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German Pages 363 [376] Year 2014
Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament · 2. Reihe Herausgeber / Editor Jörg Frey (Zürich) Mitherausgeber / Associate Editors Markus Bockmuehl (Oxford) James A. Kelhoffer (Uppsala) Hans-Josef Klauck (Chicago, IL) Tobias Nicklas (Regensburg)
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Wolfgang Grünstäudl
Petrus Alexandrinus Studien zum historischen und theologischen Ort des zweiten Petrusbriefes
Mohr Siebeck
Wolfgang Grünstäudl, geboren 1977; Studium der Katholischen Fachtheologie und der Selbständigen Religionspädagogik; Religionslehrer an Gymnasien sowie an mittleren und höheren berufsbildenden Schulen in Wien und Niederösterreich; 2008–2013 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Koblenz-Landau; seit 2013 Akademischer Rat an der Bergischen Universität Wuppertal.
e-ISBN PDF 978-3-16-152442-4 ISBN 978-3-16-152440-0 ISSN 0340-9570 (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament, 2. Reihe) Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
© 2013 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Laupp & Göbel in Nehren auf alterungbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden.
Vorwort Für Alexandra
Vorwort Wer die Projektskizzen, aus denen dieses Buch entstanden ist, mit dem vollendeten Werk vergleicht, wird schmunzeln müssen – nur wenig vom ursprünglich Geplanten findet sich im Endprodukt wieder. Zu viele Überraschungen hielt die Arbeit am faszinierenden 2 Petr bereit; immer wieder musste die erhoffte, angezielte und schließlich realisierte Gestalt dieser „Studien zum historischen und theologischen Ort des Zweiten Petrusbriefes“ modifiziert werden, ehe „Petrus Alexandrinus“ beschrieben werden konnte. Die vorliegende Untersuchung ist nun die geringfügig ergänzte und korrigierte Fassung der im Sommersemester 2012 an der KatholischTheologischen Fakultät der Universität Regensburg angenommenen Dissertation selben Titels. Die Suche nach dem historischen Kontext des 2 Petr erschien mir dabei oft als eine Jagd, als ein Versuch, einem Text auf den Fersen zu bleiben, der nur schwer fassbar zu sein schien und sich immer wieder in Regionen zurückzog, die – wie die Übersetzungstechniken des Rufin von Aquileia oder die Quellenverwendung bei Clemens Alexandrinus – nicht unbedingt zum genuinen Forschungsfeld des Neutestamentlers gehören. Wenn es, wie zu hoffen bleibt, auf diesem Weg gelang, einen Vorschlag zur Verortung des 2 Petr zu entwickeln, der auch für die zukünftige exegetische und theologische Erschließung dieses oft verkannten Textes hilfreich ist, dann ist dies auch das Verdienst vieler Wegbegleiterinnen und -begleiter, von denen hier nur wenige genannt werden können. Nicht nur mit seinem enormen Fachwissen, sondern auch mit seiner umsichtigen Art der Begleitung und der unnachahmlichen Fähigkeit, präzise und kreative Kritik zu üben, war mir Prof. Dr. Tobias Nicklas ein Betreuer, dem der Titel eines Doktorvaters wahrlich zukommt. Prof. Dr. Andreas Merkt gilt mein herzlicher Dank für die Erstellung des Zweitgutachtens und seine vielfältige kritische Unterstützung im Dickicht der Alten Kirchengeschichte. Ohne einen Vorgesetzen, der seinem Mitarbeiter den nötigen Freiraum für eine Promotion einräumte und diesen zudem in mannigfacher Weise (bis hinein in die Mühen des Korrekturlesens) unterstütze, wäre dieses Buch so sicherlich nicht geschrieben worden – Prof. Dr. Markus Schiefer Ferrari mein ganz herzlicher Dank dafür!
VIII
Vorwort
Wer abseits der großen Forschungszentren Wissenschaft betreibt, weiß umso mehr die fachkundige Hilfe von Bibliothekarinnen und Bibliothekaren zu schätzen. Für ihre Unterstützung und (oft strapazierte!) Geduld danke ich den Teams der Universitätsbibliotheken Koblenz-Landau und Heidelberg sowie der Bibliothek des Bischöflichen Priesterseminars in Speyer. Ebenso um die Literaturbeschaffung verdient gemacht haben sich die Wissenschaftlichen Hilfskräfte Susanne Böhm, Pia Gerads, und Tanja Liedtke, denen ich dafür und für die Durchsicht des Manuskripts ganz herzlich danke. Zudem machte mir Dr. Heike Hötzinger (Regensburg) dankenswerter Weise zahlreiche in Landau nicht greifbare Quelltexte zugänglich. Vielfältige Anregungen, kritische Rückmeldungen und wertvolle Hinweise verdanke ich Prof. Dr. Christoph Dohmen (Regensburg), Prof. Dr. Marco Frenschkowski (Leipzig), Dr. Sabine Gäbe (Landau), DDr. Norbert Jacoby (Frankenthal), Martin Kaiser (Regensburg), Dr. Thomas R. Karmann (Regensburg), Prof. Dr. Josef Klauck (Chicago), Dr. Thomas J. Kraus (Neumarkt), meinen ehemaligen Kolleginnen und Kollegen am Institut für Katholische Theologie (Prof. Dr. Matthias Bahr, aplProf. Dr. Wolfgang Pauly, Prof. Dr. Karlheinz Ruhstorfer) sowie am Institut für Evangelische Theologie (Prof. Dr. Karin Finsterbusch, Dr. Bettina Kruhöffer, Dr. Young-Mi Lee, Dr. Ulrich A. Wien) an der Universität Koblenz-Landau (Campus Landau), Prof. Dr. Judith Kovacs (Virginia), Prof. Dr. Lorenzo Perrone (Bologna), Prof. Dr. Karl Matthias Schmidt (Gießen), Prof. Dr. Michael Tilly (Tübingen), Dr. David J. Trobisch (Springfield/Nussloch) und Prof. Dr. Dieter Zeller (Mainz). Sowohl im Rahmen des „Novum Testamentum Patristicum“ als auch des „Rhein-Main-Exegese-Treffens“ konnte ich zentrale Elemente dieser Untersuchung bereits zur Diskussion stellen; herzlich danke ich allen Teilnehmerinnen und -teilnehmern für ihre vielfältigen und konstruktiven Rückmeldungen, die mir sehr geholfen haben, mein Anliegen klarer zu formulieren und präziser zu begründen. Schließlich darf ich in besonderer Weise dem Herausgeber der Reihe „Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament/2. Reihe“, Prof. Dr. Jörg Frey, den Mitherausgebern, sowie dem Cheflektor Theologie und Judaistik des Verlages Mohr Siebeck, Dr. Henning Ziebritzki, für die ehrenvolle Aufnahme in diese Publikationsreihe danken. Ilse König betreute seitens des Verlages die Erstellung der Druckvorlage, deren Last Susanne Böhm mittrug, auf überaus kompetente und freundliche Weise. Wem ich aber für die Begleitung im Abenteuer dieses Lebens (und des Bücherschreibens) in einer Weise zu Dank verpflichtet bin, wie es Worte nicht zu sagen vermögen, verrät die Widmung. Wuppertal, im Dezember 2013
Wolfgang Grünstäudl
Inhaltsverzeichnis Vorwort ................................................................................................. VII
1 Konturen ............................................................................................. 1 1.1 Die Ortlosigkeit des 2 Petr .................................................................. 1 1.2 Zielsetzung, Methodik und Aufbau der Untersuchung .......................... 5 1.3 Pseudepigraphie und zentrale literarische Verbindungen .................... 9 1.3.1 2 Petr als pseudepigrapher Text ...................................................................... 9 1.3.2 Literarische Abhängigkeit von Jud ............................................................... 14 1.3.3 Die Verbindung zu 1 Petr ............................................................................ 20 1.3.4 Paulus und seine Briefe ............................................................................... 23 1.3.5 Bekanntschaft mit den kanonischen Evangelien? .......................................... 34 1.4 Annäherungen an einen terminus ad quem ........................................ 42 1.4.1 Zwei frühe Handschriften des 2 Petr ................................................... 42 1.4.2 Alte Versionen des Neuen Testaments und der 2 Petr .............................. 48 1.4.3 Origenes ....................................................................................... 52 1.4.3.1 „Vielleicht auch einen zweiten“ – Akzeptanz oder Skepsis? ........... 53 1.4.3.2 Spuren von 2 Petr in den griechisch erhaltenen Texten? ................. 56 1.4.3.3 Zitate aus 2 Petr in Rufins Origenes-Übersetzungen...................... 59 1.4.3.3.1 Die Liste ................................................................ 60 1.4.3.3.2 Zweifel .................................................................. 61 1.4.3.3.3 Ein Beweis für die Interpolationshypothese? ................... 67 1.4.3.3.4 Ein ursprüngliches 2 Petr-„Zitat“ (princ. I,8,4)? ............... 70 1.4.3.3.5 Zusammenfassung (lateinische Texte) ........................... 72 1.4.3.4 Zusammenfassung ................................................................ 73 1.4.4 Hippolyt von Rom .......................................................................... 74 1.4.4.1 Der Kommentar zum Buch Daniel (Dan.) ................................... 75 1.4.4.2 Die Refutatio omnium haeresium (haer.) .................................... 80 1.4.4.3 Zusammenfassung ................................................................ 81 1.4.5 Das Muratorische Fragment .............................................................. 81 1.5 Zusammenfassung: Konturen des Untersuchungsraums..................... 87
X
Inhaltsverzeichnis
2 Petrus Apocryphus .......................................................................... 89 2.1 Das Kerygma Petri ............................................................................ 90 2.1.1 Textbestand, Datierung und Lokalisierung ........................................... 90 2.1.2 Das KerPetr und der 2 Petr ............................................................... 94 2.2 Die Apokalypse des Petrus ................................................................ 97 2.2.1 Einleitung ..................................................................................... 97 2.2.2 Die Überlieferungsgestalt der ApkPetr .............................................. 101 2.2.3 Verhältnisbestimmungen von ApkPetr und 2 Petr................................. 105 2.2.4 Eine neue Verhältnisbestimmung ..................................................... 111 2.2.4.1 Verklärungstraditionen (E 15–17; 2 Petr 1,16–18) ...................... 113 2.2.4.2 Todesprophetie (E 14,1–4/R; 2 Petr 1,14f) ................................ 123 2.2.4.3 Weltenbrand (E 4–6; 2 Petr 3,5–13) ........................................ 130 2.2.4.4 Die Jud-Rezeption des 2 Petr ................................................. 137 2.2.5 Zusammenfassung und Ausblick ...................................................... 141 2.3 Das Evangelium des Petrus ............................................................. 144 2.4 Die Akten des Petrus ....................................................................... 147 2.4.1 Überlieferungsgeschichte und Datierung ............................................ 148 2.4.2 Mögliche Verbindungslinien ........................................................... 151 2.4.2.1 Ein stummes Tier (ActPetr 12; 2 Petr 2,16) ............................... 151 2.4.2.2 Am heiligen Berg (ActPetr 20; 2 Petr 1,16–18) .......................... 154 2.4.3 Auswertung ................................................................................. 156 2.5 Die Pseudoclementinen ................................................................... 157 2.6 Die Apokalypse des Petrus (NHC VII,3) .......................................... 165 2.6.1 Überlieferung, Integrität und Charakteristik ........................................ 165 2.6.2 Lokalisierung .............................................................................. 168 2.6.3 Datierung ................................................................................... 172 2.6.4 ApcPetr und 2 Petr........................................................................ 173 2.6.4.1 Zur Forschungsgeschichte .................................................... 173 2.6.4.2 Rezeption des 2 Petr in ApcPetr? ........................................... 177 2.6.5 Zusammenfassung ........................................................................ 181 2.7 Petrus Apocryphus: Zusammenfassung............................................ 181
Inhaltsverzeichnis
XI
3 Petrus Receptus ............................................................................. 184 3.1 Rezeption des 2 Petr vor Justin ....................................................... 187 3.1.1 Ein römisches Milieu als Entstehungskontext des 2 Petr? ....................... 187 3.1.1.1 Der erste Clemensbrief ........................................................ 191 3.1.1.2 Der Hirt des Hermas ............................................................ 193 3.1.1.3 Der zweite Clemensbrief ...................................................... 197 3.1.1.4 Zusammenfassung .............................................................. 199 3.1.2 Der Barnabasbrief und 2 Petr .......................................................... 201 3.1.3 Polykarp von Smyrna und der 2 Petr ................................................. 204 3.2 Justin der Märtyrer und 2 Petr ........................................................ 206 3.2.1 Das Verhältnis von dial. 82,1 zu 2 Petr 2,1 ......................................... 209 3.2.1.1 Zufall? ............................................................................. 210 3.2.1.2 Interpolation? .................................................................... 212 3.2.1.3 Tradition? ......................................................................... 213 3.2.1.4 Zur möglichen Intention textueller Veränderungen ..................... 214 3.2.1.5 Kontextuelle Einbettungen .................................................... 215 3.2.2 Zusammenfassung ........................................................................ 219 3.2.3 Methodologische Notiz .................................................................. 219 3.3 Rezeption des 2 Petr nach Justin ..................................................... 226 3.4 Petrus Receptus: Zusammenfassung ................................................ 232
4 Petrus Alexandrinus...................................................................... 234 4.1 Einführung ...................................................................................... 234 4.2 Clemens von Alexandrien ................................................................ 236 4.2.1 Ein verlorener Kommentar zu 2 Petr? ................................................ 237 4.2.2 Mögliche Zitate aus 2 Petr .............................................................. 240 4.2.3 Exkurs: Die Stellung von exc. und ecl. im Werk des Clemens Alexandrinus .............................................................. 4.2.4 Berührungspunkte ........................................................................ 4.2.5 Bauelemente ............................................................................... 4.2.5.1 Exegese der Verklärungsepisode ............................................ 4.2.5.2 Der Erste Petrusbrief ........................................................... 4.2.5.3 Der Judasbrief ................................................................... 4.2.5.4 Die Apokalypse des Petrus ...................................................
245 250 258 259 260 263 268
4.2.6 Zusammenfassung und Ergebnis ......................................................
282
XII
Inhaltsverzeichnis
5 Ergebnisse und Impulse ....................................................... 287
Literaturverzeichnis .............................................................................. 297 Stellenregister ....................................................................................... 331 Autorenregister ..................................................................................... 352 Sachregister .......................................................................................... 358
Kapitel 1
Konturen Kapitel 1: Konturen
1.1 Die Ortlosigkeit des 2 Petr 1.1 Die Ortlosigkeit des 2 Petr
Die vernichtenden Urteile, die noch vor wenigen Jahrzehnten über 2 Petr gefällt wurden – die Dikta „fragwürdigste Schrift des Kanons“ 1 und „nicht einfach wertlos“ 2 sind nur zwei berühmte Höhepunkte – wirken angesichts des gegenwärtig anhaltenden Interesses an diesem Brief wie Klänge aus einer fremden Welt 3. Neben einer Reihe umfassender Kommentare 4, die 1 Käsemann, E., Eine Apologie der urchristlichen Eschatologie, in: ders. (Hg.), Exegetische Versuche und Besinnungen I, Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht 51967, 135– 157, hier: 135. 2 Schrage, W., Der zweite Petrusbrief, in: Balz, H./ders. (Hg.), Die „Katholischen“ Briefe. Die Briefe des Jakobus, Petrus, Johannes und Judas (NTD 10), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1973, 118–149, hier: 123. 3 Hilfreiche Forschungsberichte bieten Bauckham, R., 2 Peter. An Account of Research, in: ANRW II,25,5 (1988), 3713–3752, Müller, P., Der 2. Petrusbrief, in: ThR 66 (2001), 310–337, und Webb, R. L., The Petrine Epistles. Recent Developments and Trends, in: McKnight, S.-O./Grant R. (Hg.), The Face of New Testament Studies. A Survey of Recent Research, Grand Rapids/Leicester: Baker Academic/Apollos 2004, 373– 390 (zu 2 Petr: 385–390), während Pearson, B., James, 1–2 Peter, Jude, in: Epp, E. J./MacRae, G. W. (Hg.), The New Testament and Its Modern Interpreters (SBL.CP), Philadelphia: Fortress Press 1989, 371–406, hier: 388, nur den Zeitraum bis 1979 abdeckt. Vgl. auch die Bibliographien von Gilmour, M. J., 2 Peter in Recent Research. A Bibliography, in: JETS 42 (1999), 673–678, und Mills, W. E., 2 Peter and Jude (Bibliographies for Biblical Research. New Testament Series XIX), Lewiston/Queenston/ Lampeter: Mellen Biblical Press 2000. 4 Genannt seien hier nur Kelly, J. N. D., A Commentary on the Epistles of Peter and of Jude (BNTC), London: Adam & Charles Black 1969, Grundmann, W., Der Brief des Judas und der zweite Brief des Petrus (ThHK XV), Berlin: Evangelische Verlagsanstalt 1974 (wird demnächst abgelöst durch den Kommentar zu Jud und 2 Petr von Jörg Frey in derselben Reihe), Bauckham, R., Jude, 2 Peter (WBC 50), Waco: Word Publisher 1983 (mit goßem Einfluss auf den weiteren Gang der Forschung), Fuchs, E./Reymond, P., La deuxième épître de Saint Pierre et l’épître de Saint Jude (CNT[N] XIIIb), Genève: Labor et Fides 21988, Paulsen, H., Der Zweite Petrusbrief und der Judasbrief (KEK XII/2), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1992, Neyrey, J., 2 Peter, Jude (AncB 37C), New Haven/London: Yale University Press 1993, und Vögtle, A., Der Judasbrief. Der zweite Petrusbrief (EKK XXII), Solothurn/Düsseldorf/Neukirchen-Vluyn: Benziger/Neukirchener Verlag 1994.
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Kapitel 1: Konturen
zur Rehabilitierung des 2 Petr beitrugen, vertieften mehrere substantielle Monographien zu Sprache und Stil 5, literarischer Gestalt 6, theologischer Charakteristik 7 und intertextueller Verwobenheit 8 das exegetische Verständnis des 2 Petr. Im kanongeschichtlichen Entwurf David Trobischs erhielt 2 Petr sogar einen Ehrenplatz als ein Text, der das redaktionelle Interesse des Herausgebers der Kanonischen Ausgabe des Neuen Testaments besonders deutlich widerspiegle 9. 5 Vor allem die umfassende Untersuchung von Kraus, T. J., Sprache, Stil und historischer Ort des zweiten Petrusbriefes (WUNT II/136), Tübingen: Mohr Siebeck 2001, bietet eine neue, fundierte und präzise Einschätzung der Sprachgestalt des 2 Petr, die für die Exegese des 2 Petr von entscheidender Bedeutung ist. Vgl. auch die rhetorische Analyse von Watson, D. F., Invention, Arrangement, and Style. Rhetorical Criticism of Jude and 2 Peter (SBL.DS 104), Atlanta: Scholars Press 1988. 6 Vgl. Schmidt, K. M., Mahnung und Erinnerung im Maskenspiel. Epistolographie, Rhetorik und Narrativik der pseudepigraphen Petrusbriefe (HBS 38), Freiburg u.a: Herder 2003. 7 Einen Neuaufbruch in der Forschung am 2 Petr bewirkten vor allem die das „Frühkatholizismus“-Paradigma überwindenden Studien von Fornberg, T., An Early Church in a Pluralistic Society. A Study of 2 Peter (CB.NT 9), Lund: Carl Bloms Boktryckeri A.-B. 1977, und Neyrey, J., The Form and Background of the Polemic in 2 Peter, Dissertation University of Yale 1977 (vgl. dazu ders., The Form and Background of the Polemic in 2 Peter, in: JBL 99 [1980], 407–431). Vgl. auch Charles, J. D., Virtue amidst Vice. The Catalogue of Virtues in 2 Peter 1 (JSNT.S 150), Sheffield: Sheffield Academic Press 1997, Starr, J. M., Sharers in Divine Nature. 2 Peter 1:4 in Its Hellenistic Context (CB.NT 33), Stockholm: Almqvist & Wiksell 2000, Gerdmar, A., Rethinking the Judaism-Hellenism Dichotomy. A Historiographical Case Study of Second Peter and Jude (CB.NT 36), Stockholm: Almqvist & Wiksell 2001, und Riedl, H. J., Anamnese und Apostolizität. Der Zweite Petrusbrief und das theologische Problem neutestamentlicher Pseudepigraphie (RSTh 64), Frankfurt u.a.: Peter Lang 2005. Wenig überzeugend ist hingegen die Studie von Sonnleitner, K., Die Eschatologie des 2. Petrusbriefes, Dissertation Universität Wien 2008, online veröffentlicht unter http://othes.univie.ac.at/4479/ [11. 03. 2012]. 8 Nach der schmalen, aber anregenden Untersuchung von Gilmour, M. J., The Significance of Parallels between 2 Peter and Other Early Christian Literature (Academia Biblica 10), Atlanta: Society of Biblical Literature 2002, liegt jetzt mit Ruf, M. G., Die heiligen Propheten, eure Apostel und ich. Metatextuelle Studien zum zweiten Petrusbrief (WUNT II/300), Tübingen: Mohr Siebeck 2011, eine umfangreiche und äußerst informative Darstellung der intertextuellen Beziehungen des 2 Petr vor (vgl. meine Rezension in ThRv 108 [2012], 26f, sowie ders., Uitleg inbegrepen. De benadering van gezaghebbende teksten in de tweede brief van Petrus, in: NedThT 64 [2010], 316–329). 9 Vgl. Trobisch, D., Die Endredaktion des Neuen Testaments. Eine Untersuchung zur Entstehung der christlichen Bibel (NTOA 31), Fribourg/Göttingen: Universitätsverlag Freiburg i.d. Schweiz/Vandenhoeck & Ruprecht 1996, 125–154 („Das Editorial der Kanonischen Ausgabe“; zu 2 Petr: 136–147). Aufgegriffen wird diese These u.a. bei Ebner, M., Der christliche Kanon, in: ders./Schreiber, S. (Hg.), Einleitung in das Neue Testament (KStTh 6), Stuttgart: Kohlhammer 2008, 9–52, hier: 44, sowie bei Nienhuis, D., Not by Paul Alone. The Formation of the Catholic Epistle Collection and the Christian
1.1 Die Ortlosigkeit des 2 Petr
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Gleichwohl blieben grundlegende Fragen zur historischen und theologischen Einordnung des 2 Petr ungeklärt, so dass Norbert Brox noch 1996 vom „unbestimmbaren historischen Rahmen“ 10 dieses Briefes sprechen konnte. Treffend beschrieb einige Jahre später Michael Gilmour die Ortlosigkeit des 2 Petr, indem er diesen einen „text without a home“ 11 nannte. Denn tatsächlich fehlt 2 Petr bislang ein überzeugender historischer Kontext, in dessen Rahmen nicht nur seine Entstehung verständlich würde, sondern mit dem auch ein hermeneutischer Hintergrund für die theologische Lektüre dieses faszinierenden Textes gegeben wäre. Die geographische Heimat des 2 Petr wurde bereits in Palästina 12, in Ägypten 13, in Asia Minor 14, in Antiochien 15 und – natürlich – in Rom 16 Canon, Waco: Baylor University Press 2007, 13–28, dessen Untersuchung zur kanongeschichtlichen Funktion des Jak wesentlich durch Trobischs Einschätzung des 2 Petr inspiriert ist. 10 Brox, N., Petrusbriefe, in: TRE 26 (1996), 308–319, hier: 315. 11 Gilmour, Parallels, 134. 12 Jüngst etwa Gerdmar, Dichotomy, 334. 13 So nicht ohne Reserve Paulsen, Der Zweite Petrusbrief, 95: „Deshalb könnte wie beim Jud auf Grund von Bezeugung und Rezeption eine Entstehung in Alexandrien möglich sein.“ Für Fuchs/Reymond, Deuxième épître de Saint Pierre, 40f, die Kleinasien und Ägypten erwägen, ist Zweiteres dann die wahrscheinlichste Lösung „si on considère que notre épître n’est pas une vraie lettre mais une fiction littéraire“ (ebd., 40), da in diesem Fall den textinternen Hinweisen auf Kleinasien (Beziehungen zu 1 Petr und den Paulusbriefen) weniger Gewicht zukomme und sich „les arguments externes“ (ebd., 40) als entscheidend erwiesen. 14 Dazu neigen etwa Kelly, Epistles, 237, und Fornberg, Early Church, 147. Dabei ist eine Argumentation mit dem Stil des 2 Petr, wie etwa (vorsichtig) noch bei Neyrey, 2 Peter, Jude, 120 („If, as Cicero remarks, the stereotype of this rhetoric truly belongs with Asian people, then the author is more easily located among the Hellenistic cities of Asia Minor.“), nach der grundlegenden Studie von Kraus, Sprache, 413, der zeigt, wie wenig Sprache und Stil des 2 Petr zu seiner lokalen Eingrenzung taugen, obsolet. Entsprechendes gilt auch für die Kraus’ Studie nicht berücksichtigenden Überlegungen bei Callan, T., The Style of the Second Letter of Peter, in: Bib 84 (2003), 202–224, hier: 224: „Writing in the Asian style implies that the author stood outside the main stream of literary development in the first and second centuries, which was flowing in the direction of Attic style. It would have been possible to write in this style anywhere, even in Rome, by imitating writers like Demosthenes or Cicero. However, the author’s Asian style may imply that 2 Pet was not written in Rome or any other cultural center, but rather somewhere like Commagene, the location of the Nemrud Dagh inscription.“ 15 Sehr vorsichtig erwägt Lövestam, E., Eschatologie und Tradition im 2. Petrubrief, in: Weinrich, W. C. (Hg.), The New Testament Age. FS Bo Reicke (2 Bände), Macon: Mercer University Press 1984, 287–300, hier: 298, eine „Verbindungslinie über Syrien und Antiochia“, die 2 Petr und Mt traditionsgeschichtlich verknüpfe. 16 In der aktuellen Forschung neben Knoch, O. B., Der Erste und Zweite Petrusbrief, Der Judasbrief (RNT), Regensburg: Pustet 1990, 213, vor allem Bauckham, Jude, 2 Peter, 149–151, dem Vögtle, Der zweite Petrusbrief, 125, vorsichtig folgt, ehe er aber doch die Frage offen lässt: „Bezüglich des Abfassungsortes läßt sich nichts Sicheres ausmachen.“
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Kapitel 1: Konturen
gesucht 17. Ähnlich groß ist die Bandbreite der Datierungsvorschläge, die von den sechziger Jahren des ersten Jahrhunderts bis zur Schwelle des dritten Jahrhunderts reicht 18. Allgemeine Akzeptanz erlangte keiner der zahlreichen Vorschläge, wenngleich die Charakterisierung des 2 Petr als ein pseudepigraphes Schreiben des zweiten Jahrhunderts breite Zustimmung findet 19. Hubert Frankemölle formulierte es so: „Vor Beginn des 2. Jahr(ebd., 128). Bauckham macht dabei vor allem Verbindungslinien des 2 Petr zu 1–2 Clem und Herm stark, datiert diese drei Bezugstexte sehr früh, verweist sie überdies alle nach Rom und gelangt so zu „their common indebtedness to a tradition of Roman Christianity“ (ebd., 150). Diese Lokalisierung (von der Datierung der Texte nicht zu sprechen!) legt sich für 1 Clem und Herm sehr nahe, für 2 Clem bedürfte sie aber einer umfassenden Begründung, man vgl. nur die Darstellung unterschiedlicher Lokalisierungsvorschläge zu 2 Clem bei Pratscher, W., Der zweite Clemensbrief (KAV 3), Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht 2007, 59–61. Eine knappe und klare Kritik dieser etwas gepressten Hypothese bietet Müller, Der 2. Petrusbrief, 333f, während aktuell Watson, D. F., Comparing Two Related Methods. Rhetorical Criticism and Socio-Rhetorical Interpretation Applied to Second Peter, in: Webb, R. L./ders. (Hg.), Reading Second Peter with New Eyes. Methodological Reassessments of the Letter of Second Peter (Library of New Testament Studies 382), London/New York: T. & T. Clark 2010, 27–57, hier: 43, Bauckhams Vorschlag folgt. Zur Beziehung zwischen 1 Clem und 2 Clem vgl. nun Grünstäudl, W., Epilog, Ouvertüre oder Intermezzo? Zur ursprünglichen Funktion von 2 Clem 19,1–20,4, in: Early Christianity 4 (2013), 242–260. 17 Bereits Schelkle, K. H., Die Petrusbriefe, Der Judasbrief (HThK XIII/2), Freiburg/Basel/Wien: Herder 1961, 179, sah „kaum einen Anhaltspunkt, einen Ort zu bestimmen“. Gegenwärtig konstatieren etwa Gielen, M., Der zweite Petrusbrief, in: Ebner, M./Schreiber, S. (Hg.), Einleitung in das Neue Testament (KStTh 6), Stuttgart: Kohlhammer 2008, 522–529, hier: 526 („Ein Konsens in dieser Frage ist nicht in Sicht.“), und Müller, Der 2. Petrusbrief, 334 („So muss man es auch hier dabei belassen, dass unsere gegenwärtigen Erkenntnisse allenfalls Vermutungen über den Herkunftsort erlauben.“), Entsprechendes. Richard Bauckham verzichtet in seinem Forschungsbericht (ders., 2 Peter-Account, passim) sogar auf einen Abschnitt zur Lokalisierung des 2 Petr. 18 Treffend bemerkt Bauckham, Jude, 2 Peter, 157: „No book in the NT has been assigned such a wide range of dates as 2 Peter. (…) This suggests that the usual arguments about its date are unusually inconclusive.“ Für die zwei Jahrzehnte vor seinem Kommentar (also ca. 1960–1980) notiert Bauckham Datierungen für „almost every decade from 60 to 160 a.D.“ (ebd., 157). Weitet man den Blick auf die gesamte Forschungsgeschichte, so finden sich nicht nur Datierungsvorschläge bis 180 n.Chr. (so in der hilfreichen tabellarischen Übersicht bei Bauckham, 2 Peter-Account, 3740 Anm. 249, und bei Vögtle, Der zweite Petrusbrief, 128: „Mangels konkreter Anhaltspunkte schwanken die neueren Datierungsversuche zwischen rund 100 und 150, sogar 180.“), sondern sogar bis 200 n.Chr. (vgl. Smith, T. V., Petrine Controversies in Early Christianity. Attitudes Towards Peter in Christian Writings of the First Two Centuries [WUNT II/15], Tübingen: J. C. B. Mohr 1985, 66 Anm. 2). 19 So konstatiert etwa Bauckham, 2 Peter-Account, 3719, dass „the pseudepigraphal character of the work [has] come to be almost universally recognized“. Sehr entschieden formuliert Gielen, Der zweite Petrusbrief, 525: „Dass es sich bei 2 Petr um ein pseudonymes Schreiben handelt, … darf in der modernen Forschung als unbestritten konsensfä-
1.2 Zielsetzung, Methodik und Aufbau der Untersuchung
5
hunderts ist 2 Petr demnach nicht zu datieren. Andere nähere Angaben sind nicht zu machen; dies gilt auch für den Abfassungsort und die Lebenswelt der Adressaten.“ 20 Wenn gleichwohl die Angabe „um 120 n.Chr.“ in der neueren Forschung als eine Art „Richtwert“ 21 zur Datierung fungiert, so ist dafür zu einem Gutteil die These von Richard Bauckham, die seiner Meinung nach um 135 n.Chr. entstandene Apokalypse des Petrus (ApkPetr) sei vom 2 Petr abhängig (vgl. dazu 2.2), verantwortlich zu machen 22.
1.2 Zielsetzung, Methodik und Aufbau der Untersuchung 1.2 Zielsetzung, Methodik und Aufbau der Untersuchung
Die benannte Ortlosigkeit des 2 Petr beeinflusst auch die theologische Interpretation dieses Briefes. Zeugnis dafür legt ein 2010 von Robert L. Webb und Duane F. Watson herausgegebener Sammelband ab, der „Methodological Reassessments of the Epistle of Second Peter“ vorstellt 23. Die durchaus innovativen und gehaltvollen Beiträge, die neue Zugänge zum 2 Petr erproben, legen sich in der Verfasserfrage zu einem Gutteil sehr große Zurückhaltung auf. Da aber auch narrative 24 oder gruppensoziologi-
hige Aussage bezeichnet werden.“ Müller, Der 2. Petrusbrief, 329, weist den Argumenten für die petrinische Verfasserschaft nur eine (durchaus wichtige) Rolle „als Gegenprobe für die opinio communis der Pseudonymität“ zu. 20 Frankemölle, H., 1. Petrusbrief, 2. Petrusbrief, Judasbrief (NEB 18/20), Würzburg: Echter 21990, 82. Knapp auch Pokorný, P./Heckel, U., Einleitung in das Neue Testament. Seine Literatur und Theologie im Überblick (UTB 2798), Tübingen: Mohr Siebeck 2007, 714: „Doch Abfassungsort und Adressatengebiet bleiben hypothetisch.“ 21 Schmidt, Maskenspiel, 315 Anm. 34. 22 Das ist deutlich zu sehen etwa bei Gielen, Der zweite Petrusbrief, 527 („vor der um 135 n.Chr. entstandenen ApkPetr“; „um 120 n.Chr.“), Schnelle, U., Einleitung in das Neue Testament (UTB 1830), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 62007, 462 („setzt die um 135 n.Chr. … entstandene Offenbarung des Petrus den 2 Petr voraus“; „Entstehungszeitraum um 110 n.Chr.“), und Broer, I., in Verbindung mit Weidemann, H.-U., Einleitung in das Neue Testament. 3., völlig überarbeitete Auflage, Würzburg: Echter 2006, 657: „Führen diese Hinweise zu einer Abfassung in den ersten Dekaden des zweiten Jahrhunderts, so darf man mit der Abfassung jedoch nicht zu weit ins zweite Jahrhundert hinabgehen, da die Petrusapokalypse, die um 135 entstanden sein könnte, den zweiten Petrusbrief benutzt hat.“ 23 Vgl. Webb, R. L./Watson, D. F. (Hg.), Reading Second Peter with New Eyes. Methodological Reassessments of the Letter of Second Peter (Library of New Testament Studies 382), London/New York: T. & T. Clark 2010, vgl. dazu meine Rezension in ThRv 107 (2011), 206f. 24 Vgl. Reese, R. A., Narrative Method and the Letter of Second Peter, in: Webb, R. L./Watson, D. F. (Hg.), Reading Second Peter with New Eyes. Methodological Reassessments of the Letter of Second Peter (Library of New Testament Studies 382), London/New York: T. & T. Clark 2010, 119–146.
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Kapitel 1: Konturen
sche 25 Untersuchungen eines Textes unterschiedlich ausfallen, je nachdem ob der implizite Autor eines Textes dem realen Autor entspricht oder Produkt pseudepigrapher Praxis ist 26, führt diese Art der Zurückhaltung zu einer massiven methodischen Selbstbeschränkung. Die Chance, mithilfe neuer methodischer Ansätze die sorgsam ausgestaltete Pseudepigraphie des 2 Petr besser zu verstehen, wird damit nur begrenzt genützt. Analoges zeigt sich an einer von Markus Bockmuehl 2011 vorgelegten Monographie 27. In dieser entwickelt Bockmuehl im Anschluss an James D. G. Dunn das Konzept einer auf die erste Generation zurückgehenden „living memory“, die die Petrusüberlieferungen und die Petrusliteratur bis zum Ende des zweiten Jahrhunderts maßgeblich präge. Demjenigen frühchristlichen Petrustext, der wohl am intensivsten Erinnerung thematisiert und reflektiert (vgl. 2 Petr 1,12f.15; 3,1f), ja zu einem seiner Grundelemente macht 28, widmet Bockmuehl allerdings neben einigen knappen Bemerkungen nur einen kurzen paraphrasenartigen Abschnitt, wobei er explizit auf die unsichere Datierung des 2 Petr verweist 29. 25 Vgl. Miller, J. C., The Sociological Category of ‚Collective Identity‘ and Its Implications for Understanding Second Peter, in: Webb, R. L./Watson, D. F. (Hg.), Reading Second Peter with New Eyes. Methodological Reassessments of the Letter of Second Peter (Library of New Testament Studies 382), London/New York: T. & T. Clark 2010, 147–177. 26 Wenn Miller, Collective Identity, 147 Anm. 2, zur Verfasserfrage erklärt „A decision on this matter one way or another would not effect the argument of my essay“, so trifft dies gerade bei der gewählten Fragestellung nicht zu. 27 Vgl. Bockmuehl, M., The Remembered Peter in Ancient Reception and Modern Debate (WUNT 262), Tübingen: Mohr Siebeck 2011, vgl. meine Rezension in SNTU 36 (2011), 215–217. 28 Entsprechend nennt ihn Bockmuehl, The Remembered Peter, 25, auch „[a]n example of particular importance for our purpose“. Vgl. auch Kaestli, J.-D., Mémoire et pseudépigraphie dans le christianisme de l’âge post-apostolique, in: RThPh 125 (1993), 41–63, hier: 50–53. 29 Bockmuehl spricht ein wenig vage von einem „somewhat later date (whether preor post-100)“, erachtet es aber gleichwohl als „perfectly plausible“, dass der Autor seinen Rückgriff auf die Erinnerung/das Gedächtnis des Petrus „on the basis of first-hand acquaintance with the apostle and his circle“ entwirft (Bockmuehl, The Remembered Peter, 26). Entgegen Bockmuehls Bestreben, 2 Petr an die allererste Phase der „living memory“ zurückzubinden (zu deren zeitlicher Struktur vgl. Bockmuehl, The Remembered Peter, 123f), könnte auch eine eher späte Datierung des 2 Petr sehr gut zu Bockmuehls Konzept passen, insofern 2 Petr dann den Übergang von der „living memory“ zur textgestützten Erinnerung (vgl. v.a. 2 Petr 1,12–15) markierte. Vgl. dazu neben Vögtle, A., Die Schriftwerdung der apostolischen Paradosis in 2. Petr 1,12–15, in: Baltensweiler, H./Reicke, B. (Hg.), Neues Testament und Geschichte. Historisches Geschehen und Deutung im Neuen Testament. FS Oscar Cullmann, Zürich/Tübingen 1972, 297–305, etwa auch Lieu, J. M., The Battle for Paul in the Second Century, in: ITQ 75 (2010), 3–14, die ebenfalls einen grundlegenden Wandel am Ende des zweiten Jahrhunderts sieht (vgl. ebd., 13).
1.2 Zielsetzung, Methodik und Aufbau der Untersuchung
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Will man nicht rundweg bestreiten, dass die Exegese eines (biblischen) Textes von der (zumindest partiellen) Klärung seines Entstehungskontextes profitiert, so erscheint es angesichts der dargestellten Ortlosigkeit des 2 Petr und ihrer Auswirkungen als lohnendes Unterfangen, eine möglichst konkrete Bestimmung des Entstehungskontextes des 2 Petr, also eine Beschreibung seines historischen und theologischen Ortes anzustreben. Wie Rudolf Knopf bereits vor gut hundert Jahren betonte, ist dafür die Analyse der literarischen Beziehungen und der frühesten Rezeption des 2 Petr der erfolgversprechendste Ansatzpunkt 30. Dies gilt umso mehr, als die späte und für das gesamte zweite Jahrhundert unsichere Rezeption des 2 Petr in diesem Zusammenhang ein besonders auffälliges Phänomen darstellt. Hinzu kommt, dass 2 Petr Teil einer Gruppe sehr unterschiedlicher frühchristlicher Texte ist, die direkt oder indirekt den Apostel Petrus als (fiktiven) Verfasser benennen, woraus sich die Frage ableitet, inwiefern sich (mögliche) Beziehungen des 2 Petr zu anderen pseudopetrinischen Texten für seine historische und theologische Verortung auswerten lassen – zumal nach Bauckham „the relationships between the various Petrine pseudepigrapha would probably repay further study“ 31. Es darf auch daran erinnert werden, dass bereits 1902 Frederic Henry Chase eine Untersuchung zu 2 Petr forderte, die „would have for its primary object the examination in detail of the relation of the language and ideas of 2 Peter to early Christian literature, and especially to the pseudepigrahical and apocryphal documents. Till this work has been accomplished, conclusions as to the exact date within the second century to which 2 Peter is to be assigned, must be regarded as tentative.“ 32
Die vorliegende Studie nimmt bei diesem Ansatzpunkt ihren Ausgang und versucht, in einer rezeptionsgeschichtlichen Analyse mögliche frühe Spuren für die Existenz und Verwendung des 2 Petr auf ihre Plausibilität hin zu überprüfen und für eine Verortung des 2 Petr auszuwerten. Im Unterschied zur mit ähnlicher Zielsetzung entwickelten Monographie von Michael Gilmour wird dabei nicht nur die pseudopetrinische Literatur wesentlich umfassender gewürdigt 33 und der Untersuchungszeitraum bis zum Beginn des dritten Jahrhunderts ausgedehnt, sondern vor allem eine eingehendere Analyse der entsprechenden Schlüsseltexte angezielt. Ge30 Vgl. Knopf, R., Die Briefe Petri und Judä (KEK XII), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 71912, 253. 31 Bauckham, 2 Peter-Account, 3740. 32 Chase, F. H., Art. Peter, Second Epistle of, in: DB(H) 3 (1902), 796–818, hier: 817 [Hervorhebung Grünstäudl]. Auf diese Forderung verweist auch Bauckham, 2 PeterAccount, 3741, der trocken kommentiert: „It is a measure of the neglect of 2 Peter in twentieth-century scholarship that this hope still remains unfulfilled.“ 33 Gilmour, Parallels, 105–115, beschränkt sich auf eine Analyse der Beziehung des 2 Petr zur ApkPetr.
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Kapitel 1: Konturen
genüber der wichtigen und gehaltvollen Studie von Martin G. Ruf besteht die grundlegende Differenz darin, dass nicht danach gefragt wird, welche „Stellungnahme[n]“ 34 2 Petr zu anderen Texten abgibt, sondern dass umgekehrt der Umgang mit 2 Petr im Mittelpunkt des Interesses steht. Methodisch bedient sich diese rezeptionsgeschichtliche Spurensuche dabei des vielfältigen analytischen Repertoires historisch-kritischer Exegese. Angesichts der Unterschiedlichkeit der zu untersuchenden Texte scheint es dabei nicht sinnvoll, die Flexibilität dieses Methodenarsenals durch ein bestimmtes – z.B. intertextualitätstheoretisch geprägtes – Analyseraster vorab einzuengen 35. Aus dieser Zielsetzung und Methodenwahl erklärt sich auch die Architektur der Arbeit: Im Zuge dieses Einleitungskapitels werden im Folgenden die Ausgangspunkte der Untersuchung benannt (2 Petr als pseudepigrapher Text [1.3.1]; seine Beziehungen zu Jud [1.3.2], 1 Petr [1.3.3], dem Corpus Paulinum [1.3.4] und den kanonisch gewordenen Evangelien [1.3.5]) und der Untersuchungszeitraum abgegrenzt (erste sichere Zeugen [1.4]), wobei der kritische Konsens zur Verortung des 2 Petr knapp rekapituliert wird. Das zweite Kapitel (Petrus Apocryphus) spürt dann dem Verhältnis des 2 Petr zu anderen pseudopetrinischen Texten des zweiten (und frühen dritten) Jahrhunderts nach (Kerygma Petri [2.1], Apokalypse des Petrus [2.2], Evangelium des Petrus [2.3], Akten des Petrus [2.4], Pseudoclementinische Literatur [2.5], Apokalypse des Petrus aus Nag-Hammadi [2.6]), wobei vor allem der Apokalypse des Petrus (ApkPetr) eine besondere Rolle zukommt, gilt sie doch seit langem als ein dem 2 Petr besonders nahe stehender Text. Den zahlreichen Stellen aus der christlichen Literatur des zweiten Jahrhunderts, die, meist in der Absicht, eine besonders frühe Abfassung des 2 Petr wahrscheinlich zu machen, als mögliche Spuren einer Rezeption des 2 Petr ins Spiel gebracht wurden, wendet sich das dritte Kapitel zu (Petrus Receptus). Ein viertes Kapitel (Petrus Alexandrinus) widmet sich schließlich dem literarischen Werk des Clemens von Alexandrien, dem für die historische und theologische Einordnung des 2 Petr meiner Meinung nach eine entscheidende Rolle zukommt. Das Schlusskapitel bietet eine knappe Zusammenfassung der Ergebnisse sowie einen Ausblick auf weitere Forschungsaufgaben im Zusammenhang mit der Exegese des 2 Petr und der Erforschung frühchristlicher Literatur. 34 35
Ruf, Die heiligen Propheten, 15. Im Original kursiv gesetzt. Damit folge ich dem Hinweis von Thomas J. Kraus, der in seiner Rezension zu Gilmours Studie „Zweifel am wirklichen Nutzen einer festen Kriteriologie für die Untersuchung von in ihrem Werdeprozess gewachsenen, im Interpretationsvorgang stets lebendig bleibenden literarischen Texten“ (RBL 12 [2003]; Seite 5 der unter http:// www.bookreviews.org/pdf/3069_3341.pdf [22.04.2012] veröffentlichten online-Version) zum Ausdruck gebracht hat.
1.3 Pseudepigraphie und zentrale literarische Verbindungen
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1.3 Pseudepigraphie und zentrale literarische Verbindungen 1.3 Pseudepigraphie und zentrale literarische Verbindungen
1.3.1 2 Petr als pseudepigrapher Text
Ernst Käsemann meinte bereits 1952, für die pseudepigraphe Gestalt des 2 Petr keinen Beweis mehr führen zu müssen 36 und auch in der aktuellen Forschung gilt 2 Petr nahezu einhellig als pseudepigrapher Text 37. Dabei sind „nicht einzelne Argumente, sondern die verschiedenen Argumente in ihrer Gesamtheit“ 38 auschlaggebend. Verwiesen wird zumeist auf die sprachliche, thematische und theologische Differenz zu 1 Petr, auf die literarische Abhängigkeit von Jud, auf die Stellung zu Paulus und seinen Briefen, auf Sprache, Stil und hellenistische Prägung des Textes, auf einen Standort, der bereits auf die erste christliche Generation zurückblickt, auf die schlechte Bezeugung im zweiten Jahrhundert sowie auf den langen und schwierigen Weg des Briefes bis hin zur Erlangung kanonischen Status 39. Wenn Denis Farkasfalvy schon 1986 in 2 Petr „probably the best case for studying New Testament pseudepigraphy“ 40 sah, da sich hier deren Diskussion „on the why and how of pseudepigraphy rather than on proving the fact itself“ 41 konzentrieren könne, so behält dies angesichts der skizzierten Diskussionslage sein gewisses Recht. Die äußerst distinkte Gestalt des 2 Petr sollte gleichzeitig vor der Versuchung bewahren, in diesem Brief den Generalschlüssel zum Verständnis neutestamentlicher Pseudepigraphie zu suchen 42. Demgegenüber sind aber auch die Stimmen derer nicht zu überhören, die im Zuge einer bestimmten Auffassung von Inspiration und kanonischer Dignität meinen, die Abfassung des 2 Petr durch den Apostel Petrus erwei36 37
Vgl. Käsemann, Apologie, 137f. So neben den oben (vgl. Anm. 19) Genannten auch Frey, J., Autorfiktion und Gegnerbild im Judasbrief und im Zweiten Petrusbrief, in: ders./Herzer, J./Janssen, M., unter Mitarbeit von Engelmann, M. (Hg.), Pseudepigraphie und Verfasserfiktion in frühchristlichen Briefen (WUNT 246), Tübingen: Mohr Siebeck 2009, 683–732, hier: 702: „Dass es sich bei diesem Brief um ein relativ spätes Pseudepigraphon handelt, gilt in der neueren kritischen Forschung weithin als sicher“. 38 Müller, Der 2. Petrusbrief, 330. 39 Vgl. z.B. Bauckham, 2 Peter-Account, 3719–3724, Müller, Der 2. Petrusbrief, 329– 331, und Gielen, Der zweite Petrusbrief, 525f. 40 Farkasfalvy D., The Ecclesial Setting of Pseudepigraphy in Second Peter and its Role in the Formation of the Canon, in: SecCent 5 (1985/1986), 3–29, hier: 3. 41 Farkasfalvy, Ecclesial Setting, 3. 42 Anders Zmijewski, J., Apostolische Paradosis und Pseudepigraphie im Neuen Testament. „Durch Erinnerung wachhalten“ (2 Petr 1,13; 3,1), in: BZ 23 (1979), 161–171, und diesem folgend Riedl, Anamnese und Apostolizität, 241, der in einem an 2 Petr entwickelten Konzept anamnetischer Apostolizität „die zentrale hermeneutische und theologische Deutekategorie für das theologische Problem neutestamentlicher Pseudepigraphie“ erkennt.
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Kapitel 1: Konturen
sen zu müssen. Statt sich nun diese Debatte um die Authentizität des 2 Petr aufzwingen zu lassen und damit in die Diskussionslage des 19. Jahrhunderts zurück zu fallen 43, geht die vorliegende Studie einen anderen, offensiven Weg. Die breit gesicherten Eigenschaften der Pseudonymität und der Entstehung im zweiten Jahrhundert werden zu Ausgangspunkten einer Untersuchung, die über den aktuellen Erkenntnisstand hinausführen will und nach einer präziseren historischen Einordnung des 2 Petr strebt. Nicht ob 2 Petr ein petrinisches Pseudepigraphon des zweiten Jahrhunderts ist, steht zur Diskussion, sondern in welcher Art und Weise er dies ist. Dabei stellen sich aber auch weitere Fragen ein, die zum Teil für die historische Verortung dieses Briefes nicht unerheblich sind. Gesonderte Erwähnung verdient etwa die Position Richard Bauckhams, der in seinem umfassenden Kommentar die Pseudepigraphie des 2 Petr als Folge der Verwendung der spezifischen Formen der jüdischen Testamentsliteratur versteht. Als Testament des Petrus muss – so Bauckham – 2 Petr nicht nur pseudepigraph sein, seine Verfasserfiktion ist überdies auch für den mit den entsprechenden literarischen Konventionen vertrauten Leser als solche erkennbar. Könnte aber nicht auch Petrus selbst die literarische Form des Testaments zur Gestaltung seines tatsächlichen Testaments gewählt haben? Nein, wendet Bauckham ein, denn die literarische Konvention, die futurische Rede erfordert, wird in etlichen präsentisch gestalteten 43 Keineswegs, das sei hier eigens betont, erachte ich eine Vertreterin oder einen Vertreter der Authentizität des 2 Petr a priori für eine/n „obscurantist“ (Charles, Virtue, 63). Doch sind die (zurzeit) für diese Position vorgebrachten Argumente nicht gerade vertrauenserweckend. Eine kleine Auswahl: Charles, Virtue, 71, verweist auf die edle Gesinnung der frühen Christinnen und Christen („Indeed, that Christians, whose practice of honesty and truthfulness had to be above reproach, would have uncritically adopted a literary practice of questionable virtue is in fact doubtful.“), Kruger, M. J., The Authenticity of 2 Peter, in: JETS 42 (1999), 645–671, hier: 654, der im Wesentlichen von Green, E. M. B., 2 Peter Reconsidered, Tyndal Press: London 1961, abhängig ist, begründet die Rezeptionsrichtung zwischen 2 Petr und ApkPetr mit der Qualität der Texte („Furthermore, hardly anyone would question that 2 Peter is the superior work, both from a literary and a spiritual perspective. Considering that it is highly unlikely that the inferior work would give rise to the superior work – indeed, imitations tend to decline in quality – it seems reasonable to give 2 Peter literary priority.“ Was würde Lukas dazu sagen?), während Van Houwelingen, P. H. R., The Authenticity of 2 Peter. Problems and Possible Solutions, in: EJT 19 (2010), 119–129, hier: 122, die Selbstbezeichnung des Autors in 2 Petr 1,1 als Συμεὼν Πέτρος für unfälschbar hält („falsification of this signature has appeared impossible“) und erklärt: „Another person could not have allowed himself such freedom in spelling this name; only the author himself could, and perhaps his trusted secretary.“ Ebensowenig ist es zielführend, mit Gilmour, M. J., Reflections on the Authorship of 2 Peter, in: EQ 73 (2001), 291–309, hier: 309, den HypothesenCharakter jeglicher exegetischer Argumentation so überspitzt zu betonen, dass am Ende die Verfasserschaft des 2 Petr zu einem „mystery“ wird und sich letztlich nichts mehr plausibel aus 2 Petr ableiten lässt.
1.3 Pseudepigraphie und zentrale literarische Verbindungen
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Passagen des Briefes durchbrochen. Dies markiere 2 Petr als „entirely transparent fiction“ 44. Diese Erklärung der Pseudepigraphie des 2 Petr, die nach Jörg Frey „an Kühnheit fast der Fiktion des 2Petr [gleicht] und … erkennbar bemüht auf die ‚Rettung‘ des Schreibens vor dem Verdikt ‚Fälschung‘ [zielt]“ 45, muss sich aber fragen lassen, inwieweit eine solcherart gebrochene petrinische Autorität bei den Adressaten eine (offenbar intendierte) Wirkung zu erzeugen vermag 46: Reicht dazu deren Einschätzung, der Verfasser hätte seine Sache gut gemacht („a good job of reporting the essence of Peter’s teaching“ 47)? Auch die Rezeptionsgeschichte des Briefes bietet keinen Anhalt dafür, dass 2 Petr jemals als transparente Fiktion gelesen wurde 48; sie enthält jedoch in der Didymus von Alexandrien (ca. 313–398 n.Chr.) zugeschriebenen Enarratio in epistolas canonicas (enarr.) sehr wohl eine in ihrer Deutlichkeit kaum zu überbietende Beschreibung des Textes als Fälschung („praesentem epistolam esse falsatam“) 49. Jüngst versuchte Karl Matthias Schmidt 50 unter Heranziehung von paganen Vergleichstexten die Plausibilität von Bauckhams These zu erweisen, wobei aber offen bleiben muss, inwieweit literarische Standards nichtchristlicher Literatur bezüglich der Verfasserfiktion auf die religiösperformativ geprägten frühchristlichen Texte übertragen werden können. Anders: Wenn die Abfassung von Briefen in fremdem Namen sich als akzeptierter Topos antiker Literatur erweisen lässt, ist damit noch nicht gesagt, dass die frühen Christen analoge Textproduktionsverfahren auch im Rahmen ihres religiösen Schrifttums ohne Weiteres akzeptierten 51. 44 45 46
Bauckham, Jude, 2 Peter, 134. Frey, Autorfiktion, 729f. Vgl. Klauck, H.-J., Die antike Briefliteratur und das Neue Testament. Ein Lehrund Arbeitsbuch (UTB 2022), Paderborn u.a.: Ferdinand Schöningh 1998, 304, und Müller, Der 2. Petrusbrief, 335. Frey, Autorfiktion, 730 Anm. 145, weist auch auf die Vielgestaltigkeit der Testamentsform hin, die eine gezielte Durchbrechung literarischer Konventionen schon der Sache nach erschwert. 47 Bauckham, Jude, 2 Peter, 134. 48 Vögtle, Der zweite Petrusbrief, 129, der mit Bauckhams These sympathisiert („daß Bauckham wahrscheinlich zu Recht annimmt“) vermutet, dass der ursprüngliche, transparente Charakter der Schrift im Laufe der Zeit in Vergessenheit geriet, 2 Petr deshalb zur umstrittenen Schrift wurde, ehe sich schließlich seine vermutete petrinische Verfasserschaft durchsetzen konnte (vgl. ebd., 130). 49 Zu diesem Text vgl. unten 4.2.1. 50 Vgl. besonders Schmidt, Maskenspiel, 338–342. Näheres zu Schmidts inspirierendem Ansatz unter 1.3.3. 51 Vgl. z.B. Clark, K. D., The Problem of Pseudonymity in Biblical Literature and Its Implications for Canon Formation, in: McDonald, M./Sanders, J. A. (Hg.), The Canon Debate, Peabody: Hendrickson 2002, 440–468, hier: 449 mit Anm. 41, und Frenschkowski, M., Erkannte Pseudepigraphie? Ein Essay über Fiktionalität, Antike und Chris-
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Kapitel 1: Konturen
Gleichursächlich mit der Beschreibung des 2 Petr als Pseudepigraphon ist die Suche nach seinem realen Autor. Muss „dessen Identität … im Dunkel der Geschichte verborgen bleib[en]“ 52? Eine Identifikation mit einer uns anderweitig bekannten Gestalt der frühen Kirchengeschichte wäre natürlich erhellend, doch die Berücksichtigung der disparaten Quellenlage sollte hier vor übereilten Spekulationen bewahren 53. Angebracht ist dennoch ein genauer Blick auf die Informationen, die der Text des 2 Petr selbst uns über seinen Verfasser liefert. Dazu entwarf Jerome Neyrey unter Rückgriff auf kulturanthropologische Untersuchungskategorien 54 folgendes Autorenprofil zu 2 Petr, das mit Sicherheit weiterer Beachtung, Ergänzung und Weiterentwicklung wert ist: Der Verfasser ist männlich, verfügt über eine beachtliche literarische Ausbildung, ist mit hellenistischen wie jüdischen 55 Traditionen und Ausdrucksformen gleichermaßen vertraut, ist in „a certain scribal social location“ 56 innerhalb einer Stadt beheimatet 57, wo er auch Zugang zu eher schwierig zu erreichenden Dokumenten besitzt und als Bewahrer der Tradition Ansehen genießt 58. tentum, in: Frey, J./Herzer, J./Janssen, M., unter Mitarbeit von Engelmann, M. (Hg.), Pseudepigraphie und Verfasserfiktion in frühchristlichen Briefen (WUNT 246), Tübingen: Mohr Siebeck 2009, 181–232. 52 Gielen, Der zweite Petrusbrief, 526. 53 Bauckham, Jude, 2 Peter, 160f, erwähnt die in den römischen Bischofslisten (vgl. Irenäus adv. haer. III,3,3 [auch Eusebius, h.e. V,6,1]; Eusebius, h.e. III,13.21) genannten, und wohl zumindest zum Teil legendarischen Gestalten Linus und (Anen-)Cletus als mögliche Verfasser des 2 Petr („If one had to guess a name or person as a candidate for the authorship of 2 Peter…“). 54 Zutreffend formuliert Müller, Der 2. Petrusbrief, 332, den „grundlegenden Einwand, dass gegenwärtige kultur- und sozialanthropologische Fragestellungen nicht vorgängig formuliert und dann erst auf ‚die antike Kultur‘ übertragen werden sollten“, unterstreicht aber die Bedeutung von Neyreys Ergebnissen. 55 Für Gerdmar, Dichotomy, 160, ist der Verfasser des 2 Petr „haggadischer Exeget mit einem deutlich jüdisch-apokalyptischen Profil“. 56 Neyrey, 2 Peter, 131. Entsprechend Vögtle, Der zweite Petrusbrief, 184, mit Blick auf 2 Petr 2,1: „‚Lehrer‘ waren in der Kirche längst hochgeschätzte Funktionsträger, zu denen sicher auch der Vf. des 2Petr zählt.“ 57 Die „other reasons“ aufgrund der Neyrey, 2 Peter, Jude, 130, an eine Stadt „in Asia Minor, not Rome, Egypt, Palestine“ denkt, scheinen vor allem stilistischer Natur zu sein (vgl. ebd., 120) und können deshalb nicht überzeugen (vgl. dazu oben Anmerkung 14). Vgl. Elliott, J. H., II Peter, in: Martin, R. A./ders. (Hg.), James. I-II Peter. Jude (Augsburg Commentary on the New Testament), Minneapolis: Augsburg 1982, 117–158, hier: 129: „Its vocabulary could have been influenced by any cosmopolitan center of the Mediterranean world…“ [Hervorhebung Grünstäudl]. 58 Vgl. Neyrey, 2 Peter, Jude, 128–141, und die prägnante Zusammenfassung bei Müller, Der 2. Petrusbrief, 332, der vor allem die Hinweise auf „die literarische Kompetenz des Verfassers, seine bikulturellen Wurzeln sowie seine städtische Herkunft“ als überzeugend einschätzt. Beachten sollte man meiner Meinung nach auch den Umstand, dass
1.3 Pseudepigraphie und zentrale literarische Verbindungen
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Die „sehr beachtlichen Sprachfähigkeiten“ 59 des Verfassers werden von Thomas J. Kraus betont, der auch darauf verweist, dass diese „für die damalige, wie auch immer einzugrenzende Zeit etwas Besonderes“ 60 waren und zudem von den Rezipienten „höchste Aufmerksamkeit und/oder ein bestimmtes Bildungsniveau“ 61 verlangten. Eine stoische Prägung ist aufgrund mancher Begrifflichkeit 62, dem Charakter des Tugendkatalogs in 2 Petr 1,5–7 63 und der zugrunde liegenden Kosmologie 64 durchaus zu erwägen, letztlich aber nicht sicher zu erweisen. Somit bietet die pseudepigraphe Gestaltung des 2 Petr bereits selbst erste Orientierungspunkte für eine Verortung des Textes, wobei aber vieles – nicht zuletzt das Motiv für die Wahl des Petrus-Pseudonyms 65 – noch offen der Verfasser offenbar die logistischen Möglichkeiten besaß, einen pseudepigraphen Text der (wie auch immer gearteten) Rezeption zuzuführen. 59 Kraus, Sprache, 367. 60 Kraus, Sprache, 367. 61 Kraus, Sprache, 367f. 62 Vgl. bereits Mayor, J. B., The Epistle of St. Jude and the Second Epistle of St. Peter. Greek Text with Introduction, Notes and Comments, London/New York: MacMillan 1907, 155 („we have evidence in this epistle of familiarity with Stoic phraseology, such as θεία φύσις and ἀρετή“). 63 Vgl. dazu vor allem Charles, Virtue, 105–111, der gleichermaßen Berührungspunkte wie Differenzen erörtert, sowie bereits Fornberg, Early Church, 97–101. 64 Vgl. bereits Olivier, F., Une correction au texte du Nouveau Testament: II Pierre 3,10, in: RThPh 8 (1920), 237–278, wieder abgedruckt in ders. (Hg.), Essais dans le domaine du monde gréco-romain et dans celui du Nouveau Testament (Publications de la Faculté des lettres/Université de Lausanne 15), Genf: Droz 1963, 127–152, hier: 148–151, sowie jetzt neben der umfassenden Analyse von Harrill, J. A., Stoic Physics, the Universal Conflagration and the Eschatological Destruction of the „Ignorant and Unstable“ in 2 Peter, in: Rasimus, T./Dunderberg, I./Engberg-Pedersen, T. (Hg.), Stoicism in Early Christianity, Grand Rapids: Baker 2010, 115–140, die beiden Beiträge Adams, E., ,Where is the Promise of his Coming?‘ The Complaint of the Scoffers in 2 Peter 3.4, in: NTS 51 (2005), 106–122, besonders: 114–121, und ders., Creation „out of“ and „through“ Water in 2 Peter 3:4, in: Van Kooten, G. H. V. (Hg.), The Creation of Heaven and Earth. Re-interpretations of Genesis 1 in the Context of Judaism, Ancient Philosophy, Christianity, and Modern Physics (Themes in Biblical Narrative 8), Leiden: Brill 2005, 195–210, die in ders., The Stars Will Fall From Heaven. Cosmic Catastrophe in the New Testament and its World (Library of New Testament Studies 347), London/New York: T. & T. Clark 2007, 200–235, mit aufgenommen sind. Zu Recht betont Ruf, Die heiligen Propheten, 515–523, die sicherlich vorhandenen Differenzen des 2 Petr zur stoischen ἐκπύρωσις-Vorstellung, doch musste bereits Justin, apol. II,7,2f (vgl. I,20,4; 60,8) betonen, dass die christliche Vorstellung einer ἐκπύρωσις nicht von der Stoa übernommen wurde (vgl. Fornberg, Early Church, 66 mit Anm. 4), sondern bereits von Mose (wohl Dtn 32,22) prophezeit worden sei (vgl. Clemens Alexandrinus, strom. V,9,4–10,3: Die ἐκπύρωσις-Vorstellung der Stoa wurde von den Propheten übernommen.). 65 Einen instruktiven Überblick zu den erwogenen Erklärungen bietet Bauckham, 2 Peter-Account, 3736–3740. Vgl. Vögtle, Der zweite Petrusbrief, 126–127.
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Kapitel 1: Konturen
bleiben muss. Die Annahme, dass es nach dem Tod der Apostel (nur) „noch etwa drei Jahrzehnte lang möglich [war], unter dem Namen der Apostel erfolgreiche, d.h. später kanonisierte Pseudepigraphen zu verfassen“ 66, kann natürlich ebenso wenig zur Datierung des 2 Petr herangezogen werden, wie die Theorie von einer etwa bis Justin reichenden Phase legitimer, weil geistgewirkter Pseudepigraphie 67. Vielmehr sind umgekehrt solche literatur- und theologiegeschichtlichen Hypothesen anhand der an den einzelnen Texten gewonnenen Erkenntnisse kritisch zu überprüfen. 1.3.2 Literarische Abhängigkeit von Jud Ein weiterer Fixpunkt in der neueren Forschung ist die literarische Abhängigkeit des 2 Petr von Jud 68. Wie sehr sich diese These allgemeiner Akzeptanz erfreut, wird deutlich, wenn sie auch von Verfechtern petrinischer Verfasserschaft des 2 Petr nicht bestritten, sondern nur entsprechend akzentuiert wird 69. Allenfalls die Annahme einer gemeinsamen Quelle hinter Jud 66 67
Pokorný/Heckel, Einleitung, 703. Vgl. die entsprechende Hypothese von Aland, K., The Problem of Anonymity and Pseudonymity in Christian Literature of the First Two Centuries, in: JThS.NS 12 (1961), 39–49, hier: 47, mit ihrer Weiterentwicklung bei ders., Noch einmal: Das Problem der Anonymität und Pseudonymität in der christlichen Literatur der ersten beiden Jahrhunderte, in: Dassmann, E.-F./Suso, K. (Hg.), Pietas. FS Bernhard Kötting (JAC.E 8), Münster: Aschendorff 1980, 121–139 (wieder abgedruckt in Köster, B./Rosenbaum, H.-U./ Welte, M. (Hg.), Supplementa zu den neutestamentlichen und den kirchengeschichtlichen Entwürfen. FS Kurt Aland, Berlin/New York: De Gruyter 1990, 158–176). Aus der umfangreichen Literatur zur Pseudepigraphiefrage sei hier nur verwiesen auf den umfassenden Band Frey, J./Herzer, J./Janssen, M., unter Mitarbeit von Engelmann, M. (Hg.), Pseudepigraphie und Verfasserfiktion in frühchristlichen Briefen (WUNT 246), Tübingen: Mohr Siebeck 2009, der einen guten Einblick in die aktuelle Debatte ermöglicht. 68 Vgl. neben den Analysen von Kahmann, J., The Second Letter of Peter and the Letter of Jude. Their Mutual Relationship, in: Sevrin, J.-M. (Hg.), The New Testament in Early Christianity. La réception des écrits néotestamentaires dans le christianisme primitif (BEThL 86), Leuven/Louvain: Peeters/University Press 1989, 105–121, Kraus, Sprache, 368–376, Callan, T., Use of the Letter of Jude by the Second Letter of Peter, in: Bib. 85 (2004), 42–64, und der forschungsgeschichtlichen Notiz von Thurén, L., The Relationship between 2 Peter and Jude. A Classical Problem Resolved?, in: Schlosser, J. (Hg.), The Catholic Epistles and the Tradition (BEThL 176), Leuven: Peeters/University Press, 2004, 451–460, jetzt vor allem Wasserman, T., The Epistle of Jude. Its Text and Transmission (CB.NT 43), Stockholm: Almqvist & Wiksell 2006, 73–98. Als aktuelle Ausnahmen sind zu nennen Van Houwelingen, Authenticity, 119–129, hier: 123 (gemeinsame Quelle), Gerdmar, Dichotomy, 116–123 (Priorität des 2 Petr), und Mathews, M. D., The Literary Relationship of 2 Peter and Jude. Does the Synoptic Tradition Resolve this Synoptic Problem?, in: Neotest. 44 (2010), 47–66 (Priorität des 2 Petr). 69 Vgl. etwa Green, M., The Second Epistle General of Peter and the General Epistle of Jude. An Introduction and Commentary (Tyndale New Testament Commentaries), Leicester/Grand Rapids: Inter-Varsity/Eerdmans 21987, 23–25, und aktuell Green, G. L., Second Peter’s Use of Jude. Imitatio and the Sociology of Early Christianity, in: Webb,
1.3 Pseudepigraphie und zentrale literarische Verbindungen
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und 2 Petr könnte noch die engen Berührungen zwischen den Texten erklären, doch wäre diese Quelle weitgehend mit Jud identisch und ohne 2 Petr innerhalb des ein geschlossenes Ganzes bildenden Jud nicht zu erahnen 70. Folgt man der verbreiteten Datierung des Jud in das ausgehende erste Jahrhundert 71, so ergibt sich für 2 Petr bereits aufgrund seiner Verwendung des Jud eine Verortung im zweiten Jahrhundert. Dies fügt sich gut zur „unangefochten[en] Stellung“ 72 des Jud im zweiten Jahrhundert, die sich auch in seiner Wertschätzung im Muratorischen Fragment („sane“), bei Tertullian und Clemens Alexandrinus ausdrückt 73. Besonders die Verwendung des Jud durch Clemens von Alexandrien ist mit Blick auf 2 Petr interessant. Einen Abschnitt des dritten Buches seiner Stromateis (strom.), in dem er die Lehre der Karpokratianer polemisch darstellt, schließt Clemens mit einem Verweis auf Jud ab: ἐπὶ τούτων οἶμαι καὶ τῶν ὁμοίων αἱρέσεων προφητικῶς Ἰούδαν ἐν τῇ ἐπιστολῇ εἰρηκέναι· «ὁμοίως μέντοι καὶ οὗτοι ἐνυπνιαζόμενοι» (οὐ γὰρ ὕπαρ τῇ ἀληθείᾳ ἐπιβάλλουσιν) ἕως «καὶ τὸ στόμα αὐτῶν λαλεῖ ὑπέρογκα. (Clemens Alexandrinus, strom. III,11,2) Von diesen und ihnen ähnlichen Irrlehren hat, wie ich meine, Judas in seinem Brief prophetisch gesagt: „In gleicher Weise jedoch sind auch diese Träumer“ (denn nicht in wachem Zustande suchen sie die Wahrheit zu erfassen) bis zu den Worten „und ihr Mund führt hochfahrende Reden“.
Bemerkenswert ist hier erstens, dass es Clemens keine Probleme bereitet, die präsentisch formulierte Rede des Jud als Prophetie über seine, des Robert L./Watson, Duane F. (Hg.), Reading Second Peter with New Eyes. Methodological Reassessments of the Letter of Second Peter (Library of New Testament Studies 382), London/New York: T. & T. Clark 2010, 1–25. 70 So bereits Kelly, Epistles, 226: „There is indeed hardly anything in Jude which does not reappear in some form in 2 Peter, so that the supposed common source must have been to all intents and purposes identical with it.“ Vgl. Thurén, Classical Problem, 451–455 (ebd., 454: „a possible, yet superfluous hypothesis“). Ob der intensive Rückgriff des 2 Petr auf Jud allerdings so weit geht, dass 2 Petr bei dem προφητικὸς λόγος (2 Petr 1,19), der im Verbund mit der Verklärungszeugenschaft der Apostel die Gewissheit der Parusie verbürgt, (auch) an Jud denkt, wie dies Blumenthal, C., Prophetie und Gericht. Der Judasbrief als Zeugnis urchristlicher Prophetie (BBB 156), Göttingen: V&R unipress 2008, 375, vorsichtig erwägt, erscheint doch fraglich. 71 Vgl. Müller, P., Der Judasbrief, in: ThR 63 (1998), 267–289, hier: 287; Schnelle, Einleitung, 454; Broer/Weidemann, Einleitung, 643; Gielen, M., Der Judasbrief, in: Ebner, M./Schreiber, S. (Hg.), Einleitung in das Neue Testament (KStTh 6), Kohlhammer: Stuttgart 2008, 552–558, hier: 556; Pokorný/Heckel, Einleitung, 713. Einer genauen, wirklich überzeugenden Datierung und Lokalisierung entzieht sich der Jud bislang – Blumenthal, Prophetie und Gericht, passim, verzichtet völlig auf eine solche. 72 Paulsen, Der zweite Petrusbrief, 43. 73 Zum Muratorischen Fragment vgl. Abschnitt 1.4.5, zu Tertullian vgl. Abschnitt 3.3 und zu Jud bei Clemens Alexandrinus vgl. Abschnitt 4.2.5.3 der vorliegenden Untersuchung.
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Clemens, Zeitgenossen aufzufassen. Wenn 2 Petr die von Jud in analoger Weise übernommene Polemik zu einem großen Teil im Präsens belässt, dann muss, dies zeigt die Clemens-Parallele deutlich, in einer antikchristlichen Leseperspektive darin kein (gewollter oder ungewollter) Widerspruch zur sorgsam ausgestalteten Fiktion des Briefes als Prophetie des sterbenden Petrus bestehen 74. Zweitens gebraucht Clemens hier Jud en bloc. Einem Zitat von Jud 8 folgt nach einer kurzen interpretatorischen Notiz ein schlichtes ἕως („bis“) und dann ein Teil von Jud 16 75. Clemens kann Jud gewissermaßen als Instant-Polemik gegen eine seiner Einschätzung nach libertinistische Irrlehre einsetzen. Wiederum ist die Entsprechung zu 2 Petr deutlich, denn auch dieser verwendet große, zusammenhängende Teile des Jud zur Bekämpfung ihm gleichzeitiger „Häresien“ (vgl. 2 Petr 2,1) 76, wodurch mit der aktualisierenden Applikation eine dritte Analogie zwischen der JudRezeption des 2 Petr und der des Clemens benannt ist. Diese funktionalen Entsprechungen dürfen nicht vorschnell zur Identifizierung der Gegner des 2 Petr herangezogen werden, sie sind aber bei der historischen Einordnung des 2 Petr im Auge zu behalten. Vorsicht geboten ist hingegen gegenüber der in der Forschungsgeschichte immer wieder vertretenen Deutung, der Ausfall der Anspielungen auf die AssMos 77 (vgl. v.a. Jud 9 mit 2 Petr 2,11) und des klimaktischen Henochzitates Jud 14f in 2 Petr sei bewusster Reserve geschuldet und deshalb Zeichen einer gegenüber Jud späteren Phase der Kanongeschichte. Ein „Apokryphwerden“ der AssMos und von 1 Hen ist im zweiten Jahrhundert aber kaum zu beobachten: Das Buch Henoch ist unter Christen im zweiten Jahrhundert beinahe populärer als im ersten 78, die AssMos hingegen ist so
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Vgl. bereits Chase, Second Epistle of Peter, 811: „The most natural interpretation of these phenomena is that the writer first speakes in his assumed character of a prophet, and that then, forgetting that assumed character, he depicts the false teaching actually rife around him.“ Darüber hinaus ist der Vorwurf der inkonsisten Tempusdistribution in 2 Petr 2 bereits aus sprachlichen Gründen fraglich, wie Kraus, Sprache, 252–258, deutlich macht (ebd., 256: „in 2,12–15 eine Zeiteninkonsistenz zu postulieren, geht … am Wesen der griechischen Verben vorbei“). Auch Frey, Autorfiktion, 710, betont: „Die zeitliche Fiktion der Verfasserschaft des Petrus ist … durchgehalten.“ 75 Beispiele für ähnliche Zitate bei Clemens bietet Mondesert, C., Clément d’Alexandrie. Introduction a l’étude de sa pensée religieuse a partir de l’écriture (Théologie 4), Paris: Aubier 1944, 68 Anm. 5. 76 Wenngleich 2 Petr Jud im Rezeptionsprozess nachhaltig umgestaltet. 77 Zur Einordnung dieses Textes vgl. Hofmann, N. J., Die Assumptio Mosis. Studien zur Rezeption massgültiger Überlieferung (JSJ.S 67), Leiden: Brill 2000. 78 Vgl. Bauckham, Jude, 2 Peter, 139f, mit zahlreichen Belegen. Zur Rezeptionsgeschichte des 1 Hen-Zitats in Jud vgl. nun Hultin, J., Jude’s Citation of 1 Enoch, in: Charlesworth, J. H./McDonald, L. M. (Hg.), Jewish and Christian Scriptures. The Func-
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spärlich bezeugt (vgl. Clemens von Alexandrien, adumbr. in Jud. 9; strom. VI,132,2f; Origenes, princ. III,2,1; Didymus von Alexandrien, enarr. in Jud. 9), dass sich kaum eine bestimmte Tendenz in ihrer Wertschätzung ausmachen lässt. Wichtiger noch ist die Beachtung der funktionalen Verschiebungen: In der chronologisch korrekten Neuordnung und Ergänzung der Exempla-Liste aus Jud in 2 Petr 2 hätte eine Platzierung von Mose und Michael in 2 Petr 2,11, also nach der Erwähnung der Wächterengel (vgl. 2 Petr 2,4), des Noah und der Flut (vgl. 2 Petr 2,5), sowie von Lot und der Städte Sodom und Gomorrha (vgl. 2 Petr 2,6–8), keine Berechtigung. Ähnliches gilt für 2 Petr 3,5–13, wo eine argumentative Auseinandersetzung mit dem Zweifel am Gericht die (bloße) Affirmation der Parusie in Jud 14f ersetzt 79. Die Veränderungen gegenüber Jud, die als eine Art „kanonische Säuberung“ gedeutet wurden, könnten somit sehr gut auch andere, pragmatischere Ursachen besitzen – für eine historische Einordnung des 2 Petr ist seine angebliche Apokryphenscheu jedenfalls nicht ohne Weiteres heran zu ziehen. Hinsichtlich der Jud-Rezeption des 2 Petr wäre es auch wichtig zu klären, „wie ein Autor, der zu einer so massiven pseudonymen Legitimation greift, ein anderes, weniger stark autorisiertes Schreiben so intensiv als Vorlage benutzen konnte“ 80. Gerne greift man seit Harnack zur Beantwortung dieser bedeutsamen Frage auf die Annahme zurück, Jud sei bei den Adressaten von 2 Petr (noch) nicht bekannt gewesen – womit sich zugleich ein relativer terminus ad quem für 2 Petr ergibt 81. Diese Hypothese ist aber nicht nur von der Voraussetzung abhängig, 2 Petr sei tatsächlich als Brief für die Kommunikation zwischen zwei verschiedenen Orten geschaffen tion of „Canonical“ and „Non-Canonical“ Religious Texts (Jewish and Christian Texts in Contexts and Related Studies 7), London/New York: T&T Clark. 2010, 113–128. 79 So auch Vögtle, Der zweite Petrusbrief, 128. 80 Frey, Autorfiktion, 727, der fortsetzt: „Seitens der Rezipienten setzt dies voraus, dass diese Jud wohl nicht kannten – sonst hätte dies die Rezeption des Schreibens noch mehr erschwert. Seitens des Autors ist zumindest anzunehmen, dass er mit dem Jud sachlich in wesentlichen Punkten übereinstimmte und die dort vorliegende Gegnerpolemik – vielleicht deshalb, weil sie bereits relativ stark topisch war – für seine eigenen Zwecke als brauchbar ansah.“ 81 So bereits Harnack, A., Geschichte der altchristlichen Literatur bis Eusebius. Teil II: Die Chronologie. Band 1: Die Chronologie der Literatur bis Irenäus nebst einleitenden Untersuchungen. 2., erweiterte Auflage, Leipzig: J. C. Hinrichs Verlag 1958, 469, für den gerade dadurch ein terminus ad quem des 2 Petr um 175 n.Chr. greifbar ist. Vgl. auch Knopf, Die Briefe Petri, 252, der ebd., 257, für die Datierung folgert: „Über 180 herunterzugehen verbietet die intensive Benutzung von Jud.“ Ähnlich Grundmann, Der zweite Brief des Petrus, 65 (mit der Datierung „frühestens 110–150 p.Chr.“), und Seethaler, P.A., 1. und 2. Petrusbrief, Judasbrief (SKK.NT 16), Stuttgart: Katholisches Bibelwerk 1985, 73: „Vorausgesetzt ist allerdings, daß die angeschriebenen Gemeinden den Judasbrief nicht kennen, denn sonst hätte der Verfasser diesen kaum so ausgiebig benützt.“
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worden 82, sondern dürfte auch aufgrund einer einfachen, aber, soweit ich sehe, noch nicht angestellten Überlegung wenig wahrscheinlich sein. Bedenkt man nämlich, dass der Verfasser des 2 Petr bei weitem über die sprachlichen und theologischen Mittel verfügte, um das, was er von Jud übernahm, nämlich eine sehr stark von zeitgenössischen Topoi geprägte Gegnerpolemik 83, auch selbst herzustellen 84, so stellt sich mit aller Schärfe die Frage nach dem Motiv der Jud-Rezeption: Warum die Mühe mit der intensiv transformierenden Adaption des Jud? 85 War der Verfasser von 2 Petr tatsächlich bereit, den hohen Anspruch seines Textes, einer weit gefassten Leserschaft verbindliche Hinterlassenschaft des Petrus zu sein (2 Petr 1,12: ἀεί; 1,15: ἑκάστοτε; vgl. 2 Petr 3,1f), für das „Linsengericht“ einer erst noch zu überarbeitenden Vorlage nachhaltig zu gefährden? 86 Angesichts des durch das testamentarische Setting, den Rückgriff auf die Verklärungstradition und die explizite Bezugnahme auf apostolische Dokumente sorgsam gestalteten autoritativen Anspruchs von 2 Petr ist dies kaum anzunehmen.
82 Dies wurde bereits von Fornberg, Early Church, 20, mit Verweis auf 2 Petr 1,1; 3,1f bezweifelt. 83 Vgl. dazu nun umfassend Frey, J., Disparagement as Argument. The Polemical Use of Moral Lanuage in Second Peter, in: Zimmermann, R./Van der Watt, J. G., in Cooperation with Luther, S. (Hg.), Moral Language in the New Testament. The Interrelatedness of Language and Ethics in Early Christian Writings. Kontexte und Normen neutestamentlicher Ethik/Contexts and Norms of New Testament Ethics II (WUNT II/296), Tübingen: Mohr Siebeck 2010, 275–310. 84 Der Kontrast zur Rezeption von Mk durch Mt und Lk, des Eph durch Kol oder des 1 Thess durch 2 Thess (um nur Beispiele aus dem heutigen Kanon zu nennen) ist deutlich: 2 Petr übernimmt nicht etwas Innovatives und/oder Individuelles, sondern in ähnlicher Form wohl bekanntes Material. 85 Callan, Use, 43, beschreibt diese so: „It seems that 2 Peter’s use of Jude can best be described as a rather free paraphrase. Working from the written text of Jude, the author of 2 Peter re-wrote Jude, avoiding direct quotation, but using much of Jude’s language.“ 86 Zu beachten ist dabei eine vielleicht bewusste „Manipulation“ der Zeitstruktur seitens 2 Petr, so jedenfalls Schmidt, Maskenspiel, 403f: „Der Text macht zwar extensiven Gebrauch vom Judasbrief, versucht aber den Anschein zu erwecken, er sei vor diesem verfasst. Während Jud 17–18 von einer Prophezeiung der Apostel spricht, deren Ankündigung der kommenden Spötter aber in die Vergangenheit verlegt, nimmt 2 Petr 3,2–3 den Hinweis auf die Prophetie der Apostel auf, fügt die Warnung vor den Spöttern dann aber als originäre Ermahnung des Verfassers an. Dadurch entsteht der Eindruck, der Apostel Petrus habe prophetisch vor den Spöttern gewarnt und sei später im Judasbrief zitiert worden.“ Doch muss ein solcher Schutzmechanismus gegen den Plagiatsverdacht, wenn 2 Petr 3,2f denn einen solchen darstellt, möglicherweise in Anbetracht der Mehrheit der Rezipienten als zu subtil bewertet werden. Für eine kritische Diskussion dieser Fragestellung danke ich Prof. Dr. Marco Frenschkowski.
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Daraus folgt aber: Für den Verfasser des 2 Petr scheint die Nähe seines Textes zu Jud keine Gefährdung seiner pseudepigraphischen Intention dargestellt zu haben. Das muss nicht verwundern, denn gerade angesichts von Rezipienten, die Jud kannten und schätzten, konnte es sinnvoll sein, Petrus „wie Judas“ sprechen bzw. polemisieren zu lassen. Unter den Bedingungen eines deutlichen Abstands zur ersten Generation konnte der erkennbare Anklang an einen (unstrittig) dieser Zeit zugerechneten Text den Eindruck der Authentizität noch verstärken 87. Einen weiteren Anhalt besitzt diese Hypothese, die die Jud-Rezeption von 2 Petr auf dem Hintergrund der relativ starken Stellung des Jud im zweiten Jahrhundert versteht, in jenen Passagen des 2 Petr, die „ohne eine Kenntnis des Jud bzw. der dort zugrunde liegenden Traditionen … kaum verständlich“ 88 sind. Zwar wäre es übertrieben, Jud zur notwendigen Verstehensvoraussetzung des 2 Petr zu erheben, doch ist nicht zu übersehen, dass 2 Petr in einem mit Jud vertrauten Rezeptionskontext als Text an Wirkung gewinnt 89. 87 Es ist deshalb auch nicht nötig anzunehmen, „daß der 2 Petr in der gezielten Neuinterpretation des Jud diesen Text begrenzt ersetzen will“ (Paulsen, Der Zweite Petrusbrief, 99), wie auch Wehr, L., Petrus und Paulus – Kontrahenten und Partner. Die beiden Apostel im Spiegel des Neuen Testaments, der Apostolischen Väter und früher Zeugnisse ihrer Verehrung (NTA.NF 30), Münster: Aschendorff 1996, 347 Anm. 821, und Ruf, Die heiligen Propheten, 158f. 577. 602, vermuten. 88 Frey, Autorfiktion, 722 Anm. 126. Die Aussage Freys bezieht sich nur auf die Rezeption von Jud 8–10 in 2 Petr 2,10f. In diesem Sinne bereits Knopf, Briefe Petri, 251f: „II Pt 2,4, der Hinweis auf die gefallenen Engel, ist gegenüber Jud 6 viel kürzer und daher dunkler ... Ebenso ist II Pt 2,11 unverständlich, wenn man nicht Jud 9 daneben halten kann. – Das Gleiche, wenn auch nicht so ausgesprochen, gilt von II Pt 2,12 gegenüber Jud 10, nur daß in diesem Falle II Pt seine Vorlage nicht verkürzt, sondern durch Zusätze bereichert hat.“ Die Vermutung von Bauckham, Jude, 2 Peter, 261 (vgl. den Exkurs zum Hintergrund von Jud 9 ebd., 65–76), die Gestalt von 2 Petr 2,10f verdanke sich einem Missverständnis von Jud 9, wurde von Muddiman, J., The Assumption of Moses and the Epistle of Jude, in: Graupner, A./Wolter, M. (Hg.), Moses in Biblical and Extra-Biblical Traditions (BZAW 372), Berlin/New York: De Gruyter 2007, 169–180, hier: 174–179, überzeugend zurückgewiesen. 89 So wären etwa die bereits in der letzten Anmerkung genannten Stellen 2 Petr 2,4 und 2 Petr 2,10f (vgl. besonders Vögtle, Der zweite Petrusbrief, 196–201) mit einem entsprechenden Bildhintergrund versehen. Gerade bezüglich 2 Petr 2,10f ist es, wie Ruf, Die heiligen Propheten, 430f mit Anm. 542, richtig unterstreicht, bemerkenswert, dass 2 Petr den Gehalt von Jud 9 nicht einfach übergeht – wie er dies mit anderen Passagen des Jud tut – sondern vielmehr überarbeitet und integriert. Wenn aber 2 Petr mit der generalisierenden Redaktion der Engelslästerung ein eigenes Anliegen verbindet, sollte man nicht von „einem verminderten Interesse des Autors des 2Petr an angelologischen Sachverhalten“ (Frey, Autorfiktion, 722, entsprechend auch Frey, Disparagement, 289f) sprechen. Auch der Sarkasmus im (möglichen) Wortspiel mit ἀπάτη/ἀγάπη in 2 Petr 2,13 (vgl. Jud 12) tritt gleichfalls erst bei Kenntnis des Jud in voller Schärfe zu Tage (vgl. Kelly, Epistles, 341, Schmidt, Maskenspiel, 326f, allerdings „hätten die Hörer des 2Petr
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Sind diese Überlegungen richtig, dann verweist die Jud-Rezeption des 2 Petr auf einen Entstehungskontext, in dem Jud bekannt und geschätzt war und in dem der Verfasser des 2 Petr diesen gezielt in den Dienst seiner Kommunikationsfiktion stellen konnte. 1.3.3 Die Verbindung zu 1 Petr Bereits in der Antike wurde die theologische und stilistische Unterschiedlichkeit von 1 Petr und 2 Petr als problematisch empfunden, wie die entsprechende Nachricht des Hieronymus (vgl. vir. ill. 1) und seine zur Lösung entwickelte Sekretärshypothese (vgl. ep. 120,11) zeigt. Die große Differenz zwischen den beiden Texten verdeutlicht auch exemplarisch das Urteil Friedrich Spittas, der meinte, gerade die Authentizität des 2 Petr verhindere anzunehmen, auch 1 Petr sei von Petrus abgefasst worden 90. Die Verschiedenartigkeit der beiden kanonisch gewordenen Petrusbriefe 91 macht nicht nur Theorien um eine in 1 Petr, 2 Petr und Jud greifbare petrinische Schultradition unwahrscheinlich 92, sie lässt vor allem auch den expliziten Verweis auf einen ersten Petrusbrief in 2 Petr 3,1 (ταύτην ἤδη, ἀγαπητοί, δευτέραν ὑμῖν γράφω ἐπιστολήν) ein wenig rätselhaft erscheinen. Vor allem die Selbstverständlichkeit, mit der 2 Petr 3,1 voraussetzt, dass es keine weiteren Zeugen petrinischer Briefkorrespondenz gibt, sondern nur einen Petrusbrief, zu dem sich 2 Petr scheinbar konkurrenzlos als ein zweiter verhält, legt es nahe, hier mit der Mehrheit der Interpreten einen Verweis auf 1 Petr zu sehen 93. Somit entsteht eine markante Spannung zwischen dem Rückverweis auf 1 Petr in 2 Petr 3,1 und dem Umstand, dass 2 Petr „kaum ein Bemühen diese Anspielung selbst ohne Kenntnis des Jud verstehen können“ [Vögtle, Der zweite Petrusbrief, 203, ähnlich Watson, Invention, 117, und Bauckham, Jude, 2 Peter, 266]). 90 Als Ausweg dient Friedrich Spitta die These der Abfassung des 1 Petr durch Silvanus (vgl. 1 Petr 5,12), vgl. Spitta, F., Der zweite Brief des Petrus und der Brief des Judas. Eine geschichtliche Untersuchung, Halle: Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses 1885, 530–532. 91 Vgl. die Übersichten bei Mayor, The Second Epistle of St. Peter, lxviii–cv, und Bauckham, 2 Peter, 143–147. 92 Vgl. Schmidt, Maskenspiel, 420. Eine solche Petrusschule vertreten v.a. Soards, M. L., 1 Peter, 2 Peter, and Jude as Evidence for a Petrine School, in: ANRW II,25,5 (1980), 3827–3849, und Chatelion Counet, P., Pseudepigraphy and the Petrine School. Spirit and Tradition in 1 and 2 Peter and Jude, in: HTS 62 (2006), 403–424. Die davon unabhängige Frage, ob 1 Petr Produkt einer Petrusschule ist, wie das etwa Elliott, J. H., 1 Peter (AncB 37B), Doubleday: New York 2000, vertritt, ist hier nicht zu diskutieren. 93 Einen aktuellen Überblick über die zum Teil recht kreativen Alternativvorschläge (v.a. auch zu Teilungshypothesen zu 2 Petr) bietet Ruf, M. G., Ein neuer Versuch den Petrus-Code zu knacken. Der zweite Petrusbrief als allographische Fortsetzung, in: Becking, B./Merz, A. (Hg.), Verhaal als identiteitscode. FS Geert Van Oyen (Utrechtse Theologische Reeks 60), Utrecht: Universität Utrecht 2008, 256–259.
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erkennen [lässt], eine sprachliche, theologische oder thematische Nähe zum Ersten Petrusbrief zu suggerieren“ 94. Martin Ruf deutete jüngst den Rückverweis in 2 Petr 3,1 als Element einer allographischen Fortsetzung zu 1 Petr 95. Ähnlich hatte bereits Robert Wall die kanonische, nicht zwingend auch historische, Funktion des 2 Petr als Ergänzung zu 1 Petr beschrieben 96. Für Karl Matthias Schmidt hingegen erweist sich gerade in der 94 Schmidt, K. M., Die Stimme des Apostels erheben. Pragmatische Leistungen der Autorenfiktion in den Petrusbriefen, in: Frey, J./Herzer, J./Janssen, M., unter Mitarbeit von Engelmann, M. (Hg.), Pseudepigraphie und Verfasserfiktion in frühchristlichen Briefen (WUNT 246), Tübingen: Mohr Siebeck 2009, 625–644, hier: 641. Norelli, E., Au sujet de la première réception de 1 Pierre. Trois exemples, in: Schlosser, J. (Hg.), The Catholic Epistles and the Traditions (BEThL 176), Löwen: University Press/Peeters 2004, 327–366, hier: 327, spricht von einer „réception presqu’entièrement extérieure“ des 1 Petr. Vor allem Boobyer, G. H., The Indebtedness of 2 Peter to 1 Peter, in: Higgins, A. J. B. (Hg.), New Testament Essays. FS Thomas Walter Manson, Manchester: Manchester University Press 1959, 34–53, versuchte, 2 Petr im Anschluss an 1 Petr zu verstehen und machte eine Reihe von möglichen Rezeptionspunkten namhaft. Anders als in der breiten Rezeption dieses Aufsatzes mitunter dargestellt, hatte Boobyer dabei keine Abfassung beider Petrusbriefe durch den Apostel Petrus im Blick, sondern sah in den benannten Parallelen Verbindungslinien, die nur unter den Voraussetzungen einer Rezeption des 1 Petr im zweiten Jahrhundert plausibel zu machen sind. An diesem methodologisch wichtigen Punkt wäre, was hier nicht zu leisten ist (vgl. aber unten 4.2.5.2 zur Rezeption des 1 Petr durch Clemens von Alexandrien), der Ansatz Boobyers kritisch fortzuführen und mit der sonstigen 1 Petr-Rezeption im zweiten Jahrhundert (vgl. dazu nun umfassend Merkt, A., Der erste Petrusbrief [NTP 21], Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht [im Erscheinen]) in Beziehung zu setzen, wobei die moderne Einschätzung, 2 Petr greife kaum bis gar nicht auf 1 Petr zurück, möglicherweise zu präzisieren bzw. zu korrigieren wäre. Entsprechendes gilt auch für den beachtenswerten, an Boobyer angelehnten Versuch von Samuel Bénétreau, 2 Petr 1,16–21 mit Hilfe von 1 Petr 1,10–12 auszulegen; vgl. Bénétreau, S., Évangile et prophétie. Un texte original (1 P 1,10–12) peut-il éclairer un texte difficile (2 P 1,16–21)?, in: Bib. 86 (2005), 174–191, besonders: 187–190. 95 Vgl. Ruf, Petrus-Code, 263f, der dabei vor allem auf die Ergänzungen zwischen 1 Petr und 2 Petr verweist. 96 Vgl. Wall, R., The Canonical Function of 2 Peter, in: Bibl.Interpr. 9 (2001), 64–81. Die einzelnen Elemente dieser Ergänzung von 1 Petr durch 2 Petr weist Wall an den für ihn wesentlichen Größen biblischer Theologie – Schöpfer, Christus, Gemeinschaft, Vollendung – im Einzelnen nach. Dabei verzichtet Wall bewusst auf Überlegungen zur historischen Verortung des 2 Petr, verweist aber auf Boobyer, Indebtedness, passim (vgl. ebd., 65. 80f). Die Problematik von Walls Argumentation liegt dabei nicht im Verzicht auf historische Rückfragen oder in der Vernachlässigung außerkanonischer Petrus-Überlieferungen. All dies wird durch die sauber durchgeführte methodische Selbstbescheidung abgedeckt. Sie liegt vielmehr in der tautologischen Grundstruktur von Walls Darstellung. Denn es ist offensichtlich, dass 2 Petr für ein aus 1 und 2 Petr erhobenes Gesamtzeugnis petrinischer Theologie im Neuen Testament ein unverzichtbarer Baustein ist – schließlich ist er dies per definitionem. Darüber hinaus kann gerade eine strikt synchron operierende Analyse der kanonischen Funktion des 2 Petr Querverbindungen zu anderen
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Kapitel 1: Konturen
genannten Spannung der Charakter des 2 Petr als einer „brieflichen Prosopopoiie“ 97, da hierin die Verfasserfiktion für die Leser des 2 Petr transparent gemacht werde 98. Gegen Schmidts Deutung wandte wiederum David E. Aune ein, 2 Petr lasse durch seine Distanz zum 1 Petr die für eine Prosopopoiie wesentliche imitatio vermissen 99. Allographische Fortschreibung, kanonische Ergänzung, Transparentmachung der Verfasserfiktion – die Vielfalt der Lösungen bezeichnet die Diffizilität des Problems: Wie erklärt sich die von 1 Petr so deutlich verschiedene Gestalt des 2 Petr, wenn dieser doch auf jenen ausdrücklich verweist? Für die Suche nach dem historischen Ort des 2 Petr sind zumindest vier Aspekte dieser Frage von Belang: (1) 2 Petr scheint in 2 Petr 3,1 (vgl. 2 Petr 1,2) aller Wahrscheinlichkeit nach eine Kenntnis des 1 Petr zu zeigen. (2) Die knappe Art des Rückverweises setzt wohl eine autoritative, unstrittige Geltung von 1 Petr und damit einen gewissen zeitlichen Abstand zu dessen mutmaßlicher Entstehung am Ende des ersten Jahrhundert 100 voraus. Somit ergibt sich ein weiterer Hinweis auf eine Entstehung des 2 Petr im zweiten Jahrhundert. (3) Die Verknüpfung des 2 Petr mit 1 Petr bedeutet nicht, dass die viel diskutierte Adresse des 1 Petr auch für 2 Petr gilt und dieser somit an
biblischen Schriften nicht einfach ausblenden. Zu Walls Ansatz vgl. auch Wall, R., Toward a Unifying Theology of the Catholic Epistles. A Canonical Approach, in: Schlosser, J. (Hg.), The Catholic Epistles and the Tradition (BEThL 176), Löwen: University Press/Peeters 2004, 43–71. 97 Schmidt, Die Stimme des Apostels, 642. 98 Schmidt, Die Stimme des Apostels, 641: „Der Autor machte offenbar gar nicht den Versuch, den Brief als echten Brief des Apostels Petrus auszugeben, ganz unabhängig davon, ob der Erste Petrusbrief der Gemeinde als echter Brief oder als Fiktion galt. Indem sich der Autor mit 2Petr 3,1 zum Ersten Petrusbrief bekennt und ihn somit seinem eigenen Erzähler als Produkt zuschreibt, macht er deutlich, dass er gerade nicht Petrus als Autor verstanden wissen will.“ 99 Aune, D. E., Reconceptualizing the Phenomenon of Ancient Pseudepigraphy, in: Frey, J./Herzer, J./Janssen, M., unter Mitarbeit von Engelmann, M. (Hg.), Pseudepigraphie und Verfasserfiktion in frühchristlichen Briefen (WUNT 246), Tübingen: Mohr Siebeck 2009, 789–824, 817: „However, Schmidt’s view of the intentional linguistic, theological and thematic disjunction between 2 Peter and 1 Peter is in tension with a central feature of prosopopoiia, namely imitatio.“ 100 Wenngleich mehrheitlich vertreten, so ist diese Datierung doch keineswegs zwingend. Aktuell plädiert etwa wieder Zwierlein, O., Petrus in Rom. Die literarischen Zeugnisse. Mit einer kritischen Edition der Martyrien des Petrus und Paulus auf neuer handschriftlicher Grundlage (UaLG 96), Berlin/New York: De Gruyter 2009, 314, für eine Abfassung des 1 Petr zur Zeit Trajans („Die engen Berührungen mit den bei Plinius greifbaren Anklagen gegen Christen in Bithynien machen eine Datierung in die Zeit um 110–113 wahrscheinlich.“).
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kleinasiatische Christen gerichtet ist 101. Ebenso wenig lässt sich in analoger Weise eine Entstehung von 2 Petr in Rom erschließen, falls 1 Petr 5,13 diesen Abfassungsort für 1 Petr wahrscheinlich macht 102. (4) Da 2 Petr zwar auf 1 Petr verweist und mit diesem kompatibel sein möchte, gleichzeitig aber ein Petrusbild entwirft, dass sich offenbar anderer Petrustradition verdankt, lässt sich seine Position an der Schnittstelle unterschiedlicher Petrustraditionen erahnen. Wichtig wäre deshalb zu klären, woher 2 Petr die wesentlichen Anregungen zur Entwicklung seines, von 1 Petr scheinbar bewusst verschiedenen Petrusbildes empfing 103. 1.3.4 Paulus und seine Briefe Einzigartig unter den später neutestamentlichen Schiften ist der explizite Hinweis auf Paulus und seine Briefe in 2 Petr 3,15f. Paulus tritt hier ausschließlich als Verfasser von Briefen in Erscheinung, was zusammen mit dem summarischen Verweis auf „alle“ seine Briefe wohl auf eine Situation nach seinem Tod hindeutet. Die nähere zeitliche und räumliche Einordnung der Sequenz erweist sich aber als schwierig, vor allem, weil offen bleiben muss, wie wörtlich man die konkreten Formulierungen auffassen darf 104. In
101
So richtig Schmidt, Maskenspiel, 315. Die These von einer Identität der Adressaten mit 1 Petr setzt vor allem auch voraus, dass 2 Petr tatsächlich als zu versendender Brief intentiert ist und die Briefgestalt nicht Teil seiner literarischen Fiktion ist, vgl. dazu Fuchs/Reymond, Deuxième épître de Saint Pierre, 29.40f. Anders z.B. Gielen, Der zweite Petrusbrief, 526, die die Annahme kleinasiatischer Adressaten als „begründeten Schluss“ ansieht. 102 In diesem Sinne allerdings Prostmeier, F. R., Rezension zu Knoch, O., Der Erste und Zweite Petrusbrief. Der Judasbrief (RNT), in: ThRv 90 (1994), 120–129, hier: 127, der meint, „Alexandrien (und jeder andere Abfassungsort) implizierte bei der ausdrücklichen Bezugnahme auf 1 Petr und bei dem von K[noch] angenommenen Verfasserprofil, daß eine röm. Petrustradition in der ägypt. Kirche nicht nur bekannt war, sondern auch mit der eigentlich für Rom signifikanten Selbstverständlicheit in Anspruch genommen wurde“. Nun nimmt aber 2 Petr gerade nicht auf eine signifikant römische Petrustradition Bezug, sondern auf 1 Petr als Text. Dies ist gut auch außerhalb Roms vorstellbar – zumal auch Alexandrien alte, Rom betonende Petrustraditionen kennt (vgl. ApkPetr 14,4 [Rainer-Fragment]) –, wobei allerdings eine gewisse überlieferungsgeschichtliche Dekontextualisierung des 1 Petr zu unterstellen ist. 103 Hingewiesen sei noch auf die Hypothese Adolf von Harnacks, 1 Petr sei erst nach einer gewissen Zeit zu einem Petrusbrief geformt worden und seine redaktionelle Überarbeitung stehe in Zusammenhang mit der Abfassung des 2 Petr (vgl. Harnack, Geschichte II/1, 455–465. 470). Die einigermaßen vorsichtig formulierten Überlegungen Harnacks erfahren bei Barns, T., The Catholic Epistles of Themison. A Study in 1 and 2 Peter, in: Exp 6/8.9 (1903), 40–62. 369–393, eine allzu phantasievolle Radikalisierung. 104 Trocken kommentierte Knopf, Briefe Petri, 323: „Hier nun beginnt ein großes Ratespiel, m. E. ziemlich unnötig.“ Vgl. Paulsen, Der Zweite Petrusbrief, 174, der eine durch den Verfasser intendierte Unklarheit erwägt.
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jedem Fall muss methodisch zwischen der fiktiven Briefsituation und dem realen Rezeptionshintergrund klar unterschieden werden 105. Nimmt man etwa an, dass innerhalb der Verfasserfiktion 2 Petr 3,15 (ἔγραψεν ὑμῖν) auf einen (oder mehrere) Paulusbrief(e) 106 verweist, der/die der fiktiven Adressatengemeinde(n) zugesandt wurde(n) und unterstellt man dabei via 2 Petr 3,1 Kohärenz mit 1 Petr 1,1, so könnte ein Verweis auf Gal, Kol oder Eph (oder mehrere von diesen) auktoriell intendiert sein 107. Daraus folgt aber keineswegs, die realen Adressaten/Leser des 2 Petr seien als kleinasiatische Christen zu bestimmen. Geht man hingegen vom wohl vor allem auf 2 Petr 3,14–15a (bzw. insbesondere 2 Petr 3,15a) zielenden 108 Verweis (καθὼς καί) in 2 Petr 3,15b aus, der aufgrund von 2 Petr 3,15a – der Nennung der rettenden, weil (vgl. 2 Petr 3,9) Gelegenheit zur Umkehr schaffenden μακροθυμία Gottes – im Besonderen an Röm 2,4 (vgl. Röm 3,25; 9,22f; 11,22f; sowie Röm 15,15) denken lässt, so wären die fiktiven Adressaten in Rom zu suchen 109. Eine Deutung, die aber wiederum in Spannung zu 2 Petr 3,1/1 Petr 1,1 steht. Angesichts dieser Kohärenzschwierigkeiten ist zu fragen, ob die Suche nach Hinweisen auf fiktionale wie reale Adressaten in 2 Petr 3,15 dem ökumenischen Präskript 2 Petr 1,1f überhaupt angemessen ist und das ὑμῖν in 2 Petr 3,15 nicht bereits eine universal-kirchliche („ekklesiologische“ 110) Bedeutung hat und somit die oben für 2 Petr 3,1 vermutete Dekontextualisierung des 1 Petr auch für die paulinische Korrespondenz – 105 Dies kommt bei Bauckham, Jude, 2 Peter, 330, zu kurz: „The reason why the letter to 2 Peter’s readers is singled out for special mention in v 15b is … simply that it was written to 2 Peter’s readers.“ 106 Heckel, T. K., Die Traditionsverknüpfungen des Zweiten Petrusbriefes und die Anfänge einer neutestamentlichen biblischen Theologie, in: Gebauer, R./Meiser, M. (Hg.), Die bleibende Gegenwart des Evangeliums. FS Otto Merk (MThS 76), Marburg: N. G. Elwert 2003, 189–204, hier: 194 Anm. 21, hält es (gegen Müller, 2. Petrusbrief, 321) für „[f]alsch“, in 2 Petr 3,15 an mehrere Briefe an die Adressaten des 2 Petr zu denken. 107 Vgl. Schmidt, Maskenspiel, 389, sowie Bauckham, Jude, 2 Peter, 330, Mayor, Second Epistle of St. Peter, 164, und Ruf, Die heiligen Propheten, 168–171 (mit Besprechung weiterer Vorschläge). 108 Vgl. Bauckham, Jude, 2 Peter, 330, und Ruf, Die heiligen Propheten, 164f (mit Diskussion der Alternativen). 109 Vgl. dazu etwa Mayor, Second Epistle of St. Peter, 164f (mit Hinweise auf weitere Identifikationsversuche in der älteren Literatur). Fuchs/Reymond, Deuxième epître de Saint Pierre, 125 Anm. 2, halten eine Zuordnung zu bestimmten Paulusbriefen für unmöglich, verweisen aber doch auf Röm 2,4. 110 So Lindemann, A., Paulus im ältesten Christentum. Das Bild des Apostels und die Rezeption der paulinischen Theologie in der frühchristlichen Literatur bis Marcion (BHTh 58), Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1979, 92, wobei allerdings für die angeführte Parallele Polyk 3,2 wie auch für die ähnlichen Anreden in 1 Clem 47,1 und IgnEph 12,3 eine offenkundige lokale Identität gegeben ist.
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und zwar nicht nur in 2 Petr 3,16, was offensichtlich ist 111, sondern auch in 2 Petr 3,15b – zu veranschlagen ist 112. Doch steht einer solchen Interpretation der Anschluss mit dem „mit exklusiver komparativer Bedeutung gebraucht[en]“ 113 ὡς in 2 Petr 3,16 entgegen: Der Blick wird von den Briefen (bzw. von dem Brief), die/den Paulus an die fiktiven Adressaten geschrieben hat, hin zu allen Paulusbriefen, in denen περὶ τούτων gehandelt wird, gelenkt 114. Somit wird man nicht einfach annehmen können, in 2 Petr 3,15 seien dieselben Briefe gemeint wie in 2 Petr 3,16 115. Gleichwohl bleibt, wie Martin G. Ruf sicherlich richtig betont, die mit dem etwas vagen Rückgriff auf 1 Petr durchaus kompatible universalkirchliche Perspektive des Präskripts als prominent platzierte Leseanweisung ernst zu nehmen. Soll aber zugleich die deutlich markierte Differenz zwischen 2 Petr 3,15 und 2 Petr 3,16 nicht nivelliert werden, so ergibt sich meines Erachtens nur mehr eine Deutungsmöglichkeit: Das ὑμῖν in 2 Petr 3,15 ist (und zwar bereits auf der Ebene der Fiktion!) universalkirchlich aufzufassen, wobei gleichzeitig zwischen einem als argumentative Stütze herangezogenen Paulustext (2 Petr 3,15) und dem Gesamt der sachlich relevanten Paulustexte (2 Petr 3,16) zu unterscheiden ist. Der in 2 Petr 3,15 angezielte Paulustext ist also mit den in 2 Petr 3,16 genannten Paulusbriefen nicht kongruent, sondern vielmehr ein Teil von diesen, wodurch eine komparative Formulierung wie in 2 Petr 3,16 möglich wird. Der Druckpunkt der Aussage in 2 Petr 3,15b liegt deshalb nicht kommunikations-orientiert auf der Tatsache, dass auch Paulus „euch“ etwas (mit der Lehre Petri Übereinstimmendes) geschrieben hat, sondern vielmehr autoritäts-orientiert 116 darauf, dass Paulus dieses Bestimmte geschrieben hat. 111 Heckel, Traditionsverknüpfungen, 194: „Pseudopetrus bezieht sich auf eine Zusammenstellung zumindest mehrerer Briefe des Paulus. Das heißt: Die Paulusbriefe sind ihrer ursprünglichen dialogischen Situation zwischen Paulus und einer bestimmten Gemeinde bereits entnommen.“ 112 So etwa Kelly, Epistles, 372f, und jetzt mit Nachdruck Ruf, Die heiligen Propheten, 161–165. Wenn Ruf durch den Verweis auf den Gebrauch von ὡς καί in 2 Petr 2,1 und 2 Petr 3,16b zeigen will, dass „in 3,16a … nicht von anderen Briefen die Rede sein [kann] als in 3,15b“ (ebd., 164) so stützen die beiden Belegstellen diese Deutung aber nicht: Stets sind zwei einander gegenüber stehende Größen (die Pseudopropheten vs. die Pseudolehrer bzw. die Paulusbriefe vs. die übrigen Schriften) angesprochen. 113 Kraus, Sprache, 187. 114 Vgl. Bauckham, Jude, 2 Peter, 329. 115 So aber Ruf, Die heiligen Propheten, 187–189, der diese Deutung mit folgender Paraphrase der Stelle zum Ausdruck bringt (ebd., 189): „So hat es der geliebte Bruder Paulus in seiner gottgegebenen Weisheit euch geschrieben, wie er ja immer, in all seinen Briefen in dieser Weisheit über dieses Thema schreibt, wo es aufgegriffen wird.“ 116 Nach Kraus, Sprache, 187, wird καθώς in 2 Petr 1,14 und 2 Petr 3,15 „für die Rückbindung von Aussagen an Autoritäten, ergo zur Legitimation von Inhalten“ verwendet.
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Wenn 2 Petr somit den Prozess der Dekontextualisierung der Paulusbriefe widerspiegelt und mitgestaltet, ist von einer unmittelbaren geographischen Auswertung der entsprechenden Verweise, die dann 2 Petr z.B. als an römische Christen adressierten Text oder als römisches Schreiben an kleinasiatische Christen sieht, in jedem Fall abzusehen. Sehr interessant ist die Nennung einer „Sammlung der paulinischen Briefe (πάσαις!), der unbestreitbare Autorität zugewiesen wird“ 117 auch unter chronologischem Blickwinkel. In einer monographischen Untersuchung 118 kam Rodney Everett Ring 1954 zum Schluss, der hier greifbare Umgang mit den paulinischen Briefen fordere eine Datierung des 2 Petr „in the last twenty years of the second century“ 119. Ähnlich schloss Edgar J. Goodspeed aus 2 Petr 3,15f, der 2 Petr sei zwischen Justin und den Scilitanischen Märtyrern einzuordnen 120, während Morton Scott Enslin formulierte: „Thus, on this point [sc. 2 Petr 3,15f, Anm. Grünstäudl] alone, any date earlier than 125 A.D. is absolutely precluded.“ 121 Diese sehr entschiedenen Voten beruhen in zum Teil recht positivistischer Manier auf der Annahme von theologiegeschichtlichen Entwicklungslinien, deren Existenz und gesetzmäßiger Verlauf im zweiten Jahrhundert aufgrund der Quellenlage nicht hinreichend zu belegen ist. Zu beachten ist aber: Angesichts der geprägten Bedeutung von αἱ γραφαί im
117 Paulsen, Der zweite Petrusbrief, 175. Wenn hier die verbreitete Rede von einer „Sammlung“ übernommen wird, so ist im Auge zu behalten, dass ganz verschiedene Zufälligkeiten, Intentionen und Konflikte hinter dem Umfang einer solchen stehen können und ebenso für diese verschiedene Grade von Akzeptanz, Geltung und Verbindlichkeit möglich sind (vgl. Holmes, M. W., Polycarp’s Letter to the Philippians, in: Gregory, A. F./Tuckett, C. F. [Hg.], The Reception of the New Testament in the Apostolic Fathers [The New Testament and the Apostolic Fathers], Oxford: Oxford University Press 2007, 187–227, hier: 226f). Für 2 Petr gilt jedenfalls: 2 Petr hat eine bestimmte Gesamtheit von Paulusbriefen im Blick, deren teilweise Missdeutung den Gegnern zumindest plausibel unterstellt werden kann. 118 Vgl. Ring, R. E., The Meaning and Significance of 2 Peter 3:15b–17, Dissertation University of Chicago 1954, mit einem hilfreichen Überblick zur älteren Forschung (ebd., 98–168). Für die Übersendung einer Kopie der Arbeit danke ich herzlich Prof. Dr. Hans-Josef Klauck (University of Chicago). 119 Ring, Meaning, 87. 120 Vgl. Goodspeed, E. J., An Introduction to the New Testament, Chicago: Chicago University Press 1937, 352f. 121 Enslin, M. S., Christian Beginnings, New York/London: Harper & Brothers Publishers 1938, 341. Weiter folgert Enslin, ebd., 341: „On the other hand, the epistle was known to Origen, although it is by no means certain that he accepted it as genuine. (…) Thus we cannot go below 200 A.D. in the range of possible dates. Probably we shall not err in dating it between 150 and 175 A.D.“ Ähnlich Mayor, Second Epistle of St. Peter, cxxvii.
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frühchristlichen Sprachgebrauch 122 sind die Paulusbriefe, welchen Umfang die dabei von 2 Petr vorausgesetzte Sammlung auch gehabt haben mag, mit der Formulierung ὡς καὶ τὰς λοιπὰς γραφάς auf ein den Schriften Israels 123 entsprechendes Autoritätsniveau gehoben 124. Mehr noch, sie werden als Teil (vgl. λοιπάς!) einer autoritativen Schriftensammlung verstanden, wodurch sich die Bedeutung von αἱ γραφαί weitet und nun auch Schriften explizit christlicher Herkunft umfasst. Gegen diese naheliegende Deutung erhob Andreas Lindemann 1979 in seiner wegweisenden Studie zur frühen Paulusrezeption folgenden Einwand: „Man wird aber doch bezweifeln müssen, daß der Vf das Alte Testament so ganz nebenbei als αἱ λοιπαὶ γραφαί bezeichnet und die Paulusbriefe damit „den Schriften“ nicht nur gleichgestellt, sondern faktisch übergeordnet haben würde. So ist es m. E. doch wahrscheinlich, daß γραφαί hier entgegen dem sonstigen urchristlichen Sprachgebrauch einfach christliche Schriften meint, über deren Kanonizität nichts gesagt, deren besondere Funktion in der Kirche aber vorausgesetzt wird.“ 125
Abgesehen von den in Bezug auf das zweite Jahrhundert etwas problematischen Kategorien „Kanonizität“ und „Altes Testament“, ist es keineswegs zwingend, λοιπός hier in einem bloß beiläufigen bzw. unterordnenden Sinn aufzufassen, wie vielleicht Sir prol. 24f (ὁ νόμος καὶ αἱ προφητεῖαι καὶ τὰ λοιπὰ τῶν βιβλίων) insinuieren könnte. Im frühchristlichen Gebrauch gibt es zwar Beispiele, die einen hierarchischen Akzent bzw. ein Gefälle in der Wertschätzung im Gebrauch von λοιπός andeuten (Apg 2,37: Petrus und 122 Schrenk, G., γράφω κτλ., in: ThWNT 1 (1957), 742–773, hier: 751, notiert: „Von den at.lichen Schriften insgesamt gesagt, ist aber der einfache Plural αἱ γραφαί ebenso feste Tradition.“ Aland, K./Aland, B. im Institut für neutestamentliche Textforschung/Münster unter besonderer Mitwirkung von V. Reichmann (Hg.), Griechischdeutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und der frühchristlichen Literatur von Walter Bauer. 6., völlig neu bearbeitetete Auflage, Berlin/New York: De Gruyter 1988, s.v. γραφή: „im NT ausschl. in solenner Bedeutung, v. d. Hl. Schrift“. Vgl. auch Lampe, G. W. H. (Hg.), A Patristic Greek Lexicon, Oxford: Clarendon Press 1961, s.v. γραφή, und Chase, Second Epistle of Peter, 810. 123 Diese etwas unscharfe Formulierung soll andeuten, dass zwar einerseits ein Corpus normativer Schriften im Blick ist, auf das argumentativ Bezug genommen werden kann, gleichzeitig der Umfang und die Grenzen dieses Corpus im zweiten Jahrhundert nicht einfach unstrittig feststehen oder gar mit denen des späteren Alten Testaments deckungsgleich sind. Diese unscharfen Ränder betonen zu Recht auch Fornberg, Early Church, 22 Anm. 6, und Ruf, Die heiligen Propheten, 197 mit Anm. 487f. 124 Trotz der großen Schwierigkeiten, die sich daraus für ihre Position ergeben, gestehen dies auch Vertreter der Authentizität des 2 Petr durchaus zu. Vgl. etwa Bigg, C., A Critical and Exegetical Commentary on the Epistles of St. Peter and St. Jude (ICC), Edinburgh: T. & T. Clark 21902, 301–303, (vgl. dazu Mayor, Second Epistle of St. Peter, 166–169), Kruger, Authenticity, 664, und Green, G. L., Jude and 2 Peter (Baker Exegetical Commentary on the New Testament), Grand Rapids: Baker 2008, 147. 340f. 125 Lindemann, Paulus im ältesten Christentum, 94.
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die anderen Apostel; PolPhil 9,1: Paulus und die anderen Apostel [vgl. vll. auch 1 Kor 9,5]; 1 Clem 42,1: Mose und die anderen Propheten), doch finden sich neben Belegen, in denen die „anderen“ in einer vorteilhafteren Position stehen (Barn 10,5: die anderen „Fische“, die nicht ausschließlich am Meeresgrund leben und deshalb nicht Bild des in der Sünde verhafteten Menschen sind; Herm sim IX,7,2.4: die anderen Steine, die bereits in den Turmbau eingefügt sind und nicht mehr „gereinigt“ werden müssen; vgl. evtl. auch Offb 8,13, wo klimaktisch auf die noch ausstehenden drei anderen Posaunen hingewiesen wird) auch genügend Hinweise auf einen pragmatischen Gebrauch, der schlicht eine Ergänzung markiert (vgl. 2 Kor 12,13: die anderen Gemeinden [neben Korinth]; Mt 25,11: die anderen Jungfrauen; Herm vis IV,2,5: die anderen [= die künftigen] Tage eures Lebens). Noch schwieriger scheint es, in 2 Petr 3,16 ausschließlich christliche Schriften behandelt zu sehen 126, zumal 2 Petr durchgehend massiv Bezug auf die in den Schriften Israels bezeugten Überlieferungen nimmt. Der Konflikt um die rechte Schriftauslegung, den 2 Petr mit seinen Gegnern austrägt, betrifft gerade auch die ererbten prophetischen Schriften (vgl. 2 Petr 1,19–21) 127: Sollten diese an einem entscheidenden Punkt wie 2 Petr 3,16 ausdrücklich nicht im Blick sein? Wenn 2 Petr 3,16 eine andere Begrifflichkeit gebraucht als 2 Petr 1,19 (ὁ προφητικὸς λόγος), so kann jedenfalls daraus nicht auf zwei völlig verschiedene, jeweils zum Streit stehende Schriftenkorpora geschlossen werden 128. 126 Kraus, Sprache, 397, erwägt, es könnten mit αἱ γραφαί die Paulusbriefe selbst gemeint sein: „Die Paulusbriefe werden schon ähnliche Wertschätzung als inspirierte, autoritative Schriften erlangt haben wie die sonst mit γραφαί bezeichneten. Dabei ist es unerheblich, ob der Passus τὰς λοιπὰς γραφάς sich auf die Paulusbriefe selbst oder diesen an Autorität und Anerkennung gleichzusetzenden Schriften bezieht.“ Vinzent, M., Christ’s Ressurrection in Early Christianity and the Making of the New Testament, Farnham/ Burlington: Ashgate 2011, 49, vermutet wohl richtig, dass ein Bezug auf die (übrigen) Paulusbriefe eher mit „die anderen Briefe“ als mit „die anderen Schriften“ ausgedrückt worden wäre. 127 Diesen Punkt unterschätzt Vögtle, Der zweite Petrusbrief, 264, der im „Brief keine Anhaltspunkte für die verfälschende Auslegung von alttestamentlichen Schriften seitens der Gegner“ findet und folgert: „Der Vf. könnte somit auch altbiblische Schriften in ‚die übrigen Schriften‘ einbezogen haben, was indes nicht so sicher ist, wie meist angenommen wird“. 128 So aber Paulsen, Der Zweite Petrusbrief, 175: „Solche ‚übrigen Schriften‘ könnten analog zum sonstigen Sprachgebrauch des frühen Christentums Texte der ‚Schrift‘ bezeichnen, dagegen spricht aber, daß der Vf. in 1,19–21 jene bereits durch Kennzeichnung als προφητικὸς λόγος hervorgehoben hatte. So wird hier von christlichen Texten auszugehen sein; auch sie sind allerdings nicht genau beschrieben, was sich aus der angenommenen Lage des Abschieds und der letzten Worte gut begreifen läßt.“ (kritisch dazu Wehr, Petrus und Paulus, 334 Anm. 786), ähnlich, aber etwas unklar Schmidt, Maskenspiel, 390: „Naheliegender scheint es, dass alle für den Glauben relevanten, gültigen Schriften
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Da die genannten Einwände somit nicht ausreichen, um in 2 Petr 3,16 eine singuläre Ausnahme vom frühchristlichen Sprachgebrauch zu postulieren, lässt sich die bemerkenswerte Aussage dieses Verses nicht entschärfen: Den paulinischen Briefen wird derselbe Rang wie den Schriften Israels zuerkannt, beide sind Teil der für 2 Petr (und seine Gegner! 129) verbindlichen γραφαί 130. In diesem Sinn korrigierte auch Lindemann 2003 seine frühere Position: „Ähnlich wie in PolPhil 12,1 muß der Hinweis auf die (λοιπαὶ) γραφαί nicht unbedingt bedeuten, daß der Autor des 2 Petr die Paulusbriefe unmittelbar zu ‚den (heiligen) Schriften‘ rechnet, zumal das etwas pauschale Adjektiv λοιπός doch recht erstaunlich ist. Andererseits aber wird in der urchristlichen Literatur der Begriff γραφή/γραφαί durchgängig auf die Bibel, d.h. auf das Alte Testament bezogen. Das legt nun doch die Vermutung nahe, daß der Autor des 2 Petr die Paulusbriefe, wenn auch ohne jede Betonung, den γραφαί zurechnet; das bedeutet nicht, daß über den Umfang einer solchen im Entstehen begriffenen Gruppe von ‚Schriften‘ und gar über die Entwicklung hin zu einem, entsprechend den (alttestamentlichen) γραφαί womöglich bereits als ‚kanonisch‘ anzusehenden, ‚Neuen Testament‘ Genaueres gesagt werden könnte.“ 131
gemeint sind. Die Schriften (Plural) sind dann nicht vorrangig die Bücher der Schrift (Singular, vgl. 2 Petr 1,20), sondern andere autoritative Texte.“ Überdies: προφητικὸς λόγος besitzt nicht den selben technischen Charakter wie αἱ γραφαί, könnte in 2 Petr 1,19 zudem den Gedanken an eine bestimmte Schriftstelle (mit)ausdrücken und wird außerdem in 2 Petr 1,20 durch προφητεία γραφῆς begleitet, was wohl kaum auf einen völlig anderen Textbereich zielt und so die Variationsbreite in den Formulierungen des 2 Petr noch einmal unterstreicht. Schließlich steht in 2 Petr 1,19–21 ein Aspekt der Schrift (ihre verlässliche prophetische Qualität) im Vordergrund, während in 2 Petr 3,16 ihre einzelnen Elemente (die Paulusbriefe und andere Texte) besprochen werden (vgl. dazu BauerAland, s.v. γραφή). 129 Vgl. Heckel, Traditionsverknüpfungen, 195. 202. 130 So bereits (mit zum Teil unterschiedlichen Akzentuierungen) Mayor, Second Epistle of St. Peter, 166–169, Bauckham, Jude, 2 Peter, 333, Wehr, Petrus und Paulus, 334, Frankemölle, 1. Petrusbrief, 116, Schelkle, Petrusbriefe, 237, Bénétreau, S., La deuxième épître de Pierre et l’épître de Jude (Commentaire évangélique de la bible), Vaux-sur-Seine: ÉDIFAC 1994, 221, Kelly, Epistles, 373, Grundmann, Der zweite Brief des Petrus, 121f; Chaine, J., Les épîtres catholiques. La seconde épître de Saint Pierre, les épîtres de Saint Jean, l’épître de Saint Jude (Études bibliques), Paris: Gabalda 1939, 95. Vgl. auch Kraus, Sprache, 397, Heckel, Traditionsverknüpfungen, 195, Windisch, H., Die Katholischen Briefe. Dritte, stark umgearbeitete Auflage von H. Preisker (HNT 15), Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1951, 105, und Ruf, Die heiligen Propheten, 199. 131 Lindemann, A., Die Sammlung der Paulusbriefe im 1. und 2. Jahrhundert, in: Auwers, J.-M./deJonge, H. J. (Hg.), The Biblical Canons (BEThL 163), Leuven: University Press/Peeters 2003, 322–351, hier: 342. Vorsichtig in diese Richtung bereits Lindemann, Der Apostel Paulus im 2. Jahrhundert, in: Sevrin, J.-M. (Hg.), The New Testament in Early Christianity. La réception des écrits néotestamentaires dans le christianisme primitif (BEThL 86), Löwen: Peeters/University Press, 39–67, hier: 67 Anm. 123: „Irenäus jedenfalls spricht von Paulusbriefen als von der ‚Schrift‘ … Ist ein solcher Sprachgebrauch möglicherweise schon in 2 Petr 3,15f vorausgesetzt?“
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Kapitel 1: Konturen
Diese Einschätzung muss, wieder abgesehen von der Engführung auf das spätere Alte Testament, Bestandteil einer historischen Einordnung des 2 Petr sein: Wann ist eine selbstverständliche Zuordnung der Paulusbriefe zu den γραφαί plausibel zu machen? Für Richard Bauckham besteht „no real difficulty in dating 2 Pet 3:16 in the late first century“ 132 – doch die von ihm beigebrachten Belege für „[p]ossible early instances of NT texts being called γραφαί“ 133 (1 Tim 5,18; 2 Clem 2,4; Barn 4,14; Polyk 12,1) können dies nicht stützen. Von den jeweils gegeben Unsicherheiten bezüglich des „zitierten“ Textes einmal ganz abgesehen, stammen drei der vier Texte (Barn; Polyk; 2 Clem) deutlich aus dem zweiten Jahrhundert, während ebenfalls in dreien (1 Tim; Barn; 2 Clem) Anspielungen an die Evangelien und nicht an paulinische Briefe zur Diskussion stehen. Nur Polyk 12,1, ein Text, den Ring in seiner Untersuchung leider übersah 134, stellt eine wirkliche Parallele zu dem in 2 Petr 3,16 greifbaren Urteil über die Paulusbriefe dar. Doch „the state of the evidence leaves something to be desired“ 135. So ist einerseits umstritten, ob Polyk 12,1 tatsächlich auf Eph 4,26 zielt; gute Gründe sprechen freilich dafür 136 – und andererseits aufgrund der nur in einer lateinischen Übersetzung vorliegenden Textstelle eine spätere Interpolation bzw. tendenziöse Übersetzung nicht auszuschließen 137. Damit bleibt auffälliger Weise Irenäus (adv. haer. I,6,3) der erste sichere Zeuge für eine Bezeichnung der Paulusbriefe als Teil von αἱ γραφαί 138. Da aber Irenäus nicht deutlich macht, „daß solche Paulusbenutzung in der
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Bauckham, Jude, 2 Peter, 333. Bauckham, Jude, 2 Peter, 333. Ein möglicher Einwand – gerade im Hinblick auf Bauckhams Verortung des 2 Petr – wäre 1 Clem, für den „die Paulusbriefe … offensichtlich nicht zu den ‚Heiligen Schriften‘ (45,2), aus denen bestimmte Beispiele angeführt werden können (45,3–8) [gehören]“ (Lindemann, Sammlung, 339 Anm. 66). 134 Vgl. Ring, Meaning, 63f (Diskussion von Polyk 3,2; 9,1; 11,2!). 65. 92. 135 Holmes, M. W., Paul and Polycarp, in: Bird, M. F./Dodson, J. R. (Hg.), Paul and the Second Century (Library of New Testament Studies 412), London/New York: T. & T. Clark 2011, 57–69, hier: 61. 136 Vgl. Holmes, Polycarp’s Letter, 210f. 137 Vor allem die Singularität dieser Zitateinleitung bei Polykarp, der sonst seine Anspielungen an Paulus und andere christliche Texte geschickt miteinander „verwebt“ (vgl. Holmes, Paul and Polycarp, 62), kann zu einer gewissen Skepsis an ihrer Originalität Anlass geben. 138 Vgl. auch Pouderon, B., D’Athènes à Alexandrie. Études sur Athénagore et les origines de la philosophie chrétienne (BCNH.E 4), Québec/Louvain/Paris: Les Presses de l’Université Laval/Peeters 1997, 283f, der die entsprechenden Belege bei den sogenannten Apologeten auflistet und resümiert (ebd., 284): „Ainsi, les Écritures, pour un chrétien de l’époque des Antonins (jusque vers 180), sont les écrits de Moïse et des prophètes, non les récits évangéliques.“
1.3 Pseudepigraphie und zentrale literarische Verbindungen
31
Kirche etwas prinzipiell Neues gewesen wäre“ 139 und die breite und vielfältige Verwendung der paulinischen Briefe im zweiten Jahrhundert ebenso wie ihre normative Geltung nicht ausschließlich am Gebrauch des Wortes γραφαί zu messen ist 140, darf daraus nicht automatisch geschlossen werden, 2 Petr sei ein Text aus der Zeit des Irenäus. Zudem besitzt die Beziehung des 2 Petr zu Paulus noch einen zweiten markanten Aspekt: Anders als die explizite Erwähnung von Paulus und seinen Briefen in 2 Petr 3,15f erwarten ließe, enthält 2 Petr ansonsten keine eindeutige Referenz an paulinische Texte 141. Die Schwierigkeiten, die
139 140
Lindemann, Paulus im 2. Jahrhundert, 51. An den etwas gequälten Überlegungen bei Davids, P. H., The Letters of 2 Peter and Jude (The Pillar New Testament Commentary), Grand Rapids/Cambridge/Nottingham: Eerdmanns/Apollos 2006, 302–309, ist wohl richtig, dass in unterschiedlichen christlichen Gruppen an unterschiedlichen Orten ein solcher Status der Paulusbriefe zu unterschiedlichen Zeiten erreicht worden sein wird (vgl. ebd., 308). Wenn, was noch zu begründen wäre, Davids’ Vermutung, dass in einem paulinisch geprägten Umfeld die entsprechenden Prozesse schneller ablaufen als in anderen Kontexten und, was ebenfalls (vgl. dazu im Folgenden) neu zu prüfen wäre, 2 Petr aus einem gegenüber Paulus eher distanzierten Umfeld erwachsen wäre, so ergäben sich daraus, wie leicht zu sehen ist, durchaus Konsequenzen für die Auswertung der Entsprechung zwischen 2 Petr 3,15f und Polyk 12,1. 141 Damit unterscheidet er sich deutlich von der ebenfalls von Paulus als Briefschreiber sprechenden Philipperkorrespondenz des Polykarp, vgl. dazu Holmes, Polycarp’s Letter, 201–218. 225–227. Koperski, V., Knowledge of our Lord Jesus Christ. Echoes of Paul in 2 Peter, in: Schlosser, J. (Hg.), The Catholic Epistles and the Traditions (BEThL 176), Löwen: University Press/Peeters 2004, 461–472, hier: 462, spricht von einem weitgehenden „scholarly consensus regarding the lack of literary and/or theological influence of Paul’s writings on 2 Peter“. Punkte, an denen klassischerweise paulinischer Einfluss diskutiert wird, sind 2 Petr 3,10 (vgl. 1 Thess 5,2 sowie auch Mt 24,42–44; Lk 12,39f und Offb 3,3; 16,5; [zur möglichen Verwendung des 1 Thess in den Apost. Vätern vgl. mit negativem Urteil Holmes, Polycarp’s Letter, 213f]), wo Koperski, Echoes of Paul, 466 Anm. 26, meines Erachtens mit guten Gründen zeigt, „that dependence is more likely than not“ (vgl. für skeptischere Urteile z. B. Bauckham, Jude, 2 Peter, 147. 305f [paränetische Tradition] und Vögtle, Der zweite Petrusbrief, 233 Anm. 26 [unentschieden]), 2 Petr 2,19, wo das Stichwort ἐλευθερία gerne als möglicher Hinweis auf eine Missdeutung des paulinischen Freiheitsbegriffs (vgl. nur Gal 5,13–17) seitens der Gegner des 2 Petr gelesen wird (vgl. etwa Bauckham, Jude, 2 Peter, 275f. 332f, und Paulsen, Der Zweite Petrusbrief, 143f; Smith, Petrine Controversies, 91f sieht ἐλευθερία hier in funktionaler Entsprechung zum Begriff γνῶσις) sowie die formale Gestaltung des Briefes (vgl. Koperski, Echoes of Paul, 467f, und zuletzt Ruf, Die heiligen Propheten, 44–87, während nach Lindemann, Paulus im ältesten Christentum, 261, „das Briefformular des 2 Petr keine signifikante Ähnlichkeit mit dem der Paulusbriefe [zeigt]“). „Maximallisten“ bieten Barnett, A. E., Paul Becomes a Literary Influence, Chicago: University of Chicago Press 1941, 222–228 (25 Berührungen unterschiedlichen Gewichts), und Neyrey, 2 Peter, Jude, 250 (16 Anklänge), vgl. dazu kritisch Koperski, Echoes of Paul, 463f.
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Kapitel 1: Konturen
2 Petr bekannten Paulusbriefe 142 zu bestimmen und die Diskrepanz zwischen expliziter Nennung und (scheinbar 143) fehlender Rezeption der Paulusbriefe zu erklären, stellen somit ein doppeltes Rätsel für die Arbeit am 2 Petr dar 144. Zwei Erklärungsmöglichkeiten sind meines Erachtens dabei besonders zu erwägen: Zum einen könnte der Verfasser des 2 Petr einer Tradition entstammen, die wenig oder kaum mit paulinischer Theologie in Berührung stand, und den 2 Petr zu einem Zeitpunkt schreiben, da sich dies zu ändern beginnt 145. Zum anderen gilt es aber womöglich (auch), die opinio communis, 2 Petr zeige keinen paulinischen Einfluss, kritisch anzufragen und dabei vor allem zu überprüfen, ob die Methodik 146, nach der bislang nach solchem Einfluss in 2 Petr gefahndet wurde, den literarischen Gepflogenheiten des zweiten Jahrhunderts (besser: des sozialen und theologischen Umfelds des 2 Petr) angemessen ist 147. 142 Die Vorschläge sind hierzu zahl- und variationsreich. Den größten Anhalt im Text des 2 Petr besitzt sicherlich die Unterstellung einer Kenntnis des 1 Thess (vgl. 2 Petr 3,10 mit 1 Thess 5,2) und des Röm (vgl. 2 Petr 3,15a mit Röm 2,4), wiewohl sich auch hier nichts beweisen lässt. Vor allem stellen sich zwei methodische Grundprobleme: (1) Zum einen ist zu klären, wie „ernst“ die Aussagen des 2 Petr über die Paulusbriefe und ihren Inhalt zu nehmen sind und ob eine reale, paulinische und petrinische Korrespondenz im Hintergrund von 2 Petr 3,15f anzunehmen ist. Die Aussage zu 1 Petr in 2 Petr 3,1 (vgl. dazu oben) macht hier eher skeptisch. (2) Zum anderen fehlt, solange 2 Petr keine verlässliche historische Einordnung erfährt, jeder textexterne Anhaltspunkt, wie viel Paulusgebrauch diesem Text aufgrund seiner historischen Situation als plausibel zu unterstellen ist. Überspitzt formuliert: Wäre 2 Petr ein Text des dritten oder vierten Jahrhunderts, würde über mögliche in ihm enthaltene Anspielungen auf Paulus wohl wesentlich optimistischer geurteilt. 143 Für Koperski, Echoes of Paul, 472, besteht „the likelihood that the author of 2 Peter was more familiar with the writings of Paul than is usually admitted“. 144 Vgl. Lindemann, Paulus im ältesten Christentum, 262f, der vermutet, „daß der Vf zwischen seiner aktuellen Situation und den paulinischen Briefen keinen sinnvollen Zusammenhang herzustellen vermochte oder einen solchen Zusammenhang nicht herstellen wollte“, ohne aber darin eine befriedigende Lösung der Problematik zu sehen. 145 Vgl. Bauckham, Jude, 2 Peter, 148. 146 Zu diesem methodischen Problem vgl. auch Sim, D. C., Matthew and the Pauline Corpus. A Preliminary Intertextual Study, in: JSNT 31 (2009), 401–422, der in Mt 16,17–18a einen kritischen Rückgriff auf Gal 1,12.16f und 1 Kor 10,4c erkennen möchte, dabei allerdings – für sein Argument durchaus unnötig – in 2 Petr am Ende des ersten Jahrhunderts „a large Pauline corpus“ (Sim, Pauline Corpus, 407) bezeugt sieht. 147 Einen wichtigen Schritt in diese Richtung geht Koperski, Echoes of Paul, 472, für die vor allem das Motiv der ἐπίγνωσις/γνῶσις Christi „the possibility of an intentional allusion“ nahelegt. Träfe diese Vermutung zu, wäre 2 Petr gerade in einem seiner zentralen Themen (vgl. 2 Petr 1,2; 1,8; 2,20; evtl. 1,3) von Paulus geprägt. Überdies verweist Koperski richtig auf die starke Assimilation, der 2 Petr seine Quellen unterwirft und die auch in Bezug auf den (möglichen) Umgang mit Paulus zu veranschlagen ist (vgl. ebd., 472). Zwei kritische Anmerkungen zu Koperskis Ansatz sind aber nötig. (1) Wenn Koperski neben Joh 17,3 und 2 Petr nur in Phil 3,8, 1 Kor 2,2; 8,7 (vgl. 1 Kor 2,14–16)
1.3 Pseudepigraphie und zentrale literarische Verbindungen
33
Zusammenfassend lässt sich zur Beziehung des 2 Petr zu Paulus festhalten: Nur oder vor allem auf 2 Petr 3,15f eine Datierung des 2 Petr in das späte zweite Jahrhundert zu gründen 148, ist wenig überzeugend und wird der Komplexität des 2 Petr nicht gerecht. Vernünftiger ist es, vorsichtig festzustellen, dass der in 2 Petr 3,15f ausgedrückte Status der Paulusbriefe gut zu der uns bekannten Literatur der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts passen würde (vgl. v.a. Irenäus, adv. haer. I,6,3), eine frühere Abfassung des 2 Petr aber sicher nicht ausschließt 149. Jede historische Verortung des 2 Petr wird darüber hinaus versuchen müssen, eine plausible Erklärung für die Spannung zwischen expliziter Nennung der Paulusbriefe und ihrem (scheinbar) geringem Einfluss auf 2 Petr anzubieten.
und 2 Kor 5,16 (vgl. 2 Kor 2,14; 4,16) „knowledge of/knowing Christ nomenclature“ (ebd., 466f) im Neuen Testament entdeckt, dann gelingt das nur bei textkritischer Einklammerung von Kol 2,2 („The author of Colossians appears to be approaching the ‚knowledge of Christ‘ usage in 2,2, but there are a number of textual variants.“ [ebd., 467]) und Nichtbeachtung von Eph 4,13 (μέχρι καταντήσωμεν οἱ πάντες εἰς τὴν ἑνότητα τῆς πίστεως καὶ τῆς ἐπιγνώσεως τοῦ υἱοῦ τοῦ θεοῦ; vgl. Eph 1,7). Im Unterschied zu den Belegen aus den Protopaulinen verwendet Eph 4,13 zudem ἐπίγνωσις mit christologischem Genetivobjekt (Phil 3,8; 1 Kor 8,7; 2 Kor 2,14; 4,6: γνῶσις; Phil 3,11; 1 Kor 2,2.14–16 und 2 Kor 5,16 formulieren verbal; Phil 1,9 hat absolutes ἐπίγνωσις), wie dies überwiegend auch die von der „Erkenntnis Christi“ sprechenden Aussagen des 2 Petr tun (vgl. 2 Petr 1,2; 1,8; 2,20; evtl. 1,3; die Ausnahme bildet 2 Petr 3,18 mit γνῶσις). Ohne vorschnell literarische Abhängigkeit annehmen zu wollen, ist Eph 4,13 im Kontext der „Erkenntnis Christi“ in 2 Petr somit im Auge zu behalten (vgl. Barnett, Literary Influence, 223, der allerdings nur ἐν ἐπιγνώσει τοῦ θεοῦ in 2 Petr 1,2 mit ἐν ἐπιγνώσει αὐτοῦ in Eph 1,17 vergleicht und somit gerade nicht die christologische Füllung der ἐπίγνωσις in den Blick nimmt). (2) Unter methodischem Gesichtspunkt kann der Fokus auf die „echten“ Paulusbriefe bei der Analyse eines Textes des zweiten Jahrhunderts immer nur ein (erster) Teilschritt sein, wie auch Koperskis Hinweis auf Tit als möglichen Teil der Paulusbriefsammlung des 2 Petr (vgl. ebd., 468) zu erkennen gibt. Gerade wenn 2 Petr Nähen zu den Past aufweist – so Sidebottom, E. M., James, Jude and 2 Peter (The Century Bible. New Edition), London: Nelson 1967, 97 („The Pastoral Epistles provide far more parallels. Here is, in fact, the milieu of this epistle.“), Farkasfalvy, Ecclesial setting, 11, Kraus, Sprache, 412, und Ruf, Die heiligen Propheten, 584f, – müssten diese in eine Untersuchung der „Paulus“rezeption des 2 Petr mit einbezogen werden. 148 Vgl. neben den oben Genannten auch Peake, A. S., A Critical Introduction to the New Testament (Studies in Theology 17 [Nr. nicht ausgewiesen]), New York: Charles Scribner’s Sons 1921, 99. 149 Prostmeier, Rez. Knoch, 127f: „In der ersten Hälfte des 2.Jh. kann jedenfalls nicht von einer normativen Geltung einer pln. Sammlung ausgegangen werden. In verschiedenen Schriften besitzt die apostol. Autorität aber bereits solchen Rang, daß auch der umstritten [sic] Paulus davon profitiert haben muß. Reflektiert nun der 2 Petr diese Phase der Kanonisierung pln. Schriften?“ Prostmeier erwägt ebd., 128, vorsichtig eine Entstehung des 2 Petr um 130/140 n.Chr.
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Kapitel 1: Konturen
1.3.5 Bekanntschaft mit den kanonisch gewordenen Evangelien? Im Unterschied zur offensichtlichen Nähe zu Jud und den expliziten Verweisen auf 1 Petr und die Briefe des Paulus ist das Verhältnis des 2 Petr zu den später kanonisch gewordenen Evangelien 150 wesentlich schwieriger zu fassen. Die meisten und deutlichsten Berührungen weist 2 Petr mit dem Matthäusevangelium auf (vgl. 2 Petr 2,6/Mt 10,15; 2,9/6,13; 2,14/5,27–29; 2,20/12,45[Lk 11,26]; 2,21/21,32; 2,22/7,6; 3,4/24,3.27.37.39; 3,4.9/24,48 und 25,5; 3,13/19,28), dessen Kenntnis vor allem die Form der Himmelsstimme bei der Verklärung (vgl. 2 Petr 1,17 mit Mt 17,5 [vgl. Mt 12,18]) nahezulegen scheint 151, ohne dass deshalb 2 Petr sogleich (nur) als Repräsentant „jenes Judenchristentum[s], das im NT im Matthäusevangelium seinen deutlichsten Niederschlag gefunden hat“ 152 bestimmt zu werden brauchte 153 oder Mt hinsichtlich einer zeitlichen oder geographischen Einordnung des 2 Petr von besonderem Nutzen wäre 154. 150 Verbindungen zu später apokryph gewordenen Evangelien wurden mit Ausnahme des EvPetr (vgl. dazu 2.3) in der Forschung zu 2 Petr, soweit ich sehe, nicht ernsthaft erwogen. Der predigtartige Text, der unter dem Titel „Evangelium der Wahrheit“ in NHC I,3 und (bruchstückhaft) XII,2 überliefert ist und vielleicht mit dem von Irenäus, adv. haer. III,11,9 erwähnten valentinianischen Evangelium in Beziehung steht, wurde – kaum überzeugend – von Bauckham, Jude, 2 Peter, 163 (auch ders., 2 Peter-Account, 3741), unter die möglichen Rezipienten des 2 Petr gerechnet (vgl. v.a. EvVer 33,15f mit 2 Petr 2,22), wobei selbst sein Gewährsmann Helmbold, A. K., The Nag Hammadi Gnostic Texts and the Bible (Baker Studies in Biblical Archaeology 5), Grand Rapids: Baker Book House 1967, 91 Anm. 6, diesbezüglich recht zurückhaltend geblieben war. 151 Vgl. dazu insbesondere Miller, R. J., Is There Independent Attestation for the Transfiguration in 2 Peter?, in: NTS 42 (1996), 620–625, sowie Schmidt, Maskenspiel, 311 Anm. 32, und Heckel, Traditionsverknüpfungen, 198f. Lövestam, Eschatologie und Tradition, 297f, sieht „auffällige Ähnlichkeiten“ zwischen 2 Petr 3,3–13 und Mt 24,34– 51, die er aber nicht als Zeichen literarischer Abhängigkeit, sondern als Verbindungen zu „demselben Traditionsstrom“ wertet. 152 Vgl. Dschulnigg, P., Der theologische Ort des Zweiten Petrusbriefes, in: BZ 33 (1989), 161–177, 168 [im Original kursiv gesetzt]. Sicherlich übertrieben ist es auch, zu konstatieren, die Christologie des 2 Petr entspräche „[i]nhaltlich … voll der Menschensohn-Christologie des Mt“ (Dschulnigg, Der theologische Ort, 170). Zur Kritik an dieser Position vgl. v.a. Wehr, Petrus und Paulus, 350–354, und Kraus, Sprache, 376–379. 153 Kraus, Sprache, 376–379, wertet die von Dschulnigg, Der theologische Ort, 168– 177, bes. 171–173, genannten Berührungen mit Ausnahme von Mt 12,45(Lk 11,26)/ 2 Petr 2,20 (vgl. ebd., 379) sehr skeptisch, kommt aber zu dem Schluss: „Wenngleich keine Abhängigkeit von Mt wie auch von keinem anderen bekannten Evangelium … verifizierbar ist, so scheint [sic] letztlich Mt oder mit diesem zusammenhängende Überlieferungen dem Autor von 2Petr zumindest bekannt gewesen zu sein.“ 154 Allzu knapp und skeptisch ist aber die entsprechende Analyse bei Köhler, W.-D., Die Rezeption des Matthäusevangeliums in der Zeit vor Irenäus (WUNT II/24), Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1987, 486.
1.3 Pseudepigraphie und zentrale literarische Verbindungen
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Mit Blick auf das Lukasevangelium sind die zweimalige Nennung der δόξα (2 Petr 1,17; vgl. Lk 9,31) im Zusammenhang der Verklärungsschilderung und das im Kontext gebrauchte Stichwort ἔξοδος (2 Petr 1,15; vgl. Lk 9,31) ebenso wie die Zusammenstellung von Noah und Lot als Vorausbilder der Endzeit (im späteren Neuen Testament nur Lk 17,26–30 und 2 Petr 2,5–9) 155 durchaus auffallend 156, aber für die begründete Vermutung literarischer Abhängigkeit kaum ausreichend 157. Interessant sind überdies, das sei hier erwähnt, einige Berührungen zwischen 2 Petr und den PetrusReden in der Apostelgeschichte 158. Ob, und wenn ja, welche Signifikanz ihnen zukommt, müsste noch einmal eigens geprüft werden; selbstverständlich können sie aufgrund der literarischen Gestalt der Apg nicht, wie dies Michael Green vorsichtig versucht 159, als Argument für die Authentizität des 2 Petr in Stellung gebracht werden. In ähnlicher Weise ist auch die Frage, ob das die Interpreten seit jeher irritierende Futur σπουδάσω in 2 Petr 1,15 160 auf das Markusevangelium hinzielt, unabhängig von der Authentizitätsfrage zu diskutieren. Petrus kündigt hier an, sich darum zu mühen, dass die Adressaten auch nach sei155 156 157 158
Vgl. Fornberg, Early Church, 41, aufgegriffen bei Wasserman, Jude, 82. Vgl. Farkasfalvy, Ecclesial Setting, 6f. So auch Ruf, Die heiligen Propheten, 587f. Zu beachten sind besonders (a) die Namensform „Simeon“ für Petrus – ntl. nur in 2 Petr 1,1 sowie im Mund des Jakobus Apg 15,14; (b) λαγχάνω: 2 Petr 1,2 und Apg 1,17 [ntl. sonst nur Lk 1,9 und Joh 19,24]; (c) μισθὸς [τῆς] ἀδικίας: ntl. nur 2 Petr 2,13.15 und Apg 1,18; (d) vgl. Apg 3,21 mit 2 Petr 3,2; (e) vgl. Apg 3,19–20 mit 2 Petr 3,12 (zu (c) und (e) vgl. Lövestam, Eschatologie, 299f). Vgl. dazu auch Apg 5,31, die einzige klare Stelle (vgl. auch Tit 2,13 nebst Tit 1,4) unter den später neutestamentlichen Texten, die neben 2 Petr 1,11; 2,20; 3,2.18 (vgl. 2 Petr 1,1) σωτήρ mit einem anderen christologischen Titel kombiniert (vgl. Koperski, Echoes of Paul, 466 Anm. 26). 159 Vgl. Green, 2 Peter and Jude, 39 mit Anm. 2. 160 Damit eng verbunden ist natürlich die Frage nach dem ähnlichen Futur μελλήσω in 2 Petr 1,12. Für einen möglichen Verweis auf Mk ist aber vor allem 2 Petr 1,15 entscheidend, da dort von Petrus offenbar ein Text angekündigt wird, während 2 Petr 1,12 unbestimmter bleibt. Deshalb ist es berechtigt, im Folgenden vor allem 2 Petr 1,15 in den Blick zu nehmen, während eine detaillierte Exegese von 2 Petr 1,12–15 hier nicht geboten werden kann. Angemerkt sei aber, dass mir mit Bénétreau, 2 Pierre, 100, eine möglichst weite Auffassung des Futur in 2 Petr 1,12, die neben dem aktuell zu verfassenden Brief (vgl. 2 Petr 1,13; 3,1) auch andere Aktivitäten des Petrus in Gegenwart und Zukunft umfasst, als geboten erscheint. Wenig überzeugend ist hingegen die Einschätzung von Poirier, J. C., 2 Peter’s Knowledge of the Transfiguration’s Synoptic Context, Vortrag am Annual Meeting der Society of Biblical Literature, San Francisco, 21. 11. 2011 [online abrufbar unter http://austingrad.edu/images/SBL/2%20Peters%20Knowledge.pdf; 8. 2. 2013], 17, „2 Peter 1:16’s reference to ‚his glory and power‘“ sei „an unmistakable echo of Mark 9:1“. Gleichwohl sind die von Poirier zum Verhältnis des 2 Petr zu den Synoptikern gemachten Beobachtungen dann von besonderem Interesse, wenn aus anderen Gründen eine Kenntnis eines oder mehrerer der synoptischen Evangelien seitens 2 Petr wahrscheinlich gemacht werden kann.
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Kapitel 1: Konturen
nem Tod die Möglichkeit haben, sich an seine Verkündigung zu erinnern. Da diese Möglichkeit jederzeit gegeben sein soll, wird bei dem angekündigten Hilfsmittel an einen Text zu denken sein 161. Im zweiten Jahrhundert ist nun breit bezeugt, dass dem Markusevangelium die Funktion zugesprochen wurde, an die Verkündigung Petri zu erinnern. Neben der berühmten Papias-Notiz (Eusebius, h.e. III,39,14f) ist dabei wohl auch an Justin (dial. 106,3) 162, sicher aber an Irenäus (adv. haer. III,1,1) und schließlich an Clemens Alexandrinus zu denken, wobei in den Texten des Letzteren der Konnex zwischen Markusevangelium und Petrus nicht weniger als dreimal 163 (adumbr. in I Petr 5,13 164, sowie hyp. frg. 8,4– 12 [= Eusebius, h.e. VI,14,6f] und unter Rückgriff auf „die Presbyter“ hyp. frg. 9,4–20 [= Eusebius, h.e. II,15,1f]) begegnet. Es scheint daher naheliegend, auch in 2 Petr 1,15 eine Reminiszenz an diese Tradition zu vermuten – doch die große Mehrheit der Interpreten lehnt eine solche Deutung aus vier, meines Erachtens nicht überzeugenden Gründen zum Teil entschieden ab 165: (1) Ein erstes Argument ist die Annahme, eine Deutung von 2 Petr 1,15 auf das Markusevangelium sei untrennbar mit der These der Authentizität des 2 Petr verbunden. Besonders deutlich formuliert dies der einflussreiche Kommentar von John Norman Davidson Kelly: „At first sight the cast of the sentence, with its future tense, seems to imply that he is promising a further work, and on the theory of Petrine authorship commentators have 161 162
Vgl. Bénétreau, 2 Pierre, 104. Einen Bezug auf die Mk-Petrus-Traition an dieser Stelle macht Thornton, C.-J., Justin und das Markusevangelium, in: ZNW 84 (1993), 93–100, wahrscheinlich. 163 Nähme man den zweifelhaften „Brief an Theodorus“ (vgl. dazu unten in Teil 4) hinzu, wären es sogar vier Belege. 164 Diese Stelle wird dabei in einschlägigen Diskussionen (vgl. z.B. Mitchell, M. M., Patristic Counter-Evidence to the Claim that ‚The Gospels Were Written for All Christians‘, in: NTS 51 [2005], 36–79, hier: 47–53) gerne übersehen. 165 Der Nachdruck, mit dem mitunter formuliert wird, kann dabei skeptisch machen, ob die Autoren ihrer Sache wirklich so sicher sind, vgl. Schelkle, Petrusbriefe, 196 (zur Deutung auf 2 Petr selbst: „dies allein kann der Sinn sein“), Vögtle, Der zweite Petrusbrief, 161 („nicht ein anderes seiner Werke … oder gar das Markusevangelium“), Fuchs/Reymond, Deuxième épître de Pierre, 65 („Sans doute … à toute son épître“), Paulsen, Der Zweite Petrusbrief, 115 Anm. 90 („Die Vermutung, es wäre an einen anderen Text gedacht …, hilft nicht weiter.“), und Ruf, Die heiligen Propheten, 243 („Dieser Markushypothese haftet der Mangel großer Konstruiertheit an.“). Statt auf Mk wird 2 Petr 1,15 dabei zumeist auf das Gesamt des 2 Petr (so etwa Fornberg, Early Church, 19, Bauckham, Jude, 2 Peter, 201f, und Vögtle, Der zweite Petrusbrief, 161) bzw. auf 2 Petr 1,16–3,18 (so Sylva, D. D., A Unified Field Picture of Second Peter 1.3–15. Making Rhetorical Sense out of Individual Images, in: Webb, R. L./Watson, D. F. [Hg.], Reading Second Peter with New Eyes. Methodological Reassessments of the Letter of Second Peter [Library of New Testament Studies 382], London/New York: T. & T. Clark 2010, 91–118, hier: 111–114) bezogen.
1.3 Pseudepigraphie und zentrale literarische Verbindungen
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often identified this either as some document now lost or as Mark’s Gospel, which the ancient Church (e.g. Irenaeus, Haer. iii. 1. 1.; Eusebius, Hist. eccl. ii. 15; iii. 39. 15) regarded as enshrining the Apostle’s teaching. Neither conjecture has any plausibility if we are satisfied that 2 Peter is pseudonymous.“ 166
Hier ist deutlich zu sehen, wie dem (philologisch versierten) Kommentator der vom Text her nächstliegende Gedanke aufgrund einer bestimmten historischen Hypothese untragbar wird. Gerne wird man mit Kelly dem Gedanken an verlorene Texte oder an andere Petrusschriften mangelnde Plausibilität zuerkennen. Bezüglich der Markus-Hypothese wäre dies aber ein schweres Missverständnis, denn der Bezug zu Mk gewinnt gerade dann an Plausibilität, wenn man 2 Petr als pseudopetrinischen Text des zweiten Jahrhunderts liest: Während bei petrinischer Abfassung im ersten Jahrhundert beinahe zwingend zusätzlich auch für die Papias-Notiz historische Verlässlichkeit veranschlagt werden muss und die Vielzahl der vom in Todesnähe befindlichen Petrus angespielten christlichen Texte erstaunt, ist es durchaus begreiflich, dass der Verfasser eines pseudonymen Petrustextes im zweiten Jahrhundert eine wichtige, mit Petrus verbundene Tradition zur Gestaltung seiner Verfasserfiktion nutzt, wobei eine inhaltliche Nähe zum Mk keineswegs gegeben sein muss (vgl. 2 Petr 3,1 und 1 Petr). Die Verbindung zu Mk muss auch nicht durch die Zusatzhypothese, Irenäus (adv. haer. III,1,1) hätte 2 Petr 1,15 entsprechend gelesen, gestützt werden 167. Irenäus, der 2 Petr aller Wahrscheinlichkeit nicht kennt (vgl. unten 3.4), ist schlicht einer von mehreren Zeugen für eine Tradition, deren Relevanz auch für 2 Petr 1,15 erwogen werden muss. (2) Ein zweites Argument besteht im Hinweis, dass nur Clemens, hyp. frg. 9 eine Approbation des Mk durch Petrus schildere, Petrus aber nie als Auftraggeber des zweiten Evangeliums in Erscheinung trete 168. Diese Überlegung verfinge nur, wenn die Haltung des Petrus in der Mk-PetrusTradition einheitlich mit dem „no comment“ (τὸν Πέτρον προτρεπτικῶς μήτε κωλῦσαι μήτε προτρέψασθαι) aus dem zweiten über Petrus und Markus sprechenden Hypotyposen-Fragment (frg. 8) wiedergegeben würde. Gerade die Vielfalt der Tradition bzw. Traditionen – bereits bei einem Autor – lässt Raum für unterschiedliche Akzentuierungen des entscheidenden Grundgehalts: Mk basiert auf der Predigt des Petrus. 166 167
Kelly, Epistles, 314 [Hervorhebung Grünstäudl]. Dies scheint in der Spur von Bauckham, Jude, 2 Peter, 202, bei Ruf, Die heiligen Propheten, 244, vermutet zu werden. Vgl. auch Bénétreau, 2 Pierre, 105 Anm. 2. 168 Zur Argumentation, der Text von 2 Petr 1,15 „leads us to see Peter, not a disciple, as the one who is doing the writing“ (Sylva, Unified Field Picture, 112 Anm. 57; ähnlich bereits Schelkle, Petrusbriefe, 196 Anm. 1) richtig Bénétreau, 2 Pierre, 105 Anm. 1: „La formulation du v. 15 est assez large pour inclure une œuvre qui ne serait pas rédigée par l’auteur lui-même, mais dont il aurait pris l’initiative ou souhaité la réalisation.“
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Kapitel 1: Konturen
Überdies sollte man nicht übersehen, wie nahe die Funktionsbestimmung des Mk in Clemens, adumbr. in I Petr. 5,13, (memoria commendare) an 2 Petr 1,15 (μνήμην ποιεῖσθαι) heranreicht. (3) An dritter Stelle ist der Einwand zu besprechen, 2 Petr weise sonst keine Berührungen mit Mk auf, vor allem nicht da, wo Material aus synoptischer Tradition in 2 Petr präsent ist. Wie schon oben gesagt, ist aber ein die Verfasserfiktion stützender Rückgriff auf eine bestimmte PetrusTradition keine Selbstverpflichtung, diese Tradition auch sonst auszubeuten. Des Weiteren verweist etwa Bauckham auf mögliche Berührungen mit Mk 169. Diese besitzen jedoch Parallelen bei Mt und Lk und sind so nicht für eine mögliche Vertrautheit des 2 Petr mit Mk in Anschlag zu bringen. Durchaus auffällig ist aber die Wendung ἀπ᾽ ἀρχῆς κτίσεως (2 Petr 3,4; Mk 13,19; vgl. Mk 10,6), die außer in 2 Petr 3,4 „[w]ortwörtlich … vor dem vierten nachchristlichen Jahrhundert ausschließlich zweimal im Markusevangelium [begegnet]“ 170. Wenngleich bemerkenswert, kann diese Parallele eine literarische Verwandtschaft von Mk und 2 Petr natürlich nicht erweisen 171, als Anfrage an die These, 2 Petr berühre sich gar nicht mit Mk, ist sie aber ernst zu nehmen. (4) Für Samuel Bénétreau, von dem die wahrscheinlich behutsamste Abwägung der Deutungsmöglichkeiten in 2 Petr 1,15 stammt und der die Mk-Hypothese als „tentante“ 172 bezeichnet, „le plus gros obstacle est constitué par la référence à ces choses (tauta), qui désignent selon toute vraisemblance, nous l’avons dit, l’enseignement des v. 3–11 sur la grâce et l’effort. Un tel enseignement ne correspond guère à une narration évangélique…“ 173. Doch auch dieses Argument verliert bei näherem Hinsehen seine Überzeugungskraft. Vor allem sind τούτων (2 Petr 1,15) und περὶ τούτων (2 Petr 1,12), die unstrittig auf 2 Petr 1,3–11 zurückverweisen, mit den „Inhaltsangaben“ in 2 Petr 3,1f (zu beiden Petrusbriefen) und in 2 Petr 3,16 (zu den Paulusbrie169 Vgl. Bauckham, Jude, 2 Peter, 148. 170 Ruf, Die heiligen Propheten, 499. 171 Dafür ist die Phrase ἀπ᾽ ἀρχῆς (als
Verweis auf die Schöpfung) mitsamt ihrer Variationen (vor allem in der Weisheitsliteratur) zu breit belegt, vgl. Ruf, Die heiligen Propheten, 499 mit Anm. 723. Auch Spekulationen darüber, ob Mk für die Gegner des 2 Petr eine bedeutsame Referenzgröße war – in 2 Petr 3,4 begegnet ἀπ᾽ ἀρχῆς κτίσεως, das in Mk 13,19 apokalyptische Rede Jesu ist, im Mund der „Spötter“ – und deshalb von 2 Petr nochmals eng mit der Autorität des Petrus verbunden werden sollte, verbieten sich angesichts der Fragmentarität des Befundes. 172 Bénétreau, 2 Pierre, 105. 173 Bénétreau, 2 Pierre, 105. Vgl. Bauckham, Jude, 2 Peter, 202: „… τούτων (‚these things‘) in this verse must still refer to the summary of Peter’s teaching described in that way“, und Ruf, Die heiligen Propheten, 244. Für Bénétreau folgt daraus, dass die Frage, welcher apostolische Text in 2 Petr 1,15 angezielt ist, offen bleiben muss.
1.3 Pseudepigraphie und zentrale literarische Verbindungen
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fen) zu vergleichen. An beiden Stellen bezieht sich 2 Petr auf den Inhalt der angeführten Texte, so wie er sich ihm darstellt bzw. so wie er ihn akzentuieren möchte, nicht wie er nach modernen Maßstäben korrekt referiert werden müsste; an beiden Stellen wird durchaus pauschal und unscharf (in 2 Petr 3,16 wiederum mit περὶ τούτων) formuliert. Auch die Darstellung von Grund, Gehalt und Ziel christlicher Existenz, wie sie in 2 Petr 1,3–11 zu finden ist, stammt in dieser Form vom Verfasser des 2 Petr und ist aus seiner Perspektive auf das mysterium fidei entworfen. Die spezifische Akzentsetzung, die der Verfasser dabei vornimmt („the freedom of interpreting Peter’s message in Hellenistic religious vocabulary which the apostle would doubtless not have used“ 174), ist auch bei der Analyse seines Rückbezugs in 2 Petr 1,12.15 zu berücksichtigen. Eine aus Sicht des Verfassers des 2 Petr gegebene Inkompatibilität von 2 Petr 1,3–11 mit dem Mk sollte man auf dem Hintergrund seiner ganz spezifischen theologischen Prägung, seiner Aussagen zu den Petrus- und Paulusbriefen sowie der Prominenz der Motive „Berufung“ (2 Petr 1,3.10), „Verheißung“ (2 Petr 1,4), „Erkenntnis Jesu Christi“ (2 Petr 1,3.8; vgl. 2 Petr 1,2; 3,18), „Eingang in die βασιλεία“ (2 Petr 1,11) und „Blindheit“ (2 Petr 1,9) nicht zu schnell unterstellen. Überdies ist in kontextueller Perspektive auch zu beachten, dass mit 2 Petr 1,16–18 der vielleicht deutlichste Rückbezug des 2 Petr auf synoptische Traditionen direkt auf 2 Petr 1,15 folgt. Betrachtet man 2 Petr konsequent als Text des zweiten Jahrhunderts, so bietet sich deshalb ein die petrinische Verfasserfiktion (mit)konstruierender Verweis auf das Mk als natürlichste Erklärung für die futurische Formulierung in 2 Petr 1,15 an, weshalb es unnötig ist zu vermuten, 2 Petr kreiere hier – und nur hier: vgl. 2 Petr 3,1 (γράφω) sowie ferner 2 Petr 1,13 – ein durch die Abschiedssituation angeregtes „futur épistolaire“ 175. Nochmals sei betont, dass dies keine reale Beziehung zwischen Petrus und Mk voraussetzt, sondern nur deren traditionelle Verbindung in der Literatur des zweiten Jahrhunderts. In manchem ist der Befund zum Johannesevangelium dem zum Mk vergleichbar. Wiederum fehlen in 2 Petr markante Begriffe, Konzeptionen und sprachliche Berührungen, die eine Kenntnis dieses Evangeliums bzw. der johanneischen Tradition im Allgemeinen seitens 2 Petr wahrscheinlich ma-
174 175
Bauckham, Jude, 2 Peter, 197. So die ironisch gemeinte Bezeichnung bei Bénétreau, 2 Pierre, 103. Die Schwierigkeiten, die mit einer Deutung der Ankündigung von 2 Petr 1,15 auf 2 Petr selbst verbunden sind, verdeutlicht besonders die Argumentation bei Bauckham, Jude, 2 Peter, 201; vgl. dazu kritisch Sylva, Unified Field Picture, 112 Anm. 58.
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Kapitel 1: Konturen
chen würden 176. Wiederum ist es eine rätselhafte Stelle in 2 Petr, die in der Forschung als mögliche Reminiszenz auf einen Evangelientext diskutiert wird. Im Falle des Joh ist dies 2 Petr 1,14, wo Petrus sein – in testamentarischen Texten topisches – Wissen um den baldigen (nicht plötzlichen) Tod zusätzlich mit einer Offenbarung Jesu Christi begründet. Vergleichbar mit 2 Petr 3,16 wird dabei eine weitere Autorität eingeführt, die 2 Petr offenbar bei seinen Lesern voraussetzt. Zumeist wird diese Autorität im Christuswort Joh 21,18 gefunden 177, wenngleich kaum ein Ausleger vergisst, auf die Problematik dieser Verbindung hinzuweisen 178. Es fehlen nicht nur nennenswerte semantische Berührungen; auch die Differenz zwischen der Ankündigung eines gewaltsamen Todes im Alter (Joh) und der eines baldigen Todes (2 Petr) ist beträchtlich 179. Die Verknüpfung von 2 Petr 1,14 mit Joh 21,18f erscheint somit als eine Art Verlegenheitslösung der Exegese, wie dies besonders prägnant Theodor Heckel formuliert: „Natürlich muß 2 Petr 1,14 nicht auf Joh 21,18f anspielen, es wäre auch ein uns unbekanntes Literaturstück mit einer ähnlichen Ankündigung denkbar. Sehr wahrscheinlich aber ist ein solches Literaturstück allerdings nicht, da von ihm jede auch nur polemische Spur fehlt.“ 180
176 Ruf, Die heiligen Propheten, 589f. Wie bereits bei 1 Petr und den Paulusbriefen angemerkt, ist auch hinsichtlich des Joh und der johanneischen Briefe nicht zu vergessen, dass womöglich deshalb eine tatsächlich vorhandene Rezeption für moderne Leserinnen und Leser „unsichtbar“ bleibt, weil es nicht gelingt, die ihr zugrundeliegenden rezeptionsstrategischen und exegetischen Prozeduren methodisch kontrolliert nach zu vollziehen. Ob die Zusammenstellung des 2 Petr mit 1 Joh (und Koh) im P. Michigan 3520 ein entsprechendes Signal sein könnte, ließe sich erst abschätzen, wenn es gelänge, die Logik der Textauswahl – so es denn eine solche jenseits rein pragmatischer Gesichtspunkte tatsächlich gibt – dieses Codex zu entschlüsseln. 177 Eine instruktive Auflistung möglicher Alternativen findet sich bei Bauckham, Jude, 2 Peter, 200f. 178 Besonders umsichtig ist die Darstellung der Problematik bei Vögtle, Der zweite Petrusbrief, 160, der etwas resignierend festhält: „Von allen erwogenen Erklärungen … ist Joh 21,18 noch die wahrscheinlichste Basis für V. 14b“. Vgl. auch Trobisch, Endredaktion, 136f. 179 Schrage, Der zweite Petrusbrief, 130, formuliert prägnant: „Das Entscheidende, nämlich der ‚baldige‘ Tod, ist aber von dieser Szene her, die sich ja unmittelbar nach Ostern abspielen soll, nicht zu erklären. Also soll man wohl an eine besondere Vision oder Offenbarung des ‚Petrus‘ denken …“. 180 Heckel, Traditionsverknüpfungen, 201. Skeptisch hingegen Farkasfalvy, Ecclesial Setting, 19.
1.3 Pseudepigraphie und zentrale literarische Verbindungen
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Freilich, ein solches „Literaturstück“ ist bekannt – in der Apokalypse des Petrus (ApkPetr) kündigt Christus Petrus den Tod mit klaren Worten an (ApkPetr 14,4) 181: ἰδοὺ ἐδήλωσά σοι Πέτρε καὶ ἐξεθέμην πάντα καὶ πορεύου εἰς πόλιν ἀρχούσαν δύσεως, καὶ πίε τὸ ποτήριον ὃ ἐπηγγειλάμην σοι ἐν χειρὶ τοῦ υἱοῦ τοῦ ἐν Ἅιδου, ἵνα ἀρχὴν λάβῃ αὐτοῦ ἡ ἀφάνεια· καὶ σὺ δεκτὸς τῆς ἐπαγγελίας... 182 Siehe, Petrus, ich habe dir alles offenbart und dargelegt. Und geh’ in die Stadt, die herrscht über den Westen, und trinke den Kelch, den ich dir verheißen habe, in den Händen des Sohnes dessen im Hades, so dass einen Anfang nehme seine Vernichtung und du angenehm der Verheißung…
Unbestreitbar wäre ApkPetr 14,4 ein guter Kandidat für den gesuchten Referenztext von 2 Petr 1,14, da hier (anders als in Joh 21,18f) tatsächlich der baldige Tod Petri im Blick ist und die Stelle zudem in einem petrinischen Pseudepigraphon begegnet, das im zweiten Jahrhundert geschätzt wurde und dessen Nähe zu 2 Petr schon lange bekannt ist. Doch gilt, wie bereits oben gesagt, in der aktuellen Forschung zu 2 Petr durchgehend die ApkPetr als von 2 Petr abhängig, so dass sie auch dort, wo die Berührung zwischen 2 Petr 1,14 und ApkPetr 14 gesehen wird, zurzeit nicht als relevanter Bezugstext für 2 Petr 1,14 in Betracht gezogen wird 183. Zusammenfassend lässt sich zum Verhältnis des 2 Petr zu den kanonisch gewordenen Evangelien Folgendes festhalten: Besonders markant und in der Forschung anerkannt sind die Gemeinsamkeiten des 2 Petr mit Mt, wobei sich einen Kenntnis des Mt durch 2 Petr zwar nahelegt 184, aber nicht bewiesen werden kann. Interessant sind auch einige Berührungen mit Lk (und Apg), die aber von deutlich geringerem Gewicht sind und an dieser Stelle nicht abschließend zu bewerten sind. Sowohl hinsichtlich des Mk wie des Joh stehen einzelne, aber sehr auffällige Textabschnitte zur Diskussion. Während dabei eine Verbindung von 2 Petr 1,14 mit Joh 21,18f zwar regelmäßig hergestellt wird, aber doch sehr anzufragen ist, wird 2 Petr 1,15 als ein möglicher Verweis auf das Mk meiner Meinung nach durchaus unterschätzt. 181 Der Text – wie die Übersetzung mit leichten Anpassungen der maßgeblichen Edition Nicklas, T./Kraus, T. J. (Hg.), Das Petrusevangelium und die Petrusapokalypse. Die griechischen Fragmente mit deutscher und englischer Übersetzung, (GCS. NF 11 = Neutestamentliche Apokryphen I), Berlin/New York: de Gruyter 2004, entnommen – entstammt dem sogenannten Rainer-Fragment der ApkPetr; zu dessen Überlieferung, Einordnung in das Gesamt der ApkPetr und Edition vgl. unten 2.2. 182 Hier bricht das Fragment ab. 183 Für eine Neubestimmung des Verhältnisses zwischen ApkPetr und 2 Petr vgl. unten 2.2. 184 Auch Frey, Verfasserfiktion, 704 Anm. 66, reiht Mt unter die Quellen des 2 Petr ein.
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Kapitel 1: Konturen
1.4 Annäherungen an einen terminus ad quem 1.4 Annäherungen an den terminus ad quem
Mit der pseudepigraphen Gestalt des 2 Petr und seinen auffälligsten literarischen Beziehungen zu anderen frühchristlichen Texten waren bisher Aspekte des 2 Petr im Blick, die seinen Charakter eines Textes des zweiten Jahrhunderts umschreiben helfen und dazu beitragen, einen (allerdings sehr weichen) terminus a quo für 2 Petr zu markieren. Im Folgenden steht die Abgrenzung nach oben, die Suche nach einem terminus ad quem im Vordergrund, wobei ganz verschiedenartige Textphänomene zu besprechen sind. Den Anfang bilden die „harten Fakten“, die physische Realität des Textes auf den ältesten erhaltenen Manuskripten. Von dort wird anschließend ein kurzer Blick auf einige alte Übersetzungen des 2 Petr geworfen, die bereits in der Debatte um seinen historischen Ort eine Rolle spielten, ehe mit Origenes der älteste unumstrittene Zeuge für die Existenz des 2 Petr Gegenstand der Untersuchung wird. Der darauffolgende Abschnitt zu Hippolyt von Rom versteht sich als Ergänzung der Analysen zu Origenes und als eine Art Vorausblick auf den rezeptionsgeschichtlichen Durchgang der Kapitel zwei und drei. Schließlich ist noch das eigenwillige Muratorische Fragment auf mögliche Hinweise zur historischen Einordnung des 2 Petr hin zu befragen. 1.4.1 Zwei frühe Handschriften des 2 Petr Wenngleich die ausgezeichneten kritischen Editionen des Neuen Testaments es in der täglichen exegetischen Arbeit mitunter ein wenig in den Hintergrund treten lassen: Der Text der neutestamentlichen Schriften ist uns nur in einer Vielfalt von Textzeugen zugänglich, die als Zeugnisse vergangener Lektüren der jeweiligen Texte ihre Existenz, ihre Wirkung und ihre Bewahrung ganz konkreten historischen Kontexten verdanken 185. Eine Perspektive, die frühe Manuskripte später neutestamentlicher Texte als aufschlussreiche archäologische Zeugnisse des frühen Christentums begreift, vermag deshalb manches Fenster in die Zeit und Umwelt der erhaltenen Textzeugen zu öffnen; ob sie aufgrund der doch meist beträchtlichen zeitlichen Distanz zwischen (angenommener) Abfassung des bezeugten Textes und (angenommener) Herstellung des Manuskripts einen relevanten Beitrag zur Erkundung des historischen Entstehungskontextes eines später neutestamentlichen Textes leisten kann, wird aber im Einzelnen zu prüfen sein 186. 185 Im Besonderen wurde dies durch Parker, D. C., The Living Text of the Gospels, Cambridge: Cambridge University Press 1997, verdeutlicht. 186 Für eine kritische Diskussion dieses Abschnitts danke ich herzlich Dr. David Trobisch. Vgl. nun auch den etwas anders ausgerichteten Beitrag Callan, T., Reading the Earliest Copies of 2 Peter, in: Bib. 93 (2012), 427–450.
1.4 Annäherungen an den terminus ad quem
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So ist der wohl älteste Textzeuge 187 des 2 Petr, der aus dem 3./4. Jahrhundert stammende P72, Teil eines Sammelcodex (im Folgenden: Codex Bodmer miscellus [CBM]) 188, dessen Textauswahl und Entstehungsgeschichte einen faszinierenden und immer noch rätselhaften Blick auf die Überlieferungsgeschichte der in diesem Codex enthaltenen Texte erlaubt, wobei hinsichtlich des 2 Petr einige wichtige Beobachtungen zu machen sind. Zuerst fällt auf, dass der Text des 2 Petr, wie ihn P72 bietet, bereits auf eine bewegte Überlieferungsgeschichte zurückblickt, wie eine Vielzahl von Textvarianten, die nicht ausschließlich auf Schreiberfehler zurückzuführen sind, verdeutlicht 189. Die Bekannteste von diesen ist sicherlich die erleichternde Hinzufügung von λυόμενα nach εὑρεθήσεται in 2 Petr 3,10 190. 2 Petr existierte somit bereits einige Zeit vor der Herstellung der in den Bodmer Papyri erhaltenen Kopie, doch lässt sich diese relativ banale Einsicht, die mit der Erstbezeugung des 2 Petr durch Origenes (vgl. dazu unten 1.4.3) kohärent ist, natürlich nicht für die zeitliche Einordnung des 2 Petr ausbeuten, da zum einen die Datierung des Papyrus nicht exakt vorzunehmen ist und zum anderen sich das genaue Ausmaß der P72 zuvorliegenden Textgeschichte nicht bestimmen lässt. Ebensowenig trägt P72 unmittelbar etwas zur Lokalisierung des 2 Petr aus, da die durch klimatische Umstände begünstigte Bewahrung eines ägyptischen Papyrus leider nichts über die sonstige frühe Distribuierung des auf diesem bewahrten Textes verrät – man wäre andernfalls gezwungen, aus P52 ein Argument für eine ägyptische Herkunft des Joh abzuleiten. Wenn dennoch der Hinweis auf P72 regelmäßig in der Diskussion um den Entstehungsort des 2 Petr begegnet 191, so verdankt sich dies der – im Vergleich etwa zu Joh – insgesamt sehr schlechten frühen Bezeugung des 2 Petr. 187
Die Erstedition besorgte Testuz, M., Papyrus Bodmer VII–IX. VII: L’Épître de Jude. VIII: Les deux Épîtres de Pierre. IX: Les Psaumes 33 et 34, Köln/Genf: Bibliotheca Bodmeriana 1959. 188 Faksimiles des ganzen Codex bietet Bicher, M. (Hg.), Bibliotheca Bodmeriana. La collection des Papyrus Bodmer/Die Sammlung der Bodmer-Papyri/The collection of the Bodmer Papyri. 8–10. Planches de toutes les pages originales/Abbildungen sämtlicher originaler Manuskriptseiten/Reproductions of all the original pages, München: K. G. Saur 2000. 189 Beispiele bietet (mit deutlich pejorativer Wertung) Schelkle, Petrusbriefe, 183. 190 Royse, J. R., Scribal Habits in Early Greek New Testament Papyri (New Testament Tools, Studies and Documents 36), Leiden/Boston: Brill 2008, 604, notiert auch eine harmonisierende Angleichung (εἰς τὸ δείγμα für ὑπόδειγμα) von 2 Petr 2,6 an Jud 7. Anders Wasserman, Epistle of Jude, 102. 123 Anm. 4 („there are no cases of harmonization between Jude and 2 Peter in P72“). 191 Vgl. Vögtle, Der zweite Petrusbrief, 128, Fuchs/Reymond, Deuxième épître de Pierre, 37. 40, sowie angedeutet bei Paulsen, Der zweite Petrusbrief, 95 („Bezeugung und Rezeption“).
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Kapitel 1: Konturen
Bemerkenswert ist die Auswahl der Texte, mit denen 2 Petr im CBM zusammen auftritt 192. Der Codex enthält neben beiden kanonisch gewordenen Petrusbriefen (für die diese enthaltenden Blätter gilt die Bezeichnung Papyrus Bodmer VIII) und dem Jud (entsprechend Papyrus Bodmer VII) noch das ProtevJac, 3 Kor, OdSal 11, Melito von Sardes’ Peri Pascha, ein sonst unbekanntes Hymnusfragment, die Apologie des Phileas und Ps 33f. Dieses „Konglomerat“ 193 dürfte in einem gestuften Prozess entstanden sein, dessen treibende(s) Motiv(e) kaum mehr nachzuvollziehen ist/sind 194. Unter den später kanonisch gewordenen Texten in CBM ist Jud „isoliert“ zwischen OdSal 11 195 und Melitos Pascha-Homilie 196 platziert, während 2 Petr direkt auf 1 Petr folgt und wie dieser mit unregelmäßig über den Text verteilten Randnotizen versehen ist. Da diese – möglichweise erst später nachgetragenen 197 – Marginalien nicht durchgehend das Thema eines Textabschnittes angeben, sondern vielmehr punktuelle Hinweise (meist durch Stichwortgebrauch) bieten (etwa zu 2 Petr 2,1: „Über die Falschleh192 Wasserman, T., Papyrus 72 and the Bodmer Miscellaneous Codex, in: NTS 51 (2005), 137–154 (= Wasserman, Jude, 31–50), hier: 147 Anm. 38, macht auf mögliche intertextuelle Verknüpfungen der im Codex enthaltenen Texte aufmerksam und nennt dabei auch drei Parallelen zwischen ProtevJac und 2 Petr, die aber allzu „vage“ (so Nicklas, T./ders., Theologische Linien im Codex Bodmer Miscellani?, in: Nicklas, T./Kraus, T. J. [Hg.], New Testament Manuscripts. Their Texts and Their World [Texts and Editions for New Testament Study 2], Leiden/Boston: Brill 2006, 161–188, hier: 165) sind, um hier besprochen werden zu müssen. 193 Nicklas, T., Der „lebendige Text“ des Neuen Testaments. Der Judasbrief in P72 (P.Bodmer VII), in: ASE 22 (2005), 203–222, hier: 205. 194 Zu den verschiedenen Möglichkeiten vgl. Nicklas/Wasserman, Theologische Linien, 166–188. 195 Dieser (ursprüngliche) Anschluss ist sicher, da Jud auf derjenigen Manuskriptseite beginnt, auf der OdSal 11 endet. 196 Diese Nachbarschaft könnte sich erst durch die Zusammenfügung von Manuskriptteilen unterschiedlicher Herkunft ergeben haben, vgl. Nicklas/Wasserman, Theologische Linien, 162f. 197 Insbesondere Wiefel, W., Kanongeschichtliche Erwägungen zu Papyrus Bodmer VII/VIII (P72), in: APF 22 (1973), 289–303, hier: 301, nimmt – allerdings ohne Angabe von Gründen – eine solche spätere Entstehung der Marginalien an: „Sie gehören nicht dem Kopisten, sondern der Hand jenes späteren Schreibers zu, den man zeitlich in die Nähe der Entstehung von II zu rücken hat.“ Mit II bezeichnet Wolfgang Wiefel „den im 4. Jahrhundert angelegten Gesamtkodex“ (ebd., 297), während I eine aus dem dritten Jahrhundert stammende Vorstufe bezeichnet, in der die Apologie des Phileas und die beiden Psalmen noch nicht vertreten waren. Dieses zweistufige Entwicklungsmodell vertreten ähnlich auch Wasserman, Papyrus 72, 145–148, und Nicklas/Wasserman, Theologische Linien, 163–166. Ein Nachtrag der Marginalien, allerdings ohne Schreiberdifferenz, erwägt auch Wasserman, Papyrus 72, 152: „Most likely, the marginal notes were added at a later stage when the scribe read the text and formulated a proper thematic note, and this was simply not the time for proofreading and making additional corrections.“
1.4 Annäherungen an den terminus ad quem
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rer“, zu 2 Petr 2,14: „Über die Kinder des Fluchs“) 198, dürfte nach Tobias Nicklas ihre Funktion darin liegen, „dass hier Ausschnitte eines Texte in besonderer Weise markiert sind. Derartige Markierungen aber sind nur dann sinnvoll, wenn diese Abschnitte in einem bestimmten Kontext (z.B. in einer Diskussion um Glaubensinhalte) von großem Interesse sind und ihnen in diesem Kontext eine gewisse Bedeutung – Autorität – zukommt.“ 199
Ob man diese Autorität bereits als „kanonische Geltung“ 200 bezeichnen sollte, sei dahingestellt, auffallend ist in jedem Fall die Gleichbehandlung von 2 Petr mit dem bereits früh sehr breit rezipierten 1 Petr, die durch die offensichtlich geringere Sorgfalt des gleichen Schreibers bei der Abschrift des Jud noch deutlicher hervortritt 201. Kanongeschichtlich betrachtet, bietet die Überlieferung des 2 Petr in CBM somit zwei gegenläufige Tendenzen: Zum einen steht 2 Petr wie 1 Petr und Jud scheinbar völlig unproblematisch mit später apokryph gewordenen Texten in einem gemeinsamen Lektürezusammenhang, zum anderen wird 2 Petr wie 1 Petr aufgrund der marginalen Notizen ein sehr hoher Autoritätsgrad zugesprochen, der deutlich in Richtung „Kanonizität“ weist. Eine ähnliche Ambiguität weist auch ein zweiter früher Textzeuge des 2 Petr auf: Der berühmte Codex Vaticanus (Vaticanus graecus 1209; B; 03). Anders als CBM unbestreitbar eine Bibelhandschrift 202, begegnet B im Kontext historischer und rezeptionsgeschichtlicher Diskussionen zu 2 Petr vor allem als möglicher Zeuge für eine kanongeschichtliche Phase, in der 2 Petr noch nicht die gleiche Autorität wie anderen später neutestamentlichen Texten zugesprochen wurde. Diese Deutung der 2 Petr-Rezeption in B lässt sich bis auf eine Notiz Caspar René Gregorys zurückführen: 198 Aus diesem Grund ist der Versuch von Horrell, D. G., The Themes of 1 Peter. Insights from the Earliest Manuscripts (the Crosby-Schøyen-Codex ms 193 and the Bodmer Miscellaneous Codex containing P 72), in: NTS 55 (2009), 502–522, hier: 511, in „these marginal summaries … something of what were taken to be the main topics of the two letters“ zu erkennen, methodisch problematisch. 199 Nicklas, Der „lebendige Text“, 209. 200 Wiefel, Kanongeschichtliche Erwägungen, 301. 201 Vgl. dazu v.a. Nicklas, Der „lebendige Text“, 210–221. 202 Da sich der ursprüngliche Inhalt von B aber nicht zur Gänze mit Sicherheit rekonstruieren lässt, spricht sich Parker, D. C., An Introduction to the New Testament Manuscripts and Their Texts, Cambridge: Cambridge University Press 2008, 72, dafür aus, ihn nicht unter die vollständigen Bibelmanuskripte zu zählen. Auf Nähen im Text von B und P 72 verweist Kubo, S., P 72 and the Codex Vaticanus (Studies and Documents), Salt Lake City: University of Utah Press 1965. Im Unterschied zu P 72 tritt in B (bereits?) eine harmonisierende Angleichung (ἀπάταις für ἀγάπαις) von 2 Petr 2,13 an Jud 12 auf (vgl. Kubo, P72, 81f); nicht zutreffend ist daher das Urteil von Wasserman, Jude, 102: „On the other hand, two of the most important MSS, P 72 and 03, do not display harmonization in any direction“ (richtig aber ebd., 99).
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Kapitel 1: Konturen
„A very interesting observation attaches to an old division found in the Epistles, for it does not appear to take any notice of Second Peter, and seems therefore to be the work of someone who rejected that Epistle.“ 203
Diese Beobachtung, die gegenwärtig etwa auch bei David Nienhuis begegnet 204, wurde bei Joseph Chaine im Hinblick auf die zeitliche Priorität der „old division“ gegenüber der Produktion von B akzentuiert: „Dans ce manuscrit on relève deux manières de diviser le texte de chaque livre, une ancienne et une nouvelle. Les épîtres catholiques ont les deux divisions à l’exclusion de II Pet. qui n’a que la nouvelle. L’absence de la première division indique bien que lorsque celle-ci a été faite dans le ou les manuscrits ancêtres de B, II Pet. n’en faisait pas encore partie.“ 205
Karl-Hermann Schelkle, der in seiner Darstellung der Rezeptions- und Kanonisierungsgeschichte weitgehend Chaine folgt, formuliert dann knapp: „Codex B lässt erkennen, daß 2 Petr zu der dem Codex voraufgehenden Überlieferung erst später hinzutrat.“ 206
Angesichts des tatsächlichen Befunds scheint ein solcher Schluss aber doch zu weitreichend zu sein. Wichtig ist, dass B in den katholischen Briefen, die nach der Apg und vor dem Corpus Paulinum in der Reihenfolge Jak, 1–2 Petr, 1–3 Joh, Jud, geboten werden, drei Teilungssysteme aufweist 207. Ein erstes System, das in allen Katholischen Briefen präsent ist, besteht aus kurzen horizontalen Linien, die jeweils zwischen zwei Zeilen 203 Gregory, C. R., The Canon and Text of the New Testament (The International Theological Library), Edinburgh: T&T Clark 1907, 344. 204 Nienhuis, Not By Paul Alone, 72, schreibt: „It should also be noted that the text of Vaticanus contains an ancient system of division that arranges the writings into portions akin to chapters. Second Peter is not divided according to this system, which may indicate some uncertainty regarding to the canonical status of this epistle.“ 205 Chaine, Épîtres catholiques, 7. Bereits Zahn, T., Geschichte des Neutestamentlichen Kanons. Erster Band: Das Neue Testament vor Origenes. Erste Hälfte, Erlangen: Andreas Deichert, 1888, 311f, notiert unter Verweis auf Gregory: „Eine alte, wahrscheinlich aus Egypten stammende Kapiteleinteilung im Codex Vaticanus umfaßt von den katholischen Briefen nur 2 Petr nicht.“ Auch Epp, E. J., Issues in the Interrelation of New Testament Textual Criticism and Canon, in: McDonald, M./Sanders, J. E. (Hg.), The Canon Debate. On the Origins and Formation of the Bible, Peabody: Hendrickson 2002, 485–515, hier: 504f, zitiert Gregory zustimmend. 206 Schelkle, Petrusbriefe, 182. 207 Vgl. dazu Amphoux, C.-B., Les lectionnaires grecs, in: ders./Bouhaut, J.P. (Hg.), La lecture liturgique des Épîtres Catholiques dans l’Église ancienne (Histoire du texte biblique 1), Lausanne: Zèbre 1996, 19–38, hier: 36, mit einer Auflistung aller sich durch die drei Systeme begrenzten Abschnitte. Leider diskutiert Porter, S. E., Pericope Markers in Some Early Greek New Testament Manuscripts, in: Korpel, M. c. A./Oesch, J. M. (Hg.), Layout Markers in Biblical Manuscripts and Ugaritic Tablets (Pericope. Scripture as Written and Read in Antiquity V), Assen: Koninklijke Van Gorcum 2005, 161–176, hier: 171, diesen Aspekt des Vaticanus nicht.
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platziert sind. Für 2 Petr ergeben sich die Abschnitte 2 Petr 1,1–2,3; 2,4– 3,8 und 3,9–18. Die horizontalen Linien stammen von Schreiberhand, wurden also entweder mitkopiert oder von den Schreibern eingetragen 208. Ein zweites System, das durch einzelne große Buchstaben 209 am linken Textrand markiert wird und größere Abschnitte trennt (in 2 Petr nur 1,1– 2,22 von 3,1–18 210), wurde erst zu einem späteren Zeitpunkt in das Manuskript eingetragen 211. Das dritte System schließlich besteht ebenfalls aus (kleineren) Buchstaben 212 am linken Textrand und hält im Bezug auf die Größe der Abschnitte ungefähr die Mitte zwischen den anderen beiden Teilungssystemen 213. Diese Markierungen fehlen nun tatsächlich in 2 Petr (während Jud zwischen 1–11 und 12–25 geteilt ist) – allerdings nicht nur in diesem, wie die Notiz von Gregory glauben machen kann 214, sondern auch in 2–3 Joh. Überdies wies Theodore Cressy Skeat nach 215, dass dieses System ebenfalls erst sekundär eingefügt wurde 216. Da der kurze Jud ge208 209 210
Vgl. Amphoux, Lectionnaires, 36 („paragraphoi“). Die Höhe der verwendeten Buchstaben entspricht etwa 1,5–2 Textzeilen. Wie das an dieser Stelle verwendete Β deutlich macht, ist das Fehlen eines Α, das auch bei den nicht geteilten 3 Joh und Jud am Anfang steht, zu Beginn des 2 Petr wohl ein Versehen. 211 Vgl. Amphoux, Lectionnaires, 36 („parties“). 212 Diese Buchstaben entsprechen in ihrer Größe etwa den im Text verwendeten Uncialen. 213 Vgl. Amphoux, Lectionnaires, 36 („sections“). 214 Metzger, B. M., Der Text des Neuen Testaments. Eine Einführung in die neutestamentliche Textkritik, Stuttgart u.a.: Kohlhammer 1966, 48, ist diesbezüglich nicht ganz deutlich: „Bei den Briefen ist beispielsweise der 2. Petrusbrief nicht berücksichtigt; daher scheint das Einteilungssystem aus einer Zeit zu stammen, in der dieser Brief noch nicht als kanonisch galt.“ 215 Vgl. Skeat, T. C., The Codex Sinaiticus, the Codex Vaticanus and Constantine, in: JThS 50 (1999), 583–625, hier: 601. 216 Bezüglich der relativen Chronologie der Gliederungssysteme (genauer: der Präsenz dieser Gliederungssysteme im Manuskript) sind meines Erachtens jene Stellen, an denen beide Gliederungsysteme Markierungen anbringen, besonders aufschlussreich. Während dabei die Position der großen Buchstaben am linken Textrand weitgehend stabil bleibt, sind die kleineren Buchstaben ganz unterschiedlich platziert. Als Positionen – jeweils relativ zu den großen Buchstaben – treten z.B. auf: links (so in 1 Petr 2,12f Δ zu Β, in 1 Kor 6,1 ΚΖ zu Γ), links oben (so in 1 Kor 15,1 ΛΘ zu Θ), links unten (so in 1 Kor 12,31 ΛΖ zu Η), rechts (so in 1 Petr 4,12 Ζ zu Γ, in Hebr 3,1 Ζ zu Β) und besonders auffällig „beidseitig“ (ein kleiner Buchstabe links, der andere rechts vom großen Buchstaben, so in 1 Kor 7,1 ΚΗ zu Δ). Dieser Befund dürfte kaum anders zu deuten sein denn als Hinweis darauf, dass das Gliederungssystem, welches sich der kleineren Buchstaben bedient, später als das Gliederungssystem, das größere Zeichen verwendet, in das Manuskript eingetragen wurde. Über Herkunft und absolutes Alter der beiden Systeme ist damit nichts ausgesagt. Pisano, S., The Vaticanus graecus 1209. A Witness to the Text of the New Testament, in: Andrist, P. (Hg.), Le manuscrit B de la Bible (Vaticanus graecus 1209). Introduction au fac-similié, Actes du Colloque de Genève (11 juin 2001), Contri-
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teilt ist (Jud 1–11 und 12–25), mag man durchaus eine kanongeschichtlich relevante Intention hinter dem Fehlen dieses Systems in 2 Petr und den kleinen Johannesbriefen vermuten 217, und nicht nur davon ausgehen, hier sei eine liturgische Praxis abgebildet, die diese Texte jeweils nur als Ganze zur Vorlesung vorsah 218. Wann und wo 219 auch immer dieses System in B eingetragen wurde – Auskunft über die Stellung des 2 Petr in der dem Vaticanus vorausliegenden Texttradition oder über die Rezeption des 2 Petr am Entstehungsort 220 dieses Manuskripts vermag es wohl nicht zu geben. 1.4.2 Alte Versionen des Neuen Testaments und der 2 Petr Ebensowenig wie im Bereich der griechischsprachigen Manuskriptüberlieferung kann auch bei einem Blick auf die versionale Bezeugung des 2 Petr an dieser Stelle eine umfassende textgeschichtliche Untersuchung angestrebt werden. Ausgehend von bereits in die Forschung am 2 Petr eingebrachten Argumentationsmustern lässt sich aber doch die eine oder andere für die Suche nach dem historischen Ort des 2 Petr nicht ganz unwesentliche Beobachtung gewinnen. So wird – im Besonderen von Vertretern der Authentizität des 2 Petr – die Existenz von koptischen Übersetzungen des 2 Petr mitunter als Argument gegen eine Entstehung des 2 Petr in der zweiten Hälfte des zweiten butions supplémentaires (HTB 7), Lausanne: Zèbre 2009, 77–97, hier: 78, erwägt eine recht frühe Einfügung des die kleineren Buchstaben gebrauchenden Systems („added already perhaps in the fourth or fith century“). 217 Man vgl. etwa die bekannte Notiz zu den Katholischen Briefen in der Kanonliste des Amphilochius von Iconium oder die weiter unten zu besprechende Position des Origenes. 218 Vgl. Amphoux, Lectionnaires, 37. 219 Elliott, J. K., Theodore Skeat et l’origine du Codex Vaticanus, in: Andrist, P. (Hg.), Le manuscrit B de la Bible (Vaticanus graecus 1209). Introduction au fac-similié, Actes du Colloque de Genève (11 juin 2001), Contributions supplémentaires (HTB 7), Lausanne: Zèbre 2009, 119–133, hier: 120, erwägt dafür vorsichtig Konstantinopel: „Mais il est important de noter que ces numéros ont été ajoutés plus tard, peut-être à Constantinople, par une main qui est différente de celle des deux copistes du manuscrit.“ 220 Skeat, Codex Sinaiticus, 603f, votiert mit Nachdruck für eine Entstehung in Cäsarea. Elliott, Theodore Skeat, 128f, folgt diesem Vorschlag, während Bogaert, P.-M., Le Vaticanus, Athanase et Alexandrie, in: Andrist, P. (Hg.), Le manuscrit B de la Bible (Vaticanus graecus 1209). Introduction au fac-similié, Actes du Colloque de Genève (11 juin 2001), Contributions supplémentaires (HTB 7), Lausanne: Zèbre 2009, 135–155, hier: 154, unter Betonung der Herkunft des Textes einen alexandrinischen Ursprung von B für die wahrscheinlichste Lösung hält („la localisation de la copie est moins importante que la nature des textes, et ceux-ci sont principalement égyptiens“), und Amphoux, C.-B., Les circonstances de la copie du Codex Vaticanus (Vat. gr. 1209), in: Andrist, P. (Hg.), Le manuscrit B de la Bible (Vaticanus graecus 1209). Introduction au fac-similié, Actes du Colloque de Genève (11 juin 2001), Contributions supplémentaires (HTB 7), Lausanne: Zèbre 2009, 157–176, eine römischen Entstehungskontext vermutet.
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Jahrhunderts gebraucht 221. Michael Green etwa schreibt zur Kanonisierung des 2 Petr: „It was not only in the Alexandrian and Roman canon of the fourth century that 2 Peter was included. We find it contained in the Bohairic and Sahidic versions of the New Testament which are at least 100 years earlier.“ 222
Man muss aber sehen, dass jene koptischen Manuskripte, die 2 Petr oder Teile von diesem enthalten, mit Ausnahme des im frühen vierten Jahrhundert entstandenen P. Michigan 3520 223 (enthält Koh, 1 Joh und 2 Petr) frühestens aus dem 8. Jahrhundert, zum Großteil aber aus dem 9. Jahrhundert oder noch späterer Zeit stammen 224 – wobei die Datierung koptischer Manuskripte nochmals eine ganz eigene Herausforderung darstellt 225. Außerdem ist die Übersetzung der später neutestamentlichen Texte in die verschiedenen Dialekte des Koptischen nicht als ein punktueller Vorgang aufzufassen, sondern als ein Prozess, der für das Sahidische im dritten Jahrhundert begann und zu unterschiedlichen Zeitpunkten koptische Versionen der später neutestamentlichen Texte hervorbrachte 226. Schließlich ist
221 Auch Fuchs/Reymond, Deuxième épître de Pierre, 37, zählen die „présence dans l’ancienne version copte (débute du 3e siècle)“ unter „les premières traces sérieuses de l’existence de notre épître“. 222 Green, 2 Peter Reconsidered, 7. 223 Vgl. Schenke, H.-M., in Zusammenarbeit mit Kasser, R., Papyrus Michigan 3520 und 6868(a). Ecclesiastes, Erster Johannesbrief und Zweiter Petrusbrief in fayumischem Dialekt (TU 151), Berlin/New York: De Gruyter 2003, 8–10. Vgl. nun dazu Blumenthal, C., Hoffnung für die Gegner? Zur fayumischen Übersetzung von 2Petr 3 in P.Mich. 3520 und zugleich ein Beitrag zur Rezeptionsgeschichte dieses Briefes, in: ZNW 103 (2012), 111–135, sowie ders., „Göttliche Natur“ versus „große Art“. Theologie und Christologie in der fayumischen Übersetzung von 2Petr in P.Mich. 3520, in: ZNW 103 (2012), 272– 282. 224 Vgl. Das Verhältnis der koptischen zur griechischen Überlieferung des neuen Testaments. Dokumentation und Auswertung der Gesamtmaterialien beider Traditionen zum Jakobusbrief und den beiden Petrusbriefen, herausgegeben und bearbeitet von FranzJürgen Schmitz (ANTT 33), Berlin/New York: de Gruyter 2003, 5–48, wobei für sa 605 ein Frühdatierungsvorschlag in das 7./8. Jahrhundert existiert (ebd., 27). 225 Vgl. mit Nachdruck Parker, New Testament Manuscripts, 67f. 226 So notiert Metzger, Der Text des Neuen Testaments, 80: „Etwa zu Beginn des dritten Jahrhunderts wurden Teile des Neuen Testaments in das Sahidische übersetzt, und innerhalb des darauf folgenden Jahrhunderts waren die meisten Bücher des Neuen Testaments in diesem Dialekt erreichbar. In der Tat, so viel man nach den weit auseinandergehenden Texten urteilen kann, wurden einige Teile der Bibel zu verschiedenen Zeiten von Übersetzern übersetzt, die voneinander unabhängig waren.“ Vgl. die Editionen von Horner, G. W. (Hg.), The Coptic Version of the New Testament in the Northern Dialect, otherwise called Memphitic and Bohairic (Vier Bände), Oxford: Clarendon Press 1898– 1905, und Schüssler, K. (Hg.), Die Katholischen Briefe in der koptischen (sahidischen) Version (CSCO.C 45/46), Löwen: Peeters 1991.
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auch der „überaus bemerkenswert[e]“ 227 Umstand zu beachten, dass der älteste koptische Textzeuge des 1 Petr, der wohl aus dem dritten Jahrhundert stammende Crosby-Schøyen Codex 228, offenbar nur einen Petrusbrief kennt 229, da sowohl inscriptio wie subscriptio keine Zählung aufweisen, sondern von „dem Petrusbrief“ sprechen, und damit gerade keinen Hinweis auf eine frühe, quasi kanonische Geltung des 2 Petr im koptischen Sprachbereich bietet. Auch im Kontext der älteren lateinischen Übersetzungen später kanonischer Texte fällt das späte Auftreten des 2 Petr auf. Brooke Foss Westcott 230 nahm – vor allem aufgrund von Differenzen im Vokabular – an, 2 Petr sei zu einem anderen (späteren) Zeitpunkt in das Lateinische übertragen worden als der 1 Petr 231. Ohne Westcott zu nennen, widerspricht Walter Thiele dieser These entschieden: „Der gegebene Befund widerspricht nicht der Annahme, daß die lateinischen Texte auch in 2 Pt auf eine einzige Übersetzung zurückgehen. Wann diese entstanden ist, ist schwer zu sagen. Daß der Brief in frühen Väterschriften nicht zitiert wird, hängt vielleicht mit seiner umstrittenen Stellung im neutestamentlichen Kanon zusammen, vielleicht aber auch nur mit seinem geringen Umfang. Es wäre voreilig, daraus Schlüsse über die Entstehung seiner lateinischen Übersetzung zu ziehen und diese mehr oder weniger mit ihrer frühesten Bezeugung gleichzusetzen. Die Art der Texte liefert jedenfalls kein Argument, die lateinische Übersetzung von 2 Pt später zu datieren als die der anderen Katholischen Briefe.“ 232
227 Bethge, H.-G., Der Text des ersten Petrusbriefes im Crosby-Schøyen Codex (Ms. 193 Schøyen Collection), in: ZNW 84 (1993), 255–267, hier: 260. 228 Der Text ist ediert bei Goehring, J. E. (Hg.), The Crosby-Schøyen Codex, MS 193 (CSCO.Sub 95), Löwen: Peeters 1990. Zu den schwankenden Datierungen vgl. Bethge, Crosby-Schøyen Codex, 260. 229 Vgl. Bethge, Crosby-Schøyen Codex, 260: „Man darf vermuten, daß es für den Schreiber dieses Textes, aber auch für den zugrunde liegenden Text nur den einen Petrusbrief gibt.“ Ähnlich („weil möglicherweise der zweite Petrusbrief noch nicht übersetzt oder dem Schreiber unbekannt war“) Schmitz, Verhältnis, 595, und Frenschkowski, Pseudepigraphie, 218 Anm. 106. 230 Vgl. Westcott, B. F., A General Survey of the History of the Canon of the New Testament, Cambridge/London: MacMillan & Co. 61889, 263–265. Ergänzend ebd., 258: „There is no external evidence to shew [sic] that the Epistle of St James or the second Epistle of St Peter was included in the Vetus Latina. The earliest Latin testimonies to both of them, so far as I am aware, are those of Hilary, Jerome, and Rufinus in his Latin Version of Origen.“ 231 So dann auch Chaine, Épîtres catholiques, 9f, Schelkle, Petrusbriefe, 182, und Grundmann, Der zweite Brief des Petrus, 64. 232 Thiele, W. (Hg.), Epistulae Catholicae (VL 26/1), Freiburg: Herder 1956–1969 [sieben Lieferungen], 78* (vgl. ebd. 76* und 188 [Verzeichnis der Textzeugen]).
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Angesichts der Fragmentarität 233 der altlateinischen Version, deren „origins are surrounded with obscurity“ 234, wird man nicht allzu leicht geneigt sein, die textgeschichtliche Möglichkeit einer einzigen, auch 2 Petr umfassenden Ausgangsübersetzung der Katholischen Briefe 235 als historische Wahrscheinlichkeit anzunehmen – jedenfalls für Judith Lieu „this remains at best a hypothesis“ 236. Bemerkenswert ist dabei nicht nur, dass auch Thiele die Möglichkeit einer späteren Übersetzung des 2 Petr durchaus einräumt, sondern vor allem, wie deutlich in seinem Votum die schlechte Bezeugung des 2 Petr im lateinischen Westen durchklingt 237. In der Tat begegnet dieser bei lateinisch schreibenden Autoren wie Tertullian und Cyprian offenbar nicht (vgl. dazu 3.3), sondern wird erst im vierten Jahrhundert im Westen greifbar. Wie auch immer die rezeptionsgeschichtlichen Linien im späten dritten und vierten Jahrhundert verliefen – jenen Theologen, die, wie Athanasius, Rufin von Aquileia oder Hieronymus, sowohl im Osten wie im Westen vernetzt waren, mag dabei eine besondere Rolle zugekommen sein –, der These einer römischen Herkunft des 2 Petr erwächst aus diesem Umstand ein bedeutendes Hindernis 238. Ist es plausibel zu machen, dass ein in Rom des zweiten Jahrhunderts entstandener Text, der nichts weniger als ein mit höchster Autorität ausgestatteter Beitrag zum Erbe des Petrus sein will, so lange bei römischen und mit Rom eng verbundenen Autoren keine (für uns noch erkennbaren) Spuren der Bekanntheit, Nutzung oder Bestreitung hinterlassen haben sollte? Vergleichbares gilt in noch stärkerem Maße für den syrischen Sprachbereich, in dem 2 Petr in der Textauswahl der Peshitta, die von den Katholi233 Thiele, Epistulae Catholicae, 78*, betont, „wie bruchstückhaft das erhaltene Vetus-Latina-Material für 2 Pt“ ist. 234 Lieu, J. M., The Second and Third Epistles of John. History and Background, Edinburgh: T. & T. Clark 1986, 24. 235 Vgl. Thiele, Epistulae Catholicae, 97*. 236 Lieu, Epistles of John, 24. Ebd., 24–27, auch instruktive Überlegungen zur rezeptions- und kanongeschichtlichen Interpretation (hinsichtlich 1–3 Joh) der „multiformity of the Latin translation in the period before the Vulgate“ (ebd., 24). 237 Die beiden angedeuteten Erklärungsversuche können nicht überzeugen: Eine (aus späterer Perspektive) prekäre Zuordnung zum Kanon schließt keineswegs eine wie auch immer geartete Auseinandersetzung mit einem Text aus, wie an vielen Beispielen zu zeigen wäre (man denke nur an Herm!), während die Kürze des 2 Petr zum einen von Jud, der etwa bei Tertullian und Lucifer von Cagliari benutzt ist, noch deutlich übertroffen wird und 2 Petr im Unterschied etwa zu Phlm mit einem Autoritätsanspruch („Erbe des Petrus“) auftritt, der schwer zu ingnorieren ist. 238 Dies gilt natürlich analog auch für die Hypothese einer frühen lateinischen Übersetzung des 2 Petr in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts (vgl. die letzte Anmerkung), wobei ein endgültiges Urteil – so ein solches zu erreichen ist – natürlich einer umfassenden Analyse der Textgeschichte des 2 Petr vorbehalten bleibt.
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schen Briefen nur Jak, 1 Petr und 1 Joh enthält, nicht vertreten ist und erst in der Harklensis und der Philoxeniana Teil der neutestamentlichen Texte ist 239. Nach Jeffrey S. Siker erscheint es „probable that the status of the Minor Catholic Epistles depended primarily on the status of the Philoxenian and Heraclean versions, where alone they found a voice“ 240. Da 2 Petr überdies bei bedeutenden Autoren des griechischen Syriens wie Theodor von Mopsuestia 241 und Diodor von Tarsus 242 keine Relevanz zu besitzen scheint (zu möglichen Verbindungen mit den Pseudoclementinen vgl. unten 2.5), dürfte eine Verknüpfung der Entstehung des 2 Petr mit dem syrisch-antiochenischen Einflussbereich doch sehr unwahrscheinlich sein. 1.4.3 Origenes Origenes (* um 185, † um 254) gilt allgemein als erster unbestrittener Zeuge für die Existenz des 2 Petr 243. Doch dieses Zeugnis ist nicht frei von Schwierigkeiten, weshalb ein genauer Blick auf die Präsenz von 2 Petr im Œuvre des großen Alexandriners angezeigt ist. Dabei legt sich ein Vorgehen in drei Schritten nahe: Zuerst ist jener vielzitierte Text aus dem fünften Buch des Johannes-Kommentars (Jo.) des Origenes zu besprechen, der ausdrücklich einen zweiten Petrusbrief erwähnt. Danach sind in zwei ge239
Vgl. dazu insbesondere die Untersuchung von Siker, J. S., The Canonical Status of the Catholic Epistles in the Syriac New Testament, in: JTS.NS 38 (1987), 311–340, hier: 328: „As for citations from the Minor Catholic Epistles, I have only found evidence that they are cited by Severus of Antioch and by some Monophysite Texts around the sixth or seventh century. What is clear in these few citations is that there is no question about the integrity or authority of the Minor Catholic Epistles. In quoting II Peter 2: 19 Severus refers to Peter by name as the author of the Epistle, as he does again when quoting II Peter 3: 16.“ Jeffrey S. Siker bietet ebd., 330–340, auch einen hilfreichen Index zur Verwendung der Katholischen Briefe in der syrischen Literatur (zu 2 Petr: ebd., 339f), der aber keine Vollständigkeit beansprucht (vgl. ebd., 330). 240 Siker, Canonical Status, 329. 241 Vgl. bereits Zahn, T., Das Neue Testament des Theodors von Mopsuestia und der ursprüngliche Kanon der Syrer, in: NkZ 11 (1900), 788–806, hier: 791f. 242 So Schweizer, E., Diodor von Tarsus als Exeget, in: ZNW 40 (1941), 33–75, hier: 51: „Wie Theodor verwendet auch Diodor in dem Erhaltenen nirgends einen katholischen Brief oder die Offenbarung.“ 243 Vgl. z.B. Chase, Second Epistle of Peter, 803 („the first absolutely incontrovertible reference in Christian literature to 2 P“), Frankemölle, 1. Petrusbrief, 82, Fuchs/ Reymond, Deuxième épître de Pierre, 37 („Origène est le premiere à signaler clairement notre épître…“), Kraus, Sprache, 5 („das früheste sichere Zeugnis von der Kenntnis dieser Schrift“), Ruf, Die heiligen Propheten, 29 („der erste unumstrittene Gewährsmann für die Existenz des zweiten Petrusbriefs“), Schelkle, Petrusbriefe, 182 („Das erste erhaltene Zeugnis, das den Brief nennt, stammt von Origenes…“), Vögtle, Der zweite Petrusbrief, 128f, Vielhauer, P., Geschichte der urchristlichen Literatur. Einleitung in das Neue Testament, die Apokryphen und die Apostolischen Väter (De Gruyter Lehrbuch), Berlin/New York: De Gruyter 1975, 599 („das erste Auftauchen des 2Petr“).
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trennten Arbeitsschritten die griechisch erhaltenen Texte des Alexandriners und schließlich dessen in der lateinischen Übersetzung Rufins bewahrten Werke mit dieser Nennung des 2 Petr in Beziehung zu setzen. 1.4.3.1 „Vielleicht auch einen zweiten“ – Akzeptanz oder Skepsis? In dem für uns verlorenen fünften Buch seines Kommentars zum Johannesevangelium, das noch in Alexandrien (also vor ca. 232 n.Chr.) entstand 244, äußert sich Origenes folgendermaßen zum literarischen Werk des Petrus: Πέτρος δέ, ἐφ’ ᾧ οἰκοδομεῖται ἡ Χριστοῦ ἐκκλησία, ἧς πύλαι ᾅδου οὐ κατισχύσουσιν, μίαν ἐπιστολὴν ὁμολογουμένην καταλέλοιπεν. ἔστω δὲ καὶ δευτέραν· ἀμφιβάλλεται γάρ. (Jo. V,3 = Eusebius, h.e. VI,25,8) Petrus, auf dem die Kirche Christi aufgebaut ist, welche die Tore der Unterwelt nicht überwinden werden, hat einen anerkannten Brief hinterlassen; vielleicht auch einen zweiten, doch ist dieser umstritten 245.
Da dieser Abschnitt des Jo. nur in indirekter Überlieferung bei Eusebius erhalten ist, muss die Frage gestellt werden, ob hier das originale Urteil des Origenes bewahrt ist oder Eusebius – aus welchen Gründen auch immer – den Text inhaltlich redigiert hat 246. Bei näherem Hinsehen lassen sich Zweifel an der Überlieferungstreue des Eusebius an dieser Stelle aber nicht stichhaltig begründen. Zwar stimmt es, dass die Liste des neutestamentlichen Kanons bei Origenes (vgl. Eusebius h. e. VI,25,3–14) „a clever compilation by Eusebius“ 247 ist und dass sich die Urteile von Origenes und Eusebius (vgl. h. e. III,3,1–4) zu den Petrusbriefen weitgehend entsprechen 248, doch ist nicht zu sehen, aus 244 Zur Einordnung des Jo. vgl. nun Thümmel, H. G., Einleitung, in: Origenes’ Johanneskommentar Buch I–V, Herausgegeben, übersetzt und kommentiert von Hans Georg Thümmel (STAC 63), Tübingen: Mohr Siebeck 2011, 1–21, hier: 4f; bzgl. der (in vielen Details strittigen) Chronologie des Origenes insgesamt ist Williams, R., Art. Origenes/ Origenismus, in: TRE XXV (1995), 397–420, zur ersten Orientierung nützlich. 245 Übersetzung Grünstäudl in Anlehnung an Origenes, Johanneskommentar, 189, wo allerdings Χριστοῦ unübersetzt bleibt. Zur Übertragung der Phrase ἔστω δὲ καί mit „vielleicht auch“ vgl. die Überlegungen im Folgenden. 246 Diese Frage wird, soweit ich sehe, in der Literatur zu 2 Petr kaum erwogen. Vielmehr wird das Zitat bei Eusebius durchweg unbesehen als authentisches Zeugnis des Origenes rezipiert. 247 Kalin, E. R., The New Testament Canon of Eusebius, in: McDonald, M./Sanders, J. E. (Hg.), The Canon Debate. On the Origins and Formation of the Bible, Peabody: Hendrickson 2002, 386–404, hier: 389, wozu ders., Re-examining New Testament Canon History 1. The Canon of Origen, in: CTM 17 (1990), 274–282, die argumentative Begründung bietet. 248 Eusebius betont wie Origenes deutlich die Differenz zwischen 1 Petr und 2 Petr. Nur 1 Petr wurde nach Eusebius von den Alten unbestritten verwendet (h. e. III,3,1:
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welchem Motiv Eusebius welchen 249 nicht mit dem überlieferten Fragment inhaltlich übereinstimmenden „Originaltext“ redigiert haben sollte; ganz abgesehen davon, dass Eusebius durchaus mit einer Überprüfung seiner Zitate zu rechnen hatte 250. Darf man somit von einer authentischen Überlieferung durch Eusebius ausgehen 251, so muss nach dem Informationswert der Aussage zu 2 Petr gefragt werden. Frederic Henry Chase beurteilte diesen folgendermaßen: „The phrase ἀμφιβάλλεται γάρ clearly conveys, not an opinion of Origen’s, but information as to the division of opinion in his time; it may further be thought to suggest that 2 P had already secured a position, which was assailed. The words of the previous clause Πέτρου μὲν οὖν ἐπιστολὴ μία, ἡ λεγομένη αὐτοῦ προτέρα, ἀνωμολόγηται, ταύτῃ δὲ καὶ οἱ πάλαι πρεσβύτεροι ὡς ἀναμφιλέκτῳ ἐν τοῖς σφῶν αὐτῶν κατακέχρηνται συγγράμμασιν), nur dieser gilt ihm von allen Petrusschriften als echt (h. e. III,3,4: ὧν μόνην μίαν γνησίαν ἔγνων ἐπιστολὴν; vgl. die Inklusion, die h. e. III,3,1.4 um die Besprechung der petrinischen Schriften bildet), während er 2 Petr unter die umstrittenen Schriften rechnet (vgl. h. e. III,25,3) und betont, dass dieser ihm nicht als „Schrift des Bundes“ überliefert wurde (h. e. III,3,1: οὐκ ἐνδιάθηκον … εἶναι παρειλήφαμεν). Es überrascht daher, wenn Armin D. Baum in seiner Analyse der „Kanonliste“ des Eusebius urteilt: „Eusebios wird somit angenommen haben, daß … es sich beim zweiten Petrusbrief tatsächlich um ein Werk des Apostel Petrus handelte“ (Baum, A. D., Der neutestamentliche Kanon bei Eusebios [Hist. Eccl. III,25,1–7] im Kontext seiner literaturgeschichtlichen Arbeit, in: EThL 73 [1997], 307–348, hier: 339; vgl. auch das wohl zu optimistische Schlussurteil ebd., 341f). Bezüglich 2 Petr dürfte bei Eusebius vielmehr eine Spannung zwischen der differenziert kritischen Haltung seines unbestrittenen Vorbilds Origenes und der (wachsenden) Stabilität und Popularität der – durch ihn h. e. II,23,25 erstmals so bezeichneten – Gruppe von sieben Katholischen Briefen zu spüren sein (vgl. dazu Nienhuis, Not by Paul Alone, 63–68). 249 Es bestehen prinzipiell vor allem zwei Denkmöglichkeiten: Entweder unterstellt man ein völliges Fehlen von 2 Petr bei Origenes oder man nimmt ein ursprünglich positiveres Urteil des Origenes an. (1) Sollte in der ursprünglichen Formulierung des Origenes ein Hinweis auf 2 Petr völlig gefehlt haben, so wie dies für Jak und, auffälliger, für Jud der Fall ist, dann bleibt unklar, warum Eusebius es angesichts seiner kritischen Haltung gegenüber 2 Petr nicht einfach dabei beließ. Wenn Eusebius selbst (noch) seine Zweifel an 2 Petr offen formulieren konnte (vgl. h. e. III,3,1–4), fehlt für ihn des Weiteren ein nachvollziehbares Motiv, um Origenes an den „Trend“ des vierten Jahrhunderts anzupassen. Eusebius sah auch keine Veranlassung, die „fehlenden“ Jak und Jud in den Text einzutragen. (2) Im entgegengesetzten Fall wäre, wieder unter Berücksichtigung der Entwicklungen des vierten Jahrhunderts, zu fragen, warum Eusebius ein positives Urteil des Origenes bezüglich 2 Petr abschwächen sollte. Nur um eine Differenz zu seiner eigenen Position auszumerzen? Das erscheint angesichts von tatsächlichen Unterschieden zwischen Eusebius und Origenes in „Kanonfragen“, wie etwa im Urteil über Herm (vgl. Brox, N., Der Hirt des Hermas [KAV 7], Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 64–66), wenig wahrscheinlich. 250 Vgl. die Hinweise zur Edition des Jo. bei Thümmel, Einleitung, 3–7. 251 So auch das Urteil von Norelli, E., Art. Canone, in: Monaci Castagno, A. (Hg.), Origene. Dizionario. La cultura, il pensiero, le opere, Rom: Città Nuova 2000, 53–60, hier: 56: „Eusebio riproduce pure un passo die CIo 5…“.
1.4 Annäherungen an den terminus ad quem
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– ἔστω δὲ καὶ δευτέραν – leave us in little doubt that Origen’s judgement was unfavourable to the Epistle.“ 252
Für die Phrase ἔστω δὲ καί legt ihre sonstige Verwendung bei Origenes zwar einen deutlichen Vorbehalt nahe 253, doch geht eine Qualifizierung von Origenes’ Urteil als „unfavourable“ 254 wohl zu weit. Denn zum einen bezeichnet ἔστω δὲ καί bei Origenes jeweils eine reale Möglichkeit 255, wobei deren Wahrscheinlichkeit unterschiedlich hoch sein kann, zum anderen könnte der damit ausgedrückte Zweifel 256 zumindest zum Teil auch dem ursprünglichen Kontext dieser Stellungnahme, wie er aus den in der Philokalie (vgl. philoc. 5) erhaltenen Abschnitten des fünften Buches des Jo. noch zu erahnen ist 257, geschuldet sein 258. 252 253
Chase, Second Epistle of Peter, 803. In den griechischen Texten des Origenes findet sich diese Phrase noch weitere zehnmal (cels. I,62; II,6; IV,87 [= philoc. 20,13]; V,7. 59; frg. 20 in Jo. [vgl. Origenes Werke IV, Der Johanneskommentar, hg. v. Erwin Preuschen {GCS 10}, Leipzig: Hinrichs 1903, 483–574, hier: 499–501]; ep. ad Afr. [vgl. MPG 11, 48–85, hier: 84]; frg. in Gen. [vgl. MPG 12, 45–92, hier: 80] und schließlich noch im vorliegenden Fragment hinsichtlich 2–3 Joh [Eusebius, h.e. VI,25,10]). In cels. wird damit jeweils Celsus eine Konzession gemacht (ganz im Sinne von A Greek-English Lexicon, compiled by Henry George Liddell and Robert Scott, revised and augmented throughout by Sir Henry Stuart Jones with the assistance of Roderick McKenzie and with the cooperation of many scholars. With a revised supplement, Oxford: Clarendon Press 1996, s.v. εἴμι: „let it be granted“), ehe dessen Vorwurf zurückgeworfen wird. 254 Chase, Second Epistle of Peter, 803. 255 Das wird z. B. in cels. I,62 deutlich, wo Origenes auf den Vorwurf, die Apostel hätten unehrenhafte Berufe ausgeübt, erwidert, nur Matthäus sei Zöllner gewesen, möglicherweise (ἔστω δὲ καί) sei auch der Zöllner Levi Jesus nachgefolgt, Levi sei aber – außer nach einigen Handschriften des Mk (vgl. Mk 3,18) – kein Apostel gewesen. Cels. V,7 stellt eine Ausnahme dar, da Origenes die von Celsus vertretene Anschauung, dass die Gestirne Teile des Himmels seien (vgl. cels. V,6; vgl. dazu Die ‚Wahre Lehre‘ des Kelsos. Übersetzt und erklärt von Horacio E. Lona [KfA Ergänzungsband 1], Freiburg/Basel/Wien: Herder 2005, 279–282), deutlich als nicht ganz richtig (ὅπερ οὐ πάντως ἐστὶν ἀληθές) markiert. 256 Völlig verfehlt wäre es, aus den nicht genannten Gründen ableiten zu wollen, Origenes habe die referierten Zweifel nicht geteilt und 2 Petr als authentisch anerkannt (mit Kraus, Sprache, 5 Anm. 17). Ohne weitere Begründung meint Leipoldt, J., Geschichte des neutestamentlichen Kanons. Erster Teil. Die Entstehung, Leipzig: J. C. Hinrichs’sche Buchhandlung 1907, 237: „Origenes läßt deutlich durchblicken: er steht auf Seiten der Christen, die alle sieben katholischen Briefe annehmen. Diese Christen müssen also mindestens in der Heimat des Origenes in der Mehrzahl gewesen sein. Origenes pflegt sich ja in derartigen Fällen immer der stärkeren Partei anzuschließen.“ 257 Vgl. dazu die Fragmente aus dem fünften Buch des Johannes-Kommentars in Origène, Philocalie 1–20. Sur les Écritures. Introduction, texte, traduction et notes par Marguerite Harl/La lettre à Africanus sur l’histoire de Suzanne. Introduction, texte, traduction et notes par Nicholas de Lange (SC 302), Paris: Cerf 1983, 283–299, sowie die Analyse von Marguerite Harl, ebd., 300–302.
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Kapitel 1: Konturen
Das von Eusebius überlieferte Bruchstück aus Origenes’ JohannesKommentar verrät somit Weniges, aber Wichtiges: Origenes hatte bereits in seiner Zeit in Alexandrien Kenntnis von 2 Petr und wusste um dessen umstrittenen Status. Charakteristisch für seine eigene Haltung an dieser Stelle ist eine deutliche Differenzierung zwischen beiden Petrusbriefen und eine gewisse Distanz gegenüber 2 Petr, die aber nicht als klare Ablehnung zu qualifizieren ist 259. 1.4.3.2 Spuren von 2 Petr in den griechisch erhaltenen Texten? Das soeben besprochene Fragment aus dem Johannes-Kommentar ist auch deshalb so bedeutsam, da ansonsten keine explizite Nennung von 2 Petr oder gar ein Zitat aus diesem in den in griechischer Sprache erhaltenen Texten des Origenes vorzukommen scheint 260. 258 Soweit dies aus den in philoc. 5 überlieferten Nachbarpassagen noch zu erkennen ist, stand das Fragment ursprünglich im Kontext einer Reflexion auf die beträchtliche Länge von Origenes’ Johannes-Kommentar (vgl. Kalin, Canon of Eusebius, 279). Wie verträgt sich diese Länge, so wendet Origenes dabei gegen sich selbst ein, mit der entsprechenden Mahnung Kohelets (vgl. Koh 12,12)? Und noch mehr, mit der vergleichsweisen geringen literarischen Hinterlassenschaft der Apostel? Origenes erklärt, nur die Häretiker schrieben (zu) viele Bücher, ein guter Kommentar sei, gleich wie viele Bücher er auch umspanne, stets nur ein Buch. Für Origenes bestand das Ziel seiner rhetorisch geschickten Zuspitzung also darin, die Apostel möglichst wenig schreiben zu lassen. Je weniger diese produzierten, umso drastischer musste der Kontrast zum umfangreichen Kommentar des Origenes wirken, umso effektvoller aber auch die Auflösung der Spannung. 259 Die Einschätzung, 2 Petr sei in den Augen des Origenes „unkanonisch“ (Frankemölle, 1. Petrusbrief, 82), schießt nicht nur über das Ziel hinaus, sondern überträgt auch Kategorien auf Origenes, in denen dieser noch nicht dachte; vgl. etwa Van den Hoek, A., Clement and Origen as Sources on „Noncanonical“ Scriptural Traditions During the Late Second and Earlier Third Centuries, in: Dorival, G. (Hg.), Origeniana sexta. Origène et la bible. Actes du Colloquium Origenianum Sextum, Chantilly, 30 août – 3 septembre 1993, Leuven: Peeters/Leuven University Press 1995, 93–113, hier: 110. 260 Diese oft notierte Beobachtung findet sich bereits bei Westcott, History of the Canon, 363. Mit den Worten von Chase, Second Epistle of Peter, 803: „No other passage is quoted from any of Origen’s works now extant in the original Greek in which he quotes from, or alludes to 2 P.“ Diese Einschätzung wurde auch durch den Fund der Tura-Papyri nicht herausgefordert. Auf eine mögliche „allusion“, die bislang scheinbar noch nicht diskutiert wurde, soll hier aber hingewiesen werden. In den erhaltenen Fragmenten von Origenes’ Kommentar zu Ez (frg. in Ez.; vgl. MPG 13, 768–825, hier: 804) definiert Origenes in der Auslegung von Ez 13,2 den Propheten als „einen guten Diener des Wortes der Lehre“; zeichnet also den Propheten als Lehrer. Die in Ez 13,3 angesprochenen Propheten, die „aus ihrem eigenen Herzen prophezeien“ sind für Origenes ψευδοπροφῆται (vgl. viermal ψευδής in Ez 12,6–9). Auf diesem Weg gelangt er dann zur Formulierung: Ὅσα περὶ προφητῶν ἱστόρηται ἢ ψευδοπροφητῶν, λαμβάνονται εἰς πάντας διδασκάλους καὶ ψευδοδιδασκάλους, ὁρατοὺς καὶ ἀοράτους. Die pointierte Gegenüberstellung von ψευδοπροφῆται und ψευδοδιδάσκαλοι erinnert natürlich unmittelbar an 2 Petr 2,1 und
1.4 Annäherungen an den terminus ad quem
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Immerhin spricht Origenes im 15. Buch seines Matthäus-Kommentars (comm. in Mt.) 261 vom ersten Brief des Petrus 262, was wiederum die Existenz eines zweiten impliziert. Beachtenswert ist dabei der Kontext, in dem diese Bezeichnung für 1 Petr auftritt. Origenes schlägt in comm. in Mt. XV,27 unter Rückgriff auf Hi 38,7 vor, Mt 19,30 („Viele der Ersten werden die Letzten sein und die Letzten die Ersten.“) auf die Rangverhältnisse zwischen Engeln und Menschen zu beziehen. Zur Begründung dieser Deutung führt Origenes auch 1 Petr 1,8–12 und 1 Kor 6,3 an, wobei die Zitation der beiden Stellen ausführlich eingeleitet wird: παραλαβὼν δὲ εἰς τοῦτο ἀπό τε τῆς πρώτης ἐπιστολῆς καὶ τῆς Παύλου πρὸς Κορινθίους προτέρας ῥητὰ προσαχθήσῃ ὡς ὑγιῶς εἰρημένῳ τῷ λόγῳ. (Origenes, comm. in Mt. XV,27) Wenn du dazu noch aus dem ersten Petrusbrief und aus dem ersten Brief des Paulus an die Korinther Aussprüche hinzunimmst, wirst du dich dem Wort anschließen, weil es vernünftig gesprochen ist 263.
Anschließend wird zuerst 1 Petr 1,8–12 (eingeleitet mit λέγει γὰρ ὁ μὲν Πέτρος) und dann 1 Kor 6,3 (eingeleitet mit ὁ δὲ Παῦλος) angeführt. Die etwas umständliche doppelte Einleitung der beiden Zitate verdankt sich wohl einer gezielten Aufnahme des im gesamten Abschnitt wichtigen Stichworts πρῶτοι (aus Mt 19,30): Im ersten Brief des Petrus und im ersten Brief des Paulus an die Korinther steht etwas über die Letzten (die Menschen), die Erste werden (d.h. [manche] Engel an Rang übertreffen). Auf diesem Hintergrund ist die ohnehin schwierige Frage, ob die Formulierung des Origenes darauf hinweist, dass es in seiner Spätzeit (vgl. Eusebius,
Justin, dial. 82,1, wobei aber beide Texte gleichermaßen als mögliche Impulsgeber für die Formulierung des Origenes in Frage kämen. Doch ist bei der Annahme bewusster Rezeption Zurückhaltung geboten, da, wie gezeigt, Origenes seine Formulierung ganz aus der Exegese der Stelle heraus entwickelt und die für 2 Petr und Justin gerade typische „heilsgeschichtliche“ Opposition zwischen Lügenpropheten in Israel und Lügenlehrern in der Kirche bei ihm in die Gleichung „(Lügen)Propheten sind (Lügen)Lehrer“ hinein aufgehoben ist. Von einem Anklang an 2 Petr 2,1 darf man hier also sprechen, von einer wahrscheinlichen Anspielung aber nicht. 261 Als Textbasis dient im Folgenden Origenes. Matthäuserklärung I. Die griechisch erhaltenen Tomoi, herausgegeben im Auftrage der Kirchenväter-Commission der Preussischen Akademie der Wissenschaften unter Mitwirkung von Lic. Dr. Ernst Benz von D. Dr. Erich Klostermann (GCS 40 = Origenes Werke 10), Leipzig: J. C. Hinrichs’sche Buchhandlung 1935. 262 So auch im lateinischen Textbestand princ. II,5,136. 263 Übersetzung von Hermann Josef Vogt in Origenes, Der Kommentar zum Evangelium nach Matthäus, eingeleitet, übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Hermann J. Vogt, Zweiter Teil (BGrL 30), Stuttgart: Anton Hiersemann 1990, 127.
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h. e. VI,36,1f) 264 auch für ihn einen anerkannten zweiten Petrusbrief gegeben hat oder ob sich darin nur üblicher Sprachgebrauch spiegelt, schlicht nicht zu entscheiden, da der Anteil rein kompositorischer Motive an der Rede vom ersten Petrusbrief nicht verlässlich zu bemessen ist. Die lateinische Überlieferung dieses Abschnitts bietet dieses Wortspiel übrigens nicht. Sie leitet vielmehr mit „accipe autem ad haec scripturam apostoli dicentis“ das Zitat aus 1 Kor 6,3 ein, lässt die Belegstelle aus 1 Petr gänzlich aus und zitiert stattdessen Jud 6 (eingeleitet mit „sed et Iudas dicit, quoniam“) 265. Angesichts der komplexen und umstrittenen Beziehung zwischen lateinischer und griechischer Texttradition in comm. in Mt. 266 könnten dadurch sogar Zweifel an der Originalität der Einspielung des 1 Petr an dieser Stelle aufkommen 267. Da aber auch in comm. in Mt. X,13 und XVII,30 die beiden Belegstellen 1 Kor 6,3 und 1 Petr 1,12 (in comm. in Mt. XVII,30 wiederum mit Jud 6) verbunden sind, wird man
264 Vgl. auch Vogt, H. J., Einleitung, in: Origenes, Der Kommentar zum Evangelium nach Matthäus, eingeleitet, übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Hermann J. Vogt, Erster Teil (BGrL 18), Stuttgart: Anton Hiersemann 1983, 1–54, hier: 49f. 265 Es ist der große Vorteil der Edition von Klostermann, dass sie es erlaubt, solche Differenzen mit einem Blick wahrzunehmen. 266 Von den ursprünglich 25 Bänden des comm. in Mt. (vgl. Eusebius, h. e. VI,36,2) sind nur mehr die Bände X–XVII (die Erklärung von Mt 13,36–22,33) auf Griechisch erhalten. Eine lateinische Übersetzung, „die wohl am ehesten in den Umkreis Cassiodors gehört“ (Vogt, Einleitung, 8), gibt die Erklärung von Mt 16,13–27,66 wieder, wodurch sie zu einem großen Teil mit dem griechischen Text verglichen werden kann (vgl. Vogt, Einleitung, 52f). Durchaus verwirrend ist der Umstand, dass derjenige Teil derselben lateinischen Übersetzung, der keine Parallele im Griechischen besitzt, in den Editionen als Commentariorum Series firmiert und einer eigenen Zählung unterworfen ist. Zur Forschungsgeschichte vgl. Vogt, H. J., Art. Origenes, in: LACL ( 32002), 528–536, hier: 529f, zu den Textphänomenen vgl. Vogt, H. J., Das Verhältnis der alten lateinischen Übersetzung (L) zum griechisch erhaltenen Text des Matthäus-Kommentars (Gr), in: ders., Origenes als Exeget, herausgegeben von Wilhelm Geerlings, Paderborn u. a.: Schöningh 1999, 121–134 (= ders., Bemerkungen zur lateinischen Übersetzung des Mattäus-Kommentars von Origenes, in: Gryson, R. [Hg.], Philologia Sacra. FS Hermann J. Frede und Walter Thiele [AGLB 24/1–2], Freiburg: Herder 1993, 378–396). Der Verfasser der lateinischen Übersetzung ist nach Hermann Josef Vogt ein „ziemlich selbständiger Kopf“ (Vogt, Einleitung, 52) gewesen. Andererseits scheint die Vorlage der lateinischen Übersetzung „in some respects better and fuller than that represented by our manuscripts“ (Hammond, C. P., Some Textual Points in Origen’s Commentary on Matthew, in: dies. [Hg.], Origeniana et Rufiniana [VL.AGLB 29], Freiburg: Herder 1996, 380–404, hier: 381) gewesen zu sein. 267 Das Fehlen von Πέτρου in den Manuskripten kann solche Zweifel aber aufgrund der engen Verwobenheit des Abschnitts nicht begründen (gegen Westcott, History of the Canon, 363 Anm. 4).
1.4 Annäherungen an den terminus ad quem
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hier doch eher ein Argumentationsmuster des Origenes erkennen und einen Ausfall von 1 Petr im Lateinischen vermuten 268. Das zweimalige Zusammenstehen von 1 Petr 1,12 und Jud 6 in einem angelologischen Kontext, wobei in comm. in Mt. XVII,30 überdies Gen 6,2 zitiert wird, begründet natürlich auch ein durchaus auffälliges Fehlen der Jud 6 thematisch entsprechenden Stelle 2 Petr 2,4. Dieser Eindruck der Abwesenheit des 2 Petr gilt auch für comm. in Mt. insgesamt, insofern 1 Petr darin sehr häufig präsent ist und Jud mehrmals bewusste Verwendung erfährt (vgl. comm. in Mt. X,17; 24; XIII,27; XV,27; XVII,30). Auch das von Hermann Josef Vogt für die Spätwerke comm. in Mt. und cels. konstatierte „neue Interesse an der Eschatologie“ 269 kommt ohne 2 Petr aus. Als Ergebnis lässt sich festhalten, dass eines der letzten großen Werke des Origenes 270 in seinen für uns erhaltenen Teilen zwar von der Existenz eines zweiten Petrusbriefs – womit wie in Jo. 5,3 kein anderer Text als 2 Petr gemeint sein wird – weiß, aber 2 Petr in keiner erkennbaren Weise verwendet. 1.4.3.3 Zitate aus 2 Petr in Rufins Origenes-Übersetzungen Lassen diejenigen Texte des Origenes, die griechisch erhalten geblieben sind 271, nur erkennen, dass Origenes um die Existenz eines zweiten Pet268 Dass Jud 6 im lateinischen Text nicht nur angespielt, sondern förmlich zitiert wird, könnte ebenfalls auf die Übersetzung/Übertragung zurückgehen, besitzt diese doch „eine Neigung, die Zitate zu vervollständigen“ (Origenes, Vogt I, 101 Anm. 21). Vogts Einschätzung, das ausführliche Zitat von Jud 6 im lateinischen Text sei „sicher echt, weil der folgende [Abschnitt], der dann von diesen Engeln handelt mit ‚also‘ anschließt“ (Origenes, Vogt II, 158 Anm. 76), ist nicht zwingend, da zum einen der Anschluss mit ὅρα οὖν einfach nach der Listung der Belegstellen zur Argumentation zurückkehrt und zum anderen von den ihren Ehrenplatz verlierenden Engeln bereits vor den biblischen Referenzen die Rede war. 269 Vogt, H. J., Der Kommentar zum Evangelium nach Matthäus. Teil II, in: ders., Origenes als Exeget, herausgegeben von Wilhelm Geerlings, Paderborn u. a.: Schöningh 1999, 65–83, hier: 81 (= ders., Einleitung, in: Origenes, Der Kommentar zum Evangelium nach Matthäus, eingeleitet, übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Hermann J. Vogt, Zweiter Teil (BGrL 30), Stuttgart: Anton Hiersemann 1990, 1–31). 270 Vogt, Einleitung, 49f: „Zu vielen Fragen darf man den Mattäus-Kommentar als sein letztes Wort nehmen, das frühere Aussagen bestätigt oder korrigiert.“ 271 Glücklicherweise ergeben sich aber mitunter spektakuläre Funde bislang verloren geglaubter Texte. So wurde im Sommer 2012 in der Staatsbibliothek München im Codex Monacensis 314 eine Anzahl griechischer (!) Psalmenhomilien des Origenes entdeckt, die ich leider nicht mehr einsehen konnte. Prof. Dr. Lorenzo Perrone, der die Edition dieser Homilien betreut, teilte aber auf Anfrage freundlicherweise mit, dass in „dem bisher bearbeiteten Teil ... überhaupt keine Hinweise auf den Zweiten Petrusbrief“ [Email vom 6. September 2012] zu finden sind. Für die rasche und ausführliche Auskunft sei Prof. Perrone herzlich gedankt.
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rusbriefs neben 1 Petr wusste (vgl. Jo. 5,3; comm. in Mt. XV,27), so bieten diejenigen Texte, die in der lateinischen Übersetzung des Rufin von Aquileia überliefert sind, einige eindeutig markierte Zitate aus 2 Petr. 1.4.3.3.1 Die Liste Eine kritische Durchsicht der in der Forschung bereits benannten Vorschläge 272 sowie der in Biblia Patristica II angegebenen Verweise ergibt, dass in den lateinischen Origenes-Texten folgende sieben Stellen als klare Zitate 273 aus 2 Petr 274 zu werten sind: (1) hom. in Ex. XII,4: 2 Petr 2,19 wird mit „scio enim scriptum esse quia“ eingeleitet. Im Unterschied zu anderen christlichen Belegen dieses Sprichworts 275 ist so der Bezug zu einer Schriftstelle und damit zu 2 Petr 2,19 zweifelsfrei hergestellt. (2) hom. in Lev. IV,4: Im Zuge der Exegese von Lev 6,2 wird neben Phil 2,1f, 1 Joh 1,3 und 2 Kor 6,14 auch 2 Petr 1,4 angeführt, wobei die Herkunft des Zitats durch die Einleitungsformel „Et iterim Petrus dicit“ verdeutlicht wird 276. (3) hom. in Num. XIII,8,1: Bei der Besprechung von Num 22,23 wird mit der Einleitung „ut ait quodam in loco Scriptura“ 2 Petr 2,16 beigebracht 277. (4) hom. in Num. XVIII,4,6: Im Zuge einer mit Num 24,19 verknüpften Reflexion zum prophetischen Sprachgebrauch wird 2 Petr 1,20 als eine Art schrifthermeneutische Wegweisung zitiert, wobei der einleitende Anschluss
272 Chase, Second Epistle of Peter, 803, listet acht Belege (fünf Zitate, eine Nennung, zwei Anspielungen) für eine sichere Verwendung von 2 Petr auf (diese sind übernommen bei Chaine, Épîtres catholiques, 6 mit Anm. 5), Kraus, Sprache, 5 Anm. 18, gibt 15 Stellen, an denen „Verse aus 2Petr … bei Origenes zu finden [sind]“, an. Enrico Norelli hingegen verweist in seiner instruktiven Darstellung des „Kanons“ bei Origenes nur auf drei Belege (vgl. Norelli, Canone, 57). 273 Aufgrund der fehlenden Einleitungsformel (oder einem Äquivalent dazu) mag die Hinzurechnung von Nr. 7 zu den „Zitaten“ etwas unscharf erscheinen, vgl. dazu unten 1.4.3.3.4. 274 Die hier angeführte Liste enthält alle fünf von Chase, Second Epistle of Peter, 803, angeführten Zitate (Nr. 1–3. 5f). Im Unterschied zu Chase ist aber Nr. 4 als Zitat und nicht bloß als Anspielung gewertet und die Belegstelle Nr. 7, die bei Chase (sowie bei Kraus und Norelli) keine Berücksichtigung findet, neu aufgenommen. 275 Vgl. dazu die Ausführungen im Abschnitt zu Hippolyt (1.4.4.1). 276 Vgl. Origène. Homélies sur le Lévitique I (Homélies I–VII). Texte latin. Introduction, traduction et notes par Marcel Borret (SC 286), Paris: Cerf 1981, 170. 277 Vgl. Origène. Homélies sur les Nombres II (Homélies XI–XIX). Texte latin de W. A. Baehrens (G. C. S.). Nouvelle édition par Louis Doutreleau (SC 442), Paris: Cerf 1999, 152.
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„de qua [sc. consuetudo prophetica; Anm. Grünstäudl] dicitur“ dezent, aber deutlich ausfällt 278. (5) comm. in Rom. IV,9: Der Gedanke der Teilhabe an der göttlichen Natur, dessen Herkunft aus 2 Petr 1,4 deutlich benannt wird – „sicut Petrus apostolus edocuit“ – dient hier am Ende der Auslegung des Lemmas Röm 5,3–5 zur Verknüpfung von Röm 5,5 und Joh 17,21. (6) comm. in Rom. VIII,7 279: „Petrus in epistula sua dicit“ leitet hier ein Zitat aus 2 Petr 1,2 ein, wobei die Wendung „in recognitione Dei“ verdeutlicht, dass nicht die ähnliche Stelle 1 Petr 1,2 gemeint ist. (7) princ. I,8,4: An dieser Stelle wird ein Verweis auf das Sprechen der Eselin in Num 22,28–30 durch eine 2 Petr 2,16 entsprechende Sequenz begleitet und ergänzt, wobei eine Einleitungsformel fehlt. Zu diesen sieben direkten Zitaten kommt noch als achter eindeutiger Verweis auf 2 Petr die bekannte Stelle hom. in Jos. VII,1 („Petrus etiam duabus epistolarum suarum personat tubis“), wo die Existenz von zwei Petrusbriefen vorausgesetzt wird (vgl. dazu unten) und eine Reihe von möglichen Anspielungen, von denen meiner Einschätzung nach zumindest hom. in Ex. VIII,1 (vgl. 2 Petr 3,15) und princ. IV,4,4 (vgl. 2 Petr 1,4) mit einiger Wahrscheinlichkeit 2 Petr in Blick haben. 1.4.3.3.2 Zweifel Diese eindrucksvolle Liste erweckt allerdings gerade durch ihren Umfang Zweifel: Ist es tatsächlich Origenes, der in den genannten Schriften intensiv den sonst von ihm beinahe völlig vernachlässigten 2 Petr gebraucht 280 oder vielmehr Rufin 281, der im Zuge seiner Übersetzungsarbeit hier seine Handschrift einträgt 282? In den von Hieronymus in das Lateinische über278 279
Vgl. Origène, SC 442, 336. Zu diesem Abschnitt des comm. in Rom. existieren verschiedene Zählweisen, so dass auf diese Stelle auch mit comm. in Rom. VIII,6 verwiesen werden kann. 280 Chase, Second Epistle of Peter, 803, nennt die Verteilung der Zitate (keines in den griechischen Texten, zahlreiche in den lateinischen) „certainly strange“. 281 Vgl. Stenzel, M., Der Bibelkanon des Rufin von Aquileia, in: Bib. 23 (1942), 43– 61, hier: 51–57. Kraus, Sprache, 5: „Eine tatsächliche Benutzung dieses Briefes … ist für Origenes unwahrscheinlich.“ 282 Die abschließende Beantwortung dieser Frage, sofern sie denn möglich ist, bedürfte einer umfassenden Untersuchung, die Schriftgebrauch und Zitationstechnik beider Autoren ebenso in Rechnung stellt, wie deren unterschiedlichen theologiegeschichtlichen Kontexte und die Besonderheiten der Übersetzungsarbeit Rufins. Dies ist hier keinesfalls zu leisten. Die folgenden Ausführungen, die zuerst der historischen Einordnung von 2 Petr dienen sollen, möchten nur insofern einen Beitrag dazu leisten, als versucht werden soll, den mitunter etwas vagen Verdacht gegen die Übersetzungstreue Rufins hinsichtlich Origenes’ 2 Petr-Gebrauch ein wenig konkreter zu fassen und dabei den Blick für die Komplexität der Fragestellung zu schärfen.
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Kapitel 1: Konturen
tragenen Origenes-Homilien zu Hld, Jes, Jer, Ez und Lk finden sich jedenfalls keine Zitate aus 2 Petr. Solche Zweifel werden auch durch die Übersetzungspraxis Rufins genährt 283, die überdies unterschiedliche Übersetzungsmethoden bzw. -stile kennt 284. Stellt man etwa für den Römerbrief-Kommentar des Origenes (comm. in Rom) 285 die Schriftverweise, die in der Auslegung des Lemmas Röm 4,14f im griechischen Tura-Papyrus (P. Cair. 88748) gebraucht werden, denen gegenüber, die in der Übersetzung des Rufin verwendet werden, so wird exemplarisch deutlich, wie sehr Rufin die von ihm übersetzten Origenes-Texte gerade auch im Hinblick auf die Schriftverweise mitunter einem gründlichen „redrafting“ 286 unterzieht (vgl. folgende Tabelle). Von zehn Belegstellen, die Origenes anführt, wurden durch Rufin nur fünf übernommen (vgl. Kursivsetzung in obiger Tabelle). Dieser veränderte nicht nur deren Sequenz, sondern ergänzte sie auch selbstständig durch fünf andere Referenzen. Auch wenn Rufin dabei der inhaltlichen Intention des Origenes weitgehend gerecht wird 287, so zeigt dieser Vergleich doch, wie wenig ein bestimmtes Schriftzitat in Rufins Übersetzungen unbesehen als Zitat des Origenes gewertet werden kann.
283 Vgl. insbesondere Pace, N., Ricerche sulla traduzione di Rufino del ‚De principiis‘ di Origene (Pubblicazioni della Facoltà di lettere e filosofia dell’ Università di Milano 133/Sezione a cura dell’ Istituto di Filologia classica 2), Florenz: La nuova Italia editrice 1990, Wagner, M. M., Rufinus, the Translator. A Study of His Theory and His Practice as Illustrated in His Version of the Apologetica of St. Gregory Nazianzen (PatST 73), Washington: The Catholic University of America 1945, sowie nun Grappone, A., Omelie Origeniane nella traduzione di Rufino. Un confronto con i testi greci (SEAug 103), Rom: Institutum Patristicum Augustinianum 2007, hier: 7–74. 284 Auf „verschiedene Übersetzungsperioden“ weist bereits Baehrens, W. A., Überlieferung und Textgeschichte der lateinisch erhaltenen Origeneshomilien zum Alten Testament (TU 42/1), Leipzig: J. C. Hinrich’sche Buchhandlung 1916, 188, hin. 285 Text und deutsche Übersetzung sind im Folgenden entnommen aus Origenes, Commentarii in epistulam ad Romanos/Römerbriefkommentar, übersetzt und eingeleitet von Theresia Heither (FC 2/1–6), Freiburg u.a.: Herder 1990–1999. Zu beachten ist dabei stets die kritische Edition von Hammond Bammel, C. P., Der Römerbriefkommentar des Origenes. Kritische Ausgabe der Übersetzung Rufins (AGLB 16.33.34), Freiburg: Herder, 1990–1998 (die letzten beiden Bände wurden von Hermann Josef Frede und Herbert Stanjek aus dem Nachlass herausgegeben). 286 Vgl. Chadwick, H., Rufinus and the Tura Papyrus of Origen’s Commentary on Romans, in: JThS.NS 10 (1959), 10–42, hier: 21. 287 Poetisch formuliert Chadwick, Rufinus and the Tura Papyrus, 25: „The voice is the voice of Origen, even though the hands are the hands of Rufinus.“
1.4 Annäherungen an den terminus ad quem
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Schriftverweise in Origenes, comm. in Rom. IV,4 288 Griechisch (Tura-Papyrus)
Lateinisch (Übersetzung des Rufin)
Gal 3,17f.22 Joh 12,44 Joh 5,46 Sir 44,16 Gen 7,1 1 Tim 1,9f 1 Tim 2,14 Röm 7,22f Jer 38,35 2 Kor 3,3
Gen 12,1 1 Tim 2,14 Röm 3,27 Röm 7,22f 1 Tim 1,9f Röm 2,14f Ex 14,31 289 Joh 5,46 290 Joh 12,44 Joh 14,9
Schließlich ist zu beachten, wie Rufin in seiner Übersetzung der Kirchengeschichte des Eusebius 291 die Passagen zu den Petrusbriefen transformiert. Das Zitat aus Origines’ Johannes-Kommentar (vgl. Eusebius, h.e. VI,25,8) gibt er folgendermaßen wieder: Petrus vero, super quem Christi fundatur ecclesia, duas tantummodo epistulas scribit, e quibus a nonnullis et de secunda dubitatur. (Rufin, h. e. VI,25,8) Petrus aber, auf dem die Kirche Christi begründet ist, schreibt nur zwei Briefe; von diesen wird der Zweite von einigen bezweifelt 292.
Im Unterschied zum eusebianischen Origenes, der deutlich zwischen zwei Briefen, einem anerkannten und einem umstrittenen, unterscheidet, fasst Origenes bei Rufin beide zusammen und vermerkt nur die Zweifel „einiger“ am zweiten Brief (a nonnullis … dubitatur). Ähnlich verliert die nachdrückliche Feststellung des Eusebius, nur ein Petrusbrief (μόνην μίαν
288 Scherer, J., Le Commentaire d’Origène sur Rom. IV,5–V,7 d’après les Extraits du Papyrus np. 88748 du Musée du Caire et les Fragments de la Philocalie et du Vaticanus gr. 762. Essai de Reconstitution du Texte et de la Pensée des Tomes V et VI du ‚Commentaire sur l’épître aux Romains‘ (Bibliothèque d’Étude 27), Kairo: Institut français d’Archéologie Orientale 1957, 108, zitiert nach Chadwick, Rufinus and the Tura Papyrus, 21. 289 Im weiteren Text des Abschnitts noch einmal wiederholt. 290 Im weiteren Text des Abschnitts noch zweimal wiederholt. 291 Der Text entstammt im Folgenden Eusebius, Die Kirchengeschichte, bearbeitet im Auftrage der Kirchenväter-Commission der Königl. Preussischen Akademie der Wissenschaften von Dr. Eduard Schwartz/Die lateinische Übersetzung des Rufinus, bearbeitet im gleichen Auftrage von Dr. Theodor Mommsen (Erste Hälfte) (GCS 9/1 = Eusebius Werke 2), Leipzig: J. C. Hinrichs’sche Buchhandlung 1903, 579. 292 Übersetzung Grünstäudl.
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Kapitel 1: Konturen
… ἐπιστολήν) sei bei den Alten anerkannt worden, in der Übersetzung des Rufin viel von ihrer abgrenzenden Note: Interim Petri, ut diximus, prima epistula ab omnibus veteribus est recepta. (Rufin, h.e. III,3,4) Jedoch ist der erste Brief des Petrus, wie wir gesagt haben, von allen Alten angenommen worden 293.
Auf dem Hintergrund dieser tendenziellen Aufwertung des 2 Petr durch den Übersetzer Rufin, die einer Anpassung der übersetzten Texte an die kanongeschichtliche Situation zu Rufins Zeit entspricht 294, wird man auch gegenüber der bereits oben erwähnten „Kanonliste“ in hom. in Jos. VII,1 sehr zurückhaltend sein müssen 295. Aus dieser Stelle zu folgern, dass Origenes 2 Petr „als kanonisch anerkennt“ 296, bedeutet nicht nur, mit Kategorien zu operieren, die Origenes so noch fremd sind, sondern vor allem auch, die überlieferungsgeschichtliche Problematik von hom. in Jos. VII,1 auszublenden. Weder aus der Erklärung des Rufin, er habe im Gegensatz zu anderen Origenes-Texten das in den Homilien zu Ri und Jos Geschriebene „einfach so, wie ich es vorgefunden habe, ohne große Mühe übersetzt“ (simpliciter ut invenimus et non multo cum labore transtulimus) 297, noch aus der Posi293 294
Übersetzung Grünstäudl. Dies zeigt an den Beispielen Kanonbegriff, Zählung der Paulusbriefe, Stellung des Hebr und Beurteilung der Petrus- und Johannesbriefe überzeugend Kalin, Canon History, 280f. Stenzel, Bibelkanon des Rufin, 55, notiert: „Rufin bemüht sich aber stets, diese Zweifel [sc. die bei Eusebius referiert werden; Anm. Grünstäudl] in abgeschwächter Form den Lateinern zur Kenntnis zu bringen.“ 295 Vgl. auch das harte Urteil von Leipoldt, Geschichte I, 237 Anm. 2: „Unbrauchbar für kanonsgeschichtliche Zwecke sind die lateinischen Übersetzungen der Origenesschriften, die oft den abendländischen Kanon aus der Zeit um 400 widerspiegeln.“ 296 Vögtle, Der zweite Petrusbrief, 128 (vgl. ebd., 129). Ähnlich Fuchs/Reymond, Deuxième épître de Pierre, 37f, sowie bereits Schelkle, Petrusbriefe, 182: „Origenes selber nimmt jedoch beide Petrusbriefe als kanonisch an…“. Keinerlei Berücksichtigung findet die Überlieferungsproblematik auch bei Green, 2 Peter and Jude, 13: „It [sc. der 2 Petr; Anm. Grünstäudl] is not cited by name until Origen, at the beginning of the third century, who six times quotes it as Scripture. In short ‚Peter blows on the twin trumpets of his own Epistles‘“. Van Houwelingen, P. H. R., De tweede Trompet. De authenticiteit van de tweede brief van Petrus, Kampen: J. H. Kok 1988, 25 Anm. 23 (Hervorhebung Grünstäudl), vermerkt zwar knapp die Problematik, erkennt aber in „de typisch allegorische uitleg“ sowie (überraschenderweise! – vgl. dazu im Folgenden) „de volgorde van de bijbelschrijvers (Petrus direkt nà de vier evangeliën) … voldoende indikatie voor de echtheid van deze passage“ und gewinnt aus hom. in Jos. VII,1 sogar den Titel seiner Untersuchung (vgl. ebd., 11). 297 Diese Erklärung findet sich in dem an den Auftraggeber Heraclius gerichteten Epilog des comm. in Rom. Für den Hinweis auf diese Selbstauskunft des Rufin sei Prof. Andreas Merkt herzlich gedankt. Wie wenig diese Äußerung eine getreue Übersetzung
1.4 Annäherungen an den terminus ad quem
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tion der Apg in der Aufzählung der später neutestamentlichen Schriften (Mt-Mk-Lk-Joh-1 Petr/2 Petr-Jak-Jud-Johannesbriefe 298-Apg-14 Paulusbriefe 299-Offb? 300) 301, noch aus der sicherlich richtigen Beobachtung, dass die Deutung der Trompeten vor Jericho auf die apostolischen Schriften „characteristic of Origen’s style“ 302 ist, kann geschlossen werden, dass Rufin hier detailgetreu Origenes’ Aufzählung der später neutestamentlichen Schriften wiedergibt und nicht – wie er es sonst nachweislich tut 303 – eine kanongeschichtlich sensible Stelle an eine veränderte historische Situation anpasst. im modernen Sinne impliziert, verdeutlichen die einschlägigen Untersuchungen. So kommt Jaubert, A., Introduction, in: Origène. Homélies sur Josué. Texte latin. Introduction, traduction et notes de Annie Jaubert (SC 71), Paris: Cerf 1960, 9–87, hier: 82, am Ende einer Analyse (ebd., 68–82) der Übersetzung der hom. in Jos. durch Rufin zum Schluss: „Il faut plutôt la considérer comme une libre adaptation, non comme une traduction. Dans l’ensemble, elle donne l’impression d’une longue paraphrase, mais non d’une paraphrase inexacte.“ Der Gedankengang folgt also Origenes, Detailtreue ist dabei aber nicht zu erwarten. Ähnlich sieht Grappone, Omilie Origeniane, 209, in den Homilien-Übersetzungen Rufins eine letztlich unüberwindliche Hürde („una sorta di barriera insuperabile“); vgl. ebd., 213–384, eine synoptische Zusammenstellung der griechischen Homilienfragmente mit der Übersetzung Rufins. 298 Eine Zählung fehlt hier (Johannes tuba canere per epistolas suas). 299 Eine Nennung der einzelnen Briefe unterbleibt. 300 Nur in manchen Handschriften belegt. 301 Harnack, A. von, Der kirchengeschichtliche Ertrag der exegetischen Arbeiten des Origenes. Teil I (TU 42/3), Leipzig: J. C. Hinrichs’sche Buchhandlung 1919, 12 Anm. 1, urteilt zu diesem „Kanonverzeichnis“ knapp: „Daß Rufin an ihm korrigiert hat, ist nicht unmöglich, aber m.E. nicht zu begründen; die Stellung der Apostelgeschichte spricht sogar dagegen.“ Der Hinweis auf die Position der Apg, die nicht westlicher Gewohnheit entspricht, wird bei Lagrange, Canon, 95, zu „un indice très sérieux que Rufin n’a rien changé au texte“ und auch Ruwet, J., Les „antilegomena“ dans le oeuvres d’Origène, in: Bib. 23 (1942), 18–52, hier: 22, beruft sich in diesem Sinne auf Harnack (vgl. auch Norelli, Canone, 57). Zu beachten ist aber, dass erstens ein origenianischer Ursprung der Reihenfolge der aufgezählten Texte bei weitem keine detailgetreue Wiedergabe der gesamten „Liste“ begründet und dass zweitens die Frage, welche Schriften (nicht) genannt werden, kanongeschichtlich wesentlich bedeutsamer ist als die Reihenfolge der angeführten Schriften. 302 Westcott, History of the Canon, 362 (bei Mayor, Second Epistle of St. Peter, cxviii, wohlwollend aufgegriffen). Auch dieses Argument kann nur die Herkunft des Bildes (vgl. hom. in Gen. 13) von Origenes wahrscheinlich machen, nicht aber seine detailgetreue Wiedergabe durch Rufin (vgl. Nienhuis, Not by Paul Alone, 61f). 303 Hinzuweisen ist neben den oben genannten Beispielen auch noch darauf, wie Rufin die Liste der von Origenes akzeptierten „alttestamentlichen“ Schriften (vgl. Eusebius, h. e. VI,25,1f) redigiert (zur Problematik des Zeugnis des Eusebius vgl. Kalin, Canon History, 277), indem „er die unter den Lateinern üblichen Namen nennt und alle fremdartigen Bezeichnungen weglässt“ (Stenzel, Bibelkanon des Rufin, 46) und das fehlende Zwölfprophetenbuch vor Jesaja einfügt.
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Kapitel 1: Konturen
Vielmehr ist mit David Nienhuis zu bedenken, dass die in hom. in Jos. VII,1 bezeugte Reihenfolge der Katholischen Briefe „only one other parallel in canon history“ 304 besitzt, nämlich in Rufins (!) Erklärung des Glaubensbekenntnisses (symb. 35). Wenngleich aufgrund des Fehlens des griechischen Textes eine völlig sicheres Urteil zu hom. in Jos. VII,1 nicht zu treffen ist, sind die verschiedenen Verdachtsmomente (Übersetzungspraxis des Rufin an kanongeschichtlich sensiblen Stellen, Reihenfolge der Katholischen Briefe, Interesse des Rufin an einem orthodoxen Origenes-Bild) doch so stark, dass hom. in Jos. VII,1 nicht unter die belastbaren Belege einer Kenntnis, Verwendung oder gar Anerkennung des 2 Petr durch Origenes gerechnet werden sollte. Sind damit auch die oben aufgelisteten sieben Zitate aus 2 Petr auf ihre Originalität hin anzufragen 305, so ergeben sich massive methodische Prob-
304 Nienhuis, Not by Paul Alone, 62. Vgl. die entsprechenden Listen ebd., 91–95, sowie Zahn, Geschichte, II/1, 379. Auch in Origenes, hom. in Gen. 13 ist die selbe Reihenfolge eingehalten, dort werden allerdings nur die Autorennamen, keine Texte, angeführt. Bereits Stenzel, Bibelkanon des Rufin, 54, wies auf diesen Umstand hin und ergänzte: „Denn merkwürdig ist es, dass sämtliche griechischen Bibelhandschriften die katholischen Briefe in der heute üblichen Reihenfolge aufzählen“ (ebd., 54f). 305 Keineswegs muss man bei der Annahme, Zitate aus 2 Petr seien erst durch Rufin in die Texte des Origenes gekommen, jenem unlautere Motive oder in jedem einzelnen Fall eine bewusste Veränderung seiner Vorlage unterstellen. Vielmehr ist die Prägung Rufins durch seinen zeit- und kanongeschichtlichen Hintergrund zu beachten, die sich ganz selbstverständlich in seiner literarischen Tätigkeit niederschlägt. Hinsichtlich der Werke des Origenes kommen noch zwei spezielle Umstände hinzu: Erstens galt dem Rufin die Textüberlieferung der Werke des Origenes bereits durch fremdartige Zusätze verderbt, sodass erst durch ein Reinigungsverfahren deren ursprüngliche Gestalt wiederherzustellen war. Zweitens besaß Rufin zumindest einen Text des „Origenes“ mit eindeutigen Zitaten aus 2 Petr, nämlich die sogenannten Adamantius-Dialoge (vgl. Tsutsui, K., Die Auseinandersetzung mit den Markioniten im Adamantios-Dialog. Ein Kommentar zu den Büchern I-II [PTS 55], Berlin: De Gruyter 2004). Diese aus dem vierten Jahrhundert stammende antimarkionitische Streitschrift übersetzte Rufin im Glauben, einen Text des Origenes vor sich zu haben – und zwar eher am Anfang seiner Übersetzertätigkeit (vgl. die hypothetische Chronologie bei Hammond, C. P., The Last Ten Years of Rufinus’ Life and the Date of His Move South from Aquileia, in: JThS.NS 28 (1977), 372–429, hier: 428f). Unter diesem Gesichtspunkt ist es vielleicht kein Zufall, dass 2 Petr 2,19 (vgl. Adamant. 58,1f) und 2 Petr 3,15 (vgl. Adamant. 80,23–25) auch in den hom. in Ex. begegnen (hom. in Ex. XII,4: „scio enim scriptum esse quia“ mit 2 Petr 2,19; hom. in Ex. VIII,1: vgl. 2 Petr 3,15), da sich weitere Wiederholungen bestimmter 2 PetrReminiszenzen in den Übersetzungen Rufins feststellen lassen (2 Petr 2,19 begegnet etwa ein drittes Mal – als Herrenwort! – in Rufins Übersetzung der pseudoclementinischen Recognitionen [PsClem R V,12,4]; 2 Petr 1,4, dessen Fehlen in den griechischen Origenes-Texten vielleicht besonders auffällig ist, ebenfalls dreimal in lateinischen Origenes-Texten [hom. in Lev. IV,4: „Petrus dicit“ mit 2 Petr 1,4; comm. in Rom. IV,9: „sicut Petrus apostolus edocuit“ mit 2 Petr 1,4; princ. IV,4,4]; 2 Petr 2,16 begegnet
1.4 Annäherungen an den terminus ad quem
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leme, da griechische Vergleichstexte, die allein ein sicheres Urteil erlaubten, leider fehlen. Auch die Einschätzung von Frederic Henry Chase, die Zitate aus 2 Petr könnten „without injury to the context“ 306 aus den lateinischen Origenes-Texten entfernt werden, hilft nicht weiter – die Auffassungen darüber, was literarkritisch „without injury“ möglich ist, gehen bekanntlich relativ weit auseinander 307. Immerhin erlauben zwei Zitate (comm. in Rom. 8,6; princ. I,8,4) einige Beobachtungen, die zumindest von heuristischem Wert sind und möglicherweise auch helfen, das Verhältnis des Origenes zu 2 Petr etwas präziser zu fassen. 1.4.3.3.3 Ein Beweis für die Interpolationshypothese? Zu diskutieren ist zuerst der Hinweis, comm. in Rom. VIII,7 biete sogar „some positive evidence for the theory of interpolation“ 308. Der entscheidende Abschnitt, der die Erläuterungen zum Lemma Röm 11,1–6 abschließt, lautet: Si autem non inanem feceris gratiam, multiplicabitur tibi gratia, et tamquam mercedem boni operis gratiarum multitudinem consequeris, sicut et ipse scribit et Petrus in epistula sua dicit: „Gratia vobis et pax multiplicetur in recognitione Dei“, et iterum alibi: „ut boni dispensatores multiplicis gratiae Dei“. (Origenes, comm. in Rom. VIII,7) Wenn du aber dafür gesorgt hast, daß die Gnade nicht wirkungslos blieb, dann wird sie dir vervielfacht. Du wirst dann gleichsam als Lohn für das gute Werk die Fülle der Gnade erlangen, wie Paulus selbst schreibt und Petrus in seinem Brief sagt: „Gnade sei euch und Friede in Fülle in der Erkenntnis Gottes“ (2 Petr 1,2), und an einer anderen Stelle: „als gute Verwalter der vielfältigen Gnade Gottes“ (1 Petr 4,10).
Als „most unnatural for Origen“ 309 bezeichnete Chase die Gestalt des Doppelzitates aus den Petrusbriefen, begründete diese Einschätzung aber nur unzureichend 310: Wenn man nicht grundsätzlich Zitate aus 2 Petr bei zweimal [princ. I,8,4; hom. in Num. XIII,8: „et ut ait quodam in loco scriptura“ mit 2 Petr 2,16]), deren Analyse aber hier nicht weiter betrieben werden kann. 306 Chase, Second Epistle of Peter, 803. 307 Meiner Einschätzung nach sind die 2 Petr-Reminiszenzen keinesfalls schlechter eingebunden als andere Schriftzitate bei Origenes – man beachte nur, wie in comm. in Rom. IV,9 am Ende der Auslegung von Röm 5,3–5 die Zitation von 2 Petr 1,4 kunstvoll mit der von Joh 17,21 verschränkt ist. Es trifft natürlich zu, dass Origenes an keiner Stelle einen Gedanken oder eine Argumentation aus einer Zitation des 2 Petr entwickelt. Insofern kommt der Anführung von 2 Petr stets nur illustrativer Charakter zu (dies gilt auch in princ. I,8,4; vgl. dazu unten). 308 Chase, Second Epistle of Peter, 803 Anm. *. 309 Chase, Second Epistle of Peter, 803 Anm. *. 310 Chase, Second Epistle of Peter, 803 Anm. *: „It would be most unnatural for Origen to refer to 2 P with the words in epistola sua; to quote the salutation of 2 P, which only differs from that of 1 P by an immaterial addition (in recognitione Dei); and then to add a quotation from 1 P, introducing it with the phrase et iterum alibi.”
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Origenes für unwahrscheinlich hält, muss weder die bei Origenes sonst 1 Petr vorbehaltene Einleitung mit „epistola sua“ verwundern, noch die Anführung einer mit 1 Petr 1,2 beinahe identischen Passage, noch die Anbindung des Zitats aus 1 Petr mit „et iterum alibi“ (vgl. etwa comm. in Rom. V,3). Interessant ist vielmehr ein anderes Detail. Für den Gedanken von der zu erlangenden „Fülle der Gnaden“ (multitudo gratiarum) beruft sich Origenes auf Paulus, bietet aber nur ein knappes „sicut et ipse scribit“. Im jetzigen Kontext ist dies auf den zuvor diskutierten Vers 1 Kor 15,10 zurückzubeziehen, der im Stichwort „wirkungslos“ (inanis) auch zu Beginn des Satzes noch präsent ist (si autem non inanem feceris gratiam). Doch lässt das pointiert eingeführte Motiv der „multitudo“ und die adhortative Hinwendung zum fiktiven Zuhörer eigentlich einen neuen Schriftbeleg erwarten 311. Dieser Eindruck wird durch den ähnlichen Gedankengang in comm. in Rom. IX,2 verstärkt: Paulus igitur non solum ipse, quae dicit, per gratiam dicit, sed et auditoribus suis precatur gratiam dari, et non solum gratiam, sed et multitudinem gratiae. Sic enim scribit: „Gratia vobis multiplicetur!“; et in omnibus epistulis suis dicit: „Gratia vobis et pax.“ (Origenes, comm. in Rom. IX,2) Paulus also spricht nicht nur, was er spricht, aufgrund der Gnade, sondern er bittet auch darum, daß seinen Zuhörern Gnade zuteil wird, und nicht nur Gnade, sondern die Fülle der Gnade. So schreibt er nämlich: „Gnade sei mit euch in Fülle!“ (1 Petr 1,2), und in allen seinen Briefen heißt es: „Gnade sei mit euch und Friede!“
Das Stichwort „multitudo“ dient hier, nachdrücklich angeführt, als Brücke zum Zitat des petrinischen Grußwunsches, wobei zwei Differenzen zu comm. in Rom. VIII,7 in das Auge springen. Zum einen fehlt in comm. in Rom. IX,2 die Wendung „in recognitione Dei“, so dass nicht nur 2 Petr 1,2, sondern auch 1 Petr 1,2 angezielt sein könnte. Zum anderen wird die Aussage explizit als Wort des Paulus präsentiert. Diese falsche Zuschreibung des Zitats erweist sich als aufschlussreich, denn sie begegnet im comm. in Rom. noch an einer anderen, früheren Stelle: Similia quaeque etiam his, quos imbuit, precatur, cum dicit: „Gratia vobis et pax multiplicetur!“ (Origenes, comm. in Rom. V,3) Etwas Ähnliches erfleht er auch für die, welche er in das christliche Leben einweiht, wenn er sagt: „Gnade euch und Friede in Fülle!“ (1 Petr 1,2).
Obwohl sein Name nicht fällt, ergibt sich Paulus als Sprecher des petrinischen Grußwunsches hier ebenso eindeutig wie in comm. in Rom. IX,2, da unmittelbar zuvor ein Zitat von 1 Kor 15,10 (vgl. comm. in Rom. VIII,7!) steht, das aus einer längeren Diskussion von 1 Kor 15 erwächst. 311 Man könnte auch den Eindruck gewinnen, „sicut et ipse scribit“ wiese gewissermaßen in das Leere.
1.4 Annäherungen an den terminus ad quem
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Wie in comm. in Rom. IX,2 ist es Paulus, der „bittet“ (precare), wie dort interessiert Origenes auch hier scheinbar vor allem das „multiplicetur“ des Zitats, dass in comm. in Rom. V,3 durch den anschließenden Satzanfang „Multiplicatur ergo gratia et abundat,…“ fortgeführt wird. Alle drei angeführten Stellen zitieren somit wörtlich und explizit einen Grußwunsch aus den kanonisch gewordenen Petrusbriefen. An allen drei Stellen wird das Stichwort „multiplicetur“ als Brückenkopf zur Einleitung oder Fortführung des Zitats verwendet. Zweimal steht unmittelbar zuvor und kontextuell angebunden ein explizites und wörtliches Zitat von 1 Kor 15,10. Zweimal wird das Zitat überdies Paulus zugeschrieben. Die Ergänzung „in recognitione Dei“ spezifiziert hingegen nur ein Zitat – jenes, das richtig Petrus zugeordnet wird – als aus 2 Petr stammend. Wie ist dieser Befund zu deuten? Mit aller gebotenen Zurückhaltung sei ein Interpretations- und Rekonstruktionsvorschlag unterbreitet und zur Diskussion gestellt: Wenn, wie es scheint, die wiederholt falsche Zuschreibung des petrinischen Grußwunsches an Paulus von Origenes selbst stammt 312, dann dürfte es nicht allzu abwegig sein, anzunehmen, auch in comm. in Rom. VIII,7 habe ursprünglich ein Verweis auf das „Pauluswort“ 1 Petr 1,2 gestanden, von welchem das „sicut et ipse scribit“ gewissermaßen als Rest zurückgeblieben wäre. Nur hier hätte dann Rufin den Irrtum, den er sonst scheinbar unbemerkt übersetzt, korrigiert 313 und dabei en passant 1 Petr 1,2 in 2 Petr 1,2 transformiert 314. 312 Dafür spricht neben der engen kontextuellen Einbindung der Zitate vor allem die zweimalige Sequenz „1 Kor 15,10 – petrinischer Grußwunsch“ (vgl. comm. in Rom. V,3; VII,7), wobei gerade die Nennung in comm. in Rom. V,3 in einem durch 1 Kor 15 geprägten Abschnitt des Kommentars (vgl. comm. in Rom. V,2f) gut verankert ist. Außerdem begegnet ein vergleichbarer Irrtum etwa auch in hom. in Num. XIV,2,8, wo eine an Phil 2,15f angelehnte Formulierung als Ausspruch des Apostels Petrus erscheint, sowie am Ende von comm. in Rom. I,3, wo ein Zitat aus 2 Kor 4,3 mit „sicut ad Galatas“ eingeleitet wird, so dass man Rufin zumindest nicht unterstellen kann, er hätte stets auf akkurate Schriftzitate geachtet und keinesfalls einen diesbezüglichen Fehler des Origenes übersetzt. Chadwick, Rufinus and the Tura Papyrus, 41f, hält fest, „that if Origen suffered from pride it was where his memory was concerned … and that in fact he makes frequent errors in his citations“. 313 Ob dabei die etwas exponiertere Stellung des Zitats am Ende der Auslegungen zu einem Lemma in comm. in Rom. VIII,7, eine Rolle gespielt hat, kann dahingestellt bleiben. Die Tatsache, dass nach der angenommenen Korrektur in comm. in Rom. VIII,7 der Fehler in comm. in Rom. IX,2 noch einmal begegnet, muss angesichts des deutlichen Einschnitts zu Beginn von Buch IX nicht irritieren. 314 Die Transformation von 1 Petr 1,2 in 2 Petr 2,1 stellt dabei, das ist nicht zu vergessen, eine Hypothese für sich dar. Die genannten Beobachtungen können möglicherweise einen korrigierenden Eingriff Rufins in comm. in Rom. VIII,7 wahrscheinlich machen, nicht aber die Einfügung von „in recognitione Dei“ belegen. Für die Herkunft dieser Phrase von Rufin spricht vor allem der Umstand, dass sie an den anderen beiden Stellen (comm. in Rom. V,3; IX,2) fehlt und eine kontextuelle Anregung nicht auszuma-
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Auch an einer auffälligen Stelle wie comm. in Rom. VIII,7, die darüber hinaus durch die Verbindung mit einer gedanklichen Fehlleistung in comm. in Rom. V,3 und comm. in Rom. IX,2 der redaktionsgeschichtlichen Analyse besondere Anknüpfungspunkte bietet, ist somit über mehr oder weniger gut begründete Vermutungen nicht hinauszukommen. Allerdings vermögen die an comm. in Rom. VIII,7 gewonnenen Beobachtungen den Verdacht, die 2 Petr Zitate in den von Rufin übersetzten Texten stammten nicht von Origenes, noch weiter zu verstärken. Wie die im Anschluss diskutierte Stelle zeigt, gibt es aber auch für das Gegenteil interessante Indizien. 1.4.3.3.4 Ein ursprüngliches 2 Petr-„Zitat“ (princ. I,8,4)? Die zweite Stelle, die hier zu besprechen ist, entstammt nochmals einem anderen Entstehungs- und Übersetzungskontext, nämlich der wohl um 220 n.Chr. noch in Alexandrien entstandenen Grundlagenschrift princ. 315. Rufins Übersetzung dieses Werkes, die explizit versucht, Origenes gegen die ihn böswillig Missverstehenden zu schützen (vgl. das drastische Vorwort des Rufin), ist Teil einer heftigen Auseinandersetzung Rufins mit seinem ehemaligen Weggefährten Hieronymus 316. Dieser fertigte als Reaktion selbst eine Übersetzung von princ. an, die leider nur mehr in Fragmenten greifbar ist, gleichwohl aber – bei aller polemischen Verzerrung – wertvolle Einblicke in die Übersetzungsstrategie Rufins erlaubt. Am Ende des ersten Buches von princ. bespricht Origenes die Möglichkeit, dass präexistente Vernunftseelen nicht nur in Menschen, sondern auch in Tieren inkarniert werden könnten. Als biblische Belegstellen fungieren Lev 20,16 (die Steinigung einer Frau mitsamt dem Tier, mit dem sie sexuell verkehrte), Ex 21,28–32 (die Steinigung des stößigen Rindes) und Num 22,28–30 (das Sprechen der Eselin Balaams), wobei das letzte Exempel noch durch 2 Petr 2,16 ergänzt wird: …pro quibus etiam quasdam ex scripturis commentitias afferre adstructiones solent, id est quod vel pecus, cui se mulier contra naturam subiecerit, in reatum pariter cum muliere chen ist. Es sei auch angemerkt, dass das Abschlusszitat der Passage (1 Petr 4,10) außer in einer unsicheren Anspielung in einem Katenenfragment aus dem Kommentar zu 1 Kor (vgl. frg. 33 bei Jenkins, C., Origen on 1 Corinthians. III, in: JTHS 9 [1908], 500–514, hier: 500f) bei Origenes im Unterschied zum sehr beliebten Nachbarvers 1 Petr 4,11 sonst nicht vorkommt. 315 Die grundlegende Ausgabe ist Origenes, Vier Bücher von den Prinzipien. Herausgegeben, übersetzt, mit kritischen und erläuternden Anmerkungen versehen von Herwig Görgemanns und Heinrich Karpp, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 31992, die im Folgenden als Textgrundlage dient und aus der auch, wenn nicht anders angegeben, die deutschen Übersetzungen stammen. 316 Vgl. Skeb, M., Art. Rufin von Aquileia/Concordia, in: LACL ( 32002), 612–614, hier: 613.
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devocetur ac lapidari pariter iubeatur, vel quod „taurus cornipeta“ lapidari nihilominus praecipitur; sed et quod Balaam asina, „os eius deo aperiente“, locuta est, et „subiugale mutum in hominum voce respondens arguit prophetae dementiam“.(Origenes, princ. I,8,4) Dafür pflegen sie auch gewisse erfundene Argumente aus den (heiligen) Schriften anzuführen: ein Tier, dem sich eine Frau wider die Natur hingegeben hat, wird ebenso wie die Frau vor Gericht gestellt und soll gesteinigt werden (vgl. Lev. 20,16); ein stößiger Ochse soll ebenfalls gesteinigt werden (vgl. Ex. 21,29); und die Eselin des Balaam begann, „als Gott ihren Mund öffnete“ (vgl. Num. 22,28), zu sprechen, und „das stumme lastbare Tier redete mit Menschenstimme und wehrte des Propheten Torheit“ (vgl. 2 Petr. 2,16).
Nach Rufins Übersetzung referiert Origenes dabei die Meinung anderer (ex scripturis commentitias afferre adstructiones solent), doch die Fragmente bei Hieronymus (ep. 124,4) und Pamphilus (apol. 175) 317 machen es vielmehr wahrscheinlich, dass Origenes selbst diese Möglichkeit erwog 318 – freilich mit der Einschränkung, keine begründeten Lehren, sondern eher Gedankenexperimente vorzutragen 319. Alle drei Überlieferer reagieren anders auf die faszinierende und als anstößig empfundene Stelle: Hieronymus skandalisiert die „sehr lange Ausführung“ (sermo latissimus) des Origenes zur Beseelung der Tiere und identifiziert darin (wohl gezielt fälschlich) die pythagoreische Metempsychose-Lehre 320, Pamphilus erläutert, Origenes habe nicht vom Eingang von Menschenseelen, sondern von Vernunftseelen in Tiere gehandelt 321, Rufin schließlich lässt Origenes die von anderen vorgetragene Lehre 322 klar verurteilen (omnes has assertiones … refutamus atque respuimus). Im Schlusssatz des Abschnitts bei Rufin kündigt Origenes sogar eine zukünftige, ausführliche Widerlegung der inkriminierten Position an (nach Her317 Der einzige Abschnitt, den die Apologie des Pamphilus, welche ja ebenfalls nur in der Übersetzung Rufins vorliegt, aus princ. I,8,4 zitiert, lautet: „Sed haec quantum ad nos pertinet non sint dogmata, sed discussionis gratia dicta sint et abiciantur. Pro eo autem solo dicta sunt ne videatur quaestio mota non esse discussa“ (apol. 175). Dadurch wird nahegelegt, „dass in dem vollständigen Text zumindest nicht nur gegnerische Meinungen dargestellt wurden“ (Röwekamp, G., Einleitung, in: Pamphilus von Caesarea. Apologia pro Origene/Apologie für Origenes. Übersetzt und eingeleitet von Georg Röwekamp [FC 80], Turnhout: Brepols, 9–217, hier: 188). 318 Vgl. dazu die konzisen Überlegungen von Röwekamp, Einleitung, 188–192. 319 Vgl. die Rekonstruktion bei Origenes, Prinzipien, 263 Anm. 15. 320 Vgl. dazu Maritano, M., Girolamo e l’accusa de la metempsicosi contro Origine, in: Beinert, W. A./Kühneweg, U. (Hg.), Origeniana septima. Origenes in den Auseinandersetzungen des 4. Jahrhunderts (BEThL 137), Löwen: Peeters 1999, 261–292. 321 Der knappe Kommentar in apol. 176 lautet: „Sed haec in eo loco dixit in quo de animabus animalium requirebat, non de transmutatione animarum.“ 322 Auch die Apologie des Pamphilus verwendet bei der Besprechung des Vorwurfs der Seelenwanderungslehre diese Strategie (vgl. apol. 173), während sie in apol. 3 scheinbar unorthodoxe Aussagen als von Origenes erwogene Alternativen präsentiert (vgl. Röwekamp, Einleitung, 188).
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Kapitel 1: Konturen
wig Görgemanns und Heinrich Karpp „eine Verlegenheitsauskunft Rufins“ 323): Verumtamen suo in loco et tempore confutato hoc perverso dogmate atque depulso ea quae de scripturis sanctis ab illis prolata sunt qualiter intellegi debeant exponemus. Aber wir werden am rechten Ort und zur rechten Zeit nach Widerlegung und Zurückweisung dieser verkehrten Lehre darlegen, wie man das zu verstehen hat, was in der heiligen Schrift darüber gesagt wird.
Unter diesen Umständen hatte der Übersetzer und Origenes-Apologet Rufin wohl kaum einen Grund, bei der Übertragung in das Lateinische zusätzliche biblische Belegstellen (z.B. 2 Petr 2,16) für eine Position beizubringen, die ihm einer (verständlicherweise bei Origenes nirgends vorfindlichen!) Widerlegung bedürftig erschien. Eher wird man annehmen können, er habe die Überlegungen und Schriftbeweise des Origenes gekürzt, vor allem dann, wenn Hieronymus’ Hinweis auf einen „sermo latissimus“, der auf die jetzige kurze Passage kaum zutrifft, mehr sein sollte als eine polemische Floskel. Damit begründet in princ. I,8,4 paradoxerweise also gerade die Tatsache, dass Rufin hier mit großer Wahrscheinlichkeit Origenes redigiert hat, die Möglichkeit, ein ursprüngliches 2 Petr-„Zitat“ bei Origenes plausibel zu machen. Sind diese Überlegungen richtig, dann ist für Origenes, näherhin für seine erste Schaffensphase in Alexandrien, nicht nur die Kenntnis des 2 Petr und eine eher skeptische Beurteilung desselben belegt, sondern auch seine Verwendung im Rahmen einer auf die Schrift gestützten Argumentation erwiesen, wenngleich diese Argumentation experimentell zu nennen ist und der Gebrauch des 2 Petr vor allem illustrative Funktion besitzt. 1.4.3.3.5 Zusammenfassung (lateinische Texte) Die Diskussion der 2 Petr-Zitate in den nur lateinisch erhaltenen Werken des Origenes hat gezeigt, mit welch komplexen methodischen Schwierigkeiten der Versuch behaftet ist, den durchaus begründeten Verdacht, Rufin habe die Stellung des 2 Petr im Übersetzungsprozess aufgewertet, kritisch zu überprüfen. Wiewohl die vorgelegten Untersuchungen keine abschließendes Urteil – weder für den Befund bei Origenes und Rufin insgesamt noch für alle sieben expliziten 2 Petr Zitate in den lateinischen OrigenesTexten – ermöglichen, können doch einige Detailergebnisse festgehalten werden, die für die historische Verortung des 2 Petr nicht unerheblich sind. (1) Die häufig angeführte Stelle hom. in Jos. VII,1 ist kein belastbarer Beleg für eine „Anerkennung“ des 2 Petr durch Origenes. (2) Der Verdacht gegen die 2 Petr-Zitate in den von Rufin übersetzten Texten lässt sich hinsichtlich comm. in Rom. VIII,7 erhärten. An dieser 323
Origenes, Prinzipien, 265 Anm. 18.
1.4 Annäherungen an den terminus ad quem
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Stelle scheint ein sekundärer Eintrag des 2 Petr durch den Übersetzer Rufin nicht unwahrscheinlich, wiewohl letzte Sicherheit nicht zu gewinnen ist. (3) Andererseits bietet mit princ. I,8,4 gerade eine Stelle, an der das redaktionelle Interesse Rufins besonders deutlich auszumachen ist, möglicherweise einen Beleg für eine Benutzung des 2 Petr durch Origenes bereits zu Beginn seines schriftstellerischen Wirkens in Alexandrien. Aus diesem vielschichtigen Befund folgt die Mahnung zur doppelten Kritik: Weder können die lateinischen Zitate aus 2 Petr unbesehen zur Einschätzung des 2 Petr-Gebrauchs des Origenes herangezogen werden, noch sollten sie aufgrund eines Generalverdachts gegenüber der Übersetzungstreue Rufins als hierfür irrelevant eingestuft werden. 1.4.3.4 Zusammenfassung Abschließend können folgende Ergebnisse der Analyse des Verhältnisses von Origenes zu 2 Petr benannt werden: (1) Es besteht kein vernünftiger Zweifel, dass Origenes um die Existenz des 2 Petr wusste. (2) Angesichts der intensiven Benutzung des 1 Petr – ein Zitat aus diesem eröffnet programmatisch den Kommentar zum Johannesevangelium; 1 Petr 4,11 beschließt zahlreiche Homilien – ist das völlige Fehlen einer Benutzung des 2 Petr in griechischen Origenes-Texten sehr auffällig. (3) Zu denken geben muss auch der Kontrast zwischen sieben expliziten Zitaten aus 2 Petr in den lateinischen Übersetzungen Rufins und dem völligen Fehlen solcher Zitate in den übrigen Texten des Origenes (inklusive der lateinischen Übersetzungen des Hieronymus). Besonders das Zitat von 2 Petr 1,2 in comm. in Rom. VIII,7 steht im Verdacht, durch Rufinus eingetragen zu sein. Demgegenüber könnten Indizien dafür sprechen, dass Rufin in princ. I,8,4 einen ursprüngliches Verweis auf 2 Petr 2,16 bewahrt hat. Verschiedentlich wurde versucht, aus diesen spärlichen Informationen ein Gesamtbild zu rekonstruieren. So wurde erwogen, die Verwendung des 2 Petr in den Homilien aus Cäsarea sei deren praktisch-theologischem Kontext geschuldet 324, doch bleibt dabei der comm. in Rom. und der Interpolationsverdacht unberücksichtigt. Auch die Vermutung, Origenes habe im Alter begonnen, 2 Petr zu akzeptieren und zu verwenden, überzeugt nicht, da gerade in den Spätwerken comm. in Matt. und cels. das Fehlen des 2 Petr besonders auffällt und umgekehrt das Frühwerk princ. 2 Petr möglicherweise benutzt.
324
Vgl. Westcott, History of the Canon, 362.
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Kapitel 1: Konturen
Vielleicht ist auf der Grundlage der obigen Analysen aber ein drittes Deutungsmodell möglich, das die Differenz zwischen dem Wirken in Alexandrien und Cäsarea betont. In Alexandrien wäre Origenes demnach mit 2 Petr in Kontakt gekommen, ohne sonderliche Wertschätzung für diesen zu entwickeln; in einem dort entstandenen Werk hätte er ihn auch – recht unauffällig – verwendet. In den Werken aus Cäsarea hingegen fehlten – wenn es erlaubt ist, die Zweifel an comm. in Rom. VIII,7 und hom. in Jos. VII,1 zu extrapolieren – deutliche Verwendungsspuren des 2 Petr zur Gänze. Damit wäre Origenes nicht, wie es auf den ersten Blick scheinen könnte, in Cäsarea offensiver mit 2 Petr umgegangen, sondern im Gegenteil gegenüber diesem (noch) zurückhaltender geworden. Träfe diese Hypothese zu, dann ergäbe sich zum einen eine interessante Analogie zu Origenes’ Haltung zu Herm, der offenbar ebenfalls in Alexandrien stärker benutzt wurde als in Cäsarea 325, zum anderen aber eine mögliche Erklärung für die auffällig konträre Haltung zu 2 Petr bei den beiden Origenes-„Schülern“ Eusebius und Didymus. Während der Alexandriner Didymus 2 Petr unbefangen benutzt 326, notiert Eusebius in Cäsarea wie gesehen starke Zweifel an 2 Petr: Beide könnten sich auf Origenes berufen, beide wären vor allem durch ihr konkretes Umfeld in ihrem Urteil bestimmt. Ob die Bezeugung des 2 Petr durch Origenes – auch abgesehen von der vorgeschlagenen Gesamthypothese – ein Hinweis auf eine Entstehung des 2 Petr in Alexandrien sein kann, muss im Kontext der Gesamtinformationen zu dieser Frage geklärt werden. Im Hinblick auf den terminus ad quem für 2 Petr scheint es meines Erachtens aber in jedem Fall sinnvoll, nicht über die Geburt des Origenes (also ca. 185 n.Chr.) hinaufzugehen, da ansonsten der recht gelassene Umgang des Origenes mit der Authentizität des 2 Petr wohl kaum mehr erklärbar wäre. 1.4.4 Hippolyt von Rom Nicht Origenes, sondern Hippolyt (* vor 170, † 235) galt für Johannes Leipoldt als „der älteste sichere Zeuge für 2. Pt.“ 327. Bei diesem Urteil be325 Vgl. Ruwet, Antilegomena, 42; Brox, Hermas, 65; Van den Hoek, „Noncanonical“ Scriptural Traditions, 95. 99. 326 Vgl. dazu Ehrman, B. D., The New Testament Canon of Didymus the Blind, in: VigChr 37 (1983), 1–21, hier: 9–11. 327 Leipoldt, Geschichte I, 252 Anm. 2. So auch Vögtle, Der zweite Petrusbrief, 130 Anm. 39, der zu Irenäus und dessen Nichtverwendung des 2 Petr anmerkt: „Im Unterschied zu dessen Schüler Hippolyt, der den Brief benutzt.“ Vgl. Schelkle, Petrusbriefe, 182: „Ob sich Spuren bei Hippolyt finden, ist nicht sicher.“ Chaine, Épitres catholiques, 9, formuliert zuerst zurückhaltend, „Hippolyte … a peut-être connu et utilisé II Pet.“, um nach einer Auflistung der möglichen Belegstellen dann doch zu urteilen: „Il n’y a donc
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rief sich Leipoldt vor allem auf den Kommentar zu Daniel (Dan.), den Hippolyt wahrscheinlich zu Beginn des dritten Jahrhunderts (ca. 200– 204 n.Chr.) verfasste 328. Spätere Autoren entdeckten eine „Verwendung“ von 2 Petr auch in der Hippolyt zugeschriebenen „Refutatio omnium haeresium“ (ref.) 329. 2 Petr wäre dann bereits etwa drei Jahrzehnte vor der Notiz in Origenes’ Johanneskommentar bezeugt – und zwar im Westen des Römischen Reichs. Jede Untersuchung zum Schriftgebrauch des wohl aus dem Osten stammenden römischen Presbyters Hippolyt wird durch die recht unübersichtliche Diskussionslage zur Echtheit der zahlreichen Hippolyt zugeschriebenen Werke erschwert (ein „Werkverzeichnis [läßt sich] nur unter Vorbehalt aufstellen“ 330), wobei die Frage, ob mehrere Autoren gleichen oder ähnlichen Namens anzunehmen sind, die Situation zusätzlich kompliziert. Glücklicherweise gelten die hier in erster Linie bedeutsamen Texte Dan. und haer. als mit großer Sicherheit authentisch 331. Dies ergibt eine relativ solide Basis, um die Vermutung, 2 Petr sei bei Hippolyt bezeugt, kritisch zu überprüfen. Ein erster Schritt widmet sich dabei den eschatologisch geprägten Exegesen zum Buch Daniel, ein zweiter sodann den häresiologischen Ausführungen der Refutatio. 1.4.4.1 Der Kommentar zum Buch Daniel (Dan.) Zweimal merkt Hippolyt in Dan. an, dass „(ein) Tag des Herrn wie tausend Jahre“ sei (Dan. IV,23,5: ἡμέρα γὰρ κυρίου ὡς χίλια ἔτη; Dan. IV,24,5: ἡμέρα δὲ κυρίου χίλια ἔτη), worin man einen Rückgriff auf 2 Petr 3,8 (μία pas de preuves, mais de indices que II Pet. était connue à Rome dans la première moitié du IIIe siècle“. 328 Vgl. Scholten, C., Art. Hippolytos II (von Rom), in: RAC XV (1991), 493–551, hier: 498. 329 Vgl. Lagrange, M.-J., Histoire ancienne du Canon du Nouveau Testament (Études bibliques. Introduction a l’Étude du Nouveau Testament 1), Paris: Gabalda 1933, 59–66, hier: 62. 65. Lagranges optimistisches Gesamturteil zu den Petrusbriefen bei Hippolyt lautet ebd., 62: „I et II Pet. sont plus d’une fois citées, et plus clairement la second“. Die von Mayor, Second Epistle of St. Peter, cxxi, benannte Ähnlichkeit von 2 Petr 1,20f und Hippolyt, antichr. 2 erscheint mir allzu gering, um hier eingehend analysiert zu werden. 330 Suchla, B. R., Art. Hippolyt, in: LACL ( 32002), 336–339, hier: 337. 331 Vgl. Scholten, Hippolytos II, 497. In der Einleitung zu Hippolyt, Kommentar zu Daniel (Hippolyt Werke 1/1, GCS NF 7), zweite, vollständig veränderte Auflage herausgegeben von Marcel Richard, Berlin: Akademie Verlag 2000, bemerkt Marcel Richard zu Dan. lapidar: „Die Echtheit des Kommentars bedarf keines Beweises“ (ebd., XXXVI). Die Bearbeiter Jürgen Dummer und Christoph Markschies ergänzen: „Der DanielKommentar ist zwar weder im Hippolyt-Schriftenverzeichnis der römischen Statue noch bei Eusebius erwähnt, aber die Echtheit des Werkes und seine Zuschreibung an Hippolyt wurden auch in der jüngeren Forschungsdiskussion nicht bezweifelt…“ (ebd., XXXVI). Marcovich, M., Art. Hippolyt von Rom, in: TRE 15 (1986), 381–387, hier: 384, nennt Dan. gar „eines der wertvollsten Werke des christlichen Schrifttums überhaupt“.
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ἡμέρα παρὰ κυρίῳ ὡς χίλια ἔτη καὶ χίλια ἔτη ὡς ἡμέρα μία) erkennen wollte 332. Doch der Vergleich „Ein Tag des Herrn ist wie tausend Jahre“, der auf Ps 90(89),4 zurückgeht, ist in frühjüdischer, rabbinischer und frühchristlicher Literatur breit bezeugt 333. Die Herkunft aus dem Psalmwort ist dabei mal angedeutet 334, mal – wie bei Hippolyt – verwischt 335. Auffällig ist die Differenz, die in der Anwendung des Vergleichs zwischen 2 Petr und anderen frühchristlichen Texten besteht. Während diese das aus dem Psalmwort gewonnene „Axiom“ 336 als „Umrechnungskoeffizient“ 337 gebrauchen, mit dem sich ein Einblick in die göttliche Chronologie gewinnen lässt – bei Justin (dial. 81,3) und Irenäus (adv. haer. V,23,2) hinsichtlich der Lebenszeit Adams (vgl. bereits Jub 4,30), bei Barn (15,4) und Hippolyt 338 hinsichtlich der Gestalt des Weltwochen-Schemas –, wird in jenem die bleibende Differenz göttlichen und menschlichen Zeitmaßes betont 339. Aufgrund dieses Befundes fehlt der Verwendung der Wendung ἡμέρα κυρίου ὡς χίλια ἔτη bei Hippolyt 340 jegliches Spezifikum, das klar auf eine Herkunft aus 2 Petr hindeuten könnte 341. 332 333
Vgl. Leipoldt, Geschichte I, 252 Anm. 2, Bigg, Epistles, 203. Vgl. Bauckham, Jude, 2 Peter, 306–310, Schrage, W., „Ein Tag ist beim Herrn wie tausend Jahre, und tausend Jahre sind wie ein Tag“ (2 Petr 3,8), in: Gräßer, E./Merk, O. (Hg.), Glaube und Eschatologie. FS Werner Kümmel, Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1985, 267–275, hier: 268–271, Ruf, Die heiligen Propheten, 527–531. 334 Vgl. Barn 15,4: ἡ γὰρ ἡμέρα παρ᾽ αὐτῷ σημαίνει χίλια ἔτη αὐτὸς δέ μοι μαρτυρεῖ λέγων Ἰδού ἡμέρα κυρίου ἔσται ὡς χίλια ἔτη; evtl. auch Justin, dial. 81,3, wo sich die Bezeichnung des Vergleichs als τὸ εἰρημένον sowohl auf einen Schrifttext als auch ein Traditionsstück beziehen kann. 335 So auch Irenäus, adv. haer. V,23,2, der hier vielleicht bereits aus dem von ihm adv. haer. V,26,2 genannten Justin schöpft (vgl. Zahn, Geschichte I/1, 317 Anm. 1). 336 Otto, J. K. T. von, Haben Barnabas, Justinus und Irenäus den zweiten Petrusbrief (3,8) benutzt?, in: ZWTh 20 (1877), 525–529, hier: 527. 337 Schrage, Tag, 268. 338 Im Anschluss an Offb 20,4f. ist bei Hippolyt der siebte Tag/der Sabbat der Zeitraum der tausendjährigen Herrschaft der Heiligen mit Christus (vgl. Dan. IV,23,5), während Hippolyt mittels Joh 19,14 das Erlösungswerk Christi in die Mitte des sechsten Welttages (= das Jahr 5500 nach Anfang der Welt) datiert (vgl. Dan. IV,24,4f). 339 Vgl. Bauckham, Jude, 2 Peter, 308f, Schrage, Tag, 274f, Ruf, Die heiligen Propheten, 531. 340 Auch für Barn, Justin und Irenäus darf ein Rückgriff auf 2 Petr 3,8 als äußerst unwahrscheinlich gelten; vgl. etwa Zahn, Geschichte I/1, 316–318, Otto, Barnabas, 526. 529, und Letzteren bestätigend Schrage, Tag, 268. 341 So bereits Zahn, Geschichte I/1, 318. Des Weiteren lässt auch Victorinus von Pettau, der Hippolyt verwendete (vgl. Victorinus von Pettau, Sur l’Apocalypse suivi du Fragment chronologique et De la construction du monde, Introduction, texte critique, traduction, commentaire et index par M. Dulaey [SC 423], Paris: Les Éditions du Cerf 1997, 20.36), und den ersten uns erhaltenen lateinischen Kommentar zur Offb verfasste, in seinen Texten keine Bekanntschaft mit 2 Petr erkennen, sondern bietet vielmehr die
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Sehr auffällig ist sodann in Dan. III,22,4 ein Satz, der in beinahe derselben Form auch aus 2 Petr 2,19 bekannt ist: ᾧ γὰρ ἂν τις ὑποταγῇ, τούτῳ καὶ δεδούλωται (Dan. III,22,4) ᾧ γάρ τις ἥττηται, τούτῳ δεδούλωται (2 Petr 2,19)
Setzt man einmal voraus, dass an dieser Stelle Hippolyt 2 Petr zitiert (ein entsprechendes Textsignal fehlt), lassen sich auch die drei Veränderungen in Hippolyts Formulierung (der andere Ausdruck zur Bezeichnung der Unterwerfung, die Einfügung von ἄν und καί) recht zwanglos erklären. Der Ersatz von ἥττηται durch ὑποταγῇ ist gut nachvollziehbar, wenn man den Kontext der beiden Textstellen mit bedenkt. In 2 Petr steht obiger Satz im Abschlussteil der Gegnerpolemik in Kapitel zwei (2 Petr 2,19–22). Dort werden im Anschluss an eine metaphernreiche Beschreibung der ethischen und religiösen Verkommenheit der Gegner (2 Petr 2,12–18) in drei Argumentationsgängen nochmals die wesentlichen Verfehlungen der Opponenten entfaltet. Diese zusammenfassenden Anklagen werden jeweils durch eine sprichwortartige Sentenz beschlossen (2 Petr 2,19: Überwältigung und Versklavung; 2 Petr 2,20: Das schlimmere Ende; 2 Petr 2,22: Hund und Schwein). Verschiedene Stichwortverbindungen verknüpfen diese drei Argumentationsgänge nochmals kunstvoll miteinander. So korrespondiert etwa die Abwendung der Gegner vom heiligen Gebot (2 Petr 2,21: ὑποστρέψαι ἐκ τῆς παραδοθείσης αὐτοῖς ἁγίας ἐντολῆς) der Hinwendung des Hundes zum früher Erbrochenen (2 Petr 2,22: κύων ἐπιστρέψας ἐπὶ τὸ ἴδιον ἐξέραμα). In 2 Petr 2,19 weist ἥττηται bereits voraus auf das ἡττῶνται in 2 Petr 2,20, womit dort das Zitat aus der synoptischen Erzählung von der Sentenz der 1000 Jahre in direkter Rede des Psalmisten (vgl. de fabr. 6). Einige Stichworte, die in Dan. des Hippolyt an 2 Petr 3,9 erinnern könnten (Dan. IV,10,4 βραδύνει; Dan. IV,22,2 ἐμακροθύμει ὁ θεὸς ἐφ’ ἡμῖν), stellen ebenfalls keinen hinreichenden Beleg für die Kenntnis und Verwendung des 2 Petr durch Hippolyt dar. Hippolyt verwendet hier wohl einfach das der Thematik angemessene Vokabular, das er zum Teil mit 2 Petr, aber auch mit anderen Texten wie Hab 2,3 und Sir 35,19 gemeinsam hat. Ebenfalls mit dem Thema der Parusieverzögerung verknüpft, aber ganz anders in den Argumentationsgang eingebunden – Hippolyt zitiert im Kontext ausführlich Mt 24,46–51, wobei er unterstreicht, dass Jesus aus paränetischen Gründen das Datum der Parusie verschwiegen habe, dieses aber aus verschiedenen Zeichen erschlossen werden könne – ist die Phrase ἀπονυστάξαντες οἱ ἄνθρωποι ἐκπέσωσιν τῆς ἐπουρανίου ζωῆς (Dan. IV,16,2), die an die Formulierung der Schlussmahnung in 2 Petr 3,17 erinnern kann: ὑμεῖς οὖν, ἀγαπητοί, προγινώσκοντες φυλάσσεσθε, ἵνα μὴ τῇ τῶν ἀθέσμων πλάνῃ συναπαχθέντες ἐκπέσητε τοῦ ἰδίου στηριγμοῦ. Abgesehen von der Tatsache, dass außer im Verb ἐκπίπτω, das zusammen mit dem Simplex in vergleichbaren Zusammenhängen durchaus gebräuchlich ist (vgl. Bauckham, Jude, 2 Peter, 337), keine wörtliche Berührung zwischen den beiden Stellen besteht, ist auch hier der Nachweis einer literarischen Beziehung zwischen den beiden Texten, die über die Verwendung ähnlicher Argumentationsmuster hinausgeht, nicht überzeugend zu erbringen.
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Rückkehr des Dämons (Mt 12,43–45/Lk 11,24–26) eingeleitet wird. Sowohl im Hinblick auf die personifizierte Begierde in 2 Petr 2,19 als auch in Bezug auf die (letztlich gescheiterte) Auseinandersetzung mit dem Dämon ist die kämpferische Vokabel ἡττάομαι völlig angebracht. Der Konflikt, in den Hippolyt die Spruchweisheit von Überwältigung und Versklavung einbaut, ist aber von anderer Gestalt. Bei Hippolyt geht es um Daniels Reaktion auf das königliche Verbot des Darius, andere Götter als ihn, den König, zu verehren (vgl. Dan 6,9–11). Hätte, so fragt Hippolyt in seinem Kommentar rhetorisch, Daniel nicht einfach nachts heimlich seinen Gott verehren, tagsüber aber darauf verzichten können, um dem königlichen Gebot zumindest nach außen zu entsprechen? Das wäre zwar möglich gewesen, führt Hippolyt aus, dieser Gehorsam aus Furcht vor dem König wäre Daniel aber als mangelnde Gottesfurcht ausgelegt worden (vgl. Dan. III,22,3: πῶς φοβεῖται τὸν θεόν, ὁπότε τὸ δόγμα τοῦ βασιλέως ἐφοβήθη καὶ τοῖς ὑπ’ αὐτοῦ κελευσθεῖσιν ὑπετάγη;). Nicht Kampf und Unterwerfung sind hier also zentrales Thema, sondern Befehl und Gehorsam: Das macht den Wechsel von ἥττηται zu ὑποταγῇ – das überdies das Stichwort aus der Anfrage von Daniels Gegnern aufnimmt – nachvollziehbar. Der Blick auf den Kontext macht auch die Einfügung der Moduspartikel ἄν verständlich: Während in 2 Petr 2,19 ein realer Konflikt beschrieben und bewertet wird, stellt Hippolyt nur eine theoretische Möglichkeit für Daniels Handeln zur Diskussion. Genau im Kontext solcher Possibiltätserwägungen hat ἄν seinen angestammten Platz. Ebenso wie bei ἄν könnte auch in Bezug auf das zusätzliche καί der Verweis auf eine rein stilistische Veränderung/Verbesserung von geringer Signifikanz als Erklärung durchaus genügen. Ein Blick in die Textüberlieferung zeigt aber hier noch eine andere Möglichkeit: Mehrere Textzeugen 342 bieten in 2 Petr 2,19 jenes καί, das auch bei Hippolyt zu finden ist. Falls Hippolyt also in Dan. ΙΙΙ,22,4 aus 2 Petr zitiert, könnte das καί auch sehr gut bereits in seinem Referenztext gestanden haben. Auch unter Berücksichtigung der drei diskutierten Abweichungen liegen 2 Petr 2,19 und Dan. ΙΙΙ,22,4 somit äußerst nah zusammen: Beide Texte verwenden deutlich dasselbe Sprichwort. Doch gerade hierin besteht auch das caveat für die Zuschreibung einer literarischen Beziehung: Ein bekanntes Sprichwort 343 kann durchaus von beiden Texten unabhängig voneinan342 Neben einer Korrektur im Sinaiticus bieten das καί unter anderem A C P Ψ 048 33 1739 sowie vg und syr. 343 Die Belege, die Watson, Invention, 121 mit Anm. 271 (vgl. Vögtle, Der zweite Petrusbrief, 206), außer Röm 6,16 und Joh 8,34 dafür angibt, diese „maxim“ sei „common to antiquity“, stammen alle aus späteren christlichen Texten (neben der hier verhandelten Hippolyt-Stelle Origenes, hom. in Ex. 12,4 und PsClem R V,12,4). Wichtiger sind die Hinweise auf nichtchristliche Parallelen bei Bigg, Second Epistle of St. Peter, 286, doch den (etwas kühnen) Rückschluss bei Bauckham, Jude, 2 Peter, 277: „This saying,
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der integriert worden sein, zumal 2 Petr auch sonst Sprichwörter (vgl. 2 Petr 2,22!) und geprägte Wendungen (vgl. 2 Petr 2,20) zur Konturierung seiner Gegnerpolemik gebraucht. Auch andere spätere Belege dieses Sprichworts bei Origenes, hom. in Ex. 12,4, PsClem R V,12,4 und den sogenannten Adamantius-Dialogen (Adamant. 58,1f) 344 sollten nicht pauschal als Rezeptionen des 2 Petr gedeutet werden 345. Einen wichtigen Fingerzeig gibt diesbezüglich der zuletzt genannte Text. Die Adamantius-Dialoge, die 2 Petr explizit und affirmativ zitieren (vgl. Adamant. 80,23–25), bezeichnen nämlich in Adamant. 58,1 die Wendung aus 2 Petr 2,19 als ὁ ἔξωθεν λόγος. Wie auch immer der Verfasser der Dialoge diese Formel verstanden wissen wollte 346 – sein Übersetzer Rufin von Aquileia, der im Übrigen meinte, hier einen widely quoted in later centuries, was doubtless already a common proverb …“ tragen auch diese nicht. 344 Vgl. Tsutsui, Adamantios-Dialog, passim. 345 Alle drei Texte wurden im Übrigen durch Rufin von Aquileia übersetzt, wobei nur für die Adamantius-Dialoge noch ein griechischer Originaltext erhalten ist (vgl. dazu oben zu Rufins Origenes-Übersetzungen). Für Ruf, Die heiligen Propheten, 460, „legt sich für alle angeführten Textbelege der Schluss näher, dass sie 2 Petr 2,19 rezipieren“; die Hippolyt-Stelle sei ein „leicht abgewandelte[s] Zitat“ (ebd., 461) von 2 Petr 2,19. Für Origenes, hom. in Ex. 12,4 (nur in Rufins lateinischer Übersetzung erhalten) ist diese Einschätzung wahrscheinlich richtig, wie die Zitateinleitung „scriptum est“ verrät. Komplizierter ist die Situation in PsClem R V,12,4, da hier das Sprichwort als Herrenwort im Munde des „wahren Propheten“ (= Jesus) begegnet. Diese Platzierung spricht aber auch angesichts der sonst in PsClem R vorhandenen expliziten Zitate aus dem Neuen Testament nicht zwingend für ein frei flottierendes Diktum und gegen eine Herkunft aus 2 Petr, da der Ausspruch Jesu als indirekte Rede in eine Ansprache des Petrus eingebettet ist (vgl. PsClem R V,12,1–3). 346 Es bestehen vor allem zwei Möglichkeiten, das ἔξωθεν zu deuten (frühchristliche Belege für beide bei Lampe, s.v. ἔξωθεν): Zum einen könnte es auf die Differenz Christen/Nicht-Christen zielen und damit einen Ausspruch markieren, der nicht (nur) bei Christen, sondern (auch) bei Heiden gebräuchlich ist (so etwa Bauckham, Jude, 2 Peter, 277). Im Text der Adamantius-Dialoge spricht vor allem die Nähe zu weiteren neutestamentlichen Zitaten (Mt 6,24/Lk 16,13 und Joh 8,34), die nicht vergleichbar markiert sind, für diese Interpretation. Zum anderen könnte aber auch bereits eine kanontheologische Differenz im Blick sein, dies aber nicht dergestalt, dass die Adamantius-Dialoge eine „Nichtanerkennung“ von 2 Petr vertreten würden (dies erwägt vorsichtig Ruf, Die heiligen Propheten, 461), sondern vielmehr im Sinne einer Unterscheidung zwischen markionitischer und „orthodoxer“ Gestalt des Neuen Testaments (so erwogen bei Adamantius, Dialogue on the True Faith in God, translated and annoted by Robert A. Pretty [Gnostica 1], Leuven: Peeters 1997, 74 Anm. 192, wo ἔξωθεν im Haupttext als „additional“ wiedergegeben ist). Für diese Auffassung lässt sich vor allem der Kontext der expliziten Zitation aus 2 Petr (2 Petr 3,15) in Adamant. 80,23–25 anführen, der nachdrücklich auf die größere Leistungsfähigkeit des „orthodoxen“ Kanons abhebt. Zur Vermutung, es könnte (als dritte Möglichkeit) hier ein bislang unerkanntes Herrenwort vorliegen, vgl. unten (2.5) zu PsClem R V,12,4.
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Text des Origenes vor sich zu haben, gab sie mit „sicut et vulgo dicitur quia“ wieder und markierte damit deutlich, dass er das gemeinte Sprichwort nicht exklusiv als 2 Petr-Zitat auffasste. Die sprichwortartige Sentenz, die 2 Petr 2,19 und Hippolyt, Dan. III,22,4 gebrauchen, ist aufgrund der Tatsache, dass 2 Petr auch sonst auf vorgeprägte Maximen zurückgreift (vgl. 2 Petr 2,20.22) und unter Berücksichtigung von Adamant. 58,1f somit eher nicht als genuine Bildung des 2 Petr zu bezeichnen. Damit wird man auch in Dan. III,22,4 keinen Erweis einer 2 Petr-Rezeption seitens Hippolyt erkennen dürfen 347. 1.4.4.2 Die Refutatio omnium haeresium (ref.) Dasselbe Urteil – Rezeption einer gebräuchlichen Wendung statt literarischer Abhängigkeit – dürfte auch für die vermutete Anspielung auf 2 Petr 2,22 in ref. IX,7,3 gelten – nach R. Bauckham „the most convincing of several possible allusions to 2 Peter in Hippolytus“ 348. An dieser Stelle wendet sich Hippolyt gegen die Anhänger des Kleomenes, die durch Hippolyt eine Zeitlang zur Einsicht gekommen seien; allerdings nur um μετ’ οὐ πολὺ δὲ ἐπὶ τὸν αὐτὸν βόρβορον ἀνεκυλίοντο. Das Sich-Wälzen im βόρβορος erinnert durchaus an 2 Petr 2,22, wo die Gegner bzw. die von ihnen Beeinflussten drastisch mit Schweinen verglichen werden, die Schmutz und Schlamm dem klaren Wasser vorziehen 349. 347 Es ist natürlich möglich, dass Hippolyt die Sentenz aus 2 Petr 2,19 übernommen hat, doch gibt es dafür keine Anzeichen im Text seines Danielkommentars. Schließlich ist noch immer die von Brox, N., Zum literarischen Verhältnis zwischen Justin und Irenäus, in: ZNW 58 (1967), 121–128, hier: 128, formulierte Interpretationsregel zu beachten: „Wir wissen zu wenig über das Arsenal der altchristlichen Glaubensunterweisung an fixierten Überlieferungen von Homilien, von geläufigen Schriftbeweisen, Testimoniensammlungen, Lehrsprüchen und Redensarten allgemeinerer Art, um Beispiele, denen wir in der alten Literatur begegnen, mit Sicherheit als solche zu identifizieren, wenn sie nicht selbst durch Einleitung oder Form augenfällig als solche charakterisiert sind. Wenn sie dagegen in wiedererkennbarer Form an verschiedenen Stellen zugleich begegnen, verrät die Identität des Topos gerade in der unterschiedlichen Überlieferung die Herkunft solcher Übereinstimmungen aus der Katechese, aus der Apologetik oder auch – je nachdem – aus der Umgangssprache mit ihrem Repertoire an sprichwörtlichen Lebensweisheiten.“ 348 Bauckham, Jude, 2 Peter, 163; vgl. Mayor, Second Epistle of St. Peter, cxx. In Hippolyts Verweis auf das Gerichtsfeuer und die im Tartarus bestraften Engel (vgl. ref. X,34) ist meines Erachtens keine Berührung mit 2 Petr greifbar (gegen Lagrange, Canon, 62, Chaine, Épitres catholiques, 9); zu einer möglichen Rezeption der ApkPetr an dieser Stelle (und in dem allerdings nicht sicher Hippolyt zuzurechnenden Fragment De Universo) vgl. Buchholz, D. D., Your Eyes Will Be Opened. A Study of the Greek (Ethiopic) Apocalypse of Peter (SBL Dissertation Series 97), Atlanta: Scholars Press 1988, 56f. 349 Vgl. zu dieser Stelle nun umfassend Kraus, T. J., Von Hund und Schwein... Das Doppelsprichwort von 2Petr 2,22 und seine Hapax legomena in linguistischer, textkritischer und motivgeschichtlicher Sicht, in: ASE 30 (2013), 43–67.
1.4 Annäherungen an den terminus ad quem
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Doch „liegt [für 2 Petr 2,22] ein heraklitischer oder demokritischer Hintergrund nahe“ 350, worauf bereits Paul Wendland mit Nachdruck hingewiesen hat 351. Genau diese Vermutung vermag ref. IX,7,3 sogar noch zu verstärken, da Hippolyt in klassischer häresiologischer Manier die von ihm bekämpfte Irrlehre des Kleomenes über dessen Vor-Vorläufer Noët bis auf Heraklit zurückführt (vgl. ref. IX,7,1 sowie IX,8–10) 352. Der Gebrauch gerade dieses Vergleichs in seiner Attacke gegen Kleomenes könnte also von Hippolyt ganz bewusst gewählt worden sein 353. 1.4.4.3 Zusammenfassung Zu 2 Petr 2,19.22; 3,8 finden sich bei Hippolyt nah verwandte, zum Teil wortidente Formulierungen, die sich aber aufgrund ihrer formelhaften bzw. sprichwörtlichen Natur und dem völligen Fehlen von entsprechenden Rezeptionssignalen wesentlich leichter aus dem parallelen Rückgriff auf geprägte Wendungen als durch literarische Abhängigkeit erklären lassen 354. Eine Kenntnis des 2 Petr durch Hippolyt ist natürlich nicht auszuschließen, aufgrund des dargestellten Befundes aber in keiner Hinsicht zu erweisen. 1.4.5 Das Muratorische Fragment Als Ludovico Antonio Muratori (1672–1750) 355 1740 ein Fragment aus einem Codex des Kolumban-Klosters in Bobbio (Codex Ambrosianus I 101 sup.) 356, den er 1700 in der Ambrosiana in Mailand entdeckt hatte, veröffentlichte 357, um damit den schlechten Zustand des mittelalterlichen 350 351
Kraus, Sprache, 342. Vgl. Wendland, P., Ein Wort des Heraklit im Neuen Testament, in: SPAW 8 (1898), 788–796; von Kraus, Sprache, 342 Anm. 107, zu Recht als „zu positivistisch“ kritisiert. 352 Vgl. Vogt, H. J., Noet von Smyrna und Heraklit. Bemerkungen zur Darstellung ihrer Lehren durch Hippolyt, in: ZAC 6 (2002), 59–80. 353 So Wendland, Wort des Heraklit, 794: „Es ist nach der Erwähnung Heraklit’s zu Anfang und bei Hippolyt’s Kenntniss seines Werkes jedenfalls mit der Möglichkeit zu rechnen, dass Hippolyt die Ketzer im heraklitischen βόρβορος versinken lässt.“ 354 Ebenfalls skeptisch ist Schmidt, Peter Writings, 169–171. 355 Zur Person vgl. Campi, E., Art. Muratori, in: RGG 4 (2008), 1587. 356 Der Codex, der wohl im achten Jahrhundert entstand, enthält neben dem hier zu besprechenden Fragment vor allem Texte des Johannes Chrysostomus (in lateinischer Übersetzung), mehrere Glaubensbekenntnisse und (in zweifacher Abschrift) einen Abschnitt aus dem Traktat De Abraham des Ambrosius; vgl. Leqlercq, H., Art. Muratorianum, in: DACL XII/1 (1934), 543–560, hier: 543–546. Nach Markschies, C., Kaiserzeitliche christliche Theologie und ihre Institutionen. Prolegomena zu einer Geschichte der antiken christlichen Theologie, Tübingen: Mohr Siebeck 2007, 230, weist der Inhalt den Codex als „eine Art monastisches Handbuch zur Bibel“ aus. 357 Vgl. Muratori, L. A., Antiquitates Italicae Medii Aevi III, Mailand: Typographia Societas Palatinae 1740, 851–856. Der im Folgenden verwendete Text stammt aus Das
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Kapitel 1: Konturen
Lateins zu demonstrieren, ahnte er wohl nicht, dass er dadurch zum Namensgeber des wohl enigmatischsten Quellentextes zur Kanongeschichte des Neuen Testaments werden sollte. Das nach seinem Entdecker benannte, zu Beginn und am Ende unvollständige Muratorische Fragment bietet auf 85 Zeilen knappe Informationen über die durch seinen Verfasser und dessen Gemeinschaft als autoritativ akzeptierten christlichen Schriften 358. Durch die schlechte Sprachgestalt und offenkundige Textverderbnisse ist das Verständnis des Fragments an zahlreichen Stellen enorm erschwert. Eine verlässliche historische Einordnung des Textes, die für die Geschichte des neutestamentlichen Kanons von großer Bedeutung wäre, ist auf dieser Basis kaum zu erreichen, wenngleich sich die Annahme einer Entstehung des Textes im Westen des römischen Reiches an der Wende des zweiten zum dritten Jahrhundert (ca. 170–210 n.Chr.) 359 breiter Akzeptanz erfreut. In Abgrenzung gegen diesen Konsens votierte vor allem Geoffrey Mark Hahnemann nachdrücklich für eine Abfassung des seiner Einschätzung nach im Osten entstandenen Textes erst im vierten Jahrhundert 360. Die sich an Hahnemanns Monographie anschließende Debatte 361 erbrachte dabei zwar eine weitreichende Zurückweisung dieses Vorschlags, führte aber auch zu einem kritischeren Blick auf manche allzu selbstverständlichen Interpretationen des Fragments. Ohne hier in die ausdifferenzierte Diskussion um das Muratorianum eintreten zu können, sei nur auf einen besonders wichtigen Punkt hingewiesen – auf die Bemerkung zur Abfassung des Herm. Von dieser Schrift sagt der Fragmentist, sie sei „nupperim e(t) Muratorische Fragment und die monarchianischen Prologe zu den Evangelien, herausgegeben von H. Lietzmann (KT 1), Bonn: A. Marcus und E. Weber’s Verlag 1921 (Anastatischer Neudruck der 2. Auflage von 1908), 4–10. 358 Die Erwähnung von Weish (vgl. ll. 69–71) bildet dabei eine gewisse Ausnahme. In mancher Hinsicht erinnert das Muratorianum damit an entsprechende Listen aus späterer Zeit (vgl. dazu etwa Löhr, W. A., Norm und Kontext – Kanonslisten in der Spätantike, in: BThZ 22 [2005], 202–229) weist aber in formaler und inhaltlicher Hinsicht auch erhebliche Unterschiede zu diesen auf. 359 Diesen Datierungsrahmen steckt Markschies, Kaiserzeitliche christliche Theologie, 231, unter Verweis auf die Belege bei Leqlercq, Art. Muratorianum, 552, und Hahnemann, G.M., The Muratorian Fragment and the Development of the Canon (Oxford Theological Monographs), Oxford: Clarendon Press 1992, 27–30, ab. 360 Vgl. Hahnemann, The Muratorian Fragment, passim, sowie zuvor ders., More on Redating the Muratorian Fragment, in: StPatr 19 (1989), 359–365. Vgl. nun auch ders., The Muratorian Fragment and the Origins of the New Testament, in: McDonald, M./Sanders, J. A. (Hg.), The Canon Debate, Peabody: Hendrickson 2002, 405–415. Hahnemann entwickelt dabei den Ansatz von Albert C. Sundberg weiter, vgl. dazu v.a. Sundberg, A.C., Canon Muratori. A Fourth-Century-List, in: HThR 66 (1973), 1–41. 361 Vgl. dazu die ausführlichen Literturhinweise bei Verheyden, J., The Canon Muratori. A Matter of Debate, in: Auwers, J.-M./De Jonge, H. J. (Hg.), The Biblical Canons (BEThL 163), Löwen: University Press/Peeters 2003, 487–556, hier: 498 Anm. 46, und Markschies, Kaiserzeitliche christliche Theologie, 231 Anm. 55.
1.4 Annäherungen an den terminus ad quem
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temporibus nostris“ (l. 74; lies: „nupperime temporibus nostris“) abgefasst worden, und zwar von Hermas, dem Bruder des römischen Bischofs Pius (vgl. ll. 75f). Dieses „kürzlich und zu unserer Zeit“ gilt – neben den häresiologischen Notizen zu Theologen des zweiten Jahrhunderts (ll. 81– 85) – als das Hauptargument für die klassische frühe Datierung 362, da man daraus schließt, der Fragmentist erweise sich (im weiteren Sinne) als Zeitgenosse des Pius, dessen Episkopat traditionell auf 140–154 n.Chr. datiert wird 363. Hingegen zeigte Hahnemann auf, dass diese Aussage auch als Verweis auf die grundsätzliche Distanz zwischen apostolischer und nachapostolischer Zeit (vgl. ll. 78–80) gelesen werden kann 364 – eine Möglichkeit, die auch ein so scharfer Kritiker Hahnemanns wie Joseph Verheyden 365 nicht völlig auszuschließen vermochte 366. Ist aber der Verweis 362 363 364 365
Vgl. Verheyden, Canon Muratori, 511. Vgl. Markschies, Kaiserzeitliche christliche Theologie, 232. Vgl. Hahnemann, The Muratorian Fragment, 35–71. Verheyden, Canon Muratori, 556, schließt seine Analyse der Spätdatierungshypothese sehr entschieden: „The author who composed the Canon Muratori in the West at the end of the second or the beginning of the third century probably would never have imagined that his work would be mistaken for a fourth-century, eastern product. (…) I am afraid I have to conclude that the suggestion of a fourth-century, eastern origin for the Fragment should be put to rest not for a thousand years, but for eternity.“ 366 Wichtig ist dabei die von Hahnemann, The Muratorian Fragment, 35f (und seinen Vorläufern; vgl. Verheyden, Canon Muratori, 502 Anm. 71), beigebrachte Parallele (bzgl. Offb) bei Irenäus, adv. haer. V,30,3: „neque enim ante multum temporis visum est, sed pene sub nostro saeculo, ad finem Domitiani imperii“ (griechisch bei Eusebius, h.e.V,8,6: οὐδὲ γὰρ πρὸ πολλοῦ χρόνου ἑωράθη, ἀλλὰ σχεδὸν ἐπὶ τῆς ἡμετέρας γενεᾶς, πρὸς τῷ τέλει τῆς Δομετιανοῦ ἀρχῆς). Die diesbezügliche Auseinandersetzung von Verheyden, Canon Muratori, 503f, mit den Vertretern der Spätdatierung verdient hier eine längere Wiedergabe: „The major argument supporting Sundberg’s and Hahnemann’s choice to read ἐπὶ τῆς ἡμετέρας γενεᾶς as ‚in the post-apostolic age‘ is that neither of them can see how Irenaeus, writing several decades after the date he gives for the composition of Revelation, can reasonably employ a phrase such as ‚almost in our lifetime‘. ‘It would be surprising that Irenaeus could use such language to describe a lapse of time approaching a century’ [Sundberg, Canon Muratori, 10; Anm. Grünstäudl]. Even granting the plausibility of this argument in Irenaeus’ case, it still does not follow that we can automatically apply it to the Fragmentist. The time lapse never comes close to a century regardless of which of the traditional dating suggestions one adopts. In short, it is futile to try to define what period of time is meant by οὐδὲ πρὸ πολλοῦ χρόνου, σχεδόν, or ‘nuperrime’. Apparently, the author was not concerned with being very precise. The meaning of these terms largely depends on the point the author wants to make“ [Hervorhebungen Grünstäudl]. Vertreter der Spätdatierung könnten hier erwidern, dass es ihnen ja gar nicht daran gelegen ist, „automatically“ eine „in Irenaeus’ case“ mögliche oder plausible Interpretation auf das Fragment zu übertragen, sondern vielmehr daran, eine Alternativdeutung zu erwägen. Darüber hinaus ist das Gegenargument, die Zeitdifferenz zwischen Pius und dem Fragmentisten sei viel geringer als zwischen Domitian und Irenäus („never comes close to a century“), nur auf Basis der – gerade strittigen – traditionellen Datierung
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Kapitel 1: Konturen
auf Hermas, den Bruder des Pius, als mehreren Interpretationen zugänglich erwiesen, so müssen andere, letztlich noch schwieriger zu gewichtende Argumente über die historische Einordnung des rätselhaften Textes entscheiden 367. Insgesamt gilt: „Die Mehrzahl der Argumente spricht nach wie vor für eine Datierung um 200 n. Chr., obwohl der exakte historische Hintergrund und die präzise literarische Form des Textes unklar bleiben“ 368. Wie das Rätsel, das die Entstehung des Muratorianums umgibt, nun auch immer zu lösen ist – in jedem Fall enthält das Fragment keine Referenz auf 2 Petr 369. Zwar findet sich nach der Darstellung des Corpus Paulinum (inklusive der Zurückweisung „gefälschter“ Paulusbriefe; vgl. ll. 39–66) und vor der Besprechung der Apokalypsen (vgl. ll. 71–80) so etwas wie eine Gruppe Katholischer Briefe („wie ein lockerer Anhang“ 370), doch wird nicht einmal ein Petrusbrief genannt. Vielmehr stellt der Fragmentist knapp fest: „epistola sane iude et superscrictio | iohannis duas in catholica gültig und somit zirkulär. Sehr überzeugend ist hingegen der Nachweis Verheydens, dass die Funktion der Hermas-Notiz im vierten Jahrhundert kaum plausibel anzugeben ist (vgl. Verheyden, Canon Muratori, 504–511). 367 Wenn die klassische Anbindung an das Episkopat des Pius gelockert wird, andererseits aber die Datierung in das vierte Jahrhundert neue Probleme aufwirft, dann sind natürlich auch Möglichkeiten einer „mittleren“ Datierung zu erwägen. In dieser Hinsicht verdient der jüngst mit zahlreichen bedenkenswerten Argumenten von Armstrong, J. J., Victorinus of Pettau as the Author of the Canon Muratori, in: VigChr 62 (2008), 1–34, entwickelte Vorschlag, das Muratorische Fragment entstamme dem Prolog zum (verlorenen) Matthäus-Kommentar des Victorinus von Pettau (ca. 240–304 n. Chr.; ähnlich bereits Vallin, P., La formation de la Bible chrétienne, in: Theobald, C. [Hg.], Le canon de Écritures. Études historiques, exégétiques et systématiques, Paris: Les Éditions du Cerf 1990, 189–236, hier: 235f) durchaus kritische Würdigung. Armstrong verweist im Anschluss an die ältere Forschung überzeugend auf Zusammenhänge zwischen Victorinus und der Rezeptionsgeschichte des Fragments (vor allem auf Hieronymus und Rufin von Aquileia, sowie deren Förderer Chromatius von Aquileia [335/340–407/408]; vgl. Armstrong, Victorinus of Pettau, 30f, sowie Verheyden, Canon Muratori, 552–555, der mehrere Verbindungslinien zwischen dem Fragment und Aquileia hervorhebt) schwächt seine These allerdings erheblich durch den Rückgriff auf Texte, deren Zuschreibung an Victorinus in der Forschung (mindestens) umstritten ist. 368 Markschies, Kaiserzeitliche christliche Theologie, 234. In diesem Sinne auch De Jonge, H. J., The New Testament Canon, in: Auwers, J.-M./ders. (Hg.), The Biblical Canons (BEThL 163), Löwen: University Press/Peeters 2003, 309–319, hier: 315: „In my opinion, however, the arguments for an early date continue to outweigh those for a later date.“ 369 Bigg, Epistles of St. Peter, 14f. 204, wollte die Bemerkung zur in der Apg fehlenden Passio Petri (ll. 37f) auf 2 Petr zurückführen, was die fragwürdige Annahme voraussetzt, der Autor des Fragments hätte nur durch Joh oder 2 Petr vom Martyrium des Petrus erfahren können (vgl. z.B. ApkPetr!) und keinerlei Anhalt im Text des Fragments hat, das an dieser Stelle nur die Gestalt der Apg diskutiert. 370 Campenhausen, H. F. von, Die Entstehung der christlichen Bibel (BHTh 39), Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1968, 286.
1.4 Annäherungen an den terminus ad quem
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habentur et sapi | entia ab amicis salomonis in honorē ipsius | scripta“ (ll. 68–71). Die vieldiskutierte Bemerkung zur Sapientia Salomonis darf hier unberücksichtigt bleiben. Zu fragen ist aber, ob aus der Nennung von Jud und zweier Johannesbriefe irgendwelche Rückschlüsse auf das Urteil des Fragmentisten zu den Petrusbriefen zu ziehen sind. Angesichts der Qualität und Fragmentarität des überlieferten Textes 371 wird man bei diesem Unternehmen nicht zurückhaltend genug sein können – dennoch gilt es, die Plausibilität einiger in der Forschungsgeschichte erwogener Interpretationen kritisch abzuwägen. Getrost darf man den phantasievollen Vorschlag von Marie-Joseph Lagrange, in l. 69 sei nicht „Johannis“ sondern „Petri“ zu lesen 372, ebenso in das Reich der unberechtigten Konjekturen verweisen wie das gewaltsame Unternehmen Theodor Zahns, der in ll. 71–73 die Apokalypse des Petrus streichen und statt ihr beide (!) kanonisch gewordenen Petrusbriefe eintragen wollte 373. Angesichts der im zweiten Jahrhundert breit belegten Verbindung des Mk mit Petrus und dem Bestreben des Fragmentisten, Querverbindungen zwischen den genannten Texten und ihren apostolischen Autoren zu schaffen, hat hingegen die Vermutung, zumindest 1 Petr könnte im Zusammenhang mit Mk bereits am Beginn des Textes – eventuell mit einem Zitat von 1 Petr 5,13 – genannt worden sein, einiges für sich. Da die Kommentare zu den ersten beiden Büchern (Mt und Mk) nicht erhalten sind, lässt sich nur durch Beobachtungen am übrigen Fragment abwägen, welche Wahrscheinlichkeit einer solchen Vermutung zuzusprechen ist. Dabei kommt nun den beiden in ll. 68f genannten Johannesbriefen eine Schlüsselrolle zu. Das offensichtlich falsche „superscrictio“ ist wohl nicht zu „superscripti“ zu verbessern und attributiv zu „iohannis“ zu verstehen (im Sinne von: „der oben genannte Johannes“), sondern vielmehr als „superscriptae“ zu lesen und als Aussage über die Zuschreibung der keinen Verfasser mit Namen nennenden Briefe an Johannes zu deuten 374. Welche Johannesbriefe sind 371 Verheyden, Canon Muratori, 528, hält lapidar fest: „The information contained in the Fragment regarding the Catholic Epistles is hopelessly confusing.“ 372 Vgl. Lagrange, M.-J., Le canon d’Hippolyte et la fragment de Muratori, in: RB 42 (1933), 161–186, hier: 176 mit Anm. 2. Vgl. ders., Canon, 59–84 (die Konjektur dort: 74 mit Anm. 2). 373 Vgl. Zahn, T., Geschichte des Neutestamentlichen Kanons. Zweiter Band: Urkunden und Belege zum ersten und dritten Band. Erste Hälfte, Erlangen/Leipzig: A. Deichert’sche Verlagsbuchh. Nachf. (Georg Böhme) 1890, 105–110, sowie dazu die vernichtende (und berechtigte) Kritik von Harnack, A., Das Neue Testament um das Jahr 200. Theodor Zahn’s Geschichte des neutestamentlichen Kanons (Erster Band, Erste Hälfte), Freiburg: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) 1889, 80–85. 374 Vgl. Lieu, Epistles of John, 22 mit Anm. 60.
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Kapitel 1: Konturen
aber gemeint? Da der Fragmentist offensichtlich 1 Joh kennt – er zitiert 1 Joh 1,1 in ll. 29–31 – wird man zuerst an 1 Joh plus 2 Joh oder 3 Joh denken, wobei 2 Joh im Blick auf die Rezeptionsgeschichte der johanneischen Briefe deutlich wahrscheinlicher ist 375. Gegen diese Interpretation wandte bereits Theodor Zahn ein, erstens sei eine Rezeption von 2 Joh ohne 3 Joh in der alten Kirche nicht belegt und zweitens werde 1 Joh bereits in ll. 26–31 in einer Art und Weise eingeführt, die eine weitere Nennung dieses Briefes im Kontext der Briefliteratur nicht mehr nötig mache 376. Beide Argumente überzeugen nicht. Zum ersten verdeutlichte Judith Lieu in ihrer einschlägigen Monographie, dass es sehr wohl Belege für die Rezeption von 1–2 Joh ohne 3 Joh in der alten Kirche gibt 377. Zum zweiten wird in l. 28 aus einem Plural von Johannesbriefen zitiert („in epistulis suis“). Wie auch immer man diesen Plural auffasst, eine klare Abgrenzung – hier Besprechung von 1 Joh, dort von 2–3 Joh – ist damit in jedem Fall unterlaufen. Des Weiteren bespricht der Fragmentist auch die Offb nochmals an ihrem „proper place“ 378 am Ende der Liste, wiewohl er mit dem Verweis auf das Sieben-Briefe-Schema bei der Besprechung des Corpus Paulinum ihre Geltung überdeutlich markiert hatte (vgl. ll. 46–50; 57–59). Diese Wiederholungen in der Erwähnung von Johannesbriefen und der Offb, die es zusammen mit dem Blick auf die Rezeptionsgeschichte von 3 Joh wahrscheinlich machen, dass mit den beiden in ll. 68f erwähnten Johannesbriefen 1–2 Joh gemeint sind, bilden zugleich ein Argument gegen eine Erwähnung von 1 Petr und/oder 2 Petr am Beginn des ursprünglichen Textes. Soweit wir es dem überlieferten Text entnehmen können, gibt der Fragmentist seine Urteile zu den von ihm akzeptierten Schriften dort ab, wo er eine entsprechende Gruppe von Texten bespricht 379. Auf diesem Hintergrund stünde zu erwarten, dass sich eine Nennung von 1 Petr und/oder 2 Petr auch dann im Rahmen der nichtpaulinischen Briefliteratur finden müsste, wenn eine solche bereits am Beginn des Fragments im Kontext der Evangelien (insbesondere des Mk) erfolgt wäre. Angesichts des Zustands des Fragments sind aber solche Überlegungen, die auf seiner vorausgesetzten inneren Logik beruhen, keine tragfähige Basis für rezeptionsgeschichtliche Theoriebildungen. Alles was sich sagen lässt, ist, dass (1) 1 Petr und 2 Petr im erhaltenden Text des Fragments 375 Das „surely 2 John“ von Lieu, Epistles of John, 23, ist vom Text des Fragments selbst nicht gedeckt. 376 Vgl. Zahn, Geschichte II/1, 91–93. 377 Vgl. Lieu, Epistles of John, 18–30. 378 Lieu, Epistles of John, 23. 379 Das trifft weitestgehend auch auf die ausgeschlossenen Schriften zu, allerdings könnte das „alia plu | ra“ (ll. 65f) nicht nur Briefe, sondern auch andere gefälschte Schriften im Blick haben (vgl. Zahn, Geschichte II/1, 86f).
1.5 Zusammenfassung: Konturen des Untersuchungsraums
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nicht genannt werden, (2) gewisse Anzeichen dafür sprechen könnten, dass keiner der beiden Briefe im ursprünglichen Text genannt wurde und (3) eine sichere Entscheidung darüber, wie der Verfasser des Muratorianums über die Petrusbriefe urteilte, schlicht nicht möglich ist.
1.5 Zusammenfassung: Konturen des Untersuchungsraums 1.5 Zusammenfassung: Konturen des Untersuchungsraums
Ziel dieses ersten, einleitenden Kapitels war es, die Problematik der Ortlosigkeit des 2 Petr zu skizzieren und in der Rekapitulation wichtiger Elemente der bisherigen Forschung am 2 Petr erste Ansatzpunkte für dessen präzisere Einordnung zu gewinnen. Dabei zeigte sich, dass gerade einige weithin unstrittige Annahmen, wie die pseudepigraphe Abfassung des 2 Petr, seine Benutzung des Jud und seine Anbindung an 1 Petr im Hinblick auf den mit ihnen zu verknüpfenden Hintergrund Rätsel aufgeben, andere, durchaus beliebte Argumentationsmuster – wie im Fall der koptischen Überlieferung des 2 Petr – kaum haltbar sein dürften, während forschungsgeschichtlich eher marginalisierte Hypothesen, wie ein Bezug auf Mk in 2 Petr 1,15 möglicherweise mehr Beachtung als bisher verdienen. Folgende Punkte sind im Blick auf die Zielsetzung dieser Studie von besonderer Bedeutung: (1) Die pseudepigraphe Gestaltung des 2 Petr erfordert nicht nur einen traditionsgeschichtlichen und theologischen Kontext, in dem der Rückgriff gerade auf die Autorität des Petrus angemessen erscheint, sondern vor allem eine bislang nicht überzeugend identifizierte literarische Strategie, die das paradoxe Verhältnis zu 1 Petr – mit großer Wahrscheinlichkeit explizite Anknüpfung (2 Petr 3,1) bei gleichzeitiger Nicht-Imitation dessen Petrusbildes – verständlich machen würde. Überdies sind die Hinweise des 2 Petr auf seinen realen Autor, wie etwa das vorausgesetzte Bildungsniveau oder eine mögliche Affinität zu stoischem Denken, nicht außer Acht zu lassen. (2) Der Gebrauch, den 2 Petr von Jud macht, könnte gerade in einem Umfeld, in dem Jud geschätzt wird, als plausibel erscheinen, weshalb die verbreitete These, Jud sei als bei den Adressaten des 2 Petr unbekannt anzunehmen, kritisch anzufragen ist. (3) So sehr eine Kenntnis des Mt seitens des 2 Petr mit guten Gründen vertreten werden kann, so wenig muss 2 Petr 1,14 exklusiv mit Joh 21,18f in Beziehung gesetzt werden. Bei allen Interpretationsschwierigkeiten, die wiederum 2 Petr 1,15 bietet, darf, zumal unter Annahme einer Entstehung des 2 Petr im zweiten Jahrhundert, eine Bezugnahme auf die traditionelle Verknüpfung des Mk mit Petrus nicht vorschnell aus dem Kreis der möglichen Deutungen verbannt werden.
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Kapitel 1: Konturen
(4) Der Umgang des 2 Petr mit Paulus und seinen Briefen lässt nach einem Entstehungskontext fragen, in dem eine theologische Selbständigkeit gegenüber Paulus mit dessen hoher Wertschätzung verbunden werden konnte und eine Bezeichnung seiner Briefe als Teil von αἱ γραφαί (bereits) plausibel erscheint. (5) Die sehr späte Bezeugung des 2 Petr im lateinischen Westen ist ein ernstes Hindernis für die These seiner römischen Herkunft. Entsprechend wird eine syrische Heimat des 2 Petr durch die versionale Bezeugung nicht wahrscheinlich gemacht, wie auch vor einer Überschätzung des Befundes im Bereich der koptischen Dialekte Abstand zu nehmen ist. (6) Da das Muratorische Fragment 2 Petr nicht erwähnt und Hippolyt keine sichere Referenz auf 2 Petr bietet, bleibt Origenes der erste wirklich unzweifelhafte Zeuge für die Existenz des 2 Petr. Bemerkenswert ist, dass sich sowohl für die Interpolation von 2 Petr-Reminiszenzen durch den Origenes-Übersetzer Rufin wie auch für eine Nutzung des 2 Petr durch den alexandrinischen Origenes gute Argumente beibringen lassen. Auf der Basis dieser skizzenhaften Umschreibung des historischen und theologischen Ortes des 2 Petr macht sich die vorliegende Untersuchung im Folgenden auf die Suche nach weiteren Hinweisen auf die Heimat des 2 Petr – zuerst im Bereich der petrinischen Pseudepigrapha, dann bei möglichen Rezipienten des 2 Petr im zweiten Jahrhundert, schließlich im labyrinthischen Œuvre des Clemens Alexandrinus.
Kapitel 2
Petrus Apocryphus Kapitel 2: Petrus Apocryphus
Als am Ausgang des Zweiten Weltkriegs der junge Exeget Karl Hermann Schelkle eingeladen wurde, für das ambitionierte Projekt eines katholischen, auf dem aktuellen Niveau der Bibelwissenschaft stehenden Kommentars zum Neuen Testament (und zwar: HThK) 1 Petr, 2 Petr sowie Jud zu bearbeiten, antwortete er dem Herausgeber Alfred Wikenhauser, dass er sich zwar durch diese Anfrage geehrt fühle, aber doch in Sorge sei, ob seine exegetische Überzeugung, der 2 Petr sei ein „Stück der pseudopetrinischen Literatur des 2. Jahrhunderts“ 1 in einem solchen Kommentarwerk Platz habe 2. Beinahe siebzig Jahre später ist die von Schelkle noch als riskant empfundene Einordnung des 2 Petr zwar eine Selbstverständlichkeit, dennoch liegen nicht allzu viele Versuche vor, 2 Petr auf dem Hintergrund jener frühchristlichen Texte zu verstehen, die wie dieser die Figur des Apostels Petrus als das zentrale Trägermedium ihrer theologischen Anliegen gebrauchen 3. Angeregt durch die plan- und kunstvoll gestaltete Verfasserfik1 Schelkle, K. H., [An Alfred Wikenhauser. Brief vom 19. 11. 1944], in: Nachlass Karl Hermann Schelkle (unveröffentlicht), Universitätsbibliothek Tübingen, Mappe „Petrusbriefe“ [Einsicht am 25. 8. 2008]. Für die Erlaubnis, in den Nachlass Einsicht zu nehmen, sei an dieser Stelle Frau Evita H. Koptschalitsch herzlich gedankt. 2 Eine Aufarbeitung der spannenden Entstehungsgeschichte des HThK im Kontext der katholischen Exegese der Nachkriegszeit bildet ein dringendes exegesegeschichtliches Desiderat. 3 David Henry Schmidt untersuchte 1972 1 Petr, 2 Petr, ApkPetr und EvPetr auf mögliche theologische und literarische Verbindungslinien, um zu überprüfen, „whether or not there is any validity for regarding these writings as a Petrine Corpus“ (Schmidt, Peter Writings, 1) und kam dabei zu einem klar negativen Ergebnis (vgl. ebd., 198–202), während Terence V. Smith zum einen eine Abhängigkeit der ApkPetr von 2 Petr vermutete (vgl. Smith, Petrine Conroversies, 53), zum anderen 2 Petr und ApcPetr (NHC VII,3) als Proponenten rivalisierender „Petrus-Gruppen“ (vgl. Smith, Petrine Controversies, 141) ansah. Die Untersuchung von Michael Gilmour, wiewohl explizit frühchristlichen Parallelen zu 2 Petr gewidmet, nimmt aus der pseudopetrinischen Literatur nur ApkPetr in den Blick und sieht dabei eine literarische Verbindung der beiden Texte als eher unwahrscheinlich an (vgl. Gilmour, Parallels, 108–115). Kraus, Sprache, 386–396, analysiert die Stellung des 2 Petr zu KerPetr, EvPetr, ActPetr und vor allem ApkPetr. Eine knappe Durchsicht zu KerPetr, EvPetr, ApkPetr, ApcPetr, ActPetr, ActPt, EpPetr, PsClem bietet Schmidt, Maskenspiel, 410–418. Schließlich diskutiert Martin G. Ruf Berührungen des
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Kapitel 2: Petrus Apocryphus
tion des 2 Petr sowie dessen paradoxes Verhältnis zu 1 Petr, untersucht das folgende Kapitel eine Reihe von „Petrus-Texten“, die mit einiger Sicherheit innerhalb des im ersten Kapitel abgesteckten Entstehungszeitraums des 2 Petr anzusiedeln sind, und fragt, ob sie zu 2 Petr in einer für dessen historische und theologische Einordnung relevanten Beziehung stehen. Vorauszuschicken ist, dass diese später apokryph gewordenen Texte in ganz unterschiedlichen Kontexten sowie in durchaus differenter Qualität überliefert sind, weshalb auch ihre Analyse nicht einem uniformen Muster folgen kann, sondern versuchen muss, dem jeweils untersuchten Text möglichst durch ein ihm gemäßes Untersuchungsdesign gerecht zu werden. Entsprechend sind es in Form und Umfang sehr verschiedenartige Abschnitte, die im Folgenden auf der Suche nach der Heimat des 2 Petr die „pseudopetrinischen Literatur des 2. Jahrhunderts“ abschreiten.
2.1 Das Kerygma Petri 2.1 Das Kerygma Petri
2.1.1 Textbestand, Datierung und Lokalisierung Der erhaltene Textbestand des Kerygma Petri (KerPetr) 4 beschränkt sich auf einige wenige Fragmente, die vor allem bei Clemens Alexandrinus bewahrt sind. Da dieser zersplitterte Textbestand in der Forschungsgeschichte in unterschiedlicher Art und Weise systematisiert wurde, sei der inhaltlichen Diskussion eine tabellarische Übersicht 5 zu den sicheren 6 Fragmenten des KerPetr vorangestellt. 2 Petr mit KerPetr, EvPetr, ActPetr, ApkPetr und PsClem, wobei ihm eine Rezeption des 2 Petr durch ApkPetr, ActPetr und PsClem in je unterschiedlichem Grad als wahrscheinlich gilt (vgl. besonders Ruf, Die heiligen Propheten, 594f). 4 Die maßgebliche Edition ist nun Cambe, M., Kerygma Petri. Textus et commentarius (CChr.SA 15), Turnhout: Brepols 2003, deren Text und Einteilung hier übernommen ist. Immer noch wichtig sind Edition und Kommentar von Dobschütz von, E., Das Kerygma Petri kritsch untersucht (TU 1/11), Leipzig: J. C. Hinrichs’sche Buchhandlung 1893, und der Aufsatz von Paulsen, H., Das Kerygma Petri und die urchristliche Apologetik, in: ZKG 88 (1977), 1–37. Vgl. auch Klostermann, E. (Hg.), Apocrypha I. Reste des Petrusevangeliums, der Petrusapokalypse und des Kerygma Petri (KT 3), Bonn: A. Marcus und E. Weber’s Verlag 1908, 13–16, Mara, M. G., Il Kerygma Petrou, in: SMSR 38 (1967), 314–342, Nautin, P., Les citations de la Prédication de Pierre dans Clément d’Alexandrie, Strom., vi, v. 39–41, in: JThS.NS 25 (1974), 98–105, und Schneemelcher, W., Das Kerygma Petri, in: NTApo II (51989), 34–41. 5 Mit kleinen Änderungen übernommen von Cambe, Kerygma Petri, 9, vgl. auch Vinzent, M., „Ich bin kein körperloses Geistwesen.“ Zum Verhältnis von κήρυγμα Πέτρου, „Doctrina Petri“, διδασκαλία Πέτρου und IgnSm 3, in: Hübner, R. M. mit einem Beitrag von dems. (Hg.), Der paradox Eine. Antignostischer Monarchianismus im zweiten Jahrhundert (SVigChr 50), Leiden/Boston/Köln: Brill 1999, 241–286, hier: 243 (noch differenzierter).
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2.1 Das Kerygma Petri Fundstelle
von Dobschütz und Cambe
Clemens Alex., strom. I,182,3 Clemens Alex., strom. II,68,2 Clemens Alex., ecl. 58 Clemens Alex., strom. VI,39,2f Clemens Alex., strom. VI,58,1 Clemens Alex., strom. VI,39,4–40,2 Origenes, Jo. XIII,104 Clemens Alex., strom. VI,41,2f Origenes, Jo. XIII,104 Clemens Alex., strom. VI,41,4–6 Clemens Alex., strom. VI,43,3 Clemens Alex., strom. VI,48,1f Clemens Alex., strom. VI,48,6 Clemens Alex., strom. VI,128,1f Clemens Alex., strom. VI,128,3
frg. frg. frg. frg. frg. frg. frg. frg. frg. frg. frg. frg. frg. frg. frg.
1a 1b 1c 2a 2b 3a 3b 4a 4b 5 6 7 8 9 10
Klostermann mit Präzisierung (Buchstaben) durch Paulsen frg. 1 frg. 2(a) frg. 2(b) frg. 2(c) frg. frg. frg. frg. frg. frg.
2(d) 3(a) 3(b) 3(c) 4(a) 4(b)
Durch die Verwendung des KerPetr bei Heracleon, dessen Wirken freilich nicht exakt zu datieren (und zu lokalisieren) ist, ergibt sich für KerPetr ein relativ sicherer, aber reichlich vager terminus ad quem in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts (wohl nicht nach 180 n.Chr.). Da aber Heracleon, wie die bei Origenes, Jo. XIII,104 überlieferten Fragmente seines Johannes-Kommentars zeigen, aus KerPetr ein durch gültige Autorität abgesichertes Argument zur Exegese von Joh 4 gewinnen konnte 7, scheint es vernünftig anzunehmen, dass das KerPetr nicht erst unmittelbar vor der Abfassung von Heracleons Johannes-Kommentar entstand, womit auf eine Entstehung spätestens zur Mitte des zweiten Jahrhunderts zu schließen wäre 8. In dieselbe Richtung weist jener von Clemens Alexandrinus in 6
Zu jenen Fragmenten, deren Zuordnung zu KerPetr zwar diskutiert wird, aber unsicher ist und die nicht in die Edition von Michel Cambe aufgenommen wurden, vgl. Dobschütz, Kerygma Petri, 80–135, Reagan, J. N., The Preaching of Peter. The Beginning of Christian Apologetic, Chicago: University of Chicago Press 1923, 73–77, Vinzent, Geistwesen, passim, und Cambe, Kerygma Petri, 28–30 (nur zur Doctrina Petri bei Origenes). Auf einer Vielzahl von spekulativen Annahmen beruht der Vorschlag von Beatrice, P. F., The „Gospel According to the Hebrews“ in the Apostolic Fathers, in: NT 48 (2006), 147–195, hier: 189, das KerPetr sei mit dem EvPetr, der Didaskalia Petrou/Doctrina Petri und dem Geheimen Markusevangelium (!) ident. Aldrige, R. E., Peter and the „Two Ways“, in: VigChr 53 (1999), 233–264, hier: 255 Anm. 78, vermutet, der Name des KerPetr „may be a title variation“ der in den PsClem enthaltenen Kerygmata Petrou (vgl. zu diesen unten 2.5). 7 Zur KerPetr-Rezeption des Heracleon vgl. Cambe, Kerygma Petri, 15–28. 8 Cambe, Kerygma Petri, 383 (vgl. 275–277: „L’affinité entre le KP et Justin“; 370– 372: „Un parallèle justinien“), spricht überdies im Anschluss an Skarsaune, O., The Proof from Prophecy. A Study in Justin Martyr’s Proof-Text Tradition. Text-Type, Provenance, Theological Profile (NT.S 56), Leiden: Brill 1987, 72f (vgl. ebd., 277 Anm. 1)
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Kapitel 2: Petrus Apocryphus
strom. II,68,1f zur Auslegung von Ps 1,1f benutzte Psalmenkommentar, der ebenfalls bereits auf eine gewisse Geltung des KerPetr rekurrieren kann 9. Zu diesen „deux attestations les plus anciennes de l’existence du Kérygme“ 10 trat kürzlich mit dem anonymen Verfasser des sogenannten Berliner Koptischen Buches (Codex Copticus Berolinensis = CCoptB) 11 ein dritter Autor, der wohl bereits vor Clemens 12 das KerPetr verwendete – wiederum als fraglos autoritativen Text 13. von „[l]a parenté réelle et reconnue entre le KP et Justin“. Vorsichtiger ist die Formulierung von Skarsaune, O., Justin and His Bible, in: Parvis, S./Foster, P. (Hg.), Justin Martyr and His Worlds, Minneapolis: Fortress Press 2007, 53–76, hier: 70, „that at least one of Justin’s sources for Scripture quotations and interpretations of them was, if not identical with the Kerygma of Peter, then at least quite similar to it“ (mit Verweis auf Skarsaune, Proof, 228–234). Vgl. auch Rordorf, W., Christus als Logos und Nomos. Das Kerygma Petrou in seinem Verhältnis zu Justin, in: Ritter, A. M. (Hg.), Kerygma und Logos. Beiträge zu den geistesgeschichtlichen Beziehungen zwischen Antike und Christentum. FS Carl Andresen, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1979, 424–434. 9 Vgl. Cambe, Kerygma Petri, 45. Beachtenswert ist dabei, dass Clemens KerPetr 1 insgesamt dreimal anführt (strom. I,182,3; II,68,2; ecl. 58), wobei es einmal (strom. I,182,3) zum pointierten Abschluss des ersten Buches der strom. dient, die anderen beiden Male hingegen innerhalb von Clemens bereits vorliegenden Psalmenkommentierungen begegnet. Dabei lässt sich nicht sagen, ob der in strom. II,68,2 benutzte Psalmenkommentar mit dem in ecl. 41,2–65 verwendeten (vgl. dazu unten 4.2.5.4) identisch ist, wie Bousset, W., Jüdisch-Christlicher Schulbetrieb in Alexandria und Rom. Literarische Untersuchungen zu Philo und Clemens von Alexandria[,] Justin und Irenäus (FRLANT.NF 6), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1915, 162f, allzu rasch vermutete. Möglicherweise ist in diesem Zusammenhang auch von Belang, dass das bei Clemens ebenfalls dreimal (strom. I,1,2; II,68,3; protr. 92,4) vorkommende Heraklitfragment vom sich wälzenden Schwein (frg. 13 Diels), das mit einiger Wahrscheinlichkeit auch hinter 2 Petr 2,22 steht (vgl. Kraus, Sprache, 342), von Clemens im Kontext der das KerPetr einführenden Psalmenexegese beigebracht wird (vgl. strom. II,68,3). 10 Cambe, Kerygma Petri, 45. 11 Vgl. Schenke-Robinson, G., unter Mitarbeit von H.-M. Schenke und U.-K. Plisch (Hg.), Das Berliner „Koptische Buch“ (P 20915). Eine wiederhergestellte frühchristlichtheologische Abhandlung (CSCO 610/Scriptores Coptici 49), Löwen: Peeters 2004 (Rekonstruktion, Faksimiles, Text), und dies. (Hg.), Das Berliner „Koptische Buch“ (P 20915). Eine wiederhergestellte frühchristlich-theologische Abhandlung (CSCO 611/ Scriptores Coptici 50), Löwen: Peeters 2004 (Einleitung, deutsche Übersetzung, Indices). Meine Benennung als Codex Copticus Berolinensis (CCoptB) versucht, die von der Herausgeberin und den Herausgebern gewählte Bezeichnung „Das Berliner ‚Koptische Buch‘“ in eine international leichter zu rezipierende Form zu übertragen. Zum möglichen ursprünglichen Titel des Textes vgl. Schenke, H.-M., Das Berliner „Koptische Buch“ (P. 20915) und seine Geheimnisse, in: ZÄS 126 (1999), 61–70, hier: 62. 12 Zu dieser historischen Einordnung des CCoptB vgl. Van den Hoek, A., Papyrus Berolinensis 20915 in the Context of Other Early Christian Writings From Egypt, in: Perrone, L., in Zusammenarbeit mit Bernardino, P. und Marchini, D. (Hg.), Origeniana octava. Origen and the Alexandrinian Tradition. Papers of the 8th International Origen Congress Pisa, 27–31 August 2001. 2 Bände (BEThL 164 A/B), Löwen: Leuven Univer-
2.1 Das Kerygma Petri
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Falls die Ähnlichkeiten, die KerPetr mit der entweder unter Hadrian oder unter Antoninus Pius verfassten Apologie des Aristides 14 aufweist 15, auf eine Rezeption des KerPetr durch Aristides schließen lassen sollten 16, so wäre eine noch frühere Entstehung des KerPetr anzunehmen. Eine antimarkionitische Ausrichtung des KerPetr, wie sie Markus Vinzent vor allem aufgrund einer möglichen, aber nicht zwingenden Zuordnung eines bei Origenes, princ. I, praef. 8, einer Doctrina Petri zugeschriebenen Logions (vgl. IgnSm 3) zum KerPetr annimmt 17, ist nicht sicher genug zu erkennen, sity Press/Peeters 2003, 75–92, die dem Text „a particularly Alexandrinian flavour“ (ebd., 84) attestiert und vermutet „the date of its composition might well be earlier – by one or more generations – than Clement“ (ebd., 85), sowie Schenke-Robinson/Schenke/ Plisch, Koptisches Buch II, VII–XV. Aufgrund der sonst erst für das dritte Jahrhundert belegten Verwendung des Begriffs „Sethianer“ (CCoptB 128,11; vgl. Van den Hoek, Papyrus Berolinensis 20915, 78 Anm. 13) hält Fürst, A., Christentum als IntellektuellenReligion. Die Anfänge des Christentums in Alexandria (SBS 213), Stuttgart: Katholisches Bibelwerk 2007, 96, „eine Datierung frühestens in die erste Hälfte des 3. Jahrhunderts“ für „ratsamer“. 13 Das Zitat, das in CCoptB 138,27ff (Ende unsicher) aus einem „Buch der Verkündigung“ (CCoptB 138,24f) angeführt wird, liegt recht nahe an KerPetr 2a, weshalb möglicherweise auch das mit derselben Quellenangabe versehene Zitat in CCoptB 135,26–32, sowie das wiederum mit diesem verknüpfte Zitat in CCoptB 135,11–14 aus dem KerPetr stammen, „falls die Einschätzung der rekonstruierten Stellen näherer Prüfung standhält“ (Schenke-Robinson/Schenke/Plisch, Koptisches Buch II, XII). CCoptB 161,29 nennt Petrus als Sprecher; ob hier eine Verbindung zu den (möglichen) KerPetr-Zitaten besteht, lässt sich dem Kontext aber nicht entnehmen. Vgl. auch die rekonstruierte Nennung eines „Symeon“ in CCoptB 196,25, womit im Hinblick auf die (textlich aber ebenfalls unsichere) Erwähnung eine „Johannes“ in CCoptB 196,23 Petrus gemeint sein könnte (vgl. Apg 15,14; 2 Petr 1,1). 14 Vgl. Pilhofer, P., Art. Aristides, in: LACL ( 32002), 60f. 15 Zur theologiegeschichtlichen (Sonder)Stellung der beiden Texte vgl. Pilhofer, P., Presbyteron kreitton. Der Alterbeweis der jüdischen und christlichen Apologeten und seine Vorgeschichte (WUNT II/39), Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1990, 227– 234. 16 So nachdrücklich Pouderon, B., Les Apologistes grecs du II e siècle (Initiations aux Pères de l’Église), Paris: Cerf 2005, 114, mit einer Liste der Berührungen in ders., Introduction, in: Aristide, Apologie. Introduction, textes critiques, traductions et commentaire par Bernard Pouderon, Marie-Joseph Pierre avec la collaboration de Bernard Outtier, Marina Guiorgadzé (SC 470), Paris: Cerf 2003, 23–180, 78f. Vgl. Paulsen, Kerygma Petri, 13, sowie bereits Zahn, T., Geschichte des Neutestamentlichen Kanons. Zweiter Band: Urkunden und Belege zum ersten und dritten Band. Zweite Hälfte, Erlangen/ Leipzig: A. Deichert’sche Verlagsbuchh. Nachf. (Georg Böhme) 1892, 823f. Reichlich konstruiert ist das Argument von Pouderon, Apologistes grecs, 114, das umgekehrte Abhängigkeitsverhältnis sei „bien difficile de supposer“, da ein Autor des späten zweiten Jahrhunderts angesichts der durch das Martyrium ihres Verfassers autorisierten Apologie des Justin kaum auf eine frühe Apologie wie die des Aristides zurückgegriffen habe. 17 Vgl. Vinzent, Geistwesen, 273–286. Cambe, Kerygma Petri, 30 Anm. 1, nennt „l’orientation antimarcioniste“ des KerPetr ohne weitere Diskussion „problématique“,
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Kapitel 2: Petrus Apocryphus
um für Datierungsfragen herangezogen zu werden. Man wird es somit zurzeit bei der unpräzisen Datierung in der Mitte bzw. in der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts belassen müssen 18. Aufgrund der Überlieferung des KerPetr bei Clemens und Origenes 19, dem Rekurs auf die Verehrung von Tieren (vgl. KerPetr 3), der Berührung mit SibOr III und der dem Judentum zuerkannten hohen Status (vgl. KerPetr 2–5) votiert Michel Cambe für eine „localisation égyptienne“ 20 des KerPetr, womit er sich der in der Forschung überwiegend vertretenen Einschätzung anschließt 21. Dies ist sicherlich eine gut begründete Vermutung; letzte Sicherheit lässt sich aber keineswegs erzielen. 2.1.2 Das KerPetr und der 2 Petr Der Versuch, das KerPetr mit der übrigen Petrusliteratur in Beziehung zu setzen, führte forschungsgeschichtlich zu sehr unterschiedlichen Vorschlägen hinsichtlich des Verhältnisses von KerPetr zu 2 Petr. Theodor Zahn sah die Abfassung von KerPetr durch 2 Petr 1,15 angeregt 22, Adolf Harnack vgl. ebd., 383: „Manifestement les débats que suscitera l’efflorescence du marcionisme et de la gnose ne sont pas à l’orde du jour de l’apocryphe pétrinien.“ Die Zurückweisung der These von Vinzent bei Pouderon, Apologistes grecs, 114, leidet darunter, dass Pouderon annimmt, jener datiere das KerPetr „très exactement entre 170 et 180“, womit aber bei Vinzent, Geistwesen, 244. 286, nur der terminus ad quem des KerPetr benannt ist. 18 Die von Cambe, Kerygma Petri, 382f, zur Begründung einer Datierung des KerPetr in das erste Jahrzehnt des zweiten Jahrhunderts vorgebrachte Überlegung, die Lehre vom Christentum als drittem Geschlecht bzw. als dritte (und korrekte) Art der Gottesverehrung neben derjenigen der Griechen und derjenigen der Juden setze eine Situation starker jüdischer Präsenz im Umfeld der Entstehung des KerPetr voraus, wie sie in Ägypten nach der Revolte unter Trajan (115–117 n.Chr.) nicht mehr gegeben gewesen sei, ist zwar durchaus beachtenswert, besitzt aber nur auf dem Hintergrund der entsprechenden Lokalisierung des KerPetr Gültigkeit (vgl. im Folgenden). 19 Ob man auch Heracleon mit Ägypten/Alexandrien in Verbindung zu bringen hat, wie oft angenommen (vgl. auch Cambe, Kerygma Petri, 382), muss offen bleiben, vgl. Fürst, Intellektuellen-Religion, 29–33. 20 Cambe, Kerygma Petri, 382. 21 Vgl. Norelli, E., Situation des apocryphes pétriniens, in: Apocrypha 2 (1991), 31– 83, hier: 30 („l’opinion dominante“), Paulsen, Kerygma Petri, 11f. Auch Alfons Fürst, der (mit Recht) die vielen Unwägbarkeiten bezüglich der Zuordnung frühchristlicher Texte zum alexandrinischen bzw. ägyptischen Christentum nachdrücklich betont, hält eine Entstehung des KerPetr in Alexandrien für „möglich“ (Fürst, IntellektuellenReligion, 77). Vgl. auch Lang, M., Spuren des frühen ägyptischen Christentums, Dissertation Universität Wien 2008, 121, und ders., Das frühe ägyptische Christentum. Quellenlage. Forschungslage und -perspektiven, in: Pratscher, W./Öhler, M./ders. (Hg.), Das ägyptische Christentum im 2. Jahrhundert (SNTU.NF 6), Wien/Berlin: LIT 2008, 9–43, hier: 18. 22 Vgl. Zahn, Geschichte II/2, 831. Bigg, Epistles, 265, ließ sogar die gesamte pseudopetrinische Literatur aus 2 Petr 1,15 entsprungen sein. Ähnlich auch Green,
2.1 Das Kerygma Petri
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erwog im Gegenteil, 2 Petr 1,15 könnte auf KerPetr anspielen 23, während Joseph N. Reagan 2 Petr reichlich kühn als Schlusspunkt einer durch KerPetr (mit)initiierten Reihe von petrinischen Pseudepigrapha deutete 24. Weder David H. Schmidt 25 noch Terence V. Smith 26 untersuchten in ihren einschlägigen Studien die Relation zwischen KerPetr und 2 Petr und auch in der neueren Kommentarliteratur zu 2 Petr spielt das KerPetr so gut wie keine Rolle 27. Die knappen Überlegungen bei Henning Paulsen, Christian Grappe und Thomas J. Kraus zu möglichen Beziehungen zwischen den beiden Petrus-Texten schließen durchweg mit einem negativen Urteil ab 28. Angesichts dieser „Forschungstradition“ kann es überraschen, wenn jüngst Michel Cambe im umfassenden und gründlichen Kommentar zu seiner neuen Ausgabe des KerPetr von „certaines affinités remarquables“ 29 zwischen beiden Texten spricht – in jedem Fall lädt dieses Urteil zu einem neuen Blick auf KerPetr und 2 Petr ein. Vergleicht man beide Texte, so fallen insbesondere zwei Bereiche ins Auge, in denen sich Berührungen, oder besser: ähnliche Konzeptionen, beobachten lassen. Ein erster Punkt ist die Betonung von Erkenntnis (vgl. KerPetr 2a; 3a; 4ab; 7–10), die an die „eminente Bedeutung“ 30 dieses Konzeptes in 2 Petr erinnert 31. Es darf vermutet werden, dass im Nachdruck, mit dem KerPetr rechtes und falsches Erkennen thematisiert, ein Gutteil 2 Peter and Jude, 81. Zum Vorschlag Zahns wie auch zur Möglichkeit einer Referenz von 2 Petr 1,15 auf das KerPetr (vgl. nächste Anm.) äußerte sich bereits Dobschütz, Kerygma Petri, 67f Anm. 1, zu Recht skeptisch. 23 „Dass im II. Petr. 1,15 auf das Kerygma angespielt ist, ist eine Möglichkeit, die leider nicht sicher gestellt werden kann, aber verlockend ist“ (Harnack, Geschichte II/1, 474 Anm. 1). Ebenso James, M. R., The Second Epistle General of Peter and the General Epistle of Jude (Cambridge Greek Texts for Schools and Colleges), Cambridge: Cambridge University Press 1912, 16. 24 Vgl. Reagan, Preaching, 66. Smith, Petrine Controversies, 39 mit Anm. 22a, versteht Reagan offenbar falsch, wenn er bei diesem eine Deutung des in 2 Petr 3,1 vorausgesetzten ersten Briefes auf das KerPetr erkennt. 25 Schmidt, Peter Writings, 1 Anm. 3, urteilt, die wenigen Fragmente des KerPetr seien „not sufficient in length to aid in any study of the Petrine Corpus“. 26 Smith, Petrine Controversies, 39, stellt nur knapp fest: „… there is very little evidence of linguistic links or common themes between the two documents“. 27 Vgl. Bauckham, 2 Peter-Account, 3739f, sowie Ruf, Die heiligen Propheten, 342; 594. 28 Vgl. Paulsen, Kerygma Petri, 10f, der aber auf den zu KerPetr „analoge[n] Titel“ (ebd., 11) der Schrift „Die Taten des Petrus und der zwölf Apostel“ (NHC VI,1) verweist, die folgendermaßen beginnt: „Dies ist die Predigt, die Petrus über die Veranlassung der Apostelschaft hielt“, Grappe, Images de Pierre, 145 Anm. 128, sowie Kraus, Sprache, 389f. 29 Cambe, Kerygma Petri, 187. 30 Kraus, Sprache, 354. 31 Vgl. dazu unten 4.2.4.
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Kapitel 2: Petrus Apocryphus
seiner Attraktivität für den „kirchlichen Gnostiker“ Clemens bestand – entsprechend ist es das Stichwort ἐπίγνωσις, das ihn zum ersten der in strom. VI angeführten Zitate aus KerPetr leitet (strom. VI,39,1–3) 32. Mit der Aufforderung zu erkennen (γινώσκετε) beginnt auch die in KerPetr 2a zitierte Rede Petri, die Gottes Macht über Anfang und Ende der Welt betont (vgl. 2 Petr 3,5–7) und die schöpfungstheologische Rolle seines Sohnes/Wortes unterstreicht. Mit der Verwendung von ἐπιγινώσκω ist in KerPetr 8 das heilsstiftende Erkennen der offenbarten Wahrheit angezielt, in KerPetr 9 hingegen schwingt dieser umkehrtheologischen Unterton nicht mit 33. Die zweite konzeptionelle Ähnlichkeit ist die explizite und relativ prominente Besprechung schrifthermeneutischer Fragen (vgl. v.a. KerPetr 9f) 34. Übereinstimmend unterstreichen beide Petrus-Texte die bleibende normative Geltung der „Bücher der Propheten“ (vgl. 2 Petr 1,19–21; 3,1f), die enge Verknüpfung der Schrift mit dem Christusgeschehen (vgl. 2 Petr 1,16–19) sowie die unterschiedliche Zugänglichkeit verschiedener Abschnitte der autoritativen Schriften (vgl. 2 Petr 1,20f; 3,16). Indem in KerPetr und 2 Petr der Rolle Petri als „Exeget“ große Bedeutung zukommt, wird aber auch die grundlegende Differenz im Schriftverständis beider Texte unmittelbar deutlich: Von einer autoritativen Geltung christlicher Texte, die in 2 Petr bereits sehr deutlich Gestalt annimmt (vgl. 2 Petr 3,1; 3,14–16), findet sich in KerPetr keine Spur. Interessant ist dabei auch, dass für Paulus, der in 2 Petr an prominenter Stelle Erwähnung findet, im Apostelkonzept 35 des KerPetr kein Platz zu sein scheint, wobei sich Spuren eines intendierten Antipaulinismus aber in den 32 Die Wendung τῆς γνωστικῆς γραφῆς in KerPetr 2a könnte sich auf das KerPetr beziehen und so eine entsprechende Einschätzung des Textes seitens Clemens oder eines Glossators dokumentieren, doch ist diese Stelle mit zahlreichen Interpretationsschwierigkeiten behaftet, vgl. Cambe, Kerygma Petri, 70–73. 33 Vgl. Cambe, Kerygma Petri, 330f. 34 Vgl. Cambe, Kerygma Petri, 341–375. Norelli, Apocryphes pétriniens, 64, sieht in ApkPetr 16f und 2 Petr 1,16f mit KerPetr vergleichbare Motive und konkludiert: „Tous ces textes semblent supposer une activité systematique de recherche, dans le Écritures, des événements de la vie de Jésus ...“. Hinzuweisen wäre auch auf die unvoreingenommene Verwendung von stark hellenistisch geprägter Terminologie: Einerseits ist die Bedeutung von σέβεσθαι τὸν θεόν als „Centralbegriff des K.P.“ (Dobschütz, Kerygma Petri, 45) zu beachten, denn „l’utilisation de ce concept dans un écrit chrétien de l’epoque subapostolique ne va pas de soi“ (Cambe, Kerygma Petri, 182), andererseits vor allem die Verwendung von εὐσέβεια (2 Petr 1,3.6.7; 3,11), die in ähnlicher (bzw. noch stärkerer) Intensität im Rahmen der später neutestamentlichen Schriften nur in den Past begegnet (vgl. Apg 2,12; 1 Tim 2,2; 3,16; 4,7.8; 6,3.5.6.11; 2 Tim 3,5; Tit 1,1 sowie 1 Clem 1,2; 11,1; 15,1; 32,4; 2 Clem 19,1; 20,4 [εὐσέβεια und θεοσέβεια]). 35 Vgl. Skarsaune, Justin, 69.
2.2 Die Apokalypse des Petrus
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erhaltenen Fragmenten nicht finden. Weitere Differenzen sind in der Angelologie, in der die Mahnung zum Respekt gegenüber den δοξαί (2 Petr 2,10f) der Abgrenzung von (vermeintlich) jüdischer Engelverehrung (KerPetr 4ab) gegenübersteht, und in der grundsätzlichen Haltung gegenüber dem Judentum, die in 2 Petr durch keinerlei Frontstellung geprägt ist (vgl. das selbstverständliche λαός in 2 Petr 2,1), zu benennen 36. Das Wenige, das die erhaltenen Fragmente über das KerPetr preisgeben, lässt somit die Umrisse eines Petrustextes 37 erkennen, der in einigen markanten Punkten Ähnlichkeiten mit 2 Petr aufweist. Es sind dies vor allem die starke Betonung christlich konnotierter Erkenntnis, die reflektierte Verknüpfung der christlichen Verkündigung mit der Auslegung der Schriften Israels sowie die Artikulation christlicher Theologie mit Hilfe pointiert hellenistisch geprägter Terminologie (εὐσέβεια/θεοσέβεια). Nicht zu übersehen sind aber auch die Differenzen in der theologischen Ausrichtung (etwa bzgl. Judentum, Angelologie, Paulus, Eschatologie/Apokalyptik), die eine enge traditionsgeschichtliche Verbindung zwischen KerPetr und 2 Petr eher nicht wahrscheinlich machen.
2.2 Die Apokalypse des Petrus 2.2 Die Apokalypse des Petrus
2.2.1 Einleitung
„In einem anderen großen See aber, der angefüllt war mit Eiter, Blut und aufwallendem Kot, standen Männer und Frauen bis zu den Knien. Diese waren die, die Geld verliehen und Zinseszins gefordert hatten.“ Schwer verdauliche Sätze wie dieser könnten zur Einschätzung verleiten, der Status der ihn enthaltenden Apokalypse des Petrus (ApkPetr) 38 als „probably 36 Auch ein Schlüsselbegriff wie παρουσία (2 Petr 3,4) wird in KerPetr 9 anders, nämlich für die irdische Existenz Jesu (vgl. aber möglicherweise 2 Petr 1,16) verwendet, vgl. Kraus, Sprache, 389. Zur Bewertung der Eschatologie des 2 Petr ist entscheidend, ob in KerPetr 9 von der Erschaffung des himmlischen resp. millenaristisch gedachten Jerusalem (vgl. Cambe, Kerygma Petri, 360–369) oder von der Zerstörung des irdischen Jerusalem (vgl. Dobschütz, Kerygma Petri, 24f. 62–64) die Rede ist. 37 Petrus tritt einerseits im KerPetr als Sprecher auf und wird andererseits von Clemens als Autor des Textes beschrieben (vgl. strom. VI,58,1). 38 Zur Einführung vgl. Bauckham, R., The Apocalypse of Peter. A Jewish Christian Apocalypse from the Time of Bar Kokhba, Apocrypha 5 (1994), 7–111, sowie Bauckham, R., The Apocalypse of Peter. An Account of Research, in: ANRW II,25,6 (1988), 4712–4750 (umfangreicher Forschungsbericht), Bauckham, R./Marrassini, P., L’Apocalisse de Pierre, in: Bovon, F. u. a. (Hg.), Écrits apocryphes chrétiens 1, Paris: Gallimard 2006, 745–774 (französische Übersetzung mit knappen Anmerkungen), Bremmer, J. N./Czachesz, Í. (Hg.), The Apocalypse of Peter (Studies on Early Christian Apocrypha 7), Löwen: Peeters 2003 (Aufsatzsammlung mit Bibliographie), und Müller,
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Kapitel 2: Petrus Apocryphus
the most neglected of all Christian works written before 150 C.E“ 39 sei durchaus angemessen. Doch vieles spricht dafür, diesem bizarren und faszinierenden Text mehr Aufmerksamkeit zu schenken als bisher. Die hier gemeinte frühchristliche Petrusapokalypse, von der eine Reihe von Texten ähnlicher Bezeichnung zu unterscheiden ist 40, wird in den Eklogen des Clemens Alexandrinus unter der Bezeichnung „Schrift“ (γραφή) angeführt (ecl. 41,1) und dreimal förmlich zitiert (ecl. 41,2; 48,1; 49,1) 41. Auch Methodius von Olymp, einer der ersten Autoren, dem ein affirmatives Zitat des 2 Petr zugeschrieben wird 42, greift auf die ApkPetr als Teil der „inspirierten Schriften“ zurück 43. Schließlich sei, um von anderen frühkirchli-
C. D. G., Offenbarung des Petrus, in: NTApo II ( 51989), 562–578 (deutsche Übersetzung auf leider fehlerhafter Textgrundlage). Als Textbasis dienen im Folgenden für die griechischen Textzeugen Nicklas/Kraus, Petrusevangelium und Petrusapokalypse, passim, und für den äthiopischen Text sowohl Buchholz, Eyes, passim, dem auch die englischen Übersetzungen (stets die etwas holprigen, aber textnahen „literal translations“) entnommen sind, als auch Marrassini, P., L’Apocalisse di Pietro, in: Beyene, Y. u.a. (Hg.), Etiopia e oltre. Studi in onore di Lanfranco Ricci (Studi africanisti. Serie etiopica 1), Neapel: Istituto Universitario Orientale 1995, 171–232. Folgende Sigla werden für die Textzeugen der ApkPetr verwendet (zu den Handschriften, ihrer Datierung, ihrem Textumfang und ihrem Verhältnis zueinander vgl. unten): E: Der äthiopische Text, bezeugt durch zwei miteinander verwandte Handschriften (MS D’Abbadie 51 und Hammerschmidt Lake Tana 35), A: Der griechische Text, wie er vom sogenannten Akhmîm-Fragment geboten wird (P. Cair. 10759), B: Der griechische Text des sogenannten Bodleian-Fragments (Bodl. MS. Gr. th. f. 4 [P]), R: Der griechische Text des sogenannten Rainer-Fragments (P. Vindob. G 39756). Der eingangs zitierte Satz stammt im Übrigen aus A 31 in der Übersetzung von Kraus/Nicklas, Petrusevangelium und Petrusapokalypse, 115. 39 Bauckham, Jewish Christian Apocalypse, 7. 40 Zum Überblick über die entsprechende, zum Teil noch kaum erschlossene Literatur vgl. v.a. Berger, K., Unfehlbare Offenbarung. Petrus in der gnostischen und apokalyptischen Offenbarungsliteratur, in: Müller, P. G./Stenger, W. (Hg.), Kontinuität und Einheit. FS Franz Mußner, Freiburg/Basel/Wien: Herder 1981, 261–326. Vgl. die offensichtliche Verwechslung von ApkPetr und ApcPetr (NHC VII,3) bei Kruger, Authenticity, 670 mit Anm. 154. 41 Vgl. hierzu unten 4.2.5.7. 42 Zu dem entsprechenden Fragment und seiner Problematik vgl. Bonwetsch, G. N., Methodius von Olympus. I. Schriften, Erlangen/Leipzig: Andr. Deichert’sche Verlagsbuchhandlung Nachf. (Georg Böhme) 1891, V–XLVII, hier: XXIV. Zu Methodius als vermeintlichen Rezipienten des 2 Petr vgl. unten 3.5. 43 Methodius bezeichnet in symp. II 6,45 einen E 8,4 entsprechenden Gedanken als ἐν θεοπνεύστοις γράμμασιν überliefert. Vgl. Text, Übersetzung und Kommentar bei Kraus/Nicklas, Petrusevangelium und Petrusapokalypse, 94f.
2.2 Die Apokalypse des Petrus
99
chen Zeugnissen zu schweigen 44, noch auf das Muratorische Fragment verwiesen. Diese älteste Liste normativer christlicher Literatur schränkt am Ende des zweiten Jahrhunderts die legitime Rezeption der ApkPetr auf den Bereich der „privaten“ Lektüre ein – womit ex negativo die hohe Wertung der ApkPetr im Umfeld dieses rätselhaften Textes deutlich wird 45. Doch nicht nur die Erinnerung an die ihr im frühen Christentum entgegengebrachte Wertschätzung empfiehlt die ApkPetr als Lektüre und Studienobjekt. Mit ihrem Beitrag zu Idee und Gestalt christlicher Jenseitsvorstellungen hat sie Theologie und Frömmigkeit ein gewichtiges, zuweilen auch als schwer empfundenes Erbe hinterlassen. In dem durch die ApkPetr gezeichneten Bild von Petrus dem Visionär 46, dem Verklärungszeugen, welchem Gericht, zukünftiges Schicksal der Gerechten und Sünder sowie sein bevorstehendes Martyrium in Rom 47 geoffenbart werden, entdeckte man schon bald nach seinem Bekanntwerden markante Züge des in 2 Petr dargestellten Petrus. Adolf von Harnack hielt ApkPetr und 2 Petr gar für „blutsverwandt“ 48. In jüngster Zeit hat sich vor allem Richard Bauckham, auch Autor eines epochalen Kommentars zu 2 Petr, um die ApkPetr verdient gemacht und in umfassender Weise das Verwandtschaftsverhältnis der beiden „Blutsbrüder“ untersucht 49. Sein Er44
Vgl. hierzu Buchholz, Eyes, 20–81, sowie im engen Anschluss an diesen Jakab, Reception, passim. 45 Der Text selbst enthält keinen Beweis, dass tatsächlich die ApkPetr gemeint ist. Da aber alle anderen Petrusapokalypsen noch weniger in Frage kommen und eine breite frühkirchliche Verwendung der ApkPetr bezeugt ist (vgl. oben), ist mit gutem Grund davon auszugehen, dass das Muratorische Fragment hier tatsächlich die ApkPetr meint. Zum Fragment selbst vgl. oben 1.4.5. 46 Vgl. Norelli, E., Pierre, le visionnaire. La réception de l’épisode de la transfiguration en 2 Pierre et dans l’Apocalypse de Pierre, in: Cahiers bibliques de foi et vie 46 (2007), 19–43. 47 Bauckham, R., The Martyrdom of Peter in Early Christian Literature, in: ANRW II,26,1 (1992), 539–595, hier: 570–577. Wenn eine aktuelle Monographie zum Rombezug des historischen Petrus (vgl. Zwierlein, Petrus in Rom, passim) weder die ApkPetr noch das in ihr erhaltene älteste sichere literarische Zeugnis des Martyriums Petri in Rom erwähnt (vgl. dazu z.B. Bauckham, Jewish Christian Apocalypse, 98–103), so belegt das nachdrücklich die noch immer geringe Bekanntheit der ApkPetr. Vgl. auch die diesbezügliche Zurückhaltung von Bockmuehl, The Remembered Peter, 114–132, besonders 131 mit Anm. 68. 48 Harnack, Bruchstücke, 89. Dieses Urteil fällt Harnack allerdings nur auf Basis des zu diesem Zeitpunkt (1892/93) bekannten Akhmîm-Fragments, für das eine 2 Petr eintragende Redaktion nicht ausgeschlossen werden kann. Später vertrat Harnack darüber hinaus auch eine literarische Abhängigkeit des 2 Petr von ApkPetr (vgl. dazu unten). 49 Bauckham, R., 2 Peter and the Apocalypse of Peter, in: ders. (Hg.), The Fate of the Dead. Studies in Jewish and Christian Apocalypses (NT.S 93), Leiden/Boston/Köln: Brill 1998, 290–303. Diese Studie war ursprünglich als Appendix zu Bauckhams 1983 erschienenen Kommentar zu 2 Petr geplant (vgl. Bauckham, R., Preface, in: ders. [Hg.],
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Kapitel 2: Petrus Apocryphus
gebnis, dass die ApkPetr, welche ca. 133–135 n.Chr. in Palästina entstanden sei 50, den 2 Petr verwende 51, wurde von Thomas J. Kraus unter besonderer Berücksichtigung der griechischen Textzeugen der ApkPetr bestätigt 52 und fand in Kommentaren und Einleitungen breite Aufnahme 53. Doch während der von Bauckham und Kraus detailliert geführte Nachweis einer literarischen Beziehung zwischen ApkPetr und 2 Petr überzeugt, bedarf die These der Abhängigkeit der ApkPetr von 2 Petr meiner Einschätzung nach einer kritischen Neubewertung 54. Bereits ein Blick in die christliche Literatur des zweiten Jahrhunderts, die von 2 Petr keine nachThe Fate of the Dead. Studies in Jewish and Christian Apocalypses [NT.S 93], Leiden/Boston/Köln: Brill 1998, VII–VIII), wurde dann 1988 in Bauckhams Forschungsbericht angekündigt (vgl. Bauckham, Apocalypse-Account, 4722 mit Anm. 108; 4742 [„forthcoming“]; vgl. Bauckham, 2 Peter and Apocalypse, 292 Anm. 14) und schließlich im zitierten Sammelband 1998 veröffentlicht. 50 Vgl. v.a. Bauckham, A Jewish Christian Apocalypse, 16–43, und Bauckham, R., The Two Fig-Tree Parables in the Apocalypse of Peter, in: JBL 104 (1985), 269–287. Kritisch bewerten Bauckhams Einordnung der ApkPetr gegenwärtig u.a. Tigchelaar, E., Is the Liar Bar Kokhba? Considering the Date and Provenance of the Greek (Ethiopic) Apocalypse of Peter, in: Bremmer, J. N./Czachesz, Í. (Hg.), The Apocalypse of Peter (Studies on Early Christian Apocrypha 7), Löwen: Peeters 2003, 63–77, Nicklas, T., Christliche Apokryphen als Spiegel der Vielfalt frühchristlichen Lebens. Schlaglichter, Beispiele und methodische Probleme, in: ASE 23 (2006), 27–44, besonders 33–39, sowie zuletzt umfassend Nicklas, T., „Insider“ und „Outsider“. Überlegungen zum historischen Kontext der Darstellung „jenseitiger Orte“ in der Offenbarung des Petrus, in: Ameling, T. (Hg.), Topographie des Jenseits. Studien zur Geschichte des Todes in Kaiserzeit und Spätantike (Altertumswissenschaftliche Kolloquien 21), Stuttgart: Franz Steiner 2011, 35–48. Für die Bar-Kochba-Hypothese votiert Norelli, E., L’adversaire eschatologique dans l’Apocalypse de Pierre, in: Blanchard, Y.-M./Pouderon, B./Scopello, M. (Hg.), Les forces du bien et du mal dans les premiers siècles de l’église. Actes du colloque de tours, septembre 2008 (ThH 118), Paris: Beauchesne 2011, 291–317 (zu Tigchelaar: 298–303; zu Nicklas: 311–317). 51 Vgl. Bauckham, 2 Peter and the Apocalypse of Peter, 302f. So auch bereits in Bauckham, Jude, 2 Peter, 162: „However, the Apo. Pet. (c. 110–40) is very good evidence that at least one early second-century writer knew and used 2 Peter, and is sufficient to rule out a late date for 2 Peter.“ 52 Vgl. Kraus, T. J., Die griechische Petrus-Apokalypse und ihre Relation zu ausgewählten Überlieferungsträgern apokalyptischer Stoffe, in: Apocrypha 14 (2003), 73–98, und Kraus, Sprache, 390–396. 53 Vgl. oben 1.1. 54 Bei Bauckham, 2 Peter and the Apocalypse of Peter, 302f, wie bei Kraus, Griechische Petrus-Apokalypse, 84 (vgl. Kraus, Sprache, 395f), fällt die Analyse der eigentlichen Prioritätsfrage sehr knapp aus. Bereits vor der Veröffentlichung seiner Studie zum Verhältnis von ApkPetr und 2 Petr hatte Bauckham mehrfach eine Datierung des 2 Petr um 80/90 n.Chr. (vgl. Bauckham, Jude, 2 Peter, 158, und Bauckham, 2 Peter-Account, 3742, jeweils mit besonderem Verweis auf 2 Petr 3,4), für die ApkPetr aber um 133–135 n.Chr. vertreten.
2.2 Die Apokalypse des Petrus
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weisbare Kenntnis hat 55, der ApkPetr aber umso höhere Anerkennung in Alexandrien und Rom bezeugt, könnte gegenüber der Priorität des 2 Petr skeptisch machen. Auch im textlichen Befund selbst besitzt die These der Abhängigkeit der ApkPetr von 2 Petr nur geringen Anhalt. Ihr gegenüber ist bei aller gebotenen Zurückhaltung doch wohl eher die Annahme des umgekehrten Abhängigkeitsverhältnisses als plausiblere Hypothese vorzuziehen. Im Folgenden werden zur Begründung dieser Einschätzung kurz die komplexe Situation der Texttradition der ApkPetr sowie die Forschungsgeschichte zur Relation von ApkPetr und 2 Petr vorgestellt. Daran anschließend erfolgt eine Durchsicht zentraler Bezugspunkte der beiden Texte, die es ermöglichen soll, das wechselseitige Verhältnis der beiden „Blutsverwandten“ genauer zu fassen. 2.2.2 Die Überlieferungsgestalt der ApkPetr Lange Zeit wusste man von der ApkPetr nur durch antike christliche Literaturlisten wie das Muratorische Fragment oder die Stichometrie des Nikephorus sowie durch verstreute Hinweise bei Kirchenschriftstellern 56. Der Textbestand beschränkte sich auf einige wenige Fragmente 57. Diese Situation änderte sich am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts dramatisch, als in recht enger zeitlicher Folge drei in Sprache, Umfang und Gestalt durchaus differente Texte der ApkPetr entdeckt, ediert und identifiziert wurden 58. Die Reihe der Textfunde zur ApkPetr eröffnete 1892 die Edition eines 1886/1887 in einem Grab nahe bei Akhmîm (Oberägypten) entdeckten Pergamentcodex (P. Cair. 10759) 59 aus dem 6./7. Jhdt. 60, der neben Abschnitten aus 1 Hen (erster Teil: 1 Hen 19,3; 20,2–21,9; 1,1–16,22; zweiter 55 56
Vgl. dazu Kapitel 3 dieser Untersuchung. Vgl. dazu vor allem Buchholz, Eyes, 20–81, sowie in Anlehnung an diesen Jakab, A., The Reception of the Apocalypse of Peter in Ancient Christianity, in: Bremmer, J. N./Czachesz, Í. (Hg.), The Apocalypse of Peter (Studies on Early Christian Apocrypha 7), Löwen: Peeters 2003, 174–186. 57 Diese sind nun zusammengestellt bei Kraus/Nicklas, Petrusevangelium und Petrusapokalypse, 87–99. 58 Vgl. Bauckham, Apocalypse of Peter, 4713–4718. Ob mit den entdeckten auch bereits alle erhaltenen Handschriften der ApkPetr bekannt geworden sind, lässt sich naturgemäß nicht sagen. Unklar bleibt etwa die Existenz einer armenischen (vgl. Bauckham, Apocalypse of Peter, 4716) und einer altkirchenslawischen Version (vgl. Kraus/Nicklas, Petrusevangelium und Petrusapokalypse, 83). 59 Zu den Fundumständen vgl. Van Minnen, P., The Greek Apocalypse of Peter, in: Bremmer, J. N./Czachesz, Í. (Hg.), The Apocalypse of Peter (Studies on Early Christian Apocrypha 7), Löwen: Peeters 2003, 15–39, hier: 15–19, mit weiterführenden Hinweisen. 60 Vgl. Kraus/Nicklas, Petrusevangelium, 29.
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Kapitel 2: Petrus Apocryphus
Teil: 1 Hen 16,22–32,6 61) und des Martyriums des Julian von Anazarabus 62 auch zwei petrinische Textfragmente enthält. Das erste von diesen, eine Passions- und Ostererzählung, in der „Simon Petrus“ als Ich-Erzähler auftritt, wurde als Teil des frühkirchlich bezeugten Petrusevangeliums (EvPetr) identifiziert 63, das zweite hingegen der ApkPetr zugeordnet 64. Knapp zwei Jahrzehnte nach der Publikation des Akhmîm-Kodex wurde ein Teil eines in Altäthiopisch (Geez) erhaltenen pseudoclementinischen Textes (MS D’Abbadie 51), den Sylvain Grébaut veröffentlicht hatte 65, der ApkPetr zugeordnet 66. Der gegenüber A wesentlich umfangreichere äthiopische Text (E) entspricht nicht nur in seiner Länge recht gut antiken Informationen über die ApkPetr, sondern enthält auch alle antiken Zitate aus ihr 67. Aufgrund dieser Umstände besteht weitgehender Konsens, dass uns die antik bezeugte ApkPetr in dieser äthiopischen Überlieferung, die seit 1968 auch in einer mit D’Abbadie 51 verwandten zweiten Handschrift (Hammerschmidt Lake Tana 35) bekannt ist 68, weitgehend vollständig und 61 62 63 64
Vgl. Buchholz, Eyes, 140. Vgl. Kraus/Nicklas, Petrusevangelium, 28f. Vgl. dazu unten die Besprechung des EvPetr (2.3). Intensiv diskutiert wurde in der Zeit nach Bekanntwerden des Akhmîm-Codex das Verhältnis der beiden petrinischen Texte zueinander, vgl. Bauckham, Apocalypse of Peter, 4719f. Diese Debatte, der eine Phase der weitgehend unhinterfragten Zuschreibung der Fragmente zu EvPetr respektive ApkPetr folgte, eröffnete Tobias Nicklas 2005 mit einem grundlegenden Aufsatz neu, vgl. Nicklas, T., Zwei petrinische Apokryphen im Akhmîm-Codex oder eines? Kritische Anmerkungen und Gedanken, in: Apocrypha 16 (2005), 75–96. Nicklas verdeutlicht anhand der petrinischen Akhmîm-Texte die methodischen wie praktischen Schwierigkeiten, die mit der Zuordnung von Fragmenten frühchristlicher Literatur verbunden sind. Unter kritischer Fortführung älterer Hypothesen gelangt Nicklas zur Einschätzung, A könne „nur als Fassung der Offenbarung des Petrus in Form einer späteren Redaktion in die Richtung des Petrusevangeliums, wie es sich in Akhm. 1 erhalten hat, angesehen werden“ (Nicklas, Zwei petrinische Apokryphen, 92) und sei „als eine Art Bindeglied zweier petrinischer Traditionen“ (Nicklas, Zwei petrinische Apokryphen, 96) zu interpretieren. 65 Vgl. Grébaut, S., Littérature éthiopienne. Pseudo-Clémentine, in: ROC 12 (1907), 139–151; ebd. 15 (1910), 198–214. 307–323. 425–439. 66 Vgl. James, M. R., A New Text of the Apocalypse of Peter, in: JThS 12 (1911), 36– 54. 67 Zum Vergleich der beiden Texttraditionen vgl. Müller, Offenbarung des Petrus, 564–566, Bauckham, Apocalypse of Peter, 4717f, Buchholz, Eyes, 142–145. Entgegen der des Öfteren vorgebrachten Meinung, E schildere die Höllenstrafen wie B futurisch (vgl. Buchholz, Eyes, 143.149, Müller, Offenbarung des Petrus, 564), verweist Marrassini, L’Apocalisse di Pietro, 177f, auf die diesbezügliche Ambiguität der Morphologie des Geez und kommt zum Schluss: „Per il momento, quindi, la traduzione dei verbi principali in tutto il testo etiopico dal 7 al 13 non può che essere al futuro“ (ebd., 178). 68 Zum Verhältnis der beiden Handschriften vgl. Buchholz, Eyes, 134–139, Cowley, R. W., The Ethiopic Work Which is Believed to Contain the Material of the Ancient
2.2 Die Apokalypse des Petrus
103
verlässlich erhalten ist 69 und der Text des Akhmîm-Codex als eine spätere Überarbeitung zu gelten hat 70. Doch ist die Überlieferung von E bei weitem nicht unproblematisch. Erstens sind die zwei erhaltenen Handschriften sehr jung und kaum exakt zu datieren 71. Zweitens ist der auf ihnen präsentierte Text zum Teil in sehr schlechtem Zustand; Grébauts Erstedition konnte deshalb nicht wie geplant in der Patrologia Orientalis erscheinen 72. Drittens ist auch die Entstehung der äthiopischen Übersetzung der ursprünglich griechischen ApkPetr nicht genau zu datieren 73 und zu lokalisieren 74. Viertens wurde die äthiopische Greek Apocalypse of Peter, in: JThS.NF 36 (1985), 151–153, und Marrassini, L’Apocalisse di Pietro, 174f (mit Kritik an Cowley). 69 Vgl. dazu Müller, Offenbarung des Petrus, 564–566, Bauckham, Apocalypse of Peter, 4717f (mit vielen Hinweisen zur älteren Forschung), und Buchholz, Eyes, 424. 70 Als Tendenzen der Redaktion wurden neben der Angleichung an das EvPetr, eine gewisse Enteschatologisierung (Buchholz, Eyes, 423: „But much more striking is the absence of all the end-time material from the Akhmim.“), eine noch stärkere Anbindung an 1 Hen (vgl. Lee, S. S., Jesus’ Transfiguration and the Believers’ Transformation. A Study of the Transfiguration and Its Development in Early Christian Writings [WUNT II/265], Tübingen 2009, 157) und eine antijüdische Ausrichtung (vgl. Van Minnen, Greek Apocalypse of Peter, 28) benannt. Für den historischen Ort der Redaktion von A wäre wohl auch noch die Bestimmung des Verhältnisses von A zum Brief der Gemeinden von Lyon und Vienne zu klären (vgl. A 2; 21 mit Eusebius, h.e V,1,48; vgl. Mayor, Second Epistle of St. Peter, cxxxiv). Möglicherweise ist in diesem Zusammenhang auch das Detail von Belang, dass auffällige Differenzen, die die „Verklärungsgeschichte“ in A zu den synoptischen Evangelien aufweist und die jene wiederum mit dem Fragment des EvPetr im Akhmîm-Codex verbinden (vor allem der Gebrauch von ἔνδυμα und ὄψις in A 7; vgl. Nicklas, T., Our Righteous Brethren. Reflections on the Description of the Righteous Ones According to the Greek Revelation of Peter, in: Houtman, A./de Jong, A./Missetvan de Weg, M. [Hg.], Empsychoi logoi – religious innnovations in antiquity. Studies in honour of Pieter Willem van der Horst [Arbeiten zur Geschichte des antiken Judentums und des Urchristentums 73], Leiden: Brill 2008, 329–346, hier: 339. 346), in der Diskussion der Verklärungsszene im nicht-valentianischen Teil der Excerpta ex Theodotou (exc.) des Clemens von Alexandrien begegnen (vgl. vor allem exc. 5,1.3). Exc. 10,6 könnte dann einen Hinweis zur Vermeidung von πρόσωπον in A 7 (gegenüber Mt 17,2par) geben, da dort der Sohn den Titel „πρόσωπον des Vaters“ trägt (vgl. aber das direkte Zitat von Mt 17,2 in exc. 12,3). Vgl. des Weiteren zur Verwendung von φωτεινός für die Beschreibung der Gerechten (vgl. Nicklas, Our Righteous Brethren, 339) Clemens von Alexandrien, ecl. 56,4 (ein Abschnitt der ecl., der mit den exc. – in freilich schwierig zu bestimmender – Beziehung steht). 71 Vgl. Buchholz, Eyes, 129 (D’Abbadie 51: 15./16. Jhdt.?). 134 (Hammerschmidt Lake Tana 35: 18. Jhdt.?), ähnlich Marrassini, L’Apocalisse di Pietro, 174. 72 Vgl. Grébaut, Littérature éthiopienne, 285. 73 Vgl. Marrassini, L’Apocalisse di Pietro, 173f. 74 Hier fehlt auch noch eine Analyse allfälliger intertextueller und traditionsgeschichtlicher Verbindungen von E zu anderen Geez-Texten, insbesondere zur altäthiopischen Version des Neuen Testaments (vgl. nun zu den Katholischen Briefen: Hofmann, J./
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Übersetzung wohl nicht direkt aus dem Griechischen angefertigt, sondern ist wie bei in der in Geez erhaltenen Literatur nicht unüblich, wahrscheinlich über eine arabische (und davor bereits koptische? 75) Vorlage vermittelt 76. Fünftens schließlich ist zu fragen, inwieweit der Text der ApkPetr bei seiner Einfügung in den Kontext einer pseudoclementinischen Schrift redaktionell verändert wurde 77. Wenn trotz dieser Hindernisse und Unwägbarkeiten der Text von E eine gewisse Verlässlichkeit beanspruchen darf 78, so liegt das auch an der Unterstützung, die er durch zwei kurze griechische Fragmente (Bodl. MS. Gr. th. f. 4 [P] und P. Vindob. G 39756 79) erhält, die seit 1911 (B) bzw. 1929 (R) als Teile der ApkPetr identifiziert sind 80. Montague Rhodes James vermutete überdies 1931, dass beide Fragmente Teile desselben Pergament-Kodex sind 81, was von Thomas J. Kraus bestätigt wurde 82. Durch ihre griechische Sprachgestalt und ihr hohes Alter (zweite Hälfte des 5. Jhdts. 83) sind diese beiden Fragmente für die Text- und Traditionsgeschichte der ApkPetr von großer Bedeutung, wobei gerade B, der mit A und E parallel geht, die Priorität von E gegenüber A unterstützt 84, während R vor
Uhlig, S., Novum Testamentum Aethiopice. Die Katholischen Briefe [ÄthF 29], Stuttgart: Franz Steiner 1993), was auch hier nicht geleistet werden kann. 75 So Müller, Offenbarung des Petrus, 564f. 76 Vgl. Marrassini, L’Apocalisse di Pietro, 173f, sowie Burge, S. E., ‘ZR’L, The Angel of Death and the Ethiopic Apocalypse of Peter, in: JSP 19 (2010), 217–224, besonders 221f. 77 Vgl. dazu Buchholz, Eyes, 376–386, der solche Eingriffe an drei Stellen für möglich hält (vgl. ebd., 387f), grundsätzlich die ApkPetr aber als klar von dem sie auslegenden pseudoclementinischen Text abgrenzbar beschreibt. Eine Verwechslung der beiden Texte liegt bei Röwekamp, G., Art. Petrus-Literatur, in: LACL (32002), 565–569, hier: 568, vor, wenn angegeben wird, die ApkPetr enthalte auch „die Weitergabe der Offenbarung ... an Clemens“. 78 Diese betont etwa Bauckham, Jewish Christian Apocalypse, 10–12. 79 Die maßgebliche kritische Edition bieten Kraus/Nicklas, Petrusevangelium und Petrusapokalypse, 121–130. 80 Zur Editionsgeschichte vgl. Kraus/Nicklas, Petrusevangelium und Petrusapokalypse, 121. 81 Vgl. James, M. R., The Rainer Fragment of the Apocalypse of Peter, in: JThS 32 (1931), 270–279, hier: 278. 82 Vgl. Kraus, T. J., P. Vindob.G 39756 + Bodl. MS. Gr. th. f. 4 [P]. Fragmente eines Codex der griechischen Petrus-Apokalypse, in: BASP 40 (2003), 45–61. So auch ohne nähere Begründung Van Minnen, Greek Apocalypse of Peter, 35. 83 Vgl. Kraus/Nicklas, Petrusevangelium und Petrusapokalypse, 122. 84 Vgl. Buchholz, Eyes, 145–152 (mit tabellarischer Übersicht zu A, E und B auf 148), Marrassini, L’Apocalisse di Pietro, 210f.
2.2 Die Apokalypse des Petrus
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allem hilft, eine schwierige und wichtige, in E aber verderbte Stelle zu rekonstruieren 85. Somit liegt die Überlieferung der ApkPetr in zwei Strängen vor: Zum einen in Form eines durch zwei alte griechische Fragmente und die Zitate bei Kirchenschriftstellern gestützten und weitgehend vollständigen Textes in Geez, zum anderen in der jüngeren, gekürzten und redigierten Gestalt des griechischen Textes aus Akhmîm. Diese Diversität der Textüberlieferung und die mit ihr zusammenhängenden Fragen prägten auch die Erforschung des Verhältnisses von ApkPetr und 2 Petr, von der nun die Rede sein soll. 2.2.3 Verhältnisbestimmungen von ApkPetr und 2 Petr 86 Bereits vor der Entdeckung von A vermuteten Adolf von Harnack und Theodor Zahn eine literarische Abhängigkeit zwischen 2 Petr und der ApkPetr – „natürlich“ in unterschiedliche Richtung 87. Als A bekannt wurde, fügte Harnack 1893 seiner Edition eine Liste von 15 Stellen aus 2 Petr bei, zu denen er Parallelen in A gefunden hatte 88 und konstatierte, wie bereits oben erwähnt, die enge Verwandtschaft der beiden Texte 89. Einer näheren Beschreibung ihres Verhältnisses enthielt sich Harnack an dieser Stelle aber 90. Vier Jahre später vertrat Harnack dann auf der Basis einer äußerst knappen Begründung die Abhängigkeit des 2 Petr von ApkPetr (A) 91 – eine Position, die von wichtigen Einleitungen rezipiert wurde 92. 85 Vgl. Buchholz, Eyes, 152–154. 344–360 (mit tabellarischer Übersicht zu E und R auf 346–348), Marrassini, L’Apocalisse di Pietro, 214f. 86 Vgl. hierzu den umfassenden Forschungsüberblick bei Bauckham, ApocalypseAccount, 4721–4723. 87 Vgl. Bauckham, Apocalypse-Account, 4721. 88 Harnack, A., Bruchstücke des Evangeliums und der Apokalypse des Petrus (TU 9/2), Leipzig: J. C. Hinrich’sche Buchhandlung 1893, 87f Anm. 1. Die sechzehnte aufgelistete Berührung bezieht sich auf das Fragment bei Makarius. 89 Vgl. Harnack, Bruchstücke, 89. 90 Vgl. Harnack, Bruchstücke, 89. 91 Harnack, Geschichte II/1, 471f, führt drei Gründe für die Abhängigkeit des 2 Petr von ApkPetr an: Erstens die Datierung (2 Petr: 160 [vll. 150]–175 n.Chr.; ApkPetr: 110– 160 [bzw. eher 120–140] n.Chr.), zweitens die Rezeptionsgeschichte (zuerst war ApkPetr, dann 2 Petr bekannt, „so dass man in Alexandrien geradezu von einer Ablösung sprechen kann“ [ebd., 471]) und drittens den „compilatorischen Charakter“ (ebd., 471) des 2 Petr. Auf dieser Grundlage „darf man in einigen Versen unter den vv. II. Pet. 3,3– 13 gewiss Reminiscenzen der Petrus-Apok. erkennen“ (ebd., 472). Harnack weist auch noch auf die Funktion des Petrus als Sprecher der Zwölf hin („[s]ehr beachtenswerth“ [ebd., 472 Anm. 2]), allerdings ist das apostolische Wir in 2 Petr nie explizit auf die Zwölf bezogen. 92 Etwa in Jülicher, A., Einleitung in das Neue Testament. Dritte und vierte Auflage, Tübingen/Leipzig: Verlag von J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1901, 187. Die breite Rezeption dieser Ansicht zur Jahrhundertwende wird durch die Defensive, aus der heraus Spit-
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Kapitel 2: Petrus Apocryphus
Bei Exegeten, die die petrinische Verfasserschaft von 2 Petr vertraten, konnte diese Verhältnisbestimmung der beiden Texte naturgemäß keine Zustimmung finden 93. So versuchte Simms zu zeigen, dass die Nähen zu 2 Petr, die A aufweist, „mere decoys“ 94 seien, um petrinische Verfasserschaft vorzugaukeln 95. Charles Bigg meinte, die hinter der ApkPetr spürbare Verfolgungssituation sowie ihre Höllenschilderung deuteten „certainly … to a later date than the Epistle“ 96. Mehr noch: Nach Bigg bilden die Futurformen in 2 Petr 1,15 den Ausgangspunkt der gesamten (!) pseudopetrinischen Literatur 97. Joseph Mayor wiederum, wiewohl von eita, F., Die Petrusapokalypse und der zweite Petrusbrief, in: ZNW 12 (1911), 237–242, hier: 237, seine Argumentation entfaltet, eindrücklich illustriert: Es „wird die Abhängigkeit des Briefes von Theologen sehr verschiedener Richtung ohne weiteres als ebenso ausgemacht betrachtet, wie dessen Unechtheit, so daß nur die wenigen Gegner dieser Ansicht von vornherein für die Abhängigkeit der Apokalypse von dem Briefe eintreten“. 93 Entsprechendes gilt für die wirkungsgeschichtlich kaum bedeutsamen Annahmen, 2 Petr und ApkPetr (A) stammten (zumindest zum Teil) vom selben Autor oder aus demselben Milieu (vgl. dazu Bauckham, Apocalypse, 4721). Wenn ich recht sehe, wurde eine Abfassung der ApkPetr durch den Apostel Petrus zu keinem Zeitpunkt erwogen. 94 Simms, A. E., Second Peter and the Apocalypse of Peter, Expositor 5/8 (1898), 460–471, hier: 466. Gegen diese Deutung spricht nach Chase, Second Epistle of Peter, 815, die „naturalness of the words and phrases as they stand in their several contexts in the Apocalypse“, deren wiederholte Verwendung (vgl. dazu mit anderer Interpretation auch Mayor, The Second Epistle of St. Peter, cxxxiv), sowie das Fehlen der „strange and remarkable phrases of 2 P which would fix themselves in the mind of a reader who remembered enough constantly to borrow“. 95 „…upon the spurious work have been stitched pieces of another garment easily betraying their adventitious source“ (Simms, Second Peter, 470). Während Simms durchaus zeigen kann, dass die von James, Second Epistle General of Peter, xxvii, gesammelten Parallelen nicht alle von gleicher Signifikanz sind (vgl. Simms, Second Peter, 466–470), sind seine Argumente zur Rezeptionsrichtung von geringem Wert. So wertet Simms die ApkPetr literarisch und theologisch krass ab, unterstreicht vor allem die Unterschiede zwischen den Texten und ignoriert in der Darstellung der Rezeptionsgeschichte den Befund des zweiten Jahrhunderts (vgl. Simms, Second Peter, 470f). Manch zirkuläres Argument verrät überdies, dass das Ergebnis schon von Beginn an feststeht (vgl. Simms, Second Peter, 469. 471). Auch ob der von Simms geforderte Rückverweis auf die Offenbarungen der ApkPetr (Simms, Second Peter, 471: „A forger composing the Epistle after the Apocalypse would not have omitted all reference to such a revelation vouchsafed to him alone.“) in 2 Petr wirklich fehlt, wäre ja erst zu prüfen (vgl. 2 Petr 1,14!) und ist seit der Entdeckung von E und R mehr als fraglich. 96 Bigg, Epistles, 207. Beide Argumente tragen natürlich wenig aus: Wenn 2 Petr gegenüber der ApkPetr nicht auf Verfolgungen hinweist, so sagt das genau so wenig über die relative Chronologie aus, wie der Umstand, dass 2 Petr keine Höllenschilderung sondern – in gewisser funktionaler Entsprechung (vgl. Buchholz, Eyes, 97 Anm. 3) – eine aus Jud übernommene Gegnerpolemik enthält. 97 Bigg, Epistles, 207: „I have suggested … that the whole of the later Petrine literature owes its origin to 2 Pet. i. 15; these words gave the busy army of inventors the suggestion and the name for their works of imagination.“
2.2 Die Apokalypse des Petrus
107
ner relativ späten Abfassung des 2 Petr ausgehend 98, hielt es für „highly probable“ 99, dass 2 Petr die Höllenkonzeption der ApkPetr (A) wesentlich mit geformt habe 100. Gewissermaßen das Schlusswort zu dieser Phase der Diskussion um das Verhältnis von 2 Petr und ApkPetr (= A) formulierte Friedrich Spitta, der sich 1911 mit einem Aufsatz in der Zeitschrift für Neues Testament gegen die seiner Darstellung nach vorherrschende Meinung stellte, 2 Petr benutze die ApkPetr, und anhand eines Textvergleiches von 2 Petr 1,16–2,3 und A 1–7 für die entgegengesetzte Ansicht plädierte 101. Angesichts der Ausgangslage ist Spittas Plädoyer ein fulminanter Erfolg beschieden: Bis in unsere Zeit gilt mit diesem Aufsatz die Abhängigkeit der ApkPetr von 2 Petr als bewiesen 102. Doch „Spitta’s article was out of date as soon as it appeared“ 103, da bereits im selben Jahr der äthiopische Text der ApkPetr 98 Mayor, The Second Epistle of St. Peter, cxxvii: „… I think 125 A.D. is about the earliest possible date for 2 Peter.“ 99 Mayor, The Second Epistle of St. Peter, cxxxiv. 100 Vgl. Mayor, The Second Epistle of St. Peter, cxxxiv. Zur Debatte um Herkunft und Hintergrund der Höllenkonzeption der ApkPetr vgl. jetzt Bremmer, J. N., Orphic, Roman, Jewish and Christian Tours of Hell. Observations on the Apocalypse of Peter, in: Nicklas, T. u. a. (Hg.), Other Worlds and Their Relation to This World. Early Jewish and Ancient Christian Traditions (JSJ.S 143), Leiden/Boston: Brill 2010, 305–321. 101 Vgl. Spitta, Petrusapokalypse, passim. Wenn Buchholz, Eyes, 96, behauptet, „Spitta does not prove nor does he claim to prove the dependence of the Apocalypse of Peter on 2 Peter“, so beruht dies wohl auf einem Missverständnis, denn Spitta, Petrusapokalypse, 241, ist eindeutig: „Wie man bei dieser Sachlage nachweisen will, nicht die Apokalypse sei von dem Briefe beeinflußt, sondern umgekehrt der Brief von der Apokalypse, ist mir unfaßlich.“ Gleichwohl sind die Hinweise von Buchholz wichtig, dass Spitta weder die von James und Harnack benannten verbalen Berührungen zwischen A und 2 Petr auswertet, noch mit seinen Argumenten dem äthiopischen Text gerecht wird, vgl. Buchholz, Eyes, 96. 102 „The whole discussion ground virtually to a halt with an essay by F. Spitta which is generally accepted as proving the priority of 2 Peter“ (Buchholz, Eyes, 94f). So wird Spitta noch von Müller, Offenbarung des Petrus, 564, zustimmend angeführt („des 2. Petrusbriefes, dessen Priorität F. Spitta bewiesen hat“). Wenn Schnelle, Einleitung, 462, sich für die Abhängigkeit der ApkPetr von 2 Petr neben Bauckham, Jude, 2 Peter, 149, auch auf C. Detlef G. Müller beruft, ist auch hier noch Spitta wirksam. 103 Bauckham, Apocalypse of Peter: An Account of Research, 4721. Buchholz, Eyes, 96: „It is clear that virtually none of Spitta’s reasoning applies to the Ethiopic text which was available at the time his essay was published but which remains unmentioned.“ Deshalb zu Recht Bauckham, Apocalypse-Account, 4722: „It is therefore astonishing to find that most scholars up to the present time have continued to regard the work of SPITTA and S IMMS as conclusive, and to base the judgment that the Apocalypse of Peter is dependent on 2 Peter solely on the evidence of A.“ Als Beispiel sei aus 1987 die Bemerkung von Green, 2 Peter and Jude, 14 Anm. 2 angeführt: „When the Apocalypse was discovered in 1887, Harnack claimed that it was one of the sources of 2 Peter. This view has not been held by any responsible critic for many years now, since the articles of
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Kapitel 2: Petrus Apocryphus
publiziert wurde (vgl. oben), wodurch der Vergleich von Petrusbrief und Petrusapokalypse plötzlich auf eine neue Textgrundlage gestellt wurde. Vor allem kam es dadurch zu einer völlig neuen Bewertung von A: „In the first place, if A does not represent the original Apocalypse, its resemblances to 2 Peter could be due to its redactor rather than to the author of the original Apocalypse. Especially suspicious, for this reason, are the close resemblances between A 1–2 and 2 Pet. 2:1–3. Secondly, however, E provides much more material for comparison with 2 Peter, including some even more striking points of contact than those in A.“ 104
Der erste Hinweis betrifft vor allem Spitta, der ja an diesem Textbereich geforscht hatte, aber auch ganz grundsätzlich die Frage der Redaktion von A: Was bedeutet es, wenn die größten Nähen zu 2 Petr gerade in einem Textbereich auftreten, der mit einiger Wahrscheinlichkeit redaktionell gestaltet ist? 105 Die Beobachtung von Schmidt, dass die meisten der zwischen A und 2 Petr benannten Parallelen in E nicht begegnen 106, muss die Skepsis gegenüber deren Ursprünglichkeit weiter verstärken. Hinzu kommt der zweite Hinweis auf „some even more striking points of contact“ mit 2 Petr in E. Leider versuchten nur sehr wenige Arbeiten, das Verhältnis von 2 Petr und ApkPetr auf der neuen Textbasis (neben E sind seit 1911 bzw. 1929 ja auch B und R zu beachten) zu ergründen 107. Schmidt kam in seiner bereits genannten Untersuchung zum Ergebnis, eine literarische Beziehung zwischen ApkPetr und 2 Petr sei unwahrscheinlich 108. Er berücksichtigte dabei aber just den wichtigsten Textabschnitt E 14,1–5 (= R) nicht und „rather offhandedly dismissed“ 109 die von James 110 benannten Berührungen zwischen E und 2 Petr. Eero Repo votierte für eine Abhängigkeit der ApkPetr von 2 Petr, nahm dabei aber eine kaum plausible Prävalenz von A gegenüber E an 111. Auch Terence V. Smith stützte seine A und E sauber trennenA. E. Simms … and F. Spitta … convincingly demonstrated the priority of 2 Peter.“ Eine gründliche inhaltliche Kritik von Spittas Argumentation bietet Repo, E., Der ‚Weg‘ als Selbstbezeichnung des Urchristentums. Eine traditionsgeschichtliche und semasiologische Untersuchung (AASF B 132/2), Helsinki: Suomalainen Tiedeakatemia 1964, 95– 100. 104 Bauckham, Apocalypse-Account, 4722. 105 Auch Simms, Second Peter, 469, betont von allen Parallelen mit 2 Petr im Besonderen die Nähe des redaktionellen A 1–2 zu 2 Petr 2,2. 106 Vgl. Schmidt, Peter Writings, 113. 107 Vgl. Bauckham, Apocalypse-Account, 4722, sowie die Hinweise bei Smith, Petrine Controversies, 53 Anm. 67f. 108 Vgl. Schmidt, Peter Writings, 112–116. 109 Buchholz, Eyes, 97. 110 Vgl. James, Second Epistle General of Peter, lviif. Ebd., xxvi–xxviii bietet einen Vergleich von 2 Petr und A. 111 Vgl. Repo, Weg, 91–107. Repo bietet eine gehaltvolle Kritik an den Argumenten Spittas, überschätzt aber die Verlässlichkeit von A.
2.2 Die Apokalypse des Petrus
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de Analyse 112 vor allem auf die Bereiche des Weltgerichts und der Verklärung, ohne E 14,1–5 (= R) zu beachten 113. Smith hält eine literarische Beziehung der beiden Texte für sehr wahrscheinlich 114, erwägt dabei aber nur eine Abhängigkeit der ApkPetr von 2 Petr oder eine gemeinsame Quelle, nicht aber eine mögliche Benutzung der ApkPetr durch 2 Petr 115. Wenn Smith es schließlich als wahrscheinlicher annimmt, „that the author of ApocPet was acquainted with 2 Peter“ 116, dann tut er dies mit Argumenten, die nicht zu überzeugen vermögen 117. Erst in der bis dato umfassendsten und zu Recht breit rezipierten Analyse der Beziehung zwischen 2 Petr und ApkPetr, die mit Richard Bauckhams bereits mehrfach angeführter, 1998 veröffentlichter Studie vorliegt, wird neben A und E auch B/R in angemessener Weise in die Untersuchung mit einbezogen 118. Bauckhams Ergebnis – literarische Abhängigkeit der ApkPetr von 2 Petr – wurde, wie bereits erwähnt, durch Kraus bestätigt, der allerdings nur die griechischen Textzeugen der ApkPetr heranzog 119. 112 Smith, Petrine Controversies, 49–54 (zu A und 2 Petr vgl. 49–51; zu E und 2 Petr vgl. 51–54). 113 Smith verweist aber auf R im Zusammenhang der Verortung der ApkPetr, vgl. Smith, Petrine Controversies, 48. Bei Smith findet sich eine Parallele zu 2 Petr (vgl. ebd., 52), die nur mit einer v.l. in 2 Petr 3,10 funktioniert. 114 V.a. bezüglich E (vgl. Smith, Petrine Controversies, 52f), während für A eher eine traditionsgeschichtliche oder milieubedingte Verwandtschaft wahrscheinlich sei, vgl. Smith, Petrine Controversies, 51. 115 Vgl. Smith, Petrine Controversies, 52f. 116 Smith, Petrine Controversies, 53. 117 Die drei angeführten Parallelen (E 1/2 Petr 3,3f; E 2,9/2 Petr 2,1; E 3,4/ 2 Petr 2,21) können allenfalls die Nähe der beiden Texte unterstützen, zur Klärung der Rezeptionsrichtung taugen sie nicht, wie auch die sehr vorsichtige Sprache Smiths („possibly“, „a certain similarity“) beweist. Es besteht auch eine gewisse Spannung in den von Smith vorgeschlagenen Datierungen: Während Smith, Petrine Controversies, 47, ApkPetr als „written in response to the situation provoked by the Bar-Cochba rebellion“ beschreibt, also um 133–135 n.Chr. datiert, erwägt er für den von der ApkPetr benutzten 2 Petr (analog zur ApcPetr) eine Entstehungszeit „some time in the late second century“ (Smith, Petrine Controversies, 137). 118 Vgl. Bauckham, 2 Peter and the Apocalypse of Peter, passim. Bauckham, Apocalypse-Account, 4722f, betont „the hitherto unnoticed parallels between R and 2 Peter“. 119 Die Zweifel, die Gilmour, Parallels, 105–115, an Bauckhams Einschätzung anmeldet, werden durch die allzu knappe Diskussion sowie die lückenhafte Darstellung (E 14,1–4/R fehlt!) weitgehend entwertet. Richtig sieht Gilmour allerdings, dass Bauckhams vor allem an der Verklärungsschilderung festgemachten Argumente für eine Abhängigkeit der ApkPetr von 2 Petr nicht durchschlagend sind (vgl. ebd., 114f). Sehr zurückhaltend urteilt Ruf, Die heiligen Propheten, 594f, der „auffällige Nähen …, die man vielleicht sogar als textuelle Kontakte interpretieren darf“ (ebd., 594) feststellt, aber zur Klärung der Frage eine erst noch zu schreibende Monographie als notwendig erachtet (vgl. ebd., 595). Leider besprechen die mit äthiopistischer Expertise durchgeführten Un-
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Kapitel 2: Petrus Apocryphus
Die von Richard Bauckham in seiner instruktiven Studie benannten 26 Berührungen zwischen ApkPetr und 2 Petr sind, wie er selbst schreibt, von unterschiedlichem Gewicht 120. Acht von diesen Parallelen bilden in E 14– 17 und 2 Petr einen klar erkennbaren Cluster, dem mit Bauckham entscheidende Bedeutung für die Frage nach der Beziehung der beiden Texte zuzusprechen ist 121. Dabei wird zuerst eine Prophezeiung Jesu an Petrus bezüglich dessen Tod (vgl. 2 Petr 1,14f mit E 14,1–4/R) und anschließend die Verklärung 122 (vgl. 2 Petr 1,16–18 mit E 15–17) geschildert (bzw. in 2 Petr jeweils knapp angespielt). Beiden Themen kommt sowohl in 2 Petr als auch in ApkPetr besondere eschatologische Relevanz zu, die sich unter anderem in der Verbindung zu einem dritten markanten, in ApkPetr und 2 Petr begegnenden Motivkomplex, dem Weltenbrand (vgl. 2 Petr 3,7–13 mit E 4–6, besonders 5), ausdrückt 123. Da die drei genannten Bereiche (Verklärung, Todesprophetie und Weltenbrand), die die meisten und deutlichsten Berührungspunkte zwischen den ApkPetr und 2 Petr bieten, nicht nur untereinander verwoben sind, sondern auch jeweils die Gestalt der Petrusfigur prägen (Petrus als Verklärungszeuge, Petrus als Märtyrer/Sterbender, Petrus als Empfänger/Vertersuchungen von Paolo Marrassini zwar das Verhältnis von ApkPetr zu Mt und Lk (vgl. Marrassini, L’Apocalisse di Pietro, 179–184), nicht aber das zu 2 Petr. 120 Vgl. Bauckham, 2 Peter and the Apocalypse of Peter, 302. Sechs der 26 Berührungen bestehen nur hinsichtlich A, weshalb ihnen nur nachgeordneter Wert für die Bestimmung des Verhältnisses von ApkPetr und 2 Petr zukommt (vgl. dazu im Folgenden). Vgl. auch die knappen, aber wichtigen Hinweise bei Buchholz, Eyes, 92–98, und Smith, Petrine Controversies, 52f, die Bauckham nicht zur Gänze berücksichtigt. 121 Bauckham, 2 Peter and the Apocalypse of Peter, 302: „The fact that these correspondences occur in close proximity in both works suggests a literary relationship between the two works.“ 122 Die deutlichen Differenzen der Verklärungsschilderung in E 15–17 zur synoptischen Verklärungsepisode, von denen noch die Rede sein wird, zwingen meines Erachtens nicht dazu, die Bezeichnung „Verklärung“ für das in der ApkPetr geschilderte Geschehen fallen zu lassen (vgl. in diese Richtung etwa Kraus, Sprache, 395, und Bauckham, Jewish Christian Apocalypse, 22), sofern man „Verklärung“ nicht als „Verklärung Jesu“ eng fasst und die deutliche synoptische Grundierung der Schilderung der ApkPetr beachtet (vgl. Norelli, Pierre, le visionnaire, 35, der auch von einer „reprise de la transfiguration“ [ebd., 33] spricht). 123 In ApkPetr schließt die Todesprophetie die Offenbarung über das Weltende ab, während die Verklärung das Schicksal der Gerechten veranschaulicht. In 2 Petr bildet der nahe, dem Petrus bereits angekündigte Tod den Anlass, unter besonderem Rückgriff auf die Verklärung die eschatologische Verkündigung gegenüber Fehldeutungen zu verteidigen (und zwar in „für immer“ bestehen bleibender schriftlicher Form). Vgl. dazu Neyrey, 2 Peter, Jude, 172–174. Eine weitere wichtige Verbindung zwischen ApkPetr und 2 Petr besteht in der von beiden Texten intensiv verwendeten „Weg“-Terminologie (vgl. z.B. Grundmann, Der zweite Brief des Petrus, 89–91), vgl. die entsprechenden Anmerkungen unten 2.2.4.4.
2.2 Die Apokalypse des Petrus
111
mittler von eschatologischem Wissen), ist es legitim, von einem distinkten Petrusbild zu sprechen, dessen wesentlichen Züge beide Texte teilen. Diese in beiden Texten auftretenden charakteristischen Züge eines apokalyptisch geprägten Petrusbildes verleihen der These Bauckhams, 2 Petr und ApkPetr seien literarisch voneinander abhängig, zusätzliche Plausibilität 124. Mit Blick auf die Forschungsgeschichte ist es noch wichtig festzuhalten, dass keine einzelne Parallele bzw. Berührung zwischen ApkPetr und 2 Petr als solche eine literarische Beziehung zwischen den beiden Texten beweisen kann. Deshalb kamen gerade Untersuchungen, die nur einzelne Motive oder Textabschnitte der beiden Texte miteinander verglichen, meist zum Ergebnis, eine literarische Abhängigkeit lege sich nicht nahe 125. Achtet man aber auf die Gesamtheit der Berührungen, auf ihre dichte Abfolge in ApkPetr 14–17 (v.a. E 14,1–4/R und 2 Petr 1,14f) und auf ihre innere Verknüpfung, so drängt sich entsprechend Bauckhams Votum eine literarische Verbindung der beiden Texte als wahrscheinlichste Hypothese auf. 2.2.4 Eine neue Verhältnisbestimmung von ApkPetr und 2 Petr Somit gilt es zu untersuchen, welcher Art die literarische Abhängigkeit zwischen 2 Petr und ApkPetr ist, d.h. welcher der beiden Texte den anderen benutzt hat, oder ob es Anzeichen für die Verwendung gemeinsamer Quellen gibt. Dabei wird besonders Richard Bauckham mein Gesprächspartner sein, stammen doch von ihm nicht nur ein 2 Petr-Kommentar und zahlreiche gewichtige Aufsätze zur ApkPetr, sondern auch, wie soeben gezeigt, die bislang umfassendsten Untersuchungen der Beziehung 2 Petr – ApkPetr. Eine methodische Vorbemerkung sei noch gestattet: Wie oben gezeigt, geht die jüngere Forschung zur ApkPetr weitgehend einhellig von der Verlässlichkeit des äthiopischen Textes in Verbund mit den beiden kleinen griechischen Fragmenten aus. Wenngleich weder der äthiopische Text noch der Text von B und R den Anspruch erheben können, den Originaltext der ApkPetr zu repräsentieren, so dürften sie diesem doch erheblich näher kommen als die „wahrscheinlich verkürzte, sicherlich überarbeitete und redaktionell gestaltete Version“ 126 aus Akhmîm. 124 Es verwundert daher ein wenig, wenn Bauckham dem gemeinsamen Petrusbild von ApkPetr und 2 Petr keine Aufmerksamkeit schenkt, vgl. aber für ApkPetr Bauckham, Jewish Christian Apocalypse, 97–105. 125 So z.B. Blinzler, J., Die neutestamentlichen Berichte über die Verklärung Jesu (NTA 17/4), Münster: Verlag der Aschendorffschen Verlagsbuchhandlung 1937, 73–76, Lee, Transfiguration, 162–169, sowie Schmidt, Peter Writings, 112–116. 126 Kraus/Nicklas, Petrusevangelium und Petrusapokalypse, 130, und Kraus, Griechische Petrusapokalypse, 77.
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Kapitel 2: Petrus Apocryphus
Daraus ergibt sich meines Erachtens die methodische Notwendigkeit, Vorhandensein und Art einer literarischen Beziehung der ApkPetr zu 2 Petr zuerst anhand von E, B und R zu überprüfen 127. Für allfällige in A vorfindliche Berührungspunkte zu 2 Petr wird immer die Möglichkeit eines sekundären, redaktionellen Charakters im Auge zu behalten sein 128. Das Vorhandensein von klaren Verbindungen zu 2 Petr in beiden griechischen Textzeugen (B/R + A) wäre nur dann ein Grund, diese Möglichkeit einer 2 Petr eintragenden Redaktion auszuschließen 129, wenn es sich dabei jeweils um (zumindest weitgehend) dieselben Bezüge handeln würde 127 Das entspricht dem Ansatz von Bauckham, Apocalypse-Account, 4722, der in seinem forschungsgeschichtlichen Referat zustimmend Schmidts Studie referiert: „Schmidt observed that most of the points of resemblance noted by James between A and 2 Peter do not occur in E, and rightly held that a relationship between the Apocalypse of Peter and 2 Peter must be established primarily from E rather than A.“ 128 So Kraus, Sprache, 394: „Der relativ junge Codex kann aber sehr gut anhand 2Petr selbst redaktionell überarbeitet worden sein, was durch die wahrscheinlich nicht dem Original nahekommende Fassung von P.Cair. 10759 möglich bleibt.“ Vgl. Kraus, Griechische Petrus-Apokalypse, 78–81. Wichtig scheint dabei zu sein, dass A und 2 Petr zwar mehrere punktuelle Berührungen aufweisen, darunter auch einige der für 2 Petr „zahlwie aufschlussreichen Hapax legomena (αὐχμηρός, βόρβορος, μίασμα)“ (Kraus, Griechische Petrus-Apokalypse, 79) aber nur in zwei Bereichen ausgeprägte motivischkonzeptionelle Nähen zeigen. Der eine davon ist die Weg-Metaphorik, die bereits E (vgl. auch B) prägt und wohl von dort nach A gelangt ist, zumal auch das für 2 Petr gegenüber E typische Syntagma ἡ ὁδὸς τῆς ἀληθείας (2 Petr 2,2) in A gerade fehlt und 2 Petr 2,2 und E 7,2 (vgl. E 9,3) durch die passivische Formulierung näher aneinander sind als an der Partizipialkonstruktion in A 22.28. Der andere liegt im Verweis auf die Irrlehren verbreitenden Pseudopropheten in A 1f vor (vgl. 2 Petr 2,1f), betrifft also einen exponierten Textabschnitt von A, der im Besonderen als redaktionell gestaltet gilt (vgl. Van Minnen, Greek Apocalypse of Peter, 27, Kraus, Griechische Petrus-Apokalypse, 79 mit Anm. 25; etwas überspitzt spricht Müller, Offenbarung des Petrus, 565, von A 1–3 sogar als von „Verse[n] …, die aus 2 Petr 2,1ff. entnommen sind“) und somit für das Verhältnis der ursprünglichen ApkPetr zu 2 Petr keine Beweiskraft besitzt (obwohl er von Friedrich Spitta in diesem Sinne beansprucht wurde). Auf diesem Hintergrund könnten gerade auch die verbalen Anklänge an 2 Petr in A als redaktionelle Anreicherung verständlich sein (vgl. auch Buchholz, Eyes, 422f). Ein abschließendes Wort zur komplexen Redaktionsgeschichte des Akhmîm-Codex und des Textes der ApkPetr in ihm ist aber noch lange nicht gesprochen. Schließlich sei auch bereits der Hinweis erlaubt, dass meiner Einschätzung nach 2 Petr 2,1 eine recht deutliche Bezugnahme auf Justin den Märtyrer, dial. 82,1, darstellt (vgl. dazu unten 3.2). 129 So Kraus, Griechische Petrus-Apokalypse, 81: „Das entscheidende Argument für die Abhängigkeit ist die Tatsache, dass beide griechischen Zeugen, obwohl offensichtlich unterschiedlichen Redaktionen der grApkPetr zugehörig, deutliche Bezüge aufweisen. Einer der Zeugen alleine hätte tatsächlich so eingeschätzt werden können, dass er anhand von 2Petr überarbeitet worden wäre“ [Hervorhebung Grünstäudl]. Vgl. auch ebd., 84: „Eben deshalb ist die ursprüngliche ApkPetr von 2Petr als abhängig anzunehmen, da sich sowohl in (Bodl.) + (Vindob.) aus dem fünften als auch in (Akhm.) aus dem sechsten Jahrhundert klare Bezüge finden lassen.“
2.2 Die Apokalypse des Petrus
113
und entsprechende Äquivalente im äthiopischen Text vorhanden wären. Beides ist nicht der Fall 130. Da sich somit aufgrund des unter „Redaktionsverdacht“ stehenden A allein mit der Berücksichtigung der griechischen Textzeugen der ApkPetr deren literarische Beziehung zu 2 Petr nicht verlässlich beschreiben lässt, kommt E nicht bloß illustrativer, sondern wesentlich argumentativer Charakter zu 131. Meine Analyse, die auf Basis dieser methodischen Vorentscheidung operiert, gliedert sich in fünf Abschnitte: Zuerst werde ich die drei zentralen Motivkomplexe, in denen sich thematische und sprachliche Nähen zwischen 2 Petr und ApkPetr häufen (Verklärung, Todesprophetie, Weltenbrand) untersuchen, anschließend redaktionsgeschichtlich die bislang in diesem Zusammenhang noch nicht beachtete Jud-Rezeption des 2 Petr hinzuziehen und schließlich in einem letzten Abschnitt die Ergebnisse bündeln. 2.2.4.1 Verklärungstraditionen (E 15–17; 2 Petr 1,16–18) Sowohl ApkPetr als auch 2 Petr schildern die Verklärung Jesu aus der Sicht des Zeugen Petrus. ApkPetr erzählt drei Kapitel lang das Ereignis recht ausführlich, 2 Petr enthält nur einen ganz knappen Verweis von drei Versen. Gegenüber der Darstellung in den synoptischen Evangelien weisen die beiden petrinischen Texte drei gemeinsame Besonderheiten auf, die in der Forschungsgeschichte bereits mehrmals diskutiert wurden: Erstens verorten 2 Petr und die ApkPetr (E) das Geschehen nicht auf einem (hohen) Berg (vgl. Mk 9,2 und Mt 17,1: εἰς ὄρος ὑψηλόν; Lk 9,28: εἰς τὸ ὄρος), sondern auf einem „heiligen Berg“ (2 Petr 1,18: ἐν τῷ ἁγίῳ ὄρει; vgl. ApkPetr 15,1: „And my Lord Jesus Christ our King said to me, ‚Let us go to the Holy Mountain.‘“), der in beiden Texten in je unterschiedlicher Weise Züge des Zion trägt 132. Zweitens ergeht die Stimme, die Jesus als den geliebten Sohn Gottes proklamiert, „nach Petrus“ nicht aus einer Wol130 Eine Ausnahme bildet die in allen Textzeugen belegte Weg-Metaphorik (vgl. dazu die vorletzte Anmerkung sowie unten 2.2.4.4). 131 Gegen Kraus, Die griechische Petrus-Apokalypse, 75, nach dem „die literarische Abhängigkeit [sc. der ApkPetr von 2 Petr; Anm. Grünstäudl] bereits für grApkPetr belegbar ist, äthApkPetr diesbezüglich nur dort Eingang zu finden braucht, wo Ergebnisse zu illustrieren sind“. 132 Der Gegensatz, den Bauckham, 2 Peter and the Apocalypse of Peter, 300f, hier sieht („In 2 Peter it derives from Psalm 2:6, whereas in the Apocalypse of Peter it serves to identify the mountain as mount Zion, the site of the temple.“), erschließt sich mir nicht, ist doch auch in Ps 2,6 LXX offenbar der Zion gemeint. Möglicherweise ist die Formel ἐν τῷ ἁγίῳ ὄρει in 2 Petr 1,18 auch nicht so sehr ein Rückgriff auf Ps 2, sondern auf Jes 65,25 LXX, wo in der Nähe der für 2 Petr so wichtigen Neuschaffung von Himmel und Erde (vgl. Jes 65,17; 66,22; vgl. 2 Petr 3,13) Bilder eschatologischen Heils ἐπὶ τῷ ὄρει τῷ ἁγίῳ μου gezeichnet werden.
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Kapitel 2: Petrus Apocryphus
ke, sondern wie in den synoptischen Taufberichten (vgl. Mk 1,11; Mt 3,17; Lk 3,22; zur Himmelsstimme vgl. auch Joh 12,28) direkt vom Himmel (2 Petr 1,18; bzw. in 2 Petr 1,17 von Gott). Drittens wird in beiden Texten die Phrase „Ehre und Herrlichkeit“ (2 Petr 1,17: τιμὴν καὶ δόξαν; vgl. E 16,5) gebraucht 133. Nun sind diese drei Übereinstimmungen zwischen 2 Petr und ApkPetr weder einzeln noch als Gruppe dazu geeignet, eine literarische Abhängigkeit zwischen den beiden Texten zu erweisen 134. Nimmt man aber eine solche literarische Verwandtschaft aufgrund des Gesamtbefundes, zu dem natürlich auch diese drei Stellen zählen, an (vgl. oben), so ist zu klären, welche Rolle diesen Parallelen bei der Feststellung der Rezeptionsrichtung zukommt. Zeigen Sie, dass 2 Petr in seiner Verklärungsschilderung (auch) von ApkPetr beeinflusst ist oder weisen sie darauf hin, dass ApkPetr „material from Matthew with reminscences of 2 Peter 1:16–18“ 135 verbindet? Für Bauckham zeigen die Darstellungen der Verklärung in ApkPetr und 2 Petr eindeutig, in welche Richtung rezipiert wurde. Von entscheidender Bedeutung sind für Bauckham dabei allerdings deren Differenzen – und zwar nur diese: „Since the Apocalypse of Peter’s transfiguration narrative is almost certainly dependent on Matthew and in any case unquestionable dependent on Synoptic tradition, while 2 Peter’s account of the transfiguration is probably independent of Synoptic tradition; and since the Apocalypse of Peter has put the transfiguration tradition to a secondary use, as a revelation of the glory of the redeemed rather than of Jesus Christ, it is clear that the dependence must be of the Apocalypse of Peter on 2 Peter, not vice versa.“ 136
Graphisch lässt sich diese Einschätzung der traditions- bzw. literargeschichtlichen Verhältnisse folgendermaßen skizzieren:
133 Vgl. allerdings die Differenz im Objekt der Zuschreibung: In 2 Petr empfängt Jesus Ehre und Herrlichkeit von Gott, während in ApkPetr die Ehre und Herrlichkeit der Gerechten im Paradies durch die Erscheinung von Mose und Elija illustriert wird. 134 Ob darüber hinaus die Verknüpfung mit der Paradieserzählung (besonders Gen 3,22), die Lee, Transfiguration, 165 mit Anm. 132, in 2 Petr 1 erkennt, tatsächlich besteht und damit eine (entfernte) Parallele zu E 16,2–4 bildet, ist meiner Einschätzung nach sehr unsicher und wird auch nicht durch Starr, Divine Nature, 74–76, auf den sich Lee beruft, nahegelegt. 135 Bauckham, 2 Peter and the Apocalypse of Peter, 303. 136 Bauckham, 2 Peter and the Apocalypse of Peter, 302f. Vgl. auch Bauckham, Apocalypse-Account, 4723 (vgl. auch 4735f): „The direction of literary dependence is best indicated by the two transfiguration accounts, where dependence of the Apocalypse of Peter on 2 Peter is much more plausible than the opposite relationship.“
2.2 Die Apokalypse des Petrus
115
2 Petr 1,16–18 Verklärungstradition
Synopt. Tradition (v.a. Mt 17,1–8)
ApkPetr (E 15–17)
Wie deutlich wird, ruht Bauckhams These auf zwei Voraussetzungen: Erstens sei die Ausgestaltung (nicht Jesus wird verklärt, sondern nur seine beiden Begleiter) und die Verwendung (nicht als Teil der irdischen Biographie Jesu, sondern als Vorbereitung seiner Himmelfahrt) der Verklärungsepisode in der ApkPetr gegenüber der synoptischen Tradition sekundär. Dies fügt sich gut zur verbreiteten und plausiblen Auffassung, ApkPetr verwende das Mt 137. Zweitens, und dies ist noch wichtiger, betont Bauckham die Unabhängigkeit von 2 Petr 1,16–18 von der synoptischen Verklärungstradition 138. Auf Grund dieser beiden Urteile steht bei Bauckham eine eigenständige (und alte?) Verklärungstradition in 2 Petr einer deutlich abgeleiteten Variante in ApkPetr (E) gegenüber, was eine Priorität des 2 Petr nachvollziehbar erscheinen lässt. Doch sind gegenüber dieser Sichtweise erhebliche Zweifel anzumelden 139: Erstens ist keineswegs klar, dass die Anspielung auf die Verklärung in 2 Petr 1,16–18 wirklich „probably independent of Synoptic tradition“ 140 ist (1). Ist dies aber nicht überzeugend zu zeigen, dann lässt sich auch nicht mit dem Argument, 2 Petr sei anders als ApkPetr (noch?) frei von synoptischem Einfluss, für die Priorität des 2 Petr votieren. Zweitens vermag der 137 Vgl. z.B. Buchholz, Eyes, 398, Lee, Transfiguration, 146f, Marrassini, L’Apocalisse di Pietro, 179–182, Schmidt, Peter Writings, 116–121, und Smith, Petrine Controversies, 46f. Nach Bauckham, Apocalypse of Peter, 4723, „this has hardly ever been disputed“. Eine sekundäre Angleichung an Mt in E gegenüber der diesbezüglich ursprünglicheren Verklärungsschilderung in A nimmt Köhler, Rezeption des Matthäusevangeliums, 314–318, an. 138 Argumentativ ausgeführt in Bauckham, Jude, 2 Peter, 205–210, vgl. auch Norelli, Pierre, le visionnaire, 30f. 139 Vgl. dazu auch die aktuellste Untersuchung des Verhältnisses der Verklärungsschilderungen von 2 Petr und ApkPetr bei Lee, Transfiguration, 128–169, besonders 162– 169. Lee betont die Nähe der beiden Verklärungsschilderungen („However, these seemingly divergent accounts are not that different from each other.“ [ebd., 163]), folgt aber Schmidt in der Einschätzung, es handle sich hier nicht um literarische Abhängigkeit, sondern um traditionsgeschichtliche Verwandtschaft (vgl. ebd., 163). Lee, der die wichtigen Arbeiten von Kraus und Norelli nicht berücksichtigt, beachtet (wie Schmidt) die besonders entscheidenden Berührungen in E 14,1–5 (= R) kaum und setzt auch nicht 2 Petr und ApkPetr insgesamt in Beziehung, sondern nur deren Umgang mit der Verklärungstradition. Dies ist aufgrund des Themas seiner Arbeit legitim und nachvollziehbar, muss aber bei der Einordnung seines Urteils mit bedacht werden. 140 Bauckham, 2 Peter and the Apocalypse of Peter, 302.
116
Kapitel 2: Petrus Apocryphus
angebliche „secondary use“ der Verklärungstradition in E 15–17 meines Erachtens nicht in der von Bauckham nahegelegten Weise über die Rezeptionsrichtung Aufschluss zu geben (2). (1) Elemente, die in 2 Petr gegenüber den Synoptikern fehlen, können nicht zur Begründung der Unabhängigkeit des 2 Petr von diesen herangezogen werden, da es sich in 2 Petr 1,16–18 um eine stark verkürzende Anspielung an die Verklärungsepisode handelt, die in ihren Grundzügen bei den Lesern als bekannt vorausgesetzt wird 141. Entsprechend sind es vor allem zwei Details der Himmelsstimme in 2 Petr 1,17 142 (das zweite μου hinter ὁ ἀγαπητός und die Präpositionalphrase εἰς ὅν statt ἐν ᾧ 143), die laut Bauckham auf eine von den Synoptikern unabhängigen Tradition hinweisen, welche seiner Meinung nach vielleicht auch in PsClem H III,53,1 greifbar ist 144. Diese Argumentation wurde von Robert J. Miller einer konzisen Kritik unterzogen, in der Miller zeigte, wie wenig die genannten Differenzen zur Annahme einer Sondertradition in 2 Petr nötigen, wie viele Hilfsannahmen Bauckhams Argumentation verkomplizieren und vor allem, um wie viel leichter sich diese Abweichungen durch Einfluss von Mt 17,5 erklären lassen 145. Hier seien nur drei grundlegende Beobachtungen aus der Diskussion um 2 Petr 1,17 und die Synoptiker herausgehoben: (a) Im Kontext der Verklärungsschilderungen begegnet nur in Mt 17,5 und 2 Petr 1,17 der nachgestellte Ausdruck des Wohlgefallens. οὗτός ἐστιν ὁ υἱός μου ὁ ἀγαπητός (Mk 9,7) οὗτός ἐστιν ὁ υἱός μου ὁ ἐκλελεγμένος (Lk 9,35) οὗτός ἐστιν ὁ υἱός μου ὁ ἀγαπητός, ἐν ᾧ εὐδόκησα (Mt 17,5) ὁ υἱός μου ὁ ἀγαπητός μου οὗτός ἐστιν εἰς ὃν ἐγὼ εὐδόκησα (2 Petr 1,17)
(b) Nimmt man an, diese Formulierung verdanke sich in 2 Petr 1,17 einer Vermengung der Himmelsstimmen bei Taufe und Verklärung, so bleibt zu beachten, dass im Kontext der Taufe nur Mt 3,17 über Jesus in der dritten Person spricht. 141 142
So richtig Bauckham, Jude, 2 Peter, 205. Zu E 17,1 („This is my son whom I love, and I have been pleased with him. Obey him!“) notiert Buchholz, Eyes, 373, nur knapp: „The voice comes from heaven as in 2 Pt. 1:18, not from heaven as in Mk 9:7 par. But the form of the saying is closer to that in Mt. 17:5“. „Obey him!“ ist eine Konjektur von Buchholz (vgl. ebd., 373), Marrassini, L’Apocalisse di Pietro, 219 übersetzt: „‚Questo è il Figlio mio che amo, e [nel quale] io mi sono compiaciuto, per mio ordine‘“ und verweist ebd., 219 Anm. 9, auf weitere Übersetzungsvarianten. 143 Kraus, Sprache, 377, weist auch noch auf die „Emphase durch ἐγώ“ in 2 Petr 1,17 als dritte Differenz hin. 144 Vgl. Bauckham, Jude, 2 Peter, 206–210. 145 Vgl. Miller, Transfiguration, passim. Nur kurz, aber mit deutlicher Skepsis bespricht Vögtle, Der zweite Petrusbrief, 169, die These Bauckhams.
2.2 Die Apokalypse des Petrus
117
σὺ εἶ ὁ υἱός μου ὁ ἀγαπητός, ἐν σοὶ εὐδόκησα (Mk 1,11) σὺ εἶ ὁ υἱός μου ὁ ἀγαπητός, ἐν σοὶ εὐδόκησα (Lk 3,22) οὗτός ἐστιν ὁ υἱός μου ὁ ἀγαπητός, ἐν ᾧ εὐδόκησα (Mt 3,17)
(c) Synoptischen, im Besonderen matthäischen Einfluss auszuschließen ist schlussendlich insbesondere aufgrund von Mt 12,18 nicht geraten. Bietet dieses idiosynkratische Zitat von Jes 42,1 doch mit dem zu ὁ παῖς μου parallel stehenden ὁ ἀγαπητός μου, der Verwendung von εἰς ὅν mit εὐδοκεῖν 146 sowie der betonten Nennung des sprechenden Subjekts (Mt 12,18: ἡ ψυχή μου; 2 Petr 1,17: ἐγώ) sämtliche Differenzen, die 2 Petr 1,17 von Mt 17,5 unterscheiden 147. ἰδοὺ ὁ παῖς μου ὃν ᾑρέτισα, ὁ ἀγαπητός μου εἰς ὃν εὐδόκησεν ἡ ψυχή μου (Mt 12,18; vgl. Jes 42,1 LXX) οὗτός ἐστιν ὁ υἱός μου ὁ ἀγαπητός, ἐν ᾧ εὐδόκησα (Mt 17,5) ὁ υἱός μου ὁ ἀγαπητός μου οὗτός ἐστιν εἰς ὃν ἐγὼ εὐδόκησα (2 Petr 1,17)
Gegenüber der Annahme, 2 Petr 1,17 verwende von den Synoptikern unabhängige Tradition zur Verklärungsepisode, „which could perhaps be his own knowledge of Peter’s preaching, or else the oral traditions current in the Roman church“ 148, ist es daher „simpler to understand 2 Pet 1.17 as dependent on Matthew, either as a literary conflation of the wording in Matt 17.5 and 12.18, or as an understandable mistake in transcribing 17.5, or as a result of the author recalling Matthew from memory“ 149. Somit ist
146 Dieser Gebrauch ist zwar selten (neben 2 Petr und Mt noch PsClem H III,53 und TestJos 17,3; vgl. Miller, Transfiguration, 624), entspricht aber laut Ruf, Die heiligen Propheten, 103f, gut der Dynamik der geschilderten Handlung. 147 Heckel, Traditionsverknüpfungen, 198f Anm. 37, hält fest: „Mt verwendet hier Jes 42,1 in einer sonst nicht belegten Textform, die 2 Petr übernimmt; schwerlich greift Pseudopetrus unabhängig von Mt auf diese Sonderüberlieferung des Jes-Textes zurück.“ Die artistischen Versuche von Bauckham, Jude, 2 Peter, 209f, Mt 12,18 durch eine hinter 2 Petr 1,17 und PsClem H III,53 liegende Tradition zu erklären, überzeugen demgegenüber nicht, vgl. Miller, Attestation, 624. 148 Bauckham, Jude, 2 Peter, 210. 149 Miller, Transfiguration, 625. Zustimmend Lee, Transfiguration, 162, und Heckel, Traditionsverknüpfungen, 198. Nach Paulsen, Der Zweite Petrusbrief, 119, zwingen die Differenzen von 2 Petr 1,16–18 zu den synoptischen Versionen „zu dem Schluß, daß der Verfasser in diesem Vers nicht unmittelbar den Text eines der synoptischen Evangelien übernommen hat, sondern sich allgemein auf Traditionsmaterial bezieht“. Doch auch er konzidiert: „Eine gewisse Berührung mit Mt 17,5 sollte freilich nicht ausgeschlossen werden…“ (ebd., 119 Anm. 109). Ohne den Aufsatz von Miller zu diskutieren, schließt sich Norelli, Pierre, le visionnaire, 30 Anm. 21, der Position Bauckhams an. Für Ruf, Die heiligen Propheten, 101, „[besteht] kein hinreichender Grund…, an einer Verarbeitung der synoptischen Verklärungstradition zu zweifeln“. Auch unter Berücksichtigung der Gesamtsituation im 2 Petr darf ein Rückgriff des 2 Petr auf das Mt als wahrscheinlichere Möglichkeit gelten, vgl. dazu 1.3.5.
118
Kapitel 2: Petrus Apocryphus
die für Bauckhams Argumentation entscheidende Unabhängigkeit von 2 Petr 1,16–18 von synoptischer Tradition schlicht nicht zu erweisen. (2) In analoger Weise kommt auch dem „secondary use“ 150 der Verklärungstradition in ApkPetr, bestehend aus der im Vergleich zu den Synoptikern anderen Schwerpunktsetzung 151 bei näherem Hinsehen ebenfalls keine Beweiskraft hinsichtlich der Rezeption des 2 Petr durch ApkPetr zu. Erstens müsste Bauckham zeigen, dass die Verklärungsschilderung der ApkPetr gegenüber 2 Petr sekundär ist. Auf direktem Wege ist dies aufgrund der Kürze des Verweises in 2 Petr kaum möglich, auf indirektem Wege über den unterschiedlichen Gebrauch der Synoptiker, wie soeben gezeigt, wenig überzeugend. Zweitens darf nicht übersehen werden, dass auch 2 Petr, an den Synoptikern gemessen, einen „secondary use“ der Verklärungstradition bietet, denn in 2 Petr steht die Erinnerung an die Verklärung zuallererst im Dienst der Verteidigung der Parusieerwartung 152. Die am heiligen Berg gehörte Himmelsstimme autorisiert die Predigt der Apostel und bekräftigt die für 2 Petr aus den prophetischen Schriften bekannte Erwartung der machtvollen Parusie des Kyrios. Diese Verknüpfung mit der Parusie wird bereits durch die Kontextualisierung der Verklärung in Mk 9 angebahnt und in ApkPetr anders – aber nach Jerome Neyrey in deutlicher Analogie zu 2 Petr 153 – ebenfalls hergestellt. 150 Bauckham, 2 Peter and the Apocalypse of Peter, 303. Kritik an dieser Bezeichnung, die bereits bei Spitta, Petrusapokalypse, 240, – allerdings nur zu A – präfiguriert ist („Daß auf diese Weise der Verklärung ein Zweck gegeben wird, den sie in den Synoptikern nicht hat, versteht sich von selbst.“), übt Lee, Transfiguration, 162f. 151 Bauckham, 2 Peter and the Apocalypse of Peter, 303, spricht von „a revelation of the glory of the redeemed rather than of Jesus Christ“ (vgl. E 15,4–6, A 5.12–13). 152 Neyrey, 2 Peter, Jude, 173, spricht von „a widespread tradition“ in der frühen Kirche, die die Verklärungsschilderung als Erfüllung der Prophezeiung in Mk 9,1parr. deute. Als Belege kann er aber nur Clemens Alexandrinus, exc. 4,2f und Origenes, comm. in matt. XII,31 anführen. Origenes referiert in seinem Mt-Kommentar dabei die Meinung anderer, die aber seiner Auffassung nach nur ein unvollkommenes Verständnis der Stelle verrate. Nach Origenes ist die Prophezeiung Jesu auf diejenigen zu beziehen, die das Wort Gottes, welches Christus selbst ist, angemessen verstehen: „Wenn ein solcher Mensch aber sieht, wie das Wort nicht nur alle Überzeugungskraft der entgegengesetzten Worte auflöst, sondern auch seine eigenen Lehren ganz klar beweist, sieht er wohl zu seiner Herrschaft hinzu auch noch die Herrlichkeit. Und ein solcher dürfte wohl in sich selbst ‚die Herrschaft Gottes in Macht kommen‘ [Mk 9,1] sehen“ (Origenes, comm. in Matt. XII,32; Hervorhebung Grünstäudl). Die Diskussion der Verklärungsepisode in Clemens Alexandrinus, exc. 4f, vertritt allerdings genau die von Neyrey gemeinte und von Origenes abgewertete Interpretation. 153 „This is just the understanding of the transfiguration which satisfies the details of the argument in [sc. 2 Peter] 1:16–18“ (Neyrey, 2 Peter, Jude, 174). Es irritiert ein wenig, dass Neyrey zuerst notiert, die Verklärung werde in der ApkPetr „described … as
2.2 Die Apokalypse des Petrus
119
Drittens muss, wer dem Verfasser der ApkPetr zutraut, gegen seine „Quelle“ 2 Petr bei der Gestaltung der Verklärungsszene die Synoptiker benutzt zu haben und gegenüber diesen inhaltlich neue Wege gegangen zu sein, umgekehrt auch für 2 Petr einen freien und kompilierenden Quellengebrauch erwägen. Beide Argumente Bauckhams für die Priorität des 2 Petr können also nicht überzeugen. Welcher Art ist dann das Verhältnis der Verklärungstraditionen in ApkPetr, 2 Petr und den Synoptikern (Mt)? Als Zwischenergebnis lassen sich dazu vier Erkenntnisse der obigen Diskussion benennen: (1) Die Synoptiker und ApkPetr bieten relativ umfangreiche, aber durchaus differierende 154 Erzähltexte zur Verklärungsepisode. Demgegenüber ist der Verweis auf die Verklärung in 2 Petr 1,16–18 äußerst knapp und auf die Himmelsstimme, die Herrlichkeit Jesu und die Zeugenschaft der Apostel fokussiert. (2) ApkPetr ist (mindestens) von Mt literarisch abhängig. (3) 2 Petr ist wahrscheinlich von Mt literarisch abhängig (vgl. 1.3.5). Dies lässt sich nicht zweifelsfrei beweisen, ist aber deutlicher plausibler als das Gegenteil. (4) ApkPetr und 2 Petr weisen gegenüber den synoptischen Verklärungsberichten gemeinsame Details auf, die aber in ihrer Signifikanz umstritten sind. Angesichts dieser Gemengelage lässt sich im Bereich der Verklärungstradition kein stringenter Beweis für eine bestimmte Gestalt der literarischen Dreiecksbeziehung zwischen ApkPetr, 2 Petr und den Synoptikern (Mt) führen. Eine Beobachtung, die bislang noch nicht gemacht wurde, erscheint mir in diesem Zusammenhang aber zumindest bemerkenswert: Interessanterweise liegen die benannten Differenzen zwischen Mt 17,1– 8 und 2 Petr 1,16–18 in Motivbereichen, in denen 2 Petr 1,16–18 Nähen zu E 15–17 aufweist. Betrachtet man ausgehend von diesem Punkt Ähnlichkeiten und Differenzen zwischen der in 2 Petr, Mt und E verwendeten Mo-
ocurring on the Mount of Olives“ um sie kurz danach richtig auf einem Berg zu lokalisieren „which is seemingly different from the Mount of Olives“ (ebd., 174). 154 Wichtig ist auch noch die Berücksichtigung der von Bauckham in obiger Argumentation nicht erwähnten jeweils anderen Datierung der Verklärungsszene in der Biographie Jesu bei ApkPetr und den synoptischen Evangelien. Während die Synoptiker die Verklärung als Ereignis im Leben des irdischen Lebens Jesu beschreiben, schließt der Text der ApkPetr mit der Himmelfahrt Jesu und ist somit nach dessen Auferstehung anzusetzen (Vgl. Buchholz, Eyes, 375). 2 Petr 1,16–18 verrät nichts über den Zeitpunkt des geschilderten Ereignisses und kann somit sowohl im Sinne von Mt (und den Synoptikern) wie auch im Sinne der ApkPetr in die Vita Jesu eingeordnet werden.
120
Kapitel 2: Petrus Apocryphus
tivik synoptisch, so ergibt sich der erstaunliche Befund 155, dass sich in 2 Petr nur dort klare Differenzen gegenüber Mt finden, wo 2 Petr mit E übereinstimmt und sich die Version von E als Intensivierung und/oder Explizierung von Mt lesen lässt. Wenn 2 Petr gegenüber dem „hohen Berg“ des Mt das Geschehen auf „dem heiligen Berg“ verortet, so findet sich diese Qualifizierung auch in E 15,1. Wenn in 2 Petr anders als in Mt die Stimme nicht aus der Wolke, sondern aus dem Himmel bzw. direkt vom Vater her erschallt, so findet sich selbiges in E 17,1. Mt/Synoptiker
E
2 Petr
rung
auf einem (hohen) Berg
auf dem heiligen Berg
auf dem heiligen Berg
Herkunft
aus der Wolke
aus dem Himmel
aus dem Himmel bzw. von Gott
Übereinstimmung mit bzw. Explizierung gegenüber E; Explizierung gegenüber Mt
Datierung
vor Ostern
nach Ostern
unbestimmt
Äquidistanz
Zeugen
Petrus, Jakobus, Johannes
Petrus und (zehn, elf oder mehr?) weitere Jünger
Petrus und nicht näher spezifizierte andere Jünger
Äquidistanz
verklärte
Verklärung Jesu wird geschildert
Nicht die Verklärung Jesu wird geschildert (aber vorausgesetzt?), sondern die von Mose und Elija („Ehre und Herrlichkeit“ 156).
Die Verklärung Jesu wird nicht direkt geschildert, sondern indirekt: Jesus empfängt τιμὴν καὶ δόξαν.
Äquidistanz
Lokalisie-
der Stimme
Person(en)
155
Zeller.
Qualität der Referenz in 2 Petr Übereinstimmung mit E; Intensivierung gegenüber Mt
Für eine kritische Diskussion dieses Befundes danke ich herzlich Prof. Dr. Dieter
156 Deutlich ist, „that the Apocalypse of Peter has used the transfiguration tradition in order to describe, not the glory of Christ, but the glory of Moses and Elijah (E15:2–7), who represent the destiny of the patriarchs and Christians in paradise (E16:1–6)“ (Bauckham, 2 Peter and the Apocalypse of Peter, 301).
2.2 Die Apokalypse des Petrus
121
Bei Motiven, deren Darstellungen in Mt und E in Widerspruch zueinander stehen (zeitliche Einordnung 157, Identität der Verklärungszeugen 158, [Nicht]Schilderung der Verklärung Jesu selbst) ist die Parallele in 2 Petr hingegen so gestaltet, dass sie sich sowohl auf Mt als auch auf E hin lesen lässt (vgl. obige Tabelle) 159. Wendet man diese synchronen Beobachtungen diachron, ließe sich 2 Petr 1,16–18 als Harmonisierung 160 der Verklärungstraditionen aus Mt und ApkPetr (E) lesen 161. Positiv beweisbar ist diese Art der literargeschichtlichen Beziehung meiner Einschätzung nach nicht 162, doch liegt mit dieser Hypothese ein kohärentes Alternativmodell zu Bauckhams Verhältnisbestimmung der drei Texttraditionen vor. Durchaus könnte man – mit Bauckham, aber ohne seine dafür vorgebrachten Argumente – die Verklärungsschilderung der ApkPetr als eine mit aus 2 Petr stammenden Elementen „gewürzte“ Paraphrase der Variante des 157 Eine Verortung „vor Ostern“, wie sie in den Kommentaren meist stillschweigend vorausgesetzt wird, ergibt sich nicht aus dem Text von 2 Petr 1,16–18. 158 E spezifiziert die Anzahl der Verklärungszeugen nicht, erst A spricht (wohl in Angleichung an EvPetr) von „uns, den zwölf Aposteln“. Die pauschale Erwähnung der „Seinen“ in E 1,1, wo E in enger Parallele zu Mt 24 formuliert (vgl. die Synopse bei Bauckham, Jewish Christian Apocalypse, 23f), legt es aber doch nahe, an den Zwölferkreis (evtl. aufgrund des nachösterlichen Settings um Judas reduziert) oder eine noch größere Gruppe zu denken, eine Beschränkung auf eine kleine (Dreier-)Gruppe wie in den synoptischen Evangelien aber eher auszuschließen. Jedenfalls findet in E 15,1 und E 17,7 zwar eine Ortsveränderung aber kein erkennbarer Wechsel der beteiligten Personen statt. 159 Dies übersieht Mayor, The Second Epistle of St. Peter, cxxxi, wenn er (allerdings auf der Textbasis von A!) den Umfang der Zeugengruppe sowie die Datierung der Verklärung als „points of difference“ zwischen ApkPetr und 2 Petr bezeichnet. In Bezug auf die Verklärung Jesu ist 2 Petr inhaltlich deutlich näher bei Mt als bei E, indem er die Verherrlichung Jesu betont, gebraucht dabei aber eine Phrase (2 Petr 1,17: τιμὴν καὶ δόξαν) die nicht in Mt, sondern in E eine Parallele findet. 160 Weder ist dieser Begriff an dieser Stelle im Sinne der Textkritik gebraucht, noch soll eine Analogie zu Evangelienharmonien wie dem Diatessaron hergestellt werden. Gegenüber der Feststellung einer intendierten Handlung des Schreibers/Verfassers geht es hier um die Beschreibung eines ausgleichenden Zusammenfließens von differenten Traditionen. 161 Ähnlich, aber nur im Blick auf die Synoptiker, Heckel, Traditionsverknüpfungen, 199f: „Die mit keinem unserer Evangelien genau übereinstimmende Formulierung dürfte weniger durch vage mündliche Kenntnisse des Pseudopetrus zu erklären sein, auch wenn dies nicht auszuschließen ist. Vielmehr dürfte Pseudopetrus versuchen, das Ereignis, welches ihm und seinen Leserinnen und Lesern in mehreren Versionen vorliegt, in einer Zusammenschau der unterschiedlichen Formulierungen wiederzugeben.“ 162 Zumindest nicht mit einem nur die Verklärungsszene in den Blick nehmenden Zugang. Auf dem Hintergrund der wahrscheinlichen Vertrautheit des 2 Petr mit mt Traditionen und der ApkPetr (vgl. unten) gewinnt diese Hypothese natürliche einige Plausibilität.
122
Kapitel 2: Petrus Apocryphus
Mt auffassen. Erstaunlich ist in diesem Szenario aber die Präzision, mit der ApkPetr nur in solchen Punkten mit Mt grundlegend differiert, in denen dies 2 Petr nicht tut (Datierung, Zeugengruppe). Mit ähnlicher Exaktheit finden sich gerade die Abweichungen des 2 Petr von Mt (heiliger Berg, Ehre und Herrlichkeit, Stimme aus dem Himmel) in ApkPetr wieder. Ich sehe nicht, welche plausible Motivation für die bei der Priorität des 2 Petr hier vorauszusetzenden präzisen Aufnahme- und Veränderungsprozesse im Kontext der doch recht kreativen relecture der Verklärungstradition in E 15–17 angegeben werden könnte 163. Die Annahme hingegen, die Gestalt des äußerst knappen Rückverweises auf die Verklärung in 2 Petr 1,16–18 verdanke sich harmonisierend sowohl den Synoptikern (Mt) als auch der ApkPetr, kann den Gesamtbefund der Differenzen und Übereinstimmungen zwischen den drei Texten kohärent erklären 164. Es ist nichts anderes als natürlich, wenn 2 Petr sich hier an zwei Texte anlehnt, zu denen er auch sonst deutliche Nähen aufweist. Graphisch lässt sich diese hypothetische Annahme folgendermaßen darstellen: ApkPetr (E 15–17)
Verklärungstradition
Synopt. Tradition (v.a. Mt 17,1–8)
2 Petr 1,16–18
Welche Aufschlüsse über die Rezeptionsrichtung lassen sich aus der Untersuchung der Verklärungstraditionen in ApkPetr und 2 Petr gewinnen? Vier Ergebnisse seien abschließend benannt: (1) Die Berührungen zwischen ApkPetr und 2 Petr im Bereich der Verklärungsschilderungen fallen zwar auf, könnten aber für sich allein genommen keine literarische Beziehung zwischen den beiden Texten begründen. Erst im Zusammenhang mit anderen Berührungspunkten können sie zu einer solchen Einschätzung beitragen.
163 Ähnlich, aber noch zu allgemein Lee, Transfiguration, 163: „Also, it is hard to imagine that in his description of the Transfiguration, the author of ApoPt is picking up a few words and phrases, such as ‚the holy mountain‘ and ‚honor and glory,‘ from such a brief summary of the Transfiguration in 2 Pet 1:16–18, when he has such rich sources as Matthew, Enochic materials and other Christian materials.“ 164 Es sei hier nur angemerkt, dass diese Annahme auch historisch plausibel ist, da sowohl für das Mt wie auch (in geringerem Maße) für die ApkPetr Rezeption und Geltung im zweiten Jahrhundert erwiesen ist, was für 2 Petr nicht gilt.
2.2 Die Apokalypse des Petrus
123
(2) Allerdings sind die genannten Berührungen bei der Frage nach der Art der (anderweitig begründeten) literarischen Abhängigkeit von einiger Relevanz und möglichst einer plausiblen Interpretation zuzuführen. (3) Bauckhams Deutung der Differenzen und Gemeinsamkeiten der Verklärungsberichte in ApkPetr und 2 Petr überzeugt nicht. Außerdem vermag allein die Analyse der jeweiligen Verarbeitung der Verklärungsepisode nicht mit Sicherheit über die Rezeptionsrichtung Aufschluss zu geben. (4) Eine plausible, kohärente Interpretation des Gesamtbefundes an Differenzen und Gemeinsamkeiten zwischen ApkPetr, 2 Petr und den Synoptikern (Mt), die sich sonst nicht gewinnen lässt, besteht in der Annahme, 2 Petr 1,16–18 greife harmonisierend sowohl auf Motive aus Mt als auch aus ApkPetr zurück. Der Besprechung der in der Forschung einigermaßen häufig analysierten Verklärungstradition in ApkPetr und 2 Petr folgt nun eine Analyse einer Parallelüberlieferung, die in ihrer Bedeutung für die Beziehung von ApkPetr zu 2 Petr erst von Richard Bauckham erkannt wurde: Der Todesprophezeiung Jesu an Petrus. Konnte im letzten Abschnitt nur gezeigt werden, dass die forschungsgeschichtlich so einflussreiche Einschätzung Bauckhams auf wenig überzeugenden Argumenten beruht, so können im Folgenden auch erste positive Hinweise auf die Richtung der Rezeption zwischen den beiden Texten benannt werden. 2.2.4.2 Todesprophetie (E 14,1–4/R; 2 Petr 1,14f) Sowohl in 2 Petr als auch in ApkPetr wird Petrus durch Christus unmittelbar vor der soeben besprochenen Verklärungsschilderung (E 15–17; 2 Petr 1,16–18) der (nahe) Tod verheißen (E 14,1–4/R; 2 Petr 1,14f). In der ApkPetr (R) ist dies narrativ gestaltet: Nachdem Christus dem Petrus „alles“ enthüllt hat und ihm gegenüber die „Verheißung“ bekräftigt hat, seine „Berufenen und Auserwählten“ in seine „ewige Königsherrschaft“ einzuführen, sendet er diesen nach Rom, „die Stadt die über den Westen herrscht“, um dort „den Kelch zu trinken“ und durch seinen Tod „der Vernichtung/dem Verschwinden … einen Anfang zu setzen“. Der Ankündigung der Erfüllung der gegebenen Verheißungen durch den Auferstandenen in ApkPetr entspricht im Proömium des 2 Petr (2 Petr 1,3– 11) die Erinnerung an die gegebenen Verheißungen und die Aufforderung zum tugendhaften, den Einzug in die ewige Basileia zur Folge habenden Leben. Der in apokalyptischer Bildsprache gestalteten Erzählung von der Ankündigung des Todes des Petrus durch den Auferstandenen in ApkPetr entspricht in 2 Petr 1,14 ein äußerst knapper Hinweis Petri auf den ihm durch Christus verheißenen Tod.
124
Kapitel 2: Petrus Apocryphus
Für die Forschung an der Petrusapokalypse stellt die Existenz des Rainer-Fragments (P. Vindob. G 39756) einen echten Glücksfall dar. R ermöglicht nicht nur den schlecht erhaltenen äthiopischen Paralleltext (E 14,1–4) zu rekonstruieren und zu korrigieren, sondern bietet auch die Gelegenheit, einen großen Teil des wichtigsten Clusters von Berührungen mit 2 Petr auf griechischer Textbasis zu analysieren 165. Die folgende Synopse verdeutlicht dazu die Berührungspunkte der beiden Texte. Die linke Spalte bietet den gesamten Text des Rainer-Fragments nach der Edition von Kraus/Nicklas in adaptierter Form, die rechte Spalte die Entsprechungen in 2 Petr. ApkPetr 14* (R)
2 Petr 1,4.10–14
...[παρ]έξομαι τοῖς κλητοῖς μου καὶ ἐκλεκτοῖς μου, ὃν 166 ἐὰν αἰτήσωνταί με ἐκ τῆς κολάσεως, καὶ δώσω αὐτοῖς καλὸν βάπτισμα ἐν σωτηρίᾳ Ἀχερουσίας λίμνης ἣν καλοῦσιν ἐν τῷ Ἠλυσίῳ πεδίῳ, μέρος δικαιοσύνης μετὰ τῶν ἁγίων μου·
(10) διὸ μᾶλλον, ἀδελφοί, σπουδάσατε βεβαίαν ὑμῶν τὴν κλῆσιν καὶ ἐκλογὴν ποιεῖσθαι ταῦτα γὰρ ποιοῦντες οὐ μὴ πταίσητέ ποτε.
καὶ ἀπελεύσομαι ἐγὼ καὶ οἱ ἐκλεκτοί μου ἀγαλλιῶντες μετὰ τῶν πατριαρχῶν εἰς τὴν αἰωνίαν μου βασιλείαν
(11) οὕτως γὰρ πλουσίως ἐπιχορηγηθήσεται ὑμῖν ἡ εἴσοδος εἰς τὴν αἰώνιον βασιλείαν τοῦ κυρίου ἡμῶν καὶ σωτῆρος Ἰησοῦ Χριστοῦ.
καὶ ποιήσω μετ’ αὐτῶν τὰς ἐπαγγελίας μου, ἃς ἐπηγγειλάμην αὐτοῖς ἐγὼ καὶ ὁ πατήρ μου ὁ ἐν τοῖς οὐρανοῖς
(4) δι᾽ ὧν τὰ τίμια καὶ μέγιστα ἡμῖν ἐπαγγέλματα δεδώρηται, ἵνα διὰ τούτων γένησθε θείας κοινωνοὶ φύσεως ἀποφυγόντες τῆς ἐν τῷ κόσμῳ ἐν ἐπιθυμίᾳ φθορᾶς.
165 Dabei ist natürlich, wie bereits oben betont wurde, nicht zu vergessen, dass wir auch mit R kein „Original“ der ApkPetr in Händen halten, sondern lediglich einen – soweit wir das abschätzen können: guten – Textzeugen. 166 Vgl. Kraus, T. J., Fürbitte für die Toten im frühen Christentum: „Ich werde … den gewähren, den sie aus der Strafe erbitten“, in: Klein, H./Mihoc, V./Niebuhr, K.-W. (Hg.), Das Gebet im Neuen Testament. Vierte europäische orthodox-westliche Exegetenkonferenz in Sâmbăta de Sus 4.–8. August 2007 (WUNT 249), Tübingen: Mohr Siebeck 2009, 355–396.
2.2 Die Apokalypse des Petrus ἰδοὺ ἐδήλωσά σοι Πέτρε καὶ ἐξεθέμην πάντα καὶ πορεύου εἰς πόλιν ἀρχούσαν δύσεως 167, καὶ πίε τὸ ποτήριον ὃ ἐπηγγειλάμην σοι ἐν χειρὶ τοῦ υἱοῦ τοῦ ἐν Ἅιδου, ἵνα ἀρχὴν λάβῃ αὐτοῦ ἡ ἀφάνεια καὶ σὺ δεκτὸς 168 τῆς ἐπαγγελίας...
125
(14) εἰδὼς ὅτι ταχινή ἐστιν ἡ ἀπόθεσις τοῦ σκηνώματός μου καθὼς καὶ ὁ κύριος ἡμῶν Ἰησοῦς Χριστὸς ἐδήλωσέν μοι
Es ist offensichtlich, dass 2 Petr 1,14 als Rückverweis auf die Erzählung in ApkPetr (R) sehr gut verständlich ist 169, doch könnte umgekehrt auch ApkPetr 14,1–4 als narrative Entfaltung von 2 Petr 1,14 verstanden werden 170. Welcher der beiden Möglichkeiten größere Plausibilität zukommt, ist auf verschiedenen Intertextualitätsebenen zu überprüfen: Zuerst auf der Ebene der verwendeten Sprache und Begrifflichkeit (1), sodann auf der Ebene der impliziten Narrativik und der Traditionsanbindungen (2) und schließlich auf der Ebene der Rezeptionspragmatik (3). (1) Ein erster Blick auf die Synopse macht deutlich, dass zwar bis auf den Verweis auf die Taufe im Acherusischen See 171 und dem durch den Tod des Petrus ausgelöste eschatologische Ereignis beinahe alle Hauptmotive von R (Erwählung – Verheißung – Eingang in die ἀιώνιος βασιλεία Jesu Christi 172 – Tod des Petrus) wieder in 2 Petr begegnen, dort allerdings auf 167 Mittlerweile gilt δύσεως als gesichert, vgl. Van Minnen, The Greek Apocalypse of Peter, 39, und Kraus/Nicklas, Petrusevangelium und Petrusapokalypse, 127. 168 Kraus/Nicklas, Petrusevangelium und Petrusapokalypse, 127f, erwägen auch δ᾽ ἐκτός („außerhalb“) statt δεκτός („angenehm“). 169 Vgl. dazu die Überlegungen bei Bauckham, Martyrdom, 551f: „Peter knows his death is now fast approaching. The supernatural intimation by which he knows this can be taken for granted and need not be specified. But why should it be added that his death had also been revealed to him by Christ? The only plausible reason is that there was a prophecy of Jesus about Peter’s death which would be well-known to 2 Peter’s readers.“ Bauckham erwägt aber nicht, diese Prophezeiung könnte den Lesern des 2 Petr aus der ApkPetr bekannt gewesen sein. 170 „It looks as though the author of the Apocalypse of Peter turned for inspiration in writing chapter 14 (=R) to the opening section of 2 Peter …“ (Bauckham, 2 Peter and the Apocalypse of Peter, 303). Allerdings weist die ApkPetr mit dem Rombezug, der eschatologischen Relevanz des Todes Petri und der Taufe im Acherusischen See auch eine Reihe von Elementen auf, die sich nicht allein durch Entfaltung von 2 Petr 1,14f deuten lassen, sondern sich vielmehr anderen (petrinischen) Traditionen verdanken. Nicht nachzuvollziehen ist für mich das Urteil von Lee, Tansfiguration, 163: „The themes and structures of [om. the] two stories of Peter’s death don’t show any resemblance at all, except the prophecy of Peter’s imminent death. It seems that 2 Peter is not aware of the tradition about Peter’s martyrdom in Rome, as is recorded on ApoPet 14.“ 171 Zum topographischen Hintergrund und seinem theologischen Gehalt vgl. Kraus, T. J., Acherousia und Elysion. Anmerkungen im Hinblick auf deren Verwendung auch im christlichen Kontext, in: Mn. 56 (2003), 145–163. 172 Vgl. zur Seltenheit dieses Syntagmas Kraus, Griechische Petrus-Apokalypse, 83.
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Kapitel 2: Petrus Apocryphus
den etwas umfangreicheren Textbereich 2 Petr 1,4–14 verteilt sind 173. Der logische Zusammenhang der Motive ist in beiden Texten gegeben, wobei auffällt, dass ἐπαγγελία zwar in 2 Petr eine zentrale Rolle spielt (vgl. 2 Petr 3,4.9), in vorliegendem Zusammenhang allerdings durch das neutestamentliche Hapax legomenon ἐπάγγελμα (2 Petr 1,4; vgl. 2 Petr 3,13) vertreten wird 174. Das Bestreben nach sprachlicher Varianz, welches 2 Petr auszeichnet, könnte dieses Detail im Falle einer Priorität der ApkPetr gut erklären, im umgekehrten Fall müsste man eher von einer Ersetzung eines (in Bezug auf die später kanonisch gewordenen Schriften) seltenen durch ein gebräuchlicheres Vokabel ausgehen 175. Zu denken gibt auch die Differenz im Gebrauch des Verbes δηλόω. Zwar ähneln sich die beiden Formulierungen ἰδοὺ ἐδήλωσά σοι Πέτρε bzw. ὁ κύριος ἡμῶν Ἰησοῦς Χριστὸς ἐδήλωσέν μοι trotz (wegen?) der unterschiedlichen Sprecher stark 176, doch verweist δηλόω jeweils auf ein unterschiedliches Objekt: In der ApkPetr ist dies „alles“, was Petrus zuvor offenbart wurde, in 2 Petr ist es die Ankündigung des Todes Petri selbst. Es scheint mir kaum möglich zu entscheiden, in welche Richtung eine Verschiebung im Gebrauch des δηλόω überzeugender zu erklären wäre 177. Aus der in ApkPetr 14,1–4 (R) und 2 Petr 1,14f verwendeten Sprache und Begrifflichkeit ergeben sich somit keine Aufschlüsse über die Richtung der Rezeption. (2) Zu beachten ist auch, wie sich beide Texte in der fiktiven bzw. traditionellen Biographie des Petrus verorten. „Nach“ ApkPetr, die als Offenba173 Kraus, Die griechische Petrus-Apokalypse, 84, kommt zum gegenteiligen Ergebnis, da er den Akhmîm-Text mit R und B zu einer Textgruppe zusammenzieht (vgl. dazu die obigen methodologischen Überlegungen): „Gegen eine umgekehrte Abhängigkeit spricht die sprachliche Einheitlichkeit des 2Petr sowie die bestehende kompakte Reihenfolge der Berührungspunkte in 2 Petr 1,4–15 (und 2,1–22), die in grApkPetr, erhalten als spätere (Bodl.) + (Vindob.) und (Akhm.), durch die detaillierte Darstellung von Strafen, Züchtigungen und Qualen dann verloren geht.“ Vgl. auch Kraus, Sprache, 396. Dieses Argument betrifft allenfalls A, nicht aber die hohe Dichte von Bezügen in R (vgl. E 14,1–4). 174 Zudem sind die Verheißungen in R das Ziel, das vorausgesagt wird, während in 2 Petr 1,4 die Verheißungen als Mittel zum Ziel erscheinen. 175 In diesem Zusammenhang ist auch festzuhalten, dass sich in ApkPetr (R) keines der zahlreichen neutestamentlichen Hapax legomena des 2 Petr (für 2 Petr 1,4–14 wären dies nach Kraus, Sprache, 318: ἀποφεύγω, ἐπάγγελμα, μυωπάζω und παρεισφέρω, zu beiden Letzteren vgl. Kraus, Sprache, 346f) wiederfindet. Dabei ist natürlich die Kürze des Fragments zu bedenken. 176 Bauckham, 2 Peter and the Apocalypse of Peter, 300, merkt an, das Verb sei „a very natural one in both passages“ und betont, dass „this correspondence could be significant only in connection with other correspondences in the same context“. 177 Allenfalls könnte man darauf verweisen, dass δηλόω durch den Kontext in ApkPetr bereits mit einer Reminiszenz an den Tod des Petrus behaftet ist und sich somit seine Verwendung für die Todesverheißung in 2 Petr selbst nahelegt, während δηλόω in 2 Petr keinen Hinweis auf von der Todesverheißung unabhängige Offenbarungen enthält.
2.2 Die Apokalypse des Petrus
127
rung des Auferstandenen vor seiner Himmelfahrt entworfen ist, verbleibt noch genügend Zeit, um einen testamentarischen Brief wie 2 Petr einzuordnen. Dieser bietet aufgrund seines Charakters als „letztes Wort“ des Petrus auch die Möglichkeit, vorausgegangene petrinische Texte zu nuancieren und verbindlich auszulegen (vgl. etwa 2 Petr 3,1). Wiederum ist grundsätzlich auch der umgekehrte „Einschreibungsprozess“ denkbar: Der Autor der ApkPetr hätte dann mit seinem Text bewusst versucht, die Leerstelle von 2 Petr 1,14 zu füllen 178 und entsprechend ein Offenbarungsereignis „vor“ der Abschiedssituation des 2 Petr geschaffen, wobei sein Text nun allerdings wiederum über sich hinaus- und in die Biographie des Petrus zurückweist („wie ich dir verheißen habe“) 179. Dagegen spricht aber der archaische Charakter der Todesprophetie Jesu an Petrus in der ApkPetr (R), auf den Tobias Nicklas hingewiesenen hat 180. R schildert das Martyrium des Petrus unter Nero als Anfang vom Ende, „als Ausgangspunkt eines im eschatologischen Fahrplan als wichtig angesehenen Ereignisses“ 181. Auf bemerkenswerte, im Detail verschiedene Deutungen zulassende Weise, „stellt die Offenbarung des Petrus einen Bezug zwischen dem Martyrium des Petrus und den ‚Letzten Dingen‘ her“ 182. 178 Wobei allerdings für 2 Petr 1,14 entweder ein passender Prätext (zum Vorschlag Joh 21,18 vgl. im Folgenden sowie oben 1.3.5) oder eine entsprechende Tradition als Bezugsrahmen zu finden bzw. anzunehmen wäre. 179 Als intertextueller Verweis auf die in 2 Petr 1,14 benannte Verheißung ist die Aussage in ApkPetr 14,4 aber kaum sinnvoll zu lesen, liegt sie doch in der von beiden Texten konstituierten Biographie des Petrus jener voraus. Man könnte annehmen, dass beide Texte auf Joh 21,18f oder einer Vorform davon Bezug nehmen, wie dies Bauckham, Martyrdom, 552 (2 Petr). 573 (ApkPetr), tut. Dagegen spricht aber im Falle von 2 Petr die differente inhaltliche Ausrichtung (vgl. Schrage, Die katholischen Briefe, 130, Mayor, The Second Epistle of St. Peter, cxliv), im Falle beider Texte der Umstand, dass weder 2 Petr noch ApkPetr eine stärkere Bekanntschaft mit johanneischen Traditionen bzw. dem Johannesevangelium erkennen lassen (vgl. oben 1.3.5 sowie Bauckham, Apocalypse-Account, 4724). 180 Vgl. Nicklas, T., „Trink den Kelch, den ich dir verheißen habe!“ (Offenbarung des Petrus 14,4). Der Tod des Petrus und das Ende der Zeiten, in: Kraus, T. J./ders. (Hg.), Studien zur Offenbarung des Petrus. Historische Einordnung, Überlieferung, Theologie (WUNT), Tübingen: Mohr Siebeck 2012 (im Erscheinen). Vgl. dazu auch Peterson, E., Das Martyrium des hl. Petrus nach der Petrus-Apokalypse, in: ders. (Hg.), Frühkirche, Judentum und Gnosis. Studien und Untersuchungen, Rom u. a.: Herder 1959, 88–91, hier 91: „In diesem eschatologischen Geschichtsbild der Petrus-Apokalypse möchte ich den Beweis für ihr hohes Alter und damit auch die Bezeugung des Martyriums Petri in Rom erblicken. […] Aus alledem möchte ich schließen, daß das Zeugnis über das Martyrium des Petrus in Rom in der Petrus-Apokalypse noch aus dem Beginn des 2. Jahrhunderts stammt…“. Ähnlich auch Buchholz, Eyes, 360, sowie Bauckham, Jewish Christian Apocalypse, 100. 181 Nicklas, Kelch, [Manuskript 11]. 182 Vgl. Nicklas, Kelch, [Manuskript 11].
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Kapitel 2: Petrus Apocryphus
Die Vorstellung der eschatologischen Relevanz des Todes Petri kann aber nun nach Nicklas nicht allzu lange nach dessen Martyrium entstanden sein, sondern zu einer Zeit, in der dieses „noch als einschneidendes Ereignis empfunden wird, welches in Analogie zur Kreuzigung Jesu gezeichnet die eventuell schon schwindende Naherwartung ‚aktualisieren‘ kann“ 183. Daraus folgt: Verdankt sich die enge, kausale Verknüpfung (ἵνα) von eschatologischem Fahrplan und Petri Tod in ApkPetr (R) traditioneller Vorgabe, so scheidet die Annahme, ApkPetr (R) biete hier eine narrative Entfaltung von 2 Petr 1,14, als Erklärungsmöglichkeit der literarischen Beziehungen der beiden Texte aus. Die Hypothese hingegen, ApkPetr (R) hätte älteres Material mit Hilfe von 2 Petr redigiert, ist nicht nur aufgrund der argumentativen Kohärenz der Darstellung in ApkPetr (R) unwahrscheinlich, sondern kann auch nicht überzeugend erklären, warum ApkPetr just an einer Stelle, die altes Traditionsgut aufgreift, zugleich einen Cluster mit Reminiszenzen an 2 Petr schafft, der im übrigen Text der ApkPetr seinesgleichen sucht. (3) Nach dem Blick auf die sprachlichen und traditionsgeschichtlichen Verhältnisse ist noch rezeptionspragmatisch zu fragen, welche Motive hinter der Aufnahme des einen Textes durch den anderen gestanden haben könnten. Warum sollte überhaupt einer der beiden Petrustexte gerade im Bereich der Todesprophetie auf den anderen anspielen? Geht man von einer Priorität des 2 Petr aus, dann setzt seine Rezeption durch ApkPetr 14/R ein Mindestmaß an Autorität und Bekanntheit des Briefes voraus, um als intertextueller Verweis für die Leser/innen der ApkPetr auch zugänglich zu sein. Ein solcher Status des 2 Petr wäre aber für das zweite Jahrhundert nicht, wie man aus heutiger Perspektive dies für einen kanonischen Text mit dem Anspruch, Testament des Apostels Petrus zu sein, vermuten könnte, selbstverständlich, sondern im Gegenteil die krasse Ausnahme. Natürlich schließt dies eine Verwendung des 2 Petr durch die ApkPetr nicht aus; es sollte aber nicht übersehen werden, dass derjenige petrinische Text von beiden, der im zweiten Jahrhundert nachweislich Autorität besaß, nicht 2 Petr, sondern ApkPetr war, wie zumindest das Muratorische Fragment und der von Clemens Alexandrinus in ecl. 41,2–65 aufgenommene Psalmenkommentar verdeutlichen. Es ist auch schwierig zu verstehen, weshalb ein Text, der die Problematik der Parusieverzögerung nicht kennt bzw. einen traditionellen, zu seiner Zeit möglicherweise kaum mehr plausiblen Antwortversuch wiedergibt, auf einen Text zurückgreift, der sich dieser Herausforderung bereits in ela-
183
Nicklas, Kelch, [Manuskript 12].
2.2 Die Apokalypse des Petrus
129
borierter Weise stellt (bzw. stellen muss), ohne dabei in dieser Hinsicht vom Prätext inspiriert zu werden 184. Demgegenüber lässt sich nicht nur 2 Petr 1,14 als Rückverweis auf ApkPetr 14 (R) verstehen, sondern vielmehr der gesamte 2 Petr als Fortführung und Korrektur der in ApkPetr mit Petri Tod verbundenen eschatologischen Erwartungen verstehen – eine Perspektive, die hier nur in aller Kürze skizziert werden kann 185. In ApkPetr 14 (R) verspricht der Auferstandene, die bereits gegebene ἐπαγγελία, wozu der Einzug der Erwählten in das ewige Königreich zählt (vgl. 2 Petr 1,4.11), zu erfüllen. Im Kontext des eschatologischen Fahrplans erscheint dabei der Tod des Petrus gewissermaßen als das Anfang vom Ende. Diese gewagte Konzeption musste mit wachsender zeitlicher Entfernung vom Martyrium des Petrus zunehmend problematisch werden. Sowohl E als auch A scheinen davon in verschiedener Weise Zeugnis abzulegen 186. Nimmt man als die zentrale Herausforderung für 2 Petr nicht nur allgemein das Ausbleiben der Parusie an, sondern fasst diese konkreter als das unvermeidbare Brüchigwerden der in ApkPetr 14 tradierten petrinischapokalyptischen Konzeption, dann bekommt die für 2 Petr zentrale Spötterfrage in 2 Petr 3,4 einen neuen Klang: Obwohl Petrus – als einer der Väter – verstorben ist, hat kein verheißenes apokalyptisches Szenario „seinen Anfang genommen“ (vgl. ApkPetr 14,4)! Dieser Herausforderung lässt sich nicht allein mit den klassischen Topoi jüdischer und frühchristlicher Apokalyptik begegnen, allzu konkret ist die Petrustradition, auf die ihre Kritik zielt. Vielmehr muss diese problematisch gewordene Petrustradition selbst korrigiert werden. 2 Petr kann das aus ApkPetr bekannte Petrus-Narrativ, welches durch die Triade Martyrium, Verklärung und Gericht durch Feuer geprägt ist, 184 Dies
gilt umso mehr, wenn man annimmt, 2 Petr und ApkPetr stellten sich einer ähnlichen Herausforderung (vgl. Bauckham, Jewish Christian Apocalypse, 76–81, der die Beschreibung der grundlegenden Konfliktsituation hinter 2 Petr durch Neyrey, Form and Background, passim, für die ApkPetr adaptiert). Die deutliche Differenz zwischen 2 Petr und ApkPetr unterstreicht hingegen Lee, Transfiguration, 156: „Unlike 2 Peter, in whose church the false teachers challenged the validity of the Parousia and Jesus’ coming as the eschatological judge, for both the author and the readers of ApoPt, Jesus’ coming in glory at the Parousia is a given factor from the beginning…“. 185 Ein erster Schritt zu einer solchen Lektüre des 2 Petr von ApkPetr her ist Grünstäudl, W., Petrus, das Feuer und die Interpretation der Schrift. Beobachtungen zum Weltenbrandmotiv im zweiten Petrusbrief, in: Neubert, L./Tilly, M. (Hg.), Der eine Gott und die Völker in eschatologischer Perspektive. Studien zur Inklusion und Exklusion im biblischen Monotheismus (BThS 137), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2013, 183–208, wo auch die folgenden Überlegungen zum Weltenbrandmotiv fortgeführt werden. 186 E ersetzt den Verweis auf das Martyrium des Petrus durch eine Ankündigung des Todes Jesu (Norelli, Apocryphes pétriniens, 35f), A kommt ganz ohne Todesprophetie und kosmische Vernichtung aus.
130
Kapitel 2: Petrus Apocryphus
aufgreifen und sich auf dessen Autorität stützten. Dabei wird die mit Petri Tod verbundene apokalyptische Erwartung als nicht erfüllte diskursiv bewältigt (vgl. v.a. 2 Petr 3,9) und narrativ auf Dauer gestellt (vgl. 2 Petr 1,15: ἑκάστοτε). Die Petrustradition der ApkPetr wird in diesem Prozess einerseits mit der später neutestamentlichen Briefliteratur verbunden und zum Teil wohl auch mit synoptischer Tradition harmonisiert – vor allem aber geschickt korrigierend weitererzählt. Petrus ist als Sterbender nun nicht mehr Initiator eschatologischer Szenarien, sondern in seinem Eifer bis zuletzt (vgl. 2 Petr 1,15) Vorbild für die Adressaten, denen in der Zeit bis zur Parusie der (Lern)Eifer für ein tugendhaftes und frommes Leben aufgetragen ist (vgl. 2 Petr 1,5.10; 3,14). Die eschatologische Relevanz, die ApkPetr dem Tod des Petrus zuschreibt, erscheint in dieser Leserichtung als durch 2 Petr gezielt entschärft. Die Todesprophetie an Petrus stellt, so ließe sich dieser Abschnitt zusammenfassen, nicht nur ein wichtiges Bindeglied zwischen 2 Petr und ApkPetr dar, was sich auch in sprachlichen und begrifflichen Gemeinsamkeiten ausdrückt, sondern bietet zudem wichtige Hinweise auf die Richtung der Rezeption zwischen den beiden Texten. Der altertümliche Charakter der in ApkPetr bewahrten Tradition zum Tod des Petrus in Rom macht es unwahrscheinlich, dass ApkPetr 14 durch 2 Petr 1,14 inspiriert ist. Demgegenüber lässt sich die argumentative Konzeption von 2 Petr sehr gut als kritische relecture der kühnen apokalyptischen Petrus-Tradition in ApkPetr 14 verstehen, wodurch auch ein neues Licht auf die konkrete Gestalt des 2 Petr wie etwa die Wahl des Petrus-Pseudonyms geworfen wird. Mit der Schilderung des Weltenbrandes ist nun noch ein dritter, 2 Petr und ApkPetr verbindender Motivkomplex für unsere Fragestellung auszuwerten. 2.2.4.3 Weltenbrand (E 4–6; 2 Petr 3,5–13) Nach Eero Repo „lässt sich mit gutem Grund sagen, dass die Schilderung des Weltendes in PA äthiop die nächste christliche Entsprechung zu 2 Pt ist, die man in der ältesten christlichen Literatur finden kann“ 187. Wie beim Motivkomplex „Verklärung“ ist die Darstellung des 2 Petr im Vergleich zu ApkPetr wesentlich knapper und durch die für 2 Petr typische Sprache und Stilistik geformt. Doch anders als dort erschwert hier die Fülle verbreiteter apokalyptischer Vorstellungs- und Sprachmuster, an denen beide Texte partizipieren 188, die Verhältnisbestimmung im Detail und mahnt auch zu 187 188
Repo, Weg, 103. Vgl. für 2 Petr etwa Βauckham, Jude, 2 Peter, 300, sowie Kraus, Sprache, 358– 360, und für ApkPetr Kraus, Griechische Petrus-Apokalypse, passim. Selbstverständlich ist eine umfassende Diskussion der Weltenbrandschilderungen in ApkPetr und 2 Petr auf dem Hintergrund der breiten antiken Bezeugung dieses Motivs sowie seiner Verwendung
2.2 Die Apokalypse des Petrus
131
Zurückhaltung gegenüber (allzu) exklusiven Zuordnungen, wie der eben angeführten von Repo. Sowohl in 2 Petr 3,5–7 als auch in 2 Petr 3,10 nimmt Bauckham eine Abhängigkeit des 2 Petr von einer unbekannten jüdischen Apokalypse an, die er auch in 1 Clem 23,3 und 2 Clem 11,12 zitiert und in 2 Petr 3,4 verwendet sieht 189. Parallel zu 2 Petr 3,5–7 sei diese Quelle in 1 Clem 27,4 anzutreffen, parallel zu 2 Petr 3,10 in 2 Clem 16,3. In beiden Fällen ist für Bauckham die Verwendung dieser Quelle(n) durch 2 Petr wahrscheinlicher als ein Rückgriff auf ApkPetr, mit der 2 Petr allenfalls allgemeine apokalyptische Vorstellungen teile. Sowohl für 2 Petr 3,5–7 (1) als auch für 2 Petr 3,10 (2) erscheint mir diese Einschätzung nicht überzeugend zu sein. (1) Bereits ein erster Blick auf die verhandelten Texte zeigt, dass Bauckhams Urteil, 2 Petr 3,5–7 läge aufgrund einer gemeinsamen Quelle deutlich näher bei 1 Clem 27,4 denn bei E 4,5f, auf einer Reihe unwahrscheinlicher Annahmen beruht. ἐν λόγῳ τῆς μεγαλωσύνης αὐτοῦ συνεστήσατο τὰ πάντα καὶ ἐν λόγῳ δύναται αὐτὰ καταστρέψαι (1 Clem 27,4) Λανθάνει γὰρ αὐτοὺς τοῦτο θέλοντας ὅτι οὐρανοὶ ἦσαν ἔκπαλαι καὶ γῆ ἐξ ὕδατος καὶ δι᾽ ὕδατος συνεστῶσα τῷ τοῦ θεοῦ λόγῳ, δι᾽ ὧν ὁ τότε κόσμος ὕδατι κατακλυσθεὶς ἀπώλετο· οἱ δὲ νῦν οὐρανοὶ καὶ ἡ γῆ τῷ αὐτῷ λόγῳ τεθησαυρισμένοι εἰσὶν πυρὶ τηρούμενοι εἰς ἡμέραν κρίσεως καὶ ἀπωλείας τῶν ἀσεβῶν ἀνθρώπων. (2 Petr 3,5–7) For there is nothing which perishes for God and there is nothing which is impossible for him. All is as his. All (will be) on the day of punishment, on the day judgment for (it is) with the word of God. And all will be in accordance with (how) he creates the world. [and] Everything in it he commanded (to be) and everything was. So likewise it (will be) in the last days. (E 4,5f)
(a) Erstens ist die zuerst von Daniel von Allmen 190 formulierte Hypothese, in 2 Petr 3,5–7 sei die Verwendung einer – sonst unbekannten – jüdischen Apokalypse erkennbar, kaum überzeugend zu begründen 191. im Kontext jüdischer und christlicher Theologie hier nicht zu leisten; einen hilfreichen Überblick bietet Van der Horst, P. W., „The Elements Will Be Dissolved With Fire.“ The Idea of Cosmic Conflagration in Hellenism, Ancient Judaism, and Early Christianity, in: ders. (Hg.), Hellenism – Judaism – Christianity. Essays on Their Interaction (CBET 8), Kampen: Kok Pharos 1994, 227–251, vgl. auch Grünstäudl, Petrus, passim, mit weiterer Literatur. An dieser Stelle sei Prof. Dr. Knut Usener für ein ausführliches Gespräch zur Thematik und viele hilfreiche Hinweise herzlich gedankt. 189 Zu diesen Parallelen zu 2 Petr 3,4 sowie zum Verhältnis des 2 Petr zu 1 Clem und 2 Clem insgesamt, vgl. unten 3.1.1. 190 Vgl. Von Allmen, D., L’apocalyptique juive et le retard de la parousie en II Pierre 3:1–13, in: RThPh 16 (1966), 255–274, hier: 261, der noch vorsichtig formulierte: „… il est vraisemblable que l’auteur utilise ici une tradition apocalyptique d’origine juive, ou peut-être même une source écrite“.
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Kapitel 2: Petrus Apocryphus
(b) Zweitens ist die Annahme, 1 Clem 27,4 verdanke sich ebenfalls einer Quelle, genauso zweifelhaft wie eine betont eschatologische Deutung dieses Verses 192. (c) Da schon für 2 Petr 3,5–7 und 1 Clem 27,4 an sich die Verwendung einer anonymen Quelle unwahrscheinlich ist, gilt dies – drittens – in gesteigertem Maße von der Annahme, beide Texte verwendeten hier dieselbe jüdische Apokalypse. Die in beiden Texten parallele Rolle des göttlichen Logos kann durchaus jeweils aus hellenistisch-jüdischer Tradition übernommen sein 193. (d) Viertens ist die Unterscheidung, die parallele Wirksamkeit des göttlichen Logos in Protologie und Eschatologie ziele in 1 Clem und 2 Petr auf die Vernichtung der Welt, in E hingegen auf die Auferweckung der Toten 194, vollends künstlich: Weder in 2 Petr noch in E sind die Rettung der Gerechten und der Untergang der Welt im Feuer getrennte Größen. Somit kann die Nähe von 2 Petr 3 zu ApkPetr (E) nicht durch den Verweis auf eine hypothetische, angeblich in 2 Petr und 1 Clem verwendete Quelle neutralisiert werden. Festzuhalten ist: 2 Petr, ApkPetr und 1 Clem teilen den auch sonst bezeugten Gedanken einer zu Beginn und Ende der Welt parallelen Wirksamkeit des göttlichen Logos. Seiner schöpferischen Potenz entspricht seine weltvernichtende Kraft. Wie in 2 Petr eschatologisch zugespitzt und mit dem Gericht durch Feuer verbunden ist dieser Gedanke innerhalb der frühchristlichen Literatur bis zur Mitte des zweiten Jahrhunderts aber nur in ApkPetr. (2) Die soeben angeführten Argumente gelten mutatis mutandis auch für die Trias 2 Petr 3,7.10.12, E 5,2–4 und 2 Clem 16,3. Wiederum nimmt Bauckham eine unbekannte jüdische Apokalypse an (diesmal hinter 2 Petr 3,7.10.12 und 2 Clem 16,3), um ApkPetr als mögliche Quelle für die Weltenbrandschilderung des 2 Petr auszuschließen. οἱ δὲ νῦν οὐρανοὶ καὶ ἡ γῆ τῷ αὐτῷ λόγῳ τεθησαυρισμένοι εἰσὶν πυρὶ τηρούμενοι εἰς ἡμέραν κρίσεως καὶ ἀπωλείας τῶν ἀσεβῶν ἀνθρώπων…
191
224f.
Eine knappe, aber durchschlagende Kritik bietet Vögtle, Der zweite Petrusbrief,
192 So Lona, H. E., Der erste Clemensbrief (KAV 2), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1998, 316f Anm. 4: „Gleich unwahrscheinlich ist die Ansicht, I Clem 27,4 würde ähnlich 2 Petr 3,5–7 den Glauben an den Weltuntergang mit Hilfe der alttestamentlich-frühjüdischen Tradition ‚von der typologischen Bedeutung Noes und der Sintflut‘ verteidigen … Es geht um die mächtige Gegenwart des Schöpfers, dessen Herrlichkeit die Himmel verkünden (27,7). Am Weltuntergang besteht bei dieser Argumentation keinerlei Interesse.“ 193 Vgl. die Hinweise bei Lona, Der erste Clemensbrief, 316, zum traditionsgeschichtlichen Hintergrund im hellenistischen Judentum. 194 So Bauckham, 2 Peter and the Apocalypse of Peter, 296.
2.2 Die Apokalypse des Petrus
133
Ἥξει δὲ ἡμέρα κυρίου ὡς κλέπτης, ἐν ᾗ οἱ οὐρανοὶ ῥοιζηδὸν παρελεύσονται στοιχεῖα δὲ καυσούμενα λυθήσεται καὶ γῆ καὶ τὰ ἐν αὐτῇ ἔργα εὑρεθήσεται… προσδοκῶντας καὶ σπεύδοντας τὴν παρουσίαν τῆς τοῦ θεοῦ ἡμέρας δι᾽ ἣν οὐρανοὶ πυρούμενοι λυθήσονται καὶ στοιχεῖα καυσούμενα τήκεται. (2 Petr 3,7.10.12) γινώσκετε δέ ὅτι ἔρχεται ἤδη ἡ ἡμέρα τῆς κρίσεως ὡς κλίβανος καιόμενος καὶ τακήσονταί τινες τῶν οὐρανῶν καὶ πᾶσα ἡ γῆ ὡς μόλιβος ἐπὶ πυρὶ τηκόμενος καὶ τότε φανήσεται τὰ κρύφια καὶ φανερὰ ἔργα τῶν ἀνθρώπων (2 Clem 16,3) Cataracts of fire will be opened up and there will be fog and darkness and the whole world will veil and clothe itself. And the waters will be turned and will be given into coals of fire and everything which is in it will burn up and even the ocean will become fire. From under the heaven (there will be) a bitter fire which does not go out and it will flow for the judgment of wrath. Even the stars will melt in a flame of fire like they had not been created. And the firmaments of heaven in a lack of water will go and become like what were not created. (E 5,2–4a)
Unbestritten weisen 2 Petr 3,7.10.12 und 2 Clem 16,3 Ähnlichkeiten auf. Für Martin Ruf „ist die strukturelle Analogie auffällig, dass beiderseits übereinstimmend vom Kommen des Tages die Rede ist, dass dabei ein kosmischer Schmelzprozess stattfindet und dass die Werke offenbar werden“ 195. Diese „strukturelle Analogie“ bedarf zu ihrer Erklärung allerdings keiner gemeinsamen Quelle 196, zumal auch die Differenzen nicht zu übersehen sind. So spricht 2 Petr 3,12 nicht wie 2 Clem 16,3 vom „Tag des Gerichts“ 197 (so aber in 2 Petr 3,7; 2 Petr 3,10 hat ἡμέρα κυρίου), sondern „[h]öchst auffällig“ 198 vom „Tag Gottes“ und gebraucht damit eine Bezeichnung, die sich in christlichen Texten bis zur Mitte des zweiten Jahrhunderts nur einmal findet: In der ApkPetr (E 4,1) 199. Das Motiv des „kosmische[n] Schmelzprozess[es]“ 200 scheint hingegen letztlich aus Jes 34,4 LXX (Cod. B, L, O*: τακήσονται πᾶσαι αἱ δυναμεῖς τῶν οὐρανῶν) zu stammen: In 2 Clem 16,3 wird dies durch den unmittelbar davorstehenden Bezug auf Mal 3,19 LXX nahegelegt, in 2 Petr 3,10 durch das Ent-
195 196
Ruf, Die heiligen Propheten, 520. Vgl. Pratscher, Der zweite Clemensbrief, 198–200. Eine solche scheint auch Ruf, Die heiligen Propheten, 520, nicht anzunehmen. 197 2 Clem 16,3 lehnt sich hier deutlich an Mal 3,19 LXX an. „Der Prediger dürfte den Maleachi-Text zumindest der Sache nach im Kopf gehabt haben, bei der Einprägsamkeit des Textes ist das gut vorstellbar“ (Pratscher, Der zweite Clemensbrief, 198). Vgl. auch Ruf, Die heiligen Propheten, 520 Anm. 794. 198 Vögtle, Der zweite Petrusbrief, 241. 199 Bauckham, 2 Peter and the Apocalypse of Peter, 295, nennt diese Parallele „striking“. Vgl. noch Offb 16,14 und syrBar 55,6. Vgl. dazu auch die Nähe der Motive „Tag des Gerichts“ und „Tag der Strafe“ in 2 Petr 3,7 und E 4,2.5. 200 Ruf, Die heiligen Propheten, 520.
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Kapitel 2: Petrus Apocryphus
sprechungsverhältnis der στοιχεῖα zu den δυναμεῖς τῶν οὐρανῶν 201. Auch die ApkPetr weist eine solche Nähe zu Jes 34,4 LXX (Cod. B, L, O*) auf, was an E 5,4 202 und – in anderer Weise – am Zitat bei Makarius von Magnesia, apocr. IV,7 203, zu erkennen ist. Auf dem Hintergrund dieses Befundes eine sonst unbekannte 204 jüdische Apokalypse als gemeinsame Basis der Formulierungen in 2 Petr 3,7.10.12 und 2 Clem 16,3 anzunehmen, bedarf einiger Anstrengung 205 – und auch Bauckham selbst scheint von dieser Hypothese nicht restlos überzeugt zu sein 206. Völlig unmöglich ist es aber meiner Meinung nach, diese hypothetische jüdische Apokalypse gegenüber ApkPetr als die wahrscheinlichere Quelle für das apokalyptische Szenario in 2 Petr 3 auszuweisen 207. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund zweier markanter, miteinander verwobener Motive, die 2 Petr und ApkPetr verbinden, von Bauckham aber nicht beachtet werden. Das erste von diesen ist die Rolle der Erde, die in 2 Petr 3,10 „gefunden wird“, also gerade nicht in derselben Weise vernichtet bzw. geschmolzen wird, wie in 2 Clem 16,3 (πᾶσα ἡ γῆ ὡς μόλιβος ἐπὶ πυρὶ τηκόμενος) und in 2 Petr auch noch einmal eine andere „Behandlung“ erfährt als Himmel und Gestirne (dies gilt trotz des πάντων in 2 Petr 3,11; vgl. auch das „the whole creation has been melted“ in E 5,6b). Diese hervorgehobene Rolle der Erde findet sich aber in der ApkPetr (E 4,11.13), die betont, dass die Erde am 201 Vgl. Bauckham, Jude, 2 Peter, 316. Ein antikes Zeugnis für eine an Jes 34,4 denkende Lektüre von 2 Petr 3 bietet möglicherweise P. Michigan 3520, der in 2 Petr 3,7 das Motiv des Aufrollens der Himmel verwendet, vgl. Schenke/Kasser, Papyrus Michigan, 180–183, Blumenthal, Hoffnung, 123–125. 202 Bauckham, Jude, 2 Peter, 316 sieht die ApkPetr hier „following either 2 Petr 3:12 or Isa 34:4 or both“. 203 Vgl. Text und Kommentar bei Nicklas/Kraus, Petrusevangelium und Petrusapokalypse, 93. 204 Die Vermutung von Bauckham, Jude, 2 Peter, 304, es werde in 2 Clem 16,3 wahrscheinlich dieselbe Quelle verwendet wie in 2 Clem 11,2–4, lässt sich ebenfalls nicht an konkreten Textphänomenen erhärten. 205 Treffend formuliert Vögtle, Der zweite Petrusbrief, 238: „Zum Erweis, daß der 2Petr und der 2Clem aus der gleichen jüdischen Apokalypse zitieren, muß Bauckham die gemeinsame Quelle zurechtstutzen und beide Autoren diese etwas kühn redigieren lassen.“ 206 Vgl. Bauckham, Jude, 2 Peter, 305. 207 Bauckham, 2 Peter and the Apocalypse of Peter, 296: „The Apocalypse of Peter’s account of the eschatological conflagration certainly could not derive solely from 2 Peter, since it has features which are not found in 2 Peter but are paralleled elsewhere (‚cataracts of fire‘: cf. 1QH 3:19–25; Sib 3:84; burning the sea: cf. Sib 3:85), and seems to have made independent use of Isaiah 34:4. On the other hand, a Jewish apocalypse (especially as quoted in 2 Clement 16:3) is a more plausible source than the Apocalypse of Peter for 2 Peter’s account of the conflagration. The resemblance between the two works is most plausibly explained from common Jewish apocalyptic traditions.”
2.2 Die Apokalypse des Petrus
135
Tag des Gerichts alles, was in ihr ist (alle Toten, insbesondere die Sünder) zurückbringt, damit nichts dem Gericht Gottes entgehe. Damit ist bereits das andere, gewichtigere Verbindungsglied zwischen 2 Petr 3 und ApkPetr angesprochen: Das Motiv des „Findens“ am Tag des Gerichts. 2 Petr 3,10 bietet dazu bekanntlich in der Formulierung γῆ καὶ τὰ ἐν αὐτῇ ἔργα εὑρεθήσεται eine crux interpretum, die – bis hin zum Text der ECM und dieser folgend NA28 – zu vielfältigen Konjekturen Anlass gegeben hat 208. David C. Parker verwendet 2 Petr 3,10d sogar als Lehrbeispiel für notwendige Konjekturen im Text des Neuen Testaments 209. Offensichtlich ist es schwierig, der in 2 Petr 3,10d entworfenen Bildwelt kohärenten und kontextuell plausiblen Sinn abzugewinnen. Bauckham schlägt vor, das εὑρηθήσεται als passivum divinum zu verstehen und anzunehmen, hier werde der freie Blick auf die Erde beschrieben, der sich Gott nach der Wegnahme/Vernichtung von Himmeln und Gestirnen biete 210. Zutreffend an dieser Erklärung dürfte die Pointe sein, dass durch die kosmische Zerstörung die geheimen Werke 211 der Menschen aufgedeckt und dem gerechten Gericht zugeführt werden 212. Die Betonung liegt also auf dem Finden (und Richten) der Werke, was auch durch den paränetischen Kontext verdeutlicht wird (vgl. auch das εὑρισκεῖν in 2 Petr 3,14). Die Annahme eines passivum divinum in 2 Petr 3,10d bleibt aber problematisch, da die parallel gestalteten Aussagen zu den Himmeln und den Gestirnen in
208 Vgl. dazu die Übersicht bei Bauckham, Jude, 2 Peter, 316–318, sowie Blumenthal, C., „Es wird aber kommen der Tag des Herrn.“ Eine textkritische Studie zu 2Petr 3,10 (BBB 154), Philo: Hamburg 2007, 17–20. 209 Vgl. Parker, Manuscripts, 308f. Für die Ursprünglichkeit von εὑρηθήσεται argumentiert überzeugend Blumenthal, Tag des Herrn, passim. Vgl. auch Tresham, A. K., A Test Case for Conjectural Emendation. 2 Peter 3:10d, in: Master’s Seminary Journal 21 (2010), 55–79. Vgl. auch das entsprechende Votum bei Hoppe, R., Parusieglaube zwischen dem ersten Thessalonicherbrief und dem zweiten Petrusbrief. Ein unerledigtes Problem, in: Schlosser, J. (Hg.), The Catholic Epistles and the Tradition (BEThL 176), Leuven : Leuven University Press/Peeters 2004, 433–449, hier: 448 Anm. 41. 210 Vgl. Bauckham, Jude, 2 Peter, 318–321. Dazu bietet 2 Clem 16,3 in der Tat eine erhellende Parallele. 211 Dies setzt natürlich eine Deutung der ἔργα als die Taten der (bösen) Menschen und nicht etwa als Kulturprodukte voraus, was aber durch 2 Petr 3,7.11 durchaus nahe liegt, vgl. Vögtle, Der zweite Petrusbrief, 236, anders Mayor, The Second Epistle of St. Peter, 160. 212 Gleichwohl gilt: „OT usage does not seem to support the absolute use of εὑρισκεῖν (‚to find‘) meaning ‚to subject to judgment,‘ and although Pss. Sol. 17:8 … seems to support some such meaning, the construction is different from that in 2 Pet 3:10“ (Bauckham, Jude, 2 Peter, 319).
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Kapitel 2: Petrus Apocryphus
2 Petr 3,10bc deutlich das Feuer als Agens beschreiben 213. Somit scheint auch in 2 Petr 3,10d πῦρ als Subjekt des εὑρισκεῖν vorauszusetzen sein 214. Ἥξει δὲ ἡμέρα κυρίου ὡς κλέπτης, ἐν ᾗ οἱ οὐρανοὶ ῥοιζηδὸν παρελεύσονται στοιχεῖα δὲ καυσούμενα λυθήσεται καὶ γῆ καὶ τὰ ἐν αὐτῇ ἔργα εὑρεθήσεται. (2 Petr 3,10)
Die sich daraus ableitende Vorstellung lautet: „Das Feuer (der kosmischen Vernichtung) findet die Welt und die Werke (der Menschen) auf ihr“. Eine solche die Erde heimsuchende und die gerichtsrelevanten Werke aufstöbernde Tätigkeit des Feuers findet sich ausführlich narrativ gestaltet in ApkPetr 5f: „And then the whole creation has been melted. The children of men who are in the east will flee to the west; they (in the west) will flee into the east. And those in the south will flee north, and those (in the north) to the south. Everywhere the awesome wrath of fire will find them… […] And the works of each one of them will stand before them, each one according to his deed.“ (E 5,6b-8a; 6,3)
Die eingangs dieses Abschnitts betonte starke traditionelle Prägung apokalyptischer Sprache lässt auch hier eine klare Bestimmung literarischer Verwandschafts- und Abhängigkeitsverhältnisse nicht zu. Nur aufgrund von 2 Petr 3 und ApkPetr 4–6 ließe sich eine literarische Beziehung der beiden Texte keinesfalls begründen. Dies bedenkend, ist gleichwohl im Kontext der auch sonst wahrscheinlichen Verbindung der beiden Petrustexte die hier spürbare Nähe zu beachten. Es ist dabei kaum wahrscheinlich, dass aus der erratischen Formulierung in 2 Petr 3,10d wesentliche Züge der elaborierten und bei aller gestalterischen Vielfalt doch weitgehend kohärenten Schilderung in ApkPetr 4–6 erwachsen sind. Umgekehrt könnte die knappe Aussage des 2 Petr gerade in ihrer auffälligen Eigenart einen für die Leser bekannten Prätext voraussetzen. Unweigerlich denkt man in diesem Zusammenhang an 2 Petr 2,4, wo eine kryptische Formulierung des 2 Petr erst unter Berücksichtigung der Vorlage in Jud 6 oder dieser entsprechender Traditionen vollends klar wird, oder an 2 Petr 3,5, wo eine bestimmte Interpretation von Gen 1 vorausgesetzt scheint und die Exegese der Stelle vor einige Schwierigkeiten stellt. Auf diesem Hintergrund wird man bei aller gebotenen Vorsicht doch festhalten: Die schwer verständliche Formulierung in 2 Petr 3,10d, die bereits im ältesten erhaltenen Manuskript des 2 Petr (P72) klärend erweitert wurde und Exegeten über Jahrhunderte hinweg Schwierigkeiten bereitete, findet in 213 Gegen Vögtle, Der zweite Petrusbrief, 236: „Sodann duldet die Subjektbezeichnung ‚der Tag des Herrn‘ in V. 10 keinen Zweifel, daß εὑρηθήσεται ein passivum divinum im Vollsinn des Wortes ist.“ 214 Auf dieser Annahme beruhen auch die meisten Konjekturen. Unbestritten bleibt aber Gott der Initiator des gesamten Gerichtsgeschehens.
2.2 Die Apokalypse des Petrus
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ApkPetr, einem Text, der mit 2 Petr in literarischer Verbindung steht, einen passenden und erhellenden Vorstellungshintergrund 215. Die soeben gemachten Beobachtungen zum Motivkomplex „Weltenbrand“ in ApkPetr und 2 Petr lassen sich zu drei Ergebnissen bündeln: (1) Sowohl 2 Petr als auch ApkPetr partizipieren am reichhaltigen Motivinventar jüdischer und frühchristlicher Apokalyptik. Auch wenn die gemeinsame Weltenbrandtradition auffällt, ist sie doch keineswegs exklusiv und für sich genommen kein hinreichendes Indiz für einen literarischen Zusammenhang der beiden Texte. Aufgrund der in beiden Texten präsenten traditionellen apokalyptischen Vorstellungen sind literarkritische Schlüsse aus den Gerichtsschilderungen von 2 Petr und ApkPetr nur im Verbund mit Beobachtungen an anderen Bereichen dieser beiden Texte zulässig. (2) Bauckhams Versuch, eine Abhängigkeit des 2 Petr von ApkPetr im Bereich der christlichen Adaption des Weltenbrandes auszuschließen, muss gerade deshalb zahlreiche hypothetische Quellen unterstellen und die Verbindung der beiden Texte über die als Apokalyptiker gezeichnete Petrusgestalt weitgehend ausblenden. (3) Fragt man nach Indizien, die im Bereich des Motivkomplexes „Weltenbrand“ die Rezeptionsrichtung zwischen beiden Texten verdeutlichen könnten, ist vor allem auf die erratische Formulierung in 2 Petr 3,10 hinzuweisen, die in Analogie zur sonstigen Quellenverwendung des 2 Petr als verknappter Rückverweis auf das apokalyptische Szenario in ApkPetr 4–6 gelesen werden könnte. Auffällig ist diesbezüglich auch, dass die in 2 Petr (vgl. 2 Petr 3,3f.8f.11f) den Weltenbrand begleitende Verzögerungsproblematik in ApkPetr nicht zu spüren ist. 2.2.4.4 Die Jud-Rezeption des 2 Petr Nach der Analyse der Beziehungen zwischen 2 Petr und ApkPetr in drei markanten, jeweils mit dem Petrusbild verbundenen Motivkomplexen, die in unterschiedlicher Schwerpunktsetzung bereits in der Forschung diskutiert wurden, soll nun noch abschließend eine neue Frageperspektive in die Untersuchung mit einbezogen werden. Interessanterweise wurde nämlich bislang ein typisches Charakteristikum des 2 Petr in der Diskussion seiner Beziehung zur ApkPetr gar nicht berücksichtigt: Seine intensive Rezeption des Jud 216. 215 In diesem Sinne bereits (in Anschluss an Frederick W. Danker) vorsichtig Buchholz, Eyes, 97 Anm. 3: „There is even the possibility that the judgment of the earth (Apoc. Pt. 4:13) is reflected in the difficult textual tradition of 2 Pt. 3:10.“ 216 Eine Ausnahme bildet Repo, Weg, 98, der gegen Spitta, Petrusapokalypse, 239, einwendet, dieser beachte die Verwendung des Jud in 2 Petr gar nicht, wobei konkret das Argument Spittas, die Wegmetaphorik in 2 Petr 2,15 sei eine Anlehnung an A 1, angezielt ist, wogegen Repo zurecht auf Jud 11 als Vorlage von 2 Petr 2,15 verweist. Doch
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Kapitel 2: Petrus Apocryphus
Angesichts der Tatsache, dass 2 Petr den kleineren Jud beinahe vollständig in sich aufnimmt, stünde es bei der Annahme einer Rezeption des 2 Petr durch die ApkPetr zu erwarten, dass zumindest einige ursprünglich aus Jud stammende Elemente via 2 Petr in ApkPetr gelangt sind und dort nachgewiesen werden können. Doch dem ist nicht so. Überprüft man die 20 Berührungspunkte zwischen 2 Petr und ApkPetr (EBR), die R. Bauckham auflistet, daraufhin, ob sich die jeweiligen Anknüpfungspunkte in 2 Petr dessen Jud-Rezeption verdanken, zeigt sich Erstaunliches. In 17 Fällen haben die benannten Anknüpfungspunkte in 2 Petr keine Parallele in Jud. Von diesen finden sich zehn in 2 Petr 1,1–18 (betreffen also vor allem Todesprophetie bzw. Verklärung), immerhin fünf in 2 Petr 3,3–12 (betreffen also die Gerichtsschilderung), aber nur zwei in 2 Petr 2, also in jenem Abschnitt, in dem der Rückgriff des 2 Petr auf Jud am stärksten ausgeprägt ist. Jene drei Berührungspunkte aber, die Parallelen in Jud aufweisen, sind entweder sehr unsicher oder wenig spezifisch 217. Dieser Befund stellt die Hypothese der Priorität des 2 Petr gegenüber der ApkPetr vor große, vielleicht sogar unüberwindliche Schwierigkeiten. Man mag sich den Umstand, dass ApkPetr beinahe nur aus 2 Petr 1.3 Material übernommen haben soll, noch mit der starken Verbindungslinie „Petrusbild“ erklären. Doch die Exaktheit, mit der ApkPetr im Kontext der Wegmetaphorik nur zu solchen Elementen aus 2 Petr 2 Parallelen aufweist, auch Repo, der an dieser Stelle wie Spitta vor allem A im Blick hat, geht dieser Spur nicht weiter nach. 217 Im Einzelnen: Die Zweifler bzw. Spötter, die in E 1,4 und 2 Petr 3,3f (vgl. Jud 18) begegnen, weisen keine markanten Ähnlichkeiten auf, wie auch Bauckham, 2 Peter and Apocalypse of Peter, 294, anklingen lässt. Die Parallele zwischen E 2,9 und 2 Petr 2,1 (vgl. Jud 4) beruht auf einem schwierigen und wohl verderbten äthiopischen Text (so auch Bauckham, 2 Peter and Apocalypse of Peter, 295: „Certainly, nothing can be based on this text.“). Schließlich findet sich auch in B (vgl. E 10,7) keine spezifischer Widerhall aus Jud 11 stammender Wegmetaphorik, da sich in Jud 11 das Verlassen (καταλείπω) des rechten Weges nicht findet (sondern analog das Gehen auf dem Irrweg betont wird). Überdies findet sich gerade das „Verlästern des Weges der Gerechtigkeit bzw. der Wahrheit“ (vgl. E 7,2 mit 2 Petr 2,2.21 sowie auch A 22.28) und die große terminologische Nähe von „Gebot“ und „Weg“ (vgl. dazu E 10,7 und B mit 2 Petr 2,21) in Jud nicht. Nicht nachvollziehbar ist die Behauptung von Bauckham, 2 Peter and Apocalypse of Peter, 297: „The use of βλασφημεῖν in 2 Peter 2:2 cannot be dependent on the Apocalypse of Peter, since it is used in 2 Peter 2:2 to make allusion to Isaiah 52:5 and there is no such allusion in the Apocalypse of Peter’s use of the verb“ (Hervorhebung Grünstäudl), da sich einerseits nicht begründen lässt, warum E 7,2 nichts mit Jes 52,5 zu tun haben sollte, während doch Bauckham, Jude, 2 Peter, 242, selbst die breite frühchristliche Rezeption dieser Stelle nachweist und andererseits E 7,2 und 2 Petr 2,2 im Objekt der Lästerung (der Weg der Gerechtigkeit/Wahrheit) gegen Jes 52,5 (der Name Gottes) klar übereinstimmen! Kurz: Im Kontext der Weg-Metaphorik finden sich deutliche Parallelen von 2 Petr und ApkPetr; allerdings nur dort, wo 2 Petr mit Jud differiert.
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2.2 Die Apokalypse des Petrus
die nicht aus Jud stammen, verblüfft. Ebenso muss es verwundern, wenn die ausgeprägte und im Wesentlichen aus Jud stammende Gegnerpolemik in 2 Petr 2 die funktional analoge 218 Höllenschilderung in ApkPetr nicht inspiriert zu haben scheint 219. Ist es wirklich wahrscheinlich, dass die mit Jud offenbar nicht bekannte ApkPetr 220 in ihren, beinahe über den ganzen Text verstreuten Rückgriffen auf den deutlich kleineren 2 Petr Anklänge an ursprünglich aus Jud stammendes Material präzise vermeidet (vgl. die folgende Grafik), wo dieses doch mindestens ein Drittel des 2 Petr prägt?
Jud
2 Petr
ApkPetr
Oder deutet das Fehlen von Jud in ApkPetr nicht doch viel eher darauf hin, dass ApkPetr den 2 Petr nicht kannte, sondern vielmehr umgekehrt dieser neben dem Jud auch die ApkPetr als Quelle benutzte (vgl. die folgende Grafik)?
218 219
Vgl. Buchholz, Eyes, 97 Anm. 3. Vgl. dazu die wichtigen Hinweise bei Mayor, Second Epistle of St. Peter, cxxxiii (allerdings nur auf Basis von A). 220 Soweit ich sehe, stellte in der Forschungsgeschichte zur ApkPetr nur Harnack, Bruchstücke, 87f, Nähen der ApkPetr zu Jud fest und listete diese auf. Seine Beobachtungen beziehen sich aber nur auf den sekundären Text von A. Für die oben nicht angeführten sechs Berührungen von A mit 2 Petr, die Bauckham, 2 Peter and Apocalypse of Peter, 294f. 297f. 301, benennt, gilt im Übrigen Analoges wie zum Text von E, B und R: Nur an einer Stelle (A 24) ist der Paralleltext in 2 Petr 2,10 von Jud 8 beeinflusst, allerdings liegt hier der prägende Hintergrund wohl in 1 Hen (vgl. Bauckham, 2 Peter and Apocalypse of Peter, 298).
140
Kapitel 2: Petrus Apocryphus
ApkPetr
2 Petr
Jud
Wenn aber die Höllenschilderung der ApkPetr nicht aus 2 Petr entwickelt wurde 221 oder durch aufgepfropfte Ähnlichkeiten mit 2 Petr autorisiert werden sollte 222, sondern von 2 Petr durch den Rückgriff auf Jud ersetzt wurde, ist nach dem Motiv für diesen Austausch zu fragen. Warum droht Petrus im auf die ApkPetr zurückgreifenden 2 Petr seinen Gegnern nicht mit den Höllenqualen, wenn ihm diese doch in der ApkPetr geoffenbart wurden? Diese Frage bedürfte einer umfassenderen Untersuchung, als sie hier zu leisten ist, gleichwohl seien einige Möglichkeiten benannt: (1) 2 Petr porträtiert die Apostel in hohem Maße als Briefschreiber. Dies gilt nicht nur für Paulus (2 Petr 3,15f) sondern auch für Petrus (2 Petr 3,1), der sich in 2 Petr auch (wieder) des Mediums Brief bedient. Erkennt man hierin eine Verbrieflichung apokalyptischer Petrustradition, dann wäre der Rückgriff auf einen weiteren Brief (Jud) naheliegender als die Einführung von (Höllen)Visionen oder die Nacherzählung solcher. (2) Gegenüber der Bildwelt des Infernos in ApkPetr bietet die aus Jud übernommene und überarbeitete Reihe von Exempla dezidiert biblische Beispiele für das Gerichtshandeln Gottes. Dies entspricht dem großen Interesse des 2 Petr an richtiger Schriftauslegung und der bleibenden Gültigkeit des προφητικὸς λόγος (2 Petr 1,19). (3) Schließlich bedeutet der Wechsel von der Schilderung der Straforte zum Verweis auf Gottes Handeln in der Geschichte auch eine Verschiebung von der Vision zur Argumentation: In der Diskussionslage des 2 Petr ist gerade das Eintreten des Gerichts fraglich geworden (vgl. 2 Petr 3,3f), weshalb nicht so sehr dessen Drastik zu schildern, als vielmehr dessen Gewissheit zu begründen ist. (4) Vielleicht stellt der die aus Jud übernommene Gegnerpolemik rahmende Verweis auf die Lästerung des Weges der Wahrheit (vgl. 2 Petr 2,2) bzw. das böse Ende derer, die den Weg der Gerechtigkeit verlassen (vgl. 221 222
Vgl. Mayor, Second Epistle of St. Peter, cxxxiv. Vgl. Simms, Second Peter, 470.
2.2 Die Apokalypse des Petrus
141
2 Petr 2,21), auch eine gar nicht so undeutliche Reminiszenz an die Höllenschilderung der ApkPetr dar, steht dort doch an erster Stelle die Bestrafung derer, durch die der Weg der Gerechtigkeit gelästert wurde (vgl. E 7,2 sowie E 9,3). 2 Petr zieht überdies nicht gegen Zinsnehmer, Homosexuelle und abtreibende Frauen zu Felde, sondern gegen die den Weg der Wahrheit verlästernden ψευδοδιδάσκαλοι (vgl. 2 Petr 2,1). Welche Motive auch immer zur Aufnahme des Jud anstelle der Höllenschilderung aus ApkPetr in 2 Petr geführt haben – die Beachtung der Verbindung zum Jud scheint deutlich gegen die Rezeption des 2 Petr durch die ApkPetr zu sprechen und die umgekehrte Rezeptionsrichtung wahrscheinlich zu machen. 2.2.5 Zusammenfassung und Ausblick Die Ergebnisse der Untersuchungen zum literarischen Verhältnis von ApkPetr und 2 Petr lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: (1) Die vielfältigen textuellen, motivischen und traditionsgeschichtlichen Berührungen zwischen ApkPetr (E + B/R) und 2 Petr besitzen (mit Bauckham) aufgrund ihrer Gestalt und sowie ihrer Position in beiden Texttraditionen ihre beste Erklärung in einer literarischen Beziehung zwischen ApkPetr und 2 Petr. Das Petrusbild beider Texte weist deutliche strukturelle Parallelen auf, insofern es jeweils in besonderem Maße durch die Verklärungstradition, die Ankündigung des Todes des Petrus durch Christus sowie durch apokalyptische Schilderungen des Weltgerichts im Feuer geprägt ist. (2) Aufgrund seines wahrscheinlich sekundären Charakters kommt dem Akhmîm-Text der ApkPetr (A) nur sehr beschränkte Relevanz in der Frage nach der Rezeptionsrichtung zu (mit Bauckham, gegen Kraus). Besonders deutliche Berührungen von A mit 2 Petr finden sich in von A redaktionell gestalteten Bereichen, wodurch sich nahelegt, an eine 2 Petr eintragende Überarbeitung der ApkPetr in A zu denken oder die Redaktion von A in der Nähe der Entstehung des 2 Petr zu vermuten. (3) Gestalt und Funktion des Rückgriffs auf die Verklärungstradition in ApkPetr (E 15–17) und 2 Petr 1,16–18 können eine Priorität des 2 Petr gegenüber der ApkPetr nicht wahrscheinlich machen (gegen Bauckham). Liest man hingegen 2 Petr 1,16–18 als Harmonisierung der Verklärungsschilderungen in Mt und ApkPetr, so ergibt sich ein sonst nicht vorhandenes kohärentes Deutungsangebot für die Differenzen und Berührungen im Beziehungsdreieck Mt – ApkPetr – 2 Petr. (4) Einen deutlichen Hinweis auf die Priorität der ApkPetr bietet die Schilderung der Todesprophetie an Petrus, die sowohl im äthiopischen als auch im griechischen Text der ApkPetr erhalten ist. Die archaische Form der in ApkPetr verarbeiteten Tradition (Peterson, Nicklas) legt es nahe, die
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Kapitel 2: Petrus Apocryphus
in diesem Bereich besonders zahlreichen und auffälligen Berührungen mit 2 Petr durch die Rezeption seitens 2 Petr zu erklären. Dies wird durch die Beobachtung gestützt, dass sich 2 Petr überzeugend als kritische Fortschreibung der mit Petrus verbundenen und in ApkPetr überlieferten apokalyptischen Tradition lesen lässt – wobei sich auch der strittige Vorstellungshintergrund der textkritisch schwierigen Stelle 2 Petr 3,10 aufhellt –, während im umgekehrten Fall nichts von den für 2 Petr spezifischen Beiträgen zur Diskussion um die frühchristliche Eschatologie in ApkPetr Eingang gefunden hätte. (5) Schließlich kann die Annahme der Priorität des 2 Petr nicht erklären, warum sich unter den Stellen aus 2 Petr, die in ApkPetr deutliche Parallelen besitzen, keine einzige (!) befindet, die 2 Petr aus Jud übernommen hat. Dieser angesichts des Umfangs der Jud-Rezeption des 2 Petr und der Gesamtgröße des 2 Petr (rund 1/3 des 2 Petr stammt aus Jud) äußerst auffällige Umstand erklärt sich aber leicht, wenn man annimmt, ApkPetr gehöre wie Jud zu den Quellen des 2 Petr. Nimmt man diese Beobachtungen zusammen, so ergibt sich auch angesichts der Problematik bzgl. der Textüberlieferung und so mancher Schwierigkeit im Detail ein klares Votum für die literarische Abhängigkeit des 2 Petr von der ApkPetr 223. Diese Sicht der literargeschichtlichen Verhältnisse vermag nicht nur alle Einzelelemente der Nähe zwischen ApkPetr und 2 Petr kohärent zu deuten, sondern auch einen Beitrag zum besseren Verständnis des 2 Petr zu leisten, da sie erklären kann, warum 2 Petr gerade mithilfe der Petrusfigur seine ihm gestellte theologische (in besonderem eschatologische) Herausforderung diskutiert und wie 2 Petr die ihm vorgegebene apokalyptisch-petrinische Tradition kritisch fortentwickelt. Für die Frage nach dem historischen Ort des 2 Petr ergeben sich aus diesem Befund mindestens drei wichtige Folgerungen: (1) Die ApkPetr bietet nicht, wie in der gegenwärtigen Forschung weithin angenommen, einen terminus ad quem für den 2 Petr, sondern vielmehr 223 Die Liste der hier angeführten Argumente für die Priorität der ApkPetr erhebt nur den Anspruch auf Signifikanz, nicht aber auf Vollständigkeit. Verwiesen sei in diesem Sinne noch auf zwei Elemente, die für die Bestimmung des historischen Ortes des 2 Petr wohl nicht ganz unwichtig sind. Zum einen fällt das völlige Fehlen des für 2 Petr so zentralen Konzepts der γνῶσις (vgl. unten 4.2.4) in ApkPetr auf, zum anderen die deutlich unterschiedliche Haltung zu Paulus: Während Paulus in der ApkPetr in einer Weise abwesend ist (Bauckham, Jewish Christian Apocalypse, 103: „The Apocalypse of Peter ignores Paul and evidently knows nothing of the Pauline literature: this should probably be interpreted as the attitude of a group which was remote from contact with Pauline Christianity…“), die mit einer Rezeption (gerade!) des 2 Petr nur schwer in Einklang zu bringen ist, passt die Spannung zwischen eher geringem Einfluss paulinischer Theologie und expliziter Nennung paulinischer Briefe (vgl. dazu 1.3.4) gut zu einer christlichen Tradition, die mit Paulus nicht von ihren historischen Anfängen her vertraut ist.
2.2 Die Apokalypse des Petrus
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einen terminus a quo. Folgt man R. Bauckhams Einordnung der ApkPetr, so läge dieser zur Zeit der Bar-Kochba-Revolte, also ca. 133–135 n.Chr. Wie oben gezeigt, häuft sich gegenwärtig aber Kritik an Bauckhams These, in deren Folge sich möglicherweise eine Entstehung der ApkPetr zur Zeit der Diaspora-Revolte unter Trajan (ca. 115–117 n.Chr.) als plausiblere Datierung abzeichnen könnte. Wie auch immer, die ApkPetr darf als Text des zweiten Jahrhunderts, näher hin wohl des ersten Drittels dieses Jahrhunderts gelten. Da die Bedeutung der ApkPetr, die sich in der Rezeption durch 2 Petr ausdrückt, eine gewisse Wirkungsgeschichte voraussetzt 224, wird man mit einer Abfassung des 2 Petr auch im Falle einer Frühdatierung der ApkPetr nicht vor 140 n.Chr. rechnen dürfen. (2) Ebenso ist die Benutzung der ApkPetr bei der Frage nach dem Entstehungsort des 2 Petr zu berücksichtigen. Des Öfteren wurde in der Forschungsgeschichte aufgrund der möglicherweise ägyptischen Herkunft der ApkPetr auf eine ebensolche Lokalisierung des 2 Petr geschlossen. Doch ist dieses Argument allein nicht durchschlagend, da ApkPetr im zweiten Jahrhundert auch außerhalb Ägyptens rezipiert wurde, wie zumindest das Muratorische Fragment deutlich zeigt. In jedem Fall wird man die Entstehung des 2 Petr in einem Umfeld vermuten müssen, in dem der ApkPetr ein hoher Status zukam. (3) Einer der rätselhaftesten Züge des von 2 Petr kunstvoll entworfenen Petrusbildes besteht in der Spannung zwischen der Nicht-Imitation des 1 Petr und dessen Erwähnung in 2 Petr 3,1, wie bereits oben in der Einleitung dargelegt wurde. Berücksichtigt man die Verwendung der ApkPetr durch 2 Petr, erscheint die skizzierte Diskussion um den Rückgriff auf 1 Petr in 2 Petr in einer neuen, komplexeren Perspektive: 2 Petr greift nicht nur auf einen petrinischen Text zurück (1 Petr), sondern auch auf (mindestens) einen zweiten (ApkPetr), wobei der eine explizit genannt wird, der andere aber dafür deutlichere Spuren in Petrusbild und Theologie des 2 Petr hinterlassen hat. Wenn der Petrus des 2 Petr als re-used figure beschrieben werden soll 225, dann ist dabei nicht nur auf 1 Petr, sondern vielmehr noch auf ApkPetr zu achten. Anders gewendet: „Petrus der Visionär“ (ApkPetr) entwickelt sich unter Integration von „Petrus dem Briefschreiber“ (1 Petr; vgl. 2 Petr 1,1f; 3,1) zu „Petrus dem Lehrer der Gnosis“ (2 Petr) weiter. Was bedeutet dies für die Charakteristik der Pseudepigraphie in 2 Petr? Wenn es stimmt, dass das Petrusbild des 2 Petr aus ApkPetr gespeist wird, dann wäre zwar die in Schmidts Prosopopoiie-These fehlende imitatio 224 Dies gilt in verstärktem Maße, wenn die eschatologische Konzeption des 2 Petr tatsächlich eine kritische Fortführung der in die Krise geratenen Petrus-Tradition von ApkPetr (E 14; R) sein sollte. 225 Vgl. die anregenden Überlegungen dazu bei Ruf, Petrus-Code, passim.
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Kapitel 2: Petrus Apocryphus
doch gegeben, jedoch in einer Form, die der Verwendung von 2 Petr 3,1 als Hinweis auf eine transparent fiction widerspräche, da sie die diese Deutung der Stelle ermöglichende singuläre Anbindung des 2 Petr an 1 Petr unterliefe. Kurz: Die Differenz zum 1 Petr lässt sich nicht im Verbund mit 2 Petr 3,1 gegen eine mögliche Täuschungsabsicht seitens des Verfassers in Anschlag bringen, wenn 2 Petr (zum Teil) einen anderen Petrustext imitiert. Für die Frage nach dem historischen Ort des 2 Petr sind diese neuen Züge seines Petrusbildes deshalb wichtig, weil sie verdeutlichen, wie sehr es 2 Petr um die Verbindung durchaus unterschiedlicher Petrustraditionen geht. Formal scheint dabei der Rückgriff auf die mit Petrus verbundene epistolographische Tradition von besonderer Bedeutung zu sein, wie neben der Reflexion auf den Akt des Briefschreibens in 2 Petr 3,1 (vgl. 2 Petr 1,12–15) auch 2 Petr 1,2 (vgl. 1 Petr 1,2) zeigt. Im Übrigen wird auch Paulus in 2 Petr 3,15f vor allem als Briefschreiber gekennzeichnet, so dass das Apostelbild des 2 Petr insgesamt sehr stark über Texte definiert wird. Thematisch knüpft 2 Petr aber stärker an die Verbindung von Petrustradition und Eschaton an, wie sie die ApkPetr bietet. Diese Linie führt der Verfasser des 2 Petr weiter, schreibt dazu aber keine Apokalypse (vgl. ApcPetr [NHC VII,3]), sondern einen bereits autoritative Muster (1 Petr, Paulus, Jud) aufgreifenden apostolischen Brief testamentarischen Charakters.
2.3 Das Evangelium des Petrus 2.3 Das Evangelium des Petrus
Das wohl aus dem zweiten Jahrhundert stammende Petrusevangelium (EvPetr) 226, dessen Existenz durch mehrere frühchristliche Texte bezeugt wird 227, wurde leider nicht vollständig überliefert. Mögliche Fragmente des 226 Vgl. dazu jetzt vor allem die umfassenden Kommentare von Foster, P., The Gospel of Peter. Introduction, Critical Edition and Commentary (TENT 4), Leiden/Boston: Brill 2010, und Nicklas, T., Das Evangelium nach Petrus (Kommentare zur apokryphen Literatur), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht (im Erscheinen). Die relevanten griechischen Textzeugen sind editiert bei Kraus/Nicklas, Petrusevangelium und Petrusapokalypse, 25–68; diese Edition liegt auch den folgenden Ausführungen zugrunde. Vgl. auch Vinzent, M./Nicklas, T., Das Petrusevangelium, in: Markschies, C./Schröter, J. (Hg.) in Verbindung mit Andreas Heiser, 7. Auflage der von Edgar Hennecke begründeten und von Wilhelm Schneemelcher fortgeführten Sammlung der neutestamentlichen Apocryphen, I. Band Evangelien und Verwandtes, Teilband 1, Tübingen: Mohr Siebeck 2012, 683–695. 227 Von diesen frühchristlichen Zeugnissen ist natürlich das bekannteste die Auseinandersetzung des Serapion von Antiochien mit der (gottesdienstlichen) Verlesung des EvPetr in Rhossos, die bei Eusebius, h.e. VI,12,1–6, überliefert wird. Zum Text und sei-
2.3 Das Evangelium des Petrus
145
EvPetr lassen sich mit unterschiedlicher Sicherheit identifizieren und einander zu ordnen 228. Am wichtigsten ist dabei das Fragment eines petrinischen Textes, das sich im Akhmîm-Codex (P.Cair. 10759) vor einem der ApkPetr zugeschriebenen Textabschnitt findet. Trotz der verbreiteten Identifikation dieses Textes mit dem unter anderem bei Serapion von Antiochien (vgl. Eusebius, h.e., VI,12,1–6) bezeugten EvPetr ist doch nie zu vergessen, dass eine solche Gleichsetzung wenigstens zurzeit Hypothese bleiben muss 229 und überdies die genaue textgeschichtliche Stellung des aus dem sechsten oder siebenten Jahrhundert stammenden AkhmîmFragments nicht verlässlich zu überprüfen ist 230. Fraglich ist auch, ob im Akhmîm-Codex zwei unterschiedliche petrinische Texte fragmentarisch erhalten geblieben sind, wie dies meist vorausgesetzt wird, oder ob zwei Fragmente ein und desselben, aus unterschiedlichen Texttraditionen zusammengewachsenen Textes vorliegen 231. Da der der ApkPetr zugerechnete Abschnitt aus dem Akhmîm-Codex bereits oben im Abschnitt zur ner Deutung vgl. Kraus/Nicklas, Petrusevangelium und Petrusapokalypse, 12–16, dort (vgl. ebd., 11–23) findet sich auch eine Erörterung weiterer möglicher antiker Zeugen des EvPetr. 228 Die intensive, vor allem durch Arbeiten von Dieter Lührmann angeregte Debatte ist hier nicht zu rekapitulieren (vgl. die forschungsbiographische Darstellung bei Lührmann, D., Die Überlieferung des apokryph gewordenen Petrusevangeliums, in: Kraus, T. J./Nicklas, T. [Hg.], Das Evangelium nach Petrus. Texte, Kontexte, Intertexte [TU 158], Berlin/New York: De Gruyter 2007, 31–51). Einen konzisen Überblick bietet Foster, P., Are there any Early Fragments of the So-Called Gospel of Peter?, in: NTS 52 (2006), 1–28. 229 So mit Nachdruck Nicklas, T., Das Petrusevangelium im Rahmen antiker Jesustraditionen, in: Frey, J./Schröter, J., unter Mitarbeit von Jakob Spaeth (Hg.), Jesus in apokryphen Evangelienüberlieferungen. Beiträge zu außerkanonischen Jesusüberlieferungen aus verschiedenen Sprach- und Kulturtraditionen (WUNT 254), Tübingen: Mohr Siebeck 2010, 223–252, hier: 224. 230 Gerade wenn P. Oxy. 2949, wie Lührmann, D., POx 2949. EvPt 3–5 in einer Handschrift des 2./3. Jahrhunderts, in: ZNW 72 (1981), 216–226, wahrscheinlich gemacht hat (vgl. Kraus/Nicklas, Das Petrusevangelium und die Petrusapokalypse, 55–58; skeptisch zu Lührmanns Vorschlag hingegen Foster, Early Fragments, 12: „Perhaps others would feel more caution should be exhibited, rather than concluding that P.Oxy. 2949 is a fragment of the same text discovered at Akhmîm.“; vgl. auch die Kontroverse zwischen Wayment, T. A., A Reexamination of the Text of P.Oxy. 2949, in: JBL 128 [2009], 375–382, und Foster, P., P.Oxy. 2949. Its Transcription and Significance. A Response to Thomas Wayment, in: JBL 129 [2010], 173–176) ein aus dem zweiten Jahrhundert stammender Textzeuge des EvPetr oder einer mit diesem eng verwandten Tradition sein sollte, wäre der Akhmîm-Text des EvPetr wohl als überarbeitete und veränderte Form des EvPetr zu begreifen, vgl. Nicklas, Jesustraditionen, 224f. 231 Vgl. dazu vor allem Nicklas, Zwei petrinische Apokryphen, passim (mit Diskussion der älteren Forschung zu dieser Frage), ders., Righteous Brethren, 346, und nun ders., Jesustraditionen, 225f.
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Kapitel 2: Petrus Apocryphus
ApkPetr thematisiert wurde, ist im Folgenden vor allem der erste PetrusText aus Akhmîm im Blick 232. Bezüglich einer möglichen Verbindung zwischen dem solcherart gefassten EvPetr und 2 Petr ist klarer Konsens der aktuellen Forschung: „EvPetr und 2Petr haben weder sprachliche noch inhaltliche Berührungspunkte“ 233. Als Gemeinsamkeiten könnten die von Petrus in beiden Texten eingenommene Erzählperspektive der ersten Person Singular (vgl. EvPetr XIV,60; 2 Petr 1,1; 3,1) 234, die aber z.B. auch in ApkPetr 2,2 und (indirekt) in KerPetr 6 begegnet, sowie die Betonung der Augenzeugenschaft (vgl. EvPetr VII,26f; 2 Petr 1,16–18) 235 benannt werden, doch bestehen darin gewiss keine signifikanten Parallelen. Aus diesem Negativbefund lassen sich leider auch keine verwertbaren Hinweise zur Einordnung des 2 Petr gewinnen 236. Um nur eine mögliche 232 Damit wird der methodischen Forderung von Nicklas, Jesustraditionen, 226, entsprochen: „Wenn vom Petrusevangelium gesprochen wird, sollte zudem ganz klar gemacht werden, welcher konkrete Text bzw. Textzeuge im Mittelpunkt der Auslegung steht.“ Es sei auch festgehalten, dass es keine Anzeichen dafür gibt, dass die bei Foster, Early Fragments, passim, und Kraus/Nicklas, Petrusevangelium und Petrusapokalypse, 55–68, als mögliche EvPetr-Fragmente diskutierten Texte relevante Berührungen mit 2 Petr aufweisen. 233 Kraus, Stil, 388. So auch Foster, Gospel of Peter, 91 („no demonstrable awareness of the canonical Petrine epistles“), Schmidt, Maskenspiel, 411f, Smith, Petrine Controversies, 42 („no significant resemblances“), sowie bereits Harnack, Geschichte II/1, 474. Vgl. in diesem Sinne auch Grappe, Images de Pierre, 138–150, und Schmidt, Peter Writings, 198–200. Bezeichnenderweise wird diese Frage bei Bauckham, 2 PeterAccount, passim, und Gilmour, Parallels, 81–121, erst gar nicht besprochen. Auch die umfassende intertextuelle Studie von Martin Ruf vermerkt keine Berührungen zwischen beiden Texten (vgl. Ruf, Die heiligen Propheten, 594f). 234 Vgl. Kraus, Sprache, 388 Anm. 85. 235 Vgl. Mara, M. G., Évangile de Pierre. Introduction, text critique, traduction, commentaire, et index (SC 201), Paris: Cerf 1973, 154f. Gänzlich spekulativ ist die Verknüpfung, die Koester, H., Gospels and Gospel Traditions in the Second Century, in: Gregory, A. F./Tuckett, C. M. (Hg.), Trajectories through the New Testament and the Apostolic Fathers, Oxford u. a.: Oxford University Press 2005, 27–44, hier: 34f, für möglich hält: „If it is correct that this fragment [sc. P. Oxy. 4009, Anm. Grünstäudl] indeed belongs to the Gospel of Peter, it is evident that this gospel also contained sayings of Jesus, not just a passion narrative. Should one also consider the story of the transfiguration reported by the ‚eye-witness‘ Peter in 2 Pet 1. 16–18 as possibly derived from this gospel? In that case, the Gospel of Peter would have been a gospel writing with narratives and sayings, resembling the synoptic gospels of the New Testament canon.“ Zur Gestalt der Verklärungsszene in 2 Petr 1,16–18 und ihrer Nähe zu Mt bzw. ApkPetr vgl. oben den Abschnitt zu ApkPetr (2.2). 236 Falls die Vermutung zutrifft, dass in den Akhmîm-Text der ApkPetr Anklänge an 2 Petr sekundär eingedrungen sind (vgl. dazu 2.2), könnte die fehlende Berührung zwischen 2 Petr und dem Akhmîm-Text des EvPetr ein Indiz dafür sein, dass beide AkhmîmFragmente nicht ein und derselben Texttradition entstammen. Allerdings ist eine entspre-
2.4 Die Akten des Petrus
147
Erwägung zu nennen: Auch wenn EvPetr aus Syrien stammen sollte 237, wird man daraus schon aufgrund des geringen Umfangs beider Texte sicherlich nicht folgern dürfen, die fehlende Verwandtschaft zwischen beiden petrinischen Pseudepigrapha mache eine Herkunft des 2 Petr aus diesem Raum unwahrscheinlich. Somit verdeutlicht der Vergleich von 2 Petr und EvPetr zwar die Vielfalt der im zweiten Jahrhundert entwickelten bzw. tradierten Petrus-Bilder, verhilft aber nicht zu einer Näherbestimmung des historischen und theologischen Ortes des 2 Petr.
2.4 Die Akten des Petrus 2.4 Die Akten des Petrus
Die Gewissheit, mit der in der neueren Forschungsliteratur zu 2 Petr mitunter eine Rezeption dieses Briefes durch die nach klassischer, zurzeit aber umstrittener Datierung am Ende des zweiten Jahrhunderts entstandenen Akten des Petrus (ActPetr) angenommen wird 238, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die vermuteten Anklänge weder besonders zahlreich noch eindeutig sind. Überdies verdeutlichte die jüngere Forschung an den ActPetr wieder verstärkt die komplexe und problematische Überlieferungsgestalt der ActPetr, die jede intertextuelle bzw. traditionsgeschichtliche Spurensuche in und an diesem Text vor große Herausforderungen stellt 239. Gleichwohl ist eine Untersuchung der vorgeschlagenen Berühchende Angleichung der ApkPetr an 2 Petr sehr gut bereits vor deren Verschmelzung mit EvPetr (im Rahmen des dem Akhmîm-Text vorausliegenden Traditionsprozesses) vorstellbar. 237 Paul Foster verweist darauf, dass eine Entstehung in Syrien, also in geographischer Nähe zum ersten nachgewiesenen Rezeptionsort (Rhossos) aufgrund der Verbindungen zwischen syrischen und ägyptischen monastischen Kreisen eventuell auch durch Akhmîm als zweiten „Fundort“ gestützt werden könnte, schließt aber sehr vorsichtig: „Such speculations go beyond what is suggested by the available evidence, but they do offer a plausible possibility, even if it remains ultimately unprovable“ (Foster, Gospel of Peter, 174). 238 Bauckham, Jude, 2 Peter, 162 (vgl. 148f), sieht in den ActPetr einen sicheren Zeugen für die Existenz des 2 Petr (vgl. auch Bauckham, 2 Peter-Account, 3741 mit Anm. 252). Aufgegriffen wird diese These etwa bei Kraus, Sprache, 387 Anm. 79, Kraus, Griechische Petrus-Apokalypse, 75 mit Anm. 9, und Vögtle, Der zweite Petrusbrief, 169 mit Anm. 21. Vgl. auch Ruf, Die heiligen Propheten, 121f, und Schmidt, Maskenspiel, 416 („Immerhin kennt der Autor der Akten anscheinend den 2 Petr…“). Die „Taten des Petrus und der Zwölf“ (NHC VI,1) scheinen hingegen – aus gutem Grund – nicht in den Verdacht einer Rezeption des 2 Petr geraten zu sein. 239 Mit spürbarer Abneigung formuliert Bockmuehl, The Remembered Peter, 199: „Critical problems abound in any serious discussion of this puzzling, not to say infuriating, document that mixes an ounce or less of collective memory with many a pound of wild fancy.“
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Kapitel 2: Petrus Apocryphus
rungspunkte zwischen ActPetr und 2 Petr nicht nur im Blick auf einen möglichen terminus ad quem für 2 Petr notwendig, sondern auch hinsichtlich möglicher Verbindungslinien zwischen zwei petrinischen Pseudepigrapha von Belang. 2.4.1 Probleme der Überlieferungsgeschichte und der Datierung Der zentrale Textzeuge für die ActPetr, deren Existenz erstmals Eusebius (vgl. h.e. III,1) explizit erwähnt, ist eine weitgehend vollständige 240 lateinische Version 241, die aus dem Spanien (oder Nordafrika) 242 des vierten Jahrhunderts 243 stammen dürfte und nur in einer einzigen Handschrift, dem Codex Vercellensis (Vercelli, Biblioteca Capitolare 185) 244 aus dem sechsten oder siebenten Jahrhundert, erhalten ist. Diese Actus Vercellenses (ActVerc) schildern vor allem die Auseinandersetzung zwischen Petrus und Simon dem Magier (vgl. Apg 8,9–13) 245, 240 Im Manuskript fehlt ein Blatt, so dass der Textbereich ActPetr 1–34; 37–41 erhalten ist (vgl. Schneemelcher, W., Petrusakten, in: NTApo II ( 51989), 243–289, hier: 250. 241 Ob der Begriff „Übersetzung“ (vgl. Thomas, C. M., The Acts of Peter, Gospel Literature, and the Ancient Novel. Rewriting the Past, Oxford/New York: Oxford University Press 2003, 28f) hier angebracht ist, wurde vor allem von Baldwin, M. C., Whose Acts of Peter? Text and Historical Context of the Actus Vercellenses (WUNT II/196), Tübingen: Mohr Siebeck 2005, besonders: 299–301, stark in Frage gestellt. Zu Baldwins Monographie vgl. die Rezension von Thomas J. Kraus in RBL 12 (2006), die unter http://www.bookreviews.org/pdf/5188_5463.pdf [30. 05. 2012] abrufbar ist. 242 Vgl. Poupon, G., L’origine africaine des Actus Vercellenses, in: Bremmer, J. N. (Hg.), The Apocryphal Acts of Peter. Magic, Miracles and Gnosticism (Studies on the Apocryphal Acts of the Apostles 3), Löwen: Peeters 1998, 192–199. Baldwin, Acts of Peter, 189–193, zieht zwar die Argumente von Gérard Poupon in Zweifel, kommt aber insgesamt ebenfalls zu diesem Schluss, da „all the other evidence seems to converge towards a Spanish point of origin for the Actus Vercellenses“ (ebd., 193). 243 Bremmer, J. N., Aspects of the Acts of Peter. Women, Magic, Place and Date, in: ders. (Hg.), The Apocryphal Acts of Peter. Magic, Miracles and Gnosticism (Studies on the Apocryphal Acts of the Apostles 3), Leuven: Peeters 1998, 1–20, hier: 19, legt aufgrund der Darstellung der curiosi in ActPetr 11 den terminus a quo für die lateinische Übersetzung auf 359 n.Chr. fest, da jene erst ab diesem Zeitpunkt direkt dem Kaiser berichtet hätten. Zustimmend Thomas, Acts of Peter, 28, und Baldwin, Acts of Peter, 189, der aber auch eine Entstehung der lateinischen Übersetzung erst im fünften Jahrhundert für möglich hält (möglicher Vulgata-Einfluss: vgl. ebd., 188). 244 Zu Inhalt und Beschaffenheit des Codex vgl. Baldwin, Acts of Peter, 134–174. 245 Die ActVerc, die im Codex Vercellensis auch direkt auf einen Text der pseudoclementinischen Rekognitionen folgen, erinnern damit deutlich an die pseudoclementinische Literatur; vgl. Baldwin, M. C., The Acts of Peter and the PseudoClementines. ‚Connections Beyond Self-Evidence‘, in: Amsler, F., u.a. (Hg.), Nouvelles intrigues pseudo-clémentines. Plots in the Pseudo-Clementine Romance. Actes du deuxième colloque international sur la littérature apocryphe chrétienne. Lausanne – Genève, 30 août – 2 septembre 2006 (PIRSB 6), Paris: Zèbre 2008, 69–78, und Grappe, Images de Pierre, 41f mit Anm. 53.
2.4 Die Akten des Petrus
149
die mit allen natürlichen und übernatürlichen Mitteln ausgetragen wird, in einem großen showdown vor den Augen der römischen Bevölkerung gipfelt und mit einem Triumph des Petrus endet. Der Schlussteil (ActPetr 30– 41) erzählt vom Lebensende des Petrus unter Einschluss so berühmter Elemente wie der Quo-vadis-Szene und der Kreuzigung Petri mit dem Kopf nach unten 246. Dieser Schlussabschnitt der ActPetr ist als Martyrium des Petrus (MartPetr) auch unabhängig überliefert und neben verschiedenen Übersetzungen in drei griechischen Handschriften des 9.–11. Jahrhunderts bezeugt 247. Ob aufgrund der Stichometrie des Nikephoros und einiger Rückverweise im Text anzunehmen ist, dass in den ActVerc gegenüber den ursprünglichen ActPetr das erste, in Judäa verortete Drittel verloren ging, wie bereits Theodor Zahn vermutete 248, kann ebenso wenig als sicher gelten 249 wie die Zuordnung der als vierter Text des P. Berol. 8502 erhaltenen Erzählungen von der demonstrativen Nicht-Heilung der Tochter des Petrus durch ihren Vater („Tat des Petrus“) und der im sogenannten Pseudo-Titusbrief enthaltenen Episode von Petrus und der Tochter eines Gärtners 250. Somit gilt: „Die Suche nach dem Textbestand der alten ActPetr kommt … nicht wesentlich über das hinaus, was in den Actus Vercellenses enthalten ist.“ 251 Aufgrund dieser Textbasis sind auch für die Fragen nach Entstehungszeit und -ort der „ursprünglichen“ ActPetr nur mit großer Vorsicht Vorschläge zu machen 252. Die alte und weitverbreitete These von Carl 246 247
Vgl. auch Bauckham, Martyrdom, 279–280. Vgl. Schneemelcher, Petrusakten, 250. Von den drei griechischen Handschriften konnte jene aus dem makedonischen Ochrid erst jüngst durch Zwierlein, Petrus in Rom, 404–449, unter Beigabe einer deutschen Übersetzung ediert werden (Fotos der Handschrift vgl. ebd., Tafel 3f). Als griechische Textzeugen der ActPetr sind des Weiteren P. Oxy. 849 und einige (Rede-)„Zitate“ in der Vita Abercii (4. Jhdt.) zu nennen. Das Verhältnis der griechischen Textzeugen zum lateinischen Text analysiert detailliert Baldwin, Acts of Peter, 194–301, der sehr stark die Veränderungen am Text im Zuge des Übersetzungsprozesses betont (vgl. ebd., 300f). 248 Vgl. Zahn, Geschichte II/2, 841–844 Anm. 3. 249 Eine vernichtende Kritik dieser etwa bei Schneemelcher, Petrusakten, 250, und Thomas, Acts of Peter, 17, übernommenen Hypothese bietet Baldwin, Acts of Peter, 112– 119. 250 Vgl. Klauck, H.-J., Apokryphe Apostelakten. Eine Einführung, Stuttgart: Katholisches Bibelwerk 2005, 117–119. 251 Klauck, Apostelakten, 122. Ein mögliches neues Fragment der ActPetr (aus einem Codex des 11./12. Jhdts.) stellen Bovon, F./Bouvier, B., Un fragment grec inédit des Actes de Pierre?, in: Apocrypha 17 (2006), 9–54 (36–46: Text, französische Übersetzung und kritischer Apparat), vor. 252 Eine konzise und hilfreiche Orientierung bietet Spittler, J. E., Animals in the Apocryphal Acts of the Apostles. The Wild Kingdom of Early Christian Literature (WUNT II/247), Tübingen: Mohr Siebeck 2008, 126–130.
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Kapitel 2: Petrus Apocryphus
Schmidt 253, die von Tertullian, bapt. 17 um 200 n.Chr. erwähnten Akten des Paulus (ActPaul) seien von den ActPetr abhängig und diese deshalb auf etwa 180 n.Chr. zu datieren, kann so nicht mehr als haltbar gelten. Zwar scheint es ein literarisches Verhältnis zwischen beiden Apostelakten zu geben, doch ist nicht nur die Rezeptionsrichtung umstritten 254, vielmehr sind auch jene Textabschnitte der ActPetr, die mit den ActPaul enge Berührungen aufweisen (v.a. ActPetr 1–3; 41) möglicherweise als sekundäre Anfügungen anzusprechen 255, weshalb die chronologische Relation von ActPaul und ActPetr zurzeit nicht überzeugend zu klären zu sein scheint 256. Da aber auch das Zeugnis des Origenes zum Martyrium des Petrus (apud Eusebius, h.e. III,1,2), der vielleicht bereits aus dem dritten Jahrhundert stammende P. Oxy. 849 257, das Verhältnis zu den Johannesakten (ActJoh) 258 sowie theologiegeschichtliche Überlegungen 259 keine exakte
253
155.
Vgl. Schmidt, C., Zur Datierung der alten Petrusakten, in: ZNW 29 (1930), 150–
254 Vor allem MacDonald, D. R., The Acts of Paul and The Acts of Peter. Which Came First?, in: Lovering E. H. (Hg.), SBL 1992 Seminar Papers (SBL Seminar Paper Series 31), Atlanta: Scholars Press 1993, 214–224, plädierte mit Nachdruck für eine Priorität der ActPaul gegenüberden ActPetr; vgl. die (zum Teil überzogene) Kritik seiner These durch Stoops, R. F. Jr., Peter, Paul, and Priority in the Apocryphal Acts, in: Lovering E. H. (Hg.), SBL 1992 Seminar Papers (SBL.SP 31), Atlanta: Scholars Press 1993, 225–233. 255 So im Anschluss an Harnack, A., Die Pfaff’schen Irenäus-Fragmente als Fälschungen Pfaffs nachgewiesen. Miscellen zu den Apostolischen Vätern, den Acta Pauli, Apelles, dem Muratorischen Fragment, den pseudocyprianischen Schriften und Claudianus Marmertus (TU 20), Leipzig: J. C. Hinrichs’sche Buchhandlung 1901, 102– 106, und Les Actes de Pierre. Introduction, textes, traduction et commentaires par Léon Vouaux (Les Apocryphes du Nouveau Testament), Paris: Letouzey & Ané 1922, 27–33, vor allem Poupon, G., Les „Actes de Pierre“ et leur remaniement, in: ANRW II,25,6, 4363–4383. Vgl. auch Thomas, Acts of Peter, 21–29. 256 So Rordorf, W., The Relation between the Acts of Peter and the Acts of Paul. State of the Question, in: Bremmer, Jan N. (Hg.), The Apocryphal Acts of Peter. Magic, Miracles and Gnosticism (Studies on the Apocryphal Acts of the Apostles 3), Löwen: Peeters 1998, 178–191, hier: 191: „Thus, we cannot draw a conclusion from the comparison of the documents about the dating of either the AP or the APt. Everything remains within the realm of possibilities. To shed a light on these problems, we will need to resort to other kinds of criteria.“ Zustimmend auch Norelli, E., Sur les Actes de Pierre. À propos d’un livre récent, in Apocrypha 11 (2000), 227–258, hier: 254f. Die nötige Zurückhaltung wird aber nicht immer geübt; so sieht etwa Thomas, Acts of Peter, 28, in der Bezeugung der ActPaul durch Tertullian nach wie vor „a solid terminus ad quem“ für die griechische Fassung der ActPetr. 257 Klauck, Apostelakten, 95, schließt daraus: „Ich denke, dass wir damit doch auf ca. 250 als spätesten Termin für die Abfassung der ActPetr hinab gehen dürfen.“ 258 Vgl. dazu etwa Lallemann, P. J., The Relation Between the Acts of John and the Acts of Peter, in: Bremmer, J. N. (Hg.), The Apocryphal Acts of Peter. Magic, Miracles
2.4 Die Akten des Petrus
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zeitliche Einordnung der ActPetr erlauben, wird man nur festhalten können, dass die Wurzeln der ActPetr, wie sie in den Actus Vercellenses aus dem vierten Jahrhundert vorliegen, in das späte zweite bzw. frühe dritte Jahrhundert zurückreichen. Es muss auf diesem Hintergrund nicht verwundern, wenn auch für die Herkunft der „ursprünglichen“ ActPetr „die unterschiedlichsten Vorschläge“ 260 entwickelt wurden. Entsprechend soll diese Frage hier offen bleiben, wenngleich zurzeit gute Argumente für eine Verortung in Asia Minor vorzuliegen scheinen 261. 2.4.2 Mögliche Verbindungslinien zwischen ActPetr und 2 Petr Bereits die problematische Überlieferungsgestalt der ActPetr sollte eine deutliche Warnung sein, die ActPetr mit großem Optimismus zur historischen und theologischen Einordnung des 2 Petr heranzuziehen. Festzuhalten ist auch, dass Christine M. Thomas in ihrer Untersuchung von Verbindungen der ActPetr zu Schriften des späteren Neuen Testaments 2 Petr gar nicht erwähnt 262 und auch in ihrer Monographie zu den ActPetr diesbezüglich sehr zurückhaltend bleibt 263. Dennoch sind zwei Stellen in den ActPetr, die gewisse Berührungen zu 2 Petr aufweisen, hier kurz zu besprechen: Die Erzählung vom sprechenden Hund (ActPetr 9.11f) und die Schilderung der Verklärung (ActPetr 20) 264. 2.4.2.1 Ein stummes Tier (ActPetr 12; 2 Petr 2,16) Nach seiner Ankunft in Rom wird Petrus gebeten, gegen Simon vorzugehen, der eine Vielzahl der römischen Christinnen und Christen zum Abfall and Gnosticism (Studies on the Apocryphal Acts of the Apostles 3), Löwen: Peeters 1998, 161–177. 259 Etwa zur Problematik der lapsi, die in der Darstellung des Marcellus in den ActPetr anzuklingen scheint, vgl. Poupon, Actes de Pierre, 4379. 260 Klauck, Apostelakten, 96. 261 Vgl. Bremmer, Aspects, 14–16, Thomas, Acts of Peter, 27f. 262 Vgl. Thomas, C. M., Canon and Antitype. The Relationship Between the Acts of Peter and the New Testament, in: Stoops, R. F. Jr. (Hg.), The Apocryphal Acts of the Apostles in Intertextual Perspectives (Semeia 80), Atlanta: Scholars Press 1997, 185– 205. 263 Vgl. Thomas, Acts of Peter, 32–37 („The New Testament“). Im Anhang erwähnt Thomas dann zu ActPetr 12 doch 2 Petr 2,16 (vgl. ebd., 110, mit der Einschränkung: „but this is a reference to Balaam’s donkey in Numbers 22. It is possible that 2 Peter is here referring to the narratives in the Acts of Peter texts“) und 2 Petr 1,16–18 zu ActPetr 20 (vgl. ebd., 111, mit der Notiz: „holy mountain, majesty; although the direction of dependence is again a question in this case“). 264 Für eine hilfreiche Diskussion beider Stellen sei Prof. Dr. Janet E. Spittler an dieser Stelle herzlich gedankt.
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Kapitel 2: Petrus Apocryphus
vom wahren Glauben bewogen hat (vgl. ActPetr 8). Petrus begibt sich daraufhin zum Haus des Senators Marcellus, der ehedem ein besonders vorbildlicher Christ und Wohltäter war, nun aber sogar Simon selbst beherbergt. Als der Türhüter im Auftrag des Simon versucht, Petrus abzuweisen, bindet der Apostel einen dort angeketteten Hund los und schickt diesen, der sofort menschliche Stimme annimmt, zu Simon hinein um den Magier herauszuholen (vgl. ActPetr 9). Die Botschaft aus dem Mund des Hundes macht Simon zunächst perplex, bewegt aber Marcellus, wieder zum Glauben zurückzukehren und Petrus um Verzeihung zu bitten (vgl. ActPetr 10). Schließlich bittet Simon den Hund – ähnlich wie zuvor seinen Türhüter – Petrus zu sagen, er, Simon, sei nicht im Haus. Er erntet dafür eine heftige Verfluchung aus dem Mund des Hundes, der bei seiner Rückkehr zu Petrus – wie ein Hirtenhund die vom Wolf zerstreute Schafherde (vgl. ActPetr 8) – die im Haus des Marcellus versammelte Menge mit sich führt (vgl. ActPetr 12). Nach einer kurzen prophetischen Ansprache an Petrus bricht der Hund schließlich tot vor Petrus zusammen. Wie Janet Spittler in ihrer detailreichen Analyse gezeigt hat, ist dieser Abschnitt der ActPetr nicht nur voller ironischer Unter- und Zwischentöne, sondern besitzt auch eine reichhaltige theologische Agenda, die besonders auffällig durch die Frage nach dem Umgang mit vom Glauben abgefallenen Christinnen und Christen geprägt ist 265. Für das Verhältnis der ActPetr zu 2 Petr ist nun besonders die Verfluchung des Simon durch den sprechenden Hund von Belang: Inprobissime et impuderate et inimicissime omnium animantium et credentium in Christum Jesum, missum ad te mutum animal et vocem humanam accipiens, ut te argueret et conprobaret planum et deceptorem. (ActPetr 12) 266 Du Gottlosester und Schamloser, du Feind aller Lebewesen und derer, die an Christus Jesus glauben, zu dir ist ein stummes Tier gesandt worden, das menschliche Stimme annahm, um dich als platten Betrüger zu erweisen und zu bestätigen.
In der Selbstbeschreibung des Hundes als „stummes Tier, das menschliche Stimme annahm“ wurde bereits des Öfteren eine Aufnahme der Reminiszenz an Bileams Eselin (vgl. Num 22) in 2 Petr 2,16 erkannt 267. Nun ist 265 266
Vgl. Spittler, Animals, 130–148. Der Text ist übernommen aus Vouaux, Actes de Pierre, 304. 306, die deutsche Übersetzung stammt aus Schneemelcher, Petrusakten, 269f. 267 So bereits Vouaux, Actes de Pierre, 306 Anm. 1: „De telles paroles sont évidemment imitées de II Petr., II,16; et il est certain que l’auteur a connu l’épisode de l’ânesse par cette épître, au moins autant que par Num., XXII.“, sowie Klauck, Apostelakten, 103 („hier wird über 2 Petr 2,16 die Erzählung von Bileams Esel aus Num 22 eingespielt“), und (etwas zurückhaltender) Smith, Petrine Controversies, 55 („the author seems to have utilized traditions from 2 Peter“). Zur Rolle des Bileam in 2 Petr vgl. nun Fornberg, T., Balaam and 2 Peter 2:15. ‚They Have Followed in the Steps of Balaam‘
2.4 Die Akten des Petrus
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aber keineswegs sicher, dass Bileams Eselin die „Stammmutter“ 268 des folgsamen Hundes ist 269, zu weitverbreitet ist der literarische Topos des sprechenden Tieres in der antiken Literatur 270. Zudem ist die Formulierung, die in ActPetr 12 gebraucht wird, dermaßen natürlich, dass zu fragen ist, wie der Sachverhalt denn sonst ausgedrückt werden sollte. Schließlich liegt eine der Pointen der Episode gerade darin, dass ein stummes Tier den verführerischen Redner (und Magier) zum Verstummen bringt 271. Zudem entspricht dem ὑποζύγιον ἄφωνον (2 Petr 2,16) in ActPetr 12 ein „mutum animal“ und kein „subiugale mutum“ wie die Vulgata und die meisten altlateinischen Zeugen in 2 Petr 2,16 übersetzen. Doch ist ein Hund schwerlich als „Lasttier“ zu bezeichnen und immerhin verwendet Rufin von Aquileia in seiner Übersetzung von Origenes, hom. in Num. 18,3, die Wendung „mutum animal humana voce argueret prophetae dementiam“ 272. Schließlich ist noch die Verbindung des Motivs vom sprechenden Tier mit dem Verb „arguere“ zu beachten, welches wiederum bei Rufin zur Wiedergabe von κωλύω in 2 Petr 2,16 verwendet wird 273. Insgesamt muss die Frage nach einer literarischen Berührung zwischen ActPetr und 2 Petr an dieser Stelle offen bleiben: Das sprachliche Kleid, das das verbreitete Motiv vom sprechenden Tier in den ActPetr trägt, weist Berührungen mit 2 Petr 2,16 auf („mutum animal“, „humana vox“, „arguere“), die – unabhängig davon, ob an dieser Stelle auf Bileams Eselin angespielt werden soll – als Rückgriff 274 auf 2 Petr gelesen werden kön(Jude 11), in: Van Kooten, G. H./Van Ruiten, J. H (Hg.), The Prestige of the Pagan Prophet Balaam in Judaism, Early Christianity and Islam (Themes in Biblical Narrative 11), Leiden/Boston: Brill 2008, 265–274. 268 Ficker, G., Petrusakten, in: Hennecke, E. (Hg.), Handbuch zu den neutestamentlichen Apokryphen, Tübingen: Verlag von J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1904, 395–491, hier: 429, der präzisiert: „Da unser Autor auch sonst die Petrusbriefe berücksichtigt, so hat er wohl auch aus 2. Petr. und nicht aus dem A. T. sich das Vorbild für den redenden Hund geholt.“ 269 Im Fall des sprechenden Eselfohlens in den Thomasakten (ActThom 40) ist die Sache klar, da es sich selbst als Nachfahre von Bileams Eselin zu erkennen gibt (vgl. Spittler, Animals, 199–221, sowie Czachesz, Í., Speaking Asses in the Acts of Thomas. An Intertextual and Cognitive Perspective, in: Van Kooten, G. H./Van Ruiten, J. H [Hg.], The Prestige of the Pagan Prophet Balaam in Judaism, Early Christianity and Islam [Themes in Biblical Narrative 11], Leiden/Boston: Brill 2008, 275–285). 270 Vgl. Spittler, Animals, 134–140. 271 Vgl. Spittler, Animals, 146. 272 In Origenes, princ. I,8,4, übersetzt er mit „subiugale mutum in hominum voce respondens arguit prophetae dementiam“. 273 Diesmal sowohl in Origenes, hom. in Num. 18,3 als auch in Origenes, princ. I,8,4; sonst wird „prohibuere“ oder „vetuere“ gebraucht. 274 Wie Thomas, Acts of Peter, 110, zu bedenken gibt, ist natürlich auch nicht völlig auszuschließen, dass 2 Petr auf Traditionen, die der Textform der ActPetr vorausliegen,
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Kapitel 2: Petrus Apocryphus
nen 275, aber nicht zwingend einen solchen darstellen 276. Darüber hinaus ist letztlich kaum zu entscheiden, ob die genannten Berührungen älter sind als der lateinische Text der Actus Vercellenses 277. 2.4.2.2 Am heiligen Berg (ActPetr 20; 2 Petr 1,16–18) Wie ApkPetr und 2 Petr greift auch ActPetr auf die Verklärungsepisode zurück 278, wobei innerhalb des Narrativs nicht nur ein schriftliches Evangelium als Quelle der Erzählung eingeführt wird, sondern Petrus selbst die entsprechende, zuvor verlesene Perikope auslegt: Nunc quod vobis lectum est jam vobis exponam. Dominus noster volens me majestatem suam videre in monte sancto, videns autem luminis splendorem ejus cum filiis Zebedei, cecidi tamquam mortuus et oculos meos conclusi et vocem ejus audivi talem qualem referre non possum, qui me putavi exorbatum ab splendore eius. (ActPetr 20) 279 Jetzt will ich euch erklären, was euch gerade vorgelesen worden ist. Unser Herr wollte mich seine Herrlichkeit auf heiligem Berge sehen lassen; als ich aber mit den Söhnen des Zebedäus den Glanz seines Lichtes sah, fiel ich wie tot nieder und schloß meine Augen
zurückgreift – einen Anhalt am erhaltenen Text der ActPetr gibt es für diese Hypothese aber meiner Einschätzung nach nicht. 275 Im Hinblick auf die Motivik der Szene wäre ein solcher Rückverweis durchaus sinnvoll, da er der Verstärkung des Petrusbildes und der negativen Zeichnung des Simon (als ein „Nachfahre“ des Bileam) dienen würde. 276 Das gilt auch, wenn man mit berücksichtigt, dass der Hund Simon vorwirft, ein Feind der „viae veritatis Christi“ (vgl. 2 Petr 2,2) zu sein, der in „tenebribus exterioribus“ (vgl. 2 Petr 2,4) bestraft werde. Die Rede vom „Weg der Wahrheit“ ist wenig spezifisch (vgl. etwa Grundmann, Der zweite Brief des Petrus, 90) und der Verweis auf die äußere Finsternis liegt deutlich näher bei Mt 8,12; 22,13; 25,30. 277 Für eine solche Annahme könnte sprechen, dass die Ausstattung des stummen Tiers mit einer menschlichen Stimme im Griechischen ein prägnantes Sprachspiel darstellt, das im Lateinischen nicht auftritt (vgl. Spittler, Animals, 146). Ein Hinweis in die andere Richtung wäre eventuell ActPetr 21, wo der griechischen Aufzählung ἀνθρώπους καὶ βόας καὶ τὰ λοιπὰ ζῷα καὶ λίθους καὶ ξύλα in der Vita Abercii 21 (die natürlich keinen „Originaltext“ darstellt) die Reihe „homines et boves et muta animalia et lapides et ligna“ im lateinischen Text entspricht (vgl. Baldwin, Acts of Peter, 229). 278 Vgl. dazu nun Lee, Transfiguration, 107–209, ders., The Transfiguration Remembered, Reinterpreted, and Re-enacted in Acts of Peter 20–21. An Exploration of the Dynamic Relationship between the Scriptures, their Interpretive Traditions, and their Interpreting Community, in: Charlesworth, J. H./McDonald, L. M. (Hg.), Jewish and Christian Scriptures. The Function of „Canonical“ and „Non-Canonical“ Religious Texts (JCTCRS 7), London/New York: T&T Clark 2010, 173–196, sowie Cartlidge, D. R., Transfiguration of Metamorphosis Traditions in the Acts of John, Thomas, and Peter, in: Semeia 38 (1986), 53–66, hier: 62. Es ist besonders schade, dass die im Folgenden relevanten Abschnitte aus ActPetr 20 in der Vita Abercii keine Parallelen aufweisen, vgl. Baldwin, Acts of Peter, 212–224. 279 Der Text ist übernommen von Vouaux, Actes de Pierre, 342, die deutsche Übersetzung stammt aus Schneemelcher, Petrusakten, 275.
2.4 Die Akten des Petrus
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und hörte seine Stimme so, wie ich es nicht beschreiben kann; ich glaubte, daß ich von seinem Glanze erblindet sei.
Petrus nimmt die vermutete Blindheit als Verfügung Jesu an, kann aber alsbald wieder sehen. An diese, zum Teil an Mt 280 erinnernde Paraphrase der Verklärungsepisode schließt sich ein längerer, durch Wunderhandlungen begleiteter Diskurs zum Erkennen Gottes bzw. Jesu Christi an. Anders als in ApkPetr und 2 Petr steht die Verklärung somit nicht in einem eschatologischen, sondern einem epistemologischen Zusammenhang – ein Kontext, der an die Exegese der Verklärungsepisode bei Clemens Alexandrinus, exc. 4f, erinnern kann. Einen „Einfluß von 2 Petr“ 281 auf ActPetr 20 könnte vor allem die Spezifizierung des Verklärungsberges als „heilig“ (vgl. 2 Petr 1,18) und das Stichwort „maiestas“ nahe legen. Doch wird der Verklärungsberg, wie bereits oben gesehen, auch in ApkPetr 15,1 (E) als „heiliger Berg“ bezeichnet, während „maiestas“ nicht in Entsprechung zur μεγαλοπρεπὴς δόξα (2 Petr 1,17) steht, sondern („suam“!) die Herrlichkeit (δόξα) Christi ausdrückt (vgl. Lk 9,31f [32: τὴν δόξαν αὐτοῦ]). Deshalb führt auch der Hinweis Zahns 282, dass für das zweite, durch μεγαλοπρεπής spezifizierte δόξα in 2 Petr 1,17, das die Vulgata mit „gloria“, Augustinus (Jo XXXV,8,10) aber mit „potestas“ wiedergibt, in einer Vetus Latina Handschrift (55) „maiestas“ verwendet wird, in die Irre: Dasselbe Manuskript übersetzt nämlich τιμὴν καὶ δόξαν (2 Petr 1,17) wie die Vulgata mit „honorem et gloriam“. „Maiestas“ in Entsprechung zu μεγαλειότης (2 Petr 1,16) zu sehen 283, ist angesichts der einhelligen lateinischen Übersetzung mit „magni280 Vgl. Pervo, R. I., Egging on the Chickens. A Cowardly Response to Dennis MacDonald and Then Some, in: Stoops, R. F. Jr. (Hg.), The Apocryphal Acts of the Apostles in Intertextual Perspectives (Semeia 80), Atlanta: Scholars Press 1997, 43–56, hier: 51. 281 Blinzler, Verklärung, 64 (vgl. ebd., 73, mit Hinweisen zur älteren Forschung). Vgl. auch Vouaux, Actes de Pierre, 342 Anm. 2. Die synoptische Tabelle zu Mt 17,1–9, 2 Petr 1,16–18 und ActPetr 20 bei MacDonald, D. R., Which Came First? Intertextual Relationships Among the Apocryphal Acts of the Apostles, in: Stoops, R. F. Jr. (Hg.), The Apocryphal Acts of the Apostles in Intertextual Perspectives (Semeia 80), Atlanta: Scholars Press 1997, 11–41, hier: 29, ist leider fehlerhaft abgedruckt. Unentschieden bleibt Pervo, Chickens, 49 Anm. 7. 282 Vgl. Zahn, T., Einleitung in das Neue Testament II. 3., vielfach berichtigte und bearbeitete Auflage, Leipzig: A. Deichert’sche Verlagsbuchh. Nachf. (Georg Böhme) 1907, 60. 283 So Ruf, Die heiligen Propheten, 121. Interessant ist aber der Hinweis von Martin G. Ruf auf EvPhil 26a (ebd., 121 Anm. 266), wiewohl auch dort das über die synoptische Tradition hinausführende Stichwort der „Größe“ durch die anklingenden Polymorphie-Traditionen erklärbar ist und keines Rückgriffes auf 2 Petr bedarf. Auch in dem Rekurs der Thomasakten auf die Verklärungsepisode (vgl. ActThom 143) „Kritik und Korrektur an der Darstellung des zweiten Petrusbriefes sehen zu wollen“ (ebd., 120), erscheint durch den textlichen Befund kaum gedeckt; vgl. dazu Attridge, H. W., Intertex-
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Kapitel 2: Petrus Apocryphus
tudo“ ebenfalls wenig wahrscheinlich. Ebenso ist nicht zu übersehen, dass die Stimme („vox“), die Petrus in ActPetr hört, nicht vom Himmel kommt, sondern die Stimme Christi ist. Bei näherer Betrachtung erweisen sich somit auch in ActPetr 20 die vorgeschlagenen Berührungspunkte hinsichtlich einer literarischen Beziehung von 2 Petr und ActPetr als wenig tragfähig, weshalb man eine solche hier wohl eher nicht als „einigermaßen wahrscheinlich“ 284 einschätzen wird 285. Die Beschaffenheit der besprochenen Anklänge und das klare Fehlen von signifikanten Entsprechungen in der Ausgestaltung des Petrusbildes nötigen auch nicht dazu, von „the same broad stream of Petrine tradition“ 286 zu sprechen, an dem ActPetr und 2 Petr partizipierten, vielmehr ist die Gestalt der Erzählung in ActPetr 20 als Weiterentwicklung synoptischer Traditionen vollkommen verständlich 287. 2.4.3 Auswertung Die Behauptung, die ActPetr, wie sie in den Actus Vercellenes erhalten sind, seien „certainly“ 288 von 2 Petr abhängig, kann genauer Prüfung nicht standhalten. In ActPetr 12; 20 begegnen zwar Formulierungen und Motive, die an 2 Petr 1,16–18 bzw. 2 Petr 2,16 erinnern können, doch ihre Spezifität ist zu gering, um eine literarische Beziehung zwischen ActPetr und 2 Petr wahrscheinlich machen zu können. Angesichts der vielen ungelösten Fragen zur Genese, Charakteristik und Überlieferungsgeschichte der ActPetr können die ActPetr somit nicht als verlässliches Zeugnis zur historischen Einordnung des 2 Petr herangezogen werden.
tuality in the Acts of Thomas, in: Stoops, R. F. Jr. (Hg.), The Apocryphal Acts of the Apostles in Intertextual Perspectives (Semeia 80), Atlanta: Scholars Press 1997, 87–124. 284 Ruf, Die heiligen Propheten, 122. Ebenso bereits Ficker, Petrusakten, 447: „Daß hier eine Beziehung auf 2. Petr. vorliegt, ist deutlich ...“. 285 Vgl. Smith, Petrine Controversies, 56: „… indeed, the appeal to Peter’s presence at the transfiguration is a common one in the Petrine pseudepigrapha, and a natural way to stress the apostle’s importance, so its presence in the Acts of Peter is not necessarily an argument in favour of the author having known and used 2 Peter.“ 286 Stoops, R. F. Jr., The Acts of Peter in Intertextual Context, in: ders. (Hg.), The Apocryphal Acts of the Apostles in Intertextual Perspectives (Semeia 80), Atlanta: Scholars Press 1997, 57–86, hier: 71. Ähnlich Lee, Transfiguration, 184. 287 Dabei kann hier sowohl offenbleiben, ob ActPetr auf die synoptischen Evangelien (bzw. eines von diesen) als Text Bezug nimmt und wie das Verhältnis der ActPetr zu ActJoh (vgl. besonders ActPetr 20 mit ActJoh 98) genau beschaffen ist. 288 Bauckham, Jude, 2 Peter, 149. Ähnlich bereits Ficker, Petrusakten, 436: „... 2. Petr. hat der Verf. augenscheinlich sehr gut gekannt.“
2.5 Die Pseudoclementinen
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2.5 Die Pseudoclementinen 2.5 Die Pseudoclementinen
Die beiden Fassungen des Pseudoclementinischen Romans (PsClem) 289, die in zwei verwandten griechischen Handschriften erhaltenen Homilien (PsClem H) 290 und die in der lateinischen Übersetzung Rufins weit verbreiteten Recognitionen (PsClem R) 291, sind in ihrer überlieferten Gestalt Texte des späten dritten bzw. frühen vierten Jahrhunderts. Als solche liegen sie weit außerhalb des hier zu untersuchenden vororigenianischen Zeitraums. Wenn sie dennoch in aller Kürze zum Gegenstand der Analysen zum historischen Ort des 2 Petr werden, dann liegt dies vor allem an den zahlreichen alten Traditionen, die in PsClem aufgegriffen sind und die in unterschiedlichen traditions-, literar- und quellenkritischen Rekonstruktionen mitunter bis tief in das zweite Jahrhundert zurückverfolgt werden 292.
289 Einen ausgezeichneten Überblick über die Forschung an den PsClem seit Beginn des 19. Jahrhunderts bietet Jones, F. S., The Pseudo-Clementines. A History of Research, in: SecCent 2 (1982), 1–33. 63–96, während Amsler, F., État de la recherche récentes sur le roman pseudo-clémentin, in: ders., u.a. (Hg.), Nouvelles intrigues pseudo-clémentines. Plots in the Pseudo-Clementine Romance. Actes du deuxième colloque international sur la littérature apocryphe chrétienne. Lausanne – Genève, 30 août – 2 septembre 2006 (PIRSB 6), Paris: Zèbre 2008, 25–45, in die jüngere Forschung einführt. Vgl. auch Geoltrain, P., Le roman pseudo-clémentin depuis les recherches d’Oscar Cullmann, in: Mimouni, S.-C., in Zusammenarbeit mit Jones, F. S. (Hg.), Le judéo-christianisme dans tous ses états. Actes de Colloque de Jerusalem, 6–10 juillet 1998 (Lectio divina), Paris: Cerf 2001, 31–38, Manns, F., Les Pseudo-Clémentines (Homélies et Reconnaissances). Etat de la question, in: LA 53 (2003), 157–184, Kelly, N., Knowledge and Religious Authority in the Pseudo-Clementines. Situating the Recognitions in Fourth Century Syria (WUNT II/213), Tübingen: Mohr Siebeck 2006, 1–27, Wehnert, J., Pseudoklementinische Homilien. Einführung und Übersetzung (Kommentare zur apokryphen Literatur 1/1), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2010, 29–42, sowie die Beiträge in Bremmer, J. N. (Hg.), The Pseudo-Clementines (Studies on Early Christian Apocrypha 10), Löwen: Peeters 2010. 290 Vgl. die maßgebliche Edition von Rehm, B., Die Pseudoklementinen I. Homilien. 3., verbesserte Auflage von Georg Strecker (GCS 42), Berlin: Akademie-Verlag 1992. 291 Vgl. Rehm, B., Die Pseudoklementinen II. Rekognitionen in Rufins Übersetzung. 2., verbesserte Auflage von Georg Strecker (GCS 51), Berlin: Akademie-Verlag 1994. Zur Bedeutung der syrischen Version der PsClem R vgl. Jones, F. S., Evaluating the Latin and Syriac Translations of the Pseudo-Clementine Recognitions, in: Apocrypha 3 (1992), 237–257. Des Weiteren existieren noch arabische Auszüge sowie armenische Fragmente der PsClem R, vgl. Wehnert, Homilien, 31. 292 Während „la recherche sur le roman pseudo-clémentin a été outrageusement dominée par la Quellenforschung“ (Amsler, État de la recherche, 27), gewinnen aktuell synchrone Zugänge, die die PsClem in ihrer „Endgestalt“ untersuchen, zunehmen an Bedeutung, vgl. etwa die Studie von Kelly, Knowledge, passim, oder eine Vielzahl der Beiträge in Amsler, F., u.a. (Hg.), Nouvelles intrigues pseudo-clémentines. Plots in the Pseudo-Clementine Romance. Actes du deuxième colloque international sur la littérature
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Kapitel 2: Petrus Apocryphus
Im Schriftstellen-Register zu den GCS-Editionen der PsClem sind nur zwei Verweise auf 2 Petr verzeichnet 293. Zum einen PsClem H IX,2,1, wo in einer Rede des Petrus die Flut den Zuhörern als warnendes Beispiel (ὑπόδειγμα) in Erinnerung gerufen wird (vgl. 2 Petr 2,5f; 3,6). Dieses Exemplum soll belegen, dass Gott auch nicht davor zurückschreckt, eine sehr große Zahl von gottlosen Menschen zu vernichten (vgl. PsClem H IX,1,2). Ein erkennbarer Bezug auf 2 Petr liegt dabei allerdings nicht vor. Zum anderen PsClem R II,68,2f, wo Petrus unter Rückverweis auf Gen 1 („sicut lex dicit“) zwischen einem oberen Himmel, der unvergänglich ist („illud esse perpetuum et aeternum cum his qui habitant ibi“) und dem sichtbaren Firmament, das am Ende der Welt vergehen wird („istud autem visibile in consummatione saeculi resolvendum esse et transire“), um den Zugang zu jenem freizugeben („ut illud caelum quod es antiquius et excelsius post iudicium sanctis et dignis appareat“), unterscheidet. Die für das Vergehen des Firmaments gebrauchten Verben können zwar mit 2 Petr 3,10 in Verbindung gebracht werden (resolvo: λύω [in 2 Petr 3,10 auf die στοῖχεια bezogen]; transeo: παρέρχομαι), angesichts der völlig anderen Bildwelt – 2 Petr betont „die neuen Himmel und die neue Erde“ (2 Petr 3,13), während PsClem R auf die Ewigkeit des oberen Himmels abhebt 294 – ist aber ein Einfluss von 2 Petr kaum wahrscheinlich zu machen 295. Dies gilt auch, wie bereits oben zu Hippolyt, Dan. III,22,4 (vgl. Adamant. 58,1f; Origenes, hom. in Ex. 12,4) ausgeführt wurde, für die Parallele zwischen 2 Petr 2,19 und PsClem R V,12,4. Beachtet man den Kontext, in dem der Spruch von der Versklavung in PsClem steht, so fällt zweierlei auf: (1) Zum einen wird der Spruch hier im Unterschied zu 2 Petr 2,19, wo er das Unheil, das die Gegner auf sich selbst herabziehen, ausdrückt, positiv gebraucht. Angesprochen sind die heidnischen Zuhörer des Petrus, denen im Kontrast zu den Juden, die trotz der an sie ergangenen Verheißunapocryphe chrétienne. Lausanne – Genève, 30 août – 2 septembre 2006 (PIRSB 6), Paris: Zèbre 2008. 293 Strecker, G., Die Pseudoklementinen III. Konkordanz zu den Pseudoklementinen. Zweiter Teil: Griechisches Wortregister, Syrisches Wortregister, Index nominum, Stellenregister (GCS), Berlin/New York: De Gruyter 2009, 551. 294 Die Nennung der „Einwohner“ des Himmels in PsClem R II,68,2 vermag auch an das Argument von Kosmas Indikopleustes zu erinnern, mit dem dieser einer seiner Meinung nach falschen Deutung von 2 Petr 3,10–12 entgegentritt. Kosmas begründet dabei die Unzerstörbarkeit der Himmel damit, dass in diesen die gerechten Engel und die vorchristlichen Gerechten ihren Aufenthaltsort hätten (vgl. top. VII,64). 295 Zu beachten ist auch die explizite Rückbindung der Argumentation an das Gesetz in der unmittelbaren Replik des Simon (vgl. PsClem R II,68,4), wobei diese natürlich nur die fiktive Ebene betrifft und nicht automatisch den Einfluss anderer Texte ausschließt.
2.5 Die Pseudoclementinen
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gen Jesus nicht als den „wahren Propheten“ erkannten (vgl. PsClem R V,11,4), der rechte Glaube und die rechte Erwartung attestiert werden. Der Gipfelpunkt ist dabei die Zusage des Petrus, dass die Heiden, insofern sie glauben, auch das Erbe des Reiches Christi erlangen, denn dieser selbst (!) habe gesagt, „quia unusquisque illius sit servus cui se ipse subiecerit“ (PsClem R V,12,4). Diese Begründung wird erst völlig verständlich, wenn man den vorausgehenden Abschnitt mit der Lehre von den zwei Königreichen, wie sie in PsClem R V,9 dargestellt wird, mit in Betracht zieht. Petrus lehrt in PsClem R V,9,1, dass Gott von Anfang an („ab initio“) zwei Königreiche eingesetzt und jedem Menschen die Fähigkeit („potestas“) verliehen habe, Teil jenes Königreiches zu werden, dem er sich in Gehorsam unterwirft („[deus] potestatem dedit unicuique hominum, ut illius regni fiat portio, cui se ad oboediendum ipse subiecerit“). Da hier bereits deutlich die geprägte Wendung von PsClem R V,12,4 anklingt, wird deren Sinn durch PsClem R V,9,1 verdeutlicht: Indem die Heiden sich als Gläubige („credentes“) dem Reich Jesu (und nicht dem Reich des Bösen) unterwerfen, erhalten sie an diesem Anteil und erlangen so sein Erbe. Diese Lehre von zwei Reichen, die in PsClem R V,9,4 noch durch ein Zitat von Mt 6,24 (vgl. Lk 16,13) gestützt wird, geht anschließend (vgl. PsClem R V,13) in die Ermahnung über, nur dem einen Gott zu dienen. (2) Die zweite Auffälligkeit betrifft den Sprecher. Dieser ist in PsClem R nicht wie in 2 Petr Petrus, sondern Jesus, der „wahre Prophet“. Die Förmlichkeit, mit der Petrus in PsClem R diesen Ausspruch zitiert („secundum quod ipse dixit“), ist bemerkenswert, erinnert an die unmittelbar folgende Einleitung zu Mt 5,45/Lk 6,36 („sicut ipse verus propheta docet, dicens“) und legt es nahe zu vermuten, dem Verfasser dieses Abschnitts sowie seinen Leserinnen und Lesern sei der Spruch von der Versklavung als Jesuslogion zugekommen 296. Auf dem Hintergrund der lebhaften Diskussion um „außerkanonische“ Jesusüberlieferungen in PsClem 297, 296
Eine entsprechende Einfügung durch den Übersetzer Rufin erscheint dagegen durchaus unwahrscheinlich, hier wäre dann wohl doch ein Verweis auf Petrus zu erwarten. 297 Vgl. vor allem Kline, L. L., The Sayings of Jesus in the Pseudo-Clementine Homilies (SBL.DS 14), Missoula: SBL/Scholars Press 1975, ders., Harmonized Sayings of Jesus in the Pseudo-Clementine Homilies and Justin Martyr, in: ZNW 66 (1975), 223– 241, Strecker, G., Eine Evangelienharmonie bei Justin und Pseudoklemens?, in: NTS 24 (1977/1978), 297–316, Howard, G., The Pseudo-Clementine Writings and Shem-Tob’s Hebrew Matthew, in: NTS 40 (1994), 622–628, und Amsler, F., Les citations évangéliques dans le roman pseudo-clementine. Une tradition indépendante du Nouveau Testament?, in: Aragione, G./Junod, E./Norelli, E. (Hg.), Le canon du Nouveau Testament. Regards nouveaux sur l’histoire de sa formation (MoBi 54), Genf: Labor et Fides 2005, 141–167 (mit hilfreichen Listen 160–167), hier: 159: „Sans renouer la Quellenforschung, il semble néanmoins possible de réactiver la recherche stoppée par Strecker en estimant que la créativité des auteurs anciens ne saurait être un critère suffisant pour régler
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Kapitel 2: Petrus Apocryphus
in der mehrfach auf Verbindungen zu Autoren des zweiten Jahrhunderts, wie Justin („bemerkenswerte Parallelen“ 298) oder Clemens Alexandrinus, hingewiesen wurde, wäre folglich sogar zu erwägen, ob PsClem R V,12,4 nicht den Schlüssel zum Verständnis der gesamten Überlieferung des Spruchs bildet und somit auch bereits 2 Petr 2,19 ein Jesuslogion wiedergibt. Diese Vermutung, die erklären könnte, warum diese aphoristische Sentenz einerseits nicht überzeugend auf ihren ältesten Zeugen 2 Petr als Quelle zurückgeführt werden kann 299, andererseits aber in seiner geprägten Gestalt offenbar nur bei christlichen Autoren zu finden ist 300, wäre für alle Zeugen (2 Petr 2,19; Hippolyt, Dan. III,22,4; Origenes, hom. in Ex. 12,4; Adamant. 58,1f; PsClem R V,12,4) im Einzelnen auf ihre Plausibilität hin zu überprüfen. Dies ist an dieser Stelle nicht zu leisten, ein Hinweis sei aber erlaubt: Vor allem die schwierig zu deutende Bezeichnung des Spruchs als ὁ ἔξωθεν λόγος in Adamant. 58,1 wäre als Verweis auf ein „außerkanonisches (Jesus)Wort“ sehr gut verständlich und würde dann erklären, warum der Verfasser von Adamant., der 2 Petr kennt (vgl. Adamant. 80,23–25), diesen in Adamant. 58,1f (in unmittelbarer Verbindung mit Mt 6,24/Lk 16,13 und Joh 8,34) nicht explizit anführt und andererseits das „außerhalb“ auch nicht exklusiv mit dem (marcionitischen) Kanon seiner Gegner verknüpft 301. Zudem ist auch in Adamant. 58,1–5 eine Verbindung zwischen dem Versklavungs-Spruch und Mt 6,24/Lk 16,13 gegeben (vgl. PsClem R V,9,4; 12,4) 302, die vielleicht ein Fingerzeig auf den Überlieferungskontext des Logions sein könnte. définitivement le problème des citations composites dans le roman pseudo-clémentin.“ Zur lebhaften Debatte in der älteren Literatur vgl. Jones, History of Research, 63–69. 298 Wehnert, Homilien, 38 Anm. 38. 299 Anders Ruf, Die heiligen Propheten, 461: „… doch legt sich für alle angeführten Textbelege der Schluss näher, dass sie 2 Petr 2,19 rezipieren …“. Angesichts der konkreten Kontexte des Spruchs (vor allem bei Adamant. und PsClem) erscheint dieses Urteil doch zu optimistisch zu sein. 300 Dies spricht gegen die Annahme von Bauckham, Jude, 2 Peter, 277, der Spruch sei bereits zur Zeit des 2 Petr „doubtless already a common proverb“ gewesen. 301 Vgl. Tsutsui, Adamantios-Dialog, 211, notiert: „‚Das Wort von außen‘, vermutlich im Sinne von ‚das Wort, das nicht zu deiner Bibel gehört‘. Rufinus sicut et vulgo dicitur quia ist dunkel.“ 302 Im Licht von PsClem R V,9–12 kann die Verbindung der Schriftbelege in Adamant. 58,1–5 möglicherweise etwas von ihrer Rätselhaftigkeit (Tsutsui, AdamantiosDialog, 211: „2Petr 2,19 hat mit der Interpretation von μαμωνᾶς so wenig zu tun wie Joh 7,18 [Irrtum für Joh 8,34; Anm. Grünstäudl] mit der Auslegung von Mt 6,24.“) verlieren. Beachtenswert ist dabei auch die Formulierung κυριότητος καταφρονοῦντας in 2 Petr 2,10 (Jud 8: κυριότητα δὲ ἀθετοῦσιν), da καταφρονέω in der selben Bedeutung auch in Mt 6,24/Lk 16,13 (vgl. Röm 2,4!, sowie Mt 18,10; 1 Kor 11,22; Hebr 12,2; Herm mand. VII,2; IX,10; X,3,1; 1 Tim 4,12; 6,2; Tit 2,5 v.l.; Diog 1,1; 2,7; 10,7) gebraucht wird, worauf Heiligenthal, R., Zwischen Henoch und Paulus. Studien zum theologiegeschichtlichen Ort des Judasbriefs (TANZ 6), Tübingen: Francke 1992, 154, aufmerksam macht.
2.5 Die Pseudoclementinen
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Jenseits der beiden genannten Textstellen (PsClem H IX,2,1; PsClem R V,12,4) erkannte man bisweilen auch noch in der sogenannten Epistula Clementis (EpClem 2,1f), einem den PsClem vorangestellten Brief des Clemens an Jakobus 303, Anzeichen für eine mögliche Rezeption des 2 Petr 304. In EpClem 2,1f zitiert Clemens eine Art testamentarische Weisung des Petrus, der ihn angesichts seines nahen und ihm vom Herrn angekündigten Todes als Nachfolger bestellt habe. ἐπεί (ὡς ἐδιδάχθην ἀπό τοῦ με ἀποστείλαντος κυρίου τε καὶ διδασκάλου Ἰησοῦ Χριστοῦ) αἱ τοῦ θανάτοῦ μου ἠγγίκασιν ἡμέραι, Κλήμεντα τοῦτον ἐπίσκοπον ὑμῖν χειροτονῶ ... „Wie ich vom Herrn und Lehrer Jesus Christus, der mich ausgesandt hat, belehrt worden bin, sind die Tage meines Todes nahe. Daher bestimme ich euch diesen Klemens zum Bischof.“ (EpClem 2,2) 305
Zwar deckt sich die Motivik 306 des nahen, dem Petrus durch Jesus Christus eröffneten Todes durchaus mit 2 Petr 1,14 (eher als mit Joh 21,18f), doch da keinerlei relevante Berührungen auf verbaler Ebene bestehen, dürfte die Annahme, hier liege „eine Neubearbeitung der Worte des zweiten Petrusbriefes“ 307 vor, zu optimistisch sein. Dies gilt umso mehr, als in EpClem 1,5 Petri Tod explizit mit Rom verknüpft wird und in EpClem 1,3 von der Beauftragung (κελεύω) des Petrus, „den finstersten Teil des Westens (τῆς δύσεως) dieser Welt zu erleuchten“, berichtet wird, wodurch sich motivische Nähen zur Ankündigung des Todes Petri in ApkPetr 14,4 R ergeben 308. Damit soll aber auch nicht eine Abhängigkeit der EpClem von 303 EpClem steht auch am Beginn von PsClem R, während der Brief des Petrus an Jakobus (EpPetr) und der Bericht über dessen Empfang und Auswirkung (Contestatio [Cont]) nur zu Beginn von PsClem H begegnen. 304 So etwa Mayor, Second Epistle of St. Peter, cxxi, Chaine, Épîtres catholiques, 4 (dort wird die EpClem als Epistula ad Jacobum geführt), und nun Ruf, Die heiligen Propheten, 239f. 305 So nicht anders verzeichnet, sind deutsche Übersetzungen der PsClem H übernommen aus Wehnert, Homilien, passim (hier: ebd., 47, wobei zudem nach „belehrt worden bin“ auf Joh 21,19 verwiesen wird). 306 Beachtenswert ist die Differenz in der Nachfolgefrage: Während die Funktion von EpClem 2,1f gerade darin besteht, Clemens als Nachfolger Petri zu installieren, kennt 2 Petr eine vergleichbare Sukzession nicht, sondern beschreibt das Erbe des Petrus als eine der Erinnerung dienende Textwelt. 307 Ruf, Die heiligen Propheten, 239. Zusammenfassend formuliert ebd., 240: „Sehr wahrscheinlich liegen hier nicht einfach Gemeinsamkeiten vor, die generischer Intertextualität anzurechnen sind, sondern stand der zweite Petrusbrief Modell für die Formulierung.“ Dazu kritisch auch Gerdmar, A., Rezension zu Ruf, M. G., Die heiligen Propheten, eure Apostel und ich. Metatextuelle Studien zum zweiten Petrusbrief (WUNT II/300), Tübingen: Mohr Siebeck 2011, in: ThLZ 137 (2012), 431–433, hier: 432 („his reasons for which do not seem strong enough for such a bold conclusion“). 308 Den über 2 Petr hinausgehenden Rom-Bezug des Todes Petri in EpClem sieht auch Ruf, Die heiligen Propheten, 240 Anm. 639.
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Kapitel 2: Petrus Apocryphus
ApkPetr behauptet werden; vielmehr erscheint es sinnvoll, auf die Rückführung von EpClem 2,1f auf eine bestimmte (uns bekannte) literarische Vorlage zu verzichten 309. Im Unterschied zu den bislang besprochenen Parallelen zwischen PsClem und 2 Petr, die sich gewissermaßen an der Oberfläche der beiden Versionen PsClem H und PsClem R befinden, setzt der Vorschlag von Einar Molland, in 2 Petr 1,20f werde eine schrifthermeneutische Position bekämpft, die in den sogenannten Kerygmata Petrou (KP) belegt sei, eine ganz bestimmte Rekonstruktion der Entstehungsgeschichte der PsClem und der in ihnen verarbeiteten Quellen voraus 310. Dabei wird die Verwandtschaft von PsClem H und PsClem R vor allem auf eine beiden Rezensionen als Quelle dienende Grundschrift (G) zurückgeführt. Diese Grundschrift, selbst bereits ein „texte purement hypothétique et virtuel“ 311, für den trotz breiter Annahme seiner Existenz bislang keine „reconstitution publiée qui puisse servir de base de discussion“ 312 vorliegt, gilt dabei wiederum als massiv durch von ihr verwendete schriftlichen Quellen geprägt, zu denen unter anderem die soeben genannten KP gezählt werden. Deren Name geht unter anderem auf EpClem 20 (vgl. EpPetr 1,2; 2,1; 3,2; 309 Ähnliches gilt auch für die Passage PsClem H XVI,20,1–4, die Ruf, Die heiligen Propheten, 547, „schon sehr stark an 2 Petr 3 [erinnert]“, wenngleich Ruf selbst einschränkt, dass an dieser Stelle „eine Bekanntschaft der Pseudoclementinen mit dem zweiten Petrusbrief nicht zwingend“ sei (vgl. dazu bereits Chase, Second Epistle of Peter, 802 [„too natural and obvious to require any literary source“]), sowie für die die PsClem H eröffnende Epistula Petri ad Jacobum (EpPetr), die Mayor, Second Epistle of St. Peter, cxxi, mit 2 Petr 3,16 (vgl. EpPetr 3,2) hinsichtlich des Motivs der verfälschenden Interpretation vergleicht (vgl. auch Smith, Petrine Controversies, 61). Green, 2 Peter Reconsidered, 7 mit Anm. 26, zählt EpPetr 2,2.4 (vgl. 2 Petr 3,16 bzw. 1,14) kühn – und ohne weitere Diskussion – zur Gruppe der „clear references to 2 Peter“. 310 Vgl. Molland, E., La thèse „La prophétie n’est jamais venue de la volonté de l’homme“ (2 Pierre I,21), in: ders., Opuscula patristica (Bibliotheca theologica norvegica 2), Oslo/Bergen/Tromsö: Universitetsforlaget 1970, 61–77 (zuerst veröffentlicht in: Studia Theologica 9 [1955], 67–85). 2 Petr 1,21 setze eine Position voraus, die das Wirken der Propheten Israels als rein menschliches Phänomen verstehe, und richte sich „sinon dans l’écrit appelé Les Prédications de Pierre, du moins dans le opinions propagées par le milieu dont est sorti cet écrit“ (Molland, Prophétie, 69). Die von Molland herangezogenen Passagen sind insbesondere PsClem H III,14; II,6–12 und III,52–54 (vgl. ebd., 67–69). Zur Prophetenkritik der den KP zugerechneten Texte vgl. Strecker, G., Das Judenchristentum in den Pseudoklementinen. 2., bearbeitete und erweiterte Auflage (TU 70), Berlin: Akademie-Verlag 1981, 175–179, der ebd., 175 mit Anm. 1, auf die Zitation von Jes (Jes 49,18; 45,21; 44,6 in PsClem H XVI,7,6) und Dan (Dan 3,92 LXX in H XVIII,17,4) in den KP hinweist. 311 Amsler, État de la recherche, 30. 312 Amsler, État de la recherche, 30, vgl. Jones, History of Research, 18 Anm. 125. Vgl. die umfangreiche Rekonstruktion bei Strecker, Judenchristentum, 35–96 („Der Umfang der Grundschrift“), mit einer tabellarischen Übersicht ebd., 92–96.
2.5 Die Pseudoclementinen
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Contestatio [Cont] 1,1; 2,1; 3,2; 4,1) zurück, wo Clemens den von ihm zusammen mit der EpClem dem Jakobus übersandten Aufzeichnungen der Predigten des Petrus den Titel Κλήμεντος τῶν Πέτρου ἐπιδημίων κηρυγμάτων ἐπιτομή („Des Klemens Kurzfassung der Wanderpredigten des Petrus“) gibt. Die Quellenbezeichnung KP drückt damit die Annahme aus, eine diesem Titel entsprechende Textgruppe lasse sich tatsächlich aus dem Text der PsClem (bzw. von G) rekonstruieren 313 und sei nicht bloß literarische Fiktion des Verfassers bzw. der Verfasser 314 von EpClem und EpPetr/Cont. Folgt man dieser Hypothese bis hierhin, stellt sich als Nächstes die Frage nach Umfang, Charakteristik und historischer Einordnung der KP. Während Georg Strecker diese um 200 n.Chr. ansetzt 315, legt Molland die Entstehung der KP bereits in die erste Hälfte des zweiten Jahrhunderts 316 und sieht sie als Zeugen für ein „milieu à la fois judéo-chrétien et gnostique de l’ébionisme“ 317. Erst wenn man diese hypothetische Kontextualisierung einer „Quelle[.] zweiten Grades“ 318 mit hinsichtlich ihrer historischen Valenz zu überprüfenden, den „Ebionismus“ 319 betreffenden Aussagen christlicher Autoren des vierten Jahrhunderts (Methodius von Olympus, symp. VIII,10, Epiphanius von Salamis haer. XXX,18,5) verknüpft (vgl. auch die kryptische Notiz Irenäus, adv. haer. I,22) 320 und mit einer bestimmten Interpretationsmöglichkeit von 2 Petr 1,20 in Beziehung setzt, kann man zu Mollands Deutung der in 2 Petr 1,19–21 spürbaren Konfliktlage gelangen 321. Beachtet man neben dieser Vielzahl von Unwägbarkeiten 313 Die fiktive Inhaltsangabe von zehn Büchern mit Predigten des Petrus in PsClem R III,75 wird dazu nicht mehr herangezogen, vgl. Irmscher, J./Strecker, G., Die Pseudoklementinen, in: NTApo II ( 51989), 439–488, hier: 443. Ebd., 479–488, werden folgende Abschnitte (in dieser Anordnung) unter dem Titel „Kerygmata Petrou“ in deutscher Übersetzung abgedruckt: PsClem H III,17–21; 26; XI,19; H III,22; 23–25; 47; II,38; III,48–52; II,43–44; 16–17; XVII,13–19; H XI,25–33. Zu den methodischen Problemen einer Rekonstruktion von KP aus G vgl. Wehnert, J., Literarkritik und Sprachanalyse. Kritische Anmerkungen zum gegenwärtigen Stand der PseudoklementinenForschung, in: ZNW 74 (1983), 268–301, hier: 286–291. 314 Vgl. Wehnert, Literarkritik, 294–298. 315 Vgl. Irmscher/Strecker, Pseudoklementinen, 447, sowie Strecker, G., Judenchristentum, 219 (in Analogie zu anderen Quellen von G). Andere Datierungsvorschläge dokumentiert Jones, History of Research, 14–18. 316 Vgl. Molland, Prophétie, 66. 2 Petr wird ebd., 65, auf die Jahre „140–150“ datiert. 317 Molland, Prophétie, 64. 318 Wehnert, Literarkritik, 286. 319 Vgl. Jones, F. S., Art. Ebionäer/Ebioniten, in: RGG ( 41999), 1041f (mit deutlicher Kritik an dieser Bezeichnung). 320 Vgl. Molland, Prophétie, 64f. 321 Wenn Vögtle, A., „Keine Prophetie der Schrift ist Sache eigenwilliger Auslegung“ (2 Petr 1,20b), in: ders. (Hg.), Offenbarungsgeschehen und Wirkungsgeschichte. Neutestamentliche Beiträge, Freiburg/Basel/Wien: Herder 1985, 305–328 (zuerst erschienen in: Katholisches Bibelwerk e.V. [Hg.], Dynamik im Wort, Stuttgart: Katholisches Bibelwerk
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Kapitel 2: Petrus Apocryphus
noch die lebhafte Debatte, die in der Forschung zu den PsClem darüber geführt wird, ob die KP und ihnen vergleichbare Quellen überhaupt existiert haben, so erscheint es mehr als angebracht, (zurzeit) auf eine Näherbestimmung des historischen Ortes des 2 Petr durch Rekurs auf hypothetische Quellen der PsClem zu verzichten 322. Aufs Ganze gesehen, sind somit kaum spezifische Berührungspunkte zwischen 2 Petr und PsClem zu verzeichnen. Zwar wird Petrus in beiden Texten als Garant des rechten Glaubens und als Bekämpfer der Häresie gezeichnet, doch die Petrus-Figuren beider Texte bewohnen gewissermaßen unterschiedliche theologische Universen 323. Besonders deutlich wird dies, wenn der Petrus der PsClem zuerst von Stadt zu Stadt eilt, um zum Schutz der von Simon Magus bedrängten Gemeinde Bischöfe einzusetzen, um schließlich angesichts seines nahen Todes Clemens als Nachfolger zu bestellen, während der Petrus des 2 Petr als Testament einen seine Lehre bewahrenden Text (vgl. 2 Petr 1,15) sowie einige theologisch-hermeneutische Grundregeln (vgl. z.B. 2 Petr 1,20f; 3,8f) hinterlässt. Einzelne ähnliche Motive – wie die Ankündigung des Todes Petri – sind nicht in einer Weise gestaltet, die die Annahme literarischer Verwandtschaft begünstigen. 1983, 257–285), hier: 311 Anm. 31, davon spricht, dass „die von E. MOLLAND angeführten PsClem Homilien zeitlich nicht weit von 2 Petr abliegen“, so ist dies – wie auch die vorsichtigere Formulierung bei Kelly, Epistles, 325 („… the material embodied in the Pseudo-Clementines belongs to a period not much removed from that of 2 Peter; and it may well be that the errorists envisaged in the latter shared the same disparagement to prophecy.“) – nur unter Akzeptanz der entsprechenden Quellenhypothesen gültig. 322 Im Falle der Hypothese von Einar Molland gilt dies umso mehr, als Molland nicht zeigen kann, wie außer in 2 Petr 1,20 eine strikt judenchristliche („ebionitische“) Opposition zu 2 Petr wahrscheinlich gemacht werden könnte. Auch eine Konfliktkonstellation um die Deutung der Person des Paulus, die dessen freundliche Erwähnung in 2 Petr 3,15f dem weithin angenommenen Antipaulinismus der KP und der EpPetr (bzw. der entsprechenden Abschnitte der PsClem) gegenüber stellt und in dem einen Phänomen eine Reaktion auf das andere erkennt, kann sich nicht auf sprachliche und/oder theologische Spezifika stützen, die gerade diese Konfliktlinie wahrscheinlich machten (vgl. Smith, Petrine Controversies, 61). 323 Hingewiesen sei etwa auf die Differenz zwischen dem strikten Monotheismus der PsClem (vgl. etwa PsClem H III,3,2; XVI,5,2) und der Christologie des 2 Petr (vgl. etwa 2 Petr 1,1), mit „einer Tendenz … , Gottesprädikate auf Christus zu übertragen“ (Frey, J., Retter, Gott und Morgenstern. Metaphorik und Christologie im Zweiten Petrusbrief, in: ders./Rohls, J./Zimmermann, R. [Hg.], Metaphorik und Christologie [TBT 120], Berlin/New York: De Gruyter 2003, 131–148, hier: 141). Außerdem ist der durchaus ausgeprägte Rekurs des 2 Petr (vgl. 2 Petr 1,9; 2,4.10.13f.20.22; 3,14) auf die Kategorie „rein/unrein“ im Gegensatz zu den PsClem (vgl. etwa PsClem H VII,8,1f) nicht gezielt an Speise- und Reinheitsregelungen interessiert, während die Hermeneutik der Verfälschung in PsClem mit eingeschleusten Texten (vgl. Strecker, Judenchristentum, 166– 187), in 2 Petr hingegen mit defizitären Interpretationsstrategien (besonders 2 Petr 3,16; indirekt: 2 Petr 1,20f) operiert; die Beispiele ließen sich noch vermehren.
2.6 Die Apokalypse des Petrus (NHC VII,3)
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Dies gilt auch für das „Herrenwort“ in PsClem R V,12,4, das sich aber möglicherweise noch hinsichtlich der traditionsgeschichtlichen Einordnung von 2 Petr 2,19 als aufschlussreich erweisen könnte.
2.6 Die Apokalypse des Petrus (NHC VII,3) 2.6 Die Apokalypse des Petrus (NHC VII,3)
Als letzter pseudopetrinischer Text in diesem Abschnitt ist noch jene Petrusapokalypse zu untersuchen, die in koptischer Sprache in der Schriftensammlung von Nag Hammadi erhalten ist (NHC VII,3), denn auch für diese Petrusapokalypse (ApcPetr), wurde bereits eine enge Beziehung zu 2 Petr vermutet 324. Terence V. Smith sah in 2 Petr und der ApcPetr zwei Texte, die „some time in the late second century“ 325 von entgegengesetzten Standpunkten aus denselben theologischen Konflikt kommentieren und gestalten, ohne in direkter literarischer Beziehung zueinander zu stehen. Birger A. Pearson hingegen beschrieb die ApcPetr als einen von 2 Petr literarisch abhängigen Text, der 2 Petr einer gnostischen relecture unterziehe 326. In beiden Fällen wäre die ApcPetr ein für die historische und theologiegeschichtliche Verortung des 2 Petr sehr wichtiger Text, was eine Überprüfung des Verhältnisses zwischen ApcPetr und 2 Petr angezeigt sein lässt. 2.6.1 Überlieferung, Integrität und Charakteristik Die Überlieferungslage der koptischen Petrusapokalypse lässt sich rasch rekapitulieren. Der das Manuskript 327 der ApcPetr enthaltende Codex – weitere Textzeugen für die ApcPetr neben NHC VII,3 wurden bislang nicht identifiziert 328 – kann mit einiger Sicherheit in die Mitte des vierten Jahr324
Erwähnt sei auch „Der Brief des Petrus an Philippus“ (NHC VIII,2; Codex Tchacos 1–9), der aber keine relevanten Verbindungen mit 2 Petr aufweist, vgl. Schmidt, Maskenspiel, 417. 325 Smith, Controversies, 137. 326 Vgl. Pearson, B. A., The Apocalypse of Peter and Canonical 2 Peter, in: Goehring, J. E. (Hg.), Gnosticism and the Early Christian World. FS James M. Robinson, Sonoma: Polebridge 1990, 67–75. 327 Eine Beschreibung von Codex und Manuskript bietet Havelaar, H. W., The Coptic Apocalypse of Peter (Nag Hammadi-Codex VII,3) (TU 144), Berlin: Akademie Verlag 1999, 19f. Diese Edition der ApcPetr liegt auch den Ausführungen dieses Abschnitts zugrunde, sofern nicht anderes vermerkt ist. 328 Auch die allgemein gehaltenen Verweise antiker christlicher Autoren auf eine Petrusapokalypse werden normalerweise nicht mit ApcPetr, sondern mit ApkPetr in Verbindung gebracht, was zwar nicht in jedem Einzelfall beweisbar ist, aber angesichts von theologischer Charakteristik und Wirkungsgeschichte der ApkPetr doch als plausibel erscheint; vgl. Werner, A., Koptisch-gnostische Apokalypse des Petrus, in: NTApo II5, 633–643, hier: 634.
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hunderts datiert werden, „since in the leather cover of Codex VII some paper scraps, used to strengthen the cover, were found on which the dates 333, 341, 346 and 348 are written“ 329. Der sehr gut lesbare, allerdings mit zahlreichen schwer zu deutenden Stellen 330 behaftete koptische Text 331 geht auf ein griechisches Original zurück 332, wie bereits der im Titel erhaltene griechische Genitiv (petrou) verdeutlicht. Ihrem Titel (vgl. NHC V,2–5) wird die ApcPetr insofern gerecht 333, als sie typische Merkmale apokalyptischer Literatur, wie das Auftreten eines angelus interpres (in diesem Fall der Erlöser selbst), die Gewährung von Auditionen und Visionen oder die Enthüllung zukünftiger Ereignisse, aufweist 334, wobei sich die ApcPetr als Dialog des Erlösers mit Petrus, verortet im Tempel kurz vor der Passion Jesu 335, präsentiert. Eine grobe Gliederung kann zwischen einer Einleitung (ApcPetr 70,14– 72,4), einem Visions- und Auditionsbericht (ApcPetr 72,4–73,14), dem 329 Havelaar, Apocalypse of Peter, 15. Vgl. Schoenborn, U., Diverbium Salutis. Studien zur Interdependenz von literarischer Struktur und theologischer Intention des gnostischen Dialogs, ausgeführt an der koptischen „Apokalypse des Petrus“ aus Nag Hammadi (NHC VII,3) (StUNT 19), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1995, 30f. 330 Vgl. Werner, Apokalypse des Petrus, 634. Brashler, J., The Coptic Apocalypse of Peter. A Genre Analysis and Interpretation, Dissertation Claremont Graduate School 1977, 8, spricht vom „perplexing and in some cases virtually impenetrable Coptic style of the document“. 331 Nach Brashler, Apocalypse of Peter, 8, ist die ApcPetr „one of the best preserved documents in the entire Coptic Gnostic library from Nag Hammadi. With the exception of small lacunae involving only a few letters (70,31; 71,33.34; 72,31; 78,34; 79,32.33; 80,33; 81,32; 82,32; 83,33.34), all of which can be restored with a high degree of certainty, the text is complete.“ Der zweite Satz findet sich (ohne die Stellenangaben und das erste Komma) so auch bei Havelaar, Apocalypse of Peter, 20, – wohl aus Versehen ohne Verweis auf Brashler. 332 Vgl. Havelaar, Apocalypse of Peter, 22–29, Werner, Apokalypse des Petrus, 634. Nach Havelaar, Coptic Apocalypse, 17, gleicht sich das Koptisch der Traktate in NHC VII („Sahidic with some Bohairic traits“). 333 Eine Verortung der ApcPetr im Spannungsfeld der schwer zu fassenden und intensiv diskutierten Begriffe „Apokalyptik“ und „Gnosis“ ist an dieser Stelle natürlich nicht zu leisten. Vgl. dazu neben Schoenborn, Diverbium, 31–37, und Brashler, Apocalypse of Peter, passim, jetzt vor allem Schneemelcher, W. P., Zwischen Apokalyptik und Gnosis. Untersuchungen zu gnostischen Apokalypsen aus Nag Hammadi, Borengässer: Bonn 2006, 77–90. 334 Vgl. Havelaar, Apocalypse of Peter, 123–125, bes. 125, sowie dies., Die Apokalypse des Petrus (NHC VII,3), in: Schenke, H.-M/Bethge, H.-G./Kaiser, U. U. unter Mitarbeit von K. Schwarz (Hg.), Nag Hammadi Deutsch. Studienausgabe. Eingeleitet und übersetzt von Mitgliedern des Berliner Arbeitskreises für Koptisch-Gnostische Schriften, Berlin/New York: De Gruyter 22010, 410–416, hier: 410. Im Folgenden entstammen deutsche Texte der ApcPetr der ebd., 412–416, gebotenen deutschen Übersetzung, wenn nicht anderes vermerkt ist. 335 Vgl. Havelaar, Apocalypse of Peter, 73–75.
2.6 Die Apokalypse des Petrus (NHC VII,3)
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Monolog des Erlösers samt Reaktion des Petrus (ApcPetr 73,14–81,3), einem weiteren Visionsbericht (ApcPetr 81,3–83,15) und einem Schlussteil (ApcPetr 83,15–84,13) unterscheiden 336. Manche Abschnitte, wie etwa die lange Ausführung zur Natur der Seele (ApcPetr 75,10–76,4), die nach Havelaar einen Rückgriff auf Lk 6,43f in ApcPetr 75,7–11 bzw. 76,4–8 aufspreizt 337, könnten vielleicht als spätere Einschübe verstanden werden 338. An inhaltlichen Grundlinien lässt sich neben der bereits angesprochenen innerchristlichen Konfliktlage vor allem das Interesse an der Deutung der Passion Jesu 339 sowie eine dualistische Anthropologie benennen, wobei die verschiedenen thematischen Aspekte eng miteinander verknüpft sind. Die theologische Argumentation der ApcPetr bedient sich intensiv unterschiedlich gestalteter Referenzen auf autoritative christliche Texte, insbesondere auf Mt 340, während deutliche Verweise auf die Schriften Israels nicht begegnen und vielleicht programmatisch vermieden werden 341, wie die Bezeichnung des Offenbarers als der, „der auch von keinem Prophetensproß genannt worden war“ (ApcPetr 71,7–9), nahezulegen scheint. 336 Vgl. Havelaar, Apocalypse of Peter, 126f. Eine äußerst detaillierte und bei der Texterschließung sehr hilfreiche Gliederung bietet Schoenborn, Diverbium, 64–73. 337 Vgl. Havelaar, Apocalypse of Peter, 147–150. 338 So Werner, A., Apokalypse des Petrus, 635 („offenbar literarisch anderer Herkunft“). 339 Vgl. dazu etwa Prieur, J.-M., La croix et la crucifixion dans les écrits de Nag Hammadi, in: Vannier, M.-A./Wurst, G./Wermelinger, O. (Hg.), Anthropos laïkos. FS Alexandre Faivre (Par. 44), Fribourg: Editions Universitaires 2000, 251–266, hier: 261f. Zur verbreiteten Bestimmung der Christologie der ApcPetr als doketisch/doketistisch, wie etwa jüngst bei Schröter, J., Geschichte im Licht von Tod und Auferweckung Jesu Christi. Anmerkungen zum Diskurs über Erinnerung und Geschichte aus frühchristlicher Perspektive, in: BThZ 23 (2006), 3–25, hier: 20–22, vgl. die kritischen Anmerkungen von Koschorke, K., Die Polemik der Gnostiker gegen das kirchliche Christentum. Unter besonderer Berücksichtigung der Nag Hammadi-Traktate „Apokalypse des Petrus“ (NHC VII,3) und „Testimonium Veritatis“ (NHC IX,3) (NHS XII), Leiden: Brill 1978, 26f. 340 Vgl. dazu vor allem die umfangreiche Analyse von Havelaar, Apocalypse of Peter, 131–169 („The Apocalypse of Peter and the New Testament“), mit einer hilfreichen (aber leider unglücklich formatierten) tabellarischen Übersicht ebd., 164–166. Formeln zur Einleitung der Referenzen begegnen dabei nach Havelaar, Apocalypse of Peter, 168, nur in ApcPetr 75,7; 76,4 und 83,26f, wobei die von Havelaar (vgl. ebd., 142f) in ihrer Bedeutung erkannten Rückverweise („I have told you [several times]“; vgl. ApcPetr 72,10; 73,12; 81,29 sowie 76,21f) auf die polemische Verwendung von „Blindheit“ im Mt (vgl. besonders Mt 15,14a [ApcPetr 81,29f], aber auch Mt 9,36; 23,16f.19.26) wohl mit zu beachten wären. Ein wichtiges Desiderat ist eine Ergänzung von Havelaars Untersuchung um entsprechende Analysen zu möglichen Anklängen an später nicht kanonisch gewordene Schriften wie etwa Herm oder ApkPetr. 341 Vgl. dazu auch Hellholm, D., The „Revelation-Schema“ and Its Adaption in the Coptic Gnostic Apocalypse of Peter, in: SEÅ 63 (1998), 233–248, hier: 242–244.
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Kapitel 2: Petrus Apocryphus
2.6.2 Lokalisierung Aufgrund der deutlichen Anbindung der ApcPetr an das Mt wird gerne der syrische Raum als möglicher Entstehungsort vorgeschlagen 342. Diese Argumentation ist aber keineswegs zwingend, da das Mt sich im zweiten und frühen dritten Jahrhundert, der mutmaßlichen Entstehungszeit der ApcPetr, weiter Verbreitung erfreute. Auch die Versuche, ApcPetr mit anderen petrinischen Texten mutmaßlich syrischer Provenienz (EvPetr 343, Kerygmata Petrou 344) oder den „doketischen“ Gegnern der Ignatianen 345 zu verknüpfen, überzeugen nicht. Vielmehr spricht eine Reihe von Textmerkmalen für Ägypten als Heimat der ApcPetr. Unter diesen hat die von Pearson gehegte Vermutung, in ApcPetr 79,31 („wasserlose Kanäle“) sei das Syntagma „wasserlose Quellen“ aus 2 Petr 2,17 an ägyptische Verhältnisse adaptiert worden 346, nur sehr geringes Gewicht, da sie eine literarische Abhängigkeit zwischen den beiden petrinischen Pseudepigrapha voraussetzt, für die ApcPetr 79,31 selbst wiederum das wichtigste Argument ist 347. Aufschlussreicher ist eher die enge Beziehung der ApcPetr zum wohl in der ersten Hälfte des dritten Jahrhunderts in Alexandrien entstandenen 2LogSeth (NHC VII,2) 348. Vor allem im Bereich der Christologie 349 weisen 342
Vgl. Havelaar, Apocalypse of Peter, 15 („A possible place of origin seems to be Syria.“), Schoenborn, Diverbium Salutis, 30, Koschorke, Polemik, 16 (Syrien ist als Möglichkeit „verlockend“). 343 Im Anschluss an Smith, Petrine Controversies, 136, regt Schoenborn, Diverbium salutis, 233 Anm. 11, an, „noch einmal die Beziehung zwischen dem apokryphen Petrusevangelium, das in Antiochien bzw. in einer Fraktion der Kephaspartei seinen Ursprung hatte … und der gnostischen ApcPt zu untersuchen“. Zur schwierigen Verortung des EvPetr vgl. oben unter 2.3. 344 Eine „Reihe bemerkenswerter Gemeinsamkeiten“ zwischen ApcPetr und den KP benennt Koschorke, Polemik, 16 mit Anm. 8 (vgl. Havelaar, Apocalypse of Peter, 16). Eine spezifische Nähe der beiden Texte dürfte aber nicht vorliegen. 345 Vgl. dazu vorsichtig Schoenborn, Diverbium Salutis, 30. 346 Vgl. Pearson, Apocalypse of Peter, 71. Eine solche Adaption könnte auch auf den Übersetzer der ApcPetr zurückgehen und somit gerade nicht das Lokalkolorit des Originals widerspiegeln. 347 Vgl. Pearson, Apocalypse of Peter, 70. 348 Vgl. Pellegrini, S., Der zweite Logos des großen Seth (NHC VII,2), in: Schenke, H.-M/Bethge, H.-G./Kaiser, U. U. unter Mitarbeit von K. Schwarz (Hg.), Nag Hammadi Deutsch. Studienausgabe. Eingeleitet und übersetzt von Mitgliedern des Berliner Arbeitskreises für Koptisch-Gnostische Schriften, Berlin/New York: De Gruyter 22010, 399–409, hier: 399. 349 Ein möglicher Hinweis auf einen ägyptischen/alexandrinischen Entstehungskontext könnte auch der betonte Verweis auf die Apokatastasis in ApcPetr 74,7–9 sein. Doch ist diese Stelle „[s]chwer zu verstehen“ (Schoenborn, Diverbium Salutis, 135) und bislang nicht überzeugend geklärt worden, so dass sich auf diesen Textabschnitt keine Theorien zur Herkunft der ApcPetr aufbauen lassen. Vgl. die Diskussionen bei Brashler,
2.6 Die Apokalypse des Petrus (NHC VII,3)
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diese beiden Texte einen hohen Übereinstimmungsgrad auf, ohne dass bislang ihr exaktes Verhältnis zueinander geklärt worden wäre 350. Wäre mit der Erwähnung eines „Hermas“ in ApcPetr 78,18 (ApcPetr 78,15–22: „Denn sie werden eine weitere Nachahmung 351 schaffen im Namen eines Toten – das ist Hermas – [im Namen] des Erstgeborenen der Ungerechtigkeit, damit die Kleinen nicht an das echte Licht glauben.“) auf den „Hirt des Hermas“ (Herm) Bezug genommen, so wäre damit nicht nur ein terminus a quo für die ApcPetr begründet, sondern wohl auch ein starkes Argument für Ägypten und gegen Syrien als ihr Herkunftsort gefunden. Während nämlich in Syrien für Herm keine Rezeptionsgeschichte greifbar zu sein scheint 352, belegen Autoren wie Clemens Alexandrinus, Apocalypse of Peter, 218–220, der „a gloss referring to Origen“ (ebd., 219) erwägt, dabei aber fälschlich annimmt, ἀποκατάστασις sei erst bei Origenes „a part of the orthodox theological vocabulary“ (ebd., 219), was den Befund bei Clemens Alexandrinus nicht beachtet (vgl. dazu etwa Méhat, A., „Apocatastase“. Origène, Clément d’Alexandrie, Act. 3,21, in: VigChr 10 [1956], 196–214, besonders 203–207), Havelaar, Apocalypse of Peter, 182, und Koschorke, Polemik, 43 Anm. 12. 350 Zu den Parallelen zwischen ApcPetr und 2LogSeth vgl. Brashler, Apocalypse of Peter, 177–196. 217 Anm. 22. 243, Koschorke, Polemik, 47f, und Havelaar, Apocalypse of Peter, 17 („some important, mainly Christological, parallels“). Über die Differenz zwischen dem Erlöser und dem Gekreuzigten (vgl. ApcPetr 81,15–18; 82,26–83,6), die in 2LogSeth ebenfalls stark betont wird, wobei der Gekreuzigte mit „Simon“ (von Cyrene) identifiziert wird (vgl. 2LogSeth 56,9–19), ergibt sich eine motivische Verbindung zum Basilides-Referat des Irenäus in adv. haer. I,24,3–7 (vgl. hierzu Löhr, W. A., Basilides und seine Schule. Eine Studie zur Theologie- und Kirchengeschichte des zweiten Jahrhunderts [WUNT 83], Tübingen: Mohr Siebeck 1996, 256–273). Dies ist aber „insufficient material on which to base a theory that the ApocPet stems from a Basilidean group“ (Smith, Petrine Controversies, 136), zumal das Irenäusreferat (und die mit ihm vergleichbaren Traditionen) nach Löhr, Basilides, 255, „für eine Rekonstruktion der authentischen Lehren des Basilides und seines unmittelbaren Schülerkreises nicht herangezogen werden sollten“. Anders hingegen Dubois, J.-D., Apocalypse de Pierre (NH VII, 3), in: Mahé, J.-P./Poirier, P.-H. (Hg.), Écrits gnostiques. La bibliothèque copte de Nag Hammadi (Pléiade 538), Paris: Gallimard, 2007, 1141–1166, hier: 1145f, sowie ders., L’Evangile de Judas et la tradition basilidienne, in: Scopello, M. (Hg.), The Gospel of Judas in Context. Proceedings of the First International Conference on the Gospel of Judas, Paris, Sorbonne, October 27 th–28 th, 2006, Leiden u.a.: Brill 2008, 145–154, hier: 146: „Même si l’attribution de ces deux derniers textes [sc. 2LogSeth und ApcPetr; Anm. Grünstäudl] à la tradition basilidienne ne fait pas encore l’objet d’un large consensus, je tiens à souligner que je défends leur identité basilidienne depuis plus de vingt-cinq ans.“ 351 Oder: „einen Nachahmungs-Rest“. Vgl. die Diskussion dazu bei Koschorke, Polemik, 54–58, Brashler, Apocalypse of Peter, 229–232, und Havelaar, Apocalypse of Peter, 96f. 352 Insbesondere fehlen offenbar Spuren einer syrischen Übersetzung des Herm, während solche in das Lateinische, Koptische und Äthiopische vorliegen. Ob etwa der Text des manichäischen Fragments M97 mit Ausschnitten aus Herm sim. IX in Mittelpersisch (ediert bei Müller, F. W. K., Eine Hermas-Stelle in manichäischer Version, in: SPAW 51 [1905], 1077–1083) auf einen syrischen Vorläufer zurückgeht, wurde meines Wissens
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Origenes, Athanasius und Didymus seinen „hohen Beliebtheitsgrad“ 353 in Alexandrien und Ägypten, was durch die Situation der Manuskriptüberlieferung nachdrücklich bestätigt wird 354. Doch ist natürlich fraglich, ob die knappe, polemische Notiz in ApcPetr 78,18 tatsächlich Herm im Blick hat 355. Eine Deutung von ApcPetr 78,18 auf den römischen Hermas entwickelte vor allem Klaus Koschorke 356, dem Henriette Havelaar folgte 357, während sich James Brashler entschieden dagegen aussprach 358, wobei aber sein Argument, ApcPetr, die den sündigenden Kindern des Lichts die Vergebung ihrer (unter Druck bzw. nur scheinbar begangenen) Sünden bei der Parusie verheißt, vertrete in wesentlichen Elementen dieselbe Bußlehre wie Herm 359, wenig überzeugen kann, da es, wie Andrea Lorenzo Molinari gezeigt hat, die radikale Zwei-Klassen-Anthropologie der ApcPetr zu wenig beachtet 360. Gerade angesichts der strikten Unterscheidung zwischen unsterblichen und sterblichen Seelen (vgl. ApcPetr 75,7–27) ist jede Möglichkeit von Vergebung (vgl. ApcPetr 78,8–11) aus Sicht der ApcPetr nur innerhalb dieser Differenz zu denken, das heißt: nur den unsterblichen Seelen gegeben 361. Die enge und polemisch konnotierte Verknüpfung der Nennung eines „Hermas“ mit „a discussion of the legitimacy of a postnoch nicht untersucht. Luigi Cirillo stellt fest: „L’on ignore tout ce qui concerne l’origine de la traduction et par quelle voie l’ouvrage arriva en Perse“ (Cirillo, L., Le Pasteur d’Hermas dans la tradition manichéenne. À propos du fragment M 97 en Pehlvi, in: Van Tongerloo, A./Giversen, S. [Hg.], Manichaica Selecta. FS Julien Ries [ManS 1], Löwen: IAMS/BCMS/CHR 1991, 49–53, hier: 49). 353 Brox, Hermas, 64. Vgl. auch ebd., 63–69, zur ägyptischen Rezeption des Herm. 354 Vgl. Stökl Ben Ezra, D., Canonization – a Non-Linear Process? Observing the Process of Canonization through the Christian (and Jewish) Papyri from Egypt, in: ZAC 12 (2008), 193–214, besonders: 199–207. 213, sowie Choat, M./Yuen-Collingridge, R., The Egyptian Hermas. The Shepherd in Egypt before Constantine, in: Kraus, T. J./Nicklas, Tobias (Hg.), Early Christian Manuscripts. Examples of Applied Method and Approach (TENTS 5), Leiden/Boston: Brill 2010, 191–212. 355 Knapp etwa Brox, Hermas, 69: „Der Hermas aus der gnostischen PetrApk (NHC VII 3) 78,18 kann nicht identifiziert werden.“ 356 Vgl. Koschorke, Polemik, 54–60. 357 Vgl. Havelaar, Apocalypse of Peter, 96f. 358 Brashler, Apocalypse of Peter, 231f: „How the Hermas mentioned in 78,18 fits into this picture and exactly who he is remains unclear. He should not be identified with Hermas of Rome, however.“ Skeptisch bezüglich Koschorkes Vorschlag auch Schoenborn, Diverbium Salutis, 158, der resümiert: „Wer mit ‚Hermas‘ gemeint ist, muß offen bleiben.“ 359 Vgl. Brashler, Apocalypse of Peter, 232. 360 Vgl. Molinari, A. L., The Apocalypse of Peter and its Dating, in: Painchaud, L./Poirier P.-H. (Hg.), Coptica, Gnostica, Manichaica. FS Wolf-Peter Funk (BCNH.E 7), Québec/Paris/Louvain: Les Presses de l’Université Laval/Peeters 2006, 583–605, hier: 589–591. 361 Vgl. Molinari, Apocalypse of Peter, 591.
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baptismal forgiveness of sins“ 362 lässt nun aber unweigerlich an den „Hirt des Hermas“ denken, der wie kaum ein anderer Text mit dieser Thematik verbunden ist. Hinzu kommt nicht nur, dass „Hermas“ der einzige Gegner ist, der in der an kryptischen Umschreibungen reichen ApcPetr mit Namen genannt wird, sondern auch seine Bezeichnung als „Erstgeborener der Ungerechtigkeit“ (ApcPetr 78,18f) 363. Sowohl die Namensnennung als auch die überaus scharfe Attribuierung verdeutlichen die enorme Bedeutung, die dieser Figur in der ApcPetr zuerkannt werden. Bedenkt man auch noch die insgesamt intensive Interaktion der ApcPetr mit frühchristlichen Texten (vgl. 2.6.1), so erscheint es deshalb durchaus als wahrscheinlich, „that by this reference to Hermas the author [sc. der ApcPetr; Anm. Grünstäudl] does intend to dispute the points advocated in the Shepherd of Hermas“ 364, womit auch eine ägyptische Herkunft der ApcPetr eine plausible, wenngleich keineswegs sichere Annahme sein dürfte 365.
362 Molinari, Apocalypse of Peter, 591. Diese Verknüpfung bleibt bestehen, welche der möglichen Deutungen des schwierigen Verses ApcPetr 78,16 (vgl. ebd., 587–592) man auch vertritt. 363 Letzteren Punkt betont auch Schoenborn, Diverbium Salutis, 158: „Bemerkenswert bleibt allerdings, daß zur Ächtung dieses Gegners das schärfste Ketzerattribut aufgeboten wird, das in den frühchristlichen Gemeinden zur Verfügung stand …“. 364 Molinari, Apocalypse of Peter, 592. Trifft diese These zu, so wäre natürlich nach weiteren Berührungspunkten zwischen Herm und ApcPetr Ausschau zu halten, was an dieser Stelle allerding nicht zu leisten ist, weshalb ich mich auf drei Hinweise beschränke: 1) Wenn sich in ApcPetr 74,31–34 einige „nach einem Mann und einer nackten vielgestaltigen Frau, die viel gelitten hat, nennen [werden]“ so könnte mit diesem Paar auf Hermas und Rhode/die Greisin (vgl. Herm vis. I,1,2.8; III,10–13) angespielt sein (vgl. Koschorke, Polemik, 41 Anm. 8), wobei aber eine Identität der beiden weiblichen Figuren (zumindest aus Sicht der ApcPetr) zu unterstellen wäre (dagegen Brox, Hermas, 86– 88). 2) Die Rede vom „schlechten Betrüger“ (-τέχνη) in ApcPetr 74,18f mag „Ketzerschablone“ (Koschorke, Polemik, 40) sein, unter Berücksichtigung der handwerklichen Mitarbeit des Hermas in Herm sim. VIII,2,6.8; 4,1.2; IX,10,1–3 (cf. IX,9,1f) könnte aber auch an den „schlechten Handwerker“ Hermas gedacht sein (vgl. den kontextuellen Hinweis auf „den Namen eines Toten“ in ApcPetr 74,13f [Die Deutung bei Koschorke, Polemik, 38 mit Anm. 5, auf Christus ist nicht zwingend.] mit der Identifizierung des Hermas als „Toter“ in ApcPetr 78,17f), zumal das Bild vom Turmbau besonders deutlich die Reintegration der Sünder in das Gesamt der Kirche veranschaulicht. 3) Auffällig ist die Verspottung der Gegner in ApcPetr 79,9f als „Schwesternschaft“ – im Gegensatz zur Bezeichnung „Bruderschaft“ (vgl. ApcPetr 79,1 sowie besonders 2LogSeth 62,27–64,38) für die Trägergruppe der ApcPetr –, was durch die weibliche Kirchen-Metaphorik in Herm angeregt sein könnte (vgl. Koschorke, Polemik, 60–64). 365 Auch Dubois, Apocalypse de Pierre, 1147, hält eine ägyptische Herkunft der ApcPetr für wahrscheinlich, beruft sich dabei aber auf die angeblich basilidianische Prägung der ApcPetr und im Anschluss an Pearson auf ApcPetr 79,31.
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2.6.3 Datierung Auch hinsichtlich der zeitlichen Einordnung der ApcPetr lässt sich keine letzte Sicherheit gewinnen. Akzeptiert man die Verknüpfung von ApcPetr 78,18 mit Herm, so dürfte es trotz der unterschiedlichen Vorschläge zur Datierung des Herm 366 bzw. seiner Vorstufen 367 ratsam sein, eine Stelle wie ApcPetr 78,18, die sowohl Verbreitung, Rezeption als auch eine relative Autorität von Herm vorauszusetzen scheint, erst nach der Mitte des zweiten Jahrhunderts anzusetzen 368. Der terminus ad quem liegt aufgrund der für die Verstärkung des Einbandes von Codex VII verwendeten Papyri (vgl. 2.6.1) relativ sicher in der Mitte des vierten Jahrhunderts 369. „Geht man davon aus, daß die Überlieferung des griechischen Textes und die Übersetzung in Ägypten einen größeren Zeitraum in Anspruch genommen haben, kommt man in die Mitte des 3. Jahrhunderts.“ 370 Im verbleibenden Zeitfenster von der Mitte des zweiten bis zur Mitte des dritten Jahrhunderts positionieren sich denn auch die meisten Datierungsvorschläge 371, wobei sich monographische Untersuchungen zur ApcPetr vor allem unter Hinweis auf die vorausgesetzten kirchenpolitischen Entwicklungen vornehmlich für das dritte Jahrhundert entscheiden 372. Der interessante Versuch von Andrea Lorenzo Molinari, eine 366
Vgl. etwa Gregory, A. F., Disturbing Trajectories. 1 Clement, the Shepherd of Hermas and the Development of Early Roman Christianity, in: Oakes, P. (Hg.), Rome In the Bible and the Early Church, Carlisle/Baker: Paternoster/Grand Rapids 2002, 142– 166, hier 153: „Therefore it seems most satisfactory to argue that the Shepherd should be dated to the period c. 70 to c. 150, and note that if the evidence of the Muratorian Canon is discounted, then there are good reasons to favour the early part of this range.“ Anders Brox, Hermas, 25, der die Endversion des Herm „um 140 n.Chr.“ ansetzt und sich dabei vor allem auf die Annahme einer Abhängigkeit von Herm vis. IV,2,4 vom TheodotionText von Dan 6,23 stützt. 367 Vgl. dazu etwa Hellholm, D., Der Hirt des Hermas, in: Pratscher, W. (Hg.), Die Apostolischen Väter. Eine Einleitung (UTB 3272), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2009, 226–253, hier: 227–230. 368 Vgl. Molinari, Apocalypse of Peter, 592 („a terminus a quo of 150“), ebenso Havelaar, Apocalypse of Peter, 15, und Dubois, Apocalypse de Pierre, 1146. 369 Vgl. Molinari, Apocalypse of Peter, 592, Havelaar, Apocalypse of Peter, 15; Schoenborn, Diverbium Salutis, 30f; Brashler, Apocalypse of Peter, 1, Werner, Apokalypse des Petrus, 634. 370 Schoenborn, Diverbium Salutis, 31. Vgl. auch Werner, Apokalypse des Petrus, 634. 371 Einen instruktiven Überblick – auch unter Verweis auf extreme Frühdatierungen – bietet Molinari, Apocalypse of Peter, 584–586. 372 Vgl. Koschorke, Polemik, 17 („Anfang bis Mitte des 3. Jahrhunderts“ unter Verweis auf die Kontroversen um die Exegese von Mt 16,13–20, die Bußlehre des Herm und die hierarchischen Ansprüche der Gegner der ApcPetr), Brashler, Apocalypse of Peter, 225. 245 („a third century writing“), Havelaar, Apocalypse of Peter, 16 („a date of origin at the beginning of the third century is possible but not certain“), Dubois, Apocalypse de
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Abfassung der ApcPetr erst im vierten Jahrhundert („an early 4th century setting, perhaps between 320 and 340“ 373) wahrscheinlich zu machen, zeigt, wie viele Fragen zum historischen Ort der ApcPetr noch offen sind. Durchschlagend sind die von Molinari vorgebrachten Argumente freilich nicht 374 – vor allem fehlt ihnen eine Berücksichtigung der Text- und Überlieferungsgeschichte der ApcPetr, für die wohl einiges mehr an Zeit zu veranschlagen ist. 2.6.4 ApcPetr und 2 Petr Nach dieser kurzen Einführung ist nun die Hypothese einer Rezeption des 2 Petr durch ApcPetr zu überprüfen, wozu zuerst knapp die relevanten forschungsgeschichtlichen Positionen vorgestellt werden, um anschließend ausgehend von der Schlüsselstelle ApcPetr 79,31 (vgl. 2 Petr 2,17) eine eigene Einschätzung des Befundes zu entwickeln. 2.6.4.1 Zur Forschungsgeschichte Die erste substantielle Untersuchung der Beziehung zwischen ApcPetr und 2 Petr stammt von Terence V. Smith, der elf Parallelen in der Gegnerpolemik 375 sowie sieben thematische Berührungspunkte (Anthropologie, eschatologische Vergeltung, Petrusbild, Parusie, Kreuz, kirchliche Autorität, Paulus 376) zwischen ApcPetr und 2 Petr benannte und vermutete, die beiden Texte könnten ein und dieselbe Kontroverse aus je gegensätzlichem
Pierre, 1147 („au début du III e siècle“). Skeptisch (vor allem in Bezug auf Koschorke) Schoenborn, Diverbium Salutis, 31: „Die situative Konkretionen erweisen sich bei näherer Betrachtung als wenig hilfreich zur Lokalisierung der behaupteten Kontroverse.“ 373 Molinari, Apocalypse of Peter, 605. 374 Vgl. Molinari, Apocalypse of Peter, 592–604. Molinari betont in seiner Argumentation vor allem den „innerkirchlichen“ Charakter der hinter ApcPetr spürbaren Kontroverse (vgl. ebd., 593–597), die relative Stabilität der durch die Gegner der ApcPetr ausgeübten Herrschaft (vgl. ebd., 597–603) und die seiner Meinung nach bereits sinkende Popularität der seitens der ApcPetr vertretenen Christologie (vgl. ebd., 603f). 375 Vgl. Smith, Petrine Controversies, 138–140. Die von Smith angegebenen Parallelen entsprechen den Ziffern (1), (4), (5), (8), (11) – (13), (16), (20) – (22) in der Liste der von Pearson benannten Berührungen. Für Grappe, Images, 146 Anm. 137, sind von Smiths Parallelen folgende drei „les plus impressionnants“: a) Die Beschreibung der Gegner als „wasserlose Kanäle“ (ApcPetr 79,31 vgl. 2 Petr 2,17), b) der Vorwurf, die Wahrheit zu lästern (ApcPetr 74,22–24 vgl. 2 Petr 2,2) und c) die Beschuldigung, eine häretische Herrschaft auszuüben (ApcPetr 74,21f vgl. 2 Petr 2,1). Vgl. Dubois, J.-D., L’Apocalypse de Pierre (NHC VII,3) et le Nouveau Testament, in: Ménard, J.-É. (Hg.), Écritures et traditions dans la littérature copte. Journée d’études coptes, Strasbourg, 28 mai 1982 (CBCo 1), Löwen: Peeters 1983, 117–125, hier: 119. 376 Dies setzt eine Deutung von ApcPetr 74,13–22; 74,27f und 82,21–26 auf Paulus hin voraus (vgl. Smith, Controversies, 136 Anm. 69), die keineswegs sicher ist.
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Blickwinkel widerspiegeln. Smiths anregende These 377 verdankt sich natürlich zu einem Gutteil dem „Forschungs-Stereotyp“ 378, die Gegner des 2 Petr seien Gnostiker gewesen. Insofern ApcPetr ein unbestreitbar gnostischer Text ist, der in polemischer Manier auf die Autorität des Petrus rekurriert, liegt es dann nahe, eine Verbindung zur Situation des 2 Petr zu sehen 379. Doch scheitert diese Rekonstruktion am mangelnden theologischen Konfliktpotential. Wenn für 2 Petr das zentrale Anliegen das Wachhalten der Parusieerwartung und das Vertrauen auf das gerechte Gerichtshandeln Gottes ist, so kommt ihm ApcPetr hier deutlich entgegen, indem Jesus selbst auf seine Parusie verweist (vgl. ApcPetr 78,3–6) und der Verfasser eschatologische Gerechtigkeit (vgl. ApcPetr 80,15f) geduldig (vgl. ApcPetr 80,8–11) erhofft. Wenn andererseits ApcPetr auf einen ethischen Rigorismus abzielt (gegen die von Herm eingeräumte Umkehrmöglichkeit), der in einer Zwei-Klassen-Anthropologie wurzelt (vgl. ApcPetr 75,7–26), welche sie mit einer entsprechenden Deutung des Kreuzesgeschehens (nur die wahren Nachfolger des Petrus können es in seiner wirklichen Bedeutung „sehen“) verbindet, so erscheint 2 Petr, in dem das Wort vom Kreuz eine auffallend geringe Rolle spielt (vgl. aber 2 Petr 2,1 380), dafür aber moralischer Imperativ (vgl. nur 2 Petr 2,20f) und endzeitliche Scheidung der geretteten Gerechten und der vernichteten Gottlosen (vgl. v.a. 2 Petr 2,3; 3,7) betont werden, nicht gerade als der Opponent par excellence. Da somit die von Smith vermutete Opposition von 2 Petr und ApcPetr (bzw. ihrer Trägergruppen) wenig plausibel erscheint, gilt es, eine andere Erklärung für 377 Ablehnend hierzu Bauckham, Jude, 2 Peter, 149: „Smith has suggested that 2 Peter and the gnostic Apoc. Pet. might reflect the same controversy, but they are alike only in being strongly polemical and attributed to Peter; their theological themes are quite different.“ 378 Berger, K., Streit um Gottes Vorsehung. Zur Position der Gegner im 2. Petrusbrief, in: Van Henten, J. W. (Hg.), Tradition and Re-Interpretation in Jewish and Early Christian Literature. FS Jürgen C. H. Lebram, Leiden: Brill 1986, 121–135, hier: 121, vgl. auch ders., Die impliziten Gegner. Zur Methode des Erschließens von ‚Gegnern‘ in neutestamentlichen Texten, in: Lührmann, D./Strecker, G. (Hg.), Kirche. FS Günther Bornkamm, Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1980, 373–400. 379 Ein Echo zur Einschätzung Smiths findet sich bei Dubois, Apocalypse de Pierre, 1157 (zu ApcPetr 74,12–27): „Les diverses références à 2 P (2 P 2,1.2.13) montrent que le combat contre les fausses doctrines et l’hérésie s’inscrivet dans une revendication contestée de l’autorité apostolique de Pierre.“ 380 Inhaltlich besteht hier natürlich eine deutliche Spannung zwischen den Soteriologien der beiden Texte (so richtig Smith, Petrine Controversies, 140), die überdies mit einem strittigen Freiheitsverständnis konvergieren könnte (vgl. 2 Petr 2,19 und ApcPetr 78,12–15). Doch prägen diese Themen gerade nicht die Gesamtarchitektur der beiden Texte in der Weise, dass das Szenario von zwei einander bekämpfenden Petrus-Gruppen wahrscheinlich werden würde.
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die Berührungen zwischen ApcPetr und 2 Petr zu finden, will man sie nicht als Zufallsphänomen etikettieren. Einen entsprechenden Vorschlag formulierte 1990 Birger A. Pearson, der Smiths Liste von Parallelen ausbaute 381, weitere konzeptionelle Nähen von 2 Petr und ApcPetr aufzeigte 382 und auf dieser Basis eine literarische Abhängigkeit der ApcPetr von 2 Petr annahm 383. Die wichtigste Differenz zu Smith ist dabei Pearsons Bewertung der Christologie bzw. Soteriologie der beiden Texte. Während Smith der doketischen Christologie von ApocPetr die soteriologische Aussage von 2 Petr 2,1 scharf gegenüberstellt, sieht Pearson meines Erachtens richtig, dass die Christologie des 2 Petr insgesamt, vor allem mit ihrer Betonung des Verklärungsgeschehens (2 Petr 1,16–18; vgl. ApcPetr 72,22–27) und ihrer Bevorzugung des Titels σωτήρ (2 Petr 1,1.11; 2,20; 3,2.18) 384, durchaus anschlussfähig für ein – freilich kreatives – „gnostic reading“ 385 ist 386.
381 Pearson, Apocalypse of Peter, 69f, führt 22 Berührungspunkte im Kontext der Gegnerpolemik der beiden Texte an. Diese sind (1) πλάνη: ApcPetr 73,23–28 (vgl. 74,15–17; 77,25f) vgl. 2 Petr 2,18; 3,17 (vgl. 2,2.21), (2) falsche Verkündigung/Lehre: ApcPetr 74,10f vgl. 2 Petr 2,1, (3) Unreinheit: ApcPetr 74,15f vgl. 2 Petr 2,2.13, (4) Verlästerung der Wahrheit: ApcPetr 74,22–24 vgl. 2 Petr 2,2, (5) Häresie/Schisma: ApcPetr 74,20–22 vgl. 2 Petr 2,1: (6) Vernichtung: ApcPetr 75,6 vgl. 2 Petr 2,1.3; 3,7.16, (7) differente Qualität der Seelen: ApcPetr 75,12f vgl. 2 Petr 2,14, (8) Begierde und Vernichtung: ApcPetr 75,15–20 vgl. 2 Petr 1,4 (vgl. 2 Petr 2,1.3.10.18; 3,3.7.16), (9) defiziente Kreaturen: ApcPetr 75,24f vgl. 2 Petr 2,12, (10) eschatologische Auflösung: ApcPetr 76,18–20 vgl. 2 Petr 3,10, (11) Blindheit: ApcPetr 76,21f (vgl. 72,12.14; 73,12f; 81,30) vgl. 2 Petr 1,9, (12) falsche Mythen/Mysterien: ApcPetr 76,25–27 vgl. 2 Petr 1,16, (13) inkompetente Äußerungen: ApcPetr 76,29f vgl. 2 Petr 2,12, (14) der Weg: ApcPetr 77,13 vgl. 2 Petr 2,2.15.21, (15) sündige Engel/Boten: ApcPetr 77,24 vgl. 2 Petr 2,4, (16) Habsucht/falscher Geschäftssinn: ApcPetr 77,33–78,1 vgl. 2 Petr 2,3, (17) Parusie Christi: ApcPetr 78,6 vgl. 2 Petr 1,16; 3,4.12, (18) Sklaverei und Freiheit: ApcPetr 78,13–15 vgl. 2 Petr 2,19, (19) ἀδικία: ApcPetr 78,19 vgl. 2 Petr 2,13.15, (20) Finsternis als Strafort: ApcPetr 78,24f vgl. 2 Petr 2,17, (21) Strafe/strafen: ApcPetr 79,17 vgl. 2 Petr 2,9, (22) wasserlose Kanäle/Brunnen: ApcPetr 79,30f vgl. 2 Petr 2,17. 382 Vgl. Pearson, Apocalypse of Peter, 71–73, für die Bereiche Eschatologie, Christologie und Anthropologie. 383 Eine literarische Verbindung zwischen ApcPetr und 2 Petr ist für Pearson gleichbedeutend mit literarischer Abhängigkeit der ApcPetr von 2 Petr, eine mögliche Beeinflussung in umgekehrter Richtung erwägt Pearson nicht. 384 Vgl. dazu nun Frey, Morgenstern, besonders 141–144. Bemerkenswert ist, welchen Stellenwert Frey diesem Christusprädikat in Datierungsfragen einräumt. So nennt er als Beispiel dafür, dass dieses „seinen eigentlichen Siegeszug erst in nachneutestamentlicher Zeit [antrat]“ (ebd., 142) „das so genannte ‚Unbekannte Berliner Evangelium‘, das nach dem dort hervortretenden Christustitel von den Editoren Charles Hedrick und Paul Mirecki ‚Gospel of the Saviour‘ genannt wurde und schon aufgrund der Dominanz dieses Titels nicht vor der 2. Hälfte des 2. Jahrhunderts entstanden sein kann“ (ebd., 142 Anm. 62; Hervorhebung Grünstäudl). Vgl. auch Jung, F., ΣΩΤΗΡ. Studien zur Rezeption
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Kapitel 2: Petrus Apocryphus
Pearsons These einer intensiven, aber nicht sklavischen Verwendung des 2 Petr zur Gestaltung eines polemischen Abschnitts – also gewissermaßen in Analogie zur Verwendung des Jud durch 2 Petr – wurde in der weiteren Forschung zu 2 Petr kaum diskutiert 387, im Rahmen der Arbeit an ApcPetr aber von Jean-Daniel Dubois und Henriette Havelaar berücksichtigt. Dubois verwendet sie im Kontext der Datierung und Lokalisierung von ApcPetr 388 und verweist in seinem Kommentar zur ApcPetr häufig auf 2 Petr 389, während Havelaars Positionierung etwas ambivalent erscheint. Einerseits nimmt Havelaar Pearsons Argument nur als „list of similarities“ 390 war und blendet dabei die von ihm vorgebrachten Hinweise konzeptioneller Natur aus 391. Diese „similarities“ betreffen aber – und hier ist Havelaar Recht zu geben – zu einem guten Teil Topoi frühchristlicher bzw. allgemein antiker Gegnerpolemik 392, weshalb ihnen Havelaar keine Beweiskraft für eine Rezeption des 2 Petr durch ApcPetr zuerkennt. Andererseits ist Havelaar durchaus geneigt, in ApcPetr 79,31(„[t]he most likely parallel“ 393) eine Rezeption von 2 Petr 2,17 für möglich zu halten 394 und eines hellenistischen Ehrentitels im Neuen Testament (NTA.NF 39), Münster: Aschendorff 2002, 336–343; 350. 385 Pearson, Apocalypse of Peter, 74. 386 Vgl. Pearson, Apocalypse of Peter, 71f. 387 Eine Ausnahme bildet Vögtle, Der Zweite Petrusbrief, 269 Anm. 24, der Pearson explizit zustimmt: „Die gnostische ApkPetr verwendete so gut wie sicher 2Petr (mit Pearson, Apocalypse 67–74 gegen Smith* [74]).“ Ruf, Die heiligen Propheten, 116 Anm. 246, nennt Pearsons Vorschlag nur knapp, bringt aber 2 Petr 2,17 nicht mit ApcPetr in Verbindung (vgl. ebd., 451). Sehr zurückhaltend (ohne Bezugnahme auf Smith und Pearson) auch Schmidt, Maskenspiel, 415: „Trotz dieser Berührungspunkte muss man nicht mit einem direkten Einfluss des 2 Petr rechnen, die Anklänge sind vage und die Traditionen längst breit gestreut.“ 388 Vgl. Dubois, Apocalypse de Pierre, 1146f. 389 Vgl. v.a. Dubois, Apocalypse de Pierre, 1156–1162. 390 Havelaar, Apocalypse of Peter, 167. 391 Dies zeigt Havelaar, Apocalypse of Peter, 167 Anm. 402, wo nur die von Pearson im Bereich der Gegnerpolemik entdeckten Parallelen aufgelistet werden – und zwar mitsamt einem Fehler von Pearson, denn zu ApcPetr 79,17 muss die Parallele nicht „2 Pet. 2.19“ (so auch ebd., 135 Anm. 352; vgl. Pearson, Apocalypse of Peter, 70), sondern 2 Petr 2,9 lauten. 392 Vgl. dazu nun hinsichtlich des 2 Petr umfassend Frey, Disparagement, passim. 393 Havelaar, Apocalypse of Peter, 167, mit folgender Einschränkung: „However, from this it does not automatically follow that the other passages are also based on 2 Peter, especially not in the light of the above-noticed phenomenon of unrelated anthological references in this part of Apoc.Pet.“ Freilich wäre diese Theorie einer anthologischen Schriftverwendung im Monolog des Erlösers (ApcPetr 73,14–79,31) hinfällig bzw. stark zu modifizieren, wenn dieser Abschnitt durchgängig durch 2 Petr geprägt wäre und/oder die oben angedachte Hypothese zuträfe, dass dieser Monolog wesentlich als polemische Reaktion auf den „großkirchlichen“ Gebrauch des Herm entworfen wurde. In der – leider durcheinander geratenen – Liste aller neutestamentlichen Referenzen in der
2.6 Die Apokalypse des Petrus (NHC VII,3)
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spricht in ihrer Einleitung zur ApcPetr in der Ausgabe „Nag Hammadi deutsch“ sogar von einem Zitat 395 von 2 Petr 2,17 in ApcPetr 79,31 – eine Einschätzung, die zu einer genaueren Überprüfung einlädt. 2.6.4.2 Rezeption des 2 Petr in ApcPetr? Welche Verhältnisbestimmung der zumindest motivisch einander berührenden Texte kann nun am meisten Plausibilität beanspruchen? Sind ApcPetr und 2 Petr Gegenspieler in einer Kontroverse (Smith), gebraucht ApcPetr die petrinisch geprägte Polemik des 2 Petr für eigene Zwecke (Pearson) oder bietet ApcPetr ein vereinzeltes Zitat aus 2 Petr (Havelaar)? Eine Klärung dieser Fragen ist am ehesten über die Interpretation der Schlüsselstelle ApcPetr 79,31 (vgl. 2 Petr 2,17) zu erreichen. Diese befindet sich am Ende des Monologes des Erlösers, in dem dieser Petrus vor zukünftigen Irrlehren warnt und diese wiederholt polemisch aufspießt: Da werden aber andere sein, von denen, die sich außerhalb unserer Zahl befinden, die sich selbst Bischof nennen – und auch Diakone – als ob sie ihre Autorität von Gott empfangen hätten, während sie unter das Urteil der ersten Plätze fallen. Das sind die Kanäle ohne Wasser. (ApcPetr 79,21–31)
Die vermutete Basis für diese Identifikation begegnet in 2 Petr 2,17: οὗτοί εἰσιν πηγαὶ ἄνυδροι καὶ ὁμίχλαι ὑπὸ λαίλαπος ἐλαυνόμεναι, οἷς ὁ ζόφος τοῦ σκότους τετήρηται. (2 Petr 2,17)
Nur zwei Worte („wasserlose Kanäle“ [nioor =natmoou] bzw. „wasserlose Quellen“ [πηγαὶ ἄνυδροι]) konstituieren somit die vermutete intertextuelle Verbindung; nur eines von diesen („wasserlos“) erscheint tatsächlich in beiden Texten. Ein Zitat von 2 Petr 2,17 in ApcPetr 79,31 ist damit auf den ersten Blick eher unwahrscheinlich, denn auch wenn die Wendung πηγαὶ ἄνυδροι offenbar nicht vor 2 Petr bezeugt ist 396, so ist zum einen die Bildlogik – ein nutzloser, enttäuschender Wasserspender – z. B. auch in
ApcPetr weist Havelaar 2 Petr 2,17 kursiv aus (vgl. ebd., 166), was nach der Legende eine „with some certainty“ (ebd., 164) identifizierte Referenz markiert. 394 Vgl. auch Havelaar, Apocalypse of Peter, 142f (ApcPetr 72,10–13 vgl. 2 Petr 1,9), 146f (ApcPetr 74,10–12; 77,24f; 80,2–4 vgl. 2 Petr 2,1f), und 150f (ApcPetr 77,33–78,1 vgl. 2 Petr 2,3). 395 Havelaar, Apokalypse des Petrus, 411: „Pearson meint, daß in der ApkPt der zweite Petrusbrief als Quelle benutzt wird und gibt eine lange Liste mit Parallelen zwischen beiden Texten. Meiner Meinung nach handelt es sich in den meisten Fällen um religiöse Klischees, die nicht exklusiv aus dem zweiten Petrusbrief stammen. Eine Ausnahme ist p.79,39 [sic] wo II Pt 2,17 zitiert wird.“ Vgl. auch Dubois, Apocalypse de Pierre, 1162. 396 Vgl. Ruf, Die heiligen Propheten, 451.
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Kapitel 2: Petrus Apocryphus
νεφέλαι ἄνυδροι (Jud 12) gewahrt 397 und zum anderen in ApcPetr 79,31 eben nicht von „Quellen“, sondern von „Kanälen“ die Rede. Da weder ein Blick in die koptischen Übersetzungen zu 2 Petr weiterführt 398, noch das zirkuläre Argument überzeugt, der Verfasser der ApcPetr hätte die πηγαὶ ἄνυδροι aus 2 Petr (warum nicht die νεφέλαι ἄνυδροι aus Jud?) dem ägyptischen Kontext angepasst 399, muss die kontextuelle Einbindung der Phrase über einen möglichen intendierten Bezug entscheiden. Hier zeigen sich mehrere Auffälligkeiten. Zuerst bildet die betonte Identifikation in ApcPetr 79,31 – „Diese sind die wasserlosen Kanäle“ – den Schlusssatz des langen, zentralen Monologs des Erlösers (ApcPetr 73,12– 79,31), in dem clusterartig auch alle anderen möglichen 2 PetrReminiszenzen begegnen, und steht damit exponiert am Ende einer theologisch bedeutsamen Rede. Zweitens begegnen solche Identifikationsformeln, die an ähnliche Wendungen in ApkPetr (vgl. ApkPetr 7,6; 8,2.6; 9,2.3.4.7; 10,1.4.6.7; 11,3.5.7.9; 12,2.6) und Jud (vgl. Jud 8.10.12.16.19) 400 erinnern, auch bereits an anderen Stellen in diesem Monolog. Besonders auffällig, da einigermaßen sicher einem konkreten Referenztext zuordenbar, ist ApcPetr 78,22–26: „Diejenigen von solcher Art sind die Arbeiter, die in die äußerste Finsternis geworfen werden, außerhalb der Kinder des Lichts.“ (ApcPetr 78,22–26)
Die Fortsetzung in ApcPetr 78,26–30 („Denn weder werden sie [selbst] hineingehen noch werden sie die hineinlassen, die nach oben gehen zu ihrer Zustimmung, zu ihrer Erlösung.“) macht es auf dem Hintergrund der intensiven Mt-Rezeption der ApcPetr wahrscheinlich, dass ApcPetr hier die Pharisäerpolemik des Mt (insbesondere Mt 23,13) aufgreift und mit einer Anspielung auf das Schicksal des erfolglosen Dieners in Mt 25,30 verknüpft 401. Die Gegner der ApcPetr werden so durch eine kreative Rezeption des Mt mit „biblischem“ Personal identifiziert, wobei es der Erlöser 397
Havelaar, Apocalypse of Peter, 155, formuliert lapidar: „Canals, springs or clouds: without water, they are usseless.“ Ähnlich Schoenborn, Diverbium salutis, 162: „Hier verarbeitet der Sprecher eine Metapher, die auf eine lange Überlieferungsgeschichte zurückblickt. Der Graben, der Wasser auf die Felder führen, die Zisterne, die Wasser aufbewahren soll, werden zu einer trügerischen Illusion, wenn sie unsachgemäß angelegt sind.“ 398 Eine Übersetzung von 2 Petr 2,17, die ApcPetr 79,31 entspricht, findet sich nicht, doch gilt Analoges auch ganz grundsätzlich für die „Zitate“ der ApcPetr: „However, both the Sahidic and the Bohairic version of the New Testament, do not show any specific resemblances with the New Testament references of Apoc.Pet“ (Havelaar, Apocalypse of Peter, 131). 399 Vgl. Pearson, Apocalypse of Peter, 70f. 400 Vgl. den Exkurs bei Bauckham, Jude, 2 Peter, 45, der auf den Hintergrund dieser Redeweise in der jüdischen Apokalyptik verweist. 401 Vgl. zu den Details Havelaar, Apocalypse of Peter, 152f.
2.6 Die Apokalypse des Petrus (NHC VII,3)
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selbst ist, der das Mt für die Gegenwart der Leser- bzw. Hörerschaft der ApcPetr erschließt. Der Vergleich mit ApcPetr 78,22–26 könnte nahelegen, dass auch mit dem absolut formulierten Urteil in ApcPetr 79,31 ein konkreter Text angezielt ist. Darüber hinaus bleibt zu beachten, dass den „wasserlosen Brunnen“ in 2 Petr 2,17 ein Strafort angedroht wird, der dem des erfolglosen Dieners in Mt 25,30 (bzw. dem der „Arbeiter“ in ApcPetr 78,23) entspricht: Beide werden in der „Finsternis“ (Mt 25,30: τὸ σκότος τὸ ἐξώτερον [vgl. Mt 8,12; 22,13]; 2 Petr 2,17: ὁ ζόφος τοῦ σκότους) enden, die im Kontext der ApcPetr in stärkstem Kontrast zum Bereich der „Kinder des Lichts“ (ApcPetr 78,25f) steht 402. Folgt man dieser Motivverbindung, lässt sich sogar plausibel begründen, warum ApcPetr hier gerade diese Metapher aus dem polemischen Arsenal des 2 Petr adaptiert: Das zur gruppenbezogenen Lichtmetaphorik passende Vernichtungsurteil wird von der in der polemischen Identifikation gebrauchten exegetischen Belegstelle 403 unmittelbar mitgeliefert 404. Es darf aber nicht übersehen werden, dass nicht jede Identifikationsformel, die ApcPetr im Monolog des Erlösers gebraucht, auf eine (für uns) bestimmbare Stelle in den neutestamentlich gewordenen Texten verweist (vgl. z.B ApcPetr 79,11–16: „Dies sind diejenigen, die ihre Brüder bedrücken, indem sie ihnen sagen: ‚Hierdurch hat unser Gott Erbarmen; da Rettung hierdurch zu uns kommt.‘“). Überdies gilt die benannte Motivverbindung mit Mt 25,30 auch für Jud 12f, da auch den νεφέλαι ἄνυδροι die Finsternis (ὁ ζόφος τοῦ σκότους) als Strafort angesagt wird. Die besten Argumente für Pearsons These, so lässt sich zusammenfassen, bestehen einerseits in der von ihm betonten grundsätzlichen Anschlussfähigkeit des 2 Petr (als eines an γνῶσις interessierten, eschatologisch ausgerichteten Petrustextes) für eine relecture durch die Trägergruppe der ApcPetr und andererseits in der soeben beschriebenen kontextuellen Einbindung der vermuteten Berührungen in die ApcPetr, die durch eine Clusterbildung der möglichen 2 Petr-Reminiszenzen im Monolog des Erlösers und eine exponierte Stellung des Verweises auf die „wasserlosen Kanäle“ (ApcPetr 79,31) an dessen Ende charakterisiert wird. Dem gegenüber 402 403
Diese Beobachtung fehlt bei Pearson, Apocalypse of Peter, 70f. Nach Havelaar, Coptic Apocalypse of Peter, 134f, gehört der Monolog des Erlösers zu den Abschnitten der ApcPetr, die durch einen „anthological type of referring to New Testament texts“ gekennzeichnet sind. Dieser Typus des Schriftgebrauchs „is characterized by its interest in the actual words of separate Biblical phrases“ (Havelaar, Apocalypse of Peter, 134). 404 Den Gerichtsaspekt der Metapher in 2 Petr 2,17 betont auch Schoenborn, Diverbium salutis, 162f, in Abgrenzung zu Jer 2,5.13: „Das konstatierende Element schlägt um in richtende Intention, wenn 2Petr 2,17 die Gerichtsfinsternis ins Spiel bringt, die über die dort angesprochenen Widersacher hereinbrechen wird.“
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Kapitel 2: Petrus Apocryphus
besitzt der – zweifellos richtige – Einwand Havelaars, die von Pearson benannten Parallelen seien größtenteils topisch, meines Erachtens keine durchschlagende Kraft, da er die theologischen Nähen der beiden Texte ebenso wenig berücksichtigt wie die Ballung und konkrete Einbindung der benannten Berührungen mit 2 Petr innerhalb der ApcPetr. Dennoch ist eine Rezeption des 2 Petr durch ApcPetr aufgrund zweier Beobachtungen, die in den Diskussionen bei Smith, Dubois, Pearson und Havelaar noch nicht gemacht wurden, wohl doch eher nicht als wahrscheinlichste Lösung anzunehmen. Zum einen sollte, wer ApcPetr als eine zum Teil recht freie Adaption des 2 Petr liest, auch beachten, dass in ihr jede Reminiszenz an briefliche Elemente bzw. an briefliche Korrespondenz (vgl. 2 Petr 1,1f; 3,1f.15f) fehlt, sie jedoch den wohl ursprünglichen Titel „Apokalypse des Petrus“ trägt. Ist es da nicht naheliegender, in ApcPetr eine relecture der ApkPetr zu vermuten? Jedenfalls sind wichtige Motive, die Pearson in seiner Analyse der ApcPetr auf 2 Petr zurückführt („Verklärung“; futurische Eschatologie) auch in der ApkPetr bezeugt. Manche Vorstellung, die ApkPetr und ApcPetr teilen, wie etwa Anklänge an eine himmlische Liturgie der Engel (vgl. ApkPetr 6,1; ApcPetr 82,9–14), finden sich überdies nicht in 2 Petr 405. Zum anderen bezieht sich ein Großteil der von Pearson benannten Parallelen auf Material, das 2 Petr aus Jud übernommen hat, wodurch sich dieselbe Herkunftsquelle auch für ApcPetr nahelegen könnte 406. Vor allem aber lässt sich, wie oben gezeigt, auch die markanteste Berührung mit 2 Petr in ApcPetr 79,31 problemlos als Anklang an Jud 12 verstehen 407. Da nun sowohl für Jud als auch für ApkPetr im mutmaßlichen Entstehungskontext der ApcPetr – in Ägypten im späten zweiten oder frühen dritten Jahrhundert – Verbreitung und Wertschätzung belegt sind, erscheint es – wenn man für die entsprechenden Motive in der ApcPetr einen literari405
Vgl. auch die Benennung des Petrus als ἀρχή der Erkenntnis in ApcPetr 71,19–21 und die Verknüpfung von Petri Tod mit der ἀρχή eschatologischer Ereignisse in ApkPetr 14,4 (Rainer-Fragment). Zu bedenken scheint mir auch zu sein, dass die Idee einer Rettung aus postmortalen Strafen durch das fürbittende Gebet der Erwählten (ApkPetr 14,1 R; vgl. Kraus, Fürbitte, passim), der theologischen Konzeption der ApcPetr diametral entgegensteht und somit als falsche petrinische Lehre als der Korrektur bedürftig empfunden worden sein könnte. 406 Vgl. vor allem (1) – (6), (9), (13) – (16), (20), (22) in der obigen Liste. Zu den anderen Parallelen finden Entsprechungen unter anderem in Mt, so (17), ApkPetr, so (10) und (21), bzw. in 2LogSeth, so (7), (8), (9), (11), (18). Zu (12) vgl. Koschorke, Polemik, 52–54; zu (19) vgl. oben zu Herm. 407 Ob sich für ApcPetr eine Kenntnis des Jud wahrscheinlich machen lässt (ein Ansatz wäre ApcPetr 77,24 vgl. Jud 13), müsste eigens geprüft werden. Der Index bei Havelaar, Apocalypse of Peter, 166, bietet dazu leider keine Hilfe, da die Einträge zu Jud im Text nicht auffindbar sind.
2.7 Zusammenfassung
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schen Einfluss geltend machen will – durchaus naheliegend, diesen auf ApkPetr und Jud und nicht auf den (für uns) zu diesem Zeitpunkt gerade erst greifbar werdenden 2 Petr zurückzuführen 408. 2.6.5 Zusammenfassung Eine Analyse möglicher literarischer Beziehungen zwischen 2 Petr und ApcPetr kommt zu überwiegend negativen Ergebnissen. Weder ist für ApcPetr selbst eine sichere historische Einordnung durchführbar, noch ist eine literarische Verwandtschaft mit 2 Petr zu erweisen. Unter den beachtlichen Parallelen, die ApcPetr zu 2 Petr aufweist, befindet sich kein Spezifikum des 2 Petr, vielmehr lassen sich für einen Großteil von ihnen Entsprechungen in ApkPetr und Jud benennen, in zwei Texten also, die von 2 Petr benutzt wurden und gegenüber diesem eine wesentlich breitere und intensivere Rezeptionsgeschichte im zweiten und dritten Jahrhundert aufweisen. Eine historische Einordnung des 2 Petr sollte dessen mögliche Rezeption in ApcPetr beachten, es erscheint jedoch nicht ratsam, diese Möglichkeit als Argument zu eben dieser Einordnung heranzuziehen. In jedem Fall verdeutlicht ApcPetr (noch einmal) die Vielfalt der Verwendungen der Petrus-Figur im frühchristlichen Schrifttum und lädt zu weiteren Untersuchungen – etwa zu ihrem Verhältnis zu ApkPetr und Herm – ein.
2.7 Petrus Apocryphus: Zusammenfassung 2.7 Zusammenfassung
Die Diskussion möglicher Verbindungslinien des 2 Petr zu anderen pseudopetrinischen Texten, die bei allen Unwägbarkeiten der jeweiligen Textüberlieferung und Datierung mit gewissem Recht dem zweiten bzw. frühen dritten Jahrhundert zuzuordnen sind, verdeutlichte zu allererst die enorme Vielfalt der literarischen und theologischen Formen, in denen die Gestalt des Apostels Petrus im frühen Christentum rezipiert, tradiert und transformiert werden konnte. Wenn nicht jeder der untersuchten Texte signifikante Berührungen mit 2 Petr aufweist, so ist dies auf diesem Hintergrund nur allzu verständlich. Für die hier vornehmlich interessierende Frage nach der historischen und theologischen Heimat des 2 Petr lassen sich nun insbesondere vier Ergebnisse festhalten. (1) Der wichtigste Ertrag dieses Kapitels ist sicherlich der Nachweis, dass eine Abhängigkeit des 2 Petr von ApkPetr die literarische Beziehung zwischen beiden Texten überzeugender beschreiben kann als die gegenwär408 Keineswegs ist damit eine literarische Abhängigkeit der ApcPetr von ApkPetr und Jud positiv behauptet. Betont ist nur (1) die fehlende Exklusivität der Berührungen zwischen ApcPetr und 2 Petr und (2) ihr Vorkommen in Texten, die im mutmaßlichen Entstehungskontext der ApcPetr nachweislich verbreitet waren.
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Kapitel 2: Petrus Apocryphus
tig in der Forschung vornehmlich vertretene Rezeption des 2 Petr durch ApkPetr. Damit verwandelt sich nicht nur ein gerne angenommener terminus ad quem des 2 Petr in einen terminus a quo, wodurch eine Abfassung des 2 Petr wohl erst nach etwa 140 n.Chr. in Betracht zu ziehen ist; vielmehr gilt es darüber hinaus, für 2 Petr einen Enstehungskontext anzunehmen, in dem ApkPetr sich so hoher Wertschätzung erfreute, um für einen Text vom Anspruch des 2 Petr als Basis und Ausgangspunkt einer kritischkonstruktiven Fortführung, vor allem aber einer entsprechenden Adaption des Petrus-Pseudonyms, in Frage zu kommen. Überdies bietet sich dadurch die Chance, mittels einer Berücksichtigung der ApkPetr als Quelle des 2 Petr dessen literarische Gestalt und theologische Intention noch besser zu erschließen. (2) Weniger deutlich sind die gefundenen Hinweise bezüglich einer zeitlichen Abgrenzung nach oben. Die ActPetr bieten zwar manche motivische und sprachliche Ähnlichkeit mit 2 Petr, eine literarische Beziehung lässt sich aber allenfalls vermuten, nicht aber hinreichend wahrscheinlich machen. Zudem muss aufgrund der Überlieferungsgestalt der ActPetr stets offen bleiben, ob ein bestimmtes Textsegment tatsächlich bereits als Text des zweiten Jahrhunderts zu identifizieren ist oder nicht doch (wesentlich) späterer Zeit entstammt. Viele interessante Berührungen mit 2 Petr bietet hingegen die in Nag Hammadi gefundene und noch stets viel zu wenig erschlossene ApcPetr. Zwar könnten diese auch auf eine Rezeption von Jud und ApkPetr seitens der ApcPetr zurückgehen und begründen somit keine wahrscheinliche oder gar sichere Kenntnis des 2 Petr in einer möglicherweise aus dem Ägypten des frühen dritten Jahrhunderts stammenden Schrift, doch bleibt gerade angesichts der Schwierigkeiten, die bei dem Versuch, das Verhältnis zwischen ApcPetr und 2 Petr zu bestimmen, auftreten, eine traditionsund/oder rezeptionsgeschichtliche Nähe dieser beiden Petrustexte als Möglichkeit zu erwägen. (3) Bei nicht zu übersehenden Differenzen weist die theologische Konzeption des KerPetr, bzw. des Wenigen, das von diesem erhalten ist, doch interessante Ähnlichkeiten mit 2 Petr auf, insofern diese christlicher γνῶσις und der rechten Hermeneutik autoritativer religiöser Texte prominente Rollen zuteilt. Eine literarische Verbindung zwischen KerPetr und 2 Petr legt sich aber nicht nahe. Rückschlüsse auf die historische Einordnung des 2 Petr lassen sich aus diesem Befund ebenfalls nicht ziehen; noch stärker gilt dies im Fall des (Nicht)Verhältnisses des 2 Petr zu EvPetr. (4) Schließlich ist auch für die in ihrer Endgestalt deutlich späterer Zeit zugehörenden PsClem eine Kenntnis des 2 Petr nicht wahrscheinlich zu machen – ein Umstand, der angesichts eines so umfassenden, intensiv petrinische Traditionen verarbeitenden Corpus durchaus auffällt, und eine
2.7 Zusammenfassung
183
Präsenz des 2 Petr im Umfeld der Entstehung der PsClem eher auszuschließen scheint.
Kapitel 3
Petrus Receptus Kapitel 3: Petrus Receptus
So sehr Origenes als erster unumstrittener Zeuge des 2 Petr gelten darf, so vielfältig ist die Beurteilung möglicher Rezeptionen des 2 Petr vor Origenes, wie in den Abschnitten zu Hippolyt und den petrinischen Pseudepigrapha bereits ausschnitthaft deutlich wurde. Die Spannbreite reicht dabei von der prägnanten Feststellung der Nicht-Rezeption („Im 2. Jh. ist der Brief nirgendwo genannt noch nachweisbar benützt.“ 1) bis zur Erstellung umfangreicher Listen möglicher Anspielungen auf 2 Petr in der christlichen Literatur des zweiten Jahrhunderts 2. Manches Zeugnis, das in solchen Testimoniensammlungen aufscheint, wird auf methodisch durchaus zweifelhafte Art und Weise gewonnen, wofür an dieser Stelle ein Beispiel genügen soll: Ὄντως οὖν αὕτη ἐστὶν ἡ ὁδὸς τῆς ἀληθείας, ἥτις τοὺς ὁδεύοντας αὐτὴν εἰς τὴν αἰώνιον χειραγωγεῖ βασιλείαν τὴν ἐπηγγελμένην παρὰ Χριστοῦ ἐν τῇ μελλούσῃ ζωῇ (Aristides, apol. 16,1) 3
1 Schelkle, Petrusbriefe, 182. Vgl. auch Frankemölle, 1. Petrusbrief, 82 („Im 2. Jh. wird der Brief nirgendwo zitiert oder genannt ...“), Vögtle, Der zweite Petrusbrief, 129 („im ganzen 2. Jh. kaum sichere Spuren für die Kenntnis des Briefes“). 2 Solche Listen finden sich vor allem bei Autoren, die eine frühe Abfassung des 2 Petr vertreten (die wichtigsten Ausnahmen bilden Chase, Second Epistle of Peter, 799–807, und Mayor, Second Epistle of St. Peter, cxv–cxxxiv): Warfield, B. B., The Canonicity of Second Peter, in: Southern Presbyterian Review 33 (1881), 45–75, hier: 46–64, Bigg, Epistles, 199–210, Green, 2 Peter Reconsidered, 5–10, Bauckham, Jude, 2 Peter, 162f, Kruger, Authenticity, 649–656, Houwelingen, Trompet, 21–35. Aus den Angaben des ersten Bandes der Biblia Patristica (Biblia Patristica. Index des citations et allusions bibliques dans la littérature patristique, Band I: Des origines à Clément d’Alexandrie et Tertullien, herausgegeben vom Centre d’Analyse et de Documentation Patristiques [Straßburg], Paris: Centre National de la Recherche Scientifique, 1975, vgl. 530f) kann keineswegs direkt auf eine gute Bezeugung des 2 Petr „im späten 2. Jh.“ geschlossen werden (so Frenschkowski, Pseudepigraphie, 218 mit Anm. 104), da ein sehr großer Anteil der dort verzeichneten Anspielungen und Zitate in Wirklichkeit bloß Berührungen ganz allgemeiner und unspezifischer Art sind. Umgekehrt bleibt die Biblia Patristica gerade aufgrund ihrer sehr weit gefassten Suchkriterien ein unverzichtbares Werkzeug jeder rezeptionsgeschichtlichen Analyse. 3 Die Textgrundlage bildet hier und im Folgenden die kritische Ausgabe Pouderon et al., Aristide, passim.
3.1 Rezeption des 2 Petr vor Justin
185
Diesen Satz aus der griechischen Version der Apologie des Aristides stellt Charles Bigg neben 2 Petr 1,11 (ἡ εἴσοδος εἰς τὴν αἰώνιον βασιλείαν τοῦ κυρίου ἡµῶν καὶ σωτῆρος Ἰησοῦ Χριστοῦ) und 2 Petr 2,2 (ἡ ὁδὸς τῆς ἀληθείας) und konkludiert: „This seems to be a clear case“ 4. Bigg vermutet also, Aristides habe an dieser Stelle erkennbar zwei Textbausteine aus 2 Petr kombiniert und bezeuge somit bereits früh im zweiten Jahrhundert 5 eine Rezeption des 2 Petr. Doch das Fehlen des relevanten Satzes in der dem ursprünglichen Text der Apologie wohl deutlich näheren syrischen Überlieferung 6 spricht klar gegen die Möglichkeit, apol. 16,1 als Zeugnis für eine Benutzung des 2 Petr durch Aristides zu werten 7. Dies vor allem auch deshalb, weil der griechische Text der Apologie des Aristides hauptsächlich als Teil des mittelalterlichen Romans „Barlaam und Joasaph“ 8 4 Bigg, Epistles, 204. Auch Green, 2 Peter and Jude, 14, listet die Apologie des Aristides unter jenen Texten auf, die seiner Meinung nach „possible or probable traces of 2 Peter“ aufweisen, während ders., 2 Peter Reconsidered, 8, eine Benutzung des 2 Petr durch Aristides „highly probable“ nennt. Auch die vom Stichwort ἁλλοµένου ausgehende Deutung der πηγὴ ὕδατος ἁλλοµένου εἰς ζωὴν αἰώνιον (Joh 4,14) auf τοὺς μεταλαμβάνοντας τοῦ ἄνωθεν ἐπιχορηγουμένου πλουσίως καὶ αὐτοὺς ἐκβλύσαι εἰς τὴν ἑτέρων αἰώνιον ζωὴν τὰ ἐπικεχορηγημένα αὐτοῖς bei Heracleon, frg. 17 (apud Origenes, Jo. XIII,62), die bereits Mayor, Second Epistle of St. Peter, cxxii (vgl. ebd., cxxvii!), anführt, kommt kaum als Rezeption von 2 Petr 1,11 (πλουσίως ἐπιχορηγηθήσεται ... ἡ εἴσοδος εἰς τὴν αἰώνιον βασιλείαν τοῦ κυρίου ἡµῶν καὶ σωτῆρος Ἰησοῦ Χριστοῦ) in Frage (gegen Poffet, J.-M., La méthode exégétique d’Héracléon et d’Origène commentateurs de Jn 4. Jésus, la Samaritaine et les Samaritains [Par. 28], Fribourg: Éditions Universitaires Fribourg Suisse 1985, 26 Anm. 29: „Ce verset [sc. 2 Petr 1,11; Anm. Grünstäudl] est probablement présent à l’arrière-plan du raisonnement de notre auteur.“), sondern zeigt nur, dass manche (theologische) Formulierung des 2 Petr auch bei anderen christlichen Lehrern des zweiten Jahrhunderts zu finden ist; vgl. auch Ptolemäus, ep. Flor. 6,5 (παρούσης δὲ τῆς ἀληθείας τὰ τῆς ἀληθείας δεῖ ποιεῖν, οὐ τὰ τῆς εἰκόνος) mit 2 Petr 1,12. 5 Zur umstrittenen Datierung von Aristides’ Apologie vgl. oben zum KerPetr (2.1). 6 Bezeugt in Codex Sinaiticus syr. S. Catherin. 16 (Beschreibung in Pouderon et al., Aristide, 137–140) aus dem 6./7. Jahrhundert. Zum Verhältnis der Versionen vgl. Pouderon et al., Aristide, 144–150 („La supériorité de la version syriaque“). Irrtümlich verweist Frey, Morgenstern, 139 Anm. 44, zu 2 Petr 1,11 auf die „syr. Version von Aristides, Apol. 16“. 7 So auch Bauckham, Jude, 2 Peter („probably not original“). Überdies kann man natürlich kritisch anfragen, ob die unbestreitbaren Ähnlichkeiten zwischen den beiden Texten tatsächlich spezifisch genug wären, um eine literarische Abhängigkeit zu begründen und ob im Falle einer solchen Abhängigkeit automatisch Aristides als der Rezipient zu vermuten wäre. 8 Dieser faszinierende und vielfältig tradierte Text liegt nun in der kritischen Ausgabe Die Schriften des Johannes von Damaskos VI/2. Historia animae utilis de Barlaam et Joasaph (spuria). Besorgt von Robert Volk (PTS 60), Berlin/New York: De Gruyter 2006, vor, die von dem reichhaltigen Einführungsband Die Schriften des Johannes von Damaskos VI/1. Historia animae utilis de Barlaam et Joasaph (spuria). Einführung von Robert Volk (PTS 61), Berlin/New York: De Gruyter 2009, begleitet wird.
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Kapitel 3: Petrus Receptus
überliefert ist und als solcher kontextuelle Anpassungen und Veränderungen aufweist 9. Die von Bigg festgestellte Berührung zwischen 2 Petr und der Apologie des Aristides ist somit nicht als mögliche 2 Petr-Rezeption des zweiten, sondern des zehnten Jahrhunderts 10 zu diskutieren, zumal der Barlaam-Roman auch sonst mehrmals deutlich auf 2 Petr zurückgreift 11. Wie folglich leicht nachzuvollziehen ist, kann die vorliegende Studie nicht jede Reminiszenz an 2 Petr, die für das zweite Jahrhundert vorgeschlagen wurde, eingehend kritisch würdigen. Vielmehr ist eine Vorauswahl zu treffen, die zum einen die Diskussion auf jene Stellen beschränkt, für die zumindest ein geringer Anfangsverdacht auf eine mögliche Rezeption des 2 Petr vernünftig zu begründen ist, und zum anderen Texten, welche forschungsgeschichtlich eine besondere Rolle spielen, gebührende Beachtung schenkt. Die Disparatheit des auf diese Weise gewonnenen Ausgangsmaterials bedingt eine recht pragmatische Gliederung der folgenden Ausführungen: Ein eigener Abschnitt widmet sich möglichen Spuren des 2 Petr bei Justin dem Märtyrer – Hans Windisch und Herbert Preisker erkannten hier die „merkwürdigsten“ 12 Parallelen zu 2 Petr im zweiten Jahrhundert, während alle anderen zu besprechenden Texte unter den Kategorien vor und nach Justin gebündelt werden.
9 Vgl. Volk, Einführung, 133. Wichtig ist dabei auch, dass die leider nur sehr fragmentarische Papyrus-Überlieferung der Apologie die syrische Version an dieser Stelle zusätzlich zu stützen scheint, wie die synoptische Gegenüberstellung der drei Zeugen bei Pouderon et al., Aristide, 404–407, gut verdeutlicht. Der wahrscheinlich aus dem vierten Jahrhundert stammende P. Londres litt. 223 (olim 2486), zuerst durch Milme, H. J. M., A New Fragment of the Apology of Aristides, in: JThS 25 (1924), 73–77, ediert, bietet in apol. 16,1 nur mehr die vier Worte οντως ουν ουτοι ευρον, von welchen die ersten beiden genau dem Text des Barlaam-Romans entsprechen, die beiden anderen allerdings nicht dessen Zwei-Wege-Motivik (der Weg der Wahrheit und der Weg der Finsternis) aufgreifen, sondern wie die syrische Version („Ils sont vraiment ceux qui ont trouvé la vérité, en circulant pour la chercher.“) vom Finden (wohl: der Wahrheit) sprechen. Dieses Bild, das die Christen in Analogie zu antiken Philosophen-Schülern wandernd auf der Suche nach Wahrheit darstellt (vgl. Pouderon et al., Aristide, 235 Anm. 7), ist in der apol. gut verankert (neben apol. 16,1 bereits apol. 15,3 – ebenfalls im Syrischen) und dürfte somit erst im griechischen Text des Barlaam-Romans durch das Zwei-Wege-Motiv verdrängt worden sein. Dieses durch P. Londres litt. 223 gebotene Indiz scheinen Pouderon et al., Aristide, 149, nicht zu beachten, wenn sie apol. 16,1 unter jene fünf Stellen aufnehmen, „qui donnent à penser que le texte grec original était plus ample que celui conservé par Syr“. 10 Zum Autor und den Abfassungsverhältnissen von „Barlaam und Joasaph“ vgl. Volk, Einführung, 1–95. 11 Vgl. den Index bei Volk, Barlaam et Joasaph, 474f. 2 Petr 3,13 wird in Barlaam und Joasaph 9,65f sogar mit der Zitationsformel ὥς φησί τις τῶν θεηγόρων (vgl. Lampe, Patristic Greek Lexicon, s.v. θεηγόρος) eingeleitet. 12 Windisch/Preisker, Die Katholischen Briefe, 105.
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3.1 Rezeption des 2 Petr vor Justin 3.1 Rezeption des 2 Petr vor Justin
3.1.1 Ein römisches Milieu als Entstehungskontext des 2 Petr? 1 Clem, 2 Clem und Herm. sind für Richard Bauckham „2 Peter’s closest relatives in the early church“ 13, die mit diesem durch „many parallels, in ideas and vocabulary“ 14 bei gleichzeitigem Fehlen einer direkten literarischen Abhängigkeit verbunden seien. Diesen Befund führt Bauckham darauf zurück, dass diese vier Texte im selben Umfeld entstanden seien. Dieses gemeinsame Entstehungsmilieu wiederum identifiziert Bauckham als petrinisch geprägte Kreise im Rom des späten ersten Jahrhunderts. Soweit ich sehe 15, sind für diese These bei Bauckham drei konstitutive Elemente auszumachen. Erstens die Vermutung, 2 Petr 3 greife auf dieselbe Schrift als Quelle zurück, die auch in 1 Clem 23 und 2 Clem 11 zitiert wird 16, zweitens natürlich die entsprechende Lokalisierung und Datierung der vier genannten Texte und schließlich drittens die Bestimmung konkreter Berührungspunkte zwischen 2 Petr und den übrigen Texten. Zur ersten argumentativen Stütze ist zu sagen, dass 1 Clem 23,3f und 2 Clem 11,2–4 deutlich den selben – wahrscheinlich in bereits je verschieden tradierter Version 17 – Text zitieren, wobei eine auffällige Parallele zu 13
Bauckham, Jude, 2 Peter, 150. Positiv rezipiert bei Bénétreau, 2 Pierre, 48 („les plus proches de l’épître“), der ebenfalls 2 Petr recht früh (ca. 60–90 n.Chr. [ebd., 39]) und in Rom (ebd., 40, mit Reserve) entstanden sein lässt. Zurückhaltend Vögtle, Der zweite Petrusbrief, 125, Kraus, Sprache, 366, und Ruf, Die heiligen Propheten, 592f (spricht ebd., 593, in Anschluss an Bauckham von den „römischen Schriften“ 1 Clem, 2 Clem und Herm). 14 Bauckham, Jude, 2 Peter, 149. Eindeutig negativ ist hingegen das Urteil von Knopf, Die Briefe Petri, 254: „Zwischen I Clem, Barn, Herm, II Clem und unserm Brief lassen sich keine unmittelbaren Beziehungen ausweisen.“ 15 Die Identifizierung der von Richard Bauckham zur Begründung dieser These als entscheidend angesehenen Argumente wird dadurch erschwert, dass zum einen im entsprechenden Abschnitt der Einleitung seines Kommentars (vgl. Bauckham, Jude, 2 Peter, 149–151) außer den Überlegungen zur Datierung und Lokalisierung der vier Texte und einer kurzen statistischen Notiz zu den Hapax legomena des 2 Petr nur auf die „throughout the commentary“ (ebd., 149f) notierten Parallelen des 2 Petr zu 1 Clem, 2 Clem und Herm verwiesen wird, diese Parallelen aber im Register (vgl. ebd., 356f) nur unvollständig verzeichnet sind (z.B. fehlen Herm mand. VIII,10 [ebd., 187]; vis. III,8,7 [ebd., 187]; 1 Clem 50,3 [ebd., 191]; 2 Clem 5,5f; 11,6f; 12,2 [ebd., 191]). 16 Vgl. Bauckham, Jude, 2 Peter, 283–285. Übernommen z.B. bei Watson, Related Methods, 43. 17 Vgl. die ausführliche Analyse bei Warns, R., Untersuchungen zum 2. ClemensBrief, Diss. Marburg 1985, 530–544. Pratscher, W., Die Parusieerwartung im 2. Klemensbrief, in: Becker, M./Öhler, M. (Hg.), Apokalyptik als Herausforderung neutestamentlicher Theologie (WUNT II/214), Tübingen: Mohr Siebeck 2006, 197–210, hier: 199: „Die beiden Versionen sind aber doch so unterschiedlich, daß 1 Klem nicht als Quelle in Frage kommt.“ Vgl. ders., Der zweite Clemensbrief (Kommentar), 152. Inte-
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2 Petr in der Verknüpfung des Zweifels an den Verheißungen mit dem Ableben der „Väter“ 18 vorliegt 19. In der von den Clemensbriefen zitierten Schrift treten wie in 2 Petr Gestalten auf, die anhand des mittlerweile eingetretenen Todes der Väter einst ergangene Verheißungen in Zweifel ziehen 20, wobei nicht unbedingt ein ursprünglicher eschatologischer Horizont angenommen werden muss 21, wiewohl beide Clemensbriefe durch die entsprechende kontextuelle Einbettung ein solches Verständnis des Zitats bezeugen. In 1 Clem folgt nach einer kurzen explizierenden Verknüpfung ein Mischzitat von Mal 3,1b LXX und Jes 13,22b LXX 22 sowie ein längerer Abschnitt zur Verlässlichkeit der Auferstehungshoffnung (vgl. 1 Clem 24– 28), die mit dem Gerichtsgedanken eng verknüpft ist (vgl. 1 Clem 27,1; 28,1) 23. Ähnlich geht in 2 Clem der Verweis auf Gericht und Auferstehung ressant ist, dass zwei Elemente der Zitation, die in 2 Clem anders als in 1 Clem gestaltet sind, Berührungen mit 2 Petr aufweisen. Zum einen bezeichnet 2 Clem die Quelle nicht als ἡ γραφή, sondern als ὁ προφητικὸς λόγος (vgl. 2 Petr 1,19), zum anderen drückt das Zitat selbst das Vergehen der Zeit nicht mit einem Verweis auf das Altwerden der Sprecher und Sprecherinnen aus (1 Clem 23,3: γεγηράκαμεν), sondern mit einer Beschreibung des täglichen (2 Clem 11,2: ἡμέραν ἐξ ἡμέρας; vgl. 2 Petr 2,8), unbelohnten Ausschauhaltens. Jedoch ist ὁ προφητικὸς λόγος keine „rare expression“ (Gerdmar, Dichotomy, 201) und auch die Phrase ἡμέραν ἐξ ἡμέρας begegnet bereits in der LXX (vgl. Gen 39,10; Ps 60,9; 95,2; Sir 5,7; Jes 58,2; weitere Belege bei Ruf, Die heiligen Propheten, 421 Anm. 514) keineswegs selten, sodass eine exklusive Verbindung zu 2 Petr nicht anzunehmen ist. 18 Vgl. Lona, Der erste Clemensbrief, 290. Es ist dabei keineswegs sicher, dass die Clemensbriefe bzw. deren Quelle „the physical fathers of the speakers“ (Adams, Promise, 112) im Blick haben. 19 Als Grundlage für den griechischen Text der sogenannten Apostolischen Väter dient, wenn nichts anderes vermerkt ist, die Ausgabe Die Apostolischen Väter, Griechisch-deutsche Parallelausgabe auf der Grundlage der Ausgaben von Franz Xaver Funk/Karl Bihlmeyer und Molly Whittaker mit Übersetzungen von M. Dibelius und D.A. Koch neu übersetzt und herausgegeben von Andreas Lindemann und Henning Paulsen, Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1992. 20 Im Unterschied zu der in den Clemensbriefen zitierten Schrift fehlt in 2 Petr 3,4 ein Hinweis darauf, dass die Zweifler selbst „gehört“ hätten (dieser ist in 2 Clem 11,2 durch das wohl ursprüngliche Imperfekt noch ausgeprägter; vgl. Pratscher, Der zweite Clemensbrief, 153 Anm. 18), wie die Verheißungen ergingen. 21 Dies wäre vor allem dann nicht der Fall, wenn die Wendung ὁρᾶτε ὅτι ἐν καιρῷ ὀλίγῳ εἰς πέπειρον καταντᾷ ὁ καρπὸς τοῦ ξύλου (1 Clem 23,4) vom Verfasser des 1 Clem stammen sollte, wie Lona, Der erste Clemensbrief, 290, gegen Lindemann, Clemensbriefe, 84, annimmt. 22 Vgl. dazu Lona, Der erste Clemensbrief, 293. 23 Vgl. Lona, Der erste Clemensbrief, 290. Hingegen legt für Lindemann, Clemensbriefe, 84, „der ganze Kontext … auf der Ebene des 1 Clem einen nicht-apokalyptischen Sinn nahe“ (entsprechend deutlich auch Lindemann, A., Der Erste Clemensbrief, in: Pratscher, W. [Hg.], Die Apostolischen Väter. Eine Einleitung [UTB 3272], Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2009, 59–82, hier: 76: „Kein Anlass besteht, den vom Autor
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(vgl. 2 Clem 9,1) dem Zitat voraus, während ihm verschiedene Hinweise auf das Eingehen in das Reich (vgl. 2 Clem 11,7) und den Tag der Erscheinung Gottes (2 Clem 12,1; vgl. 2 Clem 16,3; 17,4.6) folgen 24. Diese „sachliche Parallele“ 25 bezeugt aber aufgrund des Fehlens signifikanter terminologischer Berührungen 26 und der Präsenz beträchtlicher Differenzen zwischen den Texten keine literarische Verbindung mit 2 Petr 3,4 27, „verweist aber auf strukturelle Verwerfungen in der Geschichte der urchristlichen Gemeinden und ihrer Theologie“ 28. Insofern das gemeinsame Zitat selbst zwischen den beiden Clemensbriefen keine zeitliche 29 und/oder räumliche Nähe begründet 30, kann die Ähnlichkeit mit des 1 Clem kritisierten ‚Zweifel‘ (11,2; 23,2f.) auf Zweifel an der Parusie zu beziehen.“). Wenig später schreibt er aber: „Daß die Endzeitereignisse ganz gewiß eintreten werden … ist der Grundgedanke der Apokalyptik ... Diese Gewißheit ist es, auf die es dem Vf des 1 Clem ankommt und um derentwillen [om. er] das Zitat überhaupt verwendet“ (ebd., 84). 24 Vgl. Pratscher, Der zweite Clemensbrief, 154. 25 Pratscher, Der zweite Clemensbrief, 154. 26 Skeptisch auch Frey, J., Judgment of the Ungodly and the Parousia of Christ, in: Van der Watt, J. G. (Hg.), Eschatology in the New Testament and Some Related Documents (WUNT II/315), Tübingen: Mohr Siebeck, 493–513, hier: 508: „But no matter whether there is a textual relation between 2 Peter and these texts, the theme of the parousia is not mentioned at all in them. The parallels only demonstrate that scepticism against early Christian prophecy was more common in works of the late first and the early second centuries than in earlier times.“ 27 Zu den Differenzen vgl. prägnant Paulsen, Der Zweite Petrusbrief, 153, der von „traditionsgeschichtlicher Parallelität“ sprechen möchte, sowie Gerdmar, Dichotomy, 200: „Even to see it [sc. 2 Petr 3,4; Anm. Grünstäudl] as a free rendering of the source is to say too much. What is in common is the thought of a promise from the fathers of old and that nothing has happened, and this is argued in a similar setting with false teachers and a discussion of eschatology.“ Nichtsdestotrotz entwirft Gerdmar aber direkt im Anschluss ein sehr konkretes Modell literarischer Abhängigkeit des 1 Clem von 2 Petr und des 2 Clem von 1 Clem und 2 Petr (vgl. ebd., 200–202, und die Diskussion im Folgenden). Pratscher, Parusieerwartung, 200: „Die apokalyptische Situation ist terminologisch und inhaltlich stärker angesprochen als in den beiden Klemensbriefen. Die Differenzen zu deren Texten sind doch recht groß, so daß eine gemeinsame jüdische Vorlage jedenfalls nicht wahrscheinlich ist.“ 28 Paulsen, Der Zweite Petrusbrief, 153. Zweifelhaft ist, ob man deshalb bereits von „a common pattern“ (Donfried, K. P., The Setting of Second Clement in Early Christianity [NT.S 38], Leiden: Brill 1974, 151) sprechen kann, das in allen drei Texten zur Anwendung kommt. 29 Deshalb kann man Aussagen „für die Zeit von 1–2Clem“ (Kraus, Sprache, 384) nur in einem sehr weiten Sinne treffen und kaum Nähen des 2 Petr zu beiden Clemensbriefen als direkte Hinweise auf eine bestimmte Entstehungszeit des 2 Petr auswerten. 30 Für Pratscher, Der zweite Clemensbrief, 59, sind „die Differenzen zu 1 Clem und Herm“ sogar ein Argument gegen eine Abfassung des 2 Clem in Rom, vgl. ebd., 152, Lindemann, Clemensbriefe, 233. Kritisch zur von Lindemann, Paulus, 266 mit Anm. 30, noch erwogenen Möglichkeit, 2 Clem redigiere das aus 1 Clem übernommene Zitat, äu-
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2 Petr 3,4 auch kein Argument für die Datierung und/oder Lokalisierung des 2 Petr sein 31. Die zweite Basisannahme, 1 Clem, 2 Clem und Herm seien römische Texte des späten ersten Jahrhunderts, steht ebenfalls auf tönernen Füßen 32. Zwar sind 1 Clem und Herm beinahe unzweifelhaft in Rom entstanden, doch für 2 Clem ist dies mehr als unsicher 33. Überdies vertritt gerade Karl Donfried, der einzige Autor, den Bauckham für eine Datierung des 2 Clem („commonly dated well into the second century“ 34) noch in das erste Jahrhundert anführt, mit Nachdruck eine Entstehung des 2 Clem in Korinth – dieser sei nämlich die Predigt der aufgrund der Intervention der römischen Gemeinde (1 Clem) wieder in ihr Amt eingesetzten korinthischen Presbyter 35. Doch nicht nur durch diese Annahmen zu Abfassungszeit und -ort des 2 Clem wird das von Bauckham rekonstruierte Milieu aufgesprengt, auch 1 Clem und Herm weisen eine sehr unterschiedliche theologische Prägung auf, die man eher als Zeichen für Pluralität und/oder Entwicklung im römischen Christentum, denn als Merkmal eines gemeinsamen Umfelds plausibel machen kann. Schließlich ist auch zu bedenken, dass nicht einmal für 1 Clem eine Datierung an das Ende des ersten Jahrhunderts als sicher anzunehmen ist 36. ßert sich Warns, Untersuchungen, 531 Anm. 7972. Zur ähnlichen Problematik in 2 Clem 11,7 (vgl. 1 Kor 2,9; 1 Clem 34,8) vgl. Pratscher, Der zweite Clemensbrief, 157f. 31 Gegen Bauckham, Jude, 2 Peter, 284. 32 Vgl. Müller, Der 2. Petrusbrief, 333f. 33 Vgl. Baasland, E., Der 2. Klemensbrief und frühchristliche Rhetorik. ‚Die erste christliche Predigt‘ im Lichte der neueren Forschung, in: ANRW II,27,1 (1993), 78–157, hier: 89–92. 34 Bauckham, Jude, 2 Peter, 150. 35 Vgl. Donfried, Setting, 1–15, sowie knapper ders., The Theology of Second Clement, in: HThR 66 (1973), 478–501, hier: 498f. Die „more general reasons“ (Bauckham, Jude, 2 Peter, 150), die Donfried für seine Frühdatierung anführt, dienen vor allem der Stützung der engen Verbindung von 1 Clem und 2 Clem. Zur Kritik an Donfried vgl. Warns, Untersuchungen, 25–29, und Wengst, K., Didache (Apostellehre), Barnabasbrief, Zweiter Klemensbrief, Schrift an Diognet. Eingeleitet, herausgegeben, übertragen und erläutert von Klaus Wengst (SUC 2), München: Kösel 1984, 213. 36 Vgl. dazu Lona, Der erste Clemensbrief, 75–78 (mit Diskussion von Früh- und Spätdatierungen), der selbst „das letzte Jahrzehnt des ersten Jahrhunderts“ (ebd., 77) annimmt, sowie vor allem Gregory, A. F., 1 Clement. An Introduction, in: ET 117 (2006), 223–230, hier: 227f, und ders., Disturbing Trajectories. 1 Clement, the Shepherd of Hermas and the Development of Early Roman Christianity, in: Oaekes, P. (Hg.), Rome, The Bible and the Early Church, Carlisle: Paternoster 2002, 142–166. Neue Argumente für eine Datierung von 1 Clem um ca. 100 n.Chr. bietet Schmitt, T., Paroikie und Oikoumene. Sozial- und mentalitätsgeschichtliche Untersuchungen zum 1. Clemensbrief (BZNW 110), Berlin/New York: De Gruyter 2001, 117–122, während jüngst wieder Zwierlein, Petrus in Rom, 245–331, mit Nachdruck für eine Datierung des 1 Clem („der sich zweifelsfrei auf den ersten Petrusbrief zurückbezieht“ [ebd., 13], welcher selbst „um
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Bauckhams drittes Argument, dass die vorhandenen Berührungen zwischen 2 Petr und den anderen drei Texten nicht durch literarische Abhängigkeit zu erklären sind, ist, wie in Auseinandersetzung mit anderslautenden Voten im Folgenden zu zeigen sein wird, zweifellos zutreffend, doch würde sich ihre Rückführung auf ein gemeinsames Milieu erst dann nahe legen, wenn solche Verbindungen nicht nur zwischen jeweils zwei Texten bestünden (etwa 2 Petr und Herm oder 1 Clem und 2 Clem), sondern zwischen mehreren oder allen Texten des vermuteten Milieus 37. Trotz dieser grundlegenden Bedenken gegenüber dem von Bauckham angenommenen römischen Entstehungsmilieu des 2 Petr bleiben die Parallelen zwischen 2 Petr und 1 Clem, 2 Clem und Herm beachtenswert und verdienen, knapp auf eine mögliche Verbindung zu 2 Petr befragt zu werden. 3.1.1.1 Der Erste Clemensbrief Bereits 1973 notierte Donald Alfred Hagner in seiner umfassenden Untersuchung zur Rezeption später biblischer Texte in 1 Clem: „The evidence cited for Clement’s knowledge of 2 Peter is unconvincing, and we accordingly conclude it improbable that Clement alludes to that epistle.“ 38 Dennoch versuchte Robert E. Picirilli fünfzehn Jahre später, eine Verwendung des 2 Petr durch 1 Clem wahrscheinlich zu machen 39 und Anders Gerdmar äußerte 2001 die Vermutung, 2 Petr sei in 1 Clem rezipiert, während beide Texte von 2 Clem benutzt worden seien 40. Doch weder dem gemeinsamen Syntagma „Weg der Wahrheit“ (ἡ ὁδός τῆς ἀληθείας) in 2 Petr 2,2 und 1 Clem 35,5 (vgl. z.B. Ps 119,30 LXX;
110–113 geschrieben sein dürfte“ [ebd., 330]) zu „Beginn der Ära Hadrians“ (ebd., 13) plädiert. 37 Deutlich benennt Bauckham, Jude, 2 Peter, 150, die methodische Notwendigkeit, diese Einordnung von 2 Petr in ein durch 1 Clem, 2 Clem und Herm konstituiertes Milieu durch eine vorgängige Untersuchung des Verhältnisses dieser drei Texte zueinander vorzubereiten, führt aber selbst eine solche Untersuchung nicht durch. 38 Hagner, D. A., The Use of the Old and New Testaments in Clement of Rome (NT.S 34), Leiden: Brill 1973, besonders 246–248, hier: 248. Folgerichtig findet sich bei Gregory, A. F., 1 Clement and the Writings that later formed the New Testament, in: ders./Tuckett, C. (Hg.), The Reception of the New Testament in the Apostolic Fathers (The New Testament and the Apostolic Fathers), Oxford University Press: Oxford 2005, 129–157, auch nicht ein Hinweis auf 2 Petr. 39 Vgl. Picirilli, R. E., Allusions to 2 Peter in the Apostolic Fathers, in: JSNT 33 (1988), 57–83, hier: 58–65. Die geringe Überzeugungskraft dieser Untersuchung liegt nicht nur am atomistischen Ansatz Picirillis, sondern auch an seiner mangelnden Differenzierung zwischen 1 Clem und 2 Clem, die er unter der Kategorie „Clement“ (ebd., 60) zusammenfassen kann. Die Untersuchung von Hagner berücksichtigt Picirilli nicht. 40 Vgl. Gerdmar, Dichotomy, 201.
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Weish 5,6 41) noch der gleichlautenden Bezeichnung Gottes als ἡ μεγαλοπρεπὴς δόξα in 2 Petr 1,17 und 1 Clem 9,2 kommt hinsichtlich einer möglichen literarischen Verbindung entscheidende Signifikanz zu 42. Denn wie 2 Petr verwendet 1 Clem auch sonst die (frühchristlich verbreitete) Weg-Metaphorik (vgl. v.a. 1 Clem 31,1: αἱ ὁδοὶ τῆς εὐλογίας; 36,1) 43 und bietet die mit 2 Petr 2,2 parallele Wendung in 1 Clem 35,5 in engem Zusammenhang mit einem Zitat aus Ps 49,16–23 LXX in 1 Clem 35,7–12, aus welchem der Anschluss in 1 Clem 36,1 auch wiederum das Stichwort ὁδός aufnimmt (vgl. 1 Clem 35,12–36,1) 44. Auch das Adjektiv μεγαλοπρεπής ist in 1 Clem häufig (bereits 1 Clem 1,2 sowie 9,1; 19,2; 45,7; 61,1; 64,1) und eine natürliche Wendung wie ἡ μεγαλοπρεπὴς δόξα (vgl. dazu auch 1 Clem 9,1) bedarf keines Rückgriffs auf 2 Petr. Auch die Verwendung von Lot, „2 Peter’s hero“ 45 (vgl. 2 Petr 2,6–9), als Exemplum göttlichen Handelns in der Geschichte (1 Clem 11,1), weist keine Zeichen literarischer Abhängigkeit auf, vielmehr fehlt in 1 Clem die markante Beschreibung Lots als „gerecht“ 46, während 2 Petr nicht auf die in 1 Clem betonte Gastfreundschaft Lots 47 rekurriert. Bemerkenswert bleibt aber, dass in 2 Petr wie in 1 Clem auf die exemplarische Darstellung Lots eine ähnliche paränetische Sentenz folgt (vgl. 1 Clem 11,1b; 2 Petr 2,9), die Gottes rettendes Handeln an den Frommen seinem Strafgericht über die Ungerechten paradigmatisch gegenüberstellt 48. Im Hinblick auf analoge Darstellungen der Funktion von Lots Schicksal in Weish 10,6– 9 und Philo, Mos. II,52–58 wird man vermuten dürfen, dass beide Ab41 42
Vgl. für weitere Belege Bauckham, Jude, 2 Peter, 242. Gegen Gerdmar, Dichotomy, 201, der in diesen „distinct and unique expressions … an indication for 1Clem being dependent on 2Peter“ erkennen will. Wie bei Picirilli kommt die Möglichkeit, ein Abhängigkeitsverhältnis könnte auch in die andere Richtung vorliegen, gar nicht erst in den Blick. 43 Vgl. dazu etwa die Untersuchung von Repo, Weg, passim. 44 Wenn somit für einen Rückgriff auf 2 Petr in 1 Clem 35,5 jeder Anhalt fehlt, so gilt dies angesichts der reichhaltigen und variantenreichen Ausgestaltung des Weg-Motivs in 2 Petr selbstredend auch umgekehrt. 45 Martin, R. P., The Theology of Jude, 1 Peter, and 2 Peter, in: Chester, A./ders. (Hg.), The Theology of the Letters of James, Peter, and Jude (New Testament Theology), Cambridge: Cambridge University Press 1994, 63–163, hier: 155. Dass konkret Sir 16 „2 Petr veranlaßt haben [dürfte], Lot als positives Beispiel (Sir 16 8) aufzunehmen“, wie Frankemölle, 1. Petrusbrief, 103, vermutet, ist dem Text nicht zu entnehmen, vgl. aber das οὐκ ἐφείσατο in Sir 16,8 und 2 Petr 2,4.5. 46 Vgl. zum Hintergrund dieser Kennzeichnung Rappaport, S., Der gerechte Lot. Bemerkungen zu 2 Petr 2,7.8, in: ZNW 29 (1930), 299–304. 47 Vgl. zu diesem Motiv Alexander, D. T., Lot’s Hospitality. A Clue to his Righteousness, in: JBL 104 (1985), 289–291. 48 Für Fuchs/Reymond, Deuxième epître de Saint Pierre, 86, ist die „parenté“ der beiden Abschnitte „frappante“ und zeigt „qu’une interprétation existe qui fait de Lot un exemple de piété“.
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schnitte „belong to the same general tradition“ 49 hellenistisch-jüdischer Herkunft 50. 3.1.1.2 Der Hirt des Hermas Wie in 1 Clem, so finden sich auch in dem für moderne Leser mitunter sperrig und rätselhaft gestalteten Herm keine belastbaren Hinweise auf eine Verwendung des 2 Petr 51, was eine Durchsicht der von Picirilli 52 gesammelten Vorschläge rasch deutlich macht: (1) Herm vis. IV,3,4 (ἐκφυγόντες) verwendet ebenso wie 2 Petr 1,4 (ἀποφυγόντες; vgl. 2 Petr 2,20) das Bild der Flucht zur Beschreibung christlicher Existenz 53. Aus dieser parallelen Verwendung eines gebräuchlichen Topos hellenistischer Frömmigkeit 54 wird auch dann keine Referenz 49 Bauckham, Jude, 2 Peter, 247. Auch für die Analogie zwischen der durch den Logos gewirkten Erschaffung und Zerstörung des Kosmos (vgl. 2 Petr 3,5–7; 1 Clem 27,4) ist keine literarische, sondern wenn, dann eine traditionsgeschichtliche Verbindung (vgl. Lona, Der erste Clemensbrief, 316f, Vögtle, Der zweite Petrusbrief, 225, Ruf, Die heiligen Propheten, 502–509) anzunehmen. 50 Auch die von Lona, Der erste Clemensbrief, 201 Anm. 2, erwogene Beeinflussung des 2 Petr durch 1 Clem („2 Petr 2,6f. scheint das Motiv aufgenommen zu haben, denn hier ist die Zerstörung Sodoms und Gomorras ein warnendes Beispiel [vgl. Jud 7] für die zukünftigen Gottlosen.“) ist möglich, aber kaum am Text wahrscheinlich zu machen. Selbiges gilt auch für die an 1 Clem 30,8 (θράσος καὶ αὐθάδεια καὶ τόλμα τοῖς κατηραμένοις ὑπὸ τοῦ θεοῦ; vgl. Spr 21,24) anknüpfende Vermutung, 2 Petr 2,10 (τολμηταὶ αὐθάδεις; pagane Parallelen bei Ruf, Die heiligen Propheten, 429 mit Anm. 538) sei „möglicherweise durch I Clem beeinflußt“ (ebd., 336 Anm. 2). Frey, Morgenstern, 135 Anm. 26, notiert zu 2 Petr 1,8 die „enge Parallele ... 1 Clem 34,4“, verzichtet aber zu Recht auf die Annahme eines Abhängigkeitsverhältnisses. 51 Insgesamt zur Suche nach Spuren später neutestamentlicher Texte in Herm hält Verheyden, J., The Shepherd of Hermas and the Writings that later formed the New Testament, in: Gregory, A. F./Tuckett, C. M. (Hg.), The Reception of the New Testament in the Apostolic Fathers (The New Testament and the Apostolic Fathers 1), Oxford/New York: Oxford University Press 2005, 293–329, hier: 293, fest: „Hermas has not been very helpful in addressing this question.“ 52 Vgl. Picirilli, Allusions, 66. 71–74, sowie auch Bigg, Epistles, 210. Anders als Picirilli, Allusions, 73, insinuiert, hält Mayor, Second Epistle of Peter, cxxiii. cxxvii, eine Abhängigkeit in beide Richtungen für möglich. Der wohl entschiedenste Versuch, eine Abhängigkeit des Herm von 2 Petr zu demonstrieren, stammt von Zahn, T., Der Hirt des Hermas, Gotha: Friedrich Andreas Berthes 1868, 430–438. Dem gegenüber wird in der detaillierten und methodisch reflektierten Diskussion bei Verheyden, Shepherd of Hermas, passim, 2 Petr nicht einmal erwähnt. Auch bei Gilmour, Parallels, 115–120, findet sich im Abschnitt zu möglichen Parallelen zwischen 2 Petr und den Apostolischen Vätern keine Nennung von Herm. 53 Dabei verwendet Herm die übliche Verbindung mit dem Akkusativ, nicht wie 2 Petr 1,4 mit dem Genitiv (vgl. Kraus, Sprache, 341). 54 Vgl. den Exkurs bei Windisch/Preisker, Die Katholischen Briefe, 85, sowie Vögtle, Der zweite Petrusbrief, 139–144.
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auf 2 Petr, wenn man das Motiv des Untergangs der Welt δι᾽ αἵματος καὶ πυρός in Herm vis. IV,3,3 mit Blick auf 2 Petr 3,10–12 hinzuzieht. (2) Verschiedene Aussagen zu Apostasie und Umkehr wie Herm vis. III,6,2; sim. IX,17,5–18,2 und mand. IV,1,8; 3,1 berühren sich natürlich in der Sache mit 2 Petr 2,20f 55. Aus 2 Petrus eine Quelle für die Bußlehre von Herm zu machen, erfordert aber einen beinahe gewaltsamen Umgang mit anderen möglichen Vergleichstexten (Picirilli nennt Mt 12,45 und Hebr 6,4–6) sowie eine Nichtbeachtung der Komplexität und Vielschichtigkeit der verschiedenen Aussagen des Herm zu dieser Thematik 56. (3) Schwerlich wird man auch in der Beschreibung eines Falschpropheten in Herm mand. XI,11–15 57 einen Rückgriff auf die Gegnerpolemik des 2 Petr erkennen wollen; beide Texte sind – was selbst Zahn zugesteht 58 – stark topisch geprägt 59, wobei wirklich signifikante Signale einer Berührung fehlen. (4) Wie 2 Petr 3,9 betont Herm sim. VIII,11,1 den „universalen“, auch die unwürdigen Christen (Menschen?) miteinschließenden Heilswillen des geduldigen Gottes, ohne aber die dabei verwendete (und breit bezeugte) Motivik 60 in irgendeiner erkennbaren Form auf den Petrusbrief zurückzuführen 61. (5) Besonders kreativ ist schließlich Picirillis Verknüpfung von Herm vis. I,3,4 mit 2 Petr: Nicht Ps 135,6 LXX (vgl. Ps 23,2 LXX) sei hier der Motivhintergrund für die Gründung von Himmel und Erde „auf (den) Wassern“ (ἐπὶ ὑδάτων), sondern vielmehr 2 Petr 3,5, wo dies freilich nicht steht, sondern eine Schöpfung ἐξ ὕδατος καὶ δι’ ὕδατος beschrieben wird. Überdies begegne „2 Peter’s reference to the creation … in an exactly par55 56
Vgl. Bauckham, Jude, 2 Peter, 277f. Sehr deutlich wird dies an der Zusammenstellung von Herm mand. IV,1,8 und IV,3,1 als synonyme Aussagen bei Picirilli, Allusions, 71f, während tatsächlich einmal (Herm mand. IV,1,8) die (einmalige) postbaptismale Buße, einmal die Taufe selbst (Herm mand. IV,3,1) im Blick ist und überdies je verschiedene Autoritäten hinter den Aussagen stehen; vgl. Brox, Hermas, 201–215, sowie zur Bußlehre des Herm insgesamt den entsprechenden Exkurs ebd., 476–485. 57 Vgl. hierzu Reiling, J., Hermas and Christian Prophecy. A Study of the Eleventh Mandate (NT.S 37), Leiden: Brill 1973. 58 Vgl. Zahn, Hirt, 435. Zum intensiven Gebrauch von τρυφή und ἀπάτη in Herm sim. VI,2–5, in dem Zahn, Hirt, 436, einen Rückgriff des Herm auf 2 Petr 2,13 (vgl. Jud 12) erkennen möchte („Denn kein Verständiger wird in diesem Fall das umgekehrte Verhältnis der Abhängigkeit für möglich erklären.“), vgl. Brox, Hermas, 335 (zu Zahn ebd., 335 Anm. 14: „überzeugt … nicht“). Vgl. überdies Bauckham, Jude, 2 Peter, 266, Ruf, Die heiligen Propheten, 438 Anm. 558, sowie Frey, Disparagement, 291f. 59 Vgl. für Herm Brox, Hermas, 260f; für 2 Petr Frey, Disparagement, passim. 60 Vgl. etwa Bauckham, Jude, 2 Peter, 311–314. 61 Ein illustratives Beispiel für hyperbolische Redeweise ist es, beiden Texten „using mostly the same Greek words“ (Picirilli, Allusions, 73) zu attestieren.
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allel context“ 62, insofern 2 Petr 3,4 wie Herm vis. I,3,4 von der „Verheißung“ (ἐπαγγελία) handle. Die angeführten Parallelen sind deutlich wenig geeignet, eine besondere Nähe zwischen 2 Petr und Herm nahe zulegen, sondern eher dazu angetan, diesbezüglich Skepsis zu begründen. Auch Richard Bauckhams Darstellung der Beziehung zwischen 2 Petr und Herm, die nicht eine literarische Abhängigkeit, sondern ein gemeinsames (römisches) Herkunftsmilieu der beiden Texte nachweisen will, ist bei näherem Hinsehen mitunter äußerst optimistisch und daher nur begrenzt Vertrauen erweckend. So erkennt Bauckham in Herm sim. IX,17,5 eine Anspielung auf das Logion Mt 12,45/Lk 11,26 (was möglich, aber keineswegs sicher ist) und folgert unter Bezug auf 2 Petr 2,20: „Thus it appears that the author of 2 Peter was familiar with an application of this passage of Jesus’ teaching to apostasy, current in the church of Rome in the late first century A.D.“ 63 Ebenso kühn erscheint es, 2 Petr 1,5–7 und Herm vis. III,8,7 als „two variations on a form in use in the catechesis of the Roman church“ 64 zu identifizieren. Es ist schwierig, sich angesichts dieser Argumentationsmuster des Eindruckes zu erwehren, dass das zu Beweisende (das gemeinsame römische Milieu der beiden Texte) bereits impliziter Ausgangspunkt der Analyse ist. Es bleibt aber auf ein Detail hinzuweisen, das bislang offenbar übersehen wurde und die Terminologie des 2 Petr betrifft. Von den 56 neutestamentlichen Hapax legomena, die Kraus für 2 Petr auflistet 65, finden sich in den sogenannten Apostolischen Vätern insgesamt 15 66 wieder: Je eines in Barn (ἐγκατοικέω) und im 2 Clem (τήκω), hingegen fünf in 1 Clem (ἀργέω, ἐξακολουθέω, ἐπόπτης, μεγαλοπρεπής, μῶμος) und sogar acht in Herm (ἀποφεύγω, βλέμμα, δυσνόητος, ἐντρυφάω, ἐπίλυσις, μίασμα, ταχινός), wobei diese Verteilung angesichts der Länge von 1 Clem und (besonders) Herm wenig überraschend ist. Überdies sind die entsprechenden Begriffe zum Großteil nicht als besonders selten anzusprechen. So sind etwa zehn der 13 in 1 Clem und Herm verwendeten Hapax legomena des 2 Petr in der LXX bezeugt, während acht von 13 auch bei Philo begegnen. 62 63 64 65 66
Picirilli, Allusions, 73f. Bauckham, Jude, 2 Peter, 277. Bauckham, Jude, 2 Peter, 176. Vgl. Kraus, Sprache, 318, mit umfassender Diskussion ebd., 313–353. Zählt man das Martyrium des Polycarp (MartPol) zu dieser Schriftengruppe (vgl. Buschmann, M., Das Martyrium des Polykarp, in: Pratscher, W. [Hg.], Die Apostolischen Väter. Eine Einleitung [UTB 3272], Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2009, 147– 169; für eine aktuelle späte Datierung des MartPol vgl. Moss, C., On the Dating of Polycarp. Rethinking the Place of the Martyrdom of Polycarp in the History of Christianity, in: Early Christianity 1 [2010], 539–574), so wäre als sechzehntes Hapax legomenon μνήμη (2 Petr 1,15/MartPol 18,3) hinzuzufügen.
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Eine Ausnahme bildet nun aber das Adjektiv δυσνόητος, das sowohl in der LXX als auch bei Philo und Josephus fehlt, in 2 Petr 3,16 aber an prominenter und textpragmatisch sensibler Stelle die Paulusbriefe bzw. Teile von diesen qualifiziert. Neben Lucian, Alex. 54 (zur negativen Bewertung von χρησμοί, „Orakelsprüchen“) und Diogenes Laertius 9,13 (zur [fiktiven] Qualifikation eines Werkes Heraklits) 67 verwendet auch Herm sim. IX,14,4 die Vokabel und beschreibt damit die an Hermas ergangenen Offenbarungen: τὰ γὰρ πάντα μεγάλα καὶ ἔνδοξά ἐστι καὶ δυσνόητα τοῖς ἀνθρώποις. Diese Offenbarungen sind (zumindest für Hermas) der erklärenden Interpretation bedürftig 68, weshalb das Motiv der „(Auf-)Lösung“ (ἐπίλυσις; vgl. ἐπιλύω) für Herm von zentraler Bedeutung ist. Es begegnet gehäuft im Kontext der obigen Stelle aus dem neunten Gleichnis (ἐπίλυσις: Herm sim. IX,13,9; 16,7 69; ἐπιλύω: Herm sim. IX,10,5 [2x]; 11,9), sowie im fünften (ἐπίλυσις: Herm sim. V,5,1; 6,8; 70 7,1; ἐπιλύω: Herm sim. V,3,1f [2x]; 4,2f [2x]; 5,1,) und achten Gleichnis (ἐπίλυσις: Herm sim. VIII,11,1 vgl. ἐπιλύω: Herm sim. VIII,6,3). In 2 Petr 1,20 steht ἐπίλυσις im Kontext der Interpretation prophetischer Schriften und ist als Teil einer klassischen crux interpretum berühmt geworden 71. Wie δυσνόητος und ἐπίλυσις ist auch das Verb στρεβλόω im 2 Petr im Kontext der rechten Schriftauslegung gebraucht und dient in 2 Petr 3,16 zur Verunglimpfung der gegnerischen (Paulus-)Exegese. In Herm sim. IX,2,7 bedeutet στρεβλόω (sonst nicht in den Apostolischen Vätern) näher an seinem ursprünglichen Sinn „quälen“, steht aber auch insofern in einem hermeneutischen Kontext, als Hermas vom Hirten aufgefordert wird „sich nicht zu quälen“ wenn er etwas von dem ihm Offenbarten nicht verstünde, sondern vielmehr den „Herrn“ zu bitten, ihm die zum Verstehen nötige Klugheit zu schenken. Daneben begegnet in Herm mand. VI,1,2f (3x) das Adjektiv στρεβλός (vgl. das Zitat von Ps 17,27 LXX in 1 Clem 46,3) zur Bezeichnung des Weges des Ungerechten im Unterschied zum geraden Weg des Gerechten 72. Drei neutestamentliche Hapax legomena, die für die hermeneutische Konzeption des 2 Petr konstitutiv sind, begegnen somit innerhalb der Apostolischen Väter nur in Herm, treten dort auf relativ engem Raum in Herm sim. IX auf und stehen überdies im Kontext der rechten Interpretation der Offenbarungen, die Hermas erhält. Auch wenn diese drei Begriffe 67 68 69
Zum Kontext beider Stellen vgl. Ring, Meaning, 40f. Zum hermeneutischen Hintergrund vgl. Brox, Hermas, 314f. In Kraft, H., Clavis Patrum Apostolicorum. Konkordanz zu den Schriften der Apostolischen Väter, München: Kösel 1964, 169, fälschlich als Herm sim. IX,16,1 verzeichnet. 70 In Kraft, Clavis, 169, nicht verzeichnet. 71 Vgl. zur Einführung Vögtle, Der zweite Petrusbrief, 171–178. 72 Zu dieser Adaption des verbreiteten Zwei-Wege-Motivs vgl. Brox, Hermas, 225f.
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von ganz unterschiedlicher Signifikanz sind – nur δυσνόητος ist insgesamt auffällig selten 73, ἐπίλυσις ist, wenngleich es in der LXX fehlt (vgl. aber Gen 40,8 Aq), durchaus verbreitet (und in Herm von markanter Bedeutung) 74, στρεβλόω wird in Herm nicht in derselben übertragenen Weise wie in 2 Petr 3,16 gebraucht 75 – so darf man doch festhalten, dass die exegetische Terminologie des 2 Petr bemerkenswerte Berührungen mit Herm aufweist. Eine unmittelbare Auswertung dieser Beobachtung im Zuge einer Theorie traditions-, sozial- oder literargeschichtlicher Verwandtschaft der Texte scheint mir aber nicht möglich zu sein. 3.1.1.3 Der Zweite Clemensbrief Bereits 1885 sprach Friedrich Spitta von „massenhaften Berührungen“ 76 zwischen 2 Petr und 2 Clem, die näher analysiert werden müssten. Rudolf Bultmann untersuchte – für Rüdiger Warns „sachlich zurecht“ 77 – in seiner „Theologie des Neuen Testaments“ 2 Clem unmittelbar nach 2 Petr (und Jud) 78, während Karl Paul Donfried in seiner bereits erwähnten Studie zu 2 Clem intensiv den berühmten 2 Petr-Essay von Ernst Käsemann zur Darstellung der theologischen Charakteristik des 2 Clem verwendete 79. Als „theologischer Nachbar“ 80 des 2 Petr wird 2 Clem schließlich jüngst durch Martin G. Ruf bezeichnet. Tatsächlich weisen diese beiden Texte einige interessante Parallelen auf, die gleichwohl nicht als literarische Abhängigkeit gedeutet werden sollten 81. 73 Vgl. Bauer-Aland, Wörterbuch, s.v. δυσνόητος. Lampe, Lexicon, s.v. δυσνόητος, verweist neben der Stelle aus Herm und einer Referenz auf 2 Petr 3,16 bei Cyrill, resp. 12, nur noch auf Epiphanius, haer. 42,11. 74 Lampe, Lexicon, s.v. ἐπίλυσις, verweist nur auf Eusebius, h.e. V,23,1f (vom Beenden des Fastens). Wichtig ist Clemens Alexandrinus, paed. II,1,14, da hier die Interpretation einer Schriftstelle (die Bedeutung des Stater im Maul des von Petrus gefangenen Fisches in Mt 17,27) gemeint ist; vgl. Bauckham, Jude, 2 Peter, 231. Vgl. überdies ἐπιλύω in Mk 4,34. 75 Bauer-Aland, Wörterbuch, s.v. στρεβλόω, führt aus der frühchristlichen Literatur nur die beiden Stellen aus Herm und 2 Petr an; in Lampe, Lexicon, fehlt ein entsprechender Eintrag. 76 Spitta, Brief des Petrus, 534. 77 Warns, Untersuchungen, 28 Anm. 2029. 78 Vgl. Bultmann, R., Theologie des Neuen Testaments, 9., von Otto Merk durchgesehene und ergänzte Auflage, Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1984, 519–522. 79 Vgl. Donfried, Setting, 179–181, sowie ähnlich ders., Theology, 497f. Auf die Bedeutung Käsemanns für die Darstellung Donfrieds macht Warns, Untersuchungen, 28f, aufmerksam. 80 Ruf, Die heiligen Propheten, 592. 81 Deutlich ist das Urteil von Gregory, A. F./Tuckett, C. M., 2 Clement and the Writings that Later Formed the New Testament, in: dies. (Hg.), The Reception of the New Testament in the Apostolic Fathers (The New Testament and the Apostolic Fathers 1), Oxford/New York: Oxford University Press 2005, 251–292, hier: 291, zu möglichen
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2 Petr und 2 Clem entsprechen sich insofern in ihrer Grundausrichtung, als sie Paränese und Eschatologie stark betonen und eng miteinander verknüpfen, wobei Zweifel am Eintreten der Verheißungen (vgl. 2 Clem 11,1– 4; 2 Petr 3,3f) 82 thematisiert werden, Gottes Gerichtshandeln im Feuer (vgl. 2 Clem 16,3; 2 Petr 3,10–12) geschildert wird und 2 Clem 6,9; 16,4 wie 2 Petr 3,14 (vgl. 3,10) ein durch entsprechende Werke qualifiziertes „Gefundenwerden“ (vgl. Barn 21,6) im Gericht kennt 83. Auffällig ist neben der Betonung der Göttlichkeit Christi (2 Clem 1,1; 2 Petr 1,2) und der nicht immer deutlich werdenden Unterscheidung von Gott und Christus (vgl. nur 2 Clem 12,1f; 2 Petr 1,3–11) etwa auch die Verwendung von ὁ καλέσας als vermutlicher 84 Christusbezeichnung in 2 Petr 1,3 (vgl. 2 Petr 1,10) und 2 Clem 5,1 (vgl. 2 Clem 1,8; 2,4.7; 9,5, ferner 2 Clem 10,1; 16,1, sowie Herm sim. IX,14,5; Justin, apol. I,15,7), die an letzterer Stelle überdies im Kontext des frühchristlich sehr seltenen Verweises auf Verheißungen Christi 85 (2 Clem 5,5; vgl. 2 Petr 1,4; ApkPetr 14,1) sowie der Anführung einer Petrus-Tradition (vgl. 2 Clem 5,2–4) platziert ist 86. Beide Texte kennen die Gefahr, dass die christliche Botschaft als μῦθος (2 Petr 1,16; 2 Clem 13,3) erscheinen und falsche Lehre (2 Petr 2,1f; vgl. 2 Clem 10,5) bzw. falscher Lebenswandel (2 Clem 13,1) zur Verlästerung des Weges der Wahrheit (2 Petr 2,2) bzw. des Namens Gottes (2 Clem 13,1f mit Zitat von Jes 52,5) bei Nichtchristen führen könnte. Weniger deutliche Entsprechungen ließen sich etwa noch im Bereich der Weg-Motivik (vgl. 2 Clem 7,3 mit 2 Petr 2,15 [ὁδὸς εὐθεῖα] sowie 2 Clem 5,7; 2 Petr 2,2.21), der Reinheits-Konzeptionen (vgl. 2 Clem 8,6; 9,8; 13,1; 2 Petr 1,9; 3,1.14) und der Heilsrelevanz der (verbleibenden) Zeit anführen (vgl. 2 Clem 16,1; 2 Petr 3,9.14f).
Parallelen zwischen den Katholischen Briefen und 2 Clem (aufgelistet ebd., 291 Anm. 143, zu 2 Petr im Anschluss an A Commitee of the Oxford Society of Historical Theology, The New Testament in the Apostolic Fathers, Oxford: Clarenton Press 1905, nur 2 Petr 3,5–7/2 Clem 16,3): „None indicates anything beyond the use of common language.“ 82 Vgl. dazu bereits oben in der Einleitung zu 3.1.1. 83 Vgl. auch das „Hineinkommen“ in das Reich Gottes bzw. Christi in 2 Petr 1,11 und 2 Clem 11,7. 84 Zur Diskussion um die Identität von ὁ καλέσας in 2 Petr 1,3 vgl. Bauckham, Jude, 2 Peter, 178, Vögtle, Der zweite Petrusbrief, 138f, sowie besonders Starr, Divine Nature, 33f (mit Betonung der Ambiguität der Formulierung in 2 Petr). 85 Überdies klingt in 2 Clem 5,5 (ἀνάπαυσις τῆς μελλούσης βασιλείας καὶ ζωῆς αἰωνίου) mindestens indirekt das ebenfalls seltene Motiv der „ewigen Basileia (Christi)“ (vgl. 2 Petr 1,11) an. 86 Dazu Pratscher, Der zweite Clemensbrief, 102: „Man wird nicht fehlgehen, hier einen Beleg für eine spezifische Petrustradition zu sehen.“ Vgl. ebd., 104 Anm. 29, zur Vermutung, das Evangelium des 2 Clem sei das EvPetr.
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Trotz dieser Ähnlichkeiten, die sich zum größten Teil dem Gebrauch traditioneller Elemente verdanken, weist 2 Petr gegenüber 2 Clem eine eigenständige theologische Charakteristik auf, indem er etwa die Reflexion hermeneutischer Fragestellungen wesentlich deutlicher betreibt (vgl. 2 Petr 1,19–21), in die Gruppe normativer Schriften (vgl. 2 Clem 14,2; 2 Petr 3,2) explizit die Briefe des Paulus mit einbezieht (vgl. 2 Petr 3,14– 16) 87, ekklesiologischen Überlegungen (vgl. 2 Clem 14,1–5) keinen Raum bietet und das Konzept der γνῶσις intensiv und uneingeschränkt positiv verwendet (vgl. 2 Clem 3,1) 88. Dieser Befund erlaubt es, mit Ruf von einer theologischen Nachbarschaft 89 zweier paränetisch und eschatologisch orientierter christlicher Texte des zweiten Jahrhunderts zu sprechen, unterstützt aber weder eine literarische Verwandtschaft zwischen 2 Petr und 2 Clem noch deren Zuordnung zu einem konkret beschreibbaren gemeinsamen historisch-theologischen Kontext. 3.1.1.4 Zusammenfassung Die Analysen zu 1 Clem, 2 Clem und Herm, den angeblich nächsten Verwandten des 2 Petrus in der frühen Kirche, führt zu einem interessanten, aber nicht leicht zu deutenden Befund, der folgende Eckpunkte umfasst: (1) Eine literarische Abhängigkeit von 2 Petr lässt sich trotz einiger bemerkenswerter Parallelen für keinen der drei Texte wahrscheinlich machen. (2) Analoges gilt auch im umgekehrten Fall: Für eine Benutzung eines oder mehrerer der drei Texte durch 2 Petr scheinen keine ausreichenden Anhaltspunkte gegeben zu sein. (3) Die Hypothese, alle vier Texte stammten aus demselben „Milieu“, ist insofern anregend, als sie weder eine direkte literarische Abhängigkeit zwischen den Texten noch eine völlige Zufälligkeit der Berührungen zwi87 Nach Pratscher, Der zweite Clemensbrief, 158, „[scheint] 2 Clem insgesamt keine direkte Kenntnis von Paulus zu haben“. Gregory/Tuckett, 2 Clement, 279, sprechen von „a widespread consensus that although ‚Clement‘ employed imagery used also by Paul, nevertheless the evidence suggests that at no point did he make conscious and deliberate reference either to Paul or to his writings, and that no direct citations of, or allusions to, Paul’s letters are to be found in 2 Clement“. Entsprechend bereits Lindemann, Paulus, 270 (sowie jetzt wieder ders., Writings, 27), während Barnett, Literary Influence, 217, optimistischer urteilte. 88 Zur γνῶσις in 2 Petr vgl. v.a. unten 4.2.4. Ob die Rückbindung der γνῶσις in 2 Clem 3,1 an das Bekenntnis zu Christus und das rechte Handeln in den Rahmen einer Auseinandersetzung des 2 Clem mit „Gnostikern“ einzuschreiben ist (so etwa Warns, Untersuchungen, 78 Anm. 3061. 148 mit Anm. 5021, und Pratscher, Der zweite Clemensbrief, 50; Lindemann, Clemensbriefe, 192, bestreitet zwar grundsätzlich für 2 Clem „eine gezielte Auseinandersetzung mit der Gnosis“, führt aber 2 Clem 3,1 „auf eine Auseinandersetzung des Vf mit der Gnosis“ [ebd., 207] zurück), kann hier offen bleiben. 89 Vgl. Ruf, Die heiligen Propheten, 592.
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schen ihnen postulieren muss. In der von Richard Bauckham entwickelten Variante, alle vier Texte entstammten demselben stadtrömischen, petrinisch geprägten Umfeld des späten ersten Jahrhunderts, kann sie aber nicht überzeugen, da dies (a) eine Datierung (Herm, 2 Clem) und Lokalisierung (2 Clem) der Texte voraussetzt, die sich zurzeit nicht auf den kritischen Konsens der Forschung stützen kann; (b) die Unterschiedlichkeit der drei Bezugstexte für 2 Petr unterschätzt, wobei gerade die beiden wohl sicher nach Rom gehörenden Texte 1 Clem und Herm aufgrund ihrer vielfältigen Differenzen in Gestalt und Theologie kaum demselben „Milieu“ zugeordnet werden können, sondern im Gegenteil Zeugnis für die Vielfalt römischen Christentums ablegen; (c) eine Verbindung zwischen 1 Clem, 2 Clem und Herm unterstellt, die (bis auf eine mögliche 1 Clem-Rezeption in 2 Clem 19f) jenseits der vorausgesetzten geographischen und zeitlichen Nähe kaum gegeben zu sein scheint, wie sich auch daran zeigt, dass jene Berührungspunkte zwischen 2 Petr und diesen drei Texten, die tatsächlich als auffallend zu verzeichnen sind, jeweils zwischen 2 Petr und nur einem dieser drei Texte bestehen. Gerade die letztgenannte Beobachtung würde (insbesondere hinsichtlich Herm) hingegen zu einer rezeptionsorientierten Wendung der Bauckham’schen Milieu-These passen, zur Annahme also, einer oder mehrere der drei untersuchten Texte seien im Umfeld der Entstehung des 2 Petr präsent gewesen 90. Angesichts der wenig tragfähigen Verbindungen zwischen den untersuchten Texten wird man es aber bei diesem Hinweis belassen müssen und konstatieren, dass 1 Clem, 2 Clem und Herm zwar einige theologische Spezifika 91 des 2 Petr beleuchten, aber keine Hilfsmittel zu seiner genaueren historischen Einordnung bereit stellen.
90 Ähnlich hatte bereits Mayor, Second Epistle of St. Peter, cxxvii, gesehen, dass die Beurteilung von „Anklängen“ an 2 Petr in frühchristlichen Texten von der vermuteten Abfassungszeit des 2 Petr beeinflusst wird: „If the consideration of these various arguments leads us to postpone the date of 2 P. to the second quarter of the Second Century, it of course compels us to reconsider our interpretation of the resemblances noticed between 2 P. and any writings prior to 150. We shall now have to regard these as proofs that the author of 2 P. borrowed from Clem. Rom. I., and possibly from Clem. Rom. II., probably also from Barnabas, Heracleon, and Hermas.“ 91 Möglicherweise verdankt sich der Eindruck der Gemeinsamkeiten zwischen 2 Petr und so unterschiedlichen Texten wie 1 Clem, 2 Clem und Herm auch der spannungsvollen Charakteristik des 2 Petr, die Bauckham, Jude, 2 Peter, 154, treffend beschrieben hat: „Commentators have often tended to play down either the Hellenism or the apocalyptic in 2 Peter. In reality the juxtaposition of the two gives 2 Peter its special character.“
3.1 Rezeption des 2 Petr vor Justin
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3.1.2 Der Barnabasbrief und 2 Petr Auch der in der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts wahrscheinlich in Alexandrien entstandene Barn 92 wurde bereits als Zeuge für eine frühe Rezeption des 2 Petr bewertet 93. Der Versuch, Barn 5,7 mit 2 Petr 3,4 zu verknüpfen, darf dabei als allzu ambitioniert getrost übergangen werden. Aufschlussreicher ist bereits das Unterfangen, in Barn 15,4 ein Zitat von 2 Petr 3,8 (μία ἡμέρα παρὰ κυρίῳ ὡς χίλια ἔτη καὶ χίλια ἔτη ὡς ἡμέρα μία) auszumachen. Προσέχετε τέκνα τί λέγει τὸ συνετέλεσεν ἐν ἓξ ἡμέραις Τοῦτο λέγει ὅτι ἐν ἑξακισχιλίοις ἔτεσιν συντελέσει κύριος τὰ σύμπαντα ἡ γὰρ ἡμέρα παρ᾽ αὐτῷ σημαίνει χίλια ἔτη Αὐτὸς δέ μοι μαρτυρεῖ λέγων Ἰδού ἡμέρα κυρίου ἔσται ὡς χίλια ἔτη Οὐκοῦν τέκνα ἐν ἓξ ἡμέραις ἐν τοῖς ἑξακισχιλίοις ἔτεσιν συντελεσθήσεται τὰ σύμπαντα (Barn 15,4) Achtet darauf, Kinder, was es bedeutet: „Er vollendete in sechs Tagen“; das bedeutet: In sechstausend Jahren wird der Herr das All vollenden; denn ein Tag bei ihm bedeutet tausend Jahre. Er selbst aber bezeugt es mir, indem er sagt: „Siehe, ein Tag des Herrn wird sein wie tausend Jahre.“ Also, Kinder, in sechs Tagen, (=) in sechstausend Jahren, wird das All vollendet werden. 94
Bereits 1877 wies Johann Karl Theodor von Otto nachdrücklich darauf hin, dass die Formel „ein Tag des Herrn (ist) wie tausend Jahre“, die von Ps 90,4 (89,4 LXX) inspiriert ist 95, in „dieser stereotypen Gestalt“ 96 nicht nur bei einer Reihe von frühchristlichen Autoren (neben 2 Petr 3,8 und Barn 15,4 vor allem Justin, dial. 81,3, Irenäus, adv. haer. V,23,2; 28,3, sowie Hippolyt, Dan. IV,23,5; 24,5 [bei von Otto nicht besprochen]) vorkommt, sondern auch in der jüdischen Tradition breit belegt ist. Damit darf als wahrscheinlich gelten, dass die christlichen Autoren des zweiten Jahrhunderts an diesem Traditionsstrom partizipieren, ohne jeweils Ps 90,4 (89,4 LXX) selbstständig in gleicher Weise umgewandelt zu haben oder sämtlich auf 2 Petr 3,8 als Quelle zu rekurrieren 97. 92
Zu Entstehungsort und -zeit vgl. Prostmeier, F. R., Der Barnabasbrief (KAV 8), Vandenhoeck & Ruprecht 1999, 111–130. 93 Bezeichnend ist bereits die „Zurückhaltung“ des sonst radikal optimistischen Robert E. Picirilli: „One is reminded, at least superficially, of 2 Pet. 3.4, …“ (Picirilli, Allusions, 689). 94 Die Übersetzung ist übernommen aus Prostmeier, Barnabasbrief, 474. Wenn nicht anders angegeben, stammen deutsche Übersetzungen des Barn aus diesem Kommentar. 95 Treffend Paulsen, Der Zweite Petrusbrief, 164: „Es handelt sich hier – in freier Abwandlung, ja Umkehr von Ps 90,4 (wobei der ursprüngliche Zusammenhang mit dem Psalm nicht immer bewußt wird!) – um einen Lehrsatz, der exegetisch und chronologisch den ‚Tag des Herrn‘ erläutert.“ 96 Otto, Barnabas, 526. 97 Vgl. Schrage, Tag, 268, und Paulsen, Der Zweite Petrusbrief, 164. So jetzt auch Ruf, Die heiligen Propheten, 527–531, der auch tabellarische Übersichten zu den wichtigsten Referenztexten bietet. Das ironische Schlussvotum von Ottos verdient, wiederge-
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Kapitel 3: Petrus Receptus
Sowohl die Argumentationslinie von Ottos als auch die literarische Form des Barn verkennend, wendet Picirilli dagegen ein, Barn 15,4 „clearly appears to be quoting Scripture, not rabbinic tradition“ 98 und versucht in der Folge einen exakten Text zu finden, den Barn hier zitiert haben könnte – wenig überraschend ist dabei 2 Petr 3,8 „the most likely source“ 99. Doch die Alternative „Schrift“ oder „Tradition“ geht an der Exegese des Barn weit vorbei. Zum einen ist „Schrift“, die es auszulegen (das heißt für Barn: in ihrer bleibenden Bedeutung für das Christentum zu erschließen) gilt und die deshalb auch mit einer Fülle verschiedener Zitationsformeln angeführt wird, jene Gruppe von Texten, die später Altes Testament heißen wird, wobei auch Bezüge zu offenbar apokryph gewordenen Texten nicht fehlen (z.B. 4 Esr; 1 Hen). Nur an einer einzigen Stelle (Barn 4,14b) ist möglicherweise ein christlicher Text (Mt 22,14) mit einer entsprechenden Zitationsformel (γέγραπται) versehen. Dieser massive Bezug auf die „Schrift“ bedingt nun aber nicht Texttreue im modernen Sinn 100. Vielmehr bietet Barn auch „Schriftzitate“ die entweder in kleinen Details (z.T. sicherlich bewusst) umgestaltet sind, eher sehr freien Paraphrasen und/oder Kompilationen gleichen (vgl. etwa das Eröffnungszitat zur Auslegung des Sabbat in Barn 15,1) oder sogar als „Erdichtung“ 101 (Barn 7,4) anzusprechen sind 102. Deshalb entspricht es durchaus dem sonstigen Vorgehen von Barn, in Barn 15,4 „Schrift“ in traditionell geprägter Gestalt anzuführen 103, wobei das beigefügte ἰδού (so auch Barn 3,3.5; 5,14; 6,2.8.13f [2x]; 9,5; 13,4.7; 14,8; 16,3) nach Prostmeier den Spruch „als Prophetenwort [signiert]“ 104. geben zu werden: „Oder sollen die jüdischen Rabbinen, welche diesen Spruch in der gleichen eigenthümlichen Fassung häufig gebrauchen, unter die Zeugen für die Aechtheit des zweiten Briefs Petri gesetzt werden? Fürwahr, es würden jene rabbinischen Stellen, auf die ich aufmerksam gemacht, mit demselben Recht, das man hinsichtlich der patristischen Stellen in Ausübung gebracht, aus jenem Brief abgeleitet werden müssen. Was zu thun gewiss Niemandem in den Sinn kommen wird“ (Otto, Barnabas, 529). 98 Picirilli, Allusions, 70. 99 Picirilli, Allusions, 69. 100 Vgl. Prostmeier, Barnabasbrief, 96. 101 Prostmeier, Barnabasbrief, 294, vgl. ebd., 126. 102 Dahinter steht natürlich die Frage nach von Barn möglicherweise verwendeten Testimoniensammlungen, die hier nicht zu erörtern ist; vgl. zur Einführung Prostmeier, Barnabasbrief, 101–106. 103 Dies verdeutlicht Prostmeier, Barnabasbrief, 486: „Schriftgrundlage für die eigentümliche Auswertung des ersten Zitatglieds von V 3 ist die aus jüdischer Tradition stammende Umkehrung von Ps 89(90),4 … in den Grundsatz, demzufolge ‚ein Tag des Herrn tausend Jahren gleicht‘“ [Hervorhebungen Grünstäudl]. 104 Prostmeier, Barnabasbrief, 487. Überzeugend ist Picirillis Argumentation für Green, Jude and Second Peter, 142: „These writers [sc. Irenäus und Barn; Anm. Grünstäudl] couch the reference to 2 Pet. 3:8 in terms indicating that they regarded the
3.1 Rezeption des 2 Petr vor Justin
203
Jenseits der Frage nach einer Verwendung des 2 Petr durch Barn 105 sind einige interessante motivische und strukturelle Berührungen zwischen den beiden Texten zu beobachten. Beiden geht es um die Vermittlung von γνῶσις, die sie massiv mit (richtiger) Schriftauslegung verbinden und in den Kontext des Zwei-Wege-Motivs stellen 106. Auch in der oben diskutierten Verwendung der Regel „Ein Tag des/beim Herrn (ist) wie 1000 Jahre“ stimmen 2 Petr und Barn gegen Justin, Irenäus und Hippolyt darin überein, dass sie deren Verwendung nicht in einen milleniaristischen Kontext stellen 107. Bei durchaus vorhandenen Ähnlichkeiten mit den Past 108, unterscheiden sich Barn und 2 Petr von diesen deutlich durch „das völlige Desinteresse an Verfassungsfragen und überhaupt an Kirchenstrukturen sowie die Art der Schriftauslegung“ 109, wobei Letztere Berührungen mit der Hermeneutik des KerPetr aufweist 110. Da die genannten Elemente gerne dazu verwendet wurden, Barn als Frühform der bei Clemens Alexandrinus greifbaren theologischen Tradition zu beschreiben – wozu die neuen Fragmente aus Barn und KerPetr im CCoptB weitere Argumente liefern könnten 111 –, dürfen sie vielleicht als Einladung verstanden werden, auch für source as authoritative.“ Hingewiesen sei auch auf Justins Bezeichnung der Formel als τὸ εἰρημένον („Ausdruck, Aussage“) in dial. 81,3. Dies bezeichnet nicht nur im unmittelbar vorausgehenden Fall (dial. 81,3 [Anfang]: Jes 65,22), sondern auch an allen elf weiteren Stellen in apol. und dial. (apol. I,32,9; 45,5; 54,9; 60,6; 63,17; 64,1; dial. 32,4; 68,6; 70,1; 96,1; 102,5; vgl. apol. I,63,11; dial. 99,1) einen (jeweils eindeutig zuordenbaren) Text aus den Schriften Israels. 105 Carleton Paget, J., The Epistle of Barnabas and the Writings that later formed the New Testament, in: Gregory, A. F./Tuckett, C. M. (Hg.), The Reception of the New Testament in the Apostolic Fathers (The New Testament and the Apostolic Fathers 1), Oxford/New York: Oxford University Press 2005, 230–249, hier: 248, diskutiert nur (unwahrscheinliche) Berührungen des Barn mit 1 Petr. 106 Hierin liegt das begrenzte Recht des Verweises auf die Parallele 2 Petr 2,20f/ Barn 5,4 durch Picirilli, Allusions, 69, dessen Bewertung („There is a strong possibility that the writer of Barnabas was dependent on 2 Peter here.“) aber weit über das Ziel hinausschießt. 107 Zu Barn vgl. Ferguson, E., Was Barnabas a Chiliast? An Example of Hellenisic Number Symbolism in Barnabas and Clement of Alexandria, in: Balch, D. L./ders./ Meeks, W. A. (Hg.), Greeks, Romans and Christians. FS Abraham J. Malherbe, Minneapolis: Fortress Press 1990, 157–167, zu 2 Petr vgl. etwa Von Allmen, L’apocalyptique juive, 262: „Si l’auteur a tenu ce raisonnement [sc. Ps 90,4; Anm. Grünstäudl], cela ne signifie cependant pas qu’il ait été lui-même un adepte du millénarisme.“ 108 Vgl. Wengst, Didache, 117f. 109 Prostmeier, Barnabasbrief, 127f [nur hinsichtlich des Barn formuliert; Anm. Grünstäudl]. 110 Vgl. Carleton Paget, J., The Epistle of Barnabas. Outlook and Background (WUNT II/64), Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck), 235–240. 111 Vgl. Schenke, H.-M., Der Barnabasbrief im Berliner „Koptischen Buch“ (P. Berol. 20915), in: Enchoria 25 (1999), 53–75.
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Kapitel 3: Petrus Receptus
den 2 Petr eine theologiegeschichtliche Einordnung über die Verhältnisbestimmung zu Clemens Alexandrinus zu versuchen. Dennoch sind die gewichtigen Unterschiede zwischen den beiden Texten nicht zu übersehen. Die pseudepigraphe Gestalt des 2 Petr ist dabei zwar auffällig, aber nicht so schwerwiegend wie der unterschiedliche Umfang der als autoritativ bewerteten Schriften. Diese weisen mit den expliziten Referenzen auf die Paulusbriefe (als Teil der γραφαί) in 2 Petr 3,15f und auf (wahrscheinlich) 1 Petr in 2 Petr 3,1 bei gleichzeitigem Fehlen „alttestamentlicher“ Zitate (am Nächsten kommt dem 2 Petr 2,21) im 2 Petr eine deutlich andere Prägung auf als im (noch?) nur bzw. beinahe nur jüdische Texte auslegenden Barn. Außerdem finden sich in 2 Petr zwar jüdische Auslegungstraditionen, aber keine polemische Abgrenzung vom Judentum: Die heilsgeschichtliche Kontinuität, an deren Bestreitung Barn so sehr gelegen ist, ermöglicht erst Argumentationsmuster wie 2 Petr 2,1 oder exemplarische Verdeutlichungen wie die Darstellung Lots in 2 Petr 2,6–9. 3.1.3 Polykarp von Smyrna und der 2 Petr Polykarp von Smyrna († um 155 n.Chr.) 112 ist insofern für eine rezeptionsgeschichtliche Spurensuche zu 2 Petr interessant, als dass er einer der ersten Zeugen für die Existenz des 1 Petr ist (vgl. Eusebius, h.e. III,39,17 zu Papias’ Benutzung des 1 Petr) und in seinem Brief 113 an die Christen in Philippi von diesem recht umfassend Gebrauch macht 114. Vergleichbares lässt sich zu 2 Petr aber nicht sagen. Zwar könnte man den „Tugendkatalog“ in Polyk 12,2 mit der ebenfalls achtgliedrigen und mit der πίστις be112 Hilfreiche neuere Einführungen zu Polykarp und Polyk sind Dehandschutter, B., Der Polykarpbrief, in: Pratscher, W. (Hg.), Die Apostolischen Väter. Eine Einleitung (UTB 3272), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2009, 130–146, und Holmes, M., Polycarp of Smyrna, Letter to the Philippians, in: ET 118 (2006), 53–63. 113 Mit der dem handschriftlichen Befund folgenden Rede von einem Brief des Polykarp ist hier kein Votum in der Frage, ob Polyk aus zwei ursprünglich getrennten Briefen des Polykarp zusammengestellt wurde (so mit guten Gründen [vor allem unter Verweis auf die Spannung in der Darstellung des Ignatius zwischen Polyk 9 und Polyk 13] Harrison, P. N., Polycarp’s Two Letters to the Philippians, Cambridge: Cambridge University Press 1936) oder immer schon eine literarische Einheit war (so jüngst wieder mit Nachdruck Dehandschutter, Polykarpbrief, 133f), impliziert. 114 Mit den Worten von Holmes, Polycarp’s Letter, 223, „it appears virtually certain that Polycarp made relatively extensive use of 1 Peter“. Michael Holmes zeigt dies anhand von Polyk 1,3/1 Petr 1,8.12; Polyk 8,1f/1 Petr 2,21–24; 4,16 und Polyk 10,2/1 Petr 2,12 (vgl. ebd., 220–223) und führt ebd., 223, noch weitere Parallelen an. Nach Berding, K., Polycarp’s Use of 1 Clement. An Assumption Reconsidered, in: JECS 19 (2011), 127–139, hier: 138, „1 Peter is a more important literary source [sc. für Polyk; Anm. Grünstäudl] both in terms of frequency of use and in terms of verbal similarities than is 1 Clement.“
3.1 Rezeption des 2 Petr vor Justin
205
ginnenden Liste in 2 Petr 1,5–7 vergleichen, Syntagmata wie „Wort der Wahrheit“ (Polyk 3,2), „Wort der Gerechtigkeit“ (Polyk 9,1) und „Gebot der Gerechtigkeit“ (Polyk 3,3), mit den entsprechenden Elementen der Weg-Terminologie des 2 Petr zusammen stellen, für beide Texte auf das wichtige Leitwort δικαιοσύνη, die Bedeutung des σωτήρ-Titels und hellenistischer Terminologie hinweisen sowie die Auseinandersetzung mit „Falschlehre(rn)“ (vgl. Polyk 7,2; 2 Petr 2,1) unterstreichen; doch weder sind diese Parallelen deutlich und spezifisch genug, um ein Verwandtschaftsverhältnis zwischen 2 Petr und Polyk zu begründen 115, noch sind die Unterschiede zwischen den beiden Texten zu übersehen. Wie zu den Past markieren die uneingeschränkt positive Verwendung der γνῶσιςBegrifflichkeit und der fehlenden Rekurs auf das Ämterkonzept grundlegende Differenzen des 2 Petr zum Brief des Polykarp. Verschieden ist auch die Stellung des Paulus, dessen Briefe in Polyk vielfältige Verwendung erfahren und der bei Polykarp als die entscheidende Bezugsgröße neben „die übrigen Apostel“ (Polyk 9,1) tritt. Eine interessante sachliche Parallele ist Polyk 3,2, wo wie in 2 Petr 3,15 Paulus als mit Weisheit begnadeter Briefschreiber begegnet und seine Briefe dem (rechten) Studium empfohlen werden, doch auch hier legt sich die Annahme einer literarischen Verwandtschaft der beiden Texte nicht nahe 116. 115 Selbiges gilt natürlich auch für den jeweils mit πληθυνθείη formulierten Segenswunsch des Präskripts (2 Petr 1,2, Polyk inscr.; vgl. nur 1 Petr 1,2; Jud 2; 1 Clem inscr.), vgl. Bauer, J. B., Die Polykarpbriefe (KAV 5), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1995, 36. 116 So urteilt sogar Picirilli, Allusions, 67, nun ebenso Berding, K., Polycarp and Paul. An Analysis of their Literary and Theological Relationship in Light of Polycarp’s Use of Biblical and Extra-Biblical Literature (SVigChr 62), Leiden/Boston/Köln: Brill 2002, 60: „The way Polycarp describes Paul’s wisdom reminds one of 2 Petr 3:15, though it is not necessary to posit literary dependence either direction.“ Bigg, Epistles, 204, und Mayor, Second Epistle of St. Peter, cxxiii, führen die Parallele kommentarlos an. Hinsichtlich der gegenüber 2 Petr 3,15 (ὁ ἀγαπητὸς ἡµῶν ἀδελφός) noch deutlich gesteigerten Bezeichnung des Apostels als μακάριος καὶ ἔνδοξος (Polyk 3,2; vgl. Polyk 9,1, 1 Clem 47,1) ist das unterschiedliche literarische Genus zu beachten. Das Gesamturteil von Hartog, P., Polycarp and the New Testament. The Occasion, Rhetoric, Theme, and Unity of the Epistle to the Philippians and its Allusions to the New Testament Literature (WUNT II/134), Tübingen: Mohr Siebeck 2002, 190, ist kurz und eindeutig: „All these allusions to James and 2 Peter seem imaginary to me.“ Angemerkt sei hier, dass unabhängig von einer Entscheidung in der zuletzt wieder lebhaft diskutierten Authentizitätsfrage in den Briefen des Ignatius von Antiochien keine potentiellen Rezeptionsspuren des 2 Petr zu verzeichnen sind, vgl. Picirilli, Allusions, 65f (mit drei vagen Ähnlichkeiten), und v.a. Foster, P., The Epistles of Ignatius of Antioch and the Writings that later formed the New Testament, in: Gregory, A. F./Tuckett, C. M. (Hg.), The Reception of the New Testament in the Apostolic Fathers (The New Testament and the Apostolic Fathers 1), Oxford/New York: Oxford University Press 2005, 159–186.
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Kapitel 3: Petrus Receptus
3.2 Justin der Märtyrer und 2 Petr 3.2 Justin der Märtyrer und 2 Petr
Wiewohl Justins († ca. 165) 117 Bedeutung für die Erforschung der Geschichte des neutestamentlichen Kanons 118 keiner Erläuterung bedarf, wurde die Frage nach seinem Verhältnis zum 2 Petr bislang nur sehr ausschnitthaft untersucht 119. Nachdem von Otto bereits 1877 überzeugend eine Deutung von Justin, dial. 81,3 als Zitat von 2 Petr 3,8 zurückgewiesen hatte 120 und selbst Friedrich Spitta 121 und Theodor Zahn 122 keinen Grund zur Annahme einer Verwendung des 2 Petr durch Justin erkennen konnten, ereiferte sich Joseph Dillenseger in einem emotionalen, auf den 26. Dezember 1906 datierten Plädoyer für die Authentizität des 2 Petr 123 über die Selbstverständlichkeit, mit der „liberale“ Theologen behaupteten, vor Origenes gäbe es kein sicheres Zeugnis für 2 Petr 124 und verwies mit Nachdruck auf Justins Erwähnung von ψευδοδιδάσκαλοι in dial. 82,1 (vgl. folgende Synopse), was als Reminiszenz an 2 Petr 2,1 keinesfalls unwahrscheinlich sei 125. 117 Zur Einführung in Person und Werk vgl. Vetten, C. P., Art. Justin der Märtyrer, in: LACL (32002), 411–414, Skarsaune, O., Justin der Märtyrer, in: TRE 17 (1988), 471– 478, sowie jetzt die Beiträge in Parvis, S./Foster, P. (Hg.), Justin Martyr and His Worlds, Minneapolis: Fortress Press 2007. Der Text von dial. entspricht der kritischen Ausgabe von Bobichon, P., Justin Martyr. Dialogue avec Tryphon (Par. 47/1–2), Département de Patristique et d’Histoire de l’Eglise de l’Université de Fribourg/Academic Press Fribourg: Fribourg 2003, der Text von apol. entstammt Minns, D./Parvis, P., Justin, Philosopher and Martyr. Apologies (Oxford Early Christian Texts), Oxford: Oxford University Press 2009. 118 Vgl. nur Skarsaune, O., Justin and His Bible, passim. 119 Möglicherweise spielt dabei der Umstand, dass der erste Band der sonst so zuversichtlich urteilenden Biblia Patristica für 2 Petr keine einzige (!) Referenzstelle zu Justin ausweist (vgl. Biblia Patristica I, 530f), keine ganz unerhebliche Rolle. 120 Vgl. Otto, Barnabas, passim. 121 Spitta, Der zweite Brief des Petrus, 535 Anm. 1: „Die Berührungen des 2. PetrusBriefes mit Justin und Irenaeus ... kann ich sämtlich nur für zufällige und zum Teil auf gewissen stereotyp gewordenen Formen der jüdischen Tradition beruhend ansehen.“ Bigg, Epistles, 205, notiert als mögliche Reminiszenzen Justin, dial. 51,2 (vgl. 2 Petr 2,1); 82,1 (vgl. 2 Petr 2,1) (diese beiden auch bei Mayor, Second Epistle of St. Peter, cxxii); 81,3 (vgl. 2 Petr 3,8), apol. I,28 (vgl. 2 Petr 3,9). 122 Vgl. Zahn, Geschichte I/1, 318. 123 Vgl. Dillenseger, P. M. J., L’authenticité de la II a Petri. Étude critique et historique, Mélanges de la Faculté Orientale 2 (1907), 173–212, besonders 176–179. 124 Vgl. Dillenseger, L’authenticité, 173–177. 125 Vgl. Dillenseger, L’authenticité, 178 („il n’est pas du tout improbable que nous soyons ici en face d’une citation implicite“). Die klassische Replik hatte zuvor bereits Chase, Second Epistle of Peter, 801, formuliert, indem er darauf hinwies, dass Komposita mit ψευδ(ο)- in der frühchristlichen Literatur häufig und deshalb als Argument für eine spezifische literarische Beziehung grundsätzlich unbrauchbar seien. Nachdrücklich wur-
3.2 Justin der Märtyrer und 2 Petr
207
Synopse zu Justin, dial. 81,1–3; 82,1–3, und 2 Petr 1,18.21–2,1; 3,8.13 Οὕτως γὰρ Ἡσαΐας περὶ τῆς χιλιονταετηρίδος ταύτης εἶπεν · Ἔσται γὰρ ὁ οὐρανὸς καινὸς καὶ ἡ γῆ καινή, … (dial. 81,1 [vgl. dial. 131,6] = Jes 65,17 LXX)
καινοὺς δὲ οὐρανοὺς καὶ γῆν καινὴν κατὰ τὸ ἐπάγγελμα αὐτοῦ προσδοκῶμεν, ἐν οἷς δικαιοσύνη κατοικεῖ. (2 Petr 3,13)
Οὐκ ἀδικήσουσιν οὐδὲ λυμανοῦνται ἐπὶ τῷ ὄρει τῷ ἁγίῳ, λέγει κύριος. (dial. 81,2 ≈ Jes 65,25 LXX)
καὶ ταύτην τὴν φωνὴν ἡμεῖς ἠκούσαμεν ἐξ οὐρανοῦ ἐνεχθεῖσαν σὺν αὐτῷ ὄντες ἐν τῷ ἁγίῳ ὄρει. (2 Petr 1,18)
συνήκαμεν καὶ τὸ εἰρημένον, ὅτι Ἡμέρα κυρίου ὡς χίλια ἔτη, εἰς τοῦτο συνάγει. (dial. 81,3)
…μία ἡμέρα παρὰ κυρίῳ ὡς χίλια ἔτη καὶ χίλια ἔτη ὡς ἡμέρα μία. (2 Petr 3,8)
Παρὰ γὰρ ἡμῖν καὶ μέχρι νῦν προφητικὰ χαρίσματά ἐστιν, ἐξ οὗ καὶ αὐτοὶ συνιέναι ὀφείλετε, ὅτι τὰ πάλαι ἐν τῷ γένει ὑμῶν ὄντα εἰς ἡμᾶς μετετέθη. Ὅνπερ δὲ τρόπον καὶ ψευδοπροφῆται ἐπὶ τῶν παρ’ ὑμῖν γενομένων ἁγίων προφητῶν ἦσαν, καὶ παρ’ ἡμῖν νῦν πολλοί εἰσι καὶ ψευδοδιδάσκαλοι, οὓς φυλάσσεσθαι προεῖπεν ἡμῖν ὁ ἡμέτερος κύριος,
ὡς ἐν μηδενὶ ὑστερεῖσθαι ἡμᾶς, ἐπισταμένους ὅτι προγνώστης ἦν τῶν μετὰ τὴν ἀνάστασιν αὐτοῦ τὴν ἀπὸ τῶν νεκρῶν καὶ ἄνοδον τὴν εἰς οὐρανὸν μελλόντων γίνεσθαι ἡμῖν. Εἶπε γὰρ ὅτι φονεύεσθαι καὶ μισεῖσθαι διὰ τὸ ὄνομα αὐτοῦ μέλλομεν (vgl. Mt 10,21f; 24,9; Mk 13,13; Lk 21,17), καὶ ὅτι ψευδοπροφῆται καὶ ψευδόχριστοι πολλοὶ ἐπὶ τῷ ὀνόματι αὐτοῦ παρελεύσονται καὶ πολλοὺς πλανήσουσιν (vgl. Mt 24,5.11.24; Mk 13,22) ὅπερ καὶ ἔστι. Πολλοὶ γὰρ ἄθεα καὶ βλάσφημα καὶ ἄδικα ἐν ὀνόματι αὐτοῦ παραχαράσσοντες ἐδίδαξαν, καὶ τὰ ἀπὸ τοῦ ἀκαθάρτου πνεύματος διαβόλου ἐμβαλλόμενα ταῖς διανοίαις αὐτῶν ἐδίδαξαν καὶ διδάσκουσι μέχρι νῦν (dial. 82,1–3*)
Ἐγένοντο δὲ καὶ ψευδοπροφῆται ἐν τῷ λαῷ, ὡς καὶ ἐν ὑμῖν ἔσονται ψευδοδιδάσκαλοι, οἵτινες παρεισάξουσιν αἱρέσεις ἀπωλείας… (2 Petr 1,21–2,1; vgl. Jud 4; ApkPetr [A] 1)
Obwohl in der Verfasserfrage anders urteilend als Dillenseger, vertiefte Richard Bauckham dessen Argumentation, indem er die unmittelbaren de die Abhängigkeit von Justin, dial. 82,1 von 2 Petr 2,1 auch bereits von Warfield, Canonicity, 51f, behauptet, vgl. dazu unter 3.2.1.5.
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Kapitel 3: Petrus Receptus
Kontexte, in denen die diskutierte Parallele bei Justin und in 2 Petr begegnet, in die Analyse miteinbezog 126. Bauckham kam zum Schluss, es sei „more probable (though not certain) that the resemblance results from Justin’s dependence on 2 Peter“ 127, als dass sie sich gemeinsamer Verwendung traditionellen Materials verdanke, was etwa bei Joseph Chaine 128 und Henning Paulsen 129 erwogen wird. Auch Martin Ruf zufolge „darf man annehmen, ... die Secunda Petri bilde in 2 Petr 2,1 einen Prätext zum Dialogus Justins“ 130. Auf dem Hintergrund dieser forschungsgeschichtlichen Beobachtungen muss eine neuerliche Überprüfung des Verhältnisses Justins zu 2 Petr 131 auf dreierlei achten: Erstens darf die besondere Bedeutung der auffallenden Parallele 2 Petr 2,1/dial. 82,1 nicht zu einer isolierten Analyse nur dieser beiden Textpassagen und ihrer literarischen Beziehung verführen, sondern verlangt nach einem genauen Blick auf ihre jeweilige kontextuelle Einbindung. Zweitens kann aus einer (vermuteten) Verbindung zwischen 2 Petr und Justin nicht a priori geschlossen werden, Justin habe 2 Petr gekannt und genutzt. Andere Möglichkeiten, wie zufällige Ähnlichkeiten, Interpolationen im Justin-Text, traditionsgeschichtliche Berührungen und eine – bislang noch nicht erwogene – Abhängigkeit des 2 Petr von Justin sind 126 127
Vgl. Bauckham, Jude, 2 Peter, 237. Bauckham, Jude, 2 Peter, 237. Zustimmend referiert bei Kraus, Sprache, 340 Anm. 100. Vgl. Green, 2 Peter and Jude, 104 („Justin Martyr ... quotes this passage“ [sc. 2 Petr 2,1]), und Kruger, Authenticity, 654 („Justin Martyr … makes a striking allusion to 2 Peter 2:1“). Vorsichtig Davids, Letters, 218, der zwar festhält „[m]any scholars view this passage [sc. dial. 82,1; Anm. Grünstäudl] as dependent on 2 Peter“, selbst aber nur erwägt, dass „Justin Martyr may be a witness to 2 Peter’s concepts living on“. 128 Chaine, Épîtres catholiques, 2, sieht hier „une opposition analogue entre les pseudoprophètes chez les Juifs et les pseudodidascales chez les fidèles“, fährt dann aber fort: „Ce parallélisme ne suffit pas pour conclure à une dépendance littéraire de Justin, car il pouvait exister dans la catéchèse. Sans doute le terme de ψευδοδιδάσκαλος ne se lit pas dans l’Écriture en dehors de II Pet. ni ailleurs avant, mais, de leur présence dans le N. T., on peut conclure que les mots en ψευδ étaient d’un usage assez fréquent…“ (ebd., 2f). 129 Paulsen, Der Zweite Petrusbrief, 127f, spricht von „auffallender, traditionsgeschichtlicher Parallelität“ zwischen 2 Petr 2,1 und Justin, dial. 82,1, doch sei „die Passage bei Justin kaum von 2,1 abhängig“ (ebd., 128). Vögtle, Der zweite Petrusbrief, 184, und Kelly, Epistles, 327, vermerken die Parallele ohne Diskussion einer möglichen Verbindung. 130 Ruf, Die heiligen Propheten, 362. Vgl. auch Gilmour, Parallels, 120, der knapp bemerkt: „Also worth noting is a close parallel between Justin Martyr … and 2 Peter, perhaps suggesting the former’s familiarity with 2 Pet 2:1.“ Im Anschluss beschränkt sich Gilmour auf eine kurze Paraphrase der Argumentation Bauckhams. 131 In methodischer Hinsicht wertvoll sind die an einer analogen Fragestellung entwickelten Überlegungen in Foster, P., The Relationship between the Writings of Justin Martyr and the So-Called Gospel of Peter, in: Parvis, S./ders. (Hg.), Justin Martyr and His Worlds, Minneapolis: Fortress Press 2007, 104–112, besonders: 105f.
3.2 Justin der Märtyrer und 2 Petr
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ebenfalls zu prüfen. Schließlich gilt es drittens zu versuchen, sine ira et studio eine Analyse der Texte selbst durchzuführen, die nicht bereits auf mögliche gewünschte oder unerwünschte Konsequenzen für die historische Einordnung des 2 Petr schielt bzw. eine solche voraussetzt 132. 3.2.1 Das Verhältnis von dial. 82,1 zu 2 Petr 2,1 Wie die synoptische Zusammenstellung zeigt, sind es drei signifikante Gemeinsamkeiten, die dial. 82,1 und 2 Petr 2,1 miteinander verbinden. Erstens der auffällige, da vor Origenes nur an diesen beiden Stellen bezeugte Ausdruck ψευδοδιδάσκαλος, zweitens das Entsprechungsverhältnis zwischen diesen christlichen Falschlehrern und den Falschpropheten in Israel sowie drittens die pointierte sprachliche Gestalt (chiastischer Parallelismus) dieses Vergleichs. An Unterschieden ist die kürzere und prägnantere Formulierung in 2 Petr 2,1 gegenüber dem auch noch die „heiligen Propheten“ (vgl. 2 Petr 3,2) nennenden Justin-Text ebenso zu verzeichnen wie der Gebrauch von Imperfekt/Präsens (Justin) gegenüber Aorist/Futur (2 Petr) und die jeweils andere Umschreibung für Israel als Ort des Auftretens der Falschpropheten (Justin: ἐπὶ τῶν παρ’ ὑμῖν γενομένων ἁγίων προφητῶν; 2 Petr: ἐν τῷ λαῷ). Darüber hinaus spricht nur Justin von „vielen“ (πολλοί) Falschlehrern. Trotz der genannten Differenzen ist die Trias aus dem gemeinsamen seltenen Vokabular (ψευδοδιδάσκαλος), dem „völlig analogen Gedankengang“ 133 und der im Wesentlichen identen syntaktischen Struktur 134 ein starkes Indiz für eine literarische Beziehung der beiden Texte. Dies gilt umso mehr, als sich die vermerkten Unterschiede zwischen den Texten problemlos als Anpassungen an die jeweils unterschiedlichen Kommunikationssituationen verstehen lassen. In 2 Petr ist bereits zuvor ausführlich von gottgewirkter Prophetie (und ihrer Auslegung) die Rede (vgl. 2 Petr 1,19–21), sodass eine nochmalige Erwähnung der „heiligen Propheten“ (vgl. 2 Petr 3,2) überflüssig wäre. Klar ist auch, dass Justin aufgrund der kontextuellen Verortung im Gespräch mit dem Juden Trypho ἐπὶ τῶν παρ’ ὑμῖν γενομένων ἁγίων προφητῶν (vgl. dial. 69,1: διὰ τῶν ἐπὶ Ἡλίᾳ ψευδοπροφητῶν 135) statt ἐν τῷ λαῷ sagt, während 2 Petr im Zuge seiner Verfasserfiktion die Nennung der Falschlehrer konsequent als eine Prophezeiung des Petrus futurisch formuliert (bzw. formulieren muss). Wenn Jus132 Nach Bauckham, Jude, 2 Peter, 237, sei die Abhängigkeit Justins von 2 Petr „a conclusion which would probably have been more widely accepted if the general opinion of the date of 2 Peter had not impeded it“. 133 Ruf, Die heiligen Propheten, 315. 134 Vgl. Kraus, Sprache, 340 Anm. 100, zu 2 Petr 2,1 auch ebd., 185f. 135 Vgl. auch den in dial. 69,1 entfalteten Gedanken von der Festigung des Vertrauens in die Schriften mit 2 Petr 1,19.
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Kapitel 3: Petrus Receptus
tin von „vielen“ Falschlehrern ausgeht, dann entspricht das den in der Folge zur Begründung herangezogenen synoptischen 136 Texten (vgl. dial. 82,2) als auch seiner Klage über die vielen Irrlehrer in „Justins“ Gegenwart (vgl. dial. 82,3). Doch bevor der Hypothese einer literarischen Beziehung der beiden Texte Plausibilität zugesprochen werden kann, sind noch drei alternative Optionen zu prüfen: Die von Chase favorisierte Zufälligkeit der Parallelität, eine Interpolation im Text des dial. sowie eine etwaige Abhängigkeit von (mündlicher oder schriftlicher) Tradition. 3.2.1.1 Zufall? Das deutlichste Votum für eine zufällig entstandene Parallelität zwischen 2 Petr 2,1 und Justin, dial. 82,1 findet sich bei Chase, der dafür zwei Argumente vorbringt. Erstens sei ψευδοδιδάσκαλος auf dem Hintergrund der sonst im Frühchristentum verwendeten Komposita mit ψευδ(ο)- eine wenig überraschende, ja eigentlich zu erwartende Neubildung: „But in Christian circles, where the words ψευδάδελφος, ψευδαπόστολος, ψευδολόγος, ψευδομάρτυς, ψευδοπροφήτης, ψευδόχριστος were all current (all occurring in the NT), and where a διδάσκαλος was closely allied to a προφήτης, the word ψευδοδιδάσκαλος was sure to arise, and its occurrence in two writers cannot be taken to imply literary obligation.“ 137
Doch hier lohnt ein genauerer Blick, denn die christliche Verwendung der aufgeführten pejorativen Personenbezeichnungen in der Zeit vor Origenes und Hippolyt ist durchaus unterschiedlich gewichtet. Intensiv verwendet wird mit ψευδοπροφήτης 138 (Mt 7,15; 24,11.24; Mk 13,22; Lk 6,26; Apg 13,6; 2 Petr 2,1; 1 Joh 4,1; Offb 16,13; 19,20; 20,10; ApkPetr [A] 1; Herm mand. XI,1f.4.7; Did 11,5f.8–10; 16,3; AscJes 2,12f; 3,5.7.10.17; Justin, dial. 7,3; 3,3; 51,2; 69,1; 82,1f; Irenäus, adv. haer. V,28,2; Hegesipp apud Eusebius, h.e. IV,22,6; Clemens Alexandrinus, strom. I,84,6f; 85,1.3f; 115,3; 120,3; III,35,1) vor allem ein Terminus, der nicht christlichen Ursprungs ist, was vermutlich mit seiner langen „alttestamentlichen“ Geschichte (Dtn!) sowie seinem markanten Gebrauch in der synoptischen Apokalypse (Mk 13,22parr.) zu erklären ist. Der ebenfalls nicht spezifisch christliche Terminus ψευδομάρτυς 139 findet bereits deutlich weniger Ver136 Hier und im Folgenden ist stets mit zu bedenken, dass die konkrete Herkunft von an die synoptischen Evangelien erinnernden Stoffen bei Justin eine komplexe und vieldiskutierte Fragestellung ist. Als Einführung zu Justins Kenntnis und Nutzung der Evangelien, vgl. Skarsaune, Justin and His Bible, 64–74. 137 Chase, Second Epistle of Peter, 801. 138 Vgl. Friedrich, G., Art. προφήτης κτλ. D. Propheten und Prophezeien im Neuen Testament, in: ThWNT VI (1959), 829–863 (zu ψευδοπροφήτης vgl. ebd., 831. 857f. 862f). 139 Vgl. Strathmann, H., Art. μάρτυς κτλ., in: ThWNT IV (1942), 477–520 (zu ψευδομάρτυς, ψευδομαρτυρέω, ψευδομαρτυρία vgl. ebd., 519f). Zu ψευδολόγος siehe 1 Tim
3.2 Justin der Märtyrer und 2 Petr
211
wendung (Mt 26,60; 1 Kor 15,15; Tatian, orat. 25,3; Melito, pass. 93; ApkPetr [A] 29; Clemens Alexandrinus, q.d.s. 40,5), wiewohl das in den Dekalog-Fassungen der LXX gebrauchte Verb ψευδομαρτυρέω (Ex 20,16; Dtn 5,20) 140 sich recht häufig findet (Mt 19,18; Mk 10,19; 14,56f; Lk 18,20; Röm 13,9 v.l.; ProtevJac 15,4; Did 2,3; Aristides, apol. 15,4; Justin, apol. I,27,5; II,3,3; Theophilus, Autol. II,35; III,9; Clemens Alexandrinus, q.d.s 4,5; protr. 108,5; paed. III,89,1; strom. II,32,4). Die christlichen Prägungen ψευδάδελφος (2 Kor 11,26; Gal 2,4), ψευδαπόστολος 141 (2 Kor 11,13) und ψευδόχριστος (Mt 24,24; Mk 13,22) werden noch weniger aufgegriffen (ψευδάδελφος: Polyk 6,3; ψευδαπόστολος: Justin, dial. 35,3; dial. 82,1; Hegesipp apud Eusebius, h.e. IV,22,6; Clemens Alexandrinus, strom. III,3,4; ψευδόχριστος: Justin, dial. 35,3; Hegesipp apud Eusebius, h.e. IV,22,6). Zweifellos ist ψευδοδιδάσκαλος „a word of easy formation“ 142 (vgl. v.a. Polyk 7,2: ψευδοδιδασκαλία; 2 Clem 10,5; Herm sim. IX,22,2), doch die von Chase insinuierte häufige und unspezifische Verwendung und Bildung verschiedener Komposita mit ψευδ(ο)- wird dem tatsächlichen Befund in der christlichen Literatur der ersten beiden Jahrhunderte nicht gerecht. Folglich sollte die auf 2 Petr 2,1/Justin, dial. 82,1 beschränkte Bezeugung von ψευδοδιδάσκαλος in ihrer Relevanz für literargeschichtliche Fragen nicht unterschätzt werden. Da 2 Petr 2,1 und Justin, dial. 82,1 aber nicht nur im Gebrauch einer sonst im zweiten Jahrhundert nicht bezeugten Vokabel übereinstimmen, sondern dieses auch in dieselbe Gegenüberstellung von ψευδοπροφῆται in Israel mit ψευδοδιδάσκαλοι in der Kirche einbetten, versucht Chase – dies ist sein zweites Argument – den vorliegenden Vergleich als „very natural in a discussion of the presence of prophetic gifts in the Church“ 143 zu werten. Selbst wenn man zugestehen würde, diese Art der Parallelisierung von ψευδοπροφῆται/ψευδοδιδάσκαλοι sei „very natural“ (warum tritt sie dann aber nicht auch in vergleichbaren Kontexten nochmals auf?), so bietet nur Justin „a discussion of the presence of prophetic gifts in the Church“ (eher: eine problematische Theorie der diesbezüglichen Enteignung Israels), während 2 Petr zwar die Auslegung prophetischer Texte, nicht aber die Präsenz prophetischer Gaben diskutiert. Vor allem aber „bleibt die auffällige Über4,2; Tatian, orat. 22,3; 34,2; Clemens Alexandrinus, strom. III,85,1; ferner Justin, apol. II,2,11. 140 Vgl. auch ψευδομαρτυρία in Mt 15,19; 26,59; Did 5,1; Polyk 2,2; 4,3; Herm mand. VIII,5; P. Scill. 7. 141 Vgl. Rengstorf, K. H., Art. ἀποστέλλω κτλ., in: ThWNT I (1933), 397–448 (zu ψευδαπόστολος vgl. ebd., 446f). 142 Bigg, Epistles, 205. 143 Chase, Second Epistle of Peter, 801.
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Kapitel 3: Petrus Receptus
einstimmung des Kontrastes bestehen“ 144, die sich in beiden Texten (bei jeweils anderer Stellung des finiten Verbums) in der Form eines chiastischen Parallelismus (Justin: A-B-C - B’-C’-A’; 2 Petr: C-A-B - B’-C’-A’) ausdrückt: Ὅνπερ δὲ τρόπον καὶ ψευδοπροφῆται ἐπὶ τῶν παρ’ ὑμῖν γενομένων ἁγίων προφητῶν ἦσαν, καὶ παρ’ ἡμῖν νῦν πολλοί εἰσι καὶ ψευδοδιδάσκαλοι (Justin, dial. 82,1)
Ἐγένοντο δὲ καὶ ψευδοπροφῆται ἐν τῷ λαῷ, ὡς καὶ ἐν ὑμῖν ἔσονται ψευδοδιδάσκαλοι (2 Petr 2,1)
Hinzu kommt noch in inhaltlicher Perspektive die hervorgehobene Stellung christlicher „Lehrer“ in Entsprechung zu den Propheten Israels. Justin, dial. 82,1 und 2 Petr 2,1 stellen den einstigen Falschpropheten nicht christliche Falschpropheten, sondern christliche Falschlehrer gegenüber 145, was wohl nicht allein durch das Bemühen um stilistische Varianz 146 zu erklären ist, sondern zumindest auch einen bestimmten theologiegeschichtlichen Entwicklungsstand voraussetzt 147. Aufgrund der signifikanten Übereinstimmungen auf drei verschiedenen Ebenen (Vokabular, Struktur, Inhalt) ist eine bloß zufällige Ähnlichkeit von dial. 82,1/2 Petr 2,1 somit „scarcely likely“ 148. 3.2.1.2 Interpolation? Die Möglichkeit von sekundären Zusätzen in dem uns vorliegenden Text des dial. ist aufgrund der schmalen handschriftlichen Überlieferung im auf den 11. September 1363 datierten Codex Parisinus Graecus 450 nicht aus-
144 145
Kraus, Sprache, 340 Anm. 100. Deshalb führt auch der oben zitierte Hinweis von Chase, Second Epistle of Peter, 801, dass „a διδάσκαλος was closely allied to a προφήτης“ insofern in die Irre, als er zwar für den angeführten Belegtext Did 13,1f zutrifft, aber die Pointe der Gegenüberstellung in 2 Petr und bei Justin nicht in den Blick nimmt. 146 Dies erwägt als Möglichkeit für Justin, dial. 82,1 Bauckham, Jude, 2 Peter, 237. 147 Schrage, Die „Katholischen“ Briefe, 134, weist wie Frankemölle, 1. Petrusbrief, 101, darauf hin, dass es für 2 Petr offenbar keine christlichen Propheten (mehr) gibt. 148 So das Urteil von Bauckham, Jude, 2 Peter, 237, zur These von Chase. Ruf, Die heiligen Propheten, 361, formuliert mit Emphase: „Dass die beiden einzigen Texte überhaupt, die das Wort ψευδοδιδάσκαλοι enthalten, es neben ψευδοπροφῆται verwenden, und zwar in just demselben Argument, will des Zufalls etwas zu viel erscheinen, um die Frage nach einer literarischen Abhängigkeit leichtfertig vom Tisch zu wischen.“
3.2 Justin der Märtyrer und 2 Petr
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zuschließen 149, an einigen Stellen (vgl. etwa dial. 35,3) sogar wahrscheinlich. Für die hier diskutierte Sentenz in dial. 82,1 ist eine sekundäre, auf 2 Petr 2,1 zurückgehende Ergänzung aus mindestens zwei Gründen aber sehr unwahrscheinlich. Zum einen ist, wie oben gezeigt, die Formulierung bei Justin deutlich länger als in 2 Petr, was bedeutet, dass ein allfälliger Interpolator nicht bloß einen Abschnitt aus 2 Petr in den Justin-Text eingefügt, sondern an diesem Abschnitt zugleich umfangreiche, Justins Stil entsprechende (vgl. dial. 69,1 mit 82,1) Textänderungen vorgenommen haben müsste. Angesichts des geringen inhaltlichen Zugewinns durch eine solche Einfügung einer völlig unmarkierten Sentenz aus 2 Petr müssen solche massiven Eingriffe am Text von dial. 82 als unplausibel gelten. Zum anderen ist dial. 82 ein komponiertes und stringent aufgebautes Ganzes. Nichts deutet auf eine sekundäre Hinzufügung der Pseudolehrer-Sentenz hin, vielmehr führt sie in logischer Weise den Gedankengang des Abschnitts einen wichtigen und unverzichtbaren Schritt weiter. 3.2.1.3 Tradition? Mit der Möglichkeit, dass zwei Autoren des zweiten Jahrhunderts auch an möglicherweise unterschiedlichen Orten eine ähnliche Formulierung unabhängig voneinander aus dem breiten Strom mündlicher und schriftlicher Tradition schöpften, wird schlicht immer zu rechnen sein. Andererseits ist der Vergleich von falschen Propheten in Israel mit Irrlehrern im Christentum gerade kein klassischer Topos der frühchristlichen Gegnerpolemik und es fehlen auch an beiden Belegstellen verwertbare Anzeichen, die eine mögliche Quelle der ψευδοπροφῆται/ψευδοδιδάσκαλοι-Sentenz und deren überlieferungsgeschichtlichen Ort erkennen ließen 150. Arbeitshypothetisch erscheint es daher vernünftig, im Folgenden zuerst auf der Basis der Annahme einer direkten literarischen Verbindung der beiden Texte nach möglichen Hinweisen auf die Richtung der (vermuteten) Rezeption zu suchen und dabei, vor allem bei der Untersuchung der kontextuellen Einbettung der Sentenz bei Justin und 2 Petr, die Plausibilität einer Traditionshypothese mit im Blick zu behalten 151. 149 Vgl. dazu die Hinweise bei Bobichon, Justin Martyr I, 167–176, Minns/Parvis, Justin, 3–21, sowie Sanchez, S. J., Le manuscrit du „Dialogue avec Tryphon“ de Justin Martyr, in: Bulletin de littérature ecclésiastique 103 (2002), 371–382, und Pilhofer, P., Harnack and Goodspeed. Two Readers of Codex Parisinus Graecus 450, in: SecCent 5 (1985/1986), 233–242. 150 Deshalb bleibt auch die Vermutung von Chaine, Épîtres catholiques, 2, „il pouvait exister dans la catéchèse“ hypothetisch. 151 Wenn Bauckham, Jude, 2 Peter, 237, den Umstand, „that the comparison of the false prophets of old and the Christian false teachers in 2 Pet 2:1 seems to bear every mark of having been created for its context“ als Argument gegen eine traditionelle Ge-
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Kapitel 3: Petrus Receptus
3.2.1.4 Zur möglichen Intention textueller Veränderungen Wenn in Justin, dial. 82,1 jeder Hinweis auf 2 Petr fehlt, spricht das noch nicht gegen eine Rezeption von 2 Petr durch Justin an dieser Stelle. Justin gibt in seinen erhaltenen Schriften keinen einzigen expliziten Hinweis auf die später neutestamentliche Briefliteratur 152 und erwähnt auch Paulus als Person mit keinem Wort 153. Vielmehr betont er die Bedeutung der Schriften Israels sowie der Evangelien, die Justin mit einem wohl an Xenophon angelehnten originären Ausdruck ἀπομνημονεύματα τῶν ἀποστόλων („Erinnerungen der Apostel“) nennt 154. Unter diesen Umständen ist eine Nennung des 2 Petr als Quelle der Sentenz eher nicht zu erwarten. Andererseits kann Justin dieses Schema auch gezielt durchbrechen, indem er als erster Autor überhaupt explizit die Offb zitiert (vgl. dial. 81,4) und zur theologischen Argumentation heranzieht. Was nun die Gestalt des Parallelismus anlangt, wäre eine Erweiterung der prägnanten Formulierung des 2 Petr durch Justin sicherlich stilistisch nicht sehr geschickt, aber deshalb nicht unplausibel. Hingegen überrascht das im dial. fehlende Futur, das gut zur Argumentation, die Falschlehrer seien durch Jesus prophezeit worden, passen würde, auch dann, wenn Justin hier seine Inspirationsquelle nicht nennen wollte. Allerdings ist auch nicht leicht zu sehen, wie der Parallelismus ohne Tempuswechsel in den nun vorliegenden Gedankengang Justins eingefügt hätte werden können. Wenn schließlich Justin von „vielen“ Falschlehrern spricht, so legt sich ein Einfluss des im Anschluss angeführten synoptischen Bezugstextes nahe, während im Blick auf die Kommunikationssituation die Reformulierung des ἐν τῷ λαῷ aus 2 Petr nur zu verständlich ist. Nimmt man eine Rezeption in die umgekehrte Richtung an, so entspricht die futurische Formulierung in 2 Petr 2,1 – wie auch das ἐν τῷ λαῷ stalt der Irrlehrer-Sentenz anführt, so weist dies in die richtige Richtung, beachtet aber nicht die kontextuelle Einbettung von Justin, dial. 82,1. 152 Vgl. Skarsaune, Justin and His Bible, 75, der auch keine mögliche Parallele zu 2 Petr benennt. 153 Zu diesem vieldiskutierten Umstand vgl. v.a. die klassische Analyse bei Lindemann, Paulus, 353–367, sowie jetzt Foster, P., Justin and Paul, in: Bird, M. F./Dodson, J. R. (Hg.), Paul and the Second Century (Library of New Testament Studies 412), London/New York: T. & T. Clark 2011, 108–125. Wenig überzeugend ist der Versuch von Cosgrove, C. H., Justin Martyr and the Emerging Christian Canon. Observations on the Purpose and Destination of the Dialogue with Trypho, in: VigChr 36 (1982), 209–232, hier: 225, Justin als Teil einer Gegenbewegung zum „stream that celebrated Paul in the second century, namely, that of Polycarp and the author of II Peter (II Pet 3:15–16)“ zu zeichnen. 154 Vgl. hierzu etwa Abramowski, L., Die „Erinnerungen der Apostel“ bei Justin, in: Stuhlmacher, P. (Hg.), Das Evangelium und die Evangelien. Vorträge vom Tübinger Symposion 1982 (WUNT 28), Tübingen: Mohr Siebeck 1983, 341–353.
3.2 Justin der Märtyrer und 2 Petr
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– der Verfasserfiktion des Briefes und ist im Grunde bereits eine redaktionelle Operation an der 2 Petr 2 prägenden Jud-Vorlage (vgl. Jud 4 sowie auch 2 Petr 3,2–4/Jud 17f). Sie ist als bewusste Änderung des JustinTextes genauso nachvollziehbar wie die zu größerer Prägnanz führende Auslassung der Erwähnung der „heiligen Propheten“ (vgl. 2 Petr 3,2), die ja bereits 2 Petr 1,19–21 Thema waren, und der Wegfall des πολλοί vor ψευδοδιδάσκαλοι, der die Parallele zu den Falschpropheten noch klarer zeichnet, den Gegner klein(er) macht und eine Wiederholung der unerfreulichen Vokabel in 2 Petr 2,2 vermeidet. In dieser Perspektive ist auch die andere Verwendung der Verben als deutliche Verbesserung zu werten: Der doppelte Gebrauch von εἶναι wird vermieden. Dies alles führt zu einer präzisen Formulierung, die im Grunde stilistisch nicht mehr zu optimieren ist. Damit wird deutlich: Allein aus den Differenzen, die zwischen den Formulierungen in 2 Petr 2,1 und dial. 82,1 zu beobachten sind, lässt sich nicht sicher erschließen, welcher der beiden Texte den anderen aufgegriffen und verändert hat. Allerdings müsste eine Hypothese, die von der Verarbeitung des 2 Petr durch Justin ausgeht, zu erklären versuchen, warum die prägnante Sequenz aus 2 Petr 2,1 in dial. 82,1 aufgebrochen wird. 3.2.1.5 Kontextuelle Einbettungen Sowohl bei Justin als auch bei 2 Petr erfüllt der Parallelismus eine Scharnierfunktion und bindet jeweils die vorhergehenden mit den nachfolgenden Textteilen überzeugend zusammen. In 2 Petr war zuvor (2 Petr 1,16–21) vom „prophetischen Wort“ die Rede, das durch die von den Aposteln bezeugten Ereignisse des irdischen Lebens Jesu „(noch) sicherer“ geworden sei und das nicht eigenmächtig ausgelegt werden könne. Im Anschluss (bereits ab 2 Petr 2,1b beginnend) entwirft 2 Petr unter relecture großer Teile des Jud eine neutestamentlich in ihrer Heftigkeit beispiellose Polemik gegen die ψευδοδιδάσκαλοι, wobei aber der Stamm διδασκ- nicht mehr präsent ist 155. Mit Bauckham 156, Watson 157 und Paulsen 158 ergibt sich dabei „a chiastic structure“ 159 nach dem Schema „Apostel – Propheten – falsche Propheten – falsche Lehrer“ (2 Petr 1,16–2,3), die der apostolischen Überlieferung pointiert die defizienten Lehren der „Anderen“ gegenüberstellt. Bei Justin hingegen schließt die Erwähnung der falschen Propheten in Israel an einen Abschnitt an, in dem Justin seinem Gesprächspartner 155 Dies fällt auf, da sonst vieles auf einen Lehrer als Autor des 2 Petr hinweist, vgl. unten zu den Einleitungsfragen. Zu den entsprechenden Wortfamilien und -feldern vgl. Kraus, Stil, 354f. 156 Vgl. Bauckham, Jude, 2 Peter, 236. 157 Vgl. Watson, Invention, 106f. 158 Vgl. Paulsen, Der Zweite Petrusbrief, 127. 159 Bauckham, Jude, 2 Peter, 236.
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Kapitel 3: Petrus Receptus
Trypho unter Verweis auf eine Prophezeiung des „Apostels“ Johannes (Offb 20,4–6) erklärt hatte, dass die Gaben der Prophetie von Israel auf die Kirche übergegangen seien (vgl. dial. 81,4). Im Folgenden erwähnt Justin dann christliche Lehrer, die im Namen Jesu Christi das gelehrt haben und lehren (ἐδίδαξαν … ἐδίδαξαν … διδάσκουσι; vgl. dial. 82,2f), was ihnen der Teufel eingibt und ihrer Habgier nützt (vgl. dial. 82,4) 160. Besonders interessant ist nun, dass im dial. ὁ ἡμέτερος κύριος (und nicht etwa Petrus) bereits vor den ψευδοδιδάσκαλοι gewarnt hat. Justin führt aus: Damit „uns“, den (rechtgläubigen) Christen nichts mangele (vgl. 1 Kor 1,7), hat Jesus bereits vor seiner Auferstehung und seiner Himmelfahrt das Auftreten der Falschlehrer angekündigt und vor diesen gewarnt. Auf diese narrative Einbettung lässt Justin den „Text“ der jesuanischen Warnung vor den Pseudolehrern folgen, indem er die aus den synoptischen Endzeitreden bekannte Ankündigung von Pseudopropheten und Pseudochristussen zitiert (eingeleitet mit εἶπε γὰρ ὅτι … καὶ ὅτι): φονεύεσθαι καὶ μισεῖσθαι διὰ τὸ ὄνομα αὐτοῦ μέλλομεν, καὶ ὅτι ψευδοπροφῆται καὶ ψευδόχριστοι πολλοὶ ἐπὶ τῷ ὀνόματι αὐτοῦ παρελεύσονται καὶ πολλοὺς πλανήσουσιν (dial. 82,2; vgl. Mt 24,5.11.24; Mk 13,22) 161. Wenngleich die Pseudolehrer-Sentenz in dieser Einbettung nicht selbst als Herrenwort markiert ist 162, so wird sie doch in so enger Weise an solche zurückgebunden, dass für eine Identifizierung als prophetische Vorankündigung eines Apostels (wie im Fall des vorausgehenden Zitates aus Offb in dial. 81,4) kein Platz bleibt. Anders formuliert: Angesichts der großen Ähnlichkeit von 2 Petr 2,1 zu dial. 82,1 ist, wie auch immer man die intendierten Adressaten des dial. bestimmt, der
160 Es ist genau diese entscheidende Nuance des Kontexts, die Bauckham, Jude, 2 Peter, 237, übersieht, wenn er unter Verweis auf frühchristlichen Sprachgebrauch („early Christian predictions of the last days normally refer to ψευδοπροφῆται“), Justins Ausführungen in dial. 35,3; 51,2; 82,2 und der unmittelbaren Einbettung der Sequenz („the context of this passage is Justin’s assertion [82.1] that the prophetic gifts of the OT prophets are now present in the Christian church“) konkludiert: „For all this reasons, we should have expected him to compare ψευδοπροφῆται of OT Israel with ψευδοπροφῆται, not ψευδοδιδάσκαλοι, in the Church.“ 161 Die klassische Studie von Bellinzoni, A. J., The Sayings of Jesus in the Writings of Justin Martyr (NT.S 17), Leiden: Brill 1967, diskutiert diese Zitate leider nicht. Zur methodologischen und textkritischen Problematik vgl. Verheyden, J., Assessing Gospel Quotations in Justin Martyr, in: Denaux, A. (Hg.), New Testament Textual Criticism and Exegesis. FS Joel Delobel (BEThL 161), Löwen: Leuven University Press/Peeters 2002, 361–377. 162 Warfield, Canonicity, 52, erkannte zwar richtig die Bedeutung der Verknüpfung der Sequenz mit dem Kyrios, deutete diese aber fälschlich als Zeichen „that Justin refers to 2 Peter with respect, as Scripture, as, practically, the words of the Lord – in a word, as an authoritative book giving the Lord’s teaching“. Vgl. dazu Chase, Second Epistle of Peter, 801.
3.2 Justin der Märtyrer und 2 Petr
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Umstand, dass Justin für die Prophezeiung von ψευδοδιδάσκαλοι keinen exakt passenden Bezugstext anführen kann, einigermaßen frappant. Erhellend ist zudem ein Blick auf dial. 35,3, wo Justin in analoger Weise Mt 24,11.24/Mk 13,22 verwendet, um andere – aus seiner Sicht heterodoxe – christliche Lehrer (er nennt dial. 35,6: Μαρκιανοί, Οὐαλεντινιανοί, Βασιλειδιανοί, Σατορνιλιανοί) von Jesus selbst angekündigt sein zu lassen. Durch einen expliziten Rückverweis in dial. 80,3 macht Justin klar, dass er dabei in dial. 35 und dial. 80–82 prinzipiell dieselben Gruppen im Blick hat. Hier wie dort folgt der Gedankengang demselben Schema: Durch einen Einwand Tryphos (vgl. dial. 35,1) bzw. durch den Verlauf der Disputation (vgl. dial. 80,2f) sieht sich Justin genötigt, auf Christen zu sprechen zu kommen, die seiner Meinung nach diesen Namen gar nicht verdienen (vgl. dial. 35,6; 82,3). Gegenüber Tryphon erklärt/entschuldigt Justin deren Existenz jeweils mit zwei Argumenten. Zum einen verweist er auf ähnliche Phänomene in Philosophie und Judentum (vgl. dial. 35,6; 80,4; 82,1: ψευδοπροφῆται), zum anderen eben auf die Ankündigung dieser „Häretiker“ 163 (vgl. dial. 79,3) durch Jesus selbst (vgl. dial. 35,3; 82,1f), wobei er aus dieser erfüllten Prophezeiung sogar noch ein Argument für seine Position gegenüber Juden und „Häretikern“ gewinnt (vgl. dial. 35,7; 82,3f). Die Gegner, von denen Justin hier jeweils spricht, sind christliche Lehrer, deren „blasphemischem“ Wirken im Namen Jesu Christi (vgl. dial. 35,4; 82,3) er seine Existenz als „Schüler der wahrhaftigen und reinen Lehre Jesu Christi“ (vgl. dial. 35,2; 82,3) pointiert entgegenstellt. Dies noch weiter unterstreichend tritt an beiden Stellen die Wortfamilie „Lehre/Lehrer/ lehren“ gehäuft auf: Für dial. 35 und dial. 80–82 ist sie jeweils siebenmal (!) belegt (vgl. dial. 35,2[3x].4[2x].5.8; 80,3[3x]; 82,1; 82,3[3x]). In der Parallelität der dichten, miteinander verwobenen Argumentationen in dial. 35 und dial. 80–82 wird deutlich, dass Justin im Fortgang des dial. sukzessive jene Sammlung von Motiv-Bausteinen – recht freier Um163 Kein Anlass besteht, Anspielungen auf 2 Petr 2,1 in der Nennung von αἱρέσεις in dial. 35,3 (mit großer Vorsicht Ruf, Die heiligen Propheten, 364) und in der darauf zurückweisenden Nebeneinanderstellung von ψευδοπροφῆται und αἱρέσεις in dial. 51,2 (vgl. Bigg, Epistles, 205) zu erkennen. Wichtig ist, dass für 2 Petr 2,1 sowohl „die neutrale Bedeutung von αἱρέσεις … nicht mehr anzunehmen [ist]“ (Paulsen, Der Zweite Petrusbrief, 128) als auch eine Deutung auf „Fraktionen“ (vgl. Gal 5,20; 1 Kor 11,19) nicht (mehr) zutrifft, vielmehr (bereits) ähnlich wie bei Ignatius (vgl. IgnEph 6,2; IgnTrall 6,1) die pejorative Bedeutung „falsche Lehren“ im Blick ist (vgl. Bauckham, Jude, 2 Peter, 239f). Vgl. weiterführend Norelli, E., Déchirements et sectes. Un agraphon derrière 1 Corinthiens 11,18–19, in: Ciola, N./Pulcinelli, G. (Hg.), Nuovo Testamento. Teologie in dialogo culturale. FS Romano Penna (Supplementi alla Rivista Biblica 50), Bologna: Edizioni Dehoniane 2008, 265–285, sowie ders., Marcione e la costruzione dell’eresia come fenomeno universale in Giustino Martire, in: Rivista di storia del cristianismo 6 (2009), 363–388.
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Kapitel 3: Petrus Receptus
gang mit Herrenworten, ψευδ(ο)-Gestalten, Parallele zu devianten Gruppen im Judentum, Auseinandersetzung mit anderen christlichen Lehrern – akkumuliert, die erst die Voraussetzung für die Kreation des Parallelismus in dial. 82,1 bildet. Eine erste Analyse der Verwendungskontexte zeigt somit, dass der Parallelismus bei Justin wie bei 2 Petr harmonisch in den jeweiligen Gedankengang integriert ist. Indem bei Justin die Sequenz als aktualisierende Applikation eines (synoptischen) Herrenwortes ausgewiesen wird, deren Vokabular (ψευδοδιδάσκαλοι) und Gestalt intensiv mit dem im Kontext geführten Diskurs verflochten ist, entsteht aber der Eindruck, in dial. 35; 80– 82 der Entwicklung dieser Formulierung zusehen zu können, was nicht nur eine Priorität Justins gegenüber 2 Petr indiziert, sondern auch eine Abhängigkeit von gemeinsamer (schriftlicher oder mündlicher) Tradition weiter unwahrscheinlich macht. Überdies finden sich in dial. 81 mit der Nennung des neuen Himmels und der neuen Erde (vgl. Jes 65,17; 2 Petr 3,13), des heiligen Berges (vgl. Jes 65,25; 2 Petr 1,18) und des Vergleichs „(ein) Tag (des Herrn) – 1000 Jahre“ (vgl. Ps 89,4 LXX; 2 Petr 3,8) nicht weniger als drei Motive, die zwar in 2 Petr deutliche Parallelen aufweisen, jedoch bei Justin gerade in ihrer nicht-petrinischen Herkunft definiert sind: Die ersten beiden als Teile eines langen Jes-Zitates (vgl. dial. 81,1f), das dritte als τὸ εἰρημένον, was bei Justin sonst (auch bei der zweiten Verwendung in dial. 81,3) vor allem zur Bezeichnung „biblischer“ Zitate verwendet wird (vgl. dial. 32,4; 68,6; 70,1; 96,1; 99,1; 102,5; apol. 32,9; 42,5; 54,9; 60,6; 63,11.17; 64,1). Wenngleich unter mnemotechnischer Hinsicht auffällt, dass gerade der erste und der letzte Satz des Zitats von Jes 65,17–25 in 2 Petr Parallelen haben, kann an keiner der drei Stellen eine literarische Abhängigkeit zwischen beiden Texten wahrscheinlich gemacht werden. Es ist aber festzuhalten: Im unmittelbaren Kontext jener Justin-Stelle, für die eine literarische Beziehung zu 2 Petr wahrscheinlich ist (dial. 82,1), begegnen drei weitere Parallelen, die zwar für sich genommen die Hypothese einer literarischen Beziehung zu 2 Petr nicht tragen können, aber auffälligerweise sämtlich gerade nicht als aus 2 Petr stammende Text(teile) markiert sind. Abgesehen davon ergibt sich aus diesem Cluster von textlichen Berührungen noch ein weiteres Argument gegen die oben diskutierte gemeinsame Abhängigkeit von mündlicher Tradition, da die genannten Parallelen (vor allem innerhalb des 2 Petr) nicht in einem nachvollziehbaren (und memorablen) Zusammenhang stehen, der auf eine traditionelle Überlieferungseinheit hindeuten könnte.
3.2 Justin der Märtyrer und 2 Petr
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3.2.2 Zusammenfassung Eine vergleichende Analyse von 2 Petr 2,1 und dial. 82,1 legt nahe, dass die beiden besprochenen Texte in einer literarischen Beziehung zueinander stehen. Das seltene Vokabular, der prägnante inhaltliche Kontrast und die auffällige syntaktische Struktur sind Gemeinsamkeiten, die eine bloß zufällige Ähnlichkeit als Erklärung ausschließen. In den Texten und ihren Überlieferungskontexten finden sich auch keine Hinweise, die andere Erklärungen, wie eine Interpolation im Text des dial. oder eine gemeinsame Abhängigkeit von schriftlicher oder mündlicher Tradition, unterstützen könnten. Sehr wohl finden sich aber weitere Berührungen (v.a. in dial. 81), die sich gut durch eine literarische Beziehung zwischen dial. und 2 Petr erklären ließen. Nach der Richtung der Rezeption fragend, macht eine eingehende Analyse der stilistischen Differenzen sowie der kontextuellen Einbettung deutlich, wie die einzelnen Elemente der Formulierung in dial. 82,1, die als aktualisierende Applikation quasi-synoptischer Herrenworte erscheint, aus dem in dial. 35; 80–82 entwickelten Gedankengang organisch hervorwachsen, während die ψευδοπροφῆται/ψευδοδιδάσκαλοι-Sentenz in 2 Petr 2,1 zwar gut in den Kontext integriert ist, aber nicht von weiteren Belegen des Stammes διδασκ- begleitet wird. Insgesamt scheint auf der Basis des vorhandenen Quellenmaterials eine Deutung von 2 Petr 2,1 als an die Fiktion des 2 Petr angepasster Reformulierung von dial. 82,1 nahe zu liegen und damit eine Abhängigkeit des 2 Petr von Justins dial. vorzuliegen. Der terminus a quo für die Abfassung des 2 Petr wird folglich durch die Existenz von Justins dial. bestimmt, für den zumeist eine Datierung zwischen ca. 155–160 n.Chr. angegeben wird 164. 3.2.3 Methodologische Notiz Die soeben vorgeschlagene und begründete Verhältnisbestimmung zwischen Justin und 2 Petr mag auf den ersten Blick (vor allem aus neutestamentlicher Sicht) recht ungewöhnlich wirken, weshalb eine knappe Besprechung einiger möglicher Bedenken (v.a. solcher methodologischer Natur) angezeigt erscheint. (1) Zuerst wird zu fragen sein, ob die textliche Basis einer in erster Linie auf Justin, dial. 82,1 und 2 Petr 2,1 beruhenden Annahme literarischer Abhängigkeit des 2 Petr von Justin nicht allzu schmal ausfällt. 164 Nach Skarsaune, Justin der Märtyrer, 472, besteht diesbezüglich „in der Forschung große Einstimmigkeit“. Dass aufgrund der Quellenlage präzise Angaben aber nicht mit letzter Sicherheit zu machen sind, verdeutlicht etwa Sanchez, S. J., Problèmes historiques du „Dialogue avec Tryphon“ de Justin Martyr, in: Revista augustiniana 42 (2001), 653–714.
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(a) Ein erster Punkt dazu darf vielleicht an einem Vergleich aus der Alltagswelt illustriert werden. Wer vor der Herausforderung steht, mittels einer Brücke einen reißenden Strom oder einen tiefen Abgrund überwinden zu müssen, wird nicht in erster Linie nach der Breite, sondern nach der Stabilität des Bauwerks fragen. Beide Parameter können, müssen aber nicht konvergieren. Dass auch in der Welt der Exegese sehr schmale Brücken von verlässlicher Stabilität zu sein vermögen, verdeutlicht meines Erachtens besonders gut ein Beispiel aus dem Bereich der alttestamentlichen Bibelwissenschaft. Die breit akzeptierte Annahme, das Buch Jona sei vom Buch Joël literarisch abhängig und folglich erst nach diesem entstanden 165, beruht im Wesentlichen nur auf der Parallele von Joël 2,13b–14a mit Jona 3,9b; 4,2b (genauer: Jona 3,9b/Joël 2,14a; Jona 4,2b/Joël 2,13b), wo Jona die sogenannte „Gnadenformel“ (vgl. Ex 34,6f) in der in Joël 2,13b–14a bezeugten Erweiterung um das Element der „Reue Gottes“ (nebst dem prophetischen „Vielleicht“ der Rettung) wiedergibt 166. Wie zwischen Justin und 2 Petr ist hier also eine einzelne parallele Formulierung Grundlage für Überlegungen zu Existenz und Richtung literarischer Abhängigkeit; wie zwischen Justin und 2 Petr ist es ein signifikanter Punkt des vermutlichen Prätexts (Joël: Element der „Reue Gottes“; Justin: Entwicklung der Pseudolehrer-Sentenz aus der Herrenwort-Tradition) der von entscheidender Bedeutung ist. Wichtig ist: Eine singuläre Parallele kann sehr wohl zur tragfähigen Basis einleitungswissenschaftlich akzeptierter Thesen zu literarischen Abhängigkeitsverhältnissen werden, insofern sie von entsprechender Qualität ist 167. (b) Darüber hinaus gibt es auch eine Reihe thematischer Parallelen, die dazu einladen, Justins Texte verstärkt zur Erschließung der theologischen Argumentation des 2 Petr heranzuziehen, wozu ich an anderer Stelle einen ersten Beitrag geleistet habe 168. Hier sei nur auf dial. 9,1/2 Petr 1,16 (die christliche Botschaft ist kein Mythos, sondern beruht auf verlässlichen Zeugen) 169, apol. I,28/2 Petr 3,9 (Gottes Geduld schenkt Zeit zur Umkehr) und vor allem auf apol. I,52/2 Petr 1,19 (gesteigerte Verlässlichkeit der
165 Vgl. z.B. Zenger, E., Das Zwölfprophetenbuch, in: ders. u.a., Einleitung in das Alte Testament. Achte, vollständig überarbeitete Auflage herausgegeben von Christian Frevel (KStTh 1/1), Stuttgart: Kohlhammer 2012, 622–699, hier: 660. 166 Vgl. dazu etwa Jeremias, J., Die Propheten Joel, Obadja, Jona, Micha (ATD 24/3), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2007, 107. 167 Will man im Bereich der Exegese des 2 Petr verbleiben, so könnte man auch auf die im Einleitungskapitel dargestellte, weit verbreitete (und meines Erachtens falsche) Vermutung verweisen, trotz kaum erkennbarer Berührungen des 2 Petr mit johanneischer Tradition stehe Joh 21,14 hinter 2 Petr 1,14. 168 Vgl. Grünstäudl, Petrus, passim. 169 Vgl. Windisch/Preisker, Die Katholischen Briefe, 89; 105.
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Prophezeiungen durch ihre partielle Erfüllung) hingewiesen 170. Bedenkt man überdies Justins positive Wertung der ἐκπύρωσις-Lehre (vgl. Justin, apol. I,60,8f; II,7,3; 2 Petr 3,10–13), seine häresiologischen Exkurse (vgl. Justin, dial. 35.82; 2 Petr 2), seine umfassenden Exegesen später alttestamentlicher Texte 171 (vgl. 2 Petr 2,4–16), seine Vorliebe für die Bezeichnung (ὁ) προφητικὸς λόγος (vgl. 2 Petr 1,19; dial. 56,6; 77,2; 128,4; apol. I, 54, sowie die analoge Wendung ὁ λόγος ὁ προφητικός in dial. 110,3; 129,1) und die Bedeutung der gefallenen Engel in seiner heilsgeschichtlichen Konzeption (vgl. dial. 74; 2 Petr 2,4), so muss es nicht verwundern, dass der frühchristliche Theologe, der 2 Petr verfasste, Interesse an den Texten Justins entwickelte und eine für ihn besonders brauchbare Sentenz übernahm. Entsprechend pragmatisch wird auch die Funktion der Justin-Rezeption des 2 Petr zu bestimmen sein, geht es dabei ja offensichtlich nicht wie bei den Rückgriffen auf ApkPetr und Jud und den expliziten Verweisen auf 1 Petr und die Paulusbriefe um die Plausibilisierung und Fundierung der apostolischen Verfasserfiktion. Vielmehr dürfte sich 2 Petr in die Gruppe jener Autoren der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts 172 einreihen, die Justins Beitrag zur Diskussion christlicher Identität 173 als hilfreich empfanden und in ihre eigenen theologischen Entwürfe integrierten. Die Pseudolehrer-Sentenz bringt dabei in präziser Knappheit sowohl die heilsge170 Überdies beschreibt Oskar Skarsaune das Apostelkonzept Justins so: „According to Justin, an apostle does two things: (1) he transmits and puts into writing what he remembers about Jesus – what he said and did; and (2) he reveals how the holy story about Jesus was predicted in the prophecies of Scripture“ (Skarsaune, Justin and His Bible, 68). Damit ist recht genau das Anliegen von 2 Petr 1 umschrieben (aber nicht exklusiv: Skarsaune betont etwa ebd., 69, die Nähe dieses Apostelkonzepts zu dem des KerPetr). Des Weiteren fällt in 2 Petr die Häufigkeit der Wurzel μνη- (vgl. 2 Petr 1,12.13.15; 3,1.2) auf, meist in Verbindung mit Aussagen über den Apostolat des Petrus (vgl. Heckel, Traditionsverknüpfungen, 193) wozu die für Justin so typische Bezeichnung der Evangelien als ἀπομνημονεύματα τῶν ἀποστόλων eine motivische Parallele darstellt. 171 Vgl. dazu die umfassenden Zusammenstellungen bei Skarsaune, Proof, passim. 172 Zur frühen Justin-Rezeption vgl. (hinsichtlich der apol.) die hilfreiche Übersicht bei Harnack, A., Die Überlieferung der griechischen Apologeten des zweiten Jahrhunderts in der Alten Kirche und im Mittelalter (TU 1), Berlin: Akademie Verlag 1991 (Nachdruck der Ausgabe von 1882/1883), 130–133, der resümiert: „In den zwei Menschenaltern also zwischen den Jahren 150 und 230 ist die Apologie des Justin und ein (mehrere?) polemisches Werk von ihm in Rom und in Antiochien, in Lyon und in Carthago gelesen, ist er selbst in gleicher Weise als Ketzerbestreiter und Apologet gefeiert worden“ (ebd., 133). 173 Vgl. jetzt die instruktiven Überlegungen hierzu bei Scholten, C., Die Funktion der Häresieabwehr in der Alten Kirche, in: VigChr 66 (2012), 229–268, der den Kampf gegen „Häresien“ als „Teil der Integrationsproblematik des Christentums“ (ebd., 267) beschreibt.
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schichtliche Notwendigkeit von Ausdifferenzierungen innerhalb des Christentums als auch die Dignität des eigenen Standpunkts (die „Anderen“ sind die Falschlehrer!) wirkungsvoll zum Ausdruck. (2) Schwerer zu fassen ist ein zweiter, eher vager Einwand: Kann man eine später neutestamentlich gewordene Schrift wirklich „so spät“ datieren? Oder etwas anders gewendet: Kann ein (früh)patristischer Text Quelle eines später neutestamentlich gewordenen Textes sein? (a) Besonders deutlich tritt die „Epochenfrage“, die hinter solchen und ähnlichen Überlegungen steht, bei Kurt Aland hervor, der um das 150 n.Chr. eine theologie- und literaturgeschichtliche „Schallmauer“ 174 erkennt: „Dieses christliche Schrifttum [sc. der Zeit vor 150 n.Chr.; Anm. Grünstäudl] kann nicht nur, es muß sogar isoliert untersucht werden. Denn es steht – anders als alles heidnische, ja auch das jüdische Schrifttum der Zeit – unter einem doppelten Vorzeichen, das es grundlegend von allem anderen unterscheidet: 1. dem der Naherwartung und 2. dem der prophetisch-charismatischen Geistbegabung. Beide Faktoren sind um 150 zwar noch vorhanden, nehmen danach aber infolge des Aufhörens der Naherwartung und der Ausbildung der frühkatholischen Kirche (die entscheidend durch den ersten Faktor bedingt ist) schlagartig ab. Die Zeit um 150 bedeutet einen tiefen Einschnitt, die Kirche bis dahin ist grundlegend von der Kirche danach unterschieden.“ 175
Verbindet man eine solche Epochenkonzeption noch mit der (an sich bereits problematischen) Unterscheidung von „legitimer“ und „illegitimer“ Pseudepigraphie, so kann man zur Annahme gelangen, ein apostolisches Pseudepigraphon, das erst nach der Mitte des zweiten Jahrhunderts abgefasst und später Teil des neutestamentlichen Kanons wurde, sei ein Widerspruch in sich. Glücklicherweise gehört es zu den auffälligsten Entwicklungen in der gegenwärtigen neutestamentlichen Exegese, dass gerade solche und ähnliche Epochenabgrenzungen und Kategorisierungen für die ersten beiden Jahrhunderte zunehmend als äußerst problematisch empfunden werden. Programmatisch schreiben die Herausgeber der 2010 neu gegründeten Zeitschrift „Early Christianity“, Jörg Frey, Clare K. Rothschild, Jens Schröter und Francis Watson: „Die Bedeutung außerkanonischer Texte ist in den letzten Jahrzehnten durch neue Textfunde und -editionen immer deutlicher ins Bewusstsein getreten. Die kanonischen Texte können deshalb nicht länger isoliert von der übrigen christlichen Literatur der ersten beiden Jahrhunderte studiert werden. (...) 174 175
Aland, Noch einmal, 126. Aland, Noch einmal, 124. Paradoxerweise führt Aland aber ebd., 125f, selbst an den Beispielen des Montanismus und des Herm (bzw. dessen Rezeption) vor, dass beide Unterscheidungselemente (Naherwartung, Geistbegabung) auch nach 150 n.Chr. greifbar sind – an seiner Überzeugung bzgl. der Epochengrenze in der Mitte des zweiten Jahrhunderts ändert das freilich nichts.
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Sie in den größeren Kontext etwa der antiken christlichen Apokryphen, der apologetischen und der häresiologischen Literatur des frühen Christentums zu stellen, impliziert ... eine bewusst weitere Perspektive auf diese Texte. (...) Gerade das zweite Jahrhundert erweist sich in dieser Hinsicht als ein überaus faszinierendes Gebiet der frühchristlichen Theologiegeschichte. Die in früheren Zeiten bereits enger verknüpften Forschungsgebiete der neutestamentlichen und der patristischen Wissenschaft sollen dazu bewusst miteinander verzahnt werden. Dekadenztheorien, die sich mit Begriffen wie „Frühkatholizismus“ oder „Protoorthodoxie“ verbinden, sind nicht geeignet, das Phänomen des frühen Christentums angemessen zu beschreiben.“ 176
Ist auf diesem Hintergrund ein „intensiverer Dialog der neutestamentlichen Wissenschaft mit der Kirchengeschichte, besonders der Patristik, ... nicht nur wünschenswert, sondern geradezu notwendig“ 177, so gilt es auch darauf zu achten, überraschende historische Zuordnungen nicht vorschnell aufgrund moderner Systematiken zu verwerfen. Theologen wie Adolf von Harnack 178, Rudolf Knopf 179 und Edgar J. Goodspeed 180, die allesamt auch über eine anerkannte patristische Expertise verfügten – Letzterer trat sogar als Herausgeber von Justins Werken hervor –, bereitete es jedenfalls keine Schwierigkeit, 2 Petr nach Justin einzuordnen 181. (b) Es drängt sich die Rückfrage auf: Erschien 2 Petr der Forschung nicht gerade aufgrund des Einflusses von vermeintlich scharfen Grenzen zwischen theologiegeschichtlichen Kategorien und theologischen Disziplinen als obskurer Text? Fiel er nicht auf diese Weise zwischen alle Stühle? Richard Bauckham ist der entscheidende Hinweis zu verdanken, dass 2 Petr, dann, wenn er nur als später neutestamtlicher Text gelesen wird, nur eine unzureichende Kontextualisierung erfährt 182. Erst auf dem Hintergrund der gesamten christlichen Literatur des zweiten Jahrhunderts – auch der „Apokryphen“ (besonders ApkPetr), auch der „Kirchenväter“ (Justin; besonders, wie unten zu zeigen sein wird, Clemens Alexandrinus) – wird 176
Frey, J., u.a., Programmatik [der Zeitschrift „Early Christianity“], online erreichbar unter http://www.mohr.de/zeitschriften/theologie/early-christianity-ec/programmatik. html [20.12.2012]. 177 Bienert, D. C., Paulus und die frühen Christen als Menschen der Antike. Die Geschichte des frühen Christentums im Dickicht von Methodenpluralismus und historischem Skeptizismus, in: ders./Jeska, J./Witulski, T. (Hg.), Paulus und die antike Welt. Beiträge zur zeit- und religionsgeschichtlichen Erforschung des paulinischen Christentums (FRLANT 222), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2008, 11–30, hier: 29. Bienert votiert ebd., 30, auch vehement für eine „Ausweitung des Rahmens der neutestamentlichen Zeitgeschichte bis ins dritte nachchristliche Jahrhundert“. 178 Harnack, Geschichte II/1, 470 („c. 160[150?]–175“). 179 Knopf, Briefe Petri, 257: „Die Jahrzehnte 150–180 etwa passen am besten für die Entstehungszeit des Schreibens.“ 180 Vgl. Goodspeed, Introduction, 352f. 181 Ähnlich auch Vielhauer, Literatur, 599 („Mitte oder zweite Hälfte des 2. Jh.s“). 182 Vgl. Bauckham, Jude, 2 Peter, 149–151. Zur Kritik an den bei Bauckham daraus entwickelten einleitungswissenschaftlichen Thesen vgl. oben 3.1.
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die spezifische Gestalt und damit auch der theologische Gehalt des 2 Petr zu erfassen sein 183. (3) Schließlich gilt es drittens zu überlegen, wie ein in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts verfasster Text „noch“ Teil des Neuen Testaments werden konnte. Damit ist aber nichts weniger als die Frage nach dem Entstehen des Neutestamentlichen Kanons tangiert – nicht gerade eine Thematik, die hier en passant zu verhandeln ist, weshalb vor einer umfassenden Darstellung der Rezeptions- und Kanonisierungsgeschichte des 2 Petr 184 eine Antwort nur unter Vorbehalt versucht werden kann. Klar ist, dass eine Kanontheorie, die das Neue Testament bereits in der Mitte des zweiten Jahrhunderts abgeschlossen sein lässt 185, mit der hier vorgeschlagenen Hypothese schlicht nicht zu vereinbaren ist – hier wird man sich entscheiden müssen. Sieht man aber die Entstehung des neutestamentlichen Kanons als Prozess, der trotz früh sich abzeichnender wesentlicher Grundbestandteile (Evangelien, Paulusbriefe) erst im vierten Jahrhundert zu einem gewissen Abschluss kommt, davor aber gerade im Bereich der sogenannten Katholischen Briefe noch sehr in Bewegung ist 186, so lassen sich zumindest zwei sehr markante rezeptionsgeschichtliche Zeugnisse anführen, um die Sonderrolle des 2 Petr in diesem Prozess zu verdeutlichen. Zuerst ist an Eusebius zu erinnern, der in seiner Besprechung der dem Apostel Petrus zuzuschreibenden Schriften (vgl. Eusebius, h.e. III,3,1–4) mit aller wünschenswerten Deutlichkeit erklärt, 2 Petr nicht als Teil der Schriften des Bundes empfangen zu haben (οὐκ ἐνδιάθηκον … εἶναι παρειλήφαμεν), wobei er mit dem Adjektiv ἐνδιάθηκος (vgl. Eusebius, h.e. III,25,1.6) einen Begriff verwendet, den Origenes zur Beschreibung des jüdischen Schriftkanons (apud Eusebius, h.e. VI,25,1; in or. 14,4 hält Origenes fest, dass οἱ ἐκ περιτομῆς das Buch Tobit als μὴ ἐνδιάθηκος beurteilen) gebraucht 187. Dennoch wurde laut Eusebius 2 Petr von „vielen“ 183 Die notwendige Berücksichtigung der gesamten christlichen Literatur sieht auch Aland, Noch einmal, 124, richtig – allerdings nur für die Zeit vor 150 n.Chr. 184 Eine Rezeptionsgeschichte des 2 Petr (und des Jud) wird zurzeit von Thomas J. Kraus für die Reihe „Novum Testamentum Patristicum“ vorbereitet. Eine grobe Skizze bietet Grünstäudl, W./Nicklas, T., Searching for Evidence. The History of Reception of the Second Letter of Peter and the Letter of Jude, in: Troy, M. W./Mason, E. F. (Hg.), Reading 1–2 Peter and Jude. A Resource for Students (Resources for Biblical Study), Atlanta/Leiden: SBL/Brill (erscheint 2013). 185 Vgl. insbesondere den Entwurf von Trobisch, Endredaktion, passim. 186 Vgl. Norelli, E., Sulle origini della raccolta delle Lettere Cattoliche, in: RivBib 59 (2011), 453–521, besonders: 498–520. 187 Ob auch diese traditionelle (παρειλήφαμεν; vgl. Eusebius, h.e. I,3,8; II,13,6; III,28,1; 32,2; V,10,1) Beurteilung des 2 Petr letztlich auf Origenes zurückgeht, kann man wohl kaum klären.
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(πολλοί) für wert gehalten, mit den anderen Schriften studiert zu werden (μετὰ τῶν ἄλλων ἐσπουδάσθη γραφῶν), da er ihnen als „nützlich“ (χρήσιμος) erschien. Man muss sich die massive Autorfiktion des 2 Petr und das unmittelbar voranstehende Urteil des Eusebius über 1 Petr (vgl. Eusebius, h.e. III,3,1) vergegenwärtigen, um zu erfassen, wie enorm pragmatisch Eusebius hier argumentiert (vgl. auch bzgl. des Jak Eusebius, h.e. II,23,25): Ein Text, der sich selbst als apostolisch ausgibt, wird trotz deutlicher Reserve letzten Endes doch den „anderen Schriften“ gleichgehalten – und zwar aus Überlegungen zu seiner (theologischen? katechetischen?) Nützlichkeit, nicht aber zu seiner Echtheit! Noch drastischer fällt das berühmte Urteil der Didymus von Alexandrien zugeschriebenen enarr. aus: „Non est igitur ignorandum praesentem epistolam esse falsatam, quae, licet publicetur, non tamen in canone est“ (enarr. in 2 Petr 3,5–7) 188. Beinahe an moderne Verfasserkritik gemahnend, verweist der Verfasser der enarr. auf die Differenz der eschatologischen Vorstellungen des 2 Petr zu denen in Lk 17,26–30 und hält fest, dass der Autor des 2 Petr, den er konsequenterweise nicht „Petrus“ oder „Apostel“, sondern „conscriptor epistulae“ (!) nennt, offenbar die entsprechenden Lehren Jesu nicht kenne. Wer auch immer hinter diesen freimütigen Urteilen steht 189 – noch im sechsten Jahrhundert wurden sie von Cassiodors Mitarbeiter Epiphanius (vgl. Cassiodor, inst. I,8,6) in das Lateinische übertragen. Gerne wüssten wir auch mehr über die Rolle des Origenes in der Geschichte der Kanonisierung des 2 Petr, darf doch vermutet werden, dass er wie jeder, der in der Unterscheidung von Stilen kompetent ist (πᾶς ὁ ἐπιστάμενος κρίνειν φράσεων διαφορὰς; hom. in Hebr. apud Eusebius, h.e.,
188 Maßgeblich ist noch immer die Ausgabe von Zoepfl, F., Didymi Alexandrini in epistolas canonicas brevis enarratio (NTA IV/1), Münster: Aschendorff 1914. Die auch kanongeschichtlich wichtige Frage nach Herkunft, Einheitlichkeit und Intention der enarr. bedürfte dringend einer eingehenden Untersuchung, da Friedrich Zoepfl nicht alle relevanten Handschriften berücksichtigen konnte (vgl. ebd., 13*) und seine umsichtigen Erwägungen zur möglichen Autorschaft des Didymus (vgl. ebd., 22*–48*) durch neue Funde von Werken des Didymus in Tura (vgl. jetzt Layton, R. A., Didymus the Blind and His Circle in Late-antique Alexandria. Virtue and Narrative in Biblical Scholarship, Urbana/Chicago: University of Illinois Press 2004, 4–6; eine Liste der Editionen bietet Kramer, B., Didymus von Alexandrien, in: TRE 8 [1981], 741–746, hier: 745) und die Zweifel an der Echtheit des Traktats De trinitate (vgl. dazu Kramer, Didymus, 743) längst überholt sind. 189 Zum Problem der Verfasserschaft(en) der enarr. vgl. Bennett, B. J., The Origin of Evil. Didymus the Blind’s Contra Manichaeos and Its Debt to Origen’s Theology and Exegesis, Toronto: St. Michael’s College/Toronto School of Theology (University of Toronto) 1997, 27–33.
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VI,25,11 190), die deutliche Differenz zwischen 1 Petr und 2 Petr wahrgenommen hat. Darf man vermuten, dass sein zurückhaltendes „vielleicht“ (Jo. V,3 = Eusebius, h.e. VI,25,8) es mit ermöglicht hat, dass 2 Petr Teil des Neuen Testaments werden konnte? Wir wissen es nicht; deutlich wird aber aus den Zeugnissen der Rezeptionsgeschichte, dass angesichts der massiven und lang anhaltenden Zweifel an der Authentizität des 2 Petr kein Grund besteht, aus seinem faktischen „Kanonisch-Werden“ auf ein Abfassungsdatum im frühen zweiten Jahrhundert zurück zu schließen. Festzuhalten bleibt somit, dass die bislang noch nicht vorgeschlagene Hypothese einer Benutzung Justins durch 2 Petr weder aufgrund ihrer vornehmlichen Verankerung in der Parallele Justin, dial. 82,1/2 Petr 2,1, noch aufgrund theologiegeschichtlicher Schematisierungen oder kanongeschichtlicher Erwägungen vorschnell in Zweifel zu ziehen ist.
3.3 Rezeption des 2 Petr nach Justin 3.3 Rezeption des 2 Petr nach Justin
Mag die im vorausgehenden Abschnitt entwickelte Hypothese, Justin sei nicht nur kein Rezipient des 2 Petr, sondern vielmehr unter dessen Quellen einzuordnen, auch auf den ersten Blick überraschen, so erfährt sie doch durch den Befund bei weiteren Autoren nach Justin eine zusätzliche Plausibilisierung. Das Fehlen des 2 Petr beim Justin-Schüler (vgl. Irenäus, adv. haer. I,28,1) Tatian dem Syrer 191 muss dabei angesichts des geringen Ausmaßes der von ihm erhaltenen Texte noch nicht verwundern, sehr auffällig ist allerdings die Absenz verwertbarer Spuren zu 2 Petr bei Irenäus von Lyon, der Justins Schriften verwendet und explizit zitiert (vgl. adv. haer. IV,6,2; V,26,2) 192, was bereits Eusebius (h.e. V,8,9) verzeichnet. Die Versuche, Irenäus’ Gebrauch der Formel, ein Tag sei bei/für Gott wie 1000 Jahre (adv. haer. V,23,2; 28,3), auf 2 Petr 3,8 zurückzuführen, können ebenso wenig wie in den bereits diskutierten Fällen Barn, Justin und Hippolyt überzeugen 193. Auch in adv. haer. III,1,1 (griechisch bei Eusebius, 190 Diese Phrase bezieht sich auf die Verfasserfrage des Hebr, zu der Origenes nachdrücklich festhält, dass ihm eine direkte Autorschaft des Paulus aus stilistischen Gründen unmöglich erscheint. 191 Der Versuch von Bigg, Epistles, 204, den Gebrauch von σκήνωμα als Metapher für den Leib in Tatian, orat. 15 (vgl. die Neuausgabe Tatianos, Oratio ad Graecos. Rede an die Griechen. Herausgegeben und neu übersetzt von Jörg Trelenberg [BHTh 165], Tübingen: Mohr Siebeck 2012) auf 2 Petr 1,13 zurückzuführen, muss nicht kommentiert werden. 192 Vgl. Brox, Justin und Irenäus, 124. 193 So bereits Zahn, Geschichte I/1, 316–318, hier: 318: „Eine bewußte Abhängigkeit des Justinus und seiner Nachfolger [sc. Irenäus und Hippolyt; Anm. Grünstäudl] von
3.3 Rezeption des 2 Petr nach Justin
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h.e. V,8,3) wird man das Stichwort ἔξοδος kaum als Indiz dafür werten wollen, dass Irenäus in seiner wohl Papias (vgl. Eusebius, h.e. III,39,15f) folgenden Wiedergabe der Tradition, Mk sei mit der Predigt des Petrus verknüpft, von 2 Petr 1,15 abhängig ist 194. Daneben nennt Irenäus 1 Petr, den er erkennbar schätzt (vgl. Eusebius, h.e. V,8,7), unbefangen „Brief des Petrus“ (adv. haer. IV,9,2: Petrus ait in epistula sua), eine Redeweise, die eine Kenntnis eines zweiten Petrusbriefes aber nicht ausschließt 195: Irenäus zitiert bei gleichzeitiger Kenntnis des 2 Joh (vgl. adv. haer. I,16,3; III,16,8) in adv. haer. III,16,8 1 Joh schlicht als „Brief“ (des Johannes) 196. Angesichts der umfassenden Bezugnahme des Irenäus auf den Großteil der Schriften des späteren Neuen Testaments 197 und seiner nachdrücklichen Betonung ihrer Autorität 198 muss diese fehlende Bezeugung des 2 Petr auf-
Petrus läßt sich an diesem Punkt nicht wahrscheinlich machen.“ Zahn ergänzt ebd., 318: „Was man aber sonst noch aus Irenäus angeführt hat, ist noch weniger beweisend.“ 194 Dies vermuten aber etwa Bigg, Epistles, 206, Green, 2 Peter and Jude, 15 Anm. 3, und Trobisch, Endredaktion, 138 Anm. 25. Bei Kruger, Authenticity, 653, mit Anm. 51, ist adv. haer. III,1,1/2 Petr 1,15 nicht nur ein Beispiel für (zahlreiche?) „other literary connections between Irenaeus and 2 Peter that space does not allow us to discuss“ neben adv. haer. V,23,2; 28,3/2 Petr 3,8, sondern ermöglicht ebd., 653, auch eine atemberaubende „Auswertung“ des Befundes bei Irenäus, die einer creatio ex nihilo gleicht: „These considerations lead us to believe that Irenaeus had access to 2 Peter. If one as influential as Irenaeus knew and used the epistle, then it was probably known to many others during this time period. Furthermore, it is unlikely that Irenaeus would have cited a scriptural proof from a known forgery, perhaps suggesting that he at least considered it to be authentic. A scholar of his stature, like Clement above, would not likely be fooled by a recently composed fake, thus the date of 2 Peter could be pushed even farther back into the beginning of the second century, if not the late first.“ 195 Vgl. Lieu, Epistles of John, 8 mit Anm. 10, mit zahlreichen Beispielen. Gegen Schmidt, Peter Writings, 169, der meint, die Formulierung in adv. haer. IV,9,2 „implies that Irenaeus only knew one letter associated with Peter“. 196 Vgl. Lieu, Epistles of John, 19, die daraus schließt, „Irenaeus clearly knew 1 and 2 John but possibly as a single letter“. 197 Vgl. dazu nun Mutschler, B., Irenäus als johanneischer Theologe (STAC 21), Tübingen: Mohr Siebeck 2004, 61–98. Bei Irenäus fehlen außer 2 Petr jedenfalls Phlm, 3 Joh, Jud (vgl. ebd., 61–70), und wie Nienhuis, Not by Paul Alone, 36, wieder (vgl. bereits Zahn, Geschichte I/1, 323f) gezeigt hat, auch Jak. Die Benutzung einer alle später kanonisch gewordenen 27 Schriften umfassenden „Kanonischen Ausgabe“ des Neuen Testaments durch Irenäus, die Trobisch, Endredaktion, 159, annimmt, ist auf diesem Hintergrund sehr unwahrscheinlich. 198 Vgl. zu Paulus etwa Noormann, R., Irenäus als Paulusinterpret. Zur Rezeption der paulinischen und deuteropaulinischen Briefe im Werk des Irenäus von Lyon (WUNT II/66), Tübingen: Mohr Siebeck 1994. Nicht zu übersehen ist dabei, dass das Ausmaß der Rückgriffe auf paulinisches Material die Benützung der übrigen später neutestamentlichen Briefe bei Weitem übertrifft, vgl. Nienhuis, Not by Paul Alone, 34 mit Anm. 13.
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Kapitel 3: Petrus Receptus
fallen 199. Hinzu kommt, dass Irenäus aufgrund seiner kleinasiatischen Herkunft, der Verwurzelung in dortige Traditionen, seinem Bischofsamt im gallischen Lugdunum (Lyon) 200 und seiner engen Anbindung an Rom Verknüpfungen innerhalb eines relativ großen geographischen Bereichs aufweist 201, wodurch einerseits die Nichterwähnung und Nichtverwendung des 2 Petr bei Irenäus noch bemerkenswerter werden und sich andererseits entsprechende Rückfragen zum möglichen Herkunftsort des 2 Petr einstellen. Auch das (erhaltene) Œuvre 202 des streitbaren Tertullian (ca. 160– 220 n.Chr.), das noch wesentlich umfangreicher ist als dasjenige des Irenäus, weist, wie jüngst Mark A. Frisius noch einmal nachgewiesen hat 203, keine Spuren einer Kenntnis des 2 Petr auf, obwohl Tertullian wie Irenäus 1 Petr formell zitiert und an einer bekannten Stelle (vgl. cult. fem. I,3,3) dem Jud unstrittige apostolische Autorität zuerkennt.
199 Ohne das argumentum e silentio allzu sehr zu belasten, darf man auch darauf hinweisen, dass Irenäus bei seinem Kampf gegen die Gnosis, den er unter betontem Rückgriff auf die überlieferte apostolische Autorität führt, sehr guten Gebrauch von der „richtigen“, mit petrinischer Autorität begründeten Gnosis des 2 Petr hätte machen können. Nienhuis, Not by Paul alone, 35, notiert ähnlich, angesichts „Irenaeus’s anti-Marcionite focus on securing the continuity of prophets and apostles in the old and new covenants“ sei es „hard to believe that he would not have used the letter had he had access to it (cf. 2 Pet 3.1–2)“, während Mutschler, Irenäus, 69, als Indizien dafür, dass Irenäus 2 Petr „noch nicht kennt oder mindestens nicht als apostolisch anerkennt“ die Verwendungsmöglichkeiten des 2 Petr hinsichtlich der Eschatologie, der Gegnerpolemik, der behaupteten Augenzeugenschaft und der Hochschätzung der Prophetie anführt. 200 Auch die im bei Eusebius (h.e. V,1,3–2,8) überlieferten Brief der Gemeinden von Vienne und Lyon (ca. 177 n.Chr.) vorfindliche Litotes οὐκ ἀργὸς ... οὐδὲ ἄκαρπος (Eusebius, h.e. V,1,45) braucht nicht auf 2 Petr 1,8 (vgl. 1 Clem 34,4) zurückgeführt zu werden (gegen Dillenseger, L’Authenticité, 184, mit Knopf, Briefe Petri, 254). 201 Dies betont auch Blackwell, B. C., Paul and Irenaeus, in: Bird, M. F./Dodson, J. R. (Hg.), Paul and the Second Century (Library of New Testament Studies 412), London/New York: T. & T. Clark 2011, 190–206, hier: 190: „[Irenaeus] represents a culmination of second-century thought, bringing together traditions from Asia Minor, Rome, and Gaul.“ 202 Eine hilfreiche Übersicht bietet Schulz-Flügel, E., Art. Tertullian, in: LACL (32002), 668–672. 203 Vgl. Frisius, M. A., Tertullian’s Use of the Pastoral Epistles, Hebrews, James, 1 and 2 Peter, and Jude (Studies in Biblical Literature 143), New York u.a.: Peter Lang 2011, 13–15 (ebd., 129, eine tabellarische Übersicht zu den in den Editionen in CCL und in der Biblia Patristica vermerkten Stellen). Vgl. Mayor, Second Epistle of St. Peter, cxv–cxxiii. Auch Bigg, Epistles, 199–210, kann nicht einmal eine mögliche Referenz auf 2 Petr beibringen. Der Versuch von Thiede, C.-P., A Pagan Reader of 2 Peter. Cosmic Conflagration in 2 Peter 3 and the Octavius of Minucius Felix, in: JSNT 26 (1986), 79–96, eine Kenntnis des 2 Petr bei Minucius Felix wahrscheinlich zu machen, überzeugt nicht.
3.3 Rezeption des 2 Petr nach Justin
229
Die Nichtverwendung des 2 Petr erscheint im Hinblick auf Tertullians Polemik gegen Marcion und seine spätere Hinwendung zum Montanismus durchaus bemerkenswert. In der Auseinandersetzung mit der Rolle, die Marcion Paulus zuschreibt, darf 2 Petr 3,15f, wie die bereits oben in den Diskussionen zu Hippolyt und Origenes erwähnten antimarcionitischen Adamantius-Dialoge aus dem vierten Jahrhundert zeigen (vgl. Adamant. 80,23–25), durchaus eine gewisse „Waffenfähigkeit“ zugeschrieben werden 204. Tertullian, der etwa in orat. 20,2 mit Hilfe von 1 Petr 3,3 und 1 Tim 2,9f die Harmonie zwischen Petrus und Paulus demonstrieren kann 205, nutzt diese aber nicht und spielt auch nicht erkennbar an die Irrlehrer-Polemik des 2 Petr an. Aus der montanistischen Phase Tertullians ist hingegen ein interessanter Rückgriff auf die Erfahrung des Petrus bei der Verklärung überliefert (Marc. IV,22; vgl. auch carn. Chr. 24,3). Für die darin ausgedrückte Betonung der visionären Kompetenz des Petrus hätte, so darf man vermuten, 2 Petr einen äußerst geeigneten Textbeleg geliefert. Doch wie auch immer man solche spekulativen Überlegungen bewerten mag, das Faktum, dass im umfangreichen Schrifttum des Tertullian noch am Ausgang des zweiten Jahrhunderts keine Spur von 2 Petr zu finden ist, spricht für sich 206. Auch Theophilus von Antiochien († nach 180 n.Chr.) 207, von dem neben einigen Fragmenten nur drei apologetische Bücher an einen gewissen
204 Zahn, Geschichte I/1, 314, formuliert mit Nachdruck: „In der That ist der zweite Brief des Petrus in seiner Aussage über Paulus von so durchschlagender Bedeutung für die Bestimmung des Verhältnisses zwischen beiden Aposteln, daß es fast unbegreiflich wäre, wenn Einer, welcher diesen Brief in seinem NT hatte, gerade im Kampf mit den Marcioniten ihn nicht benutzt hätte ...“. 205 Vgl. Zahn, Geschichte I/1, 304 Anm. 3, mit weiteren Hinweisen zu diesem Motiv. 206 Es ist hier auch noch anzumerken, dass sich dieser Befund in Nordafrika selbst eine Generation später nicht verändert, insofern auch bei Cyprian von Karthago († 14. September 258) Spuren von 2 Petr vergeblich zu suchen sind (vgl. Zahn, Geschichte I/1, 314f). Die auf Stephanus von Rom gemünzte Notiz „adhuc etiam infamans Petrum et Paulum beatos apostolos, quasi hoc ipsi tradiderint, qui in epistolis suis haereticos execrati sunt et ut eos evitemus monuerunt“ (Cyprian, epist. 75,6), ist, auch wenn sie eine Anspielung auf 2 Petr beinhalten sollte (so etwa Zahn, Geschichte I/1, 313 Anm. 1, und Grundmann, Der zweite Brief des Petrus, 64) kein Beleg für eine Kenntnis des 2 Petr beim Nordafrikaner Cyprian, da ep. 75 ein Brief des Firmilian von Caesarea an Cyprian ist (gewaltsam dagegen Bigg, Epistles, 203: „Cyprian must have known to what Epistle of St. Peter Firmilian was appealing.“). 207 Zu den Lebensdaten vgl. Zeegers, N., Art. Theophilus von Antiochien, in: TRE 33 (2002), 368–371, hier: 368; Pilhofer, P., Art. Theophilus von Antiochien, in: LACL 3 2002, 690f, sowie nun Rogers, R., Theophilus of Antioch, in: ET 120 (2009), 214–224, hier: 214–218.
230
Kapitel 3: Petrus Receptus
Autolycus erhalten geblieben sind 208, wurde bereits als Zeuge für die Rezeption des 2 Petr in Anspruch genommen, wobei die Zurückhaltung des sonst sehr zuversichtlich urteilenden Charles Bigg bereits bezeichnend ist 209. Überraschenderweise sprechen aktuell Ingo Broer und Hans-Ulrich Weidemann sogar von einem „Zitat“ 210 aus 2 Petr bei Theophilus von Antiochien, ohne allerdings einen Beleg zu nennen. Im Blick ist dabei wohl eine der Stellen, auf die Theodor Zahn folgendermaßen verweist: „Daß Theophilus von Antiochien in seinen Aussagen über die Propheten und ihre Inspiration durch 2 P. 1, 21 bestimmt ist, und daß er sich bei seiner Vergleichung des Wortes Gottes rücksichtlich seiner Wirkung in der ganzen Welt mit einem im engem Hause leuchtenden Lichte an 2 P. 1,19 anlehnt, scheint unverkennbar.“ 211
Doch der in den „Aussagen über die Propheten und ihre Inspiration“ verwendete Ausdruck οἱ πνευματοφόροι 212 kann schon deshalb nicht fraglos als Applikation von 2 Petr 1,21 (ὑπὸ πνεύματος ἁγίου φερόμενοι) gelten 213, da er in Hos 9,7 und Zeph 3,4 bereits in der LXX begegnet 214. Überdies sind vergleichbare Komposita etwa auch bei Ignatius von Antiochien für das 208 Im Folgenden wird der Text von Autol. nach der Edition von Robert M. Grant (Theophilus of Antioch, Ad Autolycum. Text and Translation by Robert M. Grant [OECT], Oxford: Clarendon Press 1970) wiedergegeben. 209 „It can hardly be maintained that either of these passages is conclusive, but they deserve some weight“ (Bigg, Epistles of St. Peter, 204). Andererseits neigt auch Mayor, The Second Epistle of St. Peter, cxxii, dazu, eine Spur („reminiscence“) von 2 Petr 1,19 in Autol. II,13 anzunehmen. 210 Broer/Weidemann, Einleitung, 662. Grant, R. M., The Bible of Theophilus, in: JBL 66 (1947), 173–196, hier: 185, spricht zutreffender von „very vague echoes“. 211 Zahn, Geschichte I/1, 312 mit Verweis auf Autol. II,9; 13; 22; III,12. Die von Zahn benannten Stellen listete bereits Otto, K., Gebrauch neutestamentlicher Schriften bei Theophilus von Antiochien, in: ZHTh 22 (1859), 617–622, hier: 619f, ohne Kommentierung auf. Zur Schriftverwendung des Theophilus vgl. außerdem Simonetti, M., La sacra scrittura in Teofilo d’Antiochia, in: Fontaine, J./Kannengiesser, C. (Hg.), Epektasis. Mélanges patristiques offerts au cardinal Jean Daniélou, Paris: Beauchesne 1972, 197– 207, besonders 198 Anm. 2, Zeegers-Vander Vorst, N., Les citations du Nouveau Testament dans les Livres à Autolycus de Théophile d’Antioche, in: StPatr 12 (1975), 371– 382, besonders 372f mit Anm. 5, sowie bereits Harnack, A., Theophilus von Antiochien und das Neue Testament, in: ZKG 11 (1890), 1–21. 212 Vgl. Theophilus, Autol. II,9 (Οἱ δὲ τοῦ θεοῦ ἄνθρωποι, πνευματοφόροι πνεύματος ἁγίου καὶ προφῆται γενόμενοι, ὑπ’ αὐτοῦ τοῦ θεοῦ ἐμπνευσθέντες καὶ σοφισθέντες, ἐγένοντο θεοδίδακτοι καὶ ὅσιοι καὶ δίκαιοι.). 22; III,12. Zur Akzentuierung vgl. Chase, Second Epistle of Peter, 801. 213 So Zahn, Geschichte I/1, 313 Anm. 3: „Die aus dem ὑπὸ πνεύματος ἁγίου φερόμενοι des Petrus stammende Bezeichnung der hl. Schriftsteller als οἱ πνευματόφοροι ist bei Theophilus stereotyp ad Aut. II, 22; III, 12“. Zur Inspirationslehre des Theophilus vgl. Simonetti, Teofilo d’Antiochia, 198f. 214 Vgl. Chase, Second Epistle of Peter, 801, Ruf, Die heiligen Propheten, 329 mit Anm. 250.
3.3 Rezeption des 2 Petr nach Justin
231
zweite Jahrhundert belegt (vgl. z.B. οἱ θεοφόροι, οἱ ναοφόροι und οἱ χριστοφόροι in IgnEph 9,2 215). Ähnliches gilt hinsichtlich der Lichtmetaphorik in Autol. II,13 (Ἡ διάταξις οὖν τοῦ θεοῦ, τοῦτό ἐστιν ὁ λόγος αὐτοῦ, φαίνων ὥσπερ λύχνος ἐν οἰκήματι συνεχομένῳ, ἐφώτισεν τὴν ὑπ’ οὐρανόν, χωρὶς μὲν τοῦ κόσμου ποιήσας.), die Zahn als Anlehnung an 2 Petr 1,19 begreift 216. Tatsächlich wird hier beide Male Gottes Wort mit einer an einem dunklen Ort scheinenden Lampe (λύχνος) verglichen. Doch meint der προφητικὸς λόγος in 2 Petr 1,19, wie auch immer er konkret zu fassen ist, die in der vorchristlichen Offenbarungsgeschichte ergangene Kundgabe Gottes, während Theophilus hier auf den göttlichen Logos selbst abhebt und diesen mit der Anordnung (διάταξις) Gottes „Es werde Licht!“ identifiziert (τοῦτό ἐστιν ὁ λόγος αὐτοῦ) 217. Ebenso different ist der Umgang mit dem Bild der Lampe, das bei Theophilus wie der an gleicher Stelle gebrauchte Vergleich des Himmels mit einem Deckel (πῶμα) vor allem der Anschaulichkeit dient, während es in 2 Petr die Erkenntnis- und Orientierungsfunktion des prophetischen Wortes unterstreicht. Mit Chase könnte man – „[i]f it is necessary to find a ‚source‘ for a metaphor so obvious in the context“ 218 – schließlich noch auf 4 Esr 12,42 hinweisen („Tu enim nobis superasti ex omnibus prophetis, sicut lucerna in loco obscuro“). Ertragreicher als der Versuch, eine Benutzung des 2 Petr durch Theophilus zu konstruieren 219, ist die Lektüre der Apologie des antiochenischen Bischofs als eines dem 2 Petr im weiteren Sinne zeitgenössischen Textes. In dieser Perspektive fällt dann die Betonung der Verlässlichkeit des zum Teil bereits erfüllten Zeugnisses der biblischen Propheten (vgl. etwa Autol. I,14; II,9) ebenso ins Auge wie ein möglicher Rückgriff auf das
215
Von der Beantwortung der Authentizitätsfrage hinsichtlich der Ignatianen hängt dann ab, wann im zweiten Jahrhundert diese Belege zu verorten sind. Zu einer Diskussion der Berührungen dieser Begriffe mit der Terminologie der Mysterienkulte vgl. Brent, A., Ignatius and Polycarp. The Transformation of New Testament Traditions in the Context of Mystery Cults, in: Gregory, A. F./Tuckett, C. M. (Hg.), Trajectories Through the New Testament and the Apostolic Fathers, Oxford u. a.: Oxford University Press 2005, 325–349. 216 Zahn, Geschichte I/1, 313 Anm. 3: „Gemeint ist zunächst das Wort ‚es werde Licht‘! aber der erklärende Zusatz weist auf die allegorische Deutung der Schöpfungsgeschichte, welche c. 14 f. offen vorgetragen wird, und nicht unmittelbar von dem das physische Licht schaffenden Gebot, sondern von seiner Umdeutung auf das Wort Gottes überhaupt wird der Vergleich mit dem Leuchter gebraucht cf. 2 P. 1, 19.“ 217 Vgl. hierzu Nautin, P., Ciel, pneuma et lumière chez Théophile d’Antioche, in: VigChr 27 (1973), 165–171, besonders 169f, und Simonetti, Teofilo d’Antiochia, 201– 204. 218 Chase, Second Epistle of Peter, 801. 219 Skeptisch dazu auch bereits Harnack, Theophilus von Antiochien, 14 Anm. 1.
232
Kapitel 3: Petrus Receptus
KerPetr (vgl. Autol. I,14 mit Clemens Alexandrinus, strom. VI,43,3; 48,1f) 220. Besondere Aufmerksamkeit verdient aber der enge Zusammenhang zwischen πρόνοια und ἐκπύρωσις, den Theophilus in Autol. II,37f herstellt. In Autol. II,37 führt Theophilus eine Reihe von Zitaten griechischer Schriftsteller an, mit denen er zu belegen trachtet, dass diese – im Anschluss an die biblischen Propheten – bereits das gerechte Gericht Gottes ankündigten. Obwohl keine dieser Stellen auch nur einen Anklang an ein Gericht durch Feuer enthält, kann Theophilus abschließend festhalten, dass die griechischen Dichter die ἐκπύρωσις lehrten und deren Übereinstimmung mit den Propheten in Autol. II,38 durch Anführung von Mal 3,9 und Jes 30,27f.30 belegen 221. Wie für Justin (vgl. apol. I,20; II,7) ist für Theophilus die ἐκπύρωσις eine explizit christliche Lehre; wie für 2 Petr betont er den Gedanken der Geduld des sicher und plötzlich (αἰφνιδίως; vgl. 2 Petr 3,10) richtenden Gottes (ὅτι ὁ θεὸς τὰ πάντα ἐφορᾷ καὶ οὐδὲν αὐτὸν λανθάνει, μακρόθυμος δὲ ὢν ἀνέχεται ἕως οὗ μέλλει κρίνειν; vgl. 2 Petr 3,9), dessen πρόνοια den Weltenlauf regiert. Somit ist Theophilus von Antiochien zwar kein Zeuge für Existenz und Rezeption des 2 Petr 222, belegt aber, was vielleicht wichtiger ist, in seiner für uns erhaltenen Apologie die Aktualität von in 2 Petr verhandelten Streitthemen (Gottes Vorsehung und Gericht) und Motiven (Verlässlichkeit der prophetischen Verkündigung, ἐκπύρωσις als christliches Konzept) in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts.
3.4 Petrus Receptus: Zusammenfassung 3.4 Zusammenfassung
Eine erneute Durchsicht der als mögliche Rezeptionen des 2 Petr zur Diskussion gestellten christlichen Texte des zweiten Jahrhunderts ergibt somit, dass dem knappen Urteil Frederik Henry Chase’ auch nach über hundert 220 Vgl. Grant, R. M./Quispel, G., Note on the Petrine Apocrypha, in: VigChr 6 (1952), 31–32, hier: 31. Im Hinblick auf 2 Petr 3,14–16 ist natürlich auch bedeutsam, dass der Status, den Theophilus den von ihm benutzten Paulusbriefen zuschreibt (vgl. besonders Autol. III,14), kontrovers diskutiert wird (vgl. Grant, Bible, 183f, ZeegersVander Vorst, Théophile d’Antioche, 373–375). Harnack, Theophilus von Antiochien, 17–20, bestritt rundweg deren Geltung als heilige Schrift, Simonetti, Teofilo d’Antiochia, 198, spricht von „un’autorità ancora giovane“, der gegenüber die Paulusverwendung des Irenäus „un deciso passo avanti“ darstelle, während nach Grant, Bible, 184, „Theophilus seems to have known a collection of Pauline epistles“ und „regarded them as inspired, though not as authoritative as the Old Testament“. 221 Vgl. Pilhofer, Presbyteron kreitton, 266–273. 222 Die Hinweise auf eine Kenntnis der ApkPetr bei Theophilus, die Buchholz, Eyes, 48–50 anführt, können ebenfalls nicht überzeugen.
3.4 Zusammenfassung
233
Jahren noch zugestimmt werden kann: „We do not find any certain trace of 2 P in the extant literature of the 2nd cent.“ 223 Dennoch weist dieses Negativurteil auf dem Hintergrund der hier durchgeführten Analysen vor allem zwei wichtige Aspekte auf, die einer weiteren Einordnung des 2 Petr dienlich sein können. (1) Zuerst ist das deutliche Fehlen des 2 Petr bei „westlichen“ Autoren bemerkenswert; ein Fehlen, das auch noch für das hier nur en passant besprochene dritte Jahrhundert zu verzeichnen ist. Diese Absenz des 2 Petr in Nordafrika, Italien und dem übrigen Westeuropa ist ein gewichtiges Argument gegen jeden Versuch, 2 Petr mit Rom oder gar einer römischen Petrustradition in Verbindung bringen zu wollen. (2) Sodann konvergiert der Befund zu vermutlichen Rezeptionen des 2 Petr mit dem Ergebnis der Untersuchung zu möglichen Verbindungen mit anderen frühen petrinischen Pseudepigrapha (vgl. Kapitel 2). Die dort vorgeschlagene Annahme, 2 Petr sei von der ApkPetr literarisch abhängig, besitzt im Verhältnis des 2 Petr zu anderen christlichen Texten des zweiten Jahrhunderts kein Hindernis, vielmehr wird sie durch die Hinweise auf eine Benutzung von Justins dial. seitens des Verfassers des 2 Petr zusätzlich gestützt. Vor allem aber stellt sich eine gewichtige Folgefrage: In welchem Kontext ist noch nach Justin die Entstehung eines Textes vorstellbar, der in seiner literarischen Fiktion grundlegend durch die ApkPetr geprägt ist, Zweifel am Gerichtshandeln Gottes unter massiver Verwendung des Jud bekämpft, zur Zeit des Origenes bereits einen gewissen (wenngleich umstrittenen) Status erreicht und schließlich Teil des Neuen Testamentes wird? Die Antwort auf diese Frage findet sich meiner Meinung nach bei einem Autor, der in diesem Abschnitt zu möglichen Rezeptionen des 2 Petr im zweiten Jahrhundert ausgeklammert wurde, nun aber mit einem eigenen Kapitel zu würdigen ist: Clemens Alexandrinus.
223
Chase, Second Epistle of Peter, 806.
Kapitel 4
Petrus Alexandrinus Kapitel 4: Petrus Alexandrinus
4.1 Einführung Einführung
In den vorausgehenden Abschnitten gelang, vor allem durch die Überprüfung möglicher Spuren einer frühen Verwendung des 2 Petr, eine erste Annäherung an den scheinbar „unbestimmbaren historischen Rahmen“ 1 des 2 Petr. In zeitlicher Hinsicht ergab im Besonderen die Analyse des Umgangs Origenes’ mit 2 Petr, dass 2 Petr „certainly not quite recently in Origen’s ... time“ 2 verfasst wurde. Da sonst belastbare Hinweise auf eine Rezeption des 2 Petr im zweiten Jahrhundert fehlen (vgl. 3.4), ist der terminus ad quem für die Entstehung des 2 Petr um 180 n.Chr. (vgl. 1.4.3.4) anzusetzen. Andererseits greift 2 Petr auf die in der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts entstandene ApkPetr zurück (vgl. 2.2.5), wodurch erst ab etwa 140 n.Chr. mit einer Abfassung des 2 Petr zu rechnen ist. Stimmt man überdies der Einschätzung zu, dass 2 Petr wahrscheinlich die ψευδοπροφῆται/ψευδοδιδάσκαλοι-Sentenz (2 Petr 2,1) dem dial. des Justin (vgl. dial. 82,1) entlehnt, so lässt sich als terminus a quo etwa das Jahr 160 n.Chr. angeben (vgl. 3.2.2). Somit ist mit einer Abfassung des 2 Petr (bei entsprechenden Randunschärfen) im Zeitraum ca. 160–180 n.Chr. zu rechnen. In räumlicher Hinsicht ist die Absenz von verwertbaren Spuren des 2 Petr im Westen des Imperium Romanum bis weit in das dritte Jahrhundert (vgl. 3.3) ein Umstand, der eine Entstehung des 2 Petr in Rom oder einem anderen Ort im Westen kaum wahrscheinlich macht. In ähnlicher Weise führen das Fehlen des 2 Petr in der Peshitta, seine offenbare Nichtverwendung in den petrinisch geprägten Pseudoclementinen (vgl. 2.5) sowie bei Theologen wie Theophilus von Antiochien (vgl. 3.3), Theodor von Mopsuestia und Diodor von Tarsus (vgl. 1.4.2) wie auch die spürbare Skepsis des Eusebius von Cäsarea (vgl. 1.4.3.1) dazu, auch den syropalästinischen Großraum als plausiblen Entstehungsort des 2 Petr eher 1 2
Brox, Petrusbriefe, 315. Chase, Second Epistle of Peter, 817. Chase kommt ebd., 817, zu einem „latest possible date ... about the year A.D. 175“, nimmt dazu aber auch eine Kenntnis des 2 Petr durch Clemens als wahrscheinlich an (vgl. ebd., 802f).
Einführung
235
auszuscheiden. Die für Kleinasien als Herkunftsort des 2 Petr vorgebrachten Argumente belasten hingegen zumeist die Notizen in 2 Petr 3,1.14–16 über Gebühr (vgl. 1.1; 1.3.3; 1.3.4) und finden in der Rezeptionsgeschichte des 2 Petr ebenfalls keine Stütze (vgl. 2.4 zu ActPetr) 3. Legt in rezeptionsgeschichtlicher Perspektive somit bereits das Ausschlussverfahren (gestützt durch das Zeugnis des Origenes) nahe, insbesondere im ägyptischen Christentum nach jenem urbanen Bildungsmilieu zu suchen, dem 2 Petr entstammt (vgl. 1.3.1), so stellt doch der Mangel an verlässlichen Informationen zum ägyptischen Christentum im zweiten Jahrhundert 4 jeden Versuch einer präziseren Begründung dieser Vermutung vor ernste methodische Probleme. Der Verweis auf die Verwendung von vermutlich in Ägypten entstandenen Texten (wie der ApkPetr) durch 2 Petr führt nicht weiter, da die historische Kontextualisierung solcher vermeintlich ägyptischer Texte zumeist selbst umstritten ist 5, ein Text, der an einem bestimmten Ort entstanden ist, auch an einem anderen rezipiert werden kann und schließlich 2 Petr nachweislich auch Texte anderen geographischen Ursprungs (1 Petr, Briefe des Paulus) verwendet. Ebenso problematisch wäre der Versuch einer unvermittelten Einzeichnung des 2 Petr in theologiegeschichtliche Entwicklungslinien im Christentum Ägyptens, da die Identifikation solcher evolutiven Prozesse aufgrund der benannten Quellenproblematik stets hochgradig hypothetisch bleiben muss. Hingegen ist gerade aufgrund des hier angenommenen Entstehungszeitraums des 2 Petr eine Analyse der Beziehung des 2 Petr zu den Schriften des Clemens Alexandrinus ein probabler Weg, um eine mögliche ägyptische Herkunft des 2 Petr zu überprüfen, da zum einen Clemens eng mit Alexandrien verbunden ist 6 und zum anderen von seinem Werk für uns einige größere, zusammenhängende Texte erhalten geblieben sind 7. Horacio E. Lona 8 (für Diog) und Annewies van den Hoek 9 (für CCoptB), versuchten in entsprechender Weise, den historischen Kontext von zwei 3
Erinnert sei auch an die grundlegenden Unterschiede (Amtsverständnis, Gnosis) zu Past und Polykarp von Smyrna (vgl. 3.1.3). 4 Vgl. zu dieser klassischen Problematik nun die umfangreiche Darstellung bei Lang, Spuren, passim, sowie knapper ders., Christentum, passim. 5 Dieser Umstand macht es auch schwierig, durch den Vergleich mit „ägyptischchristlichen“ Texten (vgl. zu KerPetr 2.1, zu Barn 3.1.2) einer verlässlichen historischen Einordnung des 2 Petr näher zu kommen. 6 Vgl. Van den Hoek, A., How Alexandrian was Clement of Alexandria? Reflections on Clement and His Alexandrian Background, in: HeyJ 31 (1990), 179–194. 7 Dabei ist aber nicht zu vergessen, dass auch das Werk des Clemens keinen vollständigen Eindruck vom ägyptischen bzw. alexandrinischen Christentum seiner Zeit vermitteln kann. 8 Vgl. Lona, H. E., An Diognet (KfA 8), Freiburg/Basel/Wien: Herder 2001, 56– 59; 63–69. 9 Vgl. Van den Hoek, Papyrus Berolinensis 20915, 79–84.
236
Kapitel 4: Petrus Alexandrinus
schwierig einzuordnenden Texten durch deren Relation zum Werk des Clemens Alexandrinus näher zu bestimmen – ein Verfahren, das nun auch auf 2 Petr angewandt werden soll.
4.2 Clemens von Alexandrien 4.2 Clemens von Alexandrien
Das faszinierende Œuvre des Clemens von Alexandrien (* um 140/150, † vor 215/216) stellt für die Erforschung des ägyptischen bzw. alexandrinischen Christentums in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts einen Bezugspunkt von überragender Bedeutung dar 10. Clemens ist für seine zahlreichen Zitate aus Dichtung, Philosophie und Heiliger Schrift bekannt. Viele später apokryph gewordene Schriften sind bei ihm zumindest in Fragmenten bewahrt geblieben. Als erster „großkirchlicher“ Theologe spricht er von einem Neuen Testament als einer Sammlung von autoritativen Schriften 11, wobei seine Schriftverwendung bis heute Anlass zu Diskussionen über sein „Kanonverständnis“ gibt 12. Wenngleich nur vier der zehn bei Eusebius von Cäsarea (h.e. VI,13,1–3) verzeichneten Schriften vollständig erhalten geblieben sind, so ist mit diesen doch ein umfangreicher Textbestand gegeben, der auf Spuren des 2 Petr untersucht werden kann 13. 10 Hilfreiche Einführungen in Leben und Werk des Clemens (und die zahlreichen damit verbundenen Unklarheiten) bieten z.B. Méhat, A., Art. Clemens von Alexandrien, in: TRE 8 (1981), 101–113, Wyrwa, D., Art. Clemens von Alexandria, in: LACL (32002), 152–154, Osborn, E., Clement of Alexandria, Cambridge: Cambridge University Press 2005, sowie jetzt Sedlak, R. A., Klemens – ein christlicher Autor in Alexandria, in: BN 148 (2011), 101–111. 11 Vgl. z.B. strom. III,71,3 mit 54,4. 12 So sprach Campenhausen, Bibel, 344, von der „Rückständigkeit, die Klemens in der Entwicklung zum Kanonischen aufweist“ und meinte damit dessen „bis zu einem gewissen Grade immer noch ‚offenen‘ Kanon“ (ebd., 342). Dagegen sieht Markschies, Kaiserzeitliche Theologie, 276, bei Clemens ein „Konzept gestufter Kanonizität“, das „besonders reflektiert“ zu nennen sei. 13 Die Textgrundlage bildet dabei die auf Otto Stählin zurückgehende kritische Ausgabe: Clemens Alexandrinus, Protrepticus und Paedagogus, herausgegeben von Otto Stählin, 3., durchgesehene Auflage von Ursula Treu (GCS Clemens Alexandrinus I), Berlin: Akademie Verlag 1972, Clemens Alexandrinus, Stromata I–VI, hg. von Otto Stählin, neu herausgegeben von Ludwig Früchtel, 4. Auflage mit Nachträgen von Ursula Treu (GCS Clemens Alexandrinus II), Berlin: Akademie Verlag, 1985, Clemens Alexandrinus, Stromata VII–VIII, Excerpta ex Theodoto, Eclogae Propheticae, Quis Dives Salvetur, Fragmente, herausgegeben von Otto Stählin, in 2. Auflage neu herausgegeben von Ludwig Früchtel, zum Druck besorgt von Ursula Treu (GCS Clemens Alexandrinus III), Berlin: Akademie Verlag 1970, Clemens Alexandrinus, Register Teil 1. Zitatenregister, Testimonienregister, Initienregister für die Fragmente, Eigennamenregister, herausgegeben von Otto Stählin, 2., bearbeitete Auflage von Ursula Treu (GCS
4.2 Clemens von Alexandrien
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Diese Analyse erfolgt in drei Schritten: Den Ausgangspunkt bilden jene Notizen bei Eusebius und Photius von Konstantinopel (ca. 810–893/894), die des Öfteren als Belege für die These, Clemens habe einen Kommentar zu 2 Petr abgefasst, herangezogen werden. Im Anschluss daran werden verschiedene Vorschläge zu Zitaten aus 2 Petr bei Clemens geprüft, ehe eine weiter ausgreifende Suchbewegung motivischen und konzeptionellen Ähnlichkeiten zwischen 2 Petr und den Texten des Alexandriners nachspürt. 4.2.1 Ein verlorener Kommentar zu 2 Petr? Da die Hypotyposen (hyp.) des Clemens, die Erklärungen zu ausgewählten Schrifttexten enthielten, bis auf einige Fragmente 14 verloren sind, kommt antiken und mittelalterlichen Inhaltsangaben des Werkes eine besondere Bedeutung zu. Eusebius schreibt im sechsten Buch seiner Kirchengeschichte: Ἐν δὲ ταῖς Ὑποτυπώσεσιν ξυνελόντα εἰπεῖν πάσης τῆς ἐνδιαθήκου γραφῆς ἐπιτετμημένας πεποίηται διηγήσεις, μηδὲ τὰς ἀντιλεγομένας παρελθών, τὴν Ἰούδα λέγω καὶ τὰς λοιπὰς καθολικὰς ἐπιστολὰς τήν τε Βαρναβᾶ, καὶ τὴν Πέτρου λεγομένην Ἀποκάλυψιν. (Eusebius, h.e. VI,14,1) In den Hyotyposen bietet er, um es kurz zu sagen, knappe Auslegungen der ganzen Schrift des Bundes, ohne dabei die Antilegomena zu übergehen – den Judasbrief meine ich und die übrigen Katholischen Briefe sowie den Barnabasbrief und die sogenannte Petrusapokalypse 15.
Photius, im neunten Jahrhundert Patriarch von Konstantinopel 16, schließt seine äußerst negative Beurteilung der hyp. folgendermaßen ab 17: Ὁ δὲ ὅλος σκοπὸς ὡσανεὶ ἑρμηνεῖαι τυγχάνουσι τῆς Γενέσεως, τῆς Ἐξόδου, τῶν Ψαλμῶν, τοῦ θείου Παύλου τῶν ἐπιστολῶν, καὶ τῶν καθολικῶν, καὶ τοῦ Ἐκκλησιαστοῦ. (Photius, cod. 109) Hauptsächlich befinden sich darin Auslegungen der Genesis, des Buches Exodus, der Psalmen, der Briefe des göttlichen Paulus, der Katholischen Briefe und des Buches Kohelet 18. Clemens Alexandrinus IV/1), Berlin: Akademie Verlag 1980, Clemens Alexandrinus, Register Teil 2. Wort- und Sachregister, herausgegeben im Auftrage der KirchenväterCommission der Preußischen Akademie der Wissenschaften von Otto Stählin (GCS Clemens Alexandrinus IV/2), Leipzig: Akademie Verlag 1936. 14 Plátová, J., Bemerkungen zu den Hypotyposen-Fragmenten des Clemens Alexandrinus, in: StdPatr 46 (2010), 181–187, präsentiert den aktuellen Forschungsstand und bietet ebd., 184f, eine hilfreiche Tabelle zu allen (möglichen) hyp.-Fragmenten. 15 Übersetzung Grünstäudl. 16 Vgl. Meier, M., Art. Photius, in: LACL ( 32002), 579–581. 17 Zur Polemik des Photius gegen Clemens vgl. nun Ashwin-Siejkowski, P., Clement of Alexandria on Trial. The Evidence of „Heresy“ from Photius’ Bibliotheca (SVigChr 101), Leiden/Boston: Brill 2010.
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Kapitel 4: Petrus Alexandrinus
Die Differenz zwischen beiden Passagen ist auffällig: Von Schriften wie Barn und ApkPetr ist bei Photius keine Rede; die besondere Nennung einzelner biblischer Bücher entspricht nicht der eine vollständige Bibelkommentierung suggerierenden Notiz des Eusebius. Auch bezüglich der Katholischen Briefe kann man von „dem mehrfachen Zeugnis der einzigen vorhandenen Berichterstatter“ 19 nur dann sprechen, wenn man bereits für beide Autoren davon ausgeht, dass sie die kanonische Siebenergruppe im Blick hatten und sagen wollten, jeder einzelne dieser sieben Briefe sei von Clemens kommentiert worden. Ohne die „ungenauen summarische[n] Angaben“ 20 zu sehr zu belasten 21, ist diese Deutung aber weder für das τῶν καθολικῶν des Photius, dessen Vertrautheit mit dem originalen Werk des Clemens bezweifelt werden darf 22, noch für das τὰς λοιπὰς καθολικὰς ἐπιστολάς des Eusebius 23 zu haben. 18 19 20
Übersetzung Grünstäudl. Zahn, Kanon der Syrer, 789 [Hervorhebung Grünstäudl]. Dibelius, M., Der Brief des Jakobus (KEK 15), Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht 10 1959, 51 Anm. 1. 21 Vgl. Harnack, Das Neue Testament, 85 Anm. *. 22 Vgl. Markschies, C., „Die wunderliche Mär von zwei Logoi…“ Clemens Alexandrinus, Frgm. 23 – Zeugnis eines Arius ante Aium oder des arianischen Streites selbst?, in: Brennecke, H. C./Grasmück, E. L./ders. (Hg.), Logos. FS Luise Abramowski, Berlin u.a.: De Gruyter 1993, 193–219, der starke Zweifel an der Authentizität des von Photius in seiner Bibliothek (cod. 109) zitierten Clemens-Fragments hegt und fragt, ob Photius ein vollständiges Exemplar der hyp. besaß bzw. ein solches eingehend prüfte (vgl. ebd., 194 Anm. 13). Die Unschärfe der Aussage des Photius muss auch Theodor Zahn zugestehen; er erklärt sie damit, dass „nicht der Inhalt, sondern der Hauptzweck der Hypotyposen angegeben sein soll…“ (Zahn, T., Forschungen zur Geschichte des neutestamentlichen Kanons und der altkirchlichen Literatur. III. Theil: Supplementum Clementinum, Erlangen: Andreas Deichert, 1884, 132). Die abschließende Notiz Zahns unterläuft dann vollends den Versuch, auf Photius’ Bemerkung verlässliche Rückschlüsse aufzubauen: „Photius wird also, wo er den Hauptzweck der Hypotyposen angibt, diejenigen biblischen Bücher aufgezählt haben, deren Auslegung ihm beim Durchlesen oder Durchblättern des Buchs am meisten in die Augen fiel, also auch wohl den breitesten Raum einnahm“ (ebd., 132). 23 Kruger, Authenticity, 652, verweist auf die Liste der Antilegomena in Eusebius, h.e. III,25,3, die auch 2 Petr enthält und fragt: „What reason do we have to believe that he did not mean the same books when speaking of Clement?” Gerade dieser Vergleich der Formulierungen bei Eusebius zeigt aber den ungenauen, nicht exakt auflösbaren Charakter der Aussage in h.e. VI,14,1, denn 1 Petr und 1 Joh sind für Eusebius eindeutig keine Antilegomena; vgl. Nienhuis, Paul, 48–50, bes. 49. Wie Kruger argumentierte bereits Ruwet, J., Clément d’Alexandrie. Canon des ècritures et apocryphes, in: Bib. 29 (1948), 77–99. 240–268. 391–408, hier: 95f. 406. Ruwet unterlief noch ein weiterer Denkfehler, indem er behauptete, die Hypothese, Clemens habe Jak, 2 Petr und 3 Joh nicht in den hyp. kommentiert, zwinge dazu, Eusebius zu unterstellen, er habe mit dem Ausdruck „die anderen katholischen Briefe“ nur 2 Joh bezeichnet (vgl. ebd., 98)! Norelli, Raccolta, 484, erwägt vorsichtig, Eusebius könnte sagen wollen „le scritture contestate,
4.2 Clemens von Alexandrien
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Die Adumbrationes in epistolas canonicas (adumbr.) 24, die wohl der von Cassiodor (ca. 485–ca. 580) 25 in Auftrag gegebenen lateinischen Übersetzung der Kommentare des Clemens zu den Katholischen Briefen entsprechen 26, wissen jedenfalls von 2 Petr nichts. Auf die Kommentierung des 1 Petr folgt in den Handschriften unmittelbar die des Jud 27, wobei in beiden Kommentaren kein Einfluss von (Parallel)Überlieferungen des 2 Petr zu spüren ist 28. Zwar vermerkt Cassiodor (inst. I,8,4 29), dass er offendicula voglio dire Giuda e la altre lettere cattoliche [che rientrano tra le scritture contestate, a eccezione cioè di 1Gv e 1Pt]“ und nennt dies die einzige Möglichkeit, nicht „una flagrante contradizzione“ (ebd., 484) zwischen den Aussagen des Eusebius in h.e. III,5,3 und h.e. VI,14,1 zugestehen zu müssen. Die Existenz einer solchen Spannung hinsichtlich einer Größe, die offenbar erst nicht allzu lange vor Eusebius Gestalt gewann, muss nicht unbedingt problematisch sein. Sie könnte sich zum Teil aber auch der Quellenverwendung des Eusebius verdanken, denn vor allem die explizite Erwähnung (ausgerechnet!) des Jud gibt zu denken. Auf dem Hintergrund von Eusebius, h.e. II,23,25, wo Eusebius den umstrittenen Jak als „den Ersten der sogenannten katholischen Briefe“ bezeichnet, wäre in h.e. VI,14,1 wohl eher ein „Jak und die anderen katholischen Briefe“ zu erwarten. Deshalb erscheint es nicht abwegig, zu vermuten, Eusebius habe die Anregung zur hervorgehobenen Nennung des Jud aus den hyp. des Clemens empfangen, wobei meines Erachtens zwei Möglichkeiten weiter zu prüfen wären: (1) Im uns erhaltenen Text der adumbr. folgt Jud unmittelbar auf 1 Petr und ist somit der erste der (nach Eusebius) umstrittenen katholischen Briefe. Somit könnte die Erwähnung des Jud der Anordnung der kommentierten Texte in den hyp. geschuldet sein, was zugleich ein weiteres Argument gegen die Präsenz von Jak und 2 Petr unter den von Clemens kommentierten Schriften wäre. (2) Es fällt auf, dass in den Kommentarabschnitten der adumbr. nur Jud als „(epistola) catholica“ bezeichnet wird (adumbr. in Jud 1; vgl. die superscriptiones von adumbr. in Jud und adumbr. in 1 Petr, deren Originalität – man beachte das „prima“ in adumbr. in 1 Petr – aber sehr fraglich ist). An diesem Alleinstellungsmerkmal könnte die Formulierung „und die anderen katholischen Briefe“ anschließen. 24 Der Text ist editiert bei Clemens, Stählin III, 203–215. Informationen zur Bezeugung und den Handschriften finden sich ebd., XVIII–XX. Viele immer noch interessante Beobachtungen bietet auch die Ausgabe von Zahn, Supplementum Clementinum, 79– 103. Méhat, Clemens, 103, urteilt zu den adumbr.: „Obwohl dieser Text relativ unbekannt ist, ist er theologisch von großem Interesse.“ 25 Vgl. Bürsgens, W., Art. Cassiodor, in: LACL ( 32002), 141–143. 26 Vgl. Zahn, Supplementum Clementinum, 133–138. 27 Insgesamt werden 1 Petr, Jud und 1–2 Joh (in dieser Reihenfolge) kommentiert. 28 Deshalb legt es sich auch nicht nahe, die Vollständigkeit der Manuskriptvorlage des Cassiodor in Frage zu stellen, wie dies Ruwet, Clément, 98, tut (vgl. dazu im Hinblick auf das Fehlen des Jak Nienhuis, Paul, 49f). Im Unterschied dazu zitiert z.B. die dem Didymus von Alexandrien zugeschiebene Enarratio in epistulas catholicas (enarr.) in der Auslegung des Lemmas Jud 12f wörtlich 2 Petr 2,21 (vgl. Zoepfl, Enarratio, 95); ein späterer Einschub ist dabei natürlich nicht auszuschließen (vgl. Zoepfl, Enarratio, 19*. 40*). 29 Als Textgrundlage dient die Ausgabe der FC (Cassiodor, Institutiones divinarum et saecularium litterarum. Einführung in die geistlichen und weltlichen Wissenschaften.
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Kapitel 4: Petrus Alexandrinus
(„Anstößigkeiten“) im Text getilgt habe, daraus kann aber nicht geschlossen werden, Cassiodor hätte hier bewusst eine oder mehrere Briefkommentierungen weggelassen 30. Vielmehr scheint es kein Zufall zu sein, dass in den adumbr. gerade diejenigen Briefe (Jak, 2 Petr, 3 Joh) fehlen, die neben Phlm 31 als einzige (!) später neutestamentliche Bücher auch sonst bei Clemens nicht nachzuweisen sind. Somit ist es unwahrscheinlich, dass je ein Kommentar des Clemens zu 2 Petr existiert hat 32. 4.2.2 Mögliche Zitate aus 2 Petr „Nicht die leiseste Spur einer Kenntnis“ des 2 Petr bei Clemens konnte Hermann Kutter 33 in seiner Studie zum Neuen Testament bei Clemens finden. Und auch der im Hinblick auf Testimonien für später neutestamentliche Schriften stets optimistisch urteilende Theodor Zahn vermochte bei Clemens „nicht einmal eine sichere Anspielung“ 34 an den 2 Petr zu benennen. Zu diesem Ergebnis kommen auch die klassischen Untersuchungen
Übersetzt und eingeleitet von Wolfgang Bürsgens [FC 39/1–2], Freiburg u.a.: Herder 2003), die den lateinischen Text der kritischen Ausgabe Cassiodorus, Institutiones, ed. from the mss. by R. A. B. Mynors (SCBO), Oxford: Clarendon 31963 wiedergibt. 30 Das ist schon deshalb unwahrscheinlich, da Cassiodor selbst die Mühe beschreibt, Kommentare zu den „reliquae canonicae epistulae“ (vgl. inst. I,8,6, nach der Erwähnung von Augustinus’ Kommentar zu Jak in inst. I,8,5 sind damit wohl 2 Petr und 3 Joh, vielleicht auch Jud – entsprechend der Verwechslung „Jacobi“ für „Judae“ in inst. I,8,4 –, gemeint) zu beschaffen. 31 Nach Broer/Weidemann, Einleitung, 371, „[bestätigen] Irenäus und Klemens Alexandrinus die Echtheit des Briefes“, doch geben sie hierfür keinen Beleg. Vgl. dagegen Anm. 39. 32 So bereits Westcott, History of the Canon, 354–358, und Dausch, P., Der neutestamentliche Schriftcanon und Clemens von Alexandrien. Ein Beitrag zur Geschichte des neutestamentlichen Canons, Freiburg: Herder 1894, 24. Vgl. auch Lührmann, D., Gal 2,9 und die katholischen Briefe, in: ZNW 72 (1981), 65–87, hier: 66f. Zu analogen Urteilen gelangen die instruktiven Untersuchungen von Nienhuis, Paul, 48–50 (für Jak), und Lieu, Epistles, 20 (für 3 Joh). 33 Kutter, H., Clemens Alexandrinus und das Neue Testament, Giessen: J. Richer’sche Buchhandlung 1897, 94: „Von dem, was für II. Petr. und III. Joh. von anderer Seite geltend gemacht worden, hat dagegen sogar Zahn absehen müssen. Auch nicht die leiseste Spur einer Kenntnis der Briefe schimmert bei Clemens durch.“ 34 Zahn, Geschichte des neutestamentlichen Kanons I/1, 311 [Hervorhebung Grünstäudl]. Zur Gänze: „Schon das ist auffällig, daß bei demselben Schriftsteller, welcher in den verschiedensten Schriften nicht selten den ersten Brief förmlich und namentlich citirt, nicht einmal eine sichere Anspielung an den zweiten zu entdecken ist.“ Vgl. auch Zahn, Supplementum Clementinum, 153f, in demselben Sinne.
4.2 Clemens von Alexandrien
241
von Petrus Dausch 35, Joseph Ruwet 36 und Michael Mees 37, sowie in jüngerer Zeit die Arbeiten von James Brooks 38 und Jana Plátová 39. Entsprechend skeptisch gibt sich auch die maßgebliche ClemensAusgabe von Otto Stählin: Ganze zwölf Mal wird eine Referenz aus 2 Petr angeführt 40, stets nur als Möglichkeit 41. 35 Dausch, Schriftcanon, 23: „Dennoch bleibt es sehr unwahrscheinlich, daß Clemens den zweiten Petrusbrief gekannt hat. Was man an Anspielungen auf dieses Schriftstück hat finden wollen, hält strenge Prüfung nicht aus.“ 36 Ruwet, Clément, 97, zu Jak, 2 Petr und 3 Joh: „…on ne trouve que des allusions…“. 37 Die bei Clemens griechisch erhaltenen Zitate „verweisen auf die in 2. Petr. verwendeten Beispiele aus dem Alten Testament. Sie verweisen in ihrer allgemeinen Ausdrucksweise eher auf diese selbst und sind eher ein Zeugnis für die durch die Bibel geprägte Sprache des Clemens, als dass sie irgendwelche textkritische Hinweise geben könnten. In Protr. X, 92, 4 (Stähl. I, 68, 10) wie auch in Str. I, 2, 2 (Stähl. II, 4, 3) dürfte es sich eher um ein Zitat aus Heraklit (fr. 13, Diels, S. 64) als um ein solches aus 2 Petr 2,22 handeln“ (Mees, M., Die Zitate aus dem Neuen Testament bei Clemens von Alexandrien [QVetChr 2], Bari: Istituto di Letteratura Cristiana Antica 1970, 176). 38 Brooks, J. A., Clement of Alexandria as a Witness to the Development of the New Testament Canon, in: SecCent 9 (1992), 41–55, hier 43: „1 Peter is twice quoted directly with the formula ,Peter in his Epistle.‘ The implication is that Clement knew only one letter bearing the name of Peter. Stählin lists eight questionable allusions to 2 Peter, but again examination results in rejection.“ Inwiefern der Hinweis auf die 1 Petr-Zitate belastbar ist, wird weiter unten zu klären sein. Als Schlussfolgerung bemerkt Brooks (ebd., 44): „Nevertheless, it is difficult to explain the absence of at least James and 2 Peter (3 John is too brief to be significant) from Clement’s extant writings in Greek and from the Latin translation of the Hypotyposes known as the Adumbrationes. The only safe conclusion is that it is uncertain whether Clement knew James, 2 Peter, and 3 John.“ 39 Vgl. Plátová, J., The Secrets, like God Himself, are Entrusted to the Word, Not to Writing. The Canon of New Testament and Apocrypha According to the Testimony of Clement of Alexandria, in: Studia Theologica 24 (2006), 1–15, hier: 6. Eric Osborn begründet sein anderslautendes Urteil weder in Osborn, E., La Bible inspiratrice d’une morale chrétienne d’après Clément d’Alexandrie, in: Mondésert, C. (Hg.), Le monde grec ancien et la Bible (Bible de tous le temps 1), Paris: Beauchesne 1984, 127–144, hier: 127 („La 3 e Épître de Jean et l’Épître à Philémon sont les seuls de tous les livres du NT à ne pas être cités.“), noch in Osborn, Clement of Alexandria, 76 („He probably knew James and 2 Peter but did not know 3 John and Philemon.“). 40 Von Otto Stählin selbst (vgl. Clemens Alexandrinus, Register, herausgegeben im Auftrag der Kirchenväter-Commission der Preußischen Akademie der Wissenschaften von Otto Stählin [GCS Clemens Alexandrinus IV], Leipzig: J. C. Hinrich’sche Buchhandlung 1936, 25) stammen ursprünglich folgende acht Hinweise: protr. 106,2 vgl. 2 Petr 2,2; paed. III,43,5; vgl. 2 Petr 2,6; paed. I,29,1 vgl. 2 Petr 3,7; strom. I,2,2 vgl. 2 Petr 2,22; strom. I,135,3 vgl. 2 Petr 2,5; strom. V,49,2 vgl. 2 Petr 3,10; strom. VII,66,4 vgl. 2 Petr 1,10; Quis dives salvetur (q.d.s.) 36,3 vgl. 2 Petr 3,10. Diese wurden (wiederum von Stählin selbst) in den „Nachträgen und Berichtigungen“ (vgl. Clemens, Stählin IV, XIII–LXXX, hier: LXXVI) um folgende drei Einträge vermehrt (die Brooks, Clement of Alexandria, 43, übersieht; vgl. die vorletzte Anmerkung): protr. X,92,4 vgl. 2 Petr 2,22; strom. I,178,1 vgl. 2 Petr 2,7f; Excerpta ex Theodoto (exc.) 4,1 vgl. 2 Petr 1,16–18.
242
Kapitel 4: Petrus Alexandrinus
Auch die konvergierenden Versuche der ansonsten ganz unterschiedlichen 2 Petr-Kommentatoren Joseph Mayor und Charles Bigg, Spuren von 2 Petr bei Clemens nach zu weisen, können nicht überzeugen 42. Als Hinweise auf manche Nähe von 2 Petr zu Clemens sind die von beiden benannten Parallelen aber ebenso wie die Einträge im Register der StählinAusgabe durchaus aufschlussreich, weshalb sie im Folgenden mit zu berücksichtigen sind. Eine Sonderstellung nimmt schließlich jene „striking parallel“ 43 ein, die Richard Bauckham zwischen 2 Petr 2,19 (ἐλευθερίαν αὐτοῖς ἐπαγγελλόμενοι, αὐτοὶ δοῦλοι ὑπάρχοντες τῆς φθορᾶς) und einer Stelle im sogenannten Brief an Theodorus (Theod.) 44 sieht. Die Problematik dieses Briefes, der aufgrund seiner Zitate aus einem sogenannten Geheimen Markusevangelium (GMk) Aufsehen erregte, ist hinlänglich bekannt und muss hier nicht entfaltet werden 45. Sicherlich ist die Diskussion der Fragmente des GMk durch manche abenteuerliche Theorie aus ihrem Anfang ebenso belastet wie durch den Verdacht, der Brief selbst sei eine (moderne) Fälschung 46. Aktuell deutet sich in der deutschsprachigen Exegese eine prüIn der 1980 erschienenen zweiten Auflage des nunmehr in zwei Bände geteilten Registers wurde noch ein Verweis auf protr. V,65,2 vgl. 2 Petr 1,4 ergänzt (vgl. Clemens, Register 2 IV/1, XXII). 41 Nur einmal (zu protr. 65,2 vgl. 2 Petr 1,4) fehlt – wohl aus Versehenen – das obligatorische Fragezeichen. 42 Vgl. Bigg, Second Epistle, 202f und Mayor, Second Epistle, cxix–cxx. Bei Charles Bigg ist die Suche nach Reminiszenzen an 2 Petr bei Clemens deutlich apologetisch motiviert und nimmt zum Teil verzweifelte Züge an, vgl. die argumentative Pirouette Bigg, Second Epistle, 202, die allgemein übliche Formulierungen zu Zeugnissen der besonderen Wertschätzung des 2 Petr erhebt. 43 Bauckham, Jude, 2 Peter, 276. Bei Kruger, Authenticity, 652, dann bereits „a very striking parallel“. 44 Die grundlegende, reich kommentierte Ausgabe ist Smith, M., Clement of Alexandria and a Secret Gospel of Mark, Cambridge: Harvard University Press 1973. Der ebd., 448–452, abgedruckte Text findet im Folgenden Verwendung. 45 Aus der großen Fülle der Literatur sei nur hingewiesen auf die luzide Darstellung der Problematik bei Rau, E., Weder gefälscht noch authentisch? Überlegungen zum Status des geheimen Markusevangeliums als Quelle des antiken Christentums, in: Frey, J./Schröter, J. unter Mitarbeit von Jakob Spaeth (Hg.), Jesus in apokryphen Evangelienüberlieferungen. Beiträge zu außerkanonischen Jesusüberlieferungen aus verschiedenen Sprach- und Kulturtraditionen (WUNT 254), Tübingen: Mohr Siebeck 2010, 139–186. Wertvolle Hinweise bietet auch Markschies, Kaiserzeitliche christliche Theologie, 273– 276. 46 Vgl. Merkel, H., Das geheime Markusevangelium, in: Markschies, C./Schröter, J. (Hg.) in Verbindung mit Andreas Heiser, 7. Auflage der von Edgar Hennecke begründeten und von Wilhelm Schneemelcher fortgeführten Sammlung der neutestamentlichen Apocryphen, I. Band Evangelien und Verwandtes, Teilband 1, Tübingen: Mohr Siebeck 2012, 390–396.
4.2 Clemens von Alexandrien
243
fend-kritische Annäherung an diesen umstrittenen Text an 47, der bislang vor allem in der englischsprachigen Literatur diskutiert wurde. Dies und die in der Forschung zu Clemens durchaus spürbare Neigung, den Brief als authentisch anzusehen 48, lassen es angeraten sein, hier dem Vorschlag Eckhard Raus zu folgen und auch die Möglichkeit zu erwägen, der Brief sei ein Text des Clemens Alexandrinus 49. .
καὶ καυχώμενοι ἐλευθέρους εἶναι δοῦλοι γεγόνασιν ἀνδραποδώδων ἐπιθυμιῶν (Clemens Alexandrinus [?], Theod. I,6f) Sie prahlen damit, frei zu sein und sind doch Sklaven ihrer niedrigen Begierden geworden 50.
Doch auch wenn man annimmt, hier liege ein Text des Clemens vor, ist kaum daraus zu schließen, „that 2 Peter was known to Clement of Alexandria“ 51, zu unspezifisch ist die Kontrastierung eines gegnerischen Freiheits-Anspruchs mit einer unterstellten Versklavung durch „Begierden“ bzw. die φθορά. Das Äußerste, was sich unter Annahme der Authentizität sagen lässt, ist, dass Clemens wie in strom. III,11,2 in einem Kontext, in dem er sich gegen Karpokratianer wendet, auf Jud zurückgreift (Jud 13 in Theod. I,3.6) 52 und anschließend zu einer Formulierung findet, die eine gewisse Ähnlichkeit mit 2 Petr 2,19 aufweist. 47 Vgl. dazu Frenschkowski, M., Mysterien des Urchristentums. Eine kritische Sichtung spekulativer Theorien zum frühen Christentum, Wiesbaden: Marix 2007, 211–227, besonders 218f. In diese Richtung deutet auch der Umstand, dass die Herausgeber einer gewichtigen Publikation zu apokryphen Evangelienüberlieferungen mit Rau, E., Das Geheimnis des Reiches Gottes. Die esoterische Rezeption der Lehre Jesu im geheimen Markusevangelium, in: Frey, J./Schröter, J. unter Mitarbeit von Jakob Spaeth (Hg.), Jesus in apokryphen Evangelienüberlieferungen. Beiträge zu außerkanonischen Jesusüberlieferungen aus verschiedenen Sprach- und Kulturtraditionen (WUNT 254), Tübingen: Mohr Siebeck 2010, 179–221, sogar noch einen zweiten Text zu GMk in ihre Sammlung aufnahmen. 48 Vgl. vor allem Van den Hoek, A., Art. Clemens von Alexandrien, in: RGG 2 4 ( 2008), 395f, dies., „Noncanonical“ Scriptural Traditions, 106, hier: 396, und Kovacs, J. L., Divine Pedagogy and the Gnostic Teacher according to Clement of Alexandria, in: JECS 9 (2001), 3–25, hier: 20 mit Anm. 76. Skeptisch sind z.B. Le Boulluec, A., La lettre sur L’„Evangile secret“ de Marc et le Quis dives salvetur? de Clément d’Alexandrie, in: Apocrypha 7 (1996), 27–41, und Osborn, Clement of Alexandria, 219 Anm. 7. 49 Rau, Status, 167, spricht vom „Als-ob der Authentizität“ und führt in dieser Perspektive in Rau, Geheimnis, passim, exemplarisch eine derartige Lektüre des GMk durch. 50 Übersetzung von Frenschkowski, Mysterien, 213. 51 Bauckham, 2 Peter-Account, 3740. Mit Verweis auf Theod. I,6f (vgl. 2 Petr 2,19) und auf Levin, S., The Early History of Christianity, in Light of the ‚Secret Gospel‘ of Mark, in: ANRW II,25,6, 4270–4292. 52 Die Verwendung des Jud macht eine Anspielung auf 2 Petr nicht wahrscheinlich, gegen Bauckham, Jude, 2 Peter, 276: „In view of the quotations from Jude 13 in 1.3, 6, this may well be an allusion to 2 Pet 2:19.”
244
Kapitel 4: Petrus Alexandrinus
Sieht man in Theod. eine Fälschung Morton Smiths, so bleibt zu vermerken, dass diesem die Parallele zu 2 Petr 2,19 offenbar entgangen ist 53. Wie auch immer man Theod. beurteilt – ein belastbares Zeugnis für die Rezeption des 2 Petr durch Clemens Alexandrinus ist er nicht. Die erhaltenen Texte des Clemens Alexandrinus können somit nicht wahrscheinlich machen, dieser habe 2 Petr gekannt, zitiert oder gar kommentiert 54. Für einen Autor des ausgehenden zweiten Jahrhunderts und solch breiter Belesenheit ist dieser Befund sicherlich überraschend 55. Dies gilt umso mehr, als zentrale Züge des 2 Petr unmittelbar an typische Elemente der Theologie des Clemens erinnern 56. Ehe diese Analogien zusammen mit anderen Berührungspunkten zu sichten sind, ist es aber angebracht, in einem kurzen Exkurs zur viel diskutierten Architektur des clementinischen Œuvres Stellung zu nehmen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Einordnung der kurzen Schrift Eclogae propheticae (ecl.), die aufgrund der in ihr rezipierten Petrustexte (ApkPetr, KerPetr) für den Fortgang dieser Untersuchung von besonderer Bedeutung ist. 53 Vgl. die Anmerkungen zur Stelle in Smith, Secret Gospel, 17, sowie das Bibelstellenregister ebd., 400. 54 Utto [=Rudolf] Riedinger unternahm den interessanten Versuch, Kommentarstücke (v.a. zu Mt), die sowohl in der Briefsammlung des Isidor von Pelusium (* nach der Mitte des 4. Jhdts; vgl. Fuhrer, T., Art. Isidor von Pelusium, in: LACL [ 32002], 360f) als auch in der Erotapokriseis des Pseudo-Cäsarius (Mitte des 6. Jhdts; vgl. Hartmann, C., Art. Cäsarius von Nazianz, in: LACL [32002], 137f) begegnen, als Fragmente der hyp. zu identifizieren; vgl. Riedinger, U., Neue Hypotyposen-Fragmente bei Pseudo-Caesarius und Isidor von Pelusium, in: ZNW 51 (1960), 154–196, die zentralen Argumente: 168. Zur weiteren Diskussion dieser These vgl. Riedinger, R., Zur antimarkionitischen Polemik des Klemens von Alexandreia, in: VigChr 29 (1975), 15–32, hier: 29 mit Anm. 17f, und Plátová, Bemerkungen, 181, die von einem „wichtigen Beitrag“ spricht und festhält, Riedingers Argumente seien „bis jetzt nicht ernstlich kritisiert worden“ (ebd., 182 Anm. 7). In frg. 17 (vgl. Riedinger, Hypotyposen-Fragmente, 185) bietet die Version des Isidor eine dermaßen deutliche Parallele zu 2 Petr 2,22, dass von einer bewussten Anspielung oder einem sehr engen traditionsgeschichtlichen Zusammenhang auszugehen ist. Ob damit ein hyp.-Fragment gefunden ist, das eine deutliche Nähe zu 2 Petr aufweist, muss aber offen bleiben, da Pseudo-Cäsarius hier keine Parallele bietet, die helfen könnte, eine Erweiterung durch Isidor selbst auszuschließen. Das von Di Benedetto, F., Un nuovo frammento delle Ipotiposi di Clemente Alessandrino, in: Sileno 9 (1983), 75–82, editierte hyp.-Fragment ist hingegen für die hier verhandelte Fragestellung nicht relevant. 55 Wiefel, Kanongeschichtliche Erwägungen, 296, formuliert: „Daß er [sc. Clemens Alexandrinus, Anm. Grünstäudl] den 2. Petr. (und auch Jak.) nicht mit einbezog, wiegt schwer angesichts des Umfangs seines literarischen Werkes und seiner Kenntnis der urchristlichen Literatur.“ 56 Besonders hervorgehoben hat dies Chase, Second Epistle of Peter, 816f, der ebd., 817, festhält: „It is a reasonable conclusion from the parallels with Philo and Clement that the writer of 2 P was influenced in some of his conceptions and in his phraseology by the Christian school of Alexandria as it existed before Clement’s time.“
4.2 Clemens von Alexandrien
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4.2.3 Exkurs: Die Stellung von exc. und ecl. im Werk des Clemens Alexandrinus In dem aus dem elften Jahrhundert stammenden Codex Laurentianus V 3, der die strom. des Clemens überliefert 57, folgen auf strom. I–VII drei Anhänge, die „schwer interpretierbar und daher umstritten sind“ 58: Ein als strom. VIII bezeichneter epistemologisch-philosophischer Traktat, der aber nach Form und Inhalt nicht als von Clemens abgeschlossenes achtes Buch der strom. gelten kann 59, ein vor allem valentinianische Theologie präsentierender und diskutierender Text (exc.) 60 und eine vor allem exegetisch orientierte Abhandlung (ecl.) 61. Zum Verhältnis dieser Texte zu den übrigen Werken des Clemens existieren im Wesentlichen zwei Theorien 62. Die – wohl vor allem durch die Positionierung Otto Stählins 63 – mehrheitlich vertretene Hypothese 64 sieht 57 Zur Beschreibung dieser und mit ihr verwandter Handschriften vgl. Clemens, Stählin I, XXXIX–XLII; XLVII–LI. 58 Méhat, Clemens, 102. 59 Vgl. hierzu Bergjan, S.-P., Logic and Theology in Clement of Alexandria. The Purpose of the 8 th Book of the Stromata, in: ZAC 12 (2009), 396–413, zur historischen Einordnung von strom. VIII besonders: 398f. 60 Zum Titel der exc., ἐκ τῶν Θεοδότου καὶ τῆς Ἀνατολικῆς καλουμένης διδασκαλίας κατὰ τοὺς Οὐαλεντίνου χρόνους ἐπιτομαί, vgl. den Exkurs bei Markschies, C., Valentinian Gnosticism. Toward the Anatomy of a School, in: Turner, J. D./McGuire, A. (Hg.), The Nag Hammadi Library After Fifty Years. Proceedings of the 1995 Society of Biblical Literature Commemoration (NHMS 44) Leiden u.a.: Brill 1997, 401–438, hier: 433–435. Die wichtigste, allerdings weitgehend auf dem Text von Stählin basierende Ausgabe der exc. ist Clément d’Alexandrie, Extraits de Théodote. Texte grec, introduction, traduction et notes de François Sagnard (SC 23), Paris: Cerf 1970. Sagnard machte sich insbesondere um die schwierige Trennung der clementinischen und valentinianischen Abschnitte der exc. verdient (vgl. ebd., 8–21). Den Charakter der exc., die Dibelius, O., Studien zur Geschichte der Valentinianer, in: ZNW 9 (1908), 230–247. 329–340, hier: 230, „zu den Schmerzenskindern der altchristlichen Literaturgeschichte“ rechnete, hat Markschies, C., Valentinian Gnosticism, 434, treffend als „fragmentary counter-commentary“ beschrieben (zustimmend rezipiert bei Kovacs, Valentinian Exegesis, 188). 61 Der Titel der ecl. lautet ἐκ τῶν προφητικῶν ἐκλογαί. Die einzige aktuelle Übersetzung der ecl. in eine moderne Sprache (vgl. dazu Bucur, B. G., The Place of the Hypotyposeis in the Clementine Corpus. An Apology for „The Other Clement of Alexandria“, in: JECS 17 [2009], 313–335, hier: 314 Anm. 2) stammt von Carlo Nardi (Clemente Alessandrino, Estratti profetici, a cura di Carlo Nardi [Biblioteca patristica], Bologna: EDB 1999 [Neudruck 2004, Erstedition Florenz: Nardini 1995]), der den ecl. auch eine Monographie gewidmet hat; vgl. Nardi, C., Il battesimo in Clemente Alessandrino. Interpretazione di Eclogae propheticae 1–26 (SEAug 19), Rom: Institutum Patristicum Augustinianum 1984. 62 Einen hilfreichen Überblick zur Forschungsgeschichte bietet Bucur, Hypotyposeis, 313–318. 63 Vgl. Stählin, O., Einleitung zu der Übersetzung der Werke des Clemens von Alexandrien, in: Des Clemens von Alexandreia Mahnrede an die Heiden. Der Erzieher Buch
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in strom. VIII, exc. und ecl., die man auch als Florentiner Anhänge bezeichnen kann, Exzerpte des Clemens, die dieser als „Vorstudien“ 65 für spätere Arbeiten erstellt und zum Teil, v.a. in strom. VI–VII 66, auch bereits benützt hatte 67. Diese Theorie kann gut die literarische Gestalt der drei Texte erklären und sich auf ähnliche Exzerpte im Rahmen antiken literarischen Schaffens stützen 68; überdies entspricht sie der auf Exzerpte zurückgreifenden Arbeitsmethode des Clemens 69. Warum gerade diese Notizbücher (von vermutlich zahlreichen) erhalten und im Kontext der Stromateis überliefert wurden, vermag sie allerdings nicht zu erklären 70. An diesem Punkt – der konkreten Gestalt der Textüberlieferung – setzt eine alternative Erklärung an, die auf Theodor Zahn zurückgeht 71. Zahn sah in den Florentiner Anhängen Auszüge aus dem für uns verlorengegangenen achten Buch der strom., die ein „Epitomator“ nach Clemens angefertigt habe. Exzerpte also auch hier, allerdings nicht zur Vorbereitung, sondern zur Auswertung eines authentischen Clemens-Textes. Die Gründe für die Erstellung dieser Exzerpte (Mangel an Zeit zur Abschrift der gesamten I, aus dem Griechischen übersetzt von Otto Stählin (BKV II/7), München: Kösel & Pustet 1934, 9–67, hier: 28f. Dazu notiert Bucur, Hypotyposeis, 316, „[t]he victory of this strand of Clementine scholarship“ hätte in der Forschung zu einer Konzentration auf die Hauptwerke (prot., paed., strom.) geführt und damit „,the canonical Clement‘“ etabliert. Man beachte etwa, dass Osborn, Clement of Alexandria, 5–15, das Rätsel des literarischen Werkes des Clemens besprechen kann, ohne näher auf die Florentiner Anhänge einzugehen. 64 Vgl. v.a. Van den Hoek, A., Techniques of Quotation in Clement of Alexandria. A View of Ancient Literary Working Methods, in: VigChr 50 (1996), 223–243; sowie Kovacs, Valentinian Exegesis, 188 (für exc.). 65 Harnack, Geschichte II/2, 17 Anm. 1. Weitere Vertreter dieser These zitiert Nautin, P., La fin des stromates et les hypotyposes de Clément d’Alexandrie, in: VigChr 30 (1976), 268–302, hier: 281 Anm. 36. 66 Kovacs, Valentinian Exegesis, 188: „There are several points in the Stromateis where Clement either alludes to, or adapts, specific ideas and terms found in the Excerpts; this suggests that the collection was made in preparation for that work.“ Judith Kovacs nennt ebd., 188 Anm. 14, die Parallele zwischen exc. 32 und strom. IV,90,2 als Beispiel. 67 Begründet wurde diese These durch die Dissertationen von Ruben, P., Clementis Alexandrini Excerpta ex Theodoto, Leipzig: Teubner 1892, bes. XV–XVII, und von Arnim, H. F. A., De octavo Clementis Stromateorum libro, Rostock: Adler 1894, deren Thesen Harnack, Geschichte II/2, 17f, positiv aufgriff. Entsprechend spricht Bucur, Hypotyposeis, 316, von der „Arnim-Ruben-Harnack hypothesis“. 68 Instruktive Beispiele dazu bietet Van den Hoek, Quotation, 225–227. 69 Van den Hoek, Quotation, 242 Anm. 78: „Since the character of these writings [sc. strom. VIII, exc., ecl.; Anm. Grünstäudl] seems to correspond with his technique of notetaking, there is ample reason to attribute them to Clement himself and not to a later scribe.“ Zur Arbeit des Clemens mit Notizen vgl. ebd., 224.235. 70 Vgl. Munck, Untersuchungen, 170f. 71 Vgl. Zahn, Supplementum Clementinum, 104–130.
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Texte oder fehlendes Schreibmaterial? 72) müssen aber im Dunkeln bleiben. Darüber hinaus bleibt schwierig zu erklären, warum die Florentiner Anhänge in strom. I–VII verwendet zu sein scheinen, wenn sie doch erst aus strom. VIII gewonnen wurden. Insbesondere überrascht, dass der Zahnsche Epitomator offenbar gezielt Stoffe (später) heterodoxer Provenienz aus dem Werk des Clemens für bewahrenswert hielt 73. Eine wichtige Modifikation von Zahns These verdankt sich einem von Pierre Nautin 1976 veröffentlichten Aufsatz 74. Gegenüber Zahn stellte Nautin richtig fest, dass ein achtes Buch der strom. nur schwerlich ausreichend wäre, um als Basis für die thematisch vielfältigen Florentiner Anhänge zu dienen 75. Die Einschätzung André Méhats, der in den hyp. eine logische Fortsetzung der strom. sah 76, aufgreifend, erkannte Nautin nun in strom. VIII,1,1–VIII,24,6 ein Exzerpt aus dem verlorenen achten Buch der Stromateis 77, in strom. VIII,25,1–VIII,33,9 78, exc. und ecl. aber Exzerpte aus den hyp., die er als Abschluss und Höhepunkt des clementinischen Lehrprogramms auffasste. Dabei stützte sich Nautin allerdings in großem Maße auf Äußerungen des Clemens zu von ihm noch geplanten Arbeitsschritten, von denen nicht sicher ist, ob sie genau in dieser Form realisiert wurden 79. Zitate aus ecl., die bei späteren Kirchenschriftstellern strom. 72 73
Diese Möglichkeiten werden erwogen bei Nautin, Fin, 270. So bereits Munck, J., Untersuchungen über Klemens von Alexandria (FKGG 2), Stuttgart: Kohlhammer 1933, 168: „Es ist nicht wahrscheinlich, dass irgendein Exzerptor die gnostischen Stücke (in Exc. und Ekl.) aus dem ursprünglichen VIII. Stromateus herausgenommen haben sollte.“ Cambe, M., Avenir solaire et angélique des justes. Le Psaume 19 (18) commenté par Clément d’Alexandrie (Cahiers de Biblia Patristica 10), Straßburg: Université de Strasbourg 2009, 177 (vgl. 174–179), vermutet beim Exzerptor „une intention de compensation documentaire“, die zur Bewahrung von für sein Umfeld besonders interessanten Traditionen geführt habe; ähnlich bereits Nautin, Fin, 301. 74 Vgl. Nautin, Fin, passim. Eine detaillierte und faire Analyse dieses einflussreichen Aufsatzes bietet jetzt Itter, A. C., Esoteric Teaching in the Stromateis of Clement of Alexandria (SVigChr 97), Leiden/Boston: Brill 2009, 59–74. 75 Vgl. Nautin, Fin, 299. 76 Vgl. Méhat, A., Étude sur les „Stromates“ de Clément d’Alexandrie (PatSor 7), Paris: Seuil 1966, 517–522. 530–533. 77 Vgl. Nautin, Fin, 291. 297f. 78 Kritisch zu dieser Teilung des erhaltenen strom. VIII bei gleichzeitiger Akzeptanz der Hauptthese Nautins äußert sich Le Boulluec, A., Extraits d’œuvres de Clément d’Alexandrie. La transmission et le sens de leurs titres, in: Fredouille, J.-C. u.a. (Hg.), Titres et articulations du texte dans les œuvres antiques. Actes du colloque international de Chantilly, 13–15 decembre 1994, Paris: Institute d’Etudes Augustiniennes 1997, 288– 300, hier: 292–295. 79 Vgl. Nautin, Fin, 282–291 („Le programme de Clément“). 291–293 („La réalisation effective du programme“). Für die dabei (vgl. ebd., 292f), nach Zahn, Supplementum Clementinum, 38f, als Zusatzargument beigebrachte Stelle q.d.s. 26,8 wurde bereits durch Harnack, Geschichte II/2, 19, eine Deutung als Hinweis auf einen Text zurückge-
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VIII zugeordnet sind 80, musste Nautin nun so deuten, dass dabei bereits auf ein Manuskript nach Art des Laurentianus 81 bzw. dessen Archetyp zurückgegriffen wurde 82. Wird diese Manuskripttradition mit Acacius von Caesarea 83 und seinem Vorgänger im Bischofsamt, Eusebius 84, verbunden, so wird aber unklar, woher dieser sein Wissen über den über exc. und ecl. hinausgehenden Inhalt der hyp. bezog (vgl. Eusebius, h.e. VI,14,1–7). Auch die schlichte Frage, warum ein späterer Exzerptor die jetzigen Titel der exc. und ecl. kreierte und sie nicht einfach z.B. ἐκ τῶν ὑποτυπώσεων ἐκλογαί nannte, bleibt bei Nautin ohne Antwort 85. Insgesamt ruht Nautins These also auf einer Vielzahl von Unwägbarkeiten auf, wodurch sie trotz der zustimmenden Voten von Alain LeBoulluec 86, Patrick Descourtieux 87 und zuletzt Bogdan Bucur 88 nicht allzu Vertrauen erweckend ist 89. wiesen. Vgl. auch die Hinweise bei Bucur, Hypotyposeis, 319 Anm. 22, auf Kritiker dieses methodischen Ansatzes. Skeptisch bereits Zahn, Supplementum Clementinum, 128: „Aber wo wäre Cl. im ganzen Verlauf seiner Stromateis seinen Programmen und insbesondere den ausgesprochenen Zweckbestimmungen treu geblieben … ?“ 80 Vgl. Zahn, Supplementum Clementinum, 29. 81 Das gilt aber nicht exklusiv. Da Nautin aufgrund der altkirchlichen Zeugnisse und des Zustands des Textes nicht den Kopisten des Codex aus dem elften Jahrhundert für die Exzerpierung von strom. VIII verantwortlich machen kann (wenn Bucur, Hypotyposeis, 317, Nautins Sicht der Dinge mit den Worten „a selection made by the scribe himself once he realized that the codex would not suffice for the entire text“ wiedergibt, so suggeriert das – gegen Nautin, Fin, 301, – der Schreiber des Codex habe das Exzerpt angefertigt), ist nicht nachzuweisen, dass die Zusammenstellung der Texte im Codex Laurentianus V 3 auf einen antiken Archetyp zurückgeht. Vielmehr könnte auch viel später ein unvollständiges strom.-Manuskript um die drei Anhänge ergänzt worden sein. 82 Vgl. Nautin, Fin, 298–300. Wenn Nautin in der Folge bereits für Eusebius ein „exemplaire abrégé“ (ebd., 300) annimmt, dann entsteht dabei beinahe ein Widerspruch zu den Informationen des Eusebius über die hyp., die ja allein durch die Florentiner Anhänge nicht gedeckt sind. 83 Nautin, Fin, 299f: „Nous venons de voir que l’évêque Acace de Césarée n’a eu en mains que l’édition abrégée qui nous arrive le Laurentianus.“ 84 Nautin, Fin, 300: „Il est donc très probable qu’Eusèbe ne disposait lui-même que de cet exemplaire abrégé.“ 85 Auch die Überlegungen bei Le Boulluec, Extraits, 287–292, lösen diese Frage nicht. 86 Le Boulluec, Extraits, 287f. 87 Vgl. Descourtieux, P., Clément d’Alexandrie. Stromate VI. Introduction, texte critique, traduction et notes (SC 446), Paris: Cerf 1999, 399 Anm. 4. 88 Für Bucur, Hypotyposeis, 317, „this thesis stands on solid ground“. 89 Durchaus beachtenswert sind aber die „concordances typiques“ (Nautin, Fin, 296), die Pierre Nautin zwischen den Attacken des Photius auf die hyp. und einigen Stellen von exc. und ecl. sieht: 1) Der Vorwurf des Photius, die hyp. hätten den Sohn als Geschöpf beschrieben, mag exc. 20 entsprechen, 2) die Notiz einer der kirchlichen Lehre widersprechenden Schilderung der Erschaffung Evas könnte zu exc. 21,2 passen, 3) wie Photius von den hyp. feststellt, so werden in ecl. Gen und Ps ausgelegt und 4) findet sich
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Somit darf – gegen die elaborierte Hypothese Pierre Nautins – für die weitere Untersuchung die seit Harnack klassische Lösung, die in exc. und ecl. (wie auch in strom. VIII) „Vorstudien“ 90 des Clemens sieht, als Orientierungsrahmen dienen 91. Eine wichtige Ergänzung bilden aber die Hinweise von Pierre Nautin und Bogdan Bucur auf die Nähe von exc. und ecl. zu den frühen 92 hyp., in denen Clemens nach Eusebius, h.e. VI,13,2 stark von der Exegese seines Lehrers Pantänus beeinflusst war 93. ein Verweis auf den auch bei Photius genannten Pantänus in ecl. 56,2 (vgl. Nautin, Fin, 296f). Gegen diese Beobachtungen – die Abfolge der Berührungspunkte in exc. und ecl. entspricht sogar der bei Photius (vgl. Nautin, Fin, 297)! – lässt sich nun nicht einwenden, dass wichtige, von Photius benannte Punkte, wie etwa die Metempsychose oder eine Auslegung von Ex oder der Paulusbriefe, in exc. und ecl. nicht zu finden sind, denn für diese wird ja von Nautin ein Exzerptcharakter vermutet. Vielmehr ist festzuhalten, dass die Entsprechungen nur auf eine Nähe zwischen exc./ecl. und hyp. hinweisen, nicht aber auf eine Identität der beiden Textbereiche. Bucur, B. G., Revisiting Christian Oeyen. ‚The Other Clement‘ on Father, Son, and the Angelomorphic Spirit, in: VigChr 61 (2007), 381–413, verdeutlicht am Beispiel der Angelologie/Pneumatologie die motivische und theologische Nähe zwischen exc./ecl. und den wohl aus hyp. stammenden adumbr. des Clemens. 90 Harnack, Geschichte II/2, 17 Anm. 1. Munck, Untersuchungen, 170: „Diese Exzerptensammlungen sind demnach nicht mit einem bestimmten Zweck vor Augen vorgenommen. Sie waren schon verwendet worden und sollten wohl gelegentlich wieder verwendet werden.“ 91 Markschies, Valentinian Gnosticism, 434, lässt die Frage bzgl. der exc. bewusst offen und fordert: „Whether Clement was truly the author of the present text should be examined once again, despite Hans von Arnim’s work.“ Auch Bergjan, Logic and Theology, 398, resümiert: „Both explanations leave questions open.“ 92 Die Deutung der hyp. als das nach strom. verfasste, esoterisch geprägte Hauptwerk des Clemens wird ausführlich begründet von Bucur, Hypotyposeis, 318–334. Dagegen spricht vor allem das einhellige Zeugnis der Alten Kirche, die in den strom., und nicht in den hyp., das Hauptwerk des Clemens sah und diesem entsprechend den Titel ὁ Στρωματεύς verlieh. In die gleiche Richtung weist auch die gegenüber strom. viel geringere Zahl expliziter Erwähnungen bei späteren Kirchenschriftstellern (vgl. Zahn, Supplementum Clementinum, 21–28 [strom.]. 64–103 [hyp.]). Hinzu kommt, dass der „technische“ Charakter der hyp.-Fragmente, der bisweilen an einen Scholienkommentar erinnert (vgl. Zahn, Supplementum Clementinum, 133), besser zu einer exegetischen Grundlagenschrift als zu einem esoterischen Hauptwerk passt. Überdies bleibt der „heterodoxere“ Charakter der hyp.-Fragmente gegenüber strom. mit Harnack, Geschichte II/2, 19f, leichter zu erklären, wenn die hyp. ein von Pantänus beeinflusstes Frühwerk sind (trotz der bei Bucur, Hypotyposeis, 315f, spürbaren und prinzipiell berechtigten Skepsis gegenüber entwicklungspsychologischer Werkdeutung). Schließlich scheint frg. 15 der von Riedinger aus Isidor von Pelusium und Pseudo-Cäsarius gewonnenen hyp.-Fragmente deutlich für die zeitliche Vorordnung von hyp. vor strom. sprechen, da darin eine Deutung von Mt 5,25 vertreten wird, die Clemens in strom. IV,95,2 explizit zurückweist (vgl. Riedinger, Hypotyposen-Fragmente, 182f). 93 Es scheint unnötig, nochmals darauf zu verweisen, dass damit kein Gesamturteil zum Werk des Clemens abgegeben werden soll – dies wird schon daraus ersichtlich, dass
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4.2.4 Berührungspunkte Wie oben bereits festgestellt, findet sich bei Clemens zwar keine Rezeption des 2 Petr, doch manche Analogie zu Konzepten und Motiven dieses Briefes. Wenn im Folgenden solche Berührungspunkte vorgestellt werden sollen, bleibt ein methodisches caveat stets mit zu bedenken: Mit dem 61 Verse umfassenden, pseudepigraphen Apostelbrief auf der einen und dem umfangreichen theologischen Werk auf der anderen Seite werden ganz unterschiedliche Größen zu einander in Beziehung gesetzt. Dies beachtend lassen sich einige wichtige Punkte benennen. Vielleicht ist kein anderes Motiv so sehr geeignet, auf Ähnlichkeiten zwischen Clemens Alexandrinus und 2 Petr aufmerksam zu machen, als der Begriff γνῶσις und die mit ihm verbundenen Konzepte. Für Clemens ist γνῶσις der zentrale Begriff seiner Theologie 94. Er schreibt die strom., um γνῶσις zu vermitteln und entwirft den „wahren Gnostiker“ als Idealbild des Christen 95. Doch nicht jeder ist für diese γνῶσις disponiert: So wie der Esel mit der Laute nichts anfangen kann und das Schwein den Schlamm dem klaren Wasser vorzieht, so sind manche für die Erkenntnis unempfänglich 96. Wer γνῶσις vermittelt, dies eine der vornehmsten Aufgaben des „wahren Gnostikers“ 97, der übernimmt eine besondere Verantwortung. So wie derjenige bestraft wird, der eine Grube nicht abdeckt, sodass andere zu weder die Einordnung von q.d.s. oder die genaue innere Architektur der großen Trilogie, noch der Platz der anderen, verlorenen bzw. fragmentarisch erhaltenen Schriften hier diskutiert wird. Vielmehr geht es um eine relative Lokalisierung der für die weitere Untersuchung zu 2 Petr besonders wichtigen exc. und ecl. 94 Vgl. Van den Hoek, A., Papyrus Berolinensis 20915 in the Context of Other Early Christian Writings from Egypt, in: Perrone, L. (Hg.), Origeniana octava. Origen and the Alexandrian Tradition. Papers of the 8th International Origen Congress Pisa, 27–31 August 2001, Löwen: Univ. Press. u. a. 2003, 75–92, hier 83: „The concept of gnosis can almost be considered the hallmark of Clement’s theology. The usage of the term also contrasts with Origen, who seems to avoid it. Although his and Clement’s Platonizing theologies tend to concur in many respects, the lack of the word »gnosis« is one of the major differences between them.“ Zur Differenz zum Gebrauch bei Origenes, vgl. auch Campenhausen, Bibel, 372 Anm. 317: „Das Wort γνῶσις hat bei Origenes im allgemeinen nicht den erhöhten Anspruch wie bei Klemens, sondern meint einfach das religiöse Wissen und die geistliche Erziehung …“. 95 Schilderungen dieses Idealbildes finden sich an vielen Orten in den strom., v.a. aber in strom. VII. Vgl. grundlegend Völker, W., Der wahre Gnostiker nach Clemens Alexandrinus (TU 57), Berlin/Leipzig: Akademie-Verlag/J. C. Hinrichs Verlag 1952. 96 Vgl. strom. I,2,2. 97 Vgl. strom. VII,52,1–3. Nach Le Boulluec, A., Die „Schule“ von Alexandrien, in: Pietri, L. (Hg.), Geschichte des Christentums I. Die Zeit des Anfangs, Freiburg: Herder 2003, 576–621, hier: 582 mit Anm. 53, „[besteht] die wesentliche Aufgabe des Lehrers darin …, die Schrift zu erklären“ (mit Verweis auf strom. I,44,3; 179,3f; VI,116,1; 126,1).
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Schaden kommen 98, so auch der Gnostiker, dessen Schützling aufgrund unsachgemäßer Instruktion seines Glaubens verlustig geht 99. Deshalb steht hinter dem Spiel von Enthüllen und Verbergen, das die strom. prägt, vor allem ein ernstes pädagogisches Ethos 100. Die wahre Lehre ist vor den Unwürdigen zu schützen, um nicht Perlen vor die Säue zu werfen, aber ebenso der einfache Gläubige vor der Macht dieser Lehre, um nicht einem Kind ein Schwert in die Hand zu geben 101. Im Hinblick auf die Pseudepigraphiefrage ist dabei wichtig, dass im Kontext der Sorge des Gnostikers um die einfachen Christen mitunter jedes Mittel recht zu sein scheint – auch die pia fraus (so explizit strom. VII,53,2f mit der Beschneidung des Timotheus [vgl. Apg 6,13] als biblischem Beleg; ähnlich, ebenfalls mit Verweis auf Timotheus, strom. VI,124,1–3, wo auch die Opposition zu denen, „die nicht so, wie es Gottes und des Herrn würdig ist, von der Heiligen Schrift reden und sie überliefern“ [strom. VI,124,3] benannt wird; vgl. strom. I,160,2), die nach Clemens der Wahrhaftigkeit des Gnostikers (vgl. strom. VII,54,1) nicht widerspricht. Treffend fasst Norbert Brox die Position des Clemens zusammen: „Was im Dienst des Heils steht, wie die Simulation des Paulus, fällt aus dem Begriff der Lüge heraus.“ 102 Trotz dieser strikten Trennung zwischen Gnostikern und einfachen Gläubigen, die auf den heutigen Leser zum Teil paternalistisch wirken kann, sah Clemens γνῶσις in bleibender Relation zu πίστις 103. Gerade im Disput mit den Valentinianern rang er um das korrekte Verhältnis dieser beiden Größen 104, wobei er, wie Judith Kovacs überzeugend gezeigt hat,
98 Vgl. die Auslegung von Ex 21,33f in strom. V,54,2–4 und dazu Kovacs, Concealment, 431. 99 Vgl. Kovacs, Divine pedagogy, 21f. 100 Kovacs, Divine pedagogy, 22: „Whatever other motives may have led Clement to an esoteric presentation of Christianity, its pedagogical function is not to be discounted.“ 101 Vgl. strom. I,14,3. 102 Brox, N., Falsche Verfasserangaben. Zur Erklärung der frühchristlichen Pseudepigraphie (SBS 79), Stuttgart: Katholisches Bibelwerk 1975, 88. Vgl. dazu auch Kovacs, J. L., Paideia, the care of the soul, and concealment in Clement of Alexandria, in: Phasis 2/3 (2000), 228–231, sowie dies., Divine Pedagogy, 18f. 103 Vgl. z.B. strom. V,5,2: In Anspielung an 1 Kor 3,10 wird die γνῶσις auf das Fundament der πίστις aufgebaut; vgl. Kovacs, Concealment, 419 mit Anm. 26, sowie ausführlich Völker, Gnostiker, 369–381. 104 Vgl. z.B. strom. II,48,1; V,25f; 60–62; VII,55–57; 84,1. Das verdeutlicht Kovacs, J. L., Concealment and Gnostic Exegesis. Clement of Alexandria’s Interpretation of the Tabernacle, in: StPatr 31 (1997), 414–437, besonders: 415–420. Vgl. auch dies., Valentinian Exegesis, 194, sowie bereits Völker, Gnostiker, 371f. Nach Campenhausen, H. F. von, Kirchliches Amt und geistliche Vollmacht in den ersten drei Jahrhunderten (BHTh 14), Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) 1953, 222 Anm. 6, ist Clemens hin-
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das Konzept von zwei differenten Heilswegen in die Vorstellung von zwei Stufen des einen Heilswegs transformierte 105. In analoger Weise ist auch für 2 Petr γνῶσις 106 ein Zentralbegriff 107. Wenn in der Forschungsgeschichte „die eminente Bedeutung“ 108 von γνῶσις und der mit ihr verbundenen Begrifflichkeit in 2 Petr, die diesen auch auffällig von seinen Prätexten unterscheidet 109, bislang nicht mit dem γνῶσις-Konzept des Clemens von Alexandrien in Beziehung gesetzt wurde 110, so liegt dies vermutlich daran, dass die Rolle von γνῶσις in 2 Petr vor allem im Kontext der Gegnerfrage diskutiert wurde 111. Doch wird in sichtlich der Beziehung von Glaube und Vernunft „nie zu abschließender Klarheit gelangt“. 105 Kovacs, J. L., Concealment, 428: „Clement has transformed the Valentinian idea of two ways of salvation into two stages of the one way of salvation and made it a central theme of his theology.“ Das zeigt sich auch an der, wohl aus der Exegese von Mt 20,16; 22,12 stammenden (vgl. exc. 58,1) Unterscheidung zwischen κλῆσις (= die Berufung der Psychiker) und ἐκλογή (= die Erwählung der Pneumatiker), die Clemens übernahm und modifizierte: Πάντες μὲν οὖν κέκληνται ἐπ’ ἴσης … ἐκλέγονται δὲ οἱ μᾶλλον πιστεύσαντες (exc. 9,3; vgl. exc. 1,3; 4,1 [1 Petr 2,9]); vgl. dazu Kovacs, Concealment, 422 Anm. 36, sowie Kovacs, Valentinian exegesis, 194. Dem entspricht die Einheit der beiden Begriffe in 2 Petr 1,10, die in 2 Petr aber wohl aus ApkPetr (und deren Mt-Exegese?) stammt (vgl. ApkPetr 14,1). Vgl. auch die programmatische Zusammenstellung von πίστις und ἐπίγνωσις im Präskript 2 Petr 1,1–2. 106 2 Petr verwendet dabei die Substantiva ἐπίγνωσις (viermal: 2 Petr 1,2f.8; 2,20) und γνῶσις (dreimal: 2 Petr 1,5f; 3,18) sowie die Verben ἐπιγινώσκω (2 Petr 2,21), γινώσκω (zweimal: 2 Petr 1,20; 3,3), γνωρίζω (2 Petr 1,16) und προγινώσκω (2 Petr 3,17). Zur (möglichen) Bedeutungsdifferenz von ἐπίγνωσις und γνῶσις vgl. jetzt Sylva, Unified Field Picture, 102–104, sowie den entsprechenden Exkurs bei Fuchs/Reymond, La deuxième épître, 127–131, und Picirelli [sic], R. E., The Meaning of „Epignosis“, in: EvQ 47 (1975), 85–93. 107 Kraus, Sprache, 354: „Zentral und entscheidend ist die ‚(Er)Kenntnis‘ von Jesus Christus, entsprechend das ‚Wissen‘ um ihn und alles, was es mit ihm auf sich hat.“ Die Formulierung in 2 Petr 1,2, ἐν ἐπιγνώσει τοῦ θεοῦ καὶ Ἰησοῦ τοῦ κυρίου ἡμῶν, die nach Kraus die „eminente Bedeutung“ (ebd., 354) des Wortfeldes in 2 Petr besonders verdeutlicht, hat im Übrigen unter den später neutestamentlichen Schriften die nächste Parallele in Eph 4,13 – einem der Lieblingsverse des Clemens, den er im Kontext seiner Beschreibung des „wahren Gnostikers“ gehäuft verwendet, vgl. Kovacs, Valentinian Exegesis, 198. 108 Kraus, Sprache, 354. Vgl. auch Käsemann, Apologie, 155f. 109 Insbesondere muss auffallen, dass Jud und ApkPetr diese Begrifflichkeit gar nicht kennen. Der Rekurs auf γνῶσις, wie er bei Paulus insbesondere in der Korintherkorrespondenz begegnet und vielleicht in 2 Petr 3,15 (κατὰ τὴν δοθεῖσαν αὐτῷ σοφίαν; vgl. 1 Kor 3,10; Gal 2,9) ein Echo besitzt, prägt das paulinische Denken bei Weitem nicht in einer Weise, wie dies für 2 Petr der Fall ist. 110 Eine wichtige Ausnahme bilden die Notizen bei Chase, Second Epistle of Peter, 816f, auf die bereits oben hingewiesen wurde. 111 2 Petr habe, so die These, in der Auseinandersetzung mit „Gnostikern“ diesen den Gnosis-Begriff entwunden und für eine „wahre“, d.h. „rechtgläubige“ Gnosis votiert; vgl.
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2 Petr eine Frontstellung gegen eine „fälschlich so genannte Gnosis“ (1 Tim 6,20) an keiner Stelle deutlich 112. Vielmehr ist γνῶσις in 2 Petr durchgehend positiv besetzt und wird betont an intratextuellen Schlüsselstellen eingesetzt 113. Ganz im Sinne des Clemens bindet 2 Petr Erkenntnis, die sich nicht nur in der mystischen Schau der göttlichen Geheimnisse (vgl. 2 Petr 1,16: ἐπόπται 114) und der Gemeinschaft mit der göttlichen Natur (2 Petr 1,4 115), sondern vor allem auch in der Liebe (vgl. 2 Petr 1,5– 7 116) bzw. im Tun des Guten (z.B. 2 Petr 1,8–11; 3,1f.14 117) vollendet, an den (mit den Aposteln) gemeinsamen Glauben zurück (vgl. 2 Petr 1,1). Überdies vollzieht sich das Erlernen der Gnosis bei Clemens wesentlich etwa Elliott, II Peter, 127, und die Hinweise bei Vögtle, Der zweite Petrusbrief, 134f, der selbst vorsichtig bleibt („möglich, aber nicht direkt belegbar“). Ein anderer Grund dafür, dass diese Verbindung bislang kaum wahrgenommen wurde, mag im vergleichsweise geringen Interesse am 2 Petr liegen. So kann Camelot, T., Foi et gnose. Introduction a l’étude de la connaissance mystique chez Clément d’Alexandrie (Etudes de théologie et d’histoire de la spiritualité 3), Paris: Librairie philosophique J. Vrin 1945, 12f, die Rolle von „Erkenntnis“ im Neuen Testament skizzieren, ohne 2 Petr auch nur zu erwähnen. 112 Vgl. z.B. Desjardins, M., The Portrayal of the Dissidents in 2 Peter and Jude. Does it Tell Us More About the ‘Godly’ Than the ‘Ungodly’?, in: JSNT 30 (1987), 89– 102, der aber ebd., 95, richtig sieht, dass dadurch weniger Informationen über die Gegner als über den Verfasser des 2 Petr gesammelt werden: „Indeed, the relatively clear evidence that we do possess concerning the influence of Gnosticism in 2 Peter and Jude, i.e. the use of gnosis in 2 Peter and psychikoi and pneuma in Jude, should lead us to suspect that the authors themselves where influenced by Gnosticism – or at least by some gnosticizing thought patterns.“ 113 So steht ἐπίγνωσις zum ersten Mal bereits im Grußwunsch (2 Petr 1,2), was neutestamentlich einmalig ist (vgl. Vögtle, Der zweite Petrusbrief, 135) und zusammen mit der Aufforderung der Schlussmahnung, in der γνῶσις „unseres Herrn und Retters Jesus Christus“ zu wachsen (vgl. 2 Petr 3,18), eine Klammer um den gesamten Brief spannt. 114 Vgl. Völker, Gnostiker, 403–432 („Die ständige Schau Gottes als Ziel und Höhepunkt der Gnosis“), bes. 430: „Gnosis ist in erster Linie Beschauung“ [im Original gesperrt gesetzt; Anm. Grünstäudl]. Vgl. prot. 10,19; päd. I,28,1; I,54,1 (ἔστι δὲ ἡ κατὰ τὸν θεὸν παιδαγωγία κατευθυσμὸς ἀληθείας εἰς ἐποπτείαν θεοῦ καὶ πράξεων ἁγίων ὑποτύπωσις ἐν αἰωνίῳ διαμονῇ.); II,118,5; 129,4; strom. VII,68,4. 115 Vgl. Chase, Second Epistle of Peter, 817. Gerade aufgrund der großen inhaltlichen Nähe des Clemens zu 2 Petr 1,4 muss insbesondere das Fehlen dieses Verses bei Clemens auffallen, vgl. Mayor, Second Epistle of St. Peter, cxx. 116 Vgl. Völker, Gnostiker, 373. Clemens formuliert in strom. VII,55,6f und 57,4 die Trias „Glaube-Erkenntnis-Liebe“ (vgl. auch strom. IV,53,1; ecl. 19,1), wie sie auch in der „Tugendkette“ 2 Petr 1,5–7 begegnet. Bereits Paulus stellt Erkenntnis und Liebe einander gegenüber (vgl. 1 Kor 8,1) und ordnet die Liebe dem Glauben und der Erkenntnis über (vgl. 1 Kor 13,2.13). Prägnat bezeichnet Ignatius Glaube und Liebe als Anfang und Ende des (christlichen) Lebens (vgl. IgnEph 14,1). 117 Sprichwörtlich ausgedrückt in strom. VII,82,7: ἕπεται γὰρ τὰ ἔργα [sc. die guten Taten; Anm. Grünstäudl] τῇ γνώσει ὡς τῷ σώματι ἡ σκιά. Insgesamt vgl. dazu Völker, Gnostiker, 446–479.
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Kapitel 4: Petrus Alexandrinus
durch Exegese 118, wobei die bleibende Bedeutung der Schriften Israels mit dem Zeugnis der Apostel harmoniert und so als κανὼν ἐκκλησιαστικός 119 zur Grundachse „biblischer“ Hermeneutik wird (vgl. 2 Petr 1,16–21 120). Eng verbunden mit seinem Konzept von γνῶσις ist bei Clemens der Gedanke einer geheimen Überlieferung (παράδοσις), die mündlich von den Aposteln empfangen und weitergegeben wurde und zu der der „wahre Gnostiker“ Zugang erhält: ἡ γνῶσις δὲ αὕτη [ἡ] κατὰ διαδοχὰς εἰς ὀλίγους ἐκ τῶν ἀποστόλων ἀγράφως παραδοθεῖσα κατελήλυθεν. (Clemens Alexandrinus, strom. VI,61,3) Diese Erkenntnis ist aber seit der Zeit der Apostel in ununterbrochener Folge von einem zum anderen mündlich ohne Verwendung schriftlicher Aufzeichnung an wenige weitergegeben worden und so bis zu unserer Zeit herabgekommen.
Nach einem bei Eusebius überlieferten Fragment aus dem siebten Buch der Hypotyposen wurde dieser Überlieferungsprozess mit der Übergabe der γνῶσις durch Christus an Jakobus, Johannes und Petrus in Gang gesetzt 121. Ἰακώβῳ τῷ δικαίῳ καὶ Ἰωάννῃ καὶ Πέτρῳ μετὰ τὴν ἀνάστασιν παρέδωκεν τὴν γνῶσιν ὁ κύριος, οὗτοι τοῖς λοιποῖς ἀποστόλοις παρέδωκαν, οἱ δὲ λοιποὶ ἀπόστολοι τοῖς ἑβδομήκοντα, ὧν εἷς ἦν καὶ Βαρνάβας. (Clemens Alexandrinus, hyp. frg. 13 = Eusebius, h.e. II,1,4) Nach der Auferstehung übergab der Herr die Gnosis an Jakobus den Gerechten, Johannes und Petrus. Diese übergaben sie den übrigen Aposteln, die übrigen Apostel (übergaben sie) den Siebzig, unter denen auch Barnabas war 122.
118 Völker, Gnostiker, 384 formuliert sogar: „Gnosis ist Schriftauslegung“ [im Original gesperrt gesetzt; Anm. Grünstäudl]. Damit ist aber auch nach Völker nur ein (wesentlicher) Aspekt der Gnosis benannt. Besonders deutlich in diesem Sinne strom. VI,61,2: καὶ δὴ καὶ εἰ ἔστι τέλος τοῦ σοφοῦ ἡ θεωρία, ὀρέγεται μὲν ὁ [μὲν] ἔτι φιλοσοφῶν τῆς θείας ἐπιστήμης, οὐδέπω δὲ τυγχάνει ἢν μὴ μαθήσει παραλάβῃ σαφηνισθεῖσαν αὐτῷ τὴν προφητικὴν φωνήν, δι’ ἧς τά τ’ ἐόντα τά τ’ ἐσόμενα πρό τ’ ἐόντα, ὅπως ἔχει τε καὶ ἔσχεν καὶ ἕξει, παραλαμβάνει. 119 Definitorischen Charakter hat strom. VI,125,3: κανὼν δὲ ἐκκλησιαστικὸς ἡ συνῳδία καὶ ἡ συμφωνία νόμου τε καὶ προφητῶν τῇ κατὰ τὴν τοῦ κυρίου παρουσίαν παραδιδομένῃ διαθήκῃ. Vgl. auch strom. VII,94; 97,4; 100,5; 105,5. 120 Die Fähigkeit zur christologischen Interpretation des Alten Testaments ist für Clemens kennzeichnend für den Gnostiker: „Derjenige fürwahr, der das Gesetz versteht und fähig ist, seine Bedeutung zu durchschauen, der ist der Gnostiker“ (strom. IV,135,1; vgl. I,45,1f; II,7,3; VI,68,3). 121 Vgl. Daniélou, J., La tradition selon Clément d’Alexandrie, in: Aug 12 (1972), 5– 18. 122 Übersetzung Grünstäudl. Vgl. hierzu strom. VI,68,2, wo Paulus ergänzt wird: „So wagen wir es denn, zu behaupten (es handelt sich nämlich hier um den gnostischen Glauben), daß aller Dinge kundig und im Besitz eines nicht wankenden Verständnisses auch für die uns unverständlichen Dinge alles zu erfassen fähig sei der wahre Gnostiker von der Art, wie es Jakobus, Petrus, Johannes, Paulus und die übrigen Apostel waren.“
4.2 Clemens von Alexandrien
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Ein weiteres Hypotyposenfragment (hyp. frg. 10 = Eusebius, h.e. II,1,3) überliefert, Jakobus der Zebedaide, sein Bruder Johannes und Petrus hätten „nach der Himmelfahrt des Herrn“ nicht um Geltung gestritten, sondern Jakobus den Gerechten zum Bischof von Jerusalem gewählt. Jakobus (wieder der Zebedaide), Johannes und Petrus werden auch noch in exc. 4,3 als Zeugen der Verklärung erwähnt, die erst „entschliefen“ (ἐκοιμήθησαν; vgl. 2 Petr 3,4), nachdem sie die δόξα des Menschensohns gesehen hatten (vgl. Mt 16,28parr). Zu Beginn der strom. (vgl. strom I,11,3), einem Ort, an dem Clemens in besonderer Weise auf die παράδοσις sowie die Art ihrer Übermittlung reflektiert 123, erscheint die Gruppe Jakobus, Johannes und Petrus um Paulus erweitert 124, wobei die Nennung der Ursprungsapostel in Kontrast zu jener Anonymität steht, in die Clemens seine direkten Lehrer hüllt 125. Doch nicht nur die Apostel erscheinen als Gnostiker par excellence, auch umgekehrt kann der wahre Gnostiker noch stets in die Zahl der Apostel „eingeschrieben“ werden (d.h. „zum Matthias werden“) 126, wie Clemens in einer erstaunlichen Formulierung zu Apg 1,23.26 feststellt: ἔξεστιν οὖν καὶ νῦν ταῖς κυριακαῖς ἐνασκήσαντας ἐντολαῖς, κατὰ τὸ εὐαγγέλιον τελείως βιώσαντας καὶ γνωστικῶς, εἰς τὴν ἐκλογὴν τῶν ἀποστόλων ἐγγραφῆναι. (Clemens Alexandrinus, strom. VI,106,1; vgl. strom. VII,77,4; hyp. frg. 22 = Eusebius, h.e. VI,14,2–4)
123 Vgl. Osborn, E., Teaching and Writing in the First Chapter of the Stromateis of Clement of Alexandria, in: JTS 10 (1959), 335–343. 124 Vgl. auch strom. VI,68,2, wo vom wahren Gnostiker ausgesagt wird, dass er wie jene vier und die übrigen Apostel zur vollkommenen Erkenntnis aller Dinge gelangt. An beiden Stellen ist nicht klar, an welchen Jakobus Clemens denkt. Hyp. frg. 13 zeigt nicht nur, dass er die Unterscheidung der beiden Jakobusse kennt, sondern könnte auch nahelegen, dass jeweils an Jakobus den Gerechten gedacht ist. 125 Durch diese Rückbindung an die Apostel, so Le Boulluec, „Schule“, 600, richtig, „kann Clemens mit den heterodoxen Gnostikern rivalisieren, die sich auf Unterweisungen beriefen, die sie von … dem einen oder anderen Apostel bzw. Jünger erhalten hätten, ohne dass er dabei die Harmonie der Schriften preisgeben müsste, da der Inhalt der Überlieferung primär eine Lektüreregel ist, die diese Übereinstimmung wahrt und veranschaulicht.“ Einen Schritt weiter geht Buell, D. K., Producing Descent/Dissent. Clement of Alexandria’s Use of Filial Metaphors as Intra-Christian Polemic, in: HTR 90 (1997), 89– 104, hier: 96, indem sie einen anachronistischen Orthodoxie-Begriff überwindet und aufzeigt, wie Clemens die apostolische Legitimation der von ihm gelehrten Gnosis konstruiert: „Clement masks the particularity of his own Christian perspective both by surpressing the names of his teachers and by asserting slightly later in this context that his Stromateis faithfully preserve in the form of mere ‚notes‘ the tradition that he has received …“. 126 Vgl. Campenhausen, Amt, 229.
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Es ist also jetzt noch möglich, in die Auswahl der Apostel aufgenommen zu werden, wenn man sich in den Geboten des Herrn übt und vollkommen und gnostisch nach dem Evangelium lebt.
Es ist offensichtlich, dass 2 Petr in ganz ähnlicher Weise die γνῶσις Ἰησοῦ Χριστοῦ (vgl. 2 Petr 3,18) als apostolische Überlieferung begreift (vgl. 2 Petr 2,20f; 3,1f), eng mit „richtiger“ Schriftauslegung verknüpft (z.B. 2 Petr 1,19–21; 3,16) und mit den Verklärungszeugen 127 verbindet. Das Konzept dieser apostolischen Didaktik, das 2 Petr und Clemens teilen, erklärt auch zwei weitere Eigentümlichkeiten, die beiden Texten gemein sind, nämlich die Zurückhaltung im Rekurs auf das apostolisch legitimierte Amt sowie die geringe Präsenz kreuzestheologisch akzentuierter Soteriologie. Für einen Autor des ausgehenden zweiten Jahrhunderts, der möglicherweise selbst Presbyter war (vgl. paed. I,37,3 128), widmet Clemens nämlich dem kirchlichen Amt erstaunlich geringe Aufmerksamkeit 129. Das wird zum einen dadurch erklärbar, dass erst mit Demetrius (ca. ab 180 n.Chr.) der monarchische Episkopat in Alexandrien einflussreich wird und dem freien Lehrertum Autorität und Geltung streitig macht. Zum anderen verdankt sich diese Distanz zum Amt aber unmittelbar der ganz pädagogisch orientierten Theologie 130 des Clemens: „Er bedarf überhaupt keiner außerordentlichen Autorität, weil er der Wahrheit unmittelbar vertraut. Sie bezeugt sich in der Person des Geistmenschen von selbst.“ 131
Dieses fundamentale Vertrauen auf die Kraft der Wahrheit begegnet – im Kleid fiktiver apostolischer Autorität – auch in 2 Petr, der sich in diesem Punkt grundlegend von den ihm sonst nicht unähnlichen Past unterschei-
127 Wie bei der Besprechung der ApkPetr bereits betont wurde, nennt 2 Petr keine bestimmte Gruppe, sodass man sowohl synoptisch an die beiden Zebedaiden, als auch mit der ApkPetr an die elf Jünger als Begleiter des Petrus denken kann. 128 Dazu Wyrwa, D., Religiöses Lernen im zweiten Jahrhundert und die Anfänge der alexandrinischen Katechetenschule, in: Ego, B./Merkel, H. (Hg.), Religiöses Lernen in der biblischen, frühjüdischen und frühchristlichen Überlieferung (WUNT 180), Tübingen: Mohr Siebeck 2005, 271–305, hier: 298: „Die einzige Stelle, die definitiv Auskunft geben könnte … ist korrupt überliefert und wird nach der einen oder nach der anderen Richtung emendiert.“ Dietmar Wyrwa votiert unter Verweis auf Eusebius h.e. VI,11,6 für eine Priesterweihe in Jerusalem, also nach der Phase der Wirksamkeit in Alexandrien. 129 Vgl. Campenhausen, Amt, 230 Anm. 2 mit Verweis auf strom. VI,106,2; 107,2f. 130 Es ist interessant, dass bereits Ernst Käsemann ganz Ähnliches zu 2 Petr notierte – freilich polemisch zugespitzt: „Sie [sc. die apokalyptische Eschatologie, Anm. Grünstäudl] tritt in den Dienst der kirchlichen Erziehungsaufgabe, wie denn nach 1,5ff. die Taufe der Anfang der Paideia zur Tugend ist“ (Käsemann, Apologie, 149). 131 Von Campenhausen, Amt, 229.
4.2 Clemens von Alexandrien
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det 132. Petrus bestellt angesichts seines nahen Todes (vgl. 2 Petr 1,14) gerade keinen Nachfolger 133, sondern erinnert an die schon vorhandene Wahrheit (vgl. 2 Petr 1,12) und ermahnt zur korrekten Exegese normativer Texte (vgl. 2 Petr 1,19–21; 3,1f.14–16), zu denen er selbst noch einen Beitrag leistet, der als Erinnerungshilfe dienen soll (vgl. 2 Petr 1,15 134). Die Gegner – in der Darstellung des 2 Petr Irrlehren einschleppende ψευδοδιδάσκαλοι (2 Petr 2,1) – vergessen hingegen die Wahrheit (vgl. 2 Petr 3,5), vermögen es aufgrund ihrer mangelnden Ausbildung (2 Petr 3,16: οἱ ἀμαθεῖς καὶ ἀστήρικτοι) nicht, die Schriften korrekt zu interpretieren und kennen nicht einmal das, was sie verlästern (vgl. 2 Petr 2,12). Insofern Sittlichkeit und intellektuelle Kompetenz dem antiken Denken untrennbar verbunden waren 135, liegt auch die scheinbar außer Rand und Band geratene Polemik von 2 Petr 2 ganz auf dieser Linie. Wie das Amt, so tritt in Clemens’ Theologie auch das „Wort vom Kreuz“, das für ihn selbstverständlich gültig ist, dadurch in den Hintergrund, dass gläubige Existenz primär als Lernprozess, Theologie als Erziehungsaufgabe und Christus selbst als göttlicher Pädagoge gesehen wird: „Indeed, why should an educator suffer“ 136? Im klaren Unterschied zu 1 Petr (vgl. nur 1 Petr 1,18f) klingt auch in 2 Petr bis auf das ἀγοράζω in 2 Petr 2,1 keine am Kreuz orientierte Soteriologie an 137 – der Schwerpunkt der Debatte liegt, wie bereits gezeigt, woanders, nämlich auf einem traditionsgebundenen Lernprozess. Mit dem Lehrkonzept des Clemens, das die überlieferte, apostolische Gnosis an die Würdigen weitergeben will, um diese zur Schau Gottes zu 132 Die motivischen Ähnlichkeiten von Past und 2 Petr sind aufgelistet bei Farkasfalvy, Ecclesial Setting, 11, und werden auch bei Ruf, Die heiligen Propheten, 584f, betont. Die Differenz in der Gewichtung der Ämterfrage ist hingegen durchaus kein „kleiner Unterschied“ (Ruf, Die heiligen Propheten, 87) zwischen 2 Petr und Past. Vgl. auch Wehr, Petrus und Paulus, 346f. 133 Richtig Farkasfalvy, Ecclesial Setting, 14 Anm. 21: „In fact, Second Peter lays little or no emphasis on apostolic succession and episcopal authority, a feature he fails to recognize.“ Ganz anders sammelt Petrus in den Pseudo-Clementinen zwölf Mitarbeiter um sich, unter denen wiederum Clemens als ständiger Begleiter und autorisierter Übermittler von Petrus’ Verkündigung herausragt, vgl. Kelly, Knowledge, 147–178. 134 Als Hilfe zur Erinnerung beschreibt Clemens die strom. in strom. I,11,1. 135 Vgl. z.B. Johnson, L. T., The New Testament’s Anti-Jewish Slander and the Conventions of Ancient Polemic, in: JBL 108 (1989), 419–441, und Tilly, M., Formen und Funktionen der Polemik in Josephus’ ,Contra Apionem‘, in: Wischmeyer, O./ Scornaienchi, L. (Hg.), Polemik in der frühchristlichen Literatur. Texte und Kontexte (BZNW 170), Berlin/New York: De Gruyter 2011, 77–101. 136 Wytzes, J., Paideia and Pronoia in the Works of Clemens Alexandrinus, in: VigChr 9 (1955), 148–158, hier: 157. Vgl. dazu Campenhausen, Amt, 230. 137 Zum polemischen Vorwurf formte dies Käsemann, Apologie, 147: „Das Kreuz ist aus der Botschaft verschwunden, die gloria Christi dominiert.“
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Kapitel 4: Petrus Alexandrinus
führen, ist somit ein theologischer Kontext gefunden, in den sich 2 Petr in vielerlei Hinsicht gut einfügen würde. Überdies bildet die Vorstellung der Apostolizität des Gnostikers zusammen mit der grundsätzlichen Berechtigung der pia fraus innerhalb des didaktischen Wirkens des Gnostikers ein Umfeld, das der Hervorbringung eines apostolischen Pseudepigraphons nicht gerade hinderlich ist. Nicht zu übersehen ist aber zumindest ein grundlegender theologischer Unterschied zwischen 2 Petr und Clemens: Die Betonung apokalyptischer Eschatologie bei Ersterem, die bei dem platonisch geprägten Alexandriner nicht zu finden ist. Doch auch bezüglich dieser Thematik verbergen sich in der komplexen Textwelt des Clemens Differenzen, wie am Detail der Verwendung des Begriffs παρουσία (vgl. 2 Petr 1,16; 3,4) bei Clemens illustriert werden kann. Wie Aldo Danieli gezeigt hat 138, gebraucht Clemens παρουσία zwar häufig und in einer Vielfalt von Bedeutungen, jedoch auffälligerweise so gut wie nie im Sinne der Ankunft Christi zum Gericht 139. Vielmehr meint παρουσία in Bezug auf Christus durchgängig die irdische Existenz Christi, wobei aber zwei wichtige Ausnahmen (ecl. 56,1; adumbr. in 1 Joh 2,28) zu verzeichnen sind (vgl. 4.2.3). Diese finden sich in Texten, die eher einer frühen Phase im Werk des Clemens zuzurechnen sind, vor allem aber eine starke traditionelle Prägung aufweisen – ein Umstand, der im Folgenden nicht ohne Bedeutung sein wird (vgl. 4.2.5.1 und 4.2.5.4). 4.2.5 Bauelemente Im letzten Abschnitt konnte verdeutlicht werden, welche fundamentalen Entsprechungen zwischen der theologischen Konzeption des 2 Petr und derjenigen des Clemens Alexandrinus bestehen. Für eine Einordnung des 2 Petr in das Umfeld des Clemens ist diese Beobachtung zwar ein sehr wichtiges, aber nicht ausreichendes Argument. Dies gilt vor allem deshalb, weil 2 Petr ein komplexes Kunstwerk ist, das zu seiner Entstehung nicht nur einer charakteristischen theologischen Haltung, sondern auch der Präsenz ganz bestimmter (Text-)Traditionen bedarf. Vier besonders markante und für 2 Petr konstitutive Elemente werden deshalb hier auf die Art und Weise ihres Vorkommens im Werk des Clemens Alexandrinus hin unter138 Vgl. Danieli, A., La cristologia di Paolo in Clemente Alessandrino, in: Studia Patavina 17 (1970), 234–280, hier: 243–245. Zur forschungsgeschichtlichen Einordnung dieser Studie in die Diskussion um die Schriftverwendung und Paulusrezeption des Clemens vgl. Schneider, U., Theologie als christliche Philosophie. Zur Bedeutung der biblischen Botschaft im Denken des Clemens von Alexandria (AKG 73), Berlin/New York: De Gruyter 1999, 13f. 139 So referiert Clemens zwar viermal 1 Thess 5,23 (vgl. paed. II,20,1; strom. III,68,5; IV,163,2; V,61,3), nimmt dabei aber nie auf die zweite, die παρουσία erwähnende Vershälfte Bezug, vgl. Danieli, Cristologia, 244 mit Anm. 29.
4.2 Clemens von Alexandrien
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sucht: Die Verklärungstradition (vgl. 2 Petr 1,16–18), 1 Petr (vgl. 2 Petr 3,1) sowie die beiden besonders wichtigen Prätexte Jud und ApkPetr 140. 4.2.5.1 Exegese der Verklärungsepisode Clemens legt die synoptische Verklärungsepisode an zwei Stellen in je sehr unterschiedlicher Art und Weise aus. In strom. VI,140,3 tut er dies unter Rückgriff auf einen gematrischen Deutungsansatz, der zum Teil stark einer Interpretation der Verklärung ähnelt, die Irenäus von Lyon (adv. haer. I,14,6) Markos dem Magier zuschreibt 141. In exc. 4f („auslegungstechnisch gesehen der auffälligste frühchristliche Text zur Verklärungsgeschichte“ 142) hingegen ist das Interesse erkenntnistheoretischer Natur. Durch die Verklärung, so die Interpretation, wollte der Herr die Kirche, „das auserwählte Geschlecht“ (1 Petr 2,9), über seine προκοπή nach seinem Tod (μετὰ τὴν ἐκ τῆς σαρκὸς ἔξοδον) belehren (vgl. exc. 4,1). Dabei wird die Identität zwischen himmlischer und irdischer Gestalt des Erlösers (vgl. exc. 4,2) betont und im Detail erörtert, wie es den Jüngern möglich war, die Erscheinung des Verklärten auf dem Berg wahrzunehmen (vgl. exc. 5,1–5). Welche Textgestalt im konkreten Fall ausgelegt wird, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Der Hinweis auf den ἔξοδος Jesu (exc. 4,1; vgl. Lk 9,31) klingt wie das zweimalige ἐν δόξῃ (exc. 4,1.3; vgl. Lk 9,31f; 2 Petr 1,17) lukanisch, während nur die matthäische Version von der Herrlichkeit des Menschensohns (exc. 4,3; vgl. Mt 16,28) spricht. Eine direkte Verbindung zu 2 Petr besteht nicht, allerdings fällt die Verknüpfung von Verklärung (mit Betonung der δόξα Jesu), Parusieverheißung und Tod der Väter/Verklärungszeugen auf (ἐκοιμήθησαν: exc. 4,3; 2 Petr 3,4). Von besonderem Interesse ist die Entdeckung von Clemens Scholten, dass der Abschnitt exc. 4f „ein Stück eines Quaestioneskommentars ist“ 143, wobei „Clemens … ein Stück eines ihm bereits vorliegenden Textes abgeschrieben haben [dürfte]“ 144. Dieser Hinweis impliziert zweierlei: Zum 140 Natürlich lassen sich noch andere für 2 Petr wichtige Texte und Traditionen in Clemens wiederfinden. So gewann etwa Chase aus einer Betonung der Nähe des 2 Petr zu Traditionen des hellenistischen Judentums (insbesondere Philo; vgl. Chase, Second Epistle of Peter, 816, sowie jetzt Ruf, Die heiligen Propheten, 568; zur Philo-Rezeption bei Clemens vgl. besonders Van den Hoek, Use of Philo, passim) ein Argument dafür, „that the writer of 2 P was influenced in some of his conceptions and in his phraseology by the Christian school of Alexandria as it existed before Clement’s time“ (Chase, Second Epistle of Peter, 817). 141 Vgl. Scholten, C., Ein unerkannter Quaestioneskommentar (Exc. Theod. 4f) und die Deutung der Verklärung Christi in frühchristlichen Texten, in: VigChr 57 (2003), 389–410, hier: 400–404. 142 Scholten, Quaestioneskommentar, 392. 143 Scholten, Quaestioneskommentar, 398. 144 Scholten, Quaestioneskommentar, 399.
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Kapitel 4: Petrus Alexandrinus
einen ergibt sich ein wichtiger Impuls für die schwierige Aufgabe der Trennung von clementinischem und valentinianischem Material im ersten Abschnitt der exc. (exc. 1–28), da nun auch für die „clementinischen“ Abschnitte (nach Sagnard: exc. 1,3; 4f; 7,3c–4; 8–15; 17,2–20; 23,4; 24,2; 27 145) zu fragen wäre, ob sie nicht (zum Teil) einer Quelle des Clemens entnommen sind – dies umso mehr, als François Sagnard auf die verschiedenen terminologischen und inhaltlichen Verknüpfungen zwischen exc. 4f und den übrigen „clementinischen“ Abschnitten hingewiesen hat 146. Zum anderen ist zu beachten, dass diese Parallele zu einem Bauelement des 2 Petr nicht dem Clemens selbst, sondern einer seiner Quellen zuzurechnen ist. 4.2.5.2 Der Erste Petrusbrief Ganz selbstverständlich bezeichnet Clemens 1 Petr als „(den) Brief des Petrus“ (strom. III,110,1; IV,129,2) 147, zieht ihn, etwa bei der Entfaltung des Motivs von Christi Predigt im Hades (vgl. 1 Petr 3,19f; strom. VI,45,4) zur theologischen Argumentation heran 148 und kommentiert ihn in den adumbr., wobei Clemens schon auf eine Auslegungsgeschichte zu 1 Petr zurückblickt 149. Auch wenn die Auslegung des 1 Petr in den adumbr., wie bereits oben erwähnt, keinen Hinweis auf eine Kenntnis des 2 Petr enthält 150, gewährt sie einen faszinierenden Einblick in die Rezeption des 145 Vgl. Sagnard, F., Introduction, in: Clément d’Alexandrie, Extraits de Théodote. Texte grec, introduction, traduction et notes de François Sagnard (SC 23), Paris: Cerf 1970, 5–51, hier: 8–21 und Clément, Extraits, 52–119. 146 Vgl. Sagnard, Extraits–Introduction, 9f. Im Hinblick auf Scholtens These vom Quaestioneskommentar wäre etwa die Funktion der Fragen in exc. 11,2 und exc. 14,3 einer Überprüfung wert. 147 Dies kann man als weiteres Indiz dafür werten, dass er keinen zweiten Petrusbrief (aner-)kannte. Ein Beweis dafür ist dies allerdings nicht, wie bereits oben (vgl. 3.3) zur analogen Formulierung des Irenäus festgehalten wurde. 148 Nur aufgrund des Gebrauchs von ἀγοράζω die Wendung ἀγοράζει δὲ ἡμᾶς κύριος τιμίῳ αἵματι (ecl. 20,1) auf eine Verschmelzung von 1 Petr 1,19 (τιµίῳ αἵµατι ὡς ἀµνοῦ ἀµώµου καὶ ἀσπίλου Χριστοῦ) mit 2 Petr 2,1 (τὸν ἀγοράσαντα αὐτοὺς δεσπότην ἀρνούµενοι) zurückzuführen (vgl. Bigg, Epistles, 202. 272, Mayor, Second Epistle of St. Peter, cxix), ist nicht angeraten. Vielmehr ist die Loskaufmotivik (mit λυτρόω statt ἀγοράζω formuliert) aus dem auch exc. 12,3 (vgl. adumbr. in 1 Petr 1,18, sowie exc. 1,3; 4,1 zu 1 Petr 2,9) zitierten 1 Petr 1,18 mit zu bedenken, wie Nardi, Battesimo, 165, richtig erläutert: „L’abbinamento dei due motivi (riscatto e sangue) si basa su 1Ptr 1, 18 s., testo a cui Clemente fa direttamente allusione ricordando il ‚sangue prezioso‘ (1Ptr 1, 19).“ 149 Das zeigen Bemerkungen wie „sicut plurimi suspicantur“ (adumbr. in 1 Petr 1,11) und „ut quidam putant“ (adumbr. in 1 Petr 1,23). 150 Es finden sich aber Verweise auf andere später neutestamentliche Schriften wie 1 Kor und Hebr (vgl. adumbr. in 1 Petr 4,10) und auf die Mk-Petrus-Tradition (vgl. adumbr. in 1 Petr 5,13).
4.2 Clemens von Alexandrien
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1 Petr innerhalb einer theologischen Traditionslinie, die 2 Petr nahezustehen scheint. Ein erstes Merkmal der 1 Petr-Auslegung in den adumbr. in 1 Petr ist neben ihrem Interesse an der Angelologie 151, ein gewisser pädagogischer Grundzug, was bei Clemens Alexandrinus nicht zu überraschen braucht. Nicht nur Petrus „lehrt“ durch seinen Brief (vgl. adumbr. in 1 Petr 4,5), auch die μακροθυμία/longaminitas Gottes, die sich nach 1 Petr 3,20 in den Tagen des Noah zeigte, verweist für Clemens ganz grundsätzlich auf die Zeit, die Gott für einen heilsrelevanten Lernprozess zur Verfügung stellt (vgl. 2 Petr 3,14f): Cum sustineret, inquit, dei longaminitas. Ita est bonus deus, ut etiam per eruditionem salutis operetur effectum. (adumbr. in 1 Petr 3,20) „Als zuwartete“, sagt er, „die Geduld Gottes“ (1 Petr 3,20). So gut ist Gott, dass er durch Erziehung die Vollendung des Heils bewirkt.
Diese pädagogische Ausrichtung 152 konvergiert mit einer starken Orientierung am Einzelnen. So wird die hymnische Auferstehungsaussage in 1 Petr 3,18 („dem Fleisch nach getötet, dem Geist nach aber lebendig gemacht“) ebenso individualisierend gelesen (adumbr. in 1 Petr 3,18: in nostris vivificatus est spiritibus) wie der Verweis auf die „Auferstehung Christi“ in 1 Petr 3,21 (adumbr. in 1 Petr 3,21: scilicet quae [sc. die Auferstehung Jesu Christi; Anm. Grünstäudl] per fidem in nobis effecta est). Bemerkenswert ist auch die Auslegung, die 1 Petr 1,19 erfährt: „Sanguine“, inquit, „pretioso sicut agni incontaminati et inmaculati.“ Hic tangit leviticas et sacerdotales antiquas celebrationes: significat autem animam mundam per iustitiam, quae offertur deo (adumbr. in 1 Petr 1,19). „[Mit] dem kostbaren Blut“, sagt er, „wie [dem] eines untadeligen und unbefleckten Lammes“ (1 Petr 1,19). Das berührt die alten levitischen und priesterlichen Feierlichkeiten, es bezeichnet aber die/eine durch Gerechtigkeit/Rechtschaffenheit reine Seele, die Gott zugeführt wird.
Da mit der anima munda per iustitiam nicht die Seele Christi gemeint ist 153, wird das fehlerlose Opferlamm hier als Sinnbild der reinen, zu Gott 151
te.
Vgl. adumbr. in 1 Petr 1,3.11.12; 3,22 sowie das bereits zu adumbr. in Iud. Gesag-
152 Diese Auslegungstendenz prägt die adumbr. insgesamt und zeigt sich vielleicht am eindrücklichsten in adumbr. in 1 Ioh. 1,7, wo Clemens die Aussage „und das Blut seines Sohnes reinigt uns“ (1 Joh 1,7) so auslegt: „…doctrina quippe domini, quae valde fortis est, sanguis eius appellata est“ [Hervorhebung Grünstäudl]. Deutlicher kann man Soteriologie nicht in Didaktik transformieren! 153 Die Gründe dafür sind: 1) Die Formulierung „anima munda per iustitiam, quae offertur deo“ besitzt eine enge Parallele in adumbr. in 1 Petr 2,9 („animae, quae offeruntur deo“) – dort sind aber sicherlich einzelne Gläubige bzw. zum Glauben Kommende gemeint. 2) Diese beiden parallelen Wendungen besitzen wohl ihre Basis in
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Kapitel 4: Petrus Alexandrinus
strebenden Seele aufgefasst. Der von 1 Petr vorgebrachte bildliche Vergleich (ὡς) zwischen Christus und dem Opferlamm wird also vom Kommentar konsequent als solcher wahrgenommen 154 und hinsichtlich eines Elements der zweiten Vergleichshälfte erläutert. Für die Exegese des 2 Petr ist diese Interpretation deshalb interessant, weil die Attribute des Opferlamms aus 1 Petr 1,19 (ἄμωμος καὶ ἄσπιλος) in 2 Petr gleich zweimal begegnen. Zum einen werden die Adressaten im paränetischen Schlussabschnitt ermahnt, sich darum zu mühen, bei der Ankunft des Kyrios zum Gericht ἄσπιλοι καὶ ἀμώμητοι (2 Petr 3,14) 155 gefunden zu werden (vgl. 1 Clem 50,2; Herm sim. V,6,7; IgnTrall 13,3). Zum anderen werden den Gegnern in strenger Antithese genau diese Eigenschaften abgesprochen, wenn sie als σπίλοι καὶ μῶμοι (2 Petr 2,13) bezeichnet werden. Möchte man in 2 Petr 2,13 (vgl. Jud 12); 3,14 (vgl. Jud 24) einen bewussten Anklang an 1 Petr 1,19 erkennen 156 – was möglich, aber angesichts der Verbreitung ähnlicher Begriffspaare in der frühchristlichen Literatur (vgl. nur Eph 1,4; 5,27; Kol 1,22; 1 Tim 6,14; 1 Clem 1,3; 45,7; Herm vis. IV,2,5; 3,5) kaum wahrscheinlich zu machen ist 157 –, so muss man dazu annehmen, dass 2 Petr die in 1 Petr 1,19 genannten Attribute des Opferlamms auf den einzelnen Christen überträgt und damit eine analoge Transformationsleistung wie adumbr. in 1 Petr 1,19 vollbringt. Insgesamt lässt sich damit bei Clemens eine Wertschätzung von 1 Petr erkennen, die mit einer kreativen und mit 2 Petr in gewissem Sinne kompatiblen Interpretation dieses Textes einhergeht. 1 Petr 3,18, wo Clemens als Text „ut nos offerret deo“ hat. Christus ist also derjenige, der Seelen zu Gott führt, wobei adumbr. in 1 Petr 2,9 die Priesterlichkeit der Christen darin erkennt, an diesem Heilshandeln durch Gebete und Lehren (orationes et doctrinae) mitzuwirken. 3) Das Präsens „offertur“ ist für eine Deutung auf das Erlösungshandeln Christi nicht gerade günstig. 4) Bereits adumbr. in 1 Petr 1,10 spricht von einer Vervollkommung (dort: dem Unvergänglichwerden) der Einzelseele „per fidem et iustitiam et intellectum“. 5) Allgemein besitzten die adumbr. in 1 Petr großes Interesse an der Seele (vgl. adumbr. in 1 Petr 1,3.9.23), wobei vor allem die Ablehung der Seelenwanderung (vgl. adumbr. in 1 Petr 1,3) und die (Un-)Vergänglichkeit der Seele (vgl. adumbr. in 1 Petr 1,9.23) zentrale Themen sind. 6) Neben adumbr. in 1 Petr 1,19 begegnet „anima“ noch weitere zwölfmal in den adumbr., wobei nur dreimal die Seele Christi gemeint ist; nämlich in Lemma (1x) und Kommentar (2x) zu 1 Joh 3,16. Dabei steht immer präzisierend „anima sua“. 154 Die sogenannte Einheitsübersetzung formt hingegen eine christologische Metapher: „… mit dem kostbaren Blut Christi, des Lammes ohne Fehl und Makel“ [Hervorhebung Grünstäudl]. 155 Man beachte die Verwendung des bedeutungsgleichen ἀμώμητος (vgl. dazu Bauckham, Jude, 2 Peter, 327, Kraus, Sprache, 321) statt ἄμωμος. 156 So Kelly, Epistles, 369. 157 Für Bauckham, Jude, 2 Peter, 327, „the author of 2 Peter here draws on standard terminology from liturgical or paraenetic tradition ...“, vgl. ebd., 326, dazu weitere Belege.
4.2 Clemens von Alexandrien
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4.2.5.3 Der Judasbrief Ein zentraler Text, der von 2 Petr vorausgesetzt wird und deshalb im Umkreis dessen Entstehung als vorhanden gedacht werden muss, ist Jud. Im Einleitungsteil dieser Arbeit habe ich gezeigt, dass es wahrscheinlicher ist, anzunehmen, 2 Petr sei in einem Kontext entstanden, in dem Jud bekannt und geschätzt wurde, als zu vermuten, allein der Verfasser des 2 Petr habe Jud gekannt und diesen in der Hoffnung eingesetzt, seine Entlehnung bliebe unbemerkt. Auf diesem Hintergrund fällt die Wertschätzung ins Auge, die Clemens Jud entgegenbringt und die innerhalb des zweiten Jahrhunderts ihresgleichen sucht. Während die knappe Notiz des Muratorischen Fragments und die berühmte Referenz des Tertullian (cult. fem. I,3) zwar eine selbstverständliche Geltung des Jud bezeugen, aber doch punktuelle Stellungnahmen bleiben, zeigt sich die positive Haltung des Clemens zu Jud auf mehreren Ebenen. (1) Zuerst ist natürlich die Kommentierung des Jud in den hyp. zu nennen, die bereits Eusebius (vgl. h.e. VI,14,1) einer besonderen Erwähnung wert fand. Erhalten ist uns davon, wie bereits oben erwähnt, nur eine auf Cassiodor zurückgehende lateinische Übersetzung (adumbr. in Iud.). In dieser trägt Jud die Bezeichnung „epistola catholica“ 158, die Clemens sonst nur für den Apostelbrief in Apg 15,23–29 verwendet (vgl. strom. IV,97,3). Als Verfasser erscheint der Herrenbruder (vgl. adumbr. in Iud. 1), dessen Bezeichnung als Apostel, die manche Handschriften in der subscriptio bieten, sekundär sein dürfte und entsprechend in der Ausgabe von Stählin in den Apparat verwiesen wird 159. Zum Disput zwischen Michael und dem Teufel in Jud 9 bemerkt der Kommentar lapidar: „Hic confirmat assumptionem Moysi“ (adumbr. in Iud. 9). Ein Bedürfnis, diese Bezugnahme auf eine später apokryphe Schrift zu rechtfertigen, ist weder seitens des Kommentators noch seitens des Übersetzers spürbar 160. Interessant ist die angelologische Konzeption, die sich in der näheren Bestimmung des Michael ausdrückt: „Michaël autem hic dicitur, qui per propinquum nobis angelum altercabatur cum diabolo“ (adumbr. in Iud. 9) 161. Die in der Rede vom „propinquus nobis angelus“ nur angedeutete 158 Diese Bezeichnung findet sich nicht nur in der möglicherweise sekundären inscriptio („in epistola Iudae catholica“), sondern auch zu Beginn des Kommentartextes: „Iudas, qui catholicam scripsit epistolam …“ (adumbr. in Iud. 1). 159 Vgl. Clemens, Stählin III, 209. 160 Kontrovers wird hingegen die Stelle in der enarr. des (Ps.-?)Didymus diskutiert (vgl. Zoepfl, Enarratio, 91f). 161 Zahn, Supplementum Clementinum, 97, erläutert: „Für Cl. steht Michael so hoch, daß er diesen nicht direct, sondern durch Vermittlung eines ihm untergeordneten, uns Menschen näher stehenden Engels mit dem Teufel streiten läßt.“ Für die Exegese von
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Kapitel 4: Petrus Alexandrinus
himmlische Hierarchie von ersterschaffenen Engeln (πρωτόκτιστοι/primo creatae), Erzengeln und Engeln ist in adumbr. in 1 Ioh. 2,1 deutlich zu erkennen und in ihrer, die zu Engel werdenden (gerechten) Menschen miteinbeziehenden Dynamik (adumbr. in 1 Petr. 1,3: „animam … iustam, quae angelica facta est“; vgl. adumbr. in Iud. 24) in ecl. 56f voll entfaltet. Diese Stellen bezeugen eine Vorstellung, die in den Engeln Agenten der göttlichen Pronoia sieht (vgl. ecl. 48,1; 56,7), welche in der Heilsgeschichte durch „diversas operationes“ (adumbr. in Ioh. 2,1) tätig sind. Eine solche enge Verbindung von Pronoia und Angelologie konnte Klaus Berger in Fortführung des Ansatzes von Jerome Neyrey 162 auch für 2 Petr plausibel machen 163, wobei die von ihm beigebrachten Vergleichsstellen (v.a. aus Philo, prov.) diese Verknüpfung bei weitem nicht so klar aussprechen wie dies bei Clemens 164 der Fall ist 165. Die Gegner des Jud werden in den adumbr. als Libertinisten (adumbr. in Iud. 8: „qui somniant imaginatione sua, libidines et reprobas 2 Petr ist diese Erklärung von Jud 9 durch Clemens bzw. die von ihm verwendete exegetische Tradition insofern von Bedeutung, als sie eine bislang nicht erwogene Möglichkeit aufzeigt, die scheinbar unscharfe Rezeption dieses Verses in 2 Petr 2,10f zu erklären. Statt an eine Ablehung der AssMos seitens des 2 Petr oder ihrer Unkenntnis (seitens des Verfassers des 2 Petr und/oder seiner Adressaten) zu erwägen – in beiden Fällen bleibt letztlich unklar, warum 2 Petr die Sequenz nicht völlig auslässt –, könnte man auch daran denken, dass 2 Petr zwar AssMos bzw. ihre Rezeption durch Jud akzeptierte, aber in einer seiner Angelologie angemesseneren, weil allgemeineren Formulierung (vgl. adumbr. in 1 Ioh. 2,1) wiedergab. 162 Vgl. Neyrey, Form and Background, passim. 163 Vgl. Berger, Vorsehung, passim. 164 Berger, Vorsehung, 127 Anm. 15, verweist nur auf strom. I,50,6, wo Clemens Kol 2,8 folgendermaßen erläutert: „Damit will er [sc. Paulus; Anm. Grünstäudl] nicht jegliche Philosophie schlechtmachen, sondern nur die Epikureische, die Paulus auch in der Apostelgeschichte erwähnt, weil sie die Vorsehung leugnet und die Lust vergöttert, und außerdem jede andere Philosophie, die den Elementen übermäßige Ehre erwiesen hat, anstatt die schöpferische Urkraft über sie zu stellen, und kein Auge für den Schöpfer hatte.“ 165 Vgl. Berger, Vorsehung, 126–135. Richtig erkennt Berger, dass Neyrey zwar 2 Petr überzeugend mit anti-epikureischer Polemik verbindet, dabei dessen apokalyptische Eschatologie und das (trotz der gegenüber Jud 9 kryptischen Formulierung) in 2 Petr 2,10f greifbare Interesse an der Angelologie unerklärt lässt (vgl. ebd., 122). Philos prov. verbindet nun im Unterschied zu Plutarchs Schrift De sera numinis vindicata, die Neyrey vor allem herangezogen hatte, die Pronoia Gottes mit dessen Gericht über die Welt (prov. I,23; 30; 34f: 60) und stellt jene in die Nähe des Wirkens der Engel, ohne – wie Berger (vgl. ebd., 126f) selbst sieht – eine direkte Relation zu setzen (vgl. neben prov. I,57; 60; 69; II,66; 72; 98 vor allem prov. I,90). Dies tut Justin, apol. II,5,2f – explizit allerdings nur in Verknüpfung mit dem Fall der Engel (zuvor war diesen die Pronoia für Menschen und Welt anvertraut worden). Die übrigen Belegstellen wie auch die zugespitzten Schlussfolgerungen Bergers (vgl. ebd., 128–135) erscheinen mir weniger überzeugend zu sein.
4.2 Clemens von Alexandrien
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cupiditates bonum esse putantes, non illud quod vere bonum est et omni bono superius“) gezeichnet, womit die Grundlage zur polemischen Verwendung des Jud in strom. III (vgl. unten) geschaffen ist 166. (2) Dieser polemischen Verwendung des Jud liegt aber eine pädagogische voraus, die in paed. III,43–45 zu greifen ist. An dieser Stelle erläutert Clemens die integrale Bedeutung von Strafe und Furcht für das pädagogische Wirken Gottes an den Menschen. Da aber der menschenfreundliche Erzieher dennoch auf mannigfache Weise helfen wollte, gab er teils gute Lehren, teils tadelte er, teils zeigte er uns auch, wenn sich andere versündigten, ihre Schande und machte die damit verbundene Strafe offenbar, indem er zugleich an sich zu ziehen suchte und warnte und durch den Hinweis auf die, die zuvor (dafür Strafe) erlitten hatten, in menschenfreundlicher Weise von dem Laster abzuhalten suchte. (Clemens Alexandrinus, paed. III,43,2)
Als Beispiel für diese Pädagogik der „Züchtigungen und Drohungen“ (paed. III,45,1) schildert Clemens in kräftigen Farben das Schicksal der Sodomiter (paed. III,43,5–44,3). Daran schließt er ergänzend zuerst Jud 5f (paed. III,44,4) und nach der Überleitung „Und kurz darauf stellt er die Beispiele der Verurteilten in wirksamster Weise vor Augen“ Jud 11 (paed. III,45,1) an. Erstaunlicherweise wollte man darin einen Bezug zu 2 Petr sehen 167, während aufgrund der breiten Ausgestaltung des Schicksal Lots in 2 Petr 2,6–9 vielmehr zu denken geben sollte, dass Clemens hier Jud, und gerade nicht 2 Petr zur Bestätigung seiner These heranzieht. 166 Liest man adumbr. in Iud. 8 mit einem Seitenblick auf strom. III, dann könnte man durch den Kommentar zu Jud 8 auch an den Indifferenzvorwurf erinnert werden, mit dem Irenäus von Lyon seine „Ausführungen … über den Libertinismus der Karpokratianer einrahmt“ (Löhr, W. A., Karpokratianisches, in: VigChr 49 [1995], 23–48, hier: 27): „Sola enim humana opinione negotia mala et bona dicunt“ (adv. haer. I,25,4; vgl. 25,5). Vgl. auch strom. III,61,1f, wo Clemens die falsche (Paulus-)Exegese (er nennt als Beispiel die Auslegung von Röm 6,14) der „Urheber der Lehre, daß es keinen Unterschied zwischen gut und böse gebe“ (οἱ τὴν ἀδιαφορίαν εἰσάγοντες) kritisiert und auf das Gerichtswort 2 Kor 5,10 verweist (strom. III,62,1). Die Einbettung dieser Notiz (zu ἀδιάφορος/indifferens als Schlagwort anti-karpokratianischer Polemik vgl. Irenäus, adv. haer. I,25,5) in Ausführungen zur Enthaltsamkeit könnte darauf hinweisen, dass Clemens auch hier an die Karpokratianer als die Libertinisten par excellence denkt. 167 Besonders rätselhaft ist Bigg, Epistles, 202, der argumentiert, die Phrase τὸ Σοδομιτῶν πάθος κρίσις μὲν ἀδικήσασι, παιδαγωγία δὲ ἀκούσασιν in paed. III,43,5, entstamme „2 Peter, who mentions Lot, while Jude does not“ (ähnlich Mayor, Second Epistle of St. Peter, cxix). Dazu ist zu sagen: (1) Die Verwendung des Schicksals der Sodomiter als Beispiel entspricht derjenigen in Jud 7 und 2 Petr 2,6, ist aber in dieser Form weder dem einen noch dem anderen Text entnommen. Aufgrund des Kontextes könnte man nur mit einiger Wahrscheinlichkeit vermuten, diese Formulierung sei durch Jud 7 angeregt. (2) Biggs Verweis auf Lot, der in 2 Petr 2,6–9 eine prominente Rolle spielt, bleibt unklar, da Lot auch bei Clemens nicht erwähnt wird – es sei denn, man sieht in denjenigen, die sich der Sünde enthalten und deshalb nicht mit den Sündern untergehen (vgl. paed. III,44,3), vor allem Lot und die Seinen gemeint.
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Kapitel 4: Petrus Alexandrinus
2 Petr und Clemens können offenbar in je verschiedener Weise die drastische Bildsprache des Jud für ihr pädagogisches Anliegen (ὑπόδειγμα: 2 Petr 2,6; paed. III,43,5) fruchtbar machen 168. Beachtenswert ist in diesem Zusammenhang auch, wie Clemens in strom. VI,65,4 die Erfüllung von Jud 22f als Aufgabe des Gnostikers beschreiben kann: Er ist ein Mann der Art, daß er jenem Gebote gehorcht: „Und reißt die einen aus dem Feuer heraus und habt Mitleid mit denen, die sich in Zweifeln befinden!“ (strom. VI,65,4)
Für Clemens enthält Jud somit nicht nur Beispiele göttlicher Pädagogik, die heilsame Furcht einflößen sollen, sondern auch Anweisungen für die dem Gnostiker aufgetragene Mitarbeit am göttlichen Erziehungsprojekt. (3) Nach der Kommentierung des „katholischen Briefs“ in den adumbr. und der erzieherisch-drohenden Applikation in paed. begegnet Jud noch an einer dritten prominenten Stelle. Zu Beginn von strom. III setzt sich Clemens mit verschiedenen Auffassungen zu Ehe und Enthaltsamkeit auseinander. Als Paradebeispiel für eine libertinistische Position führt Clemens die Karpokratianer 169 an 170, die für ihn „geradezu den Kern des zeitgenössischen Libertinismus auszumachen [scheinen]“ 171. Ihre Lehre „würdigt“ Clemens einer ausführlichen Polemik (strom. III,5–11; vgl. strom. III,25,5; 54,1f), in deren Rahmen er umfangreiche Fragmente („das längste Zitat aus einer gnostischen Originalschrift in den ‚Stromateis‘“ 172) der Schrift „Über Gerechtigkeit“ des Karpokrates-Sohnes Epiphanes überliefert (vgl. strom. III,6,1–9,3). Wie bereits in der Einleitung erwähnt, schließt Clemens diese Auseinandersetzung in strom. III,11,2 mit einem en bloc-Zitat von Jud 8–16 ab. Diese anti-karpokratianische Verwendung des Jud bildet in gewisser Weise die konkrete Applikation der in adumbr. in Iud. 8 notierten JudInterpretation, wobei es Clemens nicht zu stören scheint, dass wesentliche Elemente von Jud 8–16, wie etwa der Streit um den Leichnam des Mose, nicht wirklich zu seiner Darstellung der karpokratianischen Lehre pas-
168 Man beachte in paed. III,44,1 auch die Beschreibung der Sodomiter (vgl. die Gegnerpolemik 2 Petr 2) und den Verweis auf ὁ ἄγρυπνος τῆς ἀνθρωπότητος φύλαξ (vgl. das nicht schlafende Verderben in 2 Petr 2,2). 169 Einen konzisen Überblick zur Forschungslage bietet Scholten, C., Art. Karpokrates (Karpokratianer), in: RAC 20 (2004), 173–186. 170 Nach Löhr, W. A., Epiphanes’ Schrift „Περὶ δικαιοσύνης“ (= Clemens Alexandrinus, Str. III,6,1–9,3), in: ZNW 67 (1993), 12–29, hier: 16 mit Anm. 8, folgt Clemens damit Irenäus von Lyon (vgl. adv. haer. I,28,2). 171 Löhr, Περὶ δικαιοσύνης, 16. 172 Löhr, Περὶ δικαιοσύνης, 16.
4.2 Clemens von Alexandrien
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sen 173. Die Jud-Rezeption des Clemens in strom. III sollte nicht dazu verführen, die Gegner des 2 Petr (und/oder des Jud 174) vorschnell als Karpokratianer zu identifizieren 175, auch wenn einige Berührungen zwischen der clementinischen Darstellung der Karpokratianer und der Gegnerpolemik des 2 Petr zu verzeichnen sind 176. Sie kann aber verdeutlichen, dass auch in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts theologi-
173 Eine Entsprechung bildet hingegen die wichtige Rolle der Mähler (strom. III,10,1 als von Clemens referiertes Gerücht [zur Topik dieser Stelle vgl. Löhr, Karpokratianisches, 44 Anm. 56]; vgl. Jud 12). Ohne den Verweis auf argumenta e silentio übertreiben zu wollen, sei auf den Umstand hingewiesen, dass Clemens in der Auseinandersetzung mit einem Gegner, den er offenbar sehr ernst nimmt, nicht zur schärferen und apostolisch autorisierten Waffe (2 Petr) greift. 174 Vgl. den auch methodologisch wichtigen Beitrag von Van Oyen, G., Is there a heresy that necessitated Jude’s letter?, in: Houtman, A./de Jong, A./Misset-van de Weg, M. (Hg.), Empsychoi Logoi. Religious Innovations in Antiquity. FS Pieter Willem van der Horst, Leiden u.a.: Brill 2008, 211–226. 175 Werdermann, H., Die Irrlehrer des Judas- und des 2. Petrusbriefes (BFChTh 17/6), Gütersloh: Bertelsmann 1913, 116, sah in dieser Identifizierung eine weit verbreitete Position der älteren Forschung: „Von größtem Einfluss ist bei vielen die Tatsache gewesen, daß Clemens Alexandrinus annimmt, daß mit unsern Irrlehrern die Karpokratianer gemeint seien. […] Fand man ‚Gnostisches‘ im Judas und 2. Petri, wurde man durch Clemens außerdem in eine bestimmte Richtung gewiesen, dann stand die Überzeugung in bezug auf die Gegner von vornherein fest.“ Der Versuch Werdermanns, diese Hypothese zu widerlegen (vgl. ebd., 138–140), kann aufgrund der problematischen, mittlerweile überwundenen (vgl. Bauckham, 2 Peter-Account, 3726) Ineinssetzung der Gegner des Jud und des 2 Petr sowie der unkritischen Vermengung der Informationen bei Irenäus von Lyon und Clemens von Alexandrien nicht überzeugen. 176 Verwiesen sei nur auf die radikal egalitäre Konzeption einer der Schöpfung inhärenten, also nicht erst zukünftig zu erwartenden, (göttlichen) Gerechtigkeit (in strom. III,6,1 definitorisch ausgedrückt durch die drei Begriffe δικαιοσύνη, κοινωνία und ἰσότης, die in vielfältiger Wiederholung und Variation die gesamten Fragmente prägen; vgl. dagegen 2 Petr 3,13 nebst 1,1.4; 2,5.6–9.21), die positive Wertung von ἐπιθυμία (strom. III,8,3; 9,3; vgl. dagegen z.B. 2 Petr 2,18), die Kritik der Ehe (strom. III,8,2; vgl. 2 Petr 2,14), die Ablehung des alttestamentlichen Gesetzes (strom. III,9,3; vgl. 2 Petr 1,19–21) und die „möglicherweise … eigenwillige Rezeption paulinischer Theologie“ (Löhr, Karpokratianisches, 25; vgl. strom. III,7,2, wobei offen bleiben muss, inwiefern der Verweis des Clemens auf ein Missverständnis von Röm 7,7 seitens des Epiphanes Anhalt in dessen Text fand) in den Epiphanes-Fragmenten. Hinzu kommt, dass Clemens den karpokratianischen Mählern explizit die Bezeichnung als Agapen vorenthält (vgl. strom. III,10,1 [vgl. auch strom. VII,98,2] und Jud 12/2 Petr 2,13 [Kelly, Epistles, 341: „Perhaps he selected the word apatē with conscious, stinging irony… “; ähnlich Watson, Invention, 117, und diesem folgend Bauckham, Jude, 2 Peter, 266]) und Karpokrates als Gesetzgeber der Hunde, Schweine und Böcke verhöhnt (vgl. strom. III,10,1; 2 Petr 2,22).
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Kapitel 4: Petrus Alexandrinus
sche Konfliktsituationen belegt sind, die in gewisser Weise analog zu derjenigen sind, die in 2 Petr greifbar ist 177. 4.2.5.4 Die Apokalypse des Petrus Ein wichtiges Zwischenergebnis dieser Arbeit ist die im zweiten Kapitel (vgl. 2.2) festgestellte Abhängigkeit des 2 Petr von ApkPetr, der das Petrusbild des 2 Petr zu einem wesentlichen Teil entstammt. Überdies gibt es Anzeichen dafür, dass die in 2 Petr 3 verhandelte Krise der Eschatologie (zumindest auch) als eine Krise der mit ApkPetr verbundenen petrinischapokalyptischen Tradition zu beschreiben ist. Sogar noch stärker als im vergleichbaren Fall der Verbindung zu Jud ist daher für 2 Petr mit einem Entstehungskontext zu rechnen, in dem ApkPetr bekannt war und wertgeschätzt wurde. Ähnlich wie hinsichtlich des Jud findet sich bei Clemens eine Hochschätzung der ApkPetr, die im zweiten Jahrhundert singulär ist. Clemens zitiert die ApkPetr als γραφή (ecl. 41,1) und verfasst – als einziger uns bekannter Autor überhaupt – einen Kommentar zu ihr (vgl. Eusebius, h.e. VI,14,1), der bedauerlicherweise nicht erhalten ist. Auffällig ist hierbei die Topographie der ApkPetr-Belege bei Clemens, da die ApkPetr in den 177
Dies richtet sich gegen Versuche, ein mangelndes „gnostisches“ Profil der Gegner des 2 Petr als Argument für eine eher frühere Datierung des 2 Petr zu verwenden (z. B. Vögtle, Der zweite Petrusbrief, 129 [„Da eine typisch gnostische Front nicht nachweisbar ist, empfiehlt es sich nicht, mit der Datierung bis zur Jahrhundertmitte oder noch weiter hinaufzugehen.“], dem Gielen, Der zweite Petrusbrief, 527, folgt). Insgesamt leidet die gesamte Diskussion zur Frage „Gnostiker als Gegner des 2 Petr?“ unter einer unzulässig pauschalisierenden Begriffsverwendung, die zuerst verschiedene theologische Entwürfe des zweiten Jahrhunderts als „gnostisch“ zusammenfasst, dann Charakteristika eines bestimmten Entwurfs extrapolierend als „typisch gnostisch“ bestimmt (vgl. sehr deutlich Bauckham, 2 Peter-Account, 3726f), diese in 2 Petr nicht wiederfindet und schließlich daraus folgert, keine dieser gnostischen Theologien bezeichne die Gegnerfront des 2 Petr (vgl. auch Desjardins, Dissidents, 95). Das Zeugnis der Epiphanes-Schrift sollte auch davor warnen, in der Permanenzaussage von 2 Petr 3,4b (zu den philosophischen Hintergründen vgl. nun Adams, Promise, 114–121), die „mit den gnostischen Vorstellungen von einer dynamischen Weltentwicklung, die einen abgestuften Ab- und Aufstieg kennt, kaum zu vereinbaren“ sei, das „vielleicht wichtigste Argument gegen gnostische Strömungen in der Gruppe der Widersacher“ (Schmidt, Maskenspiel, 324) zu erkennen. Vielmehr betont Epiphanes „emphatisch die Schöpfung und ihre die Gerechtigkeit sinnenfällig verkörpernde Ordnung“ und „sein Protest gegen den alttestamentlichen Gott speist sich offenbar nicht aus weltflüchtiger Erlösungssehnsucht oder einer dualistischen Grundanschauung“ (Löhr, Περὶ δικαιοσύνης, 16). Überdies konnte bereits Justin den antihäretischen Rundumschlag (vgl. dial. 35,6) gegen Christen, die seiner Ansicht nach das Christentum in Verruf bringen (vgl. 2 Petr 2,1), einsetzen, weshalb auch für 2 Petr zu erwägen ist, nicht eine spezifische Gruppe, sondern „die Irrlehren“ in toto seien angezielt, zumal 2 Petr (zumindest auch) ein ganz grundsätzliches theologisches Problem lösen möchte, indem er die Eschatologie der ApkPetr korrigierend fortschreibt.
4.2 Clemens von Alexandrien
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frühen, von Pantänus beeinflussten (vgl. Eusebius, h.e. VI,13,2) hyp. ausgelegt wird und in den mit den hyp. in Berührung stehenden ecl. explizite Zitation erfährt – in ecl. 41,1 mit der Einleitung „die Schrift sagt“, in ecl. 41,2; 48,1 und 49,1 jeweils mit der Zitationsformel „Petrus sagt in der Apokalypse“ –, hingegen im übrigen, größeren Teil des clementinischen Werkes nicht begegnet. Bereits Hermann Kutter empfand diese Verteilung als frappierend: „Auf der anderen Seite ist nicht zu leugnen, dass Clemens in seinen Hauptschriften nie auf die Apokalypse des Petrus zu sprechen kommt, was doch bei seiner Bekanntschaft mit ihr und seiner Hochschätzung geradezu unbegreiflich ist.“ 178
Der Versuch, diese „geradezu unbegreiflich[e]“ Diskrepanz besser zu verstehen, muss bei der Analyse der Zitate aus der Petrus-Apokalypse in den ecl. seinen Ausgangspunkt nehmen. Doch gibt die konkrete Anordnung dieser Zitate erneut ein Rätsel auf, das Theodor Zahn so beschrieben hat: „Es bleibt … unklar, wie Cl. ecl. 41 mit ἡ γραφή φησιν Worte einführen kann, welche ecl. 48 in erweiterter und veränderter Gestalt aus der Apokalypse des Petrus angeführt zu sein scheinen, während ecl. 41 diese Apokalypse als ein zweites bestätigendes Zeugnis neben jene γραφή gestellt wird.“ 179
Die Zitate aus ApkPetr in Clemens Alexandrinus, ecl. 41; 48f ecl. 41
ecl. 48
178 179
(1) Ἡ γραφή φησι τὰ βρέφη τὰ ἐκτεθέντα τημελούχῳ παραδίδοσθαι ἀγγέλῳ, ὑφ’ οὗ παιδεύεσθαί τε καὶ αὔξειν, «καὶ ἔσονται», φησίν, «ὡς οἱ ἑκατὸν ἐτῶν ἐνταῦθα πιστοί.» (2) Διὸ καὶ Πέτρος ἐν τῇ Ἀποκαλύφει φησί· «καὶ ἀστραπὴ πυρὸς πηδῶσα ἀπὸ τῶν βρεφῶν ἐκείνων καὶ πλήσσουσα τοὺς ὀφθαλμοὺς τῶν γυναικῶν·» (3) ἐπεὶ ὁ δίκαιος «ὡς σπινθὴρ διὰ καλάμης ἐκλάμπει καὶ κρίνει ἔθνη (1) Ἡ θεία πρόνοια ὐ αταστρέφει ἐπὶ μόνους τοὺς ἐν σαρκί. αὐτίκα ὁ Πέτρος ἐν τῇ Ἀποκαλύψει φησὶν «τὰ βρέφη
(1) Die Schrift sagt, dass die Säuglinge, die ausgesetzt werden, einem Schutzengel übergeben werden, durch den sie erzogen werden und auch heranwachsen. „Und sie werden sein“, sagt sie, „wie die Glaubenden von hundert Jahren hier.“ (vgl. Jes 65,20 LXX; Weish 4,6–9) (2) Deshalb sagt auch Petrus in der Apokalypse: „Und ein Blitz von Feuer entfährt von jenen Säuglingen und schlägt die Augen der Frauen.“
(3) Denn der Gerechte „leuchtet wie ein Funke durch Stroh und richtet die Völker“ (vgl. Weish 3,7). (1) Die göttliche Vorsehung wendet sich aber nicht nur denen im Fleisch zu. Zum Beispiel sagt Petrus in der Apokalypse, dass die Säuglinge, die durch Abtreibung zur Welt gebracht werden, das bessere Los haben werden. Diese würden einem
Kutter, Clemens Alexandrinus, 91. Zahn, Supplementum Clementinum, 154 Anm. 1.
270
ecl. 49
Kapitel 4: Petrus Alexandrinus ἐξαμβλωθέντα τῆς ἀμείνονος ἐσόμενα μοίρας, ταῦτα ἀγγέλῳ τημελούχῳ παραδίδοσθαι, ἵνα γνώσεως μεταλαβόντα τῆς ἀμείνονος τύχῃ μονῆς, παθόντα ἃ ἂν ἔπαθεν καὶ ἐν σώματι γενόμενα.» (2) τὰ δ’ ἕτερα μόνης τῆς σωτηρίας τεύξεται, ὡς ἠδικημένα ἐλεηθέντα, καὶ μενεῖ ἄνευ κολάσεως, τοῦτο γέρας λαβόντα.
Schutzengel übergeben, damit sie, wenn sie der Erkenntnis teilhaftig geworden wären, den besseren Aufenthaltsort erreichen würden, weil sie erlitten hätten, was sie auch im Körper erlitten hätten. (2) Die anderen aber werden nur das Heil erreichen, weil sie als unrecht Behandelte auf Mitleid stoßen, und ohne Bestrafung bleiben, indem sie dies als Ehrengeschenk empfangen.
(1) «Τὸ δὲ γάλα τῶν γυναικῶν, ῥέον ἀπὸ τῶν μαστῶν καὶ πηγνύμενον», φησὶν ὁ Πέτρος ἐν τῇ Ἀποκαλύψει, «γεννήσει θηρία λεπτὰ σαρκοφάγα καὶ ἀνατρέχοντα εἰς αὐτὰς κατεσθίει», διὰ τὰς ἁμαρτίας γίνεσθαι τὰς κολάσεις διδάσκων. (2) ἐκ τῶν ἁμαρτιῶν γεννᾶσθαι αὐτάς φησιν, ὡς διὰ τὰς ἁμαρτίας ἐπράθη ὁ λαός, καὶ «διὰ τὴν εἰς Χριστὸν ἀπιστίαν», ὥς φησιν ὁ ἀπόστολος, «ὑπὸ τῶν ὄφεων ἐδάκνοντο»
(1) „Die Milch der Frauen aber, die von (ihren) Brüsten fließt und gerinnt“, sagt Petrus in der Apokalypse, „wird kleine Fleisch fressende Tiere erzeugen und die werden zu ihnen zurücklaufen und sie verzehren.“ (2) Damit lehrt er, dass die Strafen aufgrund der Sünden entstehen. Er sagt, dass diese aus den Sünden entstehen, weil wegen der Sünden das Volk verkauft und wegen seines Unglaubens in Christus, wie der Apostel sagt, es „von Schlangen gebissen wurde“ (vgl. 1 Kor 10,9; Num 21,6).
Mit anderen Worten: Wie ist sowohl die Dopplung zweier sich weitgehend entsprechender Zitate in ecl. 41,1 und ecl. 48,1 als auch die durch den Neueinsatz in ecl. 41,2 entstehende Spannung zwischen ecl. 41,1 und ecl. 41,2 zu erklären? Schwierig ist dabei zudem die Frage, ob die Bezeichnungen τὰ βρέφη τὰ ἐκτεθέντα, τὰ βρέφη ἐξαμβλωθέντα und τὰ ἕτερα auf dieselben, vergleichbare oder verschiedene Personengruppen zu beziehen sind. Grenzt man τὰ ἕτερα in ecl. 48,2 von τὰ βρέφη ἐξαμβλωθέντα in ecl. 48,1 ab, so entsteht eine Opposition zwischen den abgetriebenen Kindern, die durch den Schutzengel zur Gnosis geführt, die bessere Wohnstatt erreichen und „den Anderen“, die, als ungerecht Behandelte Erbarmen findend, „nur“ das Heil erlangen. Da das Neutrum nahelegt, auch hinter τὰ ἕτερα als Subjekt τὰ βρέφη zu vermuten, könnte dann in ecl. 48,2 an τὰ βρέφη τὰ ἐκτεθέντα aus ecl. 41,1 gedacht sein. Dann würden die abgetriebenen Kinder gegenüber den nach der Geburt ausgesetzten Kindern das bessere Los haben und durch die Hilfe eines Schutzengels ein Ziel erreichen, das diesen prinzipiell verwehrt ist 180. Dieser Deutung steht aber ent180 So etwa Nicklas/Kraus, Petrusevangelium und Petrusapokalypse, 91, die τὰ δ’ ἕτερα (ecl. 48,2) mit „Die anderen (= die ausgesetzten Kinder; Anm. d. Verf.) aber“ über-
4.2 Clemens von Alexandrien
271
gegen, dass in ecl. 41,1 die ausgesetzten Kinder ebenfalls dem schützenden und erzieherischen Wirken des Temeluchos-Engel anvertraut werden und (wohl: in Bezug auf ihre Weisheit) den Status eines Hundertjährigen erreichen. Auch der Umstand, dass der zitierte Abschnitt der ApkPetr eine Unterscheidung des Schicksals 181 von abgetriebenen (vgl. ApkPetr 8,1–4) und nach der Geburt getöteten Kindern (vgl. ApkPetr 8,5–10) kennt, stützt die genannte Interpretation gerade nicht, da die Zuordnung der zentralen Motive in ecl. gegenüber ApkPetr 8 gewissermaßen vertauscht ist. In ApkPetr 8,4 sind es nämlich nicht, wie durch die Folge ecl. 41,1.2 nahegelegt, die ausgesetzten, sondern die abgetriebenen Kinder, von denen Blitze in die Augen ihrer Mütter schlagen, während in ApkPetr 8,10 der Schutzengel wie in ecl. 41,1 den nach der Geburt getöteten bzw. ausgesetzten Kindern und nicht wie in ecl. 48,1 den abgetriebenen Kindern beigegeben wird. Die prekäre Textüberlieferung der ApkPetr ist bei derlei Erwägungen stets mit zu bedenken, doch dürfte es gegenüber der Annahme, beide Motive (strafende Blitze, behütender Engel) hätten im Lauf der Textgeschichte der ApkPetr ihre Bezugsgruppe und damit auch ihre Position im Text getauscht, doch wahrscheinlicher sein zu vermuten, dass Clemens die ursprüngliche Trennung der beiden Gruppen in seiner Auslegung nicht mehr klar durchhielt und auch die Obhut des Schutzengels auf beide Gruppen bezog 182. Demnach wären mit τὰ βρέφη τὰ ἐκτεθέντα und τὰ βρέφη ἐξαμβλωθέντα in der Perspektive des Clemens (nicht aber der ApkPetr!) im Wesentlichen dieselben, nicht ἐν σαρκί existierenden Personen gemeint. Dadurch wird aber wieder fraglich, wer „die Anderen“ in ecl. 48,2 sind. Hier hilft nun ein Blick auf strom. VI,107,2–109,6 weiter, denn dort diskutiert Clemens unterschiedliche Stufen des Heils innerhalb der Kirche. Diejenigen, die der „vollkommenen Gnosis“ teilhaftig geworden sind, gelten Clemens als „auserwählter als die Auserwählten“ 183 und als Aspiranten der ewigen Schau Gottes (vgl. strom. VI,107,3–108,1). Sie sind jene Schafe, die auf die Stimme Jesu hören (vgl. Joh 10,27 in strom. VI,108,3), während die anderen Schafe „eines anderen Stalles und einer anderen Wohsetzen und Nardi, Estratti, 131, der kommentiert: „Mentre i bambini di EP 48, 1 sono stati abortiti, ‚gli altri‘ di EP 48, 2 sono stati uccisi probabilmente appena nati, se non la ‚gnosi‘, ricevono comunque la salvezza per una specie di battesimo di sangue.“ 181 Besser wäre es wohl, von einer Differenz in der Art des Urteils über diejenigen, die sich an den beiden Gruppen schuldig gemacht haben, zu sprechen. 182 So Buchholz, Eyes, 26f. 183 Clemens, strom. VI,107,2: καὶ τῶν ἐκλεκτῶν, φησίν, ἐκλεκτότεροι οἱ κατὰ τὴν τελείαν γνῶσιν καὶ τῆς ἐκκλησίας αὐτῆς ἀπηνθισμένοι καὶ τῇ μεγαλοπρεπεστάτῃ δόξῃ τετιμημένοι (Und noch auserwählter als die Auserwählten, so heißt es, sind diejenigen, die entsprechend ihrer vollkommenen Erkenntnis auch aus der Kirche selbst wie Blüten ausgewählt und der herrlichsten Ehre gewürdigt worden sind). Man beachte das φησίν, mit dem Clemens auf traditionelle Anschauungen zurückverweist.
272
Kapitel 4: Petrus Alexandrinus
nung (μονή) gewürdigt worden sind“ (vgl. Joh 10,16 in strom. VI,108,2). Diese „Schafe“ die nur des „anderen Stalles“ für wert befunden werden, sind zwar nach vollendeter Reinigung nicht mehr gestraft, werden aber auch als Gerettete nicht mit den „Schafen“, die die höchste Stufe der Ehre (und der Erkenntnis) erreicht haben, vereint (vgl. strom. VI,109,6). Das Auftreten desselben Kontrasts zwischen „bloßem“ Gerettetsein und Erlangen der Gnosis (vgl. strom. VI,109,2; ecl. 48) 184 lässt vermuten, dass hinter den knappen und kryptischen Verweisen auf die verschiedenen Wohnungen in ecl. 48 eine ähnliche Vorstellung steht, wie sie klar ausgeführt in strom. VI,107,2–109,6 begegnet 185. Damit wäre eine Interpretation von ecl. 48 wahrscheinlich gemacht, die Dennis Buchholz im Anschluss an Montague Rhode James 186 bereits ohne Kenntnis der Parallele in strom. VI vorschlug: „It seems to say that they [sc. die getöteten Kinder; Anm. Grünstäudl] are allowed to mature, giving them a chance to obtain the ‚better abode‘. If they do not reach that better abode, however, they remain unpunished out of mercy because they have been wronged.“ 187
Trifft diese Deutung zu, so führt Clemens in ecl. 41; 48f die ApkPetr zu dem Zwecke an, das (durch Engel vermittelte) erzieherische Wirken Gottes in seiner Erstreckung auf die jenseitige Welt zu erläutern 188. Die unterschiedlichen Zitationsformeln in ecl. 41,1 und ecl. 48,1, der harte, bereits Montague R. James irritierende Übergang mit διό in ecl. 41,2 189 sowie die inhaltliche Varianz zwischen ecl. 41 und ecl. 48 sind damit aber noch nicht erklärt. Hinzu kommt an dieser Stelle noch ein weiteres quellenkritisches Problem, insofern in ecl. 42–65 eine sequentielle Kommentierung von insgesamt 21 wörtlich angeführten Versen bzw. Versteilen aus den Psalmen 17– 19 LXX 190 vorliegt, welche nach Johannes Munck „kaum auf andere Weise erklärlich [ist] denn als Vorarbeit zu oder als Auszug aus einem Kommen184 185
Darauf macht Nardi, Estratti, 131, aufmerksam. Zum Motiv der „besseren“ Wohnung (ecl. 48,1) vgl. z.B. strom. VI,109,3; VII,13. Kovacs, Concealment, 428, nennt die Idee, „that the Gnostic Christian receives a higher reward ... a prominent part of Clement’s eschatology“. 186 Vgl. James, M. R., A New Text of the Apocalypse of Peter. II., in: JThS 12 (1911), 362–383, hier: 372. 187 Buchholz, Eyes, 28. Zum Gedanken der „chance“ vgl. Clemens, strom. VI,109,4. 188 Vielleicht spielt hier überdies jene Verknüpfung der Motivkreise „Gnostiker“ und „Martyrium“ eine Rolle, die auch in strom. IV,101–104 unter Rückgriff auf Weish 3 (vgl. strom. 103,3–104,2) begegnet. 189 Vgl. James, New Text II, 369f. 190 Hier und im Folgenden dient der Verweis auf die LXX nur der Orientierung; ein Urteil über den textgeschichtlichen Platz des in der Psalmenkommentierung zugrunde gelegten griechischen Textes der Psalmen ist damit nicht intendiert.
4.2 Clemens von Alexandrien
273
tar zu mehreren einander folgenden Psalmen“ 191. Folgende Lemmata erscheinen im Text der ecl. und werden in unterschiedlicher Länge ausgelegt: Die Psalmenkommentierung in ecl. 41,2–65 Abschnitte der ecl. 41,2
Angeführte Psalmverse (nach LXX) [Ps 17,15]
42 43,1 43,2 44 51,1 52,2 53,1 53,2 54,1 54,1 56,1 56,1
Ps 17,26 Ps 17,44 Ps 17,46 Ps 17,51 Ps 18,2 Ps 18,2 Ps 18,3 Ps 18,3 Ps 18,4 Ps 18,5 Ps 18,5 Ps 18,6
58,1 59,1 60,1 60,2f
Ps 18,8 Ps 18,8 Ps 18,10 Ps 18,10.11
61 62 63 64 64 65
Ps 18,12 Ps 18,13 Ps 18,14 Ps 19,10 Ps 19,10 [Ps 19,5]
Kommentierte Lemmata [καὶ ἐξαπέστειλεν βέλη καὶ ἐσκόρπισεν αὐτοὺς καὶ ἀστραπὰς ἐπλήθυνεν καὶ συνετάραξεν αὐτούς] Μετὰ ὁσίου ὁσιωθήσῃ Λαὸς ὃν οὐκ ἔγνων, ἐδούλευσέν μοι Υἱοὶ ἀλλότριοι Μεγαλύνων τὰς σωτηρίας τοῦ βασιλέως αὐτοῦ Οἱ οὐρανοὶ διηγοῦνται δόξαν θεοῦ Ποίησιν δὲ χειρῶν αὐτοῦ ἀναγγέλλει τὸ στερέωμα Ἡμέρα τῇ ἡμέρᾳ ἐρεύγεται ῥῆμα καὶ νὺξ νυκτὶ ἀναγγέλλει γσιν Οὐκ εἰσὶ λαλιαὶ οὐδὲ λόγοι, ὧν οὐκ ἀκούονται αἱ φωναὶ αὐτῶν εἰς πᾶσαν τὴν γῆν ἐξῆλθεν ὁ φθόγγος αὐτῶν Καὶ ἐν τῷ ἡλίῳ ἔθετο τὸ σκήνωμα αὐτοῦ καὶ αὐτὸς ὡς νυμφίος ἐκπορευόες ἐκ παστοῦ αὐτοῦ ἀγαλλιάσεται ὡς γίγας ῖν ὁδὸν αὐτοῦ. ἀπ’ ἄκρου τοῦ οὐρανοῦ ἡ ἔξοδος ῦ· οὐκ ἔστιν ὃς ἀποκρυβήσεται τὴν θέρμην αὐτοῦ Ὁ νόμος τοῦ θεοῦ ἄμωμος, ἐπιστρέφων ψυχάς Ἡ μαρτυρία κυρίου πιστή, σοφίζουσα νήπια Ὁ φόβος κυρίου ἁγνός, διαμένων εἰς αἰῶνα αἰῶνος τὰ κρίματα κυρίου ἀληθινά … δεδικαιωμένα ἐπὶ τὸ αὐτό ... ἐπιθυμητὰ ὑπὲρ χρυσίον καὶ λίθον τίμιον Καὶ γὰρ ὁ δοῦλός σου φυλάσσει αὐτά Ἐκ τῶν κρυφίων μου καθάρισόν με Ἐὰν μή μου κατακυριεύσωσι, τότε ἄμωμος ἔσομαι Κύριε, σῶσον τὸν βασιλέα καὶ ἐπάκουσον ἡμῶν ἐν ᾗ ἂν ἡμέρᾳ ἐπικαλεσώμεθά σε [δῴη σοι κατὰ τὴν καρδίαν σου καὶ πᾶσαν τὴν βουλήν σου πληρώσαι]
191 Munck, Untersuchungen, 165. Diese Psalmenkommentierung wird bei Cambe, Avenir solaire, passim, umfassend dargestellt und analysiert. Vgl. dazu auch Nardi, C., Note di Clemente Alessandrino al Salmo 18. Ecl. proph. 51–63, in: Vivens homo 6 (1995), 9–42, und Gounelle, R., Il a placé sa tente dans le soleil (Ps. 18(19), 5c(6a)) chez les écrivains ecclésiastiques des cinq premiers siècles, in: Le Psautier chez les Péres (Cahiers de Biblia Patristica 4), Straßburg: Centre d’Analyse et de Documentation Patristiques 1994, 197–220.
274
Kapitel 4: Petrus Alexandrinus
Hans Lietzmann führte diese Psalmenkommentierung in seiner Kirchengeschichte sogar als das Paradebeispiel für die Benutzung von schriftlichen Quellen durch Clemens an 192. Die Zitate aus ApkPetr finden sich in ecl. also genau dort, wo der Rückgriff auf eine wohl nicht ad hoc erstellte 193, sondern bereits vorliegende Psalmenkommentierung beginnt. Unter Berücksichtigung von Annewies Van den Hoeks Forschungen zum Umgang des Clemens mit schriftlichen Quellen lässt sich aus diesem Umstand eine mögliche Erklärung für die von Zahn benannten Spannungen in ecl. 41– 48f gewinnen. Entscheidend ist dabei eine von Clemens verwendete Exzerptionstechnik, die Van den Hoek als „jump backwards“ 194 bezeichnet und folgendermaßen beschreibt: „Clement did not always start from the earliest point within the source he was using; he would begin with a reminiscence and then leap back to the beginning of his source and restart with quotations in a sequence, selecting a few lines from each column until he had run through the whole scroll. (…) This method could be observed several times.“ 195
Clemens geht bei diesem Verfahren (vgl. die Darstellung unten) also folgendermaßen vor: Er erreicht im Laufe seiner Ausführungen (Pfeil 1) einen Punkt, an dem er einen Gedanken aus einer bestimmten Quelle einspielt (2). An diese „Berührung/reminiscence“ schließt er dann ein Exzerpt des Kontexts der Bezugsstelle an, wobei Clemens innerhalb des Ausgangstextes zurück geht (3) und sich dann bis zum Ende exzerpierend vorarbeitet (4 und 5) 196. Für unsere Problematik ist nun zweierlei wichtig: Erstens bleibt im Exzerpt die ursprüngliche Abfolge bei entsprechender Redaktion des Clemens weitgehend erhalten; zweitens passiert Clemens bei diesem Verfahren die ursprüngliche Anknüpfungsstelle ein zweites Mal (vgl. Pfeil 4).
192 Vgl. Lietzmann, H., Geschichte der Alten Kirche. Mit einem Vorwort von Christoph Markschies (De Gruyter Studienbuch), Berlin/New York: De Gruyter 1999, 622. 193 Dagegen spricht neben dem Einsetzen der Kommentare inmitten von Ps 17 LXX und ihrem ebenso abrupten Abbrechen in Ps 19 LXX auch ecl. 42, wo die Notiz οὕτω καὶ τὸ ζῇ κύριος καὶ τὸ ἀνέστη κύριος als hermeneutische Regel auf Ps 17,47 LXX (ζῇ κύριος) voraus bzw. auf Ps 16,13 LXX (ἀνάσθητι, κύριε) zurückverweist. 194 Van den Hoek, A., Clement of Alexandria and His Use of Philo in the Stromateis. An Early Christian Reshaping of a Jewish Model (SVigChr 3), Leiden: Brill 1988, 215. 195 Van den Hoek, A., Techniques of Quotation, 225. 196 Die dahinter liegende Arbeitstechnik beschreibt Van den Hoek, Quotation, 225, so: „The practice could be explained in a visual way; the author first cited from memory and then looked for the spefic text; leafing through the manuscript, or rather, unrolling the scroll, he became more and more interested in it and read through the whole work.“ Vgl. auch Van den Hoek, Philo, 214–216.
275
4.2 Clemens von Alexandrien
Der „jump backwards“ (nach Van den Hoek) Quelle
Text des Clemens 1
A B C D E F G H J K L M N O P R S T U V
O’ (reminiscence) 2 3 5
B C G H M O R T
4
Legt man den „jump backwards“ der Lektüre des entsprechenden Abschnitts der ecl. zugrunde, so ergibt sich folgendes Szenario: Nach dem deutlich markierten Ende des Abschnittes der ecl. über die wahre Gnosis (ecl. 27–37) 197 leitet Clemens unter knapper Diskussion der Interpretation von Gen 1,3 durch Tatian zum Thema des göttlichen Gerichts über. Von dort gelangt er durch assoziativen Anschluss über das Motiv des erzieherischen Wirkens Gottes (ecl. 40: durch die Vorwegnahme späterer Gerichtsstrafen; ecl. 41,1: durch den schützenden Engel) zur Sentenz aus ApkPetr 8,10 (ecl. 41,1), die ihm ein Exemplum der göttlichen Pädagogik ist 198. 197 Eine thematische Dreiteilung der ecl. in Abschnitte zur Taufe (ecl. 1–26), zur Gnosis (ecl. 27–50), und zur Eschatologie bzw. Angelologie (ecl. 51–65) erkennt Nardi, Estratti, 32. Diese Gliederung ist eine wichtige Orientierungshilfe innerhalb der nicht gerade übersichtlichen ecl.; meines Erachtens endet der zweite Abschnitt aber doch recht deutlich mit ecl. 37, während das Folgende bereits durch die Einführung des Gerichtsgedankens zur eschatologischen Perspektive des dritten Teils überleitet. 198 Ist die hier zugrundegelegte Rekonstruktion zutreffend, so wäre die Zusammenstellung des Zitats aus der ApkPetr (ecl. 41,1a) mit dem in ecl. 41,1b zitierten Text (vgl.
276
Kapitel 4: Petrus Alexandrinus
Diese Stelle aus der ApkPetr, sowie ein weiteres interessantes Zitat aus derselben Schrift (ecl. 41,2), findet Clemens in einem Psalmenkommentar, den er in der Folge exzerpiert (ecl. 41,2–65), wobei er lesend nochmals die bereits eingespielte Stelle aus der ApkPetr passiert und die nun in der im Psalmenkommentar vorliegenden Form 199 wiedergibt (ecl. 48,1) 200. So erklärt sich nicht nur die konkrete Form der Doppelung ecl. 41,1/ecl. 48,1, sondern auch der Neuansatz mit διό in ecl. 41,2, der schon James aufgefallen war 201, denn Gestalt und Inhalt 202 von ecl. 41,2
Jes 65,20 LXX und Weish 4,16) wohl am ehesten auf Clemens selbst zurückzuführen. Wichtig ist, dass Clemens nach Münch, E., Παράδοσις und γραφή bei Clemens von Alexandria, Dissertation Universität Bonn 1968, 83, auch bei Verweisen auf mündliche Traditionen und Agrapha von γραφή spricht und diese Bezeichnung nicht zwingend Autorität, sondern auch eine gewisse Unbestimmtheit ausdrücken kann, und Clemens damit auch „biblische Texte zitiert, die [er] nicht der Bibel direkt beim Schreiben entnommen hat, sondern entweder seinem Gedächtnis oder der schriftlichen, eventuell auch der mündlichen Tradition.“ Münch betont, „daß bei diesem Sprachgebrauch von γραφή die theologische Tradition eine wichtige Rolle spielt; in den meisten Fällen (auch wenn man dem Zufall eine Rolle einräumt) wollte oder konnte Clemens die Zitate nicht unter dem Namen ihrer Verfasser oder unter anderen Begriffen (wie ‚Weissagung‘ u. Ä.) anführen“ (ebd., 84). Zu ecl. 41,1 fragt Münch (ebd., 153): „Gebraucht Clemens in 41,1 darum ‚Schrift‘, weil er anschließend verschiedene Zitate zu einer biblischen Aussage zusammenfügt? Bzw. weil ihm diese Kombination (was allerdings fraglich ist) in der Petrusapokalypse begegnet?“ 199 Es ist bemerkenswert, dass Clemens hier offenbar kein Manuskript der ApkPetr heranzieht. Daraus lässt sich nicht folgern, Clemens hätte keinen Zugriff auf ein solches gehabt. Vielmehr ist an den Umgang mit alttestamentlichen Zitaten zu denken, die Clemens regelmäßig (mitsamt Teilen ihrer kontextuellen Einbettung) aus Sekundärquellen wie Philo oder Hermas bezieht, vgl. Van den Hoek, Quotation, 225f. Ob die Position des nun in ecl. 48,1 angeführten Zitats der ApkPetr auch im Psalmenkommentar so wie jetzt zwischen den Auslegungen zu Ps 17 LXX (Ende in ecl. 44) und Ps 18 LXX (Beginn in ecl. 51) lag, lässt sich wohl nicht mehr klären, erscheint mir aber eher nicht nahe zu liegen. Wahrscheinlicher dürfte es sein, in dem Abschnitt ecl. 45–50, ein (durch Clemens?) deplatziertes Stück der Kommentierung von Ps 18,10f LXX zu sehen. Dafür spricht erstens, dass das in ecl. 45 ausgelegte Lemma Herm mand. V,1,6 (entsprechend stammen die ecl. 46 erörterten πνεύματα wohl trotz ecl. 12,8 nicht aus Mt 12,45 [gegen Nardi, Estratti, 79. 130], sondern aufgrund der zugrunde gelegten Bildlogik aus Herm mand. V,2,5–7) über das Motiv des Honigs mit Ps 18,11b LXX (wird in ecl. 60f nicht ausgelegt) verknüpft ist und zweitens, dass in der ApkPetr unmittelbar vor dem hier rezipierten Abschnitt im Mund der durch giftige Schlangen gestraften Mörder (vgl. ApkPetr 7,9; 1 Kor 10,9 in ecl. 49,2) der stark an Ps 18,10 LXX (vgl. Offb 16,7; 19,2) erinnernde Ausruf „Justice and righteousness (are) the judgement of God“ (ApkPetr 7,11) zu hören ist. 200 Für Kutter, Clemens Alexandrinus, 90, „gehört [es] eben zu den Willkürlichkeiten des Clemens“, dass er „eine Schrift zuerst stillschweigend einführt und erst nachher nennt“. 201 James, New Text II, 369f, hält gegen die Position von Zahn, Supplementum Clementinum, 154 Anm. 1, in ecl. 41,1 werde ein anderer Text als die ApkPetr zitiert
4.2 Clemens von Alexandrien
277
sind sehr gut verständlich, wenn man – angeregt durch die unmittelbar folgende Auslegung von Ps 17,26 LXX (ecl. 42) – diesen Abschnitt als kommentierende Bemerkung zu Ps 17,15 LXX versteht, die am Stichwort ἀστραπή anknüpft. καὶ ἐξαπέστειλεν βέλη καὶ ἐσκόρπισεν αὐτοὺς καὶ ἀστραπὰς ἐπλήθυνεν καὶ συνετάραξεν αὐτούς (Ps 17,15 LXX) Und er sandte Pfeile aus und zerstreute sie, und Blitze vermehrte er und schreckte sie auf.
Wenn diese Deutung zutrifft, setzt der Kommentar vermittels des Ankers ἀστραπή Psalm und Apokalypse zueinander in Beziehung, wobei das angefügte Zitat aus Weish 3,7f (σπινθήρ) ein intensivierendes Echo auf den Motivzusammenhang „Gericht durch Feuer(-blitze/-funken)“ bildet. Es ist dann naheliegend, den Beginn des Exzerpts aus dem Psalmenkommentar bereits in ecl. 41,2 anzunehmen 203. Die Berücksichtigung der Exzerptionstechnik des Clemens macht die inhaltlichen Unterschiede zwischen den beiden ApkPetr-Zitaten in ecl. 41,1 und ecl. 48,1, die Differenzen in der Einleitungsformel (ecl. 41,1: ἡ γραφή φησί; ecl. 41,2; 48,1: Πέτρος ἐν τῇ Ἀποκαλῦψει φησί) und den harten Übergang von ecl. 41,1 zu ecl. 41,2 dadurch verständlich, dass sie zwischen ApkPetr-Zitaten innerhalb (ecl. 41,2; 48–49) und außerhalb (ecl. 41,1) des von Clemens an dieser Stelle verwendeten Psalmenkommentars unterscheidet. Damit kann sie auch eine kohärente Antwort auf die verschiedenen, bereits von Zahn zu diesem Abschnitt vorgetragenen Fragen anbieten und überdies helfen, den Umfang der Psalmenkommentierung 204 am Ende der ecl. genauer abzugrenzen (ecl. 41,2–65) 205. fest: „But nothing can be clearer than that § 2 is a separate excerpt; by no possibility can Διό be connected with § 1.“ 202 Das in ecl. 41,2 unvermittelt präsentierte drastische Bild von den Blitzen, die aus den Kindern in die Augen ihrer Mütter schlagen, gehört – wie bereits oben notiert – im uns erhaltenen Text der ApkPetr nicht als Strafe zu dem in ecl. 41,1 geschilderten Aussetzen der Kinder (vgl. ἐκείνων!). Noch weniger ist es im jetzigen Zusammenhang der ecl. eine angemessene Fortsetzung der Schilderung der pädagogischer Sorge des Schutzengels um die ausgesetzen Kinder mit seiner Betonung der durch die Kinder erreichten Weisheit in ecl. 41,1 (vgl. auch die unbestimmten γυναῖκες in ecl. 41,2). 203 Van den Hoek, Quotation, 225: „When one compares a truncated ‚chunk‘ of borrowing to the text of Clement’s source, as can be done with the treatises of Philo or the Letter of Clement to the Corinthians, it is striking how abruptly the material is sometimes presented.“ 204 Über den ursprünglichen Umfang des in ecl. 41,2–65 exzerpierten Psalmenkommentars lassen sich nur Vermutungen anstellen. Aufgrund der Elaboriertheit der Exegesen (dort, wo Clemens längere Abschnitte übernimmt) ist es aber eher unwahrscheinlich, dass hier ein nur diesen drei Psalmen gewidmeter Mikrokommentar greifbar ist.
278
Kapitel 4: Petrus Alexandrinus
Die Charakteristik dieser Psalmenkommentierung, aus der die bei Clemens vorfindlichen ApkPetr-Zitate stammen, sieht Michel Cambe durch die auffälligen „références à la littérature hénochienne et pétrinienne“ 206 und die Bedeutung der Angelologie bestimmt 207. Der markante Bezug auf Petrus- und Henoch-Literatur ergibt sich dadurch, dass der Psalmenkommentar neben der ApkPetr mit dem KerPetr (frg. 1c) in ecl. 58 noch ein zweites petrinisches Pseudepigraphon formell zitiert 208 und in ecl. 53,4 (vgl. 1 Hen 7,1; 8,1–3) explizit auf die Lehre des Henoch zum Fall der Engel verweist. Mit diesem Mythologem ist Clemens gut vertraut (vgl. paed. III,59,2; strom. I,81,4; III,59,2; V,10,2), doch nur hier und in den adumbr. in Iud. 14 (dort in der Zitation von Jud 14) nennt er Henoch mit Namen. Die Angelologie wiederum ist bereits zu Beginn der Psalmenexegese präsent, wenn ein Schutzengel entsprechend der göttlichen Pronoia auch abgetriebenen bzw. ausgesetzten Kindern den Weg zur Vollkommenheit bereitet (vgl. ecl. 41,1; 48), wobei das Motiv der angelischen Pädagogik ein Grundthema der Psalmenauslegung präludiert 209. In ecl. 56f wird dann, vorbereitet durch die Überlegungen zu den durch Engel vermittelten alttes-
205 Im Codex Laurentianus V 3 sind das Ende des erhaltenen Manuskripts, das Ende des Textes der ecl. (in ecl. 63) und das Ende der Psalmenkommentierung identisch. Mit Hilfe der Exzerpthandschriften lässt sich erschließen, dass der verlorengegangene Teil des Codex noch eine Fortsetzung der Psalmenkommentierung (zu Ps 19,5.10 LXX) der ecl. bot (ecl. 64f). Dabei ist weder sicher, ob zwischen ecl. 63 und ecl. 64 ursprünglich noch weitere Auslegungen angeführt wurden, noch ob ecl. 64f das Ende des Exzerpts abbilden oder nur einen vor diesem liegenden Abschnitt. Ebenfalls unklar ist, ob die ecl. mit dem Exzerpt aus dem Psalmenkommentar geendet haben oder einen anders gestalteten Abschluss besaßen. Zum letzten Fragment (das vorletzte stammt aus ecl. 28!), das die vier Exzerpthandschriften überliefern, das aber nicht im Laurentianus enthalten ist, stellt Otto Stählin (Clemens, Stählin I, LI, kursiv im Original gesperrt gesetzt) fest: „Diese Worte entsprechen ihrem Charakter nach genau den letzten Paragraphen der Ecl. proph. Wir müssen also annehmen, daß L[aurentianus] zu der Zeit, als der Archetypus der Exzerpthss daraus abgeschrieben wurde, noch mehr enthielt als heute. Wahrscheinlich war es aber nur ein Blatt, das seitdem verloren gegangen ist; denn Ecl. proph. 63 ist eine Erklärung zum vorletzten Vers von Psal. 18, das eben abgedruckte Fragment aber citiert Psal. 19,10.“ 206 Cambe, Avenire solaire, 176. 207 Vgl. den Abschnitt „Les centres d’intérêt de l’abréviateur“ bei Cambe, Avenire solaire, 169–179. 208 Interessant dabei ist nicht nur, dass Clemens KerPetr 1 in strom. I,182,3 (KerPetr 1a) und strom. II,68,2 (KerPetr 1b) noch weitere zwei Mal anführt, sondern auch, dass dabei in einem Fall (nämlich in strom. II,68,2) der Text des KerPetr wie in ecl. 58 aus einem Stück Psalmenkommentierung übernommen ist. 209 Vgl. Nardi, Estratti, 31.
4.2 Clemens von Alexandrien
279
tamentlichen Bundesschlüssen in ecl. 51, eine dynamische 210, den Menschen mit einbeziehende Angelologie 211 entfaltet. Von grundlegender Bedeutung ist dabei die hierarchische Einteilung in Engel, Erzengel und πρωτόκτιστοι (vgl. strom. VI,143,1), die bereits oben bei der Besprechung der adumbr. erwähnt wurde. Ecl. 57,5 lehrt nun, dass die vollendeten Gerechten von Engeln geschult werden und nach einer Periode von 1000 Jahren (χίλια ἔτη) 212 durch diese Schulung selbst zu Engeln werden 213. Als solche werden sie – wiederum 1000 Jahre lang – von Erzengeln unterrichtet, bis sie deren Status erreichen. So erklimmen sie im Zuge dieses angelischen Curriculums schließlich auch die höchste Stufe der Hierarchie, die in der ewigen Schau Gottes besteht (vgl. strom. VI,107,3). Diese spezifische Ausgestaltung der Angelologie begegnet in den Werken des Clemens nur noch in den adumbr. sowie in exc. 10–15; 27 214. Bereits 1913 beschrieb Pierre Collomp diese auffälligen Ähnlichkeiten und wies exc. 10–16.27 und ecl. 51.56f einer von Clemens verwendeten Quelle zu 215. Forschungsgeschichtlich geriet die Weiterarbeit an dieser „Collomp-Quelle“ durch ihre Transformation bei Wilhelm Bousset in eine Sackgasse. Dieser rechnete ihr zum einen auf methodisch durchaus fragwürdigen Wegen noch zahlreiche andere Passagen aus den Werken des Clemens zu 216 und verknüpfte sie zum anderen dergestalt mit der Erwähnung des Pantänus in ecl. 56,2, dass dieser als Urheber des Quellenmateri-
210 In strom. VI,47,1 deutet Clemens Mt 27,52 als Ausdruck einer Bewegung in der jenseitigen Welt, die durch das soteriologische Wirken Christi ausgelöst wird. 211 Vgl. dazu Oeyen, C., Eine frühchristliche Engelpneumatologie bei Klemens von Alexandrien, in: IKZ 55/56 (1965), 102–120. 27–47 (mit älterer Literatur!), sowie daran anknüpfend Bucur, Revisiting Christian Oeyen, passim, und ders., Other Clement, 254– 265. 212 Cambe, Avenir solaire, 110f, weist auf die Nähe dieses Motivs zu 2 Petr 3,8f hin. 213 Oeyen, Engelpneumatologie, 109, sieht darin „eine besondere, spiritualistische Auslegung der tausendjährigen Periode, die nach judenchristlicher Lehre dem Weltende vorausgehen soll“ und eine Verbindung „mit der stoischen Weltperiodenlehre“ (ebd., 109 Anm. 22). An späterer Stelle (ebd., 41) erwägt Oeyen – wohl hinsichtlich ecl. 56f: „Einige stoisch-millenaristische Elemente in den Eclogae dürften vielleicht aus Pantänus stammen.“ 214 Eine begrenzte Ausnahme ist die Erwähnung der πρωτόκτιστοι in strom. V,35,1, wobei der Kontext (vgl. die Erwähnung der vier Bundesschlüsse in strom. V,34,4 und ecl. 51,1 sowie die parallelen Exegesen in strom. V,39f und exc. 27) eine traditionelle Prägung dieses Abschnitts nahelegt (vgl. Kovacs, Concealment, 414f. 420f. 432–434). Man könnte auch vermuten, die in strom. VI,57,3; 143,1 genannten (sieben) „Archonten“ seien mit den Protoktisten identisch. 215 Vgl. Collomp, P., Une source de Clément d’Alexandrie et des homélies pseudoclémentines, in: RPh 37 (1913), 19–46, zur Abgrenzung besonders ebd., 29. 216 Vgl. Bousset, Schulbetrieb, 157–173.
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Kapitel 4: Petrus Alexandrinus
als anzunehmen sei 217. Die so gewonnene „Pantänus-Quelle“ wurde 13 Jahre nach Boussets Tod von Johannes Munck einer harschen Kritik unterzogen 218, die mehr oder weniger einstimmig als Widerlegung von Boussets Vorschlag rezipiert wurde und wird 219 – bis heute ohne detaillierte Prüfung der von Bousset und Munck vorgebrachten Argumente. Übersehen wird dabei vor allem, dass ein so vehementer und präziser Kritiker wie Munck sowohl den auf Collomp zurückgehenden Kern der Hypothese – also die Abgrenzung von exc. 10–16.27 220 und ihre Verbindung mit ecl. 51.56f – als auch Boussets Hinweis auf die Psalmenkommentierung in ecl. 41,2– 65 221 selbst gerade nicht als widerlegt ansah, sondern explizit akzeptierte 222. Man wird deshalb hier von einem forschungsgeschichtlichen Unfall sprechen dürfen und eine neuerliche, auf der jüngeren Forschung zur Quel-
217 Vgl. Bousset, Schulbetrieb, 190–198, wobei Bousset insbesondere an „Schulaufzeichnung[en]“ (ebd., 192) denkt. 218 Vgl. Munck, Untersuchungen, 151–204. Mit ähnlichen Argumenten spricht sich auch Casey, R. P., The Excerpta ex Theodoto of Clement of Alexandria. Edited with Translation, Introduction and Notes, London: Christophers 1934, 10–14, gegen Boussets Hypothese aus. 219 Vgl. z.B. Cambe, Avenir solaire, 91 Anm. 20 („Sur ce point, de nombreux cercheurs s’accordent avec J. MUNCK ..., qui a critiqué de manière pertinente W. B OUSSET ...“), Neymeyer, U., Die christlichen Lehrer im zweiten Jahrhundert. Ihre Lehrtätigkeit, ihr Selbstverständnis und ihre Geschichte (SVigChr 4), Leiden u.a.: Brill 1989, 41 Anm. 16 („So ist der Versuch W. Boussets …, in den Schriften des Clemens Aufzeichnungen nach den Lehrvorträgen des Pantainos nachzuweisen, allgemein zurückgewiesen worden, besonders aufgrund der Arbeit von J. Munck…“), und Mondesert, Clément d’Alexandrie, 256 Anm. 4 („l’on peut dire aujourd’hui que cette hypothèse est finalement condamnée“). 220 Vielleicht empfand niemand die besondere Prägung dieser Abschnitte so deutlich wie Casey, Excerpta, 10: „... Exc. 10–17 contain a theory of radical materialism constructed on Stoic premise which is not only inconsistent with Clement’s uncompromising Platonism but which he elsewhere expressly rejects. How glaring this contradiction is appears at once from a comparison of Exc. 10–17 with Strom. v. 71, 1– 4.“ Sagnard, Extraits, 8–21, unterscheidet unter den Clemens zuzurechnenden Teilen der exc. nochmals zwischen exc. 4f.8f.18–20 und 27 einerseits sowie exc. 10–15 andererseits, zweifelt letztlich aber nicht an der Abkunft beider Gruppen von Clemens selbst. 221 Zu dessen Abgrenzung bei Bousset vgl. Bousset, Schulbetrieb, 161f. 222 Zum ersten Punkt vgl. besonders Munck, Untersuchungen, 172, sowie ebd., 185 („die Collomp-Quelle wird aufrecht erhalten, während die Erweiterungen Boussets abgelehnt werden“); zum zweiten die versteckte Konzession ebd., 165 („Dagegen ist der fragmentarische Kommentar zu Versen aus den Psalmen 17, 18 und 19 kaum auf andere Weise erklärlich denn als Vorarbeit zu oder als Auszug aus einem Kommentar zu mehreren einander folgenden Psalmen.“), die in der zusammenfassenden kritischen Würdigung ebd., 185, nicht mehr aufgeführt wird.
4.2 Clemens von Alexandrien
281
lenverwendung des Clemens aufbauende Sichtung der relevanten Texte als dringendes Desiderat empfinden 223. Für unseren Zusammenhang ist vor allem wichtig, dass die Eigenarten des rund um die Verwendung der ApkPetr in den ecl. greifbaren Traditionsraumes bereits seit langem gesehen werden. Treffend hat jüngst Bogdan Bucur aufgrund ihrer markanten Besonderheiten für adumbr./hyp., exc. und ecl. die Bezeichnung „the other Clement“ geprägt 224. In diesen Texten springen zudem noch weitere eigentümliche Petrustraditionen in das Auge, wenn etwa „Clemens“ nicht nur zweimal (leicht different) die Verbindung zwischen Mk und Petrus erläutert (hyp. frg. 8 [= Eusebius, h.e. VI,14,5–7; vgl. II,15,1f]; adumbr. in 1 Petr 5,13), sondern auch berichtet, nur der Apostel Petrus sei von Jesus selbst getauft worden (hyp. frg. 6 [= Johannes Moschos, Pratum spirituale 176 {PG 87, 3045 CD}]) und – möglicherweise im Widerspruch zu strom. III,52,4–53,3 (vgl. strom. IV,97,4) – annimmt, der in Gal 2,11.14 genannte Kephas sei nicht mit Petrus identisch (hyp. frg. 4 [= Eusebius, h.e. I,12,2]) 225. Somit gelangt man, wenn man den Spuren der ApkPetr im Werk des Clemens Alexandrinus folgt, in einen faszinierenden, hellenistisch-jüdisch bzw. hellenistisch-judenchristlich als auch „petrinisch“ geprägten Traditionsbereich, der dem Denken des Clemens vor allem aufgrund einer starken intellektuellen („gnostischen“) Prägung sehr nahesteht, andererseits aber theologische (v.a. angelologische und eschatologische) Charakteristika aufweist, die sämtlich sonst bei Clemens nicht bzw. deutlich transformiert begegnen. Dieser „andere Clemens“ bildet aber (gegen Bucur) nicht den esoterischen Gipfel des clementinischen Lehrkonzepts, sondern ist wohl, wie oben gezeigt (vgl. 4.2.3), der Ausdruck einer frühen Phase im Wirken des Clemens, gewissermaßen eines „Clemens vor Clemens“ 226.
223
In diesem Sinne fordert jüngst auch Markschies, Valentinian Gnosticism, 434, eine Reevaluierung der Herkunft der exc. von Clemens. 224 Vgl. Bucur, Other Clement, 318. 225 Auf diese Verteilung macht auch Smith, Secret Gospel, 28, aufmerksam: „Clement quotes as statements of Peter material from Mt., Mk., Acts, I Tim [paed. II,127,2; Anm. Grünstäudl] ..., I Pet., the Preaching of Peter, and the Apocalypse of Peter; but he also had a good deal of information about Peter from a source or sources now lost, and he seems to have made use of this information in those of his own works which also have been lost – or suppressed ...“. 226 Dazu passt, dass bis auf „die merkwürdige Stelle“ (Munck, Untersuchungen, 177f Anm. 3) protr. 113,1 und dem bei Eusebius, h.e. VI,14,4 überlieferten Fragment der verlorenen Schrift Peri Pascha alle Notizen über die Traditionen der Presbyter in adumbr./hyp., exc. und ecl. anzutreffen sind und Pantänus, den Eusebius als entscheidenden Einfluss auf Clemens’ hyp. benennt (vgl. Eusebius, h.e. VI,13,2; vgl. V,11,2), nur in ecl. 56,2 mit Namen genannt wird.
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Kapitel 4: Petrus Alexandrinus
4.2.6 Zusammenfassung und Ergebnis „Probably many other borrowings might be detected by anyone who would carefully read Clement through with an eye on this point“ 227 – dies war die Erwartung von Charles Bigg, der eine Verwendung des 2 Petr durch Clemens annahm. Der Durchgang durch die Texte des Clemens musste diese Hoffnung des Oxforder Exegeten zwar enttäuschen, konnte aber gleichzeitig auf eine große Nähe zwischen Clemens und 2 Petr hinweisen. Die wichtigsten Ergebnisse der Analyse des Verhältnisses zwischen 2 Petr und Clemens Alexandrinus sind folgende: (1) Eine Kenntnis des 2 Petr durch Clemens Alexandrinus lässt sich nicht wahrscheinlich machen. Im umfangreichen Werk des Alexandriners – auch im erhaltenen Kommentar zu 1 Petr – sind weder eindeutige Zitate von, noch Anspielungen auf 2 Petr zu identifizieren. Auch vermögen es die unscharfen und nicht übereinstimmenden Angaben zum Inhalt der hyp. bei Eusebius und Photius nicht, die These, Clemens habe in den hyp. auch 2 Petr kommentiert, gegen den Textbefund in den adumbr. plausibel zu begründen. (2) Viel wichtiger als die Suche nach möglichen „borrowings“ aus 2 Petr bei Clemens ist aber die Beachtung der fundamentalen Entsprechung, in der die theologische Konzeption des 2 Petr zu der des Clemens steht. Wie bei Clemens spielt in 2 Petr die eng mit der Erörterung der korrekten Hermeneutik autoritativer Schriften und deren Konkordanz sowie der Bewahrung apostolischer Überlieferung verbundene Vermittlung von Gnosis eine herausragende Rolle, wohingegen das Interesse an Ämterfragen und einer kreuzestheologisch konnotierten Soteriologie merkbar in den Hintergrund rückt. Wenn die Nähe zwischen Clemens und 2 Petr in der jüngeren Forschung wenig Beachtung fand, so mag das zum einen an der vornehmlich frühen Datierung des 2 Petr an den Anfang des zweiten Jahrhunderts liegen, zum anderen aber auch eine Folge davon sein, dass die Untersuchung des Gnosis-Konzepts in 2 Petr forschungsgeschichtlich eng mit der Frage nach den Gegnern verknüpft war und deshalb dieses zu wenig in seiner konstitutiven Bedeutung für die Theologie des 2 Petr wahrgenommen wurde. (3) Angesichts der entscheidenden Differenz zum Hauptwerk des Alexandriners, die durch die apokalyptische Eschatologie des 2 Petr markiert wird, ist es bemerkenswert, dass die Verwendung der von 2 Petr benützten ApkPetr bei Clemens innerhalb eines distinkten Traditionsbereichs verortet ist, der sich gerade im Hinblick auf die Eschatologie von den anderen Texten des Clemens abhebt. Auch die Auslegungen von Jud und 1 Petr in den hyp. sowie die von Clemens zu Beginn der exc. übernommene Exegese der 227
Bigg, Epistles, 202.
4.2 Clemens von Alexandrien
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Verklärungsepisode weisen in diesen Traditionsbereich („Clemens vor Clemens“) zurück. (4) Die Analyse des Verhältnisses zwischen Clemens Alexandrinus und 2 Petr zeigt nicht nur, dass die charakteristische Theologie des Clemens ein konzeptionelles Umfeld bildet, in dem die Abfassung eines Textes von der Art des 2 Petr sehr gut vorstellbar ist, sondern auch, dass in diesem Umfeld markante Texte und Traditionen, die für die Entstehung des 2 Petr von konstitutiver Bedeutung sind, nachzuweisen sind 228. Mehr noch: Die Präsenz solcher Bauelemente des 2 Petr verweist auf einen durch die Rezeption traditionellen Materials geprägten Textbereich, der sich trotz einer ähnlichen intellektuellen Prägung vom Hauptwerk des Clemens abhebt. Dabei weist dieser Text- bzw. Traditionsbereich gerade in Punkten, in denen sich Clemens und 2 Petr ansonsten grundlegend unterscheiden, etwa in der Verwendung des παρουσία-Begriffs (vgl. ecl. 56,2; adumbr. in 1 Joh 2,28) oder der Rezeption der ApkPetr, Differenzen zu den übrigen Schriften des Clemens und zugleich bzw. deshalb signifikante Berührungen mit 2 Petr auf. Da diese Beobachtungen mit den Ergebnissen der anderen Untersuchungsbereiche konvergieren, ist es plausibel, die historische und theologische Heimat des 2 Petr in jenem christlichen Lehrertum Alexandriens zu erkennen, das für uns in den Texten des Clemens Alexandrinus – insbesondere in adumbr./hyp., exc. und ecl. („Clemens vor Clemens“) – greifbar wird 229.
228 Einen Sonderfall stellt Justin von Rom dar, dessen (möglicher) Einfluss auf Clemens zwar immer wieder erwogen wird (z.B. Lilla, S. R. C., Clement of Alexandria. A Study In Christian Platonism and Gnosticism, Oxford: Oxford University Press 1971, 27: „It is most likely that Clement had read the writings of his predecessor, although he never mentions him.“), aber an keiner Stelle beweisbar scheint und bislang noch nicht umfassend untersucht wurde. Über den Forschungsstand informiert König, H., „Dass du dich retten lässt, das drängt mich sehr!“ Clemens von Alexandrien als Seelsorger. Ein wenig beachteter Zugang zu Person und Werk, Habilitation Universität Bonn 2005, online abrufbar unter http://hss.ulb.uni-bonn.de/2010/2059/2059.pdf [1. 2. 2013], 61–67, die selbst Justin unter die „geistigen Väter des Clemens“ (ebd., 67) einreiht. Eine mögliche JustinRezeption im 2 Petr wird man jedenfalls nicht als trennende Differenz zwischen 2 Petr und Clemens werten dürfen sondern eher als weitere Einladung zu einer neuerlichen Untersuchung des Verhältnisses Justins zu Clemens verstehen. 229 Es ist nicht notwendig zu betonen, dass damit kein positiver Beweis, sondern eine auf mehreren Strängen von Indizien basierende Forschungshypothese vorgestellt ist. Ähnlich bereits Chase, Second Epistle of Peter, 817: „Clement was a debtor to those who had gone before for much of his characteristic teaching. It is a reasonable conclusion from the parallels with Philo and Clement that the writer of 2 P was influenced in some of his conceptions and in his phraseology by the Christian school of Alexandria as it existed before Clement’s time.“
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Kapitel 4: Petrus Alexandrinus
(5) Trotz des Nachdrucks, mit dem sich Clemens zu Beginn der strom. als in eigenem Namen tätiger Schriftsteller darstellt, ist die Entstehung eines petrinischen Pseudepigraphons in diesem durch intensive theologische Diskussionen geprägten Umfeld keineswegs auszuschließen, wie insbesondere die Überlegungen des Clemens zur Quasi-Identität von Apostel und Gnostiker (strom. VI,106,1: „Es ist also jetzt noch möglich, in die Auswahl der Apostel aufgenommen zu werden, wenn man sich in den Geboten des Herrn übt und vollkommen und gnostisch nach dem Evangelium lebt.“) und zur Berechtigung der pia fraus verdeutlichen: „Denn er [sc. der Gnostiker; Anm. Grünstäudl] denkt Wahres und spricht zugleich auch wahr; es müßte denn sein, daß er einmal zum Zweck heilsamer Beeinflussung, so wie es ein Arzt den Kranken gegenüber tut mit der Absicht, den Leidenden zu helfen, lügen, oder, nach dem Ausdruck der Sophisten, etwas Unwahres sagen wird. So beschnitt der edle Apostel den Timotheus, obwohl er es laut aussprach und in seinen Schriften verkündete, daß die mit Händen gemachte Beschneidung nichts nütze.“ (strom. VII,53,2f; ähnlich VI,124,1–3 und strom. I,160,2)
Wie dann dieser testamentarische Text des Petrus rund 100 Jahre nach dem Tod des Petrus in Umlauf kam und so rezipiert wurde, dass er zur Zeit des Origenes bereits eine gewisse Akzeptanz als Text des Apostels Petrus erlangt hatte, lässt sich schlicht nicht sagen 230; vielleicht war aber hinsichtlich der weiteren Rezeption des 2 Petr der Umstand, dass die Beziehung zwischen Clemens und Origenes wohl nicht so eng gewesen ist, wie dies Eusebius darstellt (vgl. h.e. VI,6,1) 231, nicht ohne Bedeutung. Angesichts der klaren Trennung zwischen „eingeweihten Gnostikern“ und „einfachen Gläubigen“ bei Clemens könnte man nach einem Vorschlag von Hans-Josef Klauck 232 auch vermuten, der aufgrund seiner elaborierten Sprachgestalt an seine Leser durchaus Ansprüche stellende 2 Petr sei zum einen in einem Zirkel gebildeter Christen, die auch seine Verfasserfiktion durchschauten, 230
Wie ein Pseudepigraphon im konkreten Fall in Umlauf gebracht wurde, ist grundsätzlich einer der schwierigsten Punkte in der Pseudepigraphie-Forschung; vgl. Brox, Falsche Verfasserangaben, 62f. 231 Vgl. dazu Wyrwa, Religiöses Lernen, 299–301. 232 Klauck, Briefliteratur, 304, verweist auf „eine selten gemachte Unterscheidung“: „Vielleicht hat der Verfasser ... mit verschiedenen Gruppen unter seinen Adressaten gerechnet, mit solchen, die über das gleiche Bildungsniveau wie er verfügten und die Pseudepigraphie durchschauten, und mit solchen, die sich mit der ausgeborgten Verfasserangabe ohne Rückfrage zufrieden gaben und die man mit den Feinheiten der Brieferstellung besser nicht behelligte. Daß dies für unser Empfinden etwas Anrüchiges an sich hat, sei gar nicht geleugnet. Aber zum einen wird man auch unter Einsatz aller apologetischen Kunst der urchristlichen Pseudepigraphie nicht alles Anstößige nehmen können, und zum anderen gibt es bei den Kirchenvätern später prominente Beispiele dafür, daß manche brisanten Wahrheiten einer einsichtsfähigen Elite, den wahren ‚Gnostikern‘, vorbehalten blieben und den ‚einfachen‘ Kirchenvolk vorenthalten wurden“ (ebd., 304f).
4.2 Clemens von Alexandrien
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entstanden 233, als „nützlich“ (vgl. Eusebius, h.e. III,3,1) empfunden und tradiert worden und zum anderen im weiteren Raum der weniger Gebildeten als Testament des Petrus zur Geltung gekommen. In jedem Fall sollte man sich nicht durch die „klassischen“ Beispiele gescheiterter Rezeptionen (anscheinend) pseudepigrapher Texte wie Tertullian, bapt. 17 (zu den ActPaul) oder Eusebius, h.e. VI,12,2–6 (Serapion von Antiochien zum EvPetr) 234 dazu verleiten lassen, einen geglückten Distributions- und Affirmationsprozess des 2 Petr in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts schlichtweg auszuschließen 235. Ein illustratives, so233 Die hier vorgenommene Einordnung des 2 Petr („Clemens vor Clemens“) führt auch unweigerlich zur Frage, ob der legendenumrankte Lehrer des Clemens, der nun schon mehrfach genannte Pantänus, als Autor des 2 Petr anzunehmen ist. Da wir aber von Pantänus nur spärliche Informationen besitzen (vgl. zur Einführung etwa die ausgewogene Darstellung bei Wyrwa, Religiöses Lernen, 292–297, sowie auch Fürst, Intellektuellen-Religion, 36–42, Frenschkowski, M., Art. Pantaenus, in: BBKL 16 Ergänzungsband III [1999], 1186–1189, und Nautin, P., Pantène, in: Tome commémoratif du millénaire de la Bibliothèque patriarcal d’Alexandrie [Publications de l’Institut d’études orientales de la bibliothèque patriarcale d’Alexandrie], Alexandria 1953, 145–152) und zurzeit kein einziger Text mit Gewissheit ihm zugeschrieben werden kann, ist eine methodisch gesicherte Überprüfung der Annahme, Pantänus sei der Autor des 2 Petr, nicht möglich, weshalb die genannte Vermutung allenfalls als „scholarly guess“ zu diskutieren ist. Diese grundsätzliche methodische Einschränkung bedenkend, wird man festhalten dürfen, dass die Zahl derjenigen Christen, die im als Heimat des 2 Petr bestimmten zeitlichen, räumlichen und theologischen Kontext über das vom Verfasser des 2 Petr anzunehmende Bildungsniveau verfügten, nicht allzu groß gewesen sein wird. Zu dieser Gruppe potentieller Autoren gehört sicherlich auch Pantänus, der allein noch namentlich greifbar ist. Überdies kann man sich einen ehemaliger Stoiker (so Eusebius, h.e. V,10,1), der durch seine exegetische wie philosophische Kompetenz besticht (vgl. Eusebius, h.e. VI,13,2; 19,13), als Verfasser des 2 Petr (zu dessen Profil vgl. 1.3.1) durchaus gut vorstellen – dem Bereich der Spekulation entkommt man dabei aber nicht, weshalb die „Identität [des Verfassers des 2 Petr] ... im Dunkel der Geschichte verborgen bleibt“ (Gielen, Der zweite Petrusbrief, 526). 234 Dabei ist natürlich auch strittig, ob bzw. inwiefern die beiden genannten Texte mit den heute mit diesem Namen bezeichneten Schriften zu identifizieren sind. 235 Vgl. dazu etwa Gamble, H. Y., Pseudonymity and the New Testament Canon, in: Frey, J./Herzer, J./Janssen, M., unter Mitarbeit von Engelmann, M. (Hg.), Pseudepigraphie und Verfasserfiktion in frühchristlichen Briefen (WUNT 246), Tübingen: Mohr Siebeck 2009, 333–362, hier: 354, der auch verdeutlicht, dass auch bei den gebildetsten Christinnen und Christen der Antike eine entsprechende Kompetenz zum Nachweis pseudepigrapher Verfasserschaft nicht einfach vorausgesetzt werden darf: „To mention only the most telling instances, a report ostensibly written by Pontius Pilate to the Emperor Tiberius and attesting to the miracles and resurrection of Jesus was regarded as genuine by Justin (Apol. 1.35, 48), Tertullian (Apol. 5) and Eusebius (Hist. eccl. 2.2.1–6), and the pseudepigraphical correspondence between Paul and Seneca was considered authentic by both Jerome (Vir. ill. 12) and Augustine (Epistulae 153). (...) In this light it is no wonder that some pseudonymous writings escaped suspicion, came to be highly valued and widely used, and eventually found inclusion in the canon of Christian
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Kapitel 4: Petrus Alexandrinus
gar zeitlich und räumlich in die Nähe der hier beschriebenen Heimat des 2 Petr weisendes Zeugnis für eine Möglichkeit von vielen, wie man sich den Verlauf solcher Rezeptionsvorgänge vorstellen kann, bietet die legendarisch wirkende Notiz des Eusebius zur Indienreise des Pantänus (h.e. V,10,2f) 236. Eusebius berichtet davon, Pantänus habe bei Christen in Indien das Matthäusevangelium in hebräischer Sprache vorgefunden, das diesen durch Bartholomäus überbracht worden sei. Es ist leicht zu sehen, wie vermittels eines solchen Buchfund-Berichts 237 in analoger Weise auch pseudepigraphe Texte in Umlauf gebracht werden konnten. Wie auch immer 2 Petr konkret verbreitet wurde – seine schwierige Rezeptions- und Kanonisierungsgeschichte legt beredtes Zeugnis davon ab, dass er nicht zu jenen Texten gehörte, die sich bereits früh weiter Verbreitung und unstrittiger Akzeptanz erfreuten (vgl. die Hinweise unter 3.2.4).
scriptures.“ Zu erinnern wäre auch an das hohe Ansehen, dass der sogenannte Dritte Korintherbrief des Paulus (3 Kor) in Teilen der armenischen und syrischen Kirche genoss, sowie an die aus dem vierten Jahrhundert stammenden Apostolischen Konstitutionen, die, wiewohl selbst pseudepigraph, vor pseudepigraphen apostolischen Texten warnen (vgl. ConstAp VI,3,16). 236 Deren Historizität wird von Ramelli, I., Early Christian Missions from Alexandria to „India“. Institutional Transformations and Geographical Identifications, in: Aug. 51 (2011), 221–231, besonders 221–225, sehr optimistisch, von Neymeyer, Lehrer, 45, hingegen eher zurückhaltend beurteilt. Nach Wyrwa, Religiöses Lernen, 292, „[braucht] an der Historizität dieser Nachricht nicht gezweifelt zu werden“, wobei aber die Notizen zum Fund eines Matthäusevangeliums auch Wyrwas Einschätzung nach „einen eher legendarischen Eindruck“ (ebd., 292 Anm. 109) vermitteln. 237 Vgl. Speyer, W., Bücherfunde in der Glaubenswerbung der Antike. Mit einem Ausblick auf Mittelalter und Neuzeit (Hyp. 24), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1970.
Kapitel 5
Ergebnisse und Impulse Kapitel 5: Ergebnisse und Impulse
Die Bestimmung des historischen Ortes eines neutestamentlichen Textes ist für eine als Theologie begriffene Exegese kein Selbstzweck, sondern will dem besseren Verständnis eben dieses Textes dienen. Um diese Verknüpfung zwischen Einordnung und Interpretation des 2 Petr zum Ausdruck zu bringen, werden hier die zentralen Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung zusammengefasst (vgl. dazu auch die Zusammenfassungen am Ende der einzelnen Kapitel) und in ihrer Qualität als Impulse für die weitere exegetische Arbeit am und mit 2 Petr vorgestellt. (1) Ausgehend von der vielfach konstatierten Ortlosigkeit des 2 Petr (vgl. 1.1) war es das vornehmliche Anliegen der vorliegenden Untersuchung, einen plausiblen Vorschlag zum historischen Kontext der Entstehung des 2 Petr zu entfalten. Die in der aktuellen Forschung breit vertretenen Auffassungen, 2 Petr sei zum einen ein pseudepigrapher Text und zum anderen wohl erst im zweiten Jahrhundert entstanden, dienten dabei als Ausgangspunkt für eine rezeptionsgeschichtliche Spurensuche, die im Besonderen nach möglichen Anzeichen für Kenntnis und Gebrauch des 2 Petr in der frühchristlichen Literatur des zweiten und frühen dritten Jahrhunderts fragte (vgl. 1.2). Hinsichtlich der von 2 Petr selbst gebrauchten christlichen Texte führten bereits die im Zuge des einleitenden Teils (Kapitel 1: Konturen) durchgeführten Analysen zu 1 Petr, Jud, Corpus Paulinum und den kanonisch gewordenen Evangelien zu einigen aufschlussreichen Akzentuierungen. (2) Das Verhältnis des 2 Petr zum Ersten Petrusbrief (vgl. 1.3.3) erscheint dabei insofern als interessant, als in 2 Petr 3,1 ein Bezug auf 1 Petr anzunehmen ist – man beachte vor allem die Selbstverständlichkeit, mit der 2 Petr von der Existenz eines und nur eines Petrusbriefes ausgeht –, gleichwohl eine deutliche Anknüpfung gerade in der Gestaltung der Verfasserfiktion an 1 Petr in 2 Petr aber fehlt. Kommunikationspragmatisch stellt sich damit die Frage, wie 2 Petr seine massive petrinische Verfasserfiktion plausibel machen kann, wenn er gleichzeitig auf eine Imitation des einzigen von ihm angesprochenen Petrus-Textes verzichtet. (3) Im Unterschied zu 1 Petr (genauer: zu einem ersten Petrusbrief) wird der Judasbrief (vgl. 1.3.2) von 2 Petr nicht ausdrücklich erwähnt oder benannt, jedoch umso intensiver benutzt. Angesichts der ausgearbeiteten Ver-
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Kapitel 5: Ergebnisse und Impulse
fasserfiktion des 2 Petr und seines weitreichenden Anspruchs erscheint es dabei als eher unwahrscheinlich, dass der Verfasser des 2 Petr auf eine Unkenntnis des Jud bei seinen Adressaten hofft. Vielmehr dürfte 2 Petr die im zweiten Jahrhundert durchaus greifbare Autorität des Jud benutzen, um seine Darstellung und Argumentation mit „dem Klang der alten Zeit“ zu versehen. Dadurch legt sich für 2 Petr ein Entstehungskontext nahe, der durch eine gewisse Hochschätzung des Jud geprägt ist. (4) Deutlich rekurriert 2 Petr auch auf Paulus und dessen Briefe (vgl. 1.3.4), wobei die selbstverständlich wirkende Zuordnung der Paulusbriefe zu „den anderen Schriften“ der (in ihrem in 2 Petr vorausgesetzten Umfang kaum sicher zu bestimmenden) Sammlung der Briefe des Paulus einen Status zuerkennt, der vielleicht bei Polykarp von Smyrna, sicher aber erst bei Irenäus von Lyon zu greifen ist. So sehr dies als Zeichen für den theologiegeschichtlichen Entwicklungsstand des 2 Petr ernst genommen werden muss, so wenig kann daraus eine Datierung des 2 Petr in die Zeit des Irenäus direkt abgeleitet werden. Auch eine bestimmte Verortung von Verfasser und/oder Adressaten sollte aus den Aussagen des 2 Petr zu den Paulusbriefen nicht geschlossen werden – Gleiches gilt auch von der Anspielung an 1 Petr. (5) Unter den kanonisch gewordenen Evangelien (vgl. 1.3.5) zeigt insbesondere das Matthäusevangelium eine grundlegende Nähe zu 2 Petr, die, gerade im Hinblick auf die Himmelsstimme beim Verklärungsgeschehen, wohl am wahrscheinlichsten durch eine Kenntnis des Mt seitens 2 Petr zu erklären ist. Trotz einiger Berührungspunkte lässt sich Gleiches vom Lukasevangelium nicht sagen, während sich eine mögliche Beziehung zum Markus- und zum Johannesevangelium an der Interpretation einzelner Textstellen (zu Mk vgl. 2 Petr 1,15, zu Joh vgl. 2 Petr 1,14) entscheidet. Dabei ist die verbreitete Annahme eines Rückverweises auf Joh 21,18f in 2 Petr 1,14 aufgrund deutlicher Inkongruenzen und eines in 2 Petr kaum spürbaren johanneischen Einflusses eher unwahrscheinlich, während ein Verweis auf das Mk in 2 Petr 1,15 angesichts der Verbreitung der Markus und Petrus verknüpfenden Tradition im zweiten Jahrhundert eine durchaus plausible Erklärung für das vieldiskutierte Futur σπουδάσω darstellt. Wichtig ist dabei allerdings zu beachten, dass die Annahme einer solchen Verknüpfung in 2 Petr 1,15 gerade keine petrinische Abfassung des 2 Petr und/oder eine tatsächliche Verbindung des Mk mit Petrus bzw. einem petrinisch geprägten Traditionsstrom voraussetzt, sondern nur die frühchristliche Präsenz der Tradition(en) von einer solchen Verbindung. (6) Um den Untersuchungsraum zeitlich auch nach oben hin abzustecken, war neben der Sichtung des Zeugnisses des Origenes insbesondere ein Blick auf Hippolyt von Rom, das Muratorische Fragment sowie auf die versionale und handschriftliche Bezeugung geboten. Kanongeschichtlich
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interessant ist der Umstand, dass 2 Petr im ältesten Textzeugen P72 als Teil eines antiken Sammelkodex zum einen an der Seite von später nicht kanonisch gewordenen Texten erscheint, dabei aber andererseits (bereits) recht eng an die Seite von 1 Petr gerückt ist, mit dem er eine Ergänzung um Marginalien teilt. Ebenfalls im Blick auf die Kanongeschichte interessant sind die verschiedenen im Codex Vaticanus präsenten Gliederungssysteme, die unter anderem auch die Katholischen Briefe – wohl im Hinblick auf eine Verlesung im Gottesdienst – in unterschiedlich lange Abschnitte einteilen. Vorsicht scheint dabei allerdings gegenüber der aus diesen Gliederungen mitunter abgeleiteten Annahme geboten, in der dem Codex Vaticanus vorausliegenden Textüberlieferung habe 2 Petr gefehlt. Trotz der faszinierenden Einsichten und offenen Fragen, die sich mit diesen ältesten Textzeugen des 2 Petr verbinden (vgl. 1.4.1), können sie aber aufgrund der zu großen zeitlichen Distanz zu einer näheren Bestimmung des Entstehungskontextes des 2 Petr im zweiten Jahrhundert kaum etwas beitragen. (7) Ähnliches gilt auch für die alten Übersetzungen des Neuen Testaments (vgl. 1.4.2), wenngleich die unsichere Stellung des 2 Petr (und der Katholischen Briefe insgesamt) in der syrischen Tradition und die Absenz früher altlateinischer Zeugnisse bereits erste Fragezeichen hinter die Vermutungen, 2 Petr könnte im syrischen Raum (forschungsgeschichtlich kaum vertreten) oder im lateinischen Westen, insbesondere in Rom, entstanden sein, setzt. Gänzlich unmöglich ist es, aus den koptischen Übersetzungen des 2 Petr auf ein bestimmtes Datum seiner Entstehung zurückzuschließen, wobei auch zu beachten ist, dass der wohl älteste sahidische Textzeuge des 1 Petr, der Crosby-Schøyen-Codex, offenbar (noch) keinen zweiten Petrusbrief (aner)kennt. (8) Näher an die vermutliche Entstehungszeit des 2 Petr führt das Muratorische Fragment (vgl. 1.4.5) heran, doch fehlt im erhaltenen Text des Fragments jeder Verweis auf 2 Petr (und 1 Petr). Aufgrund der bekanntermaßen schlechten Überlieferungsgestalt des Fragments verbieten sich aber rezeptionsgeschichtliche Schlussfolgerungen aus diesem Befund ebenso wie Konjekturen, die statt den Johannesbriefen (Lagrange) oder der Petrusapokalypse (Zahn) die beiden Petrusbriefe in den Text eintragen wollen. (9) Eine sichere Grenze für den Entstehungszeitraum des 2 Petr ist auch aus den Werken Hippolyts von Rom (vgl. 1.4.4) nicht zu gewinnen, da die Parallelen, die sich dort zu 2 Petr finden (vor allem zu 2 Petr 2,19 und 2 Petr 3,8), keine signifikanten Spezifika, sondern geprägte Wendungen betreffen, die auch sonst im antiken Christentum bezeugt sind, ohne dass daraus jeweils eine Kenntnis des 2 Petr zu schließen wäre. (10) Somit muss weiterhin Origenes (vgl. 1.4.3) als der erste sichere Zeuge für die Existenz des 2 Petr gelten, zumal auch an der Überliefe-
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rungstreue des Eusebius, der die entscheidende Stelle aus dem Johanneskommentar des Origenes mitteilt (Jo. V,3 = Eusebius, h.e. VI,25,8), an diesem Punkt nicht begründet zu zweifeln ist. Höchst auffällig ist dabei jedoch die Diskrepanz zwischen den griechisch erhaltenen Texten des Origenes, die 2 Petr nicht zu benützen scheinen und den Texten, die in der lateinischen Übersetzung des Rufin von Aquileia auf uns gekommen sind und die mehr als ein halbes Dutzend deutlicher Zitate aus dem 2 Petr bieten. Der Verdacht, dass die Verwendung des 2 Petr in diesen Texten nicht Origenes selbst, sondern vielmehr Rufin zuzuschreiben ist, lässt sich bei aller gebotenen methodologischen Vorsicht insbesondere an comm. in Rom. VIII,7 erhärten, wo ein auch in comm. in Rom. V,3; IX,2 begegnender Zitationsfehler des Origenes (er schreibt dort die Grußformel des 1 Petr Paulus zu) von Rufin unter Einbindung des 2 Petr scheinbar korrigiert wurde. Gegen eine zu starke Belastung solcher Indizien und einem pauschalen Urteil über die lateinischen 2 PetrZitate bei Origenes spricht unter anderem die interessante Parallele zu 2 Petr 2,16 in Origenes, princ. I,8,4, wo gerade aufgrund des apologetischen Interesses des Übersetzers Rufin eine nachträgliche Eintragung der 2 Petr-Reminiszenz als unwahrscheinlich zu gelten hat. Somit bleiben starke Zweifel an der Authentizität der 2 Petr-Verwendung in den lateinisch erhaltenen Texten des Rufin – gerade auch hinsichtlich der oftmals kanongeschichtlich zu stark belasteten Passage Origenes, in hom. in Jos. VII,1; gleichwohl wird man aber diese nicht in jedem Fall von vorneherein ausschließen dürfen (vgl. 1.4.3.3). Durch den Rückgriff auf 1 Petr, Jud, eine in hohem Ansehen stehende Paulusbriefsammlung und wohl auch die synoptischen Evangelien (insbesondere Mt und Mk) erweist sich 2 Petr als Text des zweiten Jahrhunderts, während aufgrund der Art und Weise seiner Erwähnung bei Origenes eine Abfassung des 2 Petr nach 180 n.Chr. nicht mehr als wahrscheinlich zu gelten hat. Damit ist, bei manchen wichtigen Neubewertungen und Akzentverschiebungen im Detail, der bekannte zeitliche Rahmen für die Suche nach dem Entstehungskontext des 2 Petr abgesteckt (vgl. 1.5). (11) Aufgrund der detailreich ausgeführten Verfasserfiktion des 2 Petr erschien es angebracht, in einem ersten Analysegang 2 Petr in Beziehung zu anderen, auf die Autorität des Petrus rekurrierenden Texten des frühen Christentums zu setzen und zu fragen, inwiefern hier Parallelen bzw. literarische Abhängigkeiten festzustellen sind, die zur Einordnung des 2 Petr beitragen können. Als wichtigstes Ergebnis der dazu durchgeführten Untersuchungen (Kapitel 2: Petrus Apocryphus) kann sicherlich die Entdeckung gelten, dass entgegen dem aktuellen Forschungskonsens aller Wahrscheinlichkeit nach 2 Petr von der griechisch und äthiopisch erhaltenen Petrusapokalypse
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(ApkPetr) abhängig ist (vgl. 2.2). Dadurch verändert sich nicht nur die zeitliche Einordnung des 2 Petr, vielmehr wird dadurch eine weitere bedeutende Quelle des 2 Petr benannt. Da die ApkPetr trotz aller Schwierigkeiten der Textüberlieferung als ein uns bekannter Text gelten darf, kann sie dabei helfen, das theologische Anliegen des 2 Petr schärfer in den Blick zu bekommen. Dies gilt etwa hinsichtlich der Form und der Funktion der Verfasserfiktion des 2 Petr, deren paradoxe Spannung zu 1 Petr, auf die Karl Matthias Schmidt hingewiesen hat (vgl. 1.3.1 und 1.3.3), auf dem Hintergrund des Einflusses der ApkPetr verständlicher wird. Des Weiteren lässt sich die Bildlogik der knappen apokalyptischen Schilderungen des 2 Petr durch die Berücksichtigung der breiteren Darstellung der ApkPetr ebenso erhellen wie die genaue Natur des in 2 Petr 3,4 greifbaren theologischen Konflikts. Als ein Teil der (erstaunlich breiten) Wirkungsgeschichte der ApkPetr lädt 2 Petr so zu einer Lektüre ein, die ihn (auch) als Rezeption, Interpretation und Transformation der ApkPetr zu verstehen sucht. (12) Umgekehrt ist für die „gnostische“ Petrusapokalypse (ApcPetr), die unter den Schriften aus Nag Hammadi überliefert ist (NHC VII,3), eine Benutzung des 2 Petr ernstlich zu erwägen (vgl. 2.6). Eine solche Rezeption des 2 Petr durch ApcPetr, wie sie etwa von Roger Pearson oder Henriette Havelaar vertreten wird, würde einen interessanten Verwendungsnachweis des 2 Petr für (wahrscheinlich) die Zeit des Origenes darstellen, scheint aber – vor allem wenn man Einflüsse von Prätexten des 2 Petr, näherhin Jud und ApkPetr, nicht ausschließen will – kaum verlässlich zu erweisen sein. In jedem Fall ist ApcPetr ein frühchristlicher Petrustext, der eine noch intensivere Erforschung unbedingt verdienen würde. (13) Dies gilt auch für das Evangelium des Petrus (EvPetr) und das Kerygma Petri (KerPetr), wenngleich beide Texte für das Projekt einer historischen Einordnung des 2 Petr wenig austragen (vgl. 2.1 und 2.3). KerPetr teilt mit 2 Petr aber immerhin das starke Interesse an apostolisch vermittelter Erkenntnis und an der Herausforderung der Begründung einer „korrekten“ Hermeneutik autoritativer Schriften, weist also, wenn man dies trotz des äußerst geringen Textbestandes des KerPetr sagen möchte, eine gewisse Kompatibilität mit 2 Petr auf. (14) Besondere methodische Schwierigkeiten bringen Versuche mit sich, die sogenannten Petrusakten (ActPetr) und die Pseudoclementinen (PsClem) in ein Verhältnis zu 2 Petr zu bringen. Die ActPetr (vgl. 2.4) sind vornehmlich als ein Text des vierten Jahrhunderts im Codex Vercellensis erhalten. Auch wenn ihre Wurzeln wohl bis in das zweite Jahrhundert hinabreichen, so bleibt doch hinsichtlich ihrer Kompositions- und Überlieferungsgeschichte – gerade auch in Bezug auf die für Datierungsfragen wichtige Verbindung zu den Paulusakten (ActPaul) – vieles unklar. Schon allein deshalb sind die ActPetr kaum als verlässliches Zeugnis einer 2 Petr-
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Rezeption am Ausgang des zweiten Jahrhunderts zu werten. Überdies vermögen auch die für eine solche Rezeption in Anschlag gebrachten Parallelen (ActPetr 12 vgl. 2 Petr 2,16; ActPetr 20 vgl. 2 Petr 1,16–18) die Vermutung einer Abhängigkeit der ActPetr von 2 Petr keineswegs verlässlich zu stützen. Ähnlich ist die Situation in den PsClem (vgl. 2.5), die für die Vielzahl der mit ihrer Entstehungsgeschichte verbundenen Hypothesen geradezu berüchtigt sind. Weder spekulative Annahmen zu möglichen Quellenschriften der PsClem noch Beobachtungen an deren „Endtext“ machen eine Bekanntschaft der PsClem mit 2 Petr wahrscheinlich. Angesichts der Vielzahl von in den PsClem kombinierten Traditionsströmen mag daraus allenfalls ein weiteres Indiz gewonnen werden, dass in der syrischen Heimat der PsClem 2 Petr und sein Petrusbild keine prominente Rolle spielten. Interessant ist immerhin, dass in PsClem R V,12,4 eine in 2 Petr 2,19 angeführte Sentenz als Ausspruch des wahren Propheten (= Jesus) begegnet, was in Verbindung mit der Einbettung der gleichen Wendung als ὁ ἔξωθεν λόγος in die Dialoge des Adamantius (vgl. Adamant. 58,1f) möglicherweise darauf hindeuten könnte, dass diese Sentenz (schon zur Zeit des 2 Petr?) als Herrenwort tradiert wurde. (15) Jenseits der „Petrusliteratur“ gewannen für die Erforschung des 2 Petr insbesondere 1 Clem, 2 Clem und Herm besondere Bedeutung, da Richard Bauckham in ihnen Anzeichen eines mit 2 Petr gemeinsamen Entstehungsmilieus entdeckte und alle vier Texte in das Umfeld eines petrinisch geprägten Kreises im Rom des späten ersten Jahrhunderts einordnete (vgl. 3.1.1). Wiewohl Bauckhams These durchaus Anhänger fand, weist sie doch entscheidende Schwächen auf, da die vorausgesetzte Datierung (und Lokalisierung) des 2 Clem (und ähnlich auch des Herm) wenig konsensfähig erscheint und die Berührungen der drei Texte mit 2 Petr sich (bis auf die berühmte, aber wohl meist überschätze Parallele 2 Petr 3,4; 1 Clem 23,3f; 2 Clem 11,2–4) nicht überschneiden und somit kaum belastbare Indizien für ein gemeinsames Milieu der vier Texte darstellen. Die Präsenz mancher terminologischer (vgl. Herm sim. IX!) und motivischer Ähnlichkeiten zwischen den drei Texten und 2 Petr wird man aber bei der Interpretation des 2 Petr dennoch zu beachten haben. Wesentlich weniger Anhalt in den erhaltenen Texten besitzen Versuche, eine Kenntnis des 2 Petr in Barn (vgl. 3.1.2), bei Polykarp von Smyrna (vgl. 3.1.3), Irenäus von Lyon oder Theophilus von Antiochien (vgl. zu beiden 3.3) nach zu weisen. Vielmehr ist der Umstand, dass 2 Petr im Westen noch bei Tertullian fehlt (vgl. 3.3), ein weiteres Indiz gegen einen westlichen, insbesondere römischen Ursprung des 2 Petr. (16) Äußerst interessant sind jedoch die Parallelen zu 2 Petr bei Justin dem Märtyrer, vor allem 2 Petr 2,1/dial. 82,1 (vgl. 3.2). Bemerkenswert
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erscheint im Blick auf die Forschungsgeschichte, mit welchem Nachdruck eine Rezeption des 2 Petr durch Justin behauptet bzw. verworfen wurde, ohne dass je die Möglichkeit einer umgekehrten Abhängigkeit ernsthaft in den Blick kam. Lässt man aber das Vorurteil, eine später Teil des Neuen Testaments gewordene Schrift habe unbedingt vor Justin verfasst worden zu sein, hinter sich, so finden sich durchaus gute Gründe, um angesichts der konkreten Gestalt und Verwendung der Falschlehrer-Sentenz in 2 Petr 2,1 und dial. 82,1 eine Kenntnis von Justins dial. bei 2 Petr zu vermuten, wodurch 2 Petr entsprechend erst in die zweite Hälfte des zweiten Jahrhunderts einzuordnen wäre. Trifft diese These zu, so erhält 2 Petr auch durch Justins Schriften (insbesondere den dial.) einen neuen Kontext, der möglicherweise manches theologisches Argument des 2 Petr, etwa den Verweis auf die gesteigerte Verlässlichkeit der Prophetie (vgl. 2 Petr 1,19–21) 1, verständlicher machen kann und einen interessanten, erst noch auszuwertenden Hinweis auf den Standort des Autors des 2 Petr gibt. In Verbund mit der Annahme, 2 Petr sei im alexandrinischen Umfeld des Clemens entstanden, bildet 2 Petr überdies gewissermaßen einen Brückentext zwischen Justin und Clemens, respektive Rom und Alexandrien, ohne dass eine Bekanntschaft mit Justin im Alexandrien der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts angesichts der Rezeptionsgeschichte von Justins Werken und des Befundes bei Clemens zu überraschen brauchte. (17) Auch beim letztem zu untersuchenden Autor des Zeitraums „vor Origenes“, dem auf eine Vielzahl von christlichen und nicht-christlichen Quellen zurückgreifenden Clemens von Alexandrien (vgl. 4.2), ist – in gewisser Weise durchaus überraschend – keine Verwendung des 2 Petr wahrscheinlich zu machen. Gleichwohl weist die markante, auf apostolisch abgesicherte Gnosis ausgerichtete theologische Orientierung des Clemens deutliche Nähen zu 2 Petr auf, dessen „Bauelemente“, wie insbesondere ApkPetr und Jud, sich bei Clemens eines hohen Ansehens erfreuen. Gerade in jenen Schriften des Alexandriners, die nicht im Fokus der patristischen Forschung im Allgemeinen und der Clemens-Interpretation im Besonderen stehen, finden sich Spuren eines Text- und Traditionsbereichs, dem – im Verbund mit allen übrigen Ergebnissen dieser Studien – als Heimat des 2 Petr Plausibilität zukommt. Durch diesen Konnex zu einem „anderen“, stärker apokalyptisch geprägten Clemens macht 2 Petr auf ein intellektuelles Umfeld aufmerksam, das der Prägung des 2 Petr als stark hellenistischer und zugleich apokalyptischer Text 2 entspricht und dessen 1 2
Erste Hinweise dazu bei Grünstäudl, Petrus, passim. Auf den Punkt bringt dies Bauckham, Jude, 2 Peter, 154: „Commentators have often tended to play down either the Hellenism or the apocalyptic in 2 Peter. In reality the juxtaposition of the two gives 2 Peter its special character.“
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weitere Erschließung – etwa durch einen erneuten Blick auf die in exc., ecl. und adumbr./hyp. präsente Angelologie – ein dringendes Desiderat darstellt, da es einen spannenden Einblick in das noch immer allzu wenig bekannte ägyptische Christentum des zweiten Jahrhunderts bietet. Da durchaus, etwa in der Karpokratianer-Polemik des Clemens, auch in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts Konflikte auftreten, die sich in gewisser Weise mit der in 2 Petr bezeugten Auseinandersetzung vergleichen lassen, ist außerdem die Frage nach der Identität der in 2 Petr bekämpften „Gegner“ neu zu stellen. Dabei wird man aber weder die starke topische Prägung der Gegnerpolemik des 2 Petr übersehen dürfen, noch die Möglichkeit außer Acht lassen können, dass 2 Petr nicht so sehr eine einzige, scharf umrissene Gegnergruppe im Blick hat, sondern vielmehr seine Erinnerung an die überlieferte Lehre in pointierter Opposition zu einer aus ganz unterschiedlichen Entwürfen zusammengestellten Gegnerfront (vgl. Justin, dial. 35,3) sieht. (18) Kanongeschichtlich ist sicherlich nicht nur der Ausfall des 2 Petr als relativ frühes Zeugnis für eine in hohem Ansehen stehende Paulusbriefsammlung und der „Platzwechsel“ mit ApkPetr 3 von Belang, sondern vor allem seine komplexe, durch zum Teil spürbare Reserve begleitete Rezeptionsgeschichte. Der im Einleitungskapitel geleistete Beitrag zu einer präziseren Bestimmung der 2 Petr-Rezeption bei Origenes und seinem Übersetzer Rufin könnte der Ausgangspunkt für weitere Untersuchungen zum Zusammenhang der Wirkungsgeschichte des 2 Petr und des Werdens des neutestamentlichen Kanons (insbesondere der Sammlung der Katholischen Briefe) werden. Zudem wäre eine weitere vergleichende Diskussion der Petrustraditionen in 2 Petr und ApcPetr (NHC VII,3) auf dem Hintergrund des Umgangs mit autoritativen Schriften in diesen beiden Texten wünschenswert. (19) In methodologischer Hinsicht lässt sich eine zweifache Anregung aus dieser Neuverortung des 2 Petr gewinnen. Zum einen gehört ein in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts entstandener 2 Petr in einen theologiegeschichtlichen Kontext, der bereits – man denke nur an den JohKommentar des Heracleon – christliche Exegese als Exegese christlicher Schriften kennt. Da die hermeneutischen Strategien christlicher Exegeten des zweiten Jahrhunderts aber grundlegend von denjenigen ihrer postmodernen Kolleginnen und Kollegen verschieden sind, mag es selbst im Falle 3
Erinnert sei noch an die eindrückliche Einschätzung der unterschiedlichen Rezeptionsverläufe von 2 Petr und ApkPetr durch Harnack, Das Neue Testament, 85: „Der 2. Petrusbrief taucht in der Kirche zuerst bei Origenes auf; er fehlt noch bei Clemens. Bei Clemens aber steht die Apokalypse des Petrus unter den heiligen Schriften; sie fehlt dagegen bei Origenes. Dieser Wechsel ist das Interessanteste in der Geschichte der unter dem Namen des Petrus stehenden Litteratur ...“ [Hervorhebung Grünstäudl].
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eines Textes, der explizit über richtige und falsche Exegese nachdenkt (vgl. 2 Petr 1,19–21; 3,14–16), schwierig sein, die von ihm durchgeführten interpretatorischen Operationen zu erkennen. Anders formuliert: Könnte es sein, dass die Schwierigkeit, in 2 Petr überzeugende Spuren von (etwa) 1 Petr, Joh oder den Paulusbriefen zu finden, (zumindest auch) in unserer Unkenntnis der von 2 Petr verwendeten Techniken des Rückgriffs auf diese Texte begründet ist? Der Versuch, durch eine verstärkte Berücksichtigung exegetischer Verfahren des zweiten Jahrhunderts an dieser Stelle methodologisch einen Schritt nach vorne zu machen, wäre mit Sicherheit lohnend. (20) Schließlich illustriert 2 Petr, dessen historischer und theologischer Ort nur unter intensiver Berücksichtigung später apokryph gewordener Texte sowie des frühen patristischen Schrifttums zu beschreiben war, wie notwendig und ertragreich gerade im Hinblick auf die Erforschung der Literatur des zweiten Jahrhunderts die Kooperation neutestamentlicher Exegese mit den „Nachbardisziplinen“ Apokryphenforschung und Alte Kirchengeschichte ist. Nimmt man diese Einsicht ernst, so bildet 2 Petr nicht länger „a very obscure corner of the New Testament“ 4, sondern befindet sich vielmehr an der zentralen Schnittstelle eines interdisziplinären und zurzeit hochgradig dynamischen Forschungsfeldes.
4
Green, 2 Peter and Jude, 7.
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Stellenregister 1. Altes Testament Genesis 1 1,3 3,22 6,2 7,1 12,1 39,10 40,8 Exodus 20,16 21,33f 34,6f Levitikus
13, 55, 65f, 237, 248 136, 158 275 114 59 63 63 188 197 237, 249 211 251 220
6,2 20,16
66 60 70f
Numeri 21,6 22 22,23 22,28 22,28–30 24,19
270 151f 60 71 61, 70 60
Deuteronomium 210 5,20 211 32,22 13
Tobit Psalmen 1,1f 2 2,6 16,13 LXX 17 LXX 17–19LXX 17,15 LXX 17,26 LXX 17,27 LXX 17,44 LXX 17,46 LXX 17,47 LXX 17,51 LXX 18 LXX 18,2–6 LXX 18,8 LXX 18,10fLXX 18,10–14 LXX 19 LXX 19,5 LXX 19,10 LXX 23,2 LXX 33f 49,16–23LXX 60,9 90,4 95,2 119,30LXX 135,6 LXX
224 237, 248, 272 92 113 113 274 274, 276 272, 277, 280 273, 277 273, 277 196 273 273 274 273 276, 278 273 273 276 273 274 273, 278 273, 278 194 43f 192 188 76, 201–203, 218 188 191 194
Sprichwörter 21,24 193
332 Kohelet 12,12 Hohelied Weisheit
Stellenregister
40, 49, 237 56 62
3 3,7 3,7f 4,6–9 4,16 5,6 10,6–9
82 272 269 277 269 276 192 192
Jesus Sirach prol. 24f 5,7 16 16,8 35,19 44,16
27 188 192 192 77 63
Jesaja 13,22b LXX 30,27f.30 34,4 LXX 42,1 44,6 45,21 49,18 52,5 58,2 65,17 65,17–25 65,20LXX 65,22 65,25LXX 66,22
62, 65, 218 188 232 133 117 162 162 162 138, 198 188 113, 203, 218 218 269, 276 203 113, 207, 218 113
Jeremia 2,5.13 38,35 Ezechiel 12,6–9 13,2 13,3 Daniel
62 179 63 62 56 56 56
3,92 LXX 6,9–11 6,23Theod
75 162 78 172
Hosea 9,7
230
Joël 2,13b–14a Jona
220 220
3,9b 4,2b
220 220 220
Habakuk 2,3
77
Maleachi 3,1b LXX 3,9 3,19 LXX
188 232 133
Psalmen Salomos (LXX) 17,8 135
333
Stellenregister
2. Neues Testament Matthäusevangelium 3, 18, 34, 38, 41, 65, 85, 87, 110, 115, 117, 119– 123, 141, 146, 167f, 178– 180, 244, 252, 281, 286, 288, 290 3,17 114, 116f 3,27.37.39 34 5,25 249 5,27–29 34 5,45 159 6,13 34 6,24 79, 159f 7,6 34 7,15 210 8,12 154, 179 9,36 167 10,15 34 10,21f 207 12,18 34, 117 12,43–45 78 12,45 34, 194f, 276 13,36–22,33 58 15,14a 167 15,19 211 16,13–20 172 16,13–27,66 58 16,17–18a 32 17,1 113 17,2par 103 17,5 34, 116f 17,1–8 115, 119, 122 17,1–9 155 17,27 197 18,10 160 19,18 211 19,28 34 19,30 57 20,16 252 21,32 34 22,12 252 22,13 154, 179 22,14 202 23,13 178 23,16f.19.26 167 24 121 24,5.11.24 207, 216
24,9 24,11.24 24,24 24,34–51 24,42–44 24,46–51 24,48 25,5 25,11 25,30 26,28parr 26,59 26,60 27,52
207 210, 217 211 34 31 77 34 34 28 154, 178f 255, 259 211 211 279
Markusevangelium 18, 35–39, 41, 65, 85–87, 227, 260, 281, 288, 290 1,11 114, 117 3,18 55 4,34 197 9 118 9,1parr 118 9,2 113 9,7 116 10,6 38 10,19 211 13,13 207 13,19 38 13,22 207, 211, 216f 13,22parr 210 14,56f 211 Lukasevangelium 10, 18, 35, 38, 41, 62, 65, 110 1,9 35 3,22 114, 117 6,26 210 6,36 159 6,43f 167 9,28 113 9,31 35, 259 9,31f 155, 259 9,35 116 11,24–26 78 11,26 34, 195
334 12,39f 16,13 17,26–30 18,20 21,17
Stellenregister 31 79, 159f 35, 225 211 207
Johannesevangelium 39–41, 43, 65, 84, 87, 127, 288, 295 4 91 4,14 185 5,46 63 7,18 160 8,34 78f, 160 10,16 272 10,71 271 12,44 63 12,28 114 14,9 63 17,3 32 17,21 61, 67 19,14 76 19,24 35 21,18 40, 127 21,18f 40–41, 127, 161, 220, 288 21,19 161 Apostelgeschichte 35, 41, 46, 65, 84, 264 1,17 35 1,18 35 1,23.26 255 2,12 96 2,37 27 3,19–20 35 3,21 35 5,31 35 6,13 251 8,9–13 148 13,6 210 15,14 35, 93 15,23–29 263 Römerbrief 2,4 2,14f 3,25 3,27
32 24, 32, 160 63 24 63
4,14f 5,3–5 5,5 6,14 6,16 7,7 7,22f 9,22f 11,1–6 11,22f 13,9 15,15
62 61, 67 61 265 78 267 63 24 67 24 211 24
1. Korintherbrief 260 1,7 216 2,2 32f 2,9 190 2,14–16 32f 3,10 251f 6,1 47 6,3 57f 7,1 47 8,1 253 8,7 32f 9,5 28 10,4c 32 10,9 270, 276 11,19 217 11,22 160 12,31 47 13,2.13 253 15 68f 15,1 47 15,10 68f 15,15 211 2. Korintherbrief 2,13 28 2,14 33 3,3 63 4,3 69 4,16 33 5,10 265 5,16 33 6,14 60 11,13 211 11,26 211
335
Stellenregister Galaterbrief 1,12.16f 2,4 2,9 2,11.14 3,17f.22 5,13–17 5,20 Epheserbrief 1,4 1,7 1,17 4,13 4,26 5,27
24 32 211 240, 252 281 63 31 217 18, 24 262 33 33 33, 252 30 262
Philipperbrief 1,9 33 2,1f 60 2,15f 69 3,8 32f 3,11 33 Kolosserbrief 18, 24 1,22 262 2,2 33 2,8 264 1. Thessalonicherbrief 18, 31f 5,2 31f 5,23 258 2. Thessalonicherbrief 18 1. Timotheusbrief 30, 281 1,9f 63 2,2 96 2,9f 229 2,14 63 3,16 96 4,2 210f 4,7f 96 4,12 160
5,18 6,2 6,3.5f.11 6,14 6,20
30 160 96 262 253
2. Timotheusbrief 3,5 96 Titusbrief 1,1 1,4 2,5 2,13
33 96 35 160 35
Philemonbrief 51, 227, 241 Hebräerbrief 3,1 6,4–6 12,2 Jakobusbrief
64, 226, 260 47 194 160 3, 46, 52, 54, 65, 225, 227, 238–241, 244
1. Petrusbrief 3, 8f, 20–25, 32, 34, 37, 40, 44f, 50, 52f, 57–60, 65, 68, 73, 85–87, 89f, 143f, 203f, 221, 225–228, 235, 238f, 241, 257, 259– 262, 282, 287–291, 295 1,1 24 1,2 61, 68f, 144, 205 1,8–12 57 1,8.12 204 1,10–12 21 1,12 58f 1,18 257, 260 1,19 260–262 2,9 252, 259f, 262 2,12 204 2,12f 47 2,21–24 204 3,3 229 3,18 261f
336 3,19f 3,20 3,21 4,10 4,11 4,12 5,12 5,13
Stellenregister 260 261 261 67, 70 70, 73 47 20 23, 85
2. Petrusbrief (ohne Verweise auf den gesamten Brief) 1 114, 138, 164, 221 1,1 10, 18, 35, 93, 146, 175, 253, 267 1,1f 24, 143, 180, 252 1,1–18 138 1,1–2,3 47 1,1–2,22 47 1,2 22, 32f, 35, 39, 61, 68f, 73, 144, 198, 205, 252f 1,3 32f, 96, 198, 252 1,3.8 39 1,3.10 39 1,3–11 38f, 123, 198 1,4 39, 60f, 66f, 126, 175, 193, 198, 242, 253, 267 1,4–14 126 1,4.10–14 124 1,4.11 129 1,4–15 126 1,5 130, 252 1,5–7 13, 195, 205, 253 1,6 96, 252 1,7 96 1,8 32f, 193, 228, 252 1,8–11 253 1,9 39, 164, 175, 177, 198 1,10 130, 198, 241, 252 1,11 35, 39, 175, 185, 198 1,12 18, 35, 38, 185, 221, 257 1,12–15 6, 35, 144 1,12.15 39 1,12.15f 6 1,13 9, 35, 39, 221, 226 1,14 25, 40f, 87, 106, 123, 125, 127–130, 161, 220, 257, 288 1,14f 110f, 123, 125f
1,15 1,16 1,16f 1,16–18
1,16–19 1,16–21 1,16–2,3 1,16–3,18 1,17 1,18 1,19 1,19–21 1,20 1,20f 1,21 1,21–2,1 2 2,1
2,1f 2,1ff 2,1–22 2,2 2,3 2,4 2,4–16 2,4–3,8 2,5 2,5f 2,5–9 2,6 2,6f 2,6–8 2,6–9 2,7
18, 35–39, 41, 87, 94f, 106, 130, 164, 195, 221, 227, 288 97, 155, 175, 198, 220, 252f, 258 96 39, 110, 113, 115–119, 121–123, 141, 146, 151, 154–156, 175, 241, 259, 292 96 21, 215, 254 107, 215 36 34f, 114, 116f, 121, 155, 192, 259 113f, 155, 207, 218 15, 28f, 140, 188, 209, 220f, 230f 28f, 96, 163, 199, 209, 215, 256f, 267, 293, 295 29, 60, 163, 196, 252 75, 96, 162, 164 162, 230 207 17, 138f, 215, 221, 257, 266 12, 16, 25, 44, 56f, 67, 69, 97, 109, 112, 138, 141, 173–175, 204–219, 226, 234, 257, 260, 268, 292f 112, 177, 198 112 126 108, 112, 138, 140, 154, 173, 175, 185, 191f, 198, 215, 241, 266 174f, 177 17, 19, 59, 136, 164, 175, 192, 221 221 47 17, 192, 241, 267 158 35 34, 43, 241, 265f 193 17 192, 204, 265, 267 192
Stellenregister 2,7f 2,8 2,9 2,10 2,10f 2,11 2,12 2,12–18 2,13 2,13f 2,13.15 2,14 2,15 2,16 2,17 2,18 2,19 2,19–22 2,20 2,20f 2,21 2,22 3 3,1
3,1f 3,1–18 3,2 3,2f 3,2–4 3,2.18 3,3 3,3f 3,3–12 3,3–13 3,4
241 188, 192 34, 175f, 192 139, 160, 164, 175, 193 19, 97, 264 16f 175 77 19, 45, 175, 194, 262, 267 164 35, 175 34, 45, 175, 267 137, 175, 198, 257 60f, 66f, 70–73, 151–154, 156, 290, 292 168, 173, 175–179 175, 267 31, 60, 66, 77–81, 158, 160, 165, 174f, 241, 243f, 289, 292 77 32–35, 77, 79f, 164, 175, 193, 195, 252 174, 194, 203, 256 34, 77, 109, 138, 141, 175, 198, 204, 239, 252, 267 34, 77, 79–81, 92, 164, 241, 244, 267 132, 134–136, 138, 162, 268 9, 20–22, 24, 32, 35, 37, 39, 87, 95f, 127, 140, 143f, 146, 198, 204, 221, 235, 259, 287 6, 18, 38, 96, 180, 253, 256f 47 35, 175, 199, 209, 215, 221 18 215 35 175, 252 109, 137f, 140, 198 138 34 34, 38, 97, 100, 129, 131, 175, 188–190, 195, 201, 255, 258f, 268, 291f
3,4.9 3,5 3,5–7 3,5–13 3,6 3,7 3,7–13 3,7.10.12 3,7.11 3,8 3,8f 3,9 3,9–18 3,10 3,10–12 3,10–13 3,11 3,11f 3,12 3,13 3,14 3,14f 3,14–16 3,15 3,15f 3,16 3,17 3,18 256
337 126 136, 194, 257 96, 131f, 193, 198, 225 17, 130 158 133f, 174f, 241 110 132–134 135 75f, 81, 201f, 206f, 218, 226f, 289 137, 164, 279 24, 34, 77, 130, 194, 198, 206, 220, 232 47 31f, 43, 109, 131, 133– 137, 142, 158, 175, 198, 232, 241 158, 194, 198 221 96, 134 137 35, 133f, 175 34, 113, 126, 158, 186, 207, 218, 267 130, 135, 164, 198, 253, 262 24, 261 96, 199, 232, 235, 257, 295 24f, 32, 61, 66, 79, 198, 205, 252 23, 26, 31–33, 140, 144, 164, 180, 204, 229 25, 28–30, 38–40, 96, 162, 164, 175, 196f, 256f 77, 175, 252 33, 39, 175, 252f,
1. Johannesbrief 40, 46, 49, 51f, 64f, 86, 227, 238, 289 1,1 86 1,3 60 1,7 261 2,28 258, 283 3,16 262 4,1 210
338
Stellenregister
2. Johannesbrief 46–48, 51, 55, 64f, 86, 227, 238f, 289 3. Johannesbrief 46–48, 51, 55, 64f, 86, 227, 238, 240f Judasbrief
1–11 2 4 5f 6 7 8 8–10 8–16 9 10
1, 3, 8f, 14–20, 34, 46f, 51, 54, 59, 65, 85, 87, 89, 106, 113, 137–142, 144, 176, 178, 180–182, 197, 215, 221, 224, 227f, 233, 237, 239f, 243, 252f, 259, 263–268, 282, 287f, 290f, 293 48 205 138, 207, 215 265 19, 58f, 136 43–45, 193, 265 16, 139, 160, 178, 265 19 266 16f, 19, 263f 19, 178
11 12 12f 12–25 13 14 14f 16 17f 18 19 22f 24
137f, 153, 265 19, 45, 178, 180, 262, 267 179, 239 48 180, 243 278 16f 16, 178 18, 215 138 178 266 262
Offenbarung des Johannes 65, 76, 83, 86, 214, 216 3,3 31 8,13 28 16,5 31 16,7 276 16,13 210 16,14 133 19,2 276 19,20 210 20,10 210 20,4f 76 20,4–6 216
3. Antike jüdische Literatur Ascensio Jesaiae 2,12f 210 3,5.7.10.17 210
16,22–32,6 102 19,3 101 20,2–21,9 101
Assumptio Mosis 16, 19, 264
Josephus
4. Esrabuch
Oden Salomos 11 44
12,42 1. Henoch 1,1–16,22 7,1 8,1–3
202 231 16, 103, 139, 202, 278 101 278 278
Philo
196, 257
195f, 244, 259, 276, 277, 283
De vita Mosis II,52–58 192
339
Stellenregister De providentia 264
III,84 III,85
Qumrantexte 1 QH 3,19–25
Syrisches Baruchbuch 55,6 133
134
Sibyllinische Orakel III 94
134 134
Testament des Josef 17,3 117
4. Apostolische Väter Erster Clemensbrief 4, 30, 131f, 187, 191–193, 195, 199f, 292 inscr. 105 1,2 96, 192 1,3 262 9,1 192 9,2 192 11,1 96, 192 11,2 189 15,1 96 19,2 192 23 187 23,2f 189 23,3 131, 188 23,3f 187, 292 23,4 188 24–28 188 27,1 188 27,4 131f, 193 30,8 193 31,1 192 32,4 96 34,4 193 34,8 190, 228 35,5 191f 35,7–12 192 35,12–36,1 192 36,1 192 42,1 28 45,7 192, 262 46,3 196 47,1 24, 205 50,2 262 50,3 187 61,1 192 64,1 192
Zweiter Clemensbrief 4, 30, 131, 187f, 191, 195, 197–200, 292 1,1 198 1,8 198 2,4 4, 198 2,7 198 3,1 199 5,1 198 5,2–4 198 5,5 198 5,5f 187 5,7 198 6,9 198 7,3 198 8,6 198 9,1 189 9,5 198 9,8 198 10,1 198 10,5 198, 200 11 187 11,1–4 198 11,2 188 11,2–4 134, 187, 292 11,6f 187 11,7 189f, 198 11,12 131 12,1 189 12,1f 198 12,2 187 13,1 198 13,1f 198 13,3 198 14,1–5 199 14,2 199 16,1 198
340 16,3 16,4 17,4.6 19f 19,1 19,1–20,4 20,4
Stellenregister 131–135, 189, 198 198 189 200 96 4 96
Barnabasbrief 30, 76, 187, 195, 200–204, 226, 235, 237f, 292 3,3 202 3,5 202 4,14 30, 202 5,4 203 5,7 201 5,14 202 6,2 202 6,8 202 6,13f 202 7,4 202 9,5 202 10,5 28 13,4 202 13,7 202 14,8 202 15,1 202 15,4 76, 201f 16,3 202 21,6 198 Hirt des Hermas 4, 51, 54, 74, 82, 167, 169–172, 174, 176, 180f, 187, 189–191, 193–197, 199f, 222, 276, 292 Visiones I,1,2.8 171 I,3,4 194f III,6,2 194 III,8,7 187, 195 IV,2,4 172 IV,2,5 28, 262 IV,3,3 194 IV,3,4 193 IV,3,5 262 Mandata IV,1,8 IV,3,1
194 194
V,1,6 V,2,5–7 VI,1,2f VII,2 VIII VIII,10 IX,10 X,3,1 XI,1f XI,4 XI,7 XI,11–15
276 276 196 160 211 187 160 160 210 210 210 194
Similitudenes IV,25 194 V,3,1f 196 V,4,2f 196 V,5,1 196 V,6,7 262 V,6,8 196 V,7,1 196 VIII,2,6.8 171 VIII,4,1f 171 VIII,6,3 196 VIII,11,1 194, 196 IX 169, 196, 292 IX,2,7 196 IX,7,2.4 28 IX,9,1f 171 IX,10,1–3 171 IX,10,5 196 IX,11,9 196 IX,13,9 196 IX,14,4 196, 198 IX,16,7 196 IX,16,9 196 IX,17,5 195 IX,17,5–18,2 194 IX,22,2 211 Ignatius von Antiochien 168, 205 An die Epheser 6,3 217 9,2 231 12,3 24 14,1 253
341
Stellenregister An die Smyrnaer 3 90, 93 An die Traller 6,1 217 13,3 262 Polykarpbrief 31, 204f, 235, 288, 292 inscr. 205 1,3 204 2,2 211
3,2 3,3 6,3 7,2 8,1f 9 9,1 10,2 11,2 12,1 12,2 13
24, 30, 205 205 211 205, 211 204 204 30, 205 204 30 30f 204 204
5. Antike christliche Apokryphen und Nag-Hammadi-Texte Akten des Petrus 89f, 147–156, 182, 235, 291f 13 150 1–34 148 8 152 9 151f 10 152 11 148, 151 12 151–153, 156 20 151, 154–156 21 154 30–41 149 37–41 148 41 150 Apokalypse des Petrus 5, 7f, 10, 41, 80, 84, 89f, 97–147, 154, 162, 165, 167, 178, 180–182, 221, 223, 232–235, 238, 244, 252, 256, 268f, 271f, 274– 278, 281–283, 291, 293f A 98, 102–110, 112, 115, 118, 121, 126, 129, 138f, 141 A1 137, 207, 210 A 1f 112 A 1–2 108 A 1–3 112 A 1–7 107
A2 A5 A7 A 12–13 A 21 A 22.28 A 24 A 31 B E E1 E 1,1 E 1,4 E 2,9 E 3,4 E 4,1 E 4,2.5 E 4,5f E 4,11.13 E 4–6 E 5,2–4 E 5,4 E 5,6 E 5,6b-8a E 6,3 E 7,2 E 8,4 E 9,3
103 118 103 118 103 112, 138 139 98 98, 102, 104, 108f, 111f, 126, 138f, 141 98, 102–106, 108f, 112f, 115, 119–121, 129, 132, 138f, 141, 155 109 121 138 109, 138 109 133 133 131 134 110, 130–137 132f 134 134 136 136 112, 138, 141 98 112, 141
342 E 10,7 E 14 E 14,1–4 E 14,1–5 E 14–17 E 15,1 E 15,4–6 E 15–17 E 16,2–4 E 16,5 E 17,1 E 17,7 R R 14 R 14,4 2,2 4–6 5f 6,1 7,6 7,9 7,11 8 8,1–4 8,2 8,4 8,5–10 8,6 8,10 9,2 9,3 9,4 9,7 10,1 10,4 10,6 10,7 11,3 11,5 11,7 11,9 12,2 12,6 14 14,1 14,1–4 14,4 14–17
Stellenregister 138 143 109–111, 123–130 108f, 115 110 155, 120f 118 110, 113–123, 141 114 114 116, 120 121 111, 123, 125–129, 141, 143 124 23, 41, 126, 161, 180 146 136f 136 180 178 276 276 271 271 178 271 271 178 271, 275 178 178 178 178 178 178 178 178 178 178 178 178 178 178 41, 128–130 198 125 127, 129 111
15,1 16f
113 96
Apokalypse des Petrus (NHC VII,3) 8, 89, 98, 109, 144, 165– 182, 291, 294 70,14–72,4 166 71,7–9 167 71,19–21 180 72,4–73,14 166 72,10 167 72,10–13 177 72,12.14 175 72,22–27 175 73,12 167 73,12f 175 73,12–79,31 178 73,14–79,31 175 73,14–81,3 167 73,23–28 175 74,7–9 168 74,10f 175 74,10–12 175 74,12–27 174 74,13f 171 74,13–22 173 74,15f 175 74,15–17 175 74,18f 171 74,21f 173 74,20–22 175 74,22–24 173, 175 74,27f 173 74,31–34 171 75,6 175 75,7 167 75,7–11 167 75,7–26 174 75,7–27 170 75,10–76,14 167 75,12f 175 75,15–20 175 75,24f 175 76,4 167 76,4–8 167 76,18–20f 175 76,21f 167, 175 76,25–27 175 76,29f 175 77,13 175
Stellenregister 77,24 77,24f 77,25f 77,33–78,1 78,3–6 78,6 78,8–11 78,13–15 78,12–15 78,15–22 78,16 78,17f 78,18 78,19 78,22–26 78,23 78,24f 78,25f 78,26–30 79,1 79,9f 79,11–16 79,17 79,21–31 79,30f 79,31 80,2–4 80,8–11 80,15f 81,3–83,15 81,15–18 81,29 81,29f 81,30 82,9–14 82,21–26 82,26–83,6 83,15–84,13 83,26f
175, 180 177 175 175, 177 174 175 170 175 174 169 171 171 169f, 172 171, 175 178f 179 175 179 175 171 171 179 175f 177 175 168, 171, 173, 176–180 177 174 174 167 169 167 167 175 179 173 169 167 167
Der Brief des Petrus an Philippus 165 Der zweite Logos des großen Seth 168f, 180 56,9–19 169 62,27–64,38 171 Die Taten des Petrus und der Zwölf 95, 147
343
Evangelium des Petrus 8, 34, 89–91, 102f, 121, 144–147, 168, 182, 198, 285, 291 XIV,60 146 VII,26f 146 Das geheime Markusevangelium (dub.) 242 Kerygma Petri 8, 89–97, 182, 185, 203, 221, 232, 235, 244, 278, 291 1 92, 278 1a 91, 278 1b 91, 278 1c 91, 278 2a 91, 93, 95f 2b 91 2–5 94 3 94 3a 91, 95 3b 91 4a 91, 95, 97 4b 91, 95, 97 5 91 6 91, 146 7 91 7–10 95 8 91, 96 9 91, 96f 10 91, 96 3. Korintherbrief 44, 286 Protevangelium Jacobi 44 15,4 211 Pseudoclementinen 8, 52, 89–91, 157–165, 182f, 234, 291f EpClem 161–163 EpClem1,3 161 EpClem 1,5 161 EpClem 2,1f 161f EpClem 2,2 161 EpClem 20 162
344
Stellenregister
H 157, 161f H II,6–12 162 H II,16–17 163 H II,38 163 H II,43–44 163 H III,3,2 164 H III,14 162 H III,17–21 163 H III,22 163 H III,23–25 163 H III,26 163 H III,47 163 H III,48–52 163 H III,52–54 162 H III,53 116f H III,53,1 116 H VII,8,1f 164 H IX,2,1 158, 161 H XI,19 163 H XI,25–33 163 H XVI,5,2 164 H XVI,7,6 162 H XVI,20,1–4 162 H XVII,13–19 163 R 79, 157–159, 161f
R II,68,2 R II,68,2f R II,68,4 R III,75 R V,9 R V,9–12 R V,9,1 R V,9,4 R V,11,4 R V,12,1–3 R V,12,4 292 R V,13
158 158 158 163 159 160 159 159f 159 79 66, 78f, 158–161, 165, 159
Pseudo-Titusbrief 149 Tat des Petrus 149 Evangelium Veritatis 33,15f 34 Philippusevangelium 26a 155
6. Altkirchliche Schriften und Autoren Adamantius-Dialoge 66, 229 58,1f 66, 79f, 158, 160, 292 58,1–5 160 80,23–25 66, 79, 160, 229 Aristides Apologie 15,3 15,4 16,1
93 186 211 184–186
Augustinus Jakobusbriefkommentar 240 Johanneskommentar XXXV,9,10 155
Clemens von Alexandrien Adumbrationes 239f, 249, 264, 266, 279, 282 1 Petr 239, 261f 1 Petr 1,3 261f, 264 1 Petr 1,9 262 1 Petr 1,10 262 1 Petr 1,11 260f 1 Petr 1,12 261 1 Petr 1,18 260 1 Petr 1,19 261f 1 Petr 1,23 260, 262 1 Petr 2,9 261f 1 Petr 3,18 261 1 Petr 3,20 261 1 Petr 3,21 261 1 Petr 3,22 261 1 Petr 4,5 261 1 Petr 4,10 260
345
Stellenregister 1 Petr 5,13 1 Joh 1,7 1 Joh 2,1 1 Joh 2,28 Jud Jud 1 Jud 8 Jud 9 Jud 14 Jud 24
36, 38, 260, 281 261 264 258, 283 239, 261, 263 239, 263 264–266 17, 263 278 164
An Theodorus (dub.) 36, 242–244 I,3.6 243 I,6f 243 Eclogae propheticae 245–250, 269, 271, 273– 275, 277, 281, 283, 294 1–26 275 12,8 276 19,1 253 20,1 260 27–37 275 27–50 275 28 278 37 275 40 275 41 269, 272 41–49 274 41,1 98, 268–272, 275f, 278 41,2 98, 269–273, 276f 41,2–65 92, 128, 273, 276f, 280 42 273f, 277 42–65 272 43,1 273 43,2 273 44 273, 276 45 276 45–50 276 46 276 48 269f, 272, 277f 48,1 98, 264, 269–272, 276f 48,2 270f 49 269f, 272, 277 49,1 98, 269f 49,2 276 51 276, 279f 51–65 275 51,1 273, 279
52,2 53,1 53,2 53,4 54,1 56f 56,1 56,2 56,4 56,7 58 58,1 59,1 60f 60,1 60,2f 61 62 63 64 65
273 273 273 278 273 260, 278–280 258, 273 249, 279, 281, 283 103 264 91f, 278 273 273 276 273 273 273 273 273, 278 273, 278 273, 278
Excerpta ex Theodoto 103, 245–250, 281–283 1–28 260 1,3 252, 260 4f 118, 155, 259f, 280 4,1 252, 259f 4,2 118, 259 4,3 118, 255, 259 5,1–5 259 5,1.3 103 7,3c–4 260 8–15 260 8f 280 9,3 252 10–15 279f 10–16 279f 11,2 260 12,3 103 14,3 260 17,2–20 260 18–20 280 20 248 21,2 248 23,4 260 24,2 260 27 260, 279f 32 246 58,1 252
346
Stellenregister
Hypotyposen (frg.) 237–239, 244, 247–249, 263, 269, 281f, 294 4 281 6 281 8 281 8,4–12 36 9 37 9,4–20 36 10 255 13 254 22 255 Paedagogus I,28,1 253 I,29,1 241 I,37,3 256 I,54,1 253 II,1,14 197 II,20,1 258 II,127,2 281 III,43–45 265 III,43,2 265 III,43,5 241, 265f III,43,5–44,3 265 III,44,1 266 III,44,3 265 III,44,4 265 III,45,1 265 III,59,2 278 III,89,1 211 VI,29,1 241 Protrepticus 10,19 65,2 92,4 106,2 108,5 113,1
246 253 242 92, 241 241 211 281
Quis dives salvetur 250 4,5 211 26,8 247 36,3 241 40,5 211
Stromateis
245, 247, 249, 251, 284 I–VII 245, 247 I,1,2 92 I,2,2 241, 250 I,11,1 257 I,11,3 255 I,14,3 251 I,44,3 250 I,45,1f 254 I,50,6 264 I,81,4 278 I,84,6f 210 I,85,1.3f 210 I,115,3 210 I,120,3 210 I,135,3 241 I,160,2 251, 284 I,178,1 241 I,179,3f 295 I,182,3 91f, 278 II,7,3 254 II,32,4 211 II,48,1 251 II,68,1 92 II,68,2 91f, 278 II,68,3 92 III 265–267 III,3,4 211 III,5–11 266 III,6,1 267 III,6,1–9,3 266 III,7,2 267 III,8,2 267 III,8,3 267 III,9,3 267 III,10,1 267 III,11,2 15, 243, 266 III,25,5 266 III,35,1 210 III,52,4–53,3 281 III,54,1f 266 III,54,4 236 III,59,2 278 III,61,1f 265 III,62,1 265 III,68,2 258 III,71,3 236 III,85,1 211 III,110,1 260
Stellenregister IV,53,1 253 IV,90,2 246 IV,95,2 249 IV,97,4 281 IV,101–104 272 IV,129,2 260 IV,135,1 254 V,5,2 251 V,9,4–10,3 13 V,10,2 278 V,25f 251 V,34,4 279 V,35,1 279 V,39f 279 V,49,2 241 V,54,2–4 251 V,60–62 251 VI 96, 272 VI–VII 246 VI,132,2f 17 VI,39,1–3 96 VI,39,2f 91 VI,39,4–40,2 91 VI,41,2f 91 VI,41,4–6 91 VI,43,3 91, 232 VI,45,4 260 VI,47,1 279 VI,48,1f 91, 232 VI,48,6 91 VI,57,3 279 VI,58,1 91, 97 VI,61,2 254 VI,61,3 254 VI,65,4 266 VI,68,2 254f VI,68,3 254 VI,97,3 263 VI,106,1 255, 284 VI,106,2 255 VI,107,2 271 VI,107,2f 255 VI,107,2–109,6 271f VI,107,3 279 VI,107,3–108,1 271 VI,108,2 272 VI,108,3 271 VI,109,2 272 VI,109,3 272 VI,109,4 272
347
VI,109,6 272 VI,116,1 250 VI,124,1–3 251, 284 VI,124,3 251 VI,125,3 254 VI,126,1 250 VI,128,1f 91 VI,128,3 91 VI,140,3 259 VI,143,1 279 VII 250 VII,13 272 VII,52,1–3 250 VII,53,2f 251, 284 VII,54,1 251 VII,54,2–4 251 VII,55–57 251 VII,55,6f 253 VII,57,4 253 VII,66,4 241 VII,68,4 251 VII,77,4 255 VII,82,7 253 VII,84,1 251 VII,94 254 VII,97,4 254 VII,98,2 267 VII,100,5 254 VII,105,5 254 VIII 245–249 VIII,1,1–24,6 247 VIII,25,1–33,9 247 Cyprian von Carthago Epistulae 75 229 75,6 229 Didymus von Alexandrien Enarratio in epistulas canonicas (dub.) 11, 17, 225, 239, 263 2 Petr 3,5–7 225 Eusebius von Caesarea Historia ecclesiastica I,3,8 224 I,12,2 281 II,1,3 255 II,1,4 254 II,2,1–6 285
348 II,13,6 II,15 II,15,1f II,23,25 III,1 III,1,2 III,3,1 III,3,1–4 III,3,4 III,5,3 III,13 III,21 III,25,1 III,25,3 III,25,6 III,28,1 III,32,2 III,39 III,39,14 III,39,15 III,39,16 III,39,17 IV,22,6 V,1,3–2,8 V,1,45 V,6,1 V,8,3 V,8,6 V,8,7 V,8,9 V,10,1 V,10,2f V,11,2 V,23,1f VI,6,1 VI,11,6 VI,12,1–6 VI,12,2–6 VI,13,1–3 VI,13,2 VI,14,1 VI,14,1–7 VI,14,2–4 VI,14,4 VI,14,5–7 VI,14,6f VI,19,13 VI,25,1 VI,25,2 VI,25,3–14
Stellenregister 224 37 36, 281 54, 225, 239 148 150 53f, 225, 285 53f, 224 54, 64 239 12 12 224 54, 238 224 224 224 37 36 36f, 227 227 204 210f 228 228 12 227 83 227 226 224, 285 286 281 197 281 256 144 285 236 249, 269, 281, 285 237–239, 263, 268 248 255 281 281 36 285 65, 224 64 53
VI,25,8 VI,25,10 VI,36,1 VI,36,2
53, 63, 226, 290 55 58 58
Firmilian von Caesarea vgl. Cyprian von Carthago Heracleon Johanneskommentar 91, 294 frg. 17 185, 200 Hieronymus De viris illustribus 1 20 Epistulae 120,11 124,4
20 71
Hippolyt von Rom Danielkommentar 75 III,22,3 77 III,22,4 77f, 80, 158, 160 IV,10,4 77 IV,16,2 77 IV,22,2 77 IV,23,5 75f, 201 IV,24,4 76 IV,24,5 75f, 201 De Christo et Antichristo 2 75 Refutatio omium haeresium 75 IX,7,1 81 IX,7,3 80f IX,8–10 81 X,34 80 Irenäus von Lyon Adversus haereses I,6,3 30, 33 I,14,6 259 I,16,3 227 I,22 163 I,24,3–7 169
349
Stellenregister I,25,4 I,25,5 I,28,1 I,28,2 III,1,1 III,3,3 III,11,9 III,16,8 IV,6,2 IV,9,2 V,23,2 V,26,2 V,28,2 V,28,3 V,30,3
265 265 226 266 36f, 226f 12 34 227 226 227 76, 201, 226f 76, 226 210 201, 226f 83
35 35,1 35,2 35,3 35,4 35,6 35,7 35,8 51,2 56,6 68,6 69,1 70,1 74 77,2 79,3 80–82 80,2f 80,3 80,4 81 81,1f 81,1–3 81,3 81,4 82 82,1–3 82,1
217–219, 221 217 217 211, 213, 216f, 294 217 217, 268 217 217 206, 210, 216f 221 203, 218 209f, 213 203, 218 221 221 217 217–219 217 217 217 218f 218 207 76, 201, 203, 206, 218 214, 216 213, 221 207 57, 112, 206, 208–219, 292f 210, 216 210, 216f 216 203, 218 203, 218 203, 218 36 221 221 221
Justin von Rom Apologie 206, 221 I,15,7 198 I,20 232 I,20,4 13 I,27,5 211 I,28 206, 220 I,32,9 203, 218 I,42,5 218 I,45,4 203 I,52 220 I,54 221 I,54,9 203, 218 I,60,6 203, 218 I,60,8 13 I,60,8f 221 I,63,11 203, 218 I,63,17 203, 218 I,64,1 203, 218 II,2,11 211 II,3,3 211 II,5,2f 264 II,7 232 II,7,2f 13 II,7,3 221
Origenes An Africanus
Dialog mit Trypho 206, 210, 212, 214, 216f, 219, 233f, 293 3,3 210 7,3 210 9,1 220 32,4 203, 218
Contra Celsum 59, 73 I,62 55 II,6 55 IV,87 55 V,6 55
82,2 82,3 82,4 96,1 99,1 102,5 106,3 110,3 128,4 129,1
55
350 V,7 V,59
Stellenregister 55 55
Exodushomilien. VIII,1 61, 66 XII,4 60, 66, 78f, 158, 160 Ezechielkommentar (frg.) 56f Genesishomilien 13 65f Homilien zum Hebräerbrief 255 Johanneskommentar 53 V,3 53, 59f, 63, 226, 290 XIII,62 185 XIII,104 91 frg. 20 55 Josuahomilien 65 VII,1 61, 64, 66, 72, 74, 290 Levitikushomilien IV,4 60, 66 Matthäuskommentar 58f, 73 X,13 58 X,17 59 XII,31 118 XIII,27 59 XV,27 57, 59f XVII,30 58f Numerihomilien XIII,8,1 60, 66 XIV,2,8 69 XVIII,3 153 XVIII,4,6 60 Römerbriefkommentar 73 I,3 69 IV,4 63 IV,5–V,7 63
IV,9 V,2f V,3 VII,7 VIII,6 VIII,7 IX,2 epil.
61, 66f 69 68–70, 290 69 61, 67 61, 67–70, 72–74, 290 68–70, 290 64
Über die Prinzipien 70, 73 I, praef. 8 93 I,8,4 61, 67, 70–73, 153, 290 II,5,136 57 III,2,1 17 IV,4,4 61, 66 Pamphilus Apologie 3 173 175 176
71 71 71 71
Photius Bibliotheca 109 237f, 248f Ptolemäus An Flora 6,5
185
Rufin von Aquileia vergleiche Origenes) Expositio Symboli 35 66 Historia ecclesiastica III,3,4 64 VI,25,8 63 Tertullian
15, 51, 150, 228, 292 Adversus Marcionem IV,22 229 Apologeticum 5 285
351
Stellenregister De baptismo 17 150, 285 De carne Christo 24,3 229 De cultu feminarum I,3 263 I,3,3 228 De oratione 20,2 229 Theophilus von Antiochien An Autolycus 230 I,14 231f
II,9 II,13 II,22 II,35 II,37 II,38 III,9 III,12 III,14
230 230f 230 211 232 232 211 230 232
Victorinus von Pettau 84 In Apocalypsin 76
Autorenregister Abramowski 214 Adams 13, 188, 268 Aland, B. 27, 29, 197 Aland, K. 14, 27, 29, 197, 222, 224 Aldrige 91 Alexander 192 Amphoux 46–48 Amsler 148, 157, 159, 162 Armstrong 84 Arnim 246, 249 Ashwin-Siejkowski 237 Attridge 155 Aune 22 Baasland 190 Baehrens 62 Baldwin 148f, 154 Barnett 31, 33, 199 Barns 23 Bauckham 1, 2–5, 7, 9–13, 16, 19f, 24f, 29–32, 34, 36–40, 76–80, 95, 97– 121, 123, 125–127, 129, 131–135, 137–139, 141–143, 146f, 149, 156, 160, 174, 178, 184f, 187, 190–195, 197f, 200, 207–209, 212f, 215–217, 223, 242f, 262, 267f, 292f Bauer, J. B. 205 Baum 54 Beatrice 91 Bellinzoni 216 Bénétreau 21, 29, 35–39, 187 Bennett 225 Berding 204f Berger 98, 174, 264 Bergjan 245, 249 Bethge 50 Bicher 43 Bienert 223
Bigg 27, 76, 78, 84, 94, 106, 184–186, 193, 205f, 211, 217, 226–230, 242, 260, 265, 282 Blackwell 228 Blinzler 111, 155 Blumenthal 15, 49, 134f Bobichon 206, 213 Bogaert 48 Bonwetsch 98 Boobyer 21 Bousset 92, 279f Bouvier 149 Bovon 149 Brashler 166, 168–170, 172 Bremmer 97, 107, 148, 151, 157 Brent 231 Broer 5, 15, 230, 240 Brooks 241 Brox 3, 54, 74, 80, 170–172, 194, 196, 226, 234, 251, 284 Buchholz 80, 98f, 101–108, 110, 112, 115f, 119, 127, 137, 139, 232, 271f Bucur 245f, 248f, 279, 281 Buell 255 Bultmann 197 Burge 104 Bürsgens 239f Callan 3, 14, 18, 42 Cambe 90–97, 247, 273, 278–280 Camelot 253 Campenhausen 84, 236, 250f, 255–257 Campi 81 Carleton Paget 203 Cartlidge 154 Casey 280 Chadwick 62f, 69 Chaine 29, 46, 50, 60, 74, 80, 161, 208, 213 Charles 2, 10, 13
Autorenregister Chase 7, 16, 27, 52, 54–56, 60f, 67, 106, 162, 184, 206, 210–212, 216, 230–234, 244, 252f, 259, 283 Chatelion Counet 20 Choat 170 Cirillo 170 Clark 11 Collomp 279f Cosgrove 214 Cowley 102f Czachesz 97, 153 Danieli 258 Daniélou 254 Danker 137 Davids 31, 208 De Jonge 82, 84 Dehandschutter 204 Descourtieux 248 Desjardins 253, 268 Di Benedetto 244 Dibelius 238, 245 Dillenseger 206f, 228 Dobschütz von 90f, 95–97 Donfried 189f, 197 Dschulnigg 34 Dubois 169, 171–174, 176f, 180 Dummer 75 Ebner 2 Ehrman 74 Elliott, J. H. 12, 20, 253 Elliott, J. K. 48 Engelmann 67 Enslin 26 Epp 46 Farkasfalvy 9, 33, 35, 40, 257 Ferguson 203 Ficker 153, 156 Fornberg 2f, 13, 18, 27, 35f, 152 Foster 144–147, 205f, 208, 214 Frankemölle 4f, 29, 52, 184, 192, 212 Frenschkowski 11, 18, 50, 184, 243, 285 Frey 1, 9, 11, 14, 16–19, 41, 164, 175f, 185, 189, 193f, 222f Friedrich 210 Frisius 228
353
Fuchs 1, 3, 23f, 36, 43, 49, 52, 64, 192, 252 Fuhrer 244 Fürst 93f, 285 Gamble 285 Geoltrain 157 Gerdmar 2f, 12, 14, 161, 188f, 191f Gielen 4f, 9, 12, 15, 23, 268, 285 Gilmour 1–3, 7f, 10, 89, 109, 146, 193, 208 Goehring 50 Goodspeed 26, 213, 223 Görgemanns 70, 72 Gounelle 273 Grant 230, 232 Grappe 95, 146, 148, 173 Grappone 62, 65 Grébaut 102f Green, G. L. 14, 27, 202 Green, M. 10, 14, 35, 49, 64, 94, 107, 162, 184f, 208, 227, 295 Gregory, A. F. 172, 190f, 197, 199 Gregory, C. R. 45–47 Grundmann 1, 17, 29, 50, 110, 154, 229 Grünstäudl 4, 53, 63f, 129, 131, 220, 224, 237f, 254, 293 Hagner 191 Hahnemann 82f Hammond (auch: Hammond Bammel) 58, 62, 66 Harnack (auch: von Harnack) 17, 23, 65, 85, 94f, 99, 105, 107, 139, 146, 150, 213, 221, 223, 230–232, 238, 246f, 249, 294 Harrill 13 Harrison 204 Hartmann 244 Hartog 205 Havelaar 165–170, 172, 176–180, 291 Heckel, T. K. 24f, 29, 34, 40, 117, 121, 221 Heckel, U. 5, 14f Hedrick 175 Heiligenthal 160 Hellholm 167, 172 Helmbold 34 Herzer 14 Hofmann, N. J. 16
354
Autorenregister
Hofmann, J. 103 Holmes 26, 30f, 204 Hoppe 135 Horner 49 Horrell 45 Howard 159 Hultin 16 Irmscher 163 Itter 247 Jakab 99, 101 James 102, 104, 106–108, 112, 272, 276 Janssen 14 Jenkins 70 Jeremias 220 Johnson 257 Jones 157, 160, 162f Jülicher 105 Jung 175 Kaestli 6 Kahmann 14 Kalin 53, 56, 64f Karpp 70, 72 Käsemann 1, 9, 197, 252, 256f Kasser 49, 134 Kelly, J. N. D. 1, 3, 15, 19, 25, 29, 36f, 164, 208, 262, 267 Kelly, N. 157, 257 Klauck 11, 26, 149–152, 284 Kline 159 Klostermann 57f, 90f Knoch 3, 23, 33 Knopf 7, 17, 19, 23, 187, 223, 228 Koester 146 Köhler 34, 115 König 283 Koperski 31–33, 35 Koschorke 167–173, 180 Kraft 196 Kramer 225 Kraus 2f, 8, 13f, 16, 25, 28f, 33f, 41, 52, 55, 60f, 80f, 89, 92, 95, 97f, 100–102, 104, 109–113, 115f, 124– 127, 130, 134, 141, 144–148, 180, 187, 189, 193, 195, 208f, 212, 215, 224, 252, 262, 270 Kruger 10, 27, 98, 184, 208, 227, 238, 242
Kubo 45 Kutter 240, 269, 276 Lagrange 65, 75, 80, 85, 289 Lallemann 150 Lampe 27, 79, 186, 197 Lang 94, 235 Layton 225 Le Boulluec 243, 247f, 250, 255 Lee 103, 111, 114f, 117f, 122, 125, 129, 154, 156 Leipoldt 55, 64, 74–76 Leqlercq 81f Levin 243 Lietzmann 82, 274 Lieu 6, 51, 85f, 227, 240 Lilla 283 Lindemann 24, 27, 29–32, 188f, 199 Löhr 82, 169, 265–268 Lona 55, 132, 188, 190, 193, 235 Lövestam 3, 34f Lührmann 145, 240 MacDonald 150, 155 Manns 157 Mara 90, 146 Marcovich 75 Maritano 71 Markschies 75, 81–84, 236, 238, 242, 245, 249, 274, 281 Marrassini 97f, 102–105, 110, 115f Martin 192 Mathews 14 Mayor 13, 20, 24, 26f, 29, 65, 75, 80, 103, 106f, 121, 127, 135, 139f, 161f, 184f, 193, 200, 205f, 228, 230, 242, 253, 260, 265 Mees 241 Méhat 169, 236, 239, 245, 247 Meier 237 Merkel 242 Merkt 21, 64 Metzger 47, 49 Miller, J.C. 6 Miller, R. J. 34, 116f Mills 1 Milme 186 Minns 206, 213 Mirecki 175 Mitchell 36
Autorenregister Molinari 170–173 Molland 162–164 Mondesert 16, 280 Moss 195 Muddiman 19 Müller, C. D. G. 97, 102–104, 107, 112 Müller, F. W. K. 169 Müller, P. 1, 4f, 9, 11f, 15, 24, 190 Münch 276 Munck 246f, 249, 272f, 280f Muratori 81 Mutschler 227f Nardi 245, 260, 271–273, 275f, 278 Nautin 90, 231, 246–249, 285 Neymeyer 280, 286 Neyrey 1–3, 12, 31, 110, 118, 129, 264 Nicklas 41, 44f, 98, 100–104, 111, 124f, 127f, 134, 141, 144–146, 224, 270 Nienhuis 2, 46, 54, 65f, 227f, 238–240 Noormann 227 Norelli 21, 54, 60, 65, 94, 96, 99f, 110, 115, 117, 129, 150, 217, 224, 239 Oeyen 249, 279 Olivier 13 Osborn 236, 241, 243, 246, 255 Otto, J. K. T. von 76, 201f, 206 Otto, K. 230 Pace 62 Parker 42, 45, 49, 135 Parvis, P. 206, 213 Parvis, S. 206 Paulsen 1, 3, 15, 19, 23, 26, 28, 31, 36, 43, 90f, 93–95, 117, 189, 201, 208, 215, 217 Peake 33 Pearson 1, 165, 168, 171, 173, 175–180, 291 Pellegrini 168 Perrone 59 Pervo 155 Peterson 127, 141 Picirilli (auch: Picirelli) 191–195, 201– 203, 205, 252 Pilhofer 93, 213, 229, 232 Pisano 47 Plátová 237, 241, 244 Plisch 92f
355
Poffet 185 Poirier 35 Pokorný 5, 14f Porter 46 Pouderon 30, 93f, 184–186 Poupon 148, 150f Pratscher 4, 133, 187–190, 198f, Preisker 29, 186, 193, 220 Pretty 79 Prieur 167 Prostmeier 23, 33, 201–203 Quispel 232 Ramelli 286 Rappaport 192 Rau 242f Reagan 91, 95 Reese 5 Rehm 157 Reiling 194 Rengstorf 211 Repo 108, 130f, 137f, 192 Reymond 1, 3, 23f, 36, 43, 49, 52, 64, 192, 252 Richard 75 Riedinger 244, 249 Riedl 2, 9 Ring 26, 30, 196 Rogers 229 Rordorf 92, 150 Rothschild 222 Röwekamp 71, 104 Royse 43 Ruben 246 Ruf 2, 8, 13, 19–21, 24f, 27, 29, 31, 33, 35–40, 42, 52, 76, 79, 89f, 95, 109, 117, 133, 143, 146f, 155f, 160, 161f, 176f, 188, 193f, 197, 199, 201, 208f, 212, 217, 230, 257, 259 Ruwet 65, 74, 238f, 241 Sagnard 245, 260, 280 Sanchez 213, 219 Schelkle 4, 29, 36f, 43, 46, 50, 52, 64, 74, 89, 184 Schenke 49, 92f, 134, 203 Schenke-Robinson 92f Scherer 63 Schmidt, C. 150
356
Autorenregister
Schmidt, D. H. 81, 89, 95, 108, 111f, 115, 146, 227, Schmidt, K. M. 2, 5, 11, 18–24, 28, 34, 89, 143, 146f, 165, 176, 268, 291 Schmitt 190 Schmitz 49f Schneemelcher, W. 90, 144, 148f, 152, 154, 242 Schneemelcher, W. P. 166 Schneider 258 Schnelle 5, 15, 107 Schoenborn 166–169, 171–173, 178f Scholten 75, 221, 259f, 266 Schrage 1, 40, 76, 127, 201, 212 Schrenk 27 Schröter 167, 222 Schulz-Flügel 228 Schüssler 49 Schweizer 52 Sedlak 236 Seethaler 17 Sidebottom 33 Siker 52 Sim 32 Simms 106–108, 140 Simonetti 230–232 Skarsaune 91f, 96, 206, 210, 214, 219, 221 Skeat 47f Skeb 70 Smith, T. V. 4, 31, 89, 95, 108–110, 115, 146, 152, 156, 162, 164f, 168f, 173–177, 180 Smith, M. 242, 244, 281 Soards 20 Sonnleitner 2 Speyer 286 Spitta 20, 107f, 112, 118, 137f, 197, 206 Spittler 149, 151–154 Stählin 236f, 241f, 245f, 263, 278 Starr 2, 114, 198 Stenzel 61, 64–66 Stökl Ben Ezra 170 Stoops 150, 156 Strathmann 210 Strecker 158f, 162–164 Suchla 75 Sundberg 82f Sylva 36f, 39, 252
Testuz 43 Thiede 228 Thiele 50f Thomas 148–151, 153 Thornton 36 Thümmel 53f Thurén 14f Tigchelaar 100 Tilly 257 Trelenberg 226 Trobisch 2f, 40, 42, 224 Tsutsui 66, 79, 160 Tuckett 197, 199 Uhlig 104 Van den Hoek 56, 74, 92f, 235, 243, 246, 250, 259, 274–277 Van der Horst 131 Van Houwelingen 10, 14, 64, 184 Van Minnen 101, 103f, 112, 125 Van Oyen 267 Verheyden 82–85, 193, 216 Vetten 206 Vielhauer 52, 223 Vinzent 28, 90f, 93f, 144 Vogt 57–59, 81 Vögtle 1, 3f, 6, 11–13, 17, 19f, 28, 31, 36, 40, 43, 52, 64, 74, 78, 116, 132– 136, 147, 163, 176, 184, 187, 193, 196, 198, 208, 253, 268 Volk 185f Völker 250f, 253f Von Allmen 131, 203 Vouaux 150, 152, 154f Wagner 62 Wall 21f Warfield 184, 207, 216 Warns 187, 190, 197, 199 Wasserman 14, 35, 43–45 Watson, D. F. 2, 4f, 20, 78, 187, 215, 267 Watson, F. 222 Wayment 145 Webb 1, 5 Wehnert 157, 160f, 163 Wehr 19, 28f, 34, 257 Weidemann 5, 15, 230, 240 Wendland 81
Autorenregister Wengst 190, 203 Werdermann 267 Werner 165–167, 172 Westcott 50, 56, 58, 65, 73, 240 Wiefel 44f, 245 Williams 53 Windisch 29, 186, 193, 220 Wyrwa 236, 256, 284–286 Wytzes 257 Yuen-Collingridge 170
357
Zahn 46, 52, 66, 76, 85f, 93–95, 105, 149, 155, 193f, 206, 226f, 229, 230f, 238–240, 246–249, 263, 269, 274, 276f, 289 Zeegers (auch: Zeegers-Vander Vorst) 229f, 232 Zenger 220 Zmijewski 9 Zoepfl 225, 239f, 263 Zwierlein 22, 99, 149, 190
Sachregister Abhängigkeit 210, 218f –, der ApkPetr von 2 Petr 89, 100f, 106–109 –, des 2 Petr von ApkPetr 99, 105, 137, 142, 181, 268 –, des 2 Petr von einer unbekannten Apokalypse 131 –, des 2 Petr von Jud 9, 14–20 –, des 2 Petr von Justin 208, 219, 293 –, literarische 33–35, 80f, 105, 111– 115, 123, 126, 168, 172, 175, 181, 185, 187, 189, 192–195, 197, 199, 207, 209, 212, 218, 220, 226, 292 Adressaten –, des Dialogs mit Trypho 216 –, des 2 Petr 5, 11, 17, 23–25, 35, 87, 130, 262, 264, 284, 288 Ägypten 3, 94, 143, 168–170, 172, 180, 182, 235 Akhmîm 101, 105, 111, 147 –, Akhmîm-Codex 102f, 112, 145 –, Akhmîm-Text der ApkPetr siehe Stellenregister Alexandrien 3, 23, 53, 56, 70, 72–74, 94, 101, 105, 168, 170, 201, 235, 256, 283, 293 –, Alexandrinische Schule 244, 259, 283 Altes Testament 27, 29f, 202, 232, 254 Angelologie siehe Engel Anspielung 16, 20, 30, 32, 57, 60f, 70, 80, 115, 178, 184, 195, 217, 229, 240f, 243f, 251, 282 –, Reminiszenz 36, 40, 66f, 88, 126, 128, 141, 178–180, 186, 206, 242, 290 Anthropologie 173, 175 –, dualistische 167, 170, 174 –, Kulturanthropologie 12 –, Sozialanthropologie 12
Antiochien 3, 168, 221 Apokalyptik 12, 38, 97, 111, 123, 129f, 134, 136f, 140–142, 166, 188f, 256, 258, 264, 268, 282, 291, 293 –, frühchristliche 129, 137 –, jüdische 178 ἀποκατάστασις 168f Apokryphen 16, 34, 45, 90, 168, 202, 223, 236, 243, 263, 295 –, Apokryphenforschung 295 –, Apokryphenscheu 17 Äthiopisch (Geez) 98, 102–105, 107, 111, 113, 124, 138, 141, 169, 290 Audition 166 Auferstehung 188, 261 –, Auferstehungshoffnung 188 –, Jesu 119, 216, 254, 161 Authentizität 19, 53f, 238, 246, 285, 290 –, der Ignatiusbriefe 205, 231 –, der Lehren des Basilides 169 –, der Werke Hippolyts 75 –, des Briefes an Theodorus 243 –, des 2 Petr 10, 20, 27, 35f, 48, 55, 74, 202, 206, 225–227, 240 Autor vergleiche Verfasser 6, 33, 37, 83f, 92f, 97, 99, 106, 108f, 117, 122, 125, 127, 129, 147, 152f, 156, 171, 186, 188, 190, 214, 233, 244, 249, 256, 268, 274 –, des 2 Petr 3, 10, 12, 17–19, 22, 29, 32, 34, 52, 87, 106, 195, 200, 214f, 225, 253, 262, 285, 293 Autorität 40, 45, 91, 96, 172, 177, 182, 194, 256, 282, 288, 291, 294 –, apostolische 33, 228, 256 –, christlicher Texte 22, 25–29, 45, 82, 92, 96, 144, 167, 204, 227, 236, 288
Sachregister –, des Petrus 11, 38, 87, 138, 174, 228, 290 –, des 2 Petr 18, 45, 51, 128 Bar Kochba 100, 109, 143 Berliner Koptisches Buch (Codex Copticus Berolinensis) 92f Christologie 33, 35, 167–169, 173, 175, 254, 262 –, des 2 Petr 34, 164, 175 –, Menschensohn-Christologie 34 Codex 40, 149 –, Ambrosianus I 101 sup. 81 –, Bodmer miscellus 43–45 –, Copticus Berolinensis siehe Berliner Koptisches Buch –, Crosby-Schøyen MS 193 45, 50 –, Laurentianus V 3 245, 248, 278 –, Monacensis 314 59 –, NHC VII 165f, 172 –, P. Cair. 10759 101, 112 –, Parisinus Graecus 450 212f –, Sinaiticus syr S. Catherin. 16 185 –, Tchacos 165 –, Vaticanus graecus 1209 45–48, 289 –, Vercellensis 148, 291 Dialog 25, 166, 223 –, Adamantius-Dialoge siehe Stellenregister –, Dialog mit Trypho siehe Stellenregister Doketismus 167f, 175 Ebionismus 163f Elija 114, 120 Engel 17, 57, 59, 158, 180, 263, 272 –, Angelologie 19, 59, 97, 249, 261, 263f, 275, 278f, 281, 294 –, Engelslästerung 19 –, Engelverehrung 97 –, Erzengel 264, 279 –, gefallene 19, 59, 80, 175, 221, 278 –, Protoktisten 264, 279 –, Schutzengel 269–271, 275, 277f Erde 113, 134–136, 158, 194, 218 Erinnerung 6, 36, 99, 118, 123, 158, 161, 257, 294 –, anamnetische Apostolizität 9
359
–, Erinnerungen der Apostel 214 Erkenntnis 95–97, 180, 231, 250, 253– 255, 259, 270–272, 291 –, Christi 32f, 39, 155 –, γνῶσις 31–33, 96, 142, 179, 182, 199, 203, 205, 250–256, 270f –, Gottes 67, 155 Erlösung –, σωτήρ 35, 124, 175, 185, 205 –, Soteriologie 174f, 257, 279, 282 Eschatologie 59, 75, 97, 103, 110, 113, 132, 134, 142f, 173–175, 180, 188f, 198f, 225, 228, 256, 258, 264, 268, 272, 275, 281f –, eschatologischer Fahrplan 127–129 –, Parusie 15, 17, 118, 129f, 170, 173– 175, 189, 259 –, Parusieerwartung 118, 174 –, Parusieverzögerung 77, 128 –, Rolle des Petrus 110f, 125, 128–130, 180, 268 Esel 61, 70f, 152f, 250 Exegese 7f, 40, 89, 220, 222, 242, 257, 265, 287 –, der Psalmen 92, 277f –, des 2 Petr 2, 8, 35, 136, 220, 262f –, frühchristliche 57, 60, 75, 91, 155, 172, 196, 202, 221, 249, 252, 254, 259, 279, 282, 294f –, Hermeneutik 164, 182, 203, 254, 282, 291 –, Schriftauslegung 28, 140, 196, 203, 254, 256 Exzerpt 246–249, 274, 277f –, Exzerptionstechnik des Clemens 274, 277 Feuer 266, 269 –, als Medium des Gerichts 80, 129, 132, 136, 141, 198, 232, 269, 277 –, ἐκπύροσις/Weltenbrand 13, 132, 136, 221, 232 Flut 17, 132, 158 Freiheit 174f, 243 –, bei Paulus 31 Geduld 174 –, Gottes 194, 220, 232, 261 Gegner 71, 78, 106, 160, 168, 171–173, 178, 217, 243, 264
360
Sachregister
–, des 2 Petr 16, 26, 28f, 31, 38, 77, 80, 140, 158, 174, 196, 215, 252f, 257, 262, 267f, 282, 294 –, Gegnerpolemik 17f, 77, 79, 106, 139f, 173, 175f, 194, 213, 228, 266f, 294 Gericht 17, 71, 80, 99, 109, 129, 132, 133, 135–138, 140f, 174, 179, 188, 192, 198, 232f, 262, 264f, 275, 277 Gestirne 55, 134f Gomorrha 17, 193 Häresie 16, 75, 81, 83, 164, 175, 221, 223 –, αἵρεσις 15, 207, 217 –, Begriffsgeschichte 217 Herrenwort 66, 79, 165, 216, 218–220 Hierarchie 27 –, der Engel 57, 264, 279 –, in der Kirche 172 Himmel 55, 113f, 120, 132, 134f, 156, 158, 194, 218, 231 –, Himmelfahrt 115, 119, 127, 216, 255 –, Himmelsstimme 34, 114, 116, 118f, 122, 288 Hölle 102, 106f, 139–141 Homilie –, des Origenes siehe Stellenregister –, Melitos Pascha-Homilie 44 –, Predigt 34, 37, 95, 118, 133, 163, 190, 227, 260 –, pseudoclementinische siehe Stellenregister Hund 77, 80, 151–154, 267 Imitation 3, 10, 87, 143, 287 –, imitatio 22, 143 –, Nachahmung 169 Inspiration 9, 125, 214, 230 Interpolation 30, 67–70, 88, 208, 210, 212f, 219 Intertextualität 2, 8, 44, 103, 125, 127f, 146f, 161, 177 Israel –, Schriften 27f, 97, 167, 203, 214f, 254 –, Volk 57, 162, 209, 211–213, 216 Jenseits 99 Jericho 65
Jesus (Christus) 77, 79, 96, 113–116, 118, 120, 125, 129, 146, 152, 159– 161, 174, 195, 214, 216f, 221, 252f, 281, 285, 292 Judenchristentum 34, 163f, 279, 281 Judentum 94, 97, 132, 134, 204, 217f, 259 Kanon 9, 17f, 29, 64, 79, 160, 236, 238 –, alexandrinischer 49 –, des Clemens 236 –, des Eusebius 54 –, des Origenes 53f, 56, 60 –, des Rufin 64 –, Erstedition 2, 227 –, Kanonisierung 33, 49, 225f –, Kanonizität 27, 45, 238 –, Kanonliste 48, 64f –, Geschichte 2f, 16, 45f, 48, 51, 64– 66, 82, 224, 286, 288–290 –, Schriften 8, 14, 20, 34, 41, 44, 50f, 64, 69, 85, 126, 167, 206, 222, 224, 227, 287f, 294 –, 2 Petr als Teil 1, 9, 21f, 47, 50, 64, 128, 225 Karpokratianer 15, 243, 265–267, 294 Kleinasien 3, 23f, 26, 228, 235 Konflikt 26, 28, 78, 129, 163–165, 167, 174, 268, 291, 294 Koptisch 48–50, 87f, 104, 165f, 169, 178, 289 –, Bohairisch 49, 166, 178 –, Fayumisch 49 –, Sahidisch 49, 166, 178, 289 Kreuz 169, 173f, 256f, 282 –, Kreuzigung 128, 149 Lehrer 12, 56, 143, 161, 185, 212, 215– 218, 249f, 255f, 283, 285 –, Pseudolehrer 25, 57, 129, 189, 209– 218, 220–222, 229, 267, 293 Leser 10, 18, 22, 24, 40, 116, 121, 125, 128, 130, 136, 159, 179, 193, 251, 284 Logion 93, 159f, 195 Manuskript 42–45, 47–49, 58, 127, 136, 148, 155, 165, 170, 239, 248, 276, 278 Marginalie 44f, 289
Sachregister Martyrium 93, 102, 195, 272 –, des Petrus 84, 99, 110, 125, 127– 129, 149f –, Justin der Märtyrer siehe Stellenregister –, Märtyrer von Scili 26 Metempsychose 71, 249 Methodik 5–8, 21, 24, 32f, 40, 45, 62, 66, 72, 102, 111–113, 126, 146, 163, 174, 184, 191, 193, 208, 216, 219– 226, 235, 246, 248, 250, 267, 274, 279, 285, 290f, 294f Michael 17, 263 Milieu 109, 162f –, Entstehungsmilieu des 2 Petr 33, 106, 187–191, 195, 199f, 235, 292 Monolog 167, 176–179 Mose 13, 17, 28, 114, 120, 266 Muratorisches Fragment 83–88, 99, 101, 128, 143, 172, 263, 288f Neues Testament 2, 21, 23, 29, 33, 35, 42, 45, 48–53, 65, 79, 82, 89, 96, 103, 107, 126, 130, 135, 146, 151, 161, 167, 175f, 178f, 187, 193, 195– 197, 206, 214f, 222–224, 226–228, 230, 233, 236, 240, 252f, 260, 287, 293–295 Noah 17, 35, 261 Pantänus 249, 269, 279, 281, 285f –, Pantänus-Quelle 280 Papias von Hierapolis 36f, 204, 227 Papyrus 186 –, Bodmer-Papyri 44 –, P 72 43 –, P 52 43 –, Tura-Papyrus (P. Cair. 88748) 62f Parallele 16, 21, 24, 30, 33, 38, 44, 58, 66, 78, 81, 83, 91, 104–106, 108– 111, 114, 121, 123f, 131–135, 138f, 141, 146, 154, 158, 160, 162, 169, 173, 175–177, 180f, 186–189, 192f, 195, 197–199, 203–205, 208–212, 214f, 217f, 220f, 226, 239, 242, 244, 246, 252, 260f, 272, 279, 283, 289f, 292 –, chiastischer Parallelismus 209, 212 Parusie siehe Eschatologie
361
Paulus 9, 23–34, 67–69, 88, 96f, 140, 142, 144, 150, 164, 173, 196, 199, 205, 214, 226f, 229, 252–255, 257, 264f, 288, 290f –, Paulusbrief 3, 9, 23–33, 38–40, 57, 64f, 84, 88, 196, 199, 204f, 221, 224, 232, 237, 249, 251, 286, 288, 295 –, Paulusbriefsammlung 26f, 33, 288, 290, 294 –, Paulusrezeption 27, 30, 32f, 227, 232, 235, 258, 267 Peshitta 51, 234 Petrus 13, 19, 27f, 35, 69, 79, 89, 93, 99, 102, 105, 140, 146, 148–152, 154, 158f, 163, 166f, 174, 177, 180– 182, 197, 216, 221, 229f, 254–257, 278, 281, 294 –, als Autor 7, 10, 16, 20–22, 37, 52– 54, 60f, 63f, 66f, 69, 87, 89f, 95–97, 106, 113, 140, 143, 161, 224f, 227, 241, 260f, 269f, 287, 289f –, als Apokalyptiker 130, 137, 142 –, als Prophet 18, 209 –, als Visionär 40, 99, 110, 113, 120, 143, 155f, 166f, 229 –, Petrusbild 87, 99, 125–127, 129, 143, 147, 158, 164, 181 –, Petrustradition 6, 21, 35–39, 51, 85, 87, 89, 143f, 198, 227, 260, 281 –, Testament 10, 18, 35f, 40, 51, 127f, 164, 284f, 288 –, Tod 16, 37, 40f, 84, 110, 123, 125– 129f, 141, 149f, 161, 257 Polymorphie 155 Presbyter 36, 75, 256, 281 Prophet 13, 28, 56, 60f, 71, 152f, 159, 162, 167, 202, 209, 211–213, 215f, 220, 220, 228, 230–232, 292 –, Prophetie 15f, 209, 216, 228, 293 –, Pseudoprophet 25, 57, 112, 194, 208f, 212, 215f –, Schriften 28–30, 65, 96, 118, 196, 211 –, Todesprophetie 110, 113, 123–130, 138, 141 Prosopopoiie 22, 143 Pseudepigraphie 9–14, 41, 143, 147, 222, 251, 258, 284–287 –, Fälschung 11, 244
362
Sachregister
–, petrinische Pseudepigrapha 7, 88, 95, 147, 156, 168, 184, 233, 278, 284 –, pia fraus 251, 258, 284 –, pseudepigraphe Gestaltung des 2 Petr 4, 6, 8–14, 19, 42, 87, 204, 250 –, transparent fiction 11, 22, 144, 284 relecture 122, 130, 165, 179f, 215 Rezeption 13, 18, 21, 24, 34, 40, 80f, 86, 91, 93, 105, 125, 128, 138, 147, 170, 172, 178, 191, 200, 221f, 259, 264, 283, 285f –, der ApkPetr 93, 105f, 122, 141–143, 182, 268–281, 283, 291, 294 –, des 1 Petr 21, 260–262 –, des 2 Petr 3, 7f, 11, 17, 43, 45f, 48, 51, 57, 79f, 90, 105f, 118, 128, 138, 141f, 147, 161, 173, 176–181, 184– 234, 244, 250, 284, 286, 291–294 –, des Jud 16–20, 113, 137–142, 182, 263–268 –, Paulusrezeption siehe Paulus –, Rezeptionsgeschichte 7f, 11, 16, 42, 45f, 49, 51, 84, 86, 105f, 169, 181f, 204, 224, 226, 235, 287, 289, 293 –, rezeptionsgeschichtliche Analyse 7, 184, 287 –, Rezeptionsrichtung 10, 106, 109, 114, 122f, 126, 130, 137, 141, 150, 213f, 219 Rhossos 144, 147 Rom 3f, 12, 23f, 51, 75, 99, 101, 123, 125, 127, 130, 151, 161, 187, 190, 195, 200, 221, 228, 233f, 289, 292f Rufin von Aquileia 50f, 53, 59–66, 69– 73, 79, 84, 88, 153, 157, 159f, 290, 294 Schöpfung 38, 96, 132, 194, 231, 264, 267f –, Geschöpf 248 –, Protologie 132 –, Schöpfer 21, 132, 264 Schule –, Schüler 74, 169, 186, 217, 226 –, von Alexandrien siehe Alexandrien Schwein 77, 80, 92, 250, 267 Seele 71, 167, 170, 175, 261f
Sekretärshypothese 20 Sklaverei 175, 243 Sodom 17, 193, 265f Sprache 2f, 9, 13, 18, 27–29, 50f, 56, 58, 60, 82f, 101, 104, 109, 125f, 130, 136, 165, 216, 241, 245, 276, 284, 286 –, Sprachspiel 154 –, Stil 3, 9, 12, 20, 65, 78, 130, 166, 212–215, 219, 226 Sprichwort 60, 77–81, 253 Stoa 13 –, stoisch 13, 87, 279f Syrien 3, 52, 88, 147, 168f, 234, 289, 292 –, syrische Bibel 51f, 78 –, syrische Kirche 286, 289 –, syrische Literatur 52, 157, 169, 185f, 289, 292 –, syrische Sprache 51 Tag 28, 133, 161, 189, 201, 216, 218, 226, 261 –, der Strafe 131, 133 –, des Gerichts 133, 135 –, des Herrn 75f, 135f, 201–203, 218 –, Gottes 133 Tier 70f, 94, 270 –, sprechendes 71, 151–154 Taufe 171, 194, 256, 275 –, im Acherusischen See 125 –, Jesu 114, 116 Umkehr 24, 96, 174, 194, 201, 220 Verfasser vergleiche Autor 23, 58, 79, 82, 85, 87, 92f, 119, 121, 159f, 163, 174, 178, 188, 207, 225f, 276, 285 –, des 2 Petr 5, 7, 10–14, 16–20, 23, 32, 37, 39, 106, 117, 144, 233, 253, 263f, 284f, 288 –, Verfasserfiktion 10f, 22f, 37–39, 89f, 209, 215, 221, 284, 287, 290f –, Verfasserfrage 5f Verheißung 39, 41, 123, 125–127, 158f, 188, 195, 198 Verklärung 18, 34f, 103, 109–123, 130, 141, 146, 151, 154f, 175, 180, 229, 259f, 283, 288
Sachregister –, Zeugen 15, 99, 113, 120f, 146, 156, 255f, 259 Vision 40, 140, 166f –, Petrus als Visionär siehe Petrus Wasser 80, 133, 178, 194, 250 –, wasserlose Kanäle 168, 173, 175, 177–179 –, wasserlose Quellen 168, 175, 177, 179 Weg 9f, 56, 118f, 138, 235, 252, 278f –, als Metapher 110, 112f, 137f, 175, 191f, 196, 198, 205 –, der Gerechtigkeit 138, 140f
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–, der Wahrheit 138, 140f, 154, 186, 191, 198 –, Zwei-Wege-Motiv 186, 196, 203 Zitat 16, 18, 30, 50, 52–54, 56–64, 66– 73, 77–80, 85f, 92f, 96, 98, 100, 102f, 105, 117, 131, 134, 149, 159, 161f, 177f, 184, 186–189, 192, 196, 198, 201f, 204, 206, 208, 212, 214, 216, 218, 226–228, 230, 232, 236– 239, 240–244, 246f, 260, 266, 268– 272, 274–278, 281f, 290 Zweifel 8, 17, 53–55, 58, 61–64, 73f, 109, 115, 136, 148, 188f, 198, 225f, 233, 238, 266, 290