heeres in Colonia Agrippinensis, als Kandidaten für dasKai0. sertum in ihre Pläne einbezogen5 Das ist wahrscheinlich richtig, wie aus dem sofort unternommenen Ritt des Adlerträgers der4. Legion nach Colonia Agrippinensis geschlossen werden kann51. Aber neben dieNachricht vondemspektakulären Kurierritt muß manjene andere stellen, die bei Sueton sich findet, daß die Mainzer Legionen eine Abordnung nach Romschickten, umdenPrätorianern ausder in Spanien erhobene Kaiser mißfalle ihnen; sie (die Prätorianer) zurichten, „ möchten einen erwählen, den alle Heere anerkennen könnten“ 52. Diese Handlungsweise entsprach weit eher demEid auf Senat undVolk vonRom. Manwird also gut daran tun, die Lage im Mainzer Legionslager als unentschieden hinsichtlich derKaiserwahl zubeurteilen. Werwarüberhaupt dietreibende Kraft beim Abfall derMainzer Legionen von

ben4

Galba? Hordeonius Flaccus scheidet aus. Tacitus schildert sein Verhalten am 1. Januar 69 n. Chr. als passiv. Das gleiche sagt er von denLegionslegaten und-tribunen53. Aber er sagt auch, daßdereine derbeiden Legaten, Caecina Alienus, der die 4. Legion kommandierte, sozusagen als Gegenbild zuHordeonius Flaccus bei denSoldaten sehr beliebt warunddaßerpersönliche Gründe hatte, denSturz Galbas zubetreiben54. Dazu paßt, daßdie 4. Legion die aktivere beim Bildersturz am 1. Januar warunddaß der Adlerträger eben dieser Legion die Nachricht von der Gehorsamsverweigerung der Mainzer Legionen nach Colonia Agrippinensis zu Vitellius brachte. Es sieht demnach so aus, als ob Caecina sich für die Kandidatur des Vitellius eingesetzt habe, während ein Teil der aufständischen Truppen den Prätorianern nach alter Weise die Entscheidung überlassen wollte. Vielleicht darf man hinter der erwähnten Gesandtschaft nach Rom den Legaten der 22. Legion, Dillius Vocula, vermuten55. Der Anteil, welcher damit den Legaten der beiden Legionen amAufstand des 1. Januar 69 n. Chr. zugeschrieben wird, darf aber nicht vonderTatsache ablenken, daßderDruck zumHandeln vonderMasse der Soldaten des Mainzer Legionslagers kam. Der Sieg über Vindex unddie nachfolgende Mißachtung durch Galba hatte auf sie einen Solidarisierungseffekt ausgeübt, der

49

Hainsworth (Anm.

9) bezeichnet dieSoldaten derbeiden

Legionen

als aptpupils (of Vergini-

us).

8. 50 Plut. Galba 22, 7– 51 Tac. hist. 1, 56, 2 (Ankunft bereits in der Nacht zum2. Januar), vgl. Plut. Galba 22, 9. Ph. Fabia,

La lettre de Pompeius

Propinquus

à Galba et l’avènement de Vitellius en Germanie,

Klio 4, 1904, 43 Anm. 4, erklärt die Schnelligkeit bei der Bewältigung der (nach der Tabula

52

53

54 55

Peutingeriana) 167 kmlangen Strecke vonMogontiacum bis Colonia Agrippinensis mit dem Pferdewechsel indenPoststationen. Suet. Galba 16, 2: displicere imperatorem in Hispania factum; eligerent ipsi quem cuncti exercitus comprobarent. Hordeonius Flaccus: Tac. hist. 1, 56, 1; Legaten undTribune: Tac. hist. 1, 55, 4. 2. Es ist nicht völlig sicher, ob Caecina Legat der IV Macedonica war, vgl. Tac. hist. 1, 53, 1– Eck(Anm. 14)246, doch spricht derHergang derDinge (s. oben imText) dafür. Zu ihmvgl. Ph. Fabia, Dillius Vocula, Studi Romani 2, 1914, 153– 188.

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Politik

zumAngriff auf den ihr unwürdig erscheinenden Kaiser drängte. Die Ereignisse des 1. Januar waren in derHauptsache ihrWerk. Nachdem deraquilifer ausMogontiacum noch in derNacht zum2. Januar 69 n. Chr. Colonia Agrippinensis erreicht hatte, überstürzten sich die Ereignisse. Vitellius gab die Botschaft vomAbfall des obergermanischen Heeres an die Legionen in Novaesium, Bonna und Vetera weiter. Der Tatsache als solcher fügte er seine Beurteilung derLage hinzu: Manmüsse entweder gegen die Abtrünnigen zu 6. Felde ziehen oder –einen Kaiser erheben5 Der Legionslegat in Bonna, Fabius Valens, handelte in aller Eile. Am Abend des 2. Januar erschien er mit der ihm unterstehenden Reiterei in Colonia Agrippinensis und rief Vitellius zum Kaiser aus57. Schon am nächsten Tag, dem3. Januar, wußte manin Mogontiacum davon. Sofort leisteten Legionen undHilfstruppen denEidauf Vitellius58. Die Eile, mit der die Mainzer Legionen sich Vitellius anschlossen, muß vor demHintergrund ihres zögernden Übergangs zu Galba gesehen werden. Diesmal wollten sie es richtig machen undsich einen vorderen Platz in derGunst desneuen Kaisers verschaffen. Tatsächlich konnten sie für sich in Anspruch nehmen, durch die Verweigerung des Eides auf Galba den Anstoß zur Kaisererhebung des Vitellius gegeben zuhaben. Darüber hinaus konnten sie sich rühmen, schon nach Vesontio dafür eingetreten zusein, daßdemHeer dasRecht zukomme, durch die Imperator-Akklamation das Kaisertum einem Mann seiner Wahl zuzuwenden. Aufs ganze gesehen hatten sie damit einem neuen Prinzip in der Geschichte des römischen Kaisertums Bahn gebrochen, das später auf die Formel gebracht wurde: 59. DasHeer macht denKaiser“ „ DieNachricht vomAbfall derMainzer Legionen gelangte sehr schnell zuGalbas Ohren60. Sie soll, wie Tacitus und Sueton versichern, seinen Entschluß beschleunigt haben, einen Sohn zu adoptieren, der im Sinne des dynastischen Prinzips sein Kaisertum stärken sollte. Denn er führte die Verachtung, welche ihmdie 4. und22. Legion gezeigt hatten, weniger auf sein Alter als auf seine Kinderlosig56 Tac. hist. 1, 56, 3: missi a Vitellio ad legiones legatosque, qui descivisse a Galba superiorem exercitum nuntiarent: proinde aut bellandum adversus desciscentes aut, si concordia et pax 44 hat darauf aufmerksam gemacht, daß placeat, faciendum imperatorem. Fabia (Anm. 51) 42– Tacitus vomobergermanischen Heer spreche, obwohl doch nurdiebeiden Mainzer Legionen von Galba abgefallen waren, nicht auch schon die legio XXI Rapax in Vindonissa. Tacitus konnte indes sehr wohl diesen Terminus gebrauchen, daMogontiacum das Hauptquartier des obergermanischen Heeres warundangenommen werden durfte, daß die Legion von Vindonissa sich demVotum derMainzer Legionen anschließen werde, wiees dannja auch geschah, nach Fabia 44 wahrscheinlich am3. Januar. 2 und dazu H. 57 Tac. hist. 1, 57, 1. Zu den Einzelheiten der Kaisererhebung vgl. Suet. Vit. 8, 1– Volkmann, Römische Kaiser in Köln, Gymnasium 74, 1967, 120 f. 58 Tac. hist. 1, 57, 1, vgl. Suet. Vit. 8, 2. 59 Hieron. ep. 146, 6 (CSEL 56, 310): Exercitus facit imperatorem. In bezug auf die Kaisererhebung in Colonia Agrippinensis s. Tac. hist. 2, 76, 4: et posse ab exercitu principem fieri sibi (sc. Vespasiano) Vitellius documento. Zum rechtlichen Befund dieser Stelle L. Schumacher, Herrschaftsübertragung imfrühen Prinzipat, Index 15, 1987, 325. 60 DerProkurator derBelgica, Pompeius Propinquus, übermittelte sie nach Rom: Tac. hist. 1, 12, 67. 1. Zudessen Brief in derWiedergabe desTacitus s. Fabia (Anm. 51) 42–

Mainzer Legionen

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1. keit zurück6 So kamdenn am 10. Januar 69 n. Chr. die Adoption desL. Calpurnius Piso zustande, die in die Geschichte des römischen Kaisertums eingegangen ist als erster Versuch, dieses durch Adoption an denjeweils Besten im Staat weiterzugeben62. Die Mainzer Legionen waren auch an diesem folgenreichen Akt als auslösende Kraft beteiligt. DieAdoption Pisos vermochte indes dasKaisertum Galbas nicht zuretten. Ein Putsch der Prätorianer im Dienste des M. Salvius Otho entzog ihm die Machtgrundlage undkostete ihn undPiso am 15. Januar 69 n. Chr. dasLeben63. Der Senat erkannte Otho die kaiserlichen Gewalten zu, ohne auf die am2. Januar in Colonia Agrippinensis erfolgte Imperator-Akklamation des Vitellius Rücksicht zu nehmen64 . Nach erfolglosen Versuchen, brieflich einander zumVerzicht auf das Kaisertum zubewegen65, setzte sich bei beiden Imperatoren die Erkenntnis durch, daßdieWaffen zwischen ihnen entscheiden müßten. 6, Während Otho auf den Osten des Reiches zählen konnte6 hatte Vitellius das militärische Potential der Westprovinzen zu seiner Verfügung, in erster Linie natürlich dieTruppen desnieder- undobergermanischen Heeres. Ausdiesen formierte er zwei Armeen, die eine (niedergermanische) unter Fabius Valens mit 40000 7. Mann, dieandere (obergermanische) unter Caecina mit 30 000 Mann6 In unserem Zusammenhang interessiert nurdie letztere. Ihren Kern bildete die 21. Legion aus Vindonissa; dazu kamen auserlesene Abteilungen der beiden Mainzer Legionen (vexillationes) sowie ein großes Kontingent anHilfstruppen68. Caecina undValens schlugen mit ihren Armeen am 14. April 69 n. Chr. bei Bedriacum in der Nähe von Cremona das Heer Othos. Dieser beging zwei Tage später Selbstmord. Vitellius wurde daraufhin am 19. April vom Senat als Kaiser 9. anerkannt6 Zudieser Zeit warer selbst bereits mit einer weiteren Armee auf dem Wegnach Italien. Zu ihr hatte das obergermanische Heer erneut eine Legion, die 22. ausMogontiacum, abstellen müssen; die4. warwiederum durch eine vexillatio

61 Tac. hist. 1, 12, 2: maturavit ea res consilium Galbae iampridem de adoptione secum et cum proximis agitantis. Suet. Galba 17: quod ut nuntiatum est, despectui esse non tamsenectam suamquamorbitatem ratus, Pisonem ... adoptavit. 62 Der locus classicus lautet: finita luliorum Claudiorumque domo optimum quemque adoptio inveniet (Tac. hist. 1, 16, 1). Hierzu L. Wickert, RE 22, 2 (1954) s. v. princeps 2213 f. 63 Galba: Tac. hist. 1, 41; Suet. Galba 19– 20; Plut. Galba 26, 1– 27, 4; Cass. Dio 63, 6, 1– 4 (Boissevain III 104 f.). Piso: Tac. hist. 1, 43; Plut. Galba 27, 5– 6; Cass. Dio 63, 6, 51 (Boissevain III 105). 64 Tac. hist. 1, 47, 1; Plut. Galba 28, 1; Cass. Dio 63, 8, 1 (Boissevain III 105); vgl. Suet. Otho 7, 1. 65 Tac. hist. 1, 74. 66 Tac. hist. 1, 76. 67 Tac. hist. 1, 61, 2. 68 ZudenLegionen bzw. Legionsvexillationen: R. Saxer, Untersuchungen zudenVexillationen desrömischen Kaiserheeres (Epigrapische Studien 1), 1967, 13 f.; zu denHilfstruppen: Hallermann (Anm. 19) 83 f. 85, dazu Schumacher (Anm. 59) 331 Anm. 82. Vgl. Tac. hist. 69 Acta Fratr. Arv. Pasoli 34 Z. 84– 2, 55, 2.

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Nach demÜbergang über die Alpen vereinigte sich Vitellius mit den Armeen des Caecina undValens undzog Mitte Juli 69 n. Chr. mit insgesamt 4 Legionen, 7 Legionsvexillationen und46 Auxiliareinheiten in Romein71. Es gilt nun, die Lage zuskizzieren, welche durch denAbzug so großer Truppenmassen amRhein entstand, unddie Ereignisse zuverfolgen, welche hier nach der durch die syrischen Legionen vollführten Imperator-Akklamation Vespasians inGangkamen. Von denbeiden Mainzer Legionen wardie 22. mit ihrem Adler nach Italien gezogen, die 4. hatte zwei Vexillationen abgeben müssen. Solche Vexillationen waren mindestens 1 000 Mann stark72. Setzt manbei der Legion im allgemeinen eine Mindeststärke von5 000 Mannvoraus, so hätte manbei der4. eine Schrumpfung auf3 000 Mannanzunehmen. Diese Zahl wirdgewissermaßen bestätigt durch die Angabe des Tacitus, daß die 1. Legion in Bonna, die in gleicher Weise von Abstellungen betroffen worden warwiedie4. in Mogontiacum, noch 3 000 Mann stark war73. Von der22. Legion müssen Reste in Mogontiacum geblieben sein, da Tacitus sie unter derLegionsbezeichnung zusammen mitder4. erwähnt74. Da auch der Legat der 22. Legion, Dillius Vocula, weiterhin als solcher in Mogontiacum fungierte, darf ihre Stärke nicht unter der einer vexillatio angesetzt werden, das heißt, es werden mindestens 1 000 Mann der22. Legion ihr Quartier im Mainzer Legionslager behalten haben. Mandarf also wohl davon ausgehen, daßinsgesamt 4 000 Mann der beiden Mainzer Legionen an ihrem Standort verblieben. Das Kommando über sie unddie in Vindonissa zurückgelassenen Reste der21. Legion - ebenfalls etwa 1 000 Mann –führte nach wie vor Hordeonius Flaccus. Ihm zur Seite stand derLegat der 22. Legion, Dillius Vocula, demwohl auch Caecinas 4. Legion unterstellt wurde. Vitellius erweiterte vor seinem Abmarsch denBefehlsbereich desHordeonius Flaccus umNiedergermanien, so daßdieser dasKommando auch über dieTruppen inNovaesium, Bonna undVetera erhielt7 5. Des weiteren gabVitellius Anordnung, die zurückgebliebenen Legionen undLegionsteile durch Aushebungen in Gallien aufzufüllen76. Das warkeine leichte Aufgabe. Denn die Zahl derrömischen Bürger in den gallischen Provinzen war begrenzt, undder Eintritt in die Legionen verlangte nuneinmal das römische Bürgerrecht. So wurden denn die beiden Mainzer vertreten70.

70 DerMarsch der22. Legion nach Italien (mit Vitellius) ergibt sich ausTac. hist. 2, 100, 1. Daß sie undnicht die 4. abgestellt wurde, erklärt sich nach Szilágyi (Anm. 48) 790 durch ihren niedrigeren Rang. ZudenAbstellungen derrheinischen Legionen überhaupt Saxer (Anm. 68) 14; Hallermann (Anm. 19) 100.

71 Tac. hist. 2, 89, 1. 72 Vgl. Saxer (Anm. 68) 14 Anm. 71, 119 unddie Berechnungen von D. L. Kennedy, ZPE 61, 1985, 182(auf Grund vonTac. ann. 15, 10, 8). Hinweis vonP. Herz, Mainz. 73 Tac. hist. 4, 20, 2. 74 Tac. hist. 4, 37, 2. Vgl. A. Weichert, Die legio XXII. Primigenia, Westdeutsche Zeitschr. fur Gesch. u. Kunst 21, 1902, 151. 153. 75 Tac. hist. 2, 57, 1, vgl. 4, 18, 1. 19, 2. 76 Tac. hist. 2, 57, 1:festinatis per Gallias dilectibus, utremanentium legionum nomina supplerentur.

Mainzer Legionen

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Legionen zwar durch Neuzugänge ergänzt, erreichten aber keineswegs ihre frühere Mannschaftsstärke77. Wasdie Hilfstruppen angeht, welche denbeiden Mainzer Legionen nach dem Abmarsch derArmeen desCaecina unddesVitellius verblieben, so mußeinakuter Mangel bestanden haben. Denn als imOktober 69 n. Chr. die Stunde derBewährung für Hordeonius Flaccus kam, warer genötigt, in aller Eile Hilfstruppen bei 8. den gallischen Stämmen anzufordern7 Diese reagierten prompt, weil Vitellius ihnen ihre Aufgebote zum Zug nach Italien inzwischen zurückgeschickt hatte79. Deren Kampfkraft warfreilich sehr beschränkt, noch schlimmer stand es umihre wiesich baldzeigen sollte. Zuverlässigkeit – DenAuftakt zudemdramatischen Geschehen, dasin derErmordung desHordeonius Flaccus einen ersten Höhepunkt fand, bildete imSeptember 69 n. Chr. die Auseinandersetzung mit denacht Bataverkohorten undden sie begleitenden Kohorten der Caninefaten, welche Vitellius aus Italien nach Germanien geschickt hatte80. In Mogontiacum erhielten sie denBefehl zurUmkehr, daVitellius gegen die heranrückenden Heere derAnhänger Vespasians mobil machte. Die Kohorten hatten schon das Legionslager verlassen, als eine Botschaft des Bataverfürsten lulius Civilis sie erreichte, die ihnen vondemAufstand im Bataverland berichtete undsie zurRückkehr in die Heimat aufforderte81. Daraufhin traten sie mit Hordeonius Flaccus in Verhandlungen. Sie verlangten für den Marsch nach Italien die ihnen von Vitellius versprochenen Vergünstigungen: ein Donativ, die Verdop2. pelung desSoldes unddie Vermehrung derReiterei8 DaHordeonius Flaccus ihre Bedingungen nicht erfüllen konnte, hatten sie einen Grund, statt nach Italien an denNiederrhein zu marschieren83. Bei Bonna trat ihnen auf Anweisung des Hor-

77 Tac. hist. 4, 19, 2: subito dilectu suppletae legiones. 4, 56, 2: infrequentibus infidisque legionibus. ZuGalliern in denniedergermanischen Legionen vgl. Tac. hist. 4, 61, 3 (5. und15. Legion in Vetera). Fürdieobergermanischen Legionen vgl. diebeiden Grabsteine in Mainzer Zeitschrift 59, 1964, 62 von Soldaten der IV Macedonica und den eines Legionärs der XXI Rapax: Gallia 11,1953, 17.

78 Tac. hist. 4, 24, 1, vgl. 4, 25, 2. 79 Tac. hist. 4, 25, 3: adfluentibus auxiliis Gallorum. Vgl. 2, 69, 1:

reddita civitatibus Gallorum auxilia. 80 Tac. hist. 2, 69, 1. Zum Verhalten der batavischen Kohorten seit ihrer Abberufung aus Bri35; M. St. tannien (68 n. Chr.) vgl. M. Bang, Die Germanen im römischen Dienst (1906) 33– 69 A. D., TAPhA A. Woodside, The Role of the Eight Batavian Cohorts in the Events of 68– 283. 68, 1937, 277–

81 Tac. hist. 4, 19, 1, vgl. 4, 15, 1. 82 Tac. hist. 4, 19, 1. 83 Tac. hist. 4, 19,2. NachTacitus wären dieForderungen derBataver nicht ernst gemeint gewesen, sie hätten nurnach einem Grund fürdenAnschluß anCivilis gesucht. Diese Darstellung wird vonderneueren Forschung nicht akzeptiert; sie vermutet, daßes denBatavern wirklich umihre Belohnungen ging unddaßsie diese beidem„Flavier“Civilis zuerlangen hofften. G. Walser, Rom, dasReich unddiefremden Völker inderGeschichtsschreibung derfrühen Kaiserzeit (1951) 98; L. Bessone, La rivolta batavica e la crisi del 69 d. C. (Memoria dell’Accademia delle scienze di Torino, Classe di scienze morali, storiche e filologiche, Ser. 4a,n. 24), 1972, 18 f.; R. Urban, Der „Bataveraufstand“unddie Erhebung des Iulius Classicus

(Trierer Historische Forschungen

8), 1985, 29.

128

Politik

die dort stationierte 1. Legion entgegen. Es kamzumKampf, in demdie Bataver siegreich blieben. Sie gelangten ins Bataverland undvereinigten sich mit denvon Civilis zusammengebrachten Streitkräften. Civilis vereidigte sie allesamt auf Vespasian84. Die weiteren Geschehnisse waren vondemZwiespalt geprägt, in dendie Kaisererhebung Vespasians unddie Erfolge seiner Heerführer gegen Vitellius die Legionen amRhein insgesamt stürzten. T. Flavius Vespasianus waram 1. Juli 69 n. Chr. in Alexandria zumImperator akklamiert worden8 5. Schon im August erhielt Civilis einen Brief des Legaten der 7. Legion in Carnuntum/Pannonia, Antonius Primus, des Vorkämpfers der flavischen Partei, mit der Weisung, durch Vortäuschung eines Aufstands zuverhindern, daßVitellius ausGermanien Hilfe erhalte86. Die flavische Propaganda erreichte selbstverständlich auch denKommandeur des ober- undniedergermanischen Heeres, Hordeonius Flaccus, undTacitus versichert, daß er unddie höheren Offiziere der Sache Vespasians zuneigten. Diese Haltung wurde aber, wie Tacitus an der gleichen Stelle betont, vondeneinfachen Soldaten nicht geteilt87, unddas ist verständlich, wenn man an die Umstände denkt, unter denen sich insbesondere die Legionen in Mogontiacum für Vitellius entschieden hatten. Er warin gewisser Weise ‘ihr’Kaiser; fürdie Legionen desniedergermani-

deonius Flaccus

schen Heeres galt dies in uneingeschränkter Weise. Der Konflikt zwischen Führung undTruppe wardamit vorprogrammiert. Er entzündete sich an dem durch die Aktionen des Civilis notwendig gewordenen Eingreifen desobergermanischen Heeres in dieniedergermanischen Angelegenheiten. Civilis warandiebeiden Legionen in Vetera mitdemAnsinnen herangetreten, denEidauf Vespasian zuleisten. Er erhielt vonihnen zurAntwort, ihre Treue zu Vitellius sei unerschütterlich; für ihn würden sie bis zumletzten Atemzug kämp8. fen8 Civilis schloß daraufhin das Legionslager ein. Dies wiederum veranlaßte Hordeonius Flaccus, mit denMainzer Legionen zumEntsatz nach Vetera aufzubrechen89. Unterwegs erhielt er einen Brief Vespasians, welchen er den Soldaten vorlas; die Überbringer aber schickte er gefesselt zu Vitellius90. Nichts kennzeichnetbesser diezwiespältige Situation! DerZorn derMainzer Legionen aufHordeonius Flaccus entlud sich in Colonia Agrippinensis, nachdem in Bonna Teile der 1. Legion sich ihnen angeschlossen hatten. Diese Legion gabHordeonius Flaccus die Schuld anihrer Niederlage gegen die acht Bataverkohorten undsahin ihmeinen Verräter. DerAufruhr derTruppen gipfelte in der Forderung, Hordeonius Flaccus solle für die weiteren Unterneh-

21, 1. Tac. hist. 4, 20, 1– Tac. hist. 2, 79, vgl. 81, 1; Suet. Vesp. 6, 3. Tac. hist. 4, 13, 2. Tac. hist. 4, 27, 3, vgl. schon 4, 13, 3. Dazu J. Nicols, Vespasian and the partes Flavianae (Historia-Einzelschriften 28), 1978, 147 f. 2. 88 Tac. hist. 4, 21, 1– 89 Tac. hist. 4, 24, 1. 90 Tac. hist. 4, 24, 3. 84 85 86 87

Mainzer Legionen

129

dasKommando andenLegaten der22. Legion, Dillius Vocula, abgeben. Flaccus fügte sich ihrem Begehren; er behielt nurnominell dasOberkommando91. Verstärkt durch die in Novaesium stationierte 16. Legion zog das Heer in Richtung Vetera undschlug bei Gelduba (Gellep bei Krefeld) ein Lager auf. Jetzt, Anfang November 69 n. Chr., erfuhr mandurch einen Brief des Antonius Primus vonder Schlacht bei Cremona, in der am24./25. Oktober das Heer des Vitellius besiegt worden war. Hordeonius Flaccus nutzte die Niedergeschlagenheit der Sol2. daten aus, umsie auf Vespasian zu vereidigen9 An Civilis sandte er mit einem Brief des Antonius Primus die Botschaft, wenn er für Vespasian kämpfe, so sei jetzt der Zeitpunkt gekommen, seine Dienste als beendet anzusehen. Civilis ant3. wortete ausweichend9 So ergab sich die groteske Situation, daßdie Mainzer Legionen, die mitsamt ihren Verstärkungen aus Bonna undNovaesium, wenn auch halbherzig, den Eid auf Vespasian geleistet hatten, sich daran machten, die vitelliustreuen Legionen in Vetera zu entsetzen unddazu den Kampf aufnahmen mit einem Feind, der weiterhin, wenn auch nur zum Schein, behauptete, im Auftrag Vespasians zuhandeln. Nach wechselvollen Kämpfen gelang Dillius Vocula derEntsatz des Legionslagers Vetera. Er verstärkte die Befestigungen undsorgte für die Verpflegung der Besatzung, entzog ihr allerdings 1000 auserlesene Soldaten der 5. und15. Legion, mit denen er sein eigenes Heer ergänzte94. Die Maßnahme erwies sich als verhängnisvoll. Denn es handelte sich ja umvitelliustreue Soldaten, die in einem auf Vespasian vereidigten, ihm aber keineswegs ergebenen Heer als Sprengkörper wirken mußten. Die Explosion erfolgte auf demRückmarsch im Legionslager Novaesium. Hier verbreitete sich die Kunde, dasGeld zurAuszahlung desvonVitellius versprochenen Donativs sei angekommen. Hordeonius Flaccus sah sich genötigt, die Auszahlung sofort vorzunehmen. Aber er tat es im Namen Vespasians! Noch in derNacht darauf wurde er vondenSoldaten, die denGeldgewinn in ausgelassener Weise feierten, ermordet. Dillius Vocula, dem das gleiche Schicksal zugedacht war, entkam in Sklavenkleidung. Das Wüten der Soldaten gegen ihre Befehlshaber warbegleitet von der Wiederaufstellung der Bilder des Vitellius im ein Zeichen dafür, wietief die Treue zudemvonihnen erhobenen Kaiser Lager – mungen

91 Tac. hist. 4, 25, 1. 4: exim consensu ducem Voculam poscentibus Flaccus summam rerum ei 156. 182 f. permisit. Dazu Fabia (Anm. 55) 153– 37. 47 zieht den Eid zu diesem Zeitpunkt in 2. Urban (Anm. 83) 34– 92 Tac. hist. 4, 26, 3. 31, 1– Zweifel undunterstellt Tacitus eine chronologische „Manipulation“ , weil die folgenden Ereignisse eine vitelliustreue Rheinarmee vorauszusetzen scheinen. Erräumt freilich ein, daßdie verführt undvielleicht auch irregeleitet vonihrem Stab, gegen eigene Überzeugung Truppen „ undGrundstimmung, vonVitellius abgefallen“seien (43). Dasaber läßt sich doch, wieUrban selbst sieht, mitTacitus’Darstellung vereinbaren! Sie lautet: vetus miles cunctabatur. sedadigente Hordeonio Fiacco, instantibus tribunis, dixit sacramentum, nonvoltu neque animo satis adfirmans, et cumcetera iuris iurandi verba conciperent, Vespasiani nomen haesitantes aut levi murmure etplerumque silentio transmittebant (hist. 4, 31, 2). Urbans Blick ist bei der Beurteilung des Eides m. E. zu sehr auf Civilis (und das Problem seiner Demaskierung) gerichtet. Fürdie Historizität des Eides spricht sich Bessone (Anm. 83) 31 aus. 93 Tac. hist. 4, 32, 1– 3. 94 Tac. hist. 4, 33– 35.

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Politik

verwurzelt war. WennTacitus recht hat, daßVitellius zudieser Zeit schon totwarer wurde am20. Dezember 69 n. Chr. in Romermordet -, dann ging ihre Treue über seinen Todhinaus95. In derMordtat vonNovaesium machte sich die Empörung der Soldaten über denWankelmut ihrer Führung, letztlich auch die Unzufriedenheit mit demständigenKaiserwechsel Luft. Nach ihrem Engagement fürVitellius warihnen schlichtwegunverständlich, daß sie nunfür einen anderen Kaiser sozusagen angeworben wurden. Die Verachtung, die Hordeonius Flaccus als Kreatur Galbas seit seinem Amtsantritt aufsich geladen hatte, tateinübriges zurEskalation derGefühle. Nicht bedacht hatten dieLegionen, als sie sich ihrer Führung beraubten, wiees weitergehen sollte. Offenbar wares dieNachricht vomAngriff eines ausChatten, 6, Usipetern und Mattiakern zusammengesetzten Haufens auf Mogontiacum9 die der4. und22. Legion ihre Führerlosigkeit zuBewußtsein brachte. Sie unterstellten sich wieder demKommando Voculas, mit ihnen ein Teil der 1. Legion ausBonna. Vocula nahm ihnen den Eid auf Vespasian ab, der nach demTode des Vitellius vomSenat als Kaiser anerkannt worden war, undzog nach Mogontiacum9 7. Von diesem Zeitpunkt an durften diese Truppen als solche des regierenden Kaisers gelten; die in Bonna undNovaesium verbliebenen Soldaten der 1. bzw. 16. Legion 8. müssen als Anhänger desVitellius betrachtet werden9 Als Vocula mit denLegionen in Mogontiacum erschien, waren die Angreifer schon abgezogen. Sie hatten in derUmgebung desLegionslagers reiche Beute gemacht; andasLager selbst hatten sie sich nicht herangewagt. Sie waren auch nicht ungeschoren davongekommen. Die Lagerbesatzung hatte sie auf dem Heimweg angegriffen undeine Anzahl vonihnen getötet99. InNiedergermanien warinzwischen dasLegionslager Vetera erneut vonCivilis eingeschlossen worden1 00. Sodann hatte sich etwa Mitte Januar 70 n. Chr. in Colonia Agrippinensis eine Verschwörung der Treverer und Lingonen gebildet, welche das Ziel verfolgte, die gallischen Provinzen nicht der Herrschaft Vespasians zuunterstellen101. Diesem Zweck sollte ein Zusammengehen mit Civilis so-

2. Urban 95 Tac. hist. 4, 36, 1–

(Anm. 83) vermutet, Hordeonius Flaccus habe vondenSoldaten denNeujahrseid aufVespasian verlangt. 96 Tac. hist. 4, 37, 3. Tacitus verwendet fürdieUsipetes dieNebenform Usipi. 97 Tac. hist. 4, 37, 2. ZumAnschluß derprimani aus Bonna vgl. Fabia (Anm. 55) 170 f. Vom Eid auf Vespasian sagt Tacitus, daßer „erneuert“wurde (resumpto Vespasiani sacramento). Damit dürfte die Eidesleistung zuNeujahr gemeint sein, zu deres wegen derRevolte nicht gekommen war. – Die Senatssitzung, in welcher die Anerkennung Vespasians als Kaiser erfolgte, fand in denletzten Dezembertagen statt, vgl. P. A. Brunt, Lex de imperio Vespasiani, JRS 67, 1977, 100. 98 Zudenschwer durchschaubaren Gruppierungen inderRheinarmee vgl. die Erwägungen von 58. Urban (Anm. 83) 56– 99 Tac. hist. 4, 37, 3. Nach Bessone (Anm. 83) 46 Anm. 3 hätten dieTruppen Voculas dieGermanen angegriffen. Dagegen spricht dasPlusquamperfekt beiTacitus. 100 Tac. hist. 4, 36, 1. 101 Tac. hist. 4, 55, 1: coniuratio; 4, 55, 3: in Colonia Agrippinensi. ZumZiel der Verschwörung bemerkt H. Heinen, Trier unddasTrevererland in römischer Zeit (2000 Jahre Trier I), 1985, 73, daßdie Wiederaufrichtung derVitelliusstatuen bei denTreverern undanderen civitates

Mainzer Legionen

131

wiedie Gewinnung dervitelliustreuen römischen Legionen dienen102. Die AnführerderTreverer waren Iulius Classicus undIulius Tutor. Ersterer hatte als Präfekt einer Reiterschwadron der Treverer (ala Treverorum) den Marsch des Fabius Valens nach Italien mitgemacht undwarnach demSieg bei Bedriacum vonVitellius an seinen früheren Standort im Trevererland zurückbeordert worden103. Iulius Tutor hatte von Vitellius bei dessen Aufbruch nach Italien das Kommando über die niedergermanische Rheingrenze als praefectus ripae erhalten104. Die Lingonen waren bei derVerschwörung in Colonia Agrippinensis durch Iulius Sabinus vertre05. Die Verten, der wahrscheinlich auch ein römischer Auxiliaroffizier war1

schwörer entfalteten eine große Aktivität, umin Gallien Unterstützung zu gewinAuch den gallischen Hilfstruppen des niedergermanischen Heeres sowie diesem selbst, das heißt den vitelliustreuen Truppen in Novaesium und Bonna, wirdihre Agitation gegolten haben. Das Legionslager Mogontiacum warzu dieser Zeit das Einfallstor der Römer nach Niedergermanien. Über die Entwicklung der dortigen Verhältnisse wurde, wie Tacitus betont, Vocula auf demlaufenden gehalten107. Wer aber war Vocula, daßer selbständig hätte handeln können? Als Legat der22. Legion warihm, wie erwähnt, von Hordeonius Flaccus beim Entsatzmarsch nach Vetera unter dem Zwang derSoldaten dasKommando übertragen worden. Dasbedeutete aber nicht, daßer Hordeonius Flaccus als Konsularlegaten desober- undniedergermanischen Heeres abgelöst hätte, wie sich deutlich bei derAuszahlung des Donativs in Novaesium zeigte, die eben vonjenem undnicht von ihmvorgenommen wurde. Für die Rückführung der Legionen nach Mogontiacum war er als deren ranghöchster Offizier der gegebene Mann. Es darf aber als sicher gelten, daß er von Mogontiacum aus sofort Verbindung mit Rom aufnahm, wo inzwischen Licinius Mucianus, der Statthalter Syriens, als Vertreter Vespasians die Lage stabilisiert hatte. Undes darf als ebenso sicher gelten, daß er von Mucianus zumVorgehen gegen Civilis undseinen Anhang ermächtigt wurde, wobei ihmHilfe versprochen worden nen106.

sein

wird108.

Vocula sah sich indes mit seinen Truppen derAufgabe nicht recht gewachsen. Die Legionen blieben weit unter ihrer Sollstärke, undihre Kampfbereitschaft für Vespasian konnte trotz des Eides auf ihn keineswegs vorausgesetzt werden109.

Belgarum (Tac. hist. 4, 37, 2) deutlich zeige, daß die Verschwörer nur die Herrschaft Vespasians ablehnten, nicht etwa eingallisches Sonderreich aufrichten wollten. 102 Tac. hist. 1, 55, 1. 56, 1. 103 Tac. hist. 2, 14, 1;4, 18, 1,dazuHallermann (Anm. 19) 101f. 104 Tac. hist. 4, 55, 2. 105 Tac. hist. 4, 55, 2, dazu Urban (Anm. 83) 48. 106 Tac. hist. 4, 56, 1: missique per Gallias concitores belli. 107 Tac. hist. 4, 56, 2: nec defuere qui Voculae nuntiarent. 108 ZudenHilfsmaßnahmen desMucianus fürdengallisch-germanischen Raum vgl. Tac. hist. 4,

39, 4. 68, 1, 4. 109 Tac. hist. 4, 56, 2: sed vires ad coercendum deerant, infrequentibus infidisque legionibus. Weiter ist vonambigui milites die Rede.

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Politik

Nichtsdestoweniger brach Vocula zumMarsch an denNiederrhein auf110. Er war schon überNovaesium hinaus in Richtung Vetera gelangt, als Classicus undTutor, diemitdenHilfstruppen vorausgezogen waren, offen meuterten. Sie schlossen mit denBelagerern vonVetera ein Abkommen, so daßVocula sich zwei Gegnern gegenübersah. Vielleicht begannen auch seine eigenen Soldaten die Sache derMeuterer zu unterstützen. Jedenfalls sah er sich genötigt, nach Novaesium zurückzukehren111. Hier kames zurKatastrophe. Tacitus hat plastisch geschildert, wie Classicus undTutor zwei Meilen vom Legionslager entfernt ihr eigenes Lager aufschlugen unddie Legionäre zurFraterZenturionen undSoldaten gingen hin undließen sich kaunisation aufforderten. „ fen“ , heißt es wörtlich. Einen von ihnen, Aemilius Longus von der 1. Legion, schickte Classicus, derjetzt sozusagen dasKommando übernahm, zurErmordung Voculas ab. Nachdem die Untat geschehen war, legte Classicus die Tracht eines römischen Amtsträgers an, ging ins Legionslager undverlangte, daßalle Truppen außer derhier stationierten 16. Legion waren dasdie 1. ausBonna unddie beiden denEidauf dasimperium Galliarum ablegten. Manhöre und Mainzer Legionen – staune: Alle Legionen gehorchten undunterstellten sich Classicus, der damit den Posten Voculas, dem usurpierten Range nach gar den des Hordeonius Flaccus übernahm. Die Legaten der 1. und 16. Legion wurden in Gewahrsam genommen1

12.

Natürlich erhebt sich die Frage, warum die Legionen, und insbesondere die beiden aus Mogontiacum, die doch denEid auf Vespasian geleistet hatten, so bereitwillig zuClassicus übergingen unddenEidauf dasimperium Galliarum ablegten. Die Antwort mußin der Tatsache gesucht werden, daß es die Legionen des nieder- undobergermanischen Heeres gewesen waren, diemitVitellius zumersten Maleinen römischen Kaiser auseigener Machtvollkommenheit kreiert hatten. Dadurch, daßnunsozusagen imGegenzug diesyrischen Legionen dasRecht derKaisererhebung für sich beanspruchten, wurde diese zu einer Prestigeangelegenheit zwischen den Heeren des Westens unddes Ostens113. Es darf die Behauptung gewagt werden, daßdie Legionen amRhein nach demToddes Vitellius erneut einen Imperator akklamiert hätten, wenn ein geeigneter Prätendent vorhanden gewesen wäre. Unter diesem Blickwinkel erhält der Eid auf das imperium Galliarum die Funktion einer Ersatzhandlung. Die Legionen bekundeten mit ihm den Wunsch nach einem anderen Kaiser als Vespasian, ohne selbst einen Vorschlag machen zu können. Die Situation ähnelte dervom1. Januar 69 n. Chr., als diebeiden Mainzer Legionen statt auf Galba auf Senat undVolk vonRomdenEid leisteten. Daswar

110 Tac. hist. 4, 57, 1 heißt es, Vocula sei durch eine List derGallier zumZugnach Vetera veranlaßt worden. Zudenmysteriösen Umständen dieses Zuges zuletzt Urban (Anm. 83) 53 f. 111 Tac. hist. 4, 57, 3: verso itinere Novaesium concedit. 2. –Die Romani imperii insignia als „Attribute des mit ziviler und 112 Tac. hist. 4, 57, 3. 59, 1– militärischer Befehlsgewalt (imperium) ausgestatteten römischen Amtsträgers“zuverstehen, hatHeinen (Anm. 101) 76 inVorschlag gebracht. Dieandere Ansicht sieht indenRomani imperii insignia denKaiserornat (Walser, Urban wieAnm. 114). 113 Bei Jos. bell. Iud. 4, 10, 3 (§ 593 f.) machen die Soldaten der syrischen Legionen geltend, ihnen stehe das Recht der Kaiserernennung eher zu als denen, die Vitellius erwählt hätten. Vespasian sei imübrigen derWürdigere.

Mainzer Legionen

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in derjetzigen Situation nicht möglich. Denn daßderTrever Classicus sich nicht auf Senat undVolk von Romberufen konnte, liegt auf der Hand. Die Legionen aber konnten es nach denMorden anHordeonius Flaccus undDillius Vocula auch nicht mehr. So dürfte ihnen derEid auf das imperium Galliarum als Ausweg aus demDilemma, in demsie sich seit demTode des Vitellius befanden, erschienen sein. Damit ist derCharakter desEides pro imperio Galliarum beziehungsweise in verba Galliarum zur Debatte gestellt. Man übersetzt imperium Galliarum ge114. auf das gallische gallisches Reich“ Gegen die Eidesleistung „ wöhnlich als „ Reich“hat Urban aber mit Recht eingewandt, daß dann auf ein „erst zu schaffendes Gebilde“geschworen worden wäre115. Denkt mandagegen an den Eid auf Senat undVolk von Rom, das heißt auf die souveräne Gewalt, die das Kaisertum Souveränität der(drei) gallivergibt116, so liegt es nahe, imperium Galliarum mit „ schen Provinzen“zuübersetzen unddiese prätendierte Souveränität demconcilium Galliarum, demLandtag der drei gallischen Provinzen, zuzuschreiben. Tatsächlich hat sich ja das concilium Galliarum auf einer außerordentlichen Sitzung im 17. Gebiet derRemer mitderdurch Classicus geschaffenen Situation befaßt1 Sind diese Überlegungen richtig, dann hätte Classicus an Vindex angeknüpft, derja auch die Tres Galliae als Legitimationsersatz für den handlungsunfähigen römischen Senat benutzt hatte. UndwieVindex kein gallisches Sonderreich wollte, sondern dieErneuerung desrömischen Kaisertums mitgallischer Hilfe, so kann auch für Classicus ins Feld geführt werden, daßer durch die römische Amtstracht ostentativ denrömischen Charakter seiner Erhebung betonte unddurch das später erfolgte Angebot der „Herrschaft über die Tres Galliae“an den Römer Petilius Cerialis unter Beweis stellte118.

114 Vgl. nurWalser (Anm. 83) 114; Urban (Anm. 83) 58 f. 115 Urban (Anm. 83) 59. –Walser (Anm. 83) 114 äußert Bedenken gegen den Eid auf das Imperium Galliarum, weil es sich dabei umeinen abstrakten Begriff handele. Er vermutet, daß Classicus dieTruppen aufseinen Namen schwören ließ. Ihmschließt sich Urban a. O. an. 116 Vgl. Res g. 34, woAugustus sagt, daßer die respublica ausseiner Gewalt in das Verfügungsrecht desSenats undVolks vonRomüberführt habe: rempublicam ex meapotestate in senatus populique Romani arbitrium transtuli. In den gleichen Zusammenhang gehört die Überschrift derRes gestae, in dervonderHerrschaft = Souveränität desrömischen Volkes die Rede ist: Rerum gestarum divi Augusti, quibus orbem terrarum imperio populi Romani subiecit. 87 hält die Angabe des Tacitus, die Zusam117 Tac. hist. 4, 67, 2. 68, 5. Bessone (Anm. 83) 85– menkunft imGebiet derRemer sei eine solche der(60) civitates Galliarum gewesen, füreine Übertreibung. Er übersieht aber, daßdieVersammlung nomine Galliarum handelte (Tac. hist. 4, 69, 3). Vgl. auch meine Bemerkungen gegen A. J. Christopherson, TheProvincial Assembly of the Three Gauls in the Julio-claudian Period, Historia 17, 1968, 364, der die in Rede stehende Versammlung für die Wiederaufnahme eines Brauchs aus der Zeit Caesars hält: Jahrb. RGZM 31, 1984, 390 Anm. 43 [in diesem Band S. 93 Anm. 43]. 118 Ähnlich argumentiert Heinen (Anm. 101) 76. –Zu Vindex’ Absicht, mit Hilfe Galliens das römische Kaisertum zuerneuern, s. oben Anm. 8. In diesen Zusammenhang gehört auch der

desJahres 68 mitderBüste derGallia auf derVorderseite undderLegende FIDES aufderRückseite: Nr.5 beiMartin (Anm. 30), dazuseine Bemerkungen auf S. 50 f. DasAngebot desimperium Galliarum anCerialis erwähnt Tacitus (hist. 4, 75, 1).

anonyme Denar

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Politik

Mit demEid auf das imperium Galliarum wardie Rolle ausgespielt, welche das Schicksal den Mainzer Legionen in der ersten großen Krise des römischen Kaisertums zugewiesen hatte. Allenfalls wäre noch die Rigorosität zu erwähnen, mitdersie fürdiesen Eideintraten. DerTrever Tutor führte sie vonNovaesium ins Legionslager nach Mogontiacum zurück. Unterwegs wurden die Besatzungen aller Kastelle amOberrhein auf das imperium Galliarum vereidigt. Die Lagerbesatzung in Mogontiacum mußte dazugezwungen werden, wobei dieTribunen getötet wurden; demLagerpräfekten gelang die Flucht1 19. Dreimal haben sich die Mainzer Legionen in denJahren 68 bis 70 n. Chr. in die Geschichte des römischen Kaisertums eingetragen: Im Jahre 68 waren sie es, die durch Akklamation ihres Kommandeurs Verginius Rufus zumImperator daraufaufmerksam machten, daßes neben Senat undVolk vonRombeziehungsweise den Prätorianern einen weiteren Legitimierungsfaktor des römischen Kaisertums gebe: das Heer. In den ersten Tagen des Jahres 69 n. Chr. machten sie durch die Vernichtung derBilder Galbas deutlich, daßohne ihre Zustimmung die Herrschaft eines Kaisers keinen Bestand habe, daß aber der Mann ihrer Wahl mit großen Hoffnungen den Marsch auf Rom wagen könne. Anfang 70 n. Chr. schließlich machten sie in ihrem HaßaufVespasian mitdemEidaufdasimperium Galliarum von der Möglichkeit Gebrauch, im Kampf umdas Kaisertum den Westen gegen denOsten auszuspielen. Insgesamt können die Mainzer Legionen in diesen Jahren als Vorkämpfer für einneues, vonihnen gewissermaßen ausderTaufe gehobenes, Kaisertum bezeichnet werden. Daß sie in diesem Kampf unterlagen, ist bekannt. Vespasian setzte sich durch undgründete eine neue Dynastie. Die Mainzer Legionen, oder besser: ihre Reste, beteiligten sich zwar am Kampf der neuen Kommandeure des oberbeziehungsweise niedergermanischen Heeres, Annius Gallus undPetilius Cerialis, gegen Civilis undClassicus120, aber dann wurde derName der4. Legion aus dem Register der Legionen gestrichen. Bei der 22. Legion brauchte dies nicht zu geschehen, denn ihr Hauptteil mit demAdler warja nach Italien gezogen; sie kehrte freilich auch nicht nach Mogontiacum zurück, sondern wurde nach Vetera verlegt.

In das Mainzer Legionslager kamen die 14. Legion (XIV Gemina Martia Victrix) ausBritannien unddie 1. (I Adiutrix) ausSpanien121. Eine neue Zeit begann.

119 Tac. hist. 4, 59, 3. DazuFabia (Anm. 55) 175. Vielleicht war(P. Vettius) Scato ausCerfennia 359. einer derTribunen: E. Birley, Chiron 8, 1978, 357– 120 Tac. hist. 4, 71, 4: contracto quoderat militum Mogontiaci (sc. Cerialis). 121 ZumLegionswechsel desJahres 71 n. Chr. vgl. E. Stein, Diekaiserlichen Beamten undTruppenkörper im römischen Deutschland unter demPrinzipat (1932) 100; K.-V. Decker undW. Selzer, Mogontiacum, in: ANRWII 5, 1 (1976) 483.

SAEC(ulum) AVR(eum)*

DasSäkularbewußtsein desKaisers Hadrian

imSpiegel der Münzen Dieser Mann, er ist es, der oft schon verheißen dir ward, Caesar Augustus, des Vergöttlichten Sproß; goldene Zeiten wird er zurückbringen nach Latium, woSaturn einst regierte ...

794) Anchises seiMit diesen Worten prophezeite in Vergils Aeneis (VI 791– Erscheinen ihres künftige nemSohn Aeneas beim Gang durch die Unterwelt das

Nachfahren Augustus auf Erden unddie ihmgestellte Aufgabe: dasgoldene Zeitalter wiederzubringen. 23 v. Chr. vernahm Augustus die Botschaft desDichters aus dessen eigenem Munde. Sie gab ihmdie Bestätigung, daßdie Leistungen, welche er bisher vollbracht hatte, den Hoffnungen entsprachen, die man auf ihn setzte. Friede hieß dasZauberwort, mitdemAugustus nach 20jährigen Bürgerkriegen der Welt ein neues Antlitz gab. Eine wichtige Erwartung der Menschen aber galt es noch zuerfüllen: die Lösung des seit demVerlust der Feldzeichen unter Crassus (53 v. Chr.) schwelenden Partherproblems. Als Augustus 20 v. Chr. die Feldzeichen vom Partherkönig zurückerhalten hatte und sie 19 v. Chr. mit nach Rom undals Höhepunkt derFriedensmission brachte, feierte mandies als großen Sieg – des Princeps. Auf demPanzer der Augustus-Statue von Primaporta (Abb. 1), die zu dieser Zeit entstand, wurde der nunmehr erreichte Friedenszustand der Welt sinnfällig durch die unterhalb der Feldzeichen-Szene gelagerte Mutter Erde mit Füllhorn undzwei spielenden Kindern dargestellt1. Tellus hieß die Erdgöttin mit römischem Namen.

in: R. Albert (Hrsg.): Rom undRhein –Macht undMünzen. Festschrift der Numismatischen Mainz-Wiesbaden zum31. Süddeutschen Münzsammlertreffen 1996 in Mainz anläßlich des 75jährigen Bestehens der Numismatischen Gesellschaft Mainz-Wiesbaden von 1921 e.V. Schriftenreihe der Numismatischen Gesellschaft Speyer e.V., 38 (Speyer 1996) 9– 33. Gesellschaft

DerVortrag berührt sich teilweise mitdemEssay „ Die Weltreichsidee des Kaisers Hadrian“ , den ich im Forschungsmagazin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz 2/ 86 (Mainz 16veröffentlicht habe. DasThema „Säkularbewußtsein“verdankt seine Präzisierung 1986) 5– denGesprächen in Seminaren über Trajan, Hadrian undAelius Aristides, die ich anderUni1

versität Mainz abgehalten habe. P. Zanker, Augustus unddie Macht derBilder (21990) 194 f., vgl. 179.

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Politik

17 v. Chr., zwei Jahre nach der Wiedergewinnung der Feldzeichen von den Parthern, ließ Augustus die ludi saeculares feiern, mit denen er ganz offiziell ein neues Zeitalter, das saeculum aureum, einleitete. In dem komplexen Ritual des Festes hatte natürlich auch Tellus ihren Platz. „ Reich an Früchten und Vieh“–so apostrophierte sie Horaz im Carmen saeculare (Vers 29). Wie sehr gerade Tellus geeignet war, als Sinnbild für Friede undGlück der neuen Zeit zu dienen, bewie9 v. Chr.) die AraPacis Augustae sen die Künstler, welche wenige Jahre später (13– gestalteten: Ihnen gelang mit demsogenannten Tellus-Relief2 die geradezu vollkommene Darstellung paradiesischer Zustände (Abb. 2). Augustus hatte die Genugtuung, daßsein Lebenswerk allgemein als Verwirklichung eines die ganze Menschheit umfassenden Glückszustandes betrachtet wurde. Umnurwenige Beispiele zunennen, so verkündete Valerius Messalla bei der Verleihung des pater patriae-Titels an Augustus (2 v. Chr.), daßder Staat ein Stadium des dauernden Glücks erreicht habe3. In Halikarnassos/Asia pries man Au4, in Narbo/Gallia Narbogustus als den Garanten „ für ein glückseliges Leben“ nensis feierte manseine Geburt als Ursache derfelicitas saeculi5 . Nach demTode desAugustus schließlich wurde im Senat derAntrag gestellt, seine ganze Lebenszeit Saeculum Augustum zu nennen6 . Ein Modell war geschaffen: Der Prinzipat sie wurden in eins gesetzt! desAugustus unddasGlück dergoldenen Zeit – Die Nachfolger des Augustus haben auf vielfältige Art versucht, den Mythos dergoldenen Zeit auch für sich zureklamieren undihren Prinzipat nach demdes Augustus zu gestalten7 . Es mußhier genügen, auf die von Claudius (47 n. Chr.) undDomitian (88 n. Chr.) gefeierten ludi saeculares hinzuweisen. Keinem Kaiser aber ist es so sehr gelungen, seine Regierungszeit mit dem Glanz des goldenen Zeitalters zu umgeben undden Prinzipat des Augustus gewissermaßen neu erstehen zu lassen, wie Hadrian8 , dem Adoptivsohn Trajans. Dabei ging er, was die Propagierung dessaeculum aureum auf Münzen betrifft, mit großem Geschick zu Werke. Zunächst erschien unter denPrägungen des Jahres 117 eine Goldmünze (Abb. 3), aufderen Vorderseite derDivus Traianus zusehen undgenannt war; derZusatz pater (im Dativ) wies auf das Sohnschaftsverhältnis Hadrians zu ihm hin. Die

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3 4 5 6 7

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29 (jetzt in: Saeculum Augustum, hrsg. vonG. DazuE. Simon, AraPacis Augustae (1967) 25– 246). Binder, III, 242– Suet. Aug. 58, 2.

Ehrenberg/Jones, Documents illustrating the Reigns of Augustus andTiberius (21955) Nr.98a Zeile 5. Übersetzung: H. Freis, Historische Inschriften zur römischen Kaiserzeit (21994) Nr.

14.

Ehrenberg/Jones (Anm. 4) Nr. 100 Vorders. Zeile 15. Übersetzung: Freis Anm. 4) Nr. 15. Suet. Aug. 100, 3. 143. Vgl. B. Gatz, Weltalter, goldene Zeit undsinnverwandte Vorstellungen (1967) 135– Vgl. denÜberblick (mit Forschungsbericht) über die Regierung Hadrians vonM. K. Thornton, Hadrian andhis Reign in: Aufstieg undNiedergang derrömischen Welt (hrsg. von H. 476. ZurMünzprägung Hadrians s. dasmonumentale Werk von P. Temporini) II 2, 1975, 432– L. Strack, Untersuchungen zur römischen Reichsprägung des zweiten Jahrhunderts, Teil II Die Reichsprägung zurZeit desHadrian (1933). Imfolgenden: Strack.

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Rückseite zierte ein Phoenix mitNimbus, deraufeinem Lorbeerzweig stand9. Der geheimnisvolle Vogel wardenRömern als Saecularsymbol bekannt, wievorallem daraus hervorgeht, daß Claudius bei den von ihm aus Anlaß der 800-Jahrfeier Roms veranstalteten ludi saeculares (47 n. Chr.) einen Phoenix hatte ausstellen undsein Erscheinen in die acta urbis eintragen lassen10. Auf der Münze für den Divus Traianus sollte der Phoenix also wohl dessen Regierung als Beginn einer Zeit bezeichnen1 1.Das wiederum stand in Übereinstimmung glücklichen – neuen – mitderöffentlichen Meinung, welche denUmschwung vomSchlechten zumBesseren zwar schon mit demPrinzipatsantritt Nervas (am 18. 9. 96 n. Chr.) verband, aber in Trajan denkraftvollen Mehrer derfelicitas temporum sah12. Vier Jahre später, 121 n. Chr., ließ Hadrian der Trajan gewidmeten Säkularmünze eine eigene folgen. Dieser Aureus (Abb. 4) zeigte sein Porträt auf derVorderseite, während aufderRückseite sein Genius in zodiakaler Umrahmung mitder Weltkugel in der Linken undeinem darauf stehenden Phoenix zu sehen war. Die 3. Legende imAbschnitt lautete: SAECulum AVReum1 Hadrian verkündete mit ihr, daßer seinen Prinzipat als goldene Zeit gestalten wolle. DerGlobus mitdemPhoenix aber zeigte an, daß Hadrian die Welt bereits in einem glücklichen Zustand übernommen hatte. Denn eben diesen Globus hatte ihm auf einer Emission des Jahres 117 Trajan überreicht (Abb. 5)1 4, undderPhoenix wardergleiche Wundervogel, welcher auf dem schon betrachteten Aureus für den vergöttlichten Trajan dessen Prinzipat als Glückszeit charakterisieren sollte15.

9 RIC II 343, Nr.28 = Strack Nr.24. 10 Plin. nat. hist. 10, 5. DazuR. vandenBroek, TheMythof thePhoenix according to classical 177 mit eigenwilliger Interpretation. andearly Christian traditions (1972) 115– 11 DenBezug desPhoenix aufdenDivus Traianus hatH.Castritius, DerPhoenix aufdenAurei Hadrians undTacitus’Annalen VI, 28, Jahrb. f. Num. u. Geldgesch. 14, 1964, 91, argumentativgesichert, vgl. W.Kierdorf, Apotheose undpostumer Triumph Trajans, Tyche 1, 1986, 151 Anm. 30. FürHadrian als Bezugspunkt desPhoenix plädierten zuletzt J.-P. Martin, Hadrien et le Phénix, Mélanges d’histoire ancienne offerts à William Seston (1974) 35 f., undM. Christol, L’image du phénix sur les revers monétaires au milieu du IIIe siècle, Revue Numismatique 18, 1976, 82 f. 12 Locus classicus: Tac. Agr. 3, 1. S. weiter Tac. Agr. 44, 5: beatissimum saeculum; Tac. hist. 1, 1,4: temporum felicitas. VondenÄußerungen desjüngeren Plinius ist besonders dieüber den Wechsel vonDomitian zuNerva undvondiesem zuTrajan aufschlußreich: Plin. paneg. 92, 4. Vgl. schließlich noch dieAuffassung desFlorus vomneuen Mannesalter desrömischen Volkes, dasmitTrajan angebrochen sei(reddita iuventus): Flor. epit. deTito Livio, praef. 8. 13 RIC II 356, Nr. 146 = Strack Nr. 78. Die Deutung derGestalt imZodiakalkreis als „Genius desKaisers“beiCastritius (Anm. 11) 93. FürHadrian: H.Mattingly, Some historical coins of Hadrian, Journ. of Roman Studies 15, 1925, 217 f. und(allerdings mitFragezeichen) Cohen II 216, Nr. 1321. Nach Martin (Anm. 11) 336 ist sowohl Trajan als auch Hadrian (im Blick auf Nachfolger bzw. Vorgänger) gemeint. Diegängige Meinung identifiziert die fragliche Person mit Aion: J. Beaujeu, La religion romaine à l’apogée de l’empire I (1955) 152– 157, vgl. D. Mannsperger, ROM. ET AVG., in: Aufstieg undNiedergang der römischen Welt (hrsg. von H. Temporini) II 1, 1974, 972. 14 RIC II 405, Nr. 534a. 15 DemPhoenix darf nicht, wie Castritius (Anm. 11) 93 will, wegen seiner Kleinheit „eine untergeordnete Rolle“zugewiesen werden. Die Weltkugel bestimmt seine Dimension. Daßder Phoenix aufdieser Münze dieVerbindung zujenem aufderPrägung fürdenDivus Traianus

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Die Betonung derengen Verbindung zuTrajan wartypisch für die ersten Regierungsjahre Hadrians. Sie sollte vergessen machen, daß Hadrian sich von der Expansionspolitik seines Vorgängers abgewandt hatte undein neues Konzept für Roms Herrschaft über die Welt verfolgte. Auch in bezug auf die Verwirklichung dergoldenen Zeit warHadrian bestrebt, eigene Wege zugehen. Dieses Bestreben bestimmt nicht zufällig – trat – zusammen mit seiner Saeculum aureum-Münze im Jahre 121 hervor undfand ebenfalls in derMünzprägung seinen Niederschlag. Es handelte sich umAurei und Sesterze, welche auf der Rückseite den Genius des Circus maximus in liegender Position zeigten, dieLinke andenObelisken derSpina gelehnt, die Rechte ein Rad haltend (Abb. 6). Das Wichtigste aber war die Legende: Zumersten Male erschien aufMünzen eine Datierung nach Jahren derStadt (ab urbe condita). ANNo DCCCLXXIIII (octingentesimo septuagesimo quarto) 6. lautete die Jahresangabe (im 874. Jahr = 121 n. Chr.)1 Die Verwendung derÄra ab urbe condita ließ aufhorchen. Denn sie warja keine gängige Datierung, sondern wurde nurbenutzt, umein Ereignis in seinem Abstand zur Stadtgründung besonders hervorzuheben. Einsetzung des Dezemvirats, des Konsulartribunats, Zerstödaswaren Epochaljahre, die Livius in seinem Gerung Roms durch die Gallier – schichtswerk solcherart markiert hatte17. Näher lag es, an die Inschrift zu denken, die Senat und Volk von Rom vor 25 Jahren zur Erinnerung an die Prinzipatsübernahme Nervas (18. 9. 96 n. Chr.) derLibertas errichtet hatten, die im 848. Jahr seit Gründung der Stadt wiederhergestellt worden war18. Was also gab es im Jahre 121 n. Chr. für Hadrian Wichtiges kundzumachen, das die epochale Jahresangabe rechtfertigte? Zum Geburtstag der Stadt, dem Parilienfest, Circensische Spiele gestiftet (NATali VRBis Parilibus CIRCenses CONstitutae)! Das sollte heißen: Hadrian hatte dieParilia, diebisher nurimprivaten Festkalender standen, zumöffentlichen Fest erklärt; derGründungstag Roms, der21. April, sollte künftig allgemein feierlich begangen werden. Mit derProklamation des neuen Festes warein mächtiger Anspruch Hadrians verbunden: Er wollte als Neugründer Roms gelten unddem von ihm versprochenen goldenen Zeitalter mit dem21. April 121 einen glanzvollen Beginn verschaffen. Daß Hadrian gerade die Einsetzung der Circensischen Spiele zum Gegenstand der Erinnerung auf den Münzen machte, hatte natürlich seinen Grund in derBeliebtheit aller Spiele beim römischen Publikum. Die eigentlich kultische Bedeutung desNatalis Urbis holte er später hervor undpropagierte auch sie aufdenMünzen (s. u.). Die auf Grund der Epochalmünze des Jahres 121 getroffene Feststellung, Hadrian habe sich als Neugründer Roms gefühlt, erhält entscheidende Verstärkung durch eine konkludente Handlung des Kaisers aus eben diesem Jahr 121: Er ließ

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herstellte, betonen Strack S. 101 undMannsperger (Anm. 13) 972 Anm. 125. Die Art der Verbindung (Fortdauer derGlückszeit) hatMartin (Anm. 11) 337 richtig gesehen. RIC II 357, Nr. 144 = Strack Nr. 56. Liv. 3, 33, 1; 4, 7, 1; 5, 54, 5. Vgl. noch 7, 18, 1: quadringentesimo anno quam urbs condita

erat... 18 Smallwood, Documents

illustrating the Principates of Nerva, Trajan and Hadrian (1966) Nr. 27a. Vgl. auch Plin. nat. hist. 10, 5 undTac. ann. 11, 11, 1 (800. Jahr der Stadt).

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dasPomerium, jene heilige Grenze Roms, welche beiderStadtgründung19 gezogen d. h. mitneuen Grenzsteinen versehen (Abb. 7). Aneinigen Stellen der Linie war es wohl tatsächlich erforderlich, die von Claudius (49 n. Chr.) bzw. Vespasian (75 n. Chr.) bei derErweiterung desPomeriums errichteten 0. Steine durch neue zuersetzen, so vor allem auf demMarsfeld2 Aber der Senatsbeschluß, denHadrian fürdiePomeriumserneuerung erwirkte undimFormular der Steininschriften erwähnte, betraf die ganze heilige Grenze, so daßauf ein dahinter stehendes grundsätzliches Anliegen des Kaisers geschlossen werden muß: Er wollte offenbar den Ritus der Stadtgründung als solchen nachvollziehen unddadurch zumNeugründer Romsavancieren. Die propagandistischen Maßnahmen Hadrians, seine Regierung durch den Rückgriff auf die Anfänge Roms als goldene Zeit auszugeben, rufen natürlich die Frage nach demVerhältnis vonAnspruch undWirklichkeit hervor. Die Frage lautet: Wie nahmen denn die Menschen wahr, daß sie in einer glücklichen Zeit lebten? Die von Hadrian gestifteten neuen Zirkusspiele am 21. April wurden gewiß dankbar vermerkt, aber etwas Außergewöhnliches waren sie nicht. Ganz anders verhielt es sich mit der im Jahre 118 durchgeführten großen Schuldentilgung! 900 Millionen Sesterzen rückständiger Zahlungen an die Staatskasse wurden den Schuldnern in Rom und Italien erlassen. Hadrian erhöhte die Freude über diese spektakuläre Maßnahme durch die Ankündigung, daß die Tilgungsaktion in bestimmtem Abstand wiederholt werden solle21. Senat undVolk von Rom dankten ihmdurch eine in überschwenglichem Tonabgefaßte Inschrift, dieaufdemForum Traiani, wo die Verbrennung der Schuldtafeln stattgefunden hatte, aufgestellt wurde (Abb. 8)22. Sie rühmte Hadrian als den ersten und einzigen aller principes, der nicht nur seine jetzigen Mitbürger, sondurch einen solchen Akt der liberalitas „

worden war, erneuern,

dern auch deren Nachkommen sorgenfrei gemacht“habe. Sorgenfrei machen –das hieß: glücklich machen. Die singuläre Schuldentilgung des Jahres 118 hatte derProklamation des goldenen Zeitalters im Jahre 121 trefflich vorgearbeitet. Hadrian konnte sicher sein, daßdie Menschen in Romund Italien seine Parole von der neuen Glückszeit für bare Münze nahmen, undzwar im wahrsten Sinne des Wortes. Denn die Verbrennung der Schuldtafeln stand ih19 Es sind 4 Steine bekannt: Corp. Inscr. Lat. VI 31539a-c; Not. degli Scavi 1933, 241. Die abgebildete Inschrift (31539b) befindet sich inderKirche S. Stefano delCaco aufdemMarsfeld, wofrüher derIsistempel stand. 20 Der 1930 an der Via dei Campo Marzio gefundene Pomeriumsstein Hadrians (Not. degli Scavi 1933, 241) stand 2, 90 m über deman gleicher Stelle geborgenen Stein Vespasians. Das läßt auf eine Niveauerhöhung schließen, vgl. A. vonGerkan, Grenzen undGrößen dervierzehn Regionen Roms, Bonner Jahrbücher 149, 1949, 19. ZumPomerium aufdemMarsfeld s.

52, 1979– 80, E. Rodriguez-Almeida, Il Campo Marzio settentrionale, Rend. Pontif. Accad. 51– 212; J. P. Poe, TheSecular Games, theAventine, andthePomerium intheCampus Mar195– tius, Class. Antiquity 3, 1984, 57– 81. 21 Hist. Aug. Hadr. 7, 6; Cass. Dio 69, 8, 1, vgl. 71, 32, 2. Dazu Th. Mommsen, Röm. Staatsr. II3 2 (1887) 1015, H. Kloft, Liberalitas principis (1970) 123. 22 Corp. Inscr. Lat. VI 967. DerText stammt zumgrößten Teil ausdemCodex Einsidlensis 326: G. Walser, DieEinsiedler Inschriftensammlung (1987) Nr. 14 mitÜbersetzung undKommentar S. 73 f.

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nenaufMünzen, die seit 119 geprägt wurden, in Bild undLegende sozusagen täglich vorAugen. Die Münzen, umdie es hier geht, waren Sesterze, deren Rückseiten einen Liktor beim Anzünden der aufgehäuften Schuldtafeln zeigten (Abb. 9). Die Umschrift besagte: Alte Rückstände in Höhe von 900 Millionen Sesterzen getilgt (RELIQVA VETERA HS NOVIES MILLies ABOLITA)! Das Bild der Rückseite variierte. Außer demalleine agierenden Liktor gabes Darstellungen mit zwei, drei oder fünf ihmgegenüber postierten Bürgern, die ihre Freude bekundeten – ein Hinweis auf die massenhafte Prägung desneuen Münztyps23. DasEreignis als solches wurde auch auf einem Relief festgehalten, dasauf demForum Romanum Aufstellung fand undheute in derCuria Iulia aufbewahrt wird. Auf ihmist neben demVerbrennungsvorgang das Heranschleppen der Schuldtafeln durch Soldaten (der Stadtkohorten) zu sehen (Abb. 10)24. So groß nunauch der Kreis derjenigen gewesen sein mag, die von der Schuldentilgung profitierten, es blieb ein beträchtlicher Rest römischer Bürger, deren Lebensumstände durch sie nicht verbessert wurden. Gemeint ist die unterste Schicht desVolkes vonRom: die Plebs imeigentlichen Sinne, die aufkostenloses Brotgetreide und sporadische Geldspenden der Kaiser angewiesen war. Hadrian hat auch sie in sein Konzept der liberalitas einbezogen, undzwar in auffallender Weise. Im Jahre 119 oder 120 verkündeten die Münzen, daß schon die dritte Geldspende innerhalb der drei- oder vierjährigen Regierungszeit Hadrians zur Verteilung gelangt war (Abb. 11)25. Eine so schnelle Aufeinanderfolge der congiaria hatte es noch nicht gegeben. NeuwaranderVerkündigung derLIBERALitas AVGusti III auch, daßsie nicht nuraufSesterzen, sondern auch aufDenaren (mit 4 unterschiedlichen Rückseitenstempeln) erfolgte. Schließlich wich auf der Mehrzahl dieser Münzen noch ein nicht unwesentliches Detail von denfrüheren Congiariumsdarstellungen ab: DerKaiser saßauf dersella castrensis statt auf dersella curulis. Das dürfte darauf hindeuten, daß der Vorgang außerhalb des Pomeriums stattfand undein größerer Personenkreis daran partizipierte26. Alles in allem könnendie Münzen über die dritte Geldspende als starke Beweismittel für das BemühenHadrians, auch den letzten Plebejer vomAnbruch der goldenen Zeit zu überzeugen, in Anspruch genommen werden. Es war ja eine durchaus beachtliche Summe, die der Einzelne als kaiserliches Geldgeschenk erhielt. Sie betrug in der Regel 75 Denare = 300 Sesterze. Nunwissen wirdurch die Biographie Hadrians in 23 RIC II 416, Nr. 590b = Strack Nr. 555. ZudenTypen Strack S. 60 f. 24 DasRelief über die Verbrennung der Schuldtafeln undein anderes, auf demeine Alimentarszene dargestellt ist, sind unter derBezeichnung Anaglypha oder Plutei Traiani bekannt. Ihr Bezug auf Trajan oder Hadrian ist umstritten. M. E. ist dabei dasZeugnis derhadrianischen Münzen zugering bewertet worden. Imübrigen wird eine Verbrennung der Schuldtafeln nur für Hadrian erwähnt; von Trajan berichtet das Chronicon Paschale vielmehr, er habe einen „Steuererlaß“gewährt (Chronica Minora I 223). FürBezug derReliefs auf Hadrian: U. Rüdi174. Für Datierung in trajaniger, Die Anaglypha Hadriani, in: Antike Plastik 12, 1973, 161– sche Zeit: M. Torelli, The Anaglypha Traiani, in: ders., Typology and Structure of Roman 98. 118; vgl. M. Fell, Optimus Princeps? (1992) 96– Historical Reliefs (1982) 89– 25 RIC II 414, Nr. 582a = Strack Nr. 548. 26 Strack S. 111f. DerTerminus „Liberalitas“imSinne von„Congiarium“erschien unter Hadrianzumersten MalaufMünzen, vgl. Kloft (Anm. 21) 94.

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derHistoria Augusta, daßdascongiarium, dasHadrian 118 bei seiner Ankunft in Romverteilte, die doppelte Höhe hatte, also 150 Denare = 600 Sesterze. Ihmwar ein ‘normales’ congiarium 117 vorangegangen27. Nimmt man an, daß das dritte

congiarium wieder normal hoch dotiert war, so hatte jeder bedürftige Plebejer in denersten drei oder vier Jahren Hadrians 300 Denare = 1200 Sesterze erhalten – wahrlich einGrund zurFreude. Den Geldspenden (congiaria) der Kaiser waren unter Nerva und vor allem unter Trajan Erziehungsbeihilfen (alimenta) für Kinder armer Eltern an die Seite getreten. Ganz Italien hatte an diesem System Anteil underfreute sich seiner Vorzüge28. Hadrian hat es nicht versäumt, dem sozialpolitisch bedeutenden Werk seiner Vorgänger auch seinen eigenen Stempel aufzudrücken und das allgemeine , so heißt es in seiWohlgefallen daran zuverstärken. „ DenJungen undMädchen“ ner Vita, „denen schon Trajan Erziehungsbeihilfen gewährt hatte, erhöhte er die Zuwendungen seiner liberalitas“ 29. Darauf nahm ein Münztyp desJahres 118 Bezug, derdie Italia zeigte miteinem Kind aufdemlinken Armundeinem weiteren ihr zurSeite (Abb. 12). Ihre Rechte streckte sie demauf einer sella curulis erhöht sitzenden Kaiser entgegen. Die Legende lautete: LIBERTAS RESTITVTA. Bild undLegende zusammengenommen besagten, daß denKindern Italiens durch die Freigebigkeit des Kaisers das Glück zuteil geworden war, frei von Armut aufzuwachsen30.

Die Frage nach demRealitätsbezug der Verkündung des goldenen Zeitalters durch Hadrian imJahre 121 läßt sich auf Grund dervorgeführten Zeugnisse m. E. dahingehend beantworten, daß die Menschen in Rom undItalien bereits weitgehend die Segnungen der neuen Zeit erfahren hatten, als die Saeculum aureum-Legende auf denMünzen erschien. RomundItalien – daswarallerdings nurein Teil des Imperium Romanum. Wie stand es umdie Teilhabe der Provinzen am Glück der Zeiten? Es war Hadrians ausgesprochene Absicht, auch die Provinzen in den Genuß seiner liberalitas kommen zu lassen. Den Anfang machte er zugleich mit demSchuldenerlaß fürRomundItalien imJahre 118: Er erließ denProvinzen eine 1. beträchtliche Summe rückständiger Steuern3 Es dürfte dieser bemerkenswerte

Remissionsakt gewesen sein, der auf Sesterzen des Jahres 119 zu der Rückseitenlegende: DemBringer des Wohlstands für die Welt (LOCVPLETATORI ORBIS TERRARVM) führte (Abb. 13). Das Bild entsprach dem der Liberalitas III-Münzen mit dem Kaiser auf der sella castrensis32. In enger Verwandschaft zu dem

27 Hist. Aug. Hadr. 7, 3. 28 ZumAlimentarwesen vgl. die zusammenfassenden Bemerkungen von Fell (Anm. 24) 156– 158.

29 Hist. Aug. Hadr. 7, 8. 30 RIC II 411, Nr. 568 = Strack Nr. 526. Zur ‘materiellen’ Bedeutung von libertas s. A. U. Stylow, Libertas undLiberalitas (Diss. München 1970), 1972, 58 f. 31 Hist. Aug. Hadr. 7, 6. 32 RIC II 415, Nr. 585a = Strack Nr. 551. Sella castrensis und Legende sichern den Bezug auf die Reichsbewohner insgesamt. Daß als deren Repräsentanten zwei togati erscheinen, weist darauf hin, daßvondemRemissionsakt desJahres 118, der, wie die Vita (Anm. 31) bezeugt, als Einheit zuverstehen ist, in erster Linie die römischen Bürger in RomundItalien profitier-

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ein anderer mitderRückseitenlegende: DemErneuerer der Welt (RESTITVTORI ORBIS TERRARVM); er wurde zeitlich parallel mit jenem geprägt (Abb. 14)33. Im Verbund betrachtet priesen die beiden Sesterz-Typen Hadrian als Weltbeglücker, als Mann, der damit begonnen hatte, den Menschen auf derganzen Welt ein neues, besseres Leben zubescheren, eben: die golLocupletator-Sesterz stand

dene Zeit.

Auf demRestitutor-Sesterz kniete die Oikumene, als solche durch denGlobus kenntlich, vorHadrian, derihrdierechte Handreichte, umsie aufstehen zulassen. Der Bildtyp hatte ein berühmtes Vorbild: den Aureus des Münzmeisters Cossus Lentulus mit der knienden RES PVBlica vor AVGVSTus aus demJahre 16 v. Chr. (Abb. 15), dersich auf die Wiederherstellung desStaates durch Augustus imJahre 27 v. Chr. bezog3 4. Hadrian trat also mit Augustus in Konkurrenz, oder vorsichtiger ausgedrückt: er trat in seine Fußstapfen. Dieser Tatsache verlieh er einige Jahre später noch stärkeren Ausdruck durch Angleichung seiner Titulatur an die des Augustus. Statt Imperator Caesar Traianus Hadrianus Augustus nannten die Münzen ihnjetzt nurnoch Hadrianus Augustus in offenkundiger Analogie zurBezeichnung des ersten Princeps als Caesar Augustus. Es scheint sogar so, als habe Hadrian denWechsel derTitulatur in Erinnerung andenStaatsakt desJahres 27 v. Chr. zu dessen 150. Wiederkehr im Jahre 123 n. Chr. vollzogen. Jedenfalls erschien dieneue Titulatur um123 aufdenMünzen35. Die Anknüpfung anAugustus bedeutete ebenso wiedie andie Anfange Roms eine Beschwörung der goldenen Zeit und ließ ein Säkularbewußtsein Hadrians erkennen, dassich andenganz großen Marksteinen derrömischen Geschichte orientierte. Hadrian wollte selbst einen neuen Markstein errichten undhatte ja schon damit begonnen, wiedie Münzen zeigten, die ihnRestitutor undLocupletator orbis terrarum nannten. Für ihnwaren diese Apostrophierungen allerdings mehr Aufforderungen zu weiterer Tätigkeit, Programmpunkte also36. Ihre Verwirklichung er125 und 128– 134 n. Chr. Sie folgte auf den beiden großen Reisen der Jahre 121– 7 führten Hadrian durch das gesamte Imperium Romanum3 und hinterließen überauch in derMünzprägung. Nach Abschluß derletzten Reise ausdeutliche Spuren – (134 n. Chr.) erschienen auf den Münzen alle von Hadrian besuchten Provinzen bzw. Landschaften; es waren insgesamt 27 (Abb. 16). Von denvier verwendeten Bildtypen interessieren in unserem Zusammenhang besonders der Adventus- und ten. Stylow (Anm. 30) bezieht die Münze aufdenKranzgolderlaß Hadrians (Hist. Aug. Hadr.

6, 5). Dieser magzusätzlich gemeint sein. 33 RIC II 416, Nr. 594 = Strack Nr. 559. 34 RIC I273, Nr.413. Dazu C. Vermeule, Unaureo augusteo delmagistrato monetario Cossus 11. Vgl. Zanker (Anm. 1) 97. Lentulus, Numismatica 1, 1960, 5– 16; M. Grant, Roman Anniversary Issues (1950) 101; D. Kienast, Zur Baupolitik 35 Strack S. 13– Hadrians in Rom, Chiron 10, 1980, 396 f. (= ders., Kl. Schr. [1994] 509 f.). 36 W.Weber, Untersuchungen zurGeschichte desKaisers Hadrian (1907) 102, wertete dieRestitutor- undLocupletator-Prägungen als zukunftsgerichtete Programm-Münzen. Strack S. 61 f. . M.E. dürften beide Gesichtspunkte in schon vollbrachte Leistungen“ bezog sie dagegen auf„ ihnen zusammenfließen, wobei derprogrammatische sich ausdempragmatischen ergibt. 194 mit Kommentar 194– 210. 37 Itinerar bei H. Halfmann, Itinera principum (1986) 190–

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8. der Restitutor-Typ (Abb. 17 und 18)3 An der Erschließung ihres Sinngehalts läßt sich ambesten diesäkulare Bedeutung derReisen Hadrians ermessen.

DieAnkunft desKaisers ineiner Stadt desReiches wareinaußergewöhnliches Ereignis, dasnicht nurzeremoniellen Charakter trug, sondern auch ungeheure Aktivitäten jeglicher Art hervorrief. Darüber hinaus kamdemVorgang besonders in denStädten desOstens, woderlebende, nicht erst dertote Kaiser als Gott verehrt wurde, eine kaum zu überschätzende religiöse Bedeutung zu39. Diesen Aspekten gesellte sich noch ein weiterer hinzu: Der Kaiser besuchte in einer Provinz nicht nureine einzige Stadt, sondern viele, so daßderAdventus Augusti auf denMünzen Hadrians, welche die Provinz (oder Landschaft) als Einheit behandelten, die Widerspiegelung eines Vielfacheffektes darstellte. DasGleiche hatfürdie Restitutor-Münzen Hadrians zu gelten: Das Wohlwollen des Kaisers, welches das Münzbild aufdieganze Provinz projizierte, warin Wirklichkeit vielen kleinen und großen Städten in ihr zugute gekommen. Berücksichtigt mandies bei derBeurteilung dervondenMünzen reflektierten Reisetätigkeit Hadrians, so erhält diese eine Dimension, die nurals gigantisch bezeichnet werden kann. Würde mandie Städte kartieren, welche die Ankunft Hadrians gefeiert oder Wohltaten vonihmempfangen haben, so erhielte manein Bild der Welt, das wie von einem engmaschigen Netz überspannt wirkte. Es kann hier natürlich nurdurch einige Beispiele angedeutet werden, wasalles sich hinter demAdventus Augusti der Münzen verbarg, auf denen das feierliche Opfer Gegenstand der Darstellung war. Jede Stadt, die von Hadrian mit seinem Besuch beehrt wurde, tat dasmenschenmöglichste, umsich vonihrer besten Seite zupräsentieren. Symbol fürdiese Anstrengungen wardie Errichtung eines Ehrenbogens, durch denderKaiser seinen Einzug halten sollte. Allein vonderReise des Jahres 131 entlang der kleinasiatischen Südküste sind drei solcher Bögen bekannt (Attaleia/Pamphylien, Phaselis undPatara in Lykien)40. Eine andere mit demAdventus Augusti verbundene Form der Ehrung des Kaisers wardie Umstellung der Zeitrechnung auf seinen Besuch. Das bekannteste Beispiel ist Athen, womit dem ersten Aufenthalt Hadrians (124) eine neue Ära begann41. Aber auch in anderen Städten Griechenlands (Epidauros, Troizen, Tegea) undKleinasiens (Laodikeia am Lykos, Hadrianeia undHadrianoi in Mysien) wurde so verfahren42. Des weiteren

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RIC II 452, Nr. 880 = Strack Nr. 745; Restitutor: RIC II 377, Nr. 321 = Strack Nr. 148. 317. Zudenvier Typen der Reisemünzen s. Strack S. 139– 320; E. H. KantoZum Adventus Augusti vgl. A. Deissmann, Licht vom Osten (41923) 314– rowicz, The „ King’s Advent“ , The Art Bulletin (published by the College Art Association of 231, bes. 211– 217; A. Alföldi, Die monarchische Repräsentation im America) 26, 1944, 207– 93. 113; W.Dotzauer, DieAnkunft desHerrschers, Arch. f. römischen Kaiserreiche (1970) 88– 286, bes. 245– 249; Halfmann (Anm. 37) 111– Kulturgesch. 55, 1973, 245– 114. 143– 148. ZumHadrianstor in Attaleia/Antalya vgl. J. Wagner, Pamphylien (1992) 12; Prunktor in Phaselis: J. Schäfer (Hrsg.) Phaselis (1981) 88 f.; Tor mit drei Bogen in Patara: G. W. Bowersock, Hadrian andMetropolis, in: Bonner Historia-Augusta-Colloquium 1982/1983 (1985) 82– 86. S. Follet, Athènes auIIeet IIIesiècle (1976) 110– 113. Follet (Anm. 41) 100 Anm. 7; W. Leschhorn, Antike Ären (1993) 382– 389.

Adventus:

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Politik

ist eine hadrianische Ära für Gaza in Iudaea bezeugt43. Eine Hadrian besonders wohlgefällige Ehrung wardie Stiftung vonFestspielen. Ephesos tat sich darin hervor: 124 wurden Hadrianeen, 129 hadrianische Olympien eingerichtet4 4. Der Rhetor Aelius Aristides konnte allgemein sagen, Hadrian habe im ganzen Reich ein Festspielfieber hervorgerufen45. Wie der Adventus-, so bedarf auch der Restitutor-Typ der Reisemünzen Hadrians einer kurzen, konkretisierenden Betrachtung. Dabei geht es um die Auffächerung derliberalitas als Wirkkraft vonHadrians Erneuerungswerk. DerKaiser selbst unterschied in seinem Leistungsbericht (s. u.) zwischen denvon ihm erbauten, restaurierten oder mit Weihgeschenken versehenen Tempeln einerseits und den mit seinen Mitteln errichteten profanen Bauten sowie den von ihm erteilten 6. Vergünstigungen undEhrungen andererseits4 Von den Tempeln seien hier nur der Zeustempel in Athen undder Hadrianstempel in Kyzikos genannt4 7. Für die profane Seite der Freigebigkeit Hadrians mag Smyrna als Beispiel dienen: Die Stadt erhielt eine Million Drachmen undverwandte ein Gutteil davon auf denBau eines Gymnasions, welches dann als das prächtigste in ganz Asia galt48. Andere Städte erhielten eine Wasserleitung, Thermen, einen Hafen, ein Theater – jede Stadt das, was sie am nötigsten brauchte, auch auf dem Gebiet des Rechts, der 9. Verwaltung undder Wirtschaft4 Hadrian kamals Wohltäter in die Städte50, von denen viele die Erlaubnis erhielten, sich mit seinem Namen zu schmücken51. Das alles symbolisierte auf denRestitutor-Münzen die aufrichtende Geste des Kaisers gegenüber der vor ihm knienden Provinz, im Falle der hier abgebildeten Provinz Achaia noch viel mehr: Hadrian war dreimal in Athen (124/5, 128/9, 131/2) und

43 M. Rosenberger, City-Coins of Palestine II (1975) 55– 69; Sylloge Nummorum 57, Nr. 53– 923. Graecorum: American Numismatic Society (1981) Nr.913– 44 M.Lämmer, Olympien undHadrianeen imantiken Ephesos (Diss. Köln 1967). 45 Ael. Arist. Romrede (or. 14 [Dindorf]) § 99 = S. 60/61 in derzweisprachigen Ausgabe vonR. Klein, Die Romrede des Aelius Aristides, 1983. Vgl. Weber (Anm. 36) 88 f. Listen der Festspielorte bei Lämmer (Anm. 44) 39 undH.Karl, Numismatische Beiträge zumFestwesen der kleinasiatischen undnordgriechischen Städte im2./ 3. Jahrhundert (Diss. Saarbrücken 1975) 5 f. 46 Paus. 1, 5, 5. 53; ders. Die Neugestal47 Athen: D. Willers, Hadrians panhellenisches Programm (1990) 26– 12. Kyzikos: H. P. Laubscher, ZumFries tung Athens durch Hadrian, Antike Welt 27, 1996, 8– des Hadrianstempels in Kyzikos, Mitt. des Deutschen Archäolog. Inst. (Istanbul) 17, 1967, 217, bes. 214. 211– 48 Philostr. vita sophis. 1, 25, 2. 49 Zusammenfassend Halfmann (Anm. 37) 41. 50 Zudenhellenistischen Herrschern als Vorläufern K. Bringmann, DerKönig als Wohltäter, in: J. Bleicken (Hrsg.), Colloquium aus Anlaß des 80. Geburtstages von Alfred Heuß (1993) 83– 129. 95. ZudenKaisern (einschl. Hadrian) Halfmann (Anm. 37) 124– 51 B. Galsterer-Kröll, Untersuchungen zudenBeinamen derStädte desImperium Romanum, in: 79; M. Le Glay, Hadrian et l’Asclepieion de Pergame, Epigraphische Studien 9, 1972, 77– 359. Bull. de Corr. Hell. 100, 1976, 357–

145

SAEC(ulum) AVR(eum)

2,

hatseiner Lieblingsstadt einvöllig neues Gesicht gegeben5 wobei es sein Ehrgeiz 3. war, es demStadtgründer Theseus gleichzutun5 ImHinblick auf dendritten TypderReisemünzen Hadrians (Abb. 19), deran dieInspektion derin denProvinzen stationierten Heere erinnerte54, genügt in unseremZusammenhang dieBemerkung, daßHadrian nicht nuranderSchlagkraft des betreffenden Heeres, sondern auch amWohlergehen der Soldaten interessiert war. Er sei deshalb, heißt es in seiner Vita, bei den Soldaten sehr beliebt gewesen, 55. zumal er sich gegen sie äußerst freigebig zeigte“ „ Mit demvierten undletzten TypderReisemünzen Hadrians traten die Provinzen in ihrer Eigenschaft als Glieder des Römischen Reiches in Erscheinung. Sie symbolisierten den Erfolg der Restitutionspolitik Hadrians. Die Germania z.B. (Abb. 20) präsentierte sich als personifizierte Wehrkraft56. Andere Provinzperso7. nifikationen traten dem Betrachter ähnlich selbstbewußt vor Augen5 In einem Falle allerdings mußte Hadrian zueinem regelrechten Trick greifen, umdenEindruck zuerwecken, seine Politik derWeltbeglückung sei überall erfolgreich gewesen. Es handelte sich um Judäa (Abb. 21)58. Bei seinem Besuch in der Provinz (130 n. Chr.) hatte Hadrian die Neugründung Jerusalems als Colonia Aelia Capitolina unddenBaueines Jupitertempels ander Stelle des im Jahre 70 n. Chr. zerstörten jüdischen Tempels in die Wege geleitet. Diese Maßnahmen führten zusammen mit dem Verbot der Beschneidung zu dem großen Aufstand der Juden unter Simon Bar Kokhba, derdie Römer in äußerste Bedrängnis brachte, sie dann aber zu einem Gegenschlag veranlaßte, der ganz Judäa verwüstete undmehr als einer halben Million Juden das Leben kostete59. Als die Reisemünzen geprägt wurden (134 n. Chr.), warderKrieg praktisch zu Ende; die Kolonie Aelia Capitolina konnte konstituiert werden. Besiedelt wurde sie mitVeteranen und„Hellenen“ aus dem angrenzenden Syrien60. Das Bild der hier zur Beurteilung stehenden Iu52 S. dieinAnm.47 genannten Arbeiten vonWillers. 53 Das von ihmgegründete neue Athen östlich der Akropolis ließ Hadrian (am Hadriansbogen) kennzeichnen: „Dies ist die Stadt

Hadrians, nicht

die Inschrift die des Theseus“

durch

(Inscr. Graec. III2 492). 54 RIC II 462, Nr. 935, vgl. Strack Nr. 809. ZudenTypen Strack S. 148– 150. 55 Hist. Aug. Hadr. 21, 9. Ein Fall ausderPraxis: Corp. Inscr. Lat. VIII 2534. 56 RIC II 375, Nr. 303 = Strack Nr. 300. DenGegensatz zudieser waffentragenden Germania stellte jene aufeinem Schild undeinem zerbrochenen Speer sitzende trauernde Frauengestalt dar, dieaufdenGermania capta-Münzen Domitians erschienen war(RIC II 189, Nr.278). 162 undausführlich J. M. C. Toyn57 ZudenNatio-Darstellungen der Münzen s. Strack S. 152– 130. Die neue Form der Provinzdarstellung erhielt ihren bee, The Hadrianic School (1934) 24– sozusagen klassischen Ausdruck in den Sockelreliefs des Templum Divi Hadriani auf dem Marsfeld (jetzt imHofdesKonservatorenpalastes). Zudiesen s. Toynbee 152– 149; E. Simon, in: W. Helbig, Führer durch die öffentlichen Sammlungen klass. Altertümer in Rom II4(1966) 247; A. M. Pais, II „podium“del Tempio del Divo Adriano (1979). S. 243– 58 RIC II 448, Nr. 853 = Strack Nr. 718. Zur Besonderheit der Darstellung (Iudaea mit drei Kindern) s. Strack S. 162 f. 59 Hist. Aug. Hadr. 14,2; Cass. Dio 69, 14, 1. Vgl. P. Schäfer, Der Bar Kokhba-Aufstand (1981). 60 Die„Hellenen“werden vonZonar. 11,23 (III 74 Dindorf) erwähnt. Bei Cass. Dio69, 12, 2 ist allgemein von„Fremden“dieRede. ZurGründung vonAelia Capitolina vgl. B. Lifshitz, Jéru-

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Politik

daea-Münze knüpfte andie neue Situation derProvinz nach demAufstand an: Die ‘hellenisierte’ Iudaea wies auf denGestaltwandel derProvinz hin; die Kinder kündeten vonneuem Leben. Hadrian hat gespürt, daßdie Ereignisse in Judäa denvonihmerstrebten Ruhm desWeltbeglückers schmälerten. Umdementgegenzuwirken, betonte er in seinem Leistungsbericht, daßderKampf gegen die Juden ihmaufgezwungen worden sei; er stempelte ihn damit zumSonderfall6 1. Der schon in anderem Zusammenhang zitierte Leistungsbericht Hadrians waramPantheon in Athen angebracht. Er stellte gewissermaßen dasGegenstück zudenRes Gestae desAugustus andessen Mauso2. leum in Rom dar6 In der athenischen Inschrift nahm Hadrian für sich in Anspruch, allen unter seiner Herrschaft stehenden Menschen größtes Glück (Eudai3. monia) gebracht zuhaben6 ZumBeweis führte er sämtliche Wohltaten auf, die er denMenschen in aller Welt erwiesen hatte. In römischer Terminologie lautete die zentrale Aussage Hadrians: er habe die felicitas temporum verwirklicht, das saeculum aureum herbeigeführt. Es wäre wirklich verwunderlich, wenn Hadrian die Vollendung seines Lebenswerkes nicht auch auf den Münzen verkündet hätte. Natürlich hat er diese hochwirksame Möglichkeit genutzt: Da ist zunächst das Medaillon zu nennen, dessen Rückseite die Umschrift TEMPORVM FELICITAS trug (Abb. 22). Vier Knäblein mit den Attributen der Jahreszeiten symbolisierten das allzeit herrschende Glück64. Noch deutlicher kamder gleiche Grundgedanke auf einem weiteren Medaillon zum Ausdruck, dessen Rückseite mit der Legende TELLVS STABILita die weltweite Geltung der Glückszeit betonte. Der Erhaltungszustand des einzigen bekannten Stückes6 5 ist indes so schlecht, daß als Abb. 23 hier ein ähnliches Medaillon des Commodus gewählt wurde. Auf ihm berührte die liegend dar-

61 62 63

64

salem sous la domination romaine, in: Aufstieg undNiedergang derröm. Welt (hrsg. vonH. Temporini undW. Haase) II 8 (1977) 483 f. Paus. 1, 5, 5: „ Er begann willentlich keinen Krieg, unterwarf aber die abgefallenen Hebraeer . Übersetzung: Ernst Meyer. inSyrien“ Der Vergleich der Pantheoninschrift Hadrians mit den Res gestae divi Augusti bei Th. Mommsen, Der Rechenschaftsbericht des Augustus, in: ders. Ges. Schr. IV (1906) 254. S. auchWeber (Anm. 36) 88. DerTerminus „Eudaimonia“waroffenbar Bestandteil desOriginaltextes, s. U. von Wilamowitz-Moellendorf, Res gestae divi Augusti, Hermes 21, 1886, 623 Anm. 1. Sozusagen die Bestätigung für Hadrians Behauptung lieferte Aelius Aristides, der in der Romrede (or. 14 gegenwärtigen Glück“sprach (§ 74 = S. 44/45 in der zweisprachigen Aus[Dindorf]) vom„ ) wurde Bestandgabe vonKlein [Anm. 45]). Die Maxime selbst („ dasgrößte Glück füralle“ teil der Regierungsprogramme der römischen Kaiser, vgl. Herodian. 2, 14, 3 (Septimius Sedas größte Glück der größten Zahl“(An Introverus), und in Jeremy Benthams Formel „ duction tothePrinciples of Morals andLegislation, 1789) klassischer Ausdruck desmodernen Utilitarismus. Vgl. O. Höffe, ZurTheorie desGlücks imklassischen Utilitarismus, in: ders., 159, bes. 123. Ethik undPolitik (1979) 120– Gnecchi III 19, Nr. 91 = Strack Nr. 465. Ausführlich behandelt von F. Kenner, Römische Medaillons, Jahrb. derkunsthistorischen Sammlungen desallerhöchsten Kaiserhauses 1, Wien

1883, 65. 65 Gnecchi III 19, Nr. 90 = Strack Nr. 464. ZurVerbindung 184. 64 genannten s. Kenner a. O.undStrack, S. 182–

dieses Medaillons mit demin Anm.

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147

gestellte Tellus mit ihrer Rechten einen großen Globus, andessen Rand die schon 6. bekannten vier Knäblein ihr Spiel trieben6 Dashadrianische O riginal’zeichnete ‘ Gleichsetzung der sich, abgesehen von der durch die vier Jahreszeiten bewirkten Revers-Legende Tellus stabilita mit Temporum felicitas67, noch dadurch aus, daß derKaiser aufdemAvers dasLöwenfell desHercules trug, womit angedeutet werdensollte, daß Hadrian wie Hercules die Welt durchzogen, sie befriedet unddie Segnungen derKultur verbreitet habe68. AufDenaren undSesterzen wurde sodann Tellus ohne die vier Jahreszeiten, aber mit denauf demMedaillon ihr beigegebenen Attributen (Korb mit Früchten, Rebe, Globus) abgebildet (Abb. 24)69; ein anderer Denarstempel stellte sie mit Pflug undHarke sowie zwei Ähren dar (Abb. 0. 25)7 Die Umschrift blieb die gleiche: TELLVS STABILita, undgleich blieb auch dieDeutung: Wieeinst aufdemPanzer desAugustus vonPrimaporta undaufdem Relief derAra Pacis Augustae, so warauchjetzt wieder Tellus die Symbolgestalt fürBlühen undGedeihen derneugeordneten Welt. Wenn im vorstehenden immer wieder hervorgehoben wurde, die vonHadrian bewirkte Neuordnung der Welt sei durch Wohltaten seinerseits zustandegekommen, so darf nicht außer acht gelassen werden, daß die meisten dieser Wohltaten eine Eigendynamik entfalteten, die vor allem den Arbeitsmarkt belebte. Denn sie alle mußten gebaut werden. Gymnasien, Aquädukte, Thermen, Häfen, Theater – Festspiele waren auch in wirtschaftlicher Hinsicht Großereignisse. Tempel ließen dieGeschäfte blühen. Die Wohltaten desKaisers hatten also nicht nureinen kulturellen, sondern auch einen ökonomischen Effekt, unddasvonHadrian konstatierte bestand in allgemeiner Prosperität. größte Glück füralle“ „ Man könnte vermuten, Hadrian habe durch seine Weltreisen, insbesondere durch seine drei Aufenthalte in Athen, die Hauptstadt des Reiches, Rom, aus dem Blick verloren. DasGegenteil warderFall. Hadrian legte offenbar in genauer Voraussicht der möglichen Kritik an seiner langen Abwesenheit ein umfangreiches Bauprogramm auf, das nicht nurNeubauten, sondern auch Restaurierungen betraf und Rom gewissermaßen in Atem hielt, soll heißen: den Menschen Arbeit und Brot verschaffte. Wie Hadrian mit dem Bauprogramm als Ganzem an Augustus

66 Gnecchi II 66, Nr. 131. 67 Strack S. 183 sahin derVerbindung vonTellus undOrbis ein Indiz für die Interpretation der Tellus als Orbis terrarum. Diese Auffassung wirdm. E. auch durch die Austauschbarkeit der Legende Tellus stabilita mit Temporum felicitas nahegelegt. Letztere betrifft im Sinne von beatissimum saeculum (oben Anm. 12) die Herrschaft des Kaisers als solche, d. h. über den orbis terrarum. Toynbee (Anm. 57) 142mitAnm.2 will dagegen wegen dervier Jahreszeiten denOrbis als Orbis anni verstehen undTellus als Terra mater identifizieren, welche demJahr Fruchtbarkeit verleiht. Diese Deutung erscheint mirvor allem wegen des Epithetons stabilita als zu eng; sie ist in jener weiteren enthalten. In ihrem Buch „Roman Medaillons“(1944, Neudruck 1986) 90 bezieht Toynbee auch die Legende Temporum felicitas nur auf die Fruchtbarkeit derErde. Diese Einengung widerspricht ganz sicher Hadrians Eudaimonie-Begriff (s. o. Anm.63). 68 Strack S. 184. AnHercules-Darstellungen aufdenfrühen Münzen Hadrians erinnert Toynbee (Anm. 57) 142 f. 69 RIC II 441, Nr. 791 = Strack Nr. 698. 70 RIC II 372, Nr.276 = Strack Nr.274.

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Politik

anknüpfte, so auchmiteinzelnen seiner Bestandteile, vorallem derErneuerung des Augustusforums undderErrichtung des Mausoleums amrechten Tiberufer. Letzteres ließ zudem klar die Absicht Hadrians erkennen, seinen Prinzipat als Beginn einer neuen Phase des Kaisertums erscheinen zulassen71. Der säkulare Aspekt derBaumaßnahmen Hadrians verband sich beim Tempel derVenus undRoma (zwischen Forum undColosseum) mit derreligiösen Komponente seines Säkularbewußtseins. Derriesige Doppeltempel stellte die steinerne Manifestation der Inauguration des Stadtgründungsfestes am21. April 121 (s. o.) dar. Die Bauarbeiten begannen in diesem Jahr undwaren bei Hadrians Tod im Jahre 138 noch nicht ganz abgeschlossen. Trotzdem wurde wohl 137 die Einweihung vollzogen. Die Kultbilder erschienen auf Aurei (Abb. 26 und 27)72. Der jeder Tempel selbst wurde auf Sesterzen dargestellt, allerdings ohne Beischrift – kannte ja dasBauwerk73. Antoninus Pius lieferte auf seinen Sesterzen die Legende ROMAE AETERNAE bzw. VENERI FELICI gewissermaßen nach; diese Stücke sind hier als Abb. 28 und29 wiedergegeben74. Der Kult der Roma Aeterna warneu, ebenso der Beiname der Venus: Felix. Hadrian verband in der Kultgemeinschaft der beiden Göttinnen zwei Überlieferungsstränge, die gleicherweise den Ewigkeitsanspruch Roms begründeten: den römischen unddentrojanischen. Symbol ihrer Zusammengehörigkeit wardasvon Roma in derRechten gehaltene Palladium, dasausTroja stammende Athena-Idol. Aber auch dasEpitheton derVenus wies aufeben diese Zusammengehörigkeit hin. Denn es gab Auskunft über die Umstände, welche den neuen Kult begründet hatten: Es waren die glücklichen, vonHadrian herbeigeführten Zeiten, die Venus und 5. Roma ihren gemeinsamen Tempel bescherten7 Venus wandelte sich dabei von der Stammutter (Genetrix) des Geschlechts der Caesaren zur Ahnfrau des gesamten Römischen Volkes. Zeichen dieser Wandlung warder neue Kultname Felix, der sie zugleich zur Mitbegründerin des neuen, glücklichen Zeitalters machte76. Als solche wurde auch Roma mit demEpitheton Felix bedacht. Ihr Bild auf dem Denar derAbb. 3077entsprach demderKultstatue (Abb. 26), nurtrug Roma in der Rechten einen Olivenzweig statt des Palladiums. Mit der Dedikation des Tempels derVenus undRoma vollendete Hadrian dasWerk derNeugründung Roms, daser mit der Restitution des Pomeriums 121 begonnen hatte. Er fühlte sich als neuer

527. 412 bzw. 503– 71 ZurBaupolitik Hadrians in Roms. Kienast (Anm. 35) 391– 72 ROMAE AETERNAE: RIC II 370, Nr. 265 = Strack Nr. 261; VENERIS FELICIS: RIC II 372, Nr.280 = Strack Nr.276. 73 RIC II 440, 783 f. = Strack 659/60. 695/96. Vgl. dazu M. Pensa, Rappresentazioni di monu78, hier 71. menti sulle monete diAdriano, Rivista Italiana Numismatica 80, 1978, 27– 74 ROMAE AETERNAE: RIC III 110, Nr. 623. VENERI FELICI: RIC III 114, Nr. 651a. 161. 75 ZudendemTempelbau zugrundeliegenden Ideen s. ausführlich Beaujeu (Anm. 13) 128– Zur Identifikation mit demTemplum Urbis: J. Gagé, Le ‘Templum Urbis’et les origines de 187. l’idée de ‘Renovatio’, in: Mélanges Franz Cumont (1936) 151– 93. Zur Münzdarstellung Strack 76 ZurTransformation der Venus s. C. Koch, Religio (1960) 86– S. 177. 179 undin größerem Rahmen R. Pera, Venere sulle monete daVespasiano agli Anto88. 97, hier 84– nini, Rivista Italiana Numismatica 80, 1978, 79– 77 RIC II 370, Nr.264 = Strack Nr.262. ZumBedeutungsgehalt desneuen Epithetons s. Strack S. 180.

SAEC(ulum) AVR(eum)

Romulus, dessen schrift

149

Bild er nunauf Aurei undDenaren mit der bezeichnenden Um8.

ROMVLO CONDITORI erscheinen ließ (Abb. 31)7

Romulus, Augustus, Theseus, Hercules –diese großen Gestalten waren die Leitbilder Hadrians. Goldene Zeit, Erneuerung der Welt, Glück der Menschen – darum kreiste sein politisches Denken. In dieses Geflecht vonMythos undRealität haben die Münzen unsEinblick gewährt unddasBild einer Welt entstehen lassen, welche durchaus derentsprach, vonderderPanegyriker Aelius Aristides im Jahre 143, also fünf Jahre nach Hadrians Tod, sagen konnte, sie biete denAnblick eines 9. paradiesischen Gartens7 DaswarderZustand der goldenen Zeit, die Hadrian der Menschheit bescheren wollte! Edward Gibbon hat in einem berühmt gewordenen Satz seiner History of the Decline andFall of the Roman Empire die Periode der Weltgeschichte zwischen dem Tode des Domitian und der Thronbesteigung des 180 n. Chr.) als „ die beste und glücklichste des MenschengeCommodus (96– schlechtes“bezeichnet80. Man wird sagen dürfen, daß Hadrian dazu das meiste beigetragen hat.

78 RIC II 371, Nr. 266 = Strack Nr. 263. Vgl. dazu Kienast (Anm. 35) 407 bzw. 521 Anm. 88, der die Ansicht von R. Zoepfel, Hadrian undNuma, Chiron 8, 1978, 421, zurückweist, mit demRomulus derHadrian-Münze sei Trajan gemeint. 79 Ael. Arist. Romrede (or. 14 [Dindorf]) § 99 = S: 60/ 1 inderzweisprachigen Ausg. vonKlein (Anm. 63). 80 E. Gibbon, History of the Decline andFall of the Roman Empire I-VII (1776– 1788). Deutsche Ausgabe: Gibbon’s Geschichte des Verfalls undUntergangs des römischen Weltreichs von Johann Sporschil (1837. 21843) 60. In der gekürzten Fassung dieser Übersetzung (hrsg. von D. A. Saunders) 1987, 73.

150

Politik

Abbildungsnachweis

Abb. 1:

Abb. 2: Abb. 3 und4: Abb. 5:

Abb. 6: Abb. 7: Abb. 8:

Abb. 9: Abb. 10: Abb. 11: Abb. 12:

Abb. 13: Abb. 14: Abb. 15: Abb. 16:

Nach P. Zanker, Augustus unddie Macht derBilder (21990) Abb. 148b. Nach E. Simon, AraPacis Augustae (1967) Abb. 26. NachA. Alföldi, Redeunt Saturnia regna VI, in: K. H.Kinzl

(Hrsg.), Greece andtheEastern Mediterranean inAncient History andPrehistory (1977) Tafel H,Nr. 1 und3. Nach Kent/Overbeck/Stylow, Die römische Münze (1973) Tafel 72, Nr.277. Nach F. Panvini Rosati, Lamoneta romana imperiale daAugusto a Commodo. Catalogo della mostra. Bologna: Museo civico archeologico 1981, Nr. 338. Deutsches Archäologisches Institut Rom, Neg.-Nr. 68. 4354. Nach G. Walser, Die Einsiedler Inschriftensammlung undder Pilgerführer durch Rom(1987) Nr. 14. Nach J. R. Cayón, Los sestercios delImperio Romano II (1984) S. 188, Nr. 612. Nach E. Nash, Bildlexikon zurTopographie desantiken RomII (1962) Abb. 905. Nach BMC III Tafel 78, Nr. 12. Nach Ing. G. Mazzini, Monete imperiali romane II (1957) Tafel XLII, Nr. 949. Nach Cayón (wie Abb. 9) S. 155, Nr. 517. Institut für Alte Gesch. derUniv. Mainz. NachLeuNumismatik AG,Zürich, Auktion 54 (28. 4. 1992), Nr. 216. Sunhild Kohz, Institut für Vor- undFrühgeschichte derUniv.

Mainz.

Nach Cayón (wie Abb. 9) S. 6, Nr. 16. Nach Panvini Rosati (wie Abb. 6) Nr. 375. Nach Kent/Overbeck/Stylow (wie Abb. 5) Tafel 74, Nr. 297. Institut für Alte Gesch. derUniv. Mainz. Nach BMC III Tafel 95, Nr. 3. Kunsthistorisches Museum (Münzkabinett) Wien, Inv.-Nr. 32106. Nach Kent/Overbeck/Stylow (wie Abb. 5) Tafel XIV, Nr.366. Nach Cayón (wie Abb. 9) S. 225, Nr. 754. Institut fürAlte Gesch. derUniv. Mainz. Nach Panvini Rosati (wie Abb. 6) Nr. 365. Nach J. Beaujeu, La religion romaine à l’apogée del’empire I (1955) Tafel I, Nr. 11. Abb. 28 und29:Nach Cayón (wie Abb. 9) S. 387, Nr.323 undS. 433, Nr.497. Abb. 30 und31:Nach BMCIII Tafel 60, Nr. 19 + Tafel 57, Nr. 11.

Abb. 17: Abb. 18: Abb. 19: Abb. 20: Abb. 21: Abb. 22: Abb. 23: Abb. 24: Abb. 25: Abb. 26: Abb. 27:

Fotografische Arbeiten: Angelika Schurzig, Archäologisches Inst. derUniv. Mainz.

Christianissimus Imperator*

Zur Christianisierung der römischen Kaiserideologie vonConstantin bis Theodosius

Allerchristlichster der Kaiser“(christianissime principum), so redete Am„ brosius, der Bischof von Mailand, in einem 380 n. Chr. geschriebenen Brief den Kaiser Gratianus an. Und er war sich bewußt, daß er mit dem Superlativ , fügte er Ich kenne nämlich“ christianissimus eine neue Wortform geprägt hatte: „ keine treffendere undrühmlichere Anrede“(nihil enim habeo, quod hoc hinzu, „ verius et gloriosius dicam)1. Der Grund für die überschwengliche Apostrophierung des Kaisers wardie Freude des Ambrosius über die gute Aufnahme, welche die de fide“bei Gratian gefunden hatten2 –verersten beiden Bücher seines Werkes „ ständlich angesichts der Bedrohung des orthodoxen Glaubens durch den Arianismus. Vier Jahre später, 384, gebrauchte Ambrosius erneut das Epitheton christianissimus, diesmal für den Stiefbruder Gratians, Valentinianus II. In dem Brief, derdieAnrede imperator christianissime enthielt3 , ging es umdenVictoriaAltar im Sitzungssaal des Senats. Der römische Stadtpräfekt Symmachus hatte Valentinian im Namen der nichtchristlichen Senatoren umdie Wiederaufstellung des382 vonGratian entfernten Altars gebeten4. FürAmbrosius gabes also auch in diesem Falle einen besonderen Grund, denKaiser mit demPrädikat christianissimuszubelegen: Die Lobpreisung seines christlichen Glaubens sollte ihn dazu veranlassen, das Gesuch des Symmachus abzulehnen. Auf diese Weise drang der Superlativ christianissimus in die panegyrischen Formeln ein, mit denen der Kaiser

*

1

2 3 4

in: R. Günther/S. Rebenich (Hrsgg.): E fontibus haurire. Beiträge zur römischen Geschichte undzuihren Hilfswissenschaften [Heinrich Chantraine zum65. Geburtstag]. Studien zurGeschichte undKultur desAltertums. Neue Folge. 1. Reihe: Monographien, 8 (Paderborn 1994) 19. 3– Ambros. ep. 1, 1 (Maur.) = 12, 1 extra collectionem (CSEL 82, 10, 3 p. 219). Die Überschrift desBriefes lautet: Beatissimo Augusto Gratiano et christianissimo principi Ambrosius episcoRomidee pus. Zuchristianissimus als Neuprägung desAmbrosius M. Vogelstein, Kaiseridee – unddasVerhältnis vonStaat undKirche seit Constantin, Breslau 1930, 88 Anm. 1; B. Rubin, DasZeitalter Iustinians, Berlin 1960, 397Anm.227. de fide“ Über dieBeziehungen zwischen Ambrosius undGratian z. Zt. derEntstehung von„ 50. vgl. G. Gottlieb, Ambrosius vonMailand undKaiser Gratian, Göttingen 1973, 26– Ambros. ep. 17, 3 (Maur.) = 72, 3 extra collect. (CSEL 82, 10, 3, p. 12). Überschrift: Beatissimoprincipi et christianissimo imperatori Valentiniano Ambrosius episcopus (p. 11). Es handelt sich umdie 3. Relatio des Symmachus. Sonderausgabe (zusammen mit denBriefen 17, 18und57 desAmbrosius) vonR. Klein, DerStreit umdenVictoriaaltar, Darmstadt 1972, 113. 98–

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Politik

apostrophiert wurde5 . Beispiele für die weitere Anwendung des Epithetons finden sich vor allem in den Briefen des Papstes Leo (des Großen) an die Kaiser Theodosius II., Marcianus undLeo6 . „ das war seitdem, d. h. Allerchristlichst“– seit der Mitte des 5. Jahrhunderts, ein Kennzeichen des byzantinischen Kaisers7 . Eine neue Entwicklung, die im 6. Jahrhundert mit den Merowingern begann und sich über die Karolinger fortsetzte, verknüpfte sodann dasEpitheton christianissimus mit dem französischen Königtum, und zwar so eng, daß daraus ein Titel wurde: rex christianissimus, roi très chrétien8 . Mit dem König von Frankreich gelangte der Superlativ christianissimus in die Neuzeit undhat die moderne Vorstellung vomallerchristlichsten Herrscher maßgebend geprägt. Aber vondieser letzteren Entwicklung soll hier nicht dieRede sein, auch nicht von der Kennzeichnung des byzantinischen Kaisertums als des allerchristlichsten seit dem5. Jahrhundert. Im folgenden interessiert vielmehr das Aufkommen der Wortform christianissimus in derzweiten Hälfte des4. Jahrhunderts als Ergebnis eines Prozesses, der die römische Kaiserideologie mit christlichem Inhalt erfüllte unddamit wesentlich veränderte. Seinen Anfang nahm dieser Transformationsprozeß mit Constantin; weitgehend abgeschlossen warer beim Tode des Theodosius. In Jahreszahlen ausgedrückt erfolgte die Christianisierung der römischen Kaiserideologie zwischen 312, demDatum derSchlacht anderMilvischen Brücke, und395, demTodesjahr desTheodosius. Hauptbeteiligte waren die beiden schon genannten Kaiser sowie die Bischöfe Eusebius von Caesarea undAmbrosius von Mailand. Was als Hemmnis hätte wirken können, blieb Episode: die Regierung Julians des Abtrünnigen. Sie unterbrach aufs Ganze gesehen nicht jene rund 80jährige Entwicklung, welche demrömischen Kaisertum eine neue ideologische Grundlage gab. Mehr als 300 Jahre hatte die vonAugustus geschaffene Ideologie gegolten, wonach das Kaisertum durch eine rettende Tat ins Leben getreten war. Diese Rettertat bestand in der Wiederherstellung des Staates undseiner Freiheit nach den Bürgerkriegen. Augustus warder vindex libertatis, der „Retter undBeschützer der Freiheit“ 9. Für dieses sein Verdienst hatten der Senat unddas römi-

5 6 7

8

In denChronica Constantinopolitana ist der Kaiser Iovianus nachträglich mit demEpitheton christianissimus bedacht worden (zum Jahre 363). Sein Vorgänger Iulianus erhielt die Kennzeichnung: Christianorum persecutor (Chron. Min. I, p. 240). Leo ep. 43, 2 (PL 54, p. 825), ep. 44, 2 (p. 829), ep. 54 (p. 855): Theodosius II.; ep. 134, 1 (p. 1094): Marcianus; ep. 156, 3 (p. 1129): Leo. Die offiziellen’ Zeugnisse für die Bezeichnung 152. ‘Μ , Wien 1978, 147– Σ ΙΑ Ε ΙΛ Σ Α Β Α Ν Ο dieser Kaiser als christianissimi bei G. Rösch, Ο 527): CIL VIII 1434, Coll. Avell. ep. 161, 6 Vgl. die Vielzahl der Belege für Iustinus (518–

(CSEL 35, 2, p. 613), ep. 183, 1 (p. 638), ep. 195, 1 (p. 652), ep. 232a, 1 (p. 703), ep. 233, 1 (p. 707), ep. 234, 3 (p. 711). Weiteres Belegmaterial zu christianissimus registriert M. B. O’Brien, Titles of Adress in Christian Latin Epistolography to 543 A. D. (The Catholic University of America. Patristic Studies XXI), Washington, D. C. 1930, 129. N. Valois, Le roi très chrétien, in: La France chrétienne dans l’histoire, dir. par le R. P. Bau330; vgl. P. E. Schramm, Der König von Frankreich, Darmstadt drillart, Paris 1896, 317– 21960, 241 f.

9

DerParadebeleg fürdiesen Ehrennamen istdieLegende eines Cistophors ausdemJahre 28 v. ay/Merrington, The Cistophori Chr.: LIBERTATIS P(opuli) R(omani) VINDEX. Sutherland/Olς 136. RIC I Aug. 10 (= RIC I2 476). Vgl. K.-W. Welwei, Auof Augustus, London 1970, 123– 41 undmeine Bemerkungen in der Festgustus als vindex libertatis, in: AU 16, 3, 1973, 29–

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sche Volk dem Augustus im Jahre 27 v. Chr. die Bürgerkrone (corona civica) und einen goldenen Ehrenschild (clupeus aureus) verliehen, in den die Tugenden eingraviert waren, dieihnauszeichneten: Tatkraft, Milde, Gerechtigkeit, Frömmigkeit (virtus, clementia, iustitia, pietas)10. 25 Jahre später, 2 v. Chr., war diese Ehrung noch verstärkt worden durch die Zuerkennung des Titels „Vater des Vaterlandes“ 1. (pater patriae)1 VomNimbus desRetters umstrahlt hatte Augustus 40 Jahre lang denPrinzipat ausgeübt undwarnach seinem Tode unter die Götter erhoben worden. Seine Nachfolger zehrten vondemideologischen Kapital, dasAugustus angesammelt hatte: Derpater patriae-Titel wurde ihnen allen angetragen1 2, manchem auch seine Retterschaft explizit bescheinigt, Trajan z. B. mit der Formel „Retter des Menschengeschlechts“(conservator generis humani)1 3. Freilich: Bürgerkrone undEhrenschild als Symbole derRetterschaft gerieten imLaufe derZeit mehr und bis sie unter Constantin wieder hervorgeholt wurden. mehr in Vergessenheit14 – Nach demSieg über Maxentius anderMilvischen Brücke imJahre 312 erhielt Constantin, wie ausdemihm gewidmeten Panegyricus des Jahres 313 hervorgeht, vomSenat als Ehrung einen goldenen Schild undeine ebenfalls goldene Krone1 5. VondemSchild sagt derPanegyriker, daßer dervirtus Constantins zukomme, so daß als sicher gelten kann, daß er dem clupeus virtutis des Augustus entsprach. Was die vom Panegyriker mit Constantins pietas verbundene goldene Krone angeht, so darf auch sie auf Augustus, d. h. auf die ihmverliehene corona civica zurückgeführt werden. Die erhaltenen Statuen und Köpfe Constantins mit Eichenkranz16 stellen die Identität von corona aurea undcorona civica außer Zweifel. FürdenVergleich Constantins mit Augustus, dendie Ehrung beider durch Schild

zum 16. Deutschen Numismatikertag Mainz 1991: Politische Ideen auf Münzen, 42 [in diesem Band S. 81 f.]. Speyer 1991, 40– Resgestae diviAugusti c. 34. Res gestae divi Augusti c. 35. DenZusammenhang zwischen Bürgerkrone undpater patriae-Titel hat A. Alföldi, Der Vater 79, stringent herausgearbeitet und des Vaterlandes im römischen Denken, Darmstadt 1971, 67– denUmgang derNachfolger desAugustus mit dempater patriae-Titel scharf beobachtet. Zu monarchischen Herrschaftssymbolen“vgl. P. Zanker, clupeus virtutis undcorona civica als „ 103. Augustus unddie Macht derBilder, München 21990, 96–

schrift

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13 CIL II 2054. 14 Alföldi (wie Anm. 12), 78 spricht von der „letzte(n) Blüte“der Rettersymbolik unter Vespasian. Immerhin erhielten noch Marcus Aurelius undLucius Verus die corona civica (SHA Marc. Ant. 12, 8). 15 Paneg. Lat. 12 (9), 25, 4: Merito igitur tibi, Constantine, et nuper senatus signum deae et paulo ante Italia scutum et coronam, cuncta aurea, dedicarunt ... Debetur enim et semper debebitur et divinitati simulacrum aureum et virtuti scutum et corona pietati. ZurTextgestaltung (deae statt dei) M. Alföldi, Signum deae, in: JNG 11, 1961, 19– 32. 16 Es handelt sich umdie Statue aufdemKapitolsplatz mitderInschrift CONSTANTINVS AVG (auch die andere hier stehende Statue mit der Inschrift CONSTANTINVS CAES trägt den Eichenkranz) unddie in derVorhalle desLateran. Zwei Köpfe mitcorona civica befinden sich in Berlin, einer in Rom. Zusammenfassende Behandlung bei H. P. L’O range, Dasspätantike 361 n. Chr. (Das römische Herrscherbild von Diokletian bis zu denKonstantin-Söhnen 284– 67. Zur Datierung der Lateranstatue vgl. noch M. AlHerrscherbild III 4), Berlin 1984, 58– 65: 312/315 n. Chr. földi, Die constantinische Goldprägung, Mainz 1963, 62–

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undKrone nahelegt1 7, läßt sich m. E. auch die Inschrift des Triumphbogens heranziehen, den Senat undVolk von Rom im Jahre 315 aus Anlaß der Decennalien Constantins stifteten. Bogen und Inschrift verherrlichen Constantins Sieg über Maxentius als Rettertat. Liberator urbis nennt die Inschrift Constantin und bescheinigt ihm, daßer denStaat amTyrannen undseiner Clique durch einen rechtmäßig geführten Krieg gerächt habe18. In ähnlicher Weise hatte Augustus zu Anfang des vor seinem Mausoleum aufgestellten Tatenberichts den von ihm 44 v. Chr. unternommenen Marsch auf Romals Befreiung des Staates von der Tyrannenherrschaft einer Clique undsein Vorgehen gegen die Mörder seines Vaters als 9. Rache, denKrieg gegen sie als rechtmäßig unternommen bezeichnet1 Tenor und 0. Terminologie der beiden Inschriften stimmen ganz und gar überein2 Das aber heißt, daß Constantin in ebenso auffälliger Weise wie Augustus die Retterschaft als Legitimation der Herrschaft über denrömischen Staat in Anspruch nahm. Inschriften in aller Welt priesen ihn als liberator, restitutor, conservator; die Münzen verkündeten die gleichen Ruhmestitel21. Wichtiger aber noch war, daß Constantin selbst sich so bezeichnete, undzwar mit einer aufschlußreichen Zutat: Er führte den Erfolg seiner Rettungsaktion auf ein „ besonderes Zeichen“(singulare signum) zurück. Mit diesem Zitat ist die Inschrift jener Statue angesprochen, die 2. Constantin nach demSieg über Maxentius aufdemForum aufstellen ließ2

17 Th.Grünewald, Constantinus Maximus Augustus, Stuttgart 1990, 21 Anm.54. 18 CIL VI 1139: Imp(eratori) Caes(ari) Fl(avio) Constantino maximo p(io) f(elici)

Augusto s(enatus) p(opulus)q(ue) R(omanus), quod instinctu divinitatis mentis magnitudine cum exercitu suo tamde tyranno quam de omni eiusfactione unotempore iustis rempublicam ultus est armis, arcum triumphis insignem dicavit. Im Mitteldurchgang: Liberatori urbis –Fun92, datori quietis. Ausführliche Interpretation der Inschrift bei Grünewald (wie Anm. 17), 63– vgl. insbes. die Deutung der Ausdrücke liberator urbis, tyrannus, factio undiustis armis (63–

77). 19 Res gestae divi Augusti c. 1: Annos undeviginti natus exercitum privato consilio et privata impensa comparavi, per quem rempublicam a dominatione factionis oppressam in libertatem vindicavi. c. 2: Quiparentem meumtrucidaverunt, eos in exilium expuli iudiciis legitimis ultus eorum facinus etpostea bellum inferentis rei publicae vici bis acie. 20 Vgl. bes. die Entsprechung der Schlüsselbegriffe tyrannus, factio, iustis armis, ultus (Constantinus) –dominatio, factio, iudiciis legitimis, ultus (Augustus). Ebenso entsprechen sich liberator urbis (Constantinus) undvindex libertatis = rempublicam in libertatem vindicavi (Augustus). Schließlich mußdaran erinnert werden, daßbei demprivato consilio derRes gestae mitgehört werden sollte, wasCicero über denEntschluß desspäteren Augustus gesagt hat: Er sei erfolgt divina animi, ingeni, consili magnitudine (Phil. 5, 23, vgl. 3, 3). Dadurch ergibt sich eine Parallele zu instinctu divinitatis mentis magnitudine der Triumphalinschrift Constantins. Selbst dasHeererscheint inbeiden Inschriften. 21 Bequeme Zusammenstellung der betreffenden Zeugnisse bei Grünewald (wie Anm. 17), 63 82 mit den 3. Ergänzend: A. U. Stylow, Libertas undLiberalitas, München 1972, 81– Anm. 1– 237; W. Kellner, Libertas undChristogramm, 195 undderMünzliste 236– Anmerkungen 193– 52. 146. Karlsruhe 1968, 51– 22 Euseb. hist. eccl. 9, 9, 10 (vgl. 10, 4, 16); vita Const. 1, 40, 2. Zu dieser Statue gehörte der 77 mit Kolossalkopf im Hof des Konservatorenpalastes: L’Orange (wie Anm. 16), 70– Behandlung desProblems derzwei rechten Hände.

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Die Inschrift2 3 ist, wie angedeutet, deshalb bemerkenswert, weil Constantin in ihr aufein Zeichen hinweist, dasderStatue als Attribut beigegeben war; es sei ein 4. Symbol der wahren Tatkraft2 Mit diesem Hinweis hat er seiner Rettertat eine besondere Qualität verliehen. Bei dem Zeichen handelte es sich wohl um ein Kreuzszepter25. Constantin tat mit ihm undder Inschrift kund, daß die Rettung, die er Romgebracht hatte, mit Hilfe einer neuen Kraft geschah, der vera virtus, die ihm im Kampf gegen Maxentius zuteil geworden war. Auf ihn selbst bezogen heißt das: Er stellte sich als Retter besonderer Art dar. Diese neue Retterqualität eines römischen Kaisers nun haben die Christen ganz konkret auf sich bezogen und Retter, zumRetter der Christen stilisiert26. Dabei spielte Constantin zu natürlich eine große Rolle, daßConstantin 313 mit Licinius in Mailand die Verfügung traf, daß den christlichen Kirchen das ihnen in der Verfolgung entrissene Eigentum zurückerstattet werden müsse. Die gesamten Vereinbarungen von Mailand konnten als „Wiederherstellung der Kirche“(restituta ecclesia) bezeichnet werden27. Der restitutor rei publicae wurde dadurch auch zumrestitutor ecclesiae. Dasalles hatte in christlicher Sicht jenes Zeichen bewirkt, dasConstantin anseiner Statue auf dem Forum hatte anbringen lassen. Wie immer dafür der lateinische rettende Zeichen“ 28. Ausdruck der Inschrift gelautet hat, für Eusebius wares das „ Als solches galt später, d. h. nach 324, dasLabarum, die Kaiserstandarte mit dem 9. Christogramm2 Das Labarum avancierte zum Unterpfand des Römischen Rei0 ches3 undtrat in seiner Bedeutung andie Stelle desPalladiums, jenes geheimnis-

ihrem

23 Euseb. hist. eccl. 9, 9, 11. In der lateinischen Rückübersetzung des Rufinus (Euseb.-Ausg. von Schwartz p. 833) lautet derText: In hoc singulari signo, quod est verae virtutis insigne, urbem Romam senatumque etpopulum Romanum iugo tyrannicae dominationis ereptam pristinae liῷ ῳτ bertati nobilitatique restitui. Der Anfang des griechischen Textes lautet: Τ τ ύ ο ῷ ἀ η ῳ θ λ τ ε ῆ τ ῖἐλέγ ςἀν ρ χ μ ε ε ίῳ δ ία η ρ ιώ δ ε ισ ς . σ ω τη η ῷἀ θ ε ῖ λ 24 Bei Rufinus (wie Anm. 23: verae virtutis insigne. Eusebius hat die Enallage: τ ῳ ρ ία τ ε ῆ ς(wie Anm.23). δ ςἀ ν γ χ ἐλ έ 25 Zuder umstrittenen Frage, welcher Art dasZeichen in der HanddesKaisers war, s. jetzt R. 39 mit der Entscheidung für das Leeb, Konstantin und Christus, Berlin/New York 1992, 29–

26 27 28

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30

Kreuzszepter. Lactantius (de mort. persec. 52, 2) gebraucht das Bild von der wiederzusammengeführten Herde. Bei Eusebius (vita Const. 1, 41, 2) hallen Lobgesänge aufConstantin als„ allgemeinen ν ) durch dieganze Welt. ο ιν Wohltäter“(κ νεὐεργέτη ὸ Lact. demort. persec. 48, 13. ρ μ ιῶ ε ῖο δ ε ςση ν τη . Rufinus hat das Adjektiv ω Euseb. hist. eccl. 9, 9, 11 (wie Anm. 23): σ η ρ ιώ ςmitsingularis wiedergegeben: singulare signum. ZumBedeutungsunterschied δ η σ ω τ vgl. Grünewald (wie Anm. 17), 71. In derTricennalienrede spricht Eusebius so oft von dem , daßKellner (wie Anm. 21), 97, sagen kann: „Diesen Panegyricus kann rettenden Zeichen“ „ mangeradezu einen Hymnus aufdas‘rettende Zeichen’nennen.“ Das Labarum wurde dem Heer in der Schlacht gegen Licinius (324) vorangetragen und brachte den Sieg: Euseb. vita Const. 2, 6, 2. Von da ab galt es als „ siegbringendes Schutzmitη τ μ ικ α κ ὸ νἀλ ρ ο ν tel“ εξ ): Euseb. vita Const. 7. ZurEntstehung desLabarums zuικ (ν ά ιφ letzt Leeb (wie Anm. 25), 43– 48. Euseb. de laud. Const. 9, 8: σ μ ε ῖο η ντ ῆ ςῬω μ α ῆ ίω ςκ νἀρ χ α ὶτ ῆ ςκαθό λ ο υ β α σ ιλ ε ία ςφ υ λ ρ ιο α ή κ ν τ . ZumBezug derStelle aufdasLabarum H.A.Drake, InPraise of Constantine, Berkeley/Los Angeles/London 1976 (Nachdr. 1978), 71. Unterpfandscharakter schreibt K. Gross, Die Unterpfänder der römischen Herrschaft, Berlin 1935, 21, schon dem

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vollen Idols, das aus Troja nach Romgekommen war undjahrhundertelang den 1. Bestand des Reiches gesichert hatte3 Wie das Palladium von den Vestalinnen 2. gehütet wurde, so dasLabarum voneiner 50 Mann starken Ehrenwache3 Mitdem„rettenden Zeichen“begann also die Christianisierung desrömischen Kaisertums und der Servator-Ideologie, die es umgab. Seine Fortsetzung erfuhr dieser Prozeß durch die Verankerung der Rettertat Constantins im Alten Testament. Dort gab esja ein mit derRettung der Christen vergleichbares Ereignis: die Rettung der Juden aus der Knechtschaft in Ägypten durch Moses33. Eusebius hat die Parallelen zwischen Constantin undMoses aufgezeigt undinsbesondere den Untergang desMaxentius in derSchlacht anderMilvischen Brücke – er ertrank im unddenUntergang des Pharao in den Fluten des Roten Meeres plastisch Tiber – geschildert34, so plastisch, wiediealttestamentliche Szene auf fast 30 Sarkophagen der constantinischen und theodosianischen Zeit dargestellt ist3 5. Gerade dieses dasAufgreifen desMotivs derRettung derJuden durch Moses in letztere Faktum – darf als sicheres Indiz für die Wirkung derChristianisierung derSarkophagkunst – der Rettertat Constantins gelten. Der Vergleich Constantins mit Moses ging so weit, daß der angeblich aufgefundene Mosesstab unter die Kaiserinsignien aufgenommen wurde36. So hat mansagen können, daß Constantin nicht nur mit Moses verglichen wurde, sondern geradezu anseine Stelle trat; er warderneue Moses37.

rettenden Zeichen“derConstantin-Statue „

31

32

40, 2) zu.

von313 (Euseb. hist. eccl. 9, 9, 10; vita Const. 1,

96. Das Palladium soll Constantin nach späteren Quellen vonRom Gross (wie Anm. 31), 69– nach Constantinopel gebracht undauf demForum bei der Porphyrsäule vergraben haben: Chron. Pasch. zumJahre 328, p. 528 derAusg. von Dindorf (Band I) = Chron. Min. I, p. 233; Procop. bell. Goth. 1, 15, 14. Vgl. F. Pfister, Der Reliquienkult im Altertum I, Gießen 1909, 343 mit Anm. 1107. Euseb. vita Const.

2, 8.

15. 33 Exod. 13– 5 (Vergleich 8 = vita Const. 1, 38, 2– 34 Euseb. vita Const. 1, 12 (Jugend); hist. eccl. 9, 9, 5– Milvische Brücke/Rotes Meer).

Brücke hat E. Becker, 171, bes. 163 f. hergestellt. neue Moses“ , in: ZKG 31, 1910, 161– Konstantin der Große, der „ Derselbe Gelehrte hat dann alle s. Zt. bekannten Sarkophage dieses Typs (21) zusammengestellt: Protest gegen denKaiserkult undVerherrlichung des Sieges amPons Milvius, in: F. J. 177. Beweis für Dölger (Hrsg.), Konstantin der Große undseine Zeit, Freiburg 1913, 169– seine These ist vor allem der Sarkophag aus Spalato (Nr. 21), bei dem eine der beiden als „Schlüssel zumVerständnis derVorderwand“(184). Schmalseiten dasLabarum aufweist – Dieneueste Behandlung derSarkophage mitderKatastrophe desPharao imRoten Meer zählt 29 Stücke undgliedert sie zeitlich in 7 constantinische und22 theodosianische: Cl. Rizzardi, I sarcofagi paleocristiani con rappresentazione del passagio del Mar Rosso, Faenza 1970, 32– 122 Note cronologiche e stilistiche. Die Kenntnis des 24 Teoria storica, 110– 108 Catalogo, 22– Buches verdanke ichDr.Friedrike Fless, Mainz. 168. Die Quellen bei Becker, Konstantin d. G., der„neue Moses“(wie Anm. 35), 164– O. Treitinger, Die oströmische Kaiser- undReichsidee, Darmstadt 21956, 131. Vgl. E. Ewig, DasBild Constantins desGroßen in denersten Jahrhunderten des abendländischen Mittelalters, in: HJ 75, 1956, 3; J. Straub, Vom Herrscherideal in der Spätantike, Darmstadt 1964, 124; R. Farina, L’impero e l’imperatore cristiano inEusebio diCesarea, Zürich 1966, 189f.

35 Die Beziehung des Sarkophagthemas zur Schlacht an der Milvischen

36 37

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Die römische Servator-Ideologie warfest mit derVorstellung verbunden, daß derRetter die Sorge für denStaat, demer zuHilfe gekommen war, übernahm. J. Béranger hat die fundamentale Bedeutung der cura rei publicae für die Prinzipatsideologie ins rechte Licht gerückt: Die cura warallumfassend undhatte ein 8. hohes Ziel, den besten Zustand des Staates3 Die enge Verbindung von Retterschaft undÜbernahme der Sorge für den Staat war im Falle Constantins von besonderer Bedeutung. Denn da seine Rettertat auch (oder: gerade) den Christen zugute gekommen war, fiel ihm auch die Sorge für deren Angelegenheiten zu. ίςwar, die Constantin zur τ ν ρ ο Eusebius stellt ausdrücklich fest, daß es diese φ Einberufung von Konzilien veranlaßte39. Ob er dafür auch einen Rechtstitel in 0, Anspruch nahm4 ist für die hier verfolgte Entwicklung zweitrangig, wichtig ist nur die ideologische Herleitung seiner cura ecclesiae von der ihm verdankten Rettung. Dieser Zusammenhang kommt am besten in einer Titulierung zum Ausdruck, welche den Kaisern Valentinian II., Theodosius undArcadius in einer Eingabe zweier Presbyter aus dem Jahre 383 oder 384 zuteil wurde: Vindices Retter und rectae fidei heißen die Kaiser in dem sogenannten Libellus precum, „ 41. Beschützer desrechten Glaubens“ Dieumfassende Fürsorge, welche Constantin denkirchlichen Angelegenheiten er selbst faßte diese Tätigkeit als munus principis auf4 2 -, gab zuteil werden ließ – ihm den Anschein, den christlichen Glauben angenommen zu haben, obwohl er bekanntlich erst auf dem Sterbebett die Taufe empfing. Ambrosius sagte aus der 217. Vgl. A. 38 J. Béranger, Recherches sur l’aspect idéologique du principat, Basel 1953, 169– 166 mit der von Premerstein, Vom Werden undWesen des Prinzipats, München 1937, 117– allerdings irrigen Folgerung, die cura rei publicae habe staatsrechtliche Qualität. Dagegen ρ ο ν τ ίςet la π bündig Béranger, 205: „ ρ ο σ τ ίαauxquelles A. von Premerstein se σ La φ α réfère appartiennent à un autre domaine.“Dazu noch etwa D. Kienast, Augustus, Darmstadt 1982, 73. 39 Euseb. vita Const. 1, 44, 1. Vgl. die Ermahnung Constantins an seine Söhne, der Kirche Gottes ihre Sorge zuzuwenden: 4, 52, 3. 40 W. Ullmann, The Constitutional Significance of Constantine the Great’s Settlement, in: JEH 16,bes. 6 f., meint, dasAmtdesPontifex Maximus habe Constantin zumEingrei27, 1976, 1– fen in kirchliche Angelegenheiten ermächtigt. So auch K. M. Girardet, Das christliche Priestertum Konstantins d. Gr., in: Chiron 10, 1980, 589; ders., Kaiser Konstantin d. Gr. als Vorsitzender vonKonzilien, in: Gymnasium 98, 1991, 550. Manmußdann allerdings fragen, warum Kaiser Gratianus mitderAblegung desPontifex Maximus-Titels sich eines so wichtigen Rechts begab. 41 Coll. Avell. ep. 2, 97 (CSEL 35, 1, p. 35), vgl. ep. 2, 30 (p. 14): catholicae fidei vindices. Für Papst Leo denGroßen haben die Kaiser die Befugnis zumregimen mundi ebenso wie zum praesidium ecclesiae (ep. 156, 3, PL 54, p. 1130). 42 Brief Constantins an denvicarius Africae Celsus imAkten-Anhang (Nr. 7) zu Optatus, Contra Parmenianum Donatistam, jetzt ambesten zugänglich bei V. Keil, Quellensammlung zurReligionspolitik Konstantins des Großen, Darmstadt 1989, 86: Quidpotius agi a mepro instituto meoipsiusque principis munere oporteat, quamutdiscussis erroribus omnibusque temeritatibus amputatis veram religionem universos concordemque simplicitatem atque meritam omnipotenti deoculturam praesentare perficiam. Dazu K. M. Girardet, DerVorsitzende des KonKaiser Konstantin d. Gr., in: K. Dietz/D. Hennig/H. Kaletsch (Hrsg.), zils vonNicaea (325) – Klassisches Altertum, Spätantike und frühes Christentum. Festschrift für Adolf Lippold, 338. Würzburg 1993, 335–

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Rückschau, Constantin habe sich als erster der Kaiser zumchristlichen Glauben bekannt. Er attestierte ihm damit diefides als Grundlage seines Handelns, mehr noch: als Grundlage seines Kaisertums unddamit desKaisertums überhaupt. Denn Ambrosius sah in derfides dasErbe, welches Constantin seinen Nachfolgern hinterließ. Andererseits leitete er die hereditas fidei von Abraham, Isaac undJacob her, womit er das Kaisertum noch über Moses hinaus an Vorbildern der Patriarchenzeit festmachte43 . Diefides als neue Grundlage desKaisertums gab denKaisern eine neue Aufgabe: die Weitergabe, d. h. die Verkündigung des Glaubens. Schon für Eusebius 44. Eine spezielle Erklärung derTat, „Prophet“ , „Herold“ warConstantin „Lehrer“ Prediger“galten, lieferte sache, daßdie Kaiser in derNachfolge Constantins als „ sodann Ambrosius gewissermaßen nach: Helena, die Mutter Constantins, hatte in Jerusalem dasKreuz Christi aufgefunden, auch dieNägel, mitdenen Christi Hände undFüße durchbohrt worden waren. Einen dieser Nägel ließ sie zusammen mit Edelsteinen in ein Diadem einarbeiten, das sie ihrem Sohn schenkte. Wörtlich Er schmückt die Stirn derKaiser, so daßsie sagte Ambrosius vondiesem Nagel: „ 45. jetzt Prediger (praedicatores) sind, die so oft Verfolger (persecutores) waren“ praedicatores, das ist ein Vergleich der Kaiser mit der Rolle, die Persecutores – 6. Paulus in derHeilsgeschichte spielt4 Dieser Vergleich läßt sich bis auf Constantin Laudes Constantini“mit Bezug auf Conzurückführen: Eusebius zitiert in den „ stantin denAnfang des Galaterbriefes, woPaulus vonsich sagt, er sei „ nicht von 7, Menschen noch durch einen Menschen“zumApostel bestellt worden4 undConRede an die Versammlung der Heiligen“von seinem stantin selbst spricht in der „ 8. Glauben als einem Geschenk Gottes, nicht dem eines Menschen4 Es ist daher Ambros. de obitu Theodosii 40 (CSEL 73, 7, p. 392): Cui(scil. Constantino) licet baptismatis gratia in ultimis constituto omnia peccata dimiserit, tarnen quodprimus imperatorum credidit et post se hereditatem fidei principibus dereliquit, magni meriti locum repperit. Ebd. 9 (p. 376): seniores nostri Abraham, Isaac, Jacob ... hereditatem nobis fidei reliquerunt. ο α λ ς. Euseb. vita Const. 1, 4. 2, 61, κ σ ά ιδ 44 Euseb. de laud. Const. 9, 10; vita Const. 4, 29, 5: δ ς. Vgl. hierzu Straub (wie Anm. 37), τη ή φ ο ρ υ ξ ή . Euseb. de laud. Const. 2, 4. 10, 4: ὑπ 1: κ

43

124, Farina (wie Anm.37), 243 f. 45 Ambros. de obitu Theodosii 48 (CSEL 73, 7, p. 396): Bonus itaque Romani clavus imperii qui totum regit orbem ac vestit principum frontem, ut sint praedicatores, qui persecutores esse consueverant. Hierzu M. Sordi, La concezione politica di Ambrogio, in: G. Bonamente/A. Nestori (Hrsg.), I cristiani e l’impero nel IV secolo, Macerata 1988, 146. 46 W. Steidle, Die Leichenrede des Ambrosius für Kaiser Theodosius unddie Helena-Legende, 69) hin, wo Paulus in: VChr 32, 1978, 100 f., weist auf Hieron. ep. 16, 2 (CSEL 54, 1, p. 68– ebenso charakterisiert ist (Paulus ex persecutore fit praedicator). In den zugrundeliegenden Stellen aus den Briefen an Timotheus (I 1, 13. 2, 7; II 1, 11) entspricht übrigens dempraediυ ρ ξim griechischen Text: doctor bzw. magister führt zurück auf ή cator der Vulgata ein κ δ ιδ ο ς α λ σ ά . κ 47 Euseb. de laud. Const. 11, 1. Zitiert wird Gal. 1, 1. ὲ ν μ ῖνδ ὲπ α ίαμ ιδ ε 48 Const. adcoet. sanct. 11, 2 (in derEuseb.-Ausg. vonHeikel p. 166): ἡ ἡ ἐξἀνθρώ ατὰ τ ινἅπ τ ν έἐσ α ε ο ῦδ , θ π ο τ ίαπ ρ α ω τ ώ π νοὐδεμ ο ε σω ν ή . Die ιν ο ῦ ῖςν νἔχουσ ὰτο ρ α ῖπ ε ο ιςεὐδοκιμ ικ α ὶ τρόπ ε σ μ α τ α ,ὅ σ αἐ νἤθ ή ρ δ ω , in: Historia Stelle hat K. M. Girardet, Kaiser Konstantius II. als „Episcopus Episcoporum“ 26, 1977, 110Anm.62, fürdenPaulus-Vergleich herangezogen.

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, το π ό σ ς λ ο , „der Apostelgleiche“ α sehr wahrscheinlich, daß der Ehrenname ἰσ welcher Constantin später zuteil wurde, auf Paulus als Vorbild des Kaisers zielte49. Die Annahme desGlaubens waralso in dieser Konzeption für Constantin und die Kaiser nach ihm gleichbedeutend mit der Übernahme des Missionsauftrags 0: Christi. Eusebius hat auf eine weitere Koinzidenz aufmerksam gemacht5 Der Missionsauftrag wurde einem Kaisertum zuteil, demohnehin derDrang, die GrenzenderErde zuerreichen, innewohnte. Es ergibt sich hier diegleiche Situation wie bei der Servator-Ideologie: Die Christianisierung der römischen Kaiserideologie setzte bei deren zentralen Dogmen an. Ein solches wareben auch die Verpflichtung desKaisers, die Herrschaft desrömischen Volkes auszudehnen. Mankann in Analogie zurServator-Ideologie voneiner Propagator-Ideologie sprechen. Wieeng diese beiden Stränge der Kaiserideologie zusammengehören, zeigt etwa die Inschrift desSeverusbogens aufdemForum Romanum. Sie nennt neben derRettung desStaates dieErweiterung derHerrschaft desrömischen Volkes als Grund fürdie 1. Dedikation5 Die gleiche Zusammenstellung findet sich auf einer stadtrömischen Inschrift fürConstantin ausdemJahre 314. Hier lautet dieDedikation: „ demRetter des Menschengeschlechts, demErweiterer des Reiches undder römischen Herr52.

schaft“

Die Grenzen des Reiches zu erweitern –das war schon das Ziel der großen römischen Feldherren in republikanischer Zeit. Hatten sie es erreicht, dann verkündeten sie es stolz auf ihren Denkmälern. Cicero sagt vondiesen Monumenten, Er hat die Grenzen des Reiches erweidaßsie die stereotype Formel enthielten: „ 53. tert“ Pompeius ließ gar nach seinem 3. Triumph (61 v. Chr.) im Komplex des vonihmerbauten Theaters eine Inschrift anbringen, die seine Taten mitdenWorEr hat die Grenzen des Reiches bis an die Enden der Erde vorgeschoten pries: „ ben“ 54. In diese Tradition stellte Augustus sich mit der vor seinem Mausoleum aufgestellten Inschrift hinein. Sie enthielt seine Taten, „durch die er denErdkreis 55. Der Kaiser Claudius ließ auf der Herrschaft des römischen Volkes unterwarf“ seinen rund umdas Stadtgebiet Roms aufgestellten Pomeriumssteinen kundtun, er hatte Bridaß er das Herrschaftsgebiet des römischen Volkes vergrößert habe – Apostelgleiche“unddasKirchengesangbuch desSeverus von Konstantin, der„ 254, hat aus Antiochien, in: F. J. Dölger, Konstantin d. Gr. undseine Zeit, Freiburg 1913, 248– derTatsache, daßder„Vergleich Konstantins mit Paulus schon an derSchwelle des6. Jahrhunderts eine Art Gemeinplatz liturgischer Poesie darstellte“ , gefolgert, daßmit demPrädikat α π ό ἰσ σ το λ ο ςdieser Vergleich gemeint sei. Vgl. Ewig (wie Anm. 37), 3 f. 50 Belege indenAnmerkungen 59 und60. 51 CIL VI 1033: obrempublicam restitutam imperiumque populi Romani propagatum. 52 CIL VI 1140: restitutori humani generis propagatori imperii dicionisq(ue) Romanae. 53 Cic. de re publ. 3, 24: finis imperii propagavit. Dazu F. Hampl, Das Problem des Aufstiegs Roms zurWeltmacht, in: ders., Geschichte als kritische Wissenschaft III, Darmstadt 1979, 62

49 A. Baumstark,

54 55

f.

ία ςτο ο ιςτ ῖςὅρ Diod. 40, 4: τ ςἡγεμον ρ ιατῆ ῆ ρ β ῆ ο ὰὅ σ ιβ ά ςγ ςπ σ α ς . Vgl. dazu meine Bemerkungen in derFestschrift für Gerhard Wirth, ZuAlexander d. Gr. II (hrsg. von W.Will undJ. Heinrichs), Amsterdam 1988, 872 [indiesem BandS. 30]. Überschrift der Res gestae divi Augusti: quibus (scil. rebus gestis) orbem terrarum imperio populi Romani subiecit. Vgl. auch c. 26: Omnium provinciarum populi Romani ... fines auxi.

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Politik

tannien dazugewonnen56. Für Trajan ist dann zum ersten Mal der Ehrenname Erweiterer des Erdkreises“(propagator orbis terrarum) bezeugt57, den nach ihm „ viele Kaiser in dieser oder ähnlicher Form erhalten haben58, auch, wie schon erwähnt, Constantin. Von Constantin sagt nunEusebius in der Vita des Kaisers, er habe mehr Völker unterworfen als alle früheren Kaiser; bis an die Grenzen der Erde sei er vorgedrungen, nach Britannien im Westen, zudenSkythen imNorden, den Indern im Osten, den Blemmyern und Äthiopiern im Süden59. Das ist ein großartiger Lobpreis auf Constantin als propagator imperii, aber einen solchen hätte auch ein nichtchristlicher Panegyriker formulieren können. Das Neue, Christliche an dieser Eusebius-Passage ist die kausale Verknüpfung der betreffendenTaten Constantins mit dessen christlichem Glauben bzw. seiner daraus resultierenden Gottesfurcht: Die Gottesfurcht hat ihn solche Taten vollbringen lassen; sie sind der Lohn seiner Gottesfurcht. Eusebius geht aber noch weiter: Er unterstellt Constantin die Absicht, allen Völkern den Glauben zu bringen, sie die Gottesfurcht zu lehren60. Ausdehnung des Reiches war unter dieser Voraussetzung auch Ausdehnung des Glaubens. In letzter Konsequenz warder Kaiser daher sowohlpropagator imperii als auchpropagator ecclesiae. Tatsächlich wurde später 1. Kaiser Theodosius mitdiesem Ehrenprädikat belegt: propagator ecclesiae6 Mit derÜbernahme desMissionsauftrags Christi durch Constantin hat sich für Eusebius der Heilsplan Gottes erfüllt, in dem, wie schon für seinen Lehrer Origines, das römische Reich eine besondere Rolle spielte. Er hat dies in der Schrift Praeparatio evangelica“dargelegt. Darin betrachtet er als Werk der göttlichen „ Vorsehung, daßzurZeit derGeburt Christi Augustus die meisten Völker der Welt unter seiner Herrschaft vereinigt hatte. Nurdadurch, d. h. durch die freie Kommunikation, sei es den Jüngern möglich gewesen, den Missionsauftrag zu erfüllen: Gehet hin und lehret alle Völker“(Matth. 28, 19)62. Es ist klar, daß von dieser „ Position aus die schon angesprochene Lehrtätigkeit Constantins als Vollendung derprovidentiellen Rolle desrömischen Kaisertums erscheinen mußte63. Für Eusebius hatte die Erfüllung des göttlichen Heilsplanes unter der Herrschaft Constantins aber noch einen anderen Aspekt: Während die Monarchie des Augustus der Lehre des einen Gottes den Weg bereitete, selbst aber dem alten Götterglauben verhaftet blieb, hat Constantin seine Monarchie ganz nach dem Vorbild der Monarchie jenes einen Gottes gestaltet. Sie ist die Nachahmung η σ ις ) der Herrschaft Gottes im Himmel, der Kaiser das Abbild (ε ίμ (μ ν ἰκ ώ ) 37024. Not. Scav. 1912, p. 197; 1913 p. 56 Neun Steine sind bekannt: CIL VI 31537 a-d, 37022– 68/69. Diehier interessierende formelhafte Wendung lautet: auctis populi Romani finibus. 57 CIL VI 958: propagatori orbis terrarum. 58 L. Berlinger, Beiträge zurinoffiziellen Titulatur derrömischen Kaiser, Breslau 1935, 60 f.

59 60 61 62 63

Euseb. vita Const. 1, 6. 8. ε ια . ZurZusammengehörigkeit derbeiέβ ια . 1, 5, 2: εὐ σ ε σ έβ εο Euseb. vita Const. 1, 4: θ 216. denBegriffe Farina (wie Anm. 37), 211– Oros. 7, 34, 3; Marcell. Comes zumJahre 379 (Chron. Min. II, p. 60). 35. Dazu E. Peterson, DerMonotheismus als politisches Problem, Euseb. praep. ev. 3, 7, 30– 75. ZuOrigines (contra Celsum 2, 30) ebd. 66 f. Leipzig 1935, 71– Vgl. Anm. 44. Peterson (wie Anm. 62), 78, wertet besonders Euseb. vita Const. 4, 29 als Beweis fürdenvonConstantin verwirklichten Monotheismus.

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desVaters, des Herrschers über dasAll. Eusebius hatdas Mimesis-Modell in der Tricennalienrede ausführlich entwickelt6 4. Eine bezeichnende Einzelheit . Eusebius berichtet hier, Constantin Vita Constantini“ findet sich aber auch in der„ habe seinen Amtsträgern vor Augen gehalten, daß sie Gott Rechenschaft schuldeten für ihr Tun. Er (Constantin) habe nämlich vonGott die Herrschaft über die Bewohner der Erde erhalten und in Nachahmung dieser HerrGottes

schaftsübertragung ihnen (den Amtsträgern) bestimmte Aufgabenbereiche zuge5. wiesen. Für deren Verwaltung seien sie Gott Rechenschaft schuldig6 Demnach hätte also Constantin selbst denMimesis-Charakter seiner Herrschaft vertreten. Die von Eusebius geradezu emphatisch verkündete Lehre, daß die irdische Monarchie der himmlischen entspreche, hatte eine gewichtige Folge: Der Glanz, welcher Gott im Himmel umgab, kam auch seinem Abbild auf Erden zu: Die maiestas deiumgab auch denKaiser. Begriff undNimbus dermaiestas als solcher 6. waren von Anfang an mit demKaisertum verbunden6 Von Anfang an trug die kaiserliche maiestas auch sakrale Züge, undsie nahmen zu,je mehr dasKaisertum durch den Kaiserkult der göttlichen Sphäre angenähert wurde. Ihren Höhepunkt göttliche erreichte diese Entwicklung unter Diocletian; der Kaiser besaß nun „ 67. Majestät“ Sie schien nicht mehr steigerungsfähig zu sein, jedenfalls nicht im Rahmen des polytheistisch geprägten Vorstellungsvermögens. Diese Situation hat Eusebius erkannt und mit Hilfe der monotheistischen Gottesvorstellung das scheinbar Unmögliche möglich gemacht: die nochmalige Steigerung der kaiserlichen maiestas. . Mit Der Himmel ist mein Thron unddie Erde der Schemel meiner Füße“ „ diesem Isaias-Vers (66, 1) leitet Eusebius in derTricennalienrede die Schilderung derhimmlischen Herrlichkeit ein. Gott erscheint im Glanz des Lichtes, umgeben von den himmlischen Heerscharen, den Kräften und Gewalten, den Erzengeln, Engeln, Heiligen. Sonne, Mond undSterne stehen als Fackelträger vor den Türen desPalastes, in demer, derwahrhaft höchste Herrscher residiert68. Der Schluß, der sich hinsichtlich dermaiestas ausdieser Schilderung ergibt, kann nurlauten: Diese maiestas ist wahrhaft göttlich: Das genau aber ist die Steigerung gegenüber der von Diocletian in Anspruch genommenen divina maiestas. Constantin besaß als Abbild des einen wahren Gottes auch die wahrhaft göttliche maiestas, so wie ihmdas„rettende Zeichen“diewahre virtus beschert hatte69. Die Christianisierung derkaiserlichen maiestas hatdiese ineine einsame Höhe gehoben: Bei diesem Vorgang gilt es freilich zu bedenken, daß er abhängig war von derfides des Kaisers. Für Constantin traf diese Voraussetzung zu, aber bei

64 65 66

67 68

127. Vgl. auch Straub (wie Anm. 37), Eingehende Analyse bei Farina (wie Anm. 37), 107– 124. 122– Euseb. vita Const. 4, 29, 4. Vgl. H. G. Gundel, Der Begriff maiestas im Denken der augusteischen Zeit, in: G. Binder (Hrsg.), Saeculum Augustum I, Darmstadt 1987, 111– 138. W.Enßlin, Gottkaiser undKaiser vonGottes Gnaden, München 1943, 43 f. unter Hinweis auf CIL VIII 9041: iub]ente divina ma[ie]state Diocletiani. 2. Vgl. die Paraphrase bei Straub (wie Anm. 37), 119 f. Euseb. de laud. Const. 1, 1–

69 ObenAnm.24.

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Politik

seinem Sohn Constantius (II.) geriet sie ins Wanken, weil er Arianer war, also nicht demrechten Glauben angehörte. MitBezug darauf fragte ihnBischof Lucifer von Calaris: „ Wie kann dich die Majestät Gottes umgeben, da du eben diese Majestät bekämpfst?“ 70. Erneut tritt damit die fides als Grundlage der neuen, 1. christlichen Kaiserideologie auf denPlan7 Es erscheint daher nötig, diese Triebkraft aufihre weiteren Wirkungen hinzuuntersuchen, umihre Bedeutung auch für denvorliegenden Fall abschätzen zu können. Dabei kann, wie schon früher, Ambrosius behilflich sein. Christianissimus ist für Ambrosius gleichbedeutend mit fidelissimus. Der fidelissimus imperator ist für ihn das Idealbild des christlichen Kaisers72. In der Leichenrede auf denKaiser Theodosius“brachte Ambrosius nundessen Glauben „ in enge Verbindung mit denvonihmerrungenen Siegen. „ DerGlaube des Theo, versicherte er den zuhörenden Soldaten7 3. Die Ableitung dosius war euer Sieg“ der Sieghaftigkeit des römischen Kaisers von dessen Gläubigkeit hat Ambrosius mit Eusebius gemein. Bei diesem ist es Constantins Gottesfurcht, die ihn zum Sieger gemacht hat74. Aber auch Constantin selbst hat seine Siege, undzwar den über Maxentius wie denüber Licinius, mit seinem Glauben, nämlich deman das , in Verbindung gebracht. Im Jahre 324 nahm er den Titel rettende Zeichen“ „ victor“an und ersetzte durch ihn den bis dahin üblichen ‘heidnischen’ Titel „ . Ja, er rückte victor garandie Spitze seiner Titulatur unddokumentierte „invictus“ so die Macht des Glaubens75. Wie die Majestät desKaisers, so erhielt also auch seine Sieghaftigkeit durch den Glauben eine christliche Dimension. Die Einwirkung der fides auf die Kaiserideologie ging aber noch weiter. Sie veränderte nicht nurderen alte Bestandteile, sie schuf auch neue Bewertungsmaßstäbe kaiserlichen Verhaltens und erstreckte dadurch die Kaiserideologie auf neue Bereiche. Die spektakulärste Neuerung soll im folgenden betrachtet werden –die Erhebung der Demut zur Wasgibt es Herrlicheres als denGlauben eines Kaisers, ... dendie Kaisertugend. „ Frömmigkeit demütig macht?“Mit diesem Lob bedachte Ambrosius den Kaiser demütig machen“ Theodosius in der Leichenrede für ihn76. Das hier mit „ niederbeugen“ und ist wiedergegebene Verb inclinare heißt wörtlich „ gleichbedeutend mit humiliare, „ . Das entsprechende Substantiv ist erniedrigen“

70 Lucifer de s. Athanasio 1, 43 (CSEL 14, p. 143): quomodo te maiestas dei circumdabit, cum expugnans ipsam maiestatem sis? DazuGirardet, Kaiser Konstantius II. (wie Anm.48), 110. 71 Oben Anm. 43. 72 Vgl. bes. Ambros. de obitu Theodosii 12 (CSEL 73, 7, p. 377): Quidpraestantius fide imperatoris ...? Ferner Ambros. ep. 17, 12 (Maur.) = 72, 12 extra collect. (CSEL 82, 10, 3, p. 17):

73

74

Nihil maius est religione, nihil sublimius fide. Ambros. de obitu Theodosii 8 (CSEL 73, 7, p. 375): Theodosii ergofides fuit vestra victoria. Vgl. noch ebd. 7 (p. 375): Recognoscitis nempe, quos vobis Theodosii fides triumphos adquisiverit. ὶ α ιο ςκ : 1,6: Constantin als κύρ ς ία ε υ εβ ρ σ εο ξθ ή Euseb. vita Const. 1, 4: Constantin als κ

ή ς . τ η η ικ ςν δ εσ π ό τ 75 Rösch (wie Anm. 6), 45 f., 159 f. (mit denQuellen). 76 Ambros. de obitu Theodosii 12 (CSEL 73, 7, p. 377): Quid praestantius fide imperatoris, quem... pietas inclinet?

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163

. Ambrosius stellt in dem , „Demut“ Erniedrigung“ humiliatio bzw. humilitas, „ zitierten Satz der Leichenrede für Theodosius eine Abfolge auf: Glaube – humilitas). Daraus ergibt sich, daß für ihn Demut (fides – pietas – Frömmigkeit – Demut die höchste Form der Frömmigkeit ist, unddiese spricht er demKaiser zu7

7!

Wasaber veranlaßte Ambrosius, Theodosius diechristliche Tugend derDemut zuzuerkennen? Die Frage führt zudemvielbehandelten Bußakt vonMailand (390 n. Chr.). Theodosius, der sich in Oberitalien aufhielt, hatte auf die Nachricht von einem Aufruhr in Thessalonike/Makedonien, bei demderkaiserliche Befehlshaber umgekommen war, eine militärische Vergeltungsaktion angeordnet, dieTausenden vonMenschen das Leben kostete. Ambrosius warüber das Gemetzel empört und schrieb an den Kaiser einen Brief, in dem er ihn aufforderte, Buße zu tun. Mit . (Peccavi Ich habe gegen denHerrn gesündigt“ König David solle er bekennen: „ Dies schreibe ich, nicht um Domino, 2 Sam. 12, 13). Dann heißt es in demBrief: „ dich zubeschämen, sondern damit dasVerhalten der(biblischen) Könige dich antreibt, die Sünde von deinem Herrscherbild zu tilgen. Du wirst sie aber tilgen, wenn dudich vor Gott demütig zeigst“ 78. Ambrosius beließ es indes nicht bei der Forderung nach Buße, nach demütigem Sündenbekenntnis. Er drohte demKaiser Ich wage nicht, das Meßopfer darzubringen, mit demAusschluß vomMeßopfer: „ 79. wenndudaran teilnimmst“ Theodosius unterwarf sich derBuße. Es soll amWeihnachtstag desJahres 390 gewesen sein, daß er sich der kaiserlichen Insignien entledigte und in der 0. Bischofskirche desAmbrosius in Mailand öffentlich seine Schuld bekannte8 Der aufschlußreichste Kommentar zudieser Szene stammt vonAugustinus. Er spricht davon, daß das Volk weinte angesichts der tiefgebeugten Hoheit des Kaisers. Augustinus gebraucht das Wort celsitudo für die kaiserliche Majestät undprostratus, , für den äußeren Vorgang des Sündenbekenntnisses. Die inam Boden liegend“ „ nere Haltung nennt er „fromme Demut“(religiosa humilitas)81. Der Bußakt von Mailand –vielbehandelt, wie schon gesagt –ist früher als grundsätzlicher Sieg derKirche über den Staat beurteilt worden, ja, manhat eine gerade Linie erkennen wollen, die vonMailand nach Canossa führe82. DemgegenTugend schlechthin, in der alle anderen wurzeln“ , A. Dihle, Demut, in: RAC 3, 1957, 761. Ambros. ep. 51, 11 (Maur.) = 11, 11 extra collect. (CSEL 82, 10, 3, p. 216): Haec ideo scripsi, non ut te confundam, sed ut regum exempla provocent, ut tollas hoc peccatum de regno tuo. Tolles autem humiliando Deoanimam tuam. Ambros. ep. 51, 13 (Maur.) = 11, 13 extra collect. (p. 216): offerre non audeo sacrificium, si volueris assistere. Ambros. de obitu Theodosii 34 (CSEL 73, 7, p. 388). Das Weihnachtsfest als Zeitpunkt des Bußaktes erscheint erst in derLegende: Theod. hist. eccl. 5, 18, 5. Dazu H.vonCampenhausen, Ambrosius vonMailand als Kirchenpolitiker, Berlin/Leipzig 1929, 240 Anm.2. Augustin. de civ. dei 5, 26: Quid autem fuit eius religiosa humilitate mirabilius, quando ... sic egit paenitentiam, ut imperatoriam celsitudinem pro illo populus orans magis fleret videndo prostratam, quampeccando timeret iratam? Dazu Straub (wie Anm. 37), 140. H.Lietzmann, DasProblem Staat undKirche imweströmischen Reich, Berlin 1940, 10,jetzt in: ders., Kleine Schriften I, Berlin 1958, 223.

77 Die Demut ist „die christliche 78

79

80 81

82

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Politik

über ist W. Enßlin in seiner grundlegenden Untersuchung derReligionspolitik des ein Sieg der Kaisers Theodosius zu dem Ergebnis gelangt, daß in Mailand nur „ Bußgewalt über einen reuigen Sünder“stattfand, also nicht voneinem „ Markstein

Verhältnis von Kirche und Staat“gesprochen werden könne83. Obwohl Enßlins gut begründete These von der Forschung weitgehend akzeptiert worden ist84, findet hin undwieder auchjene ältere Meinung in modifizierter Form einen Vertreter. So unterstellt F. Kolb Ambrosius, denKonflikt mit Theodosius gesucht zu haben. Nachdem er zunächst in einer religionspolitischen die Synagoge von Callinicum am Euphrat betreffend –das Verhalten des Frage – Kaisers seinem bischöflichen Urteil unterworfen habe, sei er in derThessalonike-

in dem beiderseitigen

Affäre dazu übergegangen, auch eine Regierungshandlung in causis rei publicae nach moralisch-ethischen Gesichtspunkten zu beurteilen und–darauf kommt es mit„demütigenden Forderungen andenKaiser“zuahnden. Damit habe er hier an– das kirchliche „Argumentationspotential für eine Überordnung der geistlichen Gewalt über die weltliche sozusagen eine historische Sekunde lang aufblitzen lassen



85.

Demut des Königs David“(AmbroDemütigende Forderungen“(Kolb) –„ „ sius), das ist natürlich nicht dasselbe. Demut vor Gott ist nicht demütigend, nicht herabwürdigend. Sie ist, wie schon gesagt, nach christlicher Auffassung die höchste Form der Frömmigkeit. Theodosius wurde von Ambrosius bereits in einem Brief aus dem Jahre 381 mit dem Prädikat fidelissimus beehrt86, und in dem Brief, mitdemer denKaiser zurBuße aufforderte, erhielt dieser dieauszeichnende ein Beispiel ungewöhnlicher Frömmigkeit“87. Von einem solchen Benennung: „ Kaiser durfte Ambrosius erwarten, daßer auch in derDemut allen einVorbild sein wollte. Es könnte nunimmerhin so scheinen, als ob Ambrosius, indem er vonTheodosius humilitas verlangte, dessen maiestas herabsetzte. Dasist auszwei Gründen nicht derFall. Zumeinen ist daderKönig David, auf denAmbrosius sich berief. Er nannte ihn nicht nur „König“(rex) und „Prophet“(propheta), sondern auch Ahnherr Christi“(auctor Christi), umgab ihn also mit vielfachem Glanz88. Da„ durch, daß Theodosius David nachahmte, ging dieser Glanz auf den Kaiser über. Ambrosius hatte Theodosius schon früher (im Jahre 384) eine Schrift über David, , gewidmet89, so daß er annehmen durfte, daß seine Apologia prophetae David“ „

83 W. Enßlin, Die Religionspolitik des Kaisers Theodosius d. Gr., München 1953, 73. 84 R. Schieffer, Von Mailand nach Canossa, in: Deutsches Archiv für die Erforschung des Mittelalters 28, 1972, 334 bezeichnet dieUntersuchung desMailänder Bußaktes durch Enßlin als . invieler Hinsicht abschließend“ „ 85 F. Kolb, DerBußakt vonMailand: ZumVerhältnis vonStaat undKirche inderSpätantike, in: 74, bes. Geschichte undGegenwart. Festschrift Karl Dietrich Erdmann, Neumünster 1980, 41– 54 (Zitate: 53 bzw. 54). 46– 86 Ambros. ep. 14, 1 (Maur.) = 8, 1 extra collect. (CSEL 82, 10, 3, p. 198): imperator tranquillissime acfidelissime. 87 Ambros. ep. 51, 12 (Maur.) =11, 12 extra collect. (CSEL 82, 10, 3, p. 216): pietatis inauditae exemplum.

Ambros. ep.51, 7 (Maur.) = 11,7 extra collect. (p.214). 185. 89 ZurAbfassungszeit dieser Schrift s. vonCampenhausen (wie Anm. 80), 184–

88

Christianissimus Imperator

165

Bußforderung durch den Hinweis auf David kompensiert oder sogar überhöht würde. Mankannjedenfalls sagen, daßAmbrosius durch denBußakt vonMailand Theodosius zumneuen David erhoben hat. Die Anknüpfung andenalttestamentlichenKönig kamdermaiestas deschristlichen Kaisers in starkem Maße zugute. Sie wirkte im übrigen dauerhaft: Auf demKonzil vonChalkedon (451 n. Chr.) wurde undnovus David akklamiert90. Kaiser Marcianus als novus Constantinus – Derzweite Grund, deres nicht zuläßt, eine Beeinträchtigung dermaiestas des Theodosius durch den Bußakt von Mailand anzunehmen, betrifft die Tugend der Wer aber sich selbst erDemut als solche. Sie geht zurück auf das Herrenwort: „ höht, der wird erniedrigt werden, undwer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht werden“(Matth. 23, 12). Die Erniedrigung, die Demut, ist also eine Quelle der Erhöhung. Wenn diese Erhöhung auch erst im Himmel erfolgt, so umstrahlt den Demütigen doch schon auf Erden der Abglanz der ewigen Seligkeit91. In diesem Sinne kann man vom Kaiser sagen, daß die Tugend der Demut seine Majestät desto heller erstrahlen läßt. Als Ambrosius im Jahre 380 an Kaiser Gratianus die erhabene Dehumilitas lobte, versah er sie daher mit dem Epitheton sublimis –„ mut



92.

Die Einfügung derhumilitas in denkaiserlichen Tugendkanon warzweifellos derschwierigste Aktbei derChristianisierung derrömischen Kaiserideologie. Für die Demut gab es ja keinen Anknüpfungspunkt bei den alten Kaisertugenden. führte derWeg dernächstgelegenen Tugend – Selbst vonderaltrömischen pietas – nur zur christlichen Frömmigkeit im allgemeinen, aber nicht zu deren spezieller Ausprägung, der Demut. Die humilitas mußte vielmehr in das Kaisertum regelrecht hineinprojiziert werden. Damit begann bereits Eusebius, wenn er verbreitete, Constantin habe sich als „ Sklave des höchsten Herrschers“bezeichnet93 . Dieser Demutstitel“ , wie P. E. Schramm ihngenannt hat94, wargewissermaßen das Saat„ korn, das zur Zeit des Ambrosius aufging. Die humilitas brauchte einen Durchbruch. Dazu verhalf ihr Ambrosius mit demTheodosius auferlegten Bußakt von 5 –und König David als Mailand. Jetzt war sie als neue Kaisertugend etabliert9 neuer Ahnherr desKaisertums gewonnen.

90 Acta Conc. Oec. II 2, 2 p. 9 [101]

latein. Version: Novo Constantino Marciano, novo Paulo,

novo David. Dazu Ewig (wie Anm. 37), 6.

91 Vgl. Augustin. de civ. dei 5, 26, wo die ewige 92

93

94 95

Seligkeit nur dem„wahrhaft Frommen“in Aussicht gestellt wird. Ambros. ep. 1, 4 (Maur.) = 12, 4 extra collect. (CSEL 82, 10, 3, p. 220). ρ υ Euseb. vita Const. 1, 6: δ ο ςἀπ τ ικ νἄν κ α λ ο β ῦ ο α λ νκ ῶ ν μ τ α ὶ θεράπο ατ ο ῦπ α γ ῶ νἑαυτό ν ο λ ο . ZurFortführung dieser Bezeichnung durch Constantius II. s. σ ιλ ω έ ςὁμ dieBelege beiGirardet, Kaiser Konstantius II. (wie Anm.48), 111Anm.66. P. E. Schramm, Kaiser, RomundRenovatio, Darmstadt 31962, 142. ZurDemut als Tugend desbyzantinischen Kaisers s. Treitinger (wie Anm. 37), 145– 149, zur abendländischen Entwicklung Schramm (wie Anm. 94), 143– 146. Aufschlußreich ist besonders die Demutsgebärde desKaisers Honorius bei seinem Rombesuch imJahre 404: Er legte sein Diadem amGrabe desApostels Petrus nieder. Augustin. en. in psalm. 65, 4. 86, 8. 140, 21, dazudieneuentdeckte Predigt Nr.61 derMainzer Handschrift (§ 26): R. Klein, Dieneuen Augustinus-Predigten, in: Gymnasium 100, 1993, 370– 384, hier: 374.

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Politik

MitderErhebung derDemut zueiner Kaisertugend ist derHöhepunkt desProzesses erreicht, der hier verfolgt werden sollte. Es dürfte jetzt klar sein, mit welchen Methoden Eusebius undAmbrosius dasfestgelegte System der ‘heidnischen’ Kaiserideologie in eine ebenso festgefügte Ideologie des christlichen Kaisertums verwandelten. Zwei zumTeil ineinander übergehende Verfahren ließen sich beobachten: DieUmfunktionierung römischer Ideologiekomplexe mitHilfe verwandten christlichen Gedankenguts unddie Deduktion alter undneuer Kaisertugenden aus demchristlichen Glauben. Beide Verfahren bedienten sich auch deralttestamentlichen Überlieferung. Eine wichtige Rolle bei der Herausbildung der neuen Kaiserideologie spielte sodann dasVerhalten derKaiser selbst. Constantins Glaube an das „rettende Zeichen“undder Bußakt des Theodosius in Mailand waren signifikante Beispiele. So stellt sich denn dervon einer neuen Ideologie geprägte Kaisertypus dar als restitutor ecclesiae undvindex fidei, alspropagator ecclesiae und praedicator Christi. Ihn umstrahlt die Majestät Gottes, die Gloriole des Siegers im Zeichen derErlösung, die Heilsgewißheit des Demütigen. Er ist der neue Moses, derneue David. Sein Glaube macht ihnzumErben Abrahams, Isaacs undJacobs. Mit einem Satz: Er ist der christianissimus imperator, der „allerchristlichste Kai96. ser“

96 Für tatkräftige Hilfe bei der Quellen- undLiteraturbeschaffung danke ich den wissenschaftlichen Hilfskräften desInstituts für Alte Geschichte derUniversität Mainz, Johannes Deissler, Stephanie Hoffmann undChristine Raedler. UmdieHerrichtung desManuskripts hatsich die Institutssekretärin, Hannelore Caps, verdient gemacht. Die Druckvorlage erstellte dankenswerterweise Dorothea Schäfer M.A., wissenschaftliche Mitarbeiterin der Kommission für Geschichte desAltertums derAkademie derWissenschaften undderLiteratur, Mainz.

Sullas Brief an den Interrex L. Valerius Flaccus* Zur Genese der sullanischen Diktatur Magistris Coloniensibus, quorum nomina h. c. infra nomino, cum A. D. MCMLXXV natalem egerint sive LXV. sive LXX. sive LXXV., hoc opusculum d. d d. auctor gratissimus Gegen Ende desJahres 82 v. Chr. trat in Romnach demTode desKonsuls Cn. Papirius Carbo Vakanz des höchsten Staatsamtes ein1. Umsie zu beenden, legte Sulla, dermit seinem ausdemmithridatischen Krieg heimgeführten Heer die Lage in Rom und Italien beherrschte, dem Senat die in einem solchen Falle übliche Wahl eines Interrex nahe2. Gewählt wurde derprinceps senatus L. Valerius Flaccus3 . Sulla selbst nahm an der Wahlhandlung nicht teil; er hatte das Stadtgebiet verlassen, umseinerseits die Rückkehr zu staatsrechtlich normalen Verhältnissen zudokumentieren4. 569. in: Historia 24 (1975) 555–

1

2 3

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Demnachfolgenden Aufsatz liegt das Manuskript meines Kölner Habilitationskolloquiums vom7. 2. 1968 zugrunde. Bei derAusarbeitung habe ich dankbar dieteils bestärkenden, teils kritischen Hinweise von H. Dahlmann, F. Vittinghoff, H. Volkmann †und L. Wickert berücksichtigt. Besonderen Dank schulde ich E. Badian, dersich brieflich ausführlich über meinenVortrag äußerte undmirwertvolle Erkenntnisse vermittelte. Carbo wurde vonPompeius aufSizilien hingerichtet (App. b. c. 1, 96 [§ 449], Plut. Pomp. 10, 5). ZumZeitpunkt, etwaAnfang Dezember 82 v. Chr., vgl. J. Jahn, Interregnum undWahldiktatur (Frankfurter Althistorische Studien 3), 1970, 161 f. Der andere Konsul des Jahres 82 v. Chr., C. Marius, warin Praeneste kurz nach der Schlacht an derPorta Collina (1. November 82 v. Chr.: Vell. 2, 27, 1) umgekommen, vgl. F. Münzer, RE 14, 2 (1930) 1814 f. mit den Quellen.

ρ ο ῇπ σ έτ υ α λ ῇδ ὲβο App.b.c. 1,98(§458): τ ξ ε ν ἑλ θ έσ α ιτ ετ ὸ νκαλούμεν ο α νμ ξ ὺ β α σ ιλ έ α . App.b. c. 1, 98 (§ 459). Flaccus’Stellung alsprinceps senatus bezeugt Liv. per. 83. ῆ θ ο λ ε. Sulla betrachtete sich als τ υτῆ έ ὐ ὸ νπ ό ςπ λ εω ςμ App. b. c. 1, 98 (§ 458): α ςὑπ εξ Inhaber eines rechtmäßig übertragenen imperium proconsulare undals Anwärter auf denTriumph. Eigentlich hätte er das Stadtgebiet gar nicht betreten dürfen (vgl. Th. Mommsen, Römisches Staatsrecht I3, 1887, 129 f. 641). DadieNotwendigkeit derAuseinandersetzung mit seinen Gegnern diesjedoch erfordert hatte, bezeichnete dasVerlassen derStadt dasEndejener Ausnahmesituation. Sullas Handlungsweise widerlegt die Vermutung von B. Wosnik, Untersuchungen zur Geschichte Sullas (Diss. Würzburg 1963) 96, er habe das imperium vor Verlassen der Stadt niedergelegt. Der Zeitpunkt hierfür war erst mit der tatsächlichen Übernahme der Diktatur gekommen. Andererseits hat Wosnik a. O. 96 Anm. 2 recht, wenn er gegen die von D. Kienast, Imperator, SZ 78, 1961, 415 behauptete Beibehaltung des imperium proconsulare bis zumTriumph (30. Januar 81 v. Chr.) auf die Triumphalfasten hinweist, die Sulla als dictator ausweisen.

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Recht

Von Flaccus erwartete man, daßer Konsularkomitien ansetzen werde5 . Stattdessen trat er mit einem an ihn gerichteten Brief Sullas vor die Volksversammlung, derinseinzelne gehende Vorschläge füreinen Gesetzesantrag enthielt, durch denzurÜberwindung derderzeitigen Notlage eine besonders geartete Diktatur ins Leben gerufen werden sollte. DerBrief Sullas ist einzig bei Appian überliefert6 . Manmöchte natürlich gerne wissen, auf welchem Wege er zur Kenntnis dieses späten Historikers gelangt ist. Daß er letztlich auf die Memoiren Sullas zurückgeht, mußm. E. schon deshalb angenommen werden, weil man sich schlechterdings nicht vorstellen kann, wie sein Wortlaut sonst bekanntgeworden sein könnte7. Das Werk Sullas darf aber auch seinem Charakter nach als dergegebene Publikationsort gelten. Denn es hat ja die res gestae ihres Verfassers zumGegenstand, d. h., es will seinen Anteil am Zeitgeschehen hervorheben8 . Dieser Intention hätte es nicht entsprochen, wenn Sulla darin nur berichtet hätte, daß ihm die Diktatur übertragen worden sei; er mußte betonen, daßdies aufseinen Wunsch hingeschah. Diewörtliche Anführung seines Briefes an den Interrex L. Valerius Flaccus war dafür die prägnanteste Form. Daß Sulla sich solcher ‘Dokumentation’ in seinen Memoiren durchaus bediente, zeigt dasStück einer Rede ausdem2. Buch, dasGellius aufbewahrt hat9. Diese allgemeinen Erwägungen über die Herkunft des sullanischen Briefes bei Appian bedürfen natürlich der Ergänzung durch spezielle, bei der Interpretation des Textes zu gewinnende Argumente. Jetzt aber schon sollte demEinwand begegnet werden, Sullas Memoiren reichten garnicht bis zudemEreignis, vondem der Brief spricht, sondern endeten mit der Schlacht an der Porta Collina10. Dazu ist zu sagen, daßes sich bei diesem ‘Endpunkt’ umnicht mehr als eine Vermutung handelt, undzwar nicht einmal eine plausible. Denn wenn das Werk Sullas, wie Ida Calabi wahrscheinlich gemacht hat, in zwei große Abschnitte eingeteilt war, Prokonsulat/Diktatur) orientierdie sich amcursus honorum (Quaestur/Konsulat – 1, so ist nicht einzusehen, warum dem Höhepunkt des ersten Abschnitts ten1 (Konsulat) nicht ein ebensolcher des zweiten (Diktatur) entsprochen haben sollte,

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ιο νδ νΦ ὲ ά α λ ὴΟ ὐ λ κ ο , ἐλ κ νεἵλετ ο π έρ ίσ ν α τ σ ω αὑπ ά App.b. c. 1,98 (§ 459): ἣμ το ν ν ή ία σ θ εσ α ι χειρο . Der lat. terminus technicus lautet comitia consularia ediceρ ο τεθ π re, Liv. 4, 57, 9 u. ö., vgl. Mommsen, Röm. Staatsr. I 371, Anm. 6. 460). App. b. c. 1, 98 (§ 459– 5), Ähnlich verhält es sich mitdemBrief Caesars anMetellus Pius Scipio (Caes. b. c. 3, 57, 2– denanscheinend Varro seiner Schrift Pius autdepace (Gell. 17, 18) zugrunde legte, H.Dahlmann, Varronische Studien I (Abh. Ak. Mainz 1957, 4) 159 ff. Das war, wie M. Gelzer, Caesar (61960) 213 Anm. 190 bemerkt, erst nach der Veröffentlichung von Caesars Bellum Civile möglich. Indieser Beziehung warQ. Lutatius Catulus (cos. 102 v. Chr.) Sullas Vorgänger. Er strich in seinem Werk deconsulatu et derebus gestis suis seine Leistungen imKimbernkrieg gegenüberseinem Mitkonsul Marius heraus, Cic. Brut. 35 (§ 132), Plut. Mar.25, 8.

9 Gell. 20, 6, 3 = fr. 3 (HRR I 195 f.). 10 Vgl. I. Calabi, I commentari di Silla come fonte storica, Atti Accad. Linc. Anno 348, 1950, ser. 8, 3 (1951) 302. 11 Calabi a. O. 302.

Sullas Brief

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hier vielmehr der Sieg im Bürgerkrieg diese Funktion erfüllt hätte12. Gelingt es also in dernachfolgenden Untersuchung, denvorläufigen Befund zuerhärten, daß dervonAppian mitgeteilte Brief Sullas aufdessen Wortlaut zurückweist, so würde

zugleich ein gewichtiges Beweisstück dafür zutage gefördert, daßin den MemoirenSullas noch dieÜbertragung derDiktatur dargestellt war. 3. Nunbietet Appian denBrief in indirekter Form1 Hater ihn bereits so umgestaltet in seiner Quelle vorgefunden oder ist die Umsetzung ausderdirekten in die indirekte Form sein Werk? War es der lateinische Urtext, den er vor sich hatte, oder stützte er sich auf eine griechische Übersetzung? Auch auf diese Fragen muß eine Antwort gefunden werden. Das kann allerdings erst geschehen, wenn geklärt ist, obAppian densullanischen Brief korrekt wiedergegeben hat. Es empfiehlt sich, den Text für seine Durchleuchtung in zwei, den Paragraphen derAusgabe Vierecks entsprechende Abschnitte zuzerlegen. Im ersten referiert Appian Einleitung undHauptteil dessullanischen Briefes, imzweiten enthüllt wieder in indireker denSinn derWorte Sullas, indem er denBriefschluß, dener – anführt, zumHauptteil inBeziehung setzt. terForm –

I

II

ῳγνώ η νἐ ςτ μ ὸ ν ῷΦ κ ά κ λ ε τ λ έσ ετ λ ύ λ ὲΣ α λ ςἐπ § 459 ὁδ μ ρ ῖτ ῷπ ο ῆ γ οΣ ό νἐσεν κ ῖν α ε ο ύ ν νἡγο λ τ ,ὅ λ α ι ε τ ι χρήσιμ ςἐ δ ντ ή ν θ ἔσ ιτ ῇπ ό , ο εσ α λ ε ιτ ὓ ὴ νἀρχ α ςἐκάλ ς , π υ νδικτάτορ α ο υ μ εν α ο ο κ νἔθ ςἐ κτετρ ο ὲἕλοιν σ σ ά ίω τ ε ν ε υ νὃνδ ο , ἐκέλ νἐτῶ ρ ρ ι τ χ ε ινο ὴ ν π κἐ ν ν ὐ ό μ ο ςχρό , ἀ ἄ έ νῥητό λ ι χ ν α λ κ ὶ τ λ ὴ ν ὰ · ὴ η νὅ νσ τ α λ ά σ χ Ἰτ ε σ ικ ιςσεσ λ νἀρ ο νκ ὴ ὶπ ία α α ο ὶτ α λ έμ λ ε υ μ έ η ν ν ρ σ η ίσ τ ειε ν . Sulla aber schrieb an Flaccus, er solle folgendes dem Volke vortragen: Sulla glaube, daßbei demaugenblicklichen Stand der Dinge die Amtsgewalt (solcher Magistrate), die sie als Diktatoren bezeichneten, demStaat vonNutzen sein werde, eine Gewohnheit, die seit 400 Jahren aufgehört habe. Derjenige aber, den sie wählten, solle nicht für eine bestimmte Zeit im Amte bleiben, sondern solange, bis er Rom, Italien unddas ganze Reich, das durch Parteikämpfe undKrieg erschüttert sei, (neu) geordnet habe. η ρ νἐ νδ ὴν ετ ὲ ε μ ςαὐ τ ο ὸ ῦ νΣ ὸ νἔφ ςτ ὴ νγνώ ύ § 460 ὁμ λ λ α ν , ο ίβ λ ο νἦ νὁδ ᾽ἀμφ κ α ὶο δ ὐ ὶ α ο ῦκ τ ναὑ ὼ σ χ α τ ὲΣ ύ λ ὐκα λ α ςο ᾽ ά ῆ ῆ λ ισ ᾽ἐ ςἀνεκάλυπ τ το ντέλ ε ιτ ςἐπ ῦ τ ισ ιο τ τ ν ε ,ὅ ἱδοκ λ ο ίημ ·το

ή ο σ ιμ ς . ῷ δ θ εγενέσ ιχρ α ε τ ὸ ό ικ λ α ὶἐ ὐ ῇπ ν ςτ τ ν α ἂ

Dieser Vorschlag bezog sich auf Sulla selbst, daran konnte es keinen Zweifel geben. Denn Sulla tat sich keinen Zwang an und machte dies am Schluß des Briefes kund: ihm sei es sehr erwünscht, dem Staat auch in dieser Stellung nützen zukönnen.

12 Calabi a. O. 301 erwägt selbst, ob nicht die Rede Sullas vor dem Volk (App. b. c. 1, 95 [§ 441]) denwirkungsvollen Abschluß gebildet habe. η μ γ νἐ μ ν ο ῳ ώ ν ςτ ὸ νδῆ ῷ Φ λ ά κ κ λ ε τ λ λ α ετ ὲΣ ύ λ έσ ςἐπ 13 App.b.c. 1,98(§459): ὁδ ἐσ κ εν ε ῖν ,ὅ τ ι... εγ

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Recht

DieInterpretation hatbeidenamEnde desersten Satzes erwähnten 400 Jahren einzusetzen. Hierbei undüberhaupt soll so verfahren werden, daßdie in demBrief enthaltenen Wünsche Sullas an ihrer durch die lex Valeria (de dictatore creando) erfolgten Realisierung überprüft werden. Eine andere Kontrollmöglichkeit besteht wegen derÜberlieferungsverhältnisse leider nicht. Darf man Sulla die Feststellung zuschreiben, es habe seit 400 Jahren keinen Diktator mehr gegeben? Einen solchen „ Schnitzer“möchte mandoch wohl lieber 3a.Aber Appian Appian anlasten, wie es zuletzt Gabba und Gelzer getan haben1 war bekannt, daß die Römer „früher“(π ά λ ι) in Notzeiten Diktatoren zu bestelα lenpflegten unddaßdieser Brauch noch imJahre 217 v. Chr. zurAnwendung gekommen war14. Es fällt zudem auf, daß Appian in der Einleitung zu den Bella civilia, woer aufdasselbe Faktum, dieWiederaufnahme derDiktatur durch Sulla, zu sprechen kommt, zur Kennzeichnung der Zeitspanne, in der die Institution außer κ seit langem“(ἐ Gebrauch war, statt einer bestimmten die unbestimmte Angabe „ π ο λ ) verwendet15. Kann man angesichts dieser Zeugnisse jenes monstrum λ ῦ ο α κ ο σ ίω ν erroris, wie Schweighäuser dasZahlwort 400 in derWendung ἐ κτετρ ἐ τ ῶ νbezeichnet, Appian wirklich zutrauen? Der eben genannte Appian-Editor wagte es jedenfalls nicht. Da er keine passende Konjektur zurHand hatte, ließ er die Stelle für dasZahlwort einfach frei16. Schweighäuser glaubte also an einen Überlieferungsfehler. Darin folgte ihm α Nauck, derfür die Appian-Ausgabe Mendelssohns die Änderung vonἐ κτετρ εν ρ ω νγ ε ῶ νvorschlug1 7. Aus400 Jahren würden so 4 νzuτεττά ῶ νἐτ κ σ ίω ο Generationen. Diese Konjektur basiert, abgesehen vonderpaläographischen Möglichkeit, auf dervonVelleius Paterculus undPlutarch gebotenen rechnerisch richtigen Angabe, zwischen derletzten Diktatur (imJahre 202 v. Chr.) undderErneue8. rung durch Sulla (im Jahre 82 v. Chr.) lägen 120 Jahre1 Es kennzeichnet die Situation, daßMendelssohn sich nicht entschließen konnte, Naucks Konjektur in den Text zu setzen. Er ließ das überlieferte Zahlwort unangetastet1 9. Sollte man dies nicht als Mahnung auffassen, die ominösen 400 Jahre ernst zu nehmen, d. h. zu 13a E. Gabba, Appiani bellorum civilium liber primus (1958) 269 (zu § 459) meint, Appian habe Unaufmerksamkeit“(disattenzione) die bei Dionys. Hal. 5, 77 erwähnten 400 Jahre, durch „ die zwischen der 1. Diktatur undder Sullas vergangen seien, übernommen, obwohl es doch fürihnnicht aufdie 1., sondern dieletzte Diktatur ankam. Vgl. dens., Appiano e la storia delle guerre civili (1956) 96. – M. Gelzer, Gnomon 31, 1959, 181 = Kl. Schr. III (1964) 293 lehnt an flüchtige die vonGabba gezogene Verbindung zu Dionys vonHalikarnaß ab; er denkt „ . Wiedergabe derQuelle, dieeinen Rückblick aufdieEntstehung derDictatur warf“ 14 App. b. c. 1, 99 (§ 462), Hann. 11 (§ 48). ις α τ ω τ ά ερ β ο ῖςφ ο ὶτ π ὶἐ α εκ ρ α ςἐκάλ 15 App. b. c. 1, 3 (§ 9): ο ντ ὓ ο υ ςδικτάτο ή ν ο υ ςτιθέμεν . ο ν ιἐ ιςἑξαμ α ρ ία ε κπ εσ ο λ χ ῦδιελελοίπ λ ο 16 J. Schweighäuser, Appiani Alexandrini Romanarum historiarum quae supersunt II (1785) 139. 17 L. Mendelssohn, Appiani Historia Romana II (1881) 663. 18 Vell. 2, 28, 2, Plut. Sulla 33, 1. Der Diktator des Jahres 202 v. Chr. –er fungierte comitiorum war C. Servilius Geminus, T. R. S. Broughton, The Magistrates of the habendorum causa – Roman Republic I (1951) 316. Die Einzelheiten dieser Wahldiktatur bei Jahn a. O. 144 ff. 19 Ebenso verfuhr P. Viereck in derEditio altera correctior (Appiani Historia Romana II, 1905, . Die 4 Generatiovix recte“ 108). Er versah sogar die Konjektur Naucks mit derBemerkung „ nenNaucks tauchen dagegen wieder aufbei Wosnik a. O. 89.

Sullas Brief

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versuchen, sie als sinnvoll unddamit als Bestandteil des sullanischen Briefes zu erweisen? Nach Annahme der lex Valeria (de dictatore creando) durch die Volksver0 sammlung2 w urde Sulla von demInterrex L. Valerius Flaccus zum Diktator er1. Über die Art seiner Diktatur hatte die lex Valeria zwei Bestimmungen nannt2 getroffen: die eine regelte die Kompetenz, dieandere diezeitliche Erstreckung. ὶ Betreffs der Kompetenz überliefert Appian folgende Formulierung: ἐπ

ῆ ιτ σ ε ς ά ά τ σ σ α τ ,κ ε ιε α ὶκα ιμ ᾽ἑαυ τ ο ῦδο κ θ έ ω ν σ ,ὧ ε ινόμ τ ναὐ ὸ ςἐφ 22. π ο ιτείας Dasist, wie leicht ersichtlich, die griechische Wiedergabe derlateiλ nischen Formel legibus scribundis et reipublicae constituendae23, deren erster Teil für die Schöpfer des Zwölftafelgesetzes, die decemviri legibus scribundis, und deren zweiter Teil für die Männer des 2. Dreibundes, die triumviri rei publicae constituendae, bezeugt ist24. Die zweigliedrige Kompetenzbezeichnung der sullanischen Diktatur liegt zwar nur bei Appian vor25, aber ihre sachliche Fundierung wird bestätigt durch Äußerungen vonCicero undLivius, die das Werk Sullas dahingehend charakterisieren, daßes wesentlich in Gesetzgebung undStaatsneuordμ νgehörigen Relativsatz ὧ ω έ ιν σ ε π ό ὶθ nung bestanden habe26. Was denzu ἐ ν ά σ ε ιεanbelangt, so spricht er keineswegs gegen die ο υ ῦδ κ τ ο ιμ ᾽ἑα τ ὸ ὐ ςἐφ α μ νκ ω ὶθ π έ α σ ὶκ ε ι νό α α τ σ τ ά σ ε ι titulare Geltung der Zweckbestimmung ἐ

20 ZuderNovität, daßein Interrex die legislative Initiative ergreift, vgl. zuletzt Jahn a. O. 163 f. Die Abstimmungssituation in denKomitien kennzeichnet Sisenna fr. 132 (HRR I 295): multi

populi, plurimae contionis dictaturam omnibus animis et studiis suffragaverunt. 21 Cic. Att. 9, 15, 2: Sulla potuit efficere ab interrege, utdictator diceretur. Nach App. b. c. 1, 99 (§ 461): Ῥ μ ι ... χειροτονο ῖο α ὸ σ νΣ ύ ῦ ιτ λ λ ω α ν ,ἐ ν ο έλ νθ ο ι, τύραν ναὐ ο ςὅ σ τ ο ρ ρ αkönnte es so scheinen, als sei Sulla vomVolk gewählt worden. Dasist so zuversteά τ ο κ hen, daß die lex Valeria Sullas Namen als den des zu ernennenden Diktators enthielt, vgl. Sulla ernannte seinerseits L. Valerius Flaccus zummagister equitum, Fasti Wosnik a. O. 99. –

Capitolini, CIL I2p. 27 = Inscr. It. XIII 1 p. 130. 22 App. b. c. 1, 99 (§ 462). 23 Mommsen, Röm. Staatsr. II 703, U. Wilcken, ZurEntwicklung derrömischen Diktatur, Abh. Preuß. Ak. Wiss. 1940, 1, 8, Gabba im Kommentar zu § 462 (p. 270). Zu dem in der Formel nicht berücksichtigten Relativsatz ὧ ᾽ἑα να ὸ υ ὐ τ τ ςἐφ ο ῦδο ά σ ε κ ιμ ιεvgl. die Ausführungenoben imText. 24 Decemviri legibus scribundis bzw. scribendis: CIL I2p. 16 = Inscr. It. XIII 1 p. 27 (Fasti Capitolini), CIL I2 p. 56 = Inscr. It. XIII 1 p. 147 (Fasti Feriarum Latinarum), Gell. 17, 21, 15, φ ο ιbzw.νομ ρ ά γ ο ο μ θ έ τ α ιspricht Diod. 12,23, 1. ο Suet. Tib. 2, 2. VondenDezemvirn alsν 24, 1. –Triumviri rei publicae constituendae: CIL I2p. 64 = Inscr. It. XIII 1 p. 274 (Fasti Colotiani), Res gestae divi Augusti c. 1 (hier auch die griechische Übersetzung des zweckbeμ μ ο ά η γ σ τ ίω ρ νδ ω ῶ α ιτ ν νπ ε σ , vgl. App. b. c. 4, τ ά τ α σ stimmenden Dativs: ἐ α π ὶτ ῇκ ), Suet. Aug. 27, 1: triumviratus rei publicae ν τω ν ρ ό ὶκ τ ῶ α α νπ α σ τ ά ιτ σ ε 7 [§ 27]: ἐπ constituendae.

25 A. Degrassi, Inscr. It. XIII 1 p. 130 zweifelt, ob sie in denFasti 26

Capitolini gestanden hat. Er ergänzt nur: rei publicae constituendae causa. Cic. Brut. 90 (§ 311): leges et iudicia constituta, recuperata respublica. Liv. per. 89: Legibus novis rei publicae statum confirmavit. Die letztere Stelle sieht auch Cl. Nicolet, Le De Republica (VI 12) et la dictature de Scipion, REL 42, 1964, 215 als Bestätigung Appians an.

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τ ῆ ςπ εία ο ιτ λ ς= legibus scribundis et rei publicae

constituendae27. Denn in Gesetzestexten erscheinen auch sonst Relativsätze bzw. präpositionale Wendungen, die bei prägnantem Zitat undvor allem bei titularer Verwendung derbetreffenden Klausel unterdrückt werden28. Vielleicht geht der griechische Relativsatz auf die lateinische Formel ex ipsius voluntate in der lex Valeria zurück29, deren diesbezüglicher Teil gelautet haben könnte: (Velitis iubeatis,) ut dictator creetur, qui et leges ex ipsius voluntate scribat et rempublicam constituat30. Wieaber kames zurFormulierung dieser für die Diktatur neuartigen Spezialkompetenz? Daß sie Sullas Intentionen entsprach, darf als sicher gelten. Desgleichen wohl auch, daßsie auf seinen Vorschlag hinzustande kam. Damit träte dann wieder der Brief Sullas an denInterrex L. Valerius Flaccus in unseren Gesichtskreis, undzwar vor allem der Passus, in demvon einer Magistratur die Rede ist, diees seit 400 Jahren nicht mehr gegeben habe (§ 459). In demvonAppian mitgeteilten Text des sullanischen Briefes ist vonderangestrebten legislativen Gewalt direkt nicht die Rede. Will mandenin derlex Va1 leria vollzogenen Rückgriff auf die Dezemvirn undderen Titulatur3 erklären, so bleiben als ‘Spurweiser’ nur die 400 Jahre jenes Briefes übrig. Rechnet man sie zurück, so stößt man in der Tat auf die decemviri legibus scribundis32; sie zu Sullas Diktatur in Beziehung zusetzen, hindert nur, daßbei Appian von Diktatoren die Rede ist, die seit 400 Jahren nicht mehr eingesetzt worden seien. Nichtsdestoweniger gilt es festzuhalten, daßjene 400 Jahre die aufgrund des Überlieferungsstandes einzige Möglichkeit darstellen, die zweifellos vorhandene sachliche undtitulare Verbindung zwischen demDezemvirat undSullas Diktatur zu erklä-

ren.

Diesem Indiz für den sullanischen Ursprung der 400 Jahre Appians läßt sich ein zweites hinzufügen: Bei Velleius Paterculus undPlutarch beträgt derAbstand,

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31 32

Wosnik a. O. 100 f. findet denRelativsatz „ auffällig“undmöchte die ganze Angabe Appians nurals„allgemeine Umschreibung sullanischer Macht“verstehen. Vergleichbar ist besonders Cass. Dio 54, 10, 6 (Antrag für Augustus im Jahre 19 v. Chr.): θ ρ ο ῦ ντ ν ε επ τ υ ε ά ν τ ὸ . Diehier erwähnte τ ααὐ νκ ῖνὅ α σ δ ιο ὶνομοθ ιτ οἠξίο αβούλο θ ε τ μ ο ε ο ύ ῖνὅ σ αβ λ ο ) ging in den Titel curator legum (et ο ιτ ο Gesetzgebungsbefugnis (ν morum summa potestate) ein, Res gestae divi Augusti c. 6. DieUmschreibung derSulla durch dielex Valeria übertragenen Machtbefugnis beiCic. Verr. 2, 3, 82: ut ipsius voluntas ei posset esse pro lege könnte sich an den Wortlaut der lex anlehnen. Daßeingriechischer Relativsatz einer lateinischen präpositionalen Wendung entsprechen ῃimVergleich mit Lex de imp. Vesp., ή σ ελ νἐθ ά ιςἂ σ κ kann, zeigt Cass. Dio 54, 3, 3: ὁ ILS 244, 7: ex voluntate auctoritateve. Die Rogationsformel velitis iubeatis z. B. bei Cic. de domo 17 (§ 44), vgl. Mommsen, Röm. Staatsr. III 312 Anm. 2. ZurVerwendung derkorrespondierenden Konjunktion et in solchem Zusammenhang vgl. Cic. rep. 2, 36 (§ 61): inita ratio est ... ut Xviri maxima potestate sine provocatione crearentur, qui et summum imperium haberent et leges scriberent. Zu ex ipsius voluntate s. dievorige Anm. ZurAnknüpfung dersullanischen Diktatur andasDezemvirat vgl. L. Pareti, Storia di Roma III (1953) 611. 630, E. Valgiglio, Silla e la crisi repubblicana (1956) 70 f. H. Volkmann, Sullas Marsch auf Rom(1958, Nachdr. 1973) 70. 400 ist natürlich eine runde Zahl wie bei Cic. rep. 1, 37 (§ 58) [wo allerdings minus hinzugesetzt ist]. Inbeiden Fällen ergibt sich eine Differenz vonmehreren Jahrzehnten.

Sullas Brief

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der Sullas Diktatur von der letzten Verwendung dieses Amtes trennt, 120 Jahre33. Daß es sich hier umexakte Berechnung handelt, ist bereits oben S. 170 gesagt worden. Sie läßt aber außer Betracht, daß Sulla unmöglich an die degenerierte gedacht haben kann, die C. comitiorum habendorum causa – Form der Diktatur – Servilius Geminus im Jahre 202 v. Chr. übertragen worden war34. Die 120 Jahre bei Velleius undPlutarch geraten dadurch in Verdacht, formalistischem Denken entsprungen zu sein. Man kann diesen Denkprozeß nachvollziehen, wenn man annimmt, daß in der nachsullanischen Geschichtsschreibung die 400 Jahre Sullas nicht verstanden, d. h. als (formal) falsch angesehen wurden. Die 120 Jahre wären dann als spätannalistische Korrektur der400 Jahre35 unddamit als Beweis für derendokumentarische Existenz aufzufassen; sie ständen zuihnen imVerhältnis von sekundärer zuprimärer Überlieferung. Ein ‘Indizienbeweis’ wie der vorstehend unternommene kommt ohne subtile Kombinationen nicht aus. Vor allem gilt es, die Verbindungslinien zwischen Dezemvirat undDiktatur aufzudecken. Denn wenn Sulla vonDiktatoren gesprochen unddamit die Dezemvirn gemeint haben sollte, dann müßten sogar sehr kräftige Stränge diebeiden Magistraturen verbinden. Für den allgemeinen Teil dieser Aufgabe können wir uns auf das Ergebnis stützen, zu demWerner bei seiner Analyse der staatsrechtlichen Stellung des Dezemvirats gelangt ist: Sie glich insbesondere durch denWegfall derprovocatio der desDiktators36. Wasspeziell Sulla betrifft, so stand er offenbar vorderSchwierigkeit, als Einzelner eine Amtsgewalt anzustreben (sine provocatione, legibus scribundis), für die es nureinen ‘kollegialen’Präzedenzfall gab37, undzwar einen solchen, auf dener sich nicht gutberufen konnte. Denn die Überlieferung kannte ein Gesetz, das die neuerliche Kreierung eines magistratus sine provocatione mit der Todesstrafe bedrohte38. Wenn nicht alles täuscht, spiegelt dervonSulla demInterrex L. Valerius Flaccus zur Übermittlung an die Volksversammlung geschriebene Brief genau dieses Dilemma wider. In ihm wird als Name der zu schaffenden Ausnahmemagistratur die Diktatur genannt, das ihr zu verleihende summum imperium mit der Spezialkompetenz legibus scribundis39 aber dadurch verschleiert, daß statt auf die Dezemvirn40 als vormalige Träger, auf die seitdem vergangenen 400 Jahre hingewiesen wird, wodurch derEindruck entsteht, als sei damals zuletzt ein Diktator

33 Vell. 2, 28, 2, Plut. Sulla 33, 1. 34 ObenAnm. 18. 35 Vgl. J. Carcopino, Sylla ou la monarchie manquée (21947) 47 Anm. 4 (von S. 46), der seinerseits Plutarch undVelleius gegen Appian ausspielt. U. Wilcken a. O. 7 erwähnt überhaupt nur Plutarch undVelleius. 36 R. Werner, Der Beginn der römischen Republik (1963) 280. Vgl. schon Mommsen, Röm. Staatsr. II 734. 37 Diese Einsicht verdanke ichE. Badian (brieflich). 38 Liv. 3, 55, 5, Cic. rep. 2, 31 (§ 54), vgl. Liv. 3, 55, 14. Dazu Mommsen, Röm. Staatsr. II 703. 13. 711– 39 Vgl. Cic. rep. 2, 36 (§ 61) vondenDezemvirn, obenAnm.30. 40 Wosnik a. O. 100 Anm.4 spricht von„unangenehmen Erinnerungen andie Dezemvirn“ , die dieFormel legibus scribundis hätte wachrufen müssen.

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Recht

eingesetzt worden. Anders ausgedrückt: Der aenigmatische Charakter der betreffenden Passage des sullanischen Briefes dürfte darin seinen Grund haben, daß Sulla das Amt des Diktators mit der Kompetenz der Dezemvirn kombinieren wollte, letztere aber aus staatsrechtlichen Bedenken nicht beim Namen nennen durfte. Die naheliegende Frage, ob denn die Volksversammlung bei dieser Verschlüsselung Sullas Absicht überhaupt erkennen konnte, erledigt sich durch den 1. Hinweis aufL. Valerius Flaccus als Interpreten desBriefes4 Ihmfiel die Aufgabe zu,einen Gesetzesantrag zuformulieren, dergewissermaßen Sullas Brief imKlartext bot. Im übrigen konnte jeder dasRechenexempel mit den400 Jahren ausführenundselbst Sullas Anknüpfungspunkt für die Kompetenz ‘seiner’Diktatur ausfindig machen. Es sieht also ganz danach aus, als seien Appians 400 Jahre wirklich sullanisch. Indes gibt es noch ein letztes Verdachtsmoment: Appian benutzt bei der Wiedergabe des sullanischen Briefes eine Wendung, die sich auch am Anfang seines Werkes über die Bürgerkriege findet. Beide Male geht es um das Vorbild für 42bzw. ο ὓ ςδικτάτο ά ρ α ςἐκ ς νδικτάτορα Sullas Diktatur: ο υ ο ὓ ςἐκάλ 43. υν Sollte es sich bei derhier in Rede stehenden Briefstelle doch umeine erλο klärende Bemerkung Appians handeln? Dafür könnte auch das im gleichen Satz θ ο ςsprechen, das Appian gern gebraucht, umseinen griechibegegnende Wort ἔ 4. schen Lesern römische Eigenart zuverdeutlichen4 Der Gegenbeweis läßt sich mit mehreren Argumenten führen. Zunächst muß mansich vor Augen halten, daß der Brief Sullas ohne Nennung der Diktatur unverständlich wäre, undzwar nicht nurvonderSache, sondern auch vonder Konή νverlangt ρ χ νἀ ὴ struktion des betreffenden Satzes her. Das demonstrative τ ρ α ) ς το νδικτά υ ο λ ὓ ςἐκά einen explizierenden Relativsatz; erst durch diesen (ο erhält es seinen Sinn. Wenn nunder Relativsatz hier in derselben Form erscheint wie im Proömium, so besagt dies keineswegs, daß er nicht Sullas Ausdrucksweise nachgebildet ist. Es ist doch bekannt, daßAppian das Proömium als Zusammenfassung der in den folgenden 5 Büchern dargestellten Ereignisse gestaltet unddabei manchmal auf dort verwendete Formulierungen zurückgegriffen hat45. Um α ρ ς το ὓ ς δικτά einen solchen Fall handelt es sich bei dem Relativsatz ο ἐκ νimProömium ganz sicher. Denn sein Gegenstück im Brief Sullas istja, ά υ λ ο wie gezeigt, so eng mit der Satzkonstruktion verbunden46, daß ihmunbedingt die Priorität zuerkannt werden muß. Groebe, Geschichte Roms in seinem Übergange vonderrepublikanischen zur Geschäftsträger“Sullas. monarchischen Verfassung II2(1902) 404 bezeichnen Flaccus als„

41 W.Drumann/P.

42 App. b. c. 1, 98 (§ 459). 43 App. b. c. 1, 3 (§ 9). ις. Ebenso: Mithr. 45 (§ 176). Diese α ίο μ ω ὶῬ τ ο ςἐσ ςἔθ 44 Vgl. App. b. c. 4, 135 (§ 572): ὡ undähnliche Wendungen registriert E. Schwartz, RE 2, 1 (1895) 234. 37, 45 Vgl. E. Kornemann, Die unmittelbare Vorlage vonAppians Emphylia, Klio 17 (1921) 34– W. Enßlin, Appian unddie Liviustradition zumersten Bürgerkrieg, Klio 20 (1926) 463, E.

46

Gabba, Appiani Bellorum Civilium liber primus (1958) 3. μ ο ςbezieht (vgl. ν υ ο , der in § 459 sich auf δῆ λ κ ά Hinzuweisen wäre auch auf denPlural ἐ ); in § 9 fehlt ein solcher direkter Bezug. το ιν ο ἕλ

Sullas Brief

175

ο ς Wassodann die Bedenken betrifft, zudenen der ‘appiansche’ Terminus ἔθ in ‘sullanischem’ Kontext Veranlassung geben könnte, so lassen sie sich zerο θ ςals Übersetzung vonmosversteht undsich vergegenwärstreuen, wenn manἔ tigt, daß Sulla allen Grund hatte, die neuartige Magistratur, die er anstrebte, als demmosmaiorum entsprechend erscheinen zu lassen47. An diesen hatte mansich, römischer Auffassung zufolge, auchundgerade in Ausnahmesituationen zuhalten. Ein Amt, das man aus demArsenal des mos maiorum hervorholte, konnte, auch wenn es drei- oder vierhundert Jahre nicht mehr ausgeübt worden war, als legitimiert gelten. So traten in der Staatskrise des Jahres 53 v. Chr. die Volkstribunen mitdemPlan hervor, mehrere Konsulartribunen statt zwei Konsuln wählen zulas8. sen, wiedasöfters im 5. und4. Jh. v. Chr. geschehen war4 Sulla nundurfte sich, wieerwähnt, nicht direkt auf die Dezemvirn berufen. Umso mehr mußte ihmdaran liegen, den Rückgriff auf sie mit demmosmaiorum zu sanktionieren, gewissermaßen als dessen Sachwalter aufzutreten49. Manwürde daher das Vorkommen ςin seinem Brief an den Interrex L. Valerius Flaccus θ ο des Zauberwortes mos/ἔ geradezu postulieren, wenn es nicht tatsächlich darinstände. Es ist jedenfalls genauso sullanisch wiedermitihmverbundene Hinweis aufdie400 Jahre. Einletztes Argument gegen dieAnnahme eines appianschen Einschubs in den Brief Sullas am Ende des ersten Satzes läßt sich aus der Tatsache gewinnen, daß ὲἕλοιν νδ τ ο....), derunzweifelhaft denWortlaut des Briefes derzweite Satz (ὃ ὲsowie durch Fortgeltung der Subjekte in referiert, durch die Konjunktion δ Haupt- undNebensatz aufs engste mit dem vorangehenden Satz verbunden ist: Eine derart enge Verbindung läßt sich nur innerhalb desselben sprachlichen Zudie indirekte Wiedergabe des sullanischen Briesammenhangs herstellen. Dieser – wird erst mitdemnächsten Satz, demersten desoben S. 169 markierten neufes –

enAbschnitts,

unterbrochen. Damit wäre soweit wiemöglich sichergestellt, daßdiebei Appian vorliegende Fassung des die dictatura legibus scribundis betreffenden Teils des sullanischen Briefes auf dessen Wortlaut zurückgeht. Nun enthielt aber Sullas Titel außer der Formel legibus scribundis noch die andere: (et) rei publicae constituendae50. Sie war sogar die lebenskräftigere. Denn die Triumvirn des Jahres 43 v. Chr. übernahmen von Sulla, auf den sie sich ausdrücklich beriefen, nur diesen Teil seiner 1. Titulatur in die ihre5 Wieaber wares imFalle Sullas zurVerbindung dieser FormelmitderdemTitel derDezemvirn entlehnten gekommen?

47 Vgl. das Bekenntnis des Augustus in Res gestae c. 6:

48

49

nullum magistratum contra morem maiorum delatum recepi. 290. Cass. Dio40, 45, 4. ZumKonsulartribunat des5. und4. Jh. v. Chr. s. Werner a. O. 283– Schon imJahre 88 v. Chr. hatte Sulla sich aufdenmosmaiorum berufen, als er die Vorberatung der Gesetze im Senat wieder einführte, App. b. c. 1, 59 (§ 266): ν μ έν μ ισ ο ὲ νμ ο ν εν ο ὕ τ ωκ ρ α μ α ὶπ έν ι, π ά α ο λ λ α ελ νδ ᾽ἐ υ ῦ . Vgl. wiederum die Res gestae divi κπ λ ο ο λ Augusti c. 8: Legibus novis meauctore latis multa exempla maiorum exolescentia iam ex nostro saeculo reduxi.

50 App. b. c. 1, 99 (§ 462). 51 Belege fürdieTitulatur derTriumvirn obenAnm.24. DieAnknüpfung anSulla findet sich im Proskriptionsedikt der Triumvirn: App. b. c. 4, 10 (§ 39), vgl. V. Fadinger, Die Begründung desPrinzipats (Diss. München), Berlin 1969, 32 Anm. 1.

176

Recht

Als einfachste Erklärung bietet sich die schon von Mommsen erwogene an, daß auch die Formel rei publicae constituendae der Titulatur der Dezemvirn entstammt. Für eine zweigliedrige Titulatur derDezemvirn gibt es allerdings nurein einziges Zeugnis, nämlich das des Ampelius in seinem liber memorialis. Derbetreffende Satz lautet: Populus Romanus .... decemviros legum ferendarum et rei publicae constituendae causa paravit52. Das Zeugnis wird meistens wegen der 3. zweifelhaften Qualität desWerkes, ausdemes stammt, verworfen5 Es gilt jedoch zu bedenken, daß Pomponius in seinem Enchiridium die Aufgabe der Dezemvirn mit einem Ausdruck kennzeichnet, der Gesetzgebung und Neubegründung des Staates kombiniert: placuit publica auctoritate decem constitui viros, per quos .... civitas fundaretur legibus54. Demnach mußes einen Überlieferungsstrang gegeben 5. haben, derdie Doppelfunktion derDezemvirn betonte5 Konnte Sulla Kenntnis davon haben? Die Antwort fällt nicht schwer, wenn mandaran denkt, daßeinVorfahre Sullas, M. Cornelius Maluginensis, in denFasti als Mitglied des 2. Dezemvirats verzeichnet ist56 unddaß Sulla in seinen Memoiren die Geschichte seiner gens offenbar detailliert behandelt hat57. Er hätte sich dann für die Zweckbestimmung seiner Diktatur insgesamt an demVorbild derDezemvirn orientiert. Diese Erklärung steht m. E. auf festeren Füßen als die kürzlich von Nicolet vorgetragene, Sulla habe sich für denTitel dictator reipublicae constituendae auf einen im Jahre 129 v. Chr. lancierten Plan stützen können, der die Übertragung einer solchen Diktatur an Scipio Aemilianus vorgesehen habe58. Abgesehen davon, daßes schwerfällt, derStelle ausCiceros Somnium Scipionis, auf dieNicolet sich

52 Ampelius lib. mem. 28, 2 (37 Terzaghit). 53 Mommsen, Röm. Staatsr. II 703 Anm. 2 (von S. 702), Wosnik a. O. 100 Anm. 4, Nicolet, REL 42, 1964, 226. Über L. Ampelius vgl. E. P(asoli), Lex. d. Alten Welt (1965) 140 f., der ihn ins 2. Jh. n. Chr., M. F(uhrmann), Kl. Pauly I (1964) 307 f., der ihn (zweifelnd) ins 4. Jh. n. Chr. setzt. 54 Pompon. libro singulari enchiridii, Dig. 1, 2, 2, 3. Sex. Pomponius lebte im2. Jh. n. Chr., vgl. W.Kunkel, Herkunft undsoziale Stellung derrömischen Juristen (1952) 170. Zuseinem Enchiridium unddemAuszug daraus vgl. F. Schulz, Geschichte der römischen Rechtswissen207. schaft (1961) 203– 55 F. D. Sanio, Varroniana in denSchriften derrömischen Juristen (1867) wollte Varro (de iure civili) als Quelle des Pomponius erweisen. Dagegen s. H. Dahlmann, RE Suppl. 6 (1935) 1254 f. Doch vgl. E. Täubler, Untersuchungen zur Geschichte des Decemvirats und der Zwölftafeln (1921, Nachdr. 1965) 40, Schulz a. O. 205 Anm. 1. 56 Hinweis von E. Badian (brieflich). Fasti Capit. CIL I2p. 16 = Inscr. It. XIII 1 p. 27. Die Zugehörigkeit des M. Cornelius Maluginensis zumDezemviratskollegium ist nach Werner a. O. 283 alsecht anzusehen. 57 E. Badian, Sulla’s Augurate, Arethusa 1, 1968, 41 Anm. 6 [zuGell. 1, 12, 16]. Calabi (oben Anm. 10) 253 bezweifelt die Richtigkeit der Angabe des Gellius, der flamen Dialis P. Cornelius Sulla sei erst imzweiten Buch derMemoiren erwähnt gewesen, undstellt dieBehandlung derFamiliengeschichte durch Sulla inAbrede. 58 Cl. Nicolet, Le De Republica (VI, 12) et la dictature de Scipion, REL 42, 1964, 212 ff. Zustimmend: E. Gabba, Mario e Silla, ANRW I 1 (1972) 801.

177

Sullas Brief

9,

beruft, Realität (im Sinne eines Planes) zuzuerkennen5 bliebe ja auch dann der Rückgriff aufdieDezemvirn (wegen derFormel legibus scribundis) bestehen60! Es ist eine andere Frage, ob Sulla annehmen konnte, daßsein Hinweis auf die Dezemvirn (über die 400 Jahre) genüge, umihmzurZuerkennung dervollen Formel legibus scribundis et rei publicae constituendae zu verhelfen. Offenbar war doch nurderen erster Teil allgemein bekannt. Natürlich kann manwieder auf den Mittelsmann L. Valerius Flaccus verweisen, aber auch dieser bedurfte eines Anhaltspunktes für die im Gesetzestext zu verankernde doppelgliedrige Zweckbestimmung der sullanischen Diktatur. Einen solchen Anhaltspunkt gab ihm Sullas Brief nuntatsächlich. Er findet sich am Schluß des Satzes, in dem von der Aufhebung derzeitlichen Befristung fürdie zuschaffende Diktatur die Rede ist (§ 459): ίζ ρ wiedergegebene Verb ιν ε τη Es ist so gutwiesicher, daßdasvonAppian mitσ im lateinischen Text des Briefes constituere gelautet hat6 1; die zugehörigen Objekte τ η ν= urbem atque Itaὴ νὅ λ ὴ νπ ρ χ ό λ ινκ α ὶτ ὴ νἀ ὶτ α ὴ α νἸτ λ ία νκ liamtotumque imperium62 ließen sich leicht aufdenmit urbs anklingenden Begriff derres publica reduzieren. Somit konnte es nicht schwerfallen, denvon Sulla gewünschten zweiten Teil der Zweckbestimmung: (et) rei publicae constituendae unabhängig vondemTitel derDezemvirn zugewinnen. Wie schon angedeutet, spielte die Formel rei publicae constituendae nach Sulla noch einmal eine Rolle, nämlich bei Festlegung der Kompetenzen für die Triumvirn des Jahres 43 v. Chr. Diese Tatsache macht deutlich, daß Sulla gerade mit ihr die Erfordernisse derZeit angesprochen hatte63. Wenn nundie vorstehendenAusführungen richtig sind, dann hat Sulla besagte Formel ebenso wie die andere: legibus scribundis von den Dezemvirn übernommen. Seine Konzeption der Staatsneuordnung basierte also formal auf Vorstellungen, die in die früheste Zeit der römischen Republik zurückführten. Da die damals gelegten Fundamente ins

59 Cic. rep. 6, 12 (§ 12): dictator rempublicam constituas oportebit, si impias propinquorum manus effugeris. Es mußinRechnung gestellt werden, daßCicero es sich gerade bei derWiedergabe eines Traumes erlauben konnte, Sullas Lösung Scipio als Plan zuunterschieben. Appian (b. c. 1, 16 [§ 67]) jedenfalls äußert seine Verwunderung darüber, daßmanz. Zt. Scipios nicht daran gedacht habe, einen Diktator zuernennen. 60 Nicolet a. O. 214 sucht diesem Zwang zuentgehen, indem er die Singularität derFormel legibusscribundis bestreitet: l’expression legibus scribundis ... est communément employée pour toutes les magistratures législatrices: par exemple, pour les Decemvirs. Andererseits will er Scipio dieErinnerung andieDezemvirn zutrauen (S. 229). 61 Allenfalls wäre an confirmare zu denken, vgl. Liv. per 89: Legibus novis rei publicae statum confirmavit (sc. Sulla). In der lateinischen Übersetzung, die derAppian-Ausgabe von Didot (1877) beigegeben ist, wird σ ρ ίζ η ε ινdurch zwei Verben (ordinare, confirmare) umschrieτ ρ ίζ ben (p. 329). Der Übersetzer war sich offenbar der prägnanten Bedeutung von σ ε ιν τη bewußt. Constituere hätte dasHendiadyoin überflüssig gemacht.

62 Caesars Schlagwort: quietem Italiae, pacem provinciarum, salutem imperii (b. c. 3, 57, 4) steht innaher Beziehung zuderdreigliedrigen Reihe in Sullas Brief, vgl. H.Volkmann, Sullas Marsch aufRom(1958, Nachdr. 1973) 69, Chr. Meier, Res publica amissa (1966) 246 Anm. 245.296 Anm. 180. 63 In derZeit zwischen Sulla unddemTriumvirat erfuhr die Formel rempublicam constituere durch Cicero allgemeine Verbreitung, Nicolet a. O. 227 f. Sie wurde gewissermaßen dasGegenstück zuseinem Schlagwort vonderrespublica amissa (hierzu Meier a. O. 1– 6).

178

Recht

Wanken geraten waren, sah Sulla es als seine Aufgabe an, sie mit derVollmacht dereinstigen Baumeister unter Berücksichtigung derneuen Bedürfnisse6 4 zu festigen. Er hoffte, damit denRuhm eines neuen Stadtgründers zuerlangen65. Daßsein Werk keinen Bestand hatte, ist in unserem Zusammenhang ohne Bedeutung66. Nach dem ebenfalls gescheiterten Versuch Caesars und dem Zwischenspiel der triumviri rei publicae constituendae gelang es erst Augustus, diefundamenta rei publicae neuzulegen unddurch novae leges einen novus status – denPrinzipat – zuschaffen6 7. Für die Genese der sullanischen Diktatur hat sich bisher folgendes ergeben: Sulla orientierte sich für die Kompetenz seiner Stellung anderderdecemviri legibusscribundis. Erübernahm deren jedermann bekannte titulare Zweckbestimmung undergänzte sie durch dieweniger geläufige, ihrer Titulatur aber gleichwohl zugehörige Formel (et) rei publicae constituendae. Mit derZweckbestimmung des Dezemvirats übernahm er dessen Befreiung von derprovocatio. Da Sulla seine Stellung nicht mit einem oder mehreren Kollegen teilen wollte, wählte er als Kompetenzträger dieDiktatur. Diesem Ergebnis ist hinzuzufügen, daßdiederDiktatur eigene Zeitgrenze von 6 Monaten68 einerseits, die Unmöglichkeit, innerhalb dieser Frist die postulierte Staatsneuordnung durchzuführen, andererseits Sulla zu der Forderung zwangen, die neue Form derDiktatur unbefristet zuvergeben, also nicht nurauf das 6-Monats-Limit, sondern auch auf die Annuität zu verzichten. Zur Begründung dieser das Staatsrecht verletzenden Forderung wies Sulla auf die zerrütteten Verhältnisse in Rom, Italien unddemReich hin6 9,d.h. er führte die ‘Notwendigkeit’ ins Feld70, wie er das schon für seine Handlungsweise im Jahre 88 v. Chr. getan hatte71. Es verdient vermerkt zuwerden, daßauch dertriumviratus reipublicae constituendae mitderselben Begründung imJahre 43 v. Chr. ins Leben gerufen undimJahre 37

64

Gegen

die Einstufung Sullas als ‘Reaktionär’ E. Badian, Lucius Sulla: TheDeadly Reformer

(The Seventh ToddMemorial Lecture, Sidney 1969), 1970, 25 f. 65 Seinen Gegnern galt er als scaevos iste Romulus (Sall. hist. 1, 55, 5 [24 Maur.]). Zur Romulus-Imitatio Sullas vgl. A. Alföldi, Der Vater des Vaterlandes im römischen Denken (1971), 29 f., Gabba, ANRW I 1 (1972) 801. Anders, m. E. nicht richtig, beurteilt das Historienfrag186. ment C. J. Classen, Romulus in der römischen Republik, Philologus 106, 1962, 183– 66 DenGründen fürdasScheitern dersullanischen Reform geht Meier a. O.263 ff. nach. 67 Vgl. Suet. Aug. 28, 2 (fundamenta rei publicae, novus status), Res gestae divi Augusti c. 8 (leges novae).

68 SiewarauchAppian bekannt: b. c. 1,3 (§ 9). Hann. 16(§ 68). Weitere

Belege beiMommsen, L. F. Janssen, Abdicatio (1960) 111 ff. will die 6monatige BeRöm. Staatsr. II 160 Anm. 1. – fristung als späte Zutat (217 v. Chr.) erweisen. Dagegen s. A. Lippold, Consules (1963) 152 Anm. 311, Jahn (oben Anm. 1) 116 f. η ν ὴ νὅ λ χ νἀρ ρ ιτ ὴ νπ ὴ ὶτ ό νκ α ινκ λ α ὴ νἸτα λ ία έ ὶτ χ 69 App. b. c. 1, 98 (§ 459): μ ρ ίσ ε ιε η ν . ν η σ τ ιςσεσαλευμέν ο λ έμ ο ὶπ σ τ ά σ ε σ ικ α ρ ι, wasin pointierν τ ό ῷ π α ντ 70 Vgl. schon amAnfang desBriefes App. b. c. 1, 98 (§ 459): ἐ inderaugenblicklichen Notlage“heißen muß. terÜbersetzung „ η ς. γ κ ν ᾽ἀ ά π 71 App. b. c. 1, 59 (§ 265): ὑ

Sullas Brief

v. Chr. verlängert

worden ist72. Sulla

179

hat demnach nicht nurdurch die Formulie-

rung seines Auftrags (rei publicae constituendae), sondern auch durch dessen

Legitimierung (Notlage des Staates) denTriumvirn undletzten Endes demPrinceps Augustus denWegbereitet7 3. Mit derso vervollständigten Genese dersullanischen Diktatur ist zugleich die Frage nach Sullas Besitzanteil an der dictatura legibus scribundis et rei publicae constituendae beantwortet: Sulla hat das kollegiale Amt der decemviri legibus scribundis unter demNamen der Diktatur zu einem monarchischen transformiert unddiesen Charakter durch Hervorholung undAkzentuierung der Staatsneugründungsformel rei publicae constituendae sowie durch Hinzufügung der infiniten Abdikationsklausel verstärkt. Von der nunmehr allseits beleuchteten Beziehung zwischen Sullas Diktatur unddemDezemvirat fällt auch Licht auf Sullas Verhalten gegenüber den Komitien. Er ließ sichja nicht ohne weiteres vomInterrex L. Valerius Flaccus zumDiktator ernennen, sondern veranlaßte diesen zueiner Rogation, in derdie Kompetenz eben Sulla derDiktatur undderen Übertragung aneinen bestimmten Kandidaten – –den Komitien zur Sanktionierung vorgelegt wurden74. Undwas seine Gesetze anbelangt, so hat er nach allem, was wir wissen, auch sie den Weg durch die 5, Komitien nehmen lassen7 obwohl ihm doch die lex Valeria das Recht erteilt hatte, Gesetze zugeben, statt sie zurogieren76. Daßdie Installierung dersullanischen Diktatur (durch die lex Valeria) formal mit der des Dezemvirats (durch die lex Terentilia) zusammengehört77 unddaß Sullas Inanspruchnahme der Komitien für sein Gesetzgebungswerk auf derselben Ebene steht wie die Bestätigung der 12 Tafeln durch eben diese Komitien78, hatMommsen in demden„außerordentlichen konstituierenden Gewalten“gewidmeten Kapitel seines Römischen Staatsrechts mit aller Klarheit zum Ausdruck gebracht79. Diese Übereinstimmungen werden durch die Ergebnisse unserer Untersuchung insofern in neues Licht getaucht, als die herausgearbeitete Vorbildlichkeit des Dezemvirats für Sulla es nahezu sicher (oben Anm. 51) 58 ff. gezeigt. Vgl. auch dieArgumentation mitKrieg und als Rechtfertigung außerordentlicher Maßnahmen unter Caesar: Caes. b. c. 3, 1, 2, App. b. c. 2, 48 (§ 198), Cass. Dio 41, 37, 1. 73 Sall. Iug. 85, 48 läßt schon Marius in einer Rede während seines 1. Konsulats (107 v. Chr.) fordern: omnis bonos rei publicae subvenire decebat. Die Linie zu Oktavian/Augustus zieht W.Hartke, Römische Kinderkaiser (1951) 152f. durch denHinweis aufVerg. georg. 1, 500 f.: hunc saltem everso iuvenem succurrere saeclo /ne prohibete. 74 Oben S. 171mitAnm. 21. 75 Dasist in zwei Fällen direkt bezeugt: App.b. c. 1, 100(§ 468) [300 neue Senatoren], Gell. 2, 24, 11 [lex sumptuaria]. Vgl. auch Cic. de domo 30 (§ 79) [Bürgerrechtsentzug für Volater-

72 DashatFadinger Bürgerzwist

rae].

76 Schol. Gronov. in Rosc. 125 (314 Stangl): Hic (sc. Valerius Flaccus) tulit legem: quicquid Sulla dixisset, lex esset. Si quid ergo adpopulum tulisset Sulla, valebat lege Cornelia; si quid voluisset facere et nontulisset adpopulum, hoc valebat lege Valeria. 77 Lex Terentilia: Liv. 3, 9, 5. 10, 5. 19, 1. Zuder Frage nach demVerhältnis zwischen dem plebiscitum Terentilium unddemvonDionys. Hal. 10, 56, 2 erwähnten Komitialgesetz vgl. J. Bleicken, Das Volkstribunat derklassischen römischen Republik (21968) 15 f. 78 Liv. 3, 34, 6. 79 Mommsen, Römisches Staatsr. II 710 f. 725 f.

180

Recht

erscheinen läßt, daßdie lex Valeria unddie leges Corneliae

in bewußter

Nachah-

mung derlex Terentilia bzw. derleges duodecim tabularum vor die Komitien gebracht wurden80. Abschließend ist auf den oben S. 169 zurückgestellten Fragenkomplex einzugehen, auswelcher Quelle Appian bei derWiedergabe des sullanischen Briefes geschöpft hat. Die inhaltliche Analyse des Briefes hat ergeben, daß Appian ihn adäquat, d. h. auch: vollständig überliefert. Er selbst hat durch zwei Hinweise kundgetan, daßer denvollständigen Text vor Augen hatte: Zumeinen spricht er 81, Schluß desBriefes“ zumanderen kennzeichnet er dasEnde ausdrücklich vom„ desZitates durch die Feststellung, dies sei der Inhalt des Briefes82. Für die Frage, woher Appian sein Wissen in diesem Falle bezog, ist es von großer Bedeutung, daßer imvorhergehenden Kapitel (97) einen Wechsel in seiner Quellenbenutzung andeutet83: Er hat für die Details über Sullas Aphrodite-Verehrung ein Werk herangezogen, das den Senatsbeschluß über den Beinamen Epaphroditos, denOrakelspruch ausDelphi mit derWeisung, ein Beil nach Aphrodisias in Karien zu schicken, sowie die Inschrift aufjenem Beil wörtlich anführte84. DidSulla saynothing MitBezug aufdasOrakel hatBalsdon verwundert gefragt: „ of it in his Commentarii? If so, why?“ 85 Mankann die Frage auf alle drei Dokumente ausdehnen undm. E. die zuversichtliche Antwort geben, daßSulla, vondem bekannt ist, daßer in seinen Memoiren demWalten derGötter breiten Raum eingeräumt hat86, keinen Grund hatte, diese Zeugnisse seiner ‘Auserwähltheit’ zu unterdrücken. Bei der Inschrift aus demfernen Aphrodisias kommt noch hinzu, daß es so gut wie ausgeschlossen ist, daß sie durch Autopsie Eingang in die Geschichtsschreibung gefunden haben könnte; Sulla aber wardereinzige, dersie unabhängig vomOriginal tradieren konnte. Waren nundie erwähnten Dokumente in Sullas Memoiren enthalten, so ist für den Mittelsmann Appians die Benutzung dieses Werkes anzunehmen, undes hindert dann nichts, hinsichtlich desBriefes an Valerius Flaccus (98) den gleichen Überlieferungsvorgang vorauszusetzen. Denn es istja keineswegs so, daßAppian nach Einschaltung jener Dokumente nurwieder der vorher benutzen Hauptquelle gefolgt wäre. Die in Kapitel 99 gegebene Einteilung der römischen Geschichte in 60 Olympiaden Königszeit und 100 7. Olympiaden Republik liefert dafür denunumstößlichen Beweis8

80 81 82 83 84

85

Vielleicht hängt sogar Sullas Rücktritt vonderDiktatur nach etwas mehr als 2 Jahren mitder demDezemvirat zugeschriebenen gleichen Zeitdauer zusammen. ῆ ς. ντέλ ιτ ε ῆ ςἐπ ισ το λ App. b. c. 1, 98 (§ 460): ἐ ὲ νδ ὴτ δ ά τ εἐπ έσ ελ ε. λ App. b. c. 1, 99 (§ 461): ὃμ φ ῇπ . α ν ιέτυ ο χ ερ ηδ έπ ο υγρ δ App. b. c. 1, 97 (§ 452): ἤ J. P. V. D. Balsdon, Sulla Felix, JRS 41, 1951, 5 mit Anm. 54, E. Gabba, Appiano e la storia delle guerre civili (1956) 96 Anm. 2, ders., Appiani Bellorum Civilium liber primus (1958)

264. Balsdon

a. O.8 Anm.92.

32. Vgl. auch A. Al13, dazu E. Valgiglio, Plutarco: Vita di Silla (21960) 27– 86 Plut. Sulla 6, 7– földi, Dermachtverheißende Traum Sullas, Jahrb. desBernischen Hist. Mus. 41/42, 1961/62, 282 f. 87 App. b. c. 1, 99 (§ 463 f.). Selbst W. Enßlin, Appian unddie Liviustradition zum ersten Bürgerkrieg, Klio 20, 1926, derzuerweisen sucht, daßAppian mit c. 98 (§ 456) zu Livius als

Sullas Brief

Auf die hier zur Debatte

stehende Frage nach der Herkunft

181

des sullanischen

Briefes bei Appian läßt sich also eine m. E. durch handfeste Belege gestützte Antή ), dieer fürdasSCüber φ ρ α wortgeben: Appian entnahm ihnderselben Schrift (γ Sullas Beinamen Epaphroditos zitiert, undder er die Kenntnis des delphischen Orakels und der Inschrift aus Aphrodisias verdankt. Diese Schrift schöpfte ihrerseits ausSullas Memoiren, undsie zeichnete sich dadurch aus, daßsie Dokumente 8. 9. wörtlich wiedergab8 Wielängst erkannt, warsie in Griechisch abgefaßt8 Appian griechischer Übersetzung vorgelegen, hätte also der Brief Sullas in wortgetreuer90

dieerseinerseits indieindirekte Formbrachte.

Hauptquelle zurückkehrt, mußfür § 463 f. „ dieBenutzung einer anderen Quelle“zugeben (S. 460). Imübrigen kann Appian denBrief Sullas nicht ausLivius kennen, dabei diesem offenbar(vgl. Vell. 2, 28, 2, Plut. Sulla 33, 1) statt von400 von 120 Jahren (für denAbstand der sullanischen Diktatur vonderletzten vorihr) dieRede war(oben S. 173 f.). 88 Dasist leider alles, wassich über ihren Charakter sagen läßt. Es ist daher müßig zurätseln, ob es sich umeine Biographie Sullas (so M.Cary, Class. Rev. 50, 1936, 193f.) oder umeinGeschichtswerk handelt. Sollte allerdings auch die Epochenabgrenzung in c. 99 (§ 463 f.) aus ihr stammen, sohätte manwohleher aneinGeschichtswerk zudenken. 89 C. F. Arnold, Jahrb. f. class. Phil. Suppl. 13, 1882, 106, vgl. Cary a. O. 194, Balsdon a. O. 5 Anm.53, Gabba imKommentar zu§ 452 (p.264). 90 Diewortgetreue Wiedergabe ergibt sich u.a. ausderBeibehaltung derRechnung nach Jahren, während inc. 99 (§ 463) dieOlympiadenrechnung angewandt ist.

Novae leges* Novus status – Kaiser Augustus als Gesetzgeber

I Unter denLeistungen, derer sich der erste römische Kaiser in seinem für die Mit- undNachwelt bestimmten Rechenschaftsbericht rühmt, ragen die auf seine Veranlassung zustande gekommenen novae leges (Res g. 8) insofern hervor, als sie einen verwegenen Anspruch enthalten. Denn das mit leges verbundene Epitheton novae1 m ußte bei denRömern derOberschicht zunächst einmal negative, umnicht

so wurden Geerschreckende Vorstellungen wachrufen2 . Novae leges – setze genannt, diedemrömischen Staat Unheil gebracht hatten oder hätten bringen können. Herausragende Beispiele waren die Gesetze derGracchen unddes M. Livius Drusus3, die sullanischen Proskriptionen4 , die Agrargesetze des P. Servilius Rullus5 sowie die von P. Clodius für 52 v. Chr. vorbereiteten Gesetzesanträge, insbesondere derüber dieVerteilung derFreigelassenen aufalle Tribus6 . Indes konnte Augustus die in demBegriff novae leges vorhandene pejorative Komponente unmöglich gemeint haben. Schob mansie nunbeiseite7, so stieß man auf eine andere, zwar positive, aber doch auch unbehagliche Bedeutung des Ausdrucks. Sie betraf Fälle, in denen neue Gesetze mit einer Formveränderung des zusagen:

in: G. Binder (Hrsg.): Saeculum Augustum 348. 308–

1

2 3 4

5 6

7

I. Herrschaft undGesellschaft,

Darmstadt 1987,

Dernachfolgenden Studie liegt dasManuskript meiner Kölner Einführungsvorlesung vom10. 5. 1968 zugrunde. DasThema hatmich seither immer wieder beschäftigt, wodurch sich neue Gesichtspunkte undneue Einsichten ergaben, dieeine veränderte Konzeption undeine völlig neueNiederschrift erforderten. Diese lege ichhier vor. Res g. 8: Legibus novis meauctore latis multa exempla maiorum exolescentia iamex nostro saeculo reduxi et ipse multarum rerum exempla imitanda posteris tradidi. –Durch die Freundlichkeit von W. Ehlers war es mir s. Z. möglich, Einblick in das Material des ‘Thesaurus Linguae Latinae’zunehmen, wofür ichauchhier meinen Dank sage. Vgl. dieBitte desKaisers Claudius andieSenatoren in seiner Rede über dasiushonorum der 4), und Gallier, ne quasi novam istam remintroduci exhorrescatis (Dessau, ILS 212 col. I 3– dieStellungnahme desC. Cassius Longinus gegen nova senatus decreta (Tac. ann. 14,43, 1). Sen. de brev. vitae 6, 1: Livius Drusus ... cumleges novas et mala Gracchana movisset ... Cic. Sex. Rosc. 126: constat contra omnis nonmodoveteres leges verum etiam novas occisum esse (sc. Sex. Roscium). Cic. de lege agr. 2, 26: Et is (sc. Rullus) orbem terrarum constringit novis legibus ... Cic. Mil. 89: lege nova, quae est inventa apud eum(sc. Clodium) cumreliquis legibus Clodianis, servos nostros libertos suos effecisset. Vgl. Cic. Mil. 87 und den Kommentar des Asconius dazu (44 Stangl). Das hieß zugleich, ähnlich negativ gefärbte Wortverbindungen wie res novae undtabulae novae eliminieren.

184

Recht

römischen Staates verbunden waren8 oder einen einschneidenden Wandel markierten. So erfolgte dieEinsetzung desDezemvirats adcondenda nova iura9, dievale0 risch-horatischen Gesetze galten als novae leges1 ebenso die des Canuleius11, und vonSulla hieß es, erhabe denZustand desStaates durch neue Gesetze gefestigt12. Es darf als sicher gelten, daß Augustus die soeben herangezogene zweite Komponente des Begriffs novae leges13 vor Augen hatte, als er die seine Gesetze betreffende Formulierung für die ‘Res gestae’ niederschrieb, und es läßt sich nachweisen, daßseine Worte in diesem Sinne verstanden wurden: Sueton hat den Auszug auseinem Edikt desAugustus überliefert, in demdieser sein Lebenswerk als Aufrichtung derFundamente des Staates bezeichnete unddafür denLohn erhoffte, Schöpfer des besten Zustandes eben dieses Staates genannt zu werden14. Zustand (optimus status) aber wird von Sueton in seinem KomDer mentar zudemEdikt desAugustus alsneuer Zustand (novus status) charakterisiert15. Andererseits galten als fundamenta rei publicae in erster Linie die Gesetze wie sie vonNuma unddenDezemvirn niedergelegt worden waren16. Wenn

beste

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ZurFurcht voreiner solchen commutatio vgl. etwa dieWarnung derharuspices in ihrem Gutachten ausdemJahre 56 v. Chr.: ne reipublicae status commutetur (Cic. deharusp. resp. 60). Liv. 3, 33, 5. Die Übernahme derhöchsten Gewalt durch dieDezemvirn kommentiert Livius (3, 33, 1) mit denWorten: mutatur forma civitatis. Liv. 3, 56, 13. Als nova lex wird vor allem das Provokationsgesetz bezeichnet (Liv. 3, 55, 4). Liv. 4, 1, 6. Liv. per. 89: Legibus novis reipublicae statum confirmavit (sc. Sylla). Eine dritte, sozusagen neutrale, Komponente des Begriffs novae leges kann hier außer Betracht bleiben. In ihr hat das Adjektiv „neu“ zeitliche Bedeutung: „gerade ausgearbeitet“ , . Vgl. Ascon. inMilon. arg. (34 Stangl): Deinde post diemtertium delesoeben beschlossen“ „ gibus novis ferendis rettulit (sc. Pompeius) bzw. Cic. fam. 7, 2, 4: Noshic in multitudine et celebritate iudiciorum et novis legibus ita distinemur, ut ....Beide Belege beziehen sich auf die Gesetze desPompejus ausdemJahre 52 v. Chr. Suet. Aug.28, 2 (= Imperatoris Caesaris Augusti operum fragmenta, ed.H.Malcovati, 51969, Edicta n. X p. 65): Ita mihi salvam ac sospitem remp. sistere in sua sede liceat atque eius rei fructum percipere, quempeto, ut optimi status auctor dicar et moriens utferam mecum spem, mansura in vestigio suofundamenta reip. quae iecero. Vgl. dazu W. Weber, Princeps I, 1936, ND 1969, 27 f. mit Anm. 135 undP. Ceausescu, Dasprogrammatische Edikt des Augustus, 353. RhM 124, 1981, 348– Suet. a. O.:fecit ipse se compotem voti nisus omni modo, ne quemnovi status paeniteret. Vgl. dazu die treffende Bemerkung vonR. Syme, The Roman Revolution, 1939, ND 1966, 320: He(sc. Augustus) called it the optimus status’himself: thewriter whohastransmitted these „ unexceptionable observations goes ‘ onto speak of a ‘novus status’. The Princeps would never , in: Larivoluzione romana, Biblio. P. A. Brunt, „Augustus“e la „respublica“ have denied it“ teca di Labeo VI, Neapel 1982, 239, weist darauf hin, daßAugustus selbst mit der von ihm gewünschten Apostrophierung als optimi status auctor zugebe, daßder von ihmgeschaffene status (civitatis) ingewisser Hinsicht neusei. ZuNuma als Gesetzgeber vgl. Liv. 1, 19, 1: Qui (sc. Numa) regno ita potitus urbem novam conditam viet armis, iure eamlegibusque ac moribus de integro condere parat. Verg. Aen. 6, 810: primam qui legibus urbem fundabit. Cic. de nat. deor. 3, 5: mihi ita persuasi, Romulum auspiciis Numam sacris constitutis fundamenta iecisse nostrae civitatis. Cic. de re publ. 5, 3: qui (sc. Numa) legum etiam scriptor fuit quas scitis extare. Zudergrundlegenden Bedeutung desZwölftafelgesetzes vgl. Pompon. Dig. 1, 2, 2, 4: placuit publica auctoritate decem constitui viros, per quos ... civitas fundaretur legibus.

Novus status

– novae leges

185

daher Augustus von den Fundamenten sprach, die er gelegt habe, so mußte man 7, darunter zunächst seine Gesetze verstehen1 unddiesen gaber selbst dasEpitheton : novae leges. Die neuen Gesetze entsprachen also einem neuen Zustand des neu“ „ Staates. Hierin liegt der verwegene Anspruch, der eingangs Augustus unterstellt wurde18.

II verlockend, in der Hervorhebung, die Augustus seinen leges das Epitheton novae verliehen hat, einen späten Nachklang des vom Senat imJahre 19 v. Chr. andenKaiser ergangenen Angebots zusehen, die vonihmzu erlassenden Gesetze sollten leges Augustae heißen19. Augustus hatte jenes mit der cura legum et morum verbundene Angebot nicht angenommen20, d. h. er hatte auf eine besondere Kennzeichnung seiner Gesetze verzichtet. Im Rückblick auf sie aber hielt er dann offenbar doch eine signifikante Benennung für angebracht und wählte als solche eben novae leges. Damit erhebt sich die Frage, inwieweit Augustus als Gesetzgeber überhaupt durch die Initiative des Senats im Jahre 19 v. Chr. beeinflußt worden ist. Daß sie als Anstoß zu seiner gesetzgeberischen Tätigkeit zu gelten hat, wird durch Augustus’ eigenes Zeugnis bewiesen. Was der Senat damals von ihm besorgt haben 1. wollte, sagt er (Res g. 6), habe er kraft seiner tribunicia potestas ausgeführt2 Nun trug nach Cassius Dio der Senat Augustus an, „durch Gesetze festzulegen, was μ θ ε τ ε ῖνὅ ο σ αβούλοιτο)22,undnach Angabe desAugustus ο immer er wolle“(ν wollten ihn der Senat und das römische Volk einmütig zum curator legum et

Es ist natürlich

durch

morum wählen23. Kombiniert man beide Nachrichten, was sachlich geboten erscheint, so bestand dervonAugustus per tribuniciam potestatem ausgeführte Auftrag des Senats darin, Gesetze auszuarbeiten, die er, Augustus, für richtig hielt24.

17 In der ‘Apocolocyntosis’ (10, 2) läßt Seneca Augustus von sich selbst sagen: legibus urbem fundavi (Abwandlung desauf Numabezüglichen Vergilverses Aen. 6, 810). 18 Res g. 8 stellt also ein gewisses Korrektiv zuRes g. 34 (Rückgabe desStaates an Senat und Volk) dar: WasAugustus vorsichtig andeutete, hatTacitus (ann. 1, 4, 1) prägnant formuliert: verso civitatis statu. ZurTacitus-Stelle vgl. R. Urban, Tacitus unddie Res gestae divi Augusti, Gymnasium 86, 1979, 66 f. ο ῦ τ επ ν ά τ ν α α ὐ ὸ τ ν κ α ε ὶνομοθ τ ε ῖν ἠ ὅ σ 19 Cass. Dio54, 10,6: διορθ αβούλο ιτ ο ξ ίο , υ ν η σ μ έν ο ο υ ςὑ ο π υ κ α ςτο ὶ το ὺ ᾽αὐ γ ο ύ η τ ενόμ ο ςγραφ ύ ςτ ῦΑ σ τ ὐ ο δ υ ςἐκεῖθ ε νἤ

ρ γ ευ ό ο ν η . ρ ο σ π 20 Zur Ablehnung des Amtes eines curator legum et morum summa potestate solus durch Augustus vgl. weiter unten imText. Nach Cass. Dioa. O. hätte Augustus die Sonderstellung seinerGesetze als leges Augustae angenommen, wasoffenkundig falsch ist; sie wurden (normal) leges luliae genannt.

21 Res g. 6: Quae tumper megeri senatus voluit, per tribuniciam potestatem perfeci. 22 Cass. Dio 54, 10, 6 (Text Anm. 19). 23 Res g. 6: Consulibus M. Vinicio et Q. Lucretio ... senatu populoque Romano consentientibus utcurator legum et morum summa potestate solus crearer, ... 24 AlsNachklang dieser besonderen Ermächtigung hatmanTacitus’Ausdruck dedit ... iura zuverstehen (ann. 3, 28, 2).

186

Recht

Anders ausgedrückt: Der römische Staat25 sanktionierte die Vornahme von Gesetzgebungsakten durch Augustus, indem er dessen Willen dem Staatsinteresse gleichsetzte; die aus ὅ ο ύ σ αβ λ ο ιτ οsich ergebende lateinische Formel ex voluntate Augusti erhielt so die Bedeutung e republica26 bzw. ex usureipublicae27. DerHinweis desAugustus aufdenihmvomSenat erteilten Auftrag (quae tum per megeri senatus voluit) enthält also dieLegitimierung fürsein Gesetzgebungswerk28. Eine solche Legitimierung, die einem einzelnen überließ, welche Gesetze er imInteresse des Staates fürnotwendig erachtete, warin derTat neu. Sulla hatte sie bisher als einziger erhalten29, undes verwundert daher nicht, daßseine Gesetze bei Livius als novae leges erscheinen30. Augustus dürfte also sehr wohl von seiner besonderen Legitimierung ausgegangen sein, als er seine Gesetze novae leges nannte.

25 Wenn Augustus

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27

sagt: quae turn per me geri senatus voluit (Res g. 6), so gilt für senatus selbstverständlich der im vorhergehenden Satz konstatierte Konsens von Senat und Volk (senatu populoque Romano consentientibus). Senatus populusque Romanus aber bezeichnet den römischen Staat, vgl. Th. Mommsen, Römisches Staatsrecht III3, 1888, ND 1963, 1257– 326 (= Das 1259; W. Porzig, Senatus populusque Romanus, Gymnasium 63, 1956, 318– 115); W. SuerStaatsdenken der Römer, WdF 46, hrsg. von R. Klein, Darmstadt 1966, 104– baum, Vom antiken zum frühmittelalterlichen Staatsbegriff, 31977, 3 f.; G. Dulckeit –F. W. Waldstein, Römische Rechtsgeschichte,71981, 28. Schwarz – Die Formel begegnet sehr häufig im Geschichtswerk des Livius, undzwar vorzüglich bei Auftragserteilungen desSenats anMagistrate undLegaten, z. B. Liv. 33, 45, 3. 42, 47, 9. Augustus bediente sich ihrer (rei publicae causa) zur Begründung der Adoption des Tiberius, Suet. Tib. 21, 3, Vell. Pat. 2, 104, 1. Lex de imperio Vespasiani (Dessau, ILS 244) Z. 17, vgl. Z. 14 (ex republica). Der zugrundeliegende Begriff derutilitas reipublicae hatseine Prägnanz besonders durch Cicero erfahren, vgl. G. Jossa, L’„utilitas rei publicae“nelpensiero di Cicerone, Studi Romani 12, 1964, 269–

288. 154 hat m. E. richtig 28 A. von Premerstein, VomWerden undWesen des Prinzipats, 1937, 152– gesehen, daßzwischen demoben imText zitierten Satz unddercura legum et morum ein enger Zusammenhang besteht (vgl. auch H.A. Andersen, Cassius Diounddie Begründung des Principates, 1938, 39). Er geht freilich zuweit, wenn er in bezug auf letztere zwischen der als solcher“unterMagistratur eines curator legum et morum unddercura legum et morum „ scheidet. Nur das Amt habe Augustus abgelehnt, den „ amtlichen Auftrag“aber angenommen undmitdertribunicia potestas als „staatsrechtlichem Titel“ausgeführt. So auch Weber, Princeps 162. 164*. In Wirklichkeit lehnte Augustus mit der Magistratur (curator) auch deren Rahmen (cura) ab. Wasblieb, wardernunmehr form lose Auftrag zurGesetzgebung nach eigenem Gutdünken (quae turn per megeri senatus voluit), denAugustus kraft der tribunicia potestas erfüllte. Ähnlich E. Schönbauer, DieResgestae Divi Augusti inrechtsgeschichtlicher Beleuchtung, Akad. Wiss. Wien, Phil.-hist. Kl., Sitz.-Ber. 224, 2, 1946, 96. Es würde m. E. klärend wirken, wennmanvonderGesetzgebung desAugustus dendurch die Pläne umeine neuartige Magistratur in gewisser Hinsicht belasteten Begriff dercura legum et morum ganz fernhielte, ihnalso auch nicht mitdertribunicia potestas verbände wieJ. Béranger, Recherches surl’aspect idéologique duprincipat, 1953, 209, estut. ε ι σ έ ὶθ π 29 DieKompetenzbezeichnung seiner Diktatur lautete nach App. b. c. 1, 99 (§ 462): ἐ ). Ihre ς ία ε ιτ ο λ ῆ ςπ ιτ ε σ ά τ σ α τ α ιε(κ ὶ κα ά σ ε ᾽ἑαυ τ ιμ ῦδο κ ο μ τ ω ὸ ν ναὐ ,ὧ ςἐφ ν ό einzelnen Bestandteile habe ich andernorts behandelt: Historia 24, 1975, 559 f. [in diesem Band S. 171 f.]. 30 Liv. per. 89 (Text oben Anm. 12).

novae leges Novusstatus –

187

Indiesem Zusammenhang mußdarauf eingegangen werden, daßAugustus das Angebot, diecura legum et morum als Amtzuübernehmen, dreimal erhielt, 19, 18 und11 v. Chr.; dreimal lehnte er die Übernahme ab, undzwar mit der Begründung, nicht gegen denmosmaiorum verstoßen zuwollen31. Läßt sich die Wiederholung des Angebots im Jahre 18, wenige Monate nach der ersten Ablehnung32, vielleicht damit erklären, daß Augustus seinen Widerspruch nicht deutlich genug artikuliert hatte, seine Entscheidung also nicht als definitiv betrachtet wurde33, so verlangt dasdritte Angebot, imJahre 11 v. Chr., nach einer anderen Erklärung. Sie mußm. E. in dem Verlangen des Augustus nach erneuter Legitimierung seiner gesetzgeberischen Aktivität gesucht werden. Dabei ist zuberücksichtigen, daßein Drei“ dreimal erteilter Auftrag vermöge desVollkommenheitscharakters derZahl „ 4. Geltung auf Dauer beanspruchen konnte3 Ist diese Vermutung richtig, dann hätte manin der Wiederholung des Angebots auf Übernahme des Amtes eines curator legum et morum nureine Äußerlichkeit zu sehen, wichtig wäre einzig derin dem Angebot enthaltene legislatorische Auftrag. Eine gewisse Bestätigung liefert die Überlegung, daßSenat undVolk seit demJahre 18 v. Chr. sehr wohl wußten, daß Augustus die tribunicia potestas als Rechtstitel für seine Tätigkeit als Gesetzgeber genügte, daßer aber großen Wert auf die Zustimmung derAllgemeinheit zudieser Tätigkeit legte. Wie 19/18 v. Chr. entnahm Augustus denn auch im Jahre 11 v. 31 Res g. 6: Consulibus M. Vinicio et Q. Lucretio etpostea P. Lentulo et Cn. Lentulo et tertium Paullo Fabio Maximo et Q. Tuberone senatu populoque Romano consentientibus ut curator legum et morum summa potestate solus crearer, nullum magistratum contra morem maiorum Nach Cass. Dio 54, 10, 5 und54, 30, 1 hätte Augustus in den Jahre 19 und delatum recepi. – ὴ ςτ τ νaufjeweils 5 Jahre angenommen. Dios ῶ π ω η ντρό ελ ιμ 12 v. Chr. dasAmteines ἐπ Irrtum erklärt sich wohl (abgesehen von der falschen Einordnung in das Jahr 12) durch die Tatsache, daß Augustus ausführte, was der Senat von ihmwünschte, Andersen a. O. 40, der imübrigen die fünfjährige Befristung auf dasSC über die cura legum et morum zurückführt (38). –Bei Suet. Aug. 27, 5 ist von der Übernahme eines morum legumque regimen auf LeZumVersuch vonPremersteins, benszeit (perpetuum) dieRede. Dazuweiter unten imText. – Augustus’eigene Aussage unddieCassius Dios in Übereinstimmung zubringen, s. Anm.28. Die Möglichkeit einer Annahme dercura legum et morum nurimJahre 18 v. Chr. erwägt Bl. Parsi-Magdelain, La cura legum et morum, RHD42, 1964, 386, vgl. L. Raditsa, Augustus’ Legislation concerning Marriage, Procreation, Love Affairs andAdultery, ANRWII 13, 1980, 303. Eine Verfälschung der historischen Wahrheit durch Augustus hält F. Hampl, ‘Denkwürdigkeiten’ und ‘Tatenberichte’ in der Alten Welt als historische Dokumente, in: 208, für möglich. Das Richtige lieders., Geschichte als kritische Wissenschaft III, 1979, 206– gebeiCassius Dio(undSueton) vor. Zudensprachlichen undsachlichen Schwierigkeiten, die die Berufung des Augustus auf denmosmaiorum aufgibt, vgl. Béranger a. O. 207 undP. Sattler, Augustus undderSenat, 1960, 90 f. 32 Augustus waram 12. Oktober 19 v. Chr. von seiner Orientreise nach Romzurückgekehrt, Fast. Amit. (CIL I2p. 245).

33 Indiesem Sinne Sattler, a. O.91.

34 U. vonLübtow, Das römische Volk, sein Staat undsein Recht, 1955, 104. 291 hat in AnknüpfunganH.Goudy, Dreiteiligkeit imrömischen Recht, 1914, 8 ff. dieAufmerksamkeit aufdas eigenartige Faktum gelenkt, daßdie römische Überlieferung Rechtskomplexe häufig durch 3 Gesetze sanktioniert erscheinen läßt (3 leges Valeriae Horatiae, 3 Gesetze über dieGleichsetzungvonPlebisziten undVolksgesetzen, 3 leges Valeriae deprovocatione, 3 leges Porciae de provocatione).

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Recht

Chr. derBereitschaft desSenats, ihmdie cura legum et morum zuübertragen, daß mangesetzgeberische Maßnahmen von ihm erwartete; under erledigte sie dann, wie gewohnt, mit Hilfe der tribunicia potestas. Im Gegensatz zu 19/18 v. Chr. bleibt dabei allerdings offen, wieweit derZeitraum derErledigung sich erstreckte. Es steht nichts imWege, ja, es ist geradezu erforderlich, alle seit 11v. Chr. ergangenen Gesetze desAugustus auf die in diesem Jahr erfolgte Ermächtigung zurückzuführen. Vielleicht schwebte Sueton dieser 25 Jahre umfassende Zeitraum (11 v. – 14 n. Chr.) vor, als er vommorum legumque regimen perpetuum sprach35.

III Hält mandie Angaben des Augustus über die cura legum et morum (Res g. 6) mit denen über seine novae leges (Res g. 8) zusammen3 6, so meint man eine gewisse Inkongruenz zubemerken. Sie läßt sich indes auflösen, d. h. als nurscheinbarvorhanden erweisen: Während Augustus seine Gesetze in Res g. 6 als vonihm persönlich auf Grund seiner tribunicia potestas beantragt hinstellt, charakterisiert er sie in Res g. 8 als auf seine Veranlassung zustande gekommen (meauctore latis). Die letztere Formulierung ist weiter, sie schließt auch diejenigen Gesetze ein, dieaufInitiative desAugustus vonanderen eingebracht worden sind3 7. Es ist klar, daßanbeiden Stellen der‘Res gestae’dieselben Gesetze gemeint sind. Klar dürfte auch sein, daßder in Res g. 8 verwendete weitere Begriff Augustus’ Vorstellung von seinemGesetzgebungswerk genauer entspricht38. Es bleibt also nurzu klären, warum Augustus in Res g. 6 einen engeren Begriff verwendet hat. Die Antwort ergibt sich ausdemGegensatz, in dendie tribunicia potestas zurcura legum et morum gestellt ist, die ordentliche, mit demHerkommen zuvereinbarende, Gewalt zu der außerordentlichen, gegen das Herkommen verstoßenden, Magistratur. Es kam Augustus in Res g. 6 nur darauf an, die tribunicia potestas als Rechtsgrundlage für seine Gesetzgebung gegen die cura legum et morum auszuspielen;

35 Suet. Aug.27, 5. 36 Diebeiden Texte obenAnm.21 bzw. 1. A. vonPremerstein, Monumentum 37 W.M.Ramsay –

Antiochenum, Klio, Beiheft 19, 1927, 64. 38 H. Siber, Das Führeramt des Augustus, Sächs. Akad. Wiss., Abh. Phil.-hist. Kl. 44, 2, 1940, 59, hatdarauf hingewiesen, daßSuet. Aug. 40, 3 f. die Lex Fufia Caninia unddie Lex Aelia Sentia als Gesetze des Augustus behandelt unddaß auch Cass. Dio 55, 13, 7 hinsichtlich der Lex Aelia Sentia so verfährt. Vgl. weiter Tac. ann. 3, 25, 1 (von der Lex Papia Poppaea): quam senior Augustus ... sanxerat. Nicht eindeutig entscheiden läßt sich, ob in dem bei Tac. ann. 1, 8, 3 erwähnten Senatsantrag desL. Arruntius in bezug aufdasLeichenbegängnis des Augustus, utlegum latarum tituli, victarum ab eogentium vocabula anteferrentur, nurdie von ihmselbst oder auch die vonihmüber andere eingebrachten Gesetze gemeint sind. Weber, η(= gentes) als symν Princeps 78 mit Anm. 355 schließt aus Cass. Dio 56, 34, 3, wo die ἔθ bolische Darstellungen imLeichenzug erscheinen, während Tac. a. O. nurdie Tafeln mit deren Namen (vocabula) erwähnt, daß auch von den leges nicht nurdie Titel (tituli), sondern auch symbolische Darstellungen mitgeführt wurden. In diesem Falle wäre es einzig auf den Inhalt derGesetze, nicht aufderen Benennung als leges luliae angekommen. Aber auch wenn die Gesetze nurdurch tituli vertreten waren, mußdiejeweilige Materie angegeben gewesen sein. So spricht eigentlich mehr dafür, daßalle „augusteischen“Gesetze im Leichenzug dabei

waren.

Novus status

seine sonstige Einflußnahme

– novae leges

189

auf das Zustandekommen von Gesetzen konnte er

hier durchaus unerwähnt lassen. In Res g. 8 dagegen wollte Augustus die Intention seiner Gesetze darlegen, damußte er deren Kreis so weit wie möglich ziehen. Nodazu zählten alle Gesetze, die ihre Entstehung demin diesem Satz der vaeleges –

‘Res gestae’formulierten Konzept desAugustus verdankten, welches nunmehr zu besprechen ist. Zunächst gilt es, dieses Konzept zu demAuftrag in Beziehung zu setzen, der es hervorgebracht hat. DerSenat hatte Augustus, wieoben festgestellt, ermächtigt, Gesetze vorzulegen (oder vorlegen zu lassen), die nach seinem Ermessen das Interesse des Staates zu erfordern schien. Dieser Auftrag aber war sozusagen das Kondensat der cura legum et morum, und die wies dadurch, daß sie leges und mores auf eine Stufe stellte, sie miteinander verband, in eine bestimmte Richtung: diemores waren in denGesetzgebungsauftrag eingeschlossen. Liest mandaraufhin denmitlegibus novis beginnenden Satz in Res g. 8, so erhält derhier zweimal begegnende Begriff exempla die Funktion eines Verbindungsgliedes. Denn exempla bildeten ja den Ausgangspunkt für mores, insofern ihr Vorbildcharakter zu gewohnheitsmäßiger Befolgung führte. Umgekehrt waren mores weiterwirkende exemopla. Die beiden Begriffe ließen sich in nahezu gleicher Bedeutung verwenden39. Wenn also Augustus exempla im Zusammenhang mit seiner Gesetzgebung erwähnte, so bekundete er damit die Ausführung des ihm hinsichtlich der mores zuteil gewordenen Auftrags. Nach der Funktion mußjetzt die zweimalige Verwendung des Begriffs exempla in Res g. 8 genauer betrachtet werden. Im ersten Teil der Satzreihe (a) entηder griechischen Übersetzung; die beiθ spricht demlateinischen exempla ein ἔ denFassungen stimmen im Sinn überein. Imzweiten Teil (b) weicht dagegen die griechische Übersetzung durch Wiedergabe des Plurals exempla mit demSingular μ είμ μ η αstark vomlateinischen Original ab,wodurch einanderer Sinn entsteht:

(a) Legibus novis meauctore latis multa exempla maiorum

(b)

(a)

(b)

exolescentia iamex nostro saeculo reduxi et ipse multarum rerum exempla imitanda posteris tradidi. Durch neue, vonmirveranlaßte, Gesetze habe ich viele Verhaltensbeispiele derVorfahren, die schon ausunserem Zeitalter zuverschwinden drohten, zurückgeholt undselbst aufvielen Gebieten Beispiele

39 Vgl. einerseits die Wendungen exempla sequi, imitari u. ä., andererseits Definitionen wie: Consuetudine iusest, ... quod in morem vetustas vulgi approbatione perduxit (Cic. inv. 2, 162) oder: Mores sunt tacitus consensus populi longa consuetudine inveteratus (Ulp. epit. 1, 4). Zu denBedeutungsnuancen vonexempla undmores s. W. Kunkel, Gesetzesrecht undGewohnheitsrecht in der Verfassung der römischen Republik, in: ders., Kleine Schriften, 1974, 377– 380.

190

Recht

als Richtschnur desVerhaltens denNachfahren überliefert.

γ ὼ ν γ κ α α ιν (a) Εἰσα ο ὺ ο ςνόμ υ ς ρ χ ητ α ῶ ίω ν ἀ ν ἐθ ῶ δ νκαταλυόμ π ο λ λ ε ὰἤ ν α η ν μ θ ρ ω σ δ ά ιω μ ά τ ω γ ν (b) κ α ὶαὐ τ ρ α ὸ ςπ ο λ ν π λ ῶ μ είμ μ η α ἐμ α υ τ ὸ ν τ ο ῖςμ ε τέπ ε ιτ ρ α έδ π α ω κ α . (a) Durch Einführung neuer Gesetze habe ich viele alte Sitten, diesich schon auflösten, wieder gefestigt

(b) undmich selbst aufvielen Gebieten als richtungweisendes Beispiel denNachfahren dargestellt.

Da im lateinischen Text (b) der Plural exempla sicher bezeugt ist, mußder μ αauf ein Mißverständnis des Übersetzers zurückgeführt werη είμ Singular μ den40. Dieses Mißverständnis dürfte durch das ipse der lateinischen Vorlage zu1, stande gekommen sein4 welches infolge seiner parallelen Stellung zumAblativ die legibus novis (a) einen Gegensatz zudiesem hervorrufen konnte: Gesetze dort – eigene Person hier. Der Übersetzer hätte dann das so vestandene ipse (α ὐ τ ό ς ) konkretisiert: die eigene Person als Beispiel. Muß ipse aber wirklich als Gegensatz zu legibus novis aufgefaßt werden? Liegt nicht vomSinn her ein Gegensatz zu demGenetiv maiorum näher? Denexempla maiorum würden dann die exempla, die Augustus selbst (ipse) aufgestellt ein Bezug, der den exempla des zweiten Satzes (b) erst hat, gegenüberstehen42 – ihre volle Bedeutung verleiht. 40 So zuerst A. vonDomaszewski, Abhandlungen zurrömischen Religion, 1909, ND 1977, 119 η(wie in a) kommt θ Anm. 1. Angesichts der möglichen Wiedergabe von exempla durch ἔ μ αals Fehler anzurechnen: Weber, Prinη είμ mannicht daran vorbei, demÜbersetzer dasμ ceps 170* verharmlost diesen Fehler, wenner erklärt, derÜbersetzer habe „nur“ dasGerundiμ αvereinigt. Ein Mißverständnis liege η είμ vumimitanda undsein Substantiv exempla in μ

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nicht vor; der Übersetzer habe vielmehr offen zumAusdruck gebracht, was Augustus verschleiert gesagt habe (173*). Demgegenüber bleibt festzuhalten, daß das Verständnis des lateinischen Satzes wesentlich von dem Plural exempla abhängt, unddas hat der Übersetzer nicht erkannt. vonPremerstein a. O. 65 hätte ein imlateinischen Text vortradidi zuergänNach Ramsay – zendes a me,das sich auf ipse bezöge, zuder„Entgleisung“geführt. Dagegen Weber, PrinSchönbauer a. O. (oben Anm. 28) 101 f. vermutet ceps 171* mit eingehender Begründung. – in imitanda denGrund fürdie Diskrepanz zwischen demlateinischen unddemgriechischen Text. Imitanda sei durch einen Steinmetz- oderAbschreibefehler zustande gekommen. Richtig müsse esheißen: imitando. Augustus habe dieBeispiele „durch Nachahmung“weitergegeben. Schönbauers Konjektur imitando schüfe einen sehr holprigen lateinischen Text, wogegen imitanda flüssig wirkt. Den schon von Weber gegen die Verbindung exempla imitanda erhobenen Vorwurf der Singularität hat H. Volkmann, Bemerkungen zudenRes gestae divi Augusti, Historia 3, 1954, 82 Anm. 3 durch Beispiele ähnlicher Artentkräftet, denen kürzlich R. Urban, Tacitus unddie Res gestae divi Augusti, Gymnasium 86, 1979, 69 noch Tac. ann. 3, 55, 5 hinzugefügt hat. Von Weber, Princeps 171* richtig gesehen; trotzdem hält er an demGegensatz von ipse zu legibus novis fest.

Novus status

– novae leges

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Die Aufhebung des Gegensatzes zwischen legibus novis undipse durch Herstellung eines solchen zwischen (exempla) maiorum undipse (= exempla Augusti) entzieht demAblativ legibus novis sein vermeintliches Pendant undmacht damit den Blick frei für die Rolle, die ihm in der Konstruktion der Satzreihe tatsächlich zukommt: Die exponierte Stellung an deren Anfang läßt es zu, seine Geltung auf Sätze derReihe zuerstrecken43, vorausgesetzt, derSinn deszweiten, mit ipse beginnenden, Satzes verträgt sich mit der Fortgeltung des Ablativs legibus novis. Diese Voraussetzung scheint nicht nurmöglich, sondern geradezu erforderlich zusein. Augustus nimmt im ersten Satz (a) als seine Leistung in Anspruch, multa exempla maiorum, als Gesetze formuliert, wieder zur Geltung gebracht zu haben. Ließe mandenAblativ legibus novis nurfür diesen Satz gelten, so wäre zwar ein Hauptcharakteristikum der augusteischen Gesetzgebung, die Reaktivierung der Vergangenheit, genannt, aber ein wesentliches anderes bliebe unerwähnt: die der Gegenwart angemessenen Zutaten desAugustus. Nunhat die Forschung gerade in denletzten Jahren zeigen können, daßdieMaterie deraugusteischen Gesetze nicht nuraus exempla maiorum besteht, sondern auch beachtliche Neuerungen des Augustus enthält44. Diese muß man dann konsequenterweise ebenfalls als exempla bezeichnen. Genau dies aber geschieht im zweiten Satz (b). Bezieht mandenAblativ legibus novis auch auf ihn, so besagt dieser Satz nämlich, daß Augustus die multarum rerum exempla, als deren auctor er selbst gelten möchte, in von )45 den („ durch neue Gesetze“ 6 Nachfahren zurBefolgung4 überliefert hat. Mit der Erstreckung des Ablativs legibus novis –natürlich in seiner vollen auch auf denzweiten Teil der Satzreihe ist Form: legibus novis meauctore latis – dasKonzept derGesetzgebung des Augustus in seiner ganzen Prägnanz zurückgewonnen, ein Konzept, dessen Eigenart darin besteht, daßdieleges, in denen es sich manifestiert, durchwirkt sind von exempla, und zwar von alten und neuen, von exempla maiorum undexempla Augusti.

beide

gesetzlichen Bestimmungen

Form

43 Das hat zuerst A. Heuß, Zeitgeschichte als Ideologie. Bemerkungen zu Komposition undGedankenführung derResGestae Divi Augusti, in: Monumentum Chiloniense. Kieler Festschrift fürErich Burck zum70. Geburtstag, hrsg. vonE. Lefèvre, 1975, 82, klar ausgesprochen. Vgl. sodann D. Nörr, Planung in derAntike. Über die Ehegesetze desAugustus, in: Freiheit und Sachzwang. Beiträge zuEhren Helmut Schelskys, 1977, 311. Indervonihmausdrücklich als frei“bezeichneten Übersetzung derbetreffenden Satzreihe ausRes g. 8 verbindet Nörr die „ zugleich“ beiden Sätze durch dasWörtchen „ : „Mitneuen, aufmeine Veranlassung erlassenen Gesetzen habe ich viele vorbildliche Sitten derVorfahren, die in unserer Zeit fast in Vergessenheit geraten waren, wiederhergestellt undzugleich selbst für spätere Zeiten auf vielen Gebieten vorbildliche Beispiele gesetzt“ . Auch Urban a. O. 69 bezieht legibus novis auf beide Sätze.

327. Daßmanche 44 Vgl. insbesondere Nörr a. O. 324–

45

46

Neuerungen gegen das Herkommen verstießen, betont D.Kienast, Augustus, 1982, 139. vomVolk bestätigten GesetzesanNicht als „selbständige Maßnahmen“imGegensatz zuden„ vonPremerstein a.O. 65. , soRamsay – träge(n)“ Statt exempla imitari kann manauch exempla sequi sagen, vgl. z. B. Tac. ann. 4, 37, 3, womit eine Verbindung zu demgeläufigen leges sequi hergestellt ist. Das bedeutet für das Verständnis vonRes g. 8 (b): Indem mandenexempla folgt, folgt mandenleges.

192

Recht

Wichtig ist vorallem dieErkenntnis desinnovatorischen Anspruchs: WasAugustus mit ipse multarum rerum exempla imitanda posteris tradidi zumAusdruck brachte, ließe sich durchaus auf die Formel nova exempla bringen47: er habe in seinen Gesetzen neue Verhaltensnormen aufgestellt48. Das aber heißt, demin Res g. 8 vorliegenden Konzept der augusteischen Gesetzgebung außer der vielberufenenDimension derRestauration49 eine weitere, eben dieInnovation, zuerkennen50. Die Einbeziehung der von Augustus sich selbst zugeschriebenen exempla in denRahmen seiner Gesetze verleiht diesen ein Gegengewicht gegen die in sie eingegangenen exempla maiorum und verdeutlicht ihre insgesamt von exempla bestimmte Struktur. Mit dieser aber ist das entscheidende Kriterium für ihre Kennzeichnung als novae leges gewonnen: Die Gesetze des Augustus waren nicht nur neuartig legitimiert51, sondern vorallem neuartig strukturiert.

IV dieses Faktum gilt es zuerklären, Exempla als Gegenstand derGesetzgebung – undzwar zunächst im Hinblick auf die exempla maiorum. Es scheint, daß die von Augustus vorgenommene Transponierung vonexempla maiorum in leges dasEndprodukt einer Entwicklung ist, die sich in zwei Strängen vollzogen hat. Einmal läßt sich in derrömischen Rhetorik des 1. Jahrhunderts v. Chr. die Tendenz beobachten, dasauf Gewohnheit sich gründende Rechtsgut demGesetzesrecht weitgehend anzunähern, ja, mosbzw. consuetudo derlex geradezu gleichzustellen. Zumande-

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50

Selbstverständlich konnte Augustus nach legibus novis nicht von exempla nova sprechen. Zudem wardieser Begriff noch stärker suspekt alsjener, vgl. H.Kornhardt, Exemplum (Diss. Nicht deutlich genug kommt bei Heuß a. O. 82 zum Ausdruck, Göttingen 1935), 1936, 69 f. – daßdieexempla desAugustus neusind: „Hinsichtlich derVergangenheit greift er auf dievorhergehenden exempla zurück, hinsichtlich derZukunft kanner nurhoffen undanregen, daßin ihr auf ihnzurückgegriffen wird, daßer, wenn er die Tradition, d. h. die exempla, aufnimmt, . damit auch exempla weitergibt“ Bezieht mandagegen denAblativ legibus novis nicht auf denipse-Satz, die vonAugustus für sich in Anspruch genommenen exempla also nicht auf die Gesetze, so hält es schwer, diese vielleicht“nurdie perexempla zuverifizieren. Vgl. die Verlegenheitslösung, es seien damit „ sönlichen Bemühungen des Augustus umdie Wiedererweckung verschollener exempla gemeint, H. Volkmann, Mosmaiorum als Grundzug desaugusteischen Prinzipats, in: Dasneue Bild der Antike II, Leipzig 1942, 259 = ders., Endoxos Duleia, 1975, 185. Dann würden auch diese exempla ausdemArsenal desmosmaiorum stammen, nicht neusein. Der restaurative Charakter der augusteischen Sittengesetzgebung wird z. B. von A. Heuß, Römische Geschichte, 51983, 284 f. sehr stark betont. Als„Neuschöpfung“werden dieGesetze desAugustus auch vonF. Wieacker, Privatrechtsgesetzgebung undpolitische Grundordnung imrömischen Freistaat, DieAntike 16, 1940, 202 f. bezeichnet. Dajedoch seine Interpretation vonResg. 8 einseitig aufdieexempla maiorum abgestellt ist, durch deren Rückführung Augustus sich derNachwelt als Muster dargestellt habe restaurative(n) (dazu Volkmann a. O. 185 Anm. 23), läßt er besagte Neuschöpfung hinter der„ Fassung“verborgen sein. Die oben imText vertretene Deutung der exempla Augusti läßt dagegen die Innovation auch im legislatorischen Konzept hervortreten. Nörr, a. O. 311, kenn-

. zeichnet dieses als „‘Dialektik’von NeuundAlt“

51 Oben S. 186.

Novus status

– novae leges

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ren erhob sich in derselben Zeit verstärkt der Ruf nach gesetzgeberischen Maß, dieAuflösung desmosmaiorum. Sittenverfall“ nahmen gegen den„ Das gleichberechtigte Nebeneinander vonleges undmores bzw. von iura und 2 begegnet in den Reden Ciceros besonders dann, wenn ein Gegner als exempla5 außerhalb der römischen Staatsordnung stehend dargestellt werden sollte5 3. Diese beruhte für Cicero auf mores ebenso wie auf leges54. Das gleiche galt für die bürgerlichen Verhältnisse: Der Auctor ad Herennium bezeichnete es in seinem Lehrbuch der Rhetorik geradezu als Hauptaufgabe des Redners, über diese beiden Grundlagen des Rechtsverkehrs erfolgreich sprechen zu können55. Von besonderer Bedeutung für den hier verfolgten Zusammenhang ist die in der philosophisch fundierten Rhetorik vertretene Auffassung, Gesetze gingen aus der durch allgemeine Anerkennung zur Gewohnheit gewordenen Rechtsmaterie hervor56, wofür 7. sich als gewichtiges Beispiel dasZwölftafelgesetz anführen ließ5 Das Zwölftafelgesetz hat, wenn man auf die darin vorgenommene Überfühμ μ ο ι, mores) in Gesetze (ν ο ι, leges) blickt5 8, starke Ähnό ισ θ rung von Sitten (ἔ 52 Über denBegriff desmosundsein Verhältnis zurlex handelt in größerem Rahmen J. Bleik396. Zuexemplum ken, Lex publica. Gesetz undRecht in derrömischen Republik, 1975, 347– undlex s. D. Nörr, Zur Reskriptenpraxis in der hohen Prinzipatszeit, ZRG Rom. Abt. 98, 1981, 39 f. 53 Vgl. z.B. Cic. dom. 68 (Clodius hat mit der Verbannung Ciceros contra leges moremque maiorum gehandelt), Phil. 5, 13(Antonius hatdurch seine lex iudiciaria u.a. denKreter Kydas zumRichter gemacht; bei diesem müsse gefragt werden, num, quod maximum est, leges nostras moresve novit), Deiot. 32 (Kastor, demAnkläger desDeiotarus, wirdvorgeworfen, nach Romgekommen zusein, uthuius urbis iura et exempla corrumperes). 54 Vgl. Cic. fam. 9, 2, 5. 55 Auct. ad Herenn. 1, 2, 2: Oratoris officium est de iis rebus posse dicere, quae res ad usum civilem moribus et legibus constitutae sunt, cumadsensione auditorum, quoad eiusfieri poterit. Zuweiteren Stellen, in denen leges undmores beim Auct. adHerenn. gleichwertig nebeneinanderstehen, vgl. M. Kaser, Mos maiorum und Gewohnheitsrecht, ZRG Rom. Abt. 59, 1939, 94. Als consuetudo zusammengefaßt erscheinen die mores neben denleges unter den Oberbegriff ius subsumiert in der Stelle 2, 13, 19. Zur Diskussion um die consuetudo als Rechtsquelle vgl. zuletzt W. Waldstein, Gewohnheitsrecht undJuristenrecht, in: De iustitia et 126. iure. Festgabe für Ulrich von Lübtow zum80. Geburtstag, 1982, 105– 56 Cic. inv. 2, 65: Initium ergo eius (sc. iuris) ab natura ductum videtur; quaedam autem ex utilitatis ratione aut perspicua nobis aut obscura in consuetudinem venisse; post autem approbata quaedam a consuetudine aut vero utilia visa legibus esse firmata. 2, 67: Consuetudine autem ius esse putatur id, quod voluntate omnium sine lege vetustas comprobarit. Vgl. auch 2, 160. Eindringliche Behandlung dieser Stellen durch J. Blänsdorf, Griechische und römische Elemente in Ciceros Rechtstheorie, Würzb. Jahrbücher für dieAltertumswiss., N. F. 147. Zur Bedeutung dervoluntas omnium, die schon bei Arist. rhet. 1, 10, 1368b 2, 1976, 135– 9 erscheint, Waldstein a. O. 120 f. 7– 57 Dion. Hal. ant. 10, 57, 5: ἐ φ μ ρ ω ῶ ν νἐθ ά ισ γ . Auf die Bedeutung der Stelle im ῶ νἀ κτ vorliegenden Zusammenhang hat Waldstein a. O. 117 aufmerksam gemacht, derauch daran 8 v. Chr. Rhetorik lehrte. erinnert, daßDionys vonHalikarnaß inRomvon30 – 58 Dion. Hal. ant. 10, 57, 5. Vgl. Liv. 3, 31, 8, wo es von der Gesandtschaft, die nach Griechenland geschickt wurde, heißt, sie solle inclitas leges Solonis describere et aliarum Graeciae civitatium instituta, mores iuraque noscere. Daraus darf manschließen, daßdie römischen Verhältnisse mitdenselben Begriffen erfaßt wurden. Es wargroßenteils in Rombestehendes Gewohnheitsrecht, welches

imZwölftafelgesetz

niedergelegt wurde,

G. Dulckeit –F. Schwarz -

194

Recht

lichkeit mit demGesetzgebungswerk des Augustus. Denn die Aufzeichnung des Zwölftafelgesetzes erfolgte ja als Reaktion auf die Mißachtung des bis dahin schriftlich noch nicht fixierten Rechts. Die exempla maiorum exolescentia iamex nostro saeculo, die Augustus durch Gesetze wieder zur Geltung brachte, bezeichnendiegleiche Situation: beide Male galt es, dem„Sittenverfall“Einhalt zugebieten5

9.

Die Klage über denAbfall von denprisci mores, der Augustus offenbar mit seinen Gesetzen entgegentrat, läßt sich bis in den Beginn des 2. Jahrhunderts v. Chr. zurückverfolgen. Catos Kampf als Zensor (184 v. Chr.) gegen die novaflagitia undsein Versuch, priscos revocare mores6 0,bilden einen Markstein: dieZensur wurde als regimen morum mobilisiert61. Schon früher, besonders aber seit dem2. Jahrhundert v. Chr., wurde das Mittel des Gesetzes gegen die corrupti civitatis mores (Sall. Cat. 5, 8) eingesetzt: leges sumptuariae, annales, de ambitu, de repetundis behandelten Gegenstände, diebisher demBereich desmosmaiorum angehört hatten62. Aufgehalten haben diese Maßnahmen die Verfallserscheinungen im 3. öffentlichen und privaten Leben nicht6 Sie erfaßten ja lediglich einen Teil der Krisensymptome. Zudem wurde das regimen morum nuralle vier Jahre, undzwar keineswegs mit gleicher Strenge, durchgeführt; die einzelnen Gesetzesinitiativen lagen meist Jahrzehnte auseinander. Die fortschreitende Auflösung der römischen Staatsordnung führte nach dem Bürgerkrieg der80er Jahre Sulla zuderEinsicht, daßeine umfassende Neuordnung derRespublica erforderlich sei. Bezeichnenderweise griff er hinsichtlich derKompetenz zur Ausführung dieser Aufgabe auf die Dezemvirn, die Schöpfer des Zwölftafelgesetzes, zurück64. Als dictator legibus scribundis et reipublicae consti5. tuendae reorganisierte er denStaat durch eine Vielzahl vonGesetzen6 In diesen,

W. Waldstein, Römische Rechtsgeschichte,71981, 51. ZumBegriff der lex in Anwendung auf Satzung der Decemvirn“ ) s. Bleicken a. O. 91. die 12 Tafeln („ 59 AufdieTatsache, daß, wennüberhaupt, mannicht nurvoneinem „Sittenverfall“inderspäten römischen Republik sprechen dürfe, sondern dannauch dieMißstände, diezurAbfassung des Zwölftafelgesetzes führten, so bezeichnen müsse, hat F. Hampl, Römische Politik in republikanischer Zeit unddas Problem des ‘Sittenverfalls’, in: ders., Geschichte als kritische Wissenschaft III, 1979, 32, nachdrücklich aufmerksam gemacht. 60 Liv. 39, 41, 4. Vgl. dazuU. Knoche, DerBeginn desrömischen Sittenverfalls, in: Neue Jahr155 = ders., Vom Selbstverständnis der Römer, Gymnasium, Beiheft 2, bücher 1, 1938, 151– 117. 1962, 113–

61 ZumAufkommen undzurBedeutung deszensorischen 387.

regimen morum Bleicken

a. O. 377–

393 klassifiziert diesen Vorgang einprägsam als „Jurifizierung vonmos“ 62 Bleicken a. O. 387– undweist darauf hin(393 Anm. 144), daßz. B. Cicero ihnklar erkannt habe (ambitio führt zu leges annales, Phil. 5, 47). 63 Vgl. E. Pólay, Das ‘regimen morum’desZensors unddiesogenannte Hausgerichtsbarkeit, in: Studi inonore diEd.Volterra III, 1971, 273. 569, 64 Vgl. meine Bemerkungen zurGenese dersullanischen Diktatur: Historia 24, 1975, 555– 179]. 181, bes. 171– 567 [in diesem Band S. 167– bes. 559– 65 Liv. per. 89: Legibus novis reipublicae statum confirmavit (sc. Sylla).

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– novae

leges

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vor allem in den für die quaestiones geltenden Strafgesetzen66, mag manche bis im mosverankerte Norm eine gesetzliche Grundlage erhalten haben, Sullas eigentliches Anliegen wardies nicht. Sein Hauptaugenmerk warauf die instituta gerichtet; der Staatsapparat sollte wieder funktionieren, die Herrschaft des Senats 7. gesichert werden6 Die exempla, die Leitbilder des sozialen Verhaltens, lagen au8. ßerhalb seines Gesichtskreises6 Es kann geradezu als ein Unterscheidungsmerkmal dersullanischen Gesetzgebung gegenüber derdesDezemvirats gelten, daßsie diemores nicht planmäßig indieleges einbezog. Aufdie Vernachlässigung dermores in Sullas Gesetzgebung folgten 30 Jahre, in denen dermosmaiorum weiter anGeltung verlor, ja, denkt manetwa an Catilina oder Clodius, ganz undgar mißachtet wurde6 9. Erst im Jahre 52 v. Chr. wurde der Versuch unternommen, Kontrolle über die verfallenden mores zu gewinnen: zur Verbessesine collega –„ Pompejus erhielt ein außerordentliches Konsulat – rung der Sitten“(corrigendis moribus)70. Er hat darin einen Auftrag zurGesetzge1, bung gesehen undihn durch eine Reihe vonReformgesetzen erfüllt7 die, soweit die Überlieferung einen Einblick gestattet, tatsächlich die Absicht zur correctio morum erkennen lassen72 . Bemerkenswert ist auch der offenbar bestehende Zuso darf manvermusammenhang zudemPlan einer Gesetzeskodifikation73, die – ten –die gesetzlichen Handhaben gegen die Verfallserscheinungen überschaubar und damit verfügbar machen sollte74. Der Kodifikationsplan gelangte nicht zur dahin

66 DieBelege fürdiesen Teil derleges Corneliae sindzusammengestellt undinterpretiert vonW. 67). 749 (= ders., Kleine Schriften, 1974, 56– RE 24 (1963), 740– Gesetzgebung bei Chr. Meier, Res publica amissa, 1966, 189. 260, undA. Keaveney, Sulla. The Last Republican, 1982, 169– 255– AlsBeweis dafür kann dieBehandlung derZensur dienen, dienach Mommsens Formulierung nicht abrogiert, aber abgeschafft“wurde (Röm. Staatsr. II3, 1887, ND 1963, 337 Anm. 4 von „ S. 336). Dadurch fiel daszensorische regimen morum für mehr als ein Jahrzehnt (bis zur Erneuerung derZensur im Jahre 70 v. Chr.) aus, vgl. E. Schmähling, Die Sittenaufsicht der Censoren, 1938, 159 f. Hervorzuheben ist derSchlag, denClodius in seinem Tribunat (58 v. Chr.) gegen daszensorische Sittengericht führte: eine lex Clodia ließ die nota censoria nurzu, wenn ein förmliches Verfahren vorbeiden Zensoren stattfand undderSchuldspruch einstimmig erfolgte, Cass. Dio 38, 13, 2, Ascon. in Pis. 9 (16 Stangl), Mommsen a. O. 386 f., Schmähling a. O. 160. Tac. ann. 3, 28, 1. Vgl. Cic. Phil. 1, 18: Pompei tertius consulatus in quibus actis constitit? nempe in legibus. Kurze Würdigung derbetreffenden Gesetze bei G. A. Lehmann, Politische Reformvorschläge in derKrise derspäten römischen Republik, Beiträge zurKlass. Philologie 117, Meisenheim 10. amGlan 1980, 8– Ein typisches Beispiel ist die Beschränkung derRedezeit für dieAnwälte in Kriminalprozessen, derTac. dial. 38, 1 diediesbezügliche Freiheit derRedner vorden„alten Gerichten“gegenüberstellt. Zu den Einzelheiten s. Th. Mommsen, Römisches Strafrecht, 1899, ND 1961, 429. –Ebenso typisch ist die Aufhebung der Lex Clodia (Anm. 69), das zensorische Sit427– tengericht betreffend, Cass. Dio 40, 57, 1. Isid. orig. 5, 1, 5: Leges autem redigere in libris primus consul Pompeius instituere voluit. Dazu E. Pólay, Der Kodifikationsplan des Pompeius, Acta Antiqua Hung. 13, 1965, 85– 95. W. Kunkel, Das Wesen des ius respondendi, ZRG Rom. Abt. 66, 1948, 448 f. führt den Plan des Pompejus auf Kreise zurück, die mit der Unübersichtlichkeit der Gesetze undmit ihrer Kunkel,

67 Vgl. die Analyse der sullanischen 68

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196

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die correctio morum blieb ohne Wirkung, daein neuer Bürgerkrieg alles überschattete. Als im Jahre 46 v. Chr. Caesar sich anschickte, denStaat neuzuordnen, erhielt er vomSenat einen ähnlichen Auftrag wie Pompejus im Jahre 52 v. Chr.: er sollte fürdrei Jahre alspraefectus moribus fungieren76. Wasmanvonihmerwartete, hat Cicero in der im gleichen Jahr (46) gehaltenen Rede für Marcellus formuliert: er müsse alles, was in Verfall geraten und schon der Auflösung nahe sei, durch strenge Gesetze unter Kontrolle bringen. Den Gerichten fehle die richtige Ordnung, demKreditwesen Treu undGlauben. Die Zügellosigkeit derSitten müsse eingedämmt, die Freude anNachkommenschaft gefördert werden7 7. Für Caesar verband sich dieses umfassende Programm einer correctio morum mitderWiederaufnahme undErweiterung des von Pompejus fallengelassenen Kodifikationspla8, nes7 aber ausgeführt hater vonder Sittenreform nureinen Teil79, vondemKodi-

Ausführung75,

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Auslegung durch dieJuristen unzufrieden waren. Nach Pólay a. O. 93 f. hatPompejus mitder Kodifikation derGesetze seine Alleinherrschaft sichern wollen, wasunwahrscheinlich ist. Isid. orig. 5, 1, 5 (Anm. 73) fährt fort: sed nonperseveravit obtrectatorum metu. Pólay a. O. 95 vermutet als „Gegner“dieAnhänger Caesars, eher ist aber m.E. andieOptimaten zudenken, dieeine Einengung ihrer politischen undwirtschaftlichen Möglichkeiten fürchten mochten.NachKunkel a. O.448 hätten dieJuristen denPlandesPompejus vereitelt. η ς π ω νἐπ ισ τ τ . Cic. fam. 9, 15, 5: praefectus moribus. Zuden ά ντρό ῶ Cass. Dio43, 14, 4: τ Schwierigkeiten, die Bekleidung dieses Amtes (Suet. Caes. 76, 1:praefectura morum) durch Caesar zusichern, s. H.A. Andersen, Cassius DiounddieBegründung desPrincipates, 1938, 32 f. in Auseinandersetzung mit Mommsen, Röm. Staatsr. II 705 f. Wenn auch endgültige Klarheit nicht zuerlangen ist, so bleibt doch dasFaktum dervomSenat beschlossenen Auftragserteilung, welches als Beweis für die Notwendigkeit der erwarteten Maßnahmen gelten kann. ZurDatierung des Cicerobriefes fam. 9, 15 in denSeptember 44 v. Chr. vgl. M. Dem190. mel, Cicero undPaetus (Diss. Köln 1962), 172– Cic. Marc. 23: Omnia sunt excitanda tibi, C. Caesar, uniquae iacere sentis belli ipsius impetu, quod necesse fuit, perculsa atque prostrata: constituenda iudicia, revocanda fides, comprimendae libidines, propaganda suboles, omnia quae dilapsa iamdiffluxerunt severis legibus vincienda sunt. Vgl. hierzu ausführlich G. Ewert, Ciceros Rede ProMarcello als bedeutsames zeithistorisches Dokument, Wiss. Zeitschr. Univ. Rostock, Gesellschafts- und sprachwiss. 443. –Cicero hatte 52/51 v. Chr. im Rahmen seines Werkes über die GeReihe 18, 1969, 436– setze ein ausführliches Reformprogramm aufgestellt, in demderZensur besondere Aufmerk35. MitdenForderungen anCaesar samkeit zuteil wurde, vgl. Lehmann a. O.(s. Anm.71) 29– inderRede fürMarcellus berühren sich daraus fiktive Gesetzesklauseln wiecensoris ... caelibesesseprohibento, mores populi regunto (Cic. leg. 3, 7). Suet. Caes. 44, 2: (destinabat sc. Caesar) ius civile ad certum modum redigere atque ex immensa diffusaque legum copia optima quaeque et necessaria inpaucissimos conferre libros. Isid. orig. 5, 1, 5: Deinde (d. h. nachdem derKodifikationsplan desPompejus nicht zustande gekommen war) Caesar coepit idfacere. Vgl. dazu E. Pólay, Der Kodifizierungsplan desJu45), daß Sueton zwei Pläne 51, der insbesondere betont (36– lius Caesar, Iura 16, 1965, 27– Caesars unterscheide; dereine betreffe dasJuristen-, derandere dasGesetzesrecht. Hier istzunächst dielexsumptuaria zunennen (Suet. Caes. 43, 2; Cass. Dio43, 25, 2), sodann dielex iudiciaria (über dieRichterdekurien, Suet. Caes. 41, 2; Cass. Dio43, 25, 1), schließlich Maßnahmen in bezug aufKredite, Vermögensabtretung u. ä. (z. T. schon 49 v. Chr., vgl. M. 141, J. P. Royer, W. Frederiksen, Caesar, Cicero andthe Problem of Debt, JRS 56, 1966, 133– 450) sowie kinLe problème des dettes à la fin de la république romaine, RHD45, 1967, 444– derreiche Familien (Cass. Dio 43, 25, 2, dazu P. A. Brunt, Italian Manpower, 1971, 104).

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fikationsplan überhaupt nichts80. Die Iden desMärz 44 v. Chr. setzten seinen Plänen ein Ende, mehr noch: sie verlängerten den im Jahre 49 v. Chr. begonnenen Bürgerkrieg bis ins Jahr 30 v. Chr. Tacitus hatdiesen 20jährigen Zeitraum mit der 1. Formel nonmos, nonius prägnant charakterisiert8 Der Rückblick auf die Bemühungen umeine correctio morum in der späten Republik läßt dasAngebot dercura legum et morum anAugustus als neuen Anlauf zur Bewältigung einer seit langem als notwendig erkannten82, aber ungelösten Aufgabe erscheinen, die durch jenes Angebot legitimierten novae leges des Augustus als Nachholung dieses schwerwiegenden Versäumnisses. Dadurch wiederumerfährt die retrospektive Komponente der augusteischen Gesetze ihre Erklärung undihre Rechtfertigung. Nungibt es aber, wie oben erkannt, neben dieser, durch die exempla maiorum repräsentierten, Komponente eine andere, deren Kennzeichen neue, vonAugustus aufgestellte, Verhaltensmuster sind. Welche Bewandtnis hat es mit dieser innovatorischen Komponente deraugusteischen Gesetze? Als Ausgangspunkt für die Beantwortung dieser Frage mußdie Augustus vom

Senat zuteil gewordene neuartige Legitimierung seiner Gesetzgebung gewählt werden. Diese ließ sich oben S. 185 f. dahingehend bestimmen, daßder voluntas Augusti die utilitas reipublicae vindiziert wurde: DerWille desAugustus undder Nutzen fürdenStaat wurden in eins gesetzt. Hier gilt es anzuknüpfen! Bei dervorgenannten Gleichsetzung fällt entscheidend ins Gewicht, daß Augustus von sich behaupten konnte, er überrage alle anauctoritas (Res g. 34). In Zuspitzung aufdie legislatorische Ermächtigung heißt dies, daß das in Augustus verkörperte Staatsinteresse sich über alle erhob, daß die utilitas rei publicae der utilitas singulorum in einem nie gekannten Maße übergeordnet wurde83. Die Konsequenz liegt auf derHand: Die weitgehende Übereinstimmung zwischen demInteresse des Staates unddenPrivatinteressen der herrschenden (aristokratischen) Schicht, welche dierepublikanische Gesetzgebung gekennzeichnet hatte8 4, warnunnicht mehr selbstverständliche Voraussetzung. Augustus hatte kraft seiner überhöhten Position die Möglichkeit, das Staatsinteresse stärker gegenüber den Privatinteressen der

80 Isid.orig. 5, 1, 5: Deinde Caesar coepit idfacere, sed ante interfectus est. Suet. Caes. 44, 4: Talia agentem atque meditantem morspraevenit. Vgl. Pólay a. O. 31 f. 81 Tac. ann. 3, 28, 1. Vgl. die Klage Ciceros ausdemJahre 43 v. Chr. (ad Brut. 18, 3): nonratio, nonmodus, non lex, non mos, non officium valet, non iudicium, nonexistimatio civium, non posteritatis verecundia.

82 Vgl. noch Hor. carm. 3, 24, 35 f.: Quidleges sine moribus / vanae proficiunt, ... (23 v. Chr.). 83 Theoretisch vorgeformt wardie rigorose Überordnung desStaatsinteresses über dasEinzelinteresse durch Cicero. Vgl. bes. off. 3, 24, dazu Th. Honsell, Gemeinwohl undöffentliches Interesse, ZRGRom. Abt. 95, 1978, 98. AuchzurUmsetzung indiePraxis lageine bemerkenswerte Äußerung Ciceros vor: Phil. 8, 15, dazuG. Jossa, L’„ utilitas rei publicae“nel pensiero diCicerone, Studi Romani 12, 1964, 287. Zurgriechischen Herkunft desGegensatzpaares utilitas publica –utilitas singulorum vgl. A. Steinwenter, Utilitas publica –utilitas singulorum, 90. ZumRückschluß, den die Betonung der utilitas in: Festschrift P. Koschaker I, 1939, 86– publica aufdenCharakter desPrinzipats erlaubt, vgl. D.Nörr, C. Cassius Longinus: DerJurist als Rhetor, in: Althistorische Studien Hermann Bengtson zum70. Geburtstag dargebracht, Historia, Einzelschriften 40, 1983, 213. 84 Vgl. dazudieDarlegungen vonJ. Bleicken, Lexpublica, 1975, 268 ff.

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Recht

Aristokratie zur Geltung zubringen. Auf die exempla angewendet, die Augustus als sein eigenes Vermächtnis derNachwelt überlieferte, bedeutet dies, daß sie als Bausteine einer neuen Staatsgesinnung aufgefaßt werden müssen, einer Gesinnung, die dasWohl dereinzelnen demWohl aller, d. h. des Staates, unterordnete. Die exempla Augusti gehörten zu denfundamenta rei publicae, die gelegt zu haben, sich derKaiser rühmte8 5.

V Der Versuch, denCharakter der vonAugustus selbst in seinen Gesetzen aufgestellten exempla vondenVoraussetzungen herzuerfassen, unter denen derKaiser seine legislatorische Tätigkeit aufnahm, hat in besonderem Maße deutlich werden lassen, daßes erforderlich ist, die über die Struktur deraugusteischen Gesetze gewonnenen Erkenntnisse an deren Überresten zu konkretisieren. Zuvor sei jedoch zusammengefaßt, wassich überdieEigenart dernovae leges ermitteln ließ: Ihre Grundlage war der durch Senat undVolk an Augustus ergangene Auftrag, geben“ Gesetze zu „ , die er im Interesse des Staates für notwendig hielt. Ihre Art warinsofern vorgezeichnet, als derAuftrag durch Erwähnung dermores zumeinen aufderen Gleichrangigkeit mitdenleges, zumanderen aufdieNotwendigkeit einer correctio morum hinwies. Augustus erfüllte diesen Auftrag, indem er erstens zahlreichen alten, nicht mehr befolgten, Normen (exempla maiorum) Gesetzeskraft verlieh und zweitens diese Materie ergänzte durch rechtsschöpferische Akte (exempla Augusti), die er im Interesse des neuen Zustands der Respublica für erforderlich hielt. Geht mannundaran, dasvonderÜberlieferung aufbewahrte Material über die augusteischen Gesetze86 auf exempla dereinen oder anderen Art zudurchmustern, so bieten sich –wegen der relativ zahlreichen Zeugnisse –zunächst die beiden Ehegesetze, die Lex Iulia (de maritandis ordinibus) des Jahres 18 v. Chr. unddie Lex Papia Poppaea des Jahres 9 n. Chr., an87. Bei der Rogation des ersteren Gesetzes ließ Augustus im Senat die Rede vorlesen, welche der Zensor Q. Metellus Macedonicus im Jahre 131 v. Chr. deprole augenda gehalten hatte. Die Rede entsprach so genau denIntentionen des Kaisers, daß er sie behandeln konnte, als sei

85 Suet. Aug.28, 2 (Text obenAnm. 14). 86 Sie sind zusammengestellt von B. Biondi in: Acta Divi Augusti (ed. S. Riccobono), 1945, 223. Zusammenfassende Untersuchungen über dieGesetzgebung desAugustus liegen vor 101– vonV. Arangio-Ruiz, La legislazione, in: Augustus. Studi in occasione del Bimillenario Augusteo, 1938, 101ff. undB. Biondi, La legislazione di Augusto, in: Conferenze Augustee nel Bimillenario della Nascità, 1939, 139 ff. Gesetze werden in der Überlieferung oft als Einheit behandelt. Die Texte bei 197. Ausderumfangreichen Literatur seien hier nurzwei gröBiondi, Acta Divi Augusti 166– ßere Arbeiten zusammenfassenden Charakters genannt: J. E. Spruit, Lex Iulia et Papia Poppaea (1969), R. Astolfi, La lex Iulia et Papia (1970). Weitere Angaben bei Kienast, Augustus 137 Anm. 46 und D. Nörr, The Matrimonial Legislation of Augustus, The Irish Jurist 16, 1981, 363 f.

87 Die beiden

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– novae leges

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sie für dengegenwärtigen Anlaß geschrieben88. Darüber hinaus diente sie ihm zum daßer nicht dererste sei, derdie Förderung vonHeirat undKinderzeugung zum Gegenstand einer Staatsaktion mache, daß vielmehr die Vorfahren 9. (antiqui) dies schon getan hätten8 Schließlich enthob die Verlesung der Rede Augustus derNotwendigkeit, dasMotiv seines Ehegesetzes eigens zupropagieren: Metellus hatte deutlich zum Ausdruck gebracht, daß das Wohl des Staates (salus perpetua) die Ehe erforderlich mache90. Der Rückgriff auf die Rede des Metellus läßt keinen Zweifel daran, daßAugustus dasvonihmin derLex Iulia aufgestellte Gebot, zuheiraten undKinder zu zeugen, als exemplum maiorum verstanden wissen wollte. Die Berufung auf den Zensor Metellus macht aber auch deutlich, daß die Transformation der zensorischen Ermahnung zur gesetzlichen Pflicht einen gravierenden Unterschied markierte. DerZensor band die Bürger durch einen Eid, die Ehe zumZwecke derKin1, derzeugung einzugehen9 die Lex Iulia dagegen legte den ehe- undkinderlosen Bürgern schwere erbrechtliche Sanktionen auf92. Man könnte geneigt sein, diese als nova exempla im Sinne von Res g. 8 zuwerten, doch würde mandamit dem Sachverhalt wohl nicht gerecht. Die Festsetzung vonpoenae war die notwendige Folge desÜbergangs vonmores in leges, gehörte so engzudenmit Gesetzeskraft ausgestatteten exempla maiorum, daßsie nicht gut als Aufstellung neuer exempla bezeichnet werden könnte. Diese müssen, was Ehe undNachkommenschaft betrifft, in anderen Bestimmungen derLex Iulia gesucht werden. Als solche kommen m. E. die in Kapitel 7 enthaltenen Privilegien für diejenigen, die denWeisungen des Gesetzes folgten, in Frage9 3. Die Privilegien betrafen denWechsel derAmtsführung imKonsulat unddieBewerbung umdieÄmter. Der Nachweis,

88 Liv. per. 59: Extat oratio eius (sc. Q. Metelli) quam Augustus Caesar, cum de maritandis ordinibus ageret, velut in haec tempora scriptam insenatu recitavit. 89 Suet. Aug. 89, 2: Etiam libros totos et senatui recitavit et populo notos per edictum saepe fecit, utorationes Q. Metelli deprole augenda et Rutili demodoaedificiorum, quomagis persuaderet utramque remnona seprimo animadversam, sedantiquis iamtunc curae fuisse. M. Benner, TheEmperor says. Studies intheRhetorical Style inEdicts of theEarly Empire, StudiaGraeca et Latina Gothoburgensia 23, 1975, 82 f., betont, daßAugustus die Rede desMetellus (unddiedesRutilius) auchdurch Edikt demVolke bekanntmachte. 90 Das betreffende Fragment der Rede steht bei Gell. 1, 6, 2 (= H. Malcovati, Oratorum Romanorum Fragmenta I2, 1955, 108 fr. 6). Der salus perpetua ist die brevis voluptas gegenübergestellt. Daß die salus perpetua als „Staatswohl“verstanden werden muß, sagt ausdrücklich derRhetor T. Castritius ineiner Stellungnahme zurRede desMetellus. Deren Absicht sei es gewesen, denZuhörern die Überzeugung zuvermitteln, civitatem salvam esse sine matrimoniorum frequentia nonposse (Gell. 1, 6, 6). Zur merkwürdigen Beweisführung des Metellus vgl. E. Schmähling, Die Sittenaufsicht derCensoren, 1938, 72 f. mitAnm. 128. 91 Gell. 4, 3, 2: (Sp. Carvilius Ruga) iurare a censoribus coactus erat, uxorem se liberum quaerundum gratia habiturum, vgl. 17, 21, 44. ZumEidvordemZensor s. Mommsen, Röm. Staatsr. II 373 f. 92 Unverheiratete verloren die Erbberechtigung (= Erwerbsfähigkeit) ganz, Verheiratete ohne Kinder zur Hälfte. Die Texte bei Biondi, Acta Divi Augusti 184– 186. Einzelheiten bei M. Kaser, Dasrömische Privatrecht I,21971, 723 bis 725. 93 Angabe derKapitelnummer: Gell. 2, 15,4. Diedarunterfallenden Texte bei Biondi, Acta Divi Augusti 174 f.

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Kinderreichere hatte in beiden Fällen den Vorzug vor dem Kinderärmeren, der Verheiratete vor demUnverheirateten. Im Falle derAmtsübernahme der Konsuln läßt sich der strikte Beweis führen, daß Augustus ein exemplum maiorum durch ein neues, eigenes ersetzt hat: Es entsprach dem Herkommen, daß der jüngere Konsul dem älteren den Vortritt ließ. Augustus aber gab demjenigen der beiden Konsuln, der Ehe bzw. Kinderzahl seinem Kollegen gegenüber voraus hatte, ge. setzlich die Priorität94 Die Berücksichtigung dieser Kriterien bei derÄmterbewer5. bung warein Novum überhaupt9 Aufs ganze gesehen bestand die Norm, welche Augustus in der Lex lulia de maritandis ordinibus aufstellte, in der Prämierung eines bestimmten privaten Verhaltens mit höchsten staatlichen Privilegien. Das Interesse des Staates an Ehe undKinderzahl wurde dadurch in einer Weise zum Ausdruck gebracht, diewirklich neuwar96. Nächst dem Gesetzeskomplex über Heirat und Kinderzeugung verheißt das 7 Ehebruchsgesetz, dieLex Iulia deadulteriis coercendis, ausdemJahre 18 v. Chr.9 Aufschluß über exempla, die von Augustus wiedererweckt bzw. erstmals aufgestellt wurden. Im 2. Kapitel dieses Gesetzes erhielt derVater das Recht zugesprochen, die in seiner patria potestas stehende Tochter zutöten, wenn er sie in seinem Hause oder dem seines Schwiergersohnes beim Ehebruch ertappte; auch den männlichen Schuldigen durfte er zusammen mit derEhebrecherin straflos töten98. Die Gesetzesklausel über das Tötungsrecht des Vaters ist geradezu ein Musterbeispiel fürdieVerflechtung vonalten undneuen exempla. DaßderVater seine in flagranti ertappte ehebrecherische Tochter und deren Geliebten nach alter Rechtsauffassung ohne Gerichtsverfahren töten durfte, läßt sich durch das überlieferte diesbezügliche Recht desEhemannes gegenüber seiner Gemahlin99 undwohl

7. Vgl. Mommsen, Röm. Staatsr. I 40 f. 94 Gell. 2, 15, 4– 95 Vgl. Mommsen a. O. 574 f. Hauptbelege für die Berücksichtigung des Familienstandes bei dencandidati: Tac. ann. 2, 51, 1. 15, 19, 1; Plin. ep. 7, 16, 2; Cass. Dio 53, 13, 2; Dig. 4, 4, 2 (Ulp.).

9) wiedergegebenen Rede, die Augustus 9 n. 96 DieArgumentation dervonCassius Dio(56, 2– Chr. an denordo equester in Sachen Ehe undFamilie richtete, warganz auf das Staatswohl

abgestellt. Von der Ehegesetzgebung des Augustus insgesamt sagt der Jurist Terentius Clemens (unter Antoninus Pius: W. Kunkel, Herkunft undsoziale Stellung der römischen Juri181) in seinem Kommentar (Libro quinto ad legem Iuliam et Papiam): legem sten, 21967, 177– enim utilem rei publicae, subolis scilicet procreandae causa latam, Dig. 35, 1, 64, 1. Dazu Nörr, Planung in der Antike (oben Anm. 43) 321, Honsell a. O. 117 f. Zuweiteren Anwendungen desPrinzips derutilitas publica auf Schutz undFörderung derEhe vgl. U. Leptien, Utilitatis causa, Diss. Freiburg 1967, 214 ff. Nach A. Wallace-Hadrill, Family and Inheritance in the Augustan Marriage Laws, Proceedings of the Cambridge Philological Society N. S. 27, 1981, 58 ff., wäre dasStaatsinteresse konkret aufdie Sicherung desVermögensübergangs von

97 98

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einer Generation auf dieandere gerichtet gewesen. 128. Rekonstruktion desGesetzes bei Biondi, Acta Divi Augusti 113– Coll. 4, 2, 3 (Paul. lib. sing. de adult.): Secundo vero capite permittit patri, si in filia sua, quam in potestate habet, aut in ea, quae eo auctore, cumin potestate esset, viro in manum convenerit, adulterium domi suae generive sui deprehenderit isve in earn remsocerum adhibuerit, ut is pater eumadulterum sinefraude occidat, ita utfiliam in continenti occidat. Gell. 10, 23, 5 (aus derRede Catos dedote) = H.Malcovati, Oratorum Romanorum Fragmenta I, 21955, 90 fr. 222: In adulterio uxorem tuamsi prehendisses, sine iudicio inpune necares. Dazu Mommsen, Röm. Strafr. 625 mit Anm. 1, W. Kunkel, Das Konsilium im Hausgericht,

Novus status

00sowie

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201

das vomZwölftafelgesetz gestattete gleichartige Vorgehen gegen denin derNacht beim Diebstahl Ergriffenen1 01 sicherstellen. In dieser Hinsicht bekräftigte Augustus also eine vondenmaiores aufgestellte 02. Norm1 auch deren Liebhaber1

durch

Die in Rede stehende Klausel des2. Kapitels derLex lulia de adulteriis coercendis enthielt aber auch eine adiectio, die anscheinend ein novum exemplum darstellt. Aufdiese adiectio hatin severischer Zeit Papinian hingewiesen. Sie bestand in einer Einschränkung des Tötungsrechts gegenüber demadulter. Er durfte vom Vater derimEhebruch betroffenen Tochter nurdann straflos getötet werden, wenn auch die adultera das gleiche Schicksal erlitt103. Diese Koppelung sollte nach Papinian die Usurpation des ius vitae necisque gegenüber einem extraneus im Sinne dermaior aequitas rechtfertigen, anders ausgedrückt: sie sollte die einseitige Bestrafung desEhebruchs amadulter unter Schonung deradultera verhindern104. Einem weiteren novum exemplum dürfte manaufdie Spur kommen, wennman von dem vorhin erwähnten Tötungsrecht des Ehemanns gegen seine beim Ehe05 bruch ertappte Frau1 auf die entsprechenden Bestimmungen der Lex Iulia de adulteriis coercendis blickt. Augustus hatjenes durch Cato als alt bezeugte Recht ZRG Rom. Abt. 83, 1966, 236 f. (= Kl. Schriften, 1974, 134 f.), J. A. C. Thomas, Lex Iulia de adulteriis coercendis, in: Études offertes à Jean Macqueron, 1970, 637; A. E. Astin, Cato the Censor, 1978, 116 Anm. 41. 100 Darauf scheint die von Jacques de Crucque (Jacobus Cruquius) in seiner Horazausgabe (Leiden 1611 p. 493) zu serm. 2, 7, 61 vermerkte Notiz eines alten Kommentators (Commentator Cruquianus) hinzudeuten: lexfuit apud Athenienseis (!), ut adulterum cum adultera deprehensum marito liceret occidere. haec lex abolita est lege iulia, quae iussit cognitionem adulterii ad iudices referri et ita adulterium puniri. Bei Biondi, Acta Divi Augusti 115 Anm. 1 ist der Text falsch wiedergegeben (ut adulteram cumadultero deprehensam). 101 Lex XII tab. 8, 12 (C. G. Bruns, Fontes Iuris Romani Antiqui I, 71909, 31): Si noxfurtum faxsit, si im occisit, iure caesus esto. Vgl. 8, 9 (30 Bruns): Aufhängen bei nächtlichem Erntediebstahl. Als Analogie zudempostulierten Tötungsrecht des Ehemannes bzw. des betroffenenVaters gegenüber demEhebrecher hatdiese Bestimmungen W. Kunkel, Untersuchungen zurEntwicklung desrömischen Kriminalverfahrens in vorsullanischer Zeit, 1962, 122, herangezogen.

102 Vgl. Mommsen, Röm. Strafr. 624, Kunkel a. O. 122 Anm. 444. 103 Coll. 4, 8, 1 (Pap. lib. sing. de adult.): Cumpatri lex regia dederit infilium vitae necisque potestatem, quod bonum fuit lege (sc. Iulia deadulteriis coercendis) comprehendi, utpotestate fieret etiam filiam occidendi velis mihi rescribere: namscire cupio. Respondit: numquid ex contrario praestat nobis argumentum haec adiectio, ut nonvideatur lex non habenti dedisse, sed occidi eamcumadultero iussisse, utvideatur maiore aequitate ductus adulterum occidisse, cumnecfi liae pepercerit? 104 Die Neuartigkeit der Gesetzesklausel ut is pater eum adulterum sine fraude occidat, ita ut filiam in continenti occidat (Coll. 4, 2, 3 s. Anm. 98) betont Thomas a. O. 638 f. Das Responsum Papinians, welches die adiectio hervorhebt (Coll. 4, 8, 1 s. Anm. 103), behandelt ausführlich A. Mordechai Rabello, Il „ iusoccidendi iure patris“della „ lex Iulia deadulteriis coercendis“e la „ vitae necisque potestas“del„pater familias“ , in: Atti del Seminario romanisti14 ottobre 1971, Perugia 1972, 232– co internazionale. Perugia –Spoleto –Todi, 11– 239. Zu beiden Collatio-Texten vgl. Ed.Volterra, Nuove ricerche sulla „ conventio inmanum“ , in: Atti della Accad. Naz. dei Lincei, Memorie VIII 12, 1965/66, 327 f. 105 S. Anm. 99.

202

Recht

des Ehemanns nicht erneuert1 06, es vielmehr im 1. Kapitel seiner lex aufgeho07.Anseine Stelle setzte er ein iudicium publicum mitbevorzugtem Anklageben1 recht desEhemannes (oder Vaters)108. Dieses Akkusationsverfahren darf sicherlich mit Mommsen als „strafrechtliche Neuschöpfung“betrachtet werden1 09, doch ist damit noch nicht seine Einreihung unter die von Augustus in Res g. 8 für sich selbst in Anspruch genommenen exempla gegeben. Kunkel hat m. E. zutreffend die Transformation desTötungs- zumAnklagerecht als Anpassung einer altertümlichen Norm an die Gegenwart verstanden110. Somit wäre das iudicium publicum als solches durchaus den exempla maiorum zuzurechnen, deren Wiederbelebung Augustus sich rühmte. Indes brachte die Installierung des iudicium publicum die Notwendigkeit einer genauen Verfahrensregelung mit sich. Unter den diesbezüglichen Festsetzungen derLex Iulia deadulteriis coercendis scheinen nundiejenigen, welche diequaestio servorum betreffen, ein novum exemplum zu enthalten: Dem Ehemann bzw. dem Vater der adultera wurde als Ankläger die Möglichkeit eröffnet, Sklaven beider Angeklagter als Zeugen gegen diese verhören zulassen111. Die derFolter überantworteten Sklaven kehrten aufkeinen Fall zuihren Besitzern zurück; sie fielen nach Abschluß des Verfahrens an den Staat112. Das gleiche galt für eigene Sklaven des Anklägers, die er dempeinlichen Verhör unterworfen hatte113.

106 Coll. 4, 10, 1 (Paul. lib. sing. de adult.): nulla parte legis (sc. Iuliae de adulteriis coercendis) marito uxorem occidere conceditur. Vgl. Coll. 4, 3, 1; Dig. 48, 5, 23 (22), 4. 107 Vgl. Coll. 4, 2, 2 (Paul. lib. sing. de adult.): Et quidem primum caput legis Iuliae de adulteriis prioribus legibus pluribus obrogat. Das gleiche gilt für die Tötung des adulter durch den betrogenen Ehemann: Comm. Cruq. adHor. serm. 2, 7, 61 (Anm. 100: haec lex abolita est lege Iulia). Nach Kunkel a. O. 123 könnten sich unter denvonderlex Iulia aufgehobenen priores leges auch Zwölftafelsätze befunden haben.

108 Dig. 48, 5, 15 (14), 2 (Scaev. lib. 4 reg.): Marito primum velpatri ... accusare permittitur. 122. ZumVerfahren vgl. Kunkel, RE Weitere Zeugnisse bei Biondi, Acta Divi Augusti 120– 24, 1963, 770 (= Kleine Schriften 91 f.). 109 Mommsen, Röm. Strafr. 691. 110 Kunkel, ZRG Rom. Abt. 83, 1966, 237 Anm. 34 (= Kleine Schriften 135 Anm. 34) mit Bezug auf Tac. ann. 4, 16, 3, woTiberius die Gesetzgebung desAugustus dahingehend charakterisiert, er habe quaedam ex horrida illa antiquitate adpraesentem usumabgeändert. 111 Dig. 48, 5, 28 (27), 6 (Ulp. lib. 3 de adult.): Haberi quaestionem lex iubet de servis ancillisve eius, de quo vel de qua quaereretur. Coll. 4, 11, 1 (Pap. lib. sing. de adult.): de mancipiis alterutrius marito velpatre accusante quaestionem habendam palam est. 112 Dig. 48, 5, 28 (27), 11 (Ulp. a. O.): Iubet lex eos homines, de quibus quaestio ita habita est, publicos esse ... 12: Nontamen prius publicantur, quam quaestio de illis habita fuerit. Bei Freispruch der Angeklagten erhielten diese vomAnkläger eine Entschädigung für Tod oder Wertminderung der gefolterten Sklaven. Die betreffende Aestimation fand vor Beginn des Prozesses statt: Dig. 48, 5, 28 (27), 15. Vgl. D. Liebs, Der Schutz der Privatsfäre in einer Sklavenhaltergesellschaft: Aussagen von Sklaven gegen ihre Herren nach römischem Recht, Bolletino dell’ Istituto di Diritto romano III 22, 1980, 152; L. Schumacher, Servus index. Sklavenverhör undSklavenanzeige imrepublikanischen undkaiserzeitlichen Rom, 1982, 119. 113 Dig. 48, 5, 28 (27), 14 (Ulp. a. O.): Sed et servi accusatoris, si de his quaestio habita sit, publicantur.

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– novae leges

203

Läßt sich das Sklavenverhör selbst als Übernahme aus demHausgerichtsver14, gilt dies nicht für diepublicatio der geso fahren gegen Ehebrecher verstehen1 folterten Sklaven. Diese hängt zwar mit dem Adulterienprozeß als iudicium publicum engzusammen, jedoch nicht als conditio sine quanon. Es handelt sich bei ihr vielmehr umeine derBesonderheit dieser Prozeßart angepaßte Zutat, die nach Ulpian derErzielung einer wahrheitsgemäßen Aussage diente115. Das mutmaßliche novum exemplum bestünde demnach in einer verstärkten Durchsetzung desjedem Beweisverfahren zugrundeliegenden Prinzips der Wahrheitsfindung: Der Staat griff in das Privateigentum derAngeklagten unddes Anklägers ein, um das mit der Einrichtung des iudicium publicum gewissermaßen garantierte gerechte Urteil zuermöglichen. Augustus brachte also mit derpublicatio derpeinlich verhörten Sklaven dasStaatsinteresse (utilitas reipublicae) gegenüber den Privatinteressen (utilitas singulorum) zur Geltung. Berücksichtigt man 188 ermittelte spezifische Gewicht seines Gesetzgebungsauftrags, dasoben S. 186– sokannmangeradezu voneinem typischen exemplum Augusti sprechen. Die bisher betrachteten exempla stammten alle aus Gesetzen, welche schon vomTitel her vermuten ließen, daßsie denvonAugustus in Res g. 8 charakterisierten Gesetzestypus repräsentierten. Es gilt nun, den Nachweis zu führen, daß Wiederaufrichtung alter Vorbilauch die übrigen Gesetze demgleichen Schema – folgten. Dafür scheinen vomÜberlieferungs- und derundErgänzung durch neue – Forschungsstand her die Gerichts- sowie die Freilassungsgesetze des Augustus lohnende Objekte zu sein. Was zunächst die leges Iuliae iudiciariae des Jahres 17 v. Chr. angeht116, so bieten sie für beide Arten derexempla je ein bemerkenswertes Zeugnis. Als Wiederbelebung eines exemplum maiorum mußdie Bestimmung verstanden werden, daß Redner für die Dienste, die sie als Sachwalter anderen vor Gericht leisteten, kein Honorar nehmen dürften unddaßVerstöße gegen diese Bestimmung miteiner auf das 4fache gehenden Repetundenklage geahndet werden sollten1 17. Denn es hatte bereits im Jahre 204 v. Chr. die Lex Cincia dedonis et muneribus die Sachwaltertätigkeit gegen Entgelt verboten, allerdings ohne den Tatbestand als Delikt zu fassen undmit Strafe zu bedrohen118. Die Erkenntnis, daß die gesetzliche Ver114 Schumacher a. O. 118. 115 Dig. 48, 5, 28 (27), 11 (Ulp. a. O.): Ratio autem publicandorum servorum ea est, utsine ullo metuverum dicant.

116 Alsleges iudiciariae sind diebeiden Gesetze desAugustus (duae luliae: Gai. inst. 4, 104) bei Macr. Sat. 1, 10, 4 bezeichnet. Es handelt sich umeine lex Iulia iudiciorum publicorum und eine lex Iulia iudiciorum privatorum. Über Benennungen undDatum (Cass. Dio 54, 18, 2 f.: 17 v. Chr.) der Gesetze s. Biondi, Acta Divi Augusti 142 f. mit Anm. 3, die Texte ebd. 143– 151.

ρ α ςἀμισ θ ὶσυναγορεύειν , ἢτετραπ λ ά σ ο ὺ ιο ςῥήτο νὅ σ ο νἂ 117 Cass. Dio54, 18,2: τ ν ε ιν , ἐκέλ ίν τ ἐκ ευ ιν σ σ ε ω β . λ ά 118 Zu Datum undTitel des Gesetzes s. Cic. Cato 10, zumInhalt Tac. ann. 11, 5, 3: qua (sc. lege Cincia) cavetur antiquitus, ne quis ob causam orandam pecuniam donumve accipiat. Die Lex Cincia wareine sog. lex imperfecta, d. h. ein Gesetz, welches zwar ein Verbot aussprach, die verbotene Handlung aber nicht für ungültig erklärte undkeine Strafe darauf setzte, vgl. M. Kaser,

Dasrömische

Privatrecht

I, 21971, 249. Zweifel andemCharakter derLex Cincia als

204

Recht

ankerung deralten Konvention allein nicht genügte, Verstöße zuunterbinden, ließ Augustus denweiteren Schritt tun, dieMaterie ins Strafrecht zuüberführen, umso denmosmaiorum zuerneuern. DasVorhandensein deranderen, aufAugustus als auctor zurückgehenden, Art von exempla in den leges Iuliae iudiciariae bezeugen diejenigen Paragraphen, 19. welche die Geschworenenordnung betreffen1 Darin wurde den Richtern untersagt, die Häuser von Personen zu betreten, deren Prozesse in dem betreffenden Jahr unter ihre Zuständigkeit fielen120. Umgekehrt wurde denAnklägern undAngeklagten verboten, einen fürsie zuständigen Richter in seinem Haus aufzusuchen; bei Zuwiderhandlung erfolgte Bestrafung nach derLex Iulia de ambitu121. Es liegt aufderHand, daßAugustus mitdiesem exemplum dieUnabhängigkeit undIntegrität der Richter sichern wollte. Ihr Urteil sollte der Gerechtigkeit zur Durchsetzung verhelfen, nicht durch Gunst bestimmt sein. Der Grund für die gesetzliche Fixierung dieses eigentlich selbstverständlichen Prinzips dürfte in der Tatsache zu suchen sein, daß Augustus die iustitia als Fundament seines Prinzi22.Als Beweis für pats, d. h. seines Wirkens zumNutzen des Staates, betrachtete1 die behauptete Geltendmachung des Staatsinteresses gegenüber dem Richteramt läßt sich das ungerufene Erscheinen des Augustus beim Quaestionsprozeß gegen M. Primus (23 v. Chr.) anführen, welches der Kaiser selbst mit demöffentlichen 23. Auch für die Änderung des AbInteresse an dem Urteilsspruch begründete1 stimmungsmodus bei Quaestionsverfahren, die in Abwesenheit des Angeklagten

lex imperfecta bei J. Bleicken, Das Volkstribunat der klassischen Republik, 21968, 44 (aus ). Mommsen, Röm. Strafr. 706 schreibt der Mangel annäherer Kenntnis desGesetzesinhalts“ „ LexCincia eine Bestimmung über Rückforderung desgezahlten Honorars zu. 119 M. Wlassak, Römische Processgesetze I, 1888, 183 f. hat nachgewiesen, daß die Geschworenahezu nenordnung in beiden Gesetzen (lex Iulia iudiciorum publicorum bzw. privatorum) „

gleichlautend“vorkam. ὸ α ἴκ δ ν δ ε ε η ςο νἐ ε ςμ ῖπ π ε ἀ ιν σ υ ο ν ά χ ὶλαγ ῖςδ ο ά ε ἀ ὲδικ ιν ε ζ 120 Cass. Dio54, 18,3: τ ο νἐσ ιέν α ι. DemWortlaut nach hätte es sich umein generelles Beνἐκεῖν ὸ τ υ ια νἐν τ ὸ

suchsverbot gehandelt, doch wäre ein solches praktisch undurchführbar gewesen. So dürfte die(von Cassius Dioungenau wiedergegebene) Gesetzesbestimmung die oben imText gebotene eingeschränkte Formgehabt haben. 121 Dig. 48, 14, 1, 4 (Modest. lib. 2 de poenis): Et si qui reus vel accusator domum iudicis ingrediatur, per legem luliam iudiciariam in legem ambitus committit. Die Ambitus-Strafe bedeutet nicht, daß das Delikt als ambitus galt, Mommsen, Röm. Strafr. 872. Zur Zusammengehörigkeit dervonModestin undCassius Dio (Anm. 120) überlieferten Bestimmungen vgl. Wlassak a. O. 180. 122 AufdemEhrenschild, denAugustus 27 v. Chr. erhielt (Res g. 34), wardie iustitia zusammen mit virtus, clementia undpietas genannt. Ovid (met. 15, 833) stellte gerade die Gesetzgebung des Augustus unter den Gesichtspunkt der iustitia: legesque feret iustissimus auctor. Gegen Ende derRegierung desAugustus, am8. Januar 13 n. Chr., weihte Tiberius dassignum iustitiae Augustae (Fasti Praen., Inscr. It. XIII 2 p. 392). σ ιο ν ό . ZurEinordnung derEpisode indiezahlreichen Nachrichten ὸδημ 123 Cass. Dio54, 3, 3: τ über die Betonung des Staatsinteresses durch Augustus vgl. meinen Aufsatz ‘Antike Staats297, hier: 286– 455 [in diesem Band S. 283– 467, hier: 453– räson’(Gymnasium 89, 1982, 449–

288]).

Novus status

– novae leges

205

stattfanden (22 v. Chr.), führte Augustus die utilitas rei publicae ins Feld124. Von Tiberius schließlich ist bekannt, daßer immer dann, wennzubefürchten stand, daß ein Angeklagter durch Gunst zu einem Freispruch gelangte, vor Gericht erschien unddie Richter öffentlich auf ihre Pflicht zu einer gerechten Urteilsfällung hinwies125.

Wie die Gerichtsgesetze desAugustus, so lassen auch seine Freilassungsgesetze, die Lex Fufia Caninia (2 v. Chr.) unddie Lex Aelia Sentia (4 n. Chr.)126, erkennen, daßsie ihrer Konzeption nach zudennovae leges gehören. Gewohnheitsrechtliches Überlieferungsgut, welches nunmehr Gesetzesform erhielt, findet sich besonders in derLex Aelia Sentia127. Modestinus erwähnt eine Bestimmung dieses Gesetzes, nach welcher der Patron, der einen von ihm freigelassenen Sklaven im Falle derNotnicht unterstützte, dasRecht auf die Leistungen verlor, die der Sklave ihmbei derFreilassung versprochen hatte; ferner büßte er seinen Erbanspruch gegen den Freigelassenen ein128. Die hier gesetzlich ausgesprochene Unterhaltspflicht desPatrons gegenüber demFreigelassenen warvorher nurin der fides enthalten, welche allgemein dasPatronatsverhältnis bestimmte129 unddenPatron zu30. nächst sakralrechtlich, später auf Grund des mosmaiorum band1 Als Gegenstück zur Festlegung der Unterhaltspflicht des Patrons gegenüber dem Freigelassenen enthielt die Lex Aelia Sentia eine Strafandrohung für den Freigelassenen, dersich desgroben Undanks gegen seinen Patron schuldig machte; er konnte von diesem mit einer accusatio ingrati liberti belangt werden131. Hier 124 Cass. Dio 54, 3, 6, dazu H. Volkmann, ZurRechtsprechung im Principat des Augustus, 21969, 58 f. 125 Suet. Tib. 33: si quemreorum elabi gratia rumor esset, subitus aderat iudicesque aut e plano aut e quaesitoris tribunali legum et religionis et noxae, de qua cognoscerent, admonebat. Vgl. auch Cass. Dio 57, 7, 6. ZurNachahmung des Augustus durch Tiberius s. Tac. ann. 4, 37, 3, woTiberius in einer Senatsrede von sich sagt: qui omnia facta dictaque eius (sc. divi Augusti) vice legis observem.

126 Zuihrer Einstufung als„augusteische“Gesetze vgl. Anm.38. 219. 127 Zusammenstellung derauf sie bezüglichen Texte bei Biondi, Acta Divi Augusti 205– 128 Dig. 38, 2, 33 (Modest. lib. sing. de man.): Si patronus nonaluerit libertum, lex Aelia Sentia adimit eius libertatis causa imposita tamei, quamipsi ad quemea respertinet, item hereditatemipsi et liberis eius, nisi heres institutus sit, et bonorum possessionem praeterquam secundumtabulas. Vgl. Dig. 25, 3, 6 pr. Ein kaiserliches Reskript aus severischer Zeit sprach vom Entzug des iuspatroni, si patronus libertum suumnonaluerit (Dig. 37, 14, 5, 1 [Marcian. lib.

13 inst.]). 129 Dion. Hal. ant. 2, 10, 3; Plut. Rom. 13, 7 f. Dazu M. Kaser, Die Geschichte der Patronatsgewalt über Freigelassene, ZRG Rom. Abt. 58, 1938, 92. Auf den Einschluß der Unterhaltsgewährung in die vonDionys undPlutarch erwähnten Treuepflichten hatTh. Mommsen, Römische Forschungen I, 1864, 366 f. hingewiesen. 130 EinZwölftafelsatz (8, 21 [33 Bruhns]) erklärte denPatron fürverflucht, derseinem Klienten Schaden zufügte. Nach Mommsen, Röm. Strafr. 566 wäre später dasöffentliche Strafrecht an

die Stelle des Sakralrechts getreten. Demgegenüber hat Kaser a. O. 93 wahrscheinlich gemacht, daß die Patronatsgewalt in Analogie zurpatria potestas bei Mißbrauch nur demSittengericht derZensoren unterlag. 131 Dig. 50, 16, 70 pr. (Paul. lib. 73 ad edict.): Item in lege Aelia Sentia filius heres proximus potest libertum paternum ut ingratum accusare. Vgl. Dig. 40, 9, 30 pr. (Ulp. lib. 4 adleg. Aeliam Sentiam). ZuTatbestand, Verfahren undStrafe s. Kaser a. O. 128 ff., der (130 Anm. 5)

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liegt eine klare Transponierung ausdemSitten- in denRechtsbereich vor: die mo32 ralischen Begriffe obsequium undreverentia1 erfuhren in der vom Gesetz geschaffenen accusatio ingrati liberti ihre deliktische Konkretisierung. Neben altem, der Gegenwart angepaßtem, Rechtsgut findet sich in der Lex Aelia Sentia neues, durch exempla Augusti geschaffenes, Recht. Seine Natur ergibt sich auszwei fürdenfreilassenden Herrn bzw. denfreizulassenden Sklaven eingeführten Altersvoraussetzungen. Der Herr mußte 20, der Sklave 30 Jahre alt sein, wenn dieFreilassung volle Gültigkeit haben, d. h. zuFreiheit undBürgerrecht führen sollte. Wardasjeweilige Mindestalter nicht erfüllt, so konnte die Freilassung nur nach Prüfung des Falles durch ein dafür vorgesehenes Gremium und ausschließlich in der Form der manumissio vindicta erfolgen133. Die restringierende Tendenz ist offenkundig; Sueton (Aug. 40, 3) hatihrmitdenWorten manumittendi modum terminavit (sc. Augustus) Ausdruck verliehen. Dabei stand ihm freilich auch die Lex Fufia Caninia vor Augen, welche dasVerhältnis zwischen der zum Vermögen eines Erblassers gehörenden Zahl der Sklaven undder ihm gestatteten 34. In der Tat verstärkt testamentarischen Freilassungen fixierte1 diese Regelung denEindruck der Restriktion undgehört als exemplum Augusti mit demder Lex Aelia Sentia aufs engste zusammen.

dierelegatio ultra centesimum lapidem (Tac. ann. 13,26, 2) nicht als Straffestsetzung derLex Aelia Sentia ansieht, sondern der Hausgerichtsbarkeit zuweist (so auch Kunkel, ZRG Rom. Abt. 85, 1968, 279 Anm. 58 = Kleine Schriften 204 Anm. 58). Dagegen wollen S. Treggiari, Roman Freedmen during the Late Republic, 1969, 73 f., undG. Fabre, Libertus. Recherches affranchi à la fin de la république romaine, 1981, 77, die relegatio sur les rapports patron – ultra centesimum lapidem wieder mitdervonderLex Aelia Sentia geschaffenen accusatio ingrati liberti verbinden. 132 Zudiesen Grundlagen derBeziehung zwischen Freigelassenem undPatron Kaser a. O. 112– 119undneuestens Fabre a. O.225 Anm.79 (mit weiteren Hinweisen). 133 Alter des Herrn: Gai. inst. 1, 38: Item eadem lege (sc. Aelia Sentia) minori XX annorum domino nonaliter manumittere permittitur, quamsi vindicta apud consilium iusta causa manumissionis adprobata fuerit. Weitere Quellen bei Biondi, Acta Divi Augusti 209 f. in den AnAlter des Sklaven: Gai. inst. 1, 18: Quod autem de aetate servi requiritur, lege merkungen. – Aelia Sentia introductum est. namea lex minores XXX annorum servos nonaliter voluit manumissos cives Romanos fieri, quam si vindicta apud consilium iusta causa manumissionis 215. Das 30. Lebensjahr adprobata, liberati fuerint. Die übrigen Texte bei Biondi a.O. 212– Normaljahres“fürdieSklaerlangte durch dieLexAelia Sentia geradezu dieBedeutung des„ venfreilassung, wieG. Alföldy, DieFreilassung vonSklaven unddie Struktur derSklaverei in derrömischen Kaiserzeit, Rivista Storica dell’Antichità 2, 1972, 97 ff. bes. 104 ff. (= SozialundWirtschaftsgeschichte der römischen Kaiserzeit, hrsg. von H. Schneider, 1981, 336 ff. bes. 343 ff.) gezeigt hat. 30 ein Drittel, bei 31– 10 Sklaven durfte die Hälfte, bei 11– 134 Gai. inst. 1, 42 f.: Bei Besitz von2– 500 ein Fünftel freigelassen werden. Bei größerem Besitz bildete die 100 ein Viertel, bei 101– Freilassung von 100 Sklaven dieGrenze. Dieser undandere Texte bei Biondi, Acta Divi Au228 die Lex Fufia Caninia gestellt hat, gusti 204 f. Aus demKontext, in denGai. inst. 2, 224– zieht Fabre a. O. 33 f. denSchluß, daßdie Lex Furia testamentaria (zw. 204 und 169 v. Chr.), dieLexVoconia (169 v. Chr.) unddieLexFalcidia (40 v. Chr.) ingewisser Weise als VorläuferderLexFufia Caninia zugelten hätten.

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Nach Sueton ist Augustus zu denFreilassungsbeschränkungen aus Sorge um 35. die Reinerhaltung des römischen Volkes bewogen worden1 Der Jurist Gaius dagegen unterstellt dem Gesetzgeber eine ökonomische Intention: die Erhaltung dergroßen Patrimonien fürdie Erben unddamit fürdie „Volkswirtschaft“136. BeideMotivvermutungen, so unterschiedlich sie auch sind, führen auf die utilitas rei publicae als die für Augustus’Neuerungen maßgebende Maxime. Denn in jedem Falle wurde gegen Herren undSklaven ein übergeordnetes Interesse geltend ge37. macht, wobei vorallem derEingriff in dasHerrenrecht schwer wog1 DenGerichts- undFreilassungsgesetzen kann zurAbrundung des Ermittelten noch dasaugusteische Baugesetz, dieLex Iulia demodoaedificiorum, hinzugefügt werden. Es ist zwar kärglich überliefert, dochweist daswenige bezeichnende Züge auf: Wie im Falle seines Ehegesetzes propagierte Augustus auch sein Baugesetz dadurch im Senat, daß er eine den gleichen Gegenstand (de modo aedificiorum) betreffende Rede ausrepublikanischer Zeit, nämlich diedesP. Rutilius Rufus (cos. 105 v. Chr.), zur Verlesung brachte138. Er stellte damit das promulgierte Gesetz als Wiederaufnahme vonBemühungen derVorfahren (antiqui) hin. Eine einzelne, von Strabo überlieferte, Bestimmung der Lex Iulia de modo aedificiorum zeigt nun, auf welche Weise Augustus das exemplum Rutilii139 in die Gegenwart transponierte: Er wehrte derEinsturzgefahr vonHäusern anöffentlichen Straßen, indem er deren Höhe auf 70 Fuß (ca. 21 m) begrenzte140. Das warein Schlag gegen die Hauseigentümer, die, den Wohnraummangel ausnutzend, seit langem die Sicherheit ihrer Häuser dadurch gefährdeten, daß sie die Fundamente mit ursprünglich

135 Suet. Aug. 40, 3: Magni praeterea existimans sincerum atque ab omni colluvione peregrini ac servilis sanguinis incorruptum servare populum, et civitates Romanas parcissime dedit et manumittendi modum terminavit. Ausführlich dazu K. M. T. Atkinson, The Purpose of the Manumission Laws of Augustus, The Irish Jurist 1, 1966, 356 ff. Vgl. auch L. Rodríguez Alvarez, Lasleyes limitadoras delasmanumisiones enépoca Augustea, 1978, 169f. 228. Vgl. G. Impallomeni, Le manomissioni mortis causa, 1963, 153 f. 136 Gai. inst. 2, 224– 137 Betont vonL. Raditsa, Augustus’Legislation concerning Marriage, Procreation, Love Affairs andAdultery, ANRW II 13, 1980, 320 f. 138 Suet. Aug. 89, 2 (Text obenAnm.89). 139 E. Schmähling, Die Sittenaufsicht derCensoren, 1938, 71 undE. Vetters, Zurömerzeitlichen Bauvorschriften, in: Forschungen undFunde. Festschrift Bernhard Neutsch, 1980, 483 Anm. 12 schließen von der Rede des Rutilius auf konkrete Anordnungen. Daß Rutilius auf bestimmte Mißstände beim Häuserbau einging, ist anzunehmen, doch dürfte er ihre Abstellung nuraufdemWege deradmonitio gesucht haben. Eine gesetzgeberische Initiative wäre sicher aufWiderstand gestoßen. ημ φ ὲ νο ὖ νὁΣ εβ α ή σ τ ελ ὸ ςΚ εμ α ρτ ῖσ 140Strabo 5, 3, 7 (p. 235): ἐπ ῶ α ντοιού τ ω ν μ ά τ ῆ ρ ὸ ω ντ τω ἐλ α τ ςπ ό λ ςδ ε ω ς... π ὲτ ιςτ ητ νκαιν τ ώ ε π σ ῶ ὰὕ ψ ῶ ν ὰ ςσυμ μ ά τ η ω νκαθ ελ μ ώ ν ,κ δ α ο ὶ κω ο ο ἰκ λ ύ σ α ε ςἐξα ινπο ν δ ίρ ῶ τ νἑβδομήκο ατ ρ ὸπ ὸ ς τ α ῖςτ ο δ ις . Ob die Häuser, welche den Vorschriften des Gesetzes nicht ία σ ο μ ῖςὁ η α ῖςδ genügten, abgerissen werden mußten, wie M. Voigt, Römische Baugesetze, Berichte Ges. Wiss. Leipzig, Phil.-hist. Kl. 55, 1903, 185 auf Grund von Dig. 32, 1, 11, 14 annimmt, ist, da es sich umeinen Text ausseverischer Zeit (Ulpian) handelt, nicht sicher, vgl. Vetters a. O. 483 Anm. 13. ZurStrabo-Stelle s. auch R. Gilbert, Die Beziehungen zwischen Princeps und stadtrömischer Plebs imfrühen Principat, 1976, 128.

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nicht vorgesehenen Stockwerken belasteten1 Das Baugesetz des Augustus machte also Front gegen die Profitgier einer bestimmten Schicht unddiente damit demöffentlichen Interesse1 42. Dieses wurde übrigens nicht nurdurch dieEinsturz-, sondern auch die Brandgefahr tangiert, welche vondenzuhoch gebauten Häusern ausging143. Es liegt daher nahe, die Lex Iulia de modo aedificiorum mit der Einrichtung derFeuerwehreinheiten, dervigiles, imJahre 6 n. Chr. in Zusammenhang zubringen1 44.Fürdiese wichtige Neuerung ist ausdrücklich bezeugt, daßAugustus siezumWohldesStaates vornahm1 45.

VI

Die vorstehend untersuchten Gesetzeskomplexe ergeben m. E. ein klares Bild vonderpraktischen Durchführung desKonzepts, welches nach Augustus’eigenem Zeugnis (Res g. 8) seinen novae leges zugrunde lag undderen Struktur bestimmte. Auf Grund der ermittelten Kriterien dürfte es nunmehr möglich sein, das augusteische Gesetzgebungswerk zusammenfassend zubeurteilen. Als Leitbegriffe habenselbstverständlich dieexempla maiorum unddieexempla Augusti zudienen. Faßt manzunächst die exempla maiorum ins Auge, so hat sich hinsichtlich des Rahmens, demsie entstammten, insofern eine weiterführende Erkenntnis ergeben, als in ihn, wie die Lex Iulia deadulteriis coercendis gezeigt hat, auchpriores leges hineingehörten1 46. Diese Erkenntnis läßt sich durch Suetons Wiedergabe des von Augustus mit multa exempla maiorum ... reduxi gekennzeichneten Sachverhalts verifizieren: Bei Sueton heißt der gleiche Vorgang leges retractavit (sc. Augustus)147. Der hieraus zuziehende Schluß macht alle republikanischen Vorgänger augusteischer Gesetze zu exempla maiorum im weiteren Sinne. Ihre Gegenstände , d. h. paßte sie derGegenwart an, wieTiberius es in nahm Augustus wieder vor“ „ de einer Senatsrede ausdrückte148. Hält mansich ihre imjeweiligen Gesetzestitel – vi, ambitus, iudiciaria, maiestatis, peculatus, sumptuaria149 –zumAusdruck kommende Bedeutung vorAugen, so mußmanzuderÜberzeugung gelangen, daßAugustus mit deren retractatio denwesentlichen Teil derrepublikanischen Gesetzge141 Über Beginn undAusmaß dercontignatio (Aufsetzen vonStockwerken) vgl. Z. Yavetz, Die Lebensbedingungen der plebs urbana, in: Zur Sozial- undWirtschaftsgeschichte der späten römischen Republik, hrsg. von H. Schneider, 1976, 107 ff. μ ο σ ία ι. DerAusdruck könnte demGesetz δ ὶ δη ο 142 DerStrabo-Text (Anm. 140) spricht vonὁ entnommen sein undwürde dann darauf hinweisen, daßAugustus sich bemühte, dasöffentlicheInteresse amHäuserbau rechtlich zubegründen. 20 unddazu Yavetz a. O. 114. 143 Vgl. Vitr. 2, 8, 18– 144 Vetters a. O. 478. 145 Dig. 1, 15, 3 pr.: namsalutem rei publicae tueri nulli magis credidit (sc. Augustus) convenire nec alium sufficere ei rei, quam Caesarem. itaque septem cohortes ... Vgl. auch Dig. 1, 2, 2, 32 undCass. Dio 55, 26, 4. 146 Coll. 4, 2, 2 (Text oben Anm. 107). Auch die Lex Cincia de donis et muneribus gehörte für Augustus zudenexempla maiorum (oben S. 203 f. mitAnm. 117und118). 147 Suet. Aug. 34, 1. 148 Tac. ann. 4, 16, 3: sicut Augustus quaedam ex horrida illa antiquitate adpraesentem usum flexisset.

149 Reihenfolge nachderRegistrierung beiBiondi, Acta DiviAugusti 129ff.

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bungin denPrinzipat überführte, anders ausgedrückt: daßer auf seine Artausführ-

te, was Pompejus und Caesar vorgeschwebt hatte: die alten Gesetze unter dem 50. Gesichtspunkt derNotwendigkeit zukodifizieren1 Neben die Gesetze mit herkömmlichen Titeln stellte Augustus solche, deren Materie erstmalig gesetzlich fixiert wurde151 oder nurvage legislatorische Anknüpüber Ehe, Ehebruch, fungspunkte aufwies. Es war diese Gruppe von Gesetzen – 52 -, bei denen die ausdrückliche Berufung auf exempla Freilassungen, Bauten1

maiorum oder deren anderweitige Kennzeichnung eine besondere Rolle spielte. daswaren hier mores, die in gesetzliche Bestimmungen überführt wurExempla – den. Mit dieser Anreicherung der leges durch mores, die prinzipiell auch für die Gruppe dererneuerten republikanischen Gesetze zugelten hat, kamAugustus dem anihnwievorher anPompejus undCaesar ergangenen Auftrag nach, die Sorge für die Sitten (cura morum), d. h. deren Verbesserung (correctio morum), zu übernehmen. Richtet mannundenBlick auf die exempla Augusti, so gilt es, in der für sie ermittelten Triebkraft, der utilitas rei publicae, das eigentliche Novum der augu53. Die Überantwortung der gesetzgeberisteischen Gesetzgebung zu erkennen schen Initiative andenMann, derdurch seine auctoritas über allen stand, hobauch das mit der Gesetzgebung aufs engste verbundene Staatsinteresse auf die Höhe dieser auctoritas. Augustus hat seine allen übergeordnete Position benutzt, umder 54 utilitas rei publicae in seinen Gesetzen1 unddamit in seinem Prinzipat eine Prävalenz zu verschaffen, die geradezu als ein Kennzeichen für dennovus status rei publicae gelten kann. Velleius Paterculus hat dieses Faktum dadurch zum Ausverbesserten“ (republidruck gebracht, daß er sowohl den von Augustus „ kanischen) als auch den von ihm (zum erstenmal) „ vorgeschlagenen“Gesetzen eine Charakterisierung hinzufügte, die ihre Bedeutung für den Nutzen bzw. das r155. Wohl des Staates hervorhob: leges emendatae utiliter, latae salubrite In der Tat ließen die oben S. 204 f. besprochenen exempla Augusti in den leges Iuliae iudiciariae erkennen, daßdie„ Verbesserung“derrepublikanischen Gesetze gerade in derstärkeren Hervorkehrung des allgemeinen Nutzens bestand; unddie Gruppe dervonAugustus inaugurierten Gesetze warvoll vonBeispielen für die Wirksamkeit eben dieses Prinzips. Exempla maiorum und exempla Augusti zusammengenommen ergeben den Eindruck eines ausgezeichnet zentrierten Systems. Sein Mittelpunkt warder neue

150 Isid. orig. 5, 1, 5; Suet. Caes. 44, 2 (hier der Hinweis auf die Notwendigkeit). Texte oben Anm.73 und78. 151 Suet. Aug. 34, 1 sagt von diesen Gesetzen: et quasdam ex integro sanxit (sc. Augustus). 208. 152 Reihenfolge nachderBehandlung oben imText S. 198– 153 Vonihmauserschließt sichjeweils dassachlich Neue dereinzelnen Gesetze, so etwa bei den Ehegesetzen das von Nörr, Planung in der Antike 325– 327, eindrucksvoll herausgearbeitete Moment der„ sozialen Planung“ . 154 Mit denaugusteischen Gesetzen in engstem Zusammenhang steht dasSC Silanianum (17 v. Chr. ?). Es führt, wieichananderer Stelle (Antike Staatsräson, Gymnasium 89, 1982, 449 ff. 297]) gezeigt habe, in drastischer Weise die Durchsetzung des [in diesem Band S. 283– Staatsinteresses vorAugen. 155 Vell. Pat. 2, 89, 4.

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denAugustus demrömischen Staat gegeben hatte, genauer: die utilitas reipublicae, welche dennovus status reipublicae wesentlich bestimmte. Vondiesem Mittelpunkt aus erfolgte der Rückgriff auf die Vergangenheit, d. h. auf vorbildliches Traditionsgut, undderVorgriff auf die Zukunft durch Aufstellung neuer Vorbilder. Das Ergebnis bestand in dennovae leges alsfundamenta reipublicae. Fundamente beurteilt man nach ihrer Festigkeit, nach ihrer Tragfähigkeit. Wendet mandieses Kriterium auf die novae leges des Augustus an, so verdienen sie ohne Zweifel hohes Lob. Denn auf ihnen errichtet, hielt deraugusteische Prinzipat mehr als zweihundert Jahre lang allen Belastungen stand. Dieses Urteil hat freilich zurVoraussetzung, daßmandie novae leges als Einheit nimmt, wie Tacitus undCassius Dio es taten, als sie vonAugustus sagten deditque iura, quis pace θ μ ε έ τ ο ιπ ο λ λά156.Auch spätere Autoren sprachen ο etprincipe uteremur bzw. ἐν von denmultae bzw.plurimae leges des Augustus157. Die Kritik an der Effektivität einzelner Gesetze158 oder Gesetzeskomplexe159 verkennt die bewußtseinsverändernde Wirkung, die von der über Jahrzehnte sich erstreckenden, immer weitere Zustand,

Lebensbereiche erfassenden, augusteischen Gesetzgebung insgesamt160 ausging161 unddadurch anhielt, daßdieNachfolger desAugustus durch kaiserliche Konstitu-

156 Tac. ann.3, 28, 2; Cass. Dio53, 21, 1.ZumBezug beider Stellen aufdiegesamte Regierungszeit desAugustus s. P. Sattler, Augustus undderSenat, 1960, 56 f. Anm. 140. 157 Flor. 2, 34 (4, 12), 65: saeculum gravibus severisque legibus multis coercuit; Hieron. chron. a. Abr. 2395 p. 163 Helm: Augustus Romanis plurimas leges statuit; Oros. 6, 22, 3: leges plurimasstatuit.- Die leges bildeten denKern derneuen Rechtsordnung, die Augustus einführte. DaßderBegriff ‘Rechtsordnung’ weitere konstitutive Elemente enthält, betont mit Recht D. Kienast, Deraugusteische Prinzipat als Rechtsordnung, ZRGRom. Abt. 101, 1984, 129 f. 158 Ein massives Beispiel ausderAntike stellt die Kritik dar, die Tacitus (durch denMunddes Tiberius) anderlexsumptuaria desAugustus geübt hat. Danach sei sie (wie viele andere Gesetze desAugustus) durch Verachtung praktisch aufgehoben worden, ann. 3, 54, 2. Vgl. dazu D. Nörr, Rechtskritik in derrömischen Antike (1974) 75. In derVerallgemeinerung (tot [sc. leges] quas divus Augustus tulit) sieht R. Urban, Tacitus unddie Res gestae divi Augusti, Gymnasium 86, 1979, 69, einen Angriff aufResg. 8. Die Stelle (ann. 3, 54, 2) steht in eigenartigem Widerspruch zuderoben imText zitierten (ann. 3, 28, 2). 159 Schärfste Kritik haben in der modernen Forschung die Ehegesetze erfahren. Es genügt hier etwa auf A. Heuß, Römische Geschichte, 51983, 285, hinzuweisen, derihr Scheitern auf das die Schatten derVergangenheit sich nicht beschwören laseherne Gesetz“zurückführt, daß„ „ 318, ein. sen“ . Füreine nuancierte Beurteilung tritt jetzt Nörr, Planung inderAntike 315– 160 Daßdie augusteischen Gesetze als Einheit empfunden wurden, zeigt ihre Repräsentation im Leichenzug desAugustus (Tac. ann. 1, 8, 3, oben Anm.38). R. Bauman, TheResumé of Legislation in Suetonius, ZRGRom. Abt. 99, 1982, 92, vermutet, daßAugustus eine Zusammenstellung seiner Gesetze in Form vonprivaten commentarii hinterlassen habe, die Sueton benutzen konnte.

161 Selbst bei Beschränkung aufdieEhegesetze kannman, wieNörr, Planung inderAntike 318, the irravoneiner „hohen ‘symbolischen’ Wirkung“sprechen oder mit A. Wallace-Hadrill „ tional element of moralistic revivalism“als wirksam ansehen (Family andInheritance in the Augustan Marriage Laws, Proceedings of the Cambridge Philological Society N. S. 27, 1981, 71).

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tionen undSenatsbeschlüsse, die Juristen durch Responsen undKommentare die Anwendung dernovae leges ständig regulierten162. In der Rede, welche Augustus nach Cassius Dio im Jahre 9 n. Chr. auf dem Forum zurVerteidigung seiner Ehegesetze hielt, erhob er denAnspruch, ein guter η ς ) zu sein163, undim Tatenbericht beanspruchte έτ θ μ ο θ ὸ ο ςν α γ Gesetzgeber (ἀ er für sich, mit seinen Gesetzen neue Wege beschritten zu haben1 64. Die vorstehende Studie hat ergeben, daßAugustus allen Grund hatte, sich als guter undgroßer Gesetzgeber zu fühlen. In seinen neuen Gesetzen fand der neue Zustand der Respublica adäquaten Ausdruck.

162 Fürdie epochale Bedeutung dernovae leges desAugustus spricht auch die spätere Verwendung desBegriffs novae leges durch die Juristen. Sie bezeichnen damit die Gesetze derKaiserzeit (Kaiserkonstitutionen, Senatsbeschlüsse) schlechthin. DasVorkommen desBegriffs in denDigesten beschränkt sich zwar auf dasErbrecht, doch ist seine allgemeine Geltung ersichtlich. Es handelt sich umfolgende Stellen: Dig. 4, 5, 7 pr.; 5, 3, 1; 5, 3, 3; 34, 7, 5; 38, 17, 1, 8; 38, 16, 11. Ich verdanke sie demEntgegenkommen vonMarianne Meinhart (Linz), die mirdurch ihren Mitarbeiter Dr.Menner denbetreffenden Computerauszug anfertigen ließ. 163 Cass. Dio 56, 6, 3. Vielleicht lassen sich die bonae leges, vondenen Tac. Germ. 19, 2 spricht, aufdieEhegesetze desAugustus beziehen (sojedenfalls Nörra.O.318). 164 Res g. 8. Über das Fortwirken der von Augustus so stark betonten utilitas rei publicae als Begründung für rechtsschöpferische Akte vgl. Dig. 1, 4, 2 (Ulp.): In rebus novis constituendis evidens esse utilitas debet, utrecedatur ab eo iure, quoddiuaequum visum est. DazuU. Leptien, Utilitatis causa, Diss. Freiburg 1967, 11.

Zur Appellation vomSenat an denKaiser* Unter Kaiser Hadrian ist das Senatsgericht durch eine oratio principis für in derknappen Forinappellabel erklärt worden. DieNachricht hierüber, diewir– – verdanken2, erstem Buch Ulpians De Appellationibus mulierung der Digesten wirft einige Fragen auf, deren Beantwortung fürdieBeurteilung desSenatsgerichts vonAugustus bis Trajan, insbesondere für sein Verhältnis zumKaiser undzu seinempersönlichen Gericht, nicht unerheblich ist. Handelt es sich bei derMaßnahme Hadrians, so ist zunächst zu fragen, umdie Einführung eines neuen Rechtssatzes3 oder umdie Feststellung einer in derPraxis schon immer beachteten Regel4 ? Wie dies, so läßt die Digestenstelle weiter nicht erkennen, ob dasVerbot, vomSenat andenKaiser zuappellieren, imHinblick auf die in erster Instanz vom Senat zu führenden Kriminalprozesse oder wegen der durch Appellation an ihn gelangenden Privatprozesse erlassen wurde5 . Eine dritte Frage schließlich lautet: HatHadrian dieAppellation vomSenat andenKaiser von sich ausuntersagt oder gaberdamit einer Forderung desSenates nach? Bei demVersuch, die gestellten Fragen zubeantworten, lassen unsdiejuristischen Quellen imStich. Wirsindeinzig aufProzeßberichte undsonstige Nachrichtenüber dieRechtsprechung angewiesen, die sich bei denHistorikern undBiographenderKaiserzeit sowie in derBriefsammlung desjüngeren Plinius finden. Die Existenz der Appellation vom Senat an den Kaiser ist ausdrücklich bezeugt für denPrinzipat des Gaius. Cassius Dio erwähnt, daßunter diesem Kaiser bei Senatsprozessen oft von der Möglichkeit der Appellation Gebrauch gemacht worden sei6 . Mommsen sieht darin eine Ausnahme, die die Regel bestätige, und stützt seine These durch die Behauptung, daß es sonst keinen Beleg für einen der-

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168. in: ZRG 79 (1962) 143– Dankbar erwähne ich, daßmein verehrter Lehrer, Herr Prof. Volkmann, Köln, die erste Niederschrift durchgesehen undmich durch seine Kritik zu einer genaueren Erfassung des Problems geführt hat. Dig. 49, 2, 1, 2: Sciendum est appellari a senatu non posse principem, idque oratione divi Hadriani effectum. J. Cujacius, Observationes XXI 33 (Opera III 630 E). Vgl. J. Merkel, Abhandlungen ausdem Gebiete des röm. Rechts II (1883) 60, Kipp, RE II 199. Mommsen, St.R. II 108, 1. AuchB. d’Orgeval, L’Empereur Hadrien (1950) 330 faßt dieoratioHadriani alsErinnerung aneinen bestehenden Grundsatz auf. Mommsen bezieht das Appellationsverbot hauptsächlich auf die Kriminaljurisdiktion erster Instanz (St. R. II 970, Strafr. 252, 5). R. Villers, Studi in onore di P. de Francisci I (1956) 390 f. sieht in ihmin erster Linie eine Nachwirkung derunter Nero erfolgten Delegation derappellationes a privatis iudicibus an denSenat (Suet. Nero 17, Tac. ann. 14, 28, 1); vgl. auch O’Brien Moore, RE Suppl. 6, 783. ι δίκ ο ῆ α ιἀ π ᾽α ς(sc. τ ιμ ὐ τ έσ ῆ ο υ σ ερ Cass. Dio 59, 18, 2: ἐφ ία ςγ ) συχ ς ν α ὶ ν ο ν τ ο ίγ . ἐγ

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artigen Appellationsfall gebe7. Diese Behauptung hält einer genauen Nachprüfung nicht stand. Die Vorgänge unter demPrinzipat des Gaius stehen keineswegs vereinzelt da. Denn einmal läßt sich in der Regierungszeit des Tiberius die Entwicklung verfolgen, die unter seinem Nachfolger zumHervortreten der Appellation vomSenat an denKaiser führte, zumanderen gibt es auch ausderZeit nach Gaius Beispiele fürdieAnwendung dieses Rechtsmittels. Den Ausgangspunkt für die Klärung des ersten der oben genannten Fragenkomplexe bildet füglich der Prinzipat des Tiberius, unter demdas Senatsgericht erstmals in starkem Maße als Kriminalgerichtshof fungierte8.

I Die Lage des Senatsgerichts warvonAnfang an dadurch bestimmt, daßder Kaiser dasRecht besaß, denVorsitz zuführen, Anträge zustellen undanderAbstimmung teilzunehmen. Tacitus spricht deshalb einmal treffend von zwei Rich. tern, aus denen sich das Senatsgericht zusammensetze: Kaiser und Senat9 Der Kaiser überragte das senatorische Richterkollegium nicht nurallgemein durch seine auctoritas; er besaß zwei spezielle Befugnisse, die ihm eine Sonderstellung sicherten: dastribunizische Vetorecht unddiepersönliche Jurisdiktionsgewalt. Wie der Kaiser diese Machtmittel gegen den Senat einsetzen konnte, zeigte sich sehr deutlich bei der Anklage gegen die ältere Agrippina und ihren Sohn Nero: Tiberius hatte demSenat dieAnklagepunkte schriftlich mitgeteilt. Die Konsuln zögerten jedoch, der von einer Gruppe Senatoren beantragten Prozeßeröffnung stattzugeben, weil Tiberius seine Absicht nicht klar zu erkennen gegeben hatte10. Da verbot der Kaiser dem Senat, die Angelegenheit weiter zu behandeln (id enim vetitum), und verlangte die Überweisung an sein eigenes Gericht11. Der Kaiser war also in der Lage, gegebenenfalls die Aufnahme oder die Fortführung eines Senatsprozesses durch sein Veto zu unterbinden undihn dann vor sein Tribunal zuziehen. Bei der durch den Senatssitz unddie Sondervollmachten des Kaisers gegebeneneigenartigen Situation des Senatsgerichts mußte damit gerechnet werden, daß dieAngeklagten versuchen würden, daraus Nutzen zuziehen, indem sie denKaiser gegen denSenat anriefen. In derTat ist bereits in derersten ausführlichen Schilderung eines Senatsprozesses bei Tacitus hiervon die Rede. Es handelt sich umdas Verfahren gegen Libo Drusus. Nachdem derAngeklagte in Trauerkleidung (veste mutata) erfolglos Besuche bei Freunden undVerwandten gemacht hatte, wandte er sich bei Eröffnung der Senatssitzung, auf seinen Bruder gestützt, bittflehend an

Mommsen, St. R. II 108, 1. Über dasSenatsgericht unter Augustus vgl. H.Volkmann, ZurRechtsprechung im Prinzipat desAugustus (1935) 93 ff. 9 Tac. 3, 14, 3: iudices per diversa implacabiles erant, Caesar ob bellum provinciae inlatum, senatus numquam satis credito sinefraude Germanicum interisse. 3. 10 Tac. 5, 3, 1– 11 Tac. 5, 5: integra tarnen sibi cuncta postulavit.

7

8

Appellation

215

2, der aber darauf ebenfalls nicht einging13. Als die Situation sich dann –seine Sklaven sollten auf derFolter verhört werden -, bat Libo den Senatumeine Unterbrechung derVerhandlung bis zumfolgenden Tag. Die erlangte Frist benutzte er, umeinen letzten Versuch zuunternehmen, beim Kaiser Gehör zu finden; Tacitus spricht von extremae preces ad principem, die ein Verwandter 4. überbrachte1 Tiberius zeigte jedoch auch jetzt kein Entgegenkommen: Der Angeklagte solle seine Bitten demSenat vortragen15. Als Libo daraufhin Selbstmord beging, schwur Tiberius allerdings, er würde den Senat darum gebeten haben, nicht die Todesstrafe zuverhängen16. Wie Libo Drusus suchte auch Cn. Piso in seinem Prozeß mehrmals bittweise auf denKaiser einzuwirken, zuTacitus gebraucht wieder denAusdruck preces – nächst während der von Tiberius selbst geführten Voruntersuchung17, dann in schriftlicher Form (codicilli, Tac. 3, 16, 2) vor seinem Selbstmord, als er sah, daß er gegen die feindselige Haltung des Senats nicht ankomme. In diesem letzten Gesuch, das Tiberius im Senat zurVerlesung brachte, bat (oro, precor, rogo) Piso erhatte denEntschluß zumSelbstmord schon gefaßt -, indes nicht für sich selbst – sondern für seine beiden Söhne, insbesondere den jüngeren, Marcus. Tiberius setzte sich denn auch für ihn ein, indem er denBefehl des Vaters als Entschuldi-

Tiberius1 zuspitzte

gung für den Sohn anführte18 und auch den dies berücksichtigenden Strafantrag desKonsuls Aurelius Cotta noch in einigen Punkten milderte: M. Piso wurde zwar auf zehn Jahre verbannt, behielt aber seinen Senatssitz unddas väterliche Erbe1 9. Im selben Prozeß wurde Plancina, die Gattin Pisos, freigesprochen, da sie sich an Livia gewandt hatte, deren preces20 Tiberius andenSenat weitergab. Dernächste Senatsprozeß, in demes zueinem Bittgesuch desAngeklagten an denKaiser kam, ist der gegen C. Silanus. Ohne Verteidiger –niemand fand sich

der mit der Repetundenklage gekoppelten Majestätsklage bereit, seine Sahatte Silanus sich seinen Anklägern unddenModalitäten des Beche zuführen – weisverfahrens nicht gewachsen gezeigt. Vor demEintritt in die Beratung über das Urteil erwirkte er deshalb beim Senat einen mehrtägigen Aufschub undsetzte seine Hoffnung auf eine Eingabe (codicilli) an Tiberius, in der er sich über die unwür-

wegen

12 Tac. 2, 29, 2: manus ac supplices voces ad Tiberium tendens. Tacitus bedient sich hier der Ausdrucksweise Vergils (Aen. 2, 688; 3, 176/7). Über die damit verfolgte Absicht: B. Walker, The Annals of Tacitus (1952) 12. 13 Tac. a. a. O.: immoto eius vultu excipitur. 14 Tac. 2, 30, 4: extremas preces P. Quirinio propinquo suoadprincipem mandavit. 15 Tac. 2, 31, 1: Responsum est utsenatum rogaret. 16 Tac. 2, 31, 3: iuravit Tiberius petiturum se vitam quamvis nocenti, nisi voluntariam mortem properavisset.

17 Tac. 3, 10, 3: minas accusantium et hinc preces audit. 18 Tac. 3, 17, 1: Post quae Tiberius adulescentem crimine civilis belli purgavit, patris quippe iussa, necpotuisse filium detrectare. 19 Tac. 3, 18, 1: Multa ex ea sententia mitigata sunt a principe:... M.Pisonem ignominiae exemit concessitque eipaterna bona. 20 Tac. 3, 15, 1: secretis Augustae precibus. 17, 1: matris preces. 17, 4: ob preces Augustae. 6, 26, 3: precibus Augustae.

216

Recht

1

dige Behandlung (invidia) beklagte undfür das Urteil seine preces2 vorbrachte. Auch seine Schwester Torquata, eine Vestalin, bat denKaiser umein mildes Ur-

2. Dem Senat muß dieser Schritt des Silanus und seiner Schwester bekannt gewesen sein; denn derKonsul L. Piso stellte seinen Strafantrag (Deportation nach der Insel Gyarus) unter Hinweis auf die clementia principis2 3, und Cn. Lentulus

teil2

beantragte, die Vermögenskonfiskation nicht auf das von der Mutter ererbte Vermögen zu erstrecken24. Tiberius selbst billigte nicht nur diese Vergünstigung (adnuente Tiberio), sondern schlug auch einen angenehmeren Verbannungsort (die Insel Cythnus) vor25. Noch einmal, bevor Tiberius Romverließ undsich nach Capri zurückzog, hörenwirvonpreces, deren Ergebnis ein kaiserlicher Gnadenakt im Senat war. Der Ritter C. Cominius warals Verfasser eines Schmähgedichtes auf denKaiser überführt worden. Für ihn verwandte sich sein Bruder, der dem Senat angehörte, bei 6. Tiberius underreichte, daßderKaiser aufeine Bestrafung verzichtete2 Die ausführliche Wiedergabe derdurch preces adprincipem bestimmten Prozeßphasen war nötig, umüber das Wesen dieser Erscheinung Klarheit zu gewinnen. Diemitdenpreces verfolgte Absicht liegt nunaufderHand: DerKaiser sollte durch sie dazu bewogen werden, seinen Einfluß oder seine Macht aufzubieten, um ein kondemnierendes Urteil des Senats zu verhindern oder wenigstens das zu erwartende Strafmaß zu mildern. Diepreces waren also an seine misericordia und 7. clementia gerichtet2 Der Kaiser übte diese Tugenden ja auch ohne Anrufung in derjuristisch faßbaren Form derindulgentia im Senat28. Zwei Verfahrensarten sind dabei zu unterscheiden, eine formlose, bei der der Kaiser durch Bitten einen Antrag abzuwehren sucht (deprecari)29, und die förmliche Interzession30, die ohne

21 Tac. 3, 67, 4:

igitur petito paucorum dierum interiectu defensionem sui deseruit, ausis ad Caesarem codicillis, quibus invidiam et miscuerat. Die Auslegung von invidia

preces

nachNipperdey z. St. 22 Tac. 3, 69, 6: idsororem quoque Silani Torquatam, priscae sanctimoniae virginem, expetere. 23 Tac. 3, 68, 2: ille multum de clementia principis praefatus aqua atque igni Silano interdicendumcensuit ipsumque in insulam Gyarum relegandum. 24 Tac. a. a. O.: Cn. Lentulus separanda Silani materna bona, quippe Atia parente geniti, reddendaque filio dixit. 25 Tac. 3, 69, 5: darent luniae familiae et viro quondam

ordinis eiusdem,

ut Cythnum potius

in se carminis

convictum, Caesar

concederet.

26 Tac. 4, 31, 1: C. Cominium equitem

Romanum, probrosi

precibus fratris qui senator erat concessit.

27 Tiberius beklagte sich des öfteren im Senat darüber, daß ein Angeklagter durch Selbstmord seiner misericordia zuvorgekommen sei, Tac. 3, 50, 2. Ein Lob seiner clementia aus dem Munde des Konsuls L. Piso: 3, 68, 2, dazu Wickert, RE XXII 2240. 28 Kleinfeller, RE IX 1379. –Ein bezeichnender Fall der Betätigung kaiserlicher Indulgenz außerhalb des Senats (in einem Appellationsprozeß der Stadt Munigua, Baetica, vor demKaisergericht) istjetzt durch die Auffindung einer Bronzetafel mit einem Brief desKaisers Titus bekannt geworden: H.Nesselhauf, Madrider Mitt. 1 (1960) 148ff. 29 Tac. 3, 22, 2: deprecatus primo senatum, ne maiestatis crimina tractarentur. 4, 31, 4: exilium deprecatus est. Andere Ausdrucksweise: 1, 73, 3: scripsit consulibus non ideo decretum patri suo caelum, ut inperniciem civium is honor verteretur. 2, 50, 2: oravit, ne cui verba in eam (sc. Liviam) quoquo modo habita crimini forent. 2, 50, 3: liberavit Apuleiam lege maiestatis.

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217

weiteres denAntrag zunichte macht. Bei dendurch preces der Angeklagten bewirkten Eingriffen in die Strafbemessung bediente Tiberius sich ausschließlich seines Votums, dessen jeweilige Tendenz ambesten die vonTacitus gebrauchten ) zum ) undconcedere (4, 31, 1 „begnadigen“ Verben mitigare (3, 18, 1 „mildern“ Ausdruck bringen. Diepreces adprincipem müssen demnach aufgefaßt werden als

Bitten um Gnade.

Hier stellt sich zwangsläufig derBegriff derdeprecatio ein, mit demmandie auf Begnadigung hinzielende Art der Prozeßführung bezeichnet31, die wiederum ein Teil jener Haltung des Angeklagten ist, die durch äußere Zeichen der Trauer, insbesondere die vestis mutatio, Mitleid erregen will32. Im Verhalten des Libo Drusus trat unsja die Verbindung dieser beiden Elemente deutlich vorAugen. Die Zuordnung derpreces adprincipem zumBegriff der deprecatio stößt jedoch auf Schwierigkeiten, wenn man bedenkt, daß sie in Senatsprozessen an den Kaiser gerichtet wurden, während doch sonst das erkennende Gericht um Gnade gebeten wird33.

Mankönnte zwar geltend machen, daßdiepreces demKaiser als Senator, also mittelbar doch dem Senat, galten undeine Bestätigung dieser Auffassung darin erblicken, daß Tiberius in denProzessen gegen Piso undSilanus den Vorsitz im Senat führte undsich imübrigen immer nuraufdemWege derMeinungsäußerung für einen Angeklagten einsetzte34. Doch zeigt sowohl die Tatsache, daß diepreces zweimal sogar nach erbetener Vertagung der zumeist außerhalb derSenatssitzung – demKaiser vorgetragen wurden, als auch der in der Antwort des Verhandlung – Tiberius an Libo Drusus gegebene Hinweis auf die Zuständigkeit des Senats, daß eine Anrufung des Kaisers als solchen35 beabsichtigt war. Darauf führen ebenso die mehrmals in diesem Zusammenhang begegnenden codicilli36. Sie lassen die 4, 30, 1: Gallus

Asinius

cumGyaro aut Donusa claudendum censeret, id quoque aspernatus

est.

30 Tac. 3, 70, 1: L. Ennium ... recipi inter reos Caesar vetuit ... (3) perstititque intercedere. 4, 30, 1: Dictis dein sententiis utSerenus more maiorum puniretur, quomolliret invidiam, intercessit.

31 Mommsen, Strafr. 435, 1. 32 DenZusammenhang zwischen vestis mutatio unddeprecatio bezeugt Suet. Tib. 2, 4 (apud populum mutare vestem aut deprecari). Zum Trauergewand der Angeklagten: Mommsen, Strafr. 390 f. Zudendort aufgeführten Belegen kommt noch die oratio Claudii, BGU 611 col. III 2 f., hinzu. 33 Quint. inst. 7, 4, 18: in senatu et apudpopulum et apudprincipem et ubicumque iuris clementia est, habet locum deprecatio. DaßderSenat Gnade für Recht ergehen lassen konnte, ergibt sich ausPlin. ep. 4, 9, 17: senatui licet et mitigare leges et intendere. ZudenFällen, in denen einFeldherr aufdieBitten seines Heeres hinBegnadigungen vornahm, vgl. E. Sander, Rhein. Mus. 103 (1960) 303 f. 34 Merkel, Abhandlungen I 38. 35 Auch wenn der Kaiser gerade Konsul war, sah manin ihmdoch zunächst denKaiser, vgl. Plin. paneg. 77, 3, wovonderZurechtweisung eines Supplikanten wegen dieses Standpunktes durch Trajan dieRede ist. 36 Tac. 3, 16, 2. 67, 4. Vgl. die Bemerkung 4, 39, 1: moris quippe turn erat quamquam praesentem(sc. Caesarem) scripto adire. Auch bei denpreces adprincipem, die Libo Drusus seinem Verwandten P. Quirinius anvertraute (mandavit, 2, 30, 4), kann manan ein Schriftstück den-

218

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Bitte umGnade als formalen Akterscheinen gleich denpreces, die zurErlangung eines Privilegs oder einer Rechtsbelehrung in Form eines libellus oder einer epistula an denKaiser gerichtet wurden3 7. Schließlich läßt sich aus der Kritik, die man

im Senat und in der öffentlichen Meinung an Gnadenbezeigungen des Tiberius übte, entnehmen, daß mandarin Einwirkungen einer dem Senat übergeordneten Macht sah, gleichgültig, obsie durch Interzession oderAbmahnung erfolgten38. Es ist danach nicht anzunehmen, die Angeklagten hätten von vornherein den Erfolg ihrer an denKaiser gerichteten preces einzig von dessen Votum im Senat erwartet. In ihren Überlegungen mußte neben derabmahnenden sententia desKaisers dessen tribunizisches Veto eine Rolle spielen, gehören doch beide Mittel inso9. fern zusammen, als daseine nurdie mildere Form desanderen ist3 Dasbedeutet jedoch nicht, daß diepreces als Anrufung umtribunizische Interzession des Kaisers aufzufassen seien. Sie waren vielmehr an den Kaiser als Gnaden-“ Instanz“ schlechthin gerichtet, undes blieb ihm überlassen, wie er die Begnadigung durchführte. Damit ist deutlich geworden, daß die in Prozeßberichten bei Tacitus begegnenden preces adprincipem nurdemNamen nach unter denBegriff derdeprecatio fallen; in Wirklichkeit gehören sie in denumfassenden Bereich derAppellation an denKaiser40. Im übrigen erweist sich hier einmal mehr, wie eine bis in die Königszeit zurückreichende Sitte41 unter demPrinzipat sich denveränderten Bedingungen 2. anpaßt undso fürdieneue Ordnung Bedeutung erlangt4 Bereits bei dieser ersten Erscheinungsform derAppellation vomSenat anden Kaiser tritt als besonderes Merkmal hervor, daßdie Anrufung des Kaisers jeweils vor demUrteil des Senatsgerichtes erfolgte. Angesichts dieses Sachverhalts, der unsnoch beschäftigen wird, ist zuprüfen, ob derPrinzipat desTiberius auch Fälle verzeichnet, in denen nach derVerurteilung durch denSenat ein Gnadengesuch andenKaiser gerichtet wurde. ken. Schließlich kann derAusdruck preces selbst die Bedeutung „Gnadengesuch“haben, wie die Wendung preces componere (11, 37, 1) zeigt. 37 Brassloff, RE VI 207, v. Premerstein, RE XIII 30 f. Beispiele liefert vor allem der Briefwechsel des Plinius mit Trajan (10, 2, 1. 4, 5. 12. 26, 2. 83. 106. 107).

38 Die Interzession desTiberius gegen die Annahme einer Majestätsanklage tadelte Ateius Capito mit der Begründung, demSenat dürfe die Entscheidungsfreiheit nicht genommen werden (non enim debere eripi patribus vim statuendi, Tac. 3, 70, 2). Die preces, die Tiberius im Auftrage seiner Mutter fürPlancina vorbrachte, faßte manebenso auf (eripere senatui, 3, 17, 2).

39 Eine genaue Unterscheidung ist daher nicht injedem Falle möglich, vgl. Mommsen, St. R. II 123, 7. 879, 2. 40 Mit Recht sagt Merkel, Abhandlungen I 70: „Wer begnadigen konnte, an den mußte auch . appelliert werden können“

41 Mommsen, Strafr. 436 A. führt als ältesten Beleg für die deprecatio den Prozeß gegen Horatiusunter Tullus Hostilius an:Liv. 1, 26, 9. 42 Gleiches gilt z. B. für die republikanische Gewohnheit der Freundschaftsaufkündigung (renuntiatio amicitiae), deren Wirkung sich bei Anwendung durch denKaiser ungemein steigerte. Vgl. darüber nach Volkmann, Rechtspr. 105 ff. jetzt R. S. Rogers, TAPA 90 (1959) 224 ff.

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219

Denkt man an den Senatsbeschluß des Jahres 21, durch den die Begnadigungskompetenz des Kaisers dergestalt erweitert wurde, daß er bei Todesurteilen des Senats noch innerhalb einer Frist vonzehn Tagen die Begnadigung herbeiführenkonnte4 3, so möchte manannehmen, damit habe sich auch für die Angeklagten die Aussicht eröffnet, ein gegen sie ergangenes Todesurteil innerhalb der festgesetzten Frist noch abzuwenden. Demist jedoch nicht so, undzwar aus folgendem Grunde: Es darf als sicher gelten, daß die Konsuln ein auf Tod lautendes Abstimmungsergebnis demKaiser mitteilten, wenneranderentscheidenden Sitzung nicht 4. teilgenommen hatte4 Dadurch erübrigte sich aber ein besonderes Gesuch des Verurteilten, undso findet sich denn auch kein Hinweis auf einen solchen Schritt45. Es bleibt also bei der aus denpreces gewonnenen Erkenntnis, daß der Kaiser stets vor demUrteil desSenats umGnade gebeten wurde. Bedurfte es bei denpreces erst einer Besinnung auf ihre wahre Natur, umsie in das Gebiet der Appellation an denKaiser einordnen zukönnen, so steht für den jetzt zubesprechenden Vorgang imProzeß desCotta Messalinus dieZugehörigkeit zueben diesem Gebiet vonvornherein fest. Denn Tacitus gebraucht hier (6, 5, 2) denAusdruck ad imperatorem provocare, fürdener ananderer Stelle (16, 8, 3) in gleicher Bedeutung appellare principem setzt. Die synonyme Verwendung von appellare undprovocare für die Appellation an denKaiser ist ja eine feststehende Tatsache46. Der Fall des Cotta Messalinus bietet nun die Möglichkeit, zum Kern desProblems derAppellation vomSenat andenKaiser vorzudringen. Cotta Messalinus wurden Majestätsbeleidigungen zur Last gelegt. Da er im Senat verhaßt war unddie vornehmsten Senatoren gegen ihn auftraten, mußte er damit rechnen, für schuldig befunden undverurteilt zuwerden. In dieser Erkenntnis rief er denKaiser an4 7. Die Situation scheint zunächst mit der bei denpreces konstatierten übereinzustimmen, doch liegt ein wesentlicher Unterschied darin, daß Tiberius sich im Jahre 32, in dem das Verfahren gegen Cotta stattfand, nicht mehr in Rom aufhielt. Betrachten wir die bei Tacitus anstelle von preces gebrauchte Wendung ad imperatorem provocavit unter diesem Aspekt, so besagt sie, daßder Angeklagte sich nicht an denKaiser persönlich wandte, sondern seinen

43 Tac. 3, 51, 2, Cass. Dio 57, 20, 4, Suet. Tib. 75, 2. –AusSen. tranq. an. 14, 6 scheint hervorzugehen, daß die zehntägige Frist auch beim Kaisergericht Anwendung fand. Denn daß der Prozeß gegen Iulius Canus vor Kaiser Gaius persönlich stattfand, dürfte sich ausdenWorten „ Duci te iussi“( 14,4) ergeben. Eine vondemAngeklagten angestrengte Appellationsverhandlung nach vorausgegangenem Senatsprozeß anzunehmen, wie ich es in meiner Dissertation Beiträge z. Rechtspr. d. stadtröm. Gerichte unter dem Prinzipat des Gaius u. Claudius, maschinenschr. Köln 1955, 36, getan habe, verbietet wohl derTyrannenhaß des Stoikers Canus, vgl. Boeth. consol. philos. I 4, 27. 44 Tac. 14, 49, 1 übersenden die Konsuln sogar ein Verbannungsurteil vor der Protokollierung dem Kaiser zur Stellungnahme. Vgl. auch 13, 26, 1. Seit Gaius war für Todesurteile des Senats dieUnterschrift desKaisers erforderlich, Suet. Cal. 29, 2. 45 A. H. M. Jones, Historia 3 (1954/55) 486. –Die Voraussetzung für die von Sueton (Tib. 75, 2) geschilderte Szene imKerker ist die besondere Situation beim Wechsel imPrinzipat mit der Hoffnung auferste gute Maßnahmen desneuen Kaisers. Aber auchhier kames nicht zueiner Eingabe andenKaiser, die imübrigen vondenGefängniswärtern hätte ausgehen müssen. 46 Mommsen, Strafr. 473, 4, Bleicken, RE XXIII 2456. 47 Tac. 6, 5, 2: iis (sc. primoribus civitatis) instantibus ad imperatorem provocavit.

220

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8.

Einspruch unter Berufung aufdenKaiser beim Senat anbrachte4 Daßmansoverfahren konnte, seit Tiberius sich ausRomzurückgezogen hatte, zeigt dervonCassius Dio berichtete Einspruch einiger Angeklagter gegen die vom Senat angeordnete Folterung, bei dem freilich die ausdrückliche Berufung auf den Kaiser nicht erwähnt wird49. Fragen wir nach demRechtsgrund, auf den Cotta sich bei seinem Einspruch stützen konnte, so mußmanan die Fälle erinnern, in denen die Konsuln bei Majestätsverbrechen Tiberius umseine Ansicht befragten50 oder derKaiser vonsich aus dazu Stellung nahm51. Cotta befürchtete offenbar, ohne Wissen des Kaisers verurteilt zuwerden, undprotestierte mit derAppellation gegen das ihm selbstherrlich erscheinende Vorgehen des Senats, derdadurch veranlaßt werden sollte, die Sache unentschieden vor den Kaiser zu bringen, wie es bei einem anderen Beratungsge2. genstand schon einmal geschehen war5 Die Beschlußformel, die Tacitus dort überliefert (integrum negotium adprincipem differre) käme auch für unseren Fall in Betracht53 . Sie hat ihr Gegenstück in der Wendung, mit derder Kaiser demSenateinen Prozeß entzieht: integra sibi cuncta postulare54. DerSenat gabderAppellation desCotta Messalinus in derForm statt, daßdas 5. Verfahren unterbrochen wurde und ein Bericht an Tiberius abging5 Bevor wir jedoch denVerlauf derAppellation weiter verfolgen, müssen wirunsere Aufmerksamkeit auf die Tatsache richten, daßwir es hier mit einem anderen als demuns aus den Digesten geläufigen Appellationsbegriff zu tun haben. Der Unterschied kommt in demZeitpunkt zumAusdruck, zu demder Kaiser angerufen wird. Die Berufung im klassischen Sinne erfolgt nach demUrteil der niederen Instanz; ihr Ziel ist die Revision dieser Entscheidung durch das höhere Gericht. Cotta Messalinus jedoch rief den Kaiser an, bevor das Urteil gesprochen war, undwir haben gesehen, daßer damit beabsichtigte, die Kompetenz des Senats zueiner Urteilsfällung ohne Mitwirkung desKaisers inFrage zustellen. Suchen wir nach einer Vergleichsmöglichkeit für das hier zutage tretende Prinzip, so bieten sich dasAppellations- unddasRelationsverfahren des Provinzialprozesses an. Der Apostel Paulus appellierte als römischer Bürger gegen die Eröffnung eines Verfahrens vor demProkurator Porcius Festus undwurde daraufhin unter Mitsendung eines Berichts über dieAnklagen andasKaisergericht nach Rom 6. überwiesen5 In anderen Fällen hören wir, daß Statthalter bei Prozessen gegen

48 Die Appellation im üblichen

49 50 51 52 53 54 55

Sinne wurde

in dieser Form eingelegt, vgl. Mommsen,

Strafr.

471.

ν ω ν ύ . θ ευ π ὑ ν ρ ῶ ὸ υ ςτ ςτ ο ιπ ν τ τ ω ν ό τειπ Dio58,27,3:ἀν ὰ ςβασάν Tac. 1, 73, 3. 2, 50, 2. Tac. 3, 22, 2. 70, 1. Tac. 3, 52, 2. Vgl. auch Plin. ep. 7, 6, 14. Tac. 5, 5. Die Unterbrechung ergibt sich ausTac. 6, 5, 2: nec multo post litterae (sc. Tiberii) adferuntur.

Cass.

DerandenSenat (patres conscripti, 6, 6, 1)gerichtete Brief desTiberius mußals Antwort auf denBericht derKonsuln aufgefaßt werden. 27. Letzte ausführliche Behandlung aller die Rechtsverhältnisse des 12. 25– 56 Acta apost. 25, 9– Apostels Paulus betreffenden Fragen bei L. Wenger, DieQuellen desröm. Rechts (1953) 290

Appellation

221

römische Bürger vordemUrteil eine relatio andenKaiser senden unddessen Entscheidung einholen (rem integram ad te rettuli, Plin. ep. 10, 56, 2); derAngeklagte 7. blieb in der Zwischenzeit im Gewahrsam des Statthalters5 Appellation undRelation ergeben sich hier ausdenBeschränkungen, diedielex Iulia devibzw. dievor Amtsantritt empfangenen Spezialinstruktionen der Kapitaljurisdiktion des einzelnen Statthalters auferlegten58. Die Gerichtsbarkeit des Senats unterlag nun aber ähnlichen Beschränkungen, wenn diese auch weniger auf einem rechtlichen Fundament als auf der tatsächlichen Abhängigkeit des Senats vom Kaiser beruhten. Insofern also die Appellation des Cotta Messalinus die Zuständigkeit des Senatsgerichts anzweifelte undeine Relation derKonsuln an denKaiser hervorrief, steht sie mit den gleichnamigen Erscheinungen des Provinzialprozesses auf einer Stu9. fe5 Mommsen hat ohnehin vermutet, daßdie ausderApostelgeschichte bekannte Anrufung desKaisers zumZwecke derGerichtsablehnung in derfrühen Kaiserzeit 0. weiter verbreitet war, als die Überlieferung erkennen läßt6 Wie wirjetzt sehen, spielte sie jedenfalls beim Senatsgericht eine Rolle. Wenn Mommsen allerdings meint, diese Verfahrensart sei terminologisch als Provokation von der nach dem Urteil erfolgten Appellation unterschieden worden61, so wird diese Vermutung durch den Sprachgebrauch des Tacitus widerlegt, der, wie schon erwähnt, für die Anrufung des Kaisers zurVerhinderung eines Senatsurteils sowohl provocare (6, 5, 2) als auch appellare (16, 8, 3) verwendet. Wenden wir unsjetzt demAusgang derAppellation des Cotta Messalinus zu! Tiberius reagierte auf die Anrufung in der Weise, daßer brieflich beim Senat beantragte, die Cotta zur Last gelegten Äußerungen nicht als Verbrechen anzuse-

ff. –Über ein Reskript des Severus Alexander (P. Oxy. XVII 2104), das sich auf die Abgabe vonKapitalprozessen gegen römische Bürger nach erfolgter Anrufung desKaisers bezieht: P. M. Meyer, Studi in onore di P. Bonfante II (1930) 344. 57 Für die frühe Kaiserzeit glaubte E. Täubler, Klio 17 (1921) 99 ff. die Anwendung dieses Ver-

58

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61

fahrens im Prozeß gegen Antipater (5 v. Chr.) nachweisen zu können, doch s. Volkmann, Rechtspr. 159 ff. Eine Anfrage desPlinius bei Trajan wegen derStrafe, die über einen widerrechtlich ausdemExil Zurückgekehrten zuverhängen sei: ep. 10, 56. EinFall ausderZeit des Marcus Aurelius: Euseb. hist. eccl. V 1, 44. 47, dazu Täubler a. a. O. 98 f. und neuerdings Jones, Studies presented to D. M. Robinson II (1953) 920 f. Paulus sent. 5, 26, 1: lege Iulia de vipublica damnatur, qui aliqua potestate praeditus civem Romanum antea adpopulum, nunc ad imperatorem appellantem necaverit necarive iusserit, torserit, verberaverit, condemnaverit inve publica vincula duci iusserit. Vgl. auch Dig. 48, 6, 7. 8. –Über den unterschiedlichen Umfang der den Statthaltern mandierten Kapitalgerichtsbarkeit vgl. Mommsen, Strafr. 243 ff. Die in diesem Zusammenhang begegnenden Begriffe ius gladii, merum imperium, publici iudicii exercitio unterzieht Jones a. a. O. 923 ff. einer eingehenden Betrachtung. Daßdie Appellation des Cotta Messalinus, anders als die des Apostels Paulus, in ein Relationsverfahren einmündete, erklärt sich aus demFehlen einer Verpflichtung für den Senat, einen Appellanten ohne weiteres demKaiser zuüberantworten, wiesie fürdenStatthalter bestand (Dig. 48, 6, 8: lege Julia de vi cavetur, ne quis reum vinciat, impediatve, quominus Romaeintra certum tempus adsit). Mommsen, Zeitschr. f. neutest. Wiss. 2 (1901) 96 = Ges. Schr. III 446. Mommsen a. a. O., vgl. auch Wenger, RACI 565 f.

222

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Der Senat sprach daraufhin Cotta frei und verurteilte seinen Ankläger als Kalumniator63. Wie ist diese Verhaltungsweise des Tiberius zu beurteilen? Auf keinen Fall wird mansagen dürfen, der Kaiser habe, daer denProzeß nicht an sich zog, die Appellation als solche abgelehnt. Es ist zubedenken, daßer es in erster Linie mit derrelatio derKonsuln zutunhatte. DieErledigung einer aufdiesem Wege anden

hen62.

Caesilianus

Kaiser herangetragenen Angelegenheit erfolgte aber unter Tiberius fast ausnahmslos durch Rücksendung derrelatio andieKonsuln, wobei derKaiser dazu Stellung nahm undumentsprechende Behandlung im Senat bat64. Der technische Ausdruck für diesen Vorgang lautet: relationem remittere65. Die richtige Deutung der Haltung desTiberius ergibt sich also ausdemdurch dieAppellation desCotta Messalinus ausgelösten Relationsverfahren einerseits undder Neigung dieses Kaisers, 6, alles durch denSenat erledigen zulassen6 andererseits. Wie bei denpreces mußauch hier derAnsicht entgegengetreten werden, die Anrufung des Kaisers habe nur seinem tribunizischen Vetorecht gegolten67. Ein nochmaliger Blick auf den Provinzialprozeß zeigt, daß der Kaiser die Relation eines Statthalters nicht nurmiteiner Weisung zurErledigung derAngelegenheit an Ort undStelle beantworten68, sondern auch die Überstellung an sein eigenes Gericht befehlen konnte69. Dieselbe Entschlußfreiheit besaß der Kaiser aber auch gegenüber derRelation derKonsuln. WieTiberus das(freilich noch nicht eröffnete) Verfahren gegen Cn. Piso vomSenat übernahm unddenProzeß gegen Agrippina undNero (s. o. S. 214) demSenat entzog, so wäre es ihmauch imFalle desCotta Messalinus möglich gewesen, den Prozeß an sich zu ziehen: cognitionem excipere70. Nehmen wir die vonTiberius mehrmals angewandte dilatorische Behandlung Tacitus sagt hierfür (6, 9, 4) causam differre – einer relatio71 – hinzu, so sehen wir, daßes einzig beim Kaiser lag, wiedieaufdemWege derRelation vorihngebrach-

62 Tac. 6, 5, 2: ne verba prave

detorta neuconvivalium fabularum simplicitas in crimen ducereturpostulavit. 63 Tac. 6, 7, 1, dazu Rogers, Hermes 68 (1933) 123. 64 Ein typisches Beispiel: Tac. 3, 52, 2 f.: consulti patres integrum id negotium ad principem distulerant. sed Tiberius ... litteras ad senatum composuit. Über den brieflichen Verkehr der Konsuln mitTiberius imallgemeinen vgl. Cass. Dio58, 21, 3, Tac. 6, 39, 2.

65 Mommsen, St. R. II 900. 66 Suet. Tib. 30: Neque tamparvum quicquam neque tammagnum publici privatique negotii fuit, ᾽ἐα νἤ υ τ ὸ θ α νκ ὲ ὸ ςμ τ ὐ de quononadpatres conscriptos referretur. Cass. Dio 57, 7, 2: α ο υ σ ία ερ ν νγ αἔ ὴ τ α ετ τ ςτ ό ρ ικ τ ε ,π τ ά ν τ αδ ρ α ὲδ ὴκ α ὶτ ὰσμ νἔπ ὲ δ ιἢοὐ τ ῃἐκείν ο υ . ὶἐκείν α ρ εκ ε ἐσ έφ 67 Merkel, Abhandlungen II 50. 107. 108. 68 Unter Umständen erteilte der Kaiser dem Statthalter ein Spezialmandat, so Claudius dem Legaten vonSyrien, Ummidius Quadratus: Tac. 12, 54, 4. 69 Z. B. Plin. ep. 10, 57, 2: vinctus mitti adpraefectum praetorii meidebet. 70 Tac. 3, 10, 1. Vgl. Mommsen, St. R. II 965, 3. 71 P. Pomponius Secundus blieb deshalb nach Vertagung seines Prozesses –vielleicht infolge Appellation andenKaiser (so Rogers, Criminal trials andcriminal legislation under Tiberius (1935) 125, Hanslik, RE XXI 2356) –sechs Jahre bis zum Regierungsantritt des Gaius im Hause seines Bruders in Haft, Tac. 5, 8, 1 f., Cass. Dio 59, 6, 2.

Appellation

223

te Appellation eines

Angeklagten erledigt wurde72; der Angeklagte selbst hatte hierauf keinen Einfluß. Somit verbietet es sich, die Appellation des Cotta Messalinus als Anrufung umtribunizische Interzession zuverstehen. Mankönnte zudem mit demselben Recht annehmen, Cotta habe als Freund des Tiberius seine Hoffnung auf das Kaisergericht gesetzt, sah doch auch Piso in der Abgabe seines Prozesses vomSenat andenKaiser einen Vorteil73. Die Befragung der Quellen unter demGesichtspunkt, inwieweit der Prinzipat des Tiberius die Appellation vomSenat an den Kaiser vorbereitete, hat also zwei Formen dieser Appellation zutage gefördert, von denen wir die eine als Bitte um Begnadigung, die andere als Ablehnung des ohne spezielle kaiserliche Ermächtigung kognoszierenden Senatsgerichts näher bestimmten. Die Aufeinanderfolge derbeiden Appellationsformen verstanden wir als Weiterentwicklung underklärten sie mit der im Jahre 26 beginnenden Abwesenheit des Tiberius von Rom, die derbis dahin üblichen persönlichen Teilnahme desKaisers an Senatsprozessen ein Ende setzte. Indem wirbesonderes Gewicht auf denZeitpunkt derjeweiligen Anrufung des Kaisers legten, ergab sich die Einsicht, daß die Appellation vor dem Urteil in derfrühen Kaiserzeit nicht aufdenProvinzialprozeß beschränkt war.

II

Umdie Appellation vom Senat an den Kaiser, wie sie sich unter Tiberius entwickelt hatte, als vollgültiges Rechtsmittel erscheinen zulassen, bedurfte es nur eines kleinen Schrittes. Diesen Schritt mußte der Kaiser tun, indem er einen Senatsprozeß, derdurch Appellation desAngeklagten an ihngelangte, nicht zurEntscheidung in seinem Sinne an den Senat zurückverwies, sondern selbst das Urteil sprach. Von Tiberius war dies seiner ganzen Einstellung nach nicht zu erwarten, findet sich doch unter ihm von einer Tätigkeit des Kaisergerichts kaum eine Spur74. Es blieb Gaius vorbehalten, das Kaisergericht stärker zur Geltung zu bringen75. Er scheint in diesem Zusammenhang auch die Entwicklung derAppellation vomSenat andenKaiser vorangetrieben zuhaben. Unsere wichtigste Quelle hierfür ist Cassius Dio an der bereits erwähnten ) als auch mit Stelle 59, 18, 1 f. Er stellt dort fest, Gaius habe sowohl allein (ἰδ ίᾳ υ ία σ ο ς ) Gericht gehalten, undfährt η ερ ε τ ςτ ὰπ ῆ ά ςγ σ demganzen Senat (μ ὴ νἔκρινενο ᾽ἑα τ έν υ τ ο ηκ ικ θ α α ακ ὐμ ὶ ὶ ἐκείν α ί τιν α dann fort: κ γ ν ῆ ο ν τ γ ςσυχ ί ο ν α ο ιδίκ . ὶ ἐ έσ ιμ ὐ τ α ιἀ ὴ ᾽ἐφ λ ,ἀ πα ςἦ ν λ ε τ το λ ὐ α · Fassen wirzunächst dieTeilnahme desGaius an Senatsprozessen ins Auge, so ᾽ bietet sich unsein ähnliches Bild wiezurZeit derRegierungstätigkeit desTiberius in Rom. Nach demZeugnis Suetons zeigte Gaius die Neigung, sich in Prozessen gegen bekannte Persönlichkeiten mit einer einstudierten Rede zurAnklage zu äußern unddurch seine zur Strenge oder Nachsicht mahnende sententia das Urteil 72 73 74 75

Dasbetont auch Merkel, Abhandlungen II 51. Tac. 3, 10, 2. Vgl. Rogers, Criminal trials 35, J. M. Kelly, Princeps Iudex (1957) 53. Vgl. meine Dissertation (o. A. 43) 51 ff. 110.

224

Recht

des Senats zubestimmen7 6. Ein Beispiel liegt unsin demBericht des Cassius Dio über den Prozeß gegen den berühmten Gerichtsredner Domitius Afer vor. Gaius übernahm hier die Begründung derAnklage auf Majestätsbeleidigung. DaderAngeklagte in kluger Berechnung – Gaius wollte ihnals Redner übertreffen – auf eine μ α ὶ α Verteidigung verzichtete und den Kaiser kniefällig um Gnade bat (χ ), wurde Gaius milde gestimmt, so daßes zu einem Freiεν ο ςἱκέτευσεν είμ κ spruch kam77. DerProzeß gegen Domitius Afer zeigt einmal, daßauch unter Gaius die Sitte fortbestand, denKaiser, sofern er die Senatssitzungen besuchte, mitBitten umBegnadigung anzugehen, undzumanderen, daßCassius Dio, genau wieTacitus, auch sprachlich diesen Fall vonderAnrufung des abwesenden Kaisers unterscheidet. ο ιδ φ ίκ ι, die nach Cassius Dio öfters έσ ιμ α Damit kommen wir zu den ἐ

), d. h. also in ή ν τ υ ᾽ἑα θ α dann ergingen, wenn der Senat Prozesse für sich (κ

ή νmagman υ τ ᾽ἑα θ α Abwesenheit des Kaisers78, erledigte. Bei demAusdruck κ vor allem an die Zeit denken, in der Gaius wegen der germanischen undbritannischen Expedition nicht in Rom war. Damals wurden im Zusammenhang mit der 9. Verschwörung des Lepidus und Gaetulicus viele Anklagen erhoben7 Aber man kann auch ganz allgemein darunter alle Prozesse verstehen, an denen Gaius aus irgendeinem Grunde nicht teilnahm. ο ιδ ίκ έσ ιμ α ι, des von Cassius Dio verwendeten Bei der Deutung der ἐφ terminus technicus für die Appellation80, kommt uns nunzustatten, was wir bisher über die Eigenart derAppellation vomSenat an denKaiser ermittelt haben. Wähο ιδ ίκ α ιum ιμ έσ rend wir sonst annehmen müßten, es handele sich bei den ἐφ undein im Anschluß Berufung gegen bereits ergangene Urteile, wissen wirjetzt – zubesprechender Fall wirdes bestätigen -, daßdasZiel derAppellation vomSenat andenKaiser darin bestand, eine bevorstehende Verurteilung durch denSenat zu ιδ ίκ ο α ιdürften ιμ vereiteln (instantem damnationem frustrari)81. Auch die ἐ έσ φ also vordemUrteil ergangen sein82. Schwieriger ist die Frage zu beantworten, wie Gaius sich gegenüber den vom Senat herkommenden Appellationen verhielt. Es bleibt zunächst Vermutung, daß Gaius sie vor seinem Tribunal verhandelte, wenn auch angesichts der Entfaltung, 76 Suet. Cal. 53, 2: solebat ... magnorum in senatu reorum accusationes defensionesque meditari ac, prout stilus cesserat, velonerare sententia sua quemque velsublevare. 77 Cass. Dio 59, 19, 1 ff. υ ο η ῆ ςτ ςγερ σ ά ὰπ τ ε undsteht imGegensatz zuμ ή νentspricht demἰδ ίᾳ τ υ ᾽ἑα θ α 78 Κ . ία ς σ 79 Cass. Dio59, 23, 8. α ι(52, 22,5). ιδίκ ο τ ο ιδίκ α ι(52, 21,2. 33, 1)sagtCassius Dioauchἔκκλη ιμ έσ 80 Statt ἐφ ι (acta α θ ῖσ ε λ α ικ ι zurück, das wie ἐπ α θ εῖσ λ α κ κ Diese Wortbildung geht auf das Verb ἐ apost. 25, 11. 12. 21. 25. 26, 32) denAppellationsvorgang sprachlich eindeutig zumAusdruck bringt.

81 Tac. 16, 8, 3. 82 Die Vermutung von Kelly, Princeps Iudex 56, die Appellation könne nach einem freisprechenden Urteil des Senats von den Anklägern eingelegt worden sein, ist deshalb unwahrscheinlich, weil es im Kognitionsverfahren nicht derAppellation bedurfte, umeinen Prozeß vonneuem, undzwardannbeimKaiser, anhängig zumachen, vgl. Mommsen, Strafr. 450.

Appellation

225

die das Kaisergericht unter ihm erlebte, ein hoher Grad von Wahrscheinlichkeit dafür spricht. Ein bestimmtes Maß von Gewißheit läßt sich erst gewinnen, wenn wir die Erkenntnisse, die ein Appellationsfall aus der Zeit Neros vermittelt, für unser Problem verwerten. Im Jahre 65 stand Lepida, die Gattin des C. Cassius, unter der Anklage des Inzests (mit ihrem Neffen L. Silanus) und der Magie vor dem Senatsgericht83. Volcacius Tullinus, Cornelius Marcellus und Calpurnius Fabatus wurden der Mitwisserschaft beschuldigt. Sie kamen jedoch derdrohenden Verurteilung durch 4. Appellation an denKaiser zuvor8 Dadurch sah der Senat sich genötigt, auch Lepida an das Kaisergericht zu überstellen85. An dem Bericht des Tacitus überrascht die Selbstverständlichkeit, mit derdie Übernahme eines Senatsprozesses durch das Kaisergericht nach erfolgter Appellation behandelt wird. Wenn Nero auch in diesemFalle kein Urteil sprach, daer, wie Tacitus sagt, anderweitig beschäftigt war unddieStraftaten ihmzugering erschienen, so läßt doch dieWendung Neronem ... evasere klar erkennen, daß die Angeklagten von ihm das Urteil zu erwarten hatten86. Das kann nur als Folge der Entwicklung verstanden werden, die das Kaisergericht genommen hatte. Damit aber werden wirwieder aufdieRegierungszeit des Gaius verwiesen, in der diese Entwicklung begann. Es ist somit durchaus berechtigt, anzunehmen, daßGaius es zurRegel erhob, dieProzesse derAngeklagten, die vomSenat anihnappellierten, selbst zuentscheiden. ZurStütze kann auf ein anderes auf Gaius zurückgehendes Reglement hingewiesen werden, demzufolge die Todesurteile des Senats erst durch die Unterschrift des Kaisers rechtskräftig wurden87. DerPrinzipat desNero beweist, daßauch diese Ordnung Bestand hatte88. Sehen wir von den Fällen ab, in denen der Kaiser über preces zu befinden hatte89- nachdem wir ihre Bedeutung für die Herausbildung der Appellation vom Senat andenKaiser unter Tiberius erkannt undihr Fortbestehen unter Gaius angezeigt haben, können wir siejetzt außer acht lassen -, so gibt nurnoch derRepetundenprozeß der Provinz Bithynien gegen Varenus Rufus unter Trajan Aufschluß

über dasvonunsverfolgte Problem.

DerProzeß begann imJahre 1079 0 damit, daßdemAngeklagten auf seine Bitte 1. gestattet wurde, Entlastungszeugen zu laden9 Den diesbezüglichen Senatsbeschluß fochten die Bithynier bei denKonsuln anundlegten, sicher auf demWege über sie92 , Beschwerde beim Kaiser Trajan ein9 3, dernach seinem zweiten Feldzug 83 Tac. 16, 8, 2, Hohl, RE X 1113. 84 Tac. 16, 8, 3: trahebantur ut conscii Volcacius Tullinus ac Marcellus Cornelius senatores et Calpurnius Fabatus eques Romanus; quiappellato principe instantem damnationem frustrati, moxNeronem circa summa scelera distentum quasi minores evasere.

85 Tac. 16, 9, 1: deLepida Caesar statueret. 86 Ausdiesem Grunde verbietet sich auch die Annahme eines kaiserlichen Vetos (Merkel, Abhandlungen II 54), dasja nurkassatorische Wirkung gehabt hätte. 87 Suet. Cal. 29, 2. 88 Suet. Nero 10,2, Sen. clem. 2, 1. 89 Z. B. Tac. 16, 10, 4. 90 Genauer: zwischen dem9. Januar und 1. März 107, Hanslik, RE VIII A 376. 91 Plin. ep.6, 5, 1: Scripseram (5, 20, 2. 7) tenuisse Varenum, utsibi evocare testes liceret. 92 Sonst müßte eine besondere Relation derKonsuln angenommen werden.

226

Recht

gegen dieDaker noch nicht wieder in Romwar94. DerKaiser verwies die Bithynier andenSenat zurück. Dasie aufihrem Einspruch beharrten undeiner ihrer Anwälte 95, wurde über denbereits gefaßten BedenSenatsbeschluß beim Senat anklagte“ „ schluß einzweites Malabgestimmt, wobei mitAusnahme vonacht Senatoren alle fürVarenus ihre Stimme abgaben9 6. Manhätte nunin denBeweisgang eintreten können. Inzwischen hatte jedoch derLandtag derBithynier beschlossen, dieAnklage gegen Varenus fallenzulassen. Die Nachricht hiervon war von dem neuen Bevollmächtigten, Polyaenus, nach Rom gebracht undauch demKaiser, derjetzt in der Stadt war, übermittelt wor7. den9 Nichtsdestoweniger bestand einer der Bithynier, die die Anklage gegen Varenus betrieben hatten, auf Fortführung desProzesses. Als er einen entsprechenden Antrag im Senat stellen ließ, appellierte Polyaenus an den Kaiser, indem er die Konsuln ersuchte, der cognitio Caesaris nicht vorzugreifen98. Die Konsuln überließen dementsprechend den Prozeß demKaiser99. Es kam zu einer Verhandlung vordemKaisergericht; dieEntscheidung schob Trajan allerdings auf, umdiewahre Gesinnung derProvinz kennenzulernen1 00. Der Varenus-Prozeß bereichert das Bild, das wir bisher von der Appellation vomSenat an denKaiser ausdenQuellen gewonnen haben, umeinige neue Züge. Zunächst liefert der Plinius-Brief 7, 10 den strikten Beweis, daß der Kaiser den vom Senat auf Appellation hin abgegebenen Prozeß auch tatsächlich vor seinem Tribunal verhandelte101. Ein solches Verhalten des Kaisers hatten wir bisher nur erschlossen. Sodann ist darauf hinzuweisen, daßdie Appellation hier vomAnkläger ausging. Dabei ist freilich zu unterscheiden zwischen der „Beschwerde“der Bithynier beim Kaiser zuBeginn desProzesses undderspäteren Aufforderung des Polyaenus an den Senat, kein Präjudiz für die Kognition des Kaisers zu schaffen. Polyaenus kann nicht als Ankläger im eigentlichen Sinne bezeichnet werden. Der ihm vombithynischen κ ο ιν ό νerteilte Auftrag, für den angestrengten Prozeß die abolitio zu erreichen, ließ ihn von vornherein den Kontakt mit denAnwälten des Varenus suchen, undin derSenatssitzung, in deres zurAnrufung desKaisers kam,

93 Plin. 6, 13, 2: Bithyni senatus

consultum apud consules carpere ac labefactare sunt ausi atque etiam absenti principi criminari. 94 DieRückkehr setzt Hanslik, Wiener Studien 63 (1948) 133f. indenSommer oder Herbst 107. 95 Plin. a. a. O.: egit Claudius Capito irreverenter magis quam constanter, ut qui senatus consultum apud senatum accusaret. 96 Plin. 6, 13, 5: Acilius tantum Rufus et cumeo septem an octo, septem immo, inpriore sententiaperserverarunt. 97 Plin. 7, 6, 1: Bithyni accusationem eius ut temere incohatam omisisse narrantur ... adest provinciae legatus, attulit decretum concilii ad Caesarem, attulit ad multos principes viros, attulit etiam ad nos, Vareni advocatos. 98 Plin. 7, 6, 6: Polyaenus postulavit, ne cognitioni Caesaris praeiudicium fieret. 99 Plin. 7, 6, 14: Consules, utPolyaenus postulabat, omnia integra principi servaverunt. 100 Plin. 7, 10, 2: finitis actionibus Caesar „neutra“inquit „pars de mora queretur; erit mihi . curae explorare provinciae voluntatem“ 101 Nach Plin. 7, 6, 6 (o. A. 98) und7, 6, 14 (cuius cognitionem suspensus exspecto) kann es nicht zweifelhaft sein, daßdasVerhör, vondemPlinius in demBrief 7, 10 berichtet, vordemKaiser stattfand, vgl. Mommsen, Ges. Schr. IV 385, Strafr. 253, 2. Hanslik, RE VIII A 376 nimmt fälschlich eine Senatssitzung an.

Appellation

227

bekämpfte er mit diesen denAntrag, Varenus zur Rechnungslegung zu zwingen. Es ist durchaus möglich, daßdieAppellation nuraustaktischen Gründen vonihm undnicht vom Angeklagten ausging. Jedenfalls besteht im Motiv undauch hinsichtlich des Zeitpunktes kein wesentlicher Unterschied zu den aus Furcht vor Verurteilung erfolgten Anrufungen desKaisers durch Angeklagte, wiewir sie kennengelernt haben. Anders verhält es sich dagegen mit der von Plinius als Beschwerde gekennzeichneten Anrufung desKaisers. Sie geht eindeutig aufdieBithynier als Ankläger zurück. Dementsprechend ist auch die Motivierung eine andere: Das Repetundengesetz sahdie Ladung vonEntlastungszeugen, die derSenat Varenus zugestanden hatte, nicht vor, undauch dasHerkommen bot dazukeine Handhabe102. DerKaiser sollte überdievermeintlich unbillige Maßnahme desSenats entscheiden. Stellt schon dieTatsache, daßderKaiser hier vonseiten derAnkläger angerufen wurde, eine Erweiterung derfür die Appellation vomSenat andenKaiser gefundenen Regeln dar, so gilt dies in noch stärkerem Maße für die von den Bithyniern angestrebte Revision eines ordnungsgemäß gefaßten Senatsbeschlusses. Dem Senat kamdie Tragweite dieses Schrittes voll zumBewußtsein, als Trajan ihmdie Behandlung derBeschwerde übertrug. Daßdiejenigen Senatoren, die nicht für den strittigen Beschluß gestimmt hatten, mit wenigen Ausnahmen jetzt ihre Meinung 03. änderten, läßt erkennen, wieempörend mandasVorgehen derBithynier fand1 Ein Fall wie dieser warbesonders geeignet, zu der Erkenntnis zu führen, wie wenig sich der Senat als Gerichtshof von den Gerichten der kaiserlichen Delegatare unterschied. Was Cassius Dio diesen in der Maecenas-Rede nicht zugesteht, das fehlt, wie Dio gelegentlich –wir haben die Stelle kennengelernt –selbst fest04.Angeklagte undAnkläger konnten stellt, auch dem Senat: die Inappellabilität1 gleicherweise durch Appellation an denKaiser das Senatsverfahren hemmen. Wie lange würde es dauern, bis nicht mehr nurbevorstehende Urteile undZwischenentscheide, sondern das Endurteil selbst von der Appellation bedroht wäre? Wollte der Senat die sonst von ihm beanspruchte Sonderstellung als höchstes Gericht nebendemKaisergericht nicht verlieren, so mußte er danach trachten, die ihmmangelnde Inappellabilität zu erlangen, dies um so mehr, als seine Souveränität im politischen Bereich seit Nerva anerkannt wurde105.

102 Plin. 5, 20, 7: impetravimus remnec lege comprehensam nec satis usitatam. Vgl. Mommsen, Strafr. 410.

103 Plin. 6, 13,2 nennt dieHandlungsweise desAnwalts derBithynier irreverenter. ραὐτόδικ ή ᾽α ή τ τ ὰ ὐ το εγ τελὴς οὕτωτιςτὸ ο ςμ 104 Cass. Dio52, 33, 1: μ ρ ά π ν γ α ν εσ π τ ω ,ὥ ίγ α ἔσ σ τ ο ὴο η θ έσ ν ν α εμ ἀ ὐ ι. 59, 18,2: ο ιμ παὐ κἐφ τ ο ῦδίκ ὐ μ έν τ ο ικ α ὶα ὐ το τελὴς(ἡγερουσία ο )ἦ ιδίκ έσ ιμ ν ,ἀ ᾽αὐ ιἀ ᾽ἐφ α π λ τ λ ῆ ς τ ο . υ χ ν α ὶἐγίγνον σ 105 Daszeigen dieMünzen: P. L. Strack, Unters. z. röm. Reichsprägung des2. Jhs. I (1931) 45 f., 108, II (1933) 122. A. Alföldi, Röm. Mitt. 50 (1935) 13 f., 16 f.

228

Recht

III

Mit diesen Erörterungen sind wir zumAusgangspunkt unserer Untersuchung, der oratio divi Hadriani, zurückgekehrt! Wir sehen jetzt, daß sie einer Entwicklung Einhalt gebot, die darauf hinauslief, das Senatsgericht in den Instanzenzug einzubeziehen. Es ist bezeichnend, daßdiese Entwicklung unter Tiberius einsetzte. Sollte Augustus wirklich die Absicht gehabt haben, das Senatsgericht demKaisergericht rechtlich gleichzustellen106, so hat schon sein erster Nachfolger damit begonnen, diese Konzeption zu zerstören. Wahrscheinlicher ist jedoch, daß bereits Augustus nicht daran gedacht hat, demSenatsgericht dieselbe Stellung zu geben wie demKaisergericht107 unddaß dieser Grundsatz unter Tiberius, entsprechend der stärkeren Tätigkeit des Senatsgerichts, lediglich neue Gestalt annahm1 08.Das ο Ergebnis wurde jedenfalls in denσ έσ ιδ υ ίκ ιμ χ ν ὶ ἐφ α α ιunter Gaius sichtbar: Die Überordnung des Kaisergerichts über das Senatsgericht war faktisch zum Prinzip erhoben. Undhierbei blieb es bis auf die Zeit Hadrians, wie die Appellationsfälle aus der Zeit Neros undTrajans zeigen, die bei der Dürftigkeit unserer Überlieferung unddem geringen Interesse der Geschichtsschreiber an Rechtsfragen als stellvertretend für eine Reihe weiterer Appellationen betrachtet werden müssen. Selbst wenn unter demeinen oder anderen Kaiser solche Appellationen ganz unterblieben sein sollten, so ändert sich dadurch amGesamtbild nichts, bliebendoch diePräzedenzfälle wirksam, solange nicht eingenerelles Verbot erfolgte. Mit der ihm von Hadrian verliehenen Inappellabilität gewann der Senat also ein Privileg, das er vorher nicht besessen hatte. Damit ist die erste der eingangs gestellten Alternativen entschieden. Es hat sich die ältere Ansicht über die oratio Hadriani (Cujacius) gegen Mommsen, der in ihr die Sanktionierung eines schon lange bestehenden Zustandes sah, als zuRecht bestehend erwiesen. Ausdemimvorstehenden geführten Nachweis, daßvonTiberius bis Trajan in einer Reihe vonKriminalprozessen vordemSenat andenKaiser appelliert worden ist, ergibt sich auch dieAntwort aufdieweiter vonunsaufgeworfene Frage, ob die oratio Hadriani auf die Kriminal- oder Zivilappellation zielte. Es wäre zwar denkbar, daß manche der appellationes a privatis iudicibus, für die der Senat unter

106 Mommsen, Strafr. 252. 261. Dagegen D. Mc. Fayden, The Rise of the Princeps1 Jurisdiction (1923) 231 f. Eine neue Hypothese über eine gleichartige Rechtsgrundlage für Senats- und Kaisergericht (lex Iulia iudiciorum publicorum) trägt Jones, Historia 3 (1954/55) 478 ff. vor. Ablehnend dazu Kelly, Princeps Iudex 65. 107 Volkmann, Rechtspr. 98. 102 f. hebt gegenüber der These Mommsens von der dyarchischen Ordnung auch des Gerichtswesens durch Augustus hervor, daßdie Gerichtsbarkeit des Senats sich unter demersten Princeps erst allmählich entwickelte undvonihmhauptsächlich deshalb begünstigt wurde, weil er auf eine Senatsverhandlung leichter Einfluß nehmen konnte als auf einen Quaestionsprozeß.

innewohnende Tendenz zueiner monarchischen Entwicklung, deren Äußerungen angesichts des Versuchs, den Begriff der Dyarchie wenigstens für den Prinzipat des Tiberius zu „retten“(E. Kornemann, Tiberius, 1960, 100. 245. 259), sorgfältig registriert werden müssen.

108 Eszeigt sich hier diedemPrinzipat

Appellation

229

09, nach Behandlung durch den Senat in einem erneuten Appellationsgang vor dasKaisergericht kamen, doch spricht, abgesehen vondem Fehlen jeglichen Hinweises in den Quellen, dagegen, daß die Maßnahme Neros 10. doch wohl als Abhilfe gegen die Überlastung des Kaisergerichts gedacht war1 Dann aber wird demSenat fürdie Entscheidung derappellationes a privatis iudicibus höchstrichterliche Befugnis übertragen worden sein, die eine weitere Appel-

Nero kompetent wurde1

lation ausschloß. Diese Überlegung unddievonunsbeigebrachten Belege lassen denSchluß zu, daßHadrian bei seiner oratio den Senat als Kriminalgerichtshof im Auge hatte. Als Prinzip jedoch galt die Inappellabilität des Senats selbstverständlich für den Zivilprozeß ebenso wiefürdenStrafprozeß. Es bleibt jetzt noch das dritte Problem zu klären, das die oratio Hadriani aufgibt: Warum wurde demSenat gerade vonHadrian zuteil, wasihm vorher versagt geblieben war? Es ist schon oben die Vermutung geäußert worden, daß es häufiger zu Appellationen vomSenat andenKaiser gekommen ist, als unsere Quellen dies verzeichnen. Da sich ferner ergeben hat, daßsolche Appellationen durch die Abwesenheit desKaisers vonRomgefördert wurden, ist es nicht abwegig, ein verstärktes Auftreten während der langen Feldzüge Trajans vorauszusetzen. Andererseits ist zu berücksichtigen, daß der Anfang der Regierung seines Nachfolgers Hadrian im Zeichen scharfer Kritik des Senats an der Hinrichtung dervier Konsulare Palma, 11, Celsus, Nigrinus undLusius stand1 so daßHadrian zurBeschwichtigung eidlich versicherte, er habe die Hinrichtung nicht befohlen, undfür die Zukunft gelobte, Senatoren nur ex senatus sententia zu verurteilen112. Es hat den Anschein, als ob der Senat die durch das erwähnte Vorkommnis geschwächte Position Hadrians gegenüber dem Senat im Jahre 118 dazu benutzt habe, einige Zugeständnisse auf demGebiet der Rechtsprechung zu erreichen. In diese Richtung führen jedenfalls zwei Nachrichten in derVita Hadrians. Nach dereinen gewährte Hadrian demSenat dasApprobationsrecht für die Rechtsgelehrten deskaiserlichen Konsiliums113. Diezweite Maßnahme entzog denRittern dasRecht, über Senatoren zuGericht zu sitzen, gleich ob im Konsilium des Kaisers oder in einem anderen Gerichtshof114. Ich glaube nun, daß auch die Rede über die Inappellabilität des Senatsgerichts in

109 Eingehende Erörterung der Fragen, die sich an die Nachrichten hierüber (Tac. 14, 28, 1 u. Suet. Nero 17) knüpfen, bei Villers, Studi Francisci I 386 ff. 110 FürdieZeit desClaudius spricht Cassius DiovonderMasse derProzesse, die vordemKaiῆ θ ό η sergericht anhängig waren (π ςτ τ ο νἦ εδικ θ ύ νἀμ ν ῶ λ , 60, 28, 6). 111 A.vonPremerstein, DasAttentat derKonsulare aufHadrian, Klio Beih. 8 (1908) 82 f. 112 Cass. Dio 69, 2, 6, SHAHadr. 7, 4. 113 SHA Hadr. 18, 1: Cumiudicaret, in consilio habuit non amicos suos aut comites solum sed iuris consultos etpraecipue luventium Celsum, Salvium lulianum, Neratium Priscum aliosque, quos tamen senatus omnis probasset. Dazu W.Kunkel, Herkunft u. soz. Stellung derröm. Juristen (1952) 297 u. A. 628, J. Crook, Consilium Principis (1955) 60, derals Datum dasJahr 118 vermutet (u. A. 117). 114 SHA Hadr. 8, 8: equites Romanos nec sine se de senatoribus nec secum iudicare permisit. Diese Verfügung hatschon v. Premerstein a. a. O. 84 indasJahr 118gesetzt. Zuihrer Beurteilung Crook a. a. O. 62 f.

230

Recht

15.

diesem Zusammenhang gesehen werden muß1 In allen drei Fällen aber legte der Kaiser sich Beschränkungen auf, die so offenkundig dervonTacitus formulierten 16, Grundtendenz des Prinzipats, munia senatus magistratus legum in se trahere1 widersprechen, daß der Gedanke, Hadrian habe sich dazu aus freiem Entschluß 17, bereit gefunden1 abzuweisen ist. Sowohl die oratio als auch die beiden anderen Neuerungen müssen vielmehr als Antwort des Kaisers auf einen im richtigen Augenblick unternommenen Vorstoß desSenats118 aufgefaßt werden.

115 Die unverdächtige Digestenstelle (49, 2, 1, 2) läßt denQuellenwert derbeiden Nachrichten aus derVita Hadrians (8, 8. 18, 1) in günstigerem Licht erscheinen, als sie von Kornemann gesehen wurden, dermeint (Kaiser Hadrian u. derletzte große Historiker vonRom, 1905, 34 f. 38), die betreffenden Vorgänge seien einseitig vom Senatsstandpunkt aus dargestellt. Richtiger sahin diesem Punkte O. Th. Schulz, Leben desKaisers Hadrian (1904) 90, derzu 18, 1 bemerkt, hier sei das, worauf es ankomme, zutreffend hervorgehoben. 116 Tac. 1, 2, 1. 11, 5, 1. 117 In bezug auf die Erteilung des Rechts der Bestätigung der iuris consulti des kaiserlichen Konsiliums andenSenat vermutet dies Crook a. a. O. 60 („ ... –oneof those moves perhaps, ). ZuderVerkündung der by which Hadrian sought to re-establish his lost popularity in 118“ Inappellabilität desSenats meint d’Orgeval, Hadrien 330, derKaiser habe demSenat die Verantwortung fürunpopuläre Todesurteile zuschieben wollen. 118 AuchmitdemVersprechen, keinen Senator zumTode zuverurteilen (Cass. Dio69, 2, 4, SHA Hadr. 7, 4), erfüllte Hadrian nach demVorgang Nervas (Cass. Dio68, 2, 3) einen schon unter Domitian geäußerten Wunsch desSenats, Cass. Dio67, 2, 4.

Rezension:

Jochen Bleicken: Senatsgericht undKaisergericht.* [Eine Studie zurEntwicklung desProzeßrechtes imfrühen Prinzipat. Göttingen: Vandenhoeck & Rupprecht 1962, 198 S. (AbhGött 3, 53.)]

Bleicken will in der vorliegenden Göttinger Habilitationsschrift der auf Mommsen zurückgehenden Auffassung, das Kaisergericht sei ebenso wie das Senatsgericht ein Werk des Augustus, „durch einen Blick in den Entwicklungspro(15) derbeiden Institutionen entgegentreten. Indem er mit einer diesem mezeß“ thodischen Prinzip entsprechenden Betrachtungsweise zeitlich die späte Republik und die julisch-claudische Dynastie umgreift, sucht er aus der trümmerhaften Überlieferung eine zunächst zumSenats- unddann zumKaisergericht hinführende Hauptlinie derEntwicklung freizulegen. Mommsen (Strafr. 251) hatte das Senatsgericht als dasvonAugustus in neuer Form errichtete Volksgericht betrachtet. B. 17 weist dagegen richtig aufdie schon unter Sulla erfolgte Übertragung der Volksgerichtsbarkeit auf das Quästionensystem hin. DaßderBegründer desPrinzipats die sullanische Translation als endgültig betrachtete, in seiner Konzeption der Senat also nicht als Nachfolger des Volksgerichts figurierte, geht aus einem vonB. nicht herangezogenen Passus der Leichenrede des Tiberius für Augustus (Cass. Dio 56, 40, 4) klar hervor. B. leitet inKapitel 1 dieKriminaljurisdiktion desSenats derKaiserzeit vonder im letzten Jh. der Republik aufgekommenen hostis-Erklärung ab, die er als das Urteil in einem vordemSenat geführten, denHochverrat eines Bürgers konstatierenden Prozeß auffaßt (21 f). Ihr Fortbestehen in der Kaiserzeit (24 f. 26) unddie naheliegende Subsumtion desHochverrats unter dascrimen maiestatis (29) dienen juristische Grundlage“ ihm als Bestätigung dafür, daß der hostis-Beschluß die „ (25) des Senatsgerichts sei unddie Plattform für die Majestätsprozesse unter Augustus und Tiberius geschaffen habe (29). Die mit Scharfsinn aufgestellte These bedarf m.E. einer nicht unwesentlichen Modifikation. Derhostis-Beschluß ist materiell undformal vomJudikat durchaus verschieden. Er ist gewissermaßen das Gegenstück zu dem völkerrechtlichen Akt des appellari populi Romani amicus (Caes. b. G. 1, 3, 4 u. ö.) undgehört mit derKriegserklärung engzusammen (vgl. Cic. Phil. 14, 22). ZuderGleichsetzung mit einem Gerichtsurteil scheint B. vor allem durch die Berichte über die Senatsverhandlungen gegen die Catilinarier bewogen worden zu sein. In ihnen will er eine hostis-Erklärung imprägnanten Sinne erkennen, aufdie er die vonCicero verwendete Terminologie des Strafprozesses bezieht (23 u. Anm. 6). Tatsache ist lediglich, daß Cicero den hostis-Begriff benutzte, umdieKompetenz desvonihmals ‘Gericht’angesprochenen Senats (Cat. 4, 4) zurFällung eines Todesurteils außer Frage zu stellen (ähnlich Chr. H. Brecht, Perduellio [1938] 256). Hätte derSenat Lentulus unddie übrigen Verschwörer nach demVerhör am3. 12. 63 förmlich zu

*

in: Gnomon 36 (1964) 387– 392.

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hostes erklärt, wie manaufgrund vonSall. Cat. 50, 3 annehmen könnte, würde Cicero am5. 12. nicht eine so vorsichtige Formulierung wie hosce ego homines ... in acerbissimorum hostium numero habendos puto (Cat. 4, 15) gebraucht haben. Daß aber auch an diesem Tage kein hostis-Beschluß erging, sondern die Todesstrafe gegen die Catilinarier wegen ihres denStaat bedrohenden nefarium consilium ausgesprochen wurde, steht durch Sall. Cat. 52, 36 fest. Nicht also die hostisErklärung als solche, sondern ihr auf dem hostis-Begriff basierendes, durch Cicero geschaffenes juristischen Grundstrafprozessuales Komplement hat, ohne freilich zu der von B. behaupteten „ lage“zu führen, die Herausbildung der Senatsgerichtsbarkeit gefördert: Ein Verfahren dieser Art wollte Antonius 44 gegen Cicero unddessen Neffen durchführen lassen (Cic. Phil. 3, 18, vgl. Gelzer, RE 7 A, 1056), undOctavian bediente sich seiner 43 gegen Q. Gallius und40 gegen Salvidienus Rufus. Von der Deliktbezeichnung im letzteren Falle (consilia nefaria adversus Caesarem, Liv. per. 127) führt dann ein direkter Wegzumkaiserzeitlichen Majestätsprozeß (vgl. dieAnklage gegen Libo Drusus: consilia nefaria, CIL I2 S. 244). B. 251nimmt für ihn eine hostis-Erklärung in allen Fällen an, „ die den Tatbestand der Peduellion in sich schlossen“ . In Wirklichkeit läßt sich jeweils nurdie tatsächliche Behandlung eines Angeklagten als hostis ausderArt der Strafe bzw. ausdenZusatzstrafen ersehen. Dieeigentliche hostis-Erklärung ist auch unter demPrinzipat nicht dasErgebnis eines Strafprozesses, sondern ein rein deklaratorischer Akt, derbis zuseinem Ende denCharakter einer Kriegserklärung bewahrt (vgl. Script. Hist. Aug. Sev. 10, 2; Alb. 9, 1; Herodi-

an. 3, 6, 8).

Im2. Kapitel behandelt B. dieTätigkeit desSenatsgerichts unter Augustus und Tiberius. Besondere Aufmerksamkeit schenkt er demdurch dasSC Calvisianum 4 v. Chr. eingerichteten Senatsverfahren de repetundis. Durch Heranziehung der in Frage kommenden Prozesse des 1. und2. Jh. n. Chr., die er in Appendix 1 zusammenstellt1, sucht er denNachweis zu führen, daßdas Geschehen im Senat vor der Bestellung der Rekuperatoren mit einem Richterspruch ende, der die Schuld des Angeklagten feststelle undseinen Ausschluß aus demSenat nach sich ziehe. Der Rekuperatorenspruch betreffe dann nur noch die Höhe der zurückzuerstattenden Gelder (41 f). Dies magfürdiespätere Zeit zutreffen, alssich dasRepetundenverfahren derbei anderen Delikten üblichen cognitio senatus angeglichen hatte undder Tätigkeit der iudices nurmehr technische Bedeutung zukam, darf aber fürdieZeit derEinführung desVerfahrens keine Gültigkeit beanspruchen, dadasSC Calvisianum ausdrücklich die Auslosung der iudices amTage der Einführung der Provinzialen in denSenat vorschreibt undeine einzige Senatssitzung nicht ausgereicht haben dürfte, umdie Schuldfrage zuklären. Dies konnte erst in derauf 30 Tage bemessenen Untersuchung derRekuperatoren geschehen. DerZusammenfall vonRekuperatorenspruch undInfamierung wird zudem durch Tac. ann. 3, 31, 5 bewiesen, woes von Domitius Corbulo, demvom Senat eingesetzten Rekuperator gegen die curatores viarum, heißt: quorum in pecuniam atque famam damnatione et hasta saeviebat.

DasSC Calvisianum verdankt seine Entstehung derInitiative desAugustus. B. erwähnt dies zwar (36. 45. 82), verfolgt aber nicht denzuletzt von A. Magdelain, Auctoritas principis (1947)

1

63 f

gewiesenen Weg, der über die namentliche

Er-

AufAppendix 2 sei hier nurhingewiesen. B. erschließt darin u. a. aufgrund derkyrenäischen Edikte 1 und4 ein ursprünglich für die in der Provinz lebenden Römer eingerichtetes Geschworenengericht (173 f), vgl. dazujetzt auch W. Kunkel, Untersuchungen z. Entwicklung desröm. Kriminalverfahrens invorsullanischer Zeit (1962) 79 ff. 136.

Senatsgericht

undKaisergericht

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ησ εν 2 zurauctoέλ θ wähnung des Kaisers in der Präambel unddas signifikante ἠ ritas Augusti als Quelle der Senatsgerichtsbarkeit de repetundis führt.

Mirscheint, daßdasvonB. 134 in anderem Zusammenhang in Abrede gestellte konstitutive Element inderkaiserlichen auctoritas gerade imHinblick aufdasSenatsgericht seine Wirksamkeit zeigt, undzwar nicht nur im Falle des SC Calvisianum. Wenn Augustus z. B. erstmalig famosi libelli unter denBegriff derlaesa maiestas zieht undgegen denVerfasser (Cassius Severus) einen Senatsprozeß inGangbringt (Tac. ann. 1, 72, 3; 4, 21, 3), sobedingt undsanktioniert hier dieneue Gesetzesauslegung durch denKaiser dieneue Prozeßform (vgl. F. DeMarini Avonzo, La funzione giurisdizionale del senato romano [1957] 23). Die weiterwirkende Kraft eines von der auctoritas Augusti getragenen exemplum dieser Artzeigt Tac. ann. 3, 68, 1.

Für die Förderung des Senatsgerichts durch Augustus findet B. 46 die plausible Erklärung, daßauf diese Weise der Senator demUrteil vonQuästionsrichtern ausdemRitterstand entzogen unddurch Beseitigung dieses alten Streitpunktes die Aussöhnung des Senatorenstandes mit der neuen Staatsform erleichtert werden sollte. Daßdiese Intention jedenfalls Tiberius leitete, kann B. 56 miteiner Äußerung dieses Kaisers (Tac. ann. 3, 12, 7) belegen. Doch darf deshalb das von Cass. Dio 58, 16, 3 für Tiberius in den ι, fj nicht außeracht ε ό κ ὶ ἐδ α εκ ω π ό ςα τ εἔξ ςτ ία ὐ ωα ς, ὥ ςγ ἰτ Vordergrund gerückte ὅ gelassen werden, zumal Gaius seinen Vorgänger i. J. 39 mit eben diesem Argument verteidigte (Cass. Dio 59, 16, 2 f). Ausdieser Sicht erscheint nicht die Quaestio, sondern dasKaisergericht als Alternative unddas Senatsgericht als die diesem gegenüber in bestimmten Fällen ‘klügere’ Lösung. Daßauch solche nüchternen Überlegungen zur Begünstigung des Senatsgerichts durch die beiden ersten Kaiser geführt haben, ist umso wahrscheinlicher, als schon Cicero das Motiv der Abwälzung derVerantwortung zurBefassung desSenats mitderAburteilung derCatilinarier bewog(Belege beiGelzer, RE 7 A,914).

Kapitel 3 und4 sind demKaisergericht gewidmet. B. bestreitet das Vorhandensein eines eigentlichen Kaisergerichts in Strafsachen vor Gaius. Unter Augustus undTiberius lasse sich nurein Feldherrn- undStatthaltergericht des Kaisers sowie dessen maßgebliche Beteiligung am Senatsgericht feststellen (69 f. 79). Erst allgemeine Kaisergericht“durch „ Selbstaufgabe des Senatsunter Gaius sei das „ gerichts“(93. 104), worunter er die seitens des Senats widerspruchslos hingenomίκ ιδ ι (Cass. Dio 59, 18, 2) versteht, entstanden. Ich glaube α ο ιμ φ έσ menen ἐ nicht, daßB. dieFrage nach derEntstehung desKaisergerichts richtig beantwortet. Mommsen (Strafr. 2602. 277) sah in dem Plebiszit des Jahres 30 v. Chr., das Octavian das ικ ά νδ ο τ η ε ζ ιν(Cass. Dio 51, 19, 7), dieGrundlage derkaiserlichen Rechtspreλ κ κ Recht gabἔ chung zweiter wie erster Instanz. Die vieldiskutierte Dio-Stelle schiebt B. 1301mit der Bemerkung beiseite, hier handele es sich um„eine Vorwegnahme späterer Zustände aufdenBeginn desPrinzipats“ . Zwei Argumente lassen m.E. diese Auffassung nicht zu: 1. zeigt die Promulgation einer lex i. J. 44 v. Chr., nach der die wegen maiestas undvis Verurteilten (damnati) an das Volk provozierenkonnten (Cic. Phil. 1, 21), daßderBegriff derzweiten Instanz i. J. 30 gegen B. 101u. Anm. 2. 127alsexistent angesehen werden muß;2. gebraucht Cass. Dio59, 18,2 diemitἔκ η τ ο ιδ ίκ α κ λ ι

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ῃ , wofür die lex de imperio Vespasiani (ILS ή σ σ Vgl. Cass. Dio 54, 3, 3: ὁ ά κ ιςἂ ελ νἐθ 244, 7) ex voluntate auctoritateve setzt.

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ο ιδ ίκ identische Wendung ἐ φ έσ α ι auch für Anrufungen des Kaisers zur Erreichung erstinιμ stanzlicher Urteile (ZSav 79, 1962, 160, B. 102 f), so daß auch für das ἔ η τ ο νdes Plebiszits κ κ λ diese Bedeutung vorausgesetzt werden darf. Es ist danach durchaus wahrscheinlich, daß ικ τ ο νδ ά η ζ ινjenen von Mommsen angenommenen umfassenden Sinn hat, den soeben ε λ κ ἔκ wieder F. De Martino, Storia della costituzione romana 4, 1 (1962) 448 wegen des Fehlens überzeugender Beweise leugnet. Befremdend wirkt, daß B. 74 für die Ablehnung der auf die Tätigkeit des Kaisergerichts unter Augustus hinweisenden Belege bei Sueton undCassius Diosich einfach aufJ. M. Kelly, Princeps iudex (1957) beruft, ohne denenergischen Widerspruch zuberücksichtigen, denM. Gelzer, ZSav 75, 1958, 404. 405 f, undH. Volkmann, diese Zeitschr. 31, 1959, 67 f gegen die Interpretation Kellys erhoben haben. Unter diesen Belegen ist Suet. Aug. 33, 2 auch deshalb bedeutsam, weil die hier berichtete Einzelheit über dieAbstimmung imKonsilium zeigt, wiedaseben ins Leben getretene Kaisergericht sich einerseits an die Modalitäten des Quästionsprozesses anlehnt, andererseits sie mit Hilfe des Prinzips der lenitas umgestaltet3. Die fürVorhandensein undAnerkennung desKaisergerichts unter Tiberius sprechende Anrufung des Kaisers zur Übernahme des Piso-Prozesses (Tac. ann. 3, 10, 1) möchte B. 56 dadurch entwerten, daßer sie aufdiespezielle Kompetenz desKaisers „ als Statthalter derkaiserlichen Provinzen undals Mandant seiner Legaten“bezieht. Abgesehen davon, daß das imperium proconsulare demKaiser keine Kriminalgerichtsbarkeit über seine Mandatare verlieh, ist doch wohl die Tatsache, daß der ängstlich in den Bahnen des Augustus sich bewegende Tiberius den eigentlich vordieMordquästion (Tac. ann. 2, 79, 2) gehörenden Prozeß zunächst ansich zog(Tac. ann. 3,10, 3), ein deutlicher Beweis für die potentiell bestehende Konkurrenz des Kaisergerichts zumTypus desordentlichen Gerichts schlechthin. ο ι δ ίκ α ι unter Gaius als entscheidenden Impuls zur Entstehung des ιμ έσ Die ἐφ allgemeinen“Kaisergerichts anzusehen, geht bei dieser Sachlage nicht an. Sie sind vielmehr, wie „ ich ZSav 79, 1962, 143 ff, bes. 165 zuzeigen versucht habe, als Ausdruck der bereits unter Tiberius sich abzeichnenden Superiorität des Kaisergerichts gegenüber demSenatsgericht zu werten. Daß im Laufe dieser Entwicklung auch der Senatsbeschluß appellabel wurde, sehe ich gegen B. 1024mitMarini Avonzo 161durch Plin. ep. 6, 13, 3 f als erwiesen an. Erst Hadrian (Dig. 49, 2, 1, 2) gabdemSenat dieInappellabilität. Unter Gaius undClaudius häufen sich die Zeugnisse für die Tätigkeit des Kaisergerichts. In 97 vermißt manaber eine Reihe relevanter Proder listenförmigen Zusammenstellung bei B. 93– zesse (z. B. Sen. ira 3, 18, 4, dazu W. Uxkull-Gyllenband, SB Berl 1930, 28, 6711). Das vollständige Material habe ich inmeiner Diss. (maschinenschr.) Beiträge z. Rechtspr. d. stadtröm. Gerichte unter demPrinzipat des Gaius u. Claudius, Köln 1955, vorgelegt. Im übrigen wird manbei der Bewertung derTatsache, daßdasKaisergericht unter Claudius seine endgültige Ausformung erfahren hat, doch wohl demHang dieses Kaisers zumRichteramt eine größere Bedeutung beimessen als B. 93. 110. 146 es tut.

Die Ausbildung der in Kapitel 5 in ausführlicher Auseinandersetzung mit den bisherigen Ergebnissen der Forschung behandelten reformatorischen Appellation führt B. 140 ff auf das mandierte Imperium des legatus Augusti pro praetore und die damit gegebene Möglichkeit, die darauf beruhenden Richtersprüche vomKaiser als Mandanten reformieren zu lassen, zurück. Die republikanischen Gerichtsmagistrate hätten dann im Zuge dieser Entwicklung von sich aus auf ihre Selbständigkeit verzichtet. Zweifellos kommt derDelegation derGerichtsbarkeit andiekaiserlichen Legaten in denProvinzen bei der endgültigen Durchsetzung des Instanzenzuges eine wichtige Rolle zu. Sie aber als

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Korrekturzusatz:

Vgl. zuderStelle neuestens W.Kunkel, RE24 (1963) 783 f.

Senatsgericht

undKaisergericht

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Ausgangspunkt dieser Entwicklung zubetrachten, verbietet m.E. dasfrühe Auftreten vonappellationes urbanorum litigatorum (Suet. Aug. 33, 3). Die von B. 129 ff bekämpfte Mommsensche Lehre vondergesetzlich fundierten Appellation andenKaiser erklärt gerade dieses Faktum ohne Schwierigkeit. Den Provinzialen wird das neue Rechtsmittel durch das Edikt ihres Statthalters, nicht erst durch Präzedenzfälle, wieB. 140meint, bekannt geworden sein. Nursoversteht manihre große Zahl, dieAugustus veranlaßte, fürjede Provinz jährlich je einen virconsularis mitderErledigung dieser Appellationen zubetrauen (Suet. a. O.). WiedasKaisergericht überhaupt ist auch die Appellation an denKaiser durch Claudius fest organisiert worden. Dafür spricht z. B. dasAuftreten desvonTacitus so genannten pecuniae periculum (ann. 14, 28, 1) unter seiner Regierung (IGRR 4, 1044, dazu R. Orestano, L’appello civile indiritto romano [21953] 4152; zurDatierung aufgrund eines Neufundes M. Segre, Aevum 9, 1935, 254). Eingleich wichtiger Beleg ist dasEdikt BGU628, indemeinnicht genannter Kaiser sich auf ein Edikt seines divus parens bezieht, das u. a. Fristen für die Anstrengung der Appellationsprozesse festgesetzt hatte. B. 1471will nunBGU 628 ausstilistischen Gründen erst in das 2. oder 3. Jh. setzen. Er läßt dabei aber außer acht, daß die Ähnlichkeit des Gegenstandes mit demeines Ediktes des Claudius (Cass. Dio 60, 28, 6) diesen als dendivus parens erweist (vgl. J. Stroux, Eine Gerichtsreform des Kaisers Claudius [1929] 521).

B.s Thesen über die Entstehung des Kaisergerichts undder reformatorischen Appellation, die imvorstehenden nicht gebilligt werden konnten, resultieren letztdaßaneinen Machtfaktor, dersich in dem lich ausseiner methodischen Prämisse, „ Gefüge einer staatlichen Ordnung neugebildet hat, im Laufe der Zeit (von mirgesperrt) ... andere Faktoren sich kristallisieren ...“( 13), d. h. hier: „neue, der Republik fremde Begriffe undInstitutionen“(67). Darin ist nicht berücksichtigt, an eine Komponente gibt, daßes in derPrinzipatsverfassung von auf die das Schlagwort von der res publica restituta nicht paßt. Die Leistung des Augustus besteht eben darin, daß er es verstand, ein durchaus neuartiges Gebilde wie das Kaisergericht als dieser Maxime nicht widersprechend erscheinen zu lassenunddenalten Organen derRechtsprechung in einer für die Folgezeit exemplarischen Weise andie Seite zustellen. Gegenstand dervonB. angewendeten genetischen Betrachtungsweise kann daher nicht die des Kaisergerichts, sondern nur sein schließlich zur Absorption der ‘republikanischen’ Gerichte führendes sein. Die Lösung dieser Aufgabe würde zugleich dieaufdiesem Sektor unverkennbare Stagnation derForschung überwinden.

Anfang

Entstehung

Ausgreifen

Die ‘Verstaatlichung’ des Privatvermögens

der römischen Kaiser im 1. Jahrhundert n. Chr.*

I. Die Problematik Augustus hatimEingangssatz der‘Resgestae’zumAusdruck gebracht, daßer die Rettung des Staates nicht nur durch politischen Instinkt, sondern auch durch

finanziellen Wagemut bewerkstelligt habe: privato consilio etprivata impensa1. Überhaupt hater in den‘Res gestae’, wieschon die Überschrift verkündet, neben seine militärisch-politischen Leistungen (res gestae im eigentlichen Sinne) seine finanziellen Aufwendungen (impensae) für Staat undVolk gestellt2. Als eine der Quellen, ausdenen diese Aufwendungen geflossen sind, nannte er in denKapiteln 15 und 17 sein Privatvermögen: ex patrimonio meo3. Genauere Angaben darüber enthielt sein Testament. In ihmentschuldigte sich Augustus bei seinen Erben, daß diebeiden väterlichen Patrimonien, 1400 Millionen erfast sein ganzes Vermögen – Sesterzen, die ihm in den letzten 20 Jahren von seinen Freunden testamentarisch vermacht worden waren, und andere Erbschaften –für Staatszwecke verbraucht habe4. Die verbliebenen 150 Millionen Sesterzen fielen zu2/3 an Tiberius, zu 1/3 anLivia5. Sie bildeten denGrundstock deskaiserlichen Privatvermögens, dasnun, zu einem „unermeßlichen Besitztum“sich mehrend6, von einem auf den anderen

112. •in: ANRW II 1 (Berlin/ NewYork 1974) 91–

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Resgestae c. 1. Res gestae praef.: Rerum gestarum divi Augusti, quibus orbem terrarum imperio populi Romani subiecit, et impensarum, quas in rempublicam populumque Romanum fecit. Vgl. U. Wilcken, Zu den impensae der Res gestae Divi Augusti (SB Preuß. Akad. Wiss. phil.-hist. Kl. 27, 1931) 3 ff. (= Ders., Berliner Akademieschriften zuralten Geschichte undPapyruskunde I [Leipzig 1970] 342 ff.), W. Weber, Princeps. Studien zur Geschichte des Augustus I (Stuttgart-Berlin 1936, Neudr. Aalen 1969) 68* Anm. 274. Vgl. auch Cic. Phil. 3, 3 (patrimonium suum ecfudit ...; in rei publicae salute conlocavit) und App. b. c. 3, 23. Suet. Aug. 101, 3. Vgl. auch Cass. Dio 56, 40, 5. Suet. Aug. 101, 2. Livias Vermögen ging nach ihrem Tode auf Tiberius über, der das Testamentseiner Mutter unterdrückte, umnicht dieLegate (der spätere Kaiser Galba sollte 5 Millionen Sesterzen erhalten, Suet. Galba 5, 2) auszahlen zumüssen. Dies holte erst Gaius nach: Tac. ann. 5, 1, 3; Cass. Dio 58, 2, 3 a (II 589 Boissevain); Suet. Tib. 51, 2. Cal. 16, 3. Plin. paneg. 50, 1: immensa possessio. Zum kaiserlichen Grundbesitz vgl. O. Hirschfeld, Der Grundbesitz derrömischen Kaiser in denersten drei Jahrhunderten, Kl. Schr. (Berlin 1913) 516ff. ÜberdenZuwachs deskaiserlichen Vermögens durch Erbschaften s. R. S. Rogers, The Roman Emperors asHeirs andLegatees, TAPhA 78 (1947) 140ff.

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Princeps überging und so eng mit dem Prinzipat verwuchs, daß imperium und patrimonium geradezu korrelate Bedeutung annahmen8 . FürPlinius wares imJahre 100 n. Chr. völlig selbstverständlich, daß Trajan ‘sein’Patrimonium durch die Wahl zumNachfolger Nervas erhalten hatte9 . Des Plinius’ Auffassung vom Patrimoniumserwerb Trajans bezeichnet den Endpunkt einer Entwicklung, diedieursprünglich als Erbgut derjulischen Familie etikettierte Vermögensmasse ‘entprivatisiert’undmitdemStaat dergestalt verbundenhat, daß sie nurdemjeweiligen Princeps als Repräsentanten der res publica zurVerfügung stand. Als Zeitpunkt dieser ‘Verstaatlichung’, die in der Überlieferung nirgends direkt bezeugt ist, hat manzunächst wohl denDynastiewechsel des Jahres 69 ins Auge zufassen, wie dies nach Hirschfeld jüngst Nesselhauf undBé0. ranger getan haben1 Was den Modus des Vorgangs, der das Privatgut zum ‘Krongut’ machte, betrifft, so läßt Nesselhauf es bei der Feststellung bewenden, daß wir nicht wissen, wie die Flavier die Übernahme des Patrimoniums derjulisch-claudischen Dynastie gerechtfertigt haben11. Béranger sieht in der Konfiskation das Vehikel, das Neros Vermögen an seine Nachfolger gebracht und die 2. “ nationalisation“bewirkt habe1 Hirschfeld hatte diese schon von Herzog be3 nutzte Erklärungsmöglichkeit abgelehnt1 undseinerseits auf denZusammenhang Die neue Dynastie der des Patrimoniums mit dem Caesarnamen hingewiesen: „ Flavier trat ebenso wie die späteren Kaiser mit demCaesarnamen auch das Erbe des Patrimoniums der Caesaren an“ 14.Legt mandemCaesarnamen solche Bedeutung bei, so müßte manallerdings denZeitpunkt, andemdaspatrimonium Caesaris seinen privaten Charakter verlor, in das Jahr 41 n. Chr. verlegen. Denn schon Claudius hatte auf den Caesarnamen familien- bzw. erbrechtlich keinen An-

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Amdeutlichsten zeigen dies die Ziegel aus der Fabrik des Vibius Pansa, die Augustus, Tibe28. rius, Gaius, Claudius, Nero, Galba und Vespasian als Besitzer ausweisen: CIL V 8110, 1– Vgl. Th. Mommsen, Römisches Staatsrecht II (Leipzig 31887) 1007, 1, Hirschfeld a. O. 546. Plinius (paneg. 50, 6) spricht vonLandgütern in derNähe derStadt, die immer nurderKaiser

besessen habe. Sen. benef. 7, 6, 3: universa in imperio eius sunt, in patrimonio propria. Plin. paneg. 50,2: tandem imperium principis quampatrimonium maius est. Suet. Cal. 24, 1: (von Drusilla) heres bonorum atque imperii. Tac. hist. 2, 92, 2: domus, horti opesque imperii. 9 Plin. paneg. 50, 7: ista, inquam, donas, in quae electus, in quae adoptatus es: transfers, quod res iudicio accepisti. Zumkonstatierenden Charakter der Stelle vgl. A. Masi, Ricerche sulla „ privata“del „ . Univ. di Cagliari. Publ. d. Fac. di Giurisprud. I 11 (Milano 1971) 4 f. princeps“ 10 O. Hirschfeld, Die kaiserlichen Verwaltungsbeamten bis auf Diocletian (Berlin 31963) 19 f., H. Nesselhauf, Patrimonium undres privata des römischen Kaisers, in: Historia-AugustaColloquium Bonn 1963, Antiquitas IV (Bonn 1964) 79 f., J. Béranger, Fortune privée impériale et État, in: Mélanges offerts à M. Georges Bonnard II (Genève 1966) 159. 11 Nesselhauf a. O. 80. 12 Béranger a. O. 159. 13 Hirschfeld, Verwaltungsbeamte 20 Anm. 4 (von S. 19) gegen E. Herzog, Geschichte und System derrömischen Staatsverfassung II 2 (Leipzig 1891) 676 f. 14 Hirschfeld a. O. 19.

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‘Verstaatlichung’

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5.Wenner ihndennoch

annahm, so wäre durch diesen Akt(bei Geltung der Hirschfeldschen Prämisse) auch das patrimonium Caesaris an den Princeps als solchen gebunden gewesen. Gleichfalls ins Jahr 41 könnte man mit der Konfiskationstheorie gelangen. Manmüßte dann mit Siber annehmen, daß Claudius nicht anders als aufdiesem Wege andasPrivatvermögen seines Vorgängers Gaius hätte kommen können16. Aber wie es hierum auch bestellt sein mag, dasJahr 41 n. Chr. wird manbei Verfolgung desVerstaatlichungsprozesses in bezug auf daskaiserliche Privatvermögen sicher nicht außer acht lassen dürfen. Einen noch früheren Termin, nämlich das Jahr 37 n. Chr., hat Timpe ins Licht gerückt. Er wertet die Annullierung des Tiberius-Testaments als Politisierung des Patrimoniums, das von nun ab der freien Verfügung des Princeps entzogen und demNachfolger als solchem, nicht als Privaterben, reserviert worden sei17. Angesichts dieser folgenschweren Feststellung kommt der Frage, welcher Rechtsgrund demKaiser Gaius die Inbesitznahme des von seinem Vorgänger hinterlassenen Vermögens gestattete, größte Bedeutung zu.Timpe begnügt sich damit, voneinem irregulären Gewaltakt“zusprechen, durch denGaius als Imperator die ganze Erb„ schaft des Tiberius für sich in Anspruch genommen habe18. Wenn man auch gerade Gaius eine solche Usurpation zutrauen möchte, so mußman sich doch vor Augen halten, daßer dieEntscheidung über dasTestament desTiberius demSenat übertragen hatte19 unddaß dieser darauf bedacht gewesen sein muß, eine staatsundprivatrechtlich unanfechtbare Lösung zustandezubringen. Der Gang, denunsere Untersuchung zunehmen hat, ist damit vorgezeichnet: Wirhaben zunächst ausfindig zumachen, unter welchem Rechtstitel Gaius imJahre 37 n. Chr. das Privaterbe des Tiberius angetreten hat und inwieweit dadurch dessen ‘Verstaatlichung’ eingeleitet worden ist. Sodann haben wir zu prüfen, wie sich der Präzedenzfall des Jahres 37 auf das Schicksal des Patrimoniums beim Princepswechsel des Jahres 41 und auch dem des Jahres 54 ausgewirkt hat. Schließlich haben wir deutlich zu machen, wie nach dem Tode Neros daspatrimonium Caesarum endgültig zumpatrimonium principis, d. h. zumfesten Zubehör desinzwischen institutionalisierten Prinzipats geworden ist. spruch1

15 L. Lesuisse, Le titre deCaesar et sonévolution aucours del’histoire del’empire, LesÉtudes Classiques 29 (1961) 277 macht darauf aufmerksam, daßClaudius seine julische Abkunft allenfalls aufseine Großmutter Iulia Augusta gründen konnte. 16 H. Siber, ZurEntwicklung derrömischen Prinzipatsverfassung (Abhandlungen Sächs. Akad. Wiss. philol.-hist. Kl. 42, 3) 1933, 43. 17 D. Timpe, Untersuchungen zurKontinuität desfrühen Prinzipats (Historia Einzelschriften 5)

Wiesbaden 1962, 74. 18 Timpe a. O. 73. Vgl. schon L. Mitteis, Römisches Privatrecht I (Leipzig 1908) 351 Anm. 7 (von S. 350). 19 Cass. Dio 59, 1, 2: τ ιο νδ ιὰτ ρ ο ῦἐ ῦΜ ά ω ο ὸσυνέδρ τ ςτ κ ν ο α ςαὐ κ ή ς ὰ ςδιαθ ψ α ἐσ π έμ ς .

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II. Der Präzedenzfall des Gaius

Die Situation vorderSenatssitzung, in derGaius imJahre 37 n. Chr. derPrinzipat übertragen wurde, ähnelt derjenigen vor demStaatsakt des 13. Januar 27 v. Chr. Damals hatte Oktavian die ihm befreundeten Senatoren über seine Absicht, die Allgewalt an Senat undVolk zurückzugeben, informiert20 undso die Erlangung desimperium proconsulare über die ‘kaiserlichen’Provinzen und– drei Tage die Zuerkennung des Beinamens Augustus vorbereitet. Jetzt ging es für später – Gaius darum, den Senat zu eben diesem Verleihungsakt zu bewegen, der inzwischen durch die tribunicia potestas undandere Vollmachten materiell angereichert unddurch dasTestament desAugustus an die Voraussetzung derHaupterbenstellung des Kandidaten zumpatrimonium Caesaris geknüpft worden war. Undwie einst Oktavian, so hatte auch Gaius eine Gruppe von Senatoren mit denKonsuln an der Spitze ins Vertrauen gezogen21. Bei den Beratungen dieses Kreises stand dasTestament desTiberius imMittelpunkt. In demim Jahre 35 n. Chr. verfaßten Testament waren Gaius undsein Vetter Tiberius Gemellus aequis partibus unter gegenseitiger Substitution als erste Erben eingesetzt22. Vergleicht man diese Bestimmung mit der entsprechenden im Testament des Augustus, die Tiberius exparte dimidia et sextante undLivia ex parte tertia als heredes primi instituierte23, undbedenkt man, daßAugustus sich bei der 4, Verfügung über sein Vermögen vonder Sorge umden Staat leiten ließ2 so werdeneinem imvollen Umfange die Schwierigkeiten bewußt, vordie dasTestament desTiberius denSenat stellte. Siber hatgewiß recht, wenn er dieheredum institutio so versteht, daß Tiberius die Stellung des Tiberius Gemellus als coheres auch dann aufrechterhalten wissen wollte, wenn derselbe nicht dieNachfolge im Prinzipat anträte25. Mußte mandann aber nicht gegen Tiberius denVorwurf erheben, er habe das Staatswohl außer acht gelassen? Zu demselben Ergebnis gelangte man jedoch auch, wenn mandie Möglichkeit ins Auge faßte, Tiberius habe durch die 20

η δ είο υ τ αἐπ ιτ ςο ά ισ ἱτ λ ῶ τ νβουλευ Dio53, 2, 7: τ ῶ ο ρ νπ ὺ α ςμ α σ κ ε υ ά σ α ς ο θ ε ν σ ῆ υ ν ἐσ . ία λ ερ γ ὴ ν ετ ἔ ςτ

Cass.

21 Als Verbindungsmann

22

23

24

fungierte der Prätorianerpräfekt Macro. Er half, die Konsuln (Cn. ρ α σ ρ ο π κ α ε υ ά Proculus undPontius Nigrinus) undSenatoren für Gaius gewinnen (π ζ ε ιν ): Cass. Dio59, 1, 2. Siber a. O.42 mißversteht dieDio-Stelle, wennermeint, dort sei voneiner offiziellen „Senatskommission unter denKonsuln“dieRede. Suet. Tib. 76. DasTestament des Tiberius folgte in denFormalien (2 Ausfertigungen, auch nichtsenatorische Zeugen) und im Aufbau (Einsetzung von Erben 2. und 3. Grades [Suet. Claud. 6, 2], Legate anVolk undSoldaten, Legate anEinzelpersonen [Suet. Claud. 6, 2]) dem desAugustus. Vgl. Weber a. O.49* f. Anm.220. Suet. Aug. 101, 2. Tib. 23; Cass. Dio 56, 32, 1; Tac. ann. 1, 8, 1. Zur Bewertung der Quellen vgl. Weber a. O. 55* Anm.230. DieZeugnisse oben S. 237 Anm.2 und4. Dazunoch Tac. ann. 1, 8, 6 (von derErbeinsetzung des Tiberius durch Augustus): provisis etiam in rempublicam opibus. Daß mit dieser Wenihngemeint sei, hatJ. Béranger in zwei dung dieVorsorge für denStaat, nicht Aufsätzen: La prévoyance (providentia) impériale et Tacite, Annales I 8, Hermes 88 (1960) 492 undDers., Fortune privée impériale et État, in: Mélanges Bonnard II (Genève 1966), 475– 151– 160 überzeugend dargetan. Siber a. O. 41, 2.

gegen

25

‘Verstaatlichung’

241

Einsetzung des Tiberius Gemellus zum Miterben des Gaius dem 18jährigen die gleiche Chance wie dem 25jährigen bei der Nachfolge im Prinzipat einräumen wollen. Wie manalso das Testament des Tiberius auch auslegen mochte, als Dokument kaiserlicher providentia konnte manes nicht auffassen26. Da manaber vom Kaiser erwarten durfte, daßer bei allen seinen Handlungen dasStaatswohl imAuge habe27, warein Ansatzpunkt für die Anfechtung des Testaments ohne weiteres gegeben. Es war in gewissem Sinne „ pflichtwidrig“ 28. Bei der querella inofficiosi testamenti, die im Rechtsalltag vor demZentumviralgericht anhängig zu machen war, argumentierten die Anwälte nungerne mit der „geistigen Umnachtung“des Testators29. Auf denFall desTiberius ließ sich dieses Argument deshalb besonders gut anwenden, weil im Jahre 35 n. Chr. der berüchtigte Ankläger Fulcinius Trio vor seinem Selbstmord denKaiser des Altersschwachsinns (fluxa senio mens) beschuldigt hatte unddiese in seinem Testament enthaltene Beschuldigung im Senat zurVerlesung gekommen war30. Durch diese Bemerkungen ist der Rahmen abgesteckt, in den die Nahrichten der Überlieferung hineingehören, die von einem im Senat eingebrachten Antrag α ρ α ςπ wissen, das Testament des Tiberius als das eines Wahnsinnigen (ὡ ρ φ ο ή ν σ α ν τ ο ς ) für nichtig zu erklären, weil er seinen Enkel Tiberius Gemellus, der noch die Knabentoga trage (praetextatum adhuc), als gleichbedachten Erben 1. (coheredem) neben seinen anderen Enkel Gaius gestellt habe3 An derRichtigkeit dieser Nachrichten zu zweifeln, besteht nicht der geringste Anlaß. Tiberius als

26 Vgl. Timpe, Kontinuität 73, der feststellt, Tiberius sei sich bei der Teilung seines Privatvermögens nicht derpolitischen Konsequenzen bewußt gewesen. 27 Vgl. J. Béranger, Recherches sur l’aspect idéologique duprincipat. Schweizerische Beiträge 217. zurAltertumswissenschaft 6 (Basel 1953) 169– 28 Natürlich nicht im privatrechtlichen Sinne (so richtig Siber a. O. 42), sondern vom Staatsinteresse her gesehen. Zur Verquickung von privatrechtlichen Akten des Princeps mit dem Staatsinteresse vgl. etwa die Motivation für die Adoption des Tiberius durch Augustus: rei publicae causa (Vell. 2, 104, 1; Suet. Tib. 21, 3). Zur richtigen Einschätzung s. H. U. Instinsky, Augustus unddie Adoption des Tiberius, Hermes 94 (1966) 333. 29 Vgl. Quint. 9, 2, 9 (= ORF2 521): Asinius: „audisne? furiosum, inquam, non inofficiosum ; Marcian. libro quarto institutionum (Dig. 5, 2, 2 = Inst. 2, 18 testamentum reprehendimus“ pr.): Hoccolore inofficioso testamento agitur, quasi nonsanae mentis fuerunt, uttestamentum ordinarent.

30 Tac. ann. 6, 38, 2 f.; Cass. Dio 58, 25, 3. 31 Cass. Dio 59, 1, 2; Suet. Cal. 14, 1. Die beiden Berichte unterscheiden sich dadurch, daß Sueton die Erbeinsetzung (coheres) des Tiberius Gemellus, Cassius Dio die (darauf beruhende) Nachfolge in der Herrschaft (ἄ ρ χ ειν ) hervorhebt (vgl. auch Philo leg. adGai. 23). Suetons Aussage ist die richtigere, dasie demWortlaut desTestaments entspricht unddessen Konsequenz nurandeutet. Nach Timpe, Kontinuität 73 hätte Gaius die Interpretation Miterbe = Mitregent aufgebracht, umdasTestament anfechten zukönnen. Dagegen ist zu sagen, daßdoch bereits Augustus demkaiserlichen Privatvermögen die Funktion eines Sprungbretts zurNachfolge imPrinzipat verliehen hatte. Hätte nicht auch er sein Vermögen aequis partibus geteilt, wennseine Enkel Gaius undLucius amLeben geblieben wären? Undhätte dies nicht zurMitregentschaft

desjüngeren Enkels geführt?

242

Recht

Wahnsinnigen hinzustellen3 2, wardassicherste Mittel, ummitderAnfechtung des Testaments durchzudringen. Gaius, der sich mit großem Eifer dem Studium der Eloquenz gewidmet hatte33, dürfte der color wohlvertraut gewesen sein, und seine senatorischen ‘Freunde’mochten ihmversichert haben, daßderSenat sich diesem durch die Trio-Affäre gewissermaßen untermauerten Argument nicht verschließen werde. Natürlich mußmandie Frage stellen, ob Gaius sich angesichts seiner Ambitionen auf denPrinzipat diesen Angriff gegen Tiberius leisten konnte34. Darauf ist zuerwidern, daßGaius sich bei seiner Prinzipatsübernahme denreichlich vorhan5 denen Haßgegen Tiberius3 b ewußt zunutze gemacht hat. Er hat Tiberius in den Jahren 37 und38 geschmäht undbeschuldigt, wo immer er konnte3 6, er hat den Schwur auf seine acta nicht geduldet37, under hat die auf seine Veranlassung er8. folgten Urteile kassiert3 Erst imJahre 39 ist Gaius vondieser Einstellung zuTiberius offiziell abgerückt39. Die Anfechtung des Tiberius-Testaments wegen η ρ σ ιςdes Kaisers liegt also durchaus im Rahmen der politischen Ausό ν φ ρ α π α 0 gangsposition des Gaius4 undfindet in dieser ihre Rechtfertigung41. η ρ σ ό ιςdes Tiberius sollte die Enterbung des ν φ Mit derFeststellung derπ ρ α α Tiberius Gemellus unddie Sicherung dergesamten Erbmasse für denneuen Princeps erreicht werden. Das darin liegende Unrecht gegen Tiberius Gemellus war indes so offenkundig, daßGaius nach einer Kompensation suchen mußte. Er fand sie in derAdoption, die nach denPräzedentien unter Augustus die Anwartschaft aufdasVermögen unddenPrinzipat gleicherweise verschaffte. Indem Gaius durch

32 A. Esser, Cäsar unddiejulisch-claudischen

Kaiser imbiologisch-ärztlichen Blickfeld (Leiden 1958) 230, 108bemerkt mitRecht, daßdies nicht bedeutet, daßTiberius wirklich geisteskrank

war.

33 Suet. Cal. 53, 1: Ex disciplinis liberalibus ... eloquentiae plurimum attendit. Einer Suda-Notiz ρ ικ ήverfaßt (I 503 Adler). Über Gaius’Talent als ηῥητο χ έ ν zufolge hätte Gaius gareine τ Redner vgl. Suet. a. O.; Jos. ant. 19, 208; Cass. Dio 59, 19, 3; Tac. ann. 13, 3, 2. Zu seiner Kritik anSenecas Beredsamkeit (Suet. Cal. 53, 2) s. J. Stroux, Vier Zeugnisse zurrömischen 355, Literaturgeschichte, II. Caligulas Urteil über den Stil Senecas, Philologus 86 (1931) 349– E. Braun, Harena sine calce (zuSueton, Calig. LIII 2), Jahreshefte desÖsterr. Arch. Inst. 38 232. (1950) 229– 34 F. Vittinghoff, Der Staatsfeind in der römischen Kaiserzeit. Untersuchungen zur Damnatio memoriae, Neue Dt. Forsch. Abt. Alte Gesch. 2 (Diss. Bonn, Berlin 1936) 86, 378 führt das ρ ο ή ν σ α φ ςbei Cass. Dio 59, 1, 2 auf die Gaius-feindliche Überlieferung zurück und ρ α π α meint, es wäre unklug gewesen, wenn Gaius sich dieser Motivierung bei der Testamentsreszission bedient hätte.

35 36 37 38 39

40

41

Vgl. nur Suet. Tib. 75. Cass. Dio 59, 4, 2. 6, 7. 16, 1.

Cass. Dio 59, 9, 1. Suet. Cal. 15, 4. 9. Cass. Dio 59, 16, 1– Nach Vittinghoff a. O. paßte sie nicht zumGesamtverhalten des neuen Princeps zu seinem Vorgänger. Eine Steigerung derGegnerschaft zumVorgänger ist für Claudius zu konstatieren, wie sein Befehl zurBeseitigung der Bilder undStatuen des Gaius beweist (Cass. Dio 60, 4, 5, dazu Vittinghoff a. O. 102). In einem Edikt zugunsten der Juden Alexandrias spricht Claudius ηseines Vorgängers (Jos. ant. 19,284. 285). ν ρ ύ ο σ φ α ρ α zweimal vonderπ

‘Verstaatlichung’

243

das Versprechen, Tiberius Gemellus zu adoptieren, dessen förmliche Erbeinsetzung in die Zukunft hinausschob, korrigierte er denstrittigen Punkt des TiberiusTestaments in einer demScheine nach sowohl die Interessen des Betroffenen als auchdiedesStaates berücksichtigenden Weise. Daß Gaius mit der Adoption des Tiberius Gemellus ein Scheinmanöver vorführte, hat bereits der Zeitgenosse Philo erkannt. Seine Bemerkungen über den Vorgang sind insofern wichtig, als sie unsgewissermaßen Zutritt zudenVerhandlungen gewähren, die Gaius am28. März 37 unmittelbar vor der Senatssitzung, dieüber dasTestament desTiberius undseine eigene Investitur entschied, mitden wir sind bereits durch Cassius Konsuln geführt hat42. Denn diese Verhandlungen – müssen gemeint sein, wenn Philo berichtet, Dio auf sie aufmerksam geworden43 – ι) zusammengerufen, undsie sowie ε ντέλ ὺ ςἐ ο Gaius habe „ die Magistrate“(τ μ αgetäuscht (ἀ φ ισ α σ ): Er wolle ς ό τή π α Tiberius Gemellus durch folgendes σ seinen Vetter entsprechend demletzten Willen desTiberius amPrinzipat teilhaben lassen. Dazu müsse dieser jedoch wegen seiner Jugend erst angeleitet werden. Er, Gaius, wolle diese Aufgabe mitderAdoption desJünglings übernehmen44. Wollten wir allerdings Philo wörtlich verstehen, so hätte Gaius die Adoption auf der Stelle vollzogen45 . Dem aber widerspricht die Angabe Suetons, daß die Adoption des Tiberius Gemellus die virilis togae erfolgte undmit der Verleihung des Titels princeps iuventutis verbunden war46. Andererseits ist die von Philo dem Gaius angelastete Täuschungsabsicht nur verständlich, wenn die Entscheidung über das Testament des Tiberius noch nicht gefallen war47. So haben wir denn anzunehmen, daß Philo das von Gaius vor seiner Investitur gegebene Versprechen, Tiberius Gemellus zu adoptieren, mit demspäter erfolgten Akt selbst in eins gesetzt hat48.

42

zog am28. März 37 v. Chr. in Romein: CIL VI 2028 c (Acta Fratrum Arvalium [p. XLIII Henzen]); dieProzession mitderLeiche desTiberius kamerst einen Tagspäter (29. 3.)

Gaius

an: CIL XIV 4535 (Fasti Ostienses). AufdenUnterschied zwischen demVerhalten desGaius unddemdesTiberius, derdieLeiche desAugustus bis in dieStadt begleitet hatte, weist Webera. O.45* Anm. 192hin. Dieser Unterschied besteht auchhinsichtlich desTermins derSenatssitzung. ImJahre 14 n. Chr. fand sie amTage nach derAnkunft der Leiche statt (Cass. Dio56, 31, 2), imJahre 37 amTage vorderAnkunft desLeichenzuges, nämlich am28. März, wieCass. Dio59, 6, 2 mitderAngabe, Gaius (geb. 31. 8. 12n. Chr. [Suet. Cal. 8,1]) hätten zu diesem Zeitpunkt noch 5 Monate und4 Tage am25. Lebensjahr gefehlt, ausdrücklich bezeugt.

43 Oben S. 240 mitAnm.21.

44 Philo leg. adGai. 26– 28. φ ά ω π ηγρ α τ δ ρ 45 Philo leg. adGai. 27: ἐμ έ ὲ α νἤ ,υ νμ ὸ τ υ α ἱὸ νδ ὲἐκεῖν ο ν . 46 Suet. Cal. 15, 2.

47 M. E. Smallwood,

Philonis Alexandrini Legatio adGaium (Leiden 1961, 21970) 175 nimmt datiere die Adoption des Tiberius Gemellus in die Zeit nach der schweren Erkrankung des Gaius (im 8. Monat seiner Regierung: § 14). Das istjedoch nicht der Fall. Philo führt als Folge jener Krankheit dieErmordung desTiberius Gemellus an(§ 23) undblickt vonda ausaufdieAdoption zurück. Diese fandwohl, wieSmallwood a. O.richtig ausCass. Dio59, 1, 3 undSuet. Cal. 15,2 folgert, kurznachderAnnullierung desTiberius-Testaments statt. DerAdoptionsakt mag, wiedasBeispiel desAugustus (Suet. Aug. 64, 1) nahelegt, vor den amici des Gaius als Konsilium stattgefunden haben; ο ἱἐ ντέλ ε ιbei Philo leg. adGai. 26

an, Philo

48

244

Recht

Die Philo-Stelle vermittelt die Erkenntnis, daß Gaius in der Vorbesprechung zu der entscheidenden Senatssitzung die Bedenken, die gegen die Enterbung des Tiberius Gemellus vorgebracht werden konnten, dadurch ausräumte, daß er sich zur Adoption seines Vetters bereit erklärte. Bei derselben Gelegenheit dürfte er auch klargestellt haben, daßer dievonTiberius ausgesetzten Legate nach Vernich9. tung desTestaments sozusagen vonsich ausbezahlen werde4 Damit waren von

seiner Seite die Voraussetzungen erfüllt, unter denen dem Senat der Annullierungsbeschluß zugemutet werden konnte. Dieminuziöse Vorbereitung derTestamentsreszission5 0, diewirimvorstehendenherauszuarbeiten bemüht waren, zwingt zu derAnnahme, daßGaius mit derselben Sorgfalt auch die weitere Frage behandelt haben wird, wie ihmdasVermögen des Tiberius zugesprochen werden könne. Die sonst eintretende Intestaterb1 folge5 hätte ja wieder zurgleichmäßigen Teilung desVermögens zwischen ihm undTiberius Gemellus geführt. Damit stehen wirdemeingangs formulierten Problem direkt gegenüber, undwir haben nunmehr zu prüfen, ob die Überlieferung vielleicht einen Hinweis enthält, welchen Erfolg Gaius’ Bemühungen in diesem Punkt gehabt haben. Ein solcher Hinweis findet sich in der Tat, undzwar in Suetons Bericht über die Senatssitzung vom 28. März 37: ingressoque urbem, statim consensu senatus et irrumpentis in curiam turbae, inrita Tiberi voluntate, qui testamento alterum nepotem suumpraetextatum adhuc coheredem ei dederat, ius arbitriumque omniumrerum illi permissum est52. Es ist derAusdruck, mit demSueton die kaiserliche Gewalt bezeichnet (ius arbitriumque omnium rerum), derunsere Aufmerksamkeit auf sich zieht. Wie längst erkannt53, handelt es sich dabei umeine Kurzform der sog. diskretionären Klausel, die in derlex de imperio Vespasiani folgenden Wortlaut hat: utique quaecunque ex usurei publicae maiestate divinarum humanarum publicarum privatarumque rerum esse censebit, ei agere facere iuspotestas sit, ita

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können aber weder nach demSprachgebrauch (über diesen s. Smallwood a. O. 174) noch σ α ς!) die amici (so J. Crook, Consilium Principis [Cambridge α τή π nach der Situation (ἀ 1955] 39 undSmallwood a. O.) sein. Suet. Cal. 16, 3; Cass. Dio 59, 2, 1, vgl. 59, 1, 4. 2, 4. Wenn Cass. Dio 59, 1, 5 sagt, Gaius hätte das Testament unterschlagen können, so hat er zweifellos Neros Handlungsweise vor Augen (vgl. 61, 1, 2), verkennt aber, daß diese nur möglich war, weil Gaius fürdenVermögensübergang ohne Testament einen Präzedenzfall geschaffen hatte. Dies nimmt H.Willrich, Caligula, Klio 3 (1903) 112f. an.Gaius habe erst durch dieAdoption des Tiberius Gemellus dessen Vermögensquote erlangt. Dann wäre aber doch die Prozedur der Testamentsreszission unnötig gewesen! Völlig ausgeschlossen ist die von Siber, Prinzipatsverfassung 42 vertretene Ansicht, Tiberius sei „ nurhalb für geistesabwesend“unddementsprechend nurdie Erbeinsetzung desTiberius Gemellus für nichtig erklärt worden. Gaius habe dessen Vermögensteil kraft Substitution erhalten. Suet. Cal. 16, 3: testamento ... abolito νbezeugen die Vernichtung des ε σ ίη ο υ ο ρ ςἐπ κ ύ α κ ς.... ἀ ή θ ια undCass. Dio 59, 1, 2: δ ganzen Testaments. Vgl. auchTimpe, Kontinuität 73. Suet. Cal. 14, 1. Mommsen, Staatsr. II 909, 2, A. von Premerstein, VomWerden undWesen des Prinzipats, ABAW 15 (München 1937) 181, Timpe, Kontinuität 75, Bl. Parsi, Désignation et investiture del’empereur romain, Publ. Inst. deDroit rom.del’Univ. deParis 21 (Paris 1963) 35.

‘Verstaatlichung’

245

uti divo Augusto Tiberioque Iulio Caesari Augusto Tiberioque Claudio Caesari 4. Augusto Germanico fuit5 Warum hat Sueton auf diese Spezialklausel der lex imperii zurKennzeichnung derdemGaius verliehenen Gewalt angespielt undnicht, wie im Falle des Tiberius, den allgemeinen Begriff imperium (= principatus) 5? DerGrund dürfte darin zusuchen sein, daßbei derÜbertragung des verwendet5 Prinzipats an Gaius die diskretionäre Klausel eine besondere Rolle gespielt hat. Dies wiederum muß nach dem Zusammenhang bei Sueton durch die Testamentsangelegenheit bedingt gewesen sein. Betrachten wir die Formel ius arbitriumque omnium rerum unter diesem Aspekt, so scheint ihre Anwendung durch Sueton zu besagen, daß es im Falle des Gaius deshalb nötig war, die zubetonen, weil sie vermittels derimvollständigen Verfügungsgewalt über alles“ „ Text derdiskretionären Klausel ausdrücklich erwähnten privatae res sich auch auf das Privatvermögen des Tiberius erstrecken ließ und so Gaius einen Besitztitel hieran zu verschaffen in der Lage war. Eben diese Möglichkeit scheint man im Kreise umGaius erkannt undin denfürdie Senatssitzung des28. März aufgestell-

tenPlan einbezogen zuhaben. Die Einzelheiten dieses Kalküls sind uns nunmehr allesamt bekannt: 1. Es sollte derAntrag gestellt werden, dasTestament desTiberius fürungültig zuerklären. Begründet werden sollte er mit der geistigen Umnachtung des Kaisers, die dadurch bewiesen werde, daßer seinen noch im Knabenalter stehenden Enkel Tiberius Gemellus mit seinem anderen Enkel Gaius als Erben gleichgehalten habe. 2. Das Unbehagen, das die Enterbung des Tiberius Gemellus hervorrufen mußte, sollte durch Gaius’Versprechen, seinen Vetter zuadoptieren, hintangehalten werden. 3. Schwierigkeiten wegen der Legate, die Tiberius ausgesetzt hatte, sollten

dadurch verhindert werden,

daß Gaius erklärte, sie in eigenem Namen auszuzah-

len. 4. Als Legitimation fürdieInbesitznahme derErbschaft durch Gaius sollte die diskretionäre Klausel derlex imperii dienen.

DieBedeutung derdasTestament desTiberius betreffenden Aktion desGaius, die wir vorstehend rekonstruiert haben, liegt in derMobilisierung derdiskretionärenKlausel, deren ideologische Wirkung noch deutlich feststellbar zusein scheint. Im Jahre 40 n. Chr. schrieb Gaius von Gallien aus an seine Prokuratoren in Rom, sie sollten seinen Triumph prächtiger als alle früheren ausstatten, „ da sie ja über das Vermögen aller Menschen Verfügungsrecht besäßen“(quando in omnium hominum bona ius haberent)56. Müssen wir nicht annehmen, daß Gaius zu dieser Auffassung durch die Erfahrung gelangt ist, dieer imJahre 37 mit demVermögen desTiberius gemacht hatte? In einem anderen Dictum gab Gaius seiner Überzeugung Ausdruck, daßihmalles, undzwar gegen jeden, zutunerlaubt sei: memento,

21 = Dessau, ILS I 244 = M. Mc Crum –A. G. Woodhead, Select Documents 54 CIL VI 930, 17– of thePrincipates of theFlavian Emperors (Cambridge 1961) 1. DieAuslassung desGaius in der Reihe der Kaiser hängt mit dengegen sein Andenken vonClaudius durchgeführten Maßnahmen zusammen, vgl. Cass. Dio 60, 4, 6 unddazu Vittinghoff, Staatsfeind 87, 383. 92. 102 f. 55 Suet. Tib. 24, 1: recepit imperium. Vorher: Principatum ... diu tamen recusavit. Zu den Begriffen principatus undimperium vgl. Béranger, Recherches 55– 74. 61. 68– 56 Suet. Cal. 47.

246

Recht

ait, omnia mihi et in omnes licere57. Zwei Äußerungen Senecas, diedenen desKaisers Gaius inhaltlich voll entsprechen58, lassen die ‘Tiefenwirkung’ der absoluten

Herrschaftsauffassung erkennen undverstärken denEindruck, daßdiese nicht von ungefähr zuerst von Gaius vertreten worden ist. Wenn die oben vorgebrachte These von der bei dessen Prinzipatsübernahme mobilisierten diskretionären Klausel der28. März 37 richtig ist, dann wäre dasDatum derbetreffenden Senatssitzung – gewissermaßen derGeburtstag deskaiserlichen Absolutismus. n. Chr. – Wasaber bewirkte die diskretionäre Klausel im Hinblick auf daspatrimonium Caesaris? Wenn sie es war, die Gaius legitimierte, dasVermögen desTiberius in Besitz zunehmen, dann wurde dieses eben durch ihre Anwendung ‘verstaatlicht’. Denn die diskretionäre Klausel sanktionierte nursolche Handlungen des Kaisers, die„ zumNutzen desStaates“(ex usureipublicae) vorgenommen wurden5 9. Gaius hätte also das Privatvermögen des Tiberius im Staatsinteresse übernommen, und dasInvestiturrecht als Urheber derlex imperii – derSenat hätte dadurch mittelbar – über daspatrimonium Caesaris erlangt60. Jedenfalls wäre auf diese Weise erreicht worden, daß die strittige Erbschaft des Tiberius rechtlich einwandfrei auf Gaius dafür, überging61, undes spricht eigentlich alles – auch die folgende Entwicklung – daßsich der Übergang tatsächlich so vollzogen hat62. Die Folge derin diesem Sinne aufzufassenden ‘Verstaatlichung’ des Tiberius3. Erbes mußte die unlösbare Verbindung von Prinzipat undPatrimonium sein6 Es ist daher ganz folgerichtig, wenn Sueton denInhalt desTestaments, dasGaius bei seiner schweren Erkrankung imHerbst desJahres 37 n. Chr. errichtete, so wiedergibt, daßderKaiser sein Vermögen unddenPrinzipat (bona atque imperium) seinerSchwester Drusilla vermacht habe6 4.

57 Suet. Cal. 29, 1. 58 Sen. benef. 7, 6, 3: Caesar omnia habet, ... universa in imperio eius sunt (vgl. dazu Premerstein a. O. 177 f., der darin „ eine öffentlich-rechtliche Verfügungsgewalt“des Kaisers „über dasPrivateigentum aller Reichsangehörigen“erkennt). Sen. adPolyb. 7, 2: Caesari ... omnia licent.

59 Text oben S. 244 f.

60 61

Völlig zurecht erklärt Nesselhauf, Patrimonium undres privata 81, freilich ohne Bezug auf dieKaiserkreiedieSituation desJahres 37, sondern mitdemBlick aufdieZeit nach 69, daß„ rungderSache nachzueiner Investitur indaspatrimonium“wurde. Dasmußgegenüber Timpes Ansicht (Kontinuität 73) voneinem „irregulären Gewaltakt“des

Gaius betont werden. Lösung bereits in meiner Dissertation ‘Beiträge zur Rechtsprechung der stadtrömischen Gerichte unter demPrinzipat desGaius undClaudius’ (maschinenschr. Köln 1955) 11f. nahe, doch warmirdamals dieBedeutung derdiskretionären Klausel fürdasvorliegende Problem noch nicht klar. Anders ausgedrückt: Dieeinzelnen Bestandteile desPatrimoniums mußten denCharakter von principales (statt: privatae) res annehmen. Vgl. Suet. Cal. 39, 2. Suet. Cal. 24, 1. DieAngabe braucht nicht zubesagen, Gaius habe diePrinzipatsnachfolge im Testament ausdrücklich erwähnt, wie dies anscheinend Mommsen, Staatsr. II 1136 Anm. 5 (von S. 1135) annimmt. In diesem Falle hätte er nicht Drusilla, sondern deren Gatten M. Aemilius Lepidus als ‘Erben’bezeichnen müssen. Daerdurch dasfürLepidus erwirkte Privileg, 5 Jahre früher als erlaubt in dieÄmterlaufbahn eintreten zudürfen, kundgetan hatte, daß er in ihm seinen Nachfolger sah (Cass. Dio 59, 22, 6 f.), wird die Sueton-Stelle so zu verste-

62 Ich war dieser

63 64

‘Verstaatlichung’

247

Allerdings könnte es Verwunderung erregen, daß Gaius überhaupt über das Patrimonium testamentarisch verfügte. Wenn es demNachfolger automatisch – zufiel, dann wares doch unnötig, letztwillige Anordnungen durch die lex imperii – zutreffen, deren Erfüllung durchaus prekär sein mußte. Hier gilt es zubedenken, daßdasTestament demPrinceps dieunverächtliche Möglichkeit bot, über denTod hinaus, also sozusagen noch aktiv, die Nachfolge im Prinzipat zu beeinflussen. Sich dieser Möglichkeit zubegeben, wäre gerade in Anbetracht derdemPatrimonium anhaftenden Zweckbestimmung, ex usu rei publicae verwandt zu werden, politisch unklug gewesen. Bei demFehlen eines dynastisch eindeutig legitimierten Nachfolgers hatte Gaius in der Situation des Jahres 37 allen Grund, sich der testa5. mentarischen ‘Designationsmöglichkeit’ zubedienen6 Durch den Tod der Drusilla fiel das Testament des Gaius dahin. Daß er ein neues errichtet hätte, ist höchst unwahrscheinlich. Wenhätte er als Erben benennen wollen? Lepidus wardoch wohl nurDrusilla zuliebe gefördert worden66, und39 n. Chr. wurde er als Verschwörer hingerichtet67. Gaius wurde zwar in eben diesem Jahre eine Tochter geboren68, doch konnte erdasKindunmöglich schon miteinem solchen Erbe ‘belasten’. So dürfte denn bei derErmordung des Gaius im Jahre 41 n. Chr. wirklich kein Testament vorhanden gewesen sein. Das aber bedeutete für dasPatrimonium geradezu die Probe auf daserst vor vier Jahren statuierte Exem-

pel.

III. DieAuswirkungen für Claudius undNero Claudius, der Oheim des Gaius, warvon diesem nicht als Nachfolger in Be9. tracht gezogen worden6 Er waranfänglich auch vomSenat nicht zurÜbernahme des vakanten Prinzipats ausersehen, sondern verdankte die schließlich doch erfolgte Zuerkennung derkaiserlichen Gewalten derHaltung derPrätorianer70, denen er dafür –sicher mit dem Blick auf das zu erlangende Patrimonium –ein enorm hohes Donativ, nämlich 15000 Sesterzen je Mann, zubilligte71. Der springende

hensein, daßGaius durch die Erbeinsetzung seiner Schwester Drusilla deren Gatten denWeg zumPrinzipat ebnen wollte. 65 ZurAnwendbarkeit desBegriffs derDesignation aufdieErbeinsetzung vgl. Hirschfeld, Verwaltungsbeamte 9, Mommsen, Staatsr. II 1136. 66 Vgl. E. Meise, Untersuchungen zurGeschichte derjulisch-claudischen

67 68

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71

Dynastie (Vestigia 10) München 1969, 103. 109. Cass. Dio 59, 22, 6 f. 108. ZurZeitbestimmung vgl. Meise a. O. 106– Seit derReise zuGaius nach Gallien als Führer derGesandtschaft desSenats stand Claudius inderkaiserlichen Ungnade, deren Folge u.a. seine Zurücksetzung bei derMeinungsumfrage imSenat (Befragung als Letzter derKonsulare) war. Cass. Dio 59, 23, 2; Suet. Claud. 9, 1 f. Vgl. auchMeise a. O. 101. Die Einzelheiten bei Timpe, Kontinuität 83 ff. undneuerdings bei H. Jung, Die Thronerhebung des Claudius, Chiron 2 (1972) 367 ff. Suet. Claud. 10,4. Unter Zugrundelegung einer Stärke von6000 Mann(= 12Kohorten zu500 Mann, vgl. M. Durry, RE 22, 2 (1954) s. v. Praetoriae cohortes 1613) ergäbe sich für dieses Donativ dieSumme von90 Millionen Sesterzen. Manvergleiche damit dieHinterlassenschaft desAugustus: 150 Millionen Sesterzen (Suet. Aug. 101, 3).

248

Recht

Punkt bei derPrinzipatsübernahme desClaudius ist ausunserer Sicht natürlich die Besitzergreifung vomPatrimonium desGaius. Nach derim vorigen Abschnitt gewonnenen Erkenntnis, daßdasPatrimonium unter Ausschaltung der testamentarischen bzw. der Intestaterbfolge rechtsgültig übernommen werden konnte, mußte das Fehlen eines Testaments die Sachlage wesentlich vereinfachen unddie ‘Entprivatisierung’ besiegeln. Besondere Bedeutung kamdabei der Tatsache zu, daßderzukreierende Princeps mit derjulischen Familie zwar nahe verwandt war, ihr aber doch nicht angehörte72. Hätte man die Privaterbfolge gelten lassen wollen, sowären die Schwestern desGaius, Agrippina undIulia, in Frage gekommen73. Aber an diese Möglichkeit hat gewiß niemand gedacht74, wußte mandoch, daß Claudius, mit der diskretionären Klausel der lex imperii ausgestattet, sich genauso rechtmäßig, nämlich ex usurei publicae, in den Besitz desvonGaius hinterlassenen Vermögens setzen konnte, wie dies Gaius mit demVermögen desTiberius getan hatte. UndClaudius selbst hatte eben deswegen keinen Grund, etwa die Prozedur derKonfiskation in Erwägung zuziehen75, die im übrigen bei der getrennten Verwaltung von Patrimonium und Fiskus76 nur zu Komplikationen geführt hätte. Demallem entspricht es, daßdieÜberlieferung von Schwierigkeiten des Claudius beim Erwerb des Patrimoniums nichts zu berichten weiß. Derlegitime Übergang desjulischen Vermögens auf Claudius gibt eine Erklärung an die Hand, mit welchem Recht dieser sich als Princeps Caesar nannte: An dem Patrimonium haftete gewissermaßen immer noch die condicio nominis ferendi, die Caesar einst daran geknüpft hatte77. Weres in Besitz nahm, konnte daraus ein Anrecht auch auf denNamen Caesar ableiten78, für dessen Führung dann die diskretionäre Klausel gleichermaßen die Rechtsgrundlage bildete. Damit soll

72 H.D.Meyer, Gnomon 36 (1964) 287 meint, mankönne Claudius vielleicht dochzurjulischen Familie rechnen; es komme nur darauf an, „ welchen Verwandtschaftsgrad zu einem Julier . Diese Ansicht berücksichtigt nicht man noch als Familienzugehörigkeit gelten lassen will“

73 74

75

76

77

78

dasKriterium derNamenführung.

Siber, Prinzipatsverfassung 43. Agrippina undIulia waren vonGaius unter Vermögenseinzug verbannt worden. Claudius rief siezurück understattete ihnen ihrVermögen (Cass. Dio60, 4, 1). Hätte ersogehandelt, wenn sieAnsprüche aufdasvonihminBesitz genommene Vermögen ihres Bruders gehabt hätten? Sibers Vermutung (Prinzipatsverfassung 43), Claudius habe außer derBeseitigung der Bildsäulen des Gaius undder rescissio seiner acta (vgl. Vittinghoff, Staatsfeind 102) auch die Konfiskation seines Vermögens durchgeführt, beruht auf der Voraussetzung, daß das Patrimonium entweder in derprivatrechtlich üblichen Form oder durch Konfiskation infolge damnatio memoriae an denNachfolger desjeweiligen Princeps gelangt sei (a. O. 39). Dagegen spricht von vornherein, daß die damnatio memoriae, wie Vittinghoff a. O. 92, 406. 96, 433 betont, eine politische Maßnahme war. Mommsen, Staatsr. II 1002, 1, Hirschfeld, Verwaltungsbeamte 8 f. DasPatrimonium unterstand demprocurator a patrimonio, derzuerst unter Claudius inschriftlich bezeugt ist: CIL VI 8501 = Dessau, ILS 1487 = E. M. Smallwood, Documents illustrating the principates of Gaius,Claudius andNero (Cambridge 1967) 176, vgl. Hirschfeld a. O.40. Suet. Caes. 83, 2. Dazu vor allem W. Schmitthenner, Oktavian und das Testament Cäsars (Zetemata 4) Münchern 1952, 35. 42 ff. Tiberius undGaius hießen Caesar bereits vorderPrinzipatsübernahme.

‘Verstaatlichung’

nicht

in Abrede

gestellt werden,

249

daßdie Annahme desCaesarnamens

durch Clau-

dius als politische, derKontinuität desPrinzipats dienende Demonstration gedacht 9. war7 Aber die Realisierung der politischen Intention bedurfte einer Handhabe, und eben die bot das patrimonium Caesaris. Es ist also nicht, wie Hirschfeld

meinte80, mit dem Caesarnamen das Patrimonium, sondern umgekehrt mit dem Patrimonium der Caesarname weitergegeben worden, undzwar nicht erst 69, son-

dern schon 41 n. Chr.

Noch eine weitere Auffälligkeit beim Princepswechsel des Jahres 41 findet ihre Erklärung in der besonders gearteten Legitimität des Vermögensübergangs. Mommsen hatandemBeispiel desaccensus Samius, der, vonGaius freigelassen, 1, Claudius undNero als seine Patrone bezeichnete8 die Regel gewonnen, daß der Patronat, dersonst nurandiesui, nicht andieextranei heredes fiel, bei denkaiser-

2.

lichen Freigelassenen mit demPrinzipat überging8 Chantraine vermutet zur Erklärung dieser Eigentümlichkeit, daß entweder eine juristische Fiktion oder aber der Wunsch der Freigelassenen den Übergang des Patronats bewirkte83. Wenn man, wiees geboten erscheint, in demdurch die diskretionäre Klausel sanktionierten, mit demStaatswohl begründeten Übergang des kaiserlichen Vermögens sozusagen bestes Erbrecht sieht, dasjedem neuen Princeps dem Patrimonium seines 4, Vorgängers gegenüber gewissermaßen die Stellung eines suus heres gab8 dann erklärt sich der Eintritt des Princeps in die Patronatsrechte seines Vorgängers von selbst. Durch die Prinzipatsübernahme des Claudius wurde das claudische Patrimoniummitdemjulischen vereinigt undänderte damit seinen Charakter als Privatgut. Waseinst dieNerones undDrusi besessen hatten, galt jetzt als kaiserlich undwar bestimmt, dieses Kennzeichen zu behalten. Als Messalina, die Gemahlin des Claudius, im Jahre 47 daranging, den Sturz des Kaisers unddie Erhebung des C. Silius zubetreiben, ließ sie u. a. auch Erbstücke ausdemFamiliengut derClaudier in das Haus des Silius schaffen, „ als ob das Kaisertum bereits übertragen sei“ 85. Claudius wurde dadurch mehr als deutlich vor Augen gestellt, daß das von ihm in den Prinzipat eingebrachte claudische Vermögen ebenso wie das bereits ‘verstaatlichte’ julische Patrimonium an seinen Nachfolger als Princeps, wer immer es auch sei, gelangen werde. Es müßte ihm auch zu Bewußtsein gekommen sein, daßer über beide Teile nurin demselben beschränkten Maße vonTodes we-

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83

84 85

Timpe, Kontinuität 93. 96. Hirschfeld, Verwaltungsbeamte 19(oben S. 238). CIL XIV 3644 = Dessau, ILS 1942 = Smallwood, Documents 184. Mommsen, Staatsr. II 1007, 1. Vgl. G. Boulvert, Les esclaves et les affranchis impériaux sous le Haut-Empire Romain, II (Aix-en-Provence 1964) 481. H. Chantraine, Freigelassene undSklaven im Dienst derrömischen Kaiser (Forschungen zur antiken Sklaverei 1)Wiesbaden 1967, 78 f. 250 f. In dieser Hinsicht hätte dasPatrimonium als „juristisches Eigentum“desPrinceps zugelten, wie es A. Kränzlein, RE Suppl. 10 (1965) s. v. patrimonium, 496 klassifiziert. Tac. ann. 11, 12, 3: velut translata iamfortuna. Die claudischen Erbstücke, die an dieser Stelle nicht eigens bezeichnet sind, werden 11, 35, 1 erwähnt: (Narcissus) demonstrat, quicquid avitum Neronibus et Drusis inpretium probri cessisse. Vgl. auch 11, 30, 2 undCass. Dio 60, 31, 3. ZumZusammenhang s. Meise, Julisch-claudische Dynastie 162 mit Anm. 159.

250

Recht

genverfügen könne. Ober sich aber bei derTestamentserrichtung kurz vor seiner Ermordung daran gehalten hat, bleibt unklar, daderInhalt desTestaments nicht aufunsgekommen ist. Es ist durchaus möglich, daßClaudius gerade in demclaudischen Erbgut eine Möglichkeit gesehen hat, seinen leiblichen Sohn Britannicus 6. besser zustellen als seinen Adoptivsohn Nero8 Wieaber auch dieTeilungsquoten des Testaments gelautet haben mögen87, die Ereignisse bei der Prinzipatsübernahme Neros haben das Gesamtvermögen des Claudius als unteilbares Erbe des Prinzipats erwiesen. Das Testament des Claudius hat bei der Wiederbesetzung des Prinzipats im Jahre 54 n. Chr. keine Rolle gespielt. Es hätte wie das des Augustus im Jahre 14 unddasdesTiberius im Jahre 37 vor demSenat verlesen werden müssen88. Seine Anfechtung hätte Nero im Senat vertreten und die Ungültigkeit durch Senatsbeschluß erklären lassen müssen, wiedies Gaius imJahre 37 getan hatte. Stattdessen unterdrückte Nero dasTestament underhielt vomSenat diekaiserliche Vollgewalt übertragen, die das Verfügungsrecht über das Patrimonium einschloß89. Wie Tacitus erkennen läßt, dürfte dem Senat, wenn er schon Agrippinas Wunsch, ihren Sohn statt denderMessalina als Princeps zusehen, erfüllen wollte, ebensoviel an derUnterdrückung desTestaments gelegen haben wieNero undseiner Mutter, da durch dieVerlesung im Senat dasUnrecht, dasdieKörperschaft mit derErhebung Neros dem Britannicus zufügte, kraß hervorgetreten wäre90. Daß aber überhaupt die Testamentssuppression möglich war und Nero entgegen dem Willen seines

86 FürdieBevorzugung desBritannicus scheinen dievonSuet. Claud. 43 berichteten ÄußerungendesClaudius zusprechen, deren Tendenz indem„kurzdarauf“ verfaßten Testament ihren

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Niederschlag gefunden haben dürften, ebenso dieTatsache, daßClaudius als Testamentszeugenalle Magistrate bemühte (Suet. Claud. 44,1). Obdiese Bevorzugung aber so weit ging, daßBritannicus allein in spemprimam eingesetzt wurde, wie Ch. Josserand, Le testament de Claude, Musée Belge 34 (1929/30) 290 meint, mußdochstark bezweifelt werden. Nach Mommsen, Staatsr. II 1136 Anm. 5 (von S. 1135) war„ demNero Britannicus mindestens gleichgestellt“ , vgl. L. Mitteis, Römisches Privatrecht I (Leipzig 1908) 351Anm.7 (von S. 350), E. Groag, RE 3, 2 (1899) s. v. Claudius Nr. 256, 2815, Timpe, Kontinuität 104. Tacitus (ann. 12, 69, 3) hatdiese Unterlassung tadelnd vermerkt: testamentum haudrecitatum. ά ν εκ ὶτ ισ α ὴ ν υἠφ ά εδιαθ κ α ςτ ή ίο νο ρ ω ὖ ςτ δ ο υ ντ α ῦΚ λ έ Cass. Dio61, 1, 2: Ν αals Hinweis auf die σ ὴπ ᾶ ρ χ νδιεδέξα α ὴ νπ ᾶ σ τ ο . Josserand a. O. 287 versteht ἀ χ ρ ἀ demBritannicus zustehende Mitregentschaft. Aber Dio hat im vorangehenden Paragraphen ) Britannicus anstelle ν ντ ὸδικαιότατο ὲ α τ ὰμ zumAusdruck gebracht, daßeigentlich (κ ὴ ρ χ Neros dieNachfolge imPrinzipat zukam. Daher undnachdemSprachgebrauch Dios istἀ π ᾶ σ αals „Herrschaft über alles“zufassen gleich demlateinischen iusarbitriumque omnium ὴπ ᾶ σ αoder ähnlichen Wendungen bezeichnet Cassius χ ρ rerum (Suet. Cal. 14, 1). Mit ἀ Dio vor allem die triumvirale Gewalt, vgl. 46, 55, 4. 53, 4, 4, dazu V. Fadinger, Die Begründung desPrinzipats (Diss. Berlin 1969) 141 ff. Tac. ann. 12, 69, 3: testamentum tarnen haud recitatum, ne antepositus filio privignus iniuria et invidia animos vulgi turbaret. Die Interpretation dieser Stelle in demoben vertretenen SinnehatJosserand a. O. 289 durch Hinweis auf Tac. ann. 13, 14, 2, woAgrippina ihr Unrecht eingesteht, undCass. Dio 61, 7, 6, woNero vomVolk der Testamentsflälschung bezichtigt wird, gesichert. Vgl. schon Mommsen, Staatsr. II 1136 Anm. 5 (von S. 1135). Die entgegengesetzte Interpretation vonSiber, Prinzipatsverfassung 43, dasTestament sei geheimgehalten worden, umnicht Claudius’ Unrecht (Begünstigung Neros vor Britannicus) an denTag zu bringen, ist dadurch widerlegt.

‘Verstaatlichung’

2 51

Adoptivvaters undimWiderspruch zurIntestaterbfolge dasganze Patrimonium in Besitz nehmen konnte, ist derstärkste Beweis fürdieRichtigkeit derhier vertretenenThese, nach deres dafür nurauf die diskretionäre Klausel derlex imperii an-

kam.

Die ‘Verstaatlichung’ des Patrimoniums war im Jahre 54 n. Chr. bereits so weit fortgeschritten, daßein Testament, das irgendwelche Regelungen darüber zu

treffen versuchte, als hinderlich undüberflüssig empfunden wurde. WervomSenat als Princeps anerkannt wurde, erhielt auch das Patrimonium, das sein Vorgänger besessen hatte; er verlor aber, wie das Beispiel des Claudius zeigt, sein eigenes Vermögen, dasspätestens bei seinem Tode der‘Verstaatlichung’verfiel. Der ‘staatliche’ Charakter des Patrimoniums trat indes dadurch, daß es dem Princeps persönlich zurVerfügung stand unddurch seine Gehilfen verwaltet wurde, nicht in Erscheinung. Die Prinzipatsideologie berücksichtigte diese Sonderstellung in derWeise, daßsie ein Eigentumsrecht desKaisers amPatrimonium vonseinem Besitzrecht an allem übrigen HabundGutunterschied9 1.Es sollte allerdings nicht mehr lange dauern, bis der Eigentumsanspruch am Patrimonium vomKaiser selbst, der ihn bisher durch Gebrauch des Testierrechts zu behaupten versucht hatte, aufgegeben wurde,

IV. VonGalba zuNerva (undAntoninus

Pius)

DerÜbergang des Prinzipats vonNero auf Galba im Jahre 68 n. Chr. hatte für das Patrimonium in mehrfacher Hinsicht große Bedeutung. Zunächst ist auf die Tatsache hinzuweisen, daß Galba, nachdem er sich zumKampf gegen Nero ent2. schlossen hatte, dessen spanischen Grundbesitz veräußerte9 Undzwar tat er das unter der Titulatur eines legatus senatus ac populi Romani93. Die rechtliche Kon4. Sie bestand in der Anerkennung des sequenz dieses Schrittes ist erheblich9 volkseigenen Charakters desPatrimoniums undwarpraktisch derletzte Schritt zur ‘Verstaatlichung’ des kaiserlichen Patrimoniums. Die Hostiserklärung des Senats gegen Nero95 rechtfertigte alsdann denÜbergang der gesamten Vermögensmasse an Senat undVolk. Wohlgemerkt: Der Vorgang wareine publicatio bonorum im strengen Sinne des Wortes96. Galba empfing also das Patrimonium nach Erlaß der lex imperii9 7 anders als Gaius, Claudius undNero direkt aus denHänden des Senats. WieClaudius aber hielt Galba sich fürberechtigt, mitdemPatrimonium des91 Sen. benef. 7, 6, 3: Caesar omnia habet, fiscus eius privata perio eius sunt, inpatrimonio propria.

tantum

ac sua, et universa in im-

92 Plut. Galba 5, 6. 93 Plut. Galba 5, 2; Vgl. Suet. Galba 10, 1.

94

Timpe, Kontinuität 111wertet sie m.E. gegenüber dergeschichtlichen Bedeutung, die in der Änderung desTitels legatus Augusti zulegatus senatus acpopuli Romani liegt, zusehr ab.

95 ZuihrVittinghoff, Staatsfeind 99 ff. 96 Eine Beschlagnahme für denFiskus, wie Siber, 39) sieannimmt, scheidet aus.

Prinzipatsverfassung

43 (in Verbindung mit

ᾳτ 97 Ihren Inhalt umschreibt Cass. Dio 63, 29, 1 mit den Worten: τ ὰ τῇ ῷΓ β ά λ ρ φ ίσ ρ ιἀ α χ ρ η ν ά τ ο ρ ή α τ ῇπ ὐ το κο ο τ ο κ ν α ἐψ σ .

252

Recht

senDistinktiv98 anzunehmen: Als ihminNarbo eine Gesandtschaft desSenats den Beschluß über die Verleihung derkaiserlichen Gewalten überbrachte, legte er den Titel legatus SPQR abundnannte sich Caesar99. Plutarch weiß zuberichten, daßGalba bei denBanketten, die er zuEhren der Senatsgesandten in Narbo gab, von demTafelgerät undder Dienerschaft Neros, die der Prätorianerpräfekt Nymphidius Sabinus ihm geschickt hatte, keinen Gebrauch machte, sondern eigenes Gerät und eigene Diener verwendete100. Diese Episode mußmitjener anderen zusammengestellt werden, vondergleichfalls Plutarch berichtet: Als Galba dem Flötenspieler Canus für eine Darbietung seiner Kunst einige Goldstücke überreichte, bemerkte er, sie stammten „ aus seinem Ver101. mögen, nicht demdesStaates“ Diese beiden Nachrichten müssen aufdie Tatsache zurückgeführt werden, daß Galba „ vonallen Privatleuten, die in dasHaus derCaesaren kamen, derreichste“ war102. Dieser Aspekt aber verlangt, daß Galbas Unterscheidung zwischen seinen Geldern unddenen des Staates ernst genommen wird103, undzwar in dem Sinne, daßer ‘sein’nurdasnannte, waser bereits als Privatmann besessen hatte, wie sein Verhalten in Narbo zeigt. Es ist also dasprivatum patrimonium, das, bedingt durch seine außerordentliche Größe, mit Galba den Anspruch auf Eigenständigkeit erhebt, den es schließlich unter Antoninus Pius mit der Einrichtung der res privata erlangt hat. Über dieses privatum patrimonium hatte Galba vorderÜbernahme desPrinzipats testamentarisch dergestalt verfügt, daß er es dem L. Calpurnius Piso unter gleichzeitiger Adoption vermachte104. Dadurch, daß Galba als Princeps die Adoption vorverlegte105 undihr die Funktion derNachfolger-Ernennung gab106, änderte er selbst den privaten Charakter seines Vermögens und deklarierte es als ‘kaiserlich’, wasnach dervonunsverfolgten Entwicklung ja soviel wie ‘staatlich’

98 Vgl. die Bezeichnung patrimonium Caesarum in CIL XI 3885 = Dessau, ILS 1643 = Smallwood, Documents 177. DazuHirschfeld, Verwaltungsbeamte 19mitAnm. 3. 99 Cass. Dio 63, 29, 6; Plut. Galba 11, 1; Suet. Galba 11. Zu diesen Zeugnissen E. Fusshöller, Prinzipatsideologie undHerrschaftsübertragung imVierkaiserjahr (maschinenschr. Diss. Bonn 1958) 89 ff. 203, Timpe, Kontinuität 115 f. 100 Plut. Galba 11, 2. μ ο σ ίω ν . Vgl. Suet. Galba 12, 3. νδη ῶ κτ κἐ ὐ ,ο ν νἰδίω κτ ῶ 101 Plut. Galba 16, 2: ἐ η ςπ ο τ λ υ σ νἰδιώ ὲ ιώ τ τ α ο νε ν ω ςἁπ ά τ ἰς ιμ τ ςὅ ιο ίκ π λ υ ο α ςΣ β ά λ 102 Plut. Galba 3, 1:Γ γ ε ῖτ α ι. Vgl. die von Suet. Galba 8,1 berichtete ῆ μ ο ο νο λ θ ε λ ἶκ ο ,ὁ ν ρ ρ τ ω ὸ νπ νΚ ισ α α ά Einzelheit, daß Galba unter Nero immer 1 Million Sesterzen in Gold bei Reisen mit sich führte.

μ ό σ ιαund ιαundδη 103 Timpe, Kontinuität 105, 2 bestreitet dieExistenz einer Trennung vonἴδ sieht in demAusspruch Galbas nur„ eine lächerliche Knauserei“ . DerGrund für diese m. E. ιαGemeinten. unrichtige Beurteilung liegt in derungenauen Erfassung desmitἴδ 104 Suet. Galba 17: Pisonem ... testamento semper in bona et nomen adscitum, ... 105 So treffend H.Nesselhauf, Die Adoption desrömischen Kaisers, Hermes 83 (1955) 487, 1. 106 Die Bedeutung dieses „Staatsaktes“hatjüngst J. Straub, Dignatio Caesaris: Legio VII Gemina (León 1970) 164 ff., jetzt in der Aufsatzsammlung des Verfassers: ‘Regeneratio imperii’ (Darmstadt 1972) 36 ff., voll gewürdigt.

‘Verstaatlichung’

253

07 Die Ermordung Galbas undseine Ächtung1 führten dann in anderer Form zur‘Verstaatlichung’dessulpicischen Vermögens1 08, dasnunzusammen mit demjulisch-claudischen an Otho fiel. Ein letztes Zeichen seiner Selbständigkeit ist darin zu erblicken, daß Galbas Leichnam von demdispensator Argivus inprivatis eius hortis anderVia Aurelia beigesetzt wurde109. DerMann, derGalba zuBeginn desJahres 69 imBesitz desPrinzipats unddes

bedeutete.

Patrimoniums nachfolgte, brachte statt eines eigenen Vermögens eine Schuldenlast von50 Millionen Sesterzen mit1 10,undes warnicht zuletzt die finanzielle Misere, die Otho nach demimperium unddenopes imperii111 greifen ließ, wie sein Ausspruch bezeugt, er könne sich nur als Princeps behaupten112. Was die Form des Vermögensübergangs angeht, so haben wir das Recht, nunmehr von einer reibungslos funktionierenden Automatik zusprechen. Wenn es bei Cassius Dio heißt, all das, was zur Herrschaft gehört, beschloß“113, so war daß der Senat für Otho „ hierin einbegriffen auch das Recht, das durch die Ächtung Galbas dem Staat verfallene kaiserliche Patrimonium an sich zu nehmen sowie den Caesarnamen sich beizulegen114. Der Vorgang wiederholte sich schon nach wenigen Monaten: Der Senat erklärte Otho nach seinem Selbstmord zumhostis115 und übertrug Vitellius „ alles, wasin langen Regierungszeiten anderer Principes zusammengefügt worden war, aufeinmal“116.

107 Die nicht überlieferte Hostiserklärung erschließt Vittinghoff, Staatsfeind 91 ff. aus demganzen Verhalten gegen Galba. Vgl. vor allem denAntrag de restituendis Galbae honoribus, Tac. hist. 4, 40, 1. Dazu J. Gagé, Vespasien et la mémoire de Galba, REA 54 (1952) 293 bis 295. 108 Pisos Vermögen, über daser vorseiner Adoption durch Galba ein Testament errichtet hatte, blieb wegen seines bescheidenen Umfangs der Familie erhalten, Tac. hist. l, 48, 4. Für die Gültigkeit des Testaments war die rescissio actorum Galbae, die die Adoption rückgängig machte, Voraussetzung, vgl. Nesselhauf a. O. 489, 1. In derGrabinschrift trägt Piso einen eigenen, nicht denNamen seines Adoptivvaters, CIL VI 31 723 = Dessau, ILS 240 = McCrum/ Woodhead, Select Documents 76. 109 Suet. Galba 20, 2; Tac. hist. 1, 49, 2; Plut. Galba 28, 4: Eutrop. 7, 16. Vgl. Hirschfeld, Kl. Schr. 461, 532. 110 Plut. Galba 21, 3. 111 Dieser Ausdruck fürdasPatrimonium beiTac. hist. 2, 92, 2; vgl. 3, 13,3. 112 Suet. Otho 5, 1: nisi principem se stare nonposse. Schenkungen undVersprechungen, die Otho vorseiner Erhebung zumPrinceps machte, basierten aufderGewinnung desPatrimoniums, vgl. bes. dieRede bei Suet. Otho 6, 3, in derer vordenPrätorianern erklärte, er werde nurdas in Besitz nehmen, wassie ihmübrigließen. ZurBeurteilung der Freigebigkeit Othos gegenüber denSoldaten vgl. H.Kloft, Liberalitas principis, Herkunft undBedeutung. Studien zurPrinzipatsideologie. Kölner Historische Abhandlungen 18 (Köln 1970) 109 f. ὴπ ά ν ρ τ α ὸ τ υ λ ὴ φ ὰ π ν ςτ μ έρ ρ έν ιβο ο ο τ ὴ ν χ ν ἀ τ φ ίσ α ἐψ η 113 Cass. Dio64,8, 1: Ἡ α τ ο ; vgl. Tac. hist. 1, 47, 1: decernitur Othoni tribunicia potestas et nomen Augusti et omnes principum honores.

114 NachPlut. Galba 28,1 wäreOthowiezumAugustus soauchzumCaesar ernannt worden. Das ist nicht richtig; derSenat eröffnete mitderlex imperii nurdie Möglichkeit zurAnnahme des Caesarnamens.

115 Cass. Dio 65, 1, 1. Vittinghoff, Staatsfeind 93 f. 116 Tac. hist. 2, 55, 2: in senatu cuncta longis aliorum principatibus composita statim decernuntur.

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Für die uns bewegende Frage nach demSchicksal des Patrimoniums ist von besonderem Interesse derKommentar, mitdemPlutarch eine derletzten Handlungen Othos versieht. Otho verteilte vor seinem Selbstmord Geld an seine Sklaven undgabjedem, soviel ihm zukam. Plutarch bemerkt dazu, er habe Maß walten lassen undnicht wie einer gehandelt, derfremdes Gutvergeude117. Hier ist angedeutet, daß Otho in demAugenblick, da er sich zum Selbstmord und damit zur Aufgabe des Prinzipats entschloß, die Verfügungsgewalt über das Patrimonium verlor. Dieses harrte von da an des Zugriffs durch denNachfolger, warjedenfalls fürOtho ‘fremdes Gut’. Wierichtig Plutarch dieDinge beurteilt, zeigt die Situation bei der geplanten Abdankung des Vitellius: In Verhandlungen mit dem Stadtpräfekten Flavius Sabinus, dem Bruder Vespasians, bedang sich Vitellius als Le18.Daßdiese Sumbensunterhalt nach demRücktritt 100 Millionen Sesterzen aus1 me nicht etwa sein privatum patrimonium ausmachte, ergibt sich aus der Ver19. schuldung bei Antritt derStatthalterschaft inNiedergermanien Ende 68 n. Chr.1 Die 100 Millionen sollten vielmehr vom kaiserlichen Patrimonium abgezweigt werden. Über dieses aber konnte Vitellius in Anbetracht seines Vorhabens undder Erfolge Vespasians nicht mehr verfügen. Daher suchte er sich durch ein ihm im Namen seines mutmaßlichen Nachfolgers gegebenes Versprechen zusichern. Wäre die Abmachung nicht durch die Ermordung des Vitellius hinfällig geworden, so hätte sie durch die Klausel der lex imperii, die alle Handlungen Vespasians zwischen seiner Akklamation durch die Soldaten (1. Juli 69) undseiner Anerkennung 20, durch den Senat (22. Dezember 69) für gültig erklärte1 Rechtskraft erlangen können. Jedenfalls hielt Vespasian sich für verpflichtet, die Tochter des Vitellius bei deren Heirat auszustatten undihreine Mitgift zugeben, obwohl ihrVater doch sein Feind gewesen war121. Wie Galba undOtho mußauch Vitellius zumhostis erklärt worden sein122. Mit der lex de imperio Vespasiani fand dann die Rotation, in der Prinzipat undPatrimonium sich seit dem Tode Neros befanden, ihr Ende. Vespasian empfing wie seine drei Vorgänger dasPatrimonium als derpublicatio unterliegendes Gut. Aber wir haben ja gesehen, daß nicht die publicatio der Rechtstitel für die Sukzession war, sondern die diskretionäre Klausel, die für Vespasian auch im Wortlaut überρ μ ο φ ε ν ν ιλ ο ο ύ ο μ ςδιέν ετ σ εκ α λ ε ῖτ ο .κ α ὶφ ρ ο ῶ ν ε α ςπ ὺ ςοἰκέτ ο 117 Plut. Otho 17, 1f.: τ ῷ ᾽ἔλαττο δ ρἀλλοτρ ,ο ν ὐ ειδ ῶ χὥ π ν ε ,ἀ ίω σ νἀφ λ μ λ ὰ ο ντ ὲ νπ λ έ ῷ ντ ω τ ά μ η ρ χ υ λ ά ττ ε λ ω ῶ ν ςφ . ιμ ιο ν ἐπ έτρ ὸμ ὶτ α κ ᾽ἀ ν τ ία α ξ τ ὸκ

118 Suet. Vit. 15, 2. 119 Suet. Vit. 7, 2. 32 = Dessau, ILS 240 = Mc Crum/Woodhead, Select Documents 1: utique 120 CIL VI 930, 29– quae ante hanc legem rogatam acta gesta decreta imperata ab imperatore Caesare Vespas ia-

no Augusto iussu mandatuve eius a quoque sunt, ea perinde iusta rataque sint ac si populi plebisve iussu acta essent. 121 Suet. Vesp. 14. 122 Vgl. die Kennzeichnung derZeit zwischen Nero undVespasian als rebellio trium principum (Suet. Vesp. 1,1). Am deutlichsten spricht für die Ächtung des Vitellius der Vollzug der Gemonien-Strafe (Suet. Vit. 17,1 f. Tac. hist. 3, 85, dazu Vittinghoff, Staatsfeind 93). In der lex de imperio Vespasiani fehlen alle drei Namen.

‘Verstaatlichung’

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23.Wenn wir vorhin von einer reibungslos funktionierenden Automatik liefert ist1 des Vermögensübergangs im Vierkaiserjahr sprachen, so ist hier der Ort, die Anwendung der diskretionären Klausel auf das Patrimonium als eine längst mit der Prinzipatsübernahme verbundene Rechtsgewohnheit festzuhalten. Dieselbe Feststellung läßt sich für die Übernahme des Caesarnamens treffen. Vitellius versuchte zwar, denUsus zuunterbrechen, indem er sich zunächst nicht Caesar, sondern Germanicus nannte. In den letzten Tagen seiner Herrschaft tat dann aber die magische Kraft desNamens ihre Wirkung. Nunmehr duldete Vitellius nicht nurdie Caesar-Apostrophe, er forderte sie geradezu124. Vespasian wurde schon vondenSoldaten in Judäa bei derAusrufung zumImperator als Caesar be26.Wir begrüßt125, under hat denNamen sofort in seine Titulatur aufgenommen1 merken hier das gleiche selbstverständliche Verhalten, das wir hinsichtlich des Patrimoniums bei Galbas Versteigerungen in Spanien undbei denVerhandlungen zwischen Vitellius undFlavius Sabinus konstatiert haben. Es gilt nunnoch eine Entwicklungslinie zuEnde zuführen, die wirvonClau27, dius zu Galba gezogen haben, deren Endpunkt aber, wie bereits erwähnt1 erst Antoninus Pius bildet. Sie verfolgt das privatum patrimonium, d. h. dasjenige Vermögen, dasdieeinzelnen Principes alsprivati besessen hatten. FürOtho undVitellius bildete dasprivatum patrimonium kein Problem, dasie hochverschuldet zum Prinzipat gelangten128 unddas kaiserliche Patrimonium ihr einziger Halt war. Vespasian warzwar nicht reich1 29, aber bei seinem finanziellen Geschick hater sein Privatvermögen auch als Kaiser gewiß nicht vernachlässigt130. Jedenfalls brüstete er sich gerne mitdenAusgaben, dieer auseigenen Mitteln bestritt131. Vespasian hat ein Testament hinterlassen1 32, dessen Anordnungen wir allerdings nicht kennen. Möglicherweise betrafen sie nur dasprivatum patrimo123 Text oben S. 244. Auf die lex de imperio Vespasiani bezieht sich Tac. hist. 4, 3, 3: senatus cuncta principibus solita Vespasiano decernit. ZumSprachgebrauch des Tacitus in Bezug auf die Herrschaftsübertragung vgl. L. Lesuisse, Tacite et la lex de imperio des premiers empereurs romains, Les Études Classiques 29 (1961) 157– 165. 124 Tac. hist. 1, 62. 3, 58, 3; Suet. 8, 2. Vgl. dazu Z. Yavetz, Vitellius andthe „Fickleness of the , Historia 18 (1969) 563 f. Mob“ 125 Tac. hist. 2, 80, 1. 126 Dies zeigen diesofort nachderAkklamation (Tac. hist. 2, 82, 1) inAntiochia geprägten Münzen: BMCII 104, 496 ff., W. Wruck, Die syrische Provinzialprägung vonAugustus bis Traian 73. Vgl. dazu H.-G. Simon, Historische Interpretationen zur Reichs(Stuttgart 1931) Nr. 70– prägung derKaiser Vespasian undTitus (maschinenschr. Diss. Marburg 1952) 26 f. 40 f. 127 Oben S. 252. 128 Otho: Plut. Galba 21, 3; Suet. Otho 5, 1; Vitellius: Suet. Vit. 7, 2. ιο σ τ επ ο ύ . ὔ λ ς ῶ νο εν τ νδ εἐ ὔ ὲο 129 Cass. Dio 66, 10, 3 b (III 144 Boissevain): ἦ ξεὐγ

130 Vielleicht kamderGewinn ausdenvonSuet. Vesp. 16, 1 erwähnten Geschäften

gerade dem privatum patrimonium zugute. 131 Cass. Dio 66, 10, 3 a (III 144 B.): „ ὰδα ὐ τ ν α ῦα π τ υ ο ῶ α ἐκτ ῶ νἐμ “. Kloft, Liberalitas principis 129. 135 verneint entschieden, daßsolche Redensarten wörtlich genommen werden dürfen. Dasie indes nicht sehr häufig vorkommen, sehe ich keinen Grund, sie anzuzweifeln. Natürlich hatKloft recht, wenner betont, daßdieKaiser sich bei ihren Liberalitätsakten aller ihnen zurVerfügung stehenden Quellen bedienten. 132 Suet. Domit. 2, 3.

256

Recht

33.In diesem Falle dürfte Vespasian dasflavische Familiengut seinem zweiten Sohn Domitian zugewandt haben, daja dembereits zumMitregenten avancierten Titus daskaiserliche Patrimonium zufallen würde1 34. Auf diese Erbeinsetzung hätte Domitian sich dann gestützt, als er behauptete, sein Vater habe ihn als Teilhaber am Prinzipat zurückgelassen, aber dasTestament sei verfälscht worden1 35.AusderÄußerung Domitians geht hervor, daßdas Testament auf keinen Fall im Senat verlesen worden ist, unddies könnte wiederum aufseinen privaten Charakter hindeuten. Sollte das flavische Familiengut unter demPrinzipat des Titus ein Sonderdasein geführt haben, wofür immerhin einiges spricht, so ist dieser Zustand durch die Prinzipatsübernahme Domitians wieder geändert worden, undnach demEnde dieses Kaisers imJahre 96 n. Chr. wurde seine ganze Hinterlassenschaft vonderpublicatio getroffen136. Nerva hat das kaiserliche Vermögen, das nunmehr julisches, claudisches, sulpicisches undflavisches Erbgut enthielt, in derherkömmlichen Art übernommen und seinerseits um das cocceische vermehrt. Wie Claudius, Galba undVespasian warNerva sich bewußt, neben demkaiserlichen ein eigenes Patrimonium zubesitzen137. Das beweist die Unterscheidung, die er bei denvon Cassius Dio erwähnten Verkäufen traf: Er stellte dafür Gewänder, silbernes undgoldenes Hausgerät, anderes Mobiliar „ aus demeigenen unddemkaiserlichen Vermögen“sowie Ländereien und Häuser zur Verfügung138. Nesselhauf hat daraufhingewiesen, daß es nicht verwunderlich wäre, wenn schon Nerva eine eigene Verwaltung für das Privatvermögen geschaffen hätte139. Aber offenbar bedurfte es dazueines besonderen Anlasses, unddertrat, wieebenfalls Nesselhauf gezeigt hat, erst fürAntoninus Pius mitder Versorgungspflicht fürseine Enkelkinder ein140. Die Einrichtung derres privata unter einem eigenen Prokurator1 41sollte dem Übelstand abhelfen, daß das demKaiser als Privatmann Zukommende, vor allem nium,

wiedies für Antoninus Pius bezeugt

ist1

133 SHAAnt. Pius 12, 8: privatum patrimonium filiae reliquit. 134 Wenn Vespasian im Senat erklärte, autfi lios sibi successuros aut neminem (Suet. Vesp. 25), so kann er dies durchaus in demSinne gemeint haben, daßTitus undDomitian nacheinander zumPrinzipat gelangen sollten. Vgl. E. Kornemann, Doppelprinzipat undReichsteilung im Imperium Romanum (Leipzig-Berlin 1930, Nachdruck Groningen 1968)

65.

135 Suet. Domit. 2, 3: relictum separticipem imperii, sedfraudem testamento adhibitam. 136 Die Ächtung Domitians haben Suet. Domit. 23, 1 und Plin. paneg. 52, 4 f. plastisch dargestellt.

137 A. Kränzlein, RE Suppl. 10 (1965) s. v. patrimonium 496 leugnet das Vorhandensein eines Separatvermögens.

ηκ α ὶ ύ ε τ ιακ α ά ὶ σκ ρ ὲ νἱμ ῶ ο νπ λ ά τ μ ω νδ λ ὰμ ὲἀπο η 138 Cass. Dio 68, 2, 2: χρ ν , α σ ιλ ικ ῶ νβ ὶἐ κτ ῶ α σ νκ ᾶ ,ἄ ρ ᾶκ λ ίω λ ατ α ὶχρυ εἔπ ιπ ῶ ν ἰδ λ ακ α ὶἐ κτ γ υ ρ ἀ ο . τ έδο κ α ία ὶο ς ἀπ ρ ία ἰκ ὶχω α ὲκ ὰδ ο λ λ π 139 Nesselhauf, Patrimonium undresprivata (volle Angabe oben S. 238 Anm. 10) 81. 140 Antoninus Pius hatte beim Antritt des Prinzipats sein Privatvermögen seiner Tochter geschenkt (SHA Ant. Pius 7, 9). Fürseine Enkel hätte er daskaiserliche Patrimonium angreifen müssen, wasnicht anging. Nesselhauf a. O.80 f. Vgl.jetzt auchMasi (Titel oben S. 238 Anm. 8. 9) 6– 141 Dererste Beleg füreinen procurator rationis privatae ist dieverstümmelte Inschrift CIL VIII 8810, dieNesselhauf a. O. 77 Anm.9 (von S. 76) transkribiert. Unter Marcus Aurelius warT. Aius Sanctus Leiter derresprivata (AE 1961, 280). Diebeiden Inschriften hatNesselhauf a.

‘Verstaatlichung’

257

42, in das kaiserliche Vermögen ein-, ihm selbst also sein privatum patrimonium1 mehr oder weniger verlorenging143. Die resprivata144 liefert somit denhandgreiflichen Beweis für den ‘staatlichen’ Charakter des kaiserlichen Patrimoniums. Marcus Aurelius hat ihmmitdenWorten, alles gehöre demSenat unddemVolk, selbst

dasHaus, in demer wohne, prägnanten Ausdruck

verliehen145.

V.Ergebnis Blicken wirauf denGang unserer Untersuchung zurück, so ergibt sich als eigentliches Ergebnis

dieErkenntnis, daßes diediskretionäre Klausel derlex imperii

war, die das julische Privatvermögen ‘verstaatlicht’ hat, und zwar schon beim

zweiten Princepswechsel im Jahre 37. Die besonderen Umstände des nächsten Prinzipatsübergangs (41) begünstigten alsdann die Einwurzelung des einmal praktizierten Rechtsprinzips, so daß es im Jahre 54 auch das claudische Familiengut erfassen konnte. In derpublicatio desneronischen Vermögens, die Galba imJahre 68 als legatus SPQR einleitete, fand schließlich dasEigentumsrecht desStaates am kaiserlichen Patrimonium sinnfälligen Ausdruck. Mit Galba begannen Bestrebungen, dem ‘verstaatlichten’ julisch-claudischen sulpicische, flavische, cocceische – Patrimonium entgePatrimonium das eigene – genzusetzen undihmseinen privaten Charakter zuerhalten. Sie kamen indes gegen die Sogwirkung des kaiserlichen Patrimoniums nicht an, bis Antoninus Pius die res privata schuf, die die Scheidung zwischen kaiserlichem (= staatlichem) und privatem Vermögen desPrinceps durchsetzte. Versuchen wir abschließend, auch die Bedeutung des hier Vorgetragenen für dieEntwicklung desPrinzipats zuresümieren, so haben wirdieZweischneidigkeit des im Jahre 37 aus der Scheide gezogenen Schwertes hervorzuheben. Denn die unter diesem Bild zu verstehende diskretionäre Klausel ‘verstaatlichte’ einerseits mit demPatrimonium auch den Prinzipat, andererseits gab ihre spektakuläre Anwendung auf das Patrimonium eben diesem Prinzipat den Impuls zu absolutistischer Färbung.

O. 75 ff. überzeugend mitdenNachrichten derHistoria Augusta (Ant. Pius 4, 8. 7, 9. 12, 8) 16. kombiniert. Neuerlich diskutiert diese Zeugnisse Masi a. O. 12– 142 Hirschfeld, Verwaltungsbeamte 25 weist darauf hin, daßpatrimonium privatum in der Inschrift CIL X 6657 als synonyme Bezeichnung für res oder ratio privata gebraucht ist. Die Richtigkeit dieser Ansicht beweist die Inschrift AE 1945, 80. Dazuzuletzt Masi a. O. 19– 22. 143 Vgl. dieAntwort desAntoninus Pius anseine Frau, die ihmseine Knausrigkeit vorwarf: stulta, posteaquam ad imperium transivimus, et illud, quod habuimus ante, perdidimus (SHA Ant.

Pius 4, 8). 144 Ihr weiteres Schicksal unddas des Patrimoniums verfolgen Nesselhauf a.O. 82 ff. undbeson25. 55 ff. ders Masi a. O. 14– 145 Cass. Dio71, 33, 2. DemAusspruch liegt neben demrealen auch ein ideologischer Sachverhalt zugrunde. Diesen erkennt Kloft, Liberalits principis 135 in derPropagierung derkaiserlichen Fürsorgepflicht.

DieKrise der italischen Landwirtschaft unter Kaiser Tiberius (33 n. Chr.)* Verlauf – Folgen Ursachen –

I Wenn der Historiker den Begriff „Krise“verwendet, so tut er es zumeist in demSinne, deneinerseits Jacob Burckhardt undandererseits Karl Marx demin der . Er spricht dann etwa vonder„Krisis Medizin beheimateten Wort gegeben haben1 2 oder der „Krise der Sklavenhalterordnung“3 und meint des römischen Reiches“ geschichtliche Krise“der Völkerwanderung4 bzw. die „Systemkrise“ damit die „ der Gesellschaftsformation des Altertums5 . In beiden Fällen handelt es sich um langandauernde, alle Lebensbereiche erfassende undverändernde Prozesse. Daneben gebraucht derHistoriker desöfteren einen zweiten Krisenbegriff. Er ist aufVorgänge in derWirtschaft beschränkt, diezeitlich undmeist auch räumlich enger eingegrenzt sind. Bei derVerwendung dieses speziellen Krisenbegriffs besteht indes die Gefahr des Widerspruchs seitens der Wirtschaftswissenschaft. So hat beispielsweise Theodor Mommsen für Rom um das Jahr 89 v. Chr. eine ökonomische Krise“diagnostiziert6 , Arthur Spiethoff aber hat sich dagegen ver„ wahrt, daßes sich umeine Krise „ in unserem Sinne“handle7 . Dahinter steht die in der Wirtschaftswissenschaft gewonnene Erkenntnis, daß die Krise nicht für sich, sondern als Teil eines zyklischen Geschehens, der Konjunktur, betrachtet werden *

in: Historia 25, 1976, 217– 234.

Der

3

Gegenstand dieser Untersuchung gehörte zum Themenkreis eines Seminars über , das ich im Wintersemester Wirtschaftliche Probleme der frühen römischen Kaiserzeit“ „ 1972/73 anderUniversität zuKöln abgehalten habe. Dankbar erinnere ichmichandiefruchtbaren Diskussionen mit den Teilnehmern dieses Seminars. In anderer Form habe ich das Thema in einem Vortrag behandelt, denich am 1.2.1973 aufEinladung derPhilosophischen Fakultät derJohannes Gutenberg-Universität inMainz gehalten habe. ZurÜbertragung ausdemmedizinischen in denpolitischen Bereich überhaupt vgl. R. Koselleck, Kritik undKrise, 1959, 211 Anm. 124. J. Straub, Christliche Geschichtsapologetik in der Krisis des römischen Reiches, Historia 1, 1950, 52,jetzt in: Ders., Regeneratio imperii, 1972, 240. E. M. Schtajerman, Die Krise der Sklavenhalterordnung im Westen desrömischen Reiches,

4

J.

1 2

1964.

5 6 7

Burckhardt, Weltgeschichtliche Betrachtungen (Kröner Bd. 55), 1955, 4. Kapitel: Die geschichtlichen Krisen, hier S. 167. Über diemarxistische Klassifizierung desAltertums als Epoche derSklavenhaltergesellschaft vgl. R. Werner, Artikel „Altertum“in: Marxismus im Systemvergleich, Geschichte Bd. 1, 1974, 68 ff. Th. Mommsen, Römische Geschichte II13, 1921, 249 f. A. Spiethoff, Artikel „Krisen“imHandwörterbuch der Staatswissenschaften VI4, 1925, 39.

260

Gesellschaft

muß, daßaber Konjunkturzyklen erst seit demAufkommen desmodernen Kreditwesens auftreten, also eine demKapitalismus eigene Erscheinung sind8. Der Hivorkapitastoriker muß daher sehr sorgfältig zwischen „ kapitalistischen“und „

listischen“Krisen unterscheiden9, d. h. insbesondere die letztere Determinierung hervorheben, umanzuzeigen, daßer es miteiner weitgehend durch exogene Ursachen hervorgebrachten Störung der Wirtschaft allgemein oder eines bestimmten Sektors undnicht miteiner vorwiegend endogen verursachten Konjunkturphase zu

tunhat.

In diesem, also „vorkapitalistischen“Sinne soll derBegriff „Krise“imfolgendenbei derAnalyse des vonTacitus in denAnnalen unter demJahre 33 n. Chr.10 ausführlich geschilderten, denGeld- undKreditmarkt bzw. die italische Landwirtschaft betreffenden Geschehens11 verwendet werden. Wenn dabei das eine oder modern“anmuten sollte, so ist daran zuerinnern, daßdie Wirtandere Merkmal „ kapitalistische“Züge aufweist12. Im ganzen aber schaft des Altertums durchaus „ vorkapitahandelt es sich bei der hier zu besprechenden Krise umeine typisch „ listische“ , d. h. aus sich selbst heraus erklärbare Erscheinung, deren Simplizität in hohem Maße geeignet ist, als Modell betrachtet zuwerden13. II

In der zweiten Hälfte des Jahres 33 n. Chr.14 wurde bei der von demPraetor Gracchus15 geleiteten quaestio eine Vielzahl von Prozessen gegen faeneratores anhängig gemacht. Der Anklagetenor lautete auf Verstoß gegen die lex Iulia de modo credendi possidendique intra Italiam16; der genaue Tatbestand muß ‘Zinswucher’ gewesen sein, da Tacitus unmittelbar nach Erwähnung des auf Caesar zurückgehenden Gesetzes einen Überblick über dasfaenebre malum in 8

9 10

11

12

13 14

15 16

Vgl. dazuetwa die „Geschichtliche Einleitung“desRowohlts Taschenbuchs vonG. Schmöl10. ders, Konjunkturen undKrisen, 1955, 8– Die analoge Frage nach derUnterscheidung zwischen denKrisen des„klassischen“unddes „Spätkapitalismus“stellt undbeantwortet J. Habermas, Washeißt heute Krise? Merkur 27, 1973, 345 ff. Tac. ann. 6, 16 f. Ergänzungen bei Suet. Tib. 48, 1 undCass. Dio 58, 21, 4 f. In derLiteratur steht dererstere Aspekt imVordergrund: W.F. Allen, TheMonetary Crisis in Rome, A. D. 33, TAPhA 18, 1887, 5 ff., T. Frank, The Financial Crisis of 33 A. D., AJPh 56, 1935, 336 ff. J. A. Schumpeter, Konjunkturzyklen II, 1961, 237 Anm.9 weist besonders aufdasgriechische undrömische Finanzwesen hin, dasnachseiner Meinung „sehrmodern“aussieht. Zur Modellfunktion der Alten Geschichte überhaupt vgl. etwa die Ausführungen von Chr. Wassoll unsheute noch dieAlte Geschichte“in: Ders., Entstehung Meier in seinem Vortrag „ des Begriffs ‘Demokratie’ (Suhrkamp Bd. 387), 1970, 173 f. Die Eingrenzung auf diezweite Jahreshälfte ergibt sich ausdemTodesdatum desJuristen M. Cocceius Nerva (kurz nach dem18.10.33 n. Chr.: Tac. ann. 6, 26, 1), derimZusammenhang mit denhier zu besprechenden Ereignissen Selbstmord beging (Cass. Dio 58, 21, 4). Vgl. untenAnm.70. E. Groag, RE2 A, 1923, 1374 behandelt ihnunter denSempronii. Tac. ann. 6, 16, 1. 3.

Krise

deritalischen Landwirtschaft

261

RomvondenZwölftafeln bis aufjene lex gibt17. Demnach müßte das caesarische Gesetz eine Klausel enthalten haben, diedenhöchstzulässigen Zinsfuß fixierte und seine Einhaltung durch Androhung eines Kriminalverfahrens zu sichern suchte. Hinsichtlich des Zinsmaximums dürfte Caesar sich an das Senatusconsultum von 51 v. Chr. angelehnt haben, das centesimae usurae (1 % monatlich = 12 % jährlich) zuließ18; wasdenzuständigen Gerichtshof anbelangt, so scheint er eine neue quaestio eingesetzt zuhaben19. Außer der Klausel über denHöchstzins mußdie lex Iulia de modo credendi possidendique intra Italiam, die in das Jahr 49 v. Chr. gehört, eine Bestimmung enthalten haben, die dasVerhältnis regelte, in demdas Leihkapital derfaeneratores zu deren italischem Grundbesitz zu stehen habe20. Zu diesem Schluß zwingt die Tatsache, daßbei der Erneuerung des Gesetzes durch denKaiser Tiberius ein solches Verhältnis, nämlich 1 : 2 (1/3 Leihkapital, 2/3 Grundbesitz) erwähnt wird21. Auch in diesem Punkte hatten die imJahre 33 n. Chr. angeklagten faeneratores sich schuldig gemacht, wie daraus hervorgeht, daßihnen durch SC auferlegt wurde, ihre Vermögensverhältnisse secundum iussa legis zuordnen22. Nunmeint allerdings Billeter, die Mißachtung desin derlex Iulia festgesetzten Verhältnisses sei der entscheidende Anklagepunkt gegen diefaeneratores 17 Tac. ann. 6, 16, 1 f. Dadurch, daßTacitus

18

seine Ausführungen imZinsverbot unddenMaßnahmen zurVerhinderung seiner Umgehung gipfeln läßt, hält es schwer, dieVerbindung zum Gesetz Caesars herzustellen. Dennes entsteht derfalsche Eindruck, als habe auch dieses den alten Rechtszustand nicht geändert. Vgl. Allen a. O. 11.Unrichtig behauptet E. Koestermann, Cornelius Tacitus, Annalen II, 1965, 278, es bestehe kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen denvonTacitus berufenen alten Gesetzen undden„ Geldschwierigkeiten“desJahres 33 n. Chr.Zinswucher hier wiedortstellt vielmehr diedirekte Verbindung her. Cic. Att. 5, 21, 13. H. Billeter, Geschichte des Zinsfußes im griechisch-römischen Altertum bis auf Justinian, 1898 (Nachdr. 1970), 175 meint, Caesar habe kein Zinsmaximum festzulegenbrauchen, daderSenatsbeschluß von51 v. Chr. dies schon getan habe. Aber ein Senatsbeschluß konnte doch zudieser Zeit noch kein Recht schaffen, höchstens Verhaltensnormen aufstellen. Ein Quaestionenverfahren wegen Zinswuchers setzt eine den Tatbestandsrahmen fixierende lex voraus. Zuderweiteren Argumentation Billeters gegen die Festsetzung eines Zinsmaximums in der lex Iulia de modo credendi possidendique intra Italiam s. unten im

Text.

19 Vgl. W. Kunkel, RE 24, 1963, 748. 774. –Th. Mommsen, Römisches Strafrecht, 1899 (Nachdr. 1961), 850. 852 vermutet, daß für Korn- undZinswucher dieselbe quaestio zuständiggewesen sei. Dannmüßte Augustus inseiner lexdeannona (Kunkel a. O.771) diese Kop-

20

21

pelung eingeführt haben. Cass. Dio41, 38, 1 erwähnt unter demJahre 49 v. Chr. ein Gesetz Caesars, welches denBesitz vonBargeld auf 15000 Drachmen = Denare begrenzte. Es handelt sich hierbei sicher um eine unvollständige Wiedergabe der von Tacitus de modo credendi possidendique intra Italiam betitelten lex Iulia. ZurNotwendigkeit derErgänzung desBargeldlimits durch eine die Anlage des übrigen Vermögens betreffende Vorschrift s. Th. Mommsen, Römische Geschichte III13, 1922, 537, Allen a. O. 6 f., Frank a. O. 336 Anm. 1. Tac. ann. 6, 17, 1, Suet. Tib. 48, 1. Mommsen a. O. 537 undihmfolgend Billeter a. O. 176 nehmen fürdielex Iulia ein Verhältnis 1 : 1 (½Leihkapital, ½Grundbesitz) anundunterstellenTiberius eine Änderung desVerhältnisses. Dasistjedoch bei derkonservativen GrundhaltungdesKaisers unwahrscheinlich. Vgl. auchFrank a. O.

22 Tac. ann. 6, 16, 3.

262

Gesellschaft

gewesen. Umzu dieser Behauptung Stellung nehmen zu können, ist es erforderlich, in die Vorgeschichte der Anklagewelle des Jahres 33 n. Chr. hineinzuleuch-

ten.

Warum erfolgten die Anklagen gerade in diesem Jahr? Suchten die Delatoren, die bisher mit Majestätsprozessen gegen die Anhänger des geächteten praefectus praetorio Seianus beschäftigt gewesen waren23, bloß ein neues Arbeitsgebiet, oder gabes zwingende Gründe fürdieAnklagen gegen diefaeneratores? In die letztere Richtung weist die von Tacitus für das Jahr vor der Anklagewelle (32 n. Chr.) verzeichnete Teuerung desBrotgetreides, diein RomzuschwerenUnruhen führte24. DaTiberius in einem Schreiben an denSenat seine Schuldlosigkeit an demGetreidemangel durch eine genaue Aufzählung der aus den einzelnen Provinzen regelmäßig eingeführten Getreidemengen dartat25 undauch den nicht die Schuld anlasteanders als imJahre 19 n. Chr. – Händlern (negotiatores) – te26, ist der Schluß unabweisbar, daß ein anderer die Getreideversorgung Roms bedingender Faktor für die gravitas annonae desJahres 32 n. Chr. verantwortlich gemacht werden muß.Nach Lage derDinge kann dieser Faktor nureine Mißernte in Italien gewesen sein27. Denn es ist bekannt, daßRom nicht nurvon überseeischem, sondern auch von italischem Getreide abhing28. Eine Mißernte in Italien aber würde erklären, wiees zuderAnklagewelle desJahres 33 n. Chr. gekommen

ist.

Es gilt da einen Sachverhalt ins Licht zu rücken, den die Forschung bisher nicht gebührend beachtet hat: Die Kontrahenten derfaeneratores waren Bauern! Dasergibt sich einmal ausderTatsache, daßTiberius ihnen (als debitores) 23 ZuderAnklagewelle nach derHinrichtung Seians vgl. F. B. Marsh, The Reign of Tiberius, 1931 (Nachdr. 1959), 200 ff., R. S. Rogers, Criminal Trials andCriminal Legislation under

Tiberius, 1935, 117 ff., E. Kornemann, Tiberius, 1960, 198 ff. 24 Tac. ann. 6, 13, 1: gravitate annonae iuxta seditionem ventum. Die Registrierung von Teuerungen gehörte seit alters zur Thematik derAnnalistik. Vgl. Cato orig. fr. 77 (HRR I 77 = Gell. 2, 28, 6) vomInhalt dertabula apudpontificem maximum: quotiens annona cara. 25 Tac. a. O.: addiditque quibus e provinciis et quanto maiorem quamAugustus reifrumentariae

copiam advectaret. Tiberius hatte damals denGetreidepreis durch Subventionen für die negotiatores (über deren Bedeutung Sen. benef. 6, 14, 3 f.) limitiert: Tac. ann. 2, 87. Vgl. dazu H. P. Kohns, Wirtschaftsgeschichtliche Probleme in der Historia Augusta. In: Historia Augusta-Colloquium Bonn 1964/65, 1966, 118 f. 27 Auch Frank a. O. 340 Anm. 10 hat diese Erklärungsmöglichkeit gesehen, sie jedoch nicht verwertet, weil er meinte, nur das Ausbleiben des Getreides aus den Provinzen hätte einen Einfluß aufdenGetreidepreis inRomhaben können. NachdenAusführungen desTiberius bei Tac. ann. 6, 13, 1 (Anm. 25) waraber die überseeische Getreidezufuhr imJahre 32 n. Chr. durchaus normal. 28 Vgl. App.b. c. 5, 18(§ 72) zumJahre 40 v. Chr.: Hungersnot inRom, weil Sex. Pompeius die Zufuhr über See sperrte unddieitalische Landwirtschaft infolge derKriegszeiten daniederlag. Cass. Dio 54, 1, 1 f. zumJahre 22 v. Chr.: Hungersnot in Romwegen derin Italien wütenden Suet. Aug. 42, 3 undCass. Dio55, Seuche, diedieBebauung derFelder unmöglich machte. – 26, 1 zumJahre 6 n. Chr.: Hungersnot inRominfolge einer Mißernte (sterilitas). Dieausdiesen Stellen zuziehende Folgerung bei N. A. Maschkin, Zwischen Republik undKaiserreich, 1954, 453.

26

Krise

deritalischen Landwirtschaft

263

gestattete, ihre Schuld in Land zubezahlen29, undzumanderen ausderihnen später eröffneten Möglichkeit, zinslose Staatsdarlehen gegen Verpfändung ihrer praedia zuerhalten3 0.Waren nundieverschuldeten Bauern voreiner Mißernte betroffen, so konnten sie denfaeneratores nicht die Darlehenszinsen zahlen, und es wird klar, daßsie nach Mitteln undWegen suchten, umsich gegen ihre un1 nachsichtlichen Forderungen3 zurWehr zusetzen. Das letzte Mittel waroffenbar dieAnklageerhebung vor derquaestio32. Dazu aber bedurfte es eines offen zutage liegenden unddaher leicht beweisbaren Vergehens derfaeneratores. Dieses war gegeben, wenn die Darlehensverträge eine Überschreitung des in der lex Iulia de modo credendi possidendique intra Italiam festgesetzten Zinsmaximums auswiesen. Dagegen dürfte es schwer, ja unmöglich gewesen sein, demeinzelnen faene3. rator unzulässige Besitzverhältnisse im Sinne jenes Gesetzes nachzuweisen3 Es ist also gegen Billeter daran festzuhalten, daßder erste undwichtigste Anklagepunkt der im Jahre 33 n. Chr. vor der quaestio des Praetors Gracchus anhängig gemachten Prozesse ‘Zinswucher’ gewesen ist. Wohl ist einzuräumen, daß von 4 demAugenblick an, da berufsmäßige Delatoren sich der Sache annahmen3 und dascaesarische Darlehensgesetz studierten, dieBesitzverhältnisse derAngeklagten überhaupt in die Prozeßmaterie einbezogen wurden, so daßzuerwarten stand, daß die Verhandlungen das ganze Ausmaß der Verfehlungen ans Licht brächten. Vielleicht spielte sogar dieser Gesichtspunkt bei demEntschluß desPraetors Gracchus, vor Durchführung der Prozesse eine Stellungnahme des Senats herbeizuführen, eine wichtige Rolle35 . Jedenfalls dürfte sich mit größtmöglicher Klarheit ergeben haben, daßeine aufdie Spitze getriebene Notlage deritalischen Landwirtschaft zu derFlut vonAnklagen defaenore imJahre 33 n. Chr. geführt hat.

29 Suet. Tib. 48, 1, Tac. ann. 6, 17, 1. Dazu unten S. 265. W. E. Heitland, Agricola, 1921, 289 f. verfälscht denSachverhalt, wenn er behauptet, dasLand habe Spekulanten gehört, die es nur alsPfand benutzten, umKredite aufnehmen zukönnen. 30 Tac. ann.6, 17,3. ÜberdieEinzelheiten s. unten S. 273. 31 Eine Stundung derZinsen biszurnächsten Ernte hätte vielleicht denEklat vermieden. 32 Vergleichbar ist die Situation desJahres 89 v. Chr. Damals hatten sich die bedrängten Schuldnerandenpraetor urbanus A. Sempronius Asellio gewandt, derihre Klagen (auf Privatstrafe nach derlex Marcia) andie iudices weitergab. Er wurde deswegen vondenfaeneratores erschlagen. App. b. c. 1, 54 (§ 232 ff.), vgl. Liv. per. 74, Val. Max. 9, 7, 4. Dazu eingehend Billeter a. O. 144 ff. Zumpolitischen Hintergrund E. Badian, Quaestiones Variae, Historia 18, 1969, 475 ff. 33 Nach Cass. Dio 41, 38, 3 hätte das „Volk“von Caesar verlangt, er solle in das hier in Rede stehende Gesetz eine Bestimmung über Belohnungen für Sklaven, die Anzeige gegen ihre von Caesar abgelehnte –Ansinnen wird verständlich, Herren erstatteten, aufnehmen. Das – wennmanbedenkt, daßSklaven bzw. Freigelassene dieVermögensverhältnisse ihrer Herren oftmals besser kannten als diese selbst. Besonders offenkundig ist dies im Falle Ciceros (Eros bzw. Philotimus), dazuW.Kroll, DiePrivatwirtschaft zurZeit Ciceros, Neue Jahrbücher für Wissenschaft undJugendbildung 5, 1929, 426 mitAnm.2. 34 Tac. ann. 6, 16, 1 gebraucht denterminus technicus accusatores. Die Prozeßeinleitung wird dergestalt erfolgt sein, daßdie vomZinswucher bedrängten Bauern sich mitdieser Klage an stadtbekannte Delatoren wandten, diedanndieaccusatio vorderquaestio übernahmen. 35 Vgl. dazugleich unten imText.

264

Gesellschaft

III Nach Tacitus wares dieMasse derAngeklagten (multitudo periclitantium), die 6. dazu führte, daß der Praetor Gracchus das Votum des Senats einholte3 Der nachfolgende Stimmungsbericht aus demSenat, der die Furcht der Senatoren hervorhebt, daalle irgendwie in die Affaire verwickelt waren37, läßt indes erkennen, daß noch ein anderer Grund denPraetor zu seinem Schritt bewogen haben wird: Die Mehrzahl derAngeklagten gehörte demSenat an; für Senatoren aber wares mehr undmehr üblich geworden, daßsie bei Kriminalprozessen vomSenatsgericht abgeurteilt wurden38. Denkt manschließlich an die Brisanz, die, wie oben schon angedeutet, dieBeweisaufnahme eines jeden Prozesses enthielt, so kann mansehr gut

verstehen, daß der Praetor sich in größter Verlegenheit befand. In ähnlicher Lage hatte der Praetor Pompeius Macer im Jahre 15 n. Chr. als Leiter der quaestio de maiestate bei Tiberius angefragt, wie er es mit denbei ihmeingegangenen Majestätsanklagen halten solle39. Die beiden Fälle lassen sich durchaus vergleichen. Denn auch die andenSenat gerichtete Anfrage desPraetors Gracchus gelangte an Tiberius, unddessen Reaktion entsprach ganz der, die er im Jahre 15 n. Chr. gezeigt hatte, als er demPraetor Pompeius Macer denBescheid gab, diebestehenden 0. Gesetze müßten angewendet werden4 Bevor jedoch Tiberius im Jahre 33 n. Chr. mit denAnklagen defaenore befaßt wurde, mußes im Senat zu einer erregten Beratung darüber gekommen sein, wie mandemdrohenden Sturm begegnen könne. Das Ergebnis liegt in demvonTacituserwähnten ‘Gnadengesuch’ vor: DerKaiser wurde, wohl unter Hinweis auf das gefährdete Prestige des Senats, umBegnadigung der Angeklagten undüberhaupt umStraffreiheit für die denAnklagen zugrunde liegenden Handlungen gebeten41. Die Petition lief im Grunde darauf hinaus, Tiberius zu einer Stellungnahme über Gültigkeit undAnwendungsbereich der lex Iulia de modo credendi possidendique intra Italiam zu veranlassen. Tacitus stellt ja ausdrücklich fest, daß das Gesetz längst nicht mehr beachtet wurde, weil jeder nur auf den eigenen Vorteil, nicht 2. aber auf das allgemeine Wohl achtete4 Tiberius wäre also die Aufgabe zugefallen, das Gleichgewicht zwischen diesen das Wirtschaftsleben bestimmenden Kräften herzustellen.

36 Tac. ann. 6, 16, 3. 37 Tac. a. O.: trepidique patres (neque enimquisquam tali culpa vacuus). 38 ZurEntwicklung des Senatsgerichts vgl. H.Volkmann, ZurRechtsprechung imPrincipat des Augustus, 21969, 93 ff., J. Bleicken, Senatsgericht undKaisergericht, 1962, 30 ff. W. Kunkel, Über dieEntstehung desSenatsgerichts, SB München 1969, 2 = Kleine Schriften, 1974, 267 ff. 39 Tac. ann. 1, 72, 3. Dazu E. Koestermann, Die Majestätsprozesse unter Tiberius, Historia 4, 1955, 76 ff., P. J. Cuff, Tacitus, Annals I. 72, Class. Rev. 78, 1964, 136 f. 40 Tac. a. O.: exercendas leges esse respondit. 41 Tac. ann. 6, 16, 3: veniam a principe petivere. Die exakte Bedeutung von venia an dieser Stelle beiW.Waldstein, Untersuchungen zumrömischen Begnadigungsrecht, 1964, 99. 42 Tac. ann. 6, 16, 1: omissa (sc. legem) olim, quia privato usui bonum publicum postponitur.

Krise

deritalischen Landwirtschaft

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Der Kaiser hielt sich seit demJahre 26 n. Chr. in Capri auf; mit dem Senat verkehrte er nur noch auf brieflichem Wege über die Konsuln43; seine Entscheidungen traf er allein nach vorheriger Beratung mit M. Cocceius Nerva, demeinzigen Senator, der ihn nach Capri begleitet hatte4 4. Bei derDiskussion über die im Falle derfaeneratores zuergreifenden Maßnahmen kames infolge gegensätzlicher Auffassungen zu einem völligen Zerwürfnis zwischen dem Kaiser und seinem Ratgeber. Tiberius wollte die lex Iulia de modo credendi possidendique intra Italiam wieder in Kraft setzen. Innerhalb von 18 Monaten sollten alle faeneratores, vornehmlich natürlich die vor der quaestio angeklagten, ihre Vermögensverhältnisse in Übereinstimmung mit den Vorschriften dieses Gesetzes bringen45. Damit die dadurch erforderlich werdenden Darlehenskündigungen nicht zum Ruin der Schuldner führten, hatte Tiberius weiter vor, noch auf ein anderes aus demJahre 49 v. Chr. stammendes Gesetz Caesars zurückzugreifen. Dieses hatte dendamaligen Schuldnern gestattet, Grundstücke und bewegliche Sachen (possessiones et res) statt Geld zur Tilgung ihrer Schulden zu verwenden46. Tiberius gedachte, den Grundgedanken dieses Gesetzes dergestalt auf die gegenwärtige Situation anzuwenden, daßdie Schuldner nur2/3 ihrer Schuld sofort, undzwar mit ihrem Grund undBoden bezahlen sollten. Ihre Gläubiger waren ja ohnehin durch die lex Iulia de modo credendi possidendique intra Italiam gehalten, diese Vermögensquote in 7. Grundbesitz anzulegen4 Nerva warnte den Kaiser vor der Erneuerung der caesarischen Darlehensge8. ), ja eine ία τ ισ π setze4 Er warüberzeugt, daßeine Erschütterung des Kredits (ἀ ή ) eintreten werde49. Worauf Nerva sich bei seiner ὴπ ο λ λ ρ α χ α schwere Krise (τ 43 Vgl. Tac. ann. 6, 39, 2. Cass. Dio58, 21, 3. 44 Tac. ann. 4, 58, 1. E. Kornemann, Tiberius, 1960, 208 bezeichnet ihn als „die eigentliche . Seele derRegierung“ 45 Tac. ann. 6, 16, 3: et concedente (sc. venia) annus in posterum sexque menses dati, quis

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secundum iussa legis rationes familiares quisque componerent. dieses Gesetzes s. Caes. b. c. 3, 1, 2 f. 20, 1, Cass. Dio 41, 37, 3, App. b. c. 2, 48 (§ 198), Suet. Caes. 42, 2, Plut. Caes. 37, 2. Dazu Allen a. O. 6, der mit Recht darauf hinweist, daß dieses Gesetz Caesars nicht mit der lex Iulia de modo credendi possidendique intra Italiam identisch ist. Dagegen konfundiert beide Gesetze M. Gelzer, Caesar, 61960, 203. Ungenügende Trennung auch bei Koestermann, Annalenkommentar II 277. Suet. Tib. 48, 1: (cumper senatus consultum sanxisset,) utfaeneratores duas patrimonii partes in solo collocarent, debitores totidem aeris alieni statim solverent. Tac. ann. 6, 17, 1: (ad hoc senatus praescripserat,) duas quisque faenoris partes in agris per Italiam conlocaret. Tacitus’Angabe ist unvollständig. Nipperdey hatsie in seiner Edition ausSueton (debitores – solverent) ergänzt. Indes hat Tacitus wohl bewußt auf diese Einzelheit verzichtet, da sie sich, wenn auch miteiniger Mühe, demvonihmgebotenen Text entnehmen ließ. Dennfaenus bedeutet ja dasimEinzelfall aufZins ausgeliehene Kapital, undebendieses sollte zu2/3 in Land umgesetzt werden. Vgl. Koestermann, Annalenkommentar II 280. Sueton dagegen gebraucht statt faenus denTerminus patrimonium, „ Gesamtvermögen“ , der wohl aus der lex Iulia de modo credendi possidendique intra Italiam stammt. Im Zusammenhang mit der Zahlungsverpflichtung derdebitores ist er inkorrekt. Vgl. Allen a. O. 15. Diese Bezeichnung gebraucht Cass. Dio 58, 21, 4: ν μ ο ὶτ β ιπ ῶ ό μ νσ ο ερ λ υ α ίω νὑ π ὸτο ῦ

49

Cass.

46 Über die Einzelheiten

47

ρ ο ςτεθ Κ α ίσ ι. α έν τ α

ὴπ Dioa.O.:ἐ α χ ο ή ὶταρ ὴγεν α λ σ ίακ τ ισ εσ π λ θ ὶἀ α α ν κ ελ ξὧ ιἔμ λ ε ν .

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Gesellschaft

düsteren Prognose stützte, ist nicht überliefert, dochhält es nicht schwer, mögliche Gründe aufzuspüren. Da ist zunächst die Erfolglosigkeit der beiden Gesetze Caesars ausdemJahre 49 v. Chr.! Sie sollten die ‘eingefrorenen’ Kredite verflüssigen und überhaupt den Geld- und Kreditmarkt beleben50. Hätten sie dieses Ziel erreicht, so würde im Jahre 46 v. Chr. Cicero doch wohl nicht die Wiederherstellung des Kredits Caesar als vordringliche Aufgabe empfohlen haben51. Wenn seit 46 v. Chr. die erstrebte Normalisierung eintrat, so war dies in erster Linie eine Wirkung der nach dem Triumph Caesars in Umlauf gekommenen gewaltigen 2. Geldmengen5 Neben grundsätzlichen Zweifeln an der Richtigkeit der seinerzeit von Caesar ergriffenen Maßnahmen dürfte Nerva der Blick auf die Staatsfinanzen veranlaßt haben, von demRückgriff auf die caesarischen Darlehensgesetze abzuraten. Der Staatsschatz war prall gefüllt. Beim Tode des Tiberius enthielt er 2,7 Milliarden oder gar 3,3 Milliarden Sesterzen53. Die ganze, besonders durch Konfiskationen54 zudieser Höhe angewachsene Summe blieb demGeldumlauf entzogen, so daßvon 5. einer angespannten Lage auf demGeldmarkt gesprochen werden konnte5 In dieser Situation Darlehenskündigungen herbeiführen zu wollen, war in der Tat ein äußerst gefährliches Unterfangen, undes ist durchaus verständlich, daßNerva für den Fall, daß Tiberius auf seinem Vorsatz beharrte, einen Zusammenbruch des ία ) als unausbleiblich ansah. τ Kredits (ἀ ισ π Die Befürchtung Nervas ging, wie erwähnt, noch weiter: Er sah eine Wirtὴπ ο ρ α χ ή λ ) voraus. Manwird präzisieren dürfen: Es wareine λ α schaftskrise (τ deren Ausbruch Nerva aufgrund derdurch die Anklagen defaenore in helles Licht gerückten Verschuldung der italischen Landwirtschaft bei einemFehlverhalten desTiberius vorhersagte. Unter diesem Blickwinkel erhält dervon Tacitus verwendete Begriff desfaenebre malum die Bedeutung eines Krisensymptoms: Die von denfaeneratores

Agrarkrise,

50 Die Begründung

Caesars für sein Gesetz über die Schuldentilgung durch possessiones et res cumfides tota Italiae esset angustior neque creditae pecuniae solverentur (b. c. 3, 1, 2). Vgl. Cass. Dio 41, 37, 1. Als Grund für die Beschränkung des Bargeldbesitzes durch die lex Iulia de modo credendi possidendique intra Italiam führt Cass. Dio 41, 38, 1 f. die Geldhortung unddendadurch bedingten Kreditmangel an. Von einer nummorum caritas im Jahre 49 v. Chr. spricht Cic. Att. 9, 9, 1, vgl. auch 7, 18, 4. Cic. Marc. 23: revocanda fides. Nach App. b. c. 2, 102 (§ 421) wurden imTriumphzug Münzen imWerte von60 500 Talentenundgoldene Kränze imGewichte von20 414 Pfund mitgeführt. DasGeld kamdurch Geschenke an Soldaten undPlebs, durch Speisungen undSpiele in Umlauf. Einzelheiten und Quellen bei Gelzer a. O. 264 f. Zur Darlehensgewährung Caesars an Senatoren vgl. Suet. Caes. 27, 1. Suet. Cal. 37, 3 bzw. Cass. Dio 59, 2, 6. Heitland a. O. 288 f. bezieht dievonTacitus erwähnten Konfiskationen irrig auf Verurteilungenvonfaeneratores. Solche wurden ja durch die kaiserliche venia (Tac. ann. 6, 16, 3, vgl. unten S. 269) verhindert! Gemeint sind vielmehr die Konfiskationen auf Grund früherer Prolautet:

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53

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zesse, hauptsächlich wegen maiestas. Frank a. O. 340 deutet dieErwähnung desimFiskus oder Aerarium liegenden Bargeldes bei Tac. ann. 6, 17, 1 als Hinweis aufDiskussionen über dieökonomischen Folgen derReduktion desGeldvolumens.

Krise der italischen Landwirtschaft

267

verlangten Wucherzinsen signalisieren den Kulminationspunkt einer krisenhaften 6. Entwicklung5 Ihr gilt esjetzt aufdie Spur zukommen.

IV

ImGrunde mußmanbis in dasJahr 29 v. Chr. zurückgehen, umzuverstehen, wiedasfaenebre malum imJahre 33 n. Chr.jenen Punkt erreichen konnte, derdie 7. italische Landwirtschaft so gefährlich bedrohte5 Damals hielt Oktavian seinen 8 Triumph über Kleopatra5 undbrachte die riesigen Bestände desPtolemäer-Schatzes auf vielfache Art unters Volk59. Die Geldschwemme (abundantia pecuniarum, μ ά τω ν ) bewirkte, daßderDarlehenszinsfuß auf ein Drittel seiη θ ο ῆ ῶ ςτ νχρ π λ ner bisherigen Höhe (von 12 auf 4 %) sank, undweiter, daß die Boden- und Warenpreise auf das Doppelte stiegen60. Wovon die Quellen nicht sprechen, was aber auf Grund der im Jahre 33 n. Chr. zutage tretenden Not der Landwirtschaft ganz sicher angenommen werden darf, ist eine Ausweitung des Agrarkredits. Sie war eine natürliche Folge derLiquidität des Geldmarktes einerseits unddes durch die Kriegsschäden vollauf erklärlichen Kreditbedarfs der Landwirtschaft anderer2. seits61. DasAnziehen derBodenpreise mußdabei wegbereitend gewirkt haben6 56 Vgl. die Rolle, dieder„hohe Leihzins“immodernen Konjunkturzyklus spielt: Er ist dasCharakteristikum derletzten Phase des„ Aufschwungs“ , Spiethoff (oben Anm.7) 38. 57 Zumschleichenden Charakter der Agrarkrisen vgl. W. Röpke, Krise undKonjunktur, 1932,

13 f. 58 Es handelt sich um den von Vergil (Aen. 8, 714 ff.) verherrlichten triplex triumphus (Dalmatia, Actium, Aegyptus). Vgl. dazu G. Binder, Aeneas undAugustus, 1971, 258 ff. 59 Zu den bei Cass. Dio 51, 17, 7 f. 21, 3 f. und in den Res gestae divi Augusti c. 15– 21 verzeichneten Aufwendungen (Beuteanteil der Soldaten, Geschenke an Senatoren und Ritter, Rückzahlung derKriegsanleihen, Spende andasVolk, Landankäufe undHandgeld fürdieVeteranen, Bautätigkeit) vgl. T. Frank, On Augustus andthe Aerarium, JRS 23, 1933, 146, der dieGesamtsumme auf 1000 Millionen Sesterzen schätzt. ῆ θ μ ο ά η τ ρτ ςτ ὸπ λ ω ῶ ὰ νδ νχρ ιὰπ ο τ νγ η σ ῦ μ ο ο ά σ ίω ςὁ 60 Cass. Dio 51, 21, 5: το ςτ ῆ ς α η σ τ ὲ η θ νκτήμ ε νὥ αἐπ τ ετ ὰμ σ π ό ῆ λ ιτιμ ρ ω ν ε α ςἐχώ ι, τ ὰδ ὲδαν μ είσ α τ α α ὐ μ ρ τ ο ῆ ρ ίῳ ςγ εν ιτη ῷ τ έσ θ α η τ ι. Suet. Aug.41, 1:nametinvecta urbi ῶ ςἐ ὶτ π γ α π ἀ Alexandrino triumpho regia gaza tantam copiam nummariae rei effecit, utfaenore deminuto plurimum agrorum pretiis accesserit. Oros. 6, 19, 19: Caesar Alexandria, urbe longe opulentissima et maxima, victor potitus est. Namet Roma in tantum opibus eius aucta est, utpropter abundantiam pecuniarum duplicia quam usque ad idfuerant possessionem aliarumque rerum venalium pretia statuerentur. Billeter a. O. 166 Anm. 1 betrachtet die über Cassius Dio und Sueton hinausgehenden Angaben bei Orosius (duplicia pretia, aliarum rerum venalium) als willkürliche Zutaten zudemallen drei Stellen zugrunde liegenden Bericht des Livius. Diese Ansicht ist unwahrscheinlich. DiePreissteigerung um1/2korrespondiert mitderZinssenkung um1/3. Beide Angaben dürften in derVorlage gestanden haben. Wasdie aliae res venales angeht, so gibt Billeter selbst zu, daßderGeldzufluß eine „ allgemeine Preissteigerung“hätte herbeiführen können. Er lehnt sienurab,weil „ diebesseren Quellen davon nichts berichten“ . 61 ZurWiederbelebung der Landwirtschaft nach demEnde der Bürgerkriege vgl. Vell. Pat. 2, 89, 4: Rediit cultus agris, dazu J. Ruelens, L’agriculture et la capitalisme à l’époque de Cicéron, Les Ètudes Classiques 19, 1951, 336. 62 Th. Mommsen, Die italische Bodenteilung unddie Alimentartafeln, Hermes 19, 1884, 398 = Ges. Schr. V, 1908, 128 ist der Ansicht, das Sinken des Zinsfußes habe einen run der Kapitalisten“auf Grundstücke ausgelöst, unddieser erst habe ein Steigen der Bodenpreise „

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Gesellschaft

Augustus scheint sich allerdings bewußt gewesen zusein, daßderKreditstrom, derseit demJahre 29 v. Chr. in die Landwirtschaft floß, durchaus Schaden anrichten könne, wenn er nicht unter Kontrolle gehalten werde. Wie soll mansonst verstehen, daßer sich in seiner Regierungszeit desöfteren entschloß, Staatskredite mit bestimmter Laufzeit gegen Pfandnahme in duplum zu gewähren63? Wahrscheinlich geschah dies auf Anzeichen hin, daß (nach Abebben jener Geldflut) der Zinsfußzusteigen begann. Jedenfalls stand dahinter dieÜberzeugung, daßfür die italische Landwirtschaft dieKreditfrage lebenswichtig war. Daßheißt aber, daßes eine bestimmte Schicht des italischen Bauerntums gab, die nurdurch ständige Kredithilfe bestehen konnte. Es wird sich ergeben, daßes die kleinen undmittleren Betriebe waren, die nicht ohne fremdes Geld auskamen64. Der Grund für ihre Kreditbedürftigkeit ist sicherlich in der Konkurrenz der Großbetriebe zu suchen; ihnen fielen sie ja in der Krise des Jahres 33 n. Chr. zu einem nicht geringen Teil anheim65. Bei dieser Sachlage dürfte klar sein, was das Aufhören der Stützungsmaßnahmen des Augustus, die zugleich als Kreditkontrolle gewirkt hatten, für Folgen gehabt haben muß: Die Bauern werden jede Darlehensverlängerung undjede neue Darlehensaufnahme mit einer Erhöhung desZinssatzes bezahlt haben. Dieser wird also in derRegierungszeit desTiberius immer höher geklettert sein. ImJahre 33 n. Chr.jedenfalls hatte er eine Höhe erreicht, die dasZinsmaximum der lex Iulia de

modocredendi possidendique intra Italiam weit überstieg. DasSteigen desZinsfußes kann auch noch dadurch gefördert worden sein, daß die zurAusmünzung gelangende Edelmetallmenge sich verringerte. Frank hat darauf hingewiesen, daß der Typenbestand bereits seit demJahre 9 v. Chr. stark zu6. rückging6 Ganz sicher aber wirkte die Sparpolitik des Tiberius auf das Zinsniveau ein. Denn sie mußte zurSchrumpfung derimUmlauf befindlichen Geldmengeführen. M. Cocceius Nerva scheint dieKontraktion desGeldmarktes vorAugen

gehabt zuhaben, als er Tiberius davon abzuhalten versuchte, durch Wiederinkraftsetzung der caesarischen Darlehensgesetze Panik auf demGeld- undKreditmarkt zuerzeugen. Vielleicht darf manihmdenPlan zuschreiben, denTiberius nach dem Scheitern seiner eigenen Maßnahmen zur Ausführung brachte: die Wiederaufnah-

bewirkt. Dagegen hat Billeter a. O. 166 Anm. 1 mitRecht aufdie Automatik vonsinkendem Zinsfuß undsteigenden Bodenpreisen hingewiesen. Vollends zeigen dieEreignisse 33 n. Chr., daßGrundstückskäufe größeren Umfangs nurbei vilitas stattfanden (Tac. ann. 6, 17, 2 f. un-

ten S. 269). 63 Suet. Aug. 41, 1: quotiens ex damnatorum bonis pecunia superflueret, usum eius gratuitum iis, quicavere in duplum possent, adcertum tempus induisit. 64 Unten.

65 Unten. 66 Es ist allerdings die Frage, ob die Anzahl derMünztypen

einen Schluß auf denUmfang der Münzprägung zuläßt. Immerhin verdient der von Frank (oben Anm. 11) 338 f. ermittelte Vergleichwert von5 % fürdieZeit von9 v. Chr. bis 32 n. Chr. gegenüber demZeitraum von 10 v. Chr. Beachtung. Zu bedenken ist auch, ob nicht die Aes-Prägung in bestimmten 30– Grenzen ausgleichend wirken konnte.

Krise

mederaugusteischen 7. ren6

deritalischen Landwirtschaft

Praxis, zinslose Agrarkredite ausderStaatskasse

269

zugewäh-

Zunächst jedoch setzte Tiberius seinen Willen in die Tat um.Er gewährte die vom Senat erbetene venia unter der Bedingung, daß alle faeneratores innerhalb von 18 Monaten die Verletzungen der lex Iulia de modo credendi possidendique 8, intra Italiam wiedergutmachten6 undveranlaßte einen Senatsbeschluß, der den Schuldnern die ‘Vergünstigung’ einräumte, innerhalb der nächsten 18 Monate ‘nur’2/3 ihrer Schuld tilgen zu brauchen und dafür Land statt Geld in Zahlung geben zukönnen69. Nerva warüber die Entscheidung des Tiberius so erbittert, daß er sich durch Verweigerung derNahrung denTod gab70. Durch seinen Freitod, für denTacitus 1, als terminus post quem den 18. Oktober 33 n. Chr. überliefert7 wollte Nerva verhindern, daß er als Mitschuldiger an dem von ihm vorhergesehenen Unheil erschiene72. Tatsächlich bezeichnet der Selbstmord Nervas den Ausbruch einer Krise, wiesie RomundItalien seit denBürgerkriegen nicht mehr erlebt hatten.

V Tiberius wollte, wiedargelegt, die mitderErneuerung dercaesarischen Darlehensgesetze verbundenen Kreditkündigungen durch Mobilisierung des Grundbesitzes ausgleichen. Dasvermeintliche Heilmittel wirkte indes verhängnisvoll73. Die staatliche Kreditrestriktion führte zu einer privaten Kreditsperre und dadurch zu einer schweren Geldknappheit (magna difficultas nummaria, inopia rei nummariae). Denn die Gläubiger kündigten schlagartig dievonihnen gewährten Darlehen undverlangten ihre Rückzahlung in voller Höhe74. Sie ignorierten also die Be-

67

Darauf deutet die Verbindung, Selbstmord Nervas steht, hin.

in derbei Cass. Dio58, 21, 4 f. die Kreditgewährung mitdem

68 Tac. ann. 6, 16, 3 (Text oben Anm. 45). W. Waldstein, Untersuchungen zumrömischen Begnadigungsrecht, 1964, 99 bemerkt dazu: „ Damit wird die Wirkung derBegnadigung vonei. nerArttätiger Reue abhängig gemacht“ 69 Suet. Tib. 48, 1, Tac. ann. 6, 17, 1 (Texte oben Anm. 47). Dazu die sprachlich undsachlich klärenden Bemerkungen vonAllen (Titel oben Anm. 11) 14. 70 Cass. Dio 58, 21, 4 f., Tac. ann. 6, 26, 1 f. DenZusammenhang zwischen der Reaktion des Tiberius aufdieAnklagen defaenore unddemSelbstmord Nervas erwähnt nurCassius Dio(ὁ η σ εδ ο υ α ιάτ ς.... ἀπ Ν έρ ετἆλ ρ τέρ ᾽ὅ τ εκ α ι το ά ισ θ λ α λ ,κ ο α υ ὺ ὶμ ςτο ςνόμ ὺ ς α ίω νὑ ὸτ π ρ νσυμβολ ο ὶτ ῶ ρ ο ῦΚ α ίσ ςτεθ έν ε α τ α π ς... ἀνενεώ τ α ). NachTacitus σ ο wären es die mala rei publicae allgemein gewesen, die Nerva zuseinem Entschluß gebracht hätten.

71 Am 18.10.33 n. Chr. starben

Agrippina undihr Sohn Drusus. Der Senat beschloß ein alljährlich darzubringendes Weihgeschenk für den Jupitertempel (Tac. ann. 6, 25, 3). Haud multo post erfolgte dann derTodNervas (Tac. ann. 6, 16, 1). 72 Tacitus (ann. 6, 26, 2) weiß zuberichten, manhabe vonNerva erzählt, duminteger, dumintemptatus, honestum finem voluisse. 73 Tac. ann. 6, 17, 2 bemerkt, daßdasGegenteil vondem, wasmanerwartet hatte, eintrat (eaque quae remedio quaesita, venditio et emptio, in contrarium mutari). Suet. Tib. 48, 1 stellt nur lakonisch die Erfolglosigkeit derMaßnahme fest (nec res expediretur). 74 Tac. a. O.: sedcreditores insolidum appellabant.

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Gesellschaft

stimmung des Senatsbeschlusses, wonach zunächst nur2/3 der Schuld bezahlt zu 5. werden brauchten7 Die Schuldner würden schon zahlen, meinten sie, weil diese sonst ihre Kreditwürdigkeit einbüßten76. Zugleich spekulierten sie auf deren Landbesitz77. Ihre Rechnung ging voll auf: Es setzte ein verzweifeltes Bemühen der Schuldner ein, neue Kredite zur Abdeckung der alten zu erhalten. Tacitus kennzeichnet die Hektik auf dem Geldmarkt mit den Worten concursatio et preces78. Dasich aber die Geldverleiher wegen ihrer spekulativen Absichten nicht zurHergabe von Krediten verstanden, kam es erneut zu einer Prozeßflut, diesmal allerdings vor demTribunal despraetor urbanus79. Es versteht sich von selbst, daß die plötzliche Rückforderung der Darlehen mancherlei Streitfragen aufwarf. So dürfte Unklarheit darüber bestanden haben, ob die vereinbarten, aber nunmehr verbotenen überhöhten Zinssätze für rückständige Zinszahlungen noch in Anwendung zu bringen seien. Schwierigkeiten werden auch aufgetreten sein, wenn Land in Zahlung gegeben wurde. Caesar hatte seinerῆ τ α ι) eingesetzt, die den Wert der ί, τιμ α σ ικ τ α zeit Schiedsmänner (arbitri, δ betreffenden Grundstücke abschätzten80. Eine solche Regelung war diesmal anscheinend unterblieben. Eine andere Frage ist es, ob der Prozeßweg überhaupt ein taugliches Mittel war, umdie verworrenen Verhältnisse zu klären. Es hatjedenfalls nicht denAnschein, daßderpraetor urbanus denSchuldnern geholfen hätte. Diesen blieb nämlich, wie Tacitus sagt, nichts anderes übrig, als ihren Landbesitz zumVerkauf zu stellen, wobei die Masse derangebotenen Ländereien einen Sturz derBodenpreise 1. (vilitas) bewirkte8 Tacitus hat damit mehr als deutlich zum Ausdruck gebracht, daß die Geldknappheit die Krise der italischen Landwirtschaft auf den Höhepunkt trieb. Über ihr Ausmaß hat er keinen Zweifel gelassen: Viele Schuldner mußten ihr ganzes HabundGutin Panikverkäufen losschlagen (distrahere), umihre Darlehensschuld bezahlen zu können. Mit ihrem Vermögen verloren sie dann ihre soziale Stellung (dignitas acfama)82.

75 Manersieht hieraus, daßsenatusconsulta noch nicht vollgültig andieStelle vonleges getreten waren. Diese Funktion blieb imübrigen nochlänger bestritten, vgl. Gai. inst. 1,4. 76 Tac. a. O.: nec decorum appellatis minuere fidem. Es ist unerfindlich, wie E. Paratore, Tacito, 21962, 722 dieser Feststellung entnehmen kann, Tacitus sei derMeinung, dieSenatoren hätten zuihren Wuchergeschäften eingutes Recht gehabt. 77 Tac. a. O.:faeneratores omnem pecuniam mercandis agris condiderant. 78 Tac. a. O. 79 Tac. a. O.: dein strepere praetoris tribunal. R. S. Rogers, Criminal Trials andCriminal Legis-

80 81

82

lation under Tiberius, 1935, 144 meint, neben den Zivilprozessen seien auch Strafprozesse wegen Verletzung derlex Iulia de modo credendi possidendique intra Italiam bzw. des gerade ergangenen senatusconsultum geführt worden. Das ist wegen des kaiserlichen Gnadenaktes unwahrscheinlich. Tacitus spricht zudem vomPraetor imSingular. Caes. b. c. 3, 1, 2, Cass. Dio41, 37, 3, App. b. c. 2, 48 (§ 198). Tac. ann. 6, 17, 3: copiam vendendi secuta vilitate. Vgl. die ähnliche Situation im Jahre 49 v. ίαals Folge des Überangebots (App. a. O.). ν ν ω ὐ Chr.: ε Tac. a. O.: quanto quis obaeratior, aegrius distrahebant, multique fortunis provolvebantur eversio reifamiliaris dignitatem acfamam praeceps dabat. Dignitas wird zwar bevorzugt den Angehörigen der beiden oberen Stände zugeschrieben, doch kann der Begriff überall dort

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Krise deritalischen Landwirtschaft

viele

ganzes

Vermögen (multi) waren, die ihr Die Tatsache, daß es (fortunae, resfamiliaris) einbüßten, gibt einen ersten Hinweis darauf, daßes kleine undmittlere Bauern waren, die solcherart ins Unglück stürzten. Denn es ist undenkbar, daßgrößere Gutskomplexe in solcher Zahl derKrise zumOpfer gefallen sein sollen83. Andererseits läßt der Verkauf ganzer Bauerngüter darauf schließen, 4. daßdiefaeneratores eben darauf, nicht aufdenErwerb vonParzellen, auswaren8 In diesem Zusammenhang mußmit größtem Nachdruck darauf hingewiesen werden, daßes sich bei denfaeneratores, die als Ergebnis ihrer Basisspekulation kleine und mittlere Bauerngüter in den verschiedensten Teilen Italiens an sich brachten, um Großgrundbesitzer handelte. Denn nach dem Zeugnis des Tacitus alsfaeneradieGroßgrundbesitzer parexcellence – hatten sich fast alle Senatoren – tores betätigt85. Aber auch die Geldverleiher, die demRitterstand angehörten, waren, zumal seit der lex Iulia de modo credendi possidendique intra Italiam, zugleich Großgrundbesitzer86. Damit ergibt sich als Folge derKrise eine Akkumulation des italischen Bodens in den Händen von Großgrundbesitzern und, dadurch bedingt, eine strukturelle Veränderung in der italischen Landwirtschaft. Denn an die Stelle derEigenbewirtschaftung derGüter durch die Besitzer trat die Überantwortung an vilici, die Verpachtung an coloni oder, wenn die Möglichkeit zur Arrondierung bestand, die Nutzung durch Weidewirtschaft. Columella hatte diesen durch die Krise des Jahres 33 n. Chr. wesentlich verstärkten Trend vor Augen, als er die darin sich äußernde Wirtschaftsgesinnung, der es nur um Profit, nicht um Produktivität zu tun sei, mit bitteren Worten kritisierte87. Aufs ganze gesehen brachte also der angedeutete Strukturwandel keinen Fortschritt für die italische Landwirtschaft. Statt der durch Verschuldung bedingten Unrentabilität der der Krise erlegenen Betriebe hemmte nun das Rentenbedürfnis ihrer neuen Besitzer einen wirklichen Aufschwung.

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verwendet werden, woes umsoziale Abstufungen geht, vgl. Dig. 7, 1, 15, 2: ordo et dignitas mancipiorum. Einweiteres Argument unten. Allen (Titel oben Anm. 11) 17. Tac. ann. 6, 16, 3: trepidique patres (neque enim quisquam tali culpa vacuus). Zu Darlehensgeschäften vonSenatoren s. nurCass. Dio 62, 2, 1 (Seneca: 40 Millionen Sesterzen). Diese Geschäfte wurden über Finanzgesellschaften oder Freigelassene abgewickelt, vgl. Heitland a.

O. 290. 86 ZudenRittern alsGroßgrundbesitzern vgl. Cl.Nicolet, L’ordre équestre à l’époque républicaine I, 1966, 285 ff. DieVerbindung vonGroßgrundbesitz undGeldgeschäften tritt besonders in derPerson desAtticus in Erscheinung (Nicolet 312). Fürdie Kaiserzeit vgl. z. B. Sen. ep. 41, 7. 87, 7. Zurlex Iulia de modo credendi possidendique intra Italiam oben S. 268 f. und dazu Th. Mommsen, Römische Geschichte III13, 1922, 537.

stellt Columella der ‘modernen’ Scheu vorder eigenen Bewirtschaftung der Güter, die zumPachtsystem geführt habe (§ 12. 15 f. 20), die 19). 1,3, 12geißelt frühere Praxis (des Cincinnatus, Fabricius, Dentatus) entgegen (§ 13f. 17– er die Umwandlung von Acker- in Weideland sowie die Beschäftigung von Schuldknechten (nexu civium) undfesseltragenden Sklaven (vincti). Vgl. zu diesen Stellen B. Heisterbergk, Die Entstehung des Kolonates, 1921, 67, N. Brockmeyer, Arbeitsorganisation undökonomi142. sches Denken in der Gutswirtschaft des römischen Reiches (Diss. Bochum 1968) 139–

87 In derPraefatio des 1. Buches dere rustica

272

Gesellschaft

Es bleibt dieFrage übrig, wasdennmitdenBauern geschah, die ihr Besitztum 8, sagt hatten verkaufen müssen. Tacitus’ Feststellung, daß sie sozial absanken8 nichts darüber aus, wie sie nunmehr ihren Lebensunterhalt verdienten. Hier hilft die Erkenntnis weiter, daß in der frühen Kaiserzeit das Pachtsystem um sich griff89. Columella empfahl es geradezu für diejenigen Güter, die wegen ihrer weiten Entfernung vom Wohnort des Besitzers nicht direkt beaufsichtigt werden könnten90. Nungehörten die bei denNotverkäufen des Jahres 33 n. Chr. erworbenenLändereien doch vielfach in eben diese Kategorie. Daweiterhin eine verbreitete Meinung dahin ging, die besten Pächter seien die auf dem Gut geborenen (coloni indigenae)91, so wird manannehmen dürfen, daßmancher Bauer, der sein Besitztum verkauft hatte, auf diesem als Pächter belassen wurde92. Kann derÜbergang vomfreien Bauern zum(freien) Pächter als einigermaßen erträglich bezeichnet werden93, so muß die Einreihung unter die Tagelöhner (mercennarii) in die Nähe der Versklavung gerückt werden. Denn die disziplinäre Unterordnung der freien Tagelöhner unter einen vilicus aus dem Sklavenstande und ihre Gleichstellung mit den Sklaven derfamilia hinsichtlich der Arbeitsleistung führten zu der Auffassung, daß sie ihre Dienste loco servorum leisteten94. Der Abstieg vom selbständigen Bauern zum landwirtschaftlichen Lohnarbeiter vermag daher ambesten die sozialen Folgen desVermögensverlustes zuverdeutlichen. Natürlich ist auch daran zudenken, daßein Teil derruinierten Bauern zudem alten Aushilfsmittel griff, nach Romzugehen unddort in deruntersten Schicht der Plebs ein Leben zufristen, dasmit demfrüheren nichts mehr gemein hatte. Indes interessiert dieser eventuell anzunehmende Vorgang in unserem Zusammenhang weniger. Er könnte lediglich die Verflechtung des Geschehens auf demLande mit demin der Stadt andeuten. Aber dafür gibt es einen besseren Hinweis. Sueton berichtet nämlich voneiner Aktion des „ Volkes“ : Es habe angesichts derfurchtbaren Geldknappheit Hilfe vomPrinceps verlangt95. Der Notschrei der hauptstädtischen Bevölkerung vereinigte sich also mitdemderruinierten Bauern Italiens.

88 Tac. ann. 6, 17, 3: eversio reifamiliaris dignitatem acfamam praeceps dabat. Vgl. oben Anm. 82. 89 Colum. dererust. 1, praef. 20. Vgl. Anm.87.

90 Colum. dererust. 1,7, 6. 91 Colum. dere rust. 1, 7, 3 (Äußerung desKonsulars P. Volusius). 92 Vgl. fürdiese Praxis Hor. sat. 2, 2, 114unddazuBrockmeyer a. O. 185. 190. 93 Columella nennt den freien Bauern nicht nur rusticus undagricola, sondern auch colonus! Beispiele bei Brockmeyer a. O. 377 Anm.99. Vgl. auch R. Günther, Kolonen undSklaven in De re rustica“Columellas. In: Beiträge zurAlten Geschichte undderen Nachleder Schrift „ ben, Festschrift für F. Altheim I, 1969, 505 ff.

Fragenkomplex F. M. de Robertis, liberi nelle ‘familiae’aziendali romane, SDHI 25, 1958, 269 ff. Suet. Tib. 48, 1: magna difficultate nummaria populo auxilium flagitante.

94 Dig. 7, 8, 4 pr., 43, 16, 1, 18. Zumganzen 95

I

lavoratori

Krise

deritalischen Landwirtschaft

273

VI

Das Fiasko, das Tiberius mit der gegen denRat Nervas durchgeführten Wiederbelebung der caesarischen Darlehensgesetze erlitten hatte, brachte ihn zu der Einsicht, daß es besser gewesen wäre, statt der Kreditrestriktion das entgegengesetzte Heilmittel zu versuchen, under beeilte sich, seinen finanzpolitischen Mißgriff soweit wie möglich wiedergutzumachen. D. h., er tat nun das, wozu ihm wahrscheinlich Nerva geraten hatte: Er stellte dem Aerarium 100 Millionen Sesterzen für die Einrichtung einer staatlichen Bodenkreditbank zur Verfügung, die durch eine aus Senatoren gebildete Kommission zinslose Darlehen auf drei Jahre gewährte. Als Sicherheit wurde die Übereignung von Landbesitz im doppelten Wert der Darlehenssumme an das Aerarium verlangt96. Zeitlich dürfte der Entschluß des Tiberius zurEinrichtung derBodenkreditbank in das Jahr 34 gehören. Denn es wird sicher einige Monate gedauert haben, bis die im Oktober 33 erfolgten Darlehenskündigungen zuderkatastrophalen Situation geführt hatten, die Tiberius zumEingreifen zwang. DieMaßnahme als solche warnicht neu; Augustus hatte dieGelder derStaatskasse mehrmals auf diese Weise verwandt97 , und es gab auch republikanische Vorbilder98. An den Schritt des Tiberius wiederum erinnerte man sich im Jahre 1931, als derPräsident derVereinigten Staaten, Herbert Hoover, zurÜberwindung dergroßen Kreditkrise mit demPlan hervortrat, über die Reconstruction Finance Corporation Staatskredite an Banken zu geben, die durch ‘Einfrierung’ ihrer Guthaben illiquid geworden waren. Man knüpfte sogar große Hoffnungen an den

96 Tac. ann. 6, 17, 3: tulit opem Caesar disposito per mensas milies sestertio factaque mutandi copia sine usuris per triennium, si debitor populo in duplum praediis cavisset. Suet. Tib. 48, 1: proposito milies sestertium gratuito in trienni tempus. Cass. Dio 58, 21, 5: τ μ α γ ρ ά επ ότ τ ὸκ α α ρ τ τ αἐμ ὰδανείσμ ία ε ὰτ τ σ ε ,κ α ὶδισ χ ιλ ία ςκ α ὶπ ρ εν τ ιά α υ κ ο δ σ α ία ςμ ς ἔδ ω κ ε νὥ μ η ο ῷ σ σ δ τ ίῳ ᾽α ὐ τ τ ὰ ρ ςὑ ῶ νβο υ π ᾽ἀνδ λ ευ τ ῶ νἀ το κ ε ὶ το ῖςδεομ έν ο ις εισ θ ῆ ν α ι. AusCassius Dioergibt sich, daßTiberius denBetrag ausden τηἐκδαν ίαἔ ρ ἐ ςτ ihm persönlich zur Verfügung stehenden Geldern demAerarium überwies (τ σ ῷδημο ίῳ ), wiedies Augustus mehrmals getan hatte, Resgestae c. 17. Koestermann, Annalenω κ εν ἔδ kommentar II 281 undH. Kloft, Liberalitas principis, 1970, 125 Anm. 198 behaupten unter Außerachtlassung Dios auf Grund von Tacitus, die 100 Millionen Sesterzen stammten aus demAerarium. 97 Suet. Aug. 41, 1 (oben S. 268 mit Anm. 63). Es ist daher nicht richtig, wenn U. Kahrstedt, Kulturgeschichte der römischen Kaiserzeit, 21958, 79 von Tiberius als dem Schöpfer der ersten agrarischen Darlehenskasse der Welt“spricht. Wiederholt von E. Kornemann, Tibe„ rius, 1960, 205 undKoestermann, Annalenkommentar II 281. 98 ImJahre 351 v. Chr. wurden Vviri mensarii gewählt, dieverschuldeten Bürgern Staatskredite gegen Sicherheitsleistung gewährten, Liv. 7, 21, 5– 8. ImJahre 216 waren es IIIviri mensarii, die Geld ausder Staatskasse zumLoskauf vonKriegsgefangenen ausliehen, Liv. 23, 21, 6, vgl. 22, 60, 4. Die Verbindung zwischen diesen Aushilfsmagistraturen unddersenatorischen Kommission des Tiberius hat Th. Mommsen, Römisches Staatsrecht II3, 1887, 641 erkannt. Unrichtig sehen O. Hirschfeld, Die kaiserlichen Verwaltungsbeamten, 31963, 72 Anm. 3 und M. Rostovtzeff, The Social andEconomic History of the Roman Empire II2, 1957, 623 Anm. 49 indenvonTac. ann.6, 17,3 erwähnten mensae Behörden desFiskus.

274

Gesellschaft

Hoover-Plan, weil doch Tiberius mit seiner auf demselben Prinzip beruhenden Maßnahme Erfolg gehabt hatte99. In derTat hat Tacitus keinen Zweifel daran gelassen, daßes Tiberius mit der Injektion der 100 Millionen Sesterzen gelungen ist, diedurch seine falsche Reaktionauf die Anklagen defaenore ausgelöste Kreditklemme zumeistern. DerKredit sei wiederhergestellt worden, und allmählich hätten auch die privaten Geldverleiher ihre Geschäfte wiederaufgenommen100. Die damit angedeutete Normalisierung desGeldmarktes wirdmanfürdie Jahre 34/35 anzusetzen haben. Etwa im April desJahres 35 n. Chr. lief ja die 18monatige Frist ab, innerhalb deren diefaeneratores ihr Kreditvolumen undihren Landbesitz in dasVerhältnis 1 : 2 gebracht haben mußten. Wegen ihrer Landkäufe werden sie bis zu diesem Termin Kredite nurzögernd gewährt haben. Sozusagen mit Händen greifen konnte mandendurch 01 monetäre Mittel erreichten Erfolg des Tiberius1 in den neuen Aes-Münzen, die seit 34 n. Chr. aufdemMarkt erschienen102. Derfinanzpolitische Effekt der 100 Millionen-Spritze kann indes nicht darüber hinwegtäuschen, daßdasHeilmittel zuspät angewandt wurde. Eine frühere Injektion hätte viele Bauern vor dem Ruin bewahrt unddie geschilderte strukturelle Verschiebung in deritalischen Landwirtschaft verhindert. So erhielten nurdiejenigenbäuerlichen Betriebe dieMöglichkeit zurSanierung, deren Besitzer durch den Ansturm derGläubiger nicht zumkopflosen Handeln verführt worden waren. Anders ausgedrückt: Nursolche Bauern überlebten die Krise, die nicht hoffnungslos verschuldet waren. Immerhin dürfte deren Zahl beachtlich gewesen sein, wie sich an der von Tiberius der Bodenkreditbank zur Verfügung gestellten Summe von 100 Millionen Sesterzen ablesen läßt. Denn wenn man davon ausgeht, daß eine breite Streuung der Kredite beabsichtigt war, so können die einzelnen Darlehen nicht hoch gewesen sein103. Um beispielsweise 25 000 Sesterzen zu erhalten, mußte der Schätzwert des betreffenden Gutes wenigstens 50 000 Sesterzen betragen, daja das Doppelte des Darlehensbetrages demAerarium als Sicherheit zu 04.In Wirklichkeit dürfte bei einer solchen, als Mittelwert anzuübereignen war1

Class. Journ. 27, 1931/32, 525 f. ZurBeurteilung des Hoover-Plans vgl. etwa Schmölders (oben Anm. 8) 99. 100 Tac. ann. 6, 17, 4: sic refecta fides, etpaulatim privati quoque creditores reperti. 101 Eskennzeichnet dieSchwere derüberwundenen Krise, daßhoheEhrenbeschlüsse fürTiberius gefaßt wurden, die dieser allerdings (infolge seines schlechten Gewissens?) nicht annahm, Cass. Dio58, 22, 1. M. Crawford, Money andExchange intheRoman World, JRS 60, 1970, 46 bestreitet den größeren Umfang der Krise. Nach ihm hätte Tiberius nicht aus ökonomischen Gründen eingegriffen, sondern umdignitas undfama derSchuldner zuretten. A. D. 68, 1951, 103. 102 Vgl. C. H. V. Sutherland, Coinage in Roman Imperial Policy 31 B. C. – 103 Den umgekehrten, m. E. falschen Schluß zieht T. Frank, An Eonomic History of Rome, 21962, 410 aus demKapital der Bodenkreditbank: Die Zahl der Betroffenen sei nicht groß gewesen. Manmußdie Relationen berücksichtigen. Es ist etwas anderes, ob L. Tarius Rufus (cos. suff. 16 v. Chr.) 100 Millionen Sesterzen aufBodenspekulationen inPicenum verwendet (Plin. n. h. 18, 37) oder obderselbe Betrag aufkleine undmittlere Bauerngüter verteilt werden

99 K. K. Hulley, Tacitus ontheDepression,

soll.

104 Tac. ann.6, 17,3, oben S. 270.

Krise deritalischen Landwirtschaft

275

05

sehenden Aestimationssumme1 das Darlehen erheblich niedriger gewesen sein106. Vielleicht darf man, umeine annähernde Vorstellung vonderAnzahl dergewährten Darlehen zugewinnen, jene Summe halbieren, so daßsich ein ‘Normalkredit’ 07. von 12 500 Sesterzen (bei 50 000 Sesterzen Gutswert) ergäbe1 Die 100 Millionenwären dann auf8000 Darlehensnehmer verteilt worden. Manwird zugeben, daßeine solche Kreditstreuung durchaus geeignet war, der italischen Landwirtschaft aufzuhelfen. Führte dieEinrichtung derBodenkreditbank aber tatsächlich zudiesem Ergebnis? Hier müssen schwerwiegende Bedenken angemeldet werden. Sie betreffen die fürdieDarlehen vorgesehene Laufzeit vondrei Jahren. Nachdem es mitdemitalischen Bauerntum, wiedieVerschuldung beweist, jahrzehntelang bergab gegangen war, konnte nicht innerhalb dreier Jahre ein grundsätzlicher Wandel herbeigeführt werden. Denn es mußja berücksichtigt werden, daß die Staatsdarlehen in erster Linie zur Konversion der Privatkredite verwendet wurden, also nur zum Teil zur Rentabilitätsverbesserung genutzt werden konnten. Diese begann sich nach drei Jahren allenfalls abzuzeichnen. Zu diesem Zeitpunkt aber mußten die Darlehen schon wieder zurückgezahlt werden! Ein gewährten wirklicher agrarpolitischer Erfolg hätte nur von Krediten erwartet werden können, oder besser noch: voneiner staatlichen BodenEinrichtung108, gleich denstaatlichen Getreidespenkreditbank als den für die Bevölkerung Roms109. Die Maßnahme des Tiberius brachte zwar für es ist dasfaenebre malum des denAugenblick Erleichterung, faßte aber das Übel – 10– nicht anderWurzel. Tacitus1

langfristig

ständiger

Den Beweis für diese Behauptung liefert die Feststellung, mit der Tacitus seinen Bericht über die Krise des Jahres 33 n. Chr. beschließt: Die Landkäufe, zu denen der Senatsbeschluß, derCaesars Darlehensgesetze erneuerte, diefaenerato105 Zudieser

Annahme berechtigen

die Schätzwerte derin denAlimentartafeln vonBeneventum

undVeleia registrierten Güter, CIL IX 1455 = Dessau, ILS 6509, CIL XI 1147 = Dessau, ILS 6675. Vgl. T. Frank, AnEconomic Survey of Ancient Rome V, 1940 (Nachdr. 1959), 173 f. 106 DasRisiko wäre fürdenStaat sonst zugroß gewesen. Diemensarii (oben Anm.98) besaßen über dasVerhältnis, in demdasDarlehen zumSchätzwert desbetreffenden Betriebes zuste-

hen hatte, sicher Instruktionen. Im übrigen hatten sie wohl, wie die arbitri Caesars (oben Anm. 80), denAuftrag, denals Sicherheit angebotenen Landbesitz zu taxieren, da dieser ja durch denSturz derBodenpreise beeinträchtigt worden war. 107 Diesen Betrag für die Schätzung zugrunde zu legen, empfiehlt sich u. a. deshalb, weil nach einer imJahre 5 n. Chr. erfolgten Regelung Soldaten, die 20 Jahre gedient hatten, 12 000 Sesterzen zurBegründung einer Existenz erhielten, Cass. Dio 55, 23, 1. Zuerinnern ist auch an die Bestimmung des sulpicischen Plebiszits vomJahre 88 v. Chr., wonach ein Senator nicht mehrals 8000 Sesterzen Schulden haben durfte (Plut. Sulla 8, 4). 108 Cassius Dio(52, 28, 3) läßt Maecenas einen diesbezüglichen Vorschlag machen. Augustus hat sich in etwa daran gehalten (Suet. Aug. 41, 1, oben S. 268 mitAnm. 63, vgl. Anm. 97). Die Bodenkreditbank des Tiberius aber blieb Episode. Erst Severus Alexander scheint wieder ähnliche Pläne verfolgt zu haben, vgl. SHA Sev. Alex, 21, 2, dazu J. Straub, Heidnische Geschichtsapologetik in derchristlichen Spätantike. Untersuchungen über Zeit undTendenz der 8. Historia Augusta, 1963, 3– 109 Vgl. D. van Berchem, Les distributions de blé et d’argent à la plèbe romaine sous l’empire, 1939.

110 Tac. ann. 6, 16, 1, oben S. 264.

276

Gesellschaft

res verpflichtet hatte, seien nicht in dervorgesehenen Weise durchgeführt worden; 11. anfangs habe mandieVorschrift streng, schließlich aber nachlässig gehandhabt1 Danach unterliegt es keinem Zweifel, daß diefaeneratores, nachdem die Bodenkreditbank demSturz der Bodenpreise ein Ende gemacht unddie Kreditfähigkeit derLandwirtschaft wiederhergestellt hatte, schon bald ihre frühere Praxis wiederaufnahmen, ohne Rücksicht auf das gesetzlich vorgeschriebene Verhältnis von Leihkapital undGrundbesitz (1 : 2) Kredite zugewähren112. Die ‘Konkurrenz’ der Staatsbank dürfte denZinsfuß niedriggehalten unddas Geschäft belebt haben, das Versiegen der staatlichen Geldquelle undder Rückzahltermin aber müssen zinssteigernd undkreditausweitend gewirkt haben. Für die Landwirtschaft zeitigte also die Wiederbelebung des privaten Kreditmarktes durchaus kein erfreuliches Ergebnis. Im Grunde begann der Agrarkredit wieder dieselbe Entwicklung zu nehmen, die im 2. und3. Jahrzehnt des 1. Jahrhunderts n. Chr. zujener Situation geführt hatte, die bei denAnklagen defaenore imJahre 33 n. Chr. so erschreckend offenbar geworden war. Zusammenfassend läßt sich sagen, daßdie nunmehr zu Ende verfolgte Krise ihre Ursachen in der von Tiberius betriebenen Sparpolitik hatte, von der hauptsächlich die kreditbedürftige Landwirtschaft getroffen wurde. Von ihr kam daher mit denAnklagen defaenore – derAnstoß zumEingriff des Staates in den auch – privaten Kreditverkehr. Die Wahl desfalschen Mittels, derKreditrestriktion, führte zueiner Geld- undKreditklemme, die ihrerseits strukturelle Veränderungen in der Landwirtschaft zurFolge hatte. MitderSchaffung derstaatlichen Bodenkreditbank gelang es dann zwar, denStrukturwandel abzufangen unddie Landwirtschaft anzukurbeln, aber in derFerne zeigten sich bereits Anzeichen, die auf eine Wiederholung deraufgezeigten Entwicklung hindeuteten.

111 Tac. ann. 6, 17, 4: neque

emptio agrorum exercita

ferme talia, initiis, incurioso fine.

adformam senatus

consulti, acribus,

ut

112 Koestermann, Annalenkommentar II 282 konstatiert mitRecht dasScheitern derBemühungen desTiberius, dieses Verhältnis zu sichern: „Danach verlief dasganze Unternehmen im Sande.“

ῆ σ α ι(1 Cor. 7,21)* ρ ᾶ λ νχ Μ λ ο Verzicht aufFreilassung als asketische Leistung?

Innerhalb des 7. Kapitels derersten Epistel an die Korinther bilden die Verse 18/24 einen thematisch undkompositorisch geschlossen wirkenden Abschnitt, der jedoch mit dem Vorhergehenden und Folgenden durch das dem ganzen Kapitel zugrunde liegende Denkschema unddessen typische sprachliche Äußerungen verklammert ist. Es ist m. W. bisher nicht beachtet worden, daßdaskomparativische ῆ σ α ᾶ λ ι(v. 21) nicht ρ λ ο νχ ᾶ λ νin dervielumstrittenen Wendung μ λ ο Adverb μ ρ ε ῖσ nurderForm, sondern auch demGehalt nach zudenKomparativen κ σ ο ν(v. ρ α(v. 40) in Beziehung steht, die ihrerseits mit einer über ρ έ ιω τ α κ α 38) undμ das ganze Kapitel verstreuten Gruppe von Ausdrücken, in denen das Adjektiv κ α λ ό ςals Prädikatsnomen oder adverbial verwendet ist (v. 1. 8. 26. 37. 38), zusammenhängen1 . Der zuletzt behauptete Zusammenhang ist trotz des Positivs hier unddesKomparativs dort so eng, daßgeradezu voneiner sachlichen Identität gesprochen werden kann, d. h. es läßt sich derselbe Sachverhalt sowohl durch den Positiv als auch durch denKomparativ ausdrücken. Dies ergibt sich sinnfällig aus den Versen 37/8, wo zunächst gesagt wird, der Vater2, der seine heiratsfähige Tochter im Jungfrauenstande belasse, werde gut daran tun (κ α λ ῶ σ ε ι); ςπ ο ιή gleich darauf aber heißt es vondemselben Vater, im Verhältnis zudem, der seine ρ εῖσ σ ο νπ ο ιή σ ε ι). Tochter verheirate, werde erbesser handeln (κ Wir stoßen hier auf eine Denkform, die an das Verhalten des Menschen in bestimmten Fragen des Lebens zugleich einen absoluten und einen relativen Wertmaßstab anlegt. Dabei kommt das Prädikat „ Gut“ im absoluten Sinne jeweils zwei Verhaltensweisen zu. Wer die eine, z. B. die Verbindung mit demanderen Geschlecht zur Ehe, wählt, befindet sich im Einklang mit den göttlichen Geboten: er sündigt nicht (v. 28. 36); zuderWahl deranderen (Verbleiben im ledigen Stande) bedarf es einer besonderen Anstrengung, nämlich geschlechtlicher Entθ α ιv. 9). Aus dieser Kennzeichnung geht schon herτεύ εσ ρ α γ κ haltsamkeit (ἐ vor, daßbei Relativierung der beiden Verhaltensweisen der letzteren eine höhere

*

in: JbAC 6 (1963) 177– 180.

1

Vgl. J. Weiss, Der erste Korintherbrief = Meyers Kommentar 5 (91910) 170. έν ο θ ς(v. 36/8) nicht an Syneisakten zu denken ist, hat A. Oepke: ρ Daß bei τ α ίςundἡπ ThLZ 77 (1952) 451/2 eindringlich gezeigt. W. G. Kümmel: Neutestamentl. Studien f. R. Bultmann = ZNWBeih. 21 (1954) 290/5 greift dagegen wieder auf die von W. C. van Manen: Theol. Tijdschrift 8 (1874) 607 ff aufgebrachte Beziehung von v. 36/8 auf ein Brautpaar zu-

2

rück.

278

Gesellschaft

Besser“(v. 38), zukommt3 , undso stellt Paulus denn Bewertung, das Prädikat „ auch den Lesern seines Briefes den asketischen Standpunkt4 als das Gott wohlgefälligere undeher zupersönlichem Glück führende Verhalten vorAugen5 : es sind νzuruft (v. 1. 8. 26, vgl. 37. 38), dessen ό α λ die Unverheirateten, denen er sein κ Funktionalität wir soeben erkannt haben6. Andererseits führt die ausdrückliche Feststellung der Übereinstimmung der Ehe mit Gottes Geboten Paulus zu der im Namen desHerrn gegebenen Anordnung, daßdie Frau sich nicht vomManne, der Mann sich nicht von der Frau trennen solle (v. 10/1). In eigener Verantwortung fügt er hinzu, dies solle auch für denchristlichen Teil in dermit einem ungläubigenPartner geschlossenen Ehegelten (v. 12/3). Die beiden hier verfolgten Gedankenstränge treffen in v. 27 zu prägnanter Gegenüberstellung zusammen: dem Manne, der eine Frau hat, wird geboten, nicht die Scheidung, dem, der eine Ehe nicht eingegangen ist, geraten7, keine Frau zusuchen. Indievorstehend skizzierte Erörterung über denWertderEhelosigkeit undder Ehe sind die Verse 18/24, die von der Beschneidung undder Sklaverei handeln, durch eine bei Paulus erfolgte Gedankenassoziation hineingekommen8. In derselbenForm wieinv. 27 wirdhier demBeschnittenen aufgetragen, dieBeschneidung nicht rückgängig zumachen, demUnbeschnittenen, sich nicht beschneiden zu lassen(v. 18). Dagegen folgt derdiesem analoge, an die Sklaven gerichtete Vers 21 nicht demselben Schema. Vor allem fehlt im zweiten Kolon des Verses das Penθ εν έσ α ιbleibt es vielmehr ο ςγ ερ ῦ λ ο ο ςim ersten9 . Mit demἐλεύθ dant zu δ bei derApostrophierung des Sklaven, indem die Kardinalfrage seines Standes angeschnitten wird. Das Verhalten des Sklaven zur Freilassung darf nun aber mit gutem Recht als ein demVerhalten desMenschen zurEhevergleichbares Problem bezeichnet werden. Sind doch auch in bezug auf die Freilassung zwei Standpunkte

3

4

5 6 7 8

9

ρ ν εῖττο ) In v. 9 wird scheinbar auch der Alternativentscheidung (Ehe) dasselbe Prädikat (κ zugesprochen, doch ist hier zuberücksichtigen, daßdies vordemHintergrund desAbsinkens ρ ν ίαv. 2) geschieht, das demjenigen droht, der, ohne die Kraft zu geε ο in die Sünde (π schlechtlicher Enthaltsamkeit zubesitzen, imStande derEhelosigkeit bleibt. Treffend bemerkt derKommentar desAmbrosiaster (in ep. 1 Cor. 7, 9 [PL 17, 229]): Nonideo dixit: „Melius est enimnubere quamuri“ , quasi bonum sit uri, ideo nubere melius: sedconsuetudinem secutus est. Solemus enimdicere: Melius est lucrum facere quamdamnum. Der Auffassung, daß der nach einer höheren Vollkommenheit (zu diesem Begriff J. Weiss aO.) Strebende den Geschlechtstrieb überwinden müsse, steht (gegen W. Schmithals, Die μ αἐ κΘ ρ ισ ρ ά τ ε ιαals χ εο ῦ(v. ά γ κ Gnosis in Korinth [1956] 1981) die Bezeichnung derἐ 7) nicht im Wege, da Paulus 1 Cor. 14, 1 die Erreichbarkeit bestimmter Gnadengaben für menschliches Bemühen andeutet, vgl. G. Delling, Paulus’Stellung zuFrau u. Ehe = Beiträge z. Wissenschaft v. Alten u.Neuen Test. 4, 5 (1931) 69. AlsAgens erscheint indenVersen 26. 29 und31 dieEnderwartung. J. Weiss aO.konstatiert unter Hinweis auf 1 Cor. 9, 15 undRom. 14, 21 einkomparativisches ν . ό λ α Element inκ γ ρ ίο ε υzurückgeht (v. 10), liegt γ λ ίατ ο υ ῦΚ α ρ α ινauf eine π σ ύ ήζή ιλ Während μ τ ε ηΠ α ύ λ ο υzugrunde (v.25). μ ώ αeineγν ῖκ α υ ν ὴζή ιγ ε τ demImperativ μ A. Steinmann, Paulus unddie Sklaven vonKorinth: Vorlesungsverzeichnis Braunsberg Wintersemester 1911/2 (1911) 26. DieParallelität zuv. 18hätte erfordert: Bist duals Freier berufen, sowerde kein Sklave.

Verzicht

aufFreilassung

279

gutzuheißen sind: das Streben nach ihr undder einjeder für sich – möglich, die – Verzicht aufsie. ᾶ λ νdes λ ο Den Beweis für die Richtigkeit dieser Überlegung liefert das μ Textes. Es setzt das Vorhandensein zweier Möglichkeiten der Entscheidung voraus, die bei absoluter Wertung beide Billigung finden können, ausdrücklich („ ) aber legt es die Wahl der relativ besseren Möglichkeit nahe9 a. Angelieber“ sichts derinsoweit bestehenden Übereinstimmung mit deroben aufgezeigten doppelten Betrachtungsweise kann es nicht zweifelhaft sein, daßauch die Frage, welcheEntscheidung desSklaven vorGott größeres Gewicht habe, in diesem Sinne, d. h. unter Berücksichtigung der das 7. Kapitel durchziehenden Bevorzugung der Askese, entschieden werden muß. Eine asketische Haltung aber zeigt der Sklave, 0 der die natürliche Sehnsucht nach Freiheit1 unterdrückt undGott „lieber“in seinemStande zugefallen sucht. Durch Heranziehung desganzen 7. Kapitels für die Interpretation vonVers 21 erfährt Paulus’ Einstellung zur Freilassung eine Klärung, die bei Ausdeutung der Verse 18/24 allein nicht zu gewinnen ist. Insbesondere wird so deutlich, daß PaulusdasStreben derSklaven nach Freilassung nicht etwa tadelt oder zuunterbinden in analogem Sinne –auch sucht. Waser denin denEhestand Tretenden sagt, gilt – für die Sklaven, die denlegitimen Wegin die Freiheit gehen wollen: Wervonder Möglichkeit frei zuwerden Gebrauch macht, sündigt nicht. Wie derEintritt in die Eheerscheint also auch die Wahrnehmung derFreilassungschance als Normalfall. Paulus empfiehlt indes nicht diesen, sondern den außergewöhnlichen Fall11: Das μ ᾶ λ λ ο νχρ ῆ σ α ιdes21. Verses will als Ermunterung desSklaven zueiner dem Zölibat entsprechenden asketischen Leistung verstanden sein. Wiegeläufig demApostel dieVorstellung vomreligiös bedingten freiwilligen Verzicht auf die Freiheit ist, zeigt die 9, 19 gebrauchte Metapher, er habe sich, γ έλ γ ιο ν(v. 23). Diese ιὰτ ὸεὐ α obwohl frei, selbst zum Sklaven gemacht: δ Stelle leitet gedanklich über zu 13, 3, wo die Selbsthingabe überhaupt12 als Frömmigkeitsübung erwähnt ist. Von 7, 21 her erscheint dieser Wegals Übergang vonder Species zumGenus1 3. An 13, 3 aber klingt 1 Clem. 55, 2 an14, wodavon

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ᾶ λ λ ο νin v. 7 des6. Kapitels: DerChrist soll einen Rechtsstreit mit Dieselbe Funktion hatμ Weisen“derGemeinde austragen, „ einem Glaubensbruder voreinem „ lieber“aber möge er es gar nicht dazu kommen lassen, sondern Unrecht undÜbervorteilung ertragen. Vgl. L. Visscher, Die Auslegungsgeschichte von 1. Kor. 6, 1/11 = Beitr. z. Gesch. der neutestamentl. Exegese 1 (1955) 7. 16/7. ελ ω τ voraus. Vgl. auch Basil. hom. in mart. Iulittam 6 (PG 31, έ ιμ ο ήσ Diese setzt das μ ό ὴἐλεύθερ ςἐσ δ ο ῦ λ ο ,ὅ 252): Ὁ ίν ς τ ιμ τ ε ι. ι, δυσχερα Theodoret vonCyrus (in ep. 1 Cor. 7, 21 [PG82, 280]) bezeichnet denRat, dieSklaverei der ή β , geht dann aber in die Irre, ο λ π ερ Freiheit vorzuziehen, mit richtiger Einfühlung als ὑ wenn er meint, Paulus habe mit diesem Tropus dem φ ὴ νδο γ ε ῖντ υ υ φ λ ρ ε ά ο ία νπ σ ε ι θ εο σ ε εβ ία ςeinen Riegel vorschieben wollen. Theodoret ist hier vondenVerhältnissen seiner Zeit beeinflußt, in der dieses Phänomen zu einem ernsten Problem geworden war (vgl. Conc. Gangr. cn. 3 [1, 107 Bruns]; Socrat. h. e. 2, 43; Gelas. ep. 14, 14 [1, 370/1 Thiel]). E. Preuschen: ZNW16(1915) 133/5 wollte κ α ίε ιν vomEinbrennen desSklavenmals verstehen. Dagegen mit überzeugenden Gründen F. J. Dölger: Antike undChristentum 1 (1929) 254/7. Frdl. Hinweis

vonProf. Th. Klauser.

280

Gesellschaft

dieRede ist, daßviele Christen in ihrem Streben nach Vollkommenheit sich selbst in die Sklaverei verkaufen, umvondemKaufpreis andere ernähren zukönnen. In denThomasakten erfährt die Aufgabe derFreiheit, umals Sklave für die Verbrei5. tung des Evangeliums zuwirken, eine hohe Bewertung1 Die Selbstversklavung aus diesen beiden religiösen Motiven wird dann zu einem Topos der Hagiographie16, der aber doch wohl wirkliche Vorkommnisse widerspiegelt. Aus diesen Zeugnissen läßt sich m. E. durchaus eine Nachwirkung dervonPaulus vertretenen Auffassung vomWert derSklaverei fürdie Askese undals Mittel zurBekundung derFrömmigkeit konstatieren. Der im vorstehenden unternommene Versuch, ausgehend von einem Anhaltsᾶ λ λ punkt im Text (μ ο ν ), mit Hilfe eines Analogieschlusses die alte Streitfrage (zu μ ᾶ λ ῆ λ σ α ο νχ ι) ρ ῇδ ο υ λ ε ίᾳ um 1 Cor. 7, 2117 zugunsten derErgänzung τ zulösen, kann noch vondersprachlichen Seite her gestützt werden1 8. Δ ῦ ο λ ο ςam Anfang vonv. 21 steht offenkundig parallel zudeman gleicher Stelle in v. 18 erμ έν η ο ς , das hinwieder der Variatio (gegenüber ἐ ιτετμ scheinenden π ερ ν ῇgesetzt zu sein scheint. Daß Paulus β υ σ τ ρ μ ο ἀ ) zuliebe statt ἐ ιτ κ ο νπ ερ ίᾳ μ έν η ο ςinhäeben diese präpositionale Wendung als demPrädikativum π ιτετμ ερ rent empfunden haben muß, beweist die Tatsache, daßer v. 19 mit demAbstrakήbeginnt, dasgedanklich ἐ μ ιτ ο μ ιτ ῇvoraussetzt, wieja auchἡ νπ ερ ο ερ tumἡπ β υ σ τ υ β σ ρ ία(v. 19) auf ἐ ίᾳ(v. 18) zurückweist. Was nun das τ ο ρ ο νἀ κ ἀ κ ῦ λ ο ο ςin v. 21 betrifft, so scheint es genau wie daskorrespondiePrädikativum δ μ έν η ο ςdie gleichbedeutende Formulierung mit ἐ ιτετμ ερ rende π νunddemAbή σ ε ῃsc. κ ι, ἐ ή ντ σ ῇκ ντα straktum zu vertreten, die mannach ἐ ε ι(v. τ λ ύ λ 20) stilistisch als unpassend empfinden würde. In der Vorstellung dagegen muß ῇδ ο υ λ ε ίᾳgerade wegen des vorangehenden zweimaligen ἐ ντ sich ἐ νvor ῦ δ ο λ ο ςschieben. Ist demaber so, dannwirdverständlich, daßPaulus nicht eigens ausdrückte, worum der Sklave sich nicht kümmern solle: das in erster Linie ein ήσ ιμελέτω ο 19 provoziert ja beim Leser die sich aus Genetivobjekt heischende μ ῦ ῆ λ ο ςδο ςergebende Ergänzung τ υ der soeben ermittelten Funktion von δο ῆ θ σ α ι . DerVorgang wiederholt sich amSchluß desVerses. Denn auch χρ ς ία ε λ 14 J. Leipoldt, Der soz. Gedanke in der altchristl. Kirche (1952) 23176. 15 Act. Thom. 2 (II 2, 101/2 Bonnet). 167 (II 2, 282 B.). Vgl. auch die Bartholomäusgeschichte imarab.-jakob. Synaxarium, 1. Thot. (PO 1,224/5 Basset). 16 Pallad. hist. Laus. 37 (2, 109. 112 Butler): Sarapion Sindonita; Agathang. hist. Arm. 17 (12 DeLagarde): Gregorius Illuminator; Greg. M.dial. 3, 1 (136 Moricca); Paul. Diac. hist. Rom. 14, 18: Paulinus Nolanus; Vita s. Joannis Eleomosynarii auct. Leont. 22 (44 Gelzer) = auct. anon. 34 (Delehaye: AnalBoll 45, 1927, 48) = auct. Metaphr. 39 (PG 114, 932): Petrus Telonarius; Joh. Mosch. prat. spirit. 112 (PG 87, 3, 2977): Leo Cappadox. Vgl. Greg. Naz. or. 18, 21 (PG 35, 1009); Pallad. aO. 21 (2, 67/8 Butl.). 17 Wie wenig Einhelligkeit auch heute besteht, lehrt ein Blick in Kittels Theologisches Wörterρ ῇἐλ θ ευ ε ῇ ίᾳ , Schlier (498) für τ buch, woimselben Bande 2 (1935) Rengstorf (274) für τ eintritt. Vgl. auch denÜberblick bei W.Bauer: WbNT51958, 1748. υ λ ε δ ο ίᾳ 18 Gewöhnlich führt man seit Johannes Chrysostomus (in 1 Cor. hom. 19, 4 [10, 164 B Montῇδ ο υ λ ε ίᾳdenVers 22 an, der dem faucon = PG 56, 156]) als Argument für die Ergänzung τ in derSklaverei Verbleibenden überirdischen Trost spendet, vgl. H.Lietzmann, Andie Korinther I. II = Hdb. z. NT 9 (41949) 32/3. ῷ . ῷΘ ε έλ ιτ ε ο ῶ νμ νβ ῶ ὴτ 19 Vgl. 1 Cor. 9, 9: μ

Verzicht

aufFreilassung

281

ῇ die Ergänzung durch einen Kasus (Dativ). Als solche ergibt sich τ ε ία )μ ς ῆ υ ε ςδο λ ήσ ι(sc. τ ο nicht nurüber dasVerbindungsglied μ ίᾳ ε υ λ δ ο ντ ῦ λ ο ῇ ς(= ἐ ω , sondern auch durch direkte Wirkung des exponierten δο τ έ λ ῆ σ ι20amVersende. α ᾶ λ λ νχρ ο δ υ λ ε ο ) amVersanfang aufdasemphatische μ ίᾳ

fordert

20 A. Bischoff: ZNW9 (1908) 167 sieht in derVerwendung desdie Bewegung ausdrückenden ρ ῆ σ ι einen Hinweis auf den von Paulus angeblich befürworteten Übergang von α Aorists χ derSklaverei zurFreiheit (vgl. J. H.Moulton, A Grammar of NewTestament Greek I3 [1930] σ ῆ ιcanonly be ‘seize the opportunity’ ). Hier ist verkannt, daß in der α ρ 247: „ the aorist χ Selbstüberwindung des Sklaven angesichts gungselement steckt.

der möglichen “ Freilassung ein starkes Bewe-

Antike Staatsräson* DieHinrichtung der 400 Sklaven desrömischen Stadtpräfekten

L. Pedanius Secundus imJahre 61 n. Chr. DieGeschichte kennt Ereignisse, in denen ganze Daseinsformen ihrWesen offenbaren. Ein solches Ereignis wardie Ermordung despraefectus urbi L. Pedanius Secundus durch einen seiner Sklaven im Jahre 61 n. Chr.: Die Sühne, welche der 400 Sklaven desErmordeten wurden hingerichtet -, spiegelt mitbeMorderfuhr – sonderer Deutlichkeit die Situation wider, in der sich die Sklaverei zur Zeit des frühen Prinzipats befanden. Zugleich vermittelt sie ein eindrucksvolles Bild vom Zusammenspiel und Widerstreit der das politische Leben Roms bestimmenden alle hatten mit denEreignissen nach Faktoren. Kaiser, Senat, Volk undSoldaten – demMordanPedanius Secundus in bestimmter Weise zutun. Tacitus hat darüber 45 des 14. Annalenbuches ausführlich berichtet. in denKapiteln 42– Das Verbrechen an demhöchsten senatorischen Amtsträger des Kaiser Neros in Rom1 rief in der Bevölkerung der Hauptstadt größte Bestürzung undUnruhe hervor, allerdings nicht wegen der Stellung oder der Reputation des Mordopfers2, sondern in Anbetracht der zu erwartenden Racheaktion gegen den Mörder und . Denn derTatbestand mußte eine Prozedur in Gang setzen, die seine „ Komplizen“ allen Sklaven, welche mitdemErmordeten „unter einem Dach“(sub eodem tecto) gewesen waren, denTodbringen würde (Tac. ann. 14, 42, 2). 400 betrug ihre Zahl

*

1

2

467. in: Gymnasium 89, 1982, 449– Dieser Aufsatz stellt die Überarbeitung undErweiterung eines Vortrags dar, welcher am30. gering10. 1979 vorderJoachim Jungius-Gesellschaft derWissenschaften in Hamburg und– am 16. 12. 1980 im Rathaus der Stadt Mainz gehalten wurde. Der letztere fügig geändert – Vortragstext, mit den wichtigsten Belegen versehen, ist publiziert in: Universität im Rathaus (hrsg. vom Präsidenten der Johannes Gutenberg-Universität Mainz) Bd. I, Mainz 1981, 59– 81. L. Pedanius Secundus (cos. suff. 43 n. Chr.) hatte die Stadtpräfektur wahrscheinlich i. J. 56 n. Chr. übernommen, vgl. R. Syme, Tacitus II (Oxford 1958, Nachdr. 1979) 591 Anm. 9. Diebeiden vonTac. ann. 14,42, 1 genannten möglichen Mordmotive, Zorn wegen Verweigerung der vereinbarten Freilassung oder Eifersucht wegen eines Buhlknaben, diskreditierten, wieSyme 480 betont, denErmordeten in starkem Maße. Daserstere Motiv ist bei Tacitus zu knapp formuliert (negata libertate, cui pretium pepigerat [scil. servus]). Genau genommen handelte es sich nicht umVerweigerung derFreilassung, sondern desVerkaufs aneinen DrittenzumZwecke derFreilassung, vgl. L.v. Seuffert, DerLoskauf derSklaven mit ihrem Geld (Gießen 1907) 6. DasGeld, welches Pedanius Secundus als Kaufpreis angeboten worden war, stammte entweder vondemSklaven selbst oderjenem Dritten. Pangere betont denCharakter desRechtsgeschäfts; eswärealso verabredet, abernicht eingehalten worden.

284

Gesellschaft

–Männer,

Frauen, Kinder3. Das Volk hielt sie für unschuldig, ihre Rettung – notfür dasGebot der Stunde4 . falls durch Gewalt – DemRechtsempfinden derPlebs stand indes die Rechtslage entgegen. Diese war durch das SC Silanianum bestimmt, das m. E. in das Jahr 17 v. Chr. gehört5. Es hatte ein staatliches Untersuchungs- undStrafverfahren gegen diejenigen Sklavenangeordnet, die bei Ermordung ihres Herrn im selben Haus sich befunden und den Mord nicht verhindert hatten. Die Strafe lautet auf Geißelung undHinrichtung6. Der Protest des Volkes richtete sich also gegen die drohende Anwendung des SC Silanianum in einem Falle, derdurch die hohe Zahl derbetroffenen Sklavenin besonders krasser Weise dasUnrecht zutage treten ließ, welches besagtem Senatus Consultum anhaftete. DemDruck derStraße folgend, beschäftigte sich derSenat mitderAngelegenheit7 . In ihm gab es eine Gruppe, die von „ zu großer Strenge“(nimia severitas) sprach, die auf die hohe Zahl der Hinzurichtenden, ihr Alter undGeschlecht hinunzweifelhafte Unschuld der meisten“(plurimorum wies, vor allem aber auf die „ indubia innocentia, Tac. ann. 14, 45, 1). Es warjedoch nicht die Mehrheit, die so dachte undsprach. Die Mehrheit trat dafür ein, daßdasSC Silanianum unverändert

3

Tac. ann. 14, 43, 3 quadringenti. ZuderUnterscheidung vonAlter undGeschlecht innerhalb

4

Tac. ann. 14, 42, 2 spricht von einem concursus plebis, der als seditio angesehen werden

5

6

7

dieser Zahl:

14,45, 1.

konnte. DieFasti verzeichnen einen Konsul Silanus, derdemSenatus Consultum seinen Namen gab, in d. J. 25 und17 v. Chr. sowie 10 n. Chr. Gewöhnlich wird das SC Silanianum demKonsul d. J. 10n. Chr. zugeschrieben (wegen derErgänzung imJahre 11n. Chr., Dig. 29, 5, 13 pr.): Th. Mommsen, Römisches Strafrecht (Leipzig 1899, Nachdr. Darmstadt 1961) 631. M. Kaser, Dasrömische Privatrecht I2(München 1971) 283, zuletzt G. Boulvert/M. Morabito, Le droit de l’esclavage sous le Haut-Empire, ANRW II 14 (Berlin –New York 1982) 107. Dagegen zieht I. Kajanto, Tacitus onthe Slaves, Arctos 6, 1969, 46 f. die Jahre 25 und 17 v. Chr. in Betracht, umTacitus’Ausdruck vetere ex more (ann. 14,42, 2) aufdasSC Silanianum beziehen zukönnen. Von denbeiden letzteren Daten verdient m. E. 17 v. Chr. denVorzug wegen der zudieser Zeit in Gang befindlichen gesetzgeberischen Aktivität desAugustus, zuderdas SC Silanianum inbestimmter Beziehung stand. Subeodem tecto: Dig. 29, 5, 1, 26. 27. Seit d. J. 57 n. Chr. Publica quaestio: Dig. 29, 5, 1 pr. – fielen unter diese Bestimmungen auch diejenigen Sklaven, denen imTestament desermordeten Herrn die Freiheit verliehen worden war, Tac. ann. 13, 32, 1. Nach L. Herrmann, La genèse duSenatus Consultum Silanianum, RIDA 1, 1952, 501 f. wäre diese Erweiterung in Wirklichkeit dasSC Silanianum selbst. Widerlegungen dieser These durch Kajanto 47 undF. Geißelung und 54. – d’Ippolito, Ideologia e diritto in Gaio Cassio Longino (Neapel 1969), 52– Übersichtliche Zusammenstellung der einzelHinrichtung: Paul. sent. 3, 5, 6, Dig. 29, 5, 19. – nenBestimmungen desSC Silanianum vonB. Biondi undV. Arangio-Ruiz in: Acta Divi Augusti I (ed. S. Riccobono), Rom 1945, 258– 262. Dazu noch: F. d’Ippolito, Una presunta disposizione delSC Silanianum, in: Synteleia V. Arangio-Ruiz II (Neapel 1964) 717– 721. Letzte Behandlung des SC Silanianum durch D. Dalla, Senatus Consultum Silanianum (Mailand

1980).

Vergleichbar ist derDruck, dendasVolk i. J. 43 v. Chr. auf die Triumvirn ausübte, umdie Belohnung eines Sklaven (mit derFreiheit) zuerreichen, derseinen proskribierten Herrn vor demTode zuschützen versucht hatte, unddie Bestrafung eines anderen Sklaven, derihnverraten hatte, App. b. c. 4, 29 (§ 125).

Antike Staatsräson

285

angewendet würde8. Ja, ausdiesem Kreis wurde sogar derAntrag gestellt, es solltenauch dieFreigelassenen desPedanius Secundus, die sich zurTatzeit in seinem Haus aufgehalten hatten, bestraft werden, nämlich durch Ausweisung aus Italien (Tac. ann. 14, 45, 2). Gegen diese Erweiterung des Delinquentenkreises erhob der Kaiser, Nero, Einspruch9. Den eigentlichen, die Hinrichtung der Sklaven betreffenden Beschluß hielt auch er für richtig und übernahm dessen Ausführung. Er forderte dasVolk, dasdie Exekution verhindern wollte10, durch Edikt zurRuhe auf undließ den Wegzur Richtstätte auf demCampus Esquilinus durch eine dichte

Postenkette seiner Soldaten sichern11. Washatte Senat undKaiser bewogen, dieses Racheexempel zustatuieren und der von einem Teil des Senates zaghaft, vomVolke nachdrücklichst geforderten 2? misericordia keinen Raum zugeben1 Es warnach Tacitus der große Auftritt des Konsulars C. Cassius Longinus, des Hauptes der nach ihm benannten Juristenschule, der Senat undKaiser vonderNotwendigkeit des Hinrichtungsbeschlusses Herkommen“(mos antiüberzeugte. Cassius bekannte sich in seiner Rede13 zum„ quus, ann. 14, 43, 1), d. h. zu demaus Verhaltensweisen der Vorfahren (exempla maiorum) bestehenden Überlieferungsgut, das, zusammen mit den Gesetzen (leges), die römische Rechtsordnung bestimmte14. Das Verhalten der Vorfahren, so das SC Silanianum –fixiert führte Cassius aus, sei durch einen Senatsbeschluß – worden, ein Grund mehr, sich daran zu halten. Aber auch wenn es jetzt das erste Malwäre, daßmansich mit einem solchen Fall beschäftigen müsse, gebe es Gründegenug, eben so zubeschließen. Zunächst einmal sei zuberücksichtigen, daßein Verbrechen wie das in Rede stehende sich auf mancherlei Weise ankündige und nicht unbemerkt ausgeführt werde. Es zu verhindern, gebe es nur die eine Möglichkeit: Tod für alle Sklaven, die die Vorbereitung nicht anzeigten bzw. bei der Ausführung ihrem Herrn nicht zu Hilfe kämen. Die Sklaven müßten durch Furcht vor Rache zur Wachsamkeit gezwungen werden. Nurso könne eine Minderheit – die Herren -, umgeben von einer Mehrheit –den Sklaven -, in Sicherheit leben 2). (Tac. ann. 14, 43, 2. 44, 1–

8 Tac. ann. 14, 45, 1praevaluit tarnen pars, quae supplicium decernebat. 9 Tac. ann. 14, 45, 2 id a principe prohibitum est. 10 Tac. ann. 14, 45, 1 conglobata multitudine et saxa acfaces miniante. 11 Tac. ann. 14, 45, 2. Zum Esquilin als Exekutionsort vgl. Mommsen, Röm. Strafr. 914 mit Anm.4. Die Soldaten waren entweder urbaniciani oderpraetoriani. Nicht ausgeschlossen ist, daß Nero auch die Germani corporis custodes einsetzte wie später (i. J. 65 n. Chr.) bei der piDie germanische sonischen Verschwörung, Tac. ann. 15, 58, 2, vgl. meine Abhandlung „ Leibwache der römischen Kaiser desjulisch-claudischen Hauses“(Abh. Akad. Mainz 1981, 1) 88 f. 12 In der Stellungnahme Neros zudemvomSenat über die Sklaven des Pedanius Secundus gefaßten Beschluß ist ausdrücklich hervorgehoben, daßmisericordia nicht zur Anwendung gekommen sei, Tac. ann. 14,45, 2. 13 Eine genaue Analyse der Rede des Cassius unter dem Gesichtspunkt der Rhetorik wird D. Nörr in der Festschrift für H. Bengtson zum 70. Geburtstag (Historia-Einzelschrift 40) vorlegen: C. Cassius Longinus: derJurist als Rhetor (Bemerkungen zuTacitus, ann. 14, 42 ff.). 14 ZumVerhältnis von lex undmosvgl. J. Bleicken, Lex publica. Gesetz undRecht in der römiNewYork 1975) 347– 396. schen Republik (Berlin –

286

Gesellschaft

Auf die allgemeine Begründung der Strafandrohung des SC Silanianum ließ Cassius eine spezielle Rechtfertigung des Furchtprinzips folgen, das seiner Meinungnach die Sklavenhaltung beherrschen müsse. Er bediente sich dazueines sehr wirksamen Mittels, des Schlusses de minore ad maius: die Vorfahren seien den Sklaven mit Mißtrauen begegnet, auch wenn sie im Hause ihres Herrn zur Welt gekommen undin Anhänglichkeit anihnaufgewachsen wären. Umwieviel stärker müsse dieses Mißtrauen in einer Zeit sein, dadie Sklavenschaft eines Hauses sich ausdenverschiedensten Nationen rekrutiere unddemHerrn invielfacher Hinsicht fremd gegenüberstehe! Ein Gesindel dieser Art könne mannur durch Furcht im Zaumhalten (colluviem istam nonnisi metucoercueris, Tac. ann. 14,44, 3). Das letzte –gewichtigste –Argument des Cassius betraf die gerade im Falle des Pedanius Secundus hervorgetretene Tatsache, daß infolge des weitgefaßten Schuldbegriffs zweifellos auch Unschuldige die rigorose Strafe erleiden mußten. Cassius suchte diesen unleugbaren Sachverhalt durch denHinweis auf die Soldatenstrafe der Dezimation, wobei jeder zehnte hingerichtet wurde, zu entkräften. Auch sie trage etwas Ungerechtes ansich, dassei beijedem großen Strafexempel so. Doch werde dasUnrecht, dasdereinzelne erleide, aufgewogen durch denNutzen, dendieAllgemeinheit davon habe (Tac. ann. 14,44, 4). Nutzen für die Allgemeinheit“ist der Versuch einer Übersetzung des von „ Cassius verwendeten Begriffs utilitas publica. Daß wirklich Cassius ihn ge5, brauchte undnicht Tacitus ihm denselben unterschoben hat1 läßt sich beweisen: Cassius’Argumentation warzwar in erster Linie fürdie Senatoren bestimmt, aber sie erfolgte auch mit Blick auf den Kaiser, denn er entschied ja darüber, ob der Senatsbeschluß Rechtskraft erlangte. Die Berufung auf die utilitas publica stellte nungeradezu einen Appell an denKaiser dar, demer sich aus Gründen, die das undja auch nicht entzoWesen des Prinzipats betreffen, nicht entziehen konnte – genhat.

Einer der Wesenszüge des Prinzipats bestand in demAnspruch des Princeps, bei all seinem Tun denNutzen des Staates im Auge zu haben16. Dieser Anspruch fand seine staatsrechtliche Untermauerung in der lex de imperio, undzwar in der sogenannten diskretionären Klausel. Sie ermächtigte den Princeps, alle Maßnahex usureipublicae17 . Wichmenauf welchen Gebieten auch immer zuergreifen – tig ist nun, daßder Begründer des Prinzipats, Augustus, sich bei mehreren seiner wie mandenhinter der ForHandlungen ausdrücklich auf das„Staatsinteresse“– berief. mulierung derlex de imperio stehenden Begriff wiedergeben kann –

15 Zurallgemeinen

Übereinstimmung

dertaciteischen

Wiedergabe

mitderwirklich

gehaltenen

51, zurspeziellen, bei Tacitus sonst nicht vorkommenden Rede vgl. Kajanto (o. Anm. 5) 48–

16 17

Bedeutung vonutilitas publica als Argument fürdieHerkunft ausderSenatsrede desCassius 75. d’Ippolito, Ideologia (o. Anm. 6) 73– Diesen Gesichtspunkt hatzuerst A. vonPremerstein, VomWerden undWesen desPrinzipats (München 1937) 124 f. betont. Ausführlich handelte sodann darüber J. Béranger, Recherches ). Lesouci dubienpublic“ surl’aspect idéologique duPrincipat (Basel 1953) 169ff. („ 21 utique quaecunque ex Lex de imperio Vespasiani, CIL VI 930 = Dessau ILS 244, Z. 17– usurei publicae maiestate divinarum humnarum publicarum privatarumque rerum esse censebit, ei agere facere ius potestasque sit, ita uti divo Aug. Tiberioque Iulio Caesari Aug. Tiberioque Claudio Caesari Aug. Germanico fuit.

Antike Staatsräson

287

Im Jahre 23 v. Chr. nahm Augustus ungeladen an demQuaestionsprozeß gegenM. Primus teil, derangeklagt war, als Statthalter derProvinz Macedonia ohne Auftrag Krieg außerhalb der Provinz geführt zu haben. Augustus wurde von dem der Quaestio vorsitzenden Praetor als Zeuge gehört. Das veranlaßte Licinius Murena, denVerteidiger desAngeklagten, zuderFrage, werihndenn überhaupt geruό σιον)18. Ein dasStaatsinteresse“(τ ὸδημ fenhabe. Augustus antwortete lapidar: „ Jahr später, 22 v. Chr., ließ Augustus im Anschluß an ein Gerichtsverfahren, das wegen Flucht des Angeklagten in Abwesenheit durchgeführt werden mußte, festlegen, daß künftig in solchen Fällen die Stimmabgabe der Geschworenen nicht geheim, sondern öffentlich erfolgen sollte. Als Grund seines Antrags nannte er den ο σ ῷδημ ο ν τ ατ )19. In der erst kürzlich durch φ έρ ίῳ υμ Nutzen für den Staat“(σ „ einen Papyrus bekannt gewordenen Leichenrede, dieAugustus imJahre 12 v. Chr. für seinen Freund undMitregenten Agrippa hielt, erwähnte er eine Gesetzesklausel, welche die Aufträge, die Agrippa für ihn, Augustus ausführte, in der Weise μ α ιν ὰτ ίω ν ) sie erteilt habe2 0. ῶ ὰκο νῬ ω derStaat“selbst (τ bezeichnete, daß„ ImJahre 4 n. Chr. adoptierte Augustus seinen Stiefsohn Tiberius. Umdie Besonderheit und Wichtigkeit des Aktes zu betonen, erklärte er, die Adoption erfolge im Interesse des Staates“(rei publicae causa)21. Im gleichen Jahr (4 n. Chr.) er„ kannte Augustus im Falle des L. Cornelius Lentulus die Rechtsgültigkeit dervon diesem hinterlassenen codicilli an. Der Jurist Trebatius Testa hatte demPrinceps gutachterlich erklärt, diese (auch in der Folge wirksame) Anerkennung sei „sehr nützlich für die Bürger“(utilissimum civibus)22. 6 n. Chr. rief Augustus die Feuerwehreinheiten Roms (vigiles) ins Leben. Er hielt es für seine Pflicht, auch in diesem Bereich „ für das Wohl des Staates zu sorgen“(salutem rei publicae tueri)23. 18 Cass. Dio 54, 3, 2 f. F. Bömer, P. Ovidius Naso, Metamorphosen, Buch XII-XIII. Kommentar μ ό σ η ιο ν(Cass. Dio) und τ (Heidelberg 1982) zu XII 7 vergleicht τ ὸδ ὸκο ιν ό ν(z. B. Demosth. 3, 26), dasdieAllgemeinheit imGegensatz zumeinzelnen bezeichnet. ZumAusspruch ό σ ιο ν ) vgl. von Premerstein (o. Anm. 16) 124. H. Volkmann, Zur ὸδημ des Augustus (τ Rechtsprechung imPrincipat desAugustus (2München 1969) 56. A. Mehl, Bemerkungen zu Dios undTacitus’Arbeitsweise, Gymnasium 88, 1981, 61 (mit derÜbersetzung: „ dasöffent). liche Wohl“ 19 Cass. Dio 54, 3, 6. Dazu vonPremerstein 124 undVolkmann 59 (hier die Rückführung des griechischen Ausdrucks aufdenBegriff derutilitas reipublicae). 20 L. Koenen, Die„laudatio funebris“desAugustus fürAgrippa aufeinem neuen Papyrus, ZPE 11). Koenen übersetzt (S. 230) τ 5, 1970, 226 (col. I Z. 8– ὰκο ιν μ ὰτ ῶ α νῬ ίω ω νmit res publica (Romana) und verweist dafür (S. 227) auf Res gestae Divi Augusti c. 1: κ ο ιν ὰ μ α τ α . Vgl. auchseine Bemerkungen S. 273. γ ά ρ π 21 Suet. Tib. 21, 3. Vell. 2, 104, 1. DazuD. Timpe, Untersuchungen zurKontinuität desfrühen Prinzipats (Wiesbaden 1962) 27. H. U. Instinsky, Augustus unddie Adoption des Tiberius, 335. L. Wickert, Neue Forschungen zumrömischen Prinzipat, ANRW Hermes 94, 1966, 332– NewYork 1974) 44 f. II 1 (Berlin – 22 Inst. 2, 25 pr. Zur Bedeutung des Aktes von Premerstein 205– 208, der auch auf Inst. 2, 23, 1 hinweist, wodieAnerkennung derfideicommissa durch Augustus denKommentar erhält: quia iustum videbatur etpopulare erat. Vgl. weiter Volkmann (o. Anm. 18) 210 f. 23 Dig. 1, 15, 3 pr.: vonPremerstein 125 zieht vonderSorge desKaisers fürdas Wohl des Staates eine Verbindungslinie zu der Vorstellung, „ daß das Wohlergehen des Kaisers als des Staatserhalters die wichtigste Vorbedingung der Salus publica sei“ . Ausführlich dazu H. U. Instinsky, Die Alte Kirche unddasHeil des Staates (München 1963) 21– 39.

288

Gesellschaft

Nach Cassius Dio handelte Augustus so in derÜberzeugung, die Hilfe dervigiles )24. ω τά την η ιμ σ ρ beiBränden sei „sehr nützlich“(χ

Die Häufung derBelege zeigt deutlich, daßdieBetonung desStaatsinteresses vom Begründer des Prinzipats selbst stammt. Dieser Nachweis ist insofern von Bedeutung, als er dazu berechtigt, dieses Leitmotiv auch hinter solchen Maßnahmendes Augustus zu suchen, bei denen die Anführung des Staatsinteresses nicht unmittelbar auf ihnzurückgeht oder mehr derSache als demBegriff nach zutrifft. Der Blick richtet sich dabei vor allem auf die Gesetzgebung des Augustus, und tatsächlich finden sich hier zwei treffende Beispiele. Das eine betrifft die Ehegesetze derJahre 18 v. und9 n. Chr. In einem Kommentar dazu (aus der Feder des Terentius Clemens) wird das Gesetzeswerk (lex Iulia Papia) als „ nützlich für den Staat“bezeichnet (utilis rei publicae), weil es geschaffen worden sei, umdie Geburtenzahl zu erhöhen25. Das zweite Beispiel führt zu den augusteischen Freilassungsgesetzen, der lex Fufia Caninia (2 v. Chr.) und der lex Aelia Sentia (4 n. Chr.). Zu ihnen bemerkt Sueton, Augustus habe es „ für wichtig erachtet“(magni existimans), dasrömische Volk rein zuerhalten undvorVerschmutzung mit Skla-

6.

venblut zubewahren2 Damit ist derGesichtspunkt desNutzens fürdenStaat, desStaatsinteresses, als Motiv der augusteischen Gesetzgebung aufgespürt, undzwar auch von Gesetzen, die die Sklaven betrafen. Darf mandanicht annehmen, daßdasSC Silanianum als Teil der Sklavengesetze ebenfalls diesem Motiv seine Entstehung verdankt? Um diese Annahme zur Gewißheit zu erheben, ist es erforderlich, einmal das Prinzip derutilitas publica genauer zufassen undzumanderen seine Anwendung in bezug auf die Sklaverei vonderSituation herzuverstehen, in derdiese sich zurZeit der Begründung desPrinzipats befand. Was zunächst die genauere Bestimmung des Begriffs der utilitas publica angeht, sohatA. Steinwenter eine solche Präzisierung dadurch zuerreichen versucht, daß er utilitas publica undutilitas singulorum als gegensätzliche Positionen ver7. stand, von denen der ersteren das Übergewicht zukomme2 Wenngleich zuzugeben ist, was besonders Th. Honsell betont, daß der Bedeutungsgehalt der utilitas publica durch den Gegensatz zur utilitas singulorum nicht voll ausgeschöpft wird28, so ist es doch gerade dieser Gegensatz, der die Sklavengesetzgebung des

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27 28

Cass. Dio 55, 26, 4. Vgl. Dig. 1, 2, 2, 32, wonach dieEinsetzung despraefectus vigilum (und despraefectus annonae) utilitatis causa erfolgte. vonPremerstein 217 f. Dig. 35, 1, 64, 1. Vgl. dazu D. Nörr, Planung in der Antike, in: Freiheit undSachzwang Opladen 1977), 321. Th. Hon(Beiträge zu Ehren H. Schelskys), hrsg. von H. Baier (Köln – sell, Gemeinwohl undöffentliches Interesse imklassischen römischen Recht, ZRG95, 1978,

117 f.

Suet. Aug.40, 3. ÜberdieMotive deraugusteischen Freilassungsgesetze vgl. G. Impallomeni, 154. K. M. T. Atkinson, The Purpose of the La manomissioni mortis causa (Padua 1963) 152– 376. L. Rodriguez Alvarez, Las Manumission Laws of Augustus, The Irish Jurist 1, 1966, 356– 171. leyes limitadoras delasmanumissiones enepoca Augustea (Oviedo 1978) 168– A. Steinwenter, Utilitas publica –utilitas singulorum, in: Festschrift P. Koschaker I (Weimar 102. 1939) 84– Differenzierter betrachtete die utilitas publica zuerst J. Gaudemet, Utilitas publica, RHD 29, 499. Sodann: G. Jossa, L’„utilitas rei publicae“nel pensiero imperiale dell’epoca 1950, 465–

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Augustus und überhaupt die Situation der Sklaverei in der frühen Kaiserzeit erklärt. Die utilitas publica wirdja auch vonCassius in seiner Senatsrede derutilitas singulorum entgegengesetzt, freilich in einem Sinne, dessen Hintergrund erst erhellt werden muß, eheer sich demVerständnis voll erschließt. Jedes große Strafexempel Cassius schloß seine Senatsrede mit der Sentenz: „ trägt für die einzelnen etwas Ungerechtes an sich, dasaber durch denNutzen aufgewogen wird, den die Allgemeinheit davon hat“ (habet aliquid ex iniquo omne magnum exemplum, quod contra singulos utilitate publica rependitur). Die einzeldas sind in diesem Falle doch wohl die 400 Sklaven des Pedanius Secundus. nen – Weraber ist unter derAllgemeinheit zuverstehen? Offenbar nurdie Sklavenbesitzer, die Herren, die durch das Mittel grausamer Rache ihre Sicherheit gewährleisten wollen. Trifft dies wirklich zu? Ist die utilitas publica identisch mit demWohl 9? der herrschenden Klasse, wie E. Koestermann die Stelle versteht2 Die Antwort lautet: Nein, undderBeweis ist verhältnismäßig leicht zuführen; er mußbei den singuli ansetzen. Cassius hat dem Satz, in dem er die utilitas publica gegen die utilitas singulorum ausspielt, die Form der Sentenz gegeben. Omne malum exemplum! Dahinter steht der Anspruch der Allgemeingültigkeit unddie Aufforderung andenHörer, denEinzelfall daraus abzuleiten. Kommt mandieser Aufforderung nach, so ergibt sich für die singuli folgendes: Es waren keineswegs nur die 400 Sklaven, die, weil großenteils unschuldig, durch dieHinrichtung Unrecht erlitten. Die 400 Sklaven gehörten demPedanius Secundus, waren wertvolle Bestandteile seines Vermögens. DasVermögen ging an seine Erben über. Auch die Sklaven wären ohne das SC Silanianum an seine Erben gelangt. Es ist bekannt, daß besonders ausgebildete Sklaven 8000 Sesterze undmehr kosteten, während Nor0. malsklaven schon für 2000 Sesterze zu haben waren3 Die 400 Sklaven des Pedanius Secundus repräsentierten also einen in die Millionen gehenden Vermögenswert. Unddieses Vermögen wurde denErben entrissen! Mußten sie das nicht als Unrecht empfinden? M. E. kann es keinen Zweifel daran geben. Die singuli, die durch Anwendung des SC Silanianum Unrecht erlitten, das waren nicht allein die Sklaven, die ihr Leben verloren, daswaren auch die Erben, die ihr Vermögen verloren. Was diese letzteren betrifft, so wären sie die neuen Herren der 400 Sklaven geworden. Das SC Silanianum entzog ihnen ihre Herrenrechte. Diese Formulierung macht deutlich, daßes nicht angeht, denNutzen derAllgemeinheit, die utilitaspublica, mit demNutzen derherrschenden Klasse zu identifizieren. Mitglieder eben dieser herrschenden Klasse gehörten vielmehr zu densinguli, gegen die das Prinzip derutilitas publica angewendet wurde.

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30

405. G. Longo, Utilitas publica, Atti del seminario roclassica, Studi Romani 11, 1963, 387– 227. Zuletzt (in bewußter Absetzung von Steinmanistico internazionale, Perugia 1972, 155– 137, hier: 96. wenter): Honsell (o. Anm. 25) 93– E. Koestermann, Cornelius Tacitus, Annalen IV, Kommentar zu Buch 14– 16 (Heidelberg 1968) 111. Diebeiden Preisangaben bei Hor. sat. 2, 7, 43 bzw. epist. 2, 2, 5 f. Weiteres Material zuden Sklavenpreisen bei W. L. Westermann, The Slave Systems of Greek andRoman Antiquity (Philadelphia 1955, Nachdr. 1964) 100 f.

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Damit ist derWegfrei zurspeziellen Bedeutung derutilitas publica. Sie wurde, wie gezeigt, im Falle des Pedanius Secundus sowohl gegen Angehörige der herrschenden als auch derunterdrückten Klasse zurGeltung gebracht. Mithin muß die utilitas publica etwas sein, dasüber denKlassen undüber deneinzelnen steht, einPrinzip, welches fürsich beansprucht, dasWohl aller gegen dieInteressen einzelner zu sichern. Dieser Definitionsversuch führt in die Nähe des Begriffs der Staatsräson, dessen Verständnis vorallem F. Meinecke verdankt wird. Tatsächlich ist für Meinecke Tacitus, bei demer die vorstehend behandelte Sentenz des Cassius fand, soetwas wieeinKronzeuge fürdasfrühe Auftreten dervonihmverfolgten Maxime3 1.So richtig dies im Kern ist3 2, so guttut mandaran, denBegriff der Staatsräson, der eng mit demdes modernen Staates verbunden ist, nur als Verständnishilfe für den Begriff der utilitas publica zu benutzen, diesen nicht mit jenem gleichzusetzen. „Staatsinteresse“dürfte, wie sich ausderbisherigen Erörterung ergibt, die passende Umschreibung für utilitas publica sein. Im übrigen genügt es, erkannt zu haben, daß ihre Anwendung im Falle des Pedanius Secundus sich gegen Sklaven undHerren richtete. Dies ist diegesuchte spezielle Fassung des Prinzips der utilitas publica im Hinblick auf das SC Silanianum. Wie paßt nun die Tatsache, daß der Staat durch das SC Silanianum in die Rechte der Herren eingriff undan ihrer Stelle die Bestrafung der Sklaven übernahm, in die Situation der Sklaverei zurZeit derBegründung des Prinzipats? Zunächst will es scheinen, daßsie nicht zudemVerhalten paßt, welches Oktavian im Jahre 36 v. Chr. nach demSieg über Sex. Pompeius zeigte. 30 000 Sklaven, die ihren Herren in Italien undSizilien entlaufen waren, hatten in Heer undFlotte des . Nach ihrer die Waffen gegen denStaat erhoben“ Pompeius gekämpft; sie hatten „ Gefangennahme übergab Oktavian sie ihren Herren zurBestrafung (Res g. 25). Er respektierte also dieHerrenrechte andenentlaufenen Sklaven, obwohl die Sklaven ein Staatsverbrechen begangen hatten. Dieses Verhalten steht in direktem Gegensatz zudervomSC Silanianum angeordneten Staatsaktion gegen die Sklaven eines ermordeten Herrn. Unddoch fürt ein WegvomVerhalten Oktavians imJahre 36 v. Chr. zu demunter demPrinzipat des Augustus im Jahre 17 v. Chr., also 20 Jahre später, ergangenen SC Silanianum. Nachrichten bei Appian undCassius Dio besagen, daßdiejenigen Sklaven, deren Herren bzw. Erben nicht mehr ausfindig gemacht werden konnten, in denStädten, aus deren Gebiet sie entflohen waren, öffentlich hingerichtet, ans Kreuz geschlagen wurden (App. b. c. 5, 131 [§ 545]. Cass Dio49, 12, 5). Nunbedenke man: Welcher Herr, derseinen Sklaven wiedererhielt, wird ihnwohl mitdemTode bestraft haben? Wird er nicht froh gewesen sein, ihn als Arbeitskraft wiederzuhaben? Gewiß, erwird ihnbestraft haben, durch Schläge, aber vonTötung wird ihnsein rechnender durch Fesselung, durch Brandmarkung – Verstand abgehalten haben. Zweierlei Maßalso für ein unddasselbe Verbrechen?

31 F. Meinecke, DieIdee derStaatsräson inderneueren Geschichte, in:ders., Werke I (München 1957) 29.

32 Dieweitgehende

Übereinstimmung derCassius-Sentenz bei Tacitus mitderIdee derStaatsräson betonen Steinwenter 91, Gaudemet 473, J. von Stackelberg, Tacitus in der Romania (Tübingen 1960) 32. 123 (vgl. Koestermann 111), Jossa 402 f., d’Ippolito, Ideologia (o. Anm. 6) 74 f. Sehr zurückhaltend: Honsell 96 f.

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ahndete es als Staatsverbrechen, als bewaffnete Erhebung, der einzelne Sklavenbesitzer als Privatdelikt, als Flucht. Hätte Oktavian dieses Unrecht nicht vorhersehen müssen? Es wäretöricht anzunehmen, er hätte geglaubt, daßdie Sklavenbesitzer ihre zurückerhaltenen Sklaven töten würden. Aber er konnte es ihnen nicht vorschreiben, nicht in der Situation, in der er sich ihnen gegenüber befand. Sie hatten ihm doch im Jahre 38 v. Chr. 20 000 Sklaven für seine Flotte zur Verfügung gestellt (Suet. Aug. 16, 1. Cass. Dio48, 49, 1), undihmmußte daran liegen, derHerrihre Unterstützung undihr Wohlwollen nicht zuverlieren. Er war„nur“ scher desWestens, Antonius undderOsten standen bei allem, waser tat, drohend im Hintergrund. So konnte denn Oktavian die Strafe, die die gefangen genommenen30 000 Sklaven seiner Meinung nach allesamt verdienten, dieKreuzigung, nur an denherrenlosen Sklaven vollziehen lassen. Nichtsdestoweniger gab er durch die öffentliche Hinrichtung zuerkennen, daß ihre abschreckende Wirkung im Interesse desStaates liege. Die Verbindung zum SC Silanianum dürfte jetzt deutlich sichtbar sein: hier wie dort die gleiche Strenge; hier wie dort das Unrecht gegenüber einzelnen im Interesse der Allgemeinheit. Aber auch derUnterschied zwischen der Strafaktion desJahres 36 v. Chr. unddemvomSC Silanianum vorgeschriebenen Strafexempel dürfte klar sein: dort ein Zurückweichen des Staates vordemHerrenrecht, hier (im SC Silanianum) ein Hinwegsetzen des Staates über eben dieses Herrenrecht. Wie ist es zudiesem Souveränitätsanspruch desStaates gekommen? Zwischen dem Jahr 36 v. Chr. unddemJahr 17 v. Chr., dem mutmaßlichen Datum des SC Silanianum, liegt die Begründung des Prinzipats durch denStaatsakt desJahres 27 v. Chr. Nach denWorten des Augustus warder Prinzipat nurdie wiederhergestellte Republik (res publica restituta)33, in Wirklichkeit versetzte er denStaat in einen neuen Zustand. Diese vonSueton (Aug. 28, 2) gebrauchte Formel (novus status) wird indirekt durch Augustus selbst bestätigt, wenn er sich rühmt, demStaat „ neue Gesetze“(novae leges) gegeben zuhaben. Mit diesen Gesetzen, sagt Augustus in denRes gestae, habe er viele beispielhafte Verhaltensweisen der Vorfahren, die aus demLeben der Gegenwart zu verschwinden drohten, wieder zur Geltung gebracht34. Der Satz offenbart den Geist der augusteischen Gesetzgebung: Rückkehr zudenBeispielen, die die Vorfahren gegeben haben. Der Grund für deren Vernachlässigung braucht nicht lange gesucht zu werden: Das Jahrhundert derBürgerkriege hatte gerade in dieser Beziehung verheerend gewirkt. Es gilt nun, den Finger darauf zu legen, daß Augustus die Rückkehr zu den Beispielen der Vorfahren mit Hilfe der Gesetzgebung zu verwirklichen suchte. Verhaltensweisen, die früher als selbstverständlich geübt worden waren, sollten jetzt durch Gesetze eingeschärft werden. Das heißt: Der Staat überließ es nicht mehr demeinzelnen, in einem bestimmten Fall sich so oder anders zu verhalten, sondern er verpflichtete ihnzueiner festgelegten Verhaltensweise, z. B. die Angehörigen der beiden oberen Stände zu heiraten und Kinder zu zeugen, wenn sie nicht enorme vermögensrechtliche Nachteile auf sich nehmen wollten. Mit dieser

Der Staat

33 Res g. 34, vgl. Fasti Praen. zum 13. Januar: CIL I2p. 231. 34 Res g. 8 Legibus novis me auctore latis multa exempla maiorum exolescentia iam ex nostro saeculo reduxi.

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deraugusteischen Gesetzgebung istjener Souveränitätsanspruch des Staates ermittelt, der oben beim SC Silanianum als Eingriff in das Herrenrecht konstatiert worden ist. Es mußallerdings noch demmöglichen Einwand begegnet werden, Augustus spreche vonGesetzen, die er selbst eingebracht habe, das SC Silanianum aber sei weder vonihmbeantragt worden, noch sei es ein Gesetz imtechnischen Sinne des Wortes. Es gehörte zudengeheimen Regierungsmaximen desAugustus, nicht alles selbst in die Wege zuleiten unddoch alles zukontrollieren. Im Falle des SC Silanianum heißt das: DerKonsul Silanus wirdnicht ohne Direktive desAugustus denSenatsbeschluß herbeigeführt haben, so wieja auch die Konsuln Papius und Poppaeus im Jahre 9 n. Chr. nicht ohne Anweisung des Augustus die Ergänzung seines Ehegesetzes, der lex Iulia vomJahre 18 v. Chr., vornahmen undmit ihren Namen versahen: lex Papia Poppaea. DaßAugustus aber denEingriff in dasHerrenrecht durch die Anordnung eines staatlichen Strafverfahrens über die Sklaven eines ermordeten Herrn vomSenat undnicht vonderVolksversammlung bestätigenließ35, dürfte einen speziellen Grund gehabt haben. ImSenat saßen die großen Sklavenbesitzer. Wenn sie zuderEinschaltung desStaates bei derRache füreinen Ja“sagten, wersollte dagegen aufbegehren? Ihr „ Ja“aber war ermordeten Herrn „ zuerwarten, weil es sie vonjener Furcht befreite, in dersie als Folge derBürgerkriege lebten. MitdenBürgerkriegen hatdieimvorstehenden unternommene Suche nach einemGrund für die Anwendung des Prinzips der utilitas publica auf die Sklaverei denentscheidenden Punkt erreicht. Die Bürgerkriege haben das Verhältnis HerrSklave von Grund auf erschüttert. Es genügt hier, auf das Proskriptionsedikt des Jahres 43 v. Chr. hinzuweisen, welches alle für geächtet erklärte, die den Triumvirn Antonius, Oktavian undLepidus mißliebig waren. In diesem öffentlich angeschlagenen Edikt wurden die Sklaven aufgefordert, ihre namentlich aufgeführten Herren zu töten oder anzuzeigen, wo sie sich versteckt hielten. Für Tötung oder Anzeige wurde ihnen die enorm hohe Belohnung von 40 000 Sesterzen verspro6. chen, dazu die Freiheit3 Diese Belohnung beweist klar die Schuld des Staates an derZerstörung des Fundaments der Sklaverei. Eben dieses Fundament mußte nun nach Beendigung der Bürgerkriege wiedererrichtet werden, denn auf die Sklavenhaltung als solche wollte manja nicht verzichten. Es ist dies die Situation, derdas SC Silanianum seine Entstehung verdankt unddie seine Eigentümlichkeit erklärt. Daist zunächst die staatliche Initiative: DerStaat hatte die Fundamente der Sklaverei zerstört, er mußte sie auch erneuern. Da ist weiter die Strenge: Die Sklaven Grundtendenz

35 DasSCSilanianum wardererste Senatsbeschluß mitselbständigem legislativem Charakter: E. Volterra, Senatusconsulta, Nuovo Digesto Italiano XII 1 (Turin 1940) 30. Über die republikanische Entwicklung des Senatus Consultum zur Rechtquelle vgl. G. Crifò, Attivita norma115, dens., Studi sul quasi-usufrutto tiva del senato in età repubblicana, BIDR 71, 1968, 31– 92, Bleicken (o. Anm. 14) 236– 243. romanio I (Padua 1977) 84– 44). Zu seiner Wirkung auf die Skla11 (§ 31– 36 Wortlaut des Proskriptionsedikt: App. b. c. 4, 8– ven: J. Vogt, Sklaverei undHumanität (2Wiesbaden 1972) 86 f. Allgemein zudenProskriptionen des Jahres 43 v. Chr.: H. Bengtson, Zu den Proskriptionen der Triumvirn (SB Bayer. Akad. Wiss. 1972, 3).

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waren imBürgerkrieg zumMord aufgerufen worden, sie nunvom Mord abzuhalten, warübergroße Strenge unumgänglich37. Da ist ferner die Beeinträchtigung des

Sie erschien als tragbarer Verlust gegenüber der Sicherheit, die man Das Wichtigste aber ist dies: Die Neufundamentierung des Sklavereiverhältnisses erfolgte im Rahmen eines Programms, dessen Tendenz dahin ging, den Verhaltensspielraum des einzelnen durch gesetzlich fixierte Normen einzuschränken, die utilitas publica, das Staatsinteresse, gegen die utilitas singulorum, dasInteresse dereinzelnen, zurGeltung zubringen. Getragen wurde dieses Programm vomPrinceps, undnurer, dessen auctoritas undcura der Staat seit 9, demEnde der Bürgerkriege anvertraut war3 vermochte es durchzusetzen. Weil derPrinceps die utilitas publica geradezu verkörperte, kann manauch die Wirkung nachempfinden, welche die Sentenz des Cassius auf Nero gehabt haben mußund ihn zumVollzug des auf eben dieser utilitas publica beruhenden SC Silanianum Herrenrechts:

dafür gewann38.

bestimmte.

Mit derZurückführung derutilitas publica ausder Senatsdebatte des Jahres 61 hervorgebracht hat, ist derZugang zumVerständnis der Gesamtsituation der Sklaverei in der frühen Kaiserzeit gewonnen; die utilitas publica ist ihr Schlüssel. Es kann nicht deutlich genug gesagt werden, daß der Eingriff des Staates in das Herrenrecht, der sich im SC Silanianum manifestierte undin der Hinrichtung der400 Sklaven des Pedanius Secundus sinnfälligen Ausdruck erhielt, für die römische Rechtsordnung neu war, ein Novum allerdings, das keineswegs alleine stand. Dies soll am Beispiel der beiden erwähnten Freilassungsgesetze des Augustus ausdenJahre 2 v. und4 n. Chr. gezeigt werden. Dergleichfalls schon angeführten Äußerung Suetons zufolge (Aug. 40, 3) wollte Augustus mit denin diesen getroffenen Anordnungen dasrömische Volk vor Verschmutzung mit Sklavenblut bewahren. Das hört sich ganz so an, als ob der Gesetzgeber den Sklaven übel 0. wollte, zumal sie mit demAusdruck „Unrat“(colluvio) belegt werden4 Nun, es ist nicht zuverkennen, daß die beiden Gesetze sich gegen Gefahren richteten, die , von seiten der Sklaven drohten. Aber die demrömischen Volk, seiner „Reinheit“ andere Richtung der Gesetze ist ebenso unverkennbar: Sie schrieben den Herren vor, in welchem Umfange sie Sklaven testamentarisch freilassen durften bzw. welche altersmäßigen Voraussetzungen bei Herren undSklaven vorhanden sein mußten, umFreilassungen jedweder Form Rechtsgültigkeit zuverleihen. Die genauen Relationen, welche daseine derbeiden Freilassungsgesetze, die lex Fufia Caninia, zwischen der Gesamtzahl der Sklaven eines Herrn undderHöchstzahl der gesetz-

n. Chr. in die Situation, die das SC Silanianum

37 Vgl. Tac. ann. 14, 42, 2 nimiam severitatem. 38 Vgl. Tac. ann. 14, 44, 2 tuti inter anxios. 39 WieAugustus sich durch seine auctoritas über alle erhob, so waltete auch seine cura als höhere Einsicht (providentia) über allen. Es waren diese Qualitäten, die denPrinceps erkennen ließen, was der Allgemeinheit zumNutzen gereichte. Vgl. zu auctoritas undcura die ein131 und 186– dringlichen Untersuchungen von Béranger (o. Anm. 16) 114– 217 mit genauer Analyse derQuellenzeugnisse. 40 Vgl. die Übereinstimmung im Ausdruck zwischen Suet. Aug. 40, 3 colluvio undTac. ann. 14, 44, 3 (Cassius) colluvies.

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lich erlaubten testamentarischen Freilassungen festsetze, sprechen fürsich: Lagdie Gesamtzahl zwischen 2 und10, so durfte die Hälfte freigelassen werden, lag sie zwischen 11und30, so einDrittel, zwischen 31 und100, einViertel undzwischen 101und500, ein Fünftel; mehr als 100 Sklaven durften auch bei höherer Gesamtzahl als 500 nicht freigelassen werden. Auch dieBestimmung desanderen Freilassungsgesetzes, der lex Aelia Sentia, daßder Herr mindestens 20, der Sklave mindestens 30 Jahre alt sein mußte, wenndieFreilassung gültig sein sollte, läßt keinen Zweifel an der Tendenz: Einschränkung des Herrenrechts41. Aus den Freilassungsgesetzen des Augustus ergibt sich also der gleiche Sachverhalt wie aus demSC Silanianum: DemAnschein nach gegen dieSklaven gerichtet, trafen sie in Wirklichkeit die Herren ebenso wie die Sklaven. Deutlicher aber noch als beim SC Silanianum lassen die Freilassungsgesetze erkennen, daßein denHerren und Sklaven übergeordnetes Interesse denStaat zumEingreifen veranlaßte: Die Sorge für die Reinerhaltung der Bürgerschaft ist doch wohl ein solches übergeordnetes Interesse! Dazu kommt dasBemühen, die Bedeutung desFreilassungsaktes durch Festsetzung eines Mindestalters fürHerren undSklaven ins Bewußtsein zuheben. Schließlich darf die Absicht, die Prunksucht einzuschränken, nicht übersehen werden. Es warja in Romeinbeliebtes Mittel, seinen Reichtum dadurch zurSchau zu stellen, daß man eine große Anzahl Sklaven im Testament freiließ, die dann beim Leichenbegängnis mitdempileus aufdemKopfe ihrem toten Herrn die letzte Ehre 2. erwiesen4 All dies gehört ganz offenkundig in denBereich desStaatsinteresses. Ebenso neuwie derEingriff des Staates in dasHerrenrecht wardasInteresse, welches derStaat überhaupt für die Probleme zeigte, die die Sklaverei aufwarf; er überließ sie nicht mehr nur den einzelnen. Es war dies gewissermaßen eine Hinwendung desStaates zudenSklaven. Sie wurden aufeinmal gewahr, daßsie nicht nur zurfamilia ihres Herrn gehörten, sondern auch von der größeren Gemeinschaft umfaßt wurden, die denStaat bildete, denStaat, derauch für sie als höhere Instanz fungierte. Zudieser Erkenntnis konnten sie allerdings nurgelangen, wenn sie wortwörtlich ameigenen Leibe erfuhren, daßdie Macht des Staates größer war als dieihrer Herren. Gerade dieser Fall trat in derfrühen Kaiserzeit ein. Seneca erwähnt in seiner Schrift „ Über die Wohltaten“(benef. 3, 22, 3) eine Institution, deren Existenz aufhorchen läßt. Es seijemand eingesetzt, derdenSklaven Gehör schenke, wenn sie sich über Unrecht beklagen wollten, das sie durch ihre Herren erlitten hätten. Als Formen desUnrechts nennt Seneca grausame Behandlung (saevitia), sexuellen Mißbrauch (libido) undungenügende Entlohnung (avaritia). Ausjuristischen Quellen ergibt sich, werderjenige war, derdenSklaven in ihrer NotGehör schenkte: es warderStadtpräfekt, derStellvertreter desKaisers.

41 L. F. Raditsa,

42

Augustus’ Legislation concerning Marriage, Procreation, Love Affairs and NewYork 1980) 320 f. –Knappe Zusammenfassung der BeAdultery, ANRW II 13 (Berlin – stimmungen derbeiden Freilassungsgesetze desAugustus bei Kaser (o. Anm. 5) 296 f., ausführliche Erörterung ihrer Probleme durch Rodriguez Alvarez (o. Anm.26). Manchmal war solche liberalitas nur vorgetäuscht (die pileati verblieben in der servitus). Justinian schnitt diese Möglichkeit ab, indem er demmitWillen desErblassers oder Erben als pileatus beim Begräbnis auftretenden Sklaven ipso facto die Freiheit verlieh, CJ 7, 6, 1, 5 (531 n. Chr.).

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Ebenfalls erfährt mandurch sie, welche Abhilfe er schuf, wenn die Beschwerde eines Sklaven sich als berechtigt erwies: er ließ ihnaneinen anderen Herrn verkaufen, undzwar erfolgte dieses Rechtsgeschäft auf Grund der Autorität des Kaisers43. Die maßgebliche Rolle, die derKaiser bei derAusbildung dieser Institution spieles war, wahrscheinlich Tiberius – te, kommt, abgesehen vonderTatsache, daßer – derdenStadtpräfekten als Beschwerdeinstanz fürdie Sklaven einsetzte, besonders darin zum Ausdruck, daß es mehr und mehr üblich wurde, daß die Sklaven, die davon Gebrauch machen wollten, bei einer Kaiserstatue Schutz suchten (Sen. clem. 1, 18, 2) unddadurch kundtaten, vonwemsie letztlich Hilfe erwarten. DerKaiser als Repräsentant desStaates hielt es also imInteresse dieses Staates fürnötig, die Sklaven gegebenenfalls in Schutz zunehmen. Es läßt sich sogar genaubestimmen, wodas Staatsinteresse in diesem Falle lag. In einem Reskript des Antoninus Pius aus demJahre 152 n. Chr. heißt es, der Staat müsse einschreiten, wennein Herr seine Sklaven nicht ausreichend ernähre oder sie grausam behandle, damit es deswegen nicht zu Unruhen komme44. Aufschlußreich ist auch eine weitere Konstitution desselben Kaisers in bezug aufdasBeschwerderecht der Sklaven gegen ihre Herren. In ihr bemühte sich Antoninus Pius, denHerren klarzumachen, daßes auch in ihrem Interesse liege, wennderStaat denSklaven Hilfe gegen Miß5. handlung gewähre4 Dominorum interest beginnt der betreffende Satz. Er besagt nicht mehr undnicht weniger, als daßdie utilitas publica, dasStaatsinteresse, sich mit der utilitas singulorum, demInteresse dereinzelnen, deckt, daßder Staat nur dann gegen die einzelnen einschreitet, wenn deren Handlungsweise die Allgemeinheit gefährdet. Das in der frühen Kaiserzeit eingeführte Beschwerderecht der Sklaven ist ein instruktives Beispiel für die Hilfe, die das vom Kaisertum vertretene Prinzip der utilitas publica den Sklaven brachte. Die aufgezeigte Tendenz läßt sich erhärten durch den Hinweis auf ein Edikt des Claudius aus dem Jahre 47 n. Chr. Es bestimmte, daß die Sklaven, die von ihren Herren wegen Krankheit auf der Aeskulapinsel imTiber ausgesetzt wurden, dieFreiheit erlangen sollten, unddaßHerren, die ihre kranken Sklaven lieber töteten als aussetzten, wegen Mordes sich verant6. worten müßten4 Die Inhaltsangabe macht deutlich, daßes sich umeinen weiteren Fall des Sklavenschutzes handelte, nämlich umden Schutz der kranken Sklaven. Nicht direkt ausdemInhalt ersichtlich, aber bei näherer Betrachtung leicht zufinden, ist das Motiv des Gesetzgebers: Das Verhalten der Herren gegenüber ihren kranken Sklaven störte dieöffentliche Ordnung; es hatte zukatastrophalen Zuständenauf der Tiberinsel geführt4 7. Diese abzustellen unddas Verhalten der Herren

43 44 45

46 47

Ausführliche Behandlung dieses Quellenkomplexes in meinen „ Studien zurSklavenflucht im 71. römischen Kaiserreich“(Wiesbaden 1971) 66– Coll. leg. Rom. et Mosaic. 3, 3, 5 f. Dig. 1, 6, 2. Coll. leg. Rom. et Mosaic. 3, 3, 2. Inst. 1, 8, 2. Die letztere Stelle bietet die Begründung: expedit enimreipublicae, ne quis re sua male utatur. Suet. Claud. 25, 4. Cass. Dio 60, 29, 7. Dig. 40, 8, 2. CJ 7, 6, 1, 3– 3a. Eingehende Interpretation des claudischen Edikts bei G. Schmitt/V. Rödel, Die kranken Sklaven auf der Tiberinsel nach demEdikt des Claudius, Medizinhistorisches Journal 9, 1974, 106– 124. Schmitt/Rödel 116.

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zureglementieren,

dienten die vonClaudius angedrohten Sanktionen, Freiheit für denausgesetzten Sklaven bzw. Mordprozeß gegen denHerrn, dersein Recht über Leben undTodimFalle eines kranken Sklaven mißbrauchte. Es dürfte jetzt möglich sein, die Rolle zubestimmen, welche die von Cassius berufene utilitas publica imSklavereikonzept derfrühen Kaiserzeit gespielt hat. In dervorstehenden Untersuchung stellte sie sich darals ein mit demKaisertum neu in die Sklavenhaltung eingedrungenes Prinzip. Indem der Staat sich in die Beziehungen zwischen Herren undSklaven mit demübergeordneten Gesichtspunkt der utilitas publica einschaltete, erhielt die Sklaverei ein Regulativ, dasihr vorher gefehlt hatte, ein Regulativ, das ihren Fortbestand sicherte. Die rigorose Bestrafung daswarnurdieeine Seite dieses Regulativs; die andere – das desHerrenmordes – wardieHinwendung desStaates zudenSklaven, ihre Einbeziehung in denSchutz, denderStaat seinen Mitgliedern gewährt. Dieses Ergebnis, dasdemPrinzip derutilitas publica denentscheidenden Anteil amWiederaufbau undamFunktionieren des Systems der Sklaverei in derfrühen Kaiserzeit zuweist, bedarf indes der Ergänzung. Wie geschichtliche Erscheinungen nie von einem einzigen Faktor bestimmt werden, so waren auch in der Sklaverei der frühen Kaiserzeit noch andere Faktoren am Werk, die ihr Gesicht prägten. Es sei abschließend angedeutet, welche Faktoren mit der utilitas publica

zusammengewirkt haben. Im47. Brief anseinen Freund Lucilius hat Seneca ein eindrucksvolles Zeugnis philosophischer Gedanken über die Sklavenbehandlung hinterlassen. ImGegensatz zurdamals vorherrschenden Meinung betonte Seneca, daßauch Sklaven Menschen sind, die ein Anrecht auf menschliche Behandlung haben, daßsie nicht prinzipiell die Feinde ihrer Herren sind, sondern erst durch unwürdige Behandlung dazu gemacht werden. Senecas Brief ist ein massiver Appell zu einer Änderung in der Sklavenbehandlung, undzwar ein Appell, der nicht nur mit philosophischen Argumenten operiert, sondern auch denNutzen aufzeigt, den eine solche Änderung für den einzelnen hat48. Es ergibt sich also, daß zur gleichen Zeit, als die Kaiser das Prinzip der utilitas publica auf die Sklaverei erstreckten, die Philosophie die ein Humanisierung der Sklaverei imInteresse derutilitas singulorum propagierte – bedeutsames Zusammentreffen! Genau so aufschlußreich wie der 47. Brief Senecas ist die Aussage der Briefe desNeuen Testaments über die Sklaverei. In ihnen, vorallem imKolosser- undim Epheserbrief, werden Herren undSklaven aufeinVerhalten zueinander festgelegt, dasvor demihnen gemeinsamen Herrn im Himmel Bestand haben kann. Die Herren sollen den Sklaven geben, was recht undbillig ist, undden Sklaven gilt der Befehl: Gehorcht euren leiblichen Herren! Über das Sklavereiverhältnis wird für beide Teile das Lohnversprechen des Herrn im Himmel gesetzt49. Mit der christlichen Lehre, die sich in der frühen Kaiserzeit auszubreiten begann, wurde also an

48 Zum47. Brief Senecas vgl. W. Richter, Seneca unddie Sklaven, Gymnasium 65, 1958, 196– 214. 218, bes. 202. 211– 49 Überdiesog. Haustafeln indenBriefen desNeuen Testaments handelt H.Gülzow, Christen76. tumundSklaverei indenersten drei Jahrhunderten (Bonn 1969) 57–

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die Sklaverei ein neuer Maßstab herangetragen: Gott ist an dem Wohlverhalten vonHerren undSklaven interessiert! Interesse des einzelnen, Interesse des Staates, Interesse Gottes –dieser Dreiklang hat die Sklaverei der frühen Kaiserzeit beherrscht unddiese explosive Institution so entschärft, daß sie ihre Funktion als Basis der antiken Gesellschafts-

0

ordnung noch Jahrhunderte lang5 erfüllen konnte.

50 DasSC Silanianum

wurde noch vonJustinian (also inchristlicher Zeit) bekräftigt undergänzt, CJ 6, 35, 11. 12 (531 bzw. 532 n. Chr.).

CORPUS IMPERII oder CORPUS GERMANIAE?*

DieAgrippinenser unddie „Freiheit“imJahre 70 n. Chr. Zwanzig Jahre nach ihrer Gründung erlebte die Colonia Agrippinensis (die ehemalige Ara Ubiorum) eine schwere Bedrohung ihrer Existenz als Stadt des Römischen Reiches. Auf demHöhepunkt desAufstands derBataver undTreverer sah sie sich, etwa im März/April des Jahres 70 n. Chr., zu demvon demTrever Classicus verlangten Eid auf das imperium Galliarum undzumBündnis mit dem Bataverfürsten Civilis gezwungen1 . Die rechts des Rheines wohnenden Tenkterer nutzten diese Gelegenheit, uman die Agrippinenser (als Ubier) schwerwiegende Forderungen zu stellen: Sie sollten die Mauern niederreißen, die Römer in ihrem Gebiet töten und die Freizügigkeit über den Fluß hinweg herstellen. Damit erst würden sie voll in die Gemeinschaft Germaniens undderen Freiheit zurückkehren2.

Auch in derAntwort derAgrippinenser fiel dasWort „Freiheit“ : Sie hätten die erste Gelegenheit wahrgenommen, die Freiheit zu ergreifen, um sich mit den blutsverwandten Germanen zu verbünden. Aber die Mauern niederzureißen, schwäche die Verteidigungsfähigkeit, unddie Tötung der in der Stadt lebenden römischen Kolonisten hieße, ihre Eltern, Geschwister undKinder ermorden, denn durch die Ehegemeinschaft seien Ubier undRömer längst zusammengewachsen; die Stadt sei ihre gemeinsame Heimat. Anstelle der verlangten Freizügigkeit schlugen die Agrippinenser die Aufhebung derfür die Tenkterer bestehenden Handelsbeschränkungen vor3 . Tacitus, der diesen Disput über die Freiheit der Agrippinenser in den Historien“überliefert, hat ihn durch Gebrauch beziehungsreicher Termini in den „ Rahmen der Auseinandersetzung Roms mit den Germanen einerseits undin die Konzeption des römischen Reichsgedankens andererseits eingeordnet. Er hat darüber hinaus durch die für ihn typische Verwendung ambivalenter Ausdrücke den * 1

2 3

1988. Aspekte Kölner Geschichte von in: W. Schäfke (Hrsg.): Der Name der Freiheit 1288– 22. Worringen bis heute (Köln 1988) 17–

Tac. hist. 4, 59, 3 (Eid); 4, 63,1. 66,1 (Bündnis). Die beiden Ereignisse gehören in den Rahmender Wirren, die imVierkaiserjahr (69 n. Chr.) mit demBataveraufstand begannen und sich imJahre 70 n. Chr. mitdemAufstand derTreverer undLingonen ausweiteten. Zudiesem 76; H. Heinen, Rahmen s. H. von Petrikovits, Die Rheinlande in römischer Zeit (1980) 70– 81. Spezielle Behandlung bei R. UrTrier unddasTrevererland in römischer Zeit (1985) 67– ban, Der„Bataveraufstand“unddie Erhebung desIulius Classicus (1985) mitweiterer Literatur. ZurRolle derColonia Agrippinensis in diesem Geschehen vgl. H.Schmitz, Stadt undIm158. perium (1948) 146– 3. Tac. hist. 4, 64, 1– 3. Tac. hist. 4, 65, 1–

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Vorgang als solchen in eigenartiger Beleuchtung dargestellt. Es ist deshalb nicht leicht, diesen in seiner wirklichen Bedeutung zuerkennen. Einer dervon Tacitus ambivalent gebrauchten Ausdrücke istpatria. Er kennzeichnet im Munde derAgrippinenser dasFesthalten an der bisherigen „ Heimat“ . Patria ist hier die Colonia Agrippinensis4 . An früherer Stelle aber hat Tacitus patria in anderer Bedeutung auf die Agrippinenser angewandt: Sie hießen so nach Vaterland“abgeschworen römischer Art, seit sie als germanische Ubier ihrem „ hätten. Patria ist in diesem Zusammenhang ethnische Bezeichnung: Germania, . begrifflich also viel weiter gefaßt5 Für das Verständnis des Rededuells Tencteri – Agrippinenses ist es nun von nicht geringer Bedeutung, daß dieser weite PatriaBegriff von den Tenkterern zur Charakterisierung des jetzigen Verhaltens der Agrippinenser benutzt wird: Sie seien in die „Gemeinschaft Germaniens“zurückgekehrt. Erst wenn mandas corpus Germaniae als Patria-Angabe versteht, wird die Brisanz klar, die in der Erwiderung der Agrippinenser steckt, die Kolonie sei ihrepatria. Sie stellten damit nämlich gerade dasinAbrede, wasdieTenkterer von ihnen vorrangig behaupteten: Sie hätten wieder zu ihrer ‘alten’patria zurückgefunden. Die Implikation des Patria-Bekenntnisses derAgrippinenser geht jedoch noch weiter. Wenn dieses besagt, daß die Agrippinenser ihr Bündnis mit Civilis (und Classicus) nicht als Übertritt ins corpus Germaniae verstanden, dann nahmen sie auch nicht in Anspruch, was die Tenkterer ihnen unter der Voraussetzung ihrer Mitgliedschaft in eben diesem corpus Germaniae verheißen hatten, nämlich frei unter Freien zuleben. Zudieser Schlußfolgerung steht allerdings in merkwürdigem Gegensatz, daßdie Agrippinenser selbst dasWort „ Freiheit“imMunde führten, so daßsich der Verdacht aufdrängt, Tacitus habe außer patria auch libertas eine ambivalente Bedeutung unterlegt. Der Libertas-Begriff der Tenkterer orientiert sich am Faktum der römischen Herrschaft, die als Knechtschaft (servitus) empfunden wird. Sichtbare Zeichen Bollwerke der Knechtschaft“ , sind die Mauern der Kolonie6 . dieser Herrschaft, „ Ohne ihre Zerstörung und die Tötung der durch sie geschützten Römer –sie wererscheint denTenkterern die Freiheit nicht denals „Herren“(domini) bezeichnet – möglich. Diese ist also im wesentlichen als Freiheit von den Römern, als Unabimmer nach Ansicht hängigkeit zu verstehen. Ihre positiven Kennzeichen sind –

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Tac. hist. 4, 65, 2: haec patria est. DerBegriff patria ist hier im Sinne vonorigo (die später technische Bedeutung erhielt) gebraucht, vgl. etwa hist. 2, 50, 1: Origo illi (sc. Othoni) e municipio Ferentio. Beispiele fürpatria = origo aus den „ Historien“ : 3, 8, 1. 43, 1. 86, 1; 4, 72, 1. 85, 1. Vgl. zudiesem Patria-Begriff E. DeRuggiero, La patria nel diritto pubblico romano (1921). Zu origo im technischen Sinne s. D. Nörr, Origo. Studien zur Orts-, Stadt- und 600. Reichszugehörigkeit in der Antike, Tijdschrift voor Rechtsgeschiedenis 31, 1963, 525– Tac. hist. 4, 28, 1: quod gens (sc. Ubiorum) Germanicae originis eiurata patria Romanorum nomen Agrippinenses vocarentur. Die Bedeutung vonpatria = Germania (über origo Germanica) ist offenkundig. In diesem (untechnischen) Sinne gebraucht Tacitus patria für Germania auch Germ. 2, 1. Vgl. weiter hist. 5, 17,2; ann. 2, 45, 3. Tac. hist. 4, 64, 2: munimenta servitutis. –Die Kolonie Camoludunum (Colchester), die keine Mauern besaß (Tac. ann. 14, 31, 4), wirdals solche sedes servitutis genannt, Agr. 16, 1.

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der Tenkterer –Versammlungsfreiheit in Waffen, freie Wahl des Wohnsitzes, gleichberechtigte politische Existenz oder eigene Herrschaft über andere7. Diesem deutlich artikulierten Libertas-Begriff der Tenkterer hat Tacitus nun eine Äußerung derAgrippinenser über die vonihnen wahrgenommene Chance der Freiheit gegenübergestellt, die mit einer äußert vagen Libertas-Vorstellung operiert. Von der Satzkonstruktion her ist das Wort libertas sogar überflüssig: Quae prima libertatis facultas data est, avidius quam cautius sumpsimus, ut vobis ceteDie erste Gelegenheit zur risque Germanis, consanguineis nostris, iungeremus. „ Freiheit, die sich bot, haben wirmehr begierig als vorsichtig ergriffen, umunsmit 8 euch und den übrigen Germanen, unseren Blutsverwandten, zu verbinden“. Der Genitiv libertatis hat die gleiche Objektfunktion wie dermit ut eingeleitete Finalsatz9 . Es hätte genügt, von der Gelegenheit (facultas) zu sprechen, die man wahrgenommen habe, umdasBündnis mit denGermanen zu schließen. Wenn Tacitus nun glaubte, facultas durch den Genitiv libertatis verdeutlichen zu müssen, so kann er damit nur die Absicht verfolgt haben, den Eindruck zu erwecken, das Bündnis mit den Germanen gehe auf den freien Entschluß der Agrippinenser zurück. Der Leser des Tacitus aber weiß genau, daß dies nicht den Tatsachen entsprach. Soeben hat er erfahren, daß Civilis und Classicus in Erwägung gezogen hatten, die Colonia Agrippinensis ihren Heeren zur Plünderung zu überlassen10. Ihm ist auch noch in Erinnerung, daß die Agrippinenser nur unter dem militärischen Druck der Aufständischen den Eid auf das imperium Galliarum geleistet 1. hatten1 Schließlich kann er nicht vergessen haben, daß Tacitus bei der Schilderung desTreffens dergallischen Verschwörer in derColonia Agrippinensis (Januar 70 n. Chr.) ausdrücklich festgehalten hat, daß die Agrippinenser dem Aufstand ablehnend gegenüberstanden12. So spricht derganze Kontext dafür, daßTacitus die Berufung der Agrippinenser auf die Freiheit als hohle Phrase verstanden wissen wollte, als Verschleierung des wahren Grundes, der sie das Bündnis mit Civilis (und Classicus) schließen ließ. Dieser wahre Grund kann nurder Zwang der Umstände gewesen sein. Dafür spricht außer denbereits angeführten Situationscharakteristika auch der von Tacitus gegebene Hinweis, daß die Agrippinenser von der baldigen Ankunft römischer Heere imAufstandsgebiet wußten, d. h. mit der Wie-

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9 10

11 12

Die Tenkterer bezeichnen sich als viri ad arma nati undwollen als solche mit den Ubiern zusammenkommen (Tac. hist. 4, 64, 1). Tenkterern undUbiern soll es freistehen, diesseits oderjenseits desRheines zuwohnen (4, 64, 3). Politische Gleichberechtigung heißt imMunde derTenkterer exaequo agere, Aussicht aufHerrschaft: aliis imperitare (ebd.). Tac. hist. 4, 65, 1. H. Heubner, P. Cornelius Tacitus, Die Historien, Kommentar Band IV (1976) 131, bemerkt unter Verweis auf Thes. ling. Lat. VI 147, 35 f., daß die Verbindung facultas libertatis vor Tacitus nicht belegt ist. Tac. hist. 4, 63, 1. Tac. hist. 4, 59, 3. ZumCharakter desEides pro imperio Galliarum vgl. meine Bemerkungen in derMainzer Zeitschrift 82, 1987, 120 f. [in diesem Band S. 115 ff.]. Tac. hist. 4, 55, 3: In Colonia Agrippinensi in domum privatam conveniunt; nampublice civitas talibus inceptis abhorrebat. ZurInterpretation destaciteischen Berichtes über dieconiura50. tio vgl. Urban a. O. 48–

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3.

derherstellung der alten Verhältnisse rechnen konnten1 Ihre angeblich freie Entscheidung für die Germanen wird dadurch geradezu ad absurdum geführt, es sei denn, manversteht sie als taktisches Manöver. Die Erkenntnis, daßes denAgrippinensern mit ihrer Erklärung, sie hätten das Panier derFreiheit ergriffen, nicht ernst gewesen sein kann, daßsie vielmehr durch ihr Festhalten an der colonia als ihrer patria ein verstecktes Bekenntnis zumRömischen Reich ablegten, erhält zusätzliches Gewicht, wenn manin Betracht zieht, welchem Gremium der Agrippinenser Tacitus die Auseinandersetzung mit den Tenkterern zuschreibt. Er bezeichnet es als concilium Agrippinensium und deutet durch die fürdenRat einer Kolonie unübliche Benennung an, daßnicht dieser (der ordo decurionum), sondern eine außerordentliche Versammlung gemeint ist14. Man muß demnach annehmen, daß dieses concilium in der Notsituation an die Stelle des Stadtrates getreten warunddie Bündnisverhandlungen mit Civilis (und Classicus) geführt hatte. In ihmdürfte dasubische Element überwogen haben. Jedenfalls ist die Rede, welche Tacitus als Antwort desconcilium Agrippinensium an dieTenkterer mitteilt, vomubischen Standpunkt auskonzipiert15. Das concilium Agrippinensium sah seine Aufgabe darin, denradikalen Forderungen der Tenkterer mit einem Vorschlag zu begegnen, der einen seit langem bestehenden Streitpunkt in denBeziehungen zu ihnen beseitigen undsie dadurch beschwichtigen sollte. Es ging dabei umdenHandelsverkehr derTenkterer mitder Colonia Agrippinensis, demAuflagen anhafteten, welche von denTenkterern als störend oder gar diskriminierend empfunden wurden: Um an den Markttagen in dercolonia teilnehmen zukönnen, mußten sie eine Abgabe entrichten16 unddurften denRhein nur ohne Waffen undunter Kontrolle überschreiten1 7. Diese RegeZoll“ lung sollte nunaufgehoben werden. DieTenkterer brauchten künftig keinen „ mehr zu bezahlen und konnten den Fluß bei Tage unkontrolliert überschreiten. Waffen durften sie dabei allerdings auch weiterhin nicht tragen. Als Garanten für die Abmachung nahm das concilium Agrippinensium den neuen Schirmherrn der Stadt, Civilis, unddie vondiesem hochverehrte bruktische Seherin Veleda in Anspruch. Nachdem beide zugestimmt hatten, trat sie in Kraft18.

13 Tac. hist. 4, 65, 1.

14 So richtig H. Schmitz,

Colonia Claudia

Ara Agrippinensium (1956) 53, vgl. Heubner a. O.

147.

15 Dasbeweist 16

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18

schlagend dieBezeichnung derTenkterer undderübrigen Germanen als „unsere Blutsverwandten“(consanguinei nostri), Tac. hist. 4, 65, 1. Die von Tacitus (hist. 4, 64, 1) alspretium bezeichnete Abgabe könnte eine Art Standgeld für die Feilbietung von Waren gewesen sein (vgl. Gerber/Greef, Lexicon Taciteum II [1903, Nachdr. 1962] 1178: „ Taxe“ ). DieWaren selbst unterlagen denZollbestimmungen. subcustode. Die Kontrollierung dergermanischen Händler war Tac. hist. 4, 64, 1: inermes – anscheinend ein allgemeines Prinzip desGrenzverkehrs an Rhein undDonau. Allerdings gab es Ausnahmen wiedie vonTacitus (Germ. 41, 1) berichtete in bezug auf die Hermunduren, welche sine custode dieDonau überschreiten undinRaetien Handel treiben durften. Über diese vielbehandelte Stelle zuletzt J. Kunow, Derrömische Import inderGermania libera bis zu denMarkomannenkriegen (Göttinger Schriften zurVor- undFrühgeschichte 21), 1983, 45 f. 4. ZurRolle derVeleda s. H.Volkmann, Germanische Seherinnen inrömiTac. hist. 4, 65, 3– schen Diensten, in: ders., Endoxos Duleia (1975) 239 f.

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War diese Abmachung nicht doch Ausdruck einer veränderten Stellung der Colonia Agrippinensis? Die Beantwortung derFrage hängt ab von derInterpreta19. tion des Satzes: „Zoll undHandelsbeschränkungen heben wir auf“ Handelte es sich dabei umdie Usurpation des demRömischen Reich zustehenden Rechts zur Erhebung bzw. Aufhebung vonZöllen, oder ging die bisherige Zollerhebung auf die Zollhoheit derColonia Agrippinensis zurück, so daßdiese dasRecht hatte, den 0? Tenkterern dieEntrichtung zuerlassen2 Imersteren Falle hätten dieAgrippinenservonihrer neuen Freiheit imRahmen descorpus Germaniae Gebrauch gemacht, im letzteren Falle hätten sie demonstriert, wie groß ihr Freiheitsspielraum im Rahmen des corpus imperii war. Die umstrittene Alternative läßt sich zwar nicht mit Sicherheit entscheiden, doch ist kürzlich ein Zeugnis bekannt geworden, welches derArgumentation mit derZollhoheit derColonia Agrippinensis Auftrieb zugeben vermag. DasimJahre 1976 in Ephesos aufgefundene Zollgesetz der Provinz Asia (Monumentum Ephesenum) enthält imParagraphen 44 dieausdemJahre 12v. Chr. stammende Verfügung, daßdieColonia Augusta Troas dieZolleinnahmen fürsich verwenden dürfe; die Staatskasse verzichtete darauf2 1.Nunsteht die Colonia Augusta Troas mit der Colonia Agrippinensis insofern auf einer Stufe, als beide Kolonien das ius Italicum besaßen, d. h. demRechte nach denStädten Italiens gleichgestellt waren. Das ius Italicum wurde nur wenigen Kolonien als Privileg zuteil22. Als Privilegierung aber mußauch die Verleihung der Zollhoheit betrachtet werden. Es ist nicht bekannt, welchem Umstand die Colonia Augusta Troas das Privileg des Jahres 12 v. Chr. verdankte. Dagegen läßt sich sehr wohl ausmachen, wiedieColonia Agrippinensis die Zollhoheit erlangt haben könnte: Agrippina war bestrebt, ‘ihrer’ Kolonie die bestmöglichen Startbedingungen zu verschaffen. Das aber hieß, der Stadt am Rhein nicht nur die beste rechtliche Stellung (ius Italicum), sondern auch die besten wirtschaftlichen Voraussetzungen (eigene Zolleinnahmen) zuerkennen. Es 19 Tac. hist. 4, 65, 3: Vectigal et onera commerciorum resolvimus. 20 Nach S. J. De Laet, Portorium (1949) 131, wäre derZoll in die kaiserliche Kasse geflossen, vgl. auch F. Vittinghoff bei Heubner a. O. 149. Demgegenüber nimmt Schmitz, CCAA 50 f. wie schon M. Siebourg, Bonner Jahrbücher 138, 1933, 111 an, der Zoll sei der Colonia Agrippinensis zugute gekommen. Ephesenum s. denVorbericht vonH.Engelmann undD. Knibbe in: Epigraphica Anatolica 8, 1986, 19– 31. H. Engelmann hat mir freundlicherweise den Text des Paragraphen 44 zugänglich gemacht. Er lautet: Π π ό λ ιο ςΣ ο υ λ π ίκ ιο ςΚ ο ε υ ιρ ῖν ο ς ,Λ ο ύ κ ιο ς ο σ φ ο α τ ο ιπ]ρ ςὕπ Ο ιο γ ὐ ο ῦ ά ς[Ῥ λ έθ ντέλ α ῆ κ ν τ ὰθ η ο ά ςκ α λ α σ σ α ν κ α ὶκ α τ ὰγ

21 ZumMonumentum

ῆ ςκ ῆ α ὶἐξαγω ςἐν γ τ ὸ γ ςὅρ εἰσ ω γ α ν ω έν α ω ὶ λιμ νἈπ ο ικ ία ςΣ τ α ῆ σ εβ ς ·κ ηἡἀ]π ο ικ τ α ι, ἵν ό η ν αμ ία ρ ρ ω ηκαρπ α ά δ ο ε[ξ Τ ὕ ςὑπ η τ ῄ ε τ ύ α ιτ ὰλο ιπ ὰκ τ α ὰ ο τ ὸ ννόμ ν . „Die Konsuln Publius Sulpicius Quirinus und Lucius Valgius Rufus haben (folgendes) hinzugefügt: DerZoll zuWasser undzuLande für Einfuhr undAusfuhr im Bereich derGrenzen undHäfen derColonia Augusta Troas ist (von derErhebung zugunsten der Staatskasse) ausgenommen, damit allein diese Kolonie die Nutznießung hat. Das übrige

(regelt sich) gemäß demGesetz“ . 22 Eine Aufzählung der Städte mit ius Italicum findet sich bei demJuristen Iulius Paulus (unter den Kaisern der severischen Dynastie) im 2. Buch seines Werkes „ de censibus“ , Digesta Iustiniani 50, 15, 8. Darunter: In Germania inferiore Agrippinenses iuris Italici sunt (50, 15, 8, 2) und:Inprovincia Asia duaesunt iuris Italici, Troas etParium (50, 15, 8, 9).

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spricht also einiges dafür, daß die Colonia Agrippinensis beide Privilegien als Morgengabe ihrer Gründerin erhalten hat23. Ausdieser Sicht bestätigt auch die Abmachung mitdenTenkterern dasbisherige Ergebnis, daß die Agrippinenser ihre Stadt weiterhin als römische Kolonie betrachteten undnurdenAnschein zu erwecken versuchten, als handelten sie im Besitze einer Freiheit, welche ihnen bisher versagt war. Sozusagen die Probe aufs Exempel liefert das Verhalten der Agrippinenser nach derOffensive desPetillius Cerialis gegen Civilis undClassicus imJuni 70 n. Chr. Zwar kämpften Ubier in der Schlacht bei Trier auf seiten derGermanen und 4, Gallier2 aber nach demVerlust der Schlacht schritten die Agrippinenser zur Tat: Sie ermordeten die in der Stadt anwesenden Germanen undboten Cerialis die Auslieferung der Schwester des Civilis undderTochter des Classicus an, die sich in derColonia Agrippinensis befanden. Sie vernichteten zudem durch eine List die auf demTerritorium der Kolonie bei Tolbiacum (Zülpich) stationierte, aus ChaukenundFriesen bestehende Kerntruppe des Civilis. Diese Ereignisse veranlaßten Cerialis, demHilferuf derAgrippinenser zufolgen unddie Kolonie als sein Prätoer warzumKommandeur desniedergermanischen Heeres ernannt worden – rium – in Besitz zu nehmen25. Die Colonia Agrippinensis umfing wieder der Schutz des corpus imperii. Die vorstehend skizzierte, etwa vier Monate währende Episode aus der Frühgeschichte der Colonia Agrippinensis ist geeignet, einige grundsätzliche Erkenntnisse über das Selbstverständnis einer Kolonie amRande desRömischen Reiches bzw.über dieBeurteilung ihrer Situation durch denführenden Geschichtsschreiber derfrühen Kaiserzeit (Tacitus) zugewinnen. Dasind zunächst die Mauern derColonia Agrippinensis (Abb. 1 und2), deren Niederlegung die Tenkterer so vehement verlangten undan deren Erhaltung den Bollwerke derKnechtschaft“erschienen Agrippinensern so viel gelegen war. Als „ sie denTenkterern, als Gewähr für ihre Sicherheit denAgrippinensern. Gewiß: In der Situation des Jahres 70 n. Chr. gaben letztere vor, die Mauern schützten sie gegen die Römer26, aber angelegt hatten sie den Mauerring gegen die Germanen, wie die Tatsache beweist, daßer gleich nach derKoloniegründung in Angriff genommen worden warundgerade anderRheinfront eine eindrucksvolle Gestaltung 7. erfahren hatte2 Die Mauern waren für die Agrippinenser Symbole ihrer Freiheit

23 So schon J. Klinkenberg, Jahrb. des Kölner Geschichtsvereins 12, 1930, 166. –Die Frage, ob dieColonia Agrippinensis dieZollhoheit unter Vespasian verlor, wieSchmitz, CCAA 51, auf Grund desspäter bezeugten portus Lirensis annimmt, kannhier außer Betracht bleiben. 24 Tac. hist. 4, 77, 1. 2. Zu Cerialis als Statthalter des niedergermanischen Heeresbezirks vgl. W. 25 Tac. hist. 4, 79, 1– Eck, DieStatthalter dergermanischen Provinzen vom1.-3. Jahrhundert (Epigraphische Studien 14), 1985, 135 f. 26 Tac. hist. 4, 65, 1. 27 ZudenMauern derColonia Agrippinensis O.Doppelfeld, Dierömische Stadtmauer vonKöln, in: W. Zimmermann (Hrsg.), Die Kunstdenkmäler des Rheinlandes, Beiheft 2: Untersuchun40, ders., Das römische gen zur frühen Kölner Stadt-, Kunst- undKirchengeschichte (1950) 3– Köln, in: ANRW II 4 (1975) 728 f., H. Hellenkemper, Architektur als Beitrag zur Geschichte 794, P. La Baume, Die römische Stadtder Colonia Claudia Ara Agrippinensium, ebd. 788–

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als römische Bürger gegenüber derBedrohung ihrer städtischen Lebensform durch dierechtsrheinischen Germanen28. Nächst denMauern ist dasHeimatgefühl derAgrippinenser vongroßer Aussagekraft, undzwar deshalb, weil es durch ein Grundprinzip der ‘Romanisierung’ zustande gekommen ist, durch Eheverbindungen, römisch gesprochen: durch das conubium. 20 Jahre nach derGründung derKolonie waren die Ubier mit denKolonisten per conubium so eng verbunden, daß sie sich weigerten, diese zu töten. Sie betonten vielmehr die Verwandtschaft mit ihnen und bezeichneten ihre gemeinsame Wohnstätte alspatria29. Diese Stellungnahme der Agrippinenser erhält ihren Akzent durch die Höherstellung der ‘bürgerlichen’ Verwandtschaft mit den Kolonisten gegenüber der ‘Blutsgemeinschaft’ mit den Germanen. Anders ausgedrückt: Das römische conubium warstärker als die germanische Zusammengehörigkeit. Schließlich gilt es, die Aufhebung des Zolls und der Handelsbeschränkungen für die Tenkterer ausdemBlickwinkel derAgrippinenser zubeurteilen. Wenn es, wieoben wahrscheinlich zumachen versucht wurde, stimmt, daßdie Zolleinnahmenin die Kasse derColonia Agrippinensis flossen, dann bedeutete die Vereinbarung mit denTenkterern eine schwere Einbuße für die städtischen Finanzen, und die Hinnahme dieses Verlustes wäre ein weiteres Indiz für denZwang, unter dem dieAgrippinenser inderKrisensituation desJahres 70 n. Chr. handelten. Aufs Ganze gesehen kann es keinen Zweifel geben, daßdie Agrippinenser im Jahre 70 n. Chr. ihre Situation richtig eingeschätzt haben. Sie waren sich imklaren darüber, daßdie römische Herrschaft amRhein über kurz oder lang wiederhergestellt werden würde. Ihnen warauch bewußt, daßein Ausscheiden ausdemcorpus imperii nurNachteile zur Folge habe. Die Freiheit als römische Bürger in einer römischen Kolonie war für sie attraktiver als die sozusagen ungehemmte Freiheit in derGemeinschaft der Germanen. Letztere als echte Alternative zumcorpus imperii zuverstehen, lag ihnen fern. Dascorpus Germaniae in diesem Sinne ist erst – das mußals historiographisches Ergebnis festgehalten werden –von Tacitus aus kompositorischen Gründen, nämlich als Kontrastmittel, in die Darstellung hinein-

in: Führer zu vor- undfrühgeschichtlichen Denkmälern 37/1: Köln I, 1 (1980) 61– 66 mitBeilage 3 in: Köln I, 2. 28 Die Germanen kannten nach Tac. Germ. 16, 1 keine Städte, sondern wohnten in verstreuten Siedlungen. Vgl. R. vonUslar, Die Germanen vom 1. bis 4. Jahrhundert n. Chr. (1980) 74 f. Von daher erklärt sich die Abneigung der Tenkterer gegen die mauerbewehrte Colonia mauer,

Agrippinensis.

29 Über die ‘romanisierende’ Kraft desdenVeteranen-Kolonisten erteilten Rechts zumconubiummitNichtrömerinnen vgl. F. Vittinghoff, Römische Kolonisation undBürgerrechtspolitik unter Caesar undAugustus (1951) 26.

306

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gebracht worden. Die Argumentation mit ihm entbehrt daher jeglicher Realität3 Solche besitzt einzig das corpus imperii31.

0.

30 G. Walser, Rom, dasReich unddie fremden

Völker in derGeschichtsschreibung der frühen Kaiserzeit. Studien zur Glaubwürdigkeit des Tacitus (1951) 117, spricht vonder Tenkterer. Vgl. auchUrban a. O.71 Rede alseiner „Blütenlese derrhetorischen Barbarencharakteristik“

f.

Christianitas. Johannes Metapher vgl. D. Kienast, Corpus Imperii, in: Romanitas – 17. zum70. Geburtstag (1982) 1–

31 Zudieser Straub

Die antike Sklaverei als moderne Herausforderung* Zur Situation der internationalen Sklavenforschung Werimmer sich mit derAntike beschäftigt, begegnet den Sklaven auf Schritt undTritt. Sie treiben in denKomödien desAristophanes undMenander, des Plautus undTerenz ihr Wesen, sie spielen in denökonomischen Überlegungen Xenophons und den agrarwirtschaftlichen Anweisungen Columellas eine Rolle, von ihnen handeln Aristoteles undSeneca in ihren philosophischen Reflexionen, die Juristen in ihren Responsen, die Kirchenväter in ihren Predigten. Bei denantiken Historikern haben die Massenversklavungen in derZeit derrömischen Welteroberung unddie Sklavenaufstände der späten römischen Republik ein großes Echo gefunden; die antiken Künstler haben das Thema „ Sklaverei“auf vielfache Art behandelt. Manmußalso denSklaven gebührend Aufmerksamkeit schenken, wenn in unmandie Antike kennenlernen, sie erforschen will. Dashatmandenn auch – seit demBeginn dermodernen Studien über terschiedlicher Weise, versteht sich – die Antike getan. Die bekanntesten frühen Untersuchungen über die antike Sklaverei sind die von T. Popma (1608) undL. Pignoria (1613), die 1674 auch zusammen gedruckt wurden –sozusagen als Standardwerke1. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts registrierte die Bibliographie von H. Schulz-Falkenthal 565 Titel; bis 1982 konnte die Bibliographie von E. Herrmann 5162 Titel nachweisen2 . Scherzhaft könnte man sagen: Es gibt kaum einen Winkel der antiken Sklaverei, in den moderne Gelehrsamkeit nicht hineingeleuchtet hat. Jedweder Beschäftigung mit derAntike, also auch dermit der antiken Sklaverei, stellt sich allerdings eine Schwierigkeit in den Weg, die generell für die Beschäftigung mitweit zurückliegenden Zeiten gilt: Sie sind unsfremd, die Zustände undBegebenheiten, vondenen unszwei Jahrtausende trennen. ImFalle derantiken Sklaverei kommt noch hinzu, daßdie Brutalität, mit der sie uns entgegentritt, unsere Moralvorstellungen affiziert, was bekanntlich ein besonders schweres Hindernis für die adäquate Erfassung solcher Phänomene darstellt. Andererseits übt gerade die sich aufdrängende moralische Verurteilung der antiken Sklaverei eine provokatorische Wirkung vorallem aufdenHistoriker aus: Er möchte wissen, wie

*

1989 (Stuttgart 1989) 195– in: Akademie der Wissenschaften undder Literatur Mainz 1949– 208.

1

T. Popma, De operis servorum liber (Leiden 1608); L. Pignoria, De Servis et eorum apud veteres ministeriis commentarius (Augsburg 1613). Beide Werke zusammen: Amsterdam

2

H. Schulz-Falkenthal

1674.

(unter Mitarbeit vonJ.-F. Schulze u. M. Blumentritt), Sklaverei in der griechisch-römischen Antike. Eine Bibliographie wissenschaftlicher Literatur vomausgehenE. Herrmann (in den15. Jahrhundert bis zurMitte des 19. Jahrhunderts (Halle/Saale 1985). – Verbindung mitN. Brockmeyer), Bibliographie zurantiken Sklaverei (Bochum 1983).

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es zurAusbildung jenes Gewaltsystems gekommen ist, warum es sich so lange hat behaupten können, welche Faktoren zu seiner Abschaffung geführt haben. Er möchte auch seine Strukturen erkennen, seine Rolle im Geschichtsablauf ergründen. Kurzum: Er fühlt sich durch dieantike Sklaverei herausgefordert. Die Herausforderung annehmen aber heißt, sich Konflikten aussetzen. Da ist zunächst der Konflikt mit der allgemeinen Hochschätzung der Antike! Wie läßt sich die große Bedeutung, die man etwa den Griechen wegen ihrer kulturellen Leistungen, ihrem Verständnis vonFreiheit undDemokratie beizulegen pflegt, mit derTatsache vereinigen, daßbei eben diesen Griechen die Sklaverei eine so bedeuWasGreek civilization based on tende Rolle spielte, daß M. I. Finley die Frage: „ slave labour?“stellen undpositiv beantworten konnte: „ Slavery was a basic element in Greek civilization“ 3. Finley wies auch auf die Gefahr hin, die dieser Konflikt in sich birgt: Der Historiker gerät angesichts seines Respekts vor denGroßtaten der Griechen in Versuchung, die Bedeutung, welche die Sklaverei bei ihnen hatte, herunterzuspielen bzw. zuignorieren oder gardenUmgang derGriechen mit derSklaverei zurechtfertigen wegen derFrüchte, diedaraus erwachsen sind. Wer die antike Sklaverei rechtfertigt, gerät zwangsläufig in Konflikt mit der Moral. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Rechtfertigung mit Blick auf die kulturelle Blüte Griechenlands oder den ökonomischen Fortschritt im allgemeinen erfolgt. Im ersteren Sinne urteilte etwa A. H. L. Heeren in seinen „Ideen über die Politik, den Verkehr und den Handel der vornehmsten Völker der alten Welt“ (1812)4, imletzteren Sinne F. Engels in seinem „ Anti-Dühring“(1878)5. Vorallem Engels war sich des Konflikts mit der Moral bewußt, denn er bezeichnete seine . Es muß hier genügen, auf die Beweketzerisch“ diesbezügliche Äußerung als „ gung des Abolitionismus im 19. Jahrhundert hinzuweisen, um das Ausmaß des Gegensatzes zur öffentlichen Moral deutlich zu machen, in den Rechtfertigungsversuche derantiken Sklaverei geraten6 . Einen Konflikt besonderer Art hat derHistoriker mit demChristentum auszutragen. Denn er sieht sich bei seiner Beschäftigung mit der Haltung des frühen Christentums zur antiken Sklaverei der Tatsache gegenüber, daß die Kirche die Sklaverei keineswegs rundweg abgelehnt, sie vielmehr hingenommen oder gar biblisch gerechtfertigt hat. Es dürfte klar sein, daß je nach der persönlichen Einstellung des Historikers zuChristentum undKirche Fehlurteile naheliegen. Selbst 164, jetzt civilization based on slave labour?, Historia 8, 1959, 145– 115. Das Zitat auf S. 161 bzw. in: ders., Economy andsociety in ancient Greece (1981) 97–

3

M. I. Finley, WasGreek

4

Heeren bewertete die Sklaverei positiv, dasie die „Cultur derherrschenden Classe in Griechenland“ermöglicht habe (III, 282). F. Engels, Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft, Marx/Engels, Werke 20 (1962) 168 f., betrachtete die Sklaverei vor allem unter demGesichtspunkt der„Steigerung , darüber hinaus aber auch als Grundlage der„Entwicklung vonStaat und derProduktivkräfte“ . undder„Begründung vonKunst undWissenschaft“ Recht“ Vom Abolitionismus stark beeinflußt ist das Werk von H. Wallon, Histoire de l’esclavage dans l’antiquité, 3 Bde. (1847). In ihmwirddieSklaverei alsAusgeburt desBösen dargestellt, als eine Institution, von der alles Schlechte an der Antike sich herleite. Wallon war Sekretär derKommission zurAbschaffung derSklaverei indenfranzösischen Kolonien.

5

6

111.

Antike Sklaverei

alsmoderne

309

Herausforderung

wenn der Historiker diese Gefahr überwindet, bleibt die eigenartige Koinzidenz

zwischen Untergang derSklaverei undAufstieg desChristentums bestehen. Es ist wirklich schwer, diesem Zusammenhang gerecht zuwerden. DieBeschäftigung mit derantiken Sklaverei hatdenstärksten Impuls zweifellos durch die vonK. Marx ausgehende Bewegung deshistorischen Materialismus empfangen. Der Marxismus, wie er kurz genannt wird, stellte sich in radikalen Gegensatz zurbürgerlichen Welt, gerade auch in bezug auf die Geschichtsbetrachtung. Durch die Erhebung des Marxismus zur maßgebenden Weltanschauung in Rußland und anderen Staaten des Ostens ist es geradezu zu einer Scheidung in marxistische und bürgerliche Historiker gekommen, wobei hinzugefügt werden muß, daßes auch in densogenannten bürgerlichen Staaten demMarxismus anhängende Historiker gibt. Es waren in der Hauptsache zwei Lehren des Marxismus, die zu intensiven Bemühungen umdie Erforschung der antiken Sklaverei führten. Die erste ist die Lehre vomKlassenkampf. Danach stellt die Geschichte eine ununterbrochene Folge von Klassenkämpfen dar. „Freier und Sklave“ , so beginnt im „Kommunistischen Manifest“ (1848) die Aufzählung von Unterdrückern und Unterdrückten, „standen in stetem Gegensatz zueinander, führten einen bald versteckten, bald offenen Kampf, einen Kampf, derjedesmal miteiner revolutionären Umgestaltung der ganzen Gesellschaft endete“ 7. Die zweite Lehre ist die von Basis Zur Kritik der politischen und Überbau, von Marx im Vorwort seiner Schrift „ Ökonomie“(1859) prägnant formuliert: Die Basis wird vondenökonomischen, d. h. den Produktionsverhältnissen, bestimmt, undsie ist entscheidend für die Charakterisierung einer Epoche8. Die Antike fällt nach W. I. Lenins Darlegung in seinem Werk „Über den Staat“ (1919) unter die Rubrizierung „Sklavenhal, daihre Produktionsverhältnisse durch dasPrivateigentum anProtergesellschaft“ duktionsmitteln undMenschen gekennzeichnet wird. Als Gesellschaftsformation folgt sie aufdie Urgesellschaft undwird abgelöst vomFeudalismus, dessen Kennzeichen dieLeibeigenschaft ist9. Der Marxismus brachte, wie gesagt, einen ungeheuren Aufschwung der Studien über die antike Sklaverei mit sich. Er führte aber auch zu einer ebenso ungeheuren ideologischen Festlegung dieser Studien. Sich im marxistischen Sinne mit der antiken Sklaverei beschäftigen, heißt, von der marxistischen Lehre, von Gesellschaftsformation, Klassenkampf, revolutionärer Umgestaltung derGesellschaft ausgehen bzw. sie zu beweisen suchen. Diese Situation nunhatte besonders nach demzweiten Weltkrieg zurFolge, daßmansich auch in dersogenannten bürgerlichen Welt stärker mit der antiken Sklaverei beschäftigte. 1974 konnte H.-G. Les recherches sur l’esclavage sont à la mode“10. Die Pflaum geradezu sagen: „ Tatsache, daß die marxistische Fixierung auf die antike Sklaverei diesen Boom bürgerliche“Interesse anderantiken Sklaverei, vorallem ausgelöst hatte, ließ das„ aber die Auseinandersetzung mit derThese vonder Sklavenhaltergesellschaft, als

7 8

9 10

Marx/Engels, Werke 4 (1974) 462. Marx/Engels, Werke 13(1974) 8 f. W. I. Lenin, Werke 29 (1971) 465 f. Vorwort zuG. Boulvert, Domestique

etfonctionnaire sous le Haut-Empire

romain (1974)

3.

310

Gesellschaft

Anti-Marxismus undals Ausfluß einer anderen Ideologie erscheinen. Während von bürgerlich“im abwertenden Sinne marxistischer Seite dafür meist der Begriff „ Ancient slavery and modern verwendet wird, hat M. I. Finley in seinem Buch „ ideology“(1980) die mit demNamen J. Vogt verbundenen bundesdeutschen Forschungen zuantiken Sklaverei sozusagen als Nachgeburt desHumanismus zudiskreditieren versucht. Es handelt sich dabei aber mehr umein methodisches als um einideologisches Problem, aufdasspäter eingegangen wird. Andieser Stelle sollte nurdarauf hingewiesen werden, daßin Sachen Sklaverei nicht etwa eine Einheitsfront der bürgerlichen Welt demMarxismus gegenübersteht. Das würde ja auch dem Begriff der wissenschaftlichen Freiheit, wie er in den sogenannten bürgerlichen Staaten verstanden wird, widersprechen. DemMarxismus kommt, wie die voraufgegangenen Bemerkungen gezeigt habendürften, dasVerdienst zu, die antike Sklaverei als Forschungsobjekt ins allgemeine Bewußtsein gehoben zuhaben. Warnundie marxistische Altertumswissenschaft, so mußman fragen, methodisch in der Lage, ein so vielschichtiges Phänomen wie die antike Sklaverei adäquat zu erfassen? Angesichts der geschilderten Ausgangsposition versteht es sich von selbst, daß nur ein theoretischer methodischer Ansatz in Frage kommen konnte, bei demdie Grundbegriffe, also: Klasse, Klassenkampf, Revolution, Gesellschaftsformation, zunächst hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit aufdie Antike erprobt unddann entsprechend ausgestaltet wurden. Einen instruktiven Einblick in diese Methode bietet schon vomTitel her derAufsatz von V. I. Kuziscin „ Der Begriff der sozialökonomischen Formation unddie Periodisierung der Geschichte der Sklavenhaltergesellschaft“ in der Zeitschrift Vestnik Drevnej Istorii“von 1974. Fürdie Schwierigkeiten, die ein solcher theo„ retischer Ansatz mit sich bringt, ist eine Äußerung von H. Kreissig aus der DeutEine schen Demokratischen Republik bezeichnend, die folgendermaßen lautet: „ große Schwierigkeit, über die auch bei uns häufig gestolpert wird, liegt in der Tatsache, daßderBegriff ‘Produktionsweise’ in einer engeren undeiner weiteren Bedeutung existiert undzumBeispiel auch von Marx durchaus in beiden Bedeutungen gebraucht wurde. Im engeren Sinne benutzen wir ‘Produktionsweise’ häufig im Sinne vonProduktionsform einer räumlich undzeitlich begrenzten Menschengruppe, dabei eigentlich identisch mit ‘Produktionsverhältnissen’. Im weiteren undnur so sollte man sie gebrauchen! –bedeuten beide Begriffe die diaSinne – lektische Einheit der Produktionsverhältnisse mit den gesellschaftlichen Produktivkräften undumfassen somit diegesamte ökonomische Basis einer Gesellschaftsformation“ . Das Zitat stammt aus einem Bericht im Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 1978. Ein theoretischer Ansatz birgt immer die Gefahr in sich, daß die Fakten zu kurz kommen oder derTheorie angepaßt werden. Dieser Gefahr ist vor allem die frühe sowjetische Forschung zurantiken Sklaverei erlegen. Dashatte seinen Grund auch darin, daßdie betreffenden Forscher im Umgang mit der antiken Überlieferung zuwenig geschult waren. Dieses Manko ist längst behoben. Die sowjetische Forschung steht in puncto Quellenkenntnis und-benutzung der sogenannten bürgerlichen Forschung kaum nach. Für die marxistische Forschung etwa der Deutschen Demokratischen Republik hat dieses Manko nie bestanden. Bleibt also die

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311

destheoretischen Ansatzes als solchen! Aberauchhier mußgesagt werden, daßdie einzelnen marxistischen Positionen viel von ihrer anfänglichen Starrheit verloren haben. Die mit Vehemenz verfochtene These vonder Sklavenrevolution, welche die Sklaverei beseitigt habe, ist stark modifiziert, die generelle Rubrizierung der Sklaven als Klasse fallengelassen worden11. Daswaren Folgen derintensiven Beschäftigung mit derMaterie, d. h. mit denQuellen. Von denAuswirkungenderneuen sowjetischen Politik, diePerestrojka, aufdieErforschung derAntike wird später zusprechen sein. Natürlich geht nicht nurderMarxismus bei derErforschung derantiken Sklaverei voneiner theoretischen Grundposition aus. Auch dervonFinley so genannte sociological approach bedient sich eines theoretischen Ansatzes, undzwar ist es dasModell derslave society, mit demFinley die Probleme der antiken Sklaverei weitgehend zuerklären versucht. ImUnterschied zumMarxismus ist es ein soziales, nicht ein ökonomisches Kriterium, das er an die antike Sklaverei anlegt. Für die Weiterverfolgung dieses fruchtbaren Ansatzes durch die Schüler Finleys ist etwa dasBuch vonK. Bradley bezeichnend. Sein Titel lautet: „Slaves andmasters in the Roman Empire. A study in social control“(1984). DerUntertitel macht die soziologische Ausrichtung desBuches deutlich. Ein Schüler Finleys imweiteren Sinne ist O. Patterson ausJamaika, derander Harvard-University Soziologie lehrt undbekannt geworden ist durch Studien über It hasexisted die Sklaverei als eine überall aufderWelt anzutreffende Institution. „ from before the dawn of human history right downto thetwentieth century, in the . So steht es im Vormost primitive of human societies andin the most civilized“ Slavery and social death“(1982). Auch in diesem Falle ist es wort seines Buches „ A comparative study“ . Patterson wieder der Untertitel, der die Richtung angibt: „ entwickelt in diesem Buch das Modell der marginality oder liminality, der Existenz am Rande der Gesellschaft: Sklaven sind im Rahmen der Gesellschaft tot, nurdie Zugehörigkeit zueinem Herrn verleiht ihnen Existenz als Quasi-Personen – am Rande der Gesellschaft. Es darf als sicher gelten, daß mit dem Modell der marginality sich wertvolle Aufschlüsse auch speziell über die antike Sklaverei Gefahr

gewinnen lassen. Unser Wissen über die antike Sklaverei beruht selbstverständlich auf denantikenQuellen. Andiesen Quellen haben dieGelehrten vieler Jahrhunderte gearbeitet unddabei Methoden entwickelt, sieje nach ihrer Eigenart zubehandeln, Dichtungen anders als die Werke von Historikern, unddiese wieder anders als juristische Texte. Im Laufe derZeit kamen Inschriften undPapyri in großer Zahl hinzu und führten zurAusbildung spezieller Behandlungsmethoden. Diese Art des Umgangs mit den Quellen bezeichnet man insgesamt als philologisch-historische Methode. Sie ist vonA. Boeckh undJ. G. Droysen in ein enzyklopädisches System gebracht worden, dasdie Möglichkeit bietet, derÜberlieferung unddendurch sie faßbaren wurde von J. V. Stalin 1936 aufgestellt: Fragen des Leninismus (1947) 498. Zumschrittweisen Abrücken vondieser These bzw. ihrer Modifika23. –ZurDiskussion über tion vgl. W.Backhaus, Marx, Engels unddie Sklaverei (1974) 13– die Sklaven als Klasse vgl. H. Kreissig, ZurSklaverei imAltertum, Jahrb. f. Wirtschaftsgesch.

11 Die These von der Sklavenrevolution

1978/III, 132 f.

312

Gesellschaft

historischen Erscheinungen gerecht zuwerden12. Nunist ja auch die antike Sklaverei eine historische Erscheinung, undsie hatihren Niederschlag in derÜberlieferung gefunden. Es lag also nahe, mit der philologisch-historischen Methode zu versuchen, ihrer habhaft zuwerden, d. h. alle Einzelheiten des Phänomens zu erfassen undzuinterpretieren. DaswardasKonzept, mitdemJ. Vogt 1950 ein Projekt derMainzer Akademie derWissenschaften ins Leben rief undmit Hilfe zahlreicher Mitarbeiter zurAusführung brachte. Dagegen hatnun, wieschon angedeutet, Finley den Vorwurf erhoben, das Projekt atme den Geist des Humanismus. Offenbar schloß ervonderaushumanistischer Tradition stammenden Methode auf dieAbsicht, ausHochachtung vordemklassischen Altertum, dieja Bestandteil des humanistischen Bildungsideals war, die antike Sklaverei zubeschönigen oder zu rechtfertigen. Von einer solchen Absicht Vogts oder seiner Mitarbeiter kann jedoch nicht die Rede sein13, so daßsich derVorwurf Finleys auf die Methode, d. h. auf deren vermeintlichen Mangel an Soziologie reduziert. In Wirklichkeit ist die philologisch-historische Methode weit genug, umauch soziologischen Fragestellungen nachzugehen. Andererseits ist sie gefeit dagegen, einem einzelnen Bereich des geschichtlichen Lebens den Primat in einer Weise zuzuerkennen, wie es die Soziologie mit der Gesellschaft tut. Der vorstehend unternommene Versuch, die Problematik der Sklavenforschung aufzuzeigen, hat ein Bündel von Konflikten, Ideologien und Methoden zutage gefördert, das der Gelehrte, der sich auf dieses Forschungsgebiet begibt, sozusagen ständig mitzuführen hat. Im weiteren soll nun die konkrete Situation beleuchtet werden, in dersich die internationale Sklavenforschung befindet. Dabei verlangt derÜberblick eine Beschränkung auf die Zentren dieser Forschungsrichtung. Desto nachdrücklicher muß betont werden, daß auch anderswo wertvolle Beiträge zudendiesbezüglichen Themenkomplexen geleistet werden. Eine weitere Beschränkung legen die nachfolgenden Ausführungen sich dadurch auf, daß sie nuraufdieTrends eingehen. Eine Bilanz desbisher Erreichten ließe sich nicht auf wenigen Seiten ziehen. Zudem liegt mit demForschungsbericht „ Antike Sklaverei“von N. Brockmeyer (1979) eine Zusammenfassung dieser Art vor, undauch der Überblick „Slavery“von T. E. J. Wiedemann (1987) hat bilanzierenden Charakter. Zunächst ist der Blick nach Moskau zu richten, weil von dort die auffälligste Vestnik Trendmeldung vorliegt. Sie ist enthalten imJahrgang 1987 derZeitschrift „ , dem Organ der sowjetischen Altertumswissenschaft. V. I. KuDrevnej Istorii“ ziscin, Redaktionsmitglied der Zeitschrift und Leiter des Instituts für Alte Geschichte anderLomonosov-Universität in Moskau, legt in einem Artikel, derüber-

12 A. Boeckh,

Enzyklopädie und Methodenlehre der philologischen Wissenschaften (1877, 21886, Neudr. 1966); J. G. Droysen, Historik. Vorlesungen über Enzyklopädie undMethodologie der Geschichte, aus demNachlaß hrsg. von R. Hübner (1937, 81977). Vgl. jetzt die historisch-kritische Ausgabe derHistorik vonP. Leyh I (1977). 13 M. I. Finley, Ancient slavery andmodern ideology (1980) 69 f. ZumAngriff Finleys aufden Humanismus vgl. die Zurückweisung durch K. Christ, Geschichte des Altertums, Wissenschaftsgeschichte und Ideologiekritik, in: ders., Römische Geschichte und Wissenschaftsgeschichte III (1983) 243.

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313

70 Jahre des Großen Oktobers unddie Aufgaben der sowjetischen schrieben ist „ , die Konsequenzen dar, die sich ausder Politik der PereAltertumswissenschaft“ strojka, derUmwandlung, derErneuerung, fürdieAltertumswissenschaft ergeben. daß eine ganze Reihe prinzipieller Fragen der Geschichtstheorie Dazu gehöre, „ und-methodologie präzisiert undvervollständigt werden muß, und daß einige 14. dogmatische, heutzutage veraltete Thesen teilweise zuverwerfen sind“ Auf die vielen, vonKuziscin aufgezeigten notwendigen Korrekturen kann hier nicht eingegangen werden, nurdie wichtigste sei herausgegriffen. Sie betrifft das Verhältnis vonBasis undÜberbau. Kuziscin kritisiert die Verabsolutierung derBasis unddie damit einhergehende Unterbewertung desÜberbaus. Indem manausschließlich auf die sozialökonomischen Verhältnisse geblickt und sie, d. h. das Sklavenhaltersystem, erforscht habe, sei derÜberbau, d. h. die herrschende Klasse, dasstaatliche undkulturelle Leben, vernachlässigt worden. Es bestehe aber ein dialektisches Verhältnis zwischen Basis und Überbau, und letzterer (der Überbau) habe sich „ teilweise als nicht weniger wichtig als die Rolle der sozialökonomischen Verhältnisse“erwiesen. Weiter wird gesagt: Die Rolle derherrschenden Klasse könne nicht vorwiegend negativ und als Ausbeutungs- und Parasitenklasse betrachtet werden. Schließlich müsse die Ansicht revidiert werden, die Sklavenhalterformation sei homogenen Charakters, es existierten vielmehr neben dem Sklavenhaltersystem auch vollkommen andere Verhältnisse. Was hier von Kuziš cin vorgetragen wird, läuft auf eine völlige Neuorientierung der sowjetischen Altertumswissenschaft hinaus. Letzten Endes ist es gar die Charakterisierung der Antike als Sklavenhaltergesellschaft, die in Frage gestellt wird und damit die Periodisierung der griechischen und römischen Geschichte nach Kriterien der Sklavenhaltung. Angesichts dieses Umbruchs scheint es wichtig, festzuhalten, daß die neuen Erkenntnisse Ergebnisse intensiver Forschungen sind, wie sie in vielen Beiträgen zu dem seit 1937 erscheinenden „ Vestnik“und besonders in den 7 Bänden der 1960 von der Moskauer Akademie der Wissenschaften projektierten und 1975 als abgeschlossen gemeldeten Reihe „ ForschungenzurGeschichte derSklaverei in derantiken Welt“vorliegen. Es gilt auch daraufhinzuweisen, daßKuziscin ausdrücklich vonneuen Forschungsergebnissen „ in der Sowjetunion und in der Welt“(Sperrung von mir) spricht, die zum Umdenken zwingen. Schließlich mußnoch darauf aufmerksam gemacht werden, daß die Neuorientierung der sowjetischen Altertumswissenschaft begleitet wird vondemWunsch nach einem Wettbewerb vonIdeen undRichtungen sowie nach fruchtbaren Diskussionen innerhalb der Wissenschaft. Neue Töne fürwahr! Man darf sehr gespannt sein, wiesich die programmatischen Ankündigungen Kuziscins in derPraxis auswirken werden, etwa: ob sie Signalwirkung für das gesamte marxistische Lager haben werden. Hoffnungsvoll stimmen sie allemal. Von Moskau nun nach Besançon! Das Centre de recherches d’histoire ancienne an der dortigen Universität hat in den Jahren 1970 bis 1974 jährlich ein Kolloquium über die antike Sklaverei durchgeführt. Andiesen Kolloquien nahmen 14 Diedeutschen

Zitate stammen Mainz, angefertigt hat.

ausderÜbersetzung desArtikels, diemein Mitarbeiter, J. Kriz,

314

Gesellschaft

Gelehrte aus Frankreich, Italien, der Deutschen Demokratischen Republik und Polen teil. H. Kreissig bemerkt in einem Bericht über diese Veranstaltungen im Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 1978 zu dem Teilnehmerkreis: „ Es ist kein Geheimnis, daßdie Vertreter einer progressiven, dasheißt dialektisch-materialistischen Geschichtsbetrachtung dabei die führende Rolle spielen“ . Aus denZusammenkünften in Besançon erwuchs schon bald eine lockere Vereinigung von Sklavenforschern auf internationaler Ebene, die Groupe international des recherches surl’esclavage antique, diesich ständig erweiterte undauchnichtmarxistische Forscher zu ihren Kolloquien einlud, die 1975 von der Universität Warschau, 1976 vonderUniversität Padua, 1978 vonderUniversität Camerino, 1979 vonderUniversität Pisa und 1981 vonder Akademie der Wissenschaften der Deutschen Demokratischen Republik ausgerichtet wurden. Thematisch erweiterte sich der ProSklaverei“mehr und mehr zu dem der „ . Diese Akblemkreis „ Abhängigkeit“ zentverschiebung schlug sich nicht nurin denThemen derKolloquien nieder15, sie führte auch zu einer neuen Aufgabenstellung im Centre de recherches d’histoire ancienne in Besançon und zu einem neuen Projekt. Die neue Aufgabe hieß: Formes de dépendance et rapports sociaux“ „ , unddasneue Projekt warderIndex

6.

thématique1 DerIndex thématique verkörpert m.E. denTrend, dersich seit 1981 in denmit demNamen Besançon verbundenen Forschungen zurantiken Sklaverei feststellen läßt. Das Projekt lebt vonderengen Zusammenarbeit zwischen denUniversitäten Besançon, Lecce (in Süditalien) und Madrid. Gegenstand des Projektes sind die literarischen Texte, die mit Hilfe eines umfangreichen Begriffssystems unter allen nurdenkbaren Aspekten auf ihre Aussagen zur Abhängigkeit hin analysiert werden, wobei ein Zahlencode die schnelle Einordnung einer Aussage in das betreffende Beziehungsgeflecht ermöglicht. Ziel einer solchen Textanalyse ist die Akkumulation vonDaten undderen Verwendung zur genauen Erfassung des Textes im Hinblick auf seine sozialen Aussagen. Auf diese Weise ist schon eine ganze Reihe von Autoren bearbeitet undwertvolles Material bereitgestellt worden17. Instruktive Reflexionen über die angewandte Methode finden sich im Rapport Scientifique 1986 desCentre derecherches d’histoire ancienne in Besançon. Aufs ganze gesehen bedeutet der Index thématique eine Rückkehr zu den Quellen undzuihrer Erschließung. DieMethode kann als philologisch unter soziologischer Fragestellung bezeichnet werden. Sie wurde auch in denVorträgen auf demvonder Groupe international des recherches sur l’esclavage antique 1987 in

1978 findet sich in der Zeitschrift 15 Ein Überblick über die Publikationen der Jahre 1970– 295, der Band selbst enthält die Beiträge zum Kolloquium in Pisa Index“8, 1978/79, 289– „ (1979). DasKolloquium inJena (1981) wardemThema „Antike Abhängigkeitsformen inden griechischen Gebieten ohne Polisstruktur unddenrömischen Provinzen“gewidmet (Schriften zurGeschichte undKultur derAntike 25, 1985). 16 Vgl. denRapport scientifique 1985 desCentre derecherches d’histoire ancienne (Besançon) 7

ff.

17 AlsBeispiel sei genannt: Chr. Perez, Cicéron. Index Atticus (1984).

thématique

dela dépendance. I. Lettres à

Antike Sklaverei

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Herausforderung

315

Warschau veranstalteten Kolloquium praktiziert. Das Thema lautete: Les problèmes sociaux del’antiquité vusparlesécrivains anciens. Als nächster Standort wäre Cambridge zu wählen. Cambridge war die Wirkungsstätte von M. I. Finley, seit er 1954 die Vereinigten Staaten im Zusammenhang mit den antikommunistischen Aktivitäten des Senators McCarthy verlassen hatte. Am23. Juli 1986 ist Finley in Cambridge verstorben. Seine Verdienste um die Erforschung der antiken Sklaverei sind sehr hoch zu veranschlagen. A. Mo, der 1987 unter derpostClassical slavery“ migliano hat sie in demSammelband „ humen Herausgeberschaft von Finley erschienen ist, gewürdigt. Läßt sich in all dem,wasFinley über dieantike Sklaverei geschrieben undin dem, waser anseine Schüler weitergegeben hat, einTrend erkennen? Es scheint, daßdies amdeutlichsten im methodischen Bereich der Fall ist. Und so soll denn in diesem Zusammenhang dersociological approach Finleys etwas genauer betrachtet werden. Finley hat sich über die von ihm für richtig gehaltene Methode, die antike Sklaverei zuerforschen, oftmals geäußert, vorallem aber in denReflexionen über die seinem Buch „Ancient slavery andmodern ideology“(1980) gewidmete De8. batte in der École Française de Rome1 Finley geht aus von demSatz Darwins, . that all observation must be for or against some view if it is to be of anyservice“ „ , „model“oder „ideal Er bemerkt dazu, daß man statt „view“auch „hypothesis“ type“sagen könne. Jedenfalls müsse ein solches theoretisches Gebilde amAnfang stehen, dann erst könne mandie Texte befragen, was sie zu dieser Hypothese zu sagen hätten. Denn vonsich ausbeantworteten die Texte nurihre eigenen Fragen. Finleys Hypothese, sein Modell, ist die Sklavengesellschaft (slave society), eine Gesellschaft, in derSklaven denHauptteil desdirekten Einkommens ausBesitz für dieherrschende Schicht erwirtschafteten. Mit diesem Modell sucht er die Sklaverei als Gesamterscheinung zu erklären. Er räumt aber ein, daß ein Modell nur ein Werkzeug der Analyse sei unddaß sich im Wettbewerb mit anderen diesbezüglichen Modellen herausstellen müsse, wie nützlich es sei, wie sehr es dem Verständnis diene. Nach Finley gibt es im Hinblick auf die antike Sklaverei keine Alternative zu demvonihmpropagierten sociological approach. Denn diemöglichen alternativen Methoden, die antiquarische unddie philologische, bezeichnet er als unbrauchbar. Alsantiquarisch stuft er z. B. dieArbeiten vonW.L. Westermann ein: denArtikel Sklaverei“in der Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft von „ 1935 unddas daraus erwachsene Buch „ The slave systems of Greek andRoman antiquity“von 1955. Antiquarische Gelehrsamkeit steht für Finley auf einer Stufe mit demSammeln von Briefmarken, Schmetterlingen undStreichholzschachteln – Antiquarianism is anactivity of homo ludens, Spielereien, in derDiktion Finleys: „ no doubt giving pleasure but leading to no understanding“ . Gegen die philologische Methode hat Finley einzuwenden, daß ihre induktive Auswertung der Texte ohne vorher aufgestellte Hypothese zukeinem begründeten Ergebnis führen könne

18 M. I. Finley, 204.

Problems

of slave society: Some reflections onthe debate, Opus I 1, 1982, 201–

316

Gesellschaft

Was sagt ein Schriftsteller?“vergesse zu fragen, und daß sie über die Frage „

. „Warum sagt eres?“ Finleys Polemik gegen die antiquarische unddie philologische Methode ist alles andere als überzeugend, sie verkennt nicht nurdengrundlegenden Charakter antiquarischer Studien, mit denen der betreffende Gelehrte es auch anderen ermöglicht, Erkenntnisse zugewinnen, sie verkennt vorallem das Wesen philologischer Interpretation undKritik. Der Historiker aber kann sich nicht genug wundern, daß Finley überhaupt von philologischer Methode und nicht von philologisch-historischer Methode spricht. Ein Blick in Droysens „ Historik“hätte ihm gezeigt, daß diese Methode den theoretischen Ansatz, die Hypothese, kannte19, längst bevor es die Soziologie als selbständige Disziplin gab. Diese kritischen Bemerkungen wollen nurFinleys Behauptung zurückweisen, die antiquarische und die philologische Methode seien für die Erforschung der antiken Sklaverei unnütz. Unberührt von der Kritik bleibt seine Betonung des sociological approach für die antike Sklaverei. Er hat damit die Historiker in die Pflicht genommen, sorgfältig zuüberlegen, ob die Fragestellung, mit der sie sich derantiken Sklaverei nähern, demGegenstand auch angemessen ist. In demÜberblick über die derzeitige Situation in denZentren der Sklavenforschung darf Mainz einen bevorzugten Platz beanspruchen, dahier schon 1950 von J. Vogt im Rahmen derAkademie der Wissenschaften undder Literatur ein Langzeitunternehmen zurErforschung derantiken Sklaverei begründet wurde, das, wie K. Christ aus Anlaß des Todes von J. Vogt (14. 7. 1986) feststellte, „sich längst zumertragreichsten undbedeutsamsten althistorischen Forschungsprojekt in der Bundesrepublik“entwickelt hat20. Das Rückgrat des Unternehmens bildet die Reihe „Forschungen zur antiken 1. Ihr liegt ein enzyklopädisches Konzept Sklaverei“mit inzwischen 21 Bänden2 zugrunde. Vogt wollte in dieser Reihe alle Erscheinungsformen, in denen sich die antike Sklaverei darbietet, erfassen undinterpretieren. Deshalb rief er alle mit der Antike befaßten wissenschaftlichen Disziplinen zur Mitarbeit auf22. Er verkündete aber auch denGrundsatz derUnvoreingenommenheit, dereinschloß, daßmansich mit Voreingenommenheit im Hinblick auf die antike Sklaverei, wie sie vor allem im Marxismus sich findet, auseinandersetzte. Da einer solchen Auseinandersetzung in bezug auf die sowjetische Forschung die Sprachbarriere im Wege stand, ließ Vogt die wichtigsten sowjetischen Buchveröffentlichungen in einer eigenen Reihe übersetzen23 undsorgte dafür, daß seine Mitarbeiter die für ihre Themen 19

20

21 22

23

diehistorische Frage“(19) und Droysen behandelt die ‘Hypothese’indemParagraphen über„ demüber „ dasFinden desMaterials“(26) derAusgabe vonHübner (Anm. 12). InderRekonstruktion der ersten vollständigen Fassung der Vorlesungen Droysens über Historik (1857) 110 und 173 f. von Leyh (Anm. 12) finden sich die entsprechenden Passagen auf S. 105– , Gnomon 59, 1987, 478. K. Christ, Josef Vogt † Publikationsverzeichnis derAkademie derWissenschaften undderLiteratur, Mainz (1988) 75 f. J. Vogt, Die antike Sklaverei als Forschungsproblem, in: Akademie der Wissenschaften und derLiteratur, Mainz, Rundfunkvorträge (1954) 25. : bisher 4 Bände, s. PublikatiÜbersetzungen ausländischer Arbeiten zurantiken Sklaverei“ „ onsverzeichnis (Anm. 21) 77.

Antike Sklaverei

alsmoderne

Herausforderung

317

relevanten Aufsätze aus dem Vestnik Drevnej Istorii in Übersetzung erhielten. Schließlich gehörte zumKonzept desVogtschen Sklaverei-Unternehmens die monographische Form der Publikation. Es sollte damit die umfassende Behandlung desbetreffenden Themas sichergestellt werden. Als Vogt 1978 die Leitung des Sklaverei-Unternehmens ausAltersgründen an denVerfasser dieses Beitrags abgab, bestand keine Veranlassung, an demvorstehendskizzierten Konzept etwas zuändern. Gewiß, es gabLücken in derReihe der bearbeiteten oder in Arbeit genommenen Themen, Lücken hinsichtlich der zur Anwendung gebrachten oder vorgesehenen Fragestellungen, aber diesem Manko ließ sich durch Gewinnung entsprechender Mitarbeiter abhelfen. Zur Zeit sind mehr als 20 Gelehrte ausallen Bereichen derAltertumwissenschaft damit beschäftigt, dasBild derantiken Sklaverei durch subtile Einzeluntersuchungen so zuvervollständigen, daß es beanspruchen kann, der Wirklichkeit möglichst nahe zu Forschungen zurantiken Sklaverei“ kommen2 4. 50 undmehr Bände soll dieReihe „ einmal umfassen. Jeder Band ist mit ausführlichen Registern versehen, um den Zugang auch zu abgelegenen Einzelheiten zu ermöglichen. So darf erwartet werden, daß in dieser Bibliothek die Grundlagen unseres Wissens über die antike Sklaverei in absehbarer Zeit bereitgestellt sein werden. Das Sklavereiprojekt derMainzer Akademie ist, wie sich ausdemVorstehendenergeben haben dürfte, derGrundlagenforschung zuzuordnen. DerProjektleiter betrachtet es daher als seine Pflicht, den in den einzelnen Bänden der Forschungen zur antiken Sklaverei“sich niederschlagenden Wissens- und Er„ kenntniszuwachs auch bereiteren Kreisen in handlicher Form zugänglich zu machen. Es besteht schon seit längerem derPlan, daßein „ Handwörterbuch der antikenSklaverei“diesen Zweck erfüllen soll. Inzwischen sind dieVorbereitungen mit Hilfe derComputertechnik in ein Stadium getreten, dashoffen läßt, daß in einigen Jahren die Erfassung der Lemmata abgeschlossen unddie Entscheidungen in bezugauf deren Gruppierung gefällt sein werden. Allein über die in derfamilia Caesaris von Sklaven undFreigelassenen wahrgenommenen Verrichtungen liegt eine 150 Seiten umfassende Aufstellung vor. Auch das aus anderen Gebieten gespeicherte Material ist beträchtlich. So wird denn das Handwörterbuch wohl 5 oder 6 Bände umfassen. Wenn die Zeit gekommen ist, wirdjeder Bearbeiter einen Computerausdruck mit den wichtigsten Quellen- und Literaturangaben zu seinem Stichwort, mit den Verweisen, der Umfangsbemessung undeinem Musterartikel als Unterlagen erhalten. Und als Bearbeiter stehen die Mitglieder der Projektgruppe bereit – ein kompetentes Team! Mit der Trendmeldung aus Mainz ist die Aufgabe erfüllt, einen Blick auf die wichtigsten Stätten der Sklavenforschung zuwerfen. ZumAbschluß sei versucht, als Antwort auf die Frage, welchen Beitrag denn die Sklavenforschung insgesamt zur Erforschung der Antike leistet, zwei Gesichtspunkte in den Vordergrund zu rücken:

24 Über die in Arbeit

befindlichen Themen s. denBericht imJahrbuch senschaften undderLiteratur, Mainz, 39, 1988, 220– 223.

derAkademie der Wis-

318

Gesellschaft

1. Die Aufdeckung der Bedeutung, welche den Sklaven im Sozialgefüge der griechischen undrömischen Welt zukommt, macht es möglich, die Struktur dieses Gefüges, d. h. die in ihmvorhandenen Beziehungsgeflechte unddie eventuell darauf beruhenden Gesetzmäßigkeiten genauer zu erkennen. Die Aufdeckung des Anteils derSklavenarbeit amProduktionsprozeß vermittelt einen tiefen Einblick in dasantike Wirtschaftssystem undermöglicht dieErkenntnis wesentlicher Charakteristika. Mit anderen Worten: Die Erforschung derantiken Sklaverei ist eine unabdingbare Voraussetzung fürdieWirtschafts- undSozialgeschichte derAntike. 2. Wenn Licht und Schatten, Glück undUnglück fest verbundene Kategorien der Weltgeschichte sind, dann gehört die Sklaverei zweifellos zumSchatten, zum Unglück25. Indem wir die Sklaverei erforschen, erforschen wir also eine ebenso wichtige Seite der Antike wie die des Lichts, des Glücks. Wir gewinnen ein Korrektiv, das uns vor Überschätzung des lichtvollen, glücklichen Teils bewahrt, das unsgerecht, nicht einseitig urteilen läßt. Allein schon dieses Zieles wegen lohnt es sich m.E., Sklavenforschung zubetreiben.

Zurbeigefügten Abbildung: Eunus, „

AdEuno, lo schiavo ribelle, araldo di libertà. demaufständischen Sklaven, demHerold derFreiheit“ .

So lautet die Inschrift des hier abgebildeten Denkmals, das die Stadt Enna 1960 auf demPlatz vor demCastello di Lombardia demFührer des in Enna ausgebrochenen sizilischen Sklavenaufstands der Jahre 135 –132 v. Chr. errichtet hat einemoderne Anklage gegen dieantike Sklaverei. Foto: Agnes Bellen. –

25 Der Vortrag von G. Alföldy,

Antike Sklaverei, Widersprüche, Sonderformen, Grundstruktu-

ren(Thyssen-Vorträge. Auseinandersetzungen mitderAntike 7, 1988), ist ganz unter diesem Aspekt konzipiert (S. 4).

Schriftenverzeichnis Heinz Bellen Nicht aufgenommen wurden die Artikel im Lexikon derAlten Welt undim Kleinen Pauly. Unberücksichtigt blieben auch die Berichte im Jahrbuch der Akademie derWissenschaften undderLiteratur Mainz. Zeitschriften sind nach demSiglenverzeichnis derAnnée philologique zitiert.

Beiträge zurRechtsprechung derstadtrömischen Gerichte unter Gaius undClaudius (masch. Diss. Köln 1955). 260 S.

demPrinzipat des

Derprimicerius Mauricius. Ein Beitrag zumThebäerproblem, Historia 10 (1961) 247 238– 168 * ZurAppellation vomSenat andenKaiser, ZRG79 (1962) 143– Dei. Der Gegenwartsbezug in Vergils Darstellung der Geschichte 275), RhM 106 (1963) 23– 30 Cacus undHercules (Aen. VIII 184–

Adventus

von

ι(1. Cor. 7, 21). Verzicht auf Freilassung als asketische Leiα σ ῆ ρ νχ ο λ λ ᾶ *Μ 180 stung?, JbAC 6 (1963) 177–

* Rez. J. Bleicken:

Senatsgericht undKaisergericht. Eine Studie zur Entwicklung des Prozeßrechtes im frühen Prinzipat. Abh. Akad. Wiss. Göttingen. Philologisch-historische Klasse III 53 (Göttingen 1962), Gnomon 36 (1964) 387– 392

323 Utmanumittas servum tuum, frangis tabulas eius, ZRG 82 (1965) 320–

ὴτ ῶ ῶ νἸο ν α ίω νκ α ὶΘ υ δ . Die Aussage einer bosporaniσ εβ εο γ ω γ α ν υ Σ schen Freilassungsinschrift (CIRB 71) zum Problem der „ Gottfürchtigen“ , JbAC 8/9 (1965/66) 171– 176 Rez. F. Wieacker: Cicero als Advokat (Berlin 1965), Gymnasium 73 (1966) 322– 324

126 Hirsch undSklavenflucht, JbAC 10 (1967) 124– zus. mitG. Biegel u. W. Kierdorf: Bibliographie Hans Volkmann, Gymnasium 77 419 (1970) 408–

320

Schriftenverzeichnis

Studien zur Sklavenflucht im römischen Kaiserreich. Forschungen Sklaverei, 4 (Wiesbaden 1971). 179 S.

* Der Rachegedanke in der griechisch-persischen 67 (1974) 43–

Auseinandersetzung, Chiron

* Die ‘Verstaatlichung’ desPrivatvermögens derrömischen 112 dert n. Chr., in: ANRW II 1 (1974) 91–

*

zur antiken

Kaiser

4

im 1. Jahrhun-

Sullas Brief an den interrex L. Valerius Flaccus. Zur Genese der sullanischen 569 Diktatur, Historia 24 (1975) 555– unter Kaiser Tiberius (33 n. Chr.). UrsaVerlauf – 234 Folgen, Historia 25 (1976) 217– chen –

* DieKrise deritalischen Landwirtschaft Hans Volkmann

431 , Gnomon 48 (1976) 426–

Rez. H. Nesselhauf: Der Ursprung des Problems ‘Staat und Kirche’ (Konstanz 95 1975), Gymnasium 84 (1977) 94– Antrittsrede, in: Jahrbuch 74 Mainz 1978, 73–

der Akademie der Wissenschaften und der Literatur

Nachruf aufHelmut Berve, in: Jahrbuch 82 Literatur Mainz 1979, 80–

derAkademie derWissenschaften undder

Die germanische Leibwache der römischen Kaiser des Julisch-Claudischen Hauses. Abhandlungen derAkademie derWissenschaften undderLiteratur Mainz. Geistes- undsozialwiss. Kl. 1981, 1 (Wiesbaden 1981). 133 S., 15 Tafeln Antike Staatsräson. Die Hinrichtung der 400 Sklaven des römischen Stadtpräfekten L. Pedanius Secundus im Jahre 61 n. Chr., in: Universität im Rathaus 1 80 (Mainz 1981) 59–

Das Institut für Alte Geschichte, in: Tradition undGegenwart. Institute der Philo1972. Beiträge zur Geschichte der Universität sophischen Fakultät 1946– 66 Mainz 11 II 2 (Wiesbaden 1981) 59–

* Antike Staatsräson. DieHinrichtung der400 Sklaven desrömischen Stadtpräfek467 tenL. Pedanius Secundus imJahre 61 n. Chr., Gymnasium 89 (1982) 449– Rez. N. Rouland: Les esclaves romains en temps de guerre. Coll. Latomus, 151 136 (Bruxelles 1977), Gnomon 54 (1982) 133–

321

Schriftenverzeichnis Heinz Bellen

* Das Drususdenkmal apud Mogontiacum unddie Galliarum 396 (1984) 385–

civitates, JRGZ 31

metus Punicus. Metus Gallicus – Abhandlungen der Akademie

Zum Furchtmotiv in der römischen Republik. der Wissenschaften und der Literatur Mainz. Geistes- undsozialwiss. Kl. 1985, 3 (Stuttgart 1985). 46 S.

* Cicero undderAufstieg Oktavians,

Gymnasium

92 (1985)

189 161–

Rez. F. Laub, Die Begegnung des frühen Christentums mit derantiken Sklaverei. 674 Stuttgarter Bibelstudien, 107 (Stuttgart 1982), HZ240 (1985) 672–

Die Weltreichsidee des Kaisers Gutenberg-Universität Mainz

Hadrian, in: Forschungsmagazin der Johannes 16 2 (1986) 5–

Nachruf auf Joseph Vogt, in: Jahrbuch 92 Literatur Mainz 1986, 87–

derAkademie derWissenschaften undder

* DieRolle derMainzer Legionen in derKrise desrömischen 122 Chr., MZ 82 (1987) 111– *

70 n. Kaisertums 68–

–novae leges. Kaiser Augustus als Gesetzgeber, in: G. Binder (Hrsg.): Saeculum Augustum I: Herrschaft und Gesellschaft. Wege der For348. schung, 266 (Darmstadt 1987) 308–

Novus status

* CORPUS IMPERII oder CORPUS GERMANIAE? Die Agrippinenser und die Freiheit“imJahre 70 n. Chr., in: W. Schäfke (Hrsg.): DerName derFreiheit „ 1988. Aspekte Kölner Geschichte von Worringen bis heute (Köln 1988) 1288– 22 17–

* Das Weltreich Alexanders des Großen als Tropaion im Triumphzug des Cn. Pompeius Magnus (61 v. Chr.), in: W. Will (Hrsg.): ZuAlexander d. Gr. Festschrift für Gerhard Wirth zum 60. Geburtstag am 9.12.1986 (Amsterdam 878 1988) 865–

* Der römische Ehrenbogen von Mainz-Kastel: 84 AKB 19 (1989) 77–

Ianus Germanici aut Domitiani?,

Sklaverei als moderne Herausforderung. ZurSituation derinternationalen Sklavenforschung, in: Akademie der Wissenschaften undder Literatur 1989 (Stuttgart 1989) 195– 208 Mainz 1949–

* Die antike

zus. mit G. Horsmann: Römische Geschichte in Münzbildern, in: Forschungsmagazin derJohannes Gutenberg-Universität Mainz 6, 1 (1990) 19– 26

322

Schriftenverzeichnis

nella coscienza storica dello stato repubblicano: unproblema 15,Tav. I-IV continuità della storia romana, Athenaeum 79 (1991) 5–

* La monarchia

di

* AEGVPTO CAPTA. Die Bedeutung der Eroberung Ägyptens für die Prinzipatsideologie, in: R. Albert (Hrsg.): Politische Ideen auf Münzen. Festschrift zum 16. Deutschen Numismatikertag Mainz 1991. Schriftenreihe der Numismati59 schen Gesellschaft Speyer e.V., 31 (Speyer 1991) 33– Grundzüge

derrömischen Geschichte I. VonderKönigszeit bis zumÜbergang der indenPrinzipat (Darmstadt 1994). 245 S.

Republik

* Christianissimus Imperator. Zur Christianisierung der römischen Kaiserideologie von Constantin bis Theodosius, in: R. Günther/S. Rebenich (Hrsgg.): E fontibus haurire. Beiträge zurrömischen Geschichte undzuihren Hilfswissenschaften [Heinrich Chantraine zum 65. Geburtstag]. Studien zur Geschichte undKultur desAltertums. Neue Folge. 1. Reihe: Monographien, 8 (Paderborn 19 1994) 3– Rez. A. Demandt: Die Spätantike. Römische Geschichte vonDiocletian bis Justi565 n. Chr. HbA Wiss. III 3, 6 (München 1989), HZ 258 (1994) nian, 284– 161 158– Grundzüge

derrömischen Geschichte I. VonderKönigszeit bis zumÜbergang der indenPrinzipat (Darmstadt 21995). 245 S.

Republik

* SAEC(ulum) AVR(eum). DasSäkularbewußtsein desKaisers Hadrian im Spiegel Macht undMünzen. FestderMünzen, in: R. Albert (Hrsg.): RomundRhein – derNumismatischen Gesellschaft Mainz-Wiesbaden zum31. Süddeutschen Münzsammlertreffen 1996 in Mainz anläßlich des 75jährigen Bestehens derNumismatischen Gesellschaft Mainz-Wiesbaden von 1921 e.V. Schriften33 reihe derNumismatischen Gesellschaft Speyer e.V., 38 (Speyer 1996) 9– schrift

Rez. G. Walther: Niebuhrs Forschung. Frankfurter Historische Abhandlungen, 35 561 (Stuttgart 1993), ZRG 114 (1997) 555–

67 Caligula, in: M. Clauss (Hrsg.): Die römischen Kaiser (München 1997) 63–

Herausgebertätigkeit:

L. Wickert: Drei Vorträge über Theodor

Mommsen. Zum70. Geburtstag fassers, 31.7.1970, hrsg. vonH. Bellen (Frankfurt 1970). 94 S.

desVer-

Schriftenverzeichnis Heinz Bellen

323

H. Volkmann: Endoxos Douleia. Kleine Schriften zur Alten Geschichte, hrsg. von H. Bellen zum75. Geburtstag desVerfassers am 19. März 1975 (Berlin/New York 1975). 340 S. Bibliographie zurantiken Sklaverei: hrsg. vonJ. Vogt undH. Bellen, neubearb. vonE. Herrmann in Verbindung mitN. Brockmeyer. 2 Bde. (Bochum 1983).

391 S.

Forschungen zurantiken Sklaverei imAuftrag derKommission für Geschichte des Altertums der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz, hrsg. 1987) vonH.Bellen (seit 1978, zus. mitJ. Vogt, 1978– Forschungen zurantiken Sklaverei, Beihefte im Auftrag der Kommission für Geschichte des Altertums der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz, hrsg. vonH.Bellen (seit 1990) Übersetzungen ausländischer Arbeiten zur antiken Sklaverei im Auftrag der Kommission für Geschichte des Altertums derAkademie der Wissenschaften undder Literatur Mainz, hrsg. von H. Bellen (seit 1987, zus. mit H. Bräuer undJ. Vogt)

Herausgegeben

vonHeinz

HISTORIA-EINZELSCHRIFTEN

Heinen, François Paschoud, KurtRaaflaub, Hildegard Temporini Gerold Walser

1. Gerold

Walser: Caesar unddie Germanen. Studien zur politischen Tendenz römischer Feldzugsberichte. 1956. XI, 104 S., kt.

00250–2 515– ISBN3–

2. Edmund Buchner: Der Panegyrikos des

Isokrates. Einehistorisch-philologische Unter0251–2 suchung. 1958. IX, 170 S., kt. 3. Wolf Steidle: Sallusts historische Monographien. Themenwahl undGeschichtsbild

0252–9

(vergriffen)

4. Ulrich

Kahrstedt: Die wirtschaftliche Lage Großgriechenlands inderKaiserzeit. 1960. 0253–7 VII, 133 S., 1 Faltkte., kt. 5. Dieter Timpe: Untersuchungen zur Kontinuität des frühen Prinzipates. 1962. VIII, 133 0254–5 S., kt. 6. Hatto H. Schmitt: Untersuchungen zur Geschichte Antiochos’des Großen undseiner Zeit. 1964. XII, 320 S. m. 9 Ktn., 1 Taf., kt.

0255–3

7. Gerold Walser,

Hrsg.: Neuere Hethiterforschung. 1964. VII, 144 S., 17Abb., 6 Taf., kt.

0256–1

8. Joseph Vogt: Sklaverei undHumanität. Stu-

dien zur antiken Sklaverei undihrer Erforschung. (vergriffen) X 0257 – (siehe auch Nr.44) 9. Eberhard Ruschenbusch: Solonos nomoi. DieFragmente dessolonischen Gesetzeswerkes mit einer Text- und Überlieferungsgeschichte. Unveränderter Nachdruck 1983 der 0258–8 Ausgabe von 1966. X, 140 S., kt. 10. Jakob Seibert: Historische Beiträge zuden dynastischen Verbindungen in hellenisti0259–6 scher Zeit. 1967. 138 S., kt. 11. Robert E. A. Palmer: The King and the Public Oldest s of Rome ’ Comitium. A Study X Document. 1969. XIII, 55 S., 5 Taf., kt.0260 – 12. Richard Alexander Baumann: TheDuumviri in the Roman Criminal Law and in the HoratiusLegend. 1969. IV, 35 S., kt. 0261–8 13. Donald W. Knight: Some Studies in AthenianPolitics inthe Fifth Century B. C.1970.

IV,44 S., kt. 0262–6 14. Joachim Szidat: Caesars diplomatische , 162 Tätigkeit im Gallischen Krieg. 1970. VIII 0263–4 S., kt. 15. Kenneth Hugh Waters: Herodotos on Tyrants and Despots. A Study in Objectivity. 0264–2 1971. VI, 100 S., kt. 16. Charles W.Fornara: TheAthenian Board of Generals from 501 to 404. 1971. X, 84 S., kt.

0265–0

17. Justus Cobet: Herodots Exkurse unddie Frage nachderEinheit seines Werkes. 1971.

0266–9 X, 207 S., kt. 18. Gerold Walser, Hrsg.: Beiträge zur Achämenidengeschichte. 1972. VI, 107 S., 0267–7 kt. 19. Peter J. Bicknell: Studies inAthenian Politics and Genealogy. 1972. VIII, 112 S., kt.

20. Heinz

Heinen: Untersuchungen

0268–5 zurhelleni-

stischen Geschichte des 3. Jahrhunderts v. Chr. ZurGeschichte derZeit des Ptolemaios Keraunos undzumChremonideischen Krieg. 0269–3 1972. XII, 229 S., 2 Ktn., kt.

21. Edmund F. Bloedow: Alcibiades re0270–7 examined. (vergriffen)

22. Derek J. Mosley:

andDiplomacy in Ancient Greece. 1973. X, 97 S., kt. 1194–3 Envoys

23. Philip Tyler: The Persian Wars of the 3rd

und

Century A.D.andRoman Imperial Monetary Policy, A. D. 253–68. (vergriffen) 1915–4 Military Tribunes andPlebe-

24. John Pinsent:

ian Consuls: The Fasti from 444 V to 342 V. 1899–9 1975. VIII, 83 S., kt. 25. Hans Armin Gärtner: Beobachtungen zu

Bauelementen in der antiken Historiographie, besonders bei Livius und Caesar. 1869–7 1975. VI, 182 S., kt. 26. George JohnStagakis: Studies intheHomeric Society. (vergriffen) X 1988 – 27. GaryA.Crump: Ammianus Marcellinus as a Military Historian. (vergriffen) 1984–7 28. John Nicols: Vespasian and the partes Flavianae. 1978. X, 186 S., kt. 2393–3 29. Robert B. Kebric: In the Shadow of Macedon: Duris of Samos. 1977. XII, 99 S., kt.

2575–8 30. Getzel M. Cohen: The Seleucid Colonies: Studies inFounding, Administration nization. (vergriffen)

andOrga2581–2

31. Joachim Szidat: Historischer Kommentar XXI.Teil zuAmmianus Marcellinus BuchXX–

I: Die Erhebung lulians. 1977. 200 S., kt. 2642–8 32. Eeva Ruoff-Väänänen: Studies onthe Italian 2761– 0 Fora. 1978. X, 81 S., kt.

33. Jack M.Balcer: The Athenian Regulations forChalkis. Studies inAthenian Imperial Law.

1978. XIV, 145 S., 3 Taf., kt. 2773–4 34. Daniel Gillis: Collaboration with the 2786–6 Persians. 1979. VIII, 87 S., kt. 35. Ralf Urban: Wachstum und Krise des Archäischen Bundes. Quellenstudien zur Entwicklung des Bundes von 280 bis 222 v. Chr. 2861–7 1979. IX, 236 S. m. 3 Ktn., kt. 36. Thomas S. Burns: The Ostrogoths. Kingship 2967–2 and Society. 1980. IX, 144 S., kt.

37. Peter Funke:

Homónoia undArché. Athen unddiegriechische Staatenwelt vomEndedes Peloponnesischen Krieges biszumKönigsfrie-

den (404/3–387/6 v. Chr.) 1980. XI, 197 S., kt.

3007–7 38. Joachim Szidat: Historischer Kommentar XXI.Teil zuAmmianus Marcellinus BuchXX–

II:DieVerhandlungsphase. 1981. VII, 104 S. m. 2 Ktn., kt. 3474–9 39. Giovanni Brizzi: I sistemi informativi dei etàdelle conquiRomani. Principi e realtà nell’

ste oltremare (218–168 a. C.). 1982. XIX, 282 S., kt. 3628–8 40. Heinz Heinen / KarlStroheker / Gerold Walser, Hrsg.: Althistorische Studien. Hermann Bengtson zum70. Geburtstag dargebracht vonKollegen undSchülern. 1983. VII,257 S. m. 7 Taf., kt. 3230–4 41. Herbert Graßl: Sozialökonomische Vorstellungen inderkaiserzeitlichen griechischen 3. Jh. n. Chr.). 1982. VII, 231 S., Literatur(1.– 3667–9 kt. 42. Klaus M.Girardet: DieOrdnung derWelt: Ein

Beitrag zurphilosophischen undpolitischen Interpretation von Ciceros Schrift De legibus.

1983. VIII, 260 S., kt.

3687–3

43. Karl-Heinz Schwarte: Der Ausbruch des Zweiten Punischen Krieges. Rechtsfrage

und

Überlieferung. 1983. XV, 108 S., kt. 3655–5

44. Joseph Vogt: Sklaverei undHumanität. Studien zur antiken Sklaverei und ihre Erforschung. Ergänzungsheft zur2. erw. Aufl. (Historia-Einzelschriften, Heft 8). 1983. VII, 78 S., 4 Taf., kt. 3877–9

45. Robert J. Buck: Agriculture andAgricultural Practice inRoman Law.1983.. 59 S., kt.

4040–4

46. Gerold Walser: Summus Poeniunus. Beiträge zurGeschichte des Großen St. Bernhard-

Passes in römischer Zeit. 1984. 140 S. m. 4183–4 Katalog m. 43 Abb., 18 Taf., kt. 47. Joseph Geiger: Cornelius Nepos and Ancient Political Biography. 1985. 128 S., kt.

4414–0

48. Gerold Walser: ViaperAlpes Graias. Beiträge zurGeschichte des Kleinen St. Bernhard-

Passes in römischer Zeit. 1986. 97 S. m. 58

Abb. auf 40 Taf., kt.

4541–4

Herodotus & Bisitun. Persian historiography. 1987. 166 S. m. 7 Taf., kt. 4790–5 50. Herbert Benner: DiePolitik des P. Clodius Pulcher. Untersuchungen zurDenaturierung desClientelwesens inderausgehenden römischen Republik. 1987. 189 S., kt. 4672–0

49. Jack Martin Balcer: Problems in ancient

51. Giuseppe Zecchini: II Carmen de bello

Actiaco. Storiografia e lotta politica inetà augustea. 1987. 109 S., kt. 4887–1

52. John F.

Drinkwater: The Gallic Empire. Separatism andContinuity in the North-Western Provinces oftheRoman Empire, A.D.260 4806–5 –274. 1987. 276 S., kt. 53. Gerold Walser, Hrsg.: Die Einsiedler Inschriftensammlung und der Pilgerführer durch Rom(Codex Einsidlensis 326). Facsimile, Umschrift, Übersetzung

1987. 230 S. u. 8 Taf., kt.

undKommentar. 4912–6

54. Edwin S. Ramage: TheNature andPurpose

of Augustus’“ Res Gestae” . 1987. 168 S., kt. 4892–8

55. Peter

Herz: Studien zur römischen Wirtschaftsgesetzgebung. Die Lebensmittelversorgung. 1988. 403 S., kt. 4805–7 56. Waldemar Heckel: The Last Days andTestament of Alexander the Great. AProsopographic Study. 1988. XIV, 114 S., kt. 5092–2 57. Leonhard Alexander Burckhardt: Politische Strategien der Optimaten in der späten römischen Republik. 1988. 296 S., kt. 5098–1 58. Binyamin Shimron: Politics and Belief in 5240–2 Herodotus. 1989. IX, 126 S., kt. 59. Lukas Thommen: Das Volkstribunat der späten Römischen Republik. 1988. 287 S., 5187–2 kt. 60. Heinz E. Herzig / Regula Frei-Stolba, Hrsg.: Labor omnibus unus. Gerold Walser zum70.

Geburtstag dargebracht vonFreunden, Kollegen undSchülern. 1989. XVI, 278 S., kt.

4393–4 61. Raban von Haehling: Zeitbezüge des T. Livius in der ersten Dekade seines Geschichtswerkes: Necvitia nostra necremedia pati possumus. 1989. 248 S., kt. 5117– 1

62. Martin Frey: Untersuchungen zurReligion undzurReligionspolitik des Kaisers Elaga-

Fot. auf 12 Taf. i. Anh., kt. 5664– 5 Legio X Fretensis. AProsopographical Study of its Officers (I-III Centuries A.D.). 1993. 128 S., kt. 5 5809– 67. Angelika Mette-Dittmann: Die Ehegesetze desAugustus. EineUntersuchung imRahmen der Gesellschaftspolitik des Princeps. 1991. 1 5876– 220 S., kt. 68. RalfUrban: DerKönigsfrieden von387/86 v.

66. Edward Dabrowa:

Chr.Vorgeschichte, Zustandekommen, Ergebnis undpolitische Umsetzung. 1991. 203 S., kt. 5 5924– 69. Stefan Link: Landverteilung und sozialer Frieden imarchaischen Griechenland. 1991. 7 189 S., kt. 5954– 70. Sigrid Mratschek-Halfmann: Divites et

praepotentes. Reichtum undsoziale Stellung inderLiteratur derPrinzipatszeit. 1993. IX,461 3 5973– S., kt. 71. Shlomo Berger: Revolution andSociety in Greek Sicily andSouthern Italy. 1992. 123 S., 5959– kt. 8 72. Stefan Rebenich: Hieronymus und sein Kreis. Prosographische undsozialgeschichtli3 che Untersuchungen. 1992. 328 S., kt.6086– 73. Klaus Tausend: Amphiktyonie undSymmachie. Formen zwischenstaatlicher Beziehungenimarchaischen Griechenland. 1992. VIII, 1 273 S., kt. 6137– 74. William T. Loomis: TheSpartan WarFund: IGV1,1 anda NewFragment. 1992.84 S., 17 9 Taf., kt. 6147– 75. KarlStrobel: DasImperium Romanum im‚3. Jahrhundert‘. Modell einer historischen Krise? 9 5662– 1993. 388 S., kt. 76. Christopher Tuplin: The Failings of Empire: A Reading of Xenophon Hellenica 2.3.11– 1 7.5.27. 1993. 264 S., kt. 5912– 77. Charlotte Schubert: Die Macht des Volkes und die Ohnmacht des Denkens. Studien zum Verhältnis von Mentalität und Wissenschaft im5. Jahrhundert. 1993. 200 S., kt.

9 6228– 78. Joseph Roisman: The General DemosthenesandhisUseofMilitary Surprise. 1993.84 7 S., kt. 6277– 79. Pedro Barceló: Basileia, Monarchia, Tyrannis. Untersuchungen zuEntwicklung undBeurteilung vonAlleinherrschaft imvorhellenisti5 schen Griechenland. 1993. 345 S., kt.6278– 80. Brian M.Lavelle: The Sorrow andthe Pity. A

Prolegomenon toa History ofAthens under the 510 B.C. 1993. 147 S., kt. Peisistratids, c. 560– 8 6318– 81. Wolfgang Leschhorn: Antike Ären. Zeitrechnung, Politik undGeschichte imSchwarzmeerraum undinKleinasien nördlich desTau9 ros. 1993. XI, 576 S. m. 10 Taf., kt. 6018– 82. UweWalter: AnderPolis teilhaben. Bürgerstaat undZugehörigkeit imarchaischen Grie6 6370– chenland. 1993. 242 S., kt.

0 5370– bal. 1989. IV, 125 S., kt. 63. Michael Weiskopf: The so-called „Great 360 B.C. Concerning , 366– Satraps’ Revolt“ Local Instability in the Achaemenid far West. 5 5387– 1989. 112 S., kt.

83. Michael Rostowzew: Skythien und der

zeitgenössischen Überlieferung. 1990. 320 S., 1 5568– kt. 65. Marinus A.Wes:Michael Rostovtzeff, Historian in Exile. Russian Roots inanAmerican Context. 1990. XXXI, 106 S., Frontispiz u. 13

84. Julia Sünskes Thompson: Demonstrative Legitimation der Kaiserherrschaft imEpochenvergleich. Zur politischen Macht des

64. Thomas Grünewald: Constantinus MaximusAugustus. Herrschaftspropaganda inder

Bosporus, Band II. Wiederentdeckte Kapitel

undVerwandtes. A.d.Grundlage d.russ. EditionvonV.Ju. Zuevm.Kommentaren u.Beitr. übers. u. hrsg. von Heinz Heinen. 1993. VIII, 263 S., 36 Taf. u.4 Ktn.inKartentasche, kt. 4 6399– stadtrömischen Volkes. 1993. VII, 103 S., kt.

6415-X

85. Werner Huß: Dermakedonische König und die ägyptischen Priester. Studien zur Geschichte des ptolemaiischen Ägypten. 1994. 4 6502– 238 S., kt.

86. Gerold Walser: Studien zurAlpengeschichte in antiker Zeit. 1994. 139 S. u. 10 Taf., kt.

2 6498– 87. David Whitehead, Ed.: From Political Ar-

chitecture to Stephanus Byzantius. Sources for the Ancient Greek Polis. 1994. 124 S., 11 5 6572– Abb., kt. (zugleich: Papers fromthe Copenhagen Polis Centre, Vol. 1) 88. Bernhard Kremer: DasBildderKelten bis in augusteische Zeit. Studien zurInstrumentalisierung eines antiken Feindbildes bei griechischen undrömischen Autoren. 1994. 362S., kt.

2 6548–

89. Joachim Szidat: Historischer Kommentar zuAmmianus Marcellinus BuchXX-XXI. Teil III: Die Konfrontation. 1996. 293 S., kt. 90.

(vgl. Bde. 31 u. 38) Odile De Bruyn: La compétence

6570– 9 de l’Aréo-

page en matière de procès publics. Des

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FRANZ STEINER VERLAG STUTTGART

ISBN 3-515-07 150

Franz Steiner Verlag Stuttgart 9 783515 071505