Pia Desideria [3. durchges. Aufl. 1964] 9783110820164, 9783110013238


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PIA DESIDERIA
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Pia Desideria [3. durchges. Aufl. 1964]
 9783110820164, 9783110013238

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KLEINE TEXTE FÜR VORLESUNGEN UND ÜBUNGEN BEGRÜNDET VON HANS LIETZMANN HERAUSGEGEBEN VON KURT ALAND

170

PHILIPP JACOB SPENER

PIA DESIDERIA HERAUSGEGEBEN VON

KURT ALAND

3 DURCHGESEHENE AUFLAGE

w G DE

BERLIN VERLAG WALTER DE GRUYTER & CO 1964

z. Nachdruck 1990

ISBN 3 ii 001323 i © 1964 by Walter dc Gruytcr 6t Co., vormals G J Göschen'schc Verlagshandlung

J Guttcntag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl J. Trübncr — Veit 6c Comp. Berlin 30 Printed in Germany Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen.

A --- Arnbtsche Postille von 1675 (Stadtbibliothek Frankfurt a. M. (verbrannt), Landesbibl. Dresden, Sign: Th. ev. asc. 20m, Kloster Loccum, Sign: Pract 4863): POSTILLA, II Das ist: // Geistreiche Erklärung II Der Evangelischen Texte / durchs II gantze Jahr / auff alle Sonn- Hohe- und andere Fest- II und Apostel-Tage: II Sampt einer dreyfachdurchgehenden Betrach­ tung über II die gantze II Passions-Historia. II Alles also ein­ gerichtet / II daß durchgehends auff jeden Text zwo / drey 1 vier / auch zuweilen fönff // unterschiedliche Predigten zu finden / II Mit höchstem Fleiß II Zur Ehre Gottes und Erbauung deß II wagten Christentumbs / II Bestellet durch II Herrn Johann Arndten / weiland II General-Superintendenten deß Fürstenthumbs Lüneburg / II und Pfarrherrn zu Zella. II Jetzo mit dem vom Authore selbst zuletzt revidirt- und augirtcn Exemplar aber- // mahl auffs fleissigste confer* tret / die in vorigen Editionen offters nur halbangezogene Biblische //Sprüche ergüntzet / die hin und her entweder falsch / oder gar nicht allegirfe Capitul und Versicul richtig hinzu­ gethan; II Die Dieta Patrum verständlich verdeutschet; auch mit viel schönen Kupserstücken und nothwendigen II Register»; auffs neue außgezieret. II Redens einer neuen Vorrede an den Leser von gegenwertiger Edition, // Hn. Philipp Bacob Speners / der H. Schrifft II Doct. & Ministerii Francofurt. Senioris. // Erster Theil / II Vorn Advent biß auff TRINITATIS. II Franckfurt am Mäyn / // In Verlägung Johann-David Iunners. II Im Jahr Christi / MDCLXXV. // B = Ausgabe der Pia desideria vom Herbst 1675 (hypothetisch, hat es wahrscheinlich nie gegeben, vgl. Spener-Studien S. 3ff.) c — Ausgabe der Pia desideria von Herbst 1676 (Staatsbibl. Berlin, Univ.-Bibl. Marburg, Kiel, Greifswald, Erlangen, Berlin, Brit. Museum, Bayer. Staatsbibl. München usw.)

D = lateinische Übersetzung der Pia desideria von 1678 (frühere Univ.-Bibl. Königsberg, Sign: La i (Gh) 12°, Miss. Bibl. Erfurt, Brit. Museum) E --- Ausgabe der Pia desideria von 1680 (Univ.-Bibl. Bonn, Erlangen, Marburg, Göttingen, Halle, Jena usw.)

F = Arndtsche Postille von 1693 (Univ.-Bibl. Kiel, Sign.: Theol. past. 66): Titel wie A, nur: Fürstentums Lüneburg... in

IV vorigen Editionen öffters... Bedruckt und zu finden bey Johann Philipp AndreL // ANNO MDCXCIII.

G -- Ausgabe der Ersten Geistlichen Schriften von 1699 (Staatsbibl. Berlin, Univ.-BLbl. Halle usw.): Philipp Jacob Speners / D. II Churfürstlichen Brandenburgischen Consistoria 1Raths / II und Probstens zu Berlin / II Erste II Geistliche Schrifften / II Die vor dem in kleinem Format eintzeln // heraus­ gegeben worben / und nun zusammen gedruckt II vor Augen gelegt werben. II Sampt besten II Zu unterschiedlich andern Schrifften // und Wercken II Auffgesetzten Vorreden / II Welche von unterschiedenen Materien handeln. II Franckfurt am Mayn / II In Verlegung Johann David Zunners / Buchhändlers / // ANNO MDCXCIX. // S. 43 der Vorreden: VI. Vorrede zu Johann Arenben Postill. II (sind die pia desideria.) //

H ----- Ausgabe der Pia desideria von 1706 (Staatsbibl. Berlin, Eign.: Cy 3312z Univ.-Bibl.Erlangen, Sign.: Thl. 1,234/2) I — Ausgabe der Pia desideria von 1712 (Staatsbibl. Berlin, Sign.: Dm 7613) Sigel:

t Hinzufügung ~ Umstellung > Auslastung [] Zusatz des Hrsg.

PIA DESIDERIA: oder

Hertzliches

Verlangen I 5

Nach GottgefLlliger Besserung der wahren Evangelischen Kirchen / fompt einigen dahin einfältig abzweckenden Lhrtstlichen Vorschlägen

Philipp Jacob Speners D. io

Predigers und Seniotis zu Franck, furt am Mayn; Sampt angehengten

Zweyer Christlichen Theologorum 15

darüber gesielten und zu mehrer Anff, erbau ung höchst, dienlichen Bedeacken.

*

Franckfurt am Mayn/ In Verlegung

«>

Johann David Zunners. Setruckt bey Johann Diederich Fritgen. M DC LXXVI. 17 Zu end werden angefügt die jenige Lehrer / II so die künftige bekehrung der Juden in //ihren Schrifften behaupten. II Mit Churfürst!. Sichs. Freyheil. // +E Zu end werden angefügt die jenige Lehrer / II so die künfftige bekehrung der Juden in II ihren Schrifften behaupten. II Mit Königs. Pohln. und Churfürst!. Sich- II fischen / wie auch Königs. Preußischen / und Chur­ fürst!. Brandend. Privileges, // zum 2ten mal getruckt. II H Zu End werden angefügt diejenige Leh- II rer / so die künfftige Bekehrung der Juden in II ihren Schrifften behaupten. II Mit Königs. Pohln. und Churfürst!. Sächsischen / II wie auch Königs. Preußischen / und Chur- II fürftl. Brandend. Privilegiis. // zum 3ten ma! gedruckt. II I 19/21 In Verlegung Joh. Dav. Zunners S. Erb. II MDCCVI H In Verlegung Joh. Dav. Zuners S. Erb. II und Johann Adam Jungen. II MDCCXII I 21/22

Druckts Johann Dieterich Friedgen II MDCLXXX E

D: PIA DESIDERIA // NECESSARIAE // EMENDATIONIS II Evangelicae verae Ecclesiae, II serio suscipiendae, II Cum nonnullis ad eum sco-

CEHI [x]

2 clh (al G 43 *1 l3j

PH. I. Spener

Der gesampten Christ-Evangelischen Kirchen treuen

Vorstehern und Hirten i meinen in Christo JCsu unferm Ertzhirten treugeliebten

5

und hochgeehrten Dateren und Dr öderen /

g 44

'Wünsche von dem Vatter deß Ltechts und Geber alles guten

Erleuchtete Augen deß Derstandnuß / zu erkennen welche io da seye die Hoffnung unsers Beruffs / und welcher sey der Reichthum seines herrlichen Erbes an seinen Heiligen / und welche da sey die über­ schwengliche griffe seiner Krafft in uns / die wir glauben nach der Wärckung seiner mächtigen stärcke: c [3] i [41 Fleiß und Eyffer / wacker zu 1 sein / 1 und zu stärcken / das -s EH 131 andere das sterben wil:

Krafft und Muth / durch die Waffen unserer Ritterschafft / die nicht fleischlich sind / sondern mächtig für Gott / zu verstiren die befestigungen / zu verstiren die Anschläge und alle Hihe ' die sich erhebet wider das Crkantnuß Gottes / und gefangen zunehmen alle Dernunfft unter den Ge- ™ AF > S. [2] bis S. [24] I läßt die Rückseite des Titels leer, während CEH hier bereits mit dem Druck des Vorwortes beginnen. D bringt hier einen Abschnitt aus Luthers Brief an den Straßburger Nikolaus Gerbet (Wittenberg, den 17. Dezember 1524, WA Briefe 3, 404f.): D. LUTH. ad D. Nie. Gerbelium. 1524. T 2. Epist. 235 a. b. Tristitiam relinquamus cum solicitudine spiritui Carlstadn. Nos istam pugnam velut alia agentes sustineamus. Causa DEI est, cura DEI est, [opus Dei est + WA] Victoria DEI est, gloria DEI est, sine nobis pugnabit & vincet. Quod si nos dignabitur pro armis suis apprehendere, proni libentesque erimus. Haec scribo, ut horter Te & per Te alios, ne Satanam formidetis, nec conturbetur cor vestrum. Si injusti sumus, quid justius quam ut opprimamur? Si justi, justus est DEUS, qui esucet justitiam nostram tanquam meridiem. Cadat itaque quod cadit, stet quod stat, res nostra non agitur, qui non ea quae nostra sunt quaerimus.

pum II collimantibus consiliis. II Autore // PHILIPPO JACOBO SPENERO, D. II Pastore & Minist. Francosurt. // Seniore. II Ex Germanico idiomate, quo prius // edita fuerant, in Latinum II conversa. II Cum Grat. & Privileg. Elect. Saxon. II Francofurti ad Moenum, II Sumptibus JOANNIS DAVIDIS ZUNNERI. II Typis JOANNIS THEODORICI FRIDGENII. // MDCLXXVIII. II

Pia desideria horsam Christi / auch bereit zu seyn zu rachen allen ungehorsam Gläubigen Gehorsam erfüllet ist:

wann der

Segen und Fortgang mit Freuden warzunehmen wie das Wort so auß Gottes Munde gehet , als der Regen und Schnee so von Himmel s fället / nicht wieder zu ihm lahr komme / sondern thue was ihm gefallet un ihm gelinge / worzu es gesendet wird: und zu'sehen wie die durch ihren c (4)

Dienst ' gebauete Erde brtn'ge / zum ersten das Graß ; darnach die Aehren / eh (4] darnach den vollen Weitzen in den Aehren; 1 h1 Völlige Vergnügung in Erkantnuß / wie Göttlicher Name durch

io ihren Dienst geheiliget / sein Reich erweitert / und sein Wille vollbracht

werde / zu seinen heiligsten Ehren / vieler Seelen Heyl / ihres eigenen Ge­ wissens Beruhigung und dermahleins ewiger Herrlichkeit.

In dem gelobtesten geliebte Vatter und Brüdere. Als vor einem halben Jahr von dem Verleger deß theuren Arndii

15 neu außgehender Postill an mich gesonnen wurde / eine 'Praefation solchem c [5] lieben Werck vorzusetzen: habe mich erkühnet / in 1 der enge der darzu ver- eh [5j gönten Zeit / in solche Vorrede das meiste einzutragen / was mich / seyt der Zeit ich durch Got'tes Willen und Gnade in seinem Weinberg arbeite / i offters hertzlich betrübet / das Gewissen beschwehret / und viele Sorgen ge-

20 macht hat; Wissende / daß der jenigen noch unzählich viele seynd / welche mit mir gleiches bejammern / und offt einer in deß andern Schooß die weh­ mütige Klagen außgieffen.

Das Elend so wir beklagen liget vor Augen / und ist je niemand verbotten / seine Thränen über dasselbe nicht nur in geheim zuvergieffen /

25 sondern sie auch an den Orten fallen zulaffen / wo sie andere 1 sehen / und g 45 so zu mitleiden als mit rathen mögen bewogen wer'den. Wo mä aber noth c [6] un kranckheit sitzet / ists natürlich / daß man ' umb mittel sich umbthut. Und eh [öj

daher liget allen ob / in der Noth und Kranckheit deß so edlesten geistl. Leibes Christi / der unserer sorge jedem in gewissen Stücken / auch sampt 1 und 1 l?l 30 sonders ins gemein / anverauet ist / ja an dem wir alle Mitglieder sein müssen / un deßwegen sein Gebrechen keins Orts vor frembd zu achten 4 Jes. 55,10f. 7 Mark 4, 28 14 im Frühjahr 1675 (= A). Die Vorrede datiert Spener auf den 24. März 1675 (vgl. S. 85, 5). 14f. Johann David Zunner, zunächst (1624) in Kopenhagen im Dienst des Amsterdamer Buchhändlers Johann Jansson, dann in Frankfurt a. M. selbständig in führender Rotte unter den dortigen Buchhändlern, 1653 auf einer Reise von Worms nach Speyer ertrunken. Dgl. Kapp-Goldfriedrich, Geschichte des dtsch. Buchhandels I, 491, 518; II, 280, 284. 15ff. vgl. A und F

30 anvertrauet EGHI

4

PH. I. Sperrer

haben / davor zu sorgen / wie tüchtige Arheney zu seiner Heylung möge gefunden und appliciret werden. Dorweilen war das kräfftigste Mittel / daß die vornehmste Vorsteher

der Kirchen und Abgeordnete aller nahmhafften particular Kirchen in Con­ cil üs zusammen timen / und über den gemeinen Schaden rathschlagten.

5

c [7] Wolte Gott wir ständen in dem Stan'de / daß wir auch solches jetzo fruchteh (7] barlich

zugeschehen hoffen tinten: 1 wie gottselige Gemühter solches offt

sehnlich verlangt. Wollen wir aber darauf warten / so werden wir über

unserm wünschen sterben / und die Besserung / nicht weiß ich wie verant­ wortlich / immer auffs ungewisse auffschieben. 10 i [8i 1 Stehet also dahin / ob nicht ein zu dieser Zeit zulänglichs Mittel

seye / daß in ermanglung jener zusammenkunfft / Christliche Prediger

untereinander selbs in der Furcht des HErrn durch so wol Schreiben unter sich / als auch damit den jenigen / welche sich das Werck des HCrren lassen

angelegen seyn / zur Nachricht und nachdencken anderer Mitbräder Ge- *5 c [8i dancken kund werden möchten / öffentlichen Truck diese wichtige 'Sachen mit

einander überlegten / und was etwa der Gemeinde Gottes dienlich / reifflich erwegeten. eh [8i

1 Wie nun andere Christeyfferige Theologi hin und wieder in ihren öffentlichen Schrifften längst hiervon den Anfang gemacht haben / und Ich -0

also der erste nicht bin / welcher dergleichen Verlangen öffentlich bezeuget /

i [9i oder darzu Vorschläge gethan; so hätte zwar billich bedencken tra'gen sollen / mit meinen einfältigen Gedancken außzubrechen / wo in dem Reich deß

HErrn wie in der Welt die Suffragia etwa nach Ordnung und würde der

Personen gegeben werden mästen / in welcher absicht ich mich billich unter -5 den letzten zuseyn erkenne. Wann aber nit nur in der Christlichen Kirchen

C[g]

solches eben 1 nicht zu achten / son'dern auch so gar in der Welt in

einigen Dersamlungen auß sonderbaren Ursachen eingeführet ist / daß die EH [9] Ordnung deß votirens von unten 1 angefange / und so wol den untersten

mit mehrer freyheit ihre tzertzensmeynung ohne praeoccupation zu offen- 30

baren Anlaß gegeben / als den obern mit reiflicherem Nachsinnen / was in jener Vorschlägen zu verbessern / ihre würde gelassen wird: als habe davor gehalten / es werde auch mir zu keiner Vermessenheit außgedeutet werden 1 pol können / 1 was (wie der tzertzenkändiger dessen Zeuge ist) auß inniglicher

Liebe der Gemeinde G Ottes und Verlangen nichts zu unterlassen / was zu 35 Göttlicher Chre möchte dienlich wissen / in solche Vorrede außgeschüttet habe.

C[io]

Damit aber auch nicht mir selbsten allein trauete / und etwa der 'gleichen

10 auff bas EGH1

14 der jenigen HI

36 solcher I

5

Pia desideria

Dinge au das TagS-Liecht gebe / deren die Kirche mehr Schade als Nutzen hätte / so habe meinen viel geliebten Collegis und Ampts'brüdern allhie eh poj (weil anderwirtliche Communication bey annahender Meß nicht müglich

war) meinen Auffsatz vorgeleget / und als die Geister der Propheten den s Propheten Unterthan sind / ihnen solche nicht nur von Wort zu Wort vor­ gelesen / sondern völlige Freyheit die ihnen ohne das gehöret gegeben / mich

brüderlich zuerinnern / worinnen sie es nötig befinden.

Wie sie nun ein

un anders ferner noch mit1 beygetragen / so zur Aufferbauung dienlich / so i pd ich auch willig mit inseriret, also haben sie mich in dem übrigen mit Genehm-

ro Haltung alles darinnen enthaltenen / und hertzl. Anwünschung / daß Gott 'sein Werd nicht ohngesegnet lassen wolle / stattlich bekäffttgt. Worauff in c [n] dem Nahmen deß HErrn solche Vorrede zum trvck gegeben habe.

1 Cs ist aber sobald von vielen guten Gemühtern verlangen getragen eh[h]

worden I weil Arnden S. Postill zu kauffen / theils einigen des Preises wegen 15 zu schwehr / theils weil sie schon die vorige Editionen hätten unthunlich / daß diese Vorrede möchte auch & part zu haben seyn / und also getruckt werden: So gar das auch an den Verleger von andern Orten her Schreiben eingelauffen / daß etzliche gute Leut solche in Ermanglung / daß man sie von ihm

nicht haben tönte /1 selbs aufflegen lassen wolten. Deßwegen als derselbe i [i=]

20 mit mir darauß conferiret, ich selbs vor nicht undien'sam gehalten / weil c anderwertlicher Nachtruck niemahlen ohne Gefahr vieler einschleichenden

Fehler / die Aufflage sobald zubeschleunigen. 1 So viel mehr weilen mir etlich 1 Monat nach dem ersten Truck zu-

Handen gekomen / eines Christlichen und in dem Weinberg des HErrn =5 treulich arbeitenden Superintendenten i so darumb ersucht worden / schön / nützliches und aufferbauliches Bedencken; auß dessen Publication mehr als

auß meiner ringfügiger Arbeit nutzen zu entstehen / sobald als solches mir zugesendet / angefangen zu hoffen. Es hat aber derselbe noch in bedacht ge­ zogen / seines Namens Meldung darbey thun zu lassen / so wol auß der Ur-

3o fach / daß er eigne Ehre zu suchen nicht gesonnen / als auch weil1 auff sol'che

2 Spener war 1666 (BerufungSurkunbe vom 22. Mai) zum Senior des geistlichen Ministeriums nach Frankfurt am Main berufen worben 23 ff. SpenerS Schwager Johann Heinrich Horb (heiratete 1671 seine Schwester Sophia Cäcilia), geb. 1645 in Colmar, 1671 Hofprebiger in Bischweiler, kurz danach Inspektor und Pastor zu Trarbach, 1679 Pastor und Superintendent in WinbSheim, 1685 Pastor an St. Nikolai in Ham­ burg (Hamburger Streit): Erfordertes Bedrucken Auff Hn. Philipp Jacob SpenerS / der H. Schrifft Doctoris und Senioris zu Franckfurt / Teutsche Vorrede zu deß seligen Arndii Postill: Eines Evangelischen Theologi und Superintendenten: CEHI S. 163—314 (ADFG >)

6 geben I

10 hertzlicher EGHI

22 Fehler + ist EGHI

23 erster I

£h paj

6

PH. I. Spener

Weise / wo ohne Passion und Absicht arrff einen Verfasser eine Schrifft allein I wie sie an sich selbst ist / erwogen wird / offters mehrer Nutzen zu hoffen eh [i3] stehet. Jedoch das er endlich / dafern es der Kirche1 nützlicher und nithig ge­ achtet würde / nit schüue trügt / sich wissen und kennen zu lassen: Als der seines GOTTES Chr und deren Beförderung seinen einigen Zweck und 5 seiner Verrichtungen Regel seyn zu lassen befiissen. Als nun aber solches Bedencken fast zu Ende gebracht / und eben die Meß jetzo eintretten wolte / kam mir weiter zu Handen ein Judicium eines andern Christlichen / und von GOTT so herrlich begabten als durch lange c [14] Erfahrung in dem was dem gemeinen Besten nützlich seye / stattlich ge Äbten 10 Theologi, den ich stüts als einen Vatter ehre. Wie dasselbe gelesen / so hatte 1 tu) sobald verlangen / an'dern es gleichfals durch den Truck zu communidren. Es stund mir aber in dem Weg / daß von solchem lieben Mann dessen außeh [i4] drückliche Erlaubnuß 1 nicht hatte / und hingegen die entlegene deß Orts in so wenig Tagen in der Meß sie zusuchen und darauff zu warten 1 nicht zu *5 liesse. Weßwegen mit einigen vertrauten freunden die fache überlegt habe / und weil mir sonsten solches wehrten Vatters tragender Eyffer vor die Be­ förderung der gemeinen Kirchen Wolfahrt gnugsam bekant ist / auch uns keine wichtige Ursach / die ihn zu der Heraußgebung solches Bedenckens unc [i5] geneigt machen möchte, im Nachsinnen vorgekommen / 'endlich vor rathsam 20 geachtet ist worden / daß ich in dem Namen deß HErrn / auch solches mit anhüngen möchte. 3ch habe aber auß Ermanglung des consensus deßwegen i [15] auch es nicht1 wagen wollen / den Namen zu exprimiten / auff daß sofern eh [15] die Edition wider verhoffen ihm ent'gege falte seyn / dieses weil seines Nahg 48 mens geschwiegen die Schuld verringern 1 möchte. Der güntzlichen Zuver- -5 sicht ; so auch hiemit von ihme bitte / diese meine Kühnheit / ohne gehabte erlaubnuß daß übersandte andern gemein zu machen / nicht übel zu deuten / sondern dem Verlangen jederman damit zu dienen / daher es auch gekommen ist / freundlich zuzuschreiben. c [16] Ich habe aber auch solches gelassen / wie es hie stehet / ob es wol 'inein 30 oder zwey stücken / nach unter uns billich behaltender Freyheit / von meinen Gedancken etwas abgehet: Damit dem Leser es frey bleibe / der Sache reifflich nachzudencken / und allemahl das jenige so er am gegründesten befindet 7 ff. Joachim Stoll, SpenerS Lehrer und Schwager (heiratete 1660 SpencrS Schwester Agatha Dorothea) geb. 1615 in Gartz i. Pomm., 1647 Rappoltsteinischer Hofprediger, gest. 1678: Ferneres Bedencken Eines andern Christlichen und Wolerfahrenen Theologi. CEHI S. 315—344 (ADFG >) 31 ff. Stoll stellt so z. B. verschiedene Bedenken gegen SpenerS Ausführun­ gen im Interesse der kirchlichen Tradition und Rechtgläubigkeit auf, vgl. S. 320,324f., 341 f. usw. 8ff. Herbst 1675 (=B?) Spener gibt den 8. Sept. 1675 an, vgl. S. 9

Pia desideria

7

zu erwählen. Ge'hen also hiermit diese mit anderer gottseliger Arbeit ver- H^j mehrte Blätter wiederumb 1 und also das andere mahl auß der Presse an

eh

[iöj

das Liecht; in keiner andern absicht / als ob nur jemand / und wo nicht viele doch etwa wenige / dardurch erbauet / ja wo nicht anders außgerichtet / doch

5 damit etwa andere erleuchtete und von GOtt mehr begabte Manner nur auffgefrischet werden michten / diese wichtigste Arbeit / wie die wahre gott-

seligkeit zu befördern / mit Ernst vorzunehmen / und eine Zeitlang 'solches c [i7] ihre vornehmste Arbeit seyn zu lassen / daß sie heilsame Mittel nach der Regel sittlichen Worts ersinnen / untersuchen / und wie sie werckstellig gemachet

10 werden möchten / reifflich nachdencken wolten.

Es hat vorweilen der selige D. Dorscheus als eine heilsamen rath die Orthodoxiam zu erhalten ' vorgeschlagen / daß unter den 1 Doctoribus Aca- i (i7l demicis eine vertrauliche brüderliche Correspondentz eingeführet und unter- EH [I7]

halten würde / worauß nicht weniges zu hoffen wäre. Wie nun solcher DoriS schlag nützlich und gut / und zu erhaltung der reinen Lehre ersprießlich; Also wird nicht weniger nützlich seyn / wo auch / was die Praxin und das

Regiment der Kirchen betrifft / eben solche Correspondentz unter den so Acade'mischen als den Kirchen ämptern vorgesetzten Lehrern gepflogen / c [isj und theils mit privat theils öffentlichen Schafften die Sache weiter zu 2o bringen versucht würde.

Nun lasset uns alle insgesamt / das jenige eiffrig thun / wozu wir ge­ setzt sind / zu weiden die gemeinde / die Gott durch sein eigen Blut und also auffs theureste erworben hat! I Lasset uns gebenden / geliebte Dätter und Brüder / was wir 2s 1 unserm GOtt / da wir unsern Diensten gewidmet worden / versprochen haben / und was dannenher unsere eigne Sorge seyn müsse!

ehi g

[isj

4g

Lasset uns gebenden / an die schwehre Rechenschafft / die uns vor dem ienigen vorstehet / der die auff einige weise verwarlosen'de Seelen von unsern c pg] Händen fordern wil.

3o

Lasset uns gebenden / daß dermaleins nicht werde gefragt werden / wie gelehrt wir gewest und solches der Welt vorgelegt haben: in was Gunst der

II Admirandorum Jesu Christi Septenarius, Hamburg 1646, 2. Ausg. Straßburg 1688, praef. S. 12ff. Dgl. De unione collegiorum seu facultatum 1645. Johann Dorsche, Lehrer SpenerS, geb. 1597 in Straßburg, 1627—1653 dort Professor, 1654—1659 Professor in Rostock. Unter seinen zahlreichen Schriften auch Anmerkungen zu ArnbS „Wahrem Christentum" (Urheberschaft nicht ganz sicher), die Spener in seine Ausgabe der Schrift ausgenommen hat (Ausgabe Lüneburg: Stern 1695 vorhanden Univ.Bibl. Göttingen), vgl. Spener,Warhafftige Erzehlung/Dessen Was wegen des so genannten Pietismi in Teutschlanb von einiger Zeit vorgegangen, Franckfurt 1697, S. 18f.

23 auff das EGHI

26 eigne) einige EGHI

8

PH. I. Spener

Menschen wir gelebt / und dieselbe zuerhallen gewust: in was Ehren wir ge­ schwebt / und grossen Nahmen in der Welt hinterlassen: wie viel wir den eh [i9] unsern Schitze von irrdischen Gütern gesamlet / und damit1 den Fluch auff i [19] uns gezogen: sondern wie treulich1 und mit einfältigen Hertzen wir das Reich Gottes zu befirdern gekracht / mit was rein und gottseliger Lehre so dann 5 würdige Exempel / in verschmehung der Welt / Verläugnung unser selbs / c la°l Auffnehmung des Creutzes und Nachfolge unsers Heylands wir' unserer Zuhirer Erbauung gesuchet / mit was Eyfer wir uns nit nur den Jrrthumen / sondern auch gottlosigkeit deß Lebens wiedersetzet / mit was Beständigkeit und Freudigkeit wir die deswegen von der offenbahr Gottlosen Welt oder «> falschen Brüdern zugestossene Verfolgung oder Ungemach gettagen und unsern Gott in solchem Leyden gepriesen haben? Lasset uns demnach dahin befiissen seyn / daß wir die Mängel unser £h M 1 selbs und der übrigen Kirchen immer weiter untersuchen / und die1 Kranckheiten kennen lernen: aber auch die Mittel mit eifferiger Anruffung Gottes 15 umb seines Geistes Liecht / forschen und überlegen. c [an Aber lasset uns auch dabey nit bestehen bleiben / sondern was wir1 nitig un nützlich befunden / trachten / wie jeglicher bey seiner Gemeinde es vermag / ins Merck zu setzen. Denn wozu dient sonst alle berathschlagung anders als .zum Zeugnuß über uns / wo wir nicht begehren dem Guten auch nachzuleben ? 20 Müssen wir darüber von widriggestnnten etwas leiden / so lasset es uns ein so viel gewisser Merckzeichen seyn / daß unser Merck dem tzCrrn gefalle / eh [21] weil er es auch zu solcher Probe kommen 1 lässet: und hingegen deßwegen nicht müde werden / oder von unserm Eyffer nachlassen. i [ai] 1 Lasset uns erstlich die jenige / welche noch selbs willig sind / was 1 man a5 50 zu ihrer Aüfferbauung thut / gern anzunehmen / an meisten befohlen seyn / c [22] jeglicher in seiner Gemeinde dieselbe vor allen zu verborgen / daß sie mehr und mehr migen wachsen zu dem maaß der Gottseligkeit / damit nachmahl ihr Exempel auch andern vorleuchte: biß wir folgends auch die jenige / bey denen es noch zur Zeit verlohren scheint / durch Sittliche Gnade allgemach näher 30 herbeybringen / ob auch noch die endlich michten gewonnen werden. Wie dann alle meine Vorschläge noch fast einig und allein dahin gehe« / eh [22] wie jenen folgsamen erstlich mige geholffen / und alles an ihnen 1 gethan werden / was zu ihrer Aufferbauung nitig ist. Ist dieses geschehen und i [22] zum Grund gelegt / so ' mag nachmahl der Ernst gegen die Ungehorsame 35 mehrers fruchten. c [23] 1 Lasset uns auch nicht gleich alle Hoffnung / Stang und Stab fallen las­ sen / ehe wir das Werck angreiffen / oder «0 es nit gleich anfangs den er,

26 am EGHI

31 dieselbe EGHI

Pia desideria

9

wünschten Succeß hat! Was bey Menschen unmöglich ist / bleibet bey GOtt möglich! Gottes Stunde muß endlich kommen / wo wir ihrer nur erwarten! Müssen andere Frucht bringen in Ged ult / so müssen wir auch unsere Früchten bringen / und bey anderen die ihrige befördern mit Gedult. Deß 5 HCrrn werd gehet wunderlich / wie er selbs wunderbarlich ist. Aber ebeü deß­ wegen gehets gantz verborgen / jedoch soviel gewisser / wo wir nicht nach lassen.1 Gibt dir dein Gott die Freude nicht / daß du so bald sehest den Nachdruck deiner Arbeit: Vielleicht wil er es dir 1 verbergen / daß du dich nicht dessen überhebest. Cs stehet Graß da/ daß meinstu etwa es seye unfruchtbar 10 Graß: Thuedu mit dem Begiessen das deinige ferner / es werden die Aehren gewiß endlich herauß wachsen / und zu seiner Zeit zeitig werden. Vielmehr lasset uns in solchem fall nebens fortsetzung unser Arbeit / die fache dem Hauß-Datter befehlen / ihn eyffrig beten / und auch1 darinnen zu frieden seyn / was Er uns wolle vor Succeß von unserer Arbeit sehen 15 lassen. Also lasset uns dann alle mit hertzlicher Andacht einander Helffen kLmpffen mit Gebet und Flehen / daß uns GOtt wolle hier und dar eine Thür deß Worts nach 1 der andern auffthun / fruchtbarlich zu reden das Geheimnuß Christi / daß wir darinn freudig handeln und reden wie sichs ge­ bühret / und seinen 1 Namen mit1 Lehre / Leben und Leyden zu verherrlichen, 20 In Versicherung solches meines armen aber inbrünstigen Gebets / und so Ditte als Hoffnung gleich brüderlicher Dorbitte empfehle allesampt in deß grossen GOTTES treue Huld und Regierung. Franckfurt am Mayn / den 8. Sept. 1675. _ Phtlrpp Jacob Spener D.

»5 'Gnade / Liecht und Heyl von GOTT dem Hiürlischen Vatter durch CHristum JEsum in dem Heiligen Geist/allen denen die

den HERRN suchen! Wo wir mit Christlichen und nur etwas erleuchteten äugen / (nach unsers Erlösers Vermahnung / die zeichen der zeiten und dero beschaffenheit 30 zubeurtheilen) den jetzmahligen zustand der gesammten Christenheit an-

6 gehet eS EGHI 8/9 nicht dessen ~ EGHI 9 meyneft du EGHI 25 Gnade Liecht AF liecht und heyl von GOtt G licht und heil von GOtt I Himmlischen EFH himmlischen GÄ Vatter / G 26 Christum AEFGHI Heil. Geist AFG denen / die EGH 27 HErrn I 28 nur > I Augen A 29 vetmahnung EGHI zeitten EH Beschaffenheit AF 30 zu beurtheilen EGHI letztmaligen EGHI Zustand AF gesamten A gesamten EGH gesqmpten I

he [23] 1 [23j

c [24]

eh [24]

G 52

1

IO

PH. I. Spener

sehen / so «richten wir Mich mit Jeremia y.v. i. in die klägliche wort außbrechen:Ach/daß wir Wassers gnug hitten in unsern Häuptern/ und unsere äugen thränen-quellen wären / daß wir tag und

nacht beweinen möchten den Jammer unsers Volcks. Und hat EH 2 'zu denen noch 1 gül'denen zeiten / jener libe alte Vatter sprechen migen:

s

Ah in quae nos tempora reservasti Domine; so haben wir es heut zu tag mit so viel mehrerm fug nicht nachzusprechen / sondern / wie die griffe be-

trübnuß fast einige wort zu machen nicht vermag / nachzuseuffzen. Ich wil jetzo nicht reden von dem elend der Christlichen Kirchen / in

deroselben gliedern / welche unter den unrecht-lehrenden / in dem Babylonischen gefängnuß deß Antichristischen Roms; unter der nicht nur so schweren Türckischen tyranney / sondern auch theils unglaublicher Unwissenheit /

teils vielen vermengten irrthumen / insgesampt erschricklichen ärgernussen

in Griechen- und den Morgenländern / und unter so vielen irrigen lehren

anderer von dem Pabst zwar abgetrettenen / aber zu der reinigkeit der lehr nicht gekommenen / gemeinden / verborgen ligen / und in höchster gefahr mit furcht und zittern ihre seligkeit wärcken müssen: An dero jammer ohne

innigliche bewegung von einer gottseligen Seele nicht gedacht werden kan. Sondern wo wir allein bleiben bey un'serer Evangelischen kirchen / die CEHI 3 das theure und reine Evangelium / so durch den seligen Rüstzeug Gottes D. Lutherum in dem vergangenen Seculo wiederumb deutlich gezeiget worden / der äusserlichen bekanntnuß nach annimmt / und also in welcher

2ff. Jerem 8, 23 5/6 Polykarp bei Irenäus, ep. ad Flor. cd. Bened. p. 340, aus Euseb, hist. eccl. V, 20, 7 Schwartz p. 484: xoAfc 6ee, eis oiovs He xaipou$ TETi^pTjKas = deus hone, in quae me tempora reservasti

1 Jeremia 9/1. AF Wort AF 2 Ach baß AF Wassers AF wasser HI Häuptern AF 3 Augen thränen qvellen AF Tag AF 4 Nacht AF beweynen G jamer G volcks G 5 güldene A 6 Domine! EGHI 7 mehrerem AF nach zu sprechen A 7/8 betrübnüß Gl 8 uvorr aF 9 nach zu seufftzen A nachzuseufftzetl EFGHI 9 will I Elend AF 10 Gliedern AF unrechtlehrendcn AF in der AF 10/11 Babilonischen Gefängnüß des H 11 gefingnüß EFGI des AFGI nit A schwehren H schwere I 12tyraney H 12/13 Unwissenheit teils AF 13 Irrthumen A Irrthumen F insge­ sammt H insgesamt AI Aergernussen A Acrgernüssen / F ärgcrnüssen EGHI 14 Morgen-ländern EGHI 15 Pabftö G ab­ getrettenen aber AF 16 gekommenen gemeinden AF liegen I 17 seeligkeit F müssen F 18 seelc Gl 19 Evangelische G Kirchen F 20 theuere H Seligen EH GOtteS HI 21 D. Lutherum AFG ver­ gangene G seculo AF wiederum FGHI 22 eusserlichen AF bekantnüß F bekanbtnüß G bekanntnüß EH bekantnüß I anninit A annimt EHI

Addenda zu:

Philipp Jacob Spener, Pia desideria 3. durchgesehene Auflage, 3. Nachdruck 1990

Seit dem Erscheinen der 3. durchgesehenen Auflage von 1964 und ihren beiden Nachdrucken, die hier (aus Kostengründen) fortgesetzt werden, hat die Forschung nicht stillgestanden. Sie hat als erstes — und wich­ tigstes — bestätigt, daß dieses Heft den Text der Erstausgabe der Pia desideria wiedergibt, wie sie im Herbst 1675 zur Frankfurter Messe erschien. Ihr Absatz war so unerwartet groß, daß der Verleger Zunner noch 1675 eine Neuauflage veröffentlichte. Er konnte dafür vom 3. Bogen ab das Satzmaterial der ersten Auflage verwenden, nur die bei­ den ersten Bogen, für die der Satz bereits aufgelöst war, mußten neu gesetzt werden. Auch diese Ausgabe war sehr bald vergriffen, so daß 1676 eine dritte Auflage erfolgte (hier deckten sich jetzt Druck- und Erscheinungsj ahr).

Was 1964 noch Vermutung war, ist jetzt Gewißheit. Die bisher verwen­ deten Sigel sind also zu verändern: B 1 (in diesem Heft = Text): 1. Auflage von der Herbstmesse 1675 B 2: 2. Auflage, einige Wochen danach, nur wenige, nicht belang­ volle, Änderungen B : Übereinstimmung der beiden Ausgaben C : 3. Auflage von 1676

Literaturnachträge und ausführliche Diskussion der Entstehungs­ geschichte im in Vorbereitung befindlichen 1. Band „Die Grundschrif­ ten" der kritischen Studienausgabe der Werke Speners von K. Aland.

Pia desideria

II

wir deßwegen die wahre kirche allein noch sichtbar zu seyn erkennen müssen: So können wir doch auch auff dieselbe die äugen nicht wenden / daß wir sie nicht so bald auß betrübnuß und schäm wiederumb niederschlagen müssen.1 11 o 53 Dann sehen wir das leibliche an / so müssen wir bekennen / daß von 5 ziemlicher zeit her die solcher kirche angehörige Reiche und Lande / ob wol in unterschiedlichen graden und zu unterschiedenen fristen / alle diejenige plagen in pest / hunger / und sonderlich stätswehrenden oder doch offters wiedererneuerenden kriegen offtmahls erfahren haben müssen / mit welchen nach der Schrifft der gerechte GOtt seinen zorn zu bezeugen und anzudeuten 10 pfleget. Ich halte aber gleichwol solche trübsalen vor die geringste / ja vor eine wolthat / dadurch GOTT noch viele der seinigen erhalten /1 und dem cehi« schaden / daß derselbe nicht durch stätes leibliches wolergehen noch verzweiffelter würde / etwas gewehret hat. Aber wie zwar fleischlichen äugen unkündbarer / also hingegen ist un-5 vergleichlich schwerer und gefährlicher das geistliche elend unserer armen Kirchen: Und solches vornehmlich auß zweyen Ursachen. Oie eine bestehet in den Verfolgungen / welche die wahre lehre / sonderlich von dem Antichristischen Babel leyden muß. Nun ist es zwar an dem / daß die Verfolgungen nicht weniger ein herrliches mittel sind / dadurch ao der kirchen Wachsthum offt befördert wird; Also/ daß wir die Christliche kirche nimermehr von der Apostel zett in besserem un von Gott herrlicherm stände antreffen / als sie unter den grausamsten Verfolgungen gestanden / wo ihr gold ohnauffhörlich in -em schmeltz-ofen gelegen / dessen flamme keine schlacken daran hat wachsen lassen / oder je dieselbe bald verzehret. Aber wir =5 sehen zweyerley an den bißherigen Verfolgungen / so uns dieselbe betrübter machet. 23f. Ez 22,18ff.; 1 Kor 3, 11—15 3 aus H betrüb1 deswegen HI Kirche EGH erkenen G obwol EH obnu6 EFGHI wiederum FGHI 5 Kirchen EGHI 7 ftetSwchrenwohl Gl 6 mit F un I unterschiedlichen HI ben A stetswehrende F stjts- währenden EGHI KfftersF 8 wieder­ erneuenden AF wieder erneuerenden EGHI 9 Gott AI bezeugen / G 11 dardurch EGHI Gott AFHI GOtt G 14 unkantbarer 15 schwehrer EH Elend AF 16 kirchen I G unkanntbarer EHI Ursachen: Gl 18 Babel / EGHI leiden vornemlich AF AF ists AF 19 hertzliches I dardurch EGHI 20 Kirchen G 20 also daß AF christliche F Kirche G 21 nimmermehr AEFGH Apostelzeit EGHI und AEFGHI vor GOtt EHI vor G herrlicherem AEFHI 22 gestanden + ist EGHI 23 ohn auffhörlich AF ohnaufhjrlich EG schmeltzofen AEFH Flamme AF 24 dran AF hat > EGHI verzehret + hat EGHI

12

PH. I. Spener

'Einmahl daß der teuffel/nachdem er erkandt / daß seine gewaltthätige und blutige Verfolgungen nichts vermocht / sondern die Leute zu einer obwol schrecklichen doch etwa kürtzern Marter so freudig gewesen / daß sie ziemlichen theils mehr darzu geeilet als sich darvon zurück gezogen / nunmehr klüger worden ist / und eine andere art der Verfolgung angefangen hat / die der 5 wahren Religion zugethane mit langwierigen trangsalen / und stätsanhaltenden einerseits trohworten / anderseits Verheissungen und Vorstellungen der welt Herrlichkeit / sonderlich aber entziehung und Vertreibung der wahren lehrer / allgemach / von der erkandten warheit abzuziehen / aufs wenigste die kinder und Nachkömmlinge wieder zu falscher Religion zu bringen. 10 Welche art der Verfolgung / gleich wie sie vor altem von dem heydnischen Ktyser Juliano dem abtrünnigen gebraucht worden / und der kirchen / obwol weniger blut vergossen worden / doch (wie Ruffinus klärlich bezeuget) viel gefthrlicher als die vorige grausamste gewesen; Also hat sie biß daher der cehi 6 Römische Pabst auch gegen uns 'zugebrau'chen mehr beliebet / daß er deß- -5 A [al wegen solche ins werck zu richten / die seines stuls Devotion zugethane

cehi 5

Häupter offters angefrischet: Und dardurch wird mehrer schaden zugefüget / als wo feur und schwerd vor die Hand wären genommen worden. Das andere ist / so auß dem vorigen folget / da vor deme die Verfol­ gungen allezeit dieses gewürcket / daß die Christen sich vermehret / und deß- 20 g 53 wegen das blut der märty'rer für die kräftigste dünge derselben gehalten ist worden / daß die gläubige / so vor der welt unten zu ligen geschienen / in f [2] dem allen gleichwol weit überwunden / und einen sieg nach dem andern darvon getragen haben: (Welches nach andern in seinem neulich hier ge­ iz hist. eccl. X, 33. Mommsen S. 994f. erkannt EGHI 2 vermücht HI 1 Einmal AFI teufel A leute EGHI ob wol AF obwohl HI 3 kürtzern AF 4 theil zu rück A 6/7 stets anhaltenden HI dazu AF davon AF stätS-anhaltenden EGHI AF 7 troh-worten I 8 herrligkeit AF erkaiiten E erkannten GHI auffö 9 Lehrer G allgemach von I 11 Heydnischen Gl 12 käyser AFI EGHI 10 nachkömlinge AF abtrünnigen ÄEFGHI oh wol AF obwohl I 13 RufJuliano I finus I gewesen: F also AF Also / EGHI 14 gewesen + ist EGHI 15/16 deßwege A deswegen HI 15 Papst EGH 16 Werck F stuhlS I 17 Häupter F devotion EGHI und AF StulS F SchabenF 18 FeuerF uni schwerbtAEG Schwerd F dadurch AF Hand F 119/20 Verfolgungen F 20 gewircket AF 21 Blut F kräftigsten AF dinge HI Märtyrer FGI[ 22 Gläubige F liegen FI 23 allein HI Sieg F 24 davon AF welches AF hie AF

Pia desideriä

13

druckten erbaulichen Creutz- und Gedult-Spiegel / Herr D. Christian Korthold / mein in dem HErrn viel-geehrter Freund / Cap. 14. auß der Kirchen-Historie klärlich darthut) daß hingegen durch bißherige Verfolgung das Mimische Pabstthum unterschiedliche Reiche und Provintzen / die ent5 weder gantz die warheit der lehr erkandt / oder doch in welchen viel saamen außgestreuet gewesen / 'wiederumb würcklich unter sich gebracht / daß keine ober wenige bekenner der Evangelischen Wahrheit mehr in denselbigen sind / auch etwa durch der noch übrigen allmählige absterbung jenes weiter zu seinem zweck zu gelangen vorflhet / und also den äusserlichen begriff der 10 wahren kirchen immer enger einspannet / seine gräntzen aber weiter außbreitet. Daher wir über solchen unglücklichen Success der leidenden Verfol­ gungen vielmehr / als über dieselbe selbsten / zu klagen und uns zu betrüben haben. Nicht anders als dorten Josua that / weil sein vorher sieghafftes rs Heer von denen zu Ai einen ob zwar geringen streich erlitten: So dann die Jsraeliter / da die vor Benjamin zweymahl hatten flihen müssen / und solche darauß abnahmen / baß umb begangener fünde willen der HERR von ihnen müste gewichen seyn / und Ihn daher mit demüthiget buffe wiederumb suchten. Jos. 7/ 5. 6. seq. Richt. 20/21. 22. 23. 25. 26. Wie 2ff. Geb. 1632 zu Burg auf Fehmarn, 1662—1694 Prof, zu Rostock und Kiel. Unter dem Pseudonym Theophilus SinceruS schrieb er 1676 seinen Wolgemeinten Vorschlag / Wie etwa die Sache anzugreiffen stünde / da man dem in denen Evangelischen Kirchen bißher eingerissenem ärgerlichen Leben und Wandel vermittelst Göttlicher Verleihung abzuhelffen mit Ernst resolviren wolte. Frankfurt 1676 (vorhanden Staatsbibl. Berlin) „Creutz- un Gedultspiegel / aus Göttlicher Schrifft und der alten und neuen Kirchen-Historie fürgcstellet" (vorhanden Ausg. Ploen 1693 in Univ.Bibl. Kiel), S. 114 ff. Spener ließ sich von ihm u. a. bei seiner Berufung nach Dresden beraten. 14ff. Jos. 7, 2—26 16ff. Richt. 20, 21—28

erbauliche I Creutz A Spiegel Herr AF 1 getruckten EH Doct. G 2 vielgeehrter AF vielgeliebter EGHI Freund eap. 14. 4 Rimis. AF aus FH 3 Historie F Kirchen-Historie I erkannt GH erkant I Pabstthum I Reiche u. I 5 erkant E viel + guter EFGHI samen EHI (6 außgestreut F in welche! H wiederum GHI warheit AEFGHI 9 vorsiehct 7 Bekenner G EGHI 10 Kirchen G eusserlichen AF grentzcn EGHI[ 10/11 ausbreitet H 12 Dahero HI 15 so AF Soleybenden EGHI dann EH 16 zweymal H[ fliehen EFGHI vor) von I hatte A um A 17 drauß AF um FGHI HErrAFHI HerrG 18 ihn bemühtiger EG AFGI dahero HI 19 wiederum GHI suchtcn / I Jos. 7. v. 5 G Jos. 7/5. 6. sq. I Richt. 20. v. 21. G

cehi

7

14

PH. I. Spener

dann solche macht / welche GOtt dem gegentheil verhänget / uns ein gecehi 8 wisses zeugnuß ist / daß unsere kirche sämptlich nicht in dem 1 stände stehe /

wie sie stehen solte / und sich also sehr viel golds befinde / welches von aussen gleisset i aber in dem schmelhen die probe nicht haltet. Die andere und vornehmste ursach deß jammers unserer kirchen ist / daß 5 in derselben selbsten (außgenommen / daß uns GOtt noch nach seiner über­ schwenglichen güte sein wort und H. Sakramenten gelassen hat) es fast an allen orten manglet. Wo ist ein stand / den wir rühmen könten / also zu stehen / wie die Christliche regeln erfordern? Sehen wir den weltlichen stand an ; und in demselben die jenige / welche nach göttlicher von dem N. Test, gethanen Verheissung Esa. 49/23. Pfleger und säugammen der kirchen solten seyn: Ach wie wenig sind unter denselben / welche sich erinnern / daß ihnen GOtt ihre scepter und regiments-stäbe darzu gegeben / umb sich ihres gewalts zu seines Reichs beförderung zugebrauchen? sondern leben nicht die allermeiste / was grosse is Herren anlangt / in denjenigen fünden / allen welt Wollüsten / welche dz ceh 9 hoffen meistens mit sich 1 führet /1 und fast als ohn-zertrennlich darvon 9 geachtet wird; andere magistratett in suchung eigenen Nutzens; daß man

auß solchem leben mit seufftzen abnehmen muß / daß wenig unter denselben nur wissen was das Christenthum seye / geschweige / daß sie selbs solches an 20 g 54 sich haben und üben 1 solten? Wieviel sind derer / welche sich umb das geist­ liche durchauß nicht bekümmern / sondern mit jenem Gallion darvor halten / es gehe sie nichts an als das zeitliche? Auch unter denen / die sich noch der ersten täfel annehmen wollen / und sich umb die kirche wol zu verdienen 11 2es. 49,23 vgl. 60,16. Dazu K.D. Schmibt,ZKG46 (1928) S. 568f. und Spener-Studien S. 48 ff. 22 Apg 18,12—17

Gott AF 1 denn AF 2 zeugnüß EFGHI Kirche GHI 5 des GHI Kirchen G 6 Gott AF noch) sämtlich AF 7 Heil. Sakramenten AEFGHI doch G 6 7 überschwenglichen HI diejenige I 11 Göttlicher GHI 10 dcmselbe A 8 mangelt I N. T. gethanen AF N. Testament EGHI Verheissung Esa. 49. v. 23 G seugammcn F Säugamcn G Kirchen verheisung I 12 Pfleger G 14 daG Ach/EGHI 13 bcnsclbe HI das A Gott AFG 16 anlangS H zu AF um GHI 15 zu gebrauchen EFGHI das wcltwollüste EH welt-wollüsten Gl funden / 4- und GH ohn zertrennlich A AEFGHI 17 hoslebe EH ohnzertrennlich Andere davon AF 18 werden EGHI EFGH ohnzertrenlich I nutzens AEFGHI EGHI Magistraten G 19 solche I selbst EHI 21 wie viel 20 wissen / EGHI geschweige daß AF 21/22 Geistliche F Gl deren EGHI um GHI 22 Murnern F 24 raffel F um Gl Kirche G davor AF darvon EGH

Pia desideria

15

gebenden 1 wieviel sind wiederumb der jenigen / die es nicht alles auff das jenige ziehen / daß die hergebrachte reine Religion möge erhalten / unb vor eintrag der falschen verwahret werden / damit es gleichwol noch lange nicht außgemachet ist. Ja / von wie vielen ist zu sorgen / daß ihr noch zeigender 5 eiffer vor unsere Religion / vielmehr darvor als eine faction, auß absicht eines politischen Interesse, als auß liebe der Warheit herrühre? Wie un­ dankbar werden ihrer viele der grossen güte GOttes / welche sie1 deß harten cehi io jochs der Pübstischen Clerisey / welches vor etlichen hundert jähren die da­ mals gelebte / auch gekrönte Häupter / gnugsam erfahren / befreyet / und 10 was sie seyen / ihnen gezeiget hat? Daß sie hingegen jetzo ihre gewalt, so zu beförderung nicht aber Unterdrückung der kirchen gegeben / durch eine unverantwortliche Caesaropapiam mißbrauchen / und damit / wo etwa einige von GOtt gerührte diener der kirchen etwas gutes zu stifften meynen / solches muhtwillig hindern. Also das zu bejammern ist ' daß in einigen 15 orten denen gemeinden besser gerathen / welche unter anderer obrigkeit lebende / in anderen etwa vieles leiden müssen / aber doch in der Übung dessen / so zu der erbauung dient / nicht eben gantz gehindert werden / als denjenigen / welche die obrigkeit von ihrer Religion / aber von deroselben mehr Hindernuß als firdernuß haben. 20 Wie es nun in dem weltlichen stände betrübt gnug außsiehet. Ach / so mögen wir Prediger in dem geistlichen stände nicht läugnen / daß auch dieser stand gantz verderbet seye / und also von unsern beyden1 obern ständen / die cehi h meiste verderbnuß unter die gemeinde außbreche. Jener alte Kirchenvater hat vor dem also zu schliessen befohlen: Quemadmodum videns arborem 25 foliis pallentibus, marcidam, intelligis, quod aliquam culpam habest 24 Opus imp. in Matth, hom. 38, ed. Bened. S. Chrys. VI, 2, 159 1 wie viel FG 3 nit A wiederum Gl alles 4- nur EGHI 4 Ja von AF sorge A 5 eyfer AF religion wievelen F AF davor A als 4- vor GHI 6 politische A Politischen G warheit AFGI Wahrheit EH 7 GotteS AF deS AFGHI 8 pübftischen AF PävstischenEHI 8/9 damahls G 100. jähren AF 9 Häupter G Häupter gnugsam I erfahren 4ersahen 4- haben E haben GHI fat:EGHI 9/10 un wz E 10 seyen ihnen AF Dan sieH Dan sie I 11 nit A 12 Caesaro-papiam Kirchen G EGHI damit wo AF 13 Gott AF GOTT E Diener G Kirchen G 14 muth billig AFGHI in] an EGHI baß F 15 Obrigkeit G 16 leben AF ,andern GHI viels H leyden Gl Übung F als 4- onEGHI 17 zu 6er] der > HI 18 dem jenigen H 19 hinbernüß demjenigen I Obrigkeit G' religion AF EFGHI fördernüß EFGH beförbernüß I 20 Ach so AF 21 Prediger EGHI leugnen AF 22 verderbt I beiden AF 2*

l6

PH. I. Spetter

circa radicem: ita cum videris populum indisciplinatum, sine dubio

cognosce, quod sacerdotium ejus non est sanctum.

Gleichwie wo du

einen bäum sihest / dessen blätter bleich sind / und er ver­ dirbst / du darauß schliessest / es müsse ein mangel an der wurtzel seyn:

Also

wo

du sihest / daß das volck ohne zücht

s

ist / so schliesse ohne zweiffel / daß es mangele an einer hei­ ligen priesterschafft. Ich erkenne gern unsers göttlichen beruffs Heilig­

keit; so weiß ich auch / daß GOTT in unserm orden die seinige übrig beA [3] halten / 1 die das werck deß tzErrn mit eiffer meynen. Ich bin auch nicht deß gemüths / mit einem Clia Praetorio auff die extrema zu gehen / und '0

kind und bad zusammen außzuschütten.

Sondern der allsehende Hertzen-

ehi 12 fündiger sihet / mit was 1 betrübnuß meiner seelen ich offt hieran gedencke /

und jetzo dieses schreibe: daß ich gleichwol nicht anders sagen kan / als daß wir Prediger in unserm stände so viele reformation bedürften als immer einiger stände bedürften mag.

Wie gemeiniglich GOtt / so offt er eine «5

g 55 reformation, zum exempel in dem Alten Testament durch die 1 gottselige könige / vorgehabt / solche an dem geistlichen stand hat lassen anfangen.

Ich nehme mich auch nicht avß der Zahl der jenigen / welche in unserm stand bißher deß ruhms mangle» / den wjr vor SOTT und der kirchev haben sollen / sondern sehe mehr rmd mehr / woran es mir auch selbs - f [3] mangele / bereit auch von andern 1 solches brüderlich avzunehmen. Ja / es

betrübt mich nichts mehr / als daß ich fast Nicht sehe / wie in solcher greulicher

verderbnuß unser einer sein gewissen rette» müge.

Wir müssen ja bekennen / daß nicht nur in unserm stände hin und

wieder leute gefunden werden / die gleichwol auch von öffentlich trgeruuffen -5 nicht frey sind / sondern / daß etwa der jenigen viel weniger sind / als das

£hi 13 erste ansehen zeigen solte /1 welche das wahre Christenthum (so je nicht bloß dahin in enthaltung von äusserlichen lästern und einem äusserlichen moral 10 nicht Stephan PrätoriuS (1536—1603), entweder Adolf Held (1592— 1653) oder Cbristran Hohburg (1607—1675), die beide unter diesem Namen schrieben. Auf beide passen SpenerS Angaben, doch wirb eS sich hier wahrschein­ lich um Hohburg handeln: Spiegel der MiSbrjuche beym Prebig-Ampt im heutigen Chrisienthumb Vnd wie selbige gründlich vnd heilsam zu reformiren...

mit freundlichen glimpflichen Worten auftgesetzel vnd herauß gesandt, 1644 (vorh. Staatübibl. Berlin), Ministerii Lutherani Purgatio: DaS ist Lutherischer-Pfaftenputzer, 1648 (vorh. StaatSbibl. Berlin u. ö.). 16ff. 2 KSn. 23, 1—25 — 2 Chron. 34, 29—35, 19; vgl. auch 1 KSn. 15,11—15 = 2 Chron. 14,1—4; 15,16—18; 1. KSn. 22, 43—47 --- 2 Chron. 17, 3—9; 2 Kön.12, 3—17 --- 2 Chron. 24,4—14; 2 KSn. 18, 3—7 --- 2 Chron. 29,2—31,21 18 auß 4- von AEFGHI

21 solches) fernere erinnerungen EGHI

Pia desideria

17

guten leben bestehet) recht verstehen und äben: Sondern es blicket auch bey vielen / deren leben / wo es mit gemeinen und von der Welt mode ein­ genommenen äugen angesehen wird / untadelhafftig scheint / gleichwol der welt geist in fleischeslust / augenlust / und hoffärtigem leben / ob schon 5 etwas subtiler / jedoch also herauffer / das sich erkennen lässt / man habe noch das erste practische principium deß Christenthums / die verläugnung sein selbs / niemals mit ernst vorgenommen. Man sehe auff die art der suchenden beförderungen / änderungen / lehr / und allerhand Verrichtungen; aber mit so liebreichen als auch mit dem liecht 10 deß geistes erleuchteten äugen. Was gilts / ob man nicht von vielen / von denen man gern auß Christlicher liebe besser urtheilen wolte / endlich doch der gleichen finden werde / was solche selbs nicht sehen / wie tieff sie noch in der alten gebürt stecken und die rechte kennzeichen der Widergeburt in nichts thätlich 'haben? So möchte Paulus noch an vielen orten klagen Phil. 2/ 21. cehi x4 15 Sie suchen alle das ihre / nicht das Christi Jesu ist. Nun gibt solches nicht nur grosses ärgernuß / wo es erkandt wird. Ja / das gröste ärgernuß ist schon vorhanden / da es nicht erkandt wird / und die lent (die allezeit / nach der unart unser natur / lieber nach exempeln als der lehr urtheilen) in die gedancken kommen / daö seye schon das rechte Christen20 thum / so sie an ihren Predigern sehen / und dörfften sie nit weiter gedencken. Sondern das allerbetrüblichste ist / daß von solchen vielen Predigern ihr leben und der mangel der glaubensstüchten anzeiget / baß es ihnen selbs an dem glauben mangele: Und dasjenige / so fie vor glauben halten / auch auß welchem sie lehren / durchauß nicht der rechte / auß deß Heiligen Geistes -5 erleuchtung / zeugnuß und versiglung auß göttlichem wort erweckte / glaube/ sondern eine menschliche einbildung seye. Da fie auß der schrifft / aber allein dero buchstaben / ohne würckung deß Heiligen Geistes auß menschlichem fleiß / wie andere in andern studiis dardurch etwas erlernen / die rechte 'lehr zwar gefast / solcher auch beypfiichten / und sie andern vorzutragen cehi x5 30 wissen / aber von dem wahren himmlischen liecht und leben deß glaubens gantz entfernet sind. ' Worauß ich zwar dieses nicht folgern wil / ob möchte durch solche leute G 56 und dero dienst allerdings nichts gutes gewürcket / oder bey jemanden der wahre glaube und wahre bekehrung zu wegen gebracht werden: indem das 35 wort seine göttliche krafft nicht von der Person dessen der es vorträgt / empfängst / sondern in sich selbs hat: Und Paulus deßwegen sich auch freuet / Phil. 1. v. 15.16.18. Obwol Christus von etlichen umb haß und Haders willen gepredtget werde / von welchen wir also nicht ver37 Phil L 15 P) da jene G

24 Heil. Gl

27 Heil. AFI

H. G

30 wahren > G

i8

PH. I. Spener

muthen können / daß sie liebreiche wiedergebohrne fintier Gottes gewesen: Wo er aber auch sich nicht zu freuen ursach gehabt hätte / wann / benebens / daß solche leut sich selbs in ihrer predigt versündiget / auch niemanden da­ her nutzen gehabt hätte. Aber gleichwol wird mir ein verständiger Christ nicht in abred seyn können / daß dergleichen leute / die selbs den wahren 5 cehi 16 göttlichen glauben nicht haben / ihr ampt / umb 1 denselben durch das wort bey den zuhörern zu erwecken / nicht dermassen zu thun vermögen / wie es sich gehörete / sondern nechst dem / daß sie zu erhörlichem gebeth / dadurch ein gottseliger Prediger vielen fegen erlanget / untüchtig sind / die geziemende weißheit nicht haben können / welche von demjenigen erfordert wird / - 25 es>F 26 sichs A 27 k EGHI 31 H. AFHI

PH. I. Spener

34

cehi 50 glauben: 1 Wo er in der Vorrede über die Epistel an die Römer spricht:

Glaube ist nicht der menschliche wahn und träum /den etliche für glauben halten: Und wann sie sehen daß keine besserung

deß lebens und gute wercke folgen / und doch vom glauben viel hören und reden können / fallen sie dann in den irr- 5

thum / und sprechen / der glaube sey nicht gnug / man müsse werck thun / soll man fromm und selig werden. Das macht / wann sie das Evangelium hören / so fallen sie dahin / und

machen

ihnen

auß

eigenen

krüfften

einen

gedancken

im

hertzen/der spricht /ich glaube /das halten sie dann für einen rechten glauben/aber wie es ein menschliches gedicht und ge­ dancken ist /den deß hertzengrund nimmer erführet / also thut

er auch nichts / und folget keine besserung hernach. Aber der glaube ist ein göttlich werck in uns/das uns wandlet und neu gebieret auß GOtt / Joh. 1/13. und tödtet den alten Adam: 15 cehi55ii Machet uns 1 ganh an'dere Menschen von hertzen / muth / sinn und allen krüfften / und bringet den Heiligen Geist mit sich. O es ist ein lebendig /schüfftig / thütig ding umb den glauben /

daß unmöglich ist daß er nicht ohne unterlaß solte gutes

würcken.

Er fraget auch nicht / ob gute werck ju thun sind / -0

sondern ehe man fraget/hat er sie gethan/und ist immer im thun. M. f. w. Andere ort führen wir nicht an / wo er eben auffdergleichen

schlage redet. Sonderlich lese man in der Kirch en post. Sommer-Fest, fol. 65. a. Wo er den göttlichen und menschlichen glauben recht nachtrücklich beschreibet / und beyde gegen einander hält. Also ist es einmahl an dem / 25 daß bey allen denen / die in herrschenden fünden leben / und also deß Heiligen

Geistes / daher auch deß rechten glaubens / nicht fähig sind / kein anderer

glaube seyn kan / als ein dergleichen menschlicher wahn: Wie groß ist aber jener

zahl? Gleich wie nun die vergebene einbildung deß glaubens als deß von 30 h 52 ce 52 unser feiten einigen mittels der Seligkeit grossen schaden 1 thut /1 also von

152 feiten der göttlichen mittel1 deß Worts und Sakramenten komt eine andere

Pia desideria

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»5

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25

jo

35

schändliche einbildung deß operis operati darzu / die nicht weniger der Kirchen schädlich ist / und viele Menschen jur verdamnuß führet / auch die andere falsche einbildung deß wahren glaubens stärcket. In dem wir nicht läugnen können / sondern durch die tägliche erfahrung dessen überzeuget werden / o 69 daß der jenigen nicht wenig sind / die da meynen / ihr gantz Christenthum stehe darinnen / und alsdann hätten sie dem Gottesdienst übrig gnug ge­ than / wo sie eben getaufft wären / göttliches wort in predigten Hirten / beich­ teten i die absolution empfingen und zu dem H. Abendmahl giengen: Es seye nun das Hertz bey solchem dienst wie es wolle / die früchten folgen nicht oder wie sie mögen / auffs äusserste wo sie nur ’ darbey ein solch leben füh- f lrol reten / darinn eben die Obrigkeit nichts straffbares finde. Oder wie der theure Johann Arnd/ solcher leute einbildung beschreibet Wahren Christenth. 2/4:3ch bin ein Christ getaufft /habe Gottes Wort rein / höre dasselbe / brauche das H. Sacra'ment deß Abendmals /' ich ' glaube und bekenne auch alle Articul deß Christlichen glau-irz bens / darumb kan mirs nicht mangele«: Mein thun muß GOLT gefallen/und ich muß selig werden. So schleust jetzo alle welt / und hälts auch darvor / darinnen bestehe die gerechtigkeit. Man sehe an solchem ort auch die antwort. Aber damit kehren solche blinde leute Gottes heilige Intention gantz umb. Dein Gott hat dir freylich die Tauff gegeben / daß du nur einmahl ge taufst werden darffst. Aber er hat mit dir den bund gemacht / welcher auff seiner feiten ein gnaden-bund / von der deinigen aber ein bund des glaubens und guten gewiffens ist: Solches muß nun dein lebenlang wären. Und getröstest du dich vergeblich deiner Tauff / und der darinn zugesagten gnade der seligkeit / wo du auff deiner feiten nicht auch in dem bund deß glaubens und guten gewiffens bleibest. Oder da du abgetretten / wiederumb durch hertzliche buffe zurückkehrest. Also muß deine Tauff i soll sie dir nutz seyn / in stätiger Übung deß gantzen lebens bleiben. 'Wiederumb du hörest göttliches Wort. 1 Ist recht gethan: Aber es ist ceh54 nicht gnug / daß dein ohr es höret; lässest du solches auch innerlich in dein Hertz dringen / und solche himmlische speise daselbst verdauet werden / 12 1555—1621, Pfarrer in Ballcnstädt, Quedlinburg, Braunschweig, Mio­ leben, 1611—21 Gcneralsupcrintcndcnt in Celle. Zum Verhältnis Openers zu Arndt vgl. die ganzen Pia desideria, außerdem Openers Predigten über Arndts „Wahres Christentum" 1698—1704 und die „Bedenken" an zahl­ reichen Stellen. Zu Arndts Schriften vgl. S. 82 f. 13 ff. II, 4, 3, Aus­ gabe von 1653 S. 44 19 II, 4, 3—5, S. 44ff.

8 5>etL AF 14 5?ctL AF dann 1 31 läsiestu AF

20 Jöcil AF

21 dein) denn GH

36

PH. I. Spener

damit du fasst und krafft davon empfangest / oder gehet es zu einem ohr ein zum andern auß: Äst jenes / so gilt dirs freylich / was der HErr sagt Luc. 11/28. Selig sind die GOttes Wort hören und bewahren: Äst aber dieses letztere / so mag das werck / daß du es gehöret hast / dich

nicht selig machen / wol aber deine verdamnuß vergröffern / daß du die emp-

5

fangene gnade nicht besser angewendet. Nun aber / ach wie viel sind der jenigen / welche selbs nicht einmahl sagen dörffen daß sie GOttes Wort bey

sich lassen frucht bringen / und dannoch meynen / daß sie ihrer meynung nach GOTT solchen gehorsam und dienst geleistet / solle sie selig machen.

So gehets auch mit der Beicht und H. Absolution / die wir freylich vor ein kräfftiges mittel deß Evangelischen Trosts und Vergebung der

10

fünden halten: Aber sie ist solches keinen andern als den Gläubigen. Warumb trösten sich dann ihro so viele /1 bei denen nicht das geringste von

CEH!5551

dem oben beschriebenen wahren glauben sich findet / beichten und lassen sich G 70 a&sofoiren bey aller fortwährender unbußfertig'keit: Und soll doch ihre

15

A [Il] beicht und absolution / 1 ihrer meynung nach / weil sie jene gethan / diese gesprochen empfangen / ihnen nützlich seyn? Welches gleichermassen bey dem H. Abendmahl geschiehet: Da der teilte über die massen viel sind / die nur gedencken / daß sie das heilige Werck möge verrichten / und ob sie

es offt verrichtet haben. Aber ob sie auch das geistliche leben dardurch bey sich lassen gestärcket werden / ob sie mit hertzen / mund und Nachfolge den

-0

Todt deß HERRN verkündigen / ob der HErr bey ihnen würcke und herrsche / oder ob sie den alten Adam noch auff seinem thron lassen / wird kaum daran gedacht. Das heisst ja recht unvermerckter weiß den schäd­

lichen irrthum deß operis operati, so wir an den Papisten straffen / einigerley massen wieder einführen.

25

Nun ist hieran unserer Kirchen Lehr nicht schuldig / welche solchen einCEH 56 bildungen eifferig widerspricht / sondern das ist der Menschen 1 boßheit / und

156 deß teuffels list / welcher bey 1 jenen die göttliche mittel der seligkeit / suchet zu gelegenheit mehrer flcherheit / und also schwerer verdamnuß zu machen. Nebens dem das nicht zu läugnen stehet / daß unterschiedliche Prediger mit

30

mehrerm fleiß solcher ficherheit und falschen einbildungen widersprechen und den teuren die äugen ijstren solten: Wodurch mehrere noch auß dem schlaff erweckt und auß dem verderben gerissen werden möchten.

Nun in solchem zustand sehen wir leider mit betrübten äugen an die äusserliche gestalt der Evangelischen / obwol wahren und in der Lehr reinen unserer Kirchen. Uber solches nun ärgern sich zum forderisten die Jüden / so unter uns

wohnen / und werden in dem Unglauben gestärcket / ja den Namen deß

1 gehets AF 18 Heil. AF

au > HI

35

Pia desideria

37

HErrn zu lästern bewogen: als die da nicht können glauben / möglich seyn / daß wir Christum vor einen wahren GOtt halten / dessen Gebotten wir so gar nicht folgeten / oder es müsse unser JEsus ein böser mensch gewesen seyn / wo sie Ihn und seine Lehr auß unserm leben urtheilen: Also daß 5 wir nicht können in abrede seyn / daß dieses 1 der bißherigen Verstockung der geh S7 Juden I 1 und Hindernuß dero bekehrung ein grosse ursach gewesen / das 157 argernuß so die arme leute von uns nehmen. Welches wie andere / also mit recht nachtrücklichen Worten beseufftzet der Hochberühmte Straßburgische / nachmahl aber Rostockische Professor D. Joh. Georg. Dorscheus Sel. 10 Wann er in einem zu Herrn. L. Jacob Helwigs über die Materi deß Apostolischen GeheimnuffeS Rom. 11, 25. 26. haltende Disp. inaugur. gemachten Programmate also redet: Sicut olim Judaei quantum in ipsis fuit prohibuerunt annuntiari gentibus Evangelium, ita Christians scandalis nocentissimis, velut impietate, hypocrisi, injustitia, 15 fraudibus, immunditia, horrendis flagitiis aliis, schismatibus, odiis, dissidiis, bellis immanibus ac truculentis, & quod caput est rupto eheu ac lacerato sanctissimae ÄSeX^oTryros vinculo & suam ipsorum salutem abjiciunt, & Judaeorum aliorumque infidelium, quam procurare ac promovere debebant, impediunt. Ista vero, quae cum fide salvifica Stare 20 nequaquam possunt, quando inter nos 1 quam maxime dominatur, quis GEH 58 corruptissimum periculosissimum 1 & tantum non desperatum Eccle’sia- I 58 G 7 rum nostrarum statum non acerbe deploret ? Quis dies nostros dubitet esse dies extremos, & in iis xaipous xcAfttovS ? quis non plerosque eorum, qui Christi nomen profitentur, censui incredulorum severitate DEI ab 25 olea resecandorum includat ? quid namque dissoluti & impii Christianorum, pietatem licet simulantium, virtutem tarnen ejus negantium, & accedente abusu divinae longanimitatis atque xpi) F

PH. I. Spener

42

Esrä und NehemiL zu lesen. Da sich vieles antreffen lasst / welches sich auff heutige zeit schicket. So wenig dann nun auß deme / weil eine lange zeit das Jüdische wesen in Jerusalem nicht in dem stand war / wie es seyn solte / hätte geschlossen werden mögen / daß sie dann noch in der Baby­ lonischen gefingnuß wären / so wenig folget jetzt eben dieses / wann wir von denen gegen die göttliche wolthat undanckbaren / wegen deß mangelhafften unsers zustandes / wiederumb gen Babel wollen verwiesen werden. Aber gleichwie dann den Juden nicht solte gnug seyn / auß Babel außgegangen zu seyn / sondern sie sollen trachten / auch das Hauß deß HCrrn und die schöne seine Gottesdienst wieder auffzurichten / also sollen geh 69 wir eben sowol dabey nicht stehen bleiben /1 daß wir wissen / wir seyen auß 169 Babel gegangen / sondern wir müssen einmahl 1 sorgfältig seyn / die noch befindliche Mängel zu bessern. Und eben dahin zielen gottseliger hertzen klagen / wo sie unsern elenden zustand beseuffzen / nehmlich damit wir uns unter einander ermunteren / und das werck deß HErrn immer ernstlicher getrieben werde / als etwa biß dahin geschehen. Wie dann eben damit auch einiger Leut einrede zu­ beantworten / welche darvor halten / wir sollen solche fehler und schände g 75 unserer Kirche nicht auffdecken / daß die Widersacher deroselben /1 nicht ge­ wahr würden / sondern sie verborgen blieben. Nemlich; daß gleichwie unverantwortlich es wäre / wo jemand solche gebrechen / nur sich damit zu kützeln / der Welt vor äugen legete; Wo freylich einen Cham oder Canaan / der seines Vaters Noah blöffe mit wolgefallen und spott ansiehet / der fluch treffen wird: Also gehen die klagen gottseliger gemüther / wie der Hertzenskündiger selbst sihet / auß gar einer andern abflcht oder trieb / nehmlich auß inniglicher liebe und eiffer vor Gottes Ehre / daß wir beCE« 70 serrfftzen was wider diese streitet /1 und verlangen tragen/ob ein und andere1 bewogen werden möchten / sich der fache ernstlicher anzunehmen. Es ist ja eine liebe / wo ich gefährliche schiden auffdecke / umb sie denen zu zeigen / die sie heilen sollen. So decken wir auch nichts auff / was nicht leider ohne das vor äugen liget / und wollen der heimlicher« gebrechen dieses und jenes nicht gedencken. Was aber jene die Widersacher betrifft / ist vergebens vor ihnen sie be­ decken zu wollen. Meynen wir / man solte sie geheime halten wegen der Widersacher / ach so müssen wir uns sehr schmeichle« / wo wir gedencken / als sehen sie dieselbe nicht viel schärpffer als wir selbsten. Der feind hat luchs-augen; und sihet manches / was der andere an sich selbsten nit wahr1 Esra 7 ff.

Neh 2ff.

22 Gen 9, 22ff.

5 wann) so AF 17 geschehen 4- ist EGHI 20 bleiben 1 22 Chanaan AF 24 wirb) wir 1*' 29 eine) eitel EGHI 31 m3 A

5

2s

30

35

Pia desideria

43

nimt / daher wo wir / was jene vorlängst angesehen / auch zu verhelen gedencken / gewinnen wir damit nichts / als daß uns nachmal allen ins gesampt mit mehrem fug solches auffgerucket werde / ob wir noch etlicher massen es vertheidigen wollen. Da hingegen / wo man die fehler erkennet / 5 und sein hertzlich mißfallen 1 daran bezeuget / so viel kundbahrer wird / tag f [i3j die gantze Kirche gleichwol nit1 dran schuld habe. 'Ja / da gegentheil solche' ** ?x CE 7* gebrechen gar auff eine andere art anflehet / als fliessen fle nehmlich auß der Religion selbsten / und seye auch das gantze Hertz vergisst / so können wir anders nicht weisen / wie der schade gleichwol allein in den gliedern io und äusserlichem stecke / wir zeigen dann denselben ohne verhalten. So haben auch gegentheil / sonderlich die Römische kirche / unserer bekennenden äusserlichen gebrechen / sich zu ihrem Vortheil nicht zu mißbrauchen. Als dero (zugeschweigen was von den Unserigen deroselben vor greuel und Haupt­ gebrechen vor der gantzen welt unter äugen gelegt) auch so alte als neue i5 redliche leute und discret-gesinete / geistlich und weltliche / auß deren eigenen kindern / dergleichen vorgehalten und täglich vorhalten / was sie nicht läugnen kan / und noch vielmehr darüber zu erröthen / daher sie vor jrer thür den unrath weg zu kehren hat / ehe sie / das bey andern nit alles rein / zu ihrem rühm ziehe. Ja ' wir mögen der Römischen kirchen einen grossen 2o theil der fehler / die sich bey uns noch finden / mit gutem recht heimweisen / daß sie von ihro ererbet / und auf dergleichen oder andere und noch viel gröbere art bey ihnen im schwang gehen. 1 Unterdessen soll uns sowol GOttes Ehr als liebe der Kirchen / solche cehi 7= zu bessern / frommer hertzen verlangen zu erfüllen / und den irrenden die 25 Pforte zu der erkantnuß der warheit weiter zu eröffnen / dahin treiben / daß wir doch sorgfältig seyen / alle diese gebrechen fleissiger zu erwegen / und da sie die Widersacher / ohne unser zeigen von selbsten alles gnugsam sehen / nicht allein die äugen zu zuschliessen zu eigenem schaden. Ein'mahl wer g 76 hierinnen deß HErrn ist / der muß auch so gut er kan / die Hand mit an3o legen / als in einer allgemeinen sach. Sehen wir die heilige Schrifft an / so haben wir nicht zu zweifflen / daß GOTT noch einigen bessern zustand seiner Kirchen hier auff Erden ver­ sprochen habe. Wir haben i. die herrliche Weissagung S. ' Pauli und von a p4] ihm geoffenbahretes geheimnuß / Rom. 11/25. 26. Wie / nachdem die 35 fülle der Heyden eingegangen / gantz Israel solle selig werden. Daß also / wo eben nicht das gantze / gleichwol ein merckliches grosses theil / der biß daher noch so verstockt gewesenen Juden zu dem HERRN bekehret werden sollen. Wohin auch / wo sie recht' untersuchet werden / viele ort geh 7317 15 getfl = EGHI 26. H 11/26. 27. I

17 sie > AF

44

PH. I. Spener

der Propheten in dem Alten Testament / Hos. z/4. 5. rc. zielen werden. Wie dann nechst den alten Kirchenvittern / auch fast die vornehmste unserer Kirchenlehrer dieses geheimnuß auß gedachtem Apostolischem ort bekandt haben. Obwol wir nicht bergen / daß nebens unserm sonst werthen Praeceptore D. LUTHERO unterschiedliche der Unserigen / auch vornehme 5 Doctores, dergleichen von Paulo gemeynt zu seyn / wie der buchstabe gleich­ wol lautet / in zweiffel haben ziehen wollen / und darvor halten / es seye solche Verheissung schon allerdings in den von der Apostel zeiten biß daher bekehrten Juden zur gnüge erfüllet. Wie wir nun eins theils zwar uns diesen nicht mit weitläufftigem widersprechen viel widersetzen wollen / noch 10 solche meynung mit mehrerem straffen (wol wissende / daß ehe die propheceyung erfüllet / es leicht geschehen könne / daß auch erleuchtete leute deß rechten Verstands einer Weissagung fehlen mögen) Als können wir doch andern theils von dem buchstaben / mit deme die gantze absicht deß Pau174 linischen Contexts lieblich einstimmet / uns auch nicht abtrei'ben lassen / -5 geh 74 1 hoffen auch nicht / daß uns jemand solches verargen könne. Nechstdeme, haben wir auch noch einen grössern falle deß Pibstischen Roms zu erwarten. Dann ob zwar ihm ein mercklicher stoß von unserm S. Herrn LUTHERC gegeben worden / so ist doch desselben geist­ liche gewalt noch viel zu groß / als daß wir sagen solten / daß die weis-20 sagung Offenbahr. c. 18. und c. 19. gantz erfüllet seye / wo man be­ trachtet / mit was nachtrücklichen Worten an solchem ort dieselbe von dem Heiligen Geist beschrieben wird. Erfolgen nun diese beyde stücke / so flhe ich nicht / wie gezweiffelt werden könne / daß nicht die gesamte wahre ktrche werde in einen viel =s seligern und herrlichern stände gesetzt werden / als sie ist. Dann wo die Juden sollen bekehret werden / so muß entweder bereits die wahre Kirche in heiligerem stände stehen / als sie jetzund ist / daß deroselben heiliger wandel zugleich ein mittel jener bekehrung werde / auffs wenigste darmit die Hindernuß derselben / so wie wir oben gesehen in bißherigen ärgernuffen 75 H 75 mit bestanden / weggeriumet seye: Oder / wo sie sonsten 1 von 1 Gott 5ff. in EHI p. 345—387 bringt Spener in einem besonderen Anhang zur Frage einer spateren Bekehrung der Juden zahlreiche Belegstellen aus den Kirchenvätern und den Schriften der mittelalterlichen Theologen, den Schriften Luthers und seiner Nachfolger bis hin zu seinen Zeitgenossen (p. 387—390 ist eine Anmerkung zu p. 74, 3 ff.). D bringt die Notae quaedam zu p. 70. 71 auf S. 152—194, die Anm. zum Fall Babels p. 72 auf p. 194—198 21 Offb. 14,8; 18,1—19,4; vgl. EHI p. 387, 17ff., f. oben -u 5ff. 1 A. HI24 verzweiffclt I

19 Seligen AF

Sel.O

23 H. AF

Heil. EGHI

Pia desideria

45

l durch seine krafft / auff uns jetzo noch vorzusehen unmögliche art / werden ce 7s bekehret werden / ist wiederumb nicht zu gedencken / das nit das exempel eines solchen neubekehrte volcks (bey dem ohne zweiffel eben der eiffer sich zeigen wird / wie bey den ersten auß den Heyden bekehreten Christen ' zu- 0 77 5 sehen gewesen /) eine merckliche änderung und besserung bey unser Kirchen nach sich ziehen solte. Vielmehr ist zu hoffen / daß mit heiligem eiffer gleichsam in die wette die gesamte auß Juden und Heyden versamlete Kirche GOtt in einem glauben und dessen reichen fruchten dienen / und sich an einander erbauen werde. 10 Wozu vieles thun mag / wo danebenst nicht nur das ärgernüß deß Antichristischen Roms abgethan / sondern auch diejenige / welche jetzt in dem­ selben unter der schweren tyranney leben / und / ohne daß sie sich anders wohin zu wenden wüßten / denen welche vor LUTHERO gewesen gleich­ mässig nach der erlisung sehnlich seufftzen (deren es hin und wieder sonderx5 lich in (lästern einige gibet/) ihrer bände befteyet mit freuden zu der freyheit deß Evangelii / ba sol'ches ihnen in die Augen Heller leuchten wird /176 gefähret werden sollen. 1 Wann dem nun solches uns von GOtt verheissen ist / so muß noht- CEH 76 wendig auch dessen erfüllung zu seiner zeit folgen / in dem nicht ein wort 2o deß HERRN auff die erden fallen / noch ohne erfüllung bleiben solle. In dem wir aber solche erfüllung hoffen / so wil nicht gnug seyn / derselben bloß dahin zu warten / und mit jenen / die Salomo narren heisset / über dem wünschen zu sterben / sondern es liget uns allen ob / daß wir so viel eins theils zu bekehrung der Juden und geistlicher schwächung deß Pabst=s thums / oder andern theils zu besserung unserer kirchen gethan werden mag / zu werck zu richten nicht säumig seyen: Und ob wir wol vor äugen sehen sotten / baß nicht eben der gantze und völlige zweck erhalten werden känte / auffs wenigste so vieles thun als möglich ist. Es ist zwar kein zweiffel / daß auch ohne uns / wir mägen uns darzu 30 schicken / wie wir wollen / sittlicher rath wird zu werck gerichtet / und das in der Schrifft geoffenbarte erfüllet werden. Aber wir sollen gedencken / was dorten Mardochai seiner Baasen 1 Esther sagen lässet: 4/14. Wo du l 77 wirst zu dieser zeit 1 schweigen 1 so wird eine 1 bülffe und er- £^4) rettung auß einem andern ort den Juden entstehen / und du 77 35 und deines Vatters hauß werdet umbkommen: Daß auch Elches uns gelte: Wo wir / welchen GOTT durch den dienst Lutheri das Helle 23 Prov. 21, 25

32 Esth. 4, 14

3 neugekehrten A 4 neu bekehreten A neubekehrten F > EGHI flüchten + F kuris. HI Sardanapalisch. HI

15 Missethat F

19 Epi-

Pia desideria

47

Matt. 25. und dz Evangelium wird in den letzten tagen (dann von diesen zeiten redet er) geprediget werden zum zeugnuß / und so! es auch noch dahin gelangen / wie Christus weiter geweissaget (wann der Sohn deß Menschen fönten wird / 5 ob er auch einen glauben aufs Erden wird finden) so muß es also zugehen / und muß niemand keiner zücht und disciplin achten / wie dann (Gott erbarm) geschicht / daß ein jeder uns arme Prediger lehren und schreyen läst / thut büß / und be­ kehret euch / und thut doch gleichwol ein jeder / was er wil. io Die Obrigkeit thut nichts zur Disciplin / die Unterthanen wollen ihr nicht. Etliche treue Prediger wolle sie gerne auffrichten / und ist ihnen in 1 einem solchen zurütten und i«o ruchlosen leben nicht möglich. Noch müssen sie das beste

thun / und darumb die fache nicht verlohren geben. 1 @6 geh 8c helffe dann an wem es wolle. Nun wie uns die rechte und wahre Religion angelegen ist / also dencken wir auch auff mittel und wege dieselbe zu behalten. Ich weiß keinen rath /und ob ich ihn gleich wüste / so folget niemand/ich muß für

meinen Augen sehen / und vielleicht auch noch erleben / (daß -0 ich doch nicht begehre) daß die liebe Religion muß auß Un­ gnaden GOttes von wegen unserer fünden und Missethat / wieder 1 dahin und zu boben gehen / wie sie auß GOttes g 79 gnaden zu uns kommen ist. Hat der liebe Mann schon vor mehr als hundert Jahren dieses sorgen müssen / so haben wir / bey denen es nichts

=5 gebessert / eS nicht weniger zu besorgen / weil der zorn immer mehr und mehr gehäuffet worden: und michte wol anderer bekehrung mit unser verlassung geschehen. Daher haben wir hohe ursach / nicht sicher zu seyn / sondern auff uns selbs 1 acht zu geben / und nichts zu versäumen / damit es doch mit 18z unser kirchen in andern und bessern stände gebracht werden michte.

30

1 Und darff hie niemand gedencken / wir intendirtttt und suchten zuviel; geh sz Wir lebten ja nicht in republica Platonica, und seye es nicht möglich / alles in solcher Vollkommenheit und nach der regel zu haben / daher die böse be-

schaffenheit der zeit mehr mit erbarmung zu tragen als mit Unwillen zu be­ klagen seye: Wo man die Vollkommenheit suchen wolle / müsse man auß 35 diesem leben / in jenes gehen / da würde man allein etwas vollkommenes antreffen / ehe aber nichts zu hoffen haben. Denen / welche also einwenden / antworte ich. Einmahl zwar / daß die Vollkommenheit zu suchen so gar nicht verbotten / daß wir auch darzu angetrieben werden. Und wie wäre zu 1 Matth 24, 14 24 100. Jahren AF

25 ed > AF

38 verbotten + seye EGHI

48

PH. I. Sperrer

wünschen / daß wir sie erlangen möchten? Aber andern theils gestehe ich gern / daß wir es hie in diesem leben darzu nicht bringen werden / sondern je weiter ein frommer Christ kommet / je mehr wird er noch sehen / ihm zu 182 mangle«: und also / daß er von der einbildung der Vollkommenheit / nie weiter wird 1 entfernet seyn / als wo er sich derselben am meisten befleisset: 5 ceh 82 Gleich rvie wir sehen / daß gemeiniglich die jenige / die in ihren Studiis am weitesten gekommen / sich vielweniger 'vor gelehrt achten werden / als andere die erst ein halb jähr in die bücher haben zu sehen angefangen. Indem jene je länger je mehr erkenen / was zu der wahren erudition gehöre / so sie vor­ hin noch nicht also verstanden. Also auch dorten wäre viel eher von einigen 10 anfangenden zu sorgen / daß sie sich vollkommen zu seyn achten möchten / als von den jenigen / die schon ziemlich nach derselben sich bearbeitet. In­ dessen ob wirs wol freylich nimmermehr in diesem leben werden zu dem jenigen grad der Vollkommenheit bringen / daß nichts mehr darzu gethan F [I51 werden könte oder solte / so sind wir gleichwol verbunden zu einigem grad 1 der Vollkommenheit zu gelangen. Und wie von jeglichen Christen es gilt / wo Paulus sagt: 2. Cor. 13/n. Zuletzt lieben Brüder/freuet euch/ seyd vollkommen / un v. 9. dasselbige wünschen wir auch / nemi sz lich eure Vollkommenheit. Col. 1. v. 28. Wir verkündigen und ver'mahnen alle Menschen / und lehren alle Menschen ; mit - aller weißheit / auff daß wir darstellen einen jeglichen menceh 83 fc$en vollkommen in CHristo JEsu: 2. Tim. 3'17. Daß ein mensch 1 Gottes sey vollkommen / zu allem guten werck ge­ schickt Phil. 3/15. Wie viel nun unser vollkommen sind / die G 80 lasset uns also gesinnet seyn (obwol Paulus von einem höhern und -5 A [l6l hier unmöglichen grad vorher v. 12 sagt / nicht / daß 1 ichs ergriffen habe oder vollkommen seye) al'so mögen wir auch sagen / daß es der gantzen Kirchen gelte / daß sie mehr und mehr vollkommen werde / und von allen sowol als jeglichen wahr werden solte / was wiederumb Paulus spricht Eph.4v.13. Daß wir alle hinan kommen/zu einerley glauben 30 und erkantnuß deß Sohns Gottes / und ein vollkommen mann werden / der da sey in dem maß deß vollkommenen alters Christi. Wir ziehen aber solche Vollkommenheit / die wir von der Kirchen ver184 langen /nit dahin/daß kein einiger Heuchler mehr unter derselben seye / wol 35 wissend / daß der weitzen 1 acker aiemal so rein angetroffen «erde / daß nicht einig unkraut auf demselben sich finde: sondern dahin / daß gleichwol dieselbe von offenbaren ärgernüssen ftey / und kein darmit behaffteter ohne

12 demselben AF bearbeitet + haben EFGHI innigen A zu dem innigen F 26 ichs + schon AF EGHI

13/14 zudem 35 unter] in

49

Pia desideria

gebührende andung und 1 endlich 1 außschliessung darinnen gelassen / die

wahre Glieder derselben aber mit vielen Früchten reichlich erfüllet werden. Also / daß das unkraut nicht mehr den weihen bedecke und unscheinbar mache / wie leider jetzo offt geschiehet / sondern von demselben bedeckt werde /

s daß man solches nicht sonderlich wahrnehme. Wolle man auch dieses vor unmöglich halten / so führe ich dessen ein Exempel an / die erste Christliche Kirche / darauß erweißlich / was dem­ selben möglich gewesen / seye nicht blosser dings unmöglich. Es bezeugen

aber die Kirchen-Historien / daß die erste Christliche Kirche in solchem seligen

io stände gestanden / daß man die Christen ins gemein an ihrem gottseligen leben gekant / und von andern leuten unterschieden habe: Dann so spricht

Tertullianus; Quid enim insigne praeferimus, nisi primam sapientiam, qua frivola humanae mentis ope'ra non adoramus; abstinentiam qua ab alieno temperamus: Pudicitiam quam nec oculis contemnimus: Miseri15 cordiam qua super indigentes flectimur: ipsam veritatem, qua offendi-

mus: ipsam libertatem, pro 1 qua 1 mori novimus.

Qui vult intelligere,

quidsintChristiani,istisindicibusutaturnecesseest. Was ists/daß wir

vor andern zum kennzeichen an uns sehen lassen: Als die höchste weißheit / indem wir eitele wercke deß menschlichen

2o hertzens nicht anbeten wollen : Die vergnügsamkeit / da wir andern

nach dem ihrigen nicht

trachten: Die

zücht die wir

auch nicht gern mit den äugen verletzen: Die barmhertzigkeit / damit wir uns zu den dörfftigen wenden: Die wurheit selbö/

die andere nicht leiden mögen: Die freyheit / vor welche wir =5 auch gern sterben. Wer wissen Wil / was Christen seyn / der muß sie an solchen merckmahlen kennen. Wiewol stunde es damahl!

Ja /

ach wie herrlich -war es / wann der liebe alte Ignatius, epist. ad Eph. sagen konte / daß welche sich zu Christo ' bekandten / nicht nur auß dem was sie sagten/sondern auch was sie thüten/erkandt wurden/

30 (oCtk

d>v X^youai pövov, äXXdc KaU§ 6jv -rrpdcTTouai yivcboKovrai) Wie

stattlich lautet es / wann Eusebius. > L. 4. H. E. c. 7. 1 sagen kan / es seye

zwar / sonderlich durch der ketzer böses leben / die Christliche Kirche bey 1 den

Heyden in bösen ruff gekommen: Aber •rrpoi'iei eis äu^asy Kal pfeyeOos, del Karde

toc

Aura Kal dxravrcos eyouaa f| Tfjs koBöXov Kai pövqs äXq-

12 ad nat. I, 4 CSEL 20,65 27 ad Eph. XIV, 2; Funk-Bihlmeyer S. 86, 26f.: ol hrayyeXöpevoi Xpiarov elvai 8i’ cov irpäaaouaiv dtpS^aovrai 31 h. e. IV, 7, 13, Schwartz S. 312: 8' eis aO£qv . . .

4 offt > EGHI 7 erweißlich A- ist EGHI 12 Tertull. AF praeferimns H 15 scmper I 17 est. A~ d. i. I 31 cap. EGHI 34 izXOVTCD A

50

PH. I. Spener

0oü$ EKKÄT](ria$ ÄapTrpoTTis TÖ CTEpvdv Kai EiAiKpivL; Kai ^AeuO^piov tö te adxppov Kai KaOapöv Tfj$ SvOsov ttoXiteios te Kai qnAoaotpias sls äirav ysvos 6AAt)vcdvt£ Kai ßapßäpcov povovai. Dann alle Weibs- 20 Personen bey uns sind züchtig. So rühmet Origenes, daß die lehre Jesu habe bey allen gewürcket eine wunderwürdige sanfftmuht / erbarkeit / freundlichkeit / gütigkeit / versönlichkeit / die nit wege der sorge dises lebes und anderer menschlichen noti as durfft / sondern von hertzen die 1 Predigt von GOtt / Christo 25 und dem künfftigen gericht auffgenommen haben. Daher sie auch so sorgfältig vorher derjenigen / welche fich zu ihnen begabeu / leben examinirten und auff die probe setzten / nicht ehe sie in die Kirche auffc eh es nehmende / biß sie sahen / daß sie ihr leben würdiglich nach dem beruff/' darzu sie beruffen worden / führen würden. Wie eben solcher Orig. 8. contr. Cels. 3o bezeuget. War dann jemand / der einig ärgernuß begieage / so wurde mit f

solchem ernst gegen denselben verfahren / daß man sich verwundern muß / [16] wie zu 1 solcher zeit / da die Christen die Obrigkeit nicht auff ihrer seit hatten / müglich gewesen / eine solche strenge zücht und disciplin unter sich zu erhalten: Da wurden die begangene fehler von den Kirchen-ältifien / deren versamlung 35

9 ad Scap. c. 4, Oehler I, 549 16 Apol. sec. II, Goodspeed S.79f. 19/20or. adGraec.XXXIII,2 Goodspeed®.298 21/26 c.Cels. I, 67 Koetschau I, 121 30 c. Cels. III, 51 Koetschau I, 247 f.

18 Christi. I

Pia desideria

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der Bischoff regierte / vorgenommen / erwogen und gerichtet / auch die Ver­ brecher nach befinden der fachen von der Gemeinde außgeschlossen / auch

nicht anders als nach gnugsamer Versicherung der besserung wieder auffgenommen. Damit die Kirche zeugete / wie gar sie ihrer Glieder fünde nicht 5 billigte / andere von dergleichen fünden abschreckte / 1 und die gefallene 189 besserte. Daher erkanten sie auch keine andere vor ihre 1 Mitbräder als die g s-

also lebeten.

Also sagt Justinus: Welche man antrifft / nicht also lebend /

wie er geleh'ret / das ist ein klares zeugnuß / daß sie keine Christen seyen / ob a [17) sie wol Christi Lehre mit der zunge bekenneten / von denen spricht er 1 auch geh s9 10 außtrücklich an die Käysere / sie bittende / sie wolten doch selbs die jenige /

welche ein ihres Meisters Gebotten nicht gemässes leben führeten y und sich nur Christen nennen liessen / zu straffe ziehen. Daher Plinius der Heyde in

seiner bekandten Epistel (Lib. 10. Epist. 97.) an den Kayser Trajanum selbs bekennet / daß ob er wol einige zu erfahrung der warheit foltern lassen / er iS doch nicht erfahren können / daß sie einiger läster / ausser ihrer von den

Römern verworffenen Religion / sich schuldig machten. Welche bekandtnuß eines öffentlichen feindes und darzu Richters von nicht weniger Wichtigkeit

ist. Liefet man die absonderliche Exempel der herrlichen Lügenden / die an ein und andern hervor geleuchtet / so kan man nicht anders als hertzlich dardurch 20 bewogen werden. Was war es vor eine hertzliche Liebe zu' GOTT / da sie zum 1 y>

zeugnuß derselben zu den grausamsten martern mehr eileten / als sich dieselbe schrecken liessen / wo es an die bekantnuß ihres liebsten Heylands gieng? Wie brünstig war die liebe unter ihnen selbs / da sie sich nicht nur unter ein­

ander mit dem lieben namen Brüder und Schwestern 1 nen'neten / sondern ^9° -5 auch recht brüderlich unter sich lebeten / baß auch einer vor den andern zu

sterben / «0 es noth seye / stätig bereit war. Don welcher Materi und den absonderlichen engenden der ersten Christen / wo jemand verlangen hat / einige zeugnuffen der alten zu sehen / wüste ich denselben fast nirgend besser htnzuweisen / als in meines Hochgeehrten Praeceptoris deß Sel. D. Job. 30 Conradi Dannhaueri Christeid. Act. 1. opt. dram. Theatr. 1. Phaen. 4. so­

dann meines sehrwerthen Freundes / und zu Straßburg vorweilen ge­

wesenen so Commilitonis als nachmahls College Herrn D. Baltasar.

7 Apol. XVI, 8 Goodspced S. 37 12 ep. X, 96, Keil S. 307 f. 30 1603—1666, Prof, in Straßburg (1629 der Beredsamkeit, ab 1633 der Theologie), 1658 zugleich PraeseS des Kirchenkonventö: Christeis sive Drama sacrum, Straßburg 1646, actus primi, opticae dramaticae Theatri primi Phaenomenon IV, S. 154 ff.

2 von gemeinde AP 8 ein] kein I 11 eines AF 19 gelechtet H 30 Actor. EGHI 32 Balth. HI

13 6p HI

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PH. I. Spener

Bebelii, antiq. Eccles, trium a N. Chr. seculorum, in jeglichem Seculo an seinem ort / wo solche Lugenden mit fieiß erzehlet. Wie nun der zustand der Christlichen kirchen solcher zeit / unser kaltes 19i und laues 1 2wesen gantz zu schänden machet / also zeigt er gleichwol / es seye das jenige so wir suchen nicht unmöglich / wie ihrer viel ihnen die einbildung 5 machen: Daher seye es unsere schuld / daß dergleichen Lob so ferne von uns ist. Dann ist es ja eben der H. Geist / welcher vor dem in solchen ersten ce 9? Christen al'les gewircket /1 der uns von GOtt geschencket ist / und heut zu tag weder unvermöglicher noch säumiger ist / das werck der Heiligung in uns zu verrichten. So muß es allein die ursach seyn / daß wir ihm solches nicht *o lassen / sondern ihn selbsten hindern: Deßwegen dann je nicht vergebens hiervon gehandelt wird / wie doch die fache in bessern stand gebracht werden möchte. Nun erkenne ich gern meine Wenigkeit / und daß ich mich weder ver­ messen könne / noch solches einbilden wolle / daß ich vor andern dienern 15 Gottes / wie dem gemeinen übel zu helffen wäre / sonderbaren verstand habe: Sondern ich finde täglich in mir / woran mirs selbsten manglet. Daher ich von gründ der Seelen wünsche / daß wie auch ein und andere gethan / g 83 begabtere und mit mehrerm liecht / verstand und ersah'rung außgerüstete i 92 1 Männer diese Materi mit fernerm eiffer vor sich nehmen / der fache in der 20 furcht deß HErrn nachdencken / und wie sie etwa zu rathen nöthig finden / der gesampten Christlichen Evangelischen Kirch vorlegen / sodann auff mittel cf.h 92 und wege bedacht seyn mögen / wie durch Göttliche Gnade1 heilsame rathschläge / die etwa gefunden worden / heilsamlich zu werck gerichtet würden. In dem sonsten alle berathschlagung ein vergebenes thun ist. ?5 Wann aber in der fache. / die uns alle angehet / allen Christen / vor­ nehmlich aber allen die der HERR an einigen orten seiner Kirchen zu Wächtern gesetzet hat / obliget / auff den jemahligen zustand der Kirchen zu sehen / und wie ihm zu helffen bedacht zu seyn: Sonderlich weil die Kirche ein solcher Leib ist / der aller orten einerley natur hat / und deßwegen wo nicht 30 mit einerley kranckheiten jederzeit behafftet / dannoch derer gefahr stätig unterworffen ist: Und deßwegen wer das jenige / was ihm bey seiner Ge1 Balthasar Bebel (1632—1686), studierte in Straßburg zusammen mit Spener, 1661 Prof, in Straßburg, 1686 Prof, und Generalsuperintendent in Wittenberg. Spener stand mit ihm im Briefwechsel und ist an seiner Be­ rufung nach Wittenberg beteiligt: Antiquitates Ecclesiae in tribus prioribus post natum Christum Seculis, Straßburg 1669, sec. I. art. IV, 4f., S. 68ff.; sec. II. art. IV, 6ff., S. 326ff.; sec. III. art. III, 5, 31 f., S. 781 ff.; art. IV, 5 ff., S. 841 ff. 2 wo > er EGHI

20 die fache I

22 Christi. AFI

23 Göttl. I

Pia desideria

53

meinte zu Besserung derselben diensam / fleissig untersucht und erkandt hat / ziemlicher massen auch erkennen wird / wie anderwertlich mit weniger beobachtung der etwa verschiedene'nen umbstände / andern Gemeinden ebener 193 massen zu Helffen seye: Zu jenem aber ohn disputirlich jeder Prediger gesetzt 5 ist: Als erkühne Ich mich auch / nachdem ich bißher nach dem vermögen das GOtt verliehen acht gegeben / wie der mir und meinen 1 geliebten Ampts- h 93 ' Brüdern anvertrauten hiesigen Kirchen mängel gebessert / und sie mehr ge 93 erbauet werden möchte / das jenige / was Ich in gottseliger nachdenckung / nach anleitung der Schrifft nützlich und nöthig erachtet / hier auch zu papier 10 zu bringen: Ob etwa andern erleuchtetem und hierinnen vermöglichern / auffS wenigste möchte anlaß gegeben werden / auch ihres orts dem wichtigen Merck weiter nachzudencken / und woran es diesen Vorschlägen manglen solte / zu ersetzen: Oder / wo dieselbe nicht thunlich befunden würden / bessere vor die Hand zu geben: Wie Ich dann willig bin / jedem auch einfältigsten / -5 der mir in meinen Ampts-verrichtungen und allem andern / so zu der erbauung gehöret / etwas bessert und vorträglichers zeigen wird / zu weichen / und bessern Berichts wegen danck zu sagen. Dann / es ist ja alles solches nicht unsere / sondern 1 G Ottes Sache / so stehet diesem frey durch auch vor der 1 94 Welt unscheinbare oder verachtete Mittel-personen dergleichen dinge vorzu=° tragen / die Er zu segnen beschlossen hat. In diesem vertrauen / und williger unterwerffung gegen andere der Kirchen bestens 1 kündigten / so giengen meine unvorgreiffliche gedancken ceh Q4 in dieser sach dahin. Daß unserer gesampten Kirche (ebenso verhält flchs mit jeglichem theil derselben) unterwandern / (dann ich nicht alle mittel hier 25 anführe / zum exempel die aufrichtung der Kirchenzucht / welche gleich­ wol von der höchsten Wichtigkeit / aber von dem 1 theuren und eifferigen f [i7] Theologo Joh. Sauberto Sel. in seinem nie gnug gepriesenen ZuchtBüchlei n zur gnüge gehandelt ist: Item die aufferziehung der Jugend und dergleichen) auff folgende weise vermittels Göttlicher Gnade geholffen / 3° und sie in einen wiederumb herrlichern stand gesetzt werden möchte. 1 1. Daß man dahin bedacht wäre /das Wort G Ottes reichlicher a li8J g unter uns zu bringen. Wir wissen / daß wir von natur nichts guts an uns haben / sondern soll etwas an uns seyn / so muß es von GOtt in 1 uns 195 gewürcket werden / und darzu ist das Wort das kräfftige mittel / indem der 35 glaube auß dem Evangelio entzündet werden muß / das Gesetz aber die regel giebet der guten wercke/und viel herrlichen antrieb 'ben'selben nachzu- ce 95 « 27 Johann Saubert (1592—1646), ab 1622 in Nürnberg als Diakon, Pastor und schließlich Senior des Ministeriums: Iuchtbüchlein der Evanger lischen Kirchen ..., Nürnberg 1633

PH. I. Spener

54

jagen. Je reichlicher also das Wort unter uns wohnen wird / je mehr werden wir glaubens und dessen früchte zuwegen bringen. Nun solte es zwar scheinen / daß das Wort GOttes reichlich gnug unter uns wohnete / indem an unterschiedlichen orten (und zwar auch in hiesiger Stadt) täglich/anders­ wo gleichwol zum öfftern / von der Cantzel gepredigt wird / wo wir aber der fache reifflich nachdencken / werden wir auch in diesem stück vieles finden / das noch weiter nöthig seye. Ick verwerffe die haltende Predigten durchauß nicht / da auß einem gewissen vorgelegten Text und dessen erklärung die Christliche Gemeinde unterrichtet werde / als der ich selbs dergleichen vor­ trage und verrichte. Aber ich finde nicht / daß dieses gnug sey. 1. Wissen wir daß alle Schrifft von GOtt eingegeben seye nutz zur lehr / zur straff / zur besserung / zur züchtigung in der gerechtigkeit. 2. Tim. 3. Daher auch »96 alle Schrifft 1 ohne außnahm der Gemeinde bekandt solte seyn / wollen wir anders allen den nöthigen nutzen erhalten. Nun wo man endlich alle die Text / die in vielen jähren nach einander in einem ort der gemeinde vorgeceh 96 tragen werden / 'zusammen nimmet/so wird es noch gar ein geringer theil/ der uns vorgelegten Schrifft seyn: Das übrige höret die Gemeinde gar nicht / oder nur wie ein und andere Sprüche oder sonsten Allegata darauß in den Predigten angezogen werden / ohne daß fie die gantze folge / darinnen gleichwol ein grosses stecket / vernehmen tönte. 2. Haben auch die leute wenig gelegenheit den verstand der Schrifft anders / als nach den Texten die ihnen etwa außgelegt werden zu fassen / weniger aber fich recht darinnen so viel zu üben / als die erbauung erforderte: In dem das einige lesen zu hauß / so an fich selbs herrlich und löblich / doch noch nicht bey allen gnug thun mag. Dahero noch zu gedencken stehet / ob nicht der Kirchen wol gerathen wäre / wann nebens den gewöhnlichen Predigten über die verordnete Text 197 noch auff andere weiß die leute weiter in die Schrifft geführet wür'den: 1. Mit fleissiger lesung der H. Schrifft selbs / sonderlich aber deß N. Testaments. Das ist je nicht schwer / daß jeglicher Hausvatter seine Bibel oder ausss wenigste das Neue Testament bey Handen habe / und tägceh 97 lich etwas in solchem lese / oder wo er je deß 'lesens unerfahren / ihm von andern lesen lasse. Wie nötig und nützlich solches allen Christen in allen ständen seye / hat stattlich und kräfftig in dem vergangenen Seculo dar4 Frankfurt am Main, Spenerö WirkungSort 1666—1686 3, 16 8 u. I auch G 31 N. A

9 Christi. I 29 Heil. AF

ich) sich I 19 ben > F 30 Neuen A N. T.

12 2. Tim

21 nach) Test. I

5

15



25



Pia desideria

55

gethan Andreas Hyperius, dessen zwey bücher von solcher Materi / bald

darnach G. Nigrinus verdensschet / nachdem aber das Wercklein fast unbekandt worden / neulich Herr D. Elias Deyel / mein werthester vor deme gewesener Commilito zu Straßburg und in Christo geliebter Bruder durch 5 nochmahlige aufflage den kitten wiederumb bekandt gemacht.

1 Nechstdeme / daß also die leut zu der privat Lection angetrieben g s5 würden / wäre rathsam. 2. Wo man es einführen köndte / daß zu gewissen zeiten in öffentlicher Gemeinde die Biblische bücher nach einander ohne

weitere erklärung / es wäre dann fache / daß man kurtze Summarien darzu

10 thun wol'te / verlesen würden / zu aller / vornemlich aber derjenigen / er- i 98 bauung / welche gar nicht oder nicht bequem und wol lesen tönten / oder

auch die Bibel nicht zu eigen hätten. 3. Solte auch (welches zu anderer reifflichem nachdencken sehe) vielleicht nicht un'dienlich seyn / wo wir wiederumb die alte Apostolische art der geh 9s 15 Kirchen versamlungen in den gang brächten: Da neben unseren gewöhn­ lichen

Predigten / auch andere versamlungen gehalten würden

/ auff

die art wie Paulus 1. Corinth. 14. dieselbe beschreibet / wo nicht einer

allein aufftrette zu lehren / (welches zu andernmahlen bleibet) sondern auch andere / welche mit gaben und erkantnuß begnadet sind / jedoch ohne un20 ordnung und zancken / mit darzu reden / und ihre gottselige gedancken über

die vorgelegte Materien vortragen / die übrige aber darüber richten möchten. Welches etwa nicht unfüglicher art geschehe: Wo zu gewissen zeiten unter­ schiedliche auß dem Predigampt (nehmlich an orten da solches auß mehrern

bestehet) oder doch unter dirigirung deß Predigers andere mehrere auß 25 der Gemeinde / welche von GOtt mit ziemlicher erkantnuß begäbet / oder 199 in derselben zu zunehmen begierig sind / zusammen kämen / die Heilige

Schrifft vor sich nehmen / darauß öffentlich lesen / und über jegliche stelle derselben von dem einfältigen verstand / und was in jeglichem zu allerhand

unser 'er'bauung dienlich wäre / brüderlich sich unterredeten: wo sowol jeg- ce 99 h 99 1 1511—1564, ab 1541 in Marburg, seit 1542 Prof, der Theologie eben­ dort: Urheber der hessischen Kirchenordnung von 1566: De sacrae scripturae

lectione ac meditatione quotidiana, omnibus omnium ordinum hominibus christianis perquam necessaria libri II. Basileae: per J. Oporinum (ep. ded. 1561). Weitere Ausl.: 1563, 1569, 1581 2 Ein trewer und Christ­ licher Rath. Wie man die Heilige Schrifft teglich lesen und betrachten soll. Erstlich in Latein beschrieben. Dnnd yetzundt verdeutscht von Georgio Nigrino. Mülhausen (P. Schmid) 1562 4 Titel wie 2 .. . Erstlich in Latein beschrieben ... nachgehends verdeutscht von Georgio Nigrino; Jetzund aber... wiederum zum Truck befördert, verb. .. u. verm, von Elia Deieln. Mm 1672

17 1 Kor 14, 26 ff.

3 Veylen HI'

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1100

a[x9] h

F (l8J g 86

1101

ceh 101

PH. I. Spener

lichem / welcher die fach nicht gnugsam verstünde / seine Dubia vorzutragen und dero erleuterung zu begehren / als denen jenigen die nunmehr weiter gekommen / sampt den Predigern / ihren verstand / den sie bey jedem ort Hütten / beyzubringen erlaubt; was jeglicher vorgebracht / wie es der meynung deß Heiligen Geistes in der Schrifft gemäß seye / von den übrigen / sonderlich den beruffenen Lehrern / examinirct / und damit die gantze versamlung erbauet würde. Es müste aber alles in rechter absicht auff GOttes Ehr und den geistlichen Wachsthum / daher auch in den schrancken die der­ selben gemäß wären eingerichtet / und hingegen / wo sich fürwitz / zancksucht / gesuch eigener ehre und was dergleichen ist / einschleichen wolte / verhütet / und sorgfältig / sonderlich von denen 1 Predigern / als die das Directorium dabey behalten / abgeschnitten werden. Hierauß wäre nicht geringer nutzen zu hoffen. Es lerneten die Prediger selbs ihre Zuhörer und deroselben schwachheit oder zunahm 1 in der Lehr der Gottseligkeit kennen / 'auch 'würde ein zu beyder besten viel dienendes vertrauen zwischen ihnen gestifftet; sodann hätten die zuhörer eine stattliche gelegenheit / ihren fleiß über das Sittliche Wort zu üben / und sich darzu auffzumuntern / ihre habende scrupel / umb derer willen sie nicht eben jedesmahl denselben zu besprechen baS ' Hertz nehmen / demselben bescheidenlich vorzutragen / und dero ent­ scheid anzuhiren / und in weniger zeit sowol vor sich selbs zu wachsen / als auch tüchtiger zu werden / in ihrer Hauß-'kirche / Kinder und Gesinde besser zu unterrichten. Da in ermangelung dergleichen Übungen die Predigten / wo einer allein in stäts fliessender rede seinen vortrag thut / nicht eben alle­ mahl / so recht und genüglich gefast werden / weil keine zeit dazwischen ist / der fache nachzudencken / oder wo man einem nachdencket / indessen so viel von der folge entgehet / (welches aber bey derglei'chen Unterredung nicht geschiehet) sodann die privat- und hauß-lection / wo man niemand darbey hat / der etlicher massen den verstand und absicht jeglichen orts mit zeigen hilfft / dem lesenden nicht alles was er gern verstehen möchte zur gnüge erläutern kan. 1 Hingegen würde was an beeden manglete / durch der gleichen Übungen ersehet / und weder dem Predigampt noch den Zuhörern grosse arbeit gemacht: Ein ziemliches aber gethan zu erfüllung der Ver­ mahnung Pauli / da er sagt: Col. 3 /16. Lasset das Wort Christi unter euch reichlich wohnen / in aller weißheit. Lehret und vermahnet euch selbs / mit Psalmen und Lobgesängen / und geistlichen lieblichen Liedern. Welche auch bey dergleichen versamblungen zum Lobe GOttes und auffmunterung gebraucht werden möchten. Einmahl ist gewiß / daß bie fleissige Handlung deß Göttlichen Worts

5

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-

-5

30

35

Pia desideria

57

(die nicht nur bloß in anhirung der Predigten bestehet / sondern auch lesen / betrachten / darvon unterreden Psalm i / 2. in fich fasset) das vornehmste

mittel etwas zu bessern seyn muß / es geschehe nun durch dergleichen oder von 1 andern füglicher zeigende anstalten. Dann dasselbe bleibet der saame /1102

5 auß deme alles gute bey uns herwachsen muß: und werden wir die leute

zu einem eiffer bringen / darinnen fleissig zu seyn / und in solchem Buch 1 deß Lebens ihre steude zu suchen / so wird das geistliche leben bey ihnen CEH ur­ herrlich gestärcket / und sie zu gantz andern leuten werden.

Und waS hat doch unser Sel. Lutherus eifferiger gesucht / als die 10 leute zu der fleissigen lesung der Schrifft anzureitzen. Also gar / daß er auch fast bedenckens getragen / seine Bücher außgehen zu lassen / damit nicht dardurch die leute zu lesung der Schrifft selbs träger möchten gemacht werden. Seine wort lauten / Tom. 1. Altenb. fol. 6. a. Gern hätte ichs gesehen / daß meine Bücher allesampt wären dahinden

15 blieben und untergangen / und ist unter andern Ursachen eine / daß mir grauet für dem exempel / dann ich wol sehe / was nutz es in der Kirchen geschafft ist / da man hat ausser und neben der tz. Schrifft angefangen viel Bücher und grosse

Bibliothecken zu sammlen / sonderlich ohn allen unterscheid 1*03 20 allerley Dätter / Concilia und Lehre auffzuraffen. Damit

nicht allein die edle zeit und studiren in der Schrifft ver­ säumet / sondern auch die reine 'er'kantnuß göttlichen Worts ce 103 endlich verlohren ist. Auch ist das unser meynung gewest / 103

da wir die Biblia selbs zu verdeutschen anfiengen / daß wir 25 hofften / es solle deß schreibens weniger / und deß studirens und lesens in der Schrifft mehr 1 werden: dan auch alles 0 67 ander schreiben in und zu der schrifft weisen soll: dann so gut werdens weder Concilia, Dätter noch wir machen / wans aufs höhest und beste gerathen kan / als die H. Schrifft / die zo GOtt selbs gemacht hat. Wer meine Bücher in dieser zeit

ja haben wil / der lasse sie ihm bey leib nicht seyn 1 ein Hindernuß die Schrifft selbs zu studiren / u. s. w. Dergleichen auch

anderwertlich bey ihm zu finden. Wie nun eines der vornehmsten bösen stücke in dem Pabstthum ge35 west 1 dardurch die Päbstliche stats ration sich befestiget / die 1 leute in un- i io4 13 ff. Dorrcdc zum 1. Band der Wittenberger Ausgabe der deutschen Schriften 1539, WA 50, 657 f,, mit Auslassungen. A. 20 Lerer, 3.29 Das ist Gott selbs 32 vgl. z. D. WA Tischreden IV, 87,432 f.;V, 661,662 ff. u.ö. 4 füglich erzeigende F 12 zu > der AF 29 Heil. AF1 35 Pjdftl. T

18 Heil. F6

22 Göttl. I

58

PH. I. Spener

wissenheit / und also einen völligen gewalt über ihre gewissen zu behalten / daß sie sie von lesung der Heiligen Schrifft abgehalten / und noch nach Ch io4 vermögen abhalten/hingegen wie ein grosses theil 'deß 'zwecks der theuren Reformation gewesen / die leute zu dem Wort GOttes / so fast unter die banck verstecket gelegen / wiederumb zu bringen / auch solches das kräfftigste 5 mittel gewesen / dadurch GOtt sein werck gesegnet / also wird auch eben dieses das vornehmste mittel seyn / da die Kirche wieder bedarff in bessern stand zu kommen / daß der eckel der Schrifft / so bey vielen ist / oder die Nach­ lässigkeit in derselben zu studiren / abgethan / und hingegen hertzlicher eiffer zu derselben erwecket werde. 10 Neben dem würde unser offt-erwehnte D. LUTHERUS noch ein an­ ders / zwar mit dem vorigen genau vereinbartes / mittel Vorschlägen / welches jetzo das 2. seyn soll / die auffrtchtung und fleissige Übung deß Geistlichen Priesterthums. Niemand wird seyn / der etwas fleissig in Lutheri Schrifften gelesen / der nicht beobachtet haben solte / 15 1 '05 mit was ernst der selige Mann sol'ches Geistliche Priesterthum da nicht nur der Prediger / sondern alle Christen von ihrem Erlöser zu Priestern ge­ macht / mit dem Heiligen Geist gesalbet / und zu geistlichen priesterlichen ceh 105 Verrichtungen gewiedmet sind / 'getrieben habe. Dann je Petrus 1/2/9. nicht mit den Predigern allein redet / wo er sagt: Ihr aber seyd das außerwehlte Geschlecht / das Königliche Priesterthum / das A ho] heilige Dolck / das volck deß Eigenthums / daß 1 ihr ver­ kündigen solt die tugend deß / der euch beruffen hat von der finsternuß zu seinem wunderbaren liecht. Wer außführlich solches unsers Lehrers meynung hiervon / und was die priesterliche tmpter seyen / -5 vernehmen und lesen wil / der lese seine Schrifft an die Böhmen / wie man die Diener der Kirchen wühlen und einsetzen soll / so befindlich T. 2. Altend. vornehmlich vom Bl. 501. u. folg, da wirb er sehen wie statt­ lich erwiesen seye / daß allen Christen ins gesampt ohne unterscheid alle geistliche ümpter zustehen / obwol deren ordentliche und öffentliche ver, 30 Ffxg*] richtung denen darzu bestellten Diener» anbefohlev ist / 'unter'deffen in dem fall der noth sie auch von andern verrichtet werden mögen: Sonderlich aber die jenige / welche nicht zu den öffentlichen Verrichtungen gehören / immer, fort zu hauß und in dem gemeinen leben von allen getrieben werden sollen. ceh 106 'Ja /gleichwie dieses eine sonderbare list deß leidigen teuffelsgewesen / 3S g 88 daß derselbe' in dem Pabstthum es dahin gebracht / daß alle solche geistliche 19 1. Petr. 2Z9. 26 ff. De instituendis ministris Ecclesiae ad Clarissimum Senatum Pragensem Bohemiae 1523/ WA 12/ 169—196 28 WA 12/ 176ff.

2 Ä. AFI 18 H. AF u. f. 1 31 ist] sind AF

Heil. I 22 H. AF 32 sie > AF

28 Tom. I

Pia desideria

59

ämpter allein der Clerisey (die ihnen auch daher hochmüthiger weise allein den namen der geistlichen/ so allen Christen in der that gemein ist / zu­ gemessen) heimgewiesen / und die übrige Christen darvon außgeschlossen hat / gleich ob gehörte denselben nicht zu in dem Wort deß HErrn fleissig 5 zu studiren / vielweniger andere neben sich zu unterrichten / zu vermahnen / zu straffen / zu tristen / und das jenige privatim zu thun / was zu dem Kirchendienst öffentlich gehöret / sondern es wären solches lauter dinge / die an ihrem Ampt allein hiengen. Womit sie erstlich die so genandte Leyen zu dem jenigen / was sie billich mit angehen solte / träg gemacht / darauß io eine schreckliche Unwissenheit und auß derselben wildes wesen entstanden; Hingegen mochten die so genandte geistliche^thun was sie wolten / da ihnen niemand in die karte sehen oder die geringste einrede thun dorffte. Dahero dieses angemaste Monopolium deß geistlichen standes / nechst oben 1 angedeuteter abhaltung von der Schrifft in dem Pabstthum eines der vori5 nehmsten mittel ist / damit das Päbstliche Rom seine gewalt über die arme Christen besteiffet hat / und wo es noch platz hat / bißher erhält. So tonte demselben nicht weher geschehen / als das in dem gegentheil von Lut her o gezeiget würde / wie zu den geistlichen ämptern (obwol nicht deroselben öffentlicher Verwaltung / darzu die Verordnung der in gleichem recht stehender 20 gemeinde gehöret) alle Christen beruffen / und nicht nur befugt / sondern wollen sie anders Christen seyn / verbunden seyen / sich derselben anzu­ nehmen. Daß nehmlich jeglicher Christ nicht nur selbs / sich und was an ihm ist / gebeth / dancksagung / gute werck / allmosen/ rc. zu opffern / sondern in dem Wort deß HErrn emsig zu studiren / andere / absonderlich seine =5 haußgenossen / nach der gnade 1 die ihm gegeben ist zu lehren / zu straffen / zu ermahnen / zu bekehren / zu erbauen / ihr leben zu beobachten / vor alle zu beten / und vor ihre seligkeit nach Möglichkeit zu sorgen gehalten seye. Wo dieses den leuten erstlich gewiesen/so wird damit 'jeglicher soviel'mehr acht auff sich geben / und deß jenigen sich befleissen / was zu seiner und

30 deß nebenmenschen erbauung gehörig. Dahingegen dieses alle sicherheit und trägheit macht / wo solche Lehr nicht bekandt und getrieben wird / daß niemand gedencket / daß ihn dergleichen angehe / sondern jeglicher bildet sich ein / gleich wie er zu seinem Ampt / Handel / Handwerck und dergleichen beruffen / darzu der Pfarrer nicht beruffen ist / und solche nicht treibet / so 35 seye hingegen der Pfarrer zu den geistlichen Verrichtungen der Handlung deß Göttlichen Worts /beten/studiren / lehren / vermahnen /trösten / straffen und s. f. dermassen allein beruffen / daß andere sich nichts darumb zu be­ kümmern hätten / ja wol dem Pfarrer in sein Ampt griffen / wo sie einiger9 billich mit] nit A 38 greiften FH!

nicht F

16 hat > AF

37 u. s. f. EGHI

i io7

ceh io?

1108

x ce ios

H 108

6o

PH. I. Spener

ley massen damit umbgiengen: geschweige dann / daß sie auch selbs «uff den 1109 Pfarrer mit achtung geben / und wo er säumig ist 1 ihn selbst brüderlich vermahnen / ins gesamt aber in allem diesem ihm an die Hand gehen solten. Dann so gar wird durch den ordentlichen gebrauch dieses Priestereh 109 khums dem Predigampt kein eintrag gethan / daß vielmehr dieses eine der 5 c 109 vornehmsten ur'fachen 1 ist / warumb das Predigampt nicht alles das / was 0 89 billich seyn solte / 1 auß- und lu werck richten kan / weil es ohne die hülffe deß gemeinen Priesterthums zu schwach / und ein Mann nicht gnug ist / bey so vielen / als etwa einem gemeiniglich in seiner Seelen sorg anvertrauet werden / das jenige außzurichten / was zu der erbauung nöthig ist. Wo 10 aber die Priester ihr ampt thun / da hat der Prediger als ihr Director und ältester Bruder eine stattliche hülffe in seinem Ampt und dessen so öffentlich als absonderlichen Verrichtungen / und wird ihm die last nicht zu schwehr. Weßwegen hieran auch weiter zu gebenden wäre / wie nicht nur solche 15 Materi /die fast nach Lutheri zeiten nicht so viel mehr getrieben worden/den leuten bekandter gemacht (darzu Herrn Joh. Dielitz / gottselige Predigten i ho hiervon sehr dienlich) sondern auch erwogen würde / wie die fache in beffe're Übung gebracht werden möchte: wozu auch der vorige Vorschlag einer ein­ führenden Übung zu lesung und verstand der Schrifft nicht wenigs thun 20 möchte. Meines wenigen orts halte ich mich gantz versichert / wo nur in jeglicher Gemeinde unterschiedliche zu diesen beyden stücken / fleissiger handceh ho lung Göttlichen Worts und ihrer priesterlichen Pflichten / gleichwie 1 in andern stücken also vornehmlich in der brüderlichen Vermahnung und bestraffung (die fast ganh unter uns verloschen / aber billich ernstlich getrieben / -5 und von den Predigern die jenige / so deßwegen etwa leyden müssen / nach vermögen geschützet werden solten) gebracht werden möchten / so würde ein grosses gethan und gewonnen seyn / daß nachmahl immer mehr und mehrere gewonnen / und endlich die Kirche mercklich gebessert würde. Zu diesen stücken gehöret auch 3. daß man den leuten wol einbilde / 30 und sie bald dahin gewehne ; zu glauben / daß es mit dem wissen in dem 17 1600—1680, Pasior zu Quedlinburg. Spener bezicht sich auf seine predigten von 1639, die er 1671 kenncnlcrnte und 1677 gleichzeitig mit seiner eigenen Schrift über daö geistliche Priestertum hcrauögab, nachdem er sic schon 1671 ohne Vorrede hatte erscheinen lassen (vgl. Beb. I, 639 f.; II, 279; III, 178; Cons. III, 37,44): Regale Zacerclotium, Dav ist: Die hochnötige und zugleich amnüthigc heilsame Lehre/Don dem Geist- vnd Königlichem Pricstertbrnnb / In dreyen Puncten vnd Predigten / ... Quedlinburg (Joh. Ockeln) 1640

15 gcdcncbcn I

20 zu lcseü F

23 und 4- beobachtung AF

Pia desideria

61

Christenthum durchauß nicht gnug seye / sondern es viel'mehr in der A l--l praxi bestehe: Sonderlich aber unser lieber Heyland zum jfftern uns die Liebe als das rech'te kennzeichen seiner Jünger anbefohlen habe / Johan. 14/1 m 34* 35* cap. 15/12.1. Johan. 3/10.18. cap. 4/7. 8. 11. 12. 13. 21. Da5 her auch der liebe Johannes in seinem 'hohen alter (nach dem zeugnuß geh m Hieronymi in Epist. ad Gal. L. 3. c. 6.) nichts mehr fast pflegen zusagen zu seinen Jüngern / alsKindlein liebet euch unter einander; so gar / daß seine Jünger und Zuhirer endlich verdrossen worden / immer einerley zu hüren / und ihn gefragt / warumb er allezeit ihnen einerley vorspreche / 10 aber zur antwort bekommen / weil es der befehl deß HErrn ist / und so der geschiehet ists genug. Freylich bestehet eines gläubigen und durch den glauben seligen Menschen gantzes leben und erfüllung der Sittlichen Gebotte in der Liebe. Deßwegen wann wir eine inbrünstige Liebe unter unsern Christen erst15 lich gegen einander / nachmal1 gegen alle Menschen (welche beyde brüder- f [20] liche und gemeine Liebe / müssen auff einander folgen / 2. Pet. 1 / 7.) erwecken / und in die Übung bringen kinnen / so ist fast alles was wir ver­ langen außgerichtet. Dann darinnen bestehen alle Gebott / Rom. 13 / 9. Wäre demnach nicht 1 nur den leuten fleissig hiervon zu sagen / die vor- im 20 trefflichkeit der liebe deß nechsten / und hingegen die grosse gefährlich'leit g 90 und schaden 1 der entgegen-stehenden eigenen liebe nachtrücklich vor äugen geh u2 zu stellen (welche Materi sonderlich von dem geistreichen Johann Arndten/ Wahren Christenth. 4/2. von dem 22. Capitel und in den folgenden schin außgeführet worden) sondern auch sie an deroselben zu üben: daß man =5 sie gewehne / nicht leicht eine gelegenheit auß der acht zu lassen / worinnen sie dem nechsten eine liebesthat erweisen kinten / und doch in Verrichtung derselben allemahl das Hertz fleissig zu forschen / ob auch dasselbe auß wahrer liebe gewürcket / oder andere abflchten dabey gehabt: Wo sie beleidigt worden / daß sie da sonderlich auff sich acht geben / nicht nur allein sich aller rache zu 3° enthalten / sondern gar auch ehe etwas ihres sonst noch habenden rechtens / und der Verfolgung desselben nachzulaffen / da sie sorgten / ihr Hertz möchte sie betriegen / und etwas von feindseligen affecten mit einmischen: Ja / mit fleiß gelegenheit suchen / dem feinde guts zu thun / nur darmit dem sonsten zur rache geneigten Adam 1 in solcher zähmung wehe geschehe / hingegen die 1 ”3 35 Liebe tieffer in das Hertz getrucket werde.

3 4 Job. 13, 34, 35 6 comm. in cp. ad Gal. III, 6 ed. Bened. VII, 528f. 23 IV, 2 Kap. 22ff. S. 172ff. 12 bcn] der A 22 geistlichen I

Göttl. I 23 bcn] dem FI

14 wenn AF

21 der + ihr Ab'

PH. I. Spener

62 ceh 113

> Darzu / wie auch ins gesampt ju dem Wachsthum in dem Christen­ thum / dienlich seyn mag / wo diejenige / so ihnen nunmehr eifferig vorge­

setzt / in den wegen deß HErrn einher zu gehen / in vertraulicher freundschafft stehen mit ihrem Beichtvatter / oder auch einem andern verständigen er­

leuchteten Christen / und denselben immer rechenschafft geben / wie sie leben / 5 wo sie gelegenheit gehabt / die Christliche Liebe zu üben / wie sie sich derselben

gebrauchet / oder sie verabsäumet. Umb allemahl von denselben rath und unterricht zu haben / nachdem sie / woran es noch manglet / erforschet / wie sie die fache anzugehen haben: Mit der resolution, solchem rath allemahl zu folgen / es wäre dann fache 1 daß ihnen etwas deutlich wider göttlichen IO

Willen zugemuthet würde. Wo es auch scheinet ein zweiffel zu seyn / ob sie diß oder jenes ihrem Nechsten schuldig seyen lieb zu zu thun / oder nicht / daß sie allemahl lieber dahin gehen / es zu thun / als zu unterlassen. Hierzu haben wir 4. auch dieses zu setzen / daß wir genau acht auff uns ceh”4 geben sollen /' wie man wegen der Religionsstrittig'keiten/undgegen 15

die jenige / welche allerdings un- oder falsch-glaubige sind / sich zu verhalten habe / nehmlich / daß wir zum förderisten dahin uns befleissen sollen / wie wir

uns selbs und die unserige / auch übrige glaubens-brüder / in der erkandten warheit bekräfftigen / stärcken / und hingegen vor aller Verführung mit grosser sorgfalt verwahren.

Hiernechst aber auch unserer pflicht gegen die 2O

irrende uns erinnern. Solchen sind wir nun schuldig 1. eifferiges gebeth / daß sie der grundgütige GOtt auch mit dem Liecht / damit er uns begnadet habe /

gleichfals erleuchten / und zu der reinen warheit führen / ihnen alle gelegenheit darzu geben / ihre hertzen darzu bereiten / oder doch endlich mit hinter- ?5 treibung der gefährlich sonst habenden irrthumer das jenige wenige / so sie noch von wahrer erkantnuß deß Heils in Christo übrig haben / also kräfftig

G

st seyn lassen wolle / daß sie noch zuletzt als ein brand auß dem feuer er'rettet

werden mögen. Als welches die krafft ist / der drey ersten bitten ! daß GOTT i Tis seinen Namen auch an ihnen geheiliget / sein Reich zu 1 ihnen gebracht / und 3O ce ns 'seinen >gnädigen willen / an und in ihnen vollbracht werden lassen wolle. 1,5 Zum 2. haben wir ihnen mit gutem exempel vorzugehen / und uns

auffs eifferigste zu hüten / daß wir sie in nichts ärgern: als womit wir sonsten ihnen böse einbildungen von unser wahren Lehre und daher ihre

bekehrung schwerer machen. 35 Zum 3. solle es auch seyn / wo uns GOtt die darzu dienliche gaben gegeben und wir gelegenheit gefunden zu haben hoffen / sie zu gewinnen / daß wir auch gern das unserige thun: mit bescheidener und nachdrücklicher Vorstellung unserer Wahrheit die wir bekennen / zeigende wie so gar dieselbe

31 u. I

Pia desideria

6Z

in der einfalt der Lehr Christi gegründet seye: Sodann auch so krjfftiger als sittsamer remonstration ihrer irrthume / wie dieselbe wider Göttliches Wort streiten / und was vor gefahr solche nach sich ziehen: Alles aber auff die art / daß solche leute mit denen man handelt selbs sehen können / daß man alles 5 thue auß hertzlicher Liebe gegen sie / ohne fleischliche und unziemliche affecten, und wo man je in einiger hefftigkeit übernommen würde / daß solches allein auß reinem eiffer 'vor die Göttliche Ehre geschehe. Sonderlich aber hat man cehi hö sich vor scheltworten und personal anzüglichkeiten zu hüten / welche so bald alles / was man gutes zu bauen gemeynet / nieder reissen. Sehen wir / daß io wir dardurch haben angefangen etwas zu gewinnen / so hat man so viel fleissiger das angefangene / etwa auch mit anderer beyhülffe / fortzusetzen: Sihet 1 man aber / das andere von ihren gefasten Meynungen also einge- a [?2j nommen / daß ob man wol sonsten ein gemüth bey ihnen sihet / so seinem GOtt gern dienen wolte / aber dißmahl noch das vorhaltende nit begreiffen i5 kan / so hat man solche leute dahin zu vermahnen / daß sie auffs wenigste die von uns angehörte warheit nicht lüstern noch übel darvon reden / der fache in der furcht deß HErrn und mit hertzlichem gebeth ferner nachdencken / und in dessen ihrem GOTT nach den jenigen practischen principüs unt> lebens­ regeln / die die meiste / so den Christlichen namen tragen / noch unter sich 2o ziemlicher massen gemein haben / eifferig dienen und in der warheit zu zu­ nehmen trachten sollen. Darzu und ins gemein gegen alle un'gläubige oder irrende solle 4. kom- cehi m? men / die Übung hertzlicher liebe / daß wir zwar ihnen zu ihrem un- und irr­ glauben oder dessen so Übung als fortpflantzung nichts zu willen werden / 25 vielmehr mit eiffer uns demselben widersetzen / aber in andern dingen / welche zu menschlichem leben gehören / zeigen / daß wir sie vor unsere nechsten (wie der Samariter als deß Juden nechster von Ctzristo Luc. 10. vorgestellt wird) ja auch auß recht der allgemeinen schöpffung und gegen alle sich 'er- v [2l] streckenden Göttlichen Liebe (obschon nicht der Wiedergeburt) brüder er30 kennen / und also auch mit solchem hertzen gegen sie gesinnet seyen / wie wir den befehl haben / alle als uns selbs zu lieben. Und ist dieses ein so fleisch­ licher / als an bekehrung solcher leute schädlicher / eiffer / da man einigem ungläubigen oder irrenden seiner Religion wegen schimpff oder leid anthut: Da doch der rechtmässige haß der Religion / die der Person schuldige liebe 35 weder auffheben noch schwächen solle. ' Wie dann / wo wir von der Vereinigung der unter den Christen be- g Q2 findlichen meisten Religionen einige Hoffnung haben solten/'vielleicht dieses cehi n8 27 Luk 10, 29—37 9 nieder rissen AF 29 nit + ou6 E

12 Wihet HI

nicht + auß GH1

26 zum menschlichen Hl

64

PH. I. Spener

der nechste und von GOTT gesegneteste weg seyn machte / daß wirs nicht

bloß alles / bey denen nunmehr mit so viel fleisch- als geistlichem eiffer erfülleten gemüthern ' welche beschaffenheit die Disputationen fruchtloß machet / auff das disputiren setzeten. Es ist zwar an dem / daß die Vertheidi­ gung der reinen warheit / und also auch das disputiren / so ein theil der-

5

selben ist / muß in der Kirchen so wol erhalten werden / als andere zu der er-

bauung verordnete Verrichtungen: Und stehet uns Christus / die Apostel und dero Nachfolger zum geheiligten Exempel vor äugen / die auch disputiret / das ist die gegentheilige irrthume kräfftig widerleget / und die warheit beschützet.

Hingegen würde der jenige die Christliche Kirche in die gröste gefahr stürtzen / der diesen nothwendigen gebrauch deß geistlichen Schwerdts / deß Göttlichen Worts ! so fern es gegen die irrigen lehren gebraucht werden solle ; weg­ nehmen und verwerffen wolte. Aber ich bleibe nichts destoweniger bey dem

von unserm Sel. Arndten stattlich erwiesenen satz. Wahren Christenthum.

ce ii91 * 39‘ Daß die lauterkeit der lehre und deß 'Gott1 liehen Worts -r nicht

allein

mit

disputiren

und

vielen

Büchern

erhalten

werde / sondern auch mit wahrer busse und heiligem leben. Zu dessen erkantnuß auch die vorige zwey Capitel gehören: Wer Christo mit glauben / heiligem leben und stätiger busse nicht folget / der kan von der blindheit seines hertzens nicht erlöset werden/ 20

sondern

muß

in

der

ewigen

finsternuß

bleiben: Kan

auch

Christum nicht recht erkennen / noch gemeinschafft und theil

an ihm haben. Und: das unchristliche leben ist eine ursach falscher / verführischer lehr / Verstockung und Verblendung. Also achte ich 1. daß nicht alles disputiren nützlich und gut / -5 sondern es heisset zuweilen von einigem / wie unser Sel. Lutherus ge­

sprochen: Neque enim docendo sed disputando amittitur veritas.

Hoc

enim malum disputationes secum afferunt, quod animi quasi profanantur & rixis occupati quae praecipua sunt negligunt.

Das ist: Nicht durch

"0 lehren / sondern durch viel disputiren 'wird'die warheit ver- 3°

1120 'lohten. Dann diß böse bringen die Disputationes mit sich / daß

die gemüther dardurch verdorben werden / und wann sie mit dem gezänck zu thun haben / versäumen sie darüber / was sie

fürnemlich treiben solten/und was das vornehmste ist. Ach wie

offt sind die Disputanten selbs leute ohne geist und glauben / mit fleischlicher 35

15ff. Kapitelüberschrift I, 39, S. 257ff. 18ff. Kapitelüberschrift 1/ 37, S. 237ff. 23ff. Kapitelüberschrift I 38, S. 251 ff. 27 Vor­ lesung über die Stufcnpsalmen 1532/33, WA 40, 3, 361 zu Ps. 130, 5 14 S EGHI

Arenden G

25 gut + sene EGHI

29 d. i. I

W. Cbristent. AF

18 2. III

65

Pia desideria

weißheit / obwol auß der Schrifft (dann auch alle wiffenschafft die wir auß eigenen natürlichen kräfften / und bloß menschlichem fleiß ohne das liecht deß Heiligen Geistes / auß der Schrifft fassen ' ist eine fleischliche weißheit oder wir mästen sagen / daß die vernunfft der Sittlichen weißheit fähig 5 seye?) erfüllet / allerdings aber von GOtt nicht gelehrt? Was ist dann von solchen zu hoffen? Wie offt bringt man frembd feuer in das Heiligthum deß HErrn / das ist eine frembde absicht / nicht auff Gottes sondern eigene ehre? Darüber aber solche Opffer 1 GOtt nicht gefallen / sondern seinen 93 fluch herzu ziehen / und mit solchem disputiren nichts außgerichtet wird. 10 Wie offt ist die behauptung dessen / was man einmahl 1 gese'tzet / der rühm ceh i,r eines subtilen Verstands und scharpffsinnigkeit und die Überwindung deß gegeners / sie möge geschehen auff was weise sie wolle / vielmehr die regel / nach welcher man gehet / als die Untersuchung und erhaltung der warheit? Dardurch etwa der Widersacher also geärgert wird / daß ob er wol nicht zu 15 antworten vermag / die erkandte art / wie man gegen ihn gegangen / die gespürte fleischliche affecten, eingenommene scheltwort und dergleichen dinge/ so nur nach dem Menschen schmäcken / alle seine sonst verhoffte bekehrung hindern. Gölte man vieles bißheriges disputirett recht examiniren / so würde man bald diesen bald jenen mangel finden / und ist wol zu glauben / -o daß auch solches die ursach / daß nicht alles was man verlangt / dardurch er­ halten / vielen aber damit das disputiren dermassen zuwider worden / daß sie gar einen unziemlichen haß dagegen gefasset / und nunmehr dem dispu­ tiern beymeffen wollen / was dessen mißbrauchö schuld ist. 1 Gleichwie aber nicht alles disputiren löblich und nützlich / also ist auch a l-zl =5 2. das rechte disputiren nicht das einige mittel / 'der erhaltung cehi der warheit / sondern erfordert andere neben sich. Ja / wo man vor hat / es allein darbey bleiben zu lassen / was der einige und völlige zweck deß disputirens an sich selbst ist / und wo es am besten angestellet werden möchte / nehmlich die rettung der wahren Lehr von den falschen Meynungen / 3° und dero Widerlegung / daß der menschliche verstand erkenne / dieser lehrsatz seye Göttlichem Wort wie es laute gemäß / jene entgegen (wie es bey den­ selben fast geschiehet / welche etwa kaum weiter gedencken / als das sie viel Lutherisch machen möchten / nicht aber ferner ihnen lassen angelegen seyn / wie sie auch bey solcher bekantnuß wahre Kern-Christen würden / und daher 35 die wahre bekändtnuß gleichsam als eine faction, die nur gestärckt möge werben / nicht aber als einen eingang zu dem weg / worauff man GOTT künfftig eifferig dienen wolle / ansehen) so wil GOtt auch hierzu seinen segen nicht geben / noch dieses allemahl erhalten lassen werden. Sondern soll GOttes Ehre recht befördert werden / so muß dieses noch weiter dahin gerichtet 3 .fr. AF

.freit l

15 wan H

20 ursach + seye EGH l

66 cehi

PH. I. Spener

123 werden / daß der gegentheil dadurch 'bekehret tönte werden / und daß man auch die gerettete Warheit wolle zu schuldiger danckbarkeit und heiligem ge­ horsam gegen GOTT anwenden. Nun ist solche convictio intellectus oder Überzeugung der warheit bey weitem noch nicht der glaube / sondern zu diesem

F [2=1 gehöret ein mehrers / da also der Vorsatz seyn muß / so 1 wol auch solches

5

übrige / damit der irrende möchte bekehret werden / hinzu zuthun / als auch was ihn daran hinderte wegzuräumen: Vor allem aber die begierde / nach­

mahlen in uns und allen andern dasjenige / was wir erkennen werden / zu weiterer Ehre GOttes anzuwenden / und ihm in solchem Liecht auch zu dienen. Wohin die herrliche Sprüche Christi gehören. Joh. 7/17. So jemand wil deß (nemlich deß Vatters der ihn gesandt hat) willen

thun/der wird innen werden / ob diese Lehre von GOtt sey/ g

ce

94 'oder ob ich von mir selbs rede. Also /daß unserHeyland von keinem andern sagt / daß derselbe recht in seiner Seelen göttlich versiegelt seye von der Göttlichen Warheit seiner Lehr / es sey dann auch der Wille da / den 124 Willen deß Vatters zu thun / 'und ' also es nicht bey dem einigen wissen 124 bleiben zu lassen. Wiederumb Joh. 8/31. 32. So ihr bleiben werdet/

an meiner rede/so seyd ihr meine rechte Jünger/und werdet die warheit erkennen/und die warheit wird euch frey machen. Und 14/21. Wer meine gebott hat und hält sie / dec ists der -

mich liebet/wer mich aber liebet/der wird von meinem Vatter

geliebet werden / und ich werde ihn lieben / und mich ihm offenbahren. Auß welchem allen erhallet / daß so wol bey uns selbs die warheit zu erhalten / als auch den noch irrenden sie beyzubringen / daß visputiren nicht -5 gnug seye / sondern die heilige Liebe GOttes vonnöthen ist. Ach / wo wir Evangelische uns auff das eifferigste liessen angelegen seyn / GOTT die früchten seiner warheit in hertzlicher liebe zubringen / und also einen unserm

beruff würdigen wandel zu führen / und solches in kantlicher ungefärbter

liebe gegen unserm nechsten / auch die irrgläubige / zuerzeigen / mit Übung 30 oben angeregter pflichten: Sodann die noch irrende auch dahin trachteten 125 ^ariu 1 wir sie 'selbs zu weisen) daß sie / wo sie noch die von uns bekennende CEH 125 warheit nicht begreiffen kinten / auffs wenigste anfangen wolten / GOtt ce»

nach dem maß der erkantnuß / was sie etwa noch auß der Christlichen Lehr übrig haben / eifferig zu dienen / in Liebe GOttes und deß Nechsten: So 35 ist kein zweiffel nicht / daß GOTT nicht würde so wol uns in der warheit

immer weiter zunehmen lassen / als auch die freude geben / andere / deren irrthum wir jetzt beklagen / bald in einem glauben neben uns zu sehen.

67

Pia desideria

Dann sein Wort hat einmahl die krafft / wo sie nicht entweder von denen die solches führen / oder bey denen es geführet wird / boßhafftig gehindert wird / die hertzen zu bekehren: So thut auch der heilige wandel selbs zu der

bekehrung viel. 5

Welches uns Petrus lehret. 1 / 3 /1. 2.

Wie aber der Prediger ampt in allen diesen dingen / die der Kirchen besserung betreffen / das allermeiste thun muß / daher gleichwie die mangel

an ihne grossen schaden thun / also soviel mehr daran gelegen ist / daß man solche teute habe / die zum allerförderisten selbs wahre Christen seyen / und dann die Göttliche weißheit haben/auch andere 'auff 'den Weg deß HErrn 1126 10 vorsichtig zu führen; so würde dann ein grosses zu der Kirchen besserung ClsHl26 thun / ja gantz nöthig seyn / daß man keine andere als solche leute die darzu tüchtig wären beruffete / und ins gesampt in dem beruffswerck auff nichts anders als die Ehre GOttes (hindangesetzt aller fleischlichen absichten / auff

gunst / freundschafft / geschenck / und dergleichen unziemliche dinge) einig

15 und allein abzweckte. Wie dann die in dem beruffs-werck begehende fehler eine nicht der geringsten Ursachen sind / der bey der Kirchen befindlichen Mängel / so wir aber dißmal nicht außführen.

1 Solle man aber dergleichen tüchtige Personen zu dem Kirchendienst g beruffen / so muß man auch solche haben / und daher in den Schulen und auff 20 Universitäten erziehen. Ach GOTT gebe gnädiglich / daß alles hierzu ge­ höriges auff Universitäten fleissig von den Professoribus Theologiae beob­ achtet werde / und sie darvor sorgen Helffen / wie daß nicht nur von

dem eifferigen Johan. Matth. Meyffarten Sel. sondern auch vor 4 1. Petr 3, 1 ff. 23 Johann Matthäus Meyfart (1590—1642), sei 1616 Professor und später Direktor am Gymnasium inKoburg, seit 1633 Pastor und Prof, an der Universität Erfurt: Vgl. Christliche Erinnerung Von der Auß der Evangelischen Höchen Schulen in Teutschlandt an manchem ort entwichenen Ordnungen vnd Erbaren Sitten, vnd bey dißen Elenden Zeiten eingeschlichcnen Barbareyen ... 1636, Bericht / Daß die auff Universiteten durch boßhafftige Studenten / Als insonderheit der Sophisten / Schönsten / Pennalisirer / ... Derderbung der Jugend in Rechten Verdampt / vnd großer Straff würdig sei ... HrSg. Joachim Schröder, Rostock (Hallervord) 1642, Bildniß Eines waaren Studenten der heiligen Schrifft / genommen auß dem Ehrlichen Leben deß ... Propheten Daniels, Erfurt 1634. — Don Schröder sind gleich­ falls herausgegeben worden: Hoffarts-Spiegel ... Rostock 1643 (Predigt Joh. Schmidts gegen KleiderluxuS der Studenten usw.), Mordspiegel, Rostock 1644 (Predigt Schmidts gegen die Duelle), Speculum disciplinae ecclesiasticae Rostock 1643 (aus Luther). Er hat auch selbst gegen das studentische Leben geschrieben: Hertzwecker, 1642. Zu Joh. Schmidt vgl. S. 69, 11

4 vieles EGHI ligen EGHI

9 Göttl. I

23 Joh. EG

S. AF

Se­

95

68

PH. I. Spener

und nach ihm von

so vielen andern gottseligen Hertzen wehemüthig

^'klag'tes und meistens bey aller Facultittn Studiosis übliche unchrist-

liche Academische leben mit nachtrücklichen mitlen abgeschafft / und ge­

bessert würde / daß die Akademien / wie es billich seyn solte / auch recht als Pflantzgürten der Kirche in allen Stünden und Werckstütte deß Hei-

5

ligen Geistes / nicht aber deß Weltgeistes / ja ehrgeitz-sauff-balge-zanckteuffels zu seyn an dem äusserlichen leben der Studiosorum erkant

möchten werden. Gleichwie nun hier die Herren Professores mit ihrem Exempel selbs A l-4) ein grosses thun können / (ja 1 ohne solches schwerlich die rechte befferung zu -

hoffen) wo sie sich darstellen als solche leute / die der welt abgestorben / in

nichts ihre eigene ehre / gewinn oder Wollust / sondern in allem allein ihres Gottes Ehre und der anvertrauten heil suchten / und nach solchem zweck

alle ihre Studia, Bücherschreiben / Lectionen, Collegia, Disputationen und

Verrichtungen einrichteten: damit also Studiosi ein lebendiges Muster 15 Hütten / nachdem sie allerdings ihr leben zu reguliren. Weil wir je so ge-

CE« 128 artet sind /daß Exempel bey uns soviel als die1 Lehre selbs/ 'zuweilen auch noch mehr außrichten.

Greg. Nazianz. sagt in Epit. Basil. Oratio Basilii

erat tonitru, quia vita ejus fulgur.

Basilii rede und lehr War (an der

krafft)als ein donner/weil sein leben als ein blitz war. Daher -0

sie auch an ihren tischen guter disciplin un keinem muthwillen wegen deß gewinnes platz zu geben haben: über tisch sollen billich erbauliche gesprüch

von ihnen gehalten / unziemliche aber / sonderlich worinnen Göttliches Wort / Sprüche / Gesüngformulen und andere dergleichen Worte in ver­

kehrtem verstand zu bösem mißbrauchet werden (wordurch mehr böses ge- -5

schiehet / als man dencken möchte / ja offt gottseligen gemüthern in ihrer an­

dacht auff ihr lebenlang / so offt sie an solche wort kommen / ein anstoß ge-

setzet wird) abgewendet / auch wol mit ernst bestrafft / nicht aber mit wol­ gefallen angehiret werden. Nechstdeme so solle billich ohn unterlaß den Studiosis eingebildet 30

werden / daß nicht weniger an gottseligem leben als ihrem fleiß und studiren gelegen / ja dieses ohn^ jenes nichts würdig seye. Deß alten Justini becehi 129 kandte rede/soll allezeit uns in den ge'dancken seyn.

Res nostrae religionis

18/20 Carm. 119, cd. Bened. II, 1156/57, 40: tonitruum erat oratio tua, fulgur autem vita — ßpovrf) cteio Xöyo$, äoiEpoirf) 66 ß(o$ 32 33 coh. ad Graec. 35, Otto III, 110/111: oO yöcp 6v Xöyoi$ AXX’ 6v 6pyois Ta Tq$ f)peT£pa$ Oeoaeßefas irpäynaTa 5 £>. AF Heil. I 6 nicht aber deß welt-geisies / > G weitgeisteS I 11 hoffen + i’REGHI 15 also + die GF 18 mehr > I

69

Pia desideria non in verbis sed in factis consistunt.

Worten sondern in thaten.

Unsere Religion stehet nicht in

Als welches er von S. Paulo gelernet / das

Reich GOttes bestehe nicht in Worten sondern in frasst 1. Co­ rinth. 4/20. Es wäre1 ihnen stärig zu remonstriren / wo es im mensch- f [23]

5 lichem leben hiesse: Qui proficit in literis & deficit in moribus, plus deficit quam proficit, wer an geschicklichfeit wachse und nicht an guten sitten / der lerne mehr hinder sich als vor sich: So gelte es vielmehr in dem geistlichen /

wo einmal / weil Theologia 1 ein Habitus practicus ist / alles zu der praxi G 96 deß Glaubens und Lebens gerichtet werden muß. Deßwegen hingegen der

10 Christliche und umb die Straßburgische Kirche so wol verdiente Sel. v. Jo­ hann Schmidt / mein in Christo geliebter Vatter / dieses (Libell. Repud. Conc. 2. pag. 37.) nennt Ein grosses und schrickliches idolum oder gihen / daß man aufs Hohen-Schulen und Universitäten /

wann man auch gar fleissig seyn wil / gar sehr neben dem J5 rechten zweckhinschiesset /derda 'seye iba$ GOtt geehret werde/ CEHI *3» oder etwas deutlicher / daß die wahre / unverfälschte Christ­

liche Religion / die hertzliche

Übung der

Gottseligkeit und

Christliche rügend destobesser gepflanhet /getrieben und in die gemüther eingetruckt werde. Do auch seine übrige Dort werth sind -0 gelesen zu werden. Da er es zuletzt einen greuel der Verwüstung nennet. Der seiner vornehmlich zu rettung der wahren Lehr außgegebener Schrifften wegen berühmte Theologus Herr D. Abraham Calovius, mein insonders hochgeehrter gtnner / ziehet (Paedia Theol. 1. 2. pag. 57.) die

25 Ursachen kurtz zusammen welcher wegen ein Studiosus Theologie sich eines gottseligen lebens befleissigen müsse: So zu Teutsch also lauten migen.

5f. vgl. Binder/ Novus Thesaurus adagiorum lat, 1861/ Nr. 2796 S. 310 11 1594—1658/ ab 1623 Professor, seit 1629 dazu Präses des Kirchenkonvents in Straßburg: Libellus repudii oder Schrecklicher Scheid- vnb Abfagbrieff deß eiverigen / gerechten Gottes / an alle Vnbußfertige vnb Heuchler ... Buch der Richter cap. 10 ... in Neun ... Predigten... erkläret ... Straßburg 1640, leicht gekürzt 23 ff. Abraham Calov (1612—1680), 1639 Prof, in Rostock, 1643 Pfarrer und Rektor des Gymnasiums in Danzig, 1650 Prof, und seit 1652 dazu Generalsuperintenbent in Wittenberg. Einer der streitbarsten Theo­ logen der Orthodoxie. Calov stand zu Spener jedoch freundlich (am 11. Okt. 1675 schreibt er Spener: Pia desideria ... sunt et mea desideria in Gründ­ liche Beantwortung 1693, I, 28 S. 40): Paedia theologica de methodo studii theologici... Wittenberg (A. Hartmann) 1652, S. 57 f.

1 consistunt. + 6. t I 2 Sanct EHI 6 proficit, 4- b. i. I 10 Christs. AEG Selige EH

5 heisse EGHI 10/11 Ioh. HI



PH. I. Spener

1. Weil der Apostel seinen Timotheum also unterrichtet. 2. Tim. 2. v. 24. 1. Tim. i

18. 19. Cap. 3. v. 2. Cap. 4. v. 7.12. Tit. 1. vers 17.

2. Der Heilige Geist der wahre und einige Lehrmeister nit wohnet in einem hcrtzen der fünden Unterthan. Joh. 16,13'Die welt kan 1 den Geist der Warheit nicht emp- 5 ’3 fangen. Joh. 14, 17. 3. @tn Studiosus Theologiae gebet umb mit der

CEH,31 I. joh. 2. 27.

Göttlichen Weißheit

die nicht fleischlich /sondern geistlich und

Jac. 3,15. deren anfang ist die forcht deß tzErrn. Psal. 111,9. Proverb. 1,7.9.10. 4. Die Theologi stehet nicht in

heilig ist.

blosser wissenschaffr / sondern deß hertzens affect und in der 10 Übung. (Wie wir erst auß Justino gehört.) 5. Selig ist (sprachen die alte)

wer die Schrifft in Wercke kehret. Wisset ihr dieses / sagt CHristus. Johan. 13,17. Selig seyd ihr so ihrs thut. Sollen also Christi Jünger die Schrifft also forschen / daß sie sie zur Übung bringen /und thun was sie wissen. 6.Hingegen kommt 15 die Weißheit nicht in eine boßhafftige Seele / und wohnet nicht in einem Leibe der Sünden Unterthan. Weißheit cap. 1. v.4. Wer also den Sünden nachhinget / kan keine Wohnung

cEHi32beg Heiligen Geistes werden. '7. Wie die Leviten / ehe sie in 1J32 bie Hütten deß Stiffts ein'giengen / vorhin sich waschen 20 musten / 2. Mos. 30 /18. 1. Kön. 7 / 23. 2. Chron. 4 / 2. Also sollen

sich auch der Heiligung und reinigung deß lebens die jenige beG 97 «fleissigen / die einmahl in der Hütte deß HERRN auß- und

eingehen wollen. Ach wolte GOTT / diese Wort stünden aller orten vor und in allen Auditorüs, und in jegliches Studiosi studierstüblein ihm 25 stttig vor äugen / ja in seinem hertzen / so würden wir bald eine andere

Kirche haben. Ich kan nicht unterlassen / auch hieher zu setzen die Wort deß lieben und gottseligen Theologi D. Joh. Gerhard Harm. Evang. cap. 176. pag.

1333. b. Qui dilectione Christi destituti sunt, qui negligunt pietatis stu- 3O dium, non assequuntur pleniorem Christi cognitionem ac abundantiorem 2 f. 1. Tim 3, 2 ff. Tit 1, 7ff. 2, 7 ff. 4 Joh 16, 13? 5 1. Joh 2, 27? 9 Psalm 111, 10 Prov. 1, 7; 9, 10 21 f. Ex 30,18ff. 1 Kön. 7, 23—26; 2 Chron. 4,2—6 29ff. Spener be­ nutzt die Ausgabe Frankfurt u. Hamburg 1652, II, 2, 1333 (vorh. Univ.Bibl. Bonn)

1 2 2. Timoth. 2. vcrS 28. 29. Cap. 3 v. 2. Cap. 4. verS 7. 12. Tito. 1. vers 17. AF 3 H. AF Heil I l 3 0 > I verS > HI 9 Psalm EGH 5 Joh. 2, 27 AF 6 Joh. 14. V. 17. H Prov. AFGI 13 Joh. 13. vers. 17 H 19 H. AF Heil. 1 21 2. B. Mose ... l.B. Kön ... 2. B. Chron. I

Pia desideria

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Spiritus S. donationem: ac proinde ad veram, vivam, practicam & salu-

tarem rerum divinarum notitiam consequendam non sufficit scripture lectio&scrutatio, sed oportet ut etiam accedat Christi •dilectio, ■hoc est < EH fuga peccatorum contra conscientiam, quibus Spiritui S. obex ponitur, A 5 & 1

serium pietatis Studium.

Psalm. 25, 14. m,

10.

Prov. 1, 7. 9.

133

10. 1 t *l3

Sir. 1,16. Johan. 7,17. Ephes. 3,18. Die da die wahre Liebe CHristi nicht haben / und die Übung der gottseligkeit unter­ lassen / erlangen nicht die billigere erkanbtnuß CHristi / und io

reichlichere schenckung deß Heiligen Geistes: Und daher die wahre / lebendige / thätliche und heilsame erkantnuß Sitt­

licher dinge zu erlangen ist nicht gnug die Schrifft lesen und forschen / sondern es ist vonnithen /daß auch die Liebe Christi darzu komme / das ist / daß man sich hüte vor fünden wider

das gewissen / damit dem Heiligen Geist ein riegel vorge-5 schoben wird / und

sich

der gottseligkeit ernstlich befleisse.

Gewißlich wo einmahl dieser gründ bey den Studiosis Theologie gelegt wäre / daß sie nur glaubten / sie müssen bereits der Welt abfierben / in ihren

ersten studier-jahren / 1 und ein leben führen / als solche die dermal eins Fürbilde der Heerde werden sollen: Und das seye nicht nur eine zierde /

ceh

sondern

1 -34

1 ein gantz nothwendig werck / ohne welches sie zwar Studiosi

- 34

einer so zu reden Philosophie de rebus sacris, nicht aber Studiosi Theo­ logie, die da in dem iiety deß Heiligen Geistes allein erlernet wird / seyn

und gehalten werden: Dahingegen viel darvor halten / es stehe zwar fein 25

an einem Studioso Theologie, daß er auch wol lebe / aber es seye eben nicht so nöthig / wo er nur fleissig studire und ein gelehrter Mann werde / ob er

schon in aller solcher zeit sich von dem welt-geist regieren lasse / und mit

andern in aller welt-lust mitmache / so habe es nicht hoch auff sich / und seye

zeit gnug / wo er einmahl ein Prediger werde / und alsdann das leben ändere; gerade als wäre solches allemahl in unserm vermögen / und hinge 30

nicht die fest eingetruckte welt-liebe alsdann den lenken gemeiniglich in dem gantzen leben an: Daher solche böse meynung uns so grossen schaden thut. Wo sage ich / dieses alles erstlich den Studiosis Theologie bey dem anfang ihres studii Theologie! 1 vorgehal'ten und inculciret würde / so hoffte ich / solle es nachmahl die ganhe zeit ihres studii ja deß lebens / viel früchte nach

ce 135

135

ziehen. 1 Darzu wäre sonderlich diensam / daß Herren Professores auff der

g

9s 1135

ihnen anvertrauten Studiosoimm leben so wol als auffdie studia acht geben /

f

[24]

35 sich

5 Prov. 1,7; 9,10

6 d. i -l- I 22 Heil. A H. F

6 Eph. 3,16ff. 9 £. AF Heil. I 36 bafi + die AF

14 Heil. AGI

H. F

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PH. I. Opener

und denen die es bedörffen deßwegen offt zusprechen / auch gegen die jeuige / welche zwar stattlich studiren / aber auch stattlich schwermen / sausten / prachLiren / ihren ehrgeitz in den Studiis und andern hervor lassen / und in summa zeigen sie leben nach der Welt / nicht nach CHristo , sich also anstellen / daß sie sehen müssen / sie seyen deßwegen bey den Praeceptoribus veracht / und Helffen sie ihre stattliche Ingenia und gute Studia nichts / sondern man sehe sie als leute an / die so viel schädlicher einmahl seyn würden / als mehr gaben sie empfangen: Hingegen / daß jene gegen andere / welche ob sie in studiis den vorigen nicht gleich sind / jedoch ein recht gottselig leben führen / öffent­ lich und absonderlich zeigen / wie lieb sie ihnen seyen / und den andern weit er.» 136 vorgezogen werden. 'Za auch /daß man diese allemahl jenen in der befirderung vorziehe / oder vielmehr sie allein befirdere / die andern aber also lang i 136 von aller Hoffnung der befirderung auß'schliesse. biß sie sich gantz geändert / wie auch in der that es billich so seyn solle. Dann gewiß ist / ein obwol mit wenigem gaben gezierter mensch / der aber GOtt hertzlich liebet / wird mit seinem geringern Talente und Studiis der Gemeinde GOttes mehr nutzen / als ein doppel-doctor-mässiger vanitätischer welt-narr / so zwar voller kunst steckte / aber von GOTT nicht gelehrt ist. Dann jenes arbeit ist gesegnet / und er hat den Heiligen Geist bey sich / dieser aber allein ein in der that fleisch­ liches wissen / damit er so leicht mehr schaden als nutzen kan. Es michte auch etwa nicht übel seyn / wo alle Studiosi von jeglicher Universität zeugnüssen mitbringen müsten / nicht aber nur allein der geschicklichkeit und fleisses / sondern auch gottseligen lebens: Hingegen / daß dann solche zeugnüssen mit grossem bedacht gegeben / nimmermehr aber einem nicht wolverdienten ertheilet würden. Diese mittel Mächten wol zu geh 137 wegen bringen / 'daß Studiosi Theologie sehen /wie näthig ihnen das seye / woran offt die wenigsten gedencken. 1 *3? 1 Nechstdeme so hätten dann die Herren Professores nach ihrer eigenen Dexteritit wol zu beobachten / welche Studia etwa jeglichem der Studiosorum, nach beschaffenheit dero Ingenii, Datterlands / hoffender Promotion, und dergleichen / nützlich und näthig sind. Wo zwar freylich mit einigen die Controversiae mit mehrerm eiffer ex professo getrieben werden sollen und müssen; massen der Kirchen näthig ist / daß sie allezeit auch gnugsam außgerüstet seye mit leuten / die den feinden der Wahrheit den kopff bieten / und nicht zulassen i daß jeglicher Goliath ungescheut dem zeug Israel hohn spreche / sondern / daß man auch einige David habe / die hervor tretten und denselben begegnen dirffen. Solte sich gelegenheit finden / daß der von dem 2 3 pachtiren I geändert + hätten EGHI 19 H. AF Heil. HI

3 bevor HI 11 oer > F 13 sich > F 14 rote + ct EGHI es > EGHI sott AF 24 denn AF 34 mit + den EGHI

s

10

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30

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Pia desideria

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vortrefflichen Theologo D. Nicolao Hunnio seliger in seiner Consultation gethaner Vorschlag in das werck gerichtet würde / so wäre solcher fach etlicher massen geholffen. Bey andern bedarff es nicht eben so sehr/'daß dieses ihr eigenes Haupt-studium seye / jedoch müssen sie sich gleichwol auch also

ceh i3b

5 rüsten / daß sie bey begebender gelegenheit 1 vermögen 1 den Widersachern das maul zu stopffen / und ihre Gemeinden dermahl eins vor irrthum zu verwahren. Wo wir sonderlich zu wünschen haben / daß die jenige / in dero

Datterland etwa Jüden wohnen / umb an solchen ihr Ampt zu thun / auch in denen Controversien, die wir mit denselben haben fleissiger geübet würden: r