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German Pages 2320 [2321] Year 2002
Nikolaus von Kues Philosophisch-theologische Werke Band 1-4 Lateinisch- Deutsch
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I.
NIKOLAUS VON KUES
Philosophisch-theologische Werke Lateinisch- deutsch Mit einer Einleitung von Karl Bormann Band 1
FELIX MEINER VERLAG HAMBURG
NIKOLAUS VON KUES PHILOSOPHISCH-THEOLOGISCHE WERKE Lateinisch- deutsch BAND I
De docta ignorantiaDie belehrte Unwissenheit BAND 2
De coniecturisMutmaßungen Idiota de sapientiaDer Laie über die Weisheit Idiotade menteDer Laie über den Geist BAND 3 De berylloÜber den Beryll Tu quis es (De principio)Über den Ursprung Trialogus de possestDreiergespräch über das Können-Ist Dialogus de Judo globi Gespräch über das Globusspiel BAND
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De venatione sapientiaeDie Jagd nach Weisheit CompendiumKompendium De apice theoriae Die höchste Stufe der Betrachtung
NIKOLAUS VON KUES
De docta ignorantia Die belehrte Unwissenheit
FELIX MEINER VERLAG HAMBURG
Die lateinischen Texte sind der kritischen Edition der Heidelber ger Ausgabe Nicolai de Cusa opera omnia entnommen und wer den hier ebenso wie die deutsche Übersetzungen seitengleich ab gedruckt aus: Nikolaus von Kues. Schriften in deutscher Übersetzung. Im Auftrag der Heidelberger Akademie der Wis senschaften herausgegeben von Ernst Hoffmann (†), Paul Wilpert (†) und Karl Bormann. Die belehrte Unwissenheit. Übersetzt und herausgegeben von Paul Wilpert (†) und Hans Gerhard Senger. Buch I. 4., erweiterte Auflage 1994, besorgt von Hans Gerhard Senger (PhB 264a). Buch II. 3., verbesserte Auflage 1999, besorgt von Hans Gerhard Senger (PhB 264b). Buch III. 2., verbesserte Auflage 1999, besorgt von Hans Gerhard Senger (PhB 264c).
Im Digitaldruck »on demand« hergestelltes, inhaltlich mit der ursprünglichen Ausgabe identisches Exemplar. Wir bitten um Verständnis für unvermeidliche Abweichungen in der Ausstattung, die der Einzelfertigung geschuldet sind. Weitere Informationen unter: www.meiner.de/bod Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographi sche Daten sind im Internet über ‹http://portal.dnb.de› abrufbar. isbn 978-3-7873-1624-3 ISBN eBook: 978-3-7873-2666-2 © Felix Meiner Verlag GmbH, Hamburg 2002. Alle Rechte vor behalten. Dies gilt auch für Vervielfältigungen, Übertragungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, soweit es nicht §§ 53 und 54 URG ausdrücklich gestatten. Gesamtherstellung: BoD, Norderstedt. Gedruckt auf alterungsbeständigem Werkdruckpapier, hergestellt aus 100 % chlorf rei gebleichtem Zellstoff. Printed in Germany. www.meiner.de
INHALT BAND 1
Einleitung. Von Karl Bormann ..................... VII De docta ignorantia Die belehrte Unwissenheit Liber primus I Buch I Inhaltsübersicht von De docta ignorantia I Text und Übersetzung ............................. 213 Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verzeichnis der Siglen ............................. Literaturnachweis ................................ Nachtrag ...................................... Bibliographischer Nachtrag (1977-1993) ............. Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Nikolaus zitierte Autoren und Eigennamen, Bibelzitate, zitierte Handschriften, Verweise auf die Werke des Nikolaus, zitierte Autoren, wichtige Begriffe (lateinisch-deutsch)
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Liber secundus I Buch II Inhaltsübersicht von De docta ignorantia II Text und Übersetzung ............................. 213 Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 Verzeichnis der Siglen ..... :·....................... 143
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Inhalt
Literaturnachweis ................................ 145 Bibliographischer Nachtrag (1968-1998) ............. 151 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 Von Nikolaus zitierte Autoren und Eigennamen, Vorverweise auf De coniecturis, Bibelzitate, zitierte Handschriften, Verweise auf die Werke des Nikolaus, zitierte Autoren, wichtige Begriffe (lateinisch-deutsch)
Liber tertius I Buch III Inhaltsübersicht De docta ignorantia III Text und Übersetzung ............................. 2/3 Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verzeichnis der Siglen ............................. Literaturnachweis ................................ Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Nikolaus zitierte Namen, Autoren und Schriften, Bibelzitate, zitierte Handschriften, Verweise auf die Werke des Nikolaus, zitierte Autoren, wichtige Begriffe (lateinisch-deutsch) Nachtrag zur zweiten Auflage ...................... Bibliographischer Nachtrag (1997-1999) .............
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EINLEITUNG
I. Zwischen Mittelalter und Neuzeit? Seit der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts hatte die Philosophie des Aristoteles großen Einfluß erlangt. Vom 14.Jahrhundert an gewann jedoch das platonisch-augustinische Denken in der fortwährenden Auseinandersetzung mit den Aristotelikern wieder das Übergewicht, das es vor der Aristotelesrezeption besaß. Dieses von Platon, den Platonikern, von Augustinus und Boethius geprägte Denken trat während der Übernahme und Umformung der aristotelischen Lehren, welche die mittelalterlichen Philosophen und Theologen in lateinischer Übersetzung kennenlernten - nur sehr wenige waren der griechischen Sprache mächtig-, etwas in den Hintergrund, blieb aber stets lebendig und bildete im 13. Jahrhundert eine kräftige Opposition gegen den Aristotelismus. Im 15. Jahrhundert ist Nikolaus von Kues einer der Hauptexponenten des Platonismus. Nikolaus von Kues ist kein Scholastiker, was sich ergibt, wenn man sich die Charakteristika der Scholastik vergegenwärtigt. Scholastik ist- entgegen manchen gedruckten Auslassungen- eine mittelalterliche Form von Wissenschaft überhaupt, also von Medizin, Jurisprudenz, Theologie und Philosophie; in der vermeintlichen Einschränkung der Scholastik auf Theologie und Philosophie präsentiert sich ein Irrglaube. Diese Form von Wissenschaft entwickelt sich in den Domschulen und freien Schulen 1, aus denen im 13. und 14. Jahrhundert die Universitäten 2 hervorgehen. Die scholastischen Wissenschaften arbeiten über Texte, und zwar vielfach über das neu erschlossene Material griechischen, hebräischen und arabischen Ursprungs; in den sogenannten Artistenfakultäten, aus denen die philosophischen Fakultäten hervorDaher der Name Scholastik. Universitas = Zunft oder Genossenschaft der Lehrenden und Lernenden. 1
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gingen, wurde hauptsächlich über die Schriften des Aristoteles gearbeitet, unter dessen Namen auch Exzerpte aus Texten spätantiker Platoniker kursierten. 3 In Forschung und Lehre entwickelt die Scholastik eine ganz bestimmte Dokumentationstechnik und eine literarische Form der Darstellung. Keines dieser Merkmale trifft für Nikolaus von Kues zu: Er war nie magister der Philosophie oder der Theologie, auch nicht der Rechtswissenschaft, wenngleich er wahrscheinlich kurze Zeit als doctor iuris canonici in Köln Vorlesungen hielt; er arbeitete nie kommentierend über Texte 4, und seine Dokumentationstechnik ist nicht die scholastische. Dasselbe gilt von der literarischen Form seiner Schriften. Wollte man ihn aber schon deshalb der Neuzeit zurechnen, so wäre das eine vorschnelle Zuordnung; Cusanus empfing stärkste Anregungen von Augustinus und Proklos, von denen er mehrere Schriften besaß, wie durch die zahlreichen Randbemerkungen bewiesen ist; weiterhin steht er unter dem Einfluß des Ps.-Dionys, der seinerseits von Proklos abhängig ist und den Neuplatonismus ins Christliche umsetzte. Des weiteren ist Cusanus beeinflußt vonJohannes Eriugena und durch die platonisierende Schule von Chartres (12. Jhdt.), die sich vielfach an die Lehren des Boethius hielt, sowie von Meister Eckhart und in einigen Schriften von Albertus Magnus. Voreilig wäre auch, das philosophisch-theologische Denken des Cusanus zwischen Mittelalter und Neuzeit lokalisieren zu wollen, weil durch ihn mittelalterliches Denken in die Neuzeit übergeleitet worden sei. Es ist zwar richtig, daß der Einfluß des Cusanus zunächst nicht unbeträchtlich war 5; sehr verbreitet und beachtet waren Werke des Cusanus in süddeutschen und Österreichischen Klöstern. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang auch Dionysius der Kartäuser, Marsilio Ficino, die beiden Pico della Mirandola, Leonardo da Vinci und Campanella. Besondere Wirk3 Wie z. B. der Liber de causis. • Werke wie z. B. den Metaphysikkommentar des Thomas von Aquin gibt es von Cusanus nicht. ; Vgl. z. B. die Heidelberger Ausgabe der Opera omnia = h, Band XII, 139-144 und praefatio XXV-XVII.
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samkeit entfaltete die in >De visione dei< vorgelegte mystische Theologie. Aber nach einiger Zeit geriet er in Vergessenheit. Was von ihm bekannt blieb, wurde Giordano Bruno, den er stark beeinflußte, oder auch Petrarca zugeschrieben. Erst im 18. Jahrhundert wurde er durch Lessing wieder bekannt. 6 1779, im Jahr der Abfassung des >Nathan der WeiseDe coniecturis< 16, lesen wir: »Die affirmativen Aussagen der Weisen sind Konjekturen.[ ... ] Konjektur ist eine affirmative Aussage, die an der Wahrheit, wie sie an ihr selbst ist, in Andersheit teilhat«. Coniectura »Mutmaßung« entspricht etwa dem, was bei Platon M;a äll:rp'tiJc:; heißt; in griechischen rhetorischen Texten entspricht m:oxaa~-t6c:; dem lateinischen Wort »coniectura«. Quintilian 17 bietet folgende Worterklärung: Coniectura dicta est a coniectu, id est derectione quadam rationis ad veritatem. Derartige erkenntnistheoretische Erwägungen bilden im Gesamtwerk des Cusanus nicht das Hauptthema seines Philosophierens, sondern sie sind notwendige Vorüberlegungen - im Gegensatz zu den Darlegungen mancher neuzeitlicher Philoso14
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Vgl. De docta ign. I n. 10: quiditas ergo rerum, quae est entium veritas. Vgl. De ven. sap. n.87,12: deus [ ... ] essentiat. I n.57. Inst. or. 3, 6, 30.
Karl Bormann
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phen, für die ein discours de Ia methode Anfang und Ende der Philosophie ist, was bisweilen als Fortschritt des Denkens ausgegeben wird, das jetzt frei von allem historischen Ballast zu sich selbst finde. Zum sogenannten historischen Ballast hat bereits Cicero das Entscheidende gesagt 18 : »Nescire autem, quid ante quam natus sis acciderit, id est semper esse puerum«, und in Kreisen der Historiker heißt es: »Die Barbarei der Barbaren ist ihre Geschichtslosigkeit«. Die Hauptthemen des cusanischen Denkens sind die gleichen, die seit den Anfängen der Philosophie in Griechenland und vornehmlich seit Platon und seinem großen Schüler Aristoteles das philosophische und überhaupt das wissenschaftliche Forschen in Gang setzten und in Gang hielten: die Fragen nach dem Ursprung, nach Welt und Mensch. Der Ursprung ist absolute Einheit, die Welt aber Vielheit; Einheit und Vielheit verbinden sich in jedem Seienden und vornehmlich im Menschen als Vernunftwesen. Mit dieser Thematik »Einheit, Vielheit, Verbindung beider« wird sichtbar, wie sehr Cusanus platonischem Denken verpflichtet ist, was keineswegs zu beanstanden, sondern dadurch bedingt ist, daß die gesamte nachplatonische Geschichte der Philosophie durch Platon geprägt ist. Das Problem der Ursprungserkenntnis in der Weise der Annäherung bewältigt Nikolaus in folgender Weise: Auszugehen ist von Symbolen und Zeichen; er verwendet mit Vorliebe geometrische Figuren. Von den gezeichneten Figuren ist der Transcensus zu den nur gedachten Figuren zu vollziehen. Diese sind endlich (wenn die Mathematiker z. B. die Linie als unendlich benennen, handelt es sich nicht um aktuale, sondern um potentielle Unendlichkeit). Aus einer gegebenen Geraden können Dreieck, Kreis und Kugel entfaltet werden. Der zweite Transcensus erfolgt zu aktual unendlichen Gebilden: Der Bereich des Mathematischen ist überschritten; die aktual unendliche Gerade ist ineins Dreieck, Kreis und Kugel, in ihr fallen die Gegensätze gerade und gekrümmt zusammen. Das ist das Prinzip der coincidentia oppositorum, das für den Verstand, die ratio, nicht gilt; denn das höchste Prinzip für den Verstand ist der Satz vom aus18
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geschlossenen Widerspruch, während die Vernunft, der imellectus, durch die Koinzidenz der Gegensätze geleitet wird. Der dritte Transcensus soll von dem aktual unendlichen Gebilde, das zugleich Linie, Dreieck, Kreis und Kugel ist, zum absolut unfigürlichen aktual Unendlichen erfolgen, d.h. zur Unendlichkeit Gottes, der aktual alles ist, was er sein kann, und in dem alle Gegensätze koinzidieren. Was Gott ist, wird hierbei nicht erkannt; aber Gottes aktuale Unendlichkeit wird irgendwie berührt. - Nicht zu verkennen ist ein gewisses Schwanken des Cusanus hinsichtlich der Frage, ob Gott die coincidentia oppositorum ist oder ob er auch über die Koinzidenz der Gegensätze erhaben ist. -Diesen Themenbereichen wendet Cusanus sich in immer neuen Ansätzen zu, was deutlich wird, wenn im folgenden einige seiner Werke charakterisiert werden. Zuvor sei in Kürze etwas über sein Leben gesagt. !I. Leben Nikolaus Chryfftz oder Krebs (Nicolaus Cusanus oder Nicolaus de Cusa), '''1401 in Kues an der Mosel, t 11.8.1464 in Todi (Umbrien), studierte 1416-1417(?) in Heidelberg die artes liberales (die freien Künste), danach in Padua Kirchenrecht; 1423 wurde er doctor decretorum; 1425ließ er sich in Köln immatrikulieren als doctor in iure canonico. 1432 begab er sich als Sekretär und Kanzler des Ulrich von Manderscheid zum Konzil nach Basel, wo er allmählich einer der angesehensten Konzilsteilnehmer wurde. 1438 sandte Papst Eugen IV. ihn mit diplomatischem Auftrag nach Deutschland, am 20.12.1448 ernannte Papst Nikolaus V. ihn zum Kardinal, am 23.3.1450 zum Bischof von Brixen und im Dezember des gleichen Jahres zum apostolischen Legaten. Im April1452 reiste Nikolaus nach Brixen, um die Verwaltung seines Bistums zu übernehmen. Fortwährende Auseinandersetzungen mit Herzog Sigmund dem Münzreichen und mit den Tiroler Adligen veranlaßten ihn, im September 1458 sein Bistum zu verlassen und sich nach Rom zu begeben; sein Freund Enea Silvio Piccolomini, der am 19. 8.1458 Papst ge-
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worden war(= Pius II.), hatte ihn schon 1456 und 1457 aufgefordert, nach Rom zu kommen. 1460 versuchte Nikolaus erfolglos, nach Brixen zurückzukehren; auch in den folgenden Jahren kam keine Einigung zustande. Seit einigen Jahren erkrankt, starb Nikolaus am 11. August 1464 auf der Reise von Rom nach Ancona, die er im päpstlichen Auftrag unternahm, um den geplanten Kreuzzug gegen die Türken zustande zu bringen. Begraben wurde er in seiner Titelkirche St. Peter in Ketten in Rom, sein Herz in der Kapelle des St.Nikolaus-Hospitals in Kues, einer Stiftung des Nikolaus und seiner Geschwister, wo seine Bibliothek sich befindet. Diese knappe Übersicht vermag wohl kaum einen Einblick in die rastlosen und überaus zahlreichen kirchenpolitischen und seelsorgerischen Tätigkeiten zu gewähren, die Cusanus auszuüben hatte. Sehr erstaunlich ist, daß außerdem ein umfangreiches literarisches Werk entstand, das mehr als 50 Schriften umfaßt und sich kirchen-und staatstheoretischen, mathematischen, naturwissenschaftlichen und vor allem philosophisch-theologischen Themen zuwendet. Eine von Nikolaus veranlaßte, nicht vollständige Sammlung dieser Schriften enthalten die Handschriften 218 und 219 der Bibliothek des St. Nikolaus-Hospitals in Kues; hinzukommen etwa 300 Predigten, ferner zahlreiche Briefe und Akten. III. Bemerkungen zur Auswahl aus dem Gesamtwerk
Die folgende Auswahl von Werken des Nikolaus von Kues beschränkt sich auf theologisch-philosophische Werke; dem lateinischen Text ist jeweils die Übersetzung beigegeben. Daß die vorgelegten Schriften gegenüber denen, die nicht in dieser Ausgabe enthalten sind, allein und ausschließlich repräsentativ seien für das Denken des Cusanus, wird nicht behauptet; in jedem Werk, wie großen oder wie geringen Umfang es auch hat und welche Themen es erörtert, demonstriert unser Autor seine Grundüberzeugungen und die Eigentümlichkeiten seiner »Jagd nach Weisheit«. Das gilt gleichermaßen für die in unsere Auswahl nicht aufgenommenen Untersuchungen wie z.B. De theo-
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Jogicis complementis, De visione dei, De Ii non aliud, für die Opuscula, für die mehr oder weniger polemisch angelegten religionsphilosophischen Werke De pace fidei und Cribratio Alkorani, aber auch für die mathematischen Schriften und erst recht für De concordantia catholica. Jeder Auswahl haftet etwas Subjektives an; indessen sind Verlag und Herausgeber überzeugt, die Auswahl so getroffen zu haben, daß sie nicht nur eine Übersicht, sondern vornehmlich Einsicht in das philosophischtheologische Denken des Cusanus gewährt und die Leser, zumindest einige, veranlaßt, sich den Werken unseres Autors in ihrer Gesamtheit zuzuwenden. Diesbezüglich sei hingewiesen auf die Gesamtausgabe, die (2002) noch nicht ganz abgeschlossen ist: Nicolai de Cusa opera omnia iussu et auctoritate Academiae Litteramm Heidelbergensis ad codicum fidem edita, 1931 sqq.; den zahlreichen Predigten(= Sermones) des Cusanus sind die Bände XVI-XIX der Heidelberger Edition vorbehalten (2002 noch nicht abgeschlossen). Ergänzt wird die Gesamtausgabe durch die von Erich Meuthen und Hermann Hallauer im Auftrag der Heidelberger Akademie der Wissenschaften herausgegebene mehrbändige Sammlung Acta Cusana, Quellen zur Lebensgeschichte des Nikolaus von Kues, 1976ff. Die Heidelberger Ausgabe bietet einen zuverlässigen Text und die entsprechenden Apparate: Lectiones variae, Quellen- und Parallelennachweise (in einigen Bänden auchNachweise des Fortwirkens ); ihre Qualität und die der Acta Cusana lobend hervorzuheben wäre gleichbedeutend mit »Eulen nach Athen tragen«. Seit 1936 erscheinen als Studienausgabe im Auftrag der Heidelberger Akademie der Wissenschaften die Schriften des Nikolaus von Kues in deutscher Übersetzung (Philosophische Bibliothek; seit 1964 zweisprachig); der lateinische Text der Studienausgabe ist an der kritischen Edition orientiert und, was für einige Schriften zutrifft, aufgrund neuer Handschriftenfunde revidiert. Erwähnt seien die vier Druckausgaben des 15. und 16. Jahrhunderts 19 : Straßburg 1488 (2 Bände, Sigle a); diplomatischer 19 V gl. hierzu Raymond Klibansky, Schriften des Nikolaus von Ku es in deutscher Übersetzung H.15 c, hrsg. v. Hans Gerhard Senger, 21999,229-239.
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Karl Bormann
Nachdruck: Nikolaus von Kues, Werke, Neuausgabe des Straßburger Drucks von 1488, Band 1-11, hrsg. v. Paul Wilpert, Berlin 1967.- Cortemaggiore 1502 (2 Bände, Sigle m); zum größten Teil Nachdruck des Straßburger Druckes.- Nicolai Cusae Cardinalis Opera, Paris 1514 (3 Bände, Sigle p); unveränderter Nachdruck Frankfurt/Main 1962 (nach dieser Ausgabe sind die noch nicht in kritischer Edition vorliegenden Schriften zitiert).- Basel 1565 (3 Bände, Sigle b); zum größten Teil Nachdruck von p.Weitere Ausgaben sind genannt in den Bibliographien und Rezensionen der Mitteilungen und Forschungsbeiträge der Cusanus-Gesellschaft (seit 1961) und in American Cusanus Society Newsletter. Bezüglich der Sekundärliteratur sei auf die Angaben in den »Opera omnia« und in den zweisprachigen Ausgaben hingewiesen; eine reichhaltige Bibliographie findet sich bei Hans Gerhard Senger, Nikolaus von Kues, in: Theologische Realenzyklopädie Band XXIV, Lieferung 3/4, 1994, 554-564; ferner seien genannt: E. Vansteenberghe, Le Cardinal Nicolas de Cues, Paris 1920, ND Frankfurt/Main 1963. - M. de Gandillac, Nikolaus von Cues, Studien zu seiner Philosophie und philosophischen Weltanschauung, Düsseldorf 1963. - Mitteilungen und Forschungsbeiträge der Cusanus-Gesellschaft, Mainz (später Trier) 1961ff.- E.Meuthen, Nikolaus von Kues 1401-1464, Skizze einer Biographie, Münster 1964, 71992.- Hans Gerhard Senger, Ludus sapientiae, Studien zum Werk und zur Wirkungsgeschichte des Nikolaus von Kues, Leiden-Boston-Köln 2002. IV. Die ausgewählten Werke 1. De docta ignorantia (hi)/Die belehrte Unwissenheit
Die Ausgabe des lateinischen Textes als erster Band der Opera omnia erfolgte 1932, Herausgeber waren Ernst Hoffmann und Raymond Klibansky: Nicolai de Cusa De docta ignorantia ediderunt Ernestus Hoffmannet Raymundus Klibansky, Lipsiae in aedibus Felicis Meiner MMXXII (Nicolai de Cusa opera omnia
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iussu et auctoritate Academiae Litteramm Heidelbergensis ad codicum fidem edita). 20 Das Werk ist Kardinal Cesarini gewidmet. Von >De docta ignorantiaprincipium>per quem omnia facta sunt«, durch den alles erschaffen ist. Auch diesbezüglich greift Nikolaus in Einzelheiten immer wieder auf Proklos zurück und verbindet hiermit seine philosophisch-theologischen Auffassungen. Die Ergebnisse sind folgende (n. 34-39): Der eine Ursprung ist dreifaltig und das Ewige; die Welt ist durch ihn das, was sie ist. Als Ursache des Erschaffenen ist er nichts von dem Erschaffenen; er ist weder Vieles noch Eines, weder Vernunft noch irgendwie benennbar. Weil jedes Verursachte wahrer in seiner Ursache als in sich selbst ist, »deshalb ist die Bejahung in höherer Weise in der Verneinung, weil die Verneinung ihr Ursprung ist« (n. 34 ). Hinsichtlich des Ursprungs ergibt sich: Das »nicht Seiende wird als Ursprung des Seienden so vor dem Seienden geschaut, daß es vermittelst des Zusammenfalls des Größten und des Kleinsten als hocherhaben geschaut wird«; der absolute Ursprung transzendiert den Seinsbereich, weil er »gleichermaßen am wenigsten und am meisten seiend ist«. Die Koinzidenz der Gegensätze in Gott als dem Ursprung bedeutet also, daß Gott über alles Erschaffene in unendlicher
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Weise erhaben ist, woraus folgt, daß keine affirmative oder negative Aussage bezüglich des Ursprungs zutrifft; selbst die Bezeichnungen >Ursprung< oder >Eines< können ihm nicht adäquat beigelegt werden; denn alles, was benannt werden kann, setzt Vielheit und Andersheit voraus. Alles Bemühen der Vernunft, sich Gott irgendwie zu nähern, bleibt U nwissen, wenngleich das Wissen unserer Ignoranz belehrtes Nichtwissen ist. Für das Verhältnis der erschaffenen Seienden zumUrsprungergibt sich, daß sie an ihm in Andersheit teilhaben. Der Ursprung als der Logos enthält in sich die unerschaffene Welt und ist die Wahrheit, während die erschaffene Welt Ähnlichkeit der Wahrheit ist. Der absolute Ursprung ist über alle Vielheit und über alle einschränkbare Einheit erhaben. 6. Trialogus de possest (hXI2)/Dreiergespräch über das Können-Ist »Possest« ist ein Kunstwort und bezeichnet die Identität von Möglichkeit und Wirklichkeit in Gott.- Die Schrift dieses Titels ist ein Gespräch zwischen dem Kardinal Nikolaus von Kues sowie Bernhard von Kraiburg, dem Kanzler des Erzbischofs von Salzburg, und Giovanni Andrea de Bussi, dem Abt und späteren Bischof; sie wurde wahrscheinlich in der zweiten Februarhälfte des Jahres 1460 abgefaßt. Die kritische Edition der Heidelberger Akademie der Wissenschaften erschien 1973 (h XI 2): Trialogus de possest, edidit Renata Steiger; sie beruht auf den zwei bekannten Handschriften: Codex Latinus Monacensis 7338, fol.126r-133rund Codex Cusanus219,fol. 170r-180v. Die Münchener Handschrift tradiert den Text bis n. 34 einschließlich, wo auch tatsächlich ein Ende angesetzt werden könnte (»Denn jene (die reinen Herzens sind) sind selig und werden Gott schauen, wie uns das Glaubenswort unseres Christus lehrt«); ferner sind einige Partien in ihr kürzergefaßt als in dem Kueser Codex. Offenbar handelt es sich beim Codex Latinus Monacensis um eine erste und kürzere Fassung des Dreiergesprächs, das in erweiterter Form im Cod. Cus. 219 überliefert ist. In der Philosophi-
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sehen Bibliothek (229) erschien 1947 die deutsche Übersetzung, herausgegeben von Elisabeth Bohnenstädt; 1973 legte Renate Steiger die zweisprachige Ausgabe mit dem Text von h XI 2 vor (gezählt als zweite Auflage, PhB 285, 3 1991). Ausgangspunkt der Diskussion ist Röm.1,20: »Invisibilia enim ipsius (= dei) a creatura mundi per ea quae facta sunt intellecta conspiciuntur«, sempiterna quoque eius virtus et divinitas, die unsichtbare Wirklichkeit Gottes wird von der Schöpfung der Welt her erblickt durch das, was geworden und als solches erkannt ist (so versteht Nikolaus den Text), so auch seine ewige Kraft und Gottheit. »Die unsichtbare Wirklichkeit erblicken« bestimmt Cusanus als >>in nicht sehender Weise erblicken«, was zugleich »geistig (mentaliter) schauen« bedeutet; hiermit stellt er den Bezug zu seinen Grundkonzeptionen her. Wie dieses Schauen im Ausgang von der Schöpfung der Welt erlangt wird, erklärt Cusanus in folgender Weise 82 : Mit der unsichtbaren Wirklichkeit Gottes ist der unsichtbare Gott gemeint. In der erschaffenen Welt ist sehr vieles sichtbar; und jedes dieser sichtbaren Dinge ist durch seinen Wesensgrund das, was es ist. Der Wesensgrund aller Dinge ist Gott, was bereits in De docta ignorantia gesagt wurde; hieraus ergibt sich, daß Nikolaus seinem Anliegen in De passest unter einem anderen Aspekt nachgeht: Jede Annäherung an Gott erfolgt im Ausgang von den Geschöpfen (in De docta ign. sind geometrische Figuren der Ausgangspunkt). Das Allgemeinste, was von den Geschöpfen ausgesagt werden kann, lautet: Jedes Geschöpf kann das sein, was es tatsächlich ist. Dieses >Können< und >Sein< der Geschöpfe ist jeweils kontrahiert, d. h. endlich, begrenzt; dem kontrahierten Sein liegt die kontrahierte Seinsmöglichkeit voraus. Im nicht kontrahierten Wesensgrund hingegen sind Können und Sein nicht eingeschränkt, des weiteren liegt die uneingeschränkte Möglichkeit nicht der uneingeschränkten Wirklichkeit voraus und folgt auch nicht aus ihr; denn das, was tatsächlich (actu) ist, muß sein können. Das Resultat dieser Überlegung ist: Im nicht kontrahierten Wesensgrund koinzidieren uneingeschränkte Möglichkeit und 82
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uneingeschränkte Wirklichkeit. »Uneingeschränkt« bedeutet, nicht durch Anfang, Ende, Veränderlichkeit, Aufeinanderfolge begrenzt sein; folglich sind absolutes »posse« (Seinkönnen) und absolutes »esse« (Wirklichsein) nicht zeitlich, sondern überzeitlich und somit ewig. Hiermit ist keineswegs gemeint, daß absolutes posse und absolutes esse zwei nebeneinander bestehende »Uneingeschränkte« wären; eine Vielheit nebeneinander bestehender »Uneingeschränkter« würde sich gegenseitig beschränken oder begrenzen. Demzufolge besteht zwischen absolutem Seinkönnen und absolutem Wirklichsein eine Verbindung (nexus) in der Weise, daß sie Eines sind: Absolutes Seinkönnen, absolute Seinswirklichkeit und absoluter nexus sind die eine Ewigkeit, welche Gott ist. Weil Möglichkeit und Wirklichkeit in Gott dasselbe sind und es in Gott keine Einschränkung oder Begrenzung gibt, ist Gott alles, was er sein kann, und als Wesens- und Seinsgrund aller Seienden ist Gott alles, was sein kann (omne quod esse potest). Im endlichen Bereich besteht die ontologische Differenz von Wesen und Sein, von Möglichkeit und Wirklichkeit; diese Differenz gibt es in Gott nicht. Daß Gott alles ist, was er sein kann und was sein kann, wird durch Beispiele erläutert, die letztlich erweisen sollen, daß Gott alles ist und nicht anders sein kann, als er ist (was Nikolaus zweiJahrespäter in De Ii non aliud ausführlich darlegt), und zwar deshalb, weil er das Sein selbst, zureichender Seinsgrund (entitas) und als Wesenheit aller Dinge in allen alles ist; er ist Wirk-, Form- und Zielursache, und als Identität von >>Können« und »Sein« ist er das >>possest (das »Können-Ist«). Beispiele aus der Mathematik werden für eine Trinitätsspekulation verwendet, ferner wird dargelegt, daß negative Aussagen näher als affirmative an Gott heranführen. 7. Dialogus de Judo globi (h IX)/ Gespräch über das Globusspiel Die zwei Bücher des Dialogus de Judo globi enthalten im ersten Buch ein Gespräch des Kardinals mit »Johannes, Herzog von Bayern«, dem Sohn des Pfalzgrafen Otto von Mosbach; im
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zweiten Buch mit »Albertus adolescens dux Bavariae«, d.h. Albrecht IV., Herzog von Bayern-München, der damals fünfzehn Jahre alt war. Vollendet wurde das Globusspiel nach dem 6. März des Jahres 14638 3 höchstwahrscheinlich in Rom; was bedeutet, daß das erste Buch vor dem 6.3.1463 geschrieben wurde und vielleicht im Sommer oder im Herbst 1462 geplant war; ob es auch in Rom abgefaßt wurde, was möglich und wahrscheinlich ist, kann nicht mit gleich großer Wahrscheinlichkeit wie bezüglich des zweiten Buches gesagt werden. Überliefert ist der Dialogus de ludo globi in folgenden Handschriften: Codex Cusanus 219 und Codex Cracoviensis Bibliothecae lagellonicae 682, hinzu kommt eine Handschrift des 16.Jahrhunderts (1525/1529): New York, Hispanic Society of America HC 327/108; sie enthält Auszüge aus der Straßburger Edition von 1488. 84 - Die kritische Ausgabe im Rahmen der Opera omnia (h IX) erschien 1998: Dialogus de Judo globi. Edidit commentariisque illustravit lohannes Gerhardus Senger (eine hervorragende Leistung). In der Philosophischen Bibliothek legte Gerdavon Bredow die deutsche Übersetzung >Vom Globusspiel< 1952 vor; die verbesserte Zweitauflage wurde 1978 publiziert; zweisprachig (der lateinische Text ist Herrn Sengers Ausgabe entnommen) erschien das >Gespräch über das Globusspiel< 1999 (PhB 467). Mit Philosophie des Spieles oder mit spielerischer Philosophie hat der Dialogus de Judo globi nichts gemeinsam, das zeigt schon das erste Buch, in welchem die Gedankenentwicklung das Spielerische gänzlich verläßt, wenngleich zur Verdeutlichung wiederholt die Anwendung auf das Spiel gefordert wird; und das ist konsequent, denn das Spiel mit der Kugel ist »altae speculationis figuratio«, »bildliche Darstellung tiefdringender Betrach83 Vgl. E. Meuthen, Nikolaus von Kues und die Wittelsbacher, in: Münchener Historische Studien, München 1982, 95-113. 84 Über die Handschriften vgl. h IX, S. X-XV; zur letztgenannten vgl. Hans Gerhard Senger, Ein unbekannter Cusanus-Bearbeiter der Reformationszeit: Philippus Hersfeldiae Minorita, in: Ludus sapientiae, 291-310.
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tung« und »repräsentiert nicht unbedeutende philosophische Überlegungen«. Im Ausgang von der Rundheit und Bewegung der Kugel wendet sich die Gedankenführung alsbald der Gestalt und Bewegung der Welt zu. Durch Gestalt und Bewegung der im Spiel verwendeten Kugel werden Darlegungen über Leib und Seele veranlaßt; sodann werden Substanz der Seele, ihre Einheit, Tugenden und Freiheit sowie derUnterschied zwischen den Seelen der Menschen und der Tiere erörtert. Eine dreifache Welt wird unterschieden: Die größte Welt ist Gott, die große Welt ist das Universum, die kleine Welt ist der Mensch. Das Universum ist similitudo (Ähnlichkeit, Gleichnis) Gottes, der Mensch ist similitudo des Universums. Überlegungen über Lebensführung und über das wahrhaft christliche Leben bilden den Abschluß des ersten Buches. Bei alledem gilt die Regel 85 , daß überall dort, wo ein Mehr oder Weniger anzutreffen ist, man nicht zu einem absolut Größten oder Kleinsten gelangen kann; und auf diese Regel wird am Anfang des zweiten Buches hingewiesen; sie ist »offenbar der Schlüssel zum Eintreten in das Verständnis des Verborgenen, wenn der Suchende ihn richtig anwendet«. Darauf weist Nikolaus zu Beginn des zweiten Buches Albrecht, den Herzog von Bayern, hin, als dieser den Kardinal bittet, »die mystische Bedeutung der Kreise in der Region des Lebens« zu erläutern. Er habe nämlich seinen Verwandten, den HerzogJohannes, in der Stadt getroffen und gesehen, >>daß er sich der Lektüre des Buches >Über das Globusspiel< widmeteIch habe einen großen Jagdzug veranstaltet, um große Beute davontragen zu können«. - Schon in De docta ignorantia war die Spekulation über das »Können« (posse) ein wichtiges Anliegen des Nikolaus; in der >Jagd nach Weisheit< rückt sie (wie in seiner letzten Schrift De apice theoriae) stärker in den Vordergrund. Mit der aristotelischen Konzeption von Möglichkeit und Wirklichkeit hat die Cusanische Auffassung despossenur sehr wenig gemeinsam, viel mehr hingegen mit der Platonischen Lehre von der unendlichen Kraft des überseienden höchsten Prinzips und mit Augustinus' Ausführungen über die Identität von Können und Sein in Gott. Für alles, was Gott »macht« (erschafft), ist die Möglichkeit, gemacht zu werden (posse fieri), notwendige Voraussetzung. Diese Möglichkeit, gemacht zu werden, ist von Gott aus dem Nichts erschaffen (creatum); sie, d.h. das posse fieri, hat also einen Anfang, aber kein Ende (Seinsweise des aevum). Alles andere hat Gott aus dem posse fieri hervorgebracht. 9. Compendium (hX13)/Kompendium. Kurze Darstellung der philosophisch-theologischen Lehren Das Compendium ist in zwei Handschriften vollständig überliefert87; das achte Kapitel ist in die Handschrift 960 der Turmbibliothek St. Andreas, Eisleben, aufgenommen. Die kritische 87 Cod. Cus. 219 und Cod. 166 der Bibliothek des Domgymnasiums zu Magdeburg, jetzt Deutsche Staatsbibliothek Berlin.
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Edition erfolgte 1964: Compendium. Edidit Bruno Decker t, cuius post mortem curavit Carolus Bormann. In deutscher Übersetzung (PhB 267) erschien es 1970 (21982, 31996), übersetzt und mit Einleitung und Anmerkungen herausgegeben von Bruno Decker t und Kar! Bormann. Wann Nikolaus es verfaßt hat, läßt sich nicht genau ermitteln; einen Anhaltspunkt bietet Kapitel12 n. 37 »Ut in libello De globo patet«, was bedeutet, daß es nach dem Globusspiel geschrieben wurde. Ob es noch vor De apice theoriae (Frühsommer 1964) oder etwa gleichzeitig mit dieser >Höchsten Stufe der Betrachtung< verfaßt wurde, ist einstweilen nicht genau zu ermitteln. Unklar ist auch der Adressat; die Vermutungen reichen von einem der jungen Bayernherzöge88 bis zu Peter von Erkelenz; keine hält indessen einer genauen Überprüfung stand. 89 Die Schrift ist übersichtlich gegliedert: Die Theorie der Symbole (n. 1-28); das erste und höchste Prinzip (n. 29-38); die psychologische Grundlage der Theorie (n. 39-43 ); Conclusio und Epilog (n. 44-47). Die »geistige Schau« (visus mentalis) erkennt nur, daß es extramentale Seiende gibt; was sie sind, bleibt ihr verborgen. »Von der Seinsweise gibt es kein Wissen, mag auch mit höchster Gewißheit geschaut werden, daß es eine solche Weise gibt«; die Erkenntnis hat es ausschließlich mit den Zeichen des Seins zu tun. Die Zeichen sind entweder natürliche (z. B. Farb- oder Lautvorstellungen) oder vom Menschen gesetzte (z.B. Sprach- oder Schriftzeichen). Von den letzteren ist in Kap. 3 die Rede; in den Kapiteln 4 und 5 befaßt sich Nikolaus mit den natürlichen Zeichen in der Sinneswahrnehmung, während er sich in Kap. 6 den Vernunftzeichen im Bereich der Metaphysik, Ethik und Technik zuwendet. Die höchste Manifestation des Geistes ist das ungeschaffene Verbum, dessen Offenbarung das Universum ist. Erstes Zeichen und Bild des Schöpfers ist der menschliche Geist, der als Kosmograph die Schöpfertätigkeit
Vgl. De Judo globi. Vgl. E.Meuthen, Peter von Erkelenz, in: Zeitschrift des Aachener Gechichtsvereins 84/85, 1977/78, 7)6. 88
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Gottes nachahmt (Kap. 8). Kunstschaffen ist Nachahmung der Natur (Kap. 9). Das höchste und erste Prinzip ist der dreieinige Gott, der als posse, unum, aequale Urgrund von allem ist. Das innertrinitarische aequale ist Anlaß, die aequalitas als Objekt und Voraussetzung jeder Erkenntnis nachzuweisen (Kap. 10). Im 11. Kapitel versteht Nikolaus die »sinnenhafte Seele« (anima sensitiva) als Ähnlichkeit oder Bild der Vernunft; anschließend (Kap. 11) erweist er die aequalitas als Grundbedingung sinnlicher und geistiger Erkenntnis, weiterhin als Grundbedingung sittlicher Vollkommenheit und körperlicher Gesundheit. Anschließend wird die psychologische Grundlage der Theorie erörtert. Die anima sensitiva ist eine gewisse geistige Kraft, welche die Arterienluft belebt und hierdurch die Wahrnehmung ermöglicht. Abschließend (Epilog) wendet Nikolaus sich nochmals (vgl. Kap.10) dem »Können« zu. Dieses »posse« wird ausdrücklich dem Vater in der Trinität gleichgesetzt; es ist das Ziel des geistigen und auch des sinnlichen Sehens; die gesamte Seins- und Erkenntnisordnung ist auf die Gottesschau ausgerichtet. Das Compendium faßt keineswegs nur zusammen, was Nikolaus in seinen früheren Schriften ausgeführt hat; für manche Aussagen lassen sich keine exakten Parallelen in den anderen Schriften nachweisen. Hieraus ergibt sich, daß das Compendium vornehmlich ein neuer Versuch ist, Sein und Erkennen zu deuten. 10. De apice theoriae (hXII)/Die höchste Stufe der Betrachtung De apice theoriae, Anfang April des Jahres 1464 verfaßt, ist die letzte der philosophisch-theologischen Schriften des Nikolaus. Überliefert ist sie in zwei Handschriften: Cod. Cusanus 219 und Cod. Berlin, Deutsche Staatsbibliothek, Stiftung Preußischer Kulturbesitz 145 90 , einst Kartäuserkloster Buxheim bei Mem~ 0 Über sie vgl. h XII, XVI-XVII.
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mingen; diese Handschrift ist in den ersten Jahren des 16. Jahrhunderts geschrieben und folgt der Straßburger Druckausgabe von 1488. Die Ausgabe der Heidelberger Akademie der Wissenschaften erfolgte 1982 zusammen mit De venatione sapientiae: Nicolai de Cusa De venatione sapientiae - De apice theoriae ediderunt commentariisque illustraverunt Raymundus Klibansky et Ioannes Gerhardus Senger; die zweisprachige Ausgabe (PhB 383), überaus reichhaltig und vorzüglich kommentiert, legte Hans Gerhard Senger 1986 vor. Der Begriffapex theoriae, der anscheinend auf Cusanus selbst zurückgeht, bedeutet nicht nur »höchste Stufe der Betrachtung«, d. h. Betätigung des höchsten Vermögens des betrachtenden Geistes, vielmehr ist diese höchste Stufe ineins ihr Gegenstand, vgl. n.17: »Die höchste Stufe der Betrachtung ist das Können selbst, das Können allen Könnens, ohne das überhaupt nichts betrachtet werden kann. Wie könnte es das denn ohne das Können?«Die kurze Schrift enthält im ersten Teil (n.1-16) einen Dialog des Kardinals mit seinem langjährigen Vertrauten und Sekretär Peter von Erkelenz, dem Nikolaus (n.1) in den Ostertagen 1464 die Priesterweihe erteilte 91 ; der zweite Teil (n.17-28) ist in der Weise eines Monologs Kurzfassung und Konkretisierung des ersten Teils.- Thema des Dialogs ist die für Nikolaus letzte Formulierung eines höchsten und unbezweifelbaren Seins- und Erkenntnisprinzips. Die Wesenheit, das» Was« oder die» Washeit« (quid, quiditas), auf die jede Frage zielt, ist das »Können«.- Über das >>Können« hatte Nikolaus seit De docta ignorantia immer wieder Überlegungen angestellt; im Compendium (n.29), das vielleicht gleichzeitig mit De apice theoriae geschrieben wurde, bezeichnet ••posses in 1. Buch von De docta ignorantia des Nikolaus von Cues in: Di vus Thomas 22 (1944) 321-338 GARciA GONZALES, JUAN A.: Conocimiento y mundo en Nieoli'ts dt Cusa. Su unidall y Ia circunferencia, Universidad de Malagist< dem Einen nicht zukommen kann; und wenn man ohne Verwendung der Copula sagte >das Eine EineEines und Gutes< genauer zukommen113, weil sich auf das Eineund Gute das Verlangen aller richtet, wie alle vor dem Nichts und dem Übel fliehen 114 . Gott aber nennen wir das Eine, über das hinaus nichts Besseres gedacht werden kann 115 , und es fällt uns nicht ein zu denken, etwas sei besser als das, worauf sich das Verlangen von uns allen richtet. Daher bezeichnen wir Gott als das Eine und Gute selbst 116; und diese sind in ihm nicht verschieden, sondern sie sind das Eine selbst, das Proclus autounum 117 (das Eine selbst) nennt. Und wir nennen Gott nicht das Eine als etwas Erkanntes, 27 sondern weil vor jeder Erkenntnis sich das Verlangen auf das Eine richtet 118 . Gott ist also nicht zu erkennen wie erkennbare Dinge, denen Namen gegeben werden, nachdem sie erkannt sind, sondern die Vernunft, die nach dem Unerkannten verlangt
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ponit denominationem unius divinando aliqualiter hypostasim eius 5 ex indeficienti omnium unius desiderio. Quod autem deus non accedatur intellectualiter Proclus aiebat ideo, quia tune solum intellectualis natura ferretur ad ipsum; nam non intellectuales ipsum non appeterent; sed cum ipse sit, cuius gratia omnia id sunt, quod sunt, ab omnibus naturaliter desiderari debet, uti est ipsum unum et bo- 10 num, quod omnia appetunt et omnia entia penetrat. Adhuc attende: multitudo ab uno deserta esse nequit, ut patuit. 28 Unum igitur est hypostasis eius, sed non unum participatum et coordinatum ipsi multitudini, quoniam tale in se non subsistit, sed in alio, scilicet multitudine. Omne autem in alio est ab eo, quod in se; nam in se est prioriter quam in alio, in quo non est nisi aliter. 5 Aliter autem praesupponit in se. Hypostasis igitur, quod in alio, est ab eo, quod in se. Sie hypostasis coordinati ab exaltato et participabilis ab imparticipabili. Omne igitur, quod in considerationem cadit, aut est unum exaltatum aut coordinatum multitudini. Coordinatum vero non habet hypostasim nisi ab exaltato. Unum igitur exaltatum 10 est hypostasis omnium hypostaseum, quo non exsistente nihil est et quo exsistente omnia id sunt, quod sunt, et quo exsistente et non exsistente omnia exsistunt et non exsistunt. Entia igitur, cum esse desiderent, cum sit bonum, unum deside- 29 rant, sine quo esse nequeunt; quid autem sit, quod desiderant, capere nequeunt, cum quodlibet entium sit unum participatione unitatis participabilis, quae habet hypostasim suam ab imparticipabili. Participabilis autem non est capax imparticipabilis, sicut capabilis non 5 est capax incapabilis et causaturn causae, et quod est secunde, non
Über den Ursprung· n.27-29
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und es nicht erfassen kann, setzt die Bezeichnung >EinesNicht viele< kann nur verstanden werden als Eines: vor dieser Welt also und dem Vielen ist der Ursprung, der >nicht Vieles< ist 148 . Wie also vor dem Vielen >nicht Vieles< ist, so ist vor dem Seienden >nicht Seiendesnicht Vernunft< und allgemein vor allem Aussprechbaren >nicht Aussprechbaresnicht Seiende< wird nämlich als Ursprung des Seienden so vor dem Seienden geschaut, daß es vermittels des Zusammenfalls des Größten und des Kleinsten als hocherhaben geschaut wird; was nämlich gleichermaßen am wenigsten und am meisten seiend oder in der Weise nicht seiend ist, daß es am meisten seiend ist, das transzendiert das Seiende. Der Ursprung des Seienden ist nicht einfachhin nicht seiend, sondern nicht seiend in der genannten Weise 154; wenn ich nämlich auf den Ursprung des Seienden blicke, der nicht aus dem Ursprung entsprungen ist, sehe ich, daß er am wenigsten seiend ist; wenn ich auf den Ursprung des Seienden blicke, in welchem das aus dem Ursprung Entsprungene in höherer Weise als in sich ist, sehe ich, daß er am meisten seiend ist. Aber weil derselbe Ursprung über allen Gegensätzen und über allem Aussagbaren in nicht aussagbarer Weise ist, sehe ich ihn gleichermaßen vor dem Größten und dem Kleinsten, allem, was gesagt werden kann, übergeordnet. Daher wird folgerichtig alles, was vom Seienden bejahend ausgesagt wird, in gleicher Form vom Ursprung in der vorher genannten Weise verneint. Jedes Geschöpf aber ist irgendein Seiendes. >Nicht Vieles< also als Ursprung aller faltet alles in sich ein, so wie die Verneinung die Mutter der Bejahung genannt wird 155, nämlich wie >nicht sein< bedeutet, nicht so sein, wie es durch >sein< bezeichnet wird, sondern in höherer Weise sein 156 • 35 Der nicht aussprechbare Ursprung wird deshalb weder Ursprung genannt noch Vieles noch >Nicht Vieles< noch Eines noch wird ihm irgendein anderer Name beigelegt, sondern vor all diesem ist er in unbenennbarer Weise 157; denn alles Benennbare oder Gestaltbare oder Bezeichenbare setzt Andersheit und Vielheit voraus und ist nicht Ursprung; denn Ursprung aller Vielheit ist die Einheit 158 . Vieles kann nicht ewig sein, weil das Ewige die Ewigkeit ist, wie das oben erörtert wird 159; der Ursprung
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Tu quis es
princtp1Um autem aeternum. Inmultiplicabile princtptum non est alterabile nec participabile, quia aeternitas. Nihil igitur in hoc mundo est eius similitudinem habens, cum non sit designabile nec imaginabile. Mundus est infigurabilis figura et indesignabilis designatio; 10 mundus sensibilis est insensibilis mundi figura et temporalis mundus aeterni et intemporalis figura; figuralis mundus est veri et infigurabilis mundi imago. Dum video per contradictoria principium, omnia in ipso video; 36 esse enim et non esse omnia ambit, quoniam omne, quod dici aut cogitari potest, aut est aut non est. Principium igitur, quod est ante conttadictionem, omnia complicat, quae contradictio ambit. Principium videtur in oppositorum aequalitate. Absoluta aequalitas es- 5 sendi et non essendi non est participabilis, cum participans sit aliud a participato. Aequalitas igitur in alio non nisi aliter participabilis non est aequalitas, quae principium superexaltatum super aequale et inaequale. Nihil igitur ex omnibus aequaliter potest esse et non esse; quare duo contradictoria non possunt aeque de eodem verifi- 10 cari. Omnis igitur creatura imparticipabile principium in alteritate participat, sicut aequalitas imparticipabilis (participatur) in similitudine. Similitudo aequalitatis, cum non sit aequalitas, sed eius similitudo, non potest esse nec maxima, qua maior esse nequit, nec minima, qua minor esse nequit, quia non foret similitudo, sed aut 15 nihil aut aequalitas. Participabilis igitur est aequalitas in similitudine, quae alia et varia esse potest, maior aut minor. Creatura, cum nihil sit et totum esse suum habeat a causa, in 37 principio est veritas; principium enim veritas est omnium creatura-
Über den Ursprung· n.35-37
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aber ist ewig. Der Ursprung kann nicht vervielfältigt werden und läßt weder Veränderung noch Teilhabe zu 160, weil er die Ewigkeit ist. Es gibt also nichts in dieser Welt, das Ähnlichkeit mit ihm hat 161 , weil er weder bezeichnet noch vorgestellt werden kann. Die Welt ist Gestalt des nicht Gestaltbaren und die Bezeichnung dessen, was nicht bezeichnet werden kann; die sinnenfällige Welt ist Gestalt der nicht sinnenfälligen Welt, und die zeitliche Welt ist Gestalt der ewigen und nicht zeitlichen; die gestaltete Welt ist Bild der wahren und nicht gestaltbaren Welt 162 • 36 Wenn ich mit Hilfe kontradiktorischer Gegensätze den Ursprung schaue, schaue ich in ihm alles; Sein nämlich und Nichtsein umschließt alles, weil alles, was ausgesagt oder gedacht werden kann, entweder ist oder nicht ist 163 • Der Ursprung also, der vor dem kontradiktorischen Widerspruch ist, faltet alles ein, was der kontradiktorische Widerspruch umschließt. Der Ursprung wird geschaut in der Gleichheit der Gegensätze. Teilhabe an der uneingeschränkten Gleichheit des Seins und des Nichtseins gibt es nicht, weil das Teilhabende von dem, an welchem teilgehabt wird, verschieden ist 164 • Deshalb ist die Gleichheit, an der in einem anderen nur in anderer Weise Teilhabe möglich ist, nicht die Gleichheit, welche der über Gleich und Ungleich hocherhabene Ursprung ist. Nichts also von allem kann in gleicher Weise sein und nicht sein; deshalb können zwei kontradiktorisch entgegengesetzte Aussagen nicht in gleicher Weise bezüglich ein und desselben wahr sein 165 • Jedes Geschöpf also nimmt in Andersheit 166 teil an dem Ursprung, an dem keine Teilhabe möglich ist, so wie an der Gleichheit, die keine Teilhabe zuläßt, in Ähnlichkeit teilgenommen wird. Weil die Ähnlichkeit mit der Gleichheit nicht Gleichheit, sondern Ähnlichkeit mit ihr ist, kann sie weder größte Ähnlichkeit sein, die keine Steigerung zuläßt, noch kleinste, die keine Minderung mehr gestattet, weil sie dann nicht Ähnlichkeit wäre, sondern entweder nichts oder Gleichheit. Teilhabe an der Gleichheit ist also nur in Ähnlichkeit möglich, und diese kann anders und verschieden sein, größer oder geringer. 37 Weil das Geschöpf nichts ist und sein ganzes Sein von seiner Ursache hat, ist es im Ursprung Wahrheit; der Ursprung näm-
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rum. Mundus igitur iste, quem magister noster dicit constitutum, quando ait Tu quis es< durch diesen Text angeregt ist, sei nicht behauptet, vgl. nämlich die Erörterung der Unendlichkeit bei Proclus In Parm. VI, Steel397, 30-404, 48; dazu vornehmlich die Marginalien 505, 508 und 511. 44 Zu »eingeschränkt- uneingeschränkt« vgl. De docta ign. I c. 2 n. 5-6; li c. 4 n.112-116.- Zur vorliegenden Stelle: Zwischen »ewig«, »unendlich« und »Ewigkeit«, Unendlichkeit« scheint der Gegensatz von »eingeschränkt« - »uneingeschränkt« zu bestehen, was indessen nicht zutrifft, weil dargelegt wurde, daß das Ewige die Ewigkeit und das Unendliche die Unendlichkeit ist. In allen endlichen Bereichen hingegen trifft zu, daß Eingeschränktes(= Endliches) nicht mit dem Uneingeschränkten identisch ist.
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Anmerkungen
45 Vgl. Aristoteles Phys. 185 b 18: Die Grenze (peras) ist unteilbar; Met. 1022a 4ff.: »Grenze heißt das Äußerste eines jeden, sowohl als Erstes, außerhalb dessen nichts zu finden ist, wie auch als Erstes, innerhalb dessen alles ist«. Daß Nikolaus unmittelbar anschließend das Beispiel einer Wesensangabe bietet, weicht nicht von dem Begriff »Grenze• ab, vgl. Aristoteles a.a.O. a 8-10: Grenze heißt auch die Wesenheit eines jeden; »denn sie ist die Grenze des Erkennens•. Vgl. auch Met. 994 b 16; Analytica post. 83a 36-b7. 46 Daß das Unendliche nicht durchschritten werden kann, auch nicht im Denken, sagt Aristoteles mehrmals, vgl. Analytica post. 83 b 6; Phys. 263a6. 47 Die Ausführungen n.14 gehen zurück auf die umfangreiche Randnotiz 557 zu Proclus In Parm.VII, Steel438, 60ff.: »si igitur intellectus et anima suo esse producunt, magis Je unum. consideravi ego . n . hic quomodo si suo esse producere convenit uni, intellectui et animae et unum est fons deitatis, erit intellectus verbum et anima spiritus sanctus. fontem deitatis nominamus patrem, licet platonici sie non nominent, sed potius verbum sie nominant quia deus conditor«. Unmittelbar anschließend sagt Nikolaus, »in lege machometi• sei, »wie die Araber sagen•, die Rede von dem einen Gott, seinem Wort und seinem Geist oder seiner Seele. Zwischen Platonikern, Juden, Christen und »Arabern«(= Muslimen) bestehe hinsichtlich der Trinität verbale Verschiedenheit, aber sachliche Übereinstimmung. 48 Proclus nennt viele Triaden, vgl. z. B. In Parm. II, Steel94, 14 "Wesen, Selbigkeit, Andersheit• und Marginalie 56; In Parm. III, Steel 153, 36: »Das Allererste in dieser Dreifaltigkeit ist das Gute, das Zweite das Schöne, das Dritte aber das Gerechte•, dazu die Marginalie 169; ähnlich In Parm. V, Steel295, 17 (das Schöne selbst, das Gerechte selbst, das Gute selbst), dazu Marginalie 350; über den Ternar »unum - intellectus anima• vgl. Anm. 47. 49 Vgl. Proclus In Parm. I, Steel72, 32, dazu Marginalie 29: »Homo duplex, exaltatus et participatus. exaltatus ante multos, participatus in multis; primus aeternus, intelligentialis, alius sensibilis, partim mortalis«. 50 Vgl. Aristoteles Phys. 198a 24ff.; De an. 415b 9ff. Die Quelle des Nikolaus ist jedoch nicht Aristoteles, sondern Albertus Magnus Super Dionysium De div. nom. II 45: »Wir folgen der Meinung des Aristoteles, [... ]daß das Erste dreifache Ursächlichkeit hinsichtlich der Dinge hat, nämlich Wirk-, Form- und Zielursächlichkeit«; dazu die Notiz des Nikolaus (cod. Cus. 96 fol. 139rb, 2-6): »nota quomodo tres causae coincidunt•. 51 Juden und »Sarazenen«: Bezüglich der Juden denkt Nikolaus wahrscheinlich an folgende biblische Texte: Dt 6, 4 (vgl. oben n. 8): »Der Herr
Anmerkungen
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ist Einer«; Ps 135, 5: »der die Himmel in Vernunft (in intellectu Vulgata) erschaffen hat«; Ps 103, 30: »Sende aus deinen Geist, und sie werden erschaffen werden, und du wirst das Angesicht der Erde erneuern«. De pace fidei c. 9 n.25: Obschon die Juden vor der Trinität zurückschrecken, weil sie in ihr eine Vielheit vermuten, werden sie freudig der Trinitätslehre zustimmen, wenn sie sie verstanden haben; n. 26: »Viel besser werden die Araber auf diese Weise die Wahrheit erfassen können, als wenn sie nach ihrer Weise sagen, Gott habe Wesenheit und Seele, und hinzufügen, Gott habe das Wort und den Geist«; vgl. hierzu die Cribratio Alkorani li c.11 n.112: »Die Araber müssen die Trinität bekennen«. 52 Vgl. hierzu Proclus In Parm. III, Steel144, 67f. und die lange Randnotiz 147, in der Nikolaus den Gedankengang zusammenfaßt. 53 Über den Wesensgrund oder die Idee des Kreises vgl. Proclus, In Parm. VII, Steel513, 23ff. und die Marginalie 612; das Beispiel vom Kreis findet sich auch bei Augustinus, De immortalitate animae I 4 n. 6 und bei Meister Eckhart, lnJoh. 12. 54 Vgl. Proclus In Parm. VII, Steel519, 98ff. und die Marginalie 618: »Jede Wahrheit ist in ihm, es selbst aber transzendiert jede Wahrheit«. 55 Daß die Geschöpfe ein Sprechen Gottes sind, sagt Nikolaus mehrmals, vgl. z.B. Compendium n.19, 16-22.21, 9-11; De beryllo n.54 und die Quellenangaben. 56 Vgl. die Marginalie 351: »Offenbar ist die Definition ein Sprechen des Intellekts zur Seele. Denn das, was der Intellekt schaut, will er der Seele offenbaren, und diese Offenbarung ist die Definition, so wie wenn Sokrates etwas gesehen hat, das er Plato, der es nicht gesehen hat, offenbaren will«. 57 Vgl. Aristoteles Met. 993 b 23-26; Thomas von Aquin Summa theol. I q.2 a.3 (quarta via). 58 Vgl. Brief an die Philipper 3, 20. Über die Ordnungen der Engel vgl. Ps-Dionysius Areopagita De caelesti hierarchia. 59 Jo 8, 26-27. 60 Derselbe Satz wird unten n.18, 11-12 wiederholt; vgl. auch n.19, 10-11 und n.34, 8; fernerDe Ii non aliud c.2 S. 5, 31; Meister Eckhart In Job. n.73 und 74. 61 Vgl.Jo 3, 35. 13, 3. 62 Das Neutrum bezeichnet die göttliche Wesenheit, das Maskulinum die Person; vgl. z.B. Meister Eckhart lnJoh. n.5. 63 Vgl.Jo 5, 26; oben n. 9 und Anm. 29. 64 Vgl. das »Credo« der Messe: »Deum de deo, Iumen de lumine«; Augustinus lnJoh. 39 n. 1, 15-18. 65 Jo 8, 28: »Wenn ihr den Menschensohn erhöht habt, dann werdet ihr erkennen, daß ich es bin«. Augustinus InJoh. 49 n.8, 9-11 bringt diesen
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Anmerkungen
Text mit Ex. 3, 14 in Verbindung, wie es auch bei Nikolaus der Fall ist (vgl. den nächsten Satz). 66 Vgl. hierzu die Einleitung. 67 Avicenna Met. I 5 (31, 1-4); vgl. ferner Thomas von Aquin De veritate q.1 a.1 mit Berufung auf Avicenna: •Illud autem quod primo intellectus concipit quasi notissimum [...] est ens«; Meister Eckhart Prologus gen. in opus tripart. n. 9 S. 154, 4. 68 Vgl. Proclus In Parm. VI, Steel 381, 98f.; Theol. Plat. I 4 (CT III 2. 1 n. 14 mit dem dort vorgelegten Text). Zum Vorhergehenden: Plato Tim. 31 a 2ff. 69 Hierzu und zum folgenden vgl. die Einleitung. 70 Zum unbenennbaren Ursprung vgl. auch De Ii non aliud c.10, S. 21, 17-20: •Zuerst siehst du, daß das >Nicht andere< unbenennbar ist, weil kein Name an es heranreicht, weil es allem vorangeht; jeder Name ist dennoch das, was er ist, durch Teilnahme an ihm; es heißt also das am wenigsten Benennbare«; hierzu Proclus In Parm. VI, Steel371, 2: •quod neque nominabile neque dicibile est«; Nikolaus notierte diese Stelle wörtlich in der Marginalie 447. 71 Proclus In Parm. VII, Steel 424, 19f., dazu die Marginalie 546: •authypostaton necessarie est divisibile esse secundum melius et deterius«; Steel 424, 25-27 und die Marginalie 547: »unum non est authypostaton, quia ipsum qualitercumque divisibile, sed non unum; est enim unum authypostatorum causa«. 72 Daß das absolute Eine jede Andersheit transzendiert, sagt Proclus im Anschluß an Plato mehrmals, vgl. z. B. In Parm. VII, Steel 454, 93-96; Nikolaus notiert dazu (Marginalie 576): •unum supra identitatem et alteritatem«. 73 Hier folgt Nikolaus einer von Proclus abgelehnten Deutung, vgl. In Parm. VII, Steel424, 11 ff. 74 Hier folgt Nikolaus wieder der Auffassung des Proclus, vgl. In Parm. I, Steel15, 90: • et multa entia et sunt entia et denominationem habent«; ferner Meister Eckhart In Joh. 74 (61, 13 f. ): » Principium denominat suum principiatum«. Vgl. auch die Einleitung. 75 Vgl. Proclus In Parm. I, Steel 72, 32ff. und die Marginalie 29: •Homo duplex, exaltatus et participatus; exaltatus ante multos, participatus in multis; primus aeternus, intelligentialis, alius sensibilis, partim mortalis«. 76 Vgl. De aequalitate n. 9, tOff: •In unmittelbarer Schau durchforscht die Seele ihrer Natur nach alles und mißt es. Und auf Grund der begrifflichen Wahrheit beurteilt sie die Wahrheit in den anderen Dingen. Und auf Grund der Wahrheit, die sie in den anderen Dingen verschieden erfährt, wendet sie sich zu sich zurück, um die in den anderen verschieden ge-
Anmerkungen
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schaute in sich ohne Verschiedenheit zu schauen, so daß sie alles in sich begrifflich wie in einem Spiegel der Wahrheit erblickt und sich als den Begriff aller Dinge erkennt« 10, 14ff.: »Während nun die Seele schaut, daß sie den Begriff der Welt, der die Begriffe für alle Dinge der Welt umfängt, ganz in sich trägt, schaut sie, daß das Wort oder das Begriffsbild von allem und der Name aller Namen in ihr ist, auf Grund dessen sie den Begriff für alle Namen schafft. Und sie sieht, daß alle Namen ihren eigenen Namen entfalten, da ja die Namen nur die Begriffe der Dinge sind« (Übersetzung von Josef Koch; im Anschluß an die Übersetzung dieser Stelle schrieb J. Koch S. 83: »[... ] es wäre interessant festzustellen, wann notio die Bedeutung >Begriff< erhält.« Hierzu: Notio bedeutet schon bei Cicero >Begriff,, vgl. Top. 31; Fin. 1, 31; Nat. deor. 2,13; Off. 3, 81 u.a.). 77 Schöpfer der Seienden- Schöpfer der Begriffe: V gl. Proclus In Parm. IV, Steel228, 12 f. und die Marginalie 301: »conditor intellectus mundi factor, omnium causa, secundum intelligibile in ipso essendi omnibus est causa [...]«;In Parm. 111, Steel151, 79: »Divinus quidem et conditor intellectus [...]«,dazu Marginalie 166; Steel162, 33f.: »[ ...]in ipso quidem conditore intellectu [...]«; vgl. auch De beryllo n.4, 9 (u.a.) und die dort vorgelegten Quellennachweise. Zum Intellekt als Nachbildner vgl. Proclus In Parm. 111, Steel150, 52: » assimilativus«; indessen geht die Lehre des Nikolaus vom menschlichen Intellekt als Schöpfer der Begriffe nicht auf Proclus zurück; zur schöpferischen Tätigkeit des menschlichen Geistes vgl. De coniecturis n.5 und De beryllo n.7. 78 Proclus In Parm. IV, Steel272, 85-90: »lpso enim se ipsum intelligere novit omnia quorum causa est [...] se ipsum solum sciens novit omnia«; Nikolaus vermerkt dazu (Marginalie 318): »[...] se cognoscendo omnia cognoscit«. Vgl. oben n. 9. 79 Bereits Philo von Alexandria (De migratione Abrahami 103) nennt den Logos Gottes >Idee der Ideenex creatura mundi intellecta conspiciuntur invisibilia deiebene< Oberfläche ist nur eine Luftfläche; vgl. die folgende Teilzeichnung a).
a)
b)
Die natürliche Ruhelage des Globus ist dagegen b). 7,10-13: WEIL ... HERAN] Die Aussage, daß die Kunst die Natur nachahmt, wird hier im Bedenken der weiteren Konsequenzen zu neuer Erkenntnis entfaltet: Die aus der Naturforschung entwickelte Kunst (oder Technik) führt ihrerseits zu einer erweiterten Kenntnis der Natur-Kräfte; Kunst ist also wesendich mehr als Nachahmung. Die Erfindung des Globusspiels ist ein Beispiel dafür. 8,10: ÄUSSERSTE] Das Äußerste der Welt besteht nicht in Punkten, weil der Punkt keine Ausdehnung hat. Die Gestaltqualität der Rundheit ist ohne Dimension, d. h. ohne Raum. 9,5-6: DENN DIE RUNDHEIT ... WERDEN] Die Rundheit als solche, nämlich als reine Gestaltqualität, kann nicht zusammengesetzt sein, und der Punkt, der in sich die Rundheit hat, ist als unausgedehnter nicht Teil oder Baustein des Ausgedehnten. 12,4-15: OBWOHL ... UNSICHTBAR IST] Die Frage nach dem Runden bei Punkt und Atom ist schwer verständlich, weil uns der alte Atombegriff fremd wurde. Der Punkt ist ein mathematischer Begriff, das Atom (das Unteilbare!) als Fundament des körperlich Seienden dagegen ein physikalischer. Aber er ist ein Grenzbegriff: Minimum
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Anmerkungen der Herausgebeein
gleichsam am Rande des Materiellen. Diese Theorie wird etwas klarer, wenn man an die Weiterbildung der antiken Atomlehre durch arabische Philosophen denkt. Deren Lehren wurden dem Abendland vermittelt durch die lateinische Übersetzung des Buches von Maimonides Dux neutrorum; vgl. Georges C. Anawati St. Thomas d'Aquin et /es penseurs arabes in: La philosophie de Ia nature de St. Thomas Actes du Symposion sur Ia pensee de Saint Thomas d'Aquin tenu a Rolduc, !es 7 et 8 Nov. 1981, hg. Leon Elders (Studi Tomistici 18) Libreria Ed. Vaticana 1982 S. 157-158: Existence des Atomes. In der islamischen Weiterbildung der Theorie ist die absolute Allmacht von Allah auf das Sein von Atomen ausdrücklich bezogen: Er schafft so viele Atome, wie er jeweils will; ihre Zahl ist niemals meßbar. Das Atom ist ohne Quantität; sind mehrere Atome miteinander verbunden (nicht vermischt!), hat dieser Zusammenhang Quantität und konstruiert einen materiellen Körper. - Wo es um einzelne Atome geht (vgl. Nr. 51 Z. 11-12), ist diese Theorie auch für Nikolaus passend: Jeder Globus wird auf seinem ))eigenen Punkt und Atom« die Ruhe finden. 13,17: MERCURIUS] Mercurius oder Hermes Trismegistos galt im Mittelalter als Künder ägyptischer Weisheit; unter seinem Namen gibt es eine Reihe von Schriften älteren und jüngeren Datums; vgl. Corpus Hermeticum Texte etabli par Arthur Darby Nock et traduit par AndreJean Festugiere Vol. 1-4, Paris 1954; zum Vergleich heranzuziehen sind auch Sammlungen über Sentenzen der ))24 Weisen«; vgl. Liber XXIVphilosophorum, vgl. dazu Wemer Beierwaltes in: Verfasserlexikon Bd. 5 Sp. 767-770. 14,13: EINZIGES ••• WELTKREIS] Üvid Metamorphosen I,6. 15,8-9: UND . • . REGEL] Diese Regel erscheint auch unter dem Namen ))regula doctae ignorantiae«, zuerst in De docta ignorantia I c. 3 (h I S. 8 Z. 21 - S. 9 z. 1 Nr. 9); siehe auch De ludo globi II (h IX Nr. 96 Z. 22-24) und De venatione sapientiae c. 26 (h XII Nr. 79 Z. 1-3). 16,3-4: DAS . . . SCHEINT] Die Ubersetzung richtet sich nach der Korrektur in den frühen Druckwerken; der Komparativ setzt wohl das Werdenkönnen voraus. Vgl. dazu Z. 15-20, wo die runde Welt der absoluten Rundheit entgegengestellt ist. 16,12-15: ABER ••• RUNDHEIT] Die Rundheit der Welt ist schon der Dimension und Extension verbunden. Das All («universum») ist ja zusammengezogen («contracte))), nicht absolut, wie das 11. Buch von De docta ignorantia ausführt. Das bedeutet zugleich, daß es nicht unendlich ist im Sinne der wesenhaft erfüllten Unendlichkeit, sondern bloß ohne begrifflich faßbare Grenze «privative infinitum)). Immerhin ist es das vollkommenste Abbild des absoluten Urbildes. Und an die-
Anmerkungen der Herausgeberin
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ser Abbildvollkommenheit des Alls nehmen die einzelnen runden Dinge teil. 17,14-20: DIE EWIGKEIT .•• HER-HAT] Die absolute Rundheit und die Ewigkeit sind identisch im Ursprung des Seins; dem Seienden, das ihr Abbild (an ihr teilnehmend) ist, wird zwar auch Ewigkeit und Rundheit zugesprochen, aber nicht absolut, sondern eingeschränkt. Die Argumentation ist von Platon beeinflußt, aber die Idee des Guten ist christlich verwandelt: Gott ist der Ursprung, der Schöpfer der Welt. Was »ewig« genannt wird, ist von ihm abhängig. Wenn hier (Z. 12-19) die Rede von der Ewigkeit der Welt ist, läßt sich das nur als ab-künftige Idee verstehen, deren Realisierung die ewige Welt ist, die ewig dauert.- Der Vorrang der Idee vor dem durch sie bestimmten Seienden wird durch den Hinweis auf das weiße Ding und die Weißheit für uns ein wenig verdeutlicht. Es ist wohl zu bedenken, daß »Weiß« ein Symbol göttlichen Lichtes, auch der von Gott geschenkten Reinheit (faufgewänder!) ist. 18,9-10: WAS ••• EWIG] li Cor4,18: quae enim videntur temporalia sunt, quae autem non videntur aeterna sunt. Nikolaus hat die Bibel in der lateinischen Übersetzung der Vulgata gelesen. Daher wird auf diese Textform zurückgegriffen. Die Abkürzungen der biblischen Bücher richten sich nach denen der kritischen Edition; vgl. Biblia sacra iuxta vulgatam versionem rec. Robert Weber - Bonifatius Fischer Stuttgart 31983. 18,15-16: WIE .•• SPRICHT] Bar 3,32: qui praeparavit terram in aeterno tempore. 18,20-26: ABER • • • ZEIT] Die Aussage über die Anordnung der Welt, Himmelsbewegung und Zeit ist naturphilosophisch von großer Bedeutung. Sie beruht auf der Interpretation der Zeit als »Maß der Bewegung« (siehe Aristoteles Physik IV c. 11 (ß 11 20a-24b). Die Existenz der Welt ist die Grundlage der Himmelsbewegung sowie aller Bewegung, deren Maß sie ist. Eine absolut leere Zeit können wir nicht denken, da wir sie nicht ohne Beziehung auf etwas sich bewegendes, veränderndes erfahren. Die Dauer der Welt ist »ewig«, die Bewegung in ihr ist die wichtigste Grundlage des Lebens in ihr. Es ist aber denkbar, daß die Welt zum Stillstand kommt. Die Existenz der Welt würde dann weiter bestehen. - Aristoteles hat eine solche Hypothese überhaupt nicht erwogen. 19,1-2: WIE ER WOLLTE] Vgl. Ps 113,11; Ps 134,6. 19,16-17: WEIL ••• KANN] Vgl. De docta ignorantia II c. 13 (h I S. 110 Z. 15- S. 114 Z. 7 Nr. 175-180); De coniecturis II c. 14 (h III Nr. 142). 20,8: B - o DER KREIS] b - d ist der Durchmesser des Kreises. 21,3: NACH •.• LEHRSATZ] S.O. Nr. 15 Z. 8-9.
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Anmerkungen der Herausgebeein
21,18--28: EINE KUGEL ... TEIL] In dieser Argumentation wird die Hypothese über die Existenz der Welt und die Bewegung (in Nr. 18) irreal! Weil die letzte Himmelssphäre ohne Gewalt und ohne Ermüdung in Bewegung bleibt, verbleibt sie unaufhörlich in ihr; ein Stillstand der Welt ist also faktisch unmöglich, sofern er nicht von überweltlicher Macht bewirkt wird. Gott allein »könnte« das; er will nur, was Sinn macht. - Der prinzipielle Vorrang des Seins, der Existenz, vor der Bewegung bedarf keiner Hypothese; das Sich-selbst-Bewegende, die Seele, hat in ihrem Wesen Sein und Bewegung in einem zusammengeschlossen. (Dazu siehe das Folgende, besonders Nr. 24). 22,15-16: DIE BEWEGUNG ... BEWEGT] Vgl. Platon Phaidros c. 24 245c-246a. 23,5-6: WIE OBEN GESAGT] Siehe Nr. 21. 24,4-6: ALSO ... SUBSTANTIELL] Die Definition »sich selbst bewegende Bewegung« muß als eine genaue ernst genommen werden. Sie unterscheidet sich von der gewohnten Meinung, daß Bewegung immer eines Seienden bedürfe, das sie auslösen kann, aber nicht immer auslösen muß. Diese Meinung ist orientiert an wahrnehmbaren Seienden. Die Unabhängigkeit des Geistes oder der vernünftigen Seele vom Körper setzt voraus, daß im Unkörperlichen andere ontologische Grundlagen sind. Wir haben aber dafür kaum exakte Termini. Nikolaus interessiert sich selten für Termini, sondern für das Beschreiben. Er benutzt dabei hier u. a. den Ausdruck »substantielle Bewegung«, den Thierry von Chartres geprägt hat; vgl. Commentum super Boethii librum de trinitate Nr. 42 S. 81 Z. 9 und S. 82 Z. 16 hg. Nikolaus M. Häring Commentaries on Boethius I?J Thierry of Chartres and his school Toronto 1971. 24,16: SUBSTANTIELLE BEWEGUNG] S. vorhergehende Anm. ZU Nr. 24 Z. 4-6 25,22-26: DIE ... SUBSTANz] Wird nun auch die Seele mit dem Geist identifiziert, quasi als »Sammelwort« für die verschiedenen Namen von sich selbst bewegender Bewegung? Das kann man nicht einfach bejahen. Die Seele hat jedenfalls einen größeren Wirkungsbereich als der Verstand, da sie dem Leib anerschaffen, ihm verbunden ist und ihn bewegen kann; der Verstand kann dies nur mittelbar erreichen. Man darf die Seele im geistigen Bereich als eine umfassendere Bewegung durch sich selbst ansehen. Aber man kann den geistigen Bereich nicht in verschiedene Abteilungen einteilen, weil er in einer Einheit zusammengeschlossen ist in lebendiger Bewegung. Das Thema wird von Nikolaus von Kues immer wieder aufgenommen. Man kommt ihm nahe nur mit Geduld!
Anmerkungen der Herausgeberin
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26,1-2: ES ••• WERDE] Die Frage von Johannes berührt eine religiöse Unruhe, deren Gehalt uns heute ziemlich fremd geworden ist. Die Antwort des Kardinals nimmt die Frage ernst und macht die Schwäche der mit dem Leib verbundenen Seele deutlich. Sie ist verwundbar und verführbar; hier ist sie (fast) mit der Person zu identifizieren, deren freier Wille auf Abwege geraten kann. Die Worte »körperlicher Schmutz« und »den Leib nicht vergessen können« lassen gewisse Leibfeindlichkeit vermuten; dies wird später aber geklärt. Es bleibt die offene Frage, inwieweit die geistige Freiheit durch die LeibSeele-Einheit behindert werden kann. 26,14: DIE KRAFT DER VERSCHIEDENEN KRÄFTE IST] Die »Kraft der Kräfte«, welche dann einzeln genannt werden, ist die Seele selbst. Die neue Ausdrucksweise zeigt das Besondere der Selbstbewegung an: Ihre Kraft ist das Wesen ihrer Selbstbestimmung. - Das Wort »Bewegung« hat verschiedene Bedeutung je nachdem, ob sie durch sich bewegt ist oder verursacht durch einen Antrieb von außen; die leibverbundene Seele kann von außen getroffen werden. 27,11-12: IM LEIBE ••. WELT] Die Analogie ist nicht zu pressen. Vgl. die Äußerungen über die Weltseele (Nr. 40 Z. 4-18 und Nr. 98 z. 9-12). 27,17-18: IN ALLEN UND IN DEN EINZELNEN IST] So ist- analog ZU Gottes Allgegenwart - das In-Sein der Seele bezeichnet als total und gleichzeitig differenziert in jedem einzelnen wirkend. 28,5: ALLEN SECHS BEWEGUNGSARTENj Siehe Platon Timaios C. 7 und c. 15 34a und 43b: von vorn nach hinten, von links nach rechts, von unten nach oben, sowie jeweils umgekehrt; es sind Ortsbewegungen in 6 verschiedenen Grundrichtungen. 28,21-25: ALSO ••• GLEICHFORMT] Siehe Platon Timaios c. 8 34c-35a. 30,7: ICH ••. LEBEN] Jo 11,25 und 14,6. 32,14: VON DIESEN DREI KRÄFTEN] Die Übersetzung kann den Originaltext nicht präzise wiedergeben; eine Genauigkeit ist wohl auch nicht gefordert. Für die Worte »vis« und »virtus« war der Bedeutungsunterschied in Nr. 31 nicht erkennbar. Bei den Worten von Johannes ist aber die besondere Bewertung zu spüren; »virtus« besagt zwar nicht Tugend im moralischen Sinne, aber wertvolles Können, Kraft im positiven Sinn. Auch die Bezeichnung der Seele als »intellectiva« weist auf die höhere Stufe der Vernunft hin; Johannes betont den Wert der Seele, der er den Widerschein der Dreifaltigkeit zuspricht. Die folgende Antwort des Kardinals (Nr. 33 Z. 1-3) vertieft dies. 33,14: EINFACHHEIT] Die Einfachheit ist die qualitative Seite der Einheit.
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Anmerkungen der Herausgeberin
33,19-21: SIE ..• FEHLEN] »Natura« hat in der Theologie eine besondere Bedeutung. Jesus Christus hat als Menschensohn die menschliche Natur, als Gottessohn hat er die Natur Gottes. In der heiligen Dreieinigkeit besteht die Einheit in der Natur oder Wesenheit des Göttlichen, die Dreiheit in den Personen: Vater, Sohn, Heiliger Geist. Dazu vgl. Thomas von Aquino S. th. I q. 48 a. 5 ad 1m: Was in den Geschöpfen [als Wesenheit oder Beziehung] ist, das ist kein ausreichendes Bild von dem, was Gottes ist. 35,1-16: DIE NATUR ... TRIEBHAFT IST] Hier ist die Rede von der Schöpfung, und es scheint möglich, aus der folgenden Erläuterung die Bedeutung von »Natur« zu finden. Es ist dabei auch zu berücksichtigen, was im II. Buch Nr. 98 Z. 9-12 gesagt ist, daß die Natur die Weltseele ist. Die Natur wird bewegt durch Vernunft, geistige Kraft, die vom Schöpfer her kommt, aber nicht die Kraft des Schöpfers selbst ist. Die Natur hat Bewegungskraft; die verschiedenen Arten der Lebewesen befolgen das ihnen zukommende Gesetz ohne Wissen um sein vernünftiges Ziel. Die Natur ist die den Rahmenbedingungen gemäß bewegliche Struktur der Schöpfungsordnung; sie nötigt die Arten zu sinnvollem Verhalten, so daß die Individuen dem ihnen gleichsam eingegebenen Gesetz (modern gesprochen: dem Instinkt) folgen. 37,19-20: DENN NACH DIONYSIUSj Vgl. Dionysius (Pseudo-)Areopagita De divinis nominibus c. 4 § 23 (PG 3, 724; Dionysiaca 274): sed neque corrumpitur quid existentium secundum quod essentia et natura, nach der Übersetzung des Johannes Scotus Eriugena; sed neque quidquam corrumpitur ex his quae sunt in quantum substantia et natura est, nach der Übersetzung des Ambrogio Traversari. 38,6: WIE ARISTOTELES GUT GESAGT HAT] Aristoteles Von der Seele Il c. 3 (B 3 414b 31). Dieses mathematische Symbol für das Verhältnis von Tierseele und Menschenseele läßt verschiedene Möglichkeiten von Überformung offen. 1) Das Dreieck berührt im Innern des Vierecks an 3 Punkten je eine Seite. 2) Eine Seite des Dreiecks fällt zusammen mit einer Seite des Vierecks. 3) 2 Seiten und der zwischen ihnen liegende Winkel des Dreiecks fallen mit dem Viereck zusammen. Auf den Unterschied zwischen Tier und Mensch übertragen wäre das Letztere zutreffend, wo animalisches Verhalten beim Menschen wiederkehrt, prinzipiell aber vom Verstand beherrschbar ist. 39,11-19: so WIE NÄMLICH ••• AUSÜBT] Sofern die Seele als Sichselbst-Bewegendes zu deuten ist, kann sie nicht zugleich mit dem von ihr belebten Einzelwesen untergehen. Damit ist jedoch nicht behauptet, daß nach dem Tode eines Tieres oder Baumes eine individuelle Seele zurückbleibt.
Anmerkungen der Herausgeberin
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40,2-3: MIKROKOSMOS] Der Mikrokosmos-Gedanke stammt aus der griechischen Naturphilosophie. Siehe aber auch De docta ignorantia III c. 3 (h I S. 127 Z. 2-3 Nr. 198 mit der dazugehörigen Anm.); vgl. auch NvKdÜ 15c S. 111 f die Anm. zu dieser Stelle, sowie De coniecturis II c. 14 Nr. 134 Z. 11. 40,5: INWENDIG ERNÄHRT] Vergil Aeneis VI 724-727. 40,7: VON DER WIR GESPROCHEN HABEN] S. 0. Nr. 21 Z. 12-20 »rund« ist der reine Gestalt-Charakter, »kreisförmig« bezieht sich auf die Bewegung. 40,10-11: DIESE SEELE ... SUBSTANZ] VgJ. De docta ignorantia IJ c. 9 (h I S. 90 Z. 5- S. 91 Z. 3 Nr. 142 und 143). 41,5: AKZIDENS] Die Antwort des Kardinals ist vorsichtig. Der Terminus »Akzidens« ist in weitem Sinne gebraucht; die Erläuterung an den verschiedenen Kräften der Wahrnehmung betrifft wohl die artspezifischen Verhaltensformen der Geschöpfe, die von der Natur regiert und vom Gesetz der Natur gezwungen werden. Das einzelne Geschöpf in seiner Besonderheit wird aus dieser Perspektive nicht bemerkt; s.o. Nr. 35. 43,14-16: SO WIE BÖHMEN .•. ABGESCHAFFT IST] Diese Bemerkung deutet auf ernste Differenzen mit dem böhmischen König, die sich danach noch weiter zuspitzen, als Georg Podiebrad sich am 12. 8. 1462 auf dem Landtag zu Prag für die Kommunion in beiderlei Gestalt erklärte. Am 14. August ließ er den Nuntius Fantini verhaften, weil dieser scharf dagegen protestiert hatte. Damit begann der offene Streit mit der Kurie. 43,26: ANDERWÄRTS] Siehe De docta ignorantia II c. 12 (h I S. 107 Z. 7-17 Nr. 169) und III c .3 (S. 125 Z. 21- S. 129 Z. 14); De coniecturis II c. 14f. sowie ldiota de mente. 43,27: BETRACHTUNG] An dieser Stelle sieht man, daß »speculatio« einen weiten und sehr positiven Sinn hat, der im Deutschen jeweils mit dem am ehesten zugehörigen Wort bezeichnet werden muß. 45,1-26: SO WIE ALSO ... WIRKLICH BESTIMMT WERDEN] Bei der Gegenüberstellung des Drechslers und Erfinders des Globus mit Gott, dem Schöpfer der Welt, soll das schwache Rätselbild auf das Schöpfungsgeheimnis hinweisen. Der Abstand von Handwerkskunst und Schöpfung ist sehr weit und doch existiert in der ersteren ein Gleichnis der Schöpfung. Die Übersetzung möchte dies Verhältnis verdeutlichen, weil die Termini der Schöpfungstheologie das Verstehen nicht leicht machen. Es werden daher verschiedene Worte für die gleichen Termini gebraucht: >>Denkkraft« ist die Übersetzung von »mens«, wenn vom Drechsler die Rede ist. Wenn später die Rede von
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Anmerkungen der Herausgebeein
Gott ist, ist das Wort »Geist« angemessen. Entsprechend wird (Z. 3) »conceptus« »Konzept« genannt, dagegen (Z. 21) »Idee«, im Sinne des Wortgebrauchs von Augustinus, für das Urbild der Schöpfung. Die Absicht dabei ist, in der Unähnlichkeit die geringe Ähnlichkeit als Hilfsmittel für das Erkennen zu gebrauchen. 46,11-13: so IST ... VERÄNDERLICHKEIT IsT] Dieser Satz, der die Seinsweise der Materie als >Werdenkönnen« definiert, nimmt ihr den Charakter eines immer-schon-existierenden Grundstoffes! 47,8: DU ... GuT] Die lobende Antwort des Kardinals gilt der Unterscheidung zwischen Schaffen Gottes von nichts und dem Machen aus etwas anderem.- Materie ist nicht begreifbar und zugleich eine kaum vermeidliche Annahme, wenn man auf den Anfang des Werdens zurückschaut. 48,18: IDEE] Siehe o. Anm. zu Nr. 45 Z. 1-26. 49,9: BESTIMMTEN MÖGLICHKEIT) »Bestimmte Möglichkeit« ist die Bezeichnung der Seinsweise des Möglichen, sofern es, von der Wirklichkeit umgrenzt, möglich und wirklich ist; das bedeutet aber nicht, daß das Mögliche total verwirklicht sei. Weitere Veränderung bleibt möglich! Beim Menschen ist dies noch in höherem Grad gegeben durch seine Freiheit, die seine beschränkte Selbstbestimmung ermöglicht. - Zum Begriff »bestimmte Möglichkeit« siehe auch Nr. 118 z. 25-28. 50,2-3: DIE KRÄFTE ... LANGSAM ANTWORTET) Nikolaus war damals mindestens 61 Jahre alt; er starb mit 63 Jahren am 11. August 1464. 50,5-7: WEIL ... KOMMT] In den alten Druckausgaben stehen diese Worte nicht, weil sie nicht die Hs Kr benutzen konnten, sondern sich auf die Hs. Cues 219 stützen mußten, in der die Worte propter- vario fehlen. 51,12: ATOM] Siehe Anm. zu Nr. 12 Z. 4-15; Gott (Allah) schafft jederzeit Atome so viele er will. 51,12-14: ES KÖNNEN ... WENIGER) Es ist nicht bloß der meßbare Abstand vom Mittelpunkt zu beachten, sondern die jeweils vom Standort verschiedene Richtung zum Mittelpunkt. Der quantativ gleiche Abstand hat dadurch verschiedene Qualität. 51,26: MITTLERS ZWISCHEN GOTT UND MENSCHEN]/ Tim 2,5. 52,14-15: UND WENN ... WÄHLTE] Damit sind die noch ungetauften Märtyrer gemeint, die durch ihr Sterben die Taufgnade erhalten haben (»Bluttaufe«). Vgl. Augustinus De civitate Dei XIII c. 7 und 8; (CCSL 48 S. 389-391). 53,6: IN IHM ... LEBT NICHT) Ga/ 2,20.
Anmerkungen der Herausgeberin
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54,1-24: DIES IST DIE SUMME .•. ZUR RUHE KOMMT] Hier hat Nikolaus am Textrand von C einen Strich gezogen und nota (merke!) geschrieben. Durch solche Striche ist der Leser aufgefordert, diesen Text besonders zu bedenken. 54,13-14: JEDER ... ANDERE GEKRÜMMT] Die Einzigartigkeit jedes Geschöpfes und besonders der Person wird hier sehr herausgestellt. Diese Erkenntnis war Nikolaus sehr kostbar. Vgl. dazu De venatione sapientiae c. 22 (h XII Nr. 65-67). 55,14--15: ZUFALL ... HERAUSKOMMT] Aristoteles Erste Ana!Jtik c. 25 (42a) u. a. 57,7: EIN DICHTER] Vergil Aeneis VIII,334. 57,10-11: NOTWENDIGKEIT DER VERKNÜPFUNGj Vgl. De docta ignorantia II c. 9 (h I S. 89 Z. 26- S. 96 Z. 11 Nr. 141-150)57,16-22: ES IST ALSO ... UMSTÄNDE ERREICHT j Die Norwendigkeit der Verknüpfung ist als Norwendigkeit unvermeidlich, jedoch in ihrem Bereich durch die Verknüpfung mit weiterem Werdenkönnen der einzelnen eingeschränkt. Sokrates und Platon sind den Bedingungen des Mensch-seins unterworfen, als verschiedene Menschen haben sie verschiedenes Schicksal, das durch den persönlichen Charakter und die freien Entscheidungen mitbestimmt wird. 58,1: OBEN] Vgl. Nr. 40. 58,17: GEISTIGE] Hs. C hat hier als Attribut der Speise »immortalem«, die Übersetzung nimmt aus der Hs. Kr »spiritualem«; es scheint mir wahrscheinlich, daß Nikolaus ursprünglich »geistige Speise« schrieb; das ist natürlich nicht beweisbar. 58,26-29: DEM IRDISCHEN MENSCHEN • • • ÄHNLICH] Vgl. Nr. 54 Z. 17-23. Schon in Nr. 50 ist die jetzt offen ausgesprochene Ähnlichkeit zwischen dem Globus und dem Menschen angedeutet. Beim Spielen kommt es so leicht zum Lachen über den Spieler, der nicht nur durch seine Art, den Globus in Bewegung zu bringen, mit ihm verbunden ist. Auch die manchmal sehr schwankenden Bewegungen des Globus oder sein plötzliches Umfallen können interpretiert werden als charakteristisch für den Spieler - nicht ganz ernst, aber nicht grundlos. Darin liegt der Widerschein persönlicher Freiheit; ohne Freiheit könnten wir nicht von Herzen lachen! 59,7-9: ER SELBST ... AUFFÜLLT] Dieser Satz wurde in Hs. C von Nikolaus mit einem Strich versehen. 59,11-13: IM VERTRAUEN ... ZU SCHANDEN WERDEN] Vgl. den letzten Satz des sogenannten Ambrosianischen Lobgesangs Te· deum laudamus (f-!ymnus Ambrosianus): In te, Domine speravi, non confundar in aeternum. Dieser Hymnus wurde an den Sonn- und Festtagen außer-
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Anmerkungen der Herausgebeein
halb der Fasten- und Adventszeit im Stundengebet der Kirche zum Abschluß der 3. Nokturn gebetet. 61,4-9: ALBRECHT •.• LIEBEN VERWANDTEN] Der Gesprächspartner von Nikolaus ist, wie Erich Meuthen (Siehe dazu die Anm. zu Nr. 1 Z. 4) bewiesen hat, Albrecht IV von München, der seinen jüngeren Bruder Wolfgang mitgebracht hatte. Der hat gewiß auch das Globusspiel gespielt, aber an dem Gespräch nicht teilnehmen können, da er erst elfeinhalb Jahre alt war (vgl. Meuthen a.a.O. S. 112). Der Herzog Johann, den Albrecht erwähnt, ist sein Verwandter aus der Mosbacher Linie, ein wenig älter als der »etwas über 15jährige« Münchener. 66,24: EBENSO . . . IN IHR] Daß die Weiß-heit hier nicht als weiße Farbe zu verstehen ist, sondern wie eine Idee, ist merk-würdig! Vgl. Anm. zu Nr.17 2.14-20. 67,15: DIEs] »dies« bezieht sich auf das »Auge« des Geistes am Anfang des Satzes. Seine eigene Existenz beruht auf dem ln-Sein des Seins-selbst in ihm und seinem ln-Sein im Sein-selbst. So ist ihm seine Existenz Beweis für das zwiefältige ln-Sein. 68,6: ICH BIN DAS LEBEN] Jo 11,25; fo 14,6. 69,14-15: UND DIE LEBHAFTEREN •.. NÄHER SIND] Am Strudel von abfließendem Wasser kann man sich ein anschauliches Bild solcher Bewegung machen; aber die symbolische Interpretation muß das Bild hinter sich zurücklassen, wo es um die Verbindung des geistigen Lebens mit dem göttlichen Leben geht. 71,5: DER OIE VATERSCHAFT •.. VÄTERN IST] Vgl. Eph 3,15. 71,8-9: DER WEG ... WAHRHEIT IST] fo 10,7; fo 14,6. 72,6-7: IN FINSTERNIS UND TODESSCHATTENj Vgl. Ps 87,7. 73,10-13: DOCH DIEJENIGEN ••. DASSELBE] Vgl. Nr. 6 Z. 4-7 mit Anm. 74,13-15: ES KÖNNEN ••• DURSTIG SIND] Ein jeder ist einzigartig. Für den Menschen als Person ist dies ebenso bedeutend wie seine Freiheit. Dazu siehe Buch I Nr. 54. 75,13-24: DORT IST NÄMLICH ••• GEBEN KANN] Das Geheimnis Christi, des Gottes- und Menschensohnes, wird - in strenger Anlehnung an die theologische Tradition - symbolisiert im Mittelpunkt der Kreise: Als Zentrum ist der Punkt Gottessohn und Mitschöpfer der Welt, als absolutes Minimum des Kreises hat er zugleich die Natur aller Kreise (Z. 14-18). Im Mittelpunkt fallen beide Naturen zusammen in seiner Einheit; das bedeutet die »hypostatische Union«, sie ist die absolut größte Einheit (Z. 22-24). Ihr Geheimnis ist deshalb auch jenseits des Gleichnisses vom Mittelpunkt: »eine Person in zwei Na-
Anmerkungen der Herausgeberio
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turen«. Jesus begegnet den Menschen wie ein Mensch, wie eine Person der anderen, und doch mehr; sein Menschsein besteht durch sein göttliches Personsein. Hier endet das menschliche Begreifen im Erkennen der Unbegreiflichkeit. 76,16-21: ZÄHLEN ••• DARSTELLUNG GEMACHT] Das Zählen ist Unterscheiden, dabei handelt es sich nicht um das Sein der Dinge, sondern um ihre Erkenntnis durch den Verstand. Die Verstandesseele ist die Kraft für die Tätigkeiten des Verstandes (dazu siehe Nr. 90 und 91). Der Mensch, der erkennt und begreift, faßt in seinem Verstand, in der denkenden Seele zusammen, was er unterschieden hat; so hat er es in sich eingefaltet. 77,6-7: KÜNDER DES GROSSEN RATSCHLUSSES] fs 9,6. 78,6: NEUN ORDNUNGEN] Die Ordnung wurde eigentlich schon in Nr. 77 klargemacht, ebenso in Nr. 78 Z. 1-6; drei Ordnungen, von denen jede drei Chöre einschließt; es sind also neun Chöre in den drei Ordnungen. Nun erscheint plötzlich zweimal die Bezeichnung »neun Ordnungen«. So lautet der Text beider Handschriften und der Drucke. Sollte dies wirklich eine Verwechslung der Termini sein, die nicht bemerkt wurde? Oder gebraucht Nikolaus hier das Wort »Ordnungen« bewußt in anderer Bedeutung? Wenn ja, was hatte er dabei im Sinn? Die Frage muß offen bleiben. 80,7-9: ABER UNSER GEIST •.• UMLÄUFT] Unser menschlicher Geist erfaßt die Dinge begrifflich; dies geschieht im denkenden Herumlaufen um sie und zwischen ihnen. Diese Erkenntnisweise ist das Fundament der Beweise und damit der Wissenschaften. 81,17-29: DIE ANDERSHEIT ••• STILLSTEHENj Andersheit ist nichts Seiendes, sondern Bezeichnung von Negativem wie Veränderlichkeit und Vergänglichkeit. Besonders deutlich wird dies (Z. 15--16), wo sie mit dem Sündigenkönnen und Sterben und Anders-werden zusammen genannt wird. Das ontologisch geminderte ist beim Menschen auch moralisch negativ als Kehrseite des Werdenkönnens, das jedem Geschaffenen offensteht und beim Menschen in seiner Freiheit: er kann schöpferisch Gutes tun, aber auch moralisch versagen. - Wenn manchmal heute das Anderswerden als wesentliche Verbesserung verstanden wird, zeigt sich einerseits die Konsequenz einer Verknöcherung des Denkens und der Gewohnheiten; daraus ergibt sich die Sehnsucht nach Veränderung und sogar Zerstörung des Herkömmlichen. Aber darin liegt nicht schon ein positives Schaffen einer lebendigen Ordnung, der eigentliche Sinn des >NV'erdenkönnens«. Z. 25--29 erinnert von neuem an die notwendige Eigenart eines jeden Seienden.
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Anmerkungen der Herausgeberio
82,13-14: VON DER EINHEIT ... MEHRERE SIND) Die Übersetzung folgt der Hs. Kr; non2 in Nr. 82 Z. 11 (lateinischer Text) steht nur in Hs. C. 82,42-43: WIE WIR ... ERKLÄRT HABEN) Siehe De docta ignorantia I c. 24 (h I S. 50 Z. 26- S. 51 Z. 18 Nr. 80 und 81). 84,1-3: DAS WORT .•• ÜBERALL IST) Es handelt sich hier, ebenso wie in Nr. 13, um die hermetische Tradition. Der erwähnte Weise wird auch von Meister Eckhart zitiert. Vgl. Dietrich Mahnke Unendliche Sphäre und Allmittelpunkt Halle 1937 S. 78. Er zitiert aus »Eckharts« »Expos. Ecclesiastica« ... »wie ein Weiser sagt, daß Gott eine unendliche geistige Kugel ist, deren Mittelpunkt samt dem Umfang überall ist«; vgl. Meister Eckhart Sermones et Lectiones super Ecclesiastici c. 24 (LW 2 S. 248 Nr. 20 Z. 1-3 mit Anm. 2). Nikolaus kannte dies; er hat in seinem Exemplar, Cod. Cus. 21, die Stelle am Rande bezeichnet. Was er hier im II. Buch vom Globus erwähnt, ist kein Zitat, aber eine ähnliche Aussage. Mathematisch-mystische Symbolik ist wesentlich variabel; sie steht allen offen, die sie als Hilfen zum Verstehen des nicht Begreiflichen gebrauchen können. 87,4--8: UND OBWOHL •.• ALLE EINFALTET) Das Seiende selbst wird in allen gesehen so wie der Punkt. Es gibt nicht viele Punkte, sondern nur den Punkt; so auch das Seiende selbst. Es ist als Gesamtheit alles Geschaffenen (nicht quantitativ) zu interpretieren. Gott wird grundsätzlich nicht Seiendes (Ens) genannt, sondern als absolute Seiendheit bezeichnet. Vgl. dazu die analogen Aussagen in Buch I Nr. 17. 87,16-18: SIEHST DU •.. WERDEN KANN) Der Text ist ergänzt nach der Konjektur der Pariser Ausgabe von 1514; vgl. dazu h IX Anm. zu Nr. 87 Z. 13-14 im textkritischen Apparat. 88,2-9: DAUER . . . DIE w AHRHEIT) Das Geheimnis um Zeit und Ewigkeit wurde Nr. 87 Z. 14--22 genannt. Nun wird der Ansatz zu einer Erläuterung im Bilde (änigmatisch) gemacht. Die Dauer ist sozusagen vermittelndes Glied. Wir unterscheiden das Dauernde von dem Vergehenden. Das Kennzeichen des Dauerns ist die Aufeinanderfolge des Gleichen im Gegensatz zu plötzlichem Aufhören, Schwinden oder wieder Beginnen, Sich-ändern, d.h. diskontinuierlich sein. - Die Zeit stellt sich uns selbst als dauernd dar, obwohl sie nicht als etwas Seiendes erscheint. Sie ist jedoch in fortlaufender Bewegung durch die »Wanderung« des »Jetzt« immer weiter in Richtung der Zukunft: Was heute ist, wird morgen »gestern« gewesen sein. Das Jetzt entfernt sich immer weiter von dem Vergangenen, an das wir uns erinnern können, vorgestellt als ein geistig Gegenwärtiges. Wir können es niemals de facto gegenwärtig machen. Der »Fluß der Zeit« ist nicht
Anmerkungen der Herausgeberin
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in unserer Macht; wir können nicht die vergangene Zeit vergegenwärtigen, sondern nur in uns das damals Geschehene. Ewigkeit ist kein definierbarer Begriff. Dennoch geht geistige Vorstellung aus von der Erfahrung des sich Vergegenwärtigem von Vergangenern oder der kurzen und seltenen Schau von Zukünftigem, die erst als solche bestätigt werden kann, wenn das Vorhergesehene tatsächlich, so wie es gesehen war, geschieht. Die Schau geht suchend in Richtung auf Ewigkeit. Sie wird beschrieben als jenseits des Zeitflusses: »tota simul«; in ihr ist alles ganz zugleich oder »nunc stans«, »beständig jetzt«. Wenn Gott selbst Ewigkeit ist, kann sie nicht »stillstehen«. Was bei Gott im Himmel ist, kann nur lebendig sein, nicht wie angenagelt auf seinem Plätzchen sitzen. Das wäre eine falsche Interpretation von Nr. 51 Z. 6-10. Heute müßte man die spekulative Vermutung hinzufügen, daß im Himmel die Geschöpfe im Reiche des Lebens eine unvorstellbare Vieldimensionalität vorfinden! 89,1-2: ANDERSWO ... GESCHRIEBEN] VgJ. dazu fdiota de mente C. 4 (h V2 Nr. 77) und c. 7 (Nr. 104); die Bedeutung der Vorstellungskraft, von der Nr. 88 Z. 11-19 die Rede ist, wird an den beiden Stellen des genannten Werkes ausführlicher behandelt. 89,17: ÜBER DEN CHERUBIM] IV Rg 19,15. 90,15-19: UNSERE SEELE ... MACHEN KANN] Hier wird sehr deutlich, daß die Verstandesseele nicht nur die Zahlen und das Rechnen mit ihnen erfunden hat, sondern der Ursprung eines Systems der unterscheidenden Erkenntnis ist. 90,24-26: DIE SEELE ... EINFALTETj Die Verstandesseele steht als lebendige Einheit und Ursprung der mathematischen Methoden der Berechnung und Erkenntnis der Proportionen über allen durch ihr Denken gemachten Resultaten (und auch über jedem Computer, von dem Nikolaus nicht träumen konnte). Sie faltet alles in sich ein, was das Unterscheiden ermöglicht und ist frei, die Objekte auszuwählen, die sie genauer erkennen will - ähnlich wie in der Wahrnehmung. Siehe auch Nr. 92! 91,16: VERTAUSCHEN] >>Vertauschen« ist ein Terminus der Scholastik, die Vertauschbarkeit des Seienden und des Guten ist wohl das bekannteste Beispiel. Nikolaus wendet die Terminologie nun auf die Seele an: Einheit und Seiendheit ihres Wesens sind zusammengehörig, analog zu dem absoluten Identisch-Sein in Gott. 93,10-11: ZEHN KATEGORIEN] Es handelt sich um die »Zehn Kategorien« des Aristoteles: Substanz und die neun »Akzidentien«, nämlich Quantität, Qualität, Relation, Ort, Zeit, Zustand, Lage, Tun, Leiden. - Die fünf »Universalien« des Porphyrius: Gattung, Art, art-
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Anmerkungen der Herausgebeein
bildender Unterschied, notwendige Eigenschaft, zufällige Eigenschaft (accidens). Die Termini müssen je nach dem inhaltlichen Zusammenhang interpretiert werden, weil sie verschiedene Bedeurung haben können! 93,11-12: FÜNF UNIVERSALIEN] Die fünf Universalien des Porphyrius: genus (Gattung), species (Art), differentia (artbildender Unterschied), proprium (notwendige Eigenschaft), accidens (zufällige Eigenschaft); vgl. Porphyrius Porphyrii Isagoge et in Aristotelis categorias commentarium hg. Adolf Busse Berlin 1887, S. 1 Z.18 - S. 13 Z. 36; vgl. auch die lateinische Übersetzung des Boethius ebd. S. 26--39. 93,18: DIE DAS MASS DER BEWEGUNG IST) Die VerstandesseeJe, die »sich selbst bewegt« (als Seele) ist auch der Ursprung der Bewegung und der »Zahl«. Mit den Zahlen wird gemessen, was erkannt werden soll. Die Meßinstrumente sind von der menschlichen Seele geschaffen. Siehe Nr. 94. Dabei geht es nicht nur um Werkzeug des Handwerkers, sondern um Hilfsmittel der Forschung, weil das Erzeugte nicht ein stofflicher Gegenstand ist, sondern zunächst begriffliche Erkenntnis des Geistes im Geiste. 94,3: ASTROLAB] Das Astrolab ist ein Meßgerät zum Bestimmen des Standes der Sterne; es wird auch zu den »Armillae« gezählt. Siehe dazu Anm. zu Nr. 4 Z. 20; Nikolaus besaß selbst einen Himmelsglobus und ein Astrolab; vgl. dazu Alois Krchiiak Die Herkunft der astronimschen Handschriften und Instrumente des Nikolaus von !Vtes MFCG 3 (1963) s. 109-180. 95,7-9: UND WO IST ..• VERSTANDESSEELE) Bei dieser Überlegung gebraucht Nikolaus absichtlich das Wort »ratio« in verschiedenen Bedeurungen. »Verstand« und »Wesensgrund« gehören ganz eng zusammen; der Verstand der menschlichen Seele erkennt in sich den Wesensgrund, sofern er ihn begreift, ist er inhaltlich mit ihm eins. 95,20-22: ZU ANDERER ZEIT .•. VIERECK) Siehe Nr. 38 und 39 sowie die Anmerkungen zu Nr. 38 Z. 6 und zu Nr. 39 Z. 11-19. 96,1-10: ER BERICHTET ... GEHÖRT HÄTTE) Augustinus De civitate dei XIV c. 24 Z. 41-53 (CCSL 48 S. 447-448) 96,13-15: DIE VERSTANDESSEELE •.• DAS SINNESVERMÖGEN BEHERRSCHT) Das Sinnesvermögen ist mehr als die bloße Kraft der Wahrnehmung, insofern als es vom Verstand geleitet das Wahrgenommene zugleich erkennt, was es ist und bedeutet. Beispiele: Am Gesehenen erkennt es: Das ist keine Spielzeug-Pistole! Am Gehörten erkennt es das Quietschen der Bremsen eines Autos. - Das Sinnesvermögen ermöglicht auch willentliches, absichtliches Tun, dazu Nr. 99 Z. 10-16.
Anmerkungen der Herausgeberio
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96,15-21: DIE VERSTANDESSEELE ... IN NICHT-KÖRPER] Die Aussage über den Verstand des lebenden Menschen ist auch heute von hoher Bedeutung; der äußere Schein ist kein Beweis für den Verlust des Verstandes. Schwerkranke und alte Menschen können manchmal viel verstehen, obwohl sie sich nicht äußern können. Hier ist die »Regel des belehrten Nichtwissens« auch medizinisch-praktisch von Bedeutung. - Daß der Mensch, das Leib-Seele-Wesen, sterben wird (irgendwann), ist aber zweifelsfrei. Vgl. Nr. 52. 96,28-31: DIES STEHT FEST .•• KLEINSTEN] Vgl. De docta ignorantia I c. 3 (h I S. 8 Z. 21-22); De venatione sapientiae c. 26 (h XII Nr. 79 z. 1-3). 97,15-17: so WIE ... SPÜRT] Ein vollkommen blindes Auge ist kein Auge mehr, weil ohne Leben. 98,2-3: SO WIE ARISTOTELES . . . BEWEGT] VgJ. Aristoteles Metaphysik XII c. 7 (A 7 1072 b3). 98,9: WELTSEELE] Siehe Nr. 35 Z. 1-16 und Nr. 43 Z. 20-26 mit Anm. zu Z. 26. 99,8: GUTE, DAS ALLE BEGEHREN] Aristoteles Nikomachische Ethik I c. 1 (A 1 1094 a3). 99,10-11: ES GIBT •.. ABWEICHEN] Diese zweiten Absichten weichen ab von dem, was unveränderlich auf das bleibende Ziel hinstrebt; das ist die Konsequenz des lebendigen Wechsels der eigenen Bedürfnisse sowie des Zustandes der Umwelt. Sie ist sachlich begründet und insofern vereinbar mit der »ersten Absicht« der Verstandesseele. Sie ist ontologisch verbunden mit der ersten Absicht des Schöpfers. 101,2-3: WENN ICH ••• DAHIN] Die Übersetzung folgt dem Wortgebrauch des Autors; er macht uns schmunzeln, wenn wir lesen, daß er »die Ohren bewegt«. Sicherlich hat er das nebenbei beabsichtigt. Die Wiederholung des Bewegens bei den Beispielen im Bereich des Körperlichen und der Vorstellungen, macht deutlich, daß »ich« bewege, wenn ich dies oder das beabsichtige. Bei den zweiten Absichten handelt es sich um den Vollzug konkreter Akte; sie geschehen hier und jetzt, sind als solche unwiederholbar, streng zeitgebunden. - Die zweite Absicht ist auch im Bereich des Unkörperlichen gebunden, aber da ist die Aufeinanderfolge nicht in meßbarer Uhrzeit. Siehe auch Z. 12-17. 101,15: UND ... WERKZEUG] Ich mache die Seele zum Werkzeug; dieser Satz ist erstaunlich, weil die Person (ich) der Seele gegenübergestellt wird. In Nr. 99 Z. 6-7 ist die Seele dagegen das Subjekt der ersten Absicht. Diese bleibt dauernd auf das höchste Gut gerichtet.
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Anmerkungen der Herausgeberin
Es gibt für Nikolaus offenbar keine eigendiche Unterscheidung der Subjekte im geistigen Bereich eines Menschen: Seele, Natur, Person gehören zueinander. Wenn man bedenkt, daß >x:lie Seele bewegt, aber nicht bewegt wird«, könnte man sagen, daß die Relationen des geistigen Lebens das Gerät seiner Substanz sind. - Vgl. zum Problem De coniecturis I c. 7 (h III Nr. 27,19-23 und Nr. 28,1-3); es gibt gewisse Unterschiede im weiten Gebrauch der Worte »Werkzeug« und »werkzeughaft«. Mit dem Wort »ich« wird die Person betont; dies Wort kommt im »Globusspiel« selten vor. Es liegt darin die Verantwortlichkeit und die Freiheit zu bewußter Entscheidung. Die Schwierigkeit in der Terminologie vom geistigen Bereich hat ihre Wurzel in der Sprache: Die Worte stammen ursprünglich aus dem Bereich des Wahrnehmbaren und sind übertragen auf das Nichtwahrnehmbare; dazu gehört auch die »Selbstbewegung«. Wenn dies streng genommen würde, wäre es jedenfalls unvorstellbar. Darf man sagen, daß die wesenhafte Bewegung identisch sei mit der Existenz des Geistigen? 102,22: WEISSHEIT] Vgl. Nr. 17 Z. 14-20. Es ist aber nicht auszuschließen, daß der Autor das Weiße und das Weise absiehdich akustisch verbunden hat. Er hat ja deutsch gesprochen, aber die schriftliche Aufzeichnung wurde selbstverständlich in der Gelehrtensprache gemacht. 102,27: DAS WEISSE .•• WEISSHEITj VgJ. Nr. 10 Z. 12. 103,2-3: WENN ..• ÄHNLICH SEIN] Vgl. I lo 3,2. 104,1: DASS GOTT ... WEISEN] /s 45,15; vgJ. Mt 11,25 und Lc 10,21. 104,4-5: ARISTOTELES . • . GRÖSSTEN] Aristoteles Über die Zeugung der Lebewesen V c. 7 (E 7 788a 13); siehe auch Nikolaus von Kues De beryllo c. 26. (h 2XI/1 Nr. 43 Z. 1-4). 105,11: MIKROKOSMOS] Vgl. Nr. 40 und dort Anm. zu Z. 2-3. 107,2-3: WIE DER APOSTEL ... GEORDNET] VgJ. Rm 13,1. 107,16: DAS GENAUE DRITTE] Ordnung und Fortschreiten sind von Anfang und Ziel umgrenzt; die Mitte ist das dritte notwendige Bestimmungsstück. 108,8-9: EINE GLEICHHEIT DER DREI HYPOSTASEN] »Hypostasen« sind die drei Personen der heiligen Dreieinigkeit Gottes. 108,10-11: WENN ... FOLGT] Vgl. Thierry von Chartres Glosa super Boethii librum De Trinilale I Nr. 30 (Nikolaus M. Häring Commentaries on Boethius by Thierry of Chartresandhis School Toronto 1971 S. 265 Z. 22): alteritatem sequatur pluralitas. 108,16--19: DARUM ... MITTE] Vgl. Platon Timaios c. 7 32b. 109,5-8: DENN JEDE ZAHL ... ANDERSHEITj Die Gegenüberstellung von Geradem und Ungeradem oder von Einheit und Andersheit hat
Anmerkungen der Herausgeberio
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mit Zählen und Rechnen nichts zu tun. Das ergibt sich aus der Unterscheidung von Quantität und »Substanz«. Letzteres bezeichnet die qualitative Bedeutung der Zahl, ein Erbe aus der Antike; Aristoteles hat es in der Metaphysik V c. 14 (ß 14 1020b) klar erläutert nach der Behandlung der Quantität. Thomas von Aquino, der die lateinische Übersetzung der Metaphysik von Wilhelm von Moerbeke kommentierte, ist für die Tradition dieser Lehre im Mittelalter ein besonders wichtiges Glied. Vgl. Thomas von Aquino In libros Metaphysicontm Aristotelis expositio V lect. 16, hg. M.-C. Cathala- Raimondo Maria Spiazzi, Turin-Rom 1964 S. 263 Nr. 992. Der Hauptgedanke ist: Die Substanz als solche ist nicht teilbar, sondern eins; in diesem Sinne ist die Sechs nicht quantitativ verstanden, sondern qualitativ (wie wir auch vom »Sechser« sprechen). Sie ist »nur einmal sechs« wie Aristoteles sagt. Also geht es nicht um Abzählen oder ähnliches, sondern um qualitative Einheit, die wir besser als Wesenheit bezeichnen und nicht als »Substanz«. Man kann (entsprechend dem griechischen Wort Oucria) übersetzen »formbestimmende Wesenheit.« So ist auch der »Vierer« eins und unteilbar. - Z. 1S-19 definiert Nikolaus die Andersheit als »gerade«, weil sie von der unteilbaren Einheit abgefallen ist. (Dazu siehe Nr. 81 Z. 9-11) Was sich abgeteilt hat von der Einheit, ist notwendig weiter teilbar, daher nie ungerade, sondern gerade. Der Vierer ist qualitativ zusammengesetzt aus dem Dreier und dem Anderen nicht aus 3 + 1. So abstrakte Überlegungen sind vermutlich manchem heutigen Leser fremd. Aber es wird leicht anschaulich, wenn wir Dreier und Vierer als Wesensstruktur sehen können. Beispiele: Dreieck, Dreirad, Dreiergespräch! Viereck, Tetraeder, Viererzug (Vierergespann), Viererbobi Das von Nikolaus an anderer Stelle (vgl. Nr. 38) im Globusspiel genannte Beispiel vom »Dreieck im Viereck« gehört auch in diesen Bereich. Zur Zahlenphilosophie vgl. auch De coniecturis I c. 2 (h III Nr. 8 Z. S-22). 109,12-13: DAHER HATTE BOETHIUS ... ZUSAMMENGESETZT WERDE) Boethius De institutione arithmetica I c. 2 (hg. Gottfried Friedlein Leipzig 1867 S. 12 Z. 25-26 109,23-25: AN ANDERER STELLE ... GEIST) fdiota de mente C. 6 (h 2V Nr. 90 und Nr. 95 Z. 12). 109,31-34: UND SEIN ZÄHLEN ... UNTERSCHEIDEN) Das AllgemeinEine bezieht sich auf das wechselseitige ln-sein, das Eine und das Andere auf das Unterscheiden. 110,19-21: WIE DURCH DREIEINIGES FORTSCHREITEN ... AUSSICHT) Siehe Nr. 108 Z. 14-20. - Weil heute das Wort »Spekulation« einen etwas anderen Sinn hat, gebrauche ich beim Übersetzen verschiedene
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Anmerkungen der Herausgeberin
Worte; um den Sinnzusammenhang zu verdeutlichen, versuchte ich hier eine bildhafte Formulierung - angeregt von dem Wort »subintrabis«. 112,10--11: UND ER IST ... VERNUNFT] Die Werterkenntnis ist Sache der Vernunft, nicht des bloß rationalen Verstandes. 113,11-15: DENN SO NENNEN WIR ... FEHLT] Die Gabe des Werterkennens kann nicht ohne weiteres den charakterlichen Wert eines Menschen steigern. 114,9-10: UND WENN .. AUFHÖREN] »Wert« setzt Wertschätzung voraus; aber wenn es keine Wertschätzung gibt, bleibt das Wertvolle als Gutes und Schönes bestehen. - Wo man vom »Verlust der Werte« spricht, geht es nicht um das vielfältige Gute, sondern um das anthropologische Defizit, das die Menschen selbst verursachen; sie sind zwar fähig, die Vernunft zu gebrauchen, geben aber anderen Interessen den Vorzug. 116,20--22: SO SAGTE NÄMLICH CHRISTUS .. . DES KAISERS] Mt 22,20--21. 117,1-2: DAS ANTLITZ ... SIND DASSELBE] Zur Gleichsetzung des Namens Gottes mit dem Sohne vgl. Sermo XXIV Nr. 11, die Auslegung der ersten Bitte in der deutschen »Vaterunser-Predigt« von Nikolaus; vgl. die Anm. in der kritischen Edition der Heidelberger Ausgabe Band XVI Faszikel4 S. 395-397. 117,3: BILD] 11 Cor 4,4. 117,3-4: GESTALT ... DURCH DEN] Hbr 1,2-3. 118,13: UNENDLICHE MÖGLICHKEIT] Die unendliche Möglichkeit ist Voraussetzung für die Bestimmung durch das Zeichen; sie wird durch das Zeichen determiniert. 118,15-17: DAS ERSTE ... NICHTS WIDERSTEHEN KANN] Das erste Gezeichnete ist in Gott so wie in der Wahrheit, weil Gott ja alles ist, was sein kann. 119,30--31: UND WER ... ENTHÜLLEN] Hier klingt an, was Nikolaus für einen jüngeren erwünschten Nachfolger in der »Jagd nach Weisheit« aufschrieb: das ihm Wichtige, das weiterer Wahrheitssuche bedarf. Auch das »Globusspiel« bietet Felder an, auf denen weitere Schätze verborgen liegen.
VERZEICHNIS DER SIGLEN
CCSL h
Corpus Christianorum. Series Latina Nicolai de Cusa opera omnia iussu et auctoritate Academiae Litteramm Heidelbergensis ad codicum fidem edita LW Meister Eckhart, Die lateinischen Werke MFCG Mitteilungen und Forschungsbeiträge der CusanusGesellschaft NvKdÜ Schriften des Nikolaus von Kues in deutscher Übersetzung. Im Auftrag der Heidelberger Akademie der Wissenschaften hg. von Ernst Hoffmannt, Paul Wilpertt und Karl Bormann Verfasserlexikon Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. Begründet von Wolfgang Stammler, fortgeführt von Karl Langosch, zweite völlig neu bearbeitete Auflage, hg. von Kurt Ruh
VON NIKOLAUS ZITIERTE NAMEN UND AUTOREN* Aristoteles 38,5; 98,2; 104,4. Augustinus 95,19. Boethius 109,10. Dionysius 37,17. Mercurius 13,15. Orpheus 94,2. Paulus 18,8; 107 ,2. Pius II, Papa (Enea Silvio Piccolomini) 61,6-7. Plato 12,4; 57,14; 109,28. Platonici 22,13; 57,6. Ptolomaeus 94,2. Pythagoras 109,25. Restitutus 95,19-20; 96,1-2. Socrates 57,14.
• Die Stellennachweise mit Paragraphen- und Zeilenangaben beziehen sich auf den lateinischen Text.
REGISTER ZU DEN ANMERKUNGEN*
1. Zitierte Handschriften Krakau, Jagellonische Bibliothek Cod. 682: 50,5-7; 58,17; 78,6; 82,13-14 Bernkastel-Kues, Bibliothek des St. Nikolaus Hospitals Cod.Cus. 21: 84,1-3 Cod.Cus. 219: 50,5-7; 54,1-24; 58,17; 59,7-9; 78,6; 82,13-14 2. Zitierte Bibelstellen IVRg Ps Ps Ps Is Is Bar Mt Mt Lc lo
19,15: 89,17 87,7: 72,6-7 113,11: 19,1-2 134,6: 19,1-2 9,6: 77,6-7 45,15: 104,1 3,32: 18,15-16 11,25: 104,1 22,20-21: 116,20-22 104,1 10,21: 10,7: 71,8--9
lo lo
11,25: 14,6:
Rm Ga! II Cor II Cor Eph I Tim Hbr I lo
13,1: 2,20: 4,4: 4,18: 3,15: 2,5: 1,2-3: 3,2:
30,7; 68,6 30,7; 68,6; 71,8--9 107,2-3 53,6 117,3 18,9-10 71,5 51,26 117,3-4 103,2-3
3. Zitierte AHtoren Hnd andere Personen Ambrogio Traversari 37,19-20 Ambrosius (HymnHs AmbrosianHs) 59,11-13 Anawati, George C. 12,4-15 Aristoteles 18,20-26; 38,6; 55,
14-15; 93,10-11; 93,11-12; 98,2-3; 99,8; 104,4-5; 109,5-8 Augustinus 45,1-26; 52,14-15; 96,1-10 Beierwaltes, Werner 13,17
• Stellennachweise beziehen sich auf die mit gleichlautenden Paragraphen- und Zeilenangaben aufgeführten Anmerkungen zur deutschen Übersetzung.
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Register zu den Anmerkungen
Boethius 93,11-12; 109,12-13 Borst, Arno 2,3 Breidert, Wolfgang 2,3 Brockhaus 4,20 Busse, Adolf 93,11-12 Cathala, M. R. 109,5-8 Collier, Peter Fenelon 4,20 Dionysius (-Pseudo) Areopagita 37,19-20 Eckhart, Meister 84,1-3 Elders, Leon 12,4-15 Fantini (Nuntius) 43,14-16 Festugiere, Andre-Jean 13,17 Fischer, Bonifatius 18,9-10 Friedlein, Gottfried 109,12-13 Georg Podiebrad 43,14-16 Haring, Nicholas M. 24,4-6; 108, 10-11 Häring, Nikolaus M. s. Haring, Nicholas M. Hermes Trismegistos 13,17; 84, 1-3 Johannes Scotus Eriugena 37,1920
Krchnak, Alois 94,3 Lefevre d'Etaples, Jacques 2,3 Leibniz, Gottfried Wilhelm 6,4-7 Liber XXIV philosophorum 13,17 Mahnke, Dietrich 84,1-3 Maimonides 12,4-15 Mercurius 13,17; s. auch Hermes Trismegistos Meuthen, Erich 1,5; 61,4-9 Nock, Arthur Darby 13,17 Ovid 14,13 Platon 17,14-24; 22,15-16; 28,5; 28,21-25; 57,16-22; 108,16-19 Podiebrad s. Georg Podiebrad Porphyrius 93,10-11; 93,11-12 Sokrates 57,16-22 Spiazzi, Raimondo Maria 109,5-8 Thierry von Chartres 24,4-6; 108,10-11 Thomas von Aquino 33,19-21; 109,5-8 Vergil 40,5; 57,7 Weber, Robert 18,9-10 Wilhelm von Moerbeke 109,5-8
VERZEICHNIS WICHTIGER LATEINISCHER BEGRIFFE Es wird hier kein vollständiger Wortindex geboten. Ein solcher findet sich in der Editio maior. Als Abkürzungen fanden Verwendung: dg. = durchgehend, hg. = häufig, b. h. = besonders häufig. absconditus verborgen 65,19; 104,1 (vgl. occultari verborgen sein). aeternitas Ewigkeit 16,15-19; 17 dg.; 18,10,15-17; 19,1; 33,3; 46,7-10; 48,12,18-19; 69,22; 87,9-17; 88,1-6. albedo Weiß-heit 10,9-10; 17,12; 66,19-20; 85,1; 102,16-21. alteritas Andersheit 79,16-21; 80,16; 81; 82,19; 108,9; 109,6,13-22. anima Seele dg. s. dazu auch motus anima mundi Weltseele (vgl. natura movetur intelligentia 35, 1); 43, 17-18; 58,1; 98,7-8. anima rationalis Verstandesseele b.h. 22,13-14; 28; 31,13; 32,1-3; 67,25; 90,1-2,10-11; 91,5,11; 92,1,10.11; 93,8,15; 94,1-17; 95,1,718; 96,9,12,18; 98,4; 99,5,7,10-11; 101,1,4,10; 102,1; 103,3,14. arrhetypus Urbild 45.5-6,15. ars Kunst 4,1; 7,7-8; 28,13; 44,5-13; 45,11; 102,7-15; n.115,9. ars creativa Schöpfungskunst 45,11-12; 102,11-14; 115,20-21. assimilatio vgl. similitudo atomHS Atom 10,8-11; 11,7; 12,12; 13,1-14; 15,22-25; 21,7-11; 51,10; 85,2. carentia Mangel 72,6-8; 81,8-10; 113,13. causa Ursache 4,9; 16,15; 29,2,11; 48,6-10; 70,12,14; 78,10; 79,3; 81,8; 82,5,26-27; 97,13; 99,4,12; 101,13-23; 102,2,6; 110,15; 112,10; 117,7; 120,10-11. cogitatio Nachdenken 31,1-9; 32,2-3,5,7,12; 34,1; 54,9; 73,8; 103, 11,15. complicatio Einfaltung (Zusammenfaltung) 37,5; 40,8-9; 49,2-6; 69,23; 76,13-16; 79,1; 83,5; 85,4--8; 86,4--12; 87,1-2,7; 91,5-10; 92,1-23; 93,2,7,9-10; 103,14--15; 110,14; 117,12; 118,18; 119,7.
* Stellennachweise mit Paragraphen- und Zeilenangabe beziehen sich auf den lateinischen Text.
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Verzeichnis wichtiger Begriffe
conceptus Entwurf 15,1; 44,6--16; 45,2,14--15; 47,7-9; 48,13-14; 80,13; 94,4--5; 99,1; 119,2. coniectura Mutmaßung 45,12; 58,19. conexio Verknüpfung s. nexus 40,5; 82; 83,9. considerare überlegen 5,1; 7,1; 31 hg.; 32,2,5,12-13; 34,2,4,7,8; n-36,2; 76,2; 85,4; 105,2; 114,1. continere enthalten 4,2; 7,12;; 10,6: 37,5; 56,11-12; 63,3,5; 65,3-10; 67, 6,11-12,15-19; 69,14; 71,5; 78,6; 106,1; 115,13-14. contingere zufällig zustande kommen, sich ergeben 50,6; 79,15; 81,78,10,15,19. contractum zusammengezogen 31,14; 66,20-21; 118,15,18. disciplina Wissenschaft 2,4; 90,7-16 (Methode); 93,1-6; 95,3,9; 101,11. discretio Unterscheidung 3,4; 29,2,5; 42,6; 76,6,13-16; 77,3,12; 78, 2,9,11; 80,1; 89,8,13-15; 90,13,17-18; 92,4,12-22; 93,12; 94,15-16; 95,1-2; 102,2-3; 106,1-4; 107,21-25; 109,20-22,25-26; 113,1213; 114,3-4; 115,8,18. duratio Dauer 18, 18; 88,2-7. elementativa Element 40,13; 104,10,16. embryo Embryo 43,6,16. ens rationis Gedankending 80,14--15; vgl. 112,8. ens reale wirklich Seiendes 80,14--15; 112,7. entitas Seiendheit 79,17,19; 80,3-4,11; 81,6,12-13; 82,1,11,13,15,20, 23-25,27,30-31; 87,3-6; 91,4--16; 111,8; 117,7,9. esse ipsum Sein selbst 66,6--13; 67,10; 111,6. essentia Wesenheit 25,12; 33,17; 37,16; 69,6; 81,12-14; 83,10; 89,17; 93,18; 102,15-17; 107,15-18; 112,6,8,10,12. evolutio Entwicklung 10,10; 49,2-5. exemplarVorbild 16,15; 48,7,15-16; 62,4,10,12-13,17; 63; 64,2-12; 65, 1,16--17; 66,14; 68,6--7; 77,9; 80,7-8; 99,2; 107,7; 117,5. exemplatum Abbild 62,10-16; 63; 64,2-12; 65,16; 68,7. explicare entfalten 10,11; 40,10; 49,5; 57,11; 85,7; 90,19; 92,15-22; 93, 3-4,7; 94,4; 103,16. exsistere existieren 22,8; 31,18; 44,21; 45,1; 66,3-14; 67,19-20; 69,7; 87,1; 93,8; 110,13; 111,8; 114,6--7. extremitas das Äußerste 8,8-9; 9,9-10; 11,1-4. .ftgura Gestalt 1,9; 4,2,4,7,9; 8,5; 20,9; 40,8; 69,1,3,11; 70,2-4; 74, 5,7,13; 75,17; 76,17; 78,6,9-12; 92,18; 103,19; 104,14--22; 117,12,11-13; 118,4--7.
Verzeichnis wichtiger Begriffe
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.ftgura substantiae Wesensgestalt 117,1-2,11-13. .ftnis Ende, Ziel 16,16-17; 17,14; 44,11; 48,7,10; 75,18; 83,3; 94,17; 99,5; 103,18; 104,7; 106,9-10; 107,3,13,18. jo1711a essendi Seinsform 91,12. jo1711a exemplaris Vorbildform 48, 15-16; 68,6-7; 117 ,6. genus Gattung 76,9,15; 78,9. globus 1,1-6; 2,5; 3,6-7; 4,1-20; 5,2-12; 6,1,11; 7,3-4; 8,1-4; 20,1-9; 21,6; 22,2-4; 23,1-5; 25,1-8,17; 44,4; 45,1-5,10; 46,2; 48,1-5; 50, 7-9; 51,4-21; 53,8,12,18; 54,5-18; 55,1-3,8,14; 56,7-10; 58, 16,20,22; 59,8--9; 60,6; 61,1,10,22; 121,6. gradus Stufe 72,1; 73,3; 75,8; 77,3. ~ostasis
Person (theol.) 75,20; 82,18; 108,7.
idem (identitas) dasselbe 16,19; 17,3; 19,10; 28,17; 39,2; 51,7; 69,2,9,21; 73,10; 74,8; 75,9,11,15-16; 79,15; 81,20; 91,10-12; 93,4; 107,17; 109,21; 117,2; 120,7,10,21. imagoBild 11,17; 12,2; 14,2-4; 15,3; 16,2-3,9,12,16,18; 42,19; 44,5,19; 48,15-18; 87,17; 88,1,7; 116,7-16; 118,7; 120,4-7. imaginari (imaginatio) vorstellen, Vorstellung 24,14; 26,12-16; 38,3,8; 39, 4-6; 67,1-19; 67,11; 88,1-16; 101,4; 104,12,19. imitari nachahmen 7,8; 78,2; 96,2; 109,28. immutabilis unveränderlich 15,11; 28,7-10; 95,3; 98,7,10; 99,11. impetusAnstoß 22,6; 23,3; 25,2; 55,2,16. impulsus Antrieb 5,3-13; 35,8--13; 54,5-8; 58,24. indivisibilis unteilbar 8,9-9,6; 10.3-4; 15,12; 21,7; 25,3; 83,4-8; 109,1416; 111,7; 119,8--9. illjinitus unendlich 4,12; 16,6; 33,2; 51,8; 64,2; 69,19-20; 73,3; 75,5; 99, 2-3; 111,11-12; 115,17,20; 118,9-14; 119,15-16. initium Anfang 13,6,8; 18,9,14; 83,6-8. intellectibilis geistig-schauend 77,8,21; 78,3; 89,9 (nach der HS K); 101,13; 104,13,23. intellectivus vernünftig 25,12; 26,2; 32,11,15; 37,6-8; 38,4,14; 39,3-4; 43,10; 119,7. intellectus Vernunft 24,2-8; 25,12; 26,16-17; 37,15; 38,10; 39,6-8; 43, 7-8; 70,10; 72,5,9-11; 77,5; 89,9 (nach der HS C); 103,4; 112,9-11; 113,11-12; 114,1,3-5,10; 115,2; 119 dg. intelligentia Einsicht 3,6; 26,12-15; 35,1; 65,19; 73,2; 77 dg.; "104,13,22. intentio Absicht 7,10; 11,15; 55,8,9,11,17; 59,4; 98,5-6,9-10; 99,1,5,8-13; 100,1,5,9-10; 101,1-17.
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intuitus Schau 63,6; 64,12; 77,8,13 78,2,5; 85,10; 102,7. invenire erfinden 28,13-14; 30,6; 31,1; 34,7; 50,4; 90,15-17; 93,1,3; 94, 1,3. Iex Gesetz 35,1--6; 51,15. Iex Iudi Spielregel 50,9. liber frei 19,12; 31,12-13; 34,6-11; 43,21; 44,6-7; 56,10; 58,3,11-13; 73,3. Iudus Spiel 1,1,6-8; 2,2-4; 20,1; 30,8; 31,1,4-5; 34,1; 49,11; 50,3-9; 51,1; 54,1; 55,5-7,12; 61,1,10,22; 89,2. Iudus sapientiae Weisheitsspiel 31,1-5 (vgl. 34,1-7; 54,1,17; 60,1). maius et minus mehr und minder 8,2; 15,8-15; 49,2; 62,3,7-9; 65,12-15; 69,13; 110,9-14; 112,11-12; 113,4; vgl. 96,20--24. maximum actu das wirklich Größte 16,10--13; 18,3--6. maximum simpliciter das schlechthin Größte 15,8--9; 96,24; 111,6-7. malum böse, schlecht 36,8; 56,1-7; 58,6; 81,11-12; 89,5; 113,7. materia Materie 11,15-12,7; 14,1-3,11; 26,6; 44,12-18; 45,3,6; 46,1,4, 6,9,11-13; 47,9; 48,1,6,9,10; 49,6; 81,8; 94,4; 116,2; 118,3-4; 119,16; 120,13,15,16,18. medium Mitte dg. medium Stoff 5,14; 7,4. mens Geist (Seele) 3,2; 15,1; 24,13; 44,5-20; 45,1--6,14-15; 46,14-15; 48,5,7,12-15; 61,26; 62,6,16; 67,9,24; 73,7-8,10,18; 80,5-16; 84,5; 85,1; 86,1; 88,5-13; 93,11-12; 94,4; 109,19-23; 112,2-7; 114,8; 119,3. mens divina Gottes Geist 45,14; 46,14. microcosmus Mikrokosmos 40,2; 105,8. modus essendi Seinsweise 46,3-4; 48,5; 116,1-5; 118,5,15-18; 119,17. monetarius Münzherr 115,1-13; 116,2-15; 117 dg. motus Bewegung dg. motus se ipsum movens sich selbst bewegende Bewegung 22,13-16; 24, 3-13; 25,11-18; 32,4-9. motus- quies Bewegung- Ruhe 92,5-7; 95,2. motus substantialis substantielle Bewegung 24,3-4,8-9,12-13; 25,4,8, 17-18. mysterium (mysticum) Geheimnis 2,3; 54,1,17; 60,1; 61,13-14; 62,1; 89,2; 104,14. necessitas Notwendigkeit 32,15; 35,4; 36,5,7; 40,9; 47,5; 57,8-9,13; 107,1; 118,12-19.
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nexus Verknüpfung 82,1-33 b.h.; 83,1. nihil nichts 9,8--9; 46,5; 47,2-5; 110,16. notitia Kenntnis, Kennzeichen 3,4-5; 69,5; 76,10; 80,13--14; 116,10,14. notionalis begrifflich 80,7-12; 91,8; 92,1-2,10--11,14,16; 93,9,16-17; 99,6; 112,8; 114,3. numerus Zahl 50,11; 65,1-5,16; 72,13; 76,6,8,12-13; 78,11; 79,6,7, 10,11,21; 80,2,15,16;; 81,2-3; 89,13--15; 90,14,16; 92,14-15 93,16;; 109,4-5,16-26; 115,8,10,19; 119,21. nummularius Wechsler 115,2-9,17-21; 119,19,26. nunc jetzt 69,18; 92,8,20. obiectum Gegenstand 80,13; 101,9. occultari verborgen sein 103,13,18,20; 104,2,8--11; 110,15. omnia et singula alle und jedes 27,14; 75,6-7; 82,23--24; 112,3. omnia simul alles zugleich 77,1 0--16; 81,19; vgl. Iota simul ganz zugleich 87,17. opportunitas Gelegenheit 81,11-12. ordo Ordnung 35,2; 40,10; 50,6; 57,7,12,15; 58,20; 75,9; 77,3--22; 78, 1-7; 89,4,6; 107,1-108,15 bh. par/impar gerade, ungerade 109,4-15. participare teilhaben 15,17; 16,7-8; 17,8; 21,20; 25,9-11; 102,16. perpetuus immerwährend 17,14; 21,16-18; 24,16; 28,3,7; 32,8; 33,3; 37, 17-18; 39,6-7; 40,7; 69,4-8; 77,21; 94,17; 97,16; 101,20. persona Person 33,15; 51,4; 53,12; 75,16. phantasmaPhantasiebild 88,10--11. posse Jacm Machenkönnen 19,3--11. posse.fteriWerdenkönnen 19,4-10; 45,17-20; 46 dg.; 47,1-2; 49,6; 99,3; 109,25-26. possibilitas Möglichkeit 14,11; 44,12-17; 45,6,8--9,17-19; 46 dg.; 48, 3--5; 49,7; 81,9; 118,5-21; 119,16. potentia Potenz, Vermögen 45,7; 96,12; 104,5; 115,6,12,13. praecise genau 6,7; 9,13; 21,2-4; 54,13; 107,13,18; 108,5; 119,25; 121, 2-3. praedicamentum Kategorie 93,9. principium Anfang, Ursprung 5,5; 16,16-17; 56,1; 64,11-12; 90,18; 104,3; 107,17-18. principium, medium et finis Ursprung, Mitte und Ziel 83,3; 107,3,12. privatio Beraubung 81,8. progressio Fortschreiten 79,2,9; 105,2-9; 106,2-8; 107,11,14-15; 108, 11-17; 110,17.
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Verzeichnis wichtiger Begriffe
proportio Proportion, Verhältnis 42,8; 90,8,12,16; 109,9-11; 114,6. punctus Punkt 8,9; 9,4-14; 10,4-11; 11,1; 12,11; 16,17; 20,4,6; 21,8; 49, 3-5; 51,9; 58,17,21; 69,20; 83,8--11; 84,3-8; 85,2-3,8; 86,3-7; 87,5; 92,3,15,17; 119,14. quantum Quantum 8,10; 67,5-7; 84,3-9; 92,23. quaternarius Vierer 79,2-10; 106,2,9-10; 108,12,15; 109,3-15. quiditas Washeit 76,10; 117,14-15. quies Ruhe 51,2,8; 54,7; 58,20; 60,3; 74,3; 92,6-7,20; 95,2. ratio Verstand, Denken 26,12-16; 28,6-7,9-12; 29,7; 31,6-13; 32,1-3; 34,5,14; 47,7; 70,5,11; 77,22; 78,4; 80,14,15; 88,13; 90,2-16; 91,5; 92,1,10,11; 93,8,16; 94,7-12; 95,1-18; 96,9-19; 97,2; 98,4; 99,5,78,11; 100,2,4,10; 101,17,19-20,23-24; 102,2,9,12; 103,3,7,14; 109, 19,27; 114,6; 116,6; 119,17. ratio Grund 35,2-5; 79,3,13; 90,15; 93,16; 95,8; 99,1; 101,13,19,22; 102,7; 105,8; 106,11; 108,20; 109,1. regula doctae ignorantiae Regel des belehrten Nichtwissens 96,22; vgl. auch 15,7-9. re/ucere widerstrahlen 33,2,4; 42,7-13; 44,2. sapientia Weisheit 31,1; 70,9-12. scientia Wissenschaft 2,1; 3,3; 28,13; 67,24; 70,9,11; 89,7; 95,9-10; 99, 5-6; 102,4,6-7,9; 103,7,10; 109,26; 115,8. sensus Sinn 14,5; 26,7-14; 28,16-17; 37,2-10; 67,14,18; 72,10; 90,4-22; 94,4; 95,13-17; 101,3,9; 104,11-12,18. signum Zeichen 20,4; 33,12; 50,6; 116,7; 117,4-17; 118,1-13; 120,4-18; 121,3. similitudo Ähnlichkeit, Vergleich, Gleichnis 7,7; 22,2; 25,1,6-7; 28,1516; 29,5,12; 30,3; 42,3-4; 44,19; 45,11; 115,12; 116,8,13; 118,3; vgl. assimilatio Vergleich 45,3; 115,3. simplicitas Einfachheit 30,3; 33,13; 77,12,14; 83,4,8--9; 86,3,7-9; 92,1012; 103,13. Iota simu/ ganz zugleich 87,17; siehe auch oben omnia simul. spiritusGeist 22,3-5; 24,19; 33,8--10; 34,11; 35,7; 36,3-7; 40,4-5; 53, 7-12; 77,13; 82,32; 89,4-5; 104,4; 105,7. spiritus rationalis vernünftiger Geist 31,8; 32,2-3; 101,20-21. subiectum Träger 48,18; 67,20-22. substantia Substanz 24,4-13; 25,4,7-9; 26,10,14; 37,3-15; 39,2,8,13; 40,10; 41,3,5; 67,15-26; 76,3-14; 117,1-2,11,13. substantia Wesenheit 37,16; 76,10; 109,7.
Verzeichnis wichtiger Begriffe
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temperamentum (temperatio) Zusammenstimmung 31,16-19. tempus Zeit 7,11; 15,13; 18,12-22; 21,13; 33,4; 43,24; 77,9,18; 87,11516; 88,1-4; 92,7-8,20-23; 93,14; 94,5-17; 95,2-12; 97,15. trigonusjtetragonus Dreieck/Viereck 38,4-11; 39,1-2; 95,17. trinus dreifaltig 82,26-29; dreifach 89,10; 106,8. unilas Einheit 33,13-16; 42,19; 62,14; 64,3-5,11-12; 65,1-17; 76,13; 82,8-33; 85,7; 90,18; 91,2-14; 92,13,17; 107,11; 109,6,14; 117,610. unitrinus dreieinig 32,15; 33,9-14; 110,17. universum All 40,5; 42,3-19; 43,1,5-6,10,11; 44,2; 56,11; 58,9; 82,19. valor Wert 110-114 bh.; 115,10,11,16,20. varius verschiedenartig 4,12,13,19-20; 5,2-3,14; 6,9; 7,5,10; 10,1; 21, 12-13; 39,8-9; 42,19; 46,10; 48,18; 50,5; 54,3-6; 55,3,5; 59,2; 62,14; 73,8-11; 77,2; 81,18; 82,3,6; 115,18-19; 120,16-21; 121,3-4. veritas Wahrheit 11,11-16; 12,1-3; 15,1-7; 29,13; 30,1,4; 44,19-20; 48, 14,16,17; 52,2; 53,1,11; 62,6; 63,5; 66,2; 71,6-10; 72,10-11; 80, 10,12; 88,8-14; 103,8; 111,8-13; 117,8; 118,6-7; 120,15-18. virtus Tugend 54,3,17-18; 56,3; 58,3,13; 59,3. virtus (vis) Kraft 3,8; 6,3; 7,9; 24,15,17; 26,1,8-11; 27,3-4; 28,6,12,13; 29,1; 31,3,6,13; 32,3,11,15; 33,2; 34,6; 37,2-15; 38,3,8; 39,1-3,11; 40,6; 41,5-7; 43,16; 44,6; 50,2; 51,14,16,20; 54,14,17; 56,7; 67, 4,26-27; 80,7-12; 86,4-11; 89,17; 90,1-11; 92,1,11; 93,2,7,9; 95,17; 96,11; 97,4; 101,11,14,24; 102,3,19-20; 103,7-8,13,15,19; 104,416; 109,19-21; 112,2; 114,2,6; 115,5,7-8; 119,7,17,21;. . visio Schau 66,2; 72,1,10.11; 77,3. vita viventium Leben der Lebenden 38,15; 69,1,15-16,22; 70,3; 72,4. vivijicare lebendig machen 22,15; 23,6-7; 24,1,14; 27,4-12; 40,14.
VERZEICHNIS WICHTIGER BEGRIFFE DEUTSCH-LATEINISCH Abbild exemplatum Absicht intentio Ähnlichkeit similitudo das ÄHßerste extremitas All universum alle Hnd jedes omnia et singula alles iJigleich omnia simul vgL aHch tota simul Andersheil alteritas Anfang initium Anfang principium Antrieb impulsus Anstoß impetus Atom atomus begri.fflich notionalis BeraHbHng privatio BewegHng motus sich selbst bewegende BewegHng motus se ipsum movens BewegHng - RPhe motus - quies sHbstantielle BewegHng motus substantialis Bild imago böse malum dasselbe idem (identitas) DaHer duratio Denken siehe ratio Dnieck/Viereck trigonus/tetragonus dnieinig unitrinus dnifoch trinus dnifaltig trinus Ende finis
Einfachheit simplicitas EinfaiiHng complicatio Einheit unitas Einsicht intelligentia Element elementativa Embryo embryo entfalten explicare enthalten continere EntwickiHng evolutio EntwHif conceptus erfinden invenire sich ergeben contingere Ewigkeit aeternitas existienn exsistere Fortschniten progressio
frei liber
ganz iJigleich tota simul, s. aHch omnia simul GatiHng genus Gedankending ens rationis Gegenstand obiectum Geheimnis mysterium, mysticum Geist mens Geist spiritus vernünftiger Geist spiritus rationalis geistig-schaHend intellectibilis Gelegenheit opportunitas genaH praecise geradeiHngerade par/impar Gesetz Iex Gleichnis similitudo vgL aHch assimilatio Vergleich GlobHs globus
Verzeichnis wichtiger Begriffe
Gottes Geist mens divina das schlechthin Großte maximum simpliciter das wirklich Großte max1mum actu Grund ratio immerwährend perpetuus Jelif nunc
Kategorie praedicamentum Kenntnis notitia Kenn~ichen notitia Kraft virtus, vis Kunst ars Leben der Lebenden vita viventium lebendig machen vivificare Machenkönnen posse facere Mangel carentia Materie materia mehr und minder maius et minus Methode disciplina Mikrokosmos microcosmus Mitte medium Möglichkeit possibilitas Münzhe" monetarius Mutmaßung coniectura nachahmen imitari nachdenken cogitatio nichts nihil Notwendigkeit necessitas Ordnung ordo Person persona Person (theol.) hypostasis
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Phantasiebild phantasma Potenz potentia Proportion proportio Punkt punctus Quantum quantum Regel des belehrten Nichtwissens regula doctae ignorantiae Ruhe quies Schöpfungskunst ars creativa Seele mens, anima Sein selbst esse ipsum wirklich Seiendes ens reale Seiendheil entitas Seinsform forma essendi Seinsweise modus essendi Sinn sensus Spiel Iudus Spielregel Iex Iudi Stoff medium Stufe gradus Substanz substantia Schau visio, intuitus schlecht malum teilhaben participare Träger subiectum Tugend virtus überlegen considerare unendlich infinitus unteilbar indivisibilis Unterscheidung discretio unveränderlich immutabilis Urbild archetypus Ursache causa Ursprung principium Ursprung, Mitte und Ziel principium, medium et finis
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Verzeichnis wichtiger Begriffe
verbo'l,en absconditus verbo'l,en sein occultari VC'l,leich similitudo, assimilatio Verhältnis proportio Verknüpfung conexio, s. tlllch nexus Vmnogen potentia vernünftig intellectivus Vernunft intellectus verschiedenartig varius Verstand ratio Verstandesseele anima rationalis Vtenr quaternarius Vorbild exemplar Vorbildform forma exemplaris VorsteUung imaginari, imaginatio Wahrheit veritas Washeil quiditas Wlichsler nummularius Wliisheit sapientia Wliisheitsspiel Iudus sapientiae
Wliiß-heit albedo Wliltseele anima mundi, vgL auch natura movetur intelligentia WlirdenkO"nnen posse fieri Wlisenheit essentia Wlisensgestalt figura substantiae Wlisenheit substantia Wlirl valor widerstrahlen relucere Wissenschaft disciplina Wissenschaft scientia Zahl numerus Zeichen signum Zeit tempus Ziel finis zyfoUig zystande kommen, sich e'l,eben contingere Zusammenfaltung complicatio zysammengezogen contractum Zusammenstimmung temperamentum, temperatio
NIKOLAUS VON KUES
Philosophisch-theologische Werke Lateinisch- deutsch Mit einer Einleitung von Karl Bormann Band4
FELIX MEINER VERLAG HAMBURG
NIKOLAUS VON KUES PHILOSOPHISCH-THEOLOGISCHE WERKE Lateinisch- deutsch BAND I
De docta ignorantiaDie belehrte Unwissenheit BAND 2
De coniecturis Mutmaßungen Idiota de sapientiaDer Laie über die Weisheit Idiota de menteDer Laie über den Geist BAND 3 De berylloÜber den Beryll Tu quis es (De principio)Über den Ursprung Trialogus de possestDreiergespräch über das Können-Ist Dialogus de ludo globiGespräch über das Globusspiel BAND4
De venatione sapientiaeDieJagd nach Weisheit Compendium Kompendium De apice theoriae Die höchste Stufe der Betrachtung
NIKOLAUS VON KUES
De venatione sapientiae Die Jagd nach Weisheit Compendium Kompendium De apice theoriae Die höchste Stufe der Betrachtung
FELIX MEINER VERLAG HAMBURG
INHALT BAND 4
De venatione sapientiae Die Jagd nach Weisheit Inhaltsübersicht von De venatione sapientiae Text und Übersetzung ............................. 2/3 Anmerkungen ................................... 180 Literaturnachweis ................................ 186 Verzeichnis wichtiger Begriffe (lateinisch-deutsch) ...... 188
Compendium Kompendium Inhaltsübersicht von Compendium Text und Übersetzung ............................. 2/3 Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verzeichnis der Siglen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Nikolaus zitierte Namen, Bibelzitate, zitierte Handschriften, Verweise auf die Werke des Nikolaus, im Quellenapparat zitierte Autoren, wichtige Begriffe (lateinisch-deutsch)
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VI
Inhalt
De apice theoriae Die höchste Stufe der Betrachtung Text und Übersetzung
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Kommentar und Anmerkungen lo Dialog und Dialogpartner 2o Kommentar und Anmerkungen Materialsammlung zur Verwendung des Begriffsapex in der theologia mystica Verzeichnis der Siglen Quellennachweis Literaturnachweis Register Von Nikolaus zitierte Namen und Schriften, zitierte Handschriften, in Einleitung und Kommentar zitierte Autoren 0
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NIKOLAUS VON KUES DE VENATIONE SAPIENTIAE DIE JAGD NACH WEISHEIT
INHALTSÜBERSICHT VON DE VENATIONE SAPIENTIAE
Vorwort..........................................
3
Kapitel: 1: Die Weisheit als geistige Nahrung . . . . . . . . . . . . . . . . 5 2: Mein Leitgedanke beim Durchforschen der Weisheitsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 3: Der Verlauf des Jagdzugs des Verstandes . . . . . . . . . . 13 4: Ein Beispiel aus der Logik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 5: Ein Beispiel aus der Geometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 6: Erhellung des Werden-Könnens . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 7: Die eine Ursache alles Werden-Könnens........... 25 8: Wie Platon und Aristoteles die Jagd durchführten . . . 31 9: Verschiedenheit der Bezeichnungen desselben in der Heiligen Schrift und bei den Philosophen . . . . . . . . . . 35 10: Die Bezeichnung des Werden-Könnens bei den Weisen................................. 41 11: Die drei Gebiete und die zehn Felder der Weisheit . . 45 12: Das erste Feld: das belehrte Nichtwissen . . . . . . . . . . 45 13: Das zweite Feld: das Können-Sein . . . . . . . . . . . . . . . . 51 14: Das dritte Feld: das Nicht-Andere . . . . . . . . . . . . . . . . 57 15: Das vierte Feld: das Licht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 16: Fortsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 17: Fortsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 18: Das fünfte Feld: das Lob . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 19: Fortsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 20: Fortsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 21: Das sechste Feld: die Einheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 22: Fortsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 23: Das siebte Feld: die Gleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 24: Das achte Feld: die Verbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
25: 26: 27: 28: 29: 30: 31: 32: 33: 34: 35: 36: 37: 38: 39:
Fortsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fortsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das neunte Feld: die Grenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fortsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fortsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das zehnte Feld: die Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fortsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fortsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Bedeutung des Wortes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die gewonnene Beute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fortsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fortsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schlußwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
107 109 117 121 125 129 135 139 143 147 151 155 157 161 167
Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schriften des Nikolaus, die er selbst erwähnt . . . . . . . . . . . Verzeichnis wichtiger Begriffe {lateinisch-deutsch) . . . . .
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Ed.parzs I
DE VENATIONE SAPIENTIAE
fo/.201'
Reverendissimi domini Nicolai cardinalis sancti Petri ad Vincula prologus libri De venatione sapientiae Propositum est meas sapientiae venationes, quas usque ad hanc senectam mentis intuitu veriores putavi, summarie notatas posteris relinquere, cum nesciam, si forte longius et melius cogitandi tempus concedatur; sexagesimum enim primum transegi annum. Conscripsi dudum conceptum de quaerendo deum; profeci post hoc et iterum signavi coniecturas. Nunc vero cum in Diogenis Laertii De vitis philosophorum libro varias philosophorum legissem sapientiae venationes, concitatus ingenium totum contuli tarn gratae speculationi, qua nihil dulcius homini potest advenire. Et quae diligentissima meditatione repperi, licet parva sint, ut acutiores moveantur ad melius mentem profundandum, peccator homo timide verecundeque pandam, hocque ordine procedam: Sollicitamur appetitu naturae nostrae indito ad non solum scientiam, sed sapientiam seu sapidam scientiam habendum. Circa huius rationem primo pauca praemittam. Deinde volenti philosophari, quod venationem sapientiae voco, regiones et in illis loca quaedam describam in camposque ducam, praedae, quam quaerunt, apprime p11ta refertos.
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DIE JAGD NACH WEISHEIT
Vorwort des Hochwürdigsten Herrn Nikolaus, Kardinal bei St. Peter in Ketten, zum Buch über Die Jagd nach Weisheit Da ich nicht weiß, ob mir noch geraume und dem Denken förderlichere Frist beschieden sein wird, möchte ich in dieser Schrift eine kurze Darstellung meiner Jagdzüge nach Weisheit der Nachwelt hinterlassen, soweit ich diese bis zu meinem schon vorgerückten Alter durch geistige Einsicht als einigermaßen ergiebig hinsichtlich der Wahrheitsfindung beurteilt habe. Ich habe das 61. Lebensjahr vollendet. 1 Einst schrieb ich eine Abhandlung Vom Gottsuchen. 2 Dann durfte ich Fortschritte machen und konnte abermals Mutmaßungen zum Abschluß bringen. 3 Jetzt aber ließ ich mich durch die mannigfachen Jagdzüge der Philosophen nach Weisheit, von denen ich in den Lebensbeschreibungen der Philosophen bei Diogenes Laertius las, 4 anregen, meine ganze Kraft einer so hochwillkommenen Betrachtung zu widmen, die dem Menschen höchste Befriedigung gewährt. Und um scharfsinnigere Geister zur Vertiefung anzuregen, will ich, ein sündiger Mensch, in Ehrfurcht und Bescheidenheit die geringe Frucht meines angestrengten Nachdenkens vorlegen. Dabei will ich folgende Ordnung einhalten. Ein uns natürliches Verlangen läßt uns nicht nur nach dem Besitz von Wissen, sondern nach dem Besitz von Weisheit oder köstlichem Wissen streben. Nach einigen einleitenden Bemerkungen zur Erklärung dieser Tatsache möchte ich dem, der philosophieren will, was ich Jagd nach Weisheit nenne, Gebiete und in ihnen bestimmte Plätze beschreiben und ihn in Gefilde führen, die meiner Auffassung nach überreich sind an der gesuchten Beute.
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De venatione sapientiae. Capitulum I Capitulum I
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Sapientiam pasturn esse intellectus Intellectualis nostra natura cum vivat, necessario pascitur. Sed alio quam intelligibilis vitae cibo nequaquam refici potest, quemadmodum omne vivens simili cibo vitae suae pascitur. Nam cum vitalis 5 spiritus sit delectabiliter movens, qui motus vita dicitur, tune vis ipsa spiritus vitae, nisi restauretur naturali sua refectione, exspirat et deficit. Pythagorici aiebant vitalem spiritum in vapore seminis, corpus in corpore eius potentialiter subsistere. Quod et Stoici, qui et Zenonü, approbantes substantiam fructiferi seminis in spiritu vaporabili 10 esse dixerunt, qui dum in grano aut in alio semine exspiravit, non fructificat. Ignem enim videmus deficere et exspirare, si pabulum eius defecerit. Unde et caelestia, cum moveantur, 'spiritus' veteres appellabant, ut sapiens Philo et Iesus filius Sirach solem spiritum affirmant. Ideo et solem pasci dicebant vapore oceani et lunam 15 similiter vapore aliorum fluminum refici affirmant et planetas, quos divina vita poliere putabant, et deos alios vaporibus delectari credentes thure et odoriferis placabant. His enim spiritum vitae aetheriae seu caelestis purgatissimi ignis naturae inesse asserentes 20 vaporem odoris suavissimi obtulerunt. Quoniam autem animalia omnia naturalem mentem fixamque 3 memoriam pabuli sui similitudinisque suae sensum habent, quae sunt eiusdem speciei sentientes, aiebat Plato hoc ex idea necessario esse, cum praeter illas nihil maneat. Ex quo elicias ideas non esse
Weisheit als geistige Nahrung. n. 2-3 2
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Kapitell Die Weisheit als geistige Nahrung
Unsere geistige Natur lebt. Sie braucht also Nahrung. Wie aber alles Lebendige von der seiner Lebensform entsprechenden Speise sich nährt, so hat nur die Nahrung geistigen Lebens die Kraft, unsere geistige Natur zu erhalten. Die Lebenskraft regt sich zur eigenen Freude, eine Bewegung, die man Leben nennt. Deshalb muß die Lebensenergie ohne Erneuerung durch eine natürliche, ihr gemäße Nahrung erlahmen und erlöschen. Die Pythagoreer ließen die Lebenskraft in der Wärme des Samens, den Körper im Samenkörper der Möglichkeit nach enthalten sein. 5 Dem stimmten auch die Stoiker zu, die man auch Anhänger Zenons nennt. 6 Sie fanden das substantiale Wesen des fruchtbringenden Samens im Wärmehauch. Wenn dieser in einem Samenkorn oder in einem anderen Samen erlischt, so entsteht keine Frucht. Wir beobachten ja auch das Erlahmen und Erlöschen des Feuers bei Erschöpfung seines Nährstoffes. Wegen ihrer Bewegung haben deshalb die Alten auch die Himmelskörper als Geistwesen bezeichnet. So nennen der weise Philon 7 und Jesus, der Sohn des Sirach,s die Sonne ein Geistwesen. Folgerichtig ließen sie auch die Sonne sich vom Wärmedampf des Ozeans nähren und in ähnlicher Weise den Mond aus dem Wärmedampf anderer Gewässer Nahrung schöpfen. Auch die Planeten, denen sie die Fülle göttlichen Lebens zuschrieben, und die anderen Götter hatten nach ihrer Meinung Freude an Dämpfen. Deshalb versuchten sie, diese mit Weihrauch und Wohlgerüchen gnädig zu stimmen. In der Auffassung, daß in ihnen ein Geisthauch ätherischen oder himmlischen Lebens von der Natur des reinsten Feuers wohne, brachten sie ihnen den Dampfhauch angenehmsten Geruches als Opfer dar. 3 Alle Lebewesen haben einen naturgegebenen Sinn und eine fest verankerte Gedächtnisvorstellung für ihr Futter. Dazu verfügen sie über ein Unterscheidungsvermögen für ihresgleichen, das sie ihre Artgenossen erkennen läßt. Diese Tatsache glaubte Platon aus der Idee erklären zu müssen, da außer den Ideen nichts im Sein beharre. 9 Man mag aus dieser Beweisführung den
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De venatione sapientiae. Capitulum I
sie ab individuis sepatatas sicut extrinseca exemplaria. Nam natura 5 individui cum ipsa idea unitur, a qua habet haec omnia naturaliter. Dicebat Laertius Platonem affirmare ideam unum et multa, stare et moveri. In eo enim, quod est species incorruptibilis, est intelligibilis et una. In eo vero, quod multis unitur individuis, multa dicebat. Sie fixam stabilemque in eo, quod inalterabilis et intelligibilis; in eo 10 vero, quod coniungitur mobilibus, moveri dixit. Proclus latius explanat quomodo principia essentialia sunt intrinseca et non extrinseca, et quomodo per cont[r]actum illum, quo individuum ideae suae iungitur, per ipsam ideam intelligibilem divinitati conectitur, ut secundum suam capacitatem meliori modo sit quo esse et con- 15 lservati potest. Refert etiam Laertius Platonem dicere ideas principium et initium esse eorum quae natura consistunt, ut huiusmodi sint, qualia sunt. Quae si bene intelligantur, forte non tantum adversantur veritati, quantum mali interpretes ipsius suggesserunt. Epicharmus etiam dixit omnia, quae vivunt, notioni et sapientiae 4 participare. Gallina enim non parit viventes, «sed ova prius incubat et calore animat. Haec autem sapientia ut sese habet, natura novit sola; ab ea quippe eruditur». Ac rursum ait: «Nihil profecto mirum, si ita loquat, et placere eas sibi et mutuo fovere et videri praeclara. Nam et canis cani videtur esse pulcherrimum et bovi bos et asino asinus, susque item sui videtur venustate praestare.» Ecce si animal omne habet conatam intelligentiam eorum, quae ad necessitatem conservationis ipsius in se et in eius prole, cum sit mortale, sunt
Weisheit als geistige Nahrung. n. 3-4
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Schluß ziehen, daß die Ideen nicht wie äußerliche Urbilder ein von den Einzeldingen getrenntes Dasein haben. Die Natur des Einzelgegenstandes ist nämlich mit der Idee selbst vereint, von der der Einzelgegenstand all diese Eigenschaften kraft seiner natürlichen Beschaffenheit besitzt. Nach Laertius 10 hat Platon die Idee als Einheit und Vielheit, als in Ruhe und in Bewegung bezeichnet. Als unzerstörbare Artform ist sie intelligible Einheit. Als vereinigt mit vielen Einzelgegenständen dagegen nannte er sie Vielheit. So bezeichnete er sie als fest und beständig mit Rücksicht auf ihre Unveränderlichkeit und ihre Intelligibilität. Mit Rücksicht auf ihre Verbindung mit veränderlichen Dingen aber schrieb er ihr Bewegung zu. Proklus 11 legt ausführlicher dar, daß die Wesensprinzipien innerlich und keineswegs äußerlich sind und daß jener Kontakt, der das Einzelding mit seiner Idee verknüpft, es über die intelligible Idee mit der Gottheit verbindet, so daß es nach dem Ausmaß seiner Fähigkeit in der denkbar vollkommensten Weise sein und erhalten werden kann. Laertius 12 berichtet ferner als Äußerung Platons, die Ideen seien bei den Naturdingen Ursprung und Anfang ihres Soseins. Versteht man diese Nachricht richtig, dann steht sie wohl zur Wahrheit in keinem solchen Gegensatz, wie schlechte Ausleger Platons das meinten. 4 Auch Epicharm 13 ließ alle lebenden Wesen am Denken und an der Weisheit teilhaben. Die Henne bringt keine lebenden Jungen zur Welt, »sondern bebrütet zuerst ihre Eier und beseelt sie durch ihre Wärme. Wie es sich mit diesem Wissen verhält, das weiß allein die Natur, denn von ihr empfängt die Henne ihr Wissen.« Ferner meint Epicharm, »es ist gar nichts Erstaunliches, wenn ich so sagen soll, daß sie an sich Gefallen haben, gegenseitige Zuneigung verspüren und sich als schön empfinden. Auch ein Hund erscheint dem andern doch als Ausbund von Schönheit, ebenso ein Rind dem andern und ein Esel dem anderen. Ebenso hält ein Schwein das andere für den Gipfel des Reizvollen.« Wenn also jedes Lebewesen ein angeborenes Wissen um das hat, was zu seiner Erhaltung für es selbst und, in Anbetracht seiner Vergänglichkeit, für seine Jungen notwendig ist, und wenn
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De venatione sapientiae. Capitulum I
necessaria, et hinc industriam habet venandi pabulum suum et Iumen 10 opportunum et organa venationi suae apta - ut lucem oculis congenitam animalia, quae nocte venantur - cognoscitque inventum et eligit sibique unit, utique vita intellectualis nostta his nequaquam carebit. Quare intellectus dotatus est a natura logica, ut illa mediante 15 diseurrat et suam faciat venationem. Est enim, ut Aristoteles dicebat, logice exactissimum instrumenturn ad venationem tarn veri quam verisimilis. Unde dum invenit, cognoscit et avide amplectitur. Sapientia igitur est quae quaeritur, quia pascit intellectum. Immortalis est enim cibus; immortaliter igitur pascit. Illa autem in 20 variis rationibus lucet, quae ipsam varie participant. In variis enim rationibus quaerit sapientiae Iumen, ut inde sugat et pascatur. Quemadmodum in variis sensibilibus, in quibus aliquando vita pascebatur, rationabiliter quaerit sensibilis vita pastum, ita et in sensibilibus notionibus ratione applicata intellectus intelligibilem cibum venatur. 25 Unde in uno cibo melius quam in alio reficitur; sed difficilius id, quod pretiosius, reperitur. Et quia homo maiori industria indiget, ut suam animalitatem bene 5 nutriat, quam aliud animal, habetque opus, ut ad hoc logica sua naturali in venatione corporalis cibi utatur, non est ad intellectualem ita deditus et attentus, sicut illa natura exposcit. Haec occupatio dum nimia est, a speculativa sapientiae alienat. Quare philosophia 5 carni contraria mortificare scribitur. Etiam inter philosophos magna differentia reperitur. Et hoc maxime evenit, quia unus intellectus est melior venator, quia exercitatus et logica sibi promptior et ea utitur exquisite, scitque unus
Weisheit als geistige Nahrung. n. 4-5
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es demgemäß darauf bedacht ist, sich sein Futter zu erjagen, das geeignete Augenlicht hat und ferner die zu seiner Jagdweise geeigneten Organe besitzt, - so die nachtjagenden Tiere ein den Augen von Geburt an eigenes Licht - wenn es seine Beute erkennt, sie wählt und sich einverleibt, dann wird doch unser geistiges Leben diese Dinge keineswegs vermissen lassen. Deshalb ist unser Geist von Natur aus mit Logik begabt, um mit ihrer Hilfe seine Denkschritte auszuführen und seiner Jagd zu obliegen. Die Logik ist ja, wie Aristoteles sagte, 14 das genaueste Werkzeug zum Erjagen des Wahren wie des Wahrscheinlichen. Daher erkennt unsere Vernunft das Wahre, sobald sie es antrifft, und umfängt es mit Eifer. Die Weisheit ist also das Ziel unseres Suchens, sie speist den Geist, und sie nährt in unsterblicher Weise. Unsterblich ist ja die Speise. Sie erstrahlt in den verschiedenen Schlußfolgen, die in mannigfacher Weise an ihr teilhaben. In den verschiedenen Schlußverfahren sucht nämlich der Geist das Licht der Weisheit, um an ihm zu saugen und sich von ihm zu nähren. Wie das Leben unserer Sinne in den mannigfachen Gegenständen der Wahrnehmung, von denen sich irgendeinmal das Leben nährte, vernünftigerweise seine Nahrung sucht, so erjagt der Geist in den Wahrnehmungsinhalten unter Zuziehung des Verstandes seine geistige Nahrung. Die eine Speise bekommt ihm besser als die andere. Das Wertvollere jedoch ist schwerer zu finden. 5 Und weil der Mensch größerer Anstrengung bedarf als ein anderes Lebewesen, um seine Leiblichkeit gut mit Nahrung zu versorgen, und weil er es nötig hat, bei der Jagd nach seiner leiblichen Nahrung zu diesem Zweck Gebrauch von seiner natürlichen Logik zu machen, so ist er auf die geistige Nahrung nicht in dem Maße hingeordnet und auf sie bedacht, wie seine geistige Natur es erfordert. Ist jene Inanspruchnahme allzu stark, so zieht sie ihn von der geistigen Beschäftigung mit der Weisheit ab. Man kann deshalb von der Philosophie als von einer Gegnerin und dem Tod des Fleisches lesen. Selbst unter Philosophen findet man große Unterschiede. Das hat seinen Grund vor allem darin, daß der Geist des einen infolge guter Übung ein besserer Jäger ist, die Logik ihm besser
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De venatione sapientiae. Capitulum li
melius, in qua regione sapientia, quae quaeritur, citius reperiatur et quo modo detineatur. Nihil enim sunt philosophi nisi venatores sapientiae, quam quisque in lumine logicae sibi conatae suo modo investigat. Capitulum II
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Quo principio rationes sapientiae perquisivi Dicit inter sapientes primus Thales ille Milesius deum antiquissimum, quia ingenitus, mundum pulcherrimum, quia a deo factus. Quae verba dum in Laertio legerem, summe mihi placuere. Inspicio mundum pulcherrimum miro ordine unitum, in quo summa summi dei bonitas, sapientia pulchritudoque relucet. Moveor ad quaerendum huius tarn admirandi operis artificem et intra me dico: Cum ignotum per ignotius non possit sciri, capere me oportet aliquid certissimum, ab omnibus venatoribus indubitatum et praesuppositum, et in luce illius ignotum quaerere. Verum enim vero consonat. Cum haec sollicite intra me avida mens quaereret, incidit philosophorum assertio, quam et Aristoteles in Physicorum principio assumit, quae est quod impossibile fieri non fit. Et ad ipsam conversus introspexi regiones sapientiae hoc qualicumque discursu.
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Der Leitgedanke beim Forschen. n. 5-6
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liegt und er sich ihrer ausgezeichnet zu bedienen versteht, ferner darin, daß der eine besser weiß, in welchem Gebiet die gesuchte Weisheit rascher zu finden ist und wie sie sich festhalten läßt. Die Philosophen sind ja doch nur Jäger nach Weisheit, nach der jeder im Lichte der ihm angeborenen Logik in seiner Weise forscht. 6
Kapitel2 Mein Leitgedanke beim Durchforschen der Weisheitsgründe Thales von Milet,lS der erste unter den Weisen, nennt Gott den Uralten, da er ungezeugt ist, die Welt aber urschön, da sie von Gott geschaffen ist. Als ich diese Worte bei Laertius las, fanden sie meinen vollen Beifall. Ich betrachte die herrliche Welt, geeint in wunderbarer Ordnung, in der des höchsten Gottes höchste Gutheit, seine Weisheit und Herrlichkeit widerstrahlt. Ich fühle mich hingezogen, nach dem Künstler dieses so bewunderungswürdigen Werkes zu suchen, und ich sage zu mir: Man kann zum Wissen desUnbekannten nicht durch ein noch U nbekannteres kommen. Ich muß also eine Grundgewißheit zu fassen bekommen, die alle Jäger außer Zweifellassen und voraussetzen. Nur in ihrem Licht kann ich dann nach dem Unbekannten suchen. Die Wahrheit ist doch in Übereinstimmung mit der Wahrheit. Während mein wissenshungriger Geist diese Überlegungen in ängstlicher Sorge bei sich anstellte, kam ihm die Versicherung der Philosophen in den Sinn, die auch Aristoteles zu Beginn seiner Physik aufnimmt, daß nämlich das Unmögliche nicht geschieht. Im Hinblick auf diese Überzeugung habe ich die Gebiete der Weisheit einer Durchsicht unterzogen und dabei etwa folgende Linie eingehalten.
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De venatione sapientiae. Capitulum III Capitulum III
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Quo discursu ratio venatur
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Cum impossibile fieri non fiat, nihil factum est aut fiet, quin potuit aut possit fieri. Quod autern est et non est facturn nec creatum, non potuit neque potest fieri neque creari. Praecedit enirn posse 5 fieri et est aeternum, curn non sit nec factum nec creatum nec possit fieri aliud. Ornne autern quod est factum aut fiet, curn sine posse fieri nec sit facturn I nec fiet, habet principiurn unurn absoluturn, quod est principiurn et causa ipsius posse fieri. Et id est illud aeternurn, quod posse fieri antecedit; et est absoluturn principiurn et 10 incontrahibile, quia est omne quod esse potest; et ipsurn quod fit, de posse fieri producitur, quia ipsurn posse fieri fit actu ornne quod fit. Omne autern quod facturn est ex posse fieri, aut est id, quod fieri potest, aut est post illud; et nurnquarn est id quod fieri potest, sed sequitur et irnitatur ipsurn. Fieri posse curn non sit 15 facturn, nec a se est facturn nec ab alio. Narn curn omne facturn praecedat li posse fieri, quornodo fieret ipsurn posse fieri? Sed curn sit post id, quod est ornne quod esse potest, scilicet aeternurn, habet initiurn. Tarnen non potest deficere posse fieri. Si enirn deficeret, hoc fieri passet. Non igitur posse fieri deficeret. Posse fieri 20 igitur initiaturn in aevurn rnanet et perpetuurn est. Et curn non sit facturn et tarnen initiaturn, ipsurn dicirnus creaturn, 8 curn nihil praesupponat ex quo sit, dernpto eius creatore. Omnia igitur quae post ipsurn sunt, a creatore de ipso posse fieri producta sunt. Quae autern facta sunt id quod fieri possunt, haec caelestia et
Der Verlauf des Jagdzugs. n. 7-8 7
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Kapitel3 Der Verlauf des Jagdzugs des Verstandes
Da das Unmögliche nicht geschieht, so ist nichts geschehen oder wird geschehen, was nicht geschehen konnte oder geschehen kann. Was aber Dasein hat, ohne geworden oder geschaffen zu sein, das konnte und kann nicht werden noch geschaffen werden. Es geht nämlich dem Werden-Können voraus und ist ewig, ist es doch weder geworden noch geschaffen, noch kann es ein anderes werden. Alles aber, was geworden ist oder werden wird, hat, da es ohne das Werden-Können nicht geworden wäre noch werden könnte, einen einzigen absoluten Ursprung, welcher der Ursprung und die Ursache des Werden-Könnens selbst ist. Das ist jenes Ewige, das dem Werden-Können vorangeht. Zugleich ist es absoluter und keiner Einschränkung fähiger Ursprung. Es ist ja alles, was es sein kann, und das, was wird, wird aus dem Werden-Können hervorgebracht, da das WerdenKönnen alles das wirklich wird, was wird. Alles aus dem Werden-Können Gewordene aber ist entweder das, was fähig ist zu werden, oder ist nach ihm. Und zwar ist es niemals das, was fähig ist zu werden, sondern folgt ihm nach und ahmt es nach. Das Werden-Können ist als ungeworden weder von sich noch von einem anderen geschaffen. Denn da allem Gewordenen das Werden-Können vorangeht, wie sollte das Werden-Können selbst werden? Doch da das Werden-Können nach demjenigen ist, das alles ist, was es sein kann, d.h. nach dem Ewigen, so hat es einen Anfang. Trotzdem kann das Werden-Können nicht aufhören. Würde es nämlich aufhören, so könnte nämlich das Aufhören werden. Also würde das Werden-Können gerade nicht aufhören. Wenn es einmal begonnen hat, so bleibt also das WerdenKönnen ewig bestehen und dauert durch alle Zeiten. 8 Und da es nicht geworden ist und doch einen Anfang hat, so nennen wir es geschaffen, weil es außer seinem Schöpfer nichts voraussetzt, aus dem es sein könnte. Alles also, was nach ihm ist, ist vom Schöpfer aus dem Werden-Können hervorgebracht. Die Dinge jedoch, die das Vollmaß ihres Werden-Könnens erreich-
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De venatione sapientiae. Capitulum IV
intelligibilia nominantur. Quae autem sunt, sed non id quod fieri possunt, numquam fixa sunt et deficiunt. Imitantur igitur perpetua et non attingent umquam illa. Temporalia igitur sunt et terrena sensibiliaque vocantur. Cum igitur me converto ad contemplandum aeternum, video ipsum actum simpliciter et in ipso mente intueor omnia ut in causa absoluta complicite. Cum in aevum et perpetuum intueor, intellectualiter video ipsum posse fieri et in ipso naturam omnium et singulorum, ut secundum perfeetarn explicationem praedestinationis divinae mentis fieri debent. Cum in tempus intueor, omnia in successione explicari perfectionem perpetuorum imitando sensibiliter comprehendo. Imitantur enim sensibilia ipsa intelligibilia. Quare in posse fieri creato omnia creata sunt praedeterminata, ut hic mundus pulcher, uti est, fieret. De quo infra plenius. Quomodo autem hoc concipi possit, aliquale exemplum licet remotum subiungam.
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Capitulum IV
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Quomodo exemplo artis logicae se iuvat Intellectus magistri vult creare artem syllogisticam. Ipse enim posse fieri huius artis praecedit; quae ars in ipso est ut in causa. Ponit igitur et firmat posse fieri huius artis. Nam quae ars illa requirit, fieri possunt, ut sunt nomen et verbum et propositiones ex illis et ex illis syllogismus, qui fit ex tribus propositionibus, quarum duae praemittuntur, ex quibus tertia concludens sequitur. Requiritur etiam, quod subiecta et praedicata omnium trium pro-
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Ein Beispiel aus der Logik. n. 8-9
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ten, bezeichnet man als himmlische und intelligible Gegenstände. Was aber zwar Dasein hat, ohne jedoch sein WerdenKönnen auszuschöpfen, das beharrt niemals im Sein und ist dem Vergehen unterworfen. Es ist demnach zwar ein Abbild des Ewigen, ohne es jedoch je zu erreichen. Deshalb sind diese Dinge zeitlicher Natur und werden als irdische und sinnenfällige Gegenstände bezeichnet. Wende ich mich nun der Betrachtung des Ewigen zu, so schaue ich es als reinen Akt, und mein Geist erblickt in ihm alles als eingefaltet in der absoluten Ursache. Blicke ich auf das Ewige und Immerwährende, so schaue ich geistigerweise das WerdenKönnen selbst und in ihm die Natur aller Dinge und jedes einzelnen, wie sie gemäß der vollkommenen Entfaltung der Vorherbestimmung des göttlichen Geistes werden sollen. Blicke ich auf die Zeit, so begreife ich sinnenfällig, daß alles in zeitlicher Folge sich entfaltet in Nachahmung der Vollkommenheit der unvergänglichen Dinge. Die sinnenfälligen Gegenstände sind ja Nachahmungen der intelligiblen Gegenstände. Im geschaffenen Werden-Können sind demgemäß alle Geschöpfe im voraus angelegt, um so diese schöne Welt entstehen zu lassen, wie sie ist. Doch darüber später mehr. Wie aber solches dem Begreifen nahegebracht werden kann, dafür möchte ich ein wenn auch unzulängliches Beispiel anfügen. Kapitel4 Ein Beispiel aus der Logik Der Intellekt des Meisters will die Kunst des Schlußverfahrens schaffen. Er geht nämlich dem Werden-Können dieser Kunst voraus; sie ist in ihm als in ihrer Ursache. Er setzt und befestigt also das Werden-Können dieser Kunst. Denn was jene Kunst fordert, das kann werden, nämlich Gegenstandswort und Tätigkeitswort, aus ihnen geformte Sätze und der aus diesen geformte Schluß. Dieser besteht aus drei Sätzen, von denen zwei als Vordersätze dienen, während der dritte sich aus ihnen als Schlußsatz ergibt. Eine weitere Bedingung ist, daß Satzgegen-
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De venatione sapientiae. Capitulum IV
positionum non habeant nisi tres terminos. ldeo necesse est unum 10 in praemissis bis resumi, qui dicitur medium. Aut igitur hoc est, quando in prima praemissa, quae dicitur maior, ille est subiectum et in minori praemissa praedicatum; aut ubi in ambabus praedicatum aut subiectum. Et ita oriuntur tres figurae. Cuiuslibet figurae etiam varii modi oriuntur ex varia et utili combinatione proposi- 15 tionum inutilibus combinationibus reiectis, sicut sunt trium negativarum et trium particularium propositionum - et aliis secundum figuram inutilibus. Et primum ex tribus affirmativis universalibus nominant Barbara in prima figura. Secundum ex universalibus, maiori negativa et minori affirmativa et conclusione negativa, no- 20 minant Celarent; et ita consequenter. Et hae sunt specificae formae syllogisticae in ratione fundatae et permanentes, quas necesse est omnem syllogismum, qui sensibili sermone exprimitur, imitari. Et ita posse fieri huius artis explicatur. Hanc artem inventor magister oboedienti tradit discipulo et 10 mandat, ut secundum omnes sibi praepositos modos syllogizet. Sie forte se aliqualiter habet mundi artificium. Nam eius magister, gloriosus deus, volens constituere mundum pulchrum, posse fieri ipsius et in ipso complicite omnia ad illius mundi constitutionem 5 creavit necessaria. Requirebat autem pulchritudo mundi tarn illa quae essent quam quae et viverent atque etiam quae er intelligerent, atque etiam quod horum trium variae essent species seu modi pulchritudinis, quae sunt divinae mentis practicae praedeterminatae rationes et utiles pulchrae combinationes ad mundi constitutionem 10 opportunae. Hoc divinum opificium deus oboedienti I scilicet naturae ipsi posse fieri concreatae tradidit, ut posse fieri mundi secundum iam dictas
Ein Beispiel aus der Logik. n. 9-10
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stände und Satzaussagen aller drei Sätze nur drei Begriffe haben. Darum muß ein Begriff in den Vordersätzen zweimal aufgenommen werden, der darum Mittelbegriff heißt. Das geschieht entweder in der Form, daß er im ersten Vordersatz, der Obersatz heißt, als Satzgegenstand dient und im Untersatz als Satzaussage oder daß er in beiden Sätzen als Satzaussage bzw. als Satzgegenstand steht. So entstehen drei Figuren. Bei jeder Figur ergeben sich wieder verschiedene Arten durch verschiedene und zweckdienliche Verbindung der Sätze, wobei die unzweckmäßigen Verbindungen ausgeschlossen sind, wie etwa die Verbindung dreier negativer oder dreier partikularer Sätze, ebenso andere Verbindungen, die der Figur nach unzweckmäßig sind. Den ersten Syllogismus, der aus drei allgemeinen und bejahenden Sätzen besteht, nennt man in der ersten Figur Barbara. Den zweiten, der aus allgemeinen Sätzen, jedoch einem verneinenden Obersatz, einem bejahenden Untersatz und einem verneinenden Schlußsatz besteht, nennt man Celarent, und so fort. Das sind die artgerechten Schlußformen, die im Verstand begründet sind und bestehen bleiben. Jedes Schlußverfahren, das in sinnlich faßbarer Sprache seinen Ausdruck findet, muß sie nachbilden. So entfaltet sich das Werden-Können dieser Kunst. 10 Diese Kunst überliefert ihr Erfinder, der Meister, dem gelehrigen Schüler und mahnt ihn, nach allen ihm vorgelegten Arten Schlüsse zu bilden. So ungefähr verhält es sich vielleicht mit dem Kunstwerk der Welt. Denn als ihr Meister, der glorreiche Gott, die schöne Welt gestalten wollte, da schuf er ihr Werden-Können und eingefaltet darin alles zur Gestaltung jener Welt Notwendige. Die Schönheit der Welt aber erforderte sowohl die seienden Dinge wie die lebenden und denkenden Wesen und auch die Vielfalt von Arten als Ausgestaltungen der Schönheit in diesen drei Gattungen. Sie sind des göttlichen Geistes, der auf Verwirklichung drängt, vorbestimmte Gedanken und schöne, zweckdienliche Verbindungen, die zur Gestaltung der Welt förderlich sind. Dieses göttliche Kunstwerk hat Gott einem gelehrigen Schüler, nämlich der Natur, übergeben, die mit dem Werden-Können zugleich geschaffen wurde. Sie sollte das Werden-Können der
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De venatione sapientiae. Capitulum V
praedeterminatas divini intellectus rationes explicaret, puta posse fieri hominis secundum rationem hominis praedeterminatam explicaret. Et ita de cunctis, sicut syllogizans ad praedeterminatas rationes, quae Barbara Celarent nominantur, syllogizando respicit. Capitulum V
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Quomodo exemplo geometrico proficit Videtur autem naturam imitari geometer, dum circulum figurat. Nam ad praedeterrninatam circuli respicit rationem, secundum quam studet operari, quantum hoc passe fieri sensibilis subiecti permittit; 5 unum enim aptius est alio. Nec aliud est haec ratio quam aequedistantia centri circuli a circumferentia, quae est vera circuli ratio seu causa, non recipiens magis nec minus. Sed nullus sensibilis circulus adeo perfecte fieri potest, quod rationem illam praecise attingat. Nam passe fieri sensibilis circulus est post illam intelligi- 10 bilem rationem fixam et stabilem, quam ut imago veritatem sequitur et irnitatur passe fieri circulum in sensibili materia. Quae cum sit variabilis, nequaquam erit circulus, qui describitur, omne id quod sensibilis circulus fieri potest, cum omni sensil.Jili dato possit fieri verior et perfectior et dicto intelligibili similior. 15 Sie dum vult geometer angulum rectum figurare, ad intelligibilem 12 eius respicit rationem, quae est id quod rectus intelligibilis esse potest; quam nullus sensibilis praecise potest imitari. Nec ad aliam respicit speciem, quando acutum vel obtusum angulum facit, quam speciem recti, cui acutus est minor et obtusus maior. Acutus enim 5
Ein Beispiel aus der Geometrie. n. 10-12
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Welt nach den erwähnten vorbestimmten Gedanken der göttlichen Vernunft entfalten, zum Beispiel das Werden-Können des Menschen nach dem vorbestimmten Begriff des Menschen. Ebenso verhält es sich mit allen Dingen, wie der Schließende beim Schlußverfahren auf die vorbestimmten Begriffsverbindungen zurückblickt, die man Barbara und Celarent heißt. 11
KapitelS Ein Beispiel aus der Geometrie
Wenn der Geometer einen Kreis zeichnet, so scheint er die Natur nachzuahmen. Im Blick auf den vorgegebenen Begriff des Kreises bemüht er sich auszuführen, was eben das WerdenKönnen eines Sinnendinges zuläßt. Die Gegenstände aber sind in verschiedenem Maße dazu geeignet. Dieser Begriff ist nichts anderes als der gleiche Abstand des Kreismittelpunktes vom Umfang. Das ist der wahre Begriff oder die Ursache des Kreises. Bei ihm gibt es kein Mehr oder Weniger. Doch kein empirischer Kreis läßt sich so vollkommen ausführen, daß er eine genaue Erfüllung jenes Begriffs wäre. Denn das Werden-Können eines empirischen Kreises ist jenem festumschriebenen und unwandelbaren Begriff, den die Vernunft denkt, nachgeordnet. Das Werden-Können eines Kreises in sinnenfälliger Materie folgt diesem Begriff und ahmt ihn nach wie das Abbild dem Urbild. Bei der Wandelbarkeit der Materie wird ein gezeichneter Kreis niemals die Fülle dessen sein, was ein empirischer Kreis werden kann, denn gegenüber jedem gegebenen empirischen Kreis ist eine wahrere, vollkommenere und dem erwähnten geistigen Kreis ähnlichere Ausführung möglich. 12 In gleicher Weise blickt der Geometer beim Zeichnen eines rechten Winkels hin auf seinen Vernunftbegriff, der das ist, was ein intelligibler rechter Winkel sein kann. Diesen Begriff kann kein empirischer Winkel genau nachbilden. Und wenn der Geometer einen spitzen oder stumpfen Winkel zeichnet, so hat er kein anderes Urbild als das des rechten Winkels vor Augen, demgegenüber der spitze kleiner und der stumpfe größer ist.
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De venatione sapientiae. Capitulum VI
semper potest esse recto similior; ita et obtusus. Et si alter ipsorum esset minime talis, ita quod minus esse non posset, rectus esset. Quare in ratione recti complicantur, cum sint recti, quando id sunt quod fieri possunt. Sie nec natura respicit ad aliam speciem quam humanam, quando aut masculum aut feminam producit, quamvis 10 ratio hominis non sit masculus nec femina, quae sensibilibus conveniunt. Species enim medium est in se uniens a se vel ad dexteram vel ad sinistram declinantia. Vides bene ista sie esse, quando advertis intelligibilia nihil eorum 13 aut esse aut habere, quae in sensibilibus reperiuntur. Non enim habent aut colorem aut figuram, quae sensibili visu attinguntur, aut duritiem seu lenitatem sive aliquod tale, quod tactu sentitur; ita nec quantitatem nec sexum nec aliquid, quod sensus apprehendit. 5 Illa enim omnia intelligibilia sequuntur sicut temporalia perpetua. Sie nihil intelligibilium est in aeternitate, quae omne intelligibile antecedit sicut aeternum perpetuum. Omnia autem praecisa et permanentia pulchriora sunt imperfectis et fluidis. Sie intelligibilia pulchriora sensibilibus, quae in tantum sunt pulchra, in quantum 10 intelligibiles species seu pulchritudines in ipsis relucent. Capitulum VI
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Dilucidatio ipsius posse fieri Erit, qui haec legerit, non dubium occupatus, ut posse fieri concipiat. Et hoc ideo difficile, quoniam posse fieri non terminatur nisi in suo principio. Quomodo igitur formari posset conceptus de
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Erhellung des Werden-Könnens. n. 12-14
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Ein spitzer Winkel kann nämlich immer einem rechten ähnlicher sein als ein anderer, ebenso ein stumpfer. Und wenn einer von ihnen seine spezifische Eigenschaft in so geringem Maße an sich trüge, daß ein noch geringeres Maß nicht mehr möglich ist, so wäre er ein rechter. Deshalb sind die spitzen und stumpfen Winkel im Begriff des rechten eingefaltet enthalten; denn sie sind rechte, sobald sie das wirklich sind, was sie werden können. So blickt auch die Natur auf kein anderes Artbild hin als auf das des Menschen, wenn sie einen Mann oder eine Frau hervorbringt, obgleich der Begriff des Menschen weder Mann noch Frau ist, eine Unterscheidung, die den sinnfälligen Bedingungen zuzuschreiben ist. Die Art steht nämlich in der Mitte und vereinigt in sich die Dinge, die von ihr nach rechts oder nach links abweichen. 13 Daß dem so ist, das wird deutlich, wenn man darauf achtet, daß die Gegenstände des Denkens nichts von dem sind oder an sich haben, was man an Sinnendingen findet. Sie haben keine Farbe oder Gestalt, wie sie die Gesichtswahrnehmung erfaßt, noch haben sie Rauheit oder Glätte oder etwas von dem, was der Tastsinn wahrnimmt, ebensowenig Quantität, Geschlecht oder wahrnehmbare Qualitäten. Alle diese Eigenschaften folgen den Gegenständen des Denkens nach wie Zeitliches dem Immerwährenden. In gleicher Weise ist keiner der Denkgegenstände in der Ewigkeit, die allem Gedanklichen vorausliegt wie das Ewige dem Immerwährenden. Alles Genaue und Bleibende aber ist schöner als das Unvollkommene und Wechselnde. So sind die Denkgegenstände schöner als die Sinnendinge, die nur insoweit schön sind, als gedankliche Artbilder oder Schönheiten in ihnen widerstrahlen. 14
Kapitel6 Erhellung des Werden-Könnens Der Leser ist ohne Zweifel damit beschäftigt, das WerdenKönnen zu verstehen. Das ist deshalb schwierig, weil das Werden-Können keine Grenze hat außer in seinem Ursprung. Wie sollte sich also ein Begriff von dem bilden lassen, was unum-
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De venatione sapientiae. Capitulum VI
eo quod interrninabile? Ne tarnen penitus aberres, rudi quodam exemplo succurrarn. Esto lucern aeternarn deurn appellari, rnundum vero penitus invisibilern, qui per visurn iudicatur non esse, curn nihil visus esse iudicet, nisi per ipsurn videatur. Disponit autern Iux velle rnundurn 10 visibilern facere. Et quia posse fieri visibilern rnundurn est color, ipsius lucis sirnilitudo - narn coloris hypostasis Iux est -, creat igitur Iux colorern, in quo ornne, quod videri potest, cornplicatur. Sicut enirn sublato colore nihil videtur, ita de colore per lucern ornne visibile ut tale de potentia ad acturn perducitur. Unde quia 15 varie color in coloratis resplendet, in certis luci propinquior color apparet. Et illa sunt rnagis visibilia et ut talia nobiliora, uti albus color. Nullurn tarnen coloraturn participat adeo perfecte colorern aliquern, quin perfectius participari possit, et non est terrninus ipsius posse fieri nisi causa coloris. Aliqua stabiliter et perpetue 20 rnanent eiusdern coloris, ut caelestia, alia instabiliter et ternporaliter, ut terrestria et quae huius I corruptibilis rnundi sunt. Color igitur est posse fieri visibile. Ornne enirn quod videtur, quia coloraturn est, videtur. Et discrete ab ornni alio colorato videtur et discernitur propter discreturn et Singularern suurn colorern. 25 Et quia sensus visus, qui spiritus lucidus est, lucern discretivarn 15 et cognoscitivarn participat et nequaquarn est coloratus, ut de ornni colore iudicet, igitur color non est posse fieri ipsius. Sie et intellectus lucidior est visu. Discernit enirn subtilissirne quae invisi-
Erhellung des Werden-Könnens. n. 14-15
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greifbar ist? Um indes ein völliges Irregehen zu verhindern, will ich ein etwas banales Beispiel zuhilfe nehmen. Angenommen, wir bezeichnen Gott als ewiges Licht, die Welt aber als völlig unsichtbar, die nach dem Urteil des Gesichtssinns kein Sein hat, da doch der Gesichtssinn nur dem ein Sein zuspricht, das von ihm gesehen wird. Das Licht aber trifft die Willensentscheidung, die Welt sichtbar zu machen. Und da das Werden-Können einer sichtbaren Welt die Farbe als Ähnlichkeit des Lichtes ist - denn Grundlage der Farbe ist Licht -, so schafft das Licht die Farbe, in der alles eingefaltet ist, was gesehen werden kann. Wie nämlich nach Aufhebung der Farbe nichts sichtbar bleibt, so wird mit Hilfe der Farbe vom Licht alles Sichtbare, insofern es sichtbar ist, aus der Möglichkeit in die volle Wirklichkeit überführt. Daraus folgt angesichts des mannigfachen Widerscheins der Farbe in den farbigen Gegenständen, daß in bestimmten Dingen die Farbe dem Lichte ziemlich nahe steht. Diese Gegenstände sind dann in höherem Maße sichtbar und nehmen insofern einen höheren Rang ein, so die weiße Farbe. Kein farbiger Gegenstand indes hat derart vollkommenen Anteil an einer Farbe, daß dieser Anteil nicht gesteigert werden könnte. Die einzige Grenze des Werden-Könnens liegt in der Ursache der Farbe. Manche Gegenstände nun behalten beständig und dauernd die gleiche Farbe, so die Himmelskörper, manche halten sie ohne Bestand nur auf kurze Zeit, so die irdischen Dinge und alles, was zu dieser vergänglichen Welt gehört. Die Farbe ist also das Sichtbar-Werden-Können, denn alles, was man sieht, ist wegen seiner Farbigkeit sichtbar. Man sieht es als verschieden von allem anderen Farbigen und unterscheidet es von ihm wegen seiner abweichenden und besonderen Farbe. 15 Und da der Gesichtssinn, der lichthafter Geisteshauch ist, am unterscheidenden und erkennenden Lieht teilhat, ohne selbst im geringsten eine Farbe zu tragen, um so in der Lage zu sein, über jede Farbe zu urteilen, deshalb ist die Farbe nicht sein Werden-Können. So ist denn auch die Vernunft lichthafter als der Gesichtssinn. Sie unterscheidet nämlich aufs genaueste die Dinge, die unsichtbar sind, z. B. die von den sichtbaren Dingen
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De venatione sapientiae. Capitulum VII
bilia sunt, puta intelligibilia a visibilibus abstracta. Quare nec color posse fieri ipsius intellectus exsistit, sed posse fieri lucidum et pulehrum mundum et cuncta quae in ipso sunt, etiam ipsum colorem, est simplicius colore, qui dicitur aeternae lucis similitudo, in sua potentia passiva ornnia lucida, quae sunt, quae vivunt et intelligunt, uti semen participalis lucis et pulchri complicans. Quod lucidum semen animale huius seminis participatio aliqualiter ostendit, cum sit posse fieri animalis, quod est, vivit, sentit et suo modo intelligit. Quam virtutem non haberet, nisi illius posse fieri mundi et dicti seminis seminum similitudinem participaret et imago esset. Unde semen seminum exsistentium, viventium et intelligentium est participabilis dei similitudo, quam posse fieri nominamus; de qua Iux aeterna hunc pulchrum et lucidum mundum produxit et cuncta, quae fiunt, constituit. Nam cum sit aeternae lucis participabilis similitudo, bona est, quod constat in sui ipsius larga diffusione; magna est, quia virtus numquam terminabilis; vera, delectabilis perfectaque est et per ornnia laudabilis, cuius opera laudabilia et gloriosa sunt, uti infra narrabimus. Capitulum VII
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Quod una est causa ipsius posse fieri ornnia Id in quo meae quiescunt venationum coniecturae, hoc est, quod non est nisi una omnium causa creatrix posse fieri omnium et quod illa ornne posse fieri praecedat sitque ipsius terminus; quae nec est nominabilis nec participabilis, sed eius similitudo in omnibus participatur. Et quia varia participantia sunt in omnibus, quae
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Die eine Ursache alles Werden-Könnens. n. 15-16
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abstrahierten Denkgegenstände. Deshalb ist auch nicht die Farbe das Werden-Können der Vernunft. Das Werden-Können der lichthaften schönen Welt und aller Dinge in ihr, auch der Farbe selbst, ist vielmehr einfacher als die Farbe, die man als Ähnlichkeit des ewigen Lichtes bezeichnet; es schließt in seiner passiven Möglichkeit alle lichthaften Dinge ein, die Sein, die Leben und Vernunft besitzen, wie ein Samen des sich mitteilenden Lichtes und des Schönen. Den Besitz dieses lichthaften Kerns verrät einigermaßen der Same eines Lebewesens, der ja selbst an jedem Samen teilhat. Er ist ja das Werden-Können eines Lebewesens, das Sein, Leben, Wahrnehmung und in seiner Weise vernünftiges Denken besitzt. Diese Kraft hätte der Same nicht, hätte er nicht teil an der Ähnlichkeit mit jenem WerdenKönnen der Welt und mit dem erwähnten Samen der Samen und wäre er nicht ihr Abbild. Der Same der Samen der seienden, lebenden und vernunftbegabten Wesen ist demnach die mitteilbare Ebenbildlichkeit Gottes, die wir als Werden-Können bezeichnen. Aus ihr hat das ewige Licht diese schöne, lichthafte Welt hervorgebracht und alles, was wird, geschaffen. Denn als des ewigen Lichtes mitteilbares Ebenbild ist es gut. Diese Ebenbildlichkeit und Gutheit zeigt sich im freigiebigen Verströmen seiner selbst. Es ist groß, da seine Kraft keine Grenzen kennt. Es ist wahr, erbaulich und vollkommen und über alles lobenswürdig. Und auch seine Werke sind lobenswürdig und herrlich, wie wir später schildern werden. 16
Kapitel7 Die eine Ursache alles Werden-Könnens Der Punkt, an dem die Mutmaßungen meiner Jagdzüge zur Ruhe kommen, liegt in der Erkenntnis, daß es nur eine einzige Ursache für alles gibt, welche das Werden-Können für alle Dinge erschafft, und daß diese Ursache allem Werden-Können vorangeht und zugleich sein Ziel ist. Sie entzieht sich aller Benennung und Teilhabe, an ihrer Ähnlichkeit aber haben alle Dinge teil.
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De venatione sapientiae. Capitulum VII
secundum eandem speciem similitudinis participant ipsius causae similitudinem, est devenire ad unum quod est maxime tale et est primum seu praecipuum aut principium illius specificae participa- 10 tionis et in ordine ad alia eiusdem speciei maxime tale et per se tale, cuius specificam similitudinem alia illius ordinis participant; sicut lucem dicimus primae causae similitudinem, quae in maxime lucido, puta sole, primo et principaliter resplendet ut in per se lucido, in aliis vero lucidis ut in participantibus solarem lucem. 15 Causa autem solaris lucis nihil commune habet cum luce solis, sed est omnium causa, ideo nihil omnium. Quo vero rationis discursu venationes fecerim, nunc revelabo, ut tarn praedicta quam quae sequuntur capias et iudices. Certurn est primum principium non esse factum, cum nihil a 17 se ipso, sed ab eo priori fiat. Quod autem non est factum, neque resolvi aut interire potest; et hoc aeternum dicimus. Et quia posse fieri non potest se ipsum in actum producere - nam producere ex actu est -, implicat igitur dicere potentiam passivam se ipsam in 5 actum producere, quare ante potentiam est actus. Non est igitur posse fieri aeternum principium. Recte dicebat quidam doctor sanctus: Affirmare potentiam passivam semper fuisse haeresis est. Sequitur igitur primam causam. Asserit autem magaus Dionysius in nono capitulo De divinis no- 10 minibus primum illud aeternum «inflexibile, inalterabile, immixtum, immateriale, simplicissimum, non indigens, inaugmentabile, im-
Die eine Ursache alles Werden-Könnens. n. 16-17
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Bei allen Dingen gibt es vielgestaltige Formen der Teilhabe, die doch in derselben Art der Ähnlichkeit an der Ähnlichkeit der Ursache teilhaben. Man muß infolgedessen zu einem gelangen, das dieses spezifische Sosein in höchster Reinheit besitzt und das das Erste oder Ausgezeichnete oder der Ursprung jener Art von Teilhabe ist, das im Vergleich mit anderen artgleichen Gegenständen dieses arteigene Sosein in höchster Reinheit besitzt und das an sich so-beschaffen ist und an dessen arteigener Ähnlichkeit die anderen Gegenstände dieser Gruppe teilhaben. So nennen wir das Licht Ähnlichkeit der ersten Ursache, das im allerleuchtendsten, z. B. der Sonne, zuerst und Ursprunghaft widerstrahlt als in dem an sich Lichthaften, in den anderen lichthaften Dingen aber, insofern sie am Sonnenlicht teilhaben. Die Ursache des Sonnenlichts hat indes nichts gemein mit dem Sonnenlicht, sondern ist die Ursache von allem und deshalb keines von allen. In welcher Gedankenfolge ich meine Jagdzüge aufgebaut habe, das will ich jetzt aufdecken, um dir das Verständnis und die Beurteilung des bisher Gesagten wie des Folgenden zu ermöglichen. 17 Es steht als sicher fest, daß der erste Ursprung ungeworden ist, da nichts aus sich selbst, sondern von einem ihm gegenüber Früheren wird. Was aber ungeworden ist, kann sich nicht auflösen oder zugrunde gehen. Und dieses nennen wir ewig. Da das Werden-Können sich nicht selbst in die Wirklichkeit überführen kann- denn das Hervorbringen geschieht aus einem Wirklich-Seienden-, so enthält die Behauptung einen Widerspruch, daß eine passive Potenz sich selbst in die Wirklichkeit überführt. Vor der Potenz steht also die Wirklichkeit. Das WerdenKönnen ist also nicht der ewige Ursprung. Mit Recht sagte ein heiliger Lehrer: »Die Behauptung, eine passive Potenz sei immer gewesen, ist eine Häresie«. 17 Die passive Potenz ist also später als die Erstursache. Der große Dionysius versichert im neunten Kapitel seiner Schrift Von den göttlichen Namen 18 von jenem ersten Ewigen, es sei unbeugsam, unveränderlich, ohne Zusammensetzung, stofflos, absolut einfach, bedürfnislos, keiner Steigerung, keiner
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De venatione sapientiae. Capitulum VII
rninorabile, non factum, semper ens». Haec et omnia similia quisque ita esse videt, qui attendit primum ipsum posse fieri anteire. Nam flexibile, alterabile, materiale, augmentabile, minorabile et factibile 15 et quaeque similia passivam dicunt potentiam et nequaquam posse fieri praecedunt. ldeo de aeterno principio neganda sunt. Capio autem haec duo, scilicet inaugmentabile et imminorabile, 18 et cum illis ad venationem propero. Et dico: Inaugmentabile magis esse nequit; maximum igitur est. Imminorabile minus esse non potest; est igitur minimum. Unde cum sit maximum pariter et minimum, nullo utique est minus, quia maximum, neque maius, 5 quia minimum; sed omnium sive magnorum sive parvorum formalis I seu exemplaris praecisissima causa et mensura, quemadmodum in libello De beryllo in aenigmate anguli ostendi angulum maximum necessario pariter et rninimum omnium angulorum, qui fieri possent, formalem adaequatissimam causam. Nec solum est causa formalis, 10 immo et efficiens atque finalis, ut ipse Dionysius, ubi de pulchro scribit, ostendit. Nam pulchritudo, quae id est quod esse potest, inaugmentabilis et imrninorabilis, cum sit maxima pariter et minima, est actus posse fieri omnis pulchri, omnia pulchra efficiens, sibi - quantum capacitas recipit- conformans et ad se convertens. Sie 15 de bono, quod est id quod esse potest, et de vero, de perfecto, et cunctis quae in creaturis laudamus; quae videmus in deo deum esse aeternum, quando id sunt quod esse possunt. Et ideo deum omnium causam efficientem, formalem et finalem laudamus. Patet iam maxime notandum, quomodo posse fieri non potest 20 terminari per aliquid, quod ipsum sequitur seu fieri potest, sed idem est eius principium et finis. De quo infra latius.
Die eine Ursache alles Werden-Könnens. n. 17-18
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Verminderung fähig, ungeworden, immerseiend. Diese und alle ähnlichen Aussagen erkennt jeder als wahr, der darauf achtet, daß das Erste selbst gegenüber dem Werden-Können früher ist. Biegsam, veränderlich, stofflich, vermehrbar, verminderbar, erzeugbar und ähnliche Begriffe bezeichnen eine passive Potenz und sind in keiner Weise früher als das Werden-Können. Sie sind darum dem ewigen Ursprung abzusprechen. 18 Ich greife aber diese beiden Begriffe heraus, nicht-vermehrbar und nicht-verminderbar, und eile mit ihnen zur Jagd. Ich sage: Das keiner Vermehrung Fähige kann nicht größer sein. Es ist also das Größte. Das keiner Verminderung Fähige kann nicht kleiner sein. Es ist also das Kleinste. Folglich ist es Größtes und Kleinstes zugleich, keinem gegenüber kleiner, da es das Größte ist, noch größer, da es das Kleinste ist. Es ist vielmehr aller großen oder kleinen Dinge allergenaueste Formal- oder Exemplarursache und Maß, wie ich im Buch Vom Beryll 19 im Beispiel des Winkels gezeigt habe, daß der größte und notwendigerweise zugleich kleinste Winkel für alle möglichen Winkel die allergenaueste Formalursache ist. Er ist nicht nur die Formalursache, vielmehr auch die Wirk- und Zielursache, wie Dionysius selbst im Abschnitt Über das Schöne zeigt. 20 Denn die Schönheit, die das ist, was sie sein kann, keiner Vermehrung noch Verminderung fähig, ist die Wirklichkeit des Werden-Könnens für alles Schöne, da sie zugleich die größte und die kleinste Schönheit ist. Alles Schöne wirkt sie, macht es sich gleichförmig - soweit die Fähigkeit >der einzelnen Dinge< das zuläßt - und wendet alles auf sich hin. Ebenso verhält es sich mit dem Guten, welches das ist, was es sein kann, und mit dem Wahren, dem Vollkommenen, und mit allem, was wir an den Geschöpfen preisen. Bei ihnen allen sehen wir, daß sie in Gott der ewige Gott sind, wenn sie nämlich das sind, was sie sein können. Deshalb preisen wir Gott als die Wirk-, Formal- und Zielursache von allem. Es ist bereits die höchst bemerkenswerte Erkenntnis sichtbar geworden, daß das Werden-Können nicht durch etwas begrenzt werden kann, was ihm folgt oder was werden kann, vielmehr daß sein Ursprung und Ziel identisch sind. Darüber später mehr.
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De venatione sapientiae. Capitulum VIII Capitulum VIII
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Quomodo Plato et Aristoteles venationem fecerunt Plato, venator miro modo circumspectus, considerabat superiora in inferioribus esse participative, inferiora vero in superioribus excellenter. Ideo, cum videret multa nominari bona ex participa- 5 tione boni, et sie iusta et honesta, attendebat illa nomen participati sortiri et se convertit ad videndum per se bonum et iustum ac quod, si participantia sunt bona et iusta, utique per se talia sunt maxime talia et causae aliorum. Et in hoc Peripateticorum princeps, acutissimus Aristoteles, con- 10 sentit, qui sie in naturalibus multa participatione calida videns ad per se calidum devenire oportere affirmabat, quod sit maxime tale et causa caloris in omnibus est uti ignis. Et hac via ad primam et per se causam omnium causarum pervenerunt; sie ad ens entium, vitam viventium atque intelleeturn intelligentium. 15 Plato autem universalem ornnium causam per ascensum de bono 20 participato ad per se bonum venatus est hoc modo: Considerabat enim ornnia entia, atque etiam nondum actu entia sed tantum potentia, participatione unius boni bona dici. Processus enim de potentia in actum et omne actu exsistens non caret boni participatione. 5 Maxime igitur tale, scilicet unum per se bonum, ab omnibus desideratur. Ornne enim eligibile sub ratione boni est eligibile. Terminus igitur eligibilis et desiderabilis cum sit bonum, erit per se bonum
Platon und Aristoteles. n. 19-20 19
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Kapitel 8 Wie Platon und Aristoteles die Jagd durchführten
Platon, 21 ein wunderbar umsichtiger Jäger, zog in Betracht, daß die höheren Wesen in den niedrigeren in der Form der Teilhabe sind, die niedrigeren aber in den höheren in ausgezeichneter Form. Da er also sah, daß viele Dinge als gut bezeichnet werden kraft ihrer Teilhabe am Guten, und daß die gleiche Beziehung vorliege, wenn wir sie als gerecht und ehrenhaft bezeichnen, so beachtete er, daß jene die Bezeichnung dessen erhalten, an dem sie teilhaben. Er wandte sich demnach der Schau des an sich Guten und Gerechten und der Tatsache zu, daß, wenn schon die teilhabenden Dinge gut und gerecht sind, dann jedenfalls die an sich so-beschaffenen Gegenstände in höchstem Maße diese Eigenschaften an sich haben und die Ursachen für die anderen sind. Darin stimmte ihm der Fürst der Peripatetiker, der höchst scharfsinnige Aristoteles, 22 bei. Er fand bei den Naturdingen viele, die durch Teilhabe warm sind, und behauptete so die Notwendigkeit, zu einem an sich Warmen zu gelangen, das diese Beschaffenheit in höchstem Maße an sich trägt und die Ursache der Wärme in allen ist, wie das für das Feuer zutrifft. Auf diesem Wege gelangten sie zur ersten und an-sich-seienden Ursache aller Ursachen und zum Sein des Seienden, dem Leben des Lebendigen und zur Vernunft des Vernunftbegabten. 20 Platon23 aber erjagte die allgemeine Ursache von allem durch den Aufstieg von dem teilhaften Guten zum An-sich-Guten auf folgende Weise: Er zog in Erwägung, daß alles Seiende - auch das noch nicht wirklich Seiende, sondern nur in der Möglichkeit zum Sein Befindliche - vermöge der Teilhabe an dem einen Guten als gut bezeichnet wird. Der Fortgang von der Möglichkeit in die Wirklichkeit und alles wirklich Seiende entbehrt nicht der Teilhabe am Guten. Das in höchstem Maße So-beschaffene, nämlich das eine an sich Gute, ist also für alles Ziel des Strebens. Alles Erstrebenswerte ist nämlich als ein Gutes erstrebenswert. Da also das Gute das erstrebte und ersehnte Ziel ist, so wird das
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De venatione sapientiae. Capitulum VIII
omnium causa, cum omnia ad suam causam conversa ipsam appetant, a qua habent, quicquid habent. Affirmabat igitur principium primum 10 deum per se unum et bonum. Et principia aliorum, scilicet entis, vitae et intellectus et talium, nominabat 'per se exsistens', 'per se vita', 'per se intellectus' et principia causasque esse ipsius esse, vivere et intelligere. Et hos conditorios deos Proclus nominat, quorum participatione 21 omnia quae sunt exsistunt, quae vivunt vivunt et quae intelligunt intelligunt. Et quoniam omnia quae vivunt et intelligunt, nisi essent, nec viverent nec intelligerent, ideo causam entium vocavit post primum deum deorum - quem unum bonum, ut dixi, affirmabat secundum deum, scilicet conditorem intellectum. Hunc Proclus Iovern, omnium regem et principalem, credidit. Posuit sie caelestes et mundanos et alios varios et aeternos deos, prout haec extense Proclus in sex libris De theologia Platonis expressit. Omnibus tarnen praeposuit deum deorum, causam universalem omnium. Et 10 ita illa, quae deo bono attribuimus, quae non sunt nisi ratione et nequaquam re differentia, ipse videtur deos asserere diverses propter diversam attributerum rationem motus, (eo quod) nihil intelligibile nisi actu sit, cum esse necessario per intelligibile participetur. Ideo omne, quod intelligitur, esse affirmabat. Sie inte!ligibilem horninem 1s et leonem et cuncta, quae a materia vidit abstracta et absoluta, intellectualiter esse asseruit, modo quo supra ponitur. Sed cum ipso in hoc non consentiunt Peripatetici, qui ens 22 rationis viderunt a nostro intellectu constitui, reale ens non attingere. Nec in hoc, quod bonum sit antiquius ente, concordant; unum et ens et bonum dicunt converti. Unde cum causa entis sit prima causa
Platon und Aristoteles. n. 20-22
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an sich Gute die Ursache von allem sein, da alles sich zu seiner Ursache hinwendet und nach ihr strebt. Hat es doch von ihr, was es besitzt. Platon behauptete also als ersten Ursprung Gott, den an sich einen und guten. Und den Ursprüngen der anderen Dinge, nämlich des Seins, des Lebens, der Vernunft und ähnlicher Dinge, gab er die Bezeichnung »an sich seiend«, >>Leben an sich«, »Vernunft an sich« und erklärte sie als Ursprünge und Ursachen des Seins, des Lebens und der Vernunft. 21 Proklus bezeichnete sie als schöpferische Gottheiten, durch deren Teilhabe 24 alles, was ist, Sein hat, was lebt, Leben und was denkt, Denken besitzt. Und da alles, was lebt und denkt, ohne das Dasein nicht Leben und Denken besäße, deshalb nannte er die Ursache der Seienden 25 nach dem ersten Gott der Götter 26 den er, wie gesagt, als das Eine Gute bezeichnete 27 - den zweiten Gott, nämlich die schöpferische Vernunft. Diese hielt Proklus für Jupiter, den König und Herrscher von allem. 28 In dieser Weise nahm er außer- und innerweltliche und mancherlei andere ewige Götter an, 29 wie das Proklus ausführlich in den sechs Büchern Über die Platonische Theologie dargestellt hat. An die Spitze von ihnen allen indes setzte er den Gott der Götter, die allgemeine Ursache von allem. Und so scheint er die Eigenschaften, die wir dem guten Gott zusprechen und die nur begrifflich, nicht tatsächlich voneinander verschieden sind, als verschiedene Götter zu bezeichnen. Dazu veranlaßte ihn die begriffliche Verschiedenheit der Eigenschaften, weil nur das aktuell Wirkliche erkennbar sei, da das Erkennbare notwendigerweise am Sein teilhabe. Aus diesem Grunde bezeichnete er alles, was erkannt wird, als seiend. Ebenso erklärte er das intelligible Wesen des Menschen, des Löwen und alles, was er von der Materie abgezogen und abgelöst fand, als geistig seiend, wie das oben dargestellt ist. 22 Doch darin stimmen die Peripatetiker nicht mit ihm überein. Sie erkannten, daß das Gedankending von unserer Vernunft gestaltet wird und das reale Sein nicht erreicht. Auch darin, daß das Gute älter sei als das Sein, stimmen sie ihm nicht zu. Sie vertreten die Konvertierbarkeit des Einen, Seienden und Guten. 30 Da die Ursache des Seienden die erste Ursache und die alles
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De venatione sapientiae. Capitulum IX
et conditor omnium intellectus, illi qui dilcunt, quod unum et ens et bonum convertuntur, etiam fatentur causam unius et entis et boni esse eandem. Tarnen Aristoteles, qui ut Anaxagoras primam causam intellectum, qui est principium motus, asserit, non sibi attribuit totius universi administrationem, sed caelestium tantum; caelestia vero haec terrena dicit gubernare. Epicurus vero totam deo soli sine cuiuscumque adminiculo universi tribuit administrationem. Sed divini nostri theologi revelatione superna didicerunt primam causam, cum omnium assertione sit tricausalis, scilicet efficiens, formalis et finalis, quae per Platonem unum et bonum, per Aristotelem intellectus et ens entium nominatur, esse sie unam quod trina et ita trinam quod una. Quae cum sit causa efficiens, vocatur iuxta Platonem unitas, et sit causa formalis, iuxta Aristotelem entitas, et sit causa finalis, iuxta utrosque bonitas. Verum quomodo haec sacratissima trinitas in unitate, quae intelligibile omne omnemque quantitatem continuam et discretam, numerum omnem et alteritatem antecedit, hic in aenigmate per fidelem videri possit, inferius, ut deus dederit, adnotabo. Capitulum IX
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Quomodo sacrae litterae et philosophi idem varie nominarunt Si quis cum his taliter praemissis primo ad genesin mundi per sanctum Moysen dudum ante philosophos descriptam se convertit, supra de principiis quae dicta sunt, ibi reperiet. Ait enim: «In principio creavit deus caelum et terram», deinde lucem, per hoc innuens posse fieri mundum, qui caelo et terra continetur, in principio
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Verschiedenheit der Bezeichnungen. n. 22-23
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schaffende Vernunft ist, so bekennen diejenigen, die von der Vertauschbarkeit des Einen, des Seienden und des Guten sprechen, folgerichtig die Identität der Ursache des Einen, des Seienden und des Guten. Trotzdem hat Aristoteles, der wie Anaxagoras als erste Ursache die Vernunft bezeichnet, 31 welche der Ursprung der Bewegung ist, ihr nicht die Verwaltung des gesamten Universums zugeschrieben, sondern nur die der himmlischen Sphären. Die himmlischen Regionen aber hätten die Leitung dieser irdischen. Epikur 32 indes schreibt die gesamte Verwaltung des Universums Gott allein zu ohne Hilfe von irgendeiner Seite. Doch unsere gottbegnadeten Theologen haben durch Offenbarung von oben gelernt, daß die erste Ursache, da sie gemäß allgemeiner Überzeugung dreiursächlich ist, nämlich Wirk-, Formal- und Finalursache,- die von Platon als das Eine und Gute, von Aristoteles als Vernunft und Sein der Seienden bezeichnet wird 33 - eine ist in der Form der Dreifaltigkeit und dreifaltig ist in der Form der Einheit. Als Wirkursache benennt man sie mit Platon als Einheit, als Formalursache mit Aristoteles als Seiendheit, als Finalursache mit beiden als die Gutheit. Wie jedoch diese hochheilige Dreifaltigkeit in der Einheit, die jedem Intelligiblen und jeder kontinuierlichen oder diskreten Ausdehnung, aller Zahl und Andersheit vorangeht, hienieden im Gleichnis vom Gläubigen erschaut werden kann, das will ich später mit Gottes Hilfe zeigen. 23
Kapitel9 Verschiedenheit der Bezeichnungen desselben in der Heiligen Schrift und bei den Philosophen Wendet sich jemand mit diesen Voraussetzungen zunächst an die Erschaffung der Welt, die vom hl. Moses längst vor den Philosophen niedergeschrieben wurde, 34 so wird er das oben über die Urgründe Gesagte dort wiederfinden. Er sagt nämlich: »Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde«, dann das Licht. Damit deutet er an, daß das Werden-Können der Welt, die in
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De venatione sapientiae. Capitulum IX
creatum. Nam postea id quod actu factum est caelum, scilicet firmamentum, et quod terra factum, scilicet aridam, et quod lux facta est, scilicet solem iuxta Dionysium, expressit. Omnia enim 10 in passe fieri confuse et complicite creata, quae postea facta et explicata leguntur. Unde quando ait deum dixisse «'Fiat lux', et facta est lux», ad naturam passe fieri haec dicit. Vidit enim in passe fieri lucem et illam bonam et necessariam ad visibilis mundi pulchritudinem. Et ipsi naturae lucis in passe fieri dixit, ut fieret lux actu, 1s et facta est lux passe fieri lucis. Imperio verbi creatoris naturaliter facta est lux. Hic motus, quo passe, ut actu fiat, movetur, naturalis dicitur. Est enim a natura, quae est divini praecepti instrumentum, in ipso passe fieri creatum, ut naturaliter et delectabiliter omni labore fatigaque exclusis actu fiat, quod fieri potest. Verbum autem dei, 20 ad quod natura respicit, ut fiant omnia, deus est. Nihil enim est dei, quod non ipse deus. Hoc autem verbum Platonici conditorem intelleeturn appellant, 24 quem et unigenitum dicunt atque dominum universorum, ut Proclus credit. Deum enim unum appellant; ideo conditorem intelleeturn unigenitum; quidam vero primam intelligentiam appellant. Anaxagoras autem ipsum mentem nominat, Stoici verbum, quod s et deum asserunt, ut in Laertio legitur. Et hi optime secuti sunt David prophetam qui dixit: «Verba domini caeli firmati sunt», et alibi: «Dixit et facta sunt, mandavit et creata sunt». Ad haec, quid philosophi senserint de his principiis, attende: Anaxagoras mentem, motus principium, dicit accessisse ad materiam, 10 in qua omnia erant in confuso, et singula discrete composuisse. Sie
Verschiedenheit der Bezeichnungen. n. 23-24
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Erde und Himmel enthalten ist, im Anfang geschaffen wurde. Was wirklich als Himmel geschaffen wurde, das bezeichnete er später als das Firmament, und was als Erde geschaffen wurde, als das Trockene, und was als Licht geschaffen wurde, als die Sonne (nach der Auslegung des Dionysius). Im Werden-Können ist ja alles verworren und eingefalteterweise geschaffen, von dessen entfalteter Schöpfung dann später zu lesen steht. Die Bemerkung, Gott habe gesprochen »>Es werde Licht>Er sprach, und die Dinge wurden, er befahl, und sie wurden geschaffen«. 40 Zu den Meinungen der Philosophen über diese Urgründe bedenke: Anaxagoras 41 ließ den Geist als Ursprung der Bewegung zur Materie hinzutreten, in der alles ungeordnet war, und ließ ihn die Besonderung der einzelnen Dinge wirken. Ebenso
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De venatione sapientiae. Capitulum IX
Plato deum et materiam duo dieit rerum prineipia. Aristoteles resolvit omnia in aetum et potentiam. Pythagoras prineipia monadi et dualitati assimilat; dualitatem uti indiffinitam materiam monadi auetori aiebat subieetam. Stoiei deum, quem et Mentem et Iovern 15 nominant, «opifieem» dieunt «immensi huius operis». Quibus visum est «duo esse rerum omnium prineipia, faciens et patiens; et quod patitur, sine qualitate substantiam seu materiam, quod autem faeit, verbum, quod et deum esse» dieunt. Epicurus autem dieebat imperio dei omnia ex materia, quam atomorum infinitatem eredidit. Haee in 20 Laertio latius. Quae si bene eonsideras, nihil nisi id quod praedieitur intendunt, 25 seilieet deum, qui purissimus aetus, ex posse fieri omnia faeere. Sed posse fieri esse dei ereaturam expressius dixit Moyses. Thales autem non dissentit, quando ait mundum esse faeturam dei, quem antiquissimum eonfitetur. Est igitur et deus ipsius posse fieri mundi 5 prineipium et ereator, qui mundum, qui faetus est, praeeessit, I in quo mundus fuit ipsum posse fieri, quem faetum dieit, eum nihil aetu faetum, quod fieri non potuit. Sie et Plato mundum genitum sive faetum tenet. Dieit enim eonstanter omne sensibile ab antiquiori principio neeessario esse, 10 non autem (absque) ipsius mundi posse (fieri) eonstare tempus, quia eum eonderetur, simul et tempus affuit. Aristoteles vero posse fieri negat initium habere. Sie nee motum 26 nee tempus faeta eredit deeeptus hae ratione: mundum faetum potuisse fieri, et posse fieri non fit aetu sine motu; sie nee motum nee tempus faetum eoncludit. Si attendisset ante posse fieri aetu aeternum, posse fieri ab eo quod ipsum praeeedit prineipiatum non 5
Verschiedenheit der Bezeichnungen. n. 24-26
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sah Platon 42 in Gott und der Materie die beiden Urgründe der Dinge. Aristoteles 43 löste alles in Wirklichkeit und Möglichkeit auf. Pythagoras 44 macht die Urgründe gleich der Einheit und Zweiheit; die Zweiheit als unbestimmte Materie sei der Urheberschaft der Einheit unterworfen. Die Stoiker 45 bezeichnen Gott, den sie auch Geist und Jupiter nennen, als Werkmeister dieses gewaltigen Werkes. Sie nahmen das Bestehen zweier Urgründe von allem an, eines tätigen und eines leidenden; das Leidende sei die qualitätslose Substanz oder die Materie, das Tätige aber das Wort, das sie auch als Gott bezeichnen. Epikur 46 aber erklärte, daß alles auf Geheiß Gottes aus der Materie geworden sei, die er als unendliche Zahl von Atomen ansah. Ausführlichere Angaben darüber finden sich bei Laertius. 25 Bedenkt man diese Nachrichten recht, so besagen sie genau das vorher 47 Dargelegte: daß Gott, die reinste Wirklichkeit, aus dem Werden-Können alles macht. Doch daß das Werden-Können Gottes Schöpfung ist, das erklärte Moses deutlicher. Thales48 widerspricht dem nicht, wenn er die Welt als Werk Gottes bezeichnet, den er als den Uralten bekennt. Gott ist also der schöpferische Ursprung des Werden-Könnens der Welt. Er war vor der Welt, die geworden ist; in ihm war die Welt, die Moses als geworden bezeichnet, das Werden-Können, da nichts Wirklichkeit geworden ist, was nicht werden konnte. Ebenso hält Platon 49 daran fest, daß die Welt erzeugt oder geschaffen ist. Er erklärt nämlich immer wieder, daß alle Wahrnehmungsgegenstände von einem älteren Ursprung kommen müssen, daß die Zeit aber nicht ohne das Werdenkönnen der Welt bestehe, da mit ihrem Entstehen zugleich auch die Zeit da war. 26 Aristoteles 50 jedoch bestreitet einen Anfang für das WerdenKönnen. So glaubt er auch an keine Entstehung von Bewegung und Zeit. Dabei hatte ihn folgende Überlegung in die Irre geführt: die gewordene Welt habe werden können, das WerdenKönnen aber wird nicht wirklich ohne Bewegung. So schließt er auf die Ungewordenheit von Bewegung und Zeit. Hätte er beachtet, daß vor dem Werden-Können das Ewige wirklich ist, so hätte er eine Verursachung des Werden-Könnens durch das,
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De venatione sapientiae. Capitulum X
negasset. Successio enim, quae in motu est, cuius mensura est tempus, de se fatetur tempus et motum et quae moventur non esse aeterna. Cum aeternitas sit actu simul id quod esse potest, ideo ante successionem. Cadit enim successio ab aeterno. Quare Plato melius videns recte aiebat tempus imaginem sempiterni; imitatur enim sempiternum et sequitur posse fieri. Quomodo enim fieret successio, nisi fieri passet? Anaxagoras initia rerum et temporis finem posult. Interrogatus enim, si mare aliquando futurum esset, ubi erant montes Lampsaceni, respondit: Immo, «nisi tempus deficeret». Credebat igitur tempus aliquando finiri. Sie et Stoici, qui mundum corruptibilem affirmabant, melius cum nobis revelata per fidem veritate concordantes. CapitulumX
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Quomodo sapientes posse fieri nominarunt Thales Milesius assimilabat aquam ipsi posse fieri, quando vidit ex eius vapore aerem et illius subtilitate ignem atque ex aquae grossitie terram fieri cunctaque viventia ex ipsa nutriri, ideo et 5 fieri. Ex his enim, ex quibus sunt viventia, ex illis mitriuntur. Sed quod aqua non sit posse fieri mundi et omnium, licet in ea multum reluceat, ex hoc videtur: Deus enim, ut ipse recte ait, est antiquissimum; ante igitur omne factum aut creatum. Aqua igitur, cum sit post ipsum, facta est. Ipsam igitur posse fieri antecedit. to Zeno vero Stoicus deum aiebat ignis «substantiam per aerem in 28 aquam convertisse. Et quemadmodum semen in foetu continetur, ita et serendi rationem in humore resedisse, materia scilicet ad
Das Werden-Können bei den Weisen. n. 26-28
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was ihm vorausgeht, nicht bestritten. Die zeitliche Folge, die in der Bewegung statthat, deren Maß die Zeit ist, verrät von selbst, daß Zeit, Bewegung und alles Bewegte nicht ewig ist. Da die Ewigkeit das, was sie sein kann, zugleich wirklich ist, so ist sie vor der zeitlichen Folge. Die zeitliche Folge geht vom Ewigen aus. Deshalb sah Platon 51 besser, wenn er die Zeit mit Recht als Bild des Ewigen bezeichnete. Sie ahmt ja das Ewige nach und folgt dem Werden-Können. Wie sollte denn eine zeitliche Aufeinanderfolge werden, wenn sie nicht werden könnte? Anaxagoras 52 nahm einen Anfang der Dinge und ein Ende der Zeit an. Auf die Frage, ob einmal Meer sein werde, wo die Berge von Lampsakus standen, gab er zur Antwort: ja, »wenn nicht die Zeit dafür fehlte«. Er glaubte also, daß die Zeit irgendeinmal zu Ende sei. So auch die Stoiker, 53 die in der Lehre von der Vergänglichkeit der Welt ziemlich gut mit uns übereinstimmen, die wir im Glauben die Offenbarungswahrheit besitzen.
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KapitellO Die Bezeichnung des Werden-Könnens bei den Weisen
Thales von Milet 54 glich das Wasser dem Werden-Können an, da er sah, daß aus seinem Dampf die Luft und aus ihren feinsten Teilen das Feuer und umgekehrt aus den dichten Bestandteilen des Wassers die Erde wird und alle Lebewesen vom Wasser sich nähren, also aus ihm auch entstehen. Von dem, woraus die Lebewesen bestehen, nähren sie sich auch. Daß aber das Wasser nicht das Werden-Können der Welt und aller Dinge ist, wenn dieses auch in ihm sehr gut sich spiegelt, ergibt sich aus folgendem: Gott, wie Thales selbst richtig bemerkt, 55 ist das Uralte, also vor allem Gewordenen oder Geschaffenen. Das Wasser ist geworden, da es nach ihm ist. Ihm geht folglich das Werden-Können voraus. 28 Der Stoiker Zenon 56 sagte, Gott habe »die Substanz des Feuers über die Luft in Wasser umgewandelt. Wie der Same in der Leibesfrucht enthalten ist, so ruhe die Kraft zur Befruchtung im Feuchten, d. h. als in einem Stoff, der zum Wirken höchst geeig-
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De venatione sapientiae. Capitulum X
operandum aptissime parata, a qua eetera post haee gignerentur». Oportet ut intelligas nostrum prineipium, seilieet posse fieri, aquam 5 et euneta elementa et quae faeta sunt praeeedere, sive sint sive vivant aut intelligant. Neque hie humor - de quo Zeno - est pura aqua, etiam si aqueus. Cum enim detur aqua una purior et simplicior alia, omnis dabilis aqua purior esse potest simpliciorque. Non igitur uni elemento, sed omnibus invieem eompositis posse fieri sensibilia eor- 10 poraliaque attribui debet. Sie enim et Stoieos sensisse tradit Laertius. In Zenonis Citiei vita de sensibili et eorruptibili mundo loquens ait mundum faetum, quando ignis «substantia per aerem versa fuerat in humorem. Tune erassior ipsius pars effeeta fuit terra, porro subtilior in aerem eessit eaque magis ae magis extenuata in ignem 15 evasit; et ex his permixtis exorta esse animalia et arbores et alia genera mundanae ereaturae». Patet satis istos et eorum sequaees de hoe sensibili terrestrique 29 mundo loeutos esse ae quod in ipso non reperiantur simplieia elementa, sed permixta, ut unum ex altero et ex omnibus euneta etiam viventia fieri possent. Si enim dementurn simplex et purum esset, eum id esset quod fieri posset, non foret in potentia ad aliud, 5 sieuti Dionysius in Caelesti hierarehia ignem inalterabilem asserit, immo alibi, libro De divinis nominibus in eapitulo de malo, affirmat nihil seeundum naturam et substantiam eorrumpi, lieet aliqua seeundum alia eis aeeidentia eorrumpantur. Stoiei vero partes huius terreni mundi eorruptibiles affirmarunt; hine eon- 10 cluserunt hune mundum et genitum et eorruptibilem. Peripatetiei vero restaurari ipsum per eireulationem astruunt; ideo numquam posse defieere, motu eireulari semper perseverante, ingenitumque
Das Werden-Können bei den Weisen. n. 28-29
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net ist, aus dem das Übrige nach diesen Dingen erzeugt werden kann.>die Feuersubstanz auf dem Weg über die Luft zu Feuchtigkeit umgewandelt war. Da wurde ihr dichterer Teil zu Erde, während der feinere in Luft entwich und diese mehr und mehr verdünnt in Feuer entfloh. Aus der Mischung dieser Urstoffe seien die Lebewesen und Bäume sowie die sonstigen Gattungen der irdischen Geschöpfe entsprossen.>Wenn dieses blumenübersäte, üppige Feld nur jene zehn Werte und ähnliche trägt, so handelt es sich bei ihnen um zehn Lobpreisungen Gottes.« Ich wandte den Blick in mein eigenes Innere und bemerkte, daß der Geist mit der Aussage, die
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De vcnatione sapientiae. Capitulum XVIII
esse bonam, magnam, veram et reliqua, laudem eius exprimere eonatur. Laudavit enim illam diffinitionem, quae deus est, quia bona, quia magna, quia vera, et ita eonsequenter. Quid igitur sunt illa deeem nisi laus dei? Quid laudatur per illa nisi laus illa, quae deus? Nonne haee omnia laudantur? Bonitas laudatur, magnitudo 15 laudatur, veritas laudatur, et singula sequentia. Haee igitur deeem et alia quae per omnem intelleetu vigentem laudantur, in dei laudem sumuntur et bene de ipso dieuntur, quia ipse est fons laudis. Sunt igitur omnia ex dei laudibus et benedietionibus id quod 52 sunt. Ideo propheta David ad omnia respieiens dei opera eanebat: «Benedicite omnia opera domini domino, Iaudate et superexaltate eum in saeeula !» Et singulariter enumerat angelos, eaelos et terram, aquam et eetera euneta ereata, quae laudant deum. Nihil enim sunt 5 omnia nisi deeora dei ioeundaque Iaudatio. Nam attestante Dionysio divina sola participatione noseuntur. Quomodo enim «in suo prineipio et sua sede sint», nullus intelleetus attingit. Porro, sive «Supersubstantiale illud. oeeultum lueem aut vitam sive verbum appellamus, nihil intelligimus aliud quam ex eo in nos emanantes partieipationes atque 10 virtutes, quibus assumamur in deum et quae nobis vel substantiam vel vitam vel sapientiam largiantur». Haee Dionysius. Merito igitur quaelibet I dei faetura deum laudat, quia bonus, quia ipsa se fatetur bonam et laudabilem ipsius dono; sie magnam, sie veram et reliqua. 15 In eampo Iaudis feeerunt suas devotissimas venationes omnes 53 prophetae seu videntes et elevatiores intelleetus, quod attestantur saerae litterae et seripta sanetorum, in quibus omnia ad laudem dei referuntur. Cum enim Dionysius de divinis traetaret nominibus, nomina illa dei Iaudes appellavit et deum per ipsa Iaudans in 5
5. Das Lob. n. 51-53
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Wesensbestimmung, die sich und alles bestimmt, sei gut, groß, wahr usw., deren Lob Ausdruck zu verleihen sucht. Er pries doch jene Wesensbestimmung, die Gott ist, weil sie gut, groß, wahr usw. ist. Was sind also jene zehn anderes als das Lob Gottes? Was sonst wird durch sie lobpreisend verkündet als der Lobpreis, der Gott ist? Werden sie nicht alle gepriesen? Die Gutheit preist man, die Größe preist man, die Wahrheit preist man und jedes einzelne von den folgenden. Diese zehn und noch andere Werte, die jeder lobpreist, der über Geisteskraft verfügt, werden zum Lob Gottes verwendet und mit Recht von ihm ausgesagt; ist er doch die Quelle des Lobes. 52 Es ist also alles infolge der Lobpreisungen und Seligpreisungen Gottes das, was es ist. Deshalb sang der Prophet David 80 im Hinblick auf alle Werke Gottes: »Lobpreist den Herrn, ihr Werke des Herren alle, lobet und erhebt ihn in Ewigkeit.« Und er zählt einzeln auf die Engel, die Himmel und die Erde, das Wasser und alle übrigen Geschöpfe, die Gott preisen. Sie alle sind nichts als anmutiger und froher Lobpreis Gottes; denn nach dem Zeugnis des Dionysius 81 wird das Göttliche nur durch Teilhabe faßbar. Wie es in seinem Ursprung und seinem Ursitz ist, daranrührt kein Geist. Wenn wir also jenes verborgene Überseiende als Licht, als Leben oder als Wort bezeichnen, »erkennen wir nur seine aus ihm in uns sich ergießenden Partizipationen und Kräfte, die uns zu Gott führen und uns Dasein, Leben oder Weisheit spenden mögen«. Soweit Dionysius. Jedes Geschöpf Gottes preist also mit Recht Gott, weil er gut ist; bekennt es doch von sich selbst, daß es durch sein Gnadengeschenk gut und lebenswürdig ist; ebenso, daß es groß, daß es wahr ist usw. 53 Auf dem Felde des Lobes veranstalteten ihre tieffrommen Jagden alle Propheten oder die seherischen und erhabeneren Geister, wovon die heilige Schrift und die Schriften der Heiligen Zeugnis ablegen, in denen alles auf das Lob Gottes bezogen ist. Als nämlich Dionysius 82 von den Göttlichen Namen handelte, da nannte er diese Namen Lobpreisungen Gottes, und, Gott durch sie preisend, hat er sie zum Lob Gottes interpretiert. So findet sich im Kapitel Von der Weisheit 83 das Lob der Vernunft
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De venatione sapientiae. Capitulum XIX
eius laudem ipsa exposuit, ut in capitulo de sapientia laudatur intellectus et ratio, et dicit quod «ex substantiis omnibus laudatur». Deprehendi igitur in hoc Iaudis campo sapidissimam scientiam consistere in laude dei, quae omnia ex suis laudibus ad sui laudem constituit. Sicut enim hymni laudum varii varias continent harmonicas eombinationes, sie quaelibet species, humana scilicet, leonina, aquilina, et ita de omnibus, est speeialis quidam hymnus ex laudibus dei et in laudem eius eonditus. Caelici hymni magis festivi et feeundi sunt laudibus quam terrestres. Sol enim mirabilis est laudum dei eombinatio, et quilibet hymnus in hoe puleher et singularis, quia habet in sua singularitate aliquid, quo alii hymni carent. Ideo deo cuneti aeeepti, qui omnia quae ereavit partieipatione Iaudis suae bona dixit eisque benedixit. Ex his elieui hominem, vivum quendam et intelligentem laudum dei hymnum optime eompositum, plus cunetis visibilibus de dei laudibus habere, ut deum prae ceteris indesinenter laudet; et in hoc solo eonsistere vitam suam, ut id reddat deo, quod ut esset aecepit. Laudes scilieet tune ad finem properat et immortalium laudum felieissima merita eonsequetur. Capitulum XIX
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De eodem Omnia igitur suo esse laudant deum. Postquam quodlibet adeo est perfeeturn et suffieiens, quod nulla ex parte laude eareat, utique suum laudat opifieem, a quo solum hoe habet quod laudatur. Na- s turaliter igitur omnia ereata deum laudant. Et eum ereatura laudatur, non ipsa, quae se ipsam non fecit, sed in ipsa eonditor eius. Idolatria
5. Das Lob (Fortsetzung). n. 53-54
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und des Verstandes, und er bemerkt, daß Gott von allen Substanzen gepriesen wird. 84 Ich begriff also auf diesem Felde des Lobes, daß eine hochweise Wissenschaft im Lobpreis Gottes besteht, der alles aus seinen Lobpreisungen zu seinem Lobpreis gebildet hat. Wie die mannigfachen Lobgesänge mannigfache harmonische Verbindungen enthalten, so ist jede Art - des Menschen, des Löwen, des Adlers und so bei allen - ein besonderer Lobgesang, gestaltet aus den Lobpreisungen Gottes und zu seinem Lobpreis. Die himmlischen Lobgesänge sind festlicher und überquellender an Lobpreisungen als die irdischen. Die Sonne ist eine wunderbare Verbindung von Lobpreisungen Gottes, und jeder ihrer Lobgesänge ist insofern schön und einzigartig, da sie in ihrer Einzigartigkeit etwas hat, was anderen Lobgesängen fehlt. Darum sind sie alle von Gott angenommen, der alles, was er schuf, kraft der Teilhabe an seinem Lob für gut befand und segnete. Aus solchen Überlegungen gewann ich die Einsicht, daß der Mensch, ein lebendiger und geistiger Lobgesang der Lobpreisungen Gottes in vortrefflicher Verbindung, mehr als alle sichtbaren Dinge von den Lobpreisungen Gottes an sich trage, um Gott vor allen Wesen ohne Unterlaß zu preisen. Und nur darin beruhe sein Leben, das Gott zurückzuerstatten, was er zu seinem Sein empfing, die Lobpreisungen; dann eilt er zu seinem Ziel und wird der glückseligen Verdienste unsterblicher Lobpreisungen teilhaftig. 54
Kapitel19 Fortsetzung Alles lobt also Gott durch sein Dasein. Da jedwedes Ding so sinnvoll vollendet ist, daß ihm in keinem seiner Teile die Anerkennung versagt werden kann, so preist es seinen Schöpfer, dem allein es diese Anerkennung verdankt. Ihrer Natur nach loben also alle Geschöpfe Gott. Preist man ein Geschöpf, so preist man nicht es selbst, das sich nicht selbst geschaffen hat, sondern man preist in ihm seinen Schöpfer. Götzendienst, der dem Ge-
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De venatione sapientiae. Capitulum XIX
igitur, qua creaturae divinae Iaudes dantur, insania est infirmae, caecae et seductae mentis. Nam cum colitur pro deo illud, quod sua natura suum laudat factorem, utique insanire est. Neque est quic- 10 quam, quod alium cognoscat deum quam illum, quem ut conditorem laudat, cui nihil seit praestantius. Seit igitur omnis creatura et, quantum sufficit sibi, cognoscit conditorem suum omnipotentem, ipsum laudat auditque et intelligit verbum eius et oboedit. Si enim dixerit lapidi, quod vivat, utique audit, intelligit et oboedit. «Mortui enim 15 audient verbum dei et vivent», sicut Lazarus quatriduanus et alii mortui audiverunt et vixerunt, ut haec sciunt Christiani. Ex quo certurnest hominem, qui habet liberum arbitrium, quando a laudibus dei cessat et dei verbum non audit, quod in ipso et conscientia eius loquitur nec vult intelligere et oboedire, ut bene agat, inexcusabilis 20 est, cum a propria natura reprehendatur, et indignus est societate felicium deum perpetue laudantium. Venatus sum praeterea in hoc campo indicibilem esse sanctorum 55 spirituum perpetuam iocundissimamque domini laudationem. Qui quantum amant, tantum clamant, et quanto plus laudant, tanto et ipsi maiorem laudem assequuntur et ad infinite laudabilem propius accedunt, licet numquam ad eius aequalitatem pertingant. Sicut enim 5 finibile tempus non potest umquam ita augeri, quod fiat simile infinibili perpetuo, ita nec initiatum perpetuum potest umquam aequari inprincipiato aeterno. Sie nec perpetua rebellium spirituum dampnatio umquam temporalis finibilisque fiet. Qualern autem laudem homines perfecti, laudatores dei, conse- 10 quantur, observantia semper servata docet, quae eos ad dei et sanctorum consortium exaltat et divinis prosequitur laudibus. Perfecti autem in excelsis deum laudant et, quae hanc laudem possunt
5. Das Lob (Fortsetzung). n. 54-55
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schöpf göttliche Ehren erweist, ist deshalb Irrung eines schwachen, blinden und fehlgeleiteten Geistes. Wenn nämlich an Stelle Gottes das verehrt wird, was seiner Natur nach seinen Schöpfer preist, so ist das geistige Verwirrung. Es gibt kein Ding, das einen anderen Gott erkennt als jenen, den es als Schöpfer preist und der, wie es weiß, an Herrlichkeit nicht seinesgleichen hat. Es kennt und erkennt demnach jede Kreatur nach dem Maß ihrer Kräfte ihren allmächtigen Schöpfer, preist ihn, hört und versteht sein Wort und gehorcht ihm. Würde er zum Steine sprechen, er solle leben, so hört er, begreift und gehorcht. »Die Toten werden das Wort Gottes hören und leben«, 85 so wie Lazarus, der schon vier Tage im Grabe lag, und andere Tote das Wort hörten und lebten, wie das die Christen wissen. 86 Demnach ist sicher, daß es für den Menschen keine Entschuldigung gibt, wenn er mit seinem freien Willen Gott die Anerkennung versagt, sein Wort überhört, das in ihm und in seinem Gewissen spricht, es nicht verstehen und dem Ruf zur guten Tat gehorchen will, da ihn seine eigene Natur zurechtweist, und er ist unwürdig der Gemeinschaft der Seligen in ihrem fortwährenden Lobpreis Gottes. 55 Ferner war meineJagdbeute auf diesem Felde die Erkenntnis, daß der fortwährende frohlockende Lobpreis des Herrn von seiten der seligen Geister sich jedem menschlichen Ausdruck entzieht. Ihr Lobpreis entspricht ihrer Liebe, und je mehr sie ihn loben, desto größeres Lob erlangen sie selbst und kommen dem unendlich Lobenswürdigen näher, ohne doch je ihm gleich zu werden. Wie man nämlich die begrenzbare Zeit niemals so vermehren kann, daß sie der grenzenlosen Dauer gliche, so kann man die Dauer, welche einmal begann, nie dem ursprunglosen Ewigen gleichmachen. So wird auch die dauernde Verdammung der aufrührerischen Geister niemals zeitlich und begrenzbar werden. Welches Lob die vollkommenen Menschen erlangen, die Gott loben, das lehrt die stets gewahrte Ehrerbietung, die sie zur Gemeinschaft Gottes und der Heiligen erhebt und ihnen himmlisches Lob zukommen läßt. Die Vollendeten aber preisen Gott in der Höhe und legen ab, was hinderlich sein könnte bei die-
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De venatione sapientiae. Capitulum XX
impedire, abiciunt, uti est amor sui et mundi huius, et relegant se ipsos, habituantes se in religione hunc impeditivum sui et mundi amorem mortificante, I imitantes magistrum veritatis, dei verbum incarnatum, qui in dei laudem omnium terribilium terribilissimum, mortem scilicet turpissimam, voluntarie verbo et exemplo docuit subeundum. Quem infiniti martyres secuti morte vitam adepti sunt immortalem, et hodie religiosi quam plurimi mundo mortui his dei laudibus vacantes perfecti dei laudatores esse contendunt. Capitulum XX
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De eodem Mandavit propheta psallere dei Iaudes in psalterio decacordo. Hoc ego attendens decem Iaudis cordas tantum sumpsi: bonitatem, magnitudinem, veritatem ac alias praenominatas. Psalterium autem opus est intelligentiae, ut homo habeat instrumentum, in quo dulces et delectabiles tangat modos. Illos enim modos, quos in se habet intelligibiliter, facit audibiles et sensibiles. Et cum sint in intellectu modi illi, habentes intelleeturn delectantur aure et sensibiliter audire in sono, quod insensibiliter habent in anima. Unde si concordant voces cum harmonicis vitalibus animae numeris, laudant psallentem, si dissentit, vituperant. Tria sunt necessaria, si psalli debet: psalterium ex duobus, scilicet vase et cordis, compositum atque psaltes. Hoc est: intelligentia, natura et subiectum. Psaltes intelligentia, cordae natura, quae ab intelligentia movetur, et vas naturae conveniens Eins< abgeleitet wird. Alles Seiende ist also nichts anderes als Einheit und ihre Gleichheit, die auch Seiendheit ist, und Verbindung von beidem. Einheit ist die Festlegung der Wandelbarkeit, Gleichheit die Formung des Geeinten und Festgelegten, Verbindung beider liebende Vereinigung. Würde das Werden-Können nicht durch ein Einigendes in seiner ungeordneten Wandelbarkeit festgelegt, so wäre es nicht fähig, die Schönheit, die Art oder die Form aufzunehmen. Und da es festgelegt wird durch die Einheit, die alles zum Ziel lenkt, wird die Form von der Einheit gezeugt, die eine solche Festlegung fordert oder verdient. Deshalb geht aus ihnen hervor beider liebende Vereinigung.
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De venatione sapientiae. Capitulum XXV Capitulum XXV
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De eodem Iam vides amorem, qui nexus est unitatis et entitatis, naturalissimum esse. Procedit enim ex unitate et aequalitate, quae sunt eius principium naturalissimum. Ab illis enim spiratur nexus, in quo desideriosissime conectuntur. Nihil igitur illius amoris expers, sine quo nec quicquam persisteret. Omnia igitur penetrat invisibilis conexionis spiritus. Omnes mundi partes intra se hoc spiritu conservantur et toti mundo conectuntur. Hic est spiritus anirnam corpori conectens, quo exspirato cessat vivificatio. Intellectualis natura numquam privabitur spiritu tali conexionis, cum ipsa sit spiritualis naturae. Unitas enim et entitas intellectualis naturae intellectuales cum sint, intellectuali nexu constringuntur. Nexus vero amoris intellectualis non potest deficere nec exspirare, cum intelligere pascatur immortali sapientia. Nexus igitur naturalis intellectualis naturae ad sapientiam inclinatae ipsam naturam intellectualem non solum, ut sit, conservat, sed ad id, quod naturaliter amat, ut illi conectatur, adaptat. Spiritus igitur sapientiae in spiritum intellectus, ut desideratum in desiderans, secundum fervorem desiderii descendit et convertit spiritum intelligentiae ad se, qui ei amore nectitur,- «ignis instar», ut ait Dionysius, quae «sibi unita iuxta singulorum aptitudinern>> assimilat. Et in hoc amoris nexu felicitatur intellectus et vivit feliciter. Hoc pauci philosophi cognoverunt. Principium enim conexionis, sine quo nihil subsistit et omnis intellectualis natura felicitate careret, non reperitur eos cognovisse. Sed quia in illo defecerunt, veram sapientiam non attigerunt. Alibi multa de hoc, in variis etiam sermonibus, dixi et scripsi, quae sie recapitulasse sufficit.
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8. Die Verbindung (Fortsetzung). n. 73 73
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Kapitel25 Fortsetzung Du siehst bereits, wie die Liebe, welche die Verbindung von Einheit und Seiendheit ist, ganz natürlich ist. Sie geht nämlich hervor aus Einheit und Gleichheit, die ihr natürlichster Ursprung sind. Von ihnen wird die Verbindung gehaucht, in der sie in glühendem Verlangen sieh vereinen. Nichts ist also jener Liebe bar, ohne die nichts Bestand hätte. Alles also durchdringt der unsichtbare Geist der Vereinigung. Alle Teile der Welt werden in sich durch diesen Geist erhalten und mit dem Ganzen der Welt verbunden. Dieser Geist ist es, der die Seele mit dem Körper verbindet; wird er ausgehaucht, so hört die Belebung auf. Die Vernunftnatur wird niemals eines solchen Geistes der Vereinigung entbehren, da sie selbst geistiger Natur ist. Da nämlich Einheit und Seiendheit der Vernunftnatur vernünftig sind, so werden sie durch ein vernünftiges Band zusammengehalten. Das Band der geistigen Liebe aber kann nicht schwinden und erlöschen, da das geistige Erkennen sich von der unsterblichen Weisheit nährt. Das natürliche Band der zur Weisheit geneigten geistigen Natur bewahrt nicht nur die Geistnatur im Sein, sondern gleicht sie dem Gegenstand ihrer natürlichen Liebe an, damit sie mit ihm verbunden wird. Der Geist der Weisheit also steigt zum Geist der Vernunft wie das Ersehnte zum sich Sehnenden gemäß der Glut des Verlangens herab und wendet den Geist der Vernunft zu sich. Dieser verbindet sich mit ihm in Liebe, >dem Feuer gleichsich das mit ihm Vereinigte angleicht, soweit die einzelnen Gegenstände dazu befähigt sindSi quis non amat< 11456; p II 1, fol. 136').Zu jeder Manifestation gehört, daß das, was sichtbar gemacht werden soll, nicht direkt sichtbar wird; vielmehr wird ihm die Intention beigelegt, daß es selbst unsichtbar verborgen bleibe jn. 8,23-35; n. 10,(r9). Die Konsequenz für seine auf Manifestation
Kommentar und Anmerkungen
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gegründete Erfahrbarkeit ist, daß es selbst direkter Erfahrung nicht zugängig ist; s. unten, Anm. zu n. 10,13-26. Die enthüllende Selbstoffenbarung Gottes in seiner Schöpfung (revelatio) ist sententia certa der christlichen Lehre und Spekulation. Nikolaus glaubte, sie bei Plato (Ep. VI, 323d) bestätigt zu finden; darin folgt er dem Proklos (s. De 1i non aliud 20 n. 92, S. 71 f.). Vor allem aber ist es die theophania-Lehre des Dionysius Areopagita, die Nikolaus leitet; vgl. De div.nom. 1,2 und 1,6 (Dionysiaca I 16 u. 44; theophania in den frühen lateinischen Übersetzungen oft wiedergegeben mit manifestatio dei); vgl. auch De cael. hier. 2 (II 753f.) und Epist. V (I 620). Johannes Scottus Eriugena baute sie dann weiter aus; vgl. Expositiones in Ierarchiam coelestem I 135-137; 322f. u. ö. (ed. J. Barbet, CCCL, vol. XXXI, S. 4 u. 9); Periphyseon III (ed. Sheldon-Williams-Bieler, S. 58,13; 162,1 ff.). 10,6--13: Erscheinung und Sichtbarwerdung geschieht, wie beim Licht (n. 8,19 f.), in den verschiedenen Dingen auf verschiedene Weise, »an dem einen klarer, weniger klar an anderen" (n. 8,26 f.). Der Grad, in dem das Erscheinende in ihnen in Erscheinung tritt, ist nicht beliebig; er hängt nicht bloß von den Dingen ab, sondern vom Stellenwert der Dinge in der ontischen Werthierarchie, wie erz. B. in der Seinsgraduierung von Sein, Leben und Erkennen (s. Anm. zu n. 5,6) zum Ausdruck gebracht wurde. Die ontische Werthierarchie ihrerseits ist bestimmt durch den Grad des Manifestationscharakters (n. 8,27-29; n.20,3 und dieAnm. zu n. 20,3-11) der Dinge. Daß dies eher art- oder gattungshaft als individuell bestimmt gemeint ist, deutet n. 27,6--8 an. Nikolaus aber zieht es vor, diese ManHestationshierarchie mit den verschiedenen Seinsweisen korrespondieren zu lassen (n.14,35-37; n.15,12). 10,13-26-- JENSEITS ALLER ERKENNTNISFÄHIGKEIT - IN EINER scHAu] Nach dem Vergleich von n. 8,23-35 will sich das Unsichtbare als Unsichtbares manifestieren, ohne direkt Objekt der Erfahrung zu werden. Dadurch eröffnet sich auch kein rationaler Erkenntniszugang zu ihm; es bleibt jenseits aller kognitiven Fähigkeit, jenseits der Mauer der Erkenntnis (De vis. dei 12 n. 48; p I, fol. 104.,37 f.; S. 89). Wenn es dennoch in seinen Manifestationen intelligibel werden soll, muß dies anders als kognitiv, in einer Befähigung zum Intelligiblen (intelligibile posse; n. 10,12f.), möglich werden; s. oben, n. 4,2 und Anm. zu n. 24,1. Als Ort dafür nimmt Nikolaus in platonisch-neuplatonischer Tradition die mens, nicht als Instrument, mit dem eine intelligible Erkenntnis geleistet wür-
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Kommentar und Anmerkungen
de, sondern die Selbsterfahrung des Geistes in seiner Potenz; s. Anm. zu n. 24,7-13. In solcher Selbsterfahrung seines Könnens erfährt sich der Geist selbst als Manifestation des Könnens selbst, das sich nach dem Gesetz von Manifestation nicht direkt und nur teilweise enthüllt. Diese Erfahrung ist aber die Erfahrung der Überragendheit (excellentia; n. 10, 16) des posse ipsum, die sich am Maß der Erfahrbarkeit als eine kognitiv unedaßbare Exzellenz erweist. Diese Einsicht nennt Nikolaus visio, Schau. Als Akt leistet sie so viel wie die Einsicht in die docta ignorantia. Doch während die docta ignorantia zu der oben n. 4 kritisierten Koinzidenztheorie und nach De coniecturis (I 6 n. 24; S. 26-29) zu einer modifizierten intellektual-divinalen Erkenntnistheorie führte, ist seit De visione deidie erkenntnismystische Theorie des Schweigensund Schauens (s.o., Anm. zu n. 5,11 u. 12) das probate •Erkenntnis•mittel, das in dem Maße kognitives Begreifen übersteigt, wie sein Objekt, das posse ipsum, jedes Begreifen übersteigt. Die Schau ist die vom Geist zu leistende Höchstleistung (posse supremum mentis; n. 11,9 f.), die Spitzenleistung (apex theoriae) aller (Erkenntnis-)Theorie. 10,22-24: Der Anfang des Vergleichs oben, n. 6,8 ff. 11,1-8: EINFACHE SCHAU DES GEISTES (SIMPLEX VISIO MENTIS)] Nikolaus kommt jetzt auf die seiner spekulativen Theorie angemessene Erkenntnismethode zu sprechen. Es ist die •Erkenntnis• der visio, der Schau, der Anschauung. Von Erkenntnis im eigentlichen, kognitiv-epistemologischen Sinn ist sie durch ihre andere Erkenntnisweise unterschieden. fene ist an logisch-schlußfolgemde Wissenschaft, diese an intellektuale, d. h. rein spekulative, Prinzipienerkenntnis gebunden. Cognitio refertur ad scientiam conclusionum, visio ad intelleeturn principiorum, merkte Nikolaus in cod. Cus. 96, fol. 236'b, zu Albertus Magnus, Super Dionysii epistolam V. an. In ihrer übertragenen Bedeutung ist sie im Unterschied zum sinnhaften Sehen geistig-unmittelbares Anschauen (visus mentis; videre mentis; n. 14,19; 9,6, 10,20) intelligibel-geistiger Phänomene. - Man beachte die häufige Verwendung des Verbs videre in eigentlicher und übertragener Bedeutung: erkennen, einsehen. In ihrer Intention geht die einfache Schau des Geistes auf theoretische Erkenntnis (speculatio; s. Anm. zu n. 2,6 f.; contemplatio; n. 26, 7, n. 28,6; sonst auch intuitio). Ihre Kennzeichen sind folgende: (1) Sie ist einfache (simplex) Schau, d. h. sie erfaßt sogleich, auf einmal, ohne zeitliche Sukzession und Zusammensetzung einzel-
Kommentar und Anmerkungen
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ner Erkenntnisinhalte. Sie ist also inkomplex. (2) Aufgrund ihrer Potenz ist sie nicht komprehensiv, d. h. sie erfaßt, begreift, erkennt, versteht nicht umfassend; s. Anm. zu n. 247,2 und zu n. 247,2 f. in H.15c, S.144f.; so wie das Sehvermögen zu gering ist, um die Klarheit des Lichtes anders als indirekt in den Farben der Dinge zu erfassen (n. 8,23-26). Dieser Defizienz geht die Unangemessenheit von visionalem Erfassen und zu erfassendem Gegenstand voraus, der die geistige Fähigkeit prinzipiell übersteigt (n. 10,22). Positiv wird sie deshalb (3) in ihrem visionalem Vermögen bestimmt als eine erfassende Erkenntnis übersteigende Erkenntnisschau (n.11,2f.). Damit ist sie als die eigentliche, jedoch nur halbwegs adäquate, prinzipiell aber defiziente Erkenntnis( schau) für ein prinzipiell Unbegreifbares (incomprehensibile; n. 11,3; vgl. n. 2, 7-9) charakterisiert. Von einer nicht sinnlichen Anschauung gewinnen wir aber keinen Begriff; die Anschauung bleibt bis auf weiteres (s. u., Anm. zu n. 11,29 f.) inkomprehensiv. Intellektuale Schau meint also nicht wie in aristotelisch-scholastischer Sicht die metaphysische Fähigkeit spekulativer Vernunft, letzte Seinsprinzipien zu erfassen, sondern - in der Tradition der theologia mystica des Dionysius Areopagita und seiner Gefolgsleute - Einsicht ihrer Unfähigkeit, das absolute Prinzip der letzten Seinsprinzipien zu erfassen, das ihr Objekt ist: größer als jedes angehbare Objekt (s. Anm. zu n. 2,11 f.), infinit und absolut. Die Unendlichkeit des Schau-Objekts ist hier und war schon seit De docta ignorantia (I 2-4; S. 7ff.) der Grund dafür, das Denken vom Denken des Unendlichen zu suspendieren. Das absolut Unendliche, Gott nämlich, hier unter der Chiffre des posse ipsum gefaßt, ist nicht Gegenstand kognitiver Erkenntnis. Denn rationale Erkenntnis wird nur in vergleichenden, relationierenden (n. 11,5: größer als ... ) Bezugssystemen gewonnen (a.a.O., Kap. 1, n. 2 f., S. 6f.). Das Unendliche aber ist keine relationable Größe, folglich nicht meßbar, folglich nicht vergleichbar, folglich nicht begreifbar (Kap. 4, n. 11,7 f.; S. 16). Daher die Unangemessenheit nicht nur rationaler und intellektualer Erkenntnisfähigkeit, sondern auch intellektualer Schau: Vom unbegreifbaren Gott kann nichts außer seiner Unbegreifbarkeit begriffen werden (Nikolaus in cod. Cus. 96, fol. 86••, zu Albertus Magnus, Super Dionysium De divinis nominibus 1, n. 46; Opera omnia, vol. 37, 1, S. 28b). 11,9-12: HÖCHSTES KÖNNEN DES GEISTESj Dasposse supremum mentis ist nichts anderes als der apex mentis (ein von Bonaventura
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Kommentar und Anmerkungen
und Johannes Gerson verwendeter Begriff; s. Adnotatio 19 in der krit. Edition, h XII, S. 162), der Gipfelpunkt des Geistvermögens, ohne jedes weitere Begreifen nur die Unbegreiflichkeit seines Erkenntnisziels zu sehen. NachDe ven. sap. 12n.31 (S. 46f.) bedeutet dies docta ignorantia, belehrte Unwissenheit. - Als supreme Erkenntnispotenz ist sie maximale Manifestation des posse ipsum in seiner vorzüglichsten Erscheinungsweise; s. aber Anm. zu n. 28,5-9; ferner Anm. zu n. 20,3--11. 11,12-24: UNBEGRENZT] Der in seiner Potenz unbegrenzte Geist steht nicht in Widerspruch zu seiner eben festgestellten Defizienz. "Was die Vernunft erfaßt, erkennt sie." (n. 10,17 f.) Die Frage ist, was sie erkennt. »Ein gesunder, freier Geist (intellectus) erkennt ... die erfaßte Wahrheit, um deretwillen sein natürliches Lebensgesetz ihn unermüdlich alles durchforschen läßt." (De docta ign. I 1 n. 2; S. 6f.) Denn der »Geist (mens) setzt voraus, daß er alles umgreift, alles durchstreift und erfaßt ... ; so kann er behaupten, nichts könne es geben, was außerhalb seiner ist und seinem Gesichtskreis entflieht." (De coni. I 4 n.12; S.16f.; s. die Anm. zu n. 12,3sq. in h III, S. 18). Der menschliche Geist wird hier aber in seiner Unbegrenztheit, weil sie nur "diesseits (citra) des (infiniten) posse ipsum" gelten kann, faktisch doch begrenzt (s. Anm. 11, 29 f.). Seine Grenze ist das prinzipiell Unbegreifbare. Wenn er dieses dennoch »VOn weitem" (n. 11,23; vgl. De ven. sap. 38 n. 112; S. 170--173) vorausblickend sieht, weil er, darauf hingeordnet, sein telos ja irgendwie schon wissen muß- die Argumentation hier wie n. 3,6-11; s. die Anm. dazu-, bedeutet diese Teleologie des Geistes neuerlich eine partielle Entgrenzung seiner eigentlichen Grenze. In diesem Sinn ist er auch nicht mehr in den Grenzen diesseits des posse ipsum gehalten (interminatus; n.11,11)- unbegrenzt, nicht aber infinit, wie das posse ipsum (n.11,7; vgl. De docta ign. 1113 n. 201; S. 22f.). 11,24-26: Paulus, 1 Kor. 9,24: Wißtihrnicht, daß die Läufer auf der Rennbahn alle laufen, aber nur einer den Kampfpreis erhält? Lauft so, daß ihr ihn erlangt! 11,20f.: Die bekannte Augustinus-Stelle "unruhig ist unser Herz, bis es ruht in dir" (Confessiones I, I 1) klingt hier an. 11,27-29: Das »Von fern gesehene Können" wird jetzt als der unbegreifliche Gott und als das telos des Geistes gedeutet, auf das nicht nur (wie n.11,16) der Geist selbst, sondern um seinetwillen auch alles instrumentell auf seine Zielsicherung hingeordnet ist.
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Nikolaus deutet also eine durchgehende Teleologie an, die mit der Manifestationstheologie zu verbinden ist. Das Können selbst manifestiert sich unterschiedlich in allen Seinsbereichen des Kosmos (s.Am. zu n.10,1); der Geist als supreme Manifestation dieses Könnens (n. 11,9-12) ist ganz auf dieses Können, alles andere aber mit der Zielvorgabe darauf hingeordnet, daß der Geist das ihm gesteckte Ziel ins Auge fassen kann. 11,29f.: AUF BESTMÖGLICHE WEISE] Die bestmögliche Weise, das Unbegreifliche zu erfassen, ist nicht die relativ beste Weise einer prinzipiell defizienten Schau »jenseits aller Fassungskraft .. (n. 11,9 f.), sondern die absolut bestmögliche Weise der Schau, die nach 1 Kor. 13,12 (Jetzt sehen wir noch im Spiegel und im Gleichnis; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich nur teilweise; dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin; vgl. 2 Kor. 3,18) faziale Gottesschau genannt wird. (De fil. dei n. 53 f. S. 78 f.); De visione dei, Kap. 6: De visione faciali; p I, fol. 101'; S. 66 ff.) Sie wird nach traditioneller Lehre der Kirche nur den reinen Geistwesen im Himmel eröffnet. In Erkenntnisweise und Erkenntnisumfang geht sie noch über die relativ beste Schau Gottes in seinen Manifestationen hinaus zur direkten, unverhüllten Schau. Da aber auch sie noch begrenzt ist (De fil. dein. 62-64; S. 85 f.), wird sie als bestmögliche Schau bezeichnet. Vgl. De docta ign. III 10 n. 240 (S. 70f.).- Zum semantischen Problem der Wendung •bestmögliche Weise• s. G. von Bredow, Der Sinn der Formel »meliori modo quo« .. ., MFCG6 (1967) 21 ff. unddieErwiderungvonK. Bormann in der Anm.1 zu Kap.2 des Compendium (H.16, S.62f.). 11,31: VERLANGEN DES GEISTES] Dieses, nach De docta ign. I 1 n. 2 (S. 6 f.) in ein allgemein kosmisches, naturhaftes Strebeverlangen eingebettete desiderium mentis oder desiderium intellectuale, wie es andernorts genannt wird, ist ein desiderium naturale (Idiota de sapientia In. 10 ff.; n. 26 f.; S. 48 ff., 63-65; De ven. sap. 12 n. 32, 2.Abs.; 15 n. 45; S.49 u.66f.), das aus eigenem Vermögenunerfüllt bleibt und nur in der direkten Selbstoffenbarung Gottes »in der Herrlichkeit seiner Majestät" (vgl. Psalm 16117),25 ), d. h. in fazialer Gottesschau in der Transzendenz, seine Befriedigung findet. Hinter dieser Erkenntniseschatologie steht eine lange Tradition, beginnend mit dem erkenntnisphilosophischen desiderium naturalebei Plato (Erkenntniseros) und Aristoteles (naturhaftes menschliches Erkenntnisstreben; MetaphysikA 1, 980a22), über Plotins und Proklos' gesamtkosmische Erkenntnisstufung, über eine ontolo-
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gisch auf die ganze Schöpfung gewendete Strebe-Hierarchie (für Nikolaus von Kues s. z. B. De ven. sap. 22 n. 65 f.; 38 n. 113, letzter Satz; S. 98-101; 174f.) bis hin zur theologischen Wendung des desiderium naturale auf das gnoseologische Gottesverlangen und auf die »nur von wenigen Philosophen" erkannte pneumatische Nexus-Lehre (ibid., 25 n. 73; S. 110--113).- Für eine umfassendere Orientierung s. Hist. Wörterb. d. Philos., Bd. II, col. 118 ff., s. v. ·Desiderium naturale'. Prinzip und Ziel dieses nicht alternden, seine Potenz nie verlierenden (s. u., n. 23,6-11) Mentalbegehrens (mentale desiderium; n.12,12-15) ist der posse-ipsum-Gott. -In der von Nikolaus hier angeführten Weise wird die auf das Transzendente gerichtete natürliche Erkenntnisdynamik in einer heilsgeschichtlich dimensionierten Kosmosteleologie artikuliert, in der der alte Eudaimonie-Gedanke ins perennierende Verkosten der Wahrheit (fruitio; De docta ign. II 13n.180, 2.Abs.; S.ll4f.; lll12n.258f.; S.92-95; s.dortdie Anm. zu n. 259,12-14 und zu n. 259,24, S.155) gewendet ist. 12,4f.: KÖNNEN ALLEN KÖNNENS] S. die Anm. ZU n. 7,21-30; vgl. die Anm. n. 4,11-14 zitierten Compendium-Stellen. 12,6-9: Nikolaus läßt jetzt Peter, dem inzwischen das posse ipsum als das Können aller Einzelnen und aller Ersten klar geworden ist, das Argument für die Regresslosigkeit dieses Könnens vortragen. Im Hintergrund steht der Abweis des Dritter-Mensch-Arguments, das Aristoteles gegen die Ideenlehre als überflüssige Verdoppelung mit unabsehbaren Folgen eingewendet hatte (Met. A 9, 990b17 u. ö.; s. dazu den Kommentar zur Stelle von W. D. Ross, Aristotle's Metaphysics, vol. I, Oxford 1958, S. 194-196): Wenn es eine Idee •Mensch' gibt, muß es als ein Gemeinsames für den konkreten Menschen und für die Idee •Mensch' noch ein Weiteres geben, durch das der erste (der konkrete) und der zweite Mensch (die Idee) in Teilhabe ähnlich sein können, nämlich einen dritten Menschen, als beide einend. Die Konsequenz der Ideenlehre wäre demnach, daß über jeder Idee und dem, was unter ihr gefaßt wird, ein übergeordnetes Drittes stünde; über diesem und der Idee ein Viertes usw. ad indefinitum. Wenn nun über jedem realen Einzelkönnen (Beispiel n. 6,8 ff. das Stein-tragen-können) und über jedem Können einer Art, Gattung oder Seinsweise oder anderer Erster (n. 7,16-19) ein Können all
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dieser Können (posse omnis posse) angenommen werden soll, das als Letztprinzipall jener ein irreduzibelletztes Können sein müßte, muß ein weiteres, drittes (und dann ein viertes usw.) Können ausgeschlossen werden, durch das jedes Können und das Können jeden Könnens überhaupt erst ähnlich und vergleichbar und damit sinnvoll angesetzt würde. Das Argument hier lautet: Wenn nicht das Können jeden Könnens, so wäre es etwas anderes, das jedes Können ermöglicht. (Hier liegt die cruxdes Arguments.) Dieses Andere müßte aber seinerseits Prinzip jeden Könnens sein können. Ergo, es ist wieder ein Können für jedes Können erforderlich. Woher hätte aber dieses Können sein Vermögen, irgendein Können ermöglichen zu können, in dem es und jedes Einzelkönnen regresslos seinen Halt findet? Eben vom Können selbst (posse ipsum)! Kann man dieses posse ipsum über (1) den konkreten Einzelkönnen und (2) den diesen vorausgehenden Erst-Können als Dritt-Können ansehen? Dafür spricht nichts, weil es als Können allen und jeden Könnens gedacht ist und jedes Können zum einen als Seinsweise von universal gedachten Können, zum anderen zusammen mit diesen als Erscheinungsweise jenes Könnens angesetzt wurde. Das Können aller Ersten, das jedes partikulare Können art-, gattungs-oder Seinsweisenhaft universal unter sich sammelt, ist selbst nicht wiederum ein partikulare Idee des Könnens, sondern ein Universale. Universal gedachtes und Einzelkönnen haben nur das posse ipsum über sich. Ihre gedachte Proportionslosigkeit (infinit: finit; nach dem Disproportionalitätssatz besteht zwischen ihnen keinrationales Verhältnis; s. De doctaign. 13 n. 9; S. 12f. und S. 115 die Anm. dazu) macht nicht nur ein Drittes überflüssig, sondern unmöglich. 12,11: NICHTS VORTREFFLICHER] Siehe n. 5,3 und n. 19,3; n. 5,8 u. n. 7,27: nichts vollkommener. - Ähnlich, wie in Anm. zu n. 2,11 f., könnte man auch hier das (id) quo nihil melius esse potest mit der idea entis perfectissimi der dritten Meditation Descartes' vergleichen (Descartes, Meditationen, Med. III, n. 36 hg. L. Gäbe, Philos. Bibl., Bd. 250a, Harnburg 1959, S. 92 f.; beachte auch im Zusammenhang mit Anm. zu n. 11,31 den Schluß von Meditatio III, n. 39, S. 94-97). 12,15-19: URSPRUNG- ZIEL] Siehe die Anm. ZU n. 11,31,3. Abs.
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13,6-10: Jede Frage zu einem •potest•, zu einem •er, sie, es kann•, zu einer finiten Form von posse, können, ist eine Frage nach dem Können von etwas. Die finite Verbform macht deutlich, daß es sich um Fragen nach einen je finiten Können, nach einem Können mit Hinzufügung (s. Anm. zu n.17,7-14) handelt und nicht um das Können ohne Hinzufügung, um das posse ipsum, um das Können jeden finiten Könnens oder- um auf der Sprachebene des Nikolaus zu bleiben - um das •possest• der gleichnamigen Schrift. Nach der n. 12,6--9 vorgebrachten Argumentation für die Unhinterfragbarkeit des posse ipsum wird jetzt für seine prinzipielle Unbezweifelbarkeit argumentiert, um einen unerschütterbaren Begriff von der Existenz des posse ipsum zu gewinnen. Von wem, wann und wie immer irgendein Können (und auch das Können selbst) in Frage gestellt würde,- die Frage muß gestellt werden können. Das Infragestellen-können soll das Können sichern, so daß ein Zweifel am Können - oder an der Sinnhaftigkeit der Können-Spekulation selbst noch das Können bezeugt, ja bekräftigt. Es ist der Zweifel, der sich im Vollzug des Zweifelns selbst einholt und - anders als der augustinische Zweifel, der zur Innenerfahrung eines zweifelsfreien, gesicherten Wissens von der Existenz und dem Denken des Zweifelnden führt (vgl. Augustinus, De libero arbitrio II 3,7; CCSL XXIX, S. 239f.; DetrinitateX 10,14--16; CCSLL, S. 327-329undDe civitate dei XI 26; CSEL XL, 1, S. 550 f.) - alle Skepsis gegenüber dem Können selbst als dem einen Prinzip von allem, jetzt auch des Zweifels selbst, aufhebt. Es ist dies ein Cusanisches ·dubito, ergo posse ipsum est•, in dem die Skepsis gegenüber einem transzendenten Seinsprinzip ein solches für alles und jedes dadurch sichert, daß sie es, indem sie sich vollzieht, als ihre eigene, sie ermöglichende Voraussetzung zugibt. Nicht Selbstgewißheit des Denkens im Zweifel, wie bei Augustin, sondern Gewißheit über das transzendente Können selbst durch den Zweifel ist das cusanische Argument gegen die Skepsis.- Zum Argumentationsschema s. De coni. I 5 n. 19 (S. 22 f.); I 6 n. 24 (S. 28 f.); vgl. Idiota de sapientia II n. 30 (S. 67), wo dasselbe ontologisch auf Seinsheit, Washeit, Ursache und Ziel angewendet wird. Für Nikolaus ist es die Methode, sich eine unbezweifelbare Grundgewissheit (aliquid certissimum indubitatum; De ven. sap. 2 n. 6; S. 10 f.) zu verschaffen. Diese Setzung des in der Frage Erfragten als Voraussetzung der Frage ist die Methode der theologia brevis; s. die Anmerkung zu n. 5,11 u. 12. 13,11-22: Eine die Existenz des posse ipsum bezweifelnde Fra-
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geist »impertinent" und absurd, wenn man in ihr nicht sogleich die Bestätigung des im Zweifel Erfragten erkennt. Deshalb geht es letztlich nicht nur um eine unbezweifelbare Grundgewißheit über das posse ipsum, sondern auch noch darum, es als die metaphysische Präsupposition des Zweifels zu erweisen (n. 13, 18-20). Als den Zweifel ermöglichend, soll es sich im Zweifel als zweifelsfrei gewiß erweisen. (n. 13,20-22). Damit ist das nihil certius von n. 6,19 argumentativ eingelöst. Es ist auch deutlich geworden, daß das posse ipsum hier nicht methodisch in Zweifel gezogen wird, weil es prinzipiell ein in omni dubitatione indubitabile ist; vgl. Idiota de sapientia I n.9,15 (h 2V, 5.16). Zur Frage, die selbst die Antwort ist, und zum Zweifel, der selbst die Gewißheit ist (in der Theologie jedenfalls), s. M. Alvarez-G6mez, Die Frage nach Gott bei Nikolaus von Ku es, in MFCG 5 (1965 J 63-85. 13,22f.: Siehe n.15,3 und n.19,5 (zureichender); n. 5,8, n. 7,27 und n. 26,15 (vollkommener); ferner Anm. zu n. 6,29. 13,24-26: S. Anm. zu n.17,7-14 u. Marg. 177 u. 186, CT III 2. 14,1-12: ÜBER DAS ERSTE] erbittetPeterweitere Aufklärung. Was ist das für ein Erstes? Das Erste ist für die cusanische Philosophie kein so ausgezeichneter Begriff wie der des maximum absolutum und der des infinitum. Man wundert sich also, was Peter über das Erste, das auch hier bisher keine Rolle gespielt hat, hören will, zumal Nikolaus ngar oft viel darüber gesagt" haben soll. Allerdings, Peter hat richtig verstanden, daß dasjenige, dem gegenüber es nichts Früheres gibt (nn. 5,3; 6,28; 7,27; 12,17; 19,1), das Erste sein muß. Dasselbe gilt für das soeben benannte Sicherste, Zureichendste, Vollkommenste und für alle Grundwürden (s. Anm. zu n. 6,29), die, miteinander vertauschbar, je das Erste in einer Rangwürde und ein und dasselbe identische Erste bezeichnen. Es ist das allem, auch dem Zweifel Vorausgehende (nn.19,10-12; 13,18-20), das, was allem voraus-gesetzt ist (nn.6,19; 13,8.18.22), die absoluta praesuppositio omnium des Idiota de sapientia (s. Anm. zu n.4,11-14), hier auch als Erstursache und Erstprinzip (n. 7,16), als erstes Schaffendes und Erstbeweger (n.15,30-33) bezeichnet, im Memoriale noch als Ersterzeuger (prop. 13), erster Intellekt, Erstform und solcher Erster mehr (n. 18; S. 78) benannt. Vom Ersten ist im Folgenden dann nicht die Rede. Denn Nikolaus kündigt die Eröffnung eines bisher nicht mitgeteilten, bisher
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verborgen gehaltenen Geheimnisses an [n.l4,6-8; vgl. n. 16,3): Metaphysik kann nur unter der Bedingung präzis sein, daß ihre Spekulation ausschließlich in dem im Vorherigen als zweifelsfrei gesicherten Können selbst und seinen verschiedenen Erscheinungsweisen gründet. Nikolaus hat damit, in platonisierender Redefigur (vgl. VII. Brief, 34lcff.), den zentralen Gedanken der Schrift hervorgehoben. Metaphysik ist Spekulation über Gott und Welt, diese als Theophanie dessen gedeutet, über den hier unter der Chiffre des posse ipsum gesprochen wird, leicht faßlich, weil die Rede darüber von ihrem Gegenstand her nur kurz sein kann [s. Anm. zu n. 5,11 u. 12). Deshalb kann alle weitere Rede eigentlich nur Iteration sein. Peter wird denn auch n. 16 die neuerliche Lektüre früherer Schriften und Predigten empfohlen. Im Folgenden werden mit der resolutiven Methode die verschiedenen Metaphysiken der Vorgänger unter dem Aspekt geprüft, wie in ihren unterschiedlichen Redeweisen vom metaphysischen Objekt gesprochen wurde und wie ihre verschiedenen Reden darüber nur verschiedene Erscheinungsweisen der Metaphysik sind (vgl. Directio speculantis 20 n. 91; S. 71), in denen, unter welchem Begriff auch immer, ein und dasselbe Objekt sich manifestiert: das posse ipsum. In n. 15-16 wird dieser Cusanische Begriff zum Fokus der abendländischen Metaphysikgeschichte gewählt. 14,13-17: DAS EINE- DAS EINE UND DAS VIELE] Zunächst greift Nikolaus von Kues die beiden Denkwege heraus, auf denen Antike und Mittelalter die Seinsfrage unterschiedlich angingen: Einheit und/oder Vielheit. In der ersten Hypothese des zweiten Teils des Parmenides hatte Plato das Eine [E'V) unter der Fragerichtung »Wenn das Eine ist .. ·" behandelt, während in der zweiten Hypothese (»wenn das Eine nicht, aber das Viele [;no)J..a] ist) das Viele zur Sprache gebracht wird. Diese beiden Voraussetzungen metaphysischer Weltbetrachtung waren durch die Vorsokratische Philosophie in die bis in die Neuzeit anhaltende [G. Bruno; Schelling; Hegel) Reflexion gebracht worden. Die Eleatische Philosophie hatte das Eine und die Einheit, die Heraklitische Philosophie das Viele in den Vordergrund der Weltdeutung gerückt. Nikolaus war darüber durch das philosophiehistorische Referat des Aristoteles [Met. A 5, 986b10-30; er las die Metaphysik in der Übersetzung des Bessarion in cod. Cus. 184) und durch Diagenes Laertius [s. u.) unterrichtet. Mit der Einheitsmetaphysik verbanden sich ihm die Namen Xenophanes, Melissos, Parmerndes und Zeno der Eleat, auf den Plato im
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Parmenides argumentativ zurückgriff. Den Vielheitsaspekt nimmt Nikolaus hier in der von den Pythagoreem- deren Zahlenspekulation über Einheit und Vielheit ein, aber nicht der entscheidende Aspekt in der ontologisch-metaphysischen Tradition des Denkens von Einem und Vielen bei Plato und im Platonismus ist-, von Plato und seinen Nachfolgern geprägten Weise auf, den Bezug von Einem und Vielen in der Ideenlehre durch anwesende Gegenwart des einen im anderen (Parousie) und Teilhabe des anderen im einen (Methexis; Partizipation) zu denken. In seiner eigenen Metaphysik des transzendenten Einen, die Nikolaus vor allem unter dem Eindruck des Proklos (s. Adnotatio 22 zu De ap. theor. in h XII, S. 166f.), aber auch des Dionysius Areopagita (Theophanie des Einen), des Johannes Eriugena (Gott als unum multiplex, Periphyseon III; a.a.O., S.l52) und des Liber de causis entwickelt hatte, ging es ihm um eine jeden Dualismus vermeidende Einheitsspekulation, mit der ein vielheitsfreies transzendentes Eine als Prinzip aller vielheitlichen, durch es bestimmten Dinge in einer Hierarchie von gradweisen Einheiten vom Individuum bis zum Uni-versum gedacht werden kann. Seit De docta ignorantia hatte er dies in dem dem Sein nachgedachten Schema von Einfaltung und Ausfaltung (complicatio- explicatio) zu vollziehen gesucht. Seine jetzige These vom Können selbst als Prinzip von allem, das als Erscheinungsweisen ihres Prinzips gedeutet wird, ist nur eine Modifikation des Explikationsschemas. Das Können selbst und seine Erscheinungsweisen oder, wie es hier erstmals in transzendierendem Bezug zum posse ipsum heißt, die Seinsweisen seiner Erscheinung (s. die folgende Anmerkung) ist das den folgenden dialektischen Positionen zugrundeliegende Schema, mit dem das Eine und alles Vielheitliehe erfaßt und ohne jeweilige Aufhebung resolutiv zur widerspruchsfreien Konkordanz gebracht werden soll (vgl. auch Directio speculantis 20 n. 91; S. 71), sei es klassifikatorisch wie bei den Zahlen, Ideen, Gattungen oder Arten, sei es im Streit über die Vielheit der Formen, sei es kosmologisch oder theologisch gewendet. Diese Sichtweise hatte es Nikolaus schon früher erlaubt, in der Einheitsspekulation das vielheitlieh Viele (De docta ign.), auch in seiner Singularität (singularitas für griech. ~-tova~), zu sehen, in dieser besonders zu werten und darauf eine Philosphie der Konkordanz und Differenz zu gründen (z. B. De coni. II 3, bes. n. 89; S. 102f.; De ven. sap. 22, bes. n. 65-67; S. 96--103). Eine kurze Zu-
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sammenfassung seiner Lehre vom Einen und von der Einheit und Vielheit im Kapitel ,.über die Einheit", De ven. sap. 21 n. 59--61 (S. 88-93). Damit wird deutlich, daß Nikolaus von Kues, unter Betonung des Koinzidenz-Prinzips den möglichen Gegensatz von Einheit und Vielheit vermeidend, der Philosophie des Einen und Vielen den Vorzug gibt vor einer nur das absolut transzendente Eine betonenden Einheitsmetaphysik wie aber auch vor der aristotelisch-scholastisch gefärbten Seinsmetaphysik, wenn sie das Seiende unter dem Aspekt der Einheit als seiner vorzüglichsten Beschaffenheit (ens et unum convertuntur; vgl. dagegen die göttlichen Korrelationen bei Nikolaus von Kues, oben, Anm. zu n. 6,29) ansieht. 14,17: SEINSWEISEN SEINER ERSCHEINUNG] War bisher nur theophanisch von Erscheinungsweisen des posse ipsum (s. Anm. zu n. 9,13) die Rede, so tritt jetzt und im Folgenden (n.14,36; n.15; n. 27,8) mit der Rede von den Seinsweisen der Erscheinung der Aspekt in den Vordergrund, daß die Seinsfülle dieses einen und identischen Prinzips von allem (n. 4,5-11) sich in ihrer ganzen Seinsbreite auf verschiedene Weise in den verschiedenen Dingen zur Erscheinung bringt. Seine verschiedenen Erscheinungsweisen bringen also verschiedene Seinsmomente (oder Grundwürden) zum Vorschein. Im Memoriale werden prop. 18 als Seinsweisen des passe ipsum nErstursache, erster Intellekt, erster Beweger, Erstform und dergleichen mehr" als dessen Manifestationsweisen genannt (S. 78). Das Beispiel vom Farbspektrum als Seinsweise des Lichts (n. 8,17-23) hatte diesen Aspekt schon vorbereitet. Zur Bedeutung von modus s. oben, Anm. zu n. 9,13. Über die Cusanische modi essendi-Lehre und den Wandel der Bestimmungen der Seinsweisen in den verschiedenen Schriften des Nikolaus s. Adnotatio 8 zu De ven. sap. (h XII, S. 152 f.); ausführlich H. Schnarr, Modi essendi. Interpretationen zu den Schriften De docta ignora~ tia, De coniecturis und De venatione sapientiae von Nikolaus von Kues, Münster 1973. Über den mirabilis modus, in dem sich Gott in der intellektualen Kreatur zur Erscheinung bringt, s. Johannes Scottus Eriugena, Periphyseon I (a.a.O., S. 54,31 ff.). 14,18-23: NICHTSNEUES-WELT UND DINGE NEU GESCHAFFEN] Mit diesen antithetischen Positionen wird die Kontroverse um die Frage nach der Ewigkeit der Welt aufgegriffen. Im AT heißt es zwar, es gäbe nichts Neues unter der Sonne (Ecclesiastes 1,10: Nihil
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sub sole novum); dies drückt aber nur die Vorstellung vom zyklischen Verlauf welthafterund innerweltlicher Prozesse aus. Es geht hier aber implicite, wie n. 14,21 verdeutlicht, um die Frage nach Anfangslosigkeit oder Erschaffung der Welt in der Zeit, wenn auch die Anfangslosigkeit der Welt hier unter der Prediger-Formulierung vorsichtig ins Gespräch gebracht wird. Die Frage war seit Jahrhunderten kontrovers. Für die griechische Philosophie war die Anfangslosigkeit bzw. Ewigkeit der Welt eine wenn nicht problemlose, so doch weitgehend vertretene Meinung. (Heraklit: Diese Welt ... hat weder Gott noch der Menschen einer geschaffen, sondern sie war und ist und wird immer sein; Fragm. der Vorsokratiker, Diels-Kranz, Frg. B30) Wenn auch Plato im Weltschöpfungsmythos des Timaios für die Weltformung einen Zeitpunkt annahm, so schuf sein Demiurg die Welt allerdings aus einem seit ewig bestehenden Stoff nach ewigen Ideen (Tim. 27dff.). Daß Plato gemäß einer akademischen Theorie (Xenokrates u. a.J die genetische Methode aus pädagogischer Rücksicht gewählt habe, berichtet Aristoteles De caelo 2 79b33 ff. Entscheidend für die spätere Problemdiskussion war die Argumentation des Aristoteles für Entstehungslosigkeit und Unzerstörbarkeit, also für die Ewigkeit der Welt (De caelo A 10-12; Phys. A9, 192a; e 1, 250bff.). Die christliche Orthodoxie, Theologie und Philosophie setzten dagegen, gestützt auf Genesis 1,1 (Im Anfang erschuf Gott den Himmel und die Erde) die Erschaffung der Welt (s. dazu die Symbola fidei bei Denzinger- Schönmetzer, Enchiridion, Nr. 21 ff.) in der Zeit (gestützt auf Genesis 2,4; vgl. auch Ps. 101,26; foh. 17,5 u. 24; Eph. 1,4) aus demNichts (creatioexnihilo), wie Genesis 1,1-2 unter Berücksichtigung von 2. Makkabäer 7,28 gedeutet wurde. Die eindeutigste Definitions. Concilium Lateranense IV (1215; Denzinger - Schönmetzer, Nr. 428 ). Die Väter der patristischen Zeit, Origenes ausgenommen (s. De princ. 1), wie die Theologen und Philosophen des Mitelalters suchten für diese Glaubenswahrheit Vernunftbeweise beizubringen. Augustinus im 5. und Johannes Philoponos im 6. Jahrhundert bemühten sich um den Abweis der den Glaubenssätzen widersprechenden neuplatonischen Argumente für die Ewigkeit der Welt. Als durch das Bekanntwerden der aristotelischen Lehre und durch die Wirkung arabischer Interpreten die neuplatonische (Avicenna) und die aristotelische (Averroes) Weltewigkeitslehre im 13. Jahrhundert wieder Aufschwung nahm (Siger von Brabant; Boetius
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von Dacienl, sah die Pariser Universität 1277 Anlaß, die These von der (logischen I Möglichkeit einer ewigen Schöpfung und die Lehre von der Ewigkeit der Welt zu verurteilen und zu verbieten.( Chartularium Universitatis Parisiensis, ed. H. Denifle, Tom. I, Paris 1889, Nr. 473, S. 548 f., Nr. 87 und 98 f.; dazu R. Hissette, Enquete sur les 219Articles condamnes ii Parisie 7 Mars 1277, Louvain-Paris 1977, S. 147-152, Nr. 83-85; über die Position des Thomas von Aquin s. meinen Beitrag Novitas alicuius entis (Weltschöpfung und Erschaffung von Neuemin der Welt nach Thomas von Aquin), in: Atti del Congresso Intern.: Tommaso d'Aquino .. ., vol. IX, Napoli 1978, S. 455-4701. Inkriminiert wurde auch der Satz, daß der Naturphilosoph die Neuheit der Welt schlechthin verneinen muß, der Gläubige aber die Ewigkeit der Welt verneinen kann (Boetius von Dacien; Art. 191, s. bei Hissette, S. 284f.l. Dennoch fand die These der Ewigkeit der Welt (s. Marg. 47, Lucentini 921 im folgenden Jahrhundert in averroistischen Kreisen (Petrus von Abano; Johannes von Jandunl wie in der Renaissance-Philosophie des 15. u. 16. Jahrhunderts (P. Pomponazzi; G. Brunol ihre Vertreter. Auch nachdem Kant den Antinomie-Charakter der Positionen aufgewiesen hatte (KrV, A426ff.l, wurde die Frage weiter diskutiert. Daß Nikolaus von Kues die antithetischen Positionen durchaus als kompatibel ansah und ansehen durfte, istangesichtsder Bekräftigung der creatio ex nihilo zunächst frappierend, die das Konzil zu Florenz 1442 im Jakobiten-Dekret gegeben hatte (DenzingerSchönmetzer, Nr. 7061. Denn die These, daß nichts Neues entstehen könne, schließt, auch wenn sie nur auf im Mittelalter traktierte Fragen über Seins- und Erkenntnis-Neuheit zielen sollte, die These von der Ewigkeit der Welt mit ein. Um das zu deuten, muß man auf den Hintergrund der Behandlung der Frage im Neuplatonismus zurückgehen, dem Nikolaus sich verpflichtet fühlte (Philo, Augustinus; Schule von Chartresl: Der ewige Schöpfergott konnte als •Können selbst• die Welt von Ewigkeit her nach seinen ewigen göttlichen Ideen schaffen und- nach dem Denken einer Prozeßphilosophie - Neues entstehen lassen. Indem er, wie Nikolaus oft genug einschränkungslos betont hatte, die Welt »im Anfang erschuf.. , brachte er sich damit in ihr in der Zeit in Erscheinung.- Zu den Quellen und loci similes s. h XII, S. 127; zusätzlich De dato patr.lum. n. 106(h IV, S. 781 und die Ausführungen des Sermo >Ubi est qui natus est rex Iudaeorum• (1456; n. 21-25; CT I 2./5., ed. J. Koch, Heidelberg 1937, S. 106-113 mit weiteren Angaben!.
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14,23-34: Der Vergleich geht von einer Zahlentheorie aus, nach der in intellektualer Deutung die 1 nicht Zahl, sondern Prinzip der Zahlen ist. Die Eins als Einheitsgrund der Zahlen ist deshalb nicht zählbares, folglich nicht eingrenzbares Zahlprinzip oder Einfaltung aller diese Zahleinheit entfaltenden Zahlen; vgl. De docta ign. I 5 n.14; 113 n.105(S.22f.; S.22f.); weiteres dazu und zu den Quellen in h XII, S.127. Nach der Redeweise von De apice theor. werden die ihre Einheit explizierenden Zahlen zu Erscheinungsmodi der Zahleinheit. Wie in der Realwelt (s. Anm. zu n. 10,6--13) sind dann auch die idealen Zahlen graduierende Manifestationen ihres Zahlprinzips. Ungerade Zahlen manifestieren ihr Einheitsprinzip deshalb besser, weil sie im Gegensatz zu den geraden Zahlen nicht in zwei gleiche Teile zerlegbar sind und deshalb mehr Einheit spiegeln als diese; s. De coni. I 9 n.37 (S.44f.; s. auch h III, S.42f., Anm.). Dasselbe gilt von den »ganzen vollkommenen Zahlen". 14,34: GANZE VOLLKOMMENE ZAHLEN) sind die Zahlen in der Reihe der ganzen natürlichen Zahlen, bei denen die Summe ihrer Faktoren, ausgenommen sie selbst, die Zahl wieder ergibt. Beispiel: Die Zahl6: 1 + 2 + 3 = 6. Die Reihe der perfekten Zahlen ist 6, 28, 496, 8128, ... In pythagoreisierender Zahlenspekulation stehen die vollkommenen Zahlen neben den defizienten und abundanten Zahlen. Bei den abundanten Zahlen (nurneri superflui) überschreitetdieSumrnederFaktorendieZahl, z.B.12: 1 + 2 + 3 + 4 + 6 = 16; bei den defizienten (numeri irnperfecti) bleibt die Faktorensumme unter der Zahl, z. B. 14: 1 + 2 + 7 = 10. Die Zahleneinteilung stellt ein klassifikatorisches Ordnungsschema für die Reihe der ganzen natürlichen Zahlen nach dem Bezugsverhältnis einer Zahl zu ihren Teilen dar. Über die numeri perfecti s. Boethius, De arithmetica I 19 f. (PL 63, col. l097f.); Thomas von Aquin greift mehrfach die perfekten Zahlen symbolisch auf, z. B. S. th. I q. 14 a. 6 c, nicht immer jedoch arithmetisch korrekt (S. th. II II q. 87 a. 1; C. g. IV 83); vgl. auch Augustinus, De trinitate IV 4,7(CCSL L, S. 169 f.), wo die vollkommene Sechs zahlensymbolisch auf das Sechstagewerk gedeutet wird; dazu vgl. De coni. II 7 n. 106f.(S. 124-127). Nikolaus von Kues nimmt, was die Übersetzer der Schrift nicht erkannt haben, die Vollkommenheit der numeri perfecti als ein arithmetisches Symbol für die Manifestation des posse ipsum unter dem Aspekt der Einheit in den besonderen Erscheinungsweisen von
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Kommentar und Anmerkungen
Einheiten. Bovillus ist ihm darin gefolgt. In der Widmung seines Liber de numeris perfectis (1509) an Faber Stapulensis betont er, daß wegen der Rarität und geringen Anzahl von perfekten Zahlen, wodurch diesen selbst eine gewisse Dignität und Bewunderung zukomme, diese zurecht und stellvertretend für anderes Bewundernswerte zur mutmaßenden Erforschung des Göttlichen genommen werden können (Carolus Bovillus, ed. Paris. 1510, fol. 171 •; Nachdruck Stuttgart- Bad Cannstatt 1970). 14,35-37: GATTUNGEN, ARTEN] Siehe oben, Anm. ZU n. 4, 7-11; unten, n. 15,4-7 und n. 27,6-8 sowie die Anmerkungen dazu. 15,1-7: NICHT MEHRERE SEINSVERLEIHENDE FORMEN- MEHRERE ARTDas zweite antithetische Problem formuliert unter dem generellen, von Nikolaus stets und auch hier verfolgten Aspekt Einheit/Vielheit die spezielle Frage nach Einheit oder Vielheit der Form(en). Da •Form• in der philosophischen Tradition als Relationsbegriff zu ·Materie• diskutiert wird, muß die Frage nach Form-Einheit oder Form-Vielheit auf dem Hintergrund der von Aristoteles begründeten Materie-Form (hyle; eidos, morphe)-Lehre gesehen werden, die als Hylemorphismus bezeichnet wird. Damit wird bedeutet, daß jedes Ding als ein aus Materie und Form als denneben anderen- wesentlichen Bestimmtheiten Zusammengesetztes (s'Yntheton) verstanden wird. Da Nikolaus hier wie auch sonst von der Ansicht ausgeht, daß die Form das Sein verleiht - forma dat esse -, während die zur Formaufnahme bereite Materie als Individuationsprinzip gilt, kann bei der Behandlung des hier angesprochenen Problems vor allem auf die vorgegebene Fragerichtung abgestellt werden: Einheit oder Vielfalt der Form(en)? (1) Der Hylemorphismus unterscheidet verschiedene Formen und Formbegriffe, so - aristotelisch - die Form eines partikularen Einzelnen (Individualforrn) von der den Einzeldingen immanenten Form einer universalen Art oder Gattung; beide werden nach der von Aristoteles eingeführten Bestimmung von Individuum als erster, von Arten und Gattungen als zweiter Substanzen als Formen der Substanz oder als deren Wesensform (eidos) bezeichnet. Die Formbestimmtheiten im akzidentellen Bereich (Quantität, Qualität und die anderen Kategorien), die akzidentellen Formen also, können hier unberücksichtigt bleiben, da es an dieser Stelle allein um Seins- oder Wesens- und Artformen geht. Wichtig jedoch sind BILDENDE FORMEN]
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Kommentar und Anmerkungen
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die schon vor Nikolaus von platonisierenden Philosophen in die Formenlehre eingebrachten Momente Platonischer Ideenlehre (Vielheit von Einzeldingen unter einer Vielheit von transzendenten Ideen; diese ihrerseits unter einer obersten Idee, der Idee des Guten, gefaßt). Bei aller Differenzierung im einzelnen kann das folgende Schema diese platonisierende Formenlehre veranschaulichen: forma quae esse ipsum est (Boethius) als Prinzip jeder Form (Augustinus) = Gott, bei dem Form und Sein zusammenfallen
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formae exemplares- urbildliehe Formen außerhalb der durch sie geformten materiellen Dinge im göttlichen Intellekt (Iogos/verbum dei; anima mundi u. dgl.) - Platonischer Ideenkosmos
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die in den Dingen partizipativ anwesenden Exemplarformen als universale Wesensformen und
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als Individualformen nicht mehr eigentlich Formen, sondern Abbild der formae exemplares (2) Die Problemstellung hier geht nicht auf die in beiden Formlehren angesetzten unterschiedlichen Formen, sondern auf ein spezielles Problem, das sich im 13. Jahrhundert als Folgeproblem des Hylemorphismus stellte. Die zunächst akademische Frage war, ob, wie Thomas von Aquin formulierte, ein materielles Ding durch eine Wesensform bestimmt (also in einer 1: 1-Korrelation bestimmbar) sei oder ob, wie Bonaventura formulierte, eine Pluralität von hierarchisch gerangten Formen in einer materiellen Substanz (formal, nicht numerisch) gegeben sei; s. marg. 387 f. zum DionysKommentar des Albertus Magnus (CT III 1, S. 1OS). Die Einzigkeitsthese, die, von Avicenna vorbereitet, von Robert Grosseteste propagiert (De unica forma omnium), ebenso wie die von Avicebron bereits angedeutete Pluralitätsthese ihre Anhänger fand (Thomisten: Franziskaner-Philosophie), machte zwei weitere Annahmen erforderlich: (1) um die mehrfachen Bestimmungen einer Sache erklären zu können, die Annahme, daß die eine, das Wesen der Sache bestimmende Form virtuell alle anderen Bestimmungen durch ihr untergeordnete Formen enthält; (2) um Veränderungen
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Kommentar und Anmerkungen
der Dinge zu erklären, mußten die Singularisten die Freisetzung einer res durch Verlust ihrer bisherigen und erneute Bestimmung durch Rezeption einer anderen, neuen Wesensform ansetzen. Eine solche Konstruktion vermied die PJuraJitätsthese, indem sie plural eine Wesensform eines Dinges ansetzte, die als Prinzip seiner wesenhaften Bestimmung und weiterer Bestimmungen galt. Die ranghöchsteForm in einer solchen, die Pluralität der Formen ordnenden Hierarchie bestimmt als forma completiva (nach Avicebron) das Wesen. Veränderung einer Sache wurde so dadurch erklärbar, daß eine forma completiva ihren Rang an eine andere, bereits vorher die Sache mitbestimmende Form verlor. Dieses Denkmodell kam mit der real existierenden Materie einer Sache aus; dasjenige der Singularisten setzte gedanklich bei Verlust einer alten und Rezeption einer neuen singulären Wesensform für den Übergang eine unbestimmte, aber bestimmbare Materie (materia prima) an.- Zur Kontroverse selbst s. R. Zavalloni, Richard de Mediavilla et Ja controverse sur Ja pJuralite des formes. Textes inedits et etude critique, Louvain 1951, S. 211 ff.; P. Mazzarella, Contraversie medievaJi. Unita e pJuraJita delle forme, Napoli 1978. Die akademische Diskussion entzündete sich noch im 13. Jahrhundert an der These des Pluralisten Petrus Johannis Olivi zur Kontroverse. Denn die These des Formenpluralismus hatte eine theologische Implikation gezeigt: Wenn, wie Olivi lehrte, der menschliche Körper neben der rationalen Seele auch noch durch andere, von dieser real unterschiedene Formen bestimmt sein SollNikolaus formulierte seine Position dazuldiota demente 11 n. 133, bes. n. 140 f. (S. 66 f. u. 70--72); vgl. De Judo gJobi I n. 26 (p I, fol. 155',34-41; vgl. marg. 40--42 zu Heinrich Bate, Speculum divinorum et quorundam naturaJium, ed. E. Van de Vyver, vol. I, LouvainParis 1960, S. 225 f. -, dann ist die Einheit der Seele gefährdet, die als bestimmende Form des Körpers galt (anima forma corporis). Olivi und damit der Formenpluralismus wurden nach mehreren Vorverurteilungen 1312 auf dem Konzil von Vienne verurteilt (DenzingerSchönmetzer, Nr. 902). (3) Nikolaus von Kues löst den antithetischen Charakter der beiden Theorien auf, indem er resolutiv die These von der Einheit der Wesensformen auf die Einheit der Seinsform als hinreichenden Grund jedes Seienden wendet und die seinsverleihende Form (vgl. De dato patr.Jum. 2 n. 98,2-12; h IV, S. 72f.) als das Können selbst oder Gott bestimmt; vgl. De docta ign. I 8 n. 22: deus als rerum
Kommentar und Anmerkungen
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entitas und forma essendi; ebd. 23 n. 70,23 f. (S. 30f. u. 92); De passest n.65 (S. 80f.); vgl. auch oben, n. 4,7-11 und Anmerkungen zu n.27,1-8. Die These der Pluralisten faßt er nicht als Pluralität von sich in den Einzeldingen überlagemden Formbestimmtheiten auf; vielmehr nimmt er die Vielheit artbildender Formen des Hylemorphismus platonistisch (vgl. Apologia n.ll; h II, S. 8,16--9,8; De vis. dei 9 n. 33; S. 79, Abs. 2) als Erscheinungsweisen (vgl. Idiotade mente 2 n. 67,4--6; h 2V, S. 103) des Könnens selbst, das jene Formvielheit ermöglichen kann und zu seiner Manifestation will. Gott als die eine forma essendi ist, wie n. 4,5-11 schon von der Washeit gesagt, einziger Könnensgrund der plures formae, ist forma formarum. So schließt die eine Redeweise die andere nicht aus; beide können bewahrt werden, wie die Rede von den formae in forma formarum zeigt (De passest n.13; S.16). Dieser Weg war Nikolaus von Thierry von Chartresund Albertus Magnus bereits gewiesen; s. Adnotat. 23 in h XII, S. 167 f. 15,8 f.: GOTT- URSPRUNG DER IDEEN] Die Lehre von den Ideen im Geiste Gottes ist nachplatonisch. Wenn auch Autoren des Mittelalters, z. B. Abailard, diese Lehre als platonisch ausgaben, andere, z. B. Albertus Magnus, negierten dies und sahen die Identifizierung der Ideen mit Gott als unplatonisch an. >Ort• der Ideen war nach Plato ein »überhimmlischer Ort" (Phaidros 247c3); als »immer Seiende", die weder entstehen noch vergehen (Symposion 21 Oe6 f. ), sind sie selbst Grund und Ursprung der Dinge; allerdings haben die· vielen Ideen in der Idee des Guten (Politeia 509b6--10) und im absoluten und relationsfreien Einen (Parmenides 137c4ff.) ihren transzendenten Grund, dessen erste Erscheinung nach Plotin der Geist (nous) als Gesamtheit der Ideen ist (Enneade V 1 (10)). Jedoch war schon zuvor die Bestimmung der Ideen als exemplarische Gedanken Gottes von dem Juden Philo von Alexandrien gegeben worden (De opificio mundi 16 u. 20); vgl. Varro, Antiquitates 15,4; Cicero, Orator 10; Seneca, Ep. 65,7; als Quelle nimmt W. Theiler, Die Vorbereitung des Neuplatonismus, Berlin 2 1964, S. 37 ff., Antiochos von Ascalon an. Seit der Transformation der Ideenlehre in der christlichen Schöpfungstheologie werden die Ideen als »in der göttlichen Vernunft" bezeichnet und in der christlichen Trinitätsspekulation mit dem logos oder verbum dei als zweiter göttlicher Person identifiziert (Augustinus, De diversis quaestionibus LXXXIII, q. 46 De ideis; CCSLXLIV A, S. 70-73). WegenderEinheitGotteswirdzumeistdie
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Kommentar und Anmerkungen
Einheit der Idee (forma omnium formaterum bei Augustin; forma omnium rerum bei Johannes Scottus Eriugena; forma formarum in der Schule von Chartres l in Gott betont, die nur im Hinblick auf die Kreaturen viele genannt werden können (Albertus Magnus, In I Sent. d. 35 a. 9; Opera, ed. Borgnet, vol. 26, S. 193 f.; s. marg. 444, CT III 1, S. 107), wie auch Nikolaus es tat je. g. Idiotade mente 2 n. 67; S.16f.). Die Behandlung dieser Ideenlehre hat bei den verschiedenen Autoren eine durchaus unterschiedliche Terminologie und zum Teil auch deutliche Variation im Doktrinären gefunden. So sind nach Dionysius Areopagita die Ideen nichts anderes als der Schöpfergott (De div. nom. V 8; XI 6; PG 3, Kol. 82lff.; 954ff.), forma mundi oder Formalursache der Welt. Wenn von Johannes von Salisbury die Ideen nicht im Geiste Gottes loziert, sondern als den nach ihnen geformten Dingen inhärent angesehen werden, sind sie als erstes intelligibles Sein Gott nachgeordnet, behalten aber als mundus archetypus (Wilhelm von Conches; Wilhelm von Auvergne) Prinzipiencharakter. Strittig behandelt wird die Frage nach ihrer Einheit oder Vielheit. 15,8-15: VIELHEIT VON IDEEN- IDEEN ... VERNEINEN] Vor der Alternative: Setzen von Ideen oder Negation von Ideen, historisch markiert in Plato und Aristoteles, wird kurz die Alternative Einheit oder Vielheit der Idee(n) behandelt. Die Argumentation ist die gleiche wie zuvor bei der Einheit oder Vielheit der Formen. Plato, der eine Vielheit von Ideen unter einer Idee gesammelt hatte- das wußte Nikolaus auch aus Diogenes Laertius (III 65; zur Stelle notierte er in cod. Harl. 1347, fol. 62': ydea ... est vnum et multa)-, wird von Nikolaus als Zeuge für die Einheitsidee beigezogen (De docta ign. I 17 n. 48 (S. 64f.). Er versteht Plato in seinem Sinn, daß man an der Einheit der Idee an sich (sein posse ipsum oder Gott) festhalten müsse (Idiota de mente 2 n. 67,6 f.; a.a.O.) und Ideen-Vielheit nur im Hinblick auf die Vielheit der Dinge zu sehen sei. Ausführlichere Begründung seiner diesbezüglichen Position De docta ign. Il, Kap. 9: Unmöglichkeit einer Vielheit von Ideen (n. 148); Differenz und folglich Vielheit der Ideen, wie die Platoniker sie annahmen (n. 146), als "wahrhaftig bestehend" und "durchaus wahr", wenn wir sie nmit Bezug auf die Dinge" in ihrer exemplarischen Vielfalt denken; überflüssig und "falsch", wenn sie platonistisch als real existierende Abbilder zwischen der Einheitsidee und den Dingen in Vielheit angenommen werden (n. 149 f., Lösung des Problems; S. ?Off.); es kann nur die eine Idee als im logos dei
Kommentar und Anmerkungen
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identisch gedacht werden. Vgl. De Judo globi II n. 64 (p I, fol. 160•, 42-161',5; über die Ideen handelt Nikolaus oft unter dem Stichwort exemplaria, wie hier, aber auch unter den Stichwörtern rationes, species, quiditates und formae.); De ven. sap. 28 n. 84-29 n. 88 (S. 126--135); De vis. dei 9 n. 34 (S. 80). (LEUGNUNG DER IDEEN)] Wenn Thomas von Aquin die Annahme von Ideen als notwendig und ihre Vielheit behauptet (S. th. I q. 95) und die christliche Ideenlehre in das Lehrgefüge des Aristoteles einarbeitet, widerspricht dies dem genuinen Aristotelismus. Denn Aristoteles hatte als erster gegen Plato die Annahme von Ideen als nicht notwendig und als überflüssige Verdopplung der Welt zu erweisen versucht (Met. A9 991a20ff. u.ö.). nldeen und Wesensformen" leugneten auch die Stoiker, die an ihre Stelle materielle logoi spermatikoi (Vernunftkeime) als Prinzipien der vielheitliehen Weltdinge in der Gottheit ansetzten. Ideen im eigentlichen Sinn leugneten auch diejenigen, die sie mit Gattungen und Arten gleichsetzten (Walter von Mortagne nach Johannes von Salisbury, Metalogicon II 17). Schließlich führt die Auffassung von Ideen als Erkenntnisobjekte bei Wilhelm von Ockham zur Leugnung der Ideen im eigentlichen Sinn, die weder Washeiten der Dinge noch real existent im göttlichen Geist sind, sondern bloß Begriffe und Benennungen (Scriptum in librum primum Sententiarum ordinatio, dist. 35, q. 5 u. 6; ed. G. I. Etzkorn u. F. E. Kelley, Bd. 4, St. Bonaventure, N. Y. 1979, S.479ff.). Über weitere Einzelheiten für diese und die vorige Anmerkung s. die minutiöse Darlegung der Begriffs- und Problemgeschichte der Ideenlehre in Hist. Wörterbuch der Philosopie, s. v. •Idee', Bd. IV, Kol. 55-101. 15,16--22: NICHTS KÖNNE VERGEHEN- DINGE ZUGRUNDE GEHEN] Sowohl das Prozeßdenken des Aristoteles, das sich den Prinzipien von Werden, Vergehen und Neuern (vgl. n.14,18ff.) zuwendet, als auch die Weltsicht Platos, derzufolge die Dinge in Abhebung von den sie bestimmenden immerseienden Ideen nicht eigentlich sind, sondern durch Werden gekennzeichnet sind und dem Vergehen unterliegen, kennen das Zugrundegehen der Dinge. Während aber nach Plato und den Platonikern die Ideen der Dinge immerseiend und unvergänglich sind (s. Anm. zu n. 15,8 f.), erklärt Aristoteles den ersten Beweger (Met. A 7 1072b28-30), den Himmel (ebd. 8 1074a38), die Welt als Ganzes (De caelo A 10-12: unvergänglich und unzerstörbar), die Materie ihrer Möglichkeit nach (materia
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Kommentar und Anmerkungen
prima; vgl. Phys. A 9 192a27-29) und den (später sogenannten) nous poietik6s (De anima r 5 430a23) als ewig (aidios) und unsterblich (athänatos). Nikolaus greift bei der Unvergänglichkeitsfrage, die ja die Frage von n. 14 nach der Ewigkeit der Welt a parte post weiterführt, zunächst die radikalere These auf, derzufolge nichts soll vergehen können. Er dachte wohl weniger an diesbezügliche Lehren der griechischen, vor allem Vorsokratischen Philosophie (z. B. Parmenides, Frg. 8; Empedokles, Frg. 12; Anaxagoras, Frg. 171 noch an Philo (De aeternitate mundi, bes. § 5; Opera vol. VI, ed. L. Cohn- S. Reiter, S. 74). De venatione sapientiae 10 n.29 (S.44f.) deutet an, daß er Dionysius Areopagita meint, bei dem er las, daß, abgesehen vom Akzidentellen, »nichts seiner Natur und Substanz nach vergehe" (Dediv. nom. IV 23; Dionysiacai273 f.). AlbertusMagnushattedies unter Berücksichtigung der aristotelischen Substanzlehre dahingehend korrigiert, daß nur die Substanz unvergänglich sei, die Natur, d. h. wesensbegründend, ist, nicht aber die materielle Substanz, die von der Wesenssubstanz prinzipiiert ist. DieAussage des Dionysius, daß nichts Seiendes vergehe, ist nach Albert falsch (Super Dionysium De div. nom. 4 n. 185; Opera omnia, vol. XXXVII 1, ed. P. Simon, S. 269,66-270,40); dazu notierte Nikolaus (cod. Cus. 96, fol. 163'b): forma per se non corrumpitur (CT III 1, S. 107, marg. 462). Zur Unvergänglichkeit der Essenz der Dinge nach Iohannes Scottus Eriugena s. h XII, Anm. zu n.15,10sq. Siehe auch Wilhelm von Conches, Dialogus de substantiis physicis (Dragmaticon) V und VI (Straßburg 1567; Nachdruck Frankfurt 1967, S. 168 u. 233). Die Antithese, daß »die Dinge zugrunde gehen", ist die von Stoikern vertretene These, daß »die Teile dieser (wahrnehmbaren) irdischen Welt vergänglich" seien (De ven. sap., a.a.O.; vgl. auchebd. 9 n. 26, Ende). Nikolaus erwähnt dortZeno, über dessen Vergänglichkeitsthese er durch Diogenes Laertius (VII 141; cod. Harl. 1347, fol. 137' mit der Adnotatio: mundum corruptibilem) unterrichtet war. Sie impliziert Affirmation des Todes, der Nikolaus weiter unten (n. 27,11 f.; s.Anm.zun. 27,8-13)entgegensetzt,daßnebenanderem der Tod keinen Seinscharakter hat (vgl. Sap. 1, 13; vgl. dazu De docta ign. II 12n. 172 (S. 104f.), wo Vergil (Georgica4,226) angeführt wird), weil das Können selbst nicht Hypostase solcher, mit Privation (vgl. De docta ign. III 7 n. 223; S. 50 f.; De coni. II 16 n. 158; S. 186 f.; De Judo globi !In. 72; p I, fol. 162', 7 f.) erklärter Dinge ist (vgl. Sermo >Volo mundare 6 259a15 u. a.) als einen durch natürliche Theologie gewonnenen Gottes begriff. Thomas von Aquin hatte auf dieser Argumentation den kinesiologischen und ersten seiner fünf Gottesbeweise aufgebaut (S. th. I q. 2 a. 3 C.; s. c. g. I 13). 15,33-35: Zur resolutiven Methode s. die Anm. zu n.4,7-ll, n. 5,ll u.12 undzun. 9,13. Vgl. auchdie EinleitungzumMemoriale (S. 76), in der die Uneinigkeit der Philosophen und die Differenzen ihren Lehren auf die Verabsolutierung ihrer je eigenen Erkenntnisposition zurückgeführt werden, ohne daß diese als differenzaufhebende Erscheinungsweisen des posse ipsum absolutum erkannt würden. Zur Konkordierungsmethode s. Einleitung, oben, S. XIX; vgl. De fil. dein. 83 (S. 46); Degenesi n. 143,12f.; n. 160,16ff. (h IV, S.104 u. ll6); Idiota de mente 2 n. 67,1-3; n. 68,6--9; 3 n. 69,2: Quomodo intelligantur et concordentur philosophi ... ; n. 71,1 ff. (h 2V, S. 103-107); De passest n. 21,1 f.(S. 26f.); in mathematisch-symbolischer Anwendung De ven. sap. 26 n. 74 und n. 76 (S.ll2f. und ll6f.). 16,1 f.: AUGE DES GEISTES] Die platonische Metapher (Plato, Staat VII 533d2: to Tii~ 'l'uxii~ Ö!J.!J.a; Sophistes 254a10), die Nikolaus bei
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Kommentar und Anmerkungen
Proklos (Theol. Plat. I 21; in sein Exemplar notierte er cod. Cus. 185, fol. 39': oculi anime; vgl. In Parm. I, cod. Cus. 186, fol. 1' u. sv] und Albertus Magnus (Super Dionysii Myst. theol. 5; Opera omnia, vol. XXXVII 2, 5.474,53; cod. Cus. 96, fol. 231va die Notiz: mens est oculus anime. a meciendo dicitur) wiederfand, verwendete er selbst häufig; s. die Anmerkungen zu De ven. sap. 36 n. 106,4 in h XII, S.99. 16,2: MIT GESCHÄRFTER AUFMERKSAMKEIT] Zum voluntativ auf seinen Betrachtungsgegenstand gerichteten, angespannten, scharfsinnigen (n. 18,9; vgl. n. 7,2) Denken als Merkmal des Aktes der Betrachtung s. Bemhard von Clairvaux, De consideratione II, II 5 (S. Bemardi opera, vol. III, ed. J. Leclercq - H. M. Rochais, Romae 1963, S. 414,5-8]. Zur intentio bei Nikolaus in dieser Bedeutungs. De Judo globi II n.l01 (S. 79 f.]; zur wissenschaftlichen attenta consideratio s. De genesi n.144,1-4 (h IV, 5.105]. 16,5-13: Die Aufforderung des Autors, seine Schriften und Predigten intensiv zu studieren, muß überraschen, da Peter von Erkelenz seit Jahren (s. n.1,18f.] dessen Schriften gesammelt hat; diese Sammlung ist bis heute erhalten (cod. Cus. 217-219); s. oben, S. 48 f., Anm. zu ·Dialog und Dialogpartner•. De dato lumine: Der volle Titel der kleinen Schrift von 144511446 heißt in Aufnahme von Jak. 1,17 (Omne datum optimum, et ornne donum perfeeturn desursum est, descendens a patre luminum] De dato patris luminum (Die Gabe des Vaters der Lichter). Sie handelt von der Theophanie als Illumination der Menschen und davon, wie jede Kreatur in gewisser Weise Gott ist, der in der Verschiedenheit der Seinsmodi erscheint; s. Opera omni Nicolai de Cusa, vol. IV, ed. P. Wilpert, S. 67-87; eine deutsche Übersetzung: Nikolaus von Kues, Philosophisch-theologische Schriften; hg. L. Gabriel, übers. u. komment. von D. u. W. Dupre, Bd. II, Wien 1966, S. 647-681. Vgl. oben, Anm. zu n. 8,14--39.- Mit einer Spekulation über Jak. 1,17 eröffnete Ps.-Dionysius seine Schrift De caelesti hierarchia (PG 13, col. 119-122); vgl. auch den Kommentar des Johannes Scottus Eriugena dazu (Expositiones in Ierarchiam coelestem, ed. J. Barbet, Corpus Christianorum. Series Mediaevalis XXXI, 1975, S. 1 ff.]. De icona sive visu dei: Es handelt sich bei dieser 1453 entstandenen Schrift um De visione dei (sive de icona liber, wie p hinzusetzt; p I, fol. 99'). Nikolaus selbst zitiert sie auch unter dem Titel Libellus iconae (De passest n. 58; S. 72), als De visu dei (De ven. sap. 21 n. 63;
Kommentar und Anmerkungen
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S. 94) und als Liber iconae visionis dei (Sermo •Ecce ascendimus HierosoJymamErinnerungshilfe, (s. das Autograph in cod. Vat. 1244, fol. 9'" in marg.; dazu s. Senno XXI, h XVI,3, S.330, Apparat 1 zu n.18,1).- Bei Heymericus de Campo fand Nikolaus von Kues memorialein der Bedeutung symbolische Erinnerungshilfe, figürliche Darstellung (sigillum), gleichnishaftes Bild (simulacrum) verwandt (Disputatio de potestate ecclesiastica in concilio Basiliensi collata): ... scriberem habunde memoria iuxta prenotatum memoriale studii mei dudum exprincipis alberti magni qui me sie ab infancia erudiuit recollecti quod memoriale dicitur per sigillum etemitatis eo quod est verum tocius perfectionis divine simulachrum omnis veritatis ... (cod. Cus. 106, fol. 159', Z. 21-24); vgl. die Lesarten bei R. Haubst, Zum Fortleben Alberts des Großen bei Heymerich von Kamp und Nikolaus von Kues, BGPhThMA, Suppl. Bd. 4, Studia Albertina, S. 430. - Als Buchtitel ist memoriale nicht ungebräuchlich (Memoriale librorum Sententiarum; Memoriale Vet. Testamenti). Die Handschrift cod. Magdeburgensis 166 der Deutschen Staatsbibliothek Berlin (Unter den Linden) enthält fol. 434r·v zwischen den Werken anderer Autoren auch Schriften des Nikolaus von Kues, unter anderem eine sonst nicht überlieferte ganz kurze Schrift mit dem Titel Memoriale. Sie ist eine nochmalige Kurzfassung dieses memoriale apicis theoriae. Vieles spricht dafür, daß sie Nikolaus selbst zum Verfasser hat; jedoch könnte sie auch die von einem Nikolaus Nahestehenden angefertigte Kurzfassung der vorliegenden Kurzfassung sein; s. dazu h XII, S. xv und Adnotatio 8, S.153. 16,17: GOTTESBETRACHTER] Betrachtung Gottes ist die letzte Erkenntisstufe der Vemunftseele, die, wenn sie auf sich selbst zurückgeht und in sich hineinblickt, dort Gott und alles schaut (De ven. sap. 17 n. 49; S. 72 f.). An der genannten Stelle führt Nikolaus dieses Erkenntnistheorem auf Proklos und Plato zurück; vgl. Marginalie Nr. 10 zur Theologia Platonis (CT 111, 2, 1986). Bertold von Moosburg hat in seiner Expositio super Elementationem theologicam Procli, 184-211, De animabus (ed. L. Sturlese, Rom 1974, Temi e testi 18) diesen vor allem durch die Wirkung der Ps.-DionysSchriften wachgehaltenen platonisch-neuplatonischen Gedanken tradiert. Über den Betrachter heißt es dort: durch Betrachtung des Göttlichen »Contemplator non solum efficitur beatus ... sed etiam deUS« (a.a.Ü., S. LXXVIII).
Kommentar und Anmerkungen
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Neben der (neu-)platonischen Tradition, in die Momente des aristotelischen theoria-Begriffs eingingen- contemplatio ist, neben meditatio und speculatio eines der lateinischen Äquivalente für griech. ÖEOOQ(a; s. die Anm. zu n. 2,6 f. -, wurde die ViktorinerMystik entscheidend für die erkenntnistheoretische Bestimmung suprarationaler Betrachtung. Richard von St. Viktor hat in seinen theologischen Traktaten Benjamin minor (De praep. animi ad contemplationem) und Benjamin maior (De gratia contemplationis; PL 196, 1-192) eine sechsstufige Scala der Kontemplation aufgestellt. In Sermo VIII n. 15-23 (h XVI,2, S. 154-159) erläutert Nikolaus unter Berufung auf Bemhard von Clairvaux und Hugo und Richard von St. Viktor die Stufen der Kontemplation.- Vgl. auch oben, Anm. zu n. 1,5 f. In der vorliegenden Schrift rückt Nikolaus die vernunftübersteigende Betrachtung in den Mittelpunkt der Möglichkeiten von Gotteserkenntnis. Es geht ihm dabei nicht primär um die klare und reine Betrachtung Gottes durch die Seele im Jenseits (n. 28, 8 f.), sondern zunächst darum, wie der illuminierte Geist (vgl. auch Sermo I! n. 27,30f.; h XVI,1, S.39) im Rückgang auf ihn selbst und in sich selbst (n. 22,6-8), aber auch auf den Stufen der Sinneserkenntnis, Vorstellung und Vemunfterkenntnis, im Wollen, Wählen und Betrachten (n. 26,8-12) Gott schon in diesem Leben betrachten kann. Eine solche Betrachtung des Ewigen im Zeitlichen, die Sache des Geistes ist, erscheint ihm möglich, weil dieses Zeitlich-Sinnenfällige Abbild des sich in ihm manifestierenden Intelligiblen ist (De ven. sap. 3 n.8, 2.Abs.; S.14f.; vgl. 2.Kor. 4,18). Zurvita contemplativa bedarf es der Weisheit (Sermo >Illa quae sursum est HierusalemVolo mundare< (1457; fol. 163.,24ff.). 28,1-3: Erst zum Schluß wird der spekulative Begriff des posse ipsum (s. Anmerkung zu n. 17,3-6) als Bezeichnung für Gott eingeführt; er tritt in die Funktion, Name für Gott zu sein. Über die Eignung des Begriffs zur Benennung des gesuchten Letztprinzips von allem (.. dasjenige, ohne das nichts überhaupt sein kann«), handelten. 5,1-11. Wenn auch ab n. 4 von nichts anderem die Rede war als vom posse ipsum, so wird doch expressis verbis erst jetzt dieser Prinzip-Begriff und Prinzip-Name als Gottesname deklariert, der den Gott der christlichen 1hnitätstheologie bezeichnet. Es ist aber zu beachten, daß Nikolaus hier das posse ipsum nicht mit Gott identifiziert; denn es heißt nicht: das ·Können selbst• ist der dreifache und eine Gott. Nur von der Bezeichnungsfunktion ist die Rede (ähnlich wie Thomas von Aquin in den quinque viae :ium Existenzerweis Gottes (S. th. I q. 2 a. 3) die Beweisgänge jeweils beschließt: ... und das nennen alle, bzw. erkennen alle als Gott). Bezeichnen (significare) heißt aber, mit einem Erkenntnisinhalt als mentalem Bild oder Zeichen eine extramentale res vorgegebenen Seins zeichenhaft in Relation bringen (Compendium 1 n.1; S. 2f.). De apice theoriae führt also keinen Gottesbeweis. Der trinitarische Gott ist der Gott der fides catholica, dessen hier vorgestellter Name als der relativ beste Name begründet wird, den philosophische Spekulation finden kann. Dieser Name ist für Nikolaus der beste, weil das Prinzip, für das er steht, das Prinzip für alles Seiende und SeinKönnende ist: das Können als notwendige Voraussetzung für alles Sein und Sein-Können. Das ·Können• in seiner Vorgängigkeit zu jedem •Ist• und •Kann• (n. 13,7) als Prinzip scheint für Nikolaus von Kues also am besten geeignet, den trinitarischen Gott zu bezeichnen, der als omnipotent (n. 28,2; vgl. n. 15,22) bekannt und benannt wird (s. Anmerkung zu n.15,22-27) oder, in philosophischer Diktion, hier als ·Können allen Könnens• (vgl. n. 10,6; posse ornnis posse: n. 7,22, n.12,10, n.17,2.5f.; s. Anmerkung zu n. 7,21-30). Es ist die relativ beste Bezeichnung, weil (1) jeder Gottesname grundsätzlich nur relativ zureichend sein kann (die Begründung in Anmerkung zu n.5,6f. und zu n.5,10f.), aber (2) diese Gottesbezeichnung die Allmacht Gottes besonders
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hervorhebt. Andere Kennzeichnungen waren und bleiben grundsätzlich möglich. Daß Nikolaus von Kues das posse ipsum erst zum Schluß als Gottesbezeichnung namhaft macht, mag seinen Grund darin haben, daß er es in seiner spekulativen Betrachtung als spekulativen, und das heißt im Kontext von n. 2,6 f. als philosophischen Begriff für sein intelligibles Letztprinzip belassen wollte. In der eigenen und eigentlichen Reflexionsrede wird das Wort •deus• außer an dieser Stelle nur noch einmal verwendet: Gott als das Können selbst (n. 15,8). Aber auch dort ist die Rede von Bezeichnungs- und Benennungsfunktionen. 28,4f.: STÄRKE DER STARKEN] nennt der anonyme Autor des Liber de causis das infinitum primum (XV (XV1)129, ed. A. Pattin, Tijdschrift voor Filosofie 28, 1966). Nikolaus bezeichnet so sonst den Spiritus sanctus (Sermo XXXVII n. 17,13; h XVII 1, S. 89) oder auch Christus (Sermo >Induimini dominum Ihesum Christum•; 1455; p II 1, fol. 119',10). 28,5: KRAFT DER KRÄFTE] virtus virtutum auch in der Elucidatio epistulae ad Colassenses des Nikolaus von Kues (cod. Vat.lat. 1245, fol. 289•",3sq.). 28,5-9: CHRISTus] als die vollkommenste Manifestation Gottes bedeutet eine Manifestationsweise, die der Relativität der bisherigen innerweltlichen Manifestationsweisen enthoben wird, die samt und sonders durch ein Mehr oder Weniger an Manifestation gekennzeichnet wurden. Deshalb kann von dieser herausgehobenen Manifestation prädiziert werden, was sonst nur vom posse ipsum gesagt wurde: daß es nichts Vollkommeneres als es geben kann. Als zweite Person des trinitarischen Gottes ist der menschgewordene Gott selbst Manifestation des in der Welt manifestierten Gottes; in der Koinzidenzsprache des Nikolaus könnte man sagen: Manifestation und Manifestiertes zugleich; der Gottmensch Christus als Erscheinung (apparitio; Epiphanie) Gottes, der sich in ihm manifestiert. Philosophisch leuchtete Nikolaus von Kues dieses Glaubensmysterium in De docta ignorantia aus, vor allem in den christologischen Partien des dritten Buches; s. vor allem Kap. 4 und Kap. 5 n.211 (S.26ff., 36f.); vgl. auch De dato patr. lum. n.99,14ff. das Gleichnis vom göttlichen Spiegel; ebenso De fil. dei n. 65,2-5; Christus als suprema apparitio De dato patr. lum. n. 110, als vera ostensio ebd. n. 111,29 f. (h IV, S. 74, 48, 80, 82); Apologia n. 44 (h II,
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S.30,15-19) mit Bezug auf De docta ign. I 11 n.30,13-18 (S.40); De vis. dei 25 n. 118 (p I, fol. 113v,33 f.): letztes, vollkommenstes und singuläres Bild Gottes; De passest n. 58 (S. 72 f.). Christus als die vollkommenste Erscheinung des sich manifestierenden Gottes ist ein schon den Vätern vertrauter Gedanke; vgl. Gregor von Nyssa, Catechetica magna 24 (PG 45, col. 64 f.) 28,7-9: Zur Mittlerfunktion Christi (nach 1 Tim. 2,5) s. De docta ign. Ili 6 n. 217,7 und 8 n. 229,3 und die Anmerkung zu dieser Stelle (S. 42, 56 und 123). 28,8f.: ZUR REINEN UND KLAREN ANSCHAUUNG] Jetzt ist nicht mehr die Rede von der contemplatio im bisher verwendeten Sinn, die der Autor n. 16,17 seinem Mitunterredner wünschte (s. die Anmerkung zu n. 16, 17), nämlich die theoretisch-spekulative Betrachtung. Gemeint ist vielmehr die faziale Schau (videre facie ad faciem; 1 Kor. 13,12), über die in den Anmerkungen zu n.11,29f. und zu n. 11,31 gehandelt wurde. 28,9-11: Vgl. De docta ign. Ili 12 n. 258 und die Anmerkungen dazu (S. 92f., 154f.); De passest n. 38 (S. 44f.). VERLANGEN DES GEISTES] Dazu S. oben, n. 11,2~22.30-33; n.12,3f.l0.15-18 und die Anmerkung zu n.11,31. 28,12f.: DIESE WENIGEN WORTE] Weiters viele Worte ZU machen, würde die Rede über das posse ipsum nur unzureichender machen, als sie es, auch auf höchster Stufe der Betrachtung, ohnehin schon prinzipiell ist (n. 5,6-11 ). Die Rede über einen solchen Gegenstand muß kurz sein, nicht weil in der Kürze die Würze läge, sondern weil das Denken über ihn methodisch kurzzuschließen ist. Wenn sie das Schwierige nicht noch schwieriger, sondern leicht verständlich machen will, ist alle Theologie kurz (n. 5,11-12; s. die Anmerkung dazu). Wie angekündigt (n.16,13-16), hat Nikolaus von Kues, der sich angesichtsder Ungewißheit, ob ihm "noch hinreichend zum Nachdenken geeignete Zeit beschieden sein wird" (De ven. sap. n. 1), um die summarische Kurzfassung seiner Lehre bemühte, auch hier damit Ernst gemacht: Formal durch die Kürze der Schrift und durch die überwiegend kurzgefaßte Gedankenfügung; inhaltlich durch die Explikation nur des einen, neuen Gedankens, daß das Können selbst das notwendig vorauszusetzende Letztprinzip von allem ist und alles auf je verschiedene Weise Manifestation des posse ipsum.
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Kommentar und Anmerkungen Nachträge
Zu S. 73, Z. 11 v. u. DIFFERENZONTOLOGIE: (vgl. ApoJogia doctae ignorantiae n. 50; h li, s. 33, 19-25) Zu S. 112, Z. 17 v. u. WIE AUCH soNsT: (vgl. die Erläuterung in De dato patr.lum. n. 98; h IV, S. 72f.) Zu S. 118, nach Z. 22 Bei Heymericus de Campo, Problemata inter Albertum Magnum et Sanctum Thomam q. 8, Ad conf.(ed. Colonienis, 1496, fol. fl') heißt es dazu unter Berufung auf Dionysius: quod non corrumpitur •quid• in existentium sed dissolounter annonie et modi et commensurationes sub quibus constituunt illud corruptibile in esse genito. Zu S. 121, Z. 12 (h IV, s. 72).: Zu primus faciens vgl. Avicebron (d. i. Salomo ihn Gabirol), Fons vitae III 11 (BGPhMA 1,4, Münster 1985, S. 103 f.): factor primus. -
MATERIALSAMMLUNG ZUR VERWENDUNG DES BEGRIFFS apex IN DER THEOLOGIA MYSTICA apex, apex theoriae, Apex physicae Der Begriff apex theoriae, den Nikolaus von Kues mit De apice theoriae erstmals in sein philosophisches Werk einführt, scheint von ihm selbst geprägt worden zu sein. Ähnliche, aber bedeutungsdifferente Begriffe waren ihm allerdings aus der Tradition vertraut. (1) Das Wortapex kommt bei Nikolaus, außer in De apice theoriae, soweit bekannt, nur noch einmal vor: nquaeremus libros tuos, quos his apicibus refertos speramus." De Judo globi I, n. 49 (p I, fol. 158', 26f.). (2) Zur Etymologie: apexwird gewöhnlich von apere, apio- erreichen, ergreifen, in Besitz nehmen, sich (geistig) aneignen hergeleitet. So bei Papias, Vocabulista (11. Jh.): "ab apiendo: id est alligando" (ed. Venet. 1496, fol. b v•); so auch A. Walde- J. B. Hofmann (Lat. etymol. Wörterbuch), Thesaurus linguae latinae; Forcellini, Georges; Oxford Latin Dictionary. Grundlage dafür ist Paulus Diaconus (8. Jh.), der seinerseits auf Sextus Pompeius Festus (3. Jh.) und mit ihm auf Verrius Flaccus, De significatu verborum, rekurriert: »Apex dictus est ab eo, quod comprehendere antiqui vinculo apere dicebant" (ed. W. M. Lindsay, Teubn. 1913, S. 18,9). Anders R. Klotz, Handwörterbuch d. lat. Sprache, der apex unter Berufung auf Servius Honoratus Maurus (Ad Virgilii Aeneidos librum 2,683 und 10,270) auf pectere (kämmen;--> das beim Kämmen der Wolle spitz zulaufende Ende) zurückführt. (3) Lexikalische Nachweise: Zur Verwendung von apex in der klassischen Latinität s. Thesaurus linguae latinae, vol. II, Leipzig 1900-1906, Kol. 226-228. Von den dort verzeichneten Verwendungen in übertragener Bedeutung seien hervorgehoben: Arnobius, nat. 1,8: »Plato ille sublimis apex philosophorum"; ibid. 2,49: napicem perfectionis summum"; Prudentius, Symm. 2,629: nmentis apex" (s. auch Belege 17-24); Marius Victorinus, precat. 19: »Virtutis apex". Zur Verwendung in der mittelalterlichen Latinität s. Mittel-
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Der Begriff apex
lat. Wörterbuch, Bd. 1, München 1967, Kol. 740-742. Hervorgehoben sei die Verwendung bei einem Anonymus, geometr. I (9./10. Jh.): »ad apicem huius scientiae pertingere". -Dictionary of Medieval Latin from British Sources, Fase. 1, London 1975, S. 98 f., verzeichnet u. a. folgende Verwendungen: summus apex philosophiae (a. 1070); Adam de Marisco, Ep. 247 (ca. 1250): »Ut in oratione apex affectualis (vgl. Belege 5-11) nullatenus subsistat quousque super linguam et spiritum in mentem conscendat". Literae Cantuarienses, III, 399: "intencionis sue devote dirigens apicem ad suprema varia miraculorum insignia". (4) Apex physicae ist der Buchtitel einer anonym überlieferten enzyklopädischen Kompilation des 12. Jahrhunderts über die Natur aller Dinge (de naturis omnium rerum); s. dazu M.-0. Garrigues, L'Apex Physicae, une encyclopedie du XII" siecle, in: Melanges de l'Ecole Fran~aise de Rome. Moyen Age. Temps Modemes, tome 87 (1975), S. 303-337; vgl. auch P. Lucentini in der Edition der Clavis physicae des Honorius Augustodunensis, Temi e testi 21, Roma 1974, S. VIII, Anm. 3. Diese Schrift ist nicht zu verwechseln mit dem Apex physicae, der allerdings auf der Clavis physicae des Honorius basiert. Nikolaus von Kues kannte die letztgenannte Schrift; er besaß eine Kopie in cod. Cus. 202; cod. Paris., B. N.lat. 6734, trägt seine Randnoten. Ob er allerdings denApexphysicaekannte, wissen wir nicht.
apex affectionis (5) "· .. duo apices speciose intelligentie et affectionis; primus ... cognoscit ex omnibus existentibus; [... ;] secundus cognoscit eum (scil. deum) super omnem existentem intelleeturn et cognitionem." Thomas Gallus (von St. Viktor, von Vercelli), Super Cantica canticorum (3. Kommentar, 1243); Commentaires du Cantique des cantiques, ed. J. Barbet, Textes philosophiques du moyen äge XIV, Paris 1967, S. 141. Ähnlich im Prologus zum 2. Kommentar (123 7), ibid., S. 6 7, im Prologus zum 3. Kommentar und im Prologus interpolatus, S. 108 und S. 115, jeweils zu apices affectus et intellectus. (6) "· .. dum ab omnibus intellectualibus existentibus subtrahitur
Der Begriff apex
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et solus affectionis apex ad unitionem superintellectualiter exercetur." Ibid., 2. Komm., Kap. 5, S. 102; vgl. Kap. 2, S. 83; 3. Komm., Kap. 2, S. 148, Kap. 5, S. 205. Zu apex affectualis s. ibid., Prologus interpolatus zum 3. Komm., S. 120. nlpse SpiritUS SanCtUS per ignem amoris tangit et inflammat supremum affectivae apicem et indicibiliter sine omni cogitatione vel rationis discretione ad se trahit." Hugo de Balma, Traktat , Viae Sion lugent