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German Pages 125 [137] Year 2023
Tübinger Platon-Tage 2
Platon und das Schöne Herausgegeben von
Klaus Corcilius und Irmgard Männlein-Robert
Mohr Siebeck
Klaus Corcilius, geboren 1966; Studium der Philosophie und Gräzistik; 2006 Promotion; 2009–11 Juniorprofessor für Antike Philosophie an der Universität Hamburg; 2011–16 Associate Professor of Philosophy an der University of California at Berkeley; seit 2016 ordentlicher Professor für Antike Philosophie an der Universität Tübingen. Irmgard Männlein-Robert, geboren 1970; Studium der Klassischen Philologie und der Germanistik; 2000 Promotion; 2005 Habilitation; seit 2006 ordentliche Professorin für Klassische Philologie (Gräzistik) an der Universität Tübingen. orcid.org/0000-0003-0250-5427
ISBN 978-3-16-162020-1 / eISBN 978-3-16-162021-8 DOI 10.1628/978-3-16-162021-8 ISSN 2629-3978 / eISSN 2629-3986 (Tübinger Platon-Tage) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2022 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde Hubert & Co. in Göttingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und gebunden. Printed in Germany.
Vorwort zur Reihe „Tübinger Platon-Tage“ Die „Tübinger Platon-Tage“, die seit 2008 alle zwei Jahre stattfinden, sind internationale und interdisziplinäre Tagungen zu großen Themen der PlatonForschung und der Forschung zum Platonismus. Grundlegend ist dabei die Idee, die lange Tübinger Platon-Tradition im In- und Ausland neu zu beleben, sowie neue Impulse methodischer und inhaltlicher Art aus der aktuellen Platon- und Platonismus-Forschung zu präsentieren und zu diskutieren. Die „Tübinger Platon-Tage“ sind ein lebendiges Kooperationsprojekt zwischen dem Philologischen Seminar und dem Philosophischen Seminar. Die Themen der jeweiligen Tagungen und der daraus hervorgehenden Tagungsbände orientieren sich vornehmlich an zentralen philologischen und philosophischen Fragestellungen zu Platons Dialogen und seiner Philosophie, aber auch an Themen der Rezeption und Transformierung sowie Neumodellierung Platonischer Philosophie in Kaiserzeit und Spätantike. Die TeilnehmerInnen sind ausgewiesene ExpertInnen, aber auch jüngere einschlägige WissenschaftlerInnen aus dem In- und Ausland. Uns ist wichtig, hier fortgeschrittenen Studierenden, Doktoranden und Post-Docs die Gelegenheit zu geben, ihre Forschungen zu Platon und Platonismus vor führenden Fachleuten zu präsentieren. Die ReihenherausgeberInnen
Vorwort Der vorliegende Band umfasst die Beiträge der „Tübinger Platon-Tage“ aus dem Jahr 2018, die vom 19.–21. April im damaligen „Forum Scientiarum“ in Tübingen stattfanden. Das Thema dieser internationalen und interdisziplinären Tagung war „Platon und das Schöne“: Das Schöne hat bei Platon ästhetische, ethische, epistemologische und metaphysische Relevanz und darf daher als eine der ganz zentralen Denkfiguren Platons gelten. So werden in diesem Band verschiedene philologisch-literaturwissenschaftliche und philosophische Ansätze zu unterschiedlich fokussierten Fragestellungen um Schönheit in Form und Wesen, zum Schönen an sich, zur Rolle des Eros im Kontext des Schönen sowie zum Verhältnis von Schönem und Gutem auf der Ebene der Ideen formuliert. Daher sind Platons Ästhetik, Ethik, Psychologie, Dialektik und Metaphysik für die Verhandlung dessen, was ‚schön‘ ist und was ‚Schönheit‘ bedeutet, zentral. Die in diesem Band gesammelten Beiträge zur Tagung stammen von KollegInnen aus den USA (Woodruff), Großbritannien (Diaco), Italien (Gregorio, Di Vita, Lavecchia, Marongiu), Israel (Vargas) sowie deutschen ForscherInnen (Frede, Helmig). Die redaktionelle Bearbeitung des Bandes erfolgte durch Dr. Julia Pfefferkorn und Viola Palmieri, die Vorbereitung zum Satz hat Dr. Michele Solitario (Philologisches Seminar) übernommen, denen allen für Ihre Mühen unser herzlicher Dank sicher ist. Ebenso sei Herrn Martin Wad Thorsen (Philosophisches Seminar) für die Erstellung des Index herzlich gedankt. Ebenso sind wir Herrn Tobias Stäbler und Herrn Tobias Weiß vom Mohr Siebeck Verlag für ihre sachkundigen und stets konstruktiven Hilfestellungen bei der Vorbereitung zum Druck zu großem Dank verpflichtet. Tübingen, im Dezember 2022
Klaus Corcilius Irmgard Männlein-Robert
Inhaltsverzeichnis Vorwort Reihe …………………………………………………………………V Vorwort Band ………………………………………………………………..VII Nicoletta Di Vita Der Name und das Schöne Für eine erotische Gestaltung der Sprache ...…………………………………...1 Sara Diaco Beginning the Ascent Beauty, Relationships, and the Gaze ……………………….…………………19 Dorothea Frede ‚Schön und gut‘ – Auf ewig ungeteilt? ……………………………………….31 Giuliana Gregorio Das Schöne als Überwindung des Chorismos in der phänomenologischhermeneutischen Interpretation …………………...…………………………..49 Christoph Helmig und Laura Marongiu Zur Beziehung des Guten und Schönen bei Platon und im Platonismus ……..63 Salvatore Lavecchia Das Schöne als generative Kraft des Guten …………………………………..81 Antonio Vargas The Beautiful World and the Beautiful Helen On the Ambivalence of Beauty in Proclus ……………………………………91 Paul Woodruff Finding Beauty in the Soul ………………………………………………….111 Stellenregister..………………………………………………………………121
Der Name und das Schöne. Für eine erotische Gestaltung der Sprache Nicoletta Di Vita Ist demnach nicht das, was die Dinge benennt (τὸ καλοῦν), und das Schöne (τὸ καλόν) ein und dasselbe? Plat. Crat. 416c7
1. Aphrodite und Eros Die Lehre über das Schöne umfasste in der Antike zumindest zwei Ansichten, die im platonischen Werk Resonanz finden: einerseits die Auffassung des Schönen (τὸ καλόν) als Form, die „ein beständig Seiendes ist, was weder wird noch vergeht, weder wächst, noch schwindet, ferner auch nicht etwa nur insofern schön, insofern aber häßlich ist, noch auch jetzt schön und dann nicht, noch in Vergleich hiermit schön, damit aber häßlich, noch auch hier schön, dort aber häßlich, als ob es nur für einige schön, für andere aber häßlich wäre“, sondern „an und für und in sich selbst ewig überall dasselbe“ ist (Plat. Symp. 210e–211b).1 Dieser Blick auf das Schöne, das als das Schöne „der Aphrodite“2 bezeichnet worden ist, ist mit dem alten Mythos der unversehrten Harmonie und des fernen Lichtes verwandt – als „glänzend“, „gülden“ (χρυσῆ) wird die Göttin Aphrodite von Homer bezeichnet (Il. IX, 389; XIX, 282; XXIV, 699); über sie hat Walter Otto geschrieben: „[I]hr Kommen glättet die Wogen und läßt die Wasserfläche wie ein Geschmeide aufblitzen“.3 Die Heroenwelt scheint von dieser Perspektive auf das Schöne durchzogen; „Helligkeit und Lichtglanz“, hat man bemerkt, „sind die Merkzeichen des Schönen innerhalb dieser Phänomenologie der Erscheinung. Hier gibt es kein spezifisch Ästhetisches, denn alles kann schön sein – die Waffen, die Häuser, die Werkzeuge –, 1
Übersetzung von Stellen aus Platons Symposion: F. Schleiermacher (Platons sämtliche Werke in zwei Bänden, hg. v. L. Goldscheider, Bd. I, Wien 1925), hier teilweise verändert. Vgl. dazu Phaedr. 100a2–e3. 2 Vgl. Gianni Carchia, L’estetica antica, Roma/Bari 1999, 6 ff. Alle Übersetzungen von Stellen aus der Sekundärliteratur sind meine eigenen. 3 Walter F. Otto, Die Götter Griechenlands. Das Bild des Göttlichen im Spiegel des griechischen Geistes, Frankfurt a. M. 51961, 94.
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insofern sie leuchten, strahlen, glänzen.“4 Diese Tradition, die das vollkommene Licht einer nicht unmittelbar zugänglichen Dimension zuschreibt, scheint Platon nicht fremd: „Was nun die Schönheit betrifft, so glänzte [ἔλαμπεν] sie, wie gesagt, schon unter jenen wandelnd, und auch nun wir hieherversetzt, haben wir sie aufgefaßt durch den hellsten unserer Sinne, aufs hellste uns entgegenschimmernd.“ (Phaedr. 250c9–e1).5 Eine zweite Ansicht adressiert das καλόν insofern, als es in den erotischen Schwung der Seele, die jene glänzende Form ersehnt, involviert ist. Man kann das so verstandene Schöne als das Schöne „des Eros“ bezeichnen.6 Eros, „Begleiter und Diener [ἀκόλουθος καὶ θεράπων] der Aphrodite“, ist Platon zufolge „zugleich von Natur ein Liebhaber des Schönen [ἐραστὴς ὢν περὶ τὸν καλόν]“, da ja „Aphrodite schön ist“ (Symp. 203c2–5).7 Die folgende Untersuchung wird sich auf diese zweite Auffassung beschränken. Nicht das Schöne als vollkommene und erfüllende Form, als Gegebenheit und Tatbestand, wird berücksichtigt werden, sondern als Objekt einer Bestrebung und eines Begehrens, als etwas, das uns fehlt und das wir erwerben möchten. Der spezifische Bereich der Studie wird das SprachlichPoetische sein: Gibt es bei Platon so etwas wie eine ‚erotische‘ Sprache? Durch welche besondere Gestaltung der Worte ist das menschliche Sprechen imstande, „im Schönen [ἐν τῷ καλῷ] zu erzeugen“?8
2. Der Name: „Das Seiende, nach dem ein Streben stattfindet“ Eine erste Verbindung zwischen den Wörtern und dem Schönen kommt im platonischen Dialog Kratylos vor, insbesondere bezüglich der Namen (ὀνόματα). Wie bekannt, ist das ὄνομα, laut der speziellen etymologischen Untersuchung des Sokrates, „das Seiende [ὄν], worauf sich das Suchen bezieht 4 Carchia, L’estetica antica, 5–6. So z.B. Il. XXII, 321 ff.: „Gegen ihn drang der Peleid’, und Wut erfüllte das Herz ihm ungestüm: er streckte der Brust den glänzenden Schild vor, schön und prangend an Kunst; und der Helm, viergipflig und strahlend…“ (Übersetzung J. H. Voß: Homer, Ilias / Odyssee, Frankfurt a. M. 1990). 5 Übersetzung von Stellen aus Platons Phaidros: F. Schleiermacher (Platons sämtliche Werke in zwei Bänden, Bd. I). Vgl. insb. Hippias maior für Definitionsversuche des Schönen (286d ff.: ἔχοις ἄν εἰπεῖν τί ἐστι τὸ καλόν;) und für die Schwierigkeit, eine befriedigende Lösung zu finden (303e–304e). 6 Vgl. Carchia, L’estetica antica, 59. 7 Carchia hat diese Deklination mit der des tragischen Geistes verbunden, „dem tragischen Drang zur Auflösung“, zum „Schmerz, zur Kontradiktion“, der aber „die ideelle Form erstrebt“, vgl. ebd. 8 Symp. 206e: „Denn der Eros, o Sokrates, geht gar nicht, wie du meinst, auf das Schöne als solches (οὐ τοῦ καλοῦ ὁ ἕρως). – Sondern worauf denn? – Auf die Erzeugung und Ausgeburt im Schönen (τῆς γεννήσεως καὶ τοῦ τόκου ἐν τῷ καλῷ)“ (Übers. teilweise verändert).
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[οὗ τυγχάνει ζήτημα]“, d.h. das Objekt des Suchens schlechthin. Genauer ist es, als ὀνομαστόν („Zu Benennendes“), „das Seiende, nach dem ein Streben stattfindet [ὂν οὗ μάσμα ἐστίν]“. Deshalb ist der Name „der Gegenstand unserer jetzigen Unterhaltung“ (Crat. 421a10–b1).9 In einer etwas verwickelten und anscheinend ironischen Passage (416b6– d11) will Sokrates seinem Gesprächspartner eine aus seiner Sicht wesentliche Beziehung zwischen dem Schönen (καλόν) und dem Benennen (καλεῖν) einreden. Interessanterweise beschränkt sich Sokrates dabei nicht, wie sonst im Dialog, einfach darauf, durch eine phonetische Affinität (καλόν – καλεῖν) die Verbindung zwischen dem Schönem und der Benennung zu bestimmen: Was das Wort καλόν bezeichnet, „ist schwieriger zu verstehen, obwohl das Wort selbst es ausdrückt [καίτοι λέγει γε αὐτό]“ (416b7). Die Verwandtschaft von Schönem und Namengebung liege eher an einem Mittlerwort, dem „Denken“ (διάνοια), das auf den ersten Blick keine phonetische Verbindung zum untersuchten Wort (καλόν) aufweist: „Dieser Name [= καλόν] scheint mir wohl ein Eponym des Denkens [τῆς διανοίας τις ἔοικεν ἐπωνυμία εἶναι τοῦτο τὸ ὄνομα]“ zu sein (416b10). Der Grund dieser merkwürdigen Eponymie ist laut der Erklärung des Sokrates, dass „der Grund der Benennung jedes Dings“ in jenem liegt, „was die Namen festgestellt hat“, und das sei „das Denken der Götter oder der Menschen [διάνοια θεῶν ἢ ἀνθρώπων]“ (416c4). So können die Gesprächspartner schlussfolgern: „Ist demnach nicht das, was die Dinge benennt [τὸ καλοῦν], und das Schöne [τὸ καλόν] ein und dasselbe, und zwar das Denken [διάνοια]?“ (416c7–8). Denn „das, was die Dinge benennt [τὸ καλοῦν], erzeugt [ἐργάζεται] Schönes [καλά]“ (416d4). Das Argument ist teilweise konfus und daher kontrovers diskutiert worden.10 Die angedeutete Verwandtschaft von Namen und Schönem scheint aber, trotz des sokratischen Durcheinanders, weitere Anhaltspunkte zu geben, die auf eine mögliche tiefere Ebene der Beziehung hindeuten. Schon am Anfang des Dialogs wird das Schöne mit dem ὄνομα und der Suche nach den Namen in Beziehung gesetzt. So äußert Sokrates: „Es gibt ein altes Sprichwort. ,Schwer ist das Verständnis des Schönen [τὰ καλά]‘, und das Verständnis der Namen [περὶ τῶν ὀνομάτων] ist keine geringere Aufgabe“ (384a8–b1).11 Wie bemerkt worden ist, könnte die spätere Erklärung von καλόν 9 Übersetzung von Stellen aus Platons Kratylos: J. Deuschle (Platon, Kratylos, hg. v. K.M. Guth, Berlin 2017). 10 Die Kodizes weisen zweimal καλός an der Stelle von καλοῦν auf. Burnet hat dies nicht übernommen. Vgl. Johannes C. Opstelten, „Crat. 416b“, Mnemosyne 6.4 (1953), 313; Gerrit J. De Vries, „Plato Crat. 416b iterum“, Mnemosyne 6.4 (1953), 317. Siehe dazu auch Procl. Theol. Plat. I 24; 108, 6 ff.; In Alc. 328, 12 ff. 11 Das Sprichwort taucht wörtlich im Dialog Hippias Maior wieder auf (304e7–10), der der Frage nach dem Schönen gewidmet ist (Ἱππίας μείζων ἢ περὶ τοῦ καλοῦ). Auch diese Passage, die die letzte des ganzen Dialogs ist, handelt von der Möglichkeit, richtig zu sprechen, ohne das Schöne zu kennen: „Wie willst du wissen, ob jemand eine Rede schön
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durch καλεῖν eine Rückkehr zu dieser ersten Annäherung von Schönem und Namen sein, als wolle Sokrates diesen Bezug durch einen phonetischen Beweis nachprüfen.12 Das könnte selbst die phantastische „Eponymie“ καλόν - διάνοια besser erklären: Die etymologisch-phonologische Ausarbeitung würde auf einem tieferen, dem Partner nicht unmittelbar zugänglichen Niveau erfolgen, und zwar durch den versteckten phonetischen Bezug von διάνοια und ὄνομα (ον-/νο-, -ο-, -α-). „Alles passiert, als ob erst diese versteckte Verbindung, die aus der Klangharmonie der Nasale und der Vokale dieser zwei Wörter besteht, letzten Endes imstande wäre, die Wahrheit der Beziehung [zwischen Schönem und Namen] zu sichern“.13 Wenn das Suchen nach dem Namen (ὄνομα), „worauf sich alles Suchen [ζήτημα] bezieht“, „schwer“ und „schön“ wie „alle schönen Dinge [καλά]“ ist, dann darum, weil es schön ist (καλόν), zu benennen (καλεῖν); denn aus dem Denken (διάνοια) kommt der Name (ὄνομα). Aus dieser Perspektive wäre nicht nur die phonetische Verbindung von Schönem und Namen gerettet, sondern auch der Hinweis auf eine mögliche bedeutendere Verwandtschaft. „Für Platon kann es nicht darum gehen, sich mit den sichtbarsten phonetischen Spielen zu begnügen, d.h. mit oberflächlichen und groben Wortspielen. Diese gehören zu den einfachen Kunstgriffen der Dichter und der Sophistik, die ernsthaft zu denken aufgehört haben“.14 Selbst durch die willkürlichen Beweisführungen von Sokrates scheint hier eine Verbindung zwischen dem Schönen und dem Namen, καλόν und ὄνομα, angekündigt zu werden, die über die unmittelbare phonetische Nähe (καλόν – καλεῖν) hinausgeht und auf ein tieferes, bedeutungsvolleres Niveau hindeutet.
3. Das fehlende Wort In einer Passage aus seinem kurzen Traktat De Plantatione aus dem 1. Jahrhundert n. Chr., das als allegorischer Kommentar der biblischen Schöpfungsgeschichte galt, schreibt Philon von Alexandria: Es wird eine alte Erzählung überliefert (παλαιὸς λόγος), die von Weisen verfasst und von Generation zu Generation übertragen wurde. Sie erzählt Folgendes: Als der Schöpfer die ganze Welt vollendet hatte, fragte er einen der Propheten, ob er vielleicht bedauere, dass ausgeführt hat oder nicht, oder irgendeine andere Handlung, der du von dem Schönen selbst [τὸ καλόν] nichts weißt?“ 12 Vgl. Magali Année, „Le ,Cratylismeʻ de Platon. Le Cratyle comme réappropriation philosophique du fonctionnement phonico-pragmatique de la langue poétique archaïque“, Journal of Ancient Philosophy 5.1 (2011), 1–45. 13 Année, Le ,Cratylismeʻ de Platon, 9. 14 Ebd., 8.
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irgendetwas auf der Erde oder im Wasser, in den Höhen des Äthers, oder des Himmels, an den Grenzen des Universums, nicht geschaffen worden sei. Dieser antwortete, dass alles wohl gänzlich vollständig und vollkommen war, dass aber nur noch eines fehlte: das lobende Wort (τὸν ἐπαινέτην … λόγον). Der Vater des Universums, als er die Rede gehört und ihr zugestimmt hatte, behauptete also, dass die Zeiten der Erscheinung von Hymnensängern und Musikern wohl nicht mehr fern waren. (De Plant. 30 § 127–128, II, 158 Wendland, meine Herv.).
Nicht viel ist uns über den Ursprung und die Bedeutung dieses Mythos bekannt. Es ist möglich, dass er durch die Schriften von Poseidonios aus Apameia – einem Stoiker, der etwa ein Jahrhundert vor Philon lebte – bis an die Schwelle der christlichen Epoche gelangt. Nach Auffassung einiger Historiker muss Poseidonios seinerseits aus pythagoreischen Quellen davon Kunde erhalten haben, von denen uns aber nichts überliefert ist.15 Gerade bei Platon scheint eine Spur dieser alten Erzählung nachzuklingen.16 Am Anfang des Dialogs Symposion wird, als der junge Phaidros das Wort ergreift, um das Thema anzukündigen, bemerkt: Phaidros: Ist es nicht schrecklich, lieber Eryximachos, […] daß auf den Eros, der doch ein so wohltätiger und großer Gott ist, kein einziger von so vielen Dichtern ein Loblied gedichtet hat? […] Den Eros hat noch bis auf diesen Tag kein einziger Mensch seiner würdig mit einem Hymnos zu besingen unternommen. (Symp. 177a–c, meine Übers.).
Wer die Worte dieses Dialogs ernst zu nehmen vermag, der darf nicht übersehen, dass die von Phaidros angegebenen Gründe etwas vorgeschoben klingen: Hymnen auf Eros waren in Griechenland schon in älteren Zeiten gedichtet worden, und man kann sich schwerlich vorstellen, dass Platon nicht wenigstens diejenigen von Sappho (fr. 112–133), Sophokles (Ant. 781–801) oder seinem Zeitgenossen Euripides (Hipp. 525–64) vor Augen hatte.17 Dass das lobende Wort als etwas „Fehlendes“ wahrgenommen wurde, wird von Platon in einer weiteren Passage betont, im Dialog Phaidros: Sokrates: Den überhimmlischen Ort aber hat noch nie einer von den Dichtern hier mit einer Hymne besungen, noch wird ihn je einer nach Würden besingen [οὔτε τις ὕμνησέ πω τῶν 15
Vgl. Franz Cumont, „Un mythe pythagoricien chez Posidonius et Philon“, Revue de philologie, de littérature et d’histoire ancienne 43 (1919), 78–85; Émile Bréhier, Les idées philosophiques et religieuses de Philon d’Alexandrie, Paris 1908, 38. Im Paragraph 130 wird Philon diese Erzählung als „Mythos der Alten“ (ὁ τῶν παλαιῶν μῦθος) definieren. 16 Dass Philon in seinem Traktat gerade Platon im Sinne hatte, insbesondere den Dialog Timaios, ist von Jean Pouilloux nachgewiesen worden. Vgl. das Vorwort zu Jean Pouilloux (Hg.), Philon d’Alexandrie. De Plantatione, Paris 1963, 13–14. Schon Franz Cumont hatte die Übereinstimmung mit Platon bemerkt und für die sichere griechische Herkunft des Mythos plädiert: „il est clair que sa source parlait non pas vaguement du Créateur, mais de Zeus“, Cumont, Un mythe pythagoricien chez Posidonius et Philon, 79. 17 Vgl. Louis Gernet/André Boulanger, Le génie grec dans la religion, Paris 1970, 209 (vgl. Paus. IX, 27, 1) und den Kommentar von Rosanna Arcioni (Hg.), Platone. Simposio, Roma 2003, 92–93.
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τῇδε ποιητὴς οὔτε ποτὲ ὑμνήσει κατ’ ἀξίαν]. Er ist aber so beschaffen, denn man muss Mut dazu haben, das Wahre zu sagen [τὸ γε ἀληθὲς εἰπεῖν], zumal wenn man von der Wahrheit spricht [περὶ ἀληθείας λέγοντα]. (Phaedr. 247c3–6, Übers. teilweise verändert).
Wenn Platon die Dichtung eines Hymnos mit dem „Mut, das Wahre zu sagen“ verbindet, und das „Wahrhaftige“ sowohl dem Objekt (περὶ ἀληθείας λέγοντα) als auch dem Sprechen darüber (τὸ γε ἀληθὲς εἰπεῖν) zuschreibt, dann bettet er dieses Dichten unerwartet und unmissverständlich in den breiten Horizont seiner ganzen Philosophie ein. Der Hymnos ist das fehlende Wort – das Wort, das nicht oder noch nicht ist (οὔτε πω … οὔτε ποτέ); und zugleich ist er das Wort, auf dessen Suche sich der Philosoph („mit Mut“) begibt. Die Geschichte des Eingangs des Hymnos in die Philosophie ist eine Geschichte zahlreicher heimlicher Aufnahmen oder verweigerter Asyle – von den Vorsokratikern bis zu den Stoikern und den Neuplatonikern, und vielleicht noch in unserer Zeit.18 Bei Platon taucht der Hymnos in beinahe jeder Phase seines Denkens immer wieder von Neuem auf. Schon in einer Passage aus der Politeia, nach der heftigen Kritik an der poetischen Kunst, gesteht Sokrates bewusst zu, dass „nur Hymnen auf die Götter und Lobreden auf die guten Menschen“ (Resp. X 607a4)19 in der Stadt zugelassen werden dürfen. Noch in den Nomoi gibt Platon gerade den Hymnos als bevorzugte Gattung der μουσική an: Diese Verse nämlich, ebenso wie jene über die Kyklopen, entsprechen offenbar ganz der Natur der Dinge, und er singt sie aus göttlicher Eingebung [κατὰ θεόν πως εἰρημένα καὶ κατὰ φύσιν]. Denn auch die Dichter sind ja ein gottbegeistertes Geschlecht, wenn sie Hymnen besingen, und treffen in ihnen mit Hilfe der Chariten und Musen jedesmal zum Teile die Wahrheit. (Nom. III 682a, meine Herv.)20.
Darüber hinaus fehlt es nicht an deutlichen Beispielen von Platons Versuch, den wiedergefundenen Weg der Hymnodie zu gehen. Der spätere Dialog Timaios wurde schon in der Antike als ein „Hymnos auf das All“ (ὕμνον τοῦ Παντός) (Men. I, 337, 23)21 bezeichnet, und noch heutzutage ist er aus formalen und inhaltlichen Gründen als „une offrande poétique au Poète de 18
Andeutungen auf die paradigmatische Sprache des Hymnos für die Philosophie sind u.a. bei Empedokles (D.L. VIII 57; Simpl. Cael. 528, 30=B 35 D.-K.), Lukrez (Hymnos auf Venus), Kleanthes (SVF I.537 von Arnim), Epiktet (Diss. I, 16, 15–21), Marcus Aurelius (4,23), Proklos (Hymnen) und, in der Moderne, Hegel (Phänomenologie des Geistes, VII.B) und Heidegger (GA II.52 u.a.) zu finden. 19 Übersetzung von Stellen aus Platons Politeia: K. von Prantl (Platon, Der Staat [Politeia], Hamburg 2011). 20 Übersetzung von Stellen aus Platons Nomoi: F. Susemihl (Plato, Sämtliche Werke in 10 Bänden, hg. v. K. Hülser, Teil 9: Nomoi, Frankfurt a. M.-Leipzig 1991). 21 Menander glaubt, dass Platon selbst im Dialog Kritias dem Timaios diese Bezeichnung gegeben habe. Eine solche Passage gibt es aber im Kritias nicht. Man hat deshalb vermutet, der Rhetor habe sich auf den Ausdruck λόγον περὶ τοῦ παντός bezogen, der am Ende des Timaios vorkommt (Tim. 92c4). Vgl. dazu Günther Zuntz, Griechische philosophische Hymnen, aus dem Nachlaß hg. v. Hubert Cancik und Lutz Käppel, Tübingen 2005, 12.
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l’Universe“22 definiert worden. Noch im Phaidros schreibt Sokrates seinem eigenen Diskurs die spezielle Bezeichnung eines „mythischen Hymnos“ (μυθικόν τινα ὕμνον) zu: Vielleicht dabei etwas Wahres berührend [ἴσως μὲν ἀληθοῦς τινος ἐφαπτόμενοι], […] vermischten wir mit einer nicht gar unglaublichen Rede [ἀπίθανον λόγον] einen mythischen Hymnos, und besangen so gar züchtig und fromm deinen und meinen Herrn, den Eros, den Beschützer schöner Knaben. (Phaedr. 265b6–c3, Übers. teilweise verändert).
Selbst wenn wir die Meinung nicht teilen, die, mehrere Jahrhunderte nach dem Tod Platons, vom Rhetor Menander ausgedrückt wurde, und zwar, dass Platon der „begabteste Hymnendichter der Antike“ gewesen sei – nicht nur unerschöpfliche Quelle von πολλὰ παραδείγματα, „reichlichen Vorbildern“, sondern sogar ἐξηγούμενος, „Bahnbrecher“ (I, 335, 10) für die gesamte Hymnengattung –, scheint nicht bestreitbar, dass der Hymnos bei Platon eine privilegierte Stellung in Bezug auf die philosophische Gestalt der Sprache genießt. So heißt es im Theaitetos, dass der Philosoph sich vom Rhetor gerade dadurch unterscheidet, dass er imstande ist „in Wohlklang der Rede eingreifend, das Leben der seligen Götter und Menschen durch wahrhafte Hymnen zu preisen [ὑμνῆσαι θεῶν τε καὶ ἀνδρῶν εὐδαιμόνων βίον ἀληθῆ]“ (Theaet. 176a, Übers. F. Schleiermacher, teilweise verändert). Was aber ist ein Hymnos, wie gestaltet sich seine Sprache und wie kann er das Objekt unseres Interesses, das Schöne in der platonischen Philosophie, auf neue Weise beleuchten?
4. Der alte Hymnos: die Götter benennen 4.1. Eine Passage des platonischen Kratylos offenbart sich als die vielleicht bedeutendste mit Bezug auf eine Definition des hymnischen Sprechens. Nachdem Sokrates den Namen von Zeus diskutiert hat, sind nun genereller die Namen der Götter Gegenstand des Gesprächs. Um ein Kriterium dafür vorzubringen, greift Sokrates auf die hymnischen Epiklesen zurück, die sogleich zu nichts weniger als zum Paradigma aller guten göttlichen Benennung erhoben werden: 22 Pierre Hadot, „Physique et poésie dans le Timée de Platon“, Revue de Théologie et de Philosophie 115 (1983), 113–133. Ähnliche Betrachtungen bei Francis M. Cornford, Plato’s Cosmology. The Timaeus of Plato, London 1937, 31; Paul Shorey, „Plato, Lucretius and Epicurus“, Harvard Studies in Classical Philology 11 (1901), 201–210, hier 206: „The Timaeus and the De rerum natura were both composed under the immediate inspiration of the Pre-Socratic poet-philosophers. They are Hymns of the Universe.“ Die Auffassung des Timaios als Hymnos kann außerdem durch eine gezielte Analyse seiner Stilelemente und spezifischen Inhalte – göttlicher Anrufungen, literarischer Formeln, Auflistung von Götternamen, und anderer hymnischen Topoi – leicht bestätigt werden.
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Hermogenes: Könnten wir nun aber auch die Namen der Götter, wie du eben über den des Zeus sprachest, in derselben Weise durchnehmen und ergründen, inwiefern sie ihre Namen nach irgendeiner Richtigkeit tragen (κατὰ τίνα ποτὲ ὀρθότητα)? Sokrates: Ja, mein Hermogenes, wir könnten es gewiß, wenn wir vernünftig wären (νοῦν ἔχοιμεν), und auf die schönste Weise (τὸν κάλλιστον τρόπον), nämlich daß wir über die Götter nichts wissen, weder über sie selbst noch über die Namen, mit denen sie sich selbst nennen (ἑαυτοὺς καλοῦσιν). Denn offenbar geben sie sich die wahrhaftigen Namen (τἀληθῆ καλοῦσι). Eine zweite Weise aber, die ebenfalls richtig ist (δεύτερος τρόπος ὀρθότητος) [eine zweite Art der Richtigkeit], besteht darin, daß auch wir sie mit den Namen benennen, wie es in den Gebeten Sitte ist, d.h. welche auch immer und woher auch immer sie [diese Namen] seien (οἵτινες τε καὶ ὁπόθεν), mit denen sie selbst benannt zu werden gern haben (χαίρουσιν ὀνομαζόμενοι), da man weiter nichts weiß. Denn diese Sitte dünkt mich gut. (Crat. 400d6–401a1).
Zwei entscheidende Punkte werden in der Passage ausgeführt. Platon erkennt zuerst in der hymnischen Götterbezeichnung („wie es in den Gebeten Sitte ist“23) den Ort jeder möglichen korrekten Götterbenennung (καλεῖν / ὀνομάζειν), bei der außerdem Denken und Schönheit involviert sind („wenn wir vernünftig wären“ [νοῦν ἔχοιμεν], „und auf die schönste Weise“ [τὸν κάλλιστον τρόπον]). Nicht nur sind hier die vier Hauptelemente der phonetischen Verbindung von Namen und Schönem bestätigt – καλόν, καλεῖν, διάνοια/νοῦν, ὄνομα –, sondern der Hymnos ist wieder – wie schon in den anderen Dialogen – in seiner großen philosophischen Bedeutung ins Auge gefasst, und er wird korrekt auf seine Haupteigenschaft zurückgeführt, die Nennung des Gottes. Trotz der unter modernen Gelehrten verbreiteten Resignation – „Was ein Hymnos ist, oder gar eine Hymne“, gestand Günther Zuntz vor seinen Tübinger Studenten in den 70er Jahren ein, „das ist schwer zu definieren“24 –, ist nämlich der typische Charakter eines Hymnos eindeutig in der großen Relevanz des Benennens zu finden. Was ein Hymnos macht und was ihn ausmacht, ist vor allem das Benennen.25 In einem Hymnos wendet sich der Dichter oder der 23
Platon bezeichnet die Hymnen öfter als Gebet, vgl. z.B. Nom. III 700b1–2; VII 801e1– 4 u.a. So Herbert Mayer: „[Ü]ber den Unterschied von Hymnos und Gebet herrscht gerade in der älteren Literatur Unklarheit“, Herbert Mayer, Hymnische Stilelemente in der frühgriechischen Dichtung, Würzburg 1933, 7. Es ist dennoch möglich, bei einem sich Gott zuwendenden Gedicht das spezifisch ,Hymnische‘ und das ,Gebetmäßige‘ zu erkennen. Das Merkmal des Gebets ist die Bitte an die Götter; das Merkmal des Hymnos ist die Anrufung. 24 Zuntz, Griechische philosophische Hymnen, 27. Die Hymne sei eine Literaturgattung, deren Bezeichnung, wie es noch neuerdings betont wurde, aller „präzisen semantisch-inhaltlichen Farbgestaltung“ entbehre (Giuseppe La Bua, L’inno nella letteratura poetica latina, San Severo 1999, 23), für die also „keine klare Spezifizierung zu bestehen“ scheint (Filippo Càssola (Hg.), Inni omerici, Milano 1975, X). 25 „Als wesentlichste Elemente des griechischen Kulthymnus dürfen der Anruf im Vokativ, die Attribute, der breite preisende Teil in seinen verschiedenen Formen gelten“, Mayer, Hymnische Stilelemente, 5. Vgl. dazu Simon Pulleyn, Prayer in Greek Religion, Oxford
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Betende an die Gottheit, nicht um eine Bitte, sondern um einen Anruf auszudrücken. Die Geschichte der Hymnodie kann unzählige Kompositionen vorweisen, die lediglich aus einer langen, fast unaufhörlichen Aufzählung von Götternamen bestehen. So sind z.B. bei den alten indischen Rgveda Lobgesänge aus über 10000 Namen bekannt.26 Bei den griechischen Kompositionen gelten die späteren Orphischen Hymnen als paradigmatisch für diese Polyonymie („des vielfachen Benennens“27). Sie bestehen aus nichts anderem als einer langen Liste von Götternamen, wie beispielweise der Orphische Hymnos auf Dionysos, bei dem sich die Epitheta mit den eigentlichen Götternamen mischen: Du Heiliger derer, die Dich anrufen, Du mit vielerlei Namen begrüßt, besessen, Bakcheios, mit heiligen Stierhörnen, Lèneos, vom Feuer entsprungen, Nysios, Lyseios, im Schenkel ernährt, Liknites, Einweiher derer, die Mysterien feiern, nächtlich, Eubuleus, Mitra tragend, den Thyrsos schüttelnd, unsagbares, dreifaches Mysterium, geheimer Sproß Zeus’, Protogonos, Erychepeos, der Götter Vater und Sohn… (Orph. H. 30, meine Übers.).
4.2. In der Kratylos-Passage hat Platon aber zugleich eine Art Grundprinzip jener Bezeichnung dargelegt: Nicht die ὀρθότης, d.h. die genaue Entsprechung von Namen und Sache, ist Prinzip des spezifischen Sprechens der Hymnen, sondern eine „zweite Art der Richtigkeit“ (δεύτερος τρόπος ὀρθότητος). Anders als die „erste“, besteht diese zweite („menschliche“) nicht in der letzten Erkennung des richtigen oder „wahren“ Namens, sondern darin, sich mit vielen Namen an den Gott zu wenden, „welche auch immer und woher auch immer [οἵτινες τε καὶ ὁπόθεν] diese Namen seien“. 1997, 53: „fulsome enumeration of the attributes of a god is primarily a hymnic feature“; Laurent Pernot, „Le lieu du nom (τόπος ἀπὸ τοῦ ὀνόματος) dans la rhétorique religieuse des Grecs“, in: Nicole Belayche et al. (Hgg.), Nommer les dieux: Théonymes, épithètes, épiclèses dans l’Antiquité, Turnhout 2005, 29–39. Schon bei Aristoteles scheint Platons Auffassung des Hymnos als Ort der „guten Benennung“ Bestätigung zu finden, vgl. Rhet. II, 1400b18– 24. 26 Silvia Schwarz-Linder, The 108 Names of the Goddess Tripurā in the Māhātmyakhaṇḍa of the Tripurārahasya, in: Teun Goudriaan (Hg.), The Sanskrit Tradition and Tantrism, Leiden/New York 1990, 87–92. 27 So wird im Homerischen Hymnos an Apollon z.B. der Gott als derjenige bezeichnet, der „von allen Menschen mit vielen Namen benannt wird (πολυώνυμος ἔσται)“ (HH III, 82). Auch der stoische Philosoph Kleanthes bezeichnete in seinem Zeushymnos den Göttervater als πολυόνυμη; und selbst vom Pseudo-Aristoteles im Perì kosmou wird thematisiert, dass der Gott εἷς δὲ ὢν πολυώνυμός ἐστι, d.h. „einer ist, und dennoch vielnamig“ (401a12). Bis auf die merkwürdige Passage beim Dichter Kallimachos, in dem die angesprochene Göttin Artemis selbst um eine vielfältige Benennung bittet: „Vergönne mir als Mädchen für immer zu leben, und vielerlei Namen zu tragen (δός μοι παρθενίην αἰώνιον, ἄππα, φυλάσσειν/ καὶ πολυωνυμίην)“, Call. Dian., 7 (meine Übersetzung).
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Die Formel (οἵτινες τε καὶ ὁπόθεν) ist gewiss eigenartig. Sie entspricht aber einer im Rahmen der antiken Hymnodie geläufigen Ausdrucksart, bekannt unter dem lateinischen Syntagma quocumque nomine („mit einem jeglichen, beliebigen Namen“), und wird oft – wie hier im Kratylos – im Sinne des Gedankens, dem Gott zu gefallen zu sein, ausgedrückt.28 Das quocumque nomine bringt den Gottesnamen in eine besondere Lage. Indem es das Benanntwerden des Gottes als wesentlich bestimmt, spricht es zugleich den jeweils designierten Namen alle Wesentlichkeit ab. Was gilt, ist, dass die Namen gegeben werden – irgendein Name also, sofern es ein Name ist. Die Götterbezeichnungen gestalten sich hymnisch so, dass sie (ständig) benennend und jedoch ohne einen letzten, definitiven Namen sind. Der Wunsch, dem Gott zu gefallen zu sein, spielt in diesem Sinne eine unübersehbare Rolle, indem er gegen den individuellen, willkürlich geleisteten Gefallen der „beliebigen“ Vielheit eine klare Richtung gibt. So hatte Hermogenes am Anfang des Kratylos gesagt: „Ich kenne keine andere Richtigkeit […] als diese, dass ich jedes Ding mit einem Namen benenne, den ich ihm gerne gegeben habe, und du wieder mit einem anderen, den du ihm geben magst“ (385d). Mit der Präzisierung χαίρουσιν ὀνομαζόμενοι, „[die Namen,] mit denen sie selbst [ = die Götter] benannt zu werden gern haben“, ist die Richtung der Benennung klar angegeben.29 Ist der gesamte Dialog Kratylos eine ständige Suche nach dem Namen oder, wie auch formuliert worden ist, eine Suche nach der „Wahrheit“ oder „dem göttlichen Mythos“30 des Namens, dann ist der Hymnos an den Gott gerade der Ort, an dem sich dieses Prinzip des Namens als eines Ersehnten, noch nicht Vorliegenden, in der Sprache vergegenständlicht. Wenn der Name das „Seiende [ὄν], worauf sich das Suchen bezieht [οὗ τυγχάνει ζήτημα]“ ist, und das ὀνομαστόν „das Seiende, nach dem ein Streben stattfindet [ὂν οὗ μάσμα ἐστίν]”, dann ist dieses Streben nur innerhalb und inmitten einer vielfachen, begehrenden Benennung möglich. Der Hymnos, das „fehlende Wort“ des Philosophen, ist der Ort des fehlenden (aber erstrebten) Quisquis es, oder sive quo alio nomine appellari volueris. Eurip. Fr. 912, 2–3: Ζεὺς εἴτ΄ Ἀίδης / ὀνομαζόμενος στέργεις; Aesch. Ag. 160: Ζεύς ὅστις ποτ’ἐστίν, εἰ τόδ’αὐ-/ τῷ φίλον κεκλημένῳ / τοῦτό νιν προσεννέπω. Vgl. Eduard Norden, Agnostos Theos. Untersuchungen zur Formengeschichte religiöser Rede, Darmstadt 1956, 145. 29 Vgl. Platon im Philebos: „Das wollen wir versuchen, und zwar von der Göttin selbst anfangend, von welcher dieser behauptet, sie werde zwar Aphrodite genannt, ihr eigentlichster Name aber sei Lust. – Ganz richtig. – Meine Angst aber, Protarchos, die ich immer habe wegen der Benennungen der Götter, ist gar nichts Gewöhnliches, sondern ärger als jede Furcht. So auch jetzt die Aphrodite will ich, wie es ihr selbst lieb (φίλον) ist, benennen (προσαγορεύω)“ (Phileb. 12b–c, Übers. F. Schleiermacher [Platons sämtliche Werke in zwei Bände, Bd. I]). 30 Günther Bader, „Gott nennen: von Götternamen zu göttlichen Namen“, Zeitschrift für Theologie und Kirche 86/3, 1989, 306–354. Der Göttername beinhaltet bei Platon, Bader zufolge, die „Namenhaftigkeit aller Namen“ (Bader, Gott nennen, 307). 28
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Namens des Gottes: ein ständiges Übergehen, ein In-der-Sprache-Verweilen, in der vielfachen Benennung, ohne schon den letzten, göttlichen Namen zu besitzen. Das erklärt auch, warum die gewöhnliche Auffassung der Richtigkeit der Sprache nicht der „hymnischen“ Richtigkeit entspricht. Vor dem Phänomen des quocumque nomine haben die Historiker eher auf praktische Gründe zurückgegriffen. So Burkert: „Ein Gott kann vielerlei Namen haben, Hauptnamen und Beinamen; es kommt bloß darauf an, den rechten zu treffen“.31 Noch Eduard Norden zufolge „tut man lieber zu viel, als daß man sich der Gefahr aussetzt, das entscheidende Wort zu übersehen“, und mit derselben Absicht wurde der Ausdruck ‚Ungewissheitsformel‘ von Wülfing geprägt.32 Die neue ὀρθότης, die „zweite ὀρθότης“, ist keine Entsprechungsart, keine Form des essentialistischen und deskriptiven Zwanges von Namen und Götternamen, über die gerade unser Dialog versucht, in einer bekanntlich aporetischen Weise Rechenschaft abzulegen. Sie muss vielmehr im bestehenden καλεῖν stattfinden, das nach dem Namen (ὄνομα) strebt. Gerade diese Neigung, das Verweilen in ihr, diese verlangende, ‚erotische‘ Haltung stellt das „Vernünftige“ (νοῦν ἔχοιμεν) und „die schönste Weise (τὸν κάλλιστον τρόπον)“ (Crat. 400d6–7) des menschlichen Sprechens dar.
5. Kόσμος. Die schöne Ordnung der Wörter Eine zweite Version unseres eingangs erwähnten Schöpfungsmythos ist in einem Hymnos von Pindar überliefert worden. Das Gedicht Pindars ist verloren gegangen, aber der Rhetor Aelius Aristides hat seinen Inhalt in einer Passage seiner Epideiktischen Reden zusammengefasst. So erzählt Aristides: Als Zeus die Welt geordnet hatte, betrachteten die Götter mit stummem Staunen die Herrlichkeit, die sich ihren Augen darbot. So fragte sie der Göttervater, ob sie noch etwas vermißten. Da antworteten sie, es fehle noch eins: göttliche Wesen, die mit Worten und Musik seine herrlichen Werke in Ordnung bringen (κατακοσμήσουσι) könnten. (Pind. Fr. 31S.M.=Aelius Arist. Disc. II, 142; Übers. Walter F. Otto, teilweise verändert).33
31 Walter Burkert, Griechische Hymnoi, in: Walter Burkert/Friedrich Stolz (Hgg.), Hymnen der Alten Welt im Kulturvergleich, Göttingen 1994, 9–17, hier 14. 32 Peter Wülfing, „Hymnos und Gebet. Zur Formengeschichte der älteren griechischen Hym-nendichtung“, Studii clasice 20 (1981), 21–31, S. 26. 33 Πίνδαρος… ἐν Διὸς γάμῳ καὶ τοῦς θεοὺς αὐτούς φησιν ἐρομένου τοῦ Διός, εἴ του δέοιντο, αἰτῆσαι ποιήσασθαί τινας αὑτῷ θεούς, οἵτινες τὰ μεγάλα ταῦτ’ ἔργα καὶ πᾶσάν γε τὴν ἐκείνου κατασκευὴν {κατα}κοσμήσουσι λόγοις καὶ μουσικῇ. Die Passage wird von Walter F. Otto aber anders gedeutet, vgl. Walter F. Otto, Die Musen und der göttliche Ursprung des Singens und Sagens, 1955, 28.
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Anstelle des „Hymnos“ (τὸν ἐπαινέτην … λόγον) in der Version des Philon von Alexandria als dem, was „fehlt“, finden wir hier, als genau entsprechender Ersatz, „göttliche Wesen“, die „mit Worten und Musik“ „den Kosmos schaffen“, d.h. mit Worten und Musik die geschaffenen göttlichen Werke „in Ordnung bringen“ (κατακοσμήσουσι). Der Hymnos ist somit dem κόσμος gleichgesetzt – sein Sprechen der Erschaffung des Kosmos. Einer langen Tradition zufolge ist die Dichtung, insbesondere die ursprüngliche hymnische Form, mit den weltschöpfenden Kräften verbunden.34 Schon im vedischen Bereich war der Gott Vishvakarman „Schöpfer aller Dinge“, „Herr des schaffenden Wortes, deshalb Vorbild aller poetischen Kunst“.35 Wie von Lavecchia betont worden ist, stellt der Hymnos in diesem Kontext das perfekte Nachbild der Tätigkeit dar, mit der die Gottheit den Kosmos geschaffen hat.36 Es sollte also nicht verwundern, wenn Haebler, durch einen Vergleich mit dem Indogermanischen, innerhalb der Wortbildung von κόσμος eine wesentliche Verbindung von „anordnen“ und „feierlich sagen“, „preisen“, d.h. von ‚ordnen‘ und ‚hymnisch Dichten‘ entdeckt. Von der Analyse altpersischer Inschriften (Verbalwurzel θah- θanh, ‚kundtun‘, ‚anordnen‘, aber auch ‚genannt/angerufen werden als‘) und awestischer und vedischer Ausdrucksformen (sanh, śás-man, ‚anordnen‘, ‚preisen‘) ausgehend, stellt er fest, dass „sich als ‚etymologische Bedeutung‘ von κόσμος“ ergibt: „Vorgang, Anordnung, Anweisung, die durch das gesprochene Wort […] ergeht, und zugleich [das] Ergebnis dieses Vorganges“.37 Die Verbindung von Dichtung und Kosmos ist auch in der griechischen Tradition reichlich bezeugt: Haebler, Kranz und Verdenius haben die Beständigkeit der Ausdrücke κόσμος ἐπέων (‚Kosmos/Ordnung der Wörter‘) sowie κόσμος ἀοιδῆς (‚Ordnung des Gesangs‘) als Bezeichnung der guten Dichtung betont.38 Es ist bereits beobachtet worden, dass auch für Platon die eigentliche Dichtung mit „den Kosmos-schöpfenden Kräften“39 zusammenhängt. Alle wahre Dichtung sei „Schaffung des Kosmos“, „Kosmopoiese“, und der Dichter, „wie
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Vgl. Salvatore Lavecchia, „Poesia e cosmopoiesi. Sulle fonti della scrittura filosofica in Platone“, in: Luigi Battezzato/Giovan B. D’Alessio (Hgg.), Κόσμος ἐπέων. Studi offerti a Franco Ferrari, Materiali e discussioni per l’analisi dei testi classici 76 (2016), 171–184, hier 171. 35 Ebd. 36 Vgl. ebd. 37 Claus Haebler, „Kosmos. Eine etymologisch-wortgeschichtliche Untersuchung“, Archiv für Begriffsgeschichte 11 (1967), 101–118, hier 114. 38 Haebler, Kosmos, 105; Walther Kranz, Kosmos, Bonn 1955, 8–26; Willem J. Verdenius, „The principles of Greek literary criticism“, Mnemosyne 36, 1–2 (1983), 14–59. 39 Lavecchia, Poesia e cosmopoiesi, 171.
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der Verfasser der vedischen Hymnen“40, sei Nachbild des Demiurgs, des schaffenden Gottes. Für Platon kann nur eine „philosophische Schöpfung die echte Kosmopoiese“ sein. Nur der Philosoph, anders als die anderen Dichter, kann zum Nachbild des Demiurgs werden, indem er allein imstande ist, „seinen λόγος so zu gestalten“ (συστήσηται Gorg. 504a1; συνεστάναι Phaedr. 264c3; σύστασις Phaedr. 268d4), dass er sich, wie der Demiurg, „nach einem εἶδος richtet“.41 So im Gorgias: „Nicht wahr, der rechtschaffene Mann, der um des Besten willen sagt, was er sagt [ἐπὶ τὸ βέλτιστον λέγων], der wird doch nicht in den Tag hineinreden, sondern etwas Bestimmtes vor Augen habend [ἀποβλέπων πρὸς τι]?“ (Gorg. 503d6–e4, meine Übers.). Und im Kratylos: „Wonach richtet sich [ποῖ βλέπων] der Gesetzgeber, wenn er die Worte festsetzt?“ (Crat. 389a5–6); „Demnach muss, mein Bester, auch der Gesetzgeber die naturgemäße Eigentümlichkeit des Namens in die Laute und Silben zu legen verstehen und sich richten nach eben jenem wahrhaft seienden Namen [βλέποντα πρὸς αὐτὸ ἐκεῖνο ὅ ἔστιν ὄνομα]“ (389d6–7, meine Herv.); „Nicht jeder ist ein Meister der Worte, sondern der allein, der sich nach dem Worte richtet, das jedem Dinge von Natur zukommt [μόνον ἐκεῖνον τὸν ἀποβλέποντα εἰς τὸ τῇ φύσει ὄνομα]“ (390e2–5, meine Herv.). Bei der Wahl der Wörter – oder, wie im vorbildhaften Fall der Hymnodie, der Namen, ὀνόματα –, vermeidet der Philosoph es, in eine schlechte Vielheit hineinzustürzen, indem er sich beständig nach dem Erstrebten richtet. Das entspricht dem geläufigen Gebrauch von κόσμος: Es handelt sich zwar um eine „gegliederte Ordnung“, jedoch nicht einfach um das „Ergebnis all der aufgezählten Einzelvorgänge“, sondern zugleich um den „ordnenden Vorgang“ selbst.42 Der κόσμος ist die Tätigkeit, sich ordentlich nach etwas zu richten, d.h. eine Vielheit im Hinblick auf das εἶδος anzuordnen.43 In diesem präzisen Sinn können der κόσμος und das κοσμεῖν auf das „Schöne“ zurückgeführt werden. „Der Schöpfer von λόγοι muss sich immer nach dem intelligiblen Kosmos, Archetyp und Ursprung aller Ordnung, richten“44, wenn er sein Werk „wohlgeordnet und ausgestattet mit Schönheit 40
Ebd., 172. Ebd. 42 Haebler, Kosmos, 105. 43 Wie viele andere Worte auf -μο- / -σμο-, die eine verbale Grundlage haben, „handelt es sich [bei κόσμος] nachweislich um [einen Namen, der] […] durch die unterliegende Verbalwurzel [den] bezeichneten Vorgang oder konkret dessen Ergebnis benennt“, Haebler, Kosmos, 106. 44 Ebd. 174. Auch der Demiurg erzeugt den sinnlichen Kosmos, indem er „sich auf ein Vorbild richtet, in diesem Fall auf den intelligiblen Kosmos“ (πρὸς τὸ ἀίδιον ἔβλεπεν Tim. 29a3, meine Übers.). Der göttliche Demiurg ahmt die Natur dieses Vorbildes nach (Tim. 39d8–e2), und davon ausgehend, stellt er die Welt zusammen (συνιστὰς συνέστησεν, Tim. 29e1 und 30c3, vgl. 30b5, 31a1 usw.) als einen ‚lebendigen Organismus‘ […], d.h. als ein ‚Ganzes‘, das möglichst ‚gut und schön ist‘“. 41
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[τεταγμένον τε καὶ κεκοσμημένον πρᾶγμα]“ (Gorg. 504a1) darstellen will. Nur dann wird er „ein Ganzes bilden […], das vom ‚Schönen‘ durchdrungen, d.h. gut ausgestattet und wohlgeordnet“ ist.45 Für Platon müssen die Dichter „mit schöner Begabung die Natur des Schönen und Anständigen aufspüren“ (Resp. III 401c5). Wie Kranz betont hat, wird die Bezeichnung schon im altepischen Gebrauch bis hin zur ‚schönen Ordnung‘ oder dem Schönen überhaupt erweitert: „eine zweckvolle Ordnung schlechthin, und im Besonderen schöne kunstvolle Anordnung und deren Produkt, Schmuck und Schmuckstück“. Singen κατὰ κόσμον (Od. VIII, 489) heißt „wie es die Wohlordnung verlangt“, bis κόσμος die „dichterischen Kunstwerke selbst“46 bezeichnet. Der Kosmos des Demiurgs ist eine schöne, d.h. wohlgeordnete Vielheit von Wesen, wobei ‚wohlgeordnet‘ bedeutet, nach dem Guten, nach der Idee, nach dem Gott gerichtet zu sein. Analog ist der Hymnos, die erzielte Dichtung des Philosophen, eine schöne, d.h. wohlgeordnete Vielheit von Wörtern (Wörter, die „göttliche“ Wesen „wohlordnen“, „schön gestalten“, κατακοσμήσουσι, wie der Mythos suggeriert), wobei ‚wohlgeordnet‘ genau dieselbe Bedeutung hat wie für die Welt: κόσμος und κοσμεῖν. Bei Platon stoßen wir auf eine Auffassung der Sprache, die nicht nur die ὀρτόθης anvisiert, sondern ebenso das κοσμεῖν, und dieses findet sein Vorbild in einer spezifischen Gestaltung der Sprache wieder, der poetischen oder, genauer ausgedrückt, der hymnischen Gestaltung der Sprache. Im Hymnos, Ort einer „zweiten Art der Richtigkeit“, treffen sich das καλεῖν und das καλόν („schön ist zu benennen“, „das Schöne und das Benennen sind ein und
45 So im Kratylos: „aus den Worten und Verben [ἐκ τῶν ὀνομάτων καὶ ῥημάτων]“ werden wir „etwas Schönes [καλόν] zusammenstellen“ (Crat. 425a2–3). 46 Kranz, Kosmos, 10: Κατὰ κόσμον aber auch, verstärkt, εὐκόσμως (Od. 21, 123; Hes. Erg. 628) im Sinne von „wie es ziemt, wie es sich gebührt“. Wie schon bei Platon, „überwiegt hier der Charakter des Schönen in unserem Sinne […]. [S]o entspricht es hellenischer Art, in diesem Schönen zugleich auch das ‚Gute‘ mitzufühlen“, ebd. Für die ursprüngliche Bedeutung von ‚Kosmos‘ als ‚schöner Ordnung‘ gegen ihre Herabstufung zum ‚Schmuck‘, vgl. Verdenius, The principles of Greek literary criticism, 16. Nur durch eine semantische Erweiterung ist κόσμος zur Bezeichnung des ganzen Universums geworden. (Thales, DK11 A1,35: Κάλλιστον κόσμος‧ ποίημα γὰρ θεοῦ). In Bezug auf κόσμος im Sinne von ‚Welt‘ hat Martin Heidegger seine Idee des Daseins als In-der-Welt-Sein entwickelt (Sein und Zeit, § 12). So in Vom Wesen des Grundes, GA Bd. 9, hg. v. Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt a. M. 1976.: „Kόσμος meint nicht dieses und jenes andrängende und bedrängende Seiende selbst, auch nicht dieses alles zusammengenommen, sondern bedeutet ‚Zustand‘, d.h. das Wie, in dem das Seiende, und zwar im Ganzen, ist. Kόσμος οὗτος bezeichnet […] diese Welt des Seienden im Unterschied von einer anderen Welt desselben Seienden, das ἐόν selbst κατὰ κόσμον“ (142). Die Welt als Kosmos ist nicht einfach die Totalität dessen, was ist, sondern sie ist eine „Grundstruktur“ des menschlichen Daseins: Das menschliche Dasein „übersteigt“ alles Seiende und sich selbst als Seiendes. Kosmos ist das, „woraufhin das Dasein als solches transzendiert“ (138–139).
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dasselbe“, Crat. 416c7), und hier gilt das ὄνομα tatsächlich als das, „worauf sich das Suchen bezieht“, bzw. das, nach dem „ein Streben stattfindet“.
Schluss. Für eine erotische Gestaltung der Sprache In der Beschreibung der Beziehung zwischen Eros und dem Schönen, wie sie von Sokrates im Symposion vorgestellt wird, kommt die Gestalt des wahren Hymnos der Philosophie letztlich zum Vorschein: Denn der Eros, o Sokrates, geht gar nicht, wie du meinst, auf das Schöne als solches [οὐ τοῦ καλοῦ ὁ ἕρως]. – Sondern worauf denn? – Auf die Erzeugung und Ausgeburt im Schönen [τῆς γεννήσεως καὶ τοῦ τόκου ἐν τῷ καλῷ]. […] – Warum denn aber auf die Erzeugung? – Weil eben die Zeugung das Ewige ist [ἀειγενής, d.h. das immer Schöpfende] und das Unsterbliche, soweit dies vom Sterblichen erreicht werden kann. (Symp. 206e1–8, Übers. teilweise verändert).
Das Schöne erscheint hier wie ein Licht, das auf den Prozess der ununterbrochenen Schöpfung (wie beim ständigen Übergang von einem Namen zum anderen im Hymnos) projiziert wird. Es scheint hier nicht nur als (nicht erreichtes) Objekt der Suche – Objekt des Eros, letztes Ziel des Philosophierens – in Frage zu kommen, sondern zugleich als das, innerhalb dessen sich jene Spannung, jene Ausrichtung nach dem erstrebten Objekt, selbst bewegt. Was „fehlt“ – in dieser entscheidenden Bewegung des Eros – ist das, was diese Neigung zu dem, was noch nicht ist, beleuchtet. Weil die unermüdliche Benennung im Hymnos den letzten Namen nicht ausspricht, indem sie sich vom quocumque nomine nährt, sich aber nach ihm richtet, enthält der Hymnos eine wohlgeordnete Vielheit. Was das hymnische Wort noch nicht benennt, macht das Prinzip aller Benennung aus. Schön ist die vielfache Benennung, indem sie immer εἰς μίαν, εἰς θεόν ausgerichtet ist, d.h. „zu einer einzelnen Idee [εἰς μίαν τε ἰδέαν]“ die vielen verstreuten Elemente zusammenführt (Phaedr. 265d3–4). So macht der κόσμος der Namen die erotische Sprache der Philosophie aus: Hier zeugt das Sprechen im Schönen (ἐν τῷ καλῷ). Wie bemerkt worden ist, „erklingt noch, in dieser philosophischen Schöpfung, das Echo der vedischen Dichter. Erst nach der Erfahrung des kâma, des weltschöpfenden ἔρως, erkennen sie den Punkt, wo sich Sein und Nicht-Sein zusammenschließen“.47 Wenn Sokrates, in einer Passage aus dem Symposion, der Rede Agathons, eine fälschliche Schönheit vorwirft (Symp. 197d–e), obwohl diese Rede den
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Anschein eines benennenden, gut verfassten Hymnos hat48, dann darum, weil nur die Suche nach den noch nicht vorhandenen Namen (ὀνόματα) dem vielfachen Benennen eine Wohlgeordnetheit gibt. Während Agathon glaubt, die wahren Namen und Epitheta von Eros ausgesprochen zu haben, ermangeln gerade diese aller erotischen Macht. Wie die Namen, so ist auch die Schönheit für Agathon nicht mehr das, nach dem ein Streben stattfindet, sondern bloß eine „Faktizität, die immer schon kulturell erkannt ist […]. [Im Gegensatz dazu] will Sokrates zeigen, dass das Schöne nicht immer schon dem Menschen verfügbar, sondern zu erstreben ist“.49 Die Sprache als das zu begreifen, was das Göttliche ankündigt, anruft, sich nach seinem Namen richtet, ohne es schon zu besagen – so wie Eros (δαῖμον und nicht Gott) „den Göttern bloß das übermittelt, was von den Menschen kommt, Gebete und Opfer“ (δεήσεις καὶ θυσίας, Symp. 202e, Übers. teilweise verändert) –, heißt, der Sprache nicht nur ὀρθότης, sondern eine gute Ordnung, eine gute Richtung (κόσμος) zu geben. Allein diese Neigung – dieses erotische, benennende Bestreben nach dem Namen – macht die Schönheit, d.h. die erotische Gestaltung der Sprache, und zwar der „fehlenden“ – hymnischen – Sprache, letztlich aus.
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Nicoletta Di Vita
Zuntz, Günther, Griechische philosophische Hymnen, aus dem Nachlaß hg. v. Hubert Cancik und Lutz Käppel, Tübingen 2005 (= Zuntz, Griechische Philosophische Hymnen).
Beginning the Ascent. Beauty, Relationships, and the Gaze Sara Diaco1 1. Introduction In this contribution I shall consider Plato’s description of the beginning of the ascent to the Beautiful and the reflection on interpersonal relationships that it implies. In particular, I shall argue that an analysis of the role of the gaze in its connection with the sight of beauty and with the beginning of the path upwards will help to solve two problems. The first issue is how the ascent begins. It may indeed seem strange or surprising that Plato would claim that the way to the Beautiful starts with the senses, namely with the perception of a person’s beauty.2 Physical beauty reminds us of the true beauty3 and sight is the “sharpest of the physical senses”4, but how can sense perception, which is fallible and entangled in the realm of the becoming, direct us upwards, so as to arrive eventually at something eternal? In addition to this oddity, there is a second question, raised by the debate on the role of the loved person in the ascent. Gregory Vlastos argued that the loved person is, in this context, not loved unconditionally, but rather someone who is desired only for his or her beauty.5 Love for another person, according to this interpretation, would represent a means to an end, used as a step to elevate oneself to higher things. Other scholars have tried to respond to this criticism and save the value of the other person in the Platonic relationships of love.6 At 1 I am grateful to the organizers of the Platon-Tage 2018 for the invitation to the conference. 2 Cf. the remarks of Maria Teresa Liminta, Il problema della bellezza in Platone. Analisi e interpretazioni dell’Ippia Maggiore, Milano 1998, 118, in reference to the last definition of the beautiful in the Greater Hippias. 3 Phaedr. 249d. 4 Phaedr. 250d, Fowler’s translation (Plato, Euthyphro. Apology. Crito. Phaedo. Phaedrus. Trans. by H. Fowler. Cambridge, Mass., 1914). 5 Gregory Vlastos, “The Individual as an Object of Love in Plato”, in: Id., Platonic Studies, Princeton 1973, 3–34. 6 See the discussions, for example, in Aryeh L. Kosman, “Platonic Love”, in: William H. Werkmeister (ed.), Facets of Plato’s Philosophy, Assen 1976, 53–69; Anthony W. Price,
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the same time, trying to deny that the other is not used instrumentally in the ascent, but is, rather, the lover’s end, presents other issues, for it would be difficult to reconcile this interpretation with the goal of one’s own eudaimonia.7 So, overall, these readings confront a series of objections, as they either risk to take the care for the beloved inadequately into account or, in the attempt not to regard the other as a means to an end, to attribute to the entire ascent a relational value or find the love for the individual also in the higher steps, in spite of the difficulty to find such indication in Plato’s text.8 An interesting proposal that tries to solve these problems has been offered by Frisbee Sheffield, who suggests that the Platonic account of love should be analysed from the perspective of the telos of happiness: Socrates’ move away from individuals as the focus of a happy human life is laudable. We might want persons to figure in our conception of a happy life, to share a happy life, but to be the proper object of our happiness, to be that on which our happiness depends, is not only a heavy burden for an individual to carry, but a limited view of the rich possibilities for human aspiration.9
Sheffield shows that the “Symposium involves – and may indeed introduce – the technical use of telos associated with eudaimonism”, so as to stress that, in the passage on Diotima’s ladder, the object of eros is “desire for good things and happiness (205d f.)”.10 However, this as well as the readings previously mentioned do not provide an explanation of how exactly the ascent can begin from the sight of beauty in another person. While there are discussions of the related concepts of attraction, generation, and search for immortality, it is not clarified how and at what conditions the sight of another’s beauty can bring about the ascent that leads away from the sensible bodies and towards the Form of Beauty. Some of the problems that these readings incur when trying to solve the question of the value of the other in the ascent may be due in part to the fact that the relationship is discussed without giving adequate consideration to the role of sight and of the eyes, even though some studies point to the gaze as an “Loving Persons Platonically”, Phronesis 26 (1981), 25–34 and Love and Friendship in Plato and Aristotle, Oxford 1989; Alexander Nehamas, “‘Only in the Contemplation of Beauty is Human Life Worth Living’. Plato, Symposium 211d”, European Journal of Philosophy 15 (2007), 1–18; and Frisbee Sheffield, “The Symposium and Platonic Ethics. Plato, Vlastos, and a Misguided Debate”, Phronesis 57 (2012), 117–141. Kosman stresses the “recognition” of the other, although Sheffield, Symposium, 121 f. objects that in this reading “[w]e are to be loved as persons – recognized as we really are – and then seen as part of a ‘wide sea’ of homogeneous value and used for the sake of an understanding of the Form.” 7 Cf. the remarks in Sheffield, Symposium, 120 ff. 8 Cf. ibid., 133. Cf. Price, Love and Friendship, esp. 53 f. and 98. 9 Ibid., 127 f. 10 Ibid., 122.
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important component of the reflection on relationships in Greek texts and, in particular, in Plato.11 Furthermore, the debate seems to depend on the question about the telos and whether the loved person may be included in it or be considered as a means to an end. So, scholars either expect the good of the loved one to be part of the goal or argue against the identification of the other person with the telos. I would like to change perspective and focus, rather than on the end of the ascent, on the condition that allows it to begin in the first place. By considering the sight of the beautiful and the importance of the gaze, I shall argue that relationships, with the characteristics that we shall specify, may be regarded as the condition that allows one to start the ascent. More precisely, in the sight of, and exchange between, lovers, the rapport, if it is to be followed by the ascent, must entail a commitment to the truth and rule out any deception to one’s own benefit or to the other’s disadvantage.
2. The Sight of Beauty Since the sight of a beautiful person can start the ascent to the Beautiful, the perception of beauty is decisive to begin to climb the ladder. It is, however, not clear how exactly the turning away from the corporeal world and the senses, in order to go after what is higher and unchanging, occurs, or what happens at the moment in which the beautiful person is seen that allows us to yearn for a higher beauty. Not only is sense perception fragmented in the multiplicity and thus cannot convey unified and consistent information, but it is also binding enough to represent for many the only horizon and prevent them from ascending to the Form of Beauty.12 So, why would Plato attribute to sight such an important role in the ascent, regarding it as capable of causing the radical turn that allows the person to move away from the corporeal realm? It seems that, in order for a sensory phenomenon to bring about a change of this sort, there must be a connection between this phenomenon and something that can lead to a turning point of epistemic and ethical relevance. We know that the perceived persons and objects that are beautiful remind of the Form of Beauty. Yet, there is a further feature that may accompany such sight; as I would like to argue, this feature consists precisely in the establishing of an authentic relationship with the other. In this sense, the sight of the beautiful, the motif of the eyes, and the exchange of gazes with the loved person may be connected to a reflection on sincere relationships, based on attention for and
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See the studies of Napolitano Valditara, quoted in the following sections. Cf. Resp. 508 as well as the remarks on Hippias infra, section 5.
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recognition of the other as partner in the philosophical dialogue, which in turn represent the condition for the ascent to take place.13
3. The Eyes and the Gaze Some of the passages where a reference to the eyes and sight appears in the context of relationships and exchange with others seem to be the key to understand how the turning away from the corporeal takes place. Let us consider, for instance, Phaedr. 251b, where we read that when the lover sees the beautiful person, “the effluence of beauty enters him through the eyes, he is warmed; the effluence moistens the germ of the feathers […] the quills of the feathers swell and begin to grow from the roots over all the form of the soul”.14 As mentioned, in order for the sight of the beautiful person not to be a mere physical phenomenon that remains bound to the realm of the senses, it has to correspond to an authentic gaze, which represents an exchange between souls.15 Let us consider Plato’s description of the eyes as reflecting surfaces: And just as the wind or an echo rebounds from smooth, hard surfaces and returns whence it came, so the stream of beauty passes back into the beautiful one through the eyes, the natural inlet to the soul, where it reanimates the passages of the feather, waters them and makes the feathers begin to grow, filling the soul of the loved one with love. (Phaedr. 255c–d).16
13 Interestingly for our discussion, the assonance between specific Platonic texts and Emmanuel Levinas’ insistence on the importance of the gaze as the very root of relationships has been pointed out in Andrea Mastropietro, Altrimenti che essere o al di là della legge. Per una filosofia del diritto a partire da Emmanuel Levinas, Rome 2010, 139 ff. and n. 299. 14 Trans. Fowler. For further discussion of the effects of seeing the loved one provided in this passage of the Phaedrus, see the remarks in Giovanni R.F. Ferrari, Listening to the Cicadas. A Study of Plato’s Phaedrus, Cambridge 1987, 154 f. 15 Cf. Kosman, Love, 64, who claims that “love […] is recognition; it is seeing another as what that other might be […]. It is, in other words, coming to recognize the beauty of the other” (author’s italics). See also Nehamas, Contemplation, 8. 16 Trans. Fowler. See Linda Napolitano Valditara, Platone e le ragioni dell’immagine: percorsi filosofici e deviazioni tra metafore e miti, Milan 2007, 60 f., who stresses that, alongside the “rapporto verticale fra copia sensibile ed idea, fra conoscente-amante ed intelligibile-amato”, we find also a “relazione orizzontale fra conoscenti”. As Mary P. Nichols, Socrates on Friendship and Community. Reflections on Plato’s Symposium, Phaedrus, and Lysis, Cambridge 2009, 116 explains, Socrates points out a particular bond between the lover and the loved one. “As the lover and beloved spend time together, the stream of particles from the beautiful beloved flows not merely to the lover’s soul but overflows from his soul back to the beloved. The stream of love acts like an echo rebounding off surfaces to return to its point of origin (254c).”
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“Then let us think what object there is anywhere, by looking at which we can see both it and ourselves.” “Why, clearly, Socrates, mirrors and things of that sort.” “Quite right. And there is also something of that sort in the eye that we see with?” “To be sure.” “And have you observed that the face of the person who looks into another’s eye is shown in the optic confronting him, as in a mirror, and we call this the pupil17, for in a sort it is an image of the person looking?” “That is true.” “Then an eye viewing another eye, and looking at the most perfect part of it, the things wherewith it sees, will thus see itself.” “Apparently.” […] “Then if an eye is to see itself, it must look at an eye, and at that region of the eye in which the virtue of an eye is found to occur; and this, I presume, is sight.” “That is so.” “And if the soul too, my dear Alcibiades, is to know herself, she must surely look at a soul, and especially at that region of it in which occurs the virtue of a soul – wisdom, and at any other part of a soul which resembles this?” “I agree, Socrates.” (Alc. I, 132d–133b).18
This passage of the Alcibiades I insists on the exchange19 between the eyes to discuss the attainment of self-knowledge and explain that we are – and look 17 On the meanings of korē as “pupil” and “little girl” or “doll”, see Nicholas Denyer (ed.), Plato. Alcibiades, Cambridge 2001, 232 f. (where these expressions, alongside others, are used to indicate the meaning of the term). Cf. further Napolitano Valditara, Ragioni, 63 f.; Jacques Brunschwig, “Sur quelques emplois d’opsis”, in: Zetesis, Antwerpen 1973, 24– 39; Elizabeth S. Belfiore, Socrates’ Daimonic Art. Love for Wisdom in Four Platonic Dialogues, Cambridge 2012, 57 ff. On the authenticity of this dialogue, cf., for example, Denyer, Alcibiades, 14 ff. 18 Lamb’s translation (Plato, Charmides. Alcibiades I and II. Hipparchus. The Lovers. Theages. Minos. Epinomis, Trans. by W. Lamb, Cambridge, Mass., 1927). 19 Indeed, as Nicholas Denyer remarks, “[a]n eye can see itself by seeing how it is reflected in the pupil of another eye; that is, by seeing how another sees it. Likewise, a soul can know itself by knowing how it is recorded in the intellect of another soul; that is, by knowing how another knows it.” Denyer adds that “[t]he eye will however see itself more clearly if it looks, not into another eye, but into the bigger and brighter reflecting surface of a mirror. Likewise, a human soul will know itself more clearly if it knows, not how it is known by the intellect of another human soul, but how it is known by God”, Nicholas Denyer, “Mirrors in James 1:22–25 and Plato, Alcibiades 132c–133c”, Tyndale Bulletin 50.2 (1999), 237–240, here 237 f. Denyer, Alcibiades, 229, rightly remarks that “absent from this passage (though not from Phaedr. 255c–e) is explicit mention of how erotic are looks from, or into, someone’s eyes” and that eyes may even “be the place, or route, of most horrible lusts”, as indicated by the figures of Leontius, who “gets angry with his eyes when he cannot restrain himself from going to look at some corpses”, and of Oedipus. Napolitano Valditara analyses various Greek texts and episodes in Greek literature and mythology to explore the themes related to the eyes and the gaze, which are in turn important to understand the Platonic passages on this topic: see Napolitano Valditara, Ragioni, throughout the analysis as
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into other – souls.20 If we, however, connect the looking at, and mirroring in, the other to the role the eyes have in the flow of beauty and love in the Phaedrus passage21, we could find these lines helpful to understand the dynamics of interpersonal relationships required to access a different plane of knowledge. The mirroring – whether it is a physical reflection in the pupil or a representation of the soul seeing itself in the other – implies a contact between the two gazes that has no barriers.22 Whether we take this literally or metaphorically, the reflection in the other does not simply entail the presence of another person, but it requires also directing oneself to the other person, without obstacles or distraction, as well as that this unobstructed gaze is returned. So, this could be a first characterization of the authentic gaze prompting a knowledge that appears to pass through the senses but is not necessarily bound to the physical realm.23
4. A Gaze “Free from Envy” Linda Napolitano Valditara has pointed out that the possibility to establish a fruitful philosophical exchange is connected to the motif of the “gaze free from envy”24, symbol of an honest dialogue in which the persons in conversation do not hide themselves or anything they know from each other. Napolitano Valditara insists on the “scambio degli sguardi reciproco e palese” meant as a “segno di un rapporto bilaterale”; “uno sguardo sbilanciato e nascosto sigla invece un rapporto unilaterale, improntato a non condivisione, a volontà di dominio, ad aggressività ed inganno.” Plato’s reflection on the gaze that does not hide or deceive brings, in Napolitano Valditara’s
well as Lo sguardo nel buio. Metafore visive e forme grecoantiche della razionalità, Rome/Bari 1994. 20 See 130e1–6. On the theme of the mirror reproducing or imitating reality, see Napolitano Valditara, Ragioni, 86 ff. On the various interpretations, cf., for instance, François Renaud, “La conoscenza di sé nell’Alcibiade I e nel commento di Olimpiodoro”, in: M. Migliori, L.M. Napolitano Valditara, A. Fermani (eds.), Interiorità e anima. La psyche in Platone, Milano 2007, 225–244, here 232 ff.; Belfiore, Socrate, 56 ff. and esp. 59 ff. and Pauliina Remes, “Reason to Care. The Object and Structure of Self-Knowledge in the Alcibiades I”, Apeiron (2013), 270–301, esp. 288 ff. 21 On the “interactive” nature of the mirroring in the Phaedrus, see Belfiore, Socrates, 236. 22 This, as explained infra in section 4, has been pointed out also by Linda Napolitano Valditara. 23 Napolitano Valditara, Ragioni, esp. 74 n. 35, stresses how Plato focusses on a “relazionalità piena e corretta” in particular in the Alc. I. 24 For this expression, see Napolitano Valditara, Ragioni, esp. 57 ff.
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interpretation, to the “celebrazione (Symp. 210d) della ‘filosofia priva di invidia’”.25 The scholar further observes: [l]’invidia [è un] vizio eminentemente visivo, il cui portatore – teso ad evitare che altri posseggano, ora o in futuro, determinati beni – fissa il destinatario del suo sentimento negativo con occhio torvo e bieco, si addolora proprio nel contemplarne la fortuna e può però sperare tanto più di nuocergli quanto più nasconda la sua sofferenza e le sue intenzioni aggressive all’invidiato: […] in questo caso, dunque, lo sguardo tutto ha tranne i tratti della parità e reciprocità siglanti una relazione franca e scambievole.26
The absence of “envy” between interlocutors is particularly important in the philosophical exchange and the passage of the Symposium (210d) just mentioned is meaningful for Napolitano Valditara’s interpretation, as it claims that the person undertaking the ascent, by turning […] towards the main ocean of the beautiful may by contemplation of this bring forth in all their splendour many fair fruits of discourse and meditation in a plenteous crop of philosophy [ἐν φιλοσοφίᾳ ἀφθόνῳ]; until with the strength and increase there acquired he descries a certain single knowledge connected with a beauty which has yet to be told. (Symp. 210d).27
In the case of inauthentic dialogue, the exchange is characterized by emptiness of content or by deception; in both cases, there is an attempt to deny to the interlocutor access to the knowledge one possesses. This is accomplished not necessarily by lying directly; for the damaging of others by way of their exclusion from facts of which they are not aware can also be carried out by ‘hiding’ oneself, holding oneself back from giving helpful contribution to the dialogue, with the aim of leaving the other in an at least partial ignorance. A sincere exchange, instead, entails an attitude free from envy and deception. Those who genuinely see one another are open and honest and their soul can communicate thanks to the absence of barriers or distortion. This aspect of the gaze may further be connected to the remarks on the Alcibiades I presented in the previous section. Seeing the other as the possibility of seeing and knowing oneself represents also the acquisition of a 25 Linda Napolitano Valditara, Sguardo, 57 (author’s italics). I discuss this concept and Napolitano Valditara’s view in Sara Diaco, “Authentic and Counterfeit Friendship: A Reading of Montaigne through Ancient Reflections on Frankness and Flattery, in: P. Piredda and M. Roick (eds.), Vera Amicitia. Classical Notions of Friendship in Renaissance Thought and Culture, Oxford 2022, 23–51, 25 f. 26 Napolitano Valditara, Ragioni, 58 (author’s italics). On the term “invidia”, “envy”, the scholar stresses at p. 77 n. 44: “Preferisco usare il termine ‘invidia’, che sottolinea, sulla scorta del latino invidere, il tratto visivo di tale vizio, al forse più concettualmente proprio ‘gelosia’” (author’s italics). Further discussion and bibliography in Napolitano Valditara, Sguardo, 57 ff. and 172 n. 4. 27 Lamb’s translation (Plato, Lysis. Symposium. Gorgias. Trans. by W. Lamb. Cambridge, Mass., 1925).
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social and political skill, as it allows someone to learn how to relate to others. Furthermore, a hint to the theme of the open, non-hidden, non-deceiving look and its effects on the political life are given at 132a–b. Here the characterization of the Athenian people may be compared to the attitude of those who are not willing to establish a genuine relationship. The dēmos is described as good-looking, but its true nature is somehow covered and can be seen by removing its disguise: “fair of face [euprosōpos] is ‘the people of greathearted Erechtheus’; but you should get a view of it stripped [ἀποδύντα χρὴ αὐτὸν θεάσασθαι]” (132a).28 The characteristic of openness or lack of envy is important also when we focus on the educational aspect of loving relationships: Hence it is the beautiful rather than the ugly bodies that he welcomes in his pregnancy, and if he chances also on a soul that is fair and noble and well-endowed, he gladly cherishes the two combined in one; and straightway in addressing such a person he is resourceful in discoursing of virtue and of what should be the good man’s character and what his pursuits; and so he takes in hand the other’s education. (Symp. 209b–c ).29
The brief passage, which is located shortly before the mention of the “philosophy free from envy” at 210d, insists on conversation and education, a point repeated at the beginning of the passage on the ascent (210a8). Since the “discoursing” is about what is virtuous, we may infer that it is not possible if one withholds or distorts the relevant information; the pedagogical aspect of this discussion must rule out “envy”, hiding or altering information to keep the other behind or uninformed and at a disadvantage.30 Still on the pedagogical aspect of these relationships, it is helpful to refer to Terence Irwin’s interpretation, which discusses “interpersonal” and “intrapersonal propagation” and maintains that “[t]he proper process of education causes A to change his mind about the sorts of features that he wants to propagate him in B, and as A corrects his views about what is fine, he also (Diotima assumes) improves his love for B, forming a truer conception of B’s good.31 And shortly afterwards: “Since A is concerned for B as a way of
28 Napolitano Valditara, Ragioni also quotes this text at p. 63 and at p. 79, n. 64 stresses that the meaning of “ἀποδύω (or ἀποδύνω)”, 79 n. 64 could indicate the act of “unmasking”, with reference to Odyssey XXII, 364. For further remarks, see Denyer, Alcibiades, 6. Cf. also Julia Annas, “Self-knowledge in Early Plato”, in: Dominic J. O’Meara, Platonic Investigations, Washington DC 1985, 111–138, here 124. 29 Trans. Lamb. 30 I mention and discuss this further in Diaco, Authentic, 25 ff. 31 Terence Irwin, Plato’s Ethics, New York/Oxford 1995, 310. Other scholars who discuss the pedagogical aspect of Platonic love stress similarly the importance of the beloved’s education. For instance, with respect to the Phaedrus, Price (Love and Friendship, 85) stresses that while “the boy [i]s an object of experience […] he [sc. the lover] treats him as a subject”.
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propagating A, and since A cares about A’s own interest for A’s own sake, A will also care about B for B’s own sake, not instrumentally to some further end”.32 Irwin’s interpretation admittedly does not involve the aspects of the sincere exchange between gazes. Yet, it seems to me, the underlying point made in this paper remains valid: the relationship cannot work without one’s commitment, and education and “propagation” cannot succeed if, as we observed earlier on, one deceives or keeps the truth from the other or if “envy”, as defined previously, comes into play. In this sense, the open exchange, which we have explored from the perspective of the gaze and that takes place without deceit, provides the conditions for education and for the ascent. Now that we have identified these features of the authentic gaze, there is a particular aspect that emerges, namely the difficulty to engage in such a genuine look. For, in order for the relationship that we described to be established, a twofold effort must be undertaken. Firstly, one has to devote the gaze and open eyes and soul to the other; the fact that there must be no obstacles to this includes not only sharing all that one knows33, but also that both lover and beloved offer themselves to the other’s gaze. If we consider the image of the mirroring in the other’s eye, regardless of who mirrors and who looks at the reflected image, no side can subtract the gaze or obstruct the view. This is not only valid for the person acting as a mirror, who must allow the image to be reflected, but also, and more importantly, for the one who is mirrored, who must not hide parts of oneself from the other, if he or she wants to find the reflection in the other’s pupil. Indeed, if we pretend to be different than we are, the image returned from the mirror will be false. As a result, we must be ready not only to be looked by the person acting as a mirror, but also to see ourselves as we are without embellishments and without looking for only a partial truth. Openness on the part of the lover puts in turns the beloved in contact with what the lover knows and is and, by not hiding any information, allows the beloved not to be deceived or kept behind, but rather access to what is needed to be educated. So, and this is the second aspect, this endeavour entails a commitment to the truth to be shared with the other: knowledge is not disguised to the detriment 32 Irwin, Ethics, 311. Interestingly for our discussion, Irwin further claims: “the self-concerned outlook of an agent seeking his own happiness leads to acceptance of the outlook of a community that is focussed on the common good. The arguments about propagation explain why concern with one’s own happiness requires enlightened agents not to focus on their own happiness, to the exclusion of other people’s happiness, in all their actions. Propagation requires concern for others in a community, and a community precludes an exclusive focus on the happiness of some members as opposed to others” (314). 33 On the effort and toils of grasping the truth cf. also Epist. VII, 344c–d, where the expression ἄνευ φθόνων occurs. See Napolitano, Ragioni, 59.
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of the other, but rather made accessible, so that all can increase their chances to attain a higher understanding of what they are examining.
5. Conclusion on the Greater Hippias In the light of these observations, I would like to conclude by considering the reaction of the sophist in the Greater Hippias to Socrates’ question about what is to kalon. Among the answers Hippias offers, the first one is: “a beautiful maiden”.34 One might wonder why the first thought of the sophist, when considering beauty, is a person, similarly to the first step in the ascent represented by a beautiful body (Symp. 210a). Certainly, Hippias values the senses and appearance; in addition, he is considered as a simple, unrefined interlocutor or an “impostor”.35 Yet, as unsophisticated as the answer may be36, it might hint to the fact that having another in front of us is central to this question and may imply that anyone, including someone like Hippias, may have the potential to see the beautiful in the other and, subsequently, start the path towards something higher. In this sense, the Greater Hippias might prepare the ground for the more elaborate reflection on the condition required to go beyond the physical experience.37 For if the senses and the opinion based on them may contain a grain of truth38, and the ascent starts from a beautiful body, then the manifestation of beauty through sight represents the chance of a potential access for everyone to a higher level of knowledge. However, while even Hippias thinks of a person and might, by considering someone else as beautiful, begin the ascent, he does not seem to have what it takes to detach from the senses. Indeed, as Paul Woodruff remarks, Hippias shows himself as someone “who adapts his views to harmonize with those of his audience. That impression is strengthened when Hippias pretends (with a
34 Fowler’s translation (Plato, Cratylus. Parmenides. Greater Hippias. Lesser Hippias, Trans. By H.N. Fowler, Cambridge, Mass. 1926). Paul Woodruff, Plato. Hippias Major, Translated, with Commentary and Essay, Oxford 1982, 49 f. comments on Hippias’ “substitut[ion of] kalon for to kalon” (287d–e) and on the expression parthenos kalē kalon (287e). 35 Cf., for example, Woodruff, Hippias and the analysis in Franco Trivigno, “The Moral and Literary Character of Hippias in Plato’s Hippias Major”, Oxford Studies in Ancient Philosophy 50 (2016), 31–65, which compares Hippias to the figure of the impostor in the Old Comedy. 36 Cf. the remarks in Woodruff, Hippias, 47 f., and Liminta, Bellezza, 79. 37 Cf. Liminta, Bellezza, 132 f., where it is claimed that the Greater Hippias contains the premises for the views presented in the Symposium. 38 See Liminta, Bellezza, 84.
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quibble) to accept a theory of law that must have been anathema to him (284e). [...] He will add to his repertoire whatever his public wants”.39 Thus, Hippias’ attitude of disguising himself to please his audience is opposite to the sincere exchange we have described in the previous sections and shows that sense perception alone, namely the mere act of perceiving a beautiful person, is not sufficient to start the ascent. It is not enough to see a beautiful person; it is necessary to have the correct relationship. From this perspective, on the basis of the previous analysis, we can consider Hippias incapable of the mirroring without obstacles that brings to self-knowledge and of the open dialogue without deception and envy.40 The reflection on the beautiful and the ascent thus implies a strong relational commitment made of observation, devotion to and sharing of the truth, and exposure to the other’s gaze. An authentic relationship allows the ascent to start but requires an effort to see and be seen without disguise and self-serving deception. The Greater Hippias closes with the saying “beautiful things are difficult”.41 Reading this maxim freely, we could respond that what is connected to the ascent to the Form of Beauty, in the first instance its very beginning, which requires sharing and sincerity, is not for everyone42 and is not easy indeed.
Bibliography Annas, Julia, “Self-knowledge in Early Plato”, in: Dominic J. O’Meara, Platonic Investigations, Washington DC 1985, 111–138. Belfiore, Elizabeth S., Socrates’ Daimonic Art. Love for Wisdom in Four Platonic Dialogues, Cambridge 2012 (= Belfiore, Socrates). Brunschwig, Jacques, “Sur quelques emplois d’opsis”, in: Zetesis (Festschrift E. de Strycker), Antwerpen 1973, 24–39. Denyer, Nicholas, “Mirrors in James 1:22–25 and Plato, Alcibiades 132c–133c”, Tyndale Bulletin 50.2 (1999), 237–240. –, Plato. Alcibiades, Cambridge 2001 (= Denyer, Alcibiades). 39 Woodruff, Hippias, 36. Cf. also Hippias’ intent to make the interlocutor appear ridiculous (e.g. at 288b), pointed out by Woodruff at pages 124 and 134 n. 5. 40 Cf. the analysis in Franco Trivigno, Moral, which shows that Hippias is “self-ignorant” (46 f.) and “epistemically inept” (50), while Socrates attempts to unmask Hippias, for example, “through the vehicle of the absent questioner strategy […], consistently frustrates Hippias’ attempts to answer what the latter takes to be an easy question […] Socrates exposes Hippias as an impostor.” (36, cf. also 49 ff.) 41 304e8. For the attribution of the maxim to Solon, see Woodruff, Hippias, 89. 42 Renaud, Conoscenza, 233 remarks on the Alcibiades I: “ogni anima umana è capace, e capace in modo uguale, di offrire, a chi ne ha bisogno, come Alcibiade, il riflesso del vero sé oppure occorre supporre – e così è, a quel che sembra – che solo alcune persone, come Socrate, siano in grado di farlo?” (my emphasis)
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‚Schön und gut‘ – Auf ewig ungeteilt? Dorothea Frede Zum Hintergrund Zu den wenigen Dingen, über die Einigkeit unter Kennern der Antike herrscht, gehört die Überzeugung von der Unübersetzbarkeit von καλόν, und zwar vor allem, weil sich seine ethische und seine ästhetische Komponente nur schwer voneinander trennen lassen. Ethisch Gutes ist auch schön, weil es ‚anspricht‘. Die Schwierigkeit wird noch durch die aristokratische Note vermehrt, die in der beliebten Kombination von καλὸς καὶ ἀγαθός zum Ausdruck kommt.1 Nun ist es auch im Deutschen nicht immer leicht, das Schöne und das Gute gegeneinander abzugrenzen. So kann man sich streiten, ob ein schönes Buch etwas anderes ist als ein gutes Buch, ein schönes Haus etwas anderes als ein gutes Haus. Die Kombination von ‚schön und gut‘ verwendet man jedoch nur in der Unmutsbezeugung: „Alles schön und gut!“ − womit man das Gegenteil anzeigen will. Gemeinhin wird ‚schön‘ jedoch eher zur Bezeichnung von ästhetisch Hervorragendem im weitesten Sinn verwendet, ‚gut‘ dagegen zu Auszeichnung seiner spezifischen Qualität, ebenfalls im weitesten Sinn. So ist ein schöner Mensch nicht dasselbe wie ein guter Mensch, auch wenn man sich mit einer klaren Abgrenzung schwertut. Die Frage der Unterscheidbarkeit von ‚schön‘ und ‚gut‘ im Deutschen soll aber hier nicht das Thema sein; sie würde viel zu weit führen. Aus ähnlichen Gründen kann es auch nicht um die Unterscheidbarkeit von ‚καλόν‘ und ‚ἀγαθόν‘ im griechischen Sprachgebrauch im Allgemeinen gehen, sondern nur um das Verhältnis der beiden Begriffe bei Platon. Von der Vielfalt der Verwendungen von ‚schön‘ in Platons Schriften zeugt etwa die Aufzählung lateinischer Äquivalente von kalos in Asts Lexicon Platonicum2:
1 Belege für das Abstraktum ‚καλοκἀγαθία‘ finden sich erst im späten 5. Jahrhundert; manchmal wird es auch im pejorativen Sinn von ‚Snobismus‘ gebraucht (Mischa Meier, „Kalokagathia“, in: Hubert Cancik, Helmuth Schneider, Manfred Landfester, Der Neue Pauly, Bd. 6, 209–210). Alt ist jedoch die Kombination der Adjektive καλὸς καὶ ἀγαθός zur Kennzeichnung von Aristokraten und ihrer Lebensweise. Auch Platon verwendet zwar nicht das Nomen, dafür aber häufig die Adjektivkombination. 2 Friedrich Ast, Lexicon Platonicum sive Vocum Platonicarum, 2 Bde., Leipzig 1833 (Nachdruck Darmstadt 1956), hier Bd. 2, 133–135.
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Pulcher, venustus; honestus, decens; laudabilis, praeclarus; bonus, opportunus; utilis; etiam Atticae est urbanitatis blandimentum (et saepenumero in irrisione ponitur).
Diese Vieldeutigkeit manifestiert sich in der Tat nicht nur in Platons Sprachgebrauch, sie tut das auch in seiner philosophischen Behandlung des Begriffs des Schönen und seines Verhältnisses zum Guten. Vieldeutigkeit gibt es jedoch auch dort, wo Platon Anstalten zu einer systematischen Erörterung macht. Ein Beispiel ist etwa die bekannte Stelle im Gorgias, an der Sokrates seinen Gesprächspartner Polos – ganz gegen dessen eigentliche Absichten − zu dem Eingeständnis nötigt, dass Unrechttun schlechter ist als Unrechtleiden (474b–481b).3 Eine genaue Analyse dieser langen Argumentation würde den Rahmen dieses Artikels sprengen.4 Es sei daher nur auf das unklare Verhältnis von schön und gut, von hässlich und schlecht in der Position des Polos hingewiesen, die ihm zum Verhängnis wird. Polos versucht sich zunächst an einer Unterscheidung zwischen gut (ἀγαθόν) und schön (καλόν), wie auch zwischen schlecht (κακόν) und hässlich (αἰσχρόν), um seinen Standpunkt zu verteidigen: Unrechttun sei zwar besser als Unrechtleiden, zugleich aber auch hässlicher. Sokrates nötigt ihm dazu das Eingeständnis ab, dass er Schönes als schön bezeichnet, wenn es entweder nützlich oder lustvoll, Hässliches als hässlich, wenn es entweder schädlich oder schmerzerregend ist (474d–475a). Polosʼ Versuch, eine Unterscheidung zwischen gut und schön, zwischen schlecht und hässlich, aufrechtzuerhalten, scheitert aber, weil er alsbald ‚nützlich‘ mit ‚gut‘ und ‚schädlich‘ mit ‚schlecht‘ gleichsetzt. Aufgrund dieser Gleichsetzung kann ihn Sokrates zu dem Zugeständnis nötigen, dass Unrechttun nur das Schädlichere/Schlechtere sein kann, weil es dem Täter ja keine Schmerzen bereitet. Damit hat Sokrates Polos in die Ecke gedrängt, in der er ihn haben will: Unrechttun ist hässlicher = schändlicher, damit aber zugleich auch schlechter (κάκιον) als Unrechtleiden (475b–e). Polos hat offensichtlich nicht erkannt, dass Sokrates sich seine Skrupel zunutze macht, die Legitimität von ‚schön‘ im Sinn des (konventionell) moralisch Schönen und von ‚hässlich‘ im Sinn des (konventionell) moralisch Hässlichen als eine dritte Bedeutung von ‚gut‘ und ‚schlecht‘ mit der Begründung zurückzuweisen, sie seien nur nominell, d.h. dem Gesetz nach und nicht von Natur aus, gut oder schlecht. Das Ausnützen dieser Skrupel des Polos macht Kallikles anschließend Sokrates zum Vorwurf (482c–483a: νόμῳ - φύσει). Angesichts derartiger Begriffs-Verwirrungen scheint man sich in der Akademie um eine Differenzierung im Umgang mit dem Begriff des Guten bemüht zu haben. Das legt vor allem die Einteilung des Guten nah, die 3 Vgl. die Analyse bei Terence Irwin, Plato. Gorgias, Translated with Notes, Oxford 1979, 154–168. 4 Der eigentliche Streitpunkt ist, ob der Gerechte oder der Ungerechte glücklich ist; Sokrates zwingt Polos am Ende zu dem Eingeständnis, dass der Ungerechte, der keine Strafe erfährt, unglücklicher ist als derjenige, der bestraft wird, und dass beide unglücklicher sind als der Gerechte, der kein Unrecht tut (472e).
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Aristoteles wie etwas Etabliertes behandelt, nämlich dass es drei gute Handlungsziele gibt: Schönes, Nützliches und Lustvolles – im Gegensatz zu Hässlichem, Schädlichem und Schmerzhaftem.5 Was Aristoteles unter dem ‚Schönen‘ versteht, ist damit natürlich nicht geklärt. Diese Stelle zeigt aber, dass er sich auf frühere, allgemein anerkannte Bemühungen um eine Systematisierung und Präzisierung der verschiedenen Bedeutungen von ‚gut‘ stützen kann. In die Vielfalt der Deutungen des Schönen und Guten in Platons verschiedenen Dialogen eine Ordnung zu bringen, wird hier gar nicht erst versucht; sondern der Verweis auf diese Vielfalt soll lediglich deutlich machen, dass Platon sie zum Gegenstand sehr unterschiedlicher Überlegungen gemacht hat.6 Es soll vielmehr um die Frage nach dem Verhältnis zwischen der Idee des Guten und der Idee des Schönen gehen. Sind sie dasselbe oder sind sie verschieden? Das ist bekanntlich eine sehr anspruchsvolle Frage, zumal sie Platon nirgends direkt anspricht. Dazu seien nur einige Andeutungen in einigen seiner Dialoge aufgenommen. Zunächst ist festzustellen, dass an den wenigen Stellen, an denen er überhaupt explizit Erklärungen über die Ideen abgibt, das Gute und das Schöne so aufgezählt werden, als seien sie verschiedene Ideen.7 Nichts weist auf eine epexegetische Verwendung des einen oder des anderen Ausdrucks hin. Ein gutes Beispiel dafür ist die für die Ideenlehre zentrale Stelle im Phaidon, 75c–d: „Denn es ist uns ja nicht mehr vom Gleichen die Rede als vom Schönen selbst und dem Guten selbst und dem Gerechten und Frommen“ (Phaed. 75c–d).8 Im Phaidros behandelt Platon es zudem als ein Alleinstellungsmerkmal der Idee des Schönen, dass ihre Abbilder bzw. Repräsentanten auch in diesem Leben auf Menschen attraktiv wirken: Denn die Abbilder der Gerechtigkeit, Besonnenheit und was sonst den Seelen wertvoll ist, haben keinen Glanz [φέγγος], sondern mit trüben Werkzeugen können nur wenige die Arten 5 EN II, 2, 1104b30–34 et pass.: „Wenn es drei Gründe für das Wählen und drei für das Vermeiden gibt, nämlich Schönes, Nützliches und Lustvolles, sowie deren Gegenteil, Schändliches, Schädliches und Schmerzhaftes […]“. Übersetzung D. Frede, Aristoteles Nikomachische Ethik, Berlin 2020. 6 Vgl. dazu Rachel Barney, „Notes on Plato on the ΚΑΛΟΝ and the Good“, Classical Philology 105 (2010), 363–377. 7 Vgl. Hans-Georg Gadamer, Texte zur Ideenlehre, Frankfurt 1978. Das schmale Bändchen wäre ohne Gadamers ausführliche Einleitung noch weit schmaler. 8 Die Übersetzungen stammen, wenn nicht anders angegeben, mit Modifikationen von Friedrich Schleiermacher, Hg. U. Wolf, Reinbek b. Hamburg 1994. Vgl. Phaidon 76d7–9: „Wenn es das gibt, was wir immer im Munde führen, ein Schönes und Gutes und jegliches Wesen dieser Art [πᾶσα ἡ τοιαύτη οὐσία]“; 78d3–4: „Das Gleiche selbst, das Schöne selbst und jedes, was es selbst ist.“ Ähnlich Kratylos 440b5–6: „Wenn es Dinge gibt wie das Schöne, das Gute, und alles, was ist“; Parmenides 134c13–c2: „Weder kann das Schöne selbst, was es ist, von uns erkannt werden, noch kann es das Gute, noch auch eines von den anderen Dingen, die wir als Ideen annehmen“; Philebos 15a4–7: „Wenn jemand den Menschen als eines, das Rind als eines, oder das Gute als eines und das Schöne als eines ansetzt […]“. (Übersetzung Frede, Platon Philebos, Göttingen 1997).
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der Abbilder sehen, wenn sie sich ihnen nähern. Die Schönheit [κάλλος] selbst war dagegen ganz glänzend zu schauen. (Phaedr. 250b).
Dieses Glanzes wegen ruft Schönes eine Art göttlichen Wahnsinns hervor, der die Menschen beflügelt und zu einem überhimmlichen Ort führt, so dass der Eros schließlich noch den Beinamen Πτέρως‚ ‚Geflügelter/Beflügler‘ erhält (252b9). Für die Verschiedenheit der Idee des Schönen und der Idee des Guten spricht auch die Tatsache, dass von einem beflügelnden göttlichen Wahnsinn (‚ἐνθουσιασμός‘) wie beim Schönen im Phaidros in der Beschreibung des Aufwegs zur Idee des Guten in der Politeia gar nicht die Rede ist. Im Gegenteil. Der Weg aus der Höhle ist nicht nur beschwerlich, sondern an seinem Ende erblickt man die Idee des Guten nur ‚mit Mühe kaum‘ (Resp. VII 517b–c). Eine Gleichsetzung des Guten mit dem Schönen findet sich hier nicht; vielmehr wird das Gute als „die Ursache alles Richtigen und Schönen“ bezeichnet, weil es „im Sichtbaren das Licht und all das ‚gebiert‘, was dessen Ursache ist“, also die Sonne, „über das Denkbare aber insofern herrscht, als es Wahrheit und Vernunft verleiht“. Wie immer diese Erklärung zu deuten ist: Das Gute ist hier eine Art von transzendenter Ordnungsmacht, die hinter der Ordnung der sensiblen und der intelligiblen Welt steht und die Schönes als Schönes erscheinen lässt. Bei Platon sind die Dinge aber oft nicht so, wie sie zunächst scheinen, bzw. er sagt an verschiedenen Orten und bei verschiedenen Gelegenheiten Verschiedenes, so dass das Gute bald fern, bald nah gerückt zu sein scheint, als ein allgemeines transzendentes Prinzip wie auch als konkrete Eigenschaft der jeweiligen Gegenstände. Diese Tatsache soll jetzt klarer durch eine Analyse von zwei Texten herausgestellt werden, die zur Frage der Beziehung des Schönen und des Guten etwas beitragen, nämlich als erstes und ausführlicher, die Analyse einer Textstelle im Symposion und dann noch, in aller Kürze, die Analyse einer Textstelle im Philebos. Zu beiden kann hier freilich nur das Notwendigste gesagt werden. Eine allgemeine Definition des Guten und des Schönen und eine Klassifizierung ihrer Verwendungsweisen bei Platon wäre ein allzu ehrgeiziges Argumentationsziel für einen kurzen Artikel.
1. Das Gute und das Schöne im Symposion In den Preisreden auf den Eros im Symposion kommen wiederholt auch Schönes und die Schönheit zur Sprache. So tun die Menschen Schönes unter dem Einfluss des Eros und sind aus diesem Grund auch selbst schön; zudem besteht ein Unterschied zwischen einer schönen und einer nichtschönen Art des Eros und der betreffenden Verhaltensweisen.9 Eine nähere Verbindung zwischen dem 9 Die gilt insbesondere für die Unterscheidung zwischen der himmlischen und der gewöhnlichen Aphrodite, zwischen dem himmlischen und dem gewöhnlichen Eros in der Rede
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Schönen und dem Guten stellt aber erst Agathon in seiner Lobrede auf den Eros her: Der Eros ist nicht nur der Glücklichste, der Schönste und der Beste unter den Göttern, sondern Agathon kennzeichnet die Liebe zum Schönen in einer Weise als die Ursache für alles Gute unter Göttern und Menschen, die nahe legt, dass er im Schönen eine Art übergeordneten, ‚überreichen‘ Prinzips sieht (Symp. 197c–e): Wer das Schöne hat, der liebt es und handelt auch entsprechend. Dieser Vorstellung vom Schönen als eines überreichen Prinzips tritt Sokrates aber anschließend mit dem Argument entgegen, dass niemand etwas begehrt, das er schon hat. Vielmehr beruht der Eros auf einem Mangel (ἔνδεια) – und zwar auf einem Mangel an schönen Dingen, der zugleich auch ein Mangel an guten Dingen ist, wenn denn gute Dinge schön sind (201c4–5: τὰ δὲ ἀγαθὰ καλά). Eine nähere Erklärung über die Verbindung zwischen Gutem und Schönem gibt Sokrates an dieser Stelle nicht.10 Vielmehr behauptet er, diese Einsicht den Lehren der Diotima zu verdanken, die ihn darüber aufgeklärt hat, dass der Eros weder schön noch gut (201e7: οὔτε καλός … οὔτε ἀγαθός) und auch kein Gott ist, sondern ein ‚Zwischenwesen‘ zwischen Schönem und Hässlichem, Unsterblichem und Sterblichem usw. Von einer engen Verbindung zwischen dem Schönen und dem Guten geht also auch Diotima zunächst aus. Weil der Eros auf einem Mangel beruht, geht es hier jedoch nur um ein Streben nach Schönem und damit um Lust auf Schönes, nicht um ‚interesseloses Wohlgefallen an Schönem‘. Oder geht es doch auch um ein Wohlgefallen? Auf diese Frage wird später noch kurz zurückzukommen sein. Im Zentrum von Diotimas Ausführungen steht die Rolle, die das Schöne bei der Erfüllung von Mängeln spielt. Und dabei erweist es sich als notwendig, einen Unterschied zwischen dem Schönen und dem Guten herauszustellen. Dass sie nicht einfach gleichsetzen sind, zeigt die Verlegenheit, in die sich Sokrates durch die Frage gesetzt sieht, was denn derjenige hat, der das Schöne bekommt: Was ist das Resultat bzw. welche Wirkung hat Schönes auf ihn (204c3–11)? Sokratesʼ Verlegenheit dürfte mehrere Gründe haben. Zum einen kann man zwar sagen, etwas sei gut für mich im Sinne des dativus commodi, nicht aber, es sei schön für mich, sieht man von dem ironischen Gebrauch im Deutschen ab (‚wie schön für dich‘). Etwas Schönes hat zwar eine gewisse Wirkung auf mich, es hat aber keinen praktischen Nutzen. Ferner gibt es nichts, was als solches schön ist, ohne etwas Bestimmtes zu sein, etwa ein Gegenstand, eine Handlung, eine Eigenschaft. Das gilt zwar, recht besehen, auch für das Gute; im Fall von Gutem
des Pausanias (180c–185c), eine Unterscheidung, auf die der Arzt Eryximachos aufbaut, wenn er von einem allgemeinen Harmonieprinzip spricht, das auch das Gute im Menschen begründet (185e–188d). 10 Dass das Symposion in der tetralogischen Anordnung des Thrasyllos den Untertitel: ‚Über das Gute‘ (Περὶ ἀγαθοῦ) trägt, dürfte wohl der Verlegenheit geschuldet sein, dass ‚Über den Eros‘ als Untertitel des Phaidros fungiert und ‚Über das Schöne‘ als der des Hippias Major (Diogenes Laertius, Vita III, 56–60).
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erscheint die Notwendigkeit einer Ergänzung aber deswegen nicht problematisch, weil man mit ‚gut für jemanden’ immer schon einen bestimmten Nutzen oder Vorteil assoziiert. Bei ‚Schönem‘ ist dagegen unklar, was der Betreffende davon haben soll. Man wird dadurch ja nicht selbst schön und eine Spezifizierung schöner Dinge und der Art, wie ihr Besitz uns erfreut oder erhebt, müsste in ganz verschiedene Richtungen führen. Mit dem Guten hat Sokrates hingegen keine Schwierigkeiten: Wie er lapidar versichert, begehrt man Gutes, weil es einem den Besitz des Glücks sichert (204e). Diotima geht auf den Grund für Sokratesʼ Verlegenheit bezüglich des Schönen nicht weiter ein. Auch seine Erklärung, dass man Gutes zu besitzen wünscht, weil es einen glücklich macht, quittiert sie nur mit der Bemerkung, eine weitere Nachfrage erübrige sich, weil die Frage nach dem Guten mit dem Glück ihre endgültige Antwort gefunden hat (205a3: τέλος … ἔχειν). Stattdessen nimmt Diotima die Frage nach der Natur des Eros wieder auf und legt – auf einigen Umwegen − dar, dass der Eros dem jeweils eigentümlichen Guten gilt, welches die Menschen nicht nur zu haben, sondern für immer zu haben begehren. Recht verstanden, so erklärt sie weiterhin dem verblüfften Sokrates, liegt das Ziel dieses Begehrens in der ‚Geburt in Schönem‘ (206b7: τόκος ἐν καλῷ). Auf seine Bitte um nähere Erläuterung dieses Rätselspruchs hin führt sie aus, dass für sterbliche Lebewesen in Schwangerschaft und Geburt ein Element der Unsterblichkeit liegt, während das Schöne nicht selbst der Gegenstand des Eros ist, sondern − wie wir heute sagen würden − nur als eine Art von ‚Katalysator‘ fungiert, weil nichts in ‚Hässlichem‘, sondern alles nur in ‚Schönem‘ erzeugen/gebären kann; Schönes liegt in ‚Angemessenem/Harmonischem‘ (ἁρμοστόν), Hässliches in ‚Unangemessenem/Disharmonischem‘ (ἀναρμοστόν).11 Wie sich im Folgenden bestätigt, ist der Verweis auf die Unsterblichkeit nicht in einem jenseitigen Sinn gemeint, sondern in dem diesseitigen Sinn von Selbsterhaltung und Selbst-Perpetuierung.12 Diese für Platon ungewöhnliche Bedeutung von Unsterblichkeit ist zunächst einfach zur Kenntnis zu nehmen, so wie auch seine Begründung dafür, dass Menschen immer auf Zeugung und Erzeugung aus sind, weil sie nur auf diese Weise das für sie Gute ‚immer haben‘
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Das Vexierspiel mit den Begriffen des Schönen und des Guten ist anderen Kommentatoren natürlich nicht entgangen; die hier vorgeschlagene Erklärung einer systematischen Unterscheidung findet sich bei ihnen jedoch nicht, auch nicht in den sehr detaillierten Ausführungen von Kurt Sier, Die Rede der Diotima. Untersuchungen zum platonischen Symposion, Stuttgart 1997, 96–124 oder bei Christopher Rowe, Plato’s Symposium, Edited with Translation and Commentary, Warminster 1998, 177–181. 12 Dass sich das Streben nach Unsterblichkeit in der Erzeugung von Nachwuchs manifestiert, wird in den Gesetzen zur Rechtfertigung einer gesetzlichen Regelung der Eheschließung angeführt (Leg., IV 721b–d).
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können.13 Die Schönheit (Καλλονή) spielt bei dieser Erzeugung die Rolle einer über die Geburt wachenden Schicksalsmacht (Μοῖρα καὶ Εἰληθυία).14 Dass jedem Streben nach Gutem ein Mangel (ἔνδεια) zugrunde liegt, den es auszugleichen gilt, wie in der Beschreibung des nimmermüden Eros, wird in Diotimas Rede anschließend zwar nicht expressis verbis festgestellt, sie beschreibt aber ausführlich die stets mangelhaften Verfassungen aller Lebewesen, die sie anschließend auf ein Begehren nach Unsterblichkeit zurückführt (206e–208b): Alle Lebewesen unterliegen immer der Notwendigkeit, sich an Leib und Seele zu ergänzen und zu erneuern, weil sie nur scheinbar dieselben bleiben, sich in Wahrheit aber in einem ständigen Fluss befinden. Nur scheinbar bleiben sie von Kindheit bis ins Alter dieselben; in Wahrheit findet ein ständiger Austausch statt, der sie am Leben hält. Nicht nur bedürfen Blut, Fleisch, Haare und Knochen stets eines Ersatzes, sondern Entsprechendes gilt auch für die Seele. Denn Charakter, Sitten, Meinungen, sowie auch Freude und Schmerzen unterliegen stets einem Schwinden und Nachwachsen. Dasselbe gilt sogar für jede Art von Wissen: Was man nicht immer wieder auffrischt, fällt dem Vergessen anheim. Auch eine Erkenntnis bleibt daher nur scheinbar dieselbe, weil man nicht bemerkt, dass ihr Erhalt auf ständiger Erneuerung beruht. Wer rastet, der rostet. Für diese ‚Flusslehre‘ in physiologischer, psychologischer und intellektueller Hinsicht findet sich bei Platon sonst keine Parallele; seine physiologischen Einsichten dürften sich aber vor allem der Medizin verdanken.15 Diese Flusslehre erklärt jedenfalls, in welchem Sinn Platon allen Lebewesen ein Streben nach Unsterblichkeit in diesem Leben unterstellt und damit zugleich begründet, warum sie immer in einem ‚erotischen Zustand‘ sind, einem Zustand von Begehren aller Art. Dass man sonst nicht in all diesen Fällen von ‚Erotik‘ spricht, hat Sokrates zuvor mit der auch sonst zu beobachtenden Beschränkung des Sprachgebrauchs auf eine einzige Art begründet, derart, dass z.B. der Eros im Volksmund nur der geschlechtlichen Liebe gilt (205a9–d8).16
13 Die Tatsache, dass das Symposion die Unsterblichkeit der Seele nach dem Tod nicht einmal erwähnt, ist kein Anzeichen für eine frühe Datierung dieses Dialogs; vielmehr dürfte Platon sie bewusst ausgespart und sich hier auf ein reines Diesseitsevangelium konzentriert haben, so wie er das auch im nachweislich späten Philebos tut. 14 206d: Die Wahl des sonst seltenen, femininen Nomens Καλλονή verdankt sich offensichtlich der Tatsache, dass es als Name einer Göttin taugt, was für das Neutrum κάλλος nicht gilt. 15 Diese Lehre steht nicht in einem Widerspruch zu Platons Kritik an der radikalen herakliteischen Flusslehre im Theaitetos (179d–183c); denn dort geht es um Veränderung in jeder Hinsicht in jedem Augenblick, welche selbst die Identifizierung von Objekten unmöglich macht. Hier begründet Platon hingegen mit der Flusslehre die dynamische Kontinuität der sich stets verändernden Lebewesen. 16 Sein Beispiel ist die Verengung der Rede von ‚Herstellung‘ (ποίησις) auf die Erzeugnisse der Dichter (205b–c).
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Während Gutes also in dem jeweils zu Ersetzenden bzw. zu Erzeugenden besteht, wirkt das Schöne wie eine Art von Katalysator. Diotima behauptet nämlich, bei allen Erzeugungen gehe es um eine ‚Geburt in Schönem‘ (206b7–8: τόκος ἐν καλῷ) und zwar sowohl bei den Erzeugnissen des Geistes wie auch bei denen des Körpers. Ohne Schönes gelingt diese Geburt nicht und Hässliches verhindert sie nachgerade. Was genau damit gemeint ist, lässt sich prima facie nicht präzise sagen; denn Platon spielt mit der Zweideutigkeit, die darin liegt, dass ‚τόκος‘ sowohl den Sinn von ‚Zeugung‘ (wie die Rede vom ‚Beiwohnen‘ nahelegt, der συνουσία von Mann und Frau), wie auch den Sinn von ‚Geburt‘ hat, und zwar sowohl bei Männern wie bei Frauen, da zugleich von Zeugung, γέννησις, und von Schwangerschaft, κύειν, die Rede ist.17 Diese Verquickung von Zeugung und Geburt und die weiteren Ausführungen im Folgenden sprechen für die Annahme, dass es Platon um die Erklärung von Kreativität überhaupt, im physischen, künstlerischen und geistigen Sinn geht. Damit verliert seine Behandlung des Beispiels von Zeugung und Geburt ihre Befremdlichkeit; denn Erzeugung und Geburt liegen nur bei der physischen Zeugung zeitlich weit auseinander und nur diese Zeugung erfordert notwendig die Kooperation zweier Partner. Ferner stellt sich nur bei der physischen Zeugung die Frage, ob sich das Schöne auf den jeweiligen Partner, auf die Umstände bei Erzeugung und Geburt oder auf die Natur ihres Objekts, des zu Erzeugenden, bezieht. Andere kreative Akte kann man nicht nur allein ausführen bzw. Partner spielen keine derart unterschiedliche Rollen, sondern die Umstände können auf beiden Seiten die gleichen sein, so dass die Erklärung weniger seltsam klingt, dass es ‚zur Geburt im Hässlichen‘ nicht kommen kann. Hässliches inspiriert weder zu körperlicher noch zu geistiger Kreativität, und das gilt sowohl für den Gegenstand, für die Mitwirkenden wie auch für die Umstände des Erzeugens. Bei näherem Hinsehen erweist es sich allerdings als nicht richtig, im Schönen nur eine Art von Katalysator zu sehen. Diese Kennzeichnung kann lediglich als erster Notbehelf dienen. Bei kreativen Tätigkeiten geht es nämlich um verschiedene schöne Dinge: Nicht nur müssen die Mittel und die Umstände schön sein, sondern dasselbe gilt auch für die Produkte (209c–e). Nur so kann die Arbeit an etwas Schönem gelingen, sei sie von physischer, psychischer oder intellektueller Art. ‚Schön‘ muss nicht in einem ästhetischen Sinn, sondern kann auch in einem moralischen und intellektuellen Sinn gemeint sein.
17 Die Tätigkeit des Geburtshelfers im Theaitetos (148e–150b) erstreckt sich zwar auch auf weit mehr als auf die Geburt selbst; sie beschränkt sich aber naturgemäß auf die Mitwirkung: Außer der Einleitung und Betreuung der Geburt gilt sie der Auswahl und Vermittlung der Partner, der Diagnostik und Überwachung der Schwangerschaft sowie der Überprüfung der Lebensfähigkeit des Geborenen. Von Schönheit ist dabei nicht die Rede. Auf die Schönheit, die der nicht-schöne junge Theaitetos im Lauf des Gesprächs an den Tag legt, sei hier nur verwiesen (142b–143e; 185e).
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Wird aber in dieser Erklärung das Schöne nicht doch mit dem Guten gleichgesetzt, wenn auch die Produkte kreativer Tätigkeiten schön sein sollen? Eine solche Gleichsetzung liegt deswegen nicht vor, weil sich ‚schön‘ auf die Umstände und den Gegenstand des Tuns im weitesten Sinn bezieht, während ‚gut‘ das Resultat für seinen Schöpfer selbst ist, nämlich die oben genannte Selbsterhaltung und -ergänzung. Dieser Unterschied erklärt, warum Platon so ausführlich auf die Frage eingeht, was die jeweilige Tätigkeit für ihren Hersteller selbst bedeutet. Denn darauf liegt in der Tat zunächst Platons Hauptaugenmerkt, wenn er vom Erwerb der Unsterblichkeit in ihren verschiedenen Versionen spricht. Eben dieser Erwerb erklärt, was an den genannten Handlungen für ihren Erzeuger selbst gut ist. Beachtet man die Einschränkung in der Kennzeichnung des Guten nicht, dann muss es freilich befremden, dass all die großen Taten die eigene Unsterblichkeit zum Ziel haben sollen, d.h. dass Eltern sich angeblich nur deswegen für ihre Kinder aufopfern, Alkestis für ihren Mann in den Tod gegangen und Achill seinem Freund Patroklos nachgestorben ist: Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie sich damit jeweils ihr Nachleben durch ewigen Ruhm und Erinnerung sichern (208e–209a). Das heißt aber nicht, dass darin ihr einziges Motiv liegt. Wäre Sicherstellung der Unsterblichkeit im Sinne des ewigen Nachruhms für die Betreffenden tatsächlich die einzige Motivation ihres Handelns, dann läge darin ein hoffnungsloser Egozentrismus. Davon kann aber nicht die Rede sein; vielmehr ist der Nachruhm lediglich derjenige Gesichtspunkt an der schönen Tätigkeit, der nur einem selbst gilt; er ist dasjenige, was daran für einen selbst gut ist. Das Tun gilt hingegen etwas Schönem – wie etwa im Fall der Alkestis der Selbstaufopferung für ihren Mann, und Entsprechendes gilt auch für die übrigen Beispielsfälle. Die Betreffenden tun also nicht nur etwas Schönes, sondern eben damit auch etwas Gutes für sich selbst, wie das die ‚dämonischen Zwischenwesen‘, die wir alle sind, für sich selbst tun und tun müssen, weil dieser Aspekt des jeweiligen Tuns der Selbsterhaltung, auch über den eigenen Tod hinaus gilt. Dass Platon eben diesen Unterschied zwischen dem schönen Geschaffenen und dem, was dieses Schaffen für einen selbst an Gutem bedeutet, im Auge hat, stellt er alsbald unter Beweis. Er kehrt nämlich flugs zum schönen Gegenstand des Erzeugens zurück, indem er ausführt, dass die Erzeugnisse der Seele schöner sind als die des Leibes (209a3–b2): „Was ziemt ihr denn? Weisheit und jede andere Tugend, deren Erzeuger auch alle Dichter sind und alle Künstler, denen man zugesteht, erfinderisch zu sein. Die größte und bei weitem schönste Weisheit ist aber diejenige, welche sich in der Ordnung der Staaten und des Hauswesens zeigt, deren Name Besonnenheit und Gerechtigkeit ist. Wer nun diese von Jugend an in sich trägt, der wird auch, wenn die Zeit herankommt, Lust haben, zu befruchten und zu erzeugen.“ Und eben Derartiges wird derjenige mit anderen Menschen zusammen ausführen, die ihm besonders schön erscheinen. Die betreffende Tätigkeit wird nicht nur zusammen mit anderen ausgeübt, sondern sie betrifft auch das Wohl der anderen. Denn zur Erläuterung der ‚Kinder‘, die das Ergebnis dieser Erzeugung sind, fügt Platon noch hinzu, dass man statt
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menschlicher Kinder besser solche erzeugen sollte wie die Dichtungen Homers und Hesiods oder wie die Gesetzgebung durch Lykurg und Solon (Symp. 209c7– e4).18 Diese Werke sind nämlich als solche schön. Das Gute für ihre Erzeuger selbst besteht hingegen darin, sie geschaffen zu haben; denn damit verewigen sie sich, jedenfalls soweit der Nachruhm reicht, der von Generation zu Generation weitergetragen wird und ihnen Unsterblichkeit verleiht (209d3: ἀθάνατος κλέος).19 Liegt in dieser Erklärung nun aber nicht eine grundsätzliche, unterkühlte Ironisierung der Produkte menschlichen Bemühens dieser Art überhaupt? Ausschließen lässt sich diese Möglichkeit natürlich nicht. Gleichwohl spricht gegen die Annahme einer tiefgründigen Ironisierung, dass die gelungenen Produkte dieser Art ‚im Schönen‘ erzeugt werden und Schönes enthalten. Es dürfte in Platons Augen den Wert dieser Erzeugnisse nicht mindern, dass sie für ihre Schöpfer etwas Gutes darstellen, solange das nicht der einzige Zweck ist, den sie damit verfolgen − so wie man allerdings frommen Menschen manchmal nachsagt, dass sie Gutes nur deshalb tun, weil sie sich damit den Himmel zu verdienen hoffen. An dem Erwerb von etwas für einen selbst Guten durch Werke im Dienste anderer ist solange nichts falsch, als dieses Tun nicht nur dem eigenen Wohl gilt. Platon dürfte weder sagen wollen, dass den Menschen an ihren Kindern nur wegen des Fortbestands des eigenen Selbsts gelegen ist, noch auch dass aufopfernde Taten und die Werke von Dichtern und Gesetzgebern nur ihrem eigenen Nachruhm gelten. Dagegen spricht schon die Wertschätzung, der sich gute Gesetzgeber (und wohl auch gute Dichter, so es sie denn gibt) bei Platon sonst erfreuen. Der Nutzen, der für sie selbst im Erhalt ihrer schönen Werke liegt, mindert ihren Wert nicht. Platon muss nicht einmal sagen wollen, dass sich die Schöpfer dieses Eigennutzens der in ihren Werken liegt, überhaupt bewusst sind. Der Aufweg zum Schönen im letzten Teil des Lehrstücks der Diotima (210a– 212b) zeichnet sich hingegen dadurch aus, dass hier nicht die Produkte, sondern vielmehr das Tätigsein selbst im Zentrum steht. Und während das Schöne in der Beschreibung der verschiedenen Arten von Erzeugung die Funktion eines Katalysators hat, ist Schönes nun der Gegenstand der verschiedenen Stufen der Erkenntnis und stellt den Endpunkt des Aufwegs dar. Der Wanderer geht diesen Weg aber nicht etwa allein, sondern er teilt ihn mit anderen.20 Dazu nur eine ganz 18 Es ist aber durchaus möglich, das hier auch eine Anspielung auf die beiden anwesenden Dichter, Aristophanes und Agathon, beabsichtigt ist, die darauf aus sind, mit ihren ‚Kindern‘ ihren unsterblichen Ruhm zu sichern. 19 Das Symposion beschränkt sich ganz auf diese ‚sterbliche Unsterblichkeit‘ der Ergänzung des eigenen Selbst durch den Eros, im Unterschied zur Unveränderlichkeit der Götter (Symp. 202d1–3; 203d9–e5; 206e et pass.). 20 Die Frage, inwiefern die Lobrede des Alkibiades auf Sokrates ein Zeugnis für einen missglückten Aufweg ist, kann hier nicht verfolgt werden. Alkibiadesʼ Werben um Sokrates wirkt aber wie ein Echo auf die Rede der Diotima: Alkibiades erkennt zwar die übergroße innere Schönheit des Sokrates (216e), versteht aber nicht, dass sie keine Ware ist, die sich
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knappe Erinnerung an die Stufen dieses Wegs: Ein schöner Körper inspiriert den Betrachter nicht nur zur Liebe zu diesem Körper, sondern lässt ihn das Schöne in allen Körpern erfassen – und diese Einsicht führt wiederum zur Erkenntnis der Schönheit der Seele und dessen, was daran schön ist, nämlich der schönen Sitten. Auf jeder Stufe teilt der Betreffende seine Einsichten mit anderen (‚schöne Reden‘). Diese Stufen führen den Wanderer schließlich zum Schönen in den Erkenntnissen selbst; eine Einsicht, die sich wiederum in schönen Reden und Gedanken niederschlägt, die er mit anderen teilt. Hat der Wanderer einmal die höchste Stufe erreicht, dann ist er jedoch nicht mehr auf einzelnes Schönes und einzelne schöne Menschen fixiert, sondern er erkennt, dass es überall Schönes zu erkennen und auch zu tun gibt – eben dies bringt ihn zur ‚Vollendung in der Liebeskunst‘. Er begreift nämlich, dass allem, was schön ist, etwas gemeinsam ist, was zusammenfassend als das ‚Prinzip des Schönen überhaupt‘ bezeichnet werden kann. Dieses Prinzip ist etwas, was − anders als das einzelne Schöne und die vielen schönen Dinge, gleich ob körperlicher oder geistiger Art, − weder entsteht noch vergeht, was nicht im Vergleich mit anderen Dingen schöner oder weniger schön, sondern etwas von ihnen Unabhängiges ist, was sich aber in allem anderen Schönen wiederfindet. Der Wanderer erkennt, dass es dieses eine Schöne gibt, dass es nicht in einzelnen Dingen besteht, sondern vielmehr dasjenige ist, was hinter jeder Art von Erzeugung steht (211e4–212a7). Eben dies ist der wahre Sinn des Eros: Er ist der Ansporn dazu, diesen Weg der Erkenntnis zu gehen. Ergebnis dieses Aufwegs im letzten Teil der Rede der Diotima ist keine mystische Ideenschau auf der ‚hohen See des Schönen‘, wie das manchmal angenommen wird. Die Rede von einem ‚Schauen‘ (210a1: ‚ἐποπτικά‘) legt das zwar nah; Diotima hält aber daran fest, dass es auch hier um Kreativität (212a3–7: τίκτειν) geht, die es in diesem Leben zu verwirklichen gilt. Die Menschen kommen nicht an einen höchsten Punkt, an dem sie ihre ‚dämonische Natur‘ abstreifen und fortan weiter wie auf den Inseln der Seligen leben können. Vielmehr bleiben sie ‚Zwischenwesen‘, die der ständigen Erneuerung und Ergänzung bedürfen, hinsichtlich des Leibes, der Seele und des Geistes. Die Erkenntnis, dass es das Schöne gibt und dass es, im Prinzip, überall dasselbe ist, heißt nicht, dass Menschen nichts mehr weiter zu tun haben als in mystischer Anbetung des Einen, Schönen zu verharren. Die Erkenntnis des Schönen selbst ist keine Endstation, an der man stehenbleiben könnte. Auch das φιλοσοφεῖν ist eine Tätigkeit und kein ein für alle Mal ‚gesättigtes‘ Wissen. Der Unterschied zwischen der Beschreibung des ‚Erzeugens in Schönem‘ (204c–209e) und der des ‚Aufwegs zum Schönen‘ (209e–212c), liegt darin, dass es dem Erzeugen um die Selbstperpetuierung geht, auch über den eigenen Tod hinaus, der Aufweg zum Schönen hingegen der Selbstvervollkommnung in diesem Leben durch die Erkenntnis des Schönen selbst gilt. Denn die Annäherung um den Preis körperlicher Liebe erwerben lässt.
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an das Schöne selbst führt zur Geburt von wahrer Tugend (212a5: τεκόντι); ihr Schöpfer „wird den Göttern lieb [θεοφιλής] und wenn irgendein Mensch, so wird dieser unsterblich sein“ (212a6–7: καὶ εἴπέρ τῳ ἄλλῳ ἀνθρώπων ἀθανάτῳ καὶ ἐκείνῳ).21 Von einem Nachleben des Schöpfers durch das Geschaffene ist hier nicht mehr die Rede. Darin liegt der entscheidende Unterschied zwischen den verschiedenen Arten von Erzeugungen im Schönen und der Erkenntnis des Schönen selbst. Ob das Schöne keine Wirkung auf Menschen hätte, wenn sie keine dämonischen Zwischenwesen wären, ist eine müßige Frage. Menschen sind keine Götter und können nicht einmal sagen, was es heißt, solche Wesen zu sein. Weil sie ‚Zwischenwesen‘ sind, spricht das Schöne sie an und regt sie zur Kreativität an – physisch, psychisch und geistig. Das Schöne ist aber kein Gut, das man besitzen kann, sondern man strebt im eigenen Interesse jeweils danach, alles zu tun und zu lernen, was um der Selbstvervollkommnung willen zu tun und zu lernen ist. Es ist aber grundsätzlich zu unterscheiden zwischen dem, was der Selbsterhaltung und Selbstperpetuierung sterblicher Wesen über den Tod hinaus dient, und dem, was zu ihrer Selbstvervollkommnung durch Erkenntnis in diesem Leben führt. Über das Verhältnis zwischen der Idee des Schönen und der Idee des Guten lassen sich aus Diotimas Rede keine weiteren Schlüsse ziehen. Denn sie bezieht ‚gut‘ ausschließlich auf den Aspekt des Besitzes, d.h. auf das, was man immer zu haben wünscht. In der Erörterung der Idee des Guten in Politeia VII geht es hingegen um die ontologische Rolle des Guten. Auf dem Guten selbst, so erklärt Sokrates dort, beruht nicht nur das Sein aller Arten von Dingen, sondern auch ihre Vollkommenheit. Eben darin liegen die ‚Würde‘ (πρεσβεία) und die ‚Macht‘ (δύναμις) des Guten (Resp. 509b9).
2. Das Schöne im Philebos Als Kontrast und Ergänzung sei noch kurz die Behandlung des Schönen im Philebos herangezogen. Diese Ergänzung stellt nun nicht nur zeitlich einen großen Sprung dar, weil der Philebos allem Anschein nach zu den Spätdialogen gehört, sondern auch der Thematik nach. Denn im Philebos geht es weder um die Liebe noch um das Schöne, sondern um das Gute. Thema ist aber nicht das Gute an sich, sondern die Frage, ob die Lust oder das Wissen insofern das für den Menschen Gute ist, als sie denjenigen Zustand der Seele darstellen, der dem 21 Zu den verschiedenen Arten von Unsterblichkeit bei Platon vgl. David Sedley, „Three Kinds of Platonic Immortality“, in Dorothea Frede/Burkhard Reis (Hgg.), Body and Soul in Ancient Philosophy, Berlin 2009, 145–162. Sedley unterscheidet die ‚erworbene Unsterblichkeit‘ des Symposions von der ‚wesentlichen Unsterblichkeit‘ des Phaidon und der ‚verliehenen Unsterblichkeit‘ des Timaios.
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Menschen zu einem glücklichen Leben verhilft (Phileb. 11a–d). Bekanntlich erweist sich im Philebos alsbald, dass das gute Leben beides enthalten muss, d.h. sowohl Wissen wie auch Lust, so dass die Diskussion fortan der Frage gilt, welche Art von ‚Mischung‘ aus ihren beiden Gattungen denn wohl die beste ist (22a– b). Eben diese Frage findet am Ende des Dialogs ihre Antwort (61d–64b). Der Philebos hat aber, bei aller Verschiedenheit der Fragestellung, der Dialogsituation und der Vorgehensweise, doch einiges Wichtige mit dem Symposion gemeinsam: Auch hier wird dem Menschen grundsätzlich ein ‚Mangel‘ (ἔνδεια) unterstellt. Die Lust besteht nämlich in der Erfüllung eines Mangels bzw. in der Wiederherstellung des Gleichgewichts an Leib und Seele (Phileb. 31b–35e). Die Lust steht daher auch hier in einem engen Zusammenhang mit der Selbsterhaltung. Und wie im Symposion ist weder von einer Dreiteilung der Seele die Rede, noch auch von ihrer Abtrennbarkeit vom Körper oder überhaupt von einem Leben im Jenseits nach dem Tod. ‚Unsterblichkeit und Alterslosigkeit‘ wird nur der dialektischen Verwirrung über Einheit und Vielheit zugesprochen, einer Verwirrung, der die Menschheit allzeit unterliegt (15d8: ἀθάνατόν τι καὶ ἀγήρων πάθος ἐν ἡμῖν). Sokrates bezeichnet das Schöne zwar anfangs zusammen mit dem Guten als eines der Dinge, deren Einheit und Vielheit ein grundsätzliches Problem darstellen, das nur mit Hilfe der dialektischen Methode zu lösen ist (Phileb. 15a–16b).22 Das Schöne erfährt jedoch im weiteren Verlauf des Gesprächs keine große Beachtung mehr; denn zur Erläuterung der dialektischen Vorgehensweise stützt sich Sokrates auf Beispiele ganz anderer Art, nämlich auf die Einheit und Vielheit der Buchstaben und der Töne in der Musik (17a–e). Nur gegen Ende des Dialogs, bei der Bestimmung der Zusammenmischung aus Lust und Wissen, die das Gute des Menschen ausmachen soll, hat das Schöne einen kurzen aber prägnanten Auftritt (63e–65e). Als die Ursache für die Beständigkeit jeder guten Mischung wird nämlich die Schönheit zusammen mit Maß und Verhältnismäßigkeit ausgemacht. So behauptet Sokrates (64e): „Damit hat das Gute aber bei der Natur des Schönen Zuflucht gefunden. Denn richtiges Maß und Verhältnismäßigkeit manifestieren sich überall als Schönheit [κάλλος] und Tugend [ἀρετή]. Aber auch die Wahrheit hat sich zu ihnen in der Mischung beigesellt, wie wir sagten.“ Und daraus zieht Sokrates den Schluss: Wenn wir das Gute nicht in einer Form [μίᾳ ἰδέᾳ] einfangen können, dann wollen wir es durch eine Dreiheit fassen [σὺν τρισὶ λαβόντες], durch Schönheit [κάλλει], Verhältnismäßigkeit [συμμετρίᾳ] und Wahrheit [ἀλήθειᾳ], und erklären, dass es wie eine Einheit zu Recht für die Konsistenz der Mischung verantwortlich zu machen ist und dass seinetwegen, weil es gut ist, eine ebensolche Mischung zustande gekommen ist. (Phileb. 65a).
22 Die Formulierung des Problems legt nah, dass mit den Einheiten die Ideen gemeint sind (Phileb. 15a–b). Sokrates spricht nämlich nicht nur in prägnanter Weise von ‚Monaden‘ und ‚Henaden‘, sondern erklärt dazu, dass es sich um Dinge handelt, die weder Werden noch Vergehen unterliegen.
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Dieser Satz hat zu allerhand Deutungen Anlass gegeben. So sehen hier manche Interpreten einen Beweis dafür, dass die Idee des Guten eine dreifache Natur hat und mit dem Schönen, Maßvollen und Wahren gleichzusetzen ist. Die Idee des Guten dürfte hier aber gar nicht gemeint sein. Denn es geht nicht um das Gute an sich, sondern um die Kennzeichnung der guten Mischung in der Seele des Menschen. Diese Mischung soll daran erkennbar sein, dass sowohl sie selbst wie auch ihre Ingredienzien schön, verhältnismäßig und wahr sind. Die Wahrheit ist insofern zuvor in der Erörterung der Lust thematisiert worden, als ausgiebig Kritik an den verschiedenen Arten von falscher Lust geübt wurde (36c–53b); nur wahre und reine Arten von Lust waren schließlich überhaupt in die Mischung aufgenommen worden (61e–64b). Den verschiedenen Wissensarten gegenüber ist Sokrates großzügiger: Sie alle, auch die weniger genauen Disziplinen, werden in die Mischung der Seele zugelassen, solange auch sie auf der reinsten (καθαρωτάτη) und genausten (ἀκριβεστάτη) Wissenschaft, d.h. auf der Dialektik beruhen (55d–58d). Daraus ergibt sich auch das dritte Kriterium in der Bestimmung der guten Mischung, die Maßhaftigkeit (μέτρον). Zu guten Mischungen gehören nämlich auch Schönes und die Schönheit (dazu 26b5–6: „alles Schöne […] und mit der Gesundheit Schönheit und Kraft“ – μεθ’ ὑγιείας κάλλος καὶ ἰσχύν). Dass das Gute am Ende als eine Dreiheit gefasst wird, hat aber auch einen wichtigen gesprächstaktischen Grund. Protarchos soll in einem abschließenden Vergleich die drei Faktoren Schönheit, Maßhaftigkeit und Wahrheit der Reihe nach als Kriterien zur Bewertung der beiden Kandidaten Lust und Wissen verwenden. Ohne diesen Katalog von drei Kriterien hätte Sokrates Protarchos platterdings fragen müssen, welche von beiden Kandidaten denn nun besser sei. Er würde damit aber nur die Ausgangsfrage des ganzen Gesprächs wiederholen (11a–d). Dank der Dreiteilung des Guten stehen kann sich Protarchos bei seiner Urteilsfindung an drei verschiedenen Kriterien orientieren. Wie nicht anders zu erwarten, siegt das Wissen in diesem Wettbewerb über die Lust nach allen drei Punkten, vor allem, weil Protarchos nur noch an die körperliche Lust denkt – insbesondere an die Liebeslust − und daher energisch versichert, sie sei weder maßhaft noch schön noch wahrhaftig: Die erotische Liebe kennt kein Maß; ihre Praktiken sind nicht schön, vielmehr betreibt man sie im Verborgenen. Auch wahrhaftig ist sie nicht, weil in der Liebe alles erlaubt ist und man ihr selbst Meineide nachzusehen pflegt (65b–e).23 Wenn hier also bei der Dreiteilung des Guten in Schönheit, Maßhaftigkeit und Wahrheit nichts Geheimnisvolles, Metaphysisches am Werk ist, das über Platons Ideenlehre Auskunft gibt, was ist denn dann der ‚Mehrwert‘, der aus dieser 23 Zur Frage, warum Protarchos seine Bewertung auf die körperliche Lust beschränkt, vgl. Dorothea Frede, „An all-too-easy win? Protarchus’ final evaluation of pleasure in the Philebus“, in: Jakub Jirsa/Filip Karfík/Stepan Spinka (Hgg.): Plato’s Philebus. Proceedings of the Ninth Symposium Platonicum Pragense, Prag 2016, 167–194.
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Erklärung zu beziehen ist? Die abschließende Bewertung enthält in der Tat nichts Geheimnisvolles, sondern bestätigt nur das Prinzip, dass alles, was gut ist, sich durch Schönheit auszeichnet – und zwar sowohl Physisches wie auch Psychisches und Intelligibles. Denn alles Gute ist „angemessen, schön und vollkommen“, wie Sokrates zur ‚Preisverleihung‘ bemerkt, mit der er die Diskussion abschließt (66b). Dass das Schöne unsere Sinne wie auch unseren Geist anspricht und zum Tätigsein anregt, wird im Philebos nicht eigens nachgewiesen. Das ist aber auch nicht das Thema dieses Dialogs, sondern die Frage, welche seelische Verfassung für den Menschen gut ist, weil sie ihn glücklich macht. Und als solche erweist sich die richtig gemischte und daher auch ‚schöne‘ Verfassung der Seele. Denn alles, was eine Einheit hat, die auf Maß und Ordnung beruht, ist auch schön. Der Glanz, von dem Platon im Phaidros für alles Schöne spricht, ist eben diejenige Wirkung, die alles harmonisch Geordnete hat. Das macht das Schöne jedoch nicht zu einem Nebenprodukt des Guten, sondern erklärt vielmehr, warum die Menschen sich darum bemühen. Von ‚Mangel‘, ἔνδεια, ist zwar am Ende des Philebos nicht mehr die Rede – dem soll schließlich durch die richtige Mischung aus Lust und Wissen abgeholfen sein. Dass diese Mischung bei Menschen nie ein stabiler Zustand sein kann, ist zuvor im Dialog hinreichend dargelegt worden. Auch wenn wir von manchen Arten des Mangels nichts merken, ist es doch ein ‚ungefühlter Mangel‘ (51b5: ἀναίσθητος ἔνδεια), der uns jeweils nach Erfüllung streben lässt. Das gilt auch für die Freude an den Wahrnehmungen von reinen Farben oder Tönen, wie auch für die Lust am Lernen. Wohlgeordnetes, Wahres und Schönes ist das Ziel eines jeden Strebens und jeder Tätigkeit; sie gelten demjenigen, woran es uns gerade mangelt. Denn um Dinge, an denen es ihnen nicht mangelt, werden die Menschen sich nicht bemühen. Wenn sich alles Gute durch Wahrheit, Maßhaftigkeit und Schönheit auszeichnet, ist die Idee des Schönen dann aber überhaupt noch verschieden von der Idee des Guten? Unterscheiden lassen sie sich zwar, voneinander trennen lassen sie sich jedoch nicht. Denn Schönes wirkt nur deswegen auf Menschen, wie es wirkt, weil es als das, was es ist, für ihn auch gut ist. Nur dann ‚glänzt‘ das Schöne, um mit dem Phaidros zu sprechen. Und wenn manche Dinge keinen Glanz haben, obwohl sie für uns gut sind, wie etwa Gerechtigkeit, Besonnenheit und Tapferkeit, so muss das darauf beruhen, dass Mühe und Anstrengung erforderlich sind, um sie zu erwerben, sich entsprechend zu verhalten und sie damit zu erhalten. Das Schöne ist daher keine Eigenschaft, die vom Guten getrennt auftreten kann; denn Schlechtes ist nicht schön – selbst wenn manche Menschen manches Schlechte aus physischen und psychischen Gründen für schön halten, weil sie einen ihrem Zustand entsprechenden Mangel verspüren. Das Schöne ist jeweils
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ein bestimmter Aspekt an für die Menschen guten Dingen, nämlich eben der Aspekt, der sie anzieht und sie tätig werden lässt.24
Schluss Wie steht es dann aber um das interesselose Wohlgefallen bei Platon? ‚Interesselos‘ im Sinne Kants ist die Lust an schönen Tönen, Farben und auch am Lernen insofern, als man nichts weiter mit ihnen vorhat, sondern das Interesse einzig ihrer Betrachtung gilt. Vielmehr bringt man dem Schönen Bewunderung entgegen und zwar keine ‚kalte‘, ‚tote‘ Bewunderung, die mit Distanz einhergeht, sondern die lebendige, warme Bewunderung, die Platon vorauszusetzen scheint, wenn er von den ‚Produkten‘ spricht, die den Aufweg zum Schönen charakterisieren, wie etwa die schönen Sitten und Handlungsweisen. Ihnen gelten auch die mit einem anderen geteilten schönen Reden und Gedanken, die schließlich in der Einsicht in das Schöne selbst ihren Höhe- und Endpunkt finden.25 Was all diesen Arten von Schönem gemeinsam ist, sagt Platon nicht; es wäre in der Tat schwierig, eine Erklärung zu finden, die begreiflich macht, was nicht nur allen Dingen gemeinsam ist, die Schönheit an sich haben, sondern auch dem Schönen selbst zukommt, also dem, was das Schöne als solches ist. Wie lässt sich die Vollkommenheit des Schönen aber mit Platons Erklärung vereinbaren, dass auch die Freude an solchen Dingen auf einem ‚ungefühlten‘ Mangel beruht? Ist also jede Betrachtung von ästhetisch schönen Dingen und jede Überlegung über etwas geistig Schönes eine Art von Kompensation für einen Mangel? Dafür spricht, dass Platon sowohl im Symposion (204a) wie auch im Philebos (33b7–8) versichert, dass die Götter weder Freude noch Schmerz empfinden bzw. dass das göttliche Leben beides nicht enthält. Im Symposion geht es zwar nicht um Freude oder Lust, Diotima erklärt aber, dass keiner der Götter begehrt, weise zu werden, sondern bereits weise ist; daher philosophiert auch keiner von ihnen. Die Philosophen sind hingegen nicht weise, sondern stehen zwischen Weisheit und Unverstand. Eben deswegen streben sie nach Weisheit, als der schönsten Sache, die für sie zugleich ihre Vollendung bedeutet. Weil Menschen per se nicht vollkommen sind, suchen sie Dinge, die an sich vollkommen und damit schön sind; eben diese sind daher aber zugleich auch für die Menschen gut.
24 Zu dieser Wirkung des Schönen vgl. Dorothea Frede, „Life and its Limitations: The Conception of Happiness in the Philebus“, in: John Dillon/Luc Brisson (Hgg.), Plato’s Philebus. Selected Papers from the Eighth Symposium Platonicum, Sankt Augustin 2010, 3– 16. 25 Zur Bewunderung als der Wirkung des Schönen auf den Menschen vgl. Rachel Barney, Notes on Plato, v.a. 373–377.
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Das Schöne und das Gute lassen sich also nur dann trennen, wenn man ‚schön‘ auf die Sache selbst bezieht, nach der man strebt, ‚gut‘ dagegen auf die Wirkung, die sie auf einen selbst ausübt. Diese Trennung unternimmt Platon zwar im Symposion und auch im Philebos; es lässt sich jedoch nicht behaupten, dass er das überall tut.26 Eine derart einheitliche Philosophie, die stets dieselben Ziele verfolgt und mit einheitlichen Ergebnissen aufwartet, wird man bei Platon vergeblich suchen. Für jede Art des Schönen lässt sich aber sagen, dass seine Manifestationen im Betrachter ein interesseloses Wohlgefallen auslösen, deren Erkenntnis aber unter Umständen besondere ‚Augen‘ erfordert. Was man selbst sehen muss, kann einem kein anderer abnehmen; das gilt insbesondere für den Übergang von sichtbarem zu unsichtbarem Schönen. Denn dem Betrachter wird nicht allein die sichtbare Himmelsordnung als schön erscheinen, sondern auch eine Theorie, die sie erfasst und erklärt. Kenner sprechen bekanntlich gern auch von der Schönheit bzw. der Eleganz einer Theorie und haben daran ihr Wohlgefallen.
Bibliographie Ast, Friedrich, Lexicon Platonicum sive Vocum Platonicarum, 2 Bde., Leipzig 1833 (ND Darmstadt 1956). Barney, Rachel, „Notes on Plato on the ΚΑΛΟΝ and the Good“, Classical Philology 105 (2010), 363–377 (= Barney, Notes on Plato). Frede, Dorothea, „Life and its Limitations: The Conception of Happiness in the Philebus“, in: John Dillon/Luc Brisson (Hgg.), Plato’s Philebus. Selected Papers from the Eighth Symposium Platonicum, Sankt Augustin 2010, 3–16. –, „An all-too-easy win? Protarchus’ Final Evaluation of Pleasure in the Philebus“, in: Jakub Jirsa/Filip Karfík/Stepan Spinka (Hgg.), Plato’s Philebus. Proceedings of the Ninth Symposium Platonicum Pragense, Prag 2016, 167–194. Gadamer, Hans-Georg, Texte zur Ideenlehre, Frankfurt 1978. Irwin, Terence, Plato. Gorgias, Translated with Notes, Oxford 1979. Meyer, Mischa, „Kalokagathia“, in: Hubert Cancik, Helmuth Schneider, Manfred Landfester (Hgg.), Der Neue Pauly, Bd. 6, 209–210. Rowe, Christopher, Plato’s Symposium, Edited with Translation and Commentary, Warminster 1998. Sedley, David, „Three Kinds of Platonic Immortality“, in Dorothea Frede/Burkhard Reis (Hgg.), Body and Soul in Ancient Philosophy, Berlin 2009, 145–162. Sier, Kurt, Die Rede der Diotima. Untersuchungen zum platonischen Symposion, Stuttgart 1997.
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Cf. Platon, Leg., II, 966a; dort verweist der Fremde auf die Notwendigkeit, dass die Hüter der Gesetze nicht nur erkennen müssen, dass das Schöne und das Gute vieles sind, sondern auch, dass und in welcher Weise sie jeweils eines sind.
Das Schöne als Überwindung des Chorismos in der phänomenologisch-hermeneutischen Interpretation Giuliana Gregorio Die hermeneutische Wende der Phänomenologie scheint nicht, auf den ersten Blick, im Zeichen Platons geboren zu sein. Martin Heidegger, der Urheber dieser Wende, dieser ‚Torsion‘ der Phänomenologie husserl’schen Stils in die Richtung einer anti-subjektivistischen und anti-idealistischen Hermeneutik, ist bekanntlich eher ein Aristoteliker als ein Platoniker.1 Nach seiner berühmten These würde Platon geradezu am Anfang des verhängnisvollen Gangs der immer zunehmenden Seinsvergessenheit liegen, die das Denken des Abendlandes beherrscht hat. Wie er in Platons Lehre von der Wahrheit (1930) behauptet, sich auf eine Auslegung des Höhlengleichnisses des VII. Buches der Politeia stützend, hätte Platon die ursprüngliche, ‚eigentliche‛ frühgriechische Erfahrung der ἀλήθεια dadurch verzerrt, dass er die Wahrheit als Unverborgenheit unter das Joch der ἰδέα gezwungen2 und damit eine radikale Verwandlung und Veränderung ihres Wesens verursacht hätte. Die ἀλήθεια lässt der ὀρθότης, der Richtigkeit des Blicks, den Vortritt und erscheint deswegen nicht mehr als ein Grundcharakter des Seienden (des Seins) selbst. Platons Ideenlehre stellt also für Heidegger die erste Gestaltung der abendländischen Metaphysik dar, jener
1 Vgl. Martin Heidegger, Phänomenologische Interpretationen zu Aristoteles. Einführung in die phänomenologische Forschung (WS 1921/22), Gesamtausgabe, Bd. 61, hg. v. Walter Bröcker und Käte Bröcker-Oltmanns, Frankfurt a.M. 1994; ders., Phänomenologische Interpretation ausgewählter Abhandlungen des Aristoteles zu Ontologie und Logik (SS 1922). Anhang: Phänomenologische Interpretationen zu Aristoteles (Anzeige der hermeneutischen Situation) (1922), Gesamtausgabe, Bd. 62, hg. v. Günther Neumann, Frankfurt a.M. 2005; ders., Grundbegriffe der aristotelischen Philosophie (SS 1924), Gesamtausgabe, Bd. 18, hg. v. Mark Michalski, Frankfurt a.M. 2002; ders., Aristoteles: Metaphysik Θ, 1–3. Von Wesen und Wirklichkeit der Kraft (SS 1931), Gesamtausgabe, Bd. 33, hg. v. Heinrich Hüni, Frankfurt a.M. 2006. Siehe jedoch Hadrien France-Lanord, Heidegger, Aristote et Platon. Dialogue à trois voix, Paris 2011. 2 Vgl. Martin Heidegger, „Platons Lehre von der Wahrheit“, in: ders., Wegmarken, Gesamtausgabe, Bd. 9, hg. v. Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt a.M. 2004, 155–182. Siehe auch ders., Vom Wesen der Wahrheit. Zu Platons Höhlengleichnis und Theätet (WS 1931/32), Gesamtausgabe, Bd. 34, hg. v. Hermann Mörchen, Frankfurt a.M. 1997. Zu Heideggers Interpretation von Platon vgl. u.a. Andrea Le Moli, Heidegger e Platone. Essere relazione differenza, Milano 2002.
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Metaphysik, die er selbst mit so großen Denkanstrengungen zu überwinden versucht hat. Wenn wir uns aber einer anderen berühmten Schrift Heideggers zuwenden, Der Ursprung des Kunstwerkes (1936), finden wir etwas ganz Anderes. Hier spricht Heidegger nicht von Platon; im Rahmen einer radikalen Infragestellung der neuzeitlichen Ästhetik will er der Kunst ihren verlorenen ontologischen Rang wieder verleihen. Die Kunst muss als „Werden und Geschehen der Wahrheit“ verstanden werden. Gegen jede Erlebnis-Ästhetik muss man also das Schöne mit der Wahrheit selbst in Verbindung setzen. Um diesen tiefen, innersten Zusammenhang von Wahrheit und Schönheit zu beleuchten, bezieht sich Heidegger auf den Zusammenhang zwischen den Worten „schön“ und „scheinen“, der schon in Hegels These hervorgehoben wurde: „Das Schöne bestimmt sich als […] das sinnliche Scheinen der Idee“.3 Heidegger schreibt: „Das […] Licht fügt sein Scheinen ins Werk. Das ins Werk gefügte Scheinen ist das Schöne. Schönheit ist eine Weise, wie Wahrheit als Unverborgenheit west“.4 Das Wahre muss aus der Verborgenheit hervortreten, sich im Unverborgenen manifestieren, und insoweit ist es das Schöne. Aber auch in einem anderen Sinn verweist die Wahrheit von sich aus auf die Schönheit. Ist das „Schöne“ als ein Scheinen, Hervorscheinen, Hervorleuchten zu verstehen, wäre ein nicht erscheinendes, verborgenes Schönes etwas Paradoxes, Widersinniges. Wie István Fehér bemerkt: „Das Schöne muß als dies Schönes unverborgen sein, muß hervor-leuchten. Wahrheit und Schönheit verweisen sich damit ursprünglich gegenseitig aufeinander, sie werden miteinander verschmolzen“5; sie gehören ursprünglich zusammen. Heidegger behauptet also: Die Wahrheit ist die Unverborgenheit des Seienden als des Seienden. Die Wahrheit ist die Wahrheit des Seins. Die Schönheit kommt nicht neben dieser Wahrheit vor. Wenn die Wahrheit sich in das Werk setzt, erscheint sie. Das Erscheinen ist – als dieses Sein der Wahrheit im Werk und als Werk – die Schönheit. So gehört das Schöne in das Sichereignen der Wahrheit.6
Und in Was heißt Denken? schreibt er noch: „Die Schönheit ist ein Geschick des Wesens der Wahrheit, wobei Wahrheit besagt: die Entbergung des Sichverbergenden. Schön ist nicht das, was gefällt, sondern was unter jenes 3 Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Vorlesungen über die Ästhetik I, Werke in zwanzig Bänden, Theorie Werksausgabe, Bd. 13, Frankfurt a.M. 1970, 151. Vgl. dazu István M. Fehér, „‚Das sinnliche Scheinen der Idee‘. Gadamer und Hegel – Zwei Arten einer Metaphysik des Schönen“, in Annemarie Gethmann-Siefert et al. (Hgg.), Hegels Ästhetik als Theorie der Moderne, Berlin 2013, 223–246. 4 Martin Heidegger, „Der Ursprung des Kunstwerkes“, in: ders., Holzwege, Gesamtausgabe, Bd. 5, hg. v. Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt a.M. 2003, 1–74, hier 43. 5 István M. Fehér, „Kunst und Wahrheit bei Heidegger und Gadamer“, Philobiblon XIX/2 (2014), 538–557, hier 549. 6 Heidegger, Ursprung, 69 (Herv. v. Verf.).
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Geschick der Wahrheit fällt, das sich ereignet, wenn das ewig Unscheinbare und darum Unsichtbare in das erscheinendste Scheinen gelangt“.7 Abgesehen vom besonderen Kontext dieser Äußerungen (wie gesagt, die Reflexion über die Kunst), können ihre starken platonischen Betonungen natürlich nicht unbemerkt bleiben. Und Heidegger ist sich selbstverständlich dessen bewusst, wenn er z.B. im Aufsatz Der Wille zur Macht als Kunst (1936– 1937) auf detaillierte Weise beim Phaidros verweilt. In diesem Gespräch, sagt er, erörtert Platon das Schöne im Umkreis der ursprünglichen Frage des Verhältnisses des Menschen zum Seienden als solchen. Es ist eben dieses Verhältnis, das das eigentliche Wesen des Menschen ausmacht: „Damit der Mensch dieser hier leibend-lebende Mensch sein kann, muß er schon das Sein erblickt haben“.8 Weil aber der Mensch ein leibliches Seiendes ist, weil sein „Seinsblick in den Leib gebannt ist“9, kann er „das Sein nie rein im ungetrübten Glanz“ erblicken. Die verkörperte menschliche Seele erblickt das Seiende als solches „kaum und nur mit Mühe“ (μόγις καθορῶσα τὰ ὄντα, Phaedr. 248a). Ihr Blick auf das Sein (die θέα) bleibt also ἀτελῆς (Phaedr. 248b). Das menschliche Blicken ist „nur ein halbes, ein Schielen gleichsam“ und in meisten Fällen bleibt es auf die δόξα begrenzt und damit in die Seinsvergessenheit verfallen. Nur wenige vermögen es, an das Sein zu denken, aber dafür bedarf es besonderer Bedingungen. Diese leistet im eminentesten Sinn der ἔρως: Sobald der Mensch sich in seinem Blick auf das Sein durch dieses binden läßt, wird er über sich hinaus entrückt, so daß er gleichsam sich zwischen sich und dem Sein erstreckt und außer sich ist. Dieses Über-sich-hinweg-gehoben- und vom Sein selbst Angezogenwerden ist der ἔρως. Nur soweit das Sein in bezug auf den Menschen die „erotische“ Macht zu entfalten vermag, nur so weit vermag der Mensch an das Sein selbst zu denken und die Seinsvergessenheit zu überwinden.10
Was diese „Rückgewinnung und Bewahrung“ des Seinsblickes ermöglicht, ist das Schöne, als das, „was im nächsten Anschein des Begegnenden zugleich am ehesten das entfernteste Sein zum Vorschein bringt“.11 Die wesentliche Ordnung des Seins ist bei uns Menschen „schwer sichtbar“12, „unauffällig“, „am wenigstens bemerklich“. Mit der Schönheit aber (κὰλλος δέ, Phaedr. 250d) steht es anders. Das Schöne, indem es „am unmittelbarsten auf uns zukommt und uns berückt“, ist etwas „in sich Gegenwendige[s], das in den nächsten Sinnenschein sich einläßt und dabei zugleich in 7 Martin Heidegger, Was heißt Denken?, Gesamtausgabe, Bd. 8, hg. v. Paola-Ludovika Coriando, Frankfurt a.M. 2002, 21. 8 Martin Heidegger, „Der Wille zur Macht als Kunst“, in: ders., Nietzsche, Bd. I, Pfullingen 1961, 11–254, hier 223. 9 Ebd., 224. 10 Ebd., 226. 11 Ebd. 12 Ebd., 227.
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das Sein forthebt: das Berückend-Entrückende“.13 Als τὸ ἐκφανέστατον (das Hervorscheinendste), „dessen Scheinen im Bereich des unmittelbaren sinnlichen Anscheins geschieht“14, reißt uns also das Schöne aus der Seinsvergessenheit heraus und gewährt uns den Seinsblick. Es kann das tun, weil es „das am hellsten Glänzende“ ist und sich an „die erhellendste Weise“ unseres Wahrnehmens, das Sehen, das Blicken (θέα) wendet: „Der Blick reicht in die höchste und weiteste Ferne des Seins und zugleich in die nächste, leuchtendste Nähe des Anscheins. Je scheinender, leuchtender der Anschein als solcher vernommen wird, um so leuchtender kommt in ihm das zum Vorschein, wovon er Anschein ist: das Sein“.15 So lässt das Schöne, als „das im sinnlichen Bereich Hervorscheinendste“ und Aufglänzendste, als „dieses Geleucht, zugleich das Sein aufleuchten“. Insoweit zeigt sich die Schönheit in ihrem innigen Verhältnis mit der Wahrheit, mit der ἀλήθεια als Unverborgenheit: „Was die Wahrheit ihrem Wesen nach vollbringt, die Enthüllung des Seins, dieses und nicht anderes vollbringt die Schönheit, indem sie, aufleuchtend im Anschein, in das darin aufscheinende Sein, d.h. in die Offenbarkeit des Seins, in die Wahrheit entrückt“.16 Das Schöne lässt also die Wahrheit des Seins (bzw. das Sein in seiner Wahrheit) aufleuchten, indem es, als das Anziehendste, das Fortziehendste, „den Menschen zugleich durch sich hindurch über sich hinweg zum Sein selbst“17 rückt. „Was Platon vom Scheinen durchsichtig in den zwei wesentlichen Worten sagt: ἐκφανέστατον καὶ ἐρασμιώτατον – schließt Heidegger –, dies können wir kaum entsprechend geprägt wiedergeben“.18 Auf diese zwei Worte (Phaedr. 250d7), um die sich Heideggers Lektüre des Phaidros dreht, wird sein Schüler Gadamer ein noch größeres Gewicht legen. Nachdem Heidegger nämlich das (für ihn positive) Zusammengehören bei Platon der so verstandenen Schönheit und der Wahrheit hervorgehoben hat, macht er jedoch einen Schritt zurück und fügt hinzu, dass dieses Zusammengehören andererseits ein Auseinandergehen, ein Sich-Entzweien einschließt. Das geschieht seines Erachtens aufgrund der ständigen platonischen Abwertung des Sinnlichen, das wesentlich ein μὴ ὄν, ein Nicht-Seiendes bleibt. Wenn für Platon, meint er, die notwendig darausfolgende Entzweiung von Wahrheit und Schönheit, ihr Zwiespalt, trotzdem kein Entsetzen erregt, sondern als beglückend wahrgenommen wird, ist es aber gerade „das Wesen des Platonismus, daß er diesem Zwiespalt ausweicht“, so dass „dieses Ausweichen nicht als ein solches sichtbar wird. Wo aber der Platonismus umgedreht wird, muß auch 13
Ebd., 227–228. Ebd., 228. 15 Ebd. 16 Ebd., 230. 17 Ebd., 228. 18 Ebd. 14
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alles, was ihn kennzeichnet, sich umdrehen und, was sich verbergen und verschleiern ließ und als beglückend in Anspruch genommen werden konnte, muß umgekehrt heraustreten und Entsetzen erregen“.19 Der Bezug ist hier offensichtlich auf Nietzsche und auf seine Umdrehung des Platonismus, die am Ende der Geschichte der Metaphysik dessen inneres nihilistisches Wesen demaskiert.20 Heidegger behält also bis zum Ende seine grundsätzlichen Vorbehalte gegen Platon und wirft ihm – als guter Aristoteliker – den unüberwundenen Chorismos zwischen Übersinnlichem und Sinnlichem, Idee und Wirklichkeit, mit einem Wort die sogenannte ‚Zweiweltenlehre‘ vor. Platon bleibt für ihn ein ‚Metaphysiker‘21; die scheinbare Schließung der Kluft zwischen ‚wahrer‘, d.h. übersinnlicher, und sinnlicher Welt, die die erotische Macht des Schönen zu ermöglichen schien, bleibt wesentlich unzureichend. Ganz anders steht es hingegen mit Gadamer, der nicht nur Heideggers Interpretation von Platon heftig bestreitet22, sondern gerade die oben besprochenen Stellen des Phaidros als den echten Schlussstein seines ganzen philosophischen Unternehmens, seiner phänomenologischen Hermeneutik, annimmt, und eben in Bezug auf deren entscheidende Frage, die Frage nach der Wahrheit. Diese Behauptung könnte vielleicht als übertrieben erscheinen und ist deshalb einer Argumentation bedürftig. Im zweiten Teil von Wahrheit und Methode schildert Gadamer die Grundstrukturen der hermeneutischen Erfahrung. Diese Schilderung läuft bekanntlich in die Darlegung der komplexen Dialektik von Frage und Antwort aus, die den Dialog des Verstehens kennzeichnet. Gerade als „Disziplin des Fragens und des Forschens“, sagt Gadamer am Ende seines Meisterwerks, „verbürgt“23 die Hermeneutik die Wahrheit. Da er doch das hermeneutische Verstehen in die Dimension einer außermethodischen Wahrheit einschreibt, worauf gründet sich dieser Anspruch? Inwiefern kann die Hermeneutik als Disziplin des Fragens die Wahrheit verbürgen? Kann etwa die dialektische Methode (wenngleich im strikten sokratisch-platonischen 19
Ebd., 230–231. Vgl. Friedrich Nietzsche, Götzen-Dämmerung, Kritische Gesamtausgabe, Abt. 6, Bd. 3, hg. v. Giorgio Colli und Mazzino Montinari, Berlin/New York 1969. 21 Vgl. dazu Alain Boutout, Heidegger et Platon. Le problème du nihilisme, Paris 1987. Siehe auch Philipp Christian Kastropp, Seinsentdeckungen, Seinsverdeckungen. Eine literaturphilosophische Untersuchung zu den Vorsokratikern, Platon, Nietzsche und Heidegger, Bielefeld 2019. 22 Vgl. z.B.: Otto Pöggeler, „Ein Streit um Platon. Heidegger und Gadamer“, in: Theo Kobusch/Burkhard Mojsisch (Hgg.), Platon in der abendländischen Geistesgeschichte. Neue Forschungen zum Platonismus, Darmstadt 1997, 241–254; Robert J. Dostal, „Gadamer’s Continuous Challenge. Heidegger’s Plato Interpretation“, in: Lewis Edwin Hahn (Hg.), The Philosophy of Hans-Georg Gadamer, Chicago/La Salle (Ill.) 1997, 289–307. 23 Hans-Georg Gadamer, Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik, Gesammelte Werke, Bd. 1, Tübingen 1986, 494. 20
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Sinne) eine Alternative zur naturwissenschaftlichen Methode darstellen, wenn, wie er behauptet, „die Entscheidung der Frage [...] der Weg zum Wissen“24 ist? Auf den ersten Blick scheint diese Interpretation richtig zu sein, zumal der Titel des Abschnitts von Wahrheit und Methode, wo dieses Problem im Detail behandelt wird, „Das Vorbild der platonischen Dialektik“ lautet. Trotzdem schließt Gadamer in den nächsten Zeilen diese Lösung kategorisch aus: „Eine Methode, Fragen zu lernen, das Fragwürdige sehen zu lernen, gibt es nicht“.25 Auch nicht die dialektische Methode, die doch auf dem unerlässlichen, fruchtbaren Eingeständnis des Nichtwissens beruht, kann als den „Weg zum Wissen“ angenommen werden. Der Hermeneutik scheint also das Gespenst eines irreduziblen Relativismus, eines gefährlichen ‚anything goes‘ zu drohen. Nun, die Lösung für diese impasse wird auf einem phänomenologischen und zugleich platonischen Weg gefunden. Die ‚richtige‘ Frage, die erst auf die Wahrheit führen kann, ‚kommt‘ einfach, „wie einem ein Einfall kommt“.26 Gewiß, Einfälle kommen „nicht ganz unvorbereitet“. Sie setzen bereits eine Richtung auf einen Bereich des Offenen voraus, aus dem der Einfall kommen kann, d.h. aber, sie setzen Fragen voraus. Das eigentliche Wesen des Einfalls ist vielleicht weniger, daß einem wie auf ein Rätsel die Lösung einfällt, sondern daß einem die Frage [nicht die Antwort, nota bene] einfällt, die ins Offene vorstößt und dadurch Antwort möglich macht.27
Das Entstehen einer eigentlichen Frage (die uns „sich aufdrängt“) ist natürlich noch nicht die Wahrheit, aber es stellt die Offenheit für eine Wahrheit dar, die jetzt einen unmittelbar-anschaulichen, noetischen Charakter zeigt. Dieser plötzliche und überraschende Übergang vom dialektisch-dianoetischen Niveau ins noetische ist nicht beiläufig, sondern wird im letzten Teil des Werkes durch einen grundlegenden Rückgriff auf Platon wiederaufgenommen und verstärkt. Sofern die hermeneutische Wahrheit für Gadamer eine ursprüngliche Erfahrungsweise ist, die die Dimension der wissenschaftlichen Methode überschreitet und ihr vorausgeht, erweist sie sich als etwas hauptsächlich Noetisches: die Wahrheit wird verstanden als etwas, das (im phänomenologischen Sinne) sich selbst zeigt, von sich selbst her sehen lässt, und das nur durch eine unmittelbare Anschauung gefasst werden kann.28 Gadamers Voraussetzung ist hier offensichtlich zunächst Heideggers Vorstellung der ἀλήθεια als Unverborgenheit, Erschlossenheit; er bezeichnet dementsprechend die Wahrheit als ein „Sichdarstellen“, „Aufgehen von etwas Einleuchtendem“, „Hervorscheinen“, usw. 24
Ebd., 370. Ebd., 371. 26 Ebd., 372 (Herv. v. Verf.). 27 Ebd. 28 Siehe Günter Figal, „Gadamer als Phänomenologe“, Phänomenologische Forschungen (2007), 95–107. Vgl. auch Giuliana Gregorio, Hans-Georg Gadamer e la declinazione ermeneutica della fenomenologia, Soveria Mannelli 2008. 25
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Aber der andere wesentliche Bezug ist hier für ihn Platon,29 und insbesondere Platons Lehre von dem Schönen im Phaidros (mit einigen Hinweisen auch an den Philebos). Gerade durch diesen Rückgang auf den platonischen Begriff des Schönen wird das ontologisch-phänomenologische Wesen der hermeneutischen Wahrheit auf eine entscheidende Weise vertieft und erhellt. Man muss berücksichtigen, dass die ganze Rede, die hier Gadamer über das Schöne entwickelt, zugleich eine Rede über das Wahre, sozusagen per analogiam ist: Auf jede Stelle könnte das Wort „schön“ mit dem Wort „wahr“ ersetzt werden. Zunächst bezieht sich Gadamer auf den Philebos (64e5): „So eng Plato […] die Idee des Schönen mit der des Guten verknüpft hat, so hat er doch auch einen Unterschied zwischen beiden im Auge, und dieser Unterschied enthält einen eigentümlichen Vorzug des Schönen“.30 Die Idee des Guten ist nämlich als solche ungreifbar. Wenn man versucht, das Gute zu erfassen, entgeht es und findet Zuflucht im Schönen: „Das Schöne unterscheidet sich also dadurch von dem schlechthin ungreifbaren Guten, daß es eher zu ergreifen ist. Es hat in seinem eigenen Wesen, Erscheinendes zu sein. In der Suche nach dem Guten zeigt sich das Schöne“.31 Anders als das Gute erscheint das Schöne, zeigt sich, lässt sich selbst in der Vollkommenheit seiner Gestalt sehen und zieht damit das Liebesverlangen der Menschen auf sich: „Das Schöne nimmt unmittelbar für sich ein, während die Leitbilder menschlicher Tugend sonst im trüben Medium der Erscheinungen nur dunkel kenntlich sind, weil sie gleichsam kein eigenes Licht besitzen“.32 Im Unterschied zu allen anderen eide macht es das eigentümliche Wesen des Schönen aus, dass es „seine eigene Helligkeit“ hat. Und hier zitiert Gadamer natürlich Phaedr. 250d7: Denn „der Schönheit allein ist dies zuteil geworden, daß sie das am meisten Hervorleuchtende (ekphanestaton) und Liebenswerte ist“.33 Wenn, wie der Mythos des Phaidros erzählt, die Sicht der schönen irdischen Dinge (der schönen Körper usw.) und das liebesvolle Streben nach ihnen den anamnestischen Prozess auslösen, lässt für Gadamer diese anagogische Funktion des Schönen einen wichtigen Moment seiner Struktur und zugleich eine universale Struktur des Seins selber erkennen. Es handelt sich um die schon angedeutete Auszeichnung des Schönen gegenüber dem Guten. Indem das Schöne „sich von sich selbst her darstellt, sich in seinem Sein unmittelbar einleuchtend macht“, hat es „die wichtigste 29 Vgl. dazu Pierre Fruchon, L’herméneutique de Gadamer. Platonisme et modernité, Paris 1994. 30 Gadamer, Wahrheit, 484. Für eine ausführlichere Behandlung dieses Themas vgl. HansGeorg Gadamer, Platos dialektische Ethik. Phänomenologische Interpretationen zum Philebos, Griechische Philosophie I, Gesammelte Werke, Bd. 5, Tübingen 1985, 150 ff. Siehe dazu u.a. Donald Davidson, „Gadamer and Plato’s Philebus“, in: Lewis Edwin Hahn (Hg.), The Philosophy of Hans-Georg Gadamer, Chicago/La Salle (Ill.) 1997, 421–432. 31 Gadamer, Wahrheit, 484. 32 Ebd., 485 (Herv. v. Verf.). 33 Ebd.
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ontologische Funktion, die es geben kann, nämlich die der Vermittlung zwischen Idee und Erscheinung“.34 Wir sind also bei der so verwickelten Frage des Chorismos angekommen, die „metaphysische Crux des Platonismus“, in Gadamers Worten, die sich im Begriff der Teilhabe (μέθεξις) „verdichtet“ und „sowohl das Verhältnis der Erscheinung zu der Idee als auch das Verhältnis der Ideen zueinander“35 betrifft. In einem Text von 1983, Platos Denken in Utopien, schreibt Gadamer, die These eines ontologischen Chorismos sei „eine von der aristotelischen Metaphysik aus verstandene“ und „eine am Ende Plato fremde Vergröberung“36, und fügt hinzu, dass „der von Aristoteles behauptete ontologische χωρισμός der Ideen einem Plato unterstellt worden ist, der nur einen methodischen Chorismos kannte“.37 In Gadamers Augen ist nämlich der ontologische Chrorismos „eine Lehre des Aristoteles und nicht des Plato. Er hat den Gott von der physischen Bewegungswelt in der Weise getrennt, die er im Buch Λ der ‚Metaphysik‘ entwickelt“.38 Und auch in einer Schrift über den Timaios aus 1974 wettert er gegen jene „Traditionsgestalt der platonischen Philosophie“, die „mit geradezu absurder Hartnäckigkeit die Zweiweltentheorie“ repräsentiert, „d.h. die völlige Trennung der paradigmatischen Welt der Ideen und der flutenden Veränderlichkeit unserer sinnlichen Welterfahrung“.39 In Wahrheit und Methode sagt er darüber: Wie der „Phaidros“ lehrt, ist es kein Zufall, wenn Plato dieses umstrittene Verhältnis der „Teilhabe“ besonders gern an dem Beispiel des Schönen verdeutlicht. Die Idee des Schönen ist wahrhaft anwesend in dem, was schön ist, ungeteilt und ganz. Am Beispiel des Schönen läßt sich daher die „Parousie“ des Eidos, die Plato meint, einleuchtend machen und gegenüber den logischen Schwierigkeiten der Teilhabe des „Werdens“ an „Sein“ die Evidenz der Sache aufbieten. „Anwesenheit“ gehört auf überzeugende Weise zum Sein des Schönen selbst. Schönheit mag noch so sehr wie der Abglanz von etwas Überirdischem erfahren werden – sie ist doch im Sichtbaren da. […] Wenn man mit Plato von einem Hiat (chōrismos)
34
Ebd. Ebd. 36 Hans-Georg Gadamer, „Platos Denken in Utopien. Ein Vortrag vor Philologen“, in: ders., Griechische Philosophie III. Plato im Dialog, Gesammelte Werke, Bd. 7, Tübingen 1991, 270–289, hier 276. 37 Ebd., 281. 38 Ebd. Vgl. diesbezüglich: Hans-Georg Gadamer, „Die Idee des Guten zwischen Plato und Aristoteles“, in: ders., Griechische Philosophie III. Plato im Dialog, Gesammelte Werke, Bd. 7, Tübingen 1991, 128–227, hier 136 ff. und 215 ff. 39 Hans-Georg Gadamer, „Idee und Wirklichkeit in Platos ‚Timaios‘“, in: ders., Griechische Philosophie II, Gesammelte Werke, Bd. 6, Tübingen 1985, 242–270, hier 242. Siehe dazu Giuliana Gregorio, „Lebendigkeit, Selbstbewegung und Erkenntnis. Zu Gadamers Interpretation des Timaios“, in: Michele Abbate/Julia Pfefferkorn/Antonino Spinelli (Hgg.), Selbstbewegung und Lebendigkeit. Die Seele in Platons Spätwerk, Berlin/Boston 2016, 299– 319. 35
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zwischen Sinnlichem und Ideellem sprechen muß: hier ist er, und hier ist er zugleich auch geschlossen.40
Und nach einigen Seiten wiederholt er, sein Argument verstärkend: Das Schöne schließt den Hiat zwischen Idee und Erscheinung […]. Es ist „Idee“, ganz gewiß, d.h. es gehört einer Ordnung des Seins an, die sich als ein in sich Beständiges über das Dahinfluten der Erscheinungen erhebt. Aber ebenso gewiß ist, daß es selber erscheint. Das bedeutet […] keineswegs eine Instanz gegen die Ideenlehre, sondern die konzentrierte Exemplifizierung ihres Problems. Wo er die Evidenz des Schönen anruft, braucht Plato auf dem Gegensatz von „Es selbst“ und Abbild nicht zu bestehen. Es ist das Schöne selbst, das diesen Gegensatz sowohl setzt als aufhebt.41
In seinem lichtvollen Erscheinen, in dem es sich „in seinem Sein unmittelbar einleuchtend“ macht, vermittelt das Schöne zwischen dem Ideellen und dem Schein. In dem, was schön ist, ist es ganz anwesend. Sein Wesen ist eben das „Anwesend-sein“, wenn auch diese strahlende Anwesenheit des Schönen, das zugleich immer etwas anderes im Vergleich zum Bereich des Sichtbaren ist, sich jäh entziehen, zurückziehen kann: „Plötzlich scheint sie auf, und ebenso jäh und ohne Übergänge, unvermittelt, ist sie vergangen“.42 (Hier wird offensichtlich jene Seite der Verborgenheit, der Verhüllung und des Sich-entziehens angedeutet, die bekanntlich konstitutiv für Heideggers Begriff der A-letheia ist). Als τὸ ἐκφανέστατον, das „am meisten Hervorleuchtende“, ist das Schöne in seiner klaren Anwesenheit auch das am meisten Einleuchtende. Seine Klarheit, seine „Evidenz“, die sich selbst in ihrem Sich-zeigen unmittelbar begründet, kommt auf uns an, sich aufdrängend und uns überraschend. Wenn wir jetzt die oben angedeutete und bis hier implizit gebliebene Analogie zwischen dem Schönen und der Wahrheit zum Ausdruck bringen, heißt das, dass die Wahrheit, genauso wie das Schöne, etwas ist, das uns direkt, unmittelbar erfasst, in der leuchtenden Fülle ihrer Evidenz, ohne dass es notwendig wäre, auf einen beweisenden Umweg zurückzugreifen. Das Wahre, wie das Schöne, zeigt sich von sich selbst her, es ist das ἐκφανέστατον: Das Wesen der Wahrheit – wie das Wesen der Schönheit – liegt also im „Hervorscheinen“. Wie Gadamer hier schreibt, hat die Schönheit (d. i. die Wahrheit) „die Seinsweise des Lichtes“43; dies ist die ‚Unverborgenheit‘ (ἀλήθεια), die Platon im Phaidros dem Wesen des Schönen zuschreibt: Das meint nicht nur, daß ohne Licht nichts Schönes erscheinen, nichts schön sein kann. Es meint auch, daß die Schönheit des Schönen [lies: die Wahrheit des Wahren] als Licht, als
40
Gadamer, Wahrheit, 485. Ebd., 491. 42 Ebd., 485. 43 Ebd., 486. 41
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Glanz an ihm erscheint. Sie bringt sich selbst zur Erscheinung. In der Tat ist es die allgemeine Seinsweise des Lichtes, dergestalt in sich reflektiert zu sein. Licht ist ja nicht die Helle dessen, was es bescheint, sondern, indem es anderes sichtbar sein läßt, ist es selbst sichtbar, und es ist auf keine andere Weise sichtbar, als indem es anderes sichtbar macht. […] Offenbar beruht es auf der Reflexionsverfassung, die sein Sein ausmacht, daß das Licht Sehen und Sichtbares zusammenbindet, so daß ohne Licht so wenig ein Sehen wie ein Sichtbares ist.44
Der Kern von Platons Lehre von dem Schönen liegt also für Gadamer darin, dass sie einen in ihr impliziten Begriff der Wahrheit als Ereignis und des Wahrheitsverhältnisses als Teilhabe (μέθεξις) an etwas Hervorleuchtendem und deswegen Ein-Leuchtendem durchblicken lässt, und das heißt am glänzend-erleuchtenden Sein der „Sache selbst“, das sich unmittelbar und in seiner ultimativen Evidenz zeigt. Wie er zusammenfassend behauptet: Von der Metaphysik des Schönen aus werden sich vor allem zwei Punkte ins Licht setzen lassen, die sich aus der Beziehung zwischen dem Vorschein des Schönen und dem Einleuchten des Verständlichen ergeben. Einmal, daß die Erscheinung des Schönen sowohl als die Seinsweise des Verstehens Ereignischarakter besitzen – und sodann, daß die hermeneutische Erfahrung […] an der Unmittelbarkeit teilgewinnt, durch die von jeher die Erfahrung des Schönen wie überhaupt alle Evidenz der Wahrheit ausgezeichnet ist.45
Aber das menschliche, und d.h. endliche Verstehen kann nie die vollkommene Kontrolle über die „Sache selbst“ und ihre Wahrheit haben. Es kann nur an ihr „teilnehmen“, sofern die Wahrheit, die A-letheia, in ihrem Erscheinen, SichZeigen, immerhin einen zweideutigen, rätselhaften Charakter bewahrt. Ihre lichtvolle Anwesenheit, ihre unmittelbare Evidenz kann sich, wie gesagt, genauso unmittelbar und jäh entziehen, sich in einen uns unzugänglichen Schatten zurückziehen. Deswegen kann das Verstehen am Sich-Ereignen der Wahrheit immer nur auf begrenzte Weise teilhaben. Deswegen muss die hermeneutische Erfahrung neben diesem noetischen Wahrheitsbegriff auch einem dianoetischen Wahrheitsbegriff Platz machen. Das anschauliche unmittelbare Erfassen des einleuchtenden Sich-Zeigens der „Sache selbst“ geht immer notwendigerweise mit einem dialektisch-dialogischen Ansatz einher: Das Faktum unserer Endlichkeit bindet uns am langen Weg der Argumentation und des Gesprächs. Man soll nicht vergessen, dass die (ontologische) Grundvoraussetzung der Hermeneutik Gadamers die wesentliche Sprachlichkeit des Verstehens und im Allgemeinen des ganzen hermeneutischen Universums ist. Einer der umstrittensten Sätze von Wahrheit und Methode lautet bekanntermaßen: „Sein, das verstanden werden kann, ist Sprache“.46 Da das menschliche Dasein in jenes Gespräch ‚geworfen‘ ist, das es wesentlich ausmacht, geht seine Erkenntnis der 44
Ebd. Ebd., 488. 46 Ebd., 478. Siehe dazu Rüdiger Bubner et al., „Sein, das verstanden werden kann, ist Sprache“. Hommage an Hans-Georg Gadamer, Frankfurt a.M. 2001. 45
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Wahrheit unbedingt durch das Wort hindurch: „Das Licht, das alles so hervortreten läßt, daß es in sich selbst einleuchtend und in sich verständlich ist, ist das Licht des Wortes“.47 Das Verstehen geschieht nur innerhalb der Sprache, die sich als das eigentliche Medium der hermeneutischen Erfahrung erweist. Das (gelungene) Verstehen ist „das Zur-sprache-kommen der Sache selbst“.48 Die Sprache ist für uns der einzige Erscheinungsort der Wahrheit. Das Gespräch ist der einzige Ort, wo die „Sache selbst“ zum Wort kommen kann. Aber auch dieser Begriff einer dianoetischen Erfahrung der Wahrheit ist offenbar in Platon verwurzelt. Wenn unser Zugang zur Wahrheit immer nur ein „Teilnehmen“ an ihr ist, und nie einen vollen Besitz ihrer (als Sterbliche, besitzen wir nicht im Unterschied zu den Göttern die σοφία und können nur unendlich nach ihr streben, in der nie verschließbaren Bewegung des Philo-sophierens), setzt dieses Teilnehmen eine konstitutive Bereitschaft zur Auseinandersetzung voraus, d.h. die Offenheit für das Gespräch. Wie Jean Grondin bemerkt: Die Teilhabe an der Sache impliziert, daß man ins Gespräch mit ihr kommt. Das Noetische reicht also nicht aus, ein diskursives Moment muß hinzukommen. Deshalb gehören bei Platon das Noetische und das Dialektische unzertrennlich zusammen. Obgleich er das „reine Denken“ fordert, erkennt Platon die Unentbehrlichkeit des Mediums von Onoma und Logos für das Denken der Sache an. […] Das Noetische am Wahrheitsgeschehen fordert die Aufgabe des λόγον διδόναι. Erst dadurch kann die Wahrheitserfahrung kommunikativ und einigermaßen verbindlich gemacht werden. […] All unser Erkennen [geht] durchs Wort. Uns kann im Grunde nichts anderes einleuchten als das Wort. Darum fallen die noetische Erfahrung und die dialektische Aufgabe zusammen.49
Wenn die Philosophie eine bloße und ‚pünktliche‘ Intuition des Seins wäre, und nichts Anderes als das Sein sagen sollte, könnte sie auch nach Donatella Di Cesare im Identischen bleiben, das heißt nichts sagen, auf das Sagen ganz verzichten. Die Philosophie begänne und endete – auf göttliche Weise – in der Anschauung des Seins. Da sie sich darauf jedoch nicht reduzieren kann, verlangt sie den dianoetischen, den diskursiven Übergang zum Anderen des Seins, zum von ihm Verschiedenen: das heißt, sie muß gesagt werden und braucht den Logos. Indem sie sich auf die Diskursivität des Logos angewiesen weiß, ist sich die Philosophie seit Platon dessen bewußt, daß sie sich nur in jenem „Zwischen“ entfalten kann, das die Rede durchquert, daß sie nicht anders als dialektisch sein kann.50
47
Gadamer, Wahrheit, 487. Ebd., 384. 49 Jean Grondin, Hermeneutische Wahrheit? Zum Wahrheitsbegriff Hans-Georg Gadamers, Weinheim 1994, 166. 50 Donatella Di Cesare, Gadamer. Ein philosophisches Porträt, Tübingen 2009, 168. Siehe auch dies., „Zwischen Onoma und Logos. Platon, Gadamer und die dialektische Bewegung der Sprache“, in: Günter Figal/Jean Grondin/Dennis J. Schmidt (Hgg.), Hermeneutische Wege. Hans-Georg Gadamer zum Hundertsten, Tübingen 2000, 107–128. 48
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Auch in diesem zweiten Sinn bezieht sich Gadamer also auf Platon: Wenn die Wahrheit etwas Einleuchtendes ist und deswegen einen noetisch-intuitiven Charakter hat, schließt sie sich aber erst innerhalb des dialektisch-diskursiven Vorgangs auf, der der einzige Ort ist, wo wir sie wirklich erfassen können. Noetische und dianoetische (dialektische) Erkenntnis schließen einander also nicht aus, sondern gehen zusammen – und das nicht nur weil die unmittelbar ‚gesehene‘ Wahrheit eine darauffolgende Klärung durch den kommunikativen Umweg des Dialogs benötigt, sondern auch weil sich uns die plötzliche Vision (der „Einfall“) erst durch die geduldige dialektisch-dialogische Auseinandersetzung geben kann. Gerade die Tatsache, dass es für ein endliches Wesen so schwierig ist, unmittelbar die „Sache selbst“ zu erblicken, impliziert die Unentbehrlichkeit der „Flucht in die λόγοι“51, und zwar, in Gadamers vielleicht nicht wortgetreuer, aber fruchtbarer Übersetzung, des langen Wegs des Dialogos. Das Präfix διά- der platonischen Wörter διάνοια, διαλέγεσθαι bezeichnet gerade dieses notwendige Durch-gehen durch den anstrengenden und verschlungenen Verlauf des Dialogs52, der erst zur enthüllenden Einsicht führen kann. Wie Platon lehrte, kann die Erfahrung der Wahrheit als „noetisch“ bezeichnet werden, sofern die Wahrheit selbst im Verstehen als intelligere unmittelbar erfassbar ist; aber die Hermeneutik muss auch die diskursive Seite der Wahrheit (das explicare) anerkennen, d.h. die Notwendigkeit des Gesprächs als λόγον διδόναι, das zugleich das Entstehen und die Mitteilung der Wahrheit ermöglicht.53 Die Wahrheit kann erst von der Endlichkeit her gedacht werden, die unser Dasein kennzeichnet und bestimmt. Die Philosophie muss sich der dialektischen Bewegung des Dialogs anvertrauen, sie kann keinen Monolog führen. Der Weg zur Wahrheit bedeutet also für uns die Teilhabe an etwas, das uns immer schon überschreitet und umfasst.
51
Zur „zweiten Fahrt“ als „Flucht in die λόγοι“ vgl. u.a. Gadamer, Ethik, 52 ff. Siehe François Renaud, Die Resokratisierung Platons. Die platonische Hermeneutik Hans-Georg Gadamers, Sankt Augustin 1999; Rudolf Boutet, „La métaphysique en dialogue. Sur l’appropriation herméneutique de Platon par H.-G. Gadamer“, Archives de philosophie 77/3 (2014), 471–488. 53 Vgl. dazu u.a.: Francis J. Ambrosio, „Gadamer, Plato and the Discipline of Dialogue“, International Philosophical Quarterly 27 (1986), 17–32; James Risser, „Gadamer’s Plato and the Task of Philosophy“, in: Mirko Wischke/Michael Hofer (Hgg.), Gadamer verstehen – Understanding Gadamer, Darmstadt 2003, 87–100. 52
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Bibliographie Ambrosio, Francis J., „Gadamer, Plato and the Discipline of Dialogue“, International Philosophical Quarterly 27 (1986), 17–32. Boutet, Rudolf, „La métaphysique en dialogue. Sur l’appropriation herméneutique de Platon par H.-G. Gadamer“, Archives de philosophie 77/3 (2014), 471–488. Boutout, Alain, Heidegger et Platon. Le problème du nihilisme, Paris 1987. Bubner, Rüdiger et al., „Sein, das verstanden werden kann, ist Sprache“. Hommage an Hans-Georg Gadamer, Frankfurt a.M. 2001. Davidson, Donald, „Gadamer and Plato’s Philebus“, in: Lewis Edwin Hahn (Hg.), The Philosophy of Hans-Georg Gadamer, Chicago/La Salle (Ill.) 1997, 421–432. Di Cesare, Donatella, „Zwischen Onoma und Logos. Platon, Gadamer und die dialektische Bewegung der Sprache“, in: Günter Figal/Jean Grondin/Dennis J. Schmidt (Hgg.), Hermeneutische Wege. Hans-Georg Gadamer zum Hundertsten, Tübingen 2000, 107–128. –, Gadamer. Ein philosophisches Porträt, Tübingen 2009. Dostal, Robert J, „Gadamer’s Continuous Challenge. Heidegger’s Plato Interpretation“, in: Lewis Edwin Hahn (Hg.), The Philosophy of Hans-Georg Gadamer, Chicago/La Salle (Ill.) 1997, 289–307. Fehér, István M., „‚Das sinnliche Scheinen der Idee‘. Gadamer und Hegel – Zwei Arten einer Metaphysik des Schönen“, in Annemarie Gethmann-Siefert et al. (Hgg.), Hegels Ästhetik als Theorie der Moderne, Berlin 2013, 223–246. –, „Kunst und Wahrheit bei Heidegger und Gadamer“, Philobiblon XIX/2 (2014), 538–557. Figal, Günter, „Gadamer als Phänomenologe“, Phänomenologische Forschungen (2007), 95–107. France-Lanord, Hadrien, Heidegger, Aristote et Platon. Dialogue à trois voix, Paris 2011. Fruchon, Pierre, L’herméneutique de Gadamer. Platonisme et modernité, Paris 1994. Gadamer, Hans-Georg, Platos dialektische Ethik. Phänomenologische Interpretationen zum Philebos, Griechische Philosophie I, Gesammelte Werke, Bd. 5, Tübingen 1985 (= Gadamer, Ethik). –, „Idee und Wirklichkeit in Platos ‚Timaios‘“, in: ders., Griechische Philosophie II, Gesammelte Werke, Bd. 6, Tübingen 1985, 242–270. –, Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik, Gesammelte Werke, Bd. 1, Tübingen 1986 (= Gadamer, Wahrheit). –, „Die Idee des Guten zwischen Plato und Aristoteles“, in: ders., Griechische Philosophie III. Plato im Dialog, Gesammelte Werke, Bd. 7, Tübingen 1991, 128–227. –, „Platos Denken in Utopien. Ein Vortrag vor Philologen“, in: ders., Griechische Philosophie III. Plato im Dialog, Gesammelte Werke, Bd. 7, Tübingen 1991, 270–289. Gregorio, Giuliana, Hans-Georg Gadamer e la declinazione ermeneutica della fenomenologia, Soveria Mannelli 2008. –, „Lebendigkeit, Selbstbewegung und Erkenntnis. Zu Gadamers Interpretation des Timaios“, in: Michele Abbate/Julia Pfefferkorn/Antonino Spinelli (Hgg.), Selbstbewegung und Lebendigkeit. Die Seele in Platons Spätwerk, Berlin/Boston 2016, 299–319. Grondin, Jean, Hermeneutische Wahrheit? Zum Wahrheitsbegriff Hans-Georg Gadamers, Weinheim 1994. Hegel, Georg Wilhelm Friedrich, Vorlesungen über die Ästhetik I, Werke in zwanzig Bänden, Theorie Werkausgabe, Bd. 13, Frankfurt a.M. 1970. Heidegger, Martin, „Der Wille zur Macht als Kunst“, in: ders., Nietzsche, Bd. I, Pfullingen 1961, 11–254.
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–, Phänomenologische Interpretationen zu Aristoteles. Einführung in die phänomenologische Forschung (WS 1921/22), Gesamtausgabe, Bd. 61, hg. v. Walter Bröcker und Käte Bröcker-Oltmanns, Frankfurt a.M. 1994. –, Vom Wesen der Wahrheit. Zu Platons Höhlengleichnis und Theätet (WS 1931/32), Gesamtausgabe, Bd. 34, hg. v. Herrmann Mörchen, Frankfurt a.M. 1997. –, Grundbegriffe der aristotelischen Philosophie (SS 1924), Gesamtausgabe, Bd. 18, hg. v. Mark Michalski, Frankfurt a.M. 2002. –, Was heißt Denken?, Gesamtausgabe, Bd. 8, hg. v. Paola-Ludovika Coriando, Frankfurt a.M. 2002. –, „Der Ursprung des Kunstwerkes“, in: ders., Holzwege, Gesamtausgabe, Bd. 5, hg. v. Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt a.M. 2003, 1–74 (= Heidegger, Ursprung). –, „Platons Lehre von der Wahrheit“, in: ders., Wegmarken, Gesamtausgabe, Bd. 9, hg. v. Friedrich-Wilhelm von Herrmann, Frankfurt a.M. 2004, 155–182. –, Phänomenologische Interpretation ausgewählter Abhandlungen des Aristoteles zu Ontologie und Logik (SS 1922). Anhang: Phänomenologische Interpretationen zu Aristoteles (Anzeige der hermeneutischen Situation) (1922), Gesamtausgabe, Bd. 62, hg. v. Günther Neumann, Frankfurt a.M. 2005. –, Aristoteles: Metaphysik Θ, 1–3. Von Wesen und Wirklichkeit der Kraft (SS 1931), Gesamtausgabe, Bd. 33, hg. v. Heinrich Hüni, Frankfurt a.M. 2006. Kastropp, Philipp Christian, Seinsentdeckungen, Seinsverdeckungen. Eine literaturphilosophische Untersuchung zu den Vorsokratikern, Platon, Nietzsche und Heidegger, Bielefeld 2019. Le Moli, Andrea, Heidegger e Platone. Essere relazione differenza, Milano 2002. Nietzsche, Friedrich, Götzen-Dämmerung, Kritische Gesamtausgabe, Abt. 6, Bd. 3, hg. v. Giorgio Colli und Mazzino Montinari, Berlin/New York 1969. Pöggeler, Otto, „Ein Streit um Platon. Heidegger und Gadamer“, in: Theo Kobusch/Burkhard Mojsisch (Hgg.), Platon in der abendländischen Geistesgeschichte. Neue Forschungen zum Platonismus, Darmstadt 1997, 241–254. Renaud, François, Die Resokratisierung Platons. Die platonische Hermeneutik Hans-Georg Gadamers, Sankt Augustin 1999. Risser, James, „Gadamer’s Plato and the Task of Philosophy“, in: Mirko Wischke/Michael Hofer (Hgg.), Gadamer verstehen – Understanding Gadamer, Darmstadt 2003, 87–100.
Zur Beziehung des Guten und Schönen bei Platon und im Platonismus Christoph Helmig und Laura Marongiu1 In Adelungs Grammatisch-kritischem Wörterbuch der hochdeutschen Mundart, verfasst am Ende des 18. Jahrhunderts, heißt es, dass wir alles das schön nennen, was wir mit „Wohlgefallen“ wahrnehmen. Dieses Wohlgefallen könne ästhetisch, intellektuell oder moralisch konnotiert sein oder eine Kombination dieser Aspekte darstellen.2 Für die platonische Tradition, insbesondere in ihrer neuplatonischen Ausprägung, gilt zweifellos, dass ein vierter, metaphysischer oder ontologischer Aspekt diese dreifache Erscheinungsweise des Schönen komplettiert, ja überhaupt ermöglicht, und zwar in Gestalt des Schönen selbst, d.h. der Idee oder Form des Schönen. Schönheit ist, mit anderen Worten, ein Attribut des Seienden qua Seiendem. Darauf deutet schon die Schwierigkeit, das Schöne und Gute bei Platon an sich und im Verhältnis zueinander zu denken: How the fine (kalon) is related to the good (agathon) in Plato’s thought is a puzzle: we might suspect it was a puzzle to Plato himself.3
Platon selbst war, so zumindest unser Vorschlag, weit weniger rigoros als seine Nachfolger und eröffnet dem Schönen eine ganze Reihe von Anwendungs- und 1 Zwei frühere Versionen dieses Beitrages wurden auf den Platon-Tagen in Tübingen zum Thema „Platon und das Schöne“ (19.–21. April 2018) und in der Villa Vigoni auf einem Workshop zu Platons Philebos (12.–14. November 2018) vorgestellt. Wir danken allen Anwesenden für interessante Diskussionen und wichtige Hinweise. 2 Zitiert nach Gerhard Kurz, Das Wahre, Schöne, Gute. Aufstieg, Fall und Fortbestehen einer Trias, Paderborn 2015, 16 [Adelung, Johann Christoph, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der hochdeutschen Mundart, mit beständiger Vergleichung der übrigen Mundarten, besonders aber der Oberdeutschen, Wien 1807–1808]. Zu antiken Ästhetik allgemein s. Stefan Büttner, Antike Ästhetik. Eine Einführung in die Prinzipien des Schönen, München 2006. 3 Rachel Barney, „Notes on Plato on the Kalon and the Good“, Classical Philology 105 (2010), 363–377, hier 363. Am Ende dieses Artikels resümmiert die Autorin folgendermaßen (377): „But we might better see it as perfectly deliberate, and as Plato’s way of urging on us just this sort of reflection as to how far the two might converge. […] It is this psychological exercise that Plato is trying to induce in us when he repeatedly draws together, yet never quite identifies, the good and the kalon.“ Zum Verhältnis zwischen dem Guten und dem Schönen bei Platon siehe auch Aryeh Kosman, „Beauty and the Good. Situating the Kalon“, Classical Philology 105 (2010), 341–357; Nicholas P. Riegel, Beauty, to kalon, and its relation to the Good in the Works of Plato, PhD Dissertation, University of Toronto, 2011 und Nicholas P. Riegel, „Goodness and Beauty in Plato“, Archai 12 (2014), 147–158.
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Erscheinungsbereichen. Dabei stellt sich die Frage, ob diese Bereiche verbunden sind oder unverbunden nebeneinanderstehen. Steht, wie im Neuplatonismus, der metaphysische oder ontologische Aspekt der Schönheit im Zentrum der Aufmerksamkeit, verengt sich, in gewisser Weise, diese bemerkenswerte Vielfältigkeit, die wir in Platons Dialogen finden. Ein gutes Beispiel für diese Verengung der Perspektive oder durchaus selektive Annäherung an das Phänomen der Schönheit ist die neuplatonische Interpretation des Philebos (§ 1). In Platons Timaios ergibt sich die Frage nach Schönheit und Güte des Kosmos aus der Dialektik von Vorbild und Abbild (§ 2). Im Symposium ist die anagogische Funktion der Schönheit innerhalb der platonischen Philosophie prominent (§ 3). Platons so bekannte wie umstrittene Dichterkritik schließlich zeigt konfligierende Momente zwischen künstlerischer Produktion, Epistemologie und Metaphysik auf (§ 4).
1. Mögliche Deutungsstrategien des Philebos – Lust und Schönheit Der Philebos fragt ganz grundsätzlich nach dem guten Leben, genauer nach der exakten Zusammensetzung oder Mischung desselben. Zu Anfang des Dialogs scheint es, als gebe es zwei alternative Antworten, das Leben, das der Lust folgt, und das Leben, das der Vernunft folgt. Um hier zu einer Entscheidung zu gelangen, wird zunächst die Lust einer genaueren Untersuchung unterzogen. Lust präsentiert sich als unbegrenztes Phänomen, das, in Analogie zu Buchstaben, Tönen und Rhythmen intern begrenzt und also bestimmt werden muss. Mit anderen Worten, Arten der Lust müssen benannt und definiert werden, wie viele und welcher Art sie sind. Diese Bestimmung ist Sache der Dialektik, die in Phileb. 16c als Gabe der Götter an die Menschen bezeichnet wird. Es handelt sich um ein Geschenk der Götter an die Menschen, oder so scheint es mir jedenfalls; es wurde einstens durch einen Prometheus mit einem hell strahlenden Feuer vom Himmel herabgeschleudert. Die Menschen der Vorzeit aber, die besser waren als wir und näher bei den Göttern lebten, hinterließen uns folgende Botschaft: dass die Dinge, von deren Sein jeweils die Rede ist, aus Einem und Vielem bestehen, und dass zu ihrer Natur Grenze und Unbegrenztheit gehören. Da nun die Dinge derart geordnet sind, müssen wir davon ausgehen, dass es in jedem Fall eine gemeinsame Form für alles gibt und sie suchen, – man wird sie jeweils darin finden. Wenn wir sie gefunden haben, dann müssen wir prüfen, ob nach der einen vielleicht zwei vorhanden sind, oder wenn nicht, dann drei oder irgendeine andere Anzahl. Und so sollten wir auch jeweils mit jeder dieser weiteren Einheiten verfahren, bis man von jenem ursprünglichen Einen nicht nur sieht, dass es eines, vieles und unbegrenzt ist, sondern auch seine Anzahl erfasst. Man darf der Vielheit aber nicht eher die Form des Unbegrenzten zuschreiben, als bis man die genaue Anzahl all dessen festgestellt hat, was zwischen dem Einen und dem Unbegrenzten liegt. Erst dann ist es erlaubt, die jeweilige Einheit aus der Gesamtheit ins Unbegrenzte übergehen und auf sich beruhen zu lassen. Die Götter, wie ich sagte, haben uns aufgetragen, auf diese Weise zu forschen, zu lernen und
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einander zu belehren. Die klugen Köpfe von heute aber nehmen eine Einheit auf gut Glück an, wobei sie allzu schnell oder zu langsam zur Vielheit übergehen; sie setzen nach dem Einen sofort die Unbegrenztheit an, während ihnen das Mittlere ganz entgeht. Gerade das aber gibt den Ausschlag, ob wir miteinander eine philosophische Diskussion oder aber ein Streitgespräch führen.4
Gegen Ende des Dialogs (Phileb. 64c–66a) führt Platon drei Kriterien ein, mithilfe derer die Güte oder Gutheit von Dingen bestimmt werden könne.5 Es handelt sich um die Trias von Maß, Wahrheit und Schönheit.6 Wie sind diese Kriterien genau zu verstehen? Zunächst kann man festhalten, dass sie nicht auf einer Stufe stehen. [D]ie drei Kriterien werden nicht als gleichwertig behandelt werden. Maß und Verhältnismäßigkeit sind vielmehr das primäre Merkmal des Guten: sie stellen die Ursache für den Wert und das Bestehen jeder Mischung dar (64 c–d). Die Schönheit wird dagegen lediglich als die ,Zuflucht‘ des Maßes bezeichnet (64 e).7
Das richtige Maß gilt also als primäres Merkmal des Guten, während die Schönheit und die Wahrheit als Zeichen für die Anwesenheit des richtigen Maßes zu verstehen sind. Anders gesagt, an der Schönheit eines Gegenstandes erkennt man, dass ihm das richtige Maß zugrunde liegt. Man könnte, mit Dorothea Frede, sagen, dass Schönheit und Wahrheit als causae cognoscendi fungieren, während das Maß oder die Verhältnismäßigkeit die causa essendi sind.8 Alle schönen Zustände und Gegenstände zeigen also das richtige Maß 4 Platon, Phileb. 16c–17a, übersetzt von Dorothea Frede (Dorothea Frede, Platon. Philebos. Übersetzung und Kommentar, Göttingen 1997). Wenn nicht anders angegeben, werden alle Platondialoge außer dem Philebos nach der Ausgabe von Gunther Eigler, Platon. Werke in acht Bänden, Griechisch und Deutsch, Darmstadt 42005 zitiert; die jeweiligen Übersetzer sind in den Fußnoten erwähnt. 5 Zum Begriff des Guten im Philebos, s. John McGinley, „The Doctrine of the Good in the Philebus“, Apeiron 11 (1977), 27–57 und Verity Harte, „The Philebus on Pleasure. The Good, the Bad and the False“, Proceedings of the Aristotelian Society, New Series 104 (2004), 113–130. 6 Platon erwähnt die Trias zweimal, mit leichten Variationen: „Schönheit, Angemessenheit und Wahrheit“ (Phileb. 65a2: κάλλει καὶ συμμετρίᾳ καὶ ἀληθείᾳ) und „Schönheit, Wahrheit und Maßhaftigkeit“ (Phil. 65b8: Κάλλους καὶ ἀληθείας καὶ μετριότητος). Zu dieser Trias allgemein s. Verity Harte, „Quel prix pour la vérité? (Philèbe 64a7–66d3)“, in: Monique Dixsaut (Hg.), La fêlure du plaisir. Études sur le Philèbe de Platon, Paris 1999, 385– 401; Gerd Van Riel, „Beauté, proportion et vérité comme ‚vestibule‘ du bien dans le Philèbe“, Revue Philosophique de Louvain 97/2 (1999), 253–267, Rafael Ferber „Platons Nebensonnen. Schönheit, Symmetrie und Wahrheit. Einige Bemerkungen zum semantischen Monismus und Pluralismus des ‚Guten‘ im ‚Philebos‘ (65a1–5)“, in: John M. Dillon/Luc Brisson (Hgg.), Plato’s Philebus. Selected Papers from the Eighth Symposium Platonicum, Sankt Augustin 2010, 259–265; Lloyd P. Gerson, „Beauty, Commensurability, and Truth in Plato’s Philebus“ in: Dillon/Brisson, Plato’s Philebus, 272–278; Philippa M. Lang, „The Ranking of the Goods at Philebus 66a–67b“, Phronesis 55 (2010), 153–169. 7 Frede, Philebos, 359. 8 Ebd., 359. Eine alternative Interpretation schlägt McGinley, Good, 46, vor: „The one of the ousia-like good of the mixed class is a unitary conjunction of three ideas: most causative
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an und sind deshalb gut. Platon scheint das Gute nicht genauer bestimmen zu wollen; er verbleibt vielmehr, man könnte sagen, in der „Vorhalle des Guten“: Die Dreiheit von Schönheit, Maß und Wahrheit stellt daher die Vorhalle des Guten dar, in der die letztgültige Entscheidung über den Vorrang von Lust und Wissen getroffen wird. Obgleich die Verwandtschaftsfrage implizit längst zugunsten der Vernunft entschieden ist, trägt dieser letzte ,Schnörkel‘ zum Ergebnis des Dialogs insofern etwas bei, als er explizit macht, was wir implizit längst wissen.9
Für Dorothea Frede stellen Schönheit und Wahrheit „unverzichtbare Indizien zur Feststellung des Vorliegens des richtigen Maßes [dar]“.10 Solange man das richtige Maß selbst nicht kennt, sind Wahrheit und Schönheit Anzeichen für das Maß und bieten damit eine Möglichkeit zur „objektiven Feststellung der Vollkommenheit der Dinge“.11 Mit Hilfe von Wahrheit und Schönheit lässt sich also die Bestimmung des Guten bzw. seiner Anwesenheit im praktischen Bereich bewerkstelligen, nicht jedoch seine Natur im Sinne einer Wesensbestimmung angeben. Wir finden demnach keine Definition des Guten im Philebos, eher eine kriteriengestützte Annäherung unter der Leitperspektive darauf, was das gute Leben sei. Im Folgenden (Phileb. 66a–c) erhalten wir einen Katalog von Besitztümern (κτήματα; „fünf Güteklassen“ nach D. Frede) in absteigender Wertigkeit, nach denen es sich zu streben lohnt. Im Einzelnen werden genannt: 1. „Maß“ (μέτρον), „Verhältnismäßigkeit“ (μέτριον) und „Rechtzeitigkeit“ (καίριον). 2. „das Angemessene“ (σύμμετρον), „das Schöne“ (καλόν), „Vollkommene“ (τέλεον), „Genügende“ (ἱκανόν). 3. „Vernunft und Einsicht“ (νοῦν καὶ φρόνησιν). 4. „die Wissenschaften“ (ἐπιστήμας), „Künste“ (τέχνας) und „wahre Meinungen“ (δόξας ὀρθάς). 5. Die „Lüste (ἡδονάς), die wir als schmerzlos (ἀλύπους) bestimmten und reine (καθαράς) Lüste der Seele nannten“. In der Sekundärliteratur sind Aufbau und Elemente dieser Rangordnung ausführlich diskutiert worden.12 Wir möchten hier nur darauf hinweisen, dass Platon die Frage nach den richtigen Mischungsverhältnissen für das gute Leben zwar nicht explizit beantwortet; er scheint aber von der Vorstellung auszugehen, dass ihre „harmonische Koexistenz“13 das richtige Maß sicherstellt. Auffällig ist dabei vor allem, wie die Rolle der Lust innerhalb der Mischung im truth; causative Proportion which receives its causative power from truth; and (perceivable) beauty which results from the presence of proportion.“ 9 Ebd., 358, vgl. 359–360: „Die Diskussion führt nicht mehr aus der Vorhalle in das Adyton des Guten selbst. Anzeichen für eine Abstinenz in der Frage der Ermittlung des richtigen Maßes sind in diesem Dialog immer wieder zu finden.“ 10 Ebd., 358. 11 Ebd., 360. 12 Sylvain Delcomminette, Le Philèbe de Platon. Introduction à l’agathologie platonicienne, Leiden 2006, 619–627; Frede, Philebos, 362–369. 13 Frede, Philebos, 356.
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Laufe des Dialoges immer mehr an Bedeutung verloren hat. Schien es am Anfang so, Lust und Wissen könnten zu einigermaßen gleichen Teilen in die Mischung eingebracht werden, so findet sich die Lust, nunmehr als reine, schmerzlose Variante nur noch an fünfter Stelle. Nach dieser knappen Rekapitulation einiger Kernstellen des Philebos sollen ein paar Bemerkungen zur neuplatonischen Interpretation dieses Dialoges folgen. Auffällig an der neuplatonischen, durchaus selektiven Interpretation des Philebos ist zweifellos die Verabsolutierung bzw. Hypostasierung der Elemente des Begrenzten und Unbegrenzten (πέρας, ἄπειρον), die am Anfang des Dialogs innerhalb der Digression zur Dialektik erwähnt wurden (Phileb. 16c– 17a)14, als ontologische Prinzipien der Wirklichkeit. Anstatt die dialektische Methode in ihrer Anwendung auf die Lust in das Zentrum der Aufmerksamkeit zu stellen, nehmen die Neuplatoniker an, dass Platon seine Prinzipienlehre in diesem Dialog entwickele, also die gesamte Wirklichkeit als Mischungsverhältnisse aus πέρας und ἄπειρον ab- oder herleite, wobei der Gott oder das höchste Prinzip als die Ursache der Mischung fungiert.15 Auf diese Weise wird also die Schönheit von einem Kriterium für die Anwesenheit des Maßes, bei Platon, zu einem strukturierenden Element alles Seienden, im Neuplatonismus.16 Wo der Philebos Elemente einführt, um die Güte und Qualität von Lüsten und vom guten Leben insgesamt zu bewerten, hypostasieren die Neuplatoniker diese ursprünglich lediglich als Kriterien intendierten Begriffe und machen sie zu Ursachen der Wirklichkeit selbst. Die neuplatonische Interpretation des Philebos suggeriert auch eine Gleichsetzung von Gutem und Schönen auf der einen, und Schlechtem und Hässlichem auf der anderen Seite. So wird deutlich, wie die Diskussion um den ontologischen Status der Schönheit auch Auswirkungen auf die Debatte um Wesen und Charakter des Schlechten hat (Theodizeeproblem). Im Platonismus ist dabei eine Tendenz zu beobachten, den eigenständigen, substanzhaften Charakter des Schlechten immer weiter zu minimieren. Am Ende dieser Entwicklung steht zweifellos Proklos, der das Schlechte nur noch als παρυπόστασις – „parasitäre Existenz“ (sc. am Guten) bestimmt.17 14
Vgl. oben S. 64. S. Gerd van Riel, „The transcendent cause. Iamblichus and the Philebus of Plato“, Syllecta classica 8 (1997), 31–46; „Les hénades de Proclus sont-elles composées de limite et d’illimité?“, Revue des sciences philosophiques et théologiques 85 (2001), 417–432; „N’essayons pas de compter l’intelligible sur les doigts. Damascius et les principes de la limite et de l’illimité“, Philosophie antique 2 (2002), 199–219. 16 Neben diesem metaphysischen Interesse am Philebos beschäftigten sich die Neuplatoniker ebenfalls mit der Lustlehre, s. Gerd van Riel, Pleasure and the good life. Plato, Aristotle, and the Neoplatonists, Leiden/Boston/Köln 2000 und Gerd van Riel, Damascius. Commentaire sur le Philèbe de Platon, texte établi, traduit et annoté, Paris 2008. 17 Jan Opsomer/Carlos Steel (Hgg.), Proclus. On the Existence of Evils. Translation with Introduction and Notes, London 2013, 20–31. 15
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Bei Platon selbst finden sich hingegen hier und da Hinweise darauf, dass die Präsenz des Schlechten in der Welt wesentlich deutlicher wahrgenommen wird als in der späteren platonischen Tradition. Im Theaitetos, im Kontext der berühmten ὁμοίωσις θεῷ-Passage (Theaet. 176a–b) heißt es bekanntlich, das Schlechte lasse sich in der Gegend unter dem Mond nicht auslöschen. Im Staat und in den Nomoi geht Platon weiter und behauptet sogar, es gebe mehr Schlechtes als Gutes in dieser Welt: Denn da wir selbst darüber einig geworden sind, dass die Welt voll von vielem Guten ist, aber auch von Entgegengesetztem, mehr freilich von dem Schlechten, so währt ein solcher Kampf, behaupten wir, ewig und erfordert eine erstaunliche Wachsamkeit. Unsere Mitstreiter aber sind Götter und Daimonen, und wir sind unsererseits der Besitz der Götter und Dämonen.18 Ist also gerade nicht, sagte ich, der Gott, weil er gut ist, von allem die Ursache, wie die Menge sagt, sondern von wenigen Dingen für die Menschen Ursache, für vieles hingegen nicht verantwortlich (ἀναίτιος). Denn bei uns gibt es viel weniger gute als schlechte Dinge, und für die guten Dinge dürfen wir keinen anderen verantwortlich machen, von den schlechten jedoch müssen wir andere Ursachen suchen, aber nicht den Gott.19
2. Der Timaios, die Schönheit und das Verhältnis von Vorbild und Abbild Die Dialektik von Vorbild und Abbild, die den Timaios, aber auch zahlreiche andere platonische Dialoge bestimmt, legt folgende Argumentation nahe. Ein schönes Abbild benötigt, um schön zu sein, ein schönes Vorbild (παράδειγμα). Dabei rückt die Schönheit in die Nähe der Vollkommenheit. Schönheit ist dabei nicht nur passive Eigenschaft des παράδειγμα, sondern charakterisiert darüber hinaus die Tätigkeit oder das Wirken des Demiurgen. Die Argumentation, dass Eigenschaften, die dem Verursachten zukommen, in stärkerem Maße in der Ursache sind, ist gut neuplatonisch.20 Wir finden es in Plotin, Porphyrios21 und, ausführlich begründet, in der 7. Proposition der proklischen Elementatio theologica. 18
Platon, Leg. X 906a, übersetzt von Klaus Schöpsdau/Carl W. Müller, modifiziert. Vgl. Hipp. Ma. 296c: „Nun tun aber doch alle Menschen von Kind auf viel mehr Schlechtes als Gutes und begehen Fehler wider ihren Willen“ (Übersetzung nach Otto Apelt, Platon. Hippias I/II, Ion, Übersetzt und erläutert, Leipzig 31935). 19 Platon, Resp. II 379c, übersetzt von Friedrich Schleiermacher. 20 Antony Charles Lloyd, „The Principle that the Cause is greater than its Effect“, Phronesis 21 (1976), 146–156. 21 Plot., V 1 [10] 6.37–39: Καὶ πάντα δὲ ὅσα ἤδη τέλεια γεννᾷ· τὸ δὲ ἀεὶ τέλειον ἀεὶ καὶ ἀίδιον γεννᾷ· καὶ ἔλαττον δὲ ἑαυτοῦ γεννᾷ. Porphyrios, Sententiae 13: Πᾶν τὸ γεννῶν τῇ οὐσίᾳ αὐτοῦ χεῖρον ἑαυτοῦ γεννᾷ, καὶ πᾶν τὸ γεννηθὲν φύσει πρὸς τὸ γεννῆσαν ἐπιστρέφει· τῶν δὲ γεννώντων τὰ μὲν οὐδ’ ὅλως ἐπιστρέφει πρὸς τὰ γεννηθέντα, τὰ δὲ καὶ ἐπιστρέφει καὶ οὐκ ἐπιστρέφει, τὰ δὲ μόνον ἐπέστραπται πρὸς τὰ γεννήματα εἰς ἑαυτὰ μὴ ἐπιστρέφοντα.
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Jede hervorbringende Ursache ist mächtiger (κρεῖττον) als diejenige Wesenheit, die sie hervorbringt.22
Gilt diese Prämisse bereits für Platons Timaios? In den Diskussionen, die auf unsere Vorträge folgten, ist bestritten worden, dass das platonische Vorbild (παράδειγμα) oder der Demiurg als schön bezeichnet würden. Nur der Kosmos sei nach Platon schön, keineswegs aber seine Ursachen. Diese Kritik, in ihrer Allgemeinheit, wird dem platonischen Text nicht gerecht. Am Ende und Ziel (τέλος) des Dialogs rekapituliert der Sprecher Timaios von Lokroi sein Projekt, die Entstehung und den Aufbau des Alls und des Menschen (Makro- und Mikrokosmos) zu beschreiben. Und so wollen wir nun sagen, dass unsere Untersuchung über das All nun schon ihr Ziel erreicht hat. Denn indem diese unsere Welt sterbliche und unsterbliche Lebewesen erhielt und derart mit ihnen erfüllt ward, ist sie ein sichtbares Lebewesen, das die sichtbaren Lebewesen umgibt, als Abbild des nur denkbaren Lebewesens (εἰκὼν τοῦ νοητοῦ), ein wahrnehmbarer Gott (θεὸς αἰσθητός), der größte und beste, schönste (κάλλιστός) und vollkommenste geworden – dieser unser einziger einzigartiger Himmel.23
Demnach ist die Welt (das All, der Himmel) das großartigste, schönste und vollkommenste Abbild (εἰκών) des intelligiblen Lebewesens. Sie ist entstanden aus dem Zusammenspiel aus präkosmischer, ungeordneter Bewegung, dem Demiurgen und dem Vorbild (παράδειγμα). Platon erklärt aber auch, warum der Demiurg überhaupt mit seinem Werk beginnt. Geben wir denn an, aus welchem Grund der Schöpfer (ὁ συνιστάς) das Entstehen und dieses Weltall schuf. Er war gut (ἀγαθός); in einem Guten erwächst nimmer und in keiner Beziehung irgendwelche Missgunst (φθόνος). Von ihr frei, wollte er, dass alles ihm möglichst ähnlich werde (ὅτι μάλιστα … παραπλήσια). […] Aber dem Besten (τῷ ἀρίστῳ) war es weder noch ist es gestattet, etwas anderes als das Schönste (τὸ κάλλιστον) zu tun. Indem er es überdachte, fand er, dass unter dem seiner Natur nach Sichtbaren nichts Vernunftloses als Ganzes je schöner sein werde als das mit Vernunft Begabte als Ganzes, dass aber unmöglich ohne Seele etwas der Vernunft teilhaftig werden könne. Von dieser Überlegung bewogen, gestaltete er das Weltall, indem er die Vernunft in der Seele, die Seele aber im Körper schuf, um das seiner Natur nach schönste (κάλλιστον) und beste (ἄριστoν) Werk zu vollenden.24
In diesem Text wird der Demiurg nicht explizit als schön bezeichnet, auch über das Vorbild wird das nicht gesagt. Allerdings könne der Beste nur das Schönste tun und er wolle, dass ihm sein Werk möglichst ähnlich werde. Kann man aus dieser Ähnlichkeitsbeziehung bereits schließen, dass auch das Vorbild schön ist? Das ist insofern problematisch, weil bei Platon das Verhältnis von Urbild Procl., Element. Theol., § 7: Πᾶν τὸ παρακτικὸν ἄλλου κρεῖττόν ἐστι τῆς τοῦ παραγομένου φύσεως. 23 Plat., Tim. 92c, übersetzt von Hieronymus Müller. 24 Plat., Tim. 29e–30b, übersetzt von Hieronymus Müller. In Plat., Resp. II, 379b–c wird argumentiert, dass, da Gott von Natur aus gut sei (ἀγαθόν), er nur das Gute, nie das Schlechte verursachen könne. 22
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und Abbild nicht streng symmetrisch gedacht werden kann. Dennoch gibt es zumindest einen Text im Timaios, der von der Schönheit von Demiurg und Paradeigma spricht. Da der Gott es also dem Schönsten unter allem durch die Vernunft Erkennbaren und in jeder Beziehung vollkommenen möglichst ähnlich zu machen beabsichtigte, schuf er es als ein sichtbares Lebewesen, welche alle von Natur ihm verwandten Lebewesen in sich fasst.25
Auch der folgende Text, der sich gegen Ende des Timaios findet, könnte als Hinweis auf die Schönheit sowohl des Paradeigma als auch des Demiurgen gewertet werden. Nun ist alles Gute schön, das Schöne aber ist nicht disproportioniert [ἄμετρον, wörtlich: ohne Maß]. Auch ein Lebewesen also, welches derartig sein soll, muss man als ebenmäßig (σύμμετρον) annehmen.26
Diese Passage ist aus zwei Gründen bemerkenswert. Zunächst spricht sich Platon hier explizit für die Gleichsetzung von Gutem und Schönem aus. Die Frage ist allerdings, für welchen Bereich des Seins er das tut. Da es gegen Ende des Timaios um Aufbau und Funktionen des menschlichen Körpers geht, ist zunächst offenbar das sinnlich wahrnehmbare Sein gemeint. Aber gilt die Gleichsetzung auch für den intelligiblen Bereich? Das lässt sich im Timaios nicht ohne Weiteres beantworten. Hier könnte man andere Passagen aus dem platonischen Werk anführen. Im zweiten Buch der Politeia wird der Gott als „schönster und bester“ (κάλλιστος καὶ ἄριστος, 381c) bezeichnet.27 Diese Attribute motivieren seine unveränderliche Natur. Würde er sich verändern, könnte er sich damit nur verschlechtern.28
25 Plat., Tim. 30d1–31a1, übersetzt von Hieronymus Müller. Vgl. Plat., Tim. 28a6–b2 und 29a2–6. Wie ist das παράδειγμα, das der Demiurg verwendet hat, beschaffen? Wenn der Demiurg auf das intelligible παράδειγμα blickt, ist sein „Produkt“ notwendigerweise schön. Hätte er ein sensibles παράδειγμα verwendet, wäre sein „Produkt“ nicht schön gewesen. Da diese Welt die schönste unter den entstandenen Dingen ist und da der Demiurg die beste Ursache ist, muss die Welt dem intelligiblen, ewigen παράδειγμα nach hervorgebracht werden. In diesen zwei Passagen wird also suggeriert, dass die Welt schön ist, weil der Demiurg gut ist und das ewige παράδειγμα verwendet hat. Platon erwähnt die Schönheit des Paradigmas hier, im Gegensatz zu Tim. 30d–31a, aber nicht explizit. 26 Plat., Tim. 87c übersetzt von Hieronymus Müller. 27 Schließlich findet sich im Symposium (202c–d) ein weiterer Verweis auf die Schönheit der Götter. Dort heißt es, dass Eros ein Bedürfnis nach Schönen und Gutem habe und deshalb kein Gott sein könne, denn kein Gott sei unbegabt (ἄμοιρος) an Gutem und Schönen. 28 Zur Schönheit der sichtbaren Götter (Himmelskörper, Planeten) vgl. auch Plat., Tim. 40a, übersetzt von Hieronymus Müller: „Die Form des göttlichen Geschlechtes gestaltete er zum größten Teil aus Feuer, damit es am glänzendsten sei und den schönsten Anblick gewähre, machte sie, Ähnlichkeit mit dem Weltall ihr verleihend, wohlgerundet und setzte sie in die Bahn der Vernünftigkeit des Allbeherrschenden zu dessen Begleitung, indem er sie ringsum über den Himmel verteilte, auf dass sie für ihn ein wahrer Schmuck seien, der kunstvoll allerwärts eingewebt sei.“
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Der Philebos argumentiert, wie wir gesehen haben, dass das Gute dem Schönen übergeordnet sei; das Schöne befinde sich, wie es dort heißt, „in der Vorhalle des Guten“ (Phileb. 64c). Zweitens stellt Platon hier eine enge Verknüpfung von Maß und Schönheit her, die insbesondere in diesem Dialog, wie oben ausgeführt, eine große Rolle spielt. Wenn wir, vor diesem Hintergrund, den Timaios mit dem Philebos vergleichen, fällt u.E. auf, dass beide Dialoge aus unterschiedlicher Perspektive mit dem Phänomen der Schönheit umgehen. Während im Philebos ein gleichsam analytisches Verfahren vorgestellt wird, mithilfe dessen Maß und Schönheit als Bestandteile des menschlichen Lebens, insbesondere mit Bezug auf die Lust oder auf die Mischung von Lust und Vernunft, identifiziert werden können, steht der Timaios für eine genealogische, deduktive Perspektive, gemäß der Schönheit und Vollkommenheit ein Kennzeichen des paradeigma ist, an dem die Welt als Ganze und die weltlichen Geschöpfe teilhaben. Kriterium für Schönheit ist nach dem Timaios die Nähe zu ihrem Urbild. Wie steht es aber mit dem Verhältnis von Gutem und Schönem im Timaios? Das, was die Schönheit der Welt ausmacht, ist die „Verwirklichung“ des Guten in ihr. Diese Verwirklichung ist durch Nachahmung des schönsten παράδειγμα möglich und durch die Tätigkeit des Demiurgs, der gut ist und dadurch das Schöne schafft. Dominic O’Meara hat das komplexe Verhältnis folgendermaßen auf den Punkt gebracht: The question of the relation between beauty and the good in the Timaeus involves several levels: the relation between the good and the beauty of an intelligible paradigm or model; the realization of the good as the beauty of the world through the world’s relation to the intelligible paradigm and through the ensouled and rational life of the world. […] If what makes the beauty of the world is the realization of the good in it, this realization is achieved through imitation of the most beautiful model, the intelligible paradigm, and through the presence of rational soul in the world.29
3. Der anagogische Aspekt der Schönheit Das Symposium postuliert eine für die gesamte platonische Tradition fundamentale Annahme, nämlich dass die verschiedenen Ebenen der Schönheit, die dort unterschieden werden, über sich hinausweisen, dass der Schönheit also ein anagogischer Charakter innewohnt. Dieser Aufstieg endet bei der Idee der Schönheit selbst. Dabei strebt, so Platon, die Liebe (ἔρως) nach Schönheit, nach „Zeugen und Gebären im Schönen“ (τῆς γεννήσεως καὶ τοῦ
29 Dominic O’Meara, „The Beauty of the World in Plato’s Timaeus“, Schole 8 (2014), 24–33, hier 26 und 31.
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τόκου ἐν τῷ καλῷ, Symp. 206e5) und damit nach Unsterblichkeit oder danach, das Gute immer zu haben.30 Weil eben die Erzeugung das Ewige ist und das Unsterbliche, wie es im Sterblichen sein kann. Nach der Unsterblichkeit aber zu streben mit dem Guten, ist notwendig zufolge des schon Eingestandenen, wenn doch die Liebe darauf geht, das Gut immer zu haben. Notwendig also geht nach dieser Rede die Liebe auch auf die Unsterblichkeit.31
Wie diese Passage im Einzelnen zu verstehen ist, dazu gibt es verschiedene Auffassungen. Debattiert wird die Frage nach dem genauen Gegenstand der Liebe und, damit verbunden, nach dem Verhältnis zwischen Schönem und Gutem.32 Einig sind sich die Interpreten in der Regel darin, dass Platon das Gute und Schöne nicht gleichsetze. Erôs is not of the beautiful (e.g. Socrates, the Grand Canyon, a beautiful boy), but of production in the presence of the beautiful and, we might now add, for the sake of the good […]. If that is the case, then although the kalon and agathon are closely related, there can be no straightforward identification of the two; the beautiful is not identical to the good, but a spur to its production.33 In the Symposium Plato did not consider ‚good‘ and ‚beautiful‘ to be interchangeable, and did not consider either their referents or their corresponding Forms to be identical. Consequently, I judge my principal thesis to stand, that he thought Beauty as subservient to the good.34
30 Symp. 206a11–12 (Definition der Liebe): Ἔστιν ἄρα συλλήβδην, ἔφη, ὁ ἔρως τοῦ τὸ ἀγαθὸν αὑτῷ εἶναι ἀεί. Siehe Jonathan Fine, „The Guise of the Beautiful. Symposium 204d ff.“, Phronesis 65.2 (2019), 129–152, hier 14: „Erotic desire is about (περί) the beautiful (qua beautiful) as its intensional object, not of the beautiful (οὐ τοῦ καλοῦ, 206e1–3) but of the good (τοῦ ἀγαθοῦ, a1) as its aim, elliptical for being happy by having the good forever and thus some mortal share of immortality.“ 31 Plat., Symp. 206e–207a, übersetzt von Friedrich Schleiermacher, bearbeitet von Dietrich Kurz. 32 Bemerkenswert ist auch, aber das ist nicht unser primäres Interesse an dieser Stelle, der Begriff der Unsterblichkeit, der hier eingeführt wird. Anthony Hooper, „The Memory of Virtue. Achieving Immortality in Plato’s Symposium“, Classical Quarterly 63 (2013), 543– 557, hier 543 bemerkt ganz zu recht, dass „the nature of the immortality that Socrates recommends here, and the means by which he suggests it is achieved, are wholly unique to this work.“ Zur Liebe als Streben nach Unsterblichkeit siehe Michael Dyson, „Immortality and Procreation in Plato’s Symposium“, Antichthon 20 (1986), 59–72; Dorothea Frede, „Die Rede des Sokrates. Eros als Verlangen nach Unsterblichkeit (204c7–209e4), in: Christoph Horn (Hg.), Platon. Symposion, Berlin 2012, 141–157; Filip Karfík, „Eros und Unsterblichkeit. Das Hervorbringen im Schönen“, in: Mauro Tulli/Michael Erler (Hgg.), Plato in Symposium. Selected Papers from the Tenth Symposium Platonicum, Sankt Augustin 2016, 257– 269 und Gabriel Richardson Lear, „Permanent beauty and becoming happy in Plato’s Symposium“, in: James H. Lesher/Debra Nails/Frisbee C.C. Sheffield (Hgg.), Plato’s Symposium. Issues in Interpretation and Reception, Cambridge, Mass. u.a. 2006, 96–123. 33 Frisbee Sheffield, Plato’s Symposium. The Ethics of Desire, Oxford 2006, 98. 34 Frank C. White, „Love and Beauty in Plato’s Symposium“, The Journal of Hellenic Studies 109 (1989), 149–157, hier 157.
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The Good is not only the ultimate object of knowledge, it is also, and primarily, the final goal of love. Diotima never ascribes the latter function to the Beautiful. Men seek the beautiful to obtain the good and not vice-versa.35
Zentral für die im Symposium entwickelte Lehre von der Liebe (ἔρως), ist, wie einleitend gesagt, seine anagogische Wirkung und die, man könnte sagen, motivationale Gerichtetheit auf das Gute. Dabei ist Platon und der platonischen Tradition sehr wohl bewusst, dass Schönheit, d.h., das, was auf den Betrachter als schön wirkt, durchaus eine intrinsische Ambiguität aufweist.36 Noch eindringlicher als das Symposium beschreibt der Phaidros die Wirkungen der Schönheit. Im Gegensatz zu allen anderen Tugenden „glänzt“ sie bereits hier in dieser Welt. Ihre Wirkung ist durch eine besondere „Unmittelbarkeit“ (E. Heitsch) gekennzeichnet.37 Denn das Gesicht ist der schärfste aller körperlichen Sinne, mittels dessen aber die Weisheit nicht geschaut wird, denn zu heftige Liebe würde entstehen, wenn uns von ihr ein so helles Ebenbild dargeboten würde durch das Gesicht, noch auch das andere Liebenswürdige; nur der Schönheit aber ist dieses zuteil geworden, dass sie uns das Hervorleuchtendste ist und das Liebreizendste.38
4. Schönheit und Kunst Jede Art von Beschäftigung mit dem Schönen und Guten bei Platon kann seine Dichterkritik im zweiten, dritten und zehnten Buch der Politeia nicht ignorieren. Dieser alte Streit zwischen Philosophie und Dichtung ist immer wieder herangezogen worden, wenn man Platons Auffassung von Kunst bestimmen wollte.39
35 Harry Neumann, „Diotima’s Concept of Love“, The American Journal of Philology 86 (1965), 35–59, hier 42. Vgl. 43: „The idea of beauty is relegated to an ancilary role.“ 36 Vgl. hierzu die interessanten Bemerkungen von Antonio Vargas in diesem Band. 37 Ernst Heitsch, Plato. Phaidros, Übersetzung und Kommentar, Göttingen 21997, 119: „[W]ährend Besonnenheit, Gerechtigkeit und überhaupt alle übrigen ewigen Dinge hier auf Erden nur schwach vertreten und daher schwer wiederzuerkennen sind, steht es um die Schönheit anders. Sie, und sie allein, hat die Gabe, in irdischen Repräsentationen unmittelbar sichtbar zu werden und den Beobachter an sich zu ziehen ([Phaedr.] 250 b–d). Hier, in der Liebe, öffnet sich daher dem Menschen ein einzigartiger Zugang zur Welt des Ewigen, ein Zugang, für den neben der besonderen Intensität eine Unmittelbarkeit charakteristisch ist, die allen anderen Beziehungen von hier nach dort notwendigerweise fehlt.“ 38 Plat., Phaedr. 250d–e, übersetzt von Friedrich Schleiermacher, bearbeitet von Dietrich Kurz. 39 Zu Platons Dichterkritik siehe u. a. Giovanni R.F. Ferrari, „Plato and Poetry“, in: George Alexander Kennedy (Hg.), The Cambridge History of Literary Criticism, Bd. I, Cambridge 1989, 92–148; Elisabeth Asmis, „Plato on poetic creativity“, in: Richard Kraut (Hg.), The Cambridge Companion to Plato, Cambridge 1992, 338–364; Christopher Janaway, Images of Excellence. Plato’s critique of the arts, Oxford 1995; Glenn W. Most, „What
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Dieses also sei zu unserer Verteidigung gesagt, weil wir der Dichtkunst wieder gedachten, dass wir sie mit gutem Rechte damals aus der Stadt verwiesen, da sie eine solche ist; denn die Vernunft nötigte es uns ab. Wir wollen ihr aber zureden, dass sie uns nicht einer Härte und Unartigkeit zeihe, weil ja ein alter Streit ist zwischen der Philosophie und der Dichtkunst. Denn jener lärmige, gegen die Herren ankläffende Hund und groß in der Toren Leerrednereien und der Gottweisen herrschendes Volk und die zart die Gedanken verspinnenden, weil sie eben hungern, und tausenderlei dergleichen sind Zeichen des alten Haders unter diesen beiden.40
Auffällig ist zunächst, dass die Kritik im ersten Teil des Werkes einige Unterschiede zur mehr ontologisch/epistemologisch fundierten Kritik im letzten Buch aufweist. In den Büchern zwei und drei steht die Erziehung der Kinder und Wächter im Vordergrund. Kinder könnten mögliche allegorische Bedeutungen (gr. ὑπόνοια) von Göttergeschichten noch nicht verstehen. Götter (und Heroen) dürften nur als nachahmenswerte Vorbilder erscheinen. Sie sollen als gut und Ursache des Guten, als unveränderlich und nicht täuschend beschrieben werden. Dichtung, die starke Emotionen hervorruft, sei nicht zu gebrauchen, da sie den emotionalen Teil der Seele unnötigerweise stark mache. Dieser letzte Punkt steht, darauf ist vielfach hingewiesen worden, in einem interessanten Kontrast zu Aristoteles’ Konzeption der Katharsis. Wurde Dichtung in den Büchern zwei und drei nicht generell abgelehnt und ihr eine gewisse Vorbildfunktion zugebilligt, wird das zehnte Buch, das die Gleichnisse und die platonische Ontologie voraussetzen kann, in der Regel als Platons Absage an alle Arten der Dichtung als Nachahmung (μίμησις) gewertet.41 Im Hintergrund der Argumentation steht folgendes Argument. Dichter hätten kein Wissen im platonischen Sinn. Indem sie die sinnliche Welt nachahmen, erzeugen sie sozusagen Kopien von Kopien und entfernen sich nur weiter von der ursprünglichen Wahrheit intelligibler Realitäten. Ganz parallel zu dieser Argumentation kritisiert Platon, bereits im Ion und in der Apologie42, solche Dichter, die bloß inspiriert seien und kein Wissen dessen hätten, worüber sie dichteten. Inspirierte Dichter könnten keinen wohldefinierten Gegenstandsbereich ihrer Expertise angeben, sie besäßen keine τέχνη.43 Ancient Quarrel between Philosophy and Poetry?“, in: Pierre Destrée/Fritz-Gregor Hermann (Hgg.), Plato and the Poets, Leiden/Boston 2011, 1–20. 40 Plat., Resp. X 607b–c, übersetzt von Friedrich Schleiermacher. 41 Zur Dichtungskritik in Resp. X siehe u.a. Charles L. Griswold, „The Ideas and the Criticism of Poetry in Plato’s Republic 10“, Journal of the History of Philosophy 19 (1981), 135– 150; Alexander Nehamas, „Plato on imitation and poetry in Republic 10“, in: Julius Moravcsik/Philip Temko (Hgg.), Plato on beauty, wisdom and the arts, Totowa (NJ) 1982, 47–78; Elisabeth Belfiore, „Plato’s Greatest Accusation against Poetry“, Canadian Journal of Philosophy suppl. Bd. 9 (1983), 39–62 und Jessica Moss, „What is Imitative Poetry and Why is it Bad?“, in: Giovanni R.F. Ferrari (Hg.), The Cambridge Companion to Plato’s Republic, Cambridge 2007, 415–444. 42 Apol. 22a–c und Ion 533c–534e. 43 Zum Verhältnis zwischen Inspiration und mimêsis bei Platon siehe: Penelope Murray, „Inspiration and Mimēsis in Plato“, Apeiron 25/4 (1992), 27–46 und Nickolas Pappas, „Plato
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Zwei Aspekte dieser Kritik möchten wir im Folgenden aufgreifen. Zum einen die Rolle und Funktion von Inspiration und zum anderen das schwierige Verhältnis der Dichterkritik in Buch zehn zu den Büchern zwei und drei. Wenn wir davon ausgehen, dass Platon göttliche Inspiration nicht nur als eine Metapher auffasst, stellt sich die Frage, wie genau er sich ihre Wirkweise vorstellt. Ferner ist in der Literatur untersucht worden, welchen epistemischen Status wir dem göttlich inspirierten Dichter zuschreiben können. Wenn Dichtung schön ist und die Götter Quelle der dichterischen Inspiration sind, ist die Schönheit inspirierter Dichtung von den Göttern verursacht.44 Der inspirierte Dichter oder der inspirierte Rhapsode haben nach Platon keine τέχνη und auch kein Wissen. Aber was haben sie dann? Sind sie lediglich die nicht-rationalen Vehikel göttlichen Wirkens? Müssen sie mit einer besonderen Empfänglichkeit für diese Art von Inspiration ausgestattet sein? Ist es diese Empfänglichkeit, die sie zu guten Dichtern macht? All diese Fragen bleiben bei Platon auffällig unterbestimmt. Klar ist, dass er inspirierte Dichtung und inspirierte Rhapsodenkunst vor allem in polemischer Absicht diskutiert und sie als Negativfolie für seinen eigenen Wissensbegriff benutzt.45 Was das Verhältnis der Dichterkritik im zweiten und dritten Buch zum zehnten Buch betrifft, stehen uns mehrere Optionen zur Auswahl. Zunächst könnte man annehmen, Platon widerspräche sich in der Politeia selbst. Dann bestünde zweitens die Möglichkeit, er habe seine Meinung geändert oder weiterentwickelt bei der Abfassung dieses Werkes. Eine dritte, unseres Erachtens vielversprechende Option wäre, zu schauen, auf welchen besonderen Prämissen die Mimesiskritik im zehnten Buch beruht, um davon ausgehend in einem zweiten Schritt zu fragen, inwiefern die Wahl dieser Prämissen uns Spielraum für eine, man könnte sagen, unitarische Deutung liefert. Auffällig ist vor allem, dass Platon im zehnten Buch den Dichtern ein Wissen im strengen, platonischen Sinne abspricht. Hier scheint uns eine interessante Möglichkeit anzusetzen. Man hat sich immer wieder gefragt, ob Platon eine sozusagen philosophisch geläuterte Dichtung oder dichtende Philosophenon Poetry. Imitation or Inspiration?“, Philosophy Compass 10 (2012), 1–10. Zur Inspiration bei Platon siehe Eugène Napoléon Tigerstedt, Plato’s idea of poetical inspiration, Helsinki 1969; Paul Woodruff, „What Could Go Wrong with Inspiration? Why Plato’s poets fail“, in: Moravcsik/Temko, Plato on Beauty, 137–150; Stephan Büttner, „Inspiration and Inspired Poets in Plato’s Dialogues“, in: Pierre Destrée/Hermann Fritz-Gregor (Hgg.), Plato and the Poets, Leiden/Boston 2011, 111–129. 44 An dieser Stelle könnte man die Frage stellen, ob Plato inspirierte Dichtung überhaupt als schön bezeichnet. Das ist tatsächlich im Ion der Fall: 533e7–8 τὰ καλὰ … ποιήματα; 534b8 καλά; 534c2 καλῶς; 534d8 κάλλιστον; 534e3 τὰ καλὰ ταῦτα ποιήματα; 534a1 τὸ κάλλιστον μέλος. 45 Murray, Inspiration, siehe v.a. 33–34, argumentiert, dass der Umstand, dass die Dichtung von Göttern inspiriert ist, vor Platon ihre Wahrheit und Qualität gewährleistet habe. Bei Platon ist aber Inspiration mit dem Besitz einer τέχνη inkompatibel. Deswegen muss Dichtung, obwohl sie schön ist, kritisiert werden.
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könige zulassen würde.46 Diese Frage hängt selbstverständlich mit dem bekannten Problem zusammen, ob eine zu rigorose Kritik an der Mimesis nicht auch Platons eigenes Werk treffen würde. Nehmen wir an, Philosophenkönige würden zu Dichtern, dann träfe klarerweise auf sie die Prämisse nicht mehr zu, sie hätten kein Wissen. Der Neuplatoniker Plotin hat, wesentlich später als Platon, darauf hingewiesen, dass es in diesem Fall eine Mimesis höherer Ordnung geben könne, d.h. eine Mimesis nicht mehr bezogen auf die Erscheinungen der sinnlichen Welt, sondern eine Mimesis, die sich direkt an den Ideen orientiert. Vor diesem Hintergrund könnte man argumentieren, dass die Mimesiskritik in Buch zehn nicht alle Arten von Dichtung oder Mimesis trifft, sondern nur diejenigen Formen, die ohne Wissen operieren.47 Vorausgesetzt, Platon heißt diese Form der Philosophendichtung gut, wäre das Kriterium für eine gelungene künstlerische Performance die Nähe zu den Ideen. Die Motivation dieser Art von Dichtung wäre nicht mehr rein ästhetisch, sondern an den Ideen und am Guten selbst orientiert. So eine Argumentation, bezogen auf die Kunst ganz allgemein, finden wir in der Tat bei Plotin in seiner Schrift „Über die intelligible Schön- heit“ (V 8 [31]). Das erste Erschaffende muss, als solches genommen, immer stärker sein als das, was er erschafft: Musikalisch macht ja nie die Unmusikalität, sondern die Musik, und die Musik im sinnlich Wahrnehmbaren wird von der gemacht, die vor ihr da ist. Falls indessen jemand den Künsten darum einen geringen Wert beimisst, weil sie nur durch Imitation der Natur schaffen, so ist dem als erstes entgegenzuhalten, dass bei den natürlichen [Schaffensvorgängen] auch nur etwas anderes imitiert wird. Zweitens muss man wissen, daß sie nicht einfach imitieren, was sie sehen, sondern weiter hinauf zu den rationalen Strukturen zurückgehen, aufgrund von denen die Natur [schafft]. Drittens schaffen sie auch vieles von sich aus, und sie tun überall da etwas hinzu, wo etwas fehlt, wie sie die Schönheit in sich haben. Viertens: Pheidias hat seinen Zeus nicht mit Blick auf irgend etwas sinnlich Wahrnehmbares 46 Das bleibt eine offene Frage. Es gibt aber einige Passagen im 10. Buch der Politeia, die in diese Richtung gelesen werden können. In Resp. X, 595b heißt es, dass Dichtung für diejenigen Zuhörer schädlich sei, die kein Gegenmittel (φάρμακον) besitzen. Resp. X, 605c kommt die „größte Anklage“ gegen die Dichtung zur Sprache, nämlich dass sie auch gute Seelen schädigen könne, mit wenigen Ausnahmen (ἐκτὸς πάνυ τινῶν ὀλίγων). Resp. X, 607d– 608a spielt zumindest mit der Möglichkeit, dass sich die Dichtkunst selbst verteidigen und ihren Nutzen für Staaten und das menschliche Leben aufzeigen könne. 47 Dazu siehe auch Stephan Büttner, Inspiration, 128: „The philosophical poet represents a special category of poetic inspiration. He can do both: through thought, he can be inspired by the object of his thought; and he can justify his thought.“ Insgesamt deutlich pessimistischer ist Stephen Halliwell, „Antidotes and Incantations. Is there a Cure for Poetry in Plato’s Republic?“, in: Pierre Destrée/Hermann Fritz-Gregor (Hgg.), Plato and the Poets, Leiden/Boston 2011, 241–266, hier 244: „Book X offers not a simple repudiation of the best poets but a complicated counterpoint in which resistance and attraction to their work are intertwined, a counterpoint which (among other things) explores the problem of whether, and in what sense, it might be possible to be a ‘philosophical lover’ of poetry.“ Obgleich der Autor die Ambiguitäten der platonischen Dichterkritik sehr gut herausarbeitet, ist er doch davon überzeugt, dass es letztendlich keine Rettung für die Dichtkunst gebe.
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geschaffen, sondern indem er erfasst hat, wie er sein könnte, vorausgesetzt, dass Zeus dazu bereit wäre, sich uns, für unsere Augen wahrnehmbar, zu zeigen.48
5. Schönheit, ihre Erscheinungsweisen und ihre Ursachen Wir haben gesehen, dass Schönheit in Platons Werk in ganz verschiedenen Kontexten diskutiert wird, z.B. in der Ethik, der Ästhetik und der Kosmologie. Blickt man auf die platonische Tradition, beobachten wir eine gewisse Verengung der Perspektive. Schönheit wird vor allem im Kontext der Ontologie betrachtet, und zwar in der Tradition des Timaios als Charakteristikum des Seins insgesamt. Im Vergleich zu Platon erkennt man bei seinen platonischen Interpreten eine stärkere Annäherung des Guten und Schönen. Das hat auch Auswirkungen auf philosophische Fragen nach Natur und Ursprung des Bösen (Theodizee), ein Kontext, in dem die Platoniker vermutlich wesentlich optimistischer waren als Platon selbst. Besonders deutlich wird diese Verengung der Perspektive oder Selektivität der Platonlektüre der Neuplatoniker bei der Exegese des Philebos. Während Platon Schönheit dort als eines der Kriterien für die Güte einer Mischung einführt, wird die Triade Maß, Wahrheit und Schönheit im Neuplatonismus zum Organisationsprinzip der intelligiblen und sinnlichen Welt. Platon und auch die Mittel- und Neuplatoniker nach ihm identifizieren das Gute und das Schöne nicht. Das Schöne bleibt, um es mit dem Philebos auszudrücken, „in der Vorhalle des Guten“ (Phileb. 64c). Es ist in gewisser Weise eine Erscheinungsform des Guten, aber niemals sagt Platon, dass sich das Schöne wie die Idee des Guten jenseits des Seins (ἐπέκεινα τῆς οὐσίας, Resp. VI, 509b) befinde. Deutlich ist die anagogische Funktion der Schönheit und ihre fundamentale Rolle in der Lehre von der Wiedererinnerung (ἀνάμνησις). Auch die intrinsische Ambiguität der Schönheit wird von Platon und den Platonikern, in der Tradition mythologischer Erzählungen wie derjenigen von Herakles am Scheideweg, deutlich gesehen. 48 Plot., V 8 [31], 1.32–41, übersetzt von Christian Tornau. Dazu siehe Arthur Hilary Armstrong (Hg.), Plotin. Ennead V, Bd. 5, Cambridge, Mass. u.a. 1984, repr. 2001, 240, Anm. 1: „The ‚Pheidias commonplace‘, on the basis of which Plotinus develops his own view of the artist’s direct access to the intelligible world, goes back at least to the age of Cicero (cp. Cicero Orator II. 8–9 and, for the continuance of its use down to the time of Plotinus, Philostratus Life of Apollonius VI. 19. 2). Plotinus is of course here in disagreement with Plato, for whom the artist is a mere copyist of the realities of the sense-world (cp. Plato Republic X 597Bff.).“ Zur Rolle von Cicero und Philostrat siehe Anna Motta, „The Philosophy of Artistic Creation. Phidias, the Ideas, and Cicero“, Apeiron 51/3 (2018), 325–344 und Karel Thein, „Gods and Painters. Philostratus the Elder, Stoic Phantasia and the Strategy of Describing“, Ramus 31/1–2 (2002), 136–145. Vgl. auch Werner Beierwaltes, „Plotins Theorie des Schönen und der Kunst“, in: Filip Karfík/Euree Song (Hgg.), Plato revived. Essays on Ancient Platonism in Honour of Dominic J. O’Meara, Berlin/Boston 2013, 3–26.
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Interessant ist zu sehen, wie Neuplatoniker mit der Mimesiskritik in der Politeia umgegangen sind. Im ersten Kapitel seines Traktats „Über die intelligible Schönheit“ (V 8 [31] 1.32–41) formuliert Plotin einen gegenüber Platon erweiterten Begriff der Mimesis, der auch die Nachahmung von Ideen miteinschließt, und eröffnet damit, in der Tradition von Cicero und Philostrat, eine wesentliche Aufwertung der künstlerischen Produktion. Bei Proklos, der ausführlich auf die Problematik in seinem Kommentar zum Staat eingeht, beobachten wir einerseits die Entwicklung einer komplexen Theorie mehrerer Arten von Dichtung.49 Andererseits sind die Mittel- und Neuplatoniker viel eher bereit, Homers Epen zu allegorisieren;50 etwas, das Platon im Kontext der Erziehung der Wächter noch kritisch betrachtet hatte.
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Das Schöne als generative Kraft des Guten Salvatore Lavecchia Den Begriff des Schönen verbinden wir gewöhnlich mit dem Erleben einer bestimmten – sei es äußerlichen, sei es innerlichen – Form, der wir mittels einer Gebärde der Aufmerksamkeit durch unsere Wahrnehmung begegnen: Wir schauen, hören, empfinden, ertasten eine Form, die sich uns manifestiert, und betrachten sie als schön. Im Folgenden möchte ich zeigen, dass der Begriff des Schönen, der in Platons Werk vorausgesetzt wird, nicht nur auf eine Dimension der Form beziehungsweise der äußerlichen oder innerlichen Betrachtung, sondern auch, und zwar prioritär, auf eine Dimension der Kraft, der äußerlichen oder innerlichen Generativität und Produktivität hinweist. Die hiermit angedeutete Kraft wird sich wiederum als Manifestation jener Wirklichkeit erweisen, die Platon mit dem Ursprung aller Formen des Seins identifiziert, das heißt als Manifestation des Guten. Den Anfang meiner Ausführungen bilden einige skizzenhafte Bemerkungen in Bezug auf Platons Begriff des Guten, die aufgrund des Timaios möglich sind; sie werden nämlich dazu verhelfen, die Qualität der Relation besser zu verstehen, die das Schöne mit dem Guten verbindet.
I Der uneingeschränkte Impuls zur Selbstmanifestation beziehungsweise – sozusagen – zur Selbstvermittlung offenbart sich in Platons Perspektive als wesentliche Charakteristik des Guten. Inbegriff dieses Impulses ist der göttliche Demiurg des Timaios, mit dem die einzige explizite, wenn auch knappe Charakterisierung des Gutseins in Platons Werk verbunden ist1: Der göttliche Handwerker will deshalb das Weltall schaffen, weil er gut ist, und wer gut ist, wird nie und in Bezug auf nichts φθόνος, eifersüchtigen Neid, empfinden; demzufolge will der Demiurg, ohne irgendeine Bedingung oder vorgefasste 1
Für eine Einführung zu den verschiedenen interpretatorischen Hypothesen, die das Verhältnis des Demiurgen zum Guten betreffen, vgl. Franco Ferrari, „Platone ha effettivamente identificato il demiurgo del Timeo con l’idea del bene della Repubblica? Riflessioni intorno a una antica querelle filosofica“, in: Anca Vasiliu (Hg.), Le principe du bien. Platon, Aristote et leur postérité, χώρα. Revue d’Études Anciennes et Médiévales 15–16 (2017–2018), 67– 91 (mit sehr reicher weiterführender Bibliographie).
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Erwartung, dass alle Dinge so weit und tief wie möglich an seinem Wesen, das heißt am Gutsein teilhaben2; und dies ist der Grund, warum er das Sichtbare, das sich in einem chaotischen Zustand befindet, in etwas Schönes verwandelt (Tim. 28e7–30a). In anderen Worten: Das Gute ist deshalb gut, weil es das diffusivum sui schlechthin ist3, in sich eben den uneingeschränkten Impuls tragend, Anderes an der eigenen Wirklichkeit teilhaben zu lassen beziehungsweise zu einem Abbild jener Wirklichkeit zu verwandeln. Dies impliziert jedoch nicht, dass das Wesen, das am Guten teilhat, zur Reproduktion von irgendeiner schon bestehenden Form des Guten wird; wahrhaftiges Abbild des Guten zu sein bedeutet nämlich vor allem, Abbild seiner Autonomie, seiner Freiheit zu sein. Deshalb wird das Weltall, das der Demiurg als Abbild des eigenen Gutseins schafft, als vollkommen selbstgenügsam (αὔταρκες, Tim. 33d2), als vom schaffenden Gott unabhängig geschaffen, was die Generierung und Gestaltung des eigenen Lebens sowie das Bewusstsein seiner selbst betrifft (Tim. 33c–d2 und 34a8–b9). Demzufolge manifestiert das Weltall das Gute in einer vollkommen eigenen, individualisierten und autonomen Form.4 Seine Schönheit entsteht mithin nicht dadurch, dass es irgendeine schon bestehende Form des Schönen reproduziert. Anders ausgedrückt: Die gute Tätigkeit des Demiurgen vermittelt dem Weltall nicht eine schon bestehende Form, sondern die Kraft des Guten und des Gutseins, damit das Weltall, allein ausgehend von sich selbst, aufgrund des eigenen autonomen Bewusstseins (γνώριμον […] αὑτῷ, Tim. 34b7–8) sowie der eigenen bewussten Tätigkeit, die eigene individuelle Form des Guten manifestieren kann. In diesem produktiven, generativen Sinne ist das Weltall ein höchst schönes Abbild, eine εἰκών des noetischen Gottes (Tim. 92c7). An diesem Punkt könnten wir auf folgende Weise den Begriff des Guten zusammenfassend charakterisieren, den Platon im Timaios vorauszusetzen 2 Zur Abwesenheit von φθόνος als wesenhafter Charakteristik des Guten in Platons Denken siehe Ernst Milobenski, Der Neid in der griechischen Philosophie, Wiesbaden 1964, 27– 58. 3 Für eine weitere Vertiefung dieser Qualität des Guten vgl. Hans Michael Baumgartner, „Von der Möglichkeit, das Agathon als Prinzip zu denken. Versuch einer transzendentalen Interpretation von Politeia 509b“, in: Kurt Flash (Hg.), Parousia. Studien zur Philosophie Platons und zur Problemgeschichte des Platonismus. Festgabe für J. Hirschberger, Frankfurt a.M. 1965, 89–101; Salvatore Lavecchia, Oltre l’Uno ed i Molti. Bene ed Essere nella filosofia di Platone, Milano/Udine 2010, 11–16. 4 Zum Guten als Grund von Individualiät und Autonomie siehe Salvatore Lavecchia, „Creatività come agatopoièsi. L’esperienza della formatività nella filosofia di Platone“, in: Alessandro Bertinetto/Alberto Martinengo (Hgg.), Rethinking Creativity. History and Theory, Trópos. Rivista di Ermeneutica e Critica Filosofica 5 (2012), 11–25; ders., „Agathological Realism. Searching for the Good beyond Subjectivity and Objectivity or On the Importance of Being Platonic“, Etica & Politica / Ethics & Politics 16 (2014), 533–549, insbesondere § 6 (auch in: Gabriele De Anna/Riccardo Martinelli (Hgg.), Moral Realism and Political Decisions, Bamberg 2015, 29–50).
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scheint: Das Gute besteht in einem eminent relationalen, manifestativen Impuls, der eine produktive, generative Tätigkeit und Kraft impliziert, durch die das Gute gleichsam den Raum für ein Abbild der eigenen Gutheit, des eigenen Gutseins, das heißt für eine Form des Schönen schafft; wobei unter dem hier gemeinten Abbild im prägnantesten Sinne ein Wesen zu verstehen ist, das durch bewusste, generative Tätigkeit und Kraft das Gute in einer der eigenen Individualität entsprechenden schönen Form manifestieren kann. Die soeben gegebene Charakterisierung des Guten als schönheitsbewirkendes diffusivum sui ist deshalb sehr wichtig, weil sie den Schlüssel zu einem tieferen Verstehen der Einheit des Guten mit dem Schönen bietet, auf die zwei zentrale Kontexte von Platons Werk hinweisen: Diotimas Rede im Symposion (201d–212b) und das Sonnengleichnis in der Politeia (506d–509c).
II Das diffusivum sui ist im Sonnengleichnis wesenhaft mit einbegriffen, in dem Platon das Gute als Ursprung aller Dinge versinnbildlicht.5 Die Sonne ist nämlich deshalb ein sehr stimmiges Gleichnis des Guten6, weil ihr Wesen von ihrem manifestativen, generativen Impuls – von Licht und Sichtbarkeit – nicht getrennt werden kann; denn ebenso wie die Sonne wird das Gute von seinem manifestativen, generativen Impuls nicht getrennt werden können, durch den es zum Ursprung des intelligiblen Lichtes (vgl. Resp. 508d4–6), und mithin der Erkennbarkeit des Seins wird7; und genauso wie die Sonne das Auge als Zentrum der aktiven Wahrnehmung und Gestaltung ihrer Kraft des Leuchtens ermöglicht, ermöglicht das Gute den νοῦς, den Intellekt beziehungsweise den
5 Für einen einführenden Kommentar zum Sonnengleichnis, auch im Hinblick auf die verschiedenen interpretatorischen Perspektiven, vgl. Franco Ferrari, Platone. Il governo dei filosofi (Repubblica VI), Venezia 2014 (mit reicher Bibliographie); für einen Überblick der verschiedenen hermeneutischen Horizonte siehe auch Giovanni Reale/Samuel Scolnicov (Hgg.), New Images of Plato. Dialogues on the Idea of the Good, Sankt Augustin 2002; Francisco L. Lisi (Hg.), The Ascent to the Good, Sankt Augustin 2007, Part III. Soweit mir bekannt ist, wird die in den vorliegenden Seiten vertiefte Dimension des Schönen in der bisherigen Literatur nicht oder nicht angemessen beachtet. 6 Zum kulturellen Hintergrund dieses Gleichnisses siehe Francesca Calabi, „Il sole e la sua luce“, in: Mario Vegetti (Hg.), Platone. La Repubblica, Bd. V, Napoli 2003, 327–354. 7 Zum Thema Licht/Sehen/Sichtbarkeit im Sonnengleichnis, in Bezug sowohl auf die sinnliche als auch auf die intelligible Dimension des Seins, sind noch zu empfehlen Werner Beierwaltes, Lux Intelligibilis. Untersuchungen zur Lichtmetaphysik der Griechen, München 1957, 37–98; Wilhelm Luther, „Wahrheit, Licht, Sehen und Erkennen im Sonnengleichnis von Platons ‘Politeia’. Ein Ausschnitt aus der Lichtmetaphysik der Griechen“, Studium Generale 18 (1965), 479–496.
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Geist als Zentrum eines Bewusstseins, das seine Kraft der seinsbewirkenden Generativität aktiv ergreifen und formen kann (Resp. 508b3–c2).8 In dem soeben angedeuteten Rahmen wird der Schönheit eine besondere Stellung zugeschrieben. Das ἀμήχανον κάλλος (Resp. 509a6), die unbeschreibliche, jegliche Erfassbarkeit und Begrifflichkeit überragende Schönheit des Guten, wird nämlich als Wirklichkeit betrachtet, die sowohl ἀλήθεια – die objektive Manifestation des Guten qua Wahrheit, qua Unverborgenheit und Transparenz des Seins – als auch ἐπιστήμη beziehungsweise γνῶσις – das die Wahrheit des Seins betreffende Wissen und Bewusstsein – transzendiert (Resp. 508e3–509a7). Wenn aber Wahrheit und Wissen, die als schön zu betrachten sind (Resp. 508e4–6), stets auf eine bestimmte Form des Seins bezogen sind, dann wird die Schönheit des Guten, das Wahrheit und Wissen, und folglich alle Formen des Seins, alle οὐσία überragt (κάλλιον […] τούτων, Resp. 508e6; ἐπέκεινα τῆς οὐσίας, Resp. 509b9–10), nicht mit einer Form des Seins identifiziert werden können. Sie wird sich demzufolge, genauso wie das Gute, nicht in einer bestimmten Form des Seins, in einem Wesen erschöpfen. Wie könnten wir nun, in dieser Perspektive, die Schönheit des Guten charakterisieren, wenn sie, obwohl in unendlichen Formen des Seins unerschöpflich offenbar, mit keiner Form des Seins je zusammenfallen wird? Eine Charakterisierung ist dann möglich, wenn Schönheit eben nicht nur in dem Bereich der Form verortet wird. Schönheit ist nämlich, im Horizont des Sonnengleichnisses, zusammen mit dem Guten jenseits aller möglichen Formen des Seins, die das Gute je generieren wird. In der Perspektive des Sonnengleichnisses ist das Gute schön, nicht insofern es sich in einer Form des Seins erschöpft, sondern insofern es sich als Ursprung der generativen Kraft manifestiert, die alle Formen des Seins generiert und harmonisch gestaltet. Das Gute an sich, als Ursprung dieser Kraft, transzendiert jedoch diese Kraft, das heißt die eigene Schönheit. So könnte die Schönheit des Guten folgenderweise charakterisiert werden: Sie ist die unerschöpfliche generative Kraft des Guten, die zwischen dem Guten und den manifestierten Formen des Seins gleichsam schwebt, als generative Möglichkeit des Wesens, der harmonischen Formung und Gestaltung dieser Formen wirkend. So wäre die Schönheit des Guten die Kraft der generativen Formativität und Formung 8 Für eine Vertiefung der Relation zwischen dem Guten und dem νοῦς ausgehend vom Sonnengleichnis vgl. Salvatore Lavecchia, „Agathologie. Denken als Wahrnehmung des Guten oder: Auf der Suche nach dem offenbarsten Geheimnis“, Perspektiven der Philosophie 38 (2012), 9–45, insbesondere § 2.2; ders., „Das Gute als Quelle der Selbstbewegung. Betrachtungen zum nous und zum Selbstbewusstsein in Platons Philosophie“, in: Michele Abbate/Julia Pfefferkorn/Antonino Spinelli (Hgg.), Selbstbewegung und Lebendigkeit. Die Seele in Platons Spätwerk, Berlin/Boston 2016, 19–32; ders., „La luce del Bene. L’essere e la coscienza, la materia e lo spirito. Su ciò che Platone tralascia nell’analogia fra il Bene e il sole“, in: Vasiliu, Le principe du bien, 445–456.
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jenseits aller möglichen bestimmten Formen sowie vor aller möglichen bestimmten Formung: Kraft des Bildens, der Bildsamkeit vor und jenseits aller möglichen bestimmten Bildung eines Bildes des Guten. Diese Kraft entspringt dem uneingeschränkten Impuls des Guten zur Selbstmanifestation, der wiederum impliziert, dass das Gute Raum für ein wahrhaftiges Bild von sich selbst schafft: Für ein Wesen, das in einer ihm eigenen Form jenen eminent generativen Impuls bewusst manifestieren kann. Da die bewusste Manifestation jenes Impulses jedoch ein autonomes und freies Bewusstsein, eine autonome und freie Intelligenz voraussetzt, deshalb generiert das Gute das Sein nicht nur als νοούμενον/νοούμενα, als Intelligibel/Intelligibilia, sondern auch, und in vollkommener, unmittelbarer Einheit mit dem Intelligiblen, als νοῦς, als seiner selbst vollkommen bewussten Intellekt (Resp. 508c1)9, der sich bewusst mit der Schönheit des Guten, mit der Schönheit an sich, verbinden und sie in neuen Formen bewusst manifestieren kann.
III Dass ein Weg der Verbindung mit der Schönheit des Guten für den νοῦς des Menschen offen ist, zeigt Platon deutlich durch Diotimas Rede im Symposion (201d–212b).10 Gerade die Erfahrung der Schönheit an sich, die Diotima in ihren berühmten Ausführungen über das Wesen des Eros charakterisiert (Symp. 210a–212a), weist deutlich darauf hin, dass die höchste Schönheit sich nicht in einer Form des Seins erschöpft, sondern als generative Kraft west und wirkt, die allen möglichen Formen der Schönheit zugrunde liegt. Diotima beschreibt nämlich die Erfahrung des Schönen an sich nicht nur als Schau (θεωμένου, Symp. 212a2), sondern auch als einendes Zusammensein (συνόντος, 212a2), dem ein Gebären (τίκτειν […] τεκόντι Symp., 212a3–5) der wahren Tugend folgt; 9
Zum Bewusstsein seiner selbst als wesenhafte Qualität des Intelligiblen siehe FritzPeter Hager, Der Geist und das Eine. Untersuchungen zum Problem der Wesensbestimmung des höchsten Prinzips als Geist oder als Eines in der griechischen Philosophie, Bern/Stuttgart 1956, 5–156; Wilhelm Schwabe, „Der Geistcharakter des ‘Überhimmlischen Raumes’. Zur Korrektur der herrschenden Auffassung von Phaidros 247c–e“, in: Thomas Alexander Szlezák/Karl Heinz Stanzel (Hg.), Platonisches Philosophieren. Zehn Vorträge zu Ehren von H. J. Krämer, Hildesheim/Zürich/New York 2001, 181–331. 10 In vielen Hinsichten noch unübertroffen ist der Kommentar zu Diotimas Rede in Kurt Sier, Die Rede der Diotima. Untersuchungen zum platonischen Symposion, Stuttgart/Leipzig 1997. Eine erste Einführung in die interpretatorischen Problematiken des ganzen Dialogs bietet jetzt Pierre Destrée/Zina Giannopoulou (Hgg.), Plato’s Symposium. A Critical Guide, Cambridge 2017. Die in den vorliegenden Seiten erörterten Aspekte des Schönen in Diotimas Rede werden in der bisherigen Literatur, soweit meine Kenntnisse reichen, nicht angemessen betrachtet.
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demzufolge erschöpft sich die Begegnung mit dem Schönen an sich nicht in der rein passiven Wahrnehmung einer höchsten Form der Schönheit, sondern kulminiert in der lebendigen Einheit des Subjekts mit dem Schönen an sich, die zur aktiven Teilhabe an einer generativen Kraft führt.11 Und diese Kraft, nicht irgendeine – gleichgültig wie hohe – Form oder – gleichgültig wie lange – Reihe von Formen der Schönheit, ermöglicht dem erlebenden Subjekt, Formen der wahren Tugend zu gebären. Dies impliziert die Identifizierung dieser Kraft mit der generativen Kraft des Guten, das Platon als Ursprung aller wahren Tugend sowie aller Wesen betrachtet.12 Die Formen der Tugend beziehungsweise der Schönheit, die ausgehend von der bewussten Erfahrung des Schönen an sich geboren werden, dürfen jedoch nicht als mehr oder weniger passive Reproduktion schon bestehender Formen betrachtet werden. Denn das gebärende Subjekt ist in diesem Fall fähig, aus der Quelle aller möglichen Formen des Schönen direkt zu schöpfen, die als solche alle Formen des Schönen transzendiert. Diese Transzendenz thematisiert Diotima explizit durch die Art, wie sie das Verhältnis des Schönen an sich zu seinen Manifestationen beziehungsweise zu den Formen der Schönheit charakterisiert (Symp. 210e–211b). Das Schöne an sich ist nämlich, nach Diotimas Charakterisierung, weder durch irgendeine Vorstellung erreichbar, die mit der Leiblichkeit zusammenhängt, noch ist es durch irgendeinen Gedankengang/Diskurs (λόγος) oder durch irgendein Wissen (ἐπιστήμη) ergreifbar, da seine Wirklichkeit weder λόγος noch ἐπιστήμη ist (Symp. 211a7). Anders ausgedrückt: Das Schöne an sich erschöpft sich nicht in irgendeiner Form oder Reihe von Formen der Wahrnehmung oder der Erkenntnis. Dies zeigt auch die Tatsache, dass das einheitliche Wissen, die ἐπιστήμη μία, die in der Schau des höchsten Schönen besteht (Symp. 210d7), das heißt das plötzliche Schauen des Schönen an sich (Symp. 210e), nicht mit der höchsten Stufe der Erfahrung identifiziert werden kann, auf die Diotima hinweisen will. Denn das Gebären, das auf die soeben gemeinte Stufe folgt (Symp. 212a3–5), kann nicht ausschließlich durch die Frontalität des Schauens bewirkt werden, sondern setzt eine Stufe der Erfahrung voraus, in der Subjekt und Objekt der Erfahrung eine generative Einheit bilden. Die mithin gemeinte Einheit impliziert also keine Absorption des Subjekts, des erfahrenden Geistes (νοῦς Symp. 210e1). Denn das Subjekt begegnet in ihr nicht dem Zentrum einer einsaugenden Kraft, sondern dem ursprünglichen Zentrum einer Kraft, die einem uneingeschränkt generativen Impuls – dem Impuls des jede Kraft transzendierenden höchsten Guten – entspringt, und die sich uneingeschränkt 11 Für die Notwendigkeit der Unterscheidung zwischen diesen zwei Momenten siehe Salvatore Lavecchia, „Come improvviso accendersi. Istante ed esperienza dell’Idea“, in: Salvatore Lavecchia (Hg.), Istante. L’esperienza dell’Illocalizzabile nella filosofia di Platone, Milano/Udine 2012, 55–90, insbesondere 63–66 und 77–83. 12 Vgl. Sier, Die Rede der Diotima, 118–120.
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als Möglichkeit eines autonomen, seiner selbst bewussten und ebenso generativen Seins schenkt. Das Schöne an sich ist dieses ursprüngliche Zentrum der höchsten generativen Kraft, das sich allen Formen der Schönheit gegenüber so verhält, wie das aktuell Unendliche dem potentiell Unendlichen gegenüber verhält.13 Wer fähig ist, den eigenen νοῦς mit diesem Zentrum zu einen, wird demzufolge fähig sein, Formen der Schönheit und der Tugend zu gebären, die von keiner schon bestehenden Form ableitbar sein werden, da sie ohne jegliche Vermittlung aus der Quelle aller Formen der Schönheit und der Tugend geschöpft werden. Die direkte Erfahrung dieses Zentrums ist, in anderen Worten, die notwendige Voraussetzung authentischer Generativität und Kreativität, das ist die notwendige Voraussetzung für echte Kunst.14
IV In der bisher erörterten Perspektive kann es nicht überraschen, wenn Platon das Wirken des Philosophen an sehr prägnanten Stellen des eigenen Werks durch Metaphern charakterisiert, die mit der Welt der Kunst zusammenhängen. Wer den Erkenntnisweg der Philosophie bis zum Gipfel gehen kann, begegnet dem ἀμήχανον κάλλος (Resp. 509a6) des höchsten Guten, das heißt dem alle Erfassbarkeit und Begrifflichkeit überragenden Schönen an sich, auf das Diotima in ihrer Rede hinweisen will. Diese Begegnung wird den Menschen zur Geburt der wahren Schönheit und Tugend, das ist auch, in der Perspektive der Politeia, zur Gestaltung einer gerechten Gemeinschaft fähig machen. Und diese Gemeinschaft wird er wie ein authentischer Künstler, wie ein echter Demiurg bilden und gestalten, auf die intelligible Welt als göttliches Urbild schauend, dem er auf dem Gipfel seines Erkenntniswegs begegnete (Resp. 500b8–501c).15 Wie ein Maler wird er handeln, einerseits eben auf das geistige Urbild der Tugend schauend, andererseits die verschiedenen Bestandteile der Gemeinschaft so miteinander mischend, dass eine harmonische und stimmige, wirklich schöne Form aus ihnen entstehen kann (Resp. 501b–c). Sein Verhältnis zum Urbild wird jedoch nicht dasselbe sein, wie in den herkömmlichen Kunstformen, die Platon deshalb radikal kritisiert, weil sie aufgrund einer reproduktiven Haltung handeln und wirken. Die 13
Für eine Begründung dieser Formulierung vgl. Lavecchia, Come improvviso, 84–88. Zur positiven Haltung Platons der Kunst gegenüber, die sich im Symposion widerspiegelt, siehe Kevin Corrigan/Elena Glazov-Corrigan, Plato’s Dialectic at Play. Argument, Structure, and Myth in the Symposium, University Park (PA) 2004, 215–220. 15 Für eine weitere Vertiefung dieser Dimension der Politeia, an die in diesen Seiten angeknüpft wird, vgl. Salvatore Lavecchia, „Höchste Erkenntnis als königliche Kunst. Zur demiurgischen Dimension der Philosophie in Platons Politeia“, in: Giusy M. A. Margagliotta/Andrea A. Robiglio (Hgg.), Art, Intellect and Politics. A Diachronic Perspective, Leiden/Bos- ton 2013, 177–191. 14
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noetische Kunst des Philosophen verbindet sich nämlich aktiv mit den Kräften, in denen das Wesen der wahren Tugend besteht, und übersetzt sie in eine menschengemäße Form, die nicht von etwas schon Bestehendem abgeleitet wird, sondern gleichsam im Augenblick des Wirkens auf die Gemeinschaft entsteht. Wahre Künstler sind die Philosophen nicht deshalb, weil sie aus dem Menschlichen einen Abklatsch des Geistigen machen, sondern weil sie die Farben des Menschlichen so zu stimmigen Verhältnissen mischen, dass das Menschliche sich dazu erhebt, ausgehend von sich selbst das Geistige in einer dem Menschlichen eigenen Form zu manifestieren (Resp. 501b4–7). Übersetzer sind die Philosophen, wie Eros (Symp. 202e3), der Philosophierende schlechthin (Symp. 203d7), der nach Diotima eben als Übersetzer, als ἑρμηνεύων zwischen den Göttern und den Menschen wirkt, wodurch er das Ganzsein des Weltalls ermöglicht, sodass das Weltall mit sich selbst verbunden bleiben kann (Symp. 202e3–7). In diesem Rahmen manifestiert sich die gemeinschaftsbildende Tätigkeit, die Kunst des Philosophen, als generatives Abbild jener höchsten Kunst, die Platon mit der Tätigkeit des göttlichen Demiurgen identifiziert (ἐκ τέχνης γέγονεν, Tim. 33d1).16 Das Werk des Demiurgen, das Weltall, ist nämlich – wie schon am Anfang angedeutet – keine Reproduktion des Lebens seines noetischen Urbilds, sondern der Demiurg wirkt so, dass das Weltall ausgehend von sich selbst eine eigene Form des Lebens manifestieren kann (vgl. Tim. 34b6– 8). Und auf diese Weise wirkt der Philosoph in seiner Gestaltung der Gemeinschaft. Als authentischer Künstler will er demzufolge durch das eigene Wirken nicht eine schon bestehende Form des Schönen reproduzieren, sondern, wie eben der Demiurg, das Gute, an dem er teilhat, einem Anderem uneingeschränkt schenken, so dass jenes Andere durch eigene Kraft die ihm eigene Form des Schönen manifestieren kann. Deshalb wird der Philosoph in der Politeia als ἄφθονος, als Neidloser schlechthin qualifiziert (Resp. 500a5), das ist mit derselben Qualität verbunden, ausgehend von der der gute göttliche Handwerker sich zum Schaffen des eigenen kosmischen Kunstwerkes entscheidet (Tim. 29e1–2). Schön sind die Werke des Demiurgen sowie des Philosophen deshalb, weil sie die generative Kraft des Guten in neuen Formen offenbaren. In anderen Worten: Die Werke des Philosophen sind deswegen schön, weil sich das Wirken, dem sie ihr Wesen verdanken, wie das Wirken des Sokrates – Urbild aller authentischen Philosophen –, als Wirken einer Hebamme offenbart, die zur Geburt führt (Theaet. 148e6–151d6). Eine Geburt manifestiert wiederum nicht deshalb authentische Schönheit, weil das Kind die Eltern reproduziert, sondern weil ein neues Wesen die ihm eigene Form der Schönheit offenbaren kann.
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Vgl. Lavecchia, Creatività, 12–16.
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The Beautiful World and the Beautiful Helen: On the Ambivalence of Beauty in Proclus Antonio Vargas „Some people see the ugliness in this world, I choose to see the beauty. But beauty is a lure.” – Dolores in West World, Season 1, Ep. 10 The Bicameral Mind “We should not be surprised […] if in the world of generation the majority of souls are subject to the passions and bereft of intelligence and learning – for the world of generation requires such souls.” – Proclus, Commentary on the First Alcibiades, 258.3–61 “[I]t is granted to you to understand the secrets of God’s kingdom, but not to these others. If a man is rich, gifts will be made to him, and his riches will abound; if he is poor, even the little he has will be taken from him. And if I talk to them in parables, it is because, though they have eyes, they cannot see, and though they have ears, they cannot hear or understand.” – The Gospel according to Matthew 13:11–13, Trans. Ronald Knox
1. Introduction Beauty in Proclus, as already in Plato, is ambiguous. On the one hand, like all the Forms, Beauty is systematically ambiguous between its instances in the perceptual world and the eternal Form of Beauty itself, i.e. what-it-is-to-bebeautiful existing in- and for-itself. Contingent on this distinction between Beauty itself and the many perceptible beauties, there are also two distinct kinds of perceptible beauties: there is a “divine” perceptual beauty that can lift our minds to the eternal and separate us from investing ourselves in bodies, and there is a “material” perceptual beauty, which ties us to pursuits in the here and now. The beauty of the cosmos as a whole with the orderly procession of the stars and the perpetuity and diversity of its natural kinds is an example of the first, being even a premise in Proclus’ physical theory, following the
1 Leendert G. Westerink (ed.), Proclus Diadochus. Commentary on the First Alcibiades of Plato, Amsterdam 1954. Henceforth “In Alc.”. Translations are my own unless otherwise indicated.
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Timaeus. The beauty of Helen of Troy is an image of the second for Proclus, who holds that she indicates: [T]he whole of the beauty produced in generation by the cosmic engineering (ἐκ τῆς δημιουργίας ὑποστάν), about which the war amongst souls is waged through infinite time, until the more intellectual souls prevail over the more irrational forms of life. (Procl. In Remp. I 175.15–21).2
My subject in this paper is this latter ambiguity of beauty amongst perceptible things: why does such an ambiguity exist for Proclus? That is, why have the gods so engineered the world, that it is not only a spectacle that leads us up to eternity, but also a dazzling array that distracts us from true happiness? Why must beauty be dangerous? The ambiguity of beauty is also the ambiguity of love: for love is love of the beautiful, following Plato’s Symposium 204b3. And correspondingly, Proclus’ most sustained treatment of this ambiguity is his Commentary on the First Alcibiades, where he repeatedly contrasts Socrates, Alcibiades’ divine lover, with “the others”, the vulgar, wanton lovers of Alcibiades. Socrates is divine because he desires to educate Alcibiades and lead him from his ambitious pursuits to the knowledge of his own soul and of the truth, whereas the other men that compete for Alcibiades’ affection are, on the contrary, “wanton”, because they desire his body, and encourage his attachment to the body and worldly pursuits through giftgiving. It is also in commenting the Alcibiades that Proclus most clearly states that the existence of material, deceptive beauty is no oversight or accidental product of divine providence, but part and parcel of its plan. For beauty, with its two sides, an occasion for the rise of few and the fall of most, is indeed an ideal instrument to realize Proclus’ perfect world order, where most human beings are irrational and driven by the passions and a chosen few are saved by and for philosophy. This embrace of moral elitism and of perceptible beauty as the instrument of this elitism is something of a surprise, given the Platonic tradition. As Carlos Fraenkel has shown, Plato’s proposal of re-interpreting myths as educational instruments in the Laws proved quite influential in later political thought, with Christian, Jewish and Islamic philosophers arguing that received myths could be justified as means to educate the masses.3 Proclus appears to have something more sinister in mind, where not only the pedagogical, but also the corruptive potential of the perceptible world is embraced. The anagogic value of beauty remains important for him, but its function in most lives seems to be that of rather keeping souls from moral progress. This appears to be a scandalous attribution of evil to the gods and at the end of my paper I will remark on the 2
On the interpretation of the myth by Proclus see Robert Lamberton, Homer the Theologian. Neoplatonist Allegorical Reading and the Growth of the Epic Tradition, Berkeley 1989, 199–200. 3 Carlos Fraenkel, Philosophical Religions from Plato to Spinoza. Reason, Religion and Autonomy, Cambridge 2014.
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moral character of Proclus’ theodicy. But for now let me point out a benefit that follows from this, namely, that Proclus can freely accommodate his piety to all manner of Platonic and post-Platonic criticism of religion. Myths and rites may obscure human beings’ minds, give a wrong picture of the divine, inculcate unreasoning obedience, keep them from autonomy and self-governance, and whatever other ailments the religious mind may suffer from, but none of that shows us that they are not divine, because the gods do not aim primarily through their actions to benefit human beings, but pursue higher goals of their own. On the contrary, that only a few are saved by the myths may even be a sign of their divinity: as the gods are few in number, so are the ones they love. My paper will proceed from beauty as instrument, to the agents that employ beauty, to the plan according to which they act. This will show that both sides of Beauty are central to Proclus’ thought. I will start out (section two) by sketching out the contrast between the vulgar and divine lovers in Proclus’ Alcibiades commentary, and drawing from it what we can learn about the ambiguity of perceptible beauty. We shall see that the ambiguity of both love and beauty is rooted in Proclus’ theory of participation, which I will briefly review (section three). This will be a first more general frame in which to understand the ambiguity of beauty. Our discussion of participation will organically lead to Proclus’ theory of inspired myth, and thus to a second general frame for interpreting the coexistence of divine and material beauty. Here we will see that the use of an ambiguous instrument, capable of drawing a few to the divine, but damaging for most, is a recognizable pattern of divine action in Procline theology: it is how the gods have proceeded in creating the beauty of the world, it is how they proceed in inspiring myths about themselves, and it is also the structure of initiatory rites. Not only do the gods typically produce ambiguous instruments for their revelation, they also introduce into the world agents designed to tempt most human beings to an ill-use of said instruments, be they vulgar lovers or irrational “daimones” or spirits. Having situated beauty as an instrument of the divine will, and having identified the gods and the irrational demons as the agents that make use of this instrument, I will then proceed to the divine plan that makes it necessary to use an ambiguous instrument and agents opposed to human well being. This is spelled out in Proclus’ argument that most human beings have to lead irrational and evil lives for the sake of the completeness of the cosmos. There is thus a divine plan to ensure the irrationality of the greater part of the human race. This plan is the ultimate context in which to understand beauty’s ambiguity: perceptible beauty is the instrument, human souls, spirits and gods are the agents, and the completeness of the cosmos is the ultimate goal that the instrument is meant to achieve. I will conclude by discussing how Proclus might argue that this is not, indeed, a scandalous theodicy.
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2. The Divine and Vulgar Lovers I will begin, then, by sketching the contrast between the divine lover and the common lover that Proclus draws in his Commentary on the First Alcibiades (see esp. 35.1–37.15 and 115.15–117.16).4 These two kinds of lover are in the text two kinds of mature man that compete for the attention of the fair youth Alcibiades. They both, therefore, pay attention to Alcibiades’ perceptible beauty, but they differ in the value they give to it. The common lovers, also called coarse, wanton, and inferior, are always referred to in the plural, belonging to a disorganized mob of suitors that are at odds with each other. As a whole, and in each of its members, this mob is akin to the many irrational appetites of the human soul, each of which aims at something different (money, power, honor, pleasures, etc.) and each seeking to obtain the will and attention of the soul for itself: as the appetites compete for the soul, so do the lovers compete for their boy. The lovers are ignorant of true, incorporeal beauty, and thus the perceptible beauty they see is also the goal of their activity; this beauty, which is actually just an image of beauty, causes them to wonder and be excited about their beloveds, pursuing them, and protesting that they belong to their darlings and need them. Their love is thus primarily a passivity, something they suffer, and not an activity, and it is an experience that they do not understand, but are rather overwhelmed by. Since they love the body, they approach the beloved during “the bloom of youth”, when the body is at the peak of perceptible beauty, and lose interest shortly afterwards when that bloom fades. Since they love the body, which is changing and unstable and shapeless, they are guided by imagination in their pursuit of the goal. The imagination, however, is changing, unstable and shapeless itself like matter, and for this reason too, the efforts of the lovers share in similar inconstancy. And since they do not love something stable, which would give their lives unity and focus, they lead an indeterminate, disintegrated life, given over to actually discordant irrational passions, their love for the boys guiding them not because it harmonizes or coalesces the many passions of the soul around a center, but merely because it is the strongest passion, overpowering the others. And ultimately what they want is to be united bodily and with their senses to their beloved, and towards this they bother him constantly and seek his attention. Their ultimate desire of bodily union is an illusion, however, because bodies are by nature separate and divided, and incapable of penetrating each other. The divine lover, in contrast, is an individual, Socrates. He is analogous not to the discordant irrational desires, but rather to intelligence, nous, the single capacity for rational insight that can grasp the truth independent of sense perception and order the soul’s life to the Good. The divine lover is also stylized the “true”, or “inspired” lover, or the lover of the “true Alcibiades”, i.e. his 4
I have provided a comparative table (table 1) at the end of the paper.
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soul. Indeed, it is not properly Alcibiades whom Socrates loves, but rather Beauty itself, which he sees in Alcibiades. Socrates’ love does not attach itself to his body, and for this reason starts already when he is still an infant, continues during his adolescence and the peak of his youth, when he is surrounded by the common lovers, and still remains when they have left. It does not start with some wonder at the body, but rather with a divine insight into the soul’s character, that lets Socrates divine even from a young age that Alcibiades will have a nature fit for philosophy.5 Ever loving the young boy, the divine lover is not himself amazed, but causes the youth to be amazed at him, at first through the fact of always being silent and not talking to the youth when everyone else wants to talk to him, and then by disclosing his love when all have gone. His love is thus not a passive experience he does not understand, but an activity that he understands and has in control. Far from needing the beloved, he is entirely self-sufficient and aims to share with the beloved his own goods: by instilling amazement in the boy, he wishes to take him from an appreciation of perceptible beauty to divine beauty: “from apparent beauty they [i.e. divine lovers] are elevated to the divine, taking up with them their darlings, and turning both themselves and their beloved towards Beauty itself.” Since Socrates loves intelligible beauty, he has a stable object and goal, and thus a stable life centered around this object, where reason has brought all the passions of the soul to be in harmony. And unlike the common lovers, who fumble about attempting to obtain an impossible bodily union, Socrates already obtains a unity of thought with his beloved in the dialectical exercise of the Alcibiades, where through the exchange of question and answers he and his young partner engage in a common activity. There are two kinds of lovers, then, because perceptible beauty can be put to two kinds of uses: it can be valued for its own sake, which is ignorant and vicious, or it can be used as a vehicle for contemplation. This is a theory probably best known from Plato’s Phaedrus, where Plato describes the “erotic madness” that a beautiful boy can cause in his lover by reminding him of intelligible beauty and how the lover and his beloved can attain to a knowledge of that beauty if they restrain the impulse to commune in their bodies, but instead join together in philosophical activity. Just as the divine lover in Plato educates his boy, so in Proclus it is also true that the common lovers not only pursue the perceptual beauty of the boy for its own sake, but are also trying to bring the youth up in their own base tastes, instilling in him, too, a love of bodies and perceptible things. They are portrayed as trying to obtain the beloved’s affection through gifts and flattery, and thus encouraging his irrational desires so that they might then gratify their own. Thus the common lovers are said to 5
One is reminded of Reuben’s depiction of Zeus’ abduction of Ganymede, where Ganymede is but an ugly baby, such that it can only be through a divine foresight that Zeus knows that he will be the most beautiful of all youths. The singular trait of Alcibiades’ character that makes him fit for philosophy turns out to be, according to Proclus, troublingly, raw ambition.
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“drag down the soul of the youth from the Olympian goods on high to the dark things of the earth” (In Alc. 39.14–15) and the divine lover is said to watch over his beloved during the bloom of his youth, when he is most assiduously sought out by the vulgar crowd, lest he “entrust himself to the enmattered and vulgar image of love” (In Alc. 38.14–15).
3. The Ambiguity of Beauty Rooted in Participation Given the distance between the divine lover and the vulgar lovers, Proclus naturally enough asks why both are equally called “lovers” (In Alc. 47.13–49.12) and two of his reasons are connected with the ambiguity of beauty. First of all, he claims, that they are all equally lovers because they all aim at the appropriation of the beautiful, but since the inferior lovers are ignorant of true beauty, they rush after enmattered beauty. Here, therefore, the common name of “lover” depends on “beauty” being a common name to both enmattered and divine beauty. Second, Proclus observes that more divine principles have more far reaching effects, such that whereas some principles only produce things that are like themselves, (his example is temperance, which only gives rise to temperate souls and well-proportioned bodies), there are higher principles, which, precisely because they are more divine, have greater causal power, and bring forth not only things like themselves, but also their opposites, and his example here is love, which produces both divine lovers and wanton lovers. Here too, the same principle applies to beauty, that gives rise to the anagogic beauty of the cosmos and the catastrophic beauty of Helen. In order to understand these explanations of Proclus’ we have to quickly turn to his understanding of Plato’s theory of participation. For it is here that he confronts the question in what way incorporeal Forms and their bodily instances are the same and in what way they are different.6 According to Proclus’ understanding of participation, Forms are not predicated univocally: when I say that a soul is beautiful and that a tree is beautiful, I do not mean the same thing about the tree and the soul: for one, the beauty of the soul is an incorporeal and immaterial attribute, its justice and rationality, whereas the beauty of a tree is a corporeal and material beauty. And when I speak of “Beauty itself”, I mean again something that is distinct from both 6 In the following account of participation in Proclus I am synthesizing elements from Proclus’ Commentary on Plato’s Parmenides IV 859.8–18, 874.8–14, 875.6–14 and Elements of Theology prop. 23. Reasons of length keep me from presenting a detailed discussion of these passages. I use the following editions: Eric R. Dodds (ed.), Proclus. The Elements of Theology, A revised text with translation, introduction, and commentary, Oxford 21963 (henceforth “ET”); Carlos Steel (ed.), Procli in Platonis Parmenidem commentaria, Edition prepared with the collaboration of Pieter d’Hoine, Aurélie Gribomont, Caroline Macé and Leen Van Campe, 3 vols., Oxford Classical Texts, Oxford 2007–2009 (henceforth “In Parm.”).
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mental beauty and corporeal beauty, I mean a beauty that is wholly eternal (unlike that of the soul) and which, furthermore, does not belong to any particular substance: it is not the beauty ‘of’ this tree, nor ‘of’ this soul, not even ‘of’ some unnamed eternal substance. For this reason, Beauty itself is called “unparticipated” and entirely “separate”. This is the Paradigm of beauty, and in it we can distinguish on the one hand the many perfections that it has as a Paradigm, and which it shares with the Paradigms of other Forms, such as the Living Being itself or Change itself, and its hallmark (ἰδιότης), which makes it the Paradigm of specifically beauty and not of anything else. According to Proclus the hallmark of a Form is present entirely and as a whole in each of its instances, no matter what perfections that instance has: the hallmark of Beauty is present as much in the beauty of a tree, as it is in the beauty of the Sun or of a noble soul. The perfections that make up the Paradigm, however, do not also constitute each of its instances: the Paradigm of beauty is beautiful, amongst other reasons, precisely on account of its eternity; this eternity, however, does not make up the beauty of the soul, which involves a certain order of its activities in time. The beauty of the soul therefore has some of the perfections of beauty itself, but not all of them: in this sense only a part of the form is present in it. Thus, although Proclus attributes a single unifying hallmark to each form, this does not thereby make the form predicated univocally: in each instance of the unparticipated Form, the hallmark is a necessary component, but it is not the entirety of the participated form in question: it is what gives all the perfections their unity in being constituents of the participated form, but the manifold perfections are required as parts of the participated form. Thus, to return to our subject, both divine and vulgar lovers are called “lovers” because each of them pursues a certain kind of “beauty” and these two “beauties” are equally called “beauty” because they share in the hallmark or “ἰδιότης” of beauty. Now, what is this “ἰδιότης”? Summarizing a reading that I cannot present the reasons for here, it is the Form’s participation in Unity, τὸ ἓν, and since all participation in Unity is participation in an individual God or “Henad”, for Proclus, this means that the “ἰδιότης” is the hallmark or signature (σύνθεμα) of precisely the God that is ultimately responsible for Beauty. 7 This fact, that what is most essential about Beauty is ultimately the hallmark of an individual God, is the ground for Proclus’ explanation that Love (or Beauty), since it is a divine principle, produces not only things that are like it, but also unlike it. Insofar as Beauty is considered as a Form, it is difficult to understand how the “shapelessness and ugliness of matter” that the vulgar lover rushes towards should be graced with a peculiar kind of beauty, viz “material beauty”. After all, traditionally, a body should be beautiful in virtue of its form, 7
The argument for the identification between the hallmark of a form and the participation in a god would require a discussion of Proclus’ treatment of the “intelligized-and-intellectual gods” in his Parmenides commentary and also in the Platonic Theology, which would take us too far afield. As it is, I leave the identification without argument, as a hypothesis to be confirmed in a future publication.
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in virtue of an order or proportionality in it. But the material beauty that vulgar love seeks to appropriate is not some form that he can grasp with his mind, but a material body that he grasps and clutches and fumbles at with his hands. How can this be considered beautiful if beauty is only a Form? If we consider, however, that there is ultimately a God of beauty, (or stated otherwise, and slightly misleadingly, that Beauty is a God) we have a solution. For unlike Forms, gods are present in the perceptual world not only through images that are like them but through symbols that can very well be unlike them. The distinction between image (εἰκών) and symbol (σύμβολον) or signature (σύνθεμα) is one that Proclus draws in his explanation of how the shameful and vicious depiction of the gods in Homer can be truly inspired. Insofar as these descriptions do not adhere to the canons of theology set out by Plato in Republic II, they cannot be said to depict the gods through likeness: on the contrary, they attribute to the gods vice, deception, inconstancy and passions that Plato judges incompatible with the divine nature. They are not thus images of the gods, such as one finds in, say, Plato’s myths. Symbols, however, refer to the gods not through a likeness, but through a sympathetic connection: within the symbol lies precisely a signature (σύνθεμα) of the God, his mere ἰδιότης or hallmark, which marks the symbol as something belonging to the God independent of any given feature, in the same way that the hallmark of a form, is precisely the peculiar quality which makes this Form this particular Form, and not any other, independent of any features that the Form has and shares with other Forms such as eternity or incorporeality. This relation of “belonging to the God”, which cannot be reduced to any formal account, is what makes it possible for the symbol to refer even in the absence of any likeness. And it is to this property of the divine Forms that Proclus refers to, when he explains that it is precisely the high divinity of Love (or Beauty) that implies that it should also exist in the form of wanton love (or material beauty). This material beauty, that is not exhausted by any good attributes of the beloved, is then something that has the bare name of beauty independent of any good features.
4. The Ambiguity of Beauty as Part of a Divine Pattern of Action I have taken my time with Proclus’ account of participation and the distinction between symbol and image, because Proclus’ account of Homer’s inspired poetry is also germane to our topic. First of all, Homer’s Helen is an image of perceptible Beauty and the Trojan war an image of the war that souls fight over this beauty, some using it to drag souls into matter, others seeking to elevate themselves to Nous. Second, and more importantly, Homer’s myths share an analogous ambiguity to that of perceptible beauty. As Proclus puts it in his Republic Commentary: “Each myth is daemonic on the surface level, but divine according to its secret meaning” (In Remp. I 79.2–4). For the philosophical
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elite, they can very well be used as symbols that allow them to contemplate divine matters and have an extra-rational contact with the gods, but for the many, they are a veil that keeps the nature of the gods hidden from those that are not worthy, rather than giving them a false picture of the gods as Plato decried in the Republic Book II. Indeed, Proclus says that the best thing about myths (ὃ μάλιστα ἐξαίρετον αὐτοῖς ἀγαθόν) is the shroud of secrecy they draw over the gods (In Remp. I 74.16–24). If the many make a poor use of the myths that leads to their corruption, this is not to be attributed to the myths themselves, but rather to those that make poor use of them. Indeed, this is the case not only for myths, but for all divine institutions (In Remp. I 74.30–75.5) such as mysteries and initiations, and even the divine providence and care for the world that has made it beautiful. In Remp. I 75.20–24: in every case only the few that have been prepared by philosophy for the reception of divine gifts can make good use of them, whereas for the many these gifts are actually harmful to their well-being. Plato’s story in the Republic, of Orpheus choosing to become a swan (thus, an irrational animal) in his next life, is for Proclus a symbol of the dangers of mythical poetry bereft of philosophical practice (In Remp. II 316.12–25 commenting on Resp. 620a). Not only is there a similar ambiguity, but in the case of the myths and especially of “initiations” Proclus speaks of spirits (daimones) parallel to the vulgar lovers, enticing “unworthy” souls towards irrational forms of life and keeping them away from the gods. (And at one point he even speaks of specifically “Aphrodisian spirits governing the beauty that is manifest” (In Remp. I 109.1– 8)). Thus, with respect to myths, Proclus adds as a final justification for mythical obscenity the fact that indeed, the very last progeny of the gods are spirits that produce the very irrational traits that we see attributed to the gods in myth: Given that each order of the gods descends from the top to the very last going through all the genera of beings, it is permitted to see in each divine series their last elements presiding over those peculiar qualities (τοιαύτας ἰδιότητας προστησαμένας) that the myths apportion out to the gods, and producing and sustaining facts like those things through which the myths conceal the ineffable contemplation of the primary realities. (Procl., In Remp. I 77.29–78.6).
This text needs some unpacking. Proclus is appealing here to the notion that each God has an ordered series of beings that are causally dependent on it and that are arranged along the many levels or “genera” of being: thus to each god there will belong an ordered series of intellects, souls, bodies, and so on. At the end of each such series, Proclus tells us, we always find a set of spirits that preside precisely over those obscene traits through which the myths obscure the divinity of the gods. (The obscene traits are referred to by the circumlocution “the things through which the myths conceal the ineffable contemplation of the primary realities”, δι’ οἵων ἐκεῖνοι τὴν περὶ τῶν πρωτίστων ἀπόρρητον θεωρίαν κατέκρυψαν.) Not only, therefore, have the gods inspired ambiguous myths, liable to be used by most humans to their own moral detriment, but they also generate spirits that evoke the very forms of irrational behavior that the myths depict. It stands to reason that these spirits use these myths as
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instruments, in the same way that vulgar lovers use perishable goods as instruments in corrupting their beloveds. These spirits, as the very last of the divine chain, are to be identified with the chthonic spirits that Proclus mentions elsewhere as playing a role analogous to vulgar lovers in initiations: If I am to speak my own opinion, it seems to me that this [how things stand with divine and vulgar lovers] bears an amazing resemblance to the rites of the mysteries. Everywhere something less perfect assumes the character of the more perfect, diverts to itself the minds that have not yet been set right and keeps them away from the better things. As in the intellectual contemplations of philosophy obstacles are raised by the sophist’s way of life and the association with it drags away the less perfect from the contemplation of beings to the appearance that is on the same level as what is generated and corrupted, so also in the elevation to divine love, the multitude of common lovers becomes an obstacle by assuming the character of the true lover and dragging the mind of the youth from the Olympian goods on high to the dark things of the earth. In the same way in the holiest of the mysteries the visitation of the god is preceded by assaults and apparitions of certain chthonic spirits confronting the initiates, tearing them away from pure goods and inviting them to matter. (Procl., In Alc. 39.5–40.7).8
The ambiguity of perceptible beauty is thus not an isolated feature of world. It is part of a general pattern of divine dealings with human beings. The beautiful world is just one of many divine products designed to be a path for the salvation of few and the damnation of many, where the gods have not only designed the means of salvation to be capable of abuse, but they have also planted agents in the world to assure that most people abuse them. And the function of these agents seems to be to keep humans who are not yet “prepared” or “worthy” of doing so to come closer to benefit from the company of a divine lover or the gods. Proclus gives the same reasoning in his On the Subsistence of Evils, where he defends that such chthonian spirits cannot be called “evil” (De Malo. 17.16–34).9 But this line of reasoning is oddly circular. For it is not the case that the vulgar lovers simply keep the beloved busy and make him miss the opportunity to know the divine lover: they corrupt him, they make him actively worse. Likewise, it is not the case that the chthonian spirits simply blind our mind to divine presence: they make us attached to matter and turn us away from the gods. The impure are not just kept from the pure: they are made even more impure. The spirits and vulgar lovers are not merely keeping the base in their place: they are pushing them down to even worse places. Their existence is therefore not justified by the argument that Proclus offers. On the contrary, their existence points to a divine will that there always be irrationality in the world.
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Translation from O’Neill, modified. De Malorum Subsistentia 17.16–34, quoted according to Helmut Boese (ed.), Procli Diadochi tria opuscula (De providentia, libertate, malo). Latine Guilelmo de Moerbeka vertente et graece ex Isaacii Sebastocratoris aliorumque scriptis collecta, Quellen und Studien zur Geschichte der Philosophie 1, Berlin 1960. Henceforth “De Malo.”. 9
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5. The Necessity of Evil in Proclus And shocking as it may seem, we find an argument in Proclus for the teleological necessity of pervasive human irrationality. This might seem shocking due to the Platonic commitment to the goodness of the gods and that they are in no way responsible for human wrongdoing. On the other hand, Proclus did have a wave of human irrationality and abandonment of virtue to explain: Christianity. If there was a necessity that most people be irrational, then there would be an explanation for the abandonment of (pagan) piety by the masses. Furthermore, it would explain also why most pagan myths themselves were, from a Platonic point of view, poor lessons in virtue and rather suited to corrupt than to educate.10 Now, despite Plato’s view that the gods are in no way responsible for vice, Proclus takes all of the building blocks for his argument for the necessity of vice from Plato. The argument is to be found in more or less abstract form and differing states of completeness in many works: in the On the Subsistence of Evils, the Commentary on the First Alcibiades, the Timaeus commentary and the Republic commentary, but it is in essence an idea drawn from the Timeaus. In the middle of the dialogue, the cosmic Engineer, the demiurge, delegates to the junior gods he has created the task of producing the mortal living beings. At the end of the dialogue, Plato then recounts how the many non-human animals come to be as a result of retributive transmigration of souls: those who sought happiness in astronomy become birds, those who were too attached to earthly things become four-footed creatures etc.11 Proclus puts the two passages together when discussing the Engineer’s command at 41d2–3 to “[c]onstruct and generate animals; grow them by giving them nourishment, and receive them back as they perish.” In his Commentary on Plato’s Timaeus12: He is surely telling them to construct and generate animals by weaving the mortal onto the immortal […]. And if it was not just to the creation of humankind that he challenged them by calling them to weave the mortal onto the immortal, but to that of animals, then it is clear that [he means] the other animals too, all that they are to engineer. And so it is with good 10 On this see my review of the new translation of Proclus’ Commentary on Plato’s Republic: Vargas, Antonio, Review of: Proclus, Commentary on Plato’s Republic, Dirk Baltzly, John F. Finamore, and Graeme Miles (eds., trs.), Volume I, Essays 1–6, Cambridge University Press, 2018, in: Notre Dame Philosophical Reviews 2019.03.39, https://ndpr.nd.edu/news/commentary-on-platos-republic-volume-i-essays-1-6/ (02.07.2021). 11 Women are also explained as the result of men behaving like cowards, but this is a part of the myth of transmigration that Proclus does not interpret literally. Rather, he takes the superiority of men over women in the Timaeus to be primarily for didactic purposes and holds that women and men can both achieve the highest level of virtue. 12 Ernst Diehl (ed.), Procli Diadochi In Platonis Timaeum commentaria, Bibliotheca scriptorum Graecorum et Romanorum Teubneriana, Leipzig 1903–1906 [Reprint: Amsterdam1965]. Henceforth “In Tim.”.
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reason that Timaeus towards the end fashions (μεταπλάττει) the generation of the other animals by the human soul passing across into them, so that the young gods do this too in accordance with the Engineer’s command (κατὰ τὴν δημιουργικὴν πρόσταξιν). (Procl., In Tim. III 238.32–239.14).13
By “weaving the mortal onto the immortal” Proclus means the creation of the so-called “pneumatic bodies”, particularly long lived, mortal, subtle bodies than the animal organism and which are significantly the seat for Proclus of the imagination and the non-rational desires for things that are not immediately connected to bodily survival, such as fame and power (See In Tim. III 236.6 ff.). It is embodied in these seats of irrationality that the soul first enters the world of generation and in which it is present between the lives it chooses in places of punishment, such as Tartarus, and places of reward, such as the “True earth” of the Phaedo. In the passage quoted above, Proclus is then connecting the creation of the seats of psychic irrationality with the account at the end of the Timaeus according to which the soul comes to animate different irrational animals following a human life according to the different kinds of vice, i.e. irrationality that it exhibited in the human life. Proclus thus takes the creation of “the mortal part”, the pneumatic vehicle, to be part of a grander scheme of producing the different kinds of beast through the different kinds of vice in the human soul. The junior gods and their directive to engineer the irrational forms of life thus play a central role in explaining the existence of vice for Proclus. What is more, Proclus famously does away with all other Platonic explanations for the existence of evil: he denies that matter or the disorderly motion of the elements are evil (De Subsistentia Malorum §31), and he also denies that there is some evil world soul (In Tim. I 381,26 ff.), or that human souls themselves are somehow naturally evil: on the contrary, they are by nature good and oriented to a rational, contemplative life. For this reason, there is no other source for the corruption of souls besides this divine plan in order to assure that most of them become animals and the universe be filled with all the different kinds of living being. In trying to avoid any kind of dualism, and eliminating any autonomous principle of evil, Proclus has painted himself into a corner where evil is required for the manifestation of the Good. The argument is stated in the most abstract form in On the Subsistence of Evils chapter 5: If the world is to be a ‘blessed god’, then it must perfectly preserve a ‘similarity’ with the ‘completely perfect animal’; if this is true, even ‘the mortal classes’ must complete the universe; and if this is true, there must be generation and corruption; and if this is true, there must be both principles corruptive of beings and generative principles, and different principles for different classes of beings. For not all things have their generation or corruption from the same principles. If, then, in the classes that have been allotted generation there are congenital corruptive principles which destroy the powers of those beings, then evil must also exist. For this is what evil has been said to be, namely, that which is corruptive of each 13
Translation from Tarrant, modified.
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of the things that are generated in which it exists primarily and per se. Indeed, some things are able to corrupt the mind, others the body, and what is corrupted is in each case something different. (Procl., De Malo. 5.13–23).14
In the above passage, Proclus argues that the completion of the world requires the existence of generation, generation, however, requires destruction, and thus the completion of the world requires evil qua what corrupts beings. If Proclus were to apply this only to bodies, this would be an untroubling explanation of the need for perishable bodies, but he explicitly mentions souls in his argument. As souls are for Proclus ungenerated and imperishable substances, he often glosses the “perishing” or “corruption” of souls as precisely their descent into irrational and vicious lives (see, for instance: In Parm. VII 55K; In Remp. II, 91; In Alc. 245.6–246.7). When he, therefore, abstractly speaks of the need of a cycle of “generation and destruction of souls”, what he concretely means is a cycle where inherently rational and by nature contemplative souls fall into vice, and where from the ruins of their rational lives the irrational life of animals is generated and vice versa. But it is truly in the Alcibiades commentary that we find Proclus’ most startling admission of the divine conspiracy to corrupt mankind because here he not only laconically states that, indeed, “generation requires such souls”, but he names a divine cause responsible for this, namely, Circe. At 110d–e Alcibiades suggests to Socrates that he has learned “what is just” from the many and Socrates replies that he can’t have, because they are not good teachers of justice. In commenting on this exchange, Proclus makes the following points relevant to us. First of all, he ties the discussion back to what he had previously said about the vulgar lovers, by setting up an analogy between the hoi polloi and the “many-headed beast” of the passions, which he had also claimed was analogous to the mob of vulgar lovers (In Alc. 244.2–9). Further on (In Alc. 245.6–8), Proclus calls the many “those who rush in herds” following the elitism of the Chaldean Oracles, distinguishing the enlightened “theurgist” from “the herd”. Finally, in the context of discussing 110e, Proclus then turns to the problem that “the majority of men lack knowledge and are evil, and that the knowledgeable are very few”, which would seem odd, because what is more according to nature should be more common, and evil is contrary to nature. And it is here that Circe makes her appearance: Looking at such souls and at one who lived a life that was immaterial among things implicated in matter and undefiled among things mortal a judge would, I think, say: – “Wonder possesses me how you have drunk this potion and no whit been charmed”. For truly oblivion, error and ignorance are like some use of drugs that drags minds down to the abode of dissimilarity. Why then be surprised if in their way of life there are many who are wolves, many who are swine and many who have put on the likeness of some other kind of irrational animal, since the earthy regions are the residence of Circe and many souls ensnared by her draught on account of their immoderate desire? … Just as we should not be surprised if we should see soul being punished in Tartarus (since that place was designed for them), so also 14
Translation from Opsomer/Steel, modified.
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if in the world of process the majority are subject to the passions and devoid of understanding and knowledge; since the world of process requires such souls. As therefore in the heavens they have all the form of the good, as in Tartarus that are all depraved, so in the world of process the majority are depraved, and the minority are good, since the world of process is near the worse end of the two extremes, not the better and more divine. (Procl., In Alc. 257.6– 258.9).
We know from Proclus’ Commentary on Plato’s Cratylus 53.29–3315 that this is no throw-away mythological reference, but that Circe is for Proclus a really existing deity charged with assuring the “harmony” of the sublunary world, and we might as well understand the task of assuring that there are always enough swine-like humans to ensure the perpetual existence of swine, and enough wolf-like humans to assure the perpetual existence of wolves, and so on for each species, as indeed the magical stitching together of a sort of harmony and ecological balance. What is shocking about Proclus’ admission of a divine cause is that the gods can will nothing but the Good, indeed, we can only be good by joining our wills to the wills of the gods. And it is convenient here to remember that Odysseus, who escapes Circe’s spells and is a symbol for Platonists of the philosophical soul on its way to its true home, goes on to share Circe’s bed in Homer’s telling of the tale. It is reasonable thus to suggest that for Proclus not only is there a divine plan for our corruption, to enchant us with myths, and rituals, and all the beauties of the natural world, especially erotic beauty, but this plan is good, it is coordinated by a known Goddess and it must be affirmed by the great-souled philosopher, who from an Olympian height looks down on the herd of men and wills the cycle of their beastly behavior.16 Carlos Steel (2016)17 has attempted to defend Proclus on this point in a discussion of a passage from Proclus’ discussion of the Myth of Er in his Republic 15 Giorgio Pasquali (ed.), Procli Diadochi In Platonis Cratylum commentaria, Bibliotheca scriptorum Graecorum et Romanorum Teubneriana, Leipzig 1908 [Reprint: Stuttgart 1994]. Henceforth “In Crat.”. 16 In affirming the divine scheme that keeps most men ignorant, the Procline philosopher would appear to be abandoning the aspiration to educate his fellow man, leaving him a prey to the deceptions of sophists. Following this, I suggest that it is likely that Circe is none other than the Sophist himself, the metaphysical principle that post-Iamblichean Neoplatonists took to be the object of Plato’s dialogue the Sophist. Indeed, we know from PT I 25.7–18 that Proclus took the Sophist to discuss the sublunar gods, and from Iambl., In Soph., Fr. 1 Dillon, we know that Iamblichus more particularly associated the Sophist with the “engineering of the sublunar world”. One might very well ask what kind of engineering was left over for a sublunar engineer after the elements were given their form and the stars their course, but of course, as we have seen, there is still the great feat of social engineering, whereby the right kinds of vicious people must always exist in order to sustain the existence of diverse species. Recall also that at In Alc. 39.5–40.7 discussed above, Proclus not only draws an analogy between vulgar lovers and evil spirits but also between the two and the obstacles that sophists set up to those who would be philosophers. 17 Carlos Steel, “Proclus’ defense of the Timaeus against Aristotle. A reconstruction of a
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commentary, In Remp. II.333.29–335.23, where Proclus refers to an objection of Aristotle’s that has been refuted “countless times”. Steel takes this objection to be precisely that transmigration requires vicious souls to operate. Steel interprets this text as meaning that animals have a source of animation of their own and that they do not need corrupt rational souls to be animated, and thus that transmigration into beasts plays solely a retributive function, as punishment for corrupt souls, and not a cosmological function, as an explanation for animal life. Steels reading of the text, however, cannot be sustained. For one, Proclus repeats in this passage an argument to the effect that “it could seem right to hold that a human soul is present to each irrational animal, so that is has the vitality that immediately enlivens it” (In Remp. II 335.26–27). Furthermore, when Proclus presents his solution, it is not to deny that every irrational animal has a human soul animating it, but that the human soul is the sole source of its animation: “For let there be a human soul in every irrational animal and together with it and prior to it the proper soul of the irrational animal” ( In Remp. II 335.4–6). And later Proclus concludes: [T]his [animation through the vicious rational soul] is not the sole manner of animation of irrational animals, but prior to this entirely is the generation belonging to each of the proper souls, prior to the anti-natural, there is the natural animation and prior to the partial, there is the common animation to all that share the same form. (Procl., In Remp. II 338.6–10).
Proclus sees the absurdity that would result if animal species, which are natural and have a regular existence, depended solely on the behavior of souls to exist, for “nothing that is solely from what is against nature always happens according to nature” (In Remp. II 336.25–26: οὐδὲν γὰρ ἐκ τοῦ παρὰ φύσιν μόνον ἀεὶ γίνεται κατὰ φύσιν·). That is, since the successive generation of beasts happens “according to nature”, it cannot be accounted for by something that is against nature, namely a rational soul acting irrationally. Put it this way: what is according to nature is regular, and happens for the most part; what is against nature is irregular and an exception: even if you could account for each beast by means of a rational soul that behaved irrationally you still would not have accounted for the existence of beasts qua natural. Proclus’ conclusion, however, is not to give up on his arguments that make each animal require a separate per-se self-changing rational soul to account for its individual locomotion, as at In Tim. III 239.11–22 for instance. Rather, he concludes that there must be a prior animation to the individual animation granted by the rational soul, a principle of motion inherent in the animal that is common to its whole species and which accounts for the regularity and naturality of its existence. This has the added benefit of allowing him to conceive animals that solely have this kind of animation, which would then be halfway between plants, which never are animated by rational souls, and typical lost polemical treatise”, in Richard Sorabji (ed.), Aristotle Re-Interpreted, London 2016,327– 352.
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locomotive animals, that are animated by both their common nature and also by a rational soul. He may very well be thinking here of ostracoderms such as starfish, which had already been classified by Aristotle between animals and plants.
6. Conclusion Hans Jonas in his seminal The Gnostic Religion18 pitted the traditional Greek experience of the beauty of the world and of belonging to nature against the gnostic anguish and cosmic solitude in which the very brilliance and beauty of the sky appeared to be “evil” and “cruel” in its rational regularity. Proclus’ theory of ambivalent beauty, according to which beauty seduces the many and saves the few, shows how the contrast is not so clear cut, for the very beauty of the world could require the sacrifice of human lives. The main difference between a gnostic view (as hypothesized and described by Jonas) and Procline view would seem, then, to be (cosmo)political: Proclus thought the engineers of earthly life, though engineering deception, were in truth allied to the Good itself and the higher gods, whereas a gnostic allied himself with the Good against the rulers of this world. This is quite a marked transition from Plotinus who defended the goodness of the world against its gnostic detractors. In this transition from the more traditional view of Plotinus to the sinister world of Proclus, we have a parallel to the transition from the early Platonist Augustine that affirms free will to his late predestinarian self, affirming God’s activity of hardening hearts. In both cases the transition was motivated in part by the attempt to take myths seriously: to take transmigration into animal souls seriously by Proclus, and to take the biblical accounts of grace and election seriously by Augustine. In both cases as well, this went hand in hand with affirming divine omnipotence, by rejecting a separate principle of evil in Proclus and by rejecting a fully autonomous free will by Augustine. How Augustine nonetheless defends the goodness of God has been amply discussed. I will conclude this paper by imagining Proclus might possibly explain how his theory of ambivalent beauty does not attribute to the gods an evil will, namely, the will to lead most human beings into vice. One possible defense, which I will not consider, would be a modern, Nietzschean one: these are in truth not vices at all, but passions to be celebrated. There is no trace of any such transvaluation in Proclus as his intellectualist hierarchy of virtues is clear throughout his corpus. Furthermore, I will not consider the defense that the promotion of corruption is for a greater good, the perfection of the world: because the will of the end would not distract us from the fact that the means must also be willed, and if the means are willed and the 18
Hans Jonas, The Gnostic Religion, Boston 2001.
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means are evil, the problem remains. No, if any defense can be put in Proclus’ mouth, I think it is this one: human beings are not real beings, but the results of cognitive errors. In truth what exist are souls and bodies: the soul is immortal and not to be identified with this individual; the body is perishable and not rational and not to be identified as a moral subject. Thus, at one point Proclus says that we experience pain because we mistakenly identify ourselves with our body, the way a man mistakenly identifies himself with his image in a roaring river (In Tim. III 330.9–331.2). The notion that there is a “human individual” that suffers and is deprived of flourishing by being led into vice is the result of a cognitive error on the part of the soul, that overly identifies itself with a particular body, and ignores its true, eternal identity. All souls eventually return to the heavens and contemplate the forms: the divine scheme is not bad for them. Indeed, it is good for them, for they rejoice in the perfection of the world, which involves its having all the kinds of animals. This scheme is bad only for the human individuals, but they, happily enough, do not properly exist. Every substance is good and leads a good life. Proclus attributes no evil will to the gods, because he attributes to them no will that involves the corruption of any really existing agents. Evil is de-dramatized because it happens only on the surface, as in certain forms of universal salvation, where all manner of things shall be well in the end, so the sin people now undergo is of little consequence. This answer, however, appears only to push the problem of an evil will onto another level. Granted, then, that human individuality is a cognitive error, an absurd assertion of the ego. The divine plan involves affirming this error in most human beings, because what all the vices share precisely is an exaggerated attachment to the body and its desires. So even if the gods’ plan does not harm any true agents, it involves the promotion of the very cognitive error that we are supposed to overcome in order to see the Goodness of their plan. Put Otherwise: if dying to your “self”, if losing your individuality, is so good, why do you wish for the greater part of human animals to be selfish? How is this good? How is willing selfishness compatible with being free from your self? Perhaps Proclus might reply: or is this not the true selflessness, to be free even from selflessness and to see that it is not appropriate for all to be such? Or maybe even a better answer would be to point out that the gods do not only engineer the corruption of the many, but also the salvation of the few. There are not only spirits dragging us down to the earth, but also heroes inspiring humans to excellence. What the Procline philosopher thus whishes is not only the obstacles to the moral life, but also the incentives. He wills the world as a moral challenge, as a philosophical race where few attain victory and most fall back for the sake of the diversity of the world. Indeed, to will a challenge is nothing other than to will the distinctions between the past self before the challenge, and the victorious self after it and between those who are victorious and those who are not. But is it intelligible to will a moral challenge, to will the difficulty of willing properly? Or might the riddle of Proclus’ will only be solved when we remove its self-reflexivity, by saying that it is not Proclus in
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the first place who wills the corruption of mankind, but a spirit or deity that he follows, and which allows him to will something that it would be unintelligible for him to will as a human being?
Bibliography Boese, Helmut (ed.), Procli Diadochi tria opuscula (De providentia, libertate, malo). Latine Guilelmo de Moerbeka vertente et graece ex Isaacii Sebastocratoris aliorumque scriptis collecta, Quellen und Studien zur Geschichte der Philosophie 1, Berlin 1960. (= De Malo.) Diehl, Ernst (ed.), Procli Diadochi In Platonis Timaeum commentaria, Bibliotheca scriptorum Graecorum et Romanorum Teubneriana, Leipzig 1903–1906 [Reprint: Amsterdam 1965] (= In Tim.). Dodds, Eric R. (ed.), Proclus. The Elements of Theology, A revised text with translation, introduction, and commentary, Oxford 21963 (= ET). Fraenkel, Carlos, Philosophical Religions from Plato to Spinoza. Reason, Religion and Autonomy, Cambridge 2014. Jonas, Hans, The Gnostic Religion, Boston 2001. Kroll, Wilhelm (ed.), Procli Diadochi In Platonis Rem Publicam commentarii, 2 vols., Bibliotheca scriptorum Graecorum et Romanorum Teubneriana, Leipzig 1899–1901 [Reprint: Amsterdam 1965] (= In Remp.). Lamberton, Robert, Homer the Theologian. Neoplatonist Allegorical Reading and the Growth of the Epic Tradition, Berkeley 1989. Pasquali, Giorgio (ed.), Procli Diadochi In Platonis Cratylum commentaria, Bibliotheca scriptorum Graecorum et Romanorum Teubneriana, Leipzig 1908 [Reprint: Stuttgart 1994]. (= In Crat.). Steel, Carlos (ed.), Procli in Platonis Parmenidem commentaria, Edition prepared with the collaboration of Pieter d’Hoine, Aurélie Gribomont, Caroline Macé and Leen Van Campe, 3 vols., Oxford Classical Texts, Oxford 2007–2009 (= In Parm.). –, “Proclus’ defense of the Timaeus against Aristotle. A reconstruction of a lost polemical treatise”, in Richard Sorabji (ed.), Aristotle Re-Interpreted, London 2016, 327–352. Vargas, Antonio, Review of: Proclus, Commentary on Plato’s Republic, Dirk Baltzly, John F. Finamore, and Graeme Miles (eds., trs.), Volume I, Essays 1–6, Cambridge University Press, 2018, in: Notre Dame Philosophical Reviews 2019.03.39, https://ndpr.nd.edu/news/commentary-on-platos-republic-volume-i-essays-1-6/ (02.07.2021). Westerink, Leendert G. (ed.), Proclus Diadochus. Commentary on the First Alcibiades of Plato, Amsterdam 1954 (= In Alc.).
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Appendix Table 1: The Two Kinds of Lovers according to Proclus’ Commentary on First Alcibiades.
Attributes
Common lovers
Divine Lover
Names
Common, coarse, wanton, inferior
True, Inspired, Loved
Number of Lovers
Plural
Singular
“Order”
Disorganized: each lover is at odds with the other
Transcendent: Socrates is in a class of his own
What is Loved?
Perceptible beauty
Intelligible Beauty
Image of Beauty
True Beauty
Body of Alcibiades
Soul of Alcibiades (i.e. the True Alcibiades)
Relation to Wonder
Perceptible Beauty causes them to Wonder
Instills Wonder in the Beloved
Mode of Activity
Passion: Love overwhelms the common lovers
Action: the divine lover is in control of the relationship
Time of interest
Beloved’s Bloom of Youth
From Infancy of the Beloved onward
Tenor of the Love
Changing and Unstable
Stable and Harmonious
Kind of Life of the Lover
Indeterminate, Disintegrated, Irrational
Self-Sufficient, United, Rational
Ultimate Goal of the Love
Bodily and Sensual Union with the Beloved
Cognitive Union in knowing Intelligible Beauty
Method of Obtaining the Goal
Constant harassment
Silence until the youth is teachable
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Similar to Which Power of the Soul?
The many irrational appetites
Nous, Reason
Similar to which Order of Being?
Bodies
Nous
Similar to which kind of spirit?
The Irrational Spirits
The Guardian Spirit
Finding Beauty in the Soul Paul Woodruff 1. Beauty and the Soul Of all the sights that the soul may see in the field beyond heaven, according to Socrates’ long speech in Plato’s Phaedrus, there is one that is the easiest to rediscover on earth by the fallen soul, and that is beauty.1 Not justice, not temperance, not wisdom or any other named virtue, but physical beauty. This beauty is most evident, apparently, in the bodies of young men and boys, where it serves as a reminder of what the soul saw, once upon a time, as it circled the rim of heaven. Beauty in the body is an outward sign of goodness in the body, that is to say, a sign of health and strength. So, I am sure, Plato’s contemporaries believed, and they would have seen a weak or sickly body as ugly. Exercise and diet make for a good body; sloth and indulgence in rich foods make for a weak one. That is why Plato thinks food must be simple in the First City presented in the Republic, and no doctors will be needed there. One’s body matters. But, as we know from the argument of the Crito, Socrates cares far more about something else – whatever it is a person has that is harmed when that person acts unjustly. This, which is unnamed in the Crito, must be what we would call one’s moral character. Apparently, it resides in one’s soul or is identical with the soul. Socrates holds that no harm can come to my character through injustice committed by others against me, and nothing but good can come to my character through acts of justice towards me – including punishment, as he makes clear in Gorgias and Republic 1: just punishment makes malefactors more just, and therefore is beneficial to them (Gorg. 477a1–4, Resp. 1, 355d9–10). Also, as we may infer from the line of argument in the later books of the Republic, Plato believes that individuals will be hard pressed to develop beauty of soul in an unjust society; we may think of the Kallipolis as a beauty-parlor for the souls of its citizens. Outside Kallipolis the quest for beauty is hobbled by the ignorance we cannot avoid, by the influence of bad company, and by the temptations of a rich and tumultuous city.
1
This paper was first presented under the title “Beauty as Goodness Made Evident in Plato” at the Platon-Tage in Tübingen, April 20, 2018. It has since undergone extensive revision.
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Whatever is good ought also to be beautiful (on Socrates’ view), and so we should expect Socrates to see beauty in the souls of people who are good, especially if they make their goodness manifest by living what appear to be virtuous lives. But beauty in the soul is hard to recognize. You may act in every way like a virtuous person, but your actions may not spring from virtue. You might be acting well to earn a reputation, or because it is good business to act as if you had virtue. Many explanations are possible other than virtue, and even we ourselves cannot know for sure what lies behind our actions, as we are all prone to think ourselves better than we are. Plato shows Charmides acting in many ways as if he were a youth with sophrosune, early in the dialogue named after him, and indeed he has a reputation for this. But Socrates cannot find that he actually has this virtue, and, indeed, the end of the dialogue suggests that he does not, as does subsequent history. Virtuous action by itself does not make virtue manifest, although vicious action can reveal that virtue is absent. Intelligence may be easier to find than virtue, but Socrates calls attention to it as beauty only once, when he finds Theaetetus to be beautiful because he speaks beautifully in recognizing a philosophical distinction (Theaet. 185e3–5). This would qualify the boy for the kind of discussion sought in the Symposium (210b6–c6), but it leaves open the question of his moral beauty. The earthly beauty Socrates praises in the Phaedrus reminds us of what we saw before birth. But this beauty is purely somatic, because it streams through the eyes (δεξάμενος γὰρ τοῦ κάλλους τὴν ἀπορροὴν διὰ τῶν ὀμμάτων, 250b1– 2), and, after our fall from heaven, we are not able to see clearly such things as justice and temperance (250b1–2). The lost opportunity is immense. If we could see wisdom as clearly as we can see somatic beauty, he says, it would awaken a love that is δεινός, powerful and awe-inspiring (250d4–6). But we cannot see wisdom in that way; wisdom belongs to the exceptional species of beauty that is not evident. You would have to be extraordinarily wise in order to recognize the beauty in Socrates. There is a further difficulty: in a society that knows too little about virtue, we find it all too easy to pretend to have virtue – and get away with it. As we cover an ugly body with fine cloth, or an ugly face with creams and unguents, we can present a virtuous appearance to the world, even when that is far from true. Very few people – perhaps only Socrates – can see through the moral cosmetics we smear so lavishly over ourselves to gain reputation or public office. Pretense is not our only obstacle. An action type that is courageous on one occasion – say, standing in battle and not moving – might be foolish in another, as when the best course is an orderly retreat. Prosecuting a guilty man might be pious on one occasion but impious on another. Fulfilling an obligation to society is so powerful a moral consideration in Socrates’ case that he will die rather than cast it aside, and yet he thinks that an obligation to return a
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weapon to a madman would be void.2 The ground for judging moral actions is treacherous. In sum, this is the problem: outside the ideal city, we do not know how to make moral goodness manifest, and we do not know how to recognize it when we see it. Beauty hides – the highest beauty found on earth, moral beauty, hides. But we must be able to sniff it out somehow and follow it to higher things.
2. Seeking Beauty: Asking Questions The Phaedrus has presented us with a problem to which it offers no obvious solution. Perhaps we can find answers elsewhere in the corpus. What about the dialogues of search? What about the Symposium? Let’s begin with Socrates’ dialogues of search. In the Apology, Socrates says he questions people in order to find whether they are virtuous: If one of you fights back and says he does care, I won’t leave him or let him get away, but I will question him and examine him and test him, and if I don’t find that he has obtained virtue (κεκτῆσθαι ἀρετήν), although he says he has, I will rebuke him for making the least of the most valuable things, and the most of what is worthless. (Apol. 29e3–30a2).3
This procedure appears never to be successful. Socrates’ questioning is aptly designed to reveal the absence of virtue, but not its presence. A famous example is from the opening of the Charmides. There, Chaerephon introduces Socrates to a beautiful teenager, telling him: “If he were willing to strip, you wouldn’t think he had a face at all; that’s how beautiful his body is.” Then everyone agreed with what Chaerephon had said. But, as for me, I said, “Heracles! No one could match him, that is, if he has just one small thing in addition.” “What’s that?” said Critias. “If his soul’s nature turns out to be good. It ought to be, considering that he is from your family, Critias.” “Oh,” he said, “in that respect too he is kalos and agathos – fine and good.” (Charmides 154c6–e4).
Of course, Socrates will try to strip the boy to his soul, rather than to his bare body, and he will not find virtue there. Socrates’ method of questioning has mainly negative results, as he reports in the Apology (29d6–30a2). One reliable result is his finding that whoever he talks with can answer his questions in ways that corroborate his hypothesis that no one can deny the value of justice without coming into collision with their own values, and this is true even when he questions the most vicious sounding
2
That justice requires Socrates to keep his promise to the city, Crit. 49e6–7 and 50c4–6; that it would be unjust to keep a certain promise, Resp. 331c5–9. 3 All translations in this paper are mine.
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characters, such as Callicles (Gorg. 482b4–6, 509a4–7). This much of the result is positive: that the worst of us, without knowing it, harbor some value for justice. Another reliable result is that, through questioning himself as he does others, Socrates is able to form a clearer notion of his own ignorance – and perhaps also of what the beautiful wisdom is that he does not have. Socrates applies the same procedure to himself as he does to others and comes up with similarly embarrassing results (Hipp. Ma. 304c1–e9). This history of self-questioning, evidently, is why he can say in the Apology that he is confident that he is not truly wise. This confidence is human wisdom. Coming to that is a positive result, but still such questioning is leading Socrates not to beauty, but to its absence.
3. Following Love Upward Next, back to the Symposium.4 Socrates tells Agathon in the Symposium what he learned about love from Diotima: All lovers long for what they do not have, for what they need (Symp. 200e2–5). If this is so, then the ground for love is this sort of self-knowledge – knowledge of what it is that you need and do not have. And that is exactly the sort of knowledge Socrates is able to maintain as he maintains his human wisdom. The missing thing is wisdom, and this, Socrates finds, is the beauty he does not have. This is the negative side of love. Whenever we may think we have beauty in our grasp, Eros will teach us that what we have is not sufficient. Eros points the way beyond, always beyond. We know just enough about beauty to yearn for it. On the positive side, this entails that we have an intimation of what we are missing. This is the cognitive element in love. Although it does not yet amount to knowledge, the intimation carries this promise: if we follow where love leads, we will move closer to what we seek. Wisdom and the other virtues are not present for me to see, but love is present to me, and I may examine that. Can love bring a lover to find what Socratic dialectic could not – beauty of the soul? Socrates says Diotima told him that as the lover ascends, he is drawn by love to moral beauty (210b6). But although she gives us a clear idea how the lover is drawn from loving one boy’s beauty to loving physical beauty itself, she gives us no clue as to how the lover ascends from the physical to the moral, from the body to the soul. Plato does not treat the word καλός as ambiguous, so beauty of soul must have the same attractive power as physical beauty. It
4 I believe that the Symposium comes earlier in the order of composition, but my account does not depend on that.
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follows that the love that draws the lover from individual beauty to universal beauty of the body must also be able to draw us to beauty of soul. But how? From the Phaedrus we have the idea that wisdom could inspire a powerful love. And from the Symposium, we had this: Wisdom is among the most beautiful things, and Eros is eros for what is beautiful, so that it is necessary for Eros to be a philosopher (ἀναγκαῖον Ἔρωτα φιλόσοφον εἶναι), and, in being a philosopher, to be in between wise and ignorant. (Symp. 204b2–5)
Love loves what is beautiful, and wisdom is most beautiful, so it follows, by necessity5 that Love must love wisdom. By itself, this is unsatisfactory. We all know that lovers don’t set their sights directly on wisdom. At the most basic level, if Plato’s lover is consumed by eros he has been drawn by the beauty of a young person’s body to set his sights on sexual intercourse. How could a lover ascend from the first pang of sexual desire to the total life-filling devotion to philosophy that we find in Socrates? Besides, the boy who is loved is not yet wise, so it cannot be the beauty of wisdom that draws the lover to ascend from the physical to the ethical. The greatest beauty on earth is such beauty of soul as mortals can have, but we cannot expect to find much of it in a mere boy. Part of the problem here is that moral beauty is virtue, and perfect virtue seems to belong only to the gods. The gods are not visible to us; once we have fallen from heaven we have only our memories of our favorite god to go on. We are not gods. The virtue that can be reasonably expected of a human being must be different from what Socrates believes the gods to have. That, I suggest, is why in the Apology Socrates emphasizes looking after – epimeleisthai – the soul – which I take to be caring for and maintaining moral health in the soul. I note that in that context Socrates uses only the verb epimeleisthai, never the noun epimeleia. He is speaking of an activity that follows from a commitment to virtue in preference to wealth or fame or office. We know (according to Crito) that Socrates claimed to have devoted his whole life to this activity: φάσκοντά γε δὴ ἀρετῆς διὰ παντὸς τοῦ βίου ἐπιμελεῖσθαι (45d2–3), but we do not know that Socrates ever claimed to be virtuous or to have virtue. He does not appear to have the expert knowledge needed to back up such a claim. In a similar way, I can honestly claim to be looking after my own health, but I am not in a position to claim that I have health, because I do not have the knowledge that doctors have. Those who know me know that I look after my health; this is not a subjective matter; but, not being doctors, they cannot vouch for my health any more than I can. All we know is that I am looking after my health, eating and exercising as I judge best. For an assessment of my health – in contrast to my looking after my health – we must ask an expert doctor. 5 I suspect that the necessity invoked here is both logical and psychological: psychologically, the lover cannot help being drawn by wisdom; logically the lover must love the most valuable thing he lacks, namely wisdom.
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Paul Woodruff
Of course, if we identified a doctor for the soul – the expert on the soul Socrates hopes for in the Crito (47d1) – then we could ask her about the moral health of her patients. But no such doctor has been identified, and Socrates does not pretend to a soul-doctor’s role. He is investigating not so much the moral health of his fellow citizens as their commitment to taking care of it. In the Apology, he reports that his questioning shows that Athenians value money and honor over virtue, and, as a result, that they are not practicing epimeleisthai tes psyches. We have one clear example: he claims that his elenchus of Meletus shows that the young man has not taken care about the subjects at issue (οὐδέν σοι μεμέληκεν περὶ ὧν ἐμὲ εἰσάγεις, 25c3–4). So now we see a powerful reason why Socrates has not found moral beauty at the human level: it is not there, not in its full glory. Still, there must be something in the human soul that can be seen to be beautiful.
4. Human Beauty For human beings, wisdom begins in recognizing that true wisdom is beyond us (Apol. 23a5–b4). If wisdom is virtue, or is necessary for virtue, then we would expect to find that virtue begins in recognizing that we cannot humanly make wisdom our possession, and the same must follow for virtue that depends on wisdom. After that recognition, all that human virtue can do is to carry on by forming itself as a quest – the Socratic quest. The quest for human virtue cannot end in determining what it is or in totally possessing it.6 For me as a human, the clearest sign of failure in wisdom would be the belief that I have captured it. The same goes for virtue: the clearest sign of failure in virtue would be the belief that I have captured it for life and for this reason no longer need to look after it (epimeleisthai). It follows that a clear sign of human virtue in Socrates is his commitment to question himself and others, in order to fend off such failures. This is a life-long commitment. Socrates says at the opening of the Phaedrus that seeking self-knowledge leaves him no time for any other occupation of the mind (229e4–230a6). In this, by the way, I think there is one modern philosopher who follows Socrates’ footsteps. Kant says that the first command of all duties to yourself is to know yourself (Metaphysics of Morals, 6:441), and this, he says more than once, is impossible to achieve: “the depths of the human heart are unfathomable” (6:447).7 That is why virtue for Kant must remain an ideal, one we know we will never attain. With this, I propose, Socrates would agree. I cannot identify true moral beauty in myself or in anyone else, because it is not to be found at the human
6 On the whole I am in agreement with the approach of Iakovos Vasiliou in Aiming at Virtue in Plato, Cambridge 2008. 7 Mary Gregor (ed.), Kant. The Metaphysics of Morals, Cambridge 1996.
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level. As we have seen, the main things Socrates’ methods can bring to light are moral failures – and those are the main things we have to show. Don’t give up, however. In the physical world, the beauty we see is merely an image, a reminder of true beauty, on Plato’s view, and images are ambivalent – in Plato’s language they are and are not what they seem to be. Plato has Socrates show in the Hippias Major that the beauty of a woman is no more beautiful than ugly, because it is ugly compared to the beauty of a god (289b2– 7), and we must therefore expect that beauties of character at the human level are similarly complex, being ugly in comparison to the beauties of a divine character. As Socrates says in the Republic, there is no beauty at our level that is not also ugly (479a6–7), no justice that is not injustice, and so on. This leaves me with some hope, but a problem remains. Beauty of the body is no less ambivalent than is beauty of the soul, and yet it shines out clearly in bodies. So even if goodness of soul is an ambivalent kind of beauty, why are we not able to see it shining forth? Of course, we knew all along that moral beauty would not be visible to the eye of the body. But now we have not found that it might be detectable by the mind’s eye – even in my own mind’s eye I cannot see clearly how good a person I am, let alone how good anyone else is. I suggest that we have been looking for the wrong kind of thing. Rather than looking for virtue, we should have been looking for the potential to grow toward virtue.8 That at least can be found. The ideal lovers Socrates mentions, in both Phaedrus and Symposium, come to appreciate moral beauty after falling in love with boys, that is, with people who are not fully developed. A physical trainer sees a boy’s potential to develop a man’s speed and strength and then helps him toward that goal. Similarly, ideal lovers help the boys they love develop toward godlike virtue, and so they must see in a particular boy his potential to become more godlike: Those who followed Zeus, for example, choose someone to love who is a Zeus himself in the nobility of his soul. So they make sure he has the nature for philosophy and leadership, and once they have found him they do everything with the end that he have that character. […] If they draw their inspiration from Zeus, then, like the Bacchants, they pour it into the soul of the one they love in order to help him take on as much of their own god’s qualities as possible. Hera’s followers look for a kingly character, and once they have found him they do all the same things for him (Phaedr. 252e1–5, 253a6–b3).
The word φύσις here has the sense of “natural talent”; plainly the boy has not developed his nature very far towards being godlike, but the lover is able to see in him the potential to become more like the god than he now is. In terms of character, we are all to the gods as boys are to men: we fall short, but we can become better and more like them. Why then, is it boys who can awaken us to
8
For my Plato-based account of such a process, see my Growing towards Justice, in: Mark LeBar (ed.), Justice, New York 2018, 13–37.
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the possibility of beauty in the soul? And why is it lovers who recognize this potential for beauty?
5. The Eye of Love The Phaedrus myth of Recollection seemed to have failed us at the critical moment. The myth illustrated how the physical world could give physical reminders of beauty to our eyes, but initially it offered little insight into how we might recover a sense of the beauties of the soul, that is, a sense of the beauty of justice, temperance, and wisdom. Such beauty is not evident to the fallen souls – not, that is, until one of them falls in love. Then he falls in love with a particular boy because he finds in that boy a specific potential for godlike virtue. This takes us far beyond Diotima’s account of the ladder of love in the Symposium, which does not even hint at a relationship developing between the lover and his boy, and which gives no clue as to how the lover takes the third step, from physical to moral beauty. The last part of the long speech in the Phaedrus fills both gaps. In the Phaedrus, the love sparked by somatic beauty blossoms into a relationship, and for that the intoxication of the boy’s body is not enough. Differences in somatic beauty may make little difference to a lover of boys. One beautiful boy is like another, so far as somatic beauty is concerned, and men who love boys seem to be able to find any boy beautiful if he is the right age, as Socrates says pointedly to Glaucon (Resp. 5.474d4–475a2). That is why the lover of Diotima’s speech can take the second step from loving an individual to loving physical beauty as such, and becomes a lover of “all beautiful bodies” (Symp. 210b4–5). After that, it’s hard to see how this story allows for a relationship to develop between the lover and any particular boy. In the Phaedrus myth, by contrast, we are told how the lover chooses his particular boy; he does so on the basis of the boy’s similarity to a specific god - that is, the boy’s potential to develop towards a specific moral ideal. As there are many gods, there are many possibilities for distinguishing one boy from another, not by beauties of their bodies, but by beauties of their souls. Evidently, love brings the boy’s soul into view. Then, at the same time, the lover can feel the attraction of moral beauty as such, while beginning to develop a relationship with his particular boy. Sexual desire may be indiscriminate with respect to body type, but love for a particular person depends on discriminations of character.9 9
A valuable feature of this account, which Socrates does not make explicit, is this: As everyone falls short of godlike virtue to some extent, and as there are many ways of falling short, there should be many ways for people to approximate virtue, and therefore many individual differences. These make it possible for us to fix on particular people on whom to
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According to the Phaedrus myth, different boys take after different gods, and the lover is seeking a boy with a specific nature appropriate to the god the lover followed before falling to earth (Phaedr. 252d5–e1). At this stage, the boy is in the full bloom of physical beauty, but he is at an early stage of developing toward likeness to the god. Physical beauty came to him naturally, with the help of a physical trainer. Moral beauty will not come so easily; to develop this will be the work of a lifetime. His moral education can be a project he shares with his lover, a project around which the couple can develop an ongoing relationship of philia. But first the lover must see this possibility in the boy. Eros will transform the eye of the lover. The lover in Socrates’ long speech in the Phaedrus soon comes to see a sort of moral beauty in the boy he loves, and it is just the sort of beauty we would expect: it is an image. He sees in the boy he loves an image of the god he chose to follow when he was with the gods in heaven, and from this image he learns that the boy can become more and more like the god he resembles. The boy will see his own beauty in the eye of his lover, and in this way learn about his own potential to become more godlike (Phaedr. 255d3–e2). As the boy comes to share the older man’s devotion to the values represented by the god, the two of them develop a mutual relationship that the boy now sees as friendship (252e2).10 It is not Socratic questioning that has brought the boy’s potential to his lover’s attention. Eros came first and gave the lover power to see beauty as a potential in the soul of the boy. Without some degree of affection, I suppose we would find in a boy only a range of potentials, some good, some bad, as there are in all of us. But affection for others picks out the best in them.11 That is why lovers see the potential for beauty in those they love. But why must those they love be boys? Probably, as we grow older, we lose potential. In the physical realm, older people do not have the potential to become better athletes, and the same seems true of moral potential. Habits harden. In Sophocles’ Philoctetes, the young son of Achilles, Neoptolemus, seems still to have the potential to become compassionate and honest.12 But he has fallen into the bad company of Odysseus, and he will be hardened by war. In history, Charmides came under the influence of the future tyrant Critias. If these boys
place our affections. Socrates does not explicitly refer to the defects of the lover, but these are essential to the account, as the lover too is seeking to become more like the god he followed, and as the boy must be drawn to the particular features of the lover. 10 On this topic I owe a great debt to Glenavin Lindley White for her superb dissertation at the University of Texas: Love and respect. Virtue friendship in Plato’s Phaedrus and Kant’s Metaphysics of morals (2019). 11 Here I speak of affection rather than eros, because I do not believe we must feel sexual desire for our students in order to recognize their moral potential. 12 Heracles’ warning at the end of the play seems to look forward to the brutality of the young man during the sack of Troy. See my “The Philoctetes of Sophocles”, in: Kirk Ormand (ed.), A Companion to Sophocles, Hoboken 2012, 126–140.
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had had Socratic mentor-lovers, we can hope that they would not have turned out so badly.
Bibliography Gregor, Mary (ed.), Kant. The Metaphysics of Morals, Cambridge 1996. Vasiliou, Iakovos, Aiming at Virtue in Plato, Cambridge 2008. White, Glenavin Lindley, Love and respect. Virtue friendship in Plato’s Phaedrus and Kant’s Metaphysics of morals, Dissertation, University of Texas 2019. Woodruff, Paul, “The Philoctetes of Sophocles”, in: Kirk Ormand (ed.), A Companion to Sophocles, Hoboken 2012, 126–140. – “Growing towards Justice”, in: Mark LeBar (ed.), Justice, New York 2018, 13–37.
Stellenregister Hippolytos 525–64
Aelius Aristides Epideiktische Reden 2, 142 11 Aischylos Agamemnon 160
825
Cicero Orator 2, 8–9
7748
Diogenes Laertius Vitae philosophorum 3, 56–60 3510 Empedokles Fr. 35 B DK
1 1 24 1
Odyssee 8, 489 21, 123 22, 364
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Iamblich In Sophistam Fr. 1 Dillon
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Kallimachos 927
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Kleanthes Fr. I.537 SVF
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Zeushymnos
927
18
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Homer
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Hesiod Werke und Tage 628
1028
5
Lukrez 1028
Hymnos auf Venus
618
122
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Menander (Rhet.) Aufgliederung der Epideiktik 1, 335, 10 7 1, 337, 23 6 Orphiker
Orphischer Hymnos auf Dionysos 30 9 Philon von Alexandria De plantatione 127–128 130
5, 12 515
Pindar Fr. 31 SM
11
Philostratus Vita Apollonii 6, 19, 2
7748
Plato Alkibiades I 110d–e 130e1–6 132a–b 132d–133b
25, 2942, 92, 95 103 2420 26 23
Apologie 23a5–b4 25c3–4 29d6–30a2 29e3–30a2
74, 114, 115 116 116 113 113
7. Brief 344c–d
2733
Charmides 154c6–e4
113
Gorgias 472e 474b–481b 474d–475a
324 32 32
475b–e 477a1–4 482–483a 482b4–6 503d6–e4 504a1 509a4–7
32 111 32 114 13 13, 14 114
Hippias Major 284e 287d–e 289b2–7 304c1–e9 304e7–10 304e8
19, 28, 3510 29 2834 117 114 311 29
Ion 533e7–8 534a1 534b8 534c2 534d8 534e3
74 7544 7544 7544 7544 7544 7544
Kratylos 384a8–b1 385d 389a5–6 389d6–7 390e2–5 400d6–401a1 400d6–7 416b6–d11 416c7 421a10–b1 425a2–3 440b5–6
2, 10 3 10 13 13 13 8, 9, 10 11 3 1, 15 3 1445 338
Kritias
621
Kriton 45d2–3 47d1 49e6–7 50c4–6
111 115 116 1132 1132
Nomoi 682a 700b1–2 721b–d 801e1–4
92 6 823 3612 823
123
Stellenregister
906a 966a
68 4726
Parmenides 134c13–c2
338
Phaidon 75c–d 76d7–9 100a2–e3
4221, 102 33 338 11
Phaidros
11, 2631, 3510, 45, 51, 52, 55, 56, 57, 95, 111, 113, 115, 117, 118 116 6 51 51 19 34 7337 112 2 19, 51 73 112 52, 55 22 34 119 119 117 119 117 2216 22, 24 13 7 15 13
229e4–230a6 247c3–6 248a 248b 249d 250b 250b–d 250b1–2 250c9–e1 250d 250d–e 250d4–6 250d7 251b 252b9 255d3–e2 252d5–e1 252e1–5 252e2 253a6–b3 254c 255c–e 264c3 265b6–c3 265d3–4 268d4
Philebos
11a–d 12b–c 15a–b 15a–16b 15a4–7 16c 16c–17a
34, 3713, 42, 45, 47, 55, 63, 64, 654, 655, 67, 71, 77 43, 44 1029 4322 43 338 64 65, 67
17a–e 22a–b 26b5–6 31b–35e 33b7–8 36c–53b 51b5 55d–58d 61d–64b 61e–64b 63e–65e 64a7–66d3 64c 64c–66a 64e 64e5 65a 65a2 65b–e 66a–c 66b
43 43 44 43 46 44 45 44 43 44 43 656 71, 77 65 43, 65 55 43 656 44 66 45
Politeia
49, 73, 7441, 75, 78, 99, 111 1132 111 6924 68 70 14 118 117 88 87 87 88 83 21 84 84 83 84 84 84 84, 87 77, 823 42 84 34 7646 7748 7646
331c5–9 355d9–10 379b–c 379c 381c 401c5 474d4–475a2 479a6–7 500a5 500b8–501c 501b–c 501b4–7 506d–509c 508 508b3–c2 508c1 508d4–6 508e3–509a7 508e4–6 508e6 509a6 509b 509b9 509b9–10 517b–c 595b 597b 605c
124
Stellenregister
607a4 607b–c 607d–608a 620a
6 74 7646 99
Sophistes
10416
Symposion
1, 34, 3510, 3713, 43, 47, 64, 71, 73, 113, 1144, 117, 118 5 349 349 35 15 1648 114 35 83, 85 35 7027 4019 16 88 88 2 88 4019 45 114 92 41 35 36 36 37 3716 20 72 36 38 28 15 72 3714 4019 37 38 39 39 26
177a–c 180c–185c 185e–188d 197c–e 197d–e 198e 200e2–5 201c4–5 201d–212b 201e7 202c–d 202d1–3 202e 202e3 202e3–7 203c2–5 203d7 203d9–e5 204a 204b2–5 204b3 204c–209e 204c3–11 204e 205a3 205a9–d8 205b–c 205d 206a11–12 206b7 206b7–8 206e 206e1–8 206e5 206d 206e 206e–208b 208c–e 208e–209a 209a3–b2 209b–c
209c7–e4 209d3 209e–212c 210a 210a–212a 210a–212b 210a1 212a2 210a8 210b4–5 210b6 210b6–c6 210d 210d7 210e 210e–211b 210e1 211a7 211e4–212a7 212a3–5 212a3–7 212a5 212a6–7 216e
40 40 41 28 85 40 41 85 26 118 114 111 25, 26 85 85 1, 86 85 86 41 85 41 42 42 4020
Theaitetos 142b–143e 148e–150b 148e6–151d6 176a 176a–b 179d–183c 185e 185e3–5
3817 3817 88 7 68 3715 3817 112
Timaios
28a6–b2 28e7–30a 29a2–6 29a3 29e–30b 29e1 29e1–2 30b5 30c3 30d–31a 30d1–31a1 31a1 33d1
516, 6, 621, 4221, 56, 64, 68, 69, 70, 71, 77, 81, 92, 101, 102 7025 82 7025 1344 69 1344 88 1344 1344 7025 70 1344 88
125
Stellenregister 33c–d2 33d2 34a8–b9 34b6–8 34b7–8 39d8–e2 40a 87c 92c 92c7
82 82 82 88 82 1344 7028 70 69 82
Plotin Enneaden 5, 1, 6, 37–39 5, 8, 1, 32–41
6821 77, 78
Porphyrios Sententiae 13
6821
Proklos De Subsistentia malorum 101 2, 338, 6–10 105 5, 13–23 103 17, 16–34 100 31 102 Hymni
618
35, 1 – 37,15 38, 14–15 39, 5 – 40, 7 39, 14–15 47, 13 – 49, 12 115, 15 – 117, 16 224, 2–9 245, 6–8 245, 6 – 246, 7 257, 6 – 258, 9 258, 3–6 328, 12
92, 93, 94, 101, 103, 109 94 96 100, 10416 96 96 94 103 103 103 104 91 310
In Cratilum 53, 29–33
104
In Parmenidem 4, 859, 8–18 4, 874, 8–14 4, 875, 6–14 7, 55K
977, 101 966 966 966 103
In Alcibiadem
In Rempublicam 1, 74, 16–24 1, 74, 30 – 75, 5 1, 75, 20–24 1, 77, 29 – 78, 6 1, 79, 2–4 1, 109, 1–8 1, 175, 15–21 2, 91 2, 316, 12–25 2, 333, 29 – 335, 23 2, 335, 4–6 2, 335, 26–27 2, 336, 25–26
78, 101 99 99 99 99 98 99 92 103 99 105 105 105 105
In Timaeum 1, 381, 26 3, 330, 9 – 331, 2 3, 236, 6 3, 238, 32 – 239, 14 3, 239, 11–22
101 102 107 102 102 105
Theologia Platonica 977 1, 24 310 1, 108, 6 310 Elementatio theologica 7 68 Pseudo–Aristoteles Über die Welt 401a12
927
Sappho Fr. 112
5
Sophokles Antigone 781–801
5
Philoctetes
119
Thales Fr. DK11 A1, 35
1446
Tübinger Platon-Tage
In dieser Reihe erscheinen Tagungsbände mit ausgewählten Beiträgen, die im Rahmen der alle zwei Jahre stattfindenden internationalen Tübinger PlatonTage zuerst als Vorträge gehalten wurden. Die Tübinger Platon-Tage wollen die lange Tübinger Platon-Tradition im In- und Ausland mit Impulsen aus der aktuellen Platon-Forschung beleben. Die Themen der Tagungen orientieren sich an zentralen Fragestellungen zu Platons Dialogen und Philosophie bis hin zur Platonrezeption in Kaiserzeit, Spätantike und Renaissance. Die Autoren der publizierten Beiträge sind ausgewiesene Wissenschaftler aus dem In- und Ausland sowie angehende Nachwuchswissenschaftler. ISSN: 2629-3978 Zitiervorschlag: TüPlaTa Alle lieferbaren Bände finden Sie unter www.mohrsiebeck.com/tueplata
Mohr Siebeck
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