Passivhäuser entwerfen: Konstruktion und Gestaltung energieeffizienter Gebäude 9783955531843, 9783920034973

Passivhausplanung für Architekten Der Passivhausstandard entwickelt sich immer mehr zur Leitwährung des energieeffizie

226 56 31MB

German Pages 152 Year 2013

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Table of contents :
Impressum
Inhalt
Einführung
Grundlagen
Passivhausprojektierung
Entwurfs- und Planungsprinzipien
Wohngebäude – Beispiele
Städtebau
Nichtwohngebäude
Nichtwohngebäude – Beispiele
Passivhaussanierung
Passivhaussanierung – Beispiele
Komponenten der Gebäudehülle
Haustechnik
Ausblick
Anhang
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Passivhäuser entwerfen: Konstruktion und Gestaltung energieeffizienter Gebäude
 9783955531843, 9783920034973

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Passivhäuser entwerfen

Edition ∂ Green Books

Passivhäuser entwerfen Planung und Gestaltung hocheffizienter Gebäude

Roberto Gonzalo Rainer Vallentin

Impressum

Autoren: Roberto Gonzalo, Dr.-Ing. Architekt Rainer Vallentin, Dr.-Ing. Architekt

Redaktion und Layout: Jana Rackwitz, Dipl.-Ing. Jakob Schoof, Dipl.-Ing.

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des  Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werks ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts.

Korrektorat: Kirsten Rachowiak, M. A.

DTP & Produktion: Roswitha Siegler

Zeichnungen: Ralph Donhauser, Dipl.-Ing. (FH)

Reproduktion: ludwig:media, Zell am See

Titelgestaltung: Cornelia Hellstern, Dipl.-Ing. (FH)

Druck: Firmengruppe APPL, aprinta druck, Wemding 1. Auflage 2013

Koautor (Kapitel Haustechnik): Wolfgang Nowak, Prof. Dr.-Ing. Projektleitung und Lektorat: Jakob Schoof, Dipl.-Ing.

Institut für internationale Architektur-Dokumentation GmbH & Co. KG Hackerbrücke 6, D-80335 München Telefon: +49/89/38 16 20-0 Telefax: +49/89/39 86 70 www.detail.de © 2013 Institut für internationale Architektur-Dokumentation GmbH & Co. KG, München Ein Fachbuch aus der Redaktion DETAIL ISBN: 978-3-920034-97-3

Die für dieses Buch verwendeten FSC-zertifizierten Papiere werden aus Fasern hergestellt, die nachweislich aus umwelt- und sozialverträglicher Herkunft stammen.

Inhalt

Einführung

6

Grundlagen Konzeptansatz: Energieeffizienz Definition des Passivhausstandards Passivhauskomponenten Wie funktioniert ein Passivhaus in den verschiedenen Jahreszeiten? Behaglichkeit und Komfort Anwendungsspektrum und Verbreitung Ökonomie Energetische Nachhaltigkeit und Klimaschutz

8 8 8 8 10 12 14 16 18

Passivhausprojektierung Grundlagen und Vergleich mit anderen Standards Passivhauskriterien Passivhaus-Projektierungspaket (PHPP) Zertifizierte Bau- und Technikkomponenten Zertifizierung von Passivhäusern Zertifizierter Passivhausplaner EnerPHit-Standard Minergie-P-Standard 2000-Watt-Gesellschaft – SIA D 216 »Nearly-Zero-Energy«/Nullenergiestandard

22 22 22 24 28 28 28 28 30 31 31

Entwurfs- und Planungsprinzipien Allgemeine Entwurfsfragen Planungsprinzipien von Passivhäusern Hüllflächenprinzip und Kompaktheit Homogenitätsprinzip Solares Bauen mit Passivhäusern Der Fensteranschluss – ein Schlüsseldetail Planung der Passivhaustechnik Entwurfsbegleitende Energiebilanzierung Einfluss des Regional- und Stadtklimas Zusammenführung der Einzelaspekte Wohnbauprojekte Wohngebäude – Beispiele

Städtebau Einbindung energetischer Themen in den städtebaulichen Entwurf Entwurfsprinzipien des kompakten und solaren Bauens Städtebauliches Erklärungsmodell Praxisbeispiel Realisierte Passivhausbebauungen

68

Nichtwohngebäude Passivhausprinzipien bei Nichtwohnbauten Energiebilanz Besonderheiten verschiedener Gebäudetypologien

76 76 77 80

Nichtwohngebäude – Beispiele

84

68 69 72 73 74

Passivhaussanierung Rahmenbedingungen für die energetische Sanierung Sanierungsstandards und -strategien Energiebilanz und Einzelmaßnahmen Perspektiven

100

Passivhaussanierung – Beispiele

106

32 32 34 34 36 38 40 42 44 46 46 46

Komponenten der Gebäudehülle Die Bedeutung der Gebäudehülle Opak gedämmte Hüllkonstruktionen Transparente Bauteile Sonstige Bauteile und Spezialkomponenten Bauweisen und Konstruktionssysteme

126 126 126 129 131 132

Haustechnik Be- und Entlüftung Beheizung und Wärmeübergabe Wärmeversorgungskonzepte Energieeffiziente Raumkühlung

134 134 139 140 143

48

Ausblick

144

Anhang

146

100 102 103 105

Einführung

Energieeffizienz entwerfen Das Thema dieses Buchs ist der Entwurf von Passivhäusern. Das ihnen zugrunde liegende Konzept wird bewusst aus der Perspektive der Architekten und Stadtplaner und nicht allein, wie in vielen bislang publizierten Büchern zum Thema, aus der Sichtweise der Bau- und Energietechnik oder der Bauphysik betrachtet. Andererseits soll dieses Buch auch keine vollständige, akademische Entwurfslehre des energieeffizienten Bauens begründen. Stattdessen wird dargelegt, welchen Beitrag Theorie und Praxis des Passivhauses bislang zur Klärung offener Entwurfsfragen leisten konnten. Hierbei interessiert uns vor allem, inwieweit die Entwurfsprinzipien des solaren und energieeffizienten Bauens zielführend und für sich gesehen zwingend sind. Dies beinhaltet notwendigerweise auch eine Kritik dieser Prinzipien bis hin zur Infragestellung von Optimierungsstrategien im Entwurfsprozess. Vor allem ein Aspekt ist dabei in der kurzen Zeitspanne von etwa 20 Jahren, in der Passivhäuser bislang entworfen werden, deutlich hervorgetreten: Die Entwurfs- und Planungsstrategien standen stets in enger Wechselwirkung mit den zum Erstellungszeitpunkt verfügbaren Effizienztechnologien. Durch die Weiterentwicklung dieser Technologien änderte sich auch jeweils der Stellenwert und die Bewertung der mit ihnen korrespondierenden Entwurfsansätze. Dabei können ganz unterschiedliche Entwurfshaltungen und -strategien zum Erfolg führen, solange nur die übergeordnete energetische Zielsetzung nicht aus den Augen verloren wird. Sie lautet, Stadtquartiere, Siedlungen und Gebäude zu entwerfen, die energetisch nachhaltig sind – auch im Hinblick auf die langfristig sehr anspruchsvollen Klimaschutzziele. 6

Zielgruppen Das Passivhaus erfreut sich eines steigenden Interesses, auch bei Architekten. Dies aber nicht aufgrund eines geschickten Marketings, sondern weil es einer der wissenschaftlich fundiertesten und praxistauglichsten Effizienzstandards für Gebäude, Siedlungen und Stadtquartiere ist, die derzeit existieren. Das vorliegende Buch richtet sich daher an alle Architekten, Stadt- und Fachplaner, die das Passivhauskonzept näher kennenlernen wollen oder kurz davor stehen, das erste Passivhaus oder die erste Passivhaussiedlung zu entwerfen. Auch den mit dem Passivhausstandard bereits vertrauten Architekten und Planern bietet das Buch an vielen Stellen Neues. Beispielsweise stellt es die künftige Bewertung von Passivhäusern unter den Gesichtspunkten energetischer Nachhaltigkeit vor und erörtert deren Konsequenzen für den Entwurf. Für am Thema interessierte Bauherren sind sowohl die vielen Projektbeispiele als auch der Einblick in das Entwurfsdenken von Architekten und Fachplanern von Interesse. Passivhauskonzept und Entwurf Das Passivhauskonzept basiert auf eindeutigen, objektiv begründbaren energetischen Anforderungen und dem Nachweis über ein dafür speziell entwickeltes Projektierungstool: das PassivhausProjektierungspaket (PHPP). Das Konzept lässt dem Architekten große Freiheiten, um die Zielgrößen zu erfüllen, da es den Weg, wie sie zu erreichen sind, bewusst nicht vorgibt. Es ist daher spannend nachzuvollziehen, wie diese Spielräume nach und nach von den Entwerferinnen und Entwerfern erweitert wurden. In diesem Ausloten der Möglichkeiten liegt unserer Meinung nach der eigenständige Beitrag der Architekten zur Weiterentwicklung des Passivhausstandards.

Zu strenge Kriterien? Häufig wird die Frage gestellt, ob die strenge Forderung beim Heizwärmebedarf – er soll maximal 15 kWh/m2a betragen – wirklich zwingend ist. Darauf lassen sich gleich mehrere Antworten geben: • In der Praxis haben sich die Grenzwerte des Passivhausstandards und seine konstruktiven und technischen Lösungsansätze bewährt. Sie verbinden auf ausgewogene Weise eine hohe Behaglichkeit und bauphysikalische Qualität mit ökonomischer und funktionaler Effizienz. • Der Heizwärmekennwert ist der zentrale Kennwert, der die energetische Güte eines Gebäudes beschreibt. Er kennzeichnet damit auch den architektonischen Entwurf im Hinblick auf die erreichte Energieeffizienz der Gesamtkonzeption. • Wesentliche Entwurfsmerkmale und Eigenschaften von Passivhäusern beruhen auf dem extrem niedrigen Heizwärmebedarf und der sehr geringen Heizlast. Hierzu zählen die hohe thermische Behaglichkeit im Winter, die Zugluftfreiheit und hohe Innenluftqualität in den Räumen, der Wegfall der sonst erforderlichen Heizflächen unter Verglasungen sowie die Möglichkeit zur einfachen Anordnung der Technik im Gebäudekern. • Auch im Passivhaus zeigen sich erhebliche Unterschiede im Nutzerverhalten. Bewohner wünschen unterschiedliche Raumtemperaturen – zwischen 18 und 24 °C – und sie lüften bisweilen selbst im Winter über die Fenster. Die Spanne der gemessenen Heizwärmeverbräuche variiert daher in ansonsten baugleichen Wohneinheiten zwischen 3 und über 40 kWh/m2a. Das Versorgungskonzept von Passivhäusern sollte daher so ausgelegt werden, dass sich auch sehr unterschiedliche Nutzeransprüche im Hinblick auf Heizleistungen und voll-

Energieeffizienz entwerfen

wertigen Komfort erfüllen lassen. Würde man den Heizwärmekennwert z. B. auf 20 kWh/m2a erhöhen, wäre die beim Passivhaus übliche Vereinfachung des Heizsystems in vielen Fällen nicht mehr möglich. Entwurfsfoffenheit versus »Laissez-faire« Dieses Buch vertritt einen betont offenen Entwurfsansatz für energieeffiziente Gebäude. Als einziger verlässlicher Prüfstein hat sich die Energiebilanzierung mit validierten Rechenprogrammen und Simulationen erwiesen. Wer seinen Entwurf dieser Prüfung unterzieht und dabei die unzweifelhaft wirksamen Planungsprinzipien aus guten Gründen erweitert, durch andere ersetzt oder auf den Kopf stellt – bitte schön! Ein solches Vorgehen setzt jedoch Verantwortungsbewusstsein voraus: Jede kreative Regelüberschreitung bedarf einer genauen Kenntnis der Prinzipien und ihrer Hintergründe. Diese Herangehensweise ist mithin das genaue Gegenteil einer »laissez faire«Haltung: Letztere ignoriert wichtige Systemeigenschaften, lässt Notwendiges willkürlich weg und vernachlässigt wichtige Schritte der Qualitätssicherung. Das führt in der Regel zu negativen Rückmeldungen der Nutzer. Denn aufgrund seiner geringen Leistungsreserven ist ein Passivhaus viel weniger fehlertolerant als ein Gebäude mit üppig dimensioniertem Heiz- oder Kühlsystem.

Aufbau des Buchs Die Gliederung dieses Buchs orientiert sich am Planungsprozess von Passivhäusern. Zu Beginn werden die wesentlichen Grundlagen zu Standarddefinitionen, Projektierung, Bauphysik und Gebäudetechnik erläutert. Der thematische Schwerpunkt liegt beim architektenrelevanten Entwurfswissen. Es folgt ein Exkurs zur Anwendung der Passivhausprinzipien im Städtebau, da diese Planungsebene die Grundlage für die sinnvolle Entwicklung energieeffizienter Bauten bildet. Ein eigenes Kapitel befasst sich mit dem Nichtwohnbau im Passivhausstandard. Gerade in diesem Bereich ist eine immer größere typologische Vielfalt – von Schulen bis zu Museen und Hallenbädern – zu beobachten. Die Gewichtung der Faktoren in der Energiebilanz variiert dabei je nach Nutzungsart und Gebäudetyp. Doch auch hier haben Entwurf und Konstruktion einen bedeutenden Einfluss auf die Gesamteffizienz. Auch energetische Sanierungen sind inzwischen ein wichtiges Anwendungsfeld von Passivhauskomponenten. Allerdings machen es schwierige Randbedingungen hier meist unmöglich, alle Anschlüsse auf das energetische Niveau eines Passivhaus-Neubaus zu verbessern. Häufig kommen weitere Restriktionen hinzu, wie hohe Eingriffsempfindlichkeit (Denkmalschutz), Platz- und Genehmigungsprobleme sowie die Erfor-

dernis schrittweiser Modernisierungen. Mit dem EnerPHit-Standard hat das Passivhaus-Institut ein abgestimmtes und praxisorientiertes Planungskonzept für energetische Sanierungen entwickelt. Projektbeispiele Zahlreiche realisierte Passivhäuser demonstrieren in diesem Buch die vorbildliche Umsetzung der Prinzipien des energieeffizienten und solaren Bauens. Es handelt sich vor allem um Objekte des »Bauens im Normalzustand« mit gewöhnlichem Budget und alltäglichen Nutzungsanforderungen. Die ausgewählten Beispiele zeigen ein breites Spektrum von Gebäudetypen, Bau- und Konstruktionsformen sowie Versorgungslösungen. Auch in gestalterischer Hinsicht dokumentieren die Gebäude die heutige Vielschichtigkeit energieeffizienten Bauens. Als Passivhausstandard wird in diesem Buch das »klassische« Passivhauskonzept, wie es vom deutschen PassivhausInstitut definiert wird, verstanden. Um die Passivhausentwicklung in anderen Ländern (z. B. den schweizerischen MinergieP-Standard) mit darzustellen, wurden bei der Projektauswahl jedoch auch einige Projekte berücksichtigt, die diese Grenze leicht überschreiten. 1.1 Wohnanlage in Frankfurt am Main (D) 2008, Stefan Forster Architekten. Auf dem Areal eines ehemaligen innerstädtischen Straßenbahndepots entstand ein Gebäude für eine Mischung aus Wohnen, Einkaufen und Gastronomie.

1.1

7

Grundlagen

• Konzeptansatz: Energieeffizienz • Definition des Passivhausstandards • Passivhauskomponenten • Wie funktioniert ein Passivhaus in den verschiedenen Jahreszeiten? • Behaglichkeit und Komfort • Anwendungsspektrum und Verbreitung • Ökonomie • Energetische Nachhaltigkeit und Klimaschutz

Konzeptansatz: Energieeffizienz Das Passivhauskonzept basiert auf einer wissenschaftlich objektiven Grundlage und zeichnet sich durch Konstanz und Transparenz aus. Seine energetischen Zielsetzungen stecken einen klar umrissenen Rahmen ab, in dem sich der Entwurf eines Passivhauses abspielt. Der Weg, wie diese Zielwerte erreicht werden, ist bewusst der Entwerferin oder dem Entwerfer freigestellt. Es werden somit keine Entwurfsprinzipien, Bauweisen oder Versorgungslösungen vorgegeben. Entscheidend ist alleine die energetische Qualität des Gebäudes und seiner baulichen und technischen Bestandteile. Die Kriterien sind einfach gehalten und wohlbegründet. So werden beispielsweise komplizierte Abhängigkeiten der geforderten Grenzwerte von der Größe bzw. der Kompaktheit des Gebäudes oder dem Gebäudetyp vermieden. Der übergeordnete Konzeptansatz ist denkbar einfach: In Wirklichkeit ist niemandem an einem verschwenderischen Einsatz von Energie und Ressourcen als Selbstzweck gelegen. Unser Interesse gilt vielmehr dem dadurch gestifteten Nutzen und Komfort. Das sind beispielsweise Energiedienstleistungen wie eine behagliche Arbeitsstätte oder Wohnung, die im Winter angenehm warm und im Sommer angenehm kühl ist. In den Innenräumen soll immer frische Luft vorhanden sein, ohne jedoch, dass es zieht. Weiter wünschen wir in Gebäuden Vorrichtungen zum Waschen, Baden und Duschen, Wäsche waschen und Trocknen, zur Lagerung und Zubereitung von Speisen vorzufinden und gemäß unserem Tagesablauf und unseren bisweilen auch spontanen Wünschen in Anspruch nehmen zu können. Wo (räumlich oder zeitlich) Tageslicht fehlt, soll eine unserer momentanen Tätigkeit angepasste Beleuchtung dieses möglichst gleichartig ersetzen. 8

Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Sie umfasst im Grunde unseren gesamten Lebensbereich und alle wirtschaftlichen, öffentlichen und privaten Tätigkeiten. Die meisten dieser Dienstleistungen lassen sich mit einem sehr viel geringeren Einsatz von Energie erbringen als heute üblich. Bei vielen Vorgängen, wie z. B. der Beheizung oder Kühlung von Gebäuden, handelt es sich physikalisch gesehen um die Aufrechterhaltung von Gleichgewichtszuständen, die theoretisch mit einem Minimum an Energieaufwand möglich sind. Das Passivhauskonzept versucht, den Effizienzgedanken konsequent für Entwurf, Planung, Erstellung und die Nutzung von Gebäuden umzusetzen. Aus wirtschaftlichen und praktischen Gründen setzt es bei den Komponenten an, die ohnehin in jedem Gebäude vorhanden sind. Diese werden so weiterentwickelt, dass in der Summe ein – verglichen mit dem geringen baulichtechnischen Zusatzaufwand – überproportionaler Nutzen und Komfort entsteht.

Definition des Passivhausstandards In einem Passivhaus wird zunächst der Energieumsatz mit passiven Maßnahmen auf ein so niedriges Niveau abgesenkt, dass unter Einhaltung der vorgegebenen Klima- und Behaglichkeitsbedingungen kaum noch geheizt, gekühlt sowie beund entfeuchtet werden muss. Den entscheidenden passiven Beitrag leistet der sehr gute Wärmeschutz der Gebäudehülle. Im Winter können dann passive Wärmequellen, wie Sonne, Personen, Geräte und Wärme aus der Fortluft, den Großteil des Wärmebedarfs decken. Im Sommer hilft der Wärmeschutz die Wärmeinträge in die Räume zu begrenzen. Weitere passive Maßnahmen, wie Verschattung, freie Lüftung und frei zugängliche Speichermassen sowie eine

konsequente Reduktion der internen Lasten, halten entweder alleine das Gebäude kühl oder reduzieren den Kühlbedarf so weit, dass dieser mit einem sehr geringen Energieeinsatz gedeckt werden kann. Der Einsatz aktiver Technik beschränkt sich auf die aktive Be- und Entlüftung der Räume mit Wärmerückgewinnung, gegebenenfalls gekoppelt mit einer Feuchterückgewinnung. Des Weiteren sieht das Passivhauskonzept die geregelte Bereitstellung des sehr geringen Restwärmeund gegebenenfalls Restkühlbedarfs abhängig von den individuellen Komfortwünschen der Bewohner bzw. Nutzer vor.

Passivhauskomponenten Passivhäuser stellen den heutigen technischen Stand des energieeffizienten Bauens dar. Sie sind eine konsequente Weiterentwicklung der Niederigenergiehäuser aus den 1980er- und 1990er-Jahren. Dabei werden die in jedem Gebäude vorhandenen baulichen und anlagentechnischen Komponenten energetisch so weit verbessert, dass sich das Heizsystem erheblich vereinfachen lässt. Die Hauptkomponenten von Passivhäusern sind: Sehr guter Wärmeschutz Das augenscheinlichste Merkmal von Passivhäusern ist der sehr gute Wärmeschutz der gesamten Gebäudehülle. Die opak gedämmten Bauteile (Außenwände, Dächer, Kellerdecke bzw. Bodenplatte) weisen, abhängig von der Kompaktheit des Gebäudes und den Qualitäten der sonstigen baulichen und technischen Komponenten, U-Werte zwischen 0,08 und 0,18 W/m2K auf. Um einen hohen thermischer Komfort zu gewährleisten, liegen die U-Werte der Fenster unter 0,80 W/m2K. Hierzu sind in der Regel. wärmegedämmte Rahmen und DreifachWärmeschutzverglasungen erforderlich.

Passivhauskomponenten

Wärmebrückenfreie, luft- und winddichte Ausbildung der Gebäudehülle Zu einem guten Wärmeschutz gehört auch eine hochwertige Qualität aller Anschlüsse. Das ist nicht nur aus energetischen, sondern auch aus bauphysikalischen Gründen geboten (Abb. 2.4, S. 10): • Damit der Wärmeschutz der Regelflächen nicht »ins Leere läuft«, ist es notwendig, konsequent auf eine Vermeidung bzw. eine Begrenzung von Wärmebrücken zu achten. • Eine luftdichte Ausbildung der Gebäudehülle ist zur Vermeidung von Zugluft, leckagebedingten Feuchteschäden und Lüftungswärmeverlusten notwendig. • Die winddichte Ausführung der Gebäudehülle verhindert, dass Dämmkonstruktionen mit Außenluft hinterströmt und damit unwirksam werden können. Abgestimmte passiv-solare Komponenten Mit passivhaustauglichen Fenster- und Verglasungssystemen lassen sich hohe solare Heizbeiträge erzielen. Dafür ist keine übermäßig große Solarapertur notwendig, d. h., auch moderate Verglasungsanteile können hierzu ausreichen. Die Dimensionierung der verglasten Flächen kann unter anderen Gesichtspunkten wie z. B. der Tageslichtautonomie oder der gewünschten Innen-/Außenbeziehung oder gestalterischen Aspekten

erfolgen. Nur wenn die Wärmeverluste von Rahmen und Verglasung gering gehalten werden, können die solaren Gewinne über die Fenster einen wesentlichen Heizbeitrag leisten. Im Sommerfall ist, wie in allen Gebäuden, eine Begrenzung der Solarapertur auf die notwendige Größe (Belichtung, Außenbezug) oder eine regelbare Verschattung notwendig. Entwurfsabhängig ist zu prüfen und abzuwägen, wie sich unterschiedliche Verglasungsquantitäten (z. B. Fenstergrößen) und -qualitäten (U-Wert der Fenster und g-Wert der Verglasungen) sowohl im Winter- als auch im Sommerfall auswirken. Diese Entscheidungen haben neben der Energiebilanz immer auch großen Einfluss auf die Gestaltung und Nutzungsqualität des Gebäudes. Hocheffiziente Lüftungsanlage Der niedrige Heizwärmebedarf eines Passivhauses basiert neben der Reduzierung der Transmissionswärmeverluste ganz entscheidend auf der Verringerung der Lüftungswärmeverluste duch die Wärmerückgewinnung der Lüftungsanlage. Alle Räume innerhalb der thermischen Hülle eines Passivhauses werden daher über eine Komfortlüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung und geregelter Zu- und Abluft mit Frischluft versorgt. Hauptaspekt ist die Sicherstellung des hygienisch not-

wendigen Luftwechsels. Der effektive Wärmebereitstellungsgrad der Lüftungsanlage sollte mindestens 75 % betragen, um eine hohe Effizienz und Behaglichkeit sicherzustellen. Angepasste Heiz- und Kühlsysteme Im Passivhaus sind Heiz- und Kühlsysteme notwendig, die auf den geringen Heiz- und Kühlbedarf abgestimmt sind. Um die hohe Energieeffizienz des Gebäudes nicht versorgungsseitig infrage zu stellen, ist eine Begrenzung der Erzeugungs-, Speicher- und Wärmeverteilverluste sowie des Hilfsenergieeinsatzes auf das unverzichtbare Maß notwendig. Grundsätzlich können alle konventionellen Heizsysteme eingesetzt werden. In vielen Fällen lassen sich Passivhäuser alleine über die Zuluft beheizen. Ergänzende Heizflächen – sofern erforderlich – müssen im Passivhaus in der Regel nicht mehr unter den Fenstern platziert werden. Dadurch ergibt sich ein reduzierter Installationsaufwand, der den Zusatzaufwand für die Wärmerückgewinnung der Lüftungsanlage kompensieren hilft. Das trägt entscheidend zur Wirtschaftlichkeit des Passivhauskonzepts insgesamt bei. 2.1 Sprachheilschule in Griesheim (D) 2011, Ramona Buxbaum Architekten. Der Neubau besteht aus drei pavillonartigen, kompakten Einzelgebäuden in Holzrahmenbauweise.

2.1

9

Grundlagen

20 °C

-5°C 35 W/m2

U = 1,40 W/m2K

Bestand

8 W/m2

U = 0,30 W/m2K

EnEV

3 W/m2

U = 0,12 W/m2K

Passivhaus 2.2

Außenluft

Abluft

0 °C

20 °C

Stromeffiziente Elektroausstattung Die Ausstattung der Gebäude mit stromeffizienten Geräten, Arbeits- und Leuchtmitteln sowie allen sonstigen Anlagen (z. B. Aufzügen) und elektronischen Einrichtungen (z. B. Kommunikationstechnik) ist eine Schlüsselkomponente des Passivhauskonzepts (Abb. 2.5). Ihre Umsetzung wird von den entwerfenden Architekten und Fachplanern oft kritisch gesehen, weil sie nicht zu ihrem üblichen Aufgabenspektrum zählt. Der Einfluss auf die Primärenergiebilanz und die Treibhausgasemissionen sowie auf die Behaglichkeit im Sommerfall ist jedoch sehr hoch. Daher werden beim Primärenergiekriterium alle Stromverbraucher in die Elektrobilanz einbezogen und bewertet.

Wie funktioniert ein Passivhaus in den verschiedenen Jahreszeiten? Im Folgenden wird die Funktionsweise eines Passivhauses im mitteleuropäischen Klima exemplarisch und unter Einbeziehung der Bewohnerperspektive für ein Wohnhaus erläutert. Eine zentrale Rolle spielt dabei das an die jeweilige Jahreszeit angepasste Lüftungskonzept und -verhalten.

Wärmetauscher ηWRG = 90 %

Fortluft

Zuluft

3 °C

18 °C

Jahresheizwärmebedarf [kWh/m2a]

2.3 35 28,2

30 25

19,8

20

17,1 15,0

15

13,5

Passivhausgrenzwert

10 5 0 1,5

Primärenergie (nicht erneuerbar) [kWh/m2a]

3,0

1,0

0,6 0,3 n50-Drucktestkennwert 2.4

150

120

Passivhausgrenzwert

Haushaltsstrom Hilfsstrom Warmwasser Heizung

100 90 50 25 50

15

10

5

25

25

25

20

20

20

heute übliche Stromeffizienz

verbessert

effizient

0

2.5

10

Kernwinter Frische Außenluft wird über eine Ansaugstelle bzw. -bauwerk mit integriertem Filter angesaugt und mittels stromsparenden Ventilatoren zum Kernstück der Lüftungsanlage, dem Wärmetauscher, transportiert. Ein zweiter Ventilator führt gleichzeitig aus den mit Feuchtigkeit und Gerüchen belasteten Räumen (z. B. Küche, Bad, WC, Hauswirtschaftsraum) verbrauchte Luft ab. Im Wärmetauscher wird die in der Abluft enthaltene Wärme auf die Frischluft übertragen (Abb. 2.3). Die derart vorerwärmte Frischluft wird kontinuierlich den Aufenthaltsräumen (Wohnzimmer, Individualräume) zugeführt. Durch den gleichmäßigen Luftwechsel ist ganztägig eine hohe Luftqualität gewährleistet. Eine Fensterlüftung ist nicht notwendig, aber bedarfsweise möglich (z. B. bei einer Hausparty oder bei gewünschten kühleren Schlafräumen). Der sehr gute Wärmeschutz der Gebäudehülle und der geregelte Luftwechsel über die Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung reduzieren die Wärmeverluste auf ein Minimum. Die hochwertigen Verglasungen sorgen selbst im Kernwinter für hohe solare Heizbeiträge. Der verbleibende Restheizbedarf lässt sich den Rämen allein über die Zuluft und gegebe-

nenfalls wenige ergänzende, frei platzierbare Heizflächen zuführen. Es ist auch möglich, Lüftung und Beheizung komplett getrennt voneinander zu führen und zu regeln. Die Heizperiode dauert im Passivhaus von November bis März und ist damit im Vergleich zu konventionell errichteten Gebäuden deutlich verkürzt. Übergangsjahreszeiten In den Übergangsjahreszeiten weist ein Passivhaus keinen Heizbedarf mehr auf. Voraussetzung hierfür ist, dass die Wärmerückgewinnung der Lüftungsanlage aktiv bleibt. Die Temperaturregulierung in der Wohnung ist sehr leicht über kurzzeitige Fensterlüftung möglich, indem Übertemperaturen (z. B. unerwünschte solare Erwärmung der Räume) weggelüftet werden. Der Einsatz von Sonnen- und Blendschutz ist an Strahlungstagen wegen der tief stehenden Sonne besonders wichtig. Sommer Im Sommer verhalten sich Passivhäuser ganz ähnlich wie vergleichbare konventionelle Gebäude gleicher Bauweise. Entgegen häufig geäußerten Vorbehalten hilft der sehr gute Wärmeschutz, die Räume angenehm kühl zu halten. Das gilt vor allem für die ansonsten häufig problematischen Dachgeschosse. Über forcierte nächtliche Fensterlüftung und eine bewegliche Verschattung der Hauptverglasungen haben die Bewohner wirksame passive Kühlstrategien an der Hand. Die Voraussetzungen dafür müssen jedoch bereits im Entwurf geschaffen werden. Hierzu zählen die Anordnung von Öffnungsflügeln für Quer- bzw. geschossübergreifende Lüftung sowie die Integration eines Sonnenschutzes. Häufig wird die Lüftungsanlage aus Komfortgründen auch im Sommer betrieben. Dabei sollte die Wärmerückgewinnung mithilfe eines Bypasses bzw. durch den Austausch des Wärmetauschers durch eine Sommerkassette umgangen werden. Für einen guten Sommerkomfort ist ferner die Ausstattung mit stromeffizienten Geräten entscheidend, weil dadurch kritische Wärmeeinträge in den Räumen vermieden werden. Fensterlüftung im Passivhaus Im Gegensatz zu dem immer noch geäußerten Irrglauben, dass man in einem Passivhaus die Fenster nicht öffnen dürfe, spielt die Fensterlüftung eine zentrale Rolle. Zwar kann im Kernwinter auf sie verzichtet werden, weil die Lüftungsanlage bereits alleine für den hygienisch notwendigen Luftwechsel sorgt. Bewoh-

100

Heizwärme

interne Wärmegewinne

Solargewinne

Transmission

Übertemperaturhäufigkeit h (δ>25 °C) [%]

Jahres-Heizwärmebilanz [kWh/m2a]

Wie funktioniert ein Passivhaus in den verschiedenen Jahreszeiten?

Lüftung

90 ohne Lüftungs-WRG ohne Erdreich-WT

80 70 60

Lüftungswärmerückgewinnung 80% Erdreich-Wärmetauscher 20%

50

5,9 13%

40

23,2 50%

30

40,4 87%

8,1 18%

20 10

24,5 35 %

29,2 42 %

8,5 12 % 40,4 58 %

36,6 53 %

15 32%

0

25

20

15

10

5

0

Gewinne

Verluste Passivhaus

Gewinne Verluste Passivhaus ohne Wärmerückgewinnung

Viellüfter

Normallüfter

Weniglüfter

2.6 3

2.7

6 1

4 2

5 25

21 24 22

23

13

20

8

18

9

17 16

Zuluft

21

Zuluft

7 19

Abluft 19

10 15 12

11

14

26

2.8 2.2 Wärmestrom durch eine Außenwand abhängig vom U-Wert der Konstruktion 2.3 Wirkung der hocheffizienten Wärmerückgewinnung einer Lüftungsanlage (mit ηWRG = 90 %) 2.4 Jahresheizwärmebedarf eines Passivhauses abhängig von der gemessenen Luftdichtigkeit beim Drucktest mit der Blower Door 2.5 Primärenergiekennwert eines Passivhauses abhängig von der Stromeffizienz der Elektroausstattung (Haushaltsgeräte, Kommunikationselektronik, Beleuchtung, Pumpen, Ventilatoren) 2.6 Einfluss der Lüftungswärmerückgewinnung auf die Energiebilanz eines Passivhauses. Ohne diese Komponente würde der Jahresheizwärmebedarf von 15 auf fast 40 kWh/m2a ansteigen.

2.7 Einfluss des individuellen Fenster-Lüftungsverhaltens der Bewohner auf den Sommerkomfort (Häufigkeit der Innentemperaturen > 25 °C). 2.8 Übersicht über die wichtigsten Passivhauskomponenten und deren Zusammenwirken anhand eines schematischen Gebäudeschnitts. 1 Ansaugstelle mit Filterbox (F 7-Filter) 2 Frostschutzregister 3 Wärmetauscher Lüftungsanlage 4 Stützventilator (Zuluftstrang) 5 Stützventilator (Abluftstrang) 6 Fortluftauslass (z. B. Deflektorhaube) 7 Brandschutzklappen 8 Zuluftventilator Wohnung 9 Nachheizregister 10 Abluftventilator 11 Badheizkörper

12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26

optional ergänzende Heizfläche zentraler Schacht mit F 90-Lüftungskanälen Sanitärräume im Grundrisskern Abluftfilter hochwärmedämmende Außenwand winddichte Ebene (z. B. Außenputz) luftdichte Ebene (z. B. Innenputz) Passivhausfenster mit Dreifachverglasung Jalousienschacht, in Dämmebene integriert fest stehender Überhang (z. B. Balkonplatte) als Sonnenschutz für Südverglasungen Balkon als vorgestellte Konstruktion (nur punktweise mit Gebäude verbunden) Fensterlüftung (Kippstellung) Fensterlüftung (Querlüftung/Sommerfall) Dachüberstand zur Verschattung (im Süden) Kimmsteinlage aus Porenbeton

11

Grundlagen

Behaglichkeit und Komfort

Prozentsatz Unzufriedener (PPD) [%]

Ausgangspunkt des energieeffizienten Entwerfens ist der Mensch. Damit er sich in einem Raum wohlfühlt, müssen die Temperatur- und Feuchtebedingungen im komfortablen Bereich liegen sowie räumlich und zeitlich möglichst gleichmäßig sein. Von besonderer Bedeutung ist hier 30

Winterfall

25

20

15 DIN EN ISO 7730 (PPD = 10%) 10 (PPD = 6%)

Bei »naiver« empirischer Betrachtung findet man in Gebäuden je nach Baukultur und davon abhängiger Bauweise große Unterschiede hinsichtlich der vorhandenen Behaglichkeitsbedingungen vor. Daraus ließe sich der falsche Schluss ziehen, dass die Behaglichkeitsanforderungen kulturell geprägt sind. Führt man jedoch systematische Befragungen durch, sind so gut wie keine kulturellen Unterschiede mehr feststellbar. Auch die Klimazone (tropisch, subtropisch, gemäßigt, kalt) spielt keine Rolle. Das ist eine überaus wichtige Entdeckung von Ole Fanger [2], derzufolge der Mensch und sein Wärmehaushalt einen objektiven – weil biologisch bedingten – Maßstab für die Behaglichkeit bilden. Dabei sind folgende Faktoren auschlaggebend: • die Aktivität und die damit verbundene Wärmeproduktion des Körpers • die Bekleidung, speziell ihr thermischer Widerstand und ihre Winddichtigkeit • physikalische Prozesse wie Wärmeleitung, Wärmeabstrahlung, Konvektion

5 0

12

Sommerfall

25

20

15 DIN EN ISO 7730 (PPD = 10%)

ASHRAE »A«

34

ohne Kühlung

mit Kühlung

30

26

22

(PPD = 6%)

0

b

Thermischer Komfort Für das Innenklima von Wohn- und Arbeitsräumen lassen sich die Behaglichkeitsbedingungen, bei denen wenigstens 90 – 95 % der Befragten zufrieden sind, folgendermaßen eingrenzen [1, 2, 3]: • Die Lufttemperatur sollte im Bereich von 21 °C (± 1 Kelvin) liegen und in einem Bereich zwischen 18 und 24 °C regulierbar sein. Im Sommer werden höhere Temperaturen von 24 °C (± 2 Kelvin) akzeptiert, indem die Kleidung entsprechend angepasst wird (Abb. 2.9). • Die durchschnittliche Oberflächentemperatur sollte von der Lufttemperatur um nicht mehr als 2 – 3 Kelvin abweichen und die Unterschiede zwischen Teilflächen nicht mehr als 3 – 4 Kelvin betragen. Behagliche Fußbodentemperaturen liegen zwischen 19 und 26 °C. • Das Temperaturgefälle zwischen Kopf und Fußknöchel (sitzende Tätigkeit) soll sowohl im Winter als auch im Sommer 2 Kelvin nicht überschreiten. • Die Luftfeuchte sollte zwischen 40 und 70 % rel. Feuchte liegen. Aus medizinischer Sicht sind Feuchten unter 30 % rel. Feuchte unerwünscht. • Die Luftbewegungen im Raum sollen in den Aufenthaltsbereichen 0,08 m/s nicht überschreiten (Zugluftkriterium). • Im Sommer kann jedoch bei operativen Innentemperaturen über 25 °C eine erhöhte Luftgeschwindigkeit helfen, das Wärmeempfinden wieder in den behaglichen Bereich zu führen. • Bei hohen operativen Temperaturen (> 25 °C) werden jegliche abstrahlende Wärmequellen (Strahlungstemperatur > 25 °C, z. B. Überkopf-Verglasungen) als sehr unangenehm empfunden. • Bei hohen Temperaturen (> 30 °C) und höherer Luftfeuchtigkeit (> 50 % rel.

10 18

5

16,4 17,3 18,2 19,1 20 20,9 21,8 22,7 23,6 operative Temperatur [°C] a

30

und Verdunstung im und am Körper sowie in Wechselwirkung mit der Umgebung

operative Raumtemperatur [°C]

Fazit Die Funktionsweise und energetische Qualität eines Passivhauses erlaubt es heute, Gebäude mit hochwertigem thermischem Komfort zu konzipieren, ohne dass eine unzureichende baukonstruktive Qualität durch Energie und aufwendige Technik ausgeglichen werden muss. Der Energiebedarf von Passivhäusern ist jedoch nicht null. Dies einerseits aus wirtschaftlichen Gründen und andererseits, um eine ausreichende Flexibilität im Hinblick auf sich ändernde Belegungen, Anwesenheiten und Nutzungen zu gewährleisten. Das vorhandene Heizsystem hat ferner die Aufgabe, individuelle, von den Bewohnern gewünschte Raumtemperaturen herzustellen und die im Kernwinter ergänzend zur Lüftungsanlage stattfindende Fensterlüftung wärmeseitig auszugleichen.

der Wärmekomfort. Er hängt von einer Reihe von Parametern ab, die sich mithilfe von naturwissenschaftlichen und statistischen Methoden sehr gut eingrenzen lassen [1]. Die Empfindlichkeitsschwellen sind je nach Parameter recht unterschiedlich. Zusätzlich spielen individuelle Unterschiede eine Rolle, die damit wichtiger Bestandteil von Behaglichkeitsdefinitionen werden. Das Raumklima lässt sich in guter Näherung mithilfe von vier Größen beschreiben, die auf einen sich im Raum befindlichen Menschen einwirken. Dies sind in der Reihenfolge ihrer Bedeutung: • die Strahlungstemperatur der umgebenden Flächen, • die Lufttemperatur, • die relative Lufttgeschwindigkeit in Körpernähe • und die Luftfeuchtigkeit

Prozentsatz Unzufriedener (PPD) [%]

ner nehmen dies übereinstimmend als eine wesentliche Entlastung und Komfortsteigerung wahr. In allen anderen Jahreszeiten ist hingegen die Fensterlüftung unverzichtbar, um behagliche Temperaturen in den Innenräumen herzustellen. Messungen in bewohnten Gebäuden zeigen, dass sich gerade im Hochsommer je nach Lüftungsverhalten unterschiedliche Temperaturen einstellen: Während ein »Viellüfter« kühle Wohnräume vorfindet, steigen die Temperaturen während einer Hitzeperiode bei »Weniglüftern« spürbar an (Abb. 2.7, S. 11).

ASHRAE »A« 20,7 21,6 22,5 23,4 24,3 25,2 26,1 27 27,9 operative Temperatur [°C] 2.9

14 -5 0 5 10 15 20 25 30 35 gleitender Mittelwert der Außentemperatur [°C] 2.10

Behaglichkeit und Komfort

Feuchte) wird die Wärmeregulierung des Körpers so stark reduziert, dass zwingend Gegenmaßnahmen (Kühlung, Entfeuchtung) erforderlich sind. Adaptives Modell Während die Bedingungen für einen hohen thermischen Komfort im Winter wenig strittig sind, existieren für die Übergangsjahreszeiten und den Sommerfall unterschiedliche Ansätze, um den Behaglichkeitsbereich abhängig von Bekleidung und Kühlstrategien zu definieren (Abb. 2.9 und 2.10). Im Sommer sind Menschen leichter bekleidet, und dadurch steigt die als optimal empfundene Temperatur. Besonders in Hitzeperioden werden stärkere Luftbewegungen nicht als störend empfunden. Ferner gilt, dass Gebäudenutzer unter bestimmten Bedingungen (kein Kleiderzwang, freier Einfluss der Nutzer auf Fensterlüftung und Sonnenschutz) in Hitzeperioden höhere operative Temperaturen akzeptieren. Entwurfsstrategisch erweitert sich dadurch der Bereich passiver Kühlstrategien ohne aktive Kühlung, solange eine die Nutzer bevormundende Klimatisierung vermieden wird und dies mit Bauherren und Fachplanern abgestimmt ist (Abb. 2.10). Bewertung Passivhauskonzept – Winterfall Durch den sehr guten Wärmeschutz werden im Passivhaus im Winter überall hohe Oberflächentemperaturen erreicht. Besonders wichtig für die thermische Behaglichkeit ist die hohe Qualität von Rahmen und Verglasungen, weil sich nur über sie komfortable Innenoberflächentemperaturen einhalten und der Kaltluftabfall am Fenster begrenzen lassen. Um dies auch für raumhohe Verglasungen (bis etwa 3 m Höhe) sicherzustellen, wird für Passivhäuser gefordert, dass der U-Wert des Fensters im eingebauten Zustand ≤ 0,85 W/m2K betragen soll. Nur dann können die Heizflächen unter raumhohen Fenstern entfallen.

In Passivhäusern gelingt es zudem, die Luftbewegungen im Aufenthaltsbereich im sehr günstigen Bereich ( 17 °C

Feuchteschutz

feuchteschutztechnische Nachweise gemäß dem Stand der Technik, speziell bei Innendämmungen

qH: qP: fT: U: UW:

spezifischer Jahresheizwärmebedarf (kWh/m2a) spezifischer Primärenergiebedarf (kWh/m2a) Reduktionsfaktor Transmission U-Wert einer Hüllfläche (W/m2K) U-Wert des Fensters (W/m2K)

UD: U-Wert der Haustüre (W/m2K) UWA: U-Wert der Außenwand (W/m2K) UDA: U-Wert des Dachs (W/m2K) ηWRG: effektiver Wärmebereitstellungsgrad der Lüftungsanlage (–) 3.14

Aus energetischen und bauphysikalischen Gründen gibt der EnerPHit-Standard generell den Einbau hocheffizienter Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung vor. Der Primärenergiekennwert darf bei vollständig energetisch modernisierten Altbauten etwas höher liegen als bei Passivhausneubauten. Zu dem dort geltenden Grenzwert von 120 kWh/m2a wird bei EnerPHit der Anteil des Heizwärmebedarfs, der bei Einhaltung der Zertifizierungskriterien 15 kWh/m2a übersteigt, mit einem Faktor 1,2 multipliziert (für einen 3.15

29

Passivhausprojektierung

Minergie-P-Standard

Kriterien des Minergie-P-Standards Minergie-P-Kriterium

Minergie-P-Anforderung

Heizwärmebedarf (Neubau)

Qh ≤ 0,6-facher Grenzwert SIA 380/1

Heizwärmebedarf (Erneuerung)

Qh ≤ 0,8-facher Grenzwert SIA 380/1

tagesmittlere Heizlast (nur bei Luftheizung)

Ph ≤ 10 W/m2

gewichteter Endenergiekennwert für Heizen, Kühlen, Lüften, Warmwasser, Hilfsstrom Gewichtungsfaktoren gemäß Minergie (siehe Abb. 3.19)

Wohnnutzungen: ≤ 30 kWh/m2a Schulen, Verwaltung: ≤ 25 kWh/m2a andere: siehe www.minergie.ch

Luftdichtigkeitskennwert (Blower-Door-Test, 50 Pascal)

Neubau: ≤ 0,6 h-1 Erneuerung: ≤ 1,5 h-1

Nachweis thermischer Sommerkomfort gemäß Minergie ja/nein

ja

kontrollierte Außenluftzufuhr

ja

Nachweis energieffizienter Geräte Nachweis Beleuchtung und Lüftung/Klima

Wohn- und Nichtwohngebäude nur bei Nichtwohngebäuden 3.16

SIA Effizienzpfad Energie: Primärenergiebedarf (nicht erneuerbar) Pfad A – Wohnen Neubau

Pfad B – Wohnen

(Umbau)

Neubau

(Umbau)

Baumaterial

33

(20)

33

(20)

Heizung, Lüftung

23

(36)

27

(40)

Warmwasser

13

(13)

17

(17)

Stromanwendungen

43

(43)

56

(56)

Mobilität

33

(33)

47

(47)

Zielwert Wohnen

145

(145)

180

(180)

Zielwert Wohnen (ohne Baumaterial und Mobilität)

80

(92)

100

(113)

spezifischer Jahresheizwärmebedarf [kWh/m2a]

3.17 100

75

SIA

50

380

009

/ 1:2

ng

ueru

Erne

-Pergie

Min

ie-P

Minerg

25 Passivhaus gemäß PHPP 0 0

0,5

1,0

1,5

2,0

2,5

3,0 3,5 4,0 Kompaktheitskennwert [A/AN,E] 3.18

3.16 Kriterien des Minergie-P-Standards 3.17 Kriterien für 2000-Watt-taugliche Gebäude gemäß SIA-Effizienzpfad Energie 3.18 Heizwärmebedarf für Minergie-P-Gebäude in Abhängigkeit von der Kompaktheit (Ath/AE). Zum Vergleich sind auch die Werte für Passivhäuser nach den Kriterien des Passivhaus-Instituts eingetragen. Wegen der nicht identischen Bezugsflächen liegen die Werte der Passivhäuser zwischen 10 und 13,5 kWh/m2a gemäß Minergie-PBerechnungsmethodik. 3.19 Gewichtungsfaktoren gemäß Minergie für verschiedene Energieträger zur Bestimmung des gewichteten Endenergiebedarfs und Vergleich mit den analogen Primärenergiefaktoren gemäß Passivhaus-Projektierungspaket (PHPP) 3.20 Alters- und Pflegeheim in Domat/Ems (CH) 2004, Dietrich Schwarz Architekten. Das Minergie-PGebäude erreicht dank hoher solarer Gewinne einen Heizwärmebedarf von nur 9,5 kWh/m2a.

30

Energieträger/ Energiequelle

Gewichtungsfaktor gemäß Minergie

Sonne

0,0

Umweltwärme, Geothermie

0,0

Biomasse (Holz, Biogas, Klärgas)

0,5

fossile Energieträger (Öl, Gas)

1,0

Elektrizität

2,0

3.19

Der Minergie-P-Standard ist ein auf den Schweizer Normen basierendes Zertifizierungsverfahren mit einem geschützten Label [12]. Auf den ersten Blick – der Buchstabe P soll dies auch nach außen verdeutlichen – ist es an das Passivhauskonzept angelehnt, unterscheidet sich davon jedoch in Anforderungen, Systematik und Berechnungsmethode. Dabei spielt aucheine Rolle, dass die Bezugsfläche AE anders definiert ist als die Energiebezugsfläche EBF im PHPP. Die Anforderungen und deren Nachweis sind auf zwei Hauptkritierien ausgerichtet: • Der geforderte Heizwärmebedarf hängt stark von der thermischen Kompaktheit des Gebäudes ab und liegt zwischen 15 und 52 kWh/m2a (Abb. 3.18). Wegen der anders definierten Bezugsfläche AE würden (mit PHPP nachgewiesene) Passivhäuser bei einer Berechnung gemäß Minergie-P-Kriterien Werte von nur etwa 10 bis 13,5 kWh/m2a erreichen. Im Hinblick auf die energetische Qualität des Gebäudes liegt der Minergie-P-Standard demnach zwischen Niedrigenergie- und Passivhauskonzept. • Für die Energiedienstleistungen Heizen, gegebenenfalls Kühlen, Warmwasser, Lüften und sonstigem Hilfsstromeinsatz gilt bei Minergie-P ein vergleichsweiser strenger Grenzwert, der bei Wohngebäuden 30 kWh/m2a und bei Nichtwohngebäuden je nach Nutzungstyp zwischen 15 und 40 kWh/m2a beträgt. Seine Einhaltung erfordert speziell bei wenig kompakten Gebäuden den Einsatz erneuerbarer Energien. Die dabei vorgenommene pauschale Gewichtung der Endenergie (Abb. 3.19) ist eine Mischung aus primärenergetischer und energiepolitischer Bewertung. Weitere Kriterien betreffen die Begrenzung der Heizlast auf unter 10 W/m2, sofern mehr als 50 % der Nutzflächen über die Zuluft beheizt werden. Bei Erneuerungen werden – anders als beim EnerPHitStandard – nur beim Heizwärmebedarf und dem Luftdichtigkeitskennwert geringere Anforderungen gestellt. Minergie-P-Eco Im Minergie-P-Eco-Standard werden darüber hinaus neben der Herstellungsenergie – in der Schweiz Graue Energie genannt – eine Reihe nicht energetischer ökologischer Kriterien, wie z. B. Tageslichtautonomie, Schallschutz, Vermeidung von Schadstoffen, Keimen und Strahlung sowie hohe Nutzungsdauer, Nutzungs-

»Nearly-Zero-Energy«/Nullenergiestandard

flexibilität und Rückbaufähigkeit bewertet. Zusätzlich wurden Ausschlusskriterien festgelegt, die spezielle Aspekte der Raumhygiene und Bauökologie betreffen. Für den Nachweis sind spezielle Tools anzuwenden, die sich, soweit möglich, an bereits vorhandenen SIA-Normen anlehnen. Eine Vorgabe gilt als erfüllt, wenn sie zu 80 % umgesetzt wird.

2000-Watt-Gesellschaft – SIA Effizienzpfad Energie (SIA D 216) Die Idee der 2000-Watt-Gesellschaft [13] stammt aus der Schweiz und ist ein einfaches System zur Operationalisierung energetischer Nachhaltigkeit. Ihr Grundgedanke besteht darin, den zulässigen Energiebedarf am derzeitigen weltweit mittleren Energieverbrauch pro Person zu orientieren. Dieser wird als Dauerleistung in Watt pro Person ausgedrückt. Zulässig sind demnach 2000 W/P. Im Vergleich dazu beträgt dieser Wert heute in der Schweiz 6300 W/P und in Deutschland 5600 W/P. Aus Klimaschutzgründen wird zusätzlich gefordert, dass längerfristig nur noch ein geringer Anteil von 500 W/P mit fossilen Energieträgern gedeckt werden darf [14]. Angelehnt an die 2000-Watt-Gesellschaft wurden im SIA-Effizienzpfad Energie [15] Primärenergiekennwerte für Gebäude formuliert, die durch ihren Bezug zur Nutzfläche für Architekten und Fachplaner besser handhabbar sind. Neben der Betriebs- wird auch die Herstellungsenergie und versuchsweise der Energieaufwand für Mobilität bilanziert. Gemäß Abb. 3.17 werden zwei Zielwerte (Pfade) unterschieden:

• Zielwert A steht für das 2000-Watt-kompatible Bauen. Die Grenzwerte sind streng gewählt, aber mit marktverfügbaren hochwertigen Komponenten umsetzbar, wie sie typischerweise bei Passivhäusern eingesetzt werden. • Zielwert B beschreibt einen Standard, bei dem die Anforderungen an die 2000-Watt-Gesellschaft erst bei dem nächsten Erneuerungszyklus des Gebäudes erreicht wird. Das Gebäude ist so zu konzipieren, dass Vorkehrungen in diesem Sinn getroffen werden. Bauteile mit langer Lebensdauer sind demnach von Anfang an energieeffizient auszuführen. Bauteile und Technikkomponenten mit kurzer Lebensdauer sind gut zugänglich und einfach austauschbar zu gestalten.

»Nearly-Zero-Energy«/ Nullenergiestandard Die EU-Gebäudeeffizienz-Richtlinie [16] fordert, dass ab 2018/2020 alle Neubauten nur noch einen vernachlässigbar geringen Energiebedarf aufweisen sollen. Neben Passivhäusern werden derzeit verschiedene sogenannte Nullenergiekonzepte diskutiert, um dieses Ziel zu erreichen [17]. Bei ihnen wird ein bilanzieller Ausgleich zwischen aus Netzen bezogener Energie (Bedarf) und in die Netze eingespeister erneuerbarer Energie (Erzeugung) vorgenommen. Es handelt sich in der Regel um besonders energieeffiziente Gebäude mit groß dimensionierten Erzeugungsanlagen – zumeist Fotovoltaik. Durch die Verrechnung entstehen (wie generell bei Gutschriftmethoden) irreführend geringe Werte. Aufgrunddessen

wird häufig geglaubt, dass Nullenergiehäuser keinen Energiebedarf mehr aufweisen, was jedoch nicht der Fall ist. Das Hauptproblem von Nullenergiekonzepten ist deren häufig zu enger räumlicher Bilanzrahmen. Bei solaren Erzeugungssystemen werden dadurch Gebäude mit höherer Geschosszahl systematisch benachteiligt. Ein Nachweis in der dichten kompakten Stadt ist dadurch in vielen Fällen nicht möglich, und der Anwendungsbereich wird unnötig eingegrenzt. Anmerkungen [1] Feist, Wolfgang: Bauen im Passivhausstandard. In: Hestermann, Ulf; Rongen, Ludwig: Frick/Knöll Baukonstruktionslehre 1. Wiesbaden 2010, S. 672 [2] Feist, Wolfgang u. a.: Passivhaus-Projektierungspaket, Version 7 (2012), Eigenverlag, Bezug über www.passiv.de, 2012 [3] Schnieders, Jürgen u. a.: CEPHEUS – Wissenschaftliche Begleitung und Auswertung. Projektinformation Nr. 22. Darmstadt 2001 [4] wie Anm. 2, S. 47 [5] Für Wohnnutzungen z. B. 30 m3/hP und in Verwaltungsbauten 20 m3/hP. In Schulen und Kindertagesstätten sind hingegen geringere (15 – 20 m3/hP) und in Turnhallen deutlich höhere Werte (60 m3/hP) empfehlenswert. Siehe Anm. 2, S. 95 [6] wie Anm. 2, S. 108 [7] Dieser Diskussionsprozess ist noch im Gang. Nähere Informationen siehe Protokollband Nr. 46 des Arbeitskreises Kostengünstige Passivhäuser [8] Nähere Informationen siehe: www.passiv.de [9] Nähere Informationen siehe: www.passivhausplaner.com [10] aktuelle Zertifizierungskriterien des EnerPHitStandards siehe www.passiv.de [11] Wolfgang Feist (Hrsg.): EnerPHit Planerhandbuch. Darmstadt 2012 [12] www.minergie.ch [13] www.2000watt.ch [14] Das hierbei genannte Zeitziel 2150 ist nach neuestem Stand der Klimawissenschaften nicht mehr haltbar. Der fossile Anteil ist bis 2050 (!) auf nur noch 500 W/P abzusenken (siehe S. 18ff.). [15] Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein: SIA Effizienzpfad Energie. Zürich 2006 [16] Richtlinie 2010/2031/EU des Europäischen Parlaments und des Rats vom 19. Mai 2010 [17] Voss, Karsten; Musall, Eike: Nullenergiegebäude. München 2011

3.20

31

Entwurfs- und Planungsprinzipien

• Allgemeine Entwurfsfragen • Planungsprinzipien von Passivhäusern • Hüllflächenprinzip und Kompaktheit • Homogenitätsprinzip • Solares Bauen mit Passivhäusern • Der Fensteranschluss als Schlüsseldetail • Planung der Passivhaustechnik • Entwurfsbegleitende Energiebilanzierung • Einfluss des Regional- und Stadtklimas • Zusammenführung der Einzelaspekte • Wohnbauprojekte

Allgemeine Entwurfsfragen Der städtebauliche, architektonische und haustechnische Entwurf steht in einem Spannungsverhältnis zwischen subjektivintuitiver und objektiv-analytischer Herangehensweise, erfahrungs- und wissensbasierten Strategien, kurz: zwischen Baukultur und Wissenschaft [1, 2] (Abb. 4.1): • Intuitives Entwerfen ist ganzheitlich orientiert und arbeitet mit Assoziationen und Erfahrungswissen. Grundlage bilden die Bautraditionen, speziell in Form der gebauten und gedachten Entwürfe. Der Entwurfsprozess ist häufig sprunghaft und wenig strukturiert und von daher für Außenstehende nicht immer nachvollziehbar. Durch die synthetische Vorgehensweise ist der Fokus vor allem auf die Entwurfsidee gerichtet. • Logisch-analytisches Entwerfen ist diskursiv sowie theoriebasiert und arbeitet mit wissenschaftlichen Methoden. Die Komplexität der Entwurfsaufgabe wird in rational bearbeitbare Teilaufgaben zerlegt. Der Entwurfsprozess ist strukturiert und nachvollziehbar. Das Hauptaugenmerk lieft häufig auf dem Entwickeln von Planungsalternativen und deren vergleichender Bewertung. Ein anderer Schwerpunkt ist die Entwicklung und Anwendung von Prinzipienwissen und allgemeinen Entwurfsregeln. Der überwiegende Teil des Entwurfshandels läuft unterbewusst in Form von Denkroutinen ab. Bei Entwurfsaufgaben, zu denen (noch) keine Präzedezfälle existieren, ist die Anwendung der logisch-analytischen Methode unverzichtbar. In der Entwurfspraxis findet man zumeist eine Mischung der oben genannten idealtypischen Strategien vor, die sich in vielen Fällen auch notwendigerweise ergänzen: • In der Praxis tritt keins der Extreme in Reinform auf; jegliche Entwurfshaltung 32

positioniert sich also zwischen den beiden Extremen. • Die intuitive Herangehensweise ist immer dort auf Reflexion und Kontrolle angewiesen, wo objektiv bestimmbare Kriterien Teil der Entwurfsaufgabe sind, z. B. bei der Erfüllung bestimmter vereinbarter Zielsetzungen (z. B. Wirtschaftlichkeit, Kosten- und Zeitrahmen, Energiekennwerte). • An den Stellen, an denen die Anwendung von objektiv-analytischen Entwurfsprinzipien untereinander unvereinbar ist oder Zielkonflikte enthält, sind Wertungen, Gewichtungen und Abwägungen notwendig, die sich zumeist nicht objektivieren lassen. • In Zeiten des Umbruchs, die durch einen rapiden gesellschaftlichen, sozialen und technologischen Wandel gekennzeichnet sind, werden mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung auch bislang gültige Musterlösungen und Bautraditionen infrage gestellt. Neue Lösungsansätze müssen dann häufig unter Anwendung der logisch-analytischen Strategien entwickelt werden. Im Lauf des Transformationsprozesses bilden sich allmählich neue Paradigmen und Traditionen heraus. Auf den ersten Blick würde man das Passivhauskonzept aufgrund seiner wissenschaftlichen Herkunft eindeutig der objektiv-analytischen Denkstrategie zuordnen. Für die Anfangsphase trifft dies nahezu uneingeschränkt zu. In der Dissertation von Wolfgang Feist [3] und in dem bauvorbereitenden Forschungsprojekt [4] sind die Planungsprinzipien von Passivhäusern wegen der damals noch nicht vorhandenen Planungs- und Baupraxis noch recht eng gefasst. Erst mit zunehmender Erfahrung und mit der Erprobung des Passivhauskonzepts an neuen Gebäudetypen und Entwurfsaufgaben sowie über systematische Untersuchun-

gen zu den relevanten Entwurfsparametern (z. B. [5, 6]) gelang es, die real existierenden entwurflichen Spielräume auszuloten. Parallel dazu hat sich eine Entwurfspraxis etabliert, die zunehmend intuitive Züge trägt. Als entscheidender Prüfstein hat sich die Energiebilanzierung mit dynamischen Simulationen und dem ebenfalls validierten Passivhaus-Projektierungspaket erwiesen und weniger die Anwendung der nachfolgend aufgeführten und zum Teil ebenfalls gut begründeten Planungs- und Entwurfsprinzipien. Aus entwurfsmethodischer Perspektive ist diese Erkenntnis relativ neu und bislang in der Fachwelt – mit wenigen Ausnahmen [7] – nicht thematisiert worden. Daraus folgt eine Neubewertung der Rolle von Prinzipienwissen im Entwurf, wobei deren bedingter Charakter hervortritt. Infragestellung des Optimierungsgedankens im Entwurf In Bezug auf energetische Fragestellungen im Entwurf wird sehr häufig das Wort »Optimierung« verwendet. Dahinter verbirgt sich in vielen Fällen jedoch nur die Tatsache, dass bei den vorliegenden Wettbewerbsbeiträgen oder Entwurfspräsentationen unzureichende Standards (»mittlere Qualität«) oder unklare energetische Zielsetzungen zugrunde liegen. Das eigentliche Problem des Optimierungsgedankens geht jedoch tiefer und ist ganz anderer Natur. Beim architektonischen und städtebaulichen Entwurf hat man weniger mit eindeutigen Problemen zu tun, die sich in Form einfacher Gleichungen oder Beziehungen formulieren lassen. Insbesondere bei der Entwicklung der Entwurfsidee und des übergeordneten räumlichen Konzepts handelt es sich um einen synthetischen Vorgang, der sich nicht analytisch in Einzeloperationen zerlegen lässt. Er ist damit einem ingenieurmäßigen Optimierungsprozess nicht zugänglich [8].

Allgemeine Entwurfsfragen

Aufgrund der eindeutigen Zielsetzungen kann man ein Passivhaus aus energetischer Sicht ohnehin nicht »optimieren«. Im Hinblick auf die wirtschaftliche Umsetzung ist es jedoch sehr wohl möglich, von günstigen, weniger günstigen und ausgesprochen ungünstigen Entwurfsansätzen zu sprechen. Hierbei gilt, dass die sinnvollen Lösungsansätze naturgemäß beschränkt und nicht immer einfach zu erkennen sind, während das Feld der wenig zielführenden und unsinnigen Lösungen nahezu unendlich groß ist [9]. Bedingter Charakter von Entwurfsprinzipien Viele Planungs- und Entwurfsprinzipien werden in Verbindung mit Optimierungsansätzen formuliert. Beispielsweise wird sowohl im Hinblick auf eine Maximierung der solaren Gewinne als auch der Kompaktheit von einer »energieoptimierten Form« [10, 11] gesprochen. Das setzt jedoch streng genommen voraus, dass sich der Energiebedarf einer Siedlung oder eines Gebäudes allein über einen isolierten Entwurfsparameter erklären ließe. Das ist jedoch grundsätzlich infrage zu stellen. Warum sonst sollte man sich der Mühe unterziehen, für jedes Gebäude eine vollständige Energiebilanz aufzustellen? Entwurfsprinzipien haben vielmehr die Aufgabe, die Wirkungszusammenhänge zu veranschaulichen und Hilfestellungen bei Entwurfsentscheidungen zu geben, indem sie wichtige von weniger wichtigen Einflussfaktoren unterscheiden helfen [12]. Hierbei existieren offensichtlich mehrere Entwurfsprinzipien nebeneinander, von denen keins Ausschließlichkeit für sich beanspruchen kann. So sind z. B. weder die Planungsprinzipien des solaren noch diejenigen des kompakten Bauens isoliert gesehen zwingend. Sie sind vielmehr unabhängig voneinander anwendbar und ergänzen sich. Zudem gilt, dass alle räumlichen Entwurfsprinzipien von der energetischen Qualität der baulichen und technischen Systeme (z. B. zusammenfassend ausgedrückt: im energetischen Standard der Gebäude) und den klimatischen und städtebaulichen Randbedingungen abhängen [13].

Intuitives und logisch-analytisches Entwerfen im Vergleich Entwurfsstrategie

intuitiv-synthetisch

logisch-analytisch

Denkmodus

subjektiv, assoziativ, sprunghaft, ideenorientiert

objektiv begründ- und nachvollziehbar, diskursiv, wissenschaftsorientiert

Wissensbasis

Erfahrung, Bewährung, realisierte und gedachte Entwürfe

wissenschaftliche Forschung, Theorien, Validierung über Messungen

Wissenstransport

Traditionen, Musterlösungen, Typologien, Anekdoten

wissenschaftliche Texte, Diagramme, Planungs- und Entwurfsregeln

Entwurfslehre

Lehrer-Schüler-Beziehung basierend auf Nachahmung, bildhaft, assoziativ, erzählend

Lehrer-Schüler-Beziehung basierend auf Diskurs und Kritik, Vermittlung von Prinzipienwissen

Entwurfsmethode

Anwendung von Musterlösungen und Typologien, Findung einer Entwurfsidee

Entwicklung von Entwurfslösungen auf der Basis von Problemanalysen und Bewertung alternativer Lösungsansätze

Darstellungsarten

Entwurfsskizzen, Erläuterungen, Präsentationspläne und -modelle

Strukturskizzen und -modelle, Pläne, Texte, Diagramme, Berechnungen, Simulationen 4.1

a

4.1 subjektiv-intuitive und objektiv-rationale Herangehensweise als zwei Pole der Denkstrategien beim Entwerfen 4.2 Mehrfamilienhaus in Wien (A) 2011, querkraft architekten. Passivhäuser können auch in der Kernstadt (ungünstige Orientierung, starke Verschattung) realisiert werden, wenn sie hinreichend kompakt sind. a Grundriss und Schnitt, Maßstab 1:750 b Ansicht von Westen b

4.2

33

erforderlicher Um,opak [W/m2K]

Entwurfs- und Planungsprinzipien

Planungsprinzipien von Passivhäusern

1,0 0,9 0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0 4,5 Kompaktheit Agew/EBF [-]

EnEV 2009

Niedrigenergiehaus Passivhaus

Heizwärmebedarf [kWh/m2a] bzw. Heizlast [W/m2]

a 25

15

20

12

15

9

10

6

5

3

0

Übertemperaturhäufigkeit [%]

0

0 1,7 1,9

2,1 2,3 2,5 2,7 2,9 3,1 Kompaktheit Agew/EBF [-]

Heizwärmebedarf, Süd Heizlast, Süd Übertemperatur, Süd

Hüllflächenprinzip und Kompaktheit

Heizwärmebedarf, West Heizlast, West Übertemperatur, West

30

24

25

20

20

16

15

12

10

8

5

4

0

0 1,0 1,1

1,2 1,3 1,4 1,5 1,6 Kompaktheit Agew/EBF [-]

Heizwärmebedarf, Süd Heizlast, Süd Übertemperatur, Süd

34

Übertemperaturhäufigkeit [%]

Heizwärmebedarf [kWh/m2a] bzw. Heizlast [W/m2 ]

b

c

Die Zusammenführung der energetisch relevanten Komponenten zu einem räumlichen Gesamtkonzept ist die wesentliche Aufgabe der Architekten bei der Planung von Passivhäusern. Die meisten Prinzipien stehen dabei in Bezug zu einer möglichst wirtschaftlichen Umsetzung der energetischen Zielsetzungen. Dabei lassen sich sechs große Themenfelder unterscheiden: • Reduzierung des geometrischen Hüllflächenaufwands (Kompaktheit, einfache Geometrien, Begrenzung der Anschlusslängen) • Erfüllung der Qualitätsanforderungen und konstruktive Durchbildung der opak gedämmten Gebäudehülle mit kosteneffizienten Systemen • Platzierung und konstruktive Einbindung solarer Systeme (Fenster, sonstige verglaste Flächen, Kollektoren, Fotovoltaik) in die Gebäudehülle unter besonderer Berücksichtigung der städtebaulichen Besonnungssituation • Entwicklung eines auf den Entwurf zugeschnittenen Lüftungs- und Beheizungskonzepts • Platzierung der Technikräume in oder nahe der Gebäudehülle sowie möglichst knappe Leitungsführung aller haustechnischen Verteilsysteme • Entwicklung eines entwurfsbezogenen Stromeffizienz- und Sommerklimakonzepts

Heizwärmebedarf, West Heizlast, West Übertemperatur, West 4.3

Das Hüllflächenprinzip stellt darauf ab, die Geometrie der Gebäudehülle eindeutig zu definieren und in möglichst knapper Form zu realisieren. Es spricht damit eine ganze Reihe von Entwurfsfragen an, deren gemeinsame Klammer ihr Bezug zur Energiebilanz – speziell zu den Wärmeverlusten durch Transmission und Luftleckagen – ist. Um diese zu minimieren, müssen zunächst einmal die Dämm- und die Luftdichtebene, die das temperierte Volumen umschließen, eindeutig festgelegt werden. Besondere Schwierigkeiten bereiten hierbei Abgrenzungsprobleme zu nicht temperierten Dach- und Kellerbereichen sowie zu Tiefgaragenzugängen und sonstigen Nebenräumen, die außerhalb der Hülle platziert sind. In vielen Fällen lohnt es sich, darüber nachzudenken, ob deren Einbeziehung in die thermische Hülle nicht doch einfacher und kostengünstiger ist [14]. Die nicht temperierten Volumina (z. B. Balkone, Laubengänge, nicht beheizte Puf-

ferräume, Treppenhäuser und Keller, Tiefgaragen) sollten geometrisch ausgegliedert und möglichst unabhängig von den Hüllkonstruktionen errichtet werden. Wo dies z. B. aus konstruktiven Gründen nicht gelingt, befinden sich an den Grenzflächen zur Gebäudehülle regelmäßig Anschlüsse, die im Hinblick auf potenzielle Wärmebrücken und Luftdichtigkeit besondere Aufmerksamkeit erfordern. Eine vorausschauende Planung hat zum Ziel, diese Anschlüsse bereits im Entwurf zu vermeiden oder auf das unvermeidliche Maß zu begrenzen. Pufferräume sind im Passivhaus aufgrund des sehr guten Wärmeschutzes der Hülle kaum mehr energetisch wirksam. Zudem ist ihre Einbeziehung in Nutzungskonzepte bauphysikalisch immer anspruchsvoll und daher aufwendig und kompliziert [15]. Kompaktheit Der zweite und sowohl energetisch als auch wirtschaftlich entscheidende Aspekt ist der spezifische Hüllflächenaufwand. Hüllflächen weisen im Vergleich zu Innenbauteilen deutlich höhere flächenbezogene Kosten auf. Dazu kommen die Passivhausanforderungen an den Wärmeschutz und die Luftdichtigkeit, die diesen Kostenunterschied nochmals vergrößern. Und nicht zuletzt hängen auch die Passivhausanforderungen selbst mit dem Hüllflächenaufwand zusammen: Je größer die erforderliche Hüllfläche in Bezug zur Nutzfläche ausfällt, desto höher sind auch die Dämmanforderungen an Dächer, Fassaden und erdberührende Bauteile oder Kellerdecken. Dieser Wirkungszusammenhang wird vereinfachend über den Entwurfsparameter der Kompaktheit abgebildet: Je geringer die Summe der Hüllflächen im Verhältnis zum Gebäudevolumen oder zur Nutzfläche sind, desto geringer sind – unter der Annahme eines gleichbleibenden Wärmeschutzes der Hüllkonstruktionen – die Wärmeverluste dieses Baukörpers. Nicht zuletzt stellt die Kompaktheit auch im Hinblick auf den Herstellungsenergieaufwand (Graue Energie) eines Gebäudes eine – wenn nicht sogar die wesentliche – Schlüsselgröße dar. Es existieren unterschiedliche Definitionen zur Kompaktheit: • Das A / V-Verhältnis bezieht die Hüllflächen A auf das umbaute Volumen V. Dieser Kennwert ist relativ ungenau, weil sich hinter einem großen Volumen auch nicht nutzbare Bereiche, z. B. Dachabseiten oder Lufträume, verbergen können.

Hüllflächenprinzip und Kompaktheit

• Das A / EBF-Verhältnis bezieht die Hüllflächen auf die Energiebezugsfläche EBF. • Das Agew/EBF-Verhältnis beruht auf den gewichteten Hüllflächen Agew, bei denen Flächen zum Keller oder Erdreich wegen der verringerten Wärmeverluste um einen pauschalen Faktor von 0,5 vermindert werden. Diese werden in Bezug zur beheizten Nutzflächen EBF gesetzt. Dieser Kennwert ist direkt proportional zu den Wärmeverlusten der Gebäudehülle und drückt den Formeinfluss des Baukörpers auf die resultierenden Transmissionswärmeverluste aus. Er wird daher für die folgenden Betrachtungen verwendet. In Abb. 4.4 sind die Kompaktheitskennwerte für verschiedene Gebäudetypen im Wohnungsbau dargestellt. Der Hüllflächenaufwand unterscheidet sich zwischen einem stark aufgelösten Bungalow und einer besonders kompakten Blockrandbebauung etwa um den Faktor fünf. Unter der Annahme eines gleichbleibenden Wärmeschutzes zeigt sich bei einem Standardvergleich ein in etwa linearer Zusammenhang zwischen Jahresheizwärmebedarf bzw. Heizlast und dem Agew/EBF-Verhältnis der Baukörper. Den alles andere überragenden Einfluss übt zunächst die Wahl des energetischen Standards aus. Hinsichtlich der Energiekennwerte bilden sich dadurch klar voneinander abgegrenzte Niveaus aus. Gleichwohl ist bei allen Standards der Einfluss der Kompaktheit sehr ausgeprägt, bei Passivhäusern sogar spürbar stärker als bei Gebäuden nach EnEV. Dies, weil die Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung die spezifischen Lüftungswärmeverluste im Vergleich zu Gebäuden mit Fensterlüftung bzw. Abluftanlagen deutlich reduziert. Dadurch nimmt die relative Bedeutung der Transmissionswärmeverluste durch die Gebäudehülle nochmals deutlich zu (Abb. 6.4, S. 69). Zur Veranschaulichung des Einflusses der Kompaktheit war es zunächst sinnvoll, eine gleichbleibende Qualität des Wärmeschutzes zugrunde zu legen. Wie schon erläutert, werden Passivhäuser jedoch in Bezug auf weitgehend objektiv begründete Zielgrößen hin dimensioniert. Die Anforderungen sind somit unabhängig von der Kompakheit zu erfüllen. Das hat u. a. zur Folge, dass wenig kompakte Gebäudetypen wie frei stehenden Einfamilienhäuser, nicht, wie dies häufig bei anderen Standards der Fall ist, privilegiert werden. Und damit ändert sich auch die Betrachtungsweise erheblich. Es interes-

,0

-1

m is [

ltn

rhä

e V-V

A/

] 0,6

0,7

0,8

1 0,9

1,2

0,5

0,4 2,5

0,3 2,0 0,2

nis

1,5 1,0

lt rhä

3,0

3,5

4,0

4,5

[–]

e

F-V

/EB w

A ge

0,7

4.4

Loggien in Mittellage Wärmebrücken: 40 m

Loggien in Ecklage Wärmebrücken: 30 m

Vorgestellte Balkone Wärmebrücken: 20 m

Agew/EBF =

1,54

Agew/EBF =

1,39

Agew/EBF =

1,28

Reduktionsfaktor Verschattung:

0,51

Reduktionsfaktor Verschattung:

0,55

Reduktionsfaktor Verschattung:

0,70

2

Heizwärmebedarf: 17,0 kWh/m a

2

Heizwärmebedarf: 14,7 kWh/m a

Heizwärmebedarf: 10,2 kWh/m2a 4.5

4.3 Energiekennwerte unterschiedlich kompakter Wohngebäude abhängig vom energetischen Standard a erforderlicher mittlerer U-Wert der opaken Hüllbauteile, um einen vorgebenen Heizwärmekennwert zu erreichen. Dieser beträgt für Gebäude gemäß EnEV 80 kWh/m2a, für Niedrigenergiehäuser 60 kWh/m2a und für Passivhäuser 15 kWh/m2a. b Einfluss der Kompaktheit auf den spezifischen Jahresheizwärmebedarf, die maximale tagesmittlere Heizlast und die Übertemperaturhäufigkeit h (ϑ > 25 °C) eines Einfamilienhauses mit Passivhausstandard c wie b, jedoch Werte für ein Mehrfamilienhaus 4.4 typische Kompaktheitskennwerte verschiedener Gebäudetypen im Wohnungsbau 4.5 Vergleich verschiedener Möglichkeiten der Ausbildung von Loggien und Balkonen.

Es zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den Kompaktheitskennwerten, wärmebrückenträchtigen Anschlusslängen (grün) und den resultierenden Heizwärmekennwerten unter der Annahme eines gleichbleibenden Wärmeschutzes der Hüllflächen. 4.6 Gebäude mit gegeneinander versetzten Loggien im Erd- und Obergeschoss. Das führt zu einer bedeutenden Verschlechterung der Kompaktheit, einer starken Verschattung der Hauptverglasungen und vielen wärmebrückenträchtigen Anschlüssen. Eine Realisierung als Passivhaus wäre nur mit sehr hohem Aufwand möglich. 4.7 Mehrfamilienhaus in Wien (A) 2012, Adolf Krischanitz. Hier wurden die Loggien als vorgehängte, thermisch getrennte Betonelemente ausgeführt. Die Kompaktheit der Gebäudehülle bleibt trotz der freien Anordnung der Loggien gewahrt; die Anschlusslängen bleiben kurz.

4.6

4.7

35

Kompaktheit A(gew)/EBF [-]

Entwurfs- und Planungsprinzipien

4,0

Gebäudetiefe [m] 6 7,5 9 12 15

3,5 3,0 2,5 2,0 1,5 1,0 0,5 I

II

III

IV

V

Kompaktheit A(gew)/EBF [-]

a 4,0

VI

VII VIII IX Geschosszahl

Geschosszahl I II III IV VI VIII

3,5 3,0 2,5 2,0 1,5 1,0 0,5 6,0

7,5

9,0

10,5

12 13,5 15,0 Gebäudetiefe [m]

Kompaktheit A(gew)/EBF [-]

b 5,0

Geschosszahl I II III IV VI VIII

4,5 4,0 3,5 3,0 2,5 2,0 1,5 1,0 0,5 5

c

10

20

40

80 160 320 Gebäudelänge [m] 4.8

4.8 Einfluss verschiedener Entwurfsparameter auf die Kompaktheit eines Baukörpers a Geschosszahl b Gebäudetiefe c Gebäudelänge 4.9 Anwendung des Homogenitätsprinzips und der zugeordneten Regeln des wärmebrückenfreien sowie luft- und winddichten Konstruierens beim Sockeldetail a Sockeldetail im Massivbau b Sockeldetail im Holz-Leichtbau 1 Kimmsteinlage aus Porenbeton 2 Putzabschlussschiene, thermisch abgekoppelt 3 Abdichtung bis 30 cm über Gelände 4 Perimeterdämmung 5 Holzschwelle mindestens 5 cm über Gelände

36

siert nun der notwendige bauliche bzw. technische Aufwand, um diese Zielwerte (gerade) zu erreichen. Stark vereinfachend kann man als Suchgröße hierfür die notwendige Dämmqualität der Hüllflächen verwenden. Alle anderen energetischen Kenngrößen, z. B. U- und g-Wert der Fenster, Fensterflächenanteile und -verteilung, Wärmebereitstellungsgrad der Lüftungsanlage usw. werden dabei konstant gehalten. Um einen aussagekräftigen Standardvergleich zu ermöglichen, werden auch für Gebäude gemäß EnEV und die Niedrigenergiehäuser vorab festgelegte Zielwerte vorgegeben [16] (Abb. 4.3 a, S. 34). Unter diesen Randbedingungen gilt für alle Standards, dass die Ansprüche an die energetische Qualität der baulichen und technischen Komponenten um so höher werden, je weniger kompakt der Baukörper ist. Naturgemäß sind die Anforderungen für Passivhäuser deutlich höher als bei den beiden anderen Standards. Während die mittleren U-Werte der opaken Bauteile für sehr kompakte Passivhäuser eher im Bereich typischer Niedrigenergiekonstruktionen zu liegen kommen (mit U > 0,18 W/m2K), sind die Anforderungen bei Gebäudetypen mit extrem ungünstiger Kompaktheit sehr hoch (mit U  25 °C) von der Orientierung der Hauptfassade eines Reihenmittelhauses mit Passivhausstandard 4.12 Einfluss der Verschattung durch eine Nachbarbebauung auf den Heizwärmebedarf, die Heizlast und die Übertemperaturhäufigkeit eines Gebäudes. Variiert wird das A/H-Verhältnis (Abstand/Höhe) einer parallel zur Hauptfassade verlaufenden Nachbarzeile. 4.13

38

4.14

Solares Bauen mit Passivhäusern

orientierung und Neigungen zwischen 15 und 60 Grad die höchsten Erträge auf. Aus energetischer Perspektive ist daher eine Südorientierung von Verglasungen und aktiven Solarsystemen eindeutig zu bevorzugen. Ein Standardvergleich zum Einfluss der Orientierung zeigt, dass Passivhäuser viel empfindlicher auf diesen Entwurfsaspekt reagieren als Niedrigenergiehäuser oder Bestandsgebäude. Durch die Anordnung und die Form des Baukörpers fallen bereits in frühen Entwurfsphasen wichtige Vorentscheidungen über die spätere Orientierung und Verteilung der Verglasungsflächen. Gebäude weisen jedoch immer Öffnungen in mehrere Richtungen auf. Daher hat die Gebäudeorientierung stets Einfluss auf die räumliche Verteilung der Verglasungen an allen Fassaden und gegebenenfalls Dachflächen. Letztere lassen sich immer nur entwurfsbezogen und in engem Bezug zu den Raumnutzungen und zur inneren Struktur der Gebäudes (Grundriss, Schnitt) festlegen. Der Einfluss der Orientierung auf die Energiebilanz ist bei der Betrachtung eines einzelnen Fensters sowie bei zeilenförmigen Gebäudetypen mit einer Konzentration der Verglasungsflächen auf die Hauptfassade sehr ausgeprägt (Abb. 4.11). Er wird spürbar geringer, wenn die Gebäude eine ungerichtete Form aufweisen (z. B. Punkthäuser, Baublockstrukturen). Bei ungerichteten Baukörpern mit gleichmäßiger Verteilung der Fensterflächen spielt die Orientierung des Baukörpers keine Rolle mehr. [20]

tisch, weil sie aufgrund der verkürzten Heizperiode nur vom Geäst ausgeht. Im Sommer ist die Verschattung von Freiflächen und Innenräumen durch Bäume hingegen oft erwünscht. Daher sind bei Passivhäusern gute Voraussetzungen gegeben, um Laubgehölze als Entwurfselemente zur Verbesserung der Behaglichkeit in Innen- und Freiräumen sowie des Klein- und Stadtklimas einzusetzen. [21] Solarkonzept Beim Entwurf jedes Passivhauses ist es sinnvoll, in einem abwägenden und iterativen Prozess die Positionierung und Größe der Solarapertur (Fenster, Solarfassaden, TWD-Systeme, Solarkollektoren, Fotovoltaikflächen) zu klären. Die klimatischen und städtebaulichen Randbedingungen spielen dabei immer eine große Rolle. Von diesen hängt u. a. ab, ob der Fokus des Solarkonzepts eher auf den Winter- oder der Sommerfall zu richten ist. Aufgrund der hohen spezifischen Systemkosten transparenter bzw. transluzenter Flächen und des großen Aufwands für Sonnenschutzmaßnahmen und Kühlsysteme ist es in den meisten Fällen sinnvoll, die Verglasungsflächen nicht übermäßig zu vergrößern. Strategisch ist es von größter Bedeutung, dass sich bei hinrei-

chend kompakten Passivhäusern ungünstige solarenergetische Randbedingungen durch eine geschickte Fensterflächenverteilung und/oder eine moderate Verbesserung des Wärmeschutzes ausgleichen lassen. Die solaren Systemflächen prägen nicht zuletzt für das Erscheinungsbild zeitgemäßer Architektur. Ihre gestalterische Integration umfasst nicht nur Fenster und sonstige Verglasungen, sondern zunehmend auch fassaden- und dachintegrierte Kollektor- und Fotovoltaiksysteme. In einigen Fällen haben diese bereits den Status von entwurfsbestimmenden Elementen (Abb. 4.13 – 4.15).

4.13 Plusenergie-Mehrfamilienhaus in Bennau (CH) 2009, grab architekten. Aktive Solarwärmenutzung durch 150 m2 geschosshohe Solarkollektoren in der Südfassade, gekoppelt an einen 25 m3 großen saisonalen Wärmespeicher. Die komplette Südseite des Dachs nehmen 260 m2 Dünnschicht-Fotovoltaikmodule ein. 4.14 Bürogebäude in Winterthur (CH) 2007, Beat Kämpfen. Passive Solarwärmenutzung durch in die Südfassade integrierte Salzhydrat-Latentwärmespeicher sowie geschosshohe Dreifachverglasungen. Eine 485 m2 große Indach-Fotovoltaikanlage erzeugt im Jahresverlauf mehr Strom, als Gebäudtechnik und Nutzer verbrauchen. 4.15 Gemeindehaus in Ludesch (A) 2006, Hermann Kaufmann. Vordach aus 350 m2 transluzenten Fotovoltaikmodulen (18 kWp; Ertrag 16 000 kWh/a)

Einfluss der Verschattung Verglasungen können durch Topografie (Berg- und Hügelzüge, Waldkanten oder Ähnliches), Nachbarbebauung und Eigenverschattung (Überstände, Vor- und Rückspünge, Fensterlaibungen) verschattet werden. Dies führt immer zu einer Minderung der solaren Gewinne bzw. Einträge (Abb. 4.12). Während diese Verschattung im Winter unerwünscht ist, weil sich die Besonnung der Innenräume verschlechtert sowie der Heizwärmebedarf und die Heizlast steigen, hilft sie im Sommer, die Räume vor Überhitzung zu schützen. Bäume und andere Pflanzen wirken als halb transparente Verschattungsobjekte. Ihre Transparenz für Solarstrahlung liegt zwischen 70 und 90 % (Laubbäume im unbelaubten Zustand) und 5 und 40 % (Laubbäume im belaubten Zustand und Nadelbäume). Diese Werte variieren je nach Jahreszeit und Baumart. Bei Passivhäusern ist die Verschattung durch Laubgehölze vergleichsweise unproblema4.15

39

Entwurfs- und Planungsprinzipien

Massivbauschale mit Wärmedämmverbundsystem

20°C

–10°C

ungünstiger Fenstereinbau Einbau-Ψ-Wert: 0,104 W/mK UW-Wert (eingebaut): 1,074 W/m2K Oberflächentemperatur Rahmen/ Wand: 17,1 °C

günstiger Fenstereinbau Einbau-Ψ-Wert: – 0,007 W/mK UW-Wert (eingebaut): 0,755 W/m2K Oberflächentemperatur Rahmen/ Wand: 18,6 °C

Heizwärmekennwerte für Typengebäude mit Passivhaus-Wärmeschutz und effizienter Lüftungsanlage: Einfamilienhaus: 18,6 kWh/m2a Mehrfamilienhaus: 16,1 kWh/m2a

Heizwärmekennwerte für Typengebäude mit Passivhaus-Wärmeschutz und effizienter Lüftungsanlage: Einfamilienhaus: 12,8 kWh/m2a Mehrfamilienhaus: 12,4 kWh/m2a

Brettstapelwand mit vorgestellter, gedämmter Leichtbauschale

20°C

–10°C

ungünstiger Fenstereinbau Einbau-Ψ-Wert: 0,062 W/mK UW-Wert (eingebaut): 0,935 W/m2K Oberflächentemperatur Rahmen/ Wand: 17,5 °C

günstiger Fenstereinbau Einbau-Ψ-Wert: 0,002 W/mK UW-Wert (eingebaut): 0,778 W/m2K Oberflächentemperatur Rahmen/ Wand: 17,5 °C

Heizwärmekennwerte für Typengebäude mit Passivhaus-Wärmeschutz und effizienter Lüftungsanlage: Einfamilienhaus: 17,6 kWh/m2a Mehrfamilienhaus: 15,1 kWh/m2a

Heizwärmekennwerte für Typengebäude mit Passivhaus-Wärmeschutz und effizienter Lüftungsanlage: Einfamilienhaus: 13,9 kWh/m2a Mehrfamilienhaus: 13,0 kWh/m2a 4.16

a

b

4.17

a

b

4.18

40

Der Fensteranschluss – ein Schlüsseldetail Die Entwicklung der Detaillösungen für alle Anschlüsse von Fenstern und anderen verglasten Öffnungen prägt nicht nur entscheidend die Baugestalt. Sie beinhaltet auch eine ganze Reihe baukonstruktiver und bauphysikalischer Aufgabenstellungen. Auswahl des Fensterprofils Aufgrund des großen Angebots von Fensterfabrikaten und weiteren Verglasungssystemen (z. B. Pfosten-Riegel-Fassaden) steht am Anfang jeder Detailentwicklung die Frage, welche Rahmenart sowie welches konkrete Produkt verwendet werden sollen. Tiefe, Ansichtsbreite und Profilierung der Rahmen bestimmen mit, wie das Fenster in der Öffnung insgesamt in Erscheinung treten wird. Auch die Höhe der solaren Gewinne hängt davon ab. Die Ausbildung des Fensterstocks gibt die Möglichkeiten vor, inwieweit das Fenster über- oder hinterdämmt werden kann. Rahmenmaterial und Oberflächenbehandlung sind wichtige Merkmale eines Fensters aus gestalterischer, ökologischer und bautechnischer Sicht. Nicht zuletzt spielen bei der Wahl eines Fensterfabrikats dessen energetische Kennwerte eine große Rolle, weil sie entscheidenden Einfluss auf die Energiebilanz haben. Hierzu zählen die U-Werte des Rahmens und der Verglasung, der g-Wert der Verglasung sowie der Ψ-Wert des Glasrands. Einbaulage Dem Homogenitätsprinzip folgend ist für Passivhausfenster grundsätzlich eine Positionierung in der Dämmebene sinnvoll. Nur dann ist ein günstiger Anschluss der Dämmlagen gegeben. Die ideale Positionierung in der Mitte der Wanddämmung ist jedoch zumeist befestigungstechnisch sehr aufwendig. Im Massivbau hat sich daher der Einbau direkt vor der Außenkante der Massivschale als passivhaustypische Lösung etabliert. Die Befestigung erfolgt mithilfe von Winkeln und/ oder Aufsetzprofilen aus Holz bzw. hochfesten Dämmstoffen, die als Befestigungsuntergrund geeignet sind. Liegt das Fenster hingegen in der Massivschale, steigen die Wärmeverluste stark an (Abb. 4.16). Im Holzbau gilt das Gleiche, jedoch kann hier die Einbauposition häufig freier gewählt werden, weil eine Befestigung in mehreren Positionen möglich ist. Die Ausbildung von Sturz, Brüstungsholz und seitlichen Stehern (Stegträger, gedämm-

Der Fensteranschluss – ein Schlüsseldetail

ter Träger, Brettschichtholz) bestimmt letztlich, an welchen Stellen das Fenster befestigt werden kann und zugleich ein günstiger Dämmanschluss vorliegt. Je nach gestalterischer Absicht lassen sich Passivhausfenster jedoch auch sehr weit innen platzieren (z. B. in der Installationsebene einer Holzrahmenwand) oder sehr weit außen, bis hin zu außenbündigen Festverglasungen (Abb. 4.17). In allen Fällen ist die Einbauwärmebrücke zu bestimmen und im PHPP-Fensterblatt einzugeben. Bei außenbündigen Verglasungen ist zusätzlich der Schlagregenschutz mit besonderer Sorgfalt zu planen und auszuführen. Inzwischen ist auch für diese Einbausituation ein zertifiziertes Produkt verfügbar. Die Einbauposition steht in engem Zusammenhang mit der Laibungsverschattung. Bei einer innenseitigen Lage ergibt sich eine spürbare Reduktion der solaren Gewinne, die im Sommer jedoch erwünscht sein kann. Bei einer außenseitigen Position ist es genau umgekehrt. Hier kann ein gestalterischer Konflikt entstehen, wenn der dann häufig zwingend notwendige Sonnenschutz in die Wand integriert werden soll. Es fehlt dann zumeist der Platz für einen günstigen Dämmanschluss.

Ausbildung der Fensterlaibungen Zusätzlich ist eine Überdämmung des Fensterstocks empfehlenswert, um einen möglichst guten Dämmanschluss sicherzustellen. Damit ändert sich die Lage und Ausbildung der Fensterlaibung erheblich. Liegt den Öffnungen ein Fassadenraster zugrunde, ergeben sich dadurch Verschiebungen im Bandraster, die gestalterisch oft schwierig lössbar sind. Um die solaren Gewinne und die Tagesbelichtung zu verbessern, können die äußeren und inneren Fensterlaibungen schräg verlaufen. Hier existiert ein großer Spielraum, weil die Isothermen in diesem Bereich zum Fenster hin abknicken (Abb. 4.19 b). Systematisch eingesetzt ergeben sich dadurch neue Möglichkeiten der Fassadengestaltung (Abb. 4.19 a). Integration von Sonnenschutzsystemen Zur Entwicklung des Fensterdetails gehört auch die konstruktive und gestalterische Integration des Sonnenschutzes. Für einige Anwendungsfälle existieren hierzu vorkonfektionierte Systemlösungen. In manchen Fällen stellt die Integration des Sonnenschutzes den Ausgangspunkt für die Entwicklung eigenständiger Gestaltungselemente, z. B. einer Fensterrahmung, dar (Abb. 4.20).

4.16 Vergleich zwischen einer ungünstigen (jeweils links) und einer günstigen (jeweils rechts) Einbausituation eines Passivhausfensters im Massivbau (oben) und Holzleichtbau (unten) [19] 4.17 Sanierung eines Einfamilienhauses in Kolding (DK) 2010, Sofie Thorning. Das Haus erhielt eine komplett neue Hülle aus glasfaserverstärkten Kunststoffplatten, die auch die Dachflächen umfasst. Die Rahmen der außen liegenden Fenster bestehen aus dem gleichen Material; die Verglasung ist fest verklebt. a Ansicht b Detailschnitt, Maßstab 1:20 4.18 Mehrfamilienhäuser in Wolfurt (A) 2001, Gerhard Zweier. Massivbau mit Fassaden aus vorgefertigten Holzrahmenelementen und innenbündig (in der Installationsebene) eingebauten Fenstern. Verwendet wurden Holzfenster, deren Flügelrahmen eine Kerndämmung aus PURRezyklat erhielten. a Ansicht b Detailschnitt, Maßstab 1:20 4.19 Sanierung eines Verwaltungsgebäudes in Bozen (I) 2006, Michael Tribus Architecture. Schräge Laibungen als gestalterisches Mittel und zur Verbesserung des Tageslichteintrags. Die Fenster sind in der Dämmebene positioniert. Trotz der Schwächung des Dämmquerschnitts an dieser Stelle ist die Einbauwärmebrücke gering. a Ansicht der Fassade b Detailschnitt c Isothermendarstellung 4.20 Stadtreihenhäuser in München (D) 2006, Rainer Vallentin. Die aus der Fassadenebene hervortretende Fensterrahmung dient nicht nur als gestalterisches Mittel, sondern erlaubt auch die Integration der Senkrechtmarkise ohne Schwächung des Dämmquerschnitts. Der Fensteranschluss ist wärmebrückenfrei. a Ansicht der Fassade b Detailschnitt c Isothermendarstellung

20°C

-10°C a

b

c

4.19

a

b

c

4.20

41

Entwurfs- und Planungsprinzipien

Planungsprinzipien der Passivhaustechnik Die räumliche Anordnung der haustechnischen Systeme – Lage der Technikräume und Verlauf der vertikalen und horizontalen Verteilsysteme – ist zunächst eine Architektenaufgabe. Dies vor allem, um die Entwurfsideen ohne entstellende Eingriffe umsetzen zu können. Die räumliche Integration der Haustechnik erfordert die Entwicklung einer Ordnung analog zu den Konstruktionssystemen bzw. der internen Erschließung des Gebäudes. Die technische Planung im engeren Sinn kann und soll hingegen den Fachplanern überlassen bleiben.

a 1

2 3

1 Dachtechnikraum 2 Anbau 3 Keller b

Abluft

Zuluft

Massivbau Dämmhülle Lüftungs- und Heizungsraum, Schächte, Leitungen Lüftungsverteilung 4.21

Überströmzone 4.22

Sofern dies nicht möglich ist, sollten die Technikräume dann wenigstens möglichst nahe an den Durchdringungspunkten der Vertikalschächte platziert werden, um die Länge der Horizontalverteilungen außerhalb der Gebäudehülle zu minimieren. Sie können sowohl im Keller, als auch in Form ebenerdiger Anbauten oder als Dachaufbauten realisiert werden.

a

Prinzip der kurzen Wege Im Passivhaus können in der Regel Heizflächen unter den Verglasungen entfallen.

b 4.23

42

Platzierung der Technikräume in oder nahe der Gebäudehülle Die Platzierung der Gebäudetechnik steht in engem Zusammenhang mit dem Hüllflächenprinzip. Zu entscheiden ist hier, ob die technischen Anlagen (z. B. Lüftungsanlage, Wärmeerzeuger, Kühlaggregate) inner- oder außerhalb der Gebäudehülle platziert werden sollen. Im Passivhaus ist die Anordnung der technischen Anlagen innerhalb der Gebäudehülle, z. B. in einem gedämmten Keller, aus mehreren Gründen sinnvoll (Abb. 4.21 und 4.24): • Es ergibt sich ein einfaches Luftdichtkonzept, weil nur die Hausanschlüsse und wenige Durchdringungen wie Frisch- und Fortluftkanäle sowie gegebenenfalls Soleleitungen luftdicht auszubilden sind. Auch die schwierigen luftdichten Durchführungen von ElektroKabelbünden lassen sich so zumeist vermeiden. • Die Wärmeverteilverluste durch Wärmeerzeugung, -speicherung und -verteilung der Heizungsanlage sind bei Aufstellung innerhalb der Hülle deutlich geringer. • Bei geschickter Platzierung in Nähe der Vertikalschächte lassen sich zusätzlich die Längen der Horizontalverteilungen stark reduzieren.

Auch die Lüftungsventile müssen nicht notwendigerweise im Fassadenbereich platziert werden. Dadurch ist es möglich, die vertikale und horizontale Verteilung der Heizung und Lüftung ausschließlich im Gebäudekern vorzunehmen. Die daraus resultierenden kurzen Wege von Versorgungsleitungen und Kanälen sind sowohl hinsichtlich der Kosten und des Platzbedarfs als auch hinsichtlich der Energieverluste und des Hilfsstromeinsatzes günstig. Weil im PHPP nicht mit Pauschalwerten für Leitungslängen und Verteilverluste gerechnet werden darf, werden diese Optimierungspotenziale in der Energiebilanz auch unmittelbar sichtbar. Bei Passivhäusern ist dies von sehr großer Bedeutung, weil ansonsten die hohe Effizienz der Gebäudehülle und der Primärtechnik auf der Sekundärseite der Versorgung (Speicherung, Verteilung, Übergabe) infrage gestellt würde. Lüftungszonierung Die Lüftungszonierung ist auf den ersten Blick ein vor allem nutzungsabhängiger räumlicher »Sortiervorgang«: • Der Zuluftzone werden alle Räume zugeordnet, die direkt mit Frischluft versorgt werden sollen. Im Wohnungsbau sind dies die Wohn-, Ess-, Individualund Schlafzimmer. • Der Abluftzone gehören alle Räume an, in denen Feuchte- und Geruchsbelastungen auftreten können, z. B. Küchen, Bäder, WCs, Duschen, Hauswirtschaftsräume. • Die Überströmzone umfasst Räume, durch die die Luft von den Zuluft- zu den Ablufträumen strömt. Für sie gelten keine höheren Anforderungen. Der Luftverbund wird über Überströmöffnungen (Türschlitze, Überströmzargen, Überströmventile) hergestellt. Das Ziel ist, eine gleichmäßige und alle Raumzonen erfassende Frischluftversorgung sicherzustellen und gleichzeitig Gerüche und Raumfeuchte direkt an den Quellen abzuführen. Die Lüftungszonierung ist zudem Grundlage für die Planung des Lüftungskanalnetzes (Abb. 4.22). Kaskadenlüftung In den letzten Jahren wurden weiter vereinfachte Lüftungskonzepte erprobt. Hierbei wird die Zuluft nur in die Individualund Schlafräume eingebracht, während Wohn- und Esszimmer als erweiterte Überströmzone fungieren. Dadurch lassen sich bei gleicher Innenluftqualität das Kanalnetz, der Luftumsatz und der Ventilatorstromverbrauch reduzieren. Dieses Konzept erfor-

Planungsprinzipien der Passivhaustechnik

Dienende und bediente Räume Die Bündelung der haustechnischen Systeme im Grundriss führt zu dem räumlichen Prinzip der dienenden und bedienten Räume. Zielsetzung ist, die Haupträume (bediente Räume) von allen störenden haustechnischen Einrichtungen zu befreien. Die räumliche Umsetzung dieses Entwurfsprinzips ist über Zonierungen oder dienende Elemente in Form eigenständiger Raumelemente (z. B. Sanitärzellen, Schächte als »Anker« im Grundriss usw.) möglich (Abb. 4.23).

spezifische Verluste [kWh/(m2EBF·a)]

Lüftungs- und Beheizungskonzept Für jedes Passivhaus ist in Abstimmung zwischen Bauherren, Architekten und Fachplanern ein Lüftungs- und Beheizungskonzept zu entwickeln. Hierbei sind insbesondere folgende Fragen zu klären: • Wie werden die Räume den Lüftungszonen zugeordnet und unter welchen Maximen erfolgt der Abgleich der Luftmengen? • Soll die Beheizung ausschließlich über die Zuluft bzw. die Zuluft und zusätzliche ergänzende Heizflächen erfolgen?

Oder ist eine komplette Auftrennung der Funktionen Lüftung und Heizung notwendig bzw. vorteilhafter? • Nach welchen Kriterien wird das Versorgungskonzepts gewählt, z. B. bevorzugter Energieträger, vorhandene Leistungsreserven, geringe Investitionsoder geringe Betriebs- und Wartungskosten? Stromeffizienzkonzept Im Passivhaus fällt die Umsetzung des Stromeffizienzkonzepts in die gemeinsame Verantwortung von Bauherren, Architekten und Fachplanern. Sie betrifft die Ausstattung der Gebäude mit Elektrogeräten, Kochherden, Arbeitsmitteln (wie Computer, Server, Bildschirme, Drucker), Beleuchtung, Kühlaggregaten und allen haustechnischen Hilfsaggregaten (z. B. Pumpen, Ventilatoren, Steuerungen). Durch die Wahl geeigneter Komponenten lässt sich in den meisten Fällen der Strombedarf gegenüber dem heute üblichen Niveau um einen Faktor 1,5 – 5 reduzieren. Neben dem unmittelbaren Einfluss auf den Primärenergiebedarf machen vor allem die Auswirkungen auf das thermische Verhalten des Gebäudes im Winterund Sommerfall eine frühzeitige Abklärung unverzichtbar (Abb. 4.25):

14

EnEV 2002/2009 Passivhaus Passivhaus + Solaranlage (50–60 % Brauchwassererwärmung)

12 10 8 6

• Das Sommerklimaverhalten von Gebäuden hängt in starkem Maß von der Höhe der internen Wärmequellen ab. Der Stromverbrauch hat darauf einen sehr großen Einfluss, weil der größte Teil des eingesetzten Stroms als Abwärme in die Räume gelangt. Daher stellt ein Stromeffizienzkonzept immer eine Voraussetzung für alle passiven Kühlstrategien dar. Nochmals bedeutender wird dies, wenn, wie häufig in Nichtwohngebäuden, eine energieeffiziente aktive Kühlung notwendig ist. • Andererseits leisten die internen Wärmegewinne im Passivhaus einen wesentlichen Beitrag zur Beheizung. Perspektivisch ist damit zu rechnen, dass die Heizlast eines Passivhauses durch künftige, besonders effiziente Stromanwendungen tendenziell ansteigt. Das heißt, hier sind entsprechende Leistungsreserven vorzusehen. • Für Nullenergiekonzepte ist eine hohe Stromeeffizienz Voraussetzung für eine hohe Eigendeckungsrate und künftige hausintegrierte Speicherkonzepte. • In besonderen Fällen ergeben sich Synergieeffekte durch eine gezielte Abwärmenutzung räumlich konzentierter Aggregate mit hohem Strombedarf (z. B. Serverräume, Kühltheken). 24 h-Mittel im Sommer [W/m2]

dert jedoch eine Trennung von Lüftung und Beheizung der Wohnräume, die in vielen Fällen ohnehin empfehlenswert ist.

6

Elektrogeräte Beleuchtung Personen Verdunstung

4

2

4 0 2 0 Hofhaus

Einzelhaus

a

Reihenhaus dezentral

Reihenhaus zentral

Punkthaus Vierspänner

Zeilenhaus

üblich

verbessert

effizient

spezifische Verluste [kWh/(m2EBF·a)]

4.25 14

EnEV 2002/2009 Passivhaus Passivhaus + Solaranlage (50–60% Brauchwassererwärmung)

12

Passivhaus + Lüftungskompaktgerät Passivhaus + Lüftungskompaktgerät + Solaranlage

10 8 6 4 2 0 Hofhaus

b

-2

Einzelhaus

Reihenhaus dezentral

Reihenhaus zentral

Punkthaus Vierspänner

Zeilenhaus 4.24

4.21 Platzierung der Technikräume relativ zur Gebäudehülle a innerhalb b außerhalb, möglichst nah an den Steigschächten 4.22 Gegenüberstellung von klassischer Lüftungszonierung (linke Wohnung) und vereinfachter sogenannter Kaskadenlüftung, bei der die Zuluft nur in die Schlaf- und Individualzimmer eingebracht wird (rechte Wohnung) 4.23 Prinzip der dienenden und bedienten Räume a Haustechnikzone/Hauptraumzone b Sanitärbox 4.24 Verteil- und Speicherwärmeverluste bei: a Aufstellung der Technik außerhalb der Hülle b Aufstellung der Technik innerhalb der Hülle 4.25 Höhe der internen Gewinne abhängig von der Stromeffizienz der Elektroausstattung

43

erforderlicher Um,opak [W/m2K]

Entwurfs- und Planungsprinzipien

0,4

Entwurfsbegleitende Energiebilanzierung

0,3

0,2

0,12 0,1

0 0

0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0 4,5 Kompaktheit A/EBF [–]

Heizwärmekennwert [kWh/m2a]

4.26 20

15,0 15

14,7

13,4

13,0

12,4

12,2 11,2

10

5

Reduktionsfaktor Verschattung

0

a

b

c

1

d Süd

e Ost/West

f

g 4.27 Nord

0,9 0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3

Die ersten Entwurfsschritte dienen nicht nur der Entwicklung der Entwurfsidee, sie prägen auch das Energiekonzept. Es hat sich gezeigt, dass die Verwendung des Passivhaus-Projektierungspakets (PHPP) in dieser frühen Entwurfsphase in den meisten Fällen einen zu großen Aufwand verursacht und daher unterbleibt. Zudem sind viele Informationen, die zur Aufstellung einer vollständigen Energiebilanz notwendig sind, zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorhanden [22]. Für eine entwurfsbegleitende Energiebilanzierung erscheint es daher sinnvoll zu sein, ein abgestuftes System von Entwurfshilfen und Rechentools zu verwenden, das dem zunehmenden Detaillierungsgrad der Informationen im Verlauf des Entwurfsprozesses gerecht wird. Der Autor hat hierfür einerseits einfache Dimensionierungshilfen und andererseits ein knappes Excel-Tool entwickelt, mit dem sich einfache Jahresbilanzen zum Heizwärme- und Heizlastkennwert berechnen lassen, auch wenn einige Entwurfsparameter vorläufig noch nicht feststehen [23]. Der Eingabeaufwand ist gering (maximal 5 bis 10 Minuten je Entwurfsvariante), und es gibt keine Voreinstellungen. Alle energierelevanten Parameter muss der Benutzer selbst eingeben. Dadurch soll das Verständnis für Energiebilanzen und die hierbei entscheidenden Entwurfsgrößen gefördert werden. Den Ablauf einer entwurfsbegleitenden Energiebilanzierung verdeutlicht ein konkretes Entwurfsbeispiel (Stadtreihenhäuser in München, siehe Projektdokumentation ab S. 56):

0,2 0,1 0 0

6 7 8 Proportion T/B 4.28 4.26 erforderlicher mittlerer U-Wert der opak gedämmten Flächen (Dach, Außenwand, Kellerdecke) zur Einhaltung des Passivhausstandards (Heizwärmekennwert = 15 kWh/m2a). Erste Vordimensionierung für den Hauptbaukörper der Stadtreihenhäuser München (siehe S. 56ff.) 4.27 Vergleich verschiedener Entwurfsvarianten zum Projekt Stadtreihenhäuser München mit dem ein-fachen Energiebilanztool »PHPP-Entwurf« a wie gebaut b Nordfensterflächen halbiert c ohne Überdämmung Fenster d keine Verschattung durch Balkon e ohne Anbauten an den Stirnfassaden f Keller und Technik außerhalb der Hülle g besseres Lüftungsgerät (separate Wärmepumpe) 4.28 Berechnung der Verschattungsfaktoren von Verschattungselementen aus horizontalen Stäben, abhängig vom T/H-Verhältnis (Tiefe/Höhe) der Zwischenräume und deren Orientierung

44

1

2

3

4

5

Vorentwurf – erste Vordimensionierung Der Bebauungsplan legte einen eng umgrenzten Bauraum mit einer südorientierten, dreigeschossigen Zeile und einer Gebäudetiefe von 10,5 m sowie einer Länge von 44 m fest. Aufgrund der geringen Zeilenabstände wird eine für Reihenhäuser hohe bauliche Dichte von GFZ = 1,0 erzielt. Mit A/H = 1,6 unterschreiten die Neubauten die in der Bayerischen Bauordnung geforderten Abstandsflächen (A/H = 2,0) deutlich. Die Hauptfassade im Süden wird dadurch stark vom Nachbargebäude verschattet. Anhand dieser städtebaulichen Vorgaben zu Baukörper, Orientierung und Verschattung wurde eine erste Vordimensionierung der Passivhaushülle vorgenommen (Abb. 4.26 und 6.9, S. 72). Der Kompaktheitskennwert der Zeile beträgt

Agew/EBF = 1,6. Für den Fall »Süd, verschattet« kann aus dem Diagramm ein erforderlicher mittlerer U-Wert der opak gedämmten Flächen von etwa 0,12 W/ m2K abgelesen werden. Für die Energiekennwerte der Lüftungsanlage und die Fenster sowie deren Verteilung werden zunächst nur pauschale Annahmen getroffen, wie sie auch den Diagrammen zugrunde liegen. Vorentwurf – erste Energiebilanzen In dieser Entwurfsphase stand die Entwicklung eines – zunächst noch abstrakten – Raumkonzepts im Vordergrund. Ein wesentliches Merkmal sind die sich überlagernden Zonierungen, die auch die Freibereiche und die vorgestellten Baukonstruktionen (Windfänge, Balkone, Terrassen) umfassen (Abb. 4.33). Auf dieser Basis wurde mit dem selbst entwickelten Tool zunächst die Heizzeitbilanz für eine Grundvariante berechnet. Im Anschluss wurden systematisch wichtige Entwurfsparameter variiert (Abb. 4.27): • Nordfenstergröße • Überdämmung der Fenster ja/nein • Wegfall der Verschattung durch Balkone • Anbauten an den Stirnfassaden ja/nein • Keller und Technik außerhalb der Hülle • hochwertigere Lüftungsanlage (separate Wärmepumpen anstelle Kompaktgerät) Dadurch ließ sich klären, wie stark sich diese Parameter auf den Heizwärme- und Heizlastkennwert auswirken würden. In vielen Fällen fiel die Wahl aus gutem Grund nicht auf die energetisch optimalen Lösungen: Die Nordfenster in den Obergeschossen sind wegen der Tagesbelichtung genauso groß wie die Südfenster. Die Verschattung durch Balkone und Rankgitter wurde akzeptiert, um angesichts des Gemeinschaftsgartens eine halb private Zone am Haus zu schaffen, und es wurde den Wünschen der Baufamilien nach Erweiterungen der Reihenendhäuser entsprochen. All dies machte einen Ausgleich an anderer Stelle (z. B. bessere Dachdämmung) erforderlich. Die Einbeziehung von Keller und Technik in die Hülle wirkt sich wegen der geringeren Verteil- und Speicherwärmeverluste vor allem günstig auf die Primärenergiebilanz aus. Entwurf – Projektierung mit PHPP Erst nachdem der Entwurf im Wesentlichen feststand, folgte die Projektierung mit dem PHPP. Die meisten Eingaben verliefen zügig, da sich viele Kennwerte

Entwurfsbegleitende Energiebilanzierung

Nutzungsphase – Monitoring Nach dem Gebäudebezug wurden die Verbrauchswerte in allen acht Reihenhäusern monatlich abgelesen. Hierdurch und durch den Vergleich der Werte untereinander war es möglich, einige Fehler bei Technikkomponenten aufzuspüren, z. B. nicht funktionsfähige Schwerkraftbremsen der thermischen Solaranlagen oder versehentlich geänderte Geräteeinstellungen des Kompaktgeräts. Die Praxis zeigt, dass diese Nachsorgephase besonders im Hinblick auf die Haustechnik unverzichtbar ist. Aufgrund der geringeren Leistungsreserven lassen sich vorhandene Fehler oder Systemschwächen bei Passivhäusern leichter aufdecken als bei Standardgebäuden. Insgesamt funktioniert die Haustechnik in allen Häusern sehr zuverlässig. Dies ist an den konstant niedrigen Verbrauchswerten abzulesen, die auch sehr gut mit den berechneten Werten des PHPP übereinstimmen.

4.30 PV-Stromertrag

Haushaltsstrom Primärenergie (nicht erneuerbar) [kWh/m2a]

Werkplanung – Bauphase In der Ausführungsplanung wurden aufbauend auf dem Dämm-, Luftdicht- und Winddichtkonzept sämtliche Hüllkonstruktionen mit allen Details entwickelt. Als relevante Wärmebrücken erwiesen sich die Anschlüsse der Kellerinnenwände an die Bodenplatte und das Sockeldetail. Erst nach Rücklauf der Ausschreibungen und Beauftragung der Firmen standen die energetischen Kennwerte, z. B. der Fenster, endgültig fest. Noch später – nach Durchführung des Blower-DoorTests – ließ sich der Leckageluftwechsel im PHPP kalkulieren. Aufgrund des günstigen n50-Werts von 0,36 h-1 ergab sich gegenüber dem Standardwert von 0,60 h-1 eine Reduzierung des Heizwärmekennwerts von ca. 1,2 kWh/m2a.

4.29 Haustechnikstrom Stromverbrauch (Zähler) [kWh/(m2·Monat)]

aus vergleichbaren Referenzobjekten übernehmen oder einfach anpassen ließen. Kompliziert zu berechnen war jedoch der energetische Einfluss der Verschattung durch vorgestellte Elemente wie Balkon, Rankgitter und Windfang (Abb. 4.28 – 4.30). Als Versorgungslösung wurde nach längerer Recherche ein Lüftungs-Kompaktgerät mit integrierter Kleinstwärmepumpe gewählt, das den Anschluss einer Solaranlage und die Auskopplung eines Heizwasserkreises erlaubt. Die Angaben zur Technik im PHPP machte der Fachplaner auf der Grundlage der Haustechnikpläne. Für das Kompaktgerät standen Kennwerte des Herstelles zur Verfügung, die jedoch mit der Zertifizierungsstelle abzuklären waren und zum Teil angepasst wurden.

5,0 4,5 4,0 3,5 3,0 2,5 2,0 1,5 1,0 0,5 0 1

2

3

4

5

6

7

8

9 10 11 12 Monat 4.31

100

Gas (Kochen)

PHPP-Kalkulation: 83 kWh/m2a

90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 -10

2006

2007

2008 4.32

Wohnweg

Terrasse

Windfang

Zimmer

Schacht

Treppe Zimmer

4.34

Terrasse

4.29 Südfassade der Stadtreihenhäuser in München mit Verschattungswirkung durch Balkon, Rankgitter und Fensterlaibungen 4.30 Nordfassade mit Verschattungswirkung durch Windfang und Fensterlaibungen 4.31 Stadtreihenhäuser in München: monatliche Stromverbrauchswerte (getrennt für Haushaltsund Haustechnikstrom) im Jahr 2006 4.32 Stadtreihenhäuser in München: PrimärenergieVerbrauchswerte der Jahre von 2006 bis 2009 und Vergleich mit dem PHPP-Rechenwert. Es zeigt sich eine sehr gute Übereinstimmung zwischen den Messwerten und dem Bedarfswert. 4.33 Entwurfsskizzen für die Stadtreihenhäuser zu Zonierung, vorgestellten Bauvolumen, Hauptverglasungen und dem zentralen Schacht als »Anker« im Grundriss 4.34 Axonometrie der Südfassade mit Verschattungselementen

Balkon

Pflanzbeet

Gemeinschaftsgarten Sitzbank Hochbeet 4.33

45

Entwurfs- und Planungsprinzipien

Einfluss des Regional- und Stadtklimas Das Regional- und Stadtklima ist ein wesentlicher Parameter für das energieeffiziente Entwerfen. Angesichts der besonderen Bedeutung des solaren Strahlungsangebots, der Außenluft- und Himmelstemperatur sowie sonstiger Klimabedingungen für die Energiebilanzierung ist die Verwendung möglichst genauer Klimadaten notwendig. Im PHPP sind diese für eine große Zahl deutscher und internationaler Standorte verfügbar. Zudem sind darin speziell aufbereitete Datensätze für die Heizlastberechnung integriert. Für unter Umständen erforderliche dynamische Gebäudesimulationen sind Klimadaten mit einer hohen zeitlichen Auflösung notwendig (z. B. Testreferenzjahre). Der Entwurf eines Passivhauses wird ganz erheblich durch die Klimazone und das Regionalklima geprägt. Dies betrifft einerseits die Dimensionierung des Wärmeschutzes (z. B. mittlerer U-Wert der opaken Bauteile) und der Fenster- und Verglasungsqualitäten (zielführende Kombinationen von UW- und g-Werten). Andererseits lassen sich die Anordnung der Räume sowie die orientierungsabhängige Größe und Verteilung verglaster Öffnungen (Stichworte: passive Solarnutzung; 4.35 Heizwärme- und Heizlastkennwerte sowie Übertemperaturhäufigkeit (> 25 °C) für ein Passivhaus an verschiedenen Standorten in Deutschland 4.36 Heizwärmekennwerte für ökonomisch optimierte Passivhäuser an verschiedenen Standorten in Europa 4.37 Schiestl-Haus am Hochschwab (A) 2005, Treberspurg Architekten, pos architekten. Passivhaus im Extremklima: Auch ohne aktive Heizung bleiben die Innenraumtemperaturen in der unbewirtschafteten Zeit (Kernwinter) über 5 °C. 4.38 Planungskonzepte für Passivhäuser (Übersicht) 4.39 Wohnanlage in Allschwil (CH) 2004, amrein giger architekten. Wohntypologie mit Innenhöfen, die im Winter durch ein Hubdach zum Bestandteil des beheizten Gebäudevolumens werden. 4.40 Umbau eines Bauernhauses im Ahrntal (I) 2004, Stefan Hitthaler. Energetische Modernisierung mit Passivhauskomponenten und teilweise Einhausung in einen Neubau Standortabhängige Kennwerte für Passivhäuser Standort

Standard (PHPP)

Heizwärme/Heizlast/SommerÜbertemperatur kWh/m2a

W/m2

%

13,7

10,0

0,6

Hamburg

14,1

9,9

0,0

Potsdam

14,9

10,7

2,6

Frankfurt am Main

11,6

9,1

8,2

Dresden

14,4

10,6

2,7

Freiburg

8,2

9,9

12,9

Hof

15,2

12,1

0,0

München

13,8

10,9

0,8

Garmisch

10,0

12,0

0,0 4.35

46

Gestaltung der Innen-/Außenbeziehung) nur unter Berücksichtigung der Klimarandbedingungen sinnvoll festlegen. Zu prüfen ist dabei insbesondere, ob der Winter- oder der Sommerfall im Hinblick auf die Behaglichkeitsbedingungen kritischer ist und welche Antworten darauf auf entwurflicher oder bautechnischer Ebene zu geben sind (Abb. 4.35 – 4.36). Eine besondere Ausprägung erhält das Regionalklima in der dicht bebauten Stadt. Am stärksten wirkt sich das Stadtklima auf die thermische Behaglichkeit von Gebäuden und Freiräumen im Sommer – speziell in Hitzeperioden – aus. Die ansonsten gut wirksamen Querlüftungsstrategien sind durch die verzögerte Abkühlung der Außenluft weit weniger effektiv als in weniger dicht besiedelten Gebieten. Das erfordert unter Umständen angepasste Lüftungs- und Kühlkonzepte.

Zusammenführung der Einzelaspekte im Entwurfsprozess Im Entwurfsprozess kommt es vor allem darauf an, die vielfältigen Einzelaspekte und zum Teil widersprüchlichen Anforderungen zu einer Synthese zusammenzuführen und in eine Entwurfsidee zu »übersetzen«. Gegenüber den eher negativ besetzten Zielkonflikten und Abwägungen hat das übergeordnete räumliche Konzept eine positive, integrierende und kreative Funktion. Im Idealfall trägt es zur Überwindung der allen Entwurfsaufgaben innewohnenden Konflikte bei. Anstatt hierbei die sture Einhaltung von Planungsprinzipien einzufordern, erscheint es sinnvoller, für alle passivhausrelevanten Entwurfsaspekte Planungskonzepte zu entwickeln. Diese werden im Lauf des Entwurfs immer besser aufeinander abgestimmt. Dadurch wird es möglich, dem Entwurfsprozess ein höheres Maß an Nachvollziehbarkeit und Transparenz zu

geben (Abb. 4.38). Bei einem derartigen Vorgehen bieten die aufgezeigten Entwurfs- und Planungsprinzipien wichtige Hilfestellungen und Erklärungsmodelle. Ihre konsequente Anwendung ist vor allem dann geboten, wenn eine wirtschaftliche Umsetzung des Passivhauskonzepts im Vordergrund steht. Immer dann, wenn gute Gründe gegen eine »Optimierung« im strengen Sinn sprechen, kann und soll in einem gewissen Bereich von ihnen abgewichen werden. Dadurch wird zwar ein Ausgleich an anderer Stelle (z. B. stärkere Dachdämmung) notwendig. Ein gewisses Maß an Flexibilität erscheint jedoch unverzichtbar, um einen offenen Entwurfsprozess zu ermöglichen. Hierbei geht es immer auch um nicht energetische Aspekte wie z. B. die Einfügung in den städtebaulichen Kontext, das Entwickeln von Nutzungskonzepten inklusive künftiger Umnutzungsperspektiven sowie die stimmige Gestaltung der Außen- und Innenräume sowie des Baukörpers im Hinblick auf Formen, Proportionen und Materialisierung.

Wohnbauprojekte Auf den folgenden Seiten werden fünf Wohngebäude im Passivhaus- bzw. Minergie-P-Standard vorgestellt. Sie unterscheiden sich hinsichtlich Größe und Kompaktheit, Baukonstruktionen und Bauweise, Haustechnikkonzept und Versorgungslösungen. Anhand der konkreten Entwürfe und deren baulicher Umsetzung werden die Entwurfsgrundsätze von Passivhäusern besser nachvollziehbar und anschaulich. Die Dokumentation verdeutlicht, dass das Spektrum möglicher Lösungsansätze sehr breit ist und das Passivhauskonzept weder eine Architekturauffassung noch bestimmte Materialisierungen oder Konstruktionsweisen vorgibt oder vorbestimmt.

> 16 kWh/(m2a) 16 – 19 kWh/(m2a) 13 – 16 kWh/(m2a) 7 –10 kWh/(m2a) 4 – 7 kWh/(m2a) 1 – 4 kWh/(m2a) < 1 kWh/(m2a)

4.36

4.37

Wohnbauprojekte

Planungskonzepte und -prinzipien für Passivhäuser im Überblick Planungskonzept

Planungsaufgaben des entwerfenden Architekten

zugeordnetes Planungsprinzip

Dämmkonzept

• Festlegung des Verlaufs der Hüllflächen (Grenzflächen zwischen temperierten und nicht temperierten Volumen) • Definition der Lage der Dämmebene entlang der Gebäudehülle • Auswahl der Hüllkonstruktionen hinsichtlich Dämmfunktion • Entwicklung von wärmebrückenfreien oder -armen Anschlüssen

Hüllflächenprinzip

Luft- und Winddichtkonzept

• Definition der Lage der Luft- und Winddichtebene entlang der Gebäudehülle • Auswahl der Luft- und Winddichtsysteme • Entwicklung luft- und winddichter Anschlüsse

Hüllflächenprinzip

Solarkonzept

• Bestimmung der Solarapertur (verglaste Öffnungen hinsichtlich Größe und Orientierungen) • Festlegung der energetischen Kennwerte der Verglasungssysteme inklusive Rahmen, Glasrandverbund und Einbausituation • Auswahl der Sonnenschutzsysteme • Prüfung der Auswirkungen auf den Winterfall (Heizwärme- und Heizlastkennwert) und den Sommerfall (Überhitzungshäufigkeit)

Südorientierung der Hauptverglasungen /-fassaden

• Begrenzung der Fensterflächenanteile, sofern mit guter Tagesbelichtung vereinbar • Reduzierung interner Lasten (Stromeffizienz) • Herstellung zugänglicher Speichermassen • Entwicklung einer passiven Kühlstrategie (Fensterlüftung, Sonnenschutz, ggf. Entfeuchtung über Feuchterückgewinnung) • aktive Kühlung nur mit effizienten Systemen (z. B. Bauteilaktivierung)

Abwägung zwischen Begrenzung der Solarapertur und möglichst hoher Tageslichtautonomie

• Zuordnung der Räume zur Zuluft-, Überström- und Abluftzone • Prüfung der Umsetzung einer Kaskadenlüftung • Festlegung des Beheizungskonzepts (Zuluftheizung, Mischsystem, Trennung von Lüftung und Heizung)

Lüftungszonierung

Versorgungskonzept

• Platzierung der haustechischen Aggregate in Beziehung zu Hausanschlüssen und zur Gebäudehülle • Festlegung der Vertikal- und Horizontaltrassen aller haustechnischen Systeme (Lüftung, Heizung, Warmwasser, Kühlung)

Technikaggregate möglichst innerhalb oder nahe der Gebäudehülle anordnen Prinzip der kurzen Wege (Anordnung in Kernzone) »Dienende und bediente Räume«

Stromeffizienzkonzept

• Auswahl von stromeffizienten Geräten, Beleuchtung, Hilfsaggregaten usw. Stromsparkonzept als Planungsaufgabe (alle Stromanwendungen im und am Gebäude) • Bestimmung der internen Wärmequellen, abhängig von der Elektroausstattung und Betrachtung der Konsequenzen auf Sommerklimaverhalten/ Kühlstrategien/Heizbedarf

Sommerklima- und Kühlkonzept

Lüftungs- und Beheizungskonzept

Anmerkungen [1] Vallentin, Rainer: Energieeffizienter Städtebau mit Passivhäusern. Göttingen 2011, S. VI –6f. [2] Schnier, Jörg: Entwurfsstile und Unterrichtsziele; In: Ralph, Johannes (Hrsg.): Entwerfen. Hamburg 2009, S. 83ff. [3] Feist, Wolfgang: Passivhäuser in Mitteleuropa, Dissertation, 1992 [4] Feist, Wolfgang (Hrsg.): Bauvorbereitendes Forschungsprojekt Passivhaus Darmstadt-Kranichstein. Darmstadt 1992 [5] Arbeitskreis Kostengünstige Passivhäuser (Hrsg.): Protokollband Nr. 19. Darmstadt 2000, S. 17 –104 und S. 121–152 [6] wie Anm. 1, S. XI –1ff. [7] ebd., S. VII –16 und VIII – 8f. [8] ebd., S. X – 33 [9] Friedell, Egon: Kulturgeschichte der Neuzeit, Bd. 1. München 1986, S. 55 [10] Pokorny, Walter: Die Entwurfsgütezahl von Solarhäusern. In: Energie 80, Jg. 3, Heft 3

4.39

[11] Ehm, Herbert; Erhorn, Hans u. a.: Bedeutung der Energieeinsparung im Gebäudebereich. In: Eickenhorst, Heinz; Jost, Lajos (Hrsg.): Energieeinsparung in Gebäuden. Essen 1998, S. 36ff. [12] wie Anm. 1, S. VII–16 [13] ebd., S. VI–47 und XII–18f. [14] Im PHPP können Nutzflächen im Keller bis zu 60 % angerechnet werden. Dadurch erfolgt ein Ausgleich für die Vergrößerung der Hüllflächen. Die Kellerräume sind dann jedoch auch in das Lüftungskonzept zu integrieren. [15] Pufferräume von Passivhäusern weisen im Winter geringe Temperaturen nahe der Außentemperatur auf. Gelangt Luft aus den Innenräumen in größerem Umfang in die Pufferräume, kann der darin enthaltene Wasserdampf an den kalten Flächen kondensieren. Dem kann durch gezielte Undichtigkeiten und einen Wärmeschutz im Bereich von typischen Niedrigenergiekomponenten begegnet werden. Siehe Projektdokumentation Stadtreihenhäuser München, S. 56ff.

Homogenitätsprinzip wärmebrückenfreies Konstruieren

luft- und winddichtes Konstruieren

Begrenzung der Verschattung (soweit städtebaulich möglich) Abwägung zwischen guter passiver Solarnutzung, Tageslichtnutzung und Sommerbehaglichkeit

forcierte freie Sommerlüftung über Fenster, Kamine, motorische Klappen usw. (nachts und morgens)

Zuluftbeheizbarkeit (kritische Prüfung der Kriterien in jedem Einzelfall)

4.38 [16] wie Anm. 1, S. VIII–35ff. [17] ebd., S. VIII–3ff. [18] Arbeitskreis Kostengünstige Passivhäuser (Hrsg.): Protokollband Nr. 16. Darmstadt 1999, S. 2. [19] z. B. Energieinstitut Vorarlberg (Hrsg.): Wärmebrückenkatalog Fenstereinbau, Version 1.0 (Download unter www.energieinstitut.at) [20] wie Anm. 1, S. VII–31ff. und Abb. 6.3, S. 69 [21] ebd., S. VII–72ff. und Abb. 6.5, S. 69 [22] Für die Vorentwurfsphase stellt das PassivhausInstitut das sogenannte PHVP (Passivhaus-Vorprojektierungspaket) kostenlos zum Download zur Verfügung (www.passiv.de). Darin werden einerseits bereits recht detailliete Eingaben (z. B. zu Konstruktionen) erwartet, andererseits sind viele entwurfsrelevante Aspekte voreingestellt (Fenster, Verschattung). [23] Rechentool PHPP-ENTWURF mit Dimensionierungshilfen; vgl. Vallentin, Rainer: Entwurfsbegleitende Energiebilanzierung (Veröffentlichung 2014 unter www.klimaschutzstandard.de geplant)

4.40

47

Wohngebäude – Beispiele

Einfamilienhaus Dorfen, D 2010 Bauherr: Familie Gührs, Dorfen Architekten: Architekturwerkstatt Vallentin, Dorfen TGA-Planung: Ingenieurbüro Güttinger, Kempten

5.1

An der Bauaufgabe Einfamilienhaus scheiden sich die Geister. Die einen lehnen diese pauschal ab, weil aufgrund des hohen Flächen- und Mobilitätsaufwands per se unökologisch und nicht nachhaltig. Die anderen versuchen, den Wunsch der Mehrheit nach individuellen Wohnformen in möglichst großer Unabhängigkeit von Nachbarn und anderen Störfaktoren aus mehr oder weniger pragmatischen Gründen zu erfüllen und ihn im besten Fall mit neuen Qualitäten zu versehen. Festzustellen ist, dass sich trotz der kontinuierlichen Kritik von Architekten, Stadt- und Regionalplanern an den zersiedelnden Bebauungs-

formen das Baugeschehen im Wohnungsbau – abgesehen von den Großstädten – immer stärker vom Geschosswohnungsbau wegentwickelt. Das hier vorgestellte Projekt ist in mehrfacher Hinsicht richtungsweisend, weil es den Anspruch verfolgt, ein frei stehendes kleinvolumiges Passivhaus mit möglichst geringem Finanz-, Ressourcen- und Energieaufwand zu realisieren. Das Haus steht in einem Neubaugebiet einer Kleinstadt in fußläufiger Entfernung zum Bahnhof. Der Baukörper ist als klares Volumen mit Satteldach formuliert, das durch den schrägen Verlauf des Firsts und der bei-

den Traufen Spannung gewinnt. Die Öffnungen – je eine pro Fassade und Geschoss – sind »individualisiert« und mit farbig abgesetzten, schrägen Laibungen versehen. Auch die überdeckte Terrasse wird gestalterisch in diesem Sinn eingebunden. Die Außenhülle besteht aus einer Lärchenschalung, roten Fassadenplatten sowie dem Aluminium-Wellblech der Dachdeckung. Erst im Zusammenhang mit dem offenen Grundriss und den Raumnutzungen wird die Komposition aus Volumen, Öffnungen und Innenraumelementen als intelligentes Spiel mit frei gesetzten Elementen lesbar.

5.2

48

Einfamilienhaus in Dorfen

5.3 5.4 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6

Ansicht von Norden mit Carport Ansicht von Süden Schnitt a – a, Maßstab 1:200 Lageplan, Maßstab 1:1000 Grundriss 1. Obergeschoss, Maßstab 1:200 Grundriss Erdgeschoss, Maßstab 1:200 1 Eingang 2 Bad 3 Technik 4 Kochen 5 Essen / Wohnen 6 Freisitz / Terrasse 7 Carport 8 Versickerungsmulde 9 Wohnen / Schlafen 5.7 Innenraumansichten

a 3

2

9

a 5.5

7

3 1

2 4

5

6

8

5.6

5.7

49

Wohngebäude – Beispiele

5.8

Südansicht vor dem Einsetzen der Fenster und dem Anbringen der Fassadenverkleidung 5.9 Vertikalschnitt Nordfassade Maßstab 1:20 1 Dach: Wellblech Aluminium 18 mm Lattung 60 mm Konterlattung 30 mm Abdichtung Unterdeckbahn Holzfaserplatte diffussionsoffen 15 mm Dämmung Zellulosefasern 400 mm bzw. Holzstegträger Schalung innen OSB-Platte 22 mm 2 Brettschichtholz kraftschlüssig verschraubt, 2≈ 40 mm 3 Fenster Dreifachverglasung in Holzrahmen 4 Leibungsbrett Furniersperrholz farbig 5 Fassade: Schalung Lärchenholz 25 mm Konterlattung 40 mm Luftlattung 20 mm Gewebebahn als Schlagregenschutz Holzfaserplatte diffusionsoffen 15 mm Randbalken Brettschichtholz (BS 11) 60/270 mm Dämmung Zellulosefasern 400 mm Randbalken Brettschichtholz (BS 11) 60/270 mm Schalung innen OSB-Platte 22 mm 6 Geschossdecke Erd-/Obergeschoss: Bodenbelag OSB-Platte 15 mm Estrich 60 mm Trittschallplatte 20 mm Dämmung 30 mm Brettstapeldecke 140 mm 7 Bodenplatte gegen Erdreich: Bodenbelag OSB-Platte 15 mm Estrich 60 mm Trittschallplatte 20 mm Wärmedämmplatten PUR 160 mm Abdichtung 10 mm Bodenplatte Stahlbeton 250 mm Perimeterdämmung XPS 2≈ 120 mm Sauberkeitsschicht 60 mm Frostschutzkies 560 mm 5.10 Schnitt mit Energie- und Haustechnikkonzept Maßstab 1:150 5.11 Grundrisse mit Energie- und Haustechnikkonzept, Maßstab 1:150 a Erdgeschoss b Obergeschoss (Ausschnitt) 5.12 Gebäudekennwerte

1

2

4 3

6

5

7

5.8

50

5.9

Einfamilienhaus in Dorfen

Baukonstruktion Aufgrund ihrer geringen Kompaktheit stellen frei stehende Einfamilienhäuser hohe Anforderungen an die energetische Qualität der Bau- und Technikkomponenten. Die notwendigen U-Werte der Hüllkonstruktionen liegen bei etwa 0,1 W/m2K, bisweilen sogar noch geringer. Bei diesem Projekt wurden diese Qualitäten zu besonders niedrigen Kosten realisiert und mit einfachen Ausbaustandards kombiniert. Die Gründung erfolgt über eine Stahlbetonbodenplatte mit darunter platzierter lastabtragender Perimeterdämmung. Alle weiteren Baukonstruktionen sind im Holzleichtbau ausgeführt. Durch den Verzicht auf eine Installationsebene ergeben sich Holzrahmenelemente, die aufgrund ihrer wenigen Schichten besonders wirtschaftlich sind. Die Elektroinstallationen wurden innerhalb der Dämmgefache verlegt. Um die geforderte hohe Luftdichtigkeit zu gewährleisten, sind die Wandelemente werkseitig mit luftdichten Steckdosen bzw. Installationstaschen zu versehen. Dies erfordert ein hohes Maß an Sorgfalt und Erfahrung, weil beim Blower-Door-Test auftauchende Leckagen kaum noch nachgebessert werden können. Die Geschossdecke ist als Brettstapeldecke mit konventionellem Estrichaufbau gefertigt. Als Innenbekleidungen wurden – ebenfalls aus Kostengründen – lediglich die zur Aussteifung ohnehin notwendigen OSB-Platten verwendet. Weil auch die Bodenbeläge aus diesem Material bestehen, ergibt sich ein völlig homogenes Erscheinungsbild der Innenflächen, das nur durch die Öffnungen unterbrochen wird. Haustechnik Die Technik ist innerhalb der Gebäudehülle in zwei übereinanderliegenden Technikkammern im Erd- und Obergeschoss platziert. Als kostengünstige und dennoch effiziente Versorgungslösung wurde eine Gas-Brennwerttherme mit Solaranlage zur Brauchwassererwärmung und Heizungsunterstützung gewählt. Die Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung verwendet einen Sole-Wärmetauscher als Frostschutz. Ein ErdreichWärmetauscher wäre aufgrund der nicht vorhandenen Unterkellerung sehr kostenintensiv gewesen. Aufgrund des offenen Grundrisskonzepts sind die Lüftungsleitungen ausschließlich in den Nebenräumen verlegt. Die Raumwärme wird über einen Heizwasserkreis und Heizkörper in die Räume eingebracht. Dadurch lassen sich die Luftmengen unabhängig von der Heizfunktion einstellen und regeln.

4

3 5

2 5

1

6 5.10

3 1

6

2

5

5 5

5

5

a

b 4 Sonnenkollektoren für Warmwasser und Heizung 5 Heizkörper 6 Erdwärmetauscher (Sole)

1 Gastherme 2 Pufferspeicher 500 l 3 Komfortlüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung

— — — — —

Frischluft Zuluft Abluft Fortluft Heizung 5.11

Gebäudekennwerte Nutzung Wohnen Flächen Bruttogeschossfläche (BGF) 161 m2 Energiebezugsfläche (EBF) 113 m2 thermische Hüllfläche (A) 409,3 m2

Geschossflächenzahl (GFZ) Bruttorauminhalt (V) A / V-Verhältnis Agew /EBF

0,36 611,7 m3 0,67 3,11

Wand Fenster: Uw-Wert g-Wert

0,1 W/m2K 0,708 W/m2K 0,61

Heizlast Lüftungssystem Blower-Door-Test 1/h (50 Pa)

10,3 W/m2 zentral 0,29

Solaranlage (Deckungsgrad)

49 %

U-Werte [W/m2K] 0,1 W/m2K Dach Boden 0,07 W/m2K Glasflächenanteil (Glas/EBF) 0,213 Energiekennwerte

PHPP

Heizwärme Primärenergie Wärmebereitstellungsgrad GWP (CO2-äquiv)

13,8 kWh/m2a 115,5 kWh/m2a 86 % 28,2 kg/m2

Wärmeversorgung

Gas-Brennwerttherme

Energieträger Fotovoltaikanlage

Erdgas nicht vorhanden

Besonderheiten Frostschutzkies mit Solekreis 5.12

51

Wohngebäude – Beispiele

Mehrfamilienhaus Bern, CH 2007 Bauherr: Peter Schürch, Bern Architekten: Halle 58 Architekten, Bern Energieberatung, Bauphysik, Akustik: Gartenmann Engineering, Bern Heizungs- und Lüftungsplanung: Riedo Clima, Bern

5.13

Durch Nachverdichtungen im Innenbereich von Siedlungsarealen lässt sich neuer Wohnraum schaffen, ohne die Nachteile von Neubaugebieten wie hohen Flächenverbrauch oder Anonymität in Kauf nehmen zu müssen. Das hier gezeigte Projekt dokumentiert idealtypisch, welche Wohnqualitäten sich durch ergänzende Neubauten im Bestand schaffen lassen. Als Bauplatz für drei Familien wurde ein keilförmiges Restgrundstück in einer lockeren Mehrfamilienhausbebauung aus den 1960er-Jahren gefunden. Das neue Gebäude orientiert sich in seinen Hauptdimensionen an den Nachbarhäusern,

ohne diese gestalterisch zu imitieren. Aufgrund des schmalen Grundstücks blieb die Gebäudetiefe gering; das Haus wird als Einspänner erschlossen. In der Tiefgarage und im Keller sind alle potenziell störenden Nutzungen untergebracht, sodass ein großzügiger Gemeinschaftsgarten entsteht. Die Wohngrundrisse gliedern sich in zwei Raumgruppen – Individualräume mit Bädern und loftartiger Wohn-Essraum –, wobei sich alle Zimmer nach Westen Richtung Garten orientieren. Die Grundstruktur weist eine interessante, räumlich verschränkte Schichtung in Balkon-,

Hauptraum- und Erschließungszone auf. Straßenseitig wird sie als Staffelung von drei Volumen mit unterschiedlichen Materialien und Gestaltprinzipien ablesbar. Auf der Gartenseite entsteht das Bild eines filigranen Gebäudes mit vollständig verglasten Fassaden und davor »schwebenden« Balkonen. Diese Wirkung wird dadurch gesteigert, dass der Hauptbalkon im Südwesten schiffsbugartig endet. Das Gebäude erfüllt die Anforderungen des schweizerischen Labels Minergie-PEco, bei dem neben einem abgeschwächten Passivhausstandard zusätzlich ökologische Kriterien zu erfüllen sind.

5.14

52

Mehrfamilienhaus in Bern

5.13 Ansicht von Nordwesten 5.14 Ansicht von Südwesten: umlaufende Balkone und Terassen 5.15 Lageplan, Maßstab 1:2000 5.16 Grundriss 2. Obergeschoss, Maßstab 1:400 5.17 Grundriss 1. Obergeschoss, Maßstab 1:400 5.18 Grundriss Erdgeschoss, Maßstab 1:400 5.19 Zugangsweg im Osten 5.20 Verschattung der Balkone mit Holzrollläden

5.15

5.16

5.17

5.19

5.18

5.20

53

Wohngebäude – Beispiele

1

Baukonstruktion Tiefgarage, Keller sowie das Treppenhaus sind konsequent aus der beheizten Hülle ausgegliedert. Sie beanspruchen in etwa die Hälfte des Bauvolumens und tragen als Stahlbetonkonstruktion in erheblichem Umfang zum Herstellungsenergieaufwand (graue Energie) bei. Das beheizte Gebäudevolumen besteht hingegen aus Holzleichtbauelementen. Die Fassaden sind als Holzrahmenelemente, die Decken und das Dach als Hohlkastenelelemente gefertigt. Im Bereich der vollständig verglasten Hauptfassade findet ein Wechsel zum Skelettbau mit Stahlstützen und deckengleichen Unterzügen aus Brettschichtholz statt. Derartige Tragwerkskonzepte haben immer mit dem Problem der Aussteifung zu kämpfen, das in diesem Fall durch ergänzende Stahlbetonscheiben gelöst wurde. Aufgrund der – zumindest für ein Mehrfamilienhaus – geringen Kompaktheit sind die energetischen Anforderungen an die Gebäudehülle zur Einhaltung des Minergie-P-Standards hoch. Ein Schlüsseldetail bildet hierbei der Fensteranschluss. Wegen der nicht gedämmten Fensterrahmen ist hier eine Überdämmung des Fensterstocks unverzichtbar. Zur Erfüllung des deutschen Passivhausstandards hätten gedämmte Fensterrahmen verwendet und einige Anschlussdetails wärmetechnisch verbessert werden müssen. Der sehr hohe Fensterflächenanteil macht einen effektiven Sonnenschutz unverzichtbar. Hierzu wurden Holzrollläden außen vor den Balkonen angebracht. In geschlossenem Zustand wirken sie wie eine weitere Haut für das Gebäude, während die Zimmer optisch um die Balkonzone erweitert werden.

2

3

Haustechnik Die Wärmeversorgung übernehmen ein Holzpelletkessel und thermische Solarkollektoren mit einem Solar-Kombispeicher. Die Lüftungszentrale wurde auf dem Dach platziert, wobei getrennte Abund Zuluftventilatoren sowie -leitungen gewährleisten, dass die Bewohner jeder der drei Wohnungen ihre Luftmengen individuell steuern und regeln können. Zur Wärmeübergabe an die Räume dient eine Niedertemperatur-Fußbodenheizung. Damit sind die Lüftungs- und Heizfunktion bei diesem Gebäude klar getrennt. Im zentralen Schacht neben den Wohnungseingängen ist die vertikale Verteilung der Lüftungskanäle und Sanitärleitungen untergebracht, während die horizontale Verteilung in teilabgehängten Decken geführt wird.

4

5.21

54

Mehrfamilienhaus in Bern

5.21 Vertikalschnitt Fassade, Maßstab 1:20 1 Dach: Begrünung extensiv 80 mm, Schutzvlies Abdichtung Bitumen wurzelfest 4 mm Abdichtung Elastomerbitumen 2≈ 3 mm Schalung 27 mm im Gefälle Hinterlüftung/Lattung 60/100 –160 mm auf Streifen aus Gummischrotmatte Unterdachbahn dreilagig Hohlkastenelement Brettsperrholz, komplett ausgedämmt 360 mm Dampfbremse Polypropylen reißfest 0,33 mm Hohlraumdämmung Steinwolle 95 mm Gipsfaserplatte 15 mm mit Gipsglattstrich, über Schwingungsabhänger befestigt 2 Fenster: Dreifachverglasung in Holzrahmen (Ug = 0,5 W/m²K; g-Wert = 55 %) 3 Geschossdecke 1./2. Obergeschoss: Bodenbelag Parkett Eiche 24 mm Zementestrich mit Fußbodenheizung 80 mm Trennlage PE-Folie Trittschalldämmung Holzfaserplatte 17 mm Bodenplatte Steinwolle 25 mm Hohlkastenelement Brettsperrholz, komplett ausgedämmt 320 mm Hohlraumdämmung Zellulose 60 mm Gipsfaserplatte mit Gipsglattstrich 15 mm, über Schwingungsabhänger befestigt 4 Boden Erdgeschoss: Bodenbelag Parkett Eiche 24 mm Zementestrich mit Fußbodenheizung 80 mm Dampfbremse/Trennlage PE-Folie Dämmung PUR 180 mm Dämmung Steinwolle 120 mm Bodenplatte Stahlbeton 250 mm 5 Außenwand: Holzspanplatte zementgebunden 15 mm Hinterlüftung/Lattung 60/30 mm Gipsfaserplatte 2≈ 15 mm Ständerkonstruktion Fichte/Tanne 300 mm, mit Zellulose ausgedämmt OSB-Platte 25 mm Hohlraumdämmung Steinwolle 80 mm Lattung 50/80 mm mit Schwingungsbügel Gipsfaserplatte mit Gipsglattstrich 15 mm (im Nasszonenbereich 2≈ 12,5 mm) 5.22 Schnitt mit Energie- und Haustechnikkonzept 1 Solarthermie 2 Fortluft 3 Außenluft 4 Lüftungsgerät mit Wärmerückgewinnung 5 außen liegende Verschattung 6 Zuluft 7 Abluft 8 Fußbodenheizung 9 Pufferspeicher 10 Pelletkessel 11 Waschmaschine 12 Pellet-Erdtank 5.23 Wärmebilanz. DIe solaren Wärmegewinne sind größer als die Transmissionsverluste durch die Fenster. 5.24 Gebäudekennwerte

2 3 4 1

6

5

7

8

11

10

9

12

— — — — —

Frischluft Zuluft Abluft Fortluft Heizung 5.22

Dächer

3,3

Wände

8,8

Böden

2,8

Transmissionswärmeverluste

Türen

2,1

Fenster

38,2

Wärmebrücken

1,8 Lüftungswärmeverluste

8,5

solare Gewinne

43,7

interne Gewinne

8,1

Heizwärmebedarf

13,7 0

10

20

30

40 [kWh/m2a] 5.23

Gebäudekennwerte Nutzung Wohnen Flächen Bruttogeschossfläche (BGF) 422 m2 Energiebezugsfläche (EBF) 408 m2 thermische Hüllfläche (A) 739 m2

5

Geschossflächenzahl (GFZ) Bruttorauminhalt (V) A / V-Verhältnis Agew /EBF

0,53 1254 m3 0,59 1,64

Wand Fenster: Uw-Wert g-Wert

0,10 W/m2K 0,92 W/m2K 0,55

Heizlast Lüftungssystem Blower-Door-Test 1/h (50 Pa)

17,9 W/m2 semizentral 0,51

Solaranlage (Deckungsgrad)

63 %

U-Werte [W/m2K] 0,10 W/m2K Dach 0,09 W/m2K Boden Glasflächenanteil (Glas/EBF) 0,938 Energiekennwerte

Minergie-P-Eco

13,7 kWh/m2a Heizwärme gewichtete Energiekennzahl 25,1 kWh/m2a (Minergie-P)

5.21

Wärmeversorgung

Holzpelletheizung

Energieträger Fotovoltaikanlage

Holzpellets nicht vorhanden

5.24

55

Wohngebäude – Beispiele

Stadtreihenhäuser München, D 2006

3

Bauherr: Baugemeinschaft »Stadtgestalten«, München Architekt: Rainer Vallentin, München TGA-Planung: Kurt Güttinger, Kempten Landschaftsarchitektin: Heidi Janicek, Bernried/München

2 1

4

5

5.25

Der grundsätzliche Wandel in der Einstellung unserer Gesellschaft zur Stadt und ihren Bedingungen für das Wohnen führt derzeit zu einer Wiederentdeckung städtischer Lebensqualitäten. Die Entwicklung dichter, individueller Wohnformen als Alternative zum klassischen Geschosswohnungsbau ist in diesem Zusammenhang von strategischer Bedeutung. Bei der hier vorgestellten Reihenhauszeile spielt zudem das Thema der Partizipation eine wichtige Rolle, da die Häuser von einer Baugemeinschaft selbstverantwortlich geplant und gebaut wurden. Auf der Konversionsfläche einer ehemaligen

Kaserne hatte die Landeshauptstadt München in größerem Umfang Grundstücke an Baugemeinschaften und Genossenschaften vergeben. In einem dieser Vorhaben entstanden acht Stadtreihenhäuser auf einem knapp geschnittenen innerstädtischen Grundstück. Aufgrund der geforderten hohen Dichte definierte der Architekt einen dreigeschossigen Bautyp, bei dem nur die Mindestfestlegungen fixiert wurden. Diese bezogen sich auf die Art der Tragstruktur, die Gebäudehülle in Passivhausqualität sowie die Positionen des Steigstrangs und der Treppe. Im Sinn einer »struktu-

rierten Partizipation« wurden damit Potenziale für individuelle Grundrissbildungen freigesetzt. In mehreren Workshops entwickelten die künftigen Bewohner ihre eigenen Wohnkonzepte anhand von Arbeitsmodellen. Die äußere Hülle ist hingegen einheitlich gestaltet, um ein angemessenes städtisches Erscheinungsbild zu schaffen und die wirtschaftlichen Vorteile der Vorfertigung zu nutzen. Als Antwort auf die städtebaulich vorgegebene Zeilenbebauung entwickelte der Architekt darüber hinaus ein Zonierungskonzept, das auch die Freibereiche mit einbezieht. Als Über-

5.26

56

Stadtreihenhäuser in München

5.27

gangszonen auf der Erschließungs- und Gartenseite entstanden leicht erhöhte, räumlich gefasste Aufenthaltsbereiche: im Norden die Eingangsterrassen und Windfänge sowie im Süden die Gartenterrassen und Balkone, die als zweigeschossige »grüne Loggien« einen halb privaten Außenwohnraum bilden. Der Garten selbst weist dagegen keine Trennungen auf und wird gemeinschaftlich genutzt (Abb. 4.33, S. 45). Durch die Stellung der Balkone, deren längere Seiten senkrecht zur Fassade angeordnet sind, sind die Hauptfenster auch im Winter besonnt. Im Sommer

5.28

5.29

hingegen bildet die Begrünung der Rankgitter eine saisonale »passive« Verschattung. Der Rhythmus der Balkonelemente und Windfänge sowie Materialwechsel in den Fassaden machen die einzelnen Häuser in der Zeile ablesbar. Auch in den Grundrissen setzt sich das Zonierungskonzept fort: Die Wohnungen gliedern sich in eine Hauptzone mit Wohn-, Ess- und Küchenbereich sowie Individualräumen und eine Nebenzone mit Treppe, Bädern und Fluren. Damit ließen sich die für Reihenhäuser typischen unbelichteten Innenzonen vermeiden. Der Hauptbaukörper weist eine einfache

kubische Geometrie auf und verfügt über hochwärmegedämmte und luftdichte Hüllflächen. Die Windfänge und Balkone sind hingegen als vorgestellte, vom Hauptbaukörper unabhängige Konstruktionen ausgebildet, um an den Übergängen einfache und wärmebrückenfreie Anschlüsse zu ermöglichen. Baukonstruktion Die Windfänge werden nicht beheizt und sind auch nicht am Luftwechsel der Lüftungsanlage beteiligt. Daher wurden sie über offene Fugen gezielt undicht ausgebildet, um ein gewisses Maß an freier Lüf-

a

1 2 1 3

a 5.30

5.25 Lageplan, Maßstab 1:1000 1 Stadtreihenhäuser »Stadtgestalten« 2 Kindertagesstätte 3 große Wiese 4 Kleinbiotop 5 künftiges Einkaufszentrum 5.26 Ansicht von Süden 5.27 Ansicht der Gartenfassade von Südwesten 5.28 Blick in den Wohnbereich 5.29 Ansicht der Eingangsfassade von Nordwesten 5.30 Grundriss 1. Obergeschoss, Maßstab 1:500 5.31 Schnitt a – a, Maßstab 1:500 5.32 Grundriss Erdgeschoss, Maßstab 1:500 1 Individualräume 2 Bad 3 Balkon 4 Eingangsterrasse 5 Windfang 6 Küche 7 Wohnen 8 Südterrasse

5

4

5.31

6

7

8

5.32

57

Wohngebäude – Beispiele

5.33 Vertikalschnitt Fassade, Maßstab 1:20 1 Dach: Begrünung extensiv, 80 mm Dränschicht Filterschutzmatte Dachabdichtung EPDM Dämmung EPS (WLG 035) im Gefälle 50 – 200 mm Dämmung EPS (WLG 035) 350 mm Dampfbremse Polymerbitumenbahn mit Glasgewebeeinlage Decke Stahlbeton 200 mm 2 Dreischichtplatte Lärche 28 mm 3 Brandschutzfugenband 4 Außenwand (U-Wert: 0,137 W/m²K) Holzschalung Lärche 24 mm (alternativ: Falzdeckung Kupfer) Insektenschutzgewebe vollflächig verlegt Hinterlüftung Lattung 30/60 mm Unterdachplatte Holzfaserplatte 16 mm diffusionsoffen Holzkonstruktion Doppelstegträger ausgedämmt mit Zellulosefaser (WLG 040) 241 mm OSB-Platte 18 mm, Stöße luftdicht verklebt Installationsebene Steinwolle 60 mm Gipskartonplatte (F30) 12,5 mm 5 Fensterrahmung mit Kupferblech bekleidet 6 Außenmarkise 7 Überdämmung Fensterrahmen EPS (WLG 030) 100 mm 8 Fenster: Holzrahmen Kiefer lackiert mit gedämmten PU-Kern (Uf = 0,76 W/m²K) Dreifach-Wärmeschutzverglasung, mittlere Scheibe ESG, selektive Beschichtungen auf 3. und 5. Ebene, Ug = 0,60 W/m²K, g-Wert = 0,54 9 Abdichtung EPDM mit Kupferblech abgedeckt 10 Abdeckung Kupferblech 0,8 mm Abdichtung EPDM Dämmkeil Polystyrol extrudiert (XPS) 11 Terrassenbelag: Bohlen Lärche 30 mm 12 Geschossdecke Erdgeschoss/Kellergeschoss: Bodenbelag Industrieparkett 10 mm Estrich Zement 55 mm Trennlage Trittschalldämmung (WLG 040) 20 mm Dämmung EPS (WLG 040) 30 mm Bodenplatte Stahlbeton 200 mm 13 Kellerwand (U-Wert: 0,161 W/m²K) Dränschutzmatte Perimeterdämmung XPS (WLG 040) 240 mm Abdichtung Bitumenbahn kaltselbstklebend Stahlbetonwand 200 mm 14 Bodenplatte (U-Wert: 0,107 W/m²K): Bodenbelag Industrieparkett 16 mm Estrich Zement 55 mm Trittschalldämmung (WLG 040) 20 mm Dämmung PUR (WLG 025) 60 mm Abdichtung Bitumenbahn Bodenplatte Stahlbeton wasserundurchlässig 250 mm PE-Folie zweilagig Dämmung EPS lastabtragend 240 mm Sauberkeitsschicht Beton unbewehrt 50 mm 5.34 Ansicht von Nordwesten 5.35 Ansicht von Westen mit Dachaufsicht 5.36 Schnitt mit Energie- und Haustechnikkonzept 5.37 Aufbau des Kompaktlüftungsgeräts 1 Abluft 2 Zuluft 3 Kompaktgerät 4 Solarspeicher mit Latentspeichermaterial 5 Außenluftansaugung 6 Erdreichwärmetauscher 7 Fortluftventil 8 Solaranlage 9 Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung 10 Kleinstwärmepumpe 11 Nachheizregister Zuluft, Wärmepumpenkreis 1 12 Warmwasserregister, Wärmepumpenkreis 2 13 Heizstab, 2 kW, direktelektrisch 14 Solarstation 15 Solarkreis – Wärmetauscher 16 Solarkreis – Ausdehnungsgefäß 17 Warmwasserkreis 18 Heizwasserkreis 5.38 Gebäudekennwerte

1

2

3

4

5.34

tung sicherzustellen. Die Praxiserfahrungen zeigen, dass in unbeheizten Pufferräumen die hier gewählten ZweifachWärmeschutzverglasungen notwendig sind, um eine Kondensatbildung an kalten Wintertagen zu vermeiden. Der Keller ist vollständig in die thermische Hülle integriert und von außen gedämmt, weil alle Häuser einen direkten Kellerzugang über die Innentreppen aufweisen. Alle Kellerräume sind in den Luftaustausch der Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung eingebunden und werden mitbeheizt. Wegen der geringen Abstände zu den Nachbarzeilen weist das Passivhaus eine ausgeprägte Verschattung auf. Die dadurch verminderten solaren Gewinne wirken sich spürbar auf die Energiebilanz des Gebäudes aus und waren an anderer Stelle auszugleichen. Besonders wirtschaftlich war dies durch eine zusätzliche Dachdämmung möglich. Für die Stadtreihenhäuser wurde eine Mischkonstruktion gewählt, bei der alle tragenden Elemente aus Stahlbetonfertigteilen bestehen. Die Fassaden sind als platzsparende Rahmenwerke mit Holzstegträgern und Zellulosedämmung gefertigt. Die Wahl einer schlanken Fassadenkonstruktion war auch wirtschaftlich geboten, weil im Grundstückskaufvertrag die realisierte Bruttogeschossfläche und nicht die Grundstücksfläche den Kaufpreis bestimmte. Die Hauptfenster weisen vorstehende Fensterrahmungen auf. Dadurch war eine einfache Integration des Sonnenschutzes bei gleichzeitiger Überdämmung der Fensterstöcke möglich. Bei einer Mischbauweise ist das Luftdichtkonzept besonders sorgfältig zu planen und auszuführen. Daher wurde darauf geachtet, alle Fugen zwischen Holz- und Massivkonstruktionen inklusive aller Nebenwege luftdicht auszubilden. Besondere Sorgfalt erforderte hierbei die

5

6

7 8

9

10

11

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13

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5.33

58

Stadtreihenhäuser in München

8

1

2

5 7

3

4

5.35

zusätzliche Erfüllung der Brandschutzanforderungen im Bereich der Gebäudetrennwände.

6 5.36

Haustechnik Als Versorgungslösung wurde ein Lüftungskompaktgerät mit integrierter Kleinstwärmepumpe gewählt. Durch die Aufstellung der Haustechnik innerhalb des beheizten Gebäudevolumens fallen die Speicher- und Verteilwärmeverluste sehr gering aus. Ferner entfällt der Aufwand für eine luftdichte Ausbildung der Elektro-, Lüftungs-, Heiz- und Sanitärleitungen durch die Gebäudehülle. Jedes Reihenhaus besitzt nur einen zentralen Schacht, von dem aus alle Unterverteilungen auf kurzen Wegen geführt werden können. Der Schacht wurde entwurfsstrategisch so platziert, dass unterschiedliche Interpretationen des Wohngrundrisses möglich waren. Die Beheizung der Räume erfolgt über die Zuluft sowie über ergänzende Heizflächen, die an einen Heizwasserkreis angebunden sind. Letztere sind vor allem in den Endhäusern erforderlich, da dort höhere Wärmeverluste durch die Gebäudehülle auftreten und die Zuluftheizung allein nicht ausreicht, um auch im Kernwinter stets komfortable Innenraumtemperaturen sicherzustellen. Eine Solaranlage zur Brauchwassererwärmung und ein Erdreichwärmetauscher für jedes Haus ergänzen das Versorgungskonzept. Drei Baufamilien haben zusätzlich eine Fotovoltaikanlage errichtet. Aufgrund der Ausstattung mit stromsparenden Geräten liegt der Stromverbrauch für Heizen, Lüften, Warmwasser und Haushaltsstrom mit 27 bis 30 kWh/m2a nicht höher als der durchschnittliche Strombedarf vergleichbarer Haushalte für Haushaltsstrom alleine. Damit sparen die Häuser im Vergleich zu einem konventionell errichteten Neubau gemäß EnEV praktisch die kompletten Heizkosten ein.

Fortluft

Abluft

Zuluft

Warmwasser Heizung

Solar

Außenluft 5

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11

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17 18

9

14

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16 15 3

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— —

Frischluft Zuluft

— —

Abluft Fortluft



Solarkreislauf 5.37

Gebäudekennwerte Nutzung Wohnen Flächen Bruttogeschossfläche (BGF) 1407 m2 Energiebezugsfläche (EBF) 1266 m2 thermische Hüllfläche (A) 2277 m2

Geschossflächenzahl GFZ) Bruttorauminhalt (V) A / V-Verhältnis Agew /EBF

1,07 5560 m3 0,41 1,48

Wand Fenster: Uw-Wert g-Wert

0,136 W/m2K 0,74 W/m2K 0,54

U-Werte [W/m2K] 0,074 W/m2K Dach Boden 0,161 W/m2K Glasflächenanteil (Glas/EBF) 0,318 Energiekennwerte

PHPP

Heizwärme Primärenergie Wärmebereitstellungsgrad GWP (CO2-äquiv)

12,8 kWh/m2a (RMH: 10,5; REH: 19,6) 81,5 kWh/m2a 78 % 20,5 kg/m2

Wärmeversorgung

Wärmepumpenkompaktgerät

Energieträger Fotovoltaikanlage

Fortluft, Strom 4,1 kWp

9,7 W/m2 (RMH 8,5; REH: 12,8) zentral (je Haus) Lüftungssystem Blower-Door-Test 1/h (50 Pa) 0,33 Heizlast

Solaranlage (Deckungsgrad)

58 %

Besonderheiten Erdwärmetauscher 5.38

59

Wohngebäude – Beispiele

Wohnhöfe Winterthur, CH 2007 Bauherr: Gebäude 1: Profond Vorsorgeeinrichtung, Rüschlikon Gebäude 2: Allianz Suisse Lebensversicherungs-Gesellschaft, Zürich Architekten: Dietrich Schwarz Architekten, Zürich TGA-Planung und Bauphysik: Amstein + Walthert, Zürich

5.39

Die Konversion ehemaliger Fabrik- und Kasernengelände ist heute ein wesentlicher Bestandteil der Innenentwicklung von Städten. Aufgrund ihrer zentralen Lage weisen sie häufig ein hohes Entwicklungspotenzial auf. Jedoch haben gerade die ersten Projekte mit dem Pioniercharakter dieser Areale zu kämpfen. Die Wohnanlage Eulachhof in Winterthur ist in diesem Sinn ein idealtypisches Beispiel für die Strategie, in einem sich im Umbruch befindlichen Umfeld einen »städtebaulichen Anker« zu setzen mit dem Ziel, die Identifikation der Bewohner mit dem neuen Quartier zu erleichtern.

Die hofartige Bebauung setzt sich aus zwei fünfgeschossigen, südorientierten Wohnscheiben mit großer Gebäudetiefe zusammen. Sie werden jeweils seitlich von zweigeschossigen schmaleren Baukörpern flankiert, in denen sich Reihenhäuser und kleine Läden befinden. Die dadurch gebildeten Innenhöfe sind als gemeinschaftliche Wohngärten gestaltet und über schmale Durchgänge mit den Straßenräumen verbunden. Keller und Tiefgaragen sind halbgeschossig in das Erdreich abgesenkt. Dadurch konnte zum einen die Menge des Erdaushubs begrenzt und zum anderen ein leicht

erhöhtes Hochparterre geschaffen werden, das die halb öffentlichen Gartenhöfe sowie diejenigen Wohnungen umfasst, die direkt an die Gehwege angrenzen. Die Wohnungen sind als Zweispänner mit zweiseitig belichteten »Durchwohngrundrissen« organisiert. Alle Wohn- und Individualzimmer sind an den Fassaden platziert, während sich in der tiefen Innenzone Treppenhaus, Küche, Sanitär- und Abstellräume befinden. Die kubischen Hauptbaukörper sind aufgrund der großen Gebäudetiefe sehr kompakt und erhalten ihre Gliederung hauptsächlich durch die vor die Hülle

5.40

60

Wohnhöfe in Winterthur

5.39 Lageplan, Maßstab 1:3000 5.40 Innenhof mit Ansicht von Süden 5.41 Ansicht von Nordosten mit Ladenzeile im Vordergrund 5.42 Schnitt a – a, Maßstab 1:1000 5.43 Grundriss Erdgeschoss, Maßstab 1:1000 1 Laden/Gewerbe 2 Wohnungen 3 Reihenhäuser 5.41

gestellten, gut nutzbaren Balkone. Die Fassadengestaltung wird durch eine grau lasierte Holzschalung und raumhohe Fensteröffnungen geprägt. Durch die Verbindung aller Baukörper und die bewusst gesetzten Passagen entsteht aus der Fußgängerperspektive der Eindruck einer städtischen Bebauung in Form eines Baublocks. Baukonstruktion Die Gebäude wurden in einer Mischbauweise errichtet, wobei die Fassaden mit Holzrahmenelementen gefertigt sind, während die Tragstruktur und die meisten Innenwände aus Stahlbeton bestehen. Alle Wohnungen erhielten hochwertige dreifach verglaste Fenster; zusätzlich wurden in die Südfassaden spezielle Verglasungselemente mit transparenter Wärmedämmung eingebaut. Sie bestehen aus einer Vierfachverglasung mit integrierter Prismenstruktur und einem Phasenwechselmaterial und ermöglichen es, passiv-solare Gewinne im Winter zeitversetzt zu nutzen. Die Prismenstruktur soll verhindern, dass bei hoch stehender Sommersonne unerwünschte solare Wärmelasten in die Innenräume gelangen. Ein Schlüsseldetail befindet sich bei diesem Gebäude im Bereich der Deckenanschlüsse an die Fassade. Die Fassadenbekleidung aus Holz machte aus Brandschutzgründen eine geschossweise Querschottung des Hinterlüftungsraums mit Blechen notwendig. Diese bestimmen die horizontale Gliederung der Fassade wesentlich mit. Alle Anschlüsse vom Holzzum Massivbau mussten die Anforderungen an Brandschutz, Schallschutz und Luftdichtigkeit erfüllen. Darüber hinaus führt der versteckte Einbau der Raffstores zu einer Schwächung der Dämmung. Zusätzlich waren in diesem Bereich die Luftansaugöffnungen der Airbox und der Balkonanschluss zu integrieren.

5.42

3

3

2

2

a

a

1

1

1

1

5.43

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Wohngebäude – Beispiele

1

2

4 5.45 5.44 Vertikalschnitt Hoffassade (Balkone) Maßstab 1:20 1 Flachdach: Kies extensiv begrünt 40 mm Abdichtung Schutzlage Polymerbitumenbahn zweilagig Wärmedämmung Mineralfaser 360 mm Dampfbremse Stahlbetondecke 330 mm Gipsputz 5 mm 2 Fenstersturz: Schalung Douglasie vorvergraut mit Naturöllasur 22 mm Hinterlüftung Lattung 40 mm Windpapier Gipsfaserplatte 15 mm Dämmung Zellulose OSB-Platte 15 mm Dampfbremse Dämmung Mineralwolle 40 mm Decke Stahlbeton 3 Fenster: Dreifachverglasung in Holz-Aluminiumrahmen, Abstandhalter Edelstahl, Randverbund Butylkautschuk 4 Sonnenschutz: Lamellenstores raffbar 5 Geschossdecke Obergeschoss: Bodenbelag Parkett Eiche 10 mm Estrich mit Fußbodenheizung 70 mm Dampfbremse PE-Folie Trittschalldämmung 30 mm Decke Stahlbeton 220 mm Gipsputz 5 mm 6 Abdeckung Betonfertigteil 2 % Gefälle 7 Geschossdecke Erdgeschoss/ Untergeschoss: Bodenbelag Parkett Eiche 8 mm Estrich mit Fußbodenheizung 80 mm Dampfsperre PE-Folie 0,2 mm Trittschalldämmung 20 mm Wärmedämmung Mineralfaser druckfest 180 mm Dampfbremse verklebt Decke Stahlbeton 310 mm 8 Sockel: Schutzvlies 8 mm Abdichtung Bitumenbahn EPS 5 mm Betonbrüstung 150 mm Dämmung EPS 120 mm Decke Untergeschoss Stahlbeton 9 Balkongeländer: Schalung Douglasie vorvergraut mit Naturöllasur 22 mm Winkelstahl feuerverzinkt 50 mm Handlaufabdeckung Flachstahl feuerverzinkt 10/90 mm 10 Balkon: vorfabrizierte Betonelemente 210 mm Oberfläche Besenstrich, Rinne eingelassen 5.45 Hofansicht mit Balkonen 5.46 Wohnungsgrundrisse mit Haustechnik. In der linken Wohnung ist lediglich das Lüftungssystem gezeigt, in der rechten nur das Heizsystem. 5.47 Funktionsdiagramm Haustechnik 5.48 Gebäudekennwerte

3

9

10

5

4 3

6

7

8

5.44

62

Wohnhöfe in Winterthur

Haustechnik Die Wärmeerzeugung erfolgt für jedes Gebäude mit drei Systemen: einer Abluftund einer Abwasserwärmepumpe sowie Fernwärme als Back-up-Versorgung zur Spitzenlastabdeckung. Ziel des Konzepts ist es, die anfallende Abwärme im Gebäude (Fortluft, Abwasser) möglichst vollständig für die Wärmeversorgung zu nutzen. Die hier gewählte Systemlösung ist für Passivhäuser aus mehreren Gründen ungewöhnlich. Anstelle der direkten Wärmerückgewinnung in der Lüftungsanlage mittels Wärmetauscher nimmt sie den Umweg über eine Abluftwärmepumpe und führt die dabei gewonnene Wärme den Nachheizregistern im Zuluftstrang sowie der Fußbodenheizung in den Fassadenzonen zu. Auf diese Weise ließ sich das Lüftungskonzept in dezentrale und zentrale Komponenten aufteilen. Die Frischluft wird über die Fassaden angesaugt und zunächst einer deckenintegrierten »Airbox« zugeführt, in der sich Filter, Ventilator, Lufterhitzer und Schalldämpfer befinden. Je Wohnung sind zwei dieser Geräte vorgesehen, die die Haupträume an der Fassade auf kurzen Wegen mit Zuluft versorgen. Nachteile dieser Lösung sind, dass auch in den Übergangszeiten geheizt werden muss, falls die Außenlufttemperatur unter 12 °C fällt, man zur Wartung und zum Filterwechsel der insgesamt 290 Einzelgeräte alle Wohnungen betreten muss und die Platzierung in den Decken über den Schlafräumen einen sehr guten Geräteschallschutz erfordert. Die Abluft wird aus den Räumen der Kernzone abgesaugt und im zentralen Schacht zur Abluftwärmepumpe im Keller geleitet. Warmwasser für die Gebäude erzeugt eine Abwasserwärmepumpe. Dazu werden die nicht fäkalienhaltigen Abwässer in einem Tank im Keller gesammelt. Dort entziehen der Sole-Wärmetauscher und die Wärmepumpe dem Abwasser Wärme, um sie zur Trinkwassererwärmung zu verwenden. Der Strombedarf für die Wärmepumpen sowie die Hilfsantriebe wird bilanziell über eine Fotovoltaikanlage auf dem Dach ausgeglichen, die Solarstrom in das Netz einspeist. Sofern man den Fernwärmeanteil über Müllverbrennung ebenfalls als regenerativ einstuft, ist somit die gesamte Wärmeversorgung im Sinn einer Nullenergiebilanz durch erneuerbare Primärenergie abgedeckt. Der Haushaltsstrom wird hingegen aus dem öffentlichen Netz bezogen und ist in diesem Projekt nicht Bestandteil des Nullenergiekonzepts.

Airbox 1 Fußbodenheizung LuftNachheizregister Frischluft Ansaugung Zuluft Zuluftauslass Abluft Abluftventil Verteilerelement für Abluft mit Brandschutzklappe

Airbox 2 5.46 Airbox mit Zuluftvorerwärmung Abluft

Zuluft

WT

Abwasser

NR

Wärme Strom WT Wärmetauscher WP Wärmepumpe NR Nachheizregister

Fotovoltaik

WT

WP I

WP II

Warmwasser Strom

Wechselrichter

Fußbodenheizung Fernwärme

Stromnetz

5.47

Gebäudekennwerte Nutzung Wohnen, Läden, Büros Flächen Bruttogeschossfläche (BGF) 23 870 m2 Energiebezugsfläche (EBF) 20 400 m2 thermische Hüllfläche (A) 20 028 m2

Geschossflächenzahl (GFZ) Bruttorauminhalt (V) A / V-Verhältnis Agew /EBF

1,54 96 300 m3 0,21 0,82

Wand Fenster: Uw-Wert g-Wert

0,13 W/m2K 0,80 W/m2K 0,50

Lüftungssystem

Airbox dezentral, Abluft zentral 0,6

U-Werte [W/m2K] 0,10 W/m2K Dach Boden 0,07 W/m2K Glasflächenanteil (Glas/EBF) 0,227 Energiekennwerte

Minergie-P

32,8 kWh/m2a Heizwärme gewichtete Energiekennzahl 19,5 kWh/m2a Wärmebereitstellungsgrad keine Wärmerückgewinnung

Blower-Door-Test 1/h (50 Pa)

Wärmeversorgung

Abluft- und Abwasserwärmepumpen; Fernwärme

Energieträger

Fortluft, Abwasser, Strom, Fotovoltaikanlage Fernwärme Solaranlage (Deckungsgrad)

186 kWp nicht vorhanden

Besonderheiten Lüftung ohne Wärmerückgewinnung, dafür Abluft-Wärmepumpe 5.48

63

Wohngebäude – Beispiele

Wohn- und Pflegeheim Hannover, D 2008 Bauherr: Landeshauptstadt Hannover Architekten: Pfitzner Moorkens Architekten, Hannover TGA-Planung: Planungsgruppe VA, Hannover Passivhausberatung: Carsten Grobe, Ottbergen

5.49

Das Wohnen im Alter erfordert differenzierte Antworten, die dem Bedürfnis nach Selbstbestimmung und Unabhängigkeit auf der einen Seite und der Vielfalt und Unterschiedlichkeit des individuellen Betreuungs- und Pflegebedarfs auf der anderen Seite gerecht werden. Das KurtBahlsen-Haus in Hannover gibt auf diese Fragen Antworten, die sich zugleich zwanglos mit dem Passivhauskonzept verbinden. Im Wohn- und Pflegeheim sind 48 Pflegeplätze in vier Hausgemeinschaften organisiert. Sie befinden sich in zwei parallelen, aber versetzt zueinander angeordneten Gebäuderiegeln, die sich

zu der benachbarten Grünanlage orientieren. Das Foyer, die Haupttreppe sowie Gemeinschaftsräume für Veranstaltungen bilden einen eigenen Bauteil, der die beiden Riegel als Querspange miteinander verbindet. An das Foyer grenzen die Pflege- und Verwaltungsräume. Die Anordnung der Baukörper schafft unterschiedliche Außenraumsituationen, die auch die angrenzenden öffentlichen Gebäude und Freiräume in die Gesamtkonzeption miteinbeziehen. Im Süden bezieht sich der Eingangshof auf die benachbarte Kindertagesstätte und den Kulturtreff. Der Gartenhof im Norden

öffnet sich zu den Grünflächen des Bothfelder Angers und bildet einen geschützten Aufenthaltsort für Demenzkranke. Die Wohngemeinschaften haben jeweils eine gemeinsame Küche, Ess- und Wohnzimmer, denen mehrere Einzelzimmer sowie Doppelzimmer für Ehepaare zugeordnet sind. Zweigeschossige Wintergärten stellen eine zusätzliche Verbindung zwischen den Wohngemeinschaften her. Alle Flure und ihre Erweiterungen sind konsequent auf die Außenräume ausgerichtet und erlauben somit Blickbeziehungen ins Freie und eine übersichtliche Orientierung der Bewohner.

5.50

64

Wohn- und Pflegeheim in Hannover

5.49 5.50 5.51 5.52 5.53

Haupteingang/Eingangshof Hofansicht Lageplan, Maßstab 1:2000 Schnitt a – a, Maßstab 1:500 Grundriss Erdgeschoss, Maßstab 1:500 1 Foyer 2 Büro 3 Wohnen 4 Kochen 5 Essen 6 Zimmer 7 Wintergarten 5.54 Innenraumansichten a Durchblick zum Wintergarten b Schlafzimmer

5.51

5.52

6 6 6 6 6 6 6

6

6

6

6

6

6

6

6

6

7 6 6 3 2

6

4 a

5

2

2

1

a

7 a 6

2

6

5

6

4

6 3

6

5.53

b

5.54

65

Wohngebäude – Beispiele

11 1 5

6 12

7 2

3

13

4 14

8 9 10

5.55 5.55 Vertikalschnitt Straßenfassade, Maßstab 1:20 1 Flachdach, extensiv begrünt: Vegetationsschicht 80 mm, Filtervlies Kiesrandstreifen 50 mm breit Abdichtung bituminös, zweilagig Wärmedämmung EPS im Gefälle ≥ 20 mm Wärmedämmung EPS 220 mm, Dampfsperre Decke Stahlbeton 160 mm 2 Außenwand: Außenputz 15 mm, Putzträgerplatte 22 mm Wärmedämmung 240 mm Sturz Kalksandstein 175 mm Innenputz 15 mm 3 Passivhausfenster: Dreifachverglasung in Holz-Aluminiumrahmen 4 Sonnenschutz: Raffstores 5.56 Vertikalschnitt Foyerfassade, Maßstab 1:20 5 Sonnenschutz: Lamelle Lärchenholz vorvergraut 180/26 mm Flachstahlprofil 100/15 mm 6 Obergurt Fachwerkträger: Stahl-Rechteckprofil 180/100/8 mm 7 Aussteifung Stahlstab Ø 25 mm 8 Untergurt Fachwerkträger: Stahl-Rechteckprofil 120/120/4 mm 9 Vordach: Abdeckung Zinkblech Trennschicht bituminös Baufurniersperrholzplatte 25 mm Konstruktionsvollholz 60/100 mm Baufurniersperrholzplatte 25 mm Lattung/Verkleidung Kantholz 34/34 mm 10 Regenrinne

5.56 11 Flachdach, extensiv begrünt: Vegetationsschicht 80 mm, Filtervlies, Kiesrandstreifen 50 mm breit Abdichtung bituminös zweilagig Wärmedämmung EPS im Gefälle 20 –170 mm Wärmedämmung EPS 220 mm Dampfsperre Rippendecke Stahlbeton 160/300 mm Gipskarton abgehängt 12,5 mm 12 Fenstersturz und Attika: Einscheibensicherheitsglas 8 mm Glasfaservlies Wärmedämmung Mineralwolle 290 mm Baufurniersperrholzplatte 20 mm Schüttdämmung Granulat XPS recycelt 210 mm Baufurniersperrholzplatte 20 mm 13 Fenster: Zweifachverglasung in Holz-Aluminiumrahmen 14 Zwischendecke: Fußbodenbelag Betonwerkstein 30 mm Estrich Zement 50 mm Trennschicht PE-Folie Trittschalldämmung (WLG 035) 20 mm Dämmung Polystyrol (WLG 035) 20 mm Rippendecke Stahlbeton 160/300 mm Gipskartonplattte abgehängt 12,5 mm Unterseite gespachtelt und gestrichen 5.57 Foyerfassade mit Sonnenschutzlamellen 5.58 Grundriss mit Energie- und Haustechnikkonzept 5.59 Gebäudekennwerte 5.57

66

Wohn- und Pflegeheim in Hannover

Baukonstruktion Das Wohn- und Pflegeheim wurde in Massivbauweise ausgeführt. Das Kellerbauwerk und die Decken bestehen aus Stahlbeton, die Wände aus Kalksandstein, einige Innenwände wurden auch im Trockenbau gefertigt. Die Gebäudehülle ist durchgängig mit außen liegenden Dämmsystemen (Wärmedämmverbundsystem, Gefälledämmung auf der Dachdecke, Schaumglasschotter unter der Bodenplatte) versehen. Dadurch ergeben sich bauphysikalisch sichere und zugleich kostengünstige Konstruktionen. Der gelenkartige Gebäudeteil mit dem Foyer wurde im Sinn einer Pufferzone bewusst nicht in Passivhausqualität ausgeführt. Auf diese Weise ließen sich die Anforderungen an Brandschutz und Luftdichtigkeit in Verbindung mit der offenen Treppe und dem Aufzug leichter lösen; außerdem war die Einbindung temporärer Nutzungen im Foyer in das Lüftungs- und Beheizungskonzept so einfacher möglich. Die Fassaden im Foyer sind teilweise nur zweifach verglast. Im Süden wurde ein fest stehender Sonnenschutz vor die großflächige Verglasung platziert. Die Passivhausfenster in den Wohntrakten sind nicht vollständig in der Dämmebene positioniert. Aufgrund der versteckt angeordneten Raffstores ließ sich so auch am oberen Anschluss eine gewisse Überdämmung des Fensterstocks erreichen. Gleichwohl stellt dieses Detail eine Wärmebrücke dar. Die Dachattika ist als gedämmte Holzrahmenkonstruktion ausgebildet. Damit ergeben sich ein wärmebrückenfreier Anschluss und gute Befestigungsmöglichkeiten für die Flachdachabdichtung. Balkone und Terrassen sind bis auf die unvermeidlichen punktförmigen Verbindungen aus Edelstahl thermisch nahezu vollständig von den Hüllkonstruktionen getrennt.

Abluft Zuluft Heizkörper Heizung – Vor-/Rücklauf Heizung – Steigstrang Abluftventil (Wandventil) Abluftventil (Deckenventil) Zuluftventil (Kugeldüse) Zuluftventil (Tellerventil)

5.58

Gebäudekennwerte Nutzung

Haustechnik Die Wärmeversorgung erfolgt über Fernwärme. Zur Be- und Entlüftung dient eine hocheffiziente Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung. Das System gliedert sich aus Brandschutzgründen in mehrere Lüftungsabschnitte mit unabhängigen Nachheizregistern, die jeweils eine Raumgruppe mit Wärme versorgen. Ein Erdreichwärmetauscher dient im Winter als Frostschutz und zur Vorerwärmung der Frischluft sowie im Sommer zu deren passiver Vorkühlung. Der zentrale Gebäudeteil mit Foyer, Haupttreppe und Aufzug sowie Gemeinschaftsraum wird nicht über die Lüftungsanlage, sondern ausschließlich über die Fenster belüftet.

Wohnen/Altenpflegeheim Flächen Bruttogeschossfläche (BGF) 3638,4 m2 Energiebezugsfläche (EBF) 2725 m2 thermische Hüllfläche (A) 5345 m2

Geschossflächenzahl (GFZ) Bruttorauminhalt (V) A / V-Verhältnis Agew /EBF

0,65 12 374 m3 0,432 1,615

Wand Fenster: Uw-Wert g-Wert

0,128 W/m2K 0,94 W/m2K 0,57

U-Werte [W/m2K] Dach Boden

0,108 W/m2K 0,154 W/m2K

Energiekennwerte

PHPP

Heizwärme Primärenergie Wärmebereitstellungsgrad

15 kWh/m2a 104 kWh/m2a 77 %

Heizlast Lüftungssystem Blower-Door-Test 1/h (50 Pa)

11,9 W/m2 zentral 0,38

Fernwärme nicht vorhanden

Solaranlage (Deckungsgrad)

nicht vorhanden

Wärmeversorgung Energieträger Fotovoltaikanlage Besonderheiten Erdwärmetauscher mit Solewasser unter Gelände 5.59

67

Städtebau

• Einbindung energetischer Themen in den städtebaulichen Entwurf • Entwurfsprinzipien des kompakten und solaren Bauens • Städtebauliches Erklärungsmodell • Praxisbeispiel • Realisierte Passivhausbebauungen

Einbindung energetischer Themen in den städtebaulichen Entwurf

sivhauskonzept hierfür geeignete und praxistaugliche Lösungsansätze anbietet.

Mit Schlagwörtern wie »solare Stadt« oder »energieeffiziente Stadt« wird heute versucht, die immer stärker im Fokus stehenden energetischen Fragen mit neuen Leitbildern und Entwurfskonzepten im Städtebau zu etablieren. Häufig werden dabei die räumlich-energetischen Wirkungszusammenhänge in den Vordergrund gerückt und als Entwurfsprinzipien eingefordert, ohne zu bedenken, welche Auswirkungen ihre einseitige Anwendung auf stadträumlicher und sozialer Ebene haben kann. Als Antwort auf diese Konflikte und die Komplexität der Wirkungszusammenhänge versuchen viele Vertreter des »klassischen« Städtebaus die energetischen Fragestellungen möglichst weitgehend aus dem Entwurfsprozess herauszuhalten. Hier soll eine vermittelnde Position aufgezeigt werden, die beide Sichtweisen derart zusammenführt, dass die energetischen Themen zu einem selbstverständlichen Bestandteil des städtebaulichen Entwurfs werden, ohne diesen im Sinn einer einseitigen Optimierung zu dominieren. Untersuchungen und bislang realisierte Siedlungen zeigen, dass das Pas-

Einflussfaktoren des energieeffizienten Städtebaus Die Einflussfaktoren im energieeffizienten Städtebau sind besonders vielfältig und weisen komplexe Wechselwirkungen auf. Daher finden sich in der Literatur viele Aussagen und Forderungen, die sich teils zu widersprechen scheinen. Für den städtebaulichen Entwurf ist es entscheidend, die wichtigen von den weniger wichtigen Parametern zu unterscheiden und dabei immer die energetischen und räumlichen Randbedingungen im Blick zu behalten. Die Ergebnisse der systematischen städtebaulich-energetischen Untersuchungen des Autors [1, 2, 3], lassen sich folgendermaßen zusammenfassen (Abb. 6.1 bis 6.6): • Die Wahl des energetischen Standards der Gebäude hat den wichtigsten und alles andere überragenden Einfluss auf den Energiebedarf einer Siedlung. • Neben dem energetischen Standard der Gebäude entscheidet vor allem das Versorgungskonzept darüber, wie hoch der Primärenergiebedarf und die Treibhausgasemissionen der Siedlung im Betrieb ausfallen werden.

Direktstrahlung

• Die Kompaktheit der Siedlungsstruktur ist der wichtigste räumlich-energetische Entwurfsparameter im Städtebau. Sie ist darüber hinaus immer auch von großer wirtschaftlicher Bedeutung. • Im Städtebau erzeugt die Platzierung und Stellung der räumlichen Elemente eine komplexe Besonnungssituation. Speziell die Orientierung der Hauptfassaden und Dächer sowie die Verschattung durch Topografie, Nachbarbebauung und Vegetation bestimmen entscheidend mit, wie hoch die erzielbaren solaren Gewinne ausfallen können. • Im Sommer wie im Winter wirkt sich eine Südorientierung der Hauptfassaden positiv auf die thermische Behaglichkeit der Räume aus. Im Gegensatz zum Winter ist im Sommer jedoch eine Verschattung der Fassaden von Vorteil. • Die Verschattung der Fassaden ist vor allem in den unteren Geschossen und Innenecklagen ausgeprägt. Dies ist im Hinblick auf die Besonnung und Tagesbelichtung besonders zu beachten. • Das Standortklima – auch ein kleinräumig ausgeprägtes Stadtklima – ist ein wichtiger Einflussparameter für den Heizenergiebedarf und noch ausgeprägter für die sommerliche Behaglichkeit von Innen- und Freiräumen.

Diffusstrahlung

Reflexstrahlung Infrarot-Abstrahlung Verschattung durch Vegetation

Verschattung durch Topografie

b

c

d

Verschattung durch Nachbarbebauung 6.1

68

a

6.2

80 70 60 50

Passivhaus, 20 % Fensterfläche Passivhaus, 30% Fensterfläche Niedrigenergiehaus, 20% Fensterfläche Niedrigenergiehaus, 30% Fensterfläche EnEV, 20% Fensterfläche EnEV, 30% Fensterfläche

40 30 20

Jahresheizwärmebedarf [%] ausgehend vom südorientierten Fall

90

160

Passivhaus Niedrigenergiehaus EnEV (jeweils 30 % Fensterfläche)

150

140

130

120

110

10 100

0 Ost

Nord West Orientierung

Süd

a 160

Zeilenbausiedlung Punkthaussiedlung Einzelhaussiedlung Baublockquartier

150 140 130 120 110

Nord

Süd

160

Nord West Orientierung

Zeilenbausiedlung Punkthaussiedlung Einzelhaussiedlung Baublockquartier

150 140 130 120 110 100

100

Entwurfsprinzipien des kompakten und solaren Bauens

Ost

b Jahresheizwärmebedarf [%] ausgehend vom südorientierten Fall

Nord

90

90 Nord

Ost

Süd

West Nord Orientierung

Im städtebaulichen Entwurf beeinflussen die räumlichen Festsetzungen (z. B. Stellung und Abstände der Gebäude, Geschosszahl, Gebäudetiefe, Platzierung von Vegetation) den Energiebedarf einer Siedlung. Mit Bezug auf diese Einflussparameter können nun Entwurfsprinzipien im Sinn eines kompakt-solaren Städtebaus formuliert werden. Wählt man als Kriterium den Heizenergiebedarf, können sie einerseits den Wärmeverlusteigenschaften der Siedlungsstruktur – spezifischer Hüllflächenaufwand A / V bzw. Agew /EBF (Abb. 6.2) – und andererseits den Wärmegewinneigenschaften – spezifischer solarer Strahlungszugang der Siedlungsstruktur – zugeordnet werden [4]. Ihre

c

6.1 schematische Darstellung der Besonnungssituation einer Wohnsiedlung. Die Siedlung und deren solare Empfängerflächen erhalten Solarstrahlung in Form von Direkt-, Diffus- und Reflexstrahlung. Um die Gesamtsituation solarenergetisch zu beurteilen, muss das Strahlungsangebot auf die Empfängerflächen abhängig von deren Orientierung, Neigung und Verschattung (z. B. durch Nachbargebäude und Vegetation) für jede der drei Strahlungsarten berechnet werden. Zusätzlich spielt der langwellige Strahlungsaustausch (z. B. Abstrahlung an den kalten Nachthimmel) eine Rolle. 6.2 abstrakte Siedlungstypologie als Grundlage städtebaulich-energetischer Untersuchungen: a Einzelhaussiedlung b Punkthäuser, schachbrettartige Anordnung c Zeilenbauten mit einheitlicher Südorientierung d Baublock

6.3 Untersuchungen zu den energetischen Auswirkungen der Orientierung auf den Jahresheizwärmebedarf, abhängig vom energetischen Standard der Gebäude, dem Fensterflächenanteil und der Bebauungsform. Fazit: Pauschale Aussagen zur Orientierung sind nicht möglich. Es kommt ganz entscheidend auf die Randbedingungen an. a Jahresheizwärmebedarf einer Zeilenbausiedlung, abhängig von der Orientierung der Hauptfassade und dem energetischen Standard b wie a, nun jedoch Auswertung der relativen Unterschiede, ausgehend von dem südorientierten Fall (= 100 %) c relative Auswirkungen der Orientierung auf den Jahresheizwärmebedarf verschiedener Bebauungsformen im Passivhausstandard. Der Fensterflächenanteil beträgt 30 % der

Nord

Ost

Süd

d

West Nord Orientierung

spezifischer Jahresheizwärmebedarf [kWh/m2a]

6.3 140 120 Wohngebäude gem. EnEV 100 80 60 Niedrigenergiehäuser

Reduktionsfaktor Verschattung

Das Zusammenspiel der genannten Einflussfaktoren kann über spezielle städtebaulich-energetische Untersuchungen erfasst werden. Ziel ist es, unter Berücksichtigung des energetischen Standards der Gebäude sowie der städtebaulichräumlichen Randbedingungen eine Energiebilanz der Siedlung und der einzelnen Gebäude zu kalkulieren. Geeignet sind spezielle Simulationsprogramme, z. B. GOSOL, die zudem über eine Ursachenauswertung (Kompaktheitskennwerte, verminderte Solargewinne gegenüber optimaler Orientierung und idealer Verschattungsfreiheit) entwurfsbezogene Verbesserungspotenziale aufzeigen.

100

Jahresheizwärmebedarf [%] ausgehend vom südorientierten Fall

• In der Vergangenheit als wichtig erachtete Konzeptansätze, z. B. Windschutz, Vermeidung von Kaltluftseen oder Einsatz verglaster Pufferräume spielen heute wegen der luftdichten und hochwärmegedämmten Hüllkonstruktionen der Gebäude nur noch eine untergeordnete Rolle.

Jahresheizwärmebedarf [kWh/m2a]

Entwurfsprinzipien des kompakten und solaren Bauens

1,0 0,9 0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3

40

Baumreihe Punkt Zeile Innenhof

0,2 20 Passivhäuser 0

0,1 0,0

0

0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0 4,5 Kompaktheit Agew /EBF 6.4

0,0 0,5

1,0

1,5

2,0 2,5 3,0 3,5 4,0 Abstandsverhältnis A/H 6.5

Energiebezugsfläche. In Richtung der Hauptorientierung sind die Fensterflächen um einen Faktor 1,5 größer als bei den Nebenfassaden. d wie c, nun jedoch mit einem Fensterflächenanteil von 20 % der Energiebezugsfläche und gleichverteilten Fenstern 6.4 Jahresheizwärmebedarf unterschiedlich kompakter Gebäudetypen bzw. Bebauungsformen, abhängig vom energetischen Standard EnEV: Energieeinsparverordnung (EnEV 2002) NEH: Niedrigenergiehäuser PH: Passivhäuser 6.5 Reduktionsfaktor der Verschattung, abhängig vom Abstandsverhältnis A/H (Gebäudeabstand / Gebäudehöhe bzw. Baumabstand /-höhe) für eine Punktbebauung, eine Zeilen- /Straßensituation und einen Innenhof sowie eine parallel vor einer Südfassade verlaufende Laubbaumreihe

69

Städtebau

Entwurfsprinzipien des kompakten Bauens Die wichtigsten Planungsprinzipien des kompakten Bauens sind in Abb. 6.7 zusammengefasst. Neben einer pauschalen Beurteilung ihrer energetischen Relevanz sind auch die Auswirkungen auf die erzielbare bauliche Dichte, die Schonung der Ressourcen Energie und Fläche sowie die städtebauliche Raumbildung aufgeführt. Die entscheidenden Stellschrauben sind die Wahl der Geschosszahl, Gebäudetiefe und -länge sowie die Vermeidung von unnötigen Vor- und Rücksprüngen in der Gebäudehülle. Besonders ungünstig schneiden generell eingeschossige Bebauungen ab. Über die Wahl der Bebauungsform bzw. der im städtebaulichen Entwurf verwendeten Gebäudetypen wird die erreichbare Kompaktheit bereits wesentlich vorbestimmt (Abb. 4.4, S. 35 und 6.11, S. 72). Entwurfsprinzipien des solaren Bauens Die wichtigsten Planungsprinzipien des solaren Bauens sind (Abb. 6.8): • Südorientierung der Gebäude und ihrer Hauptfassaden und Solarsystemflächen (Fotovoltaik, Solarthermie) • Begrenzung der Verschattung der Solarapertur (Fenster, Kollektoren, Fotovoltaik) durch Topografie, Vegetation, Nachbarbebauung und eigene Gebäudeteile • Nutzen der Klimagunst (z. B. Südhanglage, Windschutz, Vermeidung von Nebellagen) Diese Planungsprinzipien genießen eine hohe Akzeptanz, weil hier immer auch qualitative Aspekte (z. B. Besonnung von Wohnungen) eine Rolle spielen. Eine konsequente Umsetzung stößt jedoch immer

dann an Grenzen, wenn die Randbedingungen des Baulands und spezielle Anforderungen des Aufgabenprogramms in der Entwurfsphase zu den unten aufgeführten Zielkonflikten führen. Zielkonflikte Bei der Anwendung der zuvor genannten Planungsprinzipien tauchen unweigerlich Zielkonflikte auf: • Die Forderung nach optimaler Besonnung im Kernwinter führt zu sehr großen Gebäudeabständen und einer starken Zunahme des Flächenbedarfs. • Eine strikt eingehaltene Südorientierung ist städtebaulich häufig problematisch. Die Frage der Orientierung lässt sich keinesfalls auf die Besonnung oder energetische Aspekte reduzieren. Die Einfügung einer Bebauung in den vorgefundenen Kontext (Erschließung, Topografie, Morphologie), die Abschirmung gegenüber Störquellen (Verkehr, Gewerbe) oder die Hinwendung zu einer attraktiven Situation (Aussicht, Freiraum) überlagern häufig den Belang der Solarenergienutzung. Sofern keine gravierende städtebaulichen Aspekte dem entgegenstehen, ist es unstrittig von Vorteil, wenn die Mehrzahl der Gebäude mit ihrer Hauptfassade nach Süden (± 45 Grad) orientiert wird. • Eine städtebauliche Raumbildung erfordert immer das Akzeptieren einer gewissen Verschattung (Übereck- und Horizontverschattung) sowie nicht optimal orientierter Gebäude bzw. Gebäudeteile (z. B. Straßenrandbebauung, winkelförmige Bebauungen, Höfe, Plätze). Auch für die Raumwahrnehmung ist das Spiel von Licht und Schatten entscheidend [5]. • Eine Begrünung des Wohnumfelds steht im Widerspruch zur Forderung nach einer Minimierung der Verschattung. Bei Passivhäusern lässt sich dieser Konflikt durch die Verwendung von

6.6 Heizenergetische Auswirkungen der Raumbildung. Vergleich unterschiedlicher Bebauungsformen. Weitere Angaben und Hinweise siehe [1], S. X –19ff. a untersuchte Siedlungen A – F mit Angabe der Geschossflächenzahl (GFZ) b Jahresheizwärmebedarf bei Realisierung der Siedlungen A – F im Passivhausstandard 6.7 Entwurfsprinzipien des kompakten Städtebaus/ kompakten Bauens. Bewertung der energetischen Relevanz und der Auswirkungen auf die erzielbare bauliche Dichte, den Beitrag zur Ressourcenschonung und den Auswirkungen auf die städtebauliche Raumbildung ++ besonders starker Einfluss + starker Einfluss o neutraler Einfluss – negativer Einfluss – – stark negativer Einfluss 6.8 Entwurfsprinzipien des solaren Städtebaus /solaren Bauens, sonst wie Abb. 6.7

A strikte Südzeilen (GFZ = 1,29)

C Südzeilen mit Querzeile (GFZ = 1,07)

Städtebauliche Raumbildung Die Raumbildung kann als Prüfstein für die Anwendung der Prinzipien eines energie- und flächensparenden Städtebaus angesehen werden (Abb. 6.6). Der sich hier stellenden Komplexität kann das Passivhauskonzept als Effizienzstandard gut gerecht werden, weil die Kompaktheit viel entscheidender ist als die Aspekte Südorientierung und Verschattungsfreiheit. Wie ferner Abb. 6.11 (S. 72) zeigt, lassen sich mit kompakten Siedlungsstrukturen auch hohe bauliche Dichten erzielen und damit der Flächenbedarf reduzieren. Passivhäuser stellen darüber hinaus keine besonderen Ansprüche an die Solarapertur, die Grundriss- oder Dachausbildung. Für die Energieeffizienz sind vor allem die energetische Qualität der Hüllkonstruktionen und der haustechnischen Anlagen verantwortlich, die im städtebaulichen Entwurf keine Einschränkungen nach sich ziehen. Die aufgeführten Vorteile sind bei der energetischen Sanierung des Bestandes sogar von noch größerer Bedeutung, weil hier die städtebaulichen und architektonischen Randbedingungen weitgehend vorgegeben sind. 14 12 10 8 6 4

D hofartige Zeilen (GFZ = 1,07) a

70

B Südzeilen (GFZ = 1,07)

Laubgehölzen entschärfen, weil die Verschattungswirkung während der verkürzten Heizperiode nur vom Geäst ausgeht. Im Sommer ist eine Verschattung der Wohnungen und Freiräume jedoch von Vorteil für die thermische Behaglichkeit. • Auch die Prinzipien des kompakten Bauens können nur in Abwägung mit anderen städtebaulichen Belangen angewandt werden. So kann etwa die Geschosszahl nur kontextbezogen und in engen Grenzen erhöht werden. Einer Steigerung der Gebäudetiefe sind in Bezug auf die Grundrissbildung Grenzen gesetzt, weil ansonsten kaum nutzbare Innenzonen entstehen.

Jahresheizwärmebedarf [kWh/m2a]

Anwendung im Städtebau erfordert immer eine Abwägung mit anderen städtebaulichen Belangen und enthält Zielkonflikte.

E Westzeilen (GFZ = 1,07)

2

F Baublock (GFZ = 1,65)

0 A b

B

C

D

E

F 6.6

Entwurfsprinzipien des kompakten und solaren Bauens

Planungsprinzipien und -aspekte im kompakten Städtebau/kompakten Bauen Planungsprinzip oder -aspekt

energetische Relevanz

Auswirkungen auf die erzielbare bauliche Dichte

Beitrag zur Ressourcenschonung Energie/Fläche

Auswirkungen auf die städtebauliche Raumbildung

Steigerung der Geschosszahl (Z = I – III)

Heizwärme: +++ Heizlast: +/++

Zeilenbebauung: +++ Block-/Hofbebauung: ++ Solitärbebauung: ++

niedrige Bebauungen (eingeschossig; eingeschossig mit Dachgeschoss) sind besonders ressourcenintensiv; entscheidender Ansatz zur Verbesserung der Resssourceneffizienz

keine direkten Auswirkungen

Steigerung der Geschosszahl (Z > IV)

Heizwärme: +/++ Heizlast: +/o

Zeilenbebauung: + Block-/Hofbebauung: + Solitärbebauung: o/+

abnehmender Einfluss bei Geschosszahlen > IV; jedoch Zusatzaufwand notwendig, z. B. Brandschutz, Aufzüge

keine direkten Auswirkungen; Hochhausbebauungen werden aus sozialräumlichen Gründen häufig kritisch bewertet.

Vergrößerung der Gebäudetiefe

Heizwärme: +/++ Heizlast: +

Zeilenbebauung: +/++ Block-/Hofbebauung: +/++ Solitärbebauung: +/++

im städtebaulichen Kontext: kombinierte Verbesserung von Kompaktheit, baulicher Dichte und Besonnung der Wohnungen

keine direkten Auswirkungen; je nach Baukörpergeormetrie und Verschattungssituation Begrenzung der maximalen Gebäudetiefe (Grundrissbildung)

Erhöhung der Gebäudelänge (Zeilenbebauungen)

Heizwärme: + Heizlast: o/+

Erhöhung der baulichen Dichte im Vergleich zu offenen Bauweisen mit Solitären bzw. Kurzzeilen

schwach positiver Einfluss durch Reduzierung von Energie- und Flächenbedarf

Sehr große Gebäudelängen werden im Wohnungsbau als sozialräumlich ungünstig eingestuft (schwierige Identifizierung der Bewohner).

kompaktheitsorientierte Optimierung der Gebäudeproportion

Heizwärme: o/+ Heizlast: o

Zeilenbebauung: o/+ Block-/Hofbebauung: o Solitärbebauung: +

nur bei kleinvolumigen Baukörpern von Bedeutung

Fließender Übergang von Solitär zu Zeilenbebauungen mit Konsequenzen für die Raumbildung.

Optimierung der Dachzonen nach Kompaktheitsgesichtspunkten

Heizwärme: + Heizlast: +/o

besonders bei Bebauungen mit geringer Geschosszahl Potenziale für zusätzlichen Wohnraum in Dachzonen

bei Bebauungen mit geringer Geschosszahl unter Umständen wichtiger Beitrag zur Ressourceneffizienz (z. B. Hofhausbebauung)

Asymmetrische Dachformen erfordern wegen unterschiedlichen Traufhöhen besondere Sorgfalt hinsichtlich der Raumbildung.

Vermeiden von Vor- und Rückspringen in der Hüllgeometrie der Baukörper

Heizwärme: +/++ Heizlast: +/++

keine Auswirkungen

kein Beitrag

Im Wohnungsbau ist eine Gliederung der Baumassen notwendig, um eine Identifizierung der Bewohner mit seinem Wohnhaus zu ermöglichen. 6.7

Planungsprinzipien und -aspekte im solaren Städtebau/solaren Bauen Planungsprinzip oder -aspekt

energetische Relevanz

Auswirkungen auf die erzielbare bauliche Dichte

Beitrag zur Ressourcenschonung Energie/Fläche

Auswirkungen auf die städtebauliche Raumbildung

Südorientierung der Hauptfassaden

Besonnung: ++ Heizwärme: +/++ Heizlast: +/o Sommerklima:+

keine direkten Auswirkungen indirekt: Bevorzugung von Zeilenbebauungen mit geringer baulicher Dichte

deutliche Reduzierung des Heizenergiebedarfs nur bei gerichteten Bebauungsformen; ansonsten geringer Einfluss

strikte Südorientierung führt zu mangelhafter Raumbildung und -differenzierung (z. B. strikter Südzeilenbau)

Besonnungsorientierte Fensterflächenverteilung (A) bzw. Vergrößerung der Flächenanteile von Südfenstern (B)

Besonnung: ++ Heizwärme: +/++ Heizlast: +/o Sommerklima (A): +/o Sommerklima (B): –/– –

keine Auswirkungen

moderate Reduzierung des Heizenergiebedarfs

keine; strategische Bedeutung als Ausgleich bzw. Kompensation für ungünstig orientierte Baukörper aufgrund städtebaulicher Raumbildung

besonnungsoptimierte Abstände zwischen den Baukörpern (A/H = 3,0 – 5,0)

Besonnung: ++ Heizwärme: + Heizlast: +/o Sommerklima: –

starke Reduzierung der baulichen Dichte im Vergleich zur Einhaltung der geforderten Mindestabstände

starke Erhöhung des Flächenbedarfs bei geringer Reduzierung des Energiebedarfs

(Zu) große Gebäudeabstände stehen einer städtebaulich sinnvollen Raumbildung häufig im Weg.

besonnungsoptimierte Anordnung der Baukörper

Besonnung: + Heizwärme: +/o Heizlast: +/o Sommerklima: –/o

sofern dadurch die Abstände zwischen den Gebäuden erhöht werden müssen, starke Reduzierung der Dichte

geringe Reduzierung des Energiebedarfs; jedoch unter Umständen deutliche Erhöhung des Flächenbedarfs

führt zu einer gleichmäßigen Verteilung der Baukörper auf dem Siedlungsgrundstück mit mangelhafter Raumdifferenzierung

besonnungsoptimierte Abstände zwischen Vegetation und Fassaden

Besonnung: + Heizwärme: +/o Heizlast: +/o Sommerklima: –

keine Auswirkungen

kein Beitrag

Vegetation hat sowohl in den Erschließungs- als auch in den Freiräumen eine wichtige raumbildende bzw. gliederende Funktion

Nutzen von Klimagunst (Südhangbebauung) bzw. besonnungsgerechte Höhenstaffelung

Besonnung: + Heizwärme: +/o Heizlast: +/o Sommerklima: –/o

Erhöhung der baulichen Dichte durch mögliche Verringerung der Abstände

entweder Reduzierung des Heizenergiebedarfs (gleiche Abstände) oder spürbare Verringerung des Flächenbedarfs

Die Raumbildung erfordert wegen der unterschiedlichen Höhen der raumbegrenzenden Kanten besondere Sorgfalt

optimale Orientierung und Neigung von Solardächern (solare Nahwärme, Null- bzw. Plusenergiesiedlungen)

starker Einfluss auf den solaren Ertrag der Systeme; sehr große wirtschaftliche Bedeutung aufgrund der hohen speziellen Systemkosten

je nach Versorgungskonzept Begrenzung der maximal möglichen Geschosszahl auf Werte von III bis VI

Reduzierung des Einsatzes fossiler Energieträger; Dichtebegrenzung durch Grenzen der Solarflächenverfügbarkeit

Siedlungsstrukturen mit Solardächern weisen die typischen Probleme des strikten Südzeilenbaus auf. Die hohen Nordfassaden sind sozialräumlich ungünstig. 6.8

71

erf. mittlerer U-Wert (opake Bauteile) [W/m2K]

Städtebau

0,50 0,45

Süd, unverschattet West, unverschattet Süd, verschattet West, verschattet West, stark verschattet

Mehrfamilienhäuser

0,40

0,35 0,30

Reihenhäuser

0,25 Einfamilienhäuser

0,20 0,15

Hofhäuser

0,10 0,05 0,00

erf mittlerer U-Wert (opake Bauteile) [W/m2K]

0

0,5

1,0

1,5

2,0

2,5

3,0

3,5

0,60

Süd, unverschattet West, unverschattet Süd, verschattet West, verschattet West, stark verschattet

Mehrfamilienhäuser

0,55

4,5 4,0 Kompaktheit Agew/EBF 6.9

0,50 0,45 0,40 Reihenhäuser

0,35 0,30 0,25

Einfamilienhäuser

0,20 Hofhäuser

0,15 0,10 0,05 0,00 0

0,5

1,0

1,5

2,0

2,5

3,0

3,5 4,0 4,5 Kompaktheit Agew/EBF

bauliche Dichte [GFZ-Modul]

6.10 5,0

teppichartige Baublöcke Baublöcke Punkthaussiedlungen (versetzt) Punkthaussiedlungen Zeilenbausiedlungen Hofhaussiedlungen Einzelhaussiedlungen

4,5 4,0 3,5 3,0 2,5 2,0 1,5 1,0 0,5 0 0,6 0,8

1,0

1,2

1,4

1,6

1,8

2,0

2,2

6.9 erforderlicher U-Mittel-Wert der opak gedämmten Flächen (Dach, Außenwand, Kellerdecke) zur Einhaltung des Passivhausstandards (Heizwärmekennwert = 15 kWh/m2a) für unterschiedlich orientierte und verschattete Gebäudetypen, abhängig von deren energetischer Kompaktheit (Agew/EBF). Weitere Angaben und Erläuterungen siehe Anm. 1, S. VIII – 42ff. Für die Berechnungen wurden folgende Randbedingungen gewählt: U-Wert Fenster 0,8 W/m2K g-Wert Verglasungen: 0,50 Energieäquivalenter Luftwechsel nL: 0,08 h-1 Fensterflächen: 20 % der Energiebezugsfläche 6.10 wie Abb. 4.9, nun jedoch deutlich höhere Qualität der Passivhauskomponenten Fenster und Lüftungsanlagen, mit: U-Wert Fenster 0,60 W/m2K g-Wert Verglasungen: 0,55 Energieäquivalenter Luftwechsel: 0,06 h-1

72

3,6 3,8 4,0 4,2 Kompaktheit Agew/EBF 6.11 6.11 Zusammenhang zwischen energetischer Kompaktheit und baulicher Dichte. Auswertung von 1800 Siedlungsmodellen mit verschiedenen Bebauungsformen. Zunächst ist festzustellen, dass kein direkter Zusammenhang zwischen baulicher Dichte und energetischer Kompaktheit existiert. Sofern man solaroptimierte Gebäudeabstände wählt, sind auch bei sehr kompakten Gebäudestrukturen geringe bauliche Dichten die Folge. Auf der anderen Seite ist erkennbar, dass mit kompakten Siedlungstypen in der Regel auch eine hohe bauliche Dichte erzielt werden kann. Eine Sonderstellung nehmen Hofhaussiedlungen ein, bei denen trotz geringer bis mittlerer Kompaktheit Dichten erreicht werden können, die vergleichbar mit denen im Geschosswohnungsbau sind. Weitere Angaben und Erläuterungen siehe [1], S. XI–13ff. 2,4

2,6

2,8

3,0

3,2

3,4

Städtebauliches Erklärungsmodell Systematische Untersuchungen von Passivhaussiedlungen [6] zeigen, dass die Bedeutung solarer Strategien im Städtebau stark von der Kompaktheit der Gebäude abhängig ist (Abb. 6.9 – 6.11): • Gebäude und Siedlungen mit einer sehr geringen Kompaktheit (eingeschossige Bebauungen bzw. kleinvolumige Einfamilienhäuser) erfordern generell einen hohen Aufwand zur Einhaltung der Passivhauskriterien. Hier ist eine solare Optimierung (Südorientierung, geringe Verschattung) konzeptionell und wirtschaftlich unverzichtbar. • Bei Gebäude- und Siedlungstypen mittlerer Kompaktheit (mehrgeschossige Einfamilienhäuser, Reihenhäuser, kleine Mehrfamilienhäuser) bestimmen die städtebaulich-energetischen Parameter Kompaktheit, Orientierung und Verschattung den wirtschaftlichen Aufwand entscheidend mit. Ungünstige Randbedingungen lassen sich jedoch mit vertretbarem Aufwand ausgleichen. • Die besonders kompakten Gebäudeund Siedlungstrukturen liegen hinsichtlich der Anforderungen an die Gebäudehülle eher im Bereich typischer Niedrigenergiekonstruktionen. Eine ungünstige Orientierung und Verschattung erfordern nur moderate Zusatzaufwendungen. • Passivhäuser sind demnach auch in der kompakten Stadt – selbst in innerstädtischen Lagen mit hoher Dichte und ungünstigen solarenergetischen Bedingungen – problemlos realisierbar. • Durch die technologischen Weiterentwicklungen der Passivhauskomponenten (Fenster, Verglasungen, Lüftungsanlagen) werden die städtebauliche Spielräume für die Umsetzung des Passivhauskonzepts nochmals vergrößert. Das ist speziell für die Grenzfälle mit geringer Kompaktheit von Bedeutung. Dimensionierungshilfe Das städtebauliche Erklärungsmodell eignet sich auch für eine erste entwurfsbezogene Vordimensionierung der Passivhauskomponenten. Hierfür reicht es aus, vorerst nur die Kompaktheit der Baukörper zu bestimmen und eine Gesamteinschätzung der solarenergetischen Situation (Orientierung, Verschattung) vorzunehmen. Städtebaulichenergetische Untersuchungen sind somit in der Lage, entwurfsstrategische Fragen zu beantworten – auch im Hinblick auf eine möglichst wirtschaftliche Realisierung.

Praxisbeispiel

Praxisbeispiel Am konkreten Beispiel soll gezeigt werden, wie die Klimaschutzstrategien in einer städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme – Konversion der Prinz-EugenKaserne in München in ein neues Stadtquartier für 5000 Einwohner mit 1800 Wohnungen, Schule, Kindertagesstätten, Bürogebäuden und Stadtplatz mit Nahversorgung – umgesetzt werden können: • Die Entwurfsidee basiert auf dem Konzept eines kompakt bebauten, nutzungsgemischten Quartiers mit mehreren Baublöcken bzw. Baufeldern, die als eigenständige Nachbarschaften funktionieren (Abb. 6.12 a, b). • Der öffentliche Raum und die Wohnhöfe weisen jeweils eine klare städtebauliche Raumbildung mit differenzierten Raumproportionen auf. Die Schule ist als einer der Bausteine ebenfalls in dieses Grundkonzept eingebunden. • Alle Gebäude erfüllen den Passivhausstandard. Abhängig von Kompaktheit, Orientierung und Verschattung fällt der baulich-technische Aufwand zur Einhaltung der energetischen Kriterien unterschiedlich aus (Abb. 6.12 d). • Die Mehrzahl der Gebäude ist nach Süden orientiert. Eine Südorientierung der Hauptfassaden wurde vor allem bei den weniger kompakten Gebäudestrukturen in teppichartigen Bebauungen und Stadtreihenhäusern vorgesehen. • Auf den südorientierten Dächern sind Flächen für Fotovoltaikfelder reserviert. • Die Wärmeversorgung erfolgt über Fernwärme auf niedrigem Temperaturniveau (Low-EX). Das Hauptnetz ist knapp gehalten, indem nur blockweise Übergabestationen vorgesehen sind (sogenannte Mininetze). Das erforderliche höhere Temperaturniveau für Warmwasser wird mittels AbwasserWärmepumpen erzeugt (Abb. 6.12 c). • Das Mobilitätskonzept basiert auf einer guten Anbindung an den ÖPNV (Straßenbahn, Bus), einer Mobilitätsstation am Stadtplatz sowie Angeboten zu Carsharing und Elektromobilität (Fahrräder, Stadtautos) in jeder Nachbarschaft.

a

b

c

6.12 Stadtentwicklungsmaßnahme Konversion PrinzEugen-Kaserne, München, Wettbewerbsbeitrag, Architekten: Matthias Kroitzsch, Elisabeth Notter, Alexander Reichmann, Rainer Vallentin a Lageplan b stadträumliches Konzept /Freiraumkonzept c Fernwärmeanbindung d Passivhausanforderungen (Randbedingungen siehe Abb. 6.9). Der U-Mittelwert der opak gedämmten Hülle der markierten Baukörper beträgt: 0,08 – 0,10 W/m2K 0,10 – 0,12 W/m2K 0,12 – 0,15 W/m2K 0,15 – 0,20 W/m2K > 0,20 W/m2K

Der städtebauliche Entwurf wird bewusst nicht von energetischen Themen dominiert. Für den Erfolg der Klimaschutzstrategien sind vor allem die energetische Qualität der Gebäude im Passivhausstandard und das Energieversorgungskonzept entscheidend. Diese haben – wenn überhaupt – nur einen geringen Einfluss auf die stadträumliche Gestaltung des Quartiers. d

6.12

73

Städtebau

Realisierte Passivhausbebauungen Anhand ausgewählter Passivhaussiedlungen und -quartiere werden unterschiedliche Wege sichtbar, wie die energetischen Themen in die städtebauliche Gesamtplanung integriert werden können.

a

b

a

b

c

d

6.13 Passivhaussiedlung in Lystrup (DK) 2009, Architekten: Schmidt Hammer Lassen; Ausführungsplanung: Olav Langenkamp; Energiekonzept: passivhus.dk a Foto b Lageplan 6.14 Passivhaus-Ortskernerweiterung in Fellbach (D) 2011, Brucker Architekten; Energiekonzept: ebök a Foto b Schwarzplan mit Umgriff c Modell d Lageplan 6.15 Stadtquartier mit Passivhausstandard, Bahnstadt

74

6.13

6.14

in Heidelberg (D) 2012, städtebaulicher Rahmenplan: Trojan+Trojan, Energiekonzept: ebök a Modell b Funktionsschema c Rahmenplan 6.16 Zwei Passivhaus-Wohnsiedlungen Lodenareal und Olympisches Jugenddorf in Innsbruck (A) 2009/2011, Architekturwerkstatt dina4, teamk2 architects, Reitter Architekten a Luftbild b Lageplan c Baublockbebauung Lodenareal d Punkthausbebauung Olympisches Dorf

Reihenhaussiedlung in Lystrup (DK) In Lystrup bei Aarhus entsteht derzeit das größte nach Klimaschutzgesichtspunkten konzipierte Wohnquartier Dänemarks. Die Bebauung mit 32 Reihenhäusern weist einen seriellen Städtebau in Form klassischer Südzeilen auf. Sie wurde von einem Bauträger in Holzbauweise ohne Unterkellerung realisiert. Knapp bemessene Wohnwege erschließen die einzelnen Häuser, während die Haupterschließung samt Stellplätzen an den Rand der Siedlung gelegt wurde. Ergänzt wird die Bebauung durch ein Gemeinschaftshaus, das einen sozialen Bezugs- und Treffpunkt bildet. Durch die turmartigen Dachaufsätze, unter denen sich die zweigeschossigen Hauptwohnräume befinden, entsteht eine rhythmische Bauform, die das Erscheinungsbild der Siedlung wesentlich prägt. Passivhaus-Wohnbebauung in Fellbach (D) In zentrumsnaher Lage hat die Stadt Fellbach ein ehemaliges Gärtnereiareal erworben, um eine Passivhaussiedlung zu entwickeln. Dazu wurde ein Wettbewerb im Bieterverfahren ausgelobt. Vorgeschaltet war ein Auswahlverfahren, in dem sich Teams von Investoren und erfahrenen Passivhausarchitekten bewerben konnten. Das ausgewählte Projekt weist im Osten eine in der Höhe differenzierte Kammbebauung auf, die den Innenbereich von der Hauptstraße abschirmt. Im Westen befinden sich leicht dazu versetzt kurze Reihenhauszeilen. Die Bebauung nimmt den kleinteiligen Maßstab der umliegenden Bebauung auf. Trotz der dadurch nicht optimalen Kompaktheit konnten die Passivhäuser mit Standardkonstruktionen im Massivbau wirtschaftlich realisiert werden. Zwei Wohnsiedlungen in Innsbruck (A) Die größte Passivhauswohnanlage Österreichs ist städtebaulich durch die Gegenüberstellung von zwei Grundtypologien – Baublock und Punkthausbebauung – gekennzeichnet. Im Hinblick auf die Freiräume und die Gebäudetypologie lassen sich somit zwei unterschiedliche Entwurfsansätze direkt miteinander vergleichen. Der erste Bauabschnitt basiert auf einem Wettbewerbsentwurf,

Realisierte Passivhausbebauungen

5

der wegen der umlaufenden Balkonzonen mit eingezogenen Loggien und einer aufwendigen Lüftungsverteilung ungünstige Bedingungen für das Passivhauskonzept aufwies. Aufgrund des dadurch ausgelösten Lernprozesses konnten bei der später realisierten Punktbebauung die Mehrkosten gegenüber einer konventionellen Bauweise auf etwa 5 % reduziert und damit mehr als halbiert werden.

2

2 1

6+7

2

2 1 3 5+6 8 1000 m

0

Bahnstadt Heidelberg (D) In Heidelberg entsteht derzeit der erste Passivhausstadtteil als kompaktes, nutzungsgemischtes Quartier. Die neue Bahnstadt entsteht auf dem Areal eines ehemaligen Güterbahnhofs, das von den bahntechnischen Anlagen aus dem 19. Jahrhundert, aber auch vom ursprünglichen Verlauf des Neckars geprägt ist. Durch die Transformation ehemaliger Gleisführungen zu geschwungenen Stadträumen und die Aufnahme der vom Neckar und der Innenstadt ausgehenden Straßenführung entsteht ein neuer Stadtgrundriss mit kleinen Baufeldern und blockartigen Strukturen. Sie gliedern das Quartier und stellen zugleich neue Bezüge zum Landschaftspark Pfaffengrund her. In den Schnittpunkten dieses Gefüges liegen Stadtplätze unterschiedlicher Nutzung, Größe und Form. Das Energiekonzept des Ingenieurbüros ebök basiert auf dem Passivhausstandard für alle Gebäude. Dieser wird in den Grundstückskaufverträgen zwischen der Stadt Heidelberg und den Käufern verbindlich vereinbart und im Rahmen der Genehmigungsplanung durch Vorlage der Energieberechnungen und Unterlagen gemäß PHPP durch das Bauamt geprüft. Die Versorgung erfolgt über Fernwärme und sogenannte Mininetze, die die Aufgabe der blockinternen Unterverteilung übernehmen. Aufgrund der hohen baulichen Dichte des Quartiers und des Anschlussgebots ist eine netzgestützte Wärmeversorgung trotz des geringen Wärmebedarfs der Passivhäuser sinnvoll und tragfähig. Die Akzeptanz des Energiekonzepts wird durch Förderungen, Informations- und Beratungsangebote der Stadt Heidelberg unterstützt.

4

a

1 2 3 4 b

c

Wohnen Dienstleistung Businesspark Fachhandel

5 6 7 8

Kultur Versorgung Verkehrsknotenpunkt Sondernutzung

6.15

a

b

c

d

Anmerkungen [1] Vallentin, Rainer: Energieeffizienter Städtebau mit Passivhäusern. Göttingen 2011 [2] Vallentin, Rainer: Städtebauliche Spielräume und Grenzen beim Entwurf von Passivhäusern. Tagungsband 5. Passivhaustagung 2001, S. 29 – 42 [3] Vallentin, Rainer: Passivhäuser – Impulse zur Weiterentwicklung städtebaulicher Themen. Tagungsband 2. Passivhaustagung 1998, S. 207 – 232 [4] ebd., S. 210 [5] Twarowski, Mieczyslaw: Sonne und Architektur. München 1962, S. 107ff. [6] wie Anm. 1, S. VII – 41ff. 6.16

75

Nichtwohngebäude • Passivhausprinzipien bei Nichtwohnbauten • Energiebilanz • Besonderheiten verschiedener Gebäudetypologien

Passivhausprinzipien bei Nichtwohnbauten Der Begriff Nichtwohnbauten umfasst eine Vielfalt von Gebäudetypen mit unterschiedlichen Funktionen und entsprechend variierenden Anforderungen an das Raumklima. Letztere werden in vielen konventionell geplanten Gebäuden allein durch die technische Ausrüstung erfüllt, weil der Entwurf nicht auf die klimatischen Bedingungen des Standorts abgestimmt ist. Aus energetischer Sicht verursachen derartige Lösungen hohe Investitionsund Betriebskosten. In aller Regel ist die technische Ausrüstung (Belichtung, Lüftung, Heizung) in Nichtwohngebäuden komplexer und weist einen höheren Automationsgrad auf als in Wohnbauten. Vor allem die Lüftung und Maßnahmen für den sommerlichen Wärmeschutz sind sorgfältig zu planen, um den technischen Aufwand für Kühlung zu minimieren. Der winterliche Wärmeschutz spielt demgegenüber oft eine untergeordnete Rolle. Die Wirtschaftlichkeit der für den Passivhausstandard aufzuwendenden Mehrinvestitionen wird bei Nichtwohngebäuden stärker hinterfragt als im Wohnungsbau. Auch hier schlägt sich die höhere Komple-

xität der technischen Ausrüstung nieder. Sowohl die Energiekosten als auch die energetischen Einsparpotenziale sind bei gewerblichen Bauten höher als bei Wohnbauten. Sie lassen sich aber meistens nur mit einem höheren und kostenintensiveren technischen Aufwand erschließen. Andererseits trägt die energetische Optimierung wesentlich zur Wertsteigerung von Immobilien bei. Auch dieser Faktor sollte in die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung einfließen. Optimierte Energiekonzepte verlangen neben der Reduktion der Energieverluste die Berücksichtigung weiterer Faktoren, bei denen auch Zielkonflikte auftreten. Eine kompakte Bauform reduziert z. B. die Transmissionswärmeverluste, bedingt aber tiefere Räume und einen höheren Energieverbrauch für die Beleuchtung. Große Verglasungen ermöglichen eine bessere natürliche Belichtung, können jedoch zu Überhitzung führen und so den Kühlenergiebedarf erhöhen. Dem Tageslichteintrag stehen die Anforderungen an den Blendschutz gegenüber (Abb. 7.1). Je nach Funktion des Gebäudes oder Gebäudeteils haben diese Faktoren einen unterschiedlichen Stellenwert und verlangen eine genaue Abschätzung ihrer Wechselwirkungen.

Nutzerverhalten Nichtwohnbauten werden zwar über einen geringeren Zeitraum genutzt als Wohngebäude, dafür ist die Nutzung räumlich intensiver. Die Belegung von Büroräumen liegt z. B. durchschnittlich bei 10 m2/Person; Schulen erreichen in Klassenzimmern eine Nutzungsdichte bis zu 2 m2/Person. Aber auch innerhalb des gleichen Gebäudetyps können die Verhaltensmuster der Nutzer und die energetischen Anforderungen stark variieren (Abb. 7.2). Der Erfolg eines Energiekonzepts ist bei allen Gebäudetypen stark vom Nutzerverhalten abhängig. Divergenzen zwischen berechnetem Energiebedarf und tatsächlichem Verbrauch treten vor allem bei Gebäuden auf, in denen klimaregulierende Maßnahmen eine intensive Mitwirkung des Nutzers verlangen (z. B. Sonnenschutz, Lüftung). Vor allem bei unbekannten Nutzern sollte die Bereitschaft zur richtigen Beteiligung an der Systemregelung eher vorsichtig eingeschätzt werden. Ein sicheres Funktionieren lässt sich nur durch eine einfache, weitestgehend wartungsfreie Konzeption garantieren. Gebäude mit einem Wärmeschutz in Passivhausstandard reagieren sehr flexibel gegenüber »ungeplantem« Nutzerverhal-

7.1 Bürogebäude in Lüneburg (D) 2009, G2R Gäde Rückner Rückner Architektenpartnerschaft. Holzrahmenbau in kompakter Form mit freier Grundrissgestaltung, mäßige Größe der Glasflächen, hohe Fensterformate für die Belichtung in der Raumtiefe. Der nahezu quadratische Grundriss bietet Platz für vier Einheiten mit je 150 m2 Nutzfläche. Der Passivhausstandard wird durch eine Fotovoltaik- und Regenwassernutzungsanlage ergänzt. 7.2 Standardnutzungsdaten für verschiedene Nichtwohnbauten 7.1

76

Energiebilanz

ten. Aber auch bei kleineren Gebäuden übersteigt die technische Komplexität moderner Gebäudeausstattung schnell die üblichen Kompetenzen eines Hausmeisters. Trotz Einweisung und umfangreicher Projektdokumentation ist in der Anfangsphase eine intensive fachliche Beratung der Nutzer erforderlich, damit die angestrebte Energieeffizienz auch tatsächlich erreicht wird. Hierzu gehören die messtechnische Überprüfung über einen Zeitraum von zwei bis drei Jahren nach Baufertigstellung sowie die nachträgliche Einstellung der Technik auf die Verhaltensmuster der Nutzer.

Energiebilanz

Grundschulen

Sporthallen

Säle / Bühnen

Laborgebäude

Krankenhäuser

Produktions-/ Werkstätten

Verkaufsstätten

Lagerstätten

Sonnenenergienutzung Die passive Nutzung der Sonnenenergie zur Reduktion des Heizwärmebedarfs hat bei Nichtwohnbauten einen geringeren Stellenwert als im Wohnungsbau. Die Orientierung der Räume kann in großvolumigen Gebäuden nicht immer die Himmelsrichtungen berücksichtigen. Zudem ist die direkte Sonneneinstrahlung bei den meisten Nutzungen wie Büro, Klassen-

Schulen (allg.)

Lüftung Für die Erhaltung der Luftqualität und zum Erreichen des Passivhausniveaus ist eine

kontrollierte Lüftung mit Wärmerückgewinnung unerlässlich. Eine ausreichende Lüftung über Fenster ist bei dem erforderlichen Luftaustausch ohne kalte Zugluft im Winter nicht realisierbar. Die hygienische Luftqualität wird hauptsächlich am CO2-Gehalt bemessen. Nach den gültigen Normen soll ein Wert von 1500 ppm nicht überschritten werden. Nach Max von Pettenkofer ist bereits bei mehr als 1000 ppm mit einer Beeinträchtigung des Wohlbefindens zu rechnen: Kopfschmerzen, Müdigkeit, Konzentrationsschwäche und Minderung der Leistungsfähigkeit sind die Folgen (Abb. 7.6, S. 79). Für einen wirtschaftlichen und energieeffizienten Betrieb ist es von hoher Bedeutung, die Luftmenge auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken. Die Auslegung sollte die übliche Belegung und Nutzung berücksichtigen. Ein punktuell erhöhter Bedarf kann durch Fensterlüftung kompensiert werden. Die zeitlich begrenzte Nutzung und die stark schwankende Belegung bei den meisten Typologien macht einen intermittierenden und bedarfsgerechten Betrieb der Lüftung erforderlich. Dieser ist z. B. über Zeitprogramme, Präsenzmelder/-Taster und CO2-Fühler möglich. Bei der Planung der Kanalführung sind besonders die Anforderungen des Brandschutzes zu beachten, um Brandschutzklappen und zusätzliche Abkofferungen zu vermeiden Dezentrale Systeme bieten diesbezüglich einen Vorteil.

Verwaltung

Die Fortschritte bei der technischen Gebäudeausstattung sollten nicht dazu verleiten, diese Mittel als Ausgleich für eine wenig energieeffiziente Planung zu sehen. Das technische Konzept ist ein fester Bestandteil der Gesamtplanung, die eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Architekt und Fachplanern erfordert. Neben einem verantwortungsvollen Technikeinsatz führt diese Art der Planung auch zu einer verbesserten Wirtschaftlichkeit des Gebäudes. Der Gebäudetypologie entsprechend, werden Anforderungsprofile definiert, die die Rahmenbedingungen der Nutzung (z. B. tägliche Nutzungsdauer) und Behaglichkeitsbedingungen (z. B. erforderliches Belichtungsniveau, Sonnenund Blendschutz, Luftwechselrate) umfassen (Abb. 7.2). Sie beeinflussen die Energiebilanz und machen Konflikte für die Planung durch gegensätzliche Anforderungen sichtbar. Die beste Antwort darauf ist eine energetische Optimierung des Entwurfs. Sie erfordert zwar immaterielle Mehrinvestitionen in die Planung, spart jedoch materielle Investitionen in den Bau und Gebäudebetrieb.

Wärmeschutz Typologieübergreifend ist eine hochwärmegedämmte, wärmebrückenarme Gebäudehülle auch bei Nichtwohnbauten der Grundstein des Passivhauskonzepts. Die Wärmeverluste durch die Gebäudehülle sind direkt proportional zur wärmeabgebenden Fläche (A) und zum Wärmedurchgangskoeffizienten (U-Wert). Daher sollte zum einem die Dämmqualität der Konstruktion optimiert und zum anderen die Außenfläche reduziert werden. Je kleiner die Außenfläche (kompaktes Gebäude), desto geringer muss die Dämmstärke ausfallen. Fassadenflächen zählen zu den teuersten Bauelementen, was diese Maßnahme in doppelter Hinsicht wirtschaftlich macht. Gerade bei kompakten Bauformen sind jedoch die Raumzuschnitte zu überprüfen. Die natürliche Belichtung muss optimiert werden, um den Einsatz künstlicher Beleuchtung (und damit Elektrizität) zu minimieren. Die Zonierung von Räumen oder Raumbereichen mit unterschiedlichen Belichtungsbedürfnissen (Arbeits-/ Aufenthaltsbereiche in Fassadennähe, Nebenräume in dunkleren Zonen) oder die Integration von Atrien, Lichthöfen oder Oberlichtern sind hierzu gängige Möglichkeiten. Kompakte Baukörper führen meistens zu einer undifferenzierten Zuordnung der Räume in Bezug auf die Himmelsrichtungen. Eine klare räumliche Strukturierung des Gebäudes ist für dessen Energieeffizienz jedoch unabdingbar. Die Orientierung der Baukörper und die Raumproportionen spielen eine entscheidende Rolle für die Höhe der Wärmeverluste und der möglichen solaren Gewinne sowie für andere energetisch relevanten Faktoren wie Belichtung und Sonnenschutz.

Anteil Nutzungstage in der Heizzeit

NTH

69 %

52 %

52 %

52 %

71 %

69 %

100 %

69 %

76 %

69 %

[–]

Nutzungsstunden pro Nutzungstag

NST

10

10

6

12

14

10

24

10

12

10

[h/d]

durchschnittliche Personenbelegung während der Nutzung

PBN

25

10

10

20

70

35

35

50

50

100

[m2/P]

mittlere Raumlufttemperatur an Nutzungstagen

TN

20

20

20

18

20

20

22

18

20

16

[°C]

mittlere Raumlufttemperatur an Tagen ohne Nutzung

TL

15

15

15

10

15

15



10

15

10

[°C]

Heizgrenztemperatur

TG

12

12

12

12

12

12

15

12

12

12

[°C]

mechanischer Luftwechsel in der Nutzungszeit (Mittelwert)

MLN

0,8

0,8

0,8

0,4

0,4

0,8

0,6

0,8

0,8

0,2

[1/h]

mechanischer Luftwechsel außerhalb der Nutzungszeit (Mittelwert)

MLL

0,0

0,0

0,0

0,0

0,0

0,2

0,6

0,2

0,0

0,0

[1/h]

Stromverbrauch in kWh/m2 EBF a (ohne Klimatisierung)

SV

25

15

10

15

25

50

40

50

50

10

Nutzungstyp

7.2

77

Nichtwohngebäude

räume, Sporthallen, Museen usw. eher unerwünscht. Aber auch hier ermöglicht ein beweglicher Sonnenschutz solare Wärmegewinne außerhalb der üblichen Nutzungszeiten. Dort, wo die Sonneneinstrahlung unproblematisch ist (z. B. bei Kitas, Versammlungsräumen) sind die Glasflächen trotzdem vorsichtig zu dimensionieren. Der geringe Restenergiebedarf von Passivhäusern lässt sich meist über einen relativ kleinen Verglasungsanteil der Fassade decken. Die Dimensionierung der Fensterflächen sollte sich daher primär an den Aspekten der Tageslichtnutzung und des sommerlichen Sonnenschutzes orientieren.

a

b

c

7.3

7.3 Kindertagesstätte in Kraiburg am Inn (D) 2012, Pollok + Gonzalo. Klassische Anwendung von Passivhausprinzipien: gut gedämmt, nach Süden geöffnet, abgestimmter Sonnenschutz, natürliche Lüftung im Sommer, kompaktes Volumen a Südansicht b Innenansicht Gruppenraum c Schnitt, Maßstab 1:500 7.4 Möglichkeiten, die Lichtlenkung, den Sonnenschutz und die Sicht miteinander abzustimmen 7.5 Hauptschule in Klaus-Weiler-Fraxern (A) 2003, Dietrich Untertrifaller Architekten. Effizienter Sonnen- und Blendschutz durch außen liegende Aluminiumlamellen mit differenzierter Lichtumlenkung; Sichtverbindung nach außen über sich selbst verschattendes Fensterband a Fassadenschnitt, Maßstab 1:40 b Innenansicht des Klassenzimmers 7.6 typischer Verlauf der CO2-Konzentration in Schulen bei Stoßlüftung. Bereits bei mehr als 1000 ppm (Pettenkoferzahl) können Symptome wie Müdigkeit und Kopfschmerzen auftreten. Die Hygienegrenze liegt bei 1500 ppm. Ohne kontrollierte Lüftung werden die Grenzwerte jedoch mehrfach überschritten. 7.7 Einfluss der Position des Fensters auf die Tageslichtverteilung 7.8 Einfluss der Speichermasse auf die Raumtemperatur bei Nachtluftkühlung

78

Interne Wärmequellen Je nach Nutzung kann bei einem Gebäude mit Passivhausstandard bereits der interne Wärmebeitrag durch Personen, Beleuchtung und Geräte zur Beheizung der Räume ausreichen. Dieser Wärmebeitrag ist jedoch nicht konstant, sondern unterliegt zeitlichen Schwankungen im Jahresverlauf (z. B. Ferien), in der Woche (Feiertage, Wochenende) und im Tagesverlauf (Tag/Nacht, Abwesenheit). Für seine effektive Nutzung sind eine genaue Abstimmung zwischen Heizung und Lüftung sowie eine Einzelraumregelung notwendig. Die hohe interne Wärmeproduktion kann im Sommer vor allem in Kombination mit der Sonneneinstrahlung leicht zu Überhitzung führen und muss durch entsprechende Maßnahmen kontrolliert werden. Natürliche Belichtung und ein gut geplanter, idealerweise außen liegender Sonnenschutz dienen der Reduktion von Wärmeeinträgen. Die im Raum entstandene Wärme kann mit einer effektiven natürlichen (insbesondere nächtlichen) Lüftung abgeführt oder durch eine entsprechend hohe Gebäudemasse gepuffert werden. Das Passivhaus-Projektierungspaket (PHPP) berücksichtigt diese Faktoren bei der Berechnung des Sommerverhaltens und insbesondere der Übertemperaturhäufigkeit (siehe S. 25ff.). Mit richtiger Planung sollten die meisten Nichtwohnbauten auch ohne Kühlanlage einen ausreichenden Komfort bieten können. Die bei der Kühlung eingesparten Kosten können in einen verbesserten Wärmeschutz bzw. in Maßnahmen zur Vermeidung von Überhitzung und zur natürlichen Kühlung fließen. Sonnenschutz Neben dem internen Wärmebeitrag ist die Sonneneinstrahlung bei energetisch optimierten Bauten die wichtigste Ursache für

Überhitzung. Der Sonnenschutz, dessen Art und Dimensionierung von der Himmelsrichtung abhängig ist, muss deshalb sorgfältig geplant werden (Abb. 7.3). Während Süd- und Nordausrichtung einfachere Systeme erlauben, sind diese Maßnahmen bei tief stehender Sonne aus Osten und Westen komplizierter. Ein ähnliches Problem stellen wegen des hohen Sonnenstands im Sommer Glasflächen auf horizontalen und geneigten Dachflächen dar. Feste Verschattungseinrichtungen brauchen zwar keine Bedienung, richten sich aber nicht nach den tatsächlichen Witterungsbedingungen. Sie müssen daher durch zusätzliche Maßnahmen (z. B. Rollos oder Jalousien) ergänzt werden. Die Effizienz beweglicher Verschattungseinrichtungen ist von einer korrekten Bedienung abhängig, wobei die Möglichkeit zur aktiven Einflussnahme die Akzeptanz seitens der Nutzer steigert. Voraussetzung ist jedoch, dass diese die Funktionsweise auch verstehen. Ferner muss der Sonnenschutz auch bei Abwesenheit oder außerhalb der Nutzungszeiten gewährleistet sein, damit sich die Gebäudemasse nicht aufheizt. Der Sonnenschutz darf einer blendfreien Belichtung und einem freien Blick nach draußen nicht im Weg stehen. Was zuerst als Widerspruch erscheint, lässt sich mit geeigneten Maßnahmen durchaus erreichen. So können z. B. reflektierende Lamellen durch eine differenzierte Einstellung von Teilbereichen im unteren Fensterabschnitt Sonneneinstrahlung und Blendung vermeiden und oben das Licht an die Decke und dadurch in die Tiefe des Raums lenken (Abb. 7.4 und 7.5). Belichtung Die Belichtung ist das oberste Kriterium für die Dimensionierung der Glasflächen. Auch wenn Passivhausfenster einen sehr guten U-Wert von 75 %). Der Passivhausstandard ist anzustreben. Sollte dieser Standard nicht erreicht werden können, ist dies zu begründen.« (St V VB § 7502 vom 28.01.2010).

9.7 Studentenwohnheim in Wuppertal (D) 2000, Architektur Contor Müller Schlüter a Ansicht nach der Sanierung b Axonometrie der neuen Fassade c Grundriss Die Grundrisserweiterung im Fassadenbereich (dunkelgraue Flächen) ermöglicht eine zeitgemäße Vergrößerung der Zimmer, verbessert die Gebäudekompaktheit und erlaubt einen ununterbrochenen Verlauf der Dämmebene in der Fassade mit der Qualität eines Neubaus. 9.8 Sanierung eines Pfarrheims in Dachau (D) 2010, Pollok + Gonzalo Dämmschürze als Verlängerung der Außenwanddämmung ins Erdreich (siehe S. 114ff.). Dadurch werden die Verluste durch die nicht unterkellerte Bodenplatte gemindert. 9.9 Dynamische Simulation der Wirkung einer Dämmschürze für die Energieverluste einer ungedämmten Bodenplatte 9.10 Sanierung eines Verwaltungsgebäudes in Bozen (I) 2006, Michael Tribus Architecture Die schrägen Laibungen verbessern den Tageslichteintrag. Durch die richtige Positionierung der Fenster in der Dämmebene und die korrekte Lösung der Detailanschlüsse mindern sie die Dämmwirkung jedoch kaum.

Perspektiven Eine energetische Sanierung bedingt eine Verhaltensänderung der Nutzer. Lüftungsgewohnheiten, Sonnenschutz, Belichtung und Heizung verlangen eine 9.10

105

Passivhaussanierung – Beispiele

Sanierung eines Mehrfamilienhauses Zürich, CH 2011 Bauherr: Pierre und Thomas Ledermann, Zürich Architekt: Beat Kämpfen/Kämpfen für Architektur AG, Zürich Energiekonzept: Planforum, Martin Fuchs, Winterthur

10.1

Das an einer stark befahrenen Straße gelegene Mehrfamilienhaus wurde 1938 als Teil einer Blockrandbebauung realisiert. Seine gute Lage in Innenstadtnähe regte zur Vergrößerung des gebauten Volumens bis an die zulässigen Grenzen an. Dabei wurde die hofseitige Nordfassade um 1 m nach außen versetzt, wodurch die kleinen Räume auf dieser Seite eine angenehme Größe erreichten. Zusammen mit dem Dachausbau ergab dies eine Erweiterung der Nutzfläche um ca. 100 m2. Aus mehreren untersuchten Varianten wählten die Bauherren eine Sanierung im Passivhausstandard. Die Erhöhung des Wohnkomforts und die Flächenvergrößerung machten dieses Bauvorhaben zu einer rentablen Lösung. Fortan wird das Gebäude gemischt genutzt: Es enthält Büros im Erdgeschoss, vier Regelgeschosse mit je zwei Wohnungen sowie eine Maisonettewohnung im ausgebauten Dach. Baukonstruktion Ungedämmte Wände, auskragende Balkone ohne thermische Trennung und mangelhafte Schalldämmung der Decken waren neben unzeitgemäßen Installationen sowie veralteten Fenstern die wichtigsten baulichen Mängel des Bestandsgebäudes. Eine Analyse ergab, dass allein die Fenster für mehr als die Hälfte der Transmissionswärmeverluste verantwortlich waren. Straßenseitig erhielt die Fassade ein Wärmedämmverbundsystem, womit ihr Erscheinungsbild als Teil einer geschlossenen Häuserzeile fast unverändert blieb. Aufteilung und Größe der Öffnungen entsprechen denjenigen des Bestands, mit Ausnahme der vergrößerten Fensterflächen im Erdgeschoss. Die Balkone an der Südostecke wurden in einen über vier Geschosse reichenden Erker umgewandelt und setzen einen neuen Akzent in der ansonsten flachen Fassade (Abb. 10.2). 10.2

106

Sanierung eines Mehrfamilienhauses in Zürich

10.1 10.2 10.3 10.4 10.5

10.6 10.7 10.8 10.9

Lageplan, Maßstab 1:2000 Straßenansicht Schnitt a – a, Maßstab 1:500 Grundriss 1. Dachgeschoss, Maßstab 1:300 Grundriss Regelgeschoss (1.– 4. Obergeschoss), Maßstab 1:300 1 Büro 2 Besprechung 3 Küche/Essen 4 Wohnen 5 Zimmer 6 Bad Grundriss Erdgeschoss, Maßstab 1:300 Straßenansicht vor der Sanierung Hofansicht Blick in die offen gestaltete Maisonettewohnung im Dachgeschoss

10.3

6 3

5

5

4

10.4 10.7

3

3

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6

6

5

5

5

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10.5

10.8

a

2

2

1

1

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10.6 10.9

107

Passivhaussanierung – Beispiele

1

2

3

4 5

6

10

7

9

8

10.10

108

10.11

Sanierung eines Mehrfamilienhauses in Zürich

Die Nordfassade und das Dach wurden weitgehend aus vorgefertigten Holzelementen errichtet, wobei die neue, tragende Fassade auf eigenen Fundamenten steht. Der Verlauf der Dämmebene schließt auch den angebauten Lift mit ein. Er erhielt zusammen mit den angrenzenden Balkonen eine Holzverschalung und wurde so als eigenständiges Volumen gestalterisch vom Hauptgebäude gelöst (Abb. 10.8, S. 107). Besondere Sorgfalt verlangte die Lösung der Wärmebrücken. Vier der acht Balkone auf der Südseite wurden in Erker umgewandelt und damit wärmebrückenfrei überdämmt. Die restlichen Balkone sowie die Terrassen erhielten auf der Oberseite eine Dämmung aus Vakuumisolationspaneelen (¬ = 0,007) und sind damit schwellenlos betretbar. Die Unterseiten der Balkone wurden mit einer Aerogeldämmung (¬ = 0,013) versehen (Abb. 10.10). Haustechnik Eine kontrollierte Lüftung einzubauen war nicht nur energetisch sinnvoll, sondern auch wegen des Verkehrslärms naheliegend. Aus wirtschaftlichen Gründen fiel die Entscheidung auf eine zentrale Lüftungsanlage, welche die Wohnungen und die Büros versorgt (Abb. 10.12). Die Versetzung der Fassade auf der Hofseite erlaubte eine einfache Integration der notwendigen Installationsschächte. Das Dachgeschoss erhielt eine eigene Lüftungsanlage. Zum technischen Konzept gehören ferner thermische Solarkollektoren zur Warmwasserversorgung und Heizungsunterstützung sowie eine dachintegrierte PV-Anlage. Die Böden mussten wegen fehlender Trittschalldämmung erneuert werden. Im Zuge dessen wurde auch eine Fußbodenheizung für die Wärmeverteilung eingebaut.

— — — —

Frischluft Zuluft Abluft Fortluft

1

Lüftungsanlage Dachgeschoss Lüftungszentrale (Technikraum) im Untergeschoss

1 2

2

10.12 Gebäudekennwerte Nutzung Wohnen Flächen Bruttogeschossfläche (BGF) 1338 m2 Energiebezugsfläche (EBF) 1117 m2 thermische Hüllfläche (A) 1117 m2

Geschossflächenzahl (GFZ) Bruttorauminhalt (V) A / V-Verhältnis

4,22 3678 m3 0,30

Wand Fenster (Uw-Wert)

0,110 W/m2K 0,950 W/m2K

U-Werte [W/m2K] 0,090 W/m2K Dach 0,18 W/m2K Boden Glasflächenanteil (Glas/EBF) 19 % Energiekennwerte

Minergie-P

Heizwärme Wärmebereitstellungsgrad Heizlast

16,7 kWh/m²a 83 % 14,8 W/m²

Lüftungssystem Blower-Door-Test 1/h (50 Pa)

zentral 1,3 (Wohnen), 0,9 (EG/Gewerbe)

Gas 3,55 kWp

Solaranlage

14 029 kWh/a

Wärmeversorgung Energieträger Fotovoltaikanlage Besonderheiten Fußbodenheizung, energiesparende Geräte 10.13

10.10 Vertikalschnitt Südfassade (Straßenseite) Maßstab 1:20 1 Dach: Faserzementplatte bzw. PV-Flachkollektor 8 mm Lattung 30 mm, Konterlattung 50 mm Abdichtung Unterdachbahn 2 mm Weichfaserplatte 35 mm Lattung/Wärmedämmung Mineralfaser 120 mm Dreischichtplatte 27 mm Holzträger/Wärmedämmung Mineralfaser 280 mm Dampfbremse, Dreischichtplatte 27 mm 2 Regenrinne Chromstahl 3 Außenputz 10 mm Sturz-Fertigelement 25 mm Sonnenschutz Verbundrafflamellenstores weiß Wärmedämmung Mineralfaser 40/80 mm Sturz Ortbeton (Bestand) 320 mm, Innenputz 4 Boden Terrasse: Lärchenrost unbehandelt 25 mm Lattung 30 mm Abdichtung Polymerbitumen zweilagig 10 mm

Wärmedämmung Steinwolle 30 – 50 mm Dämmung Vakuum-Isolationspaneel 30 mm Abdichtung Polymerbitumen einlagig 5 mm Decke Beton (Bestand) 170 mm 5 Brüstung: Außenputz 10 mm Wärmedämmung Mineralfaser 60 mm Dreischichtplatte 60 mm Faserzementplatte 8 mm 6 Balkon: Bodenbelag Lärche 25 mm Lattung 30 mm Abdichtung Polymerbitumen zweilagig Wärmedämmung Mineralfaser im Gefälle 60 mm Wärmedämmung Aerogel 30 mm Abdichtung Polymerbitumen einlagig 5 mm Balkonplatte 140 –170 mm Wärmedämmung Aerogel 30 mm Außenputz 10 mm 7 Fenster: Dreifachverglasung in Holz-Metallrahmen (Ug = 0,60 W/m2K; Uf = 1,22 W/m2K)

8 Sockel: Außenputz 10 mm, Dämmung XPS 140 mm Anstrich bituminös 3 mm Außenwand Ziegel (Bestand) 420 mm Stütze Kalkstein 350/500 mm, dazwischen Wärmedämmung Mineralfaser 200 mm 9 MDF-Platte lackiert 27 mm Stahlträger IPE 300, Zwischenräume ausgedämmt Wärmedämmung Mineralfaser 80 mm 10 Geschossdecke Erdgeschoss/Untergeschoss: Bodenbelag Feinsteinzeug 15 mm Fließestrich anhydritgebunden mit Fußbodenheizung 50 mm, Trennlage PE-Folie Trittschalldämmung Mineralfaser 30 mm Wärmedämmung EPS 30 mm Hohlziegeldecke mit Aufbeton (Bestand) 230 mm Wärmedämmung Mineralfaser 80 mm 10.11 Detailansicht der Straßenfassade 10.12 Schnitt mit Lüftungskonzept 10.13 Gebäudekennwerte

109

Passivhaussanierung – Beispiele

Sanierung eines Wohnhochhauses Freiburg im Breisgau, D 2011 Bauherr: Freiburger Stadtbau, Freiburg i. Br. Architekt: Roland Rombach, Kirchzarten TGA-Planung: Ingenieurbüro Lenz, Umkirch Bauphysik: Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme, Freiburg i. Br.

10.14

Das 16-geschossige Gebäude im Freiburger Stadtteil Weingarten ist das erste im Passivhausstandard sanierte Hochhaus überhaupt. Der Bau aus dem Jahr 1968 zeigt eine zeittypische serielle Bauweise aus Betonfertigteilen. Nach 40 Jahren war eine Generalsanierung notwendig, die als Teil einer größer angelegten Aufwertung des Stadtteils konzipiert ist. Die großen Wohnungen mit schlechtem Zuschnitt waren nicht mehr zeitgemäß. Lange und schmale, loggienartige Balkone ohne thermische Trennung bildeten gravierende Wärmebrücken und ließen nur wenig Licht in die Wohnungen (Abb. 10.19). Der Bauherr entschied sich daher zugunsten einer Umstrukturierung der Grundrisse, die eine Ausführung im bewohnten Zustand unmöglich machte. Mieter, die nach der Sanierung im Gebäude bleiben wollten, wurden während der 18 Monate Bauzeit in Ersatzwohnungen untergebracht. Nach dem Umbau umfasst jedes Geschoss neun statt sechs Wohnungen mit neu organisierten, verkleinerten Grundrissen. Im ganzen Gebäude sind 30 von ihnen sogar barrierefrei. Durch die Flächenverkleinerung und die minimierten Heizkosten reduziert sich auch die Warmmiete pro Wohnung gegenüber dem ursprünglichen Zustand. Im Gegenzug wurden die Verkehrsflächen im Gebäude verkleinert und die ursprünglichen Loggien eingehaust, sodass dort die Wärmebrücken verschwanden und die Wohnfläche insgesamt um 900 m2 wuchs. Die Grundrisse wurden dadurch noch tiefer als zuvor. Sanitär- und Nebenräume sind nun im dunkleren Innenbereich angeordnet; die Aufenthaltsräume liegen an der Fassade. Baukonstruktion Der hohe Baukörper hat eine aus energetischer Sicht günstige Kompaktheit, die sich auch in dem recht passablen Ener10.15

110

Sanierung eines Wohnhochhauses in Freiburg

10.14 10.15 10.16 10.17 10.18 10.19

Lageplan, Maßstab 1:5000 Gesamtansicht von Südwesten Schnitt a – a, Maßstab 1:1000 Regelgrundriss vor der Sanierung, Maßstab 1:400 Regelgrundriss nach der Sanierung, Maßstab 1:400 bereits renoviertes Hochhaus neben den baugleichen Nachbargebäuden, die den Zustand vor der Sanierung zeigen 10.20 Eingangsbereich 10.21 Innenansicht einer Wohnung. Links der vertikale Versorgungsschacht 10.16

10.19

10.17

a

10.20

a 10.18

10.21

111

Passivhaussanierung – Beispiele

10.22 Vertikalschnitt Lochfassade Maßstab 1:20 1 Geschossdecke: Bodenbelag 10 mm Zementestrich 60 mm Trennlage Wärmedämmung 60 mm Ausgleichsspachtelung Estrich (Bestand) 25 mm Geschossdecke Stahlbeton (Bestand) 160 mm 2 Außenwand Obergeschosse: Außenputz 10 mm Wärmedämmung mineralisch 200 mm Außenwand Porenbeton 175 mm, Fugen innenseitig verspachtelt (Winddichtung) Innenputz 10 mm 3 Fenster: Dreifach-Isolierverglasung in Kunststoffrahmen 4 Zusatzdämmung hinter Rolladenkästen: Silikat mikroporös (Aerogel) 52 mm 5 Geschossdecke Erdgeschoss/ Untergeschoss: Bodenbelag 10 mm Zementestrich 60 mm, Trennlage Wärmedämmung 60 mm, Ausgleichsspachtelung Estrich (Bestand) 25 mm Geschossdecke Stahlbeton (Bestand) 160 mm Wärmedämmung Mineralwolle 200 mm Innenputz 10 mm 6 Fenster Untergeschoss: Zweifach-Isolierverglasung in PVC-Rahmen (Uf = 1,1 m2/K) 7 Außenwand Sockelbereich: Bekleidung Naturstein 10 mm Wärmedämmung mineralisch 200 mm Außenwand Beton (Bestand) 200 mm Dämmung mineralisch 100 mm Innenputz 10 mm 10.23 Vertikalschnitt Fassade/Balkon Maßstab 1:20 8 Balkon: Stahlbeton-Balkonelement neu, an auskragenden Seitenwänden aufgehängt, Oberseite im Gefälle 140 –160 mm Balkonentwässerung Ø 100 mm 9 Abdeckblech Edelstahl 2 mm 10 Wärmedämmung Silikat mikroporös (Aerogel) 10.24 Horizontalschnitt Fassade/Balkon Maßstab 1:20 11 Außenputz 10 mm Wärmedämmung mineralisch 160/200 mm 10.25 Ansicht Balkone 10.26 exemplarischer Wohnungsgrundriss (Typ 5) mit Haustechnikkonzept Maßstab 1:150 10.27 Grundriss Technikgeschoss mit Lüftungsanlage Maßstab 1:400 10.28 Energiebilanz 10.29 Gebäudekennwerte

1 2

4

3

5

6

7

9

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10

10.22

10.23

11

10.24

112

Sanierung eines Wohnhochhauses in Freiburg

— — — — —

giebedarf des Bestandsgebäudes niederschlug. Dennoch ermöglichte die Passivhaussanierung Einsparungen um nahezu 80 %. Die Fassaden erhielten passivhaustaugliche Fenster sowie ein Wärmedämmverbundsystem mit 20 cm Mineralwolle. Am Balkonanschluss und hinter den Rollladenkästen kompensiert eine Aerogeldämmung ( λ = 0,013 W/mK) die geringere Dämmstärke und verhindert Wärmebrücken (Abb. 10.22 und 10.23). Vorhandene Balkone und außen liegende Betonstützen liegen nach der Einhausung wärmebrückenfrei hinter der neuen Fassade. Alle Wohnungen erhielten stattdessen neue, außen liegende Balkone, die von den auskragenden, aber thermisch vom Baukörper getrennten seitlichen Brüstungselementen aus Stahlbeton getragen werden. Die Schließung der Loggien bewirkt eine bessere Besonnung der Fensterflächen. Damit steigt der solare Wärmegewinn und die Räume bekommen mehr Licht.

10.26

10.27 End-/ Primärenergie [kWh/m2a]

Haustechnik Mit der Umstrukturierung der Wohnungen wurde auch die Haustechnik komplett erneuert. Zwei zentrale Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung sind in einem neuen Dachaufbau untergebracht (Abb. 10.27). Die Verteilung erfolgt über vertikale Schächte ohne horizontale Verzüge (Abb. 10.26). Das System ist auf einen 0,4-fachen Luftwechsel pro Stunde ausgelegt, den die Nutzer nach Bedarf nochmals um 50 % erhöhen können. Um den Erfolg der Umbaumaßnahmen zu unterstützen, erhalten die Bewohner vor Einzug eine Beratung mit Gebrauchsanweisung für ihr Passivhaus sowie für energiesparendes Verhalten. Die Ergebnisse dieses Pilotprojekts werden durch eine Begleitmessung überprüft und sollen u. a. als Grundlage für die Sanierung zweier baugleicher Nachbargebäude dienen.

Frischluft Zuluft Abluft Fortluft Heizung

200 180 160

Primärenergie Strom Primärenergie Wärme Strom (Netz) Fernwärme

30

140

Verteilverluste Warmwasser Heizung

81 28,75

120 100

20

80

25

22,5

104,1

40

56,7

21

60

10 20

70

20

48,9

15

0 Endenergie vor Sanierung

Primärenergie vor Sanierung

Endenergie saniert

Primärenergie saniert 10.28

Gebäudekennwerte Nutzung Wohnen Flächen Bruttogeschossfläche (BGF) 11 319 m2 Energiebezugsfläche (EBF) 8582 m2 thermische Hüllfläche (A) 6977 m2

Geschossflächenzahl (GFZ) Bruttorauminhalt (V) A / V-Verhältnis

1,53 29 211 m3 0,24

Wand Fenster (Uw-Wert)

0,177 W/m2K 0,830 W/m2K

U-Werte [W/m2K] 0,207 W/m2K Dach 0,255 W/m2K Boden Glasflächenanteil (Glas/EBF) 20 % Energiekennwerte

PHPP

Heizwärme Primärenergie Wärmebereitstellungsgrad

15,2 (vorher 68) kWh/m2a Heizlast Lüftungssystem 107,0 kWh/m2a Blower-Door-Test 1/h (50 Pa) 83 %

11,1 W/m2 zentral 0,22

Fernwärme/BHKW (Gas) 23,7 kWp



Wärmeversorgung Energieträger Fotovoltaikanlage 10.25

Solaranlage

10.29

113

Passivhaussanierung – Beispiele

Sanierung eines Pfarrheims Dachau, D 2011 Bauherr: Pfarrkirchenstiftung St. Peter, Dachau Architekten: Pollok + Gonzalo, München TGA-Planung: PSB-Technik, Abensberg

10.30

Das 1977 eingeweihte Pfarrheim St. Peter in Dachau wurde in Systembauweise mit einer Aluminiumskelettkonstruktion errichtet. Nach 30 Jahren intensiver Nutzung war das Gebäude nicht nur sanierungsbedürftig, sondern für die umfangreichen gemeindlichen Aktivitäten auch zu klein geworden. Der Auftrag des Bauherrn lautete, das Gebäude zu erweitern und sowohl funktional als auch energetisch den heutigen Bedürfnissen anzupassen. Das Resultat der Baumaßnahme ist eine funktionale Einheit von Bestand und Erweiterung, die die Fläche des Pfarrheimes verdoppelt.

Ein breiter Flur an der Nordseite verbindet beide Gebäudeteile und fungiert als gemeinsames Foyer und Begegnungsraum. Differenzierte Raumprofile, die durch die natürliche Belichtung akzentuiert werden, schaffen im Flur eine erlebnisreiche Raumabfolge. Alle Aufenthaltsräume im Erweiterungsbau sind nach Süden orientiert, zum ruhigen vorgelagerten Freiraum hin. Der Erweiterungsbau strukturiert auch die umliegenden Freiflächen, die nun rund um das Pfarrheim ein quartierbezogenes Rad- und Fußwegenetz mit einem internen Platz bilden.

Das modulare Konstruktionsraster des Bestandsgebäudes wurde auf den neuen Baukörper übertragen. Beide Gebäudeteile bilden in ihrer Funktion eine Einheit. Individuelle äußere Gestaltungsmerkmale dokumentieren jedoch ihre jeweilige Entstehungszeit. Baukonstruktion Der mangelhafte bauliche Wärmeschutz im Bestand machte eine komplette Erneuerung der Gebäudehülle notwendig. Die neue Fassade unterscheidet sich nicht nur in der Farbgebung, sondern auch im Material von der des Erweiterungsbaus.

10.31

114

Sanierung eines Pfarrheims in Dachau

10.30 Luftbild von Norden 10.31 Ansicht von Osten, rechts der Neubau. Im Bestandsgebäude (hinten) dienen kleine verglaste Kippflügel zur Nachtluftkühlung; im Neubau das Oberlichtband 10.32 Verbindung zwischen Altbau (links) und Erweiterung 10.33 Lageplan, Maßstab 1:2000 10.34 Schnitt a – a, Maßstab 1:500 10.35 Schnitt b – b, Maßstab 1:500 10.36 Grundrisse Erdgeschoss und Untergeschoss, Maßstab 1:500 1 Pfarrsaal 2 kleiner Pfarrsaal 3 Gruppenraum 4 Küche 5 Mehrzweckraum 6 Werkraum 7 Garderobe

10.32

Das Bestandsgebäude erhielt eine hinterlüftete Verkleidung aus anthrazitfarbenen Faserzementplatten, der Neubau wurde mit blau gestrichener, horizontaler Lärchenschalung verkleidet. Bei der Wahl der Baustoffe wurde besonderer Wert auf ökologisch unbedenkliche Materialien und auf Kosteneffizienz gelegt. Im Bestand stellt eine neue, gedämmte Gebäudehülle auf den bestehenden Außenflächen einen hochwertigen Wärmeschutz ohne Wärmebrücken her. In gleicher Ebene wurde eine PfostenRiegel-Konstruktion mit neuen dreifach verglasten Fensterelementen eingesetzt. Der Dachaufbau wurde durch eingeblasene Zellulosedämmung zwischen den Aluminiumträgern optimiert. Eine scheinbar unlösbare Situation stellte die nur mäßig gedämmte, nicht unterkellerte Bodenplatte dar. Eine Nachdämmung dieser Flächen war mit vertretbarem Aufwand nicht zu realisieren. Daher erhielt das Bestandsgebäude eine 1 m tiefe, umlaufende Dämmschürze entlang der äußeren Fundamentkante, die die Erdreichtemperatur unter der gesamten Bodenplatte anhebt (Abb. 10.37 und 9.8, S. 104). Auf diese Weise entsteht eine »Wärmeglocke« unter dem Gebäude, welche die Wärmeverluste reduziert. Der Erweiterungsbau besteht aus vorgefertigten Holzelementen, die innerhalb von nur einer Woche auf die unterseitig stark gedämmte Betonbodenplatte montiert wurden. Die Außenwände aus Doppelstegträgern und das Dach aus BSH-Trägern sind mit Zellulosedämmung ausgefüllt. Eine Gefälledämmung auf dem Dach erhöht dessen Dämmeigenschaften und vermeidet konstruktive Schwachstellen. Wie im Bestand wurde auch hier eine Pfosten-Riegel-Konstruktion aus Brettschichtholz mit dreifach verglasten Fenster- und Türelementen eingebaut. Als zusätzlicher Wärmeschutz im Sommer dienen fest stehende Metalllamellen vor

10.33

10.34

10.35

2

a

3

4

3

3

3

5

1 b

b

7

a

6

10.36

115

Passivhaussanierung – Beispiele

5

1

10.37 Vertikalschnitt Westfassade Bestand Maßstab 1:20 1 Dach: Wellplatten Faserzement 58 mm Lattung 30/50 mm Hinterlüftung/Lattung 40/60 mm Dichtungsbahn diffusionsoffen Trapezblech 80 mm (Bestand) Träger Aluminium 300 mm (Bestand) Wärmedämmung Zellulose 300/380 mm Dampfbremse armiert, feuchtevariabel Lattung 30/80 mm Gipskartonplatte gelocht 18 mm 2 Außenwand: Faserzementplatte anthrazit durchfärbt 12 mm Lattung vertikal 30/100 mm Winddichtung Vlies Polypropylen Weichfaserplatte 16 mm Doppelstegträger Holz 58/240 mm Stützen Aluminium mit Perlite gefüllt (Bestand) 200/200 mm in die Außenwand integriert Wärmedämmung Zellulose 240 mm OSB-Platte 15 mm Dämmung Mineralwolle 60 mm Gipskartonplatte 18 mm 3 Fußboden (Bestand): Linoleum geklebt 4 mm Estrich Gussasphalt 30 mm Trennlage Pappe Perlite-Schüttung 70 mm Abdichtung Bodenplatte Stahlbeton 175 mm Wärmedämmung 60 mm 4 Dämmschürze 100 mm 10.38 Vertikalschnitt Südfassade Neubau Maßstab 1:20 5 Flachdach: extensive Dachbegrünung 50 mm Filtervlies, Dränagekies 40 mm

2

3

10.39 10.40 10.41 10.42 10.43

Schutzmatte 12 mm Schutzfolie Dachabdichtung Ethylen-Vinylacetat-Terpolymer (EVA) Wärmedämmung 2 % Gefälle, im Durchschnitt 120 mm Dichtungsbahn OSB-Platte 22 mm Dämmung Zellulose 360 mm Träger Brettschichtholz 80/360 mm Dampfbremse armiert Lattung 80/30 mm Gipskartonplatte feuerbeständig 18 mm 6 Fassade: Pfosten-Riegel-Konstruktion Brettschichtholz 60/160 mm mit Aluminiumpressleisten Öffnungsflügel: Dreifachverglasung in Holz-Aluminiumrahmen 7 Fußboden: Linoleum geklebt 4 mm Estrich 60 mm Trennlage Trittschalldämmung Mineralwolle 25 mm Wärmedämmung EPS (Installationsebene) 70 mm Dampfsperre Bitumen-Schweißbahn Bodenplatte Stahlbeton 250 mm Trennlage PE-Folie Wärmedämmung XPS 120 mm Schüttung Filterkies 100 mm Grundriss mit Lüftungstechnik Maßstab 1:500 Schnitt mit Lüftungstechnik im Neubau Maßstab 1:100 Schnitt mit Ansicht des Lüftungsgeräts im Bestand, Maßstab 1:100 Blick in den Pfarrsaal Gebäudekennwerte

6

7

4

10.37

116

10.38

Sanierung eines Pfarrheims in Dachau

— — — — --

der Südfassade des Neubaus und der Westfassade des Bestandsgebäudes (Abb. 10.31, S. 114). Diese Elemente sind für den sommerlichen Sonnenstand dimensioniert. Sie gestalten zusammen mit den Holzterrassen den Übergang zwischen den kompakten Baukörpern und dem Außenraum. Ein Oberlichtband entlang der Südfassade des Neubaus und Kippflügel im Bestand ermöglichen im Sommer eine natürliche Nachtabsenkung der Temperatur. Der Wegfall des Dachüberstands im Bestand verbessert die natürliche Belichtung der Räume. Auch im Neubau trägt ein zweites Oberlichtband im Dach, entlang der Trennwände zum Flur, zu einer ausgeglichenen Belichtung der Gruppenräume bei. Haustechnik Wegen der geringen Raumhöhe an der Verbindungsstelle zwischen Bestand und Erweiterungsbau (bedingt durch die niedrige Traufhöhe des Bestands) und mangels größerer Flächen für einen Technikraum entschieden sich die Architekten für ein dezentrales Lüftungssystem. Es besteht aus drei voneinander unabhängigen Einheiten (für Altbau, Neubau und Keller), deren Luftwechselrate über CO2-Fühler an den tatsächlichen Bedarf angepasst wird. Im neuen Bauteil steht das Lüftungsgerät im Lagerraum der Küche. Die Luft wird entlang des abgehängten Flures verteilt, sodass sich Brandschutzklappen vermeiden ließen (Abb. 10.40). Im Bestand befindet sich die Lüftung schallgedämmt im oberen Teil eines Schranks mit direkter Anbindung an den Saal (Abb. 10.41). Durch die energetische Optimierung des Bestands und den Passivhausstandard des Erweiterungsbaus kann das Gesamtgebäude (Bestand und Erweiterungsbau) weiterhin durch den bestehenden Gasbrennwertkessel versorgt werden.

Frischluft Zuluft Abluft Fortluft natürliche Belichtung

10.39

10.40

10.41 Gebäudekennwerte Nutzung Versammlung Flächen Bruttogeschossfläche (BGF) Energiebezugsfläche (EBF) thermische Hüllfläche (A)

725 m2 487 m2 1620 m2

U-Werte [W/m2K]

Erweiterung/Sanierung

Dach Boden Glasflächenanteil (Glas/EBF)

0,087/0,106 W/m2K 0,154/0,355 W/m2K 44 %

Geschossflächenzahl (GFZ) Bruttorauminhalt (V) A / V-Verhältnis

Wand Fenster (Uw-Wert)

0,37 2551 m3 0,63

0,126/0,127 W/m2K 0,795 W/m2K

Energiekennwerte

PHPP (Erweiterung/Sanierung)

Heizwärme Primärenergie Wärmebereitstellungsgrad

15 /26 kWh/m²a 82 /108 kWh/m2a 83 /90 %

Heizlast Lüftungssystem Blower-Door-Test 1/h (50 Pa)

14 / 18 W/m2 dezentral 0,3

Gas –

Solaranlage (Deckungsgrad)



Wärmeversorgung Energieträger Fotovoltaikanlage Besonderheiten CO2-Regelung der Lüftung 10.42

10.43

117

Passivhaussanierung – Beispiele

Schulsanierung Schwanenstadt, A 2007 Bauherr: Gemeinde Schwanenstadt Architekten: PAUAT Architekten, Wels Energieplaner: team gmi, Wien LANG Consulting, Wien TGA-Planung: Planungsteam E-Plus, Egg

1 2

2 1

10.44

Ein Stahlbetonskelett mit außen liegenden Stützen und einer Füllung aus Waschbetonfertigteilen war das typische Merkmal dieser Schule vor dem Umbau (Abb. 10.49). Die im Lauf der Zeit hinzugekommenen Anbauten ergaben schließlich einen wenig kompakten Gesamtkomplex. Der gestiegene Platzbedarf und der schlechte Bauzustand machten nun eine Erweiterung und Sanierung nötig. Im Vordergrund stand eine Umstrukturierung des Raumprogramms für den modernen Schulbetrieb. Entstanden ist ein zeitgemäßer Schulkomplex, bestehend aus Polytechnischer Schule und

Musikhauptschule mit gemeinsamen Bereichen wie Cafeteria, Atrium und Turnhalle. Die Erweiterungsmaßnahmen ergänzen das Gefüge zu einem klaren, kompakten Baukörper, der einen zentralen Innenhof umschließt. Zunächst war eine konventionelle Sanierung mit Erweiterung geplant, die dann jedoch unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsprinzipien nochmals überarbeitet wurde. Angestrebt wurden eine konsequente, wärmebrückenfreie Dämmung der Gebäudehülle sowie die weitgehende Nutzung von Baumaterialien aus nachwachsenden Rohstoffen. Die Sanierung

sollte ohne Unterbrechung des Schulbetriebs vor sich gehen. Verwendet wurden daher großformatige, gedämmte und weitgehend vorgefertigte Fassadenelemente in Holzrahmenbauweise, die eine schnelle Montage ohne Gerüst erlaubten. Baukonstruktion Die Elemente wurden vor der bestehenden Fassade montiert und umhüllen die vorhandenen Betonstützen. Die Fenster sind außenbündig in die neuen Fassaden integriert und besitzen hoch liegende Fensterstürze, um den Lichteinfall zu verbessern. Der Hohlraum unter der Boden-

10.45

118

Schulsanierung in Schwanenstadt

10.46

10.49 10.44 Lageplan, Maßstab 1:5000 1 sanierter Bestand 2 Neubau 10.45 Ansicht von Süden: Eingangsfront mit saniertem Altbau rechts, den in die Fassaden integrierten Solarstromanlagen in der Mitte und dem Neubaukörper links 10.46 Schnitt a – a, Maßstab 1:1250 10.47 Schnitt b – b, Maßstab 1:1250 10.48 Grundriss 1. Obergeschoss, Maßstab 1:1250 1 Turnhalle 2 Lager/Technik 3 Physik oder Werken 4 Lehrmittel 5 Klassenzimmer 6 Schulleitung 7 Computerraum 8 Übungsraum 10.49 Ansicht von Süden vor der Sanierung 10.50 Erschließungsbereich im 1. Obergeschoss 10.51 Erschließungsbereich mit Oberlichtern

10.47

a

3 2

2

3

1 3 4

4

5

5 10.50 7

5

7

5

5

4

5

8

b

8

6

5

5

5

5

5

5

b

a

10.48

10.51

119

Passivhaussanierung – Beispiele

10.52 Montage der vorgefertigten Wandelemente 10.53 Schnitt Ostfassade Maßstab 1:20 1 Flachdach: Abdichtung EPDM 10 mm OSB-Platte 24 bzw. 27 mm Rippen 60/280 mm und 60/160 mm, dazwischen Dämmung Mineralwolle zweilagig, insgesamt 440 mm, 2 % Gefälle Dampfbremse adaptiv Stahlbetondecke (Bestand) 200 mm, Untersicht gespachtelt 2 Sonnenschutz (nachträglich montiert) Raffstores hell, getrennt steuerbar 3 Laibung Gipskarton feuerhemmend, 2≈ 12,5 mm 4 Passivhausfenster: Dreifachverglasung in Holz-Metallrahmen (g = 0,55, Uw = 0,8 W/m2K) 5 Unterzug Stahlbeton (Bestand) 6 Geschossdecke: Linoleum 5 mm Estrich schwimmend 50 mm Trennfolie Trittschalldämmung 30/25 mm Schüttung 50 mm Stahlbetondecke (Bestand) 200 mm Untersicht gespachtelt 7 Wandelement vorgehängt: Schalung Weißtanne diamantgesägt 18 mm Hinterlüftung/Lattung 30 mm diffusionsoffene Wand- und Dachplatte (DWD-Platte), Nut/Feder, verklebt 15 mm Holzkonstruktion, dazwischen Wärmedämmung Zellulose 480 bis 540 mm (abhängig von Bestand) OSB-Platte 15 mm Stahlbetonbrüstung 120 mm (Bestand) 8 Boden Erdgeschoss: Bodenbelag 5 mm Estrich schwimmend 50 mm Trennlage Folie Splitt 30 mm Feuchtigkeitssperre Bitumen geflämmt 5 mm Bodenplatte Stahlbeton 200 mm Wärmedämmung Schaumglasschotter 400 mm 10.54 Grundrisse 1. Obergeschoss mit Lüftung, Maßstab 1:1000 a Alternative mit semizentraler Anlage (aus Platzmangel für Technik und Kanalführung nicht ausgeführt) b ausgeührte Alternative mit dezentralen Systemen 10.55 Vergleich der Energiewerte des Bestandsbaus, einer konventionellen Sanierung sowie der Passivhaussanierung 10.56 Blick in den zentralen, breiten Erschließungsbereich des sanierten Altbaus. In den Klassenzimmern (rechts hinter dem Glasoberlicht) sind die dezentralen Lüftungssysteme zu erkennen. 10.57 Gebäudekennwerte

1

2

3 4

5

6

7

8

10.52

120

10.53

Schulsanierung in Schwanenstadt

platte wurde mit zementgebundenem Schaumglasschotter gefüllt (Abb. 10.53). In kritischen Bereichen wie den Hohldielen-Zwischendecken zum unbeheizten Keller wurde Vakuumdämmung verwendet, um die Raumhöhen und die Barrierefreiheit nicht zu beeinträchtigen. Eine gute Tageslichtplanung und energiesparende Beleuchtung reduzieren den Energieverbrauch für Kunstlicht von 20 auf 5 kWh/m2a. Der außen liegende Sonnenschutz besteht aus hellen Jalousien mit separat steuerbaren Lamellen im oberen Bereich, die das Licht an die Raumdecke reflektieren. Sie verfügen über eine automatische Bedarfssteuerung, die Sonnenschutz und Tageslicht berücksichtigt. Lichtkuppeln belichten die Verkehrsflächen im Gebäudeinneren. Durch die Verglasungen in den Trennwänden zum Flur profitieren indirekt auch die Klassenzimmer davon (Abb. 10.50, 10.51, 10.56).

— Zuluft a

b 165

150

Raumheizung (Wärme)

— Abluft 10.54

Licht, EDV, Lüftung (Strom)

125 keine Daten erhoben

Energiekennzahl [kWh/m2NNF a]

Haustechnik Für die Lüftung wurden verschiedene Systeme untersucht: eine zentrale Lüftung für das gesamte Gebäude, semizentrale Anlagen für die unterschiedlichen Gebäudeteile sowie eine dezentrale Lüftung der Einzelräume. Aus Mangel an Platz für die technischen Einbauten fiel die Entscheidung zugunsten des dezentralen Systems, wodurch auch Eingriffe im Bestand minimiert werden konnten. Die Geräte mit schallisoliertem Gehäuse sind sichtbar an der Decke angebracht (Abb. 10.56), Zu- und Abluft in der vorgefertigten Fassade integriert. Trotz höherem Wartungsaufwand erlaubt diese modulare Einrichtung eine einfache, klassenweise Regelung und ein sehr kurzes Luftkanalnetz. Die mechanische Lüftung wird mit Sommerbypass auch für die sommerliche Nachtkühlung eingesetzt, ergänzt durch Klappen bei den Lichtkuppeln, wobei Bypass wie auch Klappen temperaturgesteuert betätigt werden.

100 75 50 25

60–70

20–30

15 9 –13

0 Bestand Schule Schwanenstadt

konventionelle Sanierung

Passivhaussanierung Schwanenstadt 10.55

Gebäudekennwerte Nutzung Bildung: Schule Flächen Bruttogeschossfläche (BGF) 6835 m2 Energiebezugsfläche (EBF) 5811 m2 thermische Hüllfläche (A) 8047 m2

Geschossflächenzahl (GFZ) Bruttorauminhalt (V) A / V-Verhältnis

0,27 29 550 m3 0,27

U-Werte [W/m2K] Dach Boden

Wand 0,100 W/m2K 0,125 W/m2K (Erweiterung) Fenster (Uw-Wert) 0,15 W/m2K (Bestand) Glasflächenanteil (Glas/EBF)

0,110 W/m2K 0,800 W/m2K 28 %

Energiekennwerte

PHPP

Heizwärme Primärenergie Wärmebereitstellungsgrad

14,1 kWh/m2a (vorher:165) Heizlast Lüftungssystem 56,0 kWh/m2a Blower-Door-Test 1/h (50 Pa) 85 %

12,5 W/m2 dezentral 0,35

Pellets 6,3 kWp



Wärmeversorgung Energieträger Fotovoltaikanlage

Solaranlage

Besonderheiten tageslichtgeregelte Beleuchtung und Sonnenschutz 10.56

10.57

121

Passivhaussanierung – Beispiele

Sanierung eines Bürogebäudes Forest/Vorst, B 2008 Bauherr: C PAS de Forest Architekten, Bauphysik: A2M, Brüssel Energiekonzept, TGA-Planung: Matriciel, Louvain-la-Neuve

10.58

Das 1934 errichtete Gebäude ist ein repräsentatives Beispiel des Art-décoStils der 1930er-Jahre und steht unter Denkmalschutz. Eine fein artikulierte Fassade aus Ziegeln und Naturstein verläuft als kontinuierliches Band entlang der zwei Straßenseiten, einschließlich der abgerundeten Gebäudeecke. Das Gebäude hat in seiner Geschichte verschiedene Nutzungen beherbergt (Büro, Wohnen), die entsprechende Änderungen und Umbauten hinterlassen haben. Der katastrophale Bauzustand und die Asbestbelastung in den Installationen machten das Gebäude nahezu unbrauchbar für jegliche weitere Nutzung. Eine Generalsanierung inklusive energetischer Ertüchtigung war erforderlich. Frühere Anbauten im Innenhof wurden entfernt. Aufgrund der Höhenentwicklung der Nachbargebäude entsprach das ursprünglich nur zweigeschossige Gebäude nicht länger dem Maßstab des Quartiers. Bei der Sanierung wurde es daher um ein Dachgeschoss aufgestockt, was auch den räumlichen Bedürfnissen der Nutzer entgegenkommt. Mit seiner zurückgesetzten, durchgehend verglasten Fassade und dem auskragenden Dach hebt sich dieser Bereich deutlich vom historischen unteren Teil ab. Die Nutzungsverdichtung erstreckt sich auch auf den Keller, wo ein tiefer gelegener Innenhof den Besprechungsraum mit natürlichem Licht versorgt. Leichte Trennwände gewährleisten maximale Flexibilität für zukünftige Änderungen. Baukonstruktion Die schwierigste Herausforderung stellte die Restaurierung und energetische Sanierung der Fassade dar. Die erforderliche dicke Dämmung ist auf der Innenseite der Straßenfassade angebracht. Da die Fassade komplett von den Geschossdecken und Innenwänden getrennt wurde, treten an den Anschlussstellen 10.59

122

Sanierung eines Bürogebäudes in Forest

10.58 10.59 10.60 10.61 10.62 10.63

Lageplan, Maßstab 1:1500 Südansicht der Straßenfassade Schnitt a – a, Maßstab 1:300 Grundriss 2. Obergeschoss, Maßstab 1:300 Grundriss 1. Obergeschoss, Maßstab 1:300 Grundriss Erdgeschoss, Maßstab 1:300 1 Empfang/Rezeption 2 Wartebereich 3 Büro 4 Besprechungs-/Sitzungssaal 5 Lager/Abstellraum 6 begrüntes Dach 10.64 Blick in den Innenhof 10.65 Eingangshalle mit Treppenhaus 10.66 Büroflur im Obergeschoss

10.60

3 3

5

3

1

3

3

3

1

2

3

3

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10.66

3

3 3 3

5 3

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3

a

4

3

6 3

3

5 2 1

2

a

123

Passivhaussanierung – Beispiele

10.67 neue, innen liegende Holzrahmenfenster mit Zweifachverglasung vor den rekonstruierten Stahlrahmenfenstern mit einfacher Verglasung 10.68 Vertikalschnitt Straßenfassade Maßstab 1:20 1 Flachdach: Abdichtung EPDM Wärmedämmung Mineralwolle 50 mm OSB-Platte 22 mm Wärmedämmung Zellulose 230 mm, zwischen Sparren 80/230 mm Dampfbremse diffusionsvariabel Gipskarton doppellagig 2≈ 12,5 mm (F 60) Luftschicht 50 mm Innenverkleidung Gipskarton 12,5 mm 2 Vordach: Abdichtung OSB-Platte 22 mm, Konsole Furniersperrholz Verkleidung Unterseite HPLSchichtstoffplatte 11 mm 3 Fenster Dachgeschoss: Zweischeiben-Isolierverglasung in HolzAluminiumrahmen (Uf=1,6 W/m2K, Ug=1,1 W/m2K) 4 Absturzsicherung Verbundsicherheitsglas 5 Konsole neu, ansichtsgleich mit Bestand, Außenverkleidung Holz, Oberseite Zinkblech 6 Sonnenschutz: Lamellenraffstores Aluminium 7 Außenverglasung Bestand: Einscheibenverglasung in Stahlprofilen 8 Innenverglasung neu: Zweischeiben-Isolierverglasung in HolzAluminiumrahmen (Uf=1,6 W/m2K, Ug=1,1 W/m2K) 9 Lüftungsflügel (Kippflügel): Aluminium-Sandwichpaneel mit PUR-Kerndämmung 50 mm 10 Lüftungsgitter (außen) neu, ansichtsgleich mit Bestand 11 Brüstung: Außenwand Ziegelmauerwerk (Bestand) 340 mm außenseitig mit diffusionsoffener Feuchteschutzimprägnierung (neu) versehen Wärmedämmung Zellulose (neu) 250 mm OSB-Platte 22 mm, Luftschicht 50 mm Innenverkleidung Gipskarton 12,5 mm 10.69 Detailansicht der Südfassade 10.70 Grundriss 1. Obergeschoss mit Haustechnik, Maßstab 1:250 10.71 Schnitt (Ausschnitt) mit Zuluft- und Abluftführung, Maßstab 1:150 10.72 Gebäudekennwerte

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

10.67

124

10.68

Sanierung eines Bürogebäudes in Forest

10.69

keine Wärmebrücken auf. Das bestehende Mauerwerk wurde vorerst hydrophobiert, um Feuchtigkeitsprobleme zu vermeiden. Die Aufstockung besteht aus einer leichten Holzkonstruktion. Die innen liegende Dämmung aus den unteren Geschossen setzt sich hier ohne Unterbrechung fort, wodurch ein leichter, respektvoller Rücksprung der Dachfassade entsteht. Die Fassaden zum Innenhof erhielten ein konventionelles Wärmedämmverbundsystem in der äußeren Fassadenebene (Abb. 10.64, S. 123). Auf diese Weise verläuft die Dämmebene ununterbrochen um die gesamte Gebäudehülle. Die bei einem vorangegangenen Umbau durch Kunststofffenster ersetzten ursprünglichen Fenster wurden mit ihren original Stahlrahmen und einfacher Verglasung rekonstruiert. Neue zweifach verglaste Holzfenster in der Ebene der inneren Dämmung ergänzen diese zu Kastenfenstern (Abb. 10.65). Für den Sonnenschutz wurden Jalousien witterungsgeschützt im Zwischenraum platziert. Eine natürliche Belüftung ermöglichen gedämmte Klappen im unteren Bereich der Fenster, die sich hinter den historischen Lüftungsgittern befinden. Durch ihre geschützte Lage sind sie auch als Nachtlüftung im Sommer verwendbar. Haustechnik In einem auf dem Dach eingehausten Technikraum ist eine zentrale Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung untergebracht. In den Büroebenen wird die Luft über den abgehängten mittleren Flur verteilt (Abb. 10.71). Die Wärmeverteilung erfolgt konventionell über kleine Heizkörper an der Fassade (Abb. 10.70). Die energetisch optimierte Beleuchtung wird über Dimmer an die natürliche Belichtung angepasst und durch Präsenzmelder abgeschaltet, sobald die Räume nicht mehr genutzt werden.

— — —

Zuluft Abluft Heizung

10.70

10.71 Gebäudekennwerte Nutzung Büro/Verwaltung Flächen Bruttogeschossfläche (BGF) 981 m2 Energiebezugsfläche (EBF) 806 m2 thermische Hüllfläche (A) 1220 m2

Geschossflächenzahl (GFZ) Bruttorauminhalt (V) A / V-Verhältnis

3,28 3153 m3 0,39

Wand Fenster (Uw-Wert)

0,230 W/m2K 1,58 W/m2K (neu)

U-Werte [W/m2K] 0,120 W/m2K Dach 0,32 W/m2K Boden Glasflächenanteil (Glas/EBF) 26 % Energiekennwerte

PHPP

Heizwärme Primärenergie Wärmebereitstellungsgrad

19,0 kWh/m2a (vorher: 263) Heizlast Lüftungssystem 48,0 kWh/m2a Blower-Door-Test 1/h (50 Pa) 90 %

14,0 W/m2 zentral 1,3

Strom/Gas 3,83 kWp



Wärmeversorgung Energieträger Fotovoltaikanlage

Solaranlage

10.72

125

Komponenten der Gebäudehülle

• Die Bedeutung der Gebäudehülle • Opak gedämmte Hüllkonstruktionen • Transparente Bauteile • Sonstige Bauteile und Spezialkomponenten • Bauweisen und Konstruktionssysteme

Die Bedeutung der Gebäudehülle

Opak gedämmte Hüllkonstruktionen

Das Passivhauskonzept hat einen besonders starken Bezug zu den Bausystemen der Gebäudehülle, während es die Innenbauteile nicht oder kaum tangiert. Die Qualitätsanforderungen an Passivhäuser betreffen nicht nur die Regelbauteile, sondern auch alle Verbindungen und Anschlüsse. Daher ist die Wahl der Bauweise und der Konstruktionssysteme eine wichtige Weichenstellung im Entwurf. Sie bestimmt die Ausführungsplanung und das Erscheinungsbild des Gebäudes bis ins Detail. Um diesen Prozess kontrollieren zu können, ist die Kenntnis konstruktiver und bauphysikalischer Zusammenhänge unverzichtbar. In erster Linie muss der Architekt in der Lage sein, die Stärken und Schwächen der verfügbaren Bausysteme im Hinblick auf den jeweiligen Entwurf zu beurteilen. Aufgrund der zunehmenden Verbreitung des Passivhauskonzepts finden in diesem Bereich ständig Neuentwicklungen statt. Daher steht der Architekt immer wieder vor der Aufgabe, neue konstruktive Lösungen zu entwickeln und neue Produkte in den konstruktiven Entwurf zu integrieren.

Heute ist eine Vielzahl von Bausystemen auf dem Markt verfügbar, mit denen hochwärmedämmende und luftdichte Konstruktionen ausgeführt werden können.

11.1

11.2

126

Dämmstoffe Für den hochwertigen Wärmeschutz von Passivhäusern sind Dämmstoffe unverzichtbar. Um die erforderlichen niedrigen U-Werte von 0,08 bis 0,18 W/m2K zu erreichen, müssen diese abhängig von ihrer Wärmeleitfähigkeit entsprechende Dämmstärken besitzen. Die spezifische Wärmeleitfähigkeit klassischer Dämmstoffen liegt zwischen 0,06 und 0,02 W/mK, bei Vakuumdämmung sind weit geringere Werte bis 0,007 W/mK erreichbar. Die Eignung von Dämmstoffen für bestimmte Einsatzgebiete hängt aber auch von anderen Materialeigenschaften wie Sorptionsgrad, Wärmekapazität, Rohdichte, Brandschutzverhalten und Wasserdiffusionswiderstand sowie Fragen der Verarbeitung und Einbringung ab. Für die ökologische Bewertung sind darüber hinaus die Umweltwirkungen und der Energieaufwand bei der Herstellung relevant (Abb. 11.11). Die Bewertung sollte alle Energieströme und Umweltwirkungen

des Gebäudes während dessen gesamter Lebensdauer (z. B. den kumulierten Energieaufwand über 80 Jahre) umfassen. Bei Dämmstoffen ergibt sich in diesem Fall ein eindeutiges Bild: Aufgrund ihrer langen Nutzungsdauer und der dadurch erreichbaren hohen Einsparung an Heizenergie spielt der Energieaufwand für die Herstellung in den meisten Fällen nur eine geringe Rolle. Gleichwohl sind die Unterschiede zwischen den Dämmstoffen beachtlich. Viel problematischer sind in ökologischer Hinsicht schwere Materialien wie Metalle, Beton und sonstige Massivbaustoffe, die nur in vernachlässigbarem Umfang zu einem energieeffizienteren Gebäudebetrieb beitragen. Luftdichte Materialien Als luftdichte Materialien kommen im Massivbau vor allem Putze infrage. Betonflächen sind bereits luftdicht, nicht jedoch die Fugen zwischen Stahlbetonfertigteilen. Im Leichtbau werden häufig aussteifende Holzwerkstoffplatten (z. B. OSB-Platten) als luftdichte Ebene verwendet. Deren Plattenstöße sind mit geeigneten Klebebändern zu überbrücken. Alternativ lässt sich die Luftdichtebene auch mit Folien und Baupappen herstellen, die

11.3

Opak gedämmte Hüllkonstruktionen

zumeist die Funktion der Dampfbremse bzw. -sperre mit übernehmen. Außenwände Besonders entwurfsrelevant ist die Wahl der Außenwandkonstruktion. Sie entscheidet bereits frühzeitig darüber, welche prinzipiellen Möglichkeiten der Materialisierung und der Ausformung gestaltprägender Details im weiteren Entwurfsverlauf existieren. Bei Passivhäusern sind folgende Wandbauarten verbreitet (Abb. 11.5): • Massivbauwände mit außenseitigem Wärmedämmverbundsystem • Massivbauwände mit Außendämmung und vorgehängten hinterlüfteteten Bekleidungen • kerngedämmte Bausysteme, • monolithische Wandsysteme (z. B. Mauerwerk) mit Hohlräumen oder Dämmfüllungen • Holzrahmenkonstruktionen mit Gefachedämmung • Holzkonstruktionen mit Trennung von Trag- und Dämmfunktion • Low-Tech-Konstruktionen wie Strohballenwände • Pfosten-Riegel- und Elementfassaden, oft mit Vakuumdämmung (Abb. 11.7 und 11.10, S. 128f.) An dieser Stelle gilt es, ein Missverständnis aufzuklären: Häufig wird – auch bei der Zertifizierung dieser Systeme – ein pauschaler U-Wert von 0,15 W/m2K als passivhaustauglich eingestuft. Dies mag bei energetischen Modernisierungen gemäß EnerPHit-Standard zutreffen. Im Neubau hingegen sind die Anforderungen in starkem Maß entwurfsabhängig. Einen wichtigen Einfluss üben hier z. B. die Kompaktheit des Baukörpers, der solare Strahlungszugang (Orientierung, Verschattung), der Fensterflächenanteil und das Standortklima aus. Abhängig von den Entwurfsparametern variieren die not-

3 3 1,5

35-45

1,5 5 5 20

1,5 5 1,5

10 10 1,5

3 3 1,5

30

15 1,5

30 1,5 5 3 20 20

20 1,5 4

30

15 1,5

1 5 3 5 2,5

6

30-35

30 8 3 1,5 3

30

6 1,5 1,5

30 1,5 5 1,5

1,5 1,5

3 3 2 5-8

2,5

25

8 3 1,5 3

35

8

6 3 25-30

3 2 4 5 4

20

20 8 6

11.4 11.1 Feuerwache in Wolfurt (A) 2009, Hein – Troy Architekten. Sichtbetonbau mit 22 cm Innendämmung aus Holzfaserplatten im Bereich der Aufenthaltsräume. Aufgrund der nur temporären Nutzung des Gebäudes blieb die thermische Speichermasse der Außenwände hier ungenutzt. Die Betonfassaden erhielten mithilfe von Kautschukmatrizen eine feine vertikale Profilierung. 11.2 Wohnhaussanierung in Egg (A) 2010, Georg Bechter. Der Massivbau aus den 1960er-Jahren erhielt eine außenseitige Strohballendämmung, die in eine Holzkonstruktion integriert wurde. Das komplett neue Dach besteht aus vorgefertigten Holzkastenträgern, in die die Strohballen bereits werkseitig eingelegt wurden. Die Fassaden sind mit handgefertigten Holzschindeln verkleidet. 11.3 Schule in Hohen Neuendorf (D) 2012, IBUS Architekten und Ingenieure. Auch Deutschlands erstes Plusenergie-Schulgebäude besitzt eine Gebäudehülle im Passivhausstandard. Die Ne-

5

benraumzonen (rechts) erhielten Massivwände (Stahlbeton und Beton-Hohlblocksteine) mit Klinkervormauerung; die Erschließungsbereiche (hinten) dreifach verglaste Pfosten-Riegelfassaden in einer Holz-Aluminium-Konstruktion. 11.4 typische Dachkonstruktionen im Passivhaus (Maßangaben in cm) a Steildach mit Dachsparren aus Holzstegträgern bzw. Brettschichtholz b Steildach mit Massivplatte und Außendämmung c Flachdach in Holzbauweise, Dämmung oberhalb der Tragebene d Flachdach in Holzbauweise, Dämmung in der Tragebene mit innenseitiger Dampfbremse (feuchteadaptive Folie) e Flachdach in Massivbauweise mit Außendämmung (Warmdach) 11.5 typische Außenwandkonstruktionen im Passivhaus (Maßangaben in cm)

12 11.5

11.6

a Massivschale mit Wärmedämmverbundsystem b Massivschale mit Außendämmung und vorgehängter hinterlüfteter Bekleidung c Holzrahmenkonstruktion mit Installationsebene d Massivholzkonstruktion (Brettsperrholz) mit davorgestellter Außendämmung e Fertigteil mit integrierter Vakuumdämmung 11.6 typische Passivhauskonstruktionen von Bodenplatten und Kellerdecken und Terrassen (Maßangaben in cm) a Bodenplatte auf lastabtragender Perimeterdämmung b Kellerdecke mit oberseitiger Dämmung c Kellerdecke als Holzbalkendecke mit integrierter Dämmung und Estrichaufbau d Terrassendach in Holzbauweise e Terrassendach in Massivbauweise mit Vakuumdämmung

127

Komponenten der Gebäudehülle

a

b

11.7

11.8 11.7

11.8

11.9 11.10

11.11

11.12

128

Konstruktionsstudie für eine vorgefertigte Hochleistungsfassade mit integrierter Vakuumdämmung und Passivhausfenstern. Gesamtstärke: 15 cm; UWand = 0,15 W/m2K; UFenster = 0,80 W/m2K. Architekten: Vallentin + Reichmann a Ansicht b Detail (Anschluss Wand – Fenster) Wohnhaus in Sand in Taufers (I) 2006, Stefan Hitthaler. Passivhausfassade mit Wärmedämmverbundsystem. Der Verputz enthält Eisenstaub, der unter dem Einfluss der Luffeuchte oxidiert und das Gebäude allmählich braun verfärbt. Passivhaus mit Lochfassade: Eulachhof in Winterthur (CH) 2007, Dietrich Schwarz Architekten Passivhaus mit Pfosten-Riegel-Fassade: Wohn- und Bürohaus in Wiesbaden (D) 2002, A -Z Architekten Herstellungsenergieaufwand und Energieeinsparung während der Nutzungsdauer bei verschiedenen Dämmstandards Kennwerte unterschiedlicher Verglasungen

wendigen mittleren U-Werte der opak gedämmten Bauteile zwischen 0,08 und 0,18 W/m2K. In Einzelfällen sind noch niedrigere U-Werte erforderlich oder höhere U-Werte zulässig. Ein Beispiel aus der Praxis sind Außenwände aus mit Dämmstoff gefüllten Ziegeln, mit denen sich U-Werte von minimal 0,13 bis 0,15 W/m2K erreichen lassen. Das reicht in der Regel nicht für ein Passiveinfamilienhaus. Aufgrund der geringen Druckfestigkeit dieser Ziegel ist jedoch ihr Einsatz bei mehrgeschossigen Gebäuden nicht möglich. Damit ist der Anwendungsbereich dieser Produkte aus Passivhaussicht stark eingeschränkt. Ähnliches gilt für alle anderen Dämmsysteme, bei denen produktionsbedingt oder aufgrund der bauaufsichtlichen Zulassung die maximale Dämmstärke beschränkt ist. Die Festlegung auf derartige Systeme kann den Entwurfsprozess eines Passivhauses im negativen Sinn dominieren. Alle später hinzukommenden ungünstigen Faktoren lassen sich dann nur an anderer Stelle (z. B. Fenster, Lüftungsanlage, Dachdämmung) ausgleichen. Dies ist aber bei wenig kompakten Gebäuden mit Standardkomponenten oft nicht mehr möglich. Der Einsatz von Konstruktionen mit variablen Dämmstärken (z. B. Wärmedämmverbundsysteme oder Holzrahmenkonstruktionen) ermöglicht in diesen Fällen ein flexibleres Entwerfen. Innendämmungen Innendämmungen sind eine strategisch wichtige Alternative in Fällen, in denen eine Außendämmung nicht infrage kommt. Ihr typisches Einsatzgebiet sind Bestandsgebäude mit schützenswerten Fassaden, aber unzureichendem Wärmeschutz. Sinnvolle Dämmstärken liegen in solchen Fällen aufgrund des Nutzflächenverlusts und der verbleibenden Wärmebrücken (z. B. an Decken und Innenwänden, die in die Außenwand einbinden) bei 6 bis 12 cm. Ein luftdichter und hinterströmungssicherer Einbau ist bei Innendämmungen unverzichtbar. Zudem empfiehlt sich immer eine feuchtetechnische Bewertung der Konstruktion inklusive Maßnahmen zum Schlagregenschutz. Im Hinblick auf das Feuchteverhalten der Wand sind sorptive Dämmstoffe wie Kalziumsilikatplatten und Zellulosefaserdämmungen oftmals unkritischer und fehlertoleranter als andere Dämmstoffe. Dach- und Terrassenkonstruktionen Für Dächer existiert ebenfalls eine Vielzahl von Konstruktionsformen (Abb. 11.6). Im Vordergrund steht hierbei zunächst

die Abdichtungsfunktion. Die Konstruktion muss Niederschläge, Schlagregen und Flugschnee abführen, aber auch windund luftdicht sein. Dachdämmungen sind in der Regel deutlich kostengünstiger auszuführen als Wand- und Kellerdämmungen. Daher weisen bei vielen Passivhäusern die Dächer den geringsten U-Wert aller Hüllflächen auf. Die Frage der Dämmstärke steht zudem in engem Zusammenhang mit der Statik. Synergieeffekte ergeben sich vor allem dann, wenn die (durch die Dämmstoffdicke erforderlichen) großen Trägerhöhen Vereinfachungen des Tragsystems ermöglichen, z. B. einen Verzicht auf Auflager und Zwischenabstützungen. Dächer werden zumeist in Form von Holzkonstruktionen realisiert. Die in letzter Zeit stark propagierten Flachdächer in Holzbauweise mit Gefachedämmung in der Tragebene erfordern besondere bauphysikalische Sorgfalt und gegebenenfalls einen feuchtetechnischen Nachweis über Simulationen [1]. Steildächer in Massivbauweise benötigen schubfeste Unterkonstruktionen oder Befestigungen durch die Dämmebene hindurch, um das Eigengewicht der Dachbekleidungen und die Wind- und Schneelasten statisch sicher abzutragen. Flachdächer in Massivbauweise haben hingegen große Vorteile hinsichtlich Statik, Bauphysik und Kosten. Besonders schwierig ist es, die hohen Dämmanforderungen bei Terrassen in Verbindung mit Austritten ohne Differenzunterschied zu erfüllen. Ist ein Höhenversprung nicht möglich, bietet sich die Verwendung von Hochleistungsdämmstoffen wie z. B. Vakuum-Isolationspaneelen an. Kellerdecken und Bodenplatten Bauteile zum Erdreich benötigen in der Regel eine Außendämmung. Üblich sind für solche Bauteile z. B. Perimeterdämmungen, auch in Form lastabtragender Dämmungen unter Bodenplatten. Mehrere Hersteller bieten vorkonfektionierte Systeme für Bodenplatten an, bei denen die sonst üblichen Schalarbeiten entfallen können und zugleich der Anschluss an die Wanddämmung mit gelöst ist. Eine weitere Möglichkeit bei geeigneten Bodengrund- und Grundwasserverhältnissen sind Schüttdämmungen, z. B. aus Glasschaum. Bei Kellerdecken und Holzhäusern ohne Keller ist es häufig einfacher und kostengünstiger, die Dämmung auf der Innenseite der Decke bzw. Bodenplatte auszuführen. Wichtig ist in solchen Fällen ein möglichst guter Dämmanschluss zur Außenwanddämmung.

Transparente Bauteile

Transparente Bauteile Verglasungen und deren Rahmen bzw. Befestigungssysteme sind Schlüsselkomponenten im Passivhaus. Hier kommt es zunächst darauf an, die Wärmeverluste gegenüber den heute üblichen Systemen deutlich zu verringern. Ebenso wichtig ist es, die erwünschten solaren Gewinne im Winter zu sichern und zugleich die unerwünschten solaren Einträge im Sommer zu begrenzen. Kein anderer Bereich der Baukonstruktionen hat einen vergleichbaren Entwicklungsprozess im Hinblick auf seine energetischen Qualitäten hinter sich. Dieser Prozess ist noch im vollen Gang, sodass hier nur ein Zwischenstand dargestellt werden kann.

11.9 kumulierter Energieaufwand (80 Jahre) [kWh/m2]

Verglasungen Der entscheidende Meilenstein in Richtung energieeffizienter Verglasungen war die Entwicklung von Wärmeschutzgläsern. Bei ihnen enthalten die Glaszwischenräume Edelgase mit geringer Wärmeleitfähigkeit wie Argon und Krypton anstelle von Luft. Darüber hinaus werden selektive Glasbeschichtungen verwendet, die eine hohe Durchlässigkeit für Solarstrahlung besitzen, aber nur wenig Wärmestrahlung passieren lassen. Die wärmetechnische Schwachstelle jeder Verglasung ist der Glasrandverbund. Anstelle von Abstandhaltern aus Aluminium sind bei Passivhäusern Randverbünde aus dünnem Edelstahl oder Kunststoff (»warme Kanten«) unverzichtbar. In Mitteleuropa kommen für Passivhäuser aus Gründen der Behaglichkeit und Energieeffizienz nur Dreifach-Wärmeschutzverglasungen infrage. Oft lässt sich nur projektabhängig entscheiden, ob der Wärmeschutz (geringer UG-Wert) oder der Energiedurchlassgrad (hoher g-Wert) der Verglasung wichtiger ist. In den letzten Jahren haben sich Verglasungen in beider Hinsicht wesentlich verbessert. Künftig sind sowohl Verglasungen mit einem UG-Wert von 0,7 und einem g-Wert von 0,7 verfügbar als auch solche mit einem UG-Wert von 0,45 und g-Werten um 0,5 (Abb. 11.12). Nochmals geringere UGWerte besitzen Vierfach-Wärmeschutzverglasungen. Sie sind in besonders winterharten Klimata (z. B. in Skandinavien, Russland) notwendig. In Südeuropa und anderen milden Klimata können hingegen Zweifach-Wärmeschutzverglasungen bereits ausreichen. Sehr geringe U-Werte wären auch mit Vakuumverglasungen erreichbar. Ihrem Einsatz in der Praxis stehen jedoch bislang technische Probleme und hohe Kosten im Weg.

11.10

25000

Betriebsenergie Strom (80a) Gas (80a)

20000

Herstellungsenergie Haustechnik (80 a) Keller/Carport (80 a) Gebäudestruktur (80 a)

15000

10000

5000

0 Wärmeschutzverordnung 1995 Massivbau Leichtbau

Passivhaus Massivbau

Leichtbau 11.11

energetische Kennwerte unterschiedlicher Verglasungen Bezeichnung

Gasfüllung

Kürzel

UG-Wert

g-Wert

τ-Wert

Standard 2-fach-Wärmeschutzverglasung

Argon 90 %

4:/16/:4

1,10

0,65

0,80

Standard 3-fach-Wärmeschutzverglasung

Argon 90 %

4:/16/4/16/:4

0,70

0,50

0,71

hochwertige 3-fach-Verglasung

Argon 90 %

4:/18/4/18/:4

0,53

0,51

0,72

hochwertige 3-fach-Verglasung mit Krypton

Krypton 90 % 4:/16/4/16/:4

0,44

0,48

0,71

hochwertige Solar-3-fach-Verglasung

Argon 90 %

4:/18/4/18/:4

0,64

0,61

0,73

4-fach-Wärmeschutzverglasung, U-Wert optimiert

Argon 90 %

3:/12/3/12/3/12/:3

0,35

0,47

0,64

4-fach-Wärmeschutzverglasung, g-Wert optimiert

Argon 90 %

3:/12/3/12/3/12/:3

0,45

0,58

0,68

2-fach Vakuumverglasung (Prototypen)

Vakuum

4/0,7/:4

0,50

0,54

0,73 11.12

129

Komponenten der Gebäudehülle

a

b

c

d

Fensterrahmen Übliche Fensterrahmen weisen UF-Werte von 1,5 – 2,0 W/m2K auf. Damit liegen die Wärmeverluste der Rahmen zwei- bis vier Mal so hoch wie die einer Dreifachverglasung. Will man ohne Behaglichkeitseinschränkung auf Heizflächen unter dem Fenster verzichten, sind hochwertigere Rahmen mit UF-Werten von 0,8 bis 0,7 W/m2K notwendig, damit der gesamte U-Wert des Fensters im eingebauten Zustand ≤ 0,85 W/m2K beträgt. Bei der Entwicklung passivhaustauglicher Rahmensysteme führen unterschiedliche Strategien zum Ziel (Abb. 11.13): • Einbau von Dämmlagen im Rahmenprofil, um einen möglichst ungestörten Isothermenverlauf zwischen Wand, Rahmen und Verglasung zu erreichen. • Anstelle von Dämmlagen können auch Hohlkammern im Rahmenprofil die Wärmeverluste des Rahmens reduzieren. • Mit einer sehr weitgehenden, bauseitigen Überdämmung dafür geeigneter Fensterstöcke lässt sich das Passivhaus-Fensterkriterium bisweilen auch mit ungedämmten Rahmenprofilen erfüllen. Eine Schwachstelle ist hierbei der untere Fensteranschluss, weil dort eine Überdämmung wegen der notwendigen Entwässerung sowie der Be- und Entlüftung des Glasfalzes nicht möglich ist. In den letzten Jahren wurden viele neue Passivhausfenster entwickelt, die auf eine Verringerung der Rahmenbreite setzen, um die solaren Gewinne und die Tageslichtausbeute zu verbessern. Ihre Ansichtsbreiten liegen in einigen Fällen sogar deutlich unter denen üblicher Fensterrahmen. Bei bestimmten Produkten ist der Fensterflügel von außen gesehen optisch in den Fensterstock integriert, um eine ruhigeres Erscheinungsbild zu erreichen. Inzwischen sind über 80 Fensterprofile zertifiziert. Als Rahmenoberflächen werden Holz, Kunststoff, Aluminium und Fiberglas verwendet, oft auch in unterschiedlichen Kombinationen für innen und außen.

f

e

h

g

Pfosten-Riegel- und Elementfassaden Mit Pfosten-Riegel-Systemen lassen sich großflächige Festverglasungen im Wechsel mit Öffnungsflügeln und opak gedämmten Feldern ausführen. Die hierbei notwendigen Pressleistenverglasungen sind bereits seit Längerem in Passivhausqualität verfügbar. Inzwischen haben einige Hersteller auch passivhaustaugliche und zugleich besonders schlanke Systeme mit minimal 50 mm Ansichtsbreite entwickelt. Diese Systeme sind i

130

j

11.13

sehr ausgereift, aber wegen ihrer aufwendigeren Anschlüsse teurer als übliche Fensterkonstruktionen. Bei den zertifizierten Produkten sind auch die Wärmeverluste von Verschraubungen und Glasträgern minimiert (Abb. 11.13 h). Sonnenschutz Ein wirksamer Sonnenschutz ist auch im Passivhaus in der Regel unverzichtbar. Er sollte die notwendigen solaren Gewinne im Winter nicht wesentlich reduzieren. Daher sind feststehende Systeme normalerweise ungeeignet. Eine wichtige Ausnahme sind richtig dimensionierte Überstände bei Südverglasungen. Neben außen auf die Fassade aufgesetzten Systemen werden heute aus gestalterischen Gründen vielfach fassadenintegrierte Sonnenschutzsysteme bevorzugt. Mit ihrem Platzbedarf schwächen sie jedoch die Dämmung und machen häufig eine Überdämmung des Fensterstocks unmöglich. Dieser Konflikt wird umso bedeutender, je geringer die Dämmstärke der Außenwand im Regelquerschnitt ist. Inzwischen bieten mehrere Hersteller spezielle passivhausgeeignete Dämmelemente mit integrierten Rolladen- bzw. Raffstorekästen für den Einbau in außengedämmten Massivwänden an. Im Holzbau ist es zumeist einfacher, die notwendigen Hohlräume in die Hauptkonstruktion bzw. die Überdämmung zu integrieren oder entsprechend starke Luftlattungen auszuführen. Schiebetüren Die hohen Glasgewichte und Anforderungen an die Luftdichtigkeit machen die Konstruktion passivhausgeeigneter Schiebetüren zu einer besonderen Herausforderung. Einige Fensterhersteller bieten zertifizierte Schiebetüren an (Abb. 11.13 j). Für ihre Funktionsfähigkeit sind bei der statischen Bemessung die Durchbiegungen der Türstürze über das übliche Maß hinaus deutlich zu begrenzen. Dachflächenfenster/Oberlichter Passivhausgeeignete Dachflächenfenster und Oberlichter erfordern aufgrund ihrer Lage oberhalb der Dämmebene neben hochwertigen Verglasungen und Rahmen spezielle systemabgestimmte Lösungen für den Dämmanschluss an die Dachkonstruktion. Für die Zertifizierung wurden vom Passivhaus-Institut besondere Kriterien entwickelt. Inzwischen sind einige zertifizierte Produkte mit vorkonfektionierten Dämmschürzen sowie spezielle Verglasungen bzw. Foliensysteme verfügbar.

Sonstige Bauteile/Spezialkomponenten

Sonstige Bauteile und Spezialkomponenten Für immer mehr spezielle Anwendungen sind inzwischen Standardkomponenten verfügbar, die es dem Planer erlauben, statt aufwendig zu planender Sonderkonstruktionen kosteneffizientere Lösungen zu realisieren. In einigen Bereichen – z. B. beim Brandschutz und bei speziellen Baukomponenten für die energetische Modernisierungen im EnerPHit-Standard – steht diese Entwicklung noch bevor. Eingangstüren Ihre intensive Nutzung und hohe Anforderungen an Sicherheit, Witterungsbeständigkeit, Wärmeschutz und Luftdichtigkeit machen passivhaustaugliche Eingangstüren zu Hochleistungskomponenten in puncto Konstruktion und Stabilität. Viele Fensterhersteller bieten inzwischen zertifizierte Haustüren an, die häufig auch weitere Prüfungen im Hinblick auf Einbruchs- und Schallschutz sowie Schlagregensicherheit und Klimabeständigkeit bestanden haben. Für Eingangstüren großer Nichtwohngebäude mit Publikumsverkehr sind Lösungen mit Schleusenanlagen bzw. Windfängen empfehlenswert. Der durch die Nutzung verursachte Luftwechsel ist dann in der Regel unkritisch. Öffnungen mit speziellen Anforderungen Im Passivhaus ist es wegen der hohen erforderlichen Luftdichtigkeit generell nicht empfehlenswert, dauerhaft zur Außenluft geöffnete Belüftungsquerschnitte vorzusehen. Diese sind in normalen Gebäuden, z. B. bei Kaminen, Abgasleitungen, Aufzügen und Fallrohrentlüftungen, vorhanden. Für einige Anwendungen existieren alternative Lösungsansätze: • raumluftunabhängige Verbrennungsluftzuführungen für Brenner, die innerhalb der Gebäudehülle aufgestellt sind • Außenkamine mit Klappen bzw. passivhauszertifizierte Abgasanlagen • Fallleitungsbelüfter mit Schwerkraftventilen, die zum Teil als Alternative zu Entlüftern über Dach einsetzbar sind [2] • Rauchwärmeabzugsanlagen und Aufzugsschachtbelüftungen können über gedämmte Dunkelklappen erfolgen. Ist ein Aufzug vorhanden, sollten Treppenhaus und Aufzugsschacht möglichst nur über eine im Normalfall verschlossene Öffnung entraucht werden. Statisch wirksame Durchdringungen und Befestigungen durch die Dämmhülle Immer dort, wo statische Lasten die Dämmhülle durchdringen, entstehen wär-

mebrückenträchtige Anschlüsse. Meistens werden an diesen Stellen Baustoffe mit geringer Wärmeleitfähigkeit und hoher statischer Tragfähigkeit eingesetzt oder die statische notwendige Verbindung auf hochfeste punktförmige Verbindungen konzentriert. Als zertifizierte Standardkomponenten sind verfügbar: • Kimmsteinlagen aus Porenbeton, Glasschaum oder recyceltem Polyurethan • spezielle kastenförmige Bauelemente, bestehend aus einem Dämmkorpus und einer aufgelösten hochfesten Tragstruktur • Befestigungsanker aus Kunststoff oder Edelstahl mit Systemstatik für Fassadenbekleidungen oder Anschlüsse mit horizontalen Punktlasten (Abb. 11.14) • vorkonfektionierte Bewehrungsanschlüsse aus Edelstahl mit integrierten Dämmlagen für Balkone, Laubengänge und Attiken (Abb. 11.15), • Dämmstoffzylinder oder Lastkonsolen für die wärmebrückenarme Befestigung kleiner Lasten, Geländer und Ähnlichem in Wärmedämmverbundsystemen

11.14

11.15

In vielen Fällen lassen sich hiermit wärmebrückenfreie Konstruktionen entwickeln. Bei besonders hohen Lasten sind jedoch nur wärmebrückenarme Anschlüsse möglich. Diese müssen dann in der Energiebilanz berücksichtigt werden. Luftdichtsysteme Für luftdichte Verbindungen und Anschlüsse sowie Durchdringungen von Leitungen, Befestigungen und Ähnlichem durch die Gebäudehülle haben einige Hersteller Luftdichtsysteme entwickelt, die ein breites, auf verschiedene Anwendungsfälle abgestimmtes Produktspektrum umfassen (Abb. 11.16): • luftdichte Folien und Baupappen • Klebebänder und Dichtmassen zur Herstellung luftdichter Anschlüsse zwischen unterschiedlichen Materialien und Untergründen • Dichtmanschetten für luftdichte Durchdringungen von Kabeln und Leitungen • luftdichte Steckdosen und Installationstaschen Wünschenswerte Spezialkomponenten Neben Spezialkomponenten für die energetische Modernisierung fehlen derzeit vor allem Brandschutzkomponenten, die es an sensiblen Anschlüssen (z. B. Brandund Gebäudetrennwandanschlüsse im Bereich Dach und Außenwand) ermöglichen, sowohl die Passivhaus- als auch Brandschutzanforderungen zu erfüllen.

11.16 11.13 Rahmenprofile von Passivhausfenstern Maßstab 1:20 a Holz-Aluminiumfenster b Holzfenster c Kunststoff-Aluminiumfenster d Holz-Aluminiumfenster e Aluminiumfenster f Holz-GfK-Fenster mit schmaler Ansichtsbreite g GFK-Fenster mit extrem schmaler Ansichtsbreite h Pressleistenverglasung, Ansichtsbreite 50 mm i Haustür j Hebe-Schiebetür mit Holzrahmen 11.14 thermisch entkoppelter Befestigungsanker für vorgehängte hinterlüftete Fassade 11.15 vorkonfektionierter wärmegedämmter Balkonbewehrungsanschluss 11.16 verschiedene Luftdichtkomponenten: Dampfbrems- und Luftdichtungsfolie, Klebeband, Dichtmanschette zur luftdichten Rohrdurchführung

131

Komponenten der Gebäudehülle

Bauweisen und Konstruktionssysteme Bei jedem Entwurf bildet die Entscheidung für eine Konstruktionsart die Grundlage für die konstruktive Durcharbeitung des Projekts. Es scheint, als fassten viele Architekten die Frage der Bauweise nicht als eine Wahl zwischen in etwa gleichwertigen Optionen auf, sondern erklärten sie zur grundsätzlichen Streitfrage. Die Argumentationen der »ideologischen« Vertreter von Massiv- und Holzbauweise zeigen häufig unüberwindbare Differenzen, wobei alle Vorteile der bevorzugten Bauweise und alle Nachteile der vermeintlich dazu entgegengesetzten Konstruktionsart zugeordnet werden. Bei näherer Betrachtung sind für jede Bauweise gute Argumente ebenso vorhanden wie gewisse Nachteile, die bei der Entwicklung passivhaustauglicher Konstruktionen und Detaillösungen besondere Antworten erfordern. Ohnehin werden die meisten Gebäude – mit unterschiedlichen Gewichtungen – als Mischkonstruktionen realisiert. Schichtenriss als Erklärungsmodell Jedes Gebäude kann als Schichtenphänomen interpretiert werden [3]. In der Gebäudehülle lassen sich mehrere Funktionsschichten identifizieren, wobei eine Schicht auch mehrere Funktionen gleichzeitig erfüllen kann (Abb. 11.17). In den Abb. 11.18 – 11.20 sind verschiedene Bauweisen in Form von konstruktiven Schemaschnitten einander gegenübergestellt. Dabei sind die Dämm-, Luft- und Winddichtebene jeweils gesondert hervorgehoben. Gemäß dem Konzept des »Schichtenrisses« besteht die Aufgabe des konstruktiven Entwerfens vor allem darin, die Funktionsschichten prinzipientreu und ohne Unterbrechungen und Sprünge entlang der Gebäudehülle mit ihren vielfältigen Anschlusssituationen zu führen. Ziel dabei ist, die konstruktiven Entscheidun1

schützen / bekleiden (ggf. hinterlüften)

2

winddichten

3

4

132

Massivbau Im Massivbau bestehen die Tragstruktur und oftmals auch nicht tragende Bauteile aus massiven Baustoffen wie Stahlbeton, Ziegel, Kalksandstein oder Porenbeton. Sie sind als flächenartige Bauteile (Wand, Dach- und Deckenscheiben) ausgebildet oder punktförmig aufgelöst (Stützen und Pfeiler). Die Dämmung wird in der Regel außenseitig in Form von Wärmedämmverbundsystemen oder Außendämmungen mit hinterlüfteter Bekleidung ausgeführt. Inzwischen sind auch spezielle Mauersteine mit in den Hohlräumen integrierter Dämmung aus Mineralwolle oder Perlite verfügbar, die jedoch für Passivhäuser nur einen begrenzten Anwendungsbereich aufweisen (siehe S. 127f.). Die Luftdichtigkeit gewährleistet im Neubau der Innenputz. Bei energetischen Sanierungen kann es unter Umständen sinnvoller sein, den Außenputz als Luftdichtebene festzulegen. In die Außenbauteile integrierte Installationen erfordern besondere Maßnahmen (z. B. Einbau luftdichter Steckdosen), weil sie die luftdichte Putzschicht durchdringen. Beton selbst ist bereits luftdicht, bei Fertigteilen sind jedoch die Fugen mit Fugenbändern oder Ähnlichem sorgfältig abzudichten. Bei Außendämmungen ist auf eine winddichte Ausführung zu achten, um eine Hinterströmung der Dämmung zu verhindern. Unvermeidliche Wärmebrücken im Massivbau treten an Stellen auf, an denen die tragenden Bauteile die Dämmebene durchdringen (z. B. am Sockelpunkt bei ungedämmten Kellern, auskragenden Balkonplatten, Außen- und Innenwandanschlüssen bei oberseitig gedämmten Kellerdecken bzw. Bodenplatten). An diesen Stellen haben sich Kimmschichten mit Baustoffen geringer Wärmeleitfähigkeit oder eine punktweise Auflösung der Tragstruktur mit dazwischen eingebrachter Dämmeinlage bewährt. Sofern die vorhandenen Speichermassen in den Innenräumen zugänglich bleiben und nicht abgeschirmt werden, sind Massivbauten im Vergleich zu Leichtbauten im Sommer leichter behaglich zu halten.

dämmen /tragen

luftdichten installieren

5

gen in Einklang mit den gestalterischen Absichten des Entwurfs zu bringen.

bekleiden/schützen 11.17

Holzbau Bei Holzbauten bestehen die Tragstruktur und die Mehrzahl der nicht tragenden Bauteile aus Leichtbaustoffen (z. B. Vollholzquerschnitte, Doppelstegträger und Holzwerkstoffe). Die Dämmung wird meist platzsparend als Gefachedämmung zwi-

schen den tragenden Holzquerschnitten eingebracht. Es ist jedoch auch möglich, Außendämmungen auf tragende, scheibenförmige Massivholzbauteile aufzubringen. Auf der Innenseite der Außenwand werden häufig Installationsebenen angeordnet, um Platz für die Elektroinstallationen im Bereich der Hülle und für luftdichte Abklebungen (z. B. an den Plattenstößen, hinter Winkelbefestigungen und Zugbändern) zu schaffen. Im Holzbau lassen sich scheibenartige Bauteile (z. B. Massivholz- oder Holzrahmenbau) sowie in Stützen und Träger aufgelöste Konstruktionen (z. B. Holzständerbau) miteinander kombinieren. Entwürfe mit großen Öffnungen sind daher im Holzbau besonders wirtschaftlich realisierbar. Als Luftdichtung werden im Holzbau häufig die aussteifenden innenseitigen Beplankungen herangezogen, deren Stöße mit Klebebändern luftdicht abgedichtet werden. Alternativ erfüllen auch Dampfbremsen oder reißfeste Baupapiere diesen Zweck. Die Winddichtung lässt sich über eine außenseitige diffusionsoffene Beplankung der Gefache (z. B. Unterdachplatte, bituminierte Weichfaserplatte) sicherstellen oder mit diffusionsoffenen Fassadenabdeckungen realisieren. Bei sorgfältiger Detailplanung lassen sich im Holzbau überall wärmebrückenfreie Anschlüsse herstellen. Im Einzelfall lohnt die genaue Erfassung aller Wärmebrücken, weil daraus unter Umständen eine spürbare Gutschrift und somit geringere Dämmstärken der Regelbauteile resultieren können. Im Sommer ist es von Nachteil, dass im Leichtbau nur wenig wirksame Speichermasse zur Verfügung steht. Innenseitige zweilagige Beplankungen, massive Estriche und massive Holzdecken (Brettstapel- bzw. Brettsperrholzdecken, gegebenenfalls mit zusätzlichem Aufbeton oder Splittfüllungen) sind daher für ein gutes Sommerklima in jedem Fall empfehlenswert. Mischbauweisen Mischkonstruktionen verfolgen häufig das Ziel, die Vorteile der Massiv- und Leichtbauweise miteinander zu kombinieren. Meist wird die innen liegende tragende Struktur in Massivbauweise, bestimmte Hüllkonstruktionen (z. B. Außenwände und Dächer) hingegen mit Leichtbaukonstruktionen hergestellt. Allerdings sind auch im Massivbau Holzkonstruktionen (z. B. bei Dächern) und im Holzbau Massivbaukonstruktionen (z. B. Bodenplatten oder Keller) üblich. In der Baupraxis sind daher Mischbauweisen die Regel und nicht der Ausnahmefall. Besondere Aufmerksam-

Bauweisen und Konstruktionssysteme

winddichte Ebene luftdichte Ebene Dämmebene

11.18

11.19

11.20

keit erfordern hier alle Anschlusspunkte, an denen beide »Konstruktionswelten« aufeinandertreffen: • Die Luftdichtung zwischen Massiv- und Leichtbauteilen muss im Bereich der Montagefugen auch alle Nebenwege umfassen. Dadurch verlängern sich die Fugenlängen erheblich. Zu beachten ist ferner, dass die Abdichtmaterialien für beide »Materialwelten« geeignet sein müssen. Die luftdichte Ausbildung und hohlraumfüllende Dämmung der Fugen ist auch für den Luftschall- und Brandschutz entscheidend. • Die Brandschutzanforderungen an die Regelbauteile müssen ebenso in den Fugen und sonstigen Konstruktions-

übergängen eingehalten werden. Dies verursacht einen erhöhten Planungsund Bauaufwand. • Wärmebrücken treten regelmäßig bei den in den Leichtbau einbindenden Massivbauteilen (z. B. an Decken- und Wandanschlüssen) auf. Die Längen dieser Anschlüsse sind so bedeutend, dass hier eine Minimierung der Wärmebrückenverluste entscheidend für die Umsetzung des Passivhauskonzepts wird. Das gilt vor allem für wenig kompakte Gebäude. • Im Sommer unterscheidet sich das thermische Verhalten eines Gebäudes in Mischbauweise nur wenig von einem vergleichbaren Massivbau.

Anmerkungen [1] Borsch-Laaks, Robert: Tauwasserschutz von Flachdächern aus Holz. DETAIL 1-2/2012, S. 76ff. [2] Ihr Einsatz ist jedoch im Einzelfall mit dem Sanitärfachplaner abzuklären. Zum Beispiel können sie in Verbindung mit Hebeanlagen nicht eingesetzt werden. [3] Das Konzept des Schichtenrisses stammt von Heinz Ronner und Emil Rysler (vgl. Ronner, Heinz u. a.: Baustruktur: Baukonstruktion im Kontext des architektonischen Entwerfens. Basel/Berlin/Boston 1995) 11.17 Das Konzept des Schichtenrisses interpretiert Baukonstruktionen als Folge von Funktionsschichten mit unterschiedlichen Aufgaben. In vielen Fällen können Schichten auch mehrere Funktionen gleichzeitig erfüllen. 11.18 Schemaschnitt einer Passivhauskonstruktion im Massivbau 11.19 Schemaschnitt einer Passivhauskonstruktion im Holz-Leichtbau 11.20 Schemaschnitt einer Passivhauskonstruktion in Mischbauweise

133

Haustechnik • Haustechnik in Passivhäusern • Be- und Entlüftung • Beheizung und Wärmeübergabe • Wärmeversorgungskonzepte • Energieeffiziente Raumkühlung

Die kontrollierte Be- und Entlüftung mit Wärmerückgewinnung ist in Passivhäusern von zentraler Bedeutung. Das Heizlastkriterium (pH  75 % • Zulufttemperatur mindestens 16,5 °C • Stromeffizienz (Ventilatoren, Steuerung) pel