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German Pages [337] Year 2012
W V 13 Die Vorstellung von einheitlicher Frömmigkeit und Glaubenspraxis im konfessionellen Zeitalter wird seit einiger Zeit kritisch hinterfragt. Zunehmend wird der Blick auch auf unkonfessionelle oder religiös indifferente Phänomene gerichtet. Dabei gilt den Vereinigten Herzogtümern Jülich-Kleve-Berg schon länger das Interesse der Forschung, wurde doch hier im 16. Jahrhundert für mehrere Jahrzehnte versucht, in Anlehnung an die Theologie des Humanisten Erasmus von Rotterdam und seiner Anhänger eine eigenständige Reform des Kirchenwesens zwischen Rom und Wittenberg durchzusetzen.
Studien zur mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Landesgeschichte
ISBN 978-3-402-15053-5
Band 13
Pax et Concordia
Christian Helbich
Helbich
Die Studie geht der Frage nach, inwieweit eine solche landesherrliche Kirchenpolitik in Verbindung mit humanistischen Frömmigkeits- und Bildungsidealen auch von den Verantwortlichen in den Städten rezipiert wurde. Dabei stehen die drei Städte Dortmund, Essen und Bielefeld im Mittelpunkt der Untersuchung. Nach einer Skizzierung der erasmischen Theologie und der territorialen Religionspolitik wird der Blick zunächst auf die städtische Gelehrtenwelt gerichtet: Welche Rolle spielten städtische Schulen? Wie erfolgte ihre Gründung? Wurde auf die religiöse Erziehung der Jugend konfessionell eingewirkt? Wie wurden humanistische Ideale auch außerhalb der Schule vermittelt? Der zweite Teil der Untersuchung widmet sich den Möglichkeiten und Grenzen von Reformen im Kirchen- und Gerichtswesen: Wie wurden Konflikte zwischen Laien und Klerikern beigelegt? Welche Bedeutung kam den Änderungen bei der Formulierung von Eiden zu? Und schließlich: Wie sind die Einführung des Laienkelchs im Abendmahl und des volkssprachigen Gemeindegesangs im Gottesdienst sowie die Abschaffung bzw. Eingrenzung religiöser Frömmigkeitspraktiken und kirchlicher Bräuche einzuordnen?
Westfalen in der Vormoderne
Pax et Concordia Erasmische Reformkonzepte, humanistisches Bildungsideal und städtische Kirchenpolitik in Dortmund, Essen und Bielefeld im 16. Jahrhundert
Helbich Pax et Concordia
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Christian Helbich
Pax et Concordia Erasmische Reformkonzepte, humanistisches Bildungsideal und städtische Kirchenpolitik in Dortmund, Essen und Bielefeld im 16. Jahrhundert
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Westfalen in der Vormoderne Studien zur mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Landesgeschichte Herausgegeben von Werner Freitag, Stefan Gorißen, Thomas Schilp, Eva-Maria Seng und Siegrid Westphal Geschäftsführender Herausgeber: Werner Freitag Band 13
Gedruckt mit Unterstützung des Excellenzclusters „Religion und Politik in den Kulturen der Vormoderne und Moderne“ der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster
© 2012 Aschendorff Verlag GmbH & Co. KG, Münster Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf fotomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Die Vergütungsansprüche des § 54, Abs. 2, UrhG werden durch die Verwertungsgesellschaft Wort wahrgenommen. Druck: Aschendorff Druckzentrum GmbH & Co. KG, Münster
Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier ISBN 978-3-402-15053-5
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Inhalt
Vorwort
.............................................................................................................
9
I.
Einleitung ..............................................................................................
11
1.
Das Thema ......................................................................................................
12
2.
Forschungsüberblick .....................................................................................
24
3.
Quellenlage .....................................................................................................
34
4.
Untersuchungsorte: Dortmund, Essen und Bielefeld ................................. a) Stadt und Territorialherrschaft .............................................................. b) Stadt und Stadtgemeinde ....................................................................... c) Stadt und Kirche ..................................................................................... d) Stadt und Schule .....................................................................................
41 42 45 50 52
II. Theorie und Praxis religiöser Reformkonzepte
.....................................................
55
1.
Theorie: Erasmus von Rotterdam und seine Anhänger .............................. a) Das theologische Verständnis bei Erasmus von Rotterdam ............... b) Die Nachfolger des Erasmus von Rotterdam ......................................
56 56 66
2.
Praxis: Versuche einer ‚Via Media‘ im Nordwesten des Reiches ............... a) Aspekte und Entwicklungen landesherrlicher Kirchenpolitik .......... b) Das theologische Programm in Jülich-Kleve-Berg und Kurköln ......
77 77 81
3.
Zwischenfazit .................................................................................................
93
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6
Inhalt
III. Die städtische Gelehrtenwelt im Religionskonflikt .....................................................................
95
1.
Humanismus und Schulwesen im 16. Jahrhundert ..................................... 95 a) Das Konzept der Gelehrtenschule ........................................................ 95 b) Humanistische Gelehrte im Umkreis städtischer Lateinschulen ....... 99 c) Schulneugründungen und -neuordnungen .......................................... 107 d) Die Gelehrten der neuen humanistischen Schulen .............................. 121
2.
Die religiöse Ausrichtung der Schulen ......................................................... a) Konfessionelle Offenheit oder Bekenntniszwang? ............................. b) Buchbesitz und Buchproduktion .......................................................... c) Schule und Kirchendienst ......................................................................
3.
Die Theologie und ihre Vermittlung im Werk Jakob Schöppers ............... 142
4.
Geistliches Laienschauspiel und schulisches Humanistendrama ............... 155
5.
Zwischenfazit ................................................................................................. 172
IV. Möglichkeiten und Grenzen religiösen Ausgleichs ..................................................................
131 131 135 140
175
1.
Konflikte und Konfliktlösungen bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts ........ 175
2.
Die Einführung einer (un)konfessionellen Eidesformel ............................. 184
3.
Neuerungen und Reformen im Kirchenwesen ............................................ a) Pfarr- und Predigeramt .......................................................................... b) Der Laienkelch im Abendmahl ............................................................. c) Gemeindegesang und ‚Deutsche Messe‘ .............................................. d) Prozessionen als städtisches und sakrales Ereignis ............................. e) Kontinuität und Wandel bei ‚Zeremonien‘ und ‚Brauchtum‘ ............
4.
Zwischenfazit ................................................................................................. 265
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Inhalt
V. Zusammenfassung und Ausblick
7
............................................ 267
Anhang 1.
Tabellen ........................................................................................................... 275
2.
Abkürzungen .................................................................................................. 281
3.
Archivalische Quellen .................................................................................... 282
4.
Zitierte gedruckte Schriften vor 1800 ........................................................... 284
5.
Sonstige edierte Quellen ................................................................................ 288
6.
Literatur .......................................................................................................... 292
7.
Personenregister ............................................................................................. 323
8.
Register der Orte, Territorien und Regionen .............................................. 332
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Vorwort Die vorliegende Studie wurde unter dem Titel „Pax et Concordia. Konzeption und Praxis religiösen Ausgleichs in westfälischen Städten im Reformationszeitalter“ im Januar 2011 an der Philosophischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster als Dissertation angenommen. Die Gutachten erstellten Prof. Dr. Werner Freitag und Prof. Dr. Barbara Stollberg-Rilinger. Für die Drucklegung wurde die Arbeit leicht überarbeitet. In einigen Teilen geht die Abhandlung auf meine Magisterarbeit zurück, die sich mit dem vorreformatorischen Dortmund sowie der Reformationsgeschichte dieser Reichsstadt befasste. Auf Anregung meines Doktorvaters, Prof. Dr. Werner Freitag, wurde ein Gesichtspunkt dieser Studie, die humanistisch inspirierte Reform des Kirchen- und Schulwesens in Dortmund, intensiver untersucht und mit Vorgängen in anderen Städten der Region verglichen, um einen für die Region ganz besonderen Aspekt der Reformationsgeschichte herauszustellen. Ohne die Förderung durch das „Präses D.-Karl-Koch-Stipendium“ der Evangelischen Kirche von Westfalen zwischen 2007 und 2009 wäre die Realisation dieser Arbeit kaum möglich gewesen. Daher sei dieser hier an erster Stelle gedankt. Ebenso bin ich dem Institut für vergleichende Städtegeschichte in Münster für die Bereitstellung eines Arbeitsplatzes zu Dank verpflichtet. Zu danken ist auch meinen Kolleginnen und Kollegen aus dem Umfeld der Westfälischen Landes- und Städtegeschichte, insbesondere den Mitgliedern der landesgeschichtlichen Lesegruppe (Dörthe Gruttmann, Johannes Hoffmann, Sabine Kötting, Lena Krull, Constanze Sieger, Christof Spannhoff und Kristina Thies), die während der Endphase des Schreibens regelmäßig einzelne Kapitel kritisch gelesen und mir viele Anregungen gegeben haben. Ganz besonders möchte ich mich bei Ria Hänisch, Lena Krull und Constanze Sieger bedanken, die mir in den letzten Tagen vor Abgabe der Arbeit tatkräftig unter die Arme griffen. Ebenso ist ein Dank an die Archive zu richten, insbesondere an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtarchive in Essen und Dortmund, des Münsterarchivs in Essen sowie der nordrhein-westfälischen Landesarchive in Münster und Düsseldorf, die mir stets mit Rat und Tat zur Seite standen. Ferner habe ich dem Exzellenzcluster „Religion und Politik in den Kulturen der Vormoderne und Moderne“ der Universität Münster für den großzügigen Druckkostenzuschuss zu danken. Für die reibungslose Zusammenarbeit bin ich ebenfalls dem Aschendorff-Verlag in Münster, vornehmlich seinem Lektor Dr. Burkhard Beyer, zu Dank verpflichtet. Zu guter Letzt gilt mein ganz besonderer Dank meiner Familie, die mich vor, während und nach dem Studium unermüdlich unterstützt hat. Ihr, vor allem meinen Eltern und meinem Bruder Andreas, sei daher dieses Buch gewidmet. Münster, im Dezember 2011 Christian Helbich
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I. Einleitung In einem um 1562 verfassten Brief an den Zürcher Prediger Rudolf Gwalther umriss der Humanist und Reformator Johann Pollius ein Panorama der kirchlichen Zustände in seiner westfälisch-niederrheinischen Heimat, das in den Augen eines theologisch geschulten protestantischen Geistlichen äußerst befremdlich wirken musste.1 Außer in Wesel, Soest und Büderich, wo der Gottesdienst gemäß der Confessio Augustana (CA) gefeiert werde, sei in den übrigen Orten der zu den Vereinigten Herzogtümern Jülich-Kleve-Berg gehörenden Territorien Berg, Kleve und Mark „eine gemischte Weise des Gottesdienstes“ unter Beibehaltung der vollständigen Messfeier üblich. Eine Hälfte der Gemeinde (der „bessere Theil“ oder „vernünftigere Theil“) nehme mit einem eigenen Prediger nur an evangelisch konformen Elementen der Messe (Psalmen, Predigt, Kommunion unter beider Gestalt) teil, während die andere Hälfte („der abergläubischere Theil“) in dieser Phase der Messe die Kirche verlassen habe und erst nach der Predigt zur Elevation zurückkehren würde. Weder Klerus noch Gemeinde würden sich daran stören, dass jener Teil des Gottesdienstes, der lutherischen Vorgaben entspreche, mitten während der Messe gefeiert werden müsse. Das unwissende Volk sei durchaus „für die [evangelische] Frömmigkeit empfänglich“, doch fehlten ihm kompetente Pfarrer als geeignete Lehrer, da das zur Verfügung stehende Personal nur wenig gelehrt und gering besoldet sei.2 Ähnliche Probleme erkannte Pollius auch im Schulwesen, lediglich in Düsseldorf und Duisburg habe man Wert auf die Anstellung guter Schulmeister gelegt.3 Hindernisse in der erfolgreichen Durchsetzung des evangelischen Glaubens sah Pollius nicht nur im zunehmenden Einfluss des Jesuitenordens, sondern auch im Verhalten des Hofes.4 Die Frömmigkeit des Herzogs sei zwar über jeden Zweifel erhaben und sein außerordentliches Bemühen, „sowohl der Wiederherstellung der Kirche, wie der allgemeinen Beruhigung Rechnung zu tragen“, anzuerkennen, allerdings habe die Mehrzahl 1
2 3 4
Die deutsche Übersetzung des ursprünglich lateinischen Schriftstücks findet sich bei K[arl Johann Friedrich Wilhelm] Krafft, Bericht des Johann Pollius vom Jahre 1562 über den Stand der kirchlichen Verhältnisse in Westfalen und am Niederrhein, in: Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins 9 (1873), S. 162–174, hier S. 167–174. Zur Frage der Urheberschaft des Briefes vgl. ebd., S. 162–164. Der in Bielefeld um 1490 geborene Johann Pollius war zunächst in Minden (bis 1521) sowie Osnabrück (bis 1527) als Schulrektor und später als Hofkaplan des Tecklenburger Grafen in Rheda tätig. Darüber hinaus wirkte er kurzzeitig als Prediger in Soest (1533/34) sowie für eine längere Zeit in Osnabrück (seit 1543 mit einer Unterbrechung von 1548–1550), wo er um 1562 verstarb. Zur Biographie vgl. Bernhard Spiegel, Johannes Pollius. Erinnerungen an einen Verschollenen, in: Zeitschrift für wissenschaftliche Theologie 7 (1864), S. 337–350, sowie Franz Jostes, Art. „Pollius, Johannes“, in: ADB 26 (1888), S. 395 f. Zu Gwalther vgl. Georg von Wyss, Art. „Gwalther, Rudolf“, in: ADB 10 (1879), S. 239 f., und Kurt Guggisberg, Art. „Gwalther, Rudolf“, in: NDB 7 (1966), S. 360 f. Zitate bei Krafft, Bericht, S. 168 f. Ähnlich auch ebd., S. 172. Ebd., S. 169–171. Ebd., S. 171–173.
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I. Einleitung
seiner Räte „vor einer auffallenden Aenderung der kirchlichen Gebräuche Scheu […], da sie ziemlich der Erasmischen Theologie zugethan sind“.5 Der Bericht von Pollius führt dem Leser eindrucksvoll die konfessionelle Situation in den Territorien der Herzöge von Jülich-Kleve-Berg vor Augen. In ihm kommen zwei Aspekte, zwei Seiten ein und derselben Medaille zum Ausdruck: Zum einen ein an Erasmus von Rotterdam angelehnter Humanismus, der sowohl durch den Landesherrn persönlich wie auch durch seine Ratgeber vertreten wurde. Dieser beeinflusste maßgeblich die herzogliche Kirchenpolitik, deren vorrangiges Ziel es war, Frieden und Einheit zwischen den Untertanen in einem Klima religiösen Streits zu bewahren. Dies führte zum anderen dazu, dass zunächst die kirchliche Praxis in den Gemeinden uneindeutig blieb und nach Aufgabe jener vermittelnden Politik des Herzogshauses eine völlige Homogenität im Zeichen der Konfessionalisierung in den einzelnen Territorien nicht mehr erreicht werden konnte.
1. Das Thema Nicht nur für viele Orte in Jülich-Kleve-Berg war die von Pollius beschriebene ungewöhnliche Form des Gottesdienstes – nach heutigen Maßstäben teils evangelisch, teils katholisch – in der damaligen Zeit nicht ungewöhnlich, was eine absolute Datierung eines Konfessionswechsels erschwert. Genügten etwa bereits die Austeilung des Abendmahls unter beider Gestalt oder das Singen deutscher Psalmen im Gottesdienst, um hier schon von ‚Reformation‘ zu sprechen, selbst wenn im Übrigen die Liturgie in traditioneller Weise beibehalten wurde?6 Nicht selten zog man sich auf ein rein christliches Bewusstsein zurück und versuchte, dem konfessionellen Streit soweit es ging aus dem Wege zu gehen.7 Dies machte es schon Zeitgenossen nicht leicht, solche Personen klar einzuordnen oder die religiöse Praxis in den Gemeinden eindeutig einzuschätzen, zumal man für Inhalte und Positionen der konfessionellen Gegenseite nur ein unzureichendes Verständnis aufbringen konnte.8
5 6
7
8
Zitate ebd., S. 173. Zur Problematik von Laienkelch und volkssprachigem Kirchengesang vgl. unten S. 202– 239. Beides gehörte zunächst nämlich noch nicht zu den absoluten Abgrenzungsmerkmalen der sich erst entwickelnden Konfessionen, sondern lässt sich auch in ansonsten ‚altgläubigen‘ Gemeinden beobachten. Ein Beispiel aus den 1560er Jahren bringt Winfried Schulze, Deutsche Geschichte im 16. Jahrhundert. 1500–1618, Frankfurt/M. 1987, S. 170 f. Auch der als protestantischer ‚Blutzeuge‘ beschriebene Humanist und Schulmann Adolph Clarenbach, der 1529 in Köln verbrannt wurde, soll sich vor seinen Richtern nicht als Lutheraner, sondern als Christ bekannt haben. Vgl. Otto R. Redlich, Staat und Kirche am Niederrhein zur Reformationszeit, Leipzig 1938, S. 21. Dies zeigt sich u. a. in Visitationsberichten wie etwa in den Protokollen der Salentinischen Visitation in Kurköln, vgl. August Franzen, Die Herausbildung des Konfessionsbewußtseins am Niederrhein im 16. Jahrhundert, in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 158 (1956), S. 164–209.
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1. Das Thema
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Andererseits waren gemäßigte ‚mittlere‘ Positionen gerade in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts besonders unter Humanisten verbreitet, was sich etwa in ihren Briefen und Schriften, aber auch in ihrer Mitarbeit bei Religionsgesprächen und Reformen zeigt. Seitens der sich ausbildenden und abgrenzenden Konfessionskirchen gab es zwar auch damals schon Kritik an fehlender dogmatischer Schärfe und zu großer Kompromissbereitschaft bei Erasmus von Rotterdam und seinen Anhängern, doch verstärkten sich die Anfeindungen besonders in der zweiten Hälfte des Reformationsjahrhunderts, indem etwa unliebsame Schriften verboten9 oder Theologen, die sich um Vermittlung und Ausgleich bemühten, bekämpft wurden.10 Die konfessionellen Grenzen waren gezogen und fortan fast unüberwindbar, woran weder die (insbesondere innerprotestantische) Irenik11 des späten 16. sowie des 9
10
11
Dies betraf nicht nur Erasmus, dessen „Irenik […] nicht mehr gefragt“ war, sondern beispielsweise auch den Kölner Theologen, Juristen und späteren Kardinal Johannes Gropper, dessen Handbüchlein (Enchiridion) für den kölnischen Klerus von 1538 später verboten wurde (vgl. Heinrich Lutz, Das Ringen um deutsche Einheit und kirchliche Erneuerung. Von Maximilian I. bis zum Westfälischen Frieden 1490 bis 1648, Frankfurt/M. und Berlin 1987, Zitat S. 381). Sowohl Theologen der melanchthonianischen Richtung wie auch einer evangelischkatholischen Verständigung kamen etwa auf lutherischer Seite infolge der inneren Abgrenzung besonders gegen Reformierte (Konkordienformel 1577 bzw. Konkordienbuch 1580) vermehrt in Misskredit. In den Augen orthodoxer Lutheraner wie etwa des westfälischen Reformators Hermann Hamelmann hatte eine Kirchenpolitik, die sich nur darauf beschränkte, „die krassen Mißbräuche ein wenig aus den Gotteshäusern zu entfernen und die Kirchen […] nach dem Plan des Erasmus von Rotterdam zu reformieren“, keine Berechtigung mehr. Hermann Hamelmann, Historia ecclesiastica renati evangelii per inferiorem Saxoniam et Westphaliam, 2 Teile, 1586/87 (auch gedruckt in der Ausgabe Hermann Hamelmann, Opera genealogico-historica, de Westphalia & Saxonia inferiori, Lemgo 1711, S. 765–1379; die lateinische Einleitung findet sich auf S. 984). Das übersetzte Zitat ist entnommen aus Alois Schröer, Die Reformation in Westfalen. Der Glaubenskampf einer Landschaft, Bd. 1, Münster 1979, S. 232. Hamelmann führt ferner aus, dass dermaßen „schwankend“, wie sich der herzogliche Hof zur „Lehre des Evangeliums“ verhalten habe, künftig kein Fürst mehr in Sachen der Religion handeln dürfe. Vgl. Hamelmann, Opera genealogico-historica, S. 984; Schröer, Reformation, Bd. 1, S. 228. Anzumerken ist, dass jener Teil der Kirchengeschichte in der von Klemens Löffler herausgegebenen Edition (Hermann Hamelmann, Geschichtliche Werke. Kritische Neuausgabe, Bd. 2: Reformationsgeschichte Westfalens, hg. von Klemens Löffler, Münster 1913; im Folgenden Hamelmann, Reformationsgeschichte) nicht enthalten ist. Statt polemischer Auseinandersetzungen ging es den in der Regel reformierten Irenikern wie etwa David Pareus (1548–1622), aber auch gemäßigten Lutheranern wie Georg Calixt (1586–1656) um eine Verständigung mit der jeweiligen Gegenseite, mit dem Ziel, die christliche Eintracht (Konkordie) zwischen den beiden Konfessionen wiederherzustellen und sich gemeinsam zur nachtridentinischen römisch-katholischen Kirche abzugrenzen. Neben der innerprotestantischen Konkordie wurde aber auch auf eine Übereinkunft mit der katholischen Seite hingewirkt, etwa durch Franciscus Junius (1545–1602) oder Hugo Grotius (1583–1645). Zur Irenik allgemein vgl. Gustav Adolf Benrath, Irenik und Zweite Reformation, in: Heinz Schilling (Hg.), Die reformierte Konfessionalisierung in Deutschland – Das Problem der „Zweiten Reformation“, Gütersloh 1986, S. 349–358, Wilhelm Holtmann, Art. „Irenik“, in: TRE 16 (1987), S. 268–273, und Hans Peterse, Irenik und Toleranz im 16. und 17. Jahrhundert, in: Klaus Bussmann und Heinz Schil-
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I. Einleitung
17. Jahrhunderts, noch die Vermittlungstheologie des 19. Jahrhunderts viel ändern konnten.12 Ziel dieser Arbeit ist es, die in Pollius’ Bericht angesprochenen Phänomene von humanistisch-erasmianischen Reformkonzeptionen im kirchlichen Bereich einerseits und deren versuchte praktische Umsetzung samt den sich daraus ergebenden Problemen andererseits für ausgewählte Städte in Westfalen zu untersuchen und in Beziehung zu setzen. War eine solche Gelehrtenreform lediglich ein Elitenphänomen, oder bot sich eine reelle und auf breitere Akzeptanz beruhende Möglichkeit einer Reform ohne Reformation? Welche Rolle kam dabei den einzelnen Akteuren – Landesherr, Rat, Klerus, Schule und Gemeinde – zu? War ein solches Vorgehen einzigartig oder war es nur die Konsequenz des innerstädtischen Umgangs mit internen Problemen seit den spätmittelalterlichen Stadtkonflikten, bei denen „pax et concordia“ durch Konsens wiederhergestellt werden sollten?13 Den Hindernissen, denen eine solche Studie aufgrund der schwierigen Quellenlage ausgesetzt ist, steht die Herausforderung entgegen, religiöse Vorstellungen aufzuspüren, die kaum in das Schema einer konfessionalisierten Frömmigkeit passen. Dies allein rechtfertigt eine weitere Untersuchung im Bereich der städtischen Reformationsgeschichte, welche die bereits angehäufte Fülle von Gesamt- und Einzeldarstellungen durch die historische wie kirchengeschichtliche Forschung ergänzen kann. Damit folgt diese Studie jenen Arbeiten, die ihr Interesse seit einigen Jahren statt den ‚Erfolgsgeschichten‘ der Reformation oder deren Hauptakteuren zunehmend solchen Phänomenen zugewandt haben, für die das Konfessionalisierungsparadigma nicht oder nur bedingt greift, wird doch nicht mehr nur nach dem religiösen Verständnis von Klerus oder Herrschaftsgruppen gefragt, sondern auch nach der Akzeptanz und Verinnerlichung konfessionalisierter Lehrelemente in der Bevölkerung. Wenn im Folgenden von Westfalen die Rede ist, so muss vom zeitgenössischen Westfalenbegriff ausgegangen werden, mit dem ein ungleich größeres Gebiet erfasst
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ling (Hg.), 1648. Krieg und Frieden in Europa, Textbd. I: Politik, Religion, Recht und Gesellschaft, Münster 1998, S. 265–271; zu Calixt vgl. Friedrich Wilhelm Kantzenbach, Das Ringen um die Einheit der Kirche im Jahrhundert der Reformation. Vertreter, Quellen und Motive des „ökumenischen“ Gedankens von Erasmus von Rotterdam bis Georg Calixt, Stuttgart 1957, S. 230–244, und Christoph Böttigheimer, Das Unionskonzept des Helmstedter Irenikers Georg Calixt (1586–1656), in: Harm Klueting (Hg.), Irenik und Antikonfessionalismus im 17. und 18. Jahrhundert, Hildesheim u. a. 2003, S. 55–70. Manche Vermittlungstheologen versuchten, die kirchenpolitisch weiter schwelenden innerprotestantischen Konflikte trotz einer teilweise bestehenden (und nicht zuletzt obrigkeitlich verordneten) Union beizulegen. Vgl. Georg Pfleiderer, Art. „Vermittlungstheologie II, 19. Jahrhundert“, in: LThK 10 (2001), Sp. 697 f. Die Kontinuität von städtischen Konflikten im ausgehenden Mittelalter und den städtischen Reformationen hat Wilfried Ehbrecht, Verlaufsformen innerstädtischer Konflikte in nord- und westdeutschen Städten im Reformationszeitalter, in: Bernd Moeller (Hg.), Stadt und Kirche im 16. Jahrhundert, Gütersloh 1978, S. 27–47, gerade auch für westfälische Städte herausgearbeitet.
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1. Das Thema
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wird als dies heute der Fall ist, entspricht das derzeitige Westfalen doch lediglich der 1815 gebildeten preußischen Provinz. Für das 16. Jahrhundert ist daher das Westfalen heranzuziehen, das von Hermann Aubin als „das dritte Westfalen“ bezeichnet wurde, das ungefähr identisch mit dem niederrheinisch-westfälischen Reichskreis von 1512 gewesen ist,14 der vom Rhein bis zur Weser und Nordsee reichte und somit über die Grenzen der Provinz von 1815 hinaus unter anderem auch die Hochstifte Osnabrück und Verden, die Vereinigten Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg, mehrere Grafschaften sowie die Reichsstifte Essen und Werden umfasste.15 Im Vordergrund der Untersuchung werden Städte im Raum Westfalen stehen, deren konfessionelle Entwicklung einen anderen Verlauf nahm als etwa in Soest,16 Lippstadt,17 Minden,18 Wesel19 oder auch Münster,20 und welche dabei, so die These, charakteristischer für eine Reihe von vor allem kleineren Kommunen dieser Region war. Im Unterschied zu den genannten Städten, denen die historische Forschung 14 15
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Hermann Aubin, Die geschichtliche Entwicklung, in: ders. u. a. (Hg.), Der Raum Westfalen, Bd. 1: Grundlagen und Zusammenhänge, Berlin 1931, S. 5–27, hier S. 18–25 sowie Karte 10. Ähnlich auch das Westfalenbild in der frühneuzeitlichen Geschichtsschreibung und Kartographie (etwa bei Hermann Hamelmann oder Matthäus Merian), jedoch mit Abweichungen hinsichtlich der politischen Gliederung des Reichskreises. Vgl. ebd, S. 24 und Karte 14. Zur relativ umfangreichen Soester Reformationsforschung seien hier nur einige wenige Arbeiten erwähnt: Hubertus Schwartz, Geschichte der Reformation in Soest, Soest 1932; Schröer, Reformation, Bd. 1, S. 353–411; Christian Peters, Vom Wormser Edikt (1521) bis zum Augsburger Religionsfrieden (1555). Der Beitrag der Prädikanten zur Soester Stadtreformation, in: Ellen Widder (Hg.), Soest. Geschichte der Stadt, Bd. 3: Zwischen Bürgerstolz und Fürstenstaat. Soest in der frühen Neuzeit, Soest 1995, S. 179–248. Schröer, Reformation, Bd. 1, S. 292–314; Heinrich W. Schüpp, Handlungsspielräume einer Bürgerschaft während der Frühzeit der Reformation, in: Wilfried Ehbrecht (Hg.), Lippstadt. Beiträge zur Stadtgeschichte, Tl. I, Lippstadt 1985, S. 261–280; Ludwig Remling, Die konfessionelle Entwicklung von der Niederlage der Stadt (1535) bis zum Westfälischen Frieden (1648), in: ebd., S. 281–345; Robert Stupperich, Die Reformation in Lippstadt, in: Jahrbuch für Westfälische Kirchengeschichte 79 (1986), S. 15–37. Martin Krieg, Die Einführung der Reformation in Minden, in: Jahrbuch des Vereins für Westfälische Kirchengeschichte 43 (1950), S. 31–108; Martin Brecht, Reformation und Kirchenordnung in Minden 1530, in: Jahrbuch für Westfälische Kirchengeschichte 73 (1980), S. 19–38; Alois Schröer, Die Reformation in Westfalen. Der Glaubenskampf einer Landschaft, Bd. 2, Münster 1983, S. 267–296. Albrecht Wolters, Reformationsgeschichte der Stadt Wesel bis zur Befestigung ihres reformirten Bekenntnisses durch die Weseler Synode, Bonn 1868; Städtisches Museum und Stadtarchiv Wesel (Hg.), …vnnder beider gestalt …. Die Reformation in der Stadt Wesel (Ausstellungskatalog), Köln und Bonn 1990; Walter Stempel, Die Reformation in der Stadt Wesel, in: Jutta Prieur (Hg.), Geschichte der Stadt Wesel, Bd. 2, Düsseldorf 1991, S. 107–147; Herbert Kipp, „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes“. Landstädtische Reformation und Rats-Konfessionalisierung in Wesel (1520–1600), Bonn 2004. Schröer, Reformation, Bd. 2, S. 317–474; Ernst Laubach, Reformation und Täuferherrschaft, in: Franz-Josef Jakobi und Thomas Küster (Hg.), Geschichte der Stadt Münster, 3 Bde., hier Bd. 1, 2. Aufl. Münster 1993, S. 145–216.
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I. Einleitung
ein besonderes Interesse entgegenbrachte, setzte sich in vielen anderen Orten die Reformation erst spät und nur schrittweise durch; zudem fehlen hier spektakuläre Ereignisse und charismatische Akteure.21 Im Mittelpunkt der Studie stehen die drei Städte Dortmund, Essen und Bielefeld. Die Beschränkung auf diese drei Orte, die in vielen Bereichen ähnliche Merkmale wie andere Städten der Region, etwa in der Grafschaft Mark,22 aufweisen, erfolgt aufgrund folgender Überlegungen: Ausgehend von der Annahme, dass die Kirchenpolitik der Westfalen dominierenden Herzöge von Jülich-Kleve-Berg in Verbindung mit dem humanistischen Gelehrtendiskurs sich auch im städtischen Umgang mit der Religionsfrage auswirkte, sollten daher solche Städte im Vordergrund stehen, die einerseits über Bildungsinstitutionen verfügten und die andererseits dem Einfluss der herzoglichen Politik direkt oder indirekt ausgesetzt waren. Schulen in kirchlicher bzw. städtischer Trägerschaft existierten in allen drei Städten teilweise seit längerem.23 Politisch gesehen war Bielefeld als Hauptort der Grafschaft Ravensberg – Teil des Länderkonglomerats der klevischen Herzöge – deren Autorität direkt unterworfen, während Essen und Dortmund nicht zuletzt aufgrund ihrer geographischen Lage anderweitig dem Einfluss Jülich-KleveBergs ausgesetzt waren.24 Hinsichtlich des Zeitraumes gilt der Zeit von ca. 1520 bis ca. 1570 das besondere Interesse, das heißt jener Zeitspanne, in welcher sich auch die Herzöge von JülichKleve-Berg um eine vermittelnde Kirchenpolitik bemühten. Der Beginn wird von den Anfängen der reformatorischen Bewegungen in Westfalen markiert. Das städtische Kirchenwesen spielte zwar bereits im Mittelalter eine Rolle – etwa in den Bestrebungen, die Kontrolle über die Kirchen sowie Bildungs- und Armeneinrichtungen zu erlangen und die geistlichen Privilegien zu beschneiden25 –, tatsächlich politisiert wurde die Religionsfrage aber erst seitdem. Das Ende des Betrachtungszeitraumes
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Von den genannten Städten scheiterte nur in Münster die Reformation nach einem erfolgreichen Beginn. Hier wurde nach dem Ende der Täuferherrschaft das lutherische Bekenntnis zurückgedrängt, ein vollständiger Erfolg der katholischen Reform konnte jedoch erst im Laufe des 17. Jahrhunderts erreicht werden. Vgl. hierzu insbesondere Ronnie Po-chia Hsia, Gesellschaft und Religion in Münster 1535–1618, Münster 1989. Mit der Ausnahme von Soest sowie dem Kondominat Lippstadt erfolgte in allen anderen märkischen Städten die Reformation nur schrittweise und in der Regel erst nach dem Augsburger Religionsfrieden 1555. Die Ausklammerung dieser Orte (z. B. Hamm, Lünen, Unna, Schwerte, Bochum, Schwelm, Iserlohn oder Neuenrade) erfolgte einerseits, weil in ihnen das Schulwesen im 16. Jahrhundert weit weniger ausgeprägt war als in Bielefeld, Dortmund oder Essen, und andererseits, weil die Mark bereits Gegenstand einer münsterischen Dissertation (2002) war, nämlich von Oliver Becher, Herrschaft und autonome Konfessionalisierung. Politik, Religion und Modernisierung in der frühneuzeitlichen Grafschaft Mark, Essen 2006. Vgl. hierzu S. 52–54. Vgl. unten S. 42–45. Allgemein Eberhard Isenmann, Die deutsche Stadt im Spätmittelalter 1250–1500. Stadtgestalt, Recht, Stadtregiment, Kirche, Gesellschaft, Wirtschaft, Stuttgart 1988, S. 181–190 und 210–230.
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1. Das Thema
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fällt in etwa mit dem Beginn der sogenannten Konfessionalisierung26 zusammen, als auch in allen drei untersuchten Städten die Durchsetzung des lutherischen Bekenntnisses durch die lokale Obrigkeit erfolgte. Dies spiegelt sich insbesondere in der Einführung eines Gottesdienstes gemäß den liturgischen Anforderungen Luthers in den Stadtkirchen wider, wobei die Verinnerlichung konfessionsspezifischer Lehrinhalte in der Bevölkerung in dieser Zeit erst begann und nicht selten erst im 18. Jahrhundert ihren Abschluss fand. Hinsichtlich humanistischer Konzepte für eine Reform der ‚Einen Kirche‘ zwischen den konfessionellen Fronten und ‚unkonfessioneller‘ Phänomene im kirchlichen Alltag der Menschen des 16. und 17. Jahrhunderts tauchen in der Forschungsliteratur immer wieder eine Reihe von Termini auf, wobei viele von ihnen nahezu dasselbe beschreiben. Der Humanismus als eine im Italien des 14. Jahrhunderts einsetzende elitäre Gelehrtenbewegung mit dem Ziel, die Quellen der antiken Ver26
Vgl. hierzu zusammenfassend Stefan Ehrenpreis und Ute Lotz-Heumann, Reformation und konfessionelles Zeitalter, Darmstadt 2002, S. 62–79. Das Forschungsparadigma ‚Konfessionalisierung‘ geht auf Ernst Walter Zeeden zurück, der 1958 erstmals von „Konfessionsbildung“ sprach und auf eine ähnliche Entwicklung der Konfessionskirchen verwies: vgl. Ernst Walter Zeeden, Grundlagen und Wege der Konfessionsbildung im Zeitalter der Glaubenskämpfe, in: Historische Zeitschrift 185 (1958), S. 249– 299. Das eigentliche Paradigma wurde schließlich Ende der 1970er/ Anfang der 1980er Jahre durch Heinz Schilling (Konfessionskonflikt und Staatsbildung. Eine Fallstudie über das Verhältnis von religiösem und sozialem Wandel in der Frühneuzeit am Beispiel der Grafschaft Lippe, Gütersloh 1981) und Wolfgang Reinhard (u. a.: Gegenreformation als Modernisierung? Prolegomena zu einer Theorie des konfessionellen Zeitalters, in: Archiv für Reformationsgeschichte 68 [1977], S. 226–252) zunächst anhand des Calvinismus bzw. des Katholizismus herausgearbeitet, wobei ‚Konfessionalisierung‘ in den Kontext der frühmodernen Staatsbildung mit Betonung der ‚Sozialdisziplinierung‘ der Untertanen gestellt wurde. In der Folge beschäftigten sich drei Sammelbände mit der Konfessionalisierung der katholischen, lutherischen und reformierten Kirche: Schilling, Die reformierte Konfessionalisierung; Hans-Christoph Rublack (Hg.), Die lutherische Konfessionalisierung in Deutschland, Gütersloh 1992; Wolfgang Reinhard und Heinz Schilling (Hg.), Die katholische Konfessionalisierung, Gütersloh 1995. In jüngerer Zeit ist an der Konfessionalisierungsthese vermehrt Kritik geübt worden. So würden etwa Eigenheiten der Konfessionen in den Hintergrund treten, die Parallelität der Entwicklung zu sehr betont und die Rolle des Staates überschätzt werden. Die „etatistische Verengung“ verhindere, so Heinrich Richard Schmidt (Sozialdisziplinierung? Ein Plädoyer für das Ende des Etatismus in der Konfessionalisierungsforschung, in: Historische Zeitschrift 265 [1997], S. 639–682), dass spezifische religiöse Vorstellungen in der Bevölkerung wahrgenommen werden könnten. Mikrohistorische Untersuchungen hätten nämlich gezeigt, dass „die Konfessionalisierung dort [d. h. im Volk; C. H.] gar nicht angekommen sei, wo sie wirken sollte, sie also im Sinne der Staatsbildung durch konfessionelle Disziplinierung ‚erfolglos‘ geblieben sei“. Zitat Luise Schorn-Schütte, Konfessionalisierung als wissenschaftliches Paradigma?, in: Joachim Bahlcke und Arno Strohmeyer (Hg.), Konfessionalisierung in Ostmitteleuropa. Wirkungen des religiösen Wandels im 16. und 17. Jahrhundert in Staat, Gesellschaft und Kultur, Stuttgart 1999, S. 63–77, hier S. 67. Insbesondere in gemischtkonfessionellen Regionen wie eben Westfalen zeige sich, dass ‚Konfessionalisierung‘ nicht immer zwangsläufig ‚von oben‘, sondern häufig auch ‚von unten‘ stattgefunden habe.
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I. Einleitung
gangenheit neu zu erschließen (‚bonae litterae‘), soll hier nicht genauer betrachtet werden.27 Dass sich humanistische Ideale etwa im Schul- und Universitätswesen konfessionell unabhängig finden lassen und es sogenannte ‚allgemeine Humanisten‘ in allen konfessionellen Lagern gab, ist bekannt.28 Für die Untersuchung des religiösen Verständnisses ist allerdings eine andere Ausprägung des Humanismus von Bedeutung. Gemeint ist der – gemäß der ‚Philosophia Christi‘ bei Erasmus von Rotterdam29 – ‚christliche‘ oder ‚biblische‘ Humanismus, der auf die Formung eines neuen religiösen Menschen zielte, um die Kirche von Innen zu erneuern. Hauptaufgabe war die Wissensvermittlung, da nur der gebildete Christ die Quellen der Offenbarung erkennen und aus der Schrift die notwendigen Schritte für eine „geläuterte Religiosität und Frömmigkeit“30 ziehen könne. Als ‚biblische Humanisten‘ bezeichnete der niederländische Kirchenhistoriker Cornelis Augustijn eine Gruppe um Erasmus, die durch ein gemeinsames Ziel, die Erneuerung der Christenheit nach dem Ideal der Urkirche durch eine gesellschaftliche Reform, verbunden war und die ähnliche Ideale (Christozentrik, Betonung des Evangeliums, verständliche Theologie, kritische Einstellung zu kirchlicher Hierarchie und Bräuchen) teilten.31 Eng auf die humanistische Gelehrtenwelt in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts eingegrenzt, brachte der Wiener Kulturhistoriker Friedrich Heer in den 1950er Jahren den Begriff ‚Dritte Kraft‘ ins Spiel.32 Hierunter verstand Heer den
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Auf eine ausführliche Bibliographie zur Humanismusforschung kann an dieser Stelle verzichtet werden. Für die Einordnung des deutschen Humanismus in die europäische Geistesströmung sei auf die beiden neueren Überblicksdarstellungen Stiftung „Humanismus Heute“ (Hg.), Humanismus in Europa, Heidelberg 1998, und Cornelis Augustijn, Humanismus, Göttingen 2003, verwiesen, ebeso auf das zweibändige, noch nicht beendete Verfasserlexikon von Franz Josef Worstbrock (Hg.), Deutscher Humanismus 1480–1520, Berlin u. a. 2005 ff. Vgl. etwa Wolfgang Reinhard (Hg.), Humanismus im Bildungswesen des 15. und 16. Jahrhunderts, Weinheim 1984. Vgl. hierzu Bernhard Lohse, Erasmus von Rotterdam – eine Alternative zur Reformation?, in: Otto Hermann Pesch (Hg.), Humanismus und Reformation – Martin Luther und Erasmus von Rotterdam in den Konflikten ihrer Zeit, München und Zürich 1985, S. 51–70, hier S. 59 f. und 62–64, sowie Friedhelm Krüger, Bucer und Erasmus. Eine Untersuchung zum Einfluss des Erasmus auf die Theologie Martin Bucers (bis zum Evangelien-Kommentar von 1530), Wiesbaden 1970, S. 171. Zitat August Franzen, Das Schicksal des Erasmianismus am Niederrhein im 16. Jahrhundert. Wende und Ausklang der erasmianischen Reformbewegung im Reformationszeitalter, in: Historisches Jahrbuch 88 (1964), S. 84–112, hier S. 91. Cornelis Augustijn, Humanisten auf dem Scheideweg zwischen Luther und Erasmus, in: Pesch, Humanismus, S. 119–134, hier S. 122–124. Friedrich Heer, Europäische Geistesgeschichte, Stuttgart 1953, S. 251 und 290 f.; ders., Untergang und Wiedergeburt der Dritten Kraft, in: Die Neue Rundschau 66 (1955), S. 471–507; ders., Die Dritte Kraft. Der europäische Humanismus zwischen den Fronten des konfessionellen Zeitalters, Frankfurt/M. 1959. Dabei beschränkt sich Heer nicht auf Repräsentanten der Reformationszeit, sondern beginnt mit Vertretern des 15. Jahrhunderts (Nikolaus von Kues) und setzt die Reihe bis zu Hugo Grotius oder Rembrandt fort.
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1. Das Thema
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„europäische[n] Humanismus zwischen den Fronten des konfessionellen Zeitalters“33 oder auch den „aufgeklärten religiösen Reformhumanismus“,34 den er von den beiden Extremen, den Reformationskirchen und der römisch-katholischen Kirche, abgrenzte. Humanisten, das waren für Heer – zumeist katholische – Personen, die kosmopolitisch und offen dachten, Toleranz zeigten, eine konfessionelle Spaltung verhindern wollten und durch das Gespräch eine Überwindung oder einen Vergleich der Gegensätze zu erreichen suchten, sich allerdings nicht durchsetzen konnten.35 Synonym zum Begriffspaar ‚Dritte Kraft‘ bzw. ‚Dritter Weg‘ sprach Heer auch von „Erasmianern“,36 worunter er insbesondere jene Anhänger des Erasmus von Rotterdam verstand, die dessen religiöse und kirchenpolitische Anschauungen teilten. Daraus abgeleitet hat sich der Terminus ‚Erasmianismus‘, der zur Beschreibung atypischer Wege der Kirchenpolitik herangezogen worden ist, zu deren Definition Albrecht Pius Luttenberger in den 1980er Jahren folgende Kriterien vorschlug: neben den Aspekten Frieden und Einheit als notwendige Voraussetzungen die „kritische Distanz zur Amtskirche“, ein „Wille zur Reform ohne Bruch mit der alten Kirche, eine entschiedene Bereitschaft zum religiösen und theologischen Kompromiß und zur Toleranz“, ferner eine „programmatisch gemeinte Unparteilichkeit und die Ablehnung jeglicher konfessioneller Radikalisierung“.37 1996 beschäftigte sich eine Tagung in Amsterdam38 mit der Tragfähigkeit und Zweckmäßigkeit des Begriffes ‚Erasmianismus‘, welcher Cornelis Augustijn zufolge für drei unterschiedliche Formen herangezogen werden könne: erstens als „Bezeichnung einer wissenschaftlichen Partei“, zweitens „als Reformbewegung“ mit dem Ziel einer kirchlichen Erneuerung sowie drittens als „Politischer Erasmianismus“, das heißt den Umgang mit der reformatorischen Herausforderung.39 Da es jedoch fraglich sei, ob man auch nach dem Tod des Erasmus noch von einem Erasmianismus sprechen könne, sollte stattdessen die relativierende Formulierung „Einfluß des Erasmus“ verwen-
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Untertitel von Heer, Dritte Kraft. Vgl. auch Klaus Garber, Wege in die Zukunft. Friedrich Heers „Die Dritte Kraft“ als europäisches Vermächtnis, in: Richard Faber und Sigurd Paul Scheichl (Hg.), Die geistige Welt des Friedrich Heer, Wien u. a. 2008, S. 107–128. Heer, Geistesgeschichte, S. 290. Heer, Dritte Kraft, S. 7–11 und 14–21. Vgl. auch Hubert Canzik, Antike, Christentum und Humanismus. Ein Versuch zu Grundbegriffen von Heers europäischer Religionsund Geistesgeschichte, in: Richard Faber (Hg.), Offener Humanismus zwischen den Fronten des Kalten Krieges. Über den Universalhistoriker, politischen Publizisten und religiösen Essayisten FRIEDRICH HEER, Würzburg 2005, S. 151–170, hier S. 154. Etwa Heer, Geistesgeschichte, S. 251 und 290 f. Bereits in der Erasmus-Korrespondenz kommt diese Bezeichnung vor, vgl. Percy S. Allen (Hg.), Opus epistolarum Des. Erasmi Roterodami, 12 Bde., Oxford 1906–1958, u. a. Nr. 769, 844 und 1041. Albrecht Pius Luttenberger, Glaubenseinheit und Reichsfriede. Konzeptionen und Wege konfessionsneutraler Reichspolitik 1530–1552 (Kurpfalz, Jülich, Kurbrandenburg), Göttingen 1982, S. 116 f. Marianne E. H. N. Mout (Hg.), Erasmianism: Idea and Reality, Amsterdam u. a. 1997. Cornelis Augustijn, Verba valent usu: was ist Erasmianismus?, in: ebd., S. 5–14, hier S. 6–11.
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I. Einleitung
det werden.40 Dagegen definiert Barbara Henze einen Erasmianer so: „Er verfolgt wie Erasmus das Ziel, die Einheit der Kirche wiederherzustellen […] und will dies Ziel mit friedlichen Mitteln erreichen.“41 „Erasmianisch“ bedeutet für Henze, erstens zwischen wesentlichen und unwesentlichen Glaubensinhalten unterscheiden zu können, zweitens auf konsensualem Wege zur Wahrheit zu gelangen und drittens die Fähigkeit, im Kirchenverständnis eine äußere von einer inneren Gemeinschaft zu trennen.42 Ein zeitliches Ende mit dem Tod des Erasmus sieht sie nicht. Heribert Smolinsky ist der Frage des politischen Erasmianismus anhand der klevischen Politik nachgegangen. Eine „völlig eindeutige Größe“ sei dieser nie gewesen, da es an einer „festgelegte[n] Doktrin“ fehlte. Stattdessen sei der Erasmianismus eine „Denkund Lebensrichtung [gewesen], die sich mit vielen anderen Vorstellungen und Kräften mischte, flexibel die Situationen sah und integrierend im Streit der Konfessionen wirken sollte“.43 In Anlehnung an eine Formulierung aus einem Brief des Humanisten Georg Cassander aus dem Jahr 156544 ist der Begriff ‚Via Media‘ aufgekommen, der einen „Mittelweg in den Kontroversen und Positionen [meint], der Härten und das Abgleiten in Extreme vermeiden wollte“.45 Als Forschungskonstrukt zog Kurt Maeder diesen Terminus heran, mit dem er die „Gesamtheit [der] verbindenden Kräfte zwischen den Glaubensparteien“ zu fassen versuchte. Der Blick auf die Reformation sollte nicht von der Position der Extreme ausgehen, sondern es sollten solche Per40 41
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Ebd., S. 11–14. Barbara Henze, Erasmianisch: Die ‚Methode‘, Konflikte zu lösen? Das Wirken Witzels und Cassanders, in: Mout, Erasmianism, S. 155–168, hier S. 155. Weitgehend synonym könnten ihr zufolge auch die Bezeichnungen „Ireniker“ und „Vermittlungstheologen“ herangezogen werden (ebd.). Gemeinsam sei ihnen die Sorge um die kirchliche Einheit, eine irenische Gesinnung sowie die Berufung auf Erasmus als gemeinsames Vorbild gewesen (ebd., S. 156). Siegfried Wollgast tritt ferner dafür ein, unter dem Begriff Erasmianer nicht nur solche Personen zu fassen, die weiterhin der katholischen Kirche verhaftet blieben, sondern hierunter auch Vertreter der „Dritten Kraft“ im Heer’schen Sinne (inklusive Täufer, Spiritualisten, Schwärmer und Antitrinitarier) bzw. des „Nonkonformismus“ (Humanisten und Gelehrte) zu verstehen, da auch diese teilweise durch Erasmus geprägt worden seien. Vgl. Siegfried Wollgast, Erasmianer und die Geschichte des Nonkonformismus. Aspekte, in: ebd., S. 105–126, bes. S. 109. Henze, Erasmianisch, S. 168. Heribert Smolinsky, Erasmianismus in der Politik? Das Beispiel der vereinigten Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg, in: Mout, Erasmianism, S. 77–89, hier S. 88 f. Allerdings gibt er zu bedenken: „Als Schlüssel für eine Gesamtinterpretation taugt er aber nicht.“ Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangt auch Hansgeorg Molitor, Politik zwischen den Konfessionen, in: Meinhard Pohl (Hg.), Der Niederrhein im Zeitalter des Humanismus. Konrad Heresbach und sein Kreis, Bielefeld 1997, S. 37–55, hier bes. S. 55. Dieser sprach von einem „königlichen Weg“ („Via Regia“), d. h. – in Anlehnung an Erasmus – einem mittleren Weg zwischen Scylla und Charybdis (Protestantismus und Papstkirche). Auch Georg Witzel nutzte die Formulierung als Titel einer Schrift, die eine Kirchenreform anmahnte (1564). Vgl. Heribert Smolinsky, Humanistische Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts als kirchenpolitische „via media“ in Jülich-Kleve-Berg, in: ebd., S. 57–72, hier S. 57. Zitat ebd.
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sonen und Phänomene ins Zentrum gestellt werden, „die bewusst oder unbewusst eine Position in der Mitte eingenommen haben und oft im Sinne einer Vermittlung zu wirken suchten“.46 Dabei unterschied er zwei Formen der ‚Via Media‘: einerseits die „humanistische Via Media“ um Erasmus, die sich für eine kirchliche, politische und soziale Erneuerung einsetzte, und andererseits die glaubensunabhängige „Kontinuität“ der geistigen, religiösen, gesellschaftlichen und familiären Bindungen der Menschen, die trotz kirchlicher Divergenzen Bestand gehabt hätten.47 Ganz politisch gemeint ist der Begriff ‚konfessionelle Neutralität‘, der sich zuerst bei Albrecht Pius Luttenberger findet,48 welcher hierunter eine in den Augen der Zeitgenossen „nicht konfessionsspezifische Haltung“ versteht, bei der „eine eindeutige Bekenntnisentscheidung vermieden oder eine kompromißtheologische Haltung eingenommen wurde“. Zudem müssten „spezifische Merkmale konfessionell-politischen Denkens und eine entsprechende programmatisch verstandene Parteilichkeit“ fehlen. Anwendung finden sollte der Begriff etwa auf die Religionsgespräche in den frühen 1540er Jahren sowie die Vermittlungsbemühungen einzelner Reichsstände bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts.49 Daneben finden sich in der Literatur einige weitere Termini: Heribert Smolinsky verwendet im Zusammenhang mit der klevischen Kirchenpolitik synonym zum „Erasmianismus“ auch den Begriff eines „reformkatholischen Sonderwegs“ bzw. „reformkatholischen Mittelwegs“.50 Dieser bestünde aus einer „ausgleichenden, auf die Integration legitimer reformatorischer Anliegen und auf Einheit drängenden Kirchenreformidee mit einer pastoral-praktischen, die kontroverstheologische Dogmatik meidenden Ausrichtung, sowie die Durchsetzung der Reformanliegen über Visitationen und Edikte“.51 Da diese Bezeichnungen einen nur von Katholiken getragenen Reformversuch implizieren, sind sie nur bedingt weiterführend. Ähnlich problematisch ist der Begriff ‚Humanisten-Reform‘, der etwa von Heinz Schilling zur Charakterisierung einer Phase der Dortmunder Reformation vorgeschlagen wurde.52 Schilling versteht hierunter ein spezifisches unkonfessionelles Modell ei46 47 48
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Kurt Maeder, Die Via Media in der Schweizerischen Reformation. Studien zum Problem der Kontinuität im Zeitalter der Glaubensspaltung, Zürich 1970, S. 10 f. Ebd., S. 12. Luttenberger, Glaubenseinheit. Daneben auch Christian Schulte, Versuchte konfessionelle Neutralität im Reformationszeitalter. Die Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg unter Johann III. und Wilhelm V. und das Fürstbistum Münster unter Wilhelm von Ketteler, Münster 1995. Luttenberger, Glaubenseinheit, S. 94 f. Heribert Smolinsky, Jülich-Kleve-Berg, in: Anton Schindling (Hg.), Die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung: Land und Konfession 1500–1650, Bd. 3: Der Nordwesten, Münster 1991, S. 86–106, hier S. 91 und 93. Zitat ebd., S. 91. Heinz Schilling, Dortmund im 16. und 17. Jahrhundert – Reichsstädtische Gesellschaft, Reformation und Konfessionalisierung, in: Gustav Luntowski und Norbert Reimann (Hg.), Dortmund. 1100 Jahre Stadtgeschichte. Festschrift, Dortmund 1982, S. 151–201, hier S. 159 f. und 167–178. Eine eindeutige Definition fehlt bei ihm allerdings. Schilling bleibt nicht konsequent bei dieser Schreibweise, sondern spricht auch
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I. Einleitung
ner innerstädtischen kirchlichen Reform, getragen von schulischen Humanisten in Zusammenarbeit mit einem mutmaßlich humanistisch beeinflussten Stadtrat, als Gegenentwurf zu Forderungen einer zunehmend lutherisch orientierten Bürgerschaft, wobei die ‚Humanisten-Reform‘ weitgehend ein „Intellektuellen- und Elitenphänomen“ geblieben sei.53 Von allen genannten Begriffen ist der Terminus ‚Via Media‘ wohl am zweckmäßigsten: Dieser Begriff bedingt für die zu verfolgenden Reformkonzepte weder eine unmittelbare Abhängigkeit von einem Erasmus nahestehenden Humanismus, noch wird eine tatsächlich gar nicht vorhandene Selbstwahrnehmung als etwas Drittes oder eine konfessionelle Vorfestlegung impliziert.54 Er bietet die Möglichkeit, sowohl für theoretische Konzeptionen wie für politische oder praktische Durchsetzungsversuche angewendet zu werden. In der Bedeutung als ‚goldener‘ Mittelweg entspricht diese Bezeichnung zudem zeitgenössischen Selbstdarstellungen, was sich nicht nur in humanistischen Schriften zeigt, sondern etwa auch im Selbstverständnis des englischen Anglikanismus55 oder in den religiösen Vorstellungen von Laien wie des Kölner Ratsherrn Hermann von Weinsberg (1518–1597).56
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von einer „Humanistenreform“ (S. 176) oder einer „Humanisten-Reformation“ (S. 175– 177). Zitat ebd., S. 175. So könne der Begriff ‚Via Media‘ auch auf Anghörige keiner der Konfessionskirchen ausgedehnt werden, vgl. etwa Caroline Gritschke, „Via Media“: Spiritualistische Lebenswelten und Konfessionalisierung. Das süddeutsche Schwenckfeldertum im 16. und 17. Jahrhundert, Berlin 2006. Die anglikanische Kirche verstand teilweise ihr Kirchwesen als einen Mittelweg, quasi als eine ‚institutionalisierte Via Media‘, da diese die jeweils besten Eigenschaften der protestantischen und katholischen Kirchen miteinander habe verbinden können. Zur Entwicklung der Anglikanischen Kirche vgl. Diarmaid MacCulloch, Die zweite Phase der englischen Reformation (1547–1603) und die Geburt der anglikanischen Via Media, Münster 1998, und Peter White, The Via Media in the Early Stuart Church, in: Margo Todd (Hg.), Reformation to Revolution. Politics and Religion in Early Modern England, London u. a. 1995, S. 78–94. Zu einem wichtigen Vertreter, den Bischof von Exeter bzw. Norwich, Joseph Hall (1574–1656), vgl. Peter Lake, The Moderate and Irenic Case for Religious War: Joseph Hall’s Via Media in Context, in: Susan D. Amussen und Mark A. Kishlansky (Hg.), Political Culture and Cultural Politics in Early Modern England, Manchester u. a. 1995, S. 55–83, sowie Kenneth Fincham und Peter Lake, Popularity, Prelacy and Puritanism in the 1630s: Joseph Hall Explains Himself, in: The English Historical Review 111 (1996), S. 856–881. In seiner Familienchronik definiert Weinsberg einen religiösen Mittelweg 1578 wie folgt: „In den zeiten durch min gans leben sin groisse verenderongen in der religion untstanden, aber got hab lob und dank, das ich noch bei der alten catholischen religion, die min voreltern gehabt und bei miner naturlicher oberkeit verpliben, bin erhalten. […] In unserm haus Weinsberch haben wir eiz, die den Jesuiten anhengich sint, und gar widder die andern alle sint mit mehe eifer catholigschs. Ich wil bei dem alten pliben […], den mittelweg wandeln und bitten, got wille alle dingen im friden verrichten laissen.“ (Hervorhebung C. H.). Weinsbergs Mittelweg entsprach also der traditionellen (katholischen) Kirche vor der Reformation und der tridentinischen Erneuerung. Vgl. Konstantin Höhlbaum u. a. (Hg.), Das Buch Weinsberg. Kölner Denkwürdigkeiten aus dem 16. Jahrhundert, 5 Bde., Düsseldorf 2000 (ND der Bde. Leipzig 1886/87 bzw.
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1. Das Thema
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In der Forschung hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass man gerade im 16. Jahrhundert keineswegs von einer umfassenden Durchdringung konfessioneller Ansichten im Denken und Glauben weiter Bevölkerungsschichten ausgehen kann. Allerdings hat eine eingehende Beschäftigung hiermit erst vor einigen Jahren, insbesondere in Auseinandersetzung mit dem Konfessionalisierungsparadigma, begonnen. Einen wichtigen Schritt dazu leistete ein Sammelband,57 der kritisch Möglichkeiten und Grenzen dieses Leitparadigmas unter die Lupe nahm, indem der Blick auf Frömmigkeitsformen und -vorstellungen abseits des etatistisch angelegten Modells der Konfessionalisierung gelenkt wurde, wie etwa untridentinische Bruderschaften,58 konfessionelle Indifferenz,59 Gelehrtenreligiosität60 oder interkonfessionelle Irenik.61 Der Begriff ‚konfessionelle Indifferenz‘ oder auch ‚Ambiguität‘, der erst kürzlich wieder Gegenstand einer münsterischen Tagung war,62 scheint für die folgende
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Bonn 1897/98 u. 1926), hier Bd. 2, S. 371. Dazu in Kürze auch Andreas Odenthal, „Rituelle Erfahrung“ im Zeitalter der Konfessionalisierung? Zur Anwendung eines praktisch-theologischen Paradigmas auf die Liturgiegeschichte – ein Versuch, in: Jan Brademann u. a. (Hg.), Liturgisches Handeln als soziale Praxis. Zur symbolischen Kommunikation des Religiösen im konfessionellen Zeitalter, voraussichtlich Münster 2012 (dort: Kap. 4.1.). Kaspar von Greyerz u. a. (Hg.), Transkonfessionalität, Interkonfessionalität, binnenkonfessionelle Pluralität – Neue Forschungen zur Konfessionalisierungsthese, Gütersloh 2003. Eine Zusammenfassung der bisherigen Kritik am Paradigma findet sich bei Thomas Kaufmann, Einleitung: Transkonfessionalität, Interkonfessionalität, binnenkonfessionelle Pluralität – Neue Forschungen zur Konfessionalisierungsthese, in: ebd., S. 9–15, hier S. 9–13. Rebekka von Mallinckrodt, Reichweite und Grenzen des KonfessionalisierungsParadigmas am Beispiel der Kölner Laienbruderschaften im 17. Jahrhundert, in: ebd., S. 16–47. Nicole Grochowina, Grenzen der Konfessionalisierung. Dissidententum und konfessionelle Indifferenz im Ostfriesland des 16. und 17. Jahrhunderts, in: ebd., S. 48–72; dies., Indifferenz und Dissens in der Grafschaft Ostfriesland im 16. und 17. Jahrhundert, Frankfurt/M. 2003, hier bes. S. 39–90 (theoretischer Abriss). Ferner Martin Mulsow, Mehrfachkonversion, politische Religion und Opportunismus im 17. Jahrhundert. Ein Plädoyer für eine Indifferentismusforschung, in: Greyerz u. a., Transkonfessionalität, S. 132–150. Anselm Schubert, Kommunikation und Konkurrenz. Gelehrtenrepublik und Konfession im 17. Jahrhundert, in: ebd., S. 105–131. Hans Joachim Müller, Konfession, Kommunikation und Öffentlichkeiten. Der Streit um die Irenik in Danzig 1645–1647, in: ebd., S. 151–178. So versuchte etwa Kaspar von Greyerz in seinem Vortrag Konfessionelle Indifferenz in der Frühen Neuzeit im Rahmen der Tagung „Konfessionelle Ambiguität. Uneindeutigkeit und Verstellung als religiöse Praxis in der Frühen Neuzeit“ (Münster, 20.–22. September 2010) mittels eines Zehn-Punkte-Programms, diesem Phänomen nachzugehen: Konfessionelle Indifferenz müsse nicht gleichbedeutend mit religiöser Abweichung sein, zudem müsse hinsichtlich des Begriffs ‚Indifferenz‘ zwischen einer kognitiven, d. h. die Unterschiede bestreitenden, und einer affektiven Bedeutung, d. h. dem gleichgültigen Gegenüberstehen zu den Differenzen, unterschieden werden.
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I. Einleitung
Untersuchung am Geeignetsten zu sein.63 Angesichts der abwertenden zeitgenössischen Deutung einer nichtkonfessionellen Frömmigkeit durch die Konfessionskirchen müsse hinsichtlich des Religionsbegriffs zwischen Konfession und Religion unterschieden werden, damit auch die Phänomene eingeschlossen werden können, „die bei einem substantiellen, konfessionell verstandenen Religionsbegriff als Häresie, Sektierertum oder Atheismus gefaßt würden“.64 Unter dem Terminus ‚konfessionelle Indifferenz‘ könnten Formen persönlicher Frömmigkeit gebündelt werden, die sich durch einen Synkretismus65 aus dem vorhandenen kirchlichen Angebot auszeichnen, ohne sich dabei mit einer der Konfessionskirchen völlig identifizieren zu müssen.66 Der Zwang zur Schaffung oder Sicherung einer konfessionellen Identität sowie ein ausreichendes, eine Wahl zulassendes konfessionelles Angebot seien für das Entstehen von konfessioneller Indifferenz unabdingbar. Der obrigkeitlich ausgeübte Druck zur Disziplinierung sowie eine mangelhafte Qualität des konfessionsgebundenen Klerus, der zur Vermittlung konfessioneller Lehrinhalte nicht in der Lage war, führte dabei keineswegs nur beim ‚gemeinen Mann‘, sondern auch bei den ‚Eliten‘ zu nichtkonfessionellem Verhalten und einer eigenständigen Sinnsuche.67 In der Praxis bedeutete dies unter anderem die Teilnahme an unterschiedlichen Gottesdienst- und Abendmahlsformen, die Integration „magischer“ Elemente oder das Schließen von Mischehen.68 Diese „besondere Unkirchlichkeit“ und dieser „Hang zu individuellen Sinnsystemen“ seien im gesamten Norden des Reiches üblich gewesen.69
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Der Terminus ‚Mischkonfessionalität‘ bietet sich im Folgenden nicht an, wird hierunter doch vorwiegend das Nebeneinander verschiedener Konfessionen in einem Ort verstanden. Vgl. hierzu z. B. den Vortrag von Stefan Ehrenpreis zum Thema Mischkonfessionalität als Problem der Konfessionalisierungsforschung auf der Tagung des 20. Bayreuther Historischen Kolloquiums („Das Konfessionalisierungsparadigma – Leistungen, Probleme, Grenzen“) im Mai 2008. Vgl. den Tagungsbericht von Dirk Pfeifer in H-Soz-uKult vom 31.7.2008 [http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=2206; Stand: 28.11.2011]. Siehe dazu demnächst auch den Sammelband: Thomas Brockmann und Dieter J. Weiss (Hg.), Das Konfessionalisierungsparadigma – Leistungen, Probleme, Grenzen (vsl. Münster 2012). Grochowina, Grenzen, S. 49 f. Dieser besteht meiner Ansicht nach nicht nur in der Wahl zwischen vorgegebenen Angeboten in der kirchlichen Praxis (z. B. ob das Abendmahl sub una specie oder sub utraque eingenommen oder von der Krankenkommunion Gebrauch gemacht wird), sondern auch aus der Zusammenstellung verschiedenster Lehrelemente und deren Verschmelzung zu etwas Eigenem. Grochowina, Grenzen, S. 58 f. Ebd., S. 60 f. Ebd., S. 64–69, mit Beispielen aus Ostfriesland. Ebd., S. 71 mit Verweis auf Hans-Walter Krumwiede, Territorium und Kirche in Niedersachsen. Mit dem Exkurs: Reformation und weltliche Obrigkeit, in: Karlheinrich Dumrath und Hans-Walter Krumwiede (Hg.), Die territoriale Bindung der evangelischen Kirche in Geschichte und Gegenwart, Blomberg 1971, S. 60–71, hier S. 64 f.
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2. Forschungsüberblick Für die deutsche Reformations- und Konfessionalisierungsforschung spielten religiöse Vorstellungen abseits der sich im Laufe des 16. Jahrhunderts ausbildenden Konfessionskirchen mit Ausnahme etwa der Täufer lange nur eine untergeordnete Rolle. Der überwiegende Teil der Untersuchungen widmete sich den erfolgreichen Entwicklungen des katholischen, lutherischen oder reformierten Kirchenwesens70 oder aber den dominierenden Persönlichkeiten dieser Zeit. Schwerer fassbar sind dagegen solche religiösen Phänomene, die sich nicht klar den Konfessionskirchen zuordnen lassen. Formen von Unkonfessionalität, konfessioneller Indifferenz oder eines multikonfessionellen Synkretismus waren noch lange weit verbreitet: Sowohl im Glauben wie auch in der kirchlichen Praxis vermischten sich oft bis in das 17. Jahrhundert hinein die unterschiedlichsten Vorstellungen und Theologien. Überblicksdarstellungen zur deutschen Reformationsgeschichte haben sich nur selten mit humanistisch-erasmianischen Reformkonzepten beschäftigt.71 Am ehesten fanden diese noch bei Heinrich Lutz Erwähnung,72 wohingegen Heinrich Richard Schmidt stärker auf das Konfessionsbewusstsein und die religiöse Praxis abhob.73 Auch in Gesamtdarstellungen trug man diesen Aspekten Rechnung, wobei sich eher katholische als protestantische Historiker und Kirchenhistoriker hiermit beschäftigt haben. In Leopold von Ranke’s Reformationsgeschichte etwa wurden humanistische Konzepte fast ausschließlich bei der Schilderung der Religionsgespräche erwähnt.74 Neuere Darstellungen evangelischer Provenienz75 haben ihren Fokus dagegen vorwiegend auf die sich etablierenden Konfessionskirchen und ihre Vertreter sowie auf Randgruppen wie die Täufer gerichtet. Der Humanismus wurde lediglich als Wegbereiter und Katalysator der Reformation begriffen, welcher seit der Mitte des 16. Jahrhunderts seine Bedeutung als „eigenständige Bewegung“ gänz-
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Vgl. oben Anm. 26. Dies gilt insbesondere für zwei der aktuellsten Übersichten: Ehrenpreis/Lotz-Heumann, Reformation; Olaf Mörke, Die Reformation. Voraussetzungen und Durchsetzung, München 2005. Heinrich Lutz, Reformation und Gegenreformation, 4. Aufl. München 1997, hier etwa S. 27. „Ein klar abgegrenztes Konfessionsbewußtsein scheint nach verbreiteter Forschungsmeinung erst Mitte des 17. Jahrhunderts erreicht worden zu sein. Bis dahin herrschte vielerorts ein […] Mixtum von verschiedenen konfessionell nicht ausdifferenzierten Eigenheiten vor, die man als ‚Grauzone der Konfessionszugehörigkeit‘ bezeichnet hat. Die Unterscheidungsfähigkeit bezog sich eher auf äußerliche Merkmale wie Kerzen, Bilder, Gewänder, Fleischessen am Freitag, den Taufexorzismus usw.“ Heinrich Richard Schmidt, Konfessionalisierung im 16. Jahrhundert, München 1992, S. 104. Vgl. auch ebd., S. 37 und 61 f. Leopold von Ranke, Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation, hier Bd. 4, München und Leipzig 1914. So etwa Peter Blickle, Die Reformation im Reich, Stuttgart 1982; Heiko A. Oberman, Reformation. Von Wittenberg nach Genf, Göttingen 1986; Luise Schorn-Schütte, Die Reformation. Vorgeschichte – Verlauf – Wirkung, München 1996.
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I. Einleitung
lich verloren habe.76 Dagegen war für Horst Rabe „der Erasmianismus […] wie der Humanismus überhaupt in seinem Programm wie in seiner Zusammensetzung eine vornehmlich laikale Bildungs- und Reformbewegung“,77 allerdings nur ein in seiner Bedeutung abnehmender Nebenstrang „des Geschehens“.78 Rabe wies auch auf die zeitweilige fehlende „dogmatische Geschlossenheit“ im evangelischen Kirchwesen hin, da einige traditionelle Elemente fortbestanden, „die manchem Zeitgenossen, besonders natürlich dem wenig gebildeten Kirchenvolk, die Unterschiede des lutherischen zum katholischen Gottesdienst als nicht sehr gravierend erscheinen lassen mochten“.79 Auf sehr unterschiedliche Weise ging die katholische kirchenhistorische Forschung an das Problem heran. Gerade die Reformationsdarstellung von Joseph Adam Lortz80 zeichnet sich durch polemische Angriffe auf die Person des Erasmus81 sowie auf seine Anhänger und Nachfolger unter den Gelehrten,82 aber auch unter den Fürsten aus,83 denen Relativismus und eine dogmatische Aufweichung vorgeworfen wurde und die in den Augen von Lortz lediglich „laue Katholiken“ waren,84 was Auswirkungen für die kirchliche Praxis in den Gemeinden gehabt habe.85 Eine etwas differenziertere Interpretation lässt sich bei neueren Darstellungen katholischer Provenienz beobachten. ‚Vermittlungstheologie‘ und ‚Erasmianismus‘ werden bei dem Kirchenhistoriker Erwin Iserloh weniger voneinander getrennt als bei Lortz, zudem erkennt er deren Bemühen um einen religiösen Ausgleich an.86 Heinrich Lutz zufolge habe eine „Mittelpartei ,konfessionsneutraler‘ Stände“ versucht, „die praktische Ausgestaltung des territorialen Kirchenwesens auf einer mittleren Linie zwischen 76 77
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Bernd Moeller, Deutschland im Zeitalter der Reformation, 4. Aufl. Göttingen 1999, S. 181. Horst Rabe, Deutsche Geschichte 1500–1600. Das Jahrhundert der Glaubensspaltung, München 1991, S. 202. Zur politischen Umsetzung des Erasmianismus insbesondere in Brandenburg, Jülich-Kleve-Berg und eingeschränkt in Kurköln vgl. ebd., S. 310 f., 343 f., 387–389 und 505. Ebd., S. 280. Ebd., S. 370 f. Joseph Adam Lortz, Die Reformation in Deutschland, 2 Bde., Freiburg/Br. 1939/40. Ebd., bes. Bd. 1, S. 127–135. Kritik wird besonders an Georg Witzel geäußert (ebd., Bd. 2, S. 220–225). Positiver ist die Beurteilung Johannes Groppers (ebd., S. 218) und des Julius von Pflug (ebd., S. 217) als Vermittlungstheologen (vgl. hierzu ebd., S. 167, 199 und 214–219), die neben anderen zur Mäßigung im gegenseitigen Umgang miteinander beigetragen hätten. Vgl. etwa die Beurteilung Joachims II. von Brandenburg (ebd., Bd. 1, S. 405 und Bd. 2, S. 226), Hermanns von Wied (ebd., Bd. 2, S. 234 f.) oder auch die unzulängliche Darstellung Wilhelms V. von Jülich-Kleve-Berg (ebd., Bd. 2, S. 240 und 251 f.). Zitat ebd., Bd. 2, S. 228. Westfalen zählte für Lortz zu den Regionen des Reiches, wo neben „sozialen Forderungen überhaupt ganz vorwiegend nur die religiös-praktischen Anliegen“ herangetragen worden seien („Gestaltung des Gottesdienstes, Laienkelch, Priesterehe“) und wo lange Zeit „theologisch wie praktisch im Kult und in der Sakramentenspendung [eine] unklare Mittellage“ üblich gewesen sei. Vgl. ebd., Bd. 1, S. 244, und Bd. 2, S. 219. Erwin Iserloh, Geschichte und Theologie der Reformation im Grundriss, 2. Aufl. Paderborn 1982, bes. S. 101–110.
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2. Forschungsüberblick
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den streitenden Religionsparteien vorzunehmen“, wobei einem „auf diese Mittelformen eingestellten Klerus“ eine große Bedeutung zugekommen sei.87 Wolfgang Reinhard schließlich deutete das zeitweilige Zögern hinsichtlich der Einführung eines evangelischen Bekenntnisses seitens einiger Landesherren als einen Versuch, „die Mittelposition eines erasmianischen Reformkatholizismus zu halten“.88 Für die Reformationsforschung gilt die Stadt als Zentrum der reformatorischen Bewegung im Reich.89 Unabhängig davon, ob es sich bei den untersuchten Orten um eine Reichsstadt90 oder eine Landstadt91 handelte, gestaltete sich der Ablauf der reformatorischen Bewegung meist ähnlich – zumindest in der Wahrnehmung der Forschung. Diese richtete ihren Blick vorwiegend auf bestimmte Aspekte und Entwicklungen, wie zum Beispiel die Rolle des Rates und des städtischen Klerus, Motive der Eliten, Konflikte (Antiklerikalismus und Bildersturm), die Wirkung äußerer Faktoren auf die Ratspolitik, Auswirkungen wirtschaftlicher und sozialer Krisen oder auch die Bedeutung charismatischer Prediger für den Erfolg oder Misserfolg der Reformation.92 Nichtsdestotrotz sind manche Desiderate geblieben, etwa was eine auf Ausgleich der Interessen setzende Ratspolitik angeht. Andeutungen hierzu finden sich immer wieder: Für Lutz etwa existierten solche ‚Mittelpositionen‘ in manchen Städten gerade dann, wenn sich hier „ein breites Feld von Eklektizismus zwischen den Fronten zu bilden“ begann, insbesondere „im Umkreis jener humanistischen Reformbestrebungen, die weder den Weg zu Luther gehen wollten, noch zu einem unbedingten Anschluß an die päpstlichen Positionen bereit waren“.93 Da die Rolle des lokalen Humanismus jedoch häufig ausgeblendet94 und die jeweilige 87 88 89
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Lutz, Ringen, S. 261 f. Wolfgang Reinhard, Probleme deutscher Geschichte 1495–1806. Reichsreform und Reformation 1495–1555, 10. Aufl. Stuttgart 2001, S. 317. Die Reformation in den Städten gehört quantitativ zu den bestuntersuchten Themen der Frühneuzeitforschung, ein genauer Überblick würde den Rahmen an dieser Stelle sprengen. Daher sei auf einige Zusammenstellungen und Forschungsberichte verwiesen: Hans-Christoph Rublack, Forschungsbericht Stadt und Reformation, in: Moeller, Stadt, S. 9–26; Kaspar von Greyerz, Stadt und Reformation: Stand und Aufgaben der Forschung, in: Archiv für Reformationsgeschichte 76 (1985), S. 6–63; Bernhard Rüth, Reformation und Konfessionsbildung im städtischen Bereich. Perspektiven der Forschung, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, kanonistische Abteilung 108 (1991), S. 197–282; Ehrenpreis/Lotz-Heumann, Reformation, S. 29–39; Mörke, Reformation, S. 93–100. Vgl. hierzu die wegweisende, später aber auch kontrovers beurteilte Studie von Bernd Moeller, Reichsstadt und Reformation, 2. erw. Aufl. Berlin 1987, die zuerst 1962 erschien. Hierzu Johannes Merz, Landstädte und Reformation, in: Anton Schindling und Walter Ziegler (Hg.), Die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung: Land und Konfession 1500–1650, Bd. 7: Bilanz – Forschungsperspektiven – Register, Münster 1997, S. 107–135. Ehrenpreis/Lotz-Heumann, Reformation, S. 32. Lutz, Ringen, S. 228. Allerdings, so schränkt er ein, seien bereits bald alle „Versuche zu einer kirchlichen ‚Via Media‘ […] fast überall von kommunalen Kampfsituationen im Sinne einer eindeutigen Entscheidung überrollt worden“. Ebd., S. 262. Vgl. etwa die Kritik bei von Greyerz, Stadt, S. 45.
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I. Einleitung
Entwicklung in den Städten oft zu sehr mit einer ‚konfessionellen Brille‘ gesehen worden ist, sind viele obrigkeitlich angeordnete Änderungen im kirchlichen Bereich vorschnell reformatorisch interpretiert worden. Daneben ist auch die „Religion der städtischen Laien ihrem Inhalt nach“ zu wenig untersucht worden,95 was nicht zuletzt der Quellenlage geschuldet sein dürfte. Dieser mentalitätsgeschichtliche Zugriff, der etwa nach der Rezeption der reformatorischen Lehren und nach Vorstellungen von Religion in der Bevölkerung fragt, findet zunehmend Beachtung,96 ebenso wie die Entwicklung einer Konfessionsbildung in den Städten nach der Reformation.97 Während es eine Gesamtdarstellung der ‚Via Media‘ in Deutschland bisher nicht gibt, haben sich eine ganze Reihe von Einzelstudien mit humanistischen Reformkonzepten und Versuchen ihrer Umsetzung auf regionaler Ebene beschäftigt, wobei der Fokus stets auf eine Durchsetzung von oben, das heißt durch die Landesherren in Zusammenarbeit mit ihren gelehrten Räten, beschränkt blieb. Als bestes Beispiel für eine unabhängige Kirchenpolitik nach den Vorstellungen des Erasmus von Rotterdam gelten die Vereinigten Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg.98 Insbesondere im 19. und auch noch weit in das 20. Jahrhundert hinein dominierte eine negative Sicht auf das kirchenpolitische Vorgehen der beiden Herzöge Johann III. und Wilhelm V.,99 was nicht zuletzt daran lag, dass viele Arbeiten aus der Feder von konfessionell ‚vorbelasteten‘ Theologen stammten.100 Dabei wurde die Kritik Luthers und anderer Reformatoren übernommen: So habe sich das Verhalten der Herzöge durch Unentschiedenheit, fehlende dogmatische Schärfe und unklare Formulierungen
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100
Ebd., S. 18 (mit dem Zitat) und 48. Dies betrifft nicht nur die Religion der Laien in der Stadt, sondern auch auf dem Land. Einige Studien seien hier genannt: Natalie Zemon Davis, Some Tasks and Themes in the Study of Popular Religion, in: Charles Trinkaus und Heiko A. Oberman (Hg.), The Pursuit of Holiness in Late Medieval and Renaissance Religion, Leiden 1974, S. 307–336; Robert W. Scribner, The Reformation and the Religion of the Common People, in: Hans R. Guggisberg u. a. (Hg.), Die Reformation in Deutschland und Europa: Interpretationen und Debatten, Gütersloh 1993, S. 221–241; ders., Elemente des Volksglaubens, in: ders., Religion und Kultur in Deutschland 1400–1800, Göttingen 2002, S. 66–99; Klaus Ganzer (Hg.), Volksfrömmigkeit in der Frühen Neuzeit, Münster 1994. Die Anfänge skizziert Rüth, Reformation, S. 204–210 und 266–282. Zu den Quellen der herzoglichen Politik vgl. Otto R. Redlich (Bearb.), Jülich-Bergische Kirchenpolitik am Ausgange des Mittelalters und in der Reformationszeit, 2 Bde., Bonn 1907–1915. Als Ausnahmen seien genannt Ludwig Keller, Zur Geschichte der katholischen Reformation im nordwestlichen Deutschland 1530–1534, in: Wilhelm Maurenbrecher (Hg.), Historisches Taschenbuch, 6. Folge 1. Jg., Leipzig 1882, S. 124–155, hier S. 142– 155, und Franzen, Schicksal, S. 111 f. Justus Hashagen, Erasmus und die clevischen Kirchenordnungen von 1532/3, in: Festgabe Friedrich von Bezold, Bonn und Leipzig 1921, S. 181–220, hier S. 215, würdigte die klevischen Kirchenordnungen als „lehrreiche Dokumente aus der Geschichte des allgemeinen vorjesuitischen Reform- und Kompromißkatholizismus“. Ein Großteil war evangelisch (z. B. Heinrich Bernhard Spiegel, Karl Krafft und Heinrich Forsthoff), manche katholisch (z. B. August Franzen).
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2. Forschungsüberblick
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in den Dekreten ausgezeichnet.101 Das Schwanken des Hofes habe sich unmittelbar auf die kirchlichen Zustände im Land übertragen.102 Die Absichten der Fürsten seien zwar durchaus nobel, allerdings sei ihr Verhalten unstetig und abhängig von ihren humanistischen Räten gewesen, die tatsächlich die Kirchenpolitik bestimmt hätten.103 Daher sei jede Reform zwangsläufig zum Scheitern verurteilt gewesen.104 Besonders umstritten war der Charakter der Kirchenordnung Johanns III. und deren Erklärung („Declaratio“): Die Bandbreite reicht hier von unentschlossen105 über humanistisch-erasmianisch geprägt106 bis hin zu im Kern protestantisch.107 101 102 103
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Krafft, Bericht, S. 164; Reinold Brämik, Die Verfassung der lutherischen Kirche in JülichBerg, Cleve-Mark-Ravensberg in ihrer geschichtlichen Entwicklung, Düsseldorf 1964, S. 16. Krafft, Bericht, S. 164. Gegen die These, dass die herzoglichen Dekrete in der Praxis keine Rolle gespielt habe, gab Keller, Geschichte, S. 145–150, zu bedenken, dass diese in der Bevölkerung und bei den Ständen durchaus Akzeptanz gefunden hätten. Keller, Geschichte, S. 126 f., Otto R. Redlich, Zur Kirchenpolitik des Herzogs Wilhelm V. (Verordnungen aus den Jahren 1562–1574), in: Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins 42 (1909), S. 174–190, hier S. 174, oder auch Heinrich Forsthoff, Zur Geschichte der Reformation am Niederrhein, in: Monatshefte für Rheinische Kirchengeschichte 16 (1922), S. 33–55, hier S. 53 f. Kritisch muss die These Ludwig Kellers (die von anderen übernommen wurde) in ders., Die Gegenreformation in Westfalen und am Niederrhein, Leipzig 1881, S. 36, gesehen werden, dass Wilhelm V. und seine Berater zu Beginn seiner Regierungszeit lutherisch gewesen und erst ab 1567 wieder zum Katholizismus zurückgekehrt seien. Heinrich Kessel, Reformation und Gegenreformation im Herzogtum Cleve (1517– 1609), in: Düsseldorfer Jahrbuch 30 (1918/19), S. 1–160, hier S. 6 f.; Forsthoff, Geschichte, S. 36 f.; August Franzen, Die Kelchbewegung am Niederrhein im 16. Jahrhundert. Ein Beitrag zum Problem der Konfessionsbildung im Reformationszeitalter, Münster 1955, S. 79, und Brämik, Verfassung, S. 25. Kritisch nimmt hierzu Eckehart Stöve, Via Media: Humanistischer Traum oder kirchenpolitische Chance? Zur Religionspolitik der vereinigten Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg im 16. Jahrhundert, in: Monatshefte für Evangelische Kirchengeschichte des Rheinlandes 39 (1990), S. 115–133, hier S. 116, Stellung, der berechtigt darauf hinweist, dass es methodisch unsauber ist, von der faktischen Erfolgslosigkeit auf ein von vornherein unausweichliches Scheitern zu schließen. Allerdings findet sich dieses negative Urteil auch in der aktuellen Literatur, so z. B. bei dem evangelischen Pfarrer Andreas Biermann, Erasmus und die klevische Kirchenpolitik. Der wiederentdeckte Katechismus der Kirchenordnung von 1532, in: Jürgen Kampmann (Hg.), Aus dem Landes der Synoden (FS Neuser), Lübbecke 1996, S. 15–55, hier S. 29. Vgl. etwa Spiegel, Johannes Pollius, S. 342, oder Brämik, Verfassung, S. 24. Dieser Ansicht war schon im späten 18. Jahrhundert Johann Petrus Berg, Reformationsgeschichte der Länder Jülich, Cleve, Berg, Mark, Ravensberg und Lippe, Hamm 1826 (posthum veröffentlicht), S. 44–46. Ferner Wilhelm Maurenbrecher, Geschichte der katholischen Reformation, Bd. 1, Nördlingen 1880, S. 354–356, und Hashagen, Erasmus, bes. S. 197–215. Letzterer glaubte sowohl einen direkten als auch einen indirekten Einfluss des Erasmus zu erkennen. Anton J. Gail, Johann von Vlatten und der Einfluß des Erasmus von Rotterdam auf die Kirchenpolitik der vereinigten Herzogtümer, in: Düsseldorfer Jahrbuch 45 (1951), S. 1–109, wies darauf hin, dass der starke Einfluss von Ideen des Erasmus auf die Kirchenpolitik „keine Randerscheinung, sondern das ganz klare, mit aller Konsequenz durchgeführte Zentralanliegen“ (Franzen, Schicksal, S. 87) dieser Politik und eine eigenständige Kirchenreform gewesen sei. Forsthoff, Geschichte, S. 43 f. und 47–53; Heinrich Forsthoff, Wes Geistes Kind sind die klevischen Kirchenordnungen 1532/3?, in: Monatshefte für Rheinische Kir-
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I. Einleitung
Die Kirchenpolitik der Herzöge blieb für die Forschung von Interesse. John Patrick Dolan untersuchte, welchen Einfluss Erasmus und die beiden Vermittlungstheologen Witzel und Cassander auf die klevische Kirchenpolitik ausübten.108 1979 befasste sich Alois Schröer im Rahmen seiner zweibändigen westfälischen Reformationsgeschichte auch mit der Reformpolitik in den Vereinigten Herzogtümern allgemein und den Folgen für die westfälischen Grafschaften Mark und Ravensberg,109 wobei er die alte Auffassung übernahm, dass diese Politik von Beginn an zum Scheitern verurteilt war. Neben diesen beiden Monographien widmete sich 1984/85 auch eine Ausstellung den Vereinigten Herzogtümern im Spätmittelalter und im 16. Jahrhundert, zu der ein umfangreicher Katalog erschien.110 Im einleitenden Aufsatz beschrieb Wilhelm Janssen die herzogliche Kirchenpolitik als einen „konsequent durchgehaltene[n] Versuch, eine Reform der Kirche und des religiösen Lebens aus dem Geist eines erasmianisch geprägten Humanismus heraus zu verwirklichen und auf diese Weise die konfessionelle Spaltung zu vermeiden“, bescheinigte ihr einen „durchaus eigenen Akzent“ und beurteilte sie somit überaus positiv.111 Insgesamt lässt sich allerdings beobachten, dass in den letzten beiden Jahrzehnten eine Intensivierung der Untersuchung eingesetzt hat. Neben Aufsätzen112 und Sam-
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chengeschichte 18 (1924), S. 61–68. Forsthoff übernahm damit eine im 16. Jahrhundert aufgekommene Auslegung. John Patrick Dolan, The Influence of Erasmus, Witzel and Cassander in the Church Ordinances and Reform Proposals of the United Duchees of Cleve during the Middle Decades of the 16th century, Münster 1957. Schröer, Reformation, Bd. 1, S. 227–247 (Jülich-Kleve-Berg), 247–271 (Mark, 1. Reformation), 271–286 (Ravensberg) und 471–480 (Mark, 2. Reformation). Städtisches Museum Haus Koekkoek Kleve und Stadtmuseum Düsseldorf (Hg.), Land im Mittelpunkt der Mächte. Die Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg, 2. Aufl. Kleve 1984. Wilhelm Janssen, Kleve-Mark-Jülich-Berg-Ravensberg 1400–1600, in: ebd., S. 16–40, hier bes. S. 35–39, Zitate S. 35. Erwähnt seien in chronologischer Reihenfolge ohne Anspruch auf Vollständigkeit: Heribert Smolinsky, Kirche in Jülich-Kleve-Berg. Das Beispiel einer landesherrlichen Kirchenreform anhand der Kirchenordnungen, in: Römische Quartalsschrift für christliche Altertumskunde und Kirchengeschichte 84 (1989), S. 104–119; Stöve, Via Media; Smolinsky, Jülich-Kleve-Berg; Hansgeorg Molitor, Mehr mit den Augen als mit den Ohren glauben. Frühneuzeitliche Volksfrömmigkeit in Köln und Jülich-Berg, in: Ganzer, Volksfrömmigkeit, S. 89–105; Biermann, Erasmus; Wilhelm Janssen, „Gute Ordnung“ als Element der Kirchenpolitik in den Vereinigten Herzogtümern Jülich-Kleve-Berg, in: Rheinische Vierteljahrsblätter 61 (1997), S. 161–174; Smolinsky, Erasmianismus; Heribert Smolinsky, „Docendus est populus“. Der Zusammenhang zwischen Bildung und Kirchenreform in Reformordnungen des 16. Jahrhunderts, in: Walter Brandmüller u. a. (Hg.), Ecclesia militans. Studien zur Konzilien- und Reformationsgeschichte, Bd. 2, Paderborn 1998, S. 539–559; Jutta Prieur, „…daß niemand in der Kirche Gottes Parteien bilden solle“. Eigentümlichkeiten der klevischen Reformationsgeschichte, in: Barbara Rommé (Hg.), Der Niederrhein und die Alten Niederlande. Kunst und Kultur im späten Mittelalter, Bielefeld 1999, S. 11–33; Stefan Ehrenpreis, Die Vereinigten Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg und der Augsburger Religionsfrieden, in: Heinz Schilling und Heribert Smolinsky (Hg.), Der Augsburger Religionsfrieden 1555, Gütersloh 2007, S. 239–267.
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2. Forschungsüberblick
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melbänden113 wurde der klevische Reformversuch vermehrt monographisch analysiert.114 Regina Pohl untersuchte etwa, in welchem Maße aus den Berichten der herzoglichen Visitationen Rückschlüsse auf das religiöse Leben in den Gemeinden gezogen werden können.115 Christian Schulte verglich in seiner Dissertation das politische Vorgehen der beiden klevischen Herzöge mit dem des münsterischen Bischofs Wilhelm von Ketteler, der als ehemaliger herzoglicher Rat selbst die klevische Religionspolitik mitbestimmt hatte.116 Einen ebenfalls vergleichenden Ansatz wählte Elisabeth M. Kloosterhuis in ihrer Untersuchung der hinter den Reformen stehenden Räte in Jülich-Kleve-Berg und Kurköln.117 Schließlich befasste sich Antje Flüchter mit der klevischen Kirchenpolitik bezüglich des Zölibats und überprüfte anhand der Visitationsberichte dessen tatsächliche Einhaltung in den Gemeinden.118 Während der Versuch einer eigenen Reform in Jülich-Kleve-Berg zwar am langlebigsten war, so war das Vorgehen der dortigen Herzöge keineswegs einzigartig.119 Im direkten Vergleich ist die Politik des benachbarten Kölner Kurfürsten und Erzbischofs Hermann von Wied zwischen etwa 1536 und 1542/43 zu nennen, die maßgeblich durch den Juristen und Theologen Johannes Gropper mitgestaltet worden ist.120 Nach Auswirkungen auf die Reichspolitik fragte Albrecht Pius Luttenber113 114
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Pohl, Niederrhein, sowie teilweise Burkhard Dietz und Stefan Ehrenpreis (Hg.), Drei Konfessionen in einer Region. Beiträge zur Geschichte der Konfessionalisierung im Herzogtum Berg vom 16. bis zum 18. Jahrhundert, Köln 1999. Daneben als Teil im Kontext eines umfassenderen Forschungsinteresses: Robert Stupperich, Westfälische Reformationsgeschichte. Historischer Überblick und theologische Einordnung, Bielefeld 1993, hier S. 49–55; Heinz Finger, Reformation und Katholische Reform im Rheinland. Begleitheft zur Ausstellung der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf, Düsseldorf 1996, insb. S. 58–68; Andreas Freitäger, Johannes Cincinnius von Lippstadt (ca. 1485–1555). Bibliothek und Geisteswelt eines westfälischen Humanisten, Münster 2000, v. a. S. 335–346 (Kap. 13). Regina Pohl, Religiöse Lebensformen im Herzogtum Jülich. Zur Interpretation landesherrlicher „Visitationsberichte“ 1530–1560, Jülich 1989. Schulte, Neutralität. Elisabeth M. Kloosterhuis, Erasmusjünger als politische Reformer. Humanistenideal und Herrschaftspraxis am Niederrhein im 16. Jahrhundert, Köln u. a. 2006. Antje Flüchter, Der Zölibat zwischen Devianz und Norm. Kirchenpolitik und Gemeindealltag in den Herzogtümern Jülich und Berg im 16. und 17. Jahrhundert, Köln u. a. 2006. Hierauf wies bereits Hashagen, Erasmus, S. 214 f., hin. Ähnlich kontrovers wie Jülich-Kleve-Berg wurde in der Forschung auch die kölnische Reform beurteilt. Neben der Frage, auf wessen Initiative der kölnische Mittelweg zurückging, entzündete sich der Streit besonders an der Person des Erzbischofs. Auch für Kurköln hat sich eine große Anzahl von Untersuchungen angesammelt. Hier sei nur auf einige wenige verwiesen. Speziell zur Kirchenpolitik und zu dogmatischen Standpunkten: Franz Gescher, Ein Synodalschreiben des Kölner Erzbischofs Hermann von Wied aus dem Jahre 1538, in: Jahrbuch des Kölnischen Geschichtsvereins 13 (1931), S. 123–132; Josef Niessen, Der Reformationsversuch des Kölner Kurfürsten Hermann V. von Wied (1536–1547), in: Rheinische Vierteljahrsblätter 15/16 (1950/51), S. 298–312; August Franzen, Das Kölner Provinzialkonzil von 1536 im Spiegel der Reformationsgeschichte, in: Franz Kroner (Hg.), Die Kirche im Wandel der Zeit. FS Joseph Kardinal Höffner, Köln 1971, S. 95–109; Schröer, Reformation, Bd. 2, hier
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I. Einleitung
ger im Vergleich der Ausgleichsbemühungen Kurbrandenburgs, der Kurpfalz und Jülich-Kleve-Bergs zwischen 1530 und 1552. Diese zielten darauf ab, den Reichsfrieden durch eine ‚konfessionsneutrale‘ Politik zu sichern und gleichzeitig die Libertät der Reichsstände gegenüber dem Kaiser zu wahren.121 In welchem Maße Georg der Bärtige im albertinischen Herzogtum Sachsen bestrebt war, der Reformation durch eine eigene Kirchenreform entgegenzutreten („Reform statt Reformation“), und welche Rolle seine Räte etwa bei den Leipziger Religionsgesprächen gespielt haben, wurde von Günther Wartenberg und zuletzt von Christoph Volkmar untersucht.122 Eine der wenigen Studien zur ‚Via media‘ auf lokaler und individueller Ebene hat Kurt Maeder vorgelegt,123 derzufolge in manchen schweizerischen Orten zeitweise versucht wurde, einen mittleren Weg zwischen der alten Kirche und der Reformation Zwinglis einzuschlagen. Erst gegen Mitte des 16. Jahrhunderts haben laut Maeder zunehmende politische Spannungen und der Generationenwechsel zu einer konfessionellen Vereindeutlichung und Abgrenzung geführt. Während andere Studien einen solchen Mittelweg vorwiegend als Teil der „Inkubations-“ bzw.
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bes. S. 75–95; Andreea Badea, Kurfürstliche Präeminenz, Landesherrschaft und Reform. Das Scheitern der Kölner Reformation unter Hermann von Wied, Münster 2009. Biographische Studien liegen insbesondere zu den Protagonisten Hermann von Wied und Johannes Gropper vor: Matthias Deckers, Hermann von Wied, Erzbischof und Kurfürst von Köln. Nach gedruckten und ungedruckten Quellen als ein Beitrag zur Kirchengeschichte des 16. Jahrhunderts, Köln 1840; Conrad Varrentrapp, Hermann von Wied und sein Reformationsversuch in Köln. Ein Beitrag zur deutschen Reformationsgeschichte, Leipzig 1878; Wilhelm Rotscheidt, Zur Charakteristik Johann Groppers, in: Monatshefte für Rheinische Kirchengeschichte 2 (1908), S. 56–60; Walter Lipgens, Kardinal Johannes Gropper 1503–1559 und die Anfänge der katholischen Reform in Deutschland, Münster 1951; ders., Johannes Gropper. Designierter Kardinal (1503–1559), in: Bernhard Poll (Hg.), Rheinische Lebensbilder, Bd. 2, Düsseldorf 1966, S. 75–91; August Franzen, Hermann von Wied (1477–1552), in: Poll, Lebensbilder, Bd. 3, Düsseldorf 1968, S. 57–77; ders., Bischof und Reformation. Erzbischof Hermann von Wied in Köln vor der Entscheidung zwischen Reform und Reformation, 2. Aufl. Münster 1972; Hansgeorg Molitor, Hermann V. von Wied als Reichsfürst und Reformer, in: Christina Roll (Hg.), Recht und Reich im Zeitalter der Reformation. FS für Horst Rabe, Frankfurt/M. u. a. 1996, S. 295–308; Rainer Sommer, Hermann von Wied. Erzbischof und Kurfürst von Köln, Teil 1: 1477–1539, Köln 2000; Johann Friedrich Gerhard Goeters, Der katholische Hermann von Wied, in: ders., Studien zur niederrheinischen Reformationsgeschichte, Köln 2002, S. 106–126 (zuerst gedruckt in: Monatshefte für Evangelische Kirchengeschichte des Rheinlandes 35 [1986], S. 1–17). Luttenberger, Glaubenseinheit. Vgl. Günther Wartenberg, Die Leipziger Religionsgespräche von 1534 und 1539. Ihre Bedeutung für die sächsisch-albertinische Innenpolitik und für das Wirken Georgs von Karlowitz, in: Gerhard Müller (Hg.), Die Religionsgespräche der Reformationszeit, Gütersloh 1980, S. 35–41; Christoph Volkmar, Reform statt Reformation. Die Kirchenpolitik Herzog Georgs von Sachsen 1488–1525, Tübingen 2008, bes. S. 594–612. Maeder, Via Media.
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2. Forschungsüberblick
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„Konfliktphase“124 der Reformation interpretieren, stellt diese Phase für Maeder einen eigenständigen Reformversuch dar. Auch für die Städte, die im Folgenden im Zentrum der Betrachtung stehen werden, wurde der Blick auf Phänomene abseits eines als typisch angenommenen Reformationsverlaufes – Konstituierung einer lutherisch orientierten Öffentlichkeit, antiklerikale Proteste, Institutionalisierung von Opposition (Ausschüsse), Entscheidung des Rates – nur im Rahmen einer allgemeinen Reformations- oder Stadtgeschichte gerichtet. Besondere Beachtung fand dabei bisher Dortmund als Hauptvertreter eines städtischen Mittelwegs in der Religionsfrage in Westfalen125 und als Paradebeispiel für eine „Späte Reformation“126 bzw. „Langzeitreformation“.127 Eine ähnliche Bewertung erfolgte auch im Fall Essens,128 wohingegen die Bielefelder Stadtgeschichtsforschung unkonfessionelle Aspekte bisher wenig interessierte.129 Ein Grundmanko vieler ortshistoriographischer Werke liegt in der Interpretation von Änderungen im städtischen Kirchenwesen und religiösen Ansichten von Akteuren, da viele Behauptungen nicht oder nicht in dieser Deutlichkeit zu belegen sind. Oft fehlt ein kritisches Herangehen an die überlieferten Zeugnisse, vielleicht 124
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Diese Phaseneinteilung, zu der als dritte die „Institutionalisierungsphase“ gehört, geht zurück auf Hans-Christoph Rublack, Reformatorische Bewegung und städtische Kirchenpolitik in Esslingen, in: Ingrid Bátori (Hg.), Städtische Gesellschaft und Reformation, Stuttgart 1980, S. 191–220. Vgl. hierzu die wichtigsten Studien zur Dortmunder Reformationsgeschichte: Klemens Löffler, Reformationsgeschichte der Stadt Dortmund, in: BeitrDO 22 (1913), S. 183– 243, hier S. 196–205; Luise von Winterfeld, Der Durchbruch der Reformation in Dortmund, in: ebd. 34 (1927), S. 53–146, hier S. 67–87; Albrecht Stenger, Die Reformation in Dortmund, in: Jahrbuch des Vereins für Westfälische Kirchengeschichte 40/41 (1939/40), S. 191–208, hier S. 198–203; Schilling, Dortmund, S. 159 f. und 167–178. Kaspar von Greyerz, The Late City Reformation in Germany. The Case of Colmar 1522–1628, Wiesbaden 1980, bes. S. 176–181. Schilling, Dortmund, S. 164. Konrad Ribbeck, Geschichte des Essener Gymnasiums, 2 Teile, Teil I: bis 1564, in: BeitrE 16 (1896), S. 3–111; Teil II: Die lutherische Stadtschule 1564–1611, in: ebd. 19 (1898), S. 3–73; Helmut Müller, Die Reformation in Essen, in: ebd. 85 (1969), S. 1–202; von Greyerz, Reformation, S. 171–176. Eine monographische Ausarbeitung der Bielefelder Reformationsgeschichte steht aus. Neben der Stadtgeschichte von Reinhard Vogelsang (Geschichte der Stadt Bielefeld, Bd. 1, Bielefeld 1980, S. 107–113) sind zu nennen: Karl Gerhard Goebel, Die Einführung der Reformation in Bielefeld, in: Jahresbericht des Historischen Vereins der Grafschaft Ravensberg 2 (1878), S. 49–74; Reinhard Vogelsang, Die Reformation, in: Johannes Altenberend u. a. (Hg.), St. Marien in Bielefeld 1293–1993. Geschichte und Kunst des Stifts und der Neustädter Kirche, Bielefeld 1993, S. 133–164; Heinrich Rüthing, Der verschwundene Kelch. Ein Beitrag zur Bielefelder Reformationsgeschichte, in: Jahresbericht des Historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg 83 (1996), S. 7–28; Andreas Biermann, Hermann Hamelmann und die Reformation in Bielefeld. Eine Untersuchung von Hamelmanns Briefen und Schriften, in: Jahrbuch für Westfälische Kirchengeschichte 100 (2005), S. 29–56; Friedrich Korte, War Hamelmann der Reformator Bielefelds?, in: ebd. 104 (2008), S. 111–119; Johannes Altenberend und Wolfgang Schröder (Hg.), Deo et Literis. Schule mit Geschichte – Schule mit der Zeit. Festschrift zum 450-jährigen Jubiläum des Ratsgymnasiums Bielefeld, Bielefeld 2008.
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I. Einleitung
weil dem persönlichen konfessionellen Hintergrund der Verfasser geschuldete Idealvorstellungen zugrunde lagen. Hierauf aufmerksam zu machen und gegebenenfalls alternative Interpretationen anzusprechen, auch das wird Aufgabe dieser Arbeit sein.
3. Quellenlage Für die Vereinigten Herzogtümer beleuchten zahlreiche Quellen die landesherrliche ‚Via Media‘, wobei sich die Überlieferungssituation auf der lokalen Ebene etwas schwieriger gestaltet. Eine Überprüfung der kirchlichen Zustände mittels Visitationen ist zwar mehrfach erfolgt, allerdings haben sich die dabei angefertigten Protokolle nur für Jülich130 und Berg131 sowie bei der Visitation von 1533 auch für die Grafschaft Ravensberg132 erhalten. Über den Umfang und die Ergebnisse der Visitationen 1533, die auch in Kleve und in der Grafschaft Mark, das heißt in der unmittelbaren Umgebung von Essen und Dortmund, stattfanden, ist jedoch fast nichts bekannt.133 Religiöse Vorstellungen von Einzelpersonen kommen dagegen in anderen Quellen ansatzweise zum Ausdruck. Zwar sind klassische Ego-Dokumente134 wie etwa Familienchroniken oder Tagebücher aus den drei Städten nicht bekannt, jedoch existieren für Essen Zeugenaussagen,135 die als Selbstzeugnisse gewertet werden können, 130 131 132 133 134
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Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 2.1, mit den Protokollen der Visitationen 1533, 1550 und 1559/60. Vgl. Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 2.2, mit den Protokollen zur Visitation von 1550 sowie einzelnen Erkundigungen für die 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts. 1533 wurde in Berg nicht visitiert. Adolf Schmidt (Bearb.), Protokoll der kirchlichen Visitation der Grafschaft Ravensberg vom Jahre 1533, in: Jahrbuch des Vereins für die Evangelische Kirchengeschichte Westfalens 6 (1904), S. 135–169. Vgl. hierzu kurz Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 2.2, S. 8*–10*. Vgl. dazu Winfried Schulze (Hg.), Ego-Dokumente: Annährung an den Menschen in der Geschichte, Berlin 1996, sowie Harald Tersch, Vielfalt der Formen. Selbstzeugnisse der Frühen Neuzeit als historische Quellen, in: Thomas Winkelbauer (Hg.), Vom Lebenslauf zur Biographie. Geschichte, Quellen und Probleme der historischen Biographik und Autobiographik, Horn und Waidhofen/Thaya 2000, S. 69–98. Die Akten zu diesem Prozess sind nicht mehr vollständig überliefert. Teilweise liegen Dubletten vor. Im StAE finden sich folgende Bände: Band 1 (100.101) beinhaltet eine Zusammenstellung der von der Klägerseite vorgebrachten Beweismittel und Fragenkataloge sowie Protokolle der Verhandlungstage zwischen 1584 und 1586. Band 2 (100.102) führt die 1586 aufgenommenen Aussagen der vom Stift benannten 14 Zeugen hintereinander und ohne Fragen auf (100.106 ist eine spätere Abschrift der Aussagen mit den Fragen). Die Bände 3 und 4 (100.105 bzw. 100.103) beinhalten die Ausführungen der von der Stadt benannten Zeugen 17–28 bzw. 29–35 aus den Jahren 1590 bzw. 1587. 100.104 ist ein Rudiment einer späteren Abschrift aller 35 städtischen Aussagen mit Fragen. In Düsseldorf (LAV NRW R, RKG, E 589) befinden sich fünf weitere Bände. Bd. 1 beinhaltet ein kurzes Protokoll zu den Verhandlungen. Die Bände 2, 3 und 5 sind weitgehend identisch mit den Bänden 1, 2 bzw. 4 im StAE. Band 4 beinhaltet die Aussagen der städtischen Zeugen 6–16 aus dem Jahr 1587. Nicht überlie-
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3. Quellenlage
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selbst wenn bei den Angaben die Möglichkeiten einer tendenziösen Fragestellung oder eines bewussten Verschweigens oder Verschleierns im Auge behalten werden sollte. Die Aussagen von 14 durch das Stift136 und 35 durch den städtischen Rat benannten Zeugen (vgl. hierzu Tabelle 1 und 2 im Anhang) wurden für einen Prozess zwischen der Stadt und dem Stift Essen vor dem Reichskammergericht in den Jahren 1586 bis 1590 aufgenommen. Dieser Rechtsfall, bei dem die Frage des Konfessionswechsels der Stadt nur einen Teil der Klagepunkte umfasste, wurde seitens des Stiftes 1568 begonnen und erst durch ein Urteil aus dem Jahr 1670 nach über einhundert Jahren abgeschlossen. Für die Entwicklung von einem katholischen Gemeinwesen über einen zeitweilig konfessionell unbestimmten Zwischenschritt bis hin zur lutherischen Stadt sind die Aussagen von weitreichender Bedeutung. Vielfach ergänzen oder bestätigen sie andere zeitgenössische Dokumente zur Rolle der Akteure und zu den Änderungen im Kirchenwesen, offenbaren aber auch persönliche Ansichten. Für Dortmund gibt es zwar keine Zeugenaussagen, dafür aber zwei unterschiedlich ausführliche Verteidigungsschriften des Rates,137 als seitens der Minoriten nach 1600 Klage vor dem Kaiser eingereicht wurde, um die städtische Reformation samt den erfolgten strukturellen Veränderungen rückgängig zu machen.138 Dabei versuchte der Rat, als Erwiderung auf Restitutionsforderungen für Kirchen und Schulen zu beweisen, dass die Reformation bereits vor dem Augsburger Religionsfrieden weit fortgeschritten gewesen sei. Man berief sich auf eine Reihe von ‚Kronzeugen‘, ihre Werke und bestimmten Begebenheiten. Dieselbe Vorgehensweise wie in den Briefen des Rates findet sich auch in einer Festschrift zum hundertjährigen Jubiläum der Dortmunder Schule aus dem Jahr 1643.139 Nicht nur die spätere Geschichts-
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fert sind dagegen die Aussagen der städtischen Zeugen 1–5 wie auch die Mehrzahl der formulierten Fragen an die insgesamt 35 Bürger. Ursprünglich scheinen mehr Zeugen benannt worden zu sein, die allerdings nicht befragt worden sind. Zu den aussortierten Zeugen (StAE 100.101, fol. 30r–32v) zählten der klevische Rat Rotger Rüttenscheid, der ehemalige Essener Bürgermeister Heinrich von Aachen und einige mehr. Auch auf den stiftischen Rat Johann von Sevenar wurde verzichtet, dieser wurde jedoch durch den städtischen Magistrat benannt (dort Zeuge 33). Einerseits ein als Ulteriores exceptiones betitelter Brief, der etwa um 1628 verfasst wurde, ehemals im Bestand der Dortmunder Archidiakonatsakten (StAD Best. 2, Nr. 55) enthalten war und teilweise ediert ist (Rudolf Franz, Christoph Scheibler und die älteste Säkularschrift des Dortmunder Gymnasiums, in: BeitrDO 23 [1914], S. 258–347, hier S. 322–324), andererseits die bei von Winterfeld, Durchbruch, S. 123–146 (Anhang Nr. 9) als Bestandteil der Prozessakten abgedruckte Deduction und Nachrichtung, das das Exercitium Augustanae Confessionis, vor Dato des aufgerichteten Religion fridens, in den Pfarkirchen der Kayserlichen und des heiligen Reichs Statt Dortmund in üblichen brauch gewesen, aus dem Jahr 1629. Vgl. hierzu Alexander Mette, Die Gegenreformation in Dortmund, in: BeitrDO 1 (1875), S. 148–186. Die sogenannte Säkulardisputation (Johannes Mellinckhusius, Dispvtatio Theologica Secvlaris, In Memoriam Fundationis nostri Gymnasii Tremoniani ante centum Annos factae […], Dortmund 1643) wurde unter dem Rektorat Christoph Scheiblers verfasst und liegt im lateinischen Original und in Übersetzung bei Franz, Christoph Scheibler, S. 272–298, ediert vor.
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I. Einleitung
schreibung, sondern teilweise auch die Geschichtswissenschaft hat manche Darstellungen in den genannten drei Quellen allerdings sehr unkritisch übernommen.140 Andere Schriftstücke städtischer Provinienz finden sich für alle drei Städte in unterschiedlicher Quantität: Während im Bielefelder Stadtarchiv der Bestand zum 16. Jahrhundert begrenzt und im Dortmunder Stadtarchiv nicht zuletzt aufgrund der Zerstörungen durch den Zweiten Weltkrieg141 ausgedünnt ist, gestaltet sich die Überlieferungssituation im Essener Stadtarchiv weitaus günstiger. Ergänzt werden die in kommunaler Hand befindlichen Bestände durch Akten in kirchlichen Archiven sowie in den beiden Landesarchiven Nordrhein-Westfalens in Düsseldorf und Münster. Zu nennen sind etwa Suppliken, mit denen sich die Bürgerschaft an die städtische Obrigkeit oder eine Landesherrschaft wandte, um auf dem Verhandlungsweg ihre Ziele durchsetzen zu können, und worin sowohl festgestellte Mängel am bestehenden Kirchenwesen als auch Lösungsvorschläge zur Sprache kommen. Solche Schriftstücke, in denen theologisch und politisch argumentiert wurde, haben sich insbesondere in Essen und Dortmund erhalten,142 ebenso wie manche Antworten seitens der Rats- oder einer Territorialobrigkeit, etwa in Form von Mandaten. Hier ist besonders von Interesse, ob und inwieweit sich diese argumentativ an die Suppliken anlehnten, deren Argumente ganz und gar übernahmen oder sie ablehnten.143 Ratsprotokolle wurden, soweit bekannt, erst im späten 16. Jahrhundert, meist jedoch im 17. Jahrhundert begonnen144 und sind für den hier interessierenden Zeitraum nur 140
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Vgl. etwa Franz, Christoph Scheibler, S. 334 Anm. 2, und von Winterfeld, Durchbruch, S. 57, hinsichtlich der Charakterisierung des Rektors der Reinoldischule, Urbanus Homberg. Kritisch äußerten sich dagegen Löffler, Reformationsgeschichte, S. 189 f., und August Döring, Johann Lambach und das Gymnasium zu Dortmund von 1543–1582. Ein Beitrag zur Geschichte des Humanismus und seines Schulwesens und der Reformation, Berlin 1875, S. 24 f. Laut der früheren Archivarin Luise von Winterfeld soll das städtische Archiv jedoch bereits kurz nach der Reformation von offiziellem Schriftgut gesäubert worden sein, da ihr zufolge die großen Lücken des Archivs bereits vor dem Zweiten Weltkrieg „nur durch absichtliche Eingriffe erklärt werden können“. Vgl. von Winterfeld, Durchbruch, S. 54 f.; Schilling, Dortmund, S. 155. Vgl. von Winterfeld, Durchbruch, S. 114–117 (Nr. 2 und 3); Anton Fahne (Bearb.), Urkundenbuch der Freien Reichsstadt Dortmund, Köln 1855–1857 (ND 1974), Bd. 2.1, S. 366–369 (Nr. 281), 369–371 (Nr. 282) und 379–381 (Nr. 284); StAE 100.2245a (gedruckt bei Konrad Ribbeck, Katharina von Tecklenburg, eine Essener Äbtissin am Vorabend der Reformation, in: BeitrE 30 [1909], S. 165–189, hier S. 184–188 [Nr. 2]); StAE 100.2246, fol. 13r–14v. Fahne, Urkundenbuch, Bd. 2.1, S. 360–362 (Nr. 278); Anton Fahne (Bearb.), Die verschiedenen Geschlechter Stecke, Beurhaus’ Entwurf, Niederhof’s Memorabilien, Nachträge zu Chronik und Urkundenbuch betreffend die Freie-Reichsstadt Dortmund, Köln und Bonn 1859, S. 91–101; StAE 100.2245b und 100.2245c; StAE 100.2247b. Die frühesten finden sich für Bielefeld: StAB, Best. 140, Nr. 0001 (1586–1628). Diese „Raits-verhandlungen und -abscheide, stadt- und burgerliche sachen anlangend“ liegen auch gedruckt vor: Bielefelder Ratsverhandlungen von 1586–1628, in: Jahresbericht des Historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg zu Bielefeld 8 (1891), S. 1–142.
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3. Quellenlage
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von bedingtem Nutzen. Von der Korrespondenz der städtischen Magistrate mit anderen Kommunen oder Landesherren ist nur ein geringer Rest überliefert, von dem sich auch nur ein Teil mit religiösen Fragen befasst hat.145 Weitere Hinweise auf Aspekte der Laienfrömmigkeit finden sich vereinzelt in Urkunden und städtischen Rechnungsbüchern. Letztere haben sich insbesondere in Essen für zahlreiche Jahrgänge erhalten.146 Hinsichtlich des humanistisch geprägten Bildungswesens sind (für Essen und Bielefeld) Anstellungsverträge überliefert, welche Auskünfte über Voraussetzungen, die neue Schulmänner mitbringen mussten, sowie Festlegungen den zu erteilenden Unterricht betreffend geben.147 Schulprogramme über die Gestaltung des Unterrichts, wie sie etwa für Düsseldorf bekannt sind, haben sich nicht erhalten. Eine Rekonstruktion der religiösen Ausrichtung im Unterricht wird zumindest in Ansätzen sowohl durch die erwähnten Verträge als auch durch Werbebriefe aus Essen148 sowie das Verlagsprogramm der mit der Dortmunder Schule eng kooperierenden reichsstädtischen Druckerei149 ermöglicht, wo etwa auch Werke des Dortmunder Predigers Jakob Schöpper erschienen. In seinem Katechismus und seinen gedruckten Predigten, aber auch in seinen dramatischen Schriften kommt ein ganz eigenes theologisches Programm zum Ausdruck, das näher untersucht werden soll.150 Solche Stellungnahmen mit durchaus persönlichem Charakter sind sehr selten, denn die meisten selbst publizierten Schriften anderer Gelehrter waren nichttheologischer Natur. Häufiger sind dagegen Fremdzuschreibungen, die oft posthum entstanden sind und in denen nicht selten versucht worden ist, bestimmte
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Hervorzuheben ist hier insbesondere die Korrespondenz der Stadt bzw. der Abtei Essen mit dem klevischen Hof: StAE 100.2246, teilweise gedruckt bei Karl Wächtler, Urkunden aus den ersten Jahren der Reformation in der freien Reichsstadt Essen, in: Theologische Arbeiten aus dem Rheinischen Wissenschaftlichen Programm 6 (1885), S. 106–148. Daneben ist auch ein Teil des Schriftverkehrs zwischen dem Essener Rat und einheimischen sowie auswärtigen Gelehrten (Schulmänner und Theologen) erhalten, vgl. die Bestände StAE 100.2231–2233, 2247 und 2335. Der Großteil stammt allerdings erst aus dem späten 16. und dem 17. Jahrhundert. Für das 16. Jahrhundert finden sich die Stadtrechnungen im StAE 100.901 ff. Für Essen sind einige bei Ribbeck, Geschichte I, Anhang, abgedruckt. Bielefelder Verträge werden u. a. bei Christian Herwig, Geschichte des Gymnasiums und Realgymnasiums, in: Festschrift zum 350jährigen Jubiläum des Gymnasiums und Realgymnasiums zu Bielefeld am 5. und 6. August 1908, Bielefeld 1908, S. 1–110, hier insb. S. 1–16 zitiert. Hermann Keussen (Bearb.), Ein Werbebrief für das Essener Gymnasium aus dessen Stiftungsjahr 1545, in: BeitrE 34 (1912), S. 309–311; Ribbeck, Geschichte I, S. 96 f. (Nr. 3). Klemens Löffler, Der Dortmunder Buchdruck des 16. Jahrhunderts, in: BeitrDO 13 (1905), S. 27–78; ders., Weiteres zum Dortmunder Buchdruck des 16. Jahrhunderts, in: ebd. 16 (1908), S. 1–10, und ders., Noch ein paar Dortmunder Drucke des 16. Jahrhunderts, in: ebd. 23 (1914), S. 428–433. Vgl. Kap. 3 in Teil III.
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I. Einleitung
Personen nachträglich für eine Konfession einzunehmen, um etwa dadurch spezifische Ansprüche untermauern zu können.151 Als weitere Quellengattungen sind die Chronistik und die Geschichtsschreibung zu nennen. Zeitgenössische Stadtchroniken gab es in Dortmund. Bereits im Spätmittelalter war mit der jahrweisen Aufzeichnung zentraler städtischer Ereignisse begonnen worden, wobei häufig auch Vorkommnisse andernorts erwähnt wurden. Die wichtigste Chronik aus dem 15. Jahrhundert verfasste Johann Kerkhörde,152 auf dessen Werk spätere Generationen aufbauten.153 Im 16. Jahrhundert verzeichneten die Chronik des Dominikanerklosters,154 jene des Schulmeisters Johannes Voss155 sowie die des Stadtschreibers Dietrich Westhoff156 bis zur Mitte des Jahrhunderts viele Ereignisse der städtischen Geschichte parallel, wobei auf die religiösen Auseinandersetzungen in Dortmund allerdings nur sehr oberflächlich eingegangen wurde. Ihre sehr konfessionell geprägte Sicht führte dazu, dass un- oder mischkonfessionelle Phänomene von ihnen nicht wahrgenommen wurden. Auch in späteren Dortmunder Darstellungen wird auf die Entwicklung der städtischen Reformation oft nur oberflächlich zurückgeschaut; viele Änderungen, die von den Zeitgenossen nicht zwangsläufig als reformatorisch wahrgenommen werden mussten, wurden im späteren 16., im 17. und auch im 18. Jahrhundert – etwa bei Detmar Mulher157 oder 151 152 153 154
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Hierauf machte etwa Döring, Lambach, S. 11–14, am Beispiel Dortmunds aufmerksam. Dies zeigt sich insbesondere in den oben genannten Schriften des 17. Jahrhunderts. Johann Kerkhörde, Chronik 1405–1465, hg. von J. Franck und J. Hansen, in: Die Chroniken der westfälischen und niederrheinischen Städte 1, 2. Aufl. Leipzig 1887 (ND Göttingen 1969), S. 1–146. Zur mittelalterlichen Chronistik in Dortmund vgl. Karl Rübel, Jahresbericht für den historischen Verein 1873/74, in: BeitrDO 1 (1875), S. 1–73, zu den Chroniken bes. S. 30–73. Von der Dominikanerchronik liegen Abschriften des Originalmanuskripts vor, u. a. von H. V. Sauerland aus dem Jahr 1872 im LAV NRW W, Ms. VII 6410 (1872). Dieses Exemplar wird im Folgenden als Chron. Dom. abgekürzt. Zu dieser vgl. auch J. Hansen, Übersicht über die Dortmunder Geschichtsschreibung bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts, in: Die Chroniken der westfälischen und niederrheinischen Städte 1, S. IX–XXXIV, hier S. XXVI f., und Rübel, Jahresbericht, S. 66–69. Eine Abschrift findet sich etwa im sog. Codex Berswordtianus II (StAD Best. 203, Nr. 2, fol. 47v–52r). Darin bezeichnet sich Voss als Fortsetzer der Aufzeichnungen von Reinold Kerkhörde. Vgl. auch Rübel, Jahresbericht, S. 65 f. Dietrich Westhoff, Chronik von 750–1550, hg. von J. Hansen, in: Die Chroniken der westfälischen und niederrheinischen Städte 1, S. 147–477. Reste der Originalhandschrift befinden sich im StAD Best. 203, Nr. 7. Vgl. hierzu hier Hansen, Übersicht, S. XXV f., und seine Einleitung zu Westhoff, Chronik, S. 149–176. Daneben Rübel, Jahresbericht, S. 69–72. Das chronikalisch angelehnte Hauptwerk von Detmar Mulher, Summarischer Begriff der Dortmundischen Stadt und Graffschafft Chroniken (1610), aus dem die ältere Forschung schöpfte und zitierte, ist verloren gegangen. Eine Kompilation des Werkes aus der Zeit um 1700 befindet sich unter dem Titel Chronicon der Reichsstadt Dortmund im LAV NRW W, Ms. VII 6402, allerdings fehlt hierin die Reformationszeit fast vollständig. Nach Wilhelm Fox, Ein Humanist als Dortmunder Geschichtsschreiber und Kartograph – Detmar Mülher (1567–1633), in: BeitrDO 52 (1955), S. 109–275,
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3. Quellenlage
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Johann Christoph Beurhaus158 – unter dezidiert lutherischen Gesichtspunkten interpretiert. Eine zeitgenössische Essener Geschichtsschreibung hat sich nicht erhalten. Aus späteren Chroniken und Berichten ist zu entnehmen, dass in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts der katholische Kleriker Adolf Zimmermann (Jäger)159 eine Chronik verfasst haben soll. Möglicherweise hat sich ein kleiner Rest seiner Aufzeichnungen als Abschrift in einem Folioband erhalten, in dem verschiedene Nachrichten überliefert sind.160 Spätere Chroniken und Berichte des 17. und 18. Jahrhunderts beriefen sich in ihren Ausführungen zur Reformationszeit mehrfach auf Zimmermann, so etwa die unvollständige Chronik des pietistischen Essener Pfarrers Heinrich Kaufmann161 oder die Reformationsgeschichte des katholischen Kanonikers Reinerus Esch.162
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hier S. 169, ist dieses Exemplar das letzte von einst mehreren Abschriften. Weitere Werke Mulhers sind Detmar Mulher, Annales Tremonienses. Kurze Chronik des Kaufmanns Detmar Mulher 1601–1611 mit Zusätzen von Henrich Gothofred Hiltrop, bearb. von Engelhart Freiherr von Weichs, in: BeitrDO 68 (1973), S. 5–182, sowie ders. und Cornelius Mewe, Historische Beschreibung der Stadt und Grafschaft Dortmund [1616], in: Johann Suibert Seibertz (Hg.), Quellen der Westfälischen Geschichte, Band 1, Arnsberg 1857, S. 281–380, worin in 33 Kapiteln verschiedene Aspekte der städtischen Geschichte, Gesellschaft und Topographie, aber auch das Kirchwesen und die Reformation (Kap. 17, 20, 22 und 23) behandelt werden. Johann Christoph Beurhaus, Merkwürdigkeiten der Kayserlichen Freien Reichsstadt Dortmund in deren weltlichen Verfassung, äußerlichen Beschaffenheit, Gebiet, Gränzen, Geistlichen Verfassung, Kirchen, Schulen, auch sonstigen geistlichen Stiftungen und Religionssachen, sodan denen ehedem und noch dazu gehörigen Landschaften, auch dahin gehörigen Geschichten samt einer Nachricht von hiesiger Gerichtsschreiberei, beschrieben und mit vielen Urkunden, o. O o. J. [Ende 18. Jahrhundert]. Das ungedruckte Manuskript im Stadtarchiv Dortmund ist nur noch bruchstückhaft erhalten (StAD Best. 203, Nr. 13), allerdings liegen ein vollständiger, jedoch kürzerer Entwurf (StAD Best. 203, Nr. 14; ediert bei Fahne, Geschlechter, S. 1–88) sowie Abschriften der Chronik vor, wobei im Folgenden die im StAD aufbewahrte maschinenschriftliche Abschrift (StAD Best. 448, Nr. 15/1) der Linpinsel-Abschrift (StAD Best. 448, Nr. 7 und 8) als Beurhaus, Merkwürdigkeiten, zitiert wird. Für die Zeit der Reformation stützte sich Beurhaus besonders auf Westhoff und Mulher, wohl vorwiegend auf dessen verloren gegangene Chronik. Zu diesem vgl. Ribbeck, Geschichte I, S. 4 f. Unter dem Essener Pastor Heinrich Saldenberg war Zimmermann Küster an der Gertrudenkirche und Lehrer einer privaten Kinderschule, später Vikar und Mitglied der Marienbruderschaft. Als Lehrer kannten ihn noch 1587 bzw. 1590 mehrere städtische Zeugen (Antworten auf Frage 154: LAV NRW R, RKG E 589, Bd. 4, fol. 211v, 365v, 541v und 588v; StAE 100.105, fol. 251v und 285r; StAE 100.103, fol. 62v und 237r). Diesen zufolge soll Zimmermann später Pastor (Kaplan) der Siechenhauskapelle in Rüttenscheid gewesen sein, allerdings wird er als solcher bereits 1553 erwähnt (vgl. Ribbeck, Geschichte I, S. 4 Anm. 3). StAE 100.42, hier fol. 8v (mit Aufzeichnungen zu Prozessionen). Wilhelm Rotscheidt (Hg.), Heinrich Kaufmanns Essener Chronik bis zum Jahre 1665, in: BeitrE 50 (1932), S. 261–342 (im Folgenden zitiert Kaufmann, Chronik). Die unter dem Titel Initium sectae Lutheranae irrepentis in ecclesiam sanctae Gertrudis oppidi Essendiensis um 1650 verfasste, mit dem Jahr 1561 beginnende Reformationsgeschichte liegt in zweifacher Ausfertigung vor: 1. als Anhang zu einem Verzeichnis der Einkünfte der acht Alten Vikare von 1644 (MAE A 530 [ohne Paginierung,
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I. Einleitung
Daneben sind die Aufzeichnungen Johann Ursinus’,163 des lutherischen Pfarrers Eberhard Wittgen164 und des Bürgermeisters Diedrich Beckmann165 zu nennen. Neben Chroniken auch aus anderen Städten166 gingen ebenso eine Reihe weiterer Autoren auf den städtischen Reformationsverlauf ein, zumindest am Rande, befassten sich diese Kirchengeschichten aus katholischer wie protestantischer Hand doch vorwiegend mit der Entstehung eines evangelischen Kirchenwesens auf territorialer Ebene. Relativ zeitnah sind die bereits erwähnten Ausführungen des westfälischen Reformators Hermann Hamelmann in seiner niedersächsisch-westfälischen Reformationsgeschichte entstanden.167 Hamelmann ging hierin sowohl auf den Verlauf der Reformation in den Territorien als auch in ausgewählten Städten (Dortmund168 und Bielefeld169) ein. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass gerade die in den 1560er Jahren entstandenen Ausführungen zu Bielefeld, wo er selbst ein Jahr lang wirkte, auch den Charakter einer Rechtfertigungsschrift tragen.170 Ebenfalls aus
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Umfang 5 Seiten]; ediert und übersetzt bei Hermann Schröter, Reformation und Gegenreformation im Stift Essen nach einer Quelle über die Anfänge des Luthertums und das Wiederaufleben der Prozessionen, in: Das Münster am Hellweg 14 [1961], S. 71–82, aus dem im Folgenden zitiert wird), 2. hinter dem Einkommensverzeichnis des Salvatoraltars aus dem Jahr 1697 (ebd., A 534 [unpaginiert, 8 Seiten Umfang]). Esch war zunächst Kanoniker in Münstereifel und ab 1623 in Essen. Nach Eschs Tod 1653 wurden die Notizen bis 1668 (A 530) bzw. 1657 (A 534) von anderer Hand fortgeführt. Günther Aders (Hg.), Die Essener Chronik des Johannes Ursinus, in: BeitrE 67 (1952), S. 223–257. Ediert als W[oldemar] Harless (Bearb.), Eine Essener Stadtchronik von 1593–1622, in: Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins N. F. 1 (1876), S. 141–162. StAE 100.284, bes. S. 6–9 (Aufzeichnungen über die Einführung der Reformation in Essen). Beckmann amtierte als Bürgermeister in den Jahren 1685–1692, 1696–1700, 1704 und 1706/7. Genannt sei die Lünener Chronik des dortigen katholischen Pastors Georg Spormecker aus der Mitte des 16. Jahrhunderts, die später von Mulher und Johann Diederich von Steinen fortgesetzt wurde. Sie enthält auch einige Nachrichten zu Dortmund. Georg Spormecker, Cronica Lunensis civitatis Markanae. Aufzeichnungen eines westfälischen Geistlichen aus dem 16. Jahrhundert, hg. und übersetzt von Wingolf Lehnemann, Bielefeld 2010. Ebenfalls zu erwähnen sind die Annalen des Soester Historiographen Ludwig Eberhard Rademacher (1695–1750) für die Zeit von 803 bis 1615: Ludwig Eberhard Rademacher, Annales oder Jahr-Bücher der Uhr-alten und weitberühmten Stadt Soest, hg. von Gerhard Köhn, 4 Bde., Soest 1999. Vgl. oben Anm. 10. Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 216–228. Ebd., S. 229–291, übersetzt in: Amandus Peters, Aus Hamelmanns Historia Ecclesiastica renati Evangelii: De Ecclesia in oppido Bileveldia comitatus Ravensburgici, in: Jahrbuch für Westfälische Kirchengeschichte 100 (2005), S. 57–121. Auf Bielefeld wird vorrangig eingegangen, die Entwicklung in der Grafschaft Ravensberg interessierte Hamelmann nur am Rande. Vgl. hierzu zuletzt Biermann, Hamelmann, S. 45–55; Korte, Hamelmann. Ob Hamelmann in Bielefeld bereits der orthodoxe Lutheraner war, als der er sich selbst darstellt, ist anzuweifeln. Da sein Werk die nahezu einzige zeitgenössische Quelle zur Bielefelder Reformation ist, läuft man Gefahr, diese nur aus dem tendenziösen Blick-
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der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts stammt die katholische Kirchengeschichte (Ecclesiastica Historia Westfaliae) des kurkölnischen Rates Gerhard Kleinsorgen (1530–1591), die für den städtischen Bereich aber nur von geringer Bedeutung ist.171 Relevanter ist dagegen die Kirchengeschichte der Vereinigten Herzogtümer (begonnen 1633) des reformierten Theologen Werner Teschenmacher (1589–1638), in der nicht nur wichtige Dokumente der klevischen Kirchenpolitik abgedruckt sind, sondern auch auf den Verlauf der Reformation in Stadt und Land eingegangen wird.172
4. Untersuchungsorte: Dortmund, Essen und Bielefeld Die drei Städte Dortmund, Essen und Bielefeld gehörten um 1500 zu den bedeutenderen Kommunen Westfalens, die miteinander wirtschaftlich, sozial und kulturell in engen Beziehungen standen: So herrschte zwischen ihnen und den größeren Handelsstädten im Hansebund ein reger Warenaustausch, während personelle Netzwerke die führenden Familien miteinander verbanden. Trotz unterschiedlicher politischer Bedingungen (etwa hinsichtlich einer zumindest nominell vorhandenen Abhängigkeit von Territorialherren) waren das städtische Regiment und die Bürgerschaft in vergleichbarer Weise strukturiert. Auch im Bereich des Kirchen- und des Schulwesens gestalteten sich die Verhältnisse zu Beginn des Reformationszeitalters ähnlich. Im Folgenden sollen einige wichtige Aspekte kurz skizziert werden.
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winkel Hamelmanns zu betrachten und strukturelle Veränderungen nachträglich konfessionell zu interpretieren. Das Werk beschreibt die westfälische Kirchengeschichte zwischen 700 und 1577 bzw. 1583. Die ab 1585 verfassten neun Bände wurden erst posthum gedruckt: Gerhard von Kleinsorgen, Kirchengeschichte von Westphalen, und angränzenden Oertern, Münster 1779/80. Einige wenige, oft fehlerhafte Nachrichten zur städtischen Reformation etwa in Dortmund enthält der neunte Teil (1517–1577). Zu Autor und Werk vgl. Bernd Kirschbaum, Gerhard Kleinsorgen (1530–1591), ein Geschichtsschreiber im Westfalen der Frühen Neuzeit. Das Werk und sein Autor, Norderstedt 2005. Kleinsorgen hielt sich als Gegner des kölnischen Erzbischofs Gebhard Truchsess von Waldburg in den 1580er Jahren zeitweise in Dortmund versteckt und soll mit dem dortigen Humanistenkreis um den Patrizier Kaspar Swarte (um 1530–vor 1616) verkehrt haben (ebd., S. 80 f.). Swarte soll trotz reformierter Neigungen (so von Winterfeld, Durchbruch, S. 100 Anm. 167) überkonfessionelle Kontakte gepflegt und von allen Seiten als Gelehrter Anerkennung genossen haben. Zum konfessionellen Hintergrund bei Swarte auch Fox, Humanist, S. 146–148. Eine deutsche Übersetzung des lateinischen Werks, welches zuerst 1638 in Arnheim gedruckt wurde, liegt vor mit Werner Teschenmacher, Annales Ecclesiastici Reformationis Ecclesiarum Cliviae, Juliae, Montium […], eingel. von Heinrich MüllerDiersfordt, Düsseldorf 1962.
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I. Einleitung
a) Stadt und Territorialherrschaft Dortmunds Status als Reichsstadt war noch im 16. Jahrhundert alles andere als gesichert. Seit dem ausgehenden 14. Jahrhundert musste sich die Stadt mehreren Versuchen benachbarter Landesherren, gewaltsam in den Besitz der Stadt zu gelangen, erwehren.173 Diese kontinuierliche Bedrohungssituation brannte sich tief in das kollektive Gedächtnis der Bürger ein.174 Zwar konnte die Stadt nicht bezwungen werden, doch wurden andere Mittel gefunden, um politisch Einfluss nehmen zu können. Da der Kaiser an der Region aufgrund der Entfernung von den eigentlichen Kernzentren seiner Hausmacht bis in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts kaum interessiert war,175 übernahmen im Auftrag des Reiches andere die Schutz- und Schirmherrschaft über Dortmund. Im 15. Jahrhundert hatten gegen den Widerstand der Dortmunder176 die kölnischen Erzbischöfe diese Aufgabe übertragen bekommen. Auch die Herzöge von Kleve-Mark beanspruchten die Vogtei über die Stadt, welche sie in der Vergangenheit nicht hatten unterwerfen können. Die Bedrohung für Stadt und Grafschaft Dortmund, die eine lange gemeinsame Grenze zur Mark teilten, steigerte sich mit den Arrondisierungsbemühungen Kleve-Marks um 1500, auch wenn es der Stadt gelang, einerseits 1497 die kaiserliche Bestätigung ihrer Pri-
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Neben politischen Bemühungen waren es besonders militärische Auseinandersetzungen, welche die Reichsfreiheit der damals wohlhabenden Hansestadt bedrohten. Militärische Eroberungs- und Unterwerfungsversuche gab es durch verschiedene Landesherren (v. a. Mark) in den Jahren 1352, 1377 und 1388/89 (Dortmunder Fehde), während 1457 und 1506 versucht wurde, die Stadt durch Verrat einzunehmen. Vgl. hierzu die chronikalische Überlieferung bei Kerkhörde, Chronik, S. 132–136, Westhoff, Chronik, S. 215–217, 226–229, 237–243, 251–285 sowie 378–388, und Mulher/ Mewe, Historische Beschreibung, S. 355–368. Vgl. hierzu unten S. 240–245. Erst die Habsburger richteten ihren Blick verstärkt auf den Nordwesten des Reiches, nachdem durch die burgundische Erbschaft große Teile der Niederlande erworben wurden. Vgl. Franz Petri, Nordwestdeutschland im Wechselspiel der Politik Karls V. und Philipps des Großmütigen von Hessen, in: ders., Zur Geschichte und Landeskunde der Rheinlande, Westfalens und ihrer westeuropäischen Nachbarländer, hg. von Edith Ennen u. a., Bonn 1973, S. 503–523 (zuerst in: Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde 71 [1960], S. 37–60); ders., Karl V. und die Städte im Nordwestraum während des Ringens um politisch-kirchliche Ordnung in Deutschland, in: Jahrbuch des Vereins für Westfälische Kirchengeschichte 71 (1978), S. 7–31. 1450 hatte die Aufforderung des Kaisers, dem Kölner Erzbischof in Vertretung zu huldigen, Unruhen provoziert. Vgl. Kerkhörde, Chronik, S. 113–117. Daneben oblagen dem Erzbischof auch verschiedene andere Herrschaftsrechte. Als Nachfolger des Königs in dessen Rechte waren die Kölner Kurfürsten in den Besitz des ehemaligen Königshofes innerhalb der Stadt gelangt. Dieser Bezirk nördlich der Reinoldikirche („Vrithof“) stand als Immunität außerhalb des städtischen Zugriffs, doch gelang es dem Rat noch im Spätmittelalter, den Versuch des Erzbischofs abzuwehren, für die Immunität eine eigene Gerichtshoheit aufzubauen. Vgl. Luise von Winterfeld, Reichsleute, Erbsassen und Grundeigentum in Dortmund, Dortmund 1917, S. 17–22.
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vilegien zu erhalten177 und andererseits die Belehnung mit der gesamten Grafschaft nach dem Aussterben des letzten Grafengeschlechts 1504 durchzusetzen.178 Der zunehmende Einfluss der sich 1511 anbahnenden Personalunion von Jülich-Berg-Ravensberg und Kleve-Mark auf Dortmund machte sich 1513 bemerkbar, als die Stadt ein Schutzbündnis mit Johann II. von Kleve-Mark einging und versprach, diesen mit Einwilligung des Kaisers anstelle des Erzbischofs zum „Vogt und Schirmherrn“ zu wählen.179 Da die Zustimmung Maximilians I. ausblieb,180 kam der Schutzvertrag de jure zwar nicht zustande, dies bedeutete allerdings nicht, dass sich die Herzöge aus der Dortmunder Politik in der Folgezeit herausgehalten hätten: Während sich die Ratspolitik gerade in der Religionsfrage sowohl an die kaiserliche wie auch die klevische Position anlehnte, betrieb Jülich-Kleve-Berg eine Politik der Arrondisierung zuungunsten Dortmunds, was sich insbesondere im Grenzstreit der 1540er bis 60er Jahre und dem letztendlichen Verzicht der Reichsstadt auf den Ort Brackel 1567 offen zeigte.181 Die Stadt Essen sah sich gleich mit zwei Territorialherrschaften konfrontiert, einerseits mit der Landesherrschaft der oft in Borbeck residierenden Äbtissin, andererseits mit der Schirmherrschaft der klevischen Herzöge über das Stift seit dem späten 13. Jahrhundert.182 Zwar war der Stadt 1377 die Reichsunmittelbarkeit zuerkannt worden,183 allerdings legte der Rat hierauf keinen Wert, solange die Beziehungen 177
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Westhoff, Chronik, S. 364–367. Im Wortlaut der bei Westhoff wiedergegebenen Artikel kommen die versuchten Übergriffe Kleve-Marks zum Ausdruck. So wurden z. B. Zugezogene aus Kleve, Mark und dem Bistum Münster ausdrücklich aus dem Rat ausgeschlossen, da diese Personen die Stadt „dem hilligen romischen riche entwant und afhendig“ machen könnten (Art. 5). Daneben wurden etwa auch die Beziehungen zum Kölner Kurfürsten, dem Schirmherr Dortmunds, als Garantie für die Reichsfreiheit hervorgehoben, die durch mögliche Abkommen mit Kleve und Mark gefährdet werden würde (Art. 9). Westhoff, Chronik, S. 375–377. Eine Hälfte hatte Dortmund bereits 1343 erworben. Abschrift in der Originalhandschrift Westhoffs im StAD Best. 203, Nr. 7, fol. 679v– 682r, sowie im Codex Berswordtianus II (ebd., Nr. 2, fol. 68v–70r). Für Luise von Winterfeld, Geschichte der freien Reichs- und Hansestadt Dortmund, 6. Aufl. Dortmund 1977, S. 111, schlossen die Dortmunder den Vertrag nur zum Schein. Georg Schmidt, Der Städtetag in der Reichsverfassung. Eine Untersuchung zur korporativen Politik der Freien und Reichsstädte in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, Stuttgart 1984, S. 197 f., argumentiert dagegen, dass die Vereinbarung angesichts der politischen Verhältnisse zweckmäßig und in dieser Form gewollt war. Brief an die Stadt vom 25. Februar 1514, in: Fahne, Urkundenbuch, Bd. 2.1, S. 257 f. (Nr. 275). Zum Rechtsstreit um Brackel seit 1541 vgl. die Überlieferung im StAD Best. 1, Nr. 10329 und Best. 2, Nr. 23. Siehe auch Karl Rübel, Zur Abscheidung des Reichshofes Brackel von dem Reichsgute Dortmund 1567, in: BeitrDO 22 (1913), S. 73–76. Zuvor lag die Vogtei bei den Grafen von Berg und Altena (bis 1247) bzw. in der Hand des Kölner Erzbischofs (bis 1288). Letztere hielten an ihren Ansprüchen jedoch bis zum Ende des 15. Jahrhunderts fest. Vgl. Müller, Reformation, S. 26 f., sowie F[erdinand] Geuer, Der Kampf um die essendische Vogtei, in: BeitrE 13 (1889), S. 105–144. Die Urkunde sowie die nochmalige Bestätigung der Privilegien sind abgedruckt bei Franz Philipp Funcke und Bertram Pfeiffer, Geschichte des Fürstenthums und
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I. Einleitung
zwischen Stadt und Stift ungetrübt waren, und berief sich im Gegenteil auf die Äbtissin als Landesherrin, um nicht durch den Kaiser separat besteuert zu werden.184 Zudem war durch den infolge des Todes Sophias von Gleichen (reg. 1459–1489) ausgebrochenen dritten Äbtissinnenstreit,185 der eine hohe Verschuldung des Stifts zur Folge hatte, die Macht der Landesherrschaft in der Stadt zurückgedrängt worden. Während das Stift zu Schutzgeldzahlungen an Kleve-Mark gezwungen wurde, versuchte die Stadt, Rechte des Stifts zu usurpieren und die Äbtissin aus städtischen Angelegenheiten herauszuhalten.186 Für die Stadt hatte der Äbtissinnenstreit aber auch Konsequenzen, denn 1495 wurde nicht nur die klevische Vogtei über das Stift vertraglich gefestigt, auch die Stadt wurde der herzoglichen Schutzherrschaft unterworfen.187 Dies hatte zur Folge, dass seither Jülich-Kleve-Berg und nach dem Aussterben des Herzogshauses die wittelsbachischen und hohenzollerischen Nachfolger entscheidend Einfluss auf die städtische Politik nehmen konnten. Bielefeld188 war Hauptort und bedeutendste Stadt in der Grafschaft Ravensberg, die 1346 an Berg und 1437 an Jülich-Berg fiel. Die Burg Sparrenberg (Sparrenburg) oberhalb der Bielefelder Neustadt diente als Residenz der Landesherren, wurde seit dem Spätmittelalter allerdings nur selten als solche genutzt. Während die Grafschaft in die vier Ämter Ravensberg, Sparrenberg, Limberg und Vlotho mit jeweils mehreren Vogteien geteilt war, hatte Bielefeld einen Sonderstatus inne und verfügte über eine weitgehend autonome innerstädtische Verwaltung. Nichtsdestotrotz schaltete sich der Landesherr, der ständige Vertreter vor Ort – etwa den von ihm ernannten Richter und den Drosten für die gesamte Grafschaft auf der Sparrenburg – hatte, häufig in die internen politischen Entscheidungen ein. Dies zeigt sich nicht nur in Fragen der städtischen Verfassung, sondern auch im Rechts- und im Kirchenwesen. Die zentrale Lage von Dortmund für die Grafschaft Mark bzw. die geographische Mittelstellung von Essen für die Territorien Kleve, Berg und Mark führten dazu, dass in beiden Städten selbst oder in deren unmittelbarer Umgebung häufig Landtage stattfanden, insbesondere im 16. Jahrhundert. Auch die städtische Infrastruktur dürfte eine Rolle für die Nutzung dieser nicht zu den herzoglichen Ländern gehörenden Orte gespielt haben. Ein Landtag fand etwa in Dortmund vom 1. bis 3. Mai 1532 statt, als über das landesherrliche Vorgehen gegen die Reformation in
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der Stadt Essen. Ein Beitrag zur Geschichte Rheinland-Westphalens, Mülheim 1848, S. 306–308. Müller, Reformation, S. 27 f. Vgl. hierzu Geuer, Kampf, S. 135–137, und Helga Mohaupt, Kleine Geschichte Essens. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, Bonn 1991, S. 35 f. Zur damals regierenden Äbtissin vgl. Ferdinand Schroeder, Zur Geschichte Meinas von Oberstein, in: BeitrE 15 (1895), S. 89–110. Der Streit wurde gewaltsam ausgetragen und führte zur Intervention Johanns II. von Kleve-Mark. Müller, Reformation, S. 27 f. Abschriften des 1540 und später erneuerten Vogtbriefes für Essen befinden sich etwa im StAE 100.42, Bl. 23r–27r, hier Bl. 23r–26v, sowie gedruckt bei Funcke/Pfeiffer, Geschichte, S. 325–328, und Johann Diederich von Steinen, Westphälische Geschichte, 5 Teile, Lemgo 1755–1801, hier Teil I, S. 514–524. Vgl. hierzu Vogelsang, Geschichte, insb. S. 53 f. und 93–106.
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4. Untersuchungsorte: Dortmund, Essen und Bielefeld
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Soest und Lippstadt beraten wurde.189 Noch häufiger waren der herzogliche Hof und die märkischen und klevischen Landstände in Essen anzutreffen, wobei 1560 die Vereinbarung getroffen wurde, hier die Stände alle zwei Jahre zusammenkommen zu lassen.190
b) Stadt und Stadtgemeinde Hinsichtlich der sozialen Zusammensetzung unterschieden sich alle drei Städte nur wenig voneinander. Die wirtschaftliche wie politische Elite wurde im Spätmittelalter und bis in das 16. Jahrhundert hinein durch eine Reihe von alteingesessenen Familien – das sogenannte Patriziat191 – gestellt, welche, teilweise dem Ministerialadel entstammend, nicht zuletzt durch den Fernhandel vermögend geworden waren und Familienbeziehungen zu Adelsfamilien oder führenden Geschlechtern in anderen Städten unterhielten.192 Sie kontrollierten nicht nur den Rat, sondern nahmen auch Einfluss auf das Armen- und Kirchenwesen, indem sie Provisorenstellen bei den Almosenschüsseln und in der Kirchenfabrik besetzten. Ihre Vorrangstellung ging im Laufe des 16. Jahrhunderts teilweise zurück, unter anderem dadurch, dass sich nur wenige patrizische Geschlechter (bzw. einzelne Linien) mit den veränderten 189 190
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Vgl. von Winterfeld, Durchbruch, S. 60. Die Rademacherchronik erwähnt klevisch-märkische Landtage in Essen im 16. Jahrhundert für die Jahre 1529, 1542, 1544, 1545, 1546, 1550, 1555, 1556, 1560, 1563, 1570, 1572, 1575, 1577 und 1585 (vgl. Rademacher, Annales, S. 210, 337, 355, 362 f., 365 f., 374, 457 f., 603 f., 651, 693–695, 732, 807, 821 f., 883, 923 und 999). Auch im 17. Jahrhundert war die Stadt Versammlungsort der klevischen und märkischen Stände. Allgemein zum Begriff vgl. Isenmann, Stadt, S. 269–283. Ein kritischer Blick auf die Patriziatsforschung findet sich bei Michael Hecht, Patriziatsbildung als kommunikativer Prozess. Die Salzstädte Lüneburg, Halle und Werl in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, Köln u. a. 2010, hier bes. S. 1–9. Hecht prüft die Zuordnung zum Patriziat dabei nicht nur aufgrund ökonomischer oder politischer Kriterien, sondern nimmt anhand von Pfännerschaften auch das Selbstverständnis dieser Gruppe und die Standesrepräsentation nach außen in den Blick. Beziehungen bestanden etwa zwischen Dortmunder und märkischen Familien (insbesondere in Soest), aber auch mit Essener Geschlechtern, die wiederum Verbindungen mit Familien in Wesel oder Duisburg unterhielten. Die Dortmunder Patrizier gingen überwiegend aus dem Ministerialadel hervor und bewohnten vor allem den südlichen Teil der Stadt. Vgl. von Winterfeld, Reichsleute, S. 3 f. In Dortmund organisierten sich die führenden Familien in der Junkergesellschaft, die, aus der älteren Reinoldigilde entstanden, ihnen als sozialer und festlicher Mittelpunkt diente. Vgl. Hermann Rothert (Bearb.), Das Buch der Dortmunder Juncheren Gesellschaft, in: BeitrDO 11 (1902), S. 1–16. Zu einflussreichen Bielefelder Familien vgl. Reinhard Vogelsang, Der Rat der Stadt Bielefeld im Mittelalter, in: Jahresbericht des Historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg 69 (1974), S. 27–63, hier S. 41–47, zu solchen in Essen vgl. Monika Fehse, Stadtgeschichten in Mittelalter und Früher Neuzeit (11. Jahrhundert bis 1803). Die Stadt Essen von den Anfängen bis 1803, in: Ulrich Borsdorf (Hg.), Essen – Geschichte einer Stadt, Essen 2002, S. 169–228, hier S. 187; Robert Jahn, Essener Geschichte, Essen 1957 (ND), S. 179.
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I. Einleitung
konfessionellen Zuständen arrangieren konnten, während andere die Stadt verließen und den Wandel zum Landadel vollzogen.193 An ihre Stelle traten Aufsteigerfamilien (‚Honoratioren‘), die in Dortmund als ‚Erbsassen‘194 einen eigenen Stand bildeten.195 Die weitaus größte Gruppe setzte sich aus in Zünften organisierten Handwerkern zusammen, die nicht alle über eine ähnliche politische Teilhabe verfügten. Dies wird vor allem in Dortmund deutlich. Hier wurde zwischen den sechs Gilden, den ältesten Handwerkervereinigungen der Stadt,196 und den sich später organisierenden Ämtern197 193
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Eine evangelische Linie der Berswordt (Linie I) etwa blieb in Dortmund bis ins 17. Jahrhundert und erwarb dann adlige Güter bei Hamm. Eine katholische Linie (II) starb kurz nach 1600 aus. Bei einer weiteren Linie (III) verblieb ein lutherischer Ast in Dortmund, andere Zweige zogen dagegen nach Münster und Soest bzw. siedelten sich auf dem Land in der Mark oder in den Hochstiften Münster und Köln an. Vgl. hierzu Günter Knippenberg, Das Patriziergeschlecht der Berswordt und Dortmund, in: BeitrDO 52 (1955), S. 5–107, hier bes. S. 18–21 und 33–38. Zu ähnlichen Verhältnissen in Osnabrück vgl. Heinz Schilling, Die politische Elite nordwestdeutscher Städte in den religiösen Auseinandersetzungen des 16. Jahrhunderts, in: Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Stadtbürgertum und Adel in der Reformation. Studien zur Sozialgeschichte der Reformation in England und Deutschland, Stuttgart 1979, S. 235–308, hier S. 278–284. Die Definition des „Erbsassen“ (1332 als „melius hereditati“ und 1340 als „erfhechtige lude“ bezeichnet, vgl. von Winterfeld, Reichsleute, S. 35; Dietrich Thier, Melius Hereditati. Untersuchungen zur Dortmunder Führungsschicht im 13. und 14. Jahrhundert, Bochum 1987) hatte sich im 14. Jahrhundert herausdifferenziert. Ursprünglich umfasste dieser Begriff wahrscheinlich alle Bürger mit städtischem Grundbesitz. Erst später (ab etwa Ende des 14. Jahrhunderts) wurde diese Bezeichnung auf die wohlhabenden Bürgergruppen (insbesondere die Fernhändler) eingeschränkt, die weder einer Handwerkergilde noch den Patriziern angehörten. Auch sie waren zunächst in der Reinoldigilde organisiert, später in der Wandschneidergesellschaft als eigene gesellschaftliche und ökonomische Vereinigung. Vgl. Luise von Winterfeld, Die Dortmunder Wandschneider. Quellen und Untersuchungen zur Geschichte des Tuchhandels in Dortmund, in: BeitrDO 29/30 (1922), S. 1–347, bes. S. 1–11, 30 f. und 67–85. Der Elitenwandel fand in Dortmund erst in den letzten drei Jahrzehnten des Reformationsjahrhunderts statt. Der in der älteren Literatur (so zunächst von Winterfeld, Wandschneider, S. 70–78, hierauf aufbauend u. a. Gustav Luntowski, Kleine Geschichte des Rates der Stadt Dortmund, Dortmund 1970, S. 33; Schilling, Dortmund, S. 191 f.; Thomas Schilp, Die Reichsstadt [1250–1802], in: Stadtarchiv Dortmund [Hg.], Geschichte der Stadt Dortmund. Mit Beiträgen von Norbert Reimann, Thomas Schilp, Günther Högl und Gustav Luntowski, Dortmund 1994, S. 67–211, hier S. 179 f., und von Greyerz, Reformation, S. 178 f.) vertretenen Ansicht, der Austausch der mehrheitlich katholischen Ratsherren aus den patrizischen Familien durch Erbsassenangehörige, die sich (vermeindlich) der lutherischen Lehre offener gezeigt hätten, habe bereits in den 1540er Jahren eingesetzt, kann in dieser Deutlichkeit nicht zugestimmt werden. Dies waren die Gerber und Schuster, Bäcker, Fleischer, Schmiede, Fettkrämer sowie Krämer. Vgl. Monika Fehse, Dortmund um 1400. Hausbesitz, Wohnverhältnisse und Arbeitsstätten in der spätmittelalterlichen Stadt, Bielefeld 2005, S. 82 und 189–192 mit Anm. 3. Goldschmiede (Statuten 1370), Weißgerber (=Pelzer, ab 1431), Wollweber (vor 1450), Schröder (=Schneider, ab 1450), Leineweber (Gründungsjahr unbekannt) und Schrei-
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unterschieden.198 Während ersteren der Zugang zu städtischen Positionen eingeräumt wurde, blieben letztere bis zum Ende des Alten Reiches von einer politischen Partizipation weitgehend ausgeschlossen, obwohl sie ökonomisch einflussreicher wurden. Auch in Essen wurde zwischen Gilden und Ämtern unterschieden, wobei der Begriff Gilde hier zunächst als eine Organisationsform für die Memoriapflege verstanden wurde und erst später als ‚Dachverband‘ von Kaufleuten und einigen Handwerksämtern fungierte, welche insbesondere seit dem 16. Jahrhundert wieder eigenständig wurden.199 In Bielefeld wurde der Begriff Gilde dagegen nur für solche Berufsgruppen verwendet, die im Handel tätig waren, während alle Handwerksberufe als Ämter oder auch Bruderschaft bezeichnet wurden.200 Bisher unerwähnt blieb der übrige Teil der städtischen Gesellschaft, wozu etwa das häusliche Gesinde, Tagelöhner oder die Stadtarmut gehörten. In den Quellen tritt diese Gruppe wenn überhaupt anonym als Pöbel oder Plebs hervor, der für Unruhe und Gewalt gesorgt habe. Inwieweit diese an politischen Entscheidungen in irgendeiner Weise beteiligt waren, ist unbekannt. Zu vermuten ist, dass man sich ihrer teilweise als Druckmittel bediente, um bestimmte Anliegen durchzusetzen. Die städtische Verfassung war in Dortmund, Bielefeld und Essen ähnlich strukturiert. Die politische Entscheidungsgewalt, aber auch die Jurisprudenz lag in der Hand des Rates, der sich bis weit in das 16. Jahrhundert hinein noch vorwiegend aus wenigen einflussreichen Geschlechtern zusammensetzte. In Dortmund201 wa-
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ner (1516). Ferdinand Frensdorff, Dortmunder Statuten und Urtheile, Halle 1882, S. CXXXIII; Beurhaus, Merkwürdigkeiten, S. 134 f. Zu Wollwebern und Goldschmieden Claudia Kleimann, Die soziale Gruppe der Handwerker – die Zünfte der Wollweber und Goldschmiede in Dortmund, in: Thomas Schilp (Hg.), Himmel, Hölle, Fegefeuer. Jenseitsvorstellungen und Sozialgeschichte im spätmittelalterlichen Dortmund, Essen 1996, S. 70–80, zu letzteren Westhoff, Chronik, S. 221 f. Diese Trennung manifestierte sich im Sechsgildenrecht von 1403 (vgl. Westhoff, Chronik, S. 294, sowie dessen Abdruck in Frensdorff, Statuten, S. 215–225). Zur Bedeutung als Memorialgemeinschaft vgl. Jahn, Geschichte, S. 148–152, und Konrad Ribbeck, Gilde, Lichtmeß und Fastnacht im Stifte Essen, in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein insbesondere das alte Erzbistum Köln 115 (1929), S. 98–110. Insgesamt gab es hier vier Gilden: die Kaufgilde (inkl. Wandschneider, Wollweber, Krämer, Schneider und Pelzer), die sogenannte Fette Gilde (Fleischer u. a.), die Bäckergilde und die Schuhmachergilde (inkl. der Schmiede). Vgl. Jahn, Geschichte, S. 185–187 und 344–348, Fehse, Stadtgeschichten, S. 188–191, sowie Andrea Reichart, Alltagsleben im späten Mittelalter. Der Übergang zur frühen Neuzeit am Beispiel der Stadt Essen (1400–1700), Essen 1992, hier bes. S. 41–116. Die Statuten der Gilden und Ämter sind gedruckt bei Franz Büscher, Die Statuten der früheren Gilden, Ämter und Zünfte binnen der Stadt Essen, in: BeitrE 8 (1884), S. 3–107. Vogelsang, Geschichte, S. 60 f. und 79–86. Die Namen der Ratsherren sind aufgelistet bei Karl Rübel, Westfälische und niederrheinische Reichshöfe mit einem Versuche über die Verfassung der Reichsstadt Dortmund, in: BeitrDO 2/3 (1878), S. 140–287, hier S. 213–277 [Beilage 1 und 2 für die Ratszusammensetzung bis 1500] und Gustav Mallinckrodt, Die Dortmunder Rathslinie seit dem Jahre 1500, in: BeitrDO 6 (1895), S. 1–147. Zum Rat bis zum Ende des 18. Jahrhunderts vgl. Luntowski, Geschichte, S. 10–34, daneben auch Thomas Schilp, Vom „guten Regiment“ über die Stadt. Wie men wol eyn statt regyrn sol, in:
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I. Einleitung
ren die wichtigsten Ratssitze bis zum Ende des 16. Jahrhunderts patrizischen Familien vorbehalten. Erst nach und nach konnten auch Aufsteigerfamilien aus dem Erbsassenstand, die zuvor überwiegend die mittleren Ränge des 18köpfigen Rates besetzten, nachrücken. Die unteren sechs Sitze nahmen die sechs ratsfähigen Gilden ein. Dieses Mitbestimmungsrecht der wichtigsten Handwerksvereinigungen war bereits im Laufe des Spätmittelalters in Anerkennung der Verdienste der Zunftangehörigen bei der Bewahrung der städtischen Unabhängigkeit erkämpft worden.202 In Essen203 hatte sich seit der Mitte des 15. Jahrhunderts die Praxis einer lebenslangen Mitgliedschaft im 14köpfigen Stadtrat etabliert, frei werdende Sitze wurden durch Kooptation vergeben. Die Zahl der ratsfähigen, meist im Fernhandel aktiven Familien blieb damit begrenzt. Erst eine neue Rats- und Kürordnung aus dem Jahr 1602, die in Folge der Misswirtschaft des alten Ratsregiments zustande kam, öffnete den Rat jetzt auch für die Gilden und den Vierundzwanzigerausschuss. Die Besonderheit der Ratsverfassung in Bielefeld204 bestand darin, dass es im Mittelalter getrennte Räte für die Alt- und für die Neustadt gab. Erst 1520 wurden beide Gremien zusammengelegt und eine gemeinsame Ratswahlordnung verabschiedet, die bis 1719 gültig blieb.205 Seit 1520 sollte es für beide Stadthälften – deren Zusammenschluss zu einer Gesamtstadt bereits 1510 eingeleitet wurde – nur noch einen Bürgermeister und zwölf Ratsherren geben, die durch Wahl bestimmt wurden, die allerdings de facto einer Kooptation aus wenigen ratsfähigen Familien des Ministerialadels und des vorwiegend kaufmännisch tätigen Honoratiorentums gleichkam. Neben dem Rat als eigentlichem Entscheidungsträger bestanden in allen drei Städten weitere Gremien, die in Fragen der Finanzverwaltung und Gesetzgebung konsultiert wurden. Diese Vertretungen der Bürger – oder zumindest von Teilen der Bürgergemeinde – waren vermutlich nur in Dortmund das Ergebnis spätmittelalterlicher Stadtunruhen. Hier konnten die Gilden nicht nur eine Beteiligung am Rat durchsetzen, sondern auch die dauerhafte Einrichtung eines Gildenausschusses, den sogenannten Vierundzwanzigern, der sich aus je vier Vertretern der ratsfähigen Handwerksgenossenschaften unter der Führung des Dreimannskollegiums zusam-
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Matthias Ohm u. a. (Hg.), Ferne Welten – Freie Stadt. Dortmund im Mittelalter. Katalog der Ausstellung, Bielefeld 2006, S. 21–30. Die Ratsverfassung war 1399/1400 ein erstes Mal geändert worden, um die Gilden in das Ratsgremium zu integrieren, vgl. Kerkhörde, Chronik, S. 41–46, und Westhoff, Chronik, S. 290–292. Der Streit um die Zusammensetzung des Rates erneuerte sich 1450, vgl. Kerkhörde, Chronik, S. 113–117. Vgl. Konrad Ribbeck, Übersicht über die Verfassung der Stadt Essen bis zum Untergang der städtischen Selbständigkeit, in: BeitrE 22 (1902), S. 17–28; F[erdinand] Geuer, Zur Geschichte des Stadtrates in Essen, in: ebd. 14 (1894), S. 71–94; Fehse, Stadtgeschichten, S. 203 f.; Jahn, Geschichte, S. 338–340. Rudolf Reese, Die Entwickelung der Bielefelder Stadtverfassung bis 1719, in: Jahresbericht des Historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg 10 (1895), S. 74–82; Vogelsang, Rat; ders., Geschichte, S. 55–60. Rudolf Reese, Urkundenbuch der Stadt Bielefeld, Bd. 1, Bielefeld 1894, Nr. 1442. Eine zeitgenössische Abschrift der Ratsordnung befindet sich im StAB, Best. 100.002, Nr. 1739.
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mensetzte.206 Daneben existierte mit dem Erbsassenstand ein weiterer Ausschuss.207 In den Beschlüssen wurde stets eine festgelegte Reihenfolge eingehalten, die der sozialen Schichtung Rechnung trug.208 In Essen209 ist seit 1409 ein Vierundzwanzigergremium bezeugt, das ebenfalls Kompetenzen im Bereich der Finanzverwaltung und eine Kontrollfunktion über den Stadtrentmeister besaß, über dessen genaue Zusammensetzung allerdings wenig bekannt ist. Während zu Beginn der Ausschuss vermutlich durch den Rat eingesetzt wurde, dürfte er nach und nach stärker die Bürgerschaft repräsentiert haben: So bestand der Ausschuss dem Chronisten Kaufmann210 zufolge 1571 aus den acht Bauermeistern – das heißt Vertretern der vier städtischen Bauerschaften –, den Vorgängern der vier Gilden sowie aus zwölf Vorstehern der übrigen Handwerksvereinigungen. Auch in Bielefeld211 existierte neben dem Rat ein Gremium, das als „die Zwölfe“ bezeichnet und durch den Rat ernannt wurde. Es bestand mindestens seit dem späten 15. Jahrhundert. Dass die Zwölfe eine Interessenvertretung der Bürger darstellten und sich aus Gemeinde- und Gildevertretern zusammensetzten, ist zu vermuten. Die Funktion des Gremiums lag ähnlich wie in Essen und Dortmund in der Kontrolle des städtischen Haushalts. Die indirekte Beteiligung der städtischen Gemeinheit an den politischen Entscheidungen durch die seit dem Spätmittelalter bezeugte Existenz von dauerhaften Ausschüssen dürfte auch auf die städtische Kirchenpolitik Auswirkungen gehabt haben. Die städtischen Verfassungen zwangen geradezu einen Konsens auf. Der Spielraum zum Kompromiss gestaltete sich dabei abhängig vom Kräfteverhältnis der Beteiligten: Je nach Verhandlungsgeschick oder vorhandenen Druckmitteln konnten Neuerungen durchgesetzt oder verhindert werden. Hinzu kommt, dass mit dem Bestehen permanenter Bürgervertretungen die Bildung neuer Ausschüsse, wie sie andernorts infolge reformatorischer Unruhen belegt sind und welche als Sprachrohr gegenüber dem Rat fungierten, unnötig war, da die bestehenden Institutionen im 16. Jahrhundert die Wahrnehmung der Interessen auch im kirchlichen Bereich übernahmen.
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208 209 210 211
Vgl. Luntowski, Rat, S. 21–28. Dieses zwölf Mitglieder umfassende Gremium wurde paritätisch durch den Rat (Ratserbsassen) und die zwölf Gildenvorsteher (Gildeerbsassen) gewählt. Er war die Interessensvertretung der patrizischen Familien und der nicht zünftisch gebundenen Fernhändler. Die Gildeerbsassen waren zugleich an der Ratswahl beteiligt. Ebd. An erster Stelle wurde der Rat genannt, gefolgt von den Erbsassen, dann den Vierundzwanzigern und am Schluss von der Gemeinheit. Fehse, Stadtgeschichten, S. 204 f.; Jahn, Geschichte, S. 176 und 340 f. Kaufmann, Chronik, S. 280. Vogelsang, Rat, S. 47 f.; ders., Geschichte, S. 60.
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I. Einleitung
c) Stadt und Kirche Neben drei Klöstern212 und verschiedenen Kapellen verfügte Dortmund über vier Pfarrkirchen: St. Reinoldi, die Hauptpfarrkirche, und St. Marien im östlichen Zentrum, St. Nikolai im Süden und St. Petri im Westen.213 In der Hand des Rates lag das Präsentationsrecht für zumindest zwei Pfarrer (St. Marien und St. Nikolai). Die Pfarrstellen an St. Reinoldi und St. Petri wurden durch den Dekan des Stifts Mariengraden in Köln besetzt, wobei man seit dem Mittelalter die Pfründen in der Regel an Dortmunder vergab.214 Dabei wurden die Pfarrer lange Zeit meist aus dem Kreis der patrizischen Familien ausgewählt, erst im Laufe des 15. Jahrhunderts wurden auch Angehörige aus Erbsässerfamilien zugelassen. Der städtische Einfluss beschränkte sich nicht allein auf das Präsentationsrecht von Pfarrstellen und Vikarien, die im Laufe des Spätmittelalters in großer Zahl durch Dortmunder Bürger gestiftet wurden,215 auch die Verwaltung der kirchlichen Einrichtungen, das heißt die Kontrolle über die Kirchenfabrik, lag in städtischen Händen. Meist waren drei Vorsteher oder Provisoren für die Administration des Vermögens zuständig, die jeweils aus den Reihen der patrizischen Familien, der Erbsassen und der Gilden gestellt wurden. Trotz der Verflechtung von Stadt und Klerus kam es bereits im Spätmittelalter immer wieder zu Konflikten, die sich an in dieser Zeit nicht unüblichen Missständen entzündeten (Amtsvernachlässigung bzw. -miss212
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Vgl. Friedrich Wilhelm Saal, Die drei Dortmunder Stadtklöster, in: Baldur Hermans (Hg.), Die Säkularisation im Ruhrgebiet. Vorgeschichte und Folgen, Mülheim/ Ruhr 2004, S. 309–328. Zu den Dominikanern vgl. Theodor Rensing, Das Dortmunder Dominikanerkloster (1309–1816), Münster 1936, sowie Thomas Schilp und Barbara Welzel (Hg.), Die Dortmunder Dominikaner und die Propsteikirche als Erinnerungsort, Bielefeld 2006; zum Prämonstratenserinnen- oder Katharinenkloster vgl. Ferdinand Zumbusch, Geschichte des Katharinenklosters zu Dortmund und des Dorfes Kirchlinde bei Dortmund, in: BeitrDO 11 (1902), S. 17–42, sowie Friedrich Wilhelm Saal, Das Dortmunder Katharinenkloster. Geschichte eines westfälischen Prämonstratenserinnen-Stiftes, in: ebd. 60 (1963), S. 1–90; zum Minoritenkloster vgl. Ralf Nickel, Minoriten und Franziskaner in Westfalen vom 13. bis zum 17. Jahrhundert – Darstellung und Bibliographie, in: Franziskanische Studien 69 (1987), S. 233–360, hier S. 287–305. Vgl. hierzu Anna Rüschenschmidt, Entstehung und Entwicklung des Dortmunder Pfarrsystems, sein Dekanat und Archidiakonat bis zum Ausgang des 14. Jahrhunderts, in: BeitrDO 33 (1926), S. 55–128; Thomas Schilp, Sakrale Topographie im mittelalterlichen Dortmund, in: Barbara Welzel u. a. (Hg.), Das „Goldene Wunder“ in der Dortmunder Petrikirche. Bildgebrauch und Bildproduktion im Mittelalter, Bielefeld 2003, S. 37–56; ders., Die katholische Kirche in Dortmund im Mittelalter und in der frühen Neuzeit, in: Paul Montag u. a. (Hg.), Die katholische Kirche in Dortmund. Ihre Geschichte und ihre Pfarrgemeinden, Paderborn 2006, S. 14–55. Adolf Christian Carl Heller, Geschichte der Evangelischen Gemeinden zu Dortmund, Dortmund 1882, S. 45–52. Zu Dortmunder Stiftungen vgl. Christian Helbich, Sakrale Gemeinschaft und städtische Identität. Laienfrömmigkeit in Dortmund zwischen Spätmittelalter und Reformation, in: Jahrbuch für Westfälische Kirchengeschichte 104 (2008), S. 31–77, hier S. 34–44.
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brauch, Ämterkumulation, Unterschlagung, Handwerks- und Handelstätigkeiten).216 Auch im 16. Jahrhundert enthielten die gegen den Klerus vorgebrachten Gravamina zunächst ähnliche Kritikpunkte.217 Im Unterschied zu Dortmund verfügte der Essener Rat nicht über das Recht, die Pfarrer für die beiden städtischen Pfarrkirchen St. Gertruden und St. Johannes vorzuschlagen. Beide Gotteshäuser waren – nur mit begrenzten Pfarrrechten versehen – Filialkirchen des Münsters, der Kirche des Essener Frauenstifts.218 In der Regel wurden die Pfarrer aus den Reihen der männlichen Kanoniker des Stifts ausgewählt.219 Während die neben dem Münster innerhalb der Stiftsimmunität gelegene Johanniskirche nicht nur der seelsorgerischen Betreuung der Bewohner des südlichen Stadtteils und einer Hälfte des Stiftsgebiets, sondern auch als Kollegiatkirche der Kanoniker diente, war die Gertrudenkirche auf dem Markt allein den Bürgern der nördlichen Stadthälfte und den Bauerschaften Altenessen, Karnap und Katernberg vorbehalten.220 Nur bei einigen Vikarien, die durch Bürger gestiftet und deren Verfügungsgewalt dem Rat übertragen worden waren, hatten die Essener Ratsherren das Recht zur Präsentation inne.221 Trotz fehlender Rechte wurde die Gertrudenkirche gleichwohl als die ‚Bürgerkirche‘ betrachtet und entsprechend vom Rat beansprucht.222
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Ein Beispiel für die Akkumulation geistlicher Pfründen ist Reinolt Vetter, um 1500 sowohl Pastor in Osnabrück als auch Vikar in Dortmund, später sogar Pfarrer der dortigen Nikolaikirche. Vgl. StAD Best. 1, Nr. 10018 und 10046; Westhoff, Chronik, S. 391; Beurhaus, Merkwürdigkeiten, S. 332. Eine mutmaßliche Unterschlagung von ererbtem Grundbesitz durch den Klerus von St. Reinoldi führte 1512 zu einem auch gewaltsam ausgetragenen Streit zwischen der Stadt und dem Betroffenen, dem aus Dortmund stammenden Doesburger Bürger Bernd von Kockelcke, genannt Hovet. In dem 1523 beigelegten Konflikt griffen der Herzog von Geldern aufseiten Hovets und der kölnische Kurfürst zugunsten der Geistlichkeit ein. Vgl. Archiv der Kirchengemeinde St. Reinoldi Dortmund (Teil des Archivs des Kirchenkreises Dortmund in der Bibliothek der Vereinigten Kirchenkreise Dortmund), Best. 6, Nr. 27 und 93; StAD Best. 1, Nr. 10126 und 10128. Vgl. hierzu Teil IV, Kap. 1. Zur Sakraltopographie vgl. Fehse, Stadtgeschichten, S. 209–216, und Joseph Weier, Die Pfarrstruktur der Essener Innenstadt in Vergangenheit und Gegenwart, in: Das Münster am Hellweg 49 (1996), S. 86–104, hier insb. S. 86–89. Seit 1522 war die Gertrudenkirche dem Kanonikerkapitel inkorporiert. Die Kanoniker beriefen und bezahlten ihrerseits nur noch einen Vizekuraten. Vgl. Heinrich Schaefer und Franz Arens (Hg.), Urkunden und Akten des Essener Münsterarchivs, in: BeitrE 28 (1906), S. 3–348, hier S. 148 f. (Nr. 229). Ferner Ribbeck, Katharina von Tecklenburg, S. 172. Ebd., S. 88. Fehse, Stadtgeschichten, S. 209 f. An sichtbarer Stelle wurde etwa das Stadtwappen angebracht. Städtische Bekanntmachungen wurden an der Kirchentür angeschlagen. Die Kirche war zudem Versammlungsort bei der Ratswahl und für die Gilden. Vgl. Müller, Reformation, S. 28; Jahn, Geschichte, S. 195.
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I. Einleitung
In Bielefeld gab es zwei städtische Kirchen: St. Nikolai in der Alt-, St. Marien in der Neustadt.223 Zu letzterer gehörte ein Kanonikerstift, dem beide Kirchen inkorporiert waren. Das Stift verfügte über zwölf Pfründen für Kanoniker adliger und bürgerlicher Herkunft, die einem Dechanten unterstanden. Dieser berief mit dem Stiftskapitel die Pastoren. Neben dem Stift und den Pfarrkirchen existierten zwei Ordenshäuser, nämlich der Konvent der Augustinerinnen, deren Kirche später in ein reformiertes Gotteshaus umgewandelt wurde, und das Kloster der Franziskaner,224 welches auch nach der Reformation als katholische Insel in der Stadt überdauerte.
d) Stadt und Schule Um 1500 zählten Dortmund, Essen oder Bielefeld nicht zu den führenden Bildungszentren am Niederrhein und in Westfalen. Die bedeutendsten Schulen befanden sich zu dieser Zeit noch vorwiegend in Wesel,225 Köln,226 Herford227 oder Münster.228 Die 223
224
225
226 227 228
Allgemein Vogelsang, Geschichte, S. 67–79; zu St. Nikolai vgl. August Ferke, Zur Geschichte der Altstädter Nicolaigemeinde Bielefeld im Mittelalter, in: Jahrbuch des Vereins für Westfälische Kirchengeschichte 61 (1968), S. 21–32, und Harald Propach, Die Geschichte der Altstädter Gemeinde, in: Presbyterium der Ev. Altstädter Nicolaikirchengemeinde Bielefeld (Hg.), 1236–1986. 750 Jahre Altstädter Nicolaigemeinde Bielefeld, Bielefeld 1986, S. 138–188; zu St. Marien vgl. Th[eodor] Jordan, Geschichte der Neustädter Kirche, in: Jahresbericht des Historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg zu Bielefeld 4 (1882), S. 1–48, Reinhard Vogelsang, Das Stift St. Marien in Bielefeld 1293–1810, in: Ravensberger Blätter 1993, H. 1, S. 22–39, und Altenberend u. a., St. Marien. Vgl. Heinrich Rüthing, Die Franziskaner in der Grafschaft Ravensberg und in Herford, in: Ravensberger Blätter 1993, H.1, S. 1–21, hier bes. S. 8 ff.; Michael Zozmann, Die Geschichte des Klosters auf dem Jostberg bis zu seiner Verlegung in die Stadt Bielefeld im Jahr 1511, in: Johannes Altenberend und Josef Holtkotte (Hg.), St. Jodokus 1511–2011. Beiträge zur Geschichte des Franziskanerklosters und der Pfarrgemeinde St. Jodokus Bielefeld, Bielefeld 2011, S. 25–40; Heinrich Rüthing, Zur Geschichte des Franziskanerklosters und der Gemeinde Sankt Jodokus in Bielefeld (1511 bis 1829), in: ebd., S. 41–62. Julius Heidemann, Vorarbeiten zu einer Geschichte des höheren Schulwesens in Wesel. Erste Abtheilung von 1516 bis 1543, in: Programm des Gymnasiums zu Wesel, Wesel 1853, S. 1–42; ders., Vorarbeiten zu einer Geschichte des höheren Schulwesens in Wesel. 1) Zusätze zur ersten Abtheilung, 2) Zweite Abtheilung 1545–1612, in: Programm des Gymnasiums zu Wesel, Wesel 1859, S. 1–50; Martin-Wilhelm Roelen, Das Weseler Schulwesen im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit (1342–1540), in: Wesel. Beiträge zur Stadtgeschichte 1 (1985), S. 21–47, bes. S. 30–42. James V. Mehl (Hg.), Humanismus in Köln – Humanism in Cologne, Köln u. a. 1991. Ludwig Hölscher, Geschichte des Gymnasiums in Herford, Tl. I, in: Programm des evangelischen Friedrichs-Gymnasiums zu Herford 1869, S. 3–22; Tl. II, in: ebd. 1872, S. 3–20. Carl August Cornelius, Die Münsterischen Humanisten und ihr Verhältnis zur Reformation, Münster 1851, S. 5–46 und 77–84; Dietrich Reichling, Zur Geschichte der Münsterschen Domschule in der Blütezeit des Humanismus, in: Festschrift zur Feier der Einweihung des neuen Gymnasialgebäudes am 27. April 1898, Münster 1898,
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durch die spätmittelalterlichen Bildungs- und Frömmigkeitsströmungen der ‚Devotio moderna‘ und des Humanismus geprägten dortigen Bildungseinrichtungen zogen Schüler auch aus weit entfernten Orten an. Das Schulwesen in den beiden Hellwegstädten und im ravensbergischen Hauptort war im Vergleich hierzu bescheiden: Hier standen die Schulen allein in kirchlicher Trägerschaft ohne eine direkte Beteiligung der weltlichen Ratsobrigkeit hinsichtlich der Verwaltung und Finanzierung. In Dortmund existierten seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert Lateinschulen an den vier Stadtkirchen, von denen jene an St. Reinoldi die Bedeutendste war.229 Weitere Bildungseinrichtungen waren den Dortmunder Männerklöstern angeschlossen,230 wobei die Dominikaner auch städtischen Kindern in einer Elementarschule Unterricht erteilten.231 Bis zur Gründung einer städtischen Ratsschule 1543 ermöglichten die vorhandenen Einrichtungen kaum viel mehr als eine Vermittlung von Grundkenntnissen im Lesen und Schreiben sowohl im Niederdeutschen wie auch in Latein. Bildungsinstitutionen im mittelalterlichen Essen232 bestanden vorwiegend im Umfeld des Frauenstifts und waren dem städtischen Zugriff vorenthalten. Bereits im Hochmittelalter scheint es neben einer Schule für die adligen Stiftsdamen eine weitere Einrichtung für die männlichen Kleriker gegeben zu haben.233 Die „schola masculorum“ in der Burgfreiheit, von der spätestens 1396 die Rede ist,234 wurde zunächst von einem Kanoniker geleitet, der den Titel eines Scholasters trug, bis die tatsächliche Führung des Schulbetriebes auf einen Rektor übertragen wurde.235 Die Schule diente nicht nur der Ausbildung künftiger Geistlicher, sondern auch der Unterrichtung von Bürgersöhnen und auswärtigen Schülern,236 wobei weitergehende Studien seit dem späten 15. Jahrhundert durch eine Stiftung gefördert werden konnten.237 Neben dieser offiziellen Schule gab es auch sogenannte Kinderschulen und
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230 231 232 233 234 235 236 237
S. 1–12; Alfons Egen, Der Einfluss der Münsterschen Domschule auf die Ausbreitung des Humanismus, in: ebd., S. 13–49; Rudolf Schulze, Das Gymnasium Paulinum zu Münster (Westf.) im Wandel der Zeiten (797 bis 1947), in: ders. (Hg), Das Gymnasium Paulinum zu Münster 797–1947, Münster 1948, S. 7–148; Bernd Schönemann, Die Bildungsinstitutionen in der frühen Neuzeit, in: Jakobi/Küster, Geschichte, Bd. 1, S. 683–733. Mette, Geschichte, S. 3; Döring, Lambach, S. 16 f. Über die mittelalterlichen Pfarrschulen ist nur sehr wenig bekannt, das meiste zu der an St. Reinoldi und der an St. Marien. Vgl. zu den Pfarrschulen insgesamt auch Beurhaus, Merkwürdigkeiten, S. 366–368. Schilp, Reichsstadt, S. 160; Rensing, Dominikanerkloster, S. 53 f. und 67 f. Schilp, Reichsstadt, S. 163. Julius Heidemann, Die Stiftsschule in Essen, in: Königliches Gymnasium zu Essen. Festschrift zur fünfzigjährigen Gedenkfeier, Essen 1874, S. 19–58; Ribbeck, Geschichte I, S. 6–17. Ebd., S. 8. Zurückhaltender Heidemann, Stiftsschule, S. 22 f. Ribbeck, Geschichte I, S. 10. Ebd., S. 11 f. Vgl. auch Heidemann, Stiftsschule, S. 28. Ribbeck, Geschichte I, S. 13 f.; Heidemann, Stiftsschule, S. 34–37 und 39. Die vom Rat verwaltete Stiftung des Klerikers Johann Herbrüggen sollte zwar zunächst den Verwandten des Erblassers zugutekommen, allerdings konnten die Gelder
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I. Einleitung
deutsche Schulen, das heißt private Bildungseinrichtungen für den Elementarunterricht in der Volkssprache, etwa durch die Küster an der Gertrudenkirche.238 In Bielefeld239 war dem Stift in der Neustadt seit dem späten 13. Jahrhundert eine Lateinschule angeschlossen, deren Aufsicht einem Scholasticus aus dem Kreis der Kanoniker oblag.240 Die tatsächliche Leitung des Unterrichts wurde einem Rektor oder Schulmeister übertragen, der vermutlich die niederen Weihen besaß und zusammen mit seinen Schülern zum Kirchendienst verpflichtet war. In der städtischen Überlieferung kommen die Schule bzw. deren Personal zwar mehrfach vor, doch ist über den Aufbau der Schule, an der neben Bürgersöhnen vermutlich auch auswärtige Kinder lernten, und über die Wissensvermittlung nur wenig bekannt. Die Schulbildung in den drei Städten ermöglichte trotz der eingeschränkten Qualität des Unterrichts den Besuch höherer Humanistenschulen und Universitäten in anderen Orten. Universitätsmatrikeln zufolge stammte vorwiegend im 15. Jahrhundert eine nicht unerhebliche Zahl von Studenten an deutschen und europäischen Universitäten aus den untersuchten Städten, wobei besonders viele in Köln studierten.241
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bei Fehlen eines geeigneten Kandidaten auch für andere Kinder verwendet werden. Vgl. Ribbeck, Geschichte I, S. 15 f. Vgl. hierzu die Aussagen der vom Rat benannte Zeugen im Reichskammergerichtsprozess 1587 und 1590 zur Besonderen Fragen 154 (StAE 100.103 und 100.105, sowie LAV NRW R, RKG E 589, Bd. 4). Die Existenz dieser Einrichtungen ist den Zeugnissen der älteren Befragten (die etwa 70–80 Jahre alt waren) mindestens seit dem ersten Viertel des 16. Jahrhunderts belegt. Zur Stiftsschule im Mittelalter vgl. kurz Friedrich Korte, Die Frage des Gründungsdatums 1558, in: Altenberend/Schröder, Deo et Literis, S. 187–192, hier S. 188; Heinrich Rüthing, Sankt Marien vor der Reformation. Ein Einblick ins kirchliche Leben Bielefelds anhand von Rechnungsbüchern, in: Altenberend u. a., St. Marien, S. 103–132, hier S. 130 f., sowie Friedrich Wilhelm Hinzpeter, Zur Geschichte des Gymnasiums, in: Zur Feier des dreihundertjährigen Jubiläums des Königlichen Gymnasiums zu Bielefeld, Bielefeld 1858, S. 1–20, hier S. 3 f. Die Angabe des Gründungsjahrs 1293 geht aus der Stiftungsurkunde des Kanonikerstifts durch Otto III. von Ravensberg hervor, in welcher von einem „Scholasticus“ die Rede ist. Die Urkunde ist mit deutscher Übersetzung gedruckt bei Altenberend u. a., St. Marien, S. 16–19. Zu Bielefelder Studenten vgl. Korte, Frage, S. 188, und StAB, Best. 300.007, Nr. 0416 (Auszüge aus Rostocker und Heidelberger Matrikeln); zu Dortmund vgl. Schilp, Reichsstadt, S. 170 f.
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II. Theorie und Praxis religiöser Reformkonzepte Um die religiösen Verhältnisse und die lokale Kirchenpolitik vor Ort analysieren zu können, müssen zunächst die zeitgleichen Geistesströmungen – insbesondere der Humanismus um seinen einflussreichen spiritus rector Erasmus von Rotterdam (um 1467–1536)1 – und die normativ-obrigkeitlichen Ordnungsversuche in den Blick genommen werden. Ging es den Humanisten zunächst vorwiegend um eine Wiederbelebung antiker Gelehrsamkeit, so griffen humanistische Vorstellungen und Methoden bald auch in den kirchlichen und politischen Bereich über, da die urbanen, klerikalen und territorialen Verwaltungen im Zuge allgemein zu beobachtender Tendenzen zur Professionalisierung seit dem Spätmittelalter zunehmend mit humanistisch gebildeten und untereinander vernetzten Gelehrten besetzt wurden.2 Im Prozess der beginnenden Kirchenspaltung des 16. Jahrhunderts waren zahlreiche Humanisten maßgeblich involviert: Nicht zufällig gehörten diese zu den frühen Anhängern Luthers, die in ihm einen Gesinnungsgenossen in ihrem Bestreben sahen, eine überfällige Reform der Kirche voranzutreiben. Infolge der sich bei den Reformatoren abzeichnenden theologischen Zuspitzung, verbunden mit zunehmenden Angriffen auf die kirchliche Hierarchie seit den frühen 1520er Jahren, kam es allerdings auch im deutschen Humanismus zu einem inneren Bruch. Während einige, wie etwa Melanchthon, Bucer und Zwingli, zunächst den von Luther eingeschlagenen Weg mitgingen, wandte sich der überwiegende Teil wieder von ihm ab.3 Diese Spaltung der humanistischen Gelehrtenwelt, von der in der Regel nur die religiösen Standpunkte, nicht jedoch die gemeinsamen philologischen Interessen betroffen waren, verhinderte nicht den freundschaftlichen Kontakt über ideologische Grenzen hinweg. Ging die Reformation zu einem gewissen Teil aus dem Humanismus hervor, so finden sich in ihm auch die Wurzeln für die Bemühungen um die Einheit der Kirche, die sich in der Vermittlungstheologie und später in der Irenik manifestierten. 1
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Erasmus von Rotterdam gehört zu denjenigen Persönlichkeiten an der Wende zur Neuzeit, die besonders im Zentrum der Forschung standen. Eine vollständige Übersicht über die Forschungsliteratur zu seiner Person würde daher den Rahmen sprengen. Hier seien nur einige grundlegende biographische Studien genannt. Eines der wichtigsten Werke, das zahlreiche Neuauflagen erfahren hat, ist Johan Huizinga, Erasmus, Basel 1928 (aktuell unter dem Titel: Erasmus. Eine Biographie, Reinbek bei Hamburg 1993). Unter theologischen Gesichtspunkten ist ferner auf Cornelis Augustijn, Erasmus von Rotterdam. Leben – Werk – Wirkung, München 1986, sowie auf dessen Aufsatzsammlung ders., Erasmus. Der Humanist als Theologe und Kirchenreformer, Leiden u. a. 1996, zu verweisen. Schließlich seien noch Roland H. Bainton, Erasmus. Reformer zwischen den Fronten, Göttingen 1972, und Robert Stupperich, Erasmus von Rotterdam und seine Welt, Berlin und New York 1977, genannt. Vgl. etwa Günther Schulz (Hg.), Sozialer Aufstieg. Funktionseliten im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit, München 2002. Vgl. Cornelis Augustijn, Die Stellung der Humanisten zur Glaubensspaltung 1518–1530, in: Erwin Iserloh (Hg.), Confessio Augustana und Confutatio. Der Augsburger Reichstag 1530 und die Einheit der Kirche, 2. Aufl. Münster 1980, S. 36–48; ders., Humanisten.
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1. Theorie: Erasmus von Rotterdam und seine Anhänger a) Das theologische Verständnis bei Erasmus von Rotterdam Obwohl Erasmus von Rotterdam in der Forschung als einer der bedeutendsten geistigen Väter einer auf Ausgleich ausgerichteten Religionspolitik in den ersten Jahrzehnten nach Beginn der Reformation gilt, wird er von dieser als Theologe erst seit gut einem halben Jahrhundert wahrgenommen.4 Dieses lang anhaltende Desinteresse steht im völligen Gegensatz zur zeitgenössischen Auffassung: Regenten und Gelehrte zogen Erasmus, der in zahlreichen Publikationen und Briefen am Diskurs über die kirchlichen Missstände lebhaften Anteil nahm, häufig zu Rate und versprachen sich von ihm Hilfen bei der Lösung konfessioneller Konflikte. Während seine frühen Schaffensjahre von einer Auseinandersetzung mit antiken Autoren, philosophischen Themen und philologischen Fragen dominiert waren, so setzte gegen 1500 bei Erasmus ein verstärktes theologisches Interesse ein, das sich zunächst in der Erstausgabe des Enchiridion militis Christiani (Handbuch des christlichen Streiters) niederschlug.5 In den folgenden Jahrzehnten hielt diese Vorliebe in Form einer Neuübersetzung des Neuen Testaments aus dem Griechischen in das Lateinische6 sowie der Herausgabe von Neuausgaben mehrerer Kirchenväter an. Insbesondere die Schriften des Hieronymus übten dabei großen Einfluss auf das theologische Verständnis des Erasmus aus, denn ähnlich wie der spätantike Kirchenlehrer interessierte sich auch Erasmus eher für praktische Fragen des christlichen Lebens und befasste sich weniger mit der Lösung dogmatischer Probleme.7 Auch wenn sich Erasmus bereits wenige Jahre nach Beginn der Reformation von Luther distanzierte, ohne jedoch den Kontakt zu anderen Reformatoren wie Melanchthon oder Bucer abbrechen zu lassen, so bedeutete dies keine rückhaltlose Unterstützung für die Papstkirche. Im innerchristlichen Konflikt der 1520er und 1530er Jahre, auf dessen Verlauf Erasmus trotz seiner Schriften und seiner auctoritas bei den Zeitgenossen kaum Einfluss genommen und diesen auch nicht angestrebt
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Die erste Studie, die sich ausschließlich mit dem theologischen Programm des Rotterdamers befasst hat, legte Ernst-Wilhelm Kohls, Die Theologie des Erasmus, Bd. 1, Basel 1966, vor, der allerdings weitgehend nur die frühen Werke bis zum Enchiridion militis Christiani, d. h. vor der Auseinandersetzung mit Luther und anderen Reformatoren, betrachtete. In früheren Untersuchungen und Biographien wurde Erasmus’ theologisches Verständnis dagegen vorwiegend nur am Rande thematisiert. Zum damaligen Forschungsstand vgl. Kohls, Theologie, S. 1–15. Zu aktuelleren Studien sei auf Cornelis Augustijn oder auch Robert Stupperich verwiesen. Erasmus von Rotterdam, Enchiridion militis Christiani, Antwerpen 1503; vgl. auch Lohse, Erasmus, S. 55. Die textkritische und teilweise von der Vulgata abweichende Übertragung sollte, so Erasmus in seiner ursprünglich als Vorrede konzipierten Paraclesis ad lectorem pium aus dem Jahr 1516, als Grundlage für volkssprachige Übersetzungen dienen. Vgl. auch Lohse, Erasmus, S. 56. Ebd., S. 55 f.
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hatte,8 vermied er bis zu seinem Tod 1536 eine klare Positionierung. Dies brachte ihm sowohl Kritik seitens um Abgrenzung bemühter Kontroverstheologen als auch Anerkennung durch solche Theologen und Gelehrte ein, die sich wie Erasmus um einen konfessionellen Ausgleich zum Erhalt der kirchlichen Einheit bemühten.9 Die gesamte komplexe Theologie des Erasmus zu erfassen, würde den Rahmen dieser Untersuchung sprengen. Eine Beschränkung auf einige wichtige Aspekte ist daher unumgänglich. Im Folgenden wird daher nur solchen Fragen nachgegangen werden, die besonders zwischen den sich ausbildenden Konfessionen umstritten waren, die aber auch für die kirchliche Praxis in den drei untersuchten Städten von wesentlicher Bedeutung waren.
Priester- und Predigtamt Die Bedeutung, die Erasmus dem Predigtamt zumaß, kommt insbesondere in seinem Spätwerk Ecclesiastes sive de ratione concionandi zum Ausdruck.10 Als ein homiletisches Handbuch sollte das Werk jedoch nicht nur dem Prediger von Nutzen sein, sondern auch gebildeten Laien einen verständlichen Zugang zu theologisch diskutierten Problemen ermöglichen.11 Die Wertschätzung des Seelsorgeamtes resultierte aus Erasmus’ Verständnis, dass Christus selbst der bedeutendste Prediger gewesen sei. Der im Vergleich zu diesem hohen Maßstab gewöhnliche ‚menschliche‘ Prediger müsse sich einerseits als innere Voraussetzung ganz Gott verschreiben und sich andererseits in der Art und Weise des Predigens seinen Hörern anpassen, das heißt „auf die Umstände der Zeit, des Ortes und der Personen achten“. Seine Gemeinde müsse ihn verstehen können, er selbst dürfe keinen Anlass für Missverständnisse und Missgunst geben.12 Ausführlich ging Erasmus auf die Predigt selbst ein, für welche der Prediger Erfahrung und hohe Belesenheit mitbringen solle und die nach bestimmten Regeln ausgearbeitet und deutlich vorgetragen werden müsse.13 Hinsichtlich des Idealbildes eines Priesters bediente sich Erasmus im Ecclesiastes des Vorbildes des alttestamentlichen Hohepriesters Aaron: Ein Priester müsse höchste Reinheit aufweisen und sorgsam mit der Bibel umgehen können. Wenn es die Situation erfordere, dürfe er auch gegenüber den Mächtigen nicht schweigen, sollten diese ihre Macht missbrauchen. Aufrichtigkeit und Konzentration auf die Pflichten seines Amtes gehörten zu den Grundvoraussetzungen eines Priesters. Seine Aufgabe bestehe darin, durch Verkündung des Wortes den Menschen Christus
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Ebd., S. 52. Ihm von mehreren Seiten angetragene Ämter oder die Kardinalswürde lehnte Erasmus ab. Lohse, Erasmus, S. 52 f. Erasmus von Rotterdam, Ecclesiastes sive de ratione concionandi, Basel 1535. Stupperich, Erasmus, S. 181. Ebd., S. 181 f.; Zitat bei Christine Christ-von Wedel, Erasmus von Rotterdam. Anwalt eines neuzeitlichen Christentums, Münster 2003, S. 249. Stupperich, Erasmus, S. 182 f.; Christ-von Wedel, Erasmus, S. 249 f.
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nahe zu bringen und Sünder zu Gott zu bekehren.14 Allerdings, so Erasmus bereits im Enchiridion, dürfe der Priester nicht als Mittler zwischen Gott und den Menschen angesehen werden. Mittels sakramentaler Gnadenmittel könne er Gott mit den Menschen nicht versöhnen oder diesen Erlösung bringen, dies stünde allein in der Macht Gottes.15
Sakramentenlehre Im Verständnis des Erasmus waren Sakramente wirkende Zeichen der Gnade Gottes. Sie bestimmten als Hilfsmittel für die Zeit zwischen dem Tod Christi und seiner Wiederkunft, also zwischen Erlösung und Jüngstem Gericht, sowohl das Leben des einzelnen Christen als auch jenes innerhalb der christlichen Gemeinschaft, der Kirche, die Erasmus als Leib Christi und Liebesgemeinschaft definierte.16 Grundsätzlich unterschied sich Erasmus’ Auffassung der Sakramente nicht von den verfassten Lehren der Kirche – auch er hielt an der traditionellen Vorstellung von den sieben Sakramenten fest –, lediglich in Nuancen wich er hiervon ab. Größere Unterschiede gab es dagegen hinsichtlich der Gewichtung zwischen dem Zeremoniell, wie es Erasmus in der Praxis beobachtete, und der spirituellen Bedeutung der Sakramente. Der Taufe und dem Abendmahl – den beiden auch auf lutherischer Seite anerkannten Sakramenten – schrieb Erasmus eine zentrale Stellung zu: Mit der Taufe als Initiationsakt beginne der Mensch seine christliche Lebensführung und müsse von nun an bis zu seinem Tode als Teil einer Glaubens- und Liebesgemeinschaft stets Lastern und Sünden entgegentreten.17 Die Bedeutung des Abendmahls18 dagegen liege darin, diese Gemeinschaft ständig zu erneuern und die Mitgliedschaft in der Kirche Christi zu bezeugen.19 Die Eucharistiefeier selbst war für Erasmus in erster Linie ein Gedächtnismahl in Erinnerung des Opfertodes Christi,20 ein „Zeichen und Unterpfand der Liebe Gottes zu den Menschen und der Eintracht der Menschen untereinander“.21 Dogmatische Fragen – etwa die Realpräsenz Christi 14 15 16 17
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Stupperich, Erasmus, S. 182. Cornelis Augustijn, Die Ekklesiologie des Erasmus, in: ders., Humanist, S. 73–93, hier S. 81. Kohls, Theologie, S. 188. Augustijn, Ekklesiologie, S. 84; Kohls, Theologie, S. 73–75. Da die Taufe allein die Erb- und Aktualsünde nicht vollständig beseitigen, sondern nur einen Teil vom Menschen ‚abwaschen‘ könne, müsse der Mensch ständig gegen die Versuchungen der Welt ankämpfen. Ebd., S. 154 f. Zur Abendmahlsauffassung des Erasmus vgl. insb. Gottfried Krodel, Die Abendmahlslehre des Erasmus von Rotterdam und seine Stellung am Anfang des Abendmahlsstreites der Reformatoren, masch. Diss. theol. Erlangen 1955. Ebd., S. 162. Krüger, Bucer, S. 200 und 204. Peter Walter, Humanismus, Toleranz und individuelle Religionsfreiheit. Erasmus und sein Umkreis, in: Schilling/Smolinsky, Augsburger Religionsfrieden, S. 105–126, Zitat S. 108.
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oder die Transsubstantiation – spielten für Erasmus nur eine untergeordnete oder symbolische Rolle,22 zumal für ihn nicht die Zeremonie selbst zählte, sondern die angemessene, sinnlich-geistliche Art und Weise des Empfangs des Abendmahls.23 Sehr zurückhaltend nahm er zu der in dieser Zeit heftig diskutierten Frage Stellung, ob auch den Laien der konsekrierte Kelch gereicht werden solle: Die ‚communio sub una specie‘, das heißt der Empfang lediglich der Hostie, sei zwar seit längerem üblich, doch widerspreche diese Praxis sowohl der Einsetzung durch Christus als auch dem Brauch der frühen christlichen Gemeinschaft. Aus diesem Grund sei prinzipell die Kelchkommunion vorzuziehen, allerdings nicht um jeden Preis. Statt diese von außen auch mit Gewalt zu erzwingen, sollte die Kirche dieses Problem intern regeln.24 Zwischen 1525 und 1529 nahm Erasmus dagegen zum Abendmahl eine Stellung ein, die eher dem reformatorischen Standpunkt entsprach, wie er im oberdeutsch-schweizerischen Raum üblich war.25 Dies betraf sowohl die Präferenz der Kelchkommunion als auch die Infragestellung traditioneller Dogmen wie etwa die Lehre von der Realpräsenz. Hiervon wandte sich Erasmus allerdings in seinen letzten Lebensjahren wieder ab und kehrte weitestgehend zum katholischen Abendmahlsverständnis zurück, behielt seine Aufgeschlossenheit gegenüber dem Laienkelch jedoch bei.26
Rechtfertigung und gute Werke Die Rechtfertigung des Menschen ohne eigene Verdienste allein durch den Glauben an die Gnade Gottes bestimmte grundsätzlich das Verständnis des Erasmus und ließ ihn damit – oberflächlich betrachtet – in die Nähe der reformatorischen Auffassung von ‚sola fide‘ und ‚sola gratia‘ rücken.27 Die vielfach an Erasmus seitens katholischer Theologen geübte Kritik, dass er die ‚ketzerischen‘ Lehren unterstütze, nahm kaum Notiz davon, dass Erasmus nicht alle Positionen der Reformatoren teilte und zu einem durchaus eigenen Rechtfertigungsverständnis gelangt war. Im Zusammenhang mit seiner exegetischen Arbeit äußerte sich Erasmus auch zur Rechtfertigung, wobei er spätestens seit 1516 dem Menschen jeglichen Eigenverdienst absprach.28 Die Rechtfertigung durch den Glauben setzte Erasmus mit dem 22 23 24 25 26 27 28
Krüger, Bucer, S. 200 und 203 f.; Augustijn, Ekklesiologie, S. 83 f.; Stupperich, Erasmus, S. 178; Krodel, Abendmahlslehre, S. 87 f. Erasmus interpretiert dabei Joh. 6,63 in dem Sinne, dass er die einzunehmende Speise mit der Lehre Christi selbst identifiziert. Vgl. Krüger, Bucer, S. 202. Vgl. hierzu Augustijn, Ekklesiologie, S. 86, und Krodel, Abendmahlslehre, S. 87 f. Karl Heinz Oelrich, Der späte Erasmus und die Reformation, Münster 1961, S. 134– 148. Ebd., S. 148–158; Krodel, Abendmahlslehre, S. 148 f. Krüger, Bucer, S. 166. So betont er 1527 zu Röm. 1,17, dass Gott den Menschen durch den Glauben Gerechtigkeit schenke. Ähnlich auch sein Kommentar zu Röm. 1,7 von 1535, worin er betont, dass Gott den Gläubigen ohne deren Verdienst Gnade zukommen lasse, ihre Schuld auslösche und sie rechtfertige. Vgl. Christ-von Wedel, Erasmus, S. 163.
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Evangelium, dem freien Zugang zu Christus, gleich. Den Glauben in das Heilswerk fasste Erasmus als Geschenk Gottes auf. Vor dem Gesetz könne kein Mensch bestehen und somit nicht aus eigener Kraft Seligkeit erlangen.29 In diesem Sinne stand Erasmus einem freien Willen des Menschen skeptisch gegenüber, zumindest hinsichtlich der Heilserlangung.30 Alles schrieb Erasmus der Gnade Gottes zu, während dem freien Willen fast nichts entspringe, und dieses wenige nicht aus der Fähigkeit des Menschen heraus, sondern wiederum lediglich aus der göttlichen Gnade.31 Demzufolge kritisierte Erasmus katholische Theologen und Mönche, die der Werkgerechtigkeit einen zu hohen Rang einräumten. Selbst wenn er nicht daran zweifelte, dass der Glaube durch die Liebe gute Werke („opera charitatis“) hervorbringen müsse, so hieß das nicht, dass ihnen dadurch die Kraft der Rechtfertigung zukommen müsse. Faktisch seien gute Werke ohne eigenen Nutzen, da Christus den Gläubigen auch ohne Verdienst gerecht mache. Ohne gute Werke sei allerdings auch kein Glaube möglich: Menschen, die meinten, ihr Leben frei von guten Werken führen zu können, versprächen sich umsonst Heil.32 Von Bedeutung seien jedoch nicht alle Werke: Äußere Werke, die dem jüdischen Zeremonialgesetz,33 so wie es von Erasmus verstanden wurde, entstammten, also etwa Fasten oder Wallfahrten, seien ohne größeren Nutzen, da Gott nur solche Werke willkommen seien, „die mit der Liebe in Verbindung stehen, aus der sie letztlich hervorgehen“.34 Die Zuschreibung einer gewissen Bedeutung guter Werke unterscheidet Erasmus von den Reformatoren. Zwar vertrat auch Luther die Ansicht, dass wahrer Glauben nicht ohne Werke bleiben könne, doch haben diese für die Rechtfertigung keinerlei Bedeutung.35 Erasmus’ Verständnis des ‚sola fide‘ schloss dagegen gute Werke für die Rechtfertigung nicht grundsätzlich aus36 und steht damit am Anfang eines theologischen Gedankenprozesses, der von den Anhängern und Nachfolgern des Humanisten in Form einer ‚doppelten Rechtfertigungslehre‘ rezipiert und weiterentwickelt worden ist.37 Frühe Andeutungen in diese Richtung finden sich bei Erasmus bereits 1517 in seiner Paraphrase zum Römerbrief, worin er auf die zwei Gerechtig29 30 31 32
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Ebd., S. 164. Während der Mensch nach Erasmus die Freiheit habe, zu entscheiden, ob er Christus im Leben nachfolgen wolle, kam ihm diese Entscheidung – in Übereinstimmung zu Luther – in Bezug auf die Rechtfertigung nicht zu. Vgl. Lohse, Erasmus, S. 68. Christ-von Wedel, Erasmus, S. 168. So seine Auffassung um 1529/30 in zwei kurzen Schriften: Erasmus von Rotterdam, Epistola contra Pseudeuangelicos, Freiburg/Br. 1529 (eine von Cornelis Augustijn herausgegebene Edition findet sich in Opera Omnia Desiderii Erasmi Roterdodami […], Bd. 9.1, Amsterdam und Oxford 1982, S. 263–309, hier bes. S. 294 f.), und ders., Epistola ad fratres Inferioris Germaniae, Freiburg/Br. 1530 (Edition hg. von Cornelis Augustijn, in: ebd., S. 311–425, insb. S. 341–344). Vgl. Christ-von Wedel, Erasmus, S. 166 f.; ferner Krüger, Bucer, S. 167. Kohls, Theologie, S. 149 f. Zitat ebd., S. 151. Krüger, Bucer, S. 168 f. Ebd., S. 166. Ebd., S. 172 f.; Christ-von Wedel, Erasmus, S. 165. Vgl. auch unten S. 71.
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keiten zu sprechen kommt.38 Sicher nicht zuletzt als Reaktion auf die Standpunkte der Reformatoren wurde Erasmus gegen Ende seines Lebens deutlicher, etwa bei der Auslegung von Psalm 23 im Jahr 1533: Gerechtfertigt werde zweifach, nämlich einerseits durch die Unschuld, die durch die Taufe und den Glauben wiederhergestellt werde, andererseits durch den Glauben, der Werke hoch schätze.39
Vermittlung von Wissen Grundlage des christlichen Lebens war für Erasmus die Bibel.40 Sie selbstständig verstehen zu können und das eigene Leben danach zu richten, galt für ihn als Pflicht eines jeden Christen. Demzufolge sollten auch Laien die Schrift in der Volkssprache lesen können.41 Erasmus’ Misstrauen gegenüber scholastischen Theologen, welche die Lehre Christi durch ihre – seiner Meinung nach unnötige42 – Auslegung verdrehen oder den Kern der biblischen Botschaft aus den Augen verlieren würden, zeigt sich auch im Vertrauen auf die Laien, die für ihn bessere Theologen abgeben könnten:43 Mit der Taufe habe jeder Christ einen direkten Zugang zu Gott erhalten und zugleich gelobt, „ein gottgeweihtes geistliches Leben zu führen“. Damit würden für alle Christen wesentliche Elemente des Mönchtums gleichermaßen gelten, wie etwa Armut, Selbstaufopferung oder Liebe gegenüber Gott und den Menschen. Erasmus’ Eintreten für die Bildung, wie es etwa in den Antibarbari44 oder in der Institutio principis christiani45 zum Ausdruck kommt, ist von Rückgriffen auf antike Ideale, mittelalterliche Fürstenspiegel und das mittelalterliche urbane Schulwesen wesentlich geprägt.46 Für die Bildung der Jugend trage besonders die weltliche Obrigkeit Verantwortung. Fürsten oder städtische Magistrate hätten die Pflicht, Schulwesen und Wissenschaften zu fördern, da dies zum Gemeinen Nutzen („publica utilitas“) und zum Wohle des Staates unerlässlich sei. Gute Lehrer nämlich, so lässt 38 39
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Krüger, Bucer, S. 173 f. „Duplex est justitia, prior est innocentia cui per fidem ac baptismum restituimur, altera est fidei per dilectionem operantis“, zit. bei Krüger, Bucer, S. 173. In ähnlicher Weise äußerte sich Erasmus in einem weiteren zentralen Spätwerk: Erasmus von Rotterdam, De sarcienda ecclesiae concordia […], Basel 1533. Diese Schrift ist, durch Robert Stupperich herausgegeben, gedruckt in Opera Omnia, Bd. 5.3, Amsterdam u. a. 1986, S. 245–313. Kohls, Theologie, S. 80. Christ-von Wedel, Erasmus, S. 84 f.; Kohls, Theologie, S. 166. Erasmus war der Ansicht, dass die Schrift selbst die wesentlichen Mittel der Auslegung bereitstellen bzw. sich selbst auslegen würde. Vgl. auch Kohls, Theologie, S. 81. Vgl. ebd., S. 166 f. (hier auch das Zitat). Antibarbarorum D. Erasmi Roterodami […], Basel 1520. An dem Werk, für das vier Bände geplant waren, arbeitete er seit 1488 bzw. 1494/95. Der 1520 gedruckte Teil geht im Wesentlichen auf die Überlegungen in dieser frühen Phase zurück. Vgl. hierzu Kohls, Theologie, S. 37 f. Erasmus von Rotterdam, Institutio principis christiani, Basel 1516. Vgl. Kohls, Theologie, S. 48–52.
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Erasmus Battus47 in den Antibarbari sagen, seien neben dem gut erzogenen Herrscher und den Predigern die dritte Stütze des Staates. Dies spiegelt Erasmus’ „Idee der harmonischen Zusammenarbeit von Sacerdotium, Regnum und Studium“.48
Frömmigkeit und christliches Leben Wie ein Christ sein Leben zu gestalten und zu führen habe, legte Erasmus ausführlich im Enchiridion dar. Entsprechend des Titels (Handbuch des christlichen Streiters) sollte es den Gläubigen als Hilfsmittel im Kampf gegen die Versuchungen der Welt dienen.49 Ein Christ müsse sich Christus verschreiben und den Glauben verinnerlichen. Die Befolgung der durch die Kirche vorgegebenen, von Erasmus mit Blick auf die biblische Überlieferung und den historischen Kontext teils kritisch50 betrachteten Riten und Vorschriften etwa hinsichtlich der Sakramente oder der Dogmen genüge allein nicht: Es unterscheide einen wahren Christen von einem bloßen Namenschristen, wenn er sein Leben in die Nachfolge Christi stelle und wahre Demut und Frömmigkeit an den Tag lege.51 Da Erasmus die christliche Gemeinschaft als Liebesgemeinschaft52 auffasst, müsse das Handeln jedes Einzelnen durch Liebe gegenüber Gott und den Nächsten gekennzeichnet sein: „Solange du in der Liebe zu Gott und zum Nächsten bleibst, solange bleibst du in der Gemeinschaft der Kirche.“53 Auf das Leben der Gläubigen müsse die Bibel Einfluss nehmen, wohingegen das ‚Herunterbeten‘ möglichst vieler Psalmen – was Erasmus den Mönchen vorwarf54 – kein Maßstab einer christlichen Frömmigkeit sein könne. Statt Bildnisse des Erlösers (oder von Heiligen) anzubeten, sei es weitaus frommer, „das wahre Bild des Herzens Christi zu ehren, das durch die Kunst des heiligen Geistes in der heiligen Schrift dargestellt ist“.55 Weil das Leben ohne Rücksichtnahme auf eigene Vor- und Nachteile auf Christus ausgerichtet werden müsse, stand Erasmus der Heiligenverehrung skeptisch gegenüber. Zwar verwarf er sie – im Gegensatz zu vielen Reformatoren56 47 48 49 50 51 52 53 54
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Hinter diesem verbirgt sich Erasmus’ Freund Jakob Batt, Schulmeister in Bergen-opZoom. Zitat Kohls, Theologie, S. 50 f. Lohse, Erasmus, S. 60 f. Vgl. ebd., S. 67 f.; Augustijn, Ekklesiologie, S. 85. Lohse, Erasmus, S. 62; Augustijn, Ekklesiologie, S. 84 f. Vgl. hierzu Kohls, Theologie, S. 161–165. Zitat Augustijn, Ekklesiologie, S. 79 gemäß Erasmus’ Auslegung von Psalm 22. Kohls, Theologie, S. 139. In ironischer Form kommt dieser Vorwurf etwa in Erasmus’ Lob der Torheit zum Ausdruck: Erasmus von Rotterdam, Moriae Encomium sive Laus stulticiae, zuerst Paris 1511 (zitiert wird im Folgenden die lateinisch-deutsche Ausgabe in: ders., Ausgewählte Schriften, 3. Aufl. Darmstadt 2006, hier Bd. 2, S. 1–211, hier bes. S. 146 f.). Erasmus, Enchiridion (zitiert nach Kohls, Theologie, S. 80). Zu den Standpunkten Luthers bzw. der Confessio Augustana (CA) zur Frage der Heiligenverehrung vgl. Erwin Iserloh, Die Verehrung Mariens und der Heiligen in der
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– nicht völlig, doch sah er stets die Gefahr, dass durch diese die Anbetung Christi vernachlässigt werde. Ohne eine Zentrierung auf Christus unterscheide sich der Heiligenkult nicht vom antiken Aberglauben: Es würden nur die Götternamen ausgetauscht, am Zweck ändere sich nichts.57 Vollkommene Frömmigkeit könne durch die bloße Verehrung der Heiligen, wie es manche Geistlichen meinten, nicht erreicht werden. Zwar könne der Gläubige die Heiligen um ein gesundes Leben bitten, wahre christliche Frömmigkeit komme jedoch dann zum Ausdruck, wenn der Tod in Hinblick auf ein Leben mit und bei Christus nicht gescheut würde.58 Nicht die etwa im Moriae Encomium (Lob der Torheit) verspotteten Frömmigkeitsübungen59 wie die seit dem Spätmittelalter inflationär zunehmenden Wallfahrten, Prozessionen, Heiligen- und Reliquienkulte, die von vielen Klerikern geduldet oder gar zum eigenen Vorteil gefördert würden, sondern Gebete und die Lektüre der Schrift müssten das religiöse Leben bestimmen.60 Christsein bedürfe der inneren Überzeugung und nicht nur der Gewohnheit, etwa dem gewissenhaften Befolgen kirchlicher Zeremonien.61 Cornelis Augustijn62 kommt in seinen Forschungen zu dem Ergebnis, dass Erasmus’ Frömmigkeitsideal entgegen früherer Ansichten von der ‚Devotio moderna‘63 kaum beeinflusst gewesen war. Zwar habe es in seiner Jugend Berührungen mit den Devoten gegeben,64 als Vorbilder dienten aber andere, etwa der Franziskanerguardian Jean Vitrier oder der englische Humanist und Politiker Thomas More. In zwei biographischen Skizzen, die er Briefen an Justus Jonas (1521) und Ulrich von Hutten (1519) beifügte, bescheinigt er dem Mönch ein einfaches, reines und vorbild-
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Sicht Martin Luthers, in: Brandmüller u. a., Ecclesia militans, Bd. 2, S. 109–115; Peter Manns, Die Heiligenverehrung nach CA 21, in: Iserloh, Confessio Augustana, S. 596–640. Kohls, Theologie, S. 101. Ebd., S. 102. Erasmus, Moriae Encomium, bes. S. 96–99, 104–107, 110–113, 116 f., 172 f. und 200 f.; vgl. ferner Christ-von Wedel, Erasmus, S. 79. Ebd., S. 62. Augustijn, Ekklesiologie, S. 76 und 82 f., zit. nach Erasmus’ Vertrauten Gesprächen (Erasmus von Rotterdam, Familiarum Colloquiorum Formulae, Basel 1518; erw. Ausgabe Basel 1522). Cornelis Augustijn, Erasmus und die Devotio moderna, in: ders., Humanist, S. 26– 37. Die spätmittelalterliche religiöse Laienbewegung hatte ihre Ursprünge im Haus der Brüder vom gemeinsamen Leben in Deventer. Das Ideal dieser mit dem christlichen Humanismus verbundenen Strömung war es, durch ein zwar gemeinsames, aber (zunächst) gelübdefreies Leben und einer verinnerlichten Frömmigkeit dem Vorbild Christi nachzufolgen. Zur Devotio moderna und ihrem Verhältnis zum Humanismus vgl. Regnerus Post, The Modern Devotion. Confrontation with Reformation and Humanism, Leiden 1968, sowie Nikolaus Staubach, Christianam sectam arripe. Devotio moderna und Humanismus zwischen Zirkelbewegung und gesellschaftlicher Integration, in: Klaus Garber und Heinz Wismann (Hg.), Europäische Sozietätsbewegung und demokratische Tradition. Die europäischen Akademien der Frühen Neuzeit zwischen Frührenaissance und Spätaufklärung, Bd. 1, Tübingen 1996, S. 112–167. Augustijn, Devotio moderna, S. 34–37.
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liches Leben, gute Kompetenzen in der Predigt und eine Frömmigkeit, die weniger auf Zeremonien oder Ablasswesen, als auf Christus selbst ausgerichtet sei, während er bei dem Laien More dessen philologisches Interesse, seine vorbildliche Ehe, seinen Charakter und seine jede Form des Aberglaubens ablehnende Frömmigkeit bewundert.65 Gelehrsamkeit und Frömmigkeit schlossen sich nach Erasmus nicht aus, im Gegenteil: Gerade das Studium der Schrift mittels humanistisch-philologischer Methoden mache einen wahren Christen aus, denn erst Wissen führe zu richtigem Handeln.66
Kirchenverständnis, Kirchenkritik und Kirchenreform Kirche definierte Erasmus als eine durch einen gemeinsamen Glauben verbundene christliche Gemeinschaft.67 Während Erasmus den genossenschaftlichen Charakter hervorhob, distanzierte er sich von der Kirche als Institution,68 da Missstände die Autorität des Klerus ausgehöhlt hätten. Trotz der schwierigen Lage der Kirche sei die Überwindung der Krise möglich, sofern eine Erneuerung sowohl des einzelnen Gläubigen als auch der Kirche insgesamt gelänge. Eine Reform dürfe nicht nur von außen angemahnt werden, sondern der Wille müsse von innen kommen.69 Die Mittel hierfür habe Christus in Form der Schrift und der Sakramente bereitgestellt.70 Die Urkirche – oder zumindest die idealisierte Vorstellung, die sich viele Gelehrte an der Wende zur Neuzeit von der frühchristlichen Kirche zur Zeit der Apostel und der Kirchenväter machten71 – könne Erasmus zufolge nur teilweise als Vorbild für eine erneuerte christliche Gemeinschaft dienen, da die historische Entwicklung des Christentums manch frühere Strukturen obsolet gemacht habe.72 Doch wie sollte man angesichts des beginnenden Zerfalls kirchlicher und damit christlicher Einheit vorgehen? Vorschläge für eine Reform der Kirche und den Umgang mit Dissidenten – namentlich werden die Utraquisten73 genannt – unterbreitete 65 66 67 68 69 70 71 72 73
Ebd., S. 30–34. Krüger, Bucer, S. 156. Kohls, Theologie, S. 159 f.; Stupperich, Erasmus, S. 176 f. Augustijn, Ekklesiologie, S. 81 f. und 92. Spöttische Kritik an kirchlichen Institutionen und Frömmigkeitsformen findet sich in Erasmus, Moriae Encomium, S. 94–101, 104–107, 110–117, 130–157 und 162–173. Lohse, Erasmus, S. 52. Kohls, Theologie, S. 169. Lohse, Erasmus, S. 57. Cornelis Augustijn, Erasmus und seine Theologie: Hatte Luther recht?, in: ders., Humanist, S. 293–310, hier S. 299 und 305 f.; Christ-von Wedel, Erasmus, S. 202 f. Die hussitische Partei der Kalixtiner oder Utraquisten – abgeleitet von calix=Kelch bzw. der lateinischen Bezeichnung für das Abendmahl unter beider Gestalt (‚sub utraque‘) – forderte seit 1420 (Prager Artikel) Predigtfreiheit in der Volkssprache, den Laienkelch, die Säkularisation von Kirchengut sowie die Durchsetzung einer strengen Kirchenzucht. Zwischen 1433 und 1462 wurde ihnen die Kelchkommunion zugestanden und auch Zugeständnisse bei den anderen Forderungen gemacht (Prager Kompaktaten). Zum böh-
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Erasmus 1519 dem Sekretär des böhmischen Königs:74 Beide Seiten müssten aufeinander zugehen, um die Einheit wiederherzustellen. Das Schriftprinzip der Utraquisten erkenne er zwar an und könne auch ihr Begehren nach der ‚communio sub utraque‘ aufgrund der ursprünglichen Einsetzung durch Christus nachvollziehen, doch sollten diese und weitere Forderungen hinter der Ansicht der Mehrheit zurückgestellt und die kirchliche Autorität in Gestalt des Papstamtes anerkannt werden, damit Frieden und Einheit erneuert werden könnten. Hinsichtlich der Erlösung seien viele dogmatische Vorgaben zweitrangig und ihre Klärung könnte daher zunächst verschoben werden. Ähnliche Gedanken finden sich in weiteren Briefen und in der Spätschrift De sarcienda ecclesiae concordia von 1533.75 Erasmus stand den Erfolgsaussichten eines Konzils, in das die Zeitgenossen große Hoffnungen für eine Reform setzten, skeptisch gegenüber. Besser geeignet seien neutrale Schiedsrichter oder ein ‚internationaler‘ Ausschuss geachteter und unabhängiger Gelehrter, sowohl von Theologen als auch Laien.76 Diese sollen die Argumente prüfen und zu einem Ergebnis kommen, das für beide Parteien verbindlich gelten sollte. Mit Gewalt sei eine Lösung nicht zu erreichen, sie würde den Konflikt nur weiter verschärfen.77 Stattdessen solle die Kirche auf manche Forderungen eingehen, wie zum Beispiel nach der Zulassung der Priesterehe, der Abschaffung der Fastengebote oder der Verringerung von Feiertagen.78 Auf der anderen Seite erwartete Erasmus auch von den Kritikern der Papstkirche, dass sie einige, in ihren Augen fragwürdige Vorschriften, die nicht in der Bibel belegt seien, dulden müssten: Divergierende Meinungen sollten in einem gewissen Rahmen erlaubt sein und gegenseitig toleriert werden, sofern die Grundelemente des Glaubens nicht beeinträchtigt würden.79 Ziel aller müsse ein einheitliches, durch Reformen gewandeltes und dem Ideal der frühen Kirche nahestehendes, auf einem Konsens in wesentlichen Punkten beruhendes Christentum sein.80 Denn nur durch Eintracht könne Einigkeit erlangt
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mischen Utraquismus um 1500 vgl. Winfried Eberhard, Konfessionsbildung und Stände in Böhmen 1478–1530, München und Wien 1981. Brief vom 1. November 1519 (Allen, Opus, Nr. 1039). Vgl. Stupperich, Erasmus, S. 173, Augustijn, Ekklesiologie, S. 85 f., und Walter, Humanismus, S. 106 f. Zur protestantischen Rezeption dieses Briefes, der 1531 durch Martin Bucer übersetzt und gedruckt wurde, vgl. Heinz Holeczek, Erasmus Deutsch, Bd. 1: Die volkssprachliche Rezeption des Erasmus von Rotterdam in der reformatorischen Öffentlichkeit 1519–1536, Stuttgart-Bad Cannstatt 1983, S. 251–259. Die Schrift ist oben in Anm. 39 zitiert. Vgl. hierzu Stupperich, Erasmus, S. 176–180, und Augustijn, Ekklesiologie, S. 92. Brief an Julius von Pflug vom 20. August 1531 (Allen, Opus, Nr. 2522; eine deutsche Übersetzung bei Erasmus von Rotterdam, Briefe, hg. von Walther Köhler [im Folgenden Köhler, Briefe], 3. Aufl. Bremen 1956 [ND Darmstadt 1986], Nr. 326). Vgl. auch Stupperich, Erasmus, S. 172 und 174. Ebd., S. 173. So sein Vorschlag 1522 (De esu carnium); vgl. Christ-von Wedel, Erasmus, S. 199 f.; Augustijn, Ekklesiologie, S. 91; ders., Erasmus und seine Theologie, S. 307. Christ-von Wedel, Erasmus, S. 214 f.; Walter, Humanismus, S. 105–110. So Augustijn, Ekklesiologie, S. 92 f. oder Stupperich, Erasmus, S. 177 f. Dagegen vermeinte Augustin Renaudet, Erasme et l’Italie, Genf 1954, bes. S. 175 f., 200 f., 209 f.
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werden, was in dem von Erasmus immer wieder verwendeten Begriffspaar ‚Pax‘ und ‚Concordia‘ als Ausdruck christlicher Haltung und unverzichtbarer Bestandteil menschlicher Gesellschaft auf den Punkt gebracht wird.81 Erasmus nahm allerdings nicht nur die kirchlichen Behörden in die Pflicht, sondern auch die weltliche Obrigkeit. In seinem Verständnis des Staates begriff Erasmus den Fürsten in erster Linie als einen Christen, der den Untertanen in seiner Lebensführung als Vorbild dienen sollte.82 Angesichts der Krise der Kirche und der Tatenlosigkeit ihrer Institutionen müssten die Fürsten für Eintracht in ihren Territorien sorgen.83 In diesem Sinne fanden etwa die auf Befriedung ausgerichteten Reformbemühungen Herzog Johanns III. von Jülich-Kleve-Berg, von denen im Einzelnen noch zu sprechen sein wird, die Unterstützung des Humanisten: Die ihm vorgelegte landesherrliche Kirchenordnung fand seine ausdrückliche Billigung, wie er gegenüber dem herzoglichen Rat Johann von Vlatten 1533 hervorhob. So wünschte er, „daß Christus dem frommen Unternehmen des vortrefflichen Herzogs von Jülich gnädig beistehen möge – könnte ich es doch so unterstützen, wie ich es möchte!“84
b) Die Nachfolger des Erasmus von Rotterdam Erasmus war Vorbild für eine Reihe von Theologen und Gelehrten, die in seine Fußstapfen traten.85 Teilweise werden diese – in Anlehnung an die im 19. Jahrhundert um Friedrich Schleiermacher (1768–1834) entstandene Vermittlungstheologie – als ‚Vermittlungstheologen‘ bezeichnet. Dieser Terminus ist insofern ungenau, da sich nicht nur Theologen, sondern auch eine große Zahl von Juristen mit den theologischen Fragen der Zeit auseinandergesetzt haben. Dasselbe Problem gilt auch für den etwa von Friedrich Wilhelm Kantzenbach verwendeten Begriff ‚Verständigungstheologen‘.86 Da prinzipiell alle Gelehrten des 16. Jahrhunderts auf die ein oder andere Weise mit Erasmus in Berührung kamen, scheint deren verbreite-
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und 247, aus den Äußerungen des Erasmus den Wunsch nach einer ‚Dritten Kirche‘ entnehmen zu können. Den Begriff verwendete er auch als Kapitelüberschrift („Le problème de la troisième Église“). Stupperich, Erasmus, S. 169–171. Vgl. Kohls, Theologie, S. 171–175. Stupperich, Erasmus, S. 174. Brief vom 25. Juli 1533 (Köhler, Briefe, Nr. 344). Für den Erfolg einer Reform sei auch ein konsequentes Vorgehen gegen reformatorisch tätige Prediger nötig: „In erster Linie sollte man dafür sorgen, daß aufrührerischen Predigern entweder Stillschweigen auferlegt oder sie im Zaume gehalten würden; wenn dann das Volk nicht unberechtigte Beschwerden vorzubringen hat, so könnte man sie allmählich ohne Unruhe abstellen.“ (ebd.). Vgl. hierzu auch Stupperich, Erasmus, S. 175 f. Zu den verschiedenen Termini für diese Gruppe vgl. Heribert Smolinsky, Art. „Vermittlungstheologie I: Konfessionelles Zeitalter“, in: LThK 10 (2001), Sp. 697; Cornelis Augustijn, Die Religionsgespräche der vierziger Jahre, in: Müller, Religionsgespräche, S. 43–53, hier S. 49. Kantzenbach, Ringen, S. 166–175.
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te Bezeichnung als ‚Erasmianer‘ auf den ersten Blick sinnvoller, doch muss hier zwischen denen, die ‚nur‘ durch seine philologischen Methoden angeregt wurden, und solchen, die sich dessen theologische Ansichten zu Eigen machten, unterschieden werden. Für letztere griff man daher – auch wenn diese kaum als homogene Gruppe zu fassen sind – ebenso auf die Termini ‚Moyenneurs‘, ‚Dritte Kraft‘ oder ‚Partei der Mitte‘ zurück und spielte somit auf deren theologischen ‚Mittelweg‘ (‚Via Media‘) an. Wesentlich seltener werden diese Protagonisten als ‚Expektanten‘ – mit Blick auf ihre Hoffnung, dass ein Konzil die Glaubensspaltung verhindern könne – oder auch als ‚Ireniker‘ – um Frieden zwischen den Konfessionen bemühte Gelehrte – bezeichnet, wobei letzterer Begriff in der Forschung vorwiegend auf Gelehrte des 17. und 18. Jahrhunderts bezogen wird. Unabhängig von der ihnen von Zeitgenossen oder Forschung zugeschriebenen Konfession finden sich Vertreter der ‚Via Media‘ sowohl auf ‚altgläubiger‘ als auch ‚neugläubiger‘ Seite. Deren theologisches Verständnis zielte darauf, „im Streit der Religionsparteien bzw. zwischen den Extremen mit dem Ziel der Einheit oder concordia [zu] vermitteln“,87 wobei sowohl Methoden wie auch die jeweilige Kompromissbereitschaft von Person zu Person erheblich voneinander abwichen. Zu den wichtigsten Vermittlungstheologen auf ‚altgläubiger‘ Seite zählten im 16. Jahrhundert insbesondere Georg Witzel (1501–1573) und Georg Cassander (1513–1566), aber auch (zumindest zeitweise) Johannes Gropper (1503–1559). Der Theologe und Priester Witzel88 galt in den 1520er Jahren zunächst als Anhänger Luthers, bevor er sich um 1530 wieder von diesem abwandte und im Dienste der katholischen Linie der Mansfelder Grafen in Eisleben als Pfarrer wirkte. Neben seiner seelsorgerischen Tätigkeit und Beschäftigung mit Fragen der Lehre verfasste er in den 1530er Jahren theologische Schriften und fertigte anonym in Auszügen eine deutsche Übersetzung von Erasmus’ Liber de sarcienda ecclesiae concordiae an.89 Ende der 1530er Jahre diente er dem katholischen Herzog von Sachsen, Georg dem Bärtigen, als Berater, musste nach dessen Tod 1539 nach Fulda ausweichen, wo er an der Konzeption einer Kirchenordnung mitwirkte. Während seiner Aufenthalte in Leipzig, Fulda bzw. ab 1554 in Mainz nahm Witzel an mehreren Religionsge87 88
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Zitat Smolinsky, Vermittlungstheologie I. Zu diesem vgl. Ute Mennecke-Haustein, Art. „Witzel, Georg (1501–1573)“, in: TRE 36 (2004), S. 257–260; Irmgard Höss, Art. „Georg Witzel“, in: Peter G. Bietenholz und Thomas B. Deutscher (Hg.), Contemporaries of Erasmus. A Biographical Register of the Renaissance and Reformation, Bd. 3, Toronto u. a. 1987, S. 458 f.; Barbara Henze, Aus Liebe zur Kirche Reform. Die Bemühungen Georg Witzels (1501–1573) um die Kircheneinheit, Münster 1995; dies., Erasmianisch. Hier jeweils auch weitere Literatur zur Person. Georg Witzel, Von der einigkeyt der Kirchen / Durch Erasmum von Roterodam / ytzt new ausgangen, Erfurt 1534. Neben dieser Ausgabe veröffentlichte auch der Straßburger Reformator Wolfgang Capito eine weitere Übersetzung: Wolfgang Capito, Von der kirchen lieblichen vereinigung / vnd von hinterlegung dieser zeit haltender spaltung in der glauben leer / geschriben durch den hochgelerten und weitberiempten herren Des. Eras. von Roterdam […], Straßburg 1533. Vgl. hierzu Holeczek, Erasmus Deutsch, Bd. 1, S. 262–269.
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sprächen und Reichstagen teil und verfasste Gutachten mit dem Ziel des religiösen Vergleichs. Der gebürtige Flame Cassander90 kam nach seinem Studium in Löwen sowie Lehrtätigkeiten in Brügge und Gent 1544 ins Rheinland, wo er sich zunächst an der Kölner, dann der Heidelberger Universität immatrikulierte und seit 1549 dauerhaft in Köln blieb. Seine humanistisch-liberal geprägten theologischen Ansichten hatten ihn bereits in der Heimat in Konflikt mit Theologen gebracht, und auch in Köln wurde er mit Misstrauen beobachtet. Dagegen verfügte Cassander über gute Kontakte mit gleichgesinnten Gelehrten, die einflussreiche Positionen bei niederrheinischen Landesherren bekleideten, etwa mit den beiden Grafen Wilhelm (1497–1553)91 und Hermann von Neuenahr (1518/20–1578)92 in Köln oder mit Heinrich Bars genannt Olisleger (um 1500–1575),93 dem langjährigen Kanzler für Kleve-Mark. Mittels dieser Beziehungen nahm er nicht unwesentlich Einfluss auf die kirchenpolitischen Entwicklungen im Reich und insbesondere am Niederrhein, wo er sich unter anderem bei Schulgründungen verdient machte oder an der Gestaltung von Kirchenordnungen und theologischen Gutachten mitwirkte. Neben diesen beiden suchten auch andere Gelehrte aus dem ‚altgläubigen‘ Lager zeitweise eine Verständigung in der Religionsfrage im Sinne einer ‚Via Media‘. Zu ihnen gehörte der kölnische Jurist, kurfürstliche Rat und spätere Kardinal Johannes Gropper,94 der in Kurköln sowie im Rahmen der Religionsgespräche Anfang der 1540er Jahre zusammen mit dem Straßburger Reformator Martin Bucer Kompromisse in zahlreichen strittigen theologischen Fragen ausarbeitete. Um 1542/43 gab er diese Haltung jedoch auf, nahm nunmehr deutlich katholische Positionen ein und wird daher von der bis heute konfessionell geprägten Forschung als Retter der Kölner Katholizität vor der Reformation (oder Reform) seines Dienstherrn Hermann von Wied hochstilisiert. Gropper stand in den 1540er Jahren bis 1555 in Kontakt95 mit dem aus Meißner Landadel stammenden Julius von Pflug (1499–1564),96 der als 90
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Max Birck, Georg Cassander’s Ideen über die Wiedervereinigung der christlichen Confessionen in Deutschland, Köln 1876; Wilhelm Rotscheidt, Georg Cassander. Ein rheinischer Ireniker des 16. Jahrhunderts, in: Monatshefte für Rheinische Kirchengeschichte 12 (1918), S. 105–122; Paula Bröder, Georg Cassanders Vermittlungsversuche zwischen Protestanten und Katholiken, Marburg 1931 (hier auch ausführlich das theologische Programm Cassanders); Joseph Lecler, Geschichte der Religionsfreiheit im Zeitalter der Reformation, Bd. 1, Stuttgart 1965, S. 381–388; Kloosterhuis, Erasmusjünger, S. 560 f.; Henze, Erasmianisch. Hier jeweils auch weitere Literatur zur Person. Kloosterhuis, Erasmusjünger, S. 638–640. Heiner Faulenbach, Hermann von Neuenahr (1520–1578), in: Poll, Lebensbilder, Bd. 8, Köln 1980, S. 105–123; Kloosterhuis, Erasmusjünger, S. 635 f. Ebd., S. 545–547. Zu diesem vgl. die in Teil I in Anm. 120 zitierten Studien. Jacques V. Pollet, Johann Gropper und Julius Pflug nach ihrer Korrespondenz, in: Paul-Werner Scheele (Hg.), Paderbornensis Ecclesia. Beiträge zur Geschichte des Erzbistums Paderborn, München u. a. 1972, S. 223–244. Zu diesem vgl. Michael Erbe und Peter G. Bietenholz, Art. „Julius Pflug“, in: Bietenholz/ Deutscher, Contemporaries, Bd. 3, S. 77 f.; Elmar Neuss (Hg.), Pflugiana. Studien über Julius Pflug (1499–1564), Münster 1990; Jacques V. Pollet, Julius Pflug
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sächsischer Rat und späterer Bischof von Naumburg-Zeitz (ab 1541/47) angesichts einer zunehmend lutherisch werdenen Umgebung nach religiösen Kompromissen suchte, um einerseits die Ausbreitung des Protestantismus in Mitteldeutschland einzudämmen und um andererseits zumindest die freie Religionsausübung der ‚altgläubig‘ Gebliebenen zu ermöglichen. Zu den einflussreichsten Räten am Hof des Herzogs von Jülich-Kleve-Berg, die über Jahrzehnte die Politik Johanns III. und Wilhelms V. bestimmten, zählten die beiden Gelehrten Konrad Heresbach (1496–1576)97 und Johann von Vlatten (1498– 1562).98 Beide standen mit Erasmus persönlich in Kontakt, dessen Ansichten sie sich für die Gestaltung der Kirchenpolitik von den 1520er bis in die 1560er Jahre zu Nutze machten. Heresbachs Einfluss auf Wilhelm V. nahm mit seiner Tätigkeit als Erzieher des damaligen Erbprinzen ihren Anfang. Nachdem jener volljährig wurde, erhielt Heresbach eine Stellung als herzoglicher Rat. Als solcher war er vorwiegend diplomatisch tätig, etwa bei den Verhandlungen für die Ehe von Wilhelms Schwester Anna mit Heinrich VIII. von England. Zugleich arbeitete er aber auch bei Fragen der Reform des Rechts- und des Kirchenwesens maßgeblich mit, etwa bei der Erstellung der Kirchenordnung von 1532 oder der Gerichtsordnung von 1556.99 Der aus dem Ministerialadel stammende Vlatten hatte einen ähnlichen Bildungshintergrund wie Heresbach, mit dem er seit seiner Jugend eng befreundet war. 1530 wurde er Vizekanzler für Jülich und Berg (Kanzler ab 1554) und als solcher damit beauftragt, in Abstimmung mit dem Kanzler Johann Gogreve (1499–1554)100 die Verhandlungen in Religionsfragen zu führen. Darüber hinaus widmete er sich zusammen mit Heresbach der Reform des Bildungswesens, die schließlich zur Einrichtung eines Gymnasiums in Düsseldorf führen sollte, für dessen Konzipierung die Straßburger Schule von Johann Sturm Pate stand.101
(1499–1564) et la crise religieuse dans l’Allemagne du XVIe siècle. Essai de synthèse biographique et théologique, Leiden u. a. 1990. Hier auch weitere Literatur zur Person. Zu seinen Reformideen vgl. Heribert Smolinsky, Reformationsgeschichte als Geschichte der Kirche. Katholische Kontroverstheologie und Kirchenreform, in: Historisches Jahrbuch 103 (1983), S. 372–394, hier S. 384–388. 97 Corinne Beutler und Franz Irsigler, Konrad Heresbach (1496–1576), in: Poll, Lebensbilder, Bd. 8, S. 81–104; Anton J. Gail, Art. „Konrad Heresbach“, in: Bietenholz/ Deutscher, Contemporaries, Bd. 2, S. 183 f.; Jutta Prieur (Hg.), Humanismus als Reform am Niederrhein. Konrad Heresbach 1496–1576 (Ausstellungskatalog), Bielefeld 1996; Franz Irsigler, Konrad Heresbach. Leben und Werk eines großen rheinischen Humanisten (1496–1576), in: Pohl, Niederrhein, S. 93–110; Kloosterhuis, Erasmusjünger, S. 600–602. 98 Gail, Vlatten und der Einfluß; ders., Johann von Vlatten (vor 1500–1562), in: Poll, Lebensbilder, Bd. 2, S. 53–73; ders., Art. „Johann von Vlatten“, in: Bietenholz/Deutscher, Contemporaries, Bd. 3, S. 414–416; Kloosterhuis, Erasmusjünger, S. 676–679. 99 Vgl. hierzu Teil II, Kap. 2 a) und Teil IV, Kap. 2. 100 Kloosterhuis, Erasmusjünger, S. 580 f. 101 Vgl. hierzu Teil III.
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In gewisser Hinsicht können auf evangelischer Seite auch Philipp Melanchthon (1497–1560) und Martin Bucer (1491–1551) zum weiten Kreis einer ‚Via Media‘ gezählt werden. Melanchthon,102 der als enger Mitstreiter Luthers in Wittenberg auch mit Heresbach befreundet war, agierte bei Religionsverhandlungen im Rahmen der Reichstage bzw. Religionsgespräche nicht immer nur als Sprachrohr des Reformators, sondern war zeitweise zu Kompromissen bereit, wobei er das beiderseitige Ziel, die Kirche im lutherischen Sinn zu reformieren, nicht aus dem Auge verlor. Damit unterschied er sich nicht von Bucer,103 der methodisch allerdings, insbesondere seit den späten 1530er Jahren, anders vorging, da dieser meinte, dass auch eine Reformation der kleinen Schritte, mittels Kompromissen gegenüber dem Gegner, schlussendlich zum Erfolg führen müsse.104 Während Bucer noch 1540/41 eng mit Gropper bei den Religionsgesprächen zusammenarbeitete, wurde er 1543, nachdem er von Hermann von Wied (später zusammen mit Melanchthon) nach Bonn zur Ausarbeitung einer Schul- und Kirchenordnung berufen wurde, zu dessen Gegner. Sein inhaltlich reformatorisch geprägtes, in der Formulierung jedoch mäßigendes Werk beeinflusste in seinen späten Lebensjahren, die er in England verbrachte, die Ausarbeitung des Book of Common Prayer und damit den Charakter der Anglikanischen Kirche.
Programm und Ziele Ein einheitliches Programm hatten die Vertreter einer ‚Via Media‘ nicht, wenngleich Erasmus’ Spätwerk, der Liber de sarcienda ecclesiae concordiae, als Richtschnur und Inspirationsquelle diente. Das Ziel war allerdings bei allen ähnlich, nämlich Einheit und Eintracht der einen Kirche.105 Von beiden Seiten kritisiert, versuchten sie, zwischen den sich zunehmend gegenseitig abgrenzenden Konfessionsparteien zu vermitteln und Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten. Um Kompromisse zu finden, stützte sich die humanistische ‚Via Media‘ ebenso wie Erasmus auf die Bibel sowie die Lehre und Praxis der frühchristlichen Kirche, die als Vorbild galt. Wie der am Oberrhein residierende Humanist forderten sie eine umfassende Kirchenreform, durch die eine Zusammenführung der katholischen wie 102
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Zu Melanchthon seien nur die beiden neuesten Publikationen genannt, die aktuell anlässlich seines 450. Todesjahres erschienen: Martin Greschat, Philipp Melanchthon, Theologe, Pädagoge und Humanist, Gütersloh 2010, und Martin H. Jung, Philipp Melanchthon und seine Zeit, Göttingen 2010. Hinsichtlich der Bucer-Forschung sei insbesondere auf Holger Pils u. a., Martin Bucer (1491–1551). Bibliographie, Gütersloh 2005, verwiesen. Eine überarbeitete Studie liegt mit Martin Greschat, Martin Bucer. Ein Reformator und seine Zeit (1491– 1551), 2. erw. Aufl. Münster 2009, vor. Augustijn, Religionsgespräche, S. 47 f. Die Bedeutung von Erasmusanhängern bei dem Versuch, die katholische Kirche und Lutheraner einander anzunähern, hat zuerst Robert Stupperich hervorgehoben, vgl. Robert Stupperich, Der Humanismus und die Wiedervereinigung der Konfessionen, Leipzig 1936.
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protestantischen Strömungen möglich sei. Kompromisse seien dabei weniger in Fragen der Dogmatik als in denen der Disziplin möglich. Einige Beispiele sollen im Folgenden genannt werden. Im Kern war die Lehre von der Rechtfertigung durch den Glauben über die Grenzen hinweg unstrittig, doch die Akzente wurden unterschiedlich gesetzt. Während nach evangelischer Auffassung Gerechtigkeit nur durch den Glauben (‚sola fide‘) – bei Anrechnung der durch Christus am Kreuz erworbenen Verdienste (‚iustitia imputata‘) – erlangt werden könne und dem Menschen kein Eigenverdienst zugesprochen werden dürfe, bestand die katholische Kirche auf der Anerkennung der aus dem Glauben folgenden effektiven Gerechtigkeit (‚iustitia inhaerens‘) in Form von Werken, damit sich der Mensch nicht allein auf das Vertrauen in Gott beschränke.106 Die Anhänger des Erasmus nahmen eine mittlere Stellung zwischen diesen beiden Lehren ein, ganz dessen Vorstellungen folgend, der eine Heilswirkung durch Gott in Christus mit einer Reaktion der Menschen in Form von Glaube und Liebe (Werke) zu verbinden suchte.107 Die von ihnen aus den Gedanken des Humanisten entwickelte und im Zuge der Wormser und Regensburger Gespräche definierte ‚doppelte Rechtfertigungslehre‘ (‚duplex iustitia‘) sollte daher, so Cornelis Augustijn, „zugleich dem gegenseitigen Interesse beider Religionsgruppen und ihrer Ablehnung der von der anderen Seite her drohenden Gefahren völlig Rechnung“ tragen.108 Einigungen waren auch in Hinblick auf den Laienkelch und die Priesterehe möglich, da hierbei keine dogmatischen Probleme betroffen waren und da die Kurie vor dem Trienter Konzil mehrfach selbst ein Entgegenkommen signalisiert hatte. Das Nachgeben in diesen beiden Punkten war nicht zuletzt auch ein politischer Akt, hoffte man doch von katholischer Seite, der Attraktivität der Reformation entgegenwirken zu können. So drängten zum Beispiel im bis dahin katholisch regierten Herzogtum Sachsen die humanistischen Räte ihren Landesherrn Georg den Bärtigen 1539 – wenn auch vergeblich –, dass dieser angesichts der sich abzeichnenden Nachfolge des lutherischen Bruders zur Aufrechterhaltung der Katholizität im Lande Laienkelch und Priesterehe freigeben möge.109 Auch die im kaiserlichen Interim von 1548 zugestandenen Konzessionen in diesen beiden Punkten an die besiegten protestantischen Reichsstände zeigen den Einfluss, der auf die Politik Karls V. nicht zuletzt seitens der sich für ein mäßigendes Vorgehen einsetzenden Stände und Räte ausgeübt wurde.110 Noch bis in die 1560er Jahre hinein ließen Ferdinand I. und Ma106
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Vgl. z. B. die Ausführungen des Wiener Bischofs und Rates König Ferdinands, Johannes Fabri, über die protestantischen Rechtfertigungsauffassungen in einem in Hagenau verfassten Gutachten, gedruckt bei Vinzenz Pfnür, Die Einigung bei den Religionsgesprächen von Worms und Regensburg 1540/41 – eine Täuschung?, in: Müller, Religionsgespräche, S. 55–89, hier S. 82–88 (insb. S. 86–88). Vgl. oben S. 59–61. Zitat Augustijn, Religionsgespräche, S. 50 f. Vgl. Wartenberg, Leipziger Religionsgespräche, S. 40 f. Luise Schorn-Schütte (Hg.), Das Interim 1548/50. Herrschaftskrise und Glaubenskonflikt, Gütersloh 2005.
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ximilian II. etwa durch Witzel und Cassander Reformkonzepte ausarbeiten, die den protestantischen Ständen gerade in diesen Bereichen entgegenkommen sollten. Erst mit der zunehmenden Einlassung von Reichsoberhaupt und Reichsständen auf die Ergebnisse des Konzils von Trient wurde solchen Vermittlungsbemühungen weitgehend ein Riegel vorgeschoben.
Mittel und Wege Zu den wichtigsten Methoden einer ‚Via Media‘ zur Durchsetzung ihrer Ziele zählte das Religionsgespräch.111 Im Gegensatz zu den in der Regel sehr polemisch geführten interkonfessionellen Disputationen sollte hier der Austausch in offener und unvoreingenommener Atmosphäre stattfinden. Gespräche zwischen den religiösen Parteiungen gab es bereits zu Lebzeiten des Erasmus. Der Augsburger Reichstag von 1530, an dem der Humanist nur aus der Ferne über einen regen Briefwechsel teilnahm,112 zählt dabei zu den frühen Religionsverhandlungen, welcher auf Initiative des Kaisers zu einem Vergleich der strittigen Lehrmeinungen führen sollte. Allerdings brachten die Verhandlungen – zunächst zwischen den Reichsständen,113 dann in paritätisch besetzten Expertenausschüssen114 und schließlich auf inoffizieller Ebe111
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113 114
Zum Begriff: Herbert Immenkötter, Reichstag und Konzil. Zur Deutung der Religionsgespräche des Augsburger Reichstags 1530, in: Müller, Religionsgespräche, S. 7–19, hier S. 8 f. Die Literatur hierzu ist mittlerweile sehr umfangreich. Hier sollen nur einige Monographien und Sammelbände genannt werden: Wilhelm H. Neuser, Die Vorbereitung der Religionsgespräche von Worms und Regensburg 1540/41, Neukirchen-Vluyn 1974 (Quellenedition); Müller, Religionsgespräche (Sammelband zu deutschen und europäischen Religionsgesprächen); Hans-Martin Barth u. a. (Hg.), Das Regensburger Religionsgespräch im Jahr 1541. Rückblick und aktuelle ökumenische Perspektiven, Regensburg 1992; Thomas Fuchs, Konfession und Gespräch. Typologie und Funktion der Religionsgespräche in der Reformationszeit, Köln u. a. 1995; Athina Lexutt, Rechtfertigung im Gespräch. Das Rechtfertigungsverständnis in den Religionsgesprächen von Hagenau, Worms und Regensburg 1540/41, Göttingen 1996; Georg Kuhaupt, Veröffentlichte Kirchenpolitik. Kirche im publizistischen Streit zur Zeit der Religionsgespräche (1538–1541), Göttingen 1998; Otto Scheib, Die innerchristlichen Religionsgespräche im Abendland. Regionale Verbreitung, institutionelle Gestalt, theologische Themen, kirchenpolitische Funktion. Mit besonderer Berücksichtigung des konfessionellen Zeitalters (1517–1689), 3 Bde., Wiesbaden 2009 (Zusammenstellung älterer eigener Forschungen, hier bes. Bd. 1). Vgl. Allen, Opus, Nr. 2308–2413. Vgl. auch Bernhard Lohse, Erasmus und die Verhandlungen auf dem Reichstag zu Augsburg 1530, in: Herbert Immenkötter und Gunther Went (Hg.), Im Schatten der Confessio Augustana. Die Religionsverhandlungen des Augsburger Reichstages 1530 im historischen Kontext, Münster 1997, S. 70–83. Winfried Becker, Die Verhandlungen der Reichsstände über die CA als Ringen um Einheit und Kirchenreform, in: Iserloh, Confessio Augustana, S. 127–154. Gerhard Müller, Die Anhänger der Confessio Augustana und die Ausschussverhandlungen, in: ebd., S. 243–257; Eugène Honée, Die katholischen Berichte über die Ausschussverhandlungen, in: ebd., S. 258–272.
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ne115 – trotz Bemühungen auf beiden Seiten116 kein Ergebnis zustande. Nach diesem Scheitern wurden die Gespräche zunächst regional fortgesetzt: Am Hof Georgs des Bärtigen117 versammelten sich in den 1530er Jahren eine Reihe von Erasmus beeinflusster Reformtheologen und Juristen,118 durch deren Initiative – nicht zuletzt in Hinblick auf die politische Situation im Herzogtum Sachsen – Religionsgespräche stattfanden,119 die zwar zu keiner Verständigung führten, jedoch eine Basis für spätere Verhandlungen schufen.120 Diese folgenden Gespräche fanden, nachdem vorhergehende Konzilsbemühungen des Kaisers im Sande verlaufen waren121 und im ‚Frankfurter Anstand‘ (1539)122 der konfessionelle Status quo zunächst verlängert worden war, hintereinander in Hagenau, Worms und Regensburg in den Jahren 1540/41 statt, wobei in Hagenau und auch noch in Worms eher organisatorische (Stimmberechtigung, Gesprächsgrundlagen)123 statt inhaltliche Fragen im Vordergrund standen. Es ist hier nicht der Ort, um den Verlauf der Verhandlungen in allen Zügen nachzuzeichnen oder die Frage zu diskutieren, inwieweit diese durch das Wirken der Erasmianer bestimmt waren.124 Die Gespräche standen von Anfang an unter keinem 115 116
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Immenkötter, Reichstag, S. 10–15; Gerhard Müller, Zwischen Konflikt und Verständigung. Bemerkungen zu den Sonderverhandlungen während des Augsburger Reichstages 1530, in: ders., Religionsgespräche, S. 21–33. So z. B. durch Melanchthon auf der lutherischen und Hieronymus Vehus (Kanzler des Markgrafen von Baden) bzw. Georg Truchsess von Waldburg-Zeil (Statthalter des Kaisers in Württemberg) auf der katholischen Seite. Vgl. Immenkötter, Reichstag, S. 11–19; Müller, Konflikt, S. 22–24 und 30–32. Zur frühen Kirchenpolitik des Albertiners vgl. jetzt Volkmar, Reform. Neben dem bereits erwähnten Julius von Pflug gehörten hierzu der herzogliche Rat Georg von Karlowitz (um 1480–1550), der Jurist und Kanzler Simon Pistoris (1489– 1562), die beiden Leipziger Juristen Ludwig Fachs (1497–1554) und Georg von Breitenbach (gest. vor 1541), der Jurist und Rat (zeitweise auch für die ernestinische Linie) Melchior von Ossa (1506/7–1557) sowie für kurze Zeit ab 1538 Georg Witzel. 1534 und 1539 in Leipzig. Vgl. Wartenberg, Leipziger Religionsgespräche, zur politischen Situation S. 36 f. Erstere zwischen kurmainzischen und kursächsischen Vertretern scheiterten an der Frage, wie mit der Messe umzugehen sei (ebd., S. 35 f.). Bei den Gesprächen 1539 konnte hinsichtlich der Frage nach dem zeitlichen Umfang der altkirchlichen Tradition, die als Richtschnur für einen Konsens in Glaubensfragen dienen sollte, keine Einigung erzielt werden (ebd., S. 39 f.). Und zwar durch die Leipziger Artikel, auf die sich Bucer und Witzel 1539 als Kompromissentwurf einigen konnten, die jedoch von kursächsischer Seite, insbesondere durch Luther, mehrheitlich abgelehnt wurden. Vgl. ebd., S. 40; Augustijn, Religionsgespräche, S. 44 f. Neuser, Vorbereitung, S. 9. Druck in ebd., S. 75–85. Augustijn, Religionsgespräche, S. 45 f. Der Einfluss von Erasmusanhängern wird insbesondere von Stupperich (Humanismus, S. 9 f.) und Augustijn (Religionsgespräche, S. 49 f.) betont, während etwa Pfnür (Einigung, S. 76 f.), diesen teilweise relativiert, denn er betont, dass die Leistung der Vermittlungstheologie nicht „in der Bereitstellung einer spezifischen Terminologie“ bestanden hätte, sondern nur in der Bereitschaft, Grenzen zu überschreiten und über Streitfragen ohne Polemik zu diskutieren.
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guten Stern: Neben der entscheidenden Frage, was als Basis für die Verhandlungen dienen sollte, erschwerte die innere Zerrissenheit gerade der katholischen Seite die Debatten. Nichtsdestotrotz gelang in kleineren Zirkeln zunächst eine Annährung in einigen Streitfragen. Die erzielten Ergebnisse wurden im Wormser Buch zusammengefasst und sollten für die Fortsetzung der Religionsgespräche auf dem Regensburger Reichstag als Verhandlungsgrundlage herangezogen werden.125 Spätestens in der Donaustadt zeigte sich jedoch, dass Kompromisse im Sinne und in Nachfolge des Erasmus zwar durch verhandlungsbereite Theologen und Juristen (wie etwa Bucer, Contarini und Gropper) erzielt werden konnten, diese jedoch gegenüber einer durch persönliche Animositäten und Vorurteile geprägten Mehrheit, die den ungenau gehaltenen Formulierungen misstraute und eine Übervorteilung durch den konfessionellen Gegner fürchtete, kaum durchzusetzen waren.126 Die ‚Erasmianer‘ scheiterten daher zunächst damit, „das Kirchenwesen so zu reorganisieren, daß es Bekennern beider Religionsparteien möglich werden sollte, sich in der einen Kirche zu Hause zu fühlen“ bzw. „eine Kirche zu bilden, die das Hierarchische und das Seelsorgerliche vereinte, die zugleich Heil vermittelte und Gemeinschaft von Heiligen war, die Festigkeit und Gewißheit gewährte und die christliche Freiheit verbürgte“.127 Fünf Jahre später war Regensburg Schauplatz eines zweiten Kolloquiums zwischen den Religionsparteien.128 Im Unterschied zu früheren Verhandlungen waren auf katholischer Seite, die nur auf kaiserlichen Druck zu einer Beteiligung bereit war, ausschließlich solche Theologen anwesend, die Kompromisse ablehnten129 und auf eine Klärung der strittigen Fragen durch das ein Jahr zuvor begonnene Konzil beharrten. Ohne die Einbeziehung gemäßigter katholischer Theologen war das Scheitern daher von vornherein absehbar. Die reichsrechtliche Anerkennung der Konfessionsverwandten der Confessio Augustana durch den Augsburger Religionsfrieden 125 126
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129
Augustijn, Religionsgespräche, S. 46 f.; Pfnür, Einigung, S. 70 f. So scheiterten die Gespräche z. B. hinsichtlich der Rechtfertigung, auf dessen Artikel im Sinne einer ‚duplex iustitia‘ wie bei Erasmus man sich zunächst einigen konnte (zu den vorangegangenen Verhandlungen hierüber Lexutt, Rechtfertigung). Ferner scheiterte eine Übereinkunft in ekklesiologischen und sakramentalen Fragen aufgrund unvereinbarer Auffassungen zur Transsubstantiation und zum Kirchenverständnis. Vgl. Augustijn, Religionsgespräche, S. 51 f.; Pfnür, Einigung, S. 67–75. Auch Kompromisse betreffs praktischer Aspekte (Heiligen- und Reliquienverehrung, Bilder, Messe und Messkanon, Privatmesse, Kelchkommunion, Sprache der Liturgie, Priesterehe, Mönchswesen) waren nur von kurzer Dauer. Kritik wurde bereits während des Regensburger Reichstages laut (Augustijn, Religionsgespräche, S. 52), vermehrt jedoch im Anschluss (ebd., S. 52 f.; Pfnür, Einigung, S. 71–74), etwa bei Johannes Eck, Luther und auch Melanchthon. Zitate Augustijn, Religionsgespräche, S. 52 f. Vgl. Lothar Vogel, Das zweite Regensburger Religionsgespräch von 1546. Politik und Theologie zwischen Konsensdruck und Selbstbehauptung, Gütersloh 2009; Irene Dingel, Art. „Religionsgespräche IV: Altgläubig-protestantisch und innerprotestantisch“, in: TRE 28 (1997), S. 654–681, hier S. 660 f. Nämlich Eck, Johannes Cochläus, der Kölner Eberhard Billick sowie Johannes Hoffmeister. Gropper und Pflug hatten dem Kaiser zuvor abgesagt. Auf protestantischer Seite diskutierten Bucer, Erhard Schnepf, Brenz sowie anstelle Melanchthons Major.
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von 1555 machte die Hoffnungen auf die Bewahrung der innerchristlichen Einheit endgültig zunichte: Das letzte auf Reichsebene geführte Gespräch in Worms 1557 diente daher auch nicht mehr als Forum für Vermittlungstheologen, sondern für gegenseitige Angriffe der auch intern uneinigen Konfessionsparteien.130 Eine Vielzahl von Schriften und Briefen entstanden im Zusammenhang der Religionsgespräche bzw. ergänzten diese. So wandte sich etwa im Zuge der Vorbereitungen für das zweite Leipziger Religionsgespräch der sächsische Rat Georgs des Bärtigen, Georg von Karlowitz, 1537 mit einer Denkschrift zur Reform der Kirche und ihre Einheit an den hessischen Landgrafen:131 Für Karlowitz lagen die Probleme nicht in den Grundlehren, sondern bei Kultus und Kirchenordnung, wo eine Verständigung durch gegenseitiges Entgegenkommen möglich sei. So könne etwa das Abendmahl sowohl ‚sub una specie‘ als auch ‚sub utraque‘ gereicht, die Priesterehe geduldet, das Fastengebot flexibel gehandhabt und bereits säkularisierter Kirchenbesitz für den Ausbau des Schulwesens herangezogen werden.132 Aus der Feder Georg Witzels stammen zahlreiche Schriften,133 etwa ein 1538 für den sächsischen Herzog ausarbeiteter, ungedruckter Reformentwurf, der vorwiegend als Leitfaden für das Halten von Predigten gedacht war.134 Zu vielen strittigen Punkten, etwa zur Buße,135 zur Rechtfertigung und zum Wert guter Werke136 oder zum Mess-137 und Kirchenverständnis138 sowie notwendigen Reformen139 nahm er seit den 1530er Jahren Stellung. Darüber hinaus verfasste Witzel, der für die Bereitstellung volkssprachiger Werke für Laien eintrat, neben lateinischen auch einige 130 131 132 133 134
135 136 137 138 139
Dingel, Religionsgespräche IV, S. 661 f. Christian Gotthold Neudecker (Hg.), Urkunden aus der Reformationszeit, Kassel 1836, S. 300–310. Wartenberg, Leipziger Religionsgespräche, S. 37–39. Vgl. Gregor Richter (Bearb.), Die Schriften Georg Witzels bibliographisch bearbeitet. Nebst einigen bisher ungedruckten Reformationsgutachten und Briefen Witzels, Fulda 1913 (ND Niewkoop 1963). Vgl. Werner Kathrein, Ein Reformgutachten Georg Witzels (1501–1573) für Herzog Georg den Bärtigen von Sachsen aus dem Jahr 1538 und seine Beziehung zu dem Gutachten Witzels für den Fuldaer Abt Philipp Schenk zu Schweinsberg von 1542, in: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 44 (1992), S. 343–379; Smolinsky, Reformationsgeschichte, S. 388–393 (die Schrift wird dort in Anm. 60 zitiert). Witzel empfahl darin Predigern, auf dogmatisch umstrittene Fragen nicht einzugehen, um Konflikten aus dem Wege zu gehen. Georg Witzel, Von der Pusse / Beichte vnd Bann, o. O. 1534. Ders., Vom Beten / Fasten / unnd Almosen / Schrifftlich zeugknusz, Eisleben 1535; ders., Die Summa des, so itzt überall disputirt wird, von der Gerechtfertigung in S. Paulo, oder vom Glauben und Werken der Christen, Leipzig 1537. Ders., Von der h. Eucharisty oder Meß, nach Anweisung der Schrift und der ältesten schriftverständigen h. Lehrer, Leipzig 1534. Ders., Apologia: das ist eine Vertheidigungsrede G. Wicelii wider seine Afterreder, die Lutteristen, mit samt kurzer Abkonterfeiung luterischer Sekten und Preis alter römischer Kirchen […], Leipzig 1533. Ders., Adhortationuncula […] ad concilium, Leipzig 1534; ders., Methodus concordiae ecclesiasticae post omnium sententias a minimo fratre monstrata, non praescripta, Leipzig 1537.
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deutsche Schriften für den Unterricht oder die Predigt.140 1542 erarbeitete er für den Abt von Fulda ein Gutachten,141 das für die folgende Fuldaer Kirchenordnung maßgeblich wurde, aber auch über das Stiftsgebiet hinaus rezipiert wurde.142 In diesem kritisierte Witzel einige in der kirchlichen Praxis verbreiteten Missstände und unterbreitete entsprechende Reformvorschläge.143 Ähnlich wie Georg Cassander, der in seinem Gutachten zum Kompromiss in den Fragen des Laienkelchs, der Priesterehe oder des Ablasses aufrief,144 verfasste Witzel 1564 für den Kaiser ein weiteres Gutachten (Via Regia),145 das dem Vergleich der Konfessionen dienen sollte. Bereits der Titel „Königsweg“ ist eng an Erasmus angelehnt und zeigt die Intention des Verfassers, einen Mittelweg zwischen den zerstrittenen Konfessionen aufzuzeigen. Zwar blieben beide Schriften von Witzel und Cassander zu ihren Lebzeiten weitgehend unbeachtet, allerdings wurden diese zusammen mit anderen für eine kirchliche Einheit plädierenden Werken im 17. Jahrhundert insbesondere in protestantischen Kreisen wiederentdeckt und in der Folge mehrfach ediert und auch übersetzt.146
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142 143
144 145 146
Ders., Catechismus ecclesiae: Lehre und Handlung des h. Christenthums, aus der Wahrheit göttliches Worts, kurz und lieblich beschrieben, Leipzig und Freiburg/Br. 1536 (sowie weitere Ausgaben: ders., Catechismus, Mainz 1541; ders., Catechismus ecclesiae deutsch, Mainz 1542; ders., Der Große Katechismus, Mainz 1545); ders., Ein Betbüchlein beyde dem alter und der jugent nutzbar. Item ein Spruchbüchlein, den waren Christen gar heylsam, Leipzig 1536; ders., Homiliaticum opus: Postillen, oder Predigtbuch, uber die Episteln und Evangelien, vom Advent an, bis auff Ostern, beide den Christlichen Pfarherrn und Laeyen, in deudtschem Lande getrewlich bereit, Leipzig 1537. Barbara Henze, Erwartungen eines Theologen an die Obrigkeit. Der „Fuldaer“ Georg Witzel (†1573) in seinen Widmungsvorreden, in: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 49 (1997), S. 79–97; Kathrein, Reformgutachten; Schulte, Neutralität, S. 84–86. So z. B. in Jülich-Kleve-Berg bei der Erstellung der ‚1. Notel‘ 1545, vgl. unten Kap. 2. Witzel plädierte u. a. für die Wiederherstellung darniederliegender Klosterbibliotheken und gab Anweisungen für die Predigt oder zur Ausführung von Heiligenfesten. Hinsichtlich der Kelchkommunion gab er zu bedenken, dass von einem kirchlichen Verbot keine Rede sein könne, und dass derjenige, der nach dem Kelch verlange, wie der Priester vor den Altar treten und diesen nehmen könne. Georg Cassander, Consultatio de articulis inter Catholicos et Protestantes controversis, Köln 1577 (verfasst 1564/65). Georg Witzel, Via Regia, verf. 1564 (Erstdruck: Johannes Wolff, Lectionum memorabilium et reconditarum centenarii XVI […], 2 Bde., Lauingen 1600, hier Bd. 2, S. 354 ff.). Witzels Schrift wurde 1650 durch Hermann Conring herausgegeben: Georg Witzel, Via Regia sive De controversis religionis capitibus conciliandis sententia […], Helmstedt 1650. Cassanders Consultatio wurde in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts mehrfach in Straßburg verlegt, so z. B. 1608, 1612 und 1642 jeweils bei Lazarus Zetzner (1585–1616) bzw. seinen Erben. 1631 und 1698 erschienen lateinisch-deutsche Drucke in Nürnberg, 1664 ein Auszug in deutscher Sprache in Rostock.
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2. Praxis: Versuche einer ‚Via Media‘ im Nordwesten des Reiches Die durch Erasmus und seine Anhänger insbesondere in der ersten Hälfte des Reformationsjahrhunderts erarbeiteten Konzepte für eine innerkirchliche Reform fielen vorwiegend im Nordwesten des Reiches auf fruchtbaren Boden. Unterschiedlich lange und mit wechselnder Intensität wurden die Ideen durch humanistisch gebildete Landesherren und Räte hinsichtlich der Gestaltung einer eigenen Kirchenpolitik rezipiert. Neben Jülich-Kleve-Berg versuchten besonders die geistlichen Fürsten von Kurköln und Münster, Hermann von Wied, Franz von Waldeck und Wilhelm von Ketteler, für eine gewisse Zeit zwischen den sich verhärtenden konfessionellen Fronten zu lavieren und kirchliche Missstände unabhängig von Rom oder Wittenberg mittels Reformen zu beseitigen. Wie genau diese landesherrliche Kirchenpolitik insbesondere in Kurköln und Jülich-Kleve-Berg aussah, soll im Hinblick auf die im Folgenden zu untersuchende gelehrte und obrigkeitlich-städtische Reaktion auf die religiösen Herausforderungen näher erläutert werden.
a) Aspekte und Entwicklungen landesherrlicher Kirchenpolitik Die in den Vereinigten Herzogtümern im 16. Jahrhundert verfolgte eigenständige Religionspolitik unter Umgehung der geistlichen Jurisdiktion beruhte auf einer spätmittelalterlichen Tradition in den Territorien des 1511 im Mannesstamm ausgestorbenen jülichschen Fürstenhauses147 sowie im Herzogtum KleveMark.148 1525 erlies Johann III. – seit 1521 Regent der Herzogtümer Jülich, Berg und Kleve sowie der Grafschaften Mark und Ravensberg in Personalunion – in Reaktion auf die stetige Verbreitung der lutherischen Lehre in seinen Territorien ein erstes umfangreiches Religionsmandat,149 das fünf Jahre später durch eine weitere Verordnung ergänzt wurde.150 1532 folgte eine zunächst noch sehr knapp gehaltene,151 ein Jahr später durch eine umfangreiche Erklärung („Declaratio“)152 ergänzte Kirchen147
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149 150 151 152
Vgl. Redlich, Staat, S. 4 f.; Justus Hashagen, Anfänge des landesherrlichen Kirchenregiments am Niederrhein, in: Monatshefte für Rheinische Kirchengeschichte 2 (1908), S. 3–15; ders., Erasmus, S. 189–191. Zur Kirchenpolitik in der dazugehörenden Grafschaft Ravensberg vgl. Friedrich Korte, Kirchenpolitik oder Kirchenreform? Zur Frage des Einflusses des bergischen Herzogshauses im Osten Westfalens zu Beginn des 15. Jhds., in: Jahresbericht des Historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg 68 (1972), S. 66–87. Hans Jürgen Brandt, Klevisch-märkische Kirchenpolitik im Bündnis mit Burgund in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Magister Dietrich Stock (†1470), Rat der Herzöge von Kleve-Mark, Burgund-Brabant und Geldern, in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein insbesondere das alte Erzbistum Köln 178 (1976), S. 42–76. Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 1, S. 232–236 (Nr. 227). Ebd., S. 242 f. (Nr. 235). Ebd., S. 246–252 (Nr. 240). Ebd., S. 259–279 (Nr. 249).
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II. Theorie und Praxis religiöser Reformkonzepte
ordnung für die Herzogtümer, während gleichzeitig die Planungen für umfangreiche Visitationen durch herzogliche Beamte unter Umgehung der kölnischen Zuständigkeiten begannen, die jedoch nicht in allen Territorien auch konsequent durchgeführt wurden. Sie sollten einerseits der Bestandsaufnahme kirchlicher Verhältnisse in den Gemeinden dienen, andererseits aber auch die Befolgung der neuen Kirchenordnung durch den örtlichen Pfarr- und Ordensklerus prüfen.153 Ging die Initiative zur innerkirchlichen Reform im Nordwesten des Reiches zunächst nur vonseiten des klevischen Hofes aus, so wurde seit der Mitte der 1530er Jahre von Johann III. und dem kölnischen Erzbischof Hermann von Wied auf ein gemeinsames Vorgehen hingearbeitet.154 Bevor jedoch die Verhandlungen zwischen den beiden Fürsten beendet waren, berief der Erzbischof im März 1536 eine eigene Synode innerhalb seiner Kirchenprovinz ein. Die auf der Bischofskonferenz verabschiedeten Reformbeschlüsse,155 die zwei Jahre später zusammen mit dem durch den kurkölnischen Rat Johannes Gropper verfassten Enchiridion156 publiziert wurden, sollten für die nächsten Jahre die Gestaltung der kurkölnischen Religionspolitik im Erzstift und die Haltung des Erzbischofs in den Religionsverhandlungen im Reich bestimmen. In den 1540er Jahren, nachdem Hermann von Wied für die Ausarbeitung einer neuen Schul- und Kirchenordnung auf die Unterstützung der Reformatoren Martin Bucer157 und Philipp Melanchthon zurückgegriffen hatte, verhärteten sich allerdings die internen Fronten zwischen dem Erzbischof, der bald als lutherischer Sympathisant galt, und dem Domkapitel um Gropper, das beanspruchte, die Katholizität des Stiftes erhalten zu wollen.158 153 154
155 156 157 158
Die diesbezüglichen Dokumente sind für Jülich und Berg ebd., Bd. 2.1 und 2.2, ediert und ausgewertet. Für Jülich vgl. auch Pohl, Religiöse Lebensformen. Die Visitationsprotokolle für Ravensberg finden sich bei Schmidt, Protokoll. Hierfür Georg Pfeilschifter (Hg.), Acta Reformationis Catholicae ecclesiam Germaniae concernentia saeculi XVI. Die Reformverhandlungen des deutschen Episkopats von 1520 bis 1570, 6 Bde., Regensburg 1959–1974, hier Bd. 2 (1532 bis 1542), S. 118–192 (Nr. 42–71). Ebd., S. 192–318 (Nr. 72 und 73). Johannes Gropper, Enchiridion Institutio compendiaria doctrinae christianae in concilio provinciali pollicita, Köln 1538. Vgl. hierzu auch Lipgens, Kardinal Johannes Gropper. Mechthild Köhn, Martin Bucers Entwurf einer Reformation des Erzstiftes Köln. Untersuchung der Entstehungsgeschichte und der Theologie des „Einfaltigen Bedenckens“ von 1543, Witten 1966. In der älteren Forschung wurde Hermann von Wied ein aktiver Wille zur Einführung der Reformation unterstellt. Von Außen betrachtet, konnte sein Verhalten seit den 1540er Jahren durchaus in diese Richtung interpretiert werden, was sowohl durch seine Gegner wie auch seine Unterstützer geschah. Dagegen hat Badea, Präeminenz, S. 222, hervorgehoben, dass sich auch die Reformen der frühen 1540er Jahre durchaus noch im Rahmen der früheren Kirchenpolitik bewegten und das Hauptziel dieser Politik die „Erlangung von Befriedung und Stabilität auf dem Weg der Reform und des Kompromisses“ blieb, analog etwa zur Kirchenpolitik in Jülich-Kleve-Berg. Den Vorstellungen des Kirchenfürsten zufolge sollte sein Vorgehen auch anderen Territorien vorbildhaft als „Kompromisslösung zwischen Rom und Wittenberg“ dienen. Erst mit dem zunehmenden Widerstand gegen seine Reform durch interne Gegner und den Kaiser sei
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2. Praxis: Versuche einer ‚Via Media‘ im Nordwesten des Reiches
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In Jülich-Kleve-Berg setzte Wilhelm V. nach dem Tod seines Vaters 1539 die bisherige Kirchenpolitik größtenteils und unter zunehmendem Einfluss der Ergebnisse der kaiserlichen Religionsgespräche fort.159 Zwar war der Herzog zu Konzessionen gegenüber der weitgehend lutherischen Stadt Wesel bereit und kommunizierte seit den frühen 1540er Jahren selbst unter beider Gestalt, doch Spekulationen über eine Annährung an die Protestanten160 bewahrheiteten sich nicht, zumal Wilhelm V. 1543 nach seiner Niederlage gegen den Kaiser im Erbfolgekrieg in Geldern zustimmen musste, in der Religionsfrage keine Änderungen vorzunehmen.161 Diese Klausel bedeutete jedoch keineswegs ein Ende der Reformen im Rahmen der bisherigen Kirchenpolitik, für deren Konzeption vermehrt Theologen hinzugezogen wurden. Die Kontinuität der herzoglichen Politik zeigte sich bereits 1545 in der Ausarbeitung eines neuen Reformentwurfs mit dem Titel Einfaltige anleitung und bedencken Christlicher und Politischer lehr (‚1. Notel‘),162 dessen Publikation allerdings in Erwartung einer baldigen Entscheidung auf Reichsebene zurückgestellt wurde. Im Gegensatz zu Jülich-Kleve-Berg gerieten die geistlichen Fürsten von Kurköln-Paderborn und Münster-Osnabrück-Minden, Hermann von Wied und Franz von Waldeck, in Konflikt zum Kaiser und zu katholischen Ständen innerhalb ihrer Bistümer, nachdem sie sich – zumindest in den Augen ihrer Gegner – mit ihrer Kirchenpolitik zu sehr lutherischen Positionen angenähert hatten. Der kölnische Erzbischof musste zugunsten seines Koadjutors Adolf von Schaumburg, der als Garant der katholischen Kirche galt,163 resignieren und Franz von Waldeck auf kaiserlichen Druck seine Reformen zurücknehmen. Zwischen dem Herzog und dem neuen Erzbischof verschärften sich in der Folge die Konflikte insbesondere im Bereich der geistlichen Jurisdiktion.164 Während Wilhelm V. das prinzipiell nur für evangelische Reichsstände verbindliche Interim von 1548 für seine Territorien übernehmen wollte,165 da es seiner bisherigen Kirchenpolitik entgegenkam und die darin enthaltenen Konzessionen für ihn keine lutherischen Spezifika darstellten, setzte Adolf von Schaumburg auf dem Provinzialkonzil im Frühjahr 1549 die „Formula
159 160 161 162 163 164 165
Hermann von Wied stärker ins protestantische Lager gerückt, da er sich vonseiten des Schmalkaldischen Bundes Unterstützung erhoffte. Vgl. hierzu etwa Schulte, Neutralität, S. 72–75 und 234. Solche kommen etwa im Gutachten Melanchthons (um 1538/39) zum Ausdruck: Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 1, S. 306–308 (Nr. 275). Schulte, Neutralität, S. 81–83. LAV NRW R, Jülich-Berg II, Nr. 200, fol. 1–47, zitiert nach Schulte, Neutralität, S. 83–88. Zu seiner Kirchenpolitik vgl. Hans Foerster, Reformbestrebungen Adolfs III. von Schaumburg (1547–56) in der Kölner Kirchenprovinz, Münster 1925. Schulte, Neutralität, S. 100–110. Das Entgegenkommen des Kaisers in der Frage des Laienkelchs und der Priesterehe im Interim stieß nicht nur bei Wilhelm V. auf Interesse, sondern wurde auf lokaler Ebene auch von lutherisch gesinnten Geistlichen in anderen katholischen Gebieten beansprucht. Die Frage, wie hiermit umzugehen sei, beschäftigte die vorbereitenden Diözesanversammlungen und schließlich das Provinzialkonzil. Vgl. Franzen, Kelchbewegung, S. 32 f.
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reformationis“166 durch, die auch für die Territorien des Herzogs gelten sollten. An seiner kompromisslosen Haltung hielt Adolf von Schaumburg auch nach der Stellungnahme Papst Pauls III., der sich Zugeständnissen im Sinne des Interims nicht völlig verschloss,167 konsequent fest. Zu diesem Zweck plante der Erzbischof 1550 eine Visitation zur Überprüfung des Glaubensverständnisses von Klerus und Bevölkerung168 in seiner Erzdiözese und damit auch in den Territorien Wilhelms V., der jedoch eine Zusammenarbeit verweigerte und stattdessen selbstständig visitieren ließ.169 Während mit Adolf von Schaumburg und seinen Nachfolgern in Kurköln eine Fortsetzung von Reformbemühungen im Sinne des Erasmus unterblieb,170 folgte mit Wilhelm von Ketteler auf dem münsterischen Bischofsstuhl nach dem Tod Franz von Waldecks 1553 eine der ‚Via Media‘ nahestehende Persönlichkeit nach, die bereits als Rat die herzogliche Politik mitbestimmt hatte.171 Als Kirchenfürst blieb Ketteler in seinen Ausgleichsbemühungen zwischen katholischen und protestantischen Positionen jedoch weitgehend erfolglos. Nachdem auch die Bestätigung seiner Wahl durch die Kurie aufgrund für Ketteler nicht annehmbarer Bedingungen ausblieb, resignierte er bereits 1557 und diente in den 1560er Jahren dem klevischen Herzog sowie seinen Nachfolgern in Münster weiterhin als Berater in Fragen der Kirchenpolitik.172 Im Anschluss an den Augsburger Religionsfrieden (1555) ließ Wilhelm V. den Reformentwurf von 1545 überarbeiten und versuchte in den folgenden Jahren, von der Kurie die offizielle Genehmigung zu erhalten, einerseits in seinen Territorien unter Beibehaltung sonstiger katholischer Zeremonien den Laienkelch reichen zu lassen,173 andererseits eine Landesuniversität in Duisburg gründen zu dürfen.174 Beide Vorstöße blieben allerdings – ähnlich wie Bemühungen seitens des bayerischen Herzogs Albrechts V.175 – erfolglos.
166 167 168 169 170 171 172 173 174 175
Gedruckt bei Josephus Hartzheim, Concilia Germaniae […], Bd. 6, Köln 1765, S. 532–563. Vgl. hierzu auch Franzen, Kelchbewegung, S. 33 f. Ebd., S. 35 f. Diese sollten laut der von Gropper ausgearbeiteten Visitationsordnung u. a. zur Realpräsenz und ihrem Verständnis, wie das Abendmahl einzunehmen sei, Stellung nehmen, um eine konfessionelle Differenzierung zu ermöglichen. Vgl. ebd., S. 34 f. Zumindest in Jülich und Berg, vgl. hierzu die Protokolle bei Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 2.1 und 2.2; ferner Pohl, Religiöse Lebensformen. Vgl. Franzen, Kelchbewegung, S. 36–38. Schulte, Neutralität, S. 93–99 und 111–114. Ebd., S. 153–156 und 177–205. Ebd., S. 158–163 und 174–176. Ebd., S. 89 f. und 173 f.; Clemens von Looz-Corswarem, Das Monheimsche Gymnasium in Düsseldorf und die geplante Universität zu Duisburg im 16. Jahrhundert, in: Pohl, Niederrhein, S. 167–186. Wilhelm Eberhard Schwarz, Der erste Antrag Albrechts V. von Baiern an den apostolischen Stuhl auf Bewilligung des Laienkelchs, Zulassung der Priesterehe und Milderung des Fastengebotes (1555), in: Historisches Jahrbuch 13 (1892), S. 144–157; Stefan Weinfurter, Herzog, Adel und Reformation. Bayern im Übergang vom Mit-
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1564176 wurden am herzoglichen Hof Beratungen für eine neue Kirchenordnung aufgenommen, an denen Ketteler sowie Cassander beteiligt waren und für die auch Gutachten Pflugs und Witzels eingeholt werden sollten.177 Somit waren die wichtigsten zeitgenössischen Vertreter eines Mittelweges direkt oder indirekt involviert. Da der der Entwurf jedoch eine zu große Nähe zur lutherischen Lehre zeigte und der Herzog zwischenzeitlich aus machtpolitischen Erwägungen einen deutlich katholischeren Kurs verfolgte,178 kam die Reform nicht zustande. Zwei Jahre später begann eine wesentlich aus Juristen bestehende Kommission von Neuem eine Reform der veralteten Kirchenordnung zu erarbeiten, die grundsätzlich der bisherigen vermittelnden Kirchenpolitik folgte. Eine Umsetzung der fertigen Ordnung179 blieb jedoch aus mehreren Gründen aus: Einerseits war die Konfessionalisierung innerhalb der Stände und eines Teils der herzoglichen Berater bereits weit vorangeschritten, andererseits verstärkte sich der spanische Einfluss in der Region. Die krankheitsbedingte Regierungsunfähigkeit des Herzogs sowie das Abtreten der Repräsentanten einer ‚Via Media‘ am Hof von der politischen Bühne machten den Weg frei für den Prozess der Konfessionalisierung in den Territorien,180 der sich allerdings nicht homogen gestaltete: Bis zum Aussterben des Herzogshauses (1609) sowie unter der folgenden reformiert-brandenburgischen bzw. katholisch-pfälzischen Herrschaft unterlag die konfessionelle Grenzziehung in den teilweise politisch wieder getrennten Territorien nicht zuletzt auch spezifischen lokalen Gegebenheiten.
b) Das theologische Programm in Jülich-Kleve-Berg und Kurköln Priester- und Predigtamt Während die klevischen Erlasse ausführlich auf die Amtsführung des Pfarrklerus eingingen, finden sich Bestimmungen hinsichtlich der Amtserlangung nur bedingt, wohingegen die kölnischen Synodaldekrete ausführlich diesen Aspekt behandelten.
176 177 178
179 180
telalter zur Neuzeit, in: Zeitschrift für Historische Forschung 10/1 (1983), S. 1–39, hier S. 1 f. und 31 f. In jenem Jahr hatte der kölnische Erzbischof Friedrich von Wied aus Rom die Genehmigung für die Kelchkommunion erhalten. Vgl. Schulte, Neutralität, S. 179. Vgl. ebd., S. 179–182. Für seinen jüngeren Sohn wollte der Herzog den münsterischen Bischofsstuhl erwerben. Um seine katholische Einstellung zu unterstreichen, erließ er ein Edikt gegen die Täufer und deren Unterstützer. Die Kelchkommunion stellte er jedoch nicht infrage. Vgl. ebd., S. 186–188. Druck bei Teschenmacher, Annales, S. 108–160. Daneben Schulte, Neutralität, S. 192–205. Ebd., S. 206–230; Stefan Ehrenpreis, Die Katholische Reform in Jülich-Kleve-Berg, in: Manfred Groten u. a. (Hg.), Der Jülich-Klevische Erbstreit 1609. Seine Voraussetzungen und Folgen, Düsseldorf 2011, S. 289–303; Antje Flüchter, „Ich bin gut bergs catholisch, aber nicht wie die kölnische“. Auswirkungen der Konfessionalisierung auf die Gemeinden in Jülich-Berg (und Kleve-Mark), in: ebd., S. 305–335.
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Da scheinbar zu viele Kleriker mühelos die Weihe erhalten hatten, wurde 1536 eine genaue Überprüfung künftiger Geistlicher in Kurköln hinsichtlich ihres Alters, ihrer Sittlichkeit und ihrer Bildung angeordnet.181 Insbesondere auswärtig geweihte Kleriker sollten in der kölnischen Kirchenprovinz nur nach einer nochmaligen Examination ihrer Befähigung ein Amt erhalten.182 Gegen Simonie und Pfründenhäufung sollte eingeschritten und Ämter nicht mehr vor Tod bzw. Resignation des Inhabers weiterversprochen werden.183 Grundsätzlich sollte vermehrt auf die Qualität der Kleriker und nicht mehr auf deren Quantität Wert gelegt werden.184 Um ihrem Vorbildcharakter hinsichtlich der Frömmigkeit, Sittlichkeit und Bildung gegenüber den Laien gerecht zu werden, forderten die kölnischen und klevischen Erlasse von den Klerikern eine angemessene Lebensführung, die Residenz vor Ort und damit verbunden den Verzicht auf eine Vertretung durch gering besoldete Vikare.185 Lehre und Lebenswandel sollten einander und den Vorgaben der Heiligen Schrift entsprechen.186 Laster wie Hochmut, Luxus, Habsucht, Geiz oder Unzucht seien daher nicht zu dulden.187 Hinsichtlich der in beiden Territorien mangelhaften Einhaltung des Zölibats gingen die kölnische und klevische Kirchenpolitik unterschiedliche Wege: Gropper verurteilte in seinem Enchiridion das eheähnliche Zusammenleben von Klerikern und Frauen ausdrücklich als unwürdig und hielt daran bis zu seinem Lebensende fest.188 Im Gegensatz hierzu reagierte die klevische Religionspolitik auf das vielerorts übliche Konkubinat,189 indem zunächst die Priesterehe nach dem Interim toleriert190 und diese 1567 unter Berufung auf frühchristliche Traditionen und den Hebräerbrief legitimiert wurde, da es „besser und ehrlicher [sei], in den H. Ehestand sich zu begeben, dan heimlich in Unzucht oder offentlichen Lastern zu leben“.191
181 182 183 184 185 186 187 188
189 190 191
Pfeilschifter, Acta, Bd. 2, S. 203 und 205 (Nr. 72, Tl. I, Kap. 3 und 8). Ebd., S. 212 (Nr. 72, Tl. I, Kap. 31). Ebd., S. 203 f. und 212 (Nr. 72, Tl. I, Kap. 4, 5 und 32). Ebd., S. 214 (Nr. 72, Tl. I, Kap. 35). Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 1, S. 233 (Nr. 227) und 263–265 (Nr. 249); Teschenmacher, Annales, S. 146 (Cap. 18); Pfeilschifter, Acta, Bd. 2, S. 244 (Nr. 72, Tl. V, Kap. 3). Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 1, S. 265 (Nr. 249); Pfeilschifter, Acta, Bd. 2, S. 243 f. (Nr. 72, Tl. V, Kap. 1 und 2). Pfeilschifter, Acta, Bd. 2, S. 221 f. u. 244–246 (Nr. 72, Tl. II, Kap. 20–22, u. Tl. V, Kap. 4–8). Johannes Meier, Der priesterliche Dienst nach Johannes Gropper (1503–1559). Der Beitrag eines deutschen Theologen zur Erneuerung des Priesterbildes im Rahmen eines vortridentinischen Reformkonzeptes für die kirchliche Praxis, Münster 1977, hier bes. S. 327–332. Die Nichteinhaltung des Zölibats zeigte sich in zahlreichen Gemeinden bei den Visitationen 1533, 1550 und 1559/60, vgl. Schulte, Neutralität, S. 45–48, 103–105 und 170–172. Ebd., S. 100 f. Teschenmacher, Annales, S. 146 f. (Cap. 18).
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Sowohl für die klevische wie für die kölnische Kirchenpolitik stellte die Predigt (teilweise unter Berufung auf Paulus)192 die wichtigste Aufgabe des Pfarrers dar. Demzufolge wurde eine Reglementierung der Predigtbefugnis nach 1530193 beschlossen, um sowohl reformatorische ‚Winkelprediger‘ als auch öffentlich predigende Mönche von der Kanzel fernzuhalten.194 Bettelmönchen sollte zwar, in Ermangelung ausreichend gebildeter Pfarrer, die Möglichkeit zur öffentlichen Predigt eingeräumt werden, allerdings nicht ohne Einschränkungen, um die Position der ordentlichen Seelsorger nicht zu unterminieren.195 Von ihnen sollte „dat wort Gotz klairlich aen alle ufroere, ergerniss ader eigennutz“, wie es beispielsweise im herzoglichen Erlass von 1525 hieß,196 verkündet und Streitgespräche unterlassen werden.197 Hauptziel beider Fürsten war es, den Frieden in den Gemeinden zu wahren, wie es in der klevischen Kirchenordnung besonders deutlich formuliert wurde: Die Pfarrer sollten „zu warer erkantnus unsers heilantz Jesu Christi, zu merung christlicher liebe, haldung der geboder Gottes, zu gehorsam, frid und einigkeit, zu besserung unsers levens on ufrur und eigennutz klar verstentlich und rein predigen“ und „van allem schelden der alden ader neuer lere (wie man die dan genennen mag) sich gentzlich enthalden“.198 Gleichfalls hatten die Prediger auch rhetorische Angriffe gegen die weltliche wie kirchliche Obrigkeit zu unterlassen.199 Insbesondere in der klevischen „Declaratio“ und in den kölnischen Synodaldekreten regelten umfangreiche Vorschriften, wie die Bibel ausgelegt und die Predigt gehalten werden sollte. Der Pfarrer hatte diese sorgfältig vorzubereiten und dabei die Bibel nicht nach eigenem Gutdünken, sondern unter Hinzuziehung der Kirchenväter und der kirchlichen Tradition auszulegen.200 Gegen Missbräuche sollte
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Pfeilschifter, Acta, Bd. 2, S. 246 (Nr. 72, Tl. VI, Kap. 1). Augsburger Liste von 1530, vgl. Pfeilschifter, Acta, Bd. 1 (1520 bis 1532), S. 497– 514, hier S. 498 f. (Nr. 164, Art. 1). Die Predigtbefugnis für rechtmäßig berufene Pfarrer wird für Jülich-Kleve-Berg in der Kirchenordnung von 1532 (Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 1, S. 247 [Nr. 240]) sowie in der folgenden „Declaratio“ (ebd., S. 261–264 [Nr. 249]) und im Entwurf zur neuen Kirchenordnung von 1567 (Teschenmacher, Annales, S. 111–113 [Cap. 1]) näher erläutert. Solche Regelungen finden sich in Jülich-Kleve-Berg seit dem Erlass von 1525 (Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 1, S. 233 [Nr. 227]), in Kurköln in den Synodaldekreten von 1536 (Pfeilschifter, Acta, Bd. 2, S. 238–244 [Nr. 72, Tl. IV, Kap. 6–18]). Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 1, S. 233 (Nr. 227). Ebd., S. 235 f. (Nr. 227), 242 (Nr. 235) und 251 (Nr. 240). Zitat ebd., S. 247 (Nr. 240; Hervorhebung C.H.). Fast wortgleich findet sich die Bestimmung auch in der „Declaratio“ von 1533 (ebd., S. 264 f. [Nr. 249]). In die gleiche Richtung gehen die Bestimmungen der Kölner Synodaldekrete, denen zufolge die Predigt mehr der Erbauung als der Bekämpfung der ‚Ketzer‘ dienen sollte, so dass Verwünschungen und Schmähungen zu unterlassen seien (Pfeilschifter, Acta, Bd. 2, S. 250 f. [Nr. 72, Tl. VI, Kap. 12–14]). Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 1, S. 266 (Nr. 249); Pfeilschifter, Acta, Bd. 2, S. 252 (Nr. 72, Tl. VI, Kap. 16–18). Pfeilschifter, Acta, Bd. 2, S. 246 f. (Nr. 72, Tl. VI, Nr. 2).
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nicht gepredigt werden, um das Volk nicht aufzuwiegeln.201 Ebenso sollte auf Fabeln oder profanes Geschwätz verzichtet, Heiligen- und Wundergeschichten nur mit Vorsicht verwendet werden.202 In Kurköln wurden weniger gebildete Prediger angehalten, die Epistel und das Evangelium des jeweiligen Tages vorzulesen, kurz zu erklären und die wichtigsten Lehren hieraus dem Volk zur Stärkung der Frömmigkeit zu vermitteln;203 zudem sollte das schließlich 1538 veröffentlichte Handbüchlein Groppers den Geistlichen zur Orientierung dienen.204 Weitere Vorschriften beschäftigten sich mit der Art und Weise der Dienstverrichtung von Pfarrern. Seit dem Erlass von 1525 wurden die Seelsorger in den herzoglichen Ländern angehalten, die Sakramente unentgeltlich zu reichen und auch Begräbnisse kostenfrei durchzuführen,205 was in der Praxis jedoch nicht immer der Fall war,206 da einige Pfarrer aufgrund einer schlechten finanziellen Ausstattung ihrer Pfründen auf zusätzliche Einnahmen angewiesen waren. Die Kölner Synodaldekrete trugen diesem Missstand Rechnung, indem sie zwar einerseits die kostenlose Sakramentsspendung anmahnten, sich aber auch gleichzeitig für ein sicheres Auskommen der Pfarrer aussprachen.207
Sakramentenlehre Hoch brisant im Religionskonflikt sowohl zwischen den Parteien als auch innerhalb derselben war die Frage, welche kirchlichen Zeremonien als von Gott eingesetzt gelten durften, denen damit der Status eines Sakraments zukommen sollte. Die Siebenerzahl der Sakramente war nicht nur von lutherischer Seite, welche nur Taufe und Abendmahl uneingeschränkt als Sakramente anerkannte, oder anderen Reformatoren bestritten worden, auch auf katholischer Seite kam man hierzu bis zum Tridentinum zu keiner einheitlichen Meinung, zumal gerade in der Praxis manche Sakramente (insbesondere die Krankensalbung bzw. letzte Ölung) in der Bevölkerung auf Ablehnung stießen.208 201 202 203 204 205 206 207 208
So bereits Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 1, S. 242 (Nr. 235) sowie S. 247 und 251 (Nr. 240); ähnlich auch ebd., S. 261, 263 und 265 f. (Nr. 249). Pfeilschifter, Acta, Bd. 2, S. 250 und 254 (Nr. 72, Tl. VI, Kap. 10, 11 und 23); Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 1, S. 266 (Nr. 249); Teschenmacher, Annales, S. 114 f. (Cap. 2). Pfeilschifter, Acta, Bd. 2, S. 253 f. (Nr. 72, Tl. VI, Kap. 22). Ebd., S. 253 (Nr. 72, Tl. VI, Kap. 20 und 21). Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 1, S. 233 (Nr. 227), 242 (Nr. 235) und 263 (Nr. 249). Dies zeigte sich u. a. in der Ravensberger Visitation von 1533 in den Kirchspielen Werther und Bünde, vgl. Schmidt, Protokroll, S. 142 und 161. Pfeilschifter, Acta, Bd. 2, S. 272–274 (Nr. 72, Tl. 8). Die Nichtbeachtung dieses Sakraments verzeichneten Visitatoren bis zum Ende des 16. Jahrhunderts, teilweise auch noch im 17. Jahrhundert. In zahlreichen Gemeinden, die sich selbst als katholisch bezeichneten, waren diese Sakramente unabhängig von reformatorischen Einflüssen abgeschafft bzw. nicht wieder eingeführt worden. Entscheidend für die Ablehnung von Krankensalbung und letzter Ölung in Teilen der Be-
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In der klevischen Kirchenpolitik wurde auf die Sakramentenlehre erstmals in der Kirchenordnung von 1532 und der folgenden „Declaratio“ eingegangen.209 Eine allgemeine Definition über das Wesen eines Sakraments unterblieb ebenso wie eine Klärung der Zahl, lediglich vier Sakramente (Taufe, Abendmahl, Beichte und Ehe) wurden behandelt. Im Unterschied zu Jülich-Kleve-Berg gingen die Kölner Synodaldekrete von 1536 traditionell von sieben Sakramenten aus, die als „remedia, durch die Gott die Sünden der Menschen heilen will und die Medizin seiner heilbringenden Gnade eingießt“,210 definiert wurden. Von den Religionsgesprächen und dem Regensburger Buch beeinflusst, wurden in der ‚Notel‘ von 1545 sowie im Entwurf zur Kirchenordnung von 1567 ebenfalls alle sieben Sakramente behandelt, allerdings mit sehr unterschiedlicher Gewichtung.211 Den Sakramenten Taufe und Abendmahl kam in den Ordnungen Jülich-KleveBergs in den 1530er Jahren eine zentrale Bedeutung zu. Die Funktion der Taufe als reinigende Wiedergeburt und Aufnahmeakt in die christliche Gemeinschaft wird hier ebenso hervorgehoben212 wie auch in den kölnischen Synodaldekreten.213 Hinsichtlich des Abendmahls unterblieb in der klevischen Kirchenordnung von 1532
209 210
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212
213
völkerung war ihre Deutung als Zeichen des baldigen Ablebens und damit Ausdruck von Todesängsten. Zu regionalen Beispielen vgl. Franzen, Herausbildung, S. 195 (Niederrhein), oder Markus Schubert, „Damit aber die so große Vernachlässigung des Katechismus beseitigt wird“. Norm und Praxis der Visitation des emsländischen Pfarrklerus 1613–1631, in: Werner Freitag und Christian Helbich (Hg.), Bekenntnis, soziale Ordnung und rituelle Praxis. Neue Forschungen zu Reformation und Konfessionalisierung in Westfalen, Münster 2009, S. 189–207, hier S. 200–204 (Niederstift Münster). Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 1, S. 249 f. (Nr. 240) und 269–273 (Nr. 249). Zitat Köhn, Entwurf, S. 28, nach Pfeilschifter, Acta, Bd. 2, S. 255 (Nr. 72, Tl. VII, Kap. 1): „[…] remedia, per quae deo visum est peccatis nostris mederi ac nobis gratiae suae salutaris medicinam infundere […]“. Detailliert werden die einzelnen Sakramente im 7. Teil in den Kap. 3–7 (Taufe), 8–12 (Firmung), 13–29 (Eucharistie), 30–39 (Beichte), 40–47 (Ehe), 48 (Weihe) und 49–52 (letzte Ölung) behandelt. Vgl. das einführende Kap. „Von den Sacramenten insgemein“ bei Teschenmacher, Annales, S. 125 f. (Cap. 7). Das Regensburger Buch definiert Sakramente als kraft göttlicher Autorität eingesetzte Zeichen der Kirche zur Versinnbildlichung der unsichtbaren Gnade Gottes gegenüber den Menschen („signum visibile invisibilis gratiae Dei“). Vgl. Köhn, Entwurf, S. 37 f. Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 1, S. 249 (Nr. 240) und 269 (Nr. 249). Unter Wilhelm V. wurde die vorrangige Stellung der Taufe noch viel ausdrücklicher betont und vor allem auch theologisch begründet. Vgl. etwa die ‚1. Notel‘ von 1545 (LAV NRW R, JülichBerg II, Nr. 200, fol. 24v): „Inter sacramenta baptismus primum locum obtinet“, sowie den Entwurf von 1567: „Unter den Sacramenten des Neuen Testaments seind die vornembste die Tauf und daz Abendmahl des Herren.“ Definiert wurde die Taufe hier als „Wiedergebuhrt [des sündigen Menschen, C.H.], durch welches wir Christo unserm Herrn eingeleibet, in seinen Tod begraben und dem Teufel und seinen Pompereyen absagen und also ein neues Leben und wandel ahn uns nehmen“. Zitate bei Teschenmacher, Annales, S. 126 (Cap. 8). Pfeilschifter, Acta, Bd. 2, S. 255 f. (Nr. 72, Tl. VII, Kap. 3). In der Taufe werde alle Schuld vergeben, der alte sündige Mensch getilgt und ein neuer entstehe, der durch den Glauben an Christus von jeglichem Makel befreit sei. Eine umfangreichere Erklärung
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und der „Declaratio“ eine genaue dogmatische Klärung: So findet sich hier zwar eine Formulierung, mit der an der Realpräsenz Christi im Altarsakrament festgehalten wurde,214 kontroverse Lehrfragen (Transsubstantiation, Laienkelch) blieben jedoch zunächst außen vor. Diese Probleme hatten für den geistlichen Landesherrn in Kurköln eine ungleich höhere Bedeutung. Laut den Synodaldekreten von 1536 sollten die Kleriker ihrer Gemeinde Sinn und Wesen der Messe – nämlich als ein großes (repräsentatives) Opfer im Sinne der „lebendigste[n] Vergegenwärtigung des ein für allemal dargebrachten Opfers Christi“215 für Lebende und Tote – begreiflich machen und diese zum häufigen Empfang der Kommunion ermuntern.216 Neben der Verteidigung der Realpräsenz217 findet sich hier auch – unter Berufung auf das Konzil von Konstanz (1415) – die Ablehnung der Kommunion unter beider Gestalt, wobei die Pfarrer dazu angehalten wurden, im Falle der Einforderung des Laienkelchs durch Gemeindemitglieder zu erklären, dass der Gläubige Blut und Leib Christi auch dann empfangen würde, wenn er nur ‚sub una specie‘ kommuniziere.218 Seit den 1540er Jahren vollzog die klevische Kirchenpolitik hinsichtlich ihrer Auffassung vom Abendmahl eine Wendung. Zwar blieben in der ‚Notel‘ von 1545 Transsubstantiation und Opferbegriff219 weiterhin unberücksichtigt,220 allerdings sollte nunmehr die Kelchkommunion gestattet werden, womit auf eine bereits vielerorts übliche Praxis reagiert wurde. Als Begründung wurde angeführt, dass die ‚communio sub utraque‘ von Christus eingesetzt worden sei und auch der Tradition der Urkirche entsprechen würde.221 Die Annährung an lutherische Positionen, wie
214
215 216 217 218
219 220 221
unterblieb, stattdessen wurde auf das angekündigte Handbüchlein Groppers verwiesen. 1532 heißt es, dass „in dem hochwirdigsten sacrament des altars warhaftig lif und blut Christi si“, durch welches „uns genad und vergebung unser sunde“ zugesagt werde. Vgl. Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 1, S. 249 (Nr. 240), sowie ganz ähnlich auch 1533: ebd., S. 270 (Nr. 249). Lipgens, Kardinal Johannes Gropper, S. 61. Pfeilschifter, Acta, Bd. 2, S. 262 (Nr. 72, Tl. VII, Kap. 22 und 28). Ebd., S. 259 (Nr. 72, Tl. VII, Kap. 14). Ebd. (Kap. 15). An dieser Auffassung hielten Johannes Gropper und Hermanns Nachfolger Adolf von Schaumburg fest, obwohl sowohl der Papst wie auch katholische Theologen (z. B. Cassander) zeitweise bereit waren, aufgrund des weitverbreiteten Verlangens nach dem Laienkelch diesen freizugeben. Vgl. Franzen, Kelchbewegung, S. 36 f. Das Regensburger Buch hatte die Messe dagegen als ein vierfaches Opfer definiert, vgl. Köhn, Martin Bucers Entwurf, S. 38. Hinsichtlich der Realpräsenz blieb dagegen die alte Definition identisch: „Docendum esse in sacramento Eucharestiae verum corpus Christi et verum sanguinem“: LAV NRW R, Jülich-Berg II, Nr. 200, fol. 25r. „Cum a christo sit institutum et in primitiva Ecclesia observatum sit iuxta librum ab Imperatore oblatum“: LAV NRW R, Jülich-Berg II, Nr. 200, fol. 27v. Dass diese Regelung nicht in jedem Fall durchgesetzt werden sollte, zeigen spätere obrigkeitliche Überlegungen: Einer 1548 verfassten Denkschrift des Kanzlers Gogreve entsprechend sollten die Gläubigen gegenüber dem Pfarrer Gewissensgründe für ihr Begehren nach der Kelchkommunion anführen, vgl. Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 1, S. 330 f. (Nr. 292). Nachdem die Initiative des Herzogs gescheitert war, vom Papst den Lai-
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sie von Zeitgenossen empfunden wurde, setzte sich in den 1560er Jahren fort. So hieß es im Vorentwurf zur Kirchenordnung von 1564, dass die Messe künftig in deutscher Sprache gehalten werden solle. Die Kelchkommunion wurde präferiert, allerdings auch verfügt, dass die herkömmliche Form der Reichung ‚sub una specie‘ nicht verweigert werden dürfe.222 Doch schon 1567 rückte der klevische Hof hiervon wieder ein Stück weit ab, indem im Entwurf der geplanten neuen Kirchenordnung der Laienkelch nur aufgrund der besonderen Situation in den Vereinigten Herzogtümern und nur bis zu einer allgemein verbindlichen Regelung zugestanden wurde.223 Auch von einer deutschen Messe war keine Rede mehr, allerdings sollte zumindest die kurze Ermahnung vor der Sakramentenspendung in der Volkssprache vorgetragen werden.224 Neu war erstmals eine Auseinandersetzung mit dem Opferbegriff: Priester sollten von den Termini ‚Opfer‘ bzw. „sacrificium“ wegen möglicher Missverständnisse nur im Sinne eines Dankopfers oder als Gedenken des ‚Einen Opfers‘ Gebrauch machen, nicht aber von einem „neu Versöhnopfer“225 sprechen. Durch den engen theologischen Zusammenhang mit dem Abendmahl kam auch dem Sakrament der Beichte in der kölnischen und herzoglichen Kirchenpolitik eine entscheidende Rolle zu. Das Abendmahl durfte nur „mit rechtem bereuwe und bicht der sunden“ ausgeteilt werden.226 Der die Beichte abnehmende Priester wurde verpflichtet, nichts Unschickliches zu fragen, sondern in seinen Worten darauf zu zielen, dass der Beichtende seine Sünden erkenne, sein Leben bessere und danach das Heilige Sakrament „in warem glouffen“ empfange. Zudem sollte er seine Gemeinde zum Gehorsam gegen die Obrigkeit anhalten, um Aufruhr und Empörung vorzubeugen.227 Stand für die frühe herzogliche Kirchenpolitik bei Buße und Beichte der praktische Vollzug im Vordergrund, so suchten die Kölner Synodalstatuten eine dogmatische Klärung des Bußsakraments, unter welchem die kölnischen Räte die Trias aus Reue, Beichte und Absolution verstanden.228 Unter Wilhelm V. wurde in der Kirchenpolitik Jülich-Kleve-Bergs ebenfalls zunehmend theologisch argumen-
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enkelch für seine Untertanen zugestanden zu bekommen, ließ Wilhelm V. 1556 die ‚1. Notel‘ so umarbeiten, dass nur noch auf ausdrücklichem Verlangen ‚sub utraque‘ kommuniziert werden durfte. Wegen Widerstands der Stände unterblieb allerdings die Umsetzung der Vorgaben. Vgl. Schulte, Neutralität, S. 164 f. Ebd., S. 181 f.; vgl. auch Dolan, Influence, S. 98 f. Teschenmacher, Annales, S. 135 (Cap. 11). Ebd., S. 138 f. (Cap. 12). Ebd., S. 137 (Cap. 12). In der klevischen Kirchenordnung und der „Declaratio“ wurde die Beichte im gleichen Abschnitt wie die Messe behandelt: Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 1, S. 249 (Nr. 240) und (mit weiteren Vorgaben für die Beichtabnahme) S. 271 f. (Nr. 249). Zu Köln vgl. Pfeilschifter, Acta, Bd. 2, S. 261 (Nr. 72, Tl. VII, Kap. 19 und 20). Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 1, S. 249 (Nr. 240) und 271 f. (Nr. 249). Pfeilschifter, Acta, Bd. 2, S. 265 (Nr. 72, Tl. VII, Kap. 30). Damit das Volk das Gericht Gottes fürchte, sollte künftig verstärkt in der Predigt über Reue und Buße gesprochen werden. Ebd., S. 265 f. (Nr. 72, Tl. VII, Kap. 31). An den Beichtvater wurden besondere Anforderungen gestellt: Er sollte unbescholten, gelehrt und verschwiegen sein, nicht zweideutig fragen, die Kleinmütigen aufrichten, die Unbeugsamen zurechtweisen und die Gemeinde zur Aufrichtigkeit Gott gegenüber und zur Verabscheuung
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tiert, etwa hinsichtlich der Absolutionsgewalt durch die Kirche.229 In der Predigt – hier zeigen sich Parallelen zu den Kölner Statuten – müsse der Geistliche zu wahrer Buße aufrufen und den Sünder zur reuigen Verdammnis seiner schlechten Taten ermahnen.230 Die Beichte habe demnach drei Funktionen: erstens das Bekenntnis der Besserung vor Gott, zweitens die Versöhnung mit dem beleidigten Nächsten und drittens der Empfang von Rat und Trost durch den Priester, der sich durch Gelehrsamkeit, Aufrichtigkeit und Verschwiegenheit auszeichnen solle.231
Rechtfertigungslehre und gute Werke Hinsichtlich der interkonfessionell umstrittenen Fragen nach der Rechtfertigung und dem Wert guter Werke heißt es in der „Declaratio“ im Abschnitt zum Glauben, dass sich der von Natur aus schlechte Mensch aus eigener Kraft seiner Sünden nicht entledigen könne. Erlösung sei nur ‚sola fide‘ und ‚sola gratia‘ zu finden, durch das feste Vertrauen in die Barmherzigkeit Gottes, einen gerechten Lebenswandel und das Bekenntnis eigener Fehler sowie durch Liebe gegenüber Gott und seine Nächsten.232 Auf die Rechtfertigung und die Werke gingen in Kurköln weniger die Synodalstatuten als vielmehr Gropper in seinem Enchiridion 1538 ein.233 Gropper vertrat an Augustinus und Erasmus angelehnt den Standpunkt einer doppelten Gerechtigkeit (‚duplex-iustitia‘-Lehre) hinsichtlich der Rechtfertigung, die dem lutherischen Verständnis entgegenkam und später die Ausarbeitung der Regensburger Artikel von 1541 maßgeblich beeinflusste.234 Seiner Ansicht nach setze sich die Rechtfertigung aus den beiden Elementen der Gerechterklärung und der Gerechtmachung zusammen. Dies bedeute, dass der Mensch, selbst wenn er ein gottgefälliges Leben führe und gute Werke vollbringe, nichtsdestotrotz auf die Gnade Gottes angewiesen sei. In der Frage der Rechtfertigung wurden in der klevischen Kirchenpolitik in den 1540er Jahren neben Erasmus zunehmend Auffassungen der Vermittlungstheologie rezipiert. Rechtfertigung und gute Werke wurden erstmals in der ‚1. Notel‘ ne-
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der eigenen zuvor begangenen Sünden ermahnen. Vgl. ebd., S. 266–268 (Nr. 72, Tl. VII, Kap. 33–36 und 39). Teschenmacher, Annales, S. 130 f. (Cap. 10). Demnach habe der Priester als verlängerter Arm Christi zu handeln. Hinsichtlich der Art und Weise der Beichte hielt man an den älteren Vorgaben weitgehend fest, wies den Beichtvater jedoch an, sich dezidiert nach Glaubenszweifeln des Beichtenden zu erkundigen. Vgl. ebd., S. 132. Ebd., S. 131. Ebd. Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 1, S. 268 (Nr. 249). Dieser Standpunkt kam einerseits Luther nahe, wurde jedoch in ähnlicher Form auch von Erasmus (siehe oben S. 59–61) vertreten. Vgl. hierzu insb. Reinhard Braunisch, Die Theologie der Rechtfertigung im „Enchiridion“ (1538) des Johannes Gropper. Sein kritischer Dialog mit Philipp Melanchthon, Münster 1974. Vgl. Köhn, Martin Bucers Entwurf, S. 36 f.
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beneinander behandelt. Nur der – nicht weiter definierte – Glaube und das innere Vertrauen auf Gott können rechtfertigen. Allerdings werde der Glaube erst durch Mildtätigkeit wirksam, so dass gleichermaßen gute Werke nützlich und notwendig seien.235 Damit setzte sich die bereits von Erasmus gedanklich gefasste und 1540/41 in Worms und Regensburg entwickelte Lehre der doppelten Rechtfertigung auch in den Vereinigten Herzogtümern durch, woran sich in den 1560er Jahren kaum etwas änderte. 1564 wurde die Rechtfertigung ‚sola fide‘ dadurch begründet, dass alles auf den Verdiensten der Leiden Christi beruhen würde. Dennoch seien Werke notwendig, nämlich um die durch den Glauben erlangte Gerechtigkeit zu beweisen – durch Werke allein könne aber niemand gerechtfertigt werden.236 Im Entwurf zur Kirchenordnung von 1567237 heißt es, dass die Rechtfertigung aus zwei Teilen bestehe: einmal aus dem Bekenntnis der eigenen Sündhaftigkeit, zum anderen aus dem Glauben an Christus, durch den man selig und gerecht werde. Definiert wurde der Glaube als „ein herzlich Vertrauen auf Gottes Gnad und Barmherzigkeit“. Hinsichtlich der Wertigkeit von Werken238 wurde unterschieden zwischen dem Werk Christi und denen der Menschen, wobei letztere nicht durch sich selbst gerecht machen würden. Kein Glaube könne jedoch ohne Liebe und Gute Werke existieren: „Wo man keine Besserung des Lebens, keine Gottesfurcht, Buß und keine gute Werken spuret, da ist gewißlich auch kein lebendiger und seligmachender Glaub.“ Tugenden und gute Werke, das müssten die Geistlichen ganz im Sinne des Erasmus predigen, würden nicht aus der menschlichen Natur selbst entspringen, sondern würden allein als „Gottes Gaben durch Gnad des H. Geistes in uns“ wirken.
Laienfrömmigkeit Missstände in der kirchlichen Praxis traten insbesondere bei Visitationen zu Tage. Nicht selten offenbarte sich dabei ein Verständnis vom Christentum bei den Laien, das sich von der katholischen Theologie in manchen Aspekten unterschied, worauf die Obrigkeiten mittels Verordnungen zu reagieren versuchten. Schon sehr früh befasste sich die klevische Kirchenpolitik mit dem Prozessionswesen. In Anlehnung an Erasmus’ Kritik an Prozessionen und Wallfahrten empfahl der Erlass Johanns III. von 1525, die vorwiegend ländlichen Heiligentrachten und Hagelfeiern, die ehemals in Notzeiten eingeführt worden waren, nunmehr jedoch „zo groissem laster, spot ind oirsachen der sunden missbruicht werden“, durch den Besuch einer Messe in der Pfarrkirche und innigem Anrufen Gottes zu ersetzen. Zudem sollte niemand gezwungen werden, an Heiligentrachten oder der Hagelfeier 235 236 237 238
LAV NRW R, Jülich-Berg II, Nr. 200, fol. 11v ff. Schulte, Neutralität, S. 181. Teschenmacher, Annales, S. 118 f. (Cap. 4); hier auch die folgenden Zitate. An anderer Stelle, im Abschnitt zur Buße und Beichte (ebd., S. 132 f. [Cap. 10]), werden als Gute Werke das Weinen, Fasten, Bitten oder Almosengeben genannt, welche als Früchte und Zeichen der wahren Buße für die Vergebung der Sünden und Abwendung bzw. Linderung der Strafe notwendig und von Gott gefordert seien.
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teilzunehmen.239 In der „Declaratio“ wurde den Heiligentrachten Gotteslästerung und Unruhestiftung unterstellt, so dass der Pfarrer besser dazu ermahnen sollte, währenddessen die Predigt zu besuchen und „Got umb gnad und zidich weder zu bidden“.240 Ein ähnliches Anliegen findet sich auch in den kölnischen Synodaldekreten. Da Feldprozessionen („processiones per agros et campos“) durch die Bosheit der Menschen („hominum malitia“) verdorben seien, sei es angemessener, Bitten und Gebete zusammen mit einer passenden Ansprache des Pfarrers im Kirchenraum zu tätigen.241 Nachdem trotz der Vorgaben Johanns III. in der kirchlichen Praxis an Heiligentrachten und Flurprozessionen vielerorts unbeirrt festgehalten worden war, ging Wilhelm V. 1546 noch ein Schritt weiter als sein Vater. Weil nämlich bei solchen Umgängen „allerlei leichtfertigkeit unter vermengt und die einfältige mehr zu aergernus dan zur andacht bewegt werden“, wurden die Gemeinden angewiesen, „sich des bildertragens und umblauffens [zu] enthalten“ und stattdessen „ihre gemeine station und umgang um den kirchof mit dem hochwürdigen sacrament allein [zu] halten“, die mit einer Predigt des Pfarrers und der Anrufung Gottes für die „gemeine wolfart“ verbunden werden sollte.242 Entgegen dem Verbot hielten viele Gemeinden in der Praxis am Althergebrachten fest,243 so dass der Erlass mehrfach erneuert wurde, so 1554244 und auch noch 1567 im Entwurf zur Kirchenordnung, welcher die identische Begründung wie 1546 enthält, wobei nunmehr das herzogliche Verbot ausdrücklich auch auf Sakramentsprozessionen erweitert wurde.245 Ebenso wie Prozessionen wurde auch der Umgang der Laien mit der Bilder- und Heiligenverehrung in humanistisch gebildeten Kreisen kritisiert. In der Kirchenpolitik Jülich-Kleve-Bergs spiegelten sich diese Vorbehalte in der „Declaratio“ sowie im Entwurf zur Kirchenordnung von 1567 in ähnlicher Weise wider. Den Klerikern wurde dabei seitens des Hofes befohlen, die Laien darin zu unterweisen, dass Bilder nur Zeichen seien, die nicht angebetet werden dürften und denen keine Wundertätigkeit zugeschrieben werden dürfe, sondern die allein dazu dienten, Gott anzubeten und die Heiligen (nach Augustinus) ob ihres Glaubens und Wandels zu ehren.246
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Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 1, S. 235 (Nr. 227). Ebd., S. 275 (Nr. 249). Pfeilschifter, Acta, Bd. 2, S. 277 (Nr. 72, Tl. IX, Kap. 8). Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 1, S. 320 f. (Nr. 289). Vgl. hierzu die Protokolle zur Visitation von 1550 ebd., Bd. 2.1 und 2.2. Demnach fand die Bildertracht noch in 78 (von 305) Gemeinden in Jülich, aber nur noch in vier bergischen Orten (Bergheim/Sieg, Eckenhagen, Hückeswagen und Odenthal) statt. Vgl. hierzu auswertend ebd., Bd. 2.2, S. 31* und 36*. Johann Josef Scotti (Bearb.), Sammlung der Gesetze und Verordnungen, welche in dem Herzogthum Cleve und in der Graffschaft Mark über Gegenstände der Landeshoheit, Verfassung, Verwaltung und Rechtspflege ergangen sind. Vom Jahre 1418 bis zum Eintritt der königlich preußischen Regierungen im Jahre 1816, Bd. 1: Vom Jahr 1418 bis zum Jahr 1700, Düsseldorf 1826, S. 120 f. (Nr. 50). Teschenmacher, Annales, S. 155 (Cap. 21). Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 1, S. 275 (Nr. 249); Teschenmacher, Annales, S. 155 (Cap. 21).
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Bildungspolitik und Bildungswirklichkeit Nicht nur Erasmus sah in der Reform des Bildungswesens und der Intensivierung der Laienbildung zentrale Bausteine zur Erneuerung der Kirche. Für das Festhalten an abergläubischen Praktiken in weiten Kreisen der Bevölkerung wurden nicht zuletzt das mangelhafte Bildungsangebot gerade auf dem Land sowie eine unzureichende Glaubensvermittlung durch die örtlichen Geistlichen verantwortlich gemacht. Spätestens seit den 1520er Jahren wurden daher Versuche unternommen, diese Missstände zu beseitigen. Eines der Hauptprobleme, mit denen sich die klevische und kölnische Kirchenpolitik konfrontiert sahen, war, dass der Keim des Übels bereits in der Eignung der Geistlichen selbst lag. Insbesondere bei Visitationen offenbarte sich bei vielen Klerikern ein offenkundiger Mangel im Glaubensverständnis. Bereits der Erlass von 1525 bestimmte, dass künftig nur noch gelehrte und fromme Personen geistliche Lehen (Pfründen) erhalten sollten.247 Dieselbe Forderung wird in der „Declaratio“ ausgesprochen, hier ausgedehnt auf das schulische Lehrpersonal.248 Ganz ähnlich verlangten die kölnischen Synodaldekrete den Lehrern einen guten Lebenswandel und Treue zur Kirche, weniger jedoch Gelehrsamkeit ab, damit sie ihren Schülern als Vorbilder dienen und diese vor Sympathien gegenüber ‚Ketzern‘ bewahren könnten.249 Außerdem bekundete das Provinzialkonzil die Hoffnung, dass mittels gelehrter Personen und einer Reform des Schulwesens nach und nach eine Erneuerung der Kirche gelingen könne.250 Im Entwurf zur neuen klevischen Kirchenordnung von 1567 wurde gefordert, dass die Prediger gelehrt und imstande sein sollten, die Bibel zu verstehen und aus dieser in der Predigt zu schöpfen – ähnliches galt auch für die Schulmeister.251 Umfangreiche, in ihrer Zielsetzung ähnliche Vorgaben sowohl in den herzoglichen wie auch den kölnischen Verordnungen sollten die religiöse Unterrichtung der Laien durch die örtlichen Seelsorger sicherstellen. Eines der dringendsten Anliegen für eine kirchliche Reform bestand darin, dass der Gemeinde der Glaube „mit vliss, rechtem grunde und verstande“ in der Predigt ausgelegt werde,252 um die Gefahr des Abgleitens in die ‚Häresie‘ abzuwenden. In gleichem Maße hatte der Pfarrer die Laien über die Gebote und das Vaterunser aufzuklären,253 diese im Halten von Gebeten zu unterrichten254 sowie den Nutzen und ordentlichen Gebrauch der
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Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 1, S. 233 f. (Nr. 227). Ebd., S. 260 f. (Nr. 249). Pfeilschifter, Acta, Bd. 2, 291 f. (Nr. 72, Tl. XII, Kap. 1). Ebd., S. 293 (Nr. 72, Tl. XII, Kap. 7). Teschenmacher, Annales, S. 116 (Cap. 2) und 157 (Cap. 23). Zitat Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 1, S. 247 (Nr. 240); ferner ebd., S. 250 (Nr. 240) sowie 267 f. (Nr. 249). Ebd., S. 247 f. (Nr. 240) und 267 (Nr. 249). Ebd., S. 248 (Nr. 240) und 268 f. (Nr. 249).
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II. Theorie und Praxis religiöser Reformkonzepte
Sakramente zu erläutern.255 Schließlich sollte die Gemeinde in der Bedeutung kirchlicher „ceremonien“ und Bräuche – Bittgänge und Prozessionen, Fasten, kirchliche Feiertage, Segnungen, Altar- und Kirchenweihen sowie der Nutzen von Glocken und Kerzen – unterwiesen werden, damit diese keine Neuerungen in die kirchliche Praxis einführe.256 Während den kölnischen Pfarrern Groppers Enchiridion als Handbuch für den Amtsethos wie auch für das Halten von Predigten empfohlen wurde, legte der klevische Entwurf von 1567 den Klerikern als Lektüre Erasmus’ Spätwerk Ecclesiastae sive de ratione concionandi aus dem Jahr 1535 nahe.257 Insbesondere auf dem Land war das Schulwesen kaum ausgeprägt, aber auch in vielen kleineren Städten waren Defizite im Bereich der schulischen Bildung der Jugend zu verzeichnen, was nicht zuletzt finanziellen Gründen geschuldet war. Im Laufe der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts wurde dieses Problem auch von den beiden rheinischen Fürsten erkannt. Das Aufkommen von Reformartikeln für das Schulwesen ist sicher einerseits als eine Reaktion auf bekannte Missstände in den eigenen Territorien zu werten, andererseits aber auch als eine Antwort auf bereits früher einsetzende Reformen und Förderungen in protestantischen Gebieten. In der „Declaratio“ bekundete Johann III. seine Bereitschaft zum Unterhalt höherer Schulen, deren Lehrpersonal sich auch aus den Stiften rekrutieren sollte. Ebenso wurden die Mönchsklöster in die Bildungsanstrengungen einbezogen: Hier sollten „gude christliche buecher“ aufbewahrt werden, mittels derer gebildete Kleriker die Laien „in christlicher lere und leven underwisen“ sollten.258 Auch die Kölner Synodaldekrete forderten eine intensive Förderung und Visitation der Schulen. Für den Kurfürsten und seine Räte galt es, nicht zu kontrollierende ‚Winkellehrer‘ zu entfernen und auch auf kleinere Schulen einzuwirken.259 Für die weitere Organisation der Schulen wurden Vorschriften erlassen, hinsichtlich der Klasseneinteilung und des Lehrstoffs sollten dagegen die Visitatoren individuell entscheiden.260 Besonderes Augenmerk galt der höheren Bildung mit dem Ziel, durch ‚Ketzereien‘ bedrohte Universitäten zu reformieren, Studenten zu fördern und den wissenschaftlichen Nachwuchs mittels Pfründen an die Hochschulen zu binden.261 Während die Professoren in der Lehre die besten, allerdings obrigkeitlich zensierten Bücher nutzen sollten, wurde den Studenten ein angemessener Lebensstil verordnet. 255 256 257
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Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 1, S. 249 f. (Nr. 240) und 269–273 (Nr. 249); Pfeilschifter, Acta, Bd. 2, S. 255 f., 259 f., 262–264 und 266–269 (Nr. 72, Tl. VII, Kap. 2, 4, 14–18, 22–28, 34–36, 41 und 42). Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 1, S. 250 f. (Nr. 240) und 273–277 (Nr. 249); Pfeilschifter, Acta, Bd. 2, S. 274–276 und 278–283 (Nr. 72, Tl. IX, Kap. 1, 2, 5, 9–21). „Und nachdem unter anderen Erasmus Roterodamus in einem sonderen ausgangenen Buch, Ecclesiastes oder de ratione concionandi genennt, die Prediger ganz fleißig und geschicklich instruirt, hetten jeder Pastor oder Lehrer des göttlichen Worts aus demselben, wie er sich in dem Predigampt zu halten, ferner guten und nutzlichen Bericht zu nehmen“. Teschenmacher, Annales, S. 117 (Cap. 2). Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 1, S. 260 f. (Nr. 249). Pfeilschifter, Acta, Bd. 2, S. 291 f. (Nr. 72, Tl. XII, Kap. 1). Ebd., S. 292 (Nr. 72, Tl. XII, Kap. 2). Ebd., S. 293 (Nr. 72, Tl. XII, Kap. 5).
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3. Zwischenfazit
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Ähnlich wie in den Vereinigten Herzogtümern wurden auch hier die Ordenskleriker und Kanoniker in das Bildungskonzept einbezogen.262 In den 1540er Jahren nahmen die bisher nur in Verordnungen bekundeten Absichten auch konkrete Gestalt an. Zahlreiche Schulen entstanden neu bzw. wurden reorganisiert, in den meisten Fällen jedoch nicht auf Veranlassung der Landesherren, sondern auf Initiative der lokalen städtischen Magistrate.263 Die mit einer Kirchenordnung verbundene Schulordnung, die Hermann von Wied durch Martin Bucer und Philipp Melanchthon ausarbeiten ließ, zeigt, dass die zuvor nur allgemein und knapp gehaltenen Anweisungen nunmehr auch praktisch umgesetzt werden sollten. Ähnliches ist in den Vereinigten Herzogtümern zu beobachten: In der ‚1. Notel‘ von 1545 nahm das Schulwesen – im Gegensatz zu früheren Ordnungen – gleich den ersten Rang unter den Artikeln ein.264 Die Grundtendenz der klevischen Schulpolitik blieb auch in den 1560er Jahren dieselbe. Dem Entwurf der Kirchenordnung von 1567 zufolge sollte die Obrigkeit in allen Städten und größeren Dörfern Schulen fördern, da Bildung der Sittlichkeit, den Künsten, der Ordnung und der kirchlichen Stabilität diene. Das bereits seit 1525 für die Kleriker angeordnete Disputierverbot wurde erstmals explizit auch auf den Schulunterricht übertragen und gefordert, dass es bei der Auslegung der Bibel nicht zu Uneinigkeit und Ärger kommen solle, sondern dass die gesamte Bildung auf die Bewahrung von Gottesfurcht, Frieden und Einigkeit ausgerichtet werden müsse.265
3. Zwischenfazit Der ‚spiritus rector‘ der Humanisten, Erasmus von Rotterdam, ging in seinen Schriften und Briefen immer wieder auf theologische Probleme und die beginnende Glaubensspaltung ein, die es zu vermeiden galt. Dabei nahm er unter anderem Stellung zum Profil des Predigers, zum Frömmigkeitsverständnis, zur Bedeutung der Bildung, zu einer notwendigen Reform der Kirche sowie zur Sakramentenlehre und der in seinen Augen angemessenen Form des Abendmahls. Weiterhin beschäftigte sich Erasmus mit dem theologisch umstrittenen Aspekt der Rechtfertigung und setzte hier den Grundstein für eine ‚doppelte Rechtfertigungslehre‘, die Ansichten der traditionell-katholischen Werkfrömmigkeit mit den reformatorischen Vorstellungen der Prinzipien ‚sola fide‘ und ‚sola gratia‘ zu verbinden suchte. Zahlreiche Gelehrte rezipierten in der Folge die Theologie des Erasmus bei der Ausarbeitung eigener Reformkonzepte. Ein Mittel zu einer Verständigung in strittigen theologischen Fragen waren die Religionsgespräche auf regionaler und auf Reichsebene in den 1530er und 1540er Jahren, bei denen Theologen und Juristen 262 263 264 265
Ebd., S. 286 und 293 f. (Nr. 72, Tl. X, Kap. 7 sowie Tl. XII, Kap. 5–9). Zum Vorgang der Schulgründung bzw. -erneuerung in Dortmund, Essen und Bielefeld vgl. unten Teil III, Kap. 1 c). LAV NRW R, Jülich-Berg II, Nr. 200, fol. 3v ff. Teschenmacher, Annales, S. 157 (Cap. 23).
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II. Theorie und Praxis religiöser Reformkonzepte
nicht nur der sich abgrenzenden konfessionellen Lager zusammentrafen, sondern insbesondere auch sogenannte ‚Vermittlungstheologen‘. Zwar wurde das Ziel einer Einigung nicht erreicht, die Bemühungen wirkten aber dennoch auf die Gestaltung regionaler Reformversuche ebenso ein wie eine große Zahl theologischer Schriften und Gutachten, welche auch noch nach dem Augsburger Religionsfrieden auf Möglichkeiten eines Vergleichs der divergierenden theologischen Ansichten hinwiesen. Eine praktische Umsetzung einer solchen Reform wurde insbesondere in der niederrheinisch-westfälischen Region versucht, etwa in den Vereinigten Herzogtümern Jülich-Kleve-Berg, wo der Landesherr seit 1525 auf die zunehmende Verbreitung der Lehre Luthers in seinen Herrschaftsgebieten durch Mandate und Verordnungen reagierte, die einerseits der Qualitätssteigerung der Seelsorge sowie der Beseitigung der beklagten Missstände dienen, andererseits aber auch den reformatorischen Forderungen den Wind aus den Segeln nehmen sollten – immer mit dem erklärten Ziel, die kirchliche Einheit und den öffentlichen Frieden zu bewahren. In den 1530er Jahren schloss sich Kurköln unter Hermann von Wied an: Mittels der Reformbeschlüsse des Provinzialkonzils von 1536 sollte für die nächsten Jahre nicht nur die Religionspolitik im Inneren, sondern auch das reichspolitische Auftreten des Kurfürsten gestaltet werden. Während in Kurköln diese Reformen bald ins Stocken gerieten, setzte in den Vereinigten Herzogtümern Wilhelm V. die Reformpolitik seines Vaters Johanns III. weitgehend fort. Der Herzog und seine Berater standen der Freigabe des Laienkelches im Abendmahl positiv gegenüber und schlossen sich auch dem Rechtfertigungsverständnis des Erasmus an. Andererseits wurde versucht, exzessive Formen der Laienfrömmigkeit wie die Bildertracht und die Bilderverehrung einzudämmen. Der Augsburger Religionsfrieden, der zur reichsrechtlichen Anerkennung der Confessio Augustana führte, markierte keineswegs das Ende eigener Reformbemühungen, im Gegenteil: In den 1560er Jahren setzte der Herzog Kommissionen zur Neuerarbeitung einer Kirchenordnung ein, für welche auch Gutachten von ‚Vermittlungstheologen‘ eingeholt wurden. Die Bedeutung der Bildung für eine Reform der Kirche wurde sowohl in Kurköln als auch in Jülich-Kleve-Berg relativ früh erkannt. Einerseits war man bestrebt, künftig nur noch gelehrte Geistliche mit Pfarrpfründen auszustatten, die in der Lage waren, ihre Gemeinde im Glauben zu unterweisen, andererseits sollte das Schulwesen gefördert werden, indem etwa bestehende Schulen reformiert und neue Schulen eingerichtet werden sollten.
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III. Die städtische Gelehrtenwelt im Religionskonflikt Die kirchliche Reformpolitik auf der territorialen Ebene in Jülich-Kleve-Berg und in anderen Fürstentümern beruhte auf politischen Zwecküberlegungen wie dem Erhalt des inneren Friedens, war in der Konzipierung aber auch dem Humanismus verpflichtet. Die fürstlichen Räte teilten dabei einen ganz ähnlichen Bildungshintergrund wie jene Humanisten, die in den Städten wirkten, sei es im Kirchendienst, in der Verwaltung oder in der Schule. Es ist daher zu fragen, welche Rolle der städtischen Gelehrtenwelt im Zeichen des Religionsstreits zukam. Welche Bedeutung wurde der Bildung vor Ort durch die zuständige(n) Obrigkeit(en) und die Bürgerschaft zugeschrieben? Was für Persönlichkeiten wirkten an den Schulen? Wie waren sie innerhalb der nordwestdeutschen Gelehrtenwelt miteinander vernetzt? Welche Positionen nahmen sie in der religiösen Auseinandersetzung ein, konnten sie diese beeinflussen? Wie gestalteten sich Schulgründungen und Erneuerungen bestehender Einrichtungen? In welchem Maße fand die sich anbahnende konfessionelle Teilung Eingang in die Wissensvermittlung? Und schließlich: Wie und mit welchen Mitteln kommunizierten die Humanisten ihre Vorstellungen nach außen in die städtische Öffentlichkeit?
1. Humanismus und Schulwesen im 16. Jahrhundert a) Das Konzept der Gelehrtenschule Schon im Spätmittelalter setzte im Bildungswesen eine Entwicklung ein, die zu einer Ausweitung und Intensivierung von Bildungsangeboten beitragen und nicht zuletzt zu einer „Verwissenschaftlichung der politischen Führungsschichten“1 führen sollte, die durch zunehmende Anforderungen für die Verwaltung sowohl auf territorialer wie auch auf lokaler Ebene unvermeidlich wurde. Während im Mittelalter Bildung und die damit verbundenen Institutionen fast ausschließlich Domänen des Klerus darstellten, öffnete sich das Bildungswesen insbesondere seit dem 15. Jahrhundert einem breiteren Rezipientenkreis. Der gesteigerte Bedarf an geschultem Personal führte bereits in dieser Zeit zur Gründung zahlreicher neuer Lateinschulen und Universitäten, aber auch zur Adaption neuer wissenschaftlicher Methoden wie etwa des Humanismus.2 Diese Tendenz setzte sich im 16. Jahrhundert fort. Rufe nach einem auch durch die weltlichen Stände geförderten Bildungswesen, wie sie von Erasmus von Rotterdam oder anderen Humanisten laut wurden, sind zunächst insbesondere 1 2
Zitat Anton Schindling, Humanistische Hochschule und freie Reichsstadt. Gymnasium und Akademie in Straßburg 1538–1621, Wiesbaden 1977, S. 7. Zum Bildungswesen seit dem Spätmittelalter vgl. Notker Hammerstein (Hg.), Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte, Bd. 1: 15.–17. Jahrhundert. Von der Renaissance und der Reformation bis zum Ende der Glaubenskämpfe, München 1996.
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III. Die städtische Gelehrtenwelt im Religionskonflikt
auf protestantischer Seite gehört worden, wo im Zuge des Aufbaus eines reformatorischen Kirchenwesens auch Schulreformen angemahnt und realisiert wurden.3 Die Etablierung kommunaler, vom Rat kontrollierter Schulen gehörte daher zu den Grundkonstanten städtischer Reformationen. In katholischen Territorien und Städten kam es dagegen überwiegend erst nach der Mitte des 16. Jahrhunderts zu einer vermehrten Zahl von Neugründungen von Schulen oder Reorganisationen bestehender Einrichtungen, die sich meist ebenso humanistischer Methoden bedienten wie protestantische Schulen.4 Während der überwiegende Teil dieser ‚altgläubigen‘ Institutionen zur Förderung eines auf Abgrenzung zielenden konfessionellen Unterrichts aufgebaut wurden, dienten andere (etwa in Jülich-Kleve-Berg) eher der Verbreitung und Akzeptanz humanistisch beeinflusster Ideen einer ausgleichenden Kirchenreform. In nahezu jedem Fall galt die Einrichtung neuer Bildungsinstitutionen auch als ein politischer Akt und als ein Prestigeprojekt. Gerade im Westen des Reiches – in der niederrheinisch-westfälischen Region etwa in Münster und Deventer – bildete sich seit dem 15. Jahrhundert die mehrklassige Gelehrtenschule heraus,5 die auch zum Modell für manche Lateinschulen wurde, 3
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Verwiesen sei hier nur auf zwei grundlegende Schriften Luthers: Martin Luther, An die Radherrn aller stedte deutsches lands: das sie Christliche schulen auffrichten vnd hallten sollen, Wittenberg 1524, und ders., Eine Predigt Mart. Luther das man kinder zur Schulen halten solle, Wittenberg 1530. Im gleichen Maße unterstrich auch Philipp Melanchthon die Bedeutung der Schule: Philipp Melanchthon, Unterricht der Visitatoren an die Pfarhern im Kurfuerstenthum Sachssen, jtzt durch D. Mart. Luth. corrigiert, Wittenberg 1538, und ders., Ein schrifft Philippi Melanchthononis an ein erbare Stadt von anrichtung der Lateinischen Schuel Nützlich zu lesen, Wittenberg 1543 (bzw. ders., Ain nutzbarliche, schöne Ermanung herrn Philippi Melanchthonis an ain Erbare Statt zu anrichtung der Lateinischen Schulen, Augsburg 1543). Abdrucke dieser Traktate finden sich u. a. bei August Israel (Hg.), Sammlung selten gewordener pädagogischer Schriften des 16. und 17. Jahrhunderts, Zschopau 1880 (ND Leipzig 1973), hier Heft 1, 5 und 9. Höhere Schulen (Gelehrtenschulen oder Gymnasien) wurden dabei zunächst in geistlichen Territorien gegründet (Dillingen 1551, Olmütz 1570, Würzburg 1582). Eine der frühesten Gründungen einer solchen Institution in einer weltlichen Landesherrschaft erfolgte in der österreichischen Residenzstadt Graz (1585). Hinzu kommt die Gründung von Jesuitenschulen und -universitäten bzw. die Übernahme bestehender Einrichtung durch den Orden (Köln 1544/1556, Wien 1551, Prag 1556, Ingolstadt 1556, München 1559 etc.). Einfache Lateinschulen in katholischen Städten entstanden dagegen manchmal bereits früher, meist in Zusammenarbeit von städtischer Obrigkeit und bestehenden oder neu angesiedelten Orden. Vgl. hierzu und zur Rolle des Humanismus Harald Dickerhof, Die katholische Gelehrtenschule des konfessionellen Zeitalters im Heiligen Römischen Reich, in: Reinhard/Schilling, Die katholische Konfessionalisierung, S. 348–370; Anton Schindling, Schulen und Universitäten im 16. und 17. Jahrhundert. Zehn Thesen zu Bildungsexpansion, Laienbildung und Konfessionalisierung nach der Reformation, in: Brandmüller u. a., Ecclesia militans, Bd. 2, S. 561–570; Arno Seifert, Der Humanismus an den Artistenfakultäten des katholischen Deutschland, in: Reinhard, Humanismus, S. 135–154; Heribert Smolinsky, Der Humanismus an Theologischen Fakultäten des katholischen Deutschland, in: Gundolf Keil u. a. (Hg.), Der Humanismus und die oberen Fakultäten, Weinheim 1987, S. 21–42. Vgl. Schindling, Hochschule, S. 9 ff.
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ohne dass diese ihrem Vorbild gänzlich entsprechen konnten. Die Gelehrtenschule wurde von einem Rektor geleitet, dem im Idealfall mehrere Lehrer unterstanden, die für jeweils eine Klasse zuständig waren, wobei insbesondere in kleineren Städten oder in wirtschaftlich schwierigen Zeiten die Anstellung auf nur wenige (meist zwei oder drei) Gehilfen beschränkt war. Den Schülern sollte somit entsprechend ihres Alters bzw. ihrer Eignung eine spezifische Ausbildung in den „artes“ erteilt werden, die dazu befähigte, an den Universitäten zügig mit den eigentlichen Studien beginnen zu können, ohne erst vorbereitende Lehrveranstaltungen besuchen zu müssen. In Lektionsverzeichnissen oder Schulprogrammen, wie sie etwa für Düsseldorf und Münster überliefert sind,6 aber ehemals auch in Dortmund,7 Essen8 und Bielefeld vorgelegen haben dürften, wurde für jede Klassenstufe ein spezifischer Lehrplan zusammengestellt. Dazu gehörte die Lektüre philosophischer wie theologischer Texte antiker, mittelalterlicher und zeitgenössischer Autoren, anhand derer Sprachfertigkeiten erworben werden sollten, wobei das humanistische Ideal der Dreisprachigkeit, das heißt die Unterweisung in den Sprachen Latein, Griechisch und Hebräisch, nicht immer durchgehend erreicht werden konnte. Für das 16. Jahrhundert dient die Auswahl der gelesenen Werke, insbesondere solche theologischer Thematik, auch als Indikator für die religiöse Orientierung der Schule: Wurden überwiegend protestantische oder katholische Autoren gelesen, so spricht dies für eine eindeutige konfessionelle Ausrichtung. Fanden dagegen eher Werke des Erasmus und von Vermittlungstheologen wie Witzel und Cassander bzw. von neu- wie altgläubigen Verfassern Eingang in das Curriculum, so deutet dies auf eine religiöse Offenheit hin, wie sie für einige Schulen im 16. Jahrhundert noch möglich war. Ein Erfolgsmodell einer humanistischen Gelehrtenschule war die später in eine Universität umgewandelte Straßburger Einrichtung, die 1538 von Johann Sturm (1507–1589) als Zusammenlegung der bisher existierenden Lateinschulen gegründet wurde.9 Dieses „gymnasium illustre“ bildete noch mehr als die älteren Gelehr6
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Ein erstes Lektionsverzeichnis liegt der lateinischen Schulordnung bei, die Johannes Monheim als erster Rektor der neuen Düsseldorfer Schule 1545 herausgab (Johannes Monheim, Nova institutio scholae Duisseldorpensis, Köln 1545; auch gedruckt bei Heinrich Willemsen, Aus der Geschichte des Düsseldorfer Gymnasiums, in: Beiträge zur Geschichte des Niederrheins. Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichts-Vereins 23 [1910/11], S. 218–333, hier S. 313–320). Weitere Verzeichnisse bzw. Schulprogramme Monheims folgten 1551, 1556 und 1561 (das letztgenannte Programm ist gedruckt ebd., S. 321–325). Zu Monheim und der Düsseldorfer Schule wird im Folgenden näher eingegangen werden. Das münsterische Lektionsverzeichnis, welches der Rektor Hermann von Kerssenbrock 1551 publizierte, geht auf das Düsseldorfer Vorbild zurück. Die Ratio studiorum von 1551 ist u. a. gedruckt in der Festschrift 1898, S. 139–143. Theodor Mellmann, Das Archigymnasium in Dortmund. Eine geschichtliche Darstellung, Dortmund 1807, S. 11–15. Hieraus ergibt sich aber nicht das Datum des genannten Verzeichnisses. Vgl. auch Döring, Lambach, S. 40. Die Existenz eines solchen Verzeichnisses geht aus einem Werbebrief des Essener Rates aus dem Jahr 1546 (Ribbeck, Geschichte I, S. 96 [Nr. 2]) hervor, worin auf ein (nicht mehr erhaltenes) Lektionsverzeichnis verwiesen wurde. Vgl. auch ebd., S. 52. Vgl. L[ouis] Kückelhahn, Johannes Sturm, Strassburg’s erster Schulrector, besonders in seiner Bedeutung für die Geschichte der Paedagogik, Leipzig 1872; Schindling,
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tenschulen ein Scharnier zwischen diesen und den Lateinschulen einerseits und der Universität andererseits, indem wissenschaftliche Professuren z. B. für Rhetorik, Medizin, Theologie oder Jurisprudenz eingerichtet wurden. Zu Beginn seiner Gründung umfasste das Gymnasium neun, bald zehn Klassen mit jeweils eigenen Lehrern – eine Zahl, die nur wenige andere Schulen erreichen konnten.10 Hinzu kamen Lehrstühle für propädeutische wissenschaftliche Vorlesungen für die fortgeschritteneren Studenten.11 Eine Besonderheit der Straßburger Schule war, dass diese ab 1566 durch ein kaiserliches Privileg die Erlaubnis erhielt, untere akademische Grade (Baccalaureus und Magister) zu verleihen, so dass diese zu einer Minderuniversität oder Akademie aufstieg, verbunden mit einer steigenden Zahl an Professuren.12 Auch wenn die durch den lutherischen Stadtrat getragene Schule weitestgehend auf eine evangelische Erziehung der Schüler zielte, so gilt diese dennoch als ein Beispiel für einen sehr gemäßigten Protestantismus, zumindest während der ersten Jahre der langen Amtszeit Sturms (bis 1582), als etwa Martin Bucer (bis 1549) theologische Vorlesungen hielt, der sowohl katholische wie protestantische Theologen und auch Erasmus behandelte, während er auf Polemik weitestgehend verzichtete.13 Erst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, als eine neue Generation konfessionalisierter Theologen wie Johann Marbach (1521–1581) Vorlesungen hielt, wurde die Irenik durch dogmatische Schärfe im Sinne einer lutherischen Orthodoxie verdrängt.14 Einen besonderen Maßstab setzten Sturms teilweise auf Melanchthon beruhende Lehrmethoden, die er in mehreren Abhandlungen publizierte.15 Er knüpfte an humanistische Traditionen an, wie sie seit Erasmus in Straßburg gepflegt wurden, richtete sein Augenmerk allerdings auf eine viel stärkere didaktische Vermittlung des Lehrstoffs, wobei er sich meist der von ihm selbst oder von Kollegen verfassten Schulbücher bediente, in denen etwa Werke antiker Autoren ediert waren.16 Die unteren Klassenstufen sollten damit und mit Wortlexika schrittweise Lesen und Schrei-
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Hochschule; ders., Die humanistische Bildungsreform in den Reichsstädten Straßburg, Nürnberg und Augsburg, in: Reinhard, Humanismus, S. 107–120. Sturm lernte von 1521–1524 in der Fraterherrenschule in Lüttich und studierte anschließend in Löwen, wo er u. a. mit dem Werk des Erasmus vertraut gemacht wurde. 1529–1537 war er Professor in Paris für Rhetorik und Dialektik und kam hier mit dem pädagogischen Programm Melanchthons in Berührung. 1537 folgte er einem Ruf Martin Bucers nach Straßburg, um hier den Schulbetrieb neu zu organisieren. In Dortmund waren neben einem Rektor und einem Korektor maximal fünf, in der Regel aber nur vier weitere Lehrer angestellt, so dass es sechs bis sieben Klassen gab. Dafür blieb diese Zahl relativ konstant. In Essen wurde 1545/46 damit geworben, dass der neue Rektor sieben Gehilfen bekommen sollte, in der Realität haben aber wohl nur maximal fünf Lehrer neben dem Rektor gewirkt, vielleicht auch nur für kurze Zeit oder nicht einmal gleichzeitig. Noch kleiner war die Bielefelder Schule. Schindling, Hochschule, S. 11 sowie insb. das dortige Kap. V. In einem viel kleineren Maßstab gab es so etwas auch in Dortmund, vgl. unten S. 103–105 und 124 f. Schindling, Hochschule, S. 11 f. Ebd., S. 343–345. Ebd., S. 355 ff. Vgl. hierzu ebd., S. 164–180. Ähnlich ging man etwa in Dortmund vor, vgl. unten Kap. 1 d) und 2 b).
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ben in Latein erlernen, später an die Grammatik und das Griechische heran- und in die Kunst der Rhetorik eingeführt werden. In den oberen zwei Klassen wurde die humanistische Bildung in Rhetorik und Dialektik nicht zuletzt mit Hilfe von eigens eingerichteten Professuren vollendet. Schulische Aufführungen dienten schließlich der in die städtische Öffentlichkeit getragenen Bezeugung der erlernten rhetorischen und sprachlichen Kompetenz und trugen zum Ansehen der Schule in der Stadt bei.17 Sturms Konzept, in Verbindung mit den pädagogischen Programmen Melanchthons und des Pariser Dialektikers Petrus Ramus (1515–1572),18 prägte ebenfalls das Unterrichtsverständnis anderer Gelehrter, auch in Dortmund und Essen.
b) Humanistische Gelehrte im Umkreis städtischer Lateinschulen In Westfalen galt um 1500 besonders Münster als ein Zentrum des Humanismus. Im Mittelpunkt stand dabei der Domherr Rudolph von Langen (um 1438–1519),19 der eine Ausbildung bei den Fraterherren in Deventer genossen, in Erfurt studiert und einige Zeit in Italien verbracht hatte, wo er mit dem italienischen Humanismus in Berührung gekommen war. In Münster trat er nicht nur in die Dienste des Bischofs, sondern korrespondierte auch mit Erasmus von Rotterdam und förderte die Reform der münsterischen Domschule, die nach 1500 unter Johannes Murmellius (um 1480–1517) und Timan Kemner (um 1470–1535) zu einer der führenden humanistischen Lehranstalten in der Region aufsteigen sollte, an der Gelehrte herangezogen wurden, welche die hier kennengelernten Ideen in andere Städte weitertrugen.20 17 18
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Schindling, Hochschule, S. 270. Zum Einfluss von Ramus vgl. etwa Christoph Strohm, Theologie und Zeitgeist. Beobachtungen zum Siegeszug der Methode des Petrus Ramus am Beginn der Moderne, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 110 (1999), S. 352–371. Der Ramismus wird wegen der Hinwendung des Ramus zum reformierten Glauben häufig auch als Hinweis auf eine calvinistische Gesinnung bei solchen Gelehrten angesehen, die sich dieses pädagogischen Programms bedienten (Schindling, Hochschule, S. 204). Diese Ansicht gründet sich u. a. darauf, dass bereits zeitgenössische katholische bzw. lutherische Gelehrte Ramus’ Pädagogik als ‚häretisch‘ abgelehnt haben sollen. Nichtsdestotrotz wurde sie aber auch konfessionsübergreifend geschätzt, so dass eine pauschale Einordnung in konfessionelle ‚Schubladen‘ allein aufgrund der Rezeption des Ramismus als voreilig erachtet werden muss. Hierzu: Adalbert Parmet, Rudolf von Langen. Leben und gesammelte Gedichte des ersten münster’schen Humanisten. Ein Beitrag zur Geschichte des Humanismus in Deutschland, Münster 1869; Ludwig Geiger, Art. „von Langen, Rudolf“, in: ADB 17 (1883), S. 659 f.; Otto Herding, Art. „von Langen, Rudolf“, in: NDB 13 (1982), S. 578–580. Vgl. hierzu auch die Tabelle 3 im Anhang. Hamelmann zählt etwa Attendorn, Dortmund, Düsseldorf, Emmerich, Hamm, Herford, Lübeck, Lüneburg, Minden, Osnabrück, Soest und Wesel auf, wo die dortigen Schulen von Gelehrten geleitet wurden, die in Münster oder Deventer ausgebildet worden waren. Die entsprechenden Stellen aus Hamelmann, Opera genealogico-historica, hat Heidemann, Stiftsschule, S. 46, aufgelistet. Vgl. auch Stupperich, Bedeutung, S. 86 f.
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Der erste namentlich bekannte Dortmunder Humanist Petrus Nehemius aus Drolshagen (um 1480–nach 1510)21 hatte die von Alexander Hegius (um 1433–1498) geleitete Deventer Schule sowie anschließend die Domschule in Münster besucht. Um 1500 wurde er, der „durch seine Gelehrsamkeit und publicirte Bücher bei denen größesten Gelehrten in besonderem Ansehen gestanden“ habe,22 durch Rudolph von Langen als Rektor der Dortmunder Reinoldischule vorgeschlagen. Hier blieb er etwa fünf Jahre lang und wurde durch Johannes Merzenich gen. Voss aus Düren,23 der eine fragmentarisch erhaltene Chronik verfasste und möglicherweise als Ratsschreiber (bis 1526) in städtischen Diensten stand,24 abgelöst. Ähnliche Beziehungen nach Münster und Deventer lassen sich auch für Essen nachweisen. Kurz vor 1500 übernahm mit Johannes Rotgerus (gest. 1517) ein Mann das Rektorenamt an der Stiftsschule, der dem Kreis von Hegius und von Langen angehört hatte.25 Letzterer habe Rotgerus, so Hermann Hamelmann, nach Essen geschickt, „ut ibi litteras humanitatis restitueret“.26 Allerdings kehrte er bald wieder nach Münster zurück, entweder weil er sich mit seinem Programm nicht durchsetzen konnte27 oder aufgrund der angespannten politischen Lage in Essen nach dem dritten Äbtissinnenstreit von 1489 bis 1495.28 Ebenso spärlich sind die Nachrichten über Schüler Essener Herkunft an den humanistischen Zentren im Nordwesten des Reiches. Als Schüler nachzuweisen ist nur Johannes Gymnicus (um 1485/88–1544), der möglicherweise zuerst bei Rotgerus lernte, um anschließend in Deventer und Köln zu studieren und danach als Buchdrucker in Köln tätig zu werden.29 Zu Bielefeld fehlen dagegen die Quellen für das 15. und die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts. Ob es hier zu einem ähnlichen Vordringen humanistischer Einflüsse wie im benachbarten Herford kam, ist ungewiss. In Herford, das de jure der Herrschaft einer Äbtissin unterstand, de facto jedoch weitgehende Selbststän-
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Vgl. Mette, Geschichte, S. 7, und Döring, Lambach, S. 21–23. Skeptisch hinsichtlich der Datierung des Aufenthalts von Neheim in Dortmund ist Egen, Einfluss, S. 38 f. Seine Lebensdaten sind sehr unsicher. Beurhaus, Merkwürdigkeiten, S. 366. Vgl. Westhoff, Chronik, S. 377. Als Rektor erwähnt wird er 1506. Ebd., S. 412. Danach sei er von 1521 bis 1526 für die schriftliche Abfassung der Eheverträge (Morgensprachen) zuständig gewesen. Nicht ausgeschlossen werden kann eine Verwechslung mit einem Gleichnamigen, der bereits 1503 als Verwalter des Weinhauses genannt wird (ebd., S. 374). Zweifel meldete bereits Beurhaus, Merkwürdigkeiten, S. 367, an. Vgl. hierzu auch Döring, Lambach, S. 24. Vgl. Ribbeck, Geschichte I, S. 18–21. Heidemann, Stiftsschule, S. 48–50, datiert die Ankunft von Rotgerus in Essen in das Jahr 1497 oder 1498. Hamelmann, Opera genealogico-historica, S. 268. Ebd. So die Vermutung von Ribbeck, Geschichte I, S. 20. Hamelmann, Opera genealogico-historica, S. 284. Vgl. auch Heidemann, Stiftsschule, S. 47. Laut Ribbeck, Geschichte I, S. 20–24, kann Gymnicus erst nach 1500 (und damit nach dem Tod von Hegius) nach Deventer gekommen sein, was der Darstellung bei Hamelmann widerspricht.
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digkeit erlangen konnte,30 war es das dortige Haus der Brüder vom gemeinsamen Leben,31 in welchem sich einzelne Fraterherren wie etwa Jacobus Montanus Spirensis (um 1460/70–nach 1534)32 und Gerhard Wilskamp oder Xanthis (gest. 1540) theologischen und humanistischen Studien widmeten. Teilweise gaben sie ihr Wissen an Schüler weiter, die im sogenannten Studentenhof33 unterrichtet wurden. Zur Bereitstellung ihres Hauses für eine lutherische Schule, deren Einrichtung seitens evangelischer Prädikanten und des Rates in der Kirchenordnung von 1532 gefordert wurde,34 waren die Fraterherren, die in der Frage der Konfession lange Zeit eine nicht immer eindeutige Haltung einnahmen,35 allerdings nicht bereit. 30 31
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34
35
Vgl. etwa Rainer Pape, Sancta Herfordia. Geschichte Herfords von den Anfängen bis zur Gegenwart, Herford 1979, S. 115–118. Zu diesem vgl. die Quellensammlungen von Wolfgang Leesch (Bearb.), Das Fraterhaus zu Herford, Teil I: Inventar, Urkunden, Amtsbücher, Münster 1974, und Robert Stupperich (Bearb.), Das Fraterhaus zu Herford, Teil II: Statuten, Bekentnisse, Briefwechsel, Münster 1984; zur Geschichte des Hauses vgl. Robert Stupperich, Das Herforder Fraterhaus und die Devotio moderna. Studien zur Frömmigkeitsgeschichte Westfalens an der Wende zur Neuzeit, Münster 1975; Wolfgang Leesch, Herford (1427–1802), in: ders. u. a. (Hg.), Monasticon Fratrum Vitae Communis, Teil II: Deutschland, Brüssel 1979, S. 69–76. Ferner Ulrich Hinz, Die Brüder vom Gemeinsamen Leben im Jahrhundert der Reformation. Das Münstersche Kolloquium, Tübingen 1997, zu Herford insb. S. 63–69, 169–176, 180 f., 183 f., 192 f., 209 f., 213 f., 229–231, 243–245, 254 f. und 284. Hans-Ulrich Mose, Der Herforder Humanist und Fraterherr Jacobus Montanus Spirensis († nach 1534), in: Jahrbuch für Westfälische Kirchengeschichte 96 (2001), S. 21–53, zu seinen Schriften S. 31–53. Dieses zwischen dem Frater- und dem Süsterhaus gelegene Kolleg war 1430 testamentarisch durch den aus Herford stammenden päpstlichen Protonotar Hermann Dwerg gestiftet worden, um Schüler u. a. aus Herford, Köln, Lüttich, Breslau und Lübeck auf den Besuch der Kölner Universität vorzubereiten. Vgl. Pape, Sancta Herfordia, S. 139–141. Zur schulischen Tätigkeit von Montanus vgl. Mose, Humanist, S. 25–28. Gedruckt etwa bei Ludwig Hölscher, Reformationsgeschichte der Stadt Herford, Gütersloh 1888, S. 44–108 (zum Schulwesen S. 83–95). Zur Herforder Reformation vgl. auch H[einrich] Richter, Wie Herford evangelisch wurde, Gütersloh 1917, und Robert Stupperich, Die Eigenart der Herforder Reformation, in: Jahrbuch für Westfälische Kirchengeschichte 75 (1982), S. 129–143. Die konfessionelle Charakterisierung des Fraterhauses durch die Zeitgenossen wie auch die Geschichtswissenschaft hing und hängt nicht zuletzt auch von der jeweils eigenen religiösen Positionierung ab. Trotz der über mehrere Jahre unterhaltenen Korrespondenz der Fraterherren mit Luther, der in deren Streit mit der Stadt lange Zeit seine schützende Hand über das Herforder Haus legte, und einiger lutherisch klingender Äußerungen etwa seitens Montanus und Wilskamps blieben die Fraterherren etwa hinsichtlich der Beibehaltung einiger kirchlicher Zeremonien eher traditionell. Aus diesem Grund ist Vorsicht angebracht, die Herforder Fraterherren vorschnell in bestimmte konfessionelle Kategorien einzuordnen. Zumindest über eine gewisse Zeit dürften die von ihnen vertretenen Ansichten eher denen des Erasmus oder denen von Vermittlungstheologen wie Witzel entsprochen haben. Weitgehend lutherisch interpretiert wird das Fraterhaus etwa durch den evangelischen Kirchenhistoriker Robert Stupperich (z. B. Robert Stupperich, Luther und das Fraterhaus in Herford, in: Geist und Geschichte der Reformation. FS Hanns Rückert, Berlin 1966, S. 219–238; ders., Herforder Fraterhaus, S. 51–66), als ‚altgläubig‘ dagegen kürzlich durch den katholischen Theologen Hans Jürgen Brandt
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Die sich bereits um 1500 in Dortmund und Essen andeutende Entwicklung setzte sich in beiden Städten auch in den folgenden Jahrzehnten fort. Eine hohe Mobilität bei humanistisch gebildeten Gelehrten war gang und gäbe, allerdings blieben diese meist nur kurze Zeit an einem Ort. Für viele war eine Anstellung an den zunächst vergleichsweise unbedeutenden Schulen nur ein erster Schritt ihrer weiteren Karriere. Häufig zogen sie aufgrund schlechter Besoldung auf der Suche nach besser dotierten Stellen in der Schule oder im Kirchendienst nach wenigen Jahren weiter, insbesondere innerhalb des niederrheinisch-westfälischen Raumes, wobei von ihnen sowohl humanistische Ideen als auch religiöse Ansichten weiter verbreitet wurden. Dies wirkte sich unmittelbar auf die Konzeption eines neuen Schulwesens aus. Ob in Essen oder Dortmund um einzelne Gelehrte ‚Humanistenzirkel‘ wie in Osnabrück um den Augustinerprovinzial Gerhard Hecker (um 1470–nach 1537)36 bestanden, lässt sich mangels eindeutiger Belege nicht nachweisen. Gerade für die ersten drei Jahrzehnte sind die Quellen zu den Gelehrten sehr rar. Über Urban von Homberg, der als Rektor der Reinoldischule in der Mitte der 1520er Jahre gewirkt haben soll, verlieren weder Voss, Westhoff noch die Dominikanerchronik ein Wort. Die einzig verfügbaren Zeugnisse über seine Existenz stammen dagegen aus einer späteren Epoche und sind insbesondere unter konfessionellen Gesichtspunkten entstanden. So wird in den Ulteriores exceptiones von 1628 behauptet, dass Homberg die Dortmunder Jugend „in der im Churfürstenthumb Sachsen zu der Zeit, wie noch vbligen Religion in dem Catechismo Evangelischer Lection vnd psalmen exercirt vnd erzogen hatt“, so dass diese „in folgenden Jahren der Augspurgischen Confession zugethan gewesen vnd geplieben“ sei.37 Ganz ähnliche Mutmaßungen finden sich auch in der Säkulardisputation.38 Ob diese Behauptungen jedoch zutreffen, kann be-
36
37 38
(vgl. Hans Jürgen Brandt, Das katholische Fraterhaus im protestantischen Herford. Zur Frage seiner konfessionellen Kontinuität, in: Franz Bölsker und Joachim Kuropka [Hg.], Westfälisches aus acht Jahrhunderten zwischen Siegen und Friesoythe – Meppen und Reval. FS Alwin Hanschmidt, Münster 2007, S. 197–210). Zu diesem vgl. Thomas Beckmann, Das ehemalige Augustiner-Eremitenkloster zu Osnabrück, Osnabrück 1970, S. 51–53. Zu dem Kreis um Hecker gehörten Mitglieder der Domgeistlichkeit (der Pastor Liborius Missing sowie der Kaplan und spätere Reformator Johann Pollius) sowie Mönche aus dem Franziskaner- und Dominikanerkloster (Patroklus Römeling, Ludolf von Horsten), die gemeinsam über theologische Fragen diskutierten, jedoch (zunächst) die katholische Messe nicht in Frage stellten. Ähnliche Zirkel existierten auch in anderen Städten, etwa in Nürnberg, Basel und Augsburg. Vgl. Schröer, Reformation, Bd. 2, S. 483. Franz, Christoph Scheibler, S. 323, dort auch die Hervorhebungen. Der Autor Johannes Mellinckhus berief sich hinsichtlich der konfessionellen Beurteilung auf damals angeblich noch vorhandene Aufzeichnungen Johannes Lambachs. Denenzufolge soll Homberg „ein gutes Religionsbekenntnis gehabt und den Anfang damit gemacht [haben], die Jugend in der wahren Religion, im Lesen der Psalmen und Evangelien zu üben“ („[…] quod bonae religionis fuerit et juventutem coeperit in vera religione, Psalmorum et Evangeliorum Lectione exercere“). Er sei daher ein „Anhänger Luthers“ („Lutheranus“) gewesen und habe zur selben Zeit gewirkt, als lutherisch gesinnte Bürger „neue Kirchendiener verlangt“ hätten („[…] novos Ecclesiae ministros petierint“). Vgl. ebd., S. 276 f. bzw. 288 f.
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zweifelt werden. Es spricht mehr dafür, in Homberg einen humanistisch gebildeten Gelehrten als einen ersten dezidierten Anhänger des Wittenberger Reformators zu sehen. Das schließt keineswegs aus, dass Homberg für einige kirchlichen Ansichten Luthers Sympathien entgegengebracht und lutherische Schriften – gegen die der Rat 1528 möglicherweise eingeschritten sein könnte39 – für den Schulgebrauch herangezogen haben könnte. Denn gerade in dieser Zeit hatten sich die meisten Humanisten noch lange nicht konfessionell festgelegt.40 Ein weiterer früher Gelehrter in Dortmund, über dessen konfessionelle Anschauungen ebenfalls, jedoch aus anderen Gründen, Unklarheit besteht, war Johann Becker. Er stammte, soweit die Quellen eine Rekonstruktion seines Lebens erlauben, aus einer einflussreichen Familie in der südmärkischen Stadt Schwelm, die dort im Spätmittelalter kommunale und kirchliche Ämter bekleidete,41 und trägt daher auch seinen Herkunftsort als Beinamen. Möglicherweise unterrichtete er in seiner Jugend (um 1520) an der Essener Stiftsschule, die zur damaligen Zeit noch von Heinrich Sittard oder bereits von seinem Nachfolger Herman Schurennius (ebenfalls aus Schwelm) geleitet wurde.42 Anschließend dürfte er nach Dortmund gegangen sein, wo er 1524 Kaplan an St. Reinoldi und um 1539 Vikar des Georgaltars in derselben Kirche wurde.43 Eine kurze Beschreibung seiner Interessen und ausgeübten Funktionen findet sich in der Westhoff-Chronik zum Jahr 1540.44 Hier heißt es, dass der „prester“ und „der tijt capellan to Sanct Reinolt“ Johann Becker „den kunsten geneiget“, das heißt humanistischen Ansichten aufgeschlossen war und ein Interesse für die hebräische Sprache aufbrachte („der to der hebraeschen tungen lust hatte“). Ferner wird Becker als „ein seer ernstlich predichante“ sowie als „ein organiste und der senge componiste“ beschrieben. Letztere Bemerkung hat dazu geführt, Becker mit einem gewissen Johann Orgelmecker in Verbindung zu bringen. Jener stand, wie man aufgrund eines Briefes weiß, hinter der letztlich erfolglosen Berufung des Lippstädter Reformators Hermann Kothe zum Kaplan an die Reinoldikirche im 39 40 41 42
43 44
Vgl. unten Teil IV, Anm. 22. Augustijn, Stellung, S. 48. Gerd Helbeck, „In oppido Swelme“. Entstehung und Struktur der mittelalterlichen Kleinstadt Schwelm zwischen dem 10. Jahrhundert und 1496, in: Beiträge zur Heimatkunde der Stadt Schwelm und ihrer Umgebung 23 (1973), S. 5–53, hier S. 35 f. Ribbeck, Geschichte I, S. 26–28. Der Essener Zeuge Heinrich Scholle sagte 1587 aus, dass zu den Lehrern, die in seiner Jugendzeit in Essen unterrichteten, auch ein „herr Johann vonn Schwelm“ gehört habe (StAE 100.103, Bl. 167r). Eher unwahrscheinlich ist die Mutmaßung Helbecks, dass ein zwischen 1498 und 1530 bezeugter Johann Becker, Vikar des Nikolausaltars in Schwelm, mit der aus Dortmunder Quellen überlieferten Person identisch war. Vgl. Helbeck, Entstehung, S. 36; ders., Schwelm. Geschichte einer Stadt und ihres Umlandes, Bd. 1: Von den Anfängen im Mittelalter bis zum Zusammenbruch der altpreußischen Herrschaft (1806), 2. Aufl. Schwelm 1995, S. 231. von Winterfeld, Durchbruch, S. 62 Anm. 33. Westhoff, Chronik, S. 436 f. Ähnlich auch von Steinen, Geschichte, Tl. III, S. 1304, der Becker unter die gelehrten Personen Schwelms zählt und schreibt, dass er „nicht allein als ein treflicher Prediger, sondern auch als ein grosser Meister in der Music geruehmet“ wurde.
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Jahr 1532.45 Luise von Winterfeld, die in Becker und Johann Orgelmecker ein und dieselbe Person sah, charakterisierte Becker daher im protestantischen Sinn als einen „eifrigen Beförderer der evangelischen Sache“, welcher „die Berufung fortschrittlicher Männer nach Dortmund“ erwirkt habe.46 Von Musikwissenschaftlern wurde die Gleichsetzung Beckers mit einem an anderer Stelle47 erwähnten Orgelbauer Johann dagegen bestritten, da in diesen Quellen nie von einem Johann Becker oder Johann von Schwelm die Rede sei.48 Folgt man dieser Sichtweise, so müsste gleichsam die lutherische Gesinnung Beckers in Frage gestellt werden. Dass eine solche eher unwahrscheinlich ist, darauf deuten auch andere Hinweise. Die Charakterisierung Beckers als ein „seer ernstlich predichante“ durch den sehr voreingenommenen katholischen Chronisten Westhoff macht einen dezidiert lutherischen Hintergrund bei Becker genauso fraglich wie sein späterer Lebensweg, der ihn zunächst nach Soest führte. Dort erhielt er eine Stellung als Pastor der Pfarrkirche St. Maria zur Wiese um 1550 zu Zeiten des Interims und des Versuchs Johannes Groppers, die Bürger der Stadt in das katholische Lager zurückzuführen.49 In Soest, wo der Rat 1548 bis 1555 versuchte, zwischen den Forderungen der mehrheitlich lutherisch gesinnten Bürger nach evangelischen Predigern und der ‚communio sub utraque‘ einerseits und der politischen Rücksichtnahme auf den Landesherrn andererseits einen Kompromiss zu finden,50 konnte sich Becker bis nach dem Augsburger Religionsfrieden halten. Danach jedoch wurde er aus dem Amt gedrängt, wobei er beteuert haben soll, dass er „jederzeit nicht anders mit Predigen und Reichung der Sakramente es gehalten [habe], als es ihm von Ihrer Fürstl. Gnaden befohlen worden“.51 Während die Soester Bürger also in ihm einen ‚Agenten‘ 45 46 47
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Vgl. das Ablehnungsschreiben Kothes, das bei von Winterfeld, Durchbruch, S. 117 f. (Anhang Nr. 4), gedruckt ist. Ebd., S. 61. Dieser soll 1523 oder 1525 die Orgel der Reinoldikirche (ebd., S. 62 Anm. 33 bzw. Chron. Dom., S. 65), 1535 die der Marienkirche (von Winterfeld, Durchbruch, S. 62 Anm. 33) sowie 1537 die der Nikolaikirche (ebd.; Beurhaus, Merkwürdigkeiten, S. 331) renoviert oder neu gebaut haben. Rudolf Reuter, Orgeln in Westfalen. Inventar historischer Orgeln in Westfalen und Lippe, Kassel u. a. 1965, S. 31 Anm. 1 und S. 34 Anm. 2; siehe auch Peter Imort, Musikalische Kultur Dortmunds im 16. Jahrhundert. Verschiebungen und Neuorganisationen während der Langzeitreformation, Essen 1997, S. 51 f. mit Anm. 53 und 54. Beide beziehen sich auf Chron. Dom., S. 65, wo es heißt: „Organum in Ecclesia S. Reinoldi funditus aedificatur prope forum per M. Johannem de Swertis, quie et praecedenti anno renovavit antiquum“. Zwar könnte in der Dominikanerchronik eine Verwechslung von Schwerte und Schwelm vorliegen (angesichts der zahlreichen Fehler in der Chronik ist das nicht ganz auszuschließen), allerdings wird auch in einer anderen Chronik von einem Orgelbauer namens Johann von Schwerte gesprochen, der zu jener Zeit (1525) im nahe gelegenen Lünen die Orgel erneuert haben soll. Hierüber berichtet Spormecker, Cronica, S. 150 f. Becker folgte an dieser Kirche dem Kanoniker Friedrich Schlüter nach, vgl. Schwartz, Geschichte, S. 230 f. Vgl. hierzu Rademacher, Annales, Bd. 2, S. 398–629. Zitat ebd., S. 643. Die Absetzung erfolgte zwischen 1556 und 1558.
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Groppers und der verhassten katholischen Kirche sahen, stellte sich Becker als ein Kleriker dar, der sich gemäß der 1549 in Soest wiedereingeführten herzoglichen Kirchenordnung und im Rahmen der Kirchenpolitik Wilhelms V., das heißt theologisch ausgleichend, verhielt. Es ist daher anzunehmen, dass er ähnliche Standpunkte auch in seiner Zeit in Dortmund vertreten hatte. Als Vikar des Georgaltars in der Dortmunder Reinoldikirche resignierte Becker im Übrigen erst 1558, nachdem er Kanoniker an St. Cunibert in Köln wurde, wo er um 1569 verstarb.52 In Essen zählte vor der Neuordnung der Stiftsschule Johannes Monheim (1509– 1564) zu den bedeutendsten Rektoren der Essener Einrichtung, der dieser Hamelmann zufolge zu neuem Glanz verholfen habe.53 Der aus dem bergischen Elberfeld stammende und in Münster bei Kemner ausgebildete Humanist bekleidete nur drei Jahre nach dem Ende seines Studiums in Köln (1526–1529) bis 1536 für etwa vier Jahre das Essener Rektorat. Vermutlich gestaltete er die Essener Schule wohl nach münsterischem Vorbild um.54 Nach weiteren Jahren im Schuldienst in Köln wurde Monheim erster Rektor des 1545 neu gegründeten Düsseldorfer Gymnasiums, der Prestigeeinrichtung des klevischen Herzogshauses.55 Während sich Monheim in seinen späteren Lebensjahren zunehmend reformierten Ansichten zuwandte,56 soll er bis in die 1550er Jahre zum Kreis jener Humanisten gehört haben, welche zumindest nach außen hin in der Religionsfrage Standpunkte vertraten, die eng an Erasmus angelehnt waren.57 Dies zeigt sich etwa in seinen Veröffentlichungen, die er zur Förderung des Unterrichts herausgab.58 Während seiner Tätigkeit in Essen äußerte sich Monheim zu Religionsfragen nicht, es wird aber angenommen, dass sich 52 53 54 55
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Ebd., S. 801 f. Vgl. Ribbeck, Geschichte I, S. 28–31; Hamelmann, Opera genealogico-historica, S. 76. Ein Indiz für ein mehrklassiges System ist die Zeugenaussage des Johann von Sevenar, demzufolge Peter Scharpenberg „lector quartae classis“ war. Vgl. StAE 100.103, fol. 237v (Besondere Frage 156). Vgl. K[arl Johann Friedrich Wilhelm] Krafft, Die gelehrte Schule zu Düsseldorf im sechszehnten Jahrhundert unter dem Rectorat von Johann Monheim, in: Programm der Realschule zu Düsseldorf, Düsseldorf 1853, S. 3–32; Gustav Kniffler, Beiträge zur Geschichte des Schulwesens in Düsseldorf, in: Beiträge zur Geschichte des Niederrheins. Jahrbuch des Düsseldorfer Geschichts-Vereins 4 (1889), S. 11–50; Willemsen, Geschichte, S. 218–256, sowie von Looz-Corswarem, Gymnasium. Dies zeige sich unter anderem in seinem 1560 erschienenen Catechismus in quo christianae religionis elementa syncere simpliciterque explicantur. Vgl. die Faksimile-Ausgabe mit Übersetzung: Johannes Monheim, Katechismus 1560, hg. vom Gesamtverband Evangelischer Kirchengemeinden in Düsseldorf, Köln 1987. Krafft, Schule, S. 18 f.; Willemsen, Geschichte, S. 220 und 243–246. Zunächst in Köln 1539 eine Zusammenfassung von Erasmus’ Opus de conscribendis epistolis, eine Anleitung zum richtigen Briefeschreiben aus dem Jahr 1522 (vgl. Opera Omnia, Bd. 1.2, Amsterdam 1971, S. 153–579), und 1541 eine griechische Grammatik sowie später in Düsseldorf eine Dialektik und Rhetorik, eine lateinische Grammatik, ein Rechenbuch, naturwissenschaftliche Werke und diverse mit eigenen Kommentaren versehene Editionen anderer Lehrbücher. Bis auf zwei von ihm 1547 (Christoph Hegendorfer) und 1551 (Erasmus von Rotterdam) bearbeitete Katechismen und dem eigenen 1560 in Düsseldorf erschienenen katechetischen Werk betätigte sich Monheim auf dem theologischen Feld nicht als Autor, obgleich er seine Schüler in Theologie unterrichte-
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sein Standpunkt nicht allzu sehr von seinen frühen Wirkungsjahren in Düsseldorf unterschieden habe.59 Einer der Mitarbeiter Monheims in Essen war Petrus Scharpenberg,60 der wie Becker aus Schwelm stammte. Nach dem Weggang Monheims übernahm er um 1538 das Rektorat in Essen, wechselte aber schon wenig später nach Dortmund.61 Hier leitete er die Marienschule, deren verfallenes Gebäude 1539 durch die Provisoren der Marienkirche erneuert wurde.62 Während Luise von Winterfeld den Neubau der Schule in den Kontext des Bestrebens der Bürgerschaft, statt der gescheiterten Bemühungen um neue Prediger wenigstens Reformen im Schul- und Armenwesen zu erzielen, gestellt hat, bezeichnete sie Scharpenberg als „fortschrittlich gesinnt, wenn er auch äußerlich sich der Kirche fügte“.63 Ähnlich wie im Fall Beckers muss die evangelische Sicht von Winterfelds auf Scharpenberg zumindest in Bezug auf dessen Wirken in Essen und Dortmund in den 1530er und 40er Jahren infrage gestellt werden. Für ein wie auch immer geartetes konfessionelles Denken Scharpenbergs geben die Quellen keinerlei Anhaltspunkte. Lediglich seine wissenschaftliche Qualifikation wurde von Zeitgenossen gewürdigt: Für Hamelmann etwa zählte Scharpenberg ebenso wie Monheim zu den bedeutendsten Gelehrten in Westfalen.64 Auch Scharpenbergs Nachfolger in Essen, Johannes Dickmann aus Coesfeld, gehörte Hamelmann zufolge zur gebildeten Elite der Region. In Essen blieb er jedoch nur kurz (ca. 1538/39–1540) und wurde später Rektor in Borken, wo er die „studia humanitatis“ wiederbelebt haben soll.65 Selbst wenn diese Bemerkung des westfälischen Reformators zwar kaum etwas über Dickmanns religiöse Einstellung aussagt, so ist doch auffällig, dass bei seiner Berufung nach Essen sich erstmals auch der städtische Rat – gegen den Willen der Vierundzwanziger – an der Besoldung beteiligt hat.66 Mit dem Rektorat Dickmanns in Essen deutet sich daher bereits jene Reform der Schule an, die nach dem kurzen Rektorat eines weiteren angesehenen Ge-
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te. Vgl. von Looz-Corswarem, Gymnasium, S. 174; Krafft, Schule, S. 10–13 und 15; Willemsen, Geschichte, S. 235 f. Ribbeck, Geschichte I, S. 30. Eine erste biographische Skizze findet sich bei Reinhard Heinrich Roll[ius], Memoriae Tremonienses sive virorum eruditorum qui Tremoniae Westfalorum inde beati Lutheri Reformatione ad nostra usque tempora claruerunt, et vel ibidem vel alibi diem suum obierunt Vitae et Elogia, Teil 1, Dortmund 1729, S. 34 f. (Scharpenbergs Tätigkeit in Essen bleibt hier unerwähnt). Ausführlicher sind für Essen Ribbeck, Geschichte I, S. 32, 62–64, 89 f. und 94 f., sowie ders., Geschichte II, S. 3 f., bzw. für Dortmund Döring, Lambach, S. 59. Beurhaus, Merkwürdigkeiten, S. 368. Westhoff, Chronik, S. 436. Die Provisoren waren nach Westhoff der Bürgermeister Lambert Berswordt sowie die beiden Ratsherren Hermann Degginck und Hermann Kremer, die beide auch Vorsteher von Bruderschaften waren (StAD Best. 231, Nr. 12, 14 und 16, bzw. Best. 211, Nr. 93 und 109). Zitat von Winterfeld, Durchbruch, S. 67. Hamelmann, Opera genealogico-historica, S. 90. Ebd., S. 333. Zu Dickmann vgl. Ribbeck, Geschichte I, S. 32–35. Ebd., S. 34 mit Anm. 1.
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lehrten, des niederländischen Humanisten Nikolaus Edanus von Geldern 1544/45,67 in Angriff genommen wurde.
c) Schulneugründungen und -neuordnungen In der Art und Weise der Schulgründungen und der damit verbundenen Frage der ökonomischen Ausstattung sind einige Unterschiede im Aufbau eines städtischen Schulwesens zwischen einem eher protestantischen und einem eher katholischen Vorgehen feststellbar. Da aufgrund der knappen finanziellen Ressourcen der Städte nur geringe eigene Mittel zur Verfügung standen, wurde schon bald auf das kirchliche Vermögen zurückgegriffen. Insbesondere in protestantischen Städten und Territorien machte man von der Praxis, Klöster aufzuheben oder Pfründen umzuwidmen, früh Gebrauch, um Grundstücke, Kapitalien und Renten dem Gemeinnutz zugute kommen zu lassen – etwa im Bereich der Armenvorsorge, aber auch und ganz besonders im Fall der Schulen.68 Ein solches Vorgehen wurde durch Reformatoren wie Luther oder Melanchthon in ihren pädagogischen Schriften ausdrücklich gebilligt und empfohlen.69 Die Säkularisation verlief dabei meist unilateral und nahm auf die betroffenen geistlichen Institutionen wenig Rücksicht. Die Gründungen bzw. Neuordnungen von Schulen in den drei behandelten Städten in den 1540er und 50er Jahren waren Teil einer umfassenderen Schulreform im Nordwesten des Reiches. Sowohl in der klevischen wie auch der kölnischen Kirchenpolitik nahm das Schulwesen seit den 1530er Jahren eine immer zentralere Stellung ein.70 Dieses zunehmende Bewusstsein bei den Landesherren und ihren Räten für die Notwendigkeit einer verbesserten Bildung, nicht zuletzt auch in Hinblick auf die bevorstehenden religiösen Herausforderungen, übertrug sich auch auf die städtische Obrigkeit und Teile der Bürgerschaft. Unabhängig von den innerstädtischen konfessionellen Verhältnissen wurde daher mit dem Aufbau von Schulen begonnen, die allein der Kontrolle der städtischen Obrigkeit unterliegen sollten. 67 68
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Zu diesem vgl. ebd., S. 36 f. Bezeichnenderweise tauschte Edanus die Stelle des Rektors in Essen mit der eines einfachen Lehrers, später des Konrektors an der neuen Düsseldorfer Schule. Vgl. hierzu etwa Sebastian Kreiker, Armut, Schule, Obrigkeit. Armenversorgung und Schulwesen in evangelischen Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts, Bielefeld 1997, sowie Gerhard Menk, Das Bildungswesen in den deutschen protestantischen Territorien der Frühen Neuzeit, in: Heinz Schilling und Stefan Ehrenpreis (Hg.), Erziehung und Schulwesen zwischen Konfessionalisierung und Säkularisierung. Forschungsperspektiven, europäische Fallbeispiele und Hilfsmittel, Münster u. a. 2003, S. 55–99. Vgl. die oben in Anm. 3 zitierten Schriften Luthers und Melanchthons. Zu Luther vgl. auch Klaus Goebel, Luther als Reformator der Schule. Seine Schrift „An die Ratsherren…“ und Äußerungen des Reformators zu Schule und Erziehung, in: ders. (Hg.), Luther in der Schule, Bochum 1985, S. 7–28. Vielleicht noch größeren Einfluss als Luther übte Melanchthon aus, der sich als Berater und Organisator im Bereich des Schulwesens betätigte. Vgl. oben Teil II, Kap. 2.
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Das Vorgehen der städtischen Magistrate fiel dabei allerdings sehr unterschiedlich aus. Die Gründung städtischer Schulen in jenen Orten Westfalens, in denen die reformatorische Bewegung bereits etabliert war und die Räte sich an deren Spitze stellten, orientierte sich weitgehend an den landesherrlichen Maßnahmen evangelischer Territorien. Die Einziehung von Kirchengut ohne bzw. mit nur erzwungener Zustimmung der betreffenden Institutionen oder der Landesherren war dabei üblich. In Minden (1530),71 Münster (1532),72 Herford (1540)73 und Osnabrück (1543)74 wurden bestehende Klöster zumindest in Teilen in städtische Schulen umgewandelt. In Soest75 nutzte der Rat für die um 1534 gegründete städtische Schule, das spätere 71
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75
In Minden war hiervon das Dominikanerkloster St. Pauli betroffen. Der Schule wurde dabei in einem Vertrag vom 27. Januar 1530 zwischen Kloster und Rat der östliche Flügel des Kreuzgangs zur Nutzung eingeräumt. Diese Vereinbarung wird aber nicht ohne Druck zustande gekommen sein. Schon in der Kirchenordnung Mindens wurde in den betreffenden Abschnitten zum Schulwesen auf diese Übereinkunft Bezug genommen: Nikolaus Krage, Christlike Ordeninge der Erlyken Stadt Mynden tho denste dem hilgen Euangelio, Minden 1530 (ND Minden 1980), Bl. C4v–D3v bzw. (in hochdeutscher Übertragung) S. 78–82. Vgl. hierzu auch Jens Bruning, „Konfessionalisierung“ und Bildungswesen: Die Lateinschulen in Minden, Herford und Bielefeld im 16. und 17. Jahrhundert, in: Jahresbericht des Historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg 88 (2002/03), S. 79–100, hier S. 87–90. Zu dem bis in das 19. Jahrhundert hinein genutzten Gebäudekomplex an der Alten Kirchstraße 9–15 vgl. Fred Kaspar und Peter Barthold (Bearb.), Altstadt 3. Die Profanbauten, Teilband 1, in: Fred Kaspar und Ulf-Dietrich Korn (Bearb.), Stadt Minden (= Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen, Bd. 50, Tl. IV), Essen 2000, S. 41–99, bes. S. 44–46, 52 f. und 57–63. Schulze, Gymnasium, S. 28 f. Die städtische Schule im Franziskanerkloster wurde bereits nach kurzer Zeit infolge der Täuferherrschaft geschlossen. Nachdem sich die Fraterherren geweigert hatten, ihr Haus zur Verfügung zu stellen, vereinbarte der Rat mit den Augustinern, die ebenfalls mit der lutherischen Lehre sympathisierten, die Übertragung ihres Klosters an die Stadt für die Einrichtung einer Schule, die allerdings mit der bestehenden Münsterschule zusammengelegt wurde. Vgl. Bruning, „Konfessionalisierung“, S. 90 f. Die Osnabrücker Kirchenordnung von 1543 (gedruckt bei Karl Georg Kaster und Gerd Steinwascher [Hg.], V.D.M.I.Æ. Gottes Wort bleibt in Ewigkeit. 450 Jahre Reformation in Osnabrück, Bramsche 1993, S. 172–191, hier S. 178–181) ging auf eine neu zu gründende Schule ein, die im Franziskanerkloster („Barvoeter Closter“) untergebracht werden sollte. Auch für die Besoldung der Lehrer wurde auf das Vermögen von Klöstern zurückgegriffen. Infolge des Interims 1548 wurde die Schule allerdings wieder aufgelöst. Zwischen 1552 und 1595 wurden katholische wie evangelische Kinder gleichermaßen an der alten Domschule unterrichtet, bis der Rat 1595 wiederum eine eigene evangelisch-städtische Schule einrichtete. Vgl. hierzu Monika Fiegert, Van den scholen und scholemestern – Die Erweiterung des mittelalterlichen Schulwesens in Osnabrück durch die Reformation, in: Kaster/Steinwascher, V.D.M.I.Æ., S. 487–498; Friedrich Runge, Geschichte des Ratsgymnasiums zu Osnabrück, in: Uwe Schipper (Hg.), 400 Jahre Ratsgymnasium Osnabrück, Bramsche 1995, S. 19–144, hier S. 23–32. Vgl. Eduard Vogeler, Geschichte des Soester Archigymnasiums, Tl. I: Von der Gründung der evangelischen Lateinschule bis zur Erbauung des neuen Schulgebäudes. 1534– 1570, in: Jahresbericht des Archigymnasiums zu Soest für das Schuljahr 1882/83, Soest 1883, S. 2–16, hier bes. S. 3–5; Richard Kuhlmann, Überblick über die Geschichte des Archigymnasiums, in: Zur 400 Jahrfeier des Archigymnasiums in Soest, Soest 1934,
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Archigymnasium, die Räumlichkeiten der zuvor geschlossenen Kapitelschule des Patroklistiftes, während für die Besoldung der Lehrer auf städtisches Vermögen zurückgegriffen wurde. In Wesel war eine Neugründung nicht notwendig, da bereits seit dem Spätmittelalter eine städtische Schule („stat schoell“ oder „grote schoele“) nahe der Willibrordkirche bestand, die de jure zwar lediglich eine Kirchspielsschule war, de facto aber der Kontrolle des Rates unterstand, der sich auch um die Berufung und Besoldung des Personals kümmerte.76 Hier wurde die bestehende Lateinschule 1545 in eine protestantische Lehranstalt umgewandelt und dazu auch Vermögen von Klöstern, Bruderschaften und Vikarien herangezogen.77 Während in Soest, Wesel, Minden oder Münster die Änderungen ohne die Zustimmung der Landesherren durchgeführt wurden, gestaltete sich die Schulreform in Herford und Osnabrück als ein Zusammenspiel von Stadtrat und territorialer Obrigkeit. Zwar opponierte auch das Osnabrücker Domkapitel gegen die zusätzliche Konkurrenz zur eigenen Domschule, der Landesherr jedoch, Bischof Franz von Waldeck, der ohnehin mit der lutherischen Lehre sympathisiert haben soll, brachte dem Vorhaben des Rates und des Osnabrücker Superintendenten Hermann Bonnus dagegen Wohlwollen entgegen und soll der Stadt bereits 1542 das Kloster zur Verfügung gestellt haben.78 Die erneuerte Herforder Schule war ein Ergebnis des koordinierten Handelns des Rates und der Herforder Äbtissin als Landesherrin, die gemeinsam das Patronat übernahmen. Die weiterhin katholische Äbtissin Anna von Limburg war allerdings eher aufgrund der politischen Zwangslage als aus freien Stücken zu dieser Konzession bereit, die vertraglich zwischen den drei Parteien (Augustiner, Stadt und Stift) am 30. Juni 1540 vereinbart wurde.79 Anders als die Schulen in den genannten Städten war die Errichtung der Düsseldorfer Schule vorrangig ein landesherrliches Projekt.80 Angeblich soll die Gründung bereits 1543, das heißt während der Anwesenheit Melanchthons in der Region,81
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S. 21–40, hier S. 21–23; Klemens Honselmann, Melanchthons Schrift für die Stadt Soest zur Einrichtung einer Lateinschule im Bonner Urdruck, in: Gerhard Köhn (Hg.), Soest. Stadt – Territorium – Reich. Festschrift zum 100jährigen Bestehen des Vereins für Geschichte und Heimatpflege Soest, Soest 1981, S. 215–229; Gerhard Mergenthaler, Archigymnasium 1534–1984, in: Archigymnasium Soest 1534–1984, Soest 1984, S. 40– 43, hier S. 40; Jochen Thesmann, Vorwort, in: ders. (Bearb.), Bestand P 22 Archigymnasium 1607–ca. 1974 und Bestand P 23 Lehrerseminar 1827–1933, Soest 1991, S. 3–20, hier bes. S. 3–7; Ulrich Löer, Das Archigymnasium. Von der schola Susatensis zum preußischen Gymnasium, in: Widder, Geschichte, S. 475–522. Ein eigenes Gebäude erhielt die städtische Schule erst 1570. Vgl. Roelen, Schulwesen. Stempel, Reformation, S. 122. Runge, Geschichte, S. 24 f. Der Vertrag ist abgedruckt bei Hölscher, Geschichte, Teil 2, S. 10–15. Während die Äbtissin den Rektor und die Lehrer berufen durfte (§ 3), sollten zwei städtische Provisoren die Verwaltung des Schulvermögens regeln (§ 11 und 12). Zum Düsseldorfer Schulwesen vgl. die oben in Anm. 55 angegebene Literatur. Melanchthon weilte zu dieser Zeit mit Bucer am Kölner Hof, um eine Kirchen- und Schulordnung für Hermann von Wied auszuarbeiten (vgl. oben S. 78 und 93).
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geplant gewesen sein,82 ausgeführt wurde sie allerdings erst zwei Jahre später, als Johannes Monheim zum Rektor ernannt wurde. Es wurde vermutet, dass insbesondere die humanistisch gebildeten herzoglichen Räte Konrad Heresbach, Johann von Vlatten und Johann Gogreve Wilhelm V. zur Eröffnung einer höheren Schule in seiner Residenzstadt ermutigt hätten,83 um im Interesse des ‚Staates‘ zukünftige Geistliche und Beamte ausbilden zu können.84 Im gleichen Jahr war mit der ‚1. Notel‘ ein Reformentwurf ausgearbeitet worden, in dem das Schulwesen an vorderster Stelle genannt wurde. Das herzogliche Interesse an der Schulgründung zeigt sich insbesondere hinsichtlich der Regelungen zum Unterhalt der Einrichtung. Einerseits wurde ein Gebäude am Düsseldorfer Stiftsplatz zur Verfügung gestellt, welches Wilhelm V. vermutlich zuvor von den Kanonikern erworben hatte, andererseits erhielt die Schule Renten und Güter aus verschiedenen Vikarien zugewiesen.85 Sowohl die Düsseldorfer Schule als auch die anderen bestehenden bzw. neuen Einrichtungen in der Region sowie das Straßburger Gymnasium waren Vorbilder für die Neuausrichtung des Schulwesens in Essen, Dortmund und Bielefeld, wo mehr auf Kooperation mit den Landesherren bzw. dem städtischen Klerus statt auf Konfrontation gesetzt wurde. Den Schulgründungen und -reorganisationen waren dabei jeweils reformatorische Bewegungen innerhalb der Bürgerschaft vorausgegangen, die allerdings im Großen und Ganzen zunächst religionspolitisch nicht zum Erfolg führten.86 Während die Stadträte politische und religiöse Neuerungen nicht zuletzt in Rücksichtnahme auf Kaiser und Landesherrschaft ablehnten, standen sie Reformen im Bereich des Armen- und des Schulwesens, die ebenfalls seitens der Bürger gefordert wurden, aufgeschlossener gegenüber.87 Aus diesem Grund ging die Initiative hierfür gemeinsam von Rat und Bürgerschaft aus. Die Neuordnung der Essener Stiftsschule war ähnlich wie im Fall Herfords durch ein gemeinsames Vorgehen von Stadt und Stift gekennzeichnet. Die Reorganisation der bestehenden Institution erfolgte dabei in zwei Phasen. Der erste Reformversuch im Herbst 1545 sollte die Schule in eine gemeinsame Bildungsanstalt von Rat und Stift umwandeln. Hintergrund hierfür waren unter anderem die knappen monetären Ressourcen des Stifts, welche die Äbtissin zum Verzicht auf eigene Rechte im Schulwesen zwangen. Im Gegenzug für die finanzielle Beteilung der Stadt88 am Unterhalt der Stiftsschule räumte die Essener Äbtissin Sibylla von 82 83 84 85 86 87 88
Teschenmacher, Annales, S. 94. Vgl. von Looz-Coswarem, Gymnasium, S. 170–173. Monheim bezeichnete Gogreve 1550 als Förderer der Schule (vgl. die Epistola nuncupatoria bei Krafft, Schule, S. 23 [Beilage A1]). So Monheim in der Einleitung zum Schulprogramm von 1551, zitiert bei von LoozCoswarem, Gymnasium, S. 167. Ebd., S. 174 f. Herangezogen wurden dabei keine Vikarien in der Residenzstadt, sondern solche aus kleineren Orten in den Herzogtümern Jülich, Kleve und Berg (Leyenberg, Caster, Born, Blankenberg, Heinsberg, Holten und Mettmann). Vgl. unten Teil IV, Kap. 1. So etwa in Dortmund, vgl. von Winterfeld, Durchbruch, S. 67 f. Ribbeck, Geschichte I, S. 49, zufolge soll die Stadt die Hälfte der Kosten übernommen haben. Anders als noch Anfang 1539, als der Vierundzwanzigerausschuss die Freizü-
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Montfort (reg. 1534–1551)89 dem Rat das Recht ein, den Rektor und seine Gehilfen auszuwählen und ihr vorzuschlagen. Die Rechte des Stifts sollten somit einerseits auf die Bestätigung des präsentierten Schulpersonals durch die Äbtissin und andererseits auf eine gewisse Kontrollfunktion seitens des Stiftsscholasters – zu dieser Zeit der Bruder der Landesherrin – beschränkt werden.90 Verbunden mit der organisatorischen Änderung war vermutlich auch ein Neubau des Schulhauses, um dem eigenen Anspruch hinsichtlich der Einrichtung einer höheren Schule gerecht werden zu können.91 Da die ausgesuchten Lehrkräfte (vorgesehen waren ein Rektor und mehrere Gehilfen) schließlich doch nicht den hohen Erwartungen entsprachen, so dass es zu raschen Umbesetzungen innerhalb des Lehrerkollegiums kam, und ebenso die Zuwendungen sowohl seitens des Stifts als auch der Stadt schon bald nur noch unregelmäßig der Schule zugute kamen, scheiterte die erste Schulreform nach wenigen Jahren.92 Mit dem Tod Sibylla von Montforts und dem Amtsantritt ihrer Nachfolgerin, Katharina von Tecklenburg (1551–1560),93 wurde das darniederliegende Schulwesen wiederbelebt. Der Rat wollte sich diesmal allerdings nicht mit den ihm einst zugestandenen Rechten zufrieden geben. Die neue Äbtissin, die wie ihre Verwandten in Tecklenburg94
89 90
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gigkeit des Rates gegenüber dem damaligen Rektor Dickmann (vgl. ebd., S. 34 Anm. 1) kritisiert hatte, scheint die Vertretung der Bürgerschaft diesmal keine Bedenken geäußert zu haben. Eine weitere Bestätigung für eine finanzielle Beteilung des Rates an der Schule ist der Zeugenaussage des betagten Kannengießers Hermann Maß aus dem Jahr 1587 zu entnehmen. Hier heißt es zur Besonderen Frage 157: „Er wisse nit anders, dan das auch fur verenderung d[er] Religion ein Radth zu der Scholen geholff[en] midt Radth vnnd dath, auch etzliche Jharliche ansehenliche Geltsummen od[er] Pfenningen dazu gesagtt, ob es aber auß vergunstigung des Capittels, od[er] das es alß hergebrachtt geschehenn, sei ihme vnbewust.“ LAV NRW R, RKG E 589, Bd. 4, fol. 271v. Zu dieser vgl. Müller, Reformation, S. 69–71. So heißt es in einer Urkunde, die anlässlich der Präsentation eines Rektors mit vier weiteren Lehrern durch Vertreter des Stadtrates am 22. Oktober 1545 ausgestellt wurde: „Deweyl nun die hochwirdige furstin und fraw des Stiffts Essen Abdissa tzo gelaissen und verwylligt, das burgermeister und Raet sollen umbhoeren und gelertte gesellen tzo wegen bringen, auff das die selbige schoele werde restaureyrt und ayne guite pollyci werde gehalten, und die kinder werden tzo tzucht und eeren getzogen, So ist burgermeister Arndt Smelinck myd den selbigen gesellen vuer oer gnaden auff dato vurg. erschinen und die oer gnaden presenteyrt als dem heren der schoelen, und volgens durch oer g. verwylliget vnd aengenamen […].“ Abgedruckt bei Ribbeck, Geschichte I, Anhang S. 96 (Nr. 2). Ebd., S. 50 f. Ebd., S. 56–59. Vgl. auch unten Kap. 1 d). Vgl. Müller, Reformation, S. 71–74 und 193–195, sowie Ribbeck, Katharina von Tecklenburg. Zur Reformation in der Grafschaft Tecklenburg vgl. Schröer, Reformation, Bd. 1, S. 184–198, und Stupperich, Reformationsgeschichte, S. 61–63 und 184–187. Die Äbtissin war die Schwester des Grafen Konrad (1501–1557), der in seinen Territorien als erster westfälischer Landesherr die Confessio Augustana einführte und 1543 eine lutherische Kirchenordnung durchsetzte.
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mit den Reformatoren sympatisiert haben soll,95 war bereit, den Wünschen des Rates entgegenzukommen. Dieser wollte die formal immer noch landesherrliche Stiftsschule in eine kommunale Einrichtung umwandeln96 und ließ sich zu diesem Zweck die bestehende Schule für einen begrenzten Zeitraum von zehn Jahren vertraglich abtreten. Die Äbtissin, die mit Verweis auf den problematischen Zustand der Schule dieser Vereinbarung zwischen dem Stiftsscholaster und dem Rat zu Ostern 1552 zustimmte,97 sollte künftig nicht mehr das Recht haben, die ihr vom Rat präsentierten Lehrer abzulehnen. Formal behielt aber der Stiftsscholaster die Oberaufsicht über die Schule, deren katholischer Charakter ausdrücklich festgeschrieben wurde. Der Rat seinerseits wurde verpflichtet, nicht nur für eine gesicherte materielle Ausstattung der Schule, sondern auch für frommes und gelehrtes schulisches Personal zu sorgen. In den folgenden Jahren zeigte sich allerdings, dass auch der Rat mit der Finanzierung des Schulbetriebs überfordert war. Gerade in Zeiten, in denen nur wenige auswärtige Schüler gegen ein Schulgeld in Essen Unterricht erhielten, konnten sich Probleme bei der Besoldung der Lehrkräfte ergeben. Dieser Zustand trat bereits 1553 ein, als in Essen die Pest wütete und der Großteil der zahlenden fremden Schüler aus der Stadt flüchtete.98 Zusätzliche Mittel waren nur in Form kirchlicher Stiftungen vorhanden, über die der Rat jedoch nicht frei verfügen konnte. Im Zentrum der Begehrlichkeiten stand die Stiftung des Priesters Wilhelm Hagenbeck, deren jährliche Erträge in der Summe in etwa dem Betrag der bisher dem Rektor der Schule bewilligten städtischen Zuwendungen entsprachen.99 Da der Rat bereits über das Präsentationsrecht der zwei Vikarien, die durch die Stiftung unterhalten wurden, verfügte, erbaten die Vertreter der Stadt von der Äbtissin als zuständiger geistlicher Obrigkeit das Recht, die Einkünfte der Hagenbeck’schen Stiftung „tot Nüttigheit und profyt unser Burgere undt des gemeinen Bestens“ und zur „Bezolldung eines rectoirs undt regenten“ einer „gemeiner Bürgerlicher Scholen“ nutzen zu
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Im 16. Jahrhundert wurden der Äbtissin keine lutherischen Neigungen unterstellt. So befragte man etwa die Zeugen im Reichskammergerichtsprozess der 1580er Jahre diesbezüglich nicht. Erst um 1800 kam eine solche Behauptung auf. Vgl. Müller, Reformation, S. 71. Die späteren Generationen bezeichneten bereits die Stiftsschule in der Zeit von 1545 bis 1551 als Stadtschule, so etwa in der Mitte des 18. Jahrhunderts der Rektor des lutherischen Gymnasiums Johann Heinrich Zopf (Zitat bei Ribbeck, Geschichte I, S. 50). Der Ausdruck ‚Gymnasium‘ wurde in dieser Zeit noch nicht gebraucht, auch wenn die Stiftsschule vom Typus ein solches war. Allerdings wird Scharpenberg 1552 zum „gymnasiarchen und Rector derseluigerr scholen“ berufen (ebd, S. 101–103 [Nr. 6]). Abdruck ebd., S. 98–101 (Nr. 5). Ebd., S. 65 f. Die jährlichen Renten betrugen ca. 36 oder 37 Goldgulden und sollten den Unterhalt von zwei Priestern an der Münsterkirche sichern, die dafür Messen zu lesen hatten. Petrus Scharpenberg, der erste Rektor nach dem Abschluss der Vereinbarung zwischen Katharina von Tecklenburg und der Stadt Essen, sollte seinem eigenen Vertrag (ebd., S. 101–103 [Nr. 6], hier S. 102) gemäß neben den zur Schule gehörenden Renten und dem Schulgeld aus der städtischen Kasse jährlich 35 Gulden erhalten. Vgl. ebd., S. 64 und 66.
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dürfen – ein Begehren, dem die Äbtissin am 31. Mai 1555 stattgab.100 Die Landesherrin scheint in ihrer Entscheidung der Argumentation des Rates gefolgt zu sein, dass das Prestige und der Ruhm der Gelehrtenschule bedeutender sei als das Abhalten der festgeschriebenen Messen,101 für die zumindest in der Kapelle des Heilig-GeistSpitals ohnehin kaum ausreichend Platz vorhanden wäre.102 Ebenso mag der Rat sie davon überzeugt haben, dass ein solches Vorgehen nicht ungewöhnlich sei, da sowohl die Stadt Dortmund als auch der Herzog von Jülich-Kleve-Berg (für Düsseldorf) als nichtprotestantische Reichsstände von der Einziehung geistlicher Pfründen zugunsten der Schulen Gebrauch gemacht hatten.103 Problematischer gestaltete sich die Situation, nachdem das Stift nach Vertragsende die Kontrolle über die Schule zurückerlangt hatte (1561), und insbesondere nachdem der Rat 1564 eine eigene lutherische Schule gründete. Wie aus späteren Zeugenaussagen hervorgeht, machte der Rat in der Folge intensiver von der Verwendung der Einkünfte einiger Vikarien, die seiner Kontrolle unterstanden, zugunsten der Besoldung der Lehrer und der finanziellen Unterstützung ärmerer Schüler Gebrauch.104 Für das Stift stellte dieses eigenmächtige Vorgehen einen Affront dar. Allerdings, so die Aussage des eher lutherisch orientierten Rates der Äbtissin, Johann Schmelingk, scheint das Vorgehen der städtischen Obrigkeit durch die klevische Schutzherrschaft Rückendeckung gefunden zu haben.105 Das Verhältnis zwischen Stadt und Stift blieb in der Schulfrage jedoch dauerhaft belastet, wozu möglicherweise auch eine Verordnung von Rat und Vierundzwanzigern 1568 beitrug, derzufolge „ein ider burger of burgersche[,] die Ire kinder bynnen Essen ther Scholen willen halden“, diese bei
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Ebd., S. 103–107 (Nr. 7). Die Supplik des Rates ist wörtlich in der Erlaubnis der Äbtissin wiedergegeben worden (S. 104–107, die Zitate S. 105 f.). „Nachdem dan […] die geleerden in der Kirchen Gottes werden schienen glich alss der Glantz des Firmaments, undt als die sternen, so in Ewigkeith blieven […]“ (ebd., S. 105). Ein verstorbener Bürger soll einmal geäußert haben, dass in der Kapelle „umb Voelheit willen der Burgeren, Burgerschen undt Inwohneren die Fröemissen alldair to hören thomails Kleine, Enge und unbequeme Platze ist“. (ebd., S. 104). „[…] dat unsere Nachbarstede, alss nemblich Dortmund undt Dusseldorff vart mehr anderen, tho underhaldung Burgerlicher undt gemeiner Schoil in gelichen stellen solliche opkumpste an solchen Leenen, so doch ungemortificert, gesocht und angekart heffen“. (ebd., S. 106). Auf das Vorgehen der Dortmunder wird im Folgenden genauer eingegangen. Vgl. insbesondere die Aussagen von Johann Sanders, Tilman Borbeck und Peter Brandes (LAV NRW R, RKG, E 589, Bd. 4, fol. 586v, und StAE 100.105, fol. 149v und 216r) zur 144. Besonderen Frage. Ähnlich antworteten auch die Zeugen des Stiftes (Wirich Hiltrop, Heinrich Saldenberg und Dietrich Ingenhoff), vgl. StAE 100.106, fol. 141r/v und 282r/v. Ingenhoff gab an, dass der Rat teilweise über Jahrzehnte die Präsentation von Klerikern für die betreffenden Vikarien verweigert hatte, um die Einkünfte anderen Zwecken zukommen lassen zu können. StAE 100.106, fol. 281r (Zeuge 2).
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Androhung des Entzugs von Bürgerrecht und Amt nur in die „Stat schole, dar die Stat op Ire Koeste die Schoilmestern vnderheldet“, schicken sollten.106 Ähnlich wie in Essen war auch die Neuordnung der Bielefelder Stiftsschule in den 1550er Jahren das Ergebnis eines Kompromisses zwischen dem Rat und den Kanonikern des Marienstifts in der Neustadt. Bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts wurde der Unterricht allein durch einen Rektor besorgt, der in den späten 1530er Jahren durch den Landesherrn die Einkünfte der Vikarie St. Thomae zugewiesen bekommen hatte.107 Die Berufung Georg Schnekamps, der Hamelmann in seiner Amtszeit als Prediger an der Neustadtkirche unterstützt haben soll,108 scheint im Jahr 1553 noch allein durch das Kapitel erfolgt zu sein.109 Dessen Nachfolger Gerhard Tittmann, auch Timann genannt, wurde drei Jahre später allerdings vom Rat und den Kanonikern gemeinsam in sein Amt eingesetzt und vertraglich darauf verpflichtet, die Kinder im Einklang mit „des heiligen Reiches Constitution und unses gnedigen Fürsten und Herrn utgegangen Mandat und Befelen“ im katholischen Glauben zu erziehen.110 Dass damit die klevische Kirchenordnung sowie folgende Mandate im Rahmen der vermittelnden herzoglichen Religionspolitik gemeint waren, steht außer Frage. Die Interaktion zwischen Rat, Stift und Landesherr gerade in der Frage des Schulwesens wird auch in den folgenden Jahren deutlich, als mit dem Aus- und Umbau der bisher eher bescheidenen Lehrstätte begonnen wurde. Dazu wandten sich Rat und Kapitel 1557 gemeinsam an die Räte des Landesherrn111 mit der Bitte um Unterstützung, da sich zumindest die Kanoniker außerstande sahen, ange106
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StAE 100.300, fol. 73v. Möglicherweise richtete sich der Erlass aber nur gegen Klippschulen. Vgl. Ribbeck, Geschichte II, S. 12. Dem entsprächen auch Aussagen von stiftischen Zeugen, die gefragt wurden, ob den Bürgern durch den Rat der Besuch der Stiftsschule untersagt worden sei, und die sich dazu nicht klar äußern konnten (StAE 100.106, fol. 398r ff.). LAV NRW W, Ms. VII 3101, Bd. 8, fol. 291r; Herwig, Geschichte, S. 1 f. Die Einkünfte umfassten Renten aus Naturalabgaben sowie eine kleinere Geldsumme. Hinzu kam eines der Neustädter Kapitelhäuser, welches dem Rektor als Wohnung zur Verfügung gestellt wurde. Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 235 f.; Peters, Aus Hamelmanns Historia, S. 62. Nach Brüning, „Konfessionalisierung“, S. 91, der sich vermutlich auf Vogelsang, Geschichte, S. 180, bezieht, soll schon Schnekamp durch Kapitel und Rat gemeinsam berufen worden sein. Aus dem Eintrag im „Index Rectorum“, den Johann Henrich Burggraffe 1720 seinen Bielefelder Stadtnachrichten beifügte (Johann Henrich Burggraffe, Die Bielefelder Stadtnachrichten, in: Jahresbericht des Historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg 32 [1918], S. 3–138, hier S. 28) und auf welchen wiederum Vogelsang verwies, ergibt sich dies allerdings nicht. Dort wird er lediglich als „M. Georgius Schnekamp. Ao 1553“ an erster Stelle der Liste der Burggraffe bekannten Rektoren genannt, während bei den folgenden Schulmännern ausdrücklich auf die gemeinsame Berufung durch Rat und Kapitel Bezug genommen wurde. Der Vertrag vom 6. März 1556 ist abgedruckt bei Herwig, Geschichte, S. 2 f. Auch im „Index Rectorum“ Burggraffes heißt es, dass Tittmann „vom Reverando Capitulo und Bielefeldischen Magistrate angesetzet“ wurde (Burggraffe, Stadtnachrichten, S. 28). LAV NRW W, Ms. VII 3101, Bd. 8, fol. 303r–307v, hier fol. 304v, bzw. fol. 317r–320v, hier fol. 319v–320r. Vgl. auch Herwig, Geschichte, S. 3–5.
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sichts knapper Kassen zusätzliche Mittel für eine Erweiterung des Lehrbetriebs zur Verfügung zu stellen, wobei sowohl der Rat als auch das Kapitel dem Herzog die Heranziehung kirchlicher Einkünfte zugunsten der Schule vorschlugen.112 Dem Rat schwebte dabei eine höhere Lehranstalt mit insgesamt drei Lehrern vor – ein im Vergleich zu Dortmund oder Essen eher bescheidener Umfang –, für deren Einrichtung in den Augen des Rates die Einziehung zumindest einer weiteren Vikarie notwendig war.113 Da der Herzog, der das letzte Wort bei der Berufung des Schulpersonals beanspruchte, allerdings nicht den Eindruck erwecken wollte, sich wie evangelische Landesherren am Kirchengut zu bedienen, verweigerte er die Säkularisierung einer weiteren Pfründe und ermahnte stattdessen die Kanoniker, zusätzliche Gelder zur Verfügung zu stellen,114 was das Kapitel schließlich bei der Berufung des neuen Rektors Ludwig Kipp aus Hameln Anfang 1558 akzeptierte.115 In dem Vertrag mit dem neuen Rektor kommt auch ein anderer Aspekt zum Ausdruck, nämlich die individuelle finanzielle Beteiligung von Bürgern an den Kosten. So steuerten etwa die Bürgermeister Joachim von Grest und Adrian Densing, welche Hamelmann116 als „dem Evangelium besonders zugetan“ bezeichnete, sowie der Bürger Aleff aus ihrem Privatvermögen einen Teil des festen Gehaltes für den Rektor bei.117 Es bedeutet jedoch keineswegs zwangsläufig, dass dieses bürgerliche Engagement einem „evangelischen Geiste“ entspringen musste, wie Herwig behauptet hat.118 Der Ausbau der Schule in Bielefeld erfolgte nämlich nicht auf Wunsch 112
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Ebd., S. 4. Angeblich habe das Kapitel nur drei Taler aufbringen können. Die Kanoniker schlugen daher vor, die Einkünfte aus einem erledigten Kanonikat für die Schule zu verwenden. Der Rat dagegen sicherte nicht nur eine Geldrente zu, sondern wollte auch Brennmaterial und einen Garten stellen. Zur Finanzierung dieser zusätzlichen Ausgaben wollten die Vertreter der Stadt die Bielefelder Bürger und Adligen besteuern. Außerdem baten sie den Herzog um sein Einverständnis für die Einziehung der vakanten Vikarie St. Mauritius zugunsten des Schulbetriebs. Ebd., S. 4 f. Den Auszug eines Schreibens des Herzogs an das Kapitel vom 25. November 1557 (LAV NRW W, Ms. VII 3101, Bd. 8, fol. 338v–340v, hier fol. 340r) hat Herwig, Geschichte, S. 6 f. abgedruckt. Die Kanoniker sollten nicht nur drei, sondern sechs bis zehn Taler bereitstellen. Das Kapitel sollte dafür „jederzeit mit Fürwissen meins gnedigen herrn den Schulmeister anstellen“ dürfen. Der Vertrag mit Kipp samt Aufstellung der Einkünfte findet sich ebd., S. 5 f. Vgl. Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 230 („imprimis evangelio addicti“); Peters, Aus Hamelmanns Historia, S. 59. Vgl. Herwig, Geschichte, S. 6. Die Stiftungsurkunde Densings mit einem Kapital von zehn Goldgulden zitiert Hinzpeter, Geschichte, S. 8, allerdings ohne eine Datierung (vermutlich um die Jahrhundertmitte): „Ick Adrian Dennsinck Bormester to Bilfeld gebe krafft und macht dises Breves in de Ehre und tor Ehre gotes Allmächtigen der Meynung und Gestalt dat de Scholemester tor tyt dem dat bevohlen wert dat he den Scholknaben alle Sundage mögen na der Metten einen to halte de dem gemeinen Volcke de ny Catechismus oder sonst anders watt gutes uit göttlicher Schrifft wat vorlest, dat derselve Scholmester und sine Nachkommen ock al Jahr den halben Daler Tynses van diesem Breve und Besitter des huses sal und mag hören.“ Um welchen ‚neuen Katechismus‘ es sich handelt, geht leider aus der Urkunde nicht hervor. Ebd., S. 7.
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einer bestimmten Gruppe, sondern gemäß des gemeinsamen Interesses von Landesherr, Kapitel und Bürgerschaft, unabhängig von konfessionellen Präferenzen: Der sich auch weiterhin als katholisch verstehende Herzog musste als Landesherr seiner von den übrigen Landesteilen weit entfernten ravensbergischen Grafschaft bestrebt sein, den Kindern seiner hiesigen Untertanen den Zugang zur Bildung zu ermöglichen, ohne dass diese erst weiter entfernte Schulen aufsuchen mussten. Durch sein landesherrliches Bestätigungsrecht bei der Ernennung des Rektors blieb zumindest theoretisch eine indirekte Kontrolle auch in Bezug auf die Ausrichtung des Unterrichts gewahrt, während dem Herzog bei den benachbarten Schulen etwa in Minden, Herford oder Lemgo dieser Einfluss verwehrt blieb.119 Für das Kapitel spielte die Schule in ihrer Funktion als Bildungsanstalt für zukünftige Kleriker eine Rolle, die auf spätere Aufgaben im geistlichen Stand vorbereitet werden sollten. Dabei wurde deren Studium durch ein Stipendiensystem in Form von Pfründen, die durch das Kapitel vergeben wurden, unterstützt.120 Entsprechend den Forderungen nach einer besseren Ausbildung von Geistlichen etwa seitens der herzoglichen Kirchenpolitik dürften auch die Bielefelder Kanoniker trotz höherer Kosten und eingeschränkter Kontrolle eine Neubelebung des Schulwesens begrüßt haben. Aber auch die Bürger hatten ein Interesse an einer eigenen höheren Schule. Neben möglichen ökonomischen Gründen für die städtische Wirtschaft – etwa durch zahlungskräftige auswärtige Studierende – und die praktische Nähe für die Bürgersöhne dürfte nicht zuletzt auch das Prestige für die Stadt eine Rolle gespielt haben, das mit der Etablierung einer humanistischen Schule und der Berufung bekannter Gelehrter zu erzielen war.121 Konfessionelle Überlegungen dürften dagegen eher von untergeordneter Bedeutung gewesen sein, sonst hätten lutherisch gesinnte Bürger ihre Kinder durchaus auch auf die nahe Herforder Schule schicken können. Insbesondere individuelle Zuwendungen zeigen den Wunsch für den Erhalt der Bielefelder Einrichtung deutlich, da diese Beiträge für den Unterhalt des Lehrpersonals keineswegs nur auf Bürger einer Konfession beschränkt waren. Bis zum Ende des 16. Jahrhunderts wurde das Vermögen der Vikarie St. Thomae, deren Einkünfte seit der Regierungszeit Herzog
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Die städtischen Schulen in den drei genannten Orten unterrichteten die Schüler bereits im lutherischen Sinne – ein Ausweichen der ravensbergischen Kinder hierhin konnte daher kaum im Interesse des Herzogs liegen. Die geographisch nächsten, zu dieser Zeit teilweise weniger konfessionell ausgerichteten höheren Schulen befanden sich in den beiden Bischofsstädten Osnabrück und Paderborn und somit in einiger Entfernung Bielefelds. Das Kapitel gab gegenüber den herzoglichen Räten im Juli 1558 an, dass die Präbenden früher nur für zwei Jahre übertragen wurden, seit einer Intervention Herzog Johanns III. jedoch das Studium künftiger Geistlicher vier oder auch fünf Jahre lang gefördert werden würde. Die Notiz aus LAV NRW W, Ms. VII 3101, Bd. 9, fol. 182r– 183v, hier fol. 183r ist gedruckt bei Herwig, Geschichte, S. 8 f. Letztlich war die Suche nach bekannten Gelehrten in Bielefeld wenig erfolgreich. Ähnlich wie in Essen kam es auch im ravensbergischen Hauptort zu einem raschen Wechsel der Rektoren (vgl. Burggraffe, Stadtnachrichten, S. 29).
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Johanns III. direkt dem Rektor der Schule zukamen,122 stetig durch Stiftungen vermehrt, wie ein vermutlich chronologisch geführtes Verzeichnis der Pfründe aus dem Jahr 1610 zeigt.123 Zuwendungen kamen dabei sowohl von Geistlichen124 und einem ehemaligen Rektor der Schule125 wie auch von Mitgliedern des Rates,126 einem ehemaligen fürstlichen Beamten127 und von Bürgern.128 In der Summe überstiegen diese Spenden den kommunalen Beitrag deutlich.129 Erst nach 1600 änderte sich die Situation in Bielefeld. In den letzten Regierungsjahren Johann Wilhelms (1592–1609) wurde der Versuch unternommen, die konfessionellen Verhältnisse in der Stadt zugunsten des Katholizismus zu verschieben. Davon betroffen war nicht zuletzt die Bielefelder Schule, die sich in der Zeit um 1600 bereits langsam zu einer evangelischen Lehranstalt entwickelt und den Einfluss des
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1572 wurde erwogen, das Benefizium mit der Vikarie St. Jacobi einzutauschen (LAV NRW W, Ms. VII 3101, Bd. 6, fol. 250r–251r), dazu ist es aber wohl nicht gekommen: Laut LAV NRW W, Best. A 226 II, Akten, Nr. 84, gehörte die Vikarie neben anderen Pfründen von 1609 bis 1804 zur Schule. Abgedruckt bei Herwig, Geschichte, S. 7. Die Summen wurden dabei in folgender Reihenfolge notiert: 1) Rat, 2) Steinhaus’sche Schenkung, 3) Hermann Cothman, 4) Adolf Barckhausen 1573, 5) Johann Nolte, 6) Friedrich de Wendt, 7) Johann Lenepesel, 8) Witwe Hans Lolemanns, 9) Johann Strop aus der Stiftung Johannes Kirchhoffs, 10) Meinolf Dreyer 1601, 11) Dorothea Ledebaur 1607, 12) Joachim Koch. Adolf Barckhausen, Scholarch des Stifts in den 1550er Jahren, hinterlies 1573 ein Kapital von 100 Talern, das eine jährliche Rente von sechs Talern ermöglichte. Barckhausen zählte zusammen mit dem damaligen Ratsherrn Jodokus Koch zu den Gegnern Hamelmanns, der beide als „immer der päpstlichen Religion sehr ergeben und ihr schärfster Verteidiger und Anwalt“ („semper […] papisticae religioni addictissimus et eius acerrimus defensor et patronus“) beschrieb. Vgl. Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 236; Peters, Aus Hamelmanns Historia, S. 63. Zu den Stiftern gehörte ferner Friedrich de Wendt (gest. 1581), ein Domherr aus Paderborn, welcher der Schule 50 Taler zukommen ließ. Auch dieser soll nach Herwig, Geschichte, S. 8, ein entschiedener Katholik gewesen sein. Ein dritter Geistlicher war Johannes Kirchhoff, der zunächst Hamelsmanns Nachfolger als Prediger an der Neustadtkirche und schließlich Dechant des Stiftes wurde. Dieser starb 1586 und hinterließ der Schule ein Vermögen von 200 Talern, das einen jährlichen Zins von zehn Talern einbrachte. Auf die Person Kirchhoffs wird an anderer Stelle noch eingegangen werden. Johann Nolte oder Noltinck wurde 1569 zum Rektor berufen, vgl. Burggraffe, Stadtnachrichten, S. 29. Der Ertrag aus seiner Stiftung betrug einen Goldgulden jährlich. Nachweisbar sind der ehemalige, von 1588 bis 1590 bezeugte Ratsherr Johann Lenepesel (7,5 Taler jährlich) sowie die Bürgermeister Joachim Koch und Meinolf Dreyer oder Dregher, aus deren Stiftung ein jährlicher Erlös von jeweils drei Talern erzielt wurde. Hermann Cothman war herzoglicher Drost und Rentmeister auf der Sparrenburg, aus dessen Stiftung jährlich zehn Taler Erlös erzielt wurden. Diese Stiftung findet sich genauer bei Hinzpeter, Geschichte, S. 8, auch wenn er Cothman fälschlich Orthmann nennt: Die genaue Stiftungssumme soll 155 Taler betragen haben, deren Zinsen einem Prorektor zur Verfügung gestellt werden sollten. Weitere Stifter waren die Witwe von Hans Lolemann (2,5 Taler jährlich) und Dorothea Ledebaur (drei Taler im Jahr). Vier Taler brachte der Rat auf, fünf weitere resultierten aus der Steinhäuser Schenkung, die ebenfalls unter der Kontrolle des Magistrats stand.
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Kapitels weitgehend verdrängt zu haben scheint.130 Die katholischen Kanoniker sollen daher 1607 darauf gedrängt haben, dass nicht nur ein altgläubiger Prediger an der Neustadtkirche angestellt, sondern auch die Schule aufgelöst und deren Einkünfte wiederum dem Kapitel übertragen wurden.131 Doch schon im folgenden Jahr wurde die Schule wiedereröffnet, diesmal allerdings in der Altstadt in einem eigens hierfür errichteten Neubau. Diese ohne die Beteilung des Stifts erfolgte Neugründung markiert den eigentlichen Beginn eines eindeutig lutherischen Schulwesens, das allein durch den Rat kontrolliert wurde.132 Im Unterschied zu den Schulen in Essen und Bielefeld erfolgte die Etablierung einer städtischen Schule in Dortmund als Neugründung. Nachdem bereits 1539 die Schule der Marienkirche mit Petrus Scharpenberg einen humanistischen Rektor erhalten hatte, sollte wenige Jahre später ein viel ehrgeizigeres Projekt folgen. Ob die 1543 erfolgte Gründung einer städtischen Schule dem Wunsch der Bürgerschaftsvertretungen entsprach, die 1541/42 ein zusätzliches Faustpfand gegen den Rat in den Händen hielten,133 eine Folge der oben skizzierten Entwicklung eines stärkeren Bewusstseins für die Bildung war oder der Initiative des Rates selbst bzw. einzelner
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Wann genau diese Entwicklung einsetzte, ist schwer zu sagen. Für die letzten drei Jahrzehnte des 16. Jahrhundert fehlen Quellen zum Schulwesen. Sofern der 1569 berufene Rektor Nolte oder Noltinck nicht über 30 Jahre amtierte, sind sogar die Namen der Schulmeister für diese Zeit unbekannt. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Nolte bereits vor 1580 starb, zumindest wird er bei den Stiftern für die Vikarie St. Thomae (vgl. oben) zwischen Barckhausen (1573) und Wendt (um 1581) genannt. Herwig, Geschichte, S. 9. Im Spendenaufruf des Rates zum Bau des Schulhauses 1608 (LAV NRW W, Best. A 226 II, Nr. 144, Bl. 2r bzw. 3r) wird der evangelische Charakter deutlich zum Ausdruck gebracht: „[…] damit unsere Kinder und junge Jugend als Seminaria Ecclesiae in der bereits erzogener und instruirter gesunder heilführender Lehr Augustanae Confessionis und daraus wolbegründeten Cathecismi forthin erhalten, fortgepflanzt und sonst gemeiner Nutz gefürdert werden muchten“. Auch zitiert bei Herwig, Geschichte, S. 10. Da bereits 1609 mit dem Tod Johann Wilhelms das Haus Jülich-Kleve-Berg ausstarb und zunächst Kurbrandenburg und Pfalz-Neuburg Ravensberg gemeinsam erbten, wurde die städtische Schule schon 1610 wieder in die Neustadt verlegt – wo sie aber nur bis 1629 blieb – und erhielt (kurzzeitig) ihren früheren Besitz zurück. An der lutherischen Ausrichtung, die sich auch im Spendenverhalten der Bürger ausdrückte, änderte sich aber nichts. Nachdem dem Kapitel 1651 auch das Scholarchat entzogen wurde, verloren die Kanoniker ihren Einfluss auf die Bielefelder Schule endgültig. Vgl. ebd., S. 11–13 und 18 f. Die Stadt erneuerte nicht nur ihre Verteidigungsanlagen, sondern wurde in diesem Jahr auch zur Beteiligung an der Türkenbekämpfung aufgefordert, wofür sie Truppen und beträchtliche Geldmittel zu stellen hatte (Westhoff, Chronik, S. 440 f. und 443 f.). Die Ausgaben belasteten den städtischen Haushalt für mehrere Jahre, so dass sich der Rat einerseits beim Kaiser um einen Aufschub bzw. Nachlass bemühte (vgl. die Korrespondenz im StAD Best. 1, Nr. 10331, 10332, 10346a–v, 10359, 10375 und 10395) und andererseits gezwungen war, eine neue Steuer einführen und auch die städtischen Klöster und Hospitäler zur Kasse zu bitten (vgl. Chron. Dom., S. 118). Für die Festsetzung zusätzlicher Steuern musste allerdings die Genehmigung der beiden Ausschüsse eingeholt werden.
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Mitglieder dieses Gremiums zu verdanken war,134 lässt sich heute kaum noch klären. Vermutlich spielten alle drei Faktoren eine Rolle. Es ist aber wahrscheinlich, dass es gerade der Rat war, dem viel daran lag, der Gründung ein gewisses Maß an Legitimität zu geben. Da die Stadt formal weiterhin als katholisch galt, war für den Rat insbesondere eine sensible Herangehensweise in der Frage der materiellen Ausstattung einer städtischen Schule von Bedeutung, um nicht Konflikte mit dem Klerus zu provozieren. Dabei sollten sich verschiedene Faktoren als günstig erweisen. Neben den bereits erwähnten landesherrlichen Reformbestrebungen im Bildungswesen seitens Kurkölns und Jülich-Kleve-Bergs in dieser Zeit und dem breiten Wunsch nach einer höheren Schule unter den Dortmunder Bürgern dürfte auch der Zufall eine Rolle gespielt haben, denn gerade als der aus Dortmund stammende Gelehrte Johannes Lambach135 im Sommer 1542 in seine Heimatstadt zurückgekehrt war, verstarb Ende September der Rektor der Jakobikapelle auf dem Westentor, Reinoldus Rover.136 Das Präsentationsrecht der Pfründe lag in der Hand des Rates. Lambach bewarb sich um die Stelle mit der Absicht, so finanziell abgesichert noch einige Zeit zu studieren. Der Rat scheint um diese Zeit allerdings schon beabsichtigt zu haben, die Pfründe für den Aufbau einer Schule zu nutzen und war daher zur Präsentation Lambachs nur bereit, wenn dieser sich so schnell wie möglich für den Schuldienst zur Verfügung stellen würde. Am 16. Februar 1543 präsentierte der Rat Lambach, der bis zu seiner Heirat 1547 formal weiterhin dem Priesterstand angehörte, als Kandidaten für die Vikarie dem zuständigen Dekan von Mariengraden in Köln, wobei in der Urkunde die Umwidmung der Pfründe für Schulzwecke nicht 134
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Besonders der Kämmerer Hermann Hueck und die beiden Bürgermeister Lambert Berswordt und Johann von Hane sollen sich als Verfechter der alten Kirche für die Errichtung der Schule eingesetzt haben. Diese Behauptung findet sich allerdings erst im 18. Jahrhundert etwa bei Beurhaus (in seinen nicht erhaltenen Altertümern, nicht aber in den Merkwürdigkeiten) sowie bei Rollius, Memoriae Tremonienses, S. 6 f. Hierauf stützten sich in der Folge Döring, Lambach, S. 36, sowie nahezu alle folgenden Studien zur Dortmunder Schule: Heller, Geschichte, S. 57; Schilling, Dortmund, S. 175 Anm. 103; Gerhard E. Sollbach, Die Einrichtung des Gymnasiums in Dortmund 1543 – Schulpolitik zwischen Humanismus und Reformation, in: Hanswalter Dobbelmann und Jochen Löher (Hg.), Eine gemeine Schule für die Jugend. 450 Jahre Stadtgymnasium Dortmund, Duisburg 1993, S. 9–26, hier S. 18; Olschewski, Erneuerung, S. 266. Diese Hervorhebung der Verdienste der drei Mitglieder des Stadtrates scheint allerdings mehr ein Mythos zu sein. Weder zeitgenössische Quellen wie die Berufungsurkunde für Lambach für eine Pfründe oder die „Deditio“ von Schöppers erstem Drama noch zeitgenössische Chroniken wie die von Westhoff und die der Dominikaner haben diesen drei in irgendeiner Weise einen persönlichen Beitrag bei der Gründung zugeschrieben. Auch im 17. Jahrhundert (Mulher, Ulteriores exceptiones, Deductio und Nachrichtung, Säkulardisputation) wurde die Gründung der Schule stets nur auf ein gemeinsames Handeln von Rat und Bürgerschaft zurückgeführt, wohingegen Einzelpersonen nicht hervorgehoben wurden. Zu diesem vgl. das folgende Kap. 1 d). Hierüber berichtet die Deductio und Nachrichtung (von Winterfeld, Durchbruch, S. 142) sowie die Säkulardisputation in den Punkten 4–6 (Franz, Christoph Scheibler, S. 275 und 287).
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erwähnt wird.137 Wenige Tage später, am 22. Februar, dem Tag der Neuwahl des Rates, nahm Lambach die Vikarie an und akzeptierte damit die städtischen Forderungen. Da die Einkünfte aus der Pfründe kaum ausreichten, übertrug der Rat Lambach auch noch die Vikarie der Kapelle über dem Ostentor. Hinzu kamen eine Rente aus der Martinskapelle sowie weitere Zahlungen aus der Stadtkasse, mit denen insbesondere die Gehälter der Lehrer gezahlt werden sollten.138 Für die Benediktskapelle über dem Ostentor fand der Rat, um den Schein der Rechtmäßigkeit zu wahren, auch wenn de facto Kirchengut säkularisiert wurde, die Lösung, dass die kultischen Handlungen durch einen Minoritenbruder weiter verrichtet wurden, der dafür ein Entgeld aus dem städtischen Haushalt erhielt. Erst nachdem sich die lutherische Konfession in der Stadt etabliert hatte, beendete der Rat 1572 diese Zahlung an die Franziskaner.139 Während also kirchliche Pfründen für die Finanzierung der Schule herangezogen wurden, blieben die geistlichen Einrichtungen als solche unangetastet. Der Rat kaufte stattdessen ein zentral gelegenes Gebäude am Westenhellweg, genannt ‚Zum Vogel‘, in unmittelbarer Nähe zum Dominikanerkloster, um dieses „tho einer gemeinen Scholen vur die Jogend“ zu verwenden.140 Diese Lösung, welche die Dortmunder Geistlichkeit weitgehend unberührt ließ, scheint auch auf ‚altgläubiger‘ Seite auf Akzeptanz gestoßen zu sein,141 zumal sich ein eindeutig konfessioneller Charakter der Schule, die bald als Gymnasium bezeichnet wurde,142 137 138 139
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Druck bei Döring, Lambach, S. 121 f. Vgl. von Winterfeld, Durchbruch, S. 72. So die Aufzeichnung der Rektoren der Kapelle, die bei Döring, Lambach, S. 9 f., wiedergegeben wird, die einerseits über die Übertragung der Pfründe an Lambach zugunsten der Schule und andererseits über die Fortsetzung der Messen berichtet: „Porro circa annum Dni 1543, cum Joannes Lambachius J. U. Doct. regimen maioris scholae Tremon. susciperet, senatus Trem. eidem et suis successoribus contulit, universos reditus tam ad portam orientalem, quam occidentalem spectantes, ut idem de schola et iuventute erudienda provideretur. Et senatus interim ex monachis Fratrum minorum conduxit, qui missas […] celebrarent. Quod deinde anno 1572 plane quoque abrogatum fuit.“ Der Vertrag mit Dietrich Prume vom 30. September 1543 ist abgedruckt bei von Winterfeld, Durchbruch, S. 118 f. (Nr. 5). Für das Haus wurde die Zahlung einer Erbrente über zehn Goldgulden jährlich vereinbart. Angeblich soll die Verwendung der Vikarien für die Schule sogar eine kaiserliche und päpstliche Anerkennung erhalten haben, so jedenfalls Mulher/Mewe, Historische Beschreibung, S. 335. Auch Westhoff, Chronik, S. 447, gibt an, dass die Schule „mit groten privilegien versorgt“ wurde. Nach Döring, Lambach, S. 8, soll noch 1755 eine Bestätigung der Übertragung der Einkünfte der Vikarien an die Schule durch den päpstlichen Nuntius unter dem Titel „Concessio de reditibus vicariarum ad portam orientalem et occidentalem pertinentibus in usum Gymnasii vertendis Nuncii aportolici de anno 1543“ exisitiert haben. Von Winterfeld, Durchbruch, S. 73 f., bezweifelt dagegen eine Einwilligung seitens des Kaisers oder des Papstes, zumal diese auch gar nicht erforderlich gewesen wäre. In den ersten Jahren ihres Bestehens wurde die Dortmunder Schule zumeist als „Gemeine Schule“, „Neue Schule“ oder „Große Schule“ bezeichnet (Westhoff, Chronik, S. 447). In der Dominikanerchronik ist von der „schola ac Academia“ die Rede (Chron. Dom., S. 139). In Lambachs 1548 publiziertem hebräischem Lehrbuch findet
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erst nach und nach, insbesondere seit den 1560er und 1570er Jahren herausbildete. Erst in den konfessionellen Auseinandersetzungen in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurde die Schule und die Art und Weise ihrer Gründung und materiellen Ausstattung Gegenstand des Streits zwischen der lutherischen Stadt und den katholischen Klöstern.143
d ) Die Gelehrten der neuen humanistischen Schulen Im Laufe des 16. Jahrhunderts konnten insbesondere in Essen und Dortmund zunehmend namhafte Humanisten für den Schuldienst gewonnen werden, die auf die kulturelle wie konfessionelle Entwicklung in den Städten einen nicht zu unterschätzenden Einfluss ausübten, vor allem in den 1540er und 1550er Jahren.144 In Dortmund wurde das neue Schulwesen über einen langen Zeitraum hinweg durch das Rektorat (1543–1582) des Johannes Lambach genannt Scaevastes (1512– 1582) geprägt.145 Dieser soll eine erste schulische Ausbildung in der Reinoldischule bei Urban von Homberg genossen haben und besuchte später die humanistischen
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sich dagegen bereits die Bezeichnung Gymnasium (vgl. Löffler, Weiteres, S. 2 [Nr. 7]). Der später übliche Begriff ‚Archigymnasium‘ kommt erst seit dem frühen 17. Jahrhundert vor. Im Dekret Kaiser Rudolfs II. von 1604 wurde behauptet, dass die Dortmunder Schule keineswegs eine städtische Gründung gewesen sei: „In gleicher Weise hat man auch die Schule, so aus Zulassung der Babstlichen Heiligkeit von den Kirchengütern und Beneficiis zu Erhaltung der Catholischen Religion fundirt worden, under der Stadt Rhatz Gewaldt gezogen […]“. Vgl. die dreifache Ausfertigung im StAD Best. 2, Nr. 55.6, sowie wiedergegeben bei Mulher, Annales Tremonienses, S. 63–68 (Zitat S. 66). Im Restitutionsedikt von 1628, das auch die Rückgabe der Kirchen, Kapellen und Schulen an die Katholiken verlangte, ist interessanterweise keine Rede mehr hiervon (Druck bei Fahne, Geschlechter, S. 140–147). Auf lutherischer Seite wurde dagegen hervorgehoben, dass die Schule durch keine andere Institution als den Rat gegründet und das Schulgebäude aus öffentlichen Mitteln bezahlt worden sei. Für den angeblich von Anfang an evangelischen Charakter der Schule wurde mit der Verwendung geistlicher Einkünfte argumentiert. Vgl. den 8. Beweis in den Ulteriores exceptiones (Franz, Christoph Scheibler, S. 323), Punkt 1 und 2 des 5. Hauptbeweises der Deduction und Nachrichtung (von Winterfeld, Durchbruch, S. 141 f.), und die Abschnitte 1, 2 und 4–9 der Säkulardisputation (Franz, Christoph Scheibler, S. 273–276 bzw. 285–288). Für diese Zeit verwendet die Forschung zu Dortmund häufig den Begriff ‚Humanistenreform‘ als ein Abschnitt der in Phasen untergliederten Dortmunder Reformation. Bei Stenger nimmt diese dritte von fünf Phasen (bis 1570) die Zeit zwischen 1543 und 1554 ein (Stenger, Reformation, S. 198–203). Ähnlich vor ihm bereits Löffler, Reformationsgeschichte, S. 197–205 (Kap. III). Schilling spricht als erster dezidiert von der ‚Humanistenreform‘ als der zweiten von fünf Phasen (bis 1648) der Jahre von 1539 bis 1555/56. Vgl. Schilling, Dortmund, S. 159 f. und 167–178. Eine längere Darstellung von Leben und Werk Lambachs findet sich bereits bei Rollius, Memoriae Tremonienses, S. 1–14. Bis heute im Wesentlichen nicht überholt ist Döring, Lambach, der den Rektor in den Kontext der Dortmunder Schule stellte. Ferner sei noch auf Gustav Pfeiffer, Johann Lambach. Sein Leben und Wirken in Dortmund, masch. Diss. Münster 1920, verwiesen. Da Lambach eng mit den ersten
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III. Die städtische Gelehrtenwelt im Religionskonflikt
Schulen in Münster und Emmerich, bevor er an den Universitäten in Löwen, Paris, Orléans, Dôle und Köln studierte.146 In Paris kam er nicht nur mit dem bedeutenden Gelehrten Petrus Ramus in Kontakt, sondern lernte dort auch Johann Sturm kennen, den ersten Rektor der neuen Straßburger Schule. Beide haben Lambachs weitere Laufbahn maßgeblich geprägt. Während die pädagogischen Prinzipien und Lehren des Ramus, der Ramismus, in Dortmund insbesondere während der Rektorate von Lambach sowie seines Schülers und Nachfolgers Friedrich Beurhaus blühte,147 orientierte sich Lambach beim Aufbau der neuen Dortmunder Schule auch an der Konzeption der Straßburger Bildungseinrichtung Sturms, die er aus eigener Erfahrung kannte. Dies führte dazu, dass im 17. Jahrhundert sowohl Lambach selbst als auch die Schule unter lutherischen Prämissen betrachtet wurden.148 Neben seiner Tätigkeit als Leiter der neuen städtischen Schule bekleidete Lambach zeitweise auch kirchliche149 und städtische150 Ämter. Zusammen mit dem Prediger der Marienkirche, Jakob Schöpper, versuchte Lambach, einen gewissen Einfluss auf die religiöse Haltung der Schüler zu nehmen, ein Vorhaben, das – wie der Werdegang einiger Dortmunder Schüler, beispielsweise Hamelmanns, zeigt – nur bedingt Erfolg hatte. Dass Lambach auch nach dem Tod Schöppers seine religiöse Einstellung nicht aufgab, zeigen die Ereignisse um den Aufruhr zu Fronleichnam 1556 um den ehemaligen Schüler Lambachs, Johannes Heitfeld, der sich gegen die bisherige Messe gewandt hatte.151 Später scheint sich Lambach jedoch mehr und mehr lutherischen Positionen angenähert und auch die Schule in die entsprechende Richtung gelenkt zu haben.152 In Straßburg holte sich Lambach nicht nur Anregungen für den Aufbau der Dortmunder Schule, sondern brachte von seiner Reise nach Oberdeutschland auch einen Teil des ersten Lehrerkollegiums mit nach Westfalen. Dazu gehörte der ursprünglich aus Friesland stammende Humanist und Jurist Cyprianus Vomelius
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Jahrzehnten der Schule verbunden war, findet sich Biographisches auch in anderen Darstellungen zur Schulgeschichte. Zu den Lehr- und Wanderjahren Lambachs vgl. Döring, Lambach, S. 27–35. Der Abschluss seines Studiums erfolgte erst nach seiner Berufung nach Dortmund, als er um 1550 in Köln zum Doktor beider Rechte promovierte. Gustav Coring, Das Gymnasium zu Dortmund und die Pädagogik des Petrus Ramus, Emsdetten 1933. Vgl. den 9. Beweis in den Ulteriores exceptiones (Franz, Christoph Scheibler, S. 323), Punkt 1 des 5. Hauptbeweises in der Deductio und Nachrichtung (von Winterfeld, Durchbruch, S. 141 f.) und Absatz 7 in der Säkulardisputation (Franz, Christoph Scheibler, S. 275 und 287 f.). Zwischen 1543 und 1547 war er Kaplan der Reinoldikirche, trat dann aber aus dem geistlichen Stand aus, um sich zu verheiraten. Vgl. von Winterfeld, Durchbruch, S. 80. In den Jahren von 1563 bis 1566 war Lambach Mitglied des Dortmunder Stadtrates und fungierte in den darauffolgenden zwei Jahren als städtischer Richter. Vgl. Mallinckrodt, Rathslinie, S. 20–22. Vgl. unten S. 214 f. So die einhellige Ansicht der Forschung zu Lambach, welche nicht zuletzt auf der durch Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 219 f., überlieferten Darstellung, dass Lambach 1562 als einer der ersten den Laienkelch genommen haben soll, zurückgeht.
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(1515–1578), der in Dortmund erster Konrektor der Schule wurde, aber nur wenige Jahre in dieser Stellung verblieb.153 Vomelius, der bereits während seiner Studienjahre mehrere Gedichtsammlungen veröffentlichte, verfasste in seiner Zeit in Dortmund ein für den Unterricht vorgesehenes Werk, eine Einführung in die Arithmetik.154 Von seinem Landsmann, dem friesischen Kanoniker und Historiker Suffridus Petrus (1527–1597),155 wurde Vomelius als ein ausgezeichneter Gelehrter charakterisiert, der Streitigkeiten aus dem Wege ging.156 Aus diesem Grund passte Vomelius sehr gut in das Konzept der Dortmunder Schule. Im Gegensatz zu Lambach scheint Vomelius allerdings weitestgehend am katholischen Glauben festgehalten zu haben. Vomelius’ Nachfolger als Konrektor wurde der bisherige Lector tertiae classis, Quirinus Reinerus.157 Auch dieser war vermutlich holländischer Herkunft und durfte daher das ihm angetragene Rektorat der Weseler Schule 1545 aufgrund eines kaiserlichen Besuchsverbotes158 nicht annehmen. Ob Reinerus zu sehr mit der lutherischen Lehre sympathisierte, wie Döring annahm, muss allerdings offenbleiben. Zwar beurteilt Hamelmann, dessen Lehrer Reinerus in Dortmund war, ihn als einen „lectissimo suavissimoque Rhetore“, einen sehr ausgezeichneten und sehr angenehmen Redner,159 ein Beweis für eine Hinwendung zur Reformation ist dies nicht, da Hamelmann auch dezidiert katholische Schulmänner wie Hermann von Kerssenbrock (1519–1585)160 als begabte Gelehrte durchaus zu würdigen wusste. In Dortmund blieb Reinerus bis 1553 Konrektor, sein weiteres Schicksal ist unbekannt. 153
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Zur Biographie vgl. Döring, Lambach, S. 53–58; ders., Art. „Vomelius, Cyprianus“, in: ADB 40 (1896), S. 288 f. Vomelius hatte eine Schulbildung in den Niederlanden (Gouda, Haarlem und Groningen) genossen und daraufhin in Wittenberg (1532–1535), Erfurt (um 1540), Löwen (1542) und Köln (1543–1545) studiert. Unterbrochen wurden die Studienjahre durch Tätigkeiten als Lehrer in Magdeburg (1535–1537) sowie Braunschweig (1540–1541/42) und einem Aufenthalt in Mainz (1542/43). Nach Abschluss des Studiums verließ er Westfalen und begab sich in die Dienste des Mainzer Erzbischofs, um wenig später eine Professur an der Mainzer Universität zu bekleiden. Seine letzte Station führte ihn 1563–1578 als Assessor an das Reichskammergericht nach Speyer, nachdem er bereits von Karl V. 1556 in den Adelsstand erhoben worden war. Vgl. hierzu Hamelmann, Opera genealogico-historica, S. 178 f. Vgl. Pieter Lodewijk Muller, Art. „Petrus, Suffridus“, in: ADB 25 (1887), S. 539 f. Suffridus Petrus, De Scriptoribus Frisiae Decades XVI et semis […], Franeker 1699 (zuerst Köln 1593), S. 367–377. Vomelius’ Wirken in Dortmund war Petrus nur eine kurze Bemerkung wert (S. 368). Etwas ausführlicher ist dagegen Rollius, Memoriae Tremonienses, S. 19–21. Vgl. auch Döring, Lambach, S. 57 f. Zu diesem vgl. Rollius, Memoriae Tremonienses, S. 14 f. und Döring, Lambach, S. 58. Vermutlich stammte er aus Alkmaar. Druck: Gerhard Sardemann, Johannes Brantius, Rector an der höhern Schule in Wesel, 1584–1620, in: Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins 4 (1867), S. 115–208, hier S. 174–176. Hamelmann, Opera genealogico-historica, S. 320. Vgl. etwa ebd., S. 173 und 242 f. Zu Kerssenbrock vgl. Karl-Heinz Kirchhoff, Hermann von Kerssenbrock, in: Robert Stupperich (Hg.), Westfälische Lebensbilder, Bd. 16, Münster 2000, S. 82–107, hier S. 86–90; Schönemann, Bildungsinstitutionen, S. 690–695. Kerssenbrock war 1546–1548 Konrektor unter Monheim in Düsseldorf
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III. Die städtische Gelehrtenwelt im Religionskonflikt
Während die übrigen ordentlichen Lehrer der ersten Generation161 mit Ausnahme des bereits erwähnten Petrus Scharpenberg von geringerer Bedeutung gewesen waren, nahmen zwei weitere Männer ebenfalls Aufgaben in der Erziehung der Schüler wahr, ohne für eine bestimmte Klasse zuständig gewesen zu sein. Zu diesen gehörte zum einen der Prediger der Marienkirche, Jakob Schöpper (gest. 1554),162 und zum anderen der aus Essen stammende Tilman Kleinmeister.163 Der zwischen 1512 und 1516 wahrscheinlich in Dortmund geborene Schöpper hatte vermutlich ebenfalls seine erste Schulbildung bei Urban von Homberg genossen. Sein weiterer schulischer Werdegang ist ungewiss; möglicherweise wurde er 1542 in Löwen immatrikuliert. 1544 wird er als kölnischer Kleriker und Notar bezeichnet164 und wirkte in dieser Zeit anscheinend bereits als Prediger in Dortmund, zuerst in St. Petri, ab 1546 an der Marienkirche.165 An der Stadtschule war es gewiss Schöpper, der die Kinder in die Grundlagen des christlichen Glaubens eingeführt hat und mit fortgeschrittenen Schülern wie etwa Hamelmann über theologische Themen diskutierte. Seine eigenen religiösen Ansichten, die im 17. Jahrhundert in einem evangelischen Licht interpretiert worden sind,166 legte Schöpper in einer ganzen Reihe von Schriften dar,
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sowie ab 1548 Leiter der Schule in Hamm. 1550–1575 bekleidete er das Rektorat in Münster. Seine letzten Lebensjahre verbrachte er als Rektor in Paderborn, Werl und Osnabrück. Petrus Scharpenberg als Lector quartae classis (1543–1546 oder 1552; evtl. Tätigkeit als Lehrer der 3. Klasse 1546–1551/52), Reynold Scholer als Lector quintae classis (1543–1547), Florentius Lövinkhoff als Lector sextae classis (1543–1578) und Nicolaus Schwirinckhusen bzw. Albert Pepper als Lectores septimae classis (1543–1544/45 bzw. 1543/44–1544/45). Zu diesen vgl. Döring, Lambach, S. 59 f. Eine erste biographische Skizze findet sich bei Rollius, Memoriae Tremonienses, S. 21–29. Daneben sei verwiesen auf Julius Hermann Franz Evelt, Jacob Schopper, Pfarrer zu Dortmund (†1554), in: Blätter für kirchliche Wissenschaft und Praxis 9 (1875), S. 75–84; Döring, Lambach, S. 80–85, und Edward Schröder, Jacob Schöpper von Dortmund und seine deutsche Synonymik, Marburg 1890, hier S. 1–6. Eine umfangreiche Würdigung seines lange Zeit missinterpretierten Werkes hat Ursula Olschewski, Erneuerung der Kirche durch Bildung und Belehrung des Volkes. Der Beitrag des Dortmunder Humanisten Jacob Schoepper zur Formung der Frömmigkeit in der frühen Neuzeit, Münster 1999, vorgelegt (zur Biographie Schöppers S. 34–37). Vgl. auch N.N., Ueber einen wenig bekannten katholischen Katechismus aus der ersten Hälfte des sechszehnten Jahrhunderts, in: Der Katholik. Zeitschrift für katholische Wissenschaft und kirchliches Leben 41/2 (1861), S. 451–474, hier S. 467 f. Rollius, Memoriae Tremonienses, S. 16; Ribbeck, Geschichte I, S. 24–26; Döring, Lambach, S. 63 f. Vgl. von Winterfeld, Durchbruch, S. 76 Anm. 88. Heller, Geschichte, S. 63. Nicht richtig ist die Darstellung bei Beurhaus, Merkwürdigkeiten, S. 419, der Schöpper als den von 1544 bis 1554 amtierenden Pfarrer der Marienkirche bezeichnet. In einer nicht mehr erhaltenen Urkunde des StAD Best. 212, Nr. 129, vom 29. Juli 1546 wurde Schöpper laut Findbuch als „presbyter, vicecuratus ecclesiae Mariae“ bezeichnet. Argumente für eine lutherische Gesinnung Schöppers wurden im 19.–21. Beweis in den Ulteriores exceptiones (Franz, Christoph Scheibler, S. 323), in der Deductio und Nachrichtung mit den Punkten 4 und 5 des 5. Hauptbeweises (von Winterfeld, Durchbruch, S. 143–146) sowie in der Säkulardisputation in den Punkten 3 und 13–15
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die teilweise posthum veröffentlicht wurden und auf die im Einzelnen an anderer Stelle zurückzukommen sein wird.167 Kleinmeister dagegen war, vielleicht auch nur für kurze Zeit, für einen anderen Aspekt der schulischen Bildung zuständig. Er gehörte zu den Schülern der Essener Stiftsschule, wo er im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts eine erste Ausbildung erhalten hatte. Um 1530 scheint er sich im französischen Montpellier medizinischen Studien gewidmet und dort promoviert zu haben. 1545 kam er Westhoff168 zufolge nach Dortmund, um hier die „linguae sancte, dat ist der hebraischen tungen“ zu unterrichten. Hebräisch gehörte zum Sprachenkanon, das Lambach etwa am Collegium trilingue in Löwen kennengelernt haben könnte, und welches als integraler Bestandteil einer idealen humanistischen Bildung angesehen wurde. Auch in Straßburg wurde Hebräisch gelehrt,169 etwa von Theologen wie Wolfgang Capito (1478–1541), bei dem vielleicht auch Lambach seine Kenntnisse vertieft hatte. Im Unterschied zu Straßburg scheint es in Dortmund nicht zur Einrichtung einer festen Stelle für den Hebräischunterricht gekommen zu sein, auch wenn die Dominikanerchronik berichtet, dass 1543 „incoeptae sunt lectiones Hebraicae, Graecae, Latinae linguae“.170 Kleinmeister dürfte nur kurze Zeit in der Reichsstadt privaten Unterricht erteilt haben. Es ist zu vermuten, dass Lambach diese Aufgabe anschließend selbst übernommen hat und hierfür ein methodisches Lehrbuch171 herausgab. Nach den Abgängen von Vomelius und Reinerus folgten in Dortmund bald weitere Gelehrte von Rang nach. Zu diesen gehörten die Brüder Bernhard (1525–1581) und Johannes Copius (vor 1525–1605), die mit fünf weiteren männlichen Geschwistern aus dem münsterländischen Stromberg stammten172 und allesamt von Hamel-
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(Franz, Christoph Scheibler, S. 274 und 277–280 bzw. 286 f. und 289–294) angeführt. Gerade die letztere Schrift zitiert ausführlich aus Schöppers Predigten. Vgl. unten Kap. 3. Westhoff, Chronik, S. 455. Vgl. Schindling, Hochschule, S. 262–265. Chron. Dom., S. 139. Johannes Lambach, Methodus recte legendi Hebraica, per Johannem Scaevasten, in suae pubis gratiam succinctissime collecta, praeteritis iis omnibus quae in ipsis huius linguae incunabulis pubem sua difficultate alienare possent, Dortmund 1548. Die Schrift lag noch von Steinen (Geschichte, Tl. I, S. 1452) vor, scheint später aber verloren gegangen zu sein. Vgl. hierzu auch Löffler, Buchdruck, S. 48 (Nr. 7), und ders., Weiteres, S. 2 (Nr. 7). Aus der Vorrede Lambachs, die wörtlich ebd., S. 9 f., abgedruckt ist, ergibt sich, dass anfangs nur Griechisch und Latein an der Schule gelehrt wurden. Franz Flaskamp, Die westfälische Pfarrerfamilie Copius. Ein Beitrag zur westfälischen Reformationsgeschichte, in: Jahrbuch des Vereins für Westfälische Kirchengeschichte 47 (1954), S. 94–116. Die übrigen waren: Hermann (um 1530–vor 1613), der als Pfarrer in Stromberg blieb und sich gegenüber den bischöflichen Visitatoren zum Katholizismus bekannte (ebd., S. 106–108); Engelbert (gest. 1606), der im Schuldienst in Lippstadt, Lemgo, Soest, Marburg und Hamm im lutherischen Sinn gewirkt haben soll (ebd., S. 108 f.); Balthasar (gest. vor 1600), der eine Laufbahn im pfälzischen Kirchendienst einschlug und mehrere reformierte Schriften verfasste (ebd., S. 110–113); sowie der jüngste, Rotger, der in Heidelberg studierte und reformierter Pfarrer in Hessen geworden sein soll (ebd., S. 114 f.). Der zweitjüngste, Konrad, starb vielleicht schon jung und spielte als Gelehrter keine Rolle (ebd., S. 113 f.).
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III. Die städtische Gelehrtenwelt im Religionskonflikt
mann zu den bedeutendsten Gelehrten Westfalens gezählt wurden.173 Konfessionell war die Familie heterogen: einer der Brüder blieb katholisch, die anderen näherten sich teilweise über eher ambige Positionen langsam der lutherischen oder reformierten Lehre an. Der jüngere, Bernhard,174 wurde 1553 Nachfolger von Reinerus im Konrektorat, das er vielleicht 1559 seinem Bruder Johann175 überließ. Insbesondere Bernhard soll in religiösen Fragen „den Schöpper-Lambachschen Standpunkt getheilt“ haben, wie Döring es formuliert hat.176 Ebenfalls zu einer Gelehrtenfamilie gehörte Philipp Fabricius (1536/37–1596),177 der nach dem Studium in Köln (1557)178 ab 1559 bis zu seinem Tod fast vier Jahrzehnte als Lector quartae classis in Dortmund wirkte. Sein älterer Bruder, der Humanist und Ramist Franciscus Fabricius (1525/27–1573),179 wirkte ab 1551 zunächst als Lehrer bzw. Konrektor in Düsseldorf und folgte 1564 Johannes Monheim als Rektor der dortigen Schule nach, die er gemäß der Pädagogik des Ramus und konfessionsneutral leitete. Philipp galt als tüchtiger Lehrer, der eine große Zahl von Schülern anzog.180 Bereits nach kurzer Zeit begann er, sich in der Reichsstadt zu etablieren: Er trat nicht nur als Zeuge bei Morgensprachen auf,181 sondern erwarb 1564 das Dort173 174
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Hamelmann, Opera genealogico-historica, S. 90. Rollius, Memoriae Tremonienses, S. 29–31; Flaskamp, Pfarrerfamilie, S. 101–106; Döring, Lambach, S. 70–72. Bernhard war um 1550 Lehrer in Münster und wurde um 1552 Rektor der Paderborner Domschule. Nach seiner Amtszeit in Dortmund bekleidete er das Rektorat der Lemgoer Schule (1559–1565) und wurde später Professor in Marburg, wo er der Pest erlag. Rollius, Memoriae Tremonienses, S. 33 f.; Flaskamp, Pfarrerfamilie, S. 99–101; Döring, Lambach, S. 112 f. Er studierte in Münster, Löwen und Köln, wurde um 1550 Lehrer an der Ludgerischule in Münster, folgte seinem Bruder im Paderborner Rektorat bis 1557 nach und ging anschließend nach Dortmund, wo er bis zu seinem Tod blieb. Ebd., S. 70 f. Einen eindeutigen Beweis dafür gibt es allerdings nicht. Rollius, Memoriae Tremonienses, S. 52–54, sowie Döring, Lambach, S. 113 f., und Wilhelm Schmitz, Biographische Nachträge zu 3. Philippus Fabricius Marcoduranus, in: Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins N. F. 1 (1876), S. 71–73. Der bei Wilhelm Schmitz, Franciscus Fabr. Marcod. Ein Beitrag zur Geschichte des Humanismus, Köln 1871, S. 35 Anm. 10, mitgeteilte Eintrag in der Kölner Matrikel lautet: „Oct. 1557. Philippus Marcodurensis [= Düren] Fabricius ad artes iuravit et solvit“. Zur Person vgl. die oben zitierte Biographie von Schmitz sowie ders., Biographische Nachträge zu 2. Franciscus Fabricius Marcoduranus, in: Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins N. F. 1 (1876), S. 70 f.; ferner Leonhard Ennen und Wilhelm Crecelius, Art. „Fabricius, Franz“, in: ADB 6 (1877), S. 507. Döring, Lambach, S. 114. Zunächst als „Philips Smidt van Duyren“ (1559) und „magister Philips Smidt“ (1560), dann als „D. Philips Smidtz, Lector quartae classis“ (1561). Vgl. Fritz Barich, Die Dortmunder Morgensprachen 1558–1586, in: BeitrDO 27/28 (1920), S. 1–516, hier S. 19, 34 und 51 (Nr. 89, 163 und 243). Nach seiner Heirat verwendete er durchweg den latinisierten Namen Fabricius, vgl. ebd., S. 120, 150, 168, 182 f., 195, 199, 213, 217, 228 f., 235, 237, 258, 273, 311, 320, 332, 338, 357 und 368 (Nr. 562, 705, 788, 851, 857, 910, 925, 983, 1000, 1053, 1083, 1092, 1187, 1254, 1439, 1482, 1541, 1569, 1675 und 1734).
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munder Bürgerrecht182 und verheiratete sich mit einer Dortmunder Bürgertochter.183 Philipp Fabricius stand zumindest die ersten Jahre der alten Kirche näher bzw. teilte ähnliche religiöse Anschauungen wie sein Bruder: Wie aus einer Notiz aus dem Jahr 1565 und einer Urkunde aus dem Jahr 1571 hervorgeht, amtierte Fabricius in dieser Zeit als einer von insgesamt drei Vorstehern der Bruderschaft „Unser Lieben Frauen“ an St. Reinoldi,184 einer von zahlreichen Laienvereinigungen, die auch noch im 16. Jahrhundert bestanden.185 Eigene Werke verfasste er nicht, abgesehen von fünf griechischen Empfehlungsepigrammen, die Schriften von Friedrich Beurhaus, Lambachs Nachfolger, in den Jahren von 1581 bis 1590 vorangestellt wurden. In Dortmund wirkten zwei weitere Gelehrte, die später nach Essen wechseln sollten. Petrus Scharpenberg wurde bereits erwähnt.186 Nach der Gründung der Dortmunder Stadtschule gab er sein Rektorat an der Marienschule auf und wechselte zunächst als Lehrer der vierten Klasse (bis 1546), um anschließend die dritte Klasse zu übernehmen. 1552 kehrte er nach Essen zurück, wo die Äbtissin im Jahr zuvor dem Rat die Entscheidungskompetenz hinsichtlich der Berufung neuer Lehrer übertragen hatte. Zunächst noch Konrektor unter Anton Schimmel, wurde er selbst 1553 Rektor der Schule und blieb es bis 1557. Anschließend musste er wiederum für drei Jahre mit dem Konrektorat Vorlieb nehmen, bis er noch einmal zwischen 1560 und 1563 die Schule leiten durfte. Ob Scharpenberg sich innerlich bereits in dieser Zeit der lutherischen Lehre zuwandte, lässt sich aufgrund fehlender Selbstzeugnisse und Zuschreibungen nicht klären. Spätestens als das Stiftskapitel den dezidiert katholischen Matthaeus Cardenus (1563–1564)187 zum Rektor berufen hatte und Scharpenberg wiederum in den Hintergrund gedrängt wurde, dürfte sich auch dieser immer mehr auf die Seite der lutherischen Partei in Stadt und Stift gestellt haben, insbesondere nachdem Cardenus den Katechismus von Canisius in der Schule eingeführt hatte. Der endgültige Bruch kam zu Ostern 1564, als Scharpenberg die Predigt des vom klevischen Herzog nach Essen entsandten und zunächst luthe182 183
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„Phylyppus Fabrycius vann Derrenn – dorch doenheyte her Lambertes quyt geschulden“; Karl Rübel, Die Bürgerlisten der Frei- und Reichsstadt Dortmund, in: BeitrDO 12 (1903), S. 33–268, hier S. 79. Die Heirat des „erbare[n], wolgelerte[n] magister Philipp Fabritius“ mit Anne Brandhof wurde u. a. von Lambach bezeugt. Als Standgenossen traten neben potentiellen Verwandten (Werner und Christian Smidt) seine Kollegen an der Schule Johannes Copius und Johannes Stickfurt, der Pfarrer der Marienkirche Detmar Wickradt, der Vikar an St. Marien Johann Barop jun. (Sohn des gleichnamigen Kölner Offizials für Dortmund) sowie eine verhältnismäßig große Anzahl von Bürgern auf. Vgl. Barich, Morgensprachen, S. 81 (Nr. 374). StAD Best. 230, Nr. 3, S. 5 („Mester Philips Smidt“) und Nr. 53 („Magister Philippus Fabritius“). Zu den Dortmunder Bruderschaften vgl. unten S. 262–264. Zum Folgenden vgl. Ribbeck, Geschichte I, S. 62–95; Döring, Lambach, S. 59. Cardenus war Licentiat der Rechte und vor seiner Berufung nach Essen Rektor in Roermond im habsburgischen Herzogtum Geldern. Das meiste zu seiner Person ist durch die umfangreichen Prozessakten überliefert, die aus der Klage des Cardenus gegen seine vorzeitige Entlassung gegen das Stift hervorgingen. Diese befinden sich im MAE A 585 (4 Bündel).
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rischen Standpunkten nahestehenden Predigers Caspar Isselburg188 gegen die Kritik von Cardenus und seinen Kollegen verteidigte und daraufhin entlassen wurde.189 Mit Unterstützung des Rates eröffnete Scharpenberg eine Privatschule, die wenig später zur lutherischen Stadtschule umgewandelt wurde, an der Scharpenberg Konrektor war, bis das gesamte Lehrerkollegium 1566 entlassen wurde.190 Danach verliert sich seine Spur. Der zweite Gelehrte, der in Dortmund und Essen wirkte, war der Magister Heinrich Birckmann, genannt Betuleius,191 der von Hamelmann eher kritisch als ein „virum quidem excellenter doctum, sed rei Sacramentariae & Calvinismo deditum“ beurteilt wurde.192 Dass er bereits in Dortmund und Essen im Sinne Calvins auftrat, ist eher unwahrscheinlich, hätte dies doch seine dortige Amtstätigkeit unmöglich gemacht. Auch Betuleius hat vermutlich eine erste Ausbildung in Münster genossen. Zwischen 1547 und 1551 erhielt er in Dortmund eine Stellung als Lector tertiae classis, die er bis zu seiner Berufung auf das Essener Rektorat 1557 innehatte. Es ist wahrscheinlich, dass Betuleius während seiner Zeit in Dortmund mit dem Ramismus in Berührung kam, einem pädagogischen Programm, das er auch später vertrat.193 Ob ihn allerdings eine Begegnung mit Johannes Heitfeld in Dortmund in religiöser Hinsicht ebenso prägte, wie von Ribbeck angenommen,194 ist eher fraglich. Zwar fehlen in der Berufungsurkunde für Betuleius195 einige Vorgaben, die in dem früheren Vertrag mit Scharpenberg196 noch enthalten waren, doch ist dies als Beweis für eine protestantische Gesinnung sowohl bei Betuleius wie auch bei den Ratsherren, die den Vertrag aufgesetzt hatten, keineswegs ausreichend. Letztendlich muss die religiöse Einstellung bei Betuleius in dieser Zeit offenbleiben; sollte er tatsächlich bereits lutherische oder gar reformierte Neigungen gehabt haben, so muss er sie verborgen haben, da sie als Entlassungsgrund nicht herangezogen wurden. In den Folgejahren unterrichtete Betuleius in Städten aller drei Konfessionen, so dass er auch hier seine religiösen Ansichten nur zurückhaltend kundgetan haben wird.197 188 189 190 191 192 193 194 195 196 197
Zu diesem vgl. Wilhelm Rotscheidt, Caspar Isselburg. Sein konfessioneller Standpunkt und sein Testament, in: Monatshefte für Rheinische Kirchengeschichte 1 (1907), S. 350–360. Ribbeck, Geschichte I, S. 94 f. Ders., Geschichte II, S. 3 f. und 8. Zu diesem vgl. ders., Geschichte I, S. 69–75; Döring, Lambach, S. 65 f. Hamelmann, Opera genealogico-historica, S. 1019. Etwas günstiger ist sein Urteil weiter hinten (S. 1121), wo er als „vir artibus et linguis excellenter doctus, qui antea scholis Tremoniensi, Essendiensi et aliis inservierat laudabiliter“ bezeichnet wird. Ribbeck, Geschichte I, S. 70. Ebd., S. 70 f. Ebd., S. 107 f. (Nr. 8). Ebd., S. 101–103 (Nr. 6). Um 1560 wurde er in Wesel kurze Zeit als Konrektor angestellt, übernahm aber vermutlich noch im gleichen Jahr das Rektorat in Soest, wo er bis 1566 blieb. Anschließend kehrte er nach Wesel zurück, um hier bis 1572 als Rektor oder Prediger zu wirken. 1572/73 bis 1580/81 war er Konrektor in Düsseldorf, ab 1583 für vier Jahre Rektor in Lemgo und anschließend bis 1588 Rektor in Lüneburg. Bis auf Wesel waren alle anderen Städte lutherisch oder – im Fall Düsseldorfs – katholisch. Während seiner
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Bonifacius Helphricht198 ging den Weg in entgegengesetzte Richtung, von Essen nach Dortmund. Der aus Erfurt stammende Helphricht („Erphordianus“), der 1536 in Marburg immatrikuliert worden war, diente Monheim in Düsseldorf nach der Gründung der Schule im Frühjahr 1545 für einige Monate als Konrektor, bis er um Ostern 1546 als Rektor an die erneuerte Essener Stiftsschule berufen wurde. Der spätere Rektor der lutherischen Stadtschule Johann Heinrich Zopf beschrieb Helphricht und seine Amtszeit im 18. Jahrhundert äußerst kritisch: „ein Mann, dem es zwar an Gelehrsamkeit nicht fehlte, der aber sonsten im Kopffe nicht richtig beschaffen war […] nachdem der Rektor Bonifacius in einen echten Maleficium sich verwandelte und aus Liebe zur Völlerey sein Amt sehr übel verwaltete, so fingen allmählich auch die übrigen Collegä an, schläferig zu werden, woher in kurzer Zeit das gantze Systema dieser Schulanstalt wieder zerfiel. Kurtz, Bonifacius muste fort.“199
Ob der Niedergang der Essener Schule allein mit der Genusssucht ihres Rektors erklärt werden kann, oder ob nicht auch andere Gründe dazu beitrugen,200 sei dahingestellt. Außer den Ausführungen von Zopf ist über Helphrichts Rektorat in Essen, welches wohl nicht länger als ein Jahr dauerte, nichts bekannt. Ihm folgte schon bald sein Konrektor, der spätere Arzt Johannes Ewich oder Aeonius, für eine kurze Zeit nach.201 Helphricht selbst kam um 1547 nach Dortmund, erhielt an Lambachs Schule allerdings nur eine Anstellung als Lector quintae classis, eine Stellung, die er bis vor 1564 innehatte. In Dortmund wird sich Helphricht den religiösen Ansichten Lambachs untergeordnet haben. Ob sein Abschied aus dem Amt mit der beginnenden konfessionellen Wende der Schule in Zusammenhang stand, ist unbekannt. Gestorben sein soll er erst 1571. Einer seiner Schüler war vermutlich der später für Dortmund bedeutende Gelehrte Friedrich Beurhaus (1536–1609).202 Mit einer Unterbrechung 1551/52 aufgrund der Pest203 besuchte Beurhaus die Dortmunder Schule zwischen 1551 und 1557. Bereits in Dortmund, mehr noch jedoch während seines Studiums in Köln betätigte sich Beurhaus als Privatlehrer (paedagogus), etwa für die Kinder des katholischen kurkölnischen Drosten Friedrich von Fürstenberg, Kaspar (später Landdrost
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Amtszeit in Soest wurde ihm zwar mehrfach vorgeworfen, Calvinist zu sein, vorzeitig beendet wurde sein sechsjähriger Kontrakt aber nicht, so dass er die Stadt erst nach ordnungsgemäßen Ablauf des Vertrags verlies. Auch seine Anstellung in Düsseldorf ließe sich trotz seiner Reputation nicht erklären, wenn er offen als Anhänger Calvins in der Residenzstadt Wilhelms V. aufgetreten wäre, der Reformierte in seinen Territorien nicht duldete. Zu diesem vgl. Döring, Lambach, S. 66 f., und Ribbeck, Geschichte I, S. 51–53. Zitiert bei Döring, Lambach, S. 66. Vgl. oben S. 110f. Ribbeck, Geschichte I, S. 53–55. Eine erste Biographie findet sich bei Rollius, Memoriae Tremonienses, S. 38–47. Vgl. auch Döring, Lambach, S. 69 f.; Coring, Gymnasium, S. 27 f., Walter Thoene, Friedrich Beurhaus und seine Musiktraktate, 2 Teile, Köln 1959, hier Tl. I, bes. S. 9–38; Imort, Musikalische Kultur, S. 112–114 und 124–141. In dieser Zeit besuchte er die von Hermann von Kerssenbrock geleitete Schule in Münster.
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des Herzogtums Westfalen), Dietrich (ab 1585 Fürstbischof von Paderborn) und Friedrich (später Domherr in Mainz und Paderborn), mit denen er auch in nachfolgenden Jahren noch in Kontakt stand,204 auch wenn er selbst Lutheraner wurde. Seine erste Anstellung fand er in Soest als Lector quartae classis unter Betuleius (1561– 1563), 1563 übernahm er für vier Jahre das Rektorat in der märkischen Kleinstadt Unna, wo die Reformation kurz zuvor (1559) begonnen hatte, Neuerungen aber nur schrittweise durchgesetzt wurden.205 Nach der Schließung der Unnaer Schule wegen der Pest wechselte er, wie bereits sein Vorgänger im Amt und auch seine beiden Nachfolger, an die Dortmunder Schule, wo er 1567 vermutlich von Johannes Copius das Kon- bzw. Prorektorat unter Lambach übernahm und sich schnell in der Stadt etablieren konnte, so dass er 1569 das Bürgerrecht erhielt. Nach Lambachs Tod 1582 wurde er dort bis zu seinem eigenen Lebensende Rektor. Spätestens in Dortmund, vielleicht aber auch bereits während seiner früheren Lehrtätigkeit, wird sich bei Beurhaus zunehmend ein protestantisches Bewusstsein entwickelt haben, wobei er als Humanist interkonfessionelle Beziehungen unterhielt.206
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So widmete er etwa die Dialektik des Petrus Ramus, die er 1581 herausgab, Friedrich von Fürstenberg. In der Dedikationsepistel (übersetzt abgedruckt bei Döring, Lambach, S. 69 f.) schaut Beurhaus auf die gemeinsamen Lehrjahre in Dortmund und Köln zurück. Freundschaftliche Verhältnisse pflegte er auch mit Kaspar. Vgl. auch Thoene, Beurhaus, Tl. II, Anm. 70 und 71. Zur Reformation in Unna vgl. Willy Timm, Geschichte der Evangelischen Kirchengemeinde Unna, Unna 1959, und ders., Confessio Augustana und die Reformation in Unna, Unna 1980, sowie Becher, Herrschaft, S. 137–146. Zur dortigen Schule vgl. Günter Knippenberg, Die Stadt Unna und ihre höheren Schulen unter besonderer Berücksichtigung des Pestalozzi-Gymnasiums, Unna 1992, hier bes. S. 23–31, 181 f. und 209 ff. Eine genaue Beurteilung des religiösen Hintergrunds gestaltet sich schwierig, da für Beurhaus wie auch für die meisten anderen vorgestellten Gelehrten keine Selbstzeugnisse vorliegen, die Auskunft geben könnten – es sei denn, man würde die Herausgabe von Ramus’ Schriften durch Beurhaus während seiner Dortmunder Lehrtätigkeit als Zeichen eines reformatorischen Bekenntnisses werten. Vgl. das Verzeichnis seiner Schriften bei Thoene, Beurhaus, Tl. I, S. 120–134. Fremdzuschreibungen, etwa Äußerungen der Fürstenberg-Brüder oder Zeugenprotokolle aus Beurhaus’ Heimatort Meinertzhagen (wo er die Reformation eingeführt haben soll), stammen meist aus einer späteren Zeit (die Zeugenprotokolle etwa von 1648 und 1665/66; vgl. hierzu ebd., Tl. II, Anm. 139–143, und ebd., Tl. I, S. 18) und können auch kein sicheres Datum für einen Konfessionswechsel bieten. Nicht zu beweisen ist auch die Ansicht Thoenes (ebd., Tl. II, Anm. 137), dass eine Hinwendung zur lutherischen Lehre in der Soester und Unnaer Zeit erfolgte: Die von ihm mit Verweis auf Vogeler, Geschichte, Tl. 1, S. 3, angeführte Verpflichtung der Soester Lehrer auf die Confessio Augustana ist irreführend. Eine solche Klausel wurde erst 1577/78 eingeführt (vgl. auch ebd., Tl. 2, S. 5–7), lange nachdem Beurhaus und auch Betuleius Soest verlassen hatten, auch wenn einer von Betuleius’ Nachfolgern, Moses Gummersbach, 1568 ein lutherisches Glaubensbekenntnis abgegeben hat (ebd., Tl. 1, S. 14 [Nr. 3]). Das heißt jedoch nicht, dass ein solches Bekenntnis bereits 1560/61 vorgeschrieben war, wurde doch die Bürgerschule in dieser Zeit gerade erst nach der zwischenzeitlichen Schließung aufgrund des Interims neueröffnet, und zwar nach langen Verhandlungen mit Einverständnis des
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Im Unterschied zu Essen und Dortmund zog die Bielefelder Schule nur wenige namhafte Gelehrte an, über deren meist sehr kurzfristiges Wirken auch wenig bekannt ist. Einer der namhafteren war der aus Herford stammende Georg Vogelmann, der 1560 Rektor wurde.207 Der eher als lutherisch geltende Gelehrte mit dem latinisierten Namen Ornitander war um 1556 zunächst Lehrer in Dortmund (vermutlich an der Reinoldischule), um anschließend nach Bielefeld zu wechseln. Die Beziehungen zu Dortmund behielt er allerdings bei, was sich in mehreren pädagogischen Veröffentlichungen in der Dortmunder Druckerei zwischen 1561 und 1566 zeigt, die im 18. Jahrhundert durch die katholische Kirche verboten worden sein sollen.208 Ob Vogelmanns Amtsführung bei den Kanonikern oder dem Landesherrn Anstoß erregte, oder ob er die Schüler im lutherischen Sinne unterrichtete, ist unbekannt. Seine Tätigkeit als Rektor endete vermutlich vor 1568.
2. Die religiöse Ausrichtung der Schulen Trotz des Fehlens überlieferter Lektionsprogramme kann der an den Schulen in Dortmund, Essen und Bielefeld erteilte Unterricht weitestgehend rekonstruiert werden. Neben Münster und Düsseldorf standen insbesondere Straßburg sowie das pädagogische Programm des Petrus Ramus Pate. Im Folgenden soll der Blick allerdings nicht auf die philologischen oder philosophischen Studien gelenkt werden, sondern darauf, wie mit dem Thema Religion umgegangen wurde. Herrschte eine konfessionelle Offenheit vor oder wurde ein bestimmtes Bekenntnis vorausgesetzt? Welche Literatur wurde benutzt, und gab es diesbezüglich Beschränkungen? Musste die Einbindung der Lehrer und Schüler in den Kirchendienst angeordnet werden oder galt eine solche Verpflichtung als selbstverständlich?
a) Konfessionelle Offenheit oder Bekenntniszwang? Der interkonfessionelle Streit machte auch vor der Berufung der Lehrer nicht halt. Nach und nach, insbesondere seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, wurden diese bei ihrer Berufung auf ein spezifisches Bekenntnis verpflichtet, in Soest etwa seit 1577/78 auf die Confessio Augustana,209 auch wenn dies nicht viel über die tatsächliche Gestaltung des Unterrichts aussagt. Dennoch ist zu fragen, ob es ähnliche Bestimmungen auch in Dortmund, Essen und Bielefeld gab.
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klevischen Herzogs. Zur Beurteilung von Beurhaus’ konfessioneller Haltung vgl. auch Imort, Musikalische Kultur, S. 124–127. Burggraffe, Stadtnachrichten, S. 29. Löffler, Buchdruck, S. 61 (Nr. 37); ders., Weiteres, S. 7 f. (Nr. 89 und 90); ders., Drucke, S. 429 (Nr. 94). Vogeler, Geschichte, Tl. 2, S. 5–7.
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III. Die städtische Gelehrtenwelt im Religionskonflikt
In einem der frühesten, die Essener Stiftsschule betreffenden Verträge verpflichtete sich der Rat gegenüber der Äbtissin Sibylla von Montfort im Oktober 1545210 dafür zu sorgen, dass ein Rektor und vier Gehilfen angestellt werden, „auff das die selbige schoele werde restaureyrt und ayne guite pollyci werde gehalten“. Von einer Verpflichtung auf ein Bekenntnis ist keine Rede, lediglich die Erziehung der Kinder „tzo tzucht und eeren“ wurde vorgeschrieben. Auch in dem Werbeschreiben des Rates für die Schule vom 28. Januar 1546211 wurde die konfessionelle Thematik völlig ausgeblendet. Allgemein christlich und sittlich wurden dagegen die Beweggründe der Stadt formuliert, warum sie der Schule eine hohe Priorität einräumte: „Nachdem wir auss teglicher erfarnung, je mehr je mehr vermircken, wie vnausssprechliches nutz vnd fromen, tugendt vnd erbarkeyt erwechset vnd entstehet, vnd allein dorauss vnser Christlicher glaub, alle rechten, gute policey, vnnd alle wirckung der medicin, zu bewarung vnses liebs gesundtheyt erhalten wirdt, das die jugendt in den freyen kunsten, vnnd den fornemlichsten sprachen mit vnterweysung guter erbarer sitten angelegt, informirt vnd erzogen wirdt.“
Hinsichtlich des Lehrerkollegiums hieß es dort nur, dass der Rat „eynen wolberumpten, gelärten, erbaren, vnd frommen man neben siben nicht minderer kunst vnd erbarkeyt“ berufen habe, welche die Jugend „mit ernstlichem vleysse in doctrina vnd erbaren sitten“ unterrichten würden. Dies deutet darauf hin, dass der Konfessionsstreit im Reich, der 1543 auch kurzzeitig Essen erreicht hatte, für die Gestaltung des Unterrichts noch keine Rolle spielte. In den 1550er Jahren setzte langsam ein Wandel ein. Im 1552 abgeschlossenen Vertrag zwischen dem Rat und der Äbtissin, der die Übertragung der Schule betraf,212 heißt es zunächst, dass der Rat „vfrichtige, wolgeschickte gelerte schoilregenten“ berufen solle, und zwar „zu erhaltongh vnd furderonge guder polici vnd gemeynen nutzes“. Konkreter wurden dann allerdings die geforderten Eigenschaften des Rektors beschrieben: Der Rat solle nur „eynen frommen, vnberoechtigden gelerten Man“ berufen, wobei mit ‚unberüchtigt‘ zweifellos gemeint ist, dass dieser nicht im Verdacht stehen durfte, der ‚schismatischen‘ (lutherischen) oder ‚sakramentarischen‘ (reformierten) Lehre nahezustehen. Zudem sollte der Stiftsscholaster den Lebenswandel des Lehrerkollegiums überwachen und jeden Verdacht auf unkonformes Verhalten dem Rat mitteilen, der entsprechende Schritte einleiten sollte. Diese angedeutete Verpflichtung der Katholizität, die auch in anderen Vorgaben ausgedrückt wird, auf die noch zu sprechen sein wird, findet sich ähnlich auch im Vertrag mit Petrus Scharpenberg als Rektor im gleichen Jahr213 sowie im Kontrakt betreffs die Übertragung der Hagenbeckschen Stiftung an die Schule 1555.214 Im Ver210 211 212 213 214
Ribbeck, Geschichte I, S. 96 (Nr. 2). Ebd., S. 96 f. (Nr. 3). Hier auch die folgenden Zitate. Ebd., S. 98–101 (Nr. 5). Ebd., S. 101–103 (Nr. 6). Ebd., S. 103–107 (Nr. 7). In der mit abgedruckten vorangegangenen Supplik des Rates heißt es, dass der Rektor die Schüler im „rechten, wahren undt allgemeinen geloven undt religion, guden sidden und düegden“ unterrichtet habe, und zwar unter Nutzung von „guden catholischen Schrifften“. Ebd., S. 105.
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2. Die religiöse Ausrichtung der Schulen
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trag mit Heinrich Betuleius von 1557215 scheint der Rat dagegen von einer solchen Vorgabe abgerückt zu sein: Dem neuen Rektor, dem weitreichendere Kompetenzen als seinen Vorgängern eingeräumt wurden, trug man lediglich auf, „die iugent auff das vleissigest zu regierenn zu leerenn vnd ynn godisfurcht auffzuzien“. Dies ähnelt den früheren Bestimmungen, in denen auf konfessionelle Aspekte nicht angespielt worden war. Die Verwaltung der Schule durch den Rat endete vertragsgemäß 1561, so dass die Kanoniker die Stiftsschule wieder übernahmen. Mittlerweile hatten sich die Differenzen zwischen dem katholischen Stift und der sich immer lutherischer gebenden Stadt verschärft. Für die Schule wollten die Kanoniker Jesuiten oder zumindest einen ihnen nahestehenden katholischen Rektor gewinnen.216 Auch die neue Äbtissin, Irmgard von Diepholz, soll, laut der Zeugenaussage Dietrich Ingenhoffs 1586, diesem Ansinnen, „ein schull und praedicanten pro defensione Catholicae religionis anzurichten“, gefolgt sein.217 Die Berufung des als streng katholisch und jesuitenfreundlich geltenden neuen Rektors Matthaeus Cardenus 1563218 scheint daher auch die zunehmenden konfessionellen Differenzen aufzuzeigen. Dies wird bereits am Anfang des Kontrakts deutlich, wo der Niedergang der Schule beklagt wird, den das städtische Regiment verursacht haben soll.219 Dem neuen Rektor wird die Kompetenz zugestanden, „die Praeceptores, leges, buicher, lectiones vnd exercitia“ zu bestimmen. In einem folgenden Satz wird Cardenus allerdings in seiner Handlungsfreiheit eingeschränkt: So sollten er und seine drei Gehilfen nämlich „keine theologicas, nhur allein philosophicas vnd dergleichenn gude disputationes vnd exercitia introduceren vnd vnder den studenten vnd Jugendt disser scholen exercerenn“.220 Man kann diese Klausel dahingehend interpretieren, dass man im Stift, vor allem vermutlich in der Umgebung der Äbtissin,221 wohl eher doch nicht eine ausgesprochen katholische Schule einzurichten gedachte, wie das Ingenhoff behauptet hat. Vielmehr ist diese Beschränkung als ein Zugeständnis an solche Bürger zu verstehen, die ihre Kinder, obwohl sie selbst mit der lutherischen Lehre sympathisierten, trotz215 216 217 218 219
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Ebd., S. 107 f. (Nr. 8). Zu den ursprünglichen Plänen vgl. ebd., S. 81–85. StAE 100.106, fol. 105v (Zeuge 13). Ribbeck, Geschichte I, S. 109–111 (Nr. 9). „Nachdem nun das Regement vnd tradition gutter leher vnd kunst ein vnd mitt der Scholenn zu Essen ein Zeitlanck her von Jaerenn gantz vnderkhommen vnd zu bodden gangen, darauss nitt allein der Jugendt binnen Essen vnd darumb langs, sunder auch dem gemeinen nutz hoich schedelich vnd vnwidderbrenchlich vnraidt vnd versaumbnuss entstanden“, habe das Kapitel reagieren und mit Cardenus einen neuen Rektor ernennen müssen. Ebd., S. 109. Ebd., S. 110. Laut einem Katalog der Essener Äbtissinen (Otto Seemann, Die Äbtissinnen von Essen. Nach dem Brüsseler Katalog mit Varianten und Anmerkungen, in: BeitrE 5 [1883], S. 1–44, hier S. 39) beurteilte man Irmgard von Diepholz als „weder kalt noch warm“, d. h. konfessionell indifferent. Vgl. auch Ribbeck, Geschichte I, S. 77. Auch einige städtische Zeugen gaben an, dass die Äbtissin der Augsburger Konfession nicht abgeneigt gewesen sei.
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III. Die städtische Gelehrtenwelt im Religionskonflikt
dem auf die Stiftsschule schicken mussten, da es einerseits bis auf private Elementarschulen (noch) keine eigene städtische Schule gab und andererseits der Unterhalt der Stiftsschule wesentlich auch auf den Schulgeldzahlungen der Bürger beruhte. Es ist anzunehmen, dass der ohnehin schon schwelende konfessionelle Streit nicht weiter angeheizt werden sollte, sodass dem Rektor Streitgespräche theologischen Inhalts untersagt wurden. Damit folgte das Stift dem Beispiel ihres Schutzherrn, dem Herzog von Jülich-Kleve-Berg, der bereits seit 1525 Disputationen in Religionsfragen verboten hatte.222 Dass sich der Unterricht in der Praxis ganz anders entwickelte, dürfte vor allem der Persönlichkeit Cardenus’ geschuldet gewesen sein. Nach Ribbeck soll dieser einen großen „Eifer in der Verteidigung der katholischen Religion“ an den Tag gelegt haben, der vielleicht den Erwartungen unnachgiebiger Kanoniker entsprach, der aber auch den religiösen wie politischen Konflikt zwischen Stadt und Stift weiter verschärfte.223 Dabei wurde das Regiment Cardenus’ nicht nur seitens der Bürgerschaft kritisiert, auch innerhalb des Lehrerkollegiums kam es zur Spaltung zwischen ihm und seinen Anhängern einerseits und Petrus Scharpenberg, der als Konrektor amtierte, andererseits. Das Resultat war schließlich die Trennung in ein katholisches (Stiftsschule) und ein lutherisches Schulwesen (Stadtschule), eine Scheidung, die bis in die Moderne anhielt. Die konfessionelle Ausrichtung der Stadtschule zeigt sich insbesondere anhand der Berufungsurkunde für Philipp Marsilius vom 6. Mai 1576: Hierin wurde der neue Rektor verpflichtet, die Schüler gemäß „zulessiger Augspurgscher confession“ und „unser Kirch ordnung gemess“ zu erziehen.224 Auch in Bielefeld kam in einigen Anstellungsverträgen der Lehrer das Thema Religion zur Sprache. Gerhard Tittmann wurde in seinem Vertrag vom 6. März 1556225 dazu verpflichtet, die Kinder „in Godes Frochten, Eren und Tucht, guder Disciplin och older christlicher katholischer Lere und Exempelen“ zu erziehen, wobei insbesondere auf die Bestimmungen der herzoglichen Mandate verwiesen wurde. Ganz ähnliche Vorgaben enthält der Vertrag mit dem folgenden Rektor Ludwig Kipp vom 17. Januar 1558:226 Er solle die Schule „ehrlich, uffrichtig, trewlich und fleissig wie einem Ehrlebenden gepurt […] vorwalten, also dass ein vorstendiger und eines solchen Regiments erfahrener Dechen keinen Mangel oder Missgefallen habe“. Dabei schrieben die am Zustandekommen des Vertrags beteiligten Parteien (Rat und Stift) Kipp vor, dass er sich „furstlicher Ordnung gemäss zu halten“ habe, also seinen Dienst entsprechend der Kirchenordnung von 1532 verrichten müsse. Ob auch 222 223
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Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 1, S. 235 f. (Nr. 227), 242 (Nr. 235) und 251 (Nr. 240). Ribbeck, Geschichte I, S. 90. Der spätere Rektor der lutherischen Stadtschule Zopf bescheinigte Cardenus, dass er „ein zwar gelehrter und geschickter Mann“ gewesen sei, jedoch auch „ein sehr eifriger und hitziger Verfechter der papistischen Religion. Er tractierte mit seinen Untergebenen des Jesuiten Petri Canisii Catechismum, wodurch er sich so verhasst machte, dass man ihn und seine Schüler nur die Jesuiten nannte.“ Zitiert ebd. Redlich, Geschichte II, S. 69 (Nr. 2). Herwig, Geschichte, S. 2 f. Ebd., S. 5 f.
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2. Die religiöse Ausrichtung der Schulen
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die Kipp nachfolgenden Rektoren ähnliche Klauseln in ihren Verträgen zu erfüllen hatten, ist unbekannt, da sich bis zum Ende des 16. Jahrhunderts keine weiteren Kontrakte erhalten haben. Aufgrund der bis zum Aussterben des Herzogshauses 1609 unklaren konfessionellen Verhältnisse in der Stadt ist es allerdings nicht unwahrscheinlich, dass der Verweis auf die immer noch gültige Kirchenordnung bis um 1600 weiterhin Vertragsbestandteil blieb, zumal auch das katholische Stift an der Berufung der Lehrer zumindest nominell beteiligt war. Erst mit der Gründung einer eigenen Ratsschule 1608 und der Nachfolge eines protestantischen Landesherrn dürfte ein der Confessio Augustana entsprechender Unterricht eingerichtet und die Lehrer auf dieses Bekenntnis verpflichtet worden sein.227 Anhand von Anstellungsverträgen ist der Frage, ob Lehrer in Dortmund ein Bekenntnis ablegen mussten, nicht beizukommen. Lambach selbst wurde nicht als Rektor berufen, sondern zunächst als Priester für eine der Pfründen, die später zusammen mit anderen der Finanzierung der neuen Schule dienten.228 Auch für andere Lehrer haben sich keine Verträge erhalten. Die Frage der religiösen Ausrichtung der Schule stellte sich bei deren Gründung vermutlich nicht und wurde erst später, insbesondere seit dem 17. Jahrhundert, Gegenstand konfessoneller Auseinandersetzungen. Die enge Anlehnung Lambachs an Schöpper und seine Theologie zeigt zudem, dass mindestens bis in die Mitte der 1550er Jahre, ja auch noch über den Tod Schöppers hinaus, eher ein humanistisch, ja erasmianisch geprägtes Christentumverständnis an der Dortmunder Schule vorherrschte. Erst in den 1560er Jahren dürfte auch an der Schule ein Wandel eingesetzt haben, der parallel zu den Änderungen und Neuerungen in der Stadt verlief und letztlich in einem lutherischen Bekenntnis resultierte.229
b) Buchbesitz und Buchproduktion In mehreren Verträgen zwischen der Essener Äbtissin und dem dortigen Rat wurde geregelt, welche Bücher in der Schule verwendet werden durften. Die Titel werden zwar nicht genannt, wohl aber wurde deren religiöse Tendenz angedeutet. Als die Äbtissin Katharina von Tecklenburg zu Ostern 1552 der Stadt die Verwaltung der Schule überließ, schrieb sie vor, dass die zukünftig vom Rat berufenen Lehrer „den kinderen geine der sectarien noch verbadenn ader sonst archwanige boecher vorlesenn“ sollen. Statt solche verbotenen Schriften aufzuführen, bestimmte sie, dass nur solche Bücher gelesen werden durften, „als men leset zu Dusseldorff, Emerich, Dortmunde oder Munster“.230 Während Emmerich und Münster in dieser Zeit unter
227 228 229 230
Vgl. auch oben S. 117 f. und die in Anm. 132 zitierte Charakterisierung der neuen Schule. Vgl. oben S. 118–121. Sollbach, Entwicklung, S. 24 f. Ribbeck, Geschichte I, S. 99–101 (Nr. 5), hier S. 99.
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III. Die städtische Gelehrtenwelt im Religionskonflikt
der Leitung von Matthias Bredenbach (1499–1559, Rektor ab 1533)231 bzw. Hermann von Kerssenbrock (Rektor 1550–1575) zwar als humanistische, jedoch in religiöser Hinsicht eher traditionell-katholische Lehranstalten galten, vertrat man in den von Monheim bzw. Lambach geleiteten Schulen in Düsseldorf und Dortmund theologisch freiere Standpunkte. Allerdings darf bezweifelt werden, ob es in Essen erlaubt war, Schriften aus der Feder einiger gemäßigter protestantischer Autoren, die in Düsseldorf und Dortmund vorhanden waren, zu lesen. Auf ein Verbot deutet eine Präzisierung der Bestimmung im Vertrag zwischen dem Essener Rat und Petrus Scharpenberg vom 9. August 1552, wo es heißt, dass die zu lesenden Bücher mit „der Catholischen lere In allen mytstemen“ müssten.232 Drei Jahre später, als die Äbtissin der Stadt am 31. Mai 1555 die Hagenbecksche Stiftung zum Unterhalt der Schule übertrug,233 heißt es nach einer Zusammenfassung des bisherigen Vertragstextes234 und der Supplik des Rates235 in der neuen Vereinbarung, „dat in der selviger Scholen nicht anders geleerdt sall werden, dan gude Catholische Schriffte undt Kunsten, alss vorgedacht, undt durch die hilge Kirche undt den hilgen Apostolischen Stoil angenohmen undt approbert, mit wair allgemeinen Geloven undt religion, guden sidden und doegden“.236
Verwendet werden sollten also nur solche Bücher, die bei der Kurie nicht auf Vorbehalte stießen. Dies bedeutete zumindest im Wortlaut eine Verschärfung. Zwei Jahre später jedoch ist im Vertrag mit dem neuen Rektor Betuleius von einem Verbot missliebiger Schriften keine Rede mehr, stattdessen wird dieser zusammen mit seinen Gehilfen nur dazu verpflichtet, die ihm anvertrauten Schüler „ynn godisfurcht auffzuzien“.237 Doch man sollte vorsichtig sein, aus dem fehlenden Passus zwangsläufig auf eine evangelische Gesinnung von Lehrer und Rat zu schließen,238 zumal andere Bestimmungen, auf die noch zurückzukommen sein wird, beibehalten wurden. Allerdings ist durchaus auffällig, dass, nachdem der Vertrag zwischen Stadt und Stift 1561 ausgelaufen war und die Kanoniker die Leitung der Schule wieder übernahmen, die Vorgabe hinsichtlich der Nutzung von Büchern erneut Verwendung findet. Im Vertrag mit Matthaeus Cardenus vom 20. Juli 1563 heißt es, dass ihm allein die Entscheidung über die zu gebrauchenden Schriften zustehe. Allerdings
231 232 233 234 235 236 237 238
Egen, Einfluss, S. 24 f.; Robert Haass, Art. „Bredenbach, Matthias“, in: NDB 2 (1955), S. 566 f. Ribbeck, Geschichte I, S. 101–103 (Nr. 6), hier S. 102. Ebd., S. 103–107 (Nr. 7). Ebd., S. 103 f.: „[…] wilche die Jugendt in guden Catholischen schrifften undt sidden instrueren, underwiesen undt Lehren solle“. Ebd., S. 105: „[…] welcher der stadt Schoeleren und Kindere in guden catholischen Schrifften undt Kunsten mit rechten, wahren undt allgemeinen geloven undt religion, guden sidden und düegden wohl Berichten tho rusten und lehren“. Ebd., S. 106. Ebd., S. 107 f. (Nr. 8), hier S. 107. Eine solche Interpretation findet sich ebd., S. 72, oder auch bei Müller, Reformation, S. 61.
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sollten er und seine Gehilfen „keine suspect oder verdampte, Sunder auffrichtige vnd whare catholici autores, Buecher vnd lectiones traderenn vnd lesen“.239 Solche Vorgaben wie in Essen finden sich für Dortmund und Bielefeld nicht. Auch gibt es für die Bielefelder Schule kein Verzeichnis der dort benutzten Bücher, welches zwar für Dortmund vorliegt, das aber vermutlich erst einer späteren Zeit angehört.240 Aufschlussreicher ist dagegen das Verlagsprogramm der Dortmunder Druckerei,241 die angeblich zusammen mit der Schule eingerichtet wurde242 und in enger Beziehung zu dieser stand. Auffällig ist, dass in der Offizin sowohl Werke katholischer wie evangelischer Autoren gedruckt wurden. Gerade in den frühen Jahren der Druckerei zeigt sich also eine konfessionelle Offenheit, die noch dadurch unterstrichen wird, dass fast ausschließlich Bücher von Autoren mit einem gemäßigten konfessionellen Hintergrund verlegt wurden, und zwar sowohl einheimische wie auswärtige. Man muss sich außerdem bewusst sein, dass die hier gedruckten Bücher vorwiegend für den schulischen Markt gedacht waren und somit wohl allesamt dem Unterricht bei Lambach und seinen Kollegen dienten. So besagt ein Vertrag zwischen der Schule und der Druckerei aus dem Jahr 1607, dem allerdings wohl auch schon frühere Kontrakte vorausgingen, dass die Buchdrucker und -händler die Dortmunder Schule, aber auch benachbarte Bildungseinrichtungen mit Büchern in Absprache mit dem Lehrpersonal versorgen sollten.243 Auch der Umstand, dass bis 1570 fast ausschließlich Bücher in lateinischer Sprache gedruckt worden sind,244 239 240 241
242
243 244
Ebd., S. 109–111 (Nr. 9), hier S. 110. Mellmann, Archigymnasium, S. 14. So auch Pfeiffer, Lambach, S. 42. In Anhang V findet sich das Verzeichnis von Mellmann, in Anhang IV ein weiteres, welches in das Jahr 1685 datiert. Diese wurde nacheinander von drei Verlegern betrieben: Melchior Soter war Sohn des Kölner Verlegers Johannes Heyl gen. Soter, der neben einer Druckerei in Köln eine weitere im bergischen Solingen betrieb, von wo aus Melchior Soter nach Dortmund gekommen sein soll. Hier blieb er nur bis 1551 und kehrte anschließend nach Köln zurück, wo er gegen 1555 verstarb. Zu seiner Person vgl. Löffler, Buchdruck, S. 36–40. Sein Nachfolger Philipp Maurer blieb wahrscheinlich nur kurz (1551/52). Ihm folgte Albert Sartor, der 1553 nach Dortmund kam und hier fast bis zum Ende des 16. Jahrhunderts blieb. Während seiner Tätigkeit arbeitete Sartor teilweise mit dem Drucker Arnt Westhoff zusammen. Vgl. ebd., S. 40 f. So bereits 1616 Mulher/Mewe, Historische Beschreibung, S. 336. Dieselbe Nachricht soll Mulher bereits in seinem verloren gegangenen Summarischen Begriff gebracht haben. Auch eine früher vorhandene Randnotiz zur Westhoffchronik dürfte vermutlich aus seiner Hand stammen. Vgl. hierzu Döring, Lambach, S. 60, sowie Beurhaus, Merkwürdigkeiten, S. 363 f. Lambach soll sogar finanziell in die Druckerei investiert haben, vgl. Döring, Lambach, S. 109. Zitiert bei Löffler, Buchdruck, S. 41–43. In dieser Zeit wurden nur sehr wenige Werke in Deutsch publiziert, vorwiegend medizinische bzw. naturwissenschaftliche Schriften (ebd, S. 46 f. und 49 f. [Nr. 3 und 10] sowie Löffler, Weiteres, S. 5 [Nr. 84]) sowie 1550 eine Zusammenstellung niederdeutscher Wörter durch Schöpper unter der Bezeichnung Synonyma, die „allen Predigern, Schreibern und Rednern zu dienste colligiert und zusammen getragen“ wurde, wie es im Titel hieß (Ders, Buchdruck, S. 51 [Nr. 14]). Zu diesem letztgenannten, dem
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weist auf die vorwiegende Nutzung in den Schulen hin, genauso wie die thematische Ausrichtung der ersten Schriften, nämlich Schuldramen und Lehrbücher.245 Nach und nach erschienen in Dortmund zahlreiche Bücher mit historischer,246 pädagogischer,247 dramatischer248 und nicht zuletzt auch theologischer Programma-
245
246
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248
„guthertzigen Westphälischen Leser“ gewidmeten Werk vgl. Schröder, Schöpper, hier bes. S. 20–35. Das in deutscher Sprache publizierte Werk (Nr. 3) des Dortmunder Arztes Schnellenberg war sicher nicht nur für die Schüler gedacht. Zu Schnellenberg vgl. auch Franz Tetzner, Tarquinius Schnellenbergs Werke, in: BeitrDO 17 (1909), S. 91–116. Der erste in Dortmund gedruckte Band beinhaltet zwei für das lateinische Schuldrama richtungsweisende Stücke des bekannten Humanisten Johannes Reuchlin (Ioannis Reuchlin Phorcensis L.L. Doctoris Comoediae duae: Sergius, vel capitis caput, et Scenica progymnasmata, hoc est, ludicra praeexercitamenta, Dortmund 1544), welche 1496/97 in Heidelberg verfasst worden waren und später immer wieder gedruckt wurden. Im folgenden Jahr erschienen drei weitere Bücher bei Soter: einerseits eine Einführung in die Arithmetik sowie eine Sammlung lateinischer Gedichte, jeweils aus der Hand des ersten Konrektors Cyprianus Vomelius (Löffler, Buchdruck, S. 35 sowie S. 46 [Nr. 1 u. 2]), sowie eine erste Komödie des Marienpredigers Jakob Schöpper, Ectrachelistis, sive Joannes decollatus. Vgl. Olschewski, Erneuerung, S. 311 f. Zur Komödie selbst unten Kap. 4. Danach folgte das ausdrücklich als Schulbuch verwendete Psalterium Davidis carmine redditum (1546) des evangelischen Humanisten Eobanus Hessus, welches zuerst 1539 in Straßburg erschienen war. Löffler, Buchdruck, S. 47 (Nr. 4). 1548 wurden drei pädagogische Werke für den Sprachunterricht gedruckt: eine lateinisch-griechische Wortsammlung des katholischen Humanisten und Theologen Petrus Mosellanus, eine griechische Elementargrammatik des niederländischen Pädagogen und Philologen Nikolaus Clenardus, eines Mitschülers Sturms, sowie das bereits erwähnte hebräische Lehrbuch des Dortmunder Rektors Lambach. Vgl. ebd., S. 48 (Nr. 5–7) sowie Löffler, Weiteres, S. 2 (Nr. 7). Das Buch des katholischen Clenardus war im Übrigen laut einem Bücherverzeichnis (Pfeiffer, Lambach, Beilage IV) noch 1685 in Gebrauch. 1549 die Römische Geschichte des Pseudo-Boccaccio (Pier Candido Decembrio, 1399–1477), 1550 das 10. Buch De Bello Civili aus dem Epos Pharsalia des römischen Dichters Marcus Annaeus Lucanus (39–65) sowie 1573 das erste Buch aus dem Geschichtswerk des römischen Historikers Titus Livius (59 v. Chr. – 17 n. Chr.). Vgl. Löffler, Buchdruck, S. 50 (Nr. 11), ders., Weiteres, S. 4 (Nr. 82), und ders., Drucke, S. 431 (Nr. 100). Schriften von Johannes Murmellius (1549), eine Sammlung von Cicero-Zitaten aus der Hand Pierre Lagniers (1550) sowie drei Werke des Dortmunder bzw. Bielefelder Lehrers Georg Vogelmann gen. Ornitander (1561, 1564 und 1566). In den 1580er und 90er Jahren folgten zudem Ausgaben der Dialektik des Petrus Ramus durch den Prorektor bzw. Rektor der Dortmunder Schule Friedrich Beurhaus. Vgl. ders., Buchdruck, S. 52 f., 61, 66 f. und 73 (Nr. 18, 37, 50–53 und 69), ders., Weiteres, S. 4 und 7 (Nr. 81 und 89) sowie ders., Drucke, S. 429 f. (Nr. 94). Besonders hervorzuheben sind – neben den Dramen des einheimischen Schöpper (Löffler, Buchdruck, S. 52 f. und 55 f. [Nr. 17, 19 und 23], ders., Weiteres, S. 2 f. [Nr. 23] sowie Olschewski, Erneuerung, Anhang Nr. VI.1, VIII.1, IX.1 und X.1) – die frühen Drucke auswärtiger Autoren, nämlich die von Cornelius Crocus (1549; Löffler, Buchdruck, S. 50 [Nr. 12]), Georgius Macropedius (1549; ebd. [Nr. 13]) sowie des Thomas Naogeorgus (1554; Löffler, Weiteres, S. 5 f. [Nr. 85]). Das Erscheinen der Dramen in der Dortmunder Offizine lässt darauf schließen, dass die betreffenden
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tik, die zeigen, dass diese vorwiegend der Unterweisung der Schüler dienten. Als erstes pädagogisch-theologisches ‚Lehrbuch‘ wurde 1548 der Katechismus von Schöpper veröffentlicht,249 auf den noch zurückzukommen sein wird. Auch in den folgenden Jahren wurden theologische Schriften in Dortmund verlegt. Dabei fällt auf, dass die Werke theologischen Inhalts bis in die 1560er Jahre nur aus der Hand einheimischer katholischer250 oder auswärtiger gemäßigt-protestantischer Autoren stammen: Bei Andreas Hyperius (1511–1564), ein Anhänger Martin Bucers, dürfte nicht zuletzt auch die mit Lambach gemeinsame Verbindung zu Johann Sturm in Straßburg eine Rolle dafür gespielt haben, dass 1555 in Dortmund sein homiletisches Werk, welches zwei Jahre zuvor in Marburg erschienen war, gedruckt worden ist.251 Der französische Humanist Sebastian Castellio (1515–1563), einst ein Freund Calvins in Genf, der später dessen Prädestinationslehre bekämpfte, stand dagegen seit den 1550er Jahren mit seinem Einsatz für Toleranz und Religionsfreiheit in der Tradition des Erasmus der auch an der Dortmunder Schule vertretenen Anschauung sehr nahe.252 Vielleicht fanden auch Schriften des Vermittlungstheologen Georg Cassander Verwendung in der Dortmunder Schule. Zumindest ist ein Rhetoriktraktat von ihm 1550 in der Offizin Soters verlegt worden.253 Dies zeigt, dass konfessionelle Auswahlkriterien für die Druckerei und die Schule bis in die 1560er Jahre keine Rolle spielten. Erst mit der zunehmenden Hinwendung der Stadt zum Luthertum ging ein Wandel im Verlagsprogramm einher. Bereits 1565 wurde der erstmals 1554 erschienene Katechismus des Rostocker Theologieprofessors David Chyträus (1530–1600), eines früheren Anhängers Melanchthons, in Dortmund gedruckt und ersetzte vielleicht teilweise schon den älteren Katechismus von Schöpper.254 Zwei Jahre später wurde
249 250
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253 254
Stücke auch in der Reichsstadt aufgeführt worden sind oder Schöpper zur Inspiration für seine eigenen Werke dienten. Vgl. hierzu auch unten Kap. 4. Löffler, Buchdruck, S. 48 f. (Nr. 8 bzw. [als 2. Auflage 1549] 9). Die im Zeitraum von 1555 bis 1565 in Dortmund erschienenen homiletischen Werke Schöppers hat Löffler, Buchdruck, S. 57–61 und 64 (Nr. 30–32, 35, 36 und 43) sowie ders., Weiteres, S. 6 f. (Nr. 86–88), aufgelistet. Zu diesen vgl. Kap. 3. Bevor Hamelmann ein Anhänger Luthers wurde, erschien von ihm 1552 eine Abhandlung über die Priesterehe (Löffler, Buchdruck, S. 54 f. [Nr. 22]). Löffler, Buchdruck, S. 56 f. (Nr. 27 [1555]). Vgl. auch Gerhard Krause, Andreas Gerhard Hyperius. Leben – Bilder – Schriften, Tübingen 1977, Anhang S. 136, Nr. 7.2. In der Dortmunder Ausgabe wurde im Übrigen auch die Bibelausgabe Castellios zitiert. Zur Person des Hyperius vgl. Hannelore Jahr, Art. „Hyperius, Andreas“, in: NDB 10 (1974), S. 108 f. Vgl. Löffler, Buchdruck, S. 56 und 64 (Nr. 26 [1554] und 41 [1564]) sowie Löffler, Drucke, S. 429 (Nr. 93 [1565]). Die letzten beiden Drucke waren Castellios lateinische Übersetzung des Neuen Testaments, die zuerst 1551 in Basel erschienen war und in humanistischen Kreisen sehr geschätzt wurde. Zur Person vgl. Jacob Achilles Mähly, Art. „Castellio, Sebastian“, in: ADB 4 (1876), S. 64–67; Hans Rudolf Guggisberg, Sebastian Castellio 1515–1563. Humanist und Verteidiger der religiösen Toleranz im konfessionellen Zeitalter, Göttingen 1997. Löffler, Buchdruck, S. 52 (Nr. 16). Die Schrift erschien zuerst 1543 in Paris. Ebd., S. 64 (Nr. 44 [1565]). Eine zweite Ausgabe (S. 65 [Nr. 45]) erschien 1570. Zur Person vgl. Ernst Wolf, Art. „Chytraeus, David“, in: NDB 3 (1957), S. 254.
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mit der zuerst 1529 gedruckten Trostschrift Seelen Arstedye vor de Gesunde unde Kranken des Reformators Urbanus Rhegius (1489–1541), der zeitweise allerdings auch um einen religiösen Ausgleich bemüht war, ein erstes volkssprachiges Werk religiösen Inhalts in Dortmund verlegt.255 Ebenfalls 1567 wurde ein lateinisches Exemplar der Confessio Augustana, und zwar der Variata, gedruckt, vermutlich für den Gebrauch in der Dortmunder Schule.256 Nach 1570 verstärkte sich bis zum Ende des 16. Jahrhunderts diese reformatorische Tendenz, wobei in zunehmender Zahl theologische Werke orthodoxer Lutheraner in Dortmund erschienen.257
c) Schule und Kirchendienst Die Schulen waren nicht nur ein Ort der Bildung der Kinder, sondern spielten auch für die kirchliche Praxis eine Rolle. Sowohl die Lehrer als auch die Schüler wurden in den Kirchendienst integriert, wobei ihnen als primäre Aufgabe der zumeist lateinische Gesang zukam, sei es im Gottesdienst, bei Begräbnissen oder bei Prozessionen. Diese öffentliche Demonstration der in der Schule erlangten Sprachkompetenz galt grundsätzlich konfessionsübergreifend. In Essen findet sich die Verpflichtung zum Kirchendienst in allen erhaltenen, das Schulwesen betreffenden Verträgen seit der Mitte des 16. Jahrhunderts. Dabei ist davon auszugehen, dass auch zuvor die Lehrer mit ihren Schülern kirchliche Dienstleistungen zu verrichten hatten, was vermutlich so selbstverständlich war, dass frühere Kontrakte solche Klauseln gar nicht erst enthielten.258 Erstmals formuliert findet sich diese Bestimmung im Vertrag zwischen Stadt und Stift aus dem Jahr 1552. Hierin wird der Rat verpflichtet, den neuen Rektor mit „seynen Mithilfferen 255
256
257
258
Löffler, Drucke, S. 430 (Nr. 95). Zur Person vgl. Hellmut Zschoch, Reformatorische Existenz und konfessionelle Identität. Urbanus Rhegius als evangelischer Theologe in den Jahren 1520 bis 1530, Tübingen 1995. Zum Versuch eines konfessionellen Ausgleichs bei Rhegius vgl. Maximilian Liebmann, Urbanus Rhegius und die Anfänge der Reformation. Beiträge zu seinem Leben, seiner Lehre und seinem Wirken bis zum Augsburger Reichstag von 1530 mit einer Bibliographie seiner Schriften, Münster 1980, hier bes. S. 256–302. Vgl. Wilhelm H. Neuser, Ein westfälischer Druck des Augsburger Bekenntnisses aus dem 16. Jahrhundert, in: Jahrbuch für Westfälische Kirchengeschichte 76 (1983), S. 50–54. Dieser Druck ist wohl identisch mit Löffler, Buchdruck, S. 75 f. (Nr. 79), den Löffler nicht datiert hat. Zunächst 1571/72 drei Schriften Hamelmanns (Löffler, Drucke, S. 430 f. [Nr. 96–98]) und 1575 ein Andachtsbuch (ders., Weiteres, S. 8 [Nr. 91]) des lutherischen Theologen Johann Spangenberg (1484–1550) sowie eine niederdeutsche katechetische Schrift (ders., Drucke, S. 432 [Nr. 101]) des seit 1574 in Soest tätigen, aus der Lausitz stammenden Simon Musäus (1521–1582). Erst 1584/85 folgten Ausgaben von Schriften Luthers (Kleiner Katechismus und Gesangbuch, vgl. ders., Buchdruck, S. 68 f. [Nr. 56 u. 57]). Desweiteren erschienen mehrere gedruckte theologische Disputationen von Schülern des Gymnasiums. Im Vertrag vom 22. Oktober 1545 (Ribbeck, Geschichte I, S. 96 [Nr. 2]) wird der Kirchendienst nicht angesprochen.
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vnd Clericken“, also Schülern, anzuweisen, „das In dem Munster vnd beiden Kirspelskirchen das choirgesenge, oich alle ehrliche gwonliche processien tzuchtiglich vnd erbarlichen gehalten wirden“.259 Einer der Lehrer, der Kantor, war hauptverantwortlich: Petrus Scharpenberg sollte gemäß seines Vertrages „eynen erfarnen guden Cantorem“ anstellen, „dey degelich dat Chorgesenge verwaere vnd geschickt sy, tho tiden, so Ime angesat wirden, den Jungen mede to lesen vnd lehren“, und diesen aus den „opkoemste des choirs“ besolden. Schließlich sollten „die Choren vnd alle erliche processien durch die Meistern myt den Cleriken gehalden wirden, wie van altzher loflich vnnd gewontlich ist“.260 Dass auch der in der Forschung als protestantisch geltende Heinrich Betuleius nicht von Dienstpflichten in den katholischen Kirchen ausgenommen war, zeigt sein Vertrag aus dem Jahr 1557, wobei hier nur kurz notiert wurde, dass dieser „auch denn kyrchenndienst zu versehenn“ habe.261 Deutlicher ist dagegen der Kontrakt für Matthaeus Cardenus 1563: „Auch soll vnd woll der Rector die beidenn pfarkirchen, nemblich zu sanct Johan vnd Sanct Gertruidt binnen Essen mitt dem kirchen dienst, als vesper, mettenn, Myssen vnd processionn verwhaerenn vnd versehen laissenn, wie van althers loblich herbracht vnnd gewontlich.“262
Auffällig ist, dass in der Klausel nicht die Münsterkirche erwähnt wird, die Scharpenberg noch 1552 ausdrücklich zu bedienen hatte. Fraglich ist auch, ob bzw. wie lange Cardenus in der Gertrudenkirche an der Gestaltung des Gottesdienstes mitwirkte, wie es der Vertrag verlangte: Spätestens seit Ende 1563 hatte die Bürgergemeinde die Kirche usurpiert, den rechtmäßigen Pastor Saldenberg verdrängt und das Gotteshaus lutherischen Predigern geöffnet.263 Ähnlich wie in Essen hatten auch Bielefelder Lehrer vertraglich Pflichten in der Kirche zu erfüllen. Im Kontrakt für Gerhard Tittmann von 1556 heißt es: „Und so vil den Kerkendenst belangt, dat he beide Chore alhie, sowol up der olden als niggen Stadt mit sinen Scholeren wie sulches anher gebruchlich gewesen, flitig bedenen und verwaren soll.“264 Auch sein Amtsnachfolger Ludwig Kipp hatte „unsere beide Kirchen mit Gesange, so viel ihme gepurt, mit seinen beiden Gesellen aufs formlichste zu zieren und vorwaren“.265 Es ist wahrscheinlich, dass die Verpflichtung zum Kirchendienst in beiden städtischen Gotteshäusern auch für spätere Rektoren bestand. In Dortmund wird der Kirchendienst vor der Gründung der neuen Schule an den vier Stadtkirchen durch die jeweiligen Pfarrschulen besorgt worden sein. Urban von Homberg soll, so die Überlieferung aus dem 17. Jahrhundert,266 die ihm anvertrauten Kinder „im Lesen der Psalmen und Evangelien“ geübt haben, so dass diese in den Gottesdienst in St. Reinoldi eingebunden werden konnten. Die auch nach der Einrichtung der städtischen Lehranstalt als Elementarschulen fortbestehenden Pfarr259 260 261 262 263 264 265 266
Ebd., S. 99–101 (Nr. 5), hier S. 99 f. Ebd., S. 101–103 (Nr. 6), hier S. 102. Ebd., S. 107 f. (Nr. 8), hier S. 107. Ebd., S. 109–111 (Nr. 9), hier S. 110. Vgl. hierzu Teil IV. Herwig, Geschichte, S. 2 f., hier S. 3. Ebd., S. 5 f., hier S. 6. Franz, Christoph Scheibler, S. 276 und 288 (Punkt 10 der Säkulardisputation).
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schulen mussten weiterhin ihre Schüler zum Gesang in der Kirche bereitstellen. Da an diesen Schulen künftig nur noch deutscher Unterricht gegeben werden durfte, beschränkte sich der Kirchengesang der Kinder vermutlich auf volkssprachige Lieder, während die Schüler der neuen Schule den lateinischen Chorgesang übernahmen.267 Ein bisheriger Lehrer der Reinoldischule, Florentius Lövinkhoff, wurde 1543 Lector sextae classis an der Stadtschule und blieb weiterhin als „Sangmester“ für den Kirchengesang in der Reinoldikirche zuständig. Nach einer Dienstanweisung vom 21. April 1555268 hatte Lövinkhoff sowohl für den Gesang selbst als auch den Gesangsunterricht zu sorgen. Da seine eigene Qualifikation anscheinend ungenügend war, sollte er einen Untermeister bestellen, „damit also die Kinder allenthalven getruwlich in lehr und tucht versorgt und angehalden werden“. Lövinkhoff und die Kinder hatten den Gesang an bestimmten Tagen und Heiligenfesten sowie zu vorgegebenen Zeiten zu verrichten. Hinsichtlich des Chorgesangs wurde verfügt, dass „di Schöler in vesper, mettem, missen […] fyn ordentlich by paaren up und aff gahn, und allethyt dem hochwerdigenn Sacramente mit Kniebögen ehr erwysen“. Schließlich übernahm Friedrich Beurhaus 1567 als neuer Konrektor zugleich die Aufgaben von Lövinkhoff. In seiner Funktion als Sangmeister verfasste er 1573 und 1581 zwei Musiktraktate, die er in Dortmund drucken ließ.269 Diese bezeugen eine in dieser Zeit verbreitete überkonfessionelle Unterrichtsmethode (Erotematik), die von Peter Imort als „Ausdruck einer musikalischen via-media-Praktik“ interpretiert wurde.270
3. Die Theologie und ihre Vermittlung im Werk Jakob Schöppers Der Dortmunder Prediger Jakob Schöpper zählt zu den ganz wenigen Gelehrten in den drei behandelten Städten, die ihr persönliches religiöses Verständnis der Nachwelt hinterlassen haben. Schöpper gilt zudem als einer derjenigen Theologen, welche in einer Zeit der religiösen Auseinandersetzung eine konfessionelle Festlegung vermieden, ja sogar für einen modus vivendi zwischen den Parteien eingetreten sein sollen. Ob dem tatsächlich so war, wird im Folgenden anhand seines katechetischen und homiletischen Werkes aufgezeigt werden, welches in den Kontext ähnlicher Schriften und Anschauungen gestellt wird.271 Gerade mit der zunehmenden konfessionellen Ausdifferenzierung wurde die religiöse Unterrichtung und Unterweisung der städtischen Jugend immer wichtiger. Das in der Kindheit erworbene theologische Fundament konnte für die konfessionelle Haltung der kommenden Generation entscheidend werden. Da sich jedoch 267 268 269 270 271
Imort, Musikalische Kultur, S. 100–107. Gedruckt bei Thoene, Beurhaus, Tl. II, S. 243–245 (Anm. 175), sowie bei Imort, Musikalische Kultur, S. 102–104. Löffler, Buchdruck, S. 65 (Nr. 46, 1573), und ders., Weiteres, S. 8 (Nr. 92, 1581). Hierzu ausführlich Thoene, Beurhaus, Tl. I, S. 44–119. Imort, Musikalische Kultur, S. 128–136, Zitat S. 131. Auf seine Dramen wird im folgenden Abschnitt zum Laien- und Schultheater eingegangen.
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nicht nur bei Kindern, sondern auch bei Klerikern, die diesen den christlichen Glauben vermitteln sollten, eine mangelhafte theologische Kompetenz offenbarte,272 waren Hilfsmittel in Form von Katechismen, welche die grundlegenden Glaubensfragen klären sollten, notwendig – ein Problem, das besonders auf protestantischer Seite bereits früh erkannt wurde.273 Während die katholische Seite oft erst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts dem Vorbild der Evangelischen folgte,274 haben auch Humanisten die Zweckmäßigkeit von Katechismen für die religiöse Bildung früh erfasst. Schon 1514 schrieb Erasmus einen kleinen Katechismus in Form eines Lehrgedichts (Christiani hominis institutum).275 Einen umfangreicheren, in Dialogform für die religiöse Erziehung von Unwissenden und Ungeschulten („rudiores“ und „simpliciores“) verfassten Katechismus publizierte er im Frühjahr 1533 (Explanatio symboli).276 In beiden Katechismen stellte der Humanist das Apostolische Glaubensbekenntnis in den Mittelpunkt seiner Ausführungen, wobei er sich vornehmlich (ohne diese direkt anzuführen) auf Augustinus, Tertullian, Origines und 272
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Dies zeigte sich nicht zuletzt bei Visitationen. Bei den obrigkeitlichen Erkundigungen in Ravensberg 1533 wurde etwa festgestellt, dass der Prediger in der Bielefelder Neustadtkirche, Albertus Hoiffsmidt, im Gegensatz zu seinem Kollegen in der Altstadt weniger kompetent sei (Schmidt, Protokoll, S. 138 f.). In Kirchdornberg wurde dem Kaplan, der den ordentlich bestellten Pfarrer vertrat, aufgrund seiner mangelhaften Bildung das Studium mehrerer Schriften auferlegt, u. a. des Enchiridion militis Christiani des Erasmus (ebd., S. 141). Ähnliche Ergebnisse brachten etwa auch die Visitationen in Jülich und Berg, wobei sich tendenziell die Befähigung für das geistliche Amt mit der Zeit verbesserte (hierzu Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 2.2, S. 17* f., 31*, 35*, 42* [Tabelle] und 44*–46*; Pohl, Lebensformen, S. 23–29). Noch in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts erschienen daher zahlreiche Katechismen, etwa durch Luther (1529), Brenz (1527/28 und 1535) und Calvin (1536/37 bzw. 1542/45). Als ein sehr früher volkssprachiger Katechismus aus Westfalen sei der von Johann Westermann für Lippstadt 1524/25 verfasste erwähnt: Johann Westermann, Eyn christlyke vthlegynge der teyn gebodde, Des gelouens, Vnd vader vnses, ym Augustiner cloester tor Lippe yn der vasten gepreket […] In dem yaer MDXXIIII, Lippstadt 1525 (Faksimile und neuhochdeutsche Übertragung in: Gerhard Klose und Arnold Willer [Bearb.], Die Schriften Johann Westermanns 1524/25, Lippstadt 1985, S. 1–169). Zu nennen sind etwa die beiden 1555/56 erschienenen katechetischen Werke des Jesuiten Petrus Canisius sowie der Catechismus Romanus von 1556. Zu früheren Beispielen aus der Feder katholischer Vermittlungstheologen vgl. unten Anm. 278. Zuerst gedruckt als Erasmus von Rotterdam, Institutum Christiani hominis carmine pro pueris ab Erasmo compositum, in: Opuscula aliquot Erasmo Roterodamo castigatore […], Köln 1514, fol. E3v–E6v. Erasmus von Rotterdam, Dilucida et pia explanatio symboli quod apostolorum dicitur, Basel 1533, ediert in: Opera Omnia, Bd. 5.1, Amsterdam u. a. 1977, S. 177–320. Zu dieser Schrift vgl. auch Eugène Honée, Zur Unterweisung der Jugend in der ‚Philosophia Christi‘. Formelemente von Erasmus’ Katechismus aus 1533, in: Brandmüller u. a., Ecclesia militans, Bd. 2, S. 307–331. Zum Adressatenkreis, den Erasmus im Dedikationsschreiben an Sir Thomas Boleyn, den Vater der damaligen englischen Königin, nennt, vgl. ebd., S. 313–315. Nach Kritik Luthers an dem Werk wollte Erasmus dieses jedoch nicht vornehmlich für die unmündigen Katechumenen, sondern für die Katecheten, d. h. für Eltern, Erzieher und Pfarrer, konzipiert wissen.
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andere katechetische Schriftsteller stützte, das heißt traditionellen Interpretationen folgte und inhaltlich keineswegs etwas revolutionär Neues schuf.277 Nichtsdestotrotz fand Erasmus’ Vorgehen bei der Glaubensauslegung großen Anklang bei den Anhängern des Rotterdamers, die sich selbst mit der Katechese auseinandersetzten, wie etwa bei Witzel, Gropper und Pflug.278 Daneben zog auch Johannes Monheim Erasmus’ Schrift heran, um sie in ergänzter Form, etwa mit einem zusätzlichen Abschnitt zur Wirkung und Bedeutung der (hier noch sieben!) Sakramente, als Rektor in Düsseldorf 1551 mit Widmung an Herzog Wilhelm V. zu publizieren.279 Auch in Jülich-Kleve-Berg wurde als Ergänzung zur Kirchenordnung von 1532 und zur „Declaratio“ von 1533 ein Katechismus ausgearbeitet, der lange Zeit als verloren galt.280 Bereits in der Kirchenordnung angekündigt, wandten sich die Räte des Herzogs hinsichtlich der Erstellung des Katechismus auch an Erasmus, der auf sein eigenes gerade erschienenes Werk verwies.281 Bei der Auslegung des Vaterunsers kopierten die Verfasser des lateinisch gehaltenen klevischen Katechismus die entsprechenden Ausführungen aus einer älteren Schrift des Erasmus, und auch das Glaubensbekenntnis wurde weitgehend einem anderen Werk des Rotterdamers („Inquisitio de fide“ aus den Colloquia familiaria) entnommen.282 Der so entstandene Katechismus zielte vornehmlich auf die Pfarrer, denen ein Hilfsmittel für die christliche Belehrung ihrer Gemeinde nach den Prinzipien der Theologie des Erasmus und der klevischen Kirchenpolitik in die Hand gegeben werden sollte.283 Gegenüber Luthers Katechismen konnte sich das herzogliche Werk in Westfalen allerdings kaum durchsetzen. Nicht nur bei ausgesprochenen Anhängern des Wittenberger Reformators, sondern auch bei konfessionell Indifferenten und sogar in katholischen Gemeinden war Luther verbreiteter. Bei Visitationen wurde die Verwendung von Luthers Kate277
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Ebd., S. 310. Dagegen wollte sich Erasmus gerade in seiner Explanatio symboli von anderen Katechismen durch eine direkte Auslegung und Vermittlung des Wesentlichen „ohne Verwendung einer theologischen Geheimsprache“, aber mittels einer bildhaften Sprache abgrenzen. Vgl. ebd., S. 321–327, Zitat S. 322. Zu Witzels Katechismen vgl. auch die oben in Teil II in Anm. 140 zitierten Publikationen. Gropper verfasste zwei Katechismen 1546 und 1550, Pflug einen weiteren 1562. Vgl. hierzu Honée, Unterweisung, S. 307 f. Weitere Ausgaben der Schrift folgten 1554 und 1556, vgl. etwa Johannes Monheim, Dilucida et pia explanatio symboli, quod apostolorum dicitur, et Decalogi praeceptorum, auctore D. Erasmo Roterod. nuper in compendium per Ioannem Monhemium redacta […], Köln 1554. Dazu u. a. auch Krafft, Schule, S. 12 f. mit Anm. ***, sowie Helmut Ackermann, Johannes Monheim, eine Einführung, in: Monheim, Katechismus 1560, S. 423–450, hier S. 435 f. Vgl. Biermann, Erasmus, bes. S. 39 f. Auszüge ebd., S. 48–55. Vgl. ebd., S. 37–39. So ebd., S. 40–44. Ebd., S. 45 f. Biermann zweifelt allerdings, dass der Katechismus selbst in den herzoglichen Territorien große Bedeutung erlangte. In manchen Gemeinden war statt des herzoglichen Katechismus z. B. jener von Erasmus in Gebrauch, wie etwa in den jülichschen Orten Körrenzig, Münz, Kuchenheim und Gartzweiler im Jahr 1560 (vgl. Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 2.1, S. 125, 130, 236 und 433). In Freialdenhoven wurde dieser dem dortigen Pastor 1533 ausdrücklich empfohlen (ebd., S. 355).
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chismen manchmal damit begründet, dass keine volkssprachigen Exemplare katholischer Provenienz verfügbar seien oder sich die protestantischen Werke besser zur Erziehung der Jugend eignen würden.284 Diese Rechtfertigungsversuche können als Anhaltspunkt dafür herangezogen werden, dass zumindest in einigen Gemeinden die Nutzung lutherischer Katechismen nicht zwingend einer konfessionellen Überzeugung, sondern einfach auch praktischen Gründen geschuldet sein konnte. Nur wenige Jahre nach der Gründung der neuen Dortmunder Schule verfasste auch Jakob Schöpper für die städtische Jugend einen eigenen Katechismus. Über die konfessionelle Ausrichtung dieses Catechismus brevis et catholicus aus dem Jahr 1548 haben Zeitgenossen wie Historiker lange Zeit gestritten. Hamelmann beurteilte diesen wohlwollend, indem er Schöpper bescheinigte, einen „pium catechismum et tolerabilem“ verfasst zu haben.285 Deswegen, aber auch aufgrund von mutmaßlichen Auszügen in den Prozessakten des 17. Jahrhunderts, auf die in der Deductio und Nachrichtung verwiesen wird,286 ist dieser Katechismus bisher häufig als zumindest halblutherisch interpretiert worden,287 ohne dass ein Exemplar des Werkes vorliegt. Weiterhin wurden auch die Änderungen und Erweiterungen der zweiten Auflage, die im Folgejahr erschien und erhalten ist,288 für eine Argumentation in diese Richtung herangezogen. Denn im Unterschied zur Erstauflage hatte Hamelmann für diesen Katechismus, dessen Änderungen durch Johannes Gropper erzwungen worden 284
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Der katholische Pfarrer von Dhünn im bergischen Amt Bornefeld, der sich teilweise an die Dortmunder Agende hielt, gab 1589 an, bei der Kindertaufe Gebete zu gebrauchen, die im Katechismus Luthers enthalten waren (ebd., Bd. 2.2, S. 109). In Lennep im selben Amt wurde Luthers deutscher Katechismus zur gleichen Zeit hauptsächlich deswegen herangezogen, damit die Jungen lesen lernen konnten (ebd., S. 118). Ähnliche Fälle sind etwa auch für die Visitation des Bistums Münster 1571–1573 belegt, vgl. Wilhelm Eberhard Schwarz (Hg.), Die Akten der Visitation des Bistums Münster aus der Zeit Johanns von Hoya (1571–1573), Münster 1913, hier u. a. S. CLVII f. (Ahlen) und CLXVI (Telgte und Wolbeck). Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 225. Allzu lutherisch konnte der Katechismus aber auch nach Hamelmann nicht sein, denn an anderer Stelle schreibt er, dass Schöpper häufig Disputationen zu theologischen Themen hielt und in eben jenem Jahr die Messe und andere katholische Lehren verteidigte („Ita missam anno 1548. defendit et saepe alias alia pontificiorum dogmata, sed omnia ineptissime.“). Vgl. ebd., S. 227. Vgl. von Winterfeld, Durchbruch, S. 138 und 144–146. Auch in den Ulteriores exceptiones heißt es, dass der Katechismus von 1548 „mit der Augspurgischen Confession vbereinstimmt“. Vgl. Franz, Christoph Scheibler, S. 323. So etwa Stenger, Reformation, S. 199–201, und von Winterfeld, Durchbruch, S. 79. Löffler, der die Prozessakten nicht kannte, zweifelte dagegen an der lutherischen Ausrichtung des Katechismus’ und interpretierte Hamelmann dahingehend, dass dieser mit seiner positiven Aussage Schöppers „gewisse[s] Entgegenkommen in der Lehrmethode“ und den Versuch, „die Gegensätze abzuschwächen“, gemeint habe. Vgl. Löffler, Reformationsgeschichte, S. 199–203, Zitat S. 200. Auch Olschewski, Erneuerung, S. 38 f., wies darauf hin, dass die Beurteilung des Katechismus sich nicht allein auf die mutmaßlichen Auszüge stützen dürfe, man müsse diesen stattdessen in den Kontext der gesamten Theologie Schöppers stellen. Jakob Schöpper, Catechismus brevis et catholicus, in gratiam iuventutis Tremoniae conscriptus, denuo recognitus et auctus […], Dortmund 1549.
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sein sollen, kein gutes Wort übrig, sondern beschimpfte ihn als „impium et papisticum“ und bezeichnete Schöpper als Verteidiger des Papsttums und der Kommunion unter einer Gestalt.289 Inwieweit eine solche Interpretation des Werkes durch Zeitgenossen wie auch die Forschung gerechtfertigt ist, wird im Folgenden darzustellen sein. Unbestreitbar ist jedoch, dass Schöppers Katechismus über die Grenzen der Stadt hinaus Beachtung fand, was sich insbesondere in den zahlreichen Ausgaben der Zweitfassung ablesen lässt.290 Schöppers Katechismus, ein Band von 32 Doppelseiten, umfasst in der Ausgabe von 1549 den eigentlichen, in vierzehn Abschnitten gegliederten Text291 sowie – am Ende – zwei kürzere erläuternde Abschnitte292 und neun Schülergebete im Anhang.293 In der „Epistola“ gibt Schöpper seine Beweggründe für die Neufassung seines Werkes an: Das Interesse an seiner Erstausgabe sei zwar groß gewesen, manche Passagen seien jedoch kritisiert worden. Er selbst verwahrt sich gegen ihn erhobene Vorwürfe, dass er von katholischen Standpunkten abgerückt sei. Das von Gegnern beklagte Fehlen der übrigen Sakramente („reliquorum Sacramentorum“) etwa rechtfertigt er damit, dass dies der Kürze halber und in Rücksicht auf die eingeschränkte Auffassungsgabe der Kinder geschehen sei.294 Dabei geht Schöpper allerdings nicht näher darauf ein, auf welche Sakramente er verzichtet habe, ebensowenig darauf, welche von ihm erläutert worden waren; nicht einmal die Anzahl der in der ersten Ausgabe beschriebenen Sakramente wird in der „Epistola“ angegeben. Während Erasmus’ Explanatio symboli auf die religiöse Unterweisung eines Heranwachsenden, der selbstständig nach dieser strebt, zielte, schrieb Schöpper seinen Katechismus für jüngere Schulkinder, die erstmals in die Grundlagen des katholischen Glaubens ein- und an anspruchsvollere Katechismen herangeführt werden sollten. Daher ergreift am Anfang auch nicht der Schüler („puer“), sondern der Ka289 290
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Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 225 f. Im Unterschied zu Hamelmann bemühte sich die lutherische Stadt Dortmund im 17. Jahrhundert, Schöpper als einen frühen Anhänger der Reformation darzustellen. Ursula Olschewski konnte insgesamt vierzehn Auflagen nachweisen, von denen nur zwei in Dortmund (1549 und 1555) erschienen, während der Hauptteil in Antwerpen und Köln gedruckt worden ist. Nach Olschewski stammen sieben Ausgaben aus Antwerpen aus der Offizine des Humanisten und Verlegers Johannes Beller oder Bellerus (1554, 1555, 1557, 1559, 1561, 1562 und 1568) sowie vier aus Köln (1559, 1561, 1570 und 1571). Ein einziges Exemplar wurde bereits früh (1554) in Wesel gedruckt. Vgl. hierzu Olschewski, Erneuerung, S. 39–41 und 300–303. Hinzuzufügen ist hier noch ein (Nach-)Druck aus dem niederländischen Zwolle (1551), der bei N.N., Katechismus, S. 455, genannt wird. Zur Person von Bellerus vgl. Thijm Alberdingk, Art. „Beller, Johann“, in: ADB 2 (1875), S. 806. Auch in einigen Gemeinden des Herzogtums Jülich war Schöppers Katechismus in Gebrauch, so laut der Visitation von 1559/60 in Münz, Montjoie, Simmerath, Beeck und Broich. Vgl. Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 2.1, S. 130, 530, 533, 716 und 776. Schöpper, Catechismus, fol. A2r–D3v. Unter dem Titel „Declaratiunculae locorum aliquot“ (ebd., fol. D4r–D4v) und „Epistola Iacobus Schoepperus, candido Lectori“ (ebd., fol. D4v–D5v). „Precationes aliquot piae pro pueris“ (ebd., ohne Folierung). Schöpper, Catechismus, fol. D4v–D5r.
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techet („praeceptor“) das Wort und übernimmt auch im Folgenden die Leitung des ‚Gesprächs‘, das, wie Olschewski aufgezeigt hat, so konzipiert ist, dass es die rasche Einprägung des Inhalts erleichterte.295 Gleichzeitig diente das Werk durch das Zitieren von Bibelstellen und Kirchenvätern auch dem Katecheten als Leitfaden für die Abhaltung der religiösen Unterweisung.296 Didaktisch ungewöhnlich sei zudem der Aufbau des Werkes297 gewesen, den Schöpper dem Verlauf des „langen und schwierigen Glaubensweges“ eines Christen, beginnend mit der Taufe, angepasst habe.298 Hinsichtlich der inhaltlichen Charakterisierung des Katechismus’ ist zu fragen, ob die Ausführungen zu integralen Bestandteilen des Glaubens eher katholischen oder eher lutherischen Standpunkten entsprechen, bzw. ob gar eine genaue konfessionelle Festlegung bewusst vermieden worden ist. Grundsätzlich folgt diese Fassung des Katechismus’ katholischen Auffassungen, wie vermutlich auch die verlorengegangene Erstausgabe. Zwar ist von erasmianischen Vorstellungen bei den Auslegungen und Definitionen der einzelnen behandelten Glaubensinhalte nur wenig zu spüren, einige Parallelen zur Theologie und dem Vorgehen des Erasmus finden sich aber dennoch: Ähnlich wie Erasmus betont Schöpper die Bedeutung der Liebe für den Glauben. Auch schreibt er dem praktischen Aspekt der Sakramente eine höhere Bedeutung als der Suche nach theologischen Spitzfindigkeiten zu. Gleichfalls entspricht die Forderung nach einem Verständnis der christlichen Lehre und deren Verinnerlichung und Anwendung im Lebenswandel des Gläubigen den Idealvorstellungen des Rotterdamers.299 Denn gerade die Internalisierung theoretisch erworbener Kenntnisse im Glauben für den weiteren Lebensweg und für ein moralisches Verhalten zählte ja zu den Kernforderungen des Erasmus an einen Christen. Eine Nähe zur lutherischen Theologie, wie sie von der älteren Forschung300 unterstellt worden ist, lässt sich dagegen kaum nachweisen: Sowohl in seinem Kate295 296 297
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Olschewski, Erneuerung, S. 41 f. Ähnlich bereits N.N., Katechismus, S. 460. So ebd., S. 458 f. „De bapstismo“ (Über die Taufe; Schöpper, Catechismus, fol. A2r–A3r); „De auditu verbi Die“ (Über das Hören des göttlichen Wortes; ebd., fol. A3v–A4r); „De fide“ (Über den Glauben; ebd., fol. A4r–A8r); „De decem praeceptis“ (Über die zehn Gebote; ebd., fol. A8r–B3v); „De oratione dominica“ (Über das Vaterunser; ebd., fol. B3v–B6v); „De salutatione angelica“ (Über den englischen Gruß; ebd., fol. B6v–B8r); „De sacramento confirmationis“ (Über das Sakrament der Konfirmation; ebd., fol. B8r–C1r); „De sacramento poenitentiae“ (Über das Bußsakrament; ebd., fol. C1r– C4v); „De eucharistiae sacramento“ (Über das Sakrament der Eucharistie; ebd., fol. C4v–C6r); „De sacramento unctionis infirmorum“ (Über das Sakrament der Letzten Ölung; ebd., fol. C6r–C7r); „De sacramento ordinis“ (Über das Weihesakrament; ebd., fol. C7r–C8r); „De sacramento matrimonii“ (Über das Ehesakrament; ebd., fol. C8r– D1r); „De sacramentorum proprietatibus“ (Über das Wesen der Sakramente; ebd., fol. D1r–D2r); „De ecclesia“ (Über die Kirche; ebd., fol. D2r–D3v). Olschewski, Erneuerung, S. 42 (hier auch das Zitat). Dies wird insbesondere in den Abschnitten zur Taufe und zu den zehn Geboten deutlich, vgl. hierzu auch N.N., Katechismus, S. 457 ff. Vgl. oben, Anm. 287. N.N., Katechismus, S. 461 meint, Schöpper habe mit der besonderen Anlage des Katechismus einem teilweise bereits lutherisch orientierten Publikum Rechnung getragen.
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chismus als auch in zeitgleich gehaltenen Predigten vertritt Schöpper Standpunkte, die im Wesentlichen eher der katholischen Tradition entsprachen.301 Da Schöpper jedoch „strittige und dogmatisch anspruchsvolle Themen wie etwa die Meßopferlehre“ genauso wie ein Eingehen auf den Ablass oder den Primat des Papstes bewusst vermieden habe,302 war der Gebrauch seines Katechismus’ auch in lutherisch orientierten Kreisen möglich. Hierauf deutet etwa der frühe Nachdruck aus Wesel hin, auch wenn lutherische Theologen wie Hamelmann dem Büchlein kritisch gegenüberstanden. Als eine „gewisse irenische Tendenz“ ließe sich der Verzicht auf direkte Angriffe auf die lutherische Lehre interpretieren: Schöpper betonte stattdessen das Besondere der katholischen Lehre, um die vom katholischen Glauben Abgefallenen wieder mit der Papstkirche zu versöhnen.303 Dies entsprach den Auffassungen der klevischen Kirchenpolitik, der zufolge nämlich alles vermieden werden sollte, was zu Zwietracht und Uneinigkeit führen konnte. Aus diesem Grund war es nur folgerichtig, dass die klevischen Räte für einen neuen Katechismus für die Vereinigten Herzogtümer auch Schöppers Exemplar als Vorlage heranzuziehen gedachten, wozu es letztlich aber doch nicht gekommen ist.304 Das zweite, weit umfangreichere Werk Schöppers ist seine Predigtsammlung, die posthum durch den Rektor der Dortmunder Stadtschule, Johannes Lambach, veröffentlicht wurde. Die vier Publikationen umfassen einen Band mit Katechismuspredigten (Institutio christiana) sowie drei Bücher mit Sonn- (Tomus primus bzw. secundus concionum) und Festtagspredigten (Tomus tertius concionum).305 Bereits die Zeitgenossen griffen auf diese als Vorbilder für die Konzeption von Predigten zurück, worauf die große Zahl von Nachdrucken bzw. Übersetzungen verweist, die nach und nach sowohl in katholischen wie in protestantischen Offizinen bis um 1600 erschienen.306 Vorrangiges Ziel des Dortmunder Rektors Lambach war es nicht, Schöppers Werk über die Grenzen der Reichsstadt hinaus zu verbreiten, sondern das Homiliar des befreundeten Gelehrten für die religiöse Bildung der Schüler nutzbar zu 301 302 303 304 305
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Vgl. zusammenfassend Olschewski, Erneuerung, S. 294. Zitat ebd., S. 43. Auch N.N., Katechismus, S. 466 f., hat hierauf bereits hingewiesen. Ebd., S. 461 f. und 466 (hier das Zitat). Vgl. Olschewski, Erneuerung, S. 32. Folgende Ausgaben werden hier sofern nicht anders vermerkt zitiert: Jakob Schöpper, Summa Christlicher undterweysung und der fürnämsten Leer/ In etlichen kurtzen unnd auch Catholischen Predigen begriffen/ ainem yetwedern Christen zu lesen und zu wissen fast notwendig […], Augsburg 1558 (deutsche Übersetzung der Institutio christiana von Philipp Dobereiner von Turschenreuth); ders., Tomus Primus D. Iacobi Schoepperi Concionum […], Dortmund 1557; ders., Tom[us] Secun[dus] D. Iacobi Schoepperi Concionum […], Dortmund 1560; ders., Tomus T[e]rtius D. Iacobi Schoepperi Concionum […], Dortmund 1558. Die wichtigste Arbeit zum Werk Schöpper stellt die Dissertation von Olschewski, Erneuerung, dar. Zu den Nachdrucken, die in Dortmund, Köln und Paris erschienen, und den in Köln und Augsburg publizierten Übersetzungen vgl. die Zusammenstellung ebd., S. 43–51 sowie 303–311. Daneben H. A. Junghans, Jakob Schöpper als theologischer und dramatischer Schriftsteller, in: Döring, Lambach, S. 85–99, hier bes. S. 86–92.
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machen. Den Dedikationsepisteln zufolge sollten insbesondere die an der Schule herangebildeten künftigen Geistlichen Anregungen für die Ausarbeitung eigener Predigten erhalten. Dies lag nicht nur im Interesse des Lehrerkollegiums, sondern auch der Schüler selbst, denn sie waren es laut Lambach, die ihn gebeten hatten, Schöppers Predigten zu veröffentlichen.307 Daneben ließen sich durch die Schwerpunktsetzungen Schöppers, aber auch durch die Auswahl der Predigten durch Lambach gezielt die religiösen bzw. konfessionellen Ansichten der Schüler prägen. Bei Schöpper stand die unmittelbare Verbesserung des kirchlichen Lebens im Vordergrund, die er durch das ausführliche Eingehen auf liturgische und pastorale Fragen in den Katechismuspredigten anzuregen versuchte, während er eine konfessionelle Konfrontation durch dogmatische Auseinandersetzungen weitgehend mied.308 Das theologische Programm, welches Schöpper als Prediger an der Dortmunder Marienkirche vertrat, wird in der Predigtsammlung und hier insbesondere im Band der Katechismuspredigten deutlich. Ähnlich wie in den Mandaten der Herzöge von Jülich-Kleve-Berg nahm auch bei Schöpper das Priesteramt eine zentrale Stellung ein. Im Unterschied zu Luther grenzte Schöpper dieses von den Laien strikt ab und schrieb jenem eine eigene göttlich begründete Würde zu, die durch die Weihe konstituiert werde.309 Dabei war sich Schöpper durchaus der zeitgenössischen Probleme des Priesterstandes bewusst und entwarf dementsprechend ein Idealbild des Geistlichen. Als dessen wichtigste Aufgabe bezeichnete der Dortmunder Gelehrte die Predigt, die einerseits der Belehrung und Anleitung der Gemeinde dienen, andererseits zur Stärkung des Glaubens und damit unmittelbar zur Rechtfertigung beitragen sollte.310 Die Predigtfähigkeit setze eine profunde Kenntnisse der Bibel und der Kirchenväter voraus – auch dies entsprach den Anforderungen der klevischen Kirchenpoltik. Daneben müsse er demütig und eloquent sein, didaktisch klug vorgehen, mit seiner Gemeinde gut umgehen können, standhaft im Glauben sein und sich sowohl der kirchlichen wie der weltlichen Obrigkeit unterwerfen.311 Eine bloße Einhaltung formaler Kriterien wie etwa eine Residenzpflicht oder die Verwaltung der Sakramente genüge nicht, sondern der Priester müsse erkennen, dass sein Amt
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Dies kommt etwa in den vorangestellten Briefen Lambachs zu Schöpper, Tomus Primus, sowie zur 1561 in Dortmund erschienenen Ausgabe der Institutio christiana zum Ausdruck. Vgl. auch Olschewski, Erneuerung, S. 44 und 47, sowie Döring, Lambach, S. 81 f. Olschewski, Erneuerung, S. 46. Vgl. z. B. seine Predigt „Von dem Sacrament des Ordens oder Kirchen diensts“, in: Schöpper, Summa, fol. 137v–144r. Vgl. auch Olschewski, Erneuerung, S. 209–217. Dies wird insbesondere in den Sonntagspredigten deutlich (Dominica V a Trinitate, Lucae V, concio II, in: Schöpper, Tomus Secundus, fol. 420–424; Dominica XV a Trinitate, Gala. V et VI, conciones I–III, in: ebd., fol. 602–613; Dominica XV a Trinitate, Matth. VI, conciones I und II, in: ebd., fol. 614–621), aber auch in der Feiertagspredigt am Tag des Apostels Andreas zu Romanorum X, concio II, in: Schöpper, Tomus Tertius, fol. 13–16. Vgl. hierzu Olschewski, Erneuerung, S. 218. Ebd., S. 219–223.
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einen ‚Liebesdienst‘ – ganz im Sinne des Erasmus – gegenüber Gott und den Menschen darstelle.312 Hinsichtlich der Rechtfertigung machen sich bei Schöpper unterschiedliche Vorbilder bemerkbar. Der lutherischen Auffassung des ‚sola fide‘ kommt Schöpper in der Formulierung „die rechtfertigung aber wirdt erlanget durch den Glauben“,313 bei dem die Verdienste Christi angerechnet werden, recht nah. Allerdings verweist Schöpper an anderer Stelle auch auf die Notwendigkeit guter Werke314 und des Gebrauchs der Sakramente315 für die Bezeugung des Glaubens. Diese Verbindung von ‚sola fide‘ und Werkgerechtigkeit verweist auf eine Rezeption der ‚doppelten Rechtfertigungslehre‘, wie sie von Erasmus vorgedacht, von den Theologen in den Religionsgesprächen formuliert und in die klevische Kirchenpolitik seit der Mitte der 1540er Jahre eingegangen ist. Heilsnotwendig und zur Erlangung von Gnade unerlässlich war für ihn das Leben nach dem Evangelium und den Zehn Geboten.316 Gerade hierfür kam dem Priester eine wichtige Aufgabe zu, denn ihm oblag es, den Gläubigen mittels Belehrung und Disziplinierung den richtigen Weg zu zeigen, da-
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Ebd., S. 226. So schreibt es Schöpper in seiner Predigt „Von notwendigkait des Glaubens“, in: Schöpper, Summa, fol. 55v–60r, hier fol. 58r. Zu ähnlichen Formulierungen in den Sonntagspredigten vgl. Olschewski, Erneuerung, S. 72 Anm. 59. Vgl. „Was da sey in Gott glauben“, in: Schöpper, Summa, fol. 60r–65r, hier fol. 62r: „Soll derhalben nieman[n]t darfür achten, das ain yetlicher glaub nütz sey, ja es soll sich auch kainer des falschen und müssigen Tittels des glaubens rhümen. Dan[n] welcher lehr ist der lieb, welcher der frücht der guten werck mangelt […], derselb ist tod, un[d] kann auch kainen rechtfertigen“. Auch im Entwurf der herzoglichen Kirchenordnung von 1567 (vgl. Teschenmacher, Annales, S. 118 f.) findet sich diese Auffassung ganz ähnlich. Über seine gesamte Lehrtätigkeit in Dortmund hinweg unterstrich Schöpper besonders in den Sonn- und Feiertagspredigten die Notwendigkeit Guter Werke. Hierunter verstand Schöpper keine zeitlichen Dinge wie Stiftungen oder Almosen, sondern Tugenden wie Aufrichtigkeit, Mäßigung, Demut, Geduld, Sanftmut und Liebe. Die entsprechenden Stellen hat Olschewski, Erneuerung, S. 76–82, akribisch aufgeführt. In diesem Zusammenhang begründet Schöpper auch die Berechtigung der Institution Kirche als „ain versamblung der glaubigen, oder aller Christen menschen“ in der Predigt „Von der dritten Person in der hayligen Dryfältigkait […]“ (in: Schöpper, Summa, fol. 82v–88v, Zitat fol. 85r); zum Zusammenhang von Rechtfertigung und Sakramentengebrauch vgl. auch ebd., fol. 85v–86v. Ferner Olschewski, Erneuerung, S. 74–76. Auch in der Predigt „Von dem gebrauch des dritten thails des Symboli“, in: Schöpper, Summa, fol. 88v–92r, hier fol. 90v, bestätigte er die Heilsnotwendigkeit der Kirche: „[…] dieweil auch kain hayl ist ausserhalb derselbigen [der Kirche, C. H.], sollen wir uns aufs häfftigst bemühen, das wir warhafftigklich in solcher seyen, un[d] ewigklichen darinnen bleiben, mit nichten aber uns selbst, von solcher ainigkait un[d] gemainschaft (weder durch Ketzereyen, zertrennunge[n], noch auch von wegen böser fürstender un[d] Bischoffen, oder von wegen etlicher eingerissenen mißbreuch, oder aber letztlich von wegen der untermischung gotloser menschen) schayden, oder von inen uns schaiden lassen.“ „Von notwendigkait des Glaubens“, in: ebd., fol. 58v; Olschewski, Erneuerung, S. 83.
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mit jene aus eigener Kraft317 und durch lebenslange Formung zum Heil gelangen können. In der Sakramentenlehre konzentrierte sich Schöpper ebenso mehr auf die Praxis denn auf dogmatische Spitzfindigkeiten. Auch hier sind vielfältige Einflüsse zu beobachten. Eng angelehnt an die Formulierungen der klevischen Theologie ist seine Auffassung von der Taufe318 als „ain Bad der widergeburt unnd ernewerung“319 des Menschen, der „dardurch entlediget wirdt von dem Reich der Tyranney des bösen gaists, wird begabt mit verzeihung aller seiner sünden“.320 Taufe und Buße seien untrennbar miteinander verbunden: Die mit dem Taufakt erlangte Gnade müsse durch tägliche Buße erneuert werden, da der Mensch im Laufe seines Lebens immer wieder in den Zustand der Sünde zurückfalle.321 Im Unterschied hierzu sind Schöppers Ansichten zum Abendmahlsverständnis, die besonders in zwei Katechismuspredigten zum Ausdruck kommen,322 stärker durch traditionelle und kölnische Vorstellungen beeinflusst. Dies zeigt sich nicht zuletzt in der Verwendung und Verteidigung umstrittener Dogmen (Opferbegriff323 und Transsubstantiation324), mit denen sich die Gelehrten des klevischen Herzogs nicht befassten. Als völlig überflüssig bezeichnete Schöpper die Kelchkommunion für die Laien. In Anlehnung an die Vorgaben der Kölner Synodaldekrete von 1536 und 1548/49325 predigte er daher: „Derhalben welcher baide gestallt nimbt, der nimbt nicht mehr, dann der die aine nimbt: und der allein die aine nimbt auß den baiden, nimbt nicht weniger, dann der es baide empfahet.“326 Gegen Forderungen der Laien nach der Kelchkommunion hob Schöpper hervor, „das ich lieber mit der [römischkatholischen, C. H.] Kirchen unter ainer gestalt will Communiciern, dann wider die Kirchen das gar hailige band Christlicher ainigkait zertrennen und auflösen“.327 Im Gegensatz zur herzoglichen Auffassung sah Schöpper im Laienkelch also kein 317 318 319 320 321
322 323 324 325 326 327
„Was da sey in Gott glauben“, in: Schöpper, Summa, fol. 63r; Olschewski, Erneuerung, S. 71 f. „Von dem tauff“, in: Schöpper, Summa, fol. 101r–107r; Olschewski, Erneuerung, S. 91–114. Vgl. Schöpper, Summa, fol. 102r. Ebd., fol. 103v. So z. B. in der Predigt „Vom Sacrament der Buß“, in: ebd., fol. 112r–120v, bes. fol. 112v– 113r. Durch ihre Untersuchung der Schöpper’schen Auffassung von Buße und Beichte hat Olschewski, Erneuerung, S. 115–140, die Auffassung der älteren Forschung (z. B. von Winterfeld, Durchbruch, S. 79), der Prediger habe hier evangelische Ansichten vertreten, widerlegt. In den Predigten „Vom Sacrament der Dancksagung“, in: Schöpper, Summa, fol. 120v–126v, und „Von dem hohen Opfer der Kirchen / oder (Missah) Meß“, in: ebd., fol. 126v–137v. Vgl. auch Olschewski, Erneuerung, S. 141–174. Schöpper begründet dies mit Verweisen auf das Alte Testament und die Kirchenväter, vgl. Schöpper, Summa, fol. 127r–133v; Olschewski, Erneuerung, S. 158–165. Schöpper, Summa, fol. 122r–123r; Olschewski, Erneuerung, S. 153 f. Pfeilschifter, Acta, Bd. 2, S. 259 (Nr. 72, Tl. VII, Kap. 15). Vgl. auch oben S. 84–88, sowie Olschewski, Erneuerung, S. 156. Schöpper, Summa, fol. 124v. Vgl. auch Olschewski, Erneuerung, S. 154–157. Schöpper, Summa, fol. 125r.
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Mittel zur Integration, sondern zur Spaltung der Christenheit. Weit wichtiger als der Laienkelch war es für Schöpper, die Gläubigen über den Verlauf der Messe und den Zweck des Abendmahls zu belehren, denn nur eine bewusste und verinnerlichte Teilnahme am Dank- und Gedächtnisopfer zu Ehren des Gottessohnes gewährleiste nach Schöpper die korrekte Durchführung der Kommunion.328 Christozentrisch zeigt sich Schöppers Auffassung zur Marien- und Heiligenverehrung,329 insbesondere in den Sonn- und Feiertagspredigten, aber auch in den Katechismuspredigten.330 Marien- und Christusfrömmigkeit setzte der Dortmunder Prediger gleich: Zwar sei die Verehrung der Heiligen und der Muttergottes zu befürworten, allerdings dürfe allein Christus von den Gläubigen angebetet werden.331 In diesem Punkt sah Schöpper sogar beinahe Gemeinsamkeiten mit den Lutheranern: „Wir [kommen] auff baider seytten mit ainander überain, das man naemlich ain herzliche gedaechtnuß der Hailigen in der Kirche soll haben, und sy Ehren.“332 Dieser Einigkeit zwischen beiden Parteien in der Sache stünden allerdings konträre Meinungen in der Art und Weise der Verehrung entgegen. Schöpper hob drei Aspekte hervor: Erstens müsse man den Heiligen Liebe entgegenbringen, das heißt ihr Gedächtnis wahren, sie als „die aller Edlesten glider des leibs Christi ehren“ und ihre Taten verkünden.333 Zweitens solle man – hier grenzt sich Schöpper klar von Luther ab – „ire fürbitt und mitbitt begeren“:334 Zwar sei Christus durch sein Opfer „ain ainiger Mittler unserer erlösung und des hayls“, den Heiligen käme nichtsdestotrotz eine Mittlerfunktion zu, nämlich durch ihr Gebet gegenüber Christus.335 Allerdings dürfe sich der Mensch keinesfalls allein auf die Verdienste der Heiligen verlassen, sondern solle drittens ihrem Beispiel im Glauben und Leben nachfolgen, denn nur dies sei vollendete Frömmigkeit.336 Schöpper empfielt seiner Gemeinde daher: „Lasset derhalben auch uns den fußstapffen unserer vorfaren nachfolgen, und die gebain der Hailigen an ehrliche ort behalten, und gottsäligklich on irgent ain Superstition, oder aber-
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329 330 331 332 333 334 335 336
Schöpper zufolge würde die Gemeinschaft des Gläubigen mit Christus der Gemeinde durch die Partizipation am Abendmahl vor Augen geführt werden. Aus diesem Grund solle man möglichst oft und in würdiger Form die Kommunion empfangen. Gleichzeitig solle sich das Gemeindemitglied dem Erlöser in persönlicher Andacht stellen, während die Gemeinschaft der Gläubigen im Opfer selbst sowie im kollektiven Gebet und Singen zum Ausdruck komme. Vgl. ebd., fol. 124v–126v, 134r–137v; hierzu auch Olschewski, Erneuerung, S. 157 f. Ebd., S. 238–257. Zu letzteren besonders die Predigten „Von dem Englischen gruß“, in: Schöpper, Summa, fol. 155r–159r, und „Von der Wirdigen Ehrung der Hailigen“, in: ebd., fol. 159r– 168r. Schöpper, Summa, fol. 160v–162v. Ähnlich auch seine Argumentation in seiner Predigt zum ersten Gebot, ebd., fol. 9v. Ebd., fol. 159v. Ebd., fol. 161v–162v. Ebd., fol. 162v. Eine ausführliche Begründung der Rechtmäßigkeit der Fürbitte und Anrufung der Heiligen folgt ebd., fol. 162v–166v. Ebd., fol. 164r/v. Gleichermaßen bereits ebd., fol. 9v–10v. Ebd., fol. 166v–167v. Vgl. auch Olschewski, Erneuerung, S. 82–85.
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glauben ehren: nämlich also, das wir dardurch entzündt werden zum glaube[n], zur andacht, zur dancksagung, zu irer nachfolgung, und letztlich zu aller gotsäligkait.“337
Die Wahrnehmung von Schöppers Predigten zu seinen Lebzeiten in Dortmund ist quellenmäßig kaum belegbar. Es lässt sich nicht einmal mit Sicherheit sagen, in welcher Sprache diese gehalten worden sind: Junghans und andere gehen davon aus, dass die lateinisch publizierten Predigten genauso vorgetragen worden sind – dies würde entsprechend den Kreis der Rezipienten auf Sprachkundige, also Teile des Patriziats und des Bildungsbürgertums, beschränkt haben.338 Dagegen vermuteten Klemens Löffler und Luise von Winterfeld, dass Schöpper die Predigten gemäß seines auf die Laien abzielenden Konzeptes in der Volkssprache hielt und so die gesamte Mariengemeinde erreichte.339 Schöppers Predigtsammlung wurde allerdings nicht nur in Dortmund selbst rezipiert. Ebenso wie der Katechismus so wurden auch seine homiletischen Bände – teilweise neben protestantischen Werken – in einigen Gemeinden des Herzogtums Jülich von den dortigen Pfarrern genutzt, wie die Visitation 1559/60 in Linnich, Wisskirchen, Frauwüllesheim, Golzheim und Nörvenich ergab.340 Auch im bergischen Dabringhausen im Amt Bornefeld nutzte der dortige Pfarrer Hermann Alutarius um 1589 Schöppers Predigten, was nicht verwundert, da er selbst aus Dortmund stammte und dort „sub Joanne Schevaste tunc tempores rectore catholico“ studiert hatte.341 Alutarius gab sich im Übrigen eher protestantisch: So richtete er sich nach der lutherischen Hanauer Kirchenordnung von 1573 und nach dem Dortmunder Kollektenbuch, auf das noch zurückzukommen sein wird. Doch nicht nur in den Territorien Herzog Wilhelms waren Schöppers Schriften bekannt, sondern der Salentinischen Visitation von 1575 zufolge beispielsweise auch im Bistum Paderborn (etwa in Salzkotten und Elsen).342 Schließlich findet sich Schöppers Werk auch im Stift Essen: Dem Inventar vom 4. Juli 1606 über den Besitz des verstorbenen Pastors von Borbeck, Conrad Spaer, ist ein sehr umfangreiches Bücherverzeichnis 337 338 339 340 341
342
Schöpper, Summa, fol. 168r. Junghans, Schöpper, S. 86; Schilling, Dortmund, S. 86, und Olschewski, Erneuerung, S. 59. Löffler, Reformationsgeschichte, S. 197; von Winterfeld, Durchbruch, S. 78. Lediglich die Katechismuspredigten könnten, so Löffler, auch in Latein gehalten worden sein, sofern er diese vorrangig für die Schüler konzipiert hatte. Vgl. Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 2.1, S. 480, 646, 658, 660 und 674. Vgl. den „Bericht des Lizentiaten Dietrich Graminius über die kirchlichen Zustände in den Ämtern Bornefeld-Hückeswagen, Burg und Solingen (1589)“, gedruckt in: W[oldemar] Harless, Aus Hückeswagens Vorzeit: Skizzen zur Geschichte von Stadt und Amt Hückeswagen vor 1818. In siebzehn Abschnitten und 12 archivalischen Beigaben, in: Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins 25 (1889), S. 1–262, hier S. 214– 262 (Anhang Nr. 12), bes. S. 232–235. Die Antwort von Alutarius auf die 34. Frage (welche Vorbilder er für seine Predigten heranziehe) lautet: „Et quod utatur postilla Jacobi Schopperi et aliorum bonorum auctorum“. Der auch bei Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 2.2, S. 105 f., abgedruckte Bericht ist unvollständig. Alois Schröer, Die Kirche in Westfalen im Zeichen der Erneuerung (1555–1648), Bd. 1: Die katholische Reform in den geistlichen Landesherrschaften, Münster 1986, S. 170 f.
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beigegeben, welches Werke sowohl von katholischen wie protestantischen Autoren auflistet. Diesem zufolge besaß der Geistliche – neben einem Katechismus von Georg Witzel – auch Schöppers Festtagspredigten.343 Trotz der Rezeption gerade in katholischen Gebieten stießen Schöppers Ansichten mit der zunehmenden konfessionellen Abgrenzung nach dem Konzil von Trient immer mehr auf Kritik. Dies betraf vor allem Schöppers Tomus tertius, seine Predigten zu den Heiligenfesten.344 Die 1570 in Köln nachgedruckte Ausgabe wurde von katholischer Seite bald verboten: Sie wurde zunächst in den Antwerpener Anhang zum Trienter Index 1570, dann in den Antwerpener Index expurgatorius (1571), in den Index Quiroga (1583/84) und schlielich in den Index Papst Clemens’ VIII. (1596) aufgenommen.345 Den Jesuiten war sein Werk suspekt, was deutlich in einem Brief von Petrus Canisius an Herzog Wilhelm V.346 zum Ausdruck kommt, in welchem er diesem 1581 die Ausarbeitung eines Verzeichnisses ‚häretischer‘ Autoren nach dem Vorbild des angekündigten Münchener Index – über dessen Manuskript er verfügte – vorschlug. Denn die von den Geistlichen in den Herzogtümern verwendete Literatur stelle für ihn eine Gefahr dar: Er wolle nicht verschweigen, „dass einige Schriftsteller der Gegenwart als katholisch bezeichnet und ihre Schriften geschätzt und gepriesen werden, die in Wahrheit und im vollen Sinne […] nicht katholisch sind, wie Georg Wicel, Conrad Cling, Jo. Ferus, Jac. Schöpper, Georg Cassander […]. Wenn deren Schriften richtig geschätzt und nach der Norm des Concils von Trient und soliden theologischen Regeln geprüft werden, so enthalten und vertheidigen sie zwar zum grössten Theile die katholische Lehre, weichen aber mitunter von dem gesunden Glauben und der katholischen Religion ab […] und entbehren einer gewissen Feile und Präcision, welche für Schriften nöthig ist, die ohne Anstoss gelesen werden und die Leser erbauen sollen.“347
Schöppers Standpunkte, die insbesondere in den Predigten zum Ausdruck kommen, stellen eine Mischung aus überwiegend traditionellen Ansichten, einem an Erasmus angelehnten humanistischen Amts- und Lehrverständnis sowie einer Rezeption der zeitgenössischen Kirchenauffassung in Jülich-Kleve-Berg und Kurköln dar. Nur vereinzelt finden sich an Luther erinnernde Formulierungen. Insgesamt blieb Schöpper inhaltlich somit weitgehend auf dem Boden der ‚alten‘ Kirche. Ein ‚Vermittlungstheologe‘ war er nur insofern, als auch er für eine Reform der Kirche ohne einen völligen Bruch mit der Tradition eintrat. Sein durch den Humanismus und die Reformversuche in der Nachbarschaft beeinflusstes theologisches Verständnis zielte, wie es Olschewski in ihrem Titel überaus treffend formuliert hat, auf eine „Erneuerung der Kirche durch Bildung und Belehrung“, und zwar sowohl beim Klerus als auch den Laien. In diesem Sinne gingen die Positionen Schöppers mit der Praxis der Erziehung in der Dortmunder Schule um Lambach konform. Gemeinsam 343 344 345 346 347
MAE B 1059, Bl. 86–89, hier Bl. 86v: „Item Catechismus Georgii Wicelii“ und „Item Postilla Jacobi Schopperi super festa“. Vgl. hierzu auch Olschewski, Erneuerung, S. 50 f. Franz Heinrich Reusch, Der Index der verbotenen Bücher. Ein Beitrag zur Kirchenund Literaturgeschichte, Bd. 1, Bonn 1883, S. 367. Übersetzte Auszüge ebd., S. 478–480. Zitat ebd., S. 480 (Hervorhebung des Autors).
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konnte daher, so Olschewski, auch auf die Kirchenpolitik des Dortmunder Rates Einfluss genommen werden.348
4. Geistliches Laienschauspiel und schulisches Humanistendrama Insbesondere seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts sind städtische Aufführungen von Schauspielen mit biblischen oder moralisierenden Themen überliefert.349 Die zumeist in der Volkssprache von großen Teilen der Stadtbevölkerung (Schüler, Zunftangehörige und Geistliche) auf öffentlichen Plätzen aufgeführten Stücke dienten der religiösen Unterweisung und moralischen Anleitung mittels einer „symbolische[n] Inszenierung von Wertekonzepten“, aber auch einfach der Unterhaltung.350 Einst aus der kirchlichen Liturgie entstanden, gingen geistliche Schauspiele nach und nach in die Obhut der Laien über. Seit dem Spätmittelalter gewann das Theater als „Institution sozialen Handelns“351 daher nicht zuletzt wegen der großen Zahl an Mitwirkenden eine gemeinschaftsbildende Wirkung, ja es trug zur „Formierung und Stabilisierung der stadtbürgerlichen Gesellschaft“ bei.352 Auch im 16. Jahrhundert setzte sich die Tradition trotz durchaus geübter Kritik353 konfessionsübergreifend fort, selbst wenn mit der zunehmenden konfessionellen Konsolidierung eine Reduzierung geistlicher Laienschauspiele einherging, die im 17. Jahrhundert fast völlig verschwanden oder durch schulische Aufführungen ersetzt wurden.354 Luther, der einerseits durch Laien aufgeführte geistliche Schauspiele, die den nötigen Ernst vermissen ließen, als Zeitverschwendung und Missach-
348 349
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Olschewski, Erneuerung, S. 292–299. Vgl. etwa die chronologische, wenn auch nicht vollständige Übersicht bei Bernd Neumann, Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Aufführung mittelalterlicher religiöser Dramen im deutschen Sprachgebiet, Bd. 1, München und Zürich 1987, S. 64– 93. Zitat Christel Meier, Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Werte im vormodernen Theater. Eine Einführung, in: dies. u. a. (Hg.), Das Theater des Mittelalters und der Frühen Neuzeit als Ort und Medium sozialer und symbolischer Kommunikation, Münster 2004, S. 7–22, hier S. 11. Vgl. ferner Gottfried Kinkel, Theaterspiele in Dortmund aus der letzten Zeit des Mittelalters und im Jahrhundert der Reformation, in: Monatsschrift für die Geschichte Westdeutschlands mit besonderer Berücksichtigung der Rheinlande und Westfalens 7 (1881), S. 301–324, hier S. 302. Für den allgemeinen Rahmen sei verwiesen auf Ernst Schubert, Das Schauspiel in der spätmittelalterlichen Stadt, in: Bernhard Kirchgässner und Hans-Peter Becht (Hg.), Stadt und Theater, Stuttgart 1999, S. 19–70, sowie auf Dorothea Freise, Geistliche Spiele in der Stadt des ausgehenden Mittelalters. Frankfurt – Friedberg – Alsfeld, Göttingen 2002. Zitat Meier, Kommunikation, S. 9. Zitat Hansjürgen Linke, Sozialisation und Vergesellschaftung im mittelalterlichen Drama und Theater, in: Meier, Theater, S. 63–93, hier S. 65. Freise, Geistliche Spiele, S. 56–75. Schubert, Schauspiel, S. 67–70.
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III. Die städtische Gelehrtenwelt im Religionskonflikt
tung des Glaubens kritisierte,355 musste andererseits einräumen, dass die meist sehr bildhafte Darstellung von Glaubensinhalten gerade für Ungebildete von Nutzen sein konnte.356 Insbesondere für die religiöse und moralische Erziehung der Jugend sei der Wert solcher Aufführungen nicht zu unterschätzen, da sie dazu beitragen würden, dass die Kinder einerseits „Gott vertrauen, from sein, und alle hülff und trost von Gott [zu] hoffen“ lernen,357 andererseits sich aber auch im Umgang mit der lateinischen Sprache üben könnten.358 Dabei empfahl Luther insbesondere die Aufführung alttestamentarischer Themen wie etwa die Geschichten von Susanna, Tobias oder Judith, da in ihnen christliche Tugenden besonders hervorgehoben würden.359 Neben Luther erkannten auch andere evangelische Theologen das Potential dieser Aufführungen für eine effektive Verbreitung der eigenen religiösen ‚Wahrheiten‘ im Volk.360 Auch die katholische Seite war sich des Nutzens geistlicher Schauspiele durchaus bewusst. Der Vermittlungstheologe Georg Witzel etwa verteidigte diese 1550 in einer Schrift und verwies darauf, dass „Ludi Ecclesiastici“ nicht etwa zum Vergnügen eingeführt worden seien, sondern damit „die Christen jugent mit leiblichen augen“ den Zweck kirchlicher Feste erkenne sowie „zu gedechtnis der hohen thaten Christi Jhesu gereitzt / und zur danck- und lobsagung ermanet / und im waren glauben des Symbols mehr und mehr geubet / und zur liebe unsers lieben Gottes entzundet“ werde.361 Im Unterschied zu Bielefeld, wo keine vormodernen Aufführungen belegt sind, können Dortmund und Essen auf eine bereits spätmittelalterliche Schauspieltradi355 356 357
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So etwa Luther in seiner Fastenepistel von 1525 (Martin Luther, Epistel am Sonntag Oculi, in: WA 17/2, S. 208 f.) bzw. in einer Schrift an den 1530 auf dem Reichstag in Augsburg versammelten Klerus (WA 30/2, S. 347–353). „Und gefellet mir wol, das mans also den einfeltigen für malet, spielet, singet odder sagt“. ders., Dritte Predigt, auff den Ostertag, in: WA 37, S. 63. Zitat ders., Vorrede zur Judith von Joachim Greff von 1534, in: WA Bibel 12, S. 6. Zu dem von Luther geförderten Dramatiker Greff vgl. Andrea Seidel, Joachim Greff. Dramatiker im Dienste der Reformation, in: Werner Freitag (Hg.), Mitteldeutsche Lebensbilder. Menschen im Zeitalter der Reformation, Köln u. a. 2004, S. 11–31. In einem Brief an Johannes Cellarius (WA Tischreden 1, S. 431 f.) meinte Luther: „Comödien zu spielen soll man der Knaben in der Schulen willen nicht wehren, sondern gestatten und zulassen, erstlich, daß sie sich uben in der lateinischen Sprache; zum Andern, daß in Comödien fein künstlich erdichtet, abgemalet und fürgestellt werden solche Personen, dadurch die Leute unterrichtet, und ein Jglicher seines Amts und Standes erinnert und vermahnet werde […].“ WA Bibel 12, S. 6, 108 und 492. Vgl. auch Seidel, Greff, S. 18 f. Schubert, Schauspiel, S. 67 f. Mehrere Stellungnahmen (nicht nur von Protestanten) auch bei Neumann, Geistliches Schauspiel, Bd. 2, S. 880–922. Zur Funktion des Dramas als eine andere Form des Gottesdienstes bei Protestanten vgl. Wolfram Washof, Drama als Gottesdienst. Homiletisch-katechetische Funktionen und liturgische Elemente des protestantischen Bibeldramas der Reformationszeit, in: Meier u. a., Theater, S. 159–170; ders., Die Bibel auf der Bühne. Exempelfiguren und protestantische Theologie im lateinischen und deutschen Bibeldrama der Reformationszeit, Münster 2007. Georg Witzel, Psaltes Ecclesiasticus. Chorbuch der Heiligen Catholischen Kirchen / Deudsch / itzundt neu ausgangen […], Mainz 1550, fol. 162r–164v, hier fol. 162v (zitiert nach Neumann, Geistliches Schauspiel, Bd. 2, S. 919–921, hier S. 919).
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tion zurückblicken. Neben einem dramatische Elemente enthaltenden Osterspiel des Essener Frauenstifts, das seit dem 14. Jahrhundert belegt ist und an welchem die Laien nur am Rande beteiligt waren,362 sind in Essen seit 1457363 und in Dortmund seit 1497364 auch ‚bürgerliche‘ Schauspiele bekannt. Soweit es aus den Essener Stadtrechnungen oder den Dortmunder Chroniken zu entnehmen ist, fanden die Aufführungen fast durchgehend zur Fastnacht365 am ersten Februarsonntag auf dem Markt (vor dem Rathaus)366 statt. Gerade bei Dortmund scheint es jedoch fraglich zu sein, ob es sich bei den dortigen Aufführungen um typische, eher profane Fastnachtspiele gehandelt hat,367 deren Aufführung andernorts gerade in der Reformationszeit zu antiklerikalen Exzessen oder einer „ritual desacralisation“ führen konnte.368 Schon in dieser Zeit zeichneten sich die vermutlich sämtlich in der Volkssprache gehaltenen Dortmunder Schauspiele, soweit Rückschlüsse aus den chronikalischen Erwähnungen gezogen werden können, durch die Wahl von religiösen oder moralisierenden Themen aus.369 Sowohl bei den Essener wie auch den Dortmunder Auf-
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369
Vgl. Theo Döring, Die Geschichte des Essener Theaters von den Anfängen bis 1892, in: BeitrE 49 (1931), S. 233–341, hier S. 240–249. 1457 ein „sente Allexius spell“, 1471 ein Fastabendspiel sowie 1504 und 1522 zwei nicht näher bezeichnete Schauspiele. Vgl. ebd., S. 253 f. 1497: „sanct Jurgens spil“ (Westhoff, Chronik, S. 364); 1498 „sanct Joannes spil“ (ebd., S. 368); 1506 „vastavents spil, genant der Kalkoven“ (ebd., S. 377); 1513 „der burger Antichristi spil“ (ebd., S. 398; Voss, Chronik, fol. 48r). Dies trifft für die Dortmunder Spiele von 1497, 1506 und 1513 sowie für die Essener Aufführungen von 1457 und 1471 explizit zu. Das Essener Schauspiel von 1522 fand zwar auch in der Fastenzeit statt, aber am Aschermittwoch (Aschetag). Der Markt als Ort des Schauspiels wird ausdrücklich für die Dortmunder Spiele von 1506 und 1513 sowie für die Essener Aufführungen von 1504 („op den markede“) und 1522 („vor dem rathus“) genannt. Zu solchen vgl. Eckehard Catholy, Fastnachtspiel, Stuttgart 1966, S. 41–67. Zitat Robert W. Scribner, Reformation, Carnival and the World Turned UpsideDown, in: Bátori, Gesellschaft, S. 234–264, hier S. 258. Zur Beziehung von Reformation und Fastnachtspiel vgl. Peter Rusterholz, Fastnachtspiel und Reformation. Die Metamorphosen des Fastnachtspiels im Widerstreit der Disziplinen, in: Heinrich Richard Schmidt u. a. (Hg.), Gemeinde, Reformation und Widerstand. Festschrift für Peter Blickle, Tübingen 1998, S. 243–259. Wie Schauspiele sowohl vor als auch während der Reformation als Instrument zur Austragung von Konflikten mit dem städtischen Klerus genutzt wurden, zeigen etwa Ludwig Remling, Brauchtum, Feste und Volkskultur im alten Münster, in: Jakobi/Küster, Geschichte, Bd. 1, S. 595–633, hier S. 603–615, für Münster als ein frühes Beispiel, sowie Scribner, Carnival, S. 234–241 und 245 f., für die Reformationszeit. Die Dortmunder Chronisten (insbesondere Westhoff und Mulher) erwähnen dagegen keine Störungen. Auch in Essen finden sich keine Anhaltspunkte für die Autragung von Konflikten im Schauspiel. Vgl. die in Anm. 364 genannten Titel. Dasselbe gilt für das Essener Alexiusspiel. Zu diesem vgl. auch Döring, Geschichte, S. 253 f. mit Anm. 18.
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III. Die städtische Gelehrtenwelt im Religionskonflikt
führungen fehlen in der Regel erläuternde Beschreibungen der Stücke;370 auch über deren Autoren,371 Darsteller372 sowie die Kosten373 ist nur wenig bekannt. Ein Wandel bei der Aufführung von Schauspielen ist seit dem dritten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts zu verzeichnen. Während ‚bürgerliche‘ Schauspiele in Dortmund nach 1528 für eine längere Zeit nicht mehr nachzuweisen sind, sind diese für Essen zwar weiterhin belegt,374 allerdings trat in beiden Städten eine neue Form des Schauspiels hinzu. Mit dem zunehmenden Einfluss des Humanismus auf das Schul370
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Eine detailliertere Beschreibung gibt Westhoff (Chronik, S. 398) nur für das Dortmunder Antichristspiel, bei dem auf dem Markt sechs Bühnen („Burgen“) errichtet wurden: eine für die himmlische Sphäre im Südosten, eine weitere für die Darsteller der Geistlichkeit im Osten, eine dritte für den weltlichen Stand am Rathaus im Süden sowie im Norden die drei übrigen für den Antichristen, Juden und die Hölle. Nach Kinkel, Theaterspiele, S. 324, korrespondiert die Anzahl der Bühnen mit jener der Dortmunder Gilden, die an der Aufführung beteiligt waren. Kinkel verweist dabei auf vergleichbare Beispiele im englischen Chester und im schweizerischen Luzern (ebd., S. 305–312), wobei letzteres von 1583 in der Anordnung große Übereinstimmungen zur Dortmunder Aufführung von 1513 aufweise. Allerdings lässt sich aus Westhoff nicht mit Sicherheit schließen, dass tatsächlich nur Gildenmitglieder teilgenommen haben. Möglicherweise wurden auch Kleriker (etwa für die Rollen des geistlichen Standes) in die Aufführung einbezogen. Nichtsdestotrotz kann jedoch davon ausgegangen werden, dass das Zusammenspiel verschiedener gesellschaftlicher Gruppen die städtische, christliche Sakralgemeinschaft als ein Ideal im Kampf gegen die Mächte des Bösen erlebbar machen sollte. Solche Intentionen finden sich auch bei Aufführungen in anderen Städten, vgl. Freise, Spiele, S. 429–464. Als einziger Autor eines Stücks wird der Gerichtsschreiber und Schulmeister der Dortmunder Reinoldischule Florentius Lövinkhoff genannt, unter dessen Regie 1528 „ein dudesch spiel van den Swarten Buren“, ein allegorisches Stück über Krieg und Frieden, in Dortmund aufgeführt wurde. Vgl. Westhoff, Chronik, S. 423 Anm. 4. In Dortmund werden 1497/98 nur Bürger als eine nicht näher bezeichnete Gruppe genannt, 1506 Bürger und Gesellen sowie 1513 „drefliche und eerliche personen“. In Essen ist 1457 von Gesellen bzw. 1471 von „jonge gesellen“ die Rede. Döring, Geschichte, S. 253, schließt aber auch die Teilnahme von Schülern der Stiftsschule nicht aus. Die Essener Stadtrechnungen verzeichnen eher geringe Zahlungen an die Darsteller, die sich zwischen sechs Schillingen und einem Gulden bewegten. Dagegen scheinen die Dortmunder mehr Aufwand betrieben zu haben. So verweist Westhoff bei den Aufführungen von 1498 und 1513 explizit auf die hohen Kosten, die sich für die Stadt aber insofern rentiert haben dürften, als dass die öffentlichkeitswirksamen Schauspiele auch über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt waren und vermutlich zahlreiche Besucher in die Stadt lockten. Solche auswärtige Schaulustige erwähnt Westhoff, Chronik, S. 450, für das Jahr 1544. Am Matthiastag (24. Februar) 1545 wurde auf dem Markt ein Spiel aufgeführt, dessen Darsteller erstmals als „borger“ bezeichnet werden. Jeweils an Mariä Heimsuchung (2. Juli) wurde in den Jahren 1555 und 1556 zweimal hintereinander die Tobias-Geschichte gespielt (Döring, Geschichte, S. 254), die, wie erwähnt, zu den von Luther empfohlenen Themen für Schauspiele gehörte. Daher finden sich gerade im protestantischen Bereich mehrere Adaptationen des Themas, etwa von Hans Sachs (Nürnberg 1533), Johannes Ackermann (Zwickau 1539) oder Jörg Wickram (Frankfurt/M. 1550). Vgl. Wolfgang F. Michael, Das deutsche Drama der Reformationszeit, Bern u. a. 1984, S. 77, 130–133 und 332 f.
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wesen und insbesondere infolge der Etablierung humanistischer städtischer Schulen in der niederrheinisch-westfälischen Region ging die Regie bei den Aufführungen zunehmend in die Hand der Gelehrten über. Zwar wurde oft auch weiterhin für die Öffentlichkeit gespielt, die Darsteller waren jetzt aber fast ausschließlich Schüler. Auf die Bühne gebracht wurde in der Regel nicht mehr das volkssprachige religiöse Drama, sondern – zur Übung und Verfeinerung sprachlicher Eloquenz – das sich thematisch daraus entwickelnde, meist lateinische Humanistendrama, welches seit dem frühen 16. Jahrhundert trotz kirchlicher Vorbehalte gegen ‚heidnische‘ Werke auf antike Vorbilder wie Terenz oder Plautus zurückgriff. Während einerseits die antiken Autoren selbst gespielt wurden (in Griechisch und auf Latein), ist für eine große Zahl von Werken eher eine Mischung aus antiken Sprachformen, einer dezidiert christlich-biblischen Botschaft und humanistischen Werten zu beobachten.375 In vielen Stücken spielte dabei der Chor eine strukturierende, moderierende und belehrende Rolle.376 Dramatische Aufführungen der Essener Stiftsschüler sind seit den 1530er Jahren überliefert,377 wobei aus den knappen Erwähnungen meist nicht hervorgeht, ob es sich noch um volkssprachige Stücke oder bereits um neulateinische Humanistendramen gehandelt hat. In der Regel scheinen die meisten Aufführungen während der Amtszeit angesehener Gelehrter stattgefunden zu haben, beginnend mit dem Humanisten Johannes Monheim, der 1535 das Drama von Jakob und seinen Söhnen auf die Bühne brachte.378 Welche Vorlage er hierfür nutzte, ist nicht bekannt, möglicherweise jedoch das im Jahr zuvor in Magdeburg unter der Leitung des lutherischen Schulmanns und Dramatikers Joachim Greff aufgeführte und gedruckte Spiel.379 Nach einer nicht näher bezeichneten Aufführung 1540380 – vermutlich während des Rektorats Johannes Dickmanns – wurde das nächste Schauspiel, ein „vastelavent spoel“, am Tag Mariä Reinigung (2. Februar) 1545 unter der Leitung des
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Vgl. ebd., S. 18–22; Washof, Drama, S. 163. Zur Vermittlung solcher Werte vgl. Meier, Kommunikation, S. 17–19, und dies., Die Inszenierung humanistischer Werte im Drama der Frühen Neuzeit, in: dies. u. a., Theater, S. 249–264, sowie Fidel Rädle, Theatralische Formen der Wertekontrastierung im lateinischen Drama der Frühen Neuzeit, in: ebd., S. 265–288. Vgl. hierzu Volker Janning, Der Chor im neulateinischen Drama. Formen und Funktionen, Münster 2005, hier bes. S. 45–96. Eine Einzelerwähnung einer Beteiligung der Schule findet sich in den Stadtrechnungen von 1501 (StAE 100.901, fol. 14r), worin eine Zahlung an die „scholmestern ind koster do sey gespeld haden“ verzeichnet ist. Zu den Aufführungen der Stiftsschule vgl. Döring, Geschichte, S. 257–263. Ebd., S. 259. [Joachim Greff], Ein lieblich vnd nuezbarlich spil von dem Patriarchen Jacob vnd seinen zwelff Soenen / Aus dem Ersten buch Mosi gezogen, vnd zu Magdeburg auff dem Schuetzenhoff / ym 1534. jar gehalten, Magdeburg 1534. Vgl. herzu Seidel, Greff, S. 12 f. und 18. Vermutlich war auch der damalige Rektor der Magdeburger Altstadtschule und spätere Wittenberger Theologieprofessor, Georg Major (1502–1574), an der Entstehung des Stücks beteiligt. Döring, Geschichte, S. 259.
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Rektors Nikolaus Edanus von Geldern „myt sinen Schoil Kyndern“ in Gegenwart der Bürgermeister und des Rates aufgeführt.381 Auch nach der wenig erfolgreichen Neustrukturierung der Stiftsschule setzten sich die Schulaufführungen fort. Als erster führte der vom Essener Magistrat geschätzte Jakob Memhusius während seiner kurzen Amtszeit 1548 ein Lazarusspiel auf.382 Es lässt sich nicht klären, ob Memhusius das Stück selbst schrieb oder ein älteres Werk adaptierte. Der Lazarusstoff wurde einerseits in der Geschichte von der Erweckung des Lazarus, andererseits in der Parabel vom reichen Mann und dem armen Lazarus verarbeitet. Gerade letzteres gehörte aufgrund der Problematisierung sozialer Ungleichheiten und christlich-ethischer Moralvorstellungen zu den populärsten Sujets im Reformationszeitalter, wobei auf konfessionelle Polemik oft verzichtet wurde.383 Vier Jahre darauf verzeichnen die Stadtrechnungen zwei weitere Schauspiele, diesmal unter der Leitung des erstmals vom Rat ernannten Rektors Anton Schimmel,384 der einerseits zu Ostern 1552 ein Susannen-Spiel385 sowie andererseits im September des Jahres ein weiteres, namentlich unbekanntes Spiel jeweils „uff befehl des Raitz“ aufführen ließ.386 Bis zum Übergang der Schule in die alleinige Verfügungsgewalt des Stifts 1561 folgten eine Reihe weiterer Inszenierungen unter den Rektoraten von Petrus Scharpenberg (1555)387 und Heinrich Betuleius (1558 und 1559).388 381
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Das Jahr der Aufführung wird in der Literatur unterschiedlich angegeben (1544 bei Döring, Geschichte, S. 259; 1545 bei Ribbeck, Geschichte I, S. 36 Anm. 3). Da Edanus nicht vor Ostern 1544 Rektor in Essen wurde, ist 1545 (zwei Monate vor seinem Wechsel nach Düsseldorf) vorzuziehen. Andererseits wird der Rektor in der Rechnung nicht namentlich benannt, so dass es sich theoretisch auch um Edanus’ Vorgänger Matthäus Kremer (auch genannt Empolius oder Mercatorius) gehandelt haben könnte. Kremer musste in der Amtszeit Monheims seine eigene Kinderschule schließen und eine Lehrerstelle an der Stiftsschule annehmen. Der auch als Notar tätige Kremer war vermutlich aber nur sehr kurz selbst Rektor der Schule. Zu diesem vgl. ebd., S. 35 f. StAE 100.928, fol. 30r (Stadtrechnung vom Herbst 1548): „Dem Recktoer meister Jacop gegeven, als hey dat spel spelden van lasserus, 2 fl.“ Zu Memhusius, der zuvor unter dem Rektor Bonifacius Helphricht das Lektorat der fünften Klasse bekleidet hatte, vgl. Ribbeck, Geschichte I, S. 52, 55 und 57. Vgl. hierzu etwa Gudrun Thiel, Die Spiele vom Reichen Mann und Armen Lazarus und die Jedermannsdramen – Ars vivendi versus Ars moriendi?, in: Daphnis. Zeitschrift für Mittlere Deutsche Literatur 19 (1990), S. 161–188. Ribbeck, Geschichte I, S. 62. Döring, Geschichte, S. 260. Ebd. Ebd., S. 261. Der Titel des im Rathaus aufgeführten Stücks ist nicht überliefert. 1558 wurden durch Betuleius zwei namentlich nicht genannte Stücke aufgeführt (StAE 100.935, fol. 10r), davon zumindest das erste auf dem Markt. Im folgenden Jahr ließ der Rektor ebenfalls wieder auf Befehl des Rates „dat spyl von hester“ auf die Bühne bringen (StAE 100.936, fol. 19r). Die alttestamentarische Geschichte der Königin Esther, die verhindert, dass unter der Herrschaft des persischen Königs Ahasveros (Xerxes) durch die Missgunst seines Ministers Haman alle Juden im Perserreich getötet werden, gehörte als moralisierendes Lehrstück zu den beliebtesten Themen protestantischer Dramatiker. Bis 1559 erschienen Werke etwa von Hans Sachs (1536), Valentin Voith
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Weitaus besser belegt als in Essen ist das Dortmunder Schultheater, für welches Jakob Schöpper die treibende Kraft war. Von den lateinischsprachigen Aufführungen der Dortmunder Schüler haben sich nicht nur die Titel der Stücke erhalten, sondern auch die Texte selbst, die erst in der Reichsstadt gedruckt wurden und bald auf so großes Interesse stießen, dass diese auch in anderen Städten und teilweise auch in deutscher Übersetzung verlegt wurden. Zunächst führte allerdings der Rektor Johannes Lambach zur Fastnacht 1544, nur wenige Monate nach der Eröffnung der Schule, mit seinen Schülern eine lateinische Tragödie auf, für die er sich des Susannenthemas bediente.389 Das Schultheater als pädagogisches Mittel für das Erlernen und sichere Beherrschen der lateinischen Sprache hat Lambach vielleicht auch am humanistischen Gymnasium des Johann Sturm in Straßburg kennengelernt,390 an welchem er vor seiner Berufung nach Dortmund für kurze Zeit weilte. Die Adaptation des alttestamentarischen Sujets für die noch junge Lehranstalt ist insofern auffällig, als dass gerade im Reformationsdrama Susanna den Hinweisen Luthers gemäß als Symbolfigur „frommen Gehorsam[s] und festen Glauben[s]“ in den Mittelpunkt gestellt wurde.391 Möglicherweise war der Aufführung ein so großer Erfolg beschieden, dass noch im gleichen Jahr weitere Darbietungen folgten. Westhoff berichtet nämlich, dass Anfang September an fünf aufeinanderfolgenden Tagen vor der Schule „durch alle classes […] comedien, tragedien herlich mit kosteln zeirwerke, vruwelen kledern, golt und silver, damit die klerke [= Schüler] angedaen und verzijrt, latine gespillet“ wurden, ein Spektakel, dem ein großes Publikum „van hern, preistern, burgern und ander inwonnern, ouch uetlendische“ beiwohnte.392 Aufgrund der Vielzahl der Vorführungen durch die ge-
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(1537), Thomas Naogeorgus (1543) und Andreas Pfeilschmidt (1555). Vgl. hierzu Michael, Drama, S. 60 f., 85 f., 95 f. und 335 f. Ferner Washof, Bibel, S. 114–139. Nach Westhoff, Chronik, S. 449, waren an der Aufführung 50 Schüler beteiligt, was als ein Hinweis auf die große Anziehungskraft der Schule so kurze Zeit nach ihrer Gründung gedeutet werden kann. Die Vorführung, die am 27. Februar vermutlich in der Schule stattfand, wurde am 3. März im Rathaus vor den politischen Honoratioren, d. h. vor einem erlesenen und wohl auch entsprechend gebildeten Publikum, wiederholt. Im Gegensatz zu den Dortmunder Aufführungen spielten die Straßburger Schüler bis in die 1550er Jahre fast ausschließlich lateinische und griechische Stücke antiker Autoren, da in den Augen Sturms allein bei diesen eine sprachliche Reinheit erlernt werden konnte. Vgl. Kückelhahn, Sturm, S. 132–135, sowie Michael, Drama, S. 236–244. Zitat bei Seidel, Greff, S. 18 f. So wurde der Stoff beispielsweise zuvor bereits im mitteldeutschen Raum von Joachim Greff (Ein kurtz und seer schön spil / von der Susanna, Magdeburg und vermutlich auch Nürnberg 1535) und Paul Rebhun (Ein geistlich Spiel / von der Gotfürchtigen und keuschen Frawen Susannen / gantz lustig und fruchtbarlich zu lesen, Kahla 1535 bzw. Zwickau 1537) oder auch im oberdeutschen Raum z. B. durch Sixt Birck (Die history von der fromen Gottsförchtigen frouwen Susanna, Basel 1532) in Schuldramen verarbeitet. Zur Thematik vgl. etwa Paul F. Casey, The Susanna theme in German literature. Variations of the biblical drama, Bonn 1976, hier bes. S. 44–89. Zu den drei Autoren siehe auch Michael, Drama, S. 53– 60, 70–74 und 208–218. Im Unterschied zu Seidel negiert Michael die Autorenschaft Greffs bei der Susanna und verlegt den Druck allein nach Nürnberg (ebd., S. 307–309). Westhoff, Chronik, S. 450.
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III. Die städtische Gelehrtenwelt im Religionskonflikt
samte Schülerschaft ist vermutet worden, dass es sich bei der Mehrheit der Stücke um antike Klassiker wie Terenz, Plautus oder Seneca gehandelt habe.393 Dass so viel Wert auf die Ausstattung gelegt wurde zeigt, dass die Aufführungen nicht nur für einen ausgewählten Kreis, der aufgrund entsprechender Bildung die lateinischen Texte verstehen konnte (etwa die erwähnten Herren und Priester), konzipiert wurden. Die prachtvolle Ausgestaltung sollte vermutlich auch das Interesse bei denen wecken, die aufgrund fehlender Lateinkenntnisse nicht dem Gesprochenen folgen konnten: Handlung und Intention des Stücks sollten sich dem Betrachter daher durch das optische Erleben erschließen. Es ist möglich, dass zu den erwähnten Schauspielen bereits ein erstes Drama Schöppers gehörte.394 1544 verfasste dieser das im Jahr darauf veröffentlichte biblische Stück Ectrachelistis, sive Joannes decollatus.395 Das zweite Drama Schöppers folgte 1546 (Voluptatis ac virtutis pugna),396 wobei diesmal kein biblisches, sondern ein allegorisch-moralisierendes Thema gewählt wurde. Dieses gehörte wohl zu jenen „comedien und tragedien“, die im Sommer 1546 von den Schülern aller Klassen in „grece und latine gespilt“ wurden.397 1550 legte Schöpper die Monomachia Davidis et Goliae vor,398 der im folgenden Jahr noch ein weiteres Drama mit alttestamentarischem Thema, der Tentatus Abrahamus, folgte.399 Die letzten gedruckten Stücke, Euphemus seu felicitatus Iacob und Ovis perdita, erschienen gemeinsam in einem Band ein Jahr vor Schöppers Tod (1553).400 Während alle Dramen lateinisch verfasst 393 394 395 396
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So Michael, Drama, S. 249. Dies meint Kinkel, Theaterspiele, S. 322. Zu den Schauspielen Schöppers vgl. als Überblick Junghans, Schöpper, S. 92–99, und Olschewski, Erneuerung, S. 51–57. Jakob Schöpper, Ectrachelistis, sive Joannes decollatus. Tragoedia nova et sacra, Dortmund 1545. Vgl. auch Olschewski, Erneuerung, S. 51 f. und 311 f. Weitere Auflagen sind für Köln (1546 – im Folgenden zitiert – und 1562) und Straßburg (1565) belegt. Jakob Schöpper, Volvptatis ac virtvtis pvgna. Comoedia tragica et nova et pia, Köln 1546. Hierzu auch Olschewski, Erneuerung, S. 52–54 und 312 f. Weitere Ausgaben in Köln folgten 1562, 1563 (im Folgenden herangezogen), 1585 und um 1592 (die beiden letzten in deutscher Übersetzung) sowie in den lutherischen Städten Nürnberg (1590), Lemgo (1598, auf Deutsch) und Halle/S. (1602). Westhoff, Chronik, S. 457. Jakob Schöpper, Monomachia Davidis et Goliae. Tragicomoedia nova simul et sacra, Dortmund 1550. Vgl. Olschewski, Erneuerung, S. 54 f. und 313 f. Drei weitere Auflagen erschienen in Antwerpen (1551; im Folgenden zitiert), Köln (1562) und zuletzt Nürnberg (1603). Jakob Schöpper, Tentatus Abrahamus. Actio sacra, comice recens descripta. Ex genesis 22. capite, Dortmund 1551 (im Folgenden wird aus der Ausgabe Köln 1564 zitiert). Dazu Olschewski, Erneuerung, S. 55 und 314 f., die neben dieser weitere Drucke in Antwerpen (1552) und Köln (1561 und 1564) auflistet. Schöpper gibt an, als Vorbild ein Stück des aus Arras stammenden Dramatikers Petrus Philicinus (1515–1568) herangezogen zu haben, vermutlich seinen Dialogus de immolatione Isaaci (Antwerpen 1544). Jakob Schöpper, Euphemus seu f(o)elicitatus Iacob: actio nova & sacra, descripta historice. Item Ovis perdita: Parabola evangelica, comice descripta, Basel bzw. Antwerpen 1553. Vgl. Olschewski, Erneuerung, S. 56 f. und 315 f. Eine Neuauflage folgte 1562 in Köln. Die Ovis perdita ist dabei eine Adaptation des gleichnamigen Stücks des niederländischen Dramatikers Jacobus Zovitius (geb. 1512) von 1539, wobei Schöpper
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und aufgeführt wurden, gab es mit der Komödie Joseph ein Schauspiel, welches 1546 auf Deutsch auf die Bühne gebracht wurde.401 Möglicherweise nutzte Schöpper als Vorlage ein lateinischsprachiges Stück des niederländischen katholischen Dramatikers Cornelius Crocus (Kroock), welches zuerst 1536 in Amsterdam gedruckt worden war; 1549 wurde dieses nämlich in Dortmund bei dem Buchdrucker Soter neu herausgegeben.402 Das volkssprachige Schauspiel Schöppers wurde im Gegensatz zu dessen lateinischen Werken vermutlich jedoch nicht gedruckt. Der Erfolg der Schuldramen Schöppers, bei denen auch dem Chor eine wichtige didaktische Funktion zukam,403 beruhte nicht zuletzt auf der bewussten Meidung konfessioneller Auseinandersetzungen durch den Verfasser. Daher konnten die Stücke sowohl in einem humanistischen, konfessionell ungebundenen Klima wie auch bei einem katholischen oder evangelischen Publikum Verbreitung finden, was durch die Nachdrucke, Übersetzungen oder Neuaufführungen bestätigt wird. Attacken gegen Lutheraner, wie sie teilweise noch in den Predigten vorkommen, fehlen in den Schauspielen, nicht zuletzt aufgrund der Themenwahl: Da sich Schöpper auf das Erzählen alt- bzw. neutestamentarischer Überlieferungen oder auf moralisierende Allegorien beschränkte, ließen sich dogmatische Streitfragen ausklammern. Wahr, heilig und fromm konnten in den Augen des Geistlichen Schöpper nur biblische Erzählungen, nicht aber fiktive, weltliche oder heidnische Spiele sein.404 Wie bei den Predigten so strebte Schöpper auch bei seinen Dramen danach, mittels der gelebten Frömmigkeit des Schauspiels allen Beteiligten (darstellenden Schülern genauso wie dem bürgerlichen Publikum) eine christliche Lebensweise aufzuzeigen. Dies wird bereits im ersten Stück deutlich, in welchem Johannes der Täufer als Beispiel eines guten und glaubensfesten Christen präsentiert wird.405 Da in diesem Stück, welches Schöpper dem Dortmunder Rat gewidmet hatte und das die Schüler zum theologischen Studium anregen sollte,406 nur unumstrittene christliche Verhaltensnormen und keine konfessionsspezifischen Inhalte thematisiert wurden, konnte das Werk auch im später lutherischen Dortmund aufgeführt werden.407 Wie wichtig
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405 406 407
nicht Christus selbst auftreten lässt, sondern seine Rolle mit dem „pastor ovium“ Phylacter besetzt. Vgl. Michael, Drama, S. 252. Westhoff, Chronik, S. 456. Cornelius Crocus, Comoedia sacra, cui titulus Joseph, ad Christiane iuventutis institutionem, iuxta locus inventionis veteremque artem nunc primam et scripta, et edita, Dortmund 1549; vgl. Löffler, Buchdruck, S. 50 (Nr. 12). Vgl. hierzu Janning, Chor, S. 243–256. Schöpper wolle „Non fabulam nimirum fictam aut ludicram, / Non Actionem item prophanam aut lubricam: / Sed historiam vere veram, sacram, piam […]“, aufführen, vgl. den Beginn seines Prologes in Schöpper, Monomachia, fol. A5r. Allerdings nimmt Schöpper immer wieder antike Namen und klassische Ausdrücke in seine biblischen Dramen auf. Michael, Drama, S. 251. Olschewski, Erneuerung, S. 52; Junghans, Schöpper, S. 92–94; Washof, Bibel, S. 347–351. Vgl. die Vorrede („Epistola Dedicatoria“) in Schöpper, Ectrachelistis, fol. A2r–A5v. Nach Mulher wurde das Stück am 5. Februar 1581 in Dortmund auf die Bühne gebracht (Döring, Lambach, S. 116). Auch Johann Sturm ließ es 1565 in seiner Straßburger Schule aufführen (Michael, Drama, S. 243).
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III. Die städtische Gelehrtenwelt im Religionskonflikt
der Glaube für die Menschen sei, macht Schöpper im Tentatus Abrahamus deutlich: Den Opferwillen Abrahams vergleicht er mit dem Opfer Gottvaters, der zur Erlösung der Menschen seinen Sohn Jesus Christus gegeben hatte. So wie sich Abraham seinem Glauben fügte, so sollten auch die Menschen das Leiden als eine Prüfung Gottes hinnehmen, denn je größer das Leid, desto höher würde am Ende die Belohnung sein.408 Abraham wird somit dem Zuschauer „zur nachhaltigen Unterweisung“ als ein „lebende[s] Exempel“ vor Augen“ geführt.409 Während das Publikum aus seinem Euphemus moralische Lehren für das Familienleben entnehmen sollte,410 zielte die Parabel vom guten Hirten (Ovis perdita) auf die Besserung der christlichen Zucht der Jugend.411 Kirchen- und gesellschaftskritisch äußerte sich Schöpper in der dem Lehrerkollegium gewidmeten Voluptatis ac virtutis pugna:412 Zwar kämpfe die von Schöpper als die Tugend („virtus“) personifizierte Kirche gegen die weltliche Wollust („voluptas“) an, viele Menschen, auch Kleriker, würden sich jedoch der Wollust hingeben und einen Lebensstil annehmen, der sich in Gelagen, Geiz, Ehebruch, Neid, Betrug und anderen negativen Eigenschaften – die auch wenige Jahre zuvor in Dortmund beklagt wurden413 – manifestiere. Dabei könne die „voluptas“ selbst Päpste, Bischöfe und Kardinäle für sich einnehmen und somit – zumindest kurzzeitig – über die Tugend triumphieren. In der den beiden Dortmunder Bürgermeistern Lambert und Nikolaus Berswordt gewidmeten Monomachia Davidis et Goliae sollte im übertragenen Sinne der Kampf zwischen Christus und dem Teufel veranschaulicht und verdeutlicht werden, dass Gott stets denen helfe, die fest an ihn glauben.414 So lässt Schöpper in der sechsten Szene des fünften Aktes seinen David vor dem Kampf mit Goliath diesem auf eine spöttische Bemerkung antworten, Goliath möge zwar schwer bewaffnet sein, seine eigene Waffe sei jedoch der weitaus überlegenere Glaube an Gott.415 Nur wenige Jahre nach der Veröffentlichung geriet das Drama allerdings in die Mühlen der konfessionellen Auseinandersetzungen: Auf protestantischer Seite wurde das Stück im Sinne des Kampfes zwischen Luther (David) und dem Papst (Goliath) interpretiert,416 eine Auffassung, die vermutlich 408 409
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Olschewski, Erneuerung, S. 55; Junghans, Schöpper, S. 96–98. Zitate Washof, Drama, S. 163. Schöpper selbst schreibt im Prolog (Schöpper, Tentatus Abrahamus, fol. A3v–A4v, hier fol. A3v–A4r): „Caeterum, uti nemo certius uoltus sui / Imaginem ueram potest depraendere, / Quam in lucido speculo aut depicta quapiam / Tabella: sic quoque germana Fides nullubi / Penetius ac expreßius depraenditur / Cognoscitur, quam in uiuis Credentium / Paradigmatis […]“. Olschewski, Erneuerung, S. 56; Junghans, Schöpper, S. 98. Olschewski, Erneuerung, S. 56 f.; Junghans, Schöpper, S. 98 f. Die Widmung findet sich in Schöpper, Volvptatis, fol. A1v–A2v. Auf den moralischen Wert des Stückes verweist Schöpper im Epilog (ebd., fol. G3v). Vgl. zum Folgenden auch Olschewski, Erneuerung, S. 53 f., und Junghans, Schöpper, S. 94. Vgl. unten Teil IV, Kap. 1. Olschewski, Erneuerung, S. 55; Junghans, Schöpper, S. 94–96. Schöpper, Monomachia, fol. E6r/v: „Tu ad me venis / Gladio munitus & clypeo, tum lancea / quoque armatus validissime: At ego venio contra / Ad te in nomine Domini, Domini inquam Zebaoth, / Quem tu conuitiis lacessere impiis / Hactenus es ausus.“ Vgl. auch Michael, Drama, S. 251. Junghans, Schöpper, S. 96.
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das Misstrauen der katholischen Partei weckte, so dass das Werk bereits auf den ersten Index von 1559 aufgenommen wurde.417 Mit der deutschen Komödie Joseph, die nicht durch die Schüler, sondern durch Bürger aufgeführt wurde,418 scheint Schöpper eine andere Intention verfolgt zu haben. Olschewski419 hat vermutet, dass die Themenwahl durch den Dortmunder Prediger nicht zufällig erfolgte, sondern eine Reaktion auf die Interpretation des Lebens des Patriarchen Joseph im Sinne der reformatorischen Prädestinationslehre – die auch im protestantischen Schauspiel vertreten wurde420 – darstellte, während Schöpper möglicherweise verstärkt den freien Willen des Menschen hervorgehoben haben könnte – analog zu seinen auch in den Predigten vertretenen Ansichten, aber auch der Lehre des Erasmus und der herzoglichen Kirchenpolitik.421 Hinsichtlich des dramatischen Oeuvre Schöppers kam Wolfgang F. Michael zum Schluss, dass dieser sich „religiös völlig neutral“ verhielt und als „reiner Moralist, wenn auch ein recht toleranter“ zu charakterisieren sei422 – ähnlich wie seine Zeitgenossen Peter Jordan und Matthäus Creutz in Köln, aber ganz im Gegensatz zu dem Kölner Verleger und Dramatiker Jaspar von Gennep.423 Auch nach der Etablierung der lutherischen Lehre in Dortmund oder Essen wurden Aufführungen mit religiösen Themen fortgesetzt. In Dortmund ist nach der Phase der ‚Humanistenreform‘ in den 1540er und 1550er Jahren, in der das Schauspiel überwiegend eine Domäne der Schüler gewesen war, auch wieder von einer bürgerlichen Beteiligung die Rede.424 Überraschenderweise zeigt gerade die erste bezeugte bürgerliche Aufführung in Dortmund nach 1570, dass von einem Gebrauch des Mediums Schauspiel zu konfessionellen Zwecken in der Reichsstadt keine Rede 417
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419 420 421 422 423 424
N.N., Index auctorum et librorum […], Rom 1559, fol. E3r (unter der Kategorie „Certorum auctorum libri prohibiti“ wird genannt: „Iacobi Schaepperi Tremoniani Monomachia Davidis & Goliae“). Bisher wurde als früheste Indizierung eines Werkes von Schöpper immer nur die Kölner Ausgabe von 1564 (N.N., Index Librorum prohibitorum […], fol. D1v) zitiert (etwa bei Döring, Lambach, S. 78). Auch auf folgenden Indices, z. B. München 1569 (fol. G3r), Köln 1576 (ohne Folierung), München 1582 (fol. I3v), Rom und Mailand 1596 (fol. 89 f.) oder Venedig 1597 (fol. 63) ist dieses Werk das einzige ausdrücklich verbotene Drama Schöppers. Die Aufführung durch bürgerliche Laiendarsteller, die des Lateinischen nicht mächtig waren, scheint der Hauptgrund für die Wahl der Volkssprache gewesen zu sein. Olschewski, Erneuerung, S. 278, streicht dagegen stärker die „theologische Brisanz des Stoffes“ heraus. Ebd., S. 277 f. Zu nennen sind etwa Josephsdramen von Greff (1534), Hans von Rüte (1538), Sixt Birck (1539) oder Jacob Ruoff (1540). Vgl. Michael, Drama, S. 53 f., 138–143, 153– 155, 210–212. Vgl. oben Kap. 3 sowie Teil II. Michael, Drama, S. 252 f. Zum ausgeprägt katholischen Charakter von Genneps deutschsprachigen Dramen wie dem Jedermanndrama Homulus vgl. ebd., S. 253–255; zu Jordan ebd., S. 255–257, zu Creutz S. 257–261. Eine bürgerlich-schulische Zusammenarbeit wie bei der Aufführung der erwähnten deutschsprachigen Josephskomödie auf dem Dortmunder Markt 1546 durch die Bürger unter Anleitung Jakob Schöppers scheint lediglich eine Ausnahme gewesen zu sein. Vgl. Westhoff, Chronik, S. 456, sowie Voss, Chronik, fol. 52r.
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sein kann. Dem Chronisten Mulher zufolge425 führte „die junge Bürgerschaft“ 1582 nicht nur eine allegorisierende Tragikomödie eines katholischen Autors,426 des elsässischen Predigers Johann Rasser (um 1535–1594), auf,427 sondern nutzte dazu an zwei Tagen in der Pfingstzeit mit dem Hof des Katharinenklosters zunächst auch einen ‚altgläubig‘ gebliebenen Raum.428 Da sich das Stück weniger durch antiprotestantische als vielmehr durch antijüdische Polemik auszeichnete,429 war somit auch eine Aufführung in einer eher lutherisch geprägten Umgebung möglich, wie es der Titel im Dortmunder Druck andeutet.430 Aus diesem Grund erklärt sich auch der außerordentliche Erfolg der Darbietung, der „ein große mennige Volcks, Adel und unadel, Mans und Frauwen, Jung und alt Beide tage“ beiwohnte.431 Bis wenigstens 425 426
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429 430 431
Diese Nachricht aus seinem Summarischen Begriff findet sich heute nur noch in der Sekundärliteratur wiedergegeben. Vgl. Kinkel, Theaterspiele, S. 312 f. mit Anm. 1, sowie Döring, Lambach, S. 116 f. Zum Autor vgl. Ernst Martin, Art. „Rasser, Johannes“, in: ADB 27 (1888), S. 332 f.; Jürgen Bücking, Johann Rasser (circa 1535 bis 1594) und die Gegenreformation im Oberelsass, Münster 1970. Das betreffende Stück war unter Rassers Leitung 1574 in Ensisheim „durch junge Knaben“ (162 Schüler) aufgeführt und im folgenden Jahr gedruckt worden: Johann Rasser, Comoedia Vom König der seinem Sohn Hochzeit machte / auß dem XXI. und XXII. Capitel Matthei gezogen / darinn der Juden und dieser Welt / grosse vndanckbarkeit / gegen der vilfeltigen angebottenen Gotteßgnad fürgebildet wirt, Basel 1575. Entsprechend der Gliederung wurde das Stück an drei Tagen hintereinander gespielt, beginnend mit der Verlobung des Königssohns Josaphat, d. h. Christus, mit Ecclesia, Tochter des Mundus. Es folgte die Darstellung der Einladung an die Juden, welche die Propheten töteten und Josaphat kreuzigten. Der dritte Akt stellte die Zerstörung Jerusalems durch die Römer als Strafe für die Taten der Juden dar. Vgl. hierzu Bücking, Johann Rasser, S. 58 f. In Dortmund scheint das Stück, das hier im gleichen Jahr gedruckt wurde, für eine Aufführung an zwei Tagen (28. und 29. Mai) verändert worden zu sein. Dies deutet sich im Titel des Drucks an, welcher Rat und Gemeinde gewidmet war: [Johann Rasser], Ein Christlich Biblisch spiell, aus den dreyen evangelischen Parabolen vom grossen abendmahl, von der Königlichen Hochzeit und vom Weinberge, die Zerstörung der Statt Jerusalem begriffend, im schein weltlich fürgebildet, aber geistlich zu verstehen, und allen Christen wohl zu betrachten. Etwan durch Hrn. Johan Rasser gestellet aber jetz neulich durch eine Erbare Bürgerschaft der löblichen Kaiserlichen freyen Reichs-Stat Dortmund nach fürgehender fleißiger übersehung mit besonderem fleiß und gebührlichem apparat auf zwey tage öffentlich im werck fürgestelt. Zu ehren und Wohlgefallen den Edlen und ehrenfesten Herren Hardenroth unsern lieben Junkern, Dortmund 1582 (Hervorhebung C. H.) Der Druck ist nicht erhalten und wird nur in der Sekundärliteratur genannt, etwa bei Döring, Lambach, S. 116 f., Löffler, Buchdruck, S. 67 f. (Nr. 54), und Kinkel, Theaterspiele, S. 313 Anm. 1. Nachdem am zweiten Tag einer der Schauspieler, ein Schmied, tödlich verunglückt war, wurde das Stück erneut am 5. und 6. Juni aufgeführt, diesmal allerdings auf dem Markt. Dazu wurde „ein Theatrum vor dem Rhadthauß uffgerichtet, darauff die vornembste actio gespielet“ (zitiert nach Döring, Lambach, S. 116). Bücking, Johann Rasser, S. 59, betont, „daß Rassers Schuldramen keinerlei religiöse Polemik enthalten“. In Rassers Predigten war dagegen das Gegenteil der Fall. Vgl. oben Anm. 427, wo es heißt: „[…] im schein weltlich fürgebildet, aber geistlich zu verstehen, und allen Christen wohl zu betrachten“. Zitat Mulher nach Döring, Lambach, S. 116.
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Anfang des 17. Jahrhunderts folgten weitere bürgerliche Aufführungen, die nicht nur öffentlich auf dem Dortmunder Markt,432 sondern auch in der Umgebung der Reichsstadt dargeboten wurden.433 Ähnlich verhält es sich in Dortmund mit schulischen Aufführungen. Zwischen 1570 und dem Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges wurden durch die nunmehr evangelische Stadtschule neben Stücken lutherischer Autoren auch solche Schau432
433
Bekannt ist die Aufführung von zwei Dramen durch Arnold Quiting, der als Schulmeister die Reinoldischule von etwa 1581 bis 1599 leitete und sich auch als Dramatiker betätigte, wobei seine Werke, für die er sich verschiedener Vorlagen bediente, von nur geringer Qualität waren (so Johannes Bolte, Art. „Quiting, Arnold“, in: ADB 27 [1888], S. 57 f.). Für die erste Aufführung 1587, das pädagogische Lehrstück Kinderzucht. Ein wunder Liebliche / vnd vberaus gantz lustige Figur / wie vnser HErr Gott Adams vnd Euen Kinder / nach schöpffung der Welt / den heiligen Catechismum selbst verhoeret / vnd die / so den Catechismum kondten / gesegnet / vnd die denselben nicht kondten / verflucht hat, griff er weitgehend auf den 1559 gedruckten deutschen Katechismus des Magdeburger Lehrers, Pfarrers und Dramatikers Johann Baumgarten (1514–1578) zurück (zu diesem vgl. Adalbert Elschenbroich, Art. „Baumgart, Johann“, in: NDB 1 [1953], S. 658). Daneben wurde das Stück, welches 1591 in Dortmund gedruckt wurde (vgl. Löffler, Buchdruck, S. 70 [Nr. 60]), auch durch das 1553 publizierte Fastnachtspiel Die ungleichen Kinder Evae von Hans Sachs beeinflusst. Über das zweite Drama berichtete Mulher in seinem Summarischen Begriff: „Den 24. Junii [1593] Ist von Arnold Quitingh, Schulmeister zu S. Reinoldi actor und der Jungen bürgerschafft Comödianten die Teutsche Tragicomoedia obg. M. Arnold Quitings von der enthauptungh S. Jacobi und errethung S. Petri geagiert und gespielet worden, im gleichen den 29. Junii in Caspar Schwartzen Holtzhoffe und den 24. Julii publice auff dem Marcktte.“ Zitiert in Kinkel, Theaterspiele, S. 313 f. Das Stück wurde im gleichen Jahr unter dem Titel Arnold Quiting, Ein Schönes geistliches vnnd Tröstliches Spiel / Auß der Apostel Geschicht genommen, betreffende das zwelffte Capittel, Dortmund 1593, gedruckt (vgl. Löffler, Buchdruck, S. 70 [Nr. 61]). Teilweise griff Quiting auf schweizerische Vorbilder und auf den 1584 in Lübeck publizierten „Düdeschen Schlömer“ des holsteinischen Dramatikers Johannes Stricerius (um 1540–1598) zurück (zu diesem vgl. Johannes Bolte, Art. „Stricerius, Johannes“, in: ADB 36 [1893], S. 579 f.), ein moralisierendes Werk, welches zur Sittenzucht bei Kindern mahnte. In beiden Dramen verzichtete Quiting nicht auf eine antikatholische Polemik. Die Essener Stadtrechnung von 1582 (StAE 100.949) berichtet, dass der Rat am 29. Mai „den fon Dortmundt“, die am „Boirger speil“ teilgenommen hatten, eine Entlohnung hatte zukommen lassen (vgl. Döring, Geschichte, S. 255). Vorstellbar ist, dass die Dortmunder in Essen das oben genannte Drama Rassers aufgeführt haben. Dasselbe Stück wurde von Dortmundern auch in Soest am „Dinstage unnd Gudenstage der heiligen Pinxten“ aufgeführt. Vgl. Bertram Haller, Buchwesen, Literatur und Bildung in der Gesellschaft der Stadt Soest während des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit, in: Heinz-Dieter Heimann u. a. [Hg.], Geschichte der Stadt Soest, Bd. 2: Die Welt der Bürger. Politik, Gesellschaft und Kultur im spätmittelalterlichen Soest, Soest 1996, S. 711–768, hier S. 743). Bei beiden Auftritten ergeben sich allerdings Probleme hinsichtlich der genauen Datierung, da die Aufführungen in Dortmund nach Mulher gleichzeitig stattgefunden hätten. Ein weiterer Beleg für ein auswärtiges Engagement der Dortmunder findet sich einige Jahre später. Am 20. April 1603 führte die Dortmunder „junge Handwercks-Bürgerschaft“ Mulher zufolge im Frauenstift Clarenberg im märkischen Hörde eine „Comoedia vom verlorenen Sohn“ in Deutsch auf. Vgl. Mulher, Annales Tremonienses, S. 48.
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spiele öffentlich aufgeführt, deren Verfasser eher der katholischen Seite zugeordnet werden müssen.434 Zu letzteren zählte neben Schöpper auch der niederländische Dramatiker und Humanist Georgius Macropedius (1487–1558), ein Fraterherr in Herzogenbosch, Lüttich und Utrecht. Dies deutet darauf hin, dass einige der Werke, die sich vorwiegend alttestamentarischen Themen widmeten, frei von konfessioneller Polemik waren. Unterstrichen wird diese Vermutung dadurch, dass für die öffentliche Darbietung nicht nur der ‚weltliche‘ Raum des Marktes genutzt wurde.435 Mehrfach werden nämlich die katholisch gebliebenen Klöster als Aufführungsorte genannt,436 wobei in jenen Jahren nicht Werke orthodoxer Lutheraner (wie Hunnius), sondern humanistischer Gelehrter gespielt wurden, die zwar der lutherischen Lehre nahestanden bzw. der Wittenberger Reformation zugerechnet werden müssen, die in ihren Dramen jedoch direkte Angriffe gegen die katholische Seite vermieden hatten.437 Auch in Essen kam es nach der Reformation wieder zu Aufführungen durch die Bürger, allerdings nur im Jahr 1582. Neben einem Schauspiel im Mai, an dem auch 434
435 436
437
Mulher, Summarischer Begriff (zitiert bei Döring, Lambach, S. 116), zählt folgende Aufführungen auf: zur Fastnacht 1575 die lateinische Tragödie Esther (der Autor wird nicht genannt); am 4. März 1579 die Komödie Eugenius des Unnaer Lehrers bzw. Rektors Johann Sebastian Reuther (zu diesem vgl. Knippenberg, Stadt, S. 213–215); sowie das bereits erwähnte Drama Schöppers 1581. Die schulischen Aufführungen setzten sich auch nach 1600 fort, wie Mulher, Annales Tremoniensis, S. 29, 53, 103 und 149 f., mitteilt: Am 30. August 1601 spielten die Schüler die 1551 verfasste lateinische Komödie Adamus des niederländischen Humanisten und Dramatikers Georgius Macropedius (zu diesem vgl. Daniel Jacoby, Art. „Macropedius, Georg“, in: ADB 20 [1884], S. 19–28; Michael, Drama, S. 204–208); im Februar und März 1604 die lateinische Tragikomödie Judith und Holofernes, die 1534 in Deutsch (Basel) und 1539 auf Latein (Augsburg) von Sixt Birck alias Xystus Betuleius (1501–1554) aufgeführt und gedruckt worden war (zu diesem vgl. Alfred Hartmann, Art. „Birk, Sixt“, in: NDB 2 [1955], S. 256; Michael, Drama, S. 208–215; Washof, Bibel, S. 324 ff.); am 28. Februar und am 1. März 1607 die beiden Teile der lateinischen Komödie Joseph (1584/86) des Wittenberger Theologen Aegidius Hunnius (vgl. Franz Lau, Art. „Hunnius, Ägidius“, in: NDB 10 [1974], S. 67 f.); drei Jahre später folgte die erneute Aufführung des Eugenius von Reuther unter der Leitung des Prorektors Johann Buno oder Baunius (der im März Rektor wurde) an mehreren Tagen im Februar 1610. Buno war unmittelbarer Vorgänger Reuthers im Rektorat in Unna (vgl. Knippenberg, Stadt, S. 212 f.). Der Markt war für alle oben genannten Schauspiele der vorrangige Ort der öffentlichen Darbietung, nachdem Proben im kleineren Rahmen auf dem Schulhof erfolgten. Im Dominikanerkloster erfolgten zusätzliche Aufführungen in den Jahren 1604 (12. und 25. Februar) und 1610 (22. Februar), im Katharinenkloster ebenfalls 1604 (19. Februar) und 1610 (24. Februar) sowie bei den Minoriten einmalig am 17. Februar 1610. Vgl. Mulher, Annales Tremonienses, S. 53 und 150. Der Protestant Sixt Birck etwa arbeitete in der Augsburger Lateinschule nicht nur mit dem katholischen Dramatiker Hieronymus Ziegler zusammen, sondern widmete seine lateinische Judith auch zwei Repräsentanten der augsburgischen katholischen Patrizierfamilie Fugger, den humanistisch gebildeten Brüdern Johann (Hans) Jakob (1516– 1575) und Georg (1518–1569). Reuther dagegen habe, so Fox, Humanist, S. 150–152, dem Dortmunder Humanistenkreis um Kaspar Swarte (vgl. oben Teil I, Anm. 171) nahegestanden.
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Dortmunder beteiligt waren,438 brachten die Essener Bürger im Monat darauf ein weiteres Stück auf die Bühne, das die Geschichte des frommen Hiob thematisierte,439 der trotz erlittener persönlicher Schicksalsschläge stets an seinem Vertrauen zu Gott festhielt und daher insbesondere im protestantischen Drama als Vorbild instrumentalisiert wurde.440 Anders sieht es bei den schulischen Aufführungen aus. Die Spaltung des städtischen Schulwesens in die bisherige, weiterhin katholische Stiftsschule und eine lutherisch orientierte Stadtschule 1564 scheint sich auch auf die dramatischen Aufführungen unmittelbar ausgewirkt zu haben. Über einen Zeitraum von etwa dreißig Jahren sind keine Spiele der Stiftsschule überliefert. Gegen Ende des Jahrhunderts mag es noch einmal zwei Aufführungen gegeben haben, über die allerdings wenig bekannt ist.441 Etwas aufschlussreicher sind die Nachrichten zu den „comedien“ an der neuen Stadtschule, die allesamt während des für Essener Verhältnisse ungewöhnlich langen Rektorats (1576–1593 sowie 1595 [1598]–1598) des aus Orléans stammenden Magister Philipp Marsilius oder Aurelianus442 auf die Bühne gebracht wurden. Den Anfang machte 1579 eine erneute Adaption des Susannenthemas, vielleicht dasselbe Stück wie ein Vierteljahrhundert zuvor.443 Bis zum Ende des 16. Jahrhunderts folgten eine Reihe weiterer Komödien, deren Titel größtenteils bekannt sind und die sich fast gänzlich biblischer Topoi annahmen.444 438 439 440
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442 443 444
Vgl. oben Anm. 433. StAE 100.949; Döring, Geschichte, S. 255 f. Zu den zahlreichen Adaptationen gehören etwa die des Zürcher Arztes Jacob Ruoff (1535), des sächsischen Schulmeisters Johann Narhamer (1546) sowie des Nürnberger Dramatikers Hans Sachs (1547). Aber auch auf katholischer Seite nahm man sich des Themas an. Als ein Vertreter für die katholische Hiob-Verarbeitung ist etwa der spätere Ingolstädter Professor Johannes Lorichius aus Hadamar anzuführen, der während seiner kurzen Amtszeit als Lehrer in Augsburg einen von ihm verfassten lateinischen Hiob (1542) aufführen und drucken ließ. Vgl. Michael, Drama, S. 115 f., 149–151, 218 und 339 f. Vgl. Döring, Geschichte, S. 263. Döring kann eine im Rempter aufgeführte Komödie für das Jahr 1588 sowie eine Privataufführung 1597 nennen. In beiden Fällen bezahlten die Stiftsdamen die Schauspieler, die jedoch nicht direkt als Schüler angesprochen werden. Ob es sich daher tatsächlich um Schauspiele der Stiftsschüler gehandelt hat, muss offen bleiben. Ribbeck, Geschichte II, S. 29 f., seine Berufungsurkunde ebd., S. 69 (Nr. 2). Döring, Geschichte, S. 262 Anm. 22. Der Name des Rektors wird nicht genannt. Da die Zahlung allerdings auf Anweisung des Rates erfolgte, ist es wahrscheinlich, dass die Komödie durch Schüler der neuen Stadtschule aufgeführt worden ist. Ebd., S. 262–264. 1587 wurde „das Spill von dem verloren soin“ gezeigt, das die Schüler unter „dem Rector des hl. Geistes“ – das ehemalige Hl. Geist Spital wurde nach 1564 für die Stadtschule genutzt – auf die Bühne brachten (ebd., S. 263 Anm. 26). Vielleicht spielten die Schüler dieses Stück auf Deutsch, während sie im folgenden Jahr dasselbe Thema unter dem Titel De Acolasto als neulateinische Komödie aufgeführt haben könnten. Im Februar 1590 ließ der Rat „den Comedien Actoribus de Rege Balemico“ acht Gulden zukommen. Im gleichen Monat des folgenden Jahres spielten die Schüler die Esther-Geschichte. Diesmal scheint der Fokus jedoch nicht wie 1559 (vgl. oben Anm. 388) auf der allgemeinen biblischen Erzählung gelegen zu haben. Die Stadtrechnung von 1591 verzeichnet das Stück nämlich als „Comedie von Mardocheo und Hamean“, so dass sich die Schüler vermutlich auf die Darstellung des Untergangs
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III. Die städtische Gelehrtenwelt im Religionskonflikt
Ob einige dieser Stücke von Marsilius selbst stammen, lässt sich nicht zweifelsfrei sagen. In der Regel dürften diese von anderen Autoren stammen. Die Komödie De Acolasto mag ihr Vorbild in der 1529 in Antwerpen und Köln veröffentlichten lateinischen Parabel Acolastus De filio prodigo (das Gleichnis vom verlorenen Sohn) des niederländischen protestantischen Humanisten Wilhelm Gnapheus (1493–1568) gehabt haben.445 Dieses Stück gilt als eines der bedeutendsten und am weitesten verbreiteten Schuldramen des 16. Jahrhunderts. Gnapheus verstand es, geschickt die antike Tradition eines Plautus oder Terenz mit einer christlichen Aussage (Glaube und Rechtfertigung) zu verbinden und konfessionelle Polemik zu unterlassen. Daher sind Aufführungen des Werkes bis in das 18. Jahrhundert hinein sowohl bei Katholiken wie auch Protestanten überliefert.446 Das Stück De rege Balemico ist dagegen womöglich an ein beliebtes deutschsprachiges Tugendspiel des Duderstädters Johannes Römoldt angelehnt.447 Es handelt vom Hochmut des fiktiven Königs Balenicus gegenüber Gott und sollte als moralisierendes Lehrstück davor warnen, dass eine solche Hybris vom Teufel ausgenutzt werde, um Uneinigkeit und Zwietracht
445
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Hamans konzentriert haben. Einen solchen Schwerpunkt hatte bereits der im thüringischen Kahla tätige Thomas Naogeorgus 1543 gesetzt. Sein Werk wurde später von Johann Chryseus (Wittenberg 1546), Wolfgang Küntzel (Jena 1564) sowie gemeinsam von zwei Pfälzern, dem Humanisten und Arzt Johannes Posthius und dem Astrologen Johannes Mercurius, um 1570 übersetzt. Weitere jüngere Esther-Adaptionen finden sich in der sogenannten Berner Hester (1567) sowie in den Dramen von Jos Murer (Zürich 1567) und Christoph Thomas Walliser (Straßburg 1568). Vgl. Michael, Drama, S. 85 f., 92, 94 f., 168–171 und 246. Eine letzte Komödie, deren Titel nicht überliefert ist, ließ Marsilius nach seiner Rückkehr nach Essen ein halbes Jahr vor seinem Tod im Dezember 1598 aufführen. Vgl. auch Massner, Vergangenheit, S. 49; Ribbeck, Geschichte II, S. 68. Zu Gnapheus, der in den 1530er und 40er Jahren als Schulmann in Elbing und Königsberg wirkte, vgl. Rolf Tarot, Art. „Gnapheus, Gulielmus“, in: NDB 6 (1964), S. 482 f.; zum Werk vgl. Franz Spengler, Der verlorene Sohn im Drama des 16. Jahrhunderts. Zur Geschichte des Dramas, Innsbruck 1888, S. 17–30; Adolf Schweckendiek, Bühnengeschichte des verlorenen Sohnes in Deutschland, Bd. I: 1527–1627, Leipzig 1930, S. 52–68; Kurt Michel, Das Wesen des Reformationsdramas, entwickelt am Stoff des verlorenen Sohnes, Düren 1934, bes. S. 7–9. Zur Nachwirkung des Stücks Michael, Drama, S. 203 f. Zu anderen, teilweise eher polemisierenden Adaptionen des Themas vgl. Washof, Bibel, S. 191–214. Einige Beispiele führt Schweckendiek, Bühnengeschichte, S. 53, an. Johannes Römoldt, Ein fein Christlich und nützlich Spiel von dem grewlichen Laster der Hoffart, Eisleben 1564. Vgl. hierzu Karl Gödeke, Johannes Römoldt. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen dramatischen Literatur des XVI. Jahrhunderts, in: Zeitschrift des Historischen Vereins für Niedersachsen Jg. 1852 (1855), S. 291–409. Das Stück selbst ist ebd., S. 294–356, abgedruckt. Siehe auch Michael, Drama, S. 101 f. Döring, Geschichte, S. 264 Anm. 30, leitet den Titel des Stücks dagegen von der alttestamentarischen Figur des Balaam oder Bileam ab, der im Auftrag der Moabiter den Zug der Israeliten durch einen Fluch aufhalten sollte. Allerdings wird Balaam in 4 Mose 22–24 nicht als König, sondern als Prophet oder Magier bezeichnet. Es ist daher eher unwahrscheinlich, dass die Komödie sich mit dieser Thematik auseinandersetzte.
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unter den Christen zu säen. Dabei hatte Römoldt die von ihm als großes Unglück empfundene Kirchenspaltung seiner Zeit im Blick, auf die er ausdrücklich verwies.448 Inwieweit Marsilius in die unter seine Leitung aufgeführten Dramen konfessionelle Polemiken einfließen ließ, kann aufgrund fehlender Überlieferung nicht geklärt werden. Es ist jedoch nicht unwahrscheinlich, dass er angesichts der konfessionellen Verhältnisse in der Stadt auf eine Konfrontation mit dem Stift verzichtet hat. Hierauf könnte etwa die Nachricht hindeuten, dass der Rektor für die Aufführung des Verlorenen Sohnes 1587 nicht vom Rat, sondern von den Stiftsdamen entlohnt wurde, die vielleicht persönlich dem Schauspiel beiwohnten.449 Die Dramen anderer Schulmänner in lutherischen Städten wie etwa die des seit 1567 amtierenden Magdeburger Prorektors bzw. Rektors Georg Rollenhagen (1542–1609) zeigen, dass auch für evangelische Gelehrte die Erziehung der Schüler wie auch des bürgerlichen Publikums nach dem Ideal des frommen Christen größere Bedeutung haben konnte als polemische Attacken gegen konfessionelle Gegner.450 Dies entspricht der Beobach448
449
450
Die Warnung vor der Spaltung der Christenheit wird v. a. in der Widmung an den Duderstädter Rat (Gödeke, Römoldt, S. 295–297, bes. S. 296) deutlich zum Ausdruck gebracht. Interessanterweise sind manche Parallelen zwischen Duderstadt und den hier untersuchten Städten hinsichtlich der konfessionellen Entwicklung zu beobachten. Die Stadt gehörte zu den kurmainzischen Besitzungen im thüringischen Eichsfeld. Die Einführung der lutherischen Lehre in Duderstadt in einer weitgehend katholischen Umgebung gelang mit Rücksicht auf den ‚altgläubigen‘ Landesherrn schrittweise (Auslaufen, Zugeständnis des Laienkelchs, auf Ausgleich ausgerichtete Ratspolitik) bis ca. 1560. Die ab 1574 einsetzende landesherrliche Gegenreformation setzte sich erst nach dem Dreißigjährigen Krieg weitgehend durch. Vgl. hierzu Enno Haase, Die Evangelischen in Duderstadt von der Reformation bis zur Gegenwart, Duderstadt 1984, hier bes. die Kap. 1–8, sowie Reinhold Robert Kiermayr, The course of the reformation and counter-reformation in Duderstadt, Ann Arbour 1985. „1587. Auf Befehl der Custerschen dem Rector des hl. Geistes als er das Spill von dem verloren soin spilt verricht, 6 gl. 12 alb.“ (Döring, Geschichte, S. 263 Anm. 26). Döring (ebd. S. 262 f.) deutet diesen Vermerk dagegen weniger als Zeichen eines irenischen Verhaltens des Marsilius, sondern sieht darin einen Hinweis dafür, dass „auch in das Damenkapitel […] die neue Lehre eingezogen“ war. Zwar ist ein lutherischer oder auch reformierter Einfluss bei Stiftsdamen belegt, allerdings verhielt sich gerade die zu dieser Zeit amtierende Äbtissin Elisabeth von Sayn (1578–1588) nach außen hin als katholische Landesherrin (vgl. Müller, Reformation, S. 186–188). Äußerst subtile Kritik an der Papstkirche wird beispielsweise im Abraham (1569) deutlich, worin Rollenhagen den Teufel mit einem Mönchsgürtel auftreten lässt. Im Lazarus (1590) können etwa die Klage der auftretenden Rabbiner über die geringe Beachtung des göttlichen Gesetzes durch das Volk und damit einhergehende Mindereinnahmen für geistliche Ämter oder auch eine Priestersatire als übertragene Kritik am katholischen Klerus, der jedoch nie als solcher genau bezeichnet wird, gedeutet werden. In den Dramen werden von Rollenhagen zwar auch dezidiert lutherische Glaubensgrundsätze geäußert (‚sola fide‘ und ‚sola gratia‘, Ablehnung der Werkgerechtigkeit, Vorrang des ehelichen Lebens), vordergründiger ist allerdings die Aufforderung zu einem gottgefälligen Lebenswandel an das Publikum. Dagegen erinnert an Erasmus etwa die im Abraham formulierte Mahnung, dass der rechtfertigende Glaube auch die Erfüllung entsprechender Werke im Sinne der Nächstenliebe (Almosen) erfordere. Vgl. hierzu Dietmar Peil, Zur konfessionellen Problematik in den Schuldramen Georg
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III. Die städtische Gelehrtenwelt im Religionskonflikt
tung von Wolfgang F. Michael, dass im 16. Jahrhundert „die große Mehrzahl der Dramatiker […] sich im Drama wesentlich neutral“ verhalten habe,451 wohingegen konfessionelle Eigenheiten in anderen Medien, wie etwa Predigten, herausgestellt worden seien. Die Bühne als eine „moralische“452 oder „pädagogische“453 Anstalt habe gerade in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts weniger der Vermittlung von spezifischen Glaubensgrundsätzen und -unterschieden gedient, als vielmehr der sittlich-moralischen Erziehung des Publikums wie auch der Darsteller. Dies änderte sich überwiegend erst im 17. Jahrhundert, als sich das humanistische Schuldrama zum protestantischen biblischen Schauspiel oder zum Jesuitendrama weiterentwickelte.454
5. Zwischenfazit Der Humanismus bestimmte Gelehrtenwelt und Schulwesen auch in Dortmund, Essen und Bielefeld. Zunächst konnten die bestehenden Pfarr- und Stiftsschulen jedoch noch nicht mit den Gelehrtenschulen der Region wie etwa Münster oder Deventer konkurrieren. Nach und nach wirkten aber vor allem in Essen und Dortmund bedeutendere Humanisten, insbesondere um die Mitte des 16. Jahrhunderts. Über ihre religiösen Standpunkte ist allerdings nur wenig bekannt, denn meist fehlen Selbstzeugnisse, während Fremdzuschreibungen nicht zuletzt aufgrund verfolgter parteiischer Intentionen hinterfragt werden müssen. Gerade für die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts, aber auch die ersten Jahrzehnte nach dem Augsburger Religions-
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Rollenhagens, in: Dieter Breuer (Hg.), Religion und Religiosität im Zeitalter des Barock, Wiesbaden 1995, S. 643–653; ders., Die Schaubühne als ‚pädagogische‘ Anstalt. Anmerkungen zu Georg Rollenhagens Tobias, in: Gunter Schandera und Michael Schilling (Hg.), Prolegomena zur Kultur- und Literaturgeschichte des Magdeburger Raumes, Magdeburg 1999, S. 107–128, bes. S. 122–126. Zitat Michael, Drama, S. 14. Im Unterschied dazu Rädle, Formen, S. 276–280. Peil, Problematik, S. 653. Ders., Schaubühne, S. 126. Zu Jesuitendramen in der Region (Niederrhein) vgl. Frank Pohle, Glaube und Beredsamkeit. Katholisches Schultheater in Jülich-Berg, Ravenstein und Aachen (1601– 1817), Münster 2010, hier S. 101–674; zu solchen Dramen an der durch die Jesuiten im 17. Jahrhundert übernommenen Essener Stiftsschule vgl. Döring, Geschichte, S. 269–272 und 321–323 (Programm eines Neanias-Spiels von 1677). An der Stadtschule hörten die Aufführungen der Schüler um 1600 auf. In Dortmund hielten sich diese länger. Wenige Jahre nach Ende des Dreißigjährigen Krieges wurde 1653 „eine Comedia von Tobiae“ auf dem städtischen Bauhof („Timmerhoffe“) aufgeführt, die eine Woche lang gespielt wurde. Wer die Darsteller waren, darüber gibt das Marienkirchenbuch keine Auskunft (vgl. Fritz Barich, Nachrichten aus dem Kirchenbuche der Mariengemeinde, namentlich aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, in: BeitrDO 23 [1914], S. 33–74, hier S. 71). Eine dezidiert schulische Aufführung ist dagegen aus dem Jahr 1661 überliefert. Den Ratsprotokollen zufolge wurde den Schülern gestattet, „im Sommer eine feine Comödie zu spielen“ (StAD Best. 448, Nr. 2/1, S. 37 [Nr. 225]). Die nächste Meldung über eine beabsichtigte Aufführung findet sich für das Jahr 1698 (ebd., S. 120 [Nr. 783]), allerdings wurde dieses Gesuch diesmal vom Rat abgewiesen.
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5. Zwischenfazit
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frieden deutet sich an, dass sich viele Gelehrte konfessionell nicht festgelegt haben. Allein aufgrund der Arbeitsstätte auf eine spezifische religiöse Haltung schließen zu wollen, verbietet sich oft ebenso, weil manche Gelehrte häufiger zwischen verschiedenkonfessionellen Städten wechselten. Gerade dies deutet darauf hin, dass den Verantwortlichen für das Schulwesen die innere Haltung der berufenen Gelehrten zeitweise zweitrangig war. Viel zentraler war ihnen anscheinend das Prestige, das mit dem Wirken berühmter Gelehrter für die Stadt selbst erworben werden konnte, da somit auch zahlungskräftige auswärtige Schüler angelockt wurden – für die unter begrenzten finanziellen Mitteln leidenden Schulen kein unwichtiger Faktor. Die religiöse Unterweisung der Schüler dürfte sich überwiegend auf allgemeinverbindliche christliche Werte beschränkt haben, während umstrittene Dogmen ausgeklammert wurden. Dies zeigt sich erstens in der Konzeption des Katechismus und der in zahlreichen Auflagen gedruckten Predigten des Dortmunders Jakob Schöpper, die an der dortigen Schule, aber auch in anderen Orten der Region in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts genutzt wurden; zweitens in der Auswahl der Themen und Autoren bei der öffentlichen Aufführung schulischer Dramen in Essen und Dortmund; sowie drittens in Anstellungsverträgen einiger Lehrer, in denen die Art und Weise des Unterrichts und die Auswahl der zu lesenden Bücher geregelt wurden. Das Verlagsprogramm der zeitgleich mit der Dortmunder Stadtschule errichteten Druckerei zeigt, dass dort bis in die 1560er Jahre theologische Schriften sowohl katholischer als auch lutherischer Autoren verlegt wurden, wobei die Verfasser jeweils den gemäßigten Flügeln der entstehenden Konfessionen angehörten. Bei der Art und Weise der Neugründung bzw. Reorganisation der städtischen Schulen setzte man – im Unterschied zu lutherischen Territorien – eher auf Zusammenarbeit und Konsens mit den zuständigen kirchlichen Institutionen bzw. Obrigkeiten: Am Ausbau der Bielefelder Stiftsschule beteiligten sich der Landesherr, das Stift, der Rat sowie einige Einzelpersonen; zudem setzten der Rat und die Kanoniker für eine gewisse Zeit die Lehrer gemeinsam ein. In Essen kontrollierten der Rat und das Stift ab 1545 gemeinsam die Stiftsschule, bis diese wenig später für einen begrenzten Zeitraum fast gänzlich der Obhut des Rates anvertraut wurde. Auch die Einziehung einer geistlichen Pfründe zugunsten der Schule geschah in Abstimmung von Stadt und Stift. In Dortmund erfolgte die völlige Neugründung einer städtischen Schule 1543 weitgehend auf der Basis der Umwidmung erledigter, durch den Rat kontrollierter Pfründen, wobei in einem Fall die Weiterführung der kultischen Handlungen durch einen Minoritenmönch gegen eine städtische Zahlung vereinbart wurde.
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IV. Möglichkeiten und Grenzen religiösen Ausgleichs Ein einheitliches Vorgehen in Reaktion auf die Herausforderung der Reformation lässt sich im 16. Jahrhundert grundsätzlich weder bei Territorialherren noch bei städtischen Obrigkeiten erkennen: Im Einzelfall ging man auf einen strikten Konfrontationskurs, mal setzte man sich an die Spitze der Bewegung, oft aber reagierte man eher vorsichtig und abwartend. Ein Vorgehen wie das des Wittenberger Rates, der bereits in den 1520er Jahren versuchte, die religiöse Einheit der Stadt nach mittelalterlichem Vorbild und gemäß der Lehre Luthers gegen alle Widerstände durchzusetzen,1 war wohl ebensowenig typisch für eine kommunale Ratspolitik wie das genaue Gegenteil, das kompromisslose Beharren auf des althergebrachte Kirchenwesen. Eine religiöse Homogenität war schon im Mittelalter nicht immer möglich. Stellte schon damals die Einheit der Religion eher eine Fiktion als die Realität dar, so galt dies um so mehr für das Jahrhundert der Reformation und der Entstehung verschiedener Konfessionen und religiöser Splittergruppen. Wie genau sich das Vorgehen der städtischen Obrigkeit gestaltete, hing von verschiedenen Faktoren ab, sowohl von inneren wie äußeren. Grundsätzlich war, so ist zu vermuten, die Suche nach einem Konsens, dem kleinsten gemeinsamen Nenner, am erfolgversprechendsten, um zumindest eine politische und gesellschaftliche concordia zu wahren. Im Folgenden wird zu untersuchen sein, in welchem Maße Konflikte im Bereich des Kirchenwesens in Dortmund, Essen und Bielefeld in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts auftraten und wie mit ihnen verfahren wurde. Welche Kompromisse im Sinne eines innerstädtischen Ausgleichs auf verschiedenen Gebieten möglich waren, sowohl im Bereich des Rechtswesens wie auch in der konkreten kirchlichen Praxis, darauf wird in einem zweiten und dritten Schritt zurückzukommen sein.
1. Konflikte und Konfliktlösungen bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts Konflikte zwischen Stadtbewohnern und dem Klerus waren im 16. Jahrhundert nichts Neues. Gerade in Dortmund war es im Spätmittelalter immer wieder zu Spannungen gekommen.2 Dabei vertrat der Rat zusammen mit den Ausschüssen oftmals Forderungen seitens der Gemeinde oder stellte sich gar an die Spitze, um etwa die Abschaffung kirchlicher Sonderrechte zu fordern. Die innere Geschlossenheit gegenüber dem Klerus und die führende Haltung des Rates wurde 1518/19 in einer der eindrücklichsten vorreformatorischen Auseinandersetzungen deutlich.
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Vgl. Natalie Krentz, Von der Messestörung zur Gottesdienstordnung. Die Anfänge evangelischer Liturgie in der Stadt Wittenberg, in: Brademann u. a., Liturgisches Handeln. Vgl. etwa Westhoff, Chronik, S. 199, 350 und 363 ff.; Kerkhörde, Chronik, S. 113 ff.
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Ursachen für diesen Konflikt waren die geistlichen Privilegien und die wirtschaftliche Betätigung des Klerus zu Lasten städtischer Handwerkskorporationen.3 Daneben scheint auch die überhandnehmende Ablasspraxis eine gewichtige Rolle gespielt zu haben.4 Der Dortmunder Rat soll dabei, vermutlich im Interesse der nicht genannten Bürgergemeinde, durch „newe gesette“ die „geistliche vrijheit“ eingeschränkt haben.5 Angesichts der gegen ihn gerichteten Dekrete reagierte der städtische Klerus mit der Verhängung des Interdikts gegen die Ratsherren und Bürgermeister („Consules ac Proconsules“),6 denen damit die Teilnahme am Abendmahl zu Weihnachten verwehrt wurde. Diese harte Strafe sollte solange in Kraft bleiben, „bis dat man inne bewilliget, dat sie mochten richlichen kopen gleich einem burger“.7 Der Rat war jedoch nicht bereit, den Klerikern solche Zugeständnisse zu machen, hätte dies doch zum Bruch mit der Bürgergemeinde geführt. Stattdessen suchte er um Unterstützung durch den Kölner Erzbischof Hermann von Wied, der sich allerdings nicht einmischen wollte.8 Schließlich hob der päpstliche Legat Cajetan zu Ostern 1519 das Interdikt auf.9 Der Konflikt macht deutlich, dass der Rat eine Auseinandersetzung mit dem Klerus im Interesse der Stadt und der Gemeinde nicht scheute. Nur wenige Jahre später kam es zu erneuten Spannungen, die allerdings anders verliefen. Während die Ursachen der Unruhen 1523 mit denen von 1518 nahezu identisch waren, handelten nun andere Akteure: Als Gegner des Klerus traten nicht der Rat und die beiden städtischen Ausschüsse auf, sondern die „plebejos et officiatos“,10 das heißt Handwerksämter, also solche Gruppen, die als Hauptakteure einer ‚Gemeindereformation‘ gelten. Dabei darf allerdings nicht unerwähnt bleiben, dass die vorgebrachten Gravamina nichts Reformatorisches enthielten, sondern lediglich wirtschaftliche und soziale Missstände sowie den weltlichen Lebenswandel der Geistlichen anprangerten, wobei antiklerikale Beschwerden überwogen.11 Der 3 4 5 6 7 8 9 10 11
Johann Caspar Vogt, Kurze Reformationsgeschichte der dem Königlich Preuß. Staate einverleibten vormaligen Reichsstadt Dortmund, Dortmund 1826, S. 11 f.; von Winterfeld, Durchbruch, S. 55. So heißt es im Chron. Dom., S. 47, hinsichtlich der römischen Ablassbulle (Bulla Jovis Sancte): „Anno eodem [1518] suborta est controversia in circa festum Thomae Apostoli inter Clerum et Consulatum Tremoniensem ob promulgationem Bullae Jovis […]“. Zitate Westhoff, Chronik, S. 405 f. mit Ergänzung zu S. 406 Zeile 2. Ähnlich auch Chron. Dom., S. 47 („plebiscitum fecisse consulatum contra libertatem ecclesiasticam“). Chron. Dom., S. 47 f. Westhoff, Chronik, S. 406 Ergänzung zu Zeile 2, nennt die „overigkeit [weiter hinten: „rade, erbsaten und 24“, C. H.] und gemeine burger“, die man „nit solde absolvieren und dat hillige sacrament weigern“. Ebd. Antwort des Erzbischofs vom 13. April 1519: Fahne, Urkundenbuch, Bd. 2.1, S. 359 f. (Nr. 277). Westhoff, Chronik, S. 405; Chron. Dom., S. 48. Ebd., S. 61. Im Abschnitt der Dominikanerchronik (ebd.) wird nur eine Forderung ökonomischer Art genannt, nämlich ein Verbot für die Mägde der Kleriker, Getreide öffentlich zu verkaufen („Item de ancillis non frumenta debere publice vendere“). Die anderen Gra-
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vermutlich von zeitnahen Unruhen in anderen Orten wie Münster oder Osnabrück12 beeinflusste Konflikt wurde erst 1525 geschlichtet, nachdem der Klerus zu den erhobenen Vorwürfen Stellung genommen hatte.13 Die bisherige Passivität des Rates lässt sich damit erklären, dass er die angespannte Lage zu beruhigen versuchte, indem er weder einen harten Kurs zugunsten des Klerus einschlug noch den Forderungen aus der Gemeinde unverzüglich stattgab oder sich gar an die Spitze der Bewegung stellte. Der Status quo sollte auch durch einen Vergleich aufrechterhalten werden, der „vmme fredens vnd guder eyndracht willen“ am 12. Oktober 1525 ausgehandelt wurde.14 Frieden und Eintracht, ‚pax et concordia‘, die hier und auch in späteren Suppliken und Mandaten zum Ausdruck kommen, spielten im bürgerlichen Selbstverständnis für die Bewahrung der städtischen Freiheit eine große Rolle.15 Dabei waren sich alle Akteure dessen bewusst, dass dies nur durch einen Konsens erreicht werden konnte. Aus diesem Grund gaben der Rat und die beiden Ausschüsse nicht allen Forderungen statt: Solche, die sich in besonderer Weise gegen den Klerus gerichtet hatten – die Beschwerde über den Kaplan Johann von Berchem sowie das verlangte Verbot der Teilnahme von Klerikern an den sakralen Zeremonien von Taufe und Hochzeit –, wurden übergangen. Lediglich ökonomische und rechtliche Gravamina wurden im Sinne der Stadtgemeinde entschieden. Damit verfolgte der Rat das Ziel, den Klerus stärker in das städtische Gemeinwesen zu integrieren und dessen Sonderrechte, die zu Lasten des ‚Gemeinen Nutzens‘ gingen, zu beschränken.16 Wenn überhaupt reformatorische Forderungen erstmals in Dortmund laut wurden, so geschah dies nicht vor 1527. Dem Chronisten Westhoff zufolge sollen die sechs Gilden „nije predichanten“ erbeten haben, was zu Spannungen zwischen jenen und
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vamina betreffen das Verhalten des Kaplans Johann von Berchem an St. Reinoldi, die Teilnahme von Klerikern an Gelagen in den Tabernen sowie an Hochzeiten und Taufen. Die Formulierung „et alia multa inutilia proponebant“ macht deutlich, dass auch weitere Beschwerden vorgebracht worden sein dürften. Zu Münster vgl. Joseph Niesert, Beiträge zu einem Münsterischen Urkundenbuche aus vaterländischen Archiven, Bd. 1.1, Münster 1823, S. 116–121; zu Osnabrück Kaster/ Steinwascher, V.D.M.I.Æ., S. 122–125. Übergreifend zum Nordwesten des Reiches vgl. Otthein Rammstedt, Stadtunruhen 1525, in: Hans-Ulrich Wehler (Hg.), Der Deutsche Bauernkrieg 1524–1526, Göttingen 1975, S. 239–276. Fahne, Urkundenbuch, Bd. 2.1, S. 362–366 (Nr. 279). Ebd., S. 360–362 (Nr. 278). Daneben findet sich die Argumentation auch in der zeitgenössischen Chronistik: Der wichtigste Grund für die Bewahrung der städtischen Autonomie infolge der Dortmunder Fehde von 1388/89 war nämlich für Westhoff, „dat die burger binnen der stat mit groter broderlicher und truwelicher eindracht ihre vursichtigen vurslege gehat und stedehen de einicheit in gebot und verbot geleivet, und derhalven altijt gehoersam den verordenten oversten ader capitein geleistet, want waer sich burger und statsvolk getruwelich mit eindracht lieflich tosamen halden, konnen sie keren und wedderstaen grote gewalt irer viande […]“. Westhoff, Chronik, S. 277 f. Geregelt wurden den Klerus betreffende Fragen wie Handel, Landbesitz und Landwirtschaft, die Zuständigkeit geistlicher Gerichte, die Offenlegung von testamentarisch erworbenem Besitz und die Verpflichtung zur Zahlung von Steuern auf dem der ‚toten Hand‘ entzogenen Eigentum.
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dem Rat geführt habe.17 Wie Westhoff weiter berichtet, soll ein Teil der Bürger dem „nijen handel“ oder „niggen handell und Lutheri Euangelium“ zugeneigt haben.18 Der Rat beauftragte die Vierundzwanziger, von denen sich bis auf vier Personen19 alle dem ‚neuen Handel‘ angeschlossen haben sollen, auf jeweiligen Versammlungen die Meinung aller Gildemitglieder einzuholen. Diese sollen bestrebt gewesen sein, eine Veränderung zu erzwingen, und sollen einmütig beschlossen haben, dass sie „ander und nije praedicanten hebben“ wollten, was bisher häufig als eine Forderung nach lutherischen Predigern interpretiert worden ist.20 Zu bedenken ist allerdings, dass hierfür mit Westhoff und Voss lediglich zwei ratsnahe katholische Gewährsmänner zur Verfügung stehen, während Protokolle der Gildeversammlungen oder eine gemeinsame Eingabe an den Rat nicht erhalten sind. Darum sollte auch eine zweite Möglichkeit zur Interpretation in den Blick genommen werden, nämlich als ein Wunsch nach neuen und unbelasteten Predigern mit einem Amtsverständnis, das sich an den Anforderungen des 1525 in Jülich-Kleve-Berg erlassenen Mandats21 orientierte und eine vorbildliche Lebensführung, Frömmigkeit und Gelehrsamkeit sowie den Dienst an der Gemeinde umfasste. Dies mussten nicht zwangsläufig lutherische Prädikanten sein – zumal es eine klare Abgrenzung vor der Abfassung des Augsburger Bekenntnisses 1530 gar nicht geben konnte. Die Forderung scheint dem Rat allerdings zu weit gegangen zu sein: Er soll nach in seinen Augen verdächtigen Büchern gefahndet22 und das Begehren der Gilden mit Verweis auf „der keiserlicher majestät mandaten“ abgelehnt haben. Dies hätten die Gilden akzeptiert, als sie „iren alden geloven annemen und darbij bliven“ mussten.
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Westhoff, Chronik, S. 422. Hier auch überwiegend die folgenden Zitate. Erstere Formulierung findet sich in der Edition ebd. Der zweite Ausdruck ist dagegen den Fragmenten seiner Originalhandschrift zu entnehmen (StAD Best. 203, Nr. 7, fol. 96v). Neben Dietrich Westhoff erwähnte auch Johannes Voss den Konflikt, allerdings für das Jahr 1528. Auch er spricht davon, dass „etlicke […] der Luttherye thogedain“ waren. Vgl. ebd. Nr. 2, fol. 49r. Drei von ihnen waren zeitnah Provisoren von Bruderschaften: Der Schmied Johann Werner in der Sakraments- und Kreuzbruderschaft der Dominikaner (1522: StAD Best. 231, Nr. 12), Lambert von Köln (Butterleute) in der Kreuzbruderschaft an St. Reinoldi (1531: StAD Best. 230, Nr. 1) und der Vertreter der Krämer, Hermann Kremer, in der Annenbruderschaft an der Marienkirche (1516 und 1538: StAD Best. 211, Nr. 93 und 109). Vgl. etwa Schilling, Dortmund, S. 158. Hier sei noch auf die zu hinterfragende Berechnung von Luise von Winterfeld verwiesen, die, ausgehend von der Forderung von 20 von insgesamt 24 Gildevertretern, dieses Verhältnis auf die Gesamtbevölkerung Dortmunds hochrechnete und somit zum Schluss kam, „daß schon 1527 fünf Sechstel der gemeinen Dortmunder Bürgerschaft evangelisch werden wollten“. Vgl. von Winterfeld, Durchbruch, S. 57 f. Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 1, S. 232–236 (Nr. 227). Die bei Voss (wie Anm. 18) und – übernommen – bei Beurhaus, Merkwürdigkeiten, S. 280, festgehaltene Formulierung, der Rat habe „oich mett veilen die Boicher upt Rathuß halen“ lassen, ist bisher dahingehend verstanden worden, dass der Rat lutherische Schriften konfiszieren ließ. Vgl. etwa Löffler, Reformationsgeschichte, S. 192.
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Aufgrund der traditionellen Partizipation des Gilde- und Erbsassenstandes an den politischen Entscheidungen ließ sich das scheinbar kompromisslose Vorgehen des Rates nicht lange durchhalten. Nicht zuletzt aufgrund der Lage im Reich und in der Dortmunder Nachbarschaft23 kamen die Frage der Prediger, aber auch ältere Streitpunkte, 1532 wieder auf die Tagesordnung. Von einem Konflikt, wie ihn Westhoff fünf Jahre vorher geschildert hat, ist allerdings nur wenig in den vorgebrachten Gravamina im Sommer des Jahres24 und in dem Mandat der städtischen Obrigkeit einige Wochen später25 zu spüren. Stattdessen wurde der Weg des Konsenses gesucht, der bisher fast immer die Auseinandersetzungen ohne größeren Schaden für das städtische Gemeinwesen beendet hatte. Die wirtschaftlichen, sozialen und rechtlichen Forderungen gegenüber dem Klerus wurden nahezu ausnahmslos übernommen. An erster Stelle der Gravamina findet sich allerdings ein Artikel, der vermutlich ein Ergebnis des Streits von 1527 darstellte. Dabei wurde die Forderung nach neuen Prädikanten, wenn diese tatsächlich damals so vorgebracht worden ist, nicht einfach übernommen. Die Formulierung, die nahezu identisch auch im Ratsmandat Eingang fand, erinnert dagegen eher an die herzoglichen Reformordnungen von 1525 und 1530 sowie zuletzt an die Kirchenordnung für Jülich-Kleve-Berg vom 11. Januar 1532:26 Konfessionelle Aspekte fehlen in der sehr neutralen Formulierung, die wohl gerade in Hinblick auf den nach wie vor mehrheitlich ‚altgläubigen‘ Rat gewählt wurde, um dem Begehren zum Erfolg zu verhelfen. So sollten an die vier Pfarrkirchen und die beiden Männerklöster nur solche Geistliche berufen werden, die „dat hillighe Evangelium uth alden und nyen Testament so vyll de predykantten dess uth goythlicker schrifft bewen konnen und nicht anders“ predigen würden. Ausdrücklich sollten „frembde predikanten“ nicht zugelassen werden.27 Die Dortmunder müssen dabei Kandidaten aus städtischen Familien im Auge gehabt haben. Diese hätten jedoch nur ‚katholisch‘ sein können, denn einheimische ‚lutherische‘ Prädikanten hat es zu dieser Zeit in Dortmund soweit bekannt nicht gegeben – diese
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So hatte sich die Reformation in Minden, Lippstadt, Soest, Osnabrück, Münster und Herford in den Jahren 1530–1532 zunächst weitgehend durchsetzen können. Über die Religionsänderung Soests und Lippstadts wurden ein ergebnisloser märkischer Landtag in Wickede am 27. Januar 1532 abgehalten sowie in Dortmund vom 1. bis 3. Mai 1532 ebenfalls Verhandlungen ohne eine Entscheidung geführt. Am 23. Juli 1532 wurde schließlich der Nürnberger Anstand erlassen, der einen zeitlich begrenzten Religionsfrieden im Reich verkündete. Vgl. von Winterfeld, Durchbruch, S. 114–116 (Nr. 2), datiert vor dem 25. Juli 1532. Das Mandat ist mittelbar als Eintrag im Dreimannsbuch überliefert, vgl. ebd., S. 116 f. (Nr. 3), datiert vor dem 30. September 1532. Vgl. oben Teil II, Kap. 2. Die Berufung von Klerikern aus städtischen Familien hatte Tradition. Die Ablehnung auswärtiger Geistlicher ist zudem nicht dezidiert reformationszeitlich, sondern findet sich für die dem Dekan von Mariengraden in Köln unterstellten Kirchen St. Reinoldi und St. Petri bereits seit dem 13. Jahrhundert, als der Rat vergeblich das Patronatsrecht für beide Gotteshäuser erstreiten wollte. Vgl. auch unten Kap. 3 a).
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hätten, wie es bei Hermann Kothe geplant gewesen war,28 ‚importiert‘ werden müssen. Inwieweit die Artikel des Rates umgesetzt wurden, ist aufgrund fehlender Quellen für die folgenden Jahre unklar. Zu größeren Konflikten kam es allerdings bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts in Dortmund nicht mehr. Abgesehen von wenigen Täufern, die in den späten 1530er Jahren erwähnt werden,29 ist hinsichtlich reformatorischer Vorgänge nichts überliefert. Zwar gab es Westhoff zufolge 1541 noch einmal ein „groet twijdracht under den hern und gemeinen volk“30 – worum es dabei ging, erwähnt der Chronist jedoch nicht. Konflikte zwischen der Essener Bürgergemeinde und dem Stift gab es in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts, allerdings wurden sie nicht so lautstark artikuliert wie in Dortmund. Ähnlich wie in der benachbarten Reichsstadt ging es in Essen vorwiegend um steuerliche Fragen, aber auch um politische Machtansprüche. Der Rat wollte vor allem die Abgabenfreiheit des Klerus einschränken und konnte erreichen, dass die Geistlichen zumindest zu außerordentlichen Leistungen (Türkensteuer) herangezogen werden konnten.31 In den 1530er Jahren scheinen sich die Spannungen zwischen Bürgergemeinde und Klerus verschärft zu haben. Der Unmut richtete sich etwa gegen die Bereicherung von Geistlichen an den Einkünften der Pfarrkirchen bei gleichzeitiger Vernachlässigung der Seelsorge und gegen deren Lebenswandel. Im Mittelpunkt der Kritik stand dabei der Kleriker Jakob Kopmann, der es nicht nur unterließ, die Aufhebung des 1535 über die Stadt verhängten Interdikts zu verkünden, sondern der auch seinen Amtspflichten – zugunsten eines intimen Verhältnisses mit seiner Haushälterin – nicht nachgekommen sein soll, so dass er schließlich vom Rat ausgewiesen wurde.32 Möglicherweise spielt hierauf auch eine Bemerkung in einer Urkunde vom 21. August 1538 an, worin von einem „tumultum ac seditionem promiscue plebis […] ob antiqua impensa servitia“ die Rede ist.33 Zu28
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Der Lippstädter Reformator sollte, vermutlich mit Zustimmung des Rates, als Kaplan nach St. Reinoldi berufen werden und die Stellung des seit längerem umstrittenen Johann von Berchem übernehmen. Dabei wurde der Dekan von Mariengraden in Köln übergangen, der rechtlich hierüber zu entscheiden hatte. Kothe lehnte allerdings die ihm angebotene Stelle schriftlich am 14. Oktober 1532 (von Winterfeld, Durchbruch, S. 117f. [Nr. 4]) ab, da er bereits dem neuen Pastor der münsterischen Lambertikirche, Bernhard Rothmann, seine Zusage gegeben hatte. Westhoff, Chronik, S. 433 f., und Chron. Dom., S. 105 f. Skeptisch hierzu äußerte sich bereits Beurhaus, Merkwürdigkeiten, S. 297. Vereinzelte Täufer lebten im Übrigen auch in Essen, teilweise noch bis ins frühe 17. Jahrhundert hinein. Vgl. Müller, Reformation, S. 38–50. Westhoff, Chronik, S. 440. Ferdinand Schroeder, Sittliche und kirchliche Zustände Essens in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, in: BeitrE 18 (1898), S. 98–130, hier S. 120 f. StAE 100.1079, fol. 11r, sowie Schroeder, Stadtschreiberbuch, S. 107 und 109–114. Vgl. hierzu auch ders., Zustände, S. 127–130, und Müller, Reformation, S. 67 f. Der Streit mit Kopmann, der seine Haushälterin nach einer Aufforderung des Rates mit einem Essener Bürger hatte verheiraten lassen, eskalierte im Sommer 1538, als Kopmann die Frau entführte und vor ihrem Ehemann in Köln verborgen hielt. MAE A 315, Bl. 1r; vgl. auch Schaefer/Arens, Urkunden, S. 170 f. (Nr. 315).
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mindest sollte der neuernannte Vizekurat der Gertrudenkirche, Johann Steinhuis von Siegen, nach dem Willen der Kanoniker ein Auge auf die Stimmung in der Bevölkerung haben und gegebenenfalls dem Stift Bericht erstatten. Die Unzufriedenheit entlud sich allerdings erst im Frühjahr 1543 nach dem Tod von Steinhuis.34 Sein Nachfolger wurde nach dem Willen der Kanoniker ein Dortmunder Dominikaner,35 worauf die Gemeinde sich beim Rat beklagte und kurzzeitig einen eigenen Prädikanten einstellte. Dies führte schließlich zum Konflikt mit dem Stift, welches Beschwerde bei Herzog Wilhelm und schließlich Klage vor dem Reichskammergericht erhob. Über die genauen Umstände der Auseinandersetzungen gibt eine Eingabe der Bürger an den Rat vom 13./14. November 1543 Auskunft,36 welche das Vorgehen der Gemeinde legitimieren sollte. Die Präsentation eines Mönches, „eynes ungewoentlicken kirspelsregenten“, wurde verurteilt. Diese Person sei nicht nur unfähig gewesen, die Gemeinde habe ihn „umb unverstant syner sprake“ auch nicht verstehen können, was zu „mannigerlei twist, twispalt, unwille und missverstant under den burgeren und gemeynhiet“ geführt habe. Man habe von den Kanonikern erfolglos begehrt, dass diese „eynen wertlicken priester off anderen guden predicanten tolaten wollen“. Bei Ankunft eines fremden Prädikanten haben „semptlicke burgere“ den Rat aufgefordert, dass dieser jenen predigen lassen solle. Zwar habe sich der Rat geweigert,37 die Predigten des Mannes aber toleriert, wobei sich dieser als wenig geeignet erwiesen und bald die Stadt verlassen habe.38 Schließlich habe die Gemeinde sich erneut wegen eines anderen Predigers an den Rat gewandt, allerdings seien Rat, Vierundzwanziger und Bürger übereingekommen, bis zum kommenden Reichstag mit dem Priester Albert Esken vorlieb zu nehmen, nachdem auch der Mönch nach Dortmund zurückgekehrt sei. Eine Gegendarstellung der Ereignisse findet sich in einem Mandat des Reichskammergerichts einen Monat später, ein Ergebnis der Klage der Kanoniker gegen die 34 35
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Vgl. hierzu Müller, Reformation, S. 56–60. Dass ein Ordensgeistlicher die Seelsorge in einer städtischen Kirche verrichten sollte, war in Essen neu – auch in den Vereinigten Herzogtümern sollte die Übertragung eines solchen Amtes an einen Mönch eher die Ausnahme denn die Regel sein. Vgl. Redlich, Kirchenpoltik, Bd. 1, S. 233 (Nr. 227), 247 (Nr. 240) und 263 f. (Nr. 249). Ribbeck, Katharina von Tecklenburg, S. 173, und Müller, Reformation, S. 56, haben vermutet, dass das Kapitel bewusst einen Dominikaner gewählt hatten, um eine reformatorische Bewegung zu bekämpfen, wobei es zweifelhaft ist, ob es eine solche zu dieser Zeit in Essen bereits gab. Vielleicht war die Maßnahme aber auch prophylaktisch gedacht. StAE 100.2245a; gedruckt bei Ribbeck, Katharina von Tecklenburg, S. 184–188 (Anlage 2). Müller, Reformation, S. 57, führt die Ablehnung des Rates auf den Venloer Vertrag zurück, mit dem der Krieg um Geldern zwischen Wilhelm V. von Jülich-Kleve-Berg und Kaiser Karl V. zugunsten des Reichsoberhaupts entschieden wurde und in welchem dem Herzog jegliche Neuerungen im Kirchenwesen untersagt wurden. Müller (ebd., S. 57 f.) vermutete, dass der Prediger ein radikaler Lutheraner gewesen sei und die Bürger seine Predigten nicht verstanden hätten. Für den Rat sei dagegen der Erhalt des Friedens ausschlaggebend dafür gewesen, dass man diesen Prädikanten nicht dulden wollte.
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Anstellung des Prädikanten.39 In diesem Urteil wurden die Geschehnisse unter dezidiert reformatorischen Vorzeichen gedeutet: Niemand sei es gestattet, „den andern von alter wharer Christlichen, wolherbrachten Religion, Glauben, Gottesdiensten“ abzuhalten, „noch darin einige Neuerung oder Veränderung wider seine Obrigkeiten“ vorzunehmen. Die Gemeinde habe aber „einen vermeynten angemasten Predicanten, der Weib und Kind gehabt, auch kein Priester sei“, gar nicht annehmen dürfen. Ihr wurde weiterhin vorgeworfen, sie habe vom Rat nicht nur die Einsetzung des Prädikanten verlangt, sondern auch, dass dieser „das Evangelium wie zu Soest und Wesel […] predigen“ solle. Jener habe „zu anfang seiner unchristlichen Gottlosen Lehre [verlangt], das man Ime den Gugkgugk, das Heilige Hochwirdige Sacrament meynend, auss der Kirchen weisen und wegk schaffen solte“. Weiterhin hätte die Gemeinde nach dem Weggang des Predigers sich aus Bonn einen weiteren Prädikanten verschafft, der sich ebenfalls nicht gemäß „der rechten wharen alten Christlichen Religion“ verhalten, sondern „Neuerungen und Verhinderungen“ eingeführt habe. Die Äbtissin habe dem allem nicht zugestimmt und sich zurecht an den Herzog von Kleve gewandt, weil Rat und Gemeinde ihre Kompetenzen weit überschritten hatten. Die Stadt sollte folglich alle Neuerungen unterlassen, sich nicht weiter in die Rechte des Stifts vergreifen und auf den nächsten Reichstag40 warten, der insbesondere in Fragen der Religion „gute Vergleichung“ bringen werde. Sollte die Stadt dagegen verstoßen und ihre „angefangenen Neuerungen und beschehenen Veränderungen In der Religion und Glaubens Sachen, Auch andere erzelte begangene Frevel und gewaltsame thatten“ fortsetzen, drohe ihr die Reichsacht. Die Unterschiede zwischen den Darstellungen desselben Vorfalls sind signifikant. Während in der Schilderung der Bürger zum Ausdruck kommt, dass diese sich lediglich gegen eine bisher unübliche Berufung eines Mönches, den sie noch dazu nicht verstehen konnten,41 wehrten, und nur einen Geistlichen begehrten, der für sie verständlich predige, war die Wahrnehmung durch die Gegenseite – Stift, Herzog, Kaiser – vollkommen konträr: Das Stift, das heißt die Äbtissin, die Kanonissen und die Kanoniker, sahen sich in ihren Rechten verletzt, über die Besetzung des Seelsorgeramtes für die Gertrudenkirche zu bestimmen; der Herzog unterstützte das Stift, weil der Mönch in seinen Augen rechtmäßig berufen worden war; der Kaiser 39 40 41
LAV NRW R, RKG E 585, gedruckt bei Wilhelm Grevel, Der Anfang der Reformation in Essen, Teil 1.1: Mandat des kaiserlichen Reichskammergerichts zu Speyer vom 18. Dezember 1543, in: BeitrE 12 (1888), S. 95–110, hier bes. S. 96–102. Hier auch die Zitate. Auf den 4. Reichstag zu Speyer vom 20. Februar bis 10. Juni 1544. Müller, Reformation, S. 56, vermutet, dass dieser ursprünglich aus Sachsen kam und Johann von Oppenheim hieß, wobei er sich auf Rensing, Dominikanerkloster, S. 81 und 176, beruft. Der Aussage des Zeugen Marß Lammerts zufolge hieß der Mönch allerdings Heinrich Hoppe (115. Frage; LAV NRW R, RKG, E 589, Bd. 4, fol. 74v). Ein Dominikaner dieses Namens ist auch Rensing bekannt gewesen, handelte es sich bei ihm doch um keinen geringeren als den späteren Prior des Dortmunder Klosters (ab 1546) und Provinzial der sächsischen Dominikanerprovinz (1550–1580). In den frühen 1540er Jahren war er noch als Lektor bzw. Lesemeister tätig. Rensing zufolge war Hoppe allerdings gebürtiger Dortmunder, auch wenn er einige Jahre etwa in Magdeburg und Paris verbrachte. Vgl. Rensing, Dominikanerkloster, S. 82 f. und 151–153.
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1. Konflikte und Konfliktlösungen bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts
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fürchtete dagegen, dass die Stadt vom ‚wahren Glauben‘ abfallen könne. Der Rat dagegen nahm eine eher schwankende Haltung ein:42 Er wollte sich zunächst weder an die Spitze der Gemeinde stellen und deren Forderung aktiv gegenüber dem Stift vertreten, noch schritt er gegen die eigene Bürgerschaft ein. Zwischenzeitlich ließ der Rat den durch die Gemeinde vorgeschlagenen Prädikanten zwar predigen, beeilte sich dann aber, diesen zum Erhalt des inneren Friedens wieder fortzuschicken, da die Ratsherren erkannten, dass sie mit einem solchen radikalen Prediger die notwendige Unterstützung Wilhelms V., des Schirmherrn von Stadt und Stift, nicht erhalten konnten. Schließlich wandte sich der Rat offen gegen das Stift, nachdem Äbtissin und Stiftskapitel Protest beim Herzog eingelegt hatten, was wiederum eine Klage des Stifts gegen den Rat vor dem Reichskammergericht nach sich zog, dessen Urteil sich die Stadt nicht zuletzt deshalb unterwarf, weil der Kaiser zu dieser Zeit seine Macht in der Region mit dem Sieg über den klevischen Herzog ausgebaut und das Stift unter seinen persönlichen Schutz gestellt hatte. Es ist zu vermuten, dass sich sowohl im Bericht der Bürger als auch in der katholischen Gegendarstellung Realität und Überzeichnung jeweils vermischten. Im Gegensatz zu Wilhelm Grevel oder Konrad Ribbeck, welche den Konflikt von 1543 als Versuch der „Einführung der neuen Lehre“43 bzw. als Beweis dafür, „daß die Reformation in der Stadt Essen bereits 1543 zum Durchbruch gekommen war“,44 werteten, interpretierte Helmut Müller die Auseinandersetzungen vorsichtiger:45 Diese seien zwar „Ausfluß der allgemein religiös-kirchlichen Bewegung dieser Zeit [gewesen], doch es fehlt ihnen eine reformatorische Grundlage“. So habe die Bürgerschaft „gegen die geistliche Bevormundung“ protestiert und eine „Besserung der kirchlichen Zustände innerhalb der Stadt“ gefordert, allerdings: „Von einer Frontstellung gegen die römische Kirche kann […] keine Rede sein. Es war nicht mehr als eine persönliche, örtlich begrenzte Kritik“ der Bürger an dem Vorgehen des Stiftes. Angesichts der weiteren Entwicklung in der Stadt bis 1560 ist dem zuzustimmen. Sowohl mit Esken als auch mit dessen Nachfolger – beide durch das Stift berufen – war die Gemeinde zufrieden. Weder antiklerikale Kritik, geschweige denn reformatorische Forderungen kamen in dieser Zeit auf. Stattdessen begnügte sich die Gemeinde mit den Zugeständnissen, zu denen man seitens des Stiftes bereit war. Im Unterschied zu Dortmund und Essen liegen für Bielefeld keine Anhaltspunkte für Konflikte in der ersten Hälfte des Reformationsjahrhunderts vor. Die Änderungen und Neuerungen, die ab 1533 nach und nach eingeführt wurden,46 kamen offenbar ohne Zwischenfälle zustande. Zwar gibt es in dieser Hinsicht Anhaltspunkte für Beschwerden seitens des Stifts in der Neustadt gegenüber dem Herzog und für versuchte Interventionen durch den Landesherrn in die städtische Politik, diesen scheinen aber lautstarke oder gar gewaltsame Auseinandersetzungen inner42 43 44 45 46
Vgl. hierzu auch Müller, Reformation, S. 58 f. Ribbeck, Katharina von Tecklenburg, S. 173. Grevel, Anfang, Tl. 1.1, S. 96. Etwas schwächer ist seine Formulierung dagegen in Tl. 2 (in: BeitrE 13 [1889], S. 99–101, hier S. 99). Müller, Reformation, S. 58. Vgl. unten Kap. 3.
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halb der Bürgergemeinde weder vorangegangen noch gefolgt zu sein. Erst für die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts, während und nach der Predigertätigkeit Hamelmanns in der Stadt, deutet sich dahingehend ein Wandel an.
2. Die Einführung einer (un)konfessionellen Eidesformel Humanisten im Dienst des Kaisers oder von Landesherren waren auf vielen Gebieten tätig.47 Die angestrebten Reformen beschränkten sich nicht nur auf das Kirchenoder das Schulwesen. Ähnlich bedeutend wie die Bemühungen um eine kirchliche Erneuerung war das Bestreben nach einer Reform des Rechtswesens, das heißt der Systematisierung und Kodifizierung der Gerichtsverfassung und der öffentlichen Ordnung („Policey“). Dabei wurden auch religiöse Aspekte angeschnitten, zumal das Rechtswesen vom religiösen Dissens des 16. Jahrhunderts nicht unberührt blieb. In Dortmund, Essen, Bielefeld und zahlreichen anderen Städten lagen die niedere und teilweise auch die höhere Gerichtsbarkeit bereits seit dem Spätmittelalter in der Hand des Rates.48 Teilweise war das Recht bereits kodifiziert worden, teilweise beruhte es weiterhin auf dem traditionellen Gewohnheitsrecht. Bereits seit dem Spätmittelalter, verstärkt allerdings seit dem 16. Jahrhundert setzte im Rechtswesen eine intensivere Bürokratisierung und schrittweise Professionalisierung ein, die sich nicht zuletzt in einer zunehmenden Verschriftlichung von Gesetzgebung und Rechtsprechung ausdrückten. Neue Gerichtsordnungen zur Organisation des städtischen Justizwesens lehnten sich dabei nicht nur an parallel verlaufende Reformen im Reich und in den Territorien an, sondern trugen teilweise auch den konkreten konfessionellen inneren Verhältnissen in den Städten Rechnung. Besonders betroffen war hiervon der Eid49 – oder besser dessen religiöse Schwurund Bekräftigungsformel –, der mit der zunehmenden Glaubensspaltung auch der konfessionellen Abgrenzung diente.50 Für die vormoderne Gesellschaft und das 47 48
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Vgl. zu Kurköln und Jülich-Kleve-Berg insbesondere Kloosterhuis, Erasmusjünger. Zu Essen vgl. Bernhard Kirchner, Rechtswesen und Rechtsbräuche in der Stadt Essen während des 16. und 17. Jahrhunderts, Forschungsergebnisse aus dem Stadtarchiv Essen, in: BeitrE 60 (1940), S. 143–239, hier bes. S. 145–150, und Fehse, Stadtgeschichten, S. 205–207; zu Bielefeld vgl. Vogelsang, Geschichte, S. 59 ff.; zu Dortmund Schilp, Reichsstadt, S. 118–121. Allgemein Adalbert Erler u. a., Art. „Eid“, in: HRG 1 (1971), Sp. 861–870; Dietlinde Munzel-Everling, Art. „Eid“, in: ebd. N. R. 1 (2008), Sp. 1249–1261. Zu dessen Funktion und Legitimation vgl. André Holenstein, Seelenheil und Untertanenpflicht. Zur gesellschaftlichen Funktion und theoretischen Begründung des Eides in der ständischen Gesellschaft, in: Peter Blickle (Hg.), Der Fluch und der Eid. Die metaphysische Begründung gesellschaftlichen Zusammenlebens und politischer Ordnung in der ständischen Gesellschaft, Berlin 1993, S. 11–63. Dies zeigt sich insbesondere im Konfessionseid, der im Laufe der Konfessionalisierung für Beamte und Geistliche obligatorisch wurde. Vgl. hierzu Eduard Hubrich, Konfessioneller Eid oder religionslose Beteuerung?, Leipzig 1899, insb. S. 10–15 und 100–102, sowie Klaus Schreiner, Iuramentum Religionis. Entstehung, Geschichte und Funktion des Konfessionseides der Staats- und Kirchendiener im Territorialstaat der frühen
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Rechtswesen dieser Zeit waren Eide von signifikanter Bedeutung und sind dementsprechend früh theologisch verteidigt worden,51 obwohl Christus und die Apostel eine negative Position zum Schwur bezogen haben sollen.52 Eide dienten der Wahrheitsversicherung vor Gericht und der Begründung spezifischer interpersoneller Beziehungen (Treueid, Eidverbrüderungen). Im Falle des Eidbruchs verdammte sich der Schwörende selbst. Es war üblich, den Schwur mit einer Anrufung Gottes und der Heiligen als „Garanten für die Geltungskraft und Dauerhaftigkeit“ und als „strafende Rächer für verletzte Normen und Regeln“53 auf gegebenenfalls vorhandene Reliquien (‚zu den Heiligen‘) zu tätigen.54 Bisweilen findet sich auch nur ein Bezug auf Heilige allgemein oder spezifische Heilige, insbesondere die Muttergottes.55 Neben der Anrufung Gottes und der Heiligen gab es bereits in vorreformatorischer Zeit vereinzelt eine weitere Variante, bei der die Heiligen durch das Evangelium ersetzt worden waren. Allerdings scheint diese Form des Schwurs meist nur bei Geistlichen oder auch weltlichen Amtsträgern Verwendung gefunden zu haben.56 Noch im 16. Jahrhundert existierte im Rechtswesen keine einheitliche Eidesformel, stattdessen waren regionale wie berufsständische Differenzen verbreitet. Nichtsdestotrotz setzte im Reformationsjahrhundert ein Transformationsprozess auf unterschiedlicher Ebene ein. Statt auf die Heiligen zu schwören wurde es gebräuchlicher, den Eid auf „Gott und sein heiliges Evangelium“ oder auch „Gott und sein heilig Wort“ zu leisten.57 Diese Formel, die auf die Nennung von Heiligen oder Reliquien verzichtete, war keineswegs eine rein protestantische Form der Eidesbekräftigung,58 allerdings war sie für jene, welche eine der evangelischen Lehren präferierten, annehmbarer. Eine kritische Einstellung den Heiligen gegenüber war nicht nur bei den Reformatoren und ihren Anhängern verbreitet, sondern sie findet sich in gleicher Weise auch bei vielen Humanisten, für die das Evangelium einen weitaus höheren Stellenwert einnahm als die Heiligenverehrung. Hiervon
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Neuzeit, in: Der Staat. Zeitschrift für Staatslehre, Öffentliches Recht und Verfassungsgeschichte 24 (1985), S. 211–246. Ebd., S. 212. So versuchte etwa auch Jakob Schöpper in seiner Predigt zum zweiten Gebot seinen Zuhörern den Unterschied zwischen einem erlaubten, etwa durch die Obrigkeit erzwungenen, und einem verbotenen (freiwilligen) Schwur zu verdeutlichen, vgl. Schöpper, Summa, fol. 16v–17v. Beide Zitate Schreiner, Iuramentum, S. 212. Hubrich, Konfessioneller Eid, S. 11 f.; Wilhelm Ebel, Die Rostocker Urfehden. Untersuchungen zur Geschichte des Deutschen Strafrechts, Rostock 1938, S. 72–75; Andreas Blauert, Das Urfehdewesen im deutschen Südwesten im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit, Tübingen 2000, S. 82 f. Vgl. Meinrad Schaab, Eide und andere Treuegelöbnisse in Territorien und Gemeinden Südwestdeutschlands zwischen Spätmittelalter und Dreißigjährigem Krieg, in: Paolo Prodi (Hg.), Glaube und Eid. Treueformeln, Glaubensbekenntnisse und Sozialdisziplinierung zwischen Mittelalter und Neuzeit, München 1993, S. 11–30, hier S. 24 f. Ebel, Urfehden, S. 74 Anm. 225 und S. 75 Anm. 229; Hubrich, Konfessioneller Eid, S. 11. Ebd., S. 12–15. Schaab, Eide, S. 25.
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dürfte auch die Rechtspraxis nicht unberührt geblieben sein: Es waren schließlich gerade humanistisch geschulte kaiserliche oder landesherrliche Beamte, welche mit der Ausarbeitung neuer Rechtsbücher und damit auch der Regelung von Eidesleistungen beauftragt wurden. Im Reichsstrafrecht wird dies schon früh deutlich.59 War im ersten Entwurf der kaiserlichen Halsgerichtsordnung von 152160 bei den Eiden für die Richter und Schöffen noch der Schwur auf Gott und die Heiligen vorgeschrieben worden, so ging man beim zweiten Entwurf von 1529 und ebenso bei der 1532 endgültig verabschiedeten Constitutio criminalis Carolina auf die Formel „Also helff mir Gott und die heiligen Evangelia“ über.61 Dieses Umdenken, das auch als Reaktion auf die zunehmende Verbreitung reformatorischer Lehren in den 1520er Jahren zurückgeführt werden kann, fand nicht überall statt: So listet etwa die kurkölnische Gerichtsordnung von 1538,62 die auch außerhalb des Erzstiftes Einfluss auf das Rechtswesen ausübte,63
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Heinrich Zoepfl (Hg.), Die Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karl’s V. nebst der Bamberger und der Brandenburger Halsgerichtsordnung sämtlich nach den ältesten Drucken und mit den Projecten der peinlichen Gerichtsordnung Kaiser Karl’s V. von den Jahren 1521 und 1529 beide zum erstenmale vollständig nach Handschriften herausgegeben, 2. Aufl. Leipzig und Heidelberg 1876. Hierzu auch Friedrich-Christian Schroeder, Die Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V. (Carolina) von 1532, in: ders. (Hg.), Die Carolina. Die Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V. von 1532, Darmstadt 1986, S. 305–337. Dieses Konzept geht im Wesentlichen auf die durch das römische Recht geprägte bambergische Halsgerichtsordnung von 1506 zurück. Vgl. die erste Spalte bei Zoepfl, Gerichtsordnung. Hauptautor der bambergischen Ordnung war der fränkische Ritter Johann von Schwarzenberg (1465–1528), der als Hofmeister und Verwalter des Hofgerichts dem bambergischen Bischof diente, sich allerdings selbst seine juristischen Kenntnisse autodidaktisch aneignete und vermutlich auch auf die Entstehung der kaiserlichen Halsgerichtsordnung wesentlich Einfluss ausübte. Zu diesem vgl. Erik Wolf, Johann Freiherr von Schwarzenberg, in: Schroeder, Carolina, S. 120–161, sowie Gerd Kleinheyer, Tradition und Reform der Constitutio criminalis Carolina, in: Peter Landau und Friedrich-Christian Schroeder (Hg.), Strafrecht, Strafprozess und Rezeption. Grundlagen, Entwicklung und Wirkung der Constitutio criminalis Carolina, Frankfurt/M. 1984, S. 7–27, hier S. 16 f., und Schroeder, Gerichtsordnung, S. 333–335. Vgl. Zoepfl, Gerichtsordnung, S. 10–15 (Art. II–V). Bei der Carolina findet sich die Schwurformel auch im Eid der Schreiber. Die Formulierung der Eidesformel im zweiten Entwurf ist leicht verändert („Als helf mir got, vnnd die heiligenn gotlichenn Euangelia“). Für die Ausarbeitung der Ordnung waren neben kaiserlichen Beamten auch Rechtsgelehrte der Reichsstände einbezogen worden. Es ist vorstellbar, dass die Änderung der Eidesformel auf das Wirken von humanistischen Gelehrten bzw. den durch lutherische Stände ausgeübten Druck zurückzuführen ist. Johannes Gropper (Bearb.), Des Erzstiffts Cöln Reformation dere weltlicher Gericht, Rechts und Pollicey, Köln 1538. Romeo Maurenbrecher, Die rheinpreußischen Landrechte, Bd. 1, Bonn 1830, S. 327. Insbesondere die spätere Gerichtsreform in Jülich-Berg fußte in großen Teilen auf dem Kölner Vorbild.
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für verschiedene Personengruppen zwar unterschiedliche Formeln auf, dies jedoch fast immer verbunden mit einer Anrufung der Heiligen.64 Insbesondere seit den 1550er Jahren – nach dem Scheitern der kaiserlichen Interimspolitik – kam die Frage des Umgangs mit der Eidesformel erneut auf. Als Kompromiss für die Sicherstellung der Eidesleistung am Reichskammergericht wurde die Wahl des Eides auf die Heiligen bzw. auf das Evangelium im Passauer Vertrag von 1552 zunächst freigestellt,65 während der Augsburger Reichsabschied von 1555 schließlich einheitlich den Schwur auf die heilige Schrift vorgab.66 Zur Begründung dieses Schrittes heißt es in § 107: „Und dann, dieweil beyderseits Religions-Verwandte an dem Kayserl. Cammer-Gericht anzunehmen, aber sich der ein Teil den gewöhnlichen Eyd in der Form zu Gott und den Heiligen zu schweren, beschwert, derowegen im Passauischen Vertrag die Form der Beysitzer und anderer Personen Eyd zu Gott und den Heiligen oder zu Gott und auf das Heilig Evangelium zu schweren, denen, so schweren sollen, frey gestellt, daß die Form des Eyds oder Juraments (allerhand ungereimtes, so aus diesen zwyspaltigen Formen am Kayserlichen Cammer-Gericht künfftiglich erfolgen möcht, zu vermeyden) auf ein gewisse Maaß, als nemlich auf Gott und das Heilig Evangelium zu stellen.“
Diese zunächst nur für die Beisitzer ausdrücklich geltende Regelung wirkte sich nach und nach auch auf andere Eide aus.67 In den Vereinigten Herzogtümern ging man noch einen Schritt weiter. Im Landrecht und in der Gerichtsordnung der Herzogtümer Jülich und Berg,68 die bereits 1554 ausgearbeitet und am 1. Oktober 1555 erstmals veröffentlicht worden waren, verzichtete man nicht nur vollkommen auf 64
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Vgl. Gropper, Reformation, Bl. 1r/v, 4v, 5v, 12r. Die Formeln lauteten dabei für Richter, Schöffen, Gerichtsschreiber und Zeugen „zu Got und den heiligen“ und für Vormünder „Als mir Got helff und die heyligen“. Lediglich bei den Klägern heißt es „Als mir Got helff“. Hubrich, Konfessioneller Eid, S. 12 f. Vgl. Arno Buschmann, Kaiser und Reich. Verfassungsgeschichte des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation vom Beginn des 12. Jahrhunderts bis zum Jahre 1806 in Dokumenten, 2. Aufl. Baden-Baden 1994, hier Bd. 1: Vom Wormser Konkordat 1122 bis zum Augsburger Reichsabschied von 1555, S. 215–283 (hier auch das folgende Zitat). Hubrich, Konfessioneller Eid, S. 13 f. Maurenbrecher, Landrechte, Bd. 1, S. 139–306. Die sogenannte Jülich-Bergische Rechts-Ordnung und Reformation wurde bis in das 18. Jahrhundert hinein mit nur wenigen Ergänzungen weiterhin publiziert. Der eigentliche Titel lautet: N.N., Des Durchleuchtigen Hochgebornen Fursten vnd Herrn / Herrn Wilhelms Hertzogen zu Gulich / Cleue vnnd Berg / Grauen zu der Marck vnnd Rauenßberg / Hern zu Rauenstein etc. Rechtsordnung vnd Reformation / sampt andern Constitutionen, Edicten vnd erklerungen etlicher felle / wie es in beiden irer F. G. Furstenthumben Gulich vnd Berggehalten / geurtheilt vnd erkandt werden soll […] (genannt ist hier die auch im Folgenden als „Rechtsordnung vnd Reformation 1565“ zitierte Ausgabe Düsseldorf 1565). Eine erste erweitere Revision erfolgte bereits 1556. Nachdrucke hiervon wurden 1557, 1562 und (inoffiziell) 1588 herausgegeben. Eine zweite, umfangreichere Revision erfolgte 1564. Diese Version wurde noch 1565, 1574, 1582, 1606, 1635, 1665, 1696 und 1751 nachgedruckt. Gültigkeit erlangte die Ordnung dabei nicht in allen Territorien der Herzöge, sondern sie blieb auf Jülich, Berg und (indirekt) auf Ravensberg beschränkt. Vgl. Maurenbrecher, Landrechte, Bd. 1, S. 116 f.
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eine Anrufung von Heiligen in den Eiden, sondern man begnügte sich mit einem Schwur allein auf Gott.69 Neben dem Vorbild der reichsrechtlichen Regelung dürften die spezifischen Verhältnisse in den Territorien Herzog Wilhelms V. für diese Form des Eides eine Rolle gespielt haben. Dabei flossen humanistisch geprägte heiligenkritische Ansichten, die vom Herzog und seinen mit der Ausarbeitung der Ordnung betrauten Räte geteilt wurden, ebenso mit ein wie das politische Kalkül, jedweden Dissens, den ein verpflichtender Eid auf Heilige für zwar offiziell nicht anerkannte, aber dennoch tolerierte lutherische oder reformierte Untertanen mit sich bringen konnte, von vornherein auszuschließen. Der Umgang mit dem Problem der Eidesformel gestaltete sich in Westfalen von Ort zu Ort unterschiedlich. In Soest, seit den 1530er Jahren überwiegend lutherisch, blieb der Verweis auf die Heiligen in vielen Eiden bis in die Mitte der 1560er Jahre bestehen.70 Tendenziell ist danach ein Wandel hin zur Erwähnung des ‚heiligen Evangeliums‘ bzw. ‚Wortes‘ zu verzeichnen, wobei die Formel auch vereinzelt in den 1520er und 30er Jahren71 sowie 154972 Verwendung gefunden hat. Auf der anderen Seite wurde, weil für spezifische Personengruppen kein aktualisierter Eid vorlag, noch gelegentlich nach 1570 auf Heilige Bezug genommen.73 In Münster, nach dem Sieg über die Täufer offiziell wieder katholisch, war bis in das 16. Jahrhundert hinein der Eid zu Gott und den Heiligen üblich,74 doch setzte auch hier in der zweiten 69
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Dies gilt insbesondere bei den Eiden von Richtern, Schöffen, Gerichtsschreibern, Prokuratoren, Gerichtsboten, Klägern und Beklagten sowie Vormündern. Vgl. Rechtsordnung vnd Reformation 1565, S. VI–IX, XXIII f., XLVII f. (Kap. 4–8, 23 und 47 f.), und auch Maurenbrecher, Landrechte, Bd. 1, S. 151–155, 171 und 193. Variationen liegen dagegen beim Zeugeneid vor. In Rechtsordnung vnd Reformation 1565, S. XXVI (Kap. 26), wurde der Eid auf Gott allein vorgeschrieben. Dagegen findet sich in der folgenden Ausgabe von 1574 (S. 23) die Formel „Als mir Gott helff, vnd sein heiligs Euangelium“, die damit nicht erst in den letzten Ausgaben von 1696 und 1751 erschien, wie Maurenbrecher, Landrechte, Bd. 1, S. 174, angemerkt hatte. Wenig wahrscheinlich ist, dass sich die in der Rechtsordnung von 1565 enthaltenen Eidesformeln (d. h. nach der zweite Revision) von den ersten Ausgaben (1555–1557 und 1562) unterschieden haben, da sich die gleichen Eide auch in der ravensbergischen Gerichtsordnung von 1556 finden lassen, auf die noch zurückzukommen sein wird. Wolf-Herbert Deus (Bearb.), Soester Recht. Eine Quellensammlung, Bd. 6: Eidesformeln, Soest 1978, Nr. 5135, 5140, 5149, 5397, 5399, 5404, 5405. Ebd., Nr. 5283. Ebd., Nr. 5398. Ebd., Nr. 5135 (noch 1581 und 1626), 5242 (Wächtereid, auch noch 1568 und 1571, da der neue Eid [Nr. 5243] erst 1574/75 abgefasst wurde), 5348 (Badereid in dieser Form noch 1656 geleistet). H[einrich] Offenberg (Bearb.), Das Eid- und Huldigungsbuch der Stadt Münster, in: Otto Hellinghaus (Hg.), Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Münster i. W., Bd. 1, Münster 1898, S. 271–321. Das Buch wurde vermutlich nach der Täuferzeit angefertigt, beinhaltet aber ältere Aufzeichnungen (Einleitung, S. 273 f.). Nicht bei allen 46 genannten Eiden unterschiedlicher Berufsgruppen sind Anrufungsformeln notiert, sofern sie allerdings vorkommen, musste zu „Gott und seine/die Heiligen“ geschworen werden. Lediglich der Eid des Bläsers vom Lambertiturm (S. 302 f. [Nr. 24]) sah nur die Anrufung Gottes vor.
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2. Die Einführung einer (un)konfessionellen Eidesformel
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Hälfte des Reformationsjahrhunderts bei einzelnen Berufsgruppen ein Wandel ein.75 Nicht nur in Eiden in der Bischofsstadt wurde vermehrt auf das Evangelium geschworen, auch landesherrliche bischöfliche Beamte wurden dazu im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts angehalten.76 Dies zeigt, dass eine Änderung der Eidesformel nicht zwangsläufig mit reformatorischen Prozessen einhergehen musste. In anderen Städten dagegen erfolgte eine Umstellung des Eides auf Gott und sein Evangelium teilweise lange vor und damit weitgehend unabhängig von reformatorischen Veränderungen. Es ist anzunehmen, dass die zuvor skizzierten rechtsreformerischen Maßnahmen auf Reichsebene und in den Territorien den Anstoß hierfür gaben und auch in den Kommunen die damit verbundenen Intentionen ähnlicher Natur waren – auch wenn die Beweggründe für solche Änderungen nicht überliefert sind.77 Ein solcher Wandel lässt sich gut in Essen beobachten. Hier wurde bei Urfehden – der eidlichen Anerkennung der Rechtmäßigkeit der erlittenen Haft oder gegebenenfalls Folter durch den in die Freiheit Entlassenen, verbunden mit dem Verzicht auf Vergeltung78 – vor dem Hallen- und Ratsgericht bis 1556 ausnahmslos „zu Gott und den Heiligen“ geschworen.79 Seit 1557 verschwand diese Eidesformel völlig aus den Urfehden – Jahre vor den eigentlichen Neuerungen im Kirchenwesen, mit denen die städtische Reformation eingeleitet wurde! Für die folgenden Urfehden wurde seitdem fast durchgehend die Formel „Gott und sein heiliges Evangelium“ verwendet.80 Diese Änderung beschränkte sich nicht auf die Urfehden allein, auch wenn sie hier am Deutlichsten zum Ausdruck kommt. Im Statuten- und Pachtbuch der Stadt Essen ist für das Jahr 1544 der Eid der Büchsenschmiede im Zuge der Erneuerung des Schmiedeamtes81 verzeichnet, der mit den Worten „so myr got helpe vnnd sine 75
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Für einzelne Berufsgruppen wurde auf die Formel „Gott und sein heiliges Evangelium“ bzw. „Gott und sein heiliges wort“ umgestellt. Eine genaue Datierung der neuen oder geänderten Eide für den Bläser vom Lambertiturm (ebd., Zusatz), den Accise-Schreiber (S. 312 f. [Nr. 42]), die Hebammen („Juramentum Obstetricis“, S. 315 [Nr. 44]), und den Marktmeister (S. 315 [Nr. 45]) gibt Offenberg zwar nicht an, doch dürfte dieser Wandel aus dieser Zeit stammen. Vgl. LAV NRW W, Ms. I 37, Bl. XXII–XXV. Dort finden sich die Eide auf das Evangelium für Rentmeister (1580), Drosten, Sekretäre, Landrentmeister und Kanzleisekretäre (jeweils 1581). Interessant wäre es, Veränderungen beim Bürgereid nachvollziehen zu können. Für Essen, Dortmund und Bielefeld ist dies allerdings nicht möglich, zumindest nicht für diese Zeit. Zur Urfehde und insbesondere zum hier betreffenden Typus der Hafturfehde vgl. Stefan Chr. Saar, Art. „Urfehde“, in: HRG 5 (1998), Sp. 562–570. Die Forschungen zum Urfehdewesen waren und sind weitestgehend auf das Mittelalter ausgerichtete Regionaloder Lokalstudien. Anzuführen seien hier – mit allgemeinen Überlegungen zur Urfehde – insbesondere die Arbeiten von Eibel, Urfehden, insb. S. 65–86, sowie Blauert, Urfehdewesen, hier bes. S. 75–89. StAE 100.337, bis Bl. 55v. Ebd., Bl. 55v ff. Zum Schmiedeamt vgl. Reichart, Alltagsleben, S. 106–110. Die Statuten des Amtes von 1621, die vollständig jene von 1544 enthalten, sind gedruckt bei Büscher, Statuten,
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hillygenn“ endete.82 Vermutlich zu einem späteren Zeitpunkt und von einem anderen Schreiber83 wurde das letzte Wort teilweise überschrieben, so dass der Eid nunmehr folgendermaßen endete: „so myr got helpe vnnd sine hillygh Euangeliu[m]“. In Dortmund84 scheint der Wandel in der Eidesformel bereits früher, aber weniger konsequent eingesetzt zu haben. Hauptquellen sind hier Richterbriefe, die bei der Bezeugung der rechtmäßigen Herkunft, von Aussagen oder auch von Todesfällen ausgestellt wurden. Die bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts überlieferte Eidesformel lautete etwa: „mit opgestreckten fyngeren lyflicken tho gode vnnd ouer dey hilligen gesworen“.85 Dieselbe Formel findet sich auch noch in den 1550er Jahren,86 wobei in dieser Zeit erstmals auch die neue Wendung „Gott und sein heiliges Evangelium“ nachweisbar ist.87 Jene Formel scheint zunächst jedoch nur sporadisch verwendet worden zu sein, da sie erst wieder 156788 und 157289 vorkommt. Weitaus häufiger war dagegen die Wendung „bei Gott und seinem heiligen Reich“, die in den 1550er und 60er Jahren mehrfach mit Variationen bezeugt ist.90 Während Luise von Winterfeld hierin bereits eine offene Äußerung der „Evangelischgesinnten“ sehen wollte,91 stellte Heinz Schilling diese Entwicklung zurückhaltender in den Kontext der parallel verlaufenden Phase einer städtischen ‚Via Media‘, ohne auszuschließen, dass in Einzelfällen tatsächlich „eine echt lutherische Grundhaltung dahinter stand“.92
82 83 84 85 86 87
88 89 90
91 92
S. 30–34. StAE 100.300 [ehem. Best. 227 Nr. 1], Bl. 192r. Die Schreibweise der Buchstaben e und g in „Euangeliu[m]“ weicht deutlich von der im übrigen Text ab. Vgl. hierzu von Winterfeld, Durchbruch, S. 83 mit Anm. 114. Die von Luise von Winterfeld aufgezählten und im Folgenden genannten Urkunden sind nicht mehr alle erhalten. Zitat StAD Best. 1, Nr. 10319 (1541 Februar 14). Im Wortlaut leicht abgewandelte Formeln finden sich in den Urkunden Nr. 10318, 10321, 10324 und 10328 (alle aus dem Jahr 1541) sowie 10347 (1543). StAD Best. 1, Nr. 10456 und 10463 (beide 1553). In ehemals drei Urkunden des Jahres 1551, nämlich StAD Best. 1, Nr. 10429 und 10434 (beide Urkunden verloren) sowie 10433. In der letztgenannten Urkunde, in der eine Geburtsmissbildung eidlich bezeugt wurde, heißt es wörtlich: „to Gott vnnd ouer synn hilgen Euangelia proevende“. StAD Best. 1, Nr. 10676 (Urkunde verloren). Rübel, Bürgerlisten, S. 89. Die erste nachweisbare Verwendung der Formel ist in das Jahr 1551 zu datieren (StAD Best. 1, Nr. 10428), als in einem Verleumdungsfall eine Aussage „by dem eide, so Er Gott vnnd dem hilgen Riche gedaenn“, bezeugt wurde. Der ähnliche Wortlaut wird sich einst auch in den verlorengegangenen Urkunden Nr. 10447 (1552), 10673 (1566) und 10677b (1567) gefunden haben. Noch erhalten ist dieser in den Urkunden Nr. 10552 (1557), 10674 (1567) und 10694 (1568). Auch im Gerichtsbuch der Stadt Dortmund aus den Jahren 1554 bis 1556 findet sich ein gleichlautender Eintrag (StAD Best. 202, Nr. II 14, fol. 14r), ebenso in einer Urkunde von 1560, die Anton Fahne, Die Herren und Freiherren von Hövel, 2 Bde., Köln 1856/60, hier Bd. 2, S. 106 (Nr. 123), ediert hat. So von Winterfeld, Durchbruch, S. 83. Schilling, Dortmund, S. 160 und 174.
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In Bielefeld dürfte eine Änderung der Formel ebenfalls in die 1550er Jahre fallen, wobei hiermit landesherrlichen Vorgaben entsprochen wurde. Die ravensbergischen Stände nahmen am 22. März 1556 die im Jahr zuvor publizierte Gerichtsordnung an, so dass sie im folgenden Jahr in Kraft treten konnte.93 Damit verbunden war eine Reform der Gogerichte,94 die in Schöffengerichte umgewandelt wurden und von denen nur noch drei in Versmold, Bielefeld und Herford bestehen bleiben sollten.95 Die Gerichtsordnung hatte sowohl Gültigkeit für die Gogerichte als auch für das Stadt- und Ratsgericht in Bielefeld.96 Die in der ravensbergischen Gerichtsordnung vorgeschriebenen Eidesformeln entsprechen denen des Landrechts für Jülich-Berg.97 Die Formel „Gott und sein heiliges Evangelium“, die im Laufe des 16. Jahrhunderts zunehmend ältere Formulierungen in Eiden ersetzte, ist nicht zwangsläufig als ein Indiz für evangelische Ansichten aufzufassen. Die im Reichsrecht, später auch in landesherrlichen Rechtsordnungen übliche neue Formel lässt sich nicht nur als ein Zugeständnis an protestantische Stände, sondern auch an heiligenkritische humanistische Kreise interpretieren. In diesem Sinne sollte auch die Rezeption dieses neuen Eides in Städten wie Essen und Dortmund nicht vorschnell in den reformatorischen Kontext gestellt werden, entspricht doch ein Verständnis, welches dem Evangelium einen höheren Stellenwert als den Heiligen einräumte, dem humanistischen Christentum, das in den Gelehrtenschulen im Mittelpunkt stand.
3. Neuerungen und Reformen im Kirchenwesen Eine zentrale Bedeutung kommt den Veränderungen und Neuerungen im Kirchenwesen zu, die mit der beginnenden Reformation einhergingen, deren Wurzeln aber weiter zurück reichen: So etwa kam das Problem des Laienkelches im Abendmahl bereits im 15. Jahrhundert auf, während es volkssprachige Kirchenlieder als Übersetzungen der traditionellen lateinischen Psalmen ebenfalls seit dem Spätmittelalter gab. Auch die Kritik an der Amtsführung des Klerus oder an der Ausuferung von Frömmigkeitspraktiken wie Prozessionen und Wallfahrten, Bilder- und Heiligenkulten sowie dem Bruderschaftswesen war nicht erst eine Mode des 16. Jahrhun-
93
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N.N., Von Gotteß gnaden / vnser Wilhelms Hertzogen zu Gulich / Cleue vnd Berge / Grauen zu der Marck vnd Rauensberg / Herrn zu Rauenstein / etc. Ordnung des gerichtlichen Proceß / wie es damit hinfurter inn vnser Graffschafft Rauenßberg gehaltenn werden soll / im Jar tausent fünfhondert vnnd sechsvndfünfftzig außgangen, Düsseldorf 1556 (im Folgenden RGO 1556). Vgl. hierzu Hugo Sauer, Die ravensbergischen Gogerichte und ihre Reform im 16. Jahrhundert, in: Jahresbericht des Historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg 24 (1910), S. 1–83. Ebd., S. 53. Ebd., S. 53 f. Vgl. auch RGO 1556, S. II („Van der Stadt oder Rhatsgericht zu Bileueldt“). Die in der RGO 1556 enthaltenen Eide galten für die Gorichter (S. V), die Schöffen (S. V f.), die Gerichtsschreiber (S. VII f.), die Gerichtsboten (S. VIII f.), Kläger und Beklagte (S. XXII f.) und schließlich die Zeugen (S. XXV).
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derts, sondern sie war schon lange verbreitet, insbesondere in humanistischen Kreisen, wo die Rückkehr zur urchristlichen Reinheit als zu erstrebendes Ideal galt. Dennoch ist das Auftreten Luthers und anderer Reformatoren als Wendepunkt zu werten. Die bisher oft nur vereinzelt oder durch bestimmte Gruppierungen geäußerten Forderungen wurden nun zu einem Reformprogramm zusammengefasst, das lautstark an die weltliche und kirchliche Obrigkeit herangetragen wurde. Dabei mussten nicht alle biblisch und urchristlich begründeten Änderungen, die angemahnt wurden, als dezidiert protestantisch verstanden werden. Im Folgenden werden Kontinuitäten und Neuerungen bei einigen Aspekten des Kirchenwesens in den Blick genommen.
a) Pfarr- und Predigeramt Der sich sowohl im theologischen Programm des Erasmus von Rotterdam wie auch in den Reformordnungen der Vereinigten Herzogtümer und Kurkölns findende Stellenwert, der dem Amt des Seelsorgers und Predigers zugeschrieben wurde, spiegelt sich auch in der Praxis vor Ort wider, gehörte doch die Forderung nach einem geeigneten und gut ausgebildeten Pastor zu den dringendsten Anliegen seitens der Bürgergemeinde, die an die Obrigkeit herangetragen wurden. Die Bedeutung eines qualifizierten und charismatischen Predigers für das Gemeinwesen zeigte sich schließlich sehr häufig auch dahingehend, dass es meist dieser war, der die konfessionelle Stimmung steuern, wenn nicht gar entscheiden konnte.98 Allerdings gestaltet sich die Bestimmung des religiösen Standpunktes eines Geistlichen oft problematisch, da für viele von ihnen – wie auch bei den Gelehrten in den Schulen, die manchmal ins Predigeramt wechselten99 – nur Fremdzuschreibungen erhalten sind. Die Art und Weise, wie sie die Predigt hielten oder die Sakramente verwalteten, diente daher meist als Indiz für ihre religiöse Positionierung. Doch, so muss gefragt werden, reicht es aus, wenn in (oft sehr viel später entstandenen) Berichten zu lesen ist, dass dieser oder jener „das Wort Gottes rein gepredigt“ oder sich etwa bei der Verwaltung der Sakramente „freier“ verhalten habe? Wie problematisch eine Vereinnahmung solcher Geistlicher zugunsten der lutherischen oder reformierten Lehre sein kann, zeigt das Beispiel Jakob Schöppers: Dieser wurde – aus ganz bestimmten Gründen – durch die Lutheraner als einer der Ihren betrachtet, wo doch allein das theologische Programm seiner Schriften diesen Anspruch ad absurdum führt. Zudem waren es nicht die Reformatoren allein, die von den Geistlichen eine bibelgetreue Predigt forderten. Die Kirchenpolitik Jülich-Kleve-Bergs 98 99
Zur Bedeutung der Prediger vgl. u. a. Ebrecht, Verlaufsformen, S. 38–46. Dieser Wechsel war im 16. Jahrhundert noch nicht so ausgeprägt wie im 17. Jahrhundert, als Rektoren- und Lehrerstellen eher als Sprungbrett betrachtet wurden, um ein besser bezahltes Predigeramt zu erhalten. Vgl. etwa für Lemgo Lena Krull, Lutherische Pfarrer in Lemgo. Kirche und Geistliche in einer konfessionalisierten Stadt des 17. Jahrhunderts, Münster 2009, S. 89 f.
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zeigt, dass sich katholische Landesherren nicht nur demselben Postulat anschlossen, sondern sich auch derselben ‚Sprache‘ bedienten. Zu Beginn des Reformationsjahrhunderts verfügte der Dortmunder Rat bereits über weitgehende Kontrollmöglichkeiten über den Pfarrklerus, insbesondere durch Provisorenschaften. Teilweise dienten die Pfründen vor allem patrizischen Familien als Versorgungsanstalten für Kinder und Verwandte, so dass die Kritik des späteren Predigers Johannes Heitfeld, dass die Patrizier Änderungen im Kirchenwesen aus eigennützigen Gründen ablehnten, nicht unberechtigt war.100 Dennoch versuchte der Rat im Laufe des 16. Jahrhunderts, die kommunale Kontrolle über den Klerus auszubauen, was teilweise zu Konflikten mit diesem führte, wobei sich der Rat trotzdem weiterhin in einer Mittlerposition zwischen der Geistlichkeit und der Gemeinde sah, die ihre Unzufriedenheit über den Klerus in den 1520er und 30er Jahren lautstark bekundete, ohne dass sich viel an der Besetzung der Pfründen änderte.101 Ein Wandel deutet sich in den darauffolgenden Jahren an: Anstelle der Pfarrer aus patrizischen Familien, denen eine Vernachlässigung des Seelsorgeamtes selbst von katholischer Seite vorgeworfen wurde, kamen in zunehmendem Maße Kandidaten der Gemeinheit in Amt und Würden, was allerdings keine konfessionellen Verschiebungen mit sich brachte.102 Insbesondere in den 1540er und 50er Jahren wurden die Pfarr- bzw. Predigerstellen durch eine Generation neuer Kleriker besetzt, die teilweise an der gerade gegründeten städtischen Schule ausgebildet worden waren oder mit dieser in Verbindung standen. So erhielt etwa Arnold Krawinckel, Sohn des 1542 verstorbenen Petripfarrers Johann Krawinckel, 1543 zunächst die Vikarie St. Peter und Paul an der Reinoldikirche, um wenig später Pfarrer im nahegelegenen märkischen Aplerbeck zu werden, wo er 1587 verstarb.103 Nach dem Tod Dietrich Swartes, Pfarrer an St. Reinoldi, 1545 konnte die Kirchspielsgemeinde mit der Unterstützung der Dreimänner, den Vorstehern des Vierundzwanzigerausschusses, durchsetzen, dass der Rat nicht etwa einem Kandidaten der patrizischen Junkerngesellschaft, dem amtierenden Petripfarrer Lambert Prume, seine Unterstützung zusicherte, sondern dem Wunsch der Gemeinde entsprach, wel100 101 102
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Der Brief aus dem Jahr 1561 lag Beurhaus noch vor. Die betreffende Stelle aus Beurhaus’ Annalen zitiert Döring, Lambach, S. 101. Vgl. oben Kap. 1. Der Austausch des Patriziers Tidemann von Wickede, der 1536 von seinem Pfarramt an St. Nikolai zurücktrat, durch den ‚bürgerlichen‘ Kandidaten Adam Ryß, der zuvor das Rektorat der Petrischule innegehabt hatte, war zunächst nur ein Einzelfall. In St. Reinoldi (Dietrich Swarte anstelle des 1538 verblichenen Lambert Brake) und St. Petri (Lambert Prume statt des 1542 verstorbenen Johannes Krawinckel) konnten die patrizischen Familien ihre Anwärter durchsetzen. Vgl. hierzu von Winterfeld, Durchbruch, S. 65–67 und 69. Weil die patrizischen Pfarrer die meiste Zeit jedoch in Köln residierten, steigerte sich der Unmut über die mangelhafte Amtsführung dieser Kleriker weiter. Sogar der katholische Chronist Westhoff (Chronik, S. 452) kritisierte den „mangel tuschen den preistern“ und das „bose regiment“ im Dortmunder Kirchwesen dieser Zeit. Zu seinem dortigen Wirken und der Bedeutung Aplerbecks für Dortmund vgl. unten S. 215 f.
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che die beiden Bürgersöhne Hermann Stockum und Johannes Lambach vorschlug. Der Chronist Westhoff charakterisierte Stockum, der seit 1526 die Marienpfarre verwaltete und zugleich ein Kanonikat an St. Gereon in Köln innehatte, als „eine ernsthaftige persone“, dem zugetraut wurde, den seit längerer Zeit andauernden „mangel tuschen den preistern und anders […] bose regiment“ abzuhelfen, damit „es solte beter im regiment werden“.104 Dass sich der Rat für den betagten Stockum entschied, zeigt einerseits, dass ihm mehr an einem Übergangskandidaten gelegen war, und andererseits, dass er kein Interesse daran hatte, Lambach als Rektor bereits nach so kurzer Zeit wieder zu verlieren. Sein Amt scheint Stockum weitgehend zur Zufriedenheit der Gemeinde geführt zu haben, wenn auch wohl eher im traditionell katholischem Sinne.105 Nachfolger im Amt des Marienpfarrers wurde der aus einer Erbsassenfamilie stammende Heinrich Degginck, dem als Prediger Jakob Schöpper zur Seite gestellt wurde, der dafür seine Stellung an der Petrikirche aufgab.106 Doch nicht nur die Stellvertreterstelle an St. Petri wurde neu vergeben, auch die Pfarrei selbst ging zeitgleich in andere Hände über, als Prume nach seiner erfolglosen Kandidatur an St. Reinoldi resignierte. Nachfolger wurde Hildebrand Otto, der selbst noch als Schüler die Dortmunder Schule besuchte und dort vermutlich theologisch dem Einfluss Schöppers unterworfen war. Damit waren 1546, während der Blütezeit der ‚Humanistenreform‘, den patrizischen Familien alle Pfarreien verloren gegangen.107 Ob sich dieser Wandel im Personal aber auch auf die Gestaltung des Gottesdienstes – etwa im Sinne der Theologie Schöppers – auswirkte, kann nur vermutet werden, da über die Amtsführung dieser neuen Generation kaum etwas bekannt ist. Die Verdrängung der Patrizier aus Amt und Würden hielt allerdings nur bis etwa Mitte der 1550er Jahre an. Nach dem Tod oder Weggang der ‚humanistischen‘ Amtsinhaber108 wurden die freiwerdenden Stellen teilweise wieder mit eher katholischkonservativen bzw. patrizischen Nachfolgern besetzt.109 In St. Marien folgte auf Schöpper mit Johannes Heitfeld allerdings ein Mann, der zwar an der Dortmunder 104 105
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Vgl. hierzu Westhoff, Chronik, S. 452 f. In den 1530er Jahren soll Stockum sich um eine Erneuerung des Heiligen- und Marienkults sowie der katholischen Gebete bemüht haben, indem er die Gläubigen mit der Erteilung von Ablässen lockte. Luise von Winterfeld zählte ihn zu den „konservativen Elementen, die mit aller Kraft versuchten, das Eindringen des neuen Geistes aufzuhalten“. Vgl. von Winterfeld, Durchbruch, S. 59. In seiner späteren Amtszeit beschreibt von Winterfeld ihn dagegen so: „Sicher war er friedfertig, denn er duldete die freieren Anschauungen, mit denen Schöpper immer offener hervortrat.“ (ebd., S. 78). Aufgrund der problematischen Charakterisierung Schöppers als relativ lutherfreundlich bei von Winterfeld hieße dies, dass auch Stockum gegenüber den Evangelischen aufgeschlossener gewesen wäre, wofür konkrete Hinweise allerdings fehlen. Ebd., S. 76 f. Ebd., S. 78 f. Schöpper starb 1554, Stockum im Jahr darauf. Ryß trat von seinem Amt 1554 zurück, während Otto sich 1555 in Köln immatrikulieren ließ. Nikolaus Glasemecker 1554 als Nachfolger von Rys an St. Nikolai verließ die Stadt bereits 1555. In Reinoldi übernahm mit Albert Klepping ein katholischer Patrizier und Günstling des Bürgermeisters Hildebrand Berswordt das Pastorenamt; er musste je-
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Schule ausgebildet worden war, mit den dort vertretenen theologischen Ansichten jedoch brach.110 Seine kurze, von neuen Spannungen begleitete Amtszeit war zwar nur eine Episode, doch deutete sich mit Heitfeld bereits ein Wandel an, von dem nicht nur die Schule, sondern nach und nach auch die Kirchen betroffen waren. Angeblich soll sich zuerst der Pfarrer der Marienkirche der lutherischen Lehre zugewandt haben, dem sukzessive auch der übrige Pfarrklerus folgte. Als letzter katholischer Pfarrer verblieb Nikolaus Glasemecker in der Nikolaikirche, der zuletzt als Offizial auch den Dekan von Mariengraden in Dortmund vertrat. Luise von Winterfeld charakterisiert ihn als einen Mann, der es sich „weder mit den Katholiken, noch mit den Lutheranern verderben“ wollte,111 bei dem sich also ein eindeutiges konfessionelles Bewusstsein noch nicht entwickelt hatte. Er soll zwar selbst an Eheschließungen – auch von lutherischen Geistlichen – teilgenommen, gleichzeitig aber die Messe gemäß dem katholischen Ritus gelesen haben. Die Vorsteher des Vierundzwanzigerausschusses beklagten 1572, dass Glasemecker „noch dagelich und alle daige in syner Khercken die papistische miß, iren godtlosen canon als vor ein offer der levendigen und der doden dvet gebruikenn und holden“. Vom Rat forderten sie, „das ehr sulcke godtlosicheit abschaffen und christlich andern moge und sich aller daege de andern drein kerspelen in der religion gemeiß holden moge“.112 Dieses „fleißiges supplicieren etzlicher kirspelsverwanten“ gegenüber dem Rat führte allerdings erst 1579, ein Jahr vor Glasemeckers Tod, zum Erfolg, so dass auch in der vierten Pfarrkirche „der Gotts dienst […] reformiret“ werden konnte.113 Über den Klerus der beiden Essener Stadtkirchen im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts ist wenig bekannt. Als Pastor der Johanniskirche ist lediglich ein Konrad Becker überliefert, der um 1523 (oder 1543) gestorben sein soll.114 In St. Gertruden hatte 1522 der seit mindestens 1514 amtierende Seelsorger Patroclus Theveren zugunsten der Kanoniker auf die Rechte und Einkünfte eines Pfarrers verzichtet, so dass alle folgenden Seelsorger rechtlich nur noch als Vizekuraten berufen wurden, obwohl sie weiterhin meist als „pastores“ bezeichnet wurden.115 In den frühen 1530er Jahren soll ein Prediger und Lehrer, Georg Tuber,116 in Essen gewohnt haben, welcher „der Lehre Lutheri zugethan“ gewesen sei und viele Kinder unterrichtet habe. Demnach lernten diese „Luthers teusche Gesänge“ und versammelten sich „des Sonntags hauffenweiß auf dem neuen Kirchhof“, wo sie „solche Lieder zu ungemeiner Ergötzlichkeit vieler herzulauffenden Bürger und
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doch nach vier Jahren 1559 resignieren und wechselte in den Rat, wurde später allerdings der erste lutherische Bürgermeister der Stadt. Vgl. ebd., S. 86 f. Zur Person vgl. Rollius, Memoriae Tremonienses, S. 35–37, und August Döring, Art. „Heydfeld, Johann“, in: ADB 12 (1880), S. 356 f. Vgl. auch unten S. 214. Zitat von Winterfeld, Durchbruch, S. 103. Dreimannsbuch, zitiert ebd., S. 105 Anm. 185. Eintrag im Bruderschaftsbuch der Nikolaibruderschaft: LkAB Best. 10, Nr. 488, fol. 28r. Franz Arens, Die beiden Kapitel des Stiftes Essen, in: BeitrE 14 (1894), S. 101–164, hier S. 163. Vgl. oben Teil I, Anm. 219. Dazu auch Arens, Kapitel, S. 125 und 160. Der Vorname ist unsicher. Er findet sich nur in einer viel späteren Sekundärquelle.
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Bürgerinnen“ sangen. Dies habe den katholischen Klerus erzürnt, so dass sie Herzog Johann III. drängten, Tuber aus der Stadt auszuweisen, was dieser schließlich angeordnet habe.117 Inwieweit diese ‚legendenhafte‘ Erzählung aus späterer Zeit einen wahren Kern enthält, ist unsicher.118 Zumindest scheint der Herzog tatsächlich eingegriffen zu haben, vielleicht in Zusammenhang mit der Visitation von 1533.119 Wie eng sich der Essener Rat an den Landesherren von Jülich-Kleve-Berg anschloss, wird daran ersichtlich, dass er die Kirchenordnung des Herzogs von 1532 übernahm. Dies wird nicht in einem Dokument des Rates überliefert, sondern in der bereits erwähnten Berufungsurkunde für den Priester Johann Steinhuis 1538:120 Ihm wurde durch das Kanonikerkapitel nämlich aufgetragen, dass er auf „die reformatio des Fürsten von Jülich-Cleve, welche von den Oberen der Stadt Essen angenommen sei“, ein Auge haben solle. Vielleicht übernahm das Stift bald selbst die Kirchenordnung, als die Äbtissin 1540 dem Herzog die Vogtei über das Stift bestätigte.121 Vorrangiges Ziel des Rates scheint es zumindest gewesen zu sein, sich durch die Anlehnung an den Herzog „der Obrigkeit der Äbtissin zu entziehen“122 und unter einer eher lockeren Herrschaft des Fürsten die städtische Handlungsfreiheit auszubauen. Zu Steinhuis’ Amtsführung gibt es nur wenige Hinweise: Ein Zeuge erinnerte sich Jahrzehnte später, dass Steinhuis „den Kirchendienst wie dazumall gebreuchlich gewesen“ verrichtet habe.123 Ein anderer, der sehr betagte Heinrich Scholle, der sogar noch Theveren kannte, gab an, dass jener – wie auch seine Nachfolger – den Gottesdienst „mitt Lateinisch[en] Missen Mettenn, verspern na papistischer weise“ verrichtet habe.124 Soweit die wenigen Quellen eine Aussage zulassen, scheint Steinhuis ebenso wie die folgenden Pastoren, die nach den turbulenten Ereignissen des Jahres 1543125 ihr Amt an St. Gertruden antraten, ein gutes Verhältnis zur Gemeinde gepflegt und große Anerkennung genossen zu haben. So soll er wie Albert Esken (1543–1547) und Hermann Weißmann (1547–1558)126 zu Zugeständnissen gegen117
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Diese Darstellung der Ereignisse aus der Feder des späteren Rektors der Stadtschule Johann Heinrich Zopf (1732) soll auf Aufzeichnungen des katholischen Geistlichen Adolf Zimmermann (vgl. oben Teil I, Anm. 159) beruhen. Abgedruckt ist diese bei Grevel, Anfang, Tl. 2, S. 99 f. Vgl. Müller, Reformation, S. 34. Kritisch hinsichtlich der Anwesenheit von Visitatoren in der Stadt ebd., S. 37. Schaefer/Arens, Urkunden, S. 170 f. (Nr. 315). Hier auch das folgende Zitat. In der lateinischen Originalurkunde (MAE A 315, Bl. 1v) heißt es: „reformationem Illustris principis Clevensis Julie etc. ducis per superiores oppidi assindensis in sua forma etiam acceptata“. Vgl. oben Teil I, Anm. 187. Zitat Müller, Reformation, S. 37. LAV NRW R, RKG, E 589, Bd. 4, fol. 582r (Frage 117); Aussage von Johann Sanders. StAE 100.103, fol. 161r. Vgl. oben Kap. 1. Der auch Wischmann oder Wissmann geschriebene Geistliche, dessen Vater Ratsherr in Essen war, diente zuvor als Vikar im märkischen Hattingen, wo sein Bruder Erasmus der erste evangelische Prediger gewesen sein soll. Sein anderer Bruder Georg sei, so Müller, Reformation, S. 83, als Essener Bürgermeister (seit 1561) „ein eifriger Verfechter der lutherischen Lehre“ gewesen.
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über der Gemeinde bereit gewesen sein, etwa in Fragen des Abendmahls, was auch die Kanoniker mitgetragen haben sollen.127 In der Zeit des Interims war der Stadtrechnung von 1548/49 zufolge der Erste Bürgermeister der Stadt, Heinrich von Aachen – eine für die Reformationsgeschichte maßgebliche Persönlichkeit – in Dortmund, und zwar „vm des predykanten wyllen“.128 Da der Rat weder das Recht hatte, einen eigenen Prediger zu bestellen, noch dieses bisher beansprucht hatte, kann damit nicht gemeint sein, dass sich der Bürgermeister auf die Suche nach einem neuen Prediger in die benachbarte Reichsstadt begab. Es ist wahrscheinlicher, dass man sich in Dortmund einen Rat bezüglich des Verhaltens im Interim einholen oder sich erkundigen wollte, wie in Dortmund die Geistlichen ihren Dienst verrichteten.129 Heinrich Saldenberg, der das Seelsorgeramt an St. Gertruden 1558 übernahm, spaltete schließlich die Bürgerschaft. Der um 1535 im märkischen Herbede geborene Saldenberg130 wurde bereits mit 23 Jahren Pastor, wobei ihn der Essener Rat selbst der Äbtissin empfohlen haben soll.131 Die Zugeständnisse, die seine Vorgänger mit Billigung des Stiftes gemacht hatten, scheint er zurückgenommen zu haben, so dass es ab 1561 zum Streit zwischen ihm, der vom Stift unterstützt wurde, und der Gemeinde kam, für die sich bald der Rat einsetzte.132 Noch zu Beginn der Auseinandersetzungen bat Saldenberg am 8. Dezember 1561 den Rat – der Saldenberg vielleicht selbst dazu überredet hatte133 – und die Vierundzwanziger, ihm einen „frommen gelehrten Prädikanten“ zur Seite zu stellen, der an seiner Stelle in der Gertrudenkirche predigen sollte.134 Der Rat hatte dabei Heinrich Barenbroich135 im Sinn, einen aus Kempen am Niederrhein stammenden Geistlichen, der zu jener Zeit eine Pfarrstelle im pfälzischen Bacharach aufgegeben hatte und Anfang 1562 ursprünglich eine Predigerstelle in Kastellaun (Zweibrücken) antreten sollte. Zu diesem hatte der Bürgermeister Heinrich von Aachen schon länger Kontakt, so dass man sich an ihn wandte 127 128 129 130 131
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Vgl. unten Kap. 3 b). StAE 100.928, fol. 19r. So ungefähr auch Müller, Reformation, S. 63. Zu seiner Person vgl. ebd., S. 168–174. Sein Bruder Johann soll in ihrem Heimatort zwischen 1540 und 1550 die Reformation eingeführt haben. Das gaben zumindest zwei von der Äbtissin berufene Zeugen zu Protokoll: StAE 100.106, fol. 121r (Aussage des Notars Godfriedt Tutmann): „[…] daß ein ehrsahm Rath von Essen bey den herren dechant und Capittul specialiter vor herr henrichen Saldenberg intercedirt, daß er zum pastor zu Sanct Gertruden uff und angenomm[en] werden mögte […]“. Auch Saldenberg selbst sagte aus (ebd., fol. 121v–122r), dass er durch die Bürger selbst vorgeschlagen worden sei: „Es sey aber wahr daß der bürgermeister Christophel Bade neben etlichen Rathsverwandten vier und zwantzigsten und baumeisteren eine Vorbitt ahn dechant und Canonichen für ihnen Zeugen [=Saldenberg] der Zeitt gethan wie die kirch Anno 58 vacired […]“. Vgl. unten Kap. 3 b) und c). So Müller, Reformation, S. 169. StAE 100.2231, Bl. 2. Zu diesem vgl. Müller, Reformation, bes. S. 99–123; Albert Rosenkranz, Heinrich Barenbroch, in: BeitrE 78 (1962), S. 18–69; Peter Bockmühl-Odenkirchen, Zur Vorgeschichte des Essener Reformators Heinrich Berenbroch von Kempen, in: Monatshefte für Rheinische Kirchengeschichte 3 (1909), S. 301–307.
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– doch zunächst vergeblich. Erst im Frühjahr 1563, nachdem die Berufung eines anderen Predigers auch aufgrund des eskalierenden Streites mit dem Stift nicht gelang, konnte sich der Essener Rat Barenbroich zeitweilig leihen. Obwohl dieser bis 1572 immer nur für wenige Wochen oder Monate in Essen predigte, gelang es, Saldenberg dauerhaft aus der Gertrudenkirche auszuschließen. Der Stadt war es zunächst zwar nicht vollständig möglich, die Rechte an der Gertrudenkirche zu usurpieren, die Äbtissin und das Stift verloren allerdings an Einfluss. Ihren Platz nahm nunmehr der Herzog von Jülich-Kleve-Berg ein, der den Essenern ihre Prediger verordnete. In Kenntnis der Situation bemühte sich der Landesherr jedoch nicht um katholische Kleriker, sondern gestand den Bürgern protestantische Geistliche zu, wenngleich sich manche von ihnen als Reformierte herausstellten und mit dem streng lutherischen Barenbroich aneinandergerieten.136 Nahezu die einzige Quelle zu den Pastoren in Bielefeld ist Hamelmanns Reformationsgeschichte, deren Angaben von der gesamten Bielefelder Stadt- und Kirchengeschichtsschreibung nahezu kritiklos übernommen worden sind. Einer der wenigen anderen Hinweise zu Bielefelder Geistlichen ist das Visitationsprotokoll von 1533: Besonders der Altstadtpfarrer Antonius Molitor oder Müller wurde von den Visitatoren gelobt, da er selbst predigte und „ziemlich geschickt“ sei. Zudem besaß er einige Bücher, neben der Bibel auch Werke des Erasmus. Der befragte Magistrat hatte nur Lob für ihn übrig: Er sei fromm, gelehrt, „eines erbarn wandels“ und halte sich an die im Jahr zuvor verabschiedete Kirchenordnung, genauso wie sein Kaplan. Weniger günstig wurde der Neustadtpastor Albertus Hoiffsmidt durch die Visitatoren beurteilt, nämlich als „nit fast geschickt“, während der Rat keine Unterschiede zu Molitor erkennen wollte. Auch der Dechant des Stifts konnte an beiden Pfarrern nichts aussetzen, wohl aber an deren Kaplänen. Dabei stand das Stift selbst in der Kritik, hatten doch fünf Kanoniker Konkubinen und Kinder, während ein anderer als besonders streitsüchtig galt.137 Nach Hamelmann begann die Reformation in Bielefeld in den frühen 1540er Jahren. Dabei führt er an, dass Molitor zusammen mit seinem Kaplan, den er Hermann Barlage nennt und der viele Jahre lang „päpstliche Mißbräuche“ getadelt haben soll, „strenue et fortiter evangelii doctrinam propagarunt“, also „tüchtig und tatkräftig die Lehre des Evangeliums verbreitet“ habe.138 Außer die Darstellung Hamelmanns gibt es keine weiteren Hinweise dafür, dass sich Molitor – der 1545 den Herzog darum bat, im Tausch gegen eine Vikarie von seinem Amt entbunden zu werden, wenn es sein Alter erfordere139 – tatsächlich innerhalb von rund zehn Jahren zum Lutheraner gewandelt hat. Dasselbe gilt für Hamelmanns Angaben zu anderen Bielefelder Geistlichen: Während Barlage infolge des Interims unfreiwillig zum „Papsttum“ zu136 137 138 139
Vgl. hierzu Müller, Reformation, bes. S. 134–164, sowie Ribbeck, Geschichte II. Schmidt, Protokolle, S. 138–140. Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 230; Peters, Aus Hamelmanns Historia, S. 59. Beide sollen zudem die Sakramente rein verwaltet und einige deutsche Psalmen rezitiert haben. LAV NRW W, Ms. VII 3101, Bd. 4, fol. 103v–104r.
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rückgekehrt sein soll,140 habe Molitors Nachfolger Jodokus Hanebom um 1551/52 „den päpstlichen Gottesdienst ein wenig“ vollzogen, sich dann aber mehr der lutherischen Lehre angepasst.141 Über den Neustadtpastor Thomas Eltz berichtet Hamelmann schließlich, dass dieser auf Empfehlung einiger Ratsherren die Lehre des Evangeliums rein gepredigt, deutsch gesungen und den Laienkelch ausgeteilt habe, sich zurzeit des Interims den entsprechenden landesherrlichen Vorgaben jedoch gebeugt habe.142 Dabei darf allerdings eines nicht außer Acht gelassen werden, worauf auch schon Biermann hingewiesen hat: Hamelmanns Darstellung seiner eigenen Amtszeit zeichnet ein geradezu „idyllisches Bild […] einer weitgehend störungsfrei wachsenden evangelischen Gemeinde in Bielefeld unter seiner Führung“.143 Seine ‚Selbstglorifizierung‘ als – im Gegensatz zu seinen Vorgängern – erfolgreicher Reformator Bielefelds bildet geradewegs einen Kontrast zu seinem eher unrühmlichen Weggang aus Kamen wenige Monate zuvor, wo er sein lutherisches ‚coming-out‘ gehabt haben will.144 Es ist allerdings fraglich, ob Hamelmann zur Jahreswende 1553/54 bereits so konfessionell gefestigt war, wie er es selbst im Rückblick vorgibt. Wahrscheinlicher ist, dass er sich noch in einem Selbstfindungsprozess befand;145 dies würde einerseits erklären helfen, wie es Hamelmann gelingen konnte, nach seiner Verdrängung aus der Grafschaft Mark nur wenig später eine Stellung in einem anderen Territorium desselben Landesherrn zu erhalten, und andererseits, wieso er bereit war, sich auf die ganz und gar nicht lutherische herzogliche Kirchenordnung einzulassen. Hamelmann wurde seinen Angaben zufolge auf Empfehlung des Osnabrücker Pastors Heinrich Horstmar und nach einer Probepredigt im August 1554 durch das Stift in der Bielefelder Neustadt zum neuen Pastor und Nachfolger des verstorbenen Eltz berufen. Aus seinem Anstellungsvertrag gibt Hamelmann den zentralen Passus an. Demnach war er dafür verantwortlich,
140 141 142 143 144
145
Peters, Aus Hamelmanns Historia, S. 59. Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 230–232; Peters, Aus Hamelmanns Historia, S. 59 f. Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 232 f.; Peters, Aus Hamelmanns Historia, S. 60 f. Biermann, Hamelmann, S. 47. Nach seiner eigenen Darstellung war er nur kurze Zeit vorher vom katholischen Glauben abgefallen und hatte sich der Lehre Luthers verschrieben. Hamelmann, der sich zunächst als Anhänger des Interims bezeichnete (Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 201), gab weiter an, dass er bereits während seiner Tätigkeit als Vikar in Münster durch das Studium verschiedener Schriften Zweifel an seinem katholischen Glauben bekommen habe („dupitare coepi“, ebd., S. 202). Nachdem er nach Kamen ging und sich dort in seine Studien vertiefte, habe er eingesehen, dass die katholische Lehre falsch sei, und sich an Trinitatis 1553 öffentlich zur (lutherischen) ‚Wahrheit‘ bekannt, was seine unmittelbare Entlassung zur Folge hatte (ebd., S. 204). Anzumerken ist allerdings, dass Hamelmann diese Darstellung erst Ende der 1560er Jahre niederschrieb. Egbert Thiemann, Die Theologie Hamelmanns, Bielefeld 1959, S. 16.
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„das Wort Gottes rein [zu] predigen […], die Sakramente nach der Einsetzung Christi und nach der Weise der Apostel treu und gewissenhaft zu verwalten und immer dafür Sorge zu tragen, daß er keine Zwietracht verursache […], nicht falschen Eifer wirr in die Kirche hineintrage“.146
Bei den Ausführungen zur Predigt wurde ausdrücklich auf die klevische Kirchenordnung („ordinatio principis“) Bezug genommen: „Es steht nämlich in der Ordnung im ersten Abschnitt, daß rein und unverfälscht das Wort Gottes überall gepredigt werden solle.“147 Die Klausel zur Predigt entspricht den Vorgaben der herzoglichen Kirchenpolitik, und tatsächlich will Hamelmann dieser zunächst gefolgt sein: Seinen eigenen Bekundungen zufolge habe er die Predigten „überlegt und ruhig“ mit Verweisen auf die Schrift und die Kirchenväter gehalten, „über den Nutzen frommer Werke“ gesprochen und „am Anfang die Mißbräuche der Päpstlichen“ nur sehr gemäßigt getadelt.148 Somit hätte sich Hamelmann in der Tat weitgehend an die Empfehlungen in der „Declaratio“ hinsichtlich des Predigens gehalten.149 Allerdings: Da die gesamten Ausführungen zu Bielefeld das eigene Handeln rechtfertigen sollten, muss man in Betracht ziehen, dass sich Hamelmann hier gezielt als friedfertig und Opfer der späteren ‚Verleumdungen‘ seiner Gegner präsentieren wollte. Auf eine bewusste Instrumentalisierung seiner Ausführungen zum Zweck seiner eigenen Rehabilitation deutet auch die Umdatierung seines Rechtfertigungsschreibens150 an den herzoglichen Rat Johann von Vlatten, in welchem er seine theologischen Ansichten und seine Interpretation der Kirchenordnung darzulegen hatte: Dieses verfasste er nämlich nicht erst nach seiner öffentlichen Kritik an der Fronleichnamsprozession vom 13. Juni 1555,151 die schließlich zu seiner Entlassung führte, sondern bereits im Frühjahr.152 Seine Interpretation der klevischen Kirchenordnung in diesem Schreiben zeigt keine irenisch-kompromissbereite Einstellung, sondern führt seine rein
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Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 233 f.; Peters, Aus Hamelmanns Historia, S. 61. Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 234; Peters, Aus Hamelmanns Historia, S. 61. Gemeint ist eigentlich der zweite Artikel der Kirchenordnung bzw. der „Declaratio“, vgl. Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 1, S. 247 (Nr. 240) und 264 f. (Nr. 249). Vgl. auch oben S. 81–84. Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 234; Peters, Aus Hamelmanns Historia, S. 62. Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 1, S. 264–267 (Nr. 249). Die Schrift trägt den Titel „Über das richtige und fromme Verständnis der Kirchenordnung des Fürsten von Jülich“ („De principis Juliaci ordinatione ecclesiastica recte et pie intelligenda“). Vgl. Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 239–250; Peters, Aus Hamelmanns Historia, S. 67–79. Vgl. unten S. 249 f. Biermann, Hamelmann, S. 48. Dieser vermutet, dass Hamelmann die Auseinandersetzung um die Fronleichnamsprozession als Grund für seine Entlassung hervorheben und frühere Konflikte mit Gegnern in den Hintergrund treten lassen wollte. Dies hätte nämlich gezeigt, dass er sich schon länger nicht mehr gemäß der Kirchenordnung verhielt.
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lutherischen Ansichten vor Augen, weshalb er gemäß der Ordnung untragbar geworden war.153 Hamelmanns Nachfolger Johannes Kirchhoff scheint sich dagegen eher der Kirchenordnung angepasst zu haben – so ließen sich zumindest die abfälligen Bemerkungen Hamelmanns zu ihm als eines „gewandten, listigen und geistreichen und der Habsucht ergebenen Mann[es]“ interpretieren. Seine Formulierung, Kirchhoff habe „auf zwei Stühlen“ gesessen und „sich allen anpassen“ können („duabus potuit sedere sellis seque accomodare omnibus“), spricht dafür.154 „In der Predigt erschien er als Evangelischer, im Chorraum war er Papist“:155 Gepredigt habe Kirchhoff also gemäß der Bibel – wie es die Kirchenordnung vorsah –, die Messe dagegen habe er in traditioneller Weise vollzogen – was auch der herzoglichen Ordnung entsprach. Diese Einschätzung stimmt mit einem Schreiben des Stiftes an die herzoglichen Räte vom 13. Juli 1558 überein, in welchem das Kapitel – über den Pfarrer befragt – antwortete, „derselbe sei gutes lebensweges und reiner lher“.156 Im Unterschied zu Hamelmann wurde Kirchhoff vom Stift also nicht als ‚Häretiker‘ charakterisiert, sondern als weiterhin katholisch. Erst um 1567, als in den Herzogtümern die Ausarbeitung einer neuen Kirchenordnung vorbereitet werden sollte, habe auch Kirchhoff, der zum Dekan des Stifts aufgestiegen war, begonnen, „einige päpstliche Mißbräuche abzuschaffen und andere Übungen an ihre Stelle zu setzen“.157 Damit habe sich Kirchhoff „offen als echter Evangelischer in der Predigt wie bei den kirchlichen Exerzitien“ gezeigt.158 Insgesamt lässt die Quellenlage nur eine sehr begrenzte Beurteilung der Amtstätigkeit des Pfarrklerus in den drei Städten zu. In Dortmund scheint es analog zur Blütephase einer ‚Humanistenreform‘ an der neuen Stadtschule auch zu einer Umbesetzung der Pfarrämter gekommen zu sein. Die seit dem Mittelalter häufig amtierenden patrizischen Familien wurden zugunsten einer an der Schule herangezogenen neuen Bildungselite aus den wichtigsten kirchlichen Positionen verdrängt. Ob dies Auswirkungen auf die Gestaltung von Predigt und Gottesdienst hatte, ob sich die neuen Amtsinhaber etwa an Jakob Schöpper orientierten, lässt sich nur vermuten. Nach einem Intermezzo von katholischen bzw. patrizischen Pfarrern in der zweiten Hälfte der 1550er Jahre setzte innerhalb des Weltklerus in den 1560er Jahren ein Wandel ein, der schließlich zur weitgehenden Evangelisierung der Geistlichen 153
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Dies wird insbesondere am Ende deutlich, als er offen bekennt, dass man die Ordnung nicht „richtiger und angemessener erklären“ könne, „als es von mir geschehen ist“. Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 250; Peters, Aus Hamelmanns Historia, S. 78 f. Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 274 f.; Peters, Aus Hamelmanns Historia, S. 104. Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 275; Peters, Aus Hamelmanns Historia, S. 104: „In concione videbatur evangelicus, in choro erat papista“. LAV NRW W, Ms. VII 3101, Bd. 9, fol. 182r–183v, hier fol. 183r (auch zitiert bei Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 275 Anm. 1). Ebd., S. 275; Peters, Aus Hamelmanns Historia, S. 105. Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 275 Anm. a; Peters, Aus Hamelmanns Historia, S. 105 Anm. 114.
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führte. In Essen war die Amtstätigkeit der Pastoren möglicherweise der klevischen Kirchenordnung unterworfen, die vom Rat in den 1530er Jahren übernommen worden war und an die sich später vielleicht auch das Stift hielt. Darauf deuten Zugeständnisse an die Bürger etwa in der Frage des Laienkelchs. Mit der Berufung des neuen Pastors Saldenberg 1558 nahmen allerdings die Konflikte wieder zu, weil die früheren Konzessionen anscheinend durch die Kanoniker widerrufen worden sind. Dies führte schließlich zur Verdrängung Saldenbergs aus der Gertrudenkirche und zur Okkupation dieses Gotteshauses durch den Rat, der seit 1563 dort evangelische Geistliche predigen ließ. Auch in Bielefeld war die Amtsführung des Klerus eng an die Einhaltung der herzoglichen Kirchenordnung geknüpft. Inwieweit sich diese Bindung in den 1540er Jahren auflöste, hängt nicht zuletzt davon ab, welchen Wahrheitsgehalt man der Darstellung der Geschehnisse durch den späteren Prediger Hamelmann einräumen möchte. Die behauptete Einhaltung der Vorschriften der Kirchenordnung durch Hamelmann selbst als Prediger an der Neustadtkirche ist kritisch zu hinterfragen; dagegen deutet Hamelmanns Kritik an seinen Nachfolger Kirchhoff eher darauf hin, dass sich dieser den landesherrlichen Vorgaben größtenteils gebeugt hat.
b) Der Laienkelch im Abendmahl Das Abendmahl nahm in den theologischen Auseinandersetzungen zwischen, aber auch innerhalb der sich ausbildenden Konfessionen eine zentrale Stellung ein.159 Umstritten waren dabei insbesondere drei Aspekte: erstens die Gestaltung der Feier, zweitens das Wesen von Brot und Wein, drittens die Frage, ob auch den Laien der Kelch gereicht werden sollte. Die Inszenierung der Eucharistiefeier als Mittelpunkt der gesamten Messe spielte in der mittelalterlichen und frühneuzeitlich-katholischen Kirche eine große Rolle: Der Gemeinde wurde das Wunder der Wandlung von Brot und Wein in Fleisch und Blut Christi durch Gesten und Worte vor Augen geführt, den eigentlichen ‚Akt‘ der Transsubstantiation konnten die Laien – allein aufgrund der Abwendung des Priesters von der Gemeinde – allerdings nicht wahrnehmen. Im Unterschied zur bisherigen Messfeier verschob sich die Gewichtung innerhalb des protestantischen Gottesdienstes hin zum Hören des Wortes in der Predigt. Dies bedeutete nicht, dass das Abendmahl völlig an Bedeutung einbüßte, im Gegenteil. Die Austeilung von Brot und Wein nach der Einsetzung Christi gehörte auch weiterhin zu den unverzichtbaren Bestandteilen des lutherischen oder reformierten Abend159
Zum mittelalterlichen Abendmahlsverständnis vgl. Erwin Iserloh, Art. „Abendmahl III/2. Mittelalter“, in: TRE 1 (1995), S. 89–106; zum Wandel im 16. Jahrhundert siehe Joachim Staedtke und Erwin Iserloh, Art. „Abendmahl III/3. Reformationszeit“, in: ebd., S. 106–131; hinsichtlich der mittelalterlichen Abendmahlsfeier sei verwiesen auf Hans Bernhard Meyer, Art. „Abendmahlsfeier II. Mittelalter“, in: ebd., S. 278– 287; zu den Veränderungen in Folge der Reformation Alfred Niebergall, Art. „Abendmahlsfeier III. 16. bis 19. Jahrhundert, in: ebd., S. 287–310. Hier auch jeweils weiterführende Literatur.
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mahls, auch wenn zwischen beiden theologische Differenzen hinsichtlich der realen Präsenz Christi in der Feier existierten. Aufgrund der eingeschränkten Quellenüberlieferung zur gottesdienstlichen Praxis in Dortmund, Essen und Bielefeld kann im Folgenden nur auf das Problem des Laienkelches eingegangen werden. Die Reichung des Abendmahls in Form von Brot und Wein an die Gemeinde ist in der Vergangenheit oft als ein Hauptindiz für einen Erfolg der Reformation interpretiert worden. Vom protestantischen Standpunkt aus ist dies rückblickend betrachtet naheliegend, obwohl selbst für Luther das Abendmahl unter beider Gestalt bis in die Mitte der 1520er Jahre keineswegs den Stellenwert eingenommen hatte, den es nach und nach erhalten sollte.160 Auch die römische Kirche war in dieser Sache so eindeutig nicht: Zwar hatte sie 1415 auf dem Konzil von Konstanz – als Maßnahme gegen die Anhänger von Jan Hus – den Laienkelch untersagt, im Laufe des 15. und frühen 16. Jahrhunderts wurde dieses Verbot jedoch nach und nach aufgeweicht.161 So gab es durchaus Befürworter für eine Rückkehr zur Abendmahlspraxis, wie sie der Bibel zufolge durch Christus selbst eingesetzt worden war, allein schon, um einen Bruch innerhalb der Kirche abzuwenden. Denn für viele katholische Theologen galt diese Frage nur als ein disziplinäres und kein dogmatisches Problem, so dass selbst die Kurie zeitweise über ein Einlenken nachdachte.162 Auch der Kaiser gab sich im Interim 1548 in dieser Angelegenheit – und in der der Priesterehe – kompromissbereit, als es um die Einräumung von Konzessionen an die Protestanten nach dem kaiserlichen Sieg im Schmalkaldischen Krieg ging.163 Doch spätestens mit dem Konzil von Trient sprach sich die katholische Kirche offiziell eindeutig gegen die Kelchkommunion aus, um sich von den evangelischen Gemeinschaften scharf abzugrenzen.164 In der Praxis hieß das jedoch nicht, dass in katholischen Kirchen den Laien zwangsläufig nur die Hostie gereicht wurde: Aufgrund der zögernden Umsetzung der Konzilsbeschlüsse war in einigen offiziell katholischen Regionen die Kelchkommunion bis in das 17. Jahrhundert üblich.165 160
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Franzen, Kelchbewegung, S. 7. Im Gegensatz zur Laienkelchfrage ging der Streit um Opfercharakter und Transsubstantiation um dogmatische Dinge – ein Kompromiss war hier nicht zu erreichen. Da die Realpräsenz (die Gegenwart Christi beim Abendmahl) auch von Luther anerkannt wurde, gab es hier keine Differenzen zur katholischen Kirche. Dagegen lehnte die zwinglianisch-reformierte Abendmahlstheologie, die ein eher symbolisches Kommunionsverständnis vertrat, die Realpräsenz ab. So wurde etwa den Hussiten nach den kriegerischen Auseinandersetzungen, die der Verbrennung von Jan Hus in Konstanz gefolgt waren, zwischen 1433/36 und 1462 auch offiziell die Kelchkommunion zugestanden, wobei die Hussiten anerkennen mussten, dass auch die ‚communio sub una specie‘ ausreichend sei. Vgl. ebd., 6 f. Vgl. hierzu zusammenfassend ebd., S. 10 f. Schorn-Schütte, Interim. Zum Konzil von Trient und den dort gefassten Beschlüssen vgl. Josef Wohlmuth (Hg.), Konzilien der Neuzeit, Zürich 2002. Vgl. auch Franzen, Kelchbewegung, S. 11 f. Die Visitation von Salentin von Isenburg 1569 in Kurköln ergab etwa, dass im Hochstift die Kelchkommunion hinsichtlich der Zahl der Gemeinden weit weniger verbreitet war als im Vest Recklinghausen (vgl. Schröer, Erneuerung, Bd. 1, S. 204–206). Besonders groß war die Forderung nach dem Laienkelch im Stiftsadel. Ein ähnliches
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Die Forderung nach dem Laienkelch unter den Gläubigen in Dortmund, Essen und Bielefeld kam zu unterschiedlichen Zeitpunkten auf. Es ist wahrscheinlich, dass mehrere Faktoren das Verlangen nach der Kelchkommunion unter den Laien begünstigten, wie etwa Flugschriften, Kontakte der Kaufleute in evangelische Städte oder das zeitweise Wirken von Prädikanten.166 Die Austeilung der Kommunion unter beider Gestalt scheint bei den drei Städten zuerst in Bielefeld erfolgt zu sein. Anhaltspunkt dafür ist die herzogliche Visitation in der Grafschaft Ravensberg im Jahr 1533. Dabei gab der Dechant des Neustadtstiftes167 zu Protokoll, „daß der capellan in der alden statt etliche under bider gestalt communicirt sult haven“.168 Sollte tatsächlich bereits in einem gewissen Rahmen der Laienkelch ausgeteilt worden sein, so war Bielefeld in der Grafschaft Ravensberg nicht der einzige Ort, in dem die Kelchkommunion bereits praktiziert wurde. Auch in Rödinghausen war es der Kaplan und nicht der Pfarrer, der denen, die es begehrten, das Abendmahl in beider Gestalt reichte, was nicht nur die Gemeinde, sondern auch der Kaplan selbst gegenüber den Visitatoren zugab.169 Doch weder im Fall Bielefeld noch Rödinghausen hatte dies Konsequenzen für die ordentlich berufenen Kleriker, die im Übrigen angaben, sich gemäß der Kirchenordnung verhalten zu haben. Anstoß an der Austeilung des Laienkelchs nahmen die Visitatoren und der Herzog nicht: In den Überlegungen hinsichtlich der Behebung der festgestellten Missstände kommt Rödinghausen nicht vor, und auch in Bielefeld stand die Amtsführung der Kapläne nicht zur Diskussion.170 Im Gegensatz dazu wurde ein hartes Eingreifen im Fall des Kirchspiels Valdorf im Amt Vlotho angemahnt, wo ebenfalls das Abendmahl nach Verlangen ‚sub utraque‘ gereicht wurde, was dazu führte, dass das Kirchspiel „es gemeinlich all in
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Bild ergab auch die Visitation 1575 im Hochstift Paderborn (ebd., S. 168). Woanders versuchte die geistliche Obrigkeit dagegen, Forderungen nach dem Laienkelch durch die Reichung des nicht konsekrierten Ablutionsweins aus dem Wege zu gehen. Für Beispiele im Niederstift Münster vgl. Schubert, Norm, S. 202 f. Eine frühe Existenz von lutherischen Flugschriften lässt sich – wenngleich nicht völlig eindeutig – nur für Dortmund belegen (Voss, Chronik, fol. 12r), sie kann aber auch für Essen und Bielefeld nicht ausgeschlossen werden. Über den Faktor Handel ist für diese drei Städte im Gegensatz etwa zu Soest (Rademacher, Annales, S. 183 f.) wenig bekannt. Aus den Essener Zeugenaussagen der 1580er Jahre ist allerdings zu entnehmen, dass beispielsweise der Kontakt zu dem späteren Prediger Barenbroich hauptsächlich durch Handelsbeziehungen des Bürgermeisters Heinrich von Aachen in die Pfalz zustande kam. Die kurzzeitige Anwesenheit lutherischer Prediger vor der eigentlichen Reformation in den behandelten drei Städten ist dagegen zumindest für Essen bezeugt. Hier soll u. a. der sächsische Hofprediger Friedrich Myconius 1527 und 1534 Predigten gehalten haben, als er den sächsischen Kurprinzen bzw. Kurfürsten nach Kleve begleitete. Über deren Inhalt ist nichts bekannt, allzu antikatholisch dürften diese mit Rücksicht auf den Herzog aber nicht gewesen sein. Vgl. Müller, Reformation, S. 33 f. Dieser scheint sein Wissen lediglich vom Hörensagen gehabt zu haben. Die Aussage ist im Kontext seiner Klage gegen die Kapläne an den Stadtkirchen zu sehen: Diesen warf er vor, tradionelle Bräuche missachtet oder kritisiert zu haben. Dagegen sei ihr Lebenswandel aber nicht zu bemängeln. Vgl. Schmidt, Protokoll, S. 140. Ebd. Ebd., S. 160. Ebd., S. 168.
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sulcher gestalt“ empfangen habe.171 Für die Visitatoren stellte nicht so sehr die Praxis der Kelchkommunion eine Missachtung der herzoglichen Vorgaben dar, sondern die Art und Weise, wie der örtliche Pfarrer zu seinem Amt gekommen war: Bernhardus Christiani, ein ehemaliger Mönch aus Herford, wurde nämlich im Widerspruch zur rechtlichen Zuständigkeit der Klöster Loccum und Vlotho172 nach der Vertreibung des bisherigen Pfarrers durch den Amtmann und das Kirchspiel eigenmächtig eingesetzt. Dies allein begründete ein scharfes Vorgehen der herzoglichen Beamten gegen den Amtsinhaber, da seine Berufung dem ersten Artikel der Kirchenordnung bzw. der „Declaratio“ zuwider erfolgt war.173 Aus diesem Grund wird in dem Konzept der herzoglichen Räte weder auf die Amtsführung Christianis noch die Kelchkommunion in Valdorf Bezug genommen: Christiani und sein Kaplan sollten ihre Stellung allein aufgrund ihrer rechtswidrigen Einsetzung verlieren.174 Neben der Aussage des Bielefelder Dechanten über den frühen Beginn der Kelchkommunion berichtet auch Hamelmann rückblickend, dass in Bielefeld der Laienkelch ausgeteilt worden sei. Ihm zufolge geschah dies allerdings erst 1542/43, und zwar nicht nur durch den Kaplan Hermann Barlage, sondern auch durch den Pfarrer der Altstadtgemeinde, Antonius Molitor.175 Vielleicht hatte auch die jülichsche Kanzlei die Praxis der Kelchkommunion in Bielefeld im Sinn, als sie am 22. August 1548, knapp zwei Monate nach dem Inkrafttreten des Interims, einen Vermerk über festgestellte kirchliche Neuerungen in den herzoglichen Territorien verfasste und bemerkte, dass „zu Hervorden, Bileveldt und in der ganze[n] grafschaft Ravensberg vil neuwerung furgenomen“ worden seien.176 Der Laienkelch bereitete dem Herzog und seinen Räte theologisch keine Schwierigkeiten: Persönlich kommunizierte Wilhelm V. schon seit einigen Jahren unter beider Gestalt und hatte dieses Recht 1545 171 172 173
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Ebd., S. 162. Der Abt von Loccum verfügte über das Kollationsrecht, dem Kloster Vlotho war dagegen die Pfarrkirche inkorporiert. Die anklagende Aussage des Klosters Vlotho über die Amtsführung Christianis (Schmidt, Protokoll, S. 162 f.), dem u. a. vorgeworfen wurde, gegen sie gepredigt und die Gemeinde aufgehetzt, das Sakrament verworfen und in neuartiger Weise getauft zu haben, war daher im Grunde überflüssig. Weitgehend bestätigt wurde die Aussage durch die Stellungnahme des zuständigen Amt- und Rentmeisters, ebd., S. 167. Ebd., S. 169. Die zuständige geistliche Behörde (der Abt von Loccum) sollte „einen andern geschickten, frommen, ehrbarlichen Pastor“ ernennen, „damit m. g. H. Ordnung gehalten“ werde. Auch nach der wahrscheinlichen Entlassung Christianis berichtete der Vlothoer Amtmann dem Herzog, dass der neue (namentlich nicht genannte) Pastor von Valdorf sich ebenfalls nicht wirklich an die Ordnung halte. Zudem wurden auch die Mönche des Klosters Vlotho kritisiert. Vgl. LAV NRW W, Ms. VII 3101, Bd. 3, fol. 120r/v und 386v (um 1536), sowie Bd. 4, fol. 254r/v (1546). Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 230 (= Peters, Aus Hamelmanns Historia, S. 59), schreibt, dass beide „die Sakramente rein verwaltet“ hätten („sacramenta administrarunt pure“), was vom lutherischen Standpunkt des Autors identisch mit der ‚communio sub utraque‘ ist. Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 1, S. 332 (Nr. 293). Im Gegensatz zu Orten in anderen Territorien werden die festgestellten Neuerungen in Ravensberg nicht genauer erläutert.
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auch der Stadt Wesel eingeräumt. Er war ebenso bereit, die ‚communio sub utraque‘ dann zuzulassen, sollten Gewissensgründe geltend gemacht werden.177 Auch wenn das Interim für den Herzog als katholischen Landesherrn rechtlich nicht bindend war, so scheint dieser die darin eingeräumten Zugeständnisse an die Evangelischen, Laienkelch und Priesterehe, dennoch für seine Territorien übernommen zu haben, so etwa in Jülich.178 Im August 1549 schickte Wilhelm V. seine Räte nach Bielefeld, um die Stadt aufzufordern, „das die ingeschliffene Nuwerung abgestelt und in allwege der Key. Majestät Reformation und Interim, auch hochgedachtes Ires gn. Hern Ordenung gehorsamlich nachgesetzet werde“.179 Folgt man Hamelmann, so blieb die Kelchkommunion auch unter Molitors Nachfolger, Jodokus Hanebom, ununterbrochen in Gebrauch, während der Gottesdienst selbst bis 1551/52 wieder der katholischen Form angepasst wurde.180 Ob der Laienkelch auch in der Neustadtkirche durch den aus Osnabrück stammenden Pastor Thomas Eltz (Hamelmanns Vorgänger) in dieser Zeit ausgeteilt wurde, ist weniger eindeutig zu belegen. Hamelmann zufolge wurde Eltz zwar dazu durch den Drosten Matthias von Aldenbochum und einige Ratsherren ermuntert, ob er dem jedoch nachgekommen ist, darüber lässt sich Hamelmann nicht aus.181 Zumindest Hamelmann selbst scheint laut seinem eigenen Zeugnis vertraglich ermächtigt worden zu sein, „die Sakramente nach der Einsetzung Christi und nach der Weise der Apostel […] zu verwalten“,182 das heißt seinem Standpunkt zufolge ‚sub utraque‘. Dem Zeugnis Hamelmanns nach kam es zwar aufgrund seines Amtsverständnisses und der unterschiedlichen Auffassung hinsichtlich des außergottesdienstlichen Umgangs mit dem Sakrament183 zum Bruch, möglich ist jedoch, dass 177 178
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So zunächst die „1. Notel“ von 1545 als auch die Denkschrift des Kanzlers Gogreve vom 7. August 1548. Vgl. oben S. 86. Im Oktober 1549 forderte der Herzog den jülichschen Landdechanten auf, dass sich dieser und die dortigen Pfarrer „dem interim und daruf gefolgter keiserlicher reformation in allen puncten sollten gemeess halten“ (Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 1, S. 338 [Nr. 299]). Im Mai des folgenden Jahres gab der Herzog dem jülichschen Landschreiber Wilhelm Adami und dem Sekretär Franz Pylman Anweisungen für Verhandlungen mit den Amtleuten des Herzogtums. Im Punkt 11 heißt es: „Ob sie sich auch halden nach kei. Mat. ordnung und resolution genant das Interim, wilche das reich bewilligt, derglichen auch nach meins g. h. her vaders loblicher gedechtnis ordnong.“ (Ebd, Bd. 2.1, S. 8 [Nr. 3]). Gemeint ist die Kirchenordnung von 1532. LAV NRW W, Ms. VII 3101, Bd. 5, fol. 13v–15r (auch teilweise gedruckt bei Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 230 f. Anm. 5). Ihm waren nämlich Gerüchte zu Ohren gekommen, dass in Bielefeld weit umfangreichere Neuerungen im Gottesdienst erfolgt waren, als durch das Interim und die herzogliche Kirchenordnung erlaubt war. Sowohl der Rat als auch das Kapitel beteuerten allerdings, sich nach dem Interim zu richten. Siehe Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 230–232 mit Anm. a auf S. 232; Peters, Aus Hamelmanns Historia, S. 59 f. mit Anm. 15. Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 232 f.; Peters, Aus Hamelmanns Historia, S. 60 f. Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 234; Peters, Aus Hamelmanns Historia, S. 61. Vgl. unten S. 249 f.
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ebenso die Austeilung des Laienkelchs an die Gemeinde zur Entlassung des Predigers beigetragen hat. Hamelmanns Nachfolger als Pastor der Neustadtkirche wurde der von seinem Vorgänger stark krisitierte Johannes Kirchhoff. Vielleicht ist Hamelmanns Bemerkung, dass Kirchhoff im Chorraum als Papist aufgetreten sei, während er andererseits evangelisch gepredigt habe,184 in dem Sinne zu verstehen, dass jener in der Neustadtkirche offiziell zur Praxis der ‚communio sub una specie‘ zurückgekehrt sei. Bis 1566/67 scheinen die Verhältnisse jedoch offengehalten worden zu sein. Erst als die Ausarbeitung einer neuen Kirchenordnung in Angriff genommen wurde, soll Kirchhoff, der nach dem Tod des bisherigen Dechanten des Stiftes dessen Amt übernommen hatte, auch nach außen hin lutherisch aufgetreten sein und damit begonnen haben, „einige päpstliche Mißbräuche abzuschaffen und andere Übungen an ihre Stelle zu setzen“.185 Spätestens seit dieser Zeit dürfte sich auch die ‚communio sub utraque‘ in der Neustadtkirche durchgesetzt haben. Die Art und Weise, wie ein solcher Übergang nach Hamelmann zustande kam, zeigt, dass die zuständige Obrigkeit (hier der Landesherr und das Stift) bestrebt war, die Kontrolle über das Kirchwesen gegenüber weitergehenden Forderungen seitens einer – vielleicht nur in Teilen lutherischen – Bürgergemeinde zu verteidigen. Dabei war man auch zu Zugeständnissen bereit, die sich aber noch im Rahmen der gültigen Kirchenordnung bzw. der aktuellen Kirchenpolitik bewegten. Dagegen wird die Rolle des Rates und der Gemeinde nicht ganz so klar. Teilweise scheint in ihren Reihen der Wunsch nach dem Laienkelch verbreitet gewesen zu sein. Es lässt sich jedoch kaum entscheiden, ob ihre Beweggründe der lutherischen Auffassung entsprachen, wovon Hamelmann auszugehen scheint, oder ob sie einem überkonfessionellen Denken geschuldet waren. Besonders offensiv hat die Gemeinde ihre Sache allerdings nicht vertreten, denn nach Hamelmanns Entlassung begnügte man sich dem Vernehmen nach mit Kirchhoff und unterließ weiterreichende Forderungen. In Essen wurde der Laienkelch erstmals vermutlich um 1540 ausgeteilt. Einer Zeugenaussage aus den 1580er Jahren zufolge soll der zwischen 1538 und 1543 amtierende Pastor der Gertrudenkirche, Johann Steinhuis von Siegen, auf Verlangen die Kommunion unter beider Gestalt erteilt haben.186 Bei der Berufung eines neuen Pfarrers, Hermann Weißmann, an die Gertrudenkirche durch die Stiftskanoniker heißt es in der am 28. Februar 1547 ausgestellten Urkunde, dass dieser für den Kommunionwein auch der Laien („pro infirmis quam sanis“) aufzukommen habe, und zwar zumindest an den vier Hochfesten und anderen Heiligenfesten.187 Es scheint 184 185 186 187
„In concione videbatur evangelicus, in choro erat papista“. Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 275; Peters, Aus Hamelmanns Historia, S. 104. Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 275; Peters, Aus Hamelmanns Historia, S. 105 (hier das Zitat). So die Aussage des ehemaligen Rats der Äbtissin, des Adligen Johann von Sevenar, aus dem Jahr 1587 (StAE, 100.103, fol. 232r). Schaefer/Arens, Urkunden, S. 182 (Nr. 342): „onera […] vini tam pro infirmis quam sanis in quattuor principalibus festivitatibus et alias communicantibus […] sustinere“. Die im Münsterarchiv Essen, A 342, aufbewahrte Urkunde ist zu großen Teilen nicht mehr lesbar.
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also so gewesen zu sein, dass in Essen die klerikale Obrigkeit eine wenn auch eingeschränkte Möglichkeit zur Kelchkommunion einräumte. Ein solches Vorgehen war in geistlichen Territorien Westfalens nicht gerade üblich, auch wenn der Laienkelch im Vergleich zu weitergehenden reformatorischen Forderungen und Neuerungen mancherorts als das kleinere Übel zumindest zeitweise geduldet wurde.188 Es ist zu vermuten, dass die Kirchenpolitik der Vereinigten Herzogtümer in Essen als Vorbild für die Entscheidung des Stiftskapitels herangezogen wurde: Gerade in jenen Jahren erwog der herzogliche Hof die Freistellung des Laienkelchs unter gewissen Voraussetzungen, um die öffentliche Ruhe wiederherzustellen. Die Berufungsurkunde für Weißmann ist nicht der einzige Anhaltspunkt für eine durch das Stift zugestandene und zumindest teilweise umgesetzte Praxis der Abendmahlsausteilung unter beider Gestalt. Weitgehend bestätigt wird der Wortlaut der Urkunde durch spätere Aussagen von Zeugen. So gab der Essener Kaufmann Heinrich Verver, der damals die Stiftsschule besucht hatte, 1590 an, dass er gehört habe, „das herr herman Wissman auch den Ihienigen die es begert, das nachtmahl Christi vnder beder gestallt gegeben vnnd außgetheilt haben soll“.189 Doch nicht nur in der Gertrudenkirche, sondern auch in St. Johannis wurde der Laienkelch den Gläubigen auf Verlangen gereicht, und das scheinbar sogar noch nach der Einführung des lutherischen Gottesdienstes in St. Gertruden. So sagte der Kaufmann Marß Lammerts 1587 aus, dass in seiner Pfarrkirche St. Johannis „alle zeidt […] das Sacrament des Leibs vnnd Bluts Christi in beider gestalt gereichett werde, alß in S. Gertrud“.190 Die Berufungsurkunde sowie die Zeugenaussagen bestätigen, dass in Essen zumindest in den 1540er und 50er Jahren hinsichtlich der Form der Abendmahlsausteilung die Kelchkommunion neben der traditionellen Praxis der ‚communio sub una specie‘ bestand, ganz im Einklang mit der klevischen Kirchenpolitik dieser Zeit. Nach dem Tod Weißmanns 1558 scheint dessen Nachfolger an der Gertrudenkirche, Heinrich Saldenberg, das Abendmahl zunächst nur unter einer Gestalt aus188
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In Münster erlaubte etwa die 1553 verabschiedete Gottesdienstordnung den bereits im Interim zugestandenen Laienkelch sowie die Priesterehe. Diese Regelung blieb so lange in Kraft, bis mit dem münsterischen Fürstbischof Ernst von Bayern schrittweise mit der Umsetzung der Beschlüsse von Trient begonnen wurde. Vgl. Hsia, Gesellschaft, S. 98. Andernorts wurden dagegen hart gegen die Austeilung des Laienkelchs eingeschritten, etwa in der Bischofsstadt Paderborn: Als 1577 der Propst der Gaukirche St. Ulrich angesichts einer bereits starken lutherischen Bewegung in der Gemeinde und des Amtsantritts des neuen Bischofs Heinrich von Sachsen-Lauenburg, der selbst zum Luthertum neigte, das Abendmahl unter beider Gestalt persönlich austeilte, wurde dieser sofort vom Domkapitel gemaßregelt und musste wieder zur traditionellen Form der Kommunion zurückkehren. Vgl. Karl Hengst, Geschichte der Pfarrei St. Ulrich, in: Hans Jürgen Brandt und Karl Hengst (Hg.), Die Gaukirche St. Ulrich in Paderborn 1183–1983, Paderborn 1983, S. 11–88, hier S. 27. Auch der an der Paderborner Busdorfkirche tätige Geistliche Gerlach Bolswinge soll heimlich den Laienkelch gereicht haben. Vgl. ders., Geschichte der Pfarrei im Busdorfstift, in: Hans Jürgen Brandt und Karl Hengst (Hg.), Die Busdorfkirche St. Petrus und Andreas in Paderborn 1036–1986, Paderborn 1986, S. 13–105, hier S. 33. StAE 100.105, fol. 279v (Antwort auf Frage 117). LAV NRW R, RKG E 589, Bd. 4, fol. 78r (Antwort auf Frage 134).
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geteilt zu haben.191 Warum sonst sollte die Gemeinde zu Ostern 1562 lautstark von Saldenberg den Laienkelch fordern, dessen Reichung er ablehnte?192 Sofort nahm sich der Essener Rat dem Begehren der Gertrudengemeinde an und wandte sich an den Herzog als Schutzherrn der Stadt, um ihm die Beweggründe für die Forderung der Gemeinde darzulegen:193 Bisher habe man die Forderungen seitens der Bürger nach der Abstellung von kirchlichen Missständen unter Verweis auf eine zu erwartende Entscheidung durch ein „allgemein christlich künftiges Concilium oder Reichstag, oder dass E. F. G. einen andren christlichen Weg gnädiglich bedenken und fürstellen werde“, stets zurückgewiesen. Nunmehr hätten die Bürger den Rat in Sorge um „unser aller Seelen Heil und Seligkeit“ um die Genehmigung des Laienkelchs gebeten, wobei sie argumentierten, dass dieser sowohl im Reich als auch „von E. F. G. in Ihren Landen und mehr Oertren gnädlich verhängt und freigelassen“ sei. Der Rat machte gegenüber dem Herzog deutlich, dass er dem Wunsch der Bürger zwar durchaus gewogen sei, da das Begehren seiner Ansicht nach „göttlichem Wort und Frieden gemäss“ wäre, allerdings habe er um Geduld gebeten, was dazu geführt habe, dass sich viele aus dem Rat und der Bürgerschaft der Abendmahlsausteilung gänzlich enthielten. Er hoffe daher auf eine Entscheidung des Herzogs zugunsten der Stadt, da dies auch die Gefahr mindern würde, dass Sekten und Schwärmer weiteren Zulauf erhalten würden. Außerdem verwahrte sich der Rat gegen Vorwürfe, dass die Bürger irgendwelchen Sekten anhängig seien, denn sie befolgten „nu […] insgemein die wahren Bekenntnisse und Religion unsres allgemeinen christlichen Glaubens“. Denn in der betont friedlichen Bitte der Bürger könne der Rat nichts erkennen, was zur Spaltung der Kirche beitragen würde. Seiner Ansicht nach stünden die berechtigten Forderungen durchaus im Einklang mit der herzoglichen Kirchenordnung. Die Unmutsäußerungen der Bürger und die Einmischung des Rates alarmierten die Äbtissin Irmgard von Diepholz und die Kanoniker. Einigen Zeugen des Stiftes und dem Chronisten Kaufmann zufolgen resultierte die Konfrontation mit dem Stift nicht so sehr der Sache wegen, also der Austeilung des Laienkelchs, sondern aufgrund des eigenmächtigen Vorgehens der Stadt: So soll Irmgard von Diepholz befürchtet haben, dass Bürgerschaft und Rat ihr noch mehr Zugeständnisse abverlangen, die Kontrolle über die Gertrudenkirche übernehmen und die obrigkeitliche Stellung der Äbtissin infrage stellen könnten.194 Das Stift erwirkte daher einerseits 191
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Dem widerspricht allerdings die Zeugenaussage Johanns von Sevenar, der angab, er selbst habe „etzliche mall d[as] nachtmall, nach des herren Christi einsetzung vonn ime [Saldenberg, C. H.] recht empfang[en] wie ers dann auch also viel and[ere] gegebenn vnnd noch heutt zu tage, denjenigen so es vonn Ime beg[ern], dermassen vnd[er] baid[er] gestalt außtheile“. StAE 100.103, fol. 232r. Kaufmann, Chronik, S. 268 f. Brief vom 1. Juli 1562 (StAE 100.2246, fol. 1r–3v). Dieser ist auch gedruckt bei Wächtler, Urkunden, S. 108–111. Dies kommt etwa in der Formulierung einer Frage an die Zeugen des Stifts im Abschnitt „Sonder interrogatoria“ zum Ausdruck, ob diese zustimmen würden, dass „bürgermeister und Rath zu Essen in der Statt Essen Neuerung der regalien ohn und gegen ihrer fürst[lichen] Gn[aden] der abdissinn[en] ihrer landtsfürstinnen und ihres
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durch den Kölner Offizial ein Strafmandat gegen die Stadt, welches die Austeilung des Laienkelchs verbot,195 und erreichte andererseits, dass sich auch der Kaiser196 und der Herzog197 gegen die Essener Bürger wandten. Dass die Laienkelchfrage in Essen zu dieser Zeit nicht so sehr als ein theologisches Problem, sondern vielmehr als Teil der Auseinandersetzungen über die rechtliche Stellung von Stadt und Stift verstanden wurde, zeigte sich in den folgenden Jahren. Es war nicht nur die Form des Abendmahls, die zur Diskussion stand: Seit Weihnachten 1560 mussten die Äbtissin und die Kanoniker annehmen, dass die Bürger immer mehr der lutherischen Sache zuneigten. Dies offenbarte sich in einem ganzen Bündel von bereits vollzogenen bzw. beabsichtigten Neuerungen, wie etwa der Einführung deutscher Psalmen198 oder die Anstellung eines Gehilfen für Saldenberg durch den Rat.199 Ablehnend reagierte die Äbtissin auf das Gesuch des Rates um die Zulassung der Kelchkommunion im März 1563 mit der Begründung, dass sie sowohl die Beschlüsse des Trienter Konzils abwarten als auch Rücksicht auf den Kaiser nehmen müsse.200 Allerdings, so hat Müller betont, war diese Antwort „nicht so sehr aus innerer Überzeugung gegen die städtischen Neuerungen in der Religi-
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Capituls consens und Willen eigens mutwillens den religions und landfrieden stracks zuwieder vermeßentlich eingefürt“ hätten. StAE 100.106, fol. 272r. Ähnlich auch die Interpretation bei Kaufmann, Chronik, S. 274. Vgl. ferner Müller, Reformation, S. 85 f. Hierauf verwies der Rat im o. g. Brief, fol. 2r/v, wobei er die Rechtmäßigkeit dieses Vorgangs infrage stellte, da die Stadt aufgrund der ihr verliehenen kaiserlichen Privilegien nicht der Verfügungsgewalt des Kölner Erzbischofs unterworfen sei. Ferner sei das Mandat nur aus Missgunst einiger Gegner aus dem Stiftskapitel („die vielleicht nicht weit von uns gesessen“) zustande gekommen. Durch das kaiserliche Mandat vom 3. April 1563 wurde die Stadt zum Gehorsam gegenüber der Äbtissin aufgefordert und ihr jegliche Neuerungen verboten. Vgl. Müller, Reformation, S. 87 und 104 f. In Reaktion auf das Schreiben vom 1. Juli 1562 hatte Wilhelm V. zunächst versucht, sich aus dem Streit herauszuhalten, da er es sich als Schutzherr sowohl von Stadt als auch Stift mit keiner Seite verscherzen wollte. Am 7. April 1563 (StAE 100.2246, fol. 6r/v) kündigte er allerdings gemäß dem kaiserlichen Mandat die Entsendung seiner Räte nach Ostern an, die zusammen mit Beauftragten des Kölner Kurfürsten in dem Streit vermitteln sollten. Die Stadt ermahnte er dabei, dass sie „mittlerweil keine Aenderung anrichten“ solle. Vgl. Kap. 3 c). Vgl. oben S. 197. Müller, Reformation, S. 86 f. Ähnlich berichtete auch 1586 der Zeuge Johann Dudinck, Notar der Äbtissin. Seinem Zeugnis zufolge hätten Abgeordnete des Rates bei der Äbtissin darum ersucht, „daß gemeldter Saldenberg das sacrament des altari in beyder gestalt außrichten undt außtheilen mögte“. Im Gegenzug sagte der Rat zu, dafür zu sorgen, „daß kein weiter Verwurrung in der kirchen angestelt würde, dann sie hätten von der gemein so große forderung, daß es länger nit auffhalten kunten“. Die Äbtissin ließ durch ihren Rat Johann Schmelingk antworten, „Ihre fürst[lich] Gn[aden] wären des bey sich selbst nit mächtig und woll es biß auff das negst consilium hingestelt haben“. StAE 100.106, fol. 117v–118r.
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onsfrage“ erfolgt, sondern war vielmehr Ausdruck ihres Bemühens, „ihre Stellung als Reichsfürstin zu wahren“.201 Noch bevor die Räte des Herzogs in die Stadt kamen, eskalierte der Streit bereits. Nachdem sich die Gemeinde weigerte, die Kommunion zu Ostern 1563 nur unter einer Gestalt zu empfangen und daher nicht in die Kirche kam, erklärte sich Saldenberg bereit, denjenigen, die es wünschten, am Sonntag nach Ostern (18. April) auch den Kelch reichen zu wollen.202 Die Äbtissin jedoch erhob, wie Kaufmann berichtet, 201
202
Müller, Reformation, S. 87. Der Zeuge Goswin von Raesfeld (Zeuge 5, StAE 100.106, fol. 274v) gab sogar an, dass Irmgard von Diepholz ihm gegenüber erklärt habe, „sie könte und wüste der angefangenen religion nit zuwieder sein“. Ihm zufolge habe die Äbtissin also durchaus Sympathien bekundet, allerdings nicht öffentlich. Er habe sogar gehört, dass sie selbst das Abendmahl unter beider Gestalt empfangen habe (ebd., fol. 107r). In ähnlicher Weise äußerten sich auch die städtischen Zeugen Johann von Sevenar, ein ehemaliger Rat der Äbtissin, und der Kaufmann Johann Tevenar. Erster sagte aus, er habe „nid vernemen konnen, d[as] sie d[er] Religion Augspurgischen confession zu wieder gewesen sein“. Auch soll sie wie ihre Nachfolgerin Elisabeth von Manderscheid-Blankenheim-Gerolstein (1575–1578) „ vonn h[erren] Saldenberg“ bzw. „vonn herren heinrichen von kempenn dem Predicanten, nach ordnung der Reformirten kirch[e] das nachtmall offt viel sich reich[en] vnnd geben lassenn“, also auch unter beider Gestalt (vgl. StAE 100.103, fol. 289r). Tevenar gab kund gehört zu haben, dass Irmgard von Diepholz sich mit den Prädikanten in der Abtei unterhalten und auch von ihnen das Abendmahl empfangen habe (ebd., fol. 390r). Im Gegensatz zu den genannten evangelisch orientierten Zeugen hoben die befragten katholischen Geistlichen Wirich Hiltrop, Heinrich Saldenberg und Dietrich Ingenhoff deutlich hervor, dass sowohl die Äbtissin als auch die Kapitel entschieden gegen das Vorgehen des städtischen Rates Position bezogen hatten (Zeugen 11–13, StAE 100.106, fol. 276r/v). Zur Frage der konfessionellen Haltung dieser und anderer Äbtissinnen vgl. Ute KüppersBraun, Katholisch – Lutherisch – Calvinistisch – Katholisch. Das Stift Essen im Zeitalter der Konfessionalisierung, in: dies. und Thomas Schilp (Hg.), Katholisch – Lutherisch – Calvinistisch. Frauenkonvente im Zeitalter der Konfessionalisierung, Essen 2010, S. 19–47. Kaufmann, Chronik, S. 269 f.; vgl. auch eine Erklärung der Bürger auf ein Schreiben des Herzogs am 18. November 1563: StAE 100.2246, fol. 23r–27v (gedruckt bei Wächtler, Urkunden, S. 119–126, hier S. 120 f.). Dieses Zugeständnis dürfte sich in den Aussagen zahlreicher städtischer Zeugen widerspiegeln, wonach Saldenberg vor seiner Absetzung auf Druck des Rates im lutherischen Sinne sein Amt verwaltet oder dies zumindest versprochen habe, allerdings nach kurzer Zeit wieder zum katholischen Ritus zurückgekehrt sei. Dies bezeugten in ähnlicher Weise Marß Lammerts (Frage 128: LAV NRW R, RKG E 589, Bd. 4, fol. 77r), Clas an der Heiden (Frage 129: ebd., fol. 151r), Johann von Wattenscheid (Frage 129: ebd., fol. 207v), Hermann Maß (Frage 123: ebd., fol. 264r/v), Patroclus Abels (Frage 128: ebd., fol. 433v), Heinrich Klostermann (Frage 124: ebd., fol. 494v), Johann Stratmann (Frage 128: StAE 100.105, fol. 117v), Peter Brandes (Frage 130: ebd., fol. 214v), Everdt von Bielefeld (Frage 123: ebd., fol. 247r, und Frage 128: ebd., fol. 248r), Heinrich Seyger (Frage 128: ebd., fol. 360r), Johann Luttgers (Frage 123: ebd., fol. 387r), Johann Kröse hinter dem Hl. Geist (Frage 124: StAE 100.103, fol. 20v), Wilhelm von Bielefeld (Frage 123: ebd., fol. 57v, und Frage 134: ebd., fol. 59r), Johann Kröse in der Viehofer Straße (Frage 124: ebd., fol. 120v), Heinrich Scholle (Frage 124: ebd., fol. 162r) und Johann Tevenar (Frage 124: ebd., fol. 334v, und Frage 128: ebd., fol. 335r). Mehrere Zeugen (Marß Lammerts, Clas an der Heiden, Johann Stratmann sowie Everdt und Wilhelm von Bielefeld) zogen
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dagegen Einspruch und drohte Saldenberg mit dem Verlust seiner Pfründe. Statt Saldenberg war es Heinrich Barenbroich, den der Rat zunächst als Gehilfen für den Pfarrinhaber bestellt hatte, der am 28. April zuerst in der Hospitalkapelle über die Abendmahlslehre predigte, bevor er am 2. Mai in der Gertrudenkirche nach dem Gottesdienst das Abendmahl unter beider Gestalt reichte.203 Die unautorisierte Berufung eines Predigers durch den Rat204 markiert den eigentlichen Bruch, auch mit den Bestimmungen der klevischen Kirchenordnung, auf die sich der Rat zuvor bezogen hatte. Saldenberg wurde nach und nach aus seiner Pfarrkirche ausgeschlossen, ohne dass lange Zeit eine dauerhafte Nachfolgeregelung getroffen werden konnte. Zwar soll er zugesagt haben, zunächst den Laienkelch auf Wunsch durch einen Gehilfen reichen zu lassen205 bzw. dies selbst tun zu wollen,206 die Gemüter in seiner Gemeinde konnte er damit jedoch nicht beruhigen. Zudem muss dem Herzog spätestens Anfang November 1563 klar geworden sein, auf was die religiösen Veränderungen in Essen hinausliefen, nämlich auf die Übernahme der Confessio Augustana.207 Hinsichtlich Saldenberg bekundeten einige Zeugen im Reichskammergerichtsprozess der 1580er und 90er Jahre zwar, dass sie bereit wären, ihn wieder zu akzeptieren, doch stellten sie Forderungen, die weit über das Zugeständnis des rechtlich weiterhin amtierenden Saldenberg hinausgingen. Sie fragten nicht nur nach dem Laienkelch, sondern verlangten von Saldenberg, dass er fortan lutherisch gemäß der Confessio Augustana predigen und sein Amt verrichten solle.208
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dabei ein neutestamentarisches Gleichnis heran: So habe nämlich Saldenberg öffentlich gelobt, sich vom Saulus zum Paulus wandeln zu wollen, also vom Verfolger des (in diesem Fall evangelischen) Glaubens zu dessen glühendsten Anhänger. Nicht nur die städtischen, sondern auch der durch das Stift benannte Zeuge Goswin von Raesfeld sagte aus, dass Saldenberg anfänglich „Eingang der außpurgischen confession gemacht [habe], mit außtheilung des sacraments des altars sub utraq[ue] specie, und Predigung göttlich[en] Worts“. Dies habe er zumindest gehört. StAE 100.106, fol. 112r (Zeuge 5). Kaufmann, Chronik, S. 270 f. Vgl. oben Kap. 3 a). Kaufmann, Chronik, S. 272, zufolge sollte der im September 1563 (einige Monate nach der Ausweisung Barenbroichs) bestellte Johannes Kempius dies für ihn erledigen. So berichtete es zumindest der Bürgermeister Beckmann in seinen Aufzeichnungen über die Einführung der Reformation in Essen (StAE 100.284, Bl. 8). Demnach sollen die herzoglichen Räte als Antwort auf eine Supplik Saldenbergs der Stadt Essen am 28. Dezember 1572 befohlen haben, angesichts der innerstädtischen religiösen Unstimmigkeiten den derzeit amtierenden Prediger (gemeint war vermutlich Heinrich Barenbroich) zu entlassen und Saldenberg, „welcher communionem sub utraque zu halten sich erklähret“, wieder anzunehmen. Vgl. den Brief des Rates an den Herzog vom 2. November 1563: StAE 100.2246, fol. 19r–20v, gedruckt bei Wächtler, Urkunden, S. 116–118. Am Ende des Schreibens appellierte der Rat an den Herzog, „die Religion der heilsamen Augsburgischen Konfession gemäss gnädiglich in unser Pfarrkichen gestatten und dero nicht zu wider sein [zu] wollen“. Während etwa die Hälfte der städtischen Zeugen Saldenberg grundsätzlich ablehnten, konnten sich die anderen Befragten durchaus vorstellen, Saldenberg unter bestimmten Bedingungen wieder anzunehmen. Vgl. hierzu die Antworten zur 134. Frage bei den
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Wann in Dortmund erstmals die Forderung nach dem Laienkelch aufkam, lässt sich genau nicht bestimmen. In der frühen Phase der städtischen Reformationszeit, also in den 1520er und 30er Jahren, wurde die Art und Weise der Abendmahlsfeier noch nicht thematisiert – zumindest findet sich in den Gravamina dieser Jahre kein Anhaltspunkt dafür.209 Es ist daher nicht unwahrscheinlich, dass die Problematik ähnlich wie in Essen erst seit den 1540er Jahren öffentlich diskutiert wurde. Ein Indiz hierfür ist die Ablehnung des Laienkelches in der posthum gedruckten Predigt Schöppers über das Abendmahl.210 Seit den 1550er Jahren scheint der Wunsch nach der Kommunion unter beider Gestalt in der Reichsstadt offensiver vorgebracht worden zu sein. Der Erstdruck des Kollektenbuches von 1554, von welchem nur Auszüge aus zweiter Hand überliefert sind,211 soll bereits eine Abendmahlsregelung im evangelischen Sinn enthalten haben und wurde damit im 17. Jahrhundert als Beweis für einen frühen reformatorischen Erfolg gewertet.212 Lange wurde Jakob Schöpper als Mitautor vermutet, bis Andreas Biermann vor einigen Jahren überzeugend darlegen konnte, dass das Werk weder eine Dortmunder Neuschöpfung war noch aus der Hand Schöppers stammte, sondern im Wesentlichen auf ein 1542/43 in Magdeburg erschienenes Buch zurückgeht.213 Aus diesem Grund ist das Kollektenbuch in seiner Gesamtheit auch kein Ergebnis einer Reform des Gottesdienstes im Sinne des Erasmus, sondern ein dezidiert lutherischer Leitfaden, weshalb bezweifelt werden muss, dass das Kollektenbuch in Dortmund überhaupt zur Anwendung kam. Angesichts der in dieser Zeit konsequent ablehnenden Haltung des Dortmunder Rates zu Neuerungen im Kirchenwesen scheint dies eher unwahrscheinlich zu sein.
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Zeugen Tonnis Tasche und Heinrich Klostermann (LAV NRW R, RKG E 589, Bd. 4, fol. 312r und 496r), Wilhelm Mürer, Jakob Kremer, Adolf Neelmann, Tilman Borbeck, Adrian Bode, Heinrich Verver, Heinrich Seyger und Johann Luttgers (StAE 100.105, fol. 18v, 56r, 88v, 148v, 179r, 282r, 360v und 388v), sowie Johann Kröse hinter dem Hl. Geist, Wilhelm von Bielefeld, Johann Kröse in der Viehofer Straße, Johann von Sevenar, Johann Tevenar und Hermann thon Norden (StAE 100.103, fol. 22r, 59r, 122v, 234r, 336r und 422r). Vgl. oben Kap. 1. Vgl. oben S. 151 f. Ausführlich wurde aus dem Buch in der Deduction und Nachrichtung (von Winterfeld, Durchbruch, S. 123–141) und in der Säkulardisputation (Franz, Christoph Scheibler, S. 280–282 und 294–296 [Punkt 15–18]) zitiert. Als Teil des dritten Hauptbeweises in der Deduction und Nachrichtung (von Winterfeld, Durchbruch, S. 138) wurde auf das Abendmahl eingegangen, wo es heißt, „das auch das heilige sacrament dem volkh under beeder gestalt gereichet werden soll und gegeben sey […]“. Der Verfasser der Säkulardisputation (Franz, Christoph Scheibler, S. 282 und 296 (Punkt 18) formuliert es so: „Durch deren Worte wird auch vorgeschrieben, daß der Gemeinde der Kelch des Herrn gereicht werden müsse […], und es wird hinzugefügt die Danksagung für die Kommunikanten wegen der Spendung des Bluts des Herrn […]“. Andreas Biermann, Das Dortmunder Kollektenbuch von 1554, in: Jahrbuch für Westfälische Kirchengeschichte 95 (2000), S. 51–88, hier S. 53–56 und 73–75. Kurz vor ihm hat bereits Olschewski, Erneuerung, hier S. 294, darauf hingewiesen, dass angesichts des in den Predigten entworfenen theologischen Programms „seine [Schöppers; C. H.] Mitarbeit an diesem Werk […] als höchst unwahrscheinlich“ zu werten sei.
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IV. Möglichkeiten und Grenzen religiösen Ausgleichs
Allerdings waren trotz oder auch wegen der Blockadehaltung des Rates Teile der Bevölkerung mit der bisher üblichen Feier der Messe unzufrieden. Diese Opposition zum Rat trat besonders deutlich in jenen gewaltätigen Unmutsbekundungen zu Tage, die eine Folge des Versuchs der Obrigkeit waren, den Nachfolger Schöppers als Prediger in St. Marien, Johannes Heitfeld, zur Räson zu bringen.214 Dieser habe nämlich „dem gemeynen volcke to wyllen wes seggen van dem hylgen sacramente up des hylgen Sacramentz dage“ (1556 oder 1557).215 Dabei soll er gegen päpstliche Missbräuche gepredigt, sich gegen die bisherige Messe gewandt und auch denen, die es begehrten, das Abendmahl unter beider Gestalt gereicht haben.216 Diese öffentliche antikatholische Demonstration eines Dortmunder Predigers konnte der Rat nicht dulden: Zusammen mit dem Pfarrer der Kirche, Heinrich Degginck, und dem Rektor Lambach schritt der Rat ein, indem sie gegen Heitfeld ein Disziplinierungsverfahren anstrengten. Dieses Vorgehen habe zu einem Auflauf von Heitfelds Anhängern („cives concurrerent“,217 „hebben eynen uploep gemaket“218) geführt, welche Lambach „uth synem huyse myt gewalt gehalt und yn hosen und wammes upt market getogen“ hätten und ihn dort „doytslaen“ wollten. Dies habe der Rat zwar „myt wyssheyt“ verhindern können, allerdings musste der Rektor einige Zeit die Stadt gen Köln verlassen, bis sich die Lage beruhigt hatte.219 Doch auch Heitfeld konnte der Rat unmöglich weiter in seiner Stellung belassen, allerdings wartete er noch einige Monate, bis er ihn von seinem Amt entband. In dem Entlassungsschreiben des Rates für Heitfeld heißt es, dass der Prediger die „Missa, wie biß anhero unnd noch hirselbest yn kyrchen gebrauch und oevinge gewesen […], tho holden sich beswert unnd geweigert“ habe und deshalb seinen Dienst nicht länger verrichten könne.220 Der Magistrat machte damit deutlich, dass für ihn nur eine solche Messfeier akzeptabel sei, die der traditionellen katholischen Lehrmeinung, wie sie auch von Schöpper vertreten wurde, entsprach. Jegliche Änderungen, etwa zugunsten der Kelchkommunion, kamen daher für ihn nicht infrage. 214 215 216
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220
Zu diesem vgl. auch oben S. 194 f. Spormecker, Cronica, S. 268 f. Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 217, schreibt, dass im Jahr 1556 oder 1557 „doceret pure et fideliter evanglium atque inciperet sacramentum eucharistiae sub utraque specie porrigere omnibus, qui peterent“. Heitfeld habe dann aber „inciperet […] pontificios abusus taxare eosque pedetentim abolere nec quoque sacra facere vel missas pontificio more celebrare pergeret“. In der Darstellung von Hamelmann scheint allerdings durch, dass Heitfeld mit der Predigt des wahren Evangeliums und der Reichung des Kelches schon früher als an Fronleichnam begonnen habe und vom Rat nicht daran gehindert wurde. Die Richtigkeit dieser Angabe ist jedoch fraglich. Ebd. Spormecker, Cronica, S. 270 f. Ebd. Der Herausgeber übernimmt, allerdings nur in Anm. 801, denselben Fehler, der sich schon in der älteren Edition von Hermann Wember (Hg.), Chronik der Stadt Lünen von Georg Spormecker, Lünen 1962, S. 94, findet, in der Heitfeld als Opfer der Ausschreitungen hingestellt wurde. Richtig wiedergegeben wurde die Stelle bereits bei von Steinen, Geschichte, Tl. IV, S. 1520. Das Schreiben vom 20. März 1557 ist gedruckt bei Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 217 f.
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Der Rat scheint in den folgenden Jahren am Verbot der Kelchkommunion in den Kirchen der Reichsstadt festgehalten zu haben. Bürger, die nichtdestotrotz das Abendmahl unter beider Gestalt gereicht bekommen wollten, mussten dafür benachbarte Orte aufsuchen. Ein vermutlich nicht unerheblicher Teil der Bürger wich dabei in die märkischen Dörfer Aplerbeck und Derne sowie in die territorial umstrittene Ortschaft Brackel aus,221 die erst 1567 endgültig an die Grafschaft Mark abgetreten wurde. Sowohl in Brackel als auch in Aplerbeck amtierten Pfarrer mit Verwandtschaftsbeziehungen nach Dortmund: in Brackel Arnold Rupe,222 in Aplerbeck Arnold Krawinckel.223 Inwieweit diese sowie der Derner Pfarrer Nikolaus Pepper und sein ihn 1548 ablösender Nachfolger Johann zum Kumpe bereits als lutherische Geistliche anzusehen sind, als die sie von der späteren Geschichtsschreibung bezeichnet worden sind,224 ist zu hinterfragen. Es ist allerdings nicht unwahr221
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In einer Bittschrift (Fahne, Urkundenbuch, Bd. 2.1, S. 366–369 [Nr. 281], hier S. 369) einiger Bürger, auf die noch genauer einzugehen sein wird, ersuchten diese 1561 den Rat, „[…] das wir arme burger nicht mer ausser disser Stadt – den waren leib vnd blodt christi tzo halen gedrungen werden, wante am latesten tzwischen 60 vnd 70 Personen alleine tzo Brakel op enen dach aus disser Stadt dartzo gangen, aen was noch op andere tzeit vnd orter, dartzo gaen gedrungen werden“. Hierauf nahm auch Beurhaus, Merkwürdigkeiten, S. 284, Bezug: „Übrigens ist hierbei anzumerken, daß vor dieser Verordnung [von 1562, C. H.] viele Dortmundische Leute zu Brackel communicirt haben sollen, […]“. Zu Brackel heißt es bei Bädeker, Einführung, S. 9: „Als nun dieser [Heitfeld] 1557 zu Dortmund entlassen wurde, communicirten die Bürger haufenweise zu Brakel.“ Ähnlich beschreibt es auch Vogt, Reformationsgeschichte, S. 21: „Heitfelds Entfernung hatte indessen zur Folge, daß die Bürger, die nun ihrer Ueberzeugung nach eine der Stiftung gemäße Verwaltung des Abendmahls vermißten, haufenweise nach dem Dorf Brakel gingen, um da bei dem Pastor Arnold Rupe, der es nach der Vorschrift der A. Confession austheilte, zu communicieren.“ Die beiden anderen Orte werden zwar nicht direkt genannt, sie sind aber wahrscheinlich. Vgl. hierzu auch Löffler, Reformationsgeschichte, S. 210. Dieser stammte aus einer Dortmunder Wandschneiderfamilie, vgl. von Winterfeld, Wandschneider, S. 288 f. Rupe soll außerordentlich lange, nämlich von 1549 bis 1608, als Pfarrer im Ort gewirkt haben. Zu diesem vgl. oben S. 193. Die früheste Nachricht zu Rupe führt Mulher, Annales Tremonienses, S. 115, an, als er den Tod des Pastors am 7. April 1608 notiert: „Dieser ist der irster Anfenger und Ursacher gewesen, daß hir zu Dortmundt irsten die Augspurgische Confession heringefuhrt.“ Wann genau dies geschehen sein soll, schreibt er nicht. Mehr weiß von Steinen, Geschichte, Tl. IV, S. 369 f., zu berichten: „Der erste Reformator hat Arnold Rupe geheißen, welcher schon 1554 das Abendmahl unter beiden Gestalten ausgetheilet, und die Röm. Catholische Lehrsätze verworfen hat.“ Auf Mulher bezieht sich auch Beurhaus, Merkwürdigkeiten, S. 284: „[…] er [Rupe] sei eine Ursache gewesen, daß zu Dortmund die Augspurg. Confession angenommen worden, inmaßen wenigstens derselbe schon lange der augspurgischen Confession zugethan und geheirathet gewesen, weil er ao 1600 schon einen erwachsenen Sohn gehabt hat […]“ (diesen erwähnt Mulher, Annales Tremonienses, S. 50, zwar, nicht jedoch eine Heirat des Pastors). Eine weitere Notiz findet sich bei Bädeker, Einführung, S. 9: „Der erste Reformator dieser Gemeinde war Arnold Rupe, deutschen Ordens Pastor. Durch das Lesen der geistlichen Lieder Luthers veranlaßt, fing er 1554 an, dessen Lehre zu predigen. Mit Johann Heidfeld von Wipperfürth, Prädikanten an der Reinoldi-Kirche [sic!] in Dort-
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scheinlich, dass sie erste Neuerungen im Gottesdienst wie etwa den Laienkelch eingeführt haben. Da die herzogliche Kirchenordnung in vielen Punkten einen breiten Spielraum zur Interpretation ließ, waren Änderungen in einem begrenzten Rahmen möglich. Insbesondere in Aplerbeck scheint es sogar der Herzog selbst gewesen zu sein, der dort eingeschränkte Reformen inititiert hatte.225 Es ist denkbar, dass ähnliche zurückhaltende Neuerungen auch in den anderen genannten Gemeinden vollzogen worden waren. Aufgrund der politischen Verhältnisse waren ein eindeutiger Konfessionswechsel und ein offenes Bekenntnis der Pfarrer zum Luthertum kaum möglich; die sich in Aplerbeck, Brackel und Derne schließlich durchsetzende Reformation war daher wohl eher das Ergebnis einer langsamen Angleichung an die Confessio Augustana durch die sukzessive Einführung lutherischer Elemente.226 Weder Rat noch Bürger konnten sich mit dem ‚Auslaufen‘ in Nachbarorte über einen längeren Zeitraum zufrieden geben. 1561 erbaten daher mehrere Bürger vom Rat die Genehmigung des Abendmahls unter beider Gestalt.227 Aufgrund der Zitierung einiger Bibelstellen, die als Beleg für die Rechtmäßigkeit der Kelchkommunion herangezogen wurden, hat man vermutet, dass die namentlich nicht bezeichneten
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226 227
mund, war er auch in dieser Stadt einer der ersten und thätigsten Beförderer der Reformation.“ Über Krawinckel schreibt von Steinen, Geschichte, Tl. II, S. 676: „Die ersten Reformatores sind Arnold Krawinckel und sein Kapellan Nicolaus Witten gewesen. […] Als A. Krawinckel 1587 versturbe, und ihm Witten in der Pastorat folgete, Reinold Sternberg von Dortmund aber Kappellan wurde, haben diese das ReformationsWerck recht zu Stande gebracht.“ So berichtet ebenfalls Bädeker (Einführung, S. 2 f.): „Die Reformation wurde hier durch den Pfarrer Arnold Krawinkel […] und durch den Kapellan Nicolaus Witthenius aus Dortmund begonnen; und der letztere brachte sie, nachdem er Pfarrer geworden, mit dem Kapellan Reinhold Sterneberg aus Dortmund, vorher Vikar der Gasthaus-Kapelle daselbst, sowie Licentiat und außerordentlichen Professor am Archigymnasium, zu Stande.“ Über Pepper und Kumpe schreibt von Steinen, Geschichte, Tl. IV, S. 254: „[…] in welchem Jahre aber eigentlich die Reformation hier vorgenommen worden, laest sich nicht sagen. Dieses weis man, daß der erste Reformator N. Pepper geheissen hat. Ja, daß die Religions Veraenderung hier frueh muesse geschehen seyn, ist daraus zu schliessen, weil der Nachfolger von Pepper, Johan zum Kumpe, […] schon 1548 hieselbst Pastor gewesen ist.“ Dies ergibt sich aus zwei heute verloren gegangenen Urkunden, die sich früher im StAD Best. 311, Nr. 154 und 155, befunden haben. Dem Regest im Findbuch zufolge kam mit der ersten Urkunde vom 3. Februar 1549 ein Vergleich zwischen dem Abt von Deutz und dem Pfarrer der Reinoldikirche, Hermann Stockum, zustande, in dem der Abt die Inkorporation der Aplerbecker Georgskirche zugunsten der Reinoldikirche anerkannte. In der zweiten Urkunde vom 4. März des Jahres bestätigte Wilhelm V. diesen Vergleich und verpflichtete Stockum gleichzeitig zur „Verkündigung des Wortes Gottes und Austeilung der Sakramente“ in der Aplerbecker Kirche (Zitat aus dem Regest), was durch von Winterfeld, Durchbruch, S. 82, im evangelischen Sinn interpretiert worden ist. Ähnlich und im gleichen Zeitraum verlief die reformatorische Entwicklung auch in vielen anderen märkischen Orten, so z. B. in Kamen, Iserlohn, Schwerte, Unna, Hamm oder Schwelm. Vgl. Becher, Herrschaft, S. 110 f., 126, 129 f., 132 f., 137 und 146. Fahne, Urkundenbuch, Bd. 2.1, S. 366–369 (Nr. 281). Das genaue Datum der Abfassung der Supplik ist nicht überliefert, doch ist zu vermuten, dass diese erst gegen Ende des Jahres dem Rat übergeben wurde.
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Bürger bei der Formulierung Unterstützung durch einen theologisch versierten Gelehrten erhielten.228 Dabei erinnerten die Verfasser daran, dass der Rat eine Verantwortung für das Seelenheil der Bürger trage.229 Nach einer längeren Vorrede über den mit der Taufe geschlossenen Bund mit Gott und die durch das Opfer Christi versprochene Erlösung verwiesen die Antragsteller hinsichtlich der Reichung des Kelchs an die Laien auf die Einsetzung des Abendmahls durch Christus selbst.230 Diese Form, so wird argumentiert, „kann io keyn mensche ader keyne vernunft widderlegen“.231 Daher forderten sie vom Rat die Erlaubnis, wenigstens in einer Kirche „das testament, vnd bundt jesu christi, vnsers erloesers, vns, eynen eruen, de er erlost, tzo essen seynen leib, vnd tzo drincken syn blodt in beyder gestalt, wy es christus de ewige wisheit vnd Wahrheyt Gades tzo gebrauchen beualen vnd ingesatzt“, empfangen zu dürfen.232 Dabei verwiesen sie darauf, dass die Geistlichen der Stadt die Rechtmäßigkeit des Abendmahls unter beider Gestalt aus der Heiligen Schrift heraus nicht hatten widerlegen können und dass diese die Entscheidung darüber dem Rat überlassen hätten.233 Die Bürger argumentierten aber nicht nur theologisch, sondern auch rechtlich. Dabei zogen sie eine Parallele zwischen dem Willen Christi und dem Umgang mit „enes menschen testament“: Wenn der Rat ein gültiges Testament anerkenne, so müsse er erst recht der Verfügung des Herrn folgen, zumal sich die Ratsherren wie andere Christen auch mit der Taufe zum Gehorsam gegenüber Christus verpflichtet und sich für ihr Handeln nach dem Tod zu rechtfertigen hätten.234 Abschließend verwiesen sie auf die Bedeutung des innerstädtischen Friedens.235 228
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Löffler, Reformationsgeschichte, S. 210 f., vermutete, dass Detmar Wickradt behilflich war. Dieser war dem 1560 verstorbenen Marienpfarrer Degginck im Amt gefolgt. Von ihm hieß es laut Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 226, dass er dort (in Dortmund) als erster tätig die Sache des Evangeliums gefördert habe („primo […] strenue evangelii negotium ibi promovisse“). Dagegen glaubt von Winterfeld, Durchbruch, S. 91, mit Verweis auf Rollius, Memoriae Tremonienses, S. 9, dass Lambach die Supplik schrieb. „op das nemans vnter euch allen vor der strengen ordell gades, wanner die engelen gades werden anblasen, Staet op yr doden vnd tredet vor das gerichte gades, sich vnsers verderbens habe tzo entschuldigen“ (Fahne, Urkundenbuch, Bd. 2.1, S. 368). „In der nacht do er verrathen wort, nam er das brodt, danckede seynen himmelschen vatter, brach es vnd gab es seynen Jungeren, sprach esset das ist meyn leib der for euch verrathen vnd gebrochen wirt, sulchs doet so ofte ir es doet tzo meyner gedechtnisse. nachdem se gegessen nam er den Kelck in seyne gebenedied hande danckede seynen hemmelschen vater, vnd sprach drincket, alle, hir aus, das ist der kelk des nyggen testaments in meynem blode, welcher vor jw vnd vor vele vergossen wirt in vergeuinge der sunden, sulchs doet so oft ir es doet tzo meyner gedechtnisse.“ (Ebd., S. 367). Ebd. Ebd., S. 367 f. Ebd., S. 368. Ebd., S. 368 f. „Guder tzouuersicht, eyn Erbar Radt – werden vns armen burger, nach dem es tzo grossen fryde vnd einicheit vnder vns burgere gereichet wird, das testament christi – in beyder gestalt in dieser Stadt oder doch nur in eyner kerken tzo gebrauchen vergunnen
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Es muss keineswegs die Absicht der Antragsteller gewesen sein, die Feier des Abendmahls vollständig im lutherischen Sinne zu modifizieren. Die Argumente waren dazu geeignet, beim ‚altgläubigen‘ Rat, der mehrheitlich kirchlichen Änderungen weiterhin ablehnend gegenüberstand, derartige Befürchtungen gar nicht erst aufkommen zu lassen. Weder auf Luther noch auf die Confessio Augustana wurde Bezug genommen, was die Erfolgsaussichten des Gesuches erheblich erhöhte. Die Argumentationsweise ähnelt dabei jener von Vertretern eines biblischen, allgemeinchristlichen Humanismus, die Reformen im Gottesdienst anmahnten, verwiesen sie doch ebenfalls auf die Einsetzung durch Christus und die frühchristliche Tradition, aber auch auf die Verantwortung der Obrigkeit für das Seelenheil der Bürger. Wichtig war gleichfalls der Hinweis auf die innerstädtische Eintracht: Ähnlich wie bei den mittelalterlichen Stadtkonflikten sollte eine Lösung des Problems mittels eines Kompromisses und ohne einen politischen Umsturz erzielt werden. Die Position der Verfasser der Supplik wurde dabei vermutlich im folgenden Jahr durch eine deutschsprachige Flugschrift Hamelmanns unterstützt, in welcher er nachzuweisen versuchte, dass die Kommunion unter beider Gestalt der christlichen Tradition entspreche, die ‚communio sub una specie‘ erst viel später eingeführt wurde und somit zu verwerfen sei.236 Das Mandat des Rates vom 19. März 1562237 kam dabei den Wünschen der Supplikanten entgegen, ohne jedoch einen völligen Bruch mit dem katholischen Abendmahlsverständnis zu vollziehen. Dass die Entscheidung des Rates erst nach mindestens einem Vierteljahr gefällt wurde, deutet darauf hin, dass dieser in der Zwischenzeit Erkundigungen über die theologische Legitimität der Kelchkommunion und deren Praxis in anderen Orten eingeholt hatte – etwa in der benachbarten Grafschaft Mark und in anderen Territorien Wilhelms V. Einleitend238 verwies der Rat auf die große Zahl der Supplikanten, die Gefahr der Zerrissenheit der Bürgerschaft durch das ‚Auslaufen‘ in fremde Orte und die Möglichkeit, dass sich „irrige sacramentirische Secten einschleichen“ könnten,239 sowie auf die Notwendigkeit, dass „christlicher Friede und burgerliche Einigkeit hieselbst in Ruhe erhalten werden“. Anschließend machte der Rat deutlich, dass der
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[…]“. Ebd., S. 369 (Hervorhebung C. H.). Hinsichtlich der Argumentation vgl. auch oben Kap. 1. Die bei Löffler, Reformationsgeschichte, S. 237–243 (Beilage II), abgedruckte Schrift ist nicht genau datiert. Dieses ist in verschiedentlich gedruckt worden, aber nicht immer vollständig. Das komplette Mandat (hier aber auf den 22. März datiert) findet sich bei Teschenmacher, Annales, S. 82–84. Vogt, Reformationsgeschichte, S. 22–24 (Anmerkung), und Fahne, Geschlechter, S. 91–93, geben nur den eigentlichen Ratsbeschluss wieder. Die Einleitung mit dem Bezug auf die Supplik von 1561 hat von Winterfeld, Durchbruch, S. 119 f., in ihren Anhang (Nr. 6) aufgenommen. Im Folgenden wird nach Teschenmacher zitiert. Teschenmacher, Annales, S. 82 f. Damit dürften insbesondere Anhänger Calvins gemeint gewesen sein, gegen die sich auch mehrere klevische Mandate in den 1550er Jahren gewandt hatten, so etwa das Edikt vom 10. Oktober 1554 (Scotti, Sammlung, S. 121–127 [Nr. 51]; auch abgedruckt in der RGO 1556, S. XLIIII–LX).
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folgende Erlass „mit Furwissen und austrucklichem Consent, Belieben und Bewilligungen“ der beiden Ausschüsse zustande gekommen war.240 Jedem Einwohner der Stadt wurde gestattet, das Abendmahl unter beider Gestalt in seiner Pfarrkirche zu nehmen. Kein Pfarrer oder Kaplan dürfe dies verweigern. Die Reichung müsse dabei mit „offentlicher und guter Unterrichtung und Vermahnung“ erfolgen – eine Formulierung, die sowohl an die klevische Kirchenordnung als auch an Erasmus und die Regelungen im Regensburger Buch als Ergebnis des Regensburger Religionsgesprächs von 1541 erinnert. Die ‚communio sub una specie‘ sollte allerdings daneben weiterhin gültig bleiben. Keinesfalls dürften sich die Kommunikanten wegen der unterschiedlichen Form des Abendmahls etwa in den Bier- und Weinhäusern streiten, sondern sollten sich gegenseitig tolerieren. Da der Rat nunmehr die Kelchkommunion in der Stadt ermöglicht habe, sollte niemand mehr außerhalb Dortmunds den Kelch empfangen, sondern nur in seiner eigenen Kirchspielskirche, und zwar mindestens einmal im Jahr. Auch Kranke sollten das Abendmahl in einer oder in beiden Gestalten erhalten. Die „Umbtragung des H. Sacraments“ blieb unangetastet und durfte nicht Gegenstand von Schmähungen werden. Am Ende des Edikts machte der Rat deutlich, dass er keine weiteren Änderungen zulassen werde: „Die Ceremonien und Gesänge, so bisher in der Kirchen gebräuchlich gewesen, sollen hinfuhrter unveränderlich gehalten und hier keine Verneuerung furgenohmen werden.“ Dem Zeugnis Hamelmanns zufolge fand das erste Abendmahl unter beider Gestalt zu Ostern 1562 statt.241 Der Reformator spricht von einer großen Menge von Teilnehmern („maximo numero“), unter ihnen der Rektor Lambach, den Hamelmann als den Führer und Vorgänger („dux et praecessor“) der ‚sub utraque‘ kommunizierenden Gemeinde hervorhebt. Wie viele Bürger sich tatsächlich den Laienkelch reichen ließen, ist unbekannt. Allerdings deutet manches darauf hin, dass in Dortmund eine Zeit lang der Gottesdienst ebenso uneinheitlich gefeiert wurde, wie es von Pollius für die gleiche Zeit für andere Orte der Region beschrieben worden ist.242 Dass man in Dortmund damit alles andere als glücklich war, zeigt ein undatiertes Schreiben der „Pastores vnd Prediger der vier kerspelss kercken binnen Dortmund“ an den Rat, das vermutlich noch vor März 1564 entstand:243 Die vom Rat freigestellte Kommunion unter beider Gestalt „nach Christi beuelh vnd Insettungh“ habe dazu geführt, dass das Abendmahl „eines deils latinisch in der Missen, anderdeils deutsch nach der Missen, consecriert wird“, also ähnlich wie es Pollius berich240 241 242 243
Teschenmacher, Annales, S. 83. Hier auch das Folgende. Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 219 f. Vgl. oben S. 11 f. Fahne, Urkundenbuch, Bd. 2.1, S. 379–381 (Nr. 284), datiert die Eingabe um 1570, ebenso Döring, Lambach, S. 107. Für Löffler, Reformationsgeschichte, S. 227 f., ist dagegen das Jahr 1566 wahrscheinlicher. Von Winterfeld, Durchbruch, S. 91–93 Anm. 141, verlegt das Schriftstück dagegen bereits in die Zeit um 1562, noch vor der zweiten Supplik der Bürger vom Januar 1564. Trotz Vorbehalte gegenüber manche ihrer Argumente, scheint eine Datierung zwischen 1562 und März 1564 wahrscheinlich zu sein.
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tetet hat. Bereits seit längerem habe man zusammen mit einem großen Teil der Bürgerschaft darum gebeten, dass das Abendmahl einheitlich „yn heller verstendlicher sprachen“ ausgeteilt werde, allerdings habe der Rat bisher immer vertröstet. Ähnlich wie bei den vorangegangenen Suppliken zogen auch die Pastoren wieder Parallelen zur Einsetzung des Abendmahls durch Christus, denn dieser habe jenes „nicht verscheidener, sunder einerley vnd tho dem verstentlicher vnd den leuen Apostelen wolbekendter sprachen gebruchet“. Die bisherige Praxis habe dazu geführt, dass sich viele Bürger des Abendmahls enthalten hätten und zudem die Gefahr bestünde, dass sich „allerley widderdopersche swermerische verdamliche Rotten vnd secten“ ausbreiten würden, was zur Störung „beider geistlicher vnd weltlicher pollicei“ führen könnte. Aus diesem Grund begehrten die Geistlichen ein obrigkeitliches Mandat, durch welches „dat h. Auendtmal christj yn einer christlicher Misse verstentlich yn deutscher sprachen tho consecrieren vnd vith tho deilen, damit der geloue der thohoerer, also desto mehr daher gestercket werde“. Außerdem forderten sie eine „christlich vnderrichtung“ und Bittgesänge, beide „yn verstentlicher sprache“, damit das Volk wieder zum Gebet und zu Gottesfurcht und Andacht zurückfinde. Dies sei nicht nur ein „gottselich werck“, sondern es würden auch „christliche[r] friede vnd bürgerliche einnheit yn guder ruwe erhalten werden“. Es ist auffällig, dass für die Geistlichen – trotz der am Anfang geäußerten Kritik – nicht so sehr die uneinheitliche Reichung des Abendmahls als vielmehr die sprachliche Heterogenität ein Problem darstellte. Statt einer (vermutlich) lateinischen ‚communio sub una specie‘ und einem wohl deutschen Abendmahl unter beider Gestalt sollten, so muss man das Begehren auffassen, beide zugelassenen Formen der Kommunion in der Volkssprache zelebriert werden, wobei eine Präferenz der Kelchkommunion in der Formulierung erkennbar ist.244 Dem Gesuch der Pfarrer kam der Rat am 19. März 1564 teilweise nach, denn neben der eingeschränkten Zulassung deutscher Gesänge245 ist in dem Mandat auch von einer „Deutsche[n] vermanungh“ die Rede, welche die Kommunikanten „durch den Priester vor außreichungh dieses hochwürdigen heiligen Sacramentes nach der gehaltene[n] Messen“ erhalten sollten.246 Die Bitte der Geistlichen dürfte allerdings nicht der einzige Beweggrund des Rates für sein Nachgeben gewesen sein. Stattdessen muss das Handeln der Dortmunder Obrigkeit in den Kontext der religionspolitischen Entwicklungen in den Vereinigten Herzogtümern gestellt werden: Auch hier tendierte man zunehmend zum volkssprachigen Gottesdienst, zumindest im Entwurf für eine neue Kirchenordnung, die einige Monate nach dem Mandat des Dortmunder Rates ausgearbeitet wurde. Spätestens seit dem Gesuch der Dortmunder Pfarrer zeichnete sich jedoch auch im Weltklerus eine Hinwendung zur lutherischen Lehre ab, selbst wenn dies kei244
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Einerseits am Anfang (nach Christus’ Einsetzung), andererseits in der Mitte, als davon gesprochen wird, dass ein Nebeneinander von lateinischer und deutscher Kommunion überall dort im Reich unüblich sei, wo ein „lofflicher reiner gebrauch des Auendtmals angenomen“ worden sei. Vgl. unten Kap. 3 c). Das Ratsmandat ist gedruckt bei Fahne, Geschlechter, S. 93 f.
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neswegs alle Kirchen gleichermaßen betraf. Allerdings wurde nunmehr begonnen, bei Neuerungen im Gottesdienst den Rat künftig herauszuhalten. Hinsichtlich des Abendmahls zeigte sich diese Entwicklung zuerst darin, dass seit 1566 in St. Reinoldi und wenig später in St. Marien die Elevation der Hostie unterblieben sein soll.247 Folgt man Hamelmann, so wurden 1568 in den meisten Kirchen „summo consensu evangelium doceant pure et sincere atque pie sacramenta nostra lingua administrent“, also das Evangelium rein und aufrichtig gepredigt und die Sakramente in deutscher Sprache fromm verwaltet.248 1570 schließlich legte der Pfarrklerus dem Rat eine Bekenntnisschrift hinsichtlich des Abendmahls vor, in welcher dieser sich nicht nur an die Confessio Augustana anlehnte, sondern sich erstmals auch auf diese namentlich bezog.249 Mit der Festlegung auf das Abendmahl unter beider Gestalt und die Realpräsenz einerseits sowie der ausdrücklichen Ablehnung der katholischen Transsubstantiation andererseits war die bisherige konfessionelle Offenheit zugunsten eines rein lutherischen Abendmahlsverständnisses aufgegeben worden. Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass der Umgang mit dem Laienkelch in der Eucharistiefeier in den drei Städten sehr unterschiedlich gehandhabt wurde. In Dortmund hielt der Rat lange an der ‚communio sub una specie‘ fest, wobei die Predigten Schöppers, der sich klar gegen die Kommunion unter beider Gestalt aussprach, ihren Einfluss bei den Ratsherren nicht verfehlt haben dürften. Auch in den 1550er Jahren änderte sich hieran – trotz des angeblichen Kollektenbuchs und dem Auftreten Heitfelds – nichts. Bürger, die dennoch den Laienkelch wünschten, mussten in märkische Nachbarorte ‚auslaufen‘. Diese ‚eucharistische Wanderbewegung‘ bedingte zusammen mit anderen Faktoren wie der langsamen Abwendung von Schule und Klerus von der Theologie Schöppers nach 1560 und einer Supplik von Bürgern 1562 ein Umdenken im Rat, der schließlich beide Formen der Abendmahlsausteilung zuließ, wobei dieser Kompromiss nach und nach durch die einheitliche Reichung von Brot und Wein aufgegeben wurde. In Bielefeld ist der Laienkelch, der zunächst nur auf Verlangen und nicht durch den Pfarrer selbst ausgeteilt worden zu sein scheint, durch den Landesherrn, aber auch die rechtlich zuständigen Kanoniker geduldet worden. Hamelmann traf, als er 1554 in die Stadt kam, auf Zustände, die man als semilutherisch oder überkonfessionell bezeichnen könnte, denn einen wirklich lutherischen Gottesdienst gab es nicht und konnte es aufgrund der politischen Verhältnisse auch nicht geben. Zwar ist unsicher, wie in dieser Sache nach Hamelmanns Entlassung 1555 weiter verfahren worden ist, doch scheint sich die 247
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So die Nachricht aus dem verlorengegangenen Kopiarbuch des Franziskanerklosters. Dieses lag noch Luise von Winterfeld vor, die den entsprechenden Abschnitt zitiert (von Winterfeld, Durchbruch, S. 98 Anm. 161). In St. Nikolai dauerte die Abschaffung der Elevation dagegen wesentlich länger. Wie aus dem Bruderschaftsbuch der Nikolaibruderschaft hervorgeht, hat der Pfarrer Nikolaus Glasemecker erst 1579, kurz vor seinem Tod, „die Eleuation beruhen laißen“. Vgl. LkAB Best. 10, Nr. 488 (ehem. StAD Best. 212, HS 1), fol. 28r. Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 227 f. Selbst der Pfarrer der Nikolaikirche, Nikolaus Glasemecker, der teilweise katholisch blieb, soll sich daran gehalten haben. Fahne, Geschlechter, S. 97–101, hier bes. S. 98–100. Die CA wird auf S. 98 genannt.
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IV. Möglichkeiten und Grenzen religiösen Ausgleichs
Kelchkommunion spätestens seit 1566/67 etabliert zu haben. Auch in Essen wird die Reichung des Laienkelchs in den 1540er und 50er Jahren nur mit Duldung oder ausdrücklicher Billigung des Stifts möglich gewesen sein. Dieses Zugeständnis, das potentielle weitere Forderungen ausschließen sollte, scheint allerdings um 1560 zurückgenommen worden zu sein, vielleicht weil der Laienkelch den Kanonikern zu dieser Zeit bereits als reformatorisches Merkmal galt. Das erneute Verlangen der Bürgergemeinde Anfang der 1560er Jahre, verbunden mit anderen Forderungen, führte in Essen schließlich zum Bruch zwischen Stadt und Stift, zur Übernahme der Gertrudenkirche durch den Rat und zur Anstellung evangelischer Prediger.
c) Gemeindegesang und ‚Deutsche Messe‘ Der Kirchengesang war und ist ein zentraler Bestandteil des Gottesdienstes.250 Bereits im Spätmittelalter hatte die Angst vor dem unerwarteten Tod angesichts der in dieser Zeit gehäuft auftretenden Katastrophen (Kriege, Pest, Hungersnöte, natürliche Phänomene) zu einem Wandel im Frömmigkeitsverständnis geführt, was sich nicht nur in einer Ausweitung von Reliquien- und Heiligenkulten, Wallfahrten oder Bruderschaften ausdrückte,251 sondern auch in dem Verlangen, stärker in den Gottesdienst integriert zu werden. Zwar waren die Laien von der liturgischen Handlung in der Messe prinzipiell ausgeschlossen, doch häufig stimmten sie in die von Klerikern und Schülern gesungenen lateinischen Choräle mit ein. Daneben gab es bereits seit dem Spätmittelalter volkssprachige Kirchenlieder,252 zumeist Übersetzungen der lateinischen Psalmen.253 Diese Lieder wurden etwa zur Begleitung von Prozessionen
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Vgl. hierzu; Johannes Janota, Studien zu Funktion und Typus des deutschen geistlichen Liedes im Mittelalter, München 1968; Philipp Harnoncourt, Gesamtkirchliche und teilkirchliche Liturgie. Studien zum liturgischen Heiligenkalender und zum Gesang im Gottesdienst unter besonderer Berücksichtigung des deutschen Sprachgebiets, Freiburg u. a. 1974, hier S. 249–366. Vgl. hierzu auch unten Kap. 3 e). Hans-Otto Korth u. a., Art. „Kirchenlied“, in: Ludwig Finscher (Hg.), Die Musik in Geschichte und Gegenwart, 2. Ausgabe, 26 Bde., Kassel u. a. 1994–2008, hier Sachteil Bd. 5, Sp. 59–128. Die terminologische Unterscheidung zwischen ‚Kirchenlied‘ und ‚Geistlichem Lied‘ ist nicht immer eindeutig (vgl. Irmgard Scheitler, Das geistliche Lied im deutschen Barock, Berlin 1982, hier S. 12–59). Grundsätzlich bezeichnet der Begriff Kirchenlied das durch die Gemeinde im Gottesdienst gesungene Lied, während Geistliche Lieder vornehmlich der privaten Erbauung dienen und in ‚Nebengottesdiensten‘ Verwendung finden. Zu übertragenen spätmittelalterlichen Kirchenliedern vgl. etwa Günther Bärnthaler, Übersetzen im deutschen Spätmittelalter. Der Mönch von Salzburg, Heinrich Laufenberg und Oswald von Wolkenstein als Übersetzer lateinischer Hymnen und Sequenzen, Göppingen 1983, hier bes. S. 25–41.
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oder bei geistlichen Spielen,254 manchmal aber auch bei volkssprachigen Predigtgottesdiensten gesungen, die meist die Leiden Christi thematisierten.255 Obwohl das deutsche Kirchenlied also keine Erfindung der Reformation war, kam den Reformatoren dennoch ein entscheidender Anteil daran zu, dass das Kirchenlied in der Sprache der Gemeinde einen gleichberechtigten Platz neben dem lateinischen Gesang erhielt und diesen teilweise in Form des Gemeindegesangs ersetzte.256 Hierzu trugen neben Luther zahlreiche weitere ‚neugläubige‘ Autoren bei, indem sie sowohl lateinische Psalmen übersetzten als auch neue Lieder schufen und diese seit den 1520er Jahren in Gesangbüchern zusammenstellten.257 In der Praxis wurde die sogenannte ‚Deutsche Messe‘ in evangelischen Territorien zunächst nur in Landgemeinden eingeführt und setzte sich erst später auch in den Städten durch. Dabei war der volkssprachige Gesang häufig eine Notlösung aufgrund des Bildungsmangels in den Dörfern – und das nicht nur in protestantischen Gebieten. Während nämlich in der katholischen Kirche der Gesang in der lateinischen Sprache durch den Priester und den Chor beibehalten und der volkssprachige Gemeindegesang offiziell untersagt war,258 kam es jedoch nicht selten vor, dass gerade auf dem Land im Gottesdienst die Gemeinde deutsch sang, während die Messe im Übrigen gemäß der katholischen Liturgie gefeiert wurde.259 Die Beliebtheit des deutschen Gemeindegesangs, ja auch der Lieder Luthers selbst bei Katholiken im 16. Jahrhundert erschwert es zu entscheiden, ob Forderungen nach diesem aus einem lutherischen Bewusstsein oder lediglich aus einem konfessionsunabhängigen Zeitgeist resultierten. Mancherorts war das demonstrative Singen deutscher Lieder (etwa als Zeichen des Protests) durchaus ein reformatorischer symbolischer Akt,260 allerdings war dies nicht immer der Fall. Zu volkssprachigen Kirchenliedern nahmen weder die Kirchenordnung noch die „Declaratio“ in Jülich-Kleve-Berg eindeutig Stellung. Neuerungen, welche „wid254 255
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Johannes Janota, Art. „Kirchenlied-Mittelalter“, in: Finscher, Musik, Sachteil, Bd. 5, Sp. 62–67; Scheitler, Lied, S. 61 f. Janota, Studien, S. 64–84; Susan C. Karant-Nunn, „Gedanken, Herz und Sinn“. Die Unterdrückung der religiösen Emotionen, in: Bernhard Jussen und Craig Koslofsky (Hg.), Kulturelle Reformation. Sinnformationen im Umbruch 1400–1600, Göttingen 1999, S. 69–95, hier S. 80 f. Vgl. Irmgard Scheitler, Kirchengesang und Konfession, in: Brademann u. a., Liturgisches Handeln; Hans Schmidt u. a., Art. „Gemeindegesang“, in: Finscher, Musik, Sachteil Bd. 3, Sp. 1148–1194; Scheitler, Lied, S. 70 f. Teilweise sang der Chor jedoch weiter, jetzt aber die deutschen Lieder, weshalb sich eine Gleichsetzung von deutschem Kirchenlied und Gemeindegesang verbietet. Martin Rössler, Art. „Gesangbuch“, in: Finscher, Musik, Sachteil Bd. 3, Sp. 1289– 1323. Manche katholische Theologen wie Witzel plädierten allerdings für den volkssprachigen Gesang. So war etwa der deutsche Gesang noch 1575 in einigen Gemeinden des Hochstifts Paderborn verbreitet, vgl. Schröer, Erneuerung, Bd. 1, S. 169. So etwa in Göttingen anlässlich einer Prozession gegen den ‚Englischen Schweiß‘ 1529. Vgl. Ehbrecht, Verlaufsformen, S. 27. Dies wurde auch von Zeitgenossen so empfunden.
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der die lofliche[n] gesenge“ in der Kirche eingeführt werden sollten, wurden zwar untersagt,261 ob dieses Verbot auf den Gemeindegesang anwendbar war, ist durchaus fraglich: Einerseits waren volkssprachige Kirchenlieder im Gottesdienst mancherorts bereits in Gebrauch, andererseits hätte eine stärkere Einbindung der Gemeinde durchaus dem Gedanken der herzoglichen Kirchenpolitik entsprochen. Vermutlich musste im Einzelfall entschieden werden, wie zu verfahren sei, abhängig etwa von dem, was die Visitationen ergeben hatten, wobei weder in der Instruktion für die Visitation von 1533 noch für die in den Jahren 1550 und 1559 eine Befragung hinsichtlich des Gesangs angeordnet worden war.262 Trotzdem kommen in den Berichten an einigen Stellen durchaus triftige Gründe zur Sprache, welche den deutschen Kirchengesang rechtfertigen konnten: Im bergischen Menden etwa hatte der dortige Pfarrer seit ca. 1540 seine Gemeinde zum deutschen Gesang „in zuchtiger, demutiger und einhellicher weis“ herangezogen, weil er selbst ohne einen Gehilfen auskommen musste.263 In einigen jülichschen Gemeinden wurden unter Beibehaltung der üblichen katholischen Liturgie das Glaubensbekenntnis und/oder das Vaterunser auf Deutsch gesungen, während die übrigen Lieder wohl lateinisch waren.264 Auch bis zum Ende der ‚Via Media‘-Politik in den Vereinigten Herzogtümern unterblieb eine genaue Klärung, wie mit dem volkssprachigen Kirchengesang umzugehen sei. Im Entwurf für eine neue Kirchenordnung von 1567 sind zwar die Ausführungen hinsichtlich des Ablaufs der Messe detaillierter als in den vorhergehenden Ordnungen, doch über den Gesang heißt es dort lediglich, dass „daz Gesäng fein distincte und ohn hoch Geschrey geschehen und daz Herz mit dabey soll sein“.265 Der Wunsch der Gemeinde, sich am Gottesdienst in den Kirchen durch das Singen deutscher Lieder zu beteiligen, scheint in Bielefeld, wenn die Angaben Hamelmanns zutreffen, zuerst in den 1540er und 1550er Jahren, als Molitor und Hanebom das Pfarramt der Altstadtkirche verwalteten, geäußert worden zu sein.266 Das Aufkommen volkssprachiger Psalmen in den Bielefelder Kirchen geschah also weitgehend parallel zur Einführung der Kelchkommunion. Auch Eltz soll in der Neustadtkirche versucht haben, „das eine oder andere Lied auf deutsch zu singen“.267 Dies muss nicht zwangsläufig heißen, dass vonseiten der Kleriker und der Gemeinde reformatorisch bedingte Ziele verfolgt worden sind. Denn aus den spärlichen Quellen ist nicht zu entnehmen, welche Lieder gesungen wurden, mit einer Ausnahme: Als die Räte des Herzogs 1549 nach Bielefeld kamen und die Abschaffung von Neu261 262 263 264 265 266 267
Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 1, S. 249 bzw. 273. Die Instruktionen, die lediglich eine allgemeine Erkundigung nach Neuerungen vorschrieben, sind abgedruckt ebd., Bd. 2.1, S. 1–6 (Nr. 1), 7–11 (Nr. 3) und 11–16 (Nr. 4). Vgl. die Aussage des Pfarrers Johannes Brueiser 1550, der im Übrigen das Abendmahl nur unter einer Gestalt austeilte: ebd., Bd. 2.2, S. 80. So etwa laut der Visitation von 1559/60 in Tüdderen, Boslar, Geilenkirchen, Waldenrath, Lövenich und Breberen: ebd., Bd. 2.1, S. 103, 112, 247, 332, 461 und 493. Teschenmacher, Annales, S. 137. Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 230–232; Peters, Aus Hamelmanns Historia, S. 59 f. Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 232 f.; Peters, Aus Hamelmanns Historia, S. 60 (hier auch das Zitat).
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erungen, die ihnen zu Gehör gekommen waren, forderten, antwortete ihnen der Rat hinsichtlich des Kirchengesangs, dass die Bürger in der Altstadtkirche nur zwei deutsche Lieder, „nemlich den Glauben und das liedt Khum heilliger Geist, und weiters nit gesungen hetten“.268 Bei den beiden Stücken269 handelt es sich inhaltlich keineswegs um dezidiert lutherische Lieder, selbst wenn der Wittenberger Reformator deutsche Übersetzungen der originär lateinischen Werke herausgegeben hatte;270 von beiden existierten bereits spätmittelalterliche Übertragungen.271 Auch für die Zeit der Amtstätigkeit Hamelmanns in Bielefeld sind die Titel der gesungenen Psalmen nicht bekannt. Der Prediger der Neustadtkirche schreibt nur, dass er nach und nach damit begonnen habe, „immer mehr deutsche Lieder zu singen“, wobei er hinsichtlich des Gesangs durch die Lehrer Hermann Gangelius und Georg Schnekamp unterstützt worden sei.272 Von einer Instrumentalisierung des Gemeindegesangs zu konfessionellen Zwecken liegt dagegen kein Hinweis vor. Dies sollte sich erst nach Hamelmanns Entlassung ändern. Treffen Hamelmanns Ausführungen zu, so wurde der volkssprachige Gesang nun zur bewussten konfessionellen Abgrenzung herangezogen: Als nämlich die Franziskanermönche aus ihren Reihen einen Nachfolger für Hamelmann gestellt hatten, griff die Gemeinde zum Mittel des Gesangs, um gegen die sich von Hamelmann scharf abgrenzende Predigt lautstark zu protestieren.273 Hamelmann zufolge sangen insbesondere die Jüngeren lutherische Lieder, bis der Mönch die Kanzel verlassen hatte, nämlich „Ach Godt von himel sich darin Und laß es dich erbarmen“, „Wir gleuben“, „Allein Godt in der Hogede“, „Eyn feste burch“ und „Erholte unß here“.
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LAV NRW W, Ms. VII 3101, Bd. 5, fol. 13v–15r, Zitat fol. 14v; Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 230 f. Anm. 5. Die genannten Kurztitel lassen einen zweifelsfreien Rückschluss auf die entsprechenden Lieder nicht zu. Der Titel „Komm, heiliger Geist“ könnte sich sowohl auf eine übersetzte Fassung des Pfingsthymnus „Veni Creator Spiritus“ aus dem 9. Jahrhundert, der Antiphon „Veni sancte spiritus, reple“ aus dem 11. Jahrhundert oder das umfangreiche Gemeindelied „Veni sancte spiritus et emitte caelitus“ beziehen. Mit „den Glauben“ ist vermutlich das auf das Nicäische Glaubensbekenntnis zurückgehende Lied gemeint. Vgl. Wichmann von Meding, Luthers Gesangbuch. Die gesungene Theologie eines christlichen Psalters, Hamburg 1998. So wurden etwa der oben genannte Pfingsthymnus, der Antiphon und das Gemeindelied im 14. Jahrhundert durch den sog. Mönch von Salzburg übersetzt („Kum, herr schepher heiliger geist“, „Kum heiliger geist“ sowie „Kum, senfter trost heiliger geist“). Eine Edition der drei Lieder findet sich etwa bei Franz Viktor Spechtler, Die geistlichen Lieder des Mönchs von Salzburg, Berlin und New York 1972, S. 268– 281 (G 33–G 35), eine kurze Analyse bei Hans Waechter, Die geistlichen Lieder des Mönchs von Salzburg. Untersuchungen unter besonderer Berücksichtigung der Melodien, Göppingen 2005, hier S. 159–165. Auch das gesungene Glaubensbekenntnis war schon im Spätmittelalter ins Deutsche übertragen worden. Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 234 f.; Peters, Aus Hamelmanns Historia, S. 62 (hier auch das Zitat). Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 274; Peters, Aus Hamelmanns Historia, S. 104.
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Festzuhalten ist somit, dass die frühen Hinweise für volkssprachige Lieder nicht zwingend lutherische Beweggründe bei Klerus und Gemeinde voraussetzen müssen. Das Singen deutscher Psalmen scheint zwar als eine Neuerung wahrgenommen worden zu sein, insbesondere vonseiten des Landesherrn, fraglich ist allerdings, ob dies von den herzoglichen Räten als Bedrohung der bestehenden Ordnung interpretiert worden ist, sofern tatsächlich auf dezidiert reformatorische Lieder verzichtet worden war. Nach 1555 jedoch setzte in Bielefeld partiell ein Wandel ein: Die Instrumentalisierung des deutschen Kirchenlieds und die bewusste Auswahl der gesungenen Psalmen wurden zumindest für einen Teil der Kirchengemeinde Ausdruck eines konfessionellen Bewusstseins. Nachweise vom Singen volkssprachiger Kirchenlieder bereits im mittelalterlichen Essen liegen in Form des Liber Ordinarius der Stiftskirche aus dem 14. Jahrhundert vor. Zu bestimmten Gelegenheiten, etwa beim Osterspiel oder zu Weihnachten, wurde die Bürgergemeinde in die Liturgie integriert: Jeweils vor dem lateinischen „Te Deum“ sollte die Gemeide zu Ostern ein Auferstehungslied, zu Weihnachten ein Lied von der Geburt des Herrn jeweils auf Deutsch singen.274 Vermutlich waren die Gelegenheiten für die Laien, sich am Kirchengesang aktiv in ihrer Sprache zu beteiligen, eher gering. Dies sollte sich bis nach der Mitte des 16. Jahrhunderts nicht ändern. Während der Amtszeit Weißmanns als Pastor der Gertrudenkirche scheinen die Bürger mit der Austeilung des Laienkelchs, sofern sie diesen wünschten, zufrieden gewesen zu sein. Weitere Neuerungen wurden demnach nicht begehrt. Einschneidend dagegen war erst das Weihnachtsfest von 1560, das für die spätere Historiographie den eigentlichen Beginn der Essener Reformation markierte. Über die Ereignisse liegen mehrere Beschreibungen vor, wobei hinsichtlich der Datierung Unterschiede bestehen.275 Dem amtierenden Pastor Saldenberg zufolge kam es nicht Weihnachten, sondern bereits an St. Martini (11. November) zum Konflikt: Kurz bevor der Zeuge zusammen mit dem Küster und dem Schulmeister „die Metten catholischer Weyse beynahe compliret, und das te deum laudam[que] gesungen“ hatte, seien viele Bürger und Handwerker in den Chor gestürmt und hätten ihn „in dem Gesenck Te Deum laudamq[ue] plutzlich und tadlich perturbirt, und mit ihrem Teuschen Te deum laudam[que] angefangen und darin gefallen, und mit Gewalt das singen continuirt, dadurch er Zeug der ordentlicher pastor von dem te Deum laudam[que] zu singen ablassen und in de Gherkammer auß den Chor hatt entweichen mußen,“
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Franz Arens, Der Liber ordinarius der Essener Stiftskirche und seine Bedeutung für die Liturgie, Geschichte und Topographie des ehemaligen Stiftes Essen, in: BeitrE 21 (1901), S. 1–156, hier S. 19 und 41; Otto Grimmelt, Die Musik im Stift Essen nach dem Liber ordinarius von 1350. Beiträge zur Musikgeschichte der Stadt Essen, Essen 1928, S. 19 f. und 39. Döring, Geschichte, S. 246, vermutet, dass die Gemeinde zu Ostern „Christ ist erstanden“ gesungen hat. So wird die Einführung deutscher Psalmen häufig in das Jahr 1561 verlegt, etwa in den Darstellungen von Esch (Schröter, Reformation, S. 74), Kaufmann (Chronik, S. 268) und Beckmann (StAE 100.284, S. 6).
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aus welcher er erst durch Beamte der Äbtissin befreit worden sei.276 Der Zeuge Heinrich Verver bekundete dagegen 1590 ausdrücklich, dass „der anfang nit vf martini sondern vf weyhenachtenn geweßen“ sei, als die Bürger etwa das Lied „Allein Gott in der hohe sey Eher“ auf Deutsch gesungen haben,277 also die Übersetzung des alten, in der Adventszeit gesungenen Hymnus „Gloria in excelsis Deo“. Die Datierung in die Weihnachtszeit wird auch durch andere Quellen bestätigt. Die ausführlichste Beschreibung findet sich bei Kaufmann.278 Weil nämlich viele Bürger Handwerker seien und daher gern sängen, habe „das junge Volk“, als zum Fest eine Krippe aufgebaut worden war, „in ihrer Einfalt, das Christkindlein zu wiegen, die deutschen Weihnachtslieder, letztere mit solchem Eifer u. Ernst in der Kirche gesungen, daß sie auch bis in die späte Nacht darin beharrt u. schwerlich aus der Kirche nach Hause gehen wollen“. Kaufmann begründet dies damit, dass die Jugend „ein besondere[s] Vergnügen, Freude u. Trost in den christlichen Weihnachtsliedern befunden, daß sie die in ihrer Muttersprache hätten u. verstünden“. Das Singen sei die übrigen Feiertage mit großem Eifer und unter vermehrtem Zulauf fortgesetzt worden. Während der Rat an den beschriebenen Ereignissen nicht direkt beteiligt war, sollte dieser zusammen mit den Vierundzwanzigern schon bald die Initiative übernehmen. Im Januar des Folgejahres beschlossen beide Gremien,279 dass man künftig „sall singenn in senth Gertrudts kirche des seligen konig vnd propheten Dauids Psalmen In gemeyn, so inn duytsch getransferiert sint, darto die hymnos vnd andere geistliche louegesenghe, wie die duytsche psalmgesangkboeker inhalden, alles myt Eindracht“.
Bei den erwähnten deutschen Gesangbüchern muss es sich nicht zwingend um protestantische Werke gehandelt haben. Dass nämlich Lieder mit zu eindeutigen lutherischen Botschaften vom öffentlichen Singen aus Rücksicht auf die Interessen der Äbtssin ausgenommen waren, darauf weisen die Einschränkungen im selben Mandat hin: Einerseits solle der Pastor in seinen gewohnten „kirchenceremonien“ nicht beeinträchtigt werden, andererseits verordneten Rat und Vierundzwanziger, „dat men sich enthalde etlicher psalmen od[er] gesenge“, welche „eynicherley moitwille vnrhu vnd oproir des gemeynen pöfelß“ hervorrufen könnten, womit wohl Lieder mit einem dezidiert lutherischen Inhalt gemeint waren. Denn nur diese waren dazu geeignet, die ohnehin schon angespannte politische Lage zwischen der Stadt und dem Stift noch weiter zu verschärfen, käme doch das Singen reformatorischer Psalmen einem endgültigen Bruch mit der katholischen Landesherrschaft gleich. Aus diesem Grund sollten eben nur unverfängliche Lieder gesungen werden. Das Mandat sollte solange Gültigkeit besitzen, bis „durch gotliche verhengkniß dises woerde verändert“ werden. Was genau Rat und die Vierundzwanziger mit diesen Worten meinten, ist unklar. Müller zufolge habe die städtische Obrigkeit bereits auf reformatorische Erfolge in Nachbarorten Bezug genommen und nicht mehr auf 276 277 278 279
StAE 100.106, fol. 113r/v (Zeuge 12). StAE 100.105, fol. 281v (Frage 130). Kaufmann, Chronik, S. 268. StAE 100.2245b. Hier auch die folgenden Zitate.
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eine Klärung durch ein Konzil gehofft.280 Dabei muss der Rat keineswegs das noch tagende Konzil in Trient im Blick gehabt haben, schließlich war die Kirchenversammlung in der norditalienischen Stadt nicht der einzige Ort, wo Reformanstrengungen unternommen wurden. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass aufgrund der engen Beziehungen die Essener eher eine Reaktion ihres Vogtes, des Herzogs von Jülich-Kleve-Berg, abwarten wollten. Denn erst wenige Jahre vorher (1558) hatten die klevisch-märkischen Stände Wilhelm V. auf dem Landtag in Essen gedrängt, endlich die veraltete Kirchenordnung zu revidieren. Der Druck auf den Herzog war seitdem aufrecht erhalten worden. Da die alte Kirchenordnung zur Rechtmäßigkeit deutscher Lieder im Gottesdienst nicht eindeutig Stellung genommen hatte, könnte der Essener Rat darauf spekuliert haben, dass eine neue Ordnung diesem Desiderat abhelfen würde. Aus diesem Grund war das städtische Mandat auch nur als eine Interimslösung gedacht. Nichtsdestotrotz scheint dem Stift diese begrenzte Neuerung bereits zu weit gegangen zu sein. Möglicherweise ging es der zu dieser Zeit amtierenden Äbtissin Maria von Spiegelberg (März 1560–September 1561) weniger um die Sache als vielmehr um die Art und Weise, wie diese Änderungen zustande gekommen waren. Wie später die Einführung des Laienkelchs in der Amtszeit ihrer Nachfolgerin Irmgard von Diepholz (1561–1575), so erfolgte auch diese Neuerung ohne Rücksprache und ohne Genehmigung seitens des Stifts durch den Essener Rat, dem ein solches Vorgehen rechtlich nicht zustand. Das Stift sah sich daher nicht ohne Grund in seinen obrigkeitlichen Rechten bedroht. Wie aus der Stellungnahme des Rates vom 27. März 1561 hervorgeht,281 verlangte die Äbtissin, „dat men in senth Gertrudts kirch[en] der dudesch psalmen vnd anderer geistlich gesenge in duytsch to sing[en] sich myden solle“. Der Rat wiederum forderte von den Bürgern eine Antwort ein: Sollte jemand unter ihnen selbst Bedenken gegen die deutschen Lieder hegen, so solle er dies dem Rat kundtun, „tho erhaldung guder ey[n]dracht“. Es scheint fast so, als wäre dem Rat mehr an der Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung, Frieden und bürgerlicher Eintracht gelegen als an den Liedern selbst. Weiterhin heißt es, dass die Bürger den Rat jedoch einmütig ersucht haben, hinsichtlich des Gesangs „nicht widd[er] got“ zu handeln und gegenüber der Äbtissin standhaft zu bleiben, zumal niemand einen Aufruhr oder dergleichen beabsichtigt habe. Im Unterschied zum Rat argumentierte die Gemeinde vorwiegend theologisch, wobei sie jedoch gleichzeitig jedwede politische Bedenken der Obrigkeiten zerstreuen wollten. Denn sie baten nicht nur den Rat, dass der deutsche Gesang wie beim letzten Weihnachtsfest fortan erlaubt wäre, sondern ersuchten auch die Äbtissin, sich dem nicht zu widersetzen. Der Rat selbst sah sich in einer Vermittlerfunktion zwischen Gemeinde und Stift. Einerseits forderte er die Bürger auf, Mäßigung an den Tag zu legen, andererseits verbot er bei Strafe solche Gesänge, die seiner Meinung nach zu Aufruhr und damit zum Konflikt mit der Äbtissin führen konnten.
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Rückblickend wurde die Auseinandersetzung um den deutschen Kirchengesang als Beginn der Essener Reformation interpretiert. Bereits gegen Ende des Jahrhunderts sagten zwei Zeugen aus, dass jene ihren Anfang mit dem Singen deutscher Psalmen genommen habe.282 Auch der Kanoniker Reinerus Esch beginnt seine katholische Darstellung der Essener Reformationsgeschichte mit dem Gesang von „cantiones Germanicas“,283 genauso wie die evangelischen Chronisten Beckmann284 und Kaufmann.285 Letzterer räumte allerdings ein, dass das Singen zu Weihnachten, im Gegensatz etwa zur Kelchkommunion, seiner Ansicht nach nicht unbedingt einen reformatorischen Akt darstellte. Er schreibt zwar, dass seither die deutschen Gesänge in der Kirche üblich wurden, schränkt aber ein: „Im übrigen ist keine weitere Veränderung vorgegangen, sondern das Volk dabei belassen worden, sonderlich sich vergnügend, daß nichts weiters vorgenommen wurde.“ Hinzu kommt, dass mitnichten die bisherige Tradition des Singens lateinischer Psalmen abbrach. So bezeugte nämlich der aus seiner Kirche ausgeschlossene katholische Pfarrer Saldenberg, dass in St. Gertruden „dem lateinischen Gesenck etliche teuschen untermischt werden“.286 Dass der Streit um den Kirchengesang von den Zeitgenossen im Unterschied zu späteren Generationen weniger in einem reformatorischen Kontext gesehen wurde, darauf deuten andere Zeugenaussagen im Reichskammergerichtsprozess. Denn im Unterschied zum Konflikt um den Laienkelch 1562 wurden die Einführung der deutschen Lieder und die Rolle der Beteiligten hier kaum reflektiert. Nur sehr wenige Zeugen bezogen Stellung. Schenkt man den Angaben der eher lutherisch orientierten Zeugen Dietrich Drenhaus und Johann von Wattenscheid Glauben, so war es etwa Saldenberg selbst, der seiner Gemeinde den volkssprachigen Gesang zugestand.287 Dies steht im völligen Gegensatz zu den Einlassungen des Pfarrers. Angesichts der Abhängigkeiten des Geistlichen zur Äbtissin und den beiden Stiftskapiteln muss es tatsächlich fraglich erscheinen, ob Saldenberg hierzu überhaupt befugt war, zumal seine Vorgesetzten sofort gegen die Neuerung einschritten. Saldenberg und der aus Essen stammende kölnische Kanoniker Dietrich Ingenhoff genannt Sander gaben dagegen an, dass insbesondere der Stadtsekretär Laurenz Bussensmet, der als Führer der lutherischen Partei und als Vermittler zwischen Gemeinde und Rat angesehen wird,288 die Bürger zum Singen deutscher Psalmen angestiftet habe.289 Ingenhoff zufolge war es die Äbtissin Maria von Spiegelberg, die gegen die Neuerung Einspruch erhob, während ihre Nachfolgerin zu einem strikten Vorgehen gegen die 282 283 284 285 286 287 288 289
Ähnliche Formulierungen finden sich in den Aussagen zur Frage 130 bei Johann von Wattenscheid (LAV NRW R, RKG E 589, Bd. 4, fol. 207v) und Heinrich Scholle (StAE 100.103, fol. 162v). Schröter, Reformation, S. 74. StAE 100.284, S. 6. Kaufmann, Chronik, S. 268. StAE 100.106, fol. 389r (Zeuge 12). LAV NRW R, RKG E 589, Bd. 4, fol. 25v (Frage 124) bzw. fol. 207v (Frage 130). Müller, Reformation, S. 82 f. StAE 100.106, fol. 103v (Zeuge 13) bzw. fol. 113r/v (Zeuge 12).
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Stadt nur durch die beiden Kapitel gedrängt werden konnte, so dass schließlich Verhandlungen in dieser Sache am Hof des Herzogs begonnen wurden. Diese konnten allerdings den Bruch zwischen Stadt und Stift nicht mehr verhindern. In Dortmund ist über etwaige mittelalterliche Traditionen des Singens geistlicher Lieder durch die Gemeinde nur wenig bekannt.290 Im Gottesdienst war das Singen grundsätzlich Hauptaufgabe des Klerus bzw. der Schüler an den Kirchspiels- bzw. Klosterschulen der Reichsstadt, die hierfür entlohnt wurden.291 Es ist davon auszugehen, dass lateinische Psalmen üblich waren. In der Hauptkirche St. Reinoldi wurden hierfür vermutlich noch bis weit in das 16. Jahrhundert hinein die Missale und Gesangbücher verwendet, die durch den Pfarrer der Kirche, Detmar Berswordt, gegen Ende des 15. Jahrhunderts gestiftet worden waren.292 Die Anschaffung von Orgeln in fast allen Kirchen im 15. Jahrhundert bzw. in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts zeigt, dass der Begleitung des Gesangs durch Orgelspiel in Dortmund große Bedeutung zugemessen wurde. In der Vergangenheit ist mehrfach behauptet worden, dass bereits 1526 lutherische Lieder bei der Messe in der Reinoldikirche gesungen wurden.293 Die so nicht 290
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292 293
Vgl. hierzu Thomas Schilp, Spielleute, Orgel, Scholarenchöre: Dortmunder Musikleben im Mittelalter. Zugleich ein Beitrag zur Bedeutung der Musik für die Memoria in der mittelalterlichen Stadt, in: Nils Büttner u. a. (Hg.), Städtische Repräsentation. St. Reinoldi und das Rathaus als Schauplätze des Dortmunder Mittelalters, Bielefeld 2005, S. 78–104. Die Einführung von Gesang im Rahmen memorialer Stiftungen ist in Dortmund im 15. und 16. Jahrhundert mehrfach belegt. Westhoff, Chronik, S. 341 berichtet etwa, dass 1476 der Patrizier Godert van Hövel den täglichen Gesang der Antiphon „Salve regina“ in der Petrikirche stiftete, wofür der Schulmeister und seine Schüler zehn Schillinge erhalten sollten. Die Reinoldikirche zog hier erst 1506 bzw. 1508 nach (ebd., S. 377 und 390). Weitere Stiftungen für den Gesang an St. Petri sind für das 16. Jahrhundert belegt, nämlich 1510 das Lied „Veni redemtor gentium“ zur Complet im Advent durch den Pfarrer der Nikolaikirche, Reinolt Vetter, sowie 1546 die „Tenebrae“ durch Hildebrand Swarte. Vgl. ebd., S. 391, und Beurhaus, Merkwürdigkeiten, S. 335. Die Dortmunder Goldschmiede bezahlten gemäß ihrer 1490 abgeschlossenen Vereinbarung mit dem Pfarrer der Marienkirche über jährliche Messen zum Gedenken an verstorbene Zunftmitglieder den Schulmeister der Marienschule, „dat hie die seylemysse singhe“. StAD Best. 202, Nr. X 10, S. 33. Auch aus dem 16. Jahrhundert sind mehrere Stiftungen zugunsten von Bruderschaften bekannt, in denen die geistlichen Institutionen zur Abhaltung von „syngenden myssen“ verpflichtet wurden. Vgl. etwa die Stiftungen Elseke Blanckensteins von 1507 bzw. 1516 (StAD Best. 211, Nr. 86 und 93) sowie die des Tylman im Hoeve von 1539 (StAD Best. 210, Nr. 141). Letzterer benannte sogar, welche Lieder die Dominikaner wöchentlich mit Orgelspiel am Altar der Kreuz- und Sakramentsbruderschaft zu singen hatten, und zwar zunächst „o salutaris hostia und dat kyrieleison, ock dat sanctus tho syngenn als in festis duplicibus gewointlich ys to syngen und vor dem evangelio tho syngen ecce panis angelorum dreymayell und dar na de sequentie fart uth thosyngenn“. Hervorhebungen im Original. Westhoff, Chronik, S. 353. So Hugo Rothert, Märkische Kirchengeschichte, in: Aloys Meister (Hg.), Die Grafschaft Mark. Festschrift zum Gedächtnis der 300jährigen Vereinigung mit Brandenburg-Preußen, Bd. 1, Dortmund 1909, S. 207–262, hier S. 241; ders., Kirchengeschichte der Grafschaft Mark, Gütersloh 1913, S. 277. Zur Übernahme diese These, die
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zu belegende These dürfte sich vermutlich auf die angebliche Unterrichtung der Schüler der Reinoldischule im Katechismus und in den Psalmen durch Urban von Homberg stützen, wovon im 17. Jahrhundert berichtet wurde.294 Welche Position die Dortmunder Humanisten zum deutschsprachigen Kirchenlied einnahmen, ist weitgehend unbekannt. Der Chronist Westhoff gibt nicht an, welche Art von Liedern – und in welcher Sprache – der „senge componiste“ Johann Becker von Schwelm um 1540 verfasst hat.295 Größere Bedeutung wird dem Gesang im Schulunterricht296 zugekommen sein, wobei die Schüler aufgrund des humanistischen Charakters der Schule wohl eher ausschließlich im Erlernen lateinischer Lieder unterwiesen worden sind, die sie in den Kirchen unter Anleitung eines zugleich im Schuldienst stehenden Kantors297 zu singen hatten. Über die genaue Gestaltung des Kirchengesangs in den 1540er und 50er Jahren liegen nur wenige Quellen vor. Schöpper geht zwar in seinen Katechismenpredigten an mehreren Stellen auf geistliche Lieder ein,298 über die Rolle der Gemeinde und die Sprache des Gesangs lässt er sich jedoch kaum aus. Bei der Beschreibung des Verlaufs der Messe benennt Schöpper wohl die liturgischen Gesänge („Introitus“ und „Kyrieleison“, „Angelicus“, Gesänge nach der Lesung der Epistel, Lobpreisung des Herrn, Glaubensbekenntnis, „Sanctus“),299 nicht aber die Akteure. Die Hauptrolle dürfte zwar dem Chor zugekommen sein, doch wird Schöpper auch die Gemeinde aktiv einbezogen haben, zumal für ihn die Preisung Gottes „in Psalmen vnnd gaistlichen lobgesaeng“ zu seinen Kernforderungen hinsichtlich der angemessenen Heiligung des Sonntags und der Feiertage gehörte.300 Anordnungen zum Gemeindegesang soll bereits das Kollektenbuch von 1554 enthalten haben. Es ist allerdings fraglich, ob die Bestimmungen in Dortmund Gültigkeit erlangt haben, da es sich bei dem Band wie erwähnt um ein rein lutherisches Werk und kein Spätwerk Schöppers gehandelt hat. Die Verfasser der Deduction und Nachrichtung gaben als Teil des dritten Hauptbeweises an, dass im Kollektenbuch angeordnet worden war, „deutsche gesenge zu singen“. So soll in der Vorrede gestanden haben, dass „die collecten der hilligen kercken […] verdeutschet [sind] den simpeln und einfeltigen tho guede, de neen latein verstaen, und doch gerne mede
294 295 296 297
298 299 300
Rothert auch nur aus der Sekundärliteratur entnommen hat, vgl. ebenso die unvollständige Übersicht bei Imort, Musikalische Kultur, S. 73 f. Vgl. oben S. 102 f. Westhoff, Chronik, S. 436. Vgl. auch oben S. 103–105. Thoene, Beurhaus, Tl. I, S. 20–23. Vgl. auch oben Teil III, Kap. 2 c). 1555 beschrieben die Provisoren der Reinoldikirche zusammen mit den Vorstehern der zu dieser Zeit noch existierenden zehn Bruderschaften der Kirche in einer Ordnung die Pflichten des Kantors und seiner Gehilfen hinsichtlich des Chordienstes in St. Reinoldi ausführlich (Thoene, Beurhaus, Tl. II, S. 243–245 [Anm. 175]); auf die Sprache des Gesangs wurde nicht eingegangen. Schöpper, Summa, fol. 20r, 134r–136r und 171r–175r. Ebd., fol. 134r–136r. Ebd., fol. 20r. Auch bei den Prozessionen am Palmsonntag (ebd., fol. 171r), Karfreitag (172v), in der Nacht zum (173r) sowie in der Vesper am Ostersonntag (174v–175r) gehörten Lobgesänge oder „freuden gesang“ durch das Volk zu den elementaren Bestandteilen.
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wetten und beden wolten, wat man in der kercken bedet“.301 Genauere Angaben hierzu bot der Abschnitt zur Gottesdienstordnung, die sich zwar eng an das Missale Romanum hielt, allerdings Änderungen in solchen Bereichen verlangte, die nicht mit der lutherischen Lehre vereinbar waren.302 Dazu gehörte der Gesang, und daher sollte die Gemeinde vor dem „Graduale“, dem „Halleluja“ oder einer „Sequenz“ „einen schönen psalmen oder einen andern göttlicken lovegesang nach gelegenheit der tydt, tho deutsche nemlick, dar man neen latein versteit“, sowie nach der Predigt und vor dem Offertorium „einen bequemen lovegesang“ singen.303 Hierdurch wie auch hinsichtlich anderer Änderungen bzw. Umformulierungen tritt das evangelische Profil der Ordnung deutlich hervor. Dies machte es unwahrscheinlich, dass die Bestimmungen des Kollektenbuchs in dieser Form Geltung erlangen konnten, da die Stadt de facto immer noch ein katholischer Reichsstand war und der Rat Neuerungen in einem solchen Ausmaß ablehnend gegenüberstand.304 Ein tatsächlicher Wandel des deutschsprachigen Gesangs vollzog sich erst in den 1560er Jahren und wurde somit ähnlich wie auch in Essen als eine wichtige Etappe auf dem Weg zum lutherischen Kirchenwesen interpretiert.305 In der gleichen Schrift, in welcher dem Rat am 2. Januar 1564 für die Genehmigung der Kelchkommunion Dank ausgesprochen wurde,306 erbaten die Supplikanten im Namen der Bürger vom Rat, dass dieser „eynen duytschen lauesank vor, und nach der predige, vnd wan das hochwerdige hyllige Sacrament in beyder gestalt ausgedelet, tzo gades loff vnd eren“ zulasse. Auch hier waren die Antragsteller nicht um gewichtige Gründe in ihrer Argumentation verlegen. Ihnen zufolge sollten die volkssprachigen Psalmen vor allem der Jugend und den Kindern zuliebe eingeführt werden, um sie „tzo gades fruchten vnd eren – vnd tzor erbarkeit“ zu erziehen. Man verwies darauf, dass eine solche Praxis bereits „im gantzen Romschen Reych vnd in allen vmliegenden dorferen vnd stetten gebruichlich“ wäre, zumindest – wie eingeschränkt wird – „mestlich“. Genauso wie bei der Bitte nach der Zulassung des Laienkelchs appellierten die Supplikanten mit theologischen Argumenten wiederum an das christliche Verantwortungsgefühl der städtischen Obrigkeit: Sie verwiesen auf den Bund Gottes mit den Menschen, der durch den Eid bei der Taufe geschlossen wurde, und auf das Jüngste Gericht, vor dem sich jeder von ihnen, der menschliche Traditionen über göttliche Weisung stelle, zu rechtfertigen habe. Wenn der Rat jedoch dem gerechten Wunsch der Bürger nachkomme, so „wert godt euch vnd vns vnd Ewer gantze gemeynt myt 301 302 303 304 305 306
Vgl. von Winterfeld, Durchbruch, S. 136. Biermann, Kollektenbuch, S. 70–72. Siehe von Winterfeld, Durchbruch S. 136 f. Vgl. auch die Edition bei Biermann, Kollektenbuch, S. 77 f. So die Einschätzung von Biermann ebd., S. 74 f. Mulher/Mewe, Historische Beschreibung, S. 336 f.: „Im folgenden Jhar [1563] haben die Bürger vmb Vbungh der teutschen Psalmen vnd Lidern angehalten vnd erhalten vnd ist also gemachlich die Augspurgische Confession vollig introducirt […].“ Fahne, Urkundenbuch, Bd. 2.1, S. 369–371 (Nr. 282), hier bes. S. 370 f. Es ist verschiedentlich vermutet worden, dass der Verfasser dieser Schrift identisch mit dem der Supplik von 1561 gewesen ist, so etwa durch Löffler, Reformationsgeschichte, S. 221, sowie von Winterfeld, Durchbruch, S. 95.
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aller nodtroft, dechlichen brode, vnd gemeyner wolfart forderen vnd guytteren auerschuytten, laut seyner egener verheissung“. Der Rat nahm sich wie zuvor bei der Bitte nach dem Laienkelch für seine Entscheidung Zeit. In den etwa zweieinhalb Monaten, die zwischen dem Gesuch der Bürger und dem durch den Rat und die beiden Ausschüsse am 19. März 1564 verabschiedeten Edikt307 lagen, dürfte die städtische Obrigkeit Erkundigungen hinsichtlich der Praxis des volkssprachigen Kirchengesangs andernorts eingeholt haben. Die Hauptintention des Rates galt wiederum der Vermeidung innerstädtischer Konflikte: Einerseits wurde betont, dass der Beschluss „dem Friede zu gutte“ kommen sollte, andererseits wurde verfügt, dass dieser nur für die Pfarrkirchen und nicht für die katholischen Klöster308 Gültigkeit erlangen sollte. Die Regelungen entsprachen dabei weitgehend denen des bereits vorhandenen Kollektenbuchs, welches im folgenden Jahr in einer dritten Auflage erschien.309 Demnach sollte vor und nach der Predigt „ein Deutsch Psalm, oder Christlich Geistlich gesangh nach Gelegenheit der Festen und Zeiten dieses Jahrs, durch den Predicanten angefangen, vnd durch die Gemeine mit eindrechtiger Stimme gesungen werden“. In gleicher Weise sollten nach der Messe und vor der Austeilung des Abendmahls volkssprachige Psalmen erklingen. Der Kirchendiener hatte dabei, nachdem die deutschen Einsetzungsworte des Abendmahls gesprochen waren, zwei Lieder anzustimmen und diese durch die Gemeinde singen zu lassen. Zu weiteren Änderungen im Kirchenwesen über die Freigabe des Laienkelches und des deutschen Kirchengesangs hinaus war der Rat war nicht bereit. Er drohte allen Bürgern, die gegen dieses Mandat bzw. jenes von 1562 offen oder heimlich verstoßen sollten, mit dem Verlust des Bürgerrechts bzw. den Pfarrern und Predigern mit dem Entzug ihres Amtes. Das Mandat enthielt aber nicht nur eine Pönformel, sondern zugleich die Ankündigung, dass sich der Rat eidlich die Unterstützung der Ämter, Gilden und übrigen Bürger und Einwohner für seine Politik sichern wollte. Diese beabsichtigte Schwureinung entsprach ganz und gar dem traditionellen Vorgehen in der Reichsstadt:310 Schon die spätmittelalterlichen Stadtkonflikte, die schließlich zur politischen Partizipation der Gilden am Stadtregiment führten, wurden konsensual beigelegt und die Wiederherstellung der innerstädtischen „concordia“ durch Eidesleistung bekräftigt. Dieselben Intentionen verfolgte der Rat auch in 307 308 309 310
Fahne, Geschlechter, S. 93 f. Hier auch die folgenden Zitate. Das Edikt ist auch bei Vogt, Reformationsgeschichte, S. 25 f. (Anm.), abgedruckt. Bei Döring, Lambach, S. 105 f., und Löffler, Reformationsgeschichte, S. 222, scheint ein Lesefehler vorzuliegen, wenn sie davon sprechen, dass der deutsche Gesang auch in den beiden Männerklöstern eingeführt wurde. Laut der Säkulardisputation (Franz, Christoph Scheibler, S. 280 bzw. 294 [Punkt 15]) wurde das Werk 1554, 1558 und 1565 in Dortmund gedruckt. So etwa 1386 (Streit um eine Schossordnung, Westhoff, Chronik, S. 249 f.), 1399/1400 (Änderung der Ratsverfassung, ebd., S. 290–292, sowie Kerkhörde, Chronik, S. 41– 46), 1402 (Streit unter den Gilden, Westhoff, Chronik, S. 293 f.), 1450 (Konflikt um die Zusammensetzung des Rats, Kerkhörde, Chronik, S. 113–117) sowie 1497 (Streit wegen der Huldigung gegenüber dem Erzbischof von Köln, Westhoff, Chronik, S. 364–367).
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diesem Fall: Nach Innen sollte die Stadt zur bürgerlichen Eintracht zurückkehren, während sich der Rat von der Stadtgemeinde die künftige Einhaltung der Ordnung und den Verzicht auf weiterreichende religiöse Forderungen zusichern ließ. Der Rat betrachtete sein Mandat von vornherein als eine Übergangslösung. Es sollte entweder bis zu einer Entscheidung des Kaisers in Kraft bleiben oder bis zur Verabschiedung einer Ordnung „durch vnsere Nachbar Fürsten und Hern“. Es ist wahrscheinlich, dass die Dortmunder Obrigkeit insbesondere den Herzog von Jülich-Kleve-Berg im Auge hatte. Dessen Landstände drängten Wilhelm V. bereits seit längerem, besonders aber seit dem Jülich-Bergischen Landtag im Herbst 1563, die Kirchenordnung seines Vaters durch neue Regelungen des Kirchenwesens zu ersetzen. Die Arbeit für diese Reform begann 1564 – ein Vorhaben, das sicher auch in Dortmund aufmerksam beobachtet worden ist. Es ist nicht auszuschließen, dass die beteiligten Parteien wie zuvor bei dem Gesuch nach dem Laienkelch nun auch hinsichtlich der Frage des Kirchengesangs unterschiedliche Intentionen verfolgt haben. Ein Teil der Supplikanten mag durchaus die Feier des Gottesdienstes gemäß der Confessio Augustana erstrebt haben. Verlässliche Zahlen über die Größe dieser Gruppe liegen für diese Zeit nicht vor,311 doch ist es fraglich, dass sich bereits in den 1560er Jahren die städtische Gemeinde überwiegend zur Lehre Luthers bekannte. Eine nahezu lutherisch orientierte Bürgerschaft, geführt von den Gilden und Erbsassen als ‚Motoren‘ der evangelischen Bewegung und Gegengewicht zum katholischen Rat – so die Ansicht etwa Luise von Winterfelds312 – hat es wohl eher nicht gegeben. Die inneren konfessionellen Verhältnisse werden sicher komplexer gewesen sein. Neben einigen katholischen Ratsherren313 wird auch ein gewisser Teil der Bürgerschaft dem ‚alten‘ Glauben verbunden geblieben sein, während ein anderer Teil den noch nicht endgültig festgelegten konfessionsspezifischen Eigenheiten indifferent gegenübergestanden und sich mit begrenzten Reformen des Kirchenwesens zufrieden gegeben haben wird, wozu auch der deutschsprachige Gemeindegesang zählte, dessen Einführung als noch vertretbar mit dem traditionellen Glauben gelten konnte. Bereits wenige Jahre nach der Genehmigung der deutschen Lieder sollen hinsichtlich des Kirchengesangs weitere Neuerungen eingeführt worden sein, über die jedoch keine normativen Belege vorliegen. Hamelmann schreibt, ihm sei berichtet worden, dass man in einer Kirche 1566 den lutherischen Gottesdienst eingeführt 311
312 313
Einen ersten Anhaltspunkt gibt es erst nach der Jahrhundertwende. 1605 behauptete der Rat, dass es in der nunmehr weitgehend lutherischen Stadt lediglich noch sieben oder acht Familien mit insgesamt ca. 30 Angehörigen gab, die katholisch waren. Diese Angabe erfolgte im Kontext des Konfliktes mit den städtischen Minoriten, welche Ansprüche auf die Pfarrkirchen zugunsten der Katholiken geltend machten. Vgl. Rensing, Dominikanerkloster, S. 92. Ähnlich auch bereits Beurhaus, Merkwürdigkeiten, S. 287. Das wird etwa bei von Winterfeld, Durchbruch, S. 57 f., deutlich. Als Gegner der Reformation benannte Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 224, ausdrücklich die beiden Bürgermeister Nikolaus Berswordt und Johann von Hane sowie die Ratsherren Albert Klepping und Caspar Prume. Vgl. auch Beurhaus, Merkwürdigkeiten, S. 284 f.
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habe, nachdem ein Bürger dies gefordert hatte.314 Ob damit die Marienkirche gemeint ist, wie Löffler vermutet hat,315 muss offenbleiben. St. Marien soll auch die Kirche gewesen sein, wo Vogt zufolge 1567 „das von Luther verfertigte Lied: Erhalt’ uns Herr bei deinem Wort etc. gesungen“ wurde, wobei Vogt sich auf „einige Geschichtsschreiber“ beruft, die jedoch ungenannt bleiben.316 Tatsächlich findet sich hierfür kein Nachweis. Dafür enthielt das heute verlorene Kopialbuch des Franziskanerklosters317 einen Eintrag, demzufolge zu Weihnachten 1566 „in allen 4 Kerspelskercken, jedoch ohn befel eines Erbarn Rhadts, auff Teutsch angefangen [wurde] zu singen“. Sollte die Nachricht zutreffen, so wäre damit die 1564 getroffene eidliche Vereinbarung zwischen Rat und Stadtgemeinde gebrochen worden. Somit hätte sich ein lutherisch orientierter Teil der Gemeinde durchgesetzt und dies im Singen des Liedes „Allein Gott in der hogede sei Ehr“ sowie des „Sanctus und Agnus Dei zu Teutsch“ öffentlich zum Ausdruck gebracht, ähnlich wie einige Jahre zuvor in Essen. Daher war für Hamelmann bereits 1568 die Reformation in Dortmund gesichert, nachdem unter anderem „in omnibus templis psalmos et cantiones Germanicas“ gesungen worden seien.318 Dass dem jedoch nicht ganz so war, zeigt die Amtsführung von Nikolaus Glasemecker in der Nikolaikirche, denn dort wurde die „teusche Miße“ erst im September 1579 nach langen Verhandlungen auf Befehl des Rates eingeführt.319 Aus den Quellen wird zwar deutlich, dass deutsche Lieder in Dortmund, Essen und Bielefeld zunehmend gebräuchlich wurden, allerdings gibt es nur wenige Hinweise auf die konkret gesungenen Psalmen und die genutzten Gesangbücher. In allen drei Städten wurde im 16. Jahrhundert noch überwiegend Niederdeutsch gesprochen und geschrieben, der Übergang zum Hochdeutschen setzte erst ein. Daher ist es nicht unwahrscheinlich, dass man sich hier Gesangbücher in der niederdeutschen Mundart bediente, zumal in dieser Zeit die Gemeinde die Liedtexte noch auswendig lernen musste. Die Mehrzahl der ober- und mitteldeutschen Sammlungen vorwiegend evangelischer Provinienz würde somit ausscheiden, ebenso aber auch das erste katholische Gesangbuch des Theologen und Propstes des Neuen Stifts in Halle Michael Vehe aus dem Jahr 1537.320 Eines der frühesten niederdeutschen Gesangbücher erschien bereits 1525 in Rostock, verfasst vom dortigen lutherischen Prediger Joachim Slüter (um 1490–1532).321 Die sechs Jahre später erschienene Er314 315 316 317 318 319 320
321
Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 225. Löffler, Reformationsgeschichte, S. 226. Vogt, Reformationsgeschichte, S. 26 f. Zitiert bei von Winterfeld, Durchbruch, S. 98 Anm. 161. Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 228. Vgl. LkAB Best. 10, Nr. 488, fol. 28r. Michael Vehe, Ein New Gesangbuechlin Geystlicher Lieder / vor alle gutthe Christen nach ordenung Christlicher kirchen, Leipzig 1537 (ein von Walther Lipphardt herausgegebener Faksimile-Druck erschien Mainz 1970). Zu Vehe vgl. auch Franz Schrader, Michael Vehe OP (†1539). Katholischer Theologe und Propst des Neuen Stifts in Halle, in: Freitag, Lebensbilder, S. 55–68. Joachim Slüter, Eyn gantz schone vnde seer nutte gesangk boek, Rostock 1525. Ein Reprint erschien als ders., Sammlung | Ein gar schönes und sehr nützliches Gesang-
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weiterung, das sogenannte ‚Doppelte Gesangbuch‘,322 wurde, teils zusammen mit anderen Liedersammlungen, bis in die 1560er Jahre in mehreren anderen Städten Niederdeutschlands nachgedruckt323 und könnte durchaus bis nach Westfalen gelangt sein. Vorstellbar ist allerdings auch, dass das Bonner Gesangbuch genutzt wurde, welches unter Hermann von Wied um 1544/45 ausgearbeitet worden war und dessen frühester erhaltener Druck aus dem Jahr 1550 stammt.324 Inhaltlich stellt das Bonner Buch eine Mischung aus lutherischen, reformierten und spätmittelalterlichen Liedtexten mittel- und oberdeutscher Provinienz sowie solchen der Böhmischen Brüder dar, die sprachlich meist unverändert übernommen, das heißt nicht dem auch in Kurköln gebräuchlicheren Niederdeutschen angepasst wurden.325 Dadurch jedoch, dass weder Luther selbst genannt wird, noch dass man sich auf die Confessio Augustana bezog, suggerierte dieses Gesangbuch Überkonfessionalität.326 Die Verwendung vorreformatorischer wie protestantischer Liedtexte habe, so Ernst Klusen, dazu beigetragen, dass das Werk „für die Hymnologie beider christlicher Konfessionen von grundlegender Bedeutung“ gewesen sei.327 Dies zeige sich in der weiten Verbreitung: Bis 1603 soll das Buch 31 Auflagen erfahren haben und besonders intensiv im Rheinland, vorwiegend in den Vereinigten Herzogtümern im Gottesdienst verwendet worden sein.328 Erst das schrittweise Aufkommen dezidiert katholischer Gesangbücher in deutscher Sprache seit dem frühen 17. Jahrhundert konnte schließlich die Vorrangstellung des Bonner Buches in ‚altgläubigen‘ Gebieten zurückdrängen.329
322 323 324
325 326 327 328 329
buch. Eine schöne und sehr nützliche christliche Unterweisung, hg. von Gerhard Bosinski, Leipzig 1986. Ders., Geystlyke leder vppt nye gebetert, Rostock 1531. Etwa in Magdeburg (1534, 1538, 1540, 1543, 1548, 1550/51), Lübeck (1545, 1547/48, 1556, 1565) und Parchim (1547). Vgl. Gerhard Bosinski, Das Schrifttum des Rostocker Reformators Joachim Slüter, Göttingen 1971, S. 217 f. N.N., Gsangbuechlein Geistlicher Psalmen / hymnen / leider vn gebet / Durch etliche Diener der Kirchen zu Bonn / fleissig zusamen getragen / mercklich gemeret / vnd in geschickte ordnung zusamen gestelt / zu uebung vnd brauch der Christlichen gemeine […], Bonn 1550. Eine Edition findet sich bei Ernst Klusen (Hg.), Das Bonner Gesangbuch von 1550, Kamp-Lintfort 1965. Hierzu auch W[ilhelm] Crecelius, Ueber die ältesten protestantischen Gesangbücher am Niederrhein, in: Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins 5 (1868), S. 253–288, hier S. 254–258. Ernst Klusen, Vorwort und Einleitung, in: Ders., Gesangbuch, S. VI–XXIV, hier bes. S. VII und IX–XVIII. Scheitler, Kirchengesang. Klusen, Vorwort, S. VII. Vgl. ebd. und Crecelius, Gesangbücher, S. 267. Als frühes Beispiel sei das Andernacher Gesangbuch von 1608 genannt: N.N., Catholische Geistliche Gesänge / Vom süssen Namen Jesu / vnd der Hochgelobten Mutter Gottes Mariae etc. Von der Fraternitet S. Ceciliæ Zu Andernach in Lateinisch vnd Teutsche verß Componirt vnnd Collegirt, Köln 1608, als Faksimile gedruckt bei Michael Härting (Hg.), Das Andernacher Gesangbuch (Köln 1608), Düsseldorf 1970. Im Vorwort des Andernacher Buches wird etwa der für die katholische Kirche schädliche Einfluss des Bonner Werkes beklagt, das u. a. deshalb so erfolgreich gewesen sei,
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Im Falle Dortmunds könnten aber auch andere Werke genutzt worden sein. Döring und Löffler haben vermutet, dass ein Teil der 1564 in Dortmund gedruckten Neuenrader Kirchenordnung330 auch in der Reichsstadt Verwendung fand,331 nämlich jener umfangreiche Abschnitt, der von Luther übersetzte Psalmen enthielt. Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass die inhaltlich weitestgehend protestantische, von Hermann Wilcken für seine südmärkische Heimatstadt verfasste Kirchenordnung in einer Stadt wie Dortmund, wo der Rat Neuerungen auf ein Minimum zu begrenzen suchte, schwerlich akzeptiert worden sein dürfte. Der Herzog von Jülich-Kleve-Berg, der das eigenmächtige Vorgehen Neuenrades nicht duldete und die Kirchenordnung verbot, soll sogar den Dortmunder Rat dazu bewegt haben, die gedruckten Exemplare zu beschlagnahmen.332 Sollte dies zutreffen, wäre vermutlich nur ein Bruchteil der ursprünglichen Auflage in Umlauf gekommen. Neben der Kirchenordnung soll im gleichen Jahr allerdings auch ein Gebet- und Gesangbuch in Dortmund gedruckt worden sein, von dem Mulher berichtete.333 Klemens Löffler wies darauf hin, dass jenes nicht – wie früher angenommen – ebenfalls von Wilcken stammte, sondern auf ein 1541 in Magdeburg gedrucktes Buch zurückgehe.334 Da
330
331 332 333
334
weil „kein anders zur Zeit Teutsch Catholisch vorhanden“ war. Zitiert bei Crecelius, Gesangbücher, S. 255. Löffler, Buchdruck, S. 61 f. (Nr. 38). Die Ordnung ist ediert bei Wilhelm Nelle (Bearb.), Hermann Wilckens Kirchenordnung von Neuenrade und ihre Liedersammlung, in: Jahrbuch des Vereins für die Evangelische Kirchengeschichte der Grafschaft Mark 2 (1900), S. 84–138. Zu dieser und ihrem Verfasser auch Albrecht Wolters, Hermann Wilcken genannt Witekind und seine Kirchenordnung von Neuenrade, in: Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins 2 (1865), S. 42–83; Dieter Stievermann, Neuenrade. Die Geschichte einer sauerländischen Stadt von den Anfängen bis zur Gegenwart, Balve 1990, S. 108–116, sowie Uwe Gryczan, Der Melanchthonschüler Hermann Wilken (Witekind) und die Neuenrader Kirchenordnung von 1564, Bielefeld 1999. Döring, Lambach, S. 105, vermutet, dass die Kirchenordnung im Frühjahr des Jahres erschien. Von Winterfeld, Durchbruch, S. 96, meint, der Druck dieses Werkes sei vornehmlich auf eine Empfehlung Lambachs zurückzuführen, da dieses „seiner vermittelnden Geistesart entsprochen habe“ – allerdings nicht im Sinne eines katholisch-evangelischen, sondern eines lutherisch-reformierten Ausgleichs –, und begründet dies damit, dass Lambach in dieser Zeit persönlich sowie Lehrerschaft und Schüler des Gymnasiums überwiegend dem Calvinismus nahe gestanden hätten (ebd., S. 99–102). Döring, Lambach, S. 105 f.; Löffler, Reformationsgeschichte, S. 222. Dies behauptet von Steinen, Geschichte, Tl. IV, S. 425. Ihm folgen u. a. Wolters, Wilcken, S. 57, und Stievermann, Neuenrade, S. 115 f. Dagegen bestreitet Döring, Lambach, S. 105, eine Konfiszierung durch den Rat auf Betreiben des Herzogs. Mulher, Summarischer Begriff (zitiert bei Döring, Lambach, S. 105). Demnach lautete der Titel wie folgt: N.N., Nie Bedebock vth der heiligen Schrift […] darinnen gefunden vnd gewyset werdt, wat liff vnd Sehlen tho der saligheit nutte vnd van noeden ist, ock watt etliche Romische Bischoppe adder Paweste (so man sie noemet) gesettet vnd upgerichtet hebben […], Dortmund 1564. Vgl. Löffler, Reformationsgeschichte, S. 223–225, und ders., Drucke, S. 429. Zuvor ging auch Löffler von einer Autorenschaft Wilckens aus (ders., Buchdruck, S. 62 f. [Nr. 39]).
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dieses allerdings laut Mulher gegen die katholische Kirche polemisierte,335 dürfte es im Dortmunder Gottesdienst wohl eher nicht verwendet worden sein. Die Frage nach der Nutzung konkreter Gesangbücher in Dortmund, Essen und Bielefeld kann nicht eindeutig geklärt werden. Es spricht manches dafür, dass in den Jahren vor dem eigentlichen Durchbruch der Reformation eher solche Werke Verwendung fanden, die sich polemischer Angriffe enthielten. Diesem Anspruch käme das Bonner Buch nahe, zumal dieses zum Vorbild eines Gesangbuches wurde, welches 1614 in Essen gedruckt wurde.336 Andererseits scheint die niederdeutsche Sprache für eine Akzeptanz in der Gemeinde von wesentlicher Bedeutung gewesen zu sein: Im Falle Essens wird dies in der Ablehnung eines der Gemeinde unverständlichen Klerikers deutlich,337 in Dortmund dagegen im Druck eines Gesangbuches im Jahr 1585, welches Psalmen aus Gesangbüchern Luthers und anderer Autoren in übertragener niederdeutscher Sprache enthält.338 Dies würde darauf hinweisen, dass solche Werke genutzt wurden, die etwa in Rostock und anderen Städten Norddeutschlands auf der Vorlage von Slüter zur Verfügung standen und in denen ebenso Lieder enthalten waren, die etwa auf traditionellen Psalmen beruhten. Vom öffentlichen Singen ausgeschlossen waren dann vermutlich nur Gesänge mit polemischen Angriffen auf den ‚alten Glauben‘. Weil meist die Titel der gesungenen Lieder nicht eindeutig überliefert sind, kann kaum zweifelsfrei geklärt werden, ob der eingeführte Gemeindegesang als ein reformatorisches Kennzeichen zu interpretieren ist. Das 1549 in Bielefeld gesungene „Khum heiliger Geist“ muss keineswegs eine Übersetzung Luthers – und damit eine „Demonstration!“ eines protestantischen Bewusstseins (Reinhard Vogelsang)339 – gewesen sein, es kann sich auch um eine andere Übertragung eines lateinischen Originals gehandelt haben. Erst das Singen von Liedern wie „Eyn feste burch“ nach der 335 336
337 338
339
„Hir In wird das Babstthumb fast angegriffen vnd die mißbrauche gestraffet“. Zitiert bei Döring, Lambach, S. 105. Die Polemik listet Löffler, Reformationsgeschichte, S. 224 f., genauer auf. N.N., Ein Christliches, vnd recht reines Euangelisches Gesangbuch, darinnen Ordentlich verfasset der gantze Psalter Davids, auff die in Lutherischen Kirchen gewoehnliche Melodeyen zugerichtet […], Auch alle Hymnen, Lieder vnnd Gesenge, welche in den Christlichen Euangelischen der reinen Augspurgischen Confession zugethanen Kirchen gesungen werden […], Essen 1614. Hierzu Crecelius, Gesangbücher, S. 282–288 (mit dem vollständigen Titel). Das Buch erschien als lutherische Antwort auf das reformierte Düsseldorfer Gesangbuch (1612) und war wie dieses vorwiegend für den Gebrauch in den Gemeinden der Herzogtümer Jülich, Kleve und Berg gedacht. Der Druck wurde dabei durch Wolfgang Wilhelm von Pfalz-Neuburg, Mitregenten des reformierten Kurfürsten Johann Sigismund von Brandenburg in Jülich-Kleve-Berg, vor seiner öffentlichen Konversion zum Katholizismus am 25. Mai desselben Jahres veranlasst. Die Lieder hierin sind in hochdeutscher Sprache verfasst. Vgl. oben S. 181–183. N.N., Geistlike Leder unde Psalmen, D. Martini Lutheri, und anderer framen Christen, na Ordeninge der Jartyde und Feste, uppet nye tho gerichtet, Dortmund 1585. Vgl. hierzu Löffler, Buchdruck, S. 68 f. (Nr. 57), und Crecelius, Gesangbücher, S. 259–267 (mit einem Verzeichnis der Lieder, S. 261–265). Vogelsang, Reformation, S. 146 (ohne Nachweis der Behauptung).
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Entlassung Hamelmanns 1555 spricht für eine bewusste konfessionelle Instrumentalisierung des deutschsprachigen Kirchenlieds, sofern die Angaben Hamelmanns zutreffen. Auch in Essen ist es fraglich, ob die Forderung nach dem Gemeindegesang auf lutherischen Intentionen beruhte. Das Vorgehen des Rates zeigt, zumindest in seiner Selbstdarstellung, wie besonnen er in dieser Frage vorzugehen gedachte: Zwar unterstützte er den Gemeindegesang, schränkte die Auswahl der Lieder aber gleichzeitig ein, um die Äbtissin nicht zusätzlich zu provozieren. In Dortmund stand die Einführung des Gemeindegesangs in einem noch deutlicheren Zusammenhang mit der Freigabe des Laienkelchs als in Essen. Dem Begehren von Bürgern, vor und nach der Predigt deutsch zu singen, gab der Rat zwar statt, doch nur hinsichtlich der Pfarrkirchen, um einem Konflikt mit den Klöstern aus dem Weg zu gehen. Gleichzeitig wollte der Rat seine Erlaubnis nur als Interimslösung aufgefasst wissen und setzte seine Hoffnung zur Lösung der Frage, ob ein solcher Gesang im Gottesdienst legitim sei, auf eine Entscheidung des Kaisers und benachbarter Landesherren wie dem Herzog von Jülich-Kleve-Berg.
d) Prozessionen als städtisches und sakrales Ereignis Prozessionen in Dortmund, Essen und Bielefeld gehörten wie in anderen Städten zu typischen Ausdrucksformen christlicher Frömmigkeit und bürgerlichen Selbstbewusstseins. Während manche Umgänge weiterhin der Organisation der kirchlichen Autoritäten unterlagen, waren andere seit dem Spätmittelalter zunehmend in die Obhut der städtischen weltlichen Obrigkeiten übergegangen, welche die Prozessionen zu städtischen, gemeinschaftsstiftenden Ereignissen umformten.340 Die Prozessionen blieben von den konfessionellen Umwälzungen im 16. Jahrhundert nicht unberührt. Wie andere Formen der ‚äußeren‘ Frömmigkeit kam auch zunehmend Kritik an den Prozessionen auf. Schon im Spätmittelalter beklagten Theologen Missstände bei Prozessionen, etwa Störungen des würdevollen Umgangs, aber auch exzessive Formen der Verehrung, die ihrer Ansicht nach ins Abergläubische abzugleiten drohten.341 Diese Kritik machten sich die Reformatoren zu Eigen, indem sie den mit Prozessionen verbundenen Reliquienkult oder die Verehrung der Hostie verurteilten und die weltliche Obrigkeit zur Abstellung der Missstände aufforderten.342 Vor allem Sakramentsprozessionen – insbesondere am Fronleichnamsfest – stand Luther kritisch gegenüber, da er das Mittragen des Sakraments als Verhöhung des Tages,343 ja Christi selbst empfand: So werde „an kainem fest […] got und sein Chri340 341 342 343
Zum spätmittelalterlichen städtischen Prozessionswesen vgl. etwa Andrea Löther, Prozessionen in spätmittelalterlichen Städten. Politische Partizipation, obrigkeitliche Inszenierung, städtische Einheit, Köln u. a. 1999. Ebd., S. 47 f.; Charles Zika, Hosts, Processions and Pilgrimages: Controlling the Sacred in Fifteenth-Century Germany, in: Past and Present 118 (1988), S. 25–64, hier S. 61 f. Löther, Prozessionen, S. 302–307. So etwa in der Predigt zu Fronleichnam 1522, in: WA 12, S. 581 f.
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stus serer gelestert dann an disem Tag“,344 und Prozessionen würden allein dazu führen, dass „groß heuchley und spott dem sacrament widderferet“. 345 Vielerorts waren Prozessionen im Reformationszeitalter Gegenstand der Austragung konfessioneller Konflikte, die von absichtlicher ‚Desakralisierung‘ durch Verhöhnung und Verweigerung der Arbeitsruhe, über Restriktionen bei der Durchführung der Umgänge bis hin zu deren Verbot reichten.346 Obrigkeitliche Maßnahmen, die gegen Prozessionen gerichtet waren, wurden daher oft mit reformatorischen Intentionen in Verbindung gebracht. Tatsächlich wurden Verbote oder Einschränkungen von Prozessionen keineswegs nur durch evangelische Obrigkeiten erlassen. Ähnlich wie die exzessive Heiligenverehrung oder die im Spätmittelalter in immer größerer Zahl entstehenden Bruderschaften wurden Prozessionen als falsche oder zumindest ungenügende Form der Frömmigkeitsausübung in humanistischen Kreisen kritisiert. Diese missbilligende Einstellung fand auch in der Kirchenpolitik katholischer Obrigkeiten praktische Anwendung, wie etwa in Jülich-Kleve-Berg. In Dortmund erfolgte die interne Auseinandersetzung mit dem städtischen Prozessionswesen im 16. Jahrhundert abhängig von der jeweiligen Funktion des Umgangs für die städtische Gemeinschaft.347 Im Laufe des Mittelalters hatten sich in der Reichsstadt diverse ‚Typen‘ von Prozessionen herausgebildet: erstens die regelmäßigen Umgänge an bestimmten Heiligentagen, wobei häufig der Stadtheilige Reinoldus im Mittelpunkt stand,348 zweitens die meist ebenfalls kontinuierlichen Prozes344 345 346
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Predigt zu Fronleichnam 1527, in: WA 17/2, S. 438. Martin Luther, Von Anbeten des Sacraments des heyligen leychnams Christi, Wittenberg u. a. 1523, auch ediert in: WA 11, S. 431–456, Zitat S. 445. Löther, Prozessionen, S. 320–328. Vgl. auch Robert W. Scribner, Ritual and Reformation, in: ders., Popular culture and popular movements in Reformation Germany, London und Ronceverte 1987, S. 103–122, der verschiedene Vorkommnisse beschreibt, die erstens im Zusammenhang von rituellen Anlässen wie Prozessionen stehen, zweitens den katholischen Kult und die Liturgie stören, drittens eine Art Gegenliturgie schaffen und viertens zu rituellem Bildersturm führen konnten. Zu Dortmunder Prozessionen vgl. Helbich, Sakrale Gemeinschaft, S. 45–54, sowie Heinz-Dieter Heimann, Städtische Feste und Feiern. Manifestationen der Sakralgemeinschaft im gesellschaftlichen Wandel, in: Ferdinand Seibt u. a. (Hg.), Vergessene Zeiten. Mittelalter im Ruhrgebiet, Bd. 2, Essen 1990, S. 171–176. Zur Bedeutung des Reinoldikultes in Dortmund vgl. unten S. 256–258. Die meisten Dortmunder Prozessionen an bestimmten Tagen des Kirchenjahres sind nur durch Chroniken bekannt, und zwar dann, wenn diese gleichzeitig oder zeitnah von einem berichtenswerten Ereignis überschattet wurden. In Verbindung mit zwei Stadtbränden ist daher eine Markusprozession (25. April) mit den Reinoldireliquien für die Jahre 1297 (Kerkhörde, Chronik, S. 25 nach Zeile 10, hier mit der falschen Datierung 1287) und 1452 (ebd., S. 118) überliefert. Eine Reliquienprozession auf dem Westenhellweg zu St. Viti (15. Juni) wurde anlässlich einer 1406 stattfindenden Sonnenfinsternis verzeichnet (Westhoff, Chronik, S. 294 Anm. 3). Zu starker Schneefall im Jahr 1443 führte dazu, dass die Lichtmessprozession zu Mariä Reinigung (2. Februar) um den Reinoldikirchhof ausfallen musste (ebd., S. 316). Dagegen war es erforderlich, dass bei der Prozession zu St. Pantaleon (28. Juli) mit den Reinoldireliquien um den Reinoldikirchhof die Teilnehmer bewaffnet erscheinen mussten, da die Stadt im Jahr 1446 in die Soester Fehde verwickelt war (Kerkhörde, Chronik, S. 83). Die Prozession mit
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sionen zum Gedenken an überstandene, die Reichsfreiheit bedrohende Gefahren,349 drittens eigens angeordnete einmalige Umgänge aufgrund bestimmter Ereignisse.350 Ausschließlich mit Prozessionen der ersten Kategorie beschäftigte sich Jakob Schöp-
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dem heiligen Sakrament um die Stadt am Peter- und Pauls-Tag (29. Juni) im Jahr 1448 war dem Chronisten eine Erwähnung wert, weil die Stadtwachen vor dieser vor einem beabsichtigten Angriff auf die Stadt rechtzeitig warnen konnten (ebd., S. 105). Eine große Fronleichnamsprozession, wie sie in vielen Städten zwischen dem 21. Mai und 24. Juni üblich war, existierte in Dortmund wohl nicht. Wenn überhaupt fand diese im kleineren Rahmen statt und war den Chronisten keine Erwähnung wert. Erst im 19. Jahrhundert wurde eine Fronleichnamsprozession eingeführt, die von der Dominikanerkirche ausging. Eine größere Sakramentsprozession fand dagegen freitags nach Johannes Baptist (24. Juni) statt, wie aus einer Anweisung des Kölner Erzbischofs Diedrich von Moers aus dem Jahr 1452 hervorgeht (ebd., S. 119 Anm. 6). An den vier folgenden Freitagen sollte das Sakrament zudem in jeweils eine der vier Stadtkirchen getragen werden. Chronikalische Nachweise für Prozessionen dieser Art im 16. Jahrhundert fehlen. Dankprozessionen, die zunächst nach der Abwendung einer konkreten Gefahr angeordnet wurden, wandelten sich oft zu Gedächtnisprozessionen und wurden als kollektive Totenmemoria Bestandteil des städtischen Festkalenders. Vgl. hierzu allgemein Gabriela Signori, Ereignis und Erinnerung: Das Ritual in der städtischen Memorialkultur des ausgehenden Mittelalters (14. und 15. Jahrhundert), in: Jörg Gengnagel u. a. (Hg.), Prozessionen, Wallfahrten, Aufmärsche. Bewegung zwischen Religion und Politik in Europa und Asien seit dem Mittelalter, Köln u. a. 2008, S. 106–121, hier mit Beispielen S. 108 und 113–116. Dies galt insbesondere bei politischen oder militärischen Krisen. Die Prozessionen dienten hier der stetigen Vergegenwärtigung der bedrohten städtischen Autonomie. Das jeweilige Ereignis nahm dabei mit der Zeit die Form eines Rituals (Prozession) an und blieb als „historische Memoria“ (Otto Gerhard Oexle, Die Gegenwart der Lebenden und der Toten. Gedanken über Memoria, in: Karl Schmid [Hg.], Gedächtnis, das Gemeinschaft stiftet, Zürich 1985, S. 74–107, hier S. 74 f. und 84) sowie als Medium zur städtischen Identitätsbildung und zur Demonstration des Überlegenheitsgefühls der Kommune im kollektiven Gedächtnis der Bürger bestehen. Vgl. hierzu übergreifend Klaus Graf, Schlachtengedenken in der Stadt, in: Bernhard Kirchgässner und Günter Scholz (Hg.), Stadt und Krieg, Sigmaringen 1989, S. 83–104. In Dortmund fanden die Prozessionen zu Ehren des Stadtheiligen Reinoldus in Erinnerung an die verhinderten Eroberungsversuche von 1352, 1378, 1458 und 1506 montags nach Lätare (3. Sonntag vor Ostern), sonntags nach Michaelis (29. September), an St. Blasius (3. Februar) bzw. später an St. Andreae (30. November) sowie sonntags nach Johannis Enthauptung (29. August) auf dem Reinoldikirchhof bzw. an sämtlichen Klöstern und Kirchen vorbei statt (vgl. Westhoff, Chronik, S. 216, 242, 387 f.; Kerkhörde, Chronik, S. 136; Mulher, Summarischer Begriff, fol. 237v; Mulher/Mewe, Historische Beschreibung, S. 356, 358 und 366–368; Beurhaus, Merkwürdigkeiten, S. 181 und 223). Bittprozessionen sind in Dortmund etwa anlässlich der 1451 im Rheinland und in Westfalen wütenden Pest (am 10. und 24. August, vgl. Kerkhörde, Chronik, S. 118 [Ergänzung Westhoffs]), eines Stadtbrandes im Jahr 1459 (Westhoff, Chronik, S. 326), von Gerüchten über unerklärliche Kreuzzeichen 1503 (ebd., S. 373) oder des Ausbruchs des ‚Englischen Schweißes‘ 1529 (ebd., S. 425, und Chron. Dom., S. 75 f.) erwähnt. Auch dienten Kaiserbesuche als Anlass für Prozessionen, wie etwa 1377, als Karl IV. nach Dortmund kam (eine verhältnismäßig umfangreiche Beschreibung mit Abfolge der Teilnehmergruppen gibt Westhoff, Chronik, S. 230–232). Schließlich war auch der Tod Kaiser Friedrichs III. 1493 Grund für die Dortmunder, ihres verstorbenen
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per in seinen Katechismuspredigten, allerdings nur mit denen in der ersten Hälfte des Kirchenjahres, welche auch „die am gemainesten seind vnd am staetigsten gebraucht werden“.351 Seiner Gemeinde wollte der Prediger dabei die Bedeutung und den Zweck der Prozessionen zu bestimmten Tagen im Jahr näher erläutern. Wann die entsprechend des Kirchenjahres durchgeführten regelmäßigen Prozessionen in ihrer Zahl zurückgingen bzw. gänzlich eingestellt wurden, ist unbekannt, doch dürfte dies für die Mehrzahl erst nach der Mitte des 16. Jahrhunderts erfolgt sein.352 Fraglich ist jedoch, ob die sommerliche Sakramentsprozession um die Stadt in dieser Zeit und in dieser Form noch existierte, denn sie wird zuletzt 1546 erwähnt.353 Nachrichten über Umgänge zu einem konkreten Anlass liegen dagegen auch für die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts vor. 1524, in einer Zeit erster antiklerikaler Proteste,354 ordneten Rat und Pfarrer die Abhaltung von Bittmessen („bedemissen“)355 an drei aufeinanderfolgenden Freitagen im Januar und Februar aufgrund der Türkengefahr, von Fehden und von Überschwemmungen an, vor allem aber deshalb, weil „de rechte gelove degelick dorch Martinus Lutter sine lere gekrenket wert“.356 Auch in der Phase der Dortmunder Humanistenreform wurde auf das Mittel der Bittmessen
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Stadtherrn zu gedenken und damit ihre Nähe zum Reich hervorzuheben (vgl. ebd., S. 358). 29. Predigt über die „Ceremonien in der Kirchen“, in: Schöpper, Summa, fol. 168r– 178r, hier fol. 169r–176v, das Zitat fol. 169r. Schöpper nennt die Prozessionen zu Mariä Reinigung, Palmsonntag, die Osterprozessionen, die Markusprozession, die Bittprozession drei Tage vor Christi Himmelfahrt sowie den Umgang an jenem Tag, die Pfingstprozession sowie regelmäßige Sonntagsprozessionen. Von einer Fronleichnamsprozessionen spricht der Prediger zwar nicht, erläutert aber den Zweck des Mittragens des Sakraments. Ein Relikt der ehemaligen Prozessionstätigkeit existierte im Übrigen noch im 18. Jahrhundert. Am Pfingstmontag des Jahres 1723 erregte nämlich die Versammlung der katholischen Einwohner und der Mönche vor dem Westentor Unmut in der Stadt. Von dort zog die Prozession „mit Gesang und Fahnen“ nach Huckarde, einer katholisch gebliebenen Exklave des Frauenstifts Essen westlich von Dortmund. Eine solche Prozession in das Umland war, wie die Formulierung „sich neuerlich unterstanden“ im Ratsprotokoll zeigt, nicht das erste Mal durchgeführt worden. Vgl. Paul Baedeker (Bearb.), Dortmund 1700–1740. Auszüge aus Ratsprotokollen und Aufzeichnungen, in: BeitrDO 23 (1914), S. 1–32, hier S. 17 f. Bereits die Dortmunder Goldschmiede zogen im Spätmittelalter in das Dorf, um in der dortigen Marienkirche am Tag ihrer kollektiven Totenmemoria Kerzen zu hinterlegen. Dazu das Statutenbuch der Goldschmiede im StAD Best. 202, Nr. X 10, fol. 38. Hierzu auch Christian Helbich, Memoria, Gemeinschaft und Repräsentation. Bruderschaftliche Korporationen in Dortmund im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit, in: BeitrDO 100/101 (2010), S. 79–117, hier S. 108 f. Westhoff, Chronik, S. 457. Vgl. oben Kap. 1. Begrifflich finden sich in den Dortmunder Chroniken die Bezeichnungen „procession“ und „bedemisse“. Bisweilen scheinen beide Begriffe synonym verwendet worden zu sein, da teilweise auch bei Bittmessen Abläufe geschildert werden, die einer Prozession bzw. einem Umgang entsprechen. Ergänzende Mitteilung zu Westhoff, Chronik, S. 419 (Z. 12). Die Datierung 1524 geht auf Hansen als Herausgeber der edierten Chronik zurück, dem Löffler, Refor-
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zurückgegriffen. Solche wurden 1545 durch den Kölner Erzbischof Hermann von Wied angeordnet, ebenfalls wieder für drei Freitage im Februar und März.357 Während bestimmte kollektive Umgänge auch im humanistischen Verständnis Berechtigung hatten, wurden andere mit großer Skepsis beobachtet. Es verwundert nicht, dass die Einstellung einer traditionellen Prozession gerade in die Zeit der Blüte der humanistischen Schule fällt: Die Dortmunder Heiligentracht, deren Ausgestaltung „sehr pompos“ gewesen sein soll und die deshalb in „großen ansehen“ stand,358 wurde 1548 zunächst ausgesetzt und später gänzlich abgeschafft. Die Nachricht hierüber stammt aus dem 17. Jahrhundert,359 allerdings soll sie auf frühere Aufzeichnungen des Rektors Lambach zurückgehen: Während in den Ulteriores exceptiones die Rolle der Bürgerschaft hervorgehoben wurde,360 war für die Autoren der Deduction und Nachrichtung das gemeinsame Vorgehen der klerikalen, pädagogischen und politischen Institutionen entscheidender. Dazu wurde aus der mutmaßlichen Autobiographie des Rektors Folgendes zitiert: „Am 6. tag Juny im 48. jahre ist mit bewilligung eines erbaren raths die heiligendracht umb die saet [Stadt?] /: wie sie die neneden :/ und in die heuser das hülzern cruzifix /: welches sie den heiland nenneden :/ stehen blieben und gantz abgethan. Gott sey lob und ehr.“361
In der nach 1600 endgültig lutherischen Stadt wurde das Ende der Heiligentracht als ein Beweis unter vielen gewertet, dass es um diese Zeit bereits eine frühe evangelische Bewegung gegeben habe, die einige soziale Gruppen umfasst habe: Nicht nur der Rat habe die Einstellung verordnet und der Klerus auf deren Durchführung verzichtet, auch die Schule unter Lambach sei „demselbigen cultu so gar abgeneigt und hingegen zur abstellung gewogen“ gewesen.362 Sofern Lambach und der
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mationsgeschichte, S. 187, und Döring, Lambach, S. 73, folgten. Nur von Winterfeld, Durchbruch, S. 56 f., setzte die Bittmessen erst in das Jahr 1525. Westhoff, Chronik, S. 453. Dem Chronisten zufolge wurden sie aufgrund der Sündhaftigkeit der Menschen und des Wunsches nach Frieden angeordnet. Letzteres könnte auf die angespannte politische Lage zwischen dem Schmalkaldischen Bund und der kaiserlich-katholischen Partei nach dem Scheitern der Religionsgespräche in Hagenau, Worms und Regensburg in den frühen 1540er Jahren hinweisen (vgl. oben S. 73 f.). Zitate aus der Deduction und Nachrichtung (von Winterfeld, Durchbruch, S. 143). Westhoff, dessen Chronik bis 1550 geht, erwähnt dieses Ereignis ebensowenig wie Mulher und Mewe in ihrer Historischen Beschreibung. Auch Teschenmacher und Hamelmann berichten hierzu nichts. Franz, Christoph Scheibler, S. 323 (Paragraph 18): „Absonderlich wahr, daß Anno 1548 auff ansuchen der Bürgerschafft vnd erfolgte Bewilligung eines Erbaren Rahts der Statt Dortmundt die Heiligen tracht, vmb die Statt eingestelt vnd stehen plieben.“ Als Punkt 3 des 5. Hauptbeweises in der Deduction und Nachrichtung bei von Winterfeld, Durchbruch, S. 142 f., Zitat S. 143. Ebd. Die Verfasser der Deduction und Nachrichtung resümierten, „[…] das rathauß, kirchen und schuelen vor dem aufgerichten religionfrieden von voriger religion abgestanden“ hätten. Diese rein konfessionelle und somit problematische Sichtweise findet sich auch in der Säkulardisputation, vgl. Franz, Christoph Scheibler, S. 276 bzw. 289 (Punkt 10): „Zum Jahre 1548 lobt er [Lambach] Gott wegen der Beseitigung päpstlicher Feiern am hiesigen Ort [abolitis hoc loco sacris Pontificiis], die er im besonderen erwähnt mit den Worten, daß in jenem Jahre 1548 mit Zustimmung eines hohen
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Dortmunder Schule ein Anteil an der Entscheidung des Rates zukam, so dürften die Beweggründe hier ähnlich gewesen sein wie die, welche die Herzöge von JülichKleve-Berg zum Vorgehen gegen die Umtracht – zuerst Kritik, dann das Verbot 1546 – bewegt hatten, nämlich das notwendige Einschreiten gegen eine als Aberglaube und Gotteslästerung sowie als Anlass zur Unruhestiftung aufgefassten Praxis.363 Die Maßnahmen der Dortmunder Obrigkeit, vielleicht in Abstimmung mit den Gelehrten der Schule, folgten demnach demselben Muster wie jene in den Vereinigten Herzogtümern. Lutherische Intentionen waren hierfür gar nicht nötig und sind bei der Mehrzahl der Ratsherren nicht zu erwarten. Die Einstellung der Dortmunder Heiligentracht resultierte vorrangig nicht aus reformatorischen, sondern rein humanistischen Prämissen, mit dem Ziel, als Aberglauben empfundene Praktiken in der Laienfrömmigkeit einzudämmen. Für die Prozessionen der zweiten Kategorie bedeuteten die reformatorischen Umwälzungen einen Wandel. Dankprozessionen als Gedenken an überwundene Gefahren wurden Westhoff zufolge noch zu seinen Lebzeiten, das heißt bis mindestens in die Mitte des 16. Jahrhunderts hinein ununterbrochen fortgeführt. Die Reformation selbst bedeutete mitnichten deren vollständige Beseitigung, da sie für die städtische Erinnerungskultur von zu großer Bedeutung waren. Im 17. und 18. Jahrhundert änderte sich allerdings die Begriffswahl. Statt von einer Prozession wird nunmehr von einer „Dancksagungh“,364 einer „General-Dancksagungh“365 oder einem „Dankfest“366 gesprochen. Die traditionellen Termine blieben dabei in der Regel bestehen, nur vereinzelt wurden diese verlegt.367 Erst kurz vor Ende des Alten Reiches wurden die vier Dankfeste zugunsten eines einzigen Gedenktages zusammengelegt.368 Über die Form des Feierns der Dankfeste liegen keine Quellen vor. Es ist zu vermuten, dass hierunter Dankgottesdienste in der Reinoldikirche zu verstehen sind, wobei manche Bestandteile mittelalterlicher Prozessionen wie das feierliche Schreiten in oder um die Kirche beibehalten worden sein könnten. Es muss
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Rats die sogenannte Umtragung der Heiligen [circumgestatio Sanctorum] um die Stadt und des hölzernen Bildes des Gekreuzigten [ligneae imaginis crucifixi] in die Häuser unterbrochen und gänzlich abgeschafft worden sei; unter dem Zusatz: Gott sei Lob und Dank [Deo sit laus et gloria].“ Zu beachten ist allerdings, dass die Autobiographie Lambachs, sofern diese existiert hat, aus seinem späten Lebensabschnitt stammt, nachdem er innerlich den Wandel zum Lutheraner vollzogen hatte, d. h. in den 1560er bzw. 70er Jahren. Die Erleichterung über das Ende der Prozession, die in Lambachs Ausruf „Gott sey lob und ehr“ zum Ausdruck kommt, ist charakteristisch für seine evangelische Überzeugung in jener Zeit und spiegelt nicht seine religiösen Standpunkte in den 1540er Jahren wider. Darauf hat bereits Döring, Lambach, S. 78 f., hingewiesen. Vgl. oben S. 89 f. Mulher/Mewe, Historische Beschreibung, S. 358, 366 und 368. Ebd., S. 356. Beurhaus, Merkwürdigkeiten, S. 181 und 223. In den Ratsprotokollen werden nur die Dankfeste genannt, die an einem anderen Tag als üblich gefeiert wurden, vgl. StAD Best. 448, Nr. 2/1, S. 28 (1657), 48 (1664), 93 (1688), 140 (1707) und 143 (1708) sowie Nr. 2/2, S. 313 (1759). Vgl. das Ratsprotokoll von 1770 (StAD Best. 448, Nr. 2/2, S. 373): „Es soll eine Verordnung erlassen werden, daß sämtliche Dankfeste alle auf einen Tag gefeiert werden“.
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kaum betont werden, dass in einer nunmehr lutherischen Stadt das Sakrament oder die Reinoldireliquien369 nicht mehr mitgeführt werden konnten. Es bedurfte nicht mehr eines heiligen Vermittlers wie Reinoldus, stattdessen wurde der Dank direkt an Gott gerichtet. Ähnlich wie in Dortmund fanden auch in Essen im Mittelalter zahlreiche Prozessionen statt, von denen viele im bereits genannten Liber Ordinarius verzeichnet sind.370 An den meisten dieser Prozessionen, die während des gesamten Kirchenjahres durchgeführt wurden, dürften hauptsächlich Kleriker und die Schüler der Stiftsschule teilgenommen haben, zumal ein Großteil der Umgänge auf die Stiftsimmunität beschränkt war. Nichtsdestotrotz waren auch die Essener Bürger an einer Reihe von Prozessionen beteiligt. Als ein Indiz für ‚städtische‘ Prozessionen kann die finanzielle Beteiligung seitens des städtischen Haushalts gewertet werden, die bis über die Mitte des 16. Jahrhunderts hinaus belegt ist:371 Aus der Stadtrechnung von 1519/20 sind neun Prozessionen mit bürgerlicher Beteiligung bekannt,372 wobei die Fronleichnamsprozession nicht genannt wird. So gab es in Essen eine Lichterprozession zu Mariä Lichtmess (2. Februar) sowie Fastnachtprozessionen unter großer Beteiligung von Rat und Gemeinde als Kerzenträger, die von der Münsterkirche zu den Pfarrkirchen zogen, an Gottesdiensten teilnahmen und am Schluss Spenden an die Armen tätigten.373 Am ‚Speerfreitag‘ (Freitag nach Quasimodogeniti, dem ersten Sonntag nach Ostern) sowie an den folgenden zwei Freitagen fanden Prozessionen um die Stadt mit dem Sakrament statt.374 In der Bittwoche vor Christi Himmelfahrt waren drei Prozessionen üblich, die montags nach Bredeney, am Dienstag nach Ehrenzell und am Mittwoch „um den Withagen“ führten.375 Zu Fronleichnam gab es in Essen zwei Prozessionen, einerseits die der Stiftsdamen und Kanoniker in der Stiftsimmunität,376 andererseits die der Bürger, bei der diese unter Begleitung eines Kanonikers und einiger Schüler von der Münsterkirche aus ins Umland zogen und sich auf halbem Wege mit den Stiftsdamen des Stoppenberger Konvents trafen.377 Bereits am folgenden Freitag fand ein weiterer Umgang der Bürger statt, die „Veir hilligen dracht“, bei der ebenfalls das Sakrament beim Umschreiten der Stadtmauer mitgetragen wurde.378
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Vgl. unten S. 256–258. Vgl. Arens, Liber Ordinarius. Die Zahlungen durch den Rat kamen dabei in der Regel den teilnehmenden Schülern und Kerzenträgern sowie dem Schulmeister bzw. dem Scholaster zugute. Neben Geld erhielten die letzteren auch Weinlieferungen („Prozessionswein“). StAE 100.909. Vgl. auch Ribbeck, Geschichte I, S. 42 f. Vgl. Ribbeck, Gilde, S. 101–103; Arens, Liber Ordinarius, S. 21, 57–59 und 89–94. Ebd., S. 43. Ebd., S. 46–49. Vgl. ebd., S. 52 f. Ebd., S. 53–55. Ein solcher Umgang wird etwa in den Stadtrechnungen von 1547 (StAE 100.927, fol. 42r), 1548/49 (StAE 100.928, fol. 26v), 1558 (StAE 100.936, fol. 22r) und 1561 (StAE 100.938, fol. 19r) erwähnt. Die Kleriker dagegen hatten bis Kreuzerhöung (14.
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Während im August die Liebfrauentracht begangen wurde,379 war im September die sogenannte „Stoppelhilligenprozession“ Höhepunkt des Monats, die als eine Flurund Wetterprozession aus der Stadt in das agrarische Umland führte.380 Auch die Essener Prozessionen blieben von den religiösen Unruhen des 16. Jahrhunderts nicht unberührt. Eine lateinische Mitteilung, die vielleicht aus der Hand des katholischen Klerikers Adolf Zimmermann stammt, datiert den Einschnitt in das Jahr 1541: Denn seit diesem Jahr sollen die Heiligenreliquien und Bilder sowie das vergoldete Marienbild und der Kopf des hl. Marsius nicht mehr mitgeführt worden sein, wobei als Gründe die kriegerischen Unruhen zwischen Herzog Wilhelm V. und Kaiser Karl V. um Geldern, die allmählich abnehmende Frömmigkeit und die sich ausbreitende ‚Häresie‘ genannt werden.381 Wem der Autor mangelnde Devotion unterstellt, geht aus dem kurzen Abschnitt nicht hervor. Als Kleriker wird er vermutlich besonders die Essener Bürgerschaft vor Augen gehabt haben. Allerdings war es diese zunächst nicht, die wenig Bereitschaft für die Teilnahme an Prozessionen an den Tag legte. Dies zeigte sich im Jahr vor dem von Zimmermann angesetzten Einschnitt. Dass nämlich die Stoppelheiligenprozession des Jahres 1540 ausfallen musste, lag nicht an den Essener Bürgern, die bisher in großem Maße Anteil genommen hatten, sondern an den Kanonikern.382 Als die Bürgermeister nämlich von diesen forderten, dass sie alle „na alder loflicher insate vnd gewonheit dat hilge sacramente dragen und processionaliter mitgaen vmb dat velt“, meinten die Geistlichen, es wären zu wenige von ihnen in der Stadt, „darumb wer oen op dat mail to done nicht gelegen“. Auch auf den Wunsch des Bürgermeisters Schreven, „dat dey Canonici willen eynen prester dar tho deputeren, dey dat hilge sacrament vmb dat veldt drage, op dat et gemeyne volck oire alde lofliche hilgen dracht vnd deuotie halden“, wollten die Stiftsherren nicht eingehen, so dass dem Rat keine andere Wahl blieb, als die Prozession abzusagen. Diese Episode scheint den schon länger gehegten Groll im Rat und in der Gemeinde gegen die Kanoniker vertieft zu haben.383 Sollten nämlich wegen des Ausbleibens des Umgangs Unwetter auftreten, so wären allein die Kanoniker schuld, denen Rat und Vierundzwanziger androhten, dass sie ihnen „weder gedencken tot syner tidt“. Trotz der bisherigen Bedeutung der Stoppelheiligenprozession für die weitgehend agrarisch geprägte Stadt verlor sie in den folgenden Jahren an Relevanz. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass das landesherrliche Vorgehen Wilhelms V., des Essener
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September) an weiteren freitäglichen Prozessionen teilzunehmen. Vgl. Arens, Liber Ordinarius, S. 55 f. Ebd., S. 60–62. Ribbeck, Geschichte I, S. 43. „Notandum, quod reliquiae sanctorum in capsulis et imagines et praecipue deaurata imago Virginis cum capite S. Marsi desierunt circumferri ab Ao Dni 1541. Tunc enim propter tumultum bellicum, quod instabat Principi Clivensi a Caesare Carolo 5, abscondebantur reliquiae et paulatim omnis devotio coepit tepescere et via sterni advenienti haeresi.“ StAE 100.42, fol. 8v (auch zitiert bei Ribbeck, Geschichte I, S. 43 Anm. 2). StAE 100.1079, fol. 16r (hier auch die folgenden Zitate). Vgl. oben Kap. 1.
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Vogtes, gegen Prozessionen dieser Art in seinen Territorien Auswirkungen auf Essen zeitigte. Auch bei vielen anderen Umgängen, wie etwa die Vierheiligen- oder die Liebfrauentracht, wurden nur noch sporadisch städtische Zahlungen an die singenden Schüler und Kerzenträger verzeichnet. Regelmäßig mit städtischer Beteiligung durchgeführt wurden nur die Freitagsprozessionen in der Osterzeit, bei denen das Sakrament um die Stadtmauern getragen wurde.384 Indizien für ein Ende der städtischen Partizipation an Prozessionen bieten – abgesehen von späteren Beschreibungen – die städtischen Rechnungsbücher. Ihnen zufolge entlohnte der Rat die Schüler und Kerzenträger bei Sakramentsprozessionen um die Stadt nicht nur bis 1558, wie Müller behauptet hat,385 sondern bis in die frühen 1560er Jahre hinein: Die Kinder erhielten aus der städtischen Kasse für das Singen an den Stadttoren beim Umgang noch 1558, 1559, 1560 und 1561 eine finanzielle Anerkennung.386 Für die folgenden zwei Jahre fehlen die Rechnungsbücher. Vermutlich wurden in dieser Zeit die Bezahlung wie auch die Prozession selbst eingestellt, zumindest findet sich in der Rechnung von 1564387 kein Hinweis mehr auf eine Beteiligung der Stadt. Diese Entwicklung scheint teilweise durch spätere chronikalische Aufzeichnungen katholischer wie lutherischer Provenienz bestätigt zu werden. In einer kurzen Notiz, die vermutlich von dem bereits erwähnten Kleriker Adolf Zimmermann stammt, wird klagend vermerkt, dass die letzte Prozession um die Stadt im Jahr 1562 unter Beteiligung der beiden Bürgermeister Heinrich von Aachen und Georg Weißmann stattfand.388 Auch der Essener Kanoniker Reinerus Esch erwähnt im 17. Jahrhundert, dass seit dieser Zeit, „nach dem Abfall von dem katholischen Bekenntnis“ („deficiente catholica religione“), und wegen des sittlichen Verfalls des Essener Klerus Prozessionen und Bußfeste („supplicationes“) zurückgegangen seien,389 wobei bereits 1542 die „ferne hilgen dracht“ am Freitag nach Fronleichnam letztmalig stattgefunden haben soll.390 Auch seien nach 1563 keine Liebfrauentracht und keine Prozessionen mit dem Sakrament um die Stadtmauern mehr durchgeführt worden.391 Ebenfalls aus dem 17. Jahrhundert stammt die Meldung Kaufmanns, dass an Mariä Himmelfahrt 1563 (15. August) die letzte Prozession in der Gertrudenkirche stattgefunden haben soll. Kaufmann zufolge hat sich „kein Bürger dazu einfin384
385 386 387 388 389 390 391
Dem Eintrag im Stadtrechnungsbuch von 1547 mussten diese in jenem Jahr allerdings durch den klevischen Herzog erbeten werden (StAE 100.927, fol. 41r). Bereits im folgenden Jahr wird der Herzog im Rechnungsbuch nicht mehr erwähnt (StAE 100.928, fol. 20r). Zudem werden für das Jahr 1548 wesentlich mehr Prozessionen genannt als im Jahr davor (ebd., fol. 21r, 22r, 24r und 26r). Möglicherweise machen sich hier Auswirkungen des Interims bemerkbar. Müller, Reformation, S. 68. StAE 100.935, fol. 12r; StAE 100.936, fol. 21r und 22r; StAE 100.937, fol. 23r; StAE 100.938, fol. 19r. StAE 100.939. StAE 100.42, fol. 8v. Schröter, Reformation, S. 77 f. Ebd., S. 77. Ebd., S. 78.
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den wollen“, stattdessen wurden „die Pfaffen mit ihrer Prozession […] ausgelacht u. beschimpft“.392 In den folgenden Jahren wurden auch die bisherigen Prozessionen in das Umland abgeschafft worden, so zunächst 1569 die „portatio sanctae crucis“ nach Rellinghausen und nach 1579 auch die Prozession nach Bredeney.393 Fraglich ist allerdings, ob die Prozessionen und ihr vermeintliches Ende tatsächlich von so einschneidender Bedeutung waren, wie es die späteren Quellen gemäß ihren jeweils eigenen konfessionellen Deutungsmustern schildern. Die wesentlich zeitnaheren Aussagen der Zeugen des Reichskammergerichtsprozesses lassen sich zu den Prozessionen im Gegensatz zu anderen Neuerungen und Abschaffungen nicht aus. Lediglich ein Zeuge, der damals 70jährige Hermann Maß, gab 1587 an, dass er persönlich in seiner Jugend „sich der Missen, Metten, Vesper vnnd procession nit angenommen“ habe, sondern nach der Predigt in der Gertrudenkirche heimgekehrt sei.394 Über das Ende der Prozessionen oder Störungen derselben, von denen in der späteren konfessionell geprägten Überlieferung die Rede ist, äußerte sich weder ein einziger Zeuge, noch wurden dementsprechende Fragen gestellt. Dies verwundert, hätten sich damit doch sowohl eine reformatorische Bewegung einerseits wie auch bürgerlicher Ungehorsam gegenüber der obrigkeitlichen Stellung der Äbtissin beweisen lassen können. Es ist zu vermuten, dass für die Zurückhaltung auf katholisch-obrigkeitlicher Seite ein zu dieser Zeit auch im ‚altgläubigen‘ Klerus selbst – insbesondere innerhalb des Damenkapitels – verbreitetes Desinteresse an der Teilnahme an Prozessionen ursächlich war. Fraglich ist, wieviele der zahlreichen Prozessionen, die im Liber Ordinarius vermerkt sind, im Jahrhundert der konfessionellen Spaltung überhaupt noch üblich waren. Zwar werden Umgänge in der katholischen Überlieferung noch sporadisch genannt, doch beschränkten sich die beibehaltenen Prozessionen seit den 1580er Jahren weitestgehend auf die Stiftsimmunität bzw. das katholische Umland. Gerade zu Beginn des Jahrzehnts war die Bereitschaft zur Partizipation seitens der Stiftsgeistlichkeit eher gering: 1581 sollen etwa drei Stiftsdamen nur durch die Anwesenheit kölnischer Gelehrter und klevischer Räte zur Teilnahme bewegt worden sein, 1582 und 1583 fiel die Prozession um den Friedhof dagegen ganz aus.395 Für die zu weiten Teilen lutherische Bürgerschaft spielten diese Umgänge allerdings keine Rolle mehr.396 392 393
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Kaufmann, Chronik, S. 271 f. Schröter, Reformation, S. 78. Letzteres ist auch in StAE 100.42, fol. 8v, verzeichnet worden. Das vergoldete Kreuz soll 1571, so Esch, gestohlen worden sein. Erst 1647 wurde die Prozession nach Bredeney wieder eingeführt (Schröter, Reformation, S. 80). LAV NRW R, RKG E 589, Bd. 4, fol. 263v. Ab 1584 soll sie jedoch bis 1645 regelmäßig stattgefunden haben. Vgl. Schröter, Reformation, S. 78, und StAE 100.42, fol. 8v. Als wenig glaubhaft ist die Schilderung einer freitäglichen Prozession mit einem silbernen Kreuz vor Christi Himmelfahrt im Jahr 1584 anzusehen (Schröter, Reformation, S. 79 f.): Esch berichtet, dass die Stiftsdamen „von der Idee der Wiederaufnahme der Bittprozessionen gemäß altem Herkommen begeistert“ waren und eifrig sangen. Dabei behauptet Esch weiterhin, dass nicht nur der katholische Klerus und die Stifts-
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Über die Prozessionen im mittelalterlichen Bielefeld ist wenig bekannt. Es ist anzunehmen, dass auch in der ravensbergischen Stadt im Kirchenjahr eine große Zahl von Umgängen üblich war, etwa an den Festtagen der insbesondere in der Marienkirche vielfach verehrten Heiligen.397 Ähnlich wie in Essen mögen teilweise nur die Kleriker, wie etwa die Kanoniker der Neustädter Stiftskirche, sowie die Schüler an diesen partizipiert haben. Darüber hinaus führten auch der Bielefelder Kaland und andere Bruderschaften eigene Umgänge durch.398 Prozessionen scheinen in der konfessionellen Auseinandersetzung in Bielefeld nur eine untergeordnete Rolle gespielt zu haben und kommen daher in der Überlieferung so gut wie nicht vor. Lediglich die Fronleichnamsprozession, die unter aktiver Beteilung der Bürgerschaft zusammen mit dem städtischen Klerus durchgeführt wurde, macht hier eine Ausnahme, denn sie wurde dann zum Gegenstand des konfessionellen Streits, als Hamelmann Pastor in der Neustadt war. Als nämlich das Fest am 13. Juni 1555 gefeiert wurde, predigte Hamelmann öffentlich über den seiner Ansicht nach richtigen Gebrauch des Sakraments.399 Die Mitführung der Hostie in der Prozession, wie es üblich war, entsprach seinen Vorstellungen keineswegs und verstieß ihmzufolge auch gegen die Einsetzung Christi und die frühchristliche Tradition. Aus diesem Grund forderte er seine Gemeinde auf, von der Prozession fernzubleiben. Seinem Zeugnis gemäß kamen sowohl die Bürger als auch die Laienbrüder des Franziskanerklosters seiner Mahnung vollständig nach und verweigerten das Tragen des Baldachins, so dass die Kanoniker allein mit dem Sakrament um den Kirchhof ziehen mussten. Während die Sicht Hamelmanns der gültigen lutherischen Auffassung entsprach,400 versuchte der Prediger angesichts der gegen ihn gerichteten Angriffe
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untertanen teilnahmen, sondern auch einige lutherische Bürger: „Katholiken und einige Lutheraner streuten in den Straßen Laub, Blätter und Blumen aus. Einige von den Lutheranern gesellten sich zu uns und sangen gemeinsam mit uns die Litanei. Daraus ist zu ersehen, daß die Menschen durch Beispiele bewegt und gleichsam angestachelt werden.“ Da zu dieser Zeit noch der charismatische lutherische Prediger Barenbroich lebte, ist die aktive Teilnahme von Lutheranern eher zu bezweifeln, zumal die geschilderte Ergriffenheit protestantischer Bürger beim Anblick der Prozession weit verbreiteten propagandistischen Darstellungen im Sinne des Tridentinums entspricht. Hier standen allein 26 Altäre, die im Laufe des Mittelalters durch Geistliche und Laien gestiftet worden waren. Vgl. die Aufzählung bei Vogelsang, Geschichte, S. 72, mit korrigierten Zahlen in ders., Reformation, S. 134 mit Anm. 4. Im Unterschied zur Marienkirche verfügte die Altstadtkirche nur über drei Nebenaltäre. Ab 1317 konnten die Teilnehmer an Prozessionen zu Weihnachten, Ostern, Pfingsten und anderen Feiertagen Ablässe erwerben. Propach, Geschichte, S. 146 f. Vogelsang, Stift, S. 30; Propach, Geschichte, S. 150 f. Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 236 f.; Peters, Aus Hamelmanns Historia, S. 63 f. Hamelmann schreibt, dass er sich im Namen mehrerer ravensbergischer Pastoren noch 1554 an Melanchthon gewandt hatte, der in seiner Antwort Ratschläge über die Gestaltung des Kirchenwesens erteilte. In dem Brief, den Hamelmann am Ende seiner Darstellung zu Bielefeld abgedruckt hat (Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 287–290; Peters, Aus Hamelmanns Historia, S. 118–121), werden Gedanken ge-
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seitens der Kanoniker sich gegenüber dem klevischen Hof unter Berufung auf die Regelungen der Kirchenordnung (bzw. hier die „Declaratio“) zu rechtfertigen. In seinem Brief an den klevischen Rat Vlatten erwähnt Hamelmann Prozessionen zwar nicht direkt,401 doch spiegelt sich sein Verständnis über deren Rechtmäßigkeit in seinen Ausführungen über kirchliche Zeremonien wider. So gebiete der zweite Artikel der „Declaratio“, dass allein das Wort Gottes relevant sei, während „alle menschlichen Lehren und prunkvollen Bräuche“ keine Bedeutung hätten. Die Kirchenordnung gebiete, dass alle Zeremonien, die nicht gegen das Wort Gottes verstießen, nicht angetastet werden sollten, was Hamelmann auch zu akzeptieren bereit sei, sofern sie dem Glauben nicht hinderlich sind und auch nicht als unsittlich gelten. Gleiche Autorität wie die heilige Schrift können diese allerdings nach Hamelmanns Verständnis nicht beanspruchen.402 Deutlicher wird Hamelmann – allerdings auch ohne Prozessionen als solche zu erwähnen – in seinem Gespräch mit dem herzoglichen Hofprediger Arnold Bomgard in Düsseldorf am 14. August 1555, bei dem Vlatten anwesend war. Auf die Frage, ob und wie das Sakrament seinem Verständnis nach zu verehren sei, antwortete Hamelmann: „Für die also, die es empfangen, ist es das Sakrament, denn diese erhalten den wahren Leib und das wahre Blut. Nicht also vorher oder außerhalb dieses Vollzugs ist das Sakrament wirksam oder nützt etwas.“403 Damit unterstreicht Hamelmann, dass das Sakrament außerhalb des eigentlichen Abendmahls, also etwa bei der Mitnahme in Prozessionen, keinerlei Bedeutung besitze. Er fährt fort: „Wenn die Weihung des Brotes nicht zu dem Vollzug geschieht, zu dem Christus sie eingesetzt hat, und nicht öffentlich nach dem Beispiele Christi und der Apostel, dann ist es keine Eucharistie und nicht der Leib Christi […]“.404 Während Hamelmann gegenüber den Räten des Herzogs hinsichtlich seines Verhaltens am Fronleichnamstag, das schließlich zum endgültigen Bruch mit den Kanonikern führte, nicht eindeutig Stellung bezog, war Hamelmann gegenüber einer lutherischen Institution wie der Universität Rostock, vor der er sein Sakramentsverständnis am 1. Juni 1558 verteidigte, konkreter. In seiner 18. These machte Hamelmann klar: „Auch die Anbetung des Brotes, in einer Prozession nach Art der Perser herumgetragen, ist ein schrecklicher Götzenwahn, mit dem das Geschöpf mehr verehrt wird als der Schöpfer […]“.405
401 402 403 404 405
äußert (insbesondere in Punkt 3), die sich Hamelmann in ähnlicher Weise zu Eigen machte. Dies dürfte nicht zuletzt daran liegen, dass Hamelmann den Brief vor den Ereignissen an Fronleichnam verfasste und erst nachträglich zurückdatierte. Vgl. Biermann, Hamelmann, S. 48. Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 241 f. und 249; Peters, Aus Hamelmanns Historia, S. 69 f. und 77 f. Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 265 f.; Peters, Aus Hamelmanns Historia, S. 95. Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 266; Peters, Aus Hamelmanns Historia, S. 96. Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 281; Peters, Aus Hamelmanns Historia, S. 110 f. Eine ähnliche Formulierung gebrauchte Hamelmann auch in der Beschreibung
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Mit Prozessionen wurde in den drei Städten unterschiedlich umgegangen. In Dortmund begann deren Abschaffung unter humanistischen Vorzeichen bereits in den 1540er Jahren, wobei dieser Trend vermutlich mit dem zunehmenden Einfluss der lutherischen Lehre als Katalysator in den 1560er Jahren beschleunigt wurde. Dabei wurde allerdings nichtsdestotrotz behutsam vorgegangen: Die für das städtische Selbstverständnis wesentlichen Erinnerungsprozessionen anlässlich überstandener militärischer Bedrohungen wurden nicht einfach abgeschafft, sondern in veränderter Form fortgesetzt, und zwar fast bis zum Ende des Alten Reiches. In Essen mag ein Rückgang der zahlreichen Prozessionen ebenfalls bereits vor der eigentlichen Reformation eingesetzt haben; aber erst nach der Einstellung lutherischer Prediger und nach der Einführung von jetzt im lutherischen Sinn zu deutenden Elementen des Gottesdienstes wurde auch die personelle und finanzielle Beteiligung der Bürgerschaft ausgesetzt. Allerdings ging dem bereits eine mangelhafte Bereitschaft seitens der Kanoniker, sich an für die Bürgerschaft relevanten Prozessionen zu beteiligen, voraus. Nicht nur eine zu Teilen lutherische Stadtgemeinde, sondern auch der katholische Klerus zeigten damit ihr zumindest partielles Desinteresse am Prozessionswesen. Dies mag eine Erklärung dafür sein, dass Prozessionen im Prozess vor dem Reichskammergericht in den Zeugenaussagen des späten 16. Jahrhunderts keine Rolle spielten, obwohl etwa die hundert Jahre später von Kaufmann berichtete Verhöhnung der Teilnehmer an einer Prozession durch lutherisch gesinnte Bürger oder auch der von Esch gemeldete Diebstahl eines Kreuzes durchaus hätten thematisiert werden können. Da das Prozessionswesen in der ravensbergischen Stadt Bielefeld nach wie vor ein Desiderat darstellt, lässt sich hierzu am wenigsten sagen. Zumindest zeigt die Beschreibung der Fronleichnamsprozession des Jahres 1555 bei Hamelmann, dass hier eine teilweise lutherisch orientierte, einem charismatischen Prediger (Hamelmann) folgende Gemeinde bewusst eine Konfrontation mit dem katholischen Stiftsklerus suchte. Die Vorkommnisse in Bielefeld sind daher als Ausdruck konfessioneller Abgrenzung zu werten.
e) Kontinuität und Wandel bei ‚Zeremonien‘ und ‚Brauchtum‘ Neben Kirchengesang oder Laienkelch soll es in allen drei Städten zu weiteren Änderungen im Gottesdienst gekommen sein. Dabei ist allerdings meist nur sehr allgemein von „ceremonien“ die Rede, die oft nicht genauer genannt werden. Es ist zu vermuten, dass hiermit die auch in der Kirchenordnung und der „Declaratio“ von Jülich-Kleve-Berg im Abschnitt „ceremonien“ genannten kirchlichen Bräuche gemeint sind, die nach dem Willen des Herzogs nicht angetastet werden sollten und in der „Declaratio“ als „vermanungen, anleidungen und beduidungen […] der innerlichen dingen, dardurch der glouf geoeft werden sull“, wobei diese selbst nicht se-
seiner am Fronleichnamstag gehaltenen Predigt. Vgl. Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 236; Peters, Aus Hamelmanns Historia, S. 63 f.
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lig machen würden, definiert wurden.406 Unter die Kategorie Zeremonien fasste die „Declaratio“ die reinigenden Elemente Weihwasser und Salz, Glocken, die das Volk zum Gottesdienst in die Kirche rufen, geistliche Gewänder, Bilder, Kreuzeszeichen, Begräbnisse und Jahrgedächtnisse sowie Kerzen und Lampen. Obwohl die Kirchenordnung Änderungen bei den Zeremonien ausdrücklich untersagte, soll sich der Klerus in den Bielefelder Stadtkirchen der Aussage des Dechanten gemäß daran nicht gehalten haben. Anlässlich der Visitation 1533 berichtete er, dass die Kapläne in den Predigten manchmal nicht nur über den Papst und das Salböl („chrysan“) schimpften – und somit „us m.g.h. ordnung treden“ –, sondern dass man es auch unterließ, „palmen, kertzen und kreutz zu geburlicher zit nach alder gewonheit“ zu weihen und zu segnen.407 Da der Herzog jedoch nicht gegen die Geistlichen an St. Nikolai und St. Marien einschritt, scheint er den Ausführungen entweder keinen Glauben entgegengebracht oder den ‚Neuerungen‘ gleichgültig gegenüber gestanden zu haben. Wenn man Hamelmann folgt, so soll es bei diesen Änderungen zumindest an der Altstadtkirche geblieben sein, auch in den 1540er Jahren. Vielleicht hatte der Reformator auch diese im Hinterkopf, als er schrieb, dass der Kaplan dieser Kirche „viele Jahre lang die päpstlichen Mißbräuche getadelt hatte“, jene Zeremonien mit dem Interim aber wieder einführen musste.408 Auch Jodokus Hanebom, der Nachfolger Molitors als Pfarrer an St. Nikolai, soll um 1551/52 „wieder die frühere Form der Zeremonien […] und Exerzitien, die zur Zeit seines Vorgängers Möller üblich waren“, aufgenommen haben.409 In der Neustadtkirche ließ sich Hamelmann, als er mit dem Stift den Anstellungsvertrag schloss, ausdrücklich von „allen Chorgesängen, Zeremonien, Belastungen und sonstigen Pflichten und von allem, was augenscheinlich nicht eigentlich zum Predigtamt eines Pastors gehört“, befreien.410 Genauer werden diese ‚Zeremonien‘ hier nicht beschrieben, doch lässt sich aus anderen Zeugnissen entnehmen, was damit wohl gemeint war. Am Ende seiner Darstellung zu Bielefeld führt Hamelmann einen Brief an, den Melanchthon auf Fragen der Ravensberger Pfarrer hin 1554 schrieb. Im sechsten Punkt stellt Melanchthon klar, dass man über das geistliche Gewand, Kerzen, Prozessionen und die Anrufung von Verstorbenen, also solchen Dingen, „deren Ausübung offensichtlich frei ist“, nicht streiten solle. Aufgabe des Pfarrers sei lediglich, der Gemeinde „den Unterschied zwischen notwendigen Dingen und menschlichen Gebräuchen“ darzulegen.411 In seiner Rechtfertigungsschrift an den herzoglichen Rat Johann von Vlatten äußerte sich Hamelmann selbst ähnlich: 406 407 408 409 410 411
Redlich, Kirchenpolitik, Bd. 1, S. 250 f. (Nr. 240) und 273–276 (Nr. 249), Zitat S. 274. Schmidt, Protokoll, S. 140. Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 230; Peters, Aus Hamelmanns Historia, S. 59. Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 232; Peters, Aus Hamelmanns Historia, S. 60. Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 234; Peters, Aus Hamelmanns Historia, S. 62. Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 287–290, hier S. 289; Peters, Aus Hamelmanns Historia, S. 118–121, hier S. 120.
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Solche Zeremonien, die nicht dem Wort Gottes entgegenstünden, sondern lediglich „wegen der Ordnung und der Ausschmückung veranstaltet werden“, verwerfe er nicht, sofern sie „nicht dem Glauben hinderlich und gegen die guten Sitten sind“. Auch wenn er diese Zeremonien lediglich als „Setzungen der Menschen“ betrachte, so erklärte er sich dennoch bereit, diese auch in Zukunft „wegen der Ordnung“, das heißt der herzoglichen Kirchenordnung, einzuhalten.412 Weniger bekannt ist, wie mit den ‚Zeremonien‘ nach Hamelmann umgegangen wurde. Sein Nachfolger Johannes Kirchhoff, „der stets […] auf zwei Stühlen sitzen und sich allen anpassen konnte“, hat sich vielleicht wieder dem Willen der Kanoniker in dieser Frage gebeugt. Denn auch so ließe sich Hamelmanns Kritik an ihm, dass er im Chor als Papist aufgetreten sei, interpretieren. Erst als eine neue Kirchenordnung 1567 ausgearbeitet werden sollte, habe auch Kirchhoff, nun Bielefelder Dechant, begonnen, „einige päpstliche Mißbräuche abzuschaffen und andere Übungen an ihre Stelle zu setzen“.413 Dies betraf vielleicht Sakramentalien wie das Weihwasser als ein apotropäisches Zeichen, das von Reformatoren abgelehnt und auch im Entwurf zur neuen klevischen Kirchenordnung nicht mehr genannt wurde.414 In Essen ist noch viel weniger hierzu überliefert. Der Zeuge Johann Tevenar verstand unter „Bapstliche[n] Ceremonien“ etwa „weyhe wasser, meßkleid[er] vnnd andern dergleichenn“, die um 1563 der spätere Essener Reformator Heinrich Barenbroich abgeschafft, die der rechtmäßige Pastor Saldenberg nach Barenbroichs Weggang jedoch „wieder angefangenn“ habe.415 Andere Zeugen forderten dagegen die Einhaltung von „Ceremonien vermög der Auspurischen Confession“416 und „Christliche[r] Ceremonien“,417 während ein anderer sich von Saldenberg gewünscht habe, dass dieser im lutherischen Sinne „gaistliche Ceremonien gebraucht vnd gehalt[en] hette“.418 Auch die Zeugen der Äbtissin wurden über Veränderungen der „biß daher geübte[n] Kirchengebräuch und ceremonien“ befragt, namentlich „bilder […], Missen Metten und andere Gezeiten und Güter“,419 wobei die Mehrzahl lediglich aussagen konnte, dass diese „uff die außpurgische confession verendert“420 oder dass die „ceremonien seind verendert, die bilder Missen Metten und andere 412
413 414 415 416 417 418 419 420
Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 242; Peters, Aus Hamelmanns Historia, S. 70. Auf das Problem der Zeremonien geht er auch an anderer Stelle des Briefes noch einmal ein, wobei er sich hier genau auf den 9. Artikel der „Declaratio“ bezieht. Vgl. Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 249; Peters, Aus Hamelmanns Historia, S. 77 f. Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 275; Peters, Aus Hamelmanns Historia, S. 104 f. Teschenmacher, Annales, S. 154–156 (Cap. 24). StAE 100.103, fol. 335r (128. Frage). Zeuge 25, Heinrich Verver: StAE 100.104, fol. 19v. Zeuge 35, Hermann thon Norden: ebd., fol. 19v–20r. Zeuge 29, Johann Kröse hinter dem hl. Geist: StAE 100.103, fol. 22r (134. Frage). StAE 100.106, fol. 272r–277v, hier fol. 272v (Frage zum 4. Teil des 11. Artikels der 20. Ordnung die Religionsänderung betreffend). Auf die Bilder wird später noch eingegangen werden. Zeuge 1, Melchior von Delwig: StAE 100.106, fol. 273v.
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gezeit[en] abgestelt“ worden.421 Kein Zeuge konnte allerdings angeben, ob es auch schon vor 1563 Änderungen gegeben hat. Auch andere Quellen geben hierüber keine Auskunft. Die Änderung der ‚Zeremonien‘ in Essen scheint daher der Überlieferung zufolge ein dezidiert reformatorischer Akt gewesen zu sein. In Dortmund wurden ‚Zeremonien‘ erst bei Schöpper thematisiert, und zwar in der 29. Katechismuspredigt mit dem Titel „Von der Gaistlichen bedeuttung etlicher Ceremonien inn der Kirchen“.422 Nach einer Klage über die Miss- und Verachtung solcher Zeremonien kommt Schöpper vorwiegend im Zusammenhang mit Prozessionen auf Beispiele zu sprechen, was als ‚Zeremonien‘ bezeichnet werden kann und wie der Gläubige diese zu verstehen habe: das Osterlamm, der Gebrauch von Kerzen, die Bedeckung der Altäre in der Fastenzeit, der Palmzweig, das Glockengeläut zu unterschiedlichen Tageszeiten, der Umgang mit dem Kruzifix, der Gebrauch von Weihwasser, Weihrauch und Salz. Seine Ausführungen schließt Schöpper mit der Hoffnung, „das die verspötter der Ceremonien doch derselben gaistliche bedeuttung […] für gut vnnd recht halten. Dann ich hab nichts eingefürt, das mit der Christlichen leer oder Religion streittet.“ Auch habe er nicht gelehrt, „dz man irgent ain vertrawen auff die Ceremonien soll setzen“.423 Wie mit den bei Schöpper genannten ‚Zeremonien‘ bis Anfang der 1560er Jahre umgegangen wurde, ist weitgehend unbekannt. Im für das Kirchenwesen zunächst wohl eher zweitrangigen Kollektenbuch werden diese gar nicht erwähnt, zumindest nicht in den bekannten Passagen. Erst im Edikt des Rates 1562, mit dem der Laienkelch zugelassen wurde, wird – wenn auch nur kurz – auf diese eingegangen. Denn die städtische Obrigkeit ordnete hierin an, dass „Ceremonien vnd gesenge, so bishero in der Kirchen gebreuchlich gewesen, […] hinferner vnuerendert gehaltten, vnd hiegegen noch zur Zeit keine Vernewerungh vorgenommen werden“ soll.424 Ob zu dieser Zeit noch all jene ‚Zeremonien‘ üblich waren, die Schöpper aufgezählt hat, ist unbekannt. Auffällig ist jedoch, dass im folgenden Dekret 1564, mit dem der Gemeinde der deutsche Gesang gestattet wurde, keine Rede mehr von ‚Zeremonien‘ ist. Das heißt jedoch nicht, dass diese bereits abgeschafft worden sind, im Gegenteil: In Dortmund wurden, ähnlich wie etwa in Lübeck und anderen, vor allem norddeutschen Städten,425 manche Bräuche weit über die Reformationszeit hinaus beibehalten. Hierüber berichten Mulher und Mewe 1616: „Die Cäremonien aber, alß adiaphora mit Anziehungh vnd Zündungh deß Meßgewandtz vnd respective Kertzen vnd dergleichen, sein daselbst noch lange Zeit verblieben“.426 Diese Messgewänder (Chorrock und Chorhemd) und Kerzen sowie andere katholische Relikte (Marien- und Aposteltage sowie Beichtstühle für die Privatbeichte) kamen erst im Laufe 421 422 423 424 425 426
Zeuge 3, Everhard von Eickel: ebd., fol. 274r. Schöpper, Summa, fol. 168r–178r. Ebd., fol. 177v. Fahne, Geschlechter, S. 91–93, hier S. 93. Vgl. u. a. Schmidt, Konfessionalisierung, S. 61 f.; zu Lübeck siehe Max Hasse, Maria und die Heiligen im protestantischen Lübeck, in: Nordelbingen 34 (1965), S. 72–81, hier S. 72. Mulher/Mewe, Historische Beschreibung, S. 337.
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des 18. Jahrhunderts außer Gebrauch und sind nach Luise von Winterfeld Beispiele dafür, „wie schonend die Reformation in Dortmund vorgegangen war“.427 Im Kontext der ‚Zeremonien‘ ist auch der Umgang mit den Heiligen und ihren Bildern zu erörtern, wurde diese Frage doch zwischen den sich ausbildenden Konfessionen besonders kontrovers behandelt, wobei die Positionen hinsichtlich ihrer angemessenen Ehrerweisung auch innerhalb der Bekenntnisparteien nicht immer einheitlich waren. Die Kritik an einer übertriebenen Verehrung findet sich bereits im Humanismus, analog zur Zunahme der spätmittelalterlichen Laienfrömmigkeit, die ihren Ausdruck im Ausbau des Heiligenkults samt Prozessionen, Wallfahrten oder Bruderschaftsgründungen fand. Dem ‚biblischen Humanismus‘, der eine stärkere Rückbesinnung auf die heilige Schrift und auf frühchristliche Traditionen propagierte,428 missfiel die inbrünstige Anbetung vermeindlich wundertätiger Bilder oder Reliquien durch die Gläubigen, welche zwar auch bei einigen katholischen Theologen auf Kritik stieß, aber von vielen kirchlichen Institutionen nicht zuletzt aus ökonomischen Gründen geduldet, ja teilweise gefördert wurde. Luther selbst429 nahm zu Beginn der Reformation noch keine heiligen- oder gar marienfeindliche Haltung ein: So ließ er deren Anrufung zunächst zu, warnte aber schon in den frühen 1520er Jahren vor einer ‚abgöttischen‘ Anbetung, die der Verehrung Christi schade. Bald schon wandte sich Luther allerdings gegen die vielerorts übliche Praxis einer Laienfrömmigkeit, die mehr auf die Heiligen als auf Gott ihr Vertrauen setzte. Als sich Luther schließlich 1524 „Wider den neuen Abgott und alten Teufel, der zu Meißen soll erhoben werden“,430 wandte und die Heiligsprechung des mittelalterlichen Bischofs Benno von Meißen (31. Mai 1523) missbilligte, verwarf er die Anrufung der Heiligen endgültig. Einher mit der zunehmenden Kritik an der Heiligenverehrung ging bei Luther auch die der Verehrung von Bildern. Zwar wurde die lutherische Lehre nie so bilderfeindlich wie die reformierte, doch bemühten sich die Mitstreiter Luthers um ein distanziertes Verhältnis zu den Bildern und ließen diese nur als pädagogisches Mittel für ungebildete Laien zu. So wurden Kirchen auch in dezidiert lutherischen Städten nicht nur mit Bibelpsalmen geschmückt, selbst die alten Altäre mit Heiligendarstellungen blieben nicht selten an Ort und Stelle.431 Der wichtigste Patron im mittelalterlichen Dortmund war der Ritterheilige Reinoldus,432 dessen Reliquien im 11. Jahrhundert vollständig von Köln nach Dort427
428 429 430 431 432
Löffler, Reformationsgeschichte, S. 228. Vgl. auch die Einleitung von Luise von Winterfeld zu Heinrich Enste, Quellenbeiträge zur Geschichte der Dortmunder Marienkirche. Mit einer Einleitung und Anmerkungen herausgegeben von Luise von Winterfeld, in: BeitrDO 39 (1931), S. 155–184, hier S. 155–160, Zitat S. 157: So wurden 1756 die Privatbeichte, 1769 die Marien- und Aposteltage und das Chorhemd, sowie schließlich 1788 Chorrock, Halskrause und Barett abgeschafft. Vgl. oben S. 62 f. Vgl. hierzu Iserloh, Verehrung. WA 15, S. 192 ff. Als Beispiel sei Lübeck genannt, vgl. Hasse, Maria. Zu diesem vgl. Hans Jürgen Brandt, St. Reinoldus in Dortmund. Zur Bedeutung des „Heiligen Patrons“ in der kommunalen Geschichte, in: Luntowski/Reimann, Dort-
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mund transferiert worden waren. Diese wurden in der dem Heiligen geweihten Hauptpfarrkirche in einem Schrein im Chor verwahrt. Der Schutz der Stadt433 vor allen Gefahren oblag nach mittelalterlichem Verständnis St. Reinoldus: Sein Eingreifen zugunsten der Stadt bewahrte diese vor Eroberungsversuchen, verhinderte Verrat, hielt Katastrophen fern oder beendete diese. Die körperlichen Überreste von St. Reinoldus als Schutzpatron der gesamten Stadt standen daher bei einigen Prozessionen im Mittelpunkt.434 Aber auch im Stadtbild war der Heilige stets optisch präsent, sei es etwa als überlebensgroße Holzstatue aus dem frühen 14. Jahrhundert vor dem Chor der Reinoldikirche, direkt neben einem Standbild Karls des Großen, bzw. als Schnitzwerk im 1462 geschaffenen Chorgestühl,435 oder als steinernes Bildnis mit abwehrender Geste auf der Stadtmauer nahe dem Westentor, von wo aus der Heilige sich 1377 einem feindlichen Heer entgegengestellt haben soll.436 Dortmund ist ein eindrückliches Beispiel dafür, dass der Umgang mit Stadtheiligen in Folge der Reformation nicht immer zerstörerische Ausmaße annehmen musste.437 St. Reinoldus blieb sowohl im als auch nach dem 16. Jahrhundert weiterhin in der Stadt präsent. Die Zurückhaltung Heiligen gegenüber hinsichtlich ihrer Wirkmächtigkeit scheint dabei keineswegs nur bei solchen Dortmundern typisch gewesen sein, die mit der lutherischen Lehre sympathisierten. Skeptisch äußerte sich etwa Schöpper, ohne direkt auf den Dortmunder Stadtheiligen einzugehen.438 Aber
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434 435
436 437
438
mund, S. 79–104; Jochen Behrens, St. Reinoldus und die Dortmunder Bürgergemeinde. Überlegungen zum Verhältnis zwischen Stadtpatron und Stadt, in: Schilp, Himmel, S. 39–43; Thomas Schilp, Reinoldus, unser stat overster patroen und beschermer, in: ders. und Beate Weifenbach (Hg.), Reinoldus und die Dortmunder Bürgergemeinde. Die mittelalterliche Stadt und ihr heiliger Patron, Essen 2000, S. 35–49; Ders, Reinoldus. Die mittelalterliche Stadt Dortmund und ihr heiliger Patron, in: Ohm u. a., Ferne Welten, S. 49–52. Übergreifend zu Stadtheiligen vgl. Wilfried Ehbrecht, Die Stadt und ihre Heiligen. Aspekte und Probleme nach Beispielen west- und norddeutscher Städte, in: Ellen Widder u. a. (Hg.), Vestigia Monasteriensia. Westfalen – Rheinland – Niederlande. FS Wilhelm Janssen, Bielefeld 1995, S. 197–261. Vgl. oben S. 240 ff. Judith Zepp, Der Chor der St. Reinoldikirche als Handlungsraum des Hl. Reinold und der Dortmunder Bürger, in: Nils Büttner u. a. (Hg.), Städtische Repräsentation. St. Reinoldi und das Rathaus als Schauplätze des Dortmunder Mittelalters, Bielefeld 2005, S. 204–225; Brandt, St. Reinoldus, S. 96–99. Westhoff, Chronik, S. 226 f. Siehe auch Brandt, St. Reinoldus, S. 101 f. So wurden etwa in Meißen die Reliquien des hl. Benno mit der Reformation genauso ‚entsorgt‘ wie die Gebeine des heiligen Bischofs Konrad und die des hl. Pelagius in Konstanz. Vgl. hierzu Albrecht Lobeck, Das Hochstift Meissen im Zeitalter der Reformation bis zum Tode Herzog Heinrichs, Leipzig 1971, S. 124–127, sowie Wolfgang Dobras, Konstanz zur Zeit der Reformation, in: Martin Burkhardt u. a., Konstanz in der frühen Neuzeit. Reformation – Verlust der Reichsfreiheit – Österreichische Zeit, Konstanz 1991, S. 11–146, hier S. 90. Dagegen blieben – ähnlich wie in Dortmund – die Sebaldreliquien in Nürnberg an Ort und Stelle. Zum Sebaldschrein aus der Werkstatt Peter Vischers d. Ä. vgl. Kurt Pilz, Das Sebaldusgrabmal im Ostchor der St. SebaldusKirche in Nürnberg. Ein Messingguß aus der Gießhütte der Vischer, Nürnberg 1970. Vgl. oben Teil III, Kap. 3.
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auch der Chronist Westhoff nahm eine eher kritische Haltung zu St. Reinoldus ein: Die Rettung der Stadt 1377 schrieb er nicht etwa dem Stadtheiligen, sondern einem der Stadt durch Gott gesandten Engel zu.439 Ein weiteres Indiz für eine abnehmende Verehrung findet sich ebenfalls bei Westhoff: Die Statue auf der Stadtmauer stand, wie der Chronist schreibt, noch 1538, sei aber nun, das heißt kurz vor Mitte des 16. Jahrhunderts, verfallen.440 Die aufrechterhaltene Verbindung zwischen Stadtgemeinde und Stadtpatron nach der Reformation manifestiert sich im Umgang mit den Reliquien. Die Gebeine waren bis auf wenige Stücke, die man 1377 bzw. 1378 Kaiser Karl IV. bzw. der Kaiserin Elisabeth anlässlich ihres Besuches überlassen hatte,441 in einem Reliquienhaus an der Chornordwand der Reinoldikirche untergebracht und blieben auch nach 1570 an Ort und Stelle. Erst Jahrzehnte später, nachdem die Auseinandersetzungen um die Rechtmäßigkeit der städtischen Reformation begonnen hatten,442 wurde der größte Teil der Reliquien entfernt. Dass dies nicht aufgrund theologischer Vorbehalte im lutherischen Klerus oder wegen reliquienfeindlicher Ansichten in der evangelischen Bürgerschaft vonstatten ging, zeigt die Art und Weise, wie die Gebeine 1614 aus der Kirche geschafft wurden. Dies erfolgte nämlich 1614 nicht offen mit Zustimmung der Gemeinde, sondern quasi in einer Nacht- und Nebelaktion.443 Wie aus einer zwei Jahre später durch den Statthalter der Spanischen Niederlande, Erzherzog Albrecht VII. von Österreich, ausgestellten Urkunde hervorgeht, hatte zunächst der lutherische Patrizier Albert Klepping die Reliquien von den drei Provisoren der Reinoldikirche ohne Kenntnis oder gar offizielle Zustimmung des Pfarrers und des Rates erhalten. Die Gebeine wurden in einer hölzernen Kapsel und in einem Säckchen entfernt, während der silberne Schrein in der Kirche blieb, so dass die Tat vermutlich zunächst unentdeckt blieb. Einige Zeit später kam der Kölner Dompropst Eitel Friedrich von Hohenzollern nach Dortmund und erhielt von Klepping die Reliquien geschenkt. Dieser gab sie 1616 an den Erzherzog weiter, welcher diese noch im gleichen Jahr dem Erzbischof von Toledo übereignete, in dessen Kathedralkirche die Gebeine schließlich bis heute verehrt werden. Die Initiative für die Weggabe der Dortmunder Reliquien dürfte weniger allein bei Albert Klepping als vielmehr bei Teilen des Dortmunder Rates gelegen haben, war doch einer der amtierenden Bürgermeister, der Katholik Georg Klepping, Führer der kleinen, aber nicht einflusslosen katholischen Partei in der Stadt. Auch die drei Kirchprovisoren – Henrich Schöler, Hermann Degginck und Caspar Berckfeldt – gehörten dem Magistrat an.444 439 440 441 442 443
444
Westhoff, Chronik, S. 226. Ebd., S. 227. Ebd., S. 232 f. und 244. Vgl. hierzu Mette, Gegenreformation. Zum Folgenden vgl. Paul Fiebig, St. Reinoldus in Kult, Liturgie und Kunst, in: BeitrDO 53 (1956), S. 6–200, hier S. 38–45; Luise von Winterfeld, Die neuesten Forschungen über die Reinoldusreliquien, in: Hans Lindemann (Hg.), St. Reinoldi in Dortmund, Dortmund 1956, S. 40–44. Die drei bekleideten 1614 als Erbsassen die siebente, achte und neunte Ratsstelle. Vgl. Mallinckrodt, Rathslinie, S. 37.
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Möglicherweise, so ist vermutet worden, wurde beabsichtigt, mit der Schenkung an den Dompropst diesen als Fürsprecher beim Kölner Kurfürsten und damit mittelbar beim Kaiser zu gewinnen, um die geforderte Restitution der Pfarrkirchen an die Katholiken abzuwenden.445 Tatsächlich wurde nämlich für über ein Jahrzehnt auf eine Umsetzung des kaiserlichen Befehls verzichtet und stattdessen den Franziskanern 1616 Pfarrrechte für die verbliebenen katholischen Bürger übertragen.446 Der wichtigste Teil der Reinoldireliquien, seine Schädeldecke, die in ein kostbares Kopfreliquiar eingearbeitet und im Mittelalter bei den Prozessionen mitgeführt worden war, blieb allerdings im Chor der Kirche. Vermutlich hätte die Entfernung des Kopfes des Heiligen, der im Sinne des Wortes als ‚Haupt‘ der Stadt verstanden wurde, für unerwünschtes Aufsehen gesorgt. Auch im späten 17. Jahrhundert war das Reliquiar noch an Ort und Stelle: Als 1687 der reformierte Weseler Pastor Anthon von Dorth über Dortmund zur märkischen Synode nach Kamen reiste, ließ er sich durch den Küster der Reinoldikirche den Chor aufschließen, um das Brustbild des einstigen Stadtheiligen zu sehen. Seiner Beschreibung nach war dieses „von klarem silber, starck ubergoldet […]; weise haar vnd Bart, artificiose getrieben worden. Oben auffm haupt ein fensterlein, dadurch gesehen und angriffen der Hirnschedel besagten Reinoldi, eingefaßt […]. hatte vmb den halß verschiedene […] silberne Kettchen vnd Corallene schnur, sampt anhengenden silb. pfennig“.447
Doch nicht nur Teile der Reliquien des Stadtheiligen überdauerten den reformatorischen Wandel, sondern auch große Teile der Kirchenausstattung. Einen Bildersturm hat es in Dortmund nicht gegeben. Neben der Monumentalstatue des hl. Reinoldus vor dem Chor448 der Hauptkirche der Stadt blieben auch mehrere Altäre und Heiligenbilder erhalten, weil sich ein großer Teil der mit den Altären verbundenen Vikarien weiterhin in der Hand katholisch gebliebener Familien befand, die teilweise bis in das 18. Jahrhundert katholische Priester beriefen und Messen lesen ließen.449 In Bielefeld ist über den Umgang mit vorhandenen Bildern bzw. den dargestellten Heiligen wenig bekannt. Zwar existierten im Mittelalter insbesondere in der Neustadtkirche zahlreiche Altäre, über deren weiteres Schicksal ist jedoch wenig bekannt. Allerdings scheinen zumindest am großen Flügelaltar (um 1520) in der Altstadtkirche reformatorisch beeinflusste Änderungen vorgenommen worden zu
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449
So etwa von Winterfeld, Forschungen, S. 44. Den Dominikanern dagegen wurden diese erst 1719 verliehen. Wilhelm Rotscheidt, Notizen auf einer Reise zur Märckischen Synode im Jahre 1687, in: Jahrbuch des Vereins für die Evangelische Kirchengeschichte Westfalens 16/17 (1914/15), S. 114–129, hier S. 126 f. Allerdings vergaß man anscheindend im 18. Jahrhundert, dass die Statue den Heiligen darstellen sollte. Beurhaus, Merkwürdigkeiten, S. 312, interpretierte die Plastik nämlich als ein Rolandsbildnis bzw. als Darstellung Heinrichs des Löwen oder eines unbekannten Dortmunder Grafen. Vgl. Enste, Quellenbeiträge, S. 158 und 180–184; daneben Beurhaus, Merkwürdigkeiten, S. 400–406.
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sein.450 Auf diesem ist auf der Werktagsseite die Gregorsmesse dargestellt, jedoch ohne den obligatorischen Kelch auf dem Tisch. Es ist daher vermutet worden, dass der Kelch entweder in der Zeit, als Hamelmann in Bielefeld wirkte, oder kurz danach aus dem Gemälde getilgt wurde, weil die Ikonographie der Gregorsmesse als Symbol für die katholische Kommunionsauffassung und in den Augen der Protestanten als Sinnbild „abergläubischen Mißbrauchs“ galt.451 Hamelmann, der Bildern nicht völlig ablehnend gegenüberstand, sondern als Mittel für die Belehrung der Laien durchaus akzeptierte,452 kritisierte daher nicht das Bild als solches, sondern eine mögliche dahinterstehende Botschaft. Dasselbe gilt auch für seine Auffassung den Heiligen gegenüber. Im Gespräch mit Vlatten und Bomgard in Düsseldorf 1555 erkannte er zwar an, dass Heilige für die Menschen beten würden, diese anrufen solle der Gläubige jedoch nicht. Auch eine Mittlerfunktion konnte und wollte Hamelmann nur Christus, nicht aber den Heiligen zugestehen.453 In Essen entzündete sich hinsichtlich des Umgangs mit der Bild- und Altarausstattung der Gertrudenkirche ein Streit zwischen der Stadt und dem Stift. Für die Äbtissin und die Kanoniker stellte das Entfernen von Bildern in den 1560er Jahren einen Eingriff in die Rechte des Stifts dar und zeigte in ihren Augen ein bilderfeindliches, vielleicht schon calvinistisch inspiriertes Auftreten der Bürgergemeinde. Dem Zeugnis einiger Bürger zufolge befanden sich in der kleinen Kirche zuvor sehr viele Bilder.454 Am Palmsonntag 1564 soll es schließlich zu einem Auflauf gekommen sein, infolgedessen die Bilder aus der Kirche ohne Billigung des Rates abgenommen worden waren, wobei der Rat die Übeltäter bestraft und die entfernten Stücke sichergestellt habe.455 Neben Bildern wurde mindestens auch einer von mehreren Altären abgebaut, der, wie ein Zeuge aussagte, „in jedermans wege gestand[en] vnnd den leuttenn hinderlich gewesen“ sei.456 Dahinter stand die Absicht, an dieser Stelle ein Gestühl zu bauen, das dem Rat und adligen Gottesdienstbesuchern vorbehalten sein sollte – einer dieser Adligen war zudem kein Geringerer als der Bruder der amtierenden Äbtissin Irmgard von Diepholz.457 Während aus städtischer Sicht die Entfernung der Bilder ein Akt Einzelner gewesen und die des Altars aus repräsentativen Gründen geschehen war, sahen das mehrere der abteilichen Zeugen, die 450 451 452 453 454 455
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Dazu Rüthing, Kelch. Ebd., S. 27. Ebd., S. 25–27. Hamelmann, Reformationsgeschichte, S. 269 f.; Peters, Aus Hamelmanns Historia, S. 99 f. Vgl. die Antworten der Zeugen Patroclus Abels, Johann Stratmann, Heinrich Verver und Jorgen Schele auf die 121. Frage: LAV NRW R, RKG, E 589, Bd. 4, fol. 432r, und StAE 100.105, fol. 117r, 280r und 333r. Zeuge 34, Johann Tevenar: StAE 100.103, fol. 391r: „Nein, dann die bild[er] durch einen vfflauff weckhgenom[m]en derweg[en] auch ein Rhatt der thätter etzliche gefanglich eingezogenn, die ornamenta aber sein inn deß Rhats warsamb vnnd custodien.“ Ähnlich beschreibt es auch der spätere Bürgermeister Beckmann, vgl. StAE 100.284, Bl. 7. Zeuge 33, Johann von Sevenar: StAE 100.105, fol. 235r (140. Besondere Frage). Vgl. hierzu die Antworten der städtischen Zeugen auf die 140. Besondere Frage.
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sich auch über ihre eigene Einstellung Bildern und Heiligen gegenüber zu äußern hatten,458 ganz anders. Die Säuberung der Kirche von Bildern wurde von ihnen meist als Teil des Vorgehens der Bürger gegen althergebrachte ‚Zeremonien‘ empfunden. Der frühere Kanoniker Dietrich Ingenhoff gab sogar an, dass die Gemeinde so weit ging, dass sie „die altaria und bilder abgeschafft, alle Gemäls in der Kirchen außgethan, und die Kirch […] weißen, und ihres Gefallens allerley Spruch in die Platt […] schreiben“ ließen.459 Ob die Gemeinde tatsächlich während der Amtstätigkeit des orthodox-lutherischen Barenbroich, wie Ingenhoff behauptete, soweit ging, ist allerdings fraglich. Wenn überhaupt dürfte die für reformierte Kirchen typische Weißung erst unter einem anderen Prediger erfolgt sein, der mehr Calvin als Luther zuneigte, wobei Ingenhoffs Angabe durch keine andere Quelle bestätigt wird. In engem Zusammenhang mit der Verehrung von Heiligen standen Bruderschaften. Bruderschaften hatten in der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Stadtgesellschaft eine zentrale Stellung im kirchlichen und sozialen Leben inne.460 Als Memorialgemeinschaften, Zweckzusammenschlüsse oder karitative Vereinigungen hatten diese gemeinsamen Organisationen von Laien und/oder Klerikern vielfältige Funktionen, wobei weder die zeitgenössischen Termini einheitlich waren noch die Grenze zu ganz anderen Verbindungen (etwa Gilden) klar gezogen werden kann. Nach der gängigen Definition von Ludwig Remling waren Bruderschaften „freiwillige, auf Dauer angelegte Personenvereinigungen mit primär religiösen, oft auch caritativen Aktivitäten, bestehend innerhalb oder neben der Pfarrei, wobei durch die Mitgliedschaft weder der kirchenrechtliche Status des einzelnen tangiert wird noch sich im privaten Lebensbereich Veränderungen ergeben müssen“.461
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461
Besonders umfangreich hierzu ist die Aussage des aus seiner Kirche ausgeschlossenen Gertrudenpfarrers Heinrich Saldenberg (StAE 100.106, fol. 392r–397r). Seine leidenschaftliche Verteidigung von Bildern und Heiligen lässt auf eine vergleichsweise nicht unbeträchtliche Gelehrsamkeit schließen. In den verhältnismäßig umfangreichen, zum Teil auf Latein gegebenen, jedoch inhaltlich nicht immer fehlerfreien Antworten bezog sich Saldenberg nicht nur auf alt- und neutestamentarische sowie auf frühchristliche Traditionen und mittelalterliche Päpste bzw. Theologen. Hinsichtlich der Frage nach einer gottgewollten Abschaffung der Bilder verwies Saldenberg auch auf die tragischen Schicksale biblischer und historischer Ikonoklasten (die Priester Hophni und Pinchas, den babylonischen König Nebukadnezar II., die byzantinischen Kaiser Leo IV. und Leo V., den römischen Konsul Quintus Servilius Caepio d. Ä. sowie den persischen Großkönig Xerxes). Es ist zu vermuten, dass Saldenberg Kenntnis von antiken und byzantinischen Geschichtsschreibern gehabt hatte, da er etwa das 9. Buch zum Zweiten Punischen Krieg des Titus Livius sowie das zweite Buch der Historiarum Philippicarum libri XLIV des (Marcus Iunianus) Iustinus zitiert. StAE 100.106, fol. 388r. Als allgemeinen Überblick vgl. Ludwig Remling, Bruderschaften als Forschungsgegenstand, in: Jahrbuch für Volkskunde N.F. 3 (1980), S. 89–112; ders., Bruderschaften in Franken. Kirchen- und sozialgeschichtliche Untersuchungen zum spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Bruderschaftswesen, Würzburg 1986, bes. S. 1–53; Bernhard Schneider, Wandel und Beharrung. Bruderschaften und Frömmigkeit in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, in: Ganzer, Volksfrömmigkeit, S. 65–87. Remling, Franken, S. 49 f.
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Wie für viele kirchliche Bereiche bedeutete die Reformation auch für die Bruderschaften einen Einschnitt. Die bereits im Spätmittelalter aufkommende Kritik an der inflationären Zunahme von Bruderschaften wurde von Reformatoren wie Luther immer lauter geäußert. Schon 1519 verurteilte er ihr „fressen, sauffen, unnutz gelt vorthun, plerren, schreyen, schwetzen, tantzen und zeyt vorlyren“ und das „heidnische, ja säuische“ Wesen ihrer Totenmemoria, die lediglich auf „eygen nutzige liebe“ bedacht sei und nicht dem Allgemeinwohl diente.462 Für viele Bruderschaften in protestantischen Gebieten bedeutete daher die Reformation meist das Ende, es sei denn, sie wandelten sich zu rein karitativ tätigen Gemeinschaften.463 Zu Bruderschaften in Bielefeld und Essen ist nur wenig überliefert. Im Hauptort der Grafschaft Ravensberg scheint das Bruderschaftswesen bereits vor der Reformation im Niedergang gewesen zu sein: Der im Mittelalter bedeutende Kaland – eine Vereinigung vorwiegend von Geistlichen464 – an der Neustadtkirche hörte bereits 1492 auf zu existieren,465 und über andere Korporationen können nur Vermutungen angestellt werden.466 In Essen kennt man zwar einige Bruderschaften, die noch im 16. Jahrhundert existierten, wie sich das Bruderschaftswesen nach den 1560er Jahren weiterentwickelte, ist jedoch unbekannt.467 462 463
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Martin Luther, Sermon Von dem hochwürdigen Sakrament des heiligen wahren Leichnams Christi und von den Bruderschaften (1519), in: WA 2, S. 738–758, hier S. 754 und 756. Etwa in Lübeck sowie eingeschränkt in Soest und Braunschweig. Vgl. Hanna Link, Die geistlichen Bruderschaften des deutschen Mittelalters, insbesondere die Lübecker Antoniusbrüderschaft, in: Zeitschrift für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde 20 (1920), S. 181–270, hier S. 222 und 255–260; Monika Zmyslony, Die Bruderschaften in Lübeck bis zur Reformation, Kiel 1977, S. 153; Beate Sophie Gros, Das Soester Bruderschaftswesen vom ausgehenden 12. bis zum 16. Jahrhundert unter besonderer Berücksichtigung der Jacobusbruderschaft, in: Soester Zeitschrift 108 (1996), S. 30–59, hier S. 35 f.; Kerstin Rahn, Religiöse Bruderschaften in der spätmittelalterlichen Stadt Braunschweig, Braunschweig 1994, S. 160–162. Vgl. allgemein hierzu Malte Prietzel, Die Kalande im südlichen Niedersachsen. Zur Entstehung und Entwicklung von Priesterbruderschaften im Spätmittelalter, Göttingen 1995; ders., Klerikerbruderschaften, Obrigkeit und Laien. Die niedersächsischen Kalande im späten Mittelalter, in: Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte 75 (2003), S. 87–100. Reinhard Vogelsang, Der Kaland an der Neustädter Marienkirche in Bielefeld, in: Jahresbericht des Historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg 72 (1979/80), S. 91–112. Vgl. etwa Propach, Geschichte, S. 146 und 150 f. Problematisch ist, dass in Bielefeld teilweise auch Handwerksvereinigungen als Bruderschaften bezeichnet wurden, die prinzipiell nicht zur Kategorie von religiös ausgerichteten Bruderschaften gezählt werden können. So sind je eine Pfarrbruderschaft an St. Gertruden (1525) und St. Johannis (1554) sowie als Kaland die Liebfrauenbruderschaft (1326 gegründet, noch 1540 erwähnt) bekannt, vgl. Fehse, Stadtgeschichten, S. 216–218. Das 1326 begonnene Bruderschaftsbuch der Liebfrauenbruderschaft ist im MAE (ehemals A 488) nicht mehr auffindbar. Vgl. auch Schaefer/Arens, Urkunden, S. 175 (Nr. 322), 190 (Nr. 363), 194 (Nr. 374) und 247 (Nr. 488).
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Im Unterschied zu Essen und Bielefeld zeichnet sich Dortmund durch ein sehr dichtes Bruderschaftswesen an allen vier Pfarrkirchen sowie an den Mönchsklöstern und Kapellen aus, wobei noch im 16. Jahrhundert viele Bruderschaften nachzuweisen sind.468 Insgesamt existierten ungefähr vierzig Korporationen – davon allein zehn an St. Reinoldi469 –, die jeweils von zwei oder drei Vorstehern geleitet wurden, die in der Regel dem Zunft- oder Erbsassenbürgertum angehörten. Nach Luise von Winterfeld begann bereits in den 1530er und 40er Jahren eine „Umbildung der Bruderschaften aus Kultgemeinschaften zu Armen- und Wohlfahrtseinrichtungen“,470 in einer Zeit, zu der gemäß Westhoff die Frömmigkeit der Menschen angefangen habe nachzulassen.471 So soll der Rat zunehmend die Kontrolle über Bruderschaften und das Armenwesen übernommen haben, etwa mittels der Berufung von Provisoren durch den Magistrat472 oder der Übertragung von Bruderschaftskapital an die jeweiligen Armenschüsseln.473 Letzteres war insbesondere um 1570 der Fall, als an der Reinoldikirche neue oder reorganisierte Almosenschüsseln die karitative Funk468 469 470 471
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Über die zahlreichen Dortmunder Bruderschaften, die lange Zeit wenig von der Forschung beachtet wurden, vgl. Helbich, Memoria. In einer Urkunde werden 1557 die „semptlichen Then Broderschoppen unser tidt darselvest tho Sanct Reynolt“ genannt (StAD Best. 1, Nr. 10475b). Zitat von Winterfeld, Durchbruch, S. 59. Der entsprechende Abschnitt der Westhoffchronik ist nicht in der sonst zitierten Edition enthalten, sondern befand sich nur in der Urhandschrift, die aber heute nur noch in wenigen Resten erhalten ist. Bei Luise von Winterfeld (ebd., S. 59 f. Anm. 23) ist die hier relevante Stelle zu finden. Ebd., S. 68. Anzumerken ist jedoch, dass nur bei einer Bruderschaft die Provisoren als vom Rat eingesetzt bezeichnet wurden. Es handelt sich dabei um die seit 1482 bekannte Bruderschaft Hl. Kreuz und Hl. Sakrament am Dominikanerkloster, deren Provisoren gleichzeitig die Armenschüssel des Konvents verwalteten. In der entsprechenden Urkunde von 1539 werden die Vorsteher zudem nicht in ihrer Funktion als Leiter der Bruderschaft, sondern als Bevollmächtigte der Armeneinrichtung als „van dem erssamen rade verordnet und gesat“ genannt. Vgl. StAD Best. 210, Nr. 141. So von Winterfeld, Durchbruch, S. 68 mit Anm. 54. Neben älteren Armeneinrichtungen (z. B. der Almosenschüssel „Unter dem Pförtchen“ an St. Reinoldi, der Dominikaner-Almosenschüssel oder jener an der Petrikirche) wurde 1540 auch an der Nikolaikirche eine Fürsorgeeinrichtung begründet (Randbemerkung im Inventarverzeichnis von 1577 [StAD Best. 2, Nr. 132-1a, Bl. 33]). 1543 erhielten die Vorsteher das Recht zum Kauf von Gütern und Renten zugunsten der Almosenschüssel durch den Rat zugesprochen (ebd., Bl. 1). Zu den neuen Armeneinrichtungen zählt auch die Almosenschüssel Hl. Kreuz an St. Reinoldi von 1565. Neugeordnet wurde fast gleichzeitig das Armenwesen an der Petrikirche (um 1569: StAD Best. 212, Nr. 141 [1569 November 20, Regest]; auch in drei weiteren Urkunden bis 1574 [Nr. 142–144] ist von der „nigge ufgerichteden Almoßenschottelen in Sanct Petri kirchen gelegen“ die Rede: Zitat aus Nr. 144 = LkAB Best. 10, Nr. 552 [1574 Mai 10]) sowie an St. Reinoldi („Unter dem Pförtchen“, um 1571: StAD Best. 230, Nr. 51 [1571 August 21; Regest]). Zu den einzelnen Almosenschüsseln, die erst 1762 zusammengeführt wurden, vgl. Karl Rübel, Die Armen- und Wohltätigkeitsanstalten der freien Reichsstadt Dortmund, in: BeitrDO 20 (1911), S. 127–249, hier S. 188–196, und Martina Klug, Ad mensam pauperum pertinentia. Die Almosenschüsseln im spätmittelalterlichen Dortmund – Aspekte der Armenfürsorge, in: BeitrDO 88 (1997), S. 97–109.
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tion der Bruderschaften übernahmen: Um 1565 übertrugen sechs der zehn Reinoldibruderschaften Vermögenswerte an die dortige neue Almosenschüssel Hl. Kreuz,474 während 1571 drei Bruderschaften Renten an die an der Reinoldikirche „neuaufgerichtete“ Almosenschüssel „Unter dem Pförtchen“ verkauften.475 Die in dieser Zeit erfolgte Verschiebung von ehemals bruderschaftlichem Besitz, der nur einem kleinen Kreis zugute kam, in die Hände von Wohlfahrtseinrichtungen wird nicht ohne Grund parallel zum schrittweisen Übergang der Dortmunder Kirchen zur lutherischen Lehre durchgeführt worden sein, orientierte sich dieses Vorgehen doch sehr an Empfehlungen Luthers.476 Es ist nicht bekannt, ob die Bruderschaften auch bei der Organisation der Almoseneinrichtungen eine Rolle spielten. Vorstellbar ist, dass die um 1570 noch existierenden Gemeinschaften sukzessive aufgelöst wurden, zumindest erscheinen diese nach 1571 nicht mehr in den Quellen. Im Gegensatz zu den Bruderschaften der Reinoldikirche sind jene an St. Nikolai länger nachweisbar. Hier kam deren Ende erst 1580, das heißt ein Jahr nachdem sich auch in dieser Pfarrkirche der lutherische Gottesdienst kurz vor dem Tod des Pfarrers Nikolaus Glasemecker durchsetzen konnte. Auf einer der letzten Seiten im Bruderschaftsbuch der Nikolaibruderschaft, der wichtigsten Gemeinschaft an St. Nikolai, wurden die sieben an der Kirche existierenden Korporationen mit ihren jeweils zwei Vorstehern genannt, und zwar unter der Überschrift „Gemeine Vorstendere vurg. Kirchen, so bißher [!] Broderschafft genant“.477 Somit sind die Bruderschaften, bzw. zumindest ihre bisherigen Provisoren, Teil des Kirchenvorstandes geworden. Allerdings ist nicht ganz klar, ob der genannte Vermerk tatsächlich das endgültige Ende des Bruderschaftswesens an dieser Pfarrkirche bedeutete. Dem Chronisten Beurhaus zufolge bestand nämlich noch zu seinen Lebzeiten (gegen Ende des 18. Jahrhunderts) eine Nikolaibruderschaft, über welche er berichtet: „Heutiges Tages ist noch bekannt die Brüderschaft zu Sti. Nicolai, worzu hornette Bürger aus der Gemeine Nicolai erwehlet werden, welche […] zu dem Kirchenvorstand gedachter Kirche gehören und auf Lucae Ottiliae Tag 13. Dec. jährlich eine Zusamenkunft, auch ein
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477
StAD Best. 230, Nr. 3, sowie von Winterfeld, Durchbruch, S. 68 Anm. 54. Veräußerer waren die Bruderschaft der Hl. Drei Könige StAD Best. 230, Nr. 52 [1571 Mai 30]), die Liebfrauenbruderschaft (ebd., Nr. 53 [1571 Mai 30]) und die Joest- oder Jodokusbruderschaft (ebd., Nr. 51 [1571 August 21; von der Urkunde ist nur ein Regest erhalten]). „Szo man eyne bruderschafft wolt halten, solt man zusammen legen und eyn tische odder zween armer leut speyßen und den selben dienen lassen umb gottis willen, solt den tag zuvornn fasten und den feyrtag nuechter bleyben, mit beeten und ander gutten wercken die zeyt hyn bringen, da wurden gott und seyne heyligen recht geeret, da wurd auch besserung auß folgen und gutt exempell den andernn geben, odder solt das gelt, das man vorsauffen will, zusammen legen und eyn gemeynen schatz samlen, […] das man yn der nott eynem durfftigen mithantwergs man anzulegen helffen und leyhen kundt, oder eyn jung par volcks desselben handwergs von dem selben gemeynen schatz mit eeren außsetzen: das weren rechte bruderliche werck […].“ WA 2, S. 755. LkAB Best. 10, Nr. 488, fol. 28v.
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IV. Möglichkeiten und Grenzen religiösen Ausgleichs
Tractement haben. Sie haben ihren Convocanten und auch einen besonderen Buchhalter über ihre Renthen, die sich aber nur noch zu pp. 6 rt. erstrecken.“478
Dass diese sogenannte Bruderschaft eine Vereinigung der Provisoren der Pfarrkirche war, ergibt sich auch aus den Ratsprotokollen des 18. Jahrhunderts, wo etwa von einer „Brüderschaft der Provisoren“ die Rede ist.479 Ob diese allerdings tatsächlich ununterbrochen seit dem Mittelalter bestand, ist ungewiss. Vermutlich gleichzeitig wie die Nikolaibruderschaften scheint auch die bei den Minoriten ansässige Marien- und Bernhardsbruderschaft ein Ende gefunden zu haben: 1579480 übertrugen die beiden Provisoren der Bruderschaft dem Konvent genau jene drei Renten, die von ihren Vorgängern zwischen 1486 und 1517 erworben worden waren.481 Bereits früher ging wahrscheinlich die Hl. Kreuz und Hl. Sakramentsbruderschaft am Dominikanerkloster ein, die mit der Almosenschüssel des Konvents verbunden war: Während die Bruderschaft letztmalig 1540 genannt wird, existierte die Armeneinrichtung bis in das 18. Jahrhundert hinein weiter.482 Neben der Beibehaltung von Relikten wie Messgewändern oder Kerzen war auch das Fortleben einiger Klerikerbruderschaften für Luise von Winterfeld ein Beweis für den schonenden Umgang der Reformation. In Dortmund blieben – „soweit es ging dem evangelischen Bekenntnis an[gepasst]“483 – der Kaland („Fraternitatis Spiritus Sancti Vulgo Cahlandt“), der nicht vor 1685 erwähnt wird, aber wohl älter ist, sowie die um 1440 an der Marienkirche gegründete Elisabethbruderschaft bis ins 19. Jahrhundert bestehen. Allerdings dienten seit der Reformation beide Gemeinschaften nunmehr ausschließlich der materiellen Versorgung des lutherischen Klerus, inklusive der Schulmeister an den Pfarrschulen.484
4. Zwischenfazit Hinsichtlich der Möglichkeiten und Grenzen eines religiösen Ausgleichs sind in den drei untersuchten Städten Unterschiede und Gemeinsamkeiten festzustellen. Die frühen Konflikte der 1520er bis 1540er Jahre in Dortmund und Essen wiesen keine oder nur sehr bedingt typische reformatorische Elemente auf. Gerade in Dortmund handelte es sich eher um Auseinandersetzungen zwischen Laien und Klerikern, bei denen ähnliche Gravamina zur Sprache kamen, wie bereits im Spätmittelalter oder in den Jahren 1518/19. Hier ging es eher um die Beschneidung geistlicher Privilegien und um eine gewissenhafte Amtserfüllung durch den städtischen Klerus – man 478 479 480 481 482 483 484
Beurhaus, Merkwürdigkeiten, S. 370. Zitat StAD Best. 448, Nr. 2/1, S. 182 (Nr. 1184, Eintrag vom 9. Juni 1718). Daneben ebd., Nr. 2/2, S. 298 (Nr. 1953, Eintrag vom 12. Mai 1757). LAV NRW W, A 402, Nr. 41. LAV NRW W, A 402, Nr. 10, 11 und 19. Die beiden ersten Renten erhielten die Minoriten 1486 bzw. 1491 durch das Ehepaar Grube, letztere durch das Ehepaar Hovet. Helbich, Memoria, S. 113. Vgl. ihre Einleitung zu Enste, Quellenbeiträge, S. 158. Helbich, Memoria, S. 114–116.
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4. Zwischenfazit
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wollte qualifizierte Kleriker in Amt und Würden sehen, wobei diese nicht unbedingt aus dem sich in dieser Zeit ohnehin erst nach und nach konstituierenden lutherischen Lager stammen mussten. Sowohl in Essen wie auch in Dortmund ist zu beobachten, dass allen Beteiligten grundsätzlich an einer konsensualen Lösung des Streites gelegen war. Konflikte vermeiden sollte auch der Wandel der religiösen Bekräftigungsformel im Eid in den 1550er Jahren. Der Verzicht auf die Erwähnung der Heiligen zugunsten des Evangeliums folgte dabei dem Vorbild von Rechtsreformen seit den 1530er Jahren – zu nennen sind etwa die kaiserliche „Constitutio criminalis Carolina“ von 1532 oder Rechtsordnungen in Jülich-Kleve-Berg 1555/56. Sowohl auf territorialer wie auch auf städtischer Ebene dürfte dieses Vorgehen ein Zugeständnis an solche Kreise gewesen sein, die der lutherischen Lehre nahe und daher den Heiligen kritisch gegenüber standen, wobei damit auch gleichzeitig der humanistischen Heiligenskepsis Rechnung getragen worden ist. Als eindeutiges Kennzeichen für eine konfessionelle Verschiebung des innerstädtischen Gefüges bzw. ein konfessionelles Bewusstsein dient die neue Formel nicht, da diese in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts sowohl in eher protestantischen wie auch in katholischen Städten üblich wurde. Ähnlich wie auf dem Feld der Justiz waren auch im Kirchenwesen Reformen möglich, ohne offen den Bruch mit der ‚alten‘ Kirche zu vollziehen. Über die theologischen Standpunkte der Kleriker ist, bis auf Ausnahmen, nur wenig bekannt. Indizien lassen jedoch darauf schließen, dass in den 1540er und 1550er Jahren gerade in Dortmund und Essen solche Geistliche amtierten, die eher einem Reformkatholizismus im Sinne der klevischen Kirchenpolitik nahestanden. Ausdruck fand diese Einstellung – sowohl im Klerus wie auch der Obrigkeit – in gewissen Zugeständnissen etwa hinsichtlich des Laienkelches und des volkssprachigen Kirchengesangs. Zwar waren in der katholischen Kirche Kelchkommunion und Gemeindegesang offiziell unüblich, in der Praxis jedoch kam beides – und sogar zeitweilig geduldet – ebenso in katholischen Gemeinden des Öfteren vor, sowohl in den Vereinigten Herzogtümern wie auch anderen Territorien der Region. Die Kelchkommunion kam in den drei Untersuchungsorten zu unterschiedlichen Zeiten auf, jedoch zunächst immer losgelöst von zusätzlichen Neuerungen und ohne den ausdrücklichen Verweis auf die Praxis in protestantischen Territorien. Die Einführung deutscher Lieder im Gottesdienst erfolgte als zweiter Schritt, wobei eindeutig lutherische Gesänge erst einige Zeit später, dann jedoch als klares konfessionelles Bekenntnis in den Quellen genannt werden. Im Unterschied zu anderen Städten wurden – mit Ausnahme Bielefelds – Prozessionen nicht zur Projektion des religiösen Dissenses gebraucht. Allerdings ging die Zahl der Prozessionen in Dortmund und Essen tendenziell zurück: Während in Dortmund einerseits Prozessionen teilweise nach humanistisch-klevischem Vorbild eingestellt und andererseits – sofern es sich um solche handelte, die an eine überwundene politische Bedrohung erinnerten – in Dankfeste umgewandelt wurden, ist in Essen selbst innerhalb des Klerus eine zunehmende ‚Prozessionsmüdigkeit‘ zu
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IV. Möglichkeiten und Grenzen religiösen Ausgleichs
verzeichnen, die zur Verminderung der Zahl der Umgänge führte, ohne dass dies von den Zeitgenossen im Kontext einer reformatorischen Entwicklung gesehen wurde. Auch bei ‚Zeremonien‘ und ‚Brauchtum‘ sind sowohl Kontinuitäten wie auch Brüche zu verzeichnen. Manches, was auch von lutherischer Seite als Adiaphoron geduldet worden ist, blieb auch über den eigentlichen Konfessionswechsel hinaus erhalten, etwa Altäre und Heiligenbilder, in Dortmund sogar die Reliquien des Stadtpatrons St. Reinold sowie ein Teil der ehemals zahlreichen Dortmunder Bruderschaften, welche sich allerdings nur noch auf karitative Aufgaben beschränkten oder der materiellen Versorgung des nun lutherischen Klerus dienten.
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V. Zusammenfassung und Ausblick Johann Pollius’ Panorama der kirchlichen Verhältnisse am Niederrhein und in Westfalen, auf das einleitend eingegangen wurde, weist Parallelen zu den Zuständen in den in dieser Arbeit untersuchten Städten auf. Auch hier existierten zeitweise Laienkelch, volkssprachiger Gesang und altgläubige Messe nebeneinander. Gelehrte und Geistliche ließen sich häufig nicht eindeutig einer Konfession zuordnen; Stadträte waren weniger an der Durchsetzung der Reformation interessiert, sondern vielmehr auf die Wahrung des innerstädtischen Friedens und bürgerlicher Eintracht bedacht. Die Reformation erfolgte in Dortmund, Essen und Bielefeld demnach nicht als plötzlicher Übergang, sondern setzte sich erst allmählich durch. Bis zu einem gewissen Grad stehen diese Ergebnisse im Widerspruch zum ‚herkömmlichen‘ Bild der städtischen Reformation im Alten Reich. Dieses hängt insbesondere mit der Beeinflussung Dortmunds, Essens und Bielefelds durch die ausgleichende Religionspolitik in Jülich-Kleve-Berg zusammen, die ihrerseits wesentlich auf den Lehren des Humanisten Erasmus von Rotterdam beruhte. Das sich im Laufe der Jahre angesichts der Zeitumstände ausgeformte Theologieverständnis des zunächst nur philologisch und philosophisch interessierten Erasmus wurde wegweisend für die Entwicklung eines Reformprogramms, das im Zeichen der durch die Reformation ausgebrochenen religiösen Streitigkeiten stand. Der Humanist, der sich in der Frühphase dieser Auseinandersetzungen immer wieder mäßigend eingebracht hatte, um eine Spaltung der Kirche zu verhindern, wurde zum Vorbild für viele Gelehrte, welche sich auf theologischem oder juristischem Gebiet um Lösungen des Konflikts bemühten, die sich in die kirchliche Tradition einfügen, aber auch der berechtigten Kritik an Aspekten der kirchlichen Disziplin Rechnung tragen sollten. Sowohl Erasmus selbst als auch jene, die seine theologischen Ansichten teilten, waren der Meinung, dass ein solcher Kompromiss möglich war. Während auf der Reichsebene Versuche erfolglos blieben, mittels Gesprächen zwischen den Parteien einen Konsens zu finden, gab es in manchen Territorien Bestrebungen, die Konzepte der Gelehrten in kleinerem Maßstab in die Praxis umzusetzen, indem diese für die Ausrichtung einer landesherrlichen Kirchenpolitik herangezogen wurden. Die Vereinigten Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg gelten zu Recht als das Modell für ein solches Vorgehen, wurden doch die Handlungsweisen der beiden Herzöge Johann III. und Wilhelm V. über einen sehr langen Zeitraum in dieser Weise geprägt. Dass sich ein Erfolg nicht einstellte – die Konfessionalisierung setzte sich schließlich auch hier durch, wenn auch oberflächlicher als in anderen Territorien –, war weniger einer ‚Unentschiedenheit‘ oder eines ‚Wankelmuts‘ der Fürsten und ihrer Räte geschuldet, als vielmehr Resultat einer ganzen Reihe von inneren und äußeren Faktoren. Sowohl die humanistischen Reformkonzepte wie auch die in diesem Sinne gestaltete landesherrliche Politik wurden auf kommunaler Ebene rezipiert – sei es obligatorisch, weil man dem Willen des Fürsten unterworfen war, oder sei es fakultativ,
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V. Zusammenfassung und Ausblick
um sich Anregungen für das eigene Handeln zu holen. Auf gelehrter Ebene fand diese Rezeption maßgeblich im Bereich des städtischen Bildungswesens statt. Der Humanismus als Bildungsbewegung sorgte hier für die Neugründung oder Umgestaltung zahlreicher Schulen in Gymnasien semi-universitären Charakters. Stärker noch als in den Lateinschulen wurde Wert auf eine wissenschaftliche Bildung gelegt, die auch tiefergehendes theologisches Wissen umfasste. Im Gegensatz zu Städten wie Soest oder Minden gingen die Obrigkeiten in Dortmund, Essen und Bielefeld bei der Gründung von bzw. der Umwandlung in Gelehrtenschulen behutsam vor: Zwar wurde auch hier kirchliches Gut säkularisiert oder umgewidmet, dies geschah jedoch in Absprache mit den geistlichen Einrichtungen und anderen Herrschaftsträgern. Wie die verwendeten Lehrbücher zeigen, wurde im Unterricht eine konfessionelle Festlegung im 16. Jahrhundert zumeist bewusst vermieden. Das in Tradition des bürgerlichen Laienschauspiels stehende humanistische Schultheater beschränkte sich auf eine biblische oder moralisch-sittliche Thematik: Auf konfessionelle Polemik wurde verzichtet, stattdessen lag der Fokus auf der Vermittlung überkonfessioneller christlicher und humanistischer Werte. Unterrichtet wurden die Schüler von humanistisch beeinflussten Lehrern, die sich durch ein hohes Maß an Mobilität zwischen den nordwestdeutschen Bildungseinrichtungen auszeichneten. Sie publizierten – wie der Dortmunder Jakob Schöpper – zu unterschiedlichen Themen und waren untereinander hochgradig vernetzt. Dadurch, dass sie in den Städten auf eine öffentliche Zurschaustellung ihrer religiösen Überzeugungen verzichteten, konnten die zuständigen Obrigkeiten diese auch unabhängig von deren eigenen konfessionellen Präferenzen einstellen. Die Städte erhielten so die Möglichkeit, angesehene Gelehrte für ihre untereinander in Konkurrenz um qualifiziertes Personal stehenden Schulen zu gewinnen und damit deren Attraktivität zu steigern. Religiöse Konflikte konnten sich mit den Lehrkörpern daher erst dann ergeben, wenn die Lehrer doch Stellung zugunsten einer spezifischen Konfession bezogen. Auf einer zweiten Ebene beeinflussten die Reformen in Jülich-Kleve-Berg die städtische Religionspolitik. Auch quasi-autonome Städte wie Dortmund und Essen konnten sich aufgrund ihrer geographischen Lage und der politischen Verhältnisse der ‚Via media‘ der Herzöge nicht entziehen. Dies galt umso mehr für die ravensbergische Landstadt Bielefeld. Betrachtet man die Reformation in diesen Städten abseits von konfessionellen Vorfestlegungen in der Historiographie und der Geschichtswissenschaft, so zeigt sich ein viel weniger eindeutiges Bild. In den Konflikten zwischen Bürgerschaft und Klerus gab es bis in die 1540er Jahre kaum reformatorisches Gedankengut. Bei der Forderung nach „neuen Predigern“ wie in Dortmund und Essen ging es den Gemeinden wohl weniger um die Berufung lutherischer Prädikanten, als vielmehr um die Einstellung qualifizierter Geistlicher, denen es nicht nur auf die Pfründe ankam, sondern die ihre Amtspflichten auch wirklich ausübten. Ein solches Verständnis vom Pfarramt forderten auch Erasmus und die klevische Kirchenpolitik. Der Rat übernahm in diesen Konflikten nicht automatisch die Position der Bürgerschaft, sondern versuchte zu vermitteln, um ‚pax et concordia‘ zu wahren. Dabei war der Rat – in Abstimmung mit den seit dem Mittelalter bestehenden Bürgerausschüssen – durchaus zu Zugeständnissen in religiösen
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Dingen bereit, etwa was den Laienkelch und den deutschsprachigen Kirchengesang betraf. Diese Umstellungen sind somit keineswegs automatisch ein Beleg für die Einführung eines lutherischen Kirchenwesens, sondern bewegten sich im Rahmen der ‚Ausgleichspolitik‘ Jülich-Kleve-Bergs sowie von Überlegungen des Erasmus. Genausowenig kann der Wechsel zu einer neutralen Eidesformel mit Bezug auf das Evangelium statt auf die Heiligen als ein lutherisches Kennzeichen gesehen werden, wurden doch lediglich Entwicklungen im Reichs- und Landesrecht rezipiert. Von den Pfarrern erwarteten die städtischen Obrigkeiten lange Zeit die Umsetzung eines ‚konfessionsneutralen‘ Programms in Gottesdienst und Amtsführung. Entsprechend mussten die Geistlichen mit dem Verlust ihres Amts rechnen, wenn sie konfessionelle Polemik verbreiteten und Unruhe in der Stadt verursachten. In diesem Punkt deckten sich die Anforderungen der Obrigkeiten an Pfarrer und Gelehrte. Ähnlich wie bei der Mehrzahl der Gelehrten ist es für den Historiker schwer, eine konfessionelle Haltung der Pfarrer einzugrenzen, da von ihnen kaum schriftliche Zeugnisse, etwa Predigten, überliefert und Nachrichten über die Amtsführung nur dann vorhanden sind, wenn diese negativ auffiel. Im Zentrum der geistlichen Tätigkeit im Gottesdienst stand das Abendmahl. Während in Essen und Dortmund der Laienkelch bis in die 1540er Jahre keine Rolle spielte, wurde in Bielefeld möglicherweise bereits vorher das Abendmahl in beider Gestalt gereicht. Später gab es häufiger Forderungen nach der Eucharistie in Brot und Wein, die jedoch in humanistischer Tradition lange nur auf die Urkirche und die Einsetzung Christi Bezug nahmen. Besonders deutlich wird die Anlehnung an Jülich-Kleve-Berg in Dortmund, wo der Rat 1562 die Art des Kommunionempfangs freistellte. Ähnlich verhielt es sich mit dem volkssprachigen Gesang, der lediglich mit biblischen statt lutherischen Argumenten eingefordert wurde. Die städtische Obrigkeit war daher in den 1560er Jahren bemüht, zwar deutsche Gesänge zu erlauben, dezidiert lutherische Lieder jedoch zu verbieten. Erst später wurden deutschsprachige Kirchenlieder als konfessionelles Statement genutzt und auch so verstanden. Ebensowenig war der Umgang mit Prozessionen in den Städten ausdrücklich einem lutherischen Verständnis geschuldet: Die Abschaffung der Dortmunder Heiligentracht folgte dem Beispiel der Verordnung Wilhelms V. und ist eher im Kontext der humanistischen Kritik an einer übermäßigen Heiligenverehrung zu betrachten. Andere Dortmunder Prozessionen, die an überstandene politische Gefahren des Mittelalters erinnerten, wurden in Gedenkfeiern umgewandelt. In Essen hingegen waren es die Kleriker selbst, deren Interesse an Prozessionen zurückging. Manche traditionellen Elemente des ‚alten‘ Kirchenwesens schließlich konnten weitgehend deswegen überdauern, weil man sie etwa auch als Adiaphora zu dulden oder ihre theologische Aussage lutherischen Vorgaben anzupassen vermochte. So verblieben zum Beispiel mehrere mittelalterliche Bilder und Altäre, aber auch die Dortmunder Reliquien des Stadtheiligen Reinoldus, der in der Vergangenheit für die städtische Identität von Bedeutung war, teilweise bis heute an Ort und Stelle. Daneben existierten in Dortmund einige der einst sehr zahlreichen Bruderschaften fort, da sie zur Vergemeinschaftung des Kirchenvorstandes und der materiellen Versorgung des lutherischen Klerus durchaus noch Verwendung fanden.
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Dass auch über den eigentlichen Betrachtungszeitraum hinaus die Konfessionsbildung keineswegs abgeschlossen war, zeigen Ausführungen aus den Vernehmungsprotokollen im Reichskammergerichtsprozess zwischen der Stadt und dem Stift Essen aus den 1580er Jahren. Wenngleich der Aussagewert von Zeugenaussagen in Gerichtsprozessen kritisch gesehen werden muss, so geben diese dennoch einen raren Einblick in ein nach außen gezeigtes religiöses Verständnis von Bürgern, Klerikern und Beamten des Stiftes, welche die reformatorischen Ereignisse oft in ein ganz anderes Licht setzen als die meist später entstandenen Darstellungen. Sowohl unter den Zeugen des Stifts als auch der Stadt waren solche dabei, die sich selbst als Katholiken verstanden, unter anderem die befragten Kleriker Wirich Hiltrop, Heinrich Saldenberg, Dietrich Ingenhoff und Johann Schwolgen, die adligen Räte der Äbtissin Melchior von Delwig und Everhard von Eickel,1 aber auch der Wollweber Johann Schilder, genannt Romberg.2 Dass Schilder kein Einzelfall war, zeigt die Aussage eines eher lutherisch orientierten Zeugen, Hermann thon Norden, der angibt, dass „etzliche burger bei d[er] Papistischen Religion zuuor pleib[en] begeret denen auch daran keine verhinderung geschehenn, sonder frei gelassen, wie es noch heuttigs dags einem jedenn frei stehe bey welch[er] Religion der Catolisch[en] Papistischen oder der augspurgisch[en] confession zuuerpleibenn“.3
Als lutherisch bekannten sich Johann Schmelingk und Johann Nieß,4 beide Räte der Äbtissin, sowie der überwiegende Teil der städtischen Zeugen. Anderen Aussagen zufolge soll eine große Anzahl der Räte des Stifts, insbesondere jene der Äbtissin Irmgard von Diepholz, Anhänger der Confessio Augustana gewesen sein.5 Von den städtischen Zeugen gab nur ein Teil offen zu, bei den reformatorischen Ereignissen in den 1560er Jahren eine aktive Rolle gespielt zu haben.6 Andere dagegen dürften erst nach und nach zum evangelischen Glauben gefunden haben, insbesondere 1
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3 4 5 6
Die Auskunft nach dem konfessionellen Selbstverständnis der stiftischen Zeugen („[…] welcher religion er für seiner person zugethan und bekenne“) wird in der Akte erst sehr weit hinten verlangt (StAE 100.106, fol. 386r). Nur 11 von 14 Zeugen beantworten diese Frage. Die Aussage von Schilder ist weitgehend verlorengegangen. Den einzigen Hinweis auf seine konfessionelle Positionierung liefert seine abschriftlich erhaltene Antwort auf die 23. Allgemeine Frage („Ob er nicht noch itziger Zeit gerne sehen solte daß die Lutherische religion in berichteter Kirchen vorthan verbleiben und nicht abgeschafft möchte werden“), worin er bekennt, dass seiner Ansicht nach die lutherische Lehre abgeschafft werden sollte. StAE 100.104, fol. 18r. StAE 100.103, fol. 443r. StAE 100.106, fol. 386r (Zeugen 2 und 9). Schmelingk äußerte sich auch zur Bilderverehrung kritisch, indem er zustimmte, dass die beklagte Seite, d. h. die Stadt, mit der Entfernung der Bilder nach göttlichem Gebot gehandelt habe (ebd., S. 395v). So die Mehrheit der Aussagen der Zeugen der Äbtissin zur 184. Besonderen Frage, vgl. StAE 100.106, fol. 106r/v. Auf die 135. Besondere Frage, die vermutlich darauf abzielte, räumte lediglich Hermann Maß gen. Kannengießer ein, als Mitglied der Vierundzwanziger an den eingeführten Neuerungen aktiv mitgewirkt zu haben. Vgl. LAV NRW R, RKG, E 589, Bd. 4, fol. 267r.
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aufgrund des Wirkens des charismatischen Predigers Barenbroich. Einige beriefen sich ausdrücklich auf die Confessio Augustana, allerdings hatten die wenigsten von ihnen diese selbst gelesen.7 Neben den Zeugen, die sich bereits für eine Konfession entschieden hatten, gab es aber auch andere, bei denen eine konfessionelle Festlegung knapp drei Jahrzehnte nach der ersten lutherischen Predigt Heinrich Barenbroichs noch nicht erfolgt war. In ihren Aussagen spiegeln sich teils Auffassungen einer konfessionellen Indifferenz, eines multikonfessionellen Synkretismus bzw. eines ganz und gar unkonfessionellen Denkens. Dies zeigt sich einerseits darin, dass manche nicht nur eine Kirche aufsuchten. So bekannte etwa der Notar Johann Dudinck, dass er „der catholischen religion“ sei und daher mit seinem Gesinde in die Johanniskirche gehe, allerdings besuche er auch die nunmehr lutherische Gertrudenkirche, um „das Wort Gottes zu hören“.8 Als weiteres Indiz seiner eher indifferenten Haltung ließe sich seine Antwort hinsichtlich der Rechtmäßigkeit von Bildern in der Kirche heranziehen: „Er glaube an die bilder nicht, wisse auch nicht, was sie nutzen, sonderen halte es dafür, sie hätten woll mögen stehen bleiben.“9 Dudinck war nicht der einzige, der sich nach beiden Seiten abzusichern suchte. Ähnlich äußerte sich auch der Fleischhauer Tonis Tasche. Seine Antwort auf die Frage, ob er die religiösen Änderungen begrüße, lautete: „Da wiße er nicht von zu sagen und gehe so wohl in die eine kirche alß in die ander.“10 Auch andere Zeugen bekundeten zwar eine gewisse Präferenz für eine der beiden durch den Religionsfrieden zugelassenen Konfessionen, wollten sich aber nicht völlig auf eine Seite festlegen. Dies lässt sich beispielsweise bei dem Adligen Dietrich von Asbeck beobachten, der auf die Frage nach seinem persönlichen Bekenntnis antwortete, dass er „noch mehr der catholischer Religion als der ander in etlichen Stücken“ sei.11 Asbecks Aussage deutet darauf hin, dass er, obwohl er sich selbst als Katholik verstand, nichtsdestotrotz auch für lutherische Positionen Verständnis und Sympathien empfinden konnte, möglicherweise etwa hinsichtlich der Abendmahlslehre. Bei vielen Essenern wird das Verständnis von den Spezifika der lutherischen und katholischen Konfession nicht sehr hoch gewesen sein. Einerseits mag dafür eine mangelhafte theologische Unterweisung eine Rolle gespielt haben, andererseits dürften auch die innerprotestantischen Querelen bis zum Ende des 16. Jahrhunderts12 für Verwirrung unter den Gläubigen gesorgt haben. So verwundert es nicht 7
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So gaben die speziell hierzu befragten Hermann thon Norden, Johann Kröse hinter dem Hl. Geist sowie Johann Tevenar zu, die CA nicht gelesen zu haben. StAE 100.103, fol. 37r/v, 390v–391r und 445v–446v. Lediglich der Adlige Johann von Sevenar bestätigte, Kenntnis von der CA zu haben, allerdings habe er diese „leider nitt woll behalten gleichwoll noch dieselbe Latine vnd Germanice bei sich“. Ebd., fol. 290r, vgl. auch fol. 291r. StAE 100.106, fol. 386r (Zeuge 6). StAE 100.106, fol. 392r (Zeuge 6). Die Heiligen anbeten solle man aber nicht, ebd., fol. 395r. StAE 100.104, fol. 15v. StAE 100.106, fol. 386r (Zeuge 8). Vgl. etwa Müller, Reformation, S. 124–164, und Ribbeck, Geschichte II.
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unbedingt, dass einer der Vierundzwanziger, der noch relativ junge Tilman Borbeck, auf die Frage, ob er die Beibehaltung der lutherischen Konfession in St. Gertruden begrüßen würde, mit der etwas seltsam klingenden Antwort reagieren konnte, dass er sich wünsche, dass „daß guthe Catolische der auspurgischer Confession gemeß religion und lehr Ihn der Kirchen verbleiben“ möge.13 Es ist nicht auszuschließen, dass manche Bürger in Essen eine offene religiöse Festlegung angesichts des laufenden Prozesses und damit verbunden der nicht entschiedenen Zukunft des lutherischen Gemeinwesens bewusst vermieden. Auch in den Zeugenvernehmungen sind bisweilen an manchen Stellen ausweichende Antworten zu verzeichnen, sogar bei solchen Personen, deren konfessionelle Präferenz kein Geheimnis war. Johann von Sevenar, ehemals Rat der Äbtissin, vermied eine Festlegung auf eine der Konfessionen und antwortete auf die Frage, ob er der Landesherrin weniger gewogen sei, weil sie nicht lutherisch sei: „Er sey der neuen religion nicht anhängig, sondern vielmehr der alten wahrer Evangelischer und Apostolischer lehr.“14 Sevenar galt allerdings spätestens seit den 1560er Jahren als Lutheraner, und als Hamelmann 1564 einige seiner Schriften nach Essen schickte, bezeichnete er den damals noch in Diensten des Stifts stehenden Sevenar als „nobilis et piissime“.15 Unter der alten evangelischen Lehre verstand Sevenar zum Zeitpunkt seiner Aussage allerdings nicht mehr die Lehre Luthers, sondern die Calvins: Nach Barenbroichs Tod 1587 trat Sevenar offen als Haupt der reformierten Partei in der Stadt hervor, die bis zu ihrer Entmachtung 1593 zunehmenden Einfluss im städtischen Rat hatte.16 Für viele Menschen werden die theologischen Streitigkeiten zwischen den Klerikern, die in Essen gerade in den 1580er und 90er Jahren das protestantische Kirchenwesen prägten, abschreckend gewirkt haben. Das Bemühen um dogmatische Spitzfindigkeiten konnte bei ihnen kaum auf Verständnis stoßen. Für sie war ein Selbstverständnis als Christen, unabhängig jeder konfessioneller Grenzen, von vorrangiger Bedeutung. Dass dies ein weit verbreitetes Phänomen war, darauf deutet das Beispiel der de facto bikonfessionellen Bischofsstadt Münster hin. Hier zeigte sich etwa in der Formulierung von Testamenten, dass sich einige Erblasser eher als „gute Christen“ statt beispielsweise als „gute Katholiken“ verstanden.17 Ähnliche Vorstellungen dürfte auch der Handwerker Wilhelm Mürer in Essen gehabt haben.
13 14 15
16 17
StAE 100.104, fol. 19r. Ebd., fol. 24r/v. Hermann Hamelmann, Liber tertivs virorvm scriptis illvstrivm, qvi vel in Westphalia vixere, vel in ea nati alibi claruerunt […], Lemgo 1564; gedruckt in: ders., Geschichtliche Werke. Kritische Neuausgabe, Bd. 1: Schriften zur niedersächsisch-westfälischen Gelehrtengeschichte, bearb. von Heinrich Detmer und Klemens Löffler, Münster 1908, hier Heft 3: Illustrium Westphaliae virorum libri sex, S. 49–104; die Würdigung Sevenars auf S. 53. Vgl. Müller, Reformation, S. 147 und 157; Ribbeck, Geschichte II, S. 4 ff., 42 f. Siehe auch die Notiz des Bürgermeisters Beckmann, StAE 100.284, S. 8. Vgl. Po-chia Hsia, Gesellschaft, S. 99.
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V. Zusammenfassung und Ausblick
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Er begehrte zwar, dass das Evangelium rein gepredigt werden solle, machte aber deutlich, dass er sich selbst nicht etwa als Lutheraner verstand, sondern als Christ.18 Für einen anderen Zeugen, Marß Lammerts, der sich an einer Stelle als (um 1563) „d[er] alten Religion zugethan“ bezeichnete,19 war dagegen entscheidend, dass er auch weiterhin wie bisher in seiner Pfarrkirche (St. Johannis) das Abendmahl unter beider Gestalt empfangen konnte, denn weitere Neuerungen habe er für seine Person nicht begehrt.20 Lammerts machte sich zudem in anderen Antworten den Gedanken der Aufrechterhaltung von Frieden und Eintracht zu eigen, Argumente also, die im politischen Schlagabtausch zwischen Obrigkeit und Bürgergemeinde seit dem Mittelalter herangezogen wurden, die aber auch als Ziele der herzoglichen Kirchenpolitik formuliert worden waren. Zwar habe er, Lammerts, damals (1563) die Einführung der Reformation nicht befürwortet, „dieweil aber nunmehr ein gute einigung zwischen den bürgern seyn solte er auch nicht gerne sehen daß es wiederumb verändert worden“.21 Aus diesem Grund solle die lutherische Religion „umb erhaltung deß lieben friedens“ bestehen bleiben.22 Die Zeugenaussagen geben ein sehr differenziertes Bild des individuellen religiösen Verständnisses und der Konfessionsverhältnisse allgemein. Zwar ist ein konfessionelles Selbstverständnis bei vielen ausgeprägt, doch gibt es Zeugen, die sich nicht konfessionell festlegen mochten, was zeigt, dass das konfessionalisierte Gedankengut keineswegs durchgehend verinnerlicht worden war. Die Mehrzahl der städtischen Zeugen verstand sich als Lutheraner, selbst wenn sie die Lehre des Wittenberger Reformators zumeist nur aus der Predigt und nicht aus Schriften wie der Confessio Augustana kannten. Auch manche der stiftischen Zeugen argumentierten eher evangelisch, was zeigt, dass beide Parteien die Zeugen nicht nur nach konfessionellen Gesichtspunkten ausgewählt haben. Ein nicht gerade unwesentlicher Teil sowohl der städtischen wie auch der stiftischen Zeugen zeigte dagegen kein festgelegtes konfessionelles Bewusstsein, und das auch noch Jahrzehnte nach der ersten lutherischen Predigt in Essen. Indifferente Verhaltensweisen – etwa der Besuch des lutherischen und des katholischen Gottesdienstes – wie auch das Bekenntis zu einem überkonfessionellen Christentum waren zu dieser Zeit noch möglich. Bei manchen Bürgern, wie etwa dem Zeugen Marß Lammerts, scheint zudem der geradezu politische Wunsch nach der Bewahrung des städtischen Friedens und der bürgerlichen Eintracht – pax et concordia – angesichts 18 19 20
21 22
StAE, 100.104, fol. 18v–19r (23. Allgemeine Frage, Zeuge 17): „Er begehre nicht mehr dan daß H. gottliche wort zu erbauung der kirchen rein und lauter mag gepredigt werden, dan er sey nicht Luttrisch sondern ein Christ.“ LAV NRW R, RKG, E 589, Bd. 4, fol. 77v (129. Besondere Frage). Ebd., fol. 78r (134. Besondere Frage): „Vorbehalten voriger aussag, hab er den Predicantten nit offt gehördt, vnnd hette der zeidt erleiden mogenn, d[as] der mutation nit geschehen were, so hab er sich alle zeidt zu seiner Pfarkirchen, Nemblich S. Johans unnd daselbst gepflogennen Gotteßdienst gehaltten, der sowoll das Sacrament des Leibs unnd Bluts Christi in beider gestalt gereichett werde, alß in S. Gertrud, damit er woll zufriden und keine weitere verenderung begerdt.“ StAE, 100.104, fol. 15v (21. Allgemeine Frage, Zeuge 7). Ebd., fol. 18r (23. Allgemeine Frage).
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V. Zusammenfassung und Ausblick
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der konfessionellen Auseinandersetzungen besonders ausgeprägt gewesen zu sein. Sie mögen eher auf eine behutsame Reform der bestehenden kirchlichen Zustände statt auf eine radikale Reformation gesetzt haben. Eine solche Reform ließ sich jedoch aufgrund der zunehmenden Konfessionalisierung von Politik, Kirche und Gesellschaft seit dem Augsburger Religionsfrieden und insbesondere seit den letzten Jahrzehnten des 16. Jahrhundert nicht nur vor Ort, sondern auch in der Region und im Reich als eine Art überkonfessionelles Gegenmodell zu den drei großen Bekenntniskirchen nicht mehr verwirklichen. Wie sich die Historiographie und die Forschung weitgehend einig sind, setzten die weltlichen und geistlichen Obrigkeiten im Zuge der Ausformung „konfessionelle[r] Kulturen“ und einer „innere[n] Staatsbildung“23 nunmehr fast durchgehend auf dogmatische Schärfe und die Disziplinierung sowohl des Klerus wie auch der Gemeinde, wohingegen Experimente und Kompromisse über die Konfessionsgrenzen hinaus zumeist ausgeschlossen wurden. Welche individuellen religiösen Vorstellungen jedoch der einzelne Gläubige pflegte, ob er den „Zwang zur Konfessionalisierung“24 nicht nur im öffentlichen und kirchlichen Leben zur Schau trug, sondern auch verinnerlichte und ihn lebte, ist dagegen eine ganz andere und kaum zu beantwortende Frage.
23 24
Werner Freitag, Konfessionelle Kulturen und innere Staatsbildung. Zur Konfessionalisierung in westfälischen Territorien, in: Westfälische Forschungen 42 (1992), S. 75–191. Wolfgang Reinhard, Zwang zur Konfessionalisierung? Prolegomena zu einer Theorie des konfessionellen Zeitalters, in: Zeitschrift für Historische Forschung 10 (1983), S. 257–277.
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Anhang 1. Tabellen Tabelle 1: Reichskammergerichtsprozess Essen, Zeugen der Beklagten (Befragung: August/September 1587 [6–16], Oktober/November 1587 [29–35] bzw. März 1590 [17–28]) Nr.
Name
1
Johann von Teschwing
2
Rotger Delscher Marß Bongarts
3
4
5
Johann Schilder gen. Romberg Arndt Nelman
Alter Herkunft/ Wohnort ca. 58 Essen/ Schulthof Bochum ca. 54 Essen/ Mülheim ca. 67 Essen/ Essen 67
69
6
Dietrich Drenhaus
ca. 62
7
Marß Lammerts Clas an der Heiden
ca. 60
8
ca. 58
9
Johann von Wattenscheid
ca. 68
10
Hermann Maß, ca. 70 gen. Kannengießer
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Essen/ Kettwiger Straße Essen/ Viehofer Straße Amt Bochum/ Hl. Geist-Spital Essen/ Essen Essen/ Kettwiger Straße Wattenscheid/ Viehofer Str. Essen/ Flachsmarkt
Stand
Tätigkeit
konfess. Präferenz k.A.
kein Bürger
Schultheiß zu Bochum
kein Bürger Bürger
Bürger
Richter zu Mülheim Wollweber, 24er, Provisor v. Hl. Geist Wollweber
Bürger
Schuster
eher lutherisch
Bürger
Arbeiter
indifferent
Bürger
Kaufmann
Bürger
Kleinhändler
eher katholisch lutherisch
Bürger
Drechsler
lutherisch
Bürger
Kannengießer, 24er
lutherisch
eher lutherisch lutherisch
katholisch
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Anhang
Tabelle 1 (Fortsetzung) Nr. 11
12
13
14
15
16 17
18 19
20
21 22 23
Name
Alter Herkunft/ Wohnort Tonnis Tasche 60–70 Essen/ Viehofer Straße Henrich Nieß 62–63 Essen/ Viehofer Straße Patroclus 37 Essen/ Abels Hinter dem Schwarzen gen. Bungardt Horn Heinrich 64–65 Essen/ Klostermann Viehofer Straße Sebastian 56 Essen/ Wordtberg Kettwiger Straße Johann 55 Essen/ Sanders Markt Wilhelm ca. 40 Essen/ Mürer Viehofer Straße Jakob Kremer 56–57 Essen/ gen. von Orsey Steinweg Adolf 40 Essen/ Neelmann Kettwiger Straße Johann 48–49 Essen/ Stratmann Viehofer Straße Tilman ca. 40 Essen/ Borbeck Rott Adrian ca. 44 Essen/ Bode Rott Peter ca. 48 Essen/ Brandes Viehofer Straße
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Stand
Tätigkeit
Bürger
Fleischhauser
Bürger
Fleischhauer
eher lutherisch
Bürger
Notar
indifferent
Bürger
Leinweber
eher lutherisch
Bürger
Kaufmann
lutherisch
Bürger
Kaufmann
lutherisch
Bürger
Bäcker und Brauer
indifferent
Bürger
Kaufmann, 24er Kaufmann, 24er und Ratsherr Wollweber
indifferent
Bürger
Bürger
Bürger Bürger
Ackerbürger, 24er Wollweber
Bürger
Fleischhauer
konfess. Präferenz indifferent
indifferent
lutherisch
eher lutherisch eher lutherisch eher lutherisch
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1. Tabellen
277
Tabelle 1 (Fortsetzung) Nr. 24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
34
35
Name
Alter Herkunft/ Wohnort Everdt von ca. 58 Essen/ Bielefeld Steeler Straße Heinrich ca. 54 Essen/ Verver Frauenhof Jorgen ca. 54 RellingSchele hausen/ Rott Heinrich ca. 58 Essen/ Seyger Steeler Straße Johann 73–74 Essen/ Luttgers Viehofer Straße Johann Kröse ca. 44 Essen/ hinter dem hinter Hl. Hl. Geist Geist Wilhelm von ca. 52 Essen/ Bielefeld Viehofer Straße Johann Kröse ca. 44 Essen/ in der Viehofer Viehofer Straße Straße Heinrich ca. 80 Essen/ Scholle Flachsmarkt Johann von ca. 64 Essen/ Sevenar Im Hagen Johann Tevenar
Stand
Tätigkeit
Bürger
Schuhmacher
konfess. Präferenz lutherisch
Bürger
Kaufmann
lutherisch
Bürger
Ackerbürger, Weinhändler
eher lutherisch
Bürger
Schuster
eher lutherisch
Bürger
Fleischhauer
eher lutherisch
Bürger
Ackerbürger und Händler
eher lutherisch
Bürger
Schuhmacher und Händler
eher lutherisch
Bürger
Wandmacher
eher lutherisch
Bürger
Wandmacher
eher lutherisch
Adel
–
Kaufmann
lutherisch bzw. reformiert lutherisch
Kupferschmied
eher lutherisch
65–66 Essen/ Bürger Viehofer Straße Hermann thon ca. 60 Essen/ Bürger Norden Limbecker Straße
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278
Anhang
Tabelle 2: Zeugen der Klägerin (Befragung: Oktober 1586) Nr. Name
Alter
1
ca. 60 Haus Astey Adel Drost von (Kurköln) Bochum 57 Essen Bürger Rat der Äbtissin 60–70 Crange Adel Richter der (Mark) (unehe- Äbtissin Katharina lich) Bürger Notar ca. 50 Stoppenberg (Stift Essen) 66 Raesfeld Adel Erbmarschall (Bm. des Stifts Münster) 60 Rheine Bürger Notar (Bm. Münster) 50–60 Wesel Adel k.A. [ehem. (Kleve) Verwalter Erzb. Gebhards I.] 63 Haus Goor Adel k.A. (Mark) 60 Essen Bürger k.A.
2 3
Melchior von Delwig Johann Schmelingk Everhard von Eickel
4
Godfriedt Tutmann
5
Goswin von Raesfeld
6
Johann Dudinck
7
Dietrich von der Knippenbergh Dietrich von Asbeck Johann Nieß, gen. Kerstgen Eberhardt von Scheuren Wirich Hiltrop Heinrich Saldenberg
8 9 10 11 12
Herkunft
Stand
47
Essen
Adel
50
Essen
Klerus
ca. 50 Herbede (Mark)
Klerus
13
Dietrich Ingenhoff gen. Sander
ca. 60 Essen
Klerus
14
Johann Schwolgen
ca. 65 Hzm. Geldern
Klerus
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Tätigkeit
Herr zur Horst Dechant von Essen ehem. Pastor an St. Gertruden ehem. kurköln. Untersiegler und Kanoniker, jetzt Vikar kurköln. Kanoniker & Dechant
konfess. Präferenz katholisch lutherisch katholisch
k.A.
k.A.
indifferent
k.A.
indifferent lutherisch k.A. katholisch katholisch
katholisch
katholisch
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1. Tabellen
279
Tabelle 3: Schulisches Personal und ihre Wirkungsorte (Auswahl) Lehrer
DO ES
Becker, Johann Betuleius, Heinrich
G L
Beurhaus, Friedrich Cardenus, Matthaeus Copius, Bernhard
K, R
L R
BI Her- Bildungskunft weg SM MS DO
DO, MS, KÖ
K
SG
MS, LÖ, KÖ
Copius, Johannes Dickmann, Johannes Edanus, Nikolaus Ewich, Johannes
L, K
SG CO EG HO
MS, LÖ, KÖ MS
Fabricius, Philipp Helphricht, Bonifacius Homberg, Urban v. Kipp, Ludwig Kleinmeister, Tilman Kremer, Matthäus
L L
Lambach, Johannes
G, R
Lövinkhoff, Florenz
L, R
R
R R K, R
DÜ ER
HN ES
WI ES, MO
DO
DO, MS, EM, LÖ, PA, OR, ST, KÖ
DÜ
R R L
CL
L, R
Marsilius, Philipp Memhusius, Jakob Merzenich, Johannes Monheim, Johannes Nehemius, Petrus Pepper, Albert Reinerus, Quirinus Rotgerus, Johannes Schnekamp, Georg
R
DE, KÖ, PA, TO, VE, PD DÜ, KÖ MA
Sonstige Wirkungsorte SO, KÖ SO, LE, WE, DÜ. LB SO, UN RO MS, PB, LE, MA MS, PB HM, BO DF, AM DB, BN
R L, R
OR SB
R
DÜ EL DR
R R L L, K
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AA DF, LÖ
MS, KÖ DE, MS
KÖ, DF DN, SW
R R
AL MS OS
KÖ MS, DE MA
LE, OS, AV
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Anhang
Tabelle 3 (Fortsetzung) Lehrer
DO ES
Scharpenberg, Petrus
R, L L, R, K Schimmel, Anton R Scholer, Reynold L Schöpper, Jakob L, G Schurennius, Herman R Schwirinckhausen, L Nicolaus Sittard, Heinrich R Stickfurt, Johannes L Tittmann, Gerhard Vogelmann, Georg L Vomelius, Cyprianus K Zimmermann, Adolf
BI Her- Bildungskunft weg SM KÖ
Sonstige Wirkungsorte
HD DO SM
DO, LÖ
KÖ
KÖ R R
HE FR
GO, HA, GR, WI, ER, KÖ
MB, BR, MZ, SP
L, G
Abkürzungen: R = Rektor, K = Konrektor, L = Lehrer, G = Geistlicher AA = Aachen, AL = Alkmaar, AM = Amersfoort, AV = Alverdissen, BI = Bielefeld, BN = Bremen, BO = Borken, BR = Braunschweig, CL = Cloppenburg, CO = Coesfeld, DB = Duisburg, DE = Deventer, DF = Düsseldorf, DN = Derne, DO = Dortmund, DR = Drolshagen, DÜ = Düren, EG = Ede/Geldern, EL = Elberfeld, EM = Emmerich, ER = Erfurt, ES = Essen, FR = Friesland, GO = Gouda, GR = Groningen, HA = Haarlem, HD = Hemmerde, HE = Herford, HN = Hameln, HM = Hamm, HO = Hoerstgen, KÖ = Köln, LB = Lüneburg, LE = Lemgo, LÖ = Löwen, MA = Marburg, MB = Magdeburg, MO = Montpellier, MS = Münster, MZ = Mainz, OR = Orléans, OS = Osnabrück, PA = Paris, PB = Paderborn, PD = Padua, RO = Roermond, SB = Schmallenberg, SG = Stromberg, SM = Schwelm, SO = Soest, SP = Speyer, ST = Straßburg, SW = Schwerte, TO = Toulouse, UN = Unna, VE = Venedig, WE = Wesel, WI = Wittenberg
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2. Abkürzungen ADB BeitrDO BeitrE HRG LThK NDB RGO TRE WA
Allgemeine Deutsche Biographie Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark Beiträge zur Geschichte von Stadt und Stift Essen Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte Lexikon für Theologie und Kirche Neue Deutsche Biographie Ravensbergische Gerichtsordnung Theologische Realenzyklopädie Martin Luther, Werke (Weimarer Ausgabe)
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Anhang
3. Archivalische Quellen Archiv der Kirchengemeinde St. Reinoldi Dortmund (Teil des Archivs des Kirchenkreises Dortmund in der Bibliothek der Vereinigten Kirchenkreise Dortmund) Best. 6, Nr. 27 u. 93 Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Abt. Rheinland (LAV NRW R) Jülich-Berg II, Nr. 200 RKG, E 585 (Reichskammergericht Stift Essen vs. Stadt Essen 1544) RKG, E 589 (Reichskammergericht Stift Essen vs. Stadt Essen 1568–1684) Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Abt. Westfalen (LAV NRW W) A 226 II (Stift St. Marien Bielefeld) A 402 (Dortmund Minoriten Urkunden) Ms. I 37 (Kopiar der Bestallungen im Bistum Münster 1554–1589) Ms. VII 3101 (Ravensbergische Handlungen) Ms. VII 6402 (Chronicon der Reichsstadt Dortmund, Kompilation aus Detmar Mulhers „Summarischer Begriff der Dortmundischen Stadt und Graffschafft Chroniken“ von 1610) Ms. VII 6410 (Chronicon Dominicanorum in Tremonia. Continens annales coenobii et rerum, quae apud Tremonienses maxime et in vicinia contigerunt. Abschrift von H. V. Sauerland von 1872 = Chron. Dom.) Landeskirchliches Archiv Bielefeld (LkAB) Best. 10 (Dortmund St. Petri-Nikolai) Best. 10, Nr. 488 (Nikolaibruderschaftsbuch Dortmund St. Nikolai, ehem. StAD Best. 212, HS 1) Münsterarchiv Essen (MAE) A (Akten, Abt. A) B (Akten, Abt. B) Stadtarchiv Bielefeld (StAB) Best. 140 (Rat 1586–1628) Best. 100.002 (Stadtverwaltung) Best. 300.007 (Abschriften) Stadtarchiv Dortmund (StAD) Best. 1 (Urkunden Reichsstadt Dortmund) Best. 2, Nr. 23 (Grenzstreitigkeiten mit der Grafschaft Mark) Best. 2, Nr. 55 (Archidiakonatsakten) Best. 2, Nr. 132-1a (Inventar Almosenschüssel St. Nikolai) Best. 202, Nr. II 14 (Gerichtsbuch 1554–1556)
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3. Archivalische Quellen
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Best. 202, Nr. X 10 (Statutenbuch der Dortmunder Goldschmiede) Best. 203, Nr. 1 und 2 (Codex Berswordtianus I und II; Voss, Chronik) Best. 203, Nr. 7 (Fragmente der Westhoff’schen Chronik) Best. 203, Nr. 13 (Bruchstücke des Manuskripts Beurhaus, Merkwürdigkeiten) Best. 203, Nr. 14 (Entwurf des Manuskripts Beurhaus, Merkwürdigkeiten, ediert bei Fahne, Geschlechter, S. 1–88) Best. 210 (Pfarrarchiv Propsteikirche, Abschriften) Best. 211 (St. Marien) Best. 212 (St. Petri-Nikolai = LkAB Best. 10) Best. 230 (Armen Crucis bzw. Armen unter dem Pförtchen an St. Reinoldi) Best. 231 (Almosenschüssel Dominikanerkloster) Best. 311 (Depositum Bodelschwingh-Aplerbeck, Haus Rodenberg) Best. 448, Nr. 2/1 und 2/2 (Abschriften der Ratsprotokolle) Best. 448, Nr. 7 und 8 (Linpinsel-Abschrift) Best. 448, Nr. 15/1 (Johann Christoph Beurhaus, Die Merkwürdigkeiten der Kayserlichen Freien Reichsstadt Dortmund in deren weltlichen Verfassung, äußerlichen Beschaffenheit, Gebiet, Gränzen, Geistlichen Verfassung, Kirchen, Schulen, auch sonstigen geistlichen Stiftungen und Religionssachen, sodan denen ehedem und noch dazu gehörigen Landschaften, auch dahin gehörigen Geschichten samt einer Nachricht von hiesiger Gerichtsschreiberei, beschrieben und mit vielen Urkunden belegt. Maschinenschriftliche Abschrift 1984). Stadtarchiv Essen (StAE) 100.101–100.106 (Reichskammergerichtsprozess Stift Essen vs. Stadt Essen) 100.42 (Verschiedenes) 100.284 (Aufzeichnungen über die Einführung der Reformation in Essen) 100.300 (Stadtstatuten-Pachtbuch) 100.337 (Gerichtsprotokolle, Hallen- und Ratsgericht) 100.901 ff. (Stadtrechnungen) 100.2231–2233 (Briefwechsel mit Predigern) 100.2335 (Schulwesen) 100.2245 (Suppliken und Edikte) 100.2246 (Städtische Korrespondenz) 100.2247b (Reformationsangelegenheiten)
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Anhang
4. Zitierte gedruckte Schriften vor 1800 N.N., Catholische Geistliche Gesänge / Vom süssen Namen Jesu / vnd der Hochgelobten Mutter Gottes Mariae etc. Von der Fraternitet S. Ceciliæ Zu Andernach in Lateinisch vnd Teutsche verß Componirt vnnd Collegirt, Köln 1608. N.N., Des Durchleuchtigen […] Herrn Wilhelms Hertzogen zu Gulich […] Rechtsordnung vnd Reformation […], Düsseldorf 1565. N.N., Ein Christliches, vnd recht reines Euangelisches Gesangbuch, darinnen Ordentlich verfasset der gantze Psalter Davids, auff die in Lutherischen Kirchen gewoehnliche Melodeyen zugerichtet […], Auch alle Hymnen, Lieder vnnd Gesenge, welche in den Christlichen Euangelischen der reinen Augspurgischen Confession zugethanen Kirchen gesungen werden […], Essen 1614. N.N., Geistlike Leder unde Psalmen, D. Martini Lutheri, und anderer framen Christen, na Ordeninge der Jartyde und Feste, uppet nye tho gerichtet, Dortmund 1585. N.N., Gsangbuechlein Geistlicher Psalmen / hymnen / leider vn gebet / Durch etliche Diener der Kirchen zu Bonn / fleissig zusamen getragen / mercklich gemeret / vnd in geschickte ordnung zusamen gestelt / zu uebung vnd brauch der Christlichen gemeine […], Bonn 1550. N.N., Index auctorum et librorum […], Rom 1559 (daneben folgende Ausgaben: Köln 1564, München 1569, Köln 1576, München 1582, Rom und Mailand 1596 sowie Venedig 1597). N.N., Nie Bedebock vth der heiligen Schrift […] darinnen gefunden vnd gewyset werdt, wat liff vnd Sehlen tho der saligheit nutte vnd van noeden ist, ock watt etliche Romische Bischoppe adder Paweste (so man sie noemet) gesettet vnd upgerichtet hebben […], Dortmund 1564. N.N., Von Gotteß gnaden […] Wilhelms Hertzogen zu Gulich […] Ordnung des gerichtlichen Proceß […] inn vnser Graffschafft Rauenßberg […], Düsseldorf 1556 (RGO). Birck, Sixt, Die history von der fromen Gottsförchtigen frouwen Susanna, Basel 1532. Capito, Wolfgang, Von der kirchen lieblichen vereinigung / vnd von hinterlegung dieser zeit haltender spaltung in der glauben leer / geschriben durch den hochgelerten und weitberiempten herren Des. Eras. von Roterdam […], Straßburg 1533. Cassander, Georg, Consultatio de articulis inter Catholicos et Protestantes controversis, Köln 1577. Crocus, Cornelius, Comoedia sacra, cui titulus Joseph, ad Christiane iuventutis institutionem, iuxta locus inventionis veteremque artem nunc primam et scripta, et edita, Dortmund 1549. Greff, Joachim, Ein lieblich vnd nuezbarlich spil von dem Patriarchen Jacob vnd seinen zwelff Soenen / Aus dem Ersten buch Mosi gezogen, vnd zu Magdeburg auff dem Schuetzenhoff / ym 1534. jar gehalten, Magdeburg 1534. Ders., Ein kurtz und seer schön spil / von der Susanna, Magdeburg und Nürnberg 1535.
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4. Zitierte gedruckte Schriften vor 1800
285
Gropper, Johannes (Bearb.), Des Erzstiffts Cöln Reformation dere weltlicher Gericht, Rechts und Pollicey, Köln 1538. Ders., Enchiridion Institutio compendiaria doctrinae christianae in concilio provinciali pollicita, Köln 1538. Hamelmann, Hermann, Opera genealogico-historica, de Westphalia & Saxonia inferiori, Lemgo 1711. Hartzheim, Josephus, Concilia Germaniae […], Bd. 6, Köln 1765. Kleinsorgen, Gerhard von, Kirchengeschichte von Westphalen, und angränzenden Oertern, Münster 1779/80. Lambach, Johannes, Methodus recte legendi Hebraica, per Johannem Scaevasten, in suae pubis gratiam succinctissime collecta, praeteritis iis omnibus quae in ipsis huius linguae incunabulis pubem sua difficultate alienare possent, Dortmund 1548. Luther, Martin, Von Anbeten des Sacraments des heyligen leychnams Christi, Wittenberg u. a. 1523. Mellinckhusius, Johannes, Dispvtatio Theologica Secvlaris, In Memoriam Fundationis nostri Gymnasii Tremoniani ante centum Annos factae […], Dortmund 1643. Monheim, Johannes, Nova institutio scholae Duisseldorpensis, Köln 1545. Ders., Dilucida et pia explanatio symboli, quod apostolorum dicitur, et Decalogi praeceptorum, auctore D. Erasmo Roterod. nuper in compendium per Ioannem Monhemium redacta […], Köln 1554. Petrus, Suffridus, De Scriptoribus Frisiae Decades XVI et semis […], Franeker 1699 (zuerst Köln 1593). Philicinus, Petrus, Dialogus de immolatione Isaaci, Antwerpen 1544. Quiting, Arnold, Ein Schönes geistliches vnnd Tröstliches Spiel / Auß der Apostel Geschicht genommen, betreffende das zwelffte Capittel, Dortmund 1593. Rasser, Johann, Comoedia Vom König der seinem Sohn Hochzeit machte / auß dem XXI. und XXII. Capitel Matthei gezogen / darinn der Juden und dieser Welt / grosse vndanckbarkeit / gegen der vilfeltigen angebottenen Gotteßgnad fürgebildet wirt, Basel 1575. Ders., Ein Christlich Biblisch spiell, aus den dreyen evangelischen Parabolen vom grossen abendmahl, von der Königlichen Hochzeit und vom Weinberge, die Zerstörung der Statt Jerusalem begriffend, im schein weltlich fürgebildet, aber geistlich zu verstehen, und allen Christen wohl zu betrachten. Etwan durch Hrn. Johan Rasser gestellet aber jetz neulich durch eine Erbare Bürgerschaft der löblichen Kaiserlichen freyen Reichs-Stat Dortmund nach fürgehender fleißiger übersehung mit besonderem fleiß und gebührlichem apparat auf zwey tage öffentlich im werck fürgestelt. Zu ehren und Wohlgefallen den Edlen und ehrenfesten Herren Hardenroth unsern lieben Junkern, Dortmund 1582. Rebhun, Paul, Ein geistlich Spiel / von der Gotfürchtigen und keuschen Frawen Susannen / gantz lustig und fruchtbarlich zu lesen, Kahla 1535 bzw. Zwickau 1537. Ioannis Reuchlin Phorcensis L.L. Doctoris Comoediae duae: Sergius, vel capitis caput, et Scenica progymnasmata, hoc est, ludicra praeexercitamenta, Dortmund 1544.
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Anhang
Roll[ius], Reinhard Heinrich, Memoriae Tremonienses sive virorum eruditorum qui Tremoniae Westfalorum inde beati Lutheri Reformatione ad nostra usque tempora claruerunt, et vel ibidem vel alibi diem suum obierunt Vitae et Elogia, Teil 1, Dortmund 1729. Römoldt, Johannes, Ein fein Christlich und nützlich Spiel von dem grewlichen Laster der Hoffart, Eisleben 1564. Rotterdam, Erasmus von, Enchiridion militis Christiani, Antwerpen 1503. Ders., Moriae Encomium sive Laus stulticiae, Paris 1511. Ders., Institutum Christiani hominis carmine pro pueris ab Erasmo compositum, in: Opuscula aliquot Erasmo Roterodamo castigatore […], Köln 1514, fol. E3v–E6v. Ders., Institutio principis christiani, Basel 1516. Ders., Familiarum Colloquiorum Formulae, Basel 1518; erste erw. Ausgabe Basel 1522. Ders., Antibarbarorum D. Erasmi Roterodami […], Basel 1520. Ders., Epistola contra Pseudeuangelicos, Freiburg/Br. 1529. Ders., Epistola ad fratres Inferioris Germaniae, Freiburg/Br. 1530. Ders., De sarcienda ecclesiae concordia […], Basel 1533. Ders., Dilucida et pia explanatio symboli quod apostolorum dicitur, Basel 1533. Ders., Ecclesiastes sive de ratione concionandi, Basel 1535. Schöpper, Jakob, Ectrachelistis, sive Joannes decollatus. Tragoedia nova et sacra, Dortmund 1545 sowie Köln 1546. Ders., Volvptatis ac virtvtis pvgna. Comoedia tragica et nova et pia, Köln 1546 sowie Köln 1563. Ders., Catechismus brevis et catholicus, in gratiam iuventutis Tremoniae conscriptus, denuo recognitus et auctus […], Dortmund 1549. Ders., Monomachia Davidis et Goliae. Tragicomoedia nova simul et sacra, Dortmund 1550 sowie Antwerpen 1551. Ders., Tentatus Abrahamus. Actio sacra, comice recens descripta. Ex genesis 22. capite, Dortmund 1551 sowie Köln 1564. Ders., Euphemus seu f[o]elicitatus Iacob: actio nova & sacra, descripta historice. Item Ovis perdita: Parabola evangelica, comice descripta, Basel bzw. Antwerpen 1553. Ders., Tomus Primus D. Iacobi Schoepperi Concionum […], Dortmund 1557. Ders., Summa Christlicher undterweysung und der fürnämsten Leer/ In etlichen kurtzen unnd auch Catholischen Predigen begriffen/ ainem yetwedern Christen zu lesen und zu wissen fast notwendig […], Augsburg 1558. Ders., Tomus T[e]rtius D. Iacobi Schoepperi Concionum […], Dortmund 1558. Ders., Tom[us] Secun[dus] D. Iacobi Schoepperi Concionum […], Dortmund 1560. Slüter, Joachim, Eyn gantz schone vnde seer nutte gesangk boek, Rostock 1525. Ders., Geystlyke leder vppt nye gebetert, Rostock 1531. Steinen, Johann Diederich von, Westphälische Geschichte, 5 Teile, Lemgo 1755– 1801. Vehe, Michael, Ein New Gesangbuechlin Geystlicher Lieder / vor alle gutthe Christen nach ordenung Christlicher kirchen, Leipzig 1537.
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4. Zitierte gedruckte Schriften vor 1800
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Westermann, Johann, Eyn christlyke vthlegynge der teyn gebodde, Des gelouens, Vnd vader vnses, ym Augustiner cloester tor Lippe yn der vasten gepreket […] In dem yaer MDXXIIII, Lippstadt 1525. Witzel, Georg, Apologia: das ist eine Vertheidigungsrede G. Wicelii wider seine Afterreder, die Lutteristen, mit samt kurzer Abkonterfeiung luterischer Sekten und Preis alter römischer Kirchen […], Leipzig 1533. Ders., Von der einigkeyt der Kirchen / Durch Erasmum von Roterodam / ytzt new ausgangen, Erfurt 1534. Ders., Von der Pusse / Beichte vnd Bann, o. O. 1534. Ders., Von der h. Eucharisty oder Meß, nach Anweisung der Schrift und der ältesten schriftverständigen h. Lehrer, Leipzig 1534. Ders., Adhortationuncula […] ad concilium, Leipzig 1534. Ders., Vom Beten / Fasten / unnd Almosen / Schrifftlich zeugknusz, Eisleben 1535. Ders., Catechismus ecclesiae: Lehre und Handlung des h. Christenthums, aus der Wahrheit göttliches Worts, kurz und lieblich beschrieben, Leipzig und Freiburg/ Br. 1536. Ders., Ein Betbüchlein beyde dem alter und der jugent nutzbar. Item ein Spruchbüchlein, den waren Christen gar heylsam, Leipzig 1536. Ders., Die Summa des, so itzt überall disputirt wird, von der Gerechtfertigung in S. Paulo, oder vom Glauben und Werken der Christen, Leipzig 1537. Ders., Methodus concordiae ecclesiasticae post omnium sententias a minimo fratre monstrata, non praescripta, Leipzig 1537. Ders., Homiliaticum opus: Postillen, oder Predigtbuch, uber die Episteln und Evangelien, vom Advent an, bis auff Ostern, beide den Christlichen Pfarherrn und Laeyen, in deudtschem Lande getrewlich bereit, Leipzig 1537. Ders., Catechismus, Mainz 1541. Ders., Catechismus ecclesiae deutsch, Mainz 1542. Ders., Der Große Katechismus, Mainz 1545. Ders., Psaltes Ecclesiasticus. Chorbuch der Heiligen Catholischen Kirchen / Deudsch / itzundt neu ausgangen […], Mainz 1550. Ders., Via Regia [1564], in: Wolff, Johannes, Lectionum memorabilium et reconditarum centenarii XVI […], 2 Bde., Lauingen 1600, hier Bd. 2, S. 354 ff. Ders., Via Regia sive De controversis religionis capitibus conciliandis sententia […], Helmstedt 1650.
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Anhang
5. Sonstige edierte Quellen N.N., Bielefelder Ratsverhandlungen von 1586–1628, in: Jahresbericht des Historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg zu Bielefeld 8 (1891), S. 1–142. Aders, Günther (Hg.), Die Essener Chronik des Johannes Ursinus, in: BeitrE 67 (1952), S. 223–257. Allen, Percy S., Opus epistolarum Des. Erasmi Roterodami, 12 Bde., Oxford 1906– 1958. Baedeker, Paul (Bearb.), Dortmund 1700–1740. Auszüge aus Ratsprotokollen und Aufzeichnungen, in: BeitrDO 23 (1914), S. 1–32. Barich, Fritz, Nachrichten aus dem Kirchenbuche der Mariengemeinde, namentlich aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, in: BeitrDO 23 (1914), S. 33–74. Ders., Die Dortmunder Morgensprachen 1558–1586, in: BeitrDO 27/28 (1920), S. 1–516. Burggraffe, Johann Henrich, Die Bielefelder Stadtnachrichten, in: Jahresbericht des Historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg 32 (1918), S. 3–138. Büscher, Franz, Die Statuten der früheren Gilden, Ämter und Zünfte binnen der Stadt Essen, in: BeitrE 8 (1884), S. 3–107. Buschmann, Arno, Kaiser und Reich. Verfassungsgeschichte des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation vom Beginn des 12. Jahrhunderts bis zum Jahre 1806 in Dokumenten, hier Bd. 1: Vom Wormser Konkordat 1122 bis zum Augsburger Reichsabschied von 1555, 2. Aufl. Baden-Baden 1994. Deus, Wolf-Herbert (Bearb.), Soester Recht. Eine Quellensammlung, Bd. 6: Eidesformeln, Soest 1978. Enste, Heinrich, Quellenbeiträge zur Geschichte der Dortmunder Marienkirche. Mit einer Einleitung und Anmerkungen herausgegeben von Luise von Winterfeld, in: BeitrDO 39 (1931), S. 155–184. Fahne, Anton (Bearb.), Urkundenbuch der Freien Reichsstadt Dortmund, Köln 1855–1857 (ND 1974). Ders. (Bearb.), Die verschiedenen Geschlechter Stecke, Beurhaus’ Entwurf, Niederhof’s Memorabilien, Nachträge zu Chronik und Urkundenbuch betreffend die Freie-Reichsstadt Dortmund, Köln und Bonn 1859. Franz, Rudolf, Christoph Scheibler und die älteste Säkularschrift des Dortmunder Gymnasiums, in: BeitrDO 23 (1914), S. 258–347. Frensdorff, Ferdinand, Dortmunder Statuten und Urtheile, Halle 1882. Gescher, Franz, Ein Synodalschreiben des Kölner Erzbischofs Hermann von Wied aus dem Jahre 1538, in: Jahrbuch des Kölnischen Geschichtsvereins 13 (1931), S. 123–132. Grevel, Wilhelm, Der Anfang der Reformation in Essen, Teil 1.1: Mandat des kaiserlichen Reichskammergerichts zu Speyer vom 18. Dezember 1543, in: BeitrE 12 (1888), S. 95–110, hier S. 95–102. Ders., Der Anfang der Reformation in Essen, Teil 2, in: BeitrE 13 (1889), S. 99–101.
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5. Sonstige edierte Quellen
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Hamelmann, Hermann, Geschichtliche Werke. Kritische Neuausgabe, Bd. 1: Schriften zur niedersächsisch-westfälischen Gelehrtengeschichte, bearb. von Heinrich Detmer und Klemens Löffler, Münster 1908. Ders., Geschichtliche Werke. Kritische Neuausgabe, Bd. 2: Reformationsgeschichte Westfalens, hg. von Klemens Löffler, Münster 1913. Harless, W[oldemar] (Bearb.), Eine Essener Stadtchronik von 1593–1622, in: Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins N. F. 1 (1876), S. 141–162. Härting, Michael (Hg.), Das Andernacher Gesangbuch (Köln 1608), Düsseldorf 1970. Höhlbaum, Konstantin u. a. (Hg.), Das Buch Weinsberg. Kölner Denkwürdigkeiten aus dem 16. Jahrhundert, 5 Bde., Düsseldorf 2000 (ND der Bde. Leipzig 1886/87 bzw. Bonn 1897/98 u. 1926). Israel, August (Hg.), Sammlung selten gewordener pädagogischer Schriften des 16. und 17. Jahrhunderts, Zschopau 1880 (ND Leipzig 1973). Kerkhörde, Johann, Chronik 1405–1465, hg. von J. Franck und J. Hansen, in: Die Chroniken der westfälischen und niederrheinischen Städte 1, 2. Aufl. Leipzig 1887 (ND Göttingen 1969), S. 1–146. Keußen, Hermann (Bearb.), Ein Werbebrief für das Essener Gymnasium aus dessen Stiftungsjahr 1545, in: BeitrE 34 (1912), S. 309–311. Klose, Gerhard und Willer, Arnold (Bearb.), Die Schriften Johann Westermanns 1524/25, Lippstadt 1985. Klusen, Ernst (Hg.), Das Bonner Gesangbuch von 1550, Kamp-Lintfort 1965. Krafft, K[arl Johann Friedrich Wilhelm], Bericht des Johann Pollius vom Jahre 1562 über den Stand der kirchlichen Verhältnisse in Westfalen und am Niederrhein, in: Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins 9 (1873), S. 162–174. Krage, Nikolaus, Christlike Ordeninge der Erlyken Stadt Mynden tho denste dem hilgen Euangelio, Minden 1980 (ND der Ausgabe Minden 1530). Leesch, Wolfgang (Bearb.), Das Fraterhaus zu Herford, Teil I: Inventar, Urkunden, Amtsbücher, Münster 1974. Luther, Martin, Werke. Kritische Gesamtausgabe (Weimarer Ausgabe), 120 Bde., Weimar 1884–2009. Mallinckrodt, Gustav, Die Dortmunder Rathslinie seit dem Jahre 1500, in: BeitrDO 6 (1895), S. 1–147. Maurenbrecher, Romeo, Die rheinpreußischen Landrechte, Bd. 1, Bonn 1830. Monheim, Johannes, Catechismus 1560, ND mit Übersetzung Köln 1987. Mulher, Detmar und Mewe, Cornelius, Historische Beschreibung der Stadt und Grafschaft Dortmund, in: Seibertz, Johann Suibert (Hg.), Quellen der Westfälischen Geschichte, Bd. 1, Arnsberg 1857, S. 281–380. Mulher, Detmar, Annales Tremonienses. Kurze Chronik des Kaufmanns Detmar Mulher 1601–1611 mit Zusätzen von Henrich Gothofred Hiltrop, bearb. von Engelhart Freiherr von Weichs, in: BeitrDO 68 (1973), S. 5–182. Nelle, Wilhelm (Bearb.), Hermann Wilckens Kirchenordnung von Neuenrade und ihre Liedersammlung, in: Jahrbuch des Vereins für die Evangelische Kirchengeschichte der Grafschaft Mark 2 (1900), S. 84–138.
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Anhang
Neudecker, Christian Gotthold (Hg.), Urkunden aus der Reformationszeit, Kassel 1836. Offenberg, H[einrich] (Bearb.), Das Eid- und Huldigungsbuch der Stadt Münster, in: Hellinghaus, Otto (Hg.), Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Münster i. W., Bd. 1, Münster 1898, S. 271–321. Peters, Amandus, Aus Hamelmanns Historia Ecclesiastica renati Evangelii: De Ecclesia in oppido Bileveldia comitatus Ravensburgici, in: Jahrbuch für Westfälische Kirchengeschichte 100 (2005), S. 57–121. Pfeilschifter, Georg (Hg.), Acta Reformationis Catholicae ecclesiam Germaniae concernentia saeculi XVI. Die Reformverhandlungen des deutschen Episkopats von 1520 bis 1570, 6 Bde., Regensburg 1959–1974. Rademacher, Ludwig Eberhard, Annales oder Jahr-Bücher der Uhr-alten und weitberühmten Stadt Soest, hg. von Gerhard Köhn, 4 Bde., Soest 1999. Redlich, Otto R. (Bearb.), Jülich-Bergische Kirchenpolitik am Ausgange des Mittelalters und in der Reformationszeit, 2 Bde., Bonn 1907–1915. Ders. (Bearb.), Zur Kirchenpolitik des Herzogs Wilhelm V. (Verordnungen aus den Jahren 1562–1574), in: Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins 42 (1909), S. 174–190. Reese, Rudolf, Urkundenbuch der Stadt Bielefeld, Bd. 1, Bielefeld 1894. Rothert, Hermann (Bearb.), Das Buch der Dortmunder Juncheren Gesellschaft, in: BeitrDO 11 (1902), S. 1–16. Rotscheidt, Wilhelm (Bearb.), Notizen auf einer Reise zur Märckischen Synode im Jahre 1687, in: Jahrbuch des Vereins für die Evangelische Kirchengeschichte Westfalens 16/17 (1914/15), S. 114–129. Ders. (Hg.), Heinrich Kaufmanns Essener Chronik bis zum Jahre 1665, in: BeitrE 50 (1932), S. 261–342. Rotterdam, Erasmus von, Ausgewählte Schriften, 3. Aufl. Darmstadt 2006. Ders., Briefe, hg. von Walther Köhler, 3. Aufl. Bremen 1956 (ND Darmstadt 1986). Ders., Opera omnia Desiderii Erasmii Roterodami, Amsterdam 1969 ff. Rübel, Karl, Die Bürgerlisten der Frei- und Reichsstadt Dortmund, in: BeitrDO 12 (1903), S. 33–268. Schaefer, Heinrich und Arens, Franz (Hg.), Urkunden und Akten des Essener Münsterarchivs, in: BeitrE 28 (1906), S. 3–348. Schmidt, Adolf (Bearb.), Protokoll der kirchlichen Visitation der Grafschaft Ravensberg vom Jahre 1533, in: Jahrbuch des Vereins für die Evangelische Kirchengeschichte Westfalens 6 (1904), S. 135–169. Schröter, Hermann, Reformation und Gegenreformation im Stift Essen nach einer Quelle über die Anfänge des Luthertums und das Wiederaufleben der Prozessionen, in: Das Münster am Hellweg 14 (1961), S. 71–82. Schwarz, Wilhelm Eberhard (Hg.), Die Akten der Visitation des Bistums Münster aus der Zeit Johanns von Hoya (1571–1573), Münster 1913. Scotti, Johann Josef (Bearb.), Sammlung der Gesetze und Verordnungen, welche in dem Herzogthum Cleve und in der Graffschaft Mark über Gegenstände der Landeshoheit, Verfassung, Verwaltung und Rechtspflege ergangen sind. Vom Jahre
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5. Sonstige edierte Quellen
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1418 bis zum Eintritt der königlich preußischen Regierungen im Jahre 1816, Bd. 1: Vom Jahr 1418 bis zum Jahr 1700, Düsseldorf 1826. Slüter, Joachim, Sammlung | Ein gar schönes und sehr nützliches Gesangbuch. Eine schöne und sehr nützliche christliche Unterweisung, hg. von Gerhard Bosinski, Leipzig 1986. Spormecker, Georg, Cronica Lunensis civitatis Markanae. Aufzeichnungen eines westfälischen Geistlichen aus dem 16. Jahrhundert, hg. und übersetzt von Wingolf Lehnemann, Bielefeld 2010. Stupperich, Robert (Bearb.), Das Fraterhaus zu Herford, Teil II: Statuten, Bekentnisse, Briefwechsel, Münster 1984. Teschenmacher, Werner, Annales Ecclesiastici. Reformationis Ecclesiarum Cliviae, Juliae, Montium […], eingel. von Heinrich Müller-Diersfordt, Düsseldorf 1962. Wächtler, Karl, Urkunden aus den ersten Jahren der Reformation in der freien Reichsstadt Essen, in: Theologische Arbeiten aus dem Rheinischen Wissenschaftlichen Programm 6 (1885), S. 106–148. Wember, Hermann (Hg.), Chronik der Stadt Lünen von Georg Spormecker, Lünen 1962. Westhoff, Dietrich, Chronik von 750–1550, hg. von J. Hansen, in: Die Chroniken der westfälischen und niederrheinischen Städte 1, 2. Aufl. Leipzig 1887 (ND Göttingen 1969), S. 147–477. Zoepfl, Heinrich (Hg.), Die Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karl’s V. nebst der Bamberger und der Brandenburger Halsgerichtsordnung sämtlich nach den ältesten Drucken und mit den Projecten der peinlichen Gerichtsordnung Kaiser Karl’s V. von den Jahren 1521 und 1529 beide zum erstenmale vollständig nach Handschriften herausgegeben, 2. Aufl. Leipzig und Heidelberg 1876.
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Anhang
6. Literatur N.N., Ueber einen wenig bekannten katholischen Katechismus aus der ersten Hälfte des sechszehnten Jahrhunderts, in: Der Katholik. Zeitschrift für katholische Wissenschaft und kirchliches Leben 41/2 (1861), S. 451–474. Ackermann, Helmut, Johannes Monheim, eine Einführung, in: Monheim, Johannes, Catechismus 1560, ND mit Übersetzung Köln 1987, S. 423–450. Alberdingk, Thijm, Art. „Beller, Johann“, in: ADB 2 (1875), S. 806. Altenberend, Johannes u. a. (Hg.), St. Marien in Bielefeld 1293–1993. Geschichte und Kunst des Stifts und der Neustädter Kirche, Bielefeld 1993. Ders. und Schröder, Wolfgang (Hg.), Deo et Literis. Schule mit Geschichte – Schule mit der Zeit. Festschrift zum 450-jährigen Jubiläum des Ratsgymnasiums Bielefeld, Bielefeld 2008. Arens, Franz, Der Liber ordinarius der Essener Stiftskirche und seine Bedeutung für die Liturgie, Geschichte und Topographie des ehemaligen Stiftes Essen, in: BeitrE 21 (1901), S. 1–156. Ders., Die beiden Kapitel des Stiftes Essen, in: BeitrE 14 (1894), S. 101–164. Aubin, Hermann, Die geschichtliche Entwicklung, in: ders. u. a. (Hg.), Der Raum Westfalen, Bd. 1: Grundlagen und Zusammenhänge, Berlin 1931, S. 5–27. Augustijn, Cornelis, Die Religionsgespräche der vierziger Jahre, in: Müller, Gerhard (Hg.), Die Religionsgespräche der Reformationszeit, Gütersloh 1980, S. 43–53. Ders., Die Stellung der Humanisten zur Glaubensspaltung 1518–1530, in: Iserloh, Erwin (Hg.), Confessio Augustana und Confutatio. Der Augsburger Reichstag 1530 und die Einheit der Kirche, 2. Aufl. Münster 1980, S. 36–48. Ders., Humanisten auf dem Scheideweg zwischen Luther und Erasmus, in: Pesch, Otto Hermann (Hg.), Humanismus und Reformation – Martin Luther und Erasmus von Rotterdam in den Konflikten ihrer Zeit, München und Zürich 1985, S. 119–134. Ders., Erasmus und die Devotio moderna, in: ders., Erasmus. Der Humanist als Theologe und Kirchenreformer, Leiden u. a. 1996, S. 26–37. Ders., Die Ekklesiologie des Erasmus, in: ders., Erasmus. Der Humanist als Theologe und Kirchenreformer, Leiden u. a. 1996, S. 73–93. Ders., Erasmus und seine Theologie: Hatte Luther recht?, in: ders., Erasmus. Der Humanist als Theologe und Kirchenreformer, Leiden u. a. 1996, S. 293–310. Ders., Verba valent usu: was ist Erasmianismus?, in: Mout, Marianne E. H. N. (Hg.), Erasmianism: Idea and Reality, Amsterdam u. a. 1997, S. 5–14. Ders., Humanismus, Göttingen 2003. Badea, Andreea, Kurfürstliche Präeminenz, Landesherrschaft und Reform. Das Scheitern der Kölner Reformation unter Hermann von Wied, Münster 2009. Bädeker zu Dahl, Franz Gotthilf Heinrich Jakob, Über die Einführung der Reformation in die evangelischen Gemeinen der Grafschaft Mark beider Confessionen. Mit Einschluß von Limburg und Werden. Nebst einem Anhang, betreffend die Reformation in Dortmund, Essen, Soest und Lippstadt, hg. v. D. Bädeker, Dortmund 1838.
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6. Literatur
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Bainton, Roland H., Erasmus. Reformer zwischen den Fronten, Göttingen 1972. Bärnthaler, Günther, Übersetzen im deutschen Spätmittelalter. Der Mönch von Salzburg, Heinrich Laufenberg und Oswald von Wolkenstein als Übersetzer lateinischer Hymnen und Sequenzen, Göppingen 1983. Barth, Hans-Martin u. a., Das Regensburger Religionsgespräch im Jahr 1541. Rückblick und aktuelle ökumenische Perspektiven, Regensburg 1992. Becher, Oliver, Herrschaft und autonome Konfessionalisierung. Politik, Religion und Modernisierung in der frühneuzeitlichen Grafschaft Mark, Essen 2006. Becker, Winfried, Die Verhandlungen der Reichsstände über die Confessio Augustana als Ringen um Einheit und Kirchenreform, in: Iserloh, Erwin (Hg.), Confessio Augustana und Confutatio. Der Augsburger Reichstag 1530 und die Einheit der Kirche, Münster 1980, S. 127–154. Beckmann, Thomas, Das ehemalige Augustiner-Eremitenkloster zu Osnabrück, Osnabrück 1970, S. 51–53. Behrens, Jochen, St. Reinoldus und die Dortmunder Bürgergemeinde. Überlegungen zum Verhältnis zwischen Stadtpatron und Stadt, in: Schilp, Thomas (Hg.), Himmel, Hölle, Fegerfeuer. Jenseitsvorstellungen und Sozialgeschichte im spätmittelalterlichen Dortmund, Essen 1996, S. 39–43. Benrath, Gustav Adolf, Irenik und Zweite Reformation, in: Schilling, Heinz (Hg.), Die reformierte Konfessionalisierung in Deutschland – Das Problem der „Zweiten Reformation“, Gütersloh 1986, S. 349–358. Berg, Johann Petrus, Reformationsgeschichte der Länder Jülich, Cleve, Berg, Mark, Ravensberg und Lippe, Hamm 1826. Beutler, Corinne und Irsigler, Franz, Konrad Heresbach (1496–1576), in: Poll, Bernhard (Hg.), Rheinische Lebensbilder, Bd. 8, Köln 1980, S. 81–104. Biermann, Andreas, Erasmus und die klevische Kirchenpolitik. Der wiederentdeckte Katechismus der Kirchenordnung von 1532, in: Kampmann, Jürgen (Hg.), Aus dem Landes der Synoden (FS Neuser), Lübbecke 1996, S. 15–55. Ders., Das Dortmunder Kollektenbuch von 1554, in: Jahrbuch für Westfälische Kirchengeschichte 95 (2000), S. 51–88. Ders., Hermann Hamelmann und die Reformation in Bielefeld. Eine Untersuchung von Hamelmanns Briefen und Schriften, in: Jahrbuch für Westfälische Kirchengeschichte 100 (2005), S. 29–56. Birck, Max, Georg Cassander’s Ideen über die Wiedervereinigung der christlichen Confessionen in Deutschland, Köln 1876. Blauert, Andreas, Das Urfehdewesen im deutschen Südwesten im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit, Tübingen 2000. Blickle, Peter (Hg.), Der Fluch und der Eid. Die metaphysische Begründung gesellschaftlichen Zusammenlebens und politischer Ordnung in der ständischen Gesellschaft, Berlin 1993. Ders., Die Reformation im Reich, Stuttgart 1982. Bockmühl-Odenkirchen, Peter, Zur Vorgeschichte des Essener Reformators Heinrich Berenbroch von Kempen, in: Monatshefte für Rheinische Kirchengeschichte 3 (1909), S. 301–307.
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Anhang
Bolte, Johannes, Art. „Quiting, Arnold“, in: ADB 27 (1888), S. 57 f. Ders., Art. „Stricerius, Johannes“, in: ADB 36 (1893), S. 579 f. Bosinski, Gerhard, Das Schrifttum des Rostocker Reformators Joachim Slüter, Göttingen 1971. Böttigheimer, Christoph, Das Unionskonzept des Helmstedter Irenikers Georg Calixt (1586–1656), in: Klueting, Harm (Hg.), Irenik und Antikonfessionalismus im 17. und 18. Jahrhundert, Hildesheim u. a. 2003, S. 55–70. Brämik, Reinold, Die Verfassung der lutherischen Kirche in Jülich-Berg, CleveMark-Ravensberg in ihrer geschichtlichen Entwicklung, Düsseldorf 1964. Brandt, Hans Jürgen, Klevisch-märkische Kirchenpolitik im Bündnis mit Burgund in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Magister Dietrich Stock (†1470), Rat der Herzöge von Kleve-Mark, Burgund-Brabant und Geldern, in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein insbesondere das alte Erzbistum Köln 178 (1976), S. 42–76. Ders., St. Reinoldus in Dortmund. Zur Bedeutung des „Heiligen Patrons“ in der kommunalen Geschichte, in: Luntowski, Gustav und Reimann, Norbert (Hg.), Dortmund. 1100 Jahre Stadtgeschichte. Festschrift, Dortmund 1982, S. 79–104. Ders., Das katholische Fraterhaus im protestantischen Herford. Zur Frage seiner konfessionellen Kontinuität, in: Bölsker, Franz und Kuropka, Joachim (Hg.), Westfälisches aus acht Jahrhunderten zwischen Siegen und Friesoythe – Meppen und Reval. FS Alwin Hanschmidt, Münster 2007, S. 197–210. Ders. und Hengst, Karl (Hg.), Die Busdorfkirche St. Petrus und Andreas in Paderborn 1036–1986, Paderborn 1986. Braunisch, Reinhard, Die Theologie der Rechtfertigung im „Enchiridion“ (1538) des Johannes Gropper. Sein kritischer Dialog mit Philipp Melanchthon, Münster 1974. Brecht, Martin, Reformation und Kirchenordnung in Minden 1530, in: Jahrbuch für Westfälische Kirchengeschichte 73 (1980), S. 19–38. Brockmann, Thomas und Weiss, Dieter J. (Hg.), Das Konfessionalisierungsparadigma – Leistungen, Probleme, Grenzen (vsl. Münster 2012). Bröder, Paula, Georg Cassanders Vermittlungsversuche zwischen Protestanten und Katholiken, Marburg 1931. Bruning, Jens, „Konfessionalisierung“ und Bildungswesen: Die Lateinschulen in Minden, Herford und Bielefeld im 16. und 17. Jahrhundert, in: Jahresbericht des Historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg 88 (2002/03), S. 79–100. Bücking, Jürgen, Johann Rasser (circa 1535 bis 1594) und die Gegenreformation im Oberelsass, Münster 1970. Büttner, Nils u. a. (Hg.), Städtische Repräsentation. St. Reinoldi und das Rathaus als Schauplätze des Dortmunder Mittelalters, Bielefeld 2005. Canzik, Hubert, Antike, Christentum und Humanismus. Ein Versuch zu Grundbegriffen von Heers europäischer Religions- und Geistesgeschichte, in: Faber, Richard (Hg.), Offener Humanismus zwischen den Fronten des Kalten Krieges. Über den Universalhistoriker, politischen Publizisten und religiösen Essayisten Friedrich Heer, Würzburg 2005, S. 151–170.
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6. Literatur
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Jung, Martin H., Philipp Melanchthon und seine Zeit, Göttingen 2010. Junghans, H. A., Jacob Schöpper als theologischer und dramatischer Schriftsteller, in: Döring, August, Johann Lambach und das Gymnasium zu Dortmund von 1543–1582. Ein Beitrag zur Geschichte des Humanismus und seines Schulwesens und der Reformation, Berlin 1875, S. 85–99. Kantzenbach, Friedrich Wilhelm, Das Ringen um die Einheit der Kirche im Jahrhundert der Reformation. Vertreter, Quellen und Motive des „ökumenischen“ Gedankens von Erasmus von Rotterdam bis Georg Calixt, Stuttgart 1957. Karant-Nunn, Susan C., „Gedanken, Herz und Sinn“. Die Unterdrückung der religiösen Emotionen, in: Jussen, Bernhard und Koslofsky, Craig (Hg.), Kulturelle Reformation. Sinnformationen im Umbruch 1400–1600, Göttingen 1999, S. 69– 95. Kaspar, Fred und Barthold, Peter (Bearb.), Altstadt 3. Die Profanbauten, Teilband 1, in: Kaspar, Fred und Korn, Ulf-Dietrich (Bearb.), Stadt Minden (= Bau- und Kunstdenkmäler von Westfalen, Bd. 50, Tl. IV), Essen 2000. Kathrein, Werner, Ein Reformgutachten Georg Witzels (1501–1573) für Herzog Georg den Bärtigen von Sachsen aus dem Jahr 1538 und seine Beziehung zu dem Gutachten Witzels für den Fuldaer Abt Philipp Schenk zu Schweinsberg von 1542, in: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 44 (1992), S. 343–379. Kaster, Karl Georg und Steinwascher, Gerd (Hg.), V.D.M.I.Æ. Gottes Wort bleibt in Ewigkeit. 450 Jahre Reformation in Osnabrück, Bramsche 1993. Kaufmann, Thomas, Einleitung: Transkonfessionalität, Interkonfessionalität, binnenkonfessionelle Pluralität – Neue Forschungen zur Konfessionalisierungsthese, in: Greyerz, Kaspar von u. a. (Hg.), Transkonfessionalität, Interkonfessionalität, binnenkonfessionelle Pluralität – Neue Forschungen zur Konfessionalisierungsthese, Gütersloh 2003, S. 9–15. Keller, Ludwig, Die Gegenreformation in Westfalen und am Niederrhein, Leipzig 1881. Ders., Zur Geschichte der katholischen Reformation im nordwestlichen Deutschland 1530–1534, in: Maurenbrecher, Wilhelm (Hg.), Historisches Taschenbuch, 6. Folge 1. Jg., Leipzig 1882, S. 124–155. Kessel, Heinrich, Reformation und Gegenreformation im Herzogtum Cleve (1517– 1609), in: Düsseldorfer Jahrbuch 30 (1918/19), S. 1–160. Kiermayr, Reinhold Robert, The course of the reformation and counter-reformation in Duderstadt, Ann Arbour 1985. Kinkel, Gottfried, Theaterspiele in Dortmund aus der letzten Zeit des Mittelalters und im Jahrhundert der Reformation, in: Monatsschrift für die Geschichte Westdeutschlands mit besonderer Berücksichtigung der Rheinlande und Westfalens 7 (1881), S. 301–324. Kipp, Herbert, „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes“. Landstädtische Reformation und Rats-Konfessionalisierung in Wesel (1520–1600), Bonn 2004. Kirchner, Bernhard, Rechtswesen und Rechtsbräuche in der Stadt Essen während des 16. und 17. Jahrhunderts, Forschungsergebnisse aus dem Stadtarchiv Essen, in: BeitrE 60 (1940), S. 143–239.
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Anhang
Kirschbaum, Bernd, Gerhard Kleinsorgen (1530–1591), ein Geschichtsschreiber im Westfalen der Frühen Neuzeit. Das Werk und sein Autor, Norderstedt 2005. Kleimann, Claudia, Die soziale Gruppe der Handwerker – die Zünfte der Wollweber und Goldschmiede in Dortmund, in: Schilp, Thomas (Hg.), Himmel, Hölle, Fegefeuer. Jenseitsvorstellungen und Sozialgeschichte im spätmittelalterlichen Dortmund, Essen 1996, S. 70–80. Kleinheyer, Gerd, Tradition und Reform der Constitutio criminalis Carolina, in: Landau, Peter und Schroeder, Friedrich-Christian (Hg.), Strafrecht, Strafprozess und Rezeption. Grundlagen, Entwicklung und Wirkung der Constitutio criminalis Carolina, Frankfurt/M. 1984, S. 7–27. Kloosterhuis, Elisabeth M., Erasmusjünger als politische Reformer. Humanistenideal und Herrschaftspraxis am Niederrhein im 16. Jahrhundert, Köln u. a. 2006. Klug, Martina, Ad mensam pauperum pertinentia. Die Almosenschüsseln im spätmittelalterlichen Dortmund – Aspekte der Armenfürsorge, in: BeitrDO 88 (1997), S. 97–109. Klusen, Ernst, Vorwort und Einleitung, in: ders. (Hg.), Das Bonner Gesangbuch von 1550, Kamp-Lintfort 1965, S. VI–XXIV. Kniffler, Gustav, Beiträge zur Geschichte des Schulwesens in Düsseldorf, in: Beiträge zur Geschichte des Niederrheins. Jahrbuch des Düsseldorfer GeschichtsVereins 4 (1889), S. 11–50. Knippenberg, Günter, Das Patriziergeschlecht der Berswordt und Dortmund, in: BeitrDO 52 (1955), S. 5–107. Köhn, Mechtild, Martin Bucers Entwurf einer Reformation des Erzstiftes Köln. Untersuchung der Entstehungsgeschichte und der Theologie des „Einfaltigen Bedenckens“ von 1543, Witten 1967. Kohls, Ernst-Wilhelm, Die Theologie des Erasmus, 2 Bde., Basel 1966. Korte, Friedrich, Kirchenpolitik oder Kirchenreform? Zur Frage des Einflusses des bergischen Herzogshauses im Osten Westfalens zu Beginn des 15. Jhds., in: Jahresbericht des Historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg 68 (1972), S. 66–87. Ders., Die Frage des Gründungsdatums 1558, in: Altenberend, Johannes und Schröder, Wolfgang (Hg.), Deo et Literis. Schule mit Geschichte – Schule mit der Zeit. Festschrift zum 450-jährigen Jubiläum des Ratsgymnasiums Bielefeld, Bielefeld 2008, S. 187–192. Ders., War Hamelmann der Reformator Bielefelds?, in: Jahrbuch für Westfälische Kirchengeschichte 104 (2008), S. 111–129. Korth, Hans-Otto u. a., Art. „Kirchenlied“, in: Finscher, Ludwig (Hg.), Die Musik in Geschichte und Gegenwart, 2. Ausgabe, 26 Bde., Kassel u. a. 1994–2008, hier Sachteil Bd. 5, Sp. 59–128. Krause, Gerhard, Andreas Gerhard Hyperius. Leben – Bilder – Schriften, Tübingen 1977. Kreiker, Sebastian, Armut, Schule, Obrigkeit. Armenversorgung und Schulwesen in evangelischen Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts, Bielefeld 1997.
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6. Literatur
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Krentz, Natalie, Von der Messestörung zur Gottesdienstordnung. Die Anfänge evangelischer Liturgie in der Stadt Wittenberg, in: Brademann, Jan u. a. (Hg.), Liturgisches Handeln als soziale Praxis. Zur symbolischen Kommunikation des Religiösen im konfessionellen Zeitalter, Münster 2012 (in Vorbereitung). Krieg, Martin, Die Einführung der Reformation in Minden, in: Jahrbuch des Vereins für Westfälische Kirchengeschichte 43 (1950), S. 31–108. Krodel, Gottfried, Die Abendmahlslehre des Erasmus von Rotterdam und seine Stellung am Anfang des Abendmahlsstreites der Reformatoren, masch. Diss. theol. Erlangen 1955. Krüger, Friedhelm, Bucer und Erasmus. Eine Untersuchung zum Einfluss des Erasmus auf die Theologie Martin Bucers (bis zum Evangelienkommentar von 1530), Wiesbaden 1970. Krull, Lena, Lutherische Pfarrer in Lemgo. Kirche und Geistliche in einer konfessionalisierten Stadt des 17. Jahrhunderts, Münster 2009. Krumwiede, Hans-Walter, Territorium und Kirche in Niedersachsen. Mit dem Exkurs: Reformation und weltliche Obrigkeit, in: Dumrath, Karlheinrich und Krumwiede, Hans-Walter (Hg.), Die territoriale Bindung der evangelischen Kirche in Geschichte und Gegenwart, Blomberg 1971, S. 60–71. Kückelhahn, L[ouis], Johannes Sturm, Strassburg’s erster Schulrector, besonders in seiner Bedeutung für die Geschichte der Paedagogik, Leipzig 1872. Kuhaupt, Georg, Veröffentlichte Kirchenpolitik. Kirche im publizistischen Streit zur Zeit der Religionsgespräche (1538–1541), Göttingen 1998. Kuhlmann, Richard, Überblick über die Geschichte des Archigymnasiums, in: Zur 400 Jahrfeier des Archigymnasiums in Soest, Soest 1934, S. 21–40. Küppers-Braun, Ute, Katholisch – Lutherisch – Calvinistisch – Katholisch. Das Stift Essen im Zeitalter der Konfessionalisierung, in: dies. und Schilp, Thomas (Hg.), Katholisch – Lutherisch – Calvinistisch. Frauenkonvente im Zeitalter der Konfessionalisierung, Essen 2010, S. 19–47. Lake, Peter, The Moderate and Irenic Case for Religious War: Joseph Hall’s Via Media in Context, in: Amussen, Susan D. und Kishlansky, Mark A. (Hg.), Political Culture and Cultural Politics in Early Modern England, Manchester u. a. 1995, S. 55–83. Landau, Peter und Schroeder, Friedrich-Christian (Hg.), Strafrecht, Strafprozess und Rezeption. Grundlagen, Entwicklung und Wirkung der Constitutio criminalis Carolina, Frankfurt/M. 1984. Lanzinner, Maximilian, Das konfessionelle Zeitalter 1555–1618, 10. Aufl. Stuttgart 2001. Lau, Franz, Art. „Hunnius, Ägidius“, in: NDB 10 (1974), S. 67 f. Laubach, Ernst, Reformation und Täuferherrschaft, in: Jakobi, Franz-Josef und Küster, Thomas (Hg.), Geschichte der Stadt Münster, 3 Bde., hier Bd. 1, 2. Aufl. Münster 1993, S. 145–216. Lecler, Joseph, Geschichte der Religionsfreiheit im Zeitalter der Reformation, Bd. 1, Stuttgart 1965.
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Anhang
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6. Literatur
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Lortz, Joseph Adam, Die Reformation in Deutschland, 2 Bde., Freiburg/Br. 1939/40. Löther, Andrea, Prozessionen in spätmittelalterlichen Städten. Politische Partizipation, obrigkeitliche Inszenierung, städtische Einheit, Köln u. a. 1999. Luntowski, Gustav, Kleine Geschichte des Rates der Stadt Dortmund, Dortmund 1970. Ders. und Reimann, Norbert (Hg.), Dortmund. 1100 Jahre Stadtgeschichte. Festschrift, Dortmund 1982. Luttenberger, Albrecht Pius, Glaubenseinheit und Reichsfriede. Konzeptionen und Wege konfessionsneutraler Reichspolitik 1530–1552 (Kurpfalz, Jülich, Kurbrandenburg), Göttingen 1982. Lutz, Heinrich, Das Ringen um deutsche Einheit und kirchliche Erneuerung. Von Maximilian I. bis zum Westfälischen Frieden 1490 bis 1648, Frankfurt und Berlin 1987. Ders., Reformation und Gegenreformation, 4. Aufl. München 1997. MacCulloch, Diarmaid, Die zweite Phase der englischen Reformation (1547–1603) und die Geburt der anglikanischen Via Media, Münster 1998. Maeder, Kurt, Die Via Media in der Schweizerischen Reformation. Studien zum Problem der Kontinuität im Zeitalter der Glaubensspaltung, Zürich 1970. Mähly, Jacob Achilles, Art. „Castellio, Sebastian“, in: ADB 4 (1876), S. 64–67. Mallinckrodt, Rebekka von, Reichweite und Grenzen des KonfessionalisierungsParadigmas am Beispiel der Kölner Laienbruderschaften im 17. Jahrhundert, in: Greyerz, Kaspar von u. a. (Hg.), Transkonfessionalität, Interkonfessionalität, binnenkonfessionelle Pluralität – Neue Forschungen zur Konfessionalisierungsthese, Gütersloh 2003, S. 16–47. Martin, Ernst, Art. „Rasser, Johannes“, in: ADB 27 (1888), S. 332 f. Maurenbrecher, Wilhelm, Geschichte der katholischen Reformation, Bd. 1, Nördlingen 1880. Meding, Wichmann von, Luthers Gesangbuch. Die gesungene Theologie eines christlichen Psalters, Hamburg 1998. Mehl, James V. (Hg.), Humanismus in Köln – Humanism in Cologne, Köln u. a. 1991. Meier, Christel, Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Werte im vormodernen Theater. Eine Einführung, in: dies. u. a. (Hg.), Das Theater des Mittelalters und der Frühen Neuzeit als Ort und Medium sozialer und symbolischer Kommunikation, Münster 2004, S. 7–22. Dies., Die Inszenierung humanistischer Werte im Drama der Frühen Neuzeit, in: dies. u. a. (Hg.), Das Theater des Mittelalters und der Frühen Neuzeit als Ort und Medium sozialer und symbolischer Kommunikation, Münster 2004, S. 249–264. Meier, Johannes, Der priesterliche Dienst nach Johannes Gropper (1503–1559). Der Beitrag eines deutschen Theologen zur Erneuerung des Priesterbildes im Rahmen eines vortridentinischen Reformkonzeptes für die kirchliche Praxis, Münster 1977. Mellmann, Theodor, Das Archigymnasium in Dortmund. Eine geschichtliche Darstellung, Dortmund 1807.
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Anhang
Menk, Gerhard, Das Bildungswesen in den deutschen protestantischen Territorien der Frühen Neuzeit, in: Schilling, Heinz und Ehrenpreis, Stefan (Hg.), Erziehung und Schulwesen zwischen Konfessionalisierung und Säkularisierung. Forschungsperspektiven, europäische Fallbeispiele und Hilfsmittel, Münster u. a. 2003, S. 55–99. Mennecke-Haustein, Ute, Art. „Witzel, Georg (1501–1573)“, in: TRE 36 (2004), S. 257–260. Mergenthaler, Gerhard, Archigymnasium 1534–1984, in: Archigymnasium Soest 1534–1984, Soest 1984, S. 40–43. Merz, Johannes, Landstädte und Reformation, in: Schindling, Anton und Ziegler, Walter (Hg.), Die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung: Land und Konfession 1500–1650, Bd. 7: Bilanz – Forschungsperspektiven – Register, Münster 1997, S. 107–135. Mette, Alexander, Die Gegenreformation in Dortmund, in: BeitrDO 1 (1875), S. 148–186. Meyer, Hans Bernhard, Art. „Abendmahlsfeier II. Mittelalter“, in: TRE 1 (1995), S. 278–287. Michael, Wolfgang F., Das deutsche Drama der Reformationszeit, Bern u. a. 1984. Michel, Kurt, Das Wesen des Reformationsdramas, entwickelt am Stoff des verlorenen Sohnes, Düren 1934. Moeller, Bernd, Reichsstadt und Reformation, 2. erw. Aufl. Berlin 1987. Ders., Deutschland im Zeitalter der Reformation, Göttingen 1999. Mohaupt, Helga, Kleine Geschichte Essens. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, Bonn 1991. Molitor, Hansgeorg, Mehr mit den Augen als mit den Ohren glauben. Frühneuzeitliche Volksfrömmigkeit in Köln und Jülich-Berg, in: Ganzer, Klaus (Hg.), Volksfrömmigkeit in der Frühen Neuzeit, Münster 1994, S. 89–105. Ders., Hermann V. von Wied als Reichsfürst und Reformer, in: Roll, Christina (Hg.), Recht und Reich im Zeitalter der Reformation. FS für Horst Rabe, Frankfurt/M. u. a. 1996, S. 295–308. Ders., Politik zwischen den Konfessionen, in: Pohl, Meinhard (Hg.), Der Niederrhein im Zeitalter des Humanismus. Konrad Heresbach und sein Kreis, Bielefeld 1997, S. 37–55. Mörke, Olaf, Die Reformation. Voraussetzungen und Durchsetzung, München 2005. Mose, Hans-Ulrich, Der Herforder Humanist und Fraterherr Jacobus Montanus Spirensis († nach 1534), in: Jahrbuch für Westfälische Kirchengeschichte 96 (2001), S. 21–53. Mout, Marianne E. H. N. (Hg.), Erasmianism: Idea and Reality, Amsterdam u. a. 1997. Muller, Pieter Lodewijk, Art. „Petrus, Suffridus“, in: ADB 25 (1887), S. 539 f. Müller, Gerhard, Die Anhänger der Confessio Augustana und die Ausschußverhandlungen, in: Iserloh, Erwin (Hg.), Confessio Augustana und Confutatio.
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6. Literatur
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Der Augsburger Reichstag 1530 und die Einheit der Kirche, Münster 1980, S. 243–257. Ders., Zwischen Konflikt und Verständigung. Bemerkungen zu den Sonderverhandlungen während des Augsburger Reichstages 1530, in: ders. (Hg.), Die Religionsgespräche der Reformationszeit, Gütersloh 1980, S. 21–33. Müller, Hans Joachim, Konfession, Kommunikation und Öffentlichkeiten. Der Streit um die Irenik in Danzig 1645–1647, in: Greyerz, Kaspar von u. a. (Hg.), Transkonfessionalität, Interkonfessionalität, binnenkonfessionelle Pluralität – Neue Forschungen zur Konfessionalisierungsthese, Gütersloh 2003, S. 151–178. Müller, Helmut, Die Reformation in Essen, in: BeitrE 85 (1969), S. 1–202. Mulsow, Martin, Mehrfachkonversion, politische Religion und Opportunismus im 17. Jahrhundert. Ein Plädoyer für eine Indifferentismusforschung, in: Greyerz, Kaspar von u. a. (Hg.), Transkonfessionalität, Interkonfessionalität, binnenkonfessionelle Pluralität – Neue Forschungen zur Konfessionalisierungsthese, Gütersloh 2003, S. 132–150. Munzel-Everling, Dietlinde, Art. „Eid“, in: HRG N. R. 1 (2008), Sp. 1249–1261. Neumann, Bernd, Geistliches Schauspiel im Zeugnis der Zeit. Zur Aufführung mittelalterlicher religiöser Dramen im deutschen Sprachgebiet, 2 Bde., München und Zürich 1987. Neuser, Wilhelm H. (Hg.), Die Vorbereitung der Religionsgespräche von Worms und Regensburg 1540/41, Neukirchen-Vluyn 1974. Ders., Ein westfälischer Druck des Augsburger Bekenntnisses aus dem 16. Jahrhundert, in: Jahrbuch für Westfälische Kirchengeschichte 76 (1983), S. 50–54. Neuss, Elmar (Hg.), Pflugiana. Studien über Julius Pflug (1499–1564), Münster 1990. Nickel, Ralf, Minoriten und Franziskaner in Westfalen vom 13. bis zum 17. Jahrhundert – Darstellung und Bibliographie, in: Franziskanische Studien 69 (1987), S. 233–360. Niebergall, Alfred, Art. „Abendmahlsfeier III. 16. bis 19. Jahrhundert, in: TRE 1 (1995), S. 287–310. Niesert, Joseph, Beiträge zu einem Münsterischen Urkundenbuche aus vaterländischen Archiven, Bd. 1.1, Münster 1823. Niessen, Josef, Der Reformationsversuch des Kölner Kurfürsten Hermann V. von Wied (1536–1547), in: Rheinische Vierteljahrsblätter 15/16 (1950/51), S. 298–312. Oberman, Heiko A., Reformation. Von Wittenberg nach Genf, Göttingen 1986. Odenthal, Andreas, „Rituelle Erfahrung“ im Zeitalter der Konfessionalisierung? Zur Anwendung eines praktisch-theologischen Paradigmas auf die Liturgiegeschichte – ein Versuch, in: Brademann, Jan u. a. (Hg.), Liturgisches Handeln als soziale Praxis. Zur symbolischen Kommunikation des Religiösen im konfessionellen Zeitalter, Münster 2012 (in Vorbereitung). Oelrich, Karl Heinz, Der späte Erasmus und die Reformation, Münster 1961. Oexle, Otto Gerhard, Die Gegenwart der Lebenden und der Toten. Gedanken über Memoria, in: Schmid, Karl (Hg.), Gedächtnis, das Gemeinschaft stiftet, Zürich 1985, S. 74–107.
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Anhang
Olschewski, Ursula, Erneuerung der Kirche durch Bildung und Belehrung des Volkes. Der Beitrag des Dortmunder Humanisten Jacob Schoepper zur Formung der Frömmigkeit in der frühen Neuzeit, Münster 1999. Pape, Rainer, Sancta Herfordia. Geschichte Herfords von den Anfängen bis zur Gegenwart, Herford 1979. Parmet, Adalbert, Rudolf von Langen. Leben und gesammelte Gedichte des ersten münster’schen Humanisten. Ein Beitrag zur Geschichte des Humanismus in Deutschland, Münster 1869. Peil, Dietmar, Zur konfessionellen Problematik in den Schuldramen Georg Rollenhagens, in: Breuer, Dieter (Hg.), Religion und Religiosität im Zeitalter des Barock, Wiesbaden 1995, S. 643–653. Ders., Die Schaubühne als ‚pädagogische‘ Anstalt. Anmerkungen zu Georg Rollenhagens Tobias, in: Schandera, Gunter und Schilling, Michael (Hg.), Prolegomena zur Kultur- und Literaturgeschichte des Magdeburger Raumes, Magdeburg 1999, S. 107–128. Peters, Christian, Vom Wormser Edikt (1521) bis zum Augsburger Religionsfrieden (1555). Der Beitrag der Prädikanten zur Soester Stadtreformation, in: Widder, Ellen (Hg.), Soest. Geschichte der Stadt, Bd. 3: Zwischen Bürgerstolz und Fürstenstaat. Soest in der frühen Neuzeit, Soest 1995, S. 179–248. Peterse, Hans, Irenik und Toleranz im 16. und 17. Jahrhundert, in: Bußmann, Klaus und Schilling, Heinz (Hg.), 1648. Krieg und Frieden in Europa, Textbd. I: Politik, Religion, Recht und Gesellschaft, Münster 1998, S. 265–271. Petri, Franz, Nordwestdeutschland im Wechselspiel der Politik Karls V. und Philipps des Großmütigen von Hessen, in: ders., Zur Geschichte und Landeskunde der Rheinlande, Westfalens und ihrer westeuropäischen Nachbarländer, hg. von Edith Ennen u. a., Bonn 1973, S. 503–523 (zuerst in: Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde 71 [1960], S. 37–60). Ders., Karl V. und die Städte im Nordwestraum während des Ringens um politischkirchliche Ordnung in Deutschland, in: Jahrbuch des Vereins für Westfälische Kirchengeschichte 71 (1978), S. 7–31. Pfeiffer, Gustav, Johann Lambach. Sein Leben und Wirken in Dortmund, phil. Diss. (Manuskript) Münster 1920. Pfleiderer, Georg, Art. „Vermittlungstheologie II, 19. Jahrhundert“, in: LThK 10 (2001), Sp. 697 f. Pfnür, Vinzenz, Die Einigung bei den Religionsgesprächen von Worms und Regensburg 1540/41 – eine Täuschung?, in: Müller, Gerhard (Hg.), Die Religionsgespräche der Reformationszeit, Gütersloh 1980, S. 55–89. Pils, Holger u. a., Martin Bucer (1491–1551). Bibliographie, Gütersloh 2005. Pilz, Kurt, Das Sebaldusgrabmal im Ostchor der St. Sebaldus-Kirche in Nürnberg. Ein Messingguß aus der Gießhütte der Vischer, Nürnberg 1970. Po-chia Hsia, Ronnie, Gesellschaft und Religion in Münster 1535–1618, Münster 1989. Pohl, Regina, Religiöse Lebensformen im Herzogtum Jülich. Zur Interpretation landesherrlicher „Visitationsberichte“ 1530–1560, Jülich 1989.
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6. Literatur
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Pohle, Frank, Glaube und Beredsamkeit. Katholisches Schultheater in Jülich-Berg, Ravenstein und Aachen (1601–1817), Münster 2010. Pollet, Jacques V., Johann Gropper und Julius Pflug nach ihrer Korrespondenz, in: Scheele, Paul-Werner (Hg.), Paderbornensis Ecclesia. Beiträge zur Geschichte des Erzbistums Paderborn. FS Lorenz Kardinal Jaeger, München u. a. 1972, S. 223–244. Ders., Julius Pflug (1499–1564) et la crise religieuse dans l’Allemagne du XVIe siècle. Essai de synthèse biographique et théologique, Leiden u. a. 1990. Post, Regnerus, The Modern Devotion. Confrontation with Reformation and Humanism, Leiden 1968. Prietzel, Malte, Die Kalande im südlichen Niedersachsen. Zur Entstehung und Entwicklung von Priesterbruderschaften im Spätmittelalter, Göttingen 1995. Ders., Klerikerbruderschaften, Obrigkeit und Laien. Die niedersächsischen Kalande im späten Mittelalter, in: Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte 75 (2003), S. 87–100. Prieur, Jutta (Hg.), Humanismus als Reform am Niederrhein. Konrad Heresbach 1496–1576, Bielefeld 1996. Dies., „…daß niemand in der Kirche Gottes Parteien bilden solle“. Eigentümlichkeiten der klevischen Reformationsgeschichte, in: Rommé, Barbara (Hg.), Der Niederrhein und die Alten Niederlande. Kunst und Kultur im späten Mittelalter, Bielefeld 1999, S. 11–33. Prodi, Paolo (Hg.), Glaube und Eid. Treueformeln, Glaubensbekenntnisse und Sozialdisziplinierung zwischen Mittelalter und Neuzeit, München 1993. Propach, Harald, Die Geschichte der Altstädter Gemeinde, in: Presbyterium der Ev. Altstädter Nicolaikirchengemeinde Bielefeld (Hg.), 1236–1986. 750 Jahre Altstädter Nicolaigemeinde Bielefeld, Bielefeld 1986, S. 138–188. Rabe, Horst, Deutsche Geschichte 1500–1600. Das Jahrhundert der Glaubensspaltung, München 1991. Rädle, Fidel, Theatralische Formen der Wertekontrastierung im lateinischen Drama der Frühen Neuzeit, in: Meier, Christel u. a. (Hg.), Das Theater des Mittelalters und der Frühen Neuzeit als Ort und Medium sozialer und symbolischer Kommunikation, Münster 2004, S. 265–288. Rahn, Kerstin, Religiöse Bruderschaften in der spätmittelalterlichen Stadt Braunschweig, Braunschweig 1994. Rammstedt, Otthein, Stadtunruhen 1525, in: Wehler, Hans-Ulrich (Hg.), Der Deutsche Bauernkrieg 1524–1526, Göttingen 1975, S. 239–276. Ranke, Leopold von, Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation, Bd. 4, München und Leipzig 1914. Redlich, Otto R., Staat und Kirche am Niederrhein zur Reformationszeit, Leipzig 1938. Reese, Rudolf, Die Entwickelung der Bielefelder Stadtverfassung bis 1719, in: Jahresbericht des Historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg 10 (1895), S. 74–82.
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Anhang
Reichart, Andrea, Alltagsleben im späten Mittelalter. Der Übergang zur frühen Neuzeit am Beispiel der Stadt Essen (1400–1700), Essen 1992. Reichling, Dietrich, Zur Geschichte der Münsterschen Domschule in der Blütezeit des Humanismus, in: Festschrift zur Feier der Einweihung des neuen Gymnasialgebäudes am 27. April 1898, Münster 1898, S. 1–12. Reinhard, Wolfgang, Gegenreformation als Modernisierung? Prolegomena zu einer Theorie des konfessionellen Zeitalters, in: Archiv für Reformationsgeschichte 68 (1977), S. 226–252. Ders., Zwang zur Konfessionalisierung? Prolegomena zu einer Theorie des konfessionellen Zeitalters, in: Zeitschrift für Historische Forschung 10 (1983), S. 257–277. Ders. (Hg.), Humanismus im Bildungswesen des 15. und 16. Jahrhunderts, Weinheim 1984. Ders. und Schilling, Heinz (Hg.), Die katholische Konfessionalisierung, Gütersloh 1995. Ders., Probleme deutscher Geschichte 1495–1806. Reichsreform und Reformation 1495–1555, 10. Aufl. Stuttgart 2001. Remling, Ludwig, Bruderschaften als Forschungsgegenstand, in: Jahrbuch für Volkskunde N.F. 3 (1980), S. 89–112. Ders., Die konfessionelle Entwicklung von der Niederlage der Stadt (1535) bis zum Westfälischen Frieden (1648), in: Ehbrecht, Wilfried (Hg.), Lippstadt. Beiträge zur Stadtgeschichte, Tl. I, Lippstadt 1985, S. 281–345. Ders., Bruderschaften in Franken. Kirchen- und sozialgeschichtliche Untersuchungen zum spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Bruderschaftswesen, Würzburg 1986. Ders., Brauchtum, Feste und Volkskultur im alten Münster, in: Jakobi, Franz-Josef und Küster, Thomas (Hg.), Geschichte der Stadt Münster, 3 Bde., hier Bd. 1, 2. Aufl. Münster 1993, S. 595–633. Renaudet, Augustin, Erasme et l’Italie, Genf 1954. Rensing, Theodor, Das Dortmunder Dominikanerkloster (1309–1816), Münster 1936. Reusch, Franz Heinrich, Der Index der verbotenen Bücher. Ein Beitrag zur Kirchen- und Literaturgeschichte, Bd. 1, Bonn 1883. Reuter, Rudolf, Orgeln in Westfalen. Inventar historischer Orgeln in Westfalen und Lippe, Kassel u. a. 1965. Ribbeck, Konrad, Geschichte des Essener Gymnasiums, 2 Teile, Teil I: bis 1564, in: BeitrE 16 (1896), S. 3–111; Teil II: Die lutherische Stadtschule 1564–1611, in: ebd. 19 (1898), S. 3–73. Ders., Übersicht über die Verfassung der Stadt Essen bis zum Untergang der städtischen Selbständigkeit, in: BeitrE 22 (1902), S. 17–28. Ders., Katharina von Tecklenburg, eine Essener Äbtissin am Vorabend der Reformation, in: BeitrE 30 (1909), S. 165–189. Ders., Gilde, Lichtmeß und Fastnacht im Stifte Essen, in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein insbesondere das alte Erzbistum Köln 115 (1929), S. 98–110.
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6. Literatur
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Richter, Gregor (Bearb.), Die Schriften Georg Witzels bibliographisch bearbeitet. Nebst einigen bisher ungedruckten Reformationsgutachten und Briefen Witzels, Fulda 1913 (ND Niewkoop 1963). Richter, H[einrich], Wie Herford evangelisch wurde, Gütersloh 1917. Roelen, Martin-Wilhelm, Das Weseler Schulwesen im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit (1342–1540), in: Wesel. Beiträge zur Stadtgeschichte 1 (1985), S. 21–47. Rosenkranz, Albert, Heinrich Barenbroch, in: BeitrE 78 (1962), S. 18–69. Rössler, Martin, Art. „Gesangbuch“, in: Finscher, Ludwig (Hg.), Die Musik in Geschichte und Gegenwart, 2. Ausgabe, 26 Bde., Kassel u. a. 1994–2008, hier Sachteil Bd. 3, Sp. 1289–1323. Rothert, Hugo, Märkische Kirchengeschichte, in: Meister, Aloys (Hg.), Die Grafschaft Mark. Festschrift zum Gedächtnis der 300jährigen Vereinigung mit Brandenburg-Preußen, Bd. 1, Dortmund 1909, S. 207–262. Ders., Kirchengeschichte der Grafschaft Mark, Gütersloh 1913. Rotscheidt, Wilhelm, Caspar Isselburg. Sein konfessioneller Standpunkt und sein Testament, in: Monatshefte für Rheinische Kirchengeschichte 1 (1907), S. 350–360. Ders., Zur Charakteristik Johann Groppers, in: Monatshefte für Rheinische Kirchengeschichte 2 (1908), S. 56–60. Ders., Georg Cassander. Ein rheinischer Ireniker des 16. Jahrhunderts, in: Monatshefte für Rheinische Kirchengeschichte 12 (1918), S. 105–122. Rübel, Karl, Jahresbericht für den historischen Verein 1873/74, in: BeitrDO 1 (1875), S. 1–73. Ders., Westfälische und niederrheinische Reichshöfe mit einem Versuche über die Verfassung der Reichsstadt Dortmund, in: BeitrDO 2/3 (1878), S. 140–287. Ders., Die Armen- und Wohltätigkeitsanstalten der freien Reichsstadt Dortmund, in: BeitrDO 20 (1911), S. 127–249. Ders., Zur Abscheidung des Reichshofes Brackel von dem Reichsgute Dortmund 1567, in: BeitrDO 22 (1913), S. 73–76. Rublack, Hans-Christoph, Forschungsbericht Stadt und Reformation, in: Moeller, Bernd (Hg.), Stadt und Kirche im 16. Jahrhundert, Gütersloh 1978, S. 9–26. Ders., Reformatorische Bewegung und städtische Kirchenpolitik in Esslingen, in: Bátori, Ingrid (Hg.), Städtische Gesellschaft und Reformation, Stuttgart 1980, S. 191–220. Ders. (Hg.), Die lutherische Konfessionalisierung in Deutschland, Gütersloh 1992. Runge, Friedrich, Geschichte des Ratsgymnasiums zu Osnabrück, in: Schipper, Uwe (Hg.), 400 Jahre Ratsgymnasium Osnabrück, Bramsche 1995, S. 19–144. Rüschenschmidt, Anna, Entstehung und Entwicklung des Dortmunder Pfarrsystems, sein Dekanat und Archidiakonat bis zum Ausgang des 14. Jahrhunderts, in: BeitrDO 33 (1926), S. 55–128. Rusterholz, Peter, Fastnachtspiel und Reformation. Die Metamorphosen des Fastnachtspiels im Widerstreit der Disziplinen, in: Schmidt, Heinrich Richard u. a. (Hg.), Gemeinde, Reformation und Widerstand. Festschrift für Peter Blickle, Tübingen 1998, S. 243–259.
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Anhang
Rüth, Bernhard, Reformation und Konfessionsbildung im städtischen Bereich. Perspektiven der Forschung, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, kanonistische Abteilung 108 (1991), S. 197–282. Rüthing, Heinrich, Die Franziskaner in der Grafschaft Ravensberg und in Herford, in: Ravensberger Blätter 1993, H.1, S. 1–21. Ders., Sankt Marien vor der Reformation. Ein Einblick ins kirchliche Leben Bielefelds anhand von Rechnungsbüchern, in: Altenberend, Johannes u. a. (Hg.), St. Marien in Bielefeld 1293–1993. Geschichte und Kunst des Stifts und der Neustädter Kirche, Bielefeld 1993, S. 103–132. Ders., Der verschwundene Kelch. Ein Beitrag zur Bielefelder Reformationsgeschichte, in: Jahresbericht des Historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg 83 (1996), S. 7–28. Ders., Zur Geschichte des Franziskanerklosters und der Gemeinde Sankt Jodokus in Bielefeld (1511 bis 1829), in: Altenberend, Johannes und Holtkotte, Josef (Hg.), St. Jodokus 1511–2011. Beiträge zur Geschichte des Franziskanerklosters und der Pfarrgemeinde St. Jodokus Bielefeld, Bielefeld 2011, S. 41–62. Saal, Friedrich Wilhelm, Das Dortmunder Katharinenkloster. Geschichte eines westfälischen Prämonstratenserinnen-Stiftes, in: BeitrDO 60 (1963), S. 1–90. Ders., Die drei Dortmunder Stadtklöster, in: Hermans, Baldur (Hg.), Die Säkularisation im Ruhrgebiet. Vorgeschichte und Folgen, Mülheim/Ruhr 2004, S. 309–328. Saar, Stefan Chr., Art. „Urfehde“, in: HRG 5 (1998), Sp. 562–570. Sardemann, Gerhard, Johannes Brantius, Rector an der höhern Schule in Wesel, 1584–1620, in: Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins 4 (1867), S. 115–208. Sauer, Hugo, Die ravensbergischen Gogerichte und ihre Reform im 16. Jahrhundert, in: Jahresbericht des Historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg 24 (1910), S. 1–83. Schaab, Meinrad, Eide und andere Treuegelöbnisse in Territorien und Gemeinden Südwestdeutschlands zwischen Spätmittelalter und Dreißigjährigem Krieg, in: Prodi, Paolo (Hg.), Glaube und Eid. Treueformeln, Glaubensbekenntnisse und Sozialdisziplinierung zwischen Mittelalter und Neuzeit, München 1993, S. 11–30. Scheib, Otto, Die innerchristlichen Religionsgespräche im Abendland. Regionale Verbreitung, institutionelle Gestalt, theologische Themen, kirchenpolitische Funktion. Mit besonderer Berücksichtigung des konfessionellen Zeitalter (1517– 1689), 3 Bde., Wiesbaden 2009. Scheitler, Irmgard, Das Geistliche Lied im deutschen Barock, Berlin 1982. Dies., Kirchengesang und Konfession, in: Brademann, Jan u. a. (Hg.), Liturgisches Handeln als soziale Praxis. Zur symbolischen Kommunikation des Religiösen im konfessionellen Zeitalter, Münster 2012 (in Vorbereitung). Schilling, Heinz, Die politische Elite nordwestdeutscher Städte in den religiösen Auseinandersetzungen des 16. Jahrhunderts, in: Mommsen, Wolfgang J. (Hg.), Stadtbürgertum und Adel in der Reformation. Studien zur Sozialgeschichte der Reformation in England und Deutschland, Stuttgart 1979, S. 235–308.
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6. Literatur
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Ders., Konfessionskonflikt und Staatsbildung. Eine Fallstudie über das Verhältnis von religiösem und sozialem Wandel in der Frühneuzeit am Beispiel der Grafschaft Lippe, Gütersloh 1981. Ders., Dortmund im 16. und 17. Jahrhundert – Reichsstädtische Gesellschaft, Reformation und Konfessionalisierung, in: Luntowski, Gustav und Reimann, Norbert (Hg.), Dortmund. 1100 Jahre Stadtgeschichte. Festschrift, Dortmund 1982, S. 151–201. Ders. (Hg.), Die reformierte Konfessionalisierung in Deutschland – Das Problem der „Zweiten Reformation“, Gütersloh 1986. Schilp, Thomas, Die Reichsstadt (1250–1802), in: Stadtarchiv Dortmund (Hg.), Geschichte der Stadt Dortmund. Mit Beiträgen von Norbert Reimann, Thomas Schilp, Günther Högl und Gustav Luntowski, Dortmund 1994, S. 67–211. Ders., Reinoldus, unser stat overster patroen und beschermer, in: ders. und Weifenbach, Beate (Hg.), Reinoldus und die Dortmunder Bürgergemeinde. Die mittelalterliche Stadt und ihr heiliger Patron, Essen 2000, S. 35–49. Ders., Sakrale Topographie im mittelalterlichen Dortmund, in: Welzel, Barbara u. a. (Hg.), Das „Goldene Wunder“ in der Dortmunder Petrikirche. Bildgebrauch und Bildproduktion im Mittelalter, Bielefeld 2003, S. 37–56. Ders., Spielleute, Orgel, Scholarenchöre: Dortmunder Musikleben im Mittelalter. Zugleich ein Beitrag zur Bedeutung der Musik für die Memoria in der mittelalterlichen Stadt, in: Büttner, Nils u. a. (Hg.), Städtische Repräsentation. St. Reinoldi und das Rathaus als Schauplätze des Dortmunder Mittelalters, Bielefeld 2005, S. 78–104. Ders., Die katholische Kirche in Dortmund im Mittelalter und in der frühen Neuzeit, in: Montag, Paul u. a. (Hg.), Die katholische Kirche in Dortmund. Ihre Geschichte und ihre Pfarrgemeinden, Paderborn 2006, S. 14–55. Ders., Reinoldus. Die mittelalterliche Stadt Dortmund und ihr heiliger Patron, in: Ohm, Matthias u. a. (Hg.), Ferne Welten – Freie Stadt. Dortmund im Mittelalter. Katalog zur Ausstellung, Bielefeld 2006, S. 49–52. Ders., Vom „guten Regiment“ über die Stadt. Wie men wol eyn statt regyrn sol, in: Ohm, Matthias u. a. (Hg.), Ferne Welten – Freie Stadt. Dortmund im Mittelalter. Katalog der Ausstellung, Bielefeld 2006, S. 21–30. Ders. und Welzel, Barbara (Hg.), Die Dortmunder Dominikaner und die Propsteikirche als Erinnerungsort, Bielefeld 2006. Schindling, Anton, Humanistische Hochschule und freie Reichsstadt. Gymnasium und Akademie in Straßburg 1538–1621, Wiesbaden 1977. Ders., Die humanistische Bildungsreform in den Reichsstädten Straßburg, Nürnberg und Augsburg, in: Reinhard, Wolfgang (Hg.), Humanismus im Bildungswesen des 15. und 16. Jahrhunderts, Weinheim 1984, S. 107–120. Ders., Schulen und Universitäten im 16. und 17. Jahrhundert. Zehn Thesen zu Bildungsexpansion, Laienbildung und Konfessionalisierung nach der Reformation, in: Brandmüller, Walter u. a. (Hg.), Ecclesia militans. Studien zur Konzilien- und Reformationsgeschichte, Bd. 2, Paderborn 1998, S. 561–570.
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Anhang
Schmidt, Georg, Der Städtetag in der Reichsverfassung. Eine Untersuchung zur korporativen Politik der Freien und Reichsstädte in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, Stuttgart 1984. Schmidt, Hans u. a., Art. „Gemeindegesang“, in: Finscher, Ludwig (Hg.), Die Musik in Geschichte und Gegenwart, 2. Ausgabe, 26 Bde., Kassel u. a. 1994–2008, hier Sachteil Bd. 3, Sp. 1148–1194. Schmidt, Heinrich Richard, Konfessionalisierung im 16. Jahrhundert, München 1992. Ders., Sozialdisziplinierung? Ein Plädoyer für das Ende des Etatismus in der Konfessionalisierungsforschung, in: Historische Zeitschrift 265 (1997), S. 639–682. Schmitz, Wilhelm, Franciscus Fabr. Marcod. Ein Beitrag zur Geschichte des Humanismus, Köln 1871. Ders., Biographische Nachträge zu 1. Johannes Fabricius Bolandus, 2. Franciscus Fabricius Marcoduranus und 3. Philippus Fabricius Marcoduranus, in: Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins N. F. 1 (1876), S. 69–73. Schneider, Bernhard, Wandel und Beharrung. Bruderschaften und Frömmigkeit in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, in: Molitor, Hansgeorg und Smolinsky, Heribert (Hg.), Volksfrömmigkeit in der Frühen Neuzeit, Münster 1994, S. 65–87. Schönemann, Bernd, Die Bildungsinstitutionen in der frühen Neuzeit, in: Jakobi, Franz-Josef und Küster, Thomas (Hg.), Geschichte der Stadt Münster, 3 Bde., hier Bd. 1, 2. Aufl. Münster 1993, S. 683–733. Schorn-Schütte, Luise, Die Reformation. Vorgeschichte – Verlauf – Wirkung, München 1996. Dies., Konfessionalisierung als wissenschaftliches Paradigma?, in: Bahlcke, Joachim und Strohmeyer, Arno (Hg.), Konfessionalisierung in Ostmitteleuropa. Wirkungen des religiösen Wandels im 16. und 17. Jahrhundert in Staat, Gesellschaft und Kultur, Stuttgart 1999, S. 63–77. Dies. (Hg.), Das Interim 1548/50. Herrschaftskrise und Glaubenskonflikt, Gütersloh 2005. Schrader, Franz, Michael Vehe OP (†1539). Katholischer Theologe und Propst des Neuen Stifts in Halle, in: Freitag, Werner (Hg.), Mitteldeutsche Lebensbilder. Menschen im Zeitalter der Reformation, Köln u. a. 2004, S. 55–68. Schreiner, Klaus, Iuramentum Religionis. Entstehung, Geschichte und Funktion des Konfessionseides der Staats- und Kirchendiener im Territorialstaat der frühen Neuzeit, in: Der Staat. Zeitschrift für Staatslehre, Öffentliches Recht und Verfassungsgeschichte 24 (1985), S. 211–246. Schröder, Edward, Jacob Schöpper von Dortmund und seine deutsche Synonymik, Marburg 1890. Schroeder, Ferdinand, Zur Geschichte Meinas von Oberstein, in: BeitrE 15 (1895), S. 89–110. Ders., Sittliche und kirchliche Zustände Essens in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, in: BeitrE 18 (1898), S. 98–130. Schroeder, Friedrich-Christian, Die Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V. (Carolina) von 1532, in: ders. (Hg.), Die Carolina. Die Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V. von 1532, Darmstadt 1986, S. 305–337.
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6. Literatur
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Schröer, Alois, Die Reformation in Westfalen. Der Glaubenskampf einer Landschaft, 2 Bde., Münster 1979 und 1983. Ders., Die Kirche in Westfalen im Zeichen der Erneuerung (1555–1648), Bd. 1: Die katholische Reform in den geistlichen Landesherrschaften, Münster 1986. Schubert, Anselm, Kommunikation und Konkurrenz. Gelehrtenrepublik und Konfession im 17. Jahrhundert, in: Greyerz, Kaspar von u. a. (Hg.), Transkonfessionalität, Interkonfessionalität, binnenkonfessionelle Pluralität – Neue Forschungen zur Konfessionalisierungsthese, Gütersloh 2003, S. 105–131. Schubert, Ernst, Das Schauspiel in der spätmittelalterlichen Stadt, in: Kirchgässner, Bernhard und Becht, Hans-Peter (Hg.), Stadt und Theater, Stuttgart 1999, S. 19–70. Schubert, Markus, „Damit aber die so große Vernachlässigung des Katechismus beseitigt wird“. Norm und Praxis der Visitation des emsländischen Pfarrklerus 1613–1631, in: Freitag, Werner und Helbich, Christian (Hg.), Bekenntnis, soziale Ordnung und rituelle Praxis. Neue Forschungen zu Reformation und Konfessionalisierung in Westfalen, Münster 2009, S. 189–207. Schulte, Christian, Versuchte konfessionelle Neutralität im Reformationszeitalter. Die Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg unter Johann III. und Wilhelm V. und das Fürstbistum Münster unter Wilhelm von Ketteler, Münster 1995. Schulz, Günther (Hg.), Sozialer Aufstieg. Funktionseliten im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit, München 2002. Schulze, Rudolf, Das Gymnasium Paulinum zu Münster (Westf.) im Wandel der Zeiten (797 bis 1947), in: ders. (Hg), Das Gymnasium Paulinum zu Münster 797– 1947, Münster 1948, S. 7–148. Schulze, Winfried, Deutsche Geschichte im 16. Jahrhundert. 1500–1618, Frankfurt/M. 1987. Ders. (Hg.), Ego-Dokumente: Annährung an den Menschen in der Geschichte, Berlin 1996. Schüpp, Heinrich W., Handlungsspielräume einer Bürgerschaft während der Frühzeit der Reformation, in: Ehbrecht, Wilfried (Hg.), Lippstadt. Beiträge zur Stadtgeschichte, Tl. I, Lippstadt 1985, S. 261–280. Schwartz, Hubertus, Geschichte der Reformation in Soest, Soest 1932. Schwarz, Wilhelm Eberhard, Der erste Antrag Albrechts V. von Baiern an den apostolischen Stuhl auf Bewilligung des Laienkelchs, Zulassung der Priesterehe und Milderung des Fastengebotes (1555), in: Historisches Jahrbuch 13 (1892), S. 144–157. Schweckendiek, Adolf, Bühnengeschichte des verlorenen Sohnes in Deutschland, Bd. I: 1527–1627, Leipzig 1930. Scribner, Robert W., Reformation, Carnival and the World Turned Upside-Down, in: Bátori, Ingrid (Hg.), Städtische Gesellschaft und Reformation, Stuttgart 1980, S. 234–264. Ders., Ritual and Reformation, in: ders., Popular culture and popular movements in Reformation Germany, London und Ronceverte 1987, S. 103–122. Ders., The Reformation and the Religion of the Common People, in: Guggisberg, Hans R. u. a. (Hg.), Die Reformation in Deutschland und Europa: Interpretationen und Debatten, Gütersloh 1993, S. 221–241.
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Anhang
Ders., Elemente des Volksglaubens, in: ders., Religion und Kultur in Deutschland 1400–1800, Göttingen 2002, S. 66–99. Seemann, Otto, Die Äbtissinnen von Essen. Nach dem Brüsseler Katalog mit Varianten und Anmerkungen, in: BeitrE 5 (1883), S. 1–44. Seidel, Andrea, Joachim Greff. Dramatiker im Dienste der Reformation, in: Freitag, Werner (Hg.), Mitteldeutsche Lebensbilder. Menschen im Zeitalter der Reformation, Köln u. a. 2004, S. 11–31. Seifert, Arno, Der Humanismus an den Artistenfakultäten des katholischen Deutschland, in: Reinhard, Wolfgang (Hg.), Humanismus im Bildungswesen des 15. und 16. Jahrhunderts, Weinheim 1984, S. 135–154. Signori, Gabriela, Ereignis und Erinnerung: Das Ritual in der städtischen Memorialkultur des ausgehenden Mittelalters (14. und 15. Jahrhundert), in: Gengnagel, Jörg u. a. (Hg.), Prozessionen, Wallfahrten, Aufmärsche. Bewegung zwischen Religion und Politik in Europa und Asien seit dem Mittelalter, Köln u. a. 2008, S. 106–121. Smolinsky, Heribert, Reformationsgeschichte als Geschichte der Kirche. Katholische Kontroverstheologie und Kirchenreform, in: Historisches Jahrbuch 103 (1983), S. 372–394. Ders., Der Humanismus an Theologischen Fakultäten des katholischen Deutschland, in: Keil, Gundolf u. a. (Hg.), Der Humanismus und die oberen Fakultäten, Weinheim 1987, S. 21–42. Ders., Kirche in Jülich-Kleve-Berg. Das Beispiel einer landesherrlichen Kirchenreform anhand der Kirchenordnungen, in: Römische Quartalschrift für christliche Altertumskunde und Kirchengeschichte 84 (1989), S. 104–119. Ders., Jülich-Kleve-Berg, in: Schindling, Anton (Hg.), Die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung: Land und Konfession 1500 – 1650, Bd. 3: Der Nordwesten, Münster 1991, S. 86–106. Ders., Erasmianismus in der Politik? Das Beispiel der vereinigten Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg, in: Mout, Marianne E. H. N. (Hg.), Erasmianism: Idea and Reality, Amsterdam u. a. 1997, S. 77–89. Ders., Humanistische Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts als kirchenpolitische „via media“ in Jülich-Kleve-Berg, in: Pohl, Meinhard (Hg.), Der Niederrhein im Zeitalter des Humanismus. Konrad Heresbach und sein Kreis, Bielefeld 1997, S. 57–72. Ders., „Docendus est populus“. Der Zusammenhang zwischen Bildung und Kirchenreform in Reformordnungen des 16. Jahrhunderts, in: Brandmüller, Walter u. a. (Hg.), Ecclesia militans. Studien zur Konzilien- und Reformationsgeschichte, Bd. 2, Paderborn 1998, S. 539–559. Ders., Art. „Vermittlungstheologie I: Konfessionelles Zeitalter“, in: LThK 10 (2001), Sp. 697. Sollbach, Gerhard E., Die Einrichtung des Gymnasiums in Dortmund 1543 – Schulpolitik zwischen Humanismus und Reformation, in: Dobbelmann, Hanswalter und Löher, Jochen (Hg.), Eine gemeine Schule für die Jugend. 450 Jahre Stadtgymnasium Dortmund, Duisburg 1993, S. 9–26.
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6. Literatur
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7. Personenregister Verzeichnet sind Personen aus der Zeit bis ca. 1800. Auf die Angabe von Heiligen wurde weitgehend verzichtet. Aachen, Heinrich von (Essener Bürgermeister) 35, 197, 204, 247 Abels gen. Bungardt, Patroclus (Essener Bürger und Zeuge) 211, 259, 276 Ackermann, Johannes (sächsischer Dramatiker) 158 Adami, Wilhelm (Landschreiber von Jülich) 206 Albrecht V. (Herzog von Bayern) 80 Albrecht VII. von Österreich (Statthalter der Spanischen Niederlande) 257 Aldenbochum, Matthias von (Drost von Ravensberg) 206 Aleff (Bielefelder Bürger) 115 Alutarius, Hermann (Pfarrer in Dabringhausen) 153 Asbeck, Dietrich von (Essener Zeuge) 271, 278 Augustinus von Hippo (Kirchenvater) 88, 90, 143 Bade, Christoph (Essener Bürgermeister) 197 Barckhausen, Adolf (Scholarch des Bielefelder Stiftes) 117 f. Barenbroich, Heinrich (Pfarrer in Essen) 197 f., 204, 211 f., 249, 253, 260, 271 f. Barlage, Hermann (Kaplan in Bielefeld) 198, 205 Barop jun., Johann (Vikar in Dortmund) 127 Barop sen., Johann (Offizial für Dortmund) 127 Bars gen. Olisleger, Heinrich (Kanzler für Kleve-Mark) 68 Batt (Battus), Jakob (Schulmeister in Bergen-op-Zoom) 62 Baumgarten, Johann (Dramatiker in Magdeburg) 167 Bayern, Ernst von (Kurfürst von Köln, Bischof von Münster) 208 Becker gen. von Schwelm, Johann (Kleriker in Dortmund und Soest) 103–106, 231, 279 Becker, Johann (Vikar in Schwelm) 103
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Becker, Konrad (Pastor in Essen) 195 Beckmann, Dietrich (Essener Bürgermeister) 40, 212, 226, 229, 259, 272 Beller, Johannes (Verleger in Antwerpen) 146 Berchem, Johann von (Kaplan in Dortmund) 177, 180 Berckfeldt, Caspar (Provisor in Dortmund) 257 Berswordt, Detmar (Pfarrer in Dortmund) 230 Berswordt, Hildebrand (Dortmunder Bürgermeister) 194 Berswordt, Lambert (Dortmunder Bürgermeister) 106, 119, 164 Berswordt, Nikolaus (Dortmunder Bürgermeister) 164, 234 Betuleius, Heinrich s. Birckmann Beurhaus, Friedrich (Schulmann in Dortmund) 122, 127, 129–131, 138, 142, 279 Beurhaus, Johann Christoph (Dortmunder Chronist) 39, 193 Bielefeld, Everdt von (Essener Bürger und Zeuge) 211, 277 Bielefeld, Wilhelm von (Essener Bürger und Zeuge) 211, 213, 277 Billick, Eberhardt (Kölner Kleriker) 74 Birck gen. Xystus Betuleius, Sixt (oberdeutscher Dramatiker) 161, 165, 168 Birckmann gen. Betuleius, Heinrich (Schulmann in Dortmund und Essen) 128, 130, 133, 136, 141, 160, 279 Blanckenstein, Elseke (Dortmunder Stifterin) 230 Bode, Adrian (Essener Bürger und Zeuge) 213, 276 Boleyn, Sir Thomas (Schwiegervater Heinrichs VIII. von England) 143 Bolswinge, Gerlach (Kleriker in Paderborn) 208 Bomgard, Arnold (klevischer Hofprediger) 250, 259 Bongarts, Marß (Essener Bürger und Zeuge) 275
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Borbeck, Tilman (Essener Bürger und Zeuge) 113, 213, 272, 276 Brake, Lambert (Pfarrer in Dortmund) 193 Brandes, Peter (Essener Bürger und Zeuge) 113, 211, 276 Brandhof, Anne (Ehefrau von Philipp Fabricius) 127 Bredenbach, Matthias (Schulmann in Emmerich) 136 Breitenbach, Georg von (Leipziger Jurist) 73 Brenz, Johannes (württembergischer Reformator) 74, 143 Brueiser, Johannes (Pfarrer in Menden) 224 Bucer, Martin (Elsässer Theologe und Reformator) 55 f., 65, 68, 70, 73 f., 78, 93, 98, 109, 139 Burggraffe, Johann Henrich (Bielefelder Autor) 114 Buno (Baunius), Johann (Schulmann in Unna und Dortmund) 168 Bussensmet, Laurenz (Essener Ratssekretär) 229 Caepio d. Ä., Quintus Servilius (römischer Konsul 106 v. Chr.) 260 Cajetan, Thomas (Kardinal) 176 Calixt, Georg (evangelischer Theologe in Helmstedt) 13 f. Calvin, Jean (Schweizer Reformator) 128 f., 139, 143, 218, 260, 272 Canisius, Petrus (niederländischer Jesuit und Theologe) 127, 134, 143, 154 Capito, Wolfgang (Reformator in Straßburg) 67, 125 Cardenus, Matthaeus (Schulmann in Essen) 127 f., 133 f., 136, 141, 279 Cassander, Georg (flandrischer Humanist und Vermittlungstheologe) 20, 30, 67 f., 72, 76, 81, 86 f., 97, 139, 154 Castellio, Sebastian (französischer Humanist) 139 Cellarius, Johannes (evangelischer Gelehrter aus Franken) 156 Christiani, Bernhardus (Pfarrer in Valdorf) 205 Chryseus, Johann (hessischer Dramatiker) 170 Chyträus, David (Rostocker Gelehrter) 139
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Clarenbach, Adolph (Schulmann in Wesel und Osnabrück) 12 Clemens VIII. (Papst) 154 Clenardus, Nikolaus (niederländischer Pädagoge) 138 Cling, Conrad (Thüringer Franziskaner und katholischer Theologe) 154 Cochläus, Johannes (fränkischer Humanist und katholischer Theologe) 74 Contarini, Gasparo (Kardinal) 74 Conring, Hermann (norddeutscher Publizist) 76 Copius, Balthasar (Geistlicher in der Pfalz) 125 Copius, Bernhard (Schulmann in Paderborn, Dortmund und Lemgo) 125 f., 279 Copius, Engelbert (westfälischer Schulmann) 125 Copius, Hermann (Pfarrer in Stromberg) 125 Copius, Johannes (Schulmann in Paderborn und Dortmund) 125–127, 130, 279 Copius, Konrad (Angehöriger der Familie Copius) 125 Copius, Rotger (Pfarrer in Hessen) 125 Cothman, Hermann (Drost und Rentmeister in Ravensberg) 117 Creutz, Matthäus (Kölner Dramatiker) 165 Crocus (Kroock), Cornelius (niederländischer Dramatiker) 138, 163 Decembrio, Pier Candido („Pseudo-Boccaccio“, italienischer Humanist) 138 Degginck, Heinrich (Pfarrer in Dortmund) 194, 214, 217 Degginck, Hermann (Dortmunder Ratsherr und Provisor, um 1539) 106 Degginck, Hermann (Dortmunder Ratsherr und Provisor, um 1614) 257 Delscher, Rotger (Richter zu Mülheim und Essener Zeuge) 275 Delwig, Melchior von (Essener Rat und Zeuge, Drost von Bochum) 253, 270, 278 Densing, Adrian (Bielefelder Bürgermeister) 115 Dickmann, Johannes (Schulmann in Essen und Borken) 106, 111, 159, 279 Diepholz, Irmgard von (Äbtissin von Essen) 133, 209, 211, 228, 259, 270
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7. Personenregister Dorth, Anthon von (reformierter Geistlicher aus Wesel) 258 Drenhaus, Dietrich (Essener Bürger und Zeuge) 229, 275 Dreyer, Meinolf (Bielefelder Bürgermeister) 117 Dudinck, Johann (Essener Notar und Zeuge) 210, 271, 278 Dwerg, Hermann (päpstlicher Protonotar aus Herford) 101 Eck, Johannes (katholischer Theologe) 74 Edanus, Nikolaus (Schulmann in Essen) 107, 106, 279 Eickel, Everhard von (Essener Richter und Zeuge) 254, 270, 278 Elisabeth von Pommern (Kaiserin und Ehefrau Karls IV.) 257 Eltz, Thomas (Pastor in Bielefeld) 199, 206, 224 Esch, Reinerus (Essener Kanoniker) 39 f., 226, 229, 247 f., 251 Esken, Albert (Pastor in Essen) 181, 183, 196 Ewich (Aeonius), Johannes (Schulmann in Essen) 129, 279 Fabri, Johannes (Bischof von Wien) 71 Fabricius, Franciscus (Schulmann in Düsseldorf) 126 Fabricius (Smidt), Philipp (Schulmann in Dortmund) 126 f., 279 Fachs, Ludwig (Leipziger Jurist) 73 Ferdinand I. (römisch-deutscher Kaiser) 71 Friedrich III. (römisch-deutscher Kaiser) 241 Fugger, Georg (Augsburger Patrizier) 168 Fugger, Johann (Hans) Jakob (Augsburger Patrizier) 168 Fürstenberg, Dietrich von (Bischof von Paderborn) 130 Fürstenberg, Friedrich von (kurkölnischer Drost) 129 Fürstenberg, Friedrich von (Domherr in Mainz und Paderborn) 130 Fürstenberg, Kaspar von (Landdrost im Hzm. Westfalen) 129 Gangelius, Hermann (Schulmann in Bielefeld) 225 Gennep, Jasper von (Kölner Verleger) 165
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Georg der Bärtige (Herzog von Sachsen) 32, 67, 71, 73, 75 Glasemecker, Nikolaus (Pfarrer in Dortmund) 194 f., 221, 235, 263 Gleichen, Sophia von (Äbtissin von Essen) 44 Gnapheus, Wilhelm (niederländischer Humanist und Dramatiker) 170 Gogreve, Johann (Humanist und klevischer Kanzler) 69, 86, 110, 206 Greff, Joachim (anhaltischer Dramatiker) 156, 159, 161, 165 Grest, Joachim von (Bielefelder Bürgermeister) 115 Gropper, Johannes (Kölner Kleriker und Kardinal) 13, 26, 31 f., 67 f., 70, 74, 78, 80, 82, 84, 86, 88, 92, 104 f., 144 f. Grotius, Hugo (niederländischer Theologe) 13, 18 Grube, Ehepaar (Dortmunder Stifter) 264 Gummersbach, Moses (Schulmann in Soest) 130 Gwalther, Rudolf (Prediger in Zürich) 11 Gymnicus, Johannes (Schüler in Essen) 100 Hagenbeck, Wilhelm (Essener Priester) 112 Hall, Joseph (Bischof von Exeter bzw. Norwich) 22 Hamelmann, Hermann (westfälischer Geschichtsschreiber und Reformator) 13, 15, 40 f., 99 f., 105 f., 114 f., 117, 122–124, 128, 139 f., 145 f., 148, 184, 198–202, 205–207, 214, 218 f., 221, 224 f., 234 f., 239, 243, 249–253, 259, 272 Hane, Johann von (Dortmunder Bürgermeister) 119, 234 Hanebom, Jodokus (Pastor in Bielefeld) 199, 206, 224, 252 Hecker, Gerhard (Augustinerprovinzial in Osnabrück) 102 Hegius, Alexander (Humanist und Schulmann in Deventer) 100 Heiden, Clas an der (Essener Bürger und Zeuge) 211, 275 Heinrich VIII. (König von England) 69 Heinrich der Löwe (Herzog von Sachsen und Bayern) 258 Heitfeld, Johannes (Prediger in Dortmund) 122, 128, 193–195, 214 f., 221
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Helphricht gen. Erphordianus, Bonifacius (Schulmann in Essen und Dortmund) 129, 160, 279 Herbrüggen, Johann (Essener Kleriker) 53 Heresbach, Konrad (Humanist und klevischer Prinzenerzieher) 69 f., 110 Hessus, Eobanus (Humanist und Schulmann) 138 Heyl gen. Soter, Johannes (Kölner Verleger) 137 Hieronymus (Kirchenvater) 56 Hiltrop, Wirich (Essener Dechant und Zeuge) 113, 211, 270, 278 Hoeve, Tylman im (Dortmunder Stifter) 230 Hoffmeister, Johannes (katholischer Theologe) 74 Hohenzollern, Eitel Friedrich von (Kölner Dompropst) 257 Hoiffsmidt, Albertus (Prediger in Bielefeld) 143, 198 Homberg, Urban von (Schulmann in Dortmund) 36, 102 f., 121, 124, 141, 231, 279 Hoppe, Heinrich (Dortmunder Dominikanerprior) 182 Horsten, Ludolf von (Osnabrücker Dominikaner) 102 Hövel, Godert von (Dortmunder Patrizier) 230 Hovet, Ehepaar (Dortmunder Stifter) 264 Hueck, Hermann (Dortmunder Kämmerer) 119 Hunnius, Aegidius (Wittenberger Theologe) 168 Hus, Jan (böhmischer Theologe) 203 Hutten, Ulrich von (Reichsritter und Humanist) 63 Hyperius, Andreas (evangelischer Theologe in Hessen) 139 Ingenhoff gen. Sander, Dietrich (kurkölnischer Kanoniker und Essener Zeuge) 113, 133, 211, 229, 260, 270, 278 Isenburg, Salentin von (Kurfürst von Köln und Bischof von Paderborn) 203 Isselburg, Caspar (Prediger in Essen) 128 Iustinus, Marcus Iunianus (römischer Geschichtsschreiber) 260 Joachim II. (Kurfürst von Brandenburg) 26 Johann II. (Herzog von Kleve-Mark) 43 f.
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Johann III. (Herzog von Jülich-Kleve-Berg) 28 f., 66, 69, 77 f., 89 f., 92, 94, 116 f., 196, 267 Johann Sigismund (Kurfürst von Brandenburg) 238 Johann Wilhelm (Herzog von Jülich-KleveBerg) 117 f. Jonas, Justus (lutherischer Reformator in Halle/S.) 63 Jordan, Peter (Kölner Buchdrucker) 165 Junius, Franciscus (französischer reformierter Theologe) 13 Karl IV. (römisch-deutscher Kaiser) 241, 257 Karl V. (römisch-deutscher Kaiser) 71, 123, 181, 246 Karl der Große (fränkischer Kaiser) 256 Karlowitz, Georg von (sächsischer Rat) 73, 75 Kaufmann, Heinrich (Essener Pfarrer und Chronist) 39, 49, 209, 211, 227, 229, 247, 251 Kemner, Timan (Humanist und Schulmann in Münster) 99, 105 Kempius, Johannes (Geistlicher in Essen) 212 Kerkhörde, Johann (Dortmunder Chronist) 38 Kerkhörde, Reinold (Dortmunder Chronist) 38 Kerssenbrock, Hermann von (westfälischer Schulmann und Autor) 97, 123, 129, 136 Ketteler, Wilhelm von (Bischof von Münster) 31, 77, 80 f. Kipp, Ludwig (Schulmann in Bielefeld) 115, 134 f., 141, 279 Kirchhoff, Johannes (Pastor und Dekan in Bielefeld) 117, 201 f. 207, 253 Kleinmeister, Tilman (Schulmann in Dortmund) 124 f., 279 Kleinsorgen, Gerhard (kurkölnischer Rat) 41 Klepping, Albert (Dortmunder Ratsherr) 234 Klepping, Albert (Pfarrer in Dortmund) 194 Klepping, Albert (Dortmunder Patrizier) 257 Klepping, Georg (Dortmunder Bürgermeister) 257
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7. Personenregister Kleve, Anna von (Königin von England) 69 Klostermann, Heinrich (Essener Bürger und Zeuge) 211, 213, 276 Knippenbergh, Dietrich von der (Essener Zeuge) 278 Koch, Joachim (Bielefelder Bürgermeister) 117 Koch, Jodokus (Bielefelder Ratsherr) 117 Kockelcke gen. Hovet, Bernd von (Doesburger Bürger) 51 Köln, Lambert von (Vorsteher der Dortmunder Butterleute) 178 Konstanz, Konrad von (Bischof und Heiliger) 256 Kopmann, Jakob (Essener Kleriker) 180 Kothe, Hermann (Lippstädter Reformator) 103 f., 180 Krawinckel, Arnold (Pfarrer in Aplerbeck) 193, 215 f. Krawinckel, Johann (Pfarrer in Dortmund) 193 Kremer, Hermann (Dortmunder Ratsherr) 106, 178 Kremer gen. von Orsey, Jakob (Essener Bürger und Zeuge) 213, 276 Kremer gen. Empolius oder Mercatorius, Matthäus (Schulmann in Essen) 160, 279 Kröse (hinter dem hl. Geist), Johann (Essener Bürger und Zeuge) 211, 213, 253, 271, 277 Kröse (in der Viehofer Straße), Johann (Essener Bürger und Zeuge) 211, 213, 277 Kues, Nikolaus von (deutscher Humanist und Kardinal) 18 Kumpe, Johann zum (Pfarrer in Derne) 215 f. Küntzel, Wolfgang (deutscher Dramatiker) 170 Lagniers, Pierre (französischer Humanist) 138 Lambach (Scaevastes), Johannes (Schulmann in Dortmund) 102, 119–123, 125–127, 129 f., 135–139, 148 f., 153 f., 161, 194, 214, 217, 219, 237, 243 f., 279 Lammerts, Marß (Essener Bürger und Zeuge) 182, 208, 211, 273, 275 Langen, Rudolph von (münsterischer Humanist) 99 f.
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Ledebaur, Dorothea (Bielefelder Bürgerin) 117 Lenepesel, Johann (Bielefelder Ratsherr) 117 Leo IV. (Kaiser von Byzanz) 260 Leo V. (Kaiser von Byzanz) 260 Limburg, Anna von (Äbtissin von Herford) 109 Livius, Titus (römischer Geschichtsschreiber) 138, 260 Lolemann, Hans (Bielefelder Bürger) 117 Lorichius, Johannes (Professor in Ingolstadt) 169 Lövinkhoff, Florentius (Schulmann in Dortmund) 124, 142, 158, 279 Lucanus, Marcus Annaeus (römischer Dichter) 138 Luther, Martin (deutscher Reformator) 17, 27 f., 55 f., 60, 62, 67, 70, 73 f., 88, 94, 96, 101–103, 107, 139 f., 143–145, 149, 152, 154–156, 158, 161, 164, 175, 192, 195, 199, 203, 215, 218, 223, 234–239, 255, 260 f., 263, 272 Luttgers, Johann (Essener Bürger und Zeuge) 211, 213, 277 Macropedius, Georgius (niederländischer Dramatiker) 138, 168 Major, Georg (Wittenberger Theologe) 74, 159 Manderscheid-Blankenheim-Gerolstein, Elisabeth von (Äbtissin von Essen) 211 Marbach, Johann (protestantischer Theologe) 98 Marsilius gen. Aurelianus, Philipp (Schulmann in Essen) 134, 169–171, 279 Maß gen. Kannengießer, Hermann (Essener Bürger und Zeuge) 111, 211, 248, 270, 275 Maurer, Philipp (Dortmunder Buchdrucker) 137 Maximilian I. (römisch-deutscher Kaiser) 43 Maximilian II. (römisch-deutscher Kaiser) 71 f. Meißen, Benno von (Bischof und Heiliger) 255 f. Melanchthon, Philipp (deutscher Reformator) 55 f., 70, 73 f., 78 f., 93, 96, 98 f., 107, 109, 139, 249, 252 Mellinckhus, Johannes (Dortmunder Schüler) 102
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Memhusius, Jakob (Schulmann in Essen) 160, 279 Mercurius, Johannes (Pfälzer Astrologe) 170 Merian, Matthäus (Schweizer Kupferstecher und Verleger) 15 Merzenich gen. Voss, Johannes (Schulmann und Chronist in Dortmund) 38, 100, 102, 178, 279 Mewe, Cornelius (Schulmann und Geschichtsschreiber in Essen) 243, 254 Missing, Liborius (Pastor in Osnabrück) 102 Moers, Diedrich von (Kurfürst von Köln) 241 Molitor (Müller), Antonius (Pastor in Bielefeld) 198 f., 205 f., 224, 252 Monheim, Johannes (Schulmann in Essen und Düsseldorf) 97, 105 f., 110, 123, 126, 129, 136, 144, 159 f., 279 Montanus (Spirensis), Jacobus (Herforder Fraterherr) 101 Montfort, Sibylla von (Äbtissin von Essen) 110 f., 132 More, Thomas (englischer Humanist und Lordkanzler) 63 f. Mosellanus, Petrus (Humanist und katholischer Theologe in Leipzig) 138 Mulher, Detmar (Dortmunder Geschichtsschreiber) 38–40, 119, 137, 157, 163, 166 f., 215, 237 f., 243, 254 Murer, Jos (Schweizer Dramatiker) 170 Mürer, Wilhelm (Essener Bürger und Zeuge) 213, 272, 276 Murmellius, Johannes (Humanist und Schulmann in Münster) 99, 138 Musäus, Simon (Lausitzer evangelischer Theologe) 140 Myconius, Friedrich (sächsischer Hofprediger) 204 Naogeorgus, Thomas (bayerischer Dramatiker und Reformator) 138, 161, 170 Narhamer, Johann (sächsischer Schulmeister und Dramatiker) 169 Nebukadnezar II. (König von Babylon) 260 Neelmann, Adolf (Essener Ratsherr und Zeuge) 213, 276 Nehemius, Petrus (Humanist und Schulmann in Dortmund) 100, 279
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Nelman, Arndt (Essener Bürger und Zeuge) 275 Neuenahr, Hermann von (Graf von Moers und Neuenahr) 68 Neuenahr, Wilhelm von (Graf von Neuenahr) 68 Nieß, Henrich (Essener Bürger und Zeuge) 276 Nieß gen. Kerstgen, Johann (Essener Bürger und Zeuge) 270, 278 Nolte (Noltinck), Johann (Schulmann in Bielefeld) 117 f. Norden, Hermann thon (Essener Bürger und Zeuge) 213, 253, 270 f., 277 Oppenheim, Johann von (sächsischer Dominikaner) 182 Orgelmecker, Johann s. Becker gen. von Schwelm Origines (christlich-römischer Schriftsteller) 143 Ossa, Melchior von (sächsischer Jurist) 73 Otto III. (Graf von Ravensberg) 54 Otto, Hildebrand (Pfarrer in Dortmund) 194 Pareus, David (reformierter Theologe in der Pfalz und Ireniker) 13 Paul III. (Papst) 80 Paulus von Tarsus (Apostel) 83, 212 Pepper, Albert (Schulmann in Dortmund) 124, 279 Pepper, Nikolaus (Pfarrer in Derne) 215 f. Petrus, Suffridus (friesischer Kanoniker und Historiker) 123 Pfeilschmidt, Andreas (sächsischer Dramatiker) 161 Pflug, Julius von (Bischof von NaumburgZeitz) 26, 65, 68, 73 Philicinus, Petrus (flämischer Dramatiker) 162 Pistoris, Simon (sächsischer Kanzler) 73 Plautus, Titus Maccius (römischer Komödiendichter) 159, 162, 170 Pollius, Johann (westfälischer Schulmann und Prediger) 11 f., 14, 102, 219, 267 Posthius, Johannes (Pfälzer Humanist und Arzt) 170 Prume, Caspar (Dortmunder Ratsherr) 234 Prume, Dietrich (Dortmunder Bürger) 120
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7. Personenregister Prume, Lambert (Pfarrer in Dortmund) 193 f. Pylman, Franz (Sekretär Wilhelms V.) 206 Quiting, Arnold (Schulmeister und Dramatiker in Dortmund) 167 Rademacher, Ludwig Eberhard (Soester Historiograph) 40 Raesfeld, Goswin von (Erbmarschall des Stifts Essen und Zeuge) 211 f., 278 Ramus, Petrus (Pariser Dialektiker) 99, 122, 126, 130 f., 138 Rasser, Johann (Elsässer katholischer Prediger und Dramatiker) 166 f. Rembrandt van Rijn (niederländischer Maler) 18 Reinerus, Quirinus (Schulmann in Dortmund) 123, 125 f., 280 Reuchlin, Johannes (Humanist und Philosoph) 138 Reuther, Johann Sebastian (Schulmann in Unna) 168 Rhegius, Urbanus (evangelischer Theologe und Reformator) 140 Rollenhagen, Georg (Schulmann und Dramatiker in Magdeburg) 171 Römeling, Patroklus (Osnabrücker Franziskaner und Reformator in Diepholz) 102 Römoldt, Johannes (Duderstädter Dramatiker) 170 f. Rotgerus, Johannes (Humanist und Schulmann in Essen) 100, 280 Rothmann, Bernhard (täuferischer Prediger in Münster) 180 Rotterdam, Erasmus von (niederländischer Humanist und Theologe) 12–14, 18–22, 26, 28–30, 55–67, 69–74, 76 f., 80, 88 f., 91–95, 97–99, 101, 105, 139, 143 f., 146 f., 150, 154, 165, 171, 192, 198, 213, 219, 267–269 Rover, Reinoldus (Kleriker in Dortmund) 119 Rudolf II. (römisch-deutscher Kaiser) 121 Ruoff, Jacob (Zürcher Arzt und Dramatiker) 165, 169 Rupe, Arnold (Pfarrer in Brackel) 215 Rüte, Hans von (Berner Dramatiker) 165 Ryß, Adam (Pfarrer in Dortmund) 193 f. Sachs, Hans (Nürnberger Dramatiker) 158, 160, 167, 169
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Sachsen-Lauenburg, Heinrich von (Bischof von Osnabrück und Paderborn) 208 Saldenberg, Heinrich (Pastor in Essen und Zeuge) 39, 139, 141, 197 f., 202, 208–212, 226, 229, 253, 260, 270, 278 Saldenberg, Johann (Bruder Heinrichs) 197 Sander, Dietrich s. Ingenhoff Sanders, Johann (Essener Bürger und Zeuge) 113, 196, 276 Sartor, Albert (Dortmunder Buchdrucker) 137 Sayn, Elisabeth von (Äbtissin von Essen) 171 Scharpenberg, Petrus (Schulmann in Essen und Dortmund) 105 f., 112, 118, 124, 127 f., 132, 134, 136, 141, 160, 280 Schaumburg, Adolf von (Kurfürst von Köln) 79 f., 86 Scheibler, Christoph (Schulmann und Superintendent in Dortmund) 35 Schele, Jorgen (Essener Bürger und Zeuge) 259, 277 Scheuren, Eberhardt von (Herr zur Horst und Essener Zeuge) 278 Schilder gen. Romberg, Johann (Essener Bürger und Zeuge) 270, 275 Schimmel, Anton (Schulmann in Essen) 127, 160, 280 Schleiermacher, Friedrich (preußischer Vermittlungstheologe) 66 Schlüter, Friedrich (Soester Kanoniker) 104 Schmelingk, Johann (Essener Rat und Zeuge) 113, 210, 270, 278 Schnekamp, Georg (Schulmann in Bielefeld) 114, 225, 279 Schnellenberg, Tarquinius (Dortmunder Arzt) 138 Schnepf, Erhard (süddeutscher Theologe und Reformator) 74 Schöler, Henrich (Dortmunder Ratsherr und Provisor) 257 Scholer, Reynold (Schulmann in Dortmund) 124, 280 Scholle, Heinrich (Essener Bürger und Zeuge) 103, 196, 211, 229, 277 Schöpper, Jakob (Dortmunder Prediger, Theologe und Dramatiker) 37, 119, 122, 124–126, 135, 137–139, 142, 145–154,
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161–165, 168, 173, 185, 192, 194, 201, 213 f., 221, 231, 241, 254, 256, 268, 280 Schurennius, Herman (Schulmann in Essen) 103, 280 Schwarzenberg, Johann von (fränkischer Ritter und bambergischer Hofmeister) 186 Schwerte, Johann von (westfälischer Orgelbauer) 104 Schwirinckhausen, Nicolaus (Schulmann in Dortmund) 124, 280 Schwolgen, Johann (kurkölnischer Kanoniker und Essener Zeuge) 270, 278 Seneca, Lucius Annaeus (römischer Philosoph) 162 Sevenar, Johann von (Essener Rat und Zeuge) 35, 105, 207, 209, 211, 213, 259, 271 f., 277 Seyger, Heinrich (Essener Bürger und Zeuge) 211, 213, 277 Sittard, Heinrich (Schulmann in Essen) 103, 280 Slüter, Joachim (Rostocker Kirchenlieddichter und lutherischer Prediger) 235, 238 Smelinck, Arndt (Essener Bürgermeister) 111 Smidt, Christian (Standgenosse in Dortmund) 127 Smidt, Werner (Standgenosse in Dortmund) 127 Soter, Melchior (Dortmunder Buchdrucker) 137–139, 163 Spaer, Conrad (Pastor von Borbeck) 153 Spangenberg, Johann (lutherischer Prediger in Eisleben) 140 Spiegelberg, Maria von (Äbtissin von Essen) 228 f. Spormecker, Georg (Pastor in Lünen und Chronist) 40 Steinhuis gen. von Siegen, Johann (Pastor in Essen) 181, 196, 207 Steinen, Johann Diederich von (westfälischer Geschichtsschreiber) 40 Sternberg, Reinold (Kaplan in Aplerbeck) 216 Stickfurt, Johannes (Schulmann in Dortmund) 127, 280 Stockum, Hermann (Pfarrer in Dortmund) 194, 216
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Stratmann, Johann (Essener Bürger und Zeuge) 211, 259, 276 Stricerius, Johannes (holsteinischer Dramatiker) 167 Sturm, Johann (Humanist und Schulmann in Straßburg) 69, 97–99, 122, 138 f., 161, 163 Swarte, Dietrich (Pfarrer in Dortmund) 193 Swarte, Hildebrand (Stifter in Dortmund) 230 Swarte, Kaspar (Dortmunder Patrizier) 41, 168 Tasche, Tonnis (Essener Bürger und Zeuge) 213, 271, 276 Tecklenburg, Katharina von (Äbtissin von Essen) 111 f., 135 Tecklenburg, Konrad Graf von (Bruder Katharinas) 111 Terenz (Publius Terentius Afer; römischer Komödiendichter) 159, 162, 170 Tertullian (frühchristlicher Schriftsteller) 143 Teschwing, Johann von (Schultheiß zu Bochum und Essener Zeuge) 275 Teschenmacher, Werner (reformierter klevischer Theologe) 41, 243 Tevenar, Johann (Essener Bürger und Zeuge) 211, 213, 253, 259, 271, 277 Theveren, Patroclus (Pastor in Essen) 195 f. Tittmann (Timann), Gerhard (Schulmann in Bielefeld) 114, 134, 141, 280 Tuber, Georg (Prediger in Essen) 195 f. Tutmann, Godfriedt (Essener Notar und Zeuge) 197, 278 Ursinus, Johann (Essener Chronist) 40 Vehe, Michael (Propst des Neuen Stifts in Halle) 235 Vehus, Hieronymus (badischer Kanzler) 73 Verver, Heinrich (Essener Bürger und Zeuge) 208, 213, 227, 253, 259, 277 Vetter, Reinolt (Pfarrer in Dortmund und Osnabrück) 51, 230 Vischer d.Ä., Peter (Nürnberger Künstler) 256 Vitrier, Jean (französischer Franziskanerguardian) 63 Vlatten, Johann von (Humanist und Kanzler für Jülich-Berg) 66, 69, 110, 200, 250, 252, 259
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7. Personenregister Vogelmann gen. Ornitander, Georg (Schulmann in Dortmund und Bielefeld) 131, 138, 280 Voith, Valentin (sächsischer Dramatiker) 160 Vomelius, Cyprianus (Humanist und Schulmann in Dortmund) 122 f., 125, 138, 280 Voss, Johannes s. Merzenich Waldburg, Gebhard Truchsess von (Kurfürst von Köln) 41 Waldburg-Zeil, Georg Truchsess von (kaiserlicher Statthalter für Württemberg) 73 Waldeck, Franz von (Bischof von Minden, Münster und Osnabrück) 77, 79 f., 109 Walliser, Christoph Thomas (Straßburger Schulmann und Schriftsteller) 170 Wattenscheid, Johann von (Essener Bürger und Zeuge) 211, 229, 275 Weinsberg, Hermann von (Kölner Ratsherr) 22 Weißmann, Erasmus (Prediger in Hattingen) 196 Weißmann, Georg (Essener Bürgermeister) 196, 247 Weißmann (auch: Wischmann oder Wissmann), Hermann (Pastor in Essen) 196, 207 f., 226 Wendt, Friedrich de (Paderborner Domherr) 117 f. Werner, Johann (Dortmunder Schmied) 178 Westermann, Johann (Lippstädter Augustiner und Reformator) 143 Westhoff, Arnt (Dortmunder Drucker) 137 Westhoff, Dietrich (Dortmunder Stadtschreiber und Chronist) 38 f., 43, 102– 104, 106, 119, 125, 157 f., 161, 177–180, 194, 231, 241, 244, 257, 262 Wickede, Tidemann von (Pfarrer in Dortmund) 193 Wickradt, Detmar (Pfarrer in Dortmund) 127, 217 Wickram, Jörg (Elsässer Dichter und Dramatiker) 158 Wied, Friedrich von (Kurfürst von Köln) 81 Wied, Hermann von (Kurfürst von Köln und Bischof von Paderborn) 26, 31, 68, 70, 77–79, 93 f., 109, 176, 236, 243 Wilcken, Hermann (evangelischer Theologe aus Neuenrade) 237
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Wild (Ferus), Johannes (schwäbischer Franziskaner und Prediger) 154 Wilhelm V. (Herzog von Jülich-KleveBerg) 26, 28 f., 69, 79 f., 85, 87, 90, 94, 105, 110, 129, 144, 153 f., 181, 183, 188, 205 f., 210, 216, 218, 228, 234, 246, 267, 269 Wilskamp gen. Xanthis, Gerhard (Herforder Fraterherr) 101 Witten (Witthenius), Nicolaus (Kaplan in Aplerbeck) 216 Wittgen, Eberhard (Pfarrer in Essen und Chronist) 40 Witzel, Georg (Thüringer Humanist und Vermittlungstheologe) 20, 26, 30, 67, 72 f., 75 f., 81, 97, 101, 144, 154, 156, 223 Wolfgang Wilhelm (Herzog von PfalzNeuburg) 238 Wordtberg, Sebastian (Essener Bürger und Zeuge) 276 Xerxes I. (Großkönig von Persien) 160, 260 Zetzner, Lazarus (Straßburger Verleger) 76 Ziegler, Hieronymus (katholischer Schulmann und Dramatiker in Augsburg) 168 Zimmermann gen. Jäger, Adolf (Kleriker und Chronist in Essen) 39, 196, 246 f., 280 Zopf, Johann Heinrich (Schulmann in Essen) 112, 129, 134, 196 Zovitius, Jacobus (niederländischer Dramatiker) 162 Zwingli, Hyldrich (Schweizer Reformator) 32, 55
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Anhang
8. Register der Orte, Territorien und Regionen Aachen 280 Ahlen 145 Alkmaar 123, 280 Altena, Gft. 43 Altenessen, Bauerschaft 51 Amersfoort 280 Amsterdam 19, 163 Antwerpen 146, 154, 170 Aplerbeck 193, 215 f. Arnheim 41 Arras 162 Attendorn 99 Augsburg 16, 35, 72, 74, 80, 83, 94, 102, 104, 148, 156, 168 f., 172, 187, 274 Bacharach 197 Basel 102, 139, 168 Beeck 146 Berg, Gft. bzw. Hzm. 11, 34, 43 f., 69, 77 f., 80, 90, 105, 110, 137, 143, 145, 153, 187, 224, 238 Bergen-op-Zoom 62 Bergheim 90 Bielefeld 11, 16, 33, 36 f., 40 f., 44 f., 47–49, 52, 54, 93, 97 f., 100, 110, 114–118, 131, 134 f., 137 f., 141, 143, 156, 172 f., 175, 183 f., 189, 191, 198–200, 202–206, 221, 224–226, 235, 238 f., 249–253, 258 f., 261 f., 265, 267–269, 280 Blankenberg 110 Bochum 16, 275, 278 Bonn 70, 182, 236, 238 Borbeck 43, 153 Borken 106, 280 Born 110 Bornefeld, Amt 145, 153 Boslar 224 Brackel 43, 215 f. Brandenburg, Kfsm. 26, 32, 81, 118, 186 Braunschweig 123, 261, 280 Breberen 224 Bredeney 245, 248 Bremen 280 Breslau 101 Broich 146 Brügge 68 Büderich 11
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Caster 110 Chester 158 Coesfeld 106, 280 Dabringhausen 153 Derne 215 f., 280 Deutschland 28, 69, 122, 236, 238 Deventer 63, 96, 99 f., 172, 280 Dhünn 145 Dillingen 96 Doesburg 51 Dôle 122 Dortmund 9, 16, 21, 33–54, 93, 97–100, 102– 106, 110, 113, 115, 118–131, 135–142, 145 f., 148–150, 152–158, 161, 163–169, 172 f., 175–184, 189–191, 193–195, 197, 201, 203 f., 213–221, 230 f., 233–235, 237–245, 251, 254–258, 262–269, 280 Drolshagen 100, 280 Duderstadt 170 f. Duisburg 11, 45, 80 Düren 100, 126, 280 Düsseldorf 9, 11, 34, 36 f., 69, 97, 99, 105–107, 109 f., 113, 123, 126, 128 f., 131, 135 f., 144, 160, 238, 250, 259, 280 Eckenhagen 90 Ehrenzell 245 Eichsfeld 171 Eisleben 67 Elberfeld 105, 280 Elbing 170 Elsen 153 Emmerich 99, 122, 135, 280 England 70 Ensisheim 166 Erfurt 99, 123, 129, 280 Essen, Stadt und Stift 9, 15 f., 33–37, 39–41, 43–45, 47–49, 51–53, 93, 97–100, 102 f., 105–107, 110–116, 118, 121, 124 f., 127–129, 131–133, 135–137, 140, 144, 153, 156–161, 165, 167–170, 172 f., 175, 180 f., 183 f., 189, 191, 195–198, 202–204, 207–210, 212 f., 222, 226, 228 f., 232, 235, 238 f., 242, 245–247, 249, 251, 253 f., 259, 261, 262, 264 f., 267–273, 275–278, 280 Frauwüllesheim 153 Freialdenhoven 144
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8. Register der Orte, Territorien und Regionen Friesland 24, 122, 280 Fulda, Stadt und Stift 67, 75 f. Gartzweiler 144 Geilenkirchen 224 Geldern, Hzm. 51, 79, 107, 127, 181, 246, 278, 280 Genf 139 Gent 68 Golzheim 153 Göttingen 223 Gouda 123, 280 Graz 96 Groningen 123, 280 Haarlem 123, 280 Hadamar 169 Hagenau 71, 73, 243 Halle an der Saale 235 Hameln 115, 280 Hamm 16, 46, 99, 124 f., 216, 280 Hattingen 196 Heidelberg 54, 68, 125, 138 Heinsberg 110 Hemmerde 280 Herbede 197, 278 Herford, Stadt und Stift 52, 99–101, 108–110, 116, 131, 179, 191, 205, 280 Herzogenbosch 168 Hessen, Lgft. 75, 125 Hoerstgen 280 Holten 110 Hörde 167 Huckarde 242 Hückeswagen 90 Ingolstadt 96, 169 Iserlohn 16, 216 Italien 17, 99, 228 Jülich bzw. Jülich-Berg, Hzm. 34, 43 f., 66, 69, 77 f., 80, 90, 110, 143 f., 146, 153, 186 f., 191, 200, 205 f., 224, 234, 238 Jülich-Kleve-Berg bzw. Vereinigte Herzogtümer 11 f., 15 f., 26, 28, 30 f., 34, 41, 43 f., 66, 69, 76–79, 81, 83, 85, 87, 89 f., 93–96, 113, 118 f., 134, 144, 148 f., 154, 178 f., 181, 184, 187, 192, 196, 198, 208, 220, 223 f., 228, 234, 236–240, 244, 251, 265, 267–269 Kahla 170 Kamen 199, 216, 258
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Karnap, Bauerschaft 51 Kastellaun 197 Katernberg, Bauerschaft 51 Kempen 197 Kirchdornberg 143 Kleve bzw. Kleve-Mark, Hzm. 11, 34, 42–45, 68, 77, 110, 182, 204, 228, 238, 278 Köln, Stadt und Ebm. 12 f,, 22, 26, 31, 41–43, 46, 50–52, 54, 68, 74, 77–88, 90–92, 94, 96, 100 f., 105, 107, 109, 119, 122–124, 126 f., 129 f., 137, 146, 148, 151, 154, 162, 165, 170, 176, 179 f., 184, 186, 192–194, 203, 210, 214, 229, 233, 236, 241, 243, 248, 255, 257 f., 278, 280 Königsberg 170 Konstanz 86, 203, 256 Körrenzig 144 Kuchenheim 144 Lausitz 140 Leipzig 32, 67, 73, 75 Lemgo 116, 125 f., 128, 162, 192, 280 Lennep 145 Leyenberg 110 Limberg, Amt 44 Linnich 153 Lippstadt 15 f., 45, 103, 125, 143, 179 f. Loccum 205 Lövenich 224 Löwen 68, 98, 122–126, 280 Lübeck 99, 101, 167, 236, 254 f., 261 Lüneburg 99, 128, 280 Lünen 16, 40, 104 Lüttich, Stadt 98, 101, 168 Luzern 158 Magdeburg 123, 159, 167, 171, 182, 213, 236 f., 280 Mainz, Stadt und Ebm. 67, 73, 123, 130, 171, 280 Marburg 125 f., 129, 139, 280 Mark, Gft. 11, 16, 30, 34, 42–46, 77, 103, 130, 167, 179, 193, 196 f., 199, 215 f., 218, 221, 237, 258, 278 Meinertzhagen 213 Meißen, Stadt und Bm. 255 f. Menden 224 Mettmann 110 Minden, Stadt und Bm. 11, 15, 79, 99, 108 f., 116, 179, 268
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Anhang
Montjoie 146 Montpellier 125, 280 Mülheim 275 München 96, 154 Münster, Stadt und Bm. 9, 15 f., 23, 31, 36, 43, 46, 52, 77, 79–81, 85, 96 f., 99 f., 105, 108 f., 122, 124–126, 128, 131, 135, 145, 157, 172, 177, 179 f., 188, 199, 204, 208, 272, 278, 280 Münstereifel 40 Münz 144, 146 Neuenrade 16, 237 Niederlande 18, 42, 107, 123, 138, 146, 162 f., 168, 170, 257 Niederrhein 11, 15, 52, 68, 85, 94, 96, 102, 159, 172, 197, 267 Niedersachsen 40 Nörvenich 153 Nürnberg 76, 102, 161 f., 169, 179, 256 Oberrhein 70 Odenthal 90 Olmütz 96 Orléans 122, 169, 280 Osnabrück, Stadt und Bm. 11, 15, 46, 51, 79, 99, 102, 108 f., 116, 124, 177, 179, 199, 206, 280 Ostfriesland 24 Paderborn, Stadt und Bm. 79, 116 f., 124, 126, 130, 153, 204, 208, 223, 280 Padua 280 Paris 98 f., 122, 139, 148, 182, 280 Pfalz bzw. Kurpfalz 32, 125, 170, 179, 204 Pfalz-Neuburg, Hzm. 81, 118, 238 Pfalz-Zweibrücken, Hzm. 179 Prag 64, 96 Ravensberg, Amt und Gft. 16, 30, 34, 40, 44, 53, 77 f., 84, 116, 118, 143, 187 f., 191, 204 f., 249, 251 f., 261, 268 Recklinghausen, Vest 203 Regensburg 71, 73 f., 85 f., 88 f., 219, 243 Rellinghausen 248, 277 Rheda 11 Rheinland 68, 236, 241 Roermond 127, 280 Rödinghausen 204 Rostock 54, 76, 139, 235, 238, 250 Rüttenscheid 39 Sachsen, Hzm. bzw. Kfsm. 32, 67, 69, 71, 73, 75, 102, 169, 182, 204
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Salzkotten 153 Schmallenberg 280 Schweiz 32, 59, 158, 167 Schwelm 16, 103 f., 106, 216, 280 Schwerte 16, 104, 216, 280 Simmerath 146 Soest 11, 15 f., 40, 45 f., 99, 104 f., 108 f., 125, 128–131, 140, 167, 179, 182, 188, 204, 240, 261, 268, 280 Solingen 137, 153 Sparrenberg, Amt 44 Speyer 123, 182, 280 Stoppenberg 245, 278 Straßburg 67–69, 76, 97 f., 110, 122, 125, 131, 138 f., 161–163, 280 Stromberg 125, 280 Tecklenburg, Gft. 11, 111 Telgte 145 Toledo 257 Toulouse 280 Trient 71 f., 154, 203, 208, 210, 228 Tüdderen 224 Unna 16, 130, 168, 216, 280 Utrecht 168 Valdorf 204, 205 Venedig 165, 280 Venlo 181 Verden, Bm. 15 Vlotho, Kloster und Amt 44, 204 f. Waldenrath 224 Wattenscheid 275 Werden, Stift 15 Werl 124 Wesel 11, 15, 45, 52, 79, 99, 109, 123, 128, 146, 182, 206, 258, 278, 280 Westfalen 11, 13–17, 26, 33, 40 f., 52, 94, 96, 99, 106, 108, 111, 122 f., 126, 130, 143 f., 159, 188, 208, 236, 241, 267 Wickede 179 Wien 18, 71, 96 Wisskirchen 153 Wittenberg 70, 77 f., 103, 123, 144, 159, 168, 170, 175, 225, 273, 280 Wolbeck 145 Worms 71, 73–75, 89, 243 Württemberg, Hzm. 73 Würzburg 96 Zürich 11, 169 f. Zwolle 146
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Westfalen in der Vormoderne Studien zur mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Landesgeschichte Band 1: Frank Dierkes Streitbar und ehrenfest Zur Konfliktführung im münsterländischen Adel des 16. und 17. Jahrhunderts. 2007, 223 Seiten, ISBN 978-3-402-15040-5, 34 Euro
Band 3: Stephanie Hellekamps, Hans-Ulrich Musolff Zwischen Schulhumanismus und Frühaufklärung Zum Unterricht an westfälischen Gymnasien 1600–1750. 2009, 316 Seiten, ISBN 978-3-402-15042-9, 44 Euro
Band 2: Barbara Groß Hexerei in Minden Zur sozialen Logik von Hexereiverdächtigungen und Hexenprozessen (1584–1684). 2009, 391 Seiten, ISBN 978-3-402-15041-2, 49 Euro
Band 4: Werner Freitag, Christian Helbich (Hrsg.) Bekenntnis, soziale Ordnung und rituelle Praxis Neue Forschungen zu Reformation und Konfessionalisierung in Westfalen. 2009, 318 Seiten, ISBN 978-3-402-15043-6, 44 Euro
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Band 5: Christine D. Schmidt Sühne oder Sanktion? Die öffentliche Kirchenbuße in den Fürstbistümern Münster und Osnabrück während des 17. und 18. Jahrhunderts. 2009, 221 Seiten, ISBN 978-3-402-15044-3, 34 Euro
Band 9: Gudrun Gleba, Ilse Eberhardt Summa Summarum. Die spätmittelalterlichen Wirtschaftsnachrichten und Rechnungsbücher des Osnabrücker Klosters Gertrudenberg – Transkription und Kommentar. 2011, 244 Seiten, ISBN 978-3-402-15048-1, 36 Euro
Band 6: Katja Schlecking Adelige Unternehmer im geistlichen Staat Die Hütten- und Hammerwerke der Freiherren von Dücker zu MendenRödinghausen im 18. Jahrhundert. 2010, 219 Seiten, ISBN 978-3-402-15045-0, 35 Euro
Band 10: Elizabeth Harding Landtag und Adligkeit. Ständische Repräsentationspraxis der Ritterschaften von Osnabrück, Münster und Ravensberg 1650 bis 1800. 2011, 327 Seiten, ISBN 978-3-402-15049-8, 44 Euro
Band 7: Claudia Strieter Aushandeln von Zunft Möglichkeiten und Grenzen ständischer Selbstbestimmung in Lippstadt, Soest und Detmold (17. bis 19. Jahrhundert). 2011, 360 Seiten, ISBN 978-3-402-15046-7, 48 Euro
Band 11: Thomas Flammer, Werner Freitag, Alwin Hanschmidt (Hrsg.) Franz von Fürstenberg (1729–1810) Aufklärer und Reformer im Fürstbistum Münster. Beiträge der Tagung am 16. und 17. September 2010 in Münster. 2012, ca. 220 Seiten ISBN 978-3-402-15051-1, ca. 35 Euro
Band 8: Bastian Gillner Freie Herren – Freie Religion Der Adel des Oberstiftes Münster zwischen konfessionellem Konflikt und staatlicher Verdichtung 1500 bis 1700. 2011, 567 Seiten, ISBN 978-3-402-15047-4, 69 Euro
Band 12: Werner Freitag, Wilfried Reininghaus (Hrsg.) Burgen in Westfalen Wehranlagen, Herrschaftssitze, Wirtschaftskerne (12.–14. Jahrhundert) Beiträge der Tagung am 10. und 11. September 2010 in Hemer 2012, ca. 220 Seiten ISBN 978-3-402-15052-8, ca. 35 Euro
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