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German Pages 286 Year 2020
Beiträge zum Europäischen Wirtschaftsrecht Band 78
Parafiskalische Abgaben im Unionsrecht Konkretisiert an den Plänen der Europäischen Kommission zur Schaffung einer vergemeinschafteten Einlagensicherung aus dem Jahre 2015 (EDIS)
Von
Christian Müller
Duncker & Humblot · Berlin
CHRISTIAN MÜLLER
Parafiskalische Abgaben im Unionsrecht
Beiträge zum Europäischen Wirtschaftsrecht Begründet von Professor Dr. Wolfgang Blomeyer † und Professor Dr. Karl Albrecht Schachtschneider
Band 78
Parafiskalische Abgaben im Unionsrecht Konkretisiert an den Plänen der Europäischen Kommission zur Schaffung einer vergemeinschafteten Einlagensicherung aus dem Jahre 2015 (EDIS)
Von
Christian Müller
Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg hat diese Arbeit im Jahre 2019 als Dissertation angenommen.
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Vorwort Die Arbeit entstand im Anschluss an meine Erste Juristische Prüfung im Sommer 2016 in Heidelberg. Zwischenzeitlich unterbrochen wurde sie durch das LL.M.-Studium an der Cornell Law School 2017 – 2018. Gegen Ende des Jahres 2018 wurde die Arbeit finalisiert und Anfang des Jahres 2019 eingereicht. Die Disputation fand im November 2019 statt. Die Dissertation wurde von der Juristischen Fakultät der Universität Heidelberg zum Druck freigegeben. Dank gebührt zuvörderst meinem verehrten Doktorvater Herrn Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M. (Cornell), für die stete ideelle Förderung und seinen vorbildlichen wie unermüdlichen Einsatz, ohne den meine Bildungskarriere wohl anders verlaufen wäre. Die Zeit am Institut für Finanz- und Steuerrecht in Heidelberg werde ich in ehrender Erinnerung halten. Herrn Prof. Dr. Ekkehart Reimer danke ich für das zügige und profunde Erstellen des Zweitgutachtens sowie die Heranführung an das Steuerrecht im Rahmen des Studiums an der Universität Heidelberg. Frankfurt a.M., im Januar 2020
Christian Müller
Inhaltsverzeichnis § 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 § 2 Der Stand der Finanzformenlehre im Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 A. Hürden der Erfassung des Europäischen Abgabensystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 I. Über die Notwendigkeit einer systematischen Erschließung des Europäischen Abgabenrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 II. Die allgemeine unionale Normenhierarchie in ihrer Abgabendimension . . . . . 20 1. Die Autonomie des Unionsrechts gegenüber der Auslegung durch nationale Stellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 2. Die primärrechtliche Verankerung der Abgabenbegriffe und ihre Autonomie gegenüber dem Sekundärrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 III. Die Perplexität der Abgabenbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 1. Perplexität durch Sachbereichsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 2. Perplexität durch unionsinternes Handeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 a) Beispiele sekundärrechtlicher perplexer Abgabenverwendung . . . . . . . . 25 b) Perplexität durch die Europäische Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 3. Das Fehlen ausgeprägten Abgabenhandelns der Union . . . . . . . . . . . . . . . . 27 4. Perplexität durch mitgliedstaatliche Finanzverfassungen . . . . . . . . . . . . . . . 27 IV. Der Sprachenpluralismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 V. Systematisierungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 1. Die Schwäche der Methode des kleinsten gemeinsamen Nenners . . . . . . . . 30 2. Die Gesamtschau als bevorzugte Methodik der Erschließung des Europäischen Abgabenrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 B. Abgabenarten in der unionsrechtlichen Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 I. Hierarchie und Ordnung der Abgaben im Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 1. Die systematische Stellung der Abgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 a) Die Textanalyse des Primärrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 b) Rechtsprechungsansätze zur Abgabenhierarchie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 c) Die Notwendigkeit einer Bestimmung der Abgabenhierarchie . . . . . . . . 34 d) Abgabe als Oberbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 2. Die neuere Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Begriff der Abgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 3. Der Begriff der Abgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 4. Speziell: Die öffentlich-rechtliche Natur der Abgabe im Unionsrecht . . . . 37
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Inhaltsverzeichnis 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 II. Die Steuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 1. Zum Äquivalenzverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 2. Annäherung an einen unionalen Steuerbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 3. Die eigene Steuer der Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 a) Grundzüge der Steuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 b) Die Zuschläge als Steuern im unionsrechtlichen Sinne . . . . . . . . . . . . . . 42 4. Die Notwendigkeit eines Steuerbegriffes anhand der Kompetenzen . . . . . . 44 5. Allgemeine Begriffsmerkmale auf Unionsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 a) Die allgemeine Finanzierungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 b) Die Gegenleistungsfreiheit und die Vereinnahmung im Haushalt . . . . . . 47 c) Fiskalkompetenzrechtliche Stützung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 d) Unerheblichkeit der Steuerverwaltungshoheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 6. Leistungsfähigkeit als Charakteristikum? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 7. Zusammenfassung des Steuerbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 III. Die nichtsteuerlichen Abgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 1. Die Gebühr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 a) Die Definition der Gebühr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 b) Individualäquivalenz als Grund und Grenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 c) Die Kompetenzfragen der Gebühr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 2. Der Beitrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 IV. Die nationalen parafiskalischen Abgaben im Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 58 1. Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 2. Die Eingrenzung der Tatbestandsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 a) Parafiskalität als Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 b) Die Abgrenzung individualäquivalenter Abgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 c) Die homogene Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 d) Gruppenäquivalente Verwendung des Aufkommens . . . . . . . . . . . . . . . . 69 e) Die Zweckbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 f) Die sachkompetenzrechtliche Stützung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 g) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 V. Die Definition der unionseigenen parafiskalischen Abgabe . . . . . . . . . . . . . . . 74 1. Parafiskalität im Kontext des Europäischen Haushaltsrechts . . . . . . . . . . . . 75 a) Der EU-Haushalt und das Duopol der Einnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 b) Die Behandlung der ehemaligen agrarwirtschaftlichen (Mitverantwortungs-)Abgaben in ihrer Haushaltskonsequenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 c) Das Agenturenwesen der Europäischen Union in seiner Haushaltskonsequenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 d) Die materielle Betrachtungsweise: Die Parafiskalität im Spannungsfeld des Grundsatzes der Vollständigkeit des Haushalts . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
Inhaltsverzeichnis
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e) Der Begriff der Parafiskalität im Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 2. Mittelbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 3. Sachkompetenzrechtliche Stützung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 4. Homogenität der Gruppe und gruppennützige Verwendung . . . . . . . . . . . . 85 a) Homogenität der Gruppe und die sektorenspezifische Betrachtungsweise 86 b) Gruppennützige Verwendung und Sachverantwortung . . . . . . . . . . . . . . 87 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 5. Öffentlich-rechtliche Natur der parafiskalischen Abgabe . . . . . . . . . . . . . . 88 6. Die parafiskalische Abgabe im weiteren Sinn: Pendant zur Sonderabgabe im weiteren Sinn? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 7. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 § 3 Die parafiskalischen Abgaben der Bankenunion und ihr regulatorisches Umfeld 91 A. Die Entwicklung der Regulierung des Europäischen Finanzsektors . . . . . . . . . . . . 91 B. SSM (Single Supervisory Mechanism) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 I. Allgemeine Leitlinien der Gebührenberechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 II. Mindestgebührenkomponente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 III. Variable Gebührenkomponente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 IV. Qualifizierung der Abgabe/Maßgebliche Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 1. Die Mindestgebührenkomponente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 2. Die variable Gebührenkomponente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 C. SRM (Single Resolution Mechanism) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 I. Einleitung zum Prüfungsgegenstand im Rahmen des SRM . . . . . . . . . . . . . . . 99 II. Zweck der Bankenabwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 III. Abgabenerhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 1. Jährlicher Grundbeitrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 2. Risikoanpassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 3. Bail-In Abgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 4. Beitrag zu den Verwaltungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 IV. Der SRF in seiner Fondsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 V. Qualifizierung der Abgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 1. Die Sprachfassung als Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 2. Der jährliche Grundbeitrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 3. Die rechtlichen Eigenschaften der SRM-Abgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 4. Die spezifische Situation hinsichtlich der Parafiskalität . . . . . . . . . . . . . . . . 107 5. Zwischenergebnis hinsichtlich der Bankenabgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 6. Der Beitrag zu den Verwaltungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
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Inhaltsverzeichnis D. EDIS (European Deposit Insurance Scheme) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 I. Bankenabwicklung und Einlagensicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 II. Jüngere europäische und nationale Entwicklungsstränge . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 1. Die Entwicklung seit 1994 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 2. Die gegenwärtige Rechtslage unter der DGSD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 a) Abgabenstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 b) Weitere Strukturmerkmale des gegenwärtigen Systems . . . . . . . . . . . . . 112 3. Der Vorschlag der Europäischen Kommission (November 2015) . . . . . . . . 113 a) Wesentliche Strukturmerkmale im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 b) Implementationsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 III. Die Abgabenerhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 IV. Der DIF in seiner Fondsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 V. Qualifizierung der Abgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 1. Die Sprachfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 2. Materieller Gehalt der EDIS-Abgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118
§ 4 Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen im Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 A. Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen aus den Kompetenzen und der Europäischen Finanzordnung als organisationsrechtliche Determinanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 I. Die Europäische Finanzordnung im Verhältnis Union – Mitgliedstaaten . . . . 120 1. Vorwort zur Europäischen Finanzordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 2. Individualschutz der Europäischen Finanzordnung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 3. Das finanzielle Verhältnis zwischen Union und Mitgliedstaaten . . . . . . . . . 124 a) Historische Entwicklung und Grundstruktur des Eigenmittelsystems . . . 125 b) Funktionen der Grundstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 c) Der Schutz der Finanzsouveränität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 4. Das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 a) Die Kompetenzausstattung im fiskalischen Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . 131 b) Die fehlende fiskalische Komponente der Kompetenz als Konsequenz 133 5. Trennung von Finanz- und Sachkompetenzen im Unionsrecht . . . . . . . . . . 133 a) Kritik an der Trennung beider Kompetenzarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 b) Das Kompetenzgefüge zwischen Union und Mitgliedstaaten als erste Ursache einer dualen Kompetenzstruktur auf Unionsebene . . . . . . . . . . 135 aa) Schutz der Finanzsouveränität durch das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 bb) Die vertraglich abgesicherte Kontrolle der Union durch die Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 cc) Die Budgetverhandlung und Lastenverteilung als Kronjuwel mitgliedstaatlicher Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 dd) Die Finanzverteilung im Mehrebenensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 ee) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139
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c) Interne Systematik des Primärrechts als zweite Ursache einer dualen Kompetenzstruktur auf Unionsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 aa) Die primärrechtlich angelegte horizontale Legislativverteilung . . . . 140 bb) Interne Systematik der Finanzvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 d) Die Ansicht der überwiegenden Literaturmeinung . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 e) Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . 144 6. Maßstäbe der Trennung von Finanz- und Sachkompetenzen im Unionsrecht 145 a) Ausgangspunkt der Unterscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 b) Zweckbindung als Mindestvoraussetzung und Trennlinie der Kompetenzarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 c) Sachbereichsbezogene Verwendung des Aufkommens . . . . . . . . . . . . . . 147 d) Der Lenkungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 e) Begrenzung der Abgabenhöhe durch die Sachaufgabe? . . . . . . . . . . . . . 150 f) Begrenzung der Abgabenhöhe in relativer Höhe zur allgemeinen Finanzausstattung der Union? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 g) Homogenität und gruppenbezogene Verwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 h) Die individualäquivalenten Abgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 7. Der Abstand zur Steuer aus demokratischen Gründen . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 a) Die demokratische Legitimationsstruktur auf Europäischer Ebene . . . . . 155 b) Die Stellung des Europäischen Parlaments im Haushaltsverfahren . . . . 156 c) Die Übertragung auf parafiskalische Abgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 d) Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 II. Die Europäische Finanzordnung in ihrer unionsinternen Dimension . . . . . . . . 159 1. Justiziabilitätsfragen der Europäischen Finanzordnung . . . . . . . . . . . . . . . . 159 2. Der Eigenmittelbeschluss in seiner normativen Kraft . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 a) Europäischer Gerichtshof I: Die Bedeutung der sachkompetenzrechtlichen Stützung einer Abgabe für den Eigenmittelbeschluss . . . . . . . . . . . 162 b) Europäischer Gerichtshof II: Die Ertragskompetenz einer Abgabe ruht in der Sachkompetenz ihrer Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 c) Anmerkung zur Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 d) Die Bedeutung der Rechtsprechung für die parafiskalischen Abgaben 166 e) Die Bedeutung der Rechtsprechung für die Abgrenzung von Sach- und Finanzkompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 3. Die Haushaltsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 a) Einheit und Vollständigkeit, Art. 310 Abs. 1 UAbs. 1 AEUV . . . . . . . . . 168 b) Exklusion selbständiger Rechtsträger als Rechtsfrage . . . . . . . . . . . . . . . 171 4. Die Haushaltsgrundsätze in ihrer normativen Kraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 a) Exklusion selbständiger Rechtsträger und parafiskalische Abgaben . . . . 172 b) Die Zweckbindung als spezifische Forderung der Literatur . . . . . . . . . . 173 c) Die Justiziabilität der Haushaltsgrundsatzes der Vollständigkeit im Europarecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174
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Inhaltsverzeichnis d) Die Frage nach den Dokumentationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 5. Verschuldungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 B. Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen aus Europäischen Grundrechten . . . . . . . . . . . . 177 I. Der Anwendungsbereich der Europäischen Grundrechtecharta im Bereich des Abgabenrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 1. Nationale parafiskalische Abgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 a) Die Interpretation durch den Europäischen Gerichtshof . . . . . . . . . . . . . 178 b) Die Kompetenzausstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 c) Speziell: Die Erhebung der SRM-Abgabe als Durchführung von Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 2. Unionseigene Abgabenerhebungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 II. Der allgemeine Gleichheitssatz der Grundrechtecharta in seiner abgabenrechtlichen Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 1. Die allgemeine Dogmatik hinsichtlich des Gleichheitssatzes . . . . . . . . . . . 185 a) Die Ungleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 b) Rechtfertigungsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 2. Gleichheitsrechtliche Sonderdogmatik im Abgabenrecht der Union? . . . . . 187 a) Das Umsatzsteuerrecht als Referenzgebiet einer Sonderdogmatik . . . . . 188 b) Speziell: Das Leistungsfähigkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 aa) Das Leistungsfähigkeitsprinzip: Ausprägung und Verankerung im Europäischen Primärrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 bb) Das Leistungsfähigkeitsprinzip im harmonisierten Umsatzsteuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 cc) Systematische und kompetenzrechtliche Argumente gegen die Anerkennung des Leistungsfähigkeitsprinzips zum gegenwärtigen Integrationsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 3. Rechtfertigung der Ungleichbehandlung durch die Finanzierungsverantwortung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 a) Das geforderte Rechtfertigungsniveau bei wirtschaftlichen Belastungen 197 b) Die Auswahlentscheidung hinsichtlich einer Sachaufgabe in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 c) Die Finanzierungsverantwortung und die Sachnähe als Merkmale . . . . . 199 d) Die Beschränkung der Abgabenhöhe durch die Sachaufgabe . . . . . . . . . 199 4. Die Wettbewerbsrelevanz als Ausdruck der homogenen Gruppe . . . . . . . . . 201 a) Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 b) Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 aa) Als Vergleichsmerkmal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 bb) Als Frage der Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 c) Plädoyer für strengere Rechtfertigungsanforderungen bei wettbewerbsbeeinflussenden Abgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204
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5. Die Abgrenzung zu Homogenität und Finanzierungsverantwortung in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 6. Die Gruppenäquivalenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 7. Der interne Ausgestaltungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 III. Freiheitsrechtlich induzierte Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 1. Eigentumsfreiheit, Art. 17 GrCH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 a) Die Diskussion um das Vermögen als Schutzgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 b) Die hypothetische Annahme des Vermögensschutzes . . . . . . . . . . . . . . . 212 2. Unternehmerische Freiheit, Art. 16 GrCH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 IV. Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 V. Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 C. Ein konsolidierter Deutungsversuch der Anforderungen an unionseigene parafiskalische Abgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 § 5 Die Rechtsgrundlage des Art. 114 Abs. 1 AEUV für die parafiskalischen Abgaben der Bankenunion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 A. Grundlagen und Tatbestand des Art. 114 Abs. 1 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 I. Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 1. Der Binnenmarkt als Regelungsziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 2. Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften . . 221 a) Der Begriff der Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 b) Der Begriff der Angleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 II. Abgrenzung zu anderen Kompetenzgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 B. Bereichsausnahmen des Art. 114 Abs. 2 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 I. Grundlagen der Bereichsausnahmen in Art. 114 Abs. 2 AEUV . . . . . . . . . . . . 224 II. Der Begriff der Steuer in Art. 114 Abs. 2 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 1. Grundlagen der Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 2. Abgaben und der Begriff der Steuer in Art. 114 Abs. 1 AEUV . . . . . . . . . . 227 3. Die Schwäche der vorherrschenden Äquivalenzabgrenzung . . . . . . . . . . . . 231 a) Individualäquivalente Abgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 b) Die Gruppenäquivalenz im Rahmen der parafiskalischen Abgaben . . . . 232 c) Die Interpretation als gewöhnliche Sachkompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . 232 d) Die Diskussion um die Leistungsfähigkeit im Falle einer individuellen Abgabenbemessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 C. Zweckbindung des Abgabenaufkommens bei Art. 114 Abs. 1 AEUV . . . . . . . . . . 233 D. EU-Agenturen und Art. 114 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234
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§ 6 Entfaltung der Maßstäbe parafiskalischer Abgaben im Unionsrecht anhand der Einlagensicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 A. Kompetenzrechtliche Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 I. Der Mangel einer konkurrierenden Kompetenzgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . 236 II. Der Kompetenzaspekt: Die Tatbestandsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 1. Errichtung und Funktionieren des Binnenmarkts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 a) Grundsätzliche Zielrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 b) Das Problem der Fragmentierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 2. Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . 240 a) Die Angleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 b) Vergemeinschaftete Fondsstrukturen unter Art. 114 Abs. 1 AEUV . . . . 241 3. Die Mittelbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 III. Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 1. Das Problem der Zweitharmonisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 2. Die grundsätzliche Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 IV. Artikel 114 Abs. 2 AEUV und die EDIS-Abgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 B. Die Grundrechtecharta und EDIS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 I. Freiheitsgrundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 1. Der Schutz der Eigentumsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 2. Die unternehmerische Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 II. Gleichheitsgrundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 1. Das Vorliegen einer Ungleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 2. Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 a) Rechtfertigung der Abgabenbelastung im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . 248 b) Rechtfertigung des Abstellens auf die Höhe der gedeckten Einlagen . . . 248 c) Rechtfertigung des vielseitigen Einbezugs von Finanzmarktakteuren . . 249 d) Rechtfertigung des Einbezugs deutscher Kreditinstitute als Beispiel nationaler Finanzsektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 III. Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 C. Ergebnis hinsichtlich der EDIS-Abgabe als unionseigene parafiskalische Abgabe 251 § 7 Ausblick: Der potenzielle Einfluss mitgliedstaatlicher Verfassungsgerichte auf die Dogmatik der unionseigenen parafiskalischen Abgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 § 8 Zusammenfassung der Arbeit in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284
§ 1 Einleitung Die Europäische Union und ihr Recht durchdringen fortwährend die Fasern des Europäischen Wirtschaftsprozesses. Europäische Organe nehmen dabei eine Konkurrenz- und Komplementärstellung zu den Nationalstaaten ein. Die geringe Steuerund Abgabenhoheit der Union führt zu einer intendierten Abhängigkeit derselben von den sie finanzierenden Mitgliedstaaten als Herren der Verträge. Das Konzept der fehlenden eigenen Besteuerungskompetenzen wird durch die sachkompetenzrechtlich gestützte Abgabenerhebung in Form der parafiskalischen Abgabe herausgefordert. Die Ausbreitung parafiskalischer Abgabenstrukturen spiegelt dabei nicht nur die zunehmenden unmittelbaren Interaktionen zwischen Unionsorganen und Unionsbürgern ohne Zwischenschalten der nationalen Ebene wider, sondern zugleich die Ausbreitung unionseigener Agenturen und ihre eigenständigen Haushalte. Die Entwicklung der parafiskalischen Abgabe ist daher auch Ausdruck unterschiedlicher Phasen der Europäischen Wirtschaftsintegration. Speziell im Finanzsektor gewinnen die parafiskalischen Abgaben zur Finanzierung der sogenannten Bankenunion an Bedeutung. Zur Finanzierung von vergemeinschafteter Aufsicht, Abwicklung und geplanter Einlagensicherung werden verschiedene Akteure des Finanzsektors herangezogen. Die Abgabenvolumina stellen in rechtstatsächlicher Hinsicht ein Quantensprung der unionsrechtlichen Individualbelastungen dar; sie treten aus dem Schatten des Eigenmittelsystems heraus. Vor dem Hintergrund der aktuellen europaweiten Diskussion um die Vergemeinschaftung der Einlagensicherung wurde dieser Bereich als Referenzgebiet der Untersuchung ausgewählt. Der Begriff der „parafiskalischen Abgabe“ findet sich nicht im Europäischen Primärrecht.1 Die Arbeit verwendet den Begriff der parafiskalischen Abgabe anstatt des im deutschen Finanzverfassungsrecht bekannten Begriffs der Sonderabgabe. Angelehnt ist die Wortwahl an Volkmar Götz und seinen Festschriftbeitrag „Parafiskalische Abgaben im europäischen Gemeinschaftsrecht“2 aus dem Jahr 1996, der wissenschaftliche Grundlagenarbeit für die Untersuchung der parafiskalischen Abgaben leistete. Diese Wortwahl hat sich in terminologischer Hinsicht als prägend für den Abgabetypus erwiesen.3 1
Vgl. Korn (2015), S. 40; Meyer (2006) S. 40. Götz, FS Friauf 1996, 37 – 54. 3 Von „Sonderabgaben“ sprechen beispielsweise Hidien, in: Bonner Kommentar Art. 106 GG (Lfg. Dezember 2002), Rn. 1474 und 1495; Pieper, DÖV 1996, 232 (234); Morgenthaler, in: DStJG 15 (1993), 197 (215); Bohlken (1999), S. 184; Kuntze (1998), S. 163; Grabitz, RIW 1989, 623 (635); Nettesheim, Jura 1994, 337 (342); Kang (2005), S. 115; Hilf, NVwZ 1992, 105 2
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§ 1 Einleitung
Die Arbeit beginnt mit einer Darlegung der Klassifizierungsgrundsätze für ein Europäisches Abgabensystem (§ 2 A.). Anhand dieser Klassifizierungsgrundsätze wird ein Generalüberblick über das gegenwärtige Europäische Abgabensystem geleistet (§ 2 B.), an dessen Ende die parafiskalische Abgabe eine gesonderte Würdigung erhält. Vor dem Hintergrund der Kollision unterschiedlicher Rechtskulturen ist ein behutsames, tastendes und selbstkritisches Erforschen des Europäischen Primärrechts von Nöten.4 § 3 widmet sich sodann der Bankenunion und ihrem Teilbereich der Einlagensicherung mit ihrer Abgabe als Bezugspunkt der parafiskalischen Abgabe für die hiesige Untersuchung. Während die Klassifizierung die Definition der Abgabetypen zu leisten versuchte, widmet sich § 4 den Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der parafiskalischen Abgabe. Eben jene Frage gilt als „weitgehend ungeklärt“5 und verdient größte Aufmerksamkeit in dieser Untersuchung. Die parafiskalische Abgabenerhebung wird in den Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen im Ausgangspunkt unter organisationsrechtlicher und grundrechtlicher Perspektive untersucht. Die organisationsrechtliche Seite (§ 4 A.) setzt sich mit der Unterscheidung von Finanz- und Sachkompetenzen auseinander. Dabei werden grundsätzliche Aspekte des Verhältnisses zwischen den Mitgliedstaaten und der Union untersucht. Im Wesentlichen wird dabei die Frage aufgeworfen, inwieweit Europäische Sachkompetenzen zur Abgabenerhebung genutzt werden können. Die grundrechtlichen Grenzen (§ 4 B.) bewegen sich in einem Umfeld noch ungesicherter Grundrechtsdogmatik auf europäischer Ebene. Untersucht werden dabei primär der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 20 GrCH), das Eigentumsrecht (Art. 17 GrCH) sowie die unternehmerische Freiheit (Art. 16 GrCH). § 5 der Arbeit widmet sich Art. 114 AEUV, der als Rechtsgrundlage der Einlagensicherung fungiert. Nach einer allgemeinen Kontextualisierung der Norm wird der Schwerpunkt auf die spezifischen Aspekte der Erhebung einer parafiskalischen Abgabe gelegt. Durch die sektorenübergreifende Zielrichtung der Norm auf die Herstellung des Binnenmarkts öffnen sich neue Problemstellungen, die über die mittlerweile gewachsene Dogmatik der Abgabenerhebung in einzelnen Wirtschaftssektoren hinausgehen.
(107); Kloepfer/Thull, DVBl 1992, 195 (202); Griegold/Repasi (2013), S. 9 und Calliess/ Schoenfleisch, JZ 2015, 113 (120) hinsichtlich der SRM-Abgabe; von „parafiskalischen Abgaben“ sprechen beispielsweise Götz, FS Friauf 1996, 37 (37); Kreibohm (2004), S. 165; Kube, HFSt 2 (2016), 1; Bergfeld (2008), S. 91; Korn (2015), S. 40; Heselhaus, in: Pechstein/Nowak/ Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (1. Auflage 2017), Art. 192 AEUV Rn. 39; Ohler (1997), S. 81; schon Selmer, DStZ/A 1975, 396 (398); Nussbaum, DVBl 1994, 1174 (1175 f.); Capdevilla/Ezcurra (2017), S. 143; Meyer (2006) S. 61; Schön, EuR 2001, 216 (232); den Begriff der „Sachbereichsabgaben“ verwendet Lienemeyer, EuR 1998, 478 (487) und Lienemeyer (2002), S. 122. 4 Diese Einschätzung teilt Meßerschmidt, RdE 1992, 226 (229). 5 So Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht (23. Auflage 2018), § 2 Rn. 31 m.w.N.
§ 1 Einleitung
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§ 6 wiederum entfaltet die aus § 4 und § 5 gewonnenen rechtlichen Maßstäbe an der Abgabe zur Finanzierung des vergemeinschafteten Einlagensicherungssystems als exemplarische Operationalisierung unionsrechtlicher Vorgaben an parafiskalische Abgabenerhebungen. Es wird sich dabei zeigen, dass gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ein erheblicher Ermessensspielraum des Unionsgesetzgebers besteht, der den gegenwärtigen Rechtsschutz gegen unionale Abgaben noch wenig durchsetzungsstark erscheinen lässt. Vor dem Hintergrund der besonderen Souveränitätssensibilität der Abgabenerhebung widmet sich § 7 noch der Frage nach dem potenziellen Einfluss mitgliedstaatlicher Verfassungsgerichte auf die Dogmatik der parafiskalischen Abgaben im Unionsrecht. Dabei sollen insbesondere Kompetenzübergriffe der Unionsebene durch die extensive Kompetenzauslegung im Bereich der parafiskalischen Abgaben gewürdigt werden. Abschließende Thesen werden in § 8 gesammelt.
§ 2 Der Stand der Finanzformenlehre im Unionsrecht Entsprungen einer Rechtsordnung mit Selbststand, ist die Abgabensystematik im Unionsrecht, wie das gesamte Europarecht, eine eigenständige Rechtsordnung, die doch den nationalen Ordnungen verbunden ist. Die Abgabensystematik hat sich dabei entlang eines evolutionären Pfades entwickelt und bleibt auch gegenwärtig auf diesem. Evolutionär ist dieser Pfad durch seine Reaktion auf eintretende Problemstellungen, denen durch eine einzelfallbezogene Würdigung begegnet wurde. Dabei sind zwei Entwicklungsstränge der Abgabensystematik zu unterscheiden. Im ersten Strang war die Anwendung des Unionsrechts auf nationale Abgabenarten Triebfeder eines Systematisierungsbemühens. Regelmäßig geht es hier um die Frage, ob ein bestimmter Tatbestand des Europarechts durch einen nationalen Hoheitsakt erfüllt wird. Dem Grundsatz des effet utile folgend wird sich die zu analysierende Rechtsprechung als hochgradig abhängig von ihrem jeweiligen Sachbereich zeigen. Die Abgabenbegriffe werden hier perplex durch die Rechtsprechung verwendet. Die Begriffe wehren sich insoweit gegen ein Systematisierungsbemühen. Vor diesem Hintergrund muss wissenschaftliche Vorsicht hinsichtlich der Wortlautauslegung walten, wenn nicht anzunehmen ist, dass der Europäische Gerichtshof durch die individuell verwendete Terminologie Rechtsaussagen treffen wollte. Im zweiten Strang, dem bisher weniger ausgeprägten, geht es um die Behandlung von Abgaben der Unionsorgane selbst, mithin „unionseigene“ Abgaben. Diese unionseigenen Abgaben fußen nicht mehr auf den nationalen Rechtsordnungen, sondern sind reine Gegenstände des Unionsrechts. Im derivativ finanzierten Konstrukt der Europäischen Union blieben in faktischer Hinsicht unionseigene Abgaben eine seltene Ausnahme. Mangels des Bestehens einer vollends einheitlichen Terminologie bei den nationalen Abgaben im Unionsrecht wird dann die Frage aufgeworfen, warum eine solche Perplexität bei unionseigenen Abgaben nicht hinzunehmen sein kann. Speziell zur parafiskalischen Abgabe wird untersucht werden müssen, was Parafiskalität auf Unionsebene überhaupt bedeutet und welche Merkmale diese Abgaben aufweisen. In der späteren Untersuchung wird folgend der Schwerpunkt auf die Zulässigkeitsvoraussetzungen dieser Abgaben gelegt. Ein Klassifizierungsbemühen steht vor der Herausforderung, beide Stränge in ihrer Wechselwirkung zu deuten, und insbesondere den Einfluss der althergebrachten nationalen Abgabensysteme auf die europäische Abgabensystematik zu verstehen.
A. Hürden der Erfassung des Europäischen Abgabensystems
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A. Hürden der Erfassung des Europäischen Abgabensystems Nach einer kurzen Begründung der Notwendigkeit der Bildung eines Europäischen Abgabensystems gilt es, die spezifischen Herausforderungen des Europarechts bei dieser Aufgabe zu erschließen. Die Darstellung soll die Problemlage erörtern, vor deren Hintergrund sich eine diffuse Meinungslandschaft in der Literatur gebildet hat.
I. Über die Notwendigkeit einer systematischen Erschließung des Europäischen Abgabenrechts Als Vorwort mag hier gelten, dass aufgrund der evolutionären Entwicklung des Unionsrechts jeder glaubhafte Systematisierungsversuch keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Abgeschlossenheit erheben kann.1 Eine Abgabensystematisierung kann zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt keinen Numerus clausus der Abgabenformen finden. Eine solche fehlende Abgeschlossenheit bedeutet aber nicht, dass keine einheitlichen Maßstäbe gefunden werden können.2 Auch das mit der Systematisierung verbundene Typisierungsbemühen, verstanden als ein Bemühen um die Ausformung fester Abgabeformen mit jeweiligen Definitions- und Zulässigkeitsmerkmalen, ist eine nicht nur das Unionsrecht beschäftigende Frage.3 Diese Diskussion ist in ihrem Kern eine solche der rechtstheoretischen Notwendigkeit der Systematisierung eines Abgabensystems insgesamt und soll mangels ihrer unionsrechtlichen Spezifizität nur kursorisch behandelt werden. Im Wesentlichen lassen sich Grundrechtserwägungen und Kompetenzabgrenzungen für die Notwendigkeit der Typisierung der Abgabenerhebung anführen.4 Eine Abgrenzung und eigenständige Bildung einer Abgabensystematik stand in der historischen Entwicklung durch den später behandelten Sachbereichsbezug noch nicht unter größerem Druck. Die Abgabenbegriffe wurden primär zur Abgrenzung der Kompetenzen zwischen Union und den Mitgliedstaaten gebraucht. Dieser Gebrauch diente der Ausklammerung der als hoheitssensibel geltenden Abgabenbegriffe von den allgemeinen Politiken der Union.5 Daher wird dieses Auftreten der Abgabenbegriffe in der Literatur auch als Auftreten im Rahmen „negativer“ Kompetenzen
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So auch Heselhaus (1998), S. 56. Vgl. Kube, NJW 2003, 927 (928) zum deutschen Finanzverfassungsrecht. 3 Für das nationale Recht vgl. Birk, FS Ritter 1997, 41 (47). 4 Birk, FS Ritter 1997, 41 (47); speziell für das Unionsrecht Korn (2015), S. 42 – 45. 5 Für Art. 114 AEUV siehe Korte, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV (5. Auflage 2016), Art. 114 AEUV Rn. 14 und M. Schröder, in: Streinz, EUV/AEUV (3. Auflage 2018) Art. 114 AEUV Rn. 11; Terhechte, in: Pechstein/Nowak/Häde (Hrsg.), Frankfurter Kommentar EUV/ GRC/AEUV (1. Auflage 2017) Art. 114 AEUV Rn. 28; Herrnfeld, in: Schwarze, EU-Kommentar (3. Auflage 2012), Art. 114 AEUV Rn. 19 sowie Khan/Eisenhut, in: Geiger/Khan/ Kotzur (Hrsg.), EUV/AEUV (1. Auflage 2015), Art. 114 AEUV Rn. 16. 2
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§ 2 Der Stand der Finanzformenlehre im Unionsrecht
bezeichnet.6 Eine Abgrenzung und eigenständige Bildung einer Abgabensystematik war folglich in der historischen Entwicklung durch den Sachbereichsbezug nicht nötig. Eine organisationsrechtliche und grundrechtliche Notwendigkeit besteht aber vermehrt dort, wo der Union „positive“ Abgabenkompetenzen, also Kompetenzen zur eigenen Rechtssetzung, zugeordnet werden.7 In diesen Konstellationen ist die Union Alleinträgerin der Abgaben und für einen effizienten Grundrechtsschutz verantwortlich. Es besteht daher ein unabweisliches Bedürfnis nach einer unionalen Abgabensystematik.
II. Die allgemeine unionale Normenhierarchie in ihrer Abgabendimension Die Ausstrahlung der allgemeinen Normenhierarchie des Unionsrechts auf das Abgabenrecht überträgt im Wesentlichen die allgemeinen Rechtsgrundsätze des Unionsrechts zur Normenhierarchie auf das Abgabenrecht. Die Darstellung ist dennoch wichtig, um diesen zentralen Aspekt der Kategorisierung zu verdeutlichen. In der ersten Ebene wird dabei geprüft, inwieweit die unionsrechtliche Abgabensystematik abhängig von der nationalen Interpretation ihrer Begriffe ist. Die Europäische Union wirkt mit ihrem Recht auf die nationalen Abgabensysteme ein und kommt mit einer Vielzahl national gewachsener Systeme in Kontakt. Dies führt naturgemäß zu einer Perplexität in der Kategorisierung. In der zweiten Ebene ist weiterhin zu erwägen, ob der einfache unionsrechtliche Gesetzgeber die primärrechtliche Abgabensystematik prägen kann. Der Abgabensystematik könnte eine doppelte Autonomie gegenüber beiden Ebenen zukommen. 1. Die Autonomie des Unionsrechts gegenüber der Auslegung durch nationale Stellen Das Unionsrecht hat auch im Abgabenrecht eine Definitionshoheit über seinen eigenen Bedeutungsgehalt gegenüber den nationalen Organen. Als Beispiel einer Auslegung von Abgabenbegriffen durch eine nationale Behörde hatte der Europäische Gerichtshof in der Rechtssache Fantask8 den Begriff der „Abgabe mit Gebührencharakter“ des Artikels 12 der Richtlinie 69/335/EWG9 (Richtlinie betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital) auszulegen. In der Sache 6 Heselhaus (1998), S. 35; Kreibohm (2004), S. 69. Letztlich ist dies eine Neubezeichnung der bereits bestehenden Systematisierung, siehe hierzu Waldhoff, in: Wegener (Hrsg.), Europäische Querschnittspolitiken (EnzEuR Bd. 8), § 10 Rn. 11 m.w.N. 7 A.A. Waldhoff, in: Wegener (Hrsg.), Europäische Querschnittspolitiken (EnzEuR Bd. 8), § 10 Rn. 10, der hier zwar ein gesteigertes Bedürfnis, aber auch nicht von der Notwendigkeit einer dem deutschen Finanzverfassungsrecht vergleichbaren Begriffsschärfe ausgeht. 8 EuGH, Urteil vom 02. 12. 1997 – C-188/95 – Fantask S/A u. a. als Beispiel herangezogen. 9 In der Fassung vom 10. Juni 1985, RL 85/303/EWG.
A. Hürden der Erfassung des Europäischen Abgabensystems
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ging es um die Frage, inwieweit nationale Behörden verschiedene nationale Abgaben einem unionsrechtlichen Tatbestand zuordnen können. Insbesondere versuchten die dänischen Behörden, möglichst viele administrative Ausgaben den Abgabebetroffenen zu berechnen und daher den unionsrechtlichen Begriff extensiv auszulegen. Der Europäische Gerichtshof entschied, dass nationale Abgaben mit Steuercharakter oder ähnliche Abgaben im europarechtlichen Sinne nicht vom nationalen Gesetzgeber als unionsrechtliche Gebühren qualifiziert werden können.10 Andernfalls würde der Sinn und Zweck der Richtlinie unterlaufen werden,11 was wiederum die teleologische Auslegung betont.12 Der Begriff könnte daher „in seiner allgemeinen Bedeutung“ nicht ins nationale Ermessen gestellt werden.13 Der Europäische Gerichtshof stellt dies nur für den Fall des fehlenden Verweises in das nationale Recht hinsichtlich der Auslegung fest.14 Wie sich anhand dieser Rechtsprechung ergibt, sind die Abgabenbegriffe gemeinschaftsautonom auszulegen.15 Dies gilt nicht nur für den dargestellten Fall einer durch Unionsrecht induzierten Abgabe im nationalen Recht, sondern auch für die unionsrechtliche Einordnung einer nicht unionsrechtlich induzierten Abgabe des nationalen Rechts.16 Diese Einstufung des Europäischen Gerichtshofs wird im Übrigen zudem im Kontext der Entscheidung Bozzetti17 bestätigt, die später eingehend beleuchtet wird.
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EuGH, Urteil vom 02. 12. 1997 – C-188/95 – Fantask, Rn. 26; aus der Literatur Meßerschmitt, RdE 1992, 226 (228); Weber-Grellet, Europäisches Steuerrecht (2. Auflage 2016), S. 1. 11 EuGH, Urteil vom 02. 12. 1997 – C-188/95 – Fantask, Rn. 26. 12 Zur Bedeutung der teleologischen Auslegung sogleich unter § 2 A. III. 1. 13 EuGH, Urteil vom 02. 12. 1997 – C-188/95 – Fantask, Rn. 26. 14 Schon EuGH, Urteil vom 15. 07. 1982 – C-270/81 – Felicitas Rickmers-Linie, Rn. 14; so auch Generalanwältin Kokott beim EuGH, Schlussantrag vom 01. 06. 2017 – C-215/16 u.w. – Iberenova Promociones Rn. 40. Für die Notwendigkeit gemeinschaftsautonomer Auslegung im Falle des fehlenden Verweises in die nationalen Rechtsordnungen EuGH, Urteil vom 14. 01. 1982 – C-64/81 – Corman. Damit folgte der EuGH Generalanwalt Reischl, Schlussantrag vom 19. 11. 1981 – C-64/81 – Corman. 15 Götz, in: FS Friauf 1996, 37 (38); Kreibohm (2004), S. 60; Meyer (2006), S. 62; Lienemeyer, EuR 1998, 477 (489); Freytag (2000), S. 36; Wasmeier (1994), S. 37; Ohler, EuZW 1997, 370 (370); Amend (2001), S. 84; für die Unerheblichkeit der nationalen Einordnung einer Abgabe für das Unionsrecht, hier zu Artikel 4 der Richtlinie 69/335 EuGH, Urteil vom 13. 02. 1996 – C-197/94 – Bautiaa und Société française maritime, Rn. 39 mit Verweis auf EuGH, Urteil vom 27. 11. 1985 – C-295/84 – Rousseau Wilmot und EuGH, Urteil vom 31. 03. 1992 – C-200/90 – Dansk Denkavit und Poulsen Trading; Henke, in: Birk (Hrsg.), Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts, § 21 Rn. 5; speziell für Sonderabgaben Nettesheim, Jura 1994, 337 (341); für die gemeinschaftsautonome Auslegung jenseits der Abgaben Pechstein/Drechsler, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre (3. Auflage 2015), § 7 Rn. 18. 16 Vgl. z. B. Generalanwalt Mengozzi, Schlussantrag vom 31. 01. 2018 – Lubrizol France SAS, der es für möglich hält, der nationalen Kategorisierung einer Abgabe eine Orientierungsfunktion für ihre unionsrechtliche Einstufung zuzugestehen. 17 EuGH, Urteil vom 09. 07. 1985 – C-179/84 – Bozzetti.
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§ 2 Der Stand der Finanzformenlehre im Unionsrecht
2. Die primärrechtliche Verankerung der Abgabenbegriffe und ihre Autonomie gegenüber dem Sekundärrecht Die zweite Autonomie behandelt den Aspekt, ob es ein primärrechtliches Abgabensystem gibt und wie im Falle seiner Existenz sich dieses mit sekundären Rechtsakten verhält. Aufgrund der Normenhierarchie eigentlich eine Selbstverständlichkeit, so ist aufgrund der erheblichen Bedeutung für die Untersuchung dennoch darauf hinzuweisen, dass ein primärrechtliches, dem Unionsrecht eigenes Abgabensystem weitestgehend unabhängig von Sekundärrechtsbestimmungen des Unionsgesetzgebers ist. Beiläufig ist zu erwähnen, dass es trotz der Hierarchie jedenfalls denkbar erscheint, dass eine noch nicht gefestigte, fluide Abgabensystematik eine Nachzeichnung durch das Sekundärrecht erhalten kann.18 Methodisch ist durch diese doppelte Autonomie strikt darauf zu achten, dass die Abgabenbegriffe des Unionsrechts nicht zwangsläufig mit denen der nationalen Rechtsordnungen oder der Sekundärrechtsakte übereinstimmen müssen.19 Im Ergebnis gilt für die Ermittlung der Abgabensystematik auch hier die allgemeine Normenhierarchie in der Europäischen Union.
III. Die Perplexität der Abgabenbegriffe Die unionale Abgabensystematik verfügt über eine Komplexität unterschiedlichster Ursachen. Maßgeblicher Treiber der Komplexität des Systematisierens der Abgaben auf Unionsebene ist die uneinheitliche terminologische Verwendung der einzelnen Abgabebegriffe. Diese fehlende Uniformität in der Verwendung der Begriffe wird fortlaufend Perplexität genannt werden. Die Perplexität der Abgabenbegriffe zieht sich durch ihr ganzes unionales Einsatzspektrum. 1. Perplexität durch Sachbereichsbezug Den Hauptanteil an der unionsweiten Perplexität trägt die Perplexität durch Sachbereichsbezug. Der Maßstab des Europäischen Gerichtshofs für die Auslegung von Abgabenbegriffen zeigt sich als erheblich teleologisch determiniert. Die gehobene Stellung der teleologischen Auslegung ist dabei ein Allgemeinmerkmal der Auslegung des Europarechts durch den Europäischen Gerichtshof und keine Spezifizität des Abgabenrechts.20 Die Literatur kommt daher gemeinhin zu einer 18 Zur Nachzeichnung des Primärrechts durch das Sekundärrecht Lindner, NJW 2009, 1047 (1048 f.) anhand EuGH, Urteil vom 18. 11. 2008 – C-158/07 – Jacqueline Förster/Hoofddirectie van de Informatie Beheer Groep; vgl. auch Siegel, DÖV 2010, 1 (5) m.w.N. 19 Bergfeld (2008), S. 74 f. m.w.N. 20 Siehe Pechstein/Drechsler, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre (3. Auflage 2015), § 7 Rn. 27 m.w.N.; auch Stotz, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre (3. Auflage 2015), § 22 Rn. 15.
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sachbereichsbezogenen Perplexität der Abgabenbegriffe im Kontext des Europäischen Primärrechts.21 Dies bedeutet, dass die Auslegung eines Abgabenbegriffs im Rahmen einer Kompetenzgrundlage abhängig von seinem konkreten kompetenzrechtlichen Gefüge ist. Als Beispiel lässt sich hier der Steuerbegriff heranziehen, für den in besonderer Weise diese Erwägungen gelten.22 Der Begriff ist bereichsbezogen, nicht uniform zu interpretieren.23 Die sachbereichsbezogene Verwendung des Steuerbegriffes basiert auf der mit der jeweilig intendierten – außerhalb des Steuerrechts stehenden – Zielsetzung des Europäischen Rechtsakts,24 insbesondere die Errichtung des Binnenmarkts (Art. 3 Abs. 3 UAbs. 1 EUV) sticht hier als Leitmotiv hervor. Die Verwendung abgabentechnischer Begriffe in den Europäischen Rechtstexten steht daher unter einer steten Ungewissheit, die eine Abgabensystematisierung anhand des Wortlauts innerhalb der einzelnen Sachbereiche erschwert.25 Die Validität eines Abgabenbegriffs findet in der Rechtsprechung in seinem jeweiligen Kompetenzzusammenhang eine Grenze, es besteht keine freie Übertragbarkeit der Abgabenbegriffe in externe Sachbereiche.
21 Siehe die umfangreiche Untersuchung zu einzelnen Sachpolitiken bei Freytag (2000), S. 36 – 49 m.w.N.; Kreibohm (2004), S. 40 ff.; Waldhoff, in: Wegener (Hrsg.), Europäische Querschnittspolitiken (EnzEuR Bd. 8), § 10 Rn. 9. Die Verwendung einer sachbereichsbezogenen, d. h. auf die jeweilige Kompetenzgrundlage bezogenen Auslegung der Abgabenbegriffe entspricht der ganz herrschenden Meinung in der Literatur, vgl. aus zahlreichen Beispielen die Literaturquellen Nettesheim, in: Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht (7. Auflage 2016), § 35 Rn. 32; Ohler (1997), S. 106 ff.; Ohler, EuZW 2006, 679 (680 ff.); Khan, in: Geiger/Khan/Kotzur, EUV/AEUV (6. Auflage 2017), Art. 110 AEUV Rn. 6; Wasmeier (1995), S. 14; Zils (1994), S. 140; Nussbaum, DVBl 1994, 1174 (1179); Kohler (1977), S. 101 ff.; vgl. MacKenzie (1976), S. 48 ff.; F. Kirchhof/Kemmler, EWS 2003, 217 (218); Seiler, EuR 2010, 67 (73); Hilf, NVwZ 1992, 105 (106) spricht von einer „unvermeidbaren Offenheit und Konturenschwäche“; vgl. Helmke (2007), S. 111 ff.; für die Kommentarliteratur anhand des Art. 114 AEUV ausdrücklich oder konkludent der später analysierten EuGH-Rechtsprechung folgend Korte, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV (5. Auflage 2016), Art. 114 AEUV Rn. 14 f.; Classen, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht (7. Auflage 2015), Rn. 99; Tietje, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (63. EL 2016) Art. 114 AEUV Rn. 90; M. Schröder, in: Streinz, EUV/AEUV (3. Auflage 2018) Art. 114 AEUV Rn. 14; Khan/Eisenhut, in: Geiger/ Khan/Kotzur (Hrsg.), Treaty on European Union – Treaty on the Functioning of the European Union (1. Auflage 2015), Art. 114 Rn. 17; Herrnfeld, in: Schwarze, EU-Kommentar (3. Auflage 2012), Art. 114 AEUV Rn. 18; Terhechte, in: Pechstein/Nowak/Häde (Hrsg.), Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (1. Auflage 2017) Art. 114 AEUV Rn. 29. 22 Seiler, EuR 2010, 67 (73); Kreibohm (2004), S. 69 ff.; Kuntze (1998), S. 160; Gröpl, in: Dauses (Hrsg.), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, J. Steuerrecht (44. EL 2018) Rn. 19 hinsichtlich des Steuerbegriffes; Korn (2015), S. 33. 23 Waldhoff, in: Wegener (Hrsg.), Europäische Querschnittspolitiken (EnzEuR Bd. 8), § 10 Rn. 9. 24 Siehe hierzu die folgend besprochene Entscheidung Modelo. 25 Freytag (2000), S. 80. Dieser Befund wird unter A.I.1. näher ausgeführt.
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§ 2 Der Stand der Finanzformenlehre im Unionsrecht
Die sachbereichsbezogene Herangehensweise des Europäischen Gerichtshofs lässt sich anhand des Urteils Modelo26 – als ein Urteil unter vielen – verdeutlichen. Die Entscheidung behandelte die Frage nach der Vereinbarkeit portugiesischer Notargebühren mit der Richtlinie 69/335/EWG,27 die bereits Gegenstand des Urteils Fantask28 gewesen ist.29 Modelo folgte dabei zeitlich auf Fantask.30 Die Notargebühren fielen gegenüber verbeamteten Notaren an, der Ertrag wurde weitestgehend in die Staatskasse überführt. Solche als „Gebühren“ titulierten Abgaben sah der Europäische Gerichtshof als durch die Richtlinie verbotenen Steuern im Sinne jener Richtlinie an.31 Hierzu rekurriert der Gerichtshof auf den Zweck der Richtlinie,32 nämlich die Förderung des freien Kapitalverkehrs.33 Bei Betrachtung des Urteils für die hiesige Untersuchung ist weniger der konkrete Charakter dieser Notargebühren entscheidend. Vielmehr verdient die methodische Vorgehensweise des Europäischen Gerichtshofs Beachtung, welche die Verwendung der Abgabenbegriffe anhand des jeweiligen Sinns und Zwecks der Richtlinie auslegt. Die teleologische Auslegung offenbart sich hier als eine zentrale Ursache der Perplexität der Abgabenbegriffe. Angesichts variierender Zielsetzungen der Europäischen Sachpolitiken und Rechtsakte ist eine hieraus folgende Zersplitterung der Terminologie so unausweichlich wie vorhersehbar. Auch wenn die Bedeutung der sachbereichsbezogenen Auslegung für die Abgabensystematik des Unionsrechts nicht zu unterschätzen ist, so ist sie dennoch kein reines Spezifikum des Unionsrechts. Selbst im formenstarken deutschen Finanzverfassungsrecht wird beispielsweise der Begriff der „Abgabe“ in Art. 106 Abs. 1 Nr. 7 GG („Abgaben im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften“) entgegen seiner Einordnung als Steuer innerhalb der gleichen Norm von der herrschenden Literaturmeinung auf nichtsteuerliche Abgaben erstreckt.34 Das steht im Wider26 EuGH, Urteil vom 29. 09. 1999 – C-56/98 – Modelo SGPS SA. Siehe die Einordnung von Schenke, in: Pechstein/Nowak/Häde (Hrsg.), Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (1. Auflage 2017) Art. 113 Rn. 12. 27 In der Fassung vom 10. Juni 1985, RL 85/303/EWG; http://eur-lex.europa.eu/LexUri Serv/LexUriServ.do?uri=CONSLEG:1969L0335:19850617:DE:PDF. 28 EuGH, Urteil vom 02. 12. 1997 – C-188/95 – Fantask S/A u. a. 29 Siehe hierzu A.I. 30 Die Urteile Modelo (Fn. 26) und Fantask (Fn. 8) folgten wiederum beide auf EuGH, Urteil vom 20. 04. 1993 – C-71/91 – Ponente Carni. Siehe für den fachspezifischen Überblick hinsichtlich des Notargebührenrechts und den Urteilen Heidenhain, EuZW 1999, 724 (726). 31 EuGH, Urteil vom 29. 09. 1999 – C-56/98 – Modelo SGPS SA, Rn. 22. 32 EuGH, Urteil vom 29. 09. 1999 – C-56/98 – Modelo SGPS SA, Rn. 22. Die gleiche Vorgehensweise wählt der EuGH auch im Urteil Ponente Carni, siehe EuGH, Urteil vom 20. 04. 1993 – C-71/91 – Ponente Carni Rn. 19 ff. 33 EuGH, Urteil vom 20. 04. 1993 – C-71/91 – Ponente Carni, Rn 19; siehe zudem Kobor/ Zugmaier, EWS 1999, 471 (471) hierzu sowie mit einer Anmerkung zum Urteil Modelo. 34 Seiler, in: Maunz/Dürig (82. EL Januar 2018), Art. 106 Rn. 119; Siekmann, in: Sachs GG (8. Auflage 2018) Art. 106 Rn. 4; Kube, in: BeckOK Grundgesetz (37. Edition 2018), Art. 106 GG Rn. 14; Hidien, in: Bonner Kommentar Art. 106 GG (Lfg. Dezember 2002), Rn. 1435;
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spruch zur Positionierung in der von Fiskalkompetenzen getragenen Finanzverfassung insgesamt sowie auch speziell im Widerspruch zur sonstigen Auslegung des Art. 106 GG. Die „Abgabe von Spielbanken“ in Art. 106 Abs. 2 Nr. 6 GG wiederum wird zum Beispiel von der herrschenden Meinung und Rechtsprechung als Steuer eingestuft.35 Auch wenn die herrschende Lehre auf eine gewisse Korrektur der abgedrifteten Sprachfassung des Art. 106 Abs. 1 Nr. 7 GG fokussiert ist,36 ist dennoch im Ergebnis nicht abstreitbar, dass selbst in dem gefestigten Abgabenbegriff der deutschen Dogmatik eine sachbereichsbezogene Auslegung einzeln vorkommt, ohne dass die Uniformität der Abgabenbegriffe insgesamt in Frage gestellt wird. Wie anhand der späteren Aufarbeitung der einzelnen Abgabetypen im Unionsrecht im Einzelnen verdeutlicht wird, ist diese Perplexität freilich nicht die Ausnahme wie in der deutschen Dogmatik, sondern eher die Regel. 2. Perplexität durch unionsinternes Handeln Die perplexe Verwendung von Abgabenbegriffen ist allerdings nicht auf die strukturellen Elemente des Sachbereichsbezugs und der mitgliedstaatlichen Finanzverfassungen beschränkt. a) Beispiele sekundärrechtlicher perplexer Abgabenverwendung In der sekundärrechtlichen Mehrwertsteuersystemrichtlinie37 als Beispiel eines abgabenspezifischen Sekundärrechtsakts heißt es in Artikel 13 Abs. 1 UAbs. 1 „(…) Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben (…)“, was auf einen Oberbegriff der Abgabe hindeutet. Dies ist allerdings keine definitive Auslegung. „Sonstig“ könnte sich auch nur auf die „Beiträge“, nicht aber auf die „Gebühren“ beziehen. Artikel 401 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie wiederum spricht von „(…) SteuPieroth, in: Jarass/Pieroth GG (15. Auflage 2018) Art. 106 Rn. 4b; Henneke, in: SchmidtBleibtreu/Hofmann/Henneke GG (14. Auflage 2017), Art. 106 Rn. 32; Heintzen, in: von Münch/Kunig, GG (6. Auflage 2012), Art. 106 Rn. 22. Faktisch handelt es sich dabei um durchlaufende Mittel, vgl. Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz (3. Auflage 2018), Art. 106 Rn. 16 m.w.N. 35 So BFHE 177, 276 (283 ff.) mit anderer Ansicht als die Vorinstanz (FG Niedersachen). Aus der Literatur Seiler, in: Maunz/Dürig (82. EL Januar 2018), Art. 106 Rn. 134; Kube, in: BeckOK Grundgesetz (37. Edition 2018), Art. 106 GG Rn. 15; Siekmann, in: FS Schnapp 2008, 319 (320 ff.); Siekmann, in: Sachs GG (8. Auflage 2018) Art. 106 Rn. 11; Hidien, in: Bonner Kommentar Art. 106 GG (Lfg. Dezember 2002), Rn. 1446; Seer, in: Tipke/Lang (Hrsg.), Steuerrecht (23. Auflage 2018), § 2 Rn. 22; Pieroth, in: Jarass/Pieroth GG (15. Auflage 2018) Art. 106 Rn. 5a; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke GG (14. Auflage 2017), Art. 106 Rn. 34; offen gelassen mit Verweis auf die Rechtsprechung Heintzen, in: von Münch/ Kunig Art. 106 (6. Auflage 2012), Rn. 24; Müller-Franken, DStZ 2012, 506 ff. m.w.N. 36 Seiler, in: Maunz/Dürig (82. EL Januar 2018), Art. 106 Rn. 119 spricht von einer Sprachfassung, die „(…) in mehrfacher Hinsicht ungenau formuliert ist (…)“. 37 Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem.
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§ 2 Der Stand der Finanzformenlehre im Unionsrecht
ern, Abgaben und Gebühren (…)“. Diese Formulierung deutet auf einen Selbstand jeder dieser Abgabenformen hin. Der Sprachgebrauch variiert also selbst innerhalb einer hochrelevanten Richtlinie der Union, was wiederum für eine geringe Priorisierung einer trennscharfen Abgrenzung der Abgabenformen für die Unionsorgane spricht. Weiterhin gibt es stete terminologische Neuschöpfungen legislatorischen Ursprungs,38 wobei sich eine klare Linie hinsichtlich der Abgabenbegriffe nicht stets erkennen lässt. Zunächst sind dabei eine weitere Quelle einzelne europäische Legislativakte. In der bereits erwähnten Entscheidung Fantask39 hatte der Europäische Gerichtshof den Begriff der „Abgabe mit Gebührencharakter“ auszulegen. Dieser Terminus, eine Komposition aus „Abgabe“ und „Gebühr“, verleitete den Europäischen Gerichtshof dazu, diesen Begriff als eigenständigen Abgabentyp für die konkrete Richtlinie anzuerkennen. Auch in der später noch eingehend behandelten Rechtssache Agrana Zucker40 folgte der Europäische Gerichtshof schlicht der sekundärrechtlichen Bezeichnung einer Abgabe als „Umstrukturierungsbetrag“.41 Der schweifende Überblick über die unionale Sekundärrechtssetzung zeigt das derzeitig fehlende Problembewusstsein hinsichtlich der Abgrenzung der Abgabenformen. Zugleich relativiert es die Aussagekraft der Wortlautauslegung als vermeintliche entsprechende Willensäußerungen des Unionsgesetzgebers. Es lässt sich aus einzelnen sekundärrechtlichen Verwendungsformen nicht ohne weiteres ein Rückschluss auf ein unionsweiten Abgabenbegriff vornehmen.42 b) Perplexität durch die Europäische Rechtsprechung Eine weitere bei der Rechtsprechungsanalyse zu beobachtende Tendenz ist die Übernahme des durch nationales Recht43 oder durch unionales Sekundärrecht44 schlicht vorgegebene Terminologie einer Abgabe. Die Bedeutung dieser unionsinternen Perplexität erschwert nicht nur die Systematisierung. In ihrer Folge wächst auch die Skepsis hinsichtlich des einheitlichen Sprachgebrauchs der handelnden Organe. Sie lässt damit die Intention des sich jeweilig äußernden Organs zweifelhaft erscheinen, tatsächlich eine rechtsverbindliche Aussage treffen zu wollen.
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Siehe z. B. den Unterstützungsbetrag der dem Urteil Agrana Zucker (siehe sogleich) zugrundeliegenden Verordnung oder die Sonderabgabe bzw. der Solidaritätsabgabe der Unionsbediensteten (siehe unter § 2 B. II. 3. b), die eigentlich Steuern darstellen. 39 EuGH, Urteil vom 02. 12. 1997 – C-188/95 – Fantask S/A u. a. 40 EuGH, Urteil vom 28. 07. 2011 – C-309/10 – Agrana Zucker. 41 EuGH, Urteil vom 28. 07. 2011 – C-309/10 – Agrana Zucker, Rn. 21. 42 Insofern unzutreffend Bergfeld (2008), S. 90 hinsichtlich der Gebühr. 43 Siehe hierzu EuGH, Urteil vom 21. 10. 2003 – C 261/01 – van Calster u. a. dessen Rechtsprechung unter § 2 B. III. 2. besprochen wird. 44 Z. B. EuGH, Urteil vom 28. 07. 2011 – C-309/10 – Agrana Zucker, Rn. 21.
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3. Das Fehlen ausgeprägten Abgabenhandelns der Union Das Fehlen ausgeprägten Abgabenhandelns trägt nicht zu der Perplexität bei, mindert sie zugleich jedoch nicht. Die bereits herausgearbeitete fehlende historische Notwendigkeit der Entwicklung einer unionsinternen Abgabensystematik ist ein weiteres Schlüsselproblem der Analyse der Abgabensystematik.45 Zu unionseigenen Abgaben besteht in der Folge ein nur schwach ausgeprägter Rechtsprechungskanon, der fortlaufend in der Arbeit entfaltet wird. Betrachtet man das rein faktische Ausmaß der Abgaben in der Bankenunion,46 ist zumindest der wirtschaftliche Fußabdruck der Europäischen Abgabenerhebung signifikant gestiegen. Es ist damit zu rechnen, dass diese Entwicklung sich als Katalysator zur Entwicklung einer Europäischen Abgabensystematik herausstellen wird. 4. Perplexität durch mitgliedstaatliche Finanzverfassungen Wie bereits aufgezeigt, hat sich die Europäische Rechtsprechung als Perplexitätstreiber erwiesen. Hierbei ist noch gesondert der Aspekt der Rezeption der mitgliedstaatlichen Abgabensysteme zu erwähnen. Nicht nur die Rechtsprechung, sondern quasi alle Europäischen Organe, waren mit einer Vielzahl nationaler Abgabentypen in ihrem Zuständigkeitsbereich konfrontiert. Häufig ist es dabei schwierig, zu erkennen, ob die nationale Terminologie schlicht übernommen wurde oder ein eigenständiger Begriffsgebrauch stattfand. Dies wird sehr deutlich bei der Untersuchung der nationalen parafiskalischen Abgaben im Unionsrecht werden. In Folge dieser Konstellation lässt sich in aller Pauschalität die Aussage treffen, dass die nationalen Abgabenbegriffe im Unionsrecht nicht trennscharf voneinander abgegrenzt werden.47 Die nationale Terminologie determiniert insofern die Terminologie des Europäischen Gerichtshofs. Dies liegt letztlich in der Natur einer übergeordneten Rechtsordnung unterschiedlich geprägter Nationalstaaten.48 Hinsichtlich dieses Perplexitätsaspektes sind die Mitgliedstaaten durch ihre abgabentechnische Kreativität ein erheblich verstärkendes Element.49 Diese Problemstellung trifft jedenfalls den Abgabenbegriff und den Steuerbegriff. Auch hinsichtlich der Abgrenzung von Gebühren, Entgelten und Beiträgen wird eine
45
Heselhaus (1998), S. 53. Hierzu unter § 3. 47 Korn (2015), S. 33; Seiler, EuR 2010, 67 (73). 48 Vgl. Hilf, NVwZ 1992, 105 (106); Ohler (1997), S. 46. 49 So auch Heselhaus (1998), S. 53. Nach dessen zutreffender Beobachtung distanziert sich der EuGH sporadisch durch die Verwendung von Anführungszeichen von der nationalen Terminologie, so z. B. in EuGH, Urteil vom 11. 08. 1995 – C-16/94 – Dubois und Général cargo services, Rn. 7. 46
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§ 2 Der Stand der Finanzformenlehre im Unionsrecht
mangelnde Differenzierung in der Literatur attestiert.50 Als eines von zahlreichen Beispielen mag die Rechtssache Lamaire51 dienen. In dieser bezeichnete der Europäische Gerichthof eine gewöhnliche parafiskalische Abgabe52 fortwährend als „Pflichtbeitrag“, dem Sprachgebrauch der belgisch Königlichen Verordnung folgend. Hieran zeigt sich exemplarisch die Folgsamkeit des Europäischen Gerichtshof hinsichtlich des Sprachgebrauchs der verfahrensbetroffenen Staaten. Diese Übernahme des vorgegebenen Begriffsgebrauchs zeigte sich parallel bei den sekundärrechtlich basierten Abgaben.53
IV. Der Sprachenpluralismus Erschwert wird die Begriffsbildung auf Europäischer Ebene nicht nur durch die Vielzahl an Rechtsordnungen, sondern auch durch den Sprachenpluralismus. Dies ist allerdings ein allgemeines Problem des Europarechts.54 Die Literatur wendet dem Sprachenpluralismus im Abgabenrecht erhebliche Aufmerksamkeit zu.55 Die korrespondierenden Probleme und Fragestellungen sind damit hinreichend aufgearbeitet. Insgesamt ist der Wortlautauslegung der Primärrechts- wie auch Sekundärrechtsquellen anhand unterschiedlicher Sprachfassungen wohl eine eher geringe Argumentationskraft beschieden.56 Schon in den französischen Sprachfassungen ist beispielsweise ein gewisses Verfließen der Abgabeformen im Vergleich zu den deutschen Fassungen erkennbar.57 Diese fehlende Differenzierung beeinflusst sicherlich die unionsrechtliche Auslegung und Systematisierung der Begriffe. Speziell für den Bereich der parafiskalischen Abgabe wird in den deutschen Sprachfassungen der Europäischen Organe der Begriff stellenweise synonym mit dem Begriff der steuerähnlichen Abgabe verwendet.58 Der Sprachenpluralismus innerhalb der Union 50
Kube, in: HFSt 2 (2016), 40. EuGH, Urteil vom 07. 07. 1994, C-130/93 – Lamaire. 52 Ebenfalls als parafiskalische Abgabe einstufend Weber-Grellet, Europäisches Steuerrecht (2. Auflage 2016), S. 1. In Lamaire wurden auf gesetzlicher Grundlage dem Nationalen Dienst für den Absatz von Landwirtschafts- und Gartenbauerzeugnissen die Möglichkeit gegeben, von einer betroffenen Erzeuger- und Händlergruppe Pflichtbeiträge zu erheben, die zur Förderung der wirtschaftlichen Tätigkeit dieser Gruppe verwendet werden musste. 53 Hierzu unter § 2 A.I.1.a). 54 Siehe Pechstein/Drechsler, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre (3. Auflage 2015), § 7 Rn. 17 ff.; Wegener, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV (5. Auflage 2016), Art. 19 EUV Rn. 13 ff. 55 Der Bezug zu anderen Sprachfassungen wird häufig als Kategorisierungshilfe hinsichtlich der Abgabenbegriffe bemüht, siehe z. B. Kreibohm (2004), S. 78 ff.; Ohler, EuZW 2006, 679 (680); Bergfeld (2008), S. 76 f.; Seiler, EuR 2010, 67 (73). 56 F. Kirchhof/Kemmler, EWS 2003, 217 (219); Bohlken (1999), S. 167 f. und S. 184. 57 Freytag (1999), S. 80; Seiler, EuR 2010, 67 (75), der in Fn. 52 einen entsprechenden Hinweis liefert. 58 Darstellung und Deutungsversuche des Problems bei Heselhaus (1998), S. 70 f. 51
A. Hürden der Erfassung des Europäischen Abgabensystems
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ist somit ein weiterer Perplexitätstreiber, auch wenn er nicht speziell auf das Abgabenrecht gemünzt ist.
V. Systematisierungstechnik Nachdem die Vielschichtigkeit des Erfassens einer unionalen Abgabensystematik angerissen wurde, stellt sich die Vorgehensweise hinsichtlich der Systematisierung als problematisch dar. In der Literatur lassen sich, jedenfalls inzident, unterschiedliche Vorgehensweisen erkennen. Götz regte hinsichtlich der Systematisierung an, solche mitgliedstaatlichen Abgaben in das Gemeinschaftsrecht zu überführen, die „gemeinschaftsadäquat“ seien.59 Abgaben seien als gemeinschaftsadäquat einzustufen, wenn sich hinreichende Entsprechungen in den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen fänden und sie sich den Besonderheiten des Unionsrechts anpassten.60 Die Interpretation hat Parallelen zu den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten ( Art. 6 Abs. 3 EUV) als einer Quelle des Unionsrechts. Auch in einem Teil der neueren Untersuchungen wird diese Methode noch stark angewandt.61 Der Schwerpunkt der neueren Analysen liegt aber nicht auf der Rezeption mitgliedstaatlicher Abgabentypen, sondern auf der Interpretation der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs.62 Mit zunehmendem Fortschreiten der Europäischen Integration und der daraus folgenden judikativen Rezeption mitgliedstaatlicher Abgaben sowie einer verstärkten unionseigenen Abgabenaktivität bietet sich diese Methode im Ausgangspunkt an. Der perplexen Rechtsprechung sollte allerdings nicht dadurch begegnet werden, widersprechende Urteile auszublenden (eine Art partikulares Vorgehen). Gegen das partikulare Vorgehen spricht, dass es keine kohärente Antwort auf widerstreitende Aussagen der Rechtsprechung und auch der Unionsgesetzgebung geben kann. Der Perplexität wird nach einer Meinungsströmung in der Literatur mit einer fast spartanischen Abgabensystematisierung auf Unionsebene begegnet. Es wird dabei der Kategorisierbarkeit insgesamt widersprochen, wobei hier teilweise eine Einordnung anhand des kleinsten gemeinsamen Nenners vorgenommen wird.63 59 Götz, FS Friauf 1996, 37 (38); vgl. auch Meyer (2006), S. 62, der den Test der Gemeinschaftsadäquanz als Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner im damaligen Gemeinschaftsrecht interpretiert. 60 Heselhaus (1998), S. 56, der wie Götz nach der Adäquatheit einer Typenübertragung fragt. 61 Bergfeld (2008), S. 91 ff. mit explizitem Bezug zu Götz; Meyer (2006), S. 62; Seiler, EuR 2010, 67 (73). 62 Vgl. z. B. Korn (2015), S. 41; mit dem Schwerpunkt auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs Kube, HFSt 2 (2016), 40 f. 63 Amend (2001), S. 84; Wasmeier (1994), S. 38; gegen eine Kategorisierbarkeit speziell und einzig des Steuerbegriffes aufgrund seiner perplexen Verwendung in einzelnen Sachbereichen Waldhoff, in: Wegener (Hrsg.), Europäische Querschnittspolitiken (EnzEuR Bd. 8), § 10 Rn. 10.
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§ 2 Der Stand der Finanzformenlehre im Unionsrecht
1. Die Schwäche der Methode des kleinsten gemeinsamen Nenners Der kleinste gemeinsame Nenner wird der Wechselbeziehung zwischen Unionsrecht und nationalem Recht nicht gerecht. Das Primärrecht der Union wird zwar durch die mitgliedstaatlichen Verfassungen und Rechtsordnungen geprägt, hat aber Selbstand. Eine solche Begriffsgewinnung anhand der nationalen Abgabenformen droht zu einem race-to-the-bottom zu werden. Auch die parafiskalische Abgabe würde bei dieser Methode im Unionsrecht anhand des kleinsten gemeinsamen Nenners definiert werden. In der Tat plädieren einige Stimmen in der Literatur für eine Abgabenkategorisierung der parafiskalischen Abgabe anhand dieser Vorgehensweise.64 Vertreter dieser Ansicht halten nur eine solche Vorgehensweise für förderlich hinsichtlich einer präzisen dogmatischen Entwicklung des Europäischen Abgaberechts.65 Diese Präzision bezieht sich einerseits auf die Abgabentypen als solche wie auch deren Ausformung.66 Diese Ansicht unterschlägt aber den Selbstand des Unionsrechts und zwängt die parafiskalische Abgabe in ein nutzloses Korsett. Auch sind die mitgliedstaatlichen Finanzverfassungen in steter Bewegung, was in einer europaweiten Unsicherheit und Flexibilität der Abgabenbegriffe resultieren würde. Weiterhin wird durch eine zu ausgeprägte Rezeption das Kernanliegen des Europäischen Gerichtshofs der materiellen Einheit des Unionsrechts unterlaufen.67 2. Die Gesamtschau als bevorzugte Methodik der Erschließung des Europäischen Abgabenrechts Obwohl die primär auf die nationalen Abgaben zugeschnittene Rechtsprechung stets mit einer gewissen Relativität und Vorsicht zu betrachten ist, sollte doch der Versuch gewagt werden, aus ihr Rückschlüsse auf die unionale Abgabensystematik zu ziehen.68 Die Systematisierung muss zum einen die mitgliedstaatlichen Abgaben rezipieren, zum anderen die Unionsdogmatik distanzieren. Im Ergebnis scheint die plausibelste Methode der Systematisierung eine wertendende Andeutung, wonach die Entwicklungslinien der Rechtsprechung in einer Gesamtwertung betrachtet werden. Die Untersuchung rückt dabei die Rechtswahrung des Europäischen Gerichtshofs im Sinne des Art. 19 Abs. 1 UAbs. 1 S. 2 EUV in den Fokus der Untersuchung, wobei speziell die richterliche Rechtsfortbildung zu betrachten ist.69 64
Wasmeier (1994), S. 38. Amend (2001), S. 84. 66 Amend (2001), S. 84 am Beispiel der deutschen Sonderabgabe. 67 Heselhaus (1998), S. 50. 68 Diese Einschätzung teilt Heselhaus (1998), S. 53. 69 Zur Stellung des Europäischen Gerichtshofs Pechstein/Drechsler, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre (3. Auflage 2015), § 7 Rn. 14 f.; Huber, in: Streinz, EUV/AEUV (3. Auflage 2018), Art. 19 EUV Rn. 13 ff.; Pechstein/Kubicki, in: Pechstein/Nowak/Häde (Hrsg.), Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (1. Auflage 2017) Art. 19 EUV Rn. 27. 65
B. Abgabenarten in der unionsrechtlichen Systematik
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Sporadisch ausreißende Urteile können daher nicht den Gesamteindruck bestimmen. Inkonsistenzen in den Randbereichen werden so geschlossen, ohne auf den reinen Mindeststandard zurückzufallen. Weiterhin sind die nationalstaatlichen Abgaben Geburten der aus den jeweiligen Sachzwängen heraus gewachsenen nationalstaatlichen Dogmatik. Solche spezifischen Sachzwänge bestehen auch im Europarecht, beispielsweise die für die mitgliedstaatlichen Abgabensysteme irrelevante Frage des Schutzes der Finanzhoheit der Mitgliedstaaten, die später detailliert beleuchtet wird. Es sind aber nicht nur solche Rechtsgüter mit Primärrechtsrang betroffen. Auch die spezifischen unionalen Kompetenzbereiche, wie beispielsweise das Beihilfenrecht, erfordern das Anlegen unionaler und damit nationalstaatlich übergreifender Maßstäbe. Die terminologische Analyse der Rechtsprechung wird in ihren Andeutungen durch kompetenzrechtliche und grundrechtliche Erwägungen untermauert.
B. Abgabenarten in der unionsrechtlichen Systematik Zur Eingrenzung des Phänomens der parafiskalischen Abgabe in der unionsrechtlichen Abgabensystematik ist zunächst eine Bestandsaufnahme von Hierarchie und Wesen der konkurrierenden Abgabenarten erforderlich. Dies richtet sich nach den zuvor ausgearbeiteten Klassifizierungsgrundsätzen. Dadurch wird der zutreffenden Kritik begegnet, dass unionsrechtliche Abgabensystematisierungen häufig in den Kategorien des nationalen Rechts verfangen bleiben.70 Zunächst soll dabei die Hierarchie der Abgaben in den Blick genommen werden. Bisherige Untersuchungen unterteilen unionsrechtliche Abgaben gewöhnlich in Steuern, Zölle (und zollähnliche Abgaben) und nichtsteuerliche Abgaben.71 In der Gruppe der nichtsteuerlichen Abgaben werden Leistungsentgelte (Gebühren), Beiträge sowie parafiskalische Abgaben unterschieden.72 Gemeinhin wird die Gruppe der parafiskalischen Abgaben als uniforme Randerscheinung eingestuft.73 Diese Ausdifferenzierung der Abgabenarten wird als Ausgangspunkt einer eigenen Untersuchung genommen.
I. Hierarchie und Ordnung der Abgaben im Unionsrecht Die Kategorisierung der einzelnen Abgabenarten ist mit einer Untersuchung ihrer Hierarchie zu beginnen. 70 So schon die zutreffende Kritik am Literaturstand von Heselhaus (1998), S. 50; auch Bergfeld (2008), S. 74. 71 Korn (2015), S. 33 ff.; Amend (2001), S. 86. 72 Korn (2015), S. 39 ff. 73 Korn (2015), S. 42; dazu mehr unter § 2 B. IV. und V.
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§ 2 Der Stand der Finanzformenlehre im Unionsrecht
1. Die systematische Stellung der Abgabe Der Terminus der Abgabe stellt den Oberbegriff in der deutschen Rechtsordnung dar.74 Es erscheint fraglich, ob ein solcher Sammelbegriff auch im Unionsrecht existiert. a) Die Textanalyse des Primärrechts Der Begriff der Abgabe zeigt sich bei der Textanalyse des Primärrechts an unterschiedlichen Orten. Art. 28 Abs. 1, 29 und 30 AEUV („Abgaben gleicher Wirkung“), Art. 44 („Ausgleichsabgabe“), Art. 97 Abs. 1 („Abgaben oder Gebühren“), Art. 110 Abs. 1 und 111 („inländische Abgaben“), Art. 112 („Abgaben außer Umsatzsteuern, Verbrauchsabgaben und sonstigen indirekten Steuern“), Art. 113 („Verbrauchsabgaben und sonstige indirekte Steuern“) AEUV sind die vertragstextlichen Stellen. Weiterhin spricht das Protokoll Nr. 7 des AEUV75 in seinem Artikel 22 von „(…) Steuern und sonstige(n) Abgaben (…)“. Die Protokolle sind dabei gemäß Art. 51 EUV Bestandteil der Verträge und haben damit primärrechtlichen Rang. Die Wortlautauslegung des Primärrechts legt einerseits nahe, dass die Steuer eine Form der Abgabe ist („Steuern und sonstige Abgaben“, Art. 22 Protokoll Nr. 7). Andererseits könnte man Art. 113 AEUV („Verbrauchsabgaben und sonstige indirekte Steuern“) auch so deuten, dass die Abgabe eine Unterform der Steuer ist. Hinsichtlich der Gebühren deutet sich eine Wesensverschiedenheit von Abgaben in Art. 97 AEUV („Abgaben oder Gebühren“) an.76 Die Textanalyse bestätigt den bisherigen Befund des sachbereichsübergreifenden Vorkommens der Abgabenarten auch für das Primärrecht. Schon dieser kursorische Blick auf die Terminologie der Verträge zeigt das Problem des unterschiedlichen Sprachgebrauchs des Unionsrechts auf. Zweifelsohne kann man auch weitere Sprachfassungen heranziehen. Die Wortlautauslegung zeigt sich allerdings in weiteren Sprachfassungen ebenso uneindeutig. Diese mangelnde Klarheit betrifft zum einen die Hierarchie der Abgaben, zum anderen auch deren individuellen Charakter. Das Primärrecht wurde in abgabentechnischer Hinsicht nicht aus der Konzeption entworfen, eigene Abgaben der Union zu begründen, sondern nationale Abgabenarten unionsrechtskonform zu halten und weist daher einen geringen Konsolidierungsgrad in der abgabentechnischen Terminologie auf.
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Allgemein anerkannt, vgl. z. B. Seiler, EuR 2010, 67 (73). Protokoll Nr. 7 AEUV – Über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union, Amtsblatt der Europäischen Union, C 326, S. 266 – 277. 76 Für die frühere Fassung des Primärrechts Freytag (2000), S. 39 mit ähnlichen Feststellungen. 75
B. Abgabenarten in der unionsrechtlichen Systematik
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b) Rechtsprechungsansätze zur Abgabenhierarchie Der Europäische Gerichtshof verwendet keine einheitliche Terminologie, aus der sich die Abgabenhierarchie erschließt. Er verwendet zwar wohl primär den Begriff der Abgabe als Oberbegriff, vereinzelt aber auch im Sinne eines Auffangtatbestandes. Als Beispiele für den Status als Oberbegriff lohnt sich ein Blick auf zwei Entscheidungen. In der Entscheidung Câmpean77 erstreckte der Europäische Gerichtshof den Begriff der Abgabe auf eine Steuer.78 Aus dem Gesamtkontext des Urteils wird deutlich, dass es sich hierbei nicht um eine Übertragung der Maßstäbe der Abgaben auf die Steuer handelt, sondern die Steuer als integraler Teil des Abgabenbegriffes behandelt wird. In der Entscheidung Neumann79 bezeichnete der Europäische Gerichtshof eine agrarwirtschaftliche Abschöpfung als Abgabe. Zugleich stellte er fest, dass eine Einstufung als Steuer oder Zoll dahinstehen könne.80 Dies deutet darauf hin, dass Steuern und Zölle als spezialisierte Abgabeformen verstanden werden. Als Auffangtatbestand deutet beispielsweise der Sprachgebrauch in der Entscheidung Iberenova Promociones81 hin. Hier mag man die Andeutung einer Exklusivität des Steuerbegriffes vom Abgabenbegriffs erkennen, ohne dass letzterer den Oberbegriff darstellt.82 In dem Urteil zeigt sich die Auslegung der Rechtsprechung anhand der dort eingesetzten Wortwahl aber mehrdeutig und nicht konsistent. Bei den Generalanwälten und Generalanwältinnen ist ebenso eine gewisse terminologische Flexibilität festzustellen. Im Schlussantrag von Generalanwältin Kokott zum Urteil ANGED83 wird beispielsweise von „(…) Steuer- und Abgabenhoheit (…)“84, „(…) Steuern und Abgaben (…)“85 und „(…) steuerrechtlichen wie auch bei abgaberechtlichen Regelungen (…)“86 gesprochen. Diese Textstellen können in einer Weise gedeutet werden, dass Steuern und Abgaben zwei separate, überhaupt nicht kongruente finanzielle Belastungsformen sind. Andernfalls wird aber auch von einer 77
EuGH, Urteil vom 30. 06. 2016 – C/200/14 – Câmpean. EuGH, Urteil vom 30. 06. 2016 – C/200/14 – Câmpean, Rn. 36, 37 und 64 sowie Rn. 42 und 44. 79 EuGH, Urteil vom 13. 12. 1967 – C-17/67 – Neumann. 80 EuGH, Urteil vom 13. 12. 1967 – C-17/67 – Neumann, 2. Leitsatz. 81 EuGH, Urteil vom 20. September 2017 – C-215/16, C-216/16, C-220/16 und C-221/16 – Iberenova Promociones. 82 Z. B. EuGH, Urteil vom 20. September 2017 – C-215/16, C-216/16, C-220/16 und C-221/16 – Iberenova Promociones, Rn. 65: „(…) da diese Abgabe keine Steuer ist (…)“. Der Europäische Gerichtshof verwendet hier den Begriff des Umstrukturierungsbetrag synonym zum Begriff der Abgabe und stellt später fest, dass diese Abgabe nicht als Steuer einzustufen ist. 83 EuGH, Urteil vom 26. 04. 2018 – C-233/16 – ANGED. 84 Generalanwältin Kokott, Schlussanträge vom 09. 11. 2017 – C-233/16 – ANGED, Rn. 2. 85 Generalanwältin Kokott, Schlussanträge vom 09. 11. 2017 – C-233/16 – ANGED, Rn. 28. 86 Generalanwältin Kokott, Schlussanträge vom 09. 11. 2017 – C-233/16 – ANGED, Rn. 76. 78
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§ 2 Der Stand der Finanzformenlehre im Unionsrecht
„(…) Abgabe nicht-steuerlicher Natur (…)“87 gesprochen, was suggerieren könnte, dass es steuerliche Abgaben gibt, was wiederum auf die Abgabe als Oberbegriff hindeuten würde. Insgesamt verleitet die Rechtsprechungsanalyse nicht zu zwingenden Schlüssen hinsichtlich der Abgabenhierarchie. c) Die Notwendigkeit einer Bestimmung der Abgabenhierarchie Vor dem Hintergrund dieser signifikanten terminologische Unklarheit könnte abgestritten werden, ob Steuern und Abgaben überhaupt trennbare Begriffe auf Unionsebene sind. Eine Abgrenzung zwischen Abgaben und Steuern ist aber unumgänglich. Das Bedürfnis der Unterscheidung zwischen einer Steuer als spezielle Form einer Abgabe wird stellenweise aus terminologischen Zwängen hergeleitet,88 ist aber primär aus Gründen kompetenzrechtlicher Abgrenzung zu erklären. Die Einordnung einer Abgabe als bloße Gebühr wird diese im Rahmen einer Sachkompetenz halten und damit ein Abdriften in die Finanzkompetenzen verhindern, wie später eingehend beleuchtet wird.89 Aufgrund der hoheitlichen Sensibilität und vielseitigen Verwendung des Steuerbegriffes im Europäischen Primärrecht wie auch nachrangigen Rechtsakten muss dieser isoliert werden können. d) Abgabe als Oberbegriff Es hat sich im Ergebnis wohl bewährt, den Begriff der Abgabe als Oberbegriff zu verwenden.90 Trotz der aufgezeigten Unsicherheiten schließt sich die Arbeit diesem Sprachgebrauch an, da aus Systematisierungsgründen ein Oberbegriff hilfreich ist und die Mehrheit in der Literatur sich auch zu dieser Einsicht durchgerungen hat. Hierbei wird argumentativ zudem auf die französische Sprachfassung zurückgegriffen.91 Andere Stimmen sprechen schlichtweg von einem „weiten“ Verständnis des Abgabenbegriffs.92
87
Generalanwältin Kokott, Schlussanträge vom 09. 11. 2017 – C-233/16 – ANGED, Rn. 6. Korn (2015), S. 35. 89 Siehe hierzu unter § 4 A. I. 90 Seiler, EuR 2010, 67 (73); Seiler, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (63. EL 2017), Art. 113 AEUV Rn. 19 f, Korn (2015), S. 34; Kuntze (1998), S. 160; Herrmann/Rosenfeldt (2014), S. 12; Bergfeld (2008), S. 63; Heselhaus (1998), S. 34 ff.; Shirvani, UPR 2013, 17 (20); F. Kirchhof/ Kemmler, EWS 2003, 217 (219); Amend (2001), S. 7. 91 Seiler, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (63. EL 2017), Art. 113 AEUV Rn. 19 m.w.N. zu Literatur und Rechtsprechung. Gleichwohl zeigt Seiler auf, dass schon in der englischen Sprachfassung eine solche Interpretation nicht zwingend ist. 92 Meßerschmidt, RdE 1992, 226 (229); Freytag (2000), S. 49, wobei dieser den Abgabenbegriff aufspaltet je nach betroffenem Sachbereich; hinsichtlich den Art. 110 ff. AEUV Khan, in: Geiger/Khan/Kotzur, EUV/AEUV (6. Auflage 2017), Art. 110 AEUV Rn. 6. 88
B. Abgabenarten in der unionsrechtlichen Systematik
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2. Die neuere Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Begriff der Abgabe In ihrem Ausgangspunkt muss eine Untersuchung der Rechtsprechung freilich konstatieren, dass auch der Abgabenbegriff vom Europäischen Gerichtshof sachbereichsbezogen interpretiert wird.93 Dies gilt jedenfalls, soweit nationale Abgaben Rechtsprechungsgegenstand sind. Als eines von zahlreichen Beispielen hat der Europäische Gerichtshof Kautionen als Abgaben in einem bestimmten Sachbereich eingestuft, Strafzahlungen in einem anderen Sachbereich aber nicht.94 Die Auslegung dient einer effektiven Durchsetzung des Unionsrechts und nicht der Bildung einer einheitlichen Abgabensystematik. Der Europäische Gerichtshof wird durchaus mit verfahrensbezogenen Forderungen nach einer Konsolidierung seiner Abgabensystematik konfrontiert. Im Jahre 2017 hatte der Europäische Gerichtshof über die Auslegung des Begriffes „Verwaltungsgebühren“ in der Richtlinie 2009/28/EG95 zu entscheiden.96 Die Autonome Gemeinschaft Kastilien-La Mancha in Spanien führte im Jahr 2011 eine Windkraftabgabe97 ein, die den behaupteten umweltschädlichen Einsatz von Windkraftanlagen belastete. Betroffene Windanlagenbetreiber klagten gegen die Ablehnung ihrer Berichtigungs- und Erstattungsanträge. Der Oberste Gerichtshof von KastilienLa Mancha legte dem Europäischen Gerichtshof daraufhin verschiedene Fragen zur Vorabentscheidung vor, darunter die Frage, ob der Begriff der Gebühr in Art. 13 der betroffenen Richtlinie im Sinne eines übergreifenden europäischen Abgabenbegriffes zu interpretieren sei.98 Der betroffene Art. 13 (1) e) verpflichtet die Mitgliedstaaten, Verwaltungsgebühren für verschiedene Akteure transparent und kostenbezogen zu gestalten. Die Adressatengruppe dieser Gebühren schließt Verbraucher, Planungsbüros, Architekten, Bauunternehmen sowie die Geräte- und Systeminstallateure und -lieferanten ein. Das kastilische Gericht wollte also wissen, ob der Maßstab „transparent und kostenbezogen“ auch auf die Windkraftabgabe anwendbar ist, die ihrerseits nicht eine solche Gebühr im engeren Sinne darstellte. Der 93
Freytag (2000), S. 36 – 49 m.w.N. Vgl. Heselhaus (1998), S. 45 f. m.w.N. zur Rechtsprechung und vergleichbaren Konstellationen. 95 Richtlinie 2009/28/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen und zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinien 2001/77/EG und 2003/30/EG (Abl. 2009, L 140/ 16). 96 EuGH, Urteil vom 20. September 2017 – C-215/16, C-216/16, C-220/16 und C-221/16 – Iberenova Promociones, Rn. 13. 97 Gesetz Nr. 9/2011 zur Einführung einer Windkraftabgabe und zur Einrichtung des Fonds für die technologische Entwicklung erneuerbarer Energien und rationelle Energienutzung in Kastilien-La Mancha, siehe EuGH, Urteil vom 20. September 2017 – C-215/16, C-216/16, C-220/16 und C-221/16 – Iberenova Promociones. 98 Siehe die konkrete Frageformulierung in EuGH, Urteil vom 20. September 2017 – C-215/16, C-216/16, C-220/16 und C-221/16 – Iberenova Promociones, Rn. 23 Nr. 5. 94
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§ 2 Der Stand der Finanzformenlehre im Unionsrecht
Europäische Gerichtshof ging auf die aufgeworfene Frage nach dem unionsrechtlichen Abgabenbegriff nicht ein und verwies vielmehr auf die fehlende Sperrwirkung des Art. 13 Abs. 1 e) für Abgaben, die nicht die betroffenen speziellen Verwaltungsverfahren belasten.99 Die Windkraftabgabe betraf den Betrieb der Anlage, nicht aber ihr Zulassungsverfahren.100 Weiterhin vermeidet das Urteil, weit in die Abgabenhoheit der Mitgliedstaaten einzugreifen, indem es den Mitgliedstaaten einen großen Gestaltungspielraum bei Umsetzung ihrer klimabezogenen Verpflichtungen zubilligt, was stellenweise als konträr wahrgenommene Maßnahmen nicht ausschließe.101 Man könnte das Urteil aber in einer Weise interpretieren, dass eine zu ausgeprägte Fixierung der Abgabedefinitionen nicht erwünscht ist, um in den einzelnen Sachbereichen hinreichende judikative Flexibilität zu wahren. Im Ergebnis offeriert auch die neue Rechtsprechung keinen vollumfänglich klar konturierten Abgabenbegriff. 3. Der Begriff der Abgabe Der Europäische Gerichtshof hatte sich historisch mit dem Abgabenbegriff primär im Rahmen der Warenverkehrsfreiheit zu beschäftigen. Dort musste er die Abgabenqualität nationaler Maßnahmen beurteilen. Anhand dieser Rechtsprechung hat sich in der Literatur die vage und sachgebietsübergreifende Definition gebildet, wonach die Abgabe eine öffentlich-rechtliche Geldleistungspflicht gegenüber einem Hoheitsträger mit Finanzierungsfunktion sei.102 Die Finanzierungsfunktion kann aber eine bloße Nebenrolle einnehmen.103 Die genauen Konturen des Begriffs sind für die hiesige Untersuchung unerheblich, da die parafiskalische Abgabe stets eine erzwungene Geldleistung an einen öffentlichen oder öffentlich installierten Träger voraussetzt. Festzuhalten ist daher, dass der Begriff der Abgabe in einem weiten Sinne zu verstehen ist.104 Er umfasst gleichermaßen Steuern und nichtsteuerliche Abgaben.
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EuGH, Urteil vom 20. September 2017 – C-215/16, C-216/16, C-220/16 und C-221/16 – Iberenova Promociones, Rn. 36. 100 So auch die Analyse von Generalanwältin Kokott, Schlussantrag vom 01. 06. 2017 – C-215/16 u.w. – Iberenova Promociones, Rn. 41. 101 EuGH, Urteil vom 20. September 2017 – C-215/16, C-216/16, C-220/16 und C-221/16 – Iberenova Promociones, Rn. 40. 102 Heselhaus (1998), S. 40; Korn (2015), S. 34; Seiler, EuR 2010, 67 (73); Seiler, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (63. EL 2017), Art. 113 AEUV Rn. 18; Heselhaus (1998), S. 40; Bergfeld (2008), S. 63; Ohler (1997), S. 106; Amend (2001), S. 7. 103 Seiler, EuR 2010, 67 (73). 104 Amend (2001), S. 6.
B. Abgabenarten in der unionsrechtlichen Systematik
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4. Speziell: Die öffentlich-rechtliche Natur der Abgabe im Unionsrecht Inwieweit Geldzahlungspflichten öffentlich-rechtliche Wurzeln haben müssen, um den Abgabenbegriff zu erfüllen, ist aufgrund des verbreiteten Agenturenwesen der Union im parafiskalischen Bereich relevant. Für die hiesige Untersuchung der parafiskalischen Abgaben ist allerdings noch der Aspekt der öffentlich-rechtlichen Natur einer Abgabe zu würdigen. Regelmäßig wird für den Abgabenbegriff der zwingende, hoheitliche Charakter einer Abgabe als Merkmal herausgestellt.105 In der Entscheidung Iannelli/Meroni106 sprach der Europäische Gerichtshof von „(…) einer Abgabe oder einem Beitrag von einer nichtstaatlichen Körperschaft des öffentlichen Rechts (…)“.107 Diese begriffliche Differenzierung ist ein Beispiel für die Notwendigkeit hoheitlicher Erhebung zur tatbestandlichen Erfüllung des Abgabenbegriffs. Gleichwohl stufte der Europäische Gerichtshof später auch gesetzlich vorgeschriebene Untersuchungen, deren Entgelte von einem privaten Anbieter erhoben wurden, als Abgaben ein.108 Die nationalstaatliche Regelung bestimmte den konkreten Anbieter.109 Die sachbereichsbezogene Interpretation in dieser Entscheidung wird schon im 1. Leitsatz deutlich, in dem der Europäische Gerichtshof ausführt: „(…) jede (…) finanzielle Belastung stellt (…) eine Abgabe zollgleicher Wirkung (…) dar. (…)“110. Der Europäische Gerichtshof verfolgt bei der Warenverkehrsfreiheit eine insgesamt harte Linie. Jede noch so geringe monetäre Belastung anlässlich einer Grenzüberschreitung wird durch seine Rechtsprechung untersagt.111 Das Urteil Dubois112 behandelte eine privatrechtliche Zahlung an den Betreiber eines Eisenbahnumschlagplatzes, der dafür kompensiert wurde, dem französischen Zoll kostenfrei die notwendige Kontrolllogistik auf seinem Gelände zur Verfügung zu stellen.113 Der Umschlagplatz war in Paris, also weit innerhalb des französischen Hoheitsgebiets, was logistisch erhebliche Vorteile für die Speditionsunternehmen, darunter Dubois, mit sich brachte. Die Auferlegung der Kosten für Zollinspektionen muss allerdings eigentlich der französische Staat aus europarechtlichen Gründen selbst tragen.114 Die Einstufung dieser privatwirtschaftlichen Zahlung als Abgabe 105
Vgl. z. B. Seiler, EuR 2010, 67 (73), Ohler (1997), S. 47. EuGH, Urteil vom 22. 03. 1977 – C-74/76 – Iannelli/Meroni. 107 EuGH, Urteil vom 22. 03. 1977 – C-74/76 – Iannelli/Meroni, 5. Leitsatz. 108 EuGH, Urteil vom 09. 11. 1983 – C-158/82 – Kommission/Dänemark. 109 Siehe die Zusammenfassung bei Freytag (2000), S. 41. 110 EuGH, Urteil vom 09. 11. 1983 – C-158/82 – Kommission/Dänemark 1. Leitsatz. 111 Zahlreiche Beispiele aus der Rechtsprechung, siehe nur EuGH, Urteil vom 01. 03. 2018 – C-76/17 – Petrotel-Lukoil und Georgescu, Rn. 21 m.w.N. 112 EuGH, Urteil vom 11. 08. 1995 – C-16/94 – Dubois und Général cargo services. 113 Für Weber, RIW 1995, 1048 (1048) ist die fehlende Verpflichtung, dem Zoll die Abfertigungshallen und weiteres zur Verfügung zu stellen, der Grund für die fehlende hoheitliche Qualität der Maßnahme. 114 EuGH, Urteil vom 11. 08. 1995 – C-16/94 – Dubois und Général cargo services, Rn. 13. 106
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§ 2 Der Stand der Finanzformenlehre im Unionsrecht
durch den Europäischen Gerichtshof ist wohl in erster Linie mit der Verhinderung einer Umgehung der Warenverkehrsfreiheit zu erklären.115 Es bleibt in der Essenz festzuhalten, dass der Europäische Gerichtshof Geldzahlungen als Abgaben in einem Sachbereich anerkannt hat, die weit in das Privatrecht hineinragten.116 Daher gilt es abzuwarten, wie weit der Europäische Gerichtshof bei unionseigenen Abgaben die generelle Linie ziehen wird. 5. Zwischenergebnis Die Abgabe stellt den Oberbegriff im System hoheitlich aufgebürdeter Geldleistungen dar und erfasst hoheitlich aufgebürdete Geldleistungspflichten.
II. Die Steuer Nach dem Begriffsverständnis des § 3 Abs. 1 Abgabenordnung zeichnet sich die Steuer durch ihre gegenleistungsfreie, die Allgemeinheit zu Finanzierungszwecken belastende Natur aus.117 Für das Bundesverfassungsgericht ist der Begriff deckungsgleich mit dem finanzverfassungsrechtlichen Verständnis der Steuer.118 Die Steuer fungiert als abstrakte Finanzierungsform und gleichheitsorientierter Beitrag des Einzelnen zur Finanzierung des Staates. Unionsweit ist festzustellen, dass die nationalen Steuerbegriffe jedenfalls in ihren Randbereichen nicht sehr kongruent sind.119 Dies mag im jeweiligen Einzelfall auch darauf zurückzuführen sein, dass die Abgrenzung der Abgabenarten nicht von großer Bedeutung für das jeweilige nationale Recht ist. Gerade durch die Grundfreiheiten und das Beihilfenrecht waren diese nationalen Steuerbegriffe intensiver Gegenstand der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs.120 Die Prüfung der nationalen Rechtsordnungen ist bis
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Heselhaus (1998), S. 43. Vgl. hierzu auch Ohler (1997), S. 47 f. 117 Zu den einzelnen Merkmalen Söhn, FS Kirchhof Bd. 2 2013, 1573 (1575 ff.). 118 Vgl. z. B. BVerfGE 55, 274 (299); 67, 256 (282); 84, 239 (269); aus der Literatur Heintzen, in: von Münch/Kunig, GG (6. Auflage 2012), Art. 105 Rn. 12; Pieroth, in: Jarass/ Pieroth, GG (15. Auflage 2018), Art. 105 Rn. 3; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/ Henneke, GG (14. Auflage 2017), Art. 105 Rn. 10 ff. 119 Seiler, EuR 2010, 67 (74), Wasmeier (1994), S. 37, Heselhaus (1998), S. 76, Hof (1997), S. 88 f, Amend (2001), S. 85 und Bergfeld (2008), S. 76 verweisen hierzu auf das von der Kommission herausgegebene „Inventar der Steuern“. Hieran zeigt sich die extensivere Auslegung des Steuerbegriffes in anderen Mitgliedstaaten. Dies entspricht auch der Ansicht von F. Kirchhof/Kemmler, EWS 2003, 217 (220); eine Übersicht bietet auch Barassi, in: Peeters (Hrsg.), The concept of tax, S. 60 ff.; andere Kommentatoren heben trotz der Unterschiede die Gemeinsamkeiten hervor, z. B. Behrens (1976), S. 168, wohl auch Korn (2015), S. 35. 120 Schaumburg, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht (1. Auflage 2015), Rn. 1.2. 116
B. Abgabenarten in der unionsrechtlichen Systematik
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heute Kernbereich des Europäischen Steuerrechts.121 Europäische Rechtsakte konzentrieren sich neben dem Recht der indirekten Steuern auf eine punktuelle Harmonisierung des in der Hoheit der Mitgliedstaaten verbleibenden Rechts der direkten Steuern.122 Die Herausbildung eines unionseigenen sachbereichsübergreifenden Steuerbegriffs erscheint bisher eher als theoretische Fragestellung mangels der Union zugewiesenen Besteuerungsbefugnissen.123 Die interne europarechtliche Betrachtung der Einordnung einer Abgabe als Steuer hat dabei keine herausragende rechtliche Relevanz gefunden. Zahlreiche Anläufe der Europäischen Union zur Einführung einer eigenen Steuer sind erfolglos geblieben.124 Einzig die Besteuerung der Unionsbediensteten ragt als Ausnahme heraus. Urteile des Europäischen Gerichtshofs zum Steuerbegriff im Unionsrecht sind stets in ihren jeweiligen Sachbereichen beheimatet, was auch hier eine Generalisierung erschwert. Als Zentralmerkmal der Steuer wird sich die Gegenleistungsfreiheit, also die Abwesenheit jeglicher Äquivalenzbeziehung zwischen Abgabenerhebendem und Abgabenbelastetem, herausstellen. 1. Zum Äquivalenzverständnis Aufgrund seiner Relevanz für die Abgabensystematisierung ist das der Arbeit zugrundeliegende Verständnis der Äquivalenz darzulegen. Eine genaue Untersuchung der Verankerung wie Entfaltung des Äquivalenzprinzips im Unionsrecht ist angesichts seines Umfangs an dieser Stelle nicht zu leisten. Es soll daher eine schematisierte Anwendung für die vorliegende Arbeit herangezogen werden, die eine operative Verwendung des Begriffs ermöglicht. Der Begriff umfasst im Sinne einer Individualäquivalenz eine spezifisch individuelle Gegenleistungsbeziehung zwischen öffentlichem Gemeinwesen und Bürger.125 Das Bundesverfassungsgericht spricht auch von einer Ausgleichsfunktion.126 Diese könne durch Kostendeckung, Vorteilsausgleich, Verhaltenslenkung und soziale Zwecke erreicht werden.127 Hier wird dem konsolidierten Leitbild der Äquivalenz im deutschen Abgabenrecht gefolgt. Hiernach erfordert das Äquivalenzprinzip keine strenge Leistungsproportionalität, gebietet aber eine materielle Aus121
Birk, FR 2005, 121 (122 ff.); Schaumburg, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 1.2. 122 Vgl. Dürrschmidt, NJW 2010, 2086 (2088). 123 Amend (2001), S. 84, wonach auch das Fehlen einer föderalen Finanzverfassung Ursache der wenig ausgeprägten Dogmatik des Steuerbegriffs ist; Korn (2015), S. 33. 124 Für das Beispiel einer Energiesteuer vgl. Helmke (2007), S. 111. 125 Damit entspricht die Arbeit dem hergebrachten deutschen Verständnis des Äquivalenzprinzips, siehe Schmehl (2004), S. 6; Hendler, DÖV 1999, 749 (751 f.); Musil, in: FS Isensee 2007, 929 (936 ff.); Seer, in: Tipke/Lang (Hrsg.), Steuerrecht (23. Auflage 2018), § 2 Rn. 20; Kube (2004), S. 348. 126 BVerfGE 144, 369 (397); 108, 186 (216); 132, 334 (349). 127 BVerfGE 144, 369 (397); 50, 217 (230); 97, 332 (345); 108, 1 (18) – st. Rspr.
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§ 2 Der Stand der Finanzformenlehre im Unionsrecht
geglichenheit beider Leistungen.128 Eine zu hohe Konturenschärfe ist an dieser Stelle für die hiesige Untersuchung des Unionsrechts jedoch nicht nötig. Das Äquivalenzprinzip wird lediglich als Kategorisierungsleitfaden, nicht aber für eine Rechtmäßigkeitsprüfung genutzt. Es dient hier insbesondere zur Abgrenzung der entgeltenden beziehungsweise nichtsteuerlichen Abgaben von den Steuern.129 Die Äquivalenz erschöpft sich jedoch nicht in ihrem Individualbezug. Der Begriff der Gruppenäquivalenz ersetzt das Individuum in der Leistungsbeziehung der Individualäquivalenz durch eine Gruppe auf der nichtstaatlichen Seite der Leistungsbeziehung.130 Die Qualifikation der Homogenität dieser Gruppe auf Unionsebene wird freilich zu testen und zu bestimmen sein. Die Freiheit von einer individualäquivalenten oder gruppenäquivalenten Beziehung wird hier im Sinne der Gegenleistungsfreiheit des deutschen Steuerbegriffes verstanden. Die Gegenleistungsfreiheit bedingt somit eine Abwesenheit einer auf dem Äquivalenzprinzip basierenden Beziehung. 2. Annäherung an einen unionalen Steuerbegriff Die Verwendungsweise des Steuerbegriffes ist uneinheitlich durch alle Kompetenzgrundlagen des Primärrechts hinweg.131 Diese perplexe Auslegung des Begriffes quer durch die jeweiligen Sachbereiche ist Hauptgrund einer literarischen Strömung, wonach es den Steuerbegriff des Unionsrechts nicht gebe.132 Zu diesem Einwand ist zunächst nochmals daran zu erinnern, dass es zu einer sachbereichs- bzw. kompetenzspezifischen Auslegung von Abgabenbegriffen auch im deutschen Finanzverfassungsrecht kommt.133 Daher ist dieses Argument allein wohl nicht geeignet, die Existenz eines unionalen Steuerbegriffes zu bestreiten. Auf Ebene des Unionsrechts ist der Steuerbegriff als regelmäßiges negatives Tatbestandsmerkmal europäischer Kompetenztitel für die Abgrenzung jener sach128 Die Rechtsprechung des BVerfG betont in unterschiedlicher Intensität diese Erfordernisse, vgl. BVerfGE 20, 257 (270); 50, 217 (227); 108, 1 (19); 132, 334 (350), betont aber nicht stets explizit das Äquivalenzprinzip als Teil des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit; vgl. auch Kube, in: BeckOK Grundgesetz (37. Edition 2018), Art. 105 GG Rn. 12 m.w.N. zur Rechtsprechung. 129 Siehe hierzu Kube, HFSt 2 (2016), 43 sowie im nationalen Kontext Kube (2004), S. 348. 130 Vgl. z. B. Friauf, JA 1981, 261 (265) für das deutsche Recht. 131 Waldhoff, in: Wegener (Hrsg.), Europäische Querschnittspolitiken (EnzEuR Bd. 8), § 10 Rn. 9 ff.; Hidien, EuR 2007, 370 (382); Kube, DStJG 42 (2018), 69 (78); von einer „noch nicht ausdiskutierten“ Frage spricht Rodi, JZ 2000, 827 (831); vgl. auch die Textanalyse des Primärrechts unter § 2 B. I. 1. a). 132 Waldhoff, in: Wegener (Hrsg.), Europäische Querschnittspolitiken (EnzEuR Bd. 8), § 10 Rn. 9; Waldhoff, in: Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht, Band 3 (3. Auflage 2012), S. 352; Kreibohm (2004), S. 69; Seiler, EuR 2010, 67 (73); Kuntze (1998), S. 176; Korn (2015), S. 35, der aber dann doch zu einem einheitlichen Begriff kommt; Capdevilla/Ezcurra (2017), S. 145. 133 Erinnert sei hier an Art. 106 Abs. 1 Nr. 7 GG, vgl. § 2 A. III. 1.
B. Abgabenarten in der unionsrechtlichen Systematik
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bereichsbezogenen Kompetenzen von erheblicher Bedeutung.134 Der Begriff des negativen Tatbestandsmerkmals soll dabei ausdrücken, dass die jeweilige Ermächtigung der Union gerade das Steuerrecht explizit nicht umfasst.135 Dies dient primär dem Schutz der mitgliedstaatlichen Finanzsouveränität. Umfasste Kompetenznormen mit praktischer Relevanz sind insbesondere das Umweltrecht, Art. 192 Abs. 2 lit. a AEUV sowie Art. 114 Abs. 2 AEUV bezogen auf die Binnenmarktharmonisierung. Als Beispiel einer solchen Verwendung mag ein vorgreifender Blick auf jenen Art. 114 Abs. 2 AEUV dienen. In der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof wird der Begriff der Steuer innerhalb dieser Kompetenzgrundlage auch auf das Steuerverfahrensrecht erstreckt.136 Als weiteres Beispiel kann das bereits besprochene Urteil Modelo137 dienen, in dem auch eindeutige Gebührentatbestände, also strikt individualäquivalente Abgaben, dem Steuerrechtsbegriff der betroffenen Richtlinie zugeordnet wurden. Das Urteil zeigt zudem die Bedeutung der teleologischen Auslegungsmethode für die Zersplitterung nach Sachbereichen.138 Ein von Modelo losgelöstes weiteres Beispiel ist die in den einzelnen Sachbereichen stellenweise auftretende synonyme Verwendung von Abgaben und Steuern.139 Insgesamt zeigt sich eine Flexibilität der Europäischen Organe in der Terminologie, die durch das Ziel der effektiven Durchsetzung des Unionsrechts geprägt ist. Es erscheint in der Tat fraglich, ob der Steuerbegriff von seiner jeweiligen europäischen Kompetenzgrundlage abgelöst werden kann. Die Pluralität der „negativen“ Steuerbegriffe könnte also durch einen uniformen „positiven“ Steuerbegriff komplementiert wird. „Positiv“ ist somit der Steuerbegriff, der im Rahmen unionseigener Kompetenzen zur Beschreibung einer der Union selbst eingeräumten diesbezüglichen Kompetenz verwandt wird.140 3. Die eigene Steuer der Union Betrachtet man die eigene Steuer der Union als möglichen Anknüpfungspunkt einer solchen positiven Interpretation des Steuerbegriffs, so ist deren rechtliche Grundlage zu beleuchten. Ausgangspunkt ist das Primärrecht, welches in Art. 12 134
Siehe hierzu bereits § 2 A. I. Siehe hierzu bereits § 2 A. I. 136 „Modalitäten der Beitreibung“, EuGH, Urteil vom 29. 04. 2004 – C-338/01 – Kommission ./. Rat, 2. Leitsatz; siehe auch den Überblick bei Terhechte, in: Pechstein/Nowak/Häde (Hrsg.), Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (1. Auflage 2017) Art. 114 AEUV Rn. 29. 137 EuGH, Urteil vom 29. 09. 1999 – C-56/98 – Modelo. 138 Zur teleologischen Auslegung EuGH, Urteil vom 29. 09. 1999 – C-56/98 – Modelo SGPS SA, Rn. 22; zur Bedeutung der teleologischen Auslegung für das Europäische Steuerrecht in einem umsatzsteuerlichen Kontext Grabitz/Nettesheim, EWS 1990, 246 (252). 139 Heselhaus (1998), S. 37; dieses Verständnis wird von Teilen der Literatur z. B. im Rahmen des Art. 114 AEUV angenommen, siehe Korte, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV (5. Auflage 2016), Art. 114 AEUV Rn. 14. 140 Siehe hierzu bereits § 2 A. I. 135
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§ 2 Der Stand der Finanzformenlehre im Unionsrecht
Protokoll Nr. 7 AEUV (Über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union) der Europäischen Union das Vorrecht eingeräumt, von ihren Bediensteten eine Steuer zu erheben. Es handelt sich dabei um eine echte unionseigene Steuer. a) Grundzüge der Steuer Die Steuer selbst ist in einer Verordnung geregelt.141 Steuerpflichtig sind im Wesentlichen alle Personen, auf die das Beamtenstatut der EU142 Anwendung findet.143 Die Steuer ist in ihren Charakteristika mit der deutschen Einkommensteuer vergleichbar. Sie wird gegenleistungsfrei von allen rechtsunterworfenen Personen erhoben und dient der Finanzierung des EU-Haushalts. Sie wird als sonstige Einnahme geführt, Art. 9 Verordnung 260/68/EWG, EURATOM, EGKS. Die einzige direkte Steuer der EU orientiert sich damit an dem Merkmal der Gegenleistungsfreiheit. Als Hauptrechtfertigung ihrer Existenz wird das Herstellen einheitlicher Verhältnisse unter den EU-Beamten als Ziel und Rechtfertigung genannt.144 Sie dient daher nicht primär Haushaltszwecken, womit sie auch keinen Eigenmittelbeschluss voraussetzt. Auch wenn ein einzelnes Beispiel sich nicht zwangsläufig zur Generalisierung des unionalen Steuerbegriffes eignet, so ist doch ersichtlich, dass sich die EU jedenfalls im Bereich der Einkommensteuer an diesem Leitbild der gegenleistungsfreien und allgemeinen Belastung orientieren will. b) Die Zuschläge als Steuern im unionsrechtlichen Sinne Eine Besonderheit der Einkommensbesteuerung auf Unionsebene sind noch gewisse temporäre Zuschläge. Von 2004 – 2012 war hierzu eine sogenannte „Sonderabgabe“ vorhanden.145 Von 2014 – 2023 wird nun eine „Solidaritätsabgabe“146 erhoben. Der Begriffswandel soll die Solidarität der Europäischen Beamten mit den 141 Ursprünglich eingeführt mit Verordnung (EWG, EURATOM, EGKS) Nr. 260/68 des Rates vom 29. Februar 1968 zur Festlegung der Bestimmungen und des Verfahrens für die Erhebung der Steuer zugunsten der Europäischen Gemeinschaften; wird laufend aktualisiert. 142 Verordnung Nr. 31 (EWG) 11 (EAG) über das Statut der Beamten und über die Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft (von hier an mit dem Begriff „Beamtenstatut“ beschrieben). Zuletzt geändert durch Verordnung (EU) Nr. 423/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014. 143 Diese Einsatzweise gilt als Hauptlegitimationsstrang der Steuer. Sie soll die fachliche Unabhängigkeit der EU-Beamten sicherstellen, hierzu EuGH, Entscheidung vom 08. 09. 2005 – C-288/04 – AB, Rn. 38; Frenz/Distelrath, DStZ 2010, 246 (247) m.w.N. 144 EuGH, Entscheidung vom 08. 09. 2005 – C-288/04 – AB, Rn. 38; Kube, DStJG 42 (2018), 69 (77); Frenz/Distelrath, DStZ 2010, 246 (247) m.w.N. 145 Diese betrug 5,5 %, vgl. hierzu Kofler, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht (1. Auflage 2015), Rn. 21.10. 146 Verordnung (EU, EURATOM) Nr. 1023/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2013 – zur Änderung des Statuts der Beamten der Europäischen Union und der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Union.
B. Abgabenarten in der unionsrechtlichen Systematik
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Mitgliedstaaten vor dem Hintergrund ihrer Haushaltslage verdeutlichen.147 Die Solidaritätsabgabe beträgt formal 6 – 7 %, erhoben allerdings auf einer stark modifizierten einkommensbezogenen Bemessungsgrundlage.148 Die tatsächliche Belastung ist somit signifikant niedriger, als die formale Höhe verspricht. Die Solidaritätsabgabe wirft die Frage auf, ob der Begriff der Abgabe hier sekundärrechtlich für eine Steuer verwendet wird. Zunächst ist darauf zu verweisen, dass auch die Europäische Kommission den Begriff der Abgabe in Anführungszeichen setzt.149 Das deutet naturgemäß auf eine gewisse inhaltliche Distanzierung hin. Aber auch kompetenzrechtliche Erwägungen sprechen für eine Regelung steuerlicher Art. Die Verordnung, die neben der Solidaritätsabgabe primär andere dienstrechtliche Angelegenheiten betrifft, ist auf Art. 336 AEUV sowie Art. 12 Protokoll Nr. 7 AEUV gestützt. Art. 336 AEUV gibt der Europäischen Union die Kompetenz für den Erlass des Beamtenstatuts sowie der sonstigen Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Union. Das Beamtenstatut regelt hierbei das allgemeine Dienstrecht der EU-Beamten, es wird noch durch andere Rechtsquellen ergänzt.150 Die Relevanz der Unterscheidung liegt darin, dass Art. 12 Protokoll Nr. 7 AEUV der Europäischen Union explizit das Recht gibt, eine Steuer zu erheben. Eine hierauf gestützte Abgabe kann ihrerseits daher nur – unabhängig von ihrer politisch motivierten Bezeichnung151 – eine Steuer sein. Die Solidaritätsabgabe wird in Art. 66a des Beamtenstatuts eingeführt. Trotz dieser Verankerung kommt letztlich keine andere Bestimmung in der Verordnung in Betracht, die sonst ein Stützen auf Art. 12 Prokoll Nr. 7 AEUV erforderlich machen würde. Dies spricht dafür, dass sich die Union zur Einführung der Solidaritätsabgabe dieser Steuerkompetenz bedient. Weiterhin spricht auch die Bemessung der Solidaritätsabgabe anhand des individuellen Einkommens für den Steuercharakter der Abgabe. Im Übrigen ist die Einordnung als Steuer kohärent mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Eine frühere und ähnlich strukturierte sog. „besondere Krisenabgabe“ der damaligen Gemeinschaftsbediensteten wurde ebenfalls
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Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung des Statuts der Beamten der Europäischen Union und der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Union, KOM(2011) 890 endgültig. 2011/0455 (COD), Erwägungsgrund Nr. 6. 148 Nach Art. 66a Abs. 3 lit. a) Beamtenstatut wird vom Grundgehalt des Beamten gezahlte Steuern und Versorgungsleistungen (lit. a)) sowie das Grundgehalt das niedrigmöglichste Grundgehalt der Beamtenbesoldungsordnung (lit. b)) abgezogen. Auf diesen Betrag werden dann 6 % oder 7 %, abhängig von der Besoldungsgruppe berechnet, Art. 66a Abs. 2 Beamtenstatut. 149 Verordnung (EU, EURATOM) Nr. 1023/2013, Erwägungsgrund Nr. 11. 150 Überblick bei Ruffert, in: Calliess/Ruffert (5. Auflage 2016) Art. 336 AEUV Rn. 6 ff. 151 Es spricht viel dafür, es jedenfalls an dieser Stelle analog zum deutschen Recht zu halten., wonach der materielle Gehalt und nicht die Qualifikation durch das Abgabengesetz ausschlaggebend sind, vgl. hierzu BVerfGE 55, 274 Leitsatz 2a); auch Isensee, in: GS Geck 1989, 355 (372) m.w.N.
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§ 2 Der Stand der Finanzformenlehre im Unionsrecht
als Steuer eingestuft.152 Im Ergebnis zeigt sich der Steuerbegriff innerhalb dieser Steuer als kohärent mit dem nationalen Verständnis der Einkommensteuer in Deutschland. 4. Die Notwendigkeit eines Steuerbegriffes anhand der Kompetenzen Kontrovers wird die Frage diskutiert, inwieweit die Existenz „positiver“ Kompetenznormen der Europäischen Union einen uniformen Europäischen Steuerbegriff erfordert. In der Literatur wird stellenweise in diesem Fall die Notwendigkeit eines einheitlichen Steuerbegriffes abgelehnt, auch wenn von einer hierdurch ausgelösten Konsolidierungsbewegung ausgegangen wird.153 Das Fehlen eines sachgebietsübergreifenden Steuerbegriffes steht in einem Konflikt mit der Steuersouveränität der Mitgliedstaaten als Eckpfeiler des Unionsrechts.154 Dieser zusätzliche Erwägungsgrund kommt bei der Steuerpluralität in den Mitgliedstaaten allein naturgemäß nicht zu tragen, sondern ist eine Eigenheit des Unionsrechts. Die Verteidigung dieser Steuersouveränität erfordert zwangsläufig, dass einem unionalen Steuerbegriff jedenfalls gewisse Konturen gegeben werden können.155 Dies hat eine Parallele zum deutschen Grundgesetz, bezüglich dessen durch die Existenz der Steuerkompetenzen die Notwendigkeit eines finanzverfassungsrechtlichen Steuerbegriffes abgeleitet wird.156 Letztlich erfordern föderale Ordnungen einen ausformbaren Steuerbegriff.157 Der Abgabentyp der Steuer ist terminologisch daher von seiner Verwendung in einzelnen Kompetenzgrundlagen abzulösen; deren Reichweite sollte nicht mit dem Begriff der Steuer gleichgesetzt werden. Dies deutet auch der Europäische Gerichtshof an, wenn er die „Steuer“ auf das dazugehörige Verfahrensrecht „dieses Rechtsgebiets“ erstreckt.158 Ein Indiz für die Anerkennung eines einheitlichen Verständnisses bezüglich des Steuerbegriffes mag die fehlende Diskussionswürdigkeit der Frage in zahlreichen Literaturstellungnahmen sein. Die Rechtspraxis fokussiert sich nicht auf die Frage der prinzipiellen Existenz des Steuerbegriffes, sondern um die Argumente einer Übertragung der entsprechenden individualisierten Steuer, wie beispielsweise die Finanztransaktionsteuer, auf die Europäische Ebene. Im Übrigen zeigt sich diese Auslegung als kohärent mit der Anerkennung einer
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EuGH, Urteil vom 03. 07. 1985 – Rs. 3/93 – Abrias u. a. ./. Kommission, 3. Leitsatz. Waldhoff, in: Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht, Band 3 (3. Auflage 2012), S. 352. 154 Waldhoff, in: Wegener (Hrsg.), Europäische Querschnittspolitiken (EnzEuR Bd. 8), § 10 Rn. 3 ff.; Kube, in: Schön/Heber (Hrsg.), Grundfragen des Europäischen Steuerrechts, 2015, 41 (42); Dürrschmidt, NJW 2010, 2086 (2087) m.w.N. 155 A.A. für die damalige Rechtslage Kuntze (1998), S. 176. 156 F. Kirchhof, Grundriß des Abgabenrechts, S. 6 m.w.N. 157 Siehe Leisner-Egensperger, in: Härtel (Hrsg.) Handbuch Föderalismus § 40 Rn. 18. 158 EuGH, Urteil vom 29. 04. 2004 – C-338/01 – Kommission ./. Rat, Rn. 63. 153
B. Abgabenarten in der unionsrechtlichen Systematik
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prinzipiellen Trennung von Sach- und Finanzkompetenzen nach unionsrechtlichem Verständnis.159 5. Allgemeine Begriffsmerkmale auf Unionsebene Nach der hier vertretenen Notwendigkeit der Herausbildung eines uniformen Steuerbegriffes gilt es, eine Begriffsbildung zu wagen. Spezifische Schwierigkeit einer Begriffsbildung ist gerade für den Steuerbegriff die sachbereichsbezogene Auslegung seiner Rechtsnatur. Eine primärrechtliche Definition des Steuerbegriffes existiert, wie festgestellt, nicht. a) Die allgemeine Finanzierungsfunktion Der Befund der allgemeinen Finanzierungsfunktion als erstes Merkmal wird durch eine Analyse der Rechtsprechung untermauert. In der Rechtssache Agrana Zucker160 wurde der Europäische Gerichtshof unter anderem mit der Frage befasst, ob eine temporäre Zuckerabgabe durch ihre konkrete Strukturierung eine Steuer sei und folglich mangels Kompetenzübertragung gegen das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung verstoße.161 Die klagende Agrana Zucker sowie die griechische Regierung machten geltend, dass die zugrundeliegende Regelung auf einen strukturellen Überschuss angelegt sei und daher eine anderweitige Mittelverwendung nahe läge. Hintergrund des Rechtsstreits ist der sog. Umstrukturierungsbetrag, der von Zuckererzeugern in den Jahren 2006 bis 2010 nach Art. 11 Abs. 1 Verordnung 320/2006/EG162 erhoben wurde. Grund dessen waren wirtschaftliche Probleme in der Zuckerbranche, insbesondere unrentable Produktionsstrukturen.163 Hierfür wurde nach Art. 1 Verordnung 320/2006/EG eigens ein Umstrukturierungsfonds gegründet, der eine Umstrukturierungsbeihilfe finanzierte, die den Zuckererzeugern für die Rückgabe einzelner Quoten zukam. Verbliebene Mittel wurden in den Ausgleichsund Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL) verbucht, der Teil des EU159
Siehe hierzu § 4 A. I. 5. EuGH, Urteil vom 28. 07. 2011 – C-309/10 – Agrana Zucker. Dieses Urteil ist nicht zu verwechseln mit EuGH, Urteil vom 11. 06. 2009 – C-33/08 – Agrana Zucker (beide Entscheidungsnamen nach juris). Die Bezugnahme auf das Urteil Agrana Zucker in dieser Arbeit bezieht sich – sofern nicht anderweitig kenntlich gemacht – stets auf ersteres Urteil. 161 EuGH, Urteil vom 28. 07. 2011 – C-309/10 – Agrana Zucker, Rn 12 ff. 162 Verordnung (EG) Nr. 320/2006 des Rates vom 20. Februar 2006 mit einer befristeten Umstrukturierungsregelung für die Zuckerindustrie in der Europäischen Gemeinschaft und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1290/2005 über die Finanzierung der Gemeinsamen Agrarpolitik. Aufgehoben durch Verordnung (EU) 2015/2284 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 zur Aufhebung der Richtlinie 76/621/EWG des Rates zur Festsetzung des Höchstgehalts an Erukasäure in Speiseölen und -fetten und der Verordnung (EG) Nr. 320/2006 des Rates mit einer befristeten Umstrukturierungsregelung für die Zuckerindustrie. 163 Erwägungsgrund Nr. 1 Verordnung (EG) Nr. 320/2006. 160
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§ 2 Der Stand der Finanzformenlehre im Unionsrecht
Haushalts ist.164 Der Umstrukturierungsfonds selbst was ebenfalls ein Teil des EAGFL. Im Ergebnis sollten überschüssige Mittel also dem allgemeinen Teil des EAGFL zufließen. Der Europäische Gerichtshof hielt fest, dass durch eine Mittelzuweisung etwaiger ungenutzter Mehreinnahmen in den EAGFL eine Zweckbindung bestehe, welche das Abgabenaufkommen dauerhaft zur Verwendung im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik hält,165 die wiederum vorliegende Kompetenzgrundlage der streitgegenständlichen Verordnung war.166 Daher liege kein Verstoß gegen das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung vor.167 Das Urteil zeigt, dass der Europäische Gerichtshof gegenleistungsfrei erhobene Abgaben mit allgemeinem Finanzierungszweck für Steuern hält. Die Zweckbindung schloss implizit die Einstufung als Steuer aus. Das Merkmal der strikten Zweckbindung unter Abwesenheit eines allgemeinen Finanzierungszwecks wird auch in der Rechtssache Zardi168 deutlich, in der sich der italienische Landwirt Zardi gegen die zusätzliche Mitverantwortungsabgabe auf Getreide wandte. Eines der vorgebrachten Argumente war die Anwendung spezifisch steuerrechtlicher Maßstäbe auf die Abgabe.169 Der Europäische Gerichtshof lehnte deren Anwendung auf die streitgegenständliche Abgabe ab. Die betroffene Abgabe sei keine „(…) steuerliche Belastung (…)“.170 Für den Gerichtshof überwiegte die sachpolitische Zielsetzung der Abgabe unter Einhaltung der Zweckbindung, die eine kompetenzrechtliche Fundierung in der Kompetenz zur gemeinsamen Agrarpolitik zur Folge hatte.171 Die Mitverantwortungsabgabe wurde daher nicht als steuerliche Vorschrift eingestuft. Auch weitere Urteile stützen diese Auslegung. In der Rechtssache Abrias u. a. ./. Kommission stufte der Europäische Gerichtshof eine sekundärrechtlich als besondere Krisenabgabe bezeichnete Sonderbelastung der Gemeinschaftsbediensteten als Steuer im Sinne des damaligen Artikels 3 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der (damaligen) Europäischen Gemeinschaften ein.172 Bezogen auf die ebenfalls in diesem Protokoll enthaltene Be164 Vgl. den Buchungsposten „Unregelmäßigkeiten EGFL“ im Gesamthaushaltsplan 2015, siehe Endgültiger Erlass (EU, Euratom) 2015/339 des Gesamthaushaltsplans der Europäischen Union für das Haushaltsjahr 2015, L69/126. 165 EuGH, Urteil vom 28. 07. 2011 – C-309/10 – Agrana Zucker, Rn 32. 166 Kompetenzgrundlage waren die damaligen Artikel 36 und Artikel 37 Absatz 2 Unterabsatz 3 EGV, die sich inzwischen in den Artikel 42 und 43 AEUV wiederfinden. 167 EuGH, Urteil vom 28. 07. 2011 – C-309/10 – Agrana Zucker, Rn 33. 168 Vgl. hierzu auch Generalanwalt Tesauro, Schlussantrag vom 07. 03. 1990 – C-8/89 – Zardi, I-2525 – I-2828. 169 EuGH, Urteil vom 26. 06. 1990 – C-8/89 – Zardi, Rn 9. 170 EuGH, Urteil vom 26. 06. 1990 – C-8/89 – Zardi, Rn 9; damit folgte der EuGH Generalanwalt Tesauro, Schlussantrag vom 07. 03. 1990 – C-8/89 – Zardi, I-2525 (I-2826). 171 EuGH, Urteil vom 26. 06. 1990 – C-8/89 – Zardi, Rn 9. 172 EuGH, Urteil vom 03. 07. 1985 – Rs. 3/93 – Abrias u. a. ./. Kommission, 3. Leitsatz; vgl. Fn. 157.
B. Abgabenarten in der unionsrechtlichen Systematik
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freiung der Europäischen Gemeinschaften selbst von direkten Steuern ordnete der Europäische Gerichtshof zugleich eine belgische Immobiliensteuer, die im Wesentlichen auf die Quadratmeterzahl abstellte und Finanzierungszwecken diente, als solche Steuer ein.173 Zusammenfassend ist festzustellen, dass es der Europäischen Union zum gegenwärtigen Kompetenzstand untersagt ist, mit der Zweckrichtung der allgemeinen Finanzierung des Haushalts ohne Kompetenzübertragung der Mitgliedstaaten Abgaben zu erheben. Eine solche allgemeine Finanzierung liegt jedenfalls dann vor, wenn die Abgaben zweckbindungsfrei erhoben und dem Haushalt zugeführt werden. Solche Abgaben wären als Steuer zu kategorisieren. Erstes Merkmal ist somit die allgemeine Finanzierungstendenz der Steuer,174 die freilich eine verfolgte Lenkung nicht prinzipiell ausschließt.175 b) Die Gegenleistungsfreiheit und die Vereinnahmung im Haushalt Weiterhin zeichnet sich die Steuer im Unionsrecht dadurch aus, dass sie gegenleistungsfrei erhoben wird.176 Die Gegenleistungsfreiheit ist ein gewichtiges Wesensmerkmal der Steuer. Wie konturenscharf die Auslegung der Gegenleistungsfreiheit erfolgen muss,177 kann freilich an dieser Stelle nicht geklärt werden. Der Steuer haftet im Ausgangspunkt weder eine individuelle, noch eine gruppenbezogene Äquivalenz an. Dies ist ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal zu den parafiskalischen Abgaben.178 Es besteht dennoch ein gewisses Konkurrenzverhältnis zwischen beiden Abgabenformen, da die Gruppenäquivalenz im Sinne der Beseitigung einer Gruppenverantwortung nah an einer gegenleistungsfreien Steuer ist.179 173
Der EuGH ordnete die Steuer als „direkte Steuer“ in diesem Sinne ein, gewährte den damaligen Gemeinschaften aber keine Befreiung. Die Gemeinschaften wurden nur durch eine Überwälzung seitens ihrer Vermieter betroffen. Siehe EuGH, Urteil vom 22. 03. 2007 – C-437/ 04 – Kommission ./. Belgien. 174 Z. B. Korn (2015), S. 35; Elicker, DStZ 2011, 162 (168); Seiler, EuR 2010, 67 (73 f.). 175 Heselhaus (1998), S. 83; Shirvani, UPR 2013, 17 (20). 176 Gröpl, in: Dauses/Ludwigs, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts (43. EL 2017) Rn. 21; Bergfeld (2008), S. 88; Heselhaus (1998), S. 78; Seiler, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union (63. EL Dezember 2017) Art. 113 AEUV Rn. 20; Seiler, EuR 2010, 67 (73 f.); Korn (2015), S. 35; Shirvani, UPR 2013, 17 (20); F. Kirchhof/Kemmler, EWS 2003, 217 (221); Elicker, DStZ 2011, 162 (168); Capdevilla/Ezcurra (2017), S. 145. 177 Überblick bei Seiler, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union (63. EL Dezember 2017) Art. 113 AEUV Rn. 19 f. m.w.N.; Seiler, EuR 2010, 67 (74) für ein restriktiveres Verständnis als im deutschen Recht; Ohler (1997), S. 192; speziell am Beispiel des Art. 113 AEUV Schenke, in: Frankfurter Kommentar (1. Auflage 2017) Art. 113 AEUV Rn. 12, der anhand der britischen und niederländischen Sprachfassung den Einbezug gegenleistungsabhängiger Abgaben in den Steuerbegriff aufzeigt. 178 Dies wird später im Detail untersucht. 179 Für das nationale Recht siehe hierzu BVerfGE 55, 274 (298); Reimer, FS Kirchhof Bd. 2 2013, 1477 (1488) grenzt für das deutsche Recht die Vorzugslasten von der Steuer anhand ihrer
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§ 2 Der Stand der Finanzformenlehre im Unionsrecht
Finanzierend wirkt die Steuer, weil aus ihrem Aufkommen die allgemeinen Unionsausgaben zu bestreiten sind. Weiterhin haben Steuern eine Vereinnahmung im regulären Haushalt zur Folge, mithin sind sie fiskalische Abgaben. Dies ist zunächst das grundlegende und definierende Unterschiedsmerkmal zu den parafiskalischen Abgaben.180 Die in der Literatur stellenweise vorkommende Interpretation des Steuerbegriffes in einem weiten Sinne, der die deutschen Sonderabgaben umfasse,181 lässt sich daher nicht halten. Dies gilt freilich nicht für die Interpretation des Steuerbegriffes im Rahmen einzelner Kompetenzgrundlagen, die sich an Zweckmäßigkeitserwägungen orientiert.182 c) Fiskalkompetenzrechtliche Stützung Als Vorgriff auf eine Untersuchung einer prinzipiellen Unterscheidung zwischen Sachkompetenzen und Finanzkompetenzen auf Unionsebene lässt sich ebenfalls festhalten, dass der Europäische Gerichtshof die Erhebung einer Steuer gestützt auf einen Sachkompetenztitel wie dem gemeinschaftlichen Agrarmarkt für unzulässig hält.183 Dies lässt den Schluss zu, dass es entweder Definitions- oder zumindest Zulässigkeitskriterium einer Steuer ist, auf eine fiskalische geprägte Kompetenz gestützt zu werden. d) Unerheblichkeit der Steuerverwaltungshoheit Es ist für den unionalen Steuerbegriff unerheblich, ob die Steuer durch Unionsorgane oder die Mitgliedstaaten erhoben wird.184 6. Leistungsfähigkeit als Charakteristikum? Als Steuern im Gemeinschaftsrecht werden stellenweise gegenleistungsunabhängige Abgaben betrachtet, die sich nach der Leistungsfähigkeit des Belasteten richten.185 Die Leistungsfähigkeit wird von dieser Meinung als Definitionsmerkmal der Steuer aufgefasst. Durch die Schematisierung der sachlichen Rechtfertigung des Abweichens vom Leistungsfähigkeitsprinzip mittels gruppenäquivalenter Verwen„Unausweichlichkeit“ ab. Dieser Gedanke lässt sich auf die Sonderabgaben transferieren, die „Gruppenverantwortung“ als Abgabenrechtfertigung kommt der Steuer sehr nahe. 180 Siehe hierzu ab § 2 B. IV. 181 So Amend (2001), S. 85. 182 Siehe z. B. Rodi, JZ 2000, 827 (831) für den damaligen Art. 93 EGV. 183 Das Urteil Agrana Zucker ist insofern konsistent mit EuGH, Urteil vom 11. 07. 1989 – C-265/87 – Schräder HS Kraftfutter, 1. Leitsatz hinsichtlich der kompetenziellen Grundlage der Mitverantwortungsabgabe Getreide. 184 Kube, DStJG 42 (2018), 69 (74) m.w.N. 185 Müller (1994), S. 44.
B. Abgabenarten in der unionsrechtlichen Systematik
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dung entfiele bei solchen Abgaben die Eigenschaft als Steuer.186 Zunächst ist festzustellen, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip in einigen Europäischen Rechtsordnungen als Zulässigkeitskriterium anerkannt wird.187 Es besteht aber keine Art. 6 Abs. 3 EUV entsprechende gemeinsame Verfassungsüberlieferung der Mitgliedstaaten hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anerkennung des Leistungsfähigkeitsprinzips als Steuermerkmal.188 Der Steuerbegriff ist daher ohne ein Unmittelbarkeitsverhältnis zur Leistungsfähigkeit zu definieren. Das Einbringen eines Elementes der Leistungsfähigkeit als Definitionsmerkmal unterscheidet somit nach hier vertretener Auffassung Begriffsmerkmal und Rechtmäßigkeitsvoraussetzung nicht trennscharf und ist daher abzulehnen.189 7. Zusammenfassung des Steuerbegriffs Der Steuerbegriff auf Unionsebene umfasst also gegenleistungsfreie Abgaben mit primärem Finanzierungszweck, die hoheitlich veranlasst und auf einer Fiskalkompetenz gestützt zugunsten des Haushalts erhoben werden.190
III. Die nichtsteuerlichen Abgaben Neben den Steuern ist die interne Ausdifferenzierung der nichtsteuerlichen Abgaben für das Erschließen der parafiskalischen Abgaben zu leisten. Die Zölle als Abgabenkategorie sind für die hiesige Untersuchung unerheblich, da sie nicht parafiskalisch sind und angesichts ihrer entschiedenen Andersartigkeit auch nicht von den parafiskalischen Abgaben abgegrenzt werden müssen. Insbesondere liegt den Zöllen keine Individual- oder Gruppenäquivalenz zu Grunde.191 Die Europäischen Abgabenbegriffe werden sich im Ergebnis als nahe an den deutschen Abgabentypen darstellen, weswegen stellenweise auf diese zur Verdeutlichung zurückgegriffen wird. Auch bietet der Ausgangspunkt der deutschen Rechtsordnung eine gewisse Orientierung in der stellenweise ungefestigten dog186
Müller (1994), S. 45. Siehe hierzu unter § 4 B. II. 2. b). 188 Heselhaus (1998), S. 81 f. zur damaligen Rechtslage. 189 Heselhaus (1998), S. 82; für eine Beschränkung auf eine Frage der Rechtmäßigkeit, nicht aber der Definition auch Ohler (1997), S. 231 f.; konkludent Capdevilla/Ezcurra (2017), S. 145. Zur Abgrenzung von Tatbestandsmäßigkeit und Rechtmäßigkeitsfragen der Steuer im deutschen Verfassungsrecht Kube, in: Beck’scher Online Kommentar GG (31. Edition 2016), Art. 105 Rn. 7 m.w.N. 190 Gröpl, in: Dauses (Hrsg.), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, J. Steuerrecht (44. EL 2018) Rn. 21; Kube, HFSt 2 (2016), 43; Shirvani, UPR 2013, 17 (20); Elicker, DStZ 2011, 162 (168); Capdevilla/Ezcurra (2017), S. 145. 191 Zur Steuerähnlichkeit der europäischen Zölle Korn (2015), S. 36 f.; vgl. auch Ohler (1997), S. 37. 187
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§ 2 Der Stand der Finanzformenlehre im Unionsrecht
matischen Ausrichtung der nichtsteuerlichen Abgabenbegriffe im Unionsrecht. Gleichwohl muss die unionsautonome Auslegung beachtet und eine gedankliche Vorprägung vermieden werden. Im Ausgangspunkt untergliedern die bisherigen wissenschaftlichen Untersuchungen die nichtsteuerlichen Abgaben im Unionsrecht in Gebühren, Beiträge und parafiskalische Abgaben.192 Der Gebührenbegriff wird sich als wesentlich typisierter und gefestigter als der Beitragsbegriff darstellen, letzterem liegt noch eine Offenheit hinsichtlich seiner weiteren Entwicklung zugrunde. Im Anschluss an diese beiden Formen werden die parafiskalischen Abgaben in herausgehobener Stellung geprüft, wobei mit den nationalen Abgaben in der unionsrechtlichen Prüfung begonnen wird. Die parafiskalischen Abgaben liegen dabei hinsichtlich ihres dogmatischen Konsolidierungsgrades zwischen den beiden Fixpunkten der Gebühr und des Beitrags. 1. Die Gebühr Beginnt man mit den individualäquivalenten Abgaben, so richtet sich zunächst das Augenmerk auf die Gebühr. Das Bundesverfassungsgericht definiert Gebühren als öffentlich-rechtliche Geldleistungen, die aufgrund einer konkreten individuellen Leistung jedem begünstigten Individuum auferlegt werden, um die Kosten der Leistung zu decken.193 Sie weisen einen individuellen Gegenleistungsbezug auf194 und gleichen einen Sondervorteil aus.195 Die Gebührenerhebung beruht auf der jeweiligen Sachkompetenz ihres Einsatzgebietes.196 Gebühren sind in ihrer Höhe durch den ausgelösten öffentlichen Aufwand beschränkt.197 Bezug genommen werden kann daher auf den marktwirtschaftlichen Wert des Vorteils oder auf die Kosten 192
Vgl. z. B. Korn (2015), S. 33 ff. St. Rspr.: Siehe nur BVerfGE 50, 217 (226); 91, 207 (223); 110, 370 (388); 132, 334 (349); 144, 369 (397); auch BVerwGE 2, 246 (247), 5, 136 (141); P. Kirchhof, Nichtsteuerliche Abgaben, in: HStR V (3. Auflage 2007), § 119 Rn. 26; Kube, in: BeckOK Grundgesetz (37. Edition 2018), Art. 105 GG Rn. 11; Vogel/Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG (Lfg. November 1997), Vorbem. z. Art. 104a – 115, Rn. 407; Hendler, DÖV 1999, 749 (751); Heintzen, in: von Münch/Kunig, GG (6. Auflage 2012), Art. 105 Rn. 20; Henneke, in: SchmidtBleibtreu/Hofmann/Henneke, GG (14. Auflage 2017), Art. 105 Rn. 72; Droege, Die Verwaltung 46 (2013), 313 (317); Diskussion um den Gebührenbegriff bei Drömann (2000), S. 188 ff. 194 Tappe/Wernsmann, Öffentliches Finanzrecht (1. Auflage 2015), Rn. 260; Kube, in: BeckOK Grundgesetz (37. Edition 2018), Art. 105 GG Rn. 12; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG (14. Auflage 2017), Art. 105 Rn. 72. 195 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stehen finanzverfassungsrechtliche Vorgaben der Erhebung von Gebühren nämlich „(…) nicht entgegen (…)“, BVerfG, NVwZ 2014, 1448 (1449); BVerfGE 124, 235 (244); 132, 334 (349). 196 BVerfG, NVwZ 2003, 715 (715); F. Kirchhof, Grundriß des Abgabenrechts, S. 93; Kube (2004), S. 350; Reimer, FS Kirchhof Bd. 2 2013, 1477 (1483); Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG (15. Auflage 2018), Art. 105 Rn. 16; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG (14. Auflage 2017), Art. 105 Rn. 75; Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz (3. Auflage 2018), Art. 105 Rn. 19. 197 St. Rspr.: BVerfGE 108, 186 (212); 110, 370 (384); 124, 348 (364). 193
B. Abgabenarten in der unionsrechtlichen Systematik
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seiner Erbringung.198 Neben der strengen Kostenorientierung sind auch Vorteilsausgleich, verhaltenslenkende Gesichtspunkte und Sozialzwecke als Bemessungsgrundlagen anerkannt.199 Die finanzverfassungsrechtlichen Anforderungen an die Gebührenerhebung sind bis heute in ihren Details umstritten.200 Im nationalen Recht dürfen Gebühren nicht gezielt der allgemeinen Staatsfinanzierung dienen, auch wenn sie dem Haushalt zugeführt werden.201 Aus der Verwaltungskompetenz folgt die Ertragskompetenz.202 a) Die Definition der Gebühr Eine primärrechtliche Definition des Gebührenbegriffs existiert nicht. Auf Unionsebene wurden sowohl nationale Gebühren auf ihrer partiellen Rechtmäßigkeit nach unionalen Maßstäben geprüft als auch, vermehrt in jüngerer Zeit, unionseigene Gebühren eingeführt. Die Interpretation der sekundärrechtlichen Gebührenbegriffe ist analog zum Steuerbegriff perplex.203 Hinsichtlich der unionseigenen Abgaben besteht für den Gebührenbegriff eine spezifische Problematik. In den sekundärrechtlichen Grundlagen werden häufig detaillierte Bestimmungen zur Erhebungsweise der jeweiligen Gebühr getroffen. Konkret werden die Berechnungsweise und der Umfang der Gebühr detailliert vorgegeben. Beispielsweise sind die Begrenzung auf den tatsächlich ausgelösten Verwaltungsaufwand oder eine transparente Erhebungsweise geläufig.204 Durch die explizite sekundärrechtliche Fixierung dieser Merkmale erscheint fraglich, ob sie nicht auch dem primärrechtlichen Typus der Gebühr innewohnen. Jedenfalls erschwert die sekundärrechtliche Fundierung die Analyse der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Zuvor soll allerdings noch auf den Finanzierungscharakter der Gebühr eingegangen werden. Als Geldleistung haben sie ihrer monetären Natur nach natürlich eine gewisse Nähe zu den Einnahmeambitionen der Union. Unionale Gebühren, die also von der EU als Rechtsperson erhoben werden, gelten als sonstige Einnahmen nach Art. 311 Abs. 2 AEUV.205 Als solche sind sie in ihrer Grundkonzeption nicht dazu angelegt, für einen Haushaltsausgleich der Union zu sorgen, Art. 311 Abs. 2 198
Siehe Schmehl (2004), S. 15 ff. BVerfGE 50, 217 (230); 107, 133 (144); 144, 369 (397). 200 Musil, in: FS Isensee 2007, 929 (932) m.w.N. zu Rechtsprechung und Literatur. 201 F. Kirchhof, Grundriß des Abgabenrechts, S. 96. 202 Siehe Kube, JZ 2016, 373 (374) m.w.N. 203 Nach Kube, HFSt 2 (2016), 40 ist eine begriffliche Differenzierung innerhalb der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nur schwer erkennbar. 204 Vgl. zu beidem z. B. EuGH, Urteil vom 20. September 2017 – C-215/16, C-216/16, C-220/16 und C-221/16 – Iberenova Promociones. 205 Bieber, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht (7. Auflage 2015), Art. 311 AEUV Rn 41; Rossi, in: Dauses/Ludwigs, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts (44. EL Februar 2018), A. III. Rn. 131; Rossi, in: Vedder/Heintschel von Heinegg (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht (2. Auflage 2018), Art. 311 AEUV Rn. 3. 199
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§ 2 Der Stand der Finanzformenlehre im Unionsrecht
AEUV. Finanzierungszwecke der Union sind somit nicht das zentrale Rechtfertigungsmerkmal der Gebühr auf Unionsebene. b) Individualäquivalenz als Grund und Grenze Die einzige Verankerung der Gebühr unmittelbar im AEUV befindet sich in dessen Art. 97, wonach Verkehrsunternehmern bei Grenzübertritt nur Abgaben und Gebühren berechnet werden dürfen, die in angemessenem Verhältnis zum tatsächlichen Aufwand stehen. Trotz eines klaren Sachbereichsbezugs zum Thema Verkehr deutet sich an, dass der Gebührenbegriff durch tatsächliche Verwaltungskosten begrenzt wird. Zu einer genauen Bestimmung des Äquivalenzverhältnisses ist zunächst zu rekapitulieren, dass auch nationale Gebühren durch den Europäischen Gerichtshof nur soweit geprüft werden, wie sie unionsrechtlich determiniert sind oder mit Unionsrecht in Berührung kommen.206 Auch ist erneut auf das bereits angesprochene Problem der sachbereichsinternen Auslegung der Abgabenbegriffe zu verweisen. Der Europäische Gerichtshof hält in einzelnen Sachbereichen Abgaben für Gebühren, die nicht nur die konkreten Sach- und Lohnleistungen, sondern zudem den anteiligen Betrag der allgemeinen Verwaltung umfassen.207 Der Gerichtshof überträgt in dem Urteil Hemming/Simply Pleasure Ltd.208 explizit seine sekundärrechtliche Auslegung des Kostenbegriffes im Rahmen einer Gebühr auf einen nicht themenverwandten weiteren Sekundärrechtsakt. Die Reichweite des Gebührenbegriffs wird also für seine Bestimmung im Rahmen einer dienstleistungsbezogenen Richtlinie209 auf die Richtlinie bezüglich der indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital,210 mithin einer sachbereichsverschiedenen Fragestellung, erstreckt.211 Dies spricht für ein gewisses unionales Leitbild einer Gebühr in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Die nationalen Gebühren tauchen häufig im Zusammenhang mit staatlichen Untersuchungen, Kontrollen und ähnlichen Vorgängen auf.212 In diesen Fällen wird der durch die Kontrolle ausgelöste Gewinn an rechtlicher Handlungsfreiheit als 206 Siehe zur Einwirkung auf das nationale Gebührenrecht anhand des deutschen Beispiels Wienbracke (2003), S. 235 ff.; zur Problematik der stellenweisen Übernahme nationaler Terminologie anhand des Gebührenbegriffes auch Heselhaus (1998), S. 57. 207 EuGH, Urteil vom 02. 12. 1997 – C-188/95 – Fantask S/A u. a.; EuGH, Urteil vom 16. 11. 2016 – C-316/15 – Hemming/Simply Pleasure Ltd. 208 EuGH, Urteil vom 16. 11. 2016 – C-316/15 – Hemming/Simply Pleasure Ltd, Rn. 31. 209 Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt. 210 Richtlinie des Rates vom 17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital (69/335/EWG). 211 EuGH, Urteil vom 16. 11. 2016 – C-316/15 – Hemming/Simply Pleasure Ltd, Rn. 31 mit explizitem Verweis auf EuGH, Urteil vom 02. 12. 1997 – C-188/95 – Fantask S/A u. a., Rn. 30. 212 Wienbracke (2003), S. 236 ff. m.w.N.
B. Abgabenarten in der unionsrechtlichen Systematik
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Vorteil zu sehen sein. Unionsrechtlich erforderlich ist ein nachvollziehbarer, tatsächlicher und individueller Vorteil.213 Reine Vorteile für die Allgemeinheit werden nicht unter dem Gebührenbegriff des Europäischen Gerichtshofs erfasst.214 Dies lässt in vertretbarer Weise die Deutung zu, dass auch die Gebühr im unionsrechtlichen Sinn in dem individuell ausgelösten öffentlichen Aufwand ihren Grund und ihre Grenze findet. Dieser Deutung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs schließt sich auch die Europäische Kommission in einzelnen Verfahren an.215 Die Gebühr lebt somit von einer Gegenleistungsbeziehung im Sinne einer individuellen Äquivalenz. Hinsichtlich der Höhe des Gebührenbegriffes sei darauf hingewiesen, dass der Europäische Gerichtshof beispielsweise auch Überwachungstätigkeiten im Rahmen einzelner Sekundärrechtsgrundlagen erfasste.216 In – soweit ersichtlich – allen Sachbereichen hat der Europäische Gerichtshof vor allem aber den Maßstab an Gebühren angelegt, dass diese in einer kostenbezogenen Art und Weise auferlegt werden,217 wobei die strikte Verallgemeinerung dessen fraglich ist. Jedenfalls das gelegentlich aufkommende Transparenzgebot218 ist in diesen Fällen sekundärrechtlich induziert und dürfte nicht in einem zu strengen Sinne primärrechtlich induziert sein. Diese Frage bleibt allerdings zum gegenwärtigen Zeitpunkt offen. Entscheidend ist in diesem Kontext letztlich nicht, wie weit der Europäische Gerichtshof die Gebührenhöhe oder ihre Berechnung innerhalb jedes einzelnen Sekundärrechtsaktes zieht. Es zeigt sich vielmehr im Gesamtkontext, dass die Gebühr 213 Jedenfalls lässt sich dies im Umkehrschluss aus dem Begriff der Abgabe zollgleicher Wirkung entnehmen, der auf solche individualäquivalenten Abgaben keine Anwendung findet, EuGH, Urteil vom 01. Juli 1969 – Rs. 24/68 – Italien ./. Kommission, Rn. 16; EuGH, Urteil vom 30. Mai 1989 – 340/87 – Italien ./. Kommission Rn. 15; EuGH, Urteil vom 12. 01. 1983 – Rs. 39/82 – Donner, Rn. 7, hinsichtlich des Merkmals des Gebührenbegriffs in Abgrenzung zum Zoll; Wienbracke (2003), S. 237 m.w.N. zur Rechtsprechung. Zugegebenermaßen untersteht eine solche Deutung der Unsicherheit, dass es sich um Abgaben in einem bestimmten Sachbereich handelt und daher eine Verallgemeinerung wiederum schwer zu begründen ist; zu Gebühren im Kontext des Art. 30 AEUV auch Waldhoff, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV (5. Auflage 2016), Art. 30 AEUV Rn. 8. 214 EuGH, Urteil vom 11. 10. 1973, C-39/73 – Rewe-Zentralfinanz, Rn. 4; EuGH, Urteil vom 27. 02. 2003, C-389/00 – Kommission ./. Deutschland, Rn. 36; Kamann, in: Streinz, EUV/ AEUV (3. Auflage 2018), Art. 30 AEUV Rn. 17. 215 EuGH, Urteil vom 02. 12. 1997 – C-188/95 – Fantask S/A u. a., Rn. 28 hinsichtlich des Vorbringens der Kommission in diesem Verfahren. 216 EuGH, Urteil vom 19. 09. 2006 – C-392/04 und C-422/04 – Germany and Arcor, Rn. 34. 217 Z. B. EuGH, Urteil vom 12. 01. 1983 – Rs. 39/82 – Donner, Rn. 7; Kamann, in: Streinz, EUV/AEUV (3. Auflage 2018), Art. 30 AEUV Rn. 20, der hier explizit den Zusammenhang zum Kostendeckungsprinzip betont; vgl. hierzu auch Haltern, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GCH/AEUV (1. Auflage 2017), Art. 30 AEUV Rn. 43 in Bezug auf die Rechtsprechung zu Art. 30 AEUV. 218 EuGH, Urteil vom 19. September 2006 – C-392/04 und C-422/04 – Germany GmbH, Arcor AG & Co. KG ./. Deutschland, Rn. 40; EuGH, Urteil vom 18. Juli 2013 – C-228/12 bis C-232/12 und C-254/12 bis C-258/12 – Vodafone Omnitel NV u. a./Autorità per le Garanzie nelle Comunicazioni u. a., Rn. 41 f.
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§ 2 Der Stand der Finanzformenlehre im Unionsrecht
im Unionsrecht im Wesentlichen parallel zum deutschen Verständnis zu interpretieren ist.219 Die Gebühr ist also eine individualbezogene Gegenleistung für einen von oder durch die öffentliche Hand zugewandten Sondervorteil.220 c) Die Kompetenzfragen der Gebühr Art. 311 Abs. 2 AEUV klärt zwar die haushaltstechnische Vereinnahmung der Gebühr als sonstige Einnahme, gibt jedoch im Ausgangspunkt keine Kompetenz zur Einführung derselben an die Hand.221 Auch im Unionsrecht fließt der Ertrag der Gebühr in den allgemeinen Haushalt, sofern nicht das Phänomen einer parafiskalischen Gebühr vorliegt. Wie später noch detaillierter erörtert wird, bestehen innerhalb der Europäischen Ebene Agenturen mit eigener Rechtspersönlichkeit, die sich vollständig über Gebührenerhebungen finanzieren. Diese Gebührenerhebungen finden außerhalb des regulären Haushaltsrechts statt. Es existieren somit parafiskalische Gebühren auf der Europäischen Ebene, die wegen ihrer individualäquivalenten Stellung streng vom eigentlichen Begriff der „parafiskalischen Abgabe“ abzugrenzen sind. Vergleichbare Strukturen auf nationaler Ebene bestehen beispielsweise bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFiN), die ebenfalls über einen eigenständigen Haushalt verfügt und Gebühren, Umlagen und weitere Abgaben erhebt (§§ 12 ff. FinDAG).222 Betrachtet man den kompetenzrechtlichen Aspekt der Gebühren, so wurden unionseigene Gebühren – soweit ersichtlich – ausnahmslos auf sachkompetenzrechtliche Zuweisungen gestützt.223 Die sachkompetenzrechtliche Stützung ist dabei Pendant des Kostendeckungsprinzips. Eine Abgabe, die gezielt und signifikant den Finanzierungsgrund der Deckung des konkret ausgelösten Aufwandes verließe, müsste im Umkehrschluss durch eine Fiskalkompetenz abgedeckt werden. Sie wäre keine Gebühr mehr im unionsrechtlichen Sinn. Hier verschmilzt ein Zulässigkeitsmit einem Definitionsmerkmal. Daher ist es entgegen einer Ansicht in der Literatur
219
Für diese Ähnlichkeit auch Kube, HFSt 2 (2016), 40; Bergfeld (2008), S. 90. Kube, HFSt 2 (2016), 40; Freytag (2000), S. 37; Korn (2015), S. 39; Bergfeld (2008), S. 90; Waldhoff, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV (5. Auflage 2016), Art. 30 AEUV Rn. 8; Müller (1994), S. 42. Dies entspricht auch dem Vorbringen der Einschätzung der Europäischen Kommission hinsichtlich der bisherigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, s. EuGH-Urteil vom 26. 10. 2006 – C-199/05 – Europäische Gemeinschaft gegen Belgischer Staat, Rn. 21, auch wenn der EuGH in diesem Urteil nicht explizit auf diese aufgeworfene Unterscheidung eingeht (bezüglich des Artikels 3 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften). 221 Häde, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GCH/AEUV (1. Auflage 2017), Art. 311 AEUV Rn. 82. 222 Siehe hierzu Thiele (2014), S. 442. 223 Vgl. hierzu die zitierten EuGH-Urteile, soweit sie sich auf unionseigene Gebühren beziehen. 220
B. Abgabenarten in der unionsrechtlichen Systematik
55
sehr relevant, dass die Kosten die Gebühr begrenzen, auch wenn dem Unionsgesetzgeber ein Ermessensspielraum zur Pauschalisierung zusteht.224 Fraglich erscheint aber, wie sich die sachkompetenzrechtliche Stützung rechtfertigen lässt. Bleibt man im Modell des Gegenleistungsbezugs der Abgabe, lassen sich Abgabenerhebung und Ertragshoheit der Union dadurch erklären, dass die Union schlicht die zweite Partei dieses Austauschverhältnisses ist.225 Aus der Verwaltungskompetenz folgt daher auch im Unionsrecht für sonderlastenähnliche Tatbestände die Ertragskompetenz, was mit dem Austauschcharakter der Abgabenarten der Gebühr und des Beitrags begründet wird.226 2. Der Beitrag Beiträge sind in der deutschen Abgabensystematik die zweite Variation der Vorteilslasten. Ein Beitrag wird für eine mögliche Inanspruchnahme eines öffentlichen Aufwandes erhoben.227 Seine Legitimation verläuft ähnlich zu der ihm artverwandten Gebühr.228 Typisch für den Beitrag ist die Gewährung eines Vorteils der dem Individuum oder einer Gruppe zur Verfügung gestellt wird.229 Dies ist eine Abgrenzung zur Sonderabgabe, die eher auf Verantwortlichkeit denn auf Vorteilsvermittlung abzielt.230 Parallel zur Gebühr richtet sich die Grenze des verfassungsrechtlich Zulässigen auch nach dem Kostendeckungs- oder Äquivalenzprinzip, letzteres in seiner individuellen Ausprägung.231 Das Aufkommen des Beitrags fließt
224 A.A. Korn (2015), S. 40. Die dort genannte Auffassung, dass der unionale Gebührenbegriff unter einer teleologisch anderen Prämisse als der nationale Gebührenbegriff entwickelt wurde, scheint diskussionswürdig. Der unionsrechtliche Gebührenbegriff geht weit über seine reine Bedeutung im Rahmen der Grundfreiheiten und Diskriminierungsverboten hinaus und dürfte sich daher nicht auf diesen Aspekt beschränken. 225 Bergfeld (2008), S. 171 spricht von einer „Art Ertragskompetenz kraft Natur der Sache“. 226 Ohler (1997), S. 375; Bergfeld (2008), S. 171, die den Beitrag jedoch nicht als eigene Abgabenkategorie i. e.S. anerkennt und sich daher nur auf die Gebühr an dieser Stelle bezieht. 227 St. Rspr.: BVerfG, NVwZ 2014, 1448 (1449); BVerfGE 9, 291 (297); 92, 91 (115); 110, 370 (388); 113, 128 (148); aus der Literatur Hey, StuW 2008, 289 (291) m.w.N.; Kube, in: BeckOK Grundgesetz (37. Edition 2018), Art. 105 GG Rn. 15; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG (15. Auflage 2018), Art. 105 Rn. 20; Heintzen, in: von Münch/Kunig, GG (6. Auflage 2012), Art. 105 Rn. 20; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG (14. Auflage 2017), Art. 105 Rn. 74. 228 Siehe nur die Ausführungen bei BVerfG, NVwZ 2014, 1448 (1449). 229 F. Kirchhof, Grundriß des Abgabenrechts, S. 98; Droege, Die Verwaltung 46 (2013), 313 (317); Brüning, Die Verwaltung 46 (2013), 413 (414); Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG (14. Auflage 2017), Art. 105 Rn. 74. 230 P. Kirchhof, Nichtsteuerliche Abgaben, in: HStR V (3. Auflage 2007), § 119 Rn. 65. 231 F. Kirchhof, Grundriß des Abgabenrechts, S. 98; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG (15. Auflage 2018), Art. 105 Rn. 21; Heintzen, in: von Münch/Kunig, GG (6. Auflage 2012), Art. 105 Rn. 20.
56
§ 2 Der Stand der Finanzformenlehre im Unionsrecht
grundsätzlich dem allgemeinen Staatshaushalt zu.232 Beiträge stützen sich auf Sachkompetenzen.233 Als Ausgangspunkt ist auf Unionsebene zu konstatieren, dass in der rechtswissenschaftlichen Literatur stellenweise eine eigene Abgabenkategorie des Beitrags abgelehnt wird.234 Der Beitrag fand im Gegensatz zur Gebühr auch lange keine Nennung als Abgabentypus im Primärrecht.235 Der Begriff des Beitrags taucht allerdings in Protokoll Nr. 4 zum AEUV236 auf. In diesem Kontext der Finanzierung und Beteiligungsstruktur der Europäischen Zentralbank erscheint der Beitrag als rechtliche Zahlungspflicht und Beteiligungsquote der jeweiligen Nationalbanken, vgl. Art. 30 Abs. 3, Art. 47 und Art. 48 Abs. 2 des Protokolls Nr. 4.237 In der Rechtsprechung tritt der Beitrag nur sporadisch auf. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof ist hier insgesamt weit weniger ausdifferenziert als zu den Gebühren.238 In der Entscheidung Scharbatke spricht der Europäische Gerichtshof exemplarisch von einem „Pflichtbeitrag“, bei dem es sich um eine parafiskalische Abgabe handelte.239 Zugrunde lag dem Rechtsstreit eine deutsche Sonderabgabe. Die englische Sprachfassung des Urteils spricht von „compulsory contribution“, die französische Sprachfassung von „contribution obligatoire“. Dies könnte auf die Abgabenkategorie eines Pflichtbeitrags im Unionsrecht als Unterform der parafiskalischen Abgabe hindeuten. In der Rechtssache IGAV verwendet der Europäische Gerichtshof für die gleiche Abgabe den Begriff der „parafiskalischen Abgabe“ an einer Stelle und den Begriff des „Beitrags“ an einer anderen.240 Auch in der Rechtssache van Calster wird eine parafiskalische Abgabe als Pflichtbeitrag 232 P. Kirchhof, Nichtsteuerliche Abgaben, in: HStR V (3. Auflage 2007), § 119 Rn. 65; Kube (2004), S. 348. 233 Reimer, FS Kirchhof Bd. 2 2013, 1477 (1483); Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG (15. Auflage 2018), Art. 105 Rn. 20; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG (14. Auflage 2017), Art. 105 Rn. 75; Kube (2004), S. 350; Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz (3. Auflage 2018), Art. 105 Rn. 19; zur Rechtsprechung beispielsweise BVerfGE 137, 1 Tz. 45, BVerwGE 134, 1 Tz. 12. 234 Korn (2015), S. 41 will den Beitrag daher nur als Sammelbegriff nichtsteuerlicher Abgaben verwenden; Bergfeld (2008), S. 91 sieht zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine hinreichende Differenzierung zwischen Gebühren und Beiträgen im Unionsrecht; Freytag (2000), S. 37, Wasmeier (1994), S. 39, Amend (2001), S. 85 und Heselhaus (1998), S. 66 sehen hingegen einen unionsrechtlichen Beitragsbegriff entlang des deutschen Beitragsbegriffes für gegeben. 235 So auch die jeweilige, inzwischen historische, Feststellung von Bergfeld (2008), S. 87; Heselhaus (1998), S. 64. 236 Protokoll (Nr. 4) über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank. Auch hier gilt, dass die Protokolle Bestandteil der Verträge sind, Art. 51 EUV. 237 Die jeweilige englische und französische Sprachfassung spricht hier von einer „contribution“. 238 So auch die Beobachtung von Korn (2015), S. 41. 239 EuGH, Urteil vom 27. 10. 1993 – C-72/92 – Scharbatke, 1. Leitsatz. 240 EuGH, Urteil vom 18. 06. 1975 – 94/74 – IGAV.
B. Abgabenarten in der unionsrechtlichen Systematik
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bezeichnet,241 ebenso spricht der Europäische Gerichtshof in Enirisorse von einem „(…) Beitrag(s) (…), bei dem es sich um eine parafiskalische Abgabe handelt (…)“.242 Die weitgehende Wortlautidentität der Leitsätze zu einem ein Jahr zuvor ergangenen Urteil zu einer ähnlichen Abgabe Belgiens, die vom nationalen Gesetzgeber als „Pflichtbeitrag“ bezeichnet wurde,243 spricht aber für einen fehlenden Systematisierungswillen der Rechtsprechung durch die Übertragung des Begriffs. Es zeigt sich hier schlicht die durch nationale Rechtsordnungen in das Unionsrecht hineingetragene Perplexität der Abgabenbegriffe.244 Der Begriff des Finanzbeitrags wurde historisch durch die Unionsorgane für die Beiträge der Mitgliedstaaten zur Finanzierung der Gemeinschaften verwendet.245 Dies deutet insgesamt auf eine konturenschwache, gar perplexe Verwendung des Begriffs für Zahlungspflichten im Allgemeinen hin.246 In der jüngeren Rechtsprechung mag man die Tendenz erkennen, den Begriff des Pflichtbeitrags aus nationalen Rechtsordnungen nicht mehr auf die Unionsebene zu übertragen. In der Rechtssache Doux Élevage und Coopérative agricole UKL-ARREE247 erwähnt der Europäische Gerichtshof den Begriff des „Pflichtbeitrags“ nur noch bei der Wiedergabe der Vorlage des nationalen Gerichts, nicht aber bei seinen eigenen Rechtsausführungen. Ob dies als Ausdruck einer zunehmenden terminologischen Sensibilisierung der Rechtsprechung wahrgenommen werden darf, ist zu beobachten. Dennoch lassen sich grundsätzlich Leitlinien eines Beitragsbegriffes in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes erkennen. Zunächst ist zu konstatieren, dass eine Unterscheidung zum Gebührenbegriff hinsichtlich des entgegengebrachten Vorteils in der Rechtsprechung zu erkennen ist.248 Die Unterscheidung richtet sich nach dem potenziellen Vorteil in Abgrenzung zum tatsächlichen Vorteil.249 Weiterhin ist festzustellen, dass auch bei beitragstypischen Abgaben auf die Äquivalenz der Abgabenbemessung abgestellt wird,250 was auf deren parallelen Stand zu den bereits ihrerseits isolierten Gebühren hindeutet. Dies spricht dafür, auch an den Beitragsbegriff im Unionsrecht aus dem Blickwinkel der Sonderlast heranzugehen. In der Sekundärrechtsgesetzgebung wird der Beitragsbegriff rein faktisch
241
EuGH, Urteil vom 21. 10. 2003 – C 261/01 – van Calster u. a. EuGH, Urteil vom 27. November 2003 – C-34/01 – Enirisorse, Rn. 43. 243 EuGH, Urteil vom 16. 12. 1992 – C-17/91 – Lornoy u. a. 244 Siehe hierzu unter § 2 A. III. 4. 245 Zur historischen Entwicklung der Begrifflichkeiten Niedobitek, in: Streinz, EUV/AEUV (3. Auflage 2018), Art. 311 AEUV Rn. 5 ff. 246 Bergfeld (2008), S. 94; Heselhaus (1998), S. 65 f. Dies gilt jedenfalls für im historischen Kontext. 247 EuGH, Urteil vom 30. Mai 2013 – C-677/11 – Doux Élevage und Coopérative agricole UKL-ARREE. 248 Heselhaus (1998), S. 66. 249 Heselhaus (1998), S. 66; Freytag (2000), S. 37. 250 Heselhaus (1998), S. 66. 242
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§ 2 Der Stand der Finanzformenlehre im Unionsrecht
im Rahmen der SRM-Verordnung verwendet, was zu einer Abgrenzung vom Gebührenbegriff der SSM-Verordnung hindeutet.251 Als weitere Argumentationslinie der Anerkennung mag die unterschiedliche Rechtsnatur zwischen den parafiskalischen Abgaben und den Beiträgen herangezogen werden. Der Belastungsgrund des Beitrags als Zuwendung eines Vorteils erfordert eine Abgrenzung zu den auf Verantwortung abstellenden parafiskalischen Abgaben im engeren Sinne.252 Auch wenn die genaue Ausformung dieser Sachverantwortung noch betrachtet werden muss, ist festzuhalten, dass dem Beitrag eine stärkere Gewichtung des tatsächlichen Vorteils zukommt. Die kompetenzrechtlichen Erfordernisse und die grundrechtliche Lage dieser Abgabenformen scheinen schon auf den ersten Blick nicht vergleichbar. Daher spricht vieles dafür, dass sich der Beitrag als eigenständige Abgabenkategorie des Unionsrechts entwickeln wird. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt lässt sich eine solche Begriffskonsolidierung noch nicht hinreichend präzise feststellen.253 Erkennt man den Beitrag als eigenständige Kategorie an, so folgt auch beim Beitrag die Ertragshoheit aus der Sachkompetenz mit der Begründung des individuellen Austauschverhältnisses.254 Unabhängig davon scheint es aber im Unionsrecht denkbar, Beiträge parafiskalisch zu strukturieren. Eine solche Abgabe wird allerdings nicht als wesensverwandt mit den sonstigen unionseigenen parafiskalischen Abgaben einzustufen sein und stellt damit eine parafiskalische Abgabe im weiteren Sinne dar.255
IV. Die nationalen parafiskalischen Abgaben im Unionsrecht Nach Darstellung der – jedenfalls partiell – konkurrierenden Abgabearten wird nun der Fokus auf die parafiskalische Abgabe gerichtet. Die parafiskalischen Abgaben sind nach hiesigem Verständnis Teil der nichtsteuerlichen Abgaben und werden aufgrund ihrer Bedeutung für die Fragestellung der Arbeit gesondert gewürdigt. Ähnlich wie die bisher untersuchten Abgabearten ist auch die parafiskalische Abgabe einer sachbereichsbezogenen, mithin perplexen Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof unterworfen. Diese Perplexität wird im Detail erschlossen. Als Einleitung der Untersuchung sind die nationalen parafiskalischen Abgaben von Bedeutung. Auf dem nationalen Fundament aufbauend wird dann die unionseigene parafiskalische Abgabe betrachtet. 251 Die sprachlichen Unterschiede werden später im Rahmen der einzelnen Abgaben im Detail erläutert. 252 Es ist damit keineswegs gesagt, dass jede parafiskalische Abgabe eine Art Finanzierungsverantwortung innehat, sondern, dass es einzelne parafiskalische Abgaben gibt, die einen solchen Zusammenhang herstellen, vgl. § 4 B. II. 3. c). 253 Bergfeld (2008), S. 91. 254 Ohler (1997), S. 375. 255 Zur Unterscheidung unter § 2 B. V. 6.
B. Abgabenarten in der unionsrechtlichen Systematik
59
Nationale parafiskalische Abgaben sind hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht häufiger Rechtsprechungsgegenstand gewesen als ihre unionsrechtlichen Abbilder. Wie die historische Abhandlung zeigen wird, lässt sich anhand der Entwicklung der nationalen parafiskalischen Abgaben in der unionsrechtlichen Prüfung die Geschichte der wirtschaftlichen Integration der heutigen Europäischen Union nachverfolgen. Dies gilt bis zum heutigen Tag, an dem im Rahmen der Bankenunion neue parafiskalische Abgaben erscheinen, die als unionseigene Abgaben die gewachsene europäische Integration symbolisieren. 1. Historische Entwicklung In den Datenbanken erscheint der Begriff der parafiskalischen Abgabe im europarechtlichen Kontext erstmalig Ende der 1960er Jahre in einer Entscheidung der Kommission hinsichtlich einer französischen Abgabe auf einheimische wie importierte Textilien.256 Das Aufkommen der zugrundeliegenden Abgabe wurde dem französischen Textilinstitut und einem nahen Fachverband zugewiesen, um gruppennützig zur Förderung der französischen Textilindustrie verwendet zu werden.257 Schon hier zeigte sich das historisch primäre Einsatzspektrum nationaler parafiskalischer Abgaben zwischen Beihilfenrecht und Grundfreiheiten. Das auf die Nichtigkeitsklage der französischen Regierung folgende Urteil258 verwendete den Begriff der parafiskalischen Abgabe nicht. Stattdessen sprach der Gerichtshof noch von einer „(…) ihrer Finanzierung dienenden steuerähnlichen Abgabe“259 oder einer „zweckgebundenen Abgabe“.260 Eine Würdigung der Terminologie führt zu der Einschätzung, dass es zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu einem konsolidierten Sprachgebrauch gekommen war.261 Die dem Rechtsstreit zugrundeliegende Entscheidung der Europäischen Kommission verwendete den Begriff der „parafiskalischen Abgabe“ bereits insgesamt sieben Mal. Der Europäische Gerichtshof griff den Begriff allerdings nicht auf. Dennoch deutet das hierzu ergangene Urteil darauf hin, dass der Europäische Gerichtshof die Merkmale der „Zweckgebundenheit“ und der „Steuerähnlichkeit“ als Wesensmerkmal des Begriffes der parafiskalischen Abgabe ansah.
256 Entscheidung der Kommission vom 18. Juli 1969 betreffend das französische Beihilfensystem zur Förderung der Forschung sowie der gewerblichen und absatzmäßigen Strukturverbesserung auf dem Textilsektor (69/266/EWG). 257 Siehe den Sachverhalt bei EuGH, Urteil vom 25. 06. 1970 – 47/69; Darstellung auch bei Kohler (1977), S. 107. 258 EuGH, Urteil vom 25. 06. 1970 – 47/69 – Frankreich/Kommission. 259 EuGH, Urteil vom 25. 06. 1970 – 47/69 – Frankreich/Kommission, Rn. 1. 260 EuGH, Urteil vom 25. 06. 1970 – 47/69 – Frankreich/Kommission, Rn. 18 ff. 261 Der Begriff der steuerähnlichen Abgabe taucht allerdings auch in späteren Urteilen sporadisch auf, vgl. Wasmeier (1994), S. 39.
60
§ 2 Der Stand der Finanzformenlehre im Unionsrecht
Im Urteil Capolongo262 aus dem Jahre 1973 hinsichtlich einer italienischen Papier-, Pappe- und Zelluloseabgabe erhoben von einer Körperschaft des Öffentlichen Rechts (ENCC = Ente Nazionale per la Cellulosa e per la Carta) fällt das Wort der parafiskalischen Abgabe ebenfalls nicht. Im Jahr 1975 bezog sich jedoch ein weiteres Urteil263 des Europäischen Gerichtshofs auf eine solche frühere ENCC-Abgabe und bezeichnete sie nun als „parafiskalische Abgabe“. Die Abgabe diente der sektorenbezogenen italienischen Forschung sowie der Begünstigung von Zeitungspapier.264 In den siebziger Jahren gab es eine signifikante Zahl an Urteilen zu parafiskalischen Abgaben in vergleichbaren Problematiken.265 Hier erschien die parafiskalische Abgabe im Kontext des freien Warenverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten. Maßgeblicher Prüfungsmaßstab war dabei die Mittelverwendung des Abgabenaufkommens. Diskriminierend im Sinne einer Verletzung der Grundfreiheiten ist eine parafiskalische Abgabe, wenn die gruppenäquivalente Umlage nur oder hauptsächlich inländischen Erzeugnissen zukomme.266 Die Hoheitssphäre der Mitgliedstaaten in Bezug auf die mitgliedstaatlichen Abgaben wurde weitestgehend nicht beschränkt, sofern die Mitgliedstaaten die Diskriminierung ausländischer wirtschaftlicher Tätigkeiten, insbesondere des Warenumschlags, unterließen.267 Das Auftreten der parafiskalischen Abgabe im Kontext der beihilfenbezogenen und grundfreiheitlichen Problematik prägte ihre Deutung im unionsrechtlichen Kontext. Die Literatur verwertet die parafiskalischen Abgaben noch heute wie historisch primär in diesem Zusammenhang.268 Der Europäische Gerichtshof prüfte die parafiskalischen Abgaben stellenweise als Frage der Grundfreiheiten (Abgaben zollgleicher Wirkung) und stellenweise als beihilfenbezogene Angelegenheit.269 Nicht nur parafiskalische Abgaben prägten die Beihilfen- und grundfreiheitliche Problematik. Die Mitgliedstaaten versuchten vielmehr mit vielerlei Methoden und Abgabeformen, eine protektionistische Wirtschaftspolitik durchzusetzen bzw. die 262
EuGH, Urteil vom 19. 06. 1973 – 77/72 – Capolongo. EuGH, Urteil vom 18. 06. 1975 – 94/74 – IGAV. 264 Kohler (1977), S. 100; Tinnion, E. L. Rev. 1977, 359 (360). 265 Hierzu die Auflistung von Tinnion, E. L. Rev. 1977, 359 (359); EuGH, Urteil vom 19. 06. 1973 – Rs. 77/72 – Carmine Capolongo; EuGH, Urteil vom 18. 06. 1975 – Rs. 94/74 – IGAV; EuGH, Urteil vom 22. 03. 1977 – Rs. 78/76 – Firma Steinike und Weinlig; EuGH, Urteil vom 25. 05. 1977, Rs. 77/76 – Fratelli Cucchi; EuGH, Urteil vom 25. 05. 1977 – Rs. 105/76 – Società Interzuccheri S.p.a. 266 EuGH, Urt. v. 21. 05. 1980 – Rs. 73/79 – Kommission ./. Italien („sovrapprezzo“), Rn. 16; EuGH, Urteil vom 11. 03. 1992 – Rs. C-78/90 – Compagnie commerciale de l’Ouest, Rn. 28. Hierbei geht es um die Prüfung, ob den ebenfalls belasteten inländischen Erzeugnissen die Aufkommensverwendung sich als vollständiger oder teilweiser Belastungsausgleich darstellt. 267 Allgemeine Ansicht, vgl. Selmer/Brodersen/Nicolaysen (1989), S. 131. 268 Hierzu z. B. Englisch, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht (1. Auflage 2015), Rn. 6.49; Nussbaum, DVBl 1994, 1174 (1176). 269 Mit jeweiligen Nachweisen zur Rechtsprechung Meier AWD 1974, 45 (46); zur Abgrenzung Ehring, EuR 1974, 108 – 148. 263
B. Abgabenarten in der unionsrechtlichen Systematik
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Wirkungen der durch den Binnenmarkt intendierten Marktöffnung abzufedern. Die Europäische Kommission sah schon im Jahr 1969 einen staatlichen Trend zu „steuerähnlichen“ Abgaben und kündigte an, hiergegen systematisch vorgehen zu wollen.270 Diese Abgaben belasteten ausländische Waren, um Sondervermögen zu speisen, die primär den einheimischen Erzeugnissen und ihren Erzeugern zugutekommen sollten.271 Den diesbezüglichen Entscheidungen der Kommission folgte eine Rechtsprechung, die nicht auf das Wesen der jeweiligen Abgabe Bezug nahm, sondern deren beihilfenrechtliche und grundfreiheitliche Problematik in den Mittelpunkt stellte.272 Angesichts der judikativen Konfrontation mit einer Vielzahl nationaler Gestaltungsmöglichkeiten erscheint fraglich, ob anhand der Beihilfenfrage in der Rechtsprechung allein ein konsolidierter Begriff der parafiskalischen Abgabe gewonnen werden kann. Für das Abgabenrecht zeigt sich die sachbereichsbezogene Auslegung europäischer Abgabenbegriffe im Rahmen ihrer jeweiligen Kompetenztitel. Es formte sich ein dogmatischer Teilbereich heraus, der speziell für parafiskalische Abgaben in diesem Kontext gilt.273 Die ersten Adaptionsversuche des Begriffs Mitte der 1970 Jahre seitens des Europäischen Gerichtshofs brachten keine richterliche Definition mit sich.274 An dieser Definitionslosigkeit der Rechtsprechung hat sich bis zum heutigen Stand nichts geändert.275 Auch eine primärrechtliche Definition der parafiskalischen Abgabe existiert nicht.276 Mangels der Stellung eines Tatbestandsmerkmals wurde eine unmittelbare rechtliche Definition der parafiskalischen Abgabe nicht nötig.277 Ein weiteres Standbein fanden die parafiskalischen Abgaben – sowie artverwandte Abgaben – im Agrarsektor, der frühzeitig zu erheblichen Teilen vergemeinschaftet wurde.278 In diesem Bereich tauchten parafiskalische – und wie später
270 Europäische Kommission – Dritter Gesamtbericht über die Tätigkeit der Gemeinschaften 1969, S. 75. Hiernach war die Kommission zusätzlich über die Lage der europäischen Textilindustrie besorgt, was durch die betroffene französische Abgabe eine zusätzliche Verschlechterung der Lage bedeutet hätte. Hier sieht man den Willen der Kommission, auch in schwierigen wirtschaftlichen Zeiten einzelstaatlichem Protektionismus entgegenzuwirken. 271 Selmer, DStZ/A 1975, 396 (399). 272 Einen Überblick zu der Vielzahl an Gestaltungsmöglichkeiten, auch aus historischer Perspektive, bieten: Wooldridge/Plender, E. L. Rev. 1978, 101 ff. 273 Vgl. die bereits unter Fn. 271 dargestellten Urteile; zur frühen wissenschaftlichen Diskussion um parafiskalische Finanzierungsinstrumente Weides AWD 1963, 295 ff.; vgl. auch Ohler (1997), S. 81 ff. 274 Allgemeine Ansicht, siehe Korn (2015), S. 40; Meyer (2006), S. 62 m.w.N. 275 Gröpl, in: Dauses (Hrsg.), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, J. Steuerrecht (43. EL 2017) Rn. 22. 276 Vgl. Korn (2015), S. 40. 277 Meyer (2006), S. 61. 278 Zu den parafiskalischen Agrarabgaben der Mitgliedstaaten Götz, in: FS Friauf 1996, 37 (46). Zu einem historischen Überblick über die frühe Vergemeinschaftung des Agrarsektors Götz, KSE 10 (1969), S. 169 – 188.
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§ 2 Der Stand der Finanzformenlehre im Unionsrecht
aufgezeigt wird, auch artverwandte – Abgaben der Nationalstaaten279 wie auch der Union280 auf. Diese Abgaben werden im Verlauf der Untersuchung noch untersucht werden. Aus dem Agrarsektor stammt ein englischsprachiger Definitionsversuch der Europäischen Kommission für den Begriff der parafiskalischen Abgabe in einer etwas spärlichen Pressemitteilung: „(…) ,Parafiscal‘ charges are charges levied by public or private agencies on the production of marketing of agricultural products with a view to financing activities for the benefit of the sector as a whole (…)“.281 Einen weiterer Diskussionsschwerpunkt kam durch die Hinwendung der Mitgliedstaaten zum Umweltschutz in Gang. Vermehrt wurden parafiskalische Abgaben zur Erreichung umweltpolitischer Zielsetzungen eingesetzt.282 Die jedenfalls unmittelbar wirtschaftshemmende Funktion dieser Abgaben rückte die parafiskalische Abgabe wieder in prominente Stellung bei der Verwirklichung des Binnenmarkts. Auch im Umweltrecht beschränkte sich die europarechtliche Überprüfung auf einen partiellen Aspekt der betroffenen Abgaben. Die interne Behandlung dieser eher auf Lenkung denn auf Lastenausgleich oder Umverteilung gerichteten Abgaben283 ist für das Europarecht vorerst irrelevant geblieben. Im Wesentlichen kam zu den nationalstaatlichen Vorgaben eine gewisse Zahl europarechtlich fundierter Modifikationen.284 Für die Gewinnung genereller unionsrechtlicher Maßstäbe über unionseigene parafiskalische Abgaben taugt dieses Rechtsgebiet nur eingeschränkt. Insgesamt war die nationale parafiskalische Abgabe, abgesehen von ihrer Stellung im Beihilfenrecht, eine Randerscheinung des Europarechts.285 2. Die Eingrenzung der Tatbestandsmerkmale Nach Darstellung der historischen Entwicklung sind die nationalen Abgaben in ihren Wesenszügen zu erschließen. Dabei soll untersucht werden, welches Leitbild 279
Als Beispiele an dieser Stelle nur EuGH, Urteil vom 27. 10. 1993 – C-72/92 – Scharbatke, EuGH, Urteil vom 21. 10. 2003 – C-261/01 – van Calster u. a.; EuGH, Urteil vom 16. 12. 1992 – C-17/91 – Lornoy u. a. 280 Die Rechtsnatur der einzelnen Abgaben ist umstritten; Überblick bei Priebe, in: FS Zeidler 1987, 1729 (1733 ff.) und Bergfeld (2008), S. 55 – 62. 281 http://europa.eu/rapid/press-release_IP-86-628_en.htm (aufgerufen Oktober 2018, Presseerklärung ist undatiert). Trotz dieses Definitionsversuchs ist unstrittig, dass nationale wie auch unionseigene parafiskalische Abgaben auch in anderen Wirtschaftssektoren vorkommen. Das später noch eingehender beleuchtete EuGH Urteil Enirisorse (EuGH, Urteil vom 27. November 2003 – C-34/01) hatte beispielsweise Verladeabgaben eines Hafens (Logistikbranche) zum Gegenstand. 282 Überblick bei Freytag, Europarechtliche Anforderungen an Umweltabgaben, 2000; Müller, Möglichkeiten und Grenzen der indirekten Verhaltenssteuerung durch Abgaben im Umweltrecht, 1994; Wasmeier, Umweltabgaben und Europarecht, 1994, m.w.N. 283 Zum deutschen Recht siehe Pieper, DÖV 1992, 232 (233). 284 Hilf, NVwZ 1992, 105 (107 ff.) mit einem Überblick; Pieper, DÖV 1992, 232 – 240. 285 So auch Korn (2015), S. 41.
B. Abgabenarten in der unionsrechtlichen Systematik
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einer nationalen parafiskalischen Abgabe der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zugrunde liegt. Die Abgrenzung von Definitions- und Zulässigkeitskriterien ist in einem Abgabensystem ohne Numerus clausus naturgemäß eine Herausforderung.286 Auf nationaler Ebene ist eine Verschmelzung von Zulässigkeits- und Definitionsmerkmalen beispielsweise beim Typus der Sonderabgabe im engeren Sinn im deutschen Recht zu finden.287 Dieser Typus der Sonderabgabe wird auch als Sonderabgabe mit Finanzierungsfunktion bezeichnet.288 An ihn legt die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts besonders strenge Voraussetzungen aufgrund seiner Konkurrenz zur Steuer an.289 Die Sonderabgabe stellt hierbei idealtypisch dar, dass bei einer fluiden Abgabensystematik in Kombination mit organisationsrechtlichen wie grundrechtlichen Anforderungen290 die Zulässigkeit einer Abgabe mit der Definition potentiell gleichgesetzt wird. Auf der unionsrechtlichen Ebene dreht sich ein erheblicher Teil der Ungewissheit über das Wesen der parafiskalischen Abgabe um die Frage, ob die parafiskalische Abgabe dem Leitbild dieser Sonderabgabe entspricht oder ob die reine Parafiskalität wesensprägend ist. Die reine Parafiskalität umfasst dabei alle Abgaben, deren Mittel außerhalb des EU-Haushalts stehen. Weitere Anforderungen wären an sie nicht zu stellen. Eine so verstandene parafiskalische Abgabe kann klar Definitions- von Zulässigkeitskriterien trennen.291 Um einen Überblick zu gewinnen, werden folgend die nationalen Merkmale der parafiskalischen Abgaben in der unionsrechtlichen Prüfung untersucht. a) Parafiskalität als Ausgangspunkt Ausgangspunkt der Bestimmung der parafiskalischen Abgabe ist die Parafiskalität. Der Begriff der Parafiskalität entsprang der französischen und italienischen Forschung und setzte sich gegenüber dem im deutschen Rechtskreis verbreiteten Begriff des Hilfsfiskus durch.292 Wie bereits der Wortlaut aufzeigt, zeichnen sich parafiskalische Abgaben durch die parafiskalische Sammlung ihres Ertrages aus. 286 A.A. Kreibohm (2004), S. 165, der die parafiskalische Abgabe des Unionsrechts für eine reine Definitionsfrage anhand der Parafiskalität hält und dies mit dem fehlenden Steuererfindungsrecht begründet. Gerade die fehlende unbegrenzte Handlungsfreiheit der Europäischen Union spricht aber für die Anwendung restriktiv wirkender Anforderungen an die Abgabenkategorien des Unionsrecht. 287 Schoch, in: FS Wendt 2015, 983 (985 f.); vgl. auch Sacksofsky (2000), S. 61 ff. 288 U. a. BVerfGE 135, 155 (209); 136, 194 (209); 124, 235 (244) m.w.N. 289 U. a. BVerfGE 55, 274 (298); 122, 316 (334); 123, 132 (141); 124, 235 (244) m.w.N.; aus der Literatur vgl. z. B. Selmer, UTR 16 (1992), 15 (44 ff.) und Lang, UTR 16 (1992), 55 (63 f.). 290 Exemplarisch Jochum, StuW 2006, 134 (135). 291 So auch Kreibohm (2004), S. 165. 292 Andreae, in: Tiepelmann/van der Beek, Theorie der Parafiski, S. 22 mit weiteren Ausführungen zur historischen Entwicklung.
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§ 2 Der Stand der Finanzformenlehre im Unionsrecht
Parafiskalische Abgaben sind also Abgaben, deren Mittelaufkommen außerhalb des regulären Haushalts gruppiert werden.293 Diese Abgaben sind somit haushaltsflüchtig. Der Parafiskalität als Merkmal kommt in den europäischen Rechtsordnungen erhebliche Abgrenzungskraft zu den Steuern zu.294 Stellenweise wird in der Literatur bestritten, dass sich Steuern und parafiskalische Abgaben anhand ihrer haushaltsrechtlichen Behandlung abgrenzen lassen.295 Diesbezüglich wird argumentiert, dass der nationale Gesetzgeber ansonsten allein anhand dieser Behandlung die unionsrechtliche Einstufung einer Abgabe steuern könne.296 Zur Vermeidung einer nationalstaatlichen Flexibilität hinsichtlich des Anwendungsbereichs des Unionsrechts sei die haushaltsrechtliche Behandlung ein reines Indiz.297 Diese Auffassung ist bezogen auf die jeweilige Kompetenzgrundlage und nur vertretbar, wenn von vorneherein – wie von besagter Literaturmeinung – ein uniformer, sachgebietsübergreifender Steuerbegriff auf Unionsebene abgelehnt wird.298 Es ist daher wichtig klarzustellen, dass sich bei Annahme eines uniformen unionsrechtlichen Steuerbegriffes299 Steuern von den parafiskalischen Abgaben jedenfalls anhand ihrer haushaltsrechtlichen Behandlung abgrenzen lassen. Die parafiskalische Abgabe ist daher den nichtsteuerlichen Abgaben zuzuordnen.300 Die parafiskalische Sammlung kann dabei zugunsten selbständiger Sondervermögen oder öffentlich-rechtlicher juristischer Personen erfolgen.301 Typischerweise sind die selbständigen Einheiten eigene Haushaltsträger, stellen also einen eigenen Haushalt auf.302 Stellenweise werden in der Literatur Einrichtungen privater Art erfasst.303 Im Ergebnis läuft die Diskussion um die parafiskalische Abgabe und ihre öffentlich-rechtliche Natur weitestgehend synchron zu derselben bezüglich des allgemeinen Abgabenbegriffs.304 293 Heselhaus (1998), S. 67; Kube, HFSt 2 (2016), 41; Kube (2004), S. 348; Meyer (2006), S. 63; Nussbaum, DVBl 1994, 1174 (1176); Freytag (2000), S. 38; Kreibohm (2004), S. 164 spricht von einer indiziellen Bedeutung. 294 Götz, in: FS Friauf 1996, 37 (49). 295 Kreibohm (2004), S. 164. 296 Kreibohm (2004), S. 164. 297 Kreibohm (2004), S. 164. 298 Dieser Linie folgt Kreibohm, siehe Kreibohm (2004), S. 69. 299 Siehe hierzu § 2 B. II. 2. 300 Korn (2015), S. 40. 301 Heselhaus (1998), S. 549; Nussbaum, DVBl 1994, 1174 (1176); Bartosch, EU Beihilferecht (2. Auflage 2016), Art. 107 Abs. 1 AEUV Rn. 89; Kohler (1977), S. 98; Jaeger, EuZW 2004, 558 (559): „staatlich“; Schwendinger EUI Working Paper Law No. 2003/5 S. 13; Freytag (2000), S. 36; Ohler (1997), S. 81; Kube, HFSt 2 (2016), 46. 302 Für das deutsche Finanzverfassungsrecht vgl. Gröpl, in: Bonner Kommentar (174. Aktualisierung 2015), Art. 110 GG Rn. 168 hinsichtlich der Sondervermögen des Bundes. 303 Meyer (2006), S. 63; die Pressemitteilung der Europäischen Kommission spricht auch von „private agencies“, s. http://europa.eu/rapid/press-release_IP-86-628_en.htm (aufgerufen am: Oktober 2018). 304 Siehe unter A.I.2.
B. Abgabenarten in der unionsrechtlichen Systematik
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Als ein typisches Beispiel einer parafiskalischen Abgabesammlung mag der zugrundeliegende Sachverhalt des bereits erwähnten Urteils Lornoy305 gelten. Das belgische Landwirtschaftsministerium hatte auf gesetzlicher Grundlage von Viehhändlern und Schlächtern eine Abgabe erhoben, die einen beim Ministerium platzierten gesonderten Fonds für die Tiergesundheit und Tiererzeugung speiste. Die Mittel wurden branchenspezifisch wieder ausgekehrt. Die Bindung des Aufkommens in separierten Fonds mit gesonderter Sachzwecksetzung ist dabei das regelmäßige Merkmal der nationalen parafiskalischen Abgaben, wie dieses Beispiel zeigt. Im Rahmen der gesetzgeberischen Einrichtung einer parafiskalischen Struktur ist noch festzustellen, dass bei nationalen parafiskalischen Abgaben Verwaltungshoheit und Ertragshoheit auf einer hierarchischen Ebene liegen. Ein häufiges, wenn vielleicht auch nicht typisches Merkmal parafiskalischer Abgaben ist also die Bündelung von jedenfalls der Verwaltung und Ertragshoheit der betroffenen Abgaben auf einer hoheitlichen Ebene.306 b) Die Abgrenzung individualäquivalenter Abgaben Individualäquivalente307 Abgaben zeichnen sich durch einen von ihnen ausgelösten unmittelbaren Vorteil des Abgabenschuldners aus, in der Kategorie des deutschen Rechts – und auch weiterer Mitgliedstaaten – sind dies insbesondere Gebühren und Beiträge. Die Abgrenzung der parafiskalischen Abgabe zu diesen Abgabeformen hat erhebliche rechtliche Relevanz. Das Merkmal der Individualäquivalenz ist ein starkes Unterscheidungskriterium zur voraussetzungslos erhobenen Steuer und steht daher unter substanziell anderen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen. Die Individualäquivalenz stellt dabei nicht auf wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ab, sondern begründet ein wirtschaftliches Austauschverhältnis. Durch diesen Austausch sind die Rechtfertigungsanforderungen an solche Abgaben, jedenfalls ihrer Erhebung dem Grunde nach, gering. Erstreckte man die parafiskalische Abgabe auf diese Kategorien, würde die parafiskalische Abgabe zu einem abgabentechnischen Oberbegriff. In der jüngeren Literatur wurde die These aufgestellt, dass der Begriff der parafiskalischen Abgaben im Unionsrecht national fundierte, individualäquivalente Abgaben umfasst.308 Vor Diskussion dieser These ist festzuhalten, dass der Europäische Gerichtshof unbestritten Gebühren oder Beiträge nie explizit als parafiskalische Abgaben bezeichnet hat.309 Diese Feststellung allein verspricht aber insoweit wenig Erkenntnis, als dass der Europäische Gerichtshof generell definitionskarg im Bereich des Abgabenrechts auftritt. Die Interpretation Meyers der Inklusion 305 306 307 308 309
EuGH, Urteil vom 16. 12. 1992 – C-17/91 – Lornoy u. a. Heselhaus (1998), S. 163. Zum groben Umriss des Äquivalenzverständnisses § 2 B. II. 1. Meyer (2006), S. 68. Meyer (2006), S. 67.
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§ 2 Der Stand der Finanzformenlehre im Unionsrecht
individualäquivalenter Abgaben bezieht sich auf das Urteil Enirisorse310 des Europäischen Gerichtshofs. In dieser Rechtssache wurde von einem privaten Schifffahrtsunternehmen (Enirisorse) eine Verladeabgabe vom italienischen Finanzministerium erhoben, wobei ein Teil des Aufkommens endgültig an die Staatskasse ging.311 Die Verladeabgabe wurde unabhängig von der Inanspruchnahme der zur Verfügung gestellten hafenweiten Verladeinfrastruktur einer öffentlichen Einrichtung, der Aziende, erhoben. Die jeweilige Aziende stand unter der Aufsicht des Ministeriums für die Handelsmarine. Enirisorse nahm deren Infrastruktur nicht in Anspruch, verlud in Eigenregie inländische wie ausländische Waren und verweigerte die Zahlung. Meyer interpretiert das Urteil in einer Weise, dass der Europäische Gerichtshof eine individualäquivalente Abgabe, also eine Gebühr, als parafiskalische Abgabe eingestuft hätte.312 Der Sachverhalt verhält sich hinsichtlich der Abgabennatur in der Tat etwas mehrdeutig. Im Ausgangspunkt erfolgte das Stellen des Gebührenbescheides vonseiten der italienischen Behörde trotz der fehlenden Inanspruchnahme der Leistung durch die Enirisorse. Meyer folgert aus seiner Sachverhaltsinterpretation, dass der Europäische Gerichtshof die Abgabe in Enirisorse den Abgaben in van Calster313 und Scharbatke314 gleichstellte,315 beides Urteile mit gruppenbezogenen parafiskalischen Abgaben. In der Folge wendet der Europäische Gerichtshof die Maßstäbe von van Calster und Scharbatke an.316 Nach Meyer lässt dies nur den Schluss zu, dass es sich bei der Hafenabgabe um eine parafiskalische Abgabe aus Sicht des Europäischen Gerichtshofs handelt.317 Selbst wenn aber die Abgabe in Enirisorse in ihrer beihilferechtlichen Dimension an den beihilferechtlichen Maßstäben für parafiskalische Abgaben gemessen werden sollte, ließe sich daraus noch nicht der Rückschluss ziehen, dass auch die zu prüfende Hafenabgabe ihrerseits eine parafiskalische Abgabe ist. Das Anwenden gleicher Maßstäbe führt nicht per se zu einer Identität der Rechtsobjekte. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der extensiven Auslegung des Beihilfenrechts durch den Europäischen Gerichtshof. Jenseits dieser grundsätzlichen Bedenken bezüglich einer zu starken Abstrahierung des Urteils spricht die Sachverhaltsanalyse gegen einen Einbezug individualäquivalenter Abgaben. Anknüpfungspunkt der Abgabenpflicht im Fall Enirisorse ist das Be- oder Entladen in den betroffenen Häfen, nicht aber die individuelle Ent310
EuGH, Urteil vom 27. November 2003 – C-34/01 – Enirisorse. Siehe zum Sachverhalt EuGH, Urteil vom 27. November 2003 – C-34/01 – Enirisorse, Rn. 11 ff. 312 Nach Meyer (2008), S. 68. 313 EuGH, Urteil vom 21. 10. 2003 – C 261/01 – van Calster u. a. Der Fall behandelte die von dem Viehhändler van Calster zu leistender Abgabe an den belgischen Fonds für Tiergesundheit und -erzeugung. 314 EuGH, Urteil vom 27. 10. 1993 – C-72/92 – Scharbatke. 315 Meyer (2006), S. 68. 316 EuGH, Urteil vom 27. November 2003 – C-34/01 – Enirisorse, Rn. 44. 317 Meyer (2006), S. 68. 311
B. Abgabenarten in der unionsrechtlichen Systematik
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gegennahme der Dienstleistungen. Es wird vielmehr einer Gruppe (maritimer Handel- und/oder Logistiktreibende) ein Sondervorteil (Inanspruchnahme der Dienstleistung) eingeräumt, und nicht etwa eine konkret erbrachte, individuelle Leistung abgerechnet. Dem Finanzministerium war gerade bewusst, dass Enirisorse die Leistung nicht angenommen hat und verlangte trotzdem den Geldbetrag. Eine alternative sachverhaltstechnische Schlussfolgerung ist an dieser Stelle nach hiesiger Ansicht nicht zutreffend. Die Abgabe im Fall Enirisorse ist eher beitragsähnlich, jedenfalls ist sie nicht dem Gebührenrecht in seiner strikten Individualäquivalenz zuzuordnen. Jenseits dieser vereinzelten Dissonanzen in der Literatur entspricht eine gleichgerichtete Interpretation von parafiskalischen Abgaben und individualäquivalenten Abgaben mit parafiskalischer Mittelsammlung nicht dem Sprachgebrauch des Europäischen Gerichtshofs, der Europäischen Kommission und der Wissenschaft.318 Es sind daher nur solche Abgaben als parafiskalische Abgaben zu bezeichnen, die nicht individualäquivalent im aufgezeigten Sinne sind.319 Dies gilt zumindest für parafiskalische Abgaben im engeren Sinn.320 c) Die homogene Gruppe Dem deutschen Verständnis der Sonderabgabe liegt die Belastung einer homogenen Gruppe zugrunde.321 Die Homogenität der Gruppe ist oft eine Schlüsselfrage bei der Prüfung der Verfassungsgemäßheit einer Sonderabgabe.322 Die Homogenität erfordert eine besondere Interessenlage, welche die homogene Gruppe von der Allgemeinheit abgrenzt.323 Dem Gesetzgeber kommt ein gewisser Einschätzungsspielraum zu.324 Die Homogenität einer Gruppe lässt sich hiernach entweder 318 Englisch, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht (1. Auflage 2015), Rn. 6.49; Kreibohm (2004), S. 242; Wasmeier (1994), S. 39, der die parafiskalischen Abgaben nicht als eigene Abgabekategorie anerkennt, aber die betroffenen Abgaben als steuerähnlich von den individualäquivalenten Abgaben abgrenzt; für gruppenbezogene Äquivalenz Kube, HFSt 2 (2016), 43; Gröpl, in: Dauses (Hrsg.), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, J. Steuerrecht (43. EL 2017) Rn. 19; Heselhaus (1998), S. 73. 319 Kube, in: HFSt 2 (2016), 40; Heselhaus (1998), S. 73; Kreibohm (2004), S. 242; Nussbaum, DVBl 1994, 1174 (1176); Hof (1997), S. 91, der allerdings die „Sonderabgaben“ nicht als eigenständige Abgabenkategorie anerkennt, aber seinen extensiven Steuerbegriff von den individualäquivalenten Abgaben abgrenzt; Selmer/Brodersen/Nicolaysen (1989), S. 155 f. grenzen aus Gründen grundsätzlicher Differenz individualäquivalente Abgaben und Abgaben mit Finanzierungsfunktion ab. 320 Zur Unterscheidung vertieft unter § 2 B. V. 6. 321 Siehe nur BVerfGE 136, 194 (242); 135, 155 (207); 124, 348 (366); 113, 128 (150), 55, 274 (306) – st. Rspr. 322 Siehe z. B. BVerfGE 135, 155 (207). 323 P. Kirchhof, Nichtsteuerliche Abgaben, in: HStR V (3. Auflage 2007), § 119 Rn. 79 m.w.N.; Seer, in: Tipke/Lang (Hrsg.), Steuerrecht (23. Auflage 2018), § 2 Rn. 27. 324 BVerfGE 135, 155 (207) m.w.N. – st. Rspr.
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§ 2 Der Stand der Finanzformenlehre im Unionsrecht
rechtlich oder tatsächlich begründen.325 Eine bloße Konkurrenzsituation innerhalb der Gruppe schließt die Homogenität nicht aus.326 Andere europäische Rechtsordnungen halten ihre parafiskalische Abgaben von einem solchen Merkmal frei.327 Die Begründungsstränge hinsichtlich der Gruppenhomogenität wie der gruppennützigen Verwendung werden im weiteren Verlauf der Untersuchung im europäischen Kontext untersucht. Stellenweise wird in der Literatur schon bestritten, dass im Europäischen Kontext überhaupt eine Homogenität im Rechtssinne in den meisten Situationen möglich wäre. Grund hierfür wären gesellschaftliche Disparitäten zwischen den Mitgliedstaaten.328 Diese Ansicht ist aber jedenfalls nach der aktuellen Rechtslage mit dem Grundgedanken der Unionsbürgerschaft, Art. 20 AEUV, nicht zu vereinbaren. Für das Europarecht kann die unterschiedliche Nationalität ihrer Rechtsunterworfenen aus prinzipiellen Erwägungen kein taugliches Differenzierungskriterium sein. Diese Frage wird im Rahmen der Prüfung der Europäischen Einlagensicherung wieder relevant.329 Im Ergebnis steht fest, dass das Merkmal der Homogenität im europarechtlichen Kontext denkbar ist. Analysiert man nach dieser Einleitung die Rechtsprechung, so ist festzustellen, dass entsprechend der aufgezeigten dogmatischen Diversität sowohl nationale Abgaben von recht homogenen Gruppen330 also auch ohne einen solchen strikten Bezugspunkt331 Gegenstand der Rechtsprechung und der Einstufung als parafiskalische 325
BVerfGE 55, 274 Leitsatz 3.a): „(…) gemeinsame, in der Rechtsordnung oder in der gesellschaftlichen Wirklichkeit vorgegebene Interessenlage oder durch besondere gemeinsame Gegebenheiten (…)“. BVerfGE 135, 155 (207) spricht hingegen von „(…) durch Rechtsordnung und gesellschaftliche Wirklichkeit geprägter Interessen und Gegebenheiten von der Allgemeinheit und anderen Gruppen abgrenzbar (…)“. Die Rechtsordnung ist allerdings nicht erst durch die konkrete Abgabenregelung begründbar, vgl. BVerfGE 135, 155 (207); 136, 194 (121) m.w.N.; Kube, JZ 2016, 373 (374) für eine rein tatsächliche Begründbarkeit der Homogenität. Der gegenwärtige Stand der Verfassungsgerichtsbarkeit lässt nach dieser Analyse aber auch eine Rechtswirklichkeit genügen. 326 BVerfGE 135, 155 (212); 37, 1 (27), st. Rspr. 327 Meyer (2006), S. 66; nach Götz, in: FS Friauf 1996, 37 (39 f.) ist das Merkmal für Frankreich unerheblich, Italien stellt hingegen auf eine Gruppe ab, Götz, in: FS Friauf 1996, 37 (41); gegen eine gemeinsames Verständnis der deutschen Sonderabgaben aufgrund der spezifischen föderalen Situation in Deutschland auch Freytag (2000), S. 38. 328 Bohlken (1999), S. 251. 329 Siehe unter § 6 B. II 2. d). 330 Vgl. z. B. EuGH, Urteil vom 23. 04. 2002 – C-234/99 – Nygard, EuGH, Urteil vom 07. 07. 1994, C-130/93 – Lamaire; EuGH, Urteil vom 25. 06. 1970 – 47/69 – Frankreich/ Kommission, EuGH, Urteil vom 16. 12. 1992 – C-17/91 – Lornoy u. a.; EuGH, Urteil vom 17. 09. 1997 – C-28/96 – Fricarnes; EuGH, Urteil vom 21. 10. 2003 – C 261/01 – van Calster u. a.; EuGH, Urteil vom 16. 12. 1992 – C-114/91 – Claeys. 331 In EuGH, Urteil vom 22. 12. 2008 – C-333/07 – Kommission ./. Frankreich wurden beispielsweise alle werbetreibenden Fernseh- und Radiosender mit einer Abgabe zugunsten spezieller, weniger durch Werbung kommerzialisierter Radiosender belastet. Dieses breite Spektrum an Abgabeschuldnern erscheint sehr weit.
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Abgaben waren. Diese Voreinstufung ist aber letztlich reine Wertungsfrage mangels eines derzeit bestehenden unionsrechtlichen Homogenitätsmaßstabs sowie des häufigen Auftretens der parafiskalischen Abgabe im Rahmen einzelner Kompetenztitel, die sich von vorneherein auf bestimmte Sachbereiche und ihre Branchen beziehen.332 Es ist zudem schwierig, einen Fall parafiskalischer Abgaben ohne jeglichen Gruppenbezug zu finden, da letztlich jede Kategorie von nicht individualäquivalenten, nichtsteuerlichen Abgabebelastungen als zu einem gewissen Ausmaß gruppenbezogen gedeutet werden kann. Diese Problematik, insbesondere in Abgrenzung zu den Sachbereichsabgaben, wird später noch näher beleuchtet werden.333 Entscheidend ist an dieser Stelle vielmehr, dass die Homogenität der Gruppe innerhalb einer nationalen parafiskalischen Abgabe für den unionsrechtlichen Maßstab regelmäßig – jedenfalls soweit ersichtlich – unerheblich ist. Die Homogenität der Abgabenbelasteten nationaler parafiskalischer Abgaben hat nur einen beschränkten und modifizierten Anwendungsbereich in der Rechtsprechung, in Bezug auf die spezielle grundfreiheitliche dogmatische Frage nach der gruppenäquivalenten Vorteilsauskehrung der Abgabenaufkommens auf rein nationale oder eben grenzüberschreitende wirtschaftlicher Vorgänge.334 Aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu den nationalen Abgaben lässt sich somit kein abschließendes Verdikt gewinnen. Es lässt sich festhalten, dass in den einzelnen Kompetenzkomplexen die Gruppenhomogenität der nationalen parafiskalischen Abgaben für den Europäischen Gerichtshof keine ausschlaggebende Rolle spielt. Daraus kann allerdings noch kein Rückschluss auf die unionseigenen parafiskalischen Abgaben gezogen werden. d) Gruppenäquivalente Verwendung des Aufkommens Durch den Ausschluss der individualäquivalenten Abgaben bleibt die Frage offen, ob der parafiskalischen Abgabe eine auf ihre Gruppe oder ihren Sachbereich zugeschnittene Äquivalenz innewohnt. Unabhängig von der Notwendigkeit einer homogenen Gruppe als Zuordnungsobjekt erscheint das Verhältnis der Abgabenschuldner zu den von deren Abgabenaufkommen ausgelösten Vorteilen fraglich. Die gruppenäquivalente Interpretation grenzt die Sonderabgaben in Deutschland gerade von den individualäquivalenten Vorteilslasten ab. Nach dem Verständnis der deutschen Sonderabgabendogmatik zeigt sich die Gruppenäquivalenz in ihrer Gruppennützigkeit. Die Verwendung der Abgabe muss im Interesse der belasteten homogenen Gruppe liegen.335 Dabei genügt es, wenn die Gruppe von einer ihr oblie332
Vgl. hierzu § 2 B. V. 4. Vgl. speziell § 4 B. II. 5. 334 Vgl. EuGH, Urteil vom 23. 04. 2002 – C-234/99 – Nygard, Rn. 26. 335 Schon BVerfGE 18, 315 (327) und 55, 274 (307); aus der neueren Rechtsprechung BVerfGE 108, 186 (218); 113, 128 (150); 113, 128 (150); 124, 235 (244); 124, 348 (366); aus der Wissenschaft grundlegend Mußgnug, in: FS Selmer 1972, 259 (288 ff.); Selmer, in: FS Mußgnug 2005, S. 217 – 236. 333
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genden Verantwortung frei wird.336 Diese Gruppenverantwortung resultiert aus einer Sachnähe zur bewältigenden Aufgabe und begründet die Finanzierungsverantwortung der Gruppe.337 Allgemeinheit und Nebengruppen können von einer Abgabe profitieren, ohne dass die Gruppennützigkeit entfällt.338 In diesen Fällen ist also kein direkter Vorteil der Gruppe notwendig. Zudem erfordert die Gruppennützigkeit, dass die Wirkungsweise im Vorteil der Gruppe als Ganzes liegt. Ein Individualnutzen ist nicht erforderlich.339 Auch das italienische Recht verlangt eine solche Gruppennützigkeit, das französische Recht jedoch nicht.340 Nationale parafiskalische Abgaben mit der Zielrichtung der Verursacherverantwortung oder einer artverwandten Zielsetzung wurden vom Europäischen Gerichtshof als parafiskalische Abgaben bezeichnet. Beispielsweise wurde in der Rechtssache Compagnie commerciale de l’Ouest341 von französischen Unternehmen, die im Handel mit Erdölerzeugnissen aktiv waren, eine Abgabe zur Finanzierung von nationalen Energieeinsparungsmaßnahmen und artverwandten Aktivitäten zugunsten einer öffentlichen Agentur erhoben. Hier zeigt sich, dass den Erdölhändlern eine Sonderbeziehung und -verantwortung für die durch den Erdölkonsum ausgelösten facettenreichen Folgen zugeordnet wurde. Eine auch von solchen Urteilen getragene Meinungsströmung will daher auf das Merkmal einer gruppenäquivalenten Verwendungsweise im Sinne einer reinen gruppenbezogenen Vorteilsgewährung verzichten.342 In den nationalen Rechtsordnungen sind eine Vielzahl von nationalen Abgaben zu finden, die in erster Linie die wirtschaftlichen Bedingungen der Gruppe als solche fördern sollen.343 Dementsprechend werden diese nationalen Abgaben vom Europäischen Gerichtshof als parafiskalische Abgaben eingestuft. In der Rechtssache Claeys344 wurde beispielsweise dem namensgebenden Schweineimporteur Claeys wie auch Schweinezüchtern und -händlern eine Abgabe zur Förderung eines landwirtschaftlichen Absatzsamts auferlegt. Hier diente das Abgabenaufkommen der Gruppe der Belasteten, die von einer Stärkung der Absatzinfrastruktur profitieren 336
BVerfGE 135, 155 (208); 124, 348 (366) – st. Rspr. Seer, in: Tipke/Lang (Hrsg.), Steuerrecht (23. Auflage 2018), § 2 Rn. 28. 338 BVerfGE 136, 194 (250); 55, 274 (317) m.w.N. 339 Auf einen Vorteil des Einzelnen kommt es gerade nicht an, schon BVerfGE 55, 274 (307 f.); vgl. Jochum, StuW 2006, 134 (139). 340 Bohlken (1999), S. 246 ff. mit Ausführungen zu den spezifischen Anforderungen 341 EuGH, Urteil vom 11. 03. 1992 – Rs. C-78/90 – Compagnie commerciale de l’Ouest u. a. 342 Meyer (2006), S. 64; Lienemeyer, EuR 1998, 478 (491); Bohlken (1999), S. 252; Freytag (2000), S. 38 gegen eine Übernahme der deutschen Sonderabgabendogmatik. 343 Zahlreiche Urteile, vgl. z. B. EuGH, Urteil vom 23. 04. 2002 – C-234/99 – Nygard, das auf dem dänischen Recht beruhte; bzgl. Des belgischen Rechts z. B. EuGH, Urteil vom 07. 07. 1994, C-130/93 – Lamaire; bzgl. der französischen Textilindustrie EuGH, Urteil vom 25. 06. 1970 – 47/69 – Frankreich/Kommission und viele weitere. 344 EuGH, Urteil vom 16. 12. 1992 – C-114/91 – Claeys. Ein vergleichbarer Sachverhalt lag z. B. auch EuGH, Urteil vom 23. 04. 2002, C-234/99 – Nygård zugrunde. 337
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sollten. Entsprechende Fallgestaltungen sind auch aus dem deutschen Recht hinlänglich bekannt.345 Bei der Beurteilung der Frage nach der Bedeutung der Gruppenäquivalenz anhand der Rechtsprechung zu den nationalen Abgaben ist eine gewisse Vorsicht geboten. Wie aufgezeigt, entwickelte der Europäische Gerichtshof eine Sonderdogmatik zu der beihilfenrechtlichen Behandlung der nationalen parafiskalischen Abgaben. Der Gerichtshof stand vor dem Problem, einerseits den Nationalstaaten ihre Handlungsfreiheit in der Abgaben- und Sachpolitik zu belassen, andererseits die beihilfenbedingten Verzerrungen des gemeinsamen Marktes zu unterbinden. Die gefundene Lösung der gleichwertigen Vorteilhaftigkeit für in- wie ausländische Waren ist dabei ein Mechanismus, der beiden Aspekten gerecht wurde. Die Frage nach dem Bestehen einer im Saldo bestehenden Abgabenbelastung bei gruppenäquivalenter Mittelverwendung konnte so bewältigt werden.346 Die Frage nach der Gruppenäquivalenz der nationalen Abgaben im Beihilfenrecht muss in diesem strengen Bezug zum Sachbereich der Beihilfenkontrolle gesehen werden. Für diese Ansicht spricht auch, dass der Europäische Gerichtshof vor der Wende hin zu einer Sonderdogmatik den Verwendungszweck des Abgabenaufkommens noch für unerheblich gehalten hatte.347 Die Frage nach der Gruppenäquivalenz kann nicht anhand der nationalen parafiskalischen Abgaben in der unionsrechtlichen Prüfung entschieden werden. Das Hauptargument hierfür ist der klare Sachbereichsbezug des Europäischen Gerichtshofs. Die Rechtsprechung äußerte sich zum Kontext der gruppenäquivalenten Verwendung vorrangig im Bereich des Beihilfenrechts. Ziel der Rechtsprechung war die Unterbindung einer Diskriminierung ausländischer Warenimporte. Daher kann die spezifische Zuwendung des Europäischen Gerichtshofs zur Gruppenäquivalenz nicht verallgemeinert werden, sondern muss in diesem Sachbereichsbezug verstanden werden. Gleichwohl ist die Notwendigkeit einer Gruppenäquivalenz der unionseigenen parafiskalischen Abgaben anhand der nationalen Abgaben auch nicht ausgeschlossen, eine Entscheidung hierüber ist im Unionsrecht selbst zu suchen. e) Die Zweckbindung Korrespondierend mit der gesonderten Mittelsammlung sowie der etwaigen gruppenäquivalenten Auskehrung der Mittel ist die Zweckbindung des Aufkommens der parafiskalischen Abgabe.348 Die Zweckbindung garantiert die Distanz zur all345 Z. B. BVerfGE 37, 1 – 38 (Weinwirtschaftsabgabe); aus jüngerer Zeit BVerfGE 135, 155 – 234 (Filmabgabe); 136, 194 – 273 (Weinabgabe). 346 Vgl. Schön, EuR 2001, 216 (232 f.). 347 Siehe z. B. hinsichtlich einer Gebühr EuGH, Urteil vom 14. 12. 1972 – C-29/72 – Kommission ./. Marimex, Rn. 9. Zum historischen Verlauf ebenso Meier AWD 1974, 45 (46) m.w.N. zur Rechtsprechung. 348 Vgl. z. B. Kube, HFSt 2 (2016), 41; Bartosch, EU Beihilferecht (2. Auflage 2016), Art. 107 Abs. 1 AEUV Rn. 89.
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gemeinen Finanzierungsfunktion der Steuer, sie stellt somit ein Differenzierungskriterium zu der den allgemeinen Staatshaushalt dienenden Steuer dar.349 Stellenweise wird die Notwendigkeit einer Zweckbindung der parafiskalischen Abgabe im Unionsrecht abgelehnt.350 Für den sachbereichsbezogenen Fall des Beihilfenrechts hält der Europäische Gerichtshof die Zweckbindung des Mittelaufkommens einer parafiskalischen Abgabe für ein Merkmal der Beihilfeneigenschaft derselben.351 Der Gerichtshof bezeichnet dies hinsichtlich der nationalen parafiskalischen Abgaben als Verwendungszusammenhang von Abgabe und Beihilfe.352 Die Parafiskalität zeichnet sich durch eine Mittelsammlung außerhalb des regelmäßig in freier Entscheidungsgewalt des Parlaments stehenden Steueraufkommens aus. Die Zweckgebundenheit erscheint als logische Folge der Parafiskalität, da sonst nicht ein Nebenhaushalt, sondern ein zweiter allgemeiner Haushalt gegründet werden würde. Die in den Sonderfonds gelagerten Mittel sind per se zweckgebunden und auf die Aufgabe des jeweiligen gesonderten Rechtsträgers zugeschnitten. Parafiskalische Abgaben sind somit zweckgebundene Abgaben.353 Ob es Konsequenz der parafiskalischen Sammlung der Abgaben ist, einem besonderen Finanzierungszweck zu unterliegen, der es erst rechtfertigt, Abgaben außerhalb des regulären Haushalts zu vereinnahmen, bleibt an dieser Stelle offen.354 Jedenfalls stellen einzelne Stimmen in der Literatur auf die parafiskalische Sammlung des Aufkommens unter einem Verwendungszweck ab.355 Der Finanzierungszweck wäre besonders in dem Sinne, dass er einen vom allgemeinen Staatswirken losgelösten, sachspezifischen Verwendungszweck herstellt. Die Finanzierungsziele müssten daher außerhalb des regulären haushaltstechnischen Wirkens liegen.356 Typischerweise verfolgen die parafiskalischen Abgaben Finanzierungsoder Ausgleichsziele.357
349 Vgl. z. B. Meyer (2006), S. 63; exemplarisch für das deutsche Recht Gröpl, in: Bonner Kommentar (174. Aktualisierung September 2015), Art. 110 GG Rn. 165. 350 Korn (2015), S. 41. 351 EuGH, Urteil vom 14. 04. 2005 – C-128/03 – AEM und AEM Torino, 2. Leitsatz. Siehe hierzu auch Generalanwältin Stix-Hackl, Schlussantrag vom 28. 10. 2004 – C-128/03 – AEM und AEM Torino, Rn. 56 ff.; EuGH, Urteil vom 13. 01. 2005 – C-175/02 – Pape, Rn. 16; EuGH, Urteil vom 27. 10. 2005 – C-266/04 – Nazairdis, Rn. 40; EuGH, Urteil vom 22. 12. 2008 – C-333/07 – Kommission ./. Frankreich. 352 Z. B. EuGH, Urteil vom 22. 12. 2008 – C-333/07 – Kommission ./. Frankreich, Rn. 99. 353 Meyer (2006), S. 63; Bergfeld (2008), S. 93. 354 Siehe hierzu primär § 4 B. II. 3. 355 Freytag (2000), S. 38; Bartosch, EU Beihilferecht (2. Auflage 2016), Art. 107 Abs. 1 AEUV Rn. 89. Dabei ist jedoch der Bezug zur Beihilfeproblematik als Bezugspunkt hervorstechend, nicht die rechtliche Fundierung des Phänomens der parafiskalischen Abgaben. 356 Heselhaus (1998), S. 73. 357 Heselhaus (1998), S. 72.
B. Abgabenarten in der unionsrechtlichen Systematik
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f) Die sachkompetenzrechtliche Stützung Sonderabgaben treten im deutschen Recht als sachkompetenzrechtlich gestützte Rechtsakte auf.358 In ihrem Ausgangspunkt setzt eine solche Differenzierung voraus, dass eine mitgliedstaatliche Rechtsordnung zwischen Finanzkompetenzen und Sachkompetenzen unterscheidet. Eine solche Unterscheidung ist essenziell für föderal organisierte Staaten, um die verschiedenen Ebenen der Hoheitsgewalt abzugrenzen. Dies zeigt sich sehr gut an der deutschen Finanzverfassung, wo Bund und Ländern jeweils Sachkompetenzen und Finanzkompetenzen zukommen, die voneinander abgegrenzt werden müssen. Ohne eine solche Abgrenzung könnte die fiskalisch wirksame Inanspruchnahme von Sachkompetenzen die Finanzverfassung aushöhlen.359 Gesondert folgt auch die Ertragshoheit der Gesetzgebungskompetenz bei nichtsteuerlichen Abgaben, hingegen besteht eine solche Zwangsläufigkeit zwischen Gesetzgebungskompetenz und Ertragshoheit nicht bei finanzverfassungsrechtlich gebundenen Steuern.360 Andere Mitgliedstaaten haben – wohl auch mangels eines föderalen Aufbaus – keine substanziellen Problemstellungen hinsichtlich der Kompetenzarten bei der Einführung von parafiskalischen Abgaben. In Frankreich stellte sich die parafiskalische Abgabe als Kompetenzproblem dar, jedoch als ein solches zwischen Exekutive (die per Dekret parafiskalische Abgaben erlassen kann) und Legislative (die für die Steuern berufen ist).361 Zwischenzeitlich wurde auch der Legislative das parafiskalische Abgabeninstrument zugesprochen.362 Die parafiskalische Abgabe ist hier also ein Problem der Gewaltenteilung auf horizontaler Ebene.363 Durch den spezifischen momentanen Aufbau der Union lässt sich dieser Gewaltenteilungskonflikt jedoch nicht als Problem des Unionsrechts ausmachen. Wie sich im weiteren Verlauf der Untersuchung noch herausstellen wird, sind alle parafiskalischen Abgaben im Unionsrecht einer unionalen „Sachkompetenz“ zuzuordnen.364 An dieser Stelle der Untersuchung der nationalen parafiskalischen Abgabe ist allerdings hinsichtlich deren kompetenzrechtlicher Stützung Vorsicht geboten. Die innerstaatliche kompetenzrechtliche Stützung einer nationalen parafiskalischen Abgabe entfaltet, soweit ersichtlich, keine Relevanz für die unterschiedlichen Prü358
Vgl. z. B. BVerfGE 8, 274 (317); 29, 402 (409); 67, 256 (274); 135, 155 (206); aus der Literatur Kube, in: BeckOK Grundgesetz, Epping/Hillgruber (38. Edition 2018) m.w.N. zur Rechtsprechung; Kube (2004), S. 350; Stettner, DVBl 1981, 375 (376 f.); Seer, in: Tipke/Lang (Hrsg.), Steuerrecht (23. Auflage 2018), § 2 Rn. 25. 359 Vgl. nur Seiler, in: Maunz/Dürig (82. EL Januar 2018), Art. 105 GG Rn. 116 ff. 360 BVerfG, Beschluss vom 13. 04. 2017 – 4 K 270/11, Rn. 63, 83 m.w.N. 361 Hertzog, in: Tiepelmann/van der Beek (1992), S. 118; Heselhaus (1998), S. 69; Bohlken (1999), S. 246; Götz, in: FS Friauf 1996, 37 (39 f.); Kreibohm (2004), S. 34 m.w.N. zur französischen Literatur. 362 Götz, in: FS Friauf 1996, 37 (39 f.) m.w.N. zur Rechtsprechung und Rechtslage. 363 Hertzog, in: Tiepelmann/van der Beek (1992), S. 118. 364 Zur Unterscheidung beider Kompetenzarten siehe § 4 A. I. 5.
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§ 2 Der Stand der Finanzformenlehre im Unionsrecht
fungsmaßstäbe des Unionsrechts. Ob die nationale Rechtsordnung entsprechend dem deutschen Verfassungsrecht zwischen Sachkompetenzen und Fiskalkompetenzen unterscheidet, ist für die nationale parafiskalische Abgabe ohne Belang. Aus der reinen Anerkennung einer sachkompetenzrechtlich gestützten Abgabe als parafiskalische Abgabe durch den Europäischen Gerichtshof lässt sich keine kompetenzrechtliche Billigung ableiten. g) Zusammenfassung Fasst man die Untersuchung der nationalen Abgaben in der unionsrechtlichen Prüfung zusammen, so zeigen sich Differenzen in der unionsrechtlichen Typisierung der nationalen Abgaben. Einerseits steht die Erkenntnis, dass sich unionseigene Abgabentypen in ihren Definitionsmerkmalen anhand der nationalen Abgaben in der Rechtsprechung des Unionsrechts herausarbeiten lassen. Die Terminologie des Europäischen Gerichtshofs ist zwar nicht gänzlich konsequent, deutet aber gewisse Definitionskriterien der parafiskalischen Abgaben schon bei Prüfung der nationalen Abgaben an. Andererseits muss konstatiert werden, dass die nationalen Abgaben sich nicht für die Ausarbeitung der Zulässigkeitsmerkmale eignen. Es ist nicht ersichtlich, dass sich beispielsweise die komplexe Frage nach der Gruppenäquivalenz unionseigener parafiskalischer Abgaben anhand der Rechtsprechung zu den nationalen Abgaben beantworten lässt. Diese kann nur anhand einer Analyse der Rechtsprechung zu den unionseigenen parafiskalischen Abgaben selbst erfolgen, sowie eines Einbezugs der primärrechtlichen Anforderungen an die Abgabenerhebung. Zusammengefasst erkennt die Europäische Rechtsprechung als parafiskalische Abgaben mithin nationale Abgaben an, - deren Mittelaufkommen nicht in den jeweiligen allgemeinen Haushalt fließen, - deren Mittelaufkommen einer Form der Mittelbindung unterliegen und - die jedenfalls nicht von einer Individualäquivalenz geprägt sind.
V. Die Definition der unionseigenen parafiskalischen Abgabe Die Rechtsprechungsanalyse der nationalen Abgaben im Unionsrecht hat einige Leitlinien des Begriffes der unionseigenen parafiskalischen Abgaben erkennen lassen. Die Suche nach dem konsolidierten Begriff der parafiskalischen Abgabe anhand der Abgaben der Europäischen Union ist durch ihr rares Auftreten beschränkt. Nähert man sich der unionseigenen parafiskalischen Abgabe mittels der Separierung einzelner Merkmale, so ist ihrer eigenen sprachlichen Bezeichnung folgend der Begriff der Parafiskalität der Eckpfeiler ihrer Dogmatik. Die Natur der Parafiskalität, im Schatten des regulären Haushaltsrechts zu operieren, bringt die spe-
B. Abgabenarten in der unionsrechtlichen Systematik
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zifische Schwierigkeit des Abgrenzens der Definitions- von Zulässigkeitsmerkmalen zutage. Die Zulässigkeitsfragen werden in der späteren Untersuchung erst zum materiellen Hauptteil gemacht: Die organisations- und grundrechtlich notwendige Ausgestaltung einer parafiskalischen Abgabe wird in der Maßstabslehre begründet werden. 1. Parafiskalität im Kontext des Europäischen Haushaltsrechts Die Parafiskalität einer Abgabe erscheint im nationalen Kontext regelmäßig leicht erkennbar. Jedenfalls ist im deutschen Verfassungsrecht die fehlende Bestimmbarkeit keine bekannte Problemstellung. Fraglich erscheint aber, was es auf Ebene des Unionsrechts bedeutet, außerhalb des Haushalts zu stehen. Ein hierfür notwendiger Gesamthaushaltsplan besteht erst seit 1968 auf europäischer Ebene.365 Allein aus der Feststellung parafiskalischer Aktivitäten der Europäischen Union lässt sich nicht auf die Existenz einer diesbezüglichen unionseigenen Abgabenkategorie schließen.366 Das Merkmal der Parafiskalität muss sich als prägend für einen Abgabentyp erst beweisen. Wie herauszuarbeiten ist, hängt die Existenz einer parafiskalischen Abgabe nicht nur von der parafiskalischen Mittelansammlung, sondern auch von der Speisung dieser Mittelansammlung durch Abgaben von spezifischer Natur gegenüber Privaten ab. Die Parafiskalität ist notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung des Vorliegens einer parafiskalischen Abgabe. Analysiert man zunächst die faktische Ausgangslage anhand der Rechtsprechung, so werden und wurden unionseigene Abgaben unterschiedlich durch das unionale Haushaltsrecht behandelt. Insbesondere die agrarwirtschaftlichen Abgaben unterscheiden sich von den eingeführten wie intendierten Abgaben der Bankenunion. Zur Einführung ist hierfür ein begrenzter367 wie spezifischer Blick auf die Einnahmenseite des EU-Haushalts erforderlich, um die Einordnung der Abgaben zu leisten. a) Der EU-Haushalt und das Duopol der Einnahmen Die Union finanziert sich aus Eigenmitteln unbeschadet der sonstigen Einnahmen, Art. 311 Abs. 2 AEUV. Als in den Haushalt eingestellte Abgaben stellen Abgaben somit entweder Eigenmittel oder sonstige Einnahmen dar. Eigenmittel und sonstige Einnahmen sind stets vom Haushalt erfasst, weshalb solche Abgaben nicht als parafiskalisch einzustufen sind. Die Definitionen der Eigenmittel sowie der sonstigen Einnahmen sind vor dem Hintergrund einer nicht gegebenen vollständigen dogmatischen Konsolidierung zu betrachten.368 365
Häde (1996), S. 415 m.w.N. A.A. Bergfeld (2008), S. 95. 367 Das Eigenmittelsystem wird insbesondere unter § 4 A. II. 2. näher ausgeführt. 368 Vgl. Future Financing of the EU, Final report and recommendations of the High Level Group on Own Resources, December 2016 (sog. Monti report), S. 22. 366
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Der Eigenmittelbeschluss führt zu einem allgemeinen Zuführen einer definierten Eigenmittelquelle zum Unionshaushalt. Durch den Eigenmittelbeschluss als Rechtsakt369 sind auch ihm unterfallende Abgaben als Eigenmittel zu qualifizieren. Wesensmerkmal der Eigenmittel ist in Abgrenzung zu den früheren Finanzbeiträgen die gelockerte Kontrolle der Mitgliedstaaten über ihre rechtliche Entstehung.370 Eigenmittel fallen im Grundsatz der Union ohne weiteres Zutun der Mitgliedstaaten zu.371 Die sonstigen Einnahmen fließen dem Haushalt zu, ohne von einem Eigenmittelbeschluss umfasst zu sein. Praktisch umfasst sind die Steuer auf die Bediensteten der Union, Verwaltungseinnahmen, Anleihen, Beiträge von Nicht-EU Staaten zu gemeinsamen Programmen sowie Geldbußen und ähnliches.372 Die sonstigen Einnahmen repräsentieren somit nur einen Bruchteil des Haushaltsaufkommens der Union. Abstrahiert man diese Einzelbeispiele, so stellen sonstige Einnahmen Mittel dar, die in den Haushalt der Europäischen Union fließen, ohne in einem Eigenmittelbeschluss integriert zu sein.373 Ihrem Wesen nach dürfen sie nicht primär dem Haushaltsausgleich dienen, da sonst ein Eigenmittelbeschluss primärrechtlich erforderlich wäre.374 Des Weiteren spricht der Wortlaut des Art. 311 Abs. 2 AEUV, wonach der Haushalt unbeschadet der sonstigen Einnahmen vollständig aus Eigenmitteln finanziert wird, für eine Zentralstellung der Eigenmittel für den Unionshaushalt.375 Dieses Primat der Eigenmittelfinanzierung376 darf im Ergebnis nicht durch sonstige Einnahmen unterlaufen werden. Sonstige Einnahmen fließen mithin der Union aus ihrem allgemeinen Handeln zu, dürfen aber keine fiskalische Dimension aufweisen. Beiden Einnahmearten ist somit gemein, dass sie in den allgemeinen Haushalt der Union fließen. Dies wirft die Frage auf, wann von einer Vereinnahmung im Haushalt der Europäischen Union zu sprechen ist. Dies ist entgegen ihrem ersten Anschein keine unterkomplexe Fragestellung. Im Ausgangspunkt sind speziell Abgaben 369
Siehe Art. 311 Abs. 3 AEUV. Birk, in: Birk (Hrsg.), Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts, § 5 Rn. 32. 371 Häde, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GCH/AEUV (1. Auflage 2017), Art. 311 AEUV Rn. 18; Griese, EuR 2007, 462 (463). 372 Vgl. z. B. Häde, in: Härtel (Hrsg.), Handbuch Föderalismus § 90 Rn. 19; Birk, in: Birk (Hrsg.), Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts, § 5 Rn. 45. 373 Häde, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GCH/AEUV (1. Auflage 2017), Art. 311 AEUV Rn. 81; Shirvani, UPR 2013, 17 (21). 374 Häde, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GCH/AEUV (1. Auflage 2017), Art. 311 AEUV Rn. 81; Häde, (1996), S. 458 ff.; Kloepfer, Finanzverfassungsrecht (2014), § 16 Rn. 21; Bieber, EuR 1978, 363 (370 f.). 375 Häde (1996), S. 460. 376 Häde, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GCH/AEUV (1. Auflage 2017), Art. 311 AEUV Rn. 81 spricht von einem „Vorrang der Eigenmittelfinanzierung“; Häde (1996), S. 460; der normative Gehalt dieses Ausspruchs wird unter § 4 A. II. 2. geprüft. 370
B. Abgabenarten in der unionsrechtlichen Systematik
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sonstige Einnahmen, sofern sie nicht dem Eigenmittelbeschluss unterfallen, aber überhaupt im Haushaltsbeschluss gelistet werden. In rechtstatsächlicher Hinsicht erfassten die sonstigen Einnahmen aber auch die Mitverantwortungsabgaben (dazu sogleich) sowie die artverwandten Währungsausgleichsbeiträge.377 Die Mitverantwortungsabgaben wurden nie vom Europäischen Gerichtshof selbst als parafiskalisch bezeichnet, wohl aber von Teilen der Literatur.378 Es muss daher geklärt werden, ob solche Abgaben entsprechend der Literaturmeinung als parafiskalisch einzustufen sind. b) Die Behandlung der ehemaligen agrarwirtschaftlichen (Mitverantwortungs-)Abgaben in ihrer Haushaltskonsequenz Als Vorwort zu den Abgaben im Agrarsektor ist zunächst festzuhalten, dass diese Abgaben nicht einheitlich haushaltsrechtlich behandelt wurden und werden. Sie widmen sich zudem unterschiedlichen Zielen und haben unterschiedliche Funktionsweisen. Hinsichtlich der Zuckerabgabe besteht jeweils ein Eigenmittelbeschluss.379 Sie dient als traditionelles Eigenmittel der allgemeinen Haushaltsfinanzierung. Ihre Mittel werden folglich nur indirekt in den Agrarsektor wieder ausgekehrt. Milch380- und Getreideabgaben381 hingegen wurden als Negativausgaben in den Haushalt gestellt.382 Diese Mitverantwortungsabgaben383 beteiligten Erzeuger an den Kosten von Übermengen,384 sie dienten als Interventionsinstrumente. Eine di377 Häde (1996), S. 458; Hidien, in: Bonner Kommentar Art. 106 GG (Lfg. Dezember 2002), Rn. 1496; Vogel/Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG (Lfg. November 1997), Vorbem. z. Art. 104a – 115, Rn. 652; die Währungsausgleichsbeiträge werden inzwischen ebenfalls nicht mehr erhoben. 378 Von einem „parafiskalischen Marktsteuerungsinstrument“ spricht Priebe, in: FS Zeidler 1987, 1729 (1733). 379 Eigenmittel sind zudem die drittlandsbezogenen Agrarmarktabgaben, s. Hidien, in: Bonner Kommentar Art. 106 GG (Lfg. Dezember 2002), Rn. 1495. 380 1977 eingeführte Mitverantwortungsabgabe Milch, Verordnung (EWG) 1079/77. Aufgehoben im Jahr 1993 durch die Verordnung (EWG) Nr. 1029/93; siehe zur Regulierung des Milchsektors Barnstedt, AgrarR 1985, 93 – 99. 381 Im Jahre 1986 eingeführte Mitverantwortungsabgabe im Getreidesektor, basierend auf Verordnung (EWG) 2727/75. Die Getreideabgabe ist 1992 wieder ausgelaufen, siehe Bergfeld (2008), S. 56 m.w.N. 382 Häde, Finanzausgleich (1996), S. 451; Meermagen (2002), S. 200 f. zur genauen Verbuchungstechnik im Rahmen des Europäischen Ausgleichs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft; Messal (1991), S. 57; Mögele (1997), S. 30 m.w.N. 383 Die sog. Mitverantwortungsabgaben waren in wirtschaftlicher Hinsicht eher eine Subventionskürzung denn eine Abgabe. Die Landwirte verkauften dabei die Milch an die Molkereien, die wiederum die Endprodukte zu einem Garantiepreis abgenommen bekommen haben. Die Mitverantwortungsabgabe kürzte dabei lediglich den von der Molkerei an die Landwirte bezahlten Preis. Siehe hierzu Börner, KSE 35 (1987), 6 m.w.N. 384 Priebe, in: FS Zeidler 1987, 1729 (1733). Dies gilt jedenfalls für die Mitverantwortungsabgabe Milch. Die Mitverantwortungsabgaben dienen also dem finanziellen Ausgleich sowie Lenkungszwecken; siehe auch F. Kirchhof, Grundriß des Abgabenrechts, S. 109; einen
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rekte Verwendung des Abgabenaufkommens für die flankierend vorgesehenen Maßnahmen war nicht vorgesehen.385 Die Mitverantwortungsabgaben erfüllten aufgrund ihrer Finanzierung durch den Wirtschaftssektor und Bindung des Mittelaufkommens an den belasteten Wirtschaftssektor wesentliche Merkmale der unionseigenen parafiskalischen Abgaben.386 Durch das Einstellen als negative Ausgaben in den Haushalt wurden diese Abgaben mit agrarwirtschaftlichen Ausgaben saldiert, was zu einer mittelbindungsähnlichen Behandlung führte.387 Die Agrarabgaben liefen durch diese Saldierung faktisch in abgetrennten Haushaltskreislaufen.388 Dies wirft die Frage auf, ob Abgaben als parafiskalisch anzusehen sind, wenn sie als negative Ausgaben in den Haushalt gestellt werden. Gegen diese Separierung als Begründung einer Parafiskalität oder parafiskalitätsähnlichen Stellung könnte man vertreten, dass gewissermaßen parallel zur im deutschen Finanzverfassungsrecht nun verlangten Dokumentationspflicht der Sonderabgaben389 ein solches Einstellen als negative Ausgabe nicht genügt. In der Folge wären nur als Einnahmen verbuchte Abgaben als fiskalisches Aufkommen zu werten.390 Andere Stimmen werten die Mitverantwortungsabgaben als in den Haushalt aufgenommene Abgaben und damit nicht als parafiskalisch.391 Es ist zu bedenken, dass das Einstellen als negative Ausgabe in den Haushalt die Abgabe unmittelbar wie vollständig haushaltswirksam macht. Die Mitverantwortungsabgaben sind integrativer Teil des Haushalts. Letztlich kann die reine Verbuchungstechnik diese Abgaben nicht außerhalb des Haushalts stellen. Die Mitverantwortungsabgaben sind aufgrund ihrer Stellung im Haushalt in ihrer formalen Rechtsnatur nicht als parafiskalisch einzustufen.392 Inzwischen wurde die Zahl der Agrarabgaben drastisch reduziert und die Verbliebenen in ihrer Wirkungsweise in die Nähe faktischer Produktionsverbote gerückt.393 Der ehemalige sanfte Lenkungszweck dieser Abgaben wird nicht mehr erreicht und ist auch nicht mehr intendiert.394 Im Übrigen wird in der Literatur
Überblick über das Geflecht an agrarwirtschaftlichen Interventionsinstrumenten dieser Zeit bietet Börner, KSE 10 (1969), 1 – 55. 385 Priebe, in: FS Zeidler 1987, 1729 (1734). 386 Siehe hierzu sogleich § 2 B. V. 2. 387 Bergfeld (2008), S. 101. 388 F. Kirchhof, DFGT 8/9 (2011/2012), 23 (25). 389 BVerfGE 108, 186 (218), wonach die Sonderabgaben zumindest im Anhang des Haushaltsplans zu dokumentieren sind; vgl. Selmer, in, FS Mußgnug 2005, 217 (226). 390 Bleckmann/Hölscheidt, DÖV 1990, 853 (856) sprachen den Mitverantwortungsabgaben beispielsweise die Einstellung in den Haushalt ab. 391 Z. B. Lienemeyer, EuR 1998, 478 (492). 392 Bergfeld (2008), S. 102. 393 Bergfeld (2008), S. 57 m.w.N. 394 Bergfeld (2008), S. 57.
B. Abgabenarten in der unionsrechtlichen Systematik
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diskutiert, ob die Mitverantwortungsabgaben sonstige Einnahmen der damaligen Gemeinschaft darstellen.395 c) Das Agenturenwesen der Europäischen Union in seiner Haushaltskonsequenz In anderen Sektoren treten Abgaben gleichfalls in unterschiedlichen haushaltsrechtlichen Facetten auf. Hinsichtlich des Finanzsektors wird die später beleuchtete SRM-Abgabe nicht in den Haushalt gestellt.396 Die im Single Resolution Fund (SRF) gesammelte Abgabe steht unter Kontrolle des Single Resolution Board (SRB).397 Das SRB ist eine unabhängige Agentur der Europäischen Union mit eigener Rechtspersönlichkeit.398 Die Unabhängigkeit zeigt sich hervorgehoben in seiner Verpflichtung zum Handeln im Allgemeininteresse, Art. 47 Abs. I SRM-VO. Im Gesamthaushaltsplan 2017 taucht das SRB nur im Kontext der Abgabenerhebung von seinen Mitarbeitern auf.399 Auch die Abgabe des geplanten Einlagensicherungsfonds wird vermutlich nicht in den allgemeinen Haushalt eingestellt werden,400 parallel zu der Behandlung der SRM-Abgabe. Anhand des Beispiels der Bankenunion ist damit die Frage nach der parafiskalischen Struktur des Agenturenwesen der Europäischen Union aufgeworfen. Das Fortschreiten der Europäischen Union hatte fast im Gleichschritt den Zuwachs an Agenturen zur Folge.401 Das Agenturenwesen der Union überspannt zum heutigen Tage den Europäischen Verwaltungsapparat.402 Die Agenturen sind ein wichtiger Grund für die gewachsene Komplexität der Europäischen Finanzstruktu395
Ablehnend Messal (1991), S. 57; bejahend einer „übereinstimmenden Ansicht“ folgend Bergfeld (2008), S. 101; Birk, in: Birk (Hrsg.), Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts, § 5 Rn. 45. 396 So auch die Analyse Deutscher Bundestag, Drucksache 18/1340, S. 10. Die Autoren beleuchten folgerichtig hierzu die Eigentumsstellung und Verwaltungshoheit des Ausschusses (Art. 64 Abs. 3, 70 Abs. 1 SRM-Verordnung) sowie die strikte Mittelbindung des Aufkommens (Art. 62 Abs. IV, 64 II S. 1 und Art. 71 SRM-Verordnung). Letzteres allein dürfte jedoch vor dem Hintergrund der folgend beleuchteten Rechtsprechung nicht ausschlaggebend für dessen Qualifizierung sein. 397 Siehe hierzu unter § 3 C. 398 Art. 42 Abs. 1 SRM-Verordnung garantiert dem SRB die eigene Rechtspersönlichkeit, Art. 47 SRM-Verordnung die Unabhängigkeit. 399 Vgl. Endgültiger Erlass (EU, Euratom) 2017/292 des Gesamthaushaltsplans der Europäischen Union für das Haushaltsjahr 2017, Amtsblatt der Europäischen Union, L 51 vom 28. 02. 2017. 400 Siehe hierzu unter § 3 D. III. 401 Zu diesem Prozess der Agencification Chiti, in: Schütze/Tridimas, Oxford Principles of European Union Law, The European Union Legal Order, Volume I (1. Auflage 2018), 748 (749 ff.); Egeberg/Trondal, JCMS 55 (2017), 675 (675); vgl. Skowron, EuR 2014, 250 (250). 402 Egeberg/Trondal, JCMS 55 (2017), 675 (675); Skowron, EuR 2014, 250 (250); Görisch, Jura 2012, 42 (42).
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§ 2 Der Stand der Finanzformenlehre im Unionsrecht
ren.403 Die spezifischen Fragestellungen404 und Probleme dieser Organisationsform sind für die hiesige Untersuchung allerdings weithin ohne Belang. Für das Erschließen der parafiskalischen Abgabe sind die Agenturen jedoch hinsichtlich ihrer Finanzstrukturen von Bedeutung. Die Finanzstrukturen der Agenturen sind hierbei nicht einheitlich.405 Die fehlende Einheitlichkeit ist zum einen fundiert in der unterschiedlichen Finanzierungsweise der Gesamtoperation. Zum anderen werden Abgaben unterschiedlichen Rechtstyps erhoben. Die Agenturen erheben regelmäßig unmittelbar Abgaben von privaten Stellen. Dies sind Abgaben, die auf Unionsrecht beruhen und häufig selbst durch Europäische Verwaltungseinheiten erhoben werden. Solche Abgaben sind vollumfänglich dem Unionsrecht zuzuordnen und damit „unionseigen“. Die meisten Agenturen werden direkt aus dem Unionshaushalt finanziert.406 Dies bedeutet, dass sämtliche Ausgaben durch zugewiesene Haushaltsmittel bestritten werden. Die Mehrheit der Agenturen hat damit keine parafiskalische Finanzierungsstruktur. Es ist daher festzuhalten, dass es kein Wesensmerkmal einer Agentur im Unionsrecht ist, über eine parafiskalische Finanzierungsstruktur zu verfügen. Es bestehen allerdings noch zwei weitere Gruppen von Agenturen, die nicht ausschließlich oder überhaupt nicht von der Union finanziert werden. Die Kommission unterscheidet407 hierbei zwischen mischförmig finanzierten Agenturen (d. h. teils bestehen Zuwendungen aus dem allgemeinen Haushalt, teils besteht eine Finanzierung in Form eigener Abgabenerhebung) und vollständig selbstfinanzierten Agenturen (d. h. ausschließliche Finanzierung durch eigene Abgabenerhebung im jeweiligen Sektor und artverwandte Zuwendungen, die nicht dem Haushalt zuzurechnen sind). Mischfinanzierte Agenturen treten einerseits als Agenturen auf, die teilweise von der Europäischen Union sowie teilweise durch Gebührenerhebung finanziert werden. Zu diesen mischfinanzierten Agenturen gehört zum Beispiel die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA)408, die explizit im Haushalt gelistet ist.409 Andererseits besteht eine weitere Variation dieser Mischfinanzierung in Form der partiellen Fi403
Crowe, EuConst 13 (2017), 428 (448). Vgl. z. B. Egeberg/Trondal, JCMS 55 (2017), 675 (675 ff.). 405 Crowe, EuConst 13 (2017), 428 (448). 406 So die Einschätzung der Europäischen Kommission, Draft General Budget of the European Union for the Financial Year 2018, Working Document Part III: Bodies set up by the European Union having legal personality and Public private partnership – COM(2017) 400 – June 2017, S. 9; Crowe, EuConst 13 (2017), 428 (448); Egeberg/Trondal, JCMS 55 (2017), 675 (675). 407 Siehe hierzu Europäische Kommission, Draft General Budget of the European Union for the Financial Year 2018, Working Document Part III: Bodies set up by the European Union having legal personality and Public private partnership – COM(2017) 400 – June 2017, S. 9. 408 Gegründet mit der Verordnung (EG) Nr. 2309/93 vom 22. Juli 1993. 409 Die Europäische Arzneimittelagentur ist im Gesamthaushaltsplan 2017 (vgl. Fn. 404) unter Gliederungspunkt 17 03 12 auf Seite L51/1194 gelistet. 404
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nanzierung durch die Europäische Union wie auch durch die zugrundeliegende nationale Behörde, beispielsweise bei der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA)410 oder die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA)411. Sowohl die EBA als auch die EIOPA sind im Haushalt gelistet.412 Beide entstanden im Zuge der Reaktion auf die Finanzkrise (ab 2007).413 Selbstfinanziert sind neben dem SRB das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO)414, das Gemeinschaftliche Sortenamt (CPVO)415 sowie das Übersetzungszentrum für die Einrichtungen der Europäischen Union (CdT)416. Alle vorgenannten Ämter und Zentren werden ebenfalls nur im Rahmen der europäischen Abgaben ihrer Bediensteten im Gesamthaushaltsplan genannt.417 Das Übersetzungszentrum besitzt eigene Rechtspersönlichkeit (Art. 3 Abs. 1 VO EG 2965/94), weite administrative Unabhängigkeit (Art. 4 ff. VO EG 2965/94) und finanziert sich durch Zahlungen für erbrachte Dienstleistungen von den Europäischen Organen (Art. 10 Abs. 2 VO EG 2965/94). Mangels relevanten Außenkontaktes ist es für die hiesige Untersuchung nicht relevant. Das EUIPO verfügt nach den Art. 171 ff. Abs. 1 der Verordnung (EU) 2017/1001 über einen eigenen Haushalt. Nach Erwägungsgrund 37 dieser Verordnung dient der eigene Haushalt der Gewährleistung völliger Selbständigkeit und Unabhängigkeit des Amtes. Erwägungsgrund Nr. 39 der Verordnung folgend richtet sich die Gebührenhöhe unter anderem nach dem Ausgabenaufwand des Amtes. Nach Art. 179 Abs. 1 Verordnung (EU) 2017/1001 sind 410
Rechtsgrundlage: Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 vom 24. November 2010. Rechtsgrundlage: Verordnung (EU) Nr. 1094/2010 vom 24. November 2010. 412 Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde ist im Gesamthaushaltsplan 2017 (vgl. Fn. 404) unter Gliederungspunkt 12 02 04 auf Seite L51/1000 gelistet. Die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung ist unter Gliederungspunkt 12 02 05 gelistet. Aufschlussreich ist, dass hinsichtlich der EBA explizit deren Personal-,Verwaltungs- sowie die operativen Kosten als Ausgabe des EU-Haushalts bezeichnet werden. Dies zeigt den umfassenden Mittelfinanzierungsansatz hinsichtlich dieser Agentur. 413 Calliess/Schoenfleisch, JZ 2015, 113 (113); Simoncini, YEL 34 (2015), 319 (320). 414 In seiner Ursprungsform eingeführt mit Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke. Aktuell gültig ist die Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke. 415 Basierend auf der Verordnung (EG) Nr. 2100/94 des Rates vom 27. Juli 1994 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz. 416 Verordnung (EG) Nr. 2965/94 des Rates vom 28. November 1994 zur Errichtung eines Übersetzungszentrums für die Einrichtungen der Europäischen Union, zuletzt geändert durch Verordnung (EG) Nr. 1645/2003 des Rates vom 18. Juni 2003 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2965/94 zur Errichtung eines Übersetzungszentrums für die Einrichtungen der Europäischen Union. 417 Vgl. Endgültiger Erlass (EU, Euratom) 2017/292 des Gesamthaushaltsplans der Europäischen Union für das Haushaltsjahr 2017, Amtsblatt der Europäischen Union, L 51 vom 28. 02. 2017. 411
82
§ 2 Der Stand der Finanzformenlehre im Unionsrecht
diese Gebühren unmittelbar an das Amt zu entrichten, sie stellen also keinen durchlaufenden Posten im Unionshaushalt dar. Auch das Gemeinschaftliche Sortenamt finanziert sich über Gebühren, Art. 83 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 2100/94. Trotz der Gebührenfixierung dieser Einrichtung besteht nicht zwangsläufig eine gleichartige Finanzierung dieser selbstfinanzierten Agenturen. Gerade beim SRB im Rahmen des SRM wird sich in der näheren Analyse ein Nebeneinander von Gebührenerhebung und parafiskalischen Abgaben im engeren Sinne zeigen.418 Entscheidend für das Agenturenwesen in seiner Haushaltswirklichkeit ist nun, dass selbstfinanzierte Agenturen nicht im EU-Haushalt erscheinen, abgesehen von den Abgabenbelastungen ihrer Bediensteten. Ein wiederkehrendes Motiv der parafiskalischen Strukturierung dieser Verwaltungseinheiten ist die Gewährleistung einer weitmöglichst unabhängigen Mandatsausübung.419 Die Untersuchung der Agenturen in ihrer Haushaltswirklichkeit liefert allerdings noch zwei weitere wertvolle Erkenntnisse. Erstens ist es eine unbestreitbare Tatsache, dass die Europäische Union Gebühren erhebt, die parafiskalisch sind. Diese individualäquivalenten Abgaben unterscheiden sich strikt von dem Abgabentyp, auf den der Begriff der „parafiskalischen Abgabe“ im deutschen Sprachgebrauch gemünzt wurde. Auf die Konsequenzen dieser Unterscheidung im Bereich der parafiskalischen Strukturen der Union wird noch einzugehen sein.420 Zweitens lässt sich eine Beobachtung machen, die für den Streit um das Wesen der parafiskalischen Abgabe hinsichtlich ihres Äquivalenzverhältnisses von Bedeutung sein könnte. Durch das Auftreten parafiskalischer Abgabenstrukturen im Rahmen der einzelnen Agenturen sind die Abgabenschuldner regelmäßig einzelnen Branchen oder spezifischen Interessenslagen (z. B. Patentanmeldung) ausgesetzt, die sie von der Allgemeinheit abheben. Diese spezifischen wirtschaftlichen Interessenslagen können allerdings branchenübergreifend auftreten. Interessant ist daher, dass in dieser Konstellation – soweit ersichtlich – rein faktisch ausschließlich individualäquivalente Abgaben, speziell Gebühren, zum Einsatz kommen. Nur bei rein auf abgeschlossene Wirtschaftssektoren bezogene Abgaben, wie beispielsweise im Rahmen der Bankenunion, zeigen sich gruppenäquivalente Abgabenformen. d) Die materielle Betrachtungsweise: Die Parafiskalität im Spannungsfeld des Grundsatzes der Vollständigkeit des Haushalts Diese unterschiedliche Vereinnahmung der Abgaben wirft Fragen nach deren Zulässigkeit und Stellung in der Europäischen Finanzordnung auf. Nach Art. 310 Abs. 1 UAbs. 1 AEUV sind alle Einnahmen und Ausgaben der Union in den
418
Siehe § 3 C. V. Für die Zentralstellung der Unabhängigkeit der Agenturen, vgl. Scholten/van Rijsbergen, German Law Journal 15 (2014), 1223 (1228). 420 Siehe hierzu unter § 2 B. V. 9. 419
B. Abgabenarten in der unionsrechtlichen Systematik
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Haushaltsplan zu stellen. Es gilt wie im nationalen Recht der primärrechtliche421 Grundsatz der Haushaltsvollständigkeit.422 Gerade die für die parafiskalischen Abgaben typischen Sonderfonds sind grundsätzlich einzustellen.423 Es gab bereits historisch finanzwirksame europäische Aktivitäten außerhalb des regulären Haushalts.424 Die normative Kraft des Grundsatzes wird später beleuchtet werden.425 An dieser Stelle ist nur festzuhalten, dass der Vollständigkeitsgrundsatz keinen ersichtlichen Einfluss auf die Definition der parafiskalischen Abgabe entwickelt hat. e) Der Begriff der Parafiskalität im Unionsrecht Herausgearbeitet wurden somit die wesentlichen Merkmale der Parafiskalität im Europäischen Finanzrecht. Wie festgestellt, werden einige der in Frage stehenden Abgaben durchaus haushaltsrechtlich eingestellt, sie sind somit nicht parafiskalisch. Eine unionseigene Abgabe ist im Ergebnis parafiskalisch, wenn für sie weder ein Eigenmittelbeschluss getroffen wurde noch eine Zuweisung zum Haushalt als sonstige Einnahme erfolgt, sie auf Unionsrecht basiert und in einer Weise gesammelt wird, dass sie mittelbar oder unmittelbar unter Kontrolle der Europäischen Union als Rechtspersönlichkeit steht. 2. Mittelbindung Die Mittelbindung steht in einer engen Konnexität zur Parafiskalität und bedeutet im Kontext der parafiskalischen Abgaben, dass die aufgekommenen Mittel nur für den vor Abgabenerhebung bestimmten Zweck verwandt werden dürfen. Eine ungebundene parafiskalische Abgabe könnte theoretisch für sonstige Aufgaben des allgemeinen Haushalts genutzt werden. Damit würde die Abgabe aber der allgemeinen Finanzierung des Haushalts dienen und somit mindestens steuerähnlich sein. Die Notwendigkeit einer Mittelbindung parafiskalischer Abgaben lässt sich anhand des Urteils Agrana Zucker426 darstellen. Dies wird im Detail beleuchtet.427 Festzu421 Niedobitek, in: Streinz, EUV/AEUV (3. Auflage 2018) Art. 310 Rn. 40 ff. hält als – soweit ersichtlich – einzige Stimme den Vollständigkeitsgrundsatz für nur sekundärrechtlich (in der Haushaltsordnung) verankert. Für eine primärrechtliche Verankerung spricht aber schon der Wortlaut; vgl. nur Strohmeier, DÖV 1993, 217 (218). 422 Waldhoff, in: Calliess/Ruffert EUV/AEUV (5. Auflage 2016) Art. 310 AEUV Rn. 22; Magiera, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union (63. EL Dezember 2017) Art. 310 AEUV Rn. 27. 423 Kloepfer, Finanzverfassungsrecht (2014), § 16 Rn. 36; die Sonderfonds, aus dem Bereich des Agrar-, Regional- und Sozialbereich, sind auch durchaus im Haushalt ausgewiesen, s. Reister (1975), S. 126. 424 Siehe Reister (1975), S. 153 ff. für eine Übersicht. 425 Siehe hierzu § 4 A. II. 3. und 4. 426 EuGH, Urteil vom 28. 07. 2011 – C-309/10 – Agrana Zucker. 427 Siehe hierzu § 4 A. I. 6. c).
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§ 2 Der Stand der Finanzformenlehre im Unionsrecht
halten ist wie auch bei der Untersuchung der nationalen Abgaben, dass die Mittelbindung konstitutives Merkmal der parafiskalischen Abgabe ist.428 Weiterhin zeigt sich die Mittelbindung als Konsequenz der sachkompetenzrechtlichen Stützung der Abgabe. Die Mittelbindung stellt die gezielte Verwendung des Aufkommens im Rahmen eines bestimmten Politikbereiches sicher. Die sachkompetenzrechtliche Stützung wiederum gibt der Europäischen Union erst die Ertragshoheit an den mittelgebundenen Abgaben.429 3. Sachkompetenzrechtliche Stützung Die haushaltsfremde Verwahrung des Vermögens unter besonderer Zweckbindung ist Ursache des Stützens der parafiskalischen Abgabe auf eine Sachkompetenz. Durch das stringente Verfolgen eines Sachzwecks, in dessen Rahmen zudem die Mittelbindung stattfindet, entzieht sich die parafiskalische Abgabe der Notwendigkeit eines Eigenmittelbeschlusses unter Art. 311 AEUV. Dadurch ist zugleich vorgegeben, dass die parafiskalische Abgabe nicht der allgemeinen Haushaltsfinanzierung dient und daher nicht auf eine Kompetenz fiskalischer Natur gestützt werden kann oder muss.430 Die genaue normative Reichweite der Kompetenzlehre im Unionsrecht, insbesondere der Abgrenzung von Finanz- und Sachkompetenzen, wird später eingehend beleuchtet.431 Aufgrund ihrer Stützung auf die Kompetenzgrundlagen einzelner Wirtschaftssektoren werden parafiskalische Abgabe daher auch als „Sachbereichsabgaben“ bezeichnet.432 Bevor es zu einer Klassifikation als Definitionskriterium der parafiskalischen Abgabe kommt, sollte allerdings zumindest in Grundzügen schon hier geklärt werden, inwiefern sich Sachkompetenztitel im Unionsrecht überhaupt zur Abgabenerhebung nicht individualäquivalenter Abgaben eignen. Grundlegend ist dabei das Urteil Stölting.433 Dieses Urteil behandelte die bereits vorgestellte Mitverantwortungsabgabe Milch,434 die auf Art. 43 EGV fußte. Sie stellt zwar keine parafiskalische Abgabe dar, zeigt sich jenseits ihrer haushaltstechnischen Verarbeitung aber als typische nicht individualäquivalente und sachkompetenzrechtlich gestützte Abgabe und ist daher den parafiskalischen Abgaben nahe stehend. Der Europäische Gerichtshof entschied, dass diese Sachkompetenz als Grundlage einer solchen Abgabe genüge. Die Ablehnung der Einstufung der Mitverantwortungsabgabe Milch als fiskalische Abgabe wurde anschließend von den Europäischen Organen über428 429 430 431 432 433 434
A.A. Korn (2015), S. 41. Meermagen (2002), S. 204. Messal (1991), S. 59. Siehe hierzu § 4 A. I. 5. Maßgeblich durch Lienemeyer (2002), S. 123. EuGH, Urteil vom 21. 02. 1979 – Rs. 138/78 – Stölting. Siehe dazu § 2 B. V. 1. b).
B. Abgabenarten in der unionsrechtlichen Systematik
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nommen.435 Die Frage hinsichtlich einer möglichen fiskalischen Qualifizierung der Mitverantwortungsabgabe Milch kam in dem Fall Bozzetti436 explizit auf. Ein italienisches Gericht richtete die Vorlagefrage an den Gerichtshof, wie die Mitverantwortungsabgabe zum Zwecke der Ermittlung der zuständigen Gerichtsbarkeit zu qualifizieren sei. Der Europäische Gerichtshof qualifiziert Abgaben aber nur für Fragen des Unionsrechts, nicht jedoch für Zuständigkeitsfragen nationaler Gerichte, weswegen in Bozzetti eine qualifizierte Stellungnahme unterblieb.437 Dennoch besteht hinsichtlich der grundsätzlichen Eignung von Sachkompetenzen als Grundlagen der parafiskalischen Abgaben und artverwandter Abgaben, wie der Mitverantwortungsabgaben, kein Zweifel mehr. Auch die später behandelten Abgaben der Bankenunion werden auf Sachkompetenztitel gestützt.438 Es ist im Ergebnis konstitutives Merkmal einer unionseigenen parafiskalischen Abgabe, auf einen Sachkompetenztitel gestützt zu sein. 4. Homogenität der Gruppe und gruppennützige Verwendung Der Europäische Gerichtshof hatte bisher noch nicht die Frage der Homogenität einer abgabenbelasteten Gruppe zu entscheiden.439 Im Rahmen der nationalen Abgaben in der unionsrechtlichen Prüfung erscheint es nicht naheliegend, dass die entsprechende Definition unionsrechtlich relevant werden könnte. Auf europäischer Ebene sind jedenfalls stellenweise bei den unionseigenen Abgaben verursacherorientierte Belastungen potentiell homogener Gruppen zu finden. Beispielsweise wird die später noch im Detail dargestellte SRM-Abgabe mit einer Beteiligung des Finanzsektors an der von ihm ausgehenden Gefährdungslage für die Gesamtwirtschaft begründet. Die SRM-Abgabe und die geplante EDIS-Abgabe belasten den Finanzsektor als eine potenziell homogene Gruppe und es erscheint durchaus möglich, dass diese den Finanzsektor von der diesem Sektor zurechenbaren Verantwortung für die gesamtwirtschaftlichen Folgen seiner Wirtschaftsaktivität befreien.440 Angesichts der faktischen Exklusivität des Auftretens der parafiskalischen Abgabe im Unionsrecht ist aber fraglich, ob beide Merkmale in einer spezifisch unionsrechtlichen Ausprägung Definitionsmerkmale der unionseigenen parafiskalischen Abgaben sind. Bei der Gesamtbetrachtung beider Kriterien ist die durch die Grundrechtecharta deutlich gestiegene Bedeutung der Grundrechte für das Abgabenrecht auf Unionsebene zu beachten.441 435 Siehe die Stellungnahme des Europäischen Rats in EuGH, Urteil vom 09. 07. 1985 – C-179/84 – Bozzetti, Rn. 15. 436 EuGH, Urteil vom 09. 07. 1985 – C-179/84 – Bozzetti. 437 EuGH, Urteil vom 09. 07. 1985 – C-179/84 – Bozzetti, 1. Leitsatz. 438 Für die Einordnung des Art. 114 Abs. 1 AEUV als Sachkompetenz siehe unter § 5 B. 439 Diese Einschätzung teilt Ohler, EuZW 2006, 679 (682). 440 So auch zur SRM-Abgabe Kube, HFSt 2 (2016), 46. 441 Dürrschmidt, NJW 2010, 2086 (2088 f.).
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§ 2 Der Stand der Finanzformenlehre im Unionsrecht
a) Homogenität der Gruppe und die sektorenspezifische Betrachtungsweise In der Literatur ist die These geläufig, die parafiskalische Abgabe im Unionsrecht basiere nicht zwingend auf einer Gruppenhomogenität und der gruppennützigen Verwendung des Aufkommens.442 Andere Stimmen bejahen das Erfordernis.443 Zunächst ist der Kontext dieser Literaturmeinungen darzustellen. Typischerweise entspringen diese Einschätzungen einer Konstellation, in der eine sachbereichsbezogene nationale Abgabe unionsrechtlich geprüft wird.444 Eine weitere Meinung hält die wirtschaftssektorenbezogene Nützlichkeit für das eigentliche Element der parafiskalischen Abgabe im Unionsrecht.445 Lienemeyer verwendet hierzu den Begriff der Sachbereichsabgaben446. Die inhaltliche Diskrepanz dieser Ansicht zur Forderung nach der Gruppenhomogenität ist in ihrem Ausmaß zu hinterfragen. Die jeweils normativen Tatbestandsmerkmale der Gruppenhomogenität und des Sachbereichs können in weiten Teilen deckungsgleich sein. Eine Gruppe außerhalb desselben Sachbereiches wird selten als homogen angesehen werden können. Der Sachbereich umfasst wiederum typischerweise eine Gruppe von Individuen, die durch ihre Zugehörigkeit zu einem Sachbereich homogen erscheinen. Verwendet man Judikate des Bundesverfassungsgerichts zur Verdeutlichung dessen, so speist sich die „Homogenität“ der Gruppe aus der tatsächlichen Verbundenheit der Abgabenpflichtigen in ihrem jeweiligen Wirtschaftssektor, seien es Weinproduzenten,447 die Holz- und Forstwirtschaft,448 die deutsche Land- und Ernährungswirtschaft449 und weitere. Auch das Beispiel eines Waldschadensfonds würde auf europäischer Ebene Sektoren und Gruppenhomogenität synchron laufen lassen.450 Trotz dieser großen Schnittmenge gibt es Beispiele für die Belastung homogener Gruppen über einzelne Sachbereiche und Wirtschaftssektoren hinweg.451 Belastet auf unionsrechtlicher Ebene nun beispielsweise eine Abgabe der Bankenunion in der europäischen Union tätige Kreditinstitute, so ist die Abgabe einerseits bezogen auf den Bankensektor, andererseits dürfte sie zudem eine regelmäßig als homogen anzusehende Gruppe belasten. Interpretiert man den Homogenitätsbegriff restriktiv, 442 Meyer (2006), S. 68 f.; Bergfeld (2008), S. 96; Ohler (1997), S. 81; Amend (2001), S. 63; wohl auch Korn (2015), S. 41; Bohlken (1999), S. 252. 443 Vgl. z. B. Nettesheim, Jura 1994, 337 (342) und Kube, HFSt 2 (2016), 48. 444 Z. B. Ohler (1997), S. 81 der in Bezug auf die beihilfenrechtliche Überprüfung einer parafiskalischen Abgabe naheliegenderweise auf diese spezifischen Merkmale des deutschen Finanzverfassungsrecht verzichten will. 445 Lienemeyer, EuR 1998, 478 (491). 446 Lienemeyer, EuR 1998, 478 (491); Lienemeyer (2002), S. 122. 447 BVerfGE 136, 194 – 273. 448 BVerfGE 123, 132 – 148. 449 BVerfGE 122, 316 – 341. 450 So die Selbsteinschätzung von Bohlken (1999), S. 253. 451 Zu denken sei hier an die Berufsausbildungsabgabe für Arbeitgeber, BVerfGE 55, 274 – 348.
B. Abgabenarten in der unionsrechtlichen Systematik
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könnte man sich bezogen auf das vorherige Beispiel auf den Standpunkt stellen, dass belastete Sparkassen nicht mit Investmentbanken eine homogene Gruppe darstellen.452 Letztlich sind beides Zurechnungsbegriffe, die ein gewisses Näheverhältnis zwischen den Abgabenbelasteten untereinander voraussetzen und sie damit aus der von der Steuer belasteten Allgemeinheit herausheben. Die genauen Konturen und Differenzen der unterschiedlichen Ansichten werden im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung untersucht und sind zunächst nicht als Definitionsmerkmal zu qualifizieren. b) Gruppennützige Verwendung und Sachverantwortung Korrespondierend mit der Homogenität ist die gruppenäquivalente Verwendung des Abgabenaufkommens. Die Gruppenäquivalenz kann einerseits das Individuum in der Individualäquivalenz durch die gesamte Gruppe der Abgabenbelasteten ersetzen. Speziell in der Dogmatik des deutschen Finanzverfassungsrechts beinhaltet die Gruppenäquivalenz auch die Befreiung der Gruppe von einer ihr obliegenden Sachverantwortung.453 Der Sachverantwortung kommt dabei eine gewichtige Stellung in dem verfassungsrechtlichen Schutz des belasteten Individuums zu.454 Eine genauere Definition der Gruppenäquivalenz ist an dieser Stelle nicht zu leisten. Diese Frage wird materieller Gegenstand der Maßstabslehre sein. Die parafiskalische Abgabe könnte jedenfalls im weitesten Sinne eine nicht individualbezogene Äquivalenz voraussetzen. Dies wäre ein weiteres Abgrenzungsmerkmal zur Steuer.455 c) Zwischenergebnis Ob diese Kategorien in ihrer bekannten oder jedenfalls artverwandten Form als Zulässigkeitsvoraussetzungen zu fordern sind,456 wird die weitere Prüfung zeigen. Gruppenhomogenität und eine individualbezogene Äquivalenz sind jedenfalls keine Wesensmerkmale der parafiskalischen Abgabe.
452
Hierzu später unter § 6 B. II. 2. c). Friauf, JA 1981, 261 (265) m.w.N. zur Rechtsprechung. 454 Von einem „(…) verfassungsrechtlichen Schutzkern des Sonderabgabenrechts (…)“ spricht Kube, Die Verwaltung 2008, 1 (16). 455 Seiler, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union (63. EL Dezember 2017) Art. 113 AEUV Rn. 20; von der Notwendigkeit „(…) irgendeiner Gegenleistung (…)“ spricht Gröpl, in: Dauses (Hrsg.), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, J. Steuerrecht (44. EL 2018) Rn. 22. 456 In diese Richtung schon Hilf, NVwZ 1992, 105 (106); Kube, HFSt 2 (2016), 42. 453
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§ 2 Der Stand der Finanzformenlehre im Unionsrecht
5. Öffentlich-rechtliche Natur der parafiskalischen Abgabe Hinsichtlich der öffentlich-rechtlichen Natur der parafiskalischen Abgabe spricht schon der Wortlaut der Parafiskalität für ein Konkurrenzverhältnis zum Fiskus. Dieses Konkurrenzverhältnis besteht nur bei hoheitlichen Mittelsammlungen. Daher erzwingt die Stellung der parafiskalischen Abgabe als Nebenhaushalt eine öffentlich-rechtliche Natur des Sonderfonds. Jedenfalls aber muss die Abgabenerhebung auf hoheitliches Handeln rückführbar sein. Es bleibt abzuwarten, wie der Europäische Gerichtshof die Reichweite der Abgaben in das Privatrecht beurteilt. Dem Maßstab aus der Rechtssache Dubois457 folgend dürfte im Abgabenrecht eine extensive Auslegung erfolgen. Es ist hierbei zu bedenken, dass der Europäische Gerichtshof das Abwälzen einer öffentlich-rechtlichen Aufgabe auf den Rechtsverkehr zwischen Privaten verhindern wollte.458 Auch in der Rechtssache Steinike & Weinlig459 stand die öffentlich-rechtliche Natur einer Abgabe zur Debatte. Im Wesentlichen ging es in einem Teilaspekt hierbei um die staatliche Zurechenbarkeit einer Beihilfe.460 Ein explizites Aufwerfen der Frage im Kontext einer unionseigenen parafiskalischen Abgabe ist derzeit nicht ersichtlich, weshalb an dieser Stelle wieder die nationalen parafiskalischen Abgaben rezipiert werden müssen. Der Aspekt der öffentlich-rechtlichen Natur einer Abgabe ist unter dem Gesichtspunkt des effet utile zu betrachten. Die kohärente und wirkungsorientierte Auslegung des Unionsrechts bestimmt dabei die Überprüfung nationaler Abgaben am Unionsrecht. Gerade Beispiele wie Steinike & Weinlig sind wohl auf das Europäische Beihilfenrecht maßgeschneidert und lassen nur eine beschränkte Aussage über das Unionsverständnis von unionseigenen parafiskalischen Abgaben zu. Die Frage, wie qualifiziert ein Tätigwerden der Europäischen Union im Abgabenrecht sein muss, um als ihr öffentliches Handeln eingestuft zu werden, bleibt damit vorerst offen. 6. Die parafiskalische Abgabe im weiteren Sinn: Pendant zur Sonderabgabe im weiteren Sinn? Die Analyse der unionalen Abgaben hat aufgezeigt, dass Abgaben unterschiedlicher Rechtsnatur mit dem gemeinsamen Nenner der Parafiskalität bestehen. Durch die Vereinnahmung von Gebühren durch Europäische Agenturen sind einerseits individualäquivalente Abgaben Gegenstand parafiskalischer Mittelsammlung. Ein praktisches Beispiel für den Beitrag, sofern man ihn als eigenständige Kategorie des
457 458 459 460
EuGH, Urteil vom 11. 08. 1995 – C-16/94 – Dubois und Général cargo services. Schön, EuR 2001, 216 (224); vgl. Bergfeld (2008), S. 64. EuGH, Urteil vom 22. 03. 1977, C-78/76 – Firma Steinike und Weinlig. EuGH, Urteil vom 22. 03. 1977, C-78/76 – Firma Steinike und Weinlig, Rn. 21 ff.
B. Abgabenarten in der unionsrechtlichen Systematik
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Unionsrechts anerkennen will,461 ist derzeit allerdings nicht ersichtlich. Es ist im Unionsrecht nicht ausgeschlossen, dass dem deutschen Beitragsverständnis ähnliche Abgaben parafiskalisch strukturiert zu einer parafiskalischen Abgabe im weiteren Sinne werden. Neben den individualäquivalenten Abgaben gibt es eine weitere Kategorie an unionseigenen parafiskalischen Abgaben. Diese Abgaben sind am ehesten als gruppenäquivalent462 zu bezeichnen und unterscheiden sich in ihrer Rechtsnatur durch ihren Bezug auf eine Gruppe oder Sachbereich deutlich von den individualäquivalenten Abgaben. Somit sind jedenfalls zwei wesensverschiedene Abgabentypen im potentiellen Einzugsbereich des Begriffes der parafiskalischen Abgabe. In der folgend dargestellten Diskussion geht es um die Frage, ob unter dem Dach der parafiskalischen Abgabe verschiedene Abgabenformen unterschiedlicher rechtlicher Voraussetzungen und Arten gebündelt werden oder ob die parafiskalische Abgabe in Erscheinung und Rechtfertigung ein singuläres Phänomen ist. Unübersehbar ist eine gewisse Parallele zu der Diskussion um die deutsche Sonderabgabe. Es lässt sich zwischen Sonderabgaben im weiteren Sinne und Sonderabgaben im engeren Sinne, also der eigentlichen „Sonderabgabe“, unterscheiden.463 Die Sonderabgabe im weiteren Sinne ist als Auffangtatbestand konstruiert.464 Sie umfasst alle Abgaben, die nicht einem spezielleren Abgabentypus zugeordnet werden konnten.465 Im historischen Verlauf kristallisierte sich die Sonderabgabe nach herrschender Ansicht als eigenständiger Abgabentypus heraus.466 Reserviert man den Begriff der parafiskalischen Abgabe ausschließlich für sonderabgabenähnliche Abgaben der Union, verbleibt die Frage, wie die parafiskalischen Gebühren oder etwaige Beiträge zu bezeichnen sind. Aufgrund der Stellung der „Abgabe“ als Auffangbegriff würde eine eigene Unterart der Gebühr, also die „parafiskalische Gebühr“, terminologisch nicht stringent wirken. Daher verwendet die Arbeit für die parafiskalische Abgabe die Zusätze „im engeren Sinne“ und „im weiteren Sinne“, wobei bei Nichtspezifizierung stets die parafiskalische Abgabe im engeren Sinne gemeint ist. Die parafiskalische Abgabe im weiteren Sinne umfasst nach hiesigem Sprachgebrauch Gebühren wie Beiträge und erscheint zum 461
Siehe hierzu unter § 2 B. III. 2. Die genaue Bestimmung der „Gruppenäquivalenz“ als Bezeichnung des nicht individualäquivalenten Charakters ist eine Frage der Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen parafiskalischer Abgaben und wird später definiert. 463 Jochum, StuW 2006, 134 (136 f.); Seer, in: Tipke/Lang (Hrsg.), Steuerrecht (23. Auflage 2018), § 2 Rn. 25 ff. mit Verweis auf die Rechtsprechung: BVerfGE 55, 274 (308); 91, 186 (203); 92, 91 (113); 98, 83 (100); 101, 141 (147); 108, 186 (217); 113, 128 (150); vgl. auch Jakob, in: FS Klein 1994, 663 (673 ff.). Zur terminologischen Abgrenzung Kube, in: Epping/ Hillgruber (36. Edition 2018) Art. 105 Rn. 18; Hummel, DVBl 2009, 874 (875); Hey, StuW 2008, 289 (291); Droege, Die Verwaltung 46 (2013), 313 (319). 464 Jochum, StuW 2006, 134 (136). 465 Jochum, StuW 2006, 134 (136). 466 P. Kirchhof, Nichtsteuerliche Abgaben, in: HStR Bd. 5 (2007), § 119 Rn. 70 m.w.N. 462
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§ 2 Der Stand der Finanzformenlehre im Unionsrecht
gegenwärtigen Zeitpunkt entwicklungsoffen. Die parafiskalische Abgabe im engeren Sinne ist jedoch für die unter folgend 7. definierten Abgaben vorbehalten. 7. Zusammenfassung Die Komplexität und Perplexität der Europäischen Abgabenbegriffe schließt besonders die parafiskalische Abgabe ein. Es lassen sich zwei parafiskalische Abgabenstrukturen unterscheiden: Die parafiskalische Abgabe im engeren Sinne sowie die parafiskalische Abgabe im weiteren Sinne. Aus der Untersuchung ließen sich folgende Definitionsmerkmale gewinnen, die in der weiteren Untersuchung durch Zulässigkeitskriterien erweitert werden. Im Ausgangspunkt erfüllen parafiskalische Abgaben als Abgabenkategorie alle Merkmale des unionsrechtlichen Abgabenbegriffes. Spezifisch parafiskalische Abgaben (d. h. im engeren Sinne) sind somit Abgaben, die (1) parafiskalisch im Sinne des Europäischen Haushaltsrechts sind, (2) deren Mittel zweckgebunden an einen Sachzweck sind (3) auf einer Sachkompetenz fußen und (4) jedenfalls nicht individualäquivalent sind. Unter § 4 werden sodann die Definitionskriterien um die Rechtmäßigkeitsanforderungen komplementiert.
§ 3 Die parafiskalischen Abgaben der Bankenunion und ihr regulatorisches Umfeld Die Bankenunion ist ein Quantensprung der Europäisierung des Wirtschaftsverwaltungsrechts. Sie soll die Erosion politischer Legitimation in der Finanzmarktkontrolle beheben und den Gestaltungsspielraum der nationalen wie europäischen politischen Akteure wiederherstellen. Die Bankenunion soll weitere Krisen verhindern oder zumindest abmildern und ist daher präventiv zu verstehen. Nach Erarbeitung der unionsrechtlichen Abgabensystematik ist folgend das konkrete Regelwerk der Bankenunion von Interesse. Ohne ein Durchdringen ihrer Wirkungsweise ist eine rechtliche Einordnung und Bewertung ihrer Abgabenstrukturen nicht möglich. Die Darstellung der einzelnen Teilbereiche der Bankenunion wird dabei durch den Untersuchungsgegenstand der parafiskalischen Abgaben begrenzt und geleitet. Im Vordergrund der Untersuchung stehen daher die Abgabenstrukturen. Die Darstellung des SSM erfolgt zur Kontextualisierung der operativen Wirkungsweise der Bankenunion und spezifisch für die Abgabenstruktur zur Herausarbeitung des Gebührenbegriffes in Abgrenzung zu den Abgaben von SRM und EDIS. Der SRM wiederum ist durch die vorgeschlagene Inkorporierung von EDIS in die SRM-Verordnung strukturell so eng mit EDIS verbunden, dass auch hier die indirekte Kontextualisierung von EDIS eine Darstellung des SRM erforderlich macht. Begonnen wird jedoch zunächst mit einer Darstellung der Entwicklung der Finanzmarktregulierung auf europäischer Ebene zur Kontextualisierung der Maßnahmen.
A. Die Entwicklung der Regulierung des Europäischen Finanzsektors Der Finanzsektor war in historischer Hinsicht nicht primärer Zielsektor der Europäischen Einigung. Begründet wurde dies mit seiner hohen Souveränitätssensibilität.1 Erst seit der Neugestaltung des internationalen Finanzsystems nach dem Ende von Bretton Woods begannen zaghafte Schritte einer Harmonisierung Mitte der 1970-er Jahre.2 Hinsichtlich der Bankenaufsicht bestand das inzwischen abgelöste 1
Teixeira, Eur Bus Org Law Rev 18 (2017), 535 (536). Teixeira, Eur Bus Org Law Rev 18 (2017), 535 (537). Der erste Schritt in die entsprechende Richtung war der Segré-Bericht aus dem Jahr 1966, siehe hierzu Moloney, CML Rev. 2014, 1609 (1611). 2
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§ 3 Die parafiskalischen Abgaben der Bankenunion
System aus einer nationalen Kontrolle der Kreditinstitute kombiniert mit einem sogenannten Europäischen Pass3 für ein Tätigwerden innerhalb der gesamten Union.4 Dieser Europäische Pass hatte drei zugrunde liegende Elemente: Gegenseitige Anerkennung der nationalen Zulassungen, Kapitalverkehrsfreiheit und einen Mindeststandard an Harmonisierung.5 Speziell in der Eurozone wurde die Kombination aus gemeinschaftlicher Währung und nationaler Bankenkontrolle als Systemfehler ausgemacht.6 Die Bankenkrise (ab 2007) sowie die Staatsschuldenkrise (ab 2009) verstärkten sich gegenseitig.7 Ein Hauptanliegen der regulatorischen Bemühungen auf europäischer Ebene ist das Durchbrechen dieses „Teufelskreises“.8 Auch verspricht die Integrationsvertiefung ein stabileres und effizienteres Bankensystem.9 Weiterhin soll die durch die Finanzkrise eingetretene Renationalisierung des Bankensektors aufgebrochen werden.10 In der Europäischen Union wurden als Reaktion die Bereiche der Aufsicht11, Abwicklung12 und der Einlagensicherung13 durch Rechtsakte harmonisiert bzw. 3 Dieser wurde Anfang der 1990er-Jahre auch in Deutschland umgesetzt, siehe Binder, in: Binder/Glos/Riepe, Handbuch Bankenaufsichtsrecht (1. Auflage 2018), § 1 Rn. 9. 4 Vgl. z. B. Avgouleas/Arner, University of Hong Kong Faculty of Law Research Paper Nr. 2 013/037, S. 13 ff. 5 Teixeira, Eur Bus Org Law Rev 18 (2017), 535 (540); für die partielle Verwirklichung des Herkunftslandsprinzips im Kapitalmarktrecht vgl. Bumke, Die Verwaltung 41 (2008), 227 (240). 6 Vgl. zu der Problematik auch Binder, Eur Bus Org Law Rev (2015), 467 (478); Busch/van Rijn, Eur Bus Org Law Rev (2018), 301 (307); Peters, WM 2014, 396 (398). 7 Moloney, CML Rev. 2014, 1609 (1622); vgl. Peters, WM 2014, 396 (397 ff.). 8 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat – Fahrplan für eine Bankenunion vom 12. 09. 2012, COM (2012) 510 final, S. 2; Peters, WM 2014, 396 (398); Wissink, Eur Bus Org Law Rev 18 (2017), 431 (433). 9 Binder, Eur Bus Org Law Rev (2015), 467 (478) sowie Ferrarini, Eur Bus Org Law Rev 16 (2015), S. 513 – 537 jeweils m.w.N. zur Diskussion. 10 Zu den Ursachen Xafa, in: CIGI papers Nr. 73 (2015), S. 3 ff., hiernach war die Renationalisierung ein globaler Trend. Tröger ZBB 2013, 373 (376 f.) speziell zur Situation in der Europäischen Union. 11 Hinsichtlich der Aufsicht sticht die Gründung der Europäischen Bankenaufsicht (EBA + European Banking Authority) hervor, hierzu Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/ 2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/78/EG der Kommission. Zum Verhältnis zwischen der EBA und dem SSM siehe Chiarella, University of Bologna Law Review 2016, 34 (76 ff.). 12 Von erheblicher praktischer Relevanz ist die hier die BRRD (= Bank Recovery and Resolution Directive), siehe Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/EWG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG, 2011/
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aktualisierend erweitert. Weiterhin wurden auf Ebene der Europäischen Union Vorgaben hinsichtlich der Eigenkapitalausstattung neu gefasst.14 Diese Maßnahmen werden zusammen als Einheitliches Regelwerk, als sog. „Single Rulebook“15, bezeichnet und sind für die gesamte Europäische Union anwendbar. Für die Eurozone wurde die sogenannte Bankenunion ins Leben gerufen. Die Bankenunion umfasst dabei drei sogenannte Säulen: Die jeweilige Vergemeinschaftung von Aufsicht (SSM), Abwicklung (SRM) und Einlagensicherung (EDIS). Zum derzeitigen Zeitpunkt sind die Aufsicht und Abwicklung aktiv. Die folgenden Darlegungen werden sich nicht auf die Funktionsweise des jeweiligen Systems konzentrieren, sondern die Abgabenerhebung in den Mittelpunkt stellen.
B. SSM (Single Supervisory Mechanism) Der SSM bildet die Einheitliche Bankenaufsicht in der Eurozone durch einen Verbund von Europäischer Zentralbank und den nationalen Aufsichtsbehörden. Der SSM basiert auf der SSM-Verordnung, die ihrerseits auf Art. 127 Abs. 6 AEUV beruht.16 Zur Konkretisierung der SSM-Verordnung hat die Europäische Zentralbank noch die SSM-Rahmenverordnung erlassen.17 Der SSM wird als Vorstufe des SRM betrachtet.18 Einer zentralisierten Aufsicht soll eine zentralisierte Bankenabwicklung folgen, in exakt dieser Reihenfolge. Die Installation einer gemeinschaftlichen Bankenabwicklung ohne vorhergehendes 35/EU, 2012/30/EU und 2013/36/EU sowie der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates. 13 Die ursprüngliche Einlagensicherungsrichtlinie von 1994 (Richtlinie 94/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 1994 über Einlagensicherungssysteme) wurde durch eine Neufassung von 2014 (Richtlinie 2014/49/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Einlagensicherungssysteme) ersetzt. 14 Siehe die sog. Eigenkapitalrichtlinie: Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG. 15 Zur Diskussion um die Reichweite des Begriffes Hadjiemmanuil, Eur Bus Org Law Rev 2015, 383 (386): Auch Neumann, EuZW-Beilage 2014, 9 (10 f.). Hinter dem Begriff steht in erster Linie die politische Agenda des Schaffens einheitlicher Regelungen für den Finanzsektor im Binnenmarkt, siehe Wissink, Eur Bus Org Law Rev 18 (2017), 431 (436). 16 Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates vom 15. Oktober 2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank (im Folgenden: SSM-Verordnung). 17 Verordnung der Europäischen Zentralbank vom 16. April 2014 zur Einrichtung eines Rahmenwerks für die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Zentralbank und den nationalen zuständigen Behörden und den nationalen benannten Behörden innerhalb des einheitlichen Aufsichtsmechanismus (im Folgenden: SSM-Rahmenverordnung), EZB/2014/17. 18 Binder, in: Binder/Gortsos, The European Banking Union, S. 3 m.w.N.; Mayer/Kollmeyer, DVBl 2013, 1158 (1158).
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§ 3 Die parafiskalischen Abgaben der Bankenunion
Schaffen einer belastbaren Einschätzung der Situation der mitgliedstaatlichen Banken wurde als zu riskant erachtet.19 Der SSM fungiert somit als vertrauensbildende Maßnahme zwischen den Mitgliedstaaten und damit als Voraussetzung von SRM und EDIS.20 In der Grundkonzeption hat die EZB die direkte Aufsicht über die als systemrelevant eingestuften Institute und die indirekte Aufsicht über die nicht bedeutenden Institute übernommen.21 Die unmittelbare Aufsicht über die nicht bedeutenden Institute verbleibt bis auf weiteres bei den nationalen Behörden, den sog. NCAs (NCA = National Competent Authority).22 Hiervon gibt es Ausnahmen.23 In Deutschland ist die NCA die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFiN), die als solche anhand von Vorgaben der EZB operiert und von dieser auch kontrolliert wird. Für ein solches Zusammenwirken unionaler und nationaler Behörden hat sich der Terminus Verwaltungsverbund gebildet.24 Der SSM selbst hat keine eigene Rechtspersönlichkeit und ist keine EU-Agentur.25 Die EZB arbeitet allerdings zur Trennung von Geldpolitik (hinsichtlich ihres Auftrags der Wahrung der Preisstabilität, Art. 127 Abs. 1 AEUV) und ihrer Aufsichtstätigkeit mit der Hilfe von Chinese Walls.26 19
Vgl. z. B. Calliess/Schoenfleisch, JZ 2015, 113 (114). Calliess/Schoenfleisch, JZ 2015, 113 (114); vgl. Gortsos, Deposit Guarantee Schemes: General aspects and recent institutional and regulatory developments at international and EU level, April 2016, S. 6 f. für die Wechselwirkung von Bankenaufsicht und Einlagensicherung, insbesondere der moral hazard-Problematik einer funktionsfähigen Einlagensicherung. 21 Zur Konzeption vgl. nur Ohler, Die Verwaltung 49 (2016), 309 (331 f.); sowie Gren/ Howarth/Quaglia, JCMS 53 (2015), S. 181 – 199. 22 Manger-Nestler, in: Blanke/Pilz, Die Fiskalunion, 2014, 299 (304 f.) nennt für die fehlende Vergemeinschaftung der Aufsicht über die nicht bedeutenden Institute zwei Gründe: Erstens sollte eine zu große Behörde vermieden werden, zweitens sollte eine gänzliche Abkoppelung der Aufsichtsbehörden von den Kreditinstituten vermieden werden. Capriglione, Law and Economics Yearly Review 2015, 5 (79) hält den deutschen Föderalismus mit seinen Landesbanken für hauptursächlich für die deutsche Position. Meng, in: Calliess (Hrsg.), Herausforderungen an Staat und Verfassung, 2015, 757 (772) wiederum führt rechtliche Bedenken der deutschen Regierung an. 23 Nach Art. 6 Abs. V lit. b) SSM-VO kann die EZB die Aufsicht übernehmen, sofern dies zur Wahrung einer „kohärenten Anwendung hoher Aufsichtsstandards“ erforderlich ist. Hierzu Schuster, EuZW-Beilage 2014, 3 (6 f.); Gortsos, in: Binder/Gortsos, The European Banking Union (2016), S. 27; Gortsos, Eur Bus Org Law Rev 16 (2015), 401 (414); vgl. auch Berger, WM 2015, 501 (503). 24 Mit einer Systematisierung zum Konzept des Europäischen Verwaltungsverbundes Kahl, Der Staat 50 (2011), S. 353 – 387. Speziell zum Bezug des Bankenaufsichtsverbundes Hilbert, Die Verwaltung 50 (2017), S. 189 – 216 zur Terminologie: Hiernach ist der SSM „ein Europäischer Verwaltungsverbund par excellence“ (S. 191); Berger, WM 2015, 501 (501); Ohler, Bankenaufsicht und Geldpolitik, § 5 Rn. 64 f.; vgl. auch Kaufhold, Die Verwaltung 49 (2016), 339 (342) und Manger-Nestler, in: Blanke/Pilz, Die Fiskalunion, 2014, 299 (318). 25 Gortsos, Eur Bus Org Law Rev 16 (2015), 401 (405). 26 Zu diesem Konfliktfeld Kern, E. L. Rev. 2015, 154 (171 f.) m.w.N.; Dammann, Georgetown Journal of International Law 2014, 1057 (1075 f.); auch Herdegen, WM 2012, 1889 (1893 f.); Manger-Nestler, in: Blanke/Pilz, Die Fiskalunion, 2014, 299 (325); Smits, Fordham 20
B. SSM (Single Supervisory Mechanism)
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Am 04. November 2014 hat die EZB schließlich die direkte Aufsicht über die als marktrelevant eingestuften Finanzinstitute27 übernommen. Die Aufsicht erstreckt sich auf ca. 85 % der Bilanzsumme im Finanzsektor der teilnehmenden Mitgliedstaaten, sowie ca. 60 % der unionsweiten Bilanzsumme im Finanzsektor insgesamt.28 Die Aufsicht ist mit einer Gebührenpflicht für die beaufsichtigten Kreditinstitute verbunden. Der Hauptfokus der aktuellen juristischen Debatte um den SSM besteht in den Rechtsschutzmöglichkeiten gegen Aufsichtsmaßnahmen.29 Als erster größerer bekannter Fall in Deutschland wehrte sich die Landesbank BW erfolglos gegen ihre Einstufung als bedeutendes Institut.30 Die Aufsichtsgebühren hingegen scheinen einer branchenweiten Duldung zu unterliegen, jedenfalls sind keine diesbezüglichen Verfahren bekannt. Finanziert wird der SSM mittels einer jährlichen Abgabe der Beaufsichtigten, die in der deutschen Sprachfassung als „Aufsichtsgebühr“ bezeichnet wird. Die EZB hat auf Grundlage der SSM-Verordnung eine gesonderte Verordnung über die Aufsichtsgebühren erlassen (SSM-Gebührenverordnung).31 Anhand der SSM-Gebührenverordnung ergeht ein jährlicher Beschluss der EZB über ihre zugrundeliegenden Kosten als Maßstab der Gebührenberechnung. Das hierfür zu bestimmende Risikoprofil ermittelt sich nach den Vorgaben auf der Rechtsgrundlage der SSM-Verordnung sowie eines auf die SSM-Gebührenverordnung gestützten Beschlusses der EZB.32 Die Aufsichtsgebühr wird direkt von der EZB erhoben (Art. 30 Abs. 1 SSMVerordnung i.V.m. Art. 3 Abs. 1 SSM-Gebührenverordnung). Konkret wird der Gebührenbescheid unmittelbar an den Schuldner gerichtet (Art. 12 Abs. 1 SSMGebührenverordnung). Die jährlichen Aufsichtskosten sind Grundlage und Grenze der Aufsichtsgebührenberechnung (Art. 30 Abs. 1 SSM-Verordnung i.V.m. Art. 5 Abs. 1 der SSM-Gebührenverordnung), zu- bzw. abzüglich eines Defizits bzw. Int. Law J. 38 (2015), 1135 (1178); Waldhoff/Dieterich, EWS 2013, 72 (77); Goldmann, EuConst 14 (2018), S. 283 – 310. 27 Pressemitteilung der Deutschen Bundesbank vom 04. 11. 2014, siehe https://www.bundes bank.de/Redaktion/DE/Downloads/Presse/EZB_Pressemitteilungen/2014/2014_11_04_banken aufsicht.pdf?__blob=publicationFile (aufgerufen am 31. 10. 2018). 28 Gros/Schoenmaker, JCMS 2014, 529 (531). 29 Müller-Graff, EuZW 2018, 101 – 107; Glos/Benzing, in: Binder/Glos/Riepe (Hrsg.), Handbuch Bankenaufsichtsrecht (1. Auflage 2018), § 2 Rn. 221 ff.; vgl. Berger, WM 2015, 501 (504); hinsichtlich möglicher Sanktionen Schneider, EuZW-Beilage 2014, S. 18 – 24. Hinsichtlich Weigerungsrechten bei Dokumentenanforderungen Windthorst/Bussian, WM 2015, S. 2265 – 2271. 30 EuG, EuZW 2017, 461 – 472. 31 Verordnung (EU) Nr. 1163/2014 der Europäischen Zentralbank vom 22. Oktober 2014 über Aufsichtsgebühren (EZB/2014/41) folgend: SSM-Gebührenverordnung. 32 Beschluss (EU) 2015/530 der Europäischen Zentralbank vom 11. Februar 2015 über die Methodik und die Verfahren zur Bestimmung und Erhebung der die Gebührenfaktoren zur Berechnung der jährlichen Aufsichtsgebühren betreffenden Daten (EZB/2015/7). Folgend SSM-Gebührenbeschluss.
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§ 3 Die parafiskalischen Abgaben der Bankenunion
Überschusses aus dem vorangegangenen Gebührenzeitraum (Art. 8 Abs. 1 SSMGebührenverordnung). Erfasst sind jene Kosten, die unmittelbar oder mittelbar mit der Aufsichtstätigkeit im Zusammenhang stehen (Art. 5 Abs. 2 SSM-Gebührenverordnung). Die entstandenen Kosten, inklusive etwaiger Überschüsse oder Nachträge, werden aber nicht für die gesamten Aufsichtsmaßnahmen im Block erhoben. Vielmehr werden die Kosten in jene von bedeutenden und weniger bedeutenden Kreditinstituten unterteilt (Art. 8 Abs. 1 SSM-Gebührenverordnung). Zusammen mit einem etwaigen Überschuss oder Defizit aus vorangegangenen Gebührenzeiträumen entsteht so der Gesamtbetrag (Art. 9 Abs. 1 SSM-Gebührenverordnung). Dieser Gesamtbetrag wird durch einen Beschluss der EZB bestimmt, Art. 9 Abs. 2 SSMGebührenverordnung.33 Im Jahr 2015 hatte dieser Gesamtbetrag ein europaweites Volumen von ca. 300 Millionen E aufgewiesen, wovon knapp 90 % auf die bedeutenden Institute entfallen waren.34 Für das Jahr 2018 schätzte die EZB den Finanzbedarf auf bereits 502,5 Millionen E.35
I. Allgemeine Leitlinien der Gebührenberechnung Die jährliche Aufsichtsgebühr setzt sich aus der Mindestgebührenkomponente und der variablen Gebührenkomponente zusammen, Art. 10 Abs. 6 lit. a) SSMGebührenverordnung, wobei der Anteil der variablen Komponente 90 % für die Gruppe der bedeutenden Institute beträgt, Art. 10 Abs. 6 lit. b). Gebührenzeitraum ist nach Art. 2 Nr. 8 SSM-Gebührenverordnung das Kalenderjahr. Die Höhe der Aktiva richtet sich gemäß Art. 2 Nr. 12 SSM-Gebührenverordnung nach Art. 51 der SSM-Rahmenverordnung36. Nach Art. 51 Abs. 1 SSM-Rahmenverordnung ist dabei grundsätzlich die nach geltendem Recht erstellte aufsichtsrechtliche konsolidierte Jahresendmeldung maßgeblich.
33
Vgl. den Beschluss (EU) 2015/727 der Europäischen Zentralbank vom 10. April 2015 über den Gesamtbetrag der jährlichen Aufsichtsgebühren für den ersten Gebührenzeitraum und für 2015 (EZB/2015/17). 34 Vgl. Anhang II des Beschlusses. Für das Jahr 2014 waren hiernach insgesamt noch ca. 30 Mio. E angefallen. 35 Von denen etwa ca. 28 Mio. E als Überschuss des vorangegangenen Jahres abgezogen wurde, so dass die Gesamtgebührensumme auf ca. 475 Mio. E festgesetzt wurde, s. Beschluss (EU) 2018/667 der Europäischen Zentralbank vom 19. April 2018 über den Gesamtbetrag der jährlichen Aufsichtsgebühren für 2018 (EZB/2018/12). 36 Verordnung (EU) Nr. 468/2014 der Europäischen Zentralbank vom 16. April 2014 zur Einrichtung eines Rahmenwerks für die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Zentralbank und den nationalen zuständigen Behörden und den nationalen benannten Behörden innerhalb des einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM-Rahmenverordnung) (EZB/2014/ 17), folgend: SSM-Rahmenverordnung.
B. SSM (Single Supervisory Mechanism)
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II. Mindestgebührenkomponente Art. 10 Abs. 6 lit. a) SSM-Gebührenverordnung definiert die Mindestgebührenkomponente. Hiernach stellt die Mindestgebührenkomponente die Untergrenze der jährlichen Aufsichtsgebühr für den einzelnen Gebührenschuldner dar. Hinsichtlich der bedeutenden Institute entfallen 10 % der Gesamtkosten auf die Mindestgebührenkomponente. Jedes Institut trägt dabei den gleichen Anteil unabhängig von sonstigen Faktoren (Art. 10 Abs. 6 lit. b) SSM-Gebührenverordnung). Lediglich Kreditinstitute mit Aktiva in Höhe von maximal 10 Mrd. E37 werden mit dem Faktor 0,5 gemäß Art. 10 Abs. 6 lit. b) SSM-Gebührenverordnung begünstigt. Auch hinsichtlich der nicht bedeutenden Institute entfallen 10 % der Gesamtkosten auf die Mindestgebührenkomponente, die ebenfalls gleichmäßig verteilt wird (Art. 10 Abs. 6 lit. b) SSM-Gebührenverordnung). Die Mindestgebührenkomponente hat im Übrigen ein Pendant in der deutschen Bankenaufsicht; die BaFiN berechnet ebenfalls eine solche Grundgebühr. Begründet wird dies mit einem Basisaufwand für jedes beaufsichtigte Institut.38
III. Variable Gebührenkomponente Die variable Gebührenkomponente bildet den Hauptteil des SSM-Gebührenaufkommens. Ihr Aufkommen richtet sich nach der Bedeutung des Kreditinstituts (ausgedrückt durch die Höhe der gesicherten Aktiva) sowie in gleichem Umfang nach seinem Risikoprofil, Art. 10 Abs. 6 lit. c) i.V.m. Art. 10 Abs. 3 lit. a) SSMGebührenverordnung. Beide Komponenten machen also 50 % des variablen Aufkommens aus. Nach Art. 3 SSM-Gebühren-Beschluss werden die Daten nicht direkt von der EZB erhoben, sondern von den NCAs an die EZB nach Erhebung übermittelt. Die Erhebungsmethodik beruht nach Art. 7 Abs. 1 des SSM-Gebührenbeschlusses auf einer Durchführungsverordnung39, deren Rechtsgrundlage die CRR-Verordnung40 ist. Art. 7 Abs. 1 lit. a-c, Abs. 2 – 3 SSM-Gebührenverordnung modifizieren den hieraus entnommenen Gesamtrisikobetrag. Dabei soll – naturgemäß – nach Art. 7 Abs. 2 der SSM-Gebührenverordnung die Summe der ermittelten Aktiva der Summe der nach Art. 51 der SSM-Rahmenverordnung ermittelten Aktiva entspre37
Es handelt sich dabei um Institute, die nicht die 30 Mrd. E-Grenze der bedeutenden Institute erreichen, aber aufgrund eines anderen Faktors als bedeutend eingestuft werden, vgl. Art. 6 Abs. 4 SSM-Verordnung. 38 Fischer/Boegl, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch (5. Auflage 2017) § 126 Rn. 58. 39 Durchführungsverordnung (EU) Nr. 680/2014 der Kommission vom 16. April 2014 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards für die aufsichtlichen Meldungen der Institute gemäß der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates. 40 Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012.
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§ 3 Die parafiskalischen Abgaben der Bankenunion
chen. Dies soll wohl eine kohärente Anwendung der Gebührenfaktoren ermöglichen. Die übrigen Modifikationen betreffen im Wesentlichen Fälle konzerninterner Interferenz zwischen teilnehmenden und nicht teilnehmenden EU-Staaten sowie Drittstaaten. Zusammengefasst richtet sich die variable Gebührenkomponente also nach der Größe des Instituts (ausgedrückt durch seine Aktiva) sowie seiner Risikogeneigtheit (ausgedrückt durch den Gesamtrisikobetrag).
IV. Qualifizierung der Abgabe/Maßgebliche Prinzipien Wie sich schon aus der Verwendung des Begriffes „Gebühr“ andeutet, handelt es sich bei den erhobenen Abgaben um Gebühren im unionsrechtlichen Sinne. Der Gebührencharakter der Abgabe wird – soweit ersichtlich – in der deutschsprachigen Literatur nie bestritten.41 Die Aufsichtsgebühr dient der Kostendeckung der EZB und soll nicht über die tatsächlichen Kosten hinausgehendes Aufkommen generieren.42 Dies wird daran deutlich, dass die Kosten Maßstab der Gebührenberechnung sind, Art. 9 Abs. 1 a) i.V.m. Art. 5 Abs. 1 SSM-Gebühren-VO. Hier zeigt sich idealtypisch das Kostendeckungsprinzip der Gebühr als Leitlinie ihrer Berechnung. Das individuell zurechenbare Verwaltungshandeln stellt hier die Kontroll- und Aufsichtstätigkeit des SSM gegenüber dem betroffenen Kreditinstitut dar. Das Aufkommen des SSM wird mangels einer eigenen Rechtspersönlichkeit der EZB zugerechnet. Durch die Zweiteilung der Gebührenstruktur in einen fixen und einen variablen Teil gibt es zwei unterschiedliche Stränge innerhalb der Gebührenstruktur. 1. Die Mindestgebührenkomponente Die Mindestgebührenkomponente stellt eine zulässige Pauschalisierung des Verwaltungsgrundaufwands dar. Es erscheint angesichts der Komplexität der Bankenaufsicht auch als realitätsfern, von einer Gebührenverordnung jede einzelne Aufsichtsleistung nach ihren Kosten detailliert aufzuschlüsseln. Einer Grundaufwandsberechnung nach Instituten steht daher kein Einwand entgegen.
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Hinsichtlich der französischsprachigen Literatur scheint umstritten, nach welcher Abgabeform des französischen Verständnisses die SSM-Abgabe einzustufen ist. Gegen eine Einstufung als véritable redevance spräche, dass diese sich nach der Höhe des individuell zugewandten Vorteils richtet und ihre Inanspruchnahme freiweillig sein muss, was beides nicht der Fall ist, hierzu Maitrot de la Motte, in: Martucci (Hrsg.) L’Union bancaire, S. 125 ff. Die Untersuchung zeigt exemplarisch, dass nationale Abgabensysteme die unionalen Abgabeformen nur unzureichend ergreifen und begreifen können. 42 Fischer/Boegl, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch (5. Auflage 2017) § 126 Rn. 58.
C. SRM (Single Resolution Mechanism)
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2. Die variable Gebührenkomponente Wie aufgezeigt, richtet sich die variable Gebührenkomponente nach der Höhe der Aktiva sowie dem Risikoprofil. Die Höhe der Aktiva stellt damit eine gewisse Pauschalisierung des zu erwartenden Aufwands dar. Von größerer Geschäftstätigkeit wird auf einen größeren Aufwand geschlossen, was als Anknüpfungspunkt nachvollziehbar wirkt. Das Risikoprofil hat einen beiläufigen Lenkungscharakter: Die beaufsichtigten Kreditinstitute sollen dazu bewogen werden, geringere Risiken einzugehen.43 Gleichzeitig generieren risikoträchtige Institute mehr Aufwand für die Aufsichtsbehörden, die in diesen Fällen eine herausgehobene Umsicht walten lassen müssen. Die SSM-Gebührenstruktur hat damit ein ähnliches Ziel wie die SRMAbgabenstruktur, die ebenfalls Risiken sanktioniert. Es ist allerdings darauf zu verweisen, dass die SRM-Abgabenstruktur darauf gerichtet ist, es schon möglichst nicht zu einer Inanspruchnahme kommen zu lassen. Für den SSM selbst ist das Risikoprofil unerheblich. Der SSM dient vorrangig nur der Aufklärung. 3. Zwischenergebnis Trotz dieser komplexen Berechnungsweise stellt die SSM-Abgabe eine reine Gebühr dar, die auf Ebene der Europäischen Zentralbank vereinnahmt wird.
C. SRM (Single Resolution Mechanism) Im Gegensatz zu der auf Erstattung von Aufsichtskosten gerichteten SSM-Gebühr ist der SRM auf die Verwirklichung des Ziels der Finanzierungsmaßnahmen der vergemeinschafteten Abwicklung gerade durch eine Mittelansammlung gerichtet. Die SRM-Abgabe ist wegen ihrer rechtlichen Ähnlichkeit und funktionellen Nähe zur Einlagensicherung von besonderer Bedeutung für die Untersuchung.
I. Einleitung zum Prüfungsgegenstand im Rahmen des SRM Die Abwicklung wird auf europäischer Ebene derzeit maßgeblich durch die BRRD44 geprägt, die für die gesamte Europäische Union gilt. Die BRRD sieht die nationale Einrichtung von Abwicklungsfonds vor, die von einer nationalen, wenn auch erheblich unionsrechtlich geprägten, Abgabe gespeist werden. Die SRMVerordnung konkretisiert für die betroffenen Institute der Eurozone die BRRD.45 In 43 44 45
Vergleiche Erwägungsgrund 18 SSM-Verordnung. Siehe hierzu bereits § 3 A. Wojcik, CML Rev. 2016, 91 (101).
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§ 3 Die parafiskalischen Abgaben der Bankenunion
der deutschen Sprachfassung wird die SRM-Abgabe in Abgrenzung zur „Gebühr“ des SSM als „Beitrag“ bezeichnet. Die englische Sprachfassung spricht von „contribution“, die französische ebenfalls von „contribution“.46 Die SRM-Verordnung bestätigt die Rechtslage unter der BRRD, wonach die Institute die Bankenabgabe an einen jeweils nationalen Fonds zu leisten haben, Art. 67 Abs. 1 und Abs. 4 SRMVerordnung. Von dort werden die Mittel via eines außerhalb des Unionsrechts stehenden Abkommens (IGA)47 an den Einheitlichen Fonds (Single Resolution Funds = SRF) des SRM übermittelt.48 Dieses zwischenstaatliche Abkommen wurde insbesondere aufgrund deutschen Drängens geschlossen.49 Für den Zweck der hiesigen Untersuchung wird der Fokus auf die SRM-Abgabe gelegt. Zwar ist auch die aufgrund der BRRD erhobenen nationalen Bankenabgabe50 weitestgehend unionsrechtlich induziert, eine duale Untersuchung verspricht allerdings keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn hinsichtlich der Unionsrechtmäßigkeit unionaler Abgabenstrukturen. Die Frage der Parafiskalität der nationalen Bankenabgabe ist in weiten Teilen im Ergebnis eine Frage nationalen Rechts. Die SRM-Bankenabgabe hingegen wirft erst durch ihren Endverbleib auf unionaler Ebene Fragen der unionalen Parafiskalität auf. Es handelt sich bei der durch die SRM-Verordnung begründeten Abgabe nicht ohne weiteres um eine unionseigene parafiskalische Abgabe. Ohne das außerhalb des Unionsrechts stehende Abkommen ist sie vielmehr eine unionsrechtliche Abgabe, die zu parafiskalischen Strukturen im jeweiligen Mitgliedstaat führt. Die Parafiskalität auf Unionsebene wird erst durch die Übertragung der Mittel durch das IGA erreicht. Die spezifisch unionsrechtlichen Rechtmäßigkeitsanforderungen durch die unionsrechtliche Parafiskalität müssten sich daher primär an das IGA richten, nicht aber an die SRM-Abgabe. Betrachtet man den SRF, so stellt dieser einen vergemeinschafteten Abwicklungsfonds dar. Das Zielvolumen des SRF beträgt 1 % der sog. Gedeckten Einlagen und ist aufzubauen über einen Zeitraum von 8 Jahren, Art. 69 Abs. 1 SRM-Verordnung. Für den gegenwärtigen Zeitraum 2016 – 2023 besteht in der Abwicklung ein Nebeneinander von nationalen und unionalen Abwicklungsmechanismen, wobei der unionale Anteil stetig wächst. Für die unter deutschem Steuerrecht operierenden Banken wird diese durch Gesamtumfang repräsentierte Belastung durch die – von 46
Vgl. z. B. Art. 70 Abs. 1 SRM-VO in der jeweiligen Sprachfassung. Intergovernmental Agreement (IGA), siehe hierzu Boccuzzi (2016), S. 126 und Hadjiemmanuil, in: LSE Law, Society and Economy Working Papers 6/2015 S. 17. Siehe für das deutsche Zustimmungsgesetz (Gesetz zu dem Übereinkommen vom 21. Mai 2014 über die Übertragung von Beiträgen auf den einheitlichen Abwicklungsfonds und über die gemeinsame Nutzung dieser Beiträge, vom 17. Dezember 2014) BGBl II 2014, S. 1299 – 1317. 48 Siehe für die Beitragserhebung Kube, HFSt 2 (2016), 13 ff.; Hadjiemmanuil, in: LSE Law, Society and Economy Working Papers 6/2015 S. 27. 49 De Witte, E.C.L. Review 11 (2015), 434 (439) Fn. 14, der das Verfahren als intransparent brandmarkt; Howarth/Quaglia, JCMS 2014, 125 (135); Epstein/Rhodes, in: Caporaso/Rhodes, The Political and Economic Dynamics of the Eurozone Crisis, 2016, 200 (222). 50 Ein Rechtsgutachten zu dessen Rechtmäßigkeit bei Kube, in: HFSt 2 (2016), 9 ff. 47
C. SRM (Single Resolution Mechanism)
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Verfassung wegen umstrittene, vermutlich bestehende51 – fehlende Absetzbarkeit nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 13 EStG noch verstärkt. Verwaltet wird der SRM nach Art. 5 Abs. 1 der SRM-Verordnung durch den sog. Ausschuss (Single Resolution Board = SRB). Der Ausschuss des SRM übernimmt die von der BRRD den nationalen Abwicklungsbehörden zugewiesenen Aufgaben.52 Der Ausschuss ist dabei eine Agentur der Union mit eigener Rechtspersönlichkeit, Art. 42 Abs. 1 SRM-Verordnung. Das SRB finanziert sich durch eine Verwaltungsabgabe der betroffenen Institute.53 Das SRB trifft die Abwicklungsentscheidungen.54
II. Zweck der Bankenabwicklung Zur Kontextualisierung der Abgabe ist der ökonomische Sinn und Zweck des SRM kurz darzustellen. Die Abwicklung stellt ein gesondertes, insolvenzähnliches Verfahren zum Umgang mit angeschlagenen Kreditinstituten und artverwandten Akteuren dar.55 Die Durchführung normaler Insolvenzverfahren hat sich international für Kreditinstitute und artverwandte Wirtschaftsteilnehmer nicht durchsetzen können. Ein Hintergrund sind die Erfahrungen mit der Kollabierung großer Finanzhäuser, insbesondere Lehman Brothers.56 Die volkswirtschaftlichen Schäden des Fehlens eines funktionsfähigen Resolutionsmechanismus waren immens.57 Die US-amerikanische Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC) schätzte ursprünglich die Abschreibungen auf durchschnittlich etwa 80 % der Forderungen (aufgrund der verzweigten Struktur Lehman Brothers aber stellenweise stark variierend nach Geschäftsbereich und örtlicher Ansässigkeit58). In einem funktionie51 Für Verfassungswidrigkeit vor Art. 3 Abs. 1 GG Kube, DStR 2016, 572 – 578; gegen eine solche FG Münster, Urteil vom 21. 03. 2018 – 9 K 3187/16 F mit umfangreichen Nachweisen zum Streitstand. Das Abzugsverbot bezieht sich aber nicht auf die Sonderbeiträge, s. Wied, in: Blümich, EStG-Kommentar 132. EL 2016, § 4 Rn. 924b. 52 Zum Ausschuss Wojcik/Ceyssens, EuZW 2014, 893 (894). 53 Siehe hierzu unter § 3 C. III. 4. 54 Vgl. hierzu Schmitt/Bär, WM 2016, 493 – 498 m.w.N. zur Rechtslage. 55 Ferran, University of Cambridge Faculty of Law Legal Studies Research Paper Series Paper 30/2014, S. 10; Binder, ZHR 179 (2015), 83 (93) zur Definition. Derselbe, ZHR 179 (2015), 83 (105) halt die durch das Bail-In vorgesehene Beteiligungsmöglichkeit von Gläubigern und Anteilseignern auch an der Sanierung als einen wesentlichen Unterschied zum regulären Insolvenzverfahren. 56 Der Fall Lehman Brothers gilt als Musterbeispiel der Konsequenzen eines fehlenden oder dysfunktionalen Abwicklungsregimes, siehe Ferran, University of Cambridge Faculty of Law Legal Studies Research Paper Series Paper 30/2014, S. 10. 57 Umfassend zum Ablauf des Insolvenzverfahrens aus ökonomischer Sicht unter besonderer Berücksichtigung des Fehlens eines gesonderten Resolutionsmechanismus Fleming/ Sakar, EPR 2014, 175 – 206. 58 Fleming/Sakar, EPR 2014, 175 (178).
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§ 3 Die parafiskalischen Abgaben der Bankenunion
renden Abwicklungsverfahren wären die Abschreibungen im durchschnittlichen Bereich von 3 % gelegen.59 Ein reguläres, gerichtsgetragenes Insolvenzverfahren dämmt die systemischen Risiken in Staaten mit hoch entwickelten Finanzsystemen nicht effizient ein.60
III. Abgabenerhebung Die durch diesen Regelungskomplex aufgeworfenen Rechtsfragen hinsichtlich der Abgabenerhebung waren bereits Gegenstand von Untersuchungen im nationalen61 wie unionsrechtlichen62 Kontext. Im Jahre 2017 wurden 6,6 Mrd. E von 3.512 betroffenen Institutionen eingesammelt,63 was als Durchschnittswert ca. 1,88 Mio. E pro betroffenem Institut bedeutete. Die SRM-Abgabe hat daher eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung für den Bankensektor. In rechtlicher Hinsicht richtet sich die Zusammensetzung der Abgabe für die individuellen Institute nach der SRMDelegierte Verordnung64 und der SRM-Beitrags-Durchführungsverordnung65. 1. Jährlicher Grundbeitrag Ausgangspunkt der Gebührenberechnung ist der jährliche Grundbeitrag.66 Der Grundbeitrag richtet sich nach dem Verhältnis der Höhe der individuellen Passiva zur Höhe der gesamten Passiva aller abgabepflichtigen Institute, jeweils ohne Eigenmittel berechnet, Art. 70 Abs. 1 SRM-Verordnung sowie Art. 103 Abs. 2 BRRD. Die Größe des Instituts wird also anhand seiner Passiva berechnet. Dies ist ein Unter59 Siehe mit Bezug zu den Untersuchungen der FDIC Gordon/Ringe, ECGI Working Paper Series in Law, Working Paper Nr. 282/2015, S. 13. 60 Binder, ZHR 179 (2015) 83 (85) m.w.N. 61 U. a. Martini, NJW 2010, 2119 – 2123. Grundsätzlich: Reimer/Waldhoff, Verfassungsrechtliche Vorgaben für Sonderabgaben des Finanz- und Versicherungssektors, 2011. 62 Hierzu Kube, in: HFSt 2 (2016). 63 Siehe die Presseerklärung des SRBs vom 19. 07. 2017: https://srb.europa.eu/en/node/362. 64 Delegierte Verordnung (EU) 2015/63 der Kommission vom 21. Oktober 2014 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf im Voraus erhobene Beiträge zu Abwicklungsfinanzierungsmechanismen. Aus Praktikabilitätsgründen wird diese Verordnung im Haupttext als „SRM-Delegierte Verordnung“ bezeichnet. 65 Durchführungsverordnung (EU) 2015/81 des Rates vom 19. Dezember 2014 zur Festlegung einheitlicher Modalitäten für die Anwendung der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf im Voraus erhobene Beiträge zum einheitlichen Abwicklungsfonds. Aus Praktikabilitätsgründen wird diese Verordnung im Haupttext als „SRM-Beitrags-Durchführungsverordnung“ bezeichnet. 66 Der Begriff des „jährlichen Grundbeitrags“ entstammt weder der BRRD, noch der SRMVerordnung. Er beruht vielmehr auf der SRM-Delegierte Verordnung (siehe dort Erwägungsgrund Nr. 5).
C. SRM (Single Resolution Mechanism)
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schied zum SSM, der auf die Aktiva abstellt. Für das Ausmaß einer Abwicklung scheint aber in der Tat das Anknüpfen an die Passiva naheliegender, letztlich ist der drohende Ausfall der Passiva des in finanzieller Schieflage befindlichen Instituts für den Finanzsektor problematisch. 2. Risikoanpassung Der ermittelte jährliche Grundbeitrag wird in der Folge einer Risikoadjustierung unterzogen. Damit wird der geringeren Ausfallwahrscheinlichkeit risikoarm tätiger Institute Rechnung getragen.67 Der Multiplikator beträgt dabei zwischen 0,8 und 1,5 gemäß Art. 9 Abs. 3 der SRM-Delegierte Verordnung. Die variable Komponente ist daher substantiell schwächer ausgeprägt als in der SSM-Verordnung, die eine variable Gebührenkomponente von 90 % vorsieht.68 Die Risikoanpassung richtet sich nach der Risikobewertung eines Instituts nach Art. 70 Abs. 2 lit. b) SRM-Verordnung und Art. 6 SRM-Delegierte Verordnung. Hierbei gelten nach Art. 70 Abs. 2 lit. b) SRM-Verordnung die Vorgaben des Art. 103 Abs. 7 BRRD. Relevant sind unter anderem Risikoexponiertheit, Diversifikation der Anlagen, Finanzlage, Komplexität und Bedeutung eines Instituts. Die Risikoanpassung findet bei kleinen Instituten regelmäßig nicht statt. Ihnen wird vielmehr eine Pauschale berechnet, die sich an ihrem Grundbeitrag und ihrer Größe orientiert.69 Die Risikoanpassung ist im Wege der Rückausnahme bei einem ungewöhnlichen Risikoprofil des Instituts möglich, Art. 10 Abs. 8 SRM-Delegierte Verordnung. 3. Bail-In Abgaben Als Bail-In wird das Heranziehen von Gläubigern einer Bank an den Kosten der Abwicklung verstanden.70 Das Bail-out hingegen bezieht sich auf das Heranziehen von Dritten, praktisch vor allem Staaten.71 Der Bail-In stärkt das Interesse der Gläubiger am Wohlbefinden eines Instituts und beschränkt die Verantwortung der
67 Wolfers/Volland, in: Binder/Glos/Riepe (Hrsg.), Handbuch Bankenaufsichtsrecht (1. Auflage 2018), § 21 Rn. 59. 68 Freilich muss eine solche Aussage würdigen, dass die Hälfte der variablen Gebührenkomponente sich auf das Ausmaß der gesicherten Aktiva bezieht, was für die betroffenen Institute eine nicht ohne erheblichen Aufwand auf ihre Geschäftstätigkeit beeinflussbare Größe darstellt. Jedenfalls das hälftige Abstellen der variablen Gebührenkomponente auf das Risikoprofil stellt den eigentlichen Risikoanteil dar. 69 Art. 10 sowie die Erwägungsgründe 15 und 16 Delegierte Verordnung (EU) 2015/63. 70 Zur genauen Begriffsdefinition unter BRRD und SRM-VO Wojcik, CML Rev. 2016, 91 (106) und im rechtshistorischen Kontext Ringe Oxford Legal Studies Research Paper Nr. 33/201 6, S. 3. 71 Wojcik, CML Rev. 2016, 91 (91 ff.); Bodellini, Eur Bus Org Law Rev 19 (2018), 365 (366).
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§ 3 Die parafiskalischen Abgaben der Bankenunion
nationalen Abwicklungsfonds.72 Es dient der Trennung von Staatsfinanzen und dem Bankensektor.73 Das Bail-In ist eine zentrale Neuerung im Bankenabwicklungsrecht durch die BRRD.74 BRRD (Art. 43 – 55) und SRM-Verordnung (Art. 71) sehen die Möglichkeit des Bail-Ins vor. Diese Abgaben werden ex post erhoben, also nach Eintritt eines Abwicklungsfalls. Der Bail-In unter der BRRD wird entweder durch eine Erhöhung des Eigenkapitals des in einem Abwicklungsprozess stehenden Instituts (Art. 43 Abs. 1 BRRD und Art. 27 Abs. 1 lit. a SRM-Verordnung) oder durch eine Ausstattung eines Brückeninstituts (Art. 43 Abs. 2 BRRD und Art. 27 Abs. 1 lit. b SRM-Verordnung75) bewerkstelligt. Die Bail-In Abgaben werfen sicherlich andere Grundrechtsaspekte als die ex ante erhobenen Abgaben auf, nicht jedoch im Bezug zur Frage der Parafiskalität. Daher werden sie nicht weiter untersucht. 4. Beitrag zu den Verwaltungskosten Das SRB finanziert sich nicht durch Zuwendungen durch den Haushalt, sondern durch eine eigenständige Abgabe, die in der SRM-Verordnung als „Beitrag zu den Verwaltungskosten“ bezeichnet wird, Art. 65 SRM-Verordnung. In der englischen Sprachfassung ist von „administrative contributions“ die Rede. Dieser Beitrag zu den Verwaltungskosten ist von der SRM-Abgabe strikt zu unterscheiden. Im Jahr 2016 war seine Höhe knapp unter 34 Mio. E.76 Die wirtschaftliche Bedeutung des Beitrags zu den Verwaltungskosten ist signifikant niedriger als die Bedeutung der SRMAbgabe. Der Beitrag zu den Verwaltungskosten richtet sich nach der Delegierten Kostenverordnung der Kommission.77 Nach deren Art. 5 Abs. 2 gelten hierbei im Wesentlichen die Grundsätze der SSM-Gebührenverordnung für die Bestimmung der individuellen Beitragshöhe. Die absolute Höhe der Abgaben richtet sich nach den Gesamtkosten des SRB, Art. 65 Abs. 2 SRM-Verordnung i.V.m. Art. 3 Delegierte Kostenverordnung.
72
Zu den Funktionen Wojcik, CML Rev. 2016, 91 (107). Bodellini, Eur Bus Org Law Rev 19 (2018), 365 (371); Wojcik, CML Rev. 2016, 91 (107); Ringe, Oxford Legal Studies Research Paper Nr. 33/2016, S. 3. 74 Binder, ZHR 179 (2015), 83 (104). 75 Zum Brückeninstitut siehe Art. 25 SRM-Verordnung. 76 SRB’s Final Annual Accounts of 2016 (Veröffentlichung 03. 10. 2017), S. 39. 77 Delegierte Verordnung (EU) 2017/2361 der Kommission vom 14. September 2017 über das endgültige System der Beiträge zu den Verwaltungsausgaben des Ausschusses für die einheitliche Abwicklung. Diese ersetzt die vorherige Delegierte Verordnung (EU) Nr. 1310/ 2014 der Kommission vom 8. Oktober 2014 über das vorläufige System der Beitragsvorauszahlungen zur Deckung der Verwaltungsausgaben des Ausschusses für die einheitliche Abwicklung während der Übergangsfrist. Art. 65 Abs. 5 SRM-Verordnung räumt der Kommission die diesbezügliche Rechtsgrundlage zum Erlass der Verordnung ein. 73
C. SRM (Single Resolution Mechanism)
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IV. Der SRF in seiner Fondsstruktur Art. 58 Abs. 1 SRM-Verordnung stellt fest, dass der SRM-Haushalt nicht Teil des Haushalts der Union ist.78 Mittel, die dem SRM-Haushalt zufließen, sind daher per se parafiskalisch. Der SRM-Haushalt besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil (Art. 59 SRM-Verordnung) behandelt die Verwaltungseinnahmen und Ausgaben des SRM, der zweite Teil (Art. 60 SRM-Verordnung) behandelt den Single Resolution Funds (SRF), genannt „der Fonds“ (Überschrift des Art. 60 SRM-Verordnung). Teil I des Haushalts (Beitrag zu den Verwaltungskosten) darf nach Art. 65 Abs. 2 SRM-Verordnung nur für Personalaufwendungen, Entgelte, Verwaltungs- und Infrastrukturausgaben, Ausgaben für berufliche Fortbildung und laufende Kosten verwendet werden. Teil I des Haushalts deckt sämtliche laufende Betriebskosten des SRB. Der Fonds wiederum darf nur für die operativen Zielsetzungen des SRMs verwendet werden, Art. 60 Abs. 2 SRM-Verordnung. Die Ausgaben beider Teile des Haushalts sind damit strikt zweckgebunden und voneinander separiert. Anhand der Datenlage von 2011 wurde ein Volumen von 55 Mrd. E als Zielausstattung errechnet.79 Diese Größenordnung zeigt die erhebliche praktische Bedeutung des Fonds für den Finanzsektor.
V. Qualifizierung der Abgabe Durch die SRM-Abgabe wird im Wesentlichen eine Kapitalsammlung betrieben und einer bestimmten Branche die Last einer von ihr ausgehenden wirtschaftlichen Gefahr aufgebürdet. Die Zahlungspflicht besteht dabei unabhängig von der tatsächlichen individuellen Inanspruchnahme des Fonds durch das Institut. Die SRMAbgabe stellt daher keine unionsrechtliche Gebühr dar. Fraglich erscheint aber, welcher Abgabenkategorie sie stattdessen zuzuordnen ist. 1. Die Sprachfassung als Ausgangslage Die Textfassung spricht von einem Beitrag. Hierbei ist zu erinnern, dass der Begriff des Beitrags häufig für unspezifische Zahlungspflichten verwendet wird.80 Im deutschen Sprachgebrauch hat sich für die Abgabe auf Grundlage der BRRD stattdessen der Begriff „Bankenabgabe“ gefestigt.81
78 79 80 81
Diese Einschätzung teilen im Ergebnis auch Herrmann/Rosenfeldt (2014), S. 17. Boccuzzi (2016), S. 124 m.w.N. Siehe hierzu unter § 2 B. III. 2. Siehe z. B. Kube, HFSt 2 (2016), 6; Kube, DStR 2016, 572 – 578.
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§ 3 Die parafiskalischen Abgaben der Bankenunion
2. Der jährliche Grundbeitrag Begründet wird der jährliche Grundbeitrag nicht mit einer höheren Ausfallwahrscheinlichkeit eines größeren Instituts, sondern mit einer höheren Eingriffswahrscheinlichkeit des SRMs aus Gründen des öffentlichen Interesses.82 Hier mag man eine Andeutung der „too big too fail“-Problematik erkennen. Die Bedeutung eines Instituts für den Bankensektor und die gesamte Wirtschaft wird zudem zusätzlich durch die Risikoadjustierung erschwerend berücksichtigt.83 Dem liegt das erkennbare Bestreben der Verordnung zugrunde, Institute mit systemischer Bedeutung stärker zu belasten.84 3. Die rechtlichen Eigenschaften der SRM-Abgabe Hinsichtlich ihrer rechtlichen Eigenschaften fällt auf, dass die Bankenabgabe in erster Linie Kreditinstitute belastet, die man als homogene Berufsgruppe sowie als Wirtschaftssektor auffassen kann. Sowohl nach dem Maßstab der homogenen Gruppe als auch nach dem Verständnis einer reinen Sachbereichsabgabe ist dieses Wesensmerkmal der parafiskalischen Abgabe gegeben. Das Bundesverfassungsgericht hat für das deutsche Verfassungsrecht die Mitglieder des Finanzmarktes aufgrund der sachlichen Besonderheit der hohen Interdependenz als homogen eingestuft.85 Gleiches gilt für den Bereich der Sachverantwortung. Dieser Verantwortungsgedanke zeigt sich besonders in dem politisch erstrebten Ziel, zukünftige Bankenrettungen nicht mehr dem allgemeinen Staatshaushalt („den Steuerzahlern“) aufzubürden.86 Die SRM-Abgabe zielt vielmehr auf die Beteiligung des belasteten Bankensektors an der Beseitigung einer von ihm ausgehenden Gefährdung der Realwirtschaft.87 Die Bankenabgabe ist damit vordergründig nicht im Sinne eines Beitrags auf die Vermittlung eines gruppenäquivalent zufließenden Vorteils gerichtet. Es ist kein Vorteil des Kreditinstituts selbst, dem SRM zu unterfallen. Vielmehr soll die Außenwirkung der Abwicklung aufgefangen werden. Es scheint daher, dass die SRM-Abgabe auf die Inanspruchnahme für eine durch das Institut 82
Erwägungsgrund Nr. 5 der Delegierten Verordnung (EU) 2015/53. Siehe Art. 6 Abs. 1 lit. c) Delegierte Verordnung (EU) 2015/63. Nach dortigem Art. 7 Abs. 1 lit. c) fließt dies allerdings nur zu 10 % in die Bewertung ein. 84 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 15 f. der Delegierten Verordnung (EU) 2015/53. 85 BVerfG, Beschluss vom 25. 11. 2016 – 2 BvR 355/12, Rn. 43 mit Anmerkung von Kube, JZ 2016, 373 – 376. 86 Peters, WM 2014, 396 (398) m.w.N. 87 Manger-Nestler, in: Blanke/Pilz, Die Fiskalunion, 2014, 299 (338), die einen Bezug zum gefahrenabwehrrechtlichen Störerbegriff herstellt. Zu den Folgen der Bankenkrise für das produzierende Gewerbe anhand des Beispiels Islands siehe die Nichtvertrauliche Fassung der Entscheidung der EFTA-Überwachungsbehörde Nr. 244/12/COL vom 27. Juni 2012 über Umstrukturierungshilfen für die Íslandsbanki (Island), Amtsblatt der Europäischen Union, L 144/70 ff., Rn. 34 ff. 83
C. SRM (Single Resolution Mechanism)
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ausgelöste Gefahr abzielt. Im Vordergrund steht mithin ein behaupteter Verantwortungszusammenhang, nicht aber ein Vorteil der Gruppe. Gleichwohl muss erwähnt werden, dass von einer wirksamen Stabilisierung des Europäischen Finanzmarkts alle Kreditinstitute profitieren. Es ist daher unklar, on die SRM-Abgabe an den Verantwortungszusammenhang, den vermittelten Vorteil oder an beides anknüpft. Als Abgabe des deutschen Rechts wäre die SRM-Abgabe jedenfalls als Sonderabgabe zu qualifizieren.88 Mangels einer analogen Abgabe im französischen Recht mag daher die in der französischen Literatur vermutete Unbestimmtheit der Abgabenart erklärbar sein.89 4. Die spezifische Situation hinsichtlich der Parafiskalität Wie bereits angedeutet, ist die unionsrechtliche Parafiskalität im Bereich der SRM-Abgabe komplex. Die SRM-Verordnung selbst setzt die Übertragung zwar voraus, Art. 67 Abs. 1 und Abs. 4 SRM-Verordnung, begründet die Übertragung aber selbst nicht. Die unionsrechtliche Parafiskalität entsteht erst durch das IGA. Das Mittelaufkommen wird auch nicht in den EU-Haushalt gestellt, sondern verbleibt im SRF, der unter Kontrolle des unabhängigen SRBs steht. Die Mittel werden damit im SRF parafiskalisch gesammelt. Weiterhin sind die Mittel im Teil II des SRMHaushalts strikt zweckgebunden. Mithin fällt es schwer, die SRM-Abgabe als unionseigene parafiskalische Abgabe zu begreifen und die entsprechenden Maßstäbe anzuwenden. Die SRM-Abgabe erscheint durch das völkerrechtliche Übereinkommen wie eine parafiskalische Abgabe eigener Art. Dies ist neben den agrarwirtschaftlichen Abgaben ein weiteres Beispiel der komplexen Bestimmung der Parafiskalität auf Unionsebene. 5. Zwischenergebnis hinsichtlich der Bankenabgabe Die SRM-Bankenabgabe stellt sich daher als eine unionsrechtliche induzierte, parafiskalische Abgabe besonderer Art auf primärer Ebene der Mitgliedstaaten dar. 6. Der Beitrag zu den Verwaltungskosten Hinsichtlich des unionalen Begriffes des Beitrags ist wiederum festzustellen, dass der Beitragsbegriff im Unionsrecht sehr variabel eingesetzt wird. Insbesondere schließt der Begriff des Beitrags nicht das Vorliegen einer unionalen Gebühr aus. Der Beitrag zu den Verwaltungskosten richtet sich in seiner Höhe nach dem Ziel der Kostendeckung. Er erfüllt auch sonst analog zur SSM-Aufsichtsgebühr – nach deren 88
So auch Kube, HFSt 2 (2016), 45 f. Martucci, in: Martucci (Hrsg.) L’Union bancaire, S. 33: „(…) La nature juridique de ces contributions ex ante et ex post demeure indéterminée (…)“ (Hervorhebung in Ursprungsfassung enthalten). 89
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§ 3 Die parafiskalischen Abgaben der Bankenunion
Vorbild er berechnet wird – die zuvor herausgearbeiteten Merkmale einer Gebühr. Er stellt die individuelle administrative Gegenleistung für ein durch den Gebührenschuldner ausgelöstes öffentliches Handeln dar. Der Verwaltungsbeitrag ist im Ergebnis eine unionale Gebühr, die zudem parafiskalisch vereinnahmt wird, vgl. Art. 58 Abs. 1 i.V.m. Art. 59 SRM-Verordnung. Der Verwaltungsbeitrag ist daher eine parafiskalische Abgabe im weiteren Sinne. Abschließend sei noch auf einen Konnex zum bereits untersuchten Agenturenwesen der Union in seiner Haushaltskonsequenz hingewiesen. Wie bereits untersucht, werden vollständig selbständig finanzierte EU-Agenturen nicht in den Haushalt gestellt. Auch die operativen Kosten des SRB werden, im Gleichklang zu den sonstigen untersuchten Agenturen, durch einen Gebührentatbestand finanziert. Somit ist bisher keine Deckung der laufenden Betriebskosten einer außerhalb des regulären Haushalts stehenden EU-Agentur ersichtlich. Die parafiskalische Abgabe im engeren Sinne erscheint nur im Rahmen eines Sonderfonds zur Erfüllung einer operativen Zielsetzung der Agenturen.
D. EDIS (European Deposit Insurance Scheme) Die dritte Säule der Bankenunion soll aus einer vergemeinschafteten Einlagensicherung bestehen. Basis der Verhandlungen auf Europäischer Ebene ist ein entsprechender Verordnungsvorschlag der Kommission,90 an dem sich die Untersuchung als Modell einer hypothetisch verwirklichten Einlagensicherung orientiert. Die Kontextualisierung und faktische Erfassung des Kommissionsvorschlags werden dessen rechtliche Prüfung vorbereiten.
I. Bankenabwicklung und Einlagensicherung Das Erläutern der funktionalen Beziehung von Abwicklungs- und Einlagensicherungssystemen ist den Ökonomen vorbehalten. Im Wesentlichen lässt sich aber sagen, dass eine glaubwürdige Einlagensicherung Kapitalabzug durch Privatanleger verhindert und durch die Verringerung drängender Liquiditätsprobleme die Ausgangssituation für die Bankenabwicklung verbessert.91 Eine effektive Bankenab90 Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 im Hinblick auf die Schaffung eines europäischen Einlagenversicherungssystems vom 24. 11. 2015, COM (2015) 586 – folgend: EDIS-Vorschlag. 91 Dieser plötzliche Abzug, der auch aufgrund einer offensichtlich unzureichenden Einlagensicherung ausgelöst wurde, war z. B. bei Islands Banken im Rahmen der Finanzkrise ein Problem, siehe die Nichtvertrauliche Fassung der Entscheidung der EFTA-Überwachungsbehörde Nr. 244/12/COL vom 27. Juni 2012 über Umstrukturierungshilfen für die Íslandsbanki (Island), Amtsblatt der Europäischen Union, L 144/70 ff., Rn. 19 und 25; siehe zur Bedeutung
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wicklung wiederum reduziert die Gefahr des Eintritts sowie im Falle des Eintritts die Reichweite der Inanspruchnahme der Einlagensicherung. Moderne Regelungsstrukturen berücksichtigen daher die Interferenz zwischen beiden Bereichen. Die durch die Bündelung der Einlagensicherung auf Bundesebene der USA erreichte Schlagkraft der Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC) wird auch eine zentrale Verantwortung für die erfolgreiche Eindämmung finanzwirtschaftlicher Probleme einzelner Bundesstaaten zugeschrieben.92
II. Jüngere europäische und nationale Entwicklungsstränge Nach den Anfängen der rein nationalen und privatwirtschaftlichen Sicherungssysteme hat sich die Einlagensicherung unter zunehmender europarechtlicher Prägung entwickelt. Die vergemeinschaftete Einlagensicherung wäre insoweit der vorläufige Schlussstein eines langen Prozesses. 1. Die Entwicklung seit 1994 Die Einlagensicherung als Instrument bestand bereits vor der Finanzkrise aus nationalen Systemen, deren europarechtliche Grundlage die Einlagensicherungsrichtlinie93 von 1994 darstellte.94 Zusammen mit der Anlegerentschädigungsrichtlinie95 setzte das Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz96 (EAEG) diese europarechtlichen Vorgaben in Deutschland um. Das EAEG führt inzwischen aber nur noch die Anlegerentschädigung (daher unbenannt: AnlEntG97) fort; die Einlagensicherung ist im Einlagensicherungsgesetz (EinSiG)98 geregelt. Die Einlagensicherungsrichtlinie von 1994 setzte dem Gedanken der Mindestharmonisierung folgend99 ein europaweites Grundniveau der nationalen Einlagensicherungseines Einlagensicherungssystems für die Stabilität des Finanzsektors auch Boccuzzi (2016), S. 130 m.w.N. sowie Lazarov, CML Rev. 54 (2017), 1749 (1753 ff.). 92 Diesbezüglicher Vergleich zwischen Irland und Nevada (USA): Gros, CEPS commentary 18th of October, 2012. 93 Richtlinie 94/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 1994 über Einlagensicherungssysteme. 94 Zu einem kurzen Überblick über den Stand der Einlagensicherung in Deutschland vor dem Erlass der Einlagensicherungsrichtlinie siehe Hahn, in: GS Geck 1989, 301 (303 ff.). 95 Richtlinie 97/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. März 1997 über Systeme für die Entschädigung der Anleger. 96 Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz vom 16. Juli 1998 (BGBl. I S. 1842). 97 Anlegerentschädigungsgesetz vom 16. Juli 1998 (BGBl. I S. 1842), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 28. Mai 2015 (BGBl. I S. 786) geändert worden ist. 98 Einlagensicherungsgesetz vom 28. Mai 2015 (BGBl. I, 786). 99 Vgl. Erwägungsgrund Nr. 6 der Richtlinie 2014/49/EU (DGSD); Baglioni (2016), S. 112.
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§ 3 Die parafiskalischen Abgaben der Bankenunion
systeme. Die auf den damaligen Art. 57 Abs. 2 EGV100 gestützte Richtlinie kam gegen den Willen der Bundesregierung101 und trotz einer Klage derselben102 zustande. Im Rahmen der Finanzkrise wurden nationale Einlagensicherungssysteme an die Grenze ihrer Belastbarkeit gebracht.103 Große mediale Aufmerksamkeit wurde dabei dem isländischen Bankensektor zuteil, hierbei insbesondere der Landsbanki mit ihrer ausländischen Tochtergesellschaft Icesave.104 Die Situation Islands exemplifiziert lehrbuchartig die Problematik des gewaltigen Ausmaßes eines Bankensektors im Verhältnis zu seinem nationalen Aufseher wie Garanten und den daraus folgenden gesamtwirtschaftlichen Problemstellungen. In der Folge der Finanzkrise renationalisierte sich das Bankensystem weltweit, ein Phänomen, das nicht zuletzt durch das mangelnde Vertrauen der Anleger in ausländische Einlagensicherungssysteme begründet wurde.105 Es entstanden einzelne Bank runs, also abrupte, unkoordinierte Abflüsse von Spareinlagen durch Kunden.106 Dieser Liquiditätsverlust traf auch –
100 Inzwischen Art. 64 Abs. 2 AEUV, welcher der EU eine Kompetenzgrundlage für Maßnahmen zur Ermöglichung des freien Kapitalverkehrs mit Drittstaaten zuweist. Die Wahl dieser Kompetenzgrundlage statt des Art. 100a EGV (heutiger Art. 114 AEUV) war umstritten. Siehe aus der Literatur Everling, ZHR 162 (1998), 403 (410 f.); Reher/Schöner, EWS 1997, 366 (368 ff.). 101 Everling, ZHR 162 (1998), 403 (404); Reher/Schöner, EWS 1997, 366 (366). 102 EuGH, Urteil vom 13. 05. 1997 – C-233/94 – Deutschland ./. Parlament und Rat mit Besprechung Wernicke, EuZW 1997, 442 f., der jedoch die Frage nach der Kompetenzgrundlage nicht gesondert würdigt. 103 Was ein häufiges Argument für die Vergemeinschaftung der Einlagensicherung darstellt, siehe Baglioni (2016), S. 122. 104 Fuchs, EWS 2010, 516 (517); EFTA-Gerichtshof, Urteil vom 28. 01. 2013 – E-16/11 – EFTA Überwachsungsbehörde gegen Island, mit Besprechung Fuchs, EWS 2013, 92 ff. Island hatte als EFTA-Mitgliedstaat die Einlagensicherungsrichtlinie mit Gesetz 98/1999 umgesetzt, siehe die Nichtvertrauliche Fassung der Entscheidung der EFTA-Überwachungsbehörde Nr. 244/12/COL vom 27. Juni 2012 über Umstrukturierungshilfen für die Íslandsbanki (Island), Amtsblatt der Europäischen Union, L 144/70 ff., Rn. 81 ff. Vergleiche zu dem Fall auch Lazarov, CML Rev. 54 (2017), 1749 (1759 ff.). 105 In Island überstieg beispielsweise die Bilanzsumme der drei größten Banken das BIP Islands um das Neunfache im Jahr 2007. Der Einlagensicherungs- und Entschädigungsfonds hielt in Relation zu der von ihm eigentlich abzudeckenden Einlagen nur eine völlig unzureichende Mittelausstattung. Die Krise der isländischen Banken wurde durch die ausgelöste Kapitalflucht erheblich verschärft, siehe die Nichtvertrauliche Fassung der Entscheidung der EFTA-Überwachungsbehörde Nr. 244/12/COL vom 27. Juni 2012 über Umstrukturierungshilfen für die Íslandsbanki (Island), Amtsblatt der Europäischen Union, L 144/70 ff., Rn. 19 und 25. Es ist im Übrigen ersichtlich, dass die Renationalisierung nicht bloß ein Element der Privatanleger war, sondern auch gerade die marktbestimmenden institutionellen Anleger vor schwer kalkulierbaren Insolvenzrisiken ihrer Geschäftspartner standen. 106 Zur diesbezüglichen Pufferwirkung von Einlagensicherungssystemen Gortsos, Deposit Guarantee Schemes: General aspects and recent institutional and regulatory developments at international and EU level, S. 4; siehe auch Boccuzzi (2016), S. 133.
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jenseits der geographisch bedingten Umstände – solide wirtschaftende Kreditinstitute, sofern sie durch ihre nationale Anknüpfung als unsicher galten.107 2. Die gegenwärtige Rechtslage unter der DGSD Die DGSD (Deposit Guarantee Scheme Directive)108 ersetzt die bisherige Einlagensicherungsrichtlinie von 1994. Der deutsche Gesetzgeber setzte die europäischen Vorgaben durch das Einlagensicherungsgesetz (EinSiG) von 2015 um. Neben technisch bedeutsamen Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen109 regeln die §§ 26 ff. EinSiG die Beitragspflicht in Form von Jahresbeiträgen. Erst die DGSD setzte die ex ante-Beitragspflicht für Kreditinstitute europaweit durch.110 Beitragspflichtig sind Kreditinstitute im Sinne des Artikel 4 Abs. Nr. 1 der Verordnung (EU) 575/2013111 (sog. CRR-Verordnung: Capital Requirements Regulation). Die CRRVerordnung steht im Kontext der Umsetzung der Vorschriften von „Basel III“.112 a) Abgabenstruktur Die DGSD gibt in ihrem Erwägungsgrund 36 vor, dass die Beiträge auf der Höhe der gedeckten Einlagen und der Höhe des Risikos beruhen sollten, dem das jeweilige Mitglied ausgesetzt ist. Zunächst enthält Art. 10 Abs. 1 DGSD hierzu die Regelung, dass die Einlagensicherungssysteme durch „Beiträge“ finanziert werden, die mindestens jährlich zu entrichten sind. Art. 13 der DGSD, der den Erwägungsgrund 36 fortführt, konstatiert präzise: „(…) Die Beiträge an Einlagensicherungssystemen nach Artikel 10 (der DGSD, der Rede) beruhen auf der Höhe der gedeckten Einlagen und der Höhe des Risikos, dem das entsprechende Mitgliedsinstitut ausgesetzt ist (…)“. Abzustellen ist somit nicht auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit per se, sondern auf die zu bewältigende Sachaufgabe (Schutz der gedeckten Einlagen) mit einer negativen Gewichtung der höheren Wahrscheinlichkeit einer Inanspruchnahme (also das Risiko). Anschließend räumt Art. 13 Abs. 1 DGSD den Mitgliedstaaten gewisse Gestaltungsspielräume ein; zu einer Gewichtung der Faktoren kommt es aber nicht. Die unionsrechtliche Determinierung weist für das Beitragssystem einen weiten Ausgestaltungsspielraum an die Mitgliedstaaten weiter, verlangt aber ein Abstellen auf die genannten beiden Faktoren dem Grunde nach. 107
Erwägungsgrund Nr. 19 der DGSD; Erwägungsgrund Nr. 6 EDIS-Vorschlag. Richtlinie 2014/49/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Einlagensicherungssysteme. 109 Kurzüberblick bei Weber, NJW 2016, 992 (993). 110 Baglioni (2016), S. 115. Zu den genauen Vorgaben der DGSD und der komplementären Wirkungsweise von ex ante- und ex post-Beiträgen siehe Boccuzzi (2016), S. 140 ff. 111 Abgabepflichtige Kreditinstitute sind daher nur sog. CRR-Institute. 112 Neben der Verordnung (EU) 575/2014 ist hier noch die RL 2013/36/EU als Teil der Umsetzung zu nennen. 108
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§ 3 Die parafiskalischen Abgaben der Bankenunion
National betrachtet beruhen die Beiträge zu den Einlagensicherungssystemen nach § 19 Abs. 2 EinSiG auf der Höhe der gedeckten Einlagen sowie der Höhe des Risikofaktors eines Instituts. Letzterer kann – unter Genehmigung der Bundesanstalt – nach § 19 Abs. 3 EinSiG relativ frei vom Einlagensicherungssystem selbst bestimmt werden. Die unionsrechtliche Gestaltungsfreiheit gibt der nationale Gesetzgeber weiter an Private. Auch werden die Beiträge zur angemessenen Deckung von Verwaltungskosten und sonstigen Kosten verwendet, § 26 Abs. 1 EinSiG. Zusätzlich zu den Jahresbeiträgen besteht die Möglichkeit bedarfsgebundener Sonderbeiträge und Sonderzahlungen nach § 27 EinSiG. Dieses Bail-in-Verfahren ist bereits vom SRM bekannt.113 Der Höhe nach ist die Gesamtheit dieser Sonderbeiträge und Sonderzahlungen auf 0,5 % der jeweiligen gedeckten Einlagen des Kreditinstituts begrenzt, § 27 Abs. 4 EinSiG. b) Weitere Strukturmerkmale des gegenwärtigen Systems Jenseits der Abgabenstruktur blieben aufgrund deutscher Forderungen die praktisch ebenso bedeutsamen privatwirtschaftlichen Einlagensicherungssysteme bestehen.114 Auch belässt die DGSD den Mitgliedstaaten gewisse Freiräume im Bereich der Zielausstattungen, Risikofaktoren für die Beitragsbemessung und weitere.115 Nach § 17 Abs. 2 EinSiG beträgt die Zielausstattung 0,8 % der gedeckten Einlagen. Der Status quo ist also die Mittelbündelung auf Ebene der jeweiligen nationalen Einlagensicherungssysteme, was vor dem Hintergrund der als notwendig bezeichneten Einführung des SRF im Rahmen des SRM anstelle eines nationalen Systems als inkonsistent erscheint.116 Der derzeitige Stand der Einlagensicherung sieht eine hohe europarechtliche Regelungsdichte unter der Verwaltungshoheit der nationalstaatlichen Einlagensicherungssysteme vor. Administrativ steht die Einlagensicherung somit in strenger Diskrepanz zu SSM und SRM.117 Fraglich erscheint die Vergemeinschaftung der Einlagensicherung aber aus politischer Perspektive. Insbesondere Deutschland und gleichgesinnte Staaten beziehen eine abweisende Verhandlungsposition.118 Ähnlich wie in der zuvor gänzlich abgelehnten Vergemeinschaftung von Aufsicht und Abwicklung,119 sind im Bereich 113
Siehe Art. 71 SRM-Verordnung (Außerordentliche nachträglich erhobene Beiträge). Hierzu Berger, BKR 2016, 144 (146 ff.). 115 Siehe Erwägungsgrund Nr. 10 EDIS-Vorschlag. 116 Darauf weist Hadjiemmanuil, in: LSE Law, Society and Economy Working Papers 6/ 2015 S. 27 hin. Schließlich waren die (bekannten) Problemstellungen bereits Grundlage der bisherigen Richtlinie, vgl. die Erwägungsgründe der RL 2014/49/EU. 117 So auch Berger, BKR 2016, 144 (145). 118 S. Epstein/Rhodes, in: Caporaso/Rhodes (Hrsg.), The Political and Economic Dynamics of the Eurozone Crisis, 2016, 200 (214 ff.) für einen detaillierten Überblick über die deutsche Verhandlungsposition im Zuge der Implementierung der Bankenunion. 119 Epstein/Rhodes, in: Caporaso/Rhodes (Hrsg.), The Political and Economic Dynamics of the Eurozone Crisis, 2016, 200 (225). 114
D. EDIS (European Deposit Insurance Scheme)
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der Einlagensicherung Konzessionen zu erwarten. Leitgedanke der deutschen Verhandlungsführung ist die Verhinderung neuer faktischer Bail-out-Mechanismen,120 bzw. jedenfalls deren Begrenzung. Risikosenkung stehe vor Risikoteilung,121 und Risikokontrolle sei letzterer Vorfrage.122 Die genaue politische Entwicklung im Bereich der Einlagensicherung bleibt abzuwarten. 3. Der Vorschlag der Europäischen Kommission (November 2015) Die Einlagensicherung entwickelte sich deutlich schleppender als die Vergemeinschaftung von Aufsicht und Abwicklung. Streitig war und ist insbesondere die Notwendigkeit einer gemeinschaftlichen Finanzierung dieses Instruments.123 Nach dem Willen der Europäischen Kommission soll sich die Einlagensicherung von einer Rückversicherung der nationalen DGS (ab 2017) via Mitversicherung (ab 2020) hin zu einer Vollversicherung, also einer rein europäischen Einlagensicherung, im Jahre 2024 entwickeln. a) Wesentliche Strukturmerkmale im Überblick Dem Gedanken der strengen Interdependenz zwischen Einlagensicherung und Bankenabwicklung folgend will die Kommission die Einlagensicherung in die SRMVerordnung integrieren.124 Im Gegensatz zum SRM plant die Kommission bezüglich EDIS ohne ein völkerrechtliches Übereinkommen, welches der Mittelübertragung auf die unionale Ebene dienen würde. Es sei angemerkt, dass die politische Durchsetzungsfähigkeit dieser Position fraglich erscheint.125 Adressatenkreis sind wie beim SRM zunächst die Kreditinstitute der Eurozone gemäß Art. 4 Abs. 1 EDISVorschlag,126 wobei wiederum die Möglichkeit des Hinzutretens für Mitgliedstaaten
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Epstein/Rhodes, in: Caporaso/Rhodes (Hrsg.), The Political and Economic Dynamics of the Eurozone Crisis, 2016, 200 (221). 121 Ausspruch des damaligen Bundesfinanzministers Dr. Wolfgang Schäuble, FAZ v. 17. 06. 2016 („Schäuble bremst EU-Einlagensicherung“). 122 Vgl. Bundesrat Drucksache 640/15 (Beschluss) v. 29. 01. 2016, S. 3. 123 Überblick Gros/Schoenmaker, JCMS 2014, 529 (532). 124 Nach dem Vorschlag (Art. 1) soll die bisherige SRM-Verordnung umbenannt werden in „Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2014 über einen einheitlichen Abwicklungsmechanismus und ein europäisches Einlagenversicherungssystem sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010“. Für die durch den Vorschlag der Europäischen Kommission potenziell neuen Verordnung wird hier ebenfalls der Begriff EDIS-Vorschlag genutzt. 125 Gurlit, WM 2016, 2053 (2054) m.w.N. Insgesamt wird allerdings in der Literatur ein Trend weg von der Einschaltung des Unionsvölkerrechts hin zu einer kompletten unionsrechtlichen Verankerung ausgemacht, vgl. Brauneck, EWS 2018, 81 (82). 126 Nach dem EDIS-Vorschlag bleibt Art. 4 Abs. 1 SRM-VO unverändert; vgl. zudem Erwägungsgrund Nr. 13 EDIS-Vorschlag.
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§ 3 Die parafiskalischen Abgaben der Bankenunion
außerhalb der gemeinsamen Währungszone besteht.127 Unabhängig von der Möglichkeit des Hinzutretens komplementiert der EDIS-Vorschlag die DGSD und setzt sich nicht in Widerspruch zu ihr.128 Die DGSD soll in ihrer europaweiten kohärenten Anwendung nicht beeinträchtigt werden. Die Kommission strebt durch ein Anrechnungsverfahren des „Beitrags“ zu EDIS auf die nationalen Einlagensicherungssysteme Aufkommensneutralität für den Finanzsektor an.129 Das Zielvolumen des zu gründenden Fonds DIF130 beträgt 0,8 % der gedeckten Einlagen. Das Zielvolumen entspricht daher dem bereits geltenden Standard, Art. 10 Abs. 2 UAbs. 1 DGSD. Die Aufgabenwahrnehmung durch den Ausschuss als zentrale Verwaltungsbehörde von EDIS131 wird dabei ausschließlich aus dem Beitragsaufkommen und nicht aus dem Unionshaushalt finanziert gemäß Art. 74a Abs. 2 EDIS-Vorschlag. DIF entwickelt sich damit parallel zum SRF als eine Art Nebenhaushalt. Aufgrund von Synergieeffekten (Bündelung von Abwicklung und Einlagensicherung) werden die operativen Kosten auf 15 % der Gesamtkosten des Ausschusses geschätzt.132 Gesichert sind Einlagen desselben Einlegers grundsätzlich bis zu einer Gesamthöhe von 100.000 E gemäß Art. 6 Abs. 1 EDIS-Vorschlag. Auch dies entspricht der bisherigen Rechtslage mit einer Deckungssumme von grundsätzlich 100.000 E nach § 8 Abs. 1 EinSiG und Art. 6 Abs. 1 DGSD.133 Die gleiche Deckungssumme sowie das gleiche Zielvolumen zur bisherigen Rechtslage sollen nach Ansicht der Europäischen Kommission in Kombination mit der bereits aufgezeigten Anrechnung die Vergemeinschaftung für den Finanzsektor langfristig kostenneutral halten.134
127
Siehe Erwägungsgrund Nr. 13 EDIS-Vorschlag. Siehe Erwägungsgrund Nr. 15 EDIS-Vorschlag. 129 Komplette Neutralität besteht jedoch nur in dem Fall, dass das nationale Einlagensicherungssystem weder momentan noch perspektivisch vom Mindestniveau der aktuellen Einlagensicherungs-RL abweicht. Art. 19 Abs. 4 DGSD sah eine entsprechende Übergangsbestimmung vor, die inzwischen durch Zeitablauf aber erledigt ist. 130 Deposit Insurance Fund (DIF). Der EDIS-Vorschlag wählt auch in der deutschen Sprachversion „DIF“ als Abkürzung für den Einlagenversicherungsfonds, vgl. Art. 1 Abs. 2 EDIS-Vorschlag. Diesem Sprachgebrauch folgt die Arbeit. 131 Der Ausschuss soll dabei auch für EDIS in die zentrale Behördenstellung rücken, vgl. Art. 49b, 50a, 51, 52 EDIS-Vorschlag. Diese Doppelaufgabe als Verwaltungsstruktur ist relativ parallel zur US-amerikanischen FDIC, siehe Baglioni (2016), S. 123. Zu den Vorteilen der Zentralisierung von Abwicklung und Einlagensicherung Boccuzzi (2016), S. 131. 132 EDIS-Vorschlag, S. 71. Ob dies belastbare Prognosen sind, bleibt abzuwarten. 133 Die 100.000 E als Bezugspunkt der Deckungssumme stammt ursprünglich aus der Richtlinie 2009/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2009 zur Änderung der Richtlinie 94/19/EG über Einlagensicherungssysteme im Hinblick auf die Deckungssumme und die Auszahlungsfrist, siehe hier Art. 1 Nr. 3 zur Änderung der Richtlinie 94/ 19/EG. 134 Siehe EDIS-Vorschlag, S. 20. 128
D. EDIS (European Deposit Insurance Scheme)
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b) Implementationsstruktur Der EDIS-Vorschlag sieht den Aufbau des EDIS in drei Stufen vor. Die Rückversicherung (2017 – 2019) wird zu einer Mitversicherung (2020 – 2023), um schließlich zu einer Vollversicherung (ab 2024) zu reifen. Irrelevant für das Gesamtaufkommen der Beiträge, jedoch relevant für das beitragspflichtige Kreditinstitut, ist die Bezugsgröße der Risikoadjustierung. In der Phase der Rückversicherung ermittelt sich die Risikoaffinität im Vergleich zur nationalen Bezugsgruppe, anschließend nach der europaweiten (bezogen auf teilnehmende Mitgliedstaaten).135 Die Rückversicherung (Art. 41a – 41c EDIS-Vorschlag) sieht die vorrangige Inanspruchnahme der nationalen Einlagensicherungssysteme vor.136 Auf EDIS wird dabei nur sekundär zurückgegriffen. EDIS schützt nur, soweit sich das jeweilige nationale Einlagensicherungssystem zuvor richtlinienkonform verhalten hat137 und ein Liquiditätsdefizit (näheres in Art. 41b Abs. 2 EDIS-Vorschlag) festgestellt wurde, Art. 41a Abs. 2 EDIS-Vorschlag. Die Mitversicherung (Art. 41d – 41g EDISVorschlag) sieht eine primäre und partielle Inanspruchnahme von EDIS vor. EDIS haftet also parallel zum nationalen Einlagensicherungssystem. Der europäische Anteil wird von 20 % im ersten Jahr gleichmäßig auf 80 % im vierten Jahr hochgefahren, Art. 41e EDIS-Vorschlag. Die Vollversicherung (Art. 41h EDIS-Vorschlag) ist das Endstadium. Sie verhält sich parallel zur Mitversicherung, EDIS trägt hier aber den Gesamtanteil von 100 %.138 Inzwischen plant die Europäische Kommission, die Zahl der Implementationsphasen auf zwei Phasen zu reduzieren, wobei die genauen Konturen unklar bleiben.139 Letztlich ist die Implementationsstruktur für die Abgabe der Einlagensicherung praktisch relevant, für ihre rechtliche Bewertung hingegen eher von nachrangigem Interesse.
135
EDIS-Vorschlag, S. 8. Zu diesem Gortsos, Deposit Guarantee Schemes: General Aspects and recent institutional and regulatory developments at international and EU level, S. 18 ff. 137 Die Bestimmung des Restverlustes als Bezugsgröße der Europäischen Deckung von bis zu 20 % (siehe Art. 41a Abs. 2) wird anhand des Betrags berechnet, dass das nationale Einlagensicherungssystem nach dem in Art. 41j EDIS-Vorschlag enthaltenen Kapitalisierungsplan haben müsste, siehe EDIS-Vorschlag S. 13. Im Ergebnis wird also die negative nationale Abweichung von der Richtlinie nicht mit einer höheren europäischen Haftung belohnt. Siehe hierzu auch den Bericht der fünf Präsidenten: Die Wirtschafts- und Währungsunion Europas vollenden, vom 22. Juni 2015, S. 13. 138 EDIS-Vorschlag, S. 15. 139 Vgl. die Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 11. Oktober 2017 („EUKommission ruft auf, die Bankenunion bis 2018 zu vollenden“). 136
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§ 3 Die parafiskalischen Abgaben der Bankenunion
III. Die Abgabenerhebung Die Abgabenerhebung erfolgt im Namen des Zentralorgans des Ausschusses durch das nationale Einlagensicherungssystem, Art. 74a Abs. 1 EDIS-Vorschlag. Dies bedeutet, dass die Abgaben unmittelbar an den DIF gerichtet werden und damit direkt vom abgabenbelasteten Kreditinstitut auf die Unionsebene geschleust werden. Es ist nochmals zu betonen, dass dies ein erheblicher Unterschied zum SRM ist, in dem die Mittel durch die nationalen Behörde erhoben und vereinnahmt werden, bevor sie mittels des völkerrechtlichen Übereinkommens übertragen werden.140 Der Europäische Rat präferiert im Übrigen auch hinsichtlich EDIS ein völkerrechtliches Übereinkommen.141 Im Kommissionvorschlag hat der jeweilige Mitgliedstaat zu keinem Zeitpunkt rechtlichen Zugriff auf die erhobenen finanziellen Mittel. Daher berührt diese Erhebungsweise besonders die Abgabenhoheit der Mitgliedstaaten,142 was zu untersuchen sein wird. Die Abgabenbemessung erfolgt in zwei Stufen. Zunächst wird vom Ausschuss ein Gesamtbetrag festgelegt, der sich nach der Gesamthöhe der Abgabenermächtigung des Ausschusses richtet.143 Der Gesamtbetrag berücksichtigt dabei, dass der DIF innerhalb von 9 Jahren vollumfänglich gefüllt werden soll. Auf zweiter Stufe wird der Individualanteil ermittelt. Gemäß Art. 74c UAbs. 3 EDIS-Vorschlag erlässt die Europäische Kommission einen delegierten Rechtsakt, anhand dessen die Beitragsberechnung des einzelnen Kreditinstituts vorgenommen wird. Hierzu werden der Kommission in lit. a – lit. f sechs Kriterien genannt, die sie für die Bestimmung der Formel benutzen muss. Hierzu gehören die Verlustabsorptionsfähigkeit des Instituts (lit. a), die Fähigkeit, kurz- und langfristigen Verpflichtungen nachzukommen (lit. b), Diversifizierung und Stabilität der Finanzierungsquellen und unbelasteter hochliquider Aktiva (lit. c), Qualität der Aktiva (lit. d), Geschäftsmodell und Verwaltung (lit. e) sowie die Höhe der Belastung der Aktiva (lit. f). Eine Gewichtung der Faktoren findet seitens des EDIS-Vorschlags nicht statt. Im Übrigen erlässt die Europäische Kommission einen solchen delegierten Rechtsakt auch schon anhand einer risikobasierten Methode für den Zeitraum der Rückversicherung. Zusätzlich wird der Kommission die Befugnis übertragen, eine solche delegierte Verordnung für eine nach Erreichen der Zielausstattung erforderliche erneute Befüllung des DIF zu erlassen, Art. 74b Abs. 5 EDIS-Vorschlag. Auch EDIS kennt außerordentliche nachträglich erhobene Beiträge, Art. 74d EDIS-Vorschlag. Diese werden anhand des delegierten Rechtsakts zur Bestimmung der im Voraus erhobenen Beiträge ab dem Status der Mitversicherung berechnet gemäß Art. 74d Abs. 2 i.V.m. Art. 74c Abs. 5 UAbs. 3 EDIS-Vorschlag. Jenseits der EDIS-Abgabe wird der durch die vergemeinschaftete Einlagensicherung ausgelöste Verwaltungsaufwand des Ausschus140 141 142 143
Diese Einschätzung teilt Herdegen, WM 2016, 1905 (1907). Vgl. zum politischen Prozess Kaufhold, ZG 2017, 18 (31 f.) m.w.N. Auch Herdegen, WM 2016, 1905 (1907). Siehe EDIS-Vorschlag, S. 19.
D. EDIS (European Deposit Insurance Scheme)
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ses144 bei EDIS durch eine Erweiterung des bereits bekannten145 Beitrages zu den Verwaltungskosten finanziert, Art. 65 Abs. 5 lit. b EDIS-Vorschlag.
IV. Der DIF in seiner Fondsstruktur Die vergemeinschaftete Einlagensicherung wirkt sich in zweierlei Weise auf die Haushaltsstruktur aus. Teil I des Haushalts des Ausschusses wird um den zusätzlichen Verwaltungsaufwand erweitert, mithin wird hier der Beitrag zu den Verwaltungskosten, zuzüglich des EDIS-Anteils, verbucht. Neu geschaffen wird ein Teil III des Haushalts, der eigentliche Einlagensicherungsfonds, Art. 60a EDIS-Vorschlag. In diesem Fonds werden die Beiträge der Kreditinstitute gesammelt. Der DIF ist strikt zweckgebunden gemäß Art. 74a Abs. 2 EDIS-Vorschlag und er steht im Eigentum des Ausschusses nach Art. 74b Abs. 3 EDIS-Vorschlag. Der DIF ist nicht dem Haushalt der Union zugeordnet und daher parafiskalisch im unionsrechtlichen Sinne.
V. Qualifizierung der Abgabe Zunächst erhebt der Ausschuss im Rahmen von EDIS einen Beitrag zu den Verwaltungskosten. Diese Abgabe stellt wie auch im SRM eine typische Gebühr dar. Wie festgestellt, fließt das Aufkommen dieser Gebühr in eine parafiskalische Struktur. 1. Die Sprachfassung Die Sprachfassung des EDIS-Vorschlags bezeichnet die EDIS-Abgabe – wie auch den Beitrag zu den Verwaltungskosten – konsequent als „Beitrag“.146 Wie bereits mehrmals erörtert, ist der Beitragsbegriff im Unionsrecht wenig konturenscharf und daher nicht als prägend anzusehen. Entsprechend lassen sich aus dem Wortlaut keine hinreichenden Hinweise gewinnen.
144 Die Europäische Kommission plant hier im EDIS-Vorschlag mit 22 Vollzeitstellen, siehe EDIS-Vorschlag, S. 8. 145 Siehe hierzu § 3 C. V. 6. 146 Zahlreiche Nennungen, vgl. EDIS-Vorschlag, S. 8, S. 9, Art. 74a Abs. 1, 74c Abs. 1, 2, 4, 5 EDIS-Vorschlag. Auch die außerordentliche nachträgliche Abgabe wird als „Beitrag“ bezeichnet, siehe Art. 74d EDIS-Vorschlag.
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§ 3 Die parafiskalischen Abgaben der Bankenunion
2. Materieller Gehalt der EDIS-Abgabe Es sind fundamentale Parallelen zwischen der SRM-Abgabe und der EDIS-Abgabe erkennbar. Beide Abgaben belasten Mitglieder eines Wirtschaftssektors, die zugleich eine homogene Gruppe darstellen könnten. Durch das Bereitstellen eines gesetzlich garantierten Einlagensicherungssystems erhöht EDIS das Vertrauen der Kunden, was einen geldwerten Vorteil für die betroffenen Kreditinstitute darstellt. Neben diesem unmittelbaren Vorteil werden die Kreditinstitute von einer ihnen zuzurechnenden Verantwortung befreit. Diese resultiert aus der Gefahrgeneigtheit ihrer Tätigkeit, gerade im Hinblick auf die Realwirtschaft. Die Argumente überschneiden sich auch sonst in ihren wesentlichen Zügen mit jenen zur Qualifizierung der SRM-Abgabe.147 Im Übrigen werden auch die strukturverwandten bisherigen nationalen Abgaben nach § 26 Abs. 1 EinSiG (Jahresbeiträge) sowie § 27 EinSiG (Sonderzahlungen, Sonderbeiträge) als Sonderabgaben im deutschen Finanzverfassungsrecht eingestuft.148 Im Gegensatz zur SRM-Abgabe ist die EDIS-Abgabe vollumfänglich als parafiskalisch im unionsrechtlichen Sinn zu verstehen. Sie wird unmittelbar von den Kreditinstituten an den parafiskalischen DIF auf Unionsebene geleistet. Die EDIS-Abgabe ist daher eine unionseigene parafiskalische Abgabe. Nach Darlegung der generellen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen unionseigener parafiskalischer Abgaben (§ 4) und ihrer spezifischen Rechtsgrundlage des Art. 114 AEUV (§ 5) wird in § 6 die Rechtmäßigkeit der EDIS-Abgabe geprüft.
147
Siehe hierzu unter § 3 C. V. 3. Hanten, in: Binder/Glos/Riepe, Handbuch Bankenaufsichtsrecht (1. Auflage 2018), § 19 Rn. 141. 148
§ 4 Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen im Unionsrecht Bis zu diesem Punkt konzentrierte sich die Arbeit auf die Kategorisierung und Darstellung der Europäischen Abgabearten unter besonderer Berücksichtigung der parafiskalischen Abgaben sowie der Kontextualisierung des Prüfungsgegenstandes der EDIS-Abgabe. Es folgt die Frage nach den Rechtmäßigkeitsanforderungen des Europäischen Primärrechts an unionseigene parafiskalische Abgaben. Die parafiskalische Abgabe liegt fast exemplarisch zwischen zwei Determinanten des Europarechts. Einerseits ist dies die Stellung der Europäischen Union im Kompetenzgeflecht zwischen Union und Mitgliedstaaten. Diese Thematik war von Beginn an prägend für die Entwicklung der heutigen Europäischen Union. Durch den unmittelbaren Zugriff auf die Finanzpotenz der Bürger tritt sie in eine Konkurrenz mit ihren Mitgliedstaaten, besonders deren Finanzhoheit. Die Untersuchung wird sich daher zum einen den Kompetenzen der Europäischen Union nähern. Es gilt zu untersuchen, inwieweit diese Kompetenzen Restriktionen der parafiskalischen Abgabenerhebung der Union begründen. Andererseits prägt als eher jüngere Entwicklungstendenz die vermehrte Präsenz von Grundrechtseinflüssen die unionale Hoheitsgewalt. Die Belastung Einzelner durch unionseigene Abgaben wirft vor dem Hintergrund der noch jungen Grundrechtecharta mit neuer Dringlichkeit die Frage nach den grundrechtlichen Maßstäben unionaler Abgabenbelastungen auf. Durch ihr häufiges wirtschaftsbezogenes Vorkommen im Unionsrecht sind den parafiskalischen Abgaben die Sonderbelastungen einzelner „Gruppen“ oder „Sektoren“ zu eigen, die rechtfertigungsbedürftig sein können. Die grundrechtliche Untersuchung wird sowohl den Gleichheitssatz wie die Freiheitsrechte betrachten. Nach Untersuchung beider Themenkomplexe wird versucht, eine konsolidierte Dogmatik der unionseigenen parafiskalischen Abgaben in ihren Rechtmäßigkeitsanforderungen zu bieten. Im dritten Schritt werden somit die kompetenzrechtlichen und grundrechtlichen Anforderungen konsolidiert. Maßgebliche Judikate der folgenden Untersuchung sind in chronologischer Reihenfolge Neumann1, Stölting2, Amylum3, Rat ./. Parlament4, Kommission ./. Rat5, 1 2 3 4 5
EuGH, Urteil vom 13. 12. 1967 – C-17/67 – Neumann. EuGH, Urteil vom 21. 02. 1979 – Rs. 138/78 – Stölting. EuGH, Urteil vom 30. 09. 1982 – C-108/81 – Amylum ./. Rat. EuGH, Urteil vom 03. 07. 1986 – Rs. 34/86 – Rat ./. Parlament. EuGH, Urteil vom 30. 05. 1989 – C-242/87 – Kommission ./. Rat.
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§ 4 Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen im Unionsrecht
Schräder6, Zardi7, Zuckerfabrik Süderdithmarschen8, Arcelor Atlantique et Lorraine9 und Agrana Zucker10. Weitere Urteile werden nach Bedarf herangezogen.
A. Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen aus den Kompetenzen und der Europäischen Finanzordnung als organisationsrechtliche Determinanten Die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen parafiskalischer Abgaben aus den Kompetenzen erschließen sich vorrangig anhand des Kompetenzgefüges zwischen Union und Mitgliedstaaten. Parafiskalische Abgaben interferieren durch ihre sachkompetenzrechtliche Anknüpfung bei gleichzeitiger Auslösung fiskalischer Folgen mit dem bewusst derivativ gehaltenen Finanzverhältnis zwischen Union und Mitgliedstaaten. Die Einnahmenbeschaffung mittels parafiskalischer Abgaben steht hier in einem Grundkonflikt mit der fehlenden Europäischen Steuerhoheit.11 Dieser Themenkomplex wird zuerst untersucht (I.). Die Abgabenerhebung beschränkt sich in ihren rechtlichen Problemstellungen nicht auf das reine Verhältnis zwischen Union und Mitgliedstaaten. Eine zweite grundsätzliche Frage resultiert aus den Europäischen Finanzvorschriften mit ihrem Eigenmittelsystem und ihren Haushaltsgrundsätzen. Dabei geht es um Rechtsprobleme, die ausschließlich das Europarecht ohne seine Außenwirkung betreffen. Speziell das Haushaltsverfahren wird durch den Einsatz von parafiskalischen Abgaben potenziell unterminiert. Der normativen Steuerungskraft dieser Vorschriften ist somit ein weiterer Abschnitt zu widmen (II.).
I. Die Europäische Finanzordnung im Verhältnis Union – Mitgliedstaaten Für das Entfalten der organisationsrechtlichen Maßstäbe der parafiskalischen Abgaben ist das Rekapitulieren zweier Eckpfeiler der Europäischen Union erforderlich: Die Finanzordnung der Union sowie das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung. Weiterhin ist zu untersuchen, wie beide Eckpfeiler sich beeinflussen,
6
EuGH, Urteil vom 11. 07. 1989 – C-265/87 – Schräder HS Kraftfutter. EuGH, Urteil vom 26. 06. 1990 – C-8/89 – Zardi. 8 EuGH, Urteil vom 21. 02. 1991 – C-143/88 – Zuckerfabrik Süderdithmarschen und Zuckerfabrik Soest. 9 EuGH, Urteil vom 16. 12. 2008 – C-127/07 – Arcelor Atlantique et Lorraine u. a. 10 EuGH, Urteil vom 28. 07. 2011 – C-309/10 – Agrana Zucker. 11 Götz, in: FS Friauf 1996, 37 (37). 7
A. Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Europäischen Finanzordnung
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insbesondere ist die Bedeutung des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung für die Europäische Finanzordnung zu entfalten. 1. Vorwort zur Europäischen Finanzordnung Terminologisch folgt die Arbeit dem Begriff der Europäischen Finanzordnung,12 der die Gesamtheit des Finanzierungswesens inklusive der fiskalischen Kompetenzen der Union einschließt.13 Die Europäische Finanzordnung ist dabei ein Konglomerat an finanzwirksamen Regelungen unterschiedlichster Natur. Im Ausgangspunkt ist die Europäische Union kein Steuerstaat. Ein Steuerstaat ist ein Staat, der Steuern als Primärquelle der Deckung seines Finanzbedarfes einsetzt.14 Der Errungenschaft der steuerstaatlichen Finanzierungsweise staatlicher Aufgaben, also 12 Von einer Europäischen Finanzordnung sprechen Kloepfer, Finanzverfassungsrecht § 16 Rn. 3; Bleckmann, DÖV 1990, 853 (853), der auf S. 855 allerdings auch den Begriff der Finanzverfassung wählt; skeptisch zum Begriff der „Finanzverfassung“ Birk, in: Birk (Hrsg.), Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts, § 5 Rn. 9 und Bahlmann, EuR 1985, 43 (44); den Begriff der Europäischen Finanzverfassung wählen Reus/Mühlhausen, Haushaltsrecht in Bund und Ländern (1. Auflage 2014), S. 415; Bieber, in: von der Groeben/ Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht (7. Auflage 2015), Vorbemerkung zu den Artikel 310 bis 325 AEUV, Rn. 1 ff.; Nettesheim, Europarecht (7. Auflage 2016) § 8 Rn. 6; Streinz/ Ohler/Herrmann, Der Vertrag von Lissabon zur Reform der EU (3. Auflage 2018), S. 87; Bohlken (1999), S. 236; Schoo, in: Schwarze, EU-Kommentar (3. Auflage 2012), Art. 310 AEUV Rn. 3; Teutemann (1991), S. 180; Griese, EuR 1998, 462 (462); Börner, KSE 35 (1987), S. 57; Helmke (2007), S. 195; Vogel/Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG (Lfg. November 1997), Vorbem. z. Art. 104a – 115, Rn. 643 ff.; Hatje, EuR 1987, 351 (355); Schmidhuber, EuR 1991, 329 (329); zur Diskussion auch Hidien, in: Bonner Kommentar Art. 106 GG (103. Lfg. Dezember 2002) Rn. 1465; Morgenthaler, in: DStJG 15 (1993), 197 (215). 13 Hettlage, VVDStRL 14 (1955), 2 (3): „(…) Unter der Finanzverfassung im staatsrechtlichen Sinne ist der Inbegriff jener Verfassungsnormen zu verstehen, die sich mit der Ordnung des Geldwesens und dem Ablauf der Finanzvorgänge in der staatlichen Haushalts-, Vermögens- und Schuldenwirtschaft und insbesondere der Grundordnung des Steuerwesens beim Staat und den eingegliederten Gemeinwesen befassen. (…)“ (Hervorhebung durch den Bearbeiter). Abgesehen von der fehlenden Verfassungsqualität des Europäischen Primärrechts lässt sich diese Definition gut für den Umfang der Europäischen Finanzordnung transferieren. 14 Isensee, FS Ipsen 1977, 409 ff.; Vogel/Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG (Lfg. November 1997), Vorbem. z. Art. 104a–115, Rn. 327 m.w.N. zur historischen Entwicklung verweisen Vogel/Waldhoff in Rn. 328 auf die Arbeit von Lorenz von Stein (1815 – 1890), der eine Parallelität des modernen Staatswesens mit der Steuerverbreitung beobachtet habe; zur Dogmengeschichte auch Reimer, StuW 2014, 29 (31 ff.); Rodi, S. 155; Kube, in: BeckOK Grundgesetz, Epping/Hillgruber (31. Edition 2016), Art. 105 Rn. 1 f.; Schmehl, ZG 2005, 123 (124); Wieland, FS 50 Jahre BVerfG 2001, 771 (776 ff.); Heintzen, in: von Münch/Kunig, GG (6. Auflage 2012), Art. 105 GG Rn. 2 ff.; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG (15. Auflage 2018), Art. 105 Rn. 2; Hummel (2008), S. 48 ff.; Drömann (2000), S. 141 ff.; Korioth, FS Kirchhof Bd. 2 2013, 1469 (1472 f.); zur Finanzverfassung und Steuern F. Kirchhof, UTR 16 (1992), 101 (109); aus der Rechtsprechung siehe BVerGE 78, 249 (266); 82, 159 (178); 93, 319 (342). Das Bundesverfassungsgericht deutet den Steuerstaatsbegriff insoweit enger, als dass nur eine Finanzierungspflicht der Gemeinlasten durch die Steuer vorgegeben sei, vgl. Drömann (2000), S. 128.
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der Separierung von Staatsaufgaben und deren Finanzierung, kommt eine bedeutende organisationsrechtliche Rolle zu und sie ist ein Merkmal entwickelter Staatsstrukturen.15 In Deutschland gab es einen Wandel von dieser formalen, deskriptiven Definition hin zu einer normativ geprägten Deutung.16 Die Europäische Union ist weder ein Staat noch hat sie die Steuer zu ihrer primären Finanzierungsform erhoben.17 Außersteuerliche Abgaben unterliegen somit nicht von vorneherein einem scheinbaren Makel aufgrund einer Ausnahmestellung. Der AEUV und der EUV enthalten kein generelles explizites Verbot der Erhebung von Steuern durch die Europäischen Union. Gleichwohl steht aufgrund der derivativen Gesamtkonzeption der Europäischen Finanzordnung18 und des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung ein solches außer Frage. Die Europäische Union wird trotz steter Bemühungen um einen Eigenstand in den Finanzen finanziell durch die Mitgliedstaaten getragen. Sie ist als Kostgänger ihrer Mitglieder konzipiert.19 Der Europäischen Finanzordnung unterfallen zunächst und zuvörderst die Einnahmequellen der Europäischen Union. Eine Entfaltung dieser Maßstäbe ist in Bezug auf die parafiskalische Finanzierung relevant. Das Merkmal dieser ist, wie dargestellt, ihre Fundierung in Sachkompetenzen. Es erscheint daher fraglich, ob bei parafiskalischen Abgaben das im Europäischen Primärrecht determinierte Einnahmensystem in rechtlich relevanter Weise unterwandert wird. Die Ausgabenseite20 ist hingegen für die Frage der Abgabenerhebung eher nachrangig relevant. Daher legt die Arbeit keinen Fokus auf diesen Aspekt. Hinsichtlich der Methodik des Erschließens der Europäischen Finanzordnung in ihren Rechtswirkungen soll dabei laufend die historische Entwicklung rezipiert werden. Dem Finanzverfassungsrecht eigen ist die Akzentuierung der historischen Rechtsauslegung.21 Dies konfligiert mit der grundsätzlich eingeschränkten Bedeutung der historischen Auslegung in der Europäischen Methodenlehre.22
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Zur historischen Entwicklung auf dem Gebiet des und im heutigen Deutschland Kube, Finanzgewalt in der Kompetenzordnung, § 2; Vogel/Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG (Lfg. November 1997), Vorbem. z. Art. 104a – 115, Rn. 268 u. 327; als „Kulturleistung“ das Steuerstaatsprinzip beschreibend Musil, in: FS Isensee 2007, 929 (930 f.). 16 Droege, Die Verwaltung 2013, 313 (322) unter Verweis auf den Grundlagenaufsatz von Isensee, in: FS Ipsen 1977, 409 – 436; Isensee, GS Geck 1989, 355 (368); Sacksofsky (2000), S. 153 ff. 17 So auch Freytag (2000), S. 200; Bohlken (1999), S. 249. 18 Hierzu Seiler, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar (82. EL Januar 2018), Art. 106 GG Rn. 71. 19 Bleckmann/Hölscheidt, DÖV 1990, 853 (853). 20 Birk, in: Birk (Hrsg.), Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgaberechts, § 5 Rn. 62 ff. 21 Heintzen, in: HStR Bd. 5 (2007), § 120 Rn 9 für das deutsche Recht. 22 Pechstein/Drechsler, § 8 Die Auslegung und Fortbildung des Primärrechts, Rn. 32, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, 2. Auflage 2010.
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2. Individualschutz der Europäischen Finanzordnung? An der Schnittstelle zwischen dem Organisationsrecht und dem Grundrechtsteil liegt der Aspekt der Vermittlung individualbezogener Rechte durch die Europäische Finanzordnung. Die Frage nach dem Individualschutz der Europäischen Finanzordnung ist dabei eine Grundlagenfrage. Die Thematik ist Teil der Frage nach einer fluiden Interpretation der Europäischen Finanzvorschriften zwischen einer reinen Ordnungsfunktion und einer normativen Festigkeit derselben.23 Ein starker Individualschutz kann durch das Einräumen subjektiver Rechte die Rechtsposition der Abgabebelasteten stärken. Rein faktisch ist es bisher – soweit ersichtlich – nicht zu Situationen gekommen, in denen die Rechtsstellung von Privaten in Bezug zur Europäischen Finanzordnung fraglich war. Entsprechend spärlich zeigt sich die Analyse von Rechtsprechung und Literatur zu dieser kaum behandelten Frage. Angesichts der spärlichen Quellenlage empfiehlt sich eine vorsichtige Orientierung an der ausgeprägten Behandlung der Problemstellung im deutschen Finanzverfassungsrecht. Hier erkannte das Bundesverfassungsgericht einen Individualrechtsschutz durch die Finanzverfassung an.24 Es spricht von einer Begrenzungs- und Schutzfunktion der Finanzverfassung.25 Die Kompetenzverteilung innerhalb der Finanzverfassung soll dabei auch die Belastungsgleichheit der Abgabenpflichtigen wahren.26 Der Individualschutz der Europäischen Finanzordnung war – soweit ersichtlich – bisher nicht Gegenstand umfangreicherer Untersuchungen in der Literatur. Für die Europäische Finanzordnung und das ihr innewohnende Kompetenzgefüge hätte die Zuweisung eines Individualschutzes weitreichende Bedeutung. Die Abgabenerhebung insgesamt sowie die parafiskalische Aktivität im Speziellen unterlägen weiterhin einer organisationsrechtlichen Hemmschwelle. Zu dieser Begründung kämen aber noch innerhalb des Kompetenzgefüges grundrechtliche Erwägungen hinzu. Im Ergebnis würden somit auch grundrechtliche Erwägungen zu einer gewissen Festigkeit des fiskalischen Kompetenzgefüges drängen und damit die rechtliche Bindung vertiefen. Aus dem gesamten, derivativ anmutenden Finanzgefüge heraus könnte ein solcher Individualschutz abgelehnt werden. Im Gegensatz zum Grundgesetz regelt die Europäische Finanzordnung schon nicht den „Normallfall“ des Abgabenzugriffs auf den Bürger. Daher wird vertreten, dass die Europäische Finanzordnung primär für das Verhältnis von der Europäischen Union zu ihren Mitgliedstaaten von Bedeutung 23
Zur Justiziabilität unter § 4 B. II. 1. BVerfGE 55, 274 (302); 93, 319 (343); 108, 1 (16 f.); 132, 334 (349); 144, 369 (397); aus der Literatur Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG (14. Auflage 2017), Art. 105 Rn. 84; Waldhoff, VVDStRL 66 (2007), 216 (235 ff.); Vogel/Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG (Lfg. November 1997), Vorbem. z. Art. 104a – 115, Rn. 33 u. 69; G. Kirchhof, Die Verwaltung 2013, 649 (651); P. Kirchhof, in: FS Friauf 1996, 679 (672 ff.). 25 BVerfGE 93, 319 (342 ff.); 108, 1 (17). 26 Siehe z. B. BVerfGE 93, 319 (343); 108, 1 (16 f.); 144, 369 (397); aus der Literatur P. Kirchhof, in: FS Friauf 1996, 679 (672 ff.). 24
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sei.27 Fugmann lehnte ohne Umschweife die Vermittlung subjektiv-öffentlicher Rechte durch die Haushaltsprinzipien der damaligen Europäischen Gemeinschaften ab.28 Betrachtet man die Europäische Finanzordnung in ihrer historischen Ursprungskonzeption, so hat diese Ansicht zunächst einen starken argumentativen Stand. Dennoch ist die historische Prägung des Unionsrechts durch den Europäischen Gerichtshof zu betrachten. Durch den Eintritt des gesamten Europarechts in die subjektiven Rechte mit der Entscheidung van Gend & Loos29 ist auch im Bereich der Europäischen Finanzordnung richtigerweise eine Subjektivierung zu attestieren.30 Diese gewachsene Stellung des Individuums wird zudem vor dem Hintergrund der eingeführten Grundrechtecharta verstärkt legislativ nachempfunden. Durch die umfangreiche Hoheitsgewaltausübung der Union gegenüber den Bürgern spricht im Grundsatz vieles dafür, dem Kompetenzgefüge der Europäischen Finanzordnung einen gewissen Individualschutz zuzumessen, dessen Ausmaß fortlaufend zu konturieren ist. Dieser Individualschutz ist auch eine rechtsstaatlich gebotene Reaktion auf das sich zunehmend ausdifferenzierende abgabenrechtliche Mehrebenensystem innerhalb der Europäischen Union. Durch die zunehmenden direkten Interaktionen zwischen der Union und den Bürgern der Mitgliedstaaten ist eine subjektiv-rechtliche Interpretation ihrer Finanzvorschriften geboten. Für die Untersuchung der parafiskalischen Abgabe bedeutet dies, dass im eigentlich eher individualitätsfernen Kompetenzrecht auch subjektiv-rechtliche Deutungen zu suchen sind. Im Ergebnis stärkt die Annahme eines Individualschutzes der Europäischen Finanzordnung vor allem ihre normative Kraft und schwächt ihre Deutung im Sinne einer reinen Orientierungs- oder Ordnungsfunktion. In der Gerichtspraxis dürften individuelle Rechtsbehelfe zudem eher die Zulässigkeitsschwelle der individuellen Betroffenheit bei der Nichtigkeitsklage nach Art. 263 Abs. 4 AEUV überschreiten, unbenommen einer gleichzeitigen grundrechtlichen Betroffenheit. Eine weitergehende Konkretisierung der rechtlichen Folgen des Zugestehens einer subjektiv-rechtlichen Stellung bleibt schwierig und in letzter Konsequenz der Rechtsprechung vorbehalten. 3. Das finanzielle Verhältnis zwischen Union und Mitgliedstaaten Die Europäische Finanzordnung in ihrer durch die Verträge ausgedrückten Struktur ist das Ergebnis des Verhandlungsprozesses der Europäischen Mitgliedstaaten sowie der Europäischen Organe.31 Die grundlegende Darstellung dieser 27
Bohlken (1999), S. 250 zum EG-Vertrag. Fugmann (1991), S. 103. 29 EuGH, Urteil vom 05. 02. 1963 – Rs. 26/62 – NV Algemene Transport- en Expeditie Onderneming van Gend & Loos gegen Niederländische Finanzverwaltung. 30 In diese Richtung wohl Crowe, EuConst 13 (2017), 428 (432). 31 Strasser, Die Finanzen Europas (3. Auflage), S. 15. 28
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Struktur ist insofern relevant, als dass aus ihr Rückschlüsse auf das Instrument der unionseigenen parafiskalischen Abgabe gewonnen werden können. Die Kompetenzausstattung der Union ist im Finanzbereich Gegenstand höchster politischer Aufmerksamkeit gewesen und unterliegt mangels eines großen Interpretationsspielraums hinsichtlich des Willens der Mitgliedstaaten als Maßstab der Reichweite der Kompetenzübertragung32 einer besonderen Festigkeit,33 der die parafiskalischen Abgaben unterworfen sind. a) Historische Entwicklung und Grundstruktur des Eigenmittelsystems In der Geschichte der Europäischen Finanzordnung spiegelt sich die Geschichte der heutigen Europäischen Union.34 Ähnlich zu ihrer allgemein wachsenden Kompetenzausstattung wuchs der finanzielle Überbau der Union. Dieses Wachstum war nicht linear in seiner Struktur, sondern unterlag sprungartigen Steigerungen und charakteristischen Wandlungen.35 Finanzielle Lebensader der Europäischen Union ist das Eigenmittelsystem. Das Eigenmittelsystem wurde am 21. April 1970 durch den Ratsbeschluss Nr. 70/243/EGKS, EWG, EURATOM eingeführt.36 Die Eigenmittel ersetzten die 1958 eingeführten Finanzbeiträge.37 Die Finanzbeiträge stellten faktisch Mitgliedsbeiträge der Mitgliedstaaten dar. Einzig die EGKS finanzierte sich durch die von betroffenen Unternehmen erhobene Montanumlage, hatte also als einzige Gemeinschaft frühzeitig eigene Mittel.38 Nachdem in der Frage nach der Parafiskalität unionseigener Abgaben bereits das Duopol an haushaltswirksamen Einnahmen betrachtet wurde,39 gilt es nun, diese Ansätze zu konkretisieren. Eigenmittel sind Mittel, die primär der Haushaltsfinanzierung dienen,40 sie zeichnen sich durch ihre fiskalische Natur aus. Die Eigenmittel sollten in Abgrenzung zu den historischen Finanzbeiträgen zudem die finanzielle Autonomie der Union sichern,41 sowie gleichzeitig die Finanzbeiträge ersetzen.42 Die 32
Hier ist an die Stellung der Mitgliedstaaten als Herren der Verträge zu erinnern. Hatje, EuR 1998, 346 (355) hinsichtlich der intensiven Verhandlungen der Mitgliedstaaten in Finanzfragen. 34 Waldhoff, in: Wegener (Hrsg.), Europäische Querschnittspolitiken (EnzEuR Bd. 8), § 10 Rn. 22 m.w.N. 35 Rechtshistorischer Überblick bei Strube (2000), S. 246 – 258; Meermagen (2002), S. 22 ff. 36 Zur Geschichte Magiera, in: FS Carstens 1984, 185 (188 ff.); Gesmann-Nuissl (1999), S. 6 ff.; Birk, in: Birk (Hrsg.), Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts, § 5 Rn. 25 ff. 37 Meermagen (2002), S. 22; Ehlermann, CMLRev. 1982, 571 (572). 38 Magiera, in: FS Carstens 1984, 185 (187). 39 Siehe hierzu unter § 2 B. V. 1. a). 40 Zur Diskussion um den Begriff Hidien, EuR 1997, 95 (99). 41 Magiera, in: FS Carstens 1984, 185 (192) m.w.N.; Begg, CML Rev 41 (2004), 775 (782); Wilms, EuR 2007, 707 (709); vgl. Bieber, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches 33
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Eigenmittel sind in ihrer Wesensart beitragsähnlich; sie fallen rechtsverbindlich ohne weiteres Zutun der Mitgliedstaaten an.43 Dennoch ist die Eintreibung rein faktisch unter der Kontrolle der Mitgliedstaaten mangels einschneidender Zwangsmittel der Union.44 Das Eigenmittelsystem ist geregelt in den Finanzvorschriften der Art. 310 ff. AEUV. Nach der zentralen Vorschrift des Art. 311 Abs. 2 AEUV (vormals Art. 269 Abs. 1 EGV) wird der Haushalt unbeschadet der sonstigen Einnahmen vollständig aus Eigenmitteln finanziert. Die Vorschrift zeigt, dass die Eigenmittel die dominante Finanzquelle des allgemeinen Haushalts sind.45 Bestimmungen über das System der Eigenmittel unterliegen einem besonderen, einstimmigkeitsverpflichteten Gesetzgebungsverfahren. Dies macht nach Art. 17 Abs. 2 EUV i.V.m. Art. 289 AEUVeinen Vorschlag der Kommission erforderlich.46 Das Europäische Parlament ist anzuhören und der Rat muss einen Beschluss treffen.47 Der Eigenmittelbeschluss ist von den Mitgliedstaaten gemäß Art. 311 Abs. 3 S. 3 AEUV zu ratifizieren, was die Einbindung der nationalen Parlamente in das Verfahren zur Folge hat.48 Das Eigenmittelsystem dient in seiner verfahrenstechnisch komplexen Ausgestaltung durch die starke Betonung mitgliedstaatlicher Einflussnahme auch der Verteidigung der nationalen Fiskalintegrität49 sowie der parlamentarischen Budgethoheit.50 Es ist gerade als Schutzsystem entworfen.51 Vereinzelt wird die Koordination der unionseigenen und nationalen Abgabenbelastung zugunsten der betroffenen Bürger als SchutzasUnionsrecht (7. Auflage 2015), Art. 311 AEUV Rn. 6; Griese, EuR 1998, 462 (463); Sattler, JöR 19 (1970), 1 (85); Magiera, EuR 1985, 273 (279); Morawitz, EuR 1970, 232 (234); Häde, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (1. Auflage 2017), Art. 311 AEUV Rn. 18; nach Crowe, EuConst 13 (2017), 428 (432) sollen die Eigenmittel das Unionsbudget auch hin zu einer direkten Beziehung mit den Unionsbürgern bringen. 42 Bieber, EuR 1978, 363 (371). 43 Magiera, EuR 1985, 273 (279); Helmke (2007), S. 202 m.w.N. 44 Teutemann (1991), S. 271. 45 Rossi, in: Vedder/Heintschel von Heinegg (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht (2. Auflage 2018), Art. 310 AEUV Rn. 8. 46 Vgl. Waldhoff, in: Calliess/Ruffert EUV/AEUV (5. Auflage 2016) Art. 311 AEUV Rn. 5; Häde, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (1. Auflage 2017), Art. 310 AEUV Rn. 119; zur früheren Rechtslage vgl. Bohlken (2000), S. 240. 47 Waldhoff, in: Calliess/Ruffert EUV/AEUV (5. Auflage 2016) Art. 311 AEUV Rn. 10. 48 Häde, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (1. Auflage 2017), Art. 310 AEUV Rn. 121. 49 Schmidhuber, EuR 1991, 329 (337); Schoo, in: Schwarze (3. Auflage 2012), Art. 310 AEUV Rn. 24; Waldhoff, in: Wegener (Hrsg.), Europäische Querschnittspolitiken (EnzEuR Bd. 8), § 10 Rn. 15 m.w.N.; Shirvani, UPR 2013, 17 (21); Waldhoff, in: Calliess/Ruffert, EUV/ AEUV (5. Auflage 2016), Art. 311 AEUV Rn. 14. 50 Häde (1996), S. 431. 51 Waldhoff, in: Wegener (Hrsg.), Europäische Querschnittspolitiken (EnzEuR Bd. 8), § 10 Rn. 15 m.w.N.; Hatje, EuR 1987, 351 (355 ff.); Amend (2001), S. 56; Gesmann-Nuissl (1999), S. 79; Scheibe (1988), S. 246 ff.
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pekt betont.52 Die Schutzzwecke sind primärrechtlich abgesichert. Art. 353 AEUV exkludiert Art. 311 Abs. 3 und Abs. 4 sowie Art. 312 Abs. 2 UAbs. 1 AEUV von der Anwendbarkeit des Art. 48 Abs. 7 EUV. Analog zur Grundsatzentscheidung der Steuerfinanzierung im deutschen Bundesstaat53 kann von einer Grundsatzentscheidung für die Eigenmittelfinanzierung gesprochen werden.54 Der Eigenmittelbeschluss unterliegt dem Verfahren nach Art. 311 Abs. 3 AEUV. Durch die Ratifizierungsbedürftigkeit des Beschlusses durch die Nationalstaaten haben diese das letzte Wort in dem Verfahren.55 Art. 311 Abs. 3 AEUV kann keine fehlenden Sachkompetenzen ausgleichen. Abgabenerhebungen mit sachpolitischen Zielsetzungen bedürfen daher einer zusätzlichen Sachkompetenz.56 Wie bereits erwähnt, wurden die Eigenmittel mit der Intention eingeführt, den damaligen Gemeinschaften größere Unabhängigkeit zu vermitteln. Rein faktisch hängt der konkrete Autonomiegrad noch heute vom jeweiligen Eigenmittel ab.57 Die Europäische Union ist in ihrer Einnahmenbeschaffung erheblich auf die Mitwirkung der Mitgliedstaaten angewiesen und von dieser letztlich abhängig. Der fehlende tatsächliche Automatismus zur Abführung der Eigenmittel zeigt sich an zahlreichen Urteilen des Europäischen Gerichtshofs gegen die Mitgliedstaaten.58 Im Ergebnis ist die Europäische Union als finanziell abhängig von den Mitgliedstaaten zu bezeichnen. b) Funktionen der Grundstruktur Die derivative Grundstruktur der Europäischen Finanzordnung erfüllt politische Funktionen und ist intendiert. Die Finanzierungsstruktur dient zunächst der Kontrolle der Union durch die Mitgliedstaaten. Die Grundstruktur erschöpft sich jedoch nicht in diesem Verhältnis. Aus ihr spricht auch ein gewisser Vorbehalt der Mitgliedstaaten, selbst für die finanzielle Lastenverteilung zwischen den Mitglied52
Hatje, EuR 1987, 351 (355). Vgl. P. Kirchhof, Nichtsteuerliche Abgaben, in: HStR V (3. Auflage 2007), § 119 Rn. 69. 54 Meermagen (2002), S. 25 spricht vom „(…) Fundament des Finanzierungssystems (…)“; vgl. auch Bleckmann/Hölscheidt, DÖV 1990, 853 (857) sowie Bohlken (1999), S. 249. 55 Waldhoff, in: Wegener (Hrsg.), Europäische Querschnittspolitiken (EnzEuR Bd. 8), § 10 Rn. 14. 56 Häde, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (1. Auflage 2017), Art. 311 AEUV Rn. 62. 57 Magiera, in: GS Grabitz 1995, 409 (418); Niedobitek, in: Streinz, EUV/AEUV (2. Auflage 2012), Art. 311 AEUV Rn. 11 f. 58 Wilms, EuR 2007, 707 (709) mit einer breiten Auswahl; Niedobitek, in: Streinz, EUV/ AEUV (2. Auflage 2012), Art. 311 AEUV Rn. 11 f. m.w.N.; vgl. für ein aktuelleres Beispiel die Klage der Europäischen Kommission gegen das Vereinigte Königreich (Klage, eingereicht am 30. Juni 2017 – Europäische Kommission/Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Nordirland, Rechtssache C-391/17) oder gegen Italien (Klage, eingereicht am 4. Mai 2018 – Europäische Kommission/Italienische Republik, Rechtssache C-304/18). 53
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staaten sorgen zu wollen.59 Das mag aus Sicht der Europäischen Union verbesserungsfähig erscheinen,60 ist aber ein von den Mitgliedstaaten klar angelegtes gegenwärtiges Merkmal der Europäischen Finanzordnung. Ausdruck dieses Finanzierungskampfes war beispielsweise der sog. „Britenrabatt“, in dessen Folge sich auch Deutschland und weitere EU-Staaten einen Rabatt auf den Rabatt erkämpften.61 Die Funktionen werden noch detaillierter in der Abgrenzung von Sach- und Finanzkompetenzen erörtert. c) Der Schutz der Finanzsouveränität Der Schutz der mitgliedstaatlichen Finanzsouveränität ist mehr als ein politisches Schlagwort. Ihm kommt echter primärrechtlicher Gehalt zu. Betrachtet man diese Fragestellung zunächst aus der Sicht der Mitgliedstaaten, ist die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts von Interesse. Das Bundesverfassungsgericht hob die Bedeutung der mitgliedstaatlichen Finanzsouveränität als Ausdruck der demokratischen Selbstbestimmung im Lissabon-Urteil 2009 hervor.62 Die Finanzhoheit wird aber auch jenseits der deutschen Verfassungsgerichtsbarkeit als Kernelement der Staatlichkeit angesehen und gilt gemeinhin als besonders souveränitätssensibel.63 Diese besondere Sensibilität zeigt den generellen Willen der Mitgliedstaaten, bei Hoheitsrechtübertragungen auf die Europäische Union ihre Finanzsouveränität nicht erheblich preisgeben zu wollen. Nähert man sich der Reichweite eines Kompetenztitels aus der mitgliedstaatlichen Perspektive, so bietet die nationale Finanzhoheit Anlass für eine im Ausgangspunkt restriktive Auslegung der Kompetenztitel im Finanzbereich.
59 Hatje, EuR 1987, 346 (356); zur Lastenverteilung Crowe, EuConst 13 (2017), 428 (433); Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht (7. Auflage 2016), § 8 Rn. 34, 57 sowie Future Financing of the EU, Final report and recommendations of the High Level Group on Own Resources, December 2016 (sog. Monti report), S. 38 und S. 60. 60 Future Financing of the EU, Final report and recommendations of the High Level Group on Own Resources, December 2016 (sog. Monti report), S. 60. 61 Eckhoff, in: Birk (Hrsg.), Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgaberechts, § 7 Rn. 27 ff.; Future Financing of the EU, Final report and recommendations of the High Level Group on Own Resources, December 2016 (sog. Monti report), S. 57; zur Geschichte der Ausgleichsmechanismen Teutemann (1991), S. 270. 62 BVerfGE 123, 267 (361 f.); auch in BVerfGE 67, 256 (288) spricht das Bundesverfassungsgericht von einem „(…) politisch sensiblen Sachbereich (…)“, vgl. hierzu auch BVerfGE 105, 185 (193). 63 Für die Steuer Maitrot de la Motte, Revue de L’OFCE 134 (2014), 149 (149); Fischer, JZ 2007, 1024 (1025); F. Kirchhof, DFGT 8 und 9 (2011/2012), 23 (23); Birk, FS Ruppe 2007, 51 (56); Khan, in: Geiger/Khan/Kotzur, EUV/AEUV (6. Auflage 2017), Art. 110 AEUV Rn. 1; Häde, in: Härtel (Hrsg.), Handbuch Föderalismus § 90 Rn. 23; Tappe/Wernsmann, Öffentliches Finanzrecht (1. Auflage 2015), Rn. 785; Götz, EuR 1968, 209 (212); Wernsmann/Zirkl, EuZW 2014, 167 (168); Kang (2005), S. 95.
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Dieser Bezug der Finanzautonomie zur Souveränität eines Mitgliedstaates ist Strukturmerkmal der Verträge.64 Aus diesem Grund sehen die primärrechtlichen Kompetenzgrundlagen einen engmaschigen Schutz der nationalen Gesetzgebung im Finanzbereich vor.65 Das Einstimmigkeitserfordernis in Abgabenangelegenheiten zieht sich damit über die einzelnen Sachpolitiken hinweg und ist ein Grundelement des Europäischen Primärrechts. Konkret betroffen ist zum Beispiel Art. 113 AEUV, der für die Harmonisierung der indirekten Steuern das Einstimmigkeitserfordernis vorsieht. Für die direkten Steuern, die potenziell unter Art. 115 AEUV fallen,66 ordnet dieser gleichfalls das Einstimmigkeitserfordernis an. Die Kompetenzabrundungsklausel des Art. 352 AEUV kann ebenso für die direkten Steuern nutzbar gemacht werden67, sie verlangt ebenfalls Einstimmigkeit. Auch im Bereich der Umweltabgaben sieht Art. 192 Abs. 2 lit. a AEUV Einstimmigkeit vor, dies gilt zudem für das Europäische Energierecht nach Art. 194 Abs. 3 AEUV. Die Finanzsouveränität wird nicht nur durch die Verhinderung von Übergriffen in die nationale Steuergesetzgebung geschützt. Erinnert sei beispielsweise daran, dass im Rahmen der Eigenmittel durch das Zustimmungserfordernis der Mitgliedstaaten zum System der Eigenmittel der Union, Art. 311 Abs. 3 AEUV, die finanzielle Integrität der Mitgliedstaaten in deren Händen belassen wird. Auch soll durch die Pflicht der Union zum Haushaltsausgleich gemäß Art. 310 Abs. 1 UAbs. 3 AEUV ein Schutz der Mitgliedstaaten vor ausufernden finanziellen Verpflichtungen der Union durch permanente Defizite gegeben werden.68 Dem Schutz der mitgliedstaatlichen Finanzsouveränität kommt daher im Kontext des Europäischen Primärrechts eine nicht zu unterschätzende Tragweite zu. Er ist 64
Siehe hierzu: Future Financing of the EU, Final report and recommendations of the High Level Group on Own Resources, December 2016 (sog. Monti report), S. 20. Vergleiche zum Monti report auch Crowe, EuConst 13 (2017), 428 (429); F. Kichhof/Kemmler, EWS 2003, 217 (218). 65 Siehe zur Begründung des Einstimmigkeitserfordernisses (auch) im Rahmen einzelner Kompetenzgrundlagen Terhechte, in: Pechstein/Nowak/Häde (Hrsg.), Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (1. Auflage 2017) Art. 115 AEUV Rn. 3; Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/ Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union (63. EL Dezember 2017), Art. 194 AEUV Rn. 38; Heselhaus, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (1. Auflage 2017), Art. 192 AEUV Rn. 38; Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV (5. Auflage 2016), Art. 192 AEUV Rn. 29; Calliess, ZUR 2003, 129 (130); Müller (1994), S. 41; Freytag (2000), S. 47; Seiler, EuR 2010, 67 (83); Lienemeyer, EuR 1998, 478 (499); Kreibohm (2004), S. 146 ff mit Verweis auf GA Léger, Schlussantrag vom 16. 05. 2000 – C-36/ 98 – Spanien ./. Rat; Heselhaus (1998), S. 230; Dürrschmidt, NJW 2010, 2086 (2087); Waldhoff, in: Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht, Band 3 (3. Auflage 2012), S. 355; Ohler, EuZW 1997, 370 (372); Zeitler, FS Kreile 1994, 837 (843). 66 Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV (5. Auflage 2016), Art. 115 AEUV Rn. 4; Tietje, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union (63. EL Dezember 2017), Art. 115 AEUV Rn. 1; Hindelang/Köhler, JuS 2014, 405 (405); Gröpl, in: Dauses (Hrsg.), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, J. Steuerrecht (44. EL 2018), Rn. 57. 67 Hindelang/Köhler, JuS 2014, 405 (405). 68 Storr, EuR 2001, 846 (864).
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§ 4 Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen im Unionsrecht
zwingend zur Auslegung der Reichweite der Europäischen Kompetenztitel heranzuziehen. Die mitgliedstaatliche Finanzsouveränität entfaltet sich insbesondere im Gleichklang mit dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung. 4. Das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung Das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung (Art. 5 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 EUV) ist neben dem Schutz der mitgliedstaatlichen Finanzsouveränität ein weiterer Eckpfeiler des Unionsrechts. Das Prinzip schützt die Kompetenzverteilung innerhalb des Europäischen Verbundes zugunsten der Mitgliedstaaten.69 Die Europäische Union kann sich nicht selbständig neue Kompetenzen erschließen und muss die ihr übertragenen Kompetenzen in deren Rahmen ausüben. Es fehlt ihr die KompetenzKompetenz.70 Das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung beherrscht das gesamte Unionsrecht und gilt somit auch für die Finanzvorschriften des Europäischen Primärrechts.71 Die Mitgliedstaaten sind die „finanziellen Herren der Verträge“.72 Das Bundesverfassungsgericht hat im Maastricht-Urteil explizit eine Kompetenz-Kompetenz im Finanzbereich abgelehnt.73 Die Geltung des Grundsatzes der beschränkten Einzelermächtigung für den Bereich der Finanzkompetenzen erkennt der Europäische Gerichtshof im Ausgangspunkt an.74 Gerade in den Fragen der Finanzen waren 69 Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV (5. Auflage 2016), Art. 5 EUV Rn. 6; Bast, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union (63. EL Dezember 2017) Art. 5 EUV Rn. 14; Beyer, Der Staat 35 (1996), 189 (191 ff.); Häde (1996), S. 347; Jarass, AöR 121 (1996), 173 (174 ff.); aus der deutschen Verfassungsgerichtsrechtsprechung BVerfGE 75, 223 (242); 89, 155 (194); 123, 267 (349); 142, 123 (219); 146, 216 (250). 70 BVerfGE 123, 267 (349); 132, 195 (238); 146, 216 (250). 71 Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht (7. Auflage 2016), § 8 Rn. 2; Gröpl, in: Dauses (Hrsg.), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, J. Steuerrecht (44. EL 2018) Rn. 25; Schaumburg, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 1.20; Waldhoff, in: Wegener (Hrsg.), Europäische Querschnittspolitiken (EnzEuR Bd. 8), § 10 Rn. 13; Heselhaus (1998), S. 523; Bergfeld (2008), S. 45; Waldhoff, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, in: HStR V (3. Auflage 2007), § 116 Rn. 162; Kube, DStJG 42 (2018), 69 (74); Wissenschaftliche Dienste (Deutscher Bundestag), Az. WD 11 – 3000 – 105/12, S. 4; Frenz/Distelrath, DStZ 2010, 246 (248); Bleckmann/Hölscheidt, DÖV 1990, 853 (857); Hölscheidt/ Baldus, DÖV 1990, 866 (867); Mayer/Heidfeld, EuZW 2011, 373 (374); Dürrschmidt, NJW 2010, 2086 (2087); Shirvani, UPR 2013, 17 (21); Helmke (2007), S. 43; Jarass, AöR 121 (1996), 173 (184). 72 Als finanzielle „Herren der Union“ bezeichnet sie Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht (7. Auflage 2016), § 8 Rn. 2; siehe auch Shirvani, UPR 2013, 17 (20). 73 BVerfGE 89, 155 (194 ff.); siehe hierzu Hölscheidt/Baldus, DÖV 1990, 866 (867). 74 Explizit aufgeworfene Frage in: EuGH, Urteil vom 28. 07. 2011 – C-309/10 – Agrana Zucker, Rn. 23 ff. In Agrana Zucker verweist der EuGH zudem auf die Urteile EuGH, Urteil vom 11. 07. 1989 – C-265/87 – Schräder HS Kraftfutter sowie EuGH, Urteil vom 26. 06. 1990 – C-8/89 – Zardi, welche die Frage aber eher konkludent behandeln. Siehe zudem EuGH, Urteil vom 21. 02. 1979 – Rs. 138/78 – Stölting.
A. Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Europäischen Finanzordnung
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die Mitgliedstaaten in der historischen Entwicklung der Europäischen Union auf eine Zügelung der Unionsorgane bedacht.75 Die Kompetenzausübung unterliegt im Bereich der Finanzvorschriften unbestritten dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung. Die Europäische Union kann sich im fiskalischen Bereich keine eigenen Kompetenzen schaffen, sondern ist auf Zuweisung neuer Kompetenzen oder die rechtskonforme Ausnutzung bestehender Kompetenzen angewiesen. Auch müssen bestehende Kompetenzen in diesem Lichte interpretiert werden. Für die parafiskalische Abgabe ist daher der aktuelle Kompetenzstand der Union im Abgabenrecht Ausgangspunkt ihrer Rechtmäßigkeitsprüfung. a) Die Kompetenzausstattung im fiskalischen Bereich Analysiert man den status quo, so können Finanzmittel durch die Europäische Union grundsätzlich nicht eigenständig eingeführt und erhoben werden. Bis auf die Besteuerung ihrer eigenen Bediensteten wurden entsprechende Kompetenzen, trotz zahlreicher vergangener wie aktueller Diskussionen,76 nicht übertragen.77 Streit entfacht sich nur hinsichtlich der Reichweite einzelner Normen. Nach Art. 311 Abs. 1 AEUV stattet sich die Union mit den erforderlichen Mitteln aus, um ihre Ziele erreichen und ihre Politik durchsetzen zu können. Der Wortlaut der Vorschrift könnte durch seine aktive Fassung zu einer Auslegung verleiten, wonach die Europäische Union sich nach eigener Einschätzung finanziell ausstatten kann. Teleologischer und systematischer Auslegung folgend wird die Vorschrift aber als Absichtserklärung und im Rahmen des Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit (Art. 4 Abs. 3 AEUV)78 lediglich als programmatische Bekundung der Mitglied-
75
Hatje, EuR 1987, 351 (355). Historisch z. B. die Diskussion um die Einführung einer Steuer auf Nichtbutterfette, vgl. hierzu Bleckmann/Hölscheidt, DÖV 1990, 853 (857) sowie Börner, KSE 35 (1987), S. 1 ff.; zur Finanztransaktionssteuer Mayer/Heidfeld, EuZW 2011, 373 – 378 sowie Wernsmann/Zirkl, EuZW 2014, 167 – 172. 77 Birk, in: Birk (Hrsg.), Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts, § 5 Rn. 12. Mayer/Heidfeld, EuZW 2011, 373 (374); Häde, in: Härtel (Hrsg.), Handbuch Föderalismus § 90 Rn. 20; Wernsmann/Zirkl, EuZW 2014, 167 (168). Dies wird auch auf von Seiten der Union zweifelsfrei anerkannt, vgl. Future Financing of the EU, final report and recommendations of the High Level Group on Own Resources, December 2016 (sog. Monti report), S. 20; Waldhoff, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV (5. Auflage 2016), Art. 310 Rn. 5; Kube (2004), S. 278; Schmidt, StuW 2015, 171 (189); Seiler, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar (82. EL Januar 2018), Art. 106 GG Rn. 69; F. Kirchhof, DFGT 8 und 9 (2011/2012), 23 (25), wonach die Europäische Union im steuerrechtlichen Bereich ein Staatenverbund sei; Birk, FR 2005, 121 (121). 78 Hierzu in diesem Kontext Häde, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (1. Auflage 2017), Art. 311 AEUV Rn. 7. 76
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§ 4 Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen im Unionsrecht
staaten verstanden.79 Die Europäische Union kann über Art. 311 Abs. 1 AEUV keine neuen Einnahmequellen im Selbststand erschließen.80 Dies war auch Gegenstand einer expliziten Stellungnahme des Maastricht-Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur identischen Vorgängerfassung,81 bestätigt dann im Lissabon-Urteil zu Art. 311 Abs. 1 AEUV.82 Nach Art. 192 Abs. 2 lit. a AEUV kann der Europäische Rat im Umweltrecht einstimmig Vorschriften überwiegend steuerlicher Art erlassen. Die genaue Reichweite dieser Kompetenzgrundlage ist umstritten. Die herrschende Meinung will nur Steuern, aber keine nichtsteuerlichen Abgabenarten, erfasst wissen.83 Andere Stimmen in der Literatur erstrecken die Vorschrift auf alle Abgabearten.84 Eine hiernach erlassene Steuer muss jedoch Lenkungszwecken und darf nicht der allgemeinen Finanzierung des Unionshaushalts dienen.85 Es ist in diesem Kontext aber schwierig, von Steuerkompetenzen der Union zu sprechen. Letztlich behalten die Mitgliedstaaten durch das Einstimmigkeitserfordernis im Europäischen Rat die absolute Kontrolle über die Steuergesetzgebung auf Unionsebene. Insgesamt zeigt sich die Kompetenzausstattung der Europäischen Union im Bereich des Erlasses von Steuern – speziell im Falle der unionalen Ertragshoheit – als wenig ausgeprägt. Es ist daher angemessen, von einer fehlenden Steuerhoheit der Europäischen Union zu sprechen.86
79 Häde, in: Hatje/Müller-Graff (Hrsg.), Europäisches Organisations- und Verfassungsrecht (EnzEuR Bd. 1), § 14 Rn. 22 m.w.N.; Mayer/Heidfeld, EuZW 2011, 373 (374); Waldhoff, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV (5. Auflage 2016), Art. 311 AEUV Rn. 2; Schmidt, StuW 2015, 171 (189), Seiler, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar (82. EL Januar 2018), Art. 106 GG Rn. 69; Niedobitek, in: Streinz, EUV/AEUV (2. Auflage 2012), Art. 311 AEUV Rn. 3; Khan, in: Geiger/Khan/Kotzur, EUV/AEUV (6. Auflage 2017), Art. 311 AEUV Rn. 1; Rossi, in: Vedder/Heintschel von Heinegg (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht (2. Auflage 2018), Art. 311 AEUV Rn. 3; Streinz/Ohler/Herrmann, Der Vertrag von Lissabon zur Reform der EU (3. Auflage 2018), S. 87. 80 BVerfGE 123, 267 (393); Waldhoff, in: Büttner/Thöne, The Future of EU-Finances, S. 154; Häde, in: Hatje/Müller-Graff (Hrsg.), Europäisches Organisations- und Verfassungsrecht (EnzEuR Bd. 1), § 14 Rn. 43. 81 BVerfGE 89, 155 (194 ff.). 82 BVerfGE 123, 267 (393). 83 Kahl, in: Streinz, EUV/AEUV (2. Auflage 2012), Art. 192 AEUV Rn. 21; Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV (5. Auflage 2016), Art. 192 AEUV Rn. 29; Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union (63. EL Dezember 2017), Art. 192 AEUV Rn. 72. 84 F. Kichhof/Kemmler, EWS 2003, 217 (218); Waldhoff, in: Wegener (Hrsg.), Europäische Querschnittspolitiken (EnzEuR Bd. 8), § 10 Rn. 46 ff.; Heselhaus, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (1. Auflage 2017), Art. 192 AEUV Rn. 36. 85 Waldhoff, in: Wegener (Hrsg.), Europäische Querschnittspolitiken (EnzEuR Bd. 8), § 10 Rn. 51. 86 Vgl. hierzu bereits § 4 A.
A. Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Europäischen Finanzordnung
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b) Die fehlende fiskalische Komponente der Kompetenz als Konsequenz Der Schutz der fiskalischen Kompetenzen der Mitgliedstaaten kam nach dieser Analyse eine herausragende Bedeutung für die Bestimmung des Kompetenzgefüges der Union zu. Sofern bei einzelnen Sachpolitiken (bspw. Umwelt, Art. 192 Abs. 2 lit. a AEUV oder Energie, Art. 194 Abs. 3 AEUV) eine fiskalische Komponente intendiert war, ist diese mit einer besonderen Einstimmigkeitsklausel versehen. Sofern eine Sachkompetenz übertragen wurde, die potenziell in den Finanzbereich hineinragt (bspw. Art. 114 Abs. 1 und 2 AEUV), wurde deren einschlägige Verwendung ebenfalls an Einstimmigkeit geknüpft. Die hohe Regelungsdichte und die insoweit eindeutige historische Entwicklung lassen den Schluss zu, dass fiskalische Kompetenzen nicht beiläufig mit den Kompetenzen zu den jeweiligen Sachpolitiken auf die Europäische Union mitübertragen wurden.87 Daraus folgt, dass die Kompetenz zu einem fiskalisch relevanten Abgabeneinsatz der Union von den Mitgliedstaaten nicht eingeräumt wurde. Wendet man sich vor diesem Hintergrund der Auslegung der Europäischen Kompetenztitel zu, ist diese fehlende Zuweisung drängendes Indiz für eine restriktive Auslegung von Sachkompetenztiteln und für eine strikte Separierung fiskalischen Tätigwerdens von den einzelnen Sachpolitiken. Kompetenztitel der einzelnen Sachpolitiken lassen sich daher – abgesehen von potentiellen expliziten Zuweisungen durch die Mitgliedstaaten – des Grundsatzes der beschränkten Einzelermächtigung wegen nicht in einer Weise auslegen, dass diese Kompetenztitel in den Fiskalbereich übergreifen. Auch die Annahme von Annexkompetenzen im Rahmen der einzelnen Sachpolitiken unterliegt grundsätzlichen Zweifeln. Fraglich erscheint nun, welche konkreten Folgen diese Erkenntnisse für die Auslegung der Sachkompetenztitel haben. 5. Trennung von Finanz- und Sachkompetenzen im Unionsrecht Kompetenzfragen waren stetes Thema im Verlauf der Europäischen Integration im Verhältnis der Nationalstaaten zur Union. Die Reichweite der Sachkompetenzen im fiskalischen Bereich ist eine konfliktträchtige Angelegenheit, wie die spätere Analyse der Rechtsprechung zeigen wird. Der intendierte Schutz der mitgliedstaatlichen Finanzsouveränität in der Auslegung europäischer Kompetenztitel deutet an, dass der fiskalische Einsatz eines Kompetenztitels eine materielle Andersartigkeit vom sachpolitischen Tätigwerden der Union besitzt. Diese materielle Andersartigkeit könnte eine Separierung der Kompetenzarten im Europarecht zur Folge haben. Neben einer reinen terminologischen Systematisierung könnte dieser Teilung normative Kraft zukommen. Dem deutschen Sprachgebrauch folgend könnte man die fiskalischen Kompetenzen als 87 Der „historische Vertragswille“ der Mitgliedstaaten ist insofern eindeutig, siehe Steichen, FS Debatin 1997, 417 (435 f.), auch zur teleologischen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof in diesem Bereich.
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§ 4 Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen im Unionsrecht
Finanzkompetenzen bezeichnen.88 Finanzkompetenzen ermächtigen dabei die öffentlich-rechtliche Einheit zu Maßnahmen, die primär der Finanzierung des Haushalts dienen. Die Kompetenzen der Sachpolitiken sind hingegen die Sachkompetenzen. Sachkompetenzen ermächtigen zu Maßnahmen in konkreten Politikbereichen, die deren Zielverwirklichung dienen. Diese Definitionen beider Kompetenzarten scheinen als Ausgangspunkt der Unterscheidung geeignet. Zunächst gilt es aber, die grundsätzliche Kritik der Literatur an diesem Duopol der Kompetenzen zu erwidern. Nach hiesiger Auffassung ist – wie bereits mit dem Wesensmerkmal des kompetenzrechtlichen Stützens der unionseigenen parafiskalischen Abgaben auf eine Sachkompetenz angedeutet wurde89 – im Unionsrecht zwischen zwei Kompetenzarten zu unterscheiden. a) Kritik an der Trennung beider Kompetenzarten Zur Einordnung der Diskussion auf Unionsebene hilft ein Blick in das deutsche Finanzverfassungsrecht, das diesbezüglich eine ausgeprägte Dogmatik entwickelte. Die Dogmatik der deutschen Finanzverfassung zur Trennung beider Kompetenzarten,90 wie schon in der Systematik der Art. 70 ff. GG und der Art. 105 ff. GG angelegt, kann freilich wegen des Selbststandes des Unionsrechts nicht übernommen werden.91 Der Begriff der Sach- und Finanzkompetenz ist auf Unionsebene in einem autonomen Verständnis zu interpretieren. Dennoch öffnet das Begriffspaar einen präzisen Zugang zu der Problematik. Die Abgrenzung beider Kompetenzarten charakterisierte Götz als eines der „ungelösten Grundprobleme“ der Gemeinschaft.92 In der Literatur wird stellenweise die Referenz zur deutschen Kompetenzlehre abgelehnt. Beispielsweise verweist Korn auf die konzeptionelle Übertragung von „Materienkomplexen“ auf die Europäische Ebene, der keine Trennung von Sachund Finanzkompetenzen folge.93 Die Abgrenzung unterschiedlicher Abgabenarten sei hiernach eher für Rechtsfolgen- und Verfahrensfragen relevant.94 Die unionsautonom interpretierte Trennung beider Kompetenzarten speist sich aber aus dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung in Verbindung mit – wie auch einzeln – der Finanzsouveränität der Mitgliedstaaten. Ein weiterer wesentlicher 88
Götz, FS Friauf 1996, 37 (52) drückt wohl eine gewisse Distanz zum deutschen Begriff der Sachkompetenz durch das Setzen desselben in Anführungszeichen aus, folgt aber auch diesem Sprachgebrauch. 89 Siehe unter § 2 B. V. 3. 90 Anhand des Steuerstaatsprinzips Korioth, FS Kirchhof Bd. 2 2013, 1469 (1472 f.). 91 Zum Unterschied zwischen den Vorgaben des Europarechts und der deutschen Finanzverfassung Birk, in: Birk (Hrsg.), Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts, § 5 Rn. 9. 92 Götz, FS Friauf 1996, 37 (52), Heselhaus (1998), S. 513. 93 Korn (2015), S. 45; vgl. auch Fugmann (1991), S. 142 hinsichtlich der Agrarkompetenzen und ihrer nach seiner Auffassung mitübertragenen fiskalischen Akzentuierung. 94 Korn (2015), S. 45.
A. Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Europäischen Finanzordnung
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Argumentationskreis behandelt die systematische Integrität der Finanzvorschriften. Diese Begründungsstränge hinsichtlich eines Duopols der Kompetenzen auf Unionsebene sind einzeln zu erarbeiten. b) Das Kompetenzgefüge zwischen Union und Mitgliedstaaten als erste Ursache einer dualen Kompetenzstruktur auf Unionsebene Erster Begründungsstrang hinsichtlich der grundsätzlichen Teilung beider Kompetenzarten ist das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung in seiner spezifischen Ausprägung des Schutzes der mitgliedstaatlichen Finanzhoheit. aa) Schutz der Finanzsouveränität durch das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung Wie festgestellt, ist das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung im Rahmen seiner Teilfunktion des Schutzes der Finanzsouveränität der Mitgliedstaaten Ankerpunkt der Interpretation der Kompetenzausstattung der Union im Fiskalbereich. Die durch die Europäische Finanzordnung vorgegebene Kompetenzverteilung zwischen Mitgliedstaaten und Union im Finanzbereich drängt stark zu einer rechtlichen Absicherung der mitgliedstaatlichen Finanzsouveränität. Ein Zugriff der Europäischen Union auf das wirtschaftliche Substrat der Abgabenpflichtigen bedeutet ein faktisches Durchschlagen auf den finanziellen Zugriff der Nationalstaaten auf ihre Steuerunterworfenen.95 Selbst wenn die Mitgliedstaaten – beispielsweise durch den Ausschluss eines Betriebsausgabenabzugs wie bei der EU-Bankenabgabe nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 13 EStG – reagieren oder agieren, bleibt die finale finanzielle Schwächung des Betroffenen in ihrer langfristigen Wirkung erhalten. Vor diesem Hintergrund erscheint es drängend, den Gebrauch von Kompetenzen in den einzelnen Sachpolitiken, mithin Sachkompetenzen, zum Schutz der mitgliedstaatlichen Finanzsouveränität restriktiv in fiskalischer Hinsicht auszulegen.96 Gleichzeitig wird diese Finanzhoheit auch nicht durch jegliche Abgabenerhebung gefährdet.97 Diese Kompetenzinterferenz findet sich in einer gewissen Analogie auch im deutschen Recht, in dem die häufig der Landesgesetzgebung zugewiesenen Sachkompetenzen mit der Vorrangstellung des Bundes für die Steuergesetzgebung in Konflikt treten.98 95
„(…) – wie in einem System kommunizierender Röhren (…)“, Magiera, FS Carstens 1984, 185 (187). Gemeint ist dabei, dass ein bereits vorbesteuerter Abgabenpflichtiger rein faktisch nur insoweit noch besteuert werden kann, wie noch wirtschaftliches Substrat vorhanden ist; Storr, EuR 2001, 846 (864); zu dieser faktischen Einwirkung auch Vogel/Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG (Lfg. November 1997), Vorbem. z. Art. 104a – 115, Rn. 658. 96 Mit dieser Feststellung auch Bohlken (2000), S. 241; hinsichtlich Sonderabgaben bzw. parafiskalischer Abgaben Ohler (1997), S. 375. 97 So auch Bohlken (1999), S. 236. 98 Siehe hierzu Kube (2004), S. 377 ff.
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§ 4 Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen im Unionsrecht
bb) Die vertraglich abgesicherte Kontrolle der Union durch die Mitgliedstaaten Der Schutz der mitgliedstaatlichen Finanzhoheit umfasst mehr als lediglich die Erhaltung des Steuersubstrats innerhalb der mitgliedstaatlichen Besteuerungsgewalt. Ein weiterer, gleichgewichtiger Aspekt ist die Kontrollmöglichkeit der Mitgliedstaaten durch die Kontrolle der Finanzausstattung der Europäischen Union.99 Neben der bereits dargelegten Absicherung über das Eigenmittelverfahren ist das nach herrschender Meinung bestehende Verbot der strukturellen Kreditfinanzierung des Haushalts aus Art. 310 Abs. 1 UAbs. 3 AEUV100 an dieser Stelle zu nennen.101 Die politische Kontrolle durch die Bestimmung der Finanzausstattung findet sich im nationalstaatlichen Kontext häufig als Errungenschaft der nationalen Parlamente wieder.102 Diese Bedeutung des Parlamentarismus in der Haushaltskontrolle zeigt sich auch in der Geschichte der Europäischen Union selbst, wo zunehmend vergemeinschaftete Haushaltskompetenzen durch eine Stärkung des Europäischen Parlaments kompensiert wurden.103 Eine solche Stärkung ist beispielsweise die Entlastungsbefugnis des Parlaments gegenüber der Kommission gemäß Art. 319 Abs. 1 AEUV.104 Generell sind Einflussmöglichkeiten auf die Finanzausstattung in ihrer politischen Dimension und Gestaltungskraft kaum zu unterschätzen.105 Durch die Kontrolle der Europäischen Finanzen sichern sich die Mitgliedstaaten in tatsächlicher Hinsicht ihre vielbeschworene, gleichwohl zutreffende Stellung als (finanzielle) Herren der Verträge.106 Die hervorgehobene Stellung der Finanzverteilung und Finanzkontrolle für den politischen Prozess findet sich im Übrigen ebenso in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Das Bundesverfassungsgericht wendet die Finanzverteilung der Art. 106 GG und Art. 107 GG formenstreng an und entzieht diesen politisch bedeutsamen Bereich insoweit der richterlichen Einflussnahme durch den 99 Häde, in: Hatje/Müller-Graff (Hrsg.), Europäische Querschnittspolitiken (EnzEuR Bd. 1), § 14 Rn. 1; Götz, in: FS Friauf 1996, 37 (53). 100 Zur Diskussion um das formelle oder materielle Verständnis des Grundsatzes des Haushaltsausgleichs Häde, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/ AEUV (1. Auflage 2017), Art. 310 AEUV Rn. 28 ff. 101 Hierzu Storr, EuR 2001, 846 (864). 102 Vgl. Friauf, VVDStRL 27 (1969), 1 (23). 103 Crowe, EuConst 13 (2017), 428 (431); vgl. Rossi, EuR 2013, 170 (171 ff.). Die Kompetenz zur Entlastung wurde dem Europäischen Parlament erstmalig 1975 übertragen, vgl. Kannengießer, DÖV 1995, 55 (56) m.w.N.; Glaesner, FS Carstens 1984, 115 (115 ff.); Teutemann (1991), S. 275; Reister (1975), S. 118; Strube (2000), S. 249 ff. 104 Hierzu Rossi, EuR 2013, 170 – 193; auch zur Stellung des Europäischen Rats in diesem Kontext. 105 Generell hierzu sowie speziell für den Einfluss des Europäischen Parlaments auf den Europäischen Gerichtshof Krenn, EuConst 13 (2017), 453 (459); vgl. auch Strasser, Die Finanzen Europas (3. Auflage 1991), S. 15 ff. 106 Siehe hierzu bereits unter § 4 A. I. 4.
A. Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Europäischen Finanzordnung
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Verzicht auf Rechtsfortbildung und einer reduzierten Auslegung.107 Die Literatur plädiert daher wie auch aufgrund der Funktion der hinreichenden Finanzausstattung aller staatlichen Ebene gegen eine extensive Auslegung finanzrechtlicher Vorschriften.108 Fraglich erscheint aber, wie weit dieser Schutz der mitgliedstaatlichen Finanzsouveränität durch das Europäische Primärrecht reicht. Man könnte an dieser Stelle einwenden, dass durch die Stellung des Europäischen Rates im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren die Finanzsouveränität der Mitgliedstaaten vor sachkompetenzrechtlich gestützten Abgaben hinreichend geschützt sei. Hierzu ist zunächst anzumerken, dass eine solche mitgliedstaatliche Einflussnahme gerade nicht dem sonst üblichen Einstimmigkeitserfordernis entspricht und daher kein effektives Veto des einzelnen Mitgliedstaats ermöglicht. Das Schutzlevel des individuellen Mitgliedstaates ist drastisch geringer. Abgesehen davon ist es vor dem Hintergrund der klaren primärrechtlichen Verankerung des Schutzes der mitgliedstaatlichen Finanzsouveränität angemessen, diese als Rechtsgut aufzufassen, welches die Union auch selbst zu schützen gewillt sein muss. Die Europäische Union kann diesen Primärrechtsauftrag nicht an die Mitgliedstaaten auslagern, sondern muss sich selbst an ihrer Kompetenzausstattung festhalten lassen. Dies gilt jedenfalls vor dem Hintergrund der momentanen Verfasstheit des Primärrechts. Die in den Verträgen zweifelsfrei angelegte Kontrollfunktion und Beherrschungssituation werden durch die Erhebung von Abgaben mittels Sachkompetenzen berührt. Dies spricht dafür, Sachkompetenzen restriktiv auszulegen und eine klare Abgrenzung zu den souveränitätssensiblen fiskalischen Kompetenzen vorzunehmen. Die normative Bedeutung der Teilung beider Kompetenzarten zeigt sich somit auch an dieser Stelle. cc) Die Budgetverhandlung und Lastenverteilung als Kronjuwel mitgliedstaatlicher Kontrolle Die Finanzierungsstruktur entfaltet ihre Wirkung nicht nur gegenüber der Union. Auch für das Verhältnis der Mitgliedstaaten untereinander kommt ihr eine hohe Bedeutung zu. Dieser momentane Prozess der Ermittlung der Lastenverteilung zwischen den Mitgliedstaaten ist ein weiteres strukturelles Argument für die Trennung beider Kompetenzarten.109 Die Lastenverteilung resultiert aus dem Fehlen eines Äquivalenzzusammenhangs zwischen Einnahmen und Ausgaben der Union bezogen
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Siehe BVerfGE 105, 185 (193): „(…) Es kann aber nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts sein, die Erlöse zwischen Bund und Ländern durch analoge Rechtsanwendung von Verfassungsvorschriften zu verteilen (…)“. 108 Vogel (1972), S. 12. 109 Vgl. Hatje, EuR 1987, 346 (355).
138
§ 4 Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen im Unionsrecht
auf den einzelnen Mitgliedstaat.110 Ein Zeichen für die Relevanz dieser Konstellation ist der bereits verdeutlichte „Britenrabatt“ und seine Folgen.111 Eine Abgabenerhebung der Union zur Finanzierung einzelner Politikbereiche steht in fast natürlichem Widerspruch zu diesem in den Verträgen angelegten hochpolitischen Prozess der Budgetfindung.112 Durch den Gebrauch von Sachkompetenzen wird die durch ein Veto abgesicherte Verhandlungsposition jedes Mitgliedstaats unterlaufen. Dies ist ein weiteres Argument für die fehlende fiskalische Nutzbarkeit der Kompetenztitel in den einzelnen Sachbereichen und damit ein Argument für die Teilung der Kompetenzarten entlang der Kategorien der Sach- und Finanzkompetenzen. dd) Die Finanzverteilung im Mehrebenensystem Jedenfalls konfligieren parafiskalische Abgaben nicht mit einer föderalen Struktur auf Ebene der Europäischen Union wie beispielsweise in Deutschland.113 Gerade bei Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion wird durch die sachkompetenzrechtliche Stützung dieser Abgaben in das Finanzgefüge zwischen Bund und Ländern eingegriffen. Mögliche Finanzkonflikte bei der Problematik der parafiskalischen Abgabe sind auf europäischer Ebene solche zwischen der Union und ihren Mitgliedstaaten und nicht etwa ein Konflikt innerhalb der Union. Daher erscheint fraglich, ob die potentielle Nivellierung des Haushaltswesens durch die fiskalisch relevante Inanspruchnahme von Sachkompetenzen auch auf europäischer Ebene ein diesbezügliches Rechtsproblem darstellt. Im deutschen Bundesstaat wird die fehlende unmittelbare Aufteilung des Aufkommens aus nichtsteuerlichen Abgaben als tatsächlich begünstigender Faktor für eine Generaltendenz zum „Abgabenstaat“ gesehen.114 Die nichtsteuerlichen Abgaben werden nicht nach Art. 106 GG verteilt,115 der für Steuern gilt. Dies macht die auf Sachkompetenzen beruhenden entgeltenden Abgaben attraktiv für den jeweils erhebenden Hoheitsträger, der ihren Ertrag nicht mit einer anderen Ebene teilen muss. Ein vergleichbarer Verteilungsschlüssel bzw. Finanzausgleich existiert auf europäischer Ebene nicht.116 Jedenfalls die erhobenen Eigenmittel müssen nicht anteilig zwischen Bundes- und Landesentitäten aufgespalten werden. Von daher werden von 110
Kube, in: Blanke/Pilz, Die Fiskalunion 2014, 371 (377 ff.) zum fehlenden Äquivalenzzusammenhang und der daraus resultierenden Wirkung als eine Art Finanzausgleich. 111 Siehe hierzu bereits § 4 I. 3. b). 112 Siehe hierzu Begg, CML Rev 41 (2004), 775 ff. 113 So auch Lienemeyer, EuR 1998, 478 (493). 114 Siehe Kube (2004), S. 355 f. sowie S. 385. 115 BVerfGE 105, 185 (194), wobei das Bundesverfassungsgericht auf die Formenstrenge in der bundesstaatlichen Finanzverfassung rekurriert; Kube (2004), S. 355. 116 Kube, in: Blanke/Pilz, Die Fiskalunion 2014, 371 (377 ff.) zu den bestehenden Ausgleichsmechanismen auf europäischer Ebene.
A. Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Europäischen Finanzordnung
139
Teilen der Literatur analoge Erwägungen bezüglich der unionalen Rechtslage hinsichtlich der Verteilung des Aufkommens abgelehnt.117 Gleichwohl werden nach derzeitigem Stand 20 % der von den nationalen Steuerverwaltungen erhobenen traditionellen Eigenmittel als Erhebungskosten einbehalten.118 Die Europäische Kommission schätzt die tatsächlichen Kosten auf maximal 10 %,119 während in der Literatur gar 5 % als ausreichend erachtet werden.120 Der stark überhöhte Satz bietet eine Anreizfunktion für eine gewissenhafte Erledigung durch den erhebenden Mitgliedstaat,121 hat aber gleichzeitig den Ruf eines verdeckten Korrekturmechanismus.122 Aufgrund des Pauschalierungsgedankens sowie des Sachgrundes einer motivierten Abgabenerhebung durch die Mitgliedstaaten ist dieses Konstrukt nicht als wesensgleich zum Verteilungsschlüssel des Art. 106 GG anzusehen. Auch wenn man diesem Mechanismus keine normative Kraft hinsichtlich des unionalen Gebrauchs von Sachkompetenzen zuordnen mag, so ist er doch ein weiteres Beispiel für die faktische Relevanz der Kompetenzabgrenzung. ee) Zwischenergebnis Den Verträgen ist eine Trennung zwischen der Wahrnehmung eines Politikbereichs und seiner Finanzierung inne. Das austarierte Verhältnis zwischen der Union und Mitgliedstaaten erfordert aus den aufgezeigten Argumenten eine Aufteilung der Kompetenzarten. Es spricht viel dafür, eine Unterscheidung mit normativer Kraft zwischen Sach- und Finanzkompetenzen vorzunehmen, wobei die unionsautonome Auslegung dieser Teilung zu wahren ist. c) Interne Systematik des Primärrechts als zweite Ursache einer dualen Kompetenzstruktur auf Unionsebene Während das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung im Verhältnis zwischen Union und Mitgliedstaaten Rückschluss auf die Kompetenzausstattung der Union
117
Lienemeyer, EuR 1998, 478 (493). Magiera, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union (63. EL Dezember 2017), Art. 311 AEUV Rn. 24 m.w.N. 119 Europäische Kommission, Commission Staff Working Paper, Financing the EU Budget: Report on the Operation of the Own Resources System, SEC (2011) 876 final/2, S. 15. 120 Vogel/Rodi (1995), S. 182. 121 Vogel/Rodi (1995), S. 182. 122 Häde, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (1. Auflage 2017), Art. 311 AEUV Rn. 81; Niedobitek, in: Streinz, EUV/AEUV (3. Auflage 2018) Art. 311 AEUV Rn. 22; Europäische Kommission, Commission Staff Working Paper, Financing the EU Budget: Report on the Operation of the Own Resources System, SEC (2011) 876 final/2, S. 15 hält durch ihre leistungsstarken Häfen in erster Linie Belgien und die Niederlande für die Hauptprofiteure, sowie sekundär Dänemark. 118
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§ 4 Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen im Unionsrecht
gibt, so ist die unionsinterne Verteilung der unionalen Legislativbefugnisse sowie die Systematik der Verträge weitestgehend alleinige Frage der europäischen Ebene. aa) Die primärrechtlich angelegte horizontale Legislativverteilung Die sachkompetenzrechtliche Stützung der Abgabenerhebung greift in die durch das Primärrecht vorgesehene Kompetenz- und Verfahrensverteilung in legislativer Hinsicht ein. Die Fragestellung erinnert an das deutsche Finanzverfassungsrecht, wo sich ähnliche Probleme auftun. Das Bundesverfassungsgericht zog den begrenzenden Einfluss des Gebrauchs der Sachkompetenzen auf die Zustimmungsrechte des Bundesrates als Grund für eine restriktive Behandlung dieser Kompetenzen heran.123 Dieser Gedankengang könnte auf die europäische Ebene übertragbar sein. Das Nutzen von Sachkompetenzen zu fiskalischen Zwecken zerrüttet zu einem gewissen Teil das Kompetenzgefüge im Gesetzgebungsverfahren. Sachkompetenzen werden spätestens nach dem Vertrag von Lissabon typischerweise im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren nach Art. 289 Abs. 1, 294 AEUV genutzt.124 Die Stärkung des Ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens war ein Eckpfeiler der Reform durch den Vertrag von Lissabon.125 Dies diente der Stärkung der parlamentarischen und damit demokratischen Legitimation der unionalen Gesetzgebungsakte.126 Zwar gibt es keinen Automatismus und keine Grundannahme zugunsten des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens ähnlich zu Art. 77 Abs. 3 Satz 1 GG.127 Das Gesetzgebungsverfahren wird vielmehr durch die einzelne Kompetenzgrundlage bestimmt.128 Quantitativ wie qualitativ ist der Einfluss des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens aber den besonderen Gesetzgebungsverfahren überlegen.129 123
Siehe z. B. BVerfGE 55, 274 (301). Dies liegt letztlich daran, dass das ordentliche Gesetzgebungsverfahren inzwischen eine dominante Stellung innerhalb der unionalen Rechtssetzung innehat, dazu sogleich. 125 Gellermann, in: Streinz, EUV/AEUV (3. Auflage 2018), Art. 289 AEUV Rn. 3; Vedder, in: Vedder/Heintschel von Heinegg (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht (2. Auflage 2018), Art. 289 AEUV Rn. 2; Saurer, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/ AEUV (1. Auflage 2017), Art. 289 AEUV Rn. 24. 126 Epping, in: Vedder/Heintschel von Heinegg (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht (2. Auflage 2018), Art. 294 AEUV Rn. 1; Gellermann, in: Streinz, EUV/AEUV (3. Auflage 2018), Art. 294 AEUV Rn. 2 f. 127 Saurer, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (1. Auflage 2017), Art. 289 AEUV Rn. 25 mit diesem passenden Hinweis. 128 Saurer, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (1. Auflage 2017), Art. 289 AEUV Rn. 25. 129 Saurer, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (1. Auflage 2017), Art. 289 AEUV Rn. 25 m.w.N. Hiernach drückt auch die Bezeichnung als „ordentliches“ Gesetzgebungsverfahrens den Willen des Unionsgesetzgebungsverfahrens zu dessen Etablierung als grundlegendes Gesetzgebungsverfahren aus; vgl. auch Epping, in: Vedder/Heintschel von Heinegg (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht (2. Auflage 2018), Art. 294 AEUV Rn. 1. 124
A. Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Europäischen Finanzordnung
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Die Kommission hat im Ausgangspunkt das alleinige Initiativrecht, Art. 294 Abs. 2 AEUV, auch wenn Parlament (Art. 225 AEUV), Rat (Art. 241 AEUV) wie Bürger (Art. 11 Abs. 2 EUV i.V.m. Art. 24 Abs. 1 AEUV) sie zu einem Gesetzesvorschlag auffordern können. Es besteht im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren vor allem keine Sperrminorität der einzelnen Mitgliedstaaten. Stellt man den legislativen Ablauf des Eigenmittelsystems dar, steht man vor dem Problem, dass der dogmatische Konsolidierungsgrad nicht ähnlich ausgeprägt wie bei dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren ist. Für Fiskalkompetenzen ist allerdings auf Unionsebene grundsätzlich der Eigenmittelbeschluss hinsichtlich einer Ertragshoheit des Haushalts der Europäischen Union bzw. das besondere Gesetzgebungsverfahren für die Rechtssetzung mit mitgliedstaatlicher Ertragshoheit vorgesehen. Speziell das Eigenmittelsystem betont in Art. 311 Abs. 3 und Abs. 4 AEUV die dominante Stellung des Rates. Durch das Nutzen der Sachkompetenzen wird im Ergebnis die unionsinterne Zuständigkeitsverteilung zu einem gewissen Teil zerrüttet. Dem Gesetzgebungsverfahren kommt eine hohe primärrechtliche Bedeutung zu. In den Vorschriften zum Gesetzgebungsverfahren manifestiert sich die Machtverteilung einer politischen Entität, was generell gegen eine formenschwache Auslegung spricht. Gegen eine solche Beliebigkeit spricht indiziell auch Art. 290 Abs. 1 AEUV, der die Delegation des Erlasses von Rechtsakten ohne Gesetzescharakter an die Kommission regelt. Auch wenn der Europäische Gerichtshof hinsichtlich der Wesentlichkeit keine vergleichbare Strenge wie das Bundesverfassungsgericht walten lässt,130 zeigt doch die Beschränkung auf „nicht wesentliche“ Regelungen, dass das Primärrecht den Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens nicht beliebig gestalten wollte. Ähnlich verhält es sich mit der Durchführungsgesetzgebung nach Art. 291 AEUV.131 Der Europäische Gerichtshof wendet dem Eigenmittelbeschluss aber keine Ankerfunktion zu und hat durch seine Rechtsprechung die Stellung des Eigenmittelbeschlusses als Primärfinanzierungsform jedenfalls nicht rechtlich gesichert, auch wenn sie rein faktisch besteht.132 Entgegen der Rechtsprechung spricht aber die hohe Bedeutung des Gesetzgebungsverfahrens – gerade in Kombination mit dem Eigenmittelbeschluss als Verbindungsmittel zu den Mitgliedstaaten – für eine restriktive Behandlung der sachkompetenzrechtlichen Gesetzgebungsverfahren in finanzwirksamer Hinsicht.
130 Möllers/von Achenbach, EuR 2011, 39 (47 f.) m.w.N. zur Rechtsprechung. Hiernach legt der Europäische Gerichtshof nicht die Frage nach einem Grundrechtsbezug seiner Rechtsprechung zugrunde, sondern prüft die Bedeutung für die betroffene Sachpolitik; Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, (5. Auflage 2016), Art. 290 AEUV Rn. 10 wonach die „politischen Grundentscheidungen“ Maßstab der Wesentlichkeit sind. 131 Hierzu Möllers/von Achenbach, EuR 2011, 39 (42 ff.). 132 Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichthofs zur normativen Kraft und Stellung des Eigenmittelsystems wird unter § 4 II. 2. und 3. detailliert untersucht, worauf hiermit verwiesen sei.
142
§ 4 Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen im Unionsrecht
bb) Interne Systematik der Finanzvorschriften Fraglich erscheint, welche weiteren Anhaltspunkte für eine Kompetenztrennung aus der systematischen Analyse des Primärrechts gewonnen werden können. Eine Separierung der Kompetenzarten ist nach ihrem Wortlaut im Europäischen Primärrecht nicht festzustellen. Freilich wird auch das Wort Steuerstaat beispielsweise im Grundgesetz nicht erwähnt.133 Daher gilt es, die systematische Integrität der Finanzvorschriften zu betrachten. Der AEUV widmet den „Finanzvorschriften“ in Art. 310 ff. AEUV einen gesonderten Titel. Dieser Titel regelt die finanzielle Ausstattung der Union, gewährt ihr aber keine eigenständige Kompetenz zur ertragshoheitlich relevanten Rechtsetzung.134 Die Einnahmenseite wird dabei durch die Haushaltsgrundsätze des Art. 310 AEUV, die Vorschriften über die Eigenmittel (Art. 311 AEUV), den mehrjährigen Finanzrahmen (Art. 312 AEUV), den Jahreshaushaltsplan (Art. 313 ff. AEUV) sowie die Ausführung und die Entlastung (Art. 317 ff. AEUV) detailliert primärrechtlich geregelt. Die Einnahmenseite der Europäischen Union erfährt somit eine hohe Regelungsdichte. Dieses primärrechtliche Augenmerk spricht für eine hohe normative Steuerungskraft der Vorschriften und gegen eine tendenzielle Stellung derselben als bloße Ordnungsvorschriften. Auch historisch ist eine Konstitutionalisierungsbewegung des Europäischen Haushaltsrechts zu beobachten.135 Diese Feststellung einer normativen Steuerungskraft korreliert im Übrigen mit der Interpretation der Thematik durch die Rechtsprechung. Im Urteil Kommission ./. Rat anlässlich des Erasmus-Programms136 betonte der Europäische Gerichtshof die Eigenständigkeit der Haushaltsvorschriften inklusive ihrer Verfahrensvorschriften gegenüber dem sonstigen Rechtsetzungsverfahren der damaligen Gemeinschaften.137 Dies ergebe sich aus der Systematik des Primärrechts.138 Die Rechtsprechung hebt also ihrerseits die Trennung der Materien der Finanzvorschriften wie auch der sonstigen Rechtsetzungsverfahren hervor. Die Einnahmen werden dabei losgelöst von einzelnen Sachpolitiken erörtert. Eine Zentrierung dieser Abgaben auf den Bereich der Sachpolitiken erfolgt erst im Haushaltsverfahren. Sachpolitisch individualisierte Finanzvorschriften existieren jenseits des Europäischen Primärrechts auch in einzelnen Bereichen wie zum Beispiel dem Europäischen Landwirtschaftsfonds und dem Europäischen Sozial-
133 Isensee, FS Ipsen 1977, 409 (420): „(…) Die Verfassung hat nicht den wissenschaftlichen Ehrgeiz, die Wesenszüge des Staates enzyklopädisch darzustellen (…)“. 134 Waldhoff, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV (5. Auflage 2016), Art. 310 AEUV Rn. 4; vgl. hierzu § 4 A. I. 4. 135 Rossi, in: Dauses/Ludwigs, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts (44. EL Februar 2018), A. III. Finanz- und Haushaltsordnung der EU, Rn. 73. 136 EuGH, Urteil vom 30. 05. 1989 – C-242/87 – Kommission ./. Rat. 137 EuGH, Urteil vom 30. 05. 1989 – C-242/87 – Kommission ./. Rat, Rn. 18. 138 EuGH, Urteil vom 30. 05. 1989 – C-242/87 – Kommission ./. Rat, Rn. 18.
A. Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Europäischen Finanzordnung
143
fonds.139 Im Umkehrschluss werden die Sachpolitiken und ihre Kompetenzgrundlagen grundsätzlich ohne Erörterung ihrer Finanzierung primärrechtlich fixiert. Hinsichtlich der hier kursorisch behandelten Ausgabenseite wurde durch den Vertrag von Lissabon die Pflicht der Europäischen Union begründet, nur auf einen grundsätzlichen Rechtsakt zurückgehende Ausgaben zu tätigen, Art. 310 Abs. 3 AEUV.140 Dennoch ist die Ausgabenseite nicht so stark fokussiert wie die Einnahmenseite.141 Es finden sich primärrechtliche Ausgabenbestimmungen jenseits der Art. 310 ff. AEUV, beispielsweise in Art. 41 EUV. Die primärrechtlich verankerte Europäische Finanzordnung erhebt daher aus ihrer Systematik heraus einen Steuerungsanspruch über das gesamte Finanzwesen der Europäischen Union.142 Das gesamte unionale Finanzwesen ist rechtlich durchwoben. Die in der Systematik angelegte Separierung von Sachpolitiken und deren Finanzierung streitet dafür, die Kompetenzgrundlagen unabhängig von jenem fiskalischen Kompetenzkern zu betrachten. Es ist zugleich richtig, dass aus der systematischen Integrität der Sachvorschriften ein Übergreifen der Fiskalvorschriften in sachpolitische Zwecke kritisch gesehen werden muss. d) Die Ansicht der überwiegenden Literaturmeinung Dieser komplexen Ausgangslage und ihrer unterschiedlichen Begründungsstränge folgend erkennt die Literatur in unterschiedlicher Terminologie und unterschiedlicher dogmatischer Fundierung die prinzipielle Trennung von Sach- und Finanzkompetenzen auf europäischer Ebene an.143
139 Bieber, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht (7. Auflage 2015), Vorbemerkung zu den Artikel 310 bis 325 AEUV, Rn. 4. 140 Schoo, in: Schwarze (3. Auflage 2012), Art. 310 AEUV Rn. 8 und 22. Dieser Grundsatz der Ausgabenermächtigung beruhte zuvor auf einer interinstitutionellen Vereinbarung aus dem Jahr 2006. 141 Waldhoff, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV (5. Auflage 2016), Art. 310 Rn. 6. 142 Vgl. Hatje, EuR 1987, 351 (355 ff.). 143 Hatje, EuR 1997, 346 (355); Heselhaus (1998), S. 513 ff.; Helmke (2007), S. 195; Schmidt-Kötters/Held, NVwZ 2009, 1390 (1394); Breuer, DVBl 1992, 486 (496); Hilf, NVwZ 1992, 105 (105); Meermagen (2002), S. 201; Lienemeyer (2002), S. 122 ff.; Birk, in: Birk (Hrsg.), Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts, § 10 Rn 62; Shirvani, UPR 2013, 17 (21); Kube, DStJG 42 (2018), 69 (82); Magiera, in: FS Carstens 1984, 185 (193); Messal (1991), S. 59; Kang (2005), S. 97; Kuntze (1998), S. 153 f.; Häde (1996), S. 384, bei dem aber die Trennung von Sachgebietskompetenzen zu zielorientierten Kompetenzen vorrangig erscheint; Häde, in: Hatje/Müller-Graff (Hrsg.), Europäische Querschnittspolitiken (EnzEuR Bd. 1), § 14 Rn. 1 m.w.N.; Jarass, AöR 121 (1996), 173 (184); Häde, in: Pechstein/ Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (1. Auflage 2017), Art. 311 AEUV Rn. 29.
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§ 4 Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen im Unionsrecht
e) Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs Der Europäische Gerichtshof hatte sich sporadisch mit der Kompetenzabgrenzung zwischen Union und Mitgliedstaaten zu beschäftigen. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum finanzwirksamen Gebrauch europäischer Sachkompetenztitel begann mit seiner Entscheidung in der Rechtssache Neumann144. In dieser Entscheidung erkannte der Europäische Gerichtshof explizit das Recht der Gemeinschaft an, auf Grundlage der gemeinsamen Marktorganisation im agrarwirtschaftlichen Bereich des Geflügelfleischs Abschöpfungsregelungen, eine Abgabenart, deren genaue Qualifikation hier unerheblich ist,145 zu erlassen. Schon in der Entscheidung Neumann wird deutlich, dass der Europäische Gerichtshof auf die Zweckrichtung einer Abgabenregelung abzielt, um ihre sachkompetenzrechtliche Stützung zu begründen.146 Die Rechtsprechung erkannte die Abgabenerhebung also als legitimes Instrument der gemeinschaftlichen Politik auf Grundlage der zugewiesenen Kompetenzen schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt an. Zur Abgrenzung der Anwendbarkeit des EG-Rechts bemühte der Europäische Gerichtshof im Anschluss an die Rechtssache Neumann das Merkmal des fiskalischen Zwecks einer Abgabe.147 Relevanter als diese Rechtsprechung, die im Bezug zur Abgabenqualifikation im Wesentlichen die fiskalische Qualität der Umsatzsteuer bestätigte, ist die zeitlich darauf folgende Rechtsprechung zu den Mitverantwortungsabgaben. Die Mitverantwortungsabgaben sind nach hiesiger Auffassung nicht als parafiskalisch einzustufen, sind jenseits der Frage nach der Parafiskalität aber wesensgleich zu den unionseigenen parafiskalischen Abgaben.148 Dies macht eine Beobachtung ihrer kompetenzrechtlichen Schranken für die unionseigenen parafiskalischen Abgaben hochbedeutsam. In der Rechtsprechung zu den Mitverantwortungsabgaben wurde der Europäische Gerichtshof mit der Problematik konfrontiert, ob die entsprechenden Abgaben noch als Maßnahmen des agrarwirtschaftlichen Sachbereichs gelten können. Hierbei ist speziell als Ausgangspunkt die bereits erwähnte149 Rechtssache Stölting150 zu erörtern. Stölting hatte dabei die Mitverantwortungsabgabe Milch zum Gegenstand. Die der Abgabe zugrundeliegende Verordnung wurde auf die Kompetenz des damaligen Art. 43 EWG-Vertrags gestützt, welcher der damaligen Gemeinschaft die Kompetenz gab, alle Maßnahmen zur Verwirklichung des Ziels einer vergemeinschafteten 144
EuGH, Urteil vom 13. 12. 1967 – C-17/67 – Neumann mit Anmerkung Götz, EuR 1968, 209 – 213; siehe zur Einordnung der Rechtsprechung Helmke (2007), S. 208. 145 Mit Besprechung des Urteils Neumann Götz, EuR 1968, 209 (212). 146 EuGH, Urteil vom 13. 12. 1967 – C-17/67 – Neumann, wonach die Abgabe eine „marktordnende Funktion“ (S. 607) erfülle. 147 EuGH, Urteil vom 04. 04. 1968 – C-20/67 – Kunstmühle Tivoli; EuGH, Urteil vom 04. 04. 1968 – C-27/67 – Fink-Frucht; EuGH, Urteil vom 04. 04. 1968 – C-31/67 – Stier, Rn. 1. 148 Siehe hierzu bereits § 2 B. V. 1. b). 149 Siehe hierzu unter § 2 B. V. 3. 150 EuGH, Urteil vom 21. 02. 1979 – Rs. 138/78 – Stölting.
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Agrarpolitik aus dem Art. 39 EWG-Vertrag zu treffen.151 Der Europäische Gerichtshof erkannte die Kompetenzgrundlage als ausreichend für die streitgegenständliche Abgabenregelung an.152 Es ist zunächst auf eine gewisse Dissonanz in der Literatur hinzuweisen. Stellenweise wird in der Literatur vertreten, dass die Zuweisung der Kompetenz zum Erlass „aller“ Maßnahmen innerhalb eines Wirtschaftssektors die Finanzkompetenz im Sinne einer Abgabenertragszuweisung erfasste.153 Für die hiesige Untersuchung ist diese Meinung aber schon insofern unerheblich, da jedenfalls der Europäische Gerichtshof sie ersichtlich nicht teilt. Spätestens die Rechtssache Stölting führte zu einer faktischen Zweiteilung der Kompetenzarten im bestehenden System. Es ist daher kein bloßes dogmatisches Duplikat der deutschen Finanzverfassung, von einer Trennung von Finanz- und Sachkompetenzen im Unionsrecht auszugehen. Vielmehr entspricht die Trennung der analysierten Rechtslage im Europarecht. Aus dieser grundsätzlichen Unterscheidung allein ist noch keine Aussage zu deren Durchführung sowie ihrer Konsequenz für die parafiskalischen Abgaben getroffen. Die Zweckbindung des Aufkommens im Rahmen des jeweiligen Politikbereiches stellt sich im Rahmen der nachfolgenden Rechtsprechung als primäres Abgrenzungsmerkmal der sachpolitischen Maßnahmen zu den fiskalischen Abgaben dar.154 Mithin läuft an dieser Stelle die grundsätzliche Trennlinie beider Kompetenzarten. Damit ist zugleich die Unterscheidung als solche zwischen beiden Kompetenzarten in der Rechtsprechung nachweisbar. 6. Maßstäbe der Trennung von Finanz- und Sachkompetenzen im Unionsrecht Aus der grundsätzlichen Unterscheidung beider Kompetenzarten allein folgen noch keine Konsequenzen für die unionseigenen parafiskalischen Abgaben. Diese
151
EuGH, Urteil vom 21. 02. 1979 – Rs. 138/78 – Stölting, Rn. 4. EuGH, Urteil vom 21. 02. 1979 – Rs. 138/78 – Stölting, Rn. 5. 153 Fugmann (1991), S. 142. 154 EuGH, Urteil vom 11. 07. 1989 – C-265/87 – Schräder HS Kraftfutter, Rn. 9; Generalanwalt Tesauro, Schlussantrag vom 20. 04. 1989 – C-265/87 – Schräder HS Kraftfutter spricht von Abgaben mit einem „finanziellen Zweck“, die aber dennoch „wirtschaftlichen Charakter“ haben. In dieser Argumentation steht folglich der wirtschaftliche Charakter als Synonym für den auf das Treffen einer Sektorenregulierung gerichteten Charakters der Abgabe. In EuGH, Urteil vom 26. 06. 1990 – C-8/89 – Zardi, Rn. 9 spricht der EuGH davon, dass die entsprechenden Mitverantwortungsabgaben keine steuerlichen Belastungen, sondern Maßnahmen der vergemeinschafteten Agrarpolitik seien. Hierdurch wird die sachkompetenzrechtliche Anknüpfung betont; auch in EuGH, Urteil vom 21. 02. 1979 – Rs. 138/78 – Stölting, Rn. 5 beruft sich der EuGH auf die Zweckbindung des Abgabeaufkommens als Grundlage des Gebrauchs einer Sachkompetenz; EuGH, Urteil vom 30. 09. 1982 – C-108/81 – Amylum ./. Rat, Rn. 30 f.; sowie EuGH, Urteil vom 28. 07. 2011 – C-309/10 – Agrana Zucker, Rn. 29 zur Bestätigung der Rechtsprechung. 152
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§ 4 Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen im Unionsrecht
Abgaben dürften sich durch ihre Steuerähnlichkeit155 in der Grenzregion zwischen Sach- und Finanzkompetenzen befinden, wenngleich auf Seite der Sachkompetenzen. Als Außenposten der Sachkompetenz ist der Verlauf der Grenze beider Kompetenzarten zugleich maßstabsbildend für die parafiskalische Abgabe. In der Literatur ist insgesamt anerkannt, dass die Grenzen der Sachkompetenz zur Abgabenerhebung „höchst unsicher“ sind.156 Manche Stimmen sprachen generell von der Notwendigkeit einer „souveränitätsschonenden“ Auslegung der Sachkompetenzen in finanzwirksamer Hinsicht.157 Andere wiederum konkretisierten schon früh Forderungen nach spezifischen Ausformungen.158 Auch hier soll eine Näherung versucht werden. a) Ausgangspunkt der Unterscheidung Relevant ist die Ausgangsfeststellung, dass sachbereichsbezogene Kompetenzen des Europäischen Primärrechts nicht als Finanzkompetenzen zu interpretieren sind. Die Grenzen der Finanzkompetenzen lassen sich – ebenso wie die ihrer Gegenspieler, der Sachkompetenzen – nicht vorweg bestimmen. In ihrem unbestrittenen Kern zeichnen sich Finanzkompetenzen durch ihren primären Finanzierungszweck für den allgemeinen Staatshaushalt aus. Die Reichweite der Finanzkompetenz korreliert mit dem sachgebietsübergreifenden Steuerbegriff der Union. Diese Kongruenz zeigt sich beispielsweise in der Rechtssache Zardi,159 in welcher das Vorliegen einer Steuer mit dem Argument verneint wird, durch den „wirtschaftlichen Zweck“ der betroffenen Abgabe hielte sich diese im Rahmen ihrer Sachkompetenz.160 Dies zeigt, dass jedenfalls die Steuer als sachgebietsübergreifender unionaler Abgabentyp vollumfänglich von der Finanzkompetenz erfasst wird. Vor dem Hintergrund der vorgeschlagenen161 Interpretation des Steuerbegriffes anhand des Schutzes der Finanzsouveränität der Mitgliedstaaten spricht auch vieles dafür, die Finanzkompetenz als Kompetenz zur Steuererhebung zu verstehen. Die Finanzkompetenz kann sich dabei als kompetenzrechtlicher Einzelgänger in einem sonstigen Gefüge von Sachkompetenzen befinden, beispielsweise im sonst sachbereichsbezogenen Umweltrecht. Sachkompetenzen wiederum müssen in einer Art und Weise angewandt werden, dass sie als Sachkompetenzen nicht ihrerseits zu hybriden Finanzkompetenzen werden bzw. in den Fiskalbereich übergreifen. Eine Sachkompetenz ist in dieser 155
Siehe hierzu ausführlich § 4 B. I. 7. c). So Jarass, AöR 121 (1996), 173 (184). 157 F. Kirchhof/Kemmler, EWS 2003, 217 (218). 158 Z. B. Hatje, EuR 1987, 351 (355). 159 EuGH, Urteil vom 26. 06. 1990 – C-8/89 – Zardi. 160 EuGH, Urteil vom 26. 06. 1990 – C-8/89 – Zardi, Rn. 9 sowie 1. Leitsatz. Hiernach sei es „nicht angebracht“, die Maßstäbe der Steuern hieran anzulegen. 161 Vergleiche zum Steuerbegriff § 2 B. II. 156
A. Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Europäischen Finanzordnung
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Folge hybrid, sobald sie substantiell steuerrechtliche Regelungen trifft und insbesondere zu einem steuerlichen Ertrag auf Unionsebene führt. b) Zweckbindung als Mindestvoraussetzung und Trennlinie der Kompetenzarten Wie sich aus der Rechtsprechungslinie ergibt, ist die Zweckbindung des Aufkommens essentiell für das Stützen einer Abgabe auf eine Sachkompetenz. Die Zweckbindung einer Abgabe ist somit eine notwendige Bedingung der – nicht individualäquivalent bedingten – Ingebrauchnahme eines Sachkompetenztitels zur Abgabenerhebung auf europäischer Ebene.162 Das Aufkommen der Abgabe muss rechtlich gebunden sein. Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu den Mitverantwortungsabgaben163 schließt eine Zweckbindung nicht kategorisch eine fiskalische Vereinnahmung aus. Die Zweckbindung kann auch innerhalb des Haushalts erreicht werden. Diese Analyse hat für das Vorliegen einer Fiskalkompetenz Bedeutung. Abgaben, die ungebunden der Haushaltsfinanzierung dienen, benötigen im Umkehrschluss eine Fiskalkompetenz als Grundlage. Im Übrigen wird dadurch im unionsinternen Bereich ein Eigenmittelbeschluss erforderlich.164 Für parafiskalische Abgaben bedeutet die Abgrenzung, dass ihr Mittelaufkommen nicht beliebig verfügbar sein darf, sondern eine rechtliche Zweckgebundenheit bestehen muss. Es erscheint fraglich, ob die Zweckbindung allein dem intendierten Schutz der Finanzsouveränität der Mitgliedstaaten gerecht wird. Schließlich bedrohen auch parafiskalische Strukturen der Europäischen Union jenseits des allgemeinen Haushalts deren finanzielle Eigenständigkeit.165 Angemerkt sei in diesem Kontext noch die Gefahr, dass die Europäische Union sich durch das Einführen zweckgebundener Abgaben in besonders kostenträchtigen Bereichen ihren eigenen Haushalt substantiell entlasten kann. Daher könnte es notwendig werden, die Zweckbindung um qualitative Elemente anzureichern. c) Sachbereichsbezogene Verwendung des Aufkommens Fraglich erscheint nun, welche spezifischen Anforderungen an die Zweckgebundenheit des Aufkommens gestellt werden müssen. Aus dem Erfordernis der Zweckgebundenheit deutet sich schon an, dass die Mittel nicht frei verfügbar sein können, also für eine bestimmte Sachpolitik vorgesehen sein müssen. Die nun folgende Rechtsprechungsanalyse ergibt, dass die Zweckgebundenheit sich auf die 162
So auch Jarass, AöR 121 (1996), 173 (184). Siehe § 2 B. V. 1. b). 164 Dazu später mehr, vgl. insoweit Lienemeyer, EuR 1998, 478 (491); Hilf, NVwZ 1992, 105 (109). 165 Ohler (1997), S. 371; Bergfeld (2008), S. 172 f. 163
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§ 4 Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen im Unionsrecht
Reichweite der gebrauchten Sachkompetenz bezieht. Die Zweckgebundenheit dürfte somit eine primärrechtliche Grenze haben. Der Sachzweck der individuellen sekundärrechtlichen Abgabenregelung stellt sich als nicht leitend in dieser Hinsicht dar. Der Europäische Gerichtshof versteht die Mittelbindung scheinbar als kongruent mit der Reichweite der Sachkompetenz insgesamt, mithin in der Regel dem betroffenen Wirtschaftssektor. In der Literatur wurde diese Praxis als unproblematisch in Hinsicht auf die Finanzsouveränität der Mitgliedstaaten eingestuft.166 Auf diese Rechtsprechungslinie deutet jedenfalls die bereits angesprochene167 jüngere Rechtssache Agrana Zucker168 hin. In dem Urteil setzte sich der Europäische Gerichtshof mit der Frage auseinander, ob durch die mit der sachkompetenzrechtlich gestützten Abgabe erzielten Überschüsse bei fehlendem Bedarf seitens der betroffenen Sachaufgabe die Abgabe an die Abgabenschuldner oder zumindest an den Zuckersektor zurückgeführt werden müssen.169 Dieser Ansicht waren das abgabenbetroffene Unternehmen Agrana sowie die griechische Regierung.170 Der Europäische Gerichtshof hielt es aber für ausreichend, dass die Mittel des auf den Zuckermarkt bezogenen Umstrukturierungsfonds Zucker nach der zugrundeliegenden Verordnung im Falle eines dauerhaften Überschusses in den Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft überführt werden. Dies bedeutet, dass der sekundärrechtlich eng gezogene Kreis der Abgabenschuldner („Zuckerproduzenten“) nicht maßstabsbildend für die Reichweite der Zweckbindung ist. Ausreichend ist vielmehr eine Zweckbindung der Mittel im Gesamtbereich Landwirtschaft, der Kompetenzgrundlage der sekundärrechtlichen Regelung ist. Für die auf Sachkompetenzen gestützten parafiskalischen Abgaben hat diese kompetenzbezogene Rechtsprechung signifikante Folgen. Sekundärrechtlich muss bei der Abgabenerhebung sichergestellt werden, dass die Mittel in der Reichweite der primärrechtlichen Sachkompetenz gebunden werden. Gleichzeitig ergibt sich hieraus, dass jedenfalls aus Kompetenzgründen eine Zweckbindung an die ursprünglich auf die Abgabe bezogene Sachaufgabe (z. B. des Zuckermarktes) bei der Aufkommensverwendung irrelevant ist. Fraglich ist diesbezüglich das Erfordernis eines Lenkungszwecks. d) Der Lenkungszweck Aus der deutschen Abgabensystematik heraus wird dem Lenkungscharakter der Sonderabgaben Bedeutung zugeschrieben. Lenkung bedeutet insoweit, dass der Gesetzgeber durch die Abgabenerhebung ein zugrundeliegendes Sachziel verwirk-
166 167 168 169 170
So Lienemeyer, EuR 1998, 478 (494). Siehe hierzu unter § 2 B. V. 2. EuGH, Urteil vom 28. 07. 2011 – C-309/10 – Agrana Zucker. EuGH, Urteil vom 28. 07. 2011 – C-309/10 – Agrana Zucker, Rn. 23 ff. EuGH, Urteil vom 28. 07. 2011 – C-309/10 – Agrana Zucker, Rn. 34.
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lichen will.171 Der Abgabenschuldner kann somit zwischen der Zahlung des Abgabenbetrags oder einem Verhalten wählen, das dem intendierten Sachzweck der Abgabe entgegenkommt.172 Der Europäische Gerichtshof betont in seiner Rechtsprechung zu den Mitverantwortungsabgaben sehr stark den Sachzweck der Abgabenerhebung. In der diesbezüglichen Rechtssache Stölting stellt der Europäische Gerichtshof auf den verfolgten Stabilisierungszweck für das abgabenbetroffene Marktsegment ab, wonach sich „daher“ die Abgabe im Rahmen ihrer (sachkompetenzrechtlichen) Ermächtigungsgrundlage halte.173 Die Rechtsprechung zu den Mitverantwortungsabgaben legt den Schluss nahe, dass die Abgabenerhebung mittels Sachkompetenzen durch die Abgabenerhebung selbst einen Lenkungszweck erfüllen muss. Auch in der Rechtssache Zardi174 betont der Europäische Gerichtshof den „wirtschaftlichen Zweck“ der Abgabe als Grundlage ihrer sachkompetenzrechtlichen Stützung.175 Die Rechtssache Amylum176 zeigt ebenfalls klar die Bedeutung der Zweckrichtung der Abgabe für ihre Rechtmäßigkeit in kompetenzrechtlicher Hinsicht.177 Fraglich erscheint aber, ob diese Lenkung im Sinne der intendierten Verwirklichung der jeweiligen der Kompetenzgrundlage zugrundeliegenden Zielrichtung unmittelbar durch die Abgabenerhebung selbst erfolgen muss oder ob nicht die Finanzierung sachpolitischer Maßnahmen durch die Abgabe als ausreichend erachtet werden kann. In der Rechtssache Zuckerfabrik Süderdithmarschen178 scheint sich die Rechtsprechung gegen die erstgenannte Deutung zu verwehren. Die dortige sachkompetenzrechtlich gestützte Tilgungsabgabe diente der Finanzierung bereits abgeschlossener sachpolitischer Maßnahmen der damaligen Gemeinschaft im Zuckersektor. Die vorläufig erhobenen Abgaben deckten nicht die gesamten Kosten der Maßnahmen.179 Der streitgegenständliche Tilgungsabgabe konnte also – im Gegensatz zu den Mitverantwortungsabgaben – durch den eingetretenen Zeitablauf schon von vorneherein kein Lenkungseffekt mehr unterstellt werden.180 Der Europäische Gerichtshof hielt aber die sachkompetenzrechtliche Stützung selbst im Falle einer „Finanzierungsabgabe“ für zulässig und die rückwirkende Erhebung einer 171
G. Kirchhof, Die Verwaltung 46 (2013), 349 (351). G. Kirchhof, Die Verwaltung 46 (2013), 349 (351). 173 EuGH, Urteil vom 21. 02. 1979 – Rs. 138/78 – Stölting, Rn. 5 174 EuGH, Urteil vom 26. 06. 1990 – C-8/89 – Zardi. 175 EuGH, Urteil vom 26. 06. 1990 – C-8/89 – Zardi, Rn. 9 und 1. Leitsatz. 176 EuGH, Urteil vom 30. 09. 1982 – C-108/81 – Amylum ./. Rat. 177 EuGH, Urteil vom 30. 09. 1982 – C-108/81 – Amylum ./. Rat, Rn. 30 f. 178 EuGH, Urteil vom 21. 02. 1991 – C-143/88 – Zuckerfabrik Süderdithmarschen und Zuckerfabrik Soest. 179 EuGH, Urteil vom 21. 02. 1991 – C-143/88 – Zuckerfabrik Süderdithmarschen und Zuckerfabrik Soest, Rn. 57 ff. 180 EuGH, Urteil vom 21. 02. 1991 – C-143/88 – Zuckerfabrik Süderdithmarschen und Zuckerfabrik Soest, Rn. 37. 172
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Abgabe nicht für eine Kompetenzfrage, sondern für eine Frage des Rückwirkungsverbots.181 Dies macht deutlich, dass für die Rechtsprechung nicht der Lenkungseffekt einer Abgabe, sondern die sachpolitische Zielsetzung im Rahmen der Kompetenzgrundlage maßgeblich ist. Die Abgabe muss nicht das Verhalten des Abgabebelasteten beeinflussen, sondern kann sich schlicht im Rahmen der sachpolitischen Reichweite der Kompetenzgrundlage halten. Abgaben können einen Lenkungseffekt verfolgen, müssen dies aber – jedenfalls aus kompetenzrechtlichen Erwägungen – nicht, um sachkompetenzrechtlich gestützt werden zu können. e) Begrenzung der Abgabenhöhe durch die Sachaufgabe? An dieser Stelle ist einleitend darauf hinzuweisen, dass die Abgrenzung von Sachkompetenzen und Finanzkompetenzen im Unionsrecht sich deutlich von der nationalen Dogmatik unterscheidet. Für das deutsche Verfassungsrecht ist der entgeltende, äquivalente Charakter einer Abgabe das Hauptabgrenzungskriterium.182 Hinsichtlich der Abgabenhöhe erscheint daher fraglich, ob das Merkmal der Gruppenäquivalenz eine materielle Grenze der Abgabenbemessung auf Unionsebene vorgibt.183 In der Literatur wird entsprechend vertreten, dass die der Abgabe zugrundeliegende Sachaufgabe Grund und Grenze der Abgabenbemessung sei.184 Das Abstellen des Abgabenvolumens beispielsweise auf das Merkmal der Leistungsfähigkeit der Abgabenschuldner rücke eine solche Abgabe in die Nähe einer Steuer,185 was mithin eine fiskalische Kompetenz zu ihrer Erhebung erforderlich machen würde. Bergfeld wiederum deutet die Rechtsprechung zu den Mitverantwortungsabgaben als diesbezüglich verallgemeinerungsfähig.186 Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichthofs in Agrana Zucker, in der ein Überschuss im Zuckersektor in die allgemeine Landwirtschaftstätigkeit fließen durfte, erscheint dies – aus dem rein kompetenzrechtlichen Blickpunkt betrachtet – fraglich. Auf eine konkrete Deckelung des Abgabenaufkommens durch die der Abgabe individuell zugrundeliegenden Aufgabe hat der Europäische Gerichtshof verzichtet. Der Gerichtshof stellt nur darauf ab, dass ein etwaiger Abgabenüberschuss im Rahmen des Gesamtsektors Agrarwirtschaft ver-
181 EuGH, Urteil vom 21. 02. 1991 – C-143/88 – Zuckerfabrik Süderdithmarschen und Zuckerfabrik Soest, Rn. 48 ff. 182 Kube (2004), S. 378. 183 So Kube, HFSt 2 (2016), 47; Kube, JZ 2016, 373 (375). 184 Kube, HFSt 2 (2016), 47; Kube, JZ 2016, 373 (375); Bergfeld (2008), S. 161. 185 Kube, HFSt 2 (2016), 47; Kube, JZ 2016, 373 (375); für den finanzverfassungsrechtlichen Kontext des Grundgesetzes s. Kube (2004), S. 391. 186 Bergfeld (2008), S. 161.
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bleibt.187 Die Rechtsprechung bemisst das Abgabenvolumen nicht nach der Höhe der konkreten Sachaufgabe, sondern nach dem Verbleib des Aufkommens im Rahmen des jeweiligen Sachbereichs, also der Reichweite der Kompetenzgrundlage. Diese Rechtsprechung bietet der Literaturmeinung folgend freilich gewisse dogmatische Angriffsflächen. Soll zur Schonung der mitgliedstaatlichen Finanzsouveränität gerade keine allgemeine Haushaltsfinanzierung durch auf Sachkompetenzen gestützte Abgaben stattfinden, stellt sich die freie Verfügbarkeit des Abgabenaufkommens innerhalb des Sachbereichs als ineffiziente Zügelung des Unionsgesetzgebers dar. Können bildlich gesprochen erhobene Mittel aus der Zuckerindustrie für die Finanzierung der Fischereipolitik188 ausgekehrt werden, führt das Erheben der Abgabe zu einer allgemein gestiegenen wirtschaftlichen Potenz der Union und damit zu einer haushaltsähnlichen Freiheit. Die Notwendigkeit des Einführens einer Abgabe zur Bewältigung einer Sachaufgabe als Grundlage der Rechtfertigung solcher Strukturen spricht für eine Deckelung der Abgaben anhand ihrer gruppenäquivalenten Reichweite. Das Äquivalenzprinzip fungiert in dieser Hinsicht nicht als materielle Grenze aus sich heraus, sondern als Orientierungsmaßstab der kompetenzrechtlichen Reichweite. Durch die sachbereichsbezogene Verfügbarkeit der Mittel wird die materielle Ausbreitung der Sonderfondsstrukturen für jeden einzelnen Sachbereich begünstigt. Abgesehen von der fragwürdigen rechtspolitischen Erwünschtheit dieses Resultats bedroht diese Rechtsprechung in gewisser Weise die primärrechtlichen Haushaltsgrundsätze der Vollständigkeit und der Einheit des Haushalts189 und unterläuft das für die Allgemeinfinanzierung eigentlich vorgesehene Eigenmittelsystem.190 Noch ein weiteres Argument spricht nach hiesiger Auffassung gegen eine solche Ingebrauchnahme von Sachkompetenzen. Die Auslegung der Reichweite einer Sachkompetenz interferiert dabei in faktischer Hinsicht mit dem Gehalt der fiskalischen Kompetenzen. Die Fiskalkompetenzen werden somit zu nachrangigen Kompetenzen degradiert, die den Sachkompetenzen weichen wie der Schatten dem Licht. Vor dem Hintergrund des Selbstandes der fiskalischen Strukturen, nicht zuletzt anhand ihrer systematischen Integrität in den Art. 310 ff. AEUV,191 ist eine solche Degradierung systemimmanent nicht angelegt. 187 EuGH, Urteil vom 28. 07. 2011 – C-309/10 – Agrana Zucker, 2. Leitsatz: „(…) Der etwaige Überschuss ist nämlich auch weiterhin nur zur Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik bestimmt (…)“. Auch im Urteil Schräder unter EuGH, Urteil vom 11. 07. 1989 – C-265/87 – Schräder HS Kraftfutter, Rn. 7 ff. geht der Europäische Gerichtshof nicht auf die von Klägerseite vorgebrachte erhebliche Höhe der betroffenen Abgabe ein. 188 Das Beispiel setzt voraus, dass der Kompetenztitel der Fischereipolitik integraler Bestandteil der landwirtschaftlichen Kompetenzgrundlage ist, was uneindeutig ist, vgl. Art. 38 Abs. 1 AEUV. 189 Siehe hierzu unter § 4 B. II. 3. und 4. 190 Siehe hierzu unter § 4 B. II. 2. 191 Siehe hierzu bereits § 4 A. I. 5. c).
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Ohne ein weiteres Judikat seitens des Europäischen Gerichtshofs entspricht die auch hier vertretene Ansicht nicht der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Eine Beschränkung der Abgabenhöhe lässt sich derzeit nicht aus kompetenzrechtlichen Erwägungen herleiten. Die grundrechtliche Seite dieser Frage wird noch zu beleuchten sein.192 Unionseigene parafiskalische Abgaben unterliegen hiernach aus kompetenzrechtlichen Gründen allein keiner Beschränkung der Abgabenhöhe aus der zugrunde liegenden Sachaufgabe, sondern aus der Reichweite ihrer Sachkompetenz. f) Begrenzung der Abgabenhöhe in relativer Höhe zur allgemeinen Finanzausstattung der Union? Hinsichtlich der Bemessung der Abgabenhöhe stellt sich eine weitere Problematik. Es ließe sich die Frage stellen, ob dem Unionsrecht eine relative Grenze der auf Sachkompetenzen gestützten Finanztätigkeit immanent ist. Es erscheint denkbar, die Zulässigkeit einer sachkompetenzrechtlich gestützten Abgabenerhebung vom relativen Ausmaß der Erhebung abhängig zu machen.193 Beispielsweise wird in der Literatur die Einstufung der parafiskalischen Abgaben als Vorschriften steuerlicher Art im Rahmen einzelner Kompetenzgrundlagen von ihrer Aufkommenshöhe abhängig gemacht.194 Erst durch das Erreichen einer signifikanten Höhe erreiche die Abgabe eine fiskalische Natur.195 Argumentativ wird dabei angeführt, dass die Finanzautonomie der Mitgliedstaaten in ihrer jedenfalls faktischen Integrität durch insignifikante Abgaben nicht berührt werde, von erheblichen Abgabestrukturen aber ohne weiteres.196 Rein faktisch kann die Handlungsfreiheit des nationalen Steuergesetzgebers durch erhebliche Abgabenstrukturen der Union eingeschränkt werden. Als weiteres Argument wird die unionsintern vorgesehene Finanzierung über die Eigenmittel angeführt. Durch die Abgabenhöhe könne das unionsinterne Finanzierungssystem, namentlich der Weg über die Eigenmittel nach Art. 311 ff. AEUV, umgangen werden.197 Andere Autoren sehen zudem die Gefahr eines Präzedenzfalles
192
Siehe hierzu § 4 B. II. 3. d). Hilf, NVwZ 1992, 105 (109 f.); Herdegen, WM 2016, 1905 (1907); Börner, KSE 35 (1987), 65; Calliess/Schoenfleisch, JZ 2015, 113 (120); für das nationale Verfassungsrecht als Indiz für einen Übergriff in die Finanzkompetenz die relative Höhe einstufend Kube (2004), S. 391. 194 Für den Begriff der Vorschriften überwiegend steuerlicher Art Heselhaus, in: Pechstein/ Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (1. Auflage 2017), Art. 192 AEUV Rn. 38. 195 Heselhaus, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (1. Auflage 2017), Art. 192 AEUV Rn. 39. 196 Vgl. für den Begriff der Vorschriften überwiegend steuerlicher Art in Art. 192 Abs. 2 lit. a AEUV Heselhaus, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/ AEUV (1. Auflage 2017), Art. 192 AEUV Rn. 38; vgl. auch Bohlken (1999), S. 236. 197 Hilf, NVwZ 1992, 105 (109 f.). 193
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und verweisen auf die Tendenz der Abgaben, sich in ihrem Umfang selbständig zu vergrößern.198 Betrachtet man das mitgliedstaatliche Recht, so ist festzustellen, dass sich die deutsche Verfassungsrechtsprechung im Finanzbereich durch eine klare juristische Formenstrenge auszeichnet.199 Selbst die ungewöhnliche Höhe einer Abgabe entscheidet nicht über ihre finanzverfassungsrechtliche Qualifikation.200 Der Europäische Gerichtshof lehnt in der Rechtsprechung zu den Mitverantwortungsabgaben in der Rechtssache Schräder die Relevanz der Abgabenhöhe ebenfalls ab.201 Eine dogmatische Begründung dieser Position erfolgt in diesem Urteil nicht. Auch in dem Urteil Kommission ./. Rat hinsichtlich des Studienförderprogramms Erasmus202 wurde die Frage aufgeworfen, ob durch den faktischen Einfluss der signifikanten Mittelhöhe auf den Haushalt die bemühte Sachkompetenzgrundlage noch als ausreichend angesehen werden könne.203 Der Europäische Gerichtshof hielt die Abgabenhöhe für unerheblich in Bezug auf die zu wählende Rechtsgrundlage.204 Ein Erklärungsansatz für die Rechtsprechung könnte sein, die Erwägungen zur nationalen Formenstrenge auf das Unionsrecht zu transferieren. In Fragen der Kompetenzabgrenzung im Finanzbereich ist jedenfalls im Ergebnis für den Europäischen Gerichtshof eine trennscharfe Behandlung notwendig, die unabhängig von der relativen Höhe des Aufkommens ist. Als weitere Stützung der Rechtsprechung ist die durch die Zweckbindung häufige Fondsstruktur der Bindung des Abgabenaufkommens anzuführen. Beispielsweise schütten die intendierten Fonds des EDIS sowie der implementierte SRF ihre Mittel nur in bedarfsbezogenen Situationen aus und nicht jährlich dem Haushaltsplan folgend. Quantitative Maßstäbe würden eigene Bewertungsmaßstäbe erfordern und damit unter Umständen mehr Rechtsunsicherheit geben denn nehmen. g) Homogenität und gruppenbezogene Verwendung Die vorstehende Rechtsprechung zur sachbereichsbezogenen Bindung der Mittel bezieht sich in keiner Weise auf das Erfordernis einer homogenen Gruppe sowie einer gruppennützigen Verwendung des Abgabenaufkommens. Hinsichtlich der gruppenäquivalenten Verwendung des Aufkommens ergibt sich klar, dass die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hier – aus kompetenzrechtlichen Erwä198
Börner, KSE 35, 65. BVerfGE 105, 185 (193): „(…) Formenklarheit und (…) Formenbindung (…)“; vgl. hierzu G. Kirchhof, Die Verwaltung 46 (2013), 349 (351). 200 BVerfGE 105, 185 (194). 201 EuGH, Urteil vom 11. 07. 1989 – C-265/87 – Schräder HS Kraftfutter, 1. Leitsatz. 202 EuGH, Urteil vom 30. 05. 1989 – C-242/87 – Kommission ./. Rat. 203 EuGH, Urteil vom 30. 05. 1989 – C-242/87 – Kommission ./. Rat, Rn. 16. 204 EuGH, Urteil vom 30. 05. 1989 – C-242/87 – Kommission ./. Rat, Rn. 18. 199
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gungen – keine Schranke erkennt und auf dieses Merkmal verzichtet.205 Für den Europäischen Gerichtshof ist in Bezug auf die Kompetenzabgrenzung vielmehr die Reichweite der einzelnen Sachkompetenz Begrenzung der Mittelbindung. h) Die individualäquivalenten Abgaben Individualäquivalente Abgaben sind durch ihren Gegenleistungscharakter trotz der potentiellen Haushaltszugehörigkeit ihres Aufkommens stets den Sachkompetenzen zuzuordnen.206 Hauptgrund hierfür ist der Austauschgedanke der individualäquivalenten Abgaben, der sie scharf von den Steuern und ihrem allgemeinen Finanzierungszweck abgrenzt. 7. Der Abstand zur Steuer aus demokratischen Gründen Demokratie und Steuerlast teilen keine Zuneigung füreinander aufgrund der Lastenverteilung durch und zulasten des Souveräns und doch bedingen sich beide in gewisser Weise. Fraglich erscheint, ob aus dem Demokratieprinzip ein weiterer Begründungsflügel der restriktiven Auslegung der Sachkompetenzen in abgabentechnischer Hinsicht folgen kann. Die Untersuchung demokratischer Legitimation der Abgabenerhebung muss dabei zwischen dem Demokratieverständnis der Nationalstaaten und dem unionseigenen Demokratieverständnis differenzieren. Bei der Diskussion ist die Seite des nationalen Verfassungsrechts hinsichtlich des Demokratieprinzips,207 hier insbesondere vor dem Hintergrund nicht zuletzt des LissabonUrteils und der geforderten Finanzhoheit der Nationalstaaten208 aus Sicht des deutschen Verfassungsrechts, in den Blick zu nehmen. Die nationalstaatlichen Demokratieprinzipien können dabei Restriktionen der Übertragung von Besteuerungsbefugnissen auf die Union aus der Perspektive des jeweiligen nationalen Verfassungsrechts begründen. Hiervon abzugrenzen ist das unionsrechtliche Pendant (Art. 2, Art. 10 EUV) hinsichtlich unionseigener Anforderungen an unionale Abgabenerhebungen. Für das dem Europäischen Primärrecht zugrundeliegenden Demokratieprinzip ließe sich die Frage nach der demokratischen Legitimationsnot-
205 206 207
lung.
Siehe hierzu § 4 B. II. 6. e). Vergleiche bereits § 2 B. III. Häde, in: Härtel (Hrsg.), Handbuch Föderalismus § 90 Rn. 19 betont diese Fragestel-
208 BVerfGE 123, 257 (362). Das Bundesverfassungsgericht fordert an dieser Stelle eine Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages für das die deutschen Bürger betreffende Finanzwesen. Dies verbiete eine wesentliche Supranationalisierung der Kompetenzen, siehe BVerfGE 123, 257 (361); vgl. Häde, in: Pechstein/Nowak/Häde (Hrsg.), Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (1. Auflage 2017) Art. 311 AEUV Rn. 64 ff.; Calliess, in: Bröhmer, Europa und die Welt, 2015, 73 (84); aktuelle Diskussion auch bei Kube, DStJG 42 (2018), 69 (87, 122 f.).
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wendigkeit sekundärrechtlicher Steuergesetze stellen. Diese Gedanken werden hier nicht abschließend gewürdigt werden können, sollen aber angerissen werden. a) Die demokratische Legitimationsstruktur auf Europäischer Ebene Die voraussetzungslos geschuldete, die Bürger unabhängig von Stand und Profession verpflichtende Steuer ist Ausdruck der Herrschaft des Volkes durch das Volk. Sie dient der Finanzierung der beschlossenen Politiken des Gemeinwesens.209 Die Steuer rechtfertigt sich als einzige Abgabenform einzig aus dem Finanzierungsverlangen des Staates.210 Sie ist in erheblicher Weise verwoben mit dem Demokratieverständnis.211 Das zunehmende finanzielle Gewicht der Europäischen Union brachte neue Legitimationsstrukturen mit sich. Das Europäische Parlament sollte bei Einführung des Eigenmittelsystems dem Europäischen Haushalt eine größere demokratische Basis vermitteln.212 Primär das Europäische Parlament wird jedoch nicht in gleichen Wahlen gewählt, da seine Zusammensetzung abhängig von der Nationalität des Wählenden ist. Für die Zusammensetzung des Europäischen Parlaments gilt die degressive Proportionalität als Leitlinie des Verteilungsschlüssels, Art. 14 Abs. 2 UAbs. 2 EUV.213 Auch die Grundrechtecharta sieht in Artikel 39 Abs. 2 explizit nur die Grundsätze der allgemeinen, unmittelbaren, freien und geheimen Wahl vor, nicht aber die Gleichheit.214 Dieser vielschichtige Komplex um die demokratische Legitimation der Europäischen Union wird unter dem Schlagwort des Demokratiedefizits diskutiert.215 Ebenso wird die Stellung des Europäischen Rates 209 P. Kirchhof, Die Steuern, in: HStR V (3. Auflage 2007): „Preis der Freiheit“, § 118 Rn. 2; Weber-Grellet, FS Spindler 2011, 231 (241); Weber-Grellet, DStR 2018, 1398 (1399 f.). 210 F. Kirchhof, Die Verwaltung 1988, 137 (152): „(…) Da die Steuer gerade als Mittel zur Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben geschaffen worden ist und sie voraussetzungslos geschuldet wird, genügt für sie der Hinweis auf den Finanzbedarf des Staates. Dieses Privileg der Steuer teilen die anderen Abgabenarten nicht (…)“. 211 Zum steuerrechtlichen Legalitätsprinzip, auch in seiner Verbindung zum Parlamentarismus, Kube (2004), S. 128 ff.; von einem „Kernelement demokratischer Ausgestaltung des Gemeinwesens“ spricht R. Eckhoff, FS Kirchhof Bd. 2 2013, 1601 (1603); kritisch im unionsrechtlichen Kontext Keller (2014), S. 183. 212 Future Financing of the EU, final report and recommendations of the High Level Group on Own Resources, December 2016 (sog. Monti report), S. 23 f. 213 Vgl. hierzu Huber, in: Streinz, EUV/AEUV (2. Auflage 2012), Art. 14 EUV Rn. 47 ff.; Szczekalla, in: Pechstein/Nowak/Häde (Hrsg.), Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (1. Auflage 2017), Art. 14 EUV Rn. 42 ff. 214 Zum komplexen Verhältnis des Europäischen Primärrechts zum Grundsatz der gleichen Wahl siehe Heselhaus, in: Pechstein/Nowak/Häde (Hrsg.), Frankfurter Kommentar EUV/GRC/ AEUV (1. Auflage 2017), Art. 39 GrCH Rn. 32 ff. 215 Das Bundesverfassungsgericht spricht im Lissabon-Urteil (E 123, 267 (370)) von einer fehlenden Ausgestaltung der Europäischen Union, die „(…) dem Legitimationsniveau einer staatlich verfassten Demokratie entspricht (…)“; Teutemann (1991), S. 323 ff.; Franzius, EuR 2013, 655 (657); Traub (2005), S. 84 ff. speziell in Relation zur Haushaltssituation der Union; Pernice, EuConst 11 (2015), 541 (544).
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als exekutiv gebildetes Organ kritisch betrachtet.216 Zusätzlich wird wiederum die fehlende Korrespondenz zwischen Einnahmenbeschaffung und Ausgabenentscheidung auf Europäischer Ebene bemängelt.217 Die demokratische Legitimationsstruktur auf Europäischer Ebene wird nach Art. 10 Abs. 2 EUV einerseits durch das direkt gewählte Parlament und andererseits durch den Rat als Repräsentant der Mitgliedstaaten vermittelt. Es handelt sich um eine duale Legitimationsstruktur.218 Hinsichtlich der Legitimation der Europäischen Finanzen werden die mitgliedstaatlichen Parlamente erheblich beteiligt. Dies äußert sich exemplarisch an der nationalen Ratifikation der Eigenmittelbeschlüsse nach Art. 311 Abs. 3 S. 3 AEUV. Somit tragen sowohl die Unionsorgane als auch die nationalen Parlamente die demokratische Legitimation des Europäischen Haushalts.219 b) Die Stellung des Europäischen Parlaments im Haushaltsverfahren Abgesehen von der fraglichen demokratischen Legitimationsstruktur des Parlaments insgesamt ist zudem speziell die Rolle des Europäischen Parlaments im Haushaltsverfahren eingeschränkt. Das Haushaltsverfahren befindet sich in einer geteilten Verantwortung zwischen Mitgliedstaaten und mehreren Europäischen Organen, nicht bloß dem Europäischen Parlament. Wie bereits aufgezeigt,220 ist als Globaltendenz im Europarecht eine Stärkung des Europäischen Parlaments im Haushaltsverfahren zu beobachten.221 Das Europäische Parlament ist im Rahmen des Beschlusses über das System der Eigenmittel lediglich anzuhören, Art. 311 Abs. 3 AEUV. Es hat daher keinen wesentlichen Einfluss auf die Einnahmenseite. Auch der mehrjährige Finanzrahmen, Art. 312 AEUV, vermittelt dem Europäischen Parlament im Wesentlichen ein Zustimmungsrecht.222 Lediglich hinsichtlich der bereits behandelten Entlastung (Art. 319 Abs. 1 AEUV) sowie des Jahreshaushaltsplans (Art. 314 Abs. 4 AEUV) besteht ein substantieller Einfluss des Europäischen Parlaments. Das Europäische Parlament kann bei letzterem den Entwurf billigen (Art. 314 Abs. 4 lit. a AEUV) oder mit der Mehrheit seiner Mitglieder Änderungen verlangen (Art. 314 Abs. 4 lit. c AEUV). Eine fehlende Abänderung wird als Zustimmung gewertet (Art. 314 Abs. 4 lit. b AEUV). Der Rat hat durch sein Initia216
Franzius, EuR 2013, 655 (657). Lienemeyer (2002), S. 259, der hier einen Bezug zu Art. 104a GG aufstellt. 218 Saurer, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (1. Auflage 2017), Art. 289 AEUV Rn. 22. 219 Lienemeyer (2002), S. 258; Storr EUR 2001, 846 (865). 220 Siehe hierzu unter § 4 A. I. 5. b) bb). 221 Waldhoff, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV (5. Auflage 2016), Art. 314 Rn. 13; Fasone/ Lupo, in: Schütze/Tridimas, Oxford Principles of European Union Law, The European Union Legal Order, Volume I (1. Auflage 2018), 809 (831); Sattler, JöR 19 (1970), 1 (125 f.) hinsichtlich der Frühphase; von „Fortschritten“ spricht Traub (2005), S. 85. 222 Waldhoff, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV (5. Auflage 2016), Art. 314 AEUV Rn. 13. 217
A. Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Europäischen Finanzordnung
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tivrecht die Möglichkeit, der späteren Verhandlungsgrundlage rein faktisch seinen Stempel aufzudrücken. Weiterhin setzt das Änderungsverlangen die absolute Mehrheit der Mitglieder voraus, wohingegen bei Zustimmung die relative Mehrheit (vgl. Art. 231 AEUV) genügt.223 Dennoch hat das Parlament durch Art. 314 Abs. 7 lit. d AEUV eine höhere Durchsetzungsfähigkeit als der Rat, sofern es mit der absoluten Mehrheit seiner Mitglieder und einem relativen Anteil von mindestens 60 % der Stimmen einen entsprechenden Beschluss fasst. In diesem Verfahren besteht somit wohl ein leichtes Übergewicht des Parlaments.224 Die Kontrolle der Ausgabenseite des Haushalts kommt durch die Entlastung ebenfalls dem Parlament zu. Diese Befugnis gilt als elementarer Teil der Organstellung des Europäischen Parlaments im Unionsgefüge.225 Insgesamt ist die Stellung des Rates als im Wesentlichen gleichwertig zum Parlament zu betrachten.226 Das Europäische Parlaments hat daher keine hinsichtlich Legitimation und Einflussmöglichkeiten den nationalen Parlamenten vergleichbare dominante Rolle inne.227 Entsprechend umfasst die „Haushaltsbehörde“ der Europäischen Union das Europäische Parlament sowie den Europäischen Rat.228 Die Übertragung eigener Besteuerungsbefugnisse wird vor diesem Hintergrund überwiegend als problematisch angesehen.229 Andere Stimmen halten diese Einwände für nicht gewichtig.230 Jedenfalls im Rahmen eines Eigenmittelbeschlusses ist nach einer
223 Rossi, in: Vedder/Heintschel von Heinegg (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht (2. Auflage 2018), Art. 314 AEUV Rn. 9. 224 Khan, in: Geiger/Khan/Kotzur, EUV/AEUV (6. Auflage 2017), Art. 314 AEUV Rn. 2. 225 Krenn, EuConst 13 (2017), 453 (458). 226 Häde, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (1. Auflage 2017), Art. 314 Rn. 3. 227 So schon vor der Rechtslage des Vertrags von Lissabon Wilms, EuR 2007, 707 (716) und Häde, EuZW 1993, 401 (407); Waldhoff, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV (5. Auflage 2016), Art. 314 Rn. 13; Khan, in: Geiger/Khan/Kotzur, EUV/AEUV (6. Auflage 2017), Art. 314 AEUV Rn. 2. 228 EuGH, Urteil vom 03. 07. 1986 – Rs. 34/86 – Rat ./. Parlament, Rn. 7; EuGH, Urteil vom 27. 09. 1988 – C-302/87 – Parlament ./. Rat, Rn. 23. 229 Waldhoff, in: Wegener (Hrsg.), Europäische Querschnittspolitiken (EnzEuR Bd. 8), § 10 Rn. 5; Vogel/Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG (Lfg. November 1997), Vorbem. z. Art. 104a – 115, Rn. 657; Waldhoff, VVDStRL 66 (2007), 216 (232); Waldhoff, in: Büttner/ Thöne, The Future of EU-Finances, 2016, S. 157 f.; Birk, in: Birk (Hrsg.), Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts, § 11 Rn. 11; Hölscheidt/Baldus, DÖV 1997, 866 (867); Kang (2005), S. 96. 230 Magiera, in: GS Grabitz 1995, 409 (413), wonach durch das Zustimmungserfordernis der nationalen Parlamente im Rahmen der Eigenmittel dies jedenfalls kompensiert würde; Ohler, EuZW 1997, 370 (373), wonach das damalige Legitimationsniveau bereits für die Steuererhebung durch die Union als ausreichend einzustufen gewesen sei; Häde, in: Pechstein/ Nowak/Häde (Hrsg.), Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (1. Auflage 2017) Art. 311 AEUV Rn. 66 hält eine Teilübertragung für möglich.
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§ 4 Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen im Unionsrecht
weiteren Meinung durch das Zustimmungserfordernis der nationalen Parlamente eine hinreichende demokratische Legitimation gewahrt.231 c) Die Übertragung auf parafiskalische Abgaben In erster Linie dreht sich die Diskussion der Legitimation unionaler Abgabenerhebungen um eigene Besteuerungskompetenzen der Europäischen Union. Parafiskalische Abgaben sind steuerähnlicher und daher näher an der Problematik als die Abgabenformen von Gebühr und möglicherweise Beitrag als weitere nichtsteuerliche Abgaben des Unionsrechts. Im deutschen Verfassungsrecht besteht hinsichtlich der Sonderabgaben ein eher schwacher Bezug zur demokratischen Legitimationsproblematik.232 Hier zeigt sich der dogmatische Schwerpunkt der Rechtfertigung solcher Abgabenerhebung durch den Ausgleich staatlich ausgelöster und nicht intendierter Vermögensverschiebungen. Wie die Analyse der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gezeigt hat, ist für die Reichweite der sachkompetenzrechtlich gestützten parafiskalischen Abgaben nicht die Gruppenäquivalenz – und damit die Sachaufgabe – Maßstab. Vielmehr interpretiert der Europäische Gerichtshof die Reichweite der Abgabe nach dem Umfang der betroffenen Sachkompetenz. Hier wird deutlich, dass sich der Europäische Gerichtshof vom Leitbild der gruppenäquivalenten Abgabe als Rechtmäßigkeitsfrage der parafiskalischen Abgabe gelöst hat, jedenfalls aus rein kompetenzrechtlichen Erwägungen. Damit taugt die aus dem nationalen Recht bekannte Ausgleichsfunktion der nichtsteuerlichen Abgaben nur insoweit, als das bei der individuellen Abgabe jedenfalls eine Gruppenäquivalenz besteht. Durch diese Entgrenzung ist die parafiskalische Abgabe im Unionsrecht potenziell steuerähnlicher als die Sonderabgaben im deutschen Recht. Sie interferiert mit der aus dem Demokratieprinzip entsprungenen Steuerhoheit der nationalen Parlamente. Es ist daher prinzipiell denkbar, beim momentanen Stand der demokratischen Legitimationsstruktur auf europäischer Ebene aus demokratietheoretischen Gründen eine restriktive Haltung einzunehmen. Auch um den Abstand zur nach hinreichender demokratischen Legitimation verlangender Steuer zu wahren, ist eine Auslegung der sachkompetenzrechtlich gestützten parafiskalischen Abgaben erforderlich, die diesen Abstand in unzweifelhafter Art und Weise wahrt. d) Konsequenzen Die genaue Reichweite der demokratischen Bindung der Abgabenerhebung in der Europäischen Union kann hier nicht beantwortet werden. Es spricht aber vieles dafür, 231
Ohler (1997), S. 385. Das Bundesverfassungsgericht hält die Dokumentation der Sonderabgaben aus Gründen der parlamentarisch-demokratischen Legitimation für geboten, vgl. BVerfGE 108, 186 (186 f.). 232
A. Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Europäischen Finanzordnung
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die restriktive Auslegung der Sachkompetenzen zur Abgabenerhebung im Unionsrecht auch mittels des Demokratieprinzips zu begründen.
II. Die Europäische Finanzordnung in ihrer unionsinternen Dimension Die Europäische Finanzordnung ist nicht nur in ihrem Bezug zu den Mitgliedstaaten zu sehen, sondern auch in ihrer rein unionsinternen Dimension. Parafiskalische Abgaben stellen durch ihre Erhebung mittels Sachkompetenzen eine Herausforderung für das Verhältnis von den Sachpolitikbereichen und dem Finanzbereich der Union dar. In den Blick genommen werden dabei das Eigenmittelsystem sowie die Haushaltsgrundsätze als potenzielle Maßstabgeber für die parafiskalischen Abgaben. 1. Justiziabilitätsfragen der Europäischen Finanzordnung Nähert man sich dem unionsinternen Finanzgefüge, ist zunächst die Rechtsnatur der größtenteils primärrechtlichen Normen zu bestimmen. Haushaltsvorschriften können durch ihren starken politischen Bezug unter Umständen als schwerer justiziabel angesehen werden. Die Justiziabilitätsdiskussionen beruhen auf verschiedenen Ursachen. Eine vergleichbare Problemstellung zeigt sich auch in anderen europäischen Rechtsordnungen.233 Exemplifiziert man die Problemstellung am deutschen Verfassungsrecht, so ist zunächst die Verfügbarkeit finanzieller Mittel Voraussetzung politischer Gestaltungskraft der Regierung. Naturgemäß steht damit das Finanzverfassungsrecht eines Staates in Konflikt um politische Einflussnahme.234 Akteure, denen die Verfassung eine politische Einschätzungsprärogative zugesteht, sind zugleich die Akteure, deren Wirken die Finanzverfassung zügeln will. Weiterhin ursächlich für die beschränkte Justiziabilität ist die generelle Eigenschaft einer Verfassung mit ihrer geringen Normdichte des Verfassungstextes.235 Eine ausgabenbestimmende Norm wie Art. 104a GG enthält das Europäische Primärrecht
233
Für das deutsche Finanzverfassungsrecht Prokisch, Justiziabilität der Finanzverfassung; zum Werk Klaus Vogels in dieser Frage Waldhoff, in: Lehner, Münchener Schriften zum Internationalen Steuerrecht 29 (2010), 43 (51 ff.); Selmer, AöR 101 (1976), 238 (241); für europäische Rechtsordnungen vgl. Ohlendorf (2015) für Italien (S. 115 – 137) und Spanien (S. 137 – 160), wenn auch nicht mit spezifischem Bezug zur Justiziabilität. 234 Ossenbühl, FS Carstens 1984, 743 (747). 235 BVerfGE 39, 96 (114 f.), das bei den urteilsgegenständlichen Vorschriften von einer erheblichen Unbestimmtheit der Rechtsbegriffe ausging, deren Justitiabilität im Wesentlichen auf eine Art Willkürkontrolle hinauslief; vgl. dazu Ossenbühl, FS Carstens 1984, 743 (746) und Prokisch (1993), S. 24 ff.
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§ 4 Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen im Unionsrecht
nicht.236 Zudem ist der funktionsbezogene Konflikt zwischen Judikative, Exekutive und Legislative als jeweils beschränkte Verfassungsinterpreten kausal.237 Auch die politische Natur der finanziellen Gestaltungsfragen wird wiederholt angeführt,238 ebenso wie die wirtschaftliche Dimension der Fragestellungen, die sich einer juristischen Beurteilung entziehe.239 Die Justiziabilität der Finanzverfassung richtet sich indirekt nach der Reichweite der Finanzverfassung an sich und direkt nach der Frage der Finanzverfassungsgerichtsbarkeit.240 Das Finanzverfassungsrecht bietet eine Grundordnung, ohne ein Recht zweiter Klasse zu sein.241 Ausgehend von diesen nationalen Gedanken stellt sich die Frage, wie justiziabel die Haushaltsvorschriften der Europäischen Finanzordnung sind. Dies wäre folgend für die Frage relevant, ob ihnen eine Steuerungskraft in Bezug auf parafiskalische Aktivitäten der Union zugedacht werden kann. Die Justiziabilität der Europäischen Finanzordnung kann hier in ihrer Weite nicht abschließend beurteilt werden, es sollen aber einige Gedanken hinsichtlich des eigenen Verständnisses geäußert werden. Im Ausgangspunkt kommt den Vorschriften der Art. 310 ff. AEUV unstreitig der Rang von Europäischem Primärrecht zu. Fragen der Justiziabilität der Haushaltsvorschriften sind in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs rar gesät. In der Entscheidung Rat ./. Parlament242 aus dem Jahre 1986 wurde die Frage der Justiziabilität des Haushaltsplans in der damaligen Vertragsfassung aufgeworfen. Der Europäische Gerichtshof folgte dem Europäischen Rat in der Einschätzung, dieser sei justiziabel. Die Justiziabilität sei zur Wahrung der Haushaltsvorschriften und dem Schutz der Mitgliedstaaten notwendig.243 Zudem schließe das damalige Primärrecht eine solche Justiziabilität auch nicht aus.244 Die „haushaltsrechtliche Natur“ stehe daher einer gerichtlichen Überprüfung nicht entgegen.245 Gegen eine 236 Vogel/Waldhoff, in: Bonner Kommentar zum GG (Lfg. November 1997), Vorbem. z. Art. 104a – 115, Rn. 654 zur EGV-Rechtslage. 237 Ossenbühl, FS Carstens 1984, 743 (751); mit Verweis auf Häberle, JZ 1975, 297 – 305, wonach nicht nur das Bundesverfassungsgericht zur Deutung der Verfassung berufen ist. 238 Aus der Rechtsprechung in Deutschland BVerfGE 1, 117 (334); 39, 96 (114 f.); 105, 185 (193); zur Diskussion Vogel (1972), S. 29 ff. Dieser plädiert aber vor dem Hintergrund des Art. 19 IV GG für eine enge Kontrolldichte. 239 Zur Kritik hieran Vogel (1972), S. 30, wonach durch die Aufnahme als Verfassungsbestimmung die juristische Natur zweifelsfrei geklärt sei; vgl. auch Hettlage, VVDStRL 14 (1955), 2 (6 f.) und Prokisch (1993), S. 24 ff. 240 Vgl. Ossenbühl, FS Carstens 1984, 743 (752). 241 Siehe Kube, in: BeckOK Grundgesetz, Epping/Hillgruber (37. Edition 2018), Art. 104a GG Rn. 4 m.w.N. zur Rechtsprechung. 242 EuGH, Urteil vom 03. 07. 1986 – Rs. 34/86 – Rat ./. Parlament. 243 EuGH, Urteil vom 03. 07. 1986 – Rs. 34/86 – Rat ./. Parlament, Rn. 12. Dieser Aspekt der Rechtswahrung erinnert an Klaus Vogels Argument des Art. 19 IV GG als Argument für eine enge Kontrolldichte im Bereich des Finanzverfassungsrecht, siehe Vogel (1972), S. 30. 244 EuGH, Urteil vom 03. 07. 1986 – Rs. 34/86 – Rat ./. Parlament, Rn. 12. 245 EuGH, Urteil vom 03. 07. 1986 – Rs. 34/86 – Rat ./. Parlament, Rn. 13.
A. Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Europäischen Finanzordnung
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beschränkte Justiziabilität spricht weiterhin die Verpflichtung der Europäischen Union auf rechtsstaatliche Grundsätze.246 Diskutiert wurde in der Literatur auch die Verbindlichkeit des Grundsatzes des Haushaltsausgleichs (heute Art. 310 Abs. 1 UAbs. 3 AEUV) in formeller oder materieller Hinsicht auf europäischer Ebene.247 Im Schrifttum zeichnet sich insgesamt eine Tendenz zu einer Analyse ab, wonach die Rechtsprechung zurückhaltend in Haushaltsfragen judiziert.248 Grund sei die hochpolitische Gegenständlichkeit der Fragestellungen.249 Es ist schwierig, eine allgemeine Leitlinie der Interpretation der primärrechtlichen Vorschriften der Europäischen Finanzordnung herauszuarbeiten. Vor einer höchstrichterlichen Klärung der individuell betroffenen Fragenkomplexe empfiehlt sich zumindest eine zurückhaltende Deutung der normativen Kraft der einzelnen Normen. 2. Der Eigenmittelbeschluss in seiner normativen Kraft Das Eigenmittelsystem250 wurde als Primärquelle des Haushalts der Europäischen Union implementiert. Der Haushalt ist nach Art. 311 Abs. 2 AEUV vollständig aus Eigenmitteln zu bestreiten, auch wenn dies unbeschadet der sonstigen Einnahmen geschieht. Erhebt die Europäische Union durch die Nutzung von Sachkompetenzen Abgaben, die nicht in den Haushalt fließen und damit parafiskalisch sind, steht dies in einem Grundkonflikt mit dem Eigenmittelsystem.251 Die normative Kraft des Eigenmittelsystems reduziert sich als Rechtsfrage nicht auf die Problematik der parafiskalischen Abgaben. Auch das Verhältnis der Eigenmittel zu den sonstigen Einnahmen ist umstritten. Es wird in der Literatur vertreten, dass der Eigenmittelbeschluss die Normalfinanzierung der Union sicherstelle und sonstige Einnahmen unter besonderen Rechtfertigungsanforderungen stünden.252 Europäische Rechtsakte mit signifikanter Auswirkung auf den Haushaltsplan sollen nur unter Einhaltung des Eigenmittelsystems vorgenommen werden,253 wobei dies nicht durch selbständige rechtliche Einheiten umgangen werden kann.254 Zu246
(4).
Für die Justiziabilität im deutschen Verfassungsrecht Hettlage, VVDStRL 14 (1955), 2
247 Storr, EUR 2001, 846 (862 ff.); Niedobitek, in: Streinz, EUV/AEUV (3. Auflage 2018) Art. 310 AEUV Rn. 28; Waldhoff, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV (5. Auflage 2016), Art. 310 AEUV Rn. 27. 248 Brinkhorst (1997), S. 12. 249 Brinkhorst (1997), S. 12. 250 Vergleiche zu den Grundlagen § 4 A. I. 3. 251 Die Problematik sei „absolutes Neuland“, so Hilf, UTR 16 (1992), 121 (149). 252 Bohlken (1999), S. 249: „ausnahmsweise“; Messal (1991), S. 59 spricht von der Notwendigkeit der Ingebrauchnahme des damaligen Art. 201 EGV, sofern Abgaben bereits bestehender Eigenmittel ähneln, wobei er hier vor allem die Agrarabgaben im Blick hat. 253 Storr, EuR 2001, 846 (863 f.). 254 Bohlken (1999), S. 241.
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§ 4 Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen im Unionsrecht
gleich ist die normenhierarchische Einordnung der einzelnen Eigenmittelbeschlüsse Diskussionsgegenstand.255 Für die parafiskalischen Abgaben wird nicht auf den konkreten Eigenmittelbeschluss abgestellt, sondern auf das primärrechtliche Erfordernis eines Eigenmittelbeschlusses sowie die Integrität des Gesamtsystems. Hierzu wird zunächst die Rechtsprechung eingeführt, diese anschließend kritisiert, um folgend die Konsequenzen für die parafiskalischen Abgaben zu erschließen. a) Europäischer Gerichtshof I: Die Bedeutung der sachkompetenzrechtlichen Stützung einer Abgabe für den Eigenmittelbeschluss Der Europäische Gerichtshof hatte die Stellung des Eigenmittelbeschlusses zu den Mitverantwortungsabgaben in der Rechtssache Schräder256 zu entscheiden. Der Kläger Schräder machte in dem Verfahren vor dem FG Düsseldorf geltend, dass die betroffene Verordnung auch auf die Finanzkompetenz gemäß dem damaligen Art. 201 EGV hätte gestützt werden müssen,257 was sie aber nicht wurde. Nach Ansicht des Klägers hätte folglich ein Eigenmittelbeschluss erfolgen müssen. Nach der Rechtsprechung in Schräder genügt bekanntlich die Zweckbindung der Mittel für die sachkompetenzrechtliche Stützung der Abgabe.258 Die Zweckbindung schließe dabei funktional die Nutzung der Abgabe für die allgemeine Finanzierung des Haushalts aus und mache daher einen Eigenmittelbeschluss nicht erforderlich.259 Der damalige Art. 201 EGV solle nur die Abgaben zur allgemeinen Finanzierung des Haushalts regeln und sei nicht bei bloßen finanziellen Auswirkungen auf die Finanzlage der damaligen Gemeinschaft anwendbar.260 Aus dem Kontext der Prüfung des Europäischen Gerichtshofs ergibt sich, dass die Zweckbindung vorgegeben sein muss und nicht auf einer bloßen Absichtsbekundung beruhen darf.261 255
Häde, in: Härtel (Hrsg.), Handbuch Föderalismus § 90 Rn. 4, der für eine Zwischenstellung plädiert, aber eher dem Sekundärrecht zugeneigt Häde, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (1. Auflage 2017), Art. 310 AEUV Rn. 127; wohl auch Messal (1991), S. 37; für eine Einordnung als primärrechtlichen, atypischen Beschluss Waldhoff, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV (5. Auflage 2016) Art. 311 AEUV Rn. 5; für eine Einordnung als primäres Unionsrecht Niedobitek, in: Streinz, EUV/AEUV (3. Auflage 2018) Art. 311 AEUV Rn. 19. 256 EuGH, Urteil vom 11. 07. 1989 – C-265/87 – Schräder HS Kraftfutter. 257 EuGH, Urteil vom 11. 07. 1989 – C-265/87 – Schräder HS Kraftfutter, Rn. 7; EuGH, Urteil vom 28. 07. 2011 – C-309/10 – Agrana Zucker, Rn. 29. 258 EuGH, Urteil vom 11. 07. 1989 – C-265/87 – Schräder HS Kraftfutter, Rn. 9. 259 EuGH, Urteil vom 11. 07. 1989 – C-265/87 – Schräder HS Kraftfutter, Rn. 10; EuGH, Urteil vom 28. 07. 2011 – C-309/10 – Agrana Zucker, Rn. 32; dies deutet sich letztlich auch in der Versagung des steuerlichen Status in EuGH, Urteil vom 26. 06. 1990 – C-8/89 – Zardi, Rn. 9 an. 260 EuGH, Urteil vom 11. 07. 1989 – C-265/87 – Schräder HS Kraftfutter, Rn. 10. 261 EuGH, Urteil vom 28. 07. 2011 – C-309/10 – Agrana Zucker, Rn. 32 und Rn. 4.
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Die Rechtsprechung zu der Reichweite der Sachkompetenzen bedeutet folglich für den Eigenmittelbeschluss, dass ein solcher nicht notwendig ist, sofern sich die Abgabe im Rahmen der Sachkompetenz hält. b) Europäischer Gerichtshof II: Die Ertragskompetenz einer Abgabe ruht in der Sachkompetenz ihrer Begründung Von spezifischer Relevanz für die potenzielle Notwendigkeit eines Eigenmittelbeschlusses für sachkompetenzrechtlich gestützte Abgaben hinsichtlich der Thematik der Ertragshoheit sind die Judikate Amylum262 und Zuckerfabrik Süderdithmarschen.263 Beide Rechtssachen handelten von Abgaben im Zuckersektor, die von der damaligen Europäischen Gemeinschaft zur Regulierung des betroffenen Marktes erhoben wurden. Ein gleichgelagerter Aspekt beider Rechtsstreitigkeiten drehte sich um die Frage, ob die jeweiligen – leicht voneinander variierenden – Abgaben vom damaligen Eigenmittelbeschluss umfasst waren, dessen Wortwahl bezüglich der konkreten Abgaben als uneindeutig empfunden wurde. Der Europäische Gerichtshof bejahte den Einbezug der betroffenen Abgaben.264 In Zuckerfabrik Süderdithmarschen belässt der Gerichtshof es allerdings nicht bei dem Einbezug, sondern beantwortet die Frage des hypothetischen Nichteinbezugs der Abgabe. Der Gerichtshof führt aus, dass selbst wenn die Abgabe nicht vom Eigenmittelbeschluss umfasst gewesen wäre, ein solcher im konkreten Fall nicht erforderlich gewesen wäre.265 Dies gelte selbst dann, wenn die betroffene Abgabe eine „Finanzierungsabgabe“ sein sollte.266 Der Eigenmittelbeschluss diene der Definition der Eigenmittel der Gemeinschaft und nicht der Bestimmung jeglicher Einnahmeformen der Gemeinschaft.267 Auch folgt der Europäische Gerichtshof in dem Urteil der Einstufung des Eigenmittelverfahrens als rein haushaltsrechtliche Frage.268 Das Eigenmittelverfahren schließe nicht die Erhebung von sonstigen Ab262
EuGH, Urteil vom 30. 09. 1982 – C-108/81 – Amylum ./. Rat. EuGH, Urteil vom 21. 02. 1991 – C-143/88 – Zuckerfabrik Süderdithmarschen und Zuckerfabrik Soest. 264 EuGH, Urteil vom 30. 09. 1982 – C-108/81 – Amylum ./. Rat, Rn. 33. 265 EuGH, Urteil vom 21. 02. 1991 – C-143/88 – Zuckerfabrik Süderdithmarschen und Zuckerfabrik Soest, Rn. 41. 266 EuGH, Urteil vom 21. 02. 1991 – C-143/88 – Zuckerfabrik Süderdithmarschen und Zuckerfabrik Soest, Rn. 41. 267 EuGH, Urteil vom 21. 02. 1991 – C-143/88 – Zuckerfabrik Süderdithmarschen und Zuckerfabrik Soest, Rn. 40; so schon auch EuGH, Urteil vom 30. 09. 1982 – C-108/81 – Amylum ./. Rat, Rn. 32; EuGH, Beschluss vom 21. 02. 2013 – C-154/12 – Isera & Scaldis Sugar SA u. a., Rn. 31; EuGH, Urteil vom 17. 07. 2014 – C-335/12 – Kommission ./. Portugal, Rn. 66. 268 EuGH, Urteil vom 21. 02. 1991 – C-143/88 – Zuckerfabrik Süderdithmarschen und Zuckerfabrik Soest, Rn. 40; EuGH, Urteil vom 30. 09. 1982 – C-108/81 – Amylum ./. Rat, Rn. 32; EuGH, Beschluss vom 21. 02. 2013 – C-154/12 – Isera & Scaldis Sugar SA u. a., Rn. 31; EuGH, Urteil vom 17. 07. 2014 – C-335/12 – Kommission ./. Portugal, Rn. 66. 263
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gabenformen durch die damaligen Gemeinschaftsorgane aus.269 Aus beiden Urteilen folgt in der Konsequenz, dass reguläre Sachkompetenzen zur Überleitung der Ertragskompetenz auf die Europäische Ebene befähigen wie berechtigen und die unionale Ertragskompetenz nicht an einer Bemühung des Eigenmittelverfahrens hängt. Eine primäre Finanzierungsabgabe selbst überschreitet natürlich aber die Reichweite der Sachkompetenz und kann von daher nicht allein auf ihrer Grundlage erhoben werden.270 c) Anmerkung zur Rechtsprechung Bezogen auf das Urteil Schräder stellt sich als Zentralaspekt einer Anwendung der Eigenmittelvorschriften die allgemeine Finanzierung des Haushalts dar. Diese Trennlinie ist kohärent mit der sonstigen Rechtsprechung in Finanzsachen durch den Europäischen Gerichtshof, da eine formale Abgrenzung gewählt wird. Hinsichtlich der Ertragshoheit in den Urteilen Amylum und Zuckerfabrik Süderdithmarschen hat die Rechtsprechung Gegenwind erfahren. Sie wird von einzelnen Autoren – zum Teil heftig – kritisiert.271 In der Literatur ist entweder in Bezug zu oder unabhängig von der Rechtsprechung die These geläufig, die Europäische Union müsse für eine Ertragszuweisung einer Abgabe stets zugleich den heutigen Art. 311 AEUV bemühen,272 jedenfalls aber bestünde kein Gleichlauf zwischen der Ertragshoheit und der Sachkompetenz.273 Hinsichtlich der genauen Modalitäten entbrannte eine detailreiche Diskussion.274 269 EuGH, Urteil vom 21. 02. 1991 – C-143/88 – Zuckerfabrik Süderdithmarschen und Zuckerfabrik Soest, Rn. 40; EuGH, Urteil vom 30. 09. 1982 – C-108/81 – Amylum ./. Rat, Rn. 32. 270 Häde (1996), S. 458; Messal (1991), S. 59. 271 Bergfeld (2008), S. 173 ff. m.w.N. 272 Ohler (1997), S. 374 f.; Fugmann (1991), S. 142; Messal (1991), S. 59, wobei unklar bleibt, ob es sich um eine integrationspolitisch wünschenswerte Kompetenzabstützung oder um eine echte Rechtspflicht handelt; Breuer, DVBl 1992, 485 (496) hinsichtlich Lenkungsabgaben; Amend (2001), S. 61 ff. Dieser konzentriert sich auf die Rechtsprechung zu den Mitverantwortungsabgaben und kritisiert diese in Bezug zur Zuckerabgabe, die einem Eigenmittelbeschluss unterliegt. Dies Zuckerabgabe ist aber mangels eines vergleichbaren Interventionscharakters wesensverschieden zu den Mitverantwortungsabgaben, weswegen dieser Begründung nicht zu folgen ist. Auch die auf S. 63 aufgestellte Behauptung, dass erst der Agrarmarktordnung die Überschüsse hervorgerufen habe und deswegen (kausal) kein Eingriff in die Einnahmenhoheit der Mitgliedstaaten vorliege, erschließt sich nicht; Hilf, NVwZ 1990, 105 (109 f.) sowie Hilf, UTR 1992 (16), 121 (135) sieht zwar eine enge Ertragshoheit in europäischen Sachkompetenzen bei gruppennützigen Lenkungsabgaben angelegt, beschränkt diese jedoch zudem quantitativ. 273 Fugmann (1991), S. 142, spricht der Union jegliche Ertragshoheit aus Sachkompetenzen ab; Hatje, EuR 1987, 351 (355); auch Herdegen weist in seinem Gutachten zur Einlagensicherung auf die Ungeeignetheit des Art. 114 AEUV zur Begründung einer Beitragshoheit der Europäischen Union hin, siehe, WM 2016, 1905 (1907). 274 Siehe Bergfeld (2008), S. 161 ff. mit umfangreichen Nachweisen zu den unterschiedlichen Ansichten in der Literatur.
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Allerdings zeigt die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, dass von einer wirklichen „Ordnungsfunktion“ des Eigenmittelsystems analog zur Ordnungsfunktion der deutschen Finanzverfassung275 nicht gesprochen werden kann. Einnahmen, die keine Eigenmittel sind, stehen auf der Grundlage des Eigenmittelsystems allein nicht unter einem vergleichbaren Rechtfertigungsdruck wie nichtsteuerliche Abgaben unter dem Steuerstaat des Grundgesetzes. Das Eigenmittelsystem regelt den Zugang zum Haushalt, nicht aber den Zugang zum Finanzbereich der Union insgesamt. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs weist dem Eigenmittelsystem keine Ankerfunktion im Gefüge des Europäischen Primärrechts zu. Ist der Staat des Grundgesetzes ein Steuerstaat, so begründen die Verträge nach der Lesart des Europäischen Gerichtshofs keine Eigenmittelunion. Die eigentliche Eigenmittelfunktion der Gewährung einer gewissen finanziellen Unabhängigkeit war als Unabhängigkeit der damaligen Gemeinschaft durch die Eigenmittel konzipiert. Der Europäische Gerichtshof ermöglicht sie aber durch eine Relativierung des Eigenmittelsystems und stellt dadurch eine größere Flexibilität der Union her. Der Schutz der mitgliedstaatlichen Finanzhoheit wird durch den Europäischen Gerichtshof über die Reichweite der Sachkompetenzen gesteuert. In der Literatur wird wiederum im Einklang mit der Rechtsprechung geltend gemacht, dass durch die Zweckbindung des Abgabenaufkommens es nicht zu einem Eingriff in die mitgliedstaatliche Finanzsouveränität kommt. Die zweckgebundenen Mittel würden nicht den Handlungsspielraum der Union vergrößern.276 Hierauf ist aber zu erwidern, dass der Europäische Gerichtshof in Agrana Zucker277 die Zweckbindung sehr liberal interpretierte und zudem die Finanzmittel rein faktisch der mitgliedstaatlichen Ebene entzogen werden. Zutreffend ist aber, dass sich diese Problematik nur bei solchen parafiskalischen Abgaben stellt, deren Ertrag in der Sphäre der Europäischen Union liegt. Mitgliedstaatlich zugewiesenen Abgabenaufkommen aus unionsrechtlich determinierten parafiskalischen Abgaben unterlaufen dieses System nicht.278 Auch erscheint die umfangreiche primärrechtliche Regelung des Eigenmittelsystems überflüssig, wenn ihm keine intensive Gestaltungsbefugnis eingeräumt wird. Die Rechtsprechung ist folglich nicht in der Systematik des Primärrechts angelegt, das eine Zentralstellung der Eigenmittel im Vertragsgefüge vorsieht. Die mitgliedstaatlichen Parlamente werden durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gleichfalls ausgegrenzt. Eigenmittelbeschlüsse ergehen aufgrund eines besonderen Gesetzgebungsverfahrens, das Einstimmigkeit voraussetzt, Art. 311 Abs. 3 AEUV.279 Es besteht ein Ratifizierungsvorbehalt280 nach Art. 311 Abs. 3 S. 3 AEUV, wonach der Eigenmittelbe275
Siehe hierzu unter § 4 A. I. 2. Bohlken (1999), S. 241. 277 EuGH, Urteil vom 28. 07. 2011 – C-309/10 – Agrana Zucker. 278 Mit dieser zutreffenden Differenzierung Freytag (2000), S. 199. 279 Siehe unter § 4 A. I. 3. a). 280 So Häde, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (1. Auflage 2017), Art. 310 AEUV Rn. 121; siehe bereits unter § 4 A. I. 3. a). 276
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§ 4 Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen im Unionsrecht
schluss erst nach Zustimmung der Mitgliedstaaten im Einklang mit dem individuellen Verfassungsrecht in Kraft tritt. Dies sichert nach den nationalen Verfassungsordnungen die Parlamentsbeteiligung. Damit unterläuft der Europäische Gerichtshof durch diese Rechtsprechung die vorgesehene Integration der nationalstaatlichen Parlamente in das Eigenmittelverfahren der Union.281 d) Die Bedeutung der Rechtsprechung für die parafiskalischen Abgaben Legt man der weiteren Untersuchung die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hinsichtlich der inzidenten Ertragszuweisung an den sachkompetenzrechtlich gestützten Abgaben zugrunde, so ist dieser Rechtsprechung folgend keine Bemühung des heutigen Art. 311 AEUV als Kompetenzgrundlage für sachkompetenzrechtliche Abgabenerhebungen erforderlich, sofern die Mittel nicht in den allgemeinen Haushalt fließen.282 Durch die fehlende Zugehörigkeit des Aufkommens parafiskalischer Abgaben zum Haushalt folgt, dass das Eigenmittelsystem die parafiskalische Abgabenerhebung nicht beschränkt. Es besteht daher nach teilweise vertretener Meinung in der Literatur ab einer gewissen materiellen Erheblichkeit der Abgabe die Verpflichtung zur Durchführung eines Eigenmittelbeschlusses.283 Die Diskussion ist engstens verwandt mit der um die quantitative Reichweite der Sachkompetenzen.284 Durch die formale Betrachtungsweise der Rechtsprechung kommt es auf das quantitative Ausmaß parafiskalischer Abgabenerhebung nicht an. Insbesondere stellt das Eigenmittelsystem die parafiskalischen Abgaben nicht als außergewöhnliche Finanzierungsform oder einer rechtfertigungsbedürftigen Ausnahme aus Gründen der Integrität der Finanzordnung dar. Ein Deutungsversuch der Rechtsprechung kann eine etwaige beschränkte Justiziabilität der Finanzvorschriften sein, auch wenn hierfür jegliche Andeutung in den Urteilen fehlt. Es steht letztlich offen, dies als Frage einer beschränkten Justiziabilität der Finanzordnung oder als Ausdruck eines fehlenden primärrechtlichen Steuerungswillens seitens der Finanzordnung zu deuten. Es bleiben jedoch noch die Haushaltsgrundsätze als potenzielle Maßstäbe.285 Festzuhalten ist jedenfalls, dass das Eigenmittelsystem allein einen geringen Einfluss auf die Ausprägung unionseigener parafiskalischer Abgaben nimmt. Diese Überlegungen gelten zudem nicht nur für die parafiskalischen Abgaben. Die Finanzvorschriften des Unionsrechts üben nach Lesart des Europäischen Gerichtshofs keinen prägenden Einfluss auf die gesamte Abgabentypologie des Unionsrechts aus. Das Eigenmittelsystem regelt somit zwar den Zufluss zum Haushalt, erweist sich
281 282 283 284 285
Zu der normativen Kraft dessen Storr, EuR 2001, 846 (864). Siehe speziell für parafiskalische Abgaben mit a.A. Ohler (1997), S. 375. Z. B. Hilf, NVwZ 1992, 105 (109 f.). Siehe hierzu unter § 4 A. I. 6. f). Dazu sogleich unter § 4 A. II. 3.
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allerdings hinsichtlich der Zuflussformen als weitestgehend dispositiv und zukunftsoffen.286 e) Die Bedeutung der Rechtsprechung für die Abgrenzung von Sach- und Finanzkompetenzen Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in Bezug zu den Eigenmittelbeschlüssen lässt zudem noch Rückschlüsse auf die Kompetenzinterpretation im Unionsrecht zu. Die unionsautonome Interpretation der Trennung von Sach- und Fiskalkompetenzen wird an ihr exemplifiziert. Die unionsrechtliche Kompetenzlehre trennt beide Kompetenzarten nicht ähnlich scharf voneinander ab, sondern interpretiert die Sachkompetenzen in einer gewissen hybriden Art und Weise. Die Sachkompetenzen offerieren – nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof – weitreichende Eingriffsbefugnisse in die – nach deutschem Verständnis – Fiskalkompetenzen der Mitgliedstaaten. Die Übertragung einzelner Sachkompetenzen auf die unionale Ebene enthält dabei stets ein trojanisches Pferd hinsichtlich der mitgliedstaatlichen Finanzsouveränität. Ob die Mitgliedstaaten bei Übertragung einer Sachkompetenz dies billigten, ist zweifelhaft. Insofern ist diese Rechtsprechung Ausdruck einer dynamischen Primärrechtsinterpretation und potenziell im Rahmen der Ultra-vires-Kontrolle angreifbar.287 3. Die Haushaltsgrundsätze Nach Betrachtung des Eigenmittelsystems ist das Europäische Haushaltsrecht weiterer potenzieller Maßstab parafiskalischer Abgaben. Das Europäische Haushaltsrecht war von Beginn der Europäischen Integration an Teil der Europäischen Rechtsordnung.288 Das Europäische Haushaltsrecht umfasst auch die Haushaltsgrundsätze, deren Bedeutung für die unionseigenen parafiskalischen Abgaben es zu untersuchen gilt. Die Untersuchung widmet sich dabei den Grundsätzen, die von spezifischer Relevanz für die parafiskalischen Abgaben sind. Durch ihre Stellung außerhalb des regulären Haushalts sind Haushaltsgrundsätze relevant, die Nebenhaushalte betreffen. Der Konflikt zwischen den parafiskalischen Abgaben und insbesondere dem Grundsatz der Vollständigkeit des Haushalts der damaligen Europäischen Gemeinschaft wurde schon früh in der Literatur aufgezeigt.289
286
Dies hat einen Bezug zum formellen Verständnis des Eigenmittelbegriffs, vgl. hierzu Häde, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (1. Auflage 2017), Art. 310 AEUV Rn. 25 m.w.N. 287 Hierzu § 7. 288 Strube (2000), S. 246 ff. m.w.N. und Hintergründen zur Entwicklung. 289 Götz, FS Friauf 1996, 37 (51 f.).
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§ 4 Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen im Unionsrecht
Rechtsquellen der gegenwärtigen unionalen Haushaltsgrundsätze sind sowohl das Europäische Primärrecht wie auch niederrangigere Rechtsakte.290 In dieser Zersplitterung ähnelt die europäische Rechtslage der deutschen Rechtslage.291 Mangels ihrer maßstabsbildenden Kraft für den Abgabentyp der parafiskalischen Abgabe sind die niederrangigeren Rechtsakte292 nicht von Bedeutung, jedenfalls soweit sie Primärrecht nicht nachzeichnen oder konkretisieren.293 Primärrechtliche Ausgangsnorm ist Art. 310 Abs. 1 UAbs. 1 AEUV. Hiernach werden alle Einnahmen und Ausgaben der Union für jedes Haushaltsjahr veranschlagt und in den Haushaltsplan eingesetzt. Art. 310 Abs. 1 UAbs. 1 AEUV hat eine erhebliche sprachliche Parallele zu Art. 110 Abs. 1 S. 1 GG. Letzterer wiederum besitzt diese Parallele zu Art. 85 Abs. 1 WRV und dieser zu Art. 69 RV 1871.294 Dies exemplifiziert die überproportionale Gewichtung der historischen Auslegung für die Haushaltsgrundsätze.295 a) Einheit und Vollständigkeit, Art. 310 Abs. 1 UAbs. 1 AEUV Nebenhaushalte der Union stehen in einem Grundkonflikt mit den Grundsätzen der Einheit und der Vollständigkeit des Haushalts. Die diesbezügliche Dogmatik ist zersplittert. Im Ausgangspunkt verlangt der Einheitsgrundsatz, dass alle Budgetierungen, die überhaupt vorgenommen werden, in einem Haushaltsplan stattfinden, womit Nebenhaushalte grundsätzlich verboten sind.296 Vollständig wiederum ist der
290 Magiera, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union (63. EL Dezember 2017), Art. 310 AEUV Rn. 24. 291 Zur deutschen Rechtslage Stern, Staatsrecht (Bd. 2 1980), § 50 S. 1238. 292 Die Haushaltsordnung als wesentlicher Sekundärrechtsakt beruht ihrerseits auf Art. 322 AEUV, siehe hierzu Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Union und zur Aufhebung der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 des Rates, folgend: Haushaltsordnung/HO. Die HO wird aufgrund ihrer herausgehobenen praktischen Bedeutung auch als „bible financière“, vgl. Fasone/Lupo, in: Schütze/Tridimas, Oxford Principles of European Union Law, The European Union Legal Order, Volume I (1. Auflage 2018), 809 (824) m.w.N. 293 Vgl. hierzu § 2 A. II. 2. 294 Zur Geschichte Stern, Staatsrecht (Bd. 2 1980), § 50 S. 1231 ff., insbesondere S. 1234 ff. 295 Zu einem eindrücklichen Beispiel auf Ebene des nationalen Rechts BVerfGE 129, 356 – 376; anhand der Auslegung des Vollständigkeitsgrundsatzes in Art. 110 Abs. 1 GG. Hier bezieht sich das Bundesverfassungsgericht zu dessen Auslegung auf Art. 99 Abs. 1 der Preußischen Verfassung von 1850; in der deutschen Rechtsordnung kommt den wesentlichen Haushaltsgrundsätzen im Übrigen Verfassungsrang zu, vgl. Heintzen, FS Kirchhof Bd. 2 2013, 1511 (1512). Speziell für das Steuerrecht zur Betonung der teleologischen Auslegung in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs Steichen, FS Debatin 1997, 417 (435 f.); vgl. im Übrigen schon § 4 A. I. 1. 296 Niedobitek, in: Streinz, EUV/AEUV (3. Auflage 2018), Art. 310 AEUV Rn. 18; Puhl (1996), S. 115 m.w.N. zum deutschen Recht.
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Haushalt, der alle Einnahmen und Ausgaben umfasst.297 Die Vollständigkeit gebietet daher die Veranschlagung aller Einnahmen und Ausgaben, das Einheitsprinzip die Zusammenfassung aller veranschlagten Einnahmen und Ausgaben in einem Plan.298 Die genaue Trennlinie der Grundsätze auf Europäischer Ebene ist aber unklar. Beispielsweise ergibt sich aus dem Gebrauch der Europäischen Kommission wohl keine strikte Unterscheidung. Es wird schlichtweg von einem „Einheitsprinzip“ gesprochen und jenem materielle Elemente des Vollständigkeitsprinzips zugeordnet.299 Dies bezieht sich konkret auf die Veranschlagungspflicht aller Einnahmen und Ausgaben, die im Verständnis der deutschen Dogmatik im Vollständigkeitsprinzip ruht.300 Das Sekundärrecht verstärkt den Eindruck einer Betonung des Einheitsprinzips. Art. 6 HO, der insoweit mit Art. 310 AEUV korrespondieren soll, verwendet den Begriff der Vollständigkeit nicht. Er enthält hingegen den Begriff des „Grundsatzes der Einheit“.301 In der deutschsprachigen europarechtlichen Literatur wird überwiegend die Vollständigkeit des Haushalts als eigenständiges Element betont. Nach einer neueren Ansicht in der Literatur ist der Grundsatz der Vollständigkeit zwar nicht im Primärrecht anzusiedeln.302 Weit überwiegend wird jedoch die primärrechtliche Verankerung ausdrücklich oder konkludent angenommen.303 Der Grundsatz der Vollständigkeit ist auch nach hiesiger Ansicht Teil des primärrechtlichen Haushaltsrechts 297
Schoo, in: Schwarze (3. Auflage 2012), Art. 310 Rn. 12; Fugmann (1991), S. 83; zum deutschen Art. 110 Abs. 1 S. 1 GG Kube, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar (82. EL Januar 2018), Art. 110 GG Rn. 91. 298 Puhl (1996), S. 115 m.w.N.; zur europäischen Rechtslage Rossi (1997), S. 182 und Niedobitek, in: Streinz, EUV/AEUV (3. Auflage 2018), Art. 310 AEUV Rn. 40. 299 Vgl. z. B. Europäische Kommission, Die Finanzverfassung der Europäischen Union (4. Ausgabe), S. 183. 300 Vgl. z. B. Gröpl, in: Bonner Kommentar (174. Aktualisierung 2015), Art. 110 GG Rn. 160. 301 So auch Häde, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (1. Auflage 2017), Art. 310 AEUV Rn. 17. 302 Niedobitek, in: Streinz, EUV/AEUV (3. Auflage 2018), Art. 310 AEUV Rn. 40 ff. listet den Vollständigkeitsgrundsatz nicht in der Liste der primärrechtlich verankerten Grundsätze, sondern sieht ihn „angedeutet“ in Art. 2 lit. c HO. 303 Waldhoff, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV (5. Auflage 2016), Art. 310 Rn. 22; Häde, in: Hatje/Müller-Graff (Hrsg.), Europäische Querschnittspolitiken (EnzEuR Bd. 1), § 14 Rn. 1; Häde, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (1. Auflage 2017), Art. 310 AEUV Rn. 27; Bieber, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht (7. Auflage 2015), Art. 310 Rn. 4; Magiera, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union (63. EL Dezember 2017), Art. 310 AEUV Rn. 27; Kloepfer, Finanzverfassungsrecht (2014), § 16 Rn. 34; Rossi, in: Vedder/Heintschel von Heinegg (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht (2. Auflage 2018), Art. 310 AEUV Rn. 6; Reus/Mühlhausen, Haushaltsrecht in Bund und Ländern (1. Auflage 2014), S. 415; für den nahezu wortgleichen Vorgänger die Literaturmeinungen Strohmeier, DÖV 1993, 217 (218), Bohlken (1999), S. 250, Fugmann (1991), S. 83, Birk, in: Birk (Hrsg.), Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts, § 6 Rn. 18, Rossi (1997), S. 179, Reister (1975), S. 136 und Häde, EuZW 1993, 401 (405).
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der Europäischen Union.304 Der Europäische Gerichtshof hatte schon relativ früh die rechtliche Verbindlichkeit dieses Grundsatzes für das Haushaltsrecht der damaligen Europäischen Gemeinschaft anerkannt.305 Trotz der Grundsatzes der Vollständigkeit sind die Finanzen der Europäischen Union rein faktisch durch eine starke Fragmentierung geprägt.306 Der Vollständigkeitsgrundsatz dient einerseits der Kontrollfunktion des Haushalts.307 Durch die Vollständigkeit soll der steuernde Gesamtüberblick über die finanziellen Aktivitäten der Europäischen Union bewahrt werden. Auch sollen schwarze Kassen und ähnliche fragwürdige Konstrukte vermieden werden.308 Jedenfalls auf Ebene des deutschen Verfassungsrechts kommt dem Grundsatz zudem eine grundrechtsschützende Funktion zu.309 Im Ergebnis dürfte es für die parafiskalischen Abgaben aber von minderer Relevanz sein, ob Vollständigkeit und Einheit separate, wenn auch sich ergänzende,310 Grundsätze mit Primärrechtsstellung sind oder lediglich der primärrechtliche Grundsatz der Einheit Aspekte der Vollständigkeit mit umfasst. Beide Elemente sind letztlich durch die parafiskalischen Abgaben und ihre haushaltstechnischen Sonderstellung gefährdet.
304
Vgl. Schoo, in: Schwarze (3. Auflage 2012), Art. 310 AEUV Rn. 12. EuGH, Urteil vom 31. 03. 1993 – Rs. C-284/90, Rn. 26. 306 Crowe, EuConst 13 (2017), 428 (437 ff.); Rossi, in: Vedder/Heintschel von Heinegg (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht (2. Auflage 2018), Art. 310 AEUV Rn. 8; Häde, EuZW 1991, 401 (406); Schmidhuber, EuR 1991, 329 (339). 307 Rossi (1997), S. 179; Rossi, in: Vedder/Heintschel von Heinegg (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht (2. Auflage 2018), Art. 310 AEUV Rn. 8, der gerade die Bedeutung für das Europäische Parlament betont; zum deutschen Art. 110 Abs. 1 S. 1 GG Kube, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar (82. EL Januar 2018), Art. 110 GG Rn. 91; Kube, Die Verwaltung 2008, 1 (22) wonach auch die Gesamtabgabenbelastung des Bürgers dem Parlament vorgeführt werden soll; Reimer, in: BeckOK Grundgesetz, Epping/Hillgruber (37. Edition 2018), Art. 110 GG Rn. 21; Puhl (1996), S. 224 ff. 308 Häde, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (1. Auflage 2017), Art. 310 AEUV Rn. 18; Rossi (1997), S. 179; Rossi, in: Vedder/Heintschel von Heinegg (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht (2. Auflage 2018), Art. 310 AEUV Rn. 7; zur Rechtslage in Deutschland vgl. Kube, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar (82. EL Januar 2018), Art. 110 GG Rn. 91, Reimer, in: BeckOK Grundgesetz, Epping/Hillgruber (37. Edition 2018), Art. 110 GG Rn. 25, Puhl (1996), S. 224 ff. und Stern, Staatsrecht (Bd. 2 1980), § 50 S. 1239. 309 BVerfGE 108, 186 (219). Vergleiche aus der Literatur Thiemann, AöR 138 (2013), 60 (72) m.w.N. sowie Gröpl, in: Bonner Kommentar (174. Aktualisierung 2015), Art. 110 GG Rn. 163 ff. 310 Niedobitek, in: Streinz, EUV/AEUV (3. Auflage 2018), Art. 310 AEUV Rn. 40; Rossi, in: Vedder/Heintschel von Heinegg (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht (2. Auflage 2018), Art. 310 AEUV Rn. 7. 305
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b) Exklusion selbständiger Rechtsträger als Rechtsfrage Die Vollständigkeit bezieht sich einerseits nur auf Einnahmen der Union selbst. Der Wortlaut hinsichtlich der Einnahmen und Ausgaben der Union umfasst nach herrschender Auffassung von vorneherein nur die Europäische Union als juristische Person.311 Selbständige juristische Personen sind hiervon nicht erfasst. Die bloße Stellung als selbstständiger Rechtsträger mit gewisser Finanzautonomie wird für nicht ausreichend befunden.312 Insbesondere die Agenturen mit ihrer eigenen Rechtspersönlichkeit sind nicht vom Vollständigkeitsgrundsatz erfasst. Manche Stimme kritisiert diese formal-juristische Betrachtungsweise und stellt auf die materielle Ingebrauchnahme und Verbindung zu Unionspolitiken ab.313 Für diese Betrachtungsweise spricht zudem die Gefahr einer Unterminierung des Vollständigkeitsgrundsatzes durch das Ausgliedern der Abgabenstrukturen in selbständige Rechtsträger.314 Die Exklusion selbständiger Rechtsträger durch die Beschränkung auf die Union im juristischen Sinne führt zu einem Verlust eines erheblichen Teils der Steuerungskraft des Haushaltsgrundsatzes der Vollständigkeit für das unionale Haushaltswesen. Diese Diskussion erinnert an die historische Entwicklung des Vollständigkeitsgrundsatzes in Deutschland. Hier gab es eine Auseinandersetzung zwischen der finanzwirtschaftlichen Sichtweise gegenüber einer juristischen Betrachtungsweise.315 In Deutschland hat sich die juristische Sichtungsweise klar durchgesetzt.316 Der Wortlaut des Art. 199 Abs. 1 EGV forderte noch explizit die Einbeziehung des Europäischen Sozialfonds, der ein solcher selbständiger Rechtsträger war. Dies wurde als Argument einer generellen Exklusion der sonstigen selbständigen Rechtsträger gewertet.317 Auch entsprach die Exklusion schlichtweg der gängigen 311
Häde, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (1. Auflage 2017), Art. 310 Rn. 18; Waldhoff, in: Calliess/Ruffert EUV/AEUV (5. Auflage 2016) Art. 310 AEUV Rn. 22; Niedobitek, in: Streinz, EUV/AEUV (3. Auflage 2018), Art. 310 AEUV Rn. 6; Bieber, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht (7. Auflage 2015), Art. 310 AEUV Rn. 8; kritisch Rossi, in: Vedder/Heintschel von Heinegg (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht (2. Auflage 2018), Art. 310 AEUV Rn. 7 f. 312 So Magiera, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union (63. EL Dezember 2017) Art. 310 AEUV Rn. 32; Rossi, in: Dauses/Ludwigs, Handbuch des EUWirtschaftsrechts (44 EL 2018) A.III. Rn. 161, der die aktuelle Praxis für weitestgehend rechtswidrig hält. 313 Anhand der Europäischen Investitionsbank Rossi, in: Vedder/Heintschel von Heinegg (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht (2. Auflage 2018), Art. 310 AEUV Rn. 8. 314 Bohlken (1999), S. 239; Rossi, in: Vedder/Heintschel von Heinegg (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht (2. Auflage 2018), Art. 310 AEUV Rn. 8. 315 BVerfGE 129, 356 (366 f.) – Bahnimmobilien m.w.N.; Puhl (1996), S. 122 ff. zur Geschichte. 316 BVerfGE 129, 356 (366 f.) – Bahnimmobilien m.w.N.; Kube, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar (82. EL Januar 2018) Art. 110 Rn. 2; Heise, DVBl 2012, 1290 (1292) m.w.N. 317 Bohlken (1999), S. 238.
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Praxis.318 Vor dem Hintergrund des bereits zu Einführung des Art. 310 Abs. 1 AEUV ausdifferenzierten Finanzwesens der Union dürfte daher das Europarecht der juristischen Betrachtungsweise in der Tat folgen. Zudem ist der Wortlaut vor dem Hintergrund der mitgliedstaatlichen Finanzverfassungen wohl nicht als Zufallsprodukt einzustufen. Andere Autoren möchten nur primärrechtlich mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattete Einrichtungen der Union von der Reichweite des Vollständigkeitserfordernisses ausnehmen.319 Letztlich spricht aber auch hiergegen die in Kenntnis der gängigen Praxis erfolgte Normierung des Vollständigkeitsgrundsatzes durch den Unionsgesetzgeber. Im Ergebnis ist daher die Exklusion selbständiger Rechtsträger in einem umfassenden Sinne zu verstehen. 4. Die Haushaltsgrundsätze in ihrer normativen Kraft Wesentliches Element der parafiskalischen Abgabe ist das parafiskalische Sammeln ihres Aufkommens. Vor diesem Hintergrund ist nun fraglich, welche Maßstäbe aus dem Haushaltsgrundsatz der Vollständigkeit für die unionseigenen parafiskalischen Abgaben gewonnen werden können. Aus der wortlautähnlichen Fassung des Vollständigkeitsgrundsatzes im Grundgesetz wird eine Restriktion der Sonderabgabentätigkeit des Gesetzgebers angenommen.320 Es besteht zunächst kein Zweifel, dass die parafiskalischen Abgaben mit den genannten Zielsetzungen des Vollständigkeitsgrundsatzes in einem gewissen Konflikt stehen. Es gilt daher zu prüfen, ob dieses Entgegenstehen normative Spannungen auslöst und dem Grundsatz der Vollständigkeit eine rechtliche Durchsetzungsfähigkeit gegenüber den parafiskalischen Abgaben zukommt. a) Exklusion selbständiger Rechtsträger und parafiskalische Abgaben Aus dem unionalen Vollständigkeitsprinzip in seinem aufgezeigten juristischen Verständnis ergibt sich, dass die parafiskalischen Aktivitäten der Union mittels Verwaltungseinheiten mit eigener Rechtspersönlichkeit dem Haushaltsgrundsatz der Vollständigkeit schon nicht zuwiderlaufen und daher von vorneherein keiner diesbezüglichen Rechtfertigungspflicht unterliegen. Dies betrifft nicht nur die parafiskalischen Abgaben als solche, sondern auch die parafiskalischen Abgaben im weiteren Sinne.321 Erfasst sind dabei neben dem Single Resolution Board (SRB) das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), das Gemeinschaftliche Sortenamt (CPVO) sowie das Übersetzungszentrum für die Einrichtungen der Europäischen Union (CdT). Nach dieser Interpretation unterliegen also nur para318
Bohlken (1999), S. 238. Magiera, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union (63. EL Dezember 2017) Art. 310 AEUV Rn. 32. 320 P. Kirchhof, Nichtsteuerliche Abgaben, in: HStR V (3. Auflage 2007), § 119 Rn. 77. 321 Hinsichtlich der Agenturen explizit Rossi, in: Vedder/Heintschel von Heinegg (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht (2. Auflage 2018), Art. 310 AEUV Rn. 8. 319
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fiskalische Abgaben, die in der Ertragshoheit der Union selbst stehen, dem Vollständigkeitsgrundsatz. Dies ist in rein faktischer Hinsicht eine erhebliche Einschränkung des Grundsatzes. b) Die Zweckbindung als spezifische Forderung der Literatur Eng verbunden mit der Exklusion selbständiger Rechtsträger ist die Frage nach einer etwaigen Mittelbindung als Folge des Vollständigkeitsgrundsatzes. Bohlken stellt in seiner Arbeit die These auf, dass der Grundsatz der Vollständigkeit die Zweckbindung des Aufkommens der parafiskalischen Abgaben verlange.322 Vorneweg ist zu erwähnen, dass das Zweckbindungserfordernis sachkompetenzrechtlich gestützter Abgaben nach Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof aus kompetenzrechtlichen Gründen bereits erforderlich ist.323 Die Problemstellung ist somit eine Auseinandersetzung um eine weitere dogmatische Begründung des Zweckbindungserfordernisses. Auch an anderen Literaturstellen sind entsprechende Meinungen aufgekommen. Lienemeyer brachte ebenfalls eine solche Zweckbindung im Rahmen des Vollständigkeitsgrundsatzes auf.324 Er bezog sich in seinen Ausführungen aber auf die Praxis des Einstellens der Mitverantwortungsabgaben als negative Ausgaben und wollte diese durch eine Verbuchung als zweckgebundene Einnahme ersetzen. Einer expliziten Forderung hiernach auf Grundlage des Gehalts des Vollständigkeitsgrundsatzes enthielt er sich aber.325 Bohlkens Argumentation betont den Schutz des parlamentarischen Budgetrechts durch die Zweckbindung. Die Zweckbindung entreiße einerseits der Exekutive einen breiten Gestaltungsraum und enthalte zugleich die parlamentarische Absegnung der Mittelverwendung.326 Auch würde die parlamentarische Kontrolle des Budgets besser gewährleistet. Zweckgebundene Abgaben seien von vorneherein verplant und würden daher ein höheres Finanzvolumen suggerieren, als tatsächlich bestünde.327 Ein weiterer Argumentationsstrang ist der Ausnahmecharakter der parafiskalischen Abgaben. Dieser würde durch das Mittelbindungserfordernis effektiv gewahrt werden.328 Nach hiesiger Auffassung kann die Zweckbindung nicht mit dem Grundsatz der Vollständigkeit begründet werden. Zunächst beruht Bohlkens Argumentation auf der Prämisse des Ausnahmecharakters parafiskalischer Abgaben im Unionsrecht. In dieser Argumentationslinie bezieht er sich explizit auf die Rechtsprechung des
322 323 324 325 326 327 328
Bohlken (1999), S. 239 und S. 250. Siehe hierzu bereits § 4 A. I. 6. b). Lienemeyer, EuR 1998, 478 (493). Lienemeyer, EuR 1998, 478 (493), wonach eine Zweckbindung „wünschenswert“ wäre. Bohlken (1999), S. 239. Bohlken (1999), S. 239. Bohlken (1999), S. 239.
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§ 4 Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen im Unionsrecht
Bundesverfassungsgerichts zu den Sonderabgaben im Verhältnis zur Steuer.329 Eine entsprechende Situation und Spannungslage besteht auf unionsrechtlicher Ebene nicht. Die Union finanziert sich nicht grundsätzlich durch Steuern. Parafiskalische Abgaben sind nicht ob eines Ausnahmecharakters per se rechtfertigungsbedürftig. Auch die Argumentation bezüglich einer behaupteten Unterminierung des parlamentarischen Budgetrechts durch die parafiskalischen Aktivitäten selbständiger Rechtsträger ist nicht ohne weiteres stichhaltig. Die Notwendigkeit einer Zweckbindung zur Gewährung der parlamentarischen Kontrolle verdient eine genauere Betrachtung. Zwar hat das Europäische Parlament im historischen Verlauf eine gewachsene Position im Haushaltsverfahren erhalten. Dennoch ist seine Position – wie zuvor aufgezeigt330 – nicht materiell vergleichbar mit den mitgliedstaatlichen Parlamenten.331 Diese verminderte Stellung des Europäischen Parlaments muss bei der Auslegung der unionalen Haushaltsgrundsätze gebührende Berücksichtigung finden und kann sich daher im Vollständigkeitsgrundsatz nicht gleichwertig materiell zu den mitgliedstaatlichen Anforderungen entfalten.332 Hilfsweise stünde zu bedenken, inwieweit die Zweckbindung überhaupt faktisch das parlamentarische Budgetrecht stärken kann. Aufgrund der eigenen Kontrolle des Unionsgesetzgebers über die zweckgebundenen Abgaben ist schon nicht klar, wieso die Zweckbindung das parlamentarische Budgetrecht – abgesehen von einem geringen Überblicksgewinn – in seinen Funktionen stärken sollte. Dem Parlament ist durchaus zuzutrauen, zwischen gebundenem und ungebundenem Mittelaufkommen unterscheiden zu können, weshalb die vermeintliche Stärkung der parlamentarischen Kontrolle keine ist. Somit ist hinsichtlich der nichtselbständigen Rechtsträger der Union kein Zweckbindungserfordernis aus dem Vollständigkeitsgrundsatz herleitbar. Der Vollständigkeitsgrundsatz ist nicht Ursache der Zweckbindung, sondern die Zweckbindung Folge der sachkompetenzrechtlichen Stützung der Abgabe. c) Die Justiziabilität der Haushaltsgrundsatzes der Vollständigkeit im Europarecht Fraglich erscheint, ob der Vollständigkeitsgrundsatz auch ohne das Zweckbindungserfordernis Vorgaben für die Verwaltungseinheiten der Union ohne eigene Rechtspersönlichkeit bereithält. Diese Frage ist insofern ein spezieller Teil der allgemeinen Frage nach der Justiziabilität der Vorschriften der Europäischen Finanzordnung. Die schwache Justiziabilität zeigte sich historisch besonders am Grundsatz der Vollständigkeit. Durch zahlreiche Verordnungen wurde sein Bedeutungsgehalt 329 U. a. BVerfGE 55, 274 (308); 91, 186 (203); zur Begründung der „seltenen Ausnahme“ P. Kirchhof, in: FS Friauf 1996, 669 (671 ff.). 330 Siehe § 4 A. I. 7. b). 331 Vergleiche unter A.I.1.a). 332 Waldhoff, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV (5. Auflage 2016), Art. 310 AEUV Rn. 21.
A. Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Europäischen Finanzordnung
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faktisch degradiert.333 Die stete Übernahme des Wortlauts des heutigen Art. 310 Abs. 1 AEUV deutet nicht darauf hin, dass der Primärrechtsgeber mit dem Vertrag von Lissabon an dieser Deutung etwas ändern wollte. Dennoch werden die zahlreichen Durchbrechungen dieses Grundsatzes in der Literatur zunehmend kritisch begutachtet,334 ohne allerdings explizit von einer Rechtswidrigkeit auszugehen.335 Nur wenige Vertreter gehen von einer Verletzung des Europäischen Primärrechts aus.336 Nach Art. 319 Abs. 1 AEUV erteilt das Europäische Parlament nach Empfehlung des Rates der Kommission die Entlastung. Auch wenn die genaue Bedeutung der Entlastungsbefugnis schwer zu konturieren ist,337 spricht die Existenz des Rechtsinstituts der Entlastung gegen eine völlige Beliebigkeit des Grundsatzes der Vollständigkeit des Haushalts und damit in der Konsequenz gegen substantielle parafiskalische Aktivitäten der Europäischen Union. Gleichwohl ist durch die derivative Finanzierung der Europäischen Union und des signifikanten Einflusses der Mitgliedstaaten auf ihre Gesetzgebung möglicherweise ein Selbstschutz der Mitgliedstaaten durch den Vollständigkeitsgrundsatz primärrechtlich nicht einzufordern. Es wird im Ergebnis der Einordnung als „Grundsätze“ folgend von einer schwachen Justiziabilität ausgegangen.338 Die Bestimmung des primärrechtsverankerten Kerns eines jeweiligen Grundsatzes sei schwierig.339 Etwaige Ausnahmen sollen zumindest eines „sachlichen Grundes“ bedürfen.340 Andere Autoren stellen eher auf eine Globalbetrachtung der Wirkungen der Abweichungen für das Finanzgefüge der Union ab. Abweichungen vom Vollständigkeitsgrundsatz dürften jedenfalls das Kontroll- und Steuerungsinstrument nicht grundsätzlich schwächen.341 Vor dem Hintergrund der gängigen Praxis und Rechtsprechung ist wohl zum derzeitigen Zeitpunkt auch für die parafiskalischen Abgaben der nichtselbständigen Sonderfonds der Union noch von keinen aus dem Vollständigkeitsgrundsatz judizierbaren Anforderungen auszugehen. Es bleibt abzuwarten, ob der Europäische Gerichtshof eine diesbezügliche Zeitenwende herbeiführen wird. 333
Fugmann (1991), S. 83. Waldhoff, in: Calliess/Ruffert EUV/AEUV (5. Auflage 2016) Art. 310 AEUV Rn. 22. 335 Khan, in: Geiger/Khan/Kotzur, EUV/AEUV (6. Auflage 2017), Art. 310 AEUV Rn. 14. 336 Rossi, in: Vedder/Heintschel von Heinegg (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht (2. Auflage 2018), Art. 310 AEUV Rn. 8; hinsichtlich eines Verstoßes gegen den Vollständigkeitsgrundsatzes durch die Anleihe- und Darlehenstätigkeit der Gemeinschaft Storr, EuR 2001, 846 (858). 337 Siehe zur Entlastungbefugnis Rossi, EuR 2013, 170 – 193. 338 Rossi (1997), S. 178. 339 Rossi, in: Vedder/Heintschel von Heinegg (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht (2. Auflage 2018), Art. 310 AEUV Rn. 5. 340 So Rossi, in: Vedder/Heintschel von Heinegg (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht (2. Auflage 2018), Art. 310 AEUV Rn. 5. 341 Bieber, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht (7. Auflage 2015), Art. 310 AEUV Rn. 3. 334
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§ 4 Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen im Unionsrecht
d) Die Frage nach den Dokumentationspflichten Als einzige momentane Anforderung sind zumindest Dokumentationspflichten denkbar. Auch wenn an dieser Stelle abermals das Prinzip der gemeinschaftsautonomen Auslegung der Europäischen Rechtsordnung betont werden muss, ist angesichts des vergleichbaren Wortlauts beider Vorschriften doch ein Blick in das deutsche Verfassungsrecht interessant. Das Bundesverfassungsgericht installierte als eher neuere Anforderung an Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion Dokumentations- und Berichtspflichten.342 Sonderabgaben sind somit zumindest in den Anlagen des Haushaltsplanes aufzuführen.343 Es erscheint fraglich, ob solche Dokumentations- und Beratungspflichten auf europäischer Ebene gefordert werden müssen. Das Bundesverfassungsgericht reagierte mit deren Einführung auf die erheblich gestiegene Zahl entsprechender Abgaben.344 Diese schiere Anzahl unterminierte den Grundsatz der Vollständigkeit in seiner Zielrichtung der Überblicksgewinnung für den Deutschen Bundestag.345 Es bleibt aber auch diesbezüglich letztlich abzuwarten, ob der Unionsgesetzgeber oder der Europäische Gerichtshof bei Fortschreiten der sachkompetenzrechtlich gestützten Abgabenerhebung entsprechend einschreiten. Die Arbeit folgt somit der Annahme, dass zum derzeitigen Rechtsstand aus dem Vollständigkeitsgrundsatz keine justiziablen Anforderungen an parafiskalische Abgaben folgen. 5. Verschuldungsverbot Nach Art. 310 Abs. 1 UAbs. 3 AEUV ist der Haushalt jährlich in Einnahmen und Ausgaben auszugleichen.346 Nebenhaushalte als typische Erscheinungsform parafiskalischer Abgaben können zur Finanzierung zweckentfremdet werden und dadurch das Verschuldungsverbot umgangen werden. Die Existenz eines Nebenhaushalts allein löst aber keine Verschuldung aus. Die ausschließlich die Einnahmenseite betreffenden parafiskalischen Abgaben sind damit kein spezifisches Problem des die Einnahmen- wie Ausgabenseite betreffenden Verschuldungsverbots.
342
BVerfGE 108, 186 (218); 110, 370 (393); 124, 235 (248); 136, 194 (261), vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 05. März 2018 – 1 BvR 2864/13 – Rn. 28; aus der Literatur vgl. P. Kirchhof, Nichtsteuerliche Abgaben, in: HStR V (3. Auflage 2007), § 119 Rn. 86. 343 BVerfGE 108, 186 (218 f.); aus der Literatur Selmer, FS Mußgnug (2005), 217 (226). 344 BVerfGE 108, 186 (218). 345 BVerfGE 108, 186 (218). 346 Zum Gebot des Haushaltsausgleichs siehe bereits § 4 A. II. 1. m.w.N.
B. Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen aus Europäischen Grundrechten
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B. Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen aus Europäischen Grundrechten Grundrechtliche Fragestellungen im Bereich nichtsteuerlicher Abgaben sind den Mitgliedstaaten in vielerlei Facetten bekannt. In Deutschland ist gerade die Sonderabgabe von einer zunächst objektivrechtlichen Fundierung zu einer ebenso diskutierten Frage des grundrechtlichen Schutzes der Abgabenpflichtigen geworden.347 Die zunehmende Europäisierung der Wirtschaftsordnung geht mit einer Europäisierung der Rechtsordnung einher. Das Europarecht gestaltet unmittelbar die Rechtsbeziehungen zu den betroffenen Unternehmen und sonstigen Wirtschaftseinheiten. Die Europäische Union rückt im Binnenmarkt in zahlreiche, einst staatseigene Domänen. Die Abgabe als effiziente verwaltungsrechtliche Steuerungsform wird zunehmend als Instrument eingesetzt. Es besteht ein unabweisliches Bedürfnis nach einer Europäischen Grundrechtsdogmatik im Bereich der Abgabenbelastungen. Die normative Steuerungskraft der einzelnen Ebenen des Europäischen Grundrechtsschutzes verdient daher eine wissenschaftliche und judikative Durchdringung. Normativer Angelpunkt des Grundrechtsschutzes gegen Abgabenbelastungen ist zuvörderst die Europäische Grundrechtecharta. Diese setzt neben den nationalen Grundrechtsordnungen und der Europäischen Menschenrechtskonvention einen neuen Fixpunkt des Grundrechtsschutzes im Mehrebenensystem. Die Grundrechtecharta ist dabei vorläufiger primärrechtlicher Schlussstein der Europäischen Grundrechtsentwicklung.348 Die Abgabenbelastung stellt naturgemäß nur einen kleinen Teil dieser Gesamtentwicklung dar, auch jenseits dessen entwickelt sich die grundrechtliche Dogmatik.349 Es ist eine Globaltendenz hin zu einer Europäisierung des Grundrechtsschutzes zu beobachten.350 Das Verhältnis der Charta zu den Grundfreiheiten und ihrer langjährigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof muss auch eine gewisse Aufmerksamkeit zum Erschließen der parafiskalischen Abgaben geschenkt werden. Weitere, bereits länger bestehende Rechtsquelle ist die Europäische Menschenrechtskonvention. Die EMRK spielt im steuerrechtlichen Kontext eine primär das rechtsstaatliche Verfahren absichernde Rolle.351 347
Vgl. nur Elicker, NVwZ 2003, 304 (305) und Waldhoff, in: Schön/Beck (Hrsg.), Grundfragen des deutschen Steuerrechts, S. 140. 348 Lenaerts spricht in EuConst 8 (2012), 375 (375) von einer „new stage“ der Europäischen Integration. Zur historischen Entwicklung des Weges hin zur primärrechtlichen Verankerung der Grundrechtecharta Rengeling, FS Stern 2012, 881 – 900 und Streinz, FS Rengeling 2008, 645 (646 ff.). 349 Vgl. Ruffert, FS Jarass 2015, S. 103 (104); von Danwitz, FS Stern 2012, 669 (672 ff.). 350 Vgl. Rengeling, FS Stern 2012, 881 (900). 351 Waldhoff, in: Wegener (Hrsg.), Europäische Querschnittspolitiken (EnzEuR Bd. 8), § 10 Rn. 26; vgl. Engler (2014), S. 281 ff.
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§ 4 Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen im Unionsrecht
Hinsichtlich der Erstreckung auf nationale Abgaben ist die Reichweite der Anwendbarkeit der Charta zu untersuchen. Nach grundsätzlicher Klärung der Reichweite wird der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 20 GrCH hinsichtlich seiner Abgabenimplikationen untersucht. Darauffolgend werden die freiheitsrechtlichen Maßstäbe der Charta anhand der Unternehmerischen Freiheit (Art. 16 GrCH) sowie der Eigentumsfreiheit (Art. 17 GrCH) in ihrer Bedeutung für die parafiskalischen Abgaben entfaltet. Zuletzt wird noch ein Blick auf Grundfreiheiten und Europäische Menschenrechtskonvention geworfen.
I. Der Anwendungsbereich der Europäischen Grundrechtecharta im Bereich des Abgabenrechts Die primärrechtliche Verankerung der Grundrechtecharta nach Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 EUV gibt dieser potenziell maßstabsbildende Kraft im Bereich der parafiskalischen Abgaben. Unionsrechtseigene Abgaben werden durch Sekundärrechtsakte eingeführt, die sich im Rahmen der Europäischen Normenhierarchie am Primärrecht der Charta messen lassen müssen. Um diese maßstabsbildende Kraft auszuüben, muss aber zunächst der Anwendungsbereich der Charta eröffnet sein. Dies ist vorrangig ein Problem der nationalen parafiskalischen Abgaben, nicht der unionseigenen Abgaben gleicher Art. Dennoch lohnt sich eine Untersuchung, weil sie Rückschlüsse auf die unionale Abgabendogmatik geben kann und die Wirkungsweise der Charta kontextualisiert. Normativer Ausgangspunkt ist dabei Art. 51 Abs. 1 S. 1 GrCH. Dieser bestimmt den Anwendungsbereich der Charta wie folgt: „(…) Diese Charta gilt für die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips und für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union. (…)“ 1. Nationale parafiskalische Abgaben Komplex ist die Frage nach der Reichweite der Grundrechtecharta für das Recht der nationalen parafiskalischen Abgaben. Diese ist kein Spezifikum des Abgabenrechts, sondern Teilaspekt der Frage nach der Ausstrahlung der Grundrechtecharta in die nationalen Rechtsordnungen.352 a) Die Interpretation durch den Europäischen Gerichtshof Nationale Abgabenerhebungen sind der Europäischen Grundrechtecharta unterworfen, sofern sie die Anwendbarkeitsvoraussetzung des Art. 51 Abs. 1 GrCH erfüllen. Zentralaspekt ist die Frage, ob eine mitgliedstaatliche Maßnahme bei 352
Zum historischen Überblick m.w.N. Holoubek, FS Schwarze 2014, 109 (120).
B. Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen aus Europäischen Grundrechten
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Durchführung des Rechts der Union geschieht. Die Grundrechte unterliegen damit im Gegensatz zu den Grundfreiheiten mit ihrem umfassenden Geltungsanspruch einer Restriktion.353 Es bleibt letztlich der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs überlassen, inwieweit diese den Anwendungsbereich der Charta auf nationale Abgabengesetzgebung erstreckt.354 Eine – erste – substantielle Antwort gab der Europäische Gerichtshof durch das Grundlagenjudikat Åkerberg Fransson355 aus dem Jahre 2013. Das Urteil hatte das weitestgehend harmonisierte Umsatzsteuerrecht zum Gegenstand. Der schwedische Staatsangehörige Åkerberg Fransson musste aufgrund (auch) einer Mehrwertsteuerhinterziehung zunächst Strafzuschläge auf seine Steuerschuld zahlen, ehe er zudem vor dem Strafgericht angeklagt wurde. Eine solche zusätzliche Verurteilung könnte gegen das Recht des Art. 50 GrCH verstoßen, welches vor einer Doppelbestrafung schützt. Das in der Literatur kontrovers diskutierte Urteil356 löste eine Adjustierung und Erwiderung des Bundesverfassungsgerichts aus.357 In aller Pauschalität lässt sich sagen, dass der Europäische Gerichtshof sich für eine extensive Auslegung, unter fehlender Beschränkung auf nationale Umsetzungsakte, der Anwendbarkeit der Grundrechtecharta entschieden hat.358 Spätere Entscheidungen können aber eine gewisse Relativierung bedeuten.359 Dennoch deutet das Urteil an, dass der Europäische Gerichtshof hinsichtlich der nationalen parafiskalischen Abgaben eine geringe Hemmschwelle zeigen wird, die unionsgrundrechtlichen Anforderungen anzuwenden.360 Die Anwendung hängt davon ab, wie sehr der von der parafiskalischen Abgabe betroffene Sachbereich unionsrechtlich geprägt ist.
353 Jarass, in: Jarass, Charta der Grundrechte der EU (3. Auflage 2016), Art. 51 GrCH Rn. 11; Elicker, DStZ 2011, 162 (165), der allerdings schon damals zweifelte, ob der EuGH den Anwendungsbereich der Grundrechtecharta entsprechend auslegen würde. 354 Elicker, DStZ 2011, 162 (165). 355 EuGH, Urteil vom 26. 02. 2013 – C-617/10 – Åkerberg Fransson; dieses einordnend Stotz, FS Dauses 2014, 409 (421 ff.); Streinz, FS Dauses 2014, 429 (434 ff.). 356 Frenzel, Der Staat 53 (2014), 1 (1 ff.); Latzel, EuZW 2015, 658 (658 ff.); Kube, DStR 2016, 572 (573 f.); kritisch Lehner, FS Wendt 2015, 861 (874 ff.); siehe für die Zeit vor dem Urteil Lenaerts, EuConst 8 (2012), 375 – 403. 357 Siehe hierzu das Urteil zur Antiterrordatei, BVerfGE 133, 277 (313 ff.). 358 Frenzel, Der Staat 53 (2014), 1 (19); Kube, DStR 2016, 572 (573); Widmann, UR 2014, 5 (6); Hahn, BB 2014, 23 (25); Latzel, EuZW 2015, 658 (659); für eine Mischung aus extensiven und restriktiven Elementen Ladenburg/Vondung, in: Stern/Sachs GrCH (1. Auflage 2016), Art. 51 Rn. 31 m.w.N.; ohne diesbezügliche Stellungnahme, jedoch mit der Metapher der Charta als unionsrechtlicher Schatten Lenaerts, EuGRZ 2015, 353 (354). 359 Z. B. EuGH, Urteil vom 11. 11. 2014 – C-333/13 – Dano; zur Einordnung Douglas-Scott, in: Schütze/Tridimas, Oxford Principles of European Union Law, The European Union Legal Order, Volume I (1. Auflage 2018), 383 (393). 360 Kritisch für den Bereich der direkten Steuern Lehner, FS Wendt 2015, 861 (874 ff.).
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§ 4 Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen im Unionsrecht
b) Die Kompetenzausstattung Obwohl das Recht der direkten Steuern und damit das Recht artverwandter Abgabenerhebungen in der Souveränität der Mitgliedstaaten stehen, müssen diese bei Ausübung ihrer Souveränität das Unionsrecht achten.361 Es ist daher im Ausgangspunkt anerkannt, dass speziell ihre Steuerrechtssouveränität die Mitgliedstaaten nicht von der Einhaltung europäischen Rechts entbindet. In der Praxis des Abgaben- und Steuerrechts ist insbesondere die Vereinbarkeit nationalen Steuerrechts mit den Grundfreiheiten Gegenstand von Rechtsprechung und Literatur.362 Der Einfluss des Europarechts auf die nationalen Steuerrechtsordnungen begann mit der Entscheidung avoir fiscal im Jahr 1986.363 Die Vereinbarkeit und das Verhältnis im weiteren Sinne zwischen nationalen Steuerrechtsordnungen und Grundfreiheiten entwickelte sich zu einer Diskussion, deren Ausmaß das Europäische Steuerrecht beherrscht. Im Vergleich zu diesem umfangreichen Themenaspekt spielen der unionale Grundrechtsschutz gegen nationale und unionale Abgabenerhebung eine geringe Rolle in Literatur und Rechtsprechung.364 Dennoch ist ein allmählicher Anstieg der Publikationstätigkeit im grundrechtlichen Bereich zu verzeichnen. In der gegenwärtigen Literatur wie Praxis wird der Rolle der Europäischen Grundrechtecharta speziell für die mitgliedsstaatliche Abgabenerhebungen verstärkt Aufmerksamkeit geschenkt. Problematisch ist naturgemäß nicht die grundsätzliche Vereinbarkeit der nationalen Rechtsordnungen mit den unionsrechtlichen Vorgaben, sondern die materielle Reichweite des Europarechts zur Regulierung derselben. Eine starke europarechtliche Überformung der nationalen Abgabensysteme steht im Konflikt mit der begrenzten Kompetenzausstattung der Europäischen Union in diesem Bereich.365 Die Grundrechtecharta könnte analog zur US-amerikanischen Rechtsgeschichte eine Art „federalising device“ werden.366 Die Frage nach der Reichweite der Anwendbarkeit
361
Ständige EuGH-Rechtsprechung, vgl. EuGH, Urteil vom 13. 12. 2005 – C-446/03 – 13. 12. 2005 – Marks & Spencer plc gegen David Halsey (Her Majesty’s Inspector of Taxes), Rn. 29 m.w.N.; auch EuGH, Urteil vom 14. 02. 1995 – C-279/93 – Schumacker, Rn. 21; aus der Literatur Elicker, DStZ 2011, 162 (164); von Danwitz, in: Brandt, Europäische Perspektiven im Steuerrecht Steuergerechtigkeit und Steuervereinfachung, 2013, 73 (76 f.); Reimer, Münchener Schriften zum Internationalen Steuerrecht 23 (2000), 39 (41 ff.); kritisch Birk, FR 2005, 121 (124) hinsichtlich der Bedeutung der Steuerrechtssouveränität der Mitgliedstaaten. 362 Vgl. Kokott/Dobratz, in: Schön/Heber, Grundfragen des Europäischen Steuerrechts, 2015, 25 (25). 363 EuGH, Urteil vom 28. 01. 1986 – C-270/83 – avoir fiscal; Weber-Grellet, StuW 2016, 226 (232); F. Kirchhof, DFGT 8 und 9 (2011/2012), 23 (31). 364 Vgl. Elicker, DStZ 2011, 162 (163 f.) zur Entwicklung. 365 F. Kirchhof, DFGT 8 und 9 (2011/2012), 23 (35); vgl. zum Problem der Kompetenzerweiterung Heselhaus, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/ AEUV (1. Auflage 2017), Art. 20 GrCH Rn. 20. 366 Hierzu Lenaerts, EuConst 8 (2012), 375 (376).
B. Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen aus Europäischen Grundrechten
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der Grundrechtecharta im abgabenrechtlichen Bereich ist somit eine nach der Entfaltungsmöglichkeit mitgliedstaatlicher Eigenständigkeit. Die neue Rechtsprechungslinie367 forderte die nationalen Gerichte, im Verfassungs- wie im Finanzbereich, zu einer Neujustierung in Folge dieses Richterspruchs auf. Dies wurde allein schon faktisch dadurch bedingt, dass sich klagende Parteien verstärkt auf den unionsrechtlichen Grundrechtsschutz beriefen. Speziell für das deutsche Steuerrecht folgte der Bundesfinanzhof dabei der Losung des Bundesverfassungsgerichts und seinem Urteil zur Antiterrordatei.368 Das Bundesverfassungsgericht machte dabei klar, dass ein bloßer Bezug zum „abstrakten Anwendungsbereich des Unionsrechts oder rein tatsächliche Auswirkungen auf dieses“ aus seiner Sicht nicht als ausreichend angesehen werden kann.369 Es muss sich um eine unionsrechtlich spezifisch geregelte Fallgestaltung handeln.370 Eine Übertragung auf das Recht der direkten Steuern erfordert daher ein Mehr an Unionsrechtsbezug. Es bleibt fraglich und in der Kontur unklar, wie die Europäische Grundrechtsdogmatik die nationalen Abgabensysteme prägen und uniformieren wird.371 Entscheidend dürfte das Ausmaß sekundärrechtlicher Prägung nationaler Abgabenerhebung sein. Die momentane normative Realität ist ein Grundrechtsschutz im Europäischen Mehrebenensystem.372 Durch die weite Auslegung des Unionsrechts und eine entsprechende Erstreckung auf nationalstaatliche Abgabensysteme müssten die hier untersuchten Anforderungen an parafiskalische Abgaben im Unionsrecht zugleich Maßstab für jene nationalstaatlichen Systeme werden. In der Konsequenz wären die Anforderungen an unionsrechtsgeprägte parafiskalische Abgaben identisch mit jenen der Nationalstaaten, soweit diese grundrechtrechtlicher Natur sind. Ein abschließendes Urteil hinsichtlich der Reichweite des Unionsrechts in das nationale Abgabenrecht ist derzeit nur im Gewand einer Prognose zu leisten. Die Reichweite des Unionsrechts ist keine spezifische Frage des Abgabenrechts, sondern in seiner größeren Einrahmung zu betrachten. Abgabenrechtliche Regelungen in Form parafiskalischer Abgaben können an unionsrechtlichen Maßstäben zu messen sein. Insbesondere die unionsrechtliche Harmonisierung des ihnen zugrunde liegenden Sachgebiets dürfte dabei indiziell wirken analog zum Åkerberg Fransson Urteil. Mit einer weitgehenden Harmonisierung durch die Grundrechtecharta im Bereich der direkten Steuern und parafiskalischen Abgaben dürfte zum derzeitigen 367 Es ist allerdings noch eine offene Frage, ob sich Åkerberg Fransson tatsächlich als eine Rechtsprechungslinie durchsetzt, kritisch zumindest Frenzel, Der Staat 53 (2014), 1 (21). 368 BVerfGE 133, 277 – 377; hierzu Fontanelli, EuConst 9 (2013), 315 (327 ff.). 369 BVerfGE 133, 277 (316); vgl. auch BFH, Urteil vom 10. 05. 2016 – X R 34/13, 3. Leitsatz. 370 BVerfGE 133, 277 (316); vgl. auch BFH, Urteil vom 10. 05. 2016 – X R 34/13, 3. Leitsatz. 371 Für die vergleichbare Kompetenzlage im Strafrecht Safferling, NStZ 2014, 545 (550 f.). 372 Stern, FS Klein 2012, 669 (683); Stern, FS Schwarze 2014, 244 – 262; vgl. auch Britz, EuGRZ 2015, 275 (276 ff.).
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§ 4 Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen im Unionsrecht
Zeitpunkt nicht gerechnet werden. Hauptargument gegen eine solche Unterwerfung des nationalen Abgabenrechts bleibt das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung. Dennoch zeigt die Erweiterung des unionalen Einflusses auf das Abgabenrecht in seiner Konsequenz die Notwendigkeit des Ausbaus der Steuerrechtsdogmatik im Bereich des Europäischen Grundrechtsschutzes.373 Durch die Primärtätigkeit der Nationalstaaten in diesem Bereich stellt sich die nationale Gesetzgebung als faktischer Primäradressat der Anforderungen aus der Grundrechtecharta dar. c) Speziell: Die Erhebung der SRM-Abgabe als Durchführung von Unionsrecht Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung folgt nun die Frage, ob in einer Konstellation wie der SRM-Abgabenstruktur von einer Anwendbarkeit der Grundrechtecharta auszugehen ist. Fraglich erscheint die Konstellation, dass auf Sekundärrecht gestützte Abgaben von nationalen Behörden erhoben werden und ihr Ertrag – jedenfalls vor einer Weiterleitung, beispielsweise durch ein völkerrechtliches Übereinkommen – vorerst auf nationaler Ebene verbleibt. Diese Konstellation entsteht beispielsweise bei der SRM-Abgabe, nicht aber bei der EDIS-Abgabe.374 Entsprechende Fragen der sekundärrechtlichen Prägung nationaler Abgabenerhebung finden sich in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu den indirekten Steuern. In der Rechtsprechung zur Mehrwertsteuersystemrichtlinie finden sich Entscheidungen, die von einer umfassenden Unionsrechtsbindung der Mitgliedstaaten bei ihnen vorbehaltenen Entscheidungsspielräumen ausgehen.375 Die Mitgliedstaaten müssen nach dieser Rechtsprechung ihre von den Sekundärrechtsakten zugewiesenen Befugnisse im Rahmen des Unionsrechts ausüben.376 Der Europäische Gerichtshof betont in Åkerberg Fransson, dass nationale Umsetzungsspielräume die Anwendbarkeit des Unionsrechts nicht ausschließen.377 Diese Rechtsprechung ist unter dem Vorbehalt zu sehen, dass der unionsrechtliche Har-
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Zu letzterer Entwicklung Lehner, FS Wendt 2015, 861 (874 ff.). Diese sieht nach dem Vorschlag der Europäischen Kommission ein solches Übereinkommen nicht vor. 375 EuGH, Urteil vom 06. 09. 2012 – C-273/11 – Mecsek-Gabona, Rn. 36; EuGH, Urteil vom 27. 09. 2007 – Twoh International – C-184/05, Rn. 25; EuGH, Urteil vom 27. 09. 2007 – C-146/05 – Collée, Rn. 32; EuGH, Urteil vom 11. 05. 2006 – C-384/04 – Federation of Technological Industries u. a., Rn. 29; EuGH, Urteil vom 08. 06. 2000 – C-396/98 – Schloßstrasse, Rn. 44; EuGH, Urteil vom 03. 12. 1998 – C-381/97 – Belgocodex, Rn. 26; EuGH, Urteil vom 26. 04. 2005 – C-376/02 – Goed Wonen, Rn. 32; EuGH, Urteil vom 18. 12. 1997 – C-286/94 – Molenheide u. a., Rn. 48; aus der Literatur Kokott/Dobratz, in: Schön/Heber, Grundfragen des Europäischen Steuerrechts, 2015, 25 (27). 376 Vgl. nur EuGH, Urteil vom 27. 09. 2007 – C-146/05 – Collée, Rn. 32. 377 Siehe EuGH, Urteil vom 26. 02. 2013 – C-617/10 – Åkerberg Fransson, Rn. 25 ff.; Hahn, EWS 2015, 15 (18). 374
B. Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen aus Europäischen Grundrechten
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monisierungsgrad im Mehrwertsteuerrecht hoch ist.378 In weiteren konkretisierenden Urteilen zur Reichweite der Grundrechtecharta bei nationalen Umsetzungsspielräumen stellt der Europäische Gerichtshof auf ein Indizienbündel ab.379 Entscheidend sind beispielsweise Zweck, Charakter und Ziel der Regelung sowie ihr Verhältniss zu bestehenden unionsrechtlichen Vorgaben.380 Andere Rechtsgebiete, wie beispielsweise das Einkommensteuerrecht oder das Erbschaftsteuerrecht,381 fallen hingegen nicht ohne weiteres in den Anwendungsbereich des Unionsrechts. Die Literatur unterscheidet daher auch zwischen harmonisierten und nicht harmonisierten Bereichen im Steuer- und Abgabenrecht hinsichtlich der Reichweite der Anwendbarkeit der Grundrechtecharta.382 In einer kohärenten Anwendung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Reichweite der Sachkompetenzen wird man die parafiskalischen Abgaben jedoch nicht als steuerrechtliche Regelungen, sondern als Regelungen des jeweiligen Sachbereichs auffassen müssen und anhand dessen den Grad der unionsgerichtlichen Überprüfbarkeit bestimmen. Vor dem zusätzlichen Hintergrund der extensiven Interpretation des Europäischen Gerichthofs wird wohl das Stützen der parafiskalischen Abgabe auf eine unionale Sachkompetenz grundsätzlich als ausreichender Konnex wahrgenommen werden. Es ist daher wahrscheinlich, dass auch auf den Fall der SRM-Abgabe die Europäischen Grundrechte Anwendung finden. Nicht gelten dürfte dies allerdings beispielsweise für das Abzugsverbot des deutschen Steuerrechts für die Bankenabgabe.383 2. Unionseigene Abgabenerhebungen Unionseigene parafiskalische Abgaben unterfallen durch ihren Ursprung im Unionsrecht unzweifelhaft in ihrer Gänze der Grundrechtecharta.384 Die Reichweite des Europäischen Grundrechtsschutzes als Problem berührt diese Abgaben daher nur peripher.
378
Zum Grad der Harmonisierung siehe Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, Erwägungsgründe 6, 7, 24, 25, 38, 39, 45, 46, 49. 379 Vgl. EuGH, Urteil vom 08. 05. 2013 – C-87/12 – Ymeraga u. a., Rn. 41; EuGH, Urteil vom 10. 07. 2014 – C-198/13 – Julian Hernández u. a., Rn. 37 m.w.N.; aus der Literatur Thym, DÖV 2014, 941 (944); kritisch Krebber, EuZA 2016, 3 (6). 380 Vgl. z. B. EuGH, Urteil vom 08. 05. 2013 – C-87/12 – Ymeraga u. a., Rn. 41. 381 Hierzu Hahn, EWS 2015, 15 (18). 382 Elicker, DStZ 2011, 162 (164 ff.); Hahn, EWS 2015, 15 (17 f.). 383 So auch Kube, DStR 2016, 572 (574). 384 Vgl. hierzu von Danwitz/Paraschas, Fordham International Law Journal 35 (2012), 1396 (1399).
184
§ 4 Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen im Unionsrecht
II. Der allgemeine Gleichheitssatz der Grundrechtecharta in seiner abgabenrechtlichen Dimension Art. 20 GrCH normiert den allgemeinen Gleichheitssatz auf Ebene des Europäischen Primärrechts. Der allgemeine Gleichheitssatz war bereits vor seiner Kodifizierung in Art. 20 GrCH in der Rechtssache Ruckdeschel385 aus dem Jahr 1977 als ein Grundprinzip des Gemeinschaftsrechts anerkannt.386 Trotz seines geringen Sprachumfangs kommt ihm ein weiter Anwendungsbereich im Europarecht zu.387 Der Gleichheitssatz umfasst seinem Wortlaut nach die Rechtsanwendungsgleichheit sowie die Rechtsetzungsgleichheit.388 Der allgemeine Gleichheitssatz bezieht sich auf natürliche wie juristische Personen.389 Im Ausgangspunkt verlangt der allgemeine Gleichheitssatz nach der Rechtsprechung, dass gleiche Sachverhalte gleich und ungleiche Sachverhalte ungleich behandelt werden, sofern eine solche Ungleichbehandlung nicht gerechtfertigt ist.390 Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz setzt somit eine Ungleichbehandlung voraus, die nicht gerechtfertigt ist. Durch die im Wesentlichen fehlende Kompetenz der Europäischen Union im Bereich der direkten Steuern und dadurch fehlender Rechtsprechung ist die steuerrechtliche Dimension des Art. 20 GrCH zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht ausgeprägt.391 Gleichwohl wurde bereits mit Aufkommen der Mitverantwortungs385
EuGH, Urteil vom 19. 10. 1977 – C-117/76 – Ruckdeschel u. a., Rn. 7. Zur Geschichte und zum Stand der gleichheitsrechtlichen Entwicklung im Unionsrecht vor Einführung der Grundrechtecharta Huster, EuR 2010, 325 (333 ff.). 387 Bell, in: Peers/Hervey/Kenner/Ward, The EU Charter of Fundamental Rights (1. Auflage 2014), Art. 20 GrCH Rn. 20.01; Huster, EuR 2010, 325 (330) mit Bezug auf den marktintegrativen Aspekt des Unionsrechts. 388 Hölscheidt, in: Meyer GrCH (4. Auflage 2014), Art. 20 Rn. 17; Englisch, in: Schön/ Beck, Zukunftsfragen des deutschen Steuerrechts, 2009, 39 (57); Englisch, in: Schaumburg/ Englisch, Europäisches Steuerrecht (1. Auflage 2015), Rn. 12.18. 389 Sachs, Art. 20 GrCH Rn. 12 m.w.N.; die ursprünglich auf „Menschen“ abstellende Fassung wurde bewusst regidiert, vgl. Sachs, Art. 20 GrCH Rn. 2 Fn. 9. 390 Ständige Rechtsprechung, vgl. EuGH, Urteil vom 15. 05. 2014 – C-135/13 – Szatmári Malom, Rn. 66; EuGH, Urteil vom 16. 12. 2008 – C-127/07 – Arcelor Atlantique et Lorraine u. a., Rn. 23; EuGH, Urteil vom 22. 06. 2006 – C-182/03 – Königreich Belgien und Forum 187 ASBL ./. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Rn. 170; EuGH, Urteil vom 06. 03. 2003 – C-14/01 – Niemann, Rn. 49; aus der Literatur Frenz, DVBl 2010, 223 (225); Heselhaus, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (1. Auflage 2017), Art. 20 GrCH Rn. 24. 391 Lehner, IStR 2016, 265 (266); Lehner, HFSt 4 (2016), 175 (178 f.); Lehner, FS Wendt 2015, 861 (874 ff.); Stöber, in: Schön/Sternberg, Zukunftsfragen des deutschen Steuerrechts III, 2018, 121 (152); Dobratz, UR 2014, 425 (428); Kokott/Dobratz, in: Schön/Heber, Grundfragen des Europäischen Steuerrechts, 2015, 25 (33); Binder (2017), S. 69 nach der vor allem die Grundrechte der Art. 15 – 17 GrCH für das Recht der direkten Steuern Relevanz hätten; ganz anders die deutsche Finanzverfassung, in der gar von einer Dominanz der grundrechtlichen Seite des Steuerverfassungsrechts durch den Gleichheitssatz gesprochen wird, siehe Droege, JöR 64 (2016), 539 (543) m.w.N. In den ersten Jahren nach Anerkennung der Grundrechte auf Ebene des damaligen Gemeinschaftsrechts übte der EuGH eine sehr zurückhaltende Recht386
B. Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen aus Europäischen Grundrechten
185
abgaben das Problem der Abgabenerhebung durch die Union ohne eine leistungsfähige Abgabendogmatik in der Literatur erkannt.392 Diese lückenhafte dogmatische Basis gilt für den gesamten unionsrechtlichen Grundrechtsschutz gegen Abgabenerhebungen und somit gleichermaßen für die parafiskalischen Abgaben. Werden zunehmend Bestimmungen im Bereich der direkten Steuern und Abgaben unionsrechtsgeprägt und damit gebunden innerhalb der Grundrechtecharta, entstehen Konturen des Europäischen Grundrechtsschutzes gegen Abgabenbelastungen. Hierbei gedeiht eine neue Dimension des Europäischen Steuerrechts, die neben den bisherigen Schwerpunkt der Grundfreiheiten tritt.393 Für die nationalen Rechtsordnungen der Europäischen Union hingegen unterliegt das Steuerrecht aufgrund seiner zentralen politischen Rolle einer verwachsenen und regelmäßig sehr weit konsolidierten Dogmatik im Bereich der Gleichheitsrechte. Es liegt dabei geradezu in der Natur des nationalen Steuerstaats, privilegienfeindlich zu sein.394 Nach Darstellung der rechtsgebietsübergreifenden Dogmatik des allgemeinen Gleichheitssatzes soll auf die bereichsspezifischen Rechtfertigungsmöglichkeiten von Abgabenbelastungen im Unionsrecht eingegangen werden. Dabei wird wiederum den parafiskalischen Abgaben gesonderte Aufmerksamkeit gewidmet, gerade auch mit Bezug zur Suche nach schematisierten Rechtfertigungsanforderungen. Wie aufgezeigt, ist das Erfordernis der gruppenäquivalenten Verwendung des Abgabenaufkommens nicht aus kompetenzrechtlichen Erwägungen herzuleiten.395 Das Entspringen eines solchen Erfordernisses aus gleichheitsrechtlichen Erwägungen ist dabei Hauptteil der Frage nach schematisierten Rechtfertigungsanforderungen. 1. Die allgemeine Dogmatik hinsichtlich des Gleichheitssatzes Bevor sich der Frage nach einer bereichsspezifischen Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes im Abgabenrecht der Union genähert wird, ist zunächst dessen allgemeine dogmatische Erfassung Ausgangspunkt weiterer Überlegungen. a) Die Ungleichbehandlung Eine Ungleichbehandlung liegt vor, wenn gleiche Sachverhalte ungleich behandelt werden. Die Behandlung bezieht sich auf den gleichen Hoheitsträger.396 sprechung auf dem Gebiet des Steuerrechts aus, siehe Zorn/Twardosz, DStZ 2007, 2185 (2187) sowie von Danwitz, FS Stern 2012, 669 (672). 392 Götz, EuR 1969, 209 (212). 393 Lehner, FS Wendt 2015, 861 (874 f.). 394 Isensee, FS Ipsen 1977, 409 (418). 395 Siehe unter § 4 A. I. 6. f). 396 Anhand der Entgeltdiskriminierung EuGH, Urteil vom 17. 09. 2002 – C0320/00 – Lawrence u. a., Rn. 18; Heselhaus, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/ GRC/AEUV (1. Auflage 2017), Art. 20 GrCH Rn. 25.
186
§ 4 Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen im Unionsrecht
Dieser Vergleich ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auch anhand des Sachzwecks der Unionsmaßnahme vorzunehmen.397 Durch eine parafiskalische Abgabe wird stets ein Sektor bzw. eine Gruppe belastet, nicht die Allgemeinheit. Dieses Element der Sonderbelastung eines bestimmten Wirtschaftssektors bzw. einer Gruppe im Rahmen einer Sachkompetenz ist diesem Abgabentyp immanent. Dies resultiert letztlich aus der sachkompetenzrechtlichen Stützung der Abgabe verbunden mit einer Zweckbindung, die eine Verwendung des Aufkommens für eine Sachaufgabe im Rahmen eines Sachbereichs verlangt. In diesem Kontext ist freilich zu erinnern, dass der Europäische Gerichtshof den Begriff der Sachaufgabe extensiv auslegt und auf die Reichweite der Sachkompetenz insgesamt bezieht.398 Parafiskalischen Abgaben wohnt durch diese Spezifizität der Belastung eine Ungleichbehandlung inne. Es liegt daher auf erster Stufe stets eine Ungleichbehandlung vor.399 Fraglich erscheint aber, welche Rechtfertigungsmöglichkeiten dieser Ungleichbehandlung die Grundrechtecharta dem Unionsgesetzgeber bietet. Die spezifischen Rechtfertigungsmöglichkeiten von Abgabenbelastungen im Unionsrecht müssen an dieser Stelle gewürdigt werden. b) Rechtfertigungsprüfung Aus der Ungleichbehandlung allein folgt nicht die Rechtswidrigkeit der Maßnahme. Vielmehr ist stets zu prüfen, ob eine sachliche Rechtfertigung besteht.400 Es ist dabei umstritten, ob die Rechtfertigungsprüfung Elemente des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes inkludiert401 oder ob eine gesonderte Prüfung zu erfolgen hat.402 Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs deutet wohl auf eine einheitliche Prüfung hin, deren genauen Konturen noch nicht ausgereift sind.403
397 EuGH, Urteil vom 19. 10. 1977 – C-117/76 – Ruckdeschel u. a., Rn. 8; EuGH, Urteil vom 10. 03. 1998 – C-364/95 – T. Port, Rn. 83; EuGH, Urteil vom 16. 12. 2008 – C-127/07 – Arcelor Atlantique et Lorraine u. a., Rn. 26. 398 Siehe unter § 4 A. I. 6. f). 399 So auch Freytag (2000), S. 199 hinsichtlich der Umweltabgaben. 400 Kischel, EuGRZ 1997, 1 (4). 401 Hölscheidt, in: Meyer GrCH (4. Auflage 2014), Art. 20 Rn. 24. 402 Bohlken (1999), S. 282. 403 Streinz, in: Streinz EUV/AEUV (3. Auflage 2018), Art. 20 GrCH Rn. 9; Rossi, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV (5. Auflage 2016), Art. 20 GrCH Rn. 24; Folz, in: Vedder/ Heintschel von Heinegg (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht (2. Auflage 2018), Art. 20 GrCH Rn. 4; Heselhaus, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (1. Auflage 2017), Art. 20 GrCH Rn. 37 ff.; Sachs, in: Stern/Sachs GrCH (1. Auflage 2016), Art. 20 Rn. 19.
B. Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen aus Europäischen Grundrechten
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Der Europäische Gerichtshof gewährt dem Unionsgesetzgeber einen Ermessensspielraum, der abhängig vom betroffenen Sachbereich ist.404 Der Gerichtshof hat beispielsweise im Bereich des Handels,405 der Agrarpolitik406 oder der Umwelt407 ein weites Ermessen eingeräumt. Grund für die weite Ermessensgewähr ist das politische oder wirtschaftliche Gefüge der Materie verbunden mit dem Prognosecharakter der Maßnahmen.408 Bei strikter Anwendung dieser Einstufung müsste diese auch für das Steuer- und Abgabenrecht gelten.409 Dieser Bereich ist traditionell hochpolitisch, was letztlich schon in der Einstufung der Budgethoheit durch das Bundesverfassungsgerichts als ein Kernbereich der Staatlichkeit410 mitschwingt, sowie hochgradig wirtschaftlich bedeutsam. Trotz dieser Ermessensgewähr muss sich der Unionsgesetzgeber an objektive Kriterien halten und konfligierende Interessen berücksichtigen.411 Neben der generellen Vagheit der Rechtsprechung wird in der Literatur eine Schwankung hinsichtlich der geforderten Rechtfertigungsintensität ausgemacht,412 die eine Generalisierung erschwert. 2. Gleichheitsrechtliche Sonderdogmatik im Abgabenrecht der Union? Die Leitlinien der Rechtsprechung für die Auslegung des allgemeinen Gleichheitssatzes sind in ihrem Ausgangspunkt rechtsgebietsübergreifend. In der Literatur wird entsprechend die Auffassung vertreten, dass unionale Abgabenerhebungen an
404
Heselhaus, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (1. Auflage 2017), Art. 20 GrCH Rn. 41 ff. 405 EuGH, Urteil vom 15. 07. 1982 – C-245/81 – Edeka Zentrale, Rn. 27, EuGH, Urteil vom 28. 10. 1982 – C-52/81 – Faust ./. Kommission, Rn. 27; EuGH, Urteil vom 19. 11. 1998 – C-150/ 94 – Vereinigtes Königreich ./. Rat, Rn. 53. 406 EuGH, Urteil vom 13. 11. 1990 – C-331/88 – Fedesa u. a., Rn. 14; EuGH, Urteil vom 05. 05. 1998 – C-157/96 – National Farmers’ Union u. a., Rn. 61; EuGH, Urteil vom 05. 10. 1994 – C-280/93 – Deutschland ./. Rat, Rn. 89. 407 EuGH, Urteil vom 15. 12. 2005 – C-86/03 – Griechenland ./. Kommission, Rn. 33; EuGH, Urteil vom 14. 07. 1998 – C-284/95 – Safety Hi-Tech, Rn. 37. 408 EuGH, Urteil vom 10. 01. 2006 – C-344/04 – IATA und ELFAA, Rn. 80; EuGH, Urteil vom 12. 11. 1996 – C-84/94 – Vereinigtes Königreich ./. Rat, Rn. 58; EuGH, Urteil vom 16. 12. 2008 – C-127/07 – Arcelor Atlantique et Lorraine u. a., Rn. 57; EuGH, Urteil vom 05. 05. 1998 – C-157/96 – National Farmers’ Union u. a., Rn. 61. 409 Englisch, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht (1. Auflage 2015), Rn. 12.24. 410 Hierzu das Lissabon-Urteil BVerfGE 123, 267 (361 f.). 411 EuGH, Urteil vom 16. 12. 2008 – C-127/07 – Arcelor Atlantique et Lorraine u. a., Rn. 58. 412 Heselhaus, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (1. Auflage 2017), Art. 20 GrCH Rn. 37; Hölscheidt, in: Meyer GrCH (4. Auflage 2014), Art. 20 Rn. 22: „(…) ohne eine dogmatische Grundlinie (…)“; Rossi, in: Calliess/Ruffert, EUV/ AEUV (5. Auflage 2016), Art. 20 GrCH Rn. 24; Englisch, EuR 2009, 488 (495).
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§ 4 Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen im Unionsrecht
der hergebrachten unionsrechtlichen Dogmatik zu messen sind.413 Wie aufgezeigt, müsste nach den bisherigen Leitlinien der Rechtsprechung aufgrund der politischen und wirtschaftlichen Natur des Steuer- und Abgabenrechts ein weiter Beurteilungsspielraum gelten. Nähert man sich dem Problemkreis einer bereichsspezifischen Dogmatik des Gleichheitssatzes im Abgabenrecht, so ist wohl eine allgemeine rechtstheoretische Eigenschaft des Gleichheitssatzes im Unionsrecht zu konstatieren, sich im Verlauf der Zeit in Richtung einer bereichsspezifischen Ausformung zu entwickeln.414 Der Europäische Gerichtshof hat in seiner Rechtsprechung bereits einzelne bereichsspezifische Ausformungen des allgemeinen Gleichheitssatzes angenommen.415 Dies gilt zunächst schon vor dem bereits aufgezeigten Hintergrund, dass der Gerichtshof dem Unionsgesetzgeber sektorenabhängige Beurteilungsspielräume eröffnet. Beispielsweise ist das im Bereich des Umsatzsteuerrecht der Fall.416 Auch wenn diese Beispiele nicht für das gesamte Steuer- bzw. Abgabenrecht herangezogen werden können, zeigen sie doch die grundsätzliche Bereitschaft der Rechtsprechung, bereichsspezifische Ausformungen des allgemeinen Gleichheitssatzes anzuerkennen. a) Das Umsatzsteuerrecht als Referenzgebiet einer Sonderdogmatik Im Bereich der harmonisierten Umsatzsteuer hat der allgemeine Gleichheitssatz eine Konkretisierung417 in Form des Neutralitätsgrundsatzes erhalten.418 Der Neutralitätsgrundsatz findet sich legislativ angedeutet in den Erwägungsgründen der
413 Amend (2001), S. 208 ff.; konkludent Shirvani, UPR 2013, 17 (22); Ohler, EuZW 2006, 679 (682); vgl. auch Desens, in: Schön/Röder, Zukunftsfragen des deutschen Steuerrechts II, 2014, 1 (7). 414 Vgl. Huster, EuR 2010, 325 (331). 415 Vergleiche zum Beispiel zum Grundsatz der verfahrensrechtlichen Gleichbehandlung EuGH, Urteil vom 30. 06. 2016 – C-205/15 – Direct¸ia Generala˘ Regionala˘ a Finant¸elor Publice Bras¸ov (DGRFP) gegen Vasile Toma und Biroul Executorului Judeca˘ toresc Horat¸iu-Vasile Cruduleci, Rn. 36; hinsichtlich des diskrimierungsfreien Netzzugangs anhand einer Richtlinie EuGH, Urteil vom 29. 09. 2016 – C-492/14 – Essent Belgium NV gegen Vlaams Gewest u. a., Rn. 79, wonach dieser „besonderer Ausdruck“ des Gleichheitsgrundsatzes sei. 416 Dazu folgen im direkten Anschluss Ausführungen. 417 EuGH, Urteil vom 10. 11. 2011 – C-255/10 – Commissioners for Her Majesty’s Revenue and Customs gegen The Rank Group plc, Rn. 61; EuGH, Urteil vom 29. 10. 2009 – C-174/08 – NCC Construction Danmark, Rn. 41; EuGH, Urteil vom 31. 03. 2013 – C-643/11 – EOOD gegen Direktor na Direktsia „Obzhalvane i upravlenie na izpalnenieto“ – Varna pri Tsentralno upravlenie na Natsionalnata agentsia za prihodite, Rn. 55; aus der Literatur Ohlendorf (2015), S. 234. 418 St. Rspr. vgl. z. B. EuGH, Urteil vom 10. 09. 2002 – C-141/00 – Kügler, Rn. 29; aus der Literatur Englisch, in: Tipke/Lang (Hrsg.), Steuerrecht (23. Auflage 2018), § 17 Rn. 23 ff.; Engler (2014), S. 263 ff.
B. Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen aus Europäischen Grundrechten
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Mehrwertsteuersystemrichtlinie.419 Er umfasst einerseits die Neutralität für den Unternehmer, nicht selbst mit der Umsatzsteuer belastet zu werden.420 Die Endbelastung des Verbrauchers ist als Rechtsgedanke für die hiesige Untersuchung nicht weiter relevant. Andererseits umfasst der Neutralitätsgrundsatz auch die Wettbewerbsgleichheit, wonach Wettbewerber mit gleichartigen Umsätzen vergleichbar belastet werden müssen, unabhängig von ihrer Rechtsform.421 Beispielsweise sind gleichartige Dienstleistungen, die aus dieser Gleichartigkeit heraus im Wettbewerb konkurrieren, gleich umsatzrechtlich zu behandeln.422 Verstöße gegen den Neutralitätsgrundsatz sind nur bei Ungleichbehandlungen denkbar, die auf wirtschaftliche Konkurrenten Anwendung finden.423 Gegen eine breiter angelegte Übertragung dieser Rechtsprechung auf den Bereich der direkten Abgaben sprechen gewichtige Gründe. Zunächst wird erstens der Neutralitätsgrundsatz in dieser Ausprägung dogmatisch nicht dem Primärrecht zugeordnet, sondern der Ausgestaltung durch den Gesetzgeber überantwortet.424 Während diese Einordnung für die sekundärrechtsunterworfenen Mitgliedstaaten unerheblich ist, ist sie für den nur primärrechtsunterworfenen Unionsgesetzgeber relevant.425 Man mag in dieser Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zwar einen Widerspruch erkennen, wenn einerseits der Neutralitätsgrundsatz als Ausdruck des primärrechtlichen Gleichheitssatzes eingestuft wird, er aber nicht entsprechend judiziert wird.426 Letztlich ist diese Interpretation aber die ständige Rechtsprechung. Weiterhin ist zweitens zu konstatieren, dass der Europäische Gerichtshof – wohl seiner allgemeinen Rechtsprechungslinie folgend – dem Unionsgesetzgeber einen weiten Ermessensspielraum zugesteht.427 Diese großzügige Handhabung spricht 419 Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, Erwägungsgründe 4, 5 und 7; vgl. hierzu Englisch, in: Schön/Beck, Zukunftsfragen des deutschen Steuerrechts, 2009, 39 (57 f.). 420 EuGH, Urteil vom 08. 02. 2007 – C-435/05 – Investrand; EuGH, Urteil vom 29. 10. 2009 – C-174/08 – NCC Construction Danmark, Rn. 27. 421 EuGH, Urteil vom 07. 09. 1999 – C-216/97 – Gregg, Rn. 20; EuGH, Urteil vom 10. 09. 2002 – C-141/00 – Kügler, Rn. 30; aus der Literatur Ohlendorf (2015), S. 246. 422 EuGH, Urteil vom 26. 05. 2005 – C-498/03 Kingscrest Associates Ltd und Montecello Ltd gegen Commissioners of Customs & Excise, Rn. 54 m.w.N. 423 EuGH, Urteil vom 10. 04. 2008 – C-309/06 – Marks & Spencer, Rn. 49. 424 EuGH, Urteil vom 29. 10. 2009 – C-174/08 – NCC Construction Danmark, Rn. 42; EuGH, Urteil vom 19. 07. 2012 – C-44/11 – Finanzamt Frankfurt am Main V-Höchst gegen Deutsche Bank AG, Rn. 45; zur Einordnung Heber, UR 2014, 957 (964). 425 Dobratz, UR 2014, 425 (427 f.); mit Kritik an der Rechtsprechung Englisch, in: Tipke/ Lang (Hrsg.), Steuerrecht (23. Auflage 2018), § 17 Rn. 24; vgl. auch Zorn, FS Ruppe 2007, 744 (755). 426 So Englisch, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht (1. Auflage 2015), Rn. 12.23. 427 Der EuGH spricht hier von einer „bewussten Entscheidung“ der Legislative, siehe EuGH, Urteil vom 08. 05. 2003 – C-269/00 – Seeling, Rn. 54 und EuGH, Urteil vom 14. 09. 2006 – C-72/05 – Hausgemeinschaft Jörg und Stefanie Wollny gegen Finanzamt Landshut, Rn. 46.
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§ 4 Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen im Unionsrecht
gegen eine Sonderdogmatik im Sinne eines Abweichens von der generellen Rechtsprechung zum Gleichheitssatz. Drittens ist es speziell für die parafiskalischen Abgaben und ihre sachkompetenzrechtliche Stützung typisch, eben jene Wettbewerber durch die Belastung des gesamten Wirtschaftssektors zu belasten. Daher eignet sich die Wettbewerbsgleichheit nicht als Referenz für die parafiskalischen Abgaben mangels spezifischer Aussagen, jedenfalls nicht in der gesamten Breite ihres Einsatzspektrums. Eine Übertragung dieser Rechtsprechung auf den Bereich des direkten Steuerund Abgabenrechts kann somit nicht vorgenommen werden.428 Dennoch ist der Gedanke der Wettbewerbsrelevanz noch einer Untersuchung würdig vor dem Hintergrund der spezifischen Sektorenbelastung durch die parafiskalischen Abgaben.429 b) Speziell: Das Leistungsfähigkeitsprinzip Größere Aufmerksamkeit als einer Übertragung der Rechtsprechung zu den indirekten Steuern wird dem Leistungsfähigkeitsprinzip im Bereich der direkten Steuern und Abgabenbelastungen geschenkt. Tipke definiert das Leistungsfähigkeitsprinzip als Prinzip der „gleichmäßigen Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit“,430 es sei der relevante Maßstab des Gleichheitssatzes im Steuerrecht.431 Das Leistungsfähigkeitsprinzip blickt auf eine reichhaltige historische wie nationenübergreifende Entwicklung zurück.432 Seine Konturen sind stellenweise umstritten, stellenweise unklar, stellenweise bewusst flexibel gehalten. Im Ausgangspunkt ist Leistungsfähigkeit im steuerrechtlichen Kontext die Fähigkeit, Steuerleistungen erbringen zu können.433 Hier wird der Bezug zur tatsächlichen Größe der ökomischen Kraft deutlich.434 Im nationalen Kontext Deutschlands verlangt das Bundesverfassungsgericht für Abweichungen von einer leistungsfähigkeitsorientierten Besteuerung einen besonderen sachlichen Grund, also eine erhöhte Anforderung an die Rechtmäßigkeit der Abweichung.435
428
So auch Menner (1992), S. 45. Siehe hierzu sogleich § 4 B. II. 4. 430 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. 1 (2. Auflage 2000), § 9 Rn. 2.3421. 431 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. 1 (2. Auflage 2000), § 9 Rn. 2.3421. 432 F. Kirchhof, BB 2017, 262 (262) spricht für das deutsche Verfassungsrecht über das Leistungsfähigkeitsprinzip hinsichtlich Definition, Herleitung und Rechtsfolgenbestimmung von einem „(…) dunklen Loch der Ungewissheit und des Ungefähren (…)“; vgl. Seiler, VVDStRL 75 (2016), 333 (343 f.). 433 P. Kirchhof, StuW 1985, 319 (319); Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. 1 (2. Auflage 2000), § 9 Rn. 2.31; Birk, StuW 2011, 354 (357). 434 F. Kirchhof, BB 2017, 662 (664). 435 Vgl. z. B. BVerfGE 107, 27 (47); 116, 164 (180); 117, 1 (31). 429
B. Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen aus Europäischen Grundrechten
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aa) Das Leistungsfähigkeitsprinzip: Ausprägung und Verankerung im Europäischen Primärrecht Die Gewährleistung einer leistungsfähigkeitsorientierten Steuer- und Abgabenlast auf Unionsebene steht in einem Grundkonflikt mit der nationalen Finanzhoheit und ihrer territorialen Orientierung. Diese beinhaltet das Festlegen der individuellen nationalen Steuersätze, woraus einerseits im unionsweiten Vergleich eine ungleiche Behandlung gleicher wirtschaftlicher Kraft folgt und andererseits Fragen nach der Gleichheit in Abgabenbelastungen solche der nationalen Rechtsordnungen sind. Historisch wurde daher die leistungsfähigkeitsbezogene Besteuerung aller Unionsbürger als Primärrechtsfrage abgelehnt.436 Die Kontroverse um das Leistungsfähigkeitsprinzip ist auch im Europarecht eine solche des allgemeinen Gleichheitssatzes.437 Die Diskussion um den Bezug des Leistungsfähigkeitsprinzips zu den Freiheitsrechten des Unionsrechts438 hat die Literatur noch nicht erreicht. Selbst wenn aber solche Ansätze enthalten sein sollten, ist nicht ohne weiteres vorgegeben, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip auf europäischer Ebene – wie in der deutschen Verfassungsgerichtsrechtsprechung439 – als bereichsspezifische Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitssatzes verstanden werden wird.440 In der Literatur dreht sich der Streit im Kern um die Frage, ob das Leistungsfähigkeitsprinzip als gemeinsame Verfassungsüberlieferung der Mitgliedstaaten im Sinne des Art. 6 Abs. 3 EUV in den allgemeinen Gleichheitssatz gelesen werden kann. Dies wird stellenweise energisch vertreten,441 sowie ebenso vehement abge436 Birk, DStJG 19 (1996), 63 (69 ff.), auf Seite 77 mit dem inzwischen populären Zitat der „Kästchengleichheit“; zu diesem Beitrag Birks P. Kirchhof, StuW 2011, 365 (368); Lehner, DStJG 19 (1996), 251 (258). 437 Allgemeine Ansicht, vgl. z. B. Lehner, FS Wendt 2015, 861 (876). 438 Hierzu Birk, Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 135 ff. Birk spricht in StuW 1983, 292 (297 f.): vom doppelten Garantiegehalt der Freiheitsrechte: Wirtschaftliche Basis und Freiheitsrechte bedingen und begünstigen sich in diesem Ansatz. Dabei erwiderte Birk – nicht nur an dieser Stelle – den Aufsatz von Leisner, StuW 1983, 97 – 102, der eine rein freiheitsbegrenzende Funktion des Leistungsfähigkeitsprinzips annahm (S. 97 f.); Seiler, VVDStRL 75 (2016), 333 (343); ablehnend F. Kirchhof, BB 2017, 662 (665). 439 Vgl. z. B. BVerfGE 107, 27 (47); 116, 164 (180); 117, 1 (31); aus der Literatur Reimer, StuW 2014, 29 (36); F. Kirchhof, BB 2017, 662 (662); Menner (1992), S. 43 m.w.N. 440 Stöber, in: Schön/Sternberg, Zukunftsfragen des deutschen Steuerrechts III, 2018, 121 (152 f.). 441 „Kein Zweifel“, so Ohlendorf (2015), S. 239 m.w.N., auch zur spanischsprachigen Literatur; Elicker, DStZ 2011, 162 (168); Müller (1994), S. 42; Straßburger, HFSt 4 (2016), 159 (163); Amend (2001), S. 207 ff.; Ohler (1997), S. 231; für eine Verankerung Menner (1992), S. 42; wohl auch Englisch, EuR 2009, 488 (499); jedenfalls in Betracht ziehend Heselhaus (1998), S. 81; für einen Grundsatz der Lastengleichheit aus Art. 20 GrCH ohne genauere dogmatische Herleitung Herdegen, WM 2016, 1905 (1908); hinsichtlich der weltweiten Verbreitung des Leistungsfähigkeitsprinzips als Maßstab gerechter Besteuerung Tipke, Die Steuerrechtsordnung (2. Auflage), S. 485 ff. sowie, StuW 1988, 262 (270 f.).
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stritten.442 Beide Meinungsströmungen setzen sich dabei mit einzelnen mitgliedstaatlichen Verfassungsordnungen auseinander, die oftmals entsprechende Ansätze enthalten. Nebenbei bemerkt lassen sich Ansätze auch in Ländern außerhalb der Europäischen Union finden.443 Eine europäische Untersuchung fand beispielsweise das Leistungsfähigkeitsprinzip in den allgemeinen Gleichheitssätzen der Verfassungsordnungen Deutschlands, Spaniens, Italiens und Portugals, nicht aber der skandinavischen Länder sowie in der Steuerrechtsordnung des Vereinigten Königreichs.444 Gleichwohl divergieren die nationalen Prinzipien jedenfalls hinsichtlich ihres Gehaltes und des geschützten Personenkreises, der unter Umständen nur Staatsbürger umfasst.445 Auch bezieht sich das Leistungsfähigkeitsprinzip zum Teil auf das gesamte Steuersystem, teils auf jede einzelne Steuer.446 Neben der grundsätzlichen Verankerung des Leistungsfähigkeitsprinzips ist auf zweiter Stufe dessen Ausprägung umstritten.447 Der Europäische Gerichtshof verlangt, dass sich gemeinsame Verfassungsüberlieferungen in die Struktur und Zielsetzungen des Unionsrechts einfügen.448 Diese fehlende Uniformität des Verständnisses wird von Gegnern einer generellen unionalen Verankerung als Argument angeführt.449 Der Europäische Gerichtshof bezeichnet die Belastung eines Wirtschaftssektors mit einer Abgabe als eine Ungleichbehandlung im Vergleich zu einem nichtbelasteten Sektor, rekurriert aber zumindest nicht auf die Leistungsfähigkeit der Abgabenbelasteten.450 Die Rechtsprechung entzieht sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch einer Positionierung. Vor dem Hintergrund der diffusen Meinungslage in der Literatur kombiniert mit einer Abwesenheit prägender Stellungnahmen der Europäischen Rechtsprechung wie des Primärrechtsgesetzgebers wird erst der Europäische Gerichtshof die dogmatische Marschrichtung des Unionsrechts vorgeben. Das 442 Stöber, in: Schön/Sternberg, Zukunftsfragen des deutschen Steuerrechts III, 2018, 121 (152 f.); Peeters, in: Peeters, The concept of tax, 2005, 197 (211); Capdevilla/Ezcurra (2017), S. 143; gegen eine Anerkennung zum gegenwärtigen Stand, jedoch ohne Bezug zu Art. 6 Abs. 3 EUV Lehner, IStR 2016, 265 (270); für eine Einordnung der EuGH-Rechtsprechung als reine Willkürprüfung im steuerrechtlichen Bereich Desens, in: Schön/Röder, Zukunftsfragen des deutschen Steuerrechts II, 2014, 1 (7). 443 Siehe die Einführung bei P. Kirchhof, Die Steuern, in: HStR V, 3. Auflage 2007, § 118 Rn 182 ff.; Meyer (2013), § 5. 444 Peeters, in: Peeters, The concept of tax, 2005, 197 (211); zu der entsprechenden Rechtslage Italiens, Spaniens, Frankreichs, Deutschlands und Österreichs Ohlendorf (2015), S. 114 ff.; Heselhaus (1998), S. 79 ff. 445 Siehe Kuhr (2013), S. 33. 446 Heselhaus (1998), S. 79 ff. m.w.N. 447 Vgl. Stöber, in: Schön/Sternberg, Zukunftsfragen des deutschen Steuerrechts III, 2018, 121 (152 f.); Tipke, StuW 1988, 262 (272), zur deutschen Rechtsordnung, der dies aber für kein spezifisches Problem des Leistungsfähigkeitsprinzips hält; Heselhaus (1998), S. 79. 448 Z. B. EuGH, Urteil vom 17. 12. 1970 – C-11/70 – Internationale Handelsgesellschaft, Rn. 4. 449 Peeters, in: Peeters, The concept of tax, 2005, 197 (211). 450 EuGH, Urteil vom 16. 12. 2008 – C-127/07 – Arcelor Atlantique et Lorraine u. a., Rn. 42 ff.
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Steuerverfassungsrecht der Union ist im Ergebnis in seiner grundrechtlichen Dimension noch nicht hinreichend entwickelt, um belastbare Prognosen hinsichtlich der Rechtsentwicklung abzugeben.451 Die fehlende Uniformität ist nach hiesiger Auffassung Grund für eine derzeitig fehlende primärrechtliche Verankerung des Leistungsfähigkeitsprinzips in den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten. bb) Das Leistungsfähigkeitsprinzip im harmonisierten Umsatzsteuerrecht Auf der Suche nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip soll noch ein Blick in das Umsatzsteuerrecht gewagt werden. Die Verankerung des Leistungsfähigkeitsprinzips im Umsatzsteuerrecht ist umstritten.452 Schlussfolgerungen aus dem Umsatzsteuerrecht können freilich nicht zwangsläufig so gedeutet werden, dass die Interpretation des Bereichs der direkten Abgaben und Steuern ihnen nachfolgen müsste. Aus der Stellung des Neutralitätsgrundsatzes als Fundamentalprinzip des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems folgert Englisch, dass die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs dem Leistungsfähigkeitsprinzip keine Bedeutung zumesse.453 Der Neutralitätsgrundsatz wirke nur zwischen den Unternehmern, berücksichtige aber den endbelasteten Verbraucher nicht.454 Generalanwältin Kokott wiederum deutet die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in einer Weise, dass die Umsatzsteuer auf die Leistungsfähigkeit des Verbrauchers abziele.455 Darauf deute auch die Tatsache hin, dass sich die Steuerbemessungsgrundlage nach dem Entgelt des Verbrauchers richte.456 Unabhängig davon ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass der Europäische Gerichtshof das Leistungsfähigkeitsprinzip als Prinzip primärrechtlichen Ranges im Umsatzsteuerrecht anerkennt. Insofern bietet auch die Betrachtung des Umsatzsteuerrechts keine weiteren Rückschlüsse. cc) Systematische und kompetenzrechtliche Argumente gegen die Anerkennung des Leistungsfähigkeitsprinzips zum gegenwärtigen Integrationsstand Der Streit um das Leistungsfähigkeitsprinzip als gemeinsame Verfassungsüberlieferung der Mitgliedstaaten als Fixpunkt der Diskussion unterschlägt weitere, nicht minder gewichtige Aspekte derselben. Auch wenn ein erheblicher Druck aus der 451 Engler (2014), S. 289 spricht von der „Abwesenheit steuerverfassungsrechtlicher Wertungen“. 452 Englisch, in: Tipke/Lang (Hrsg.), Steuerrecht (23. Auflage 2018), § 17 Rn. 13 m.w.N. 453 Englisch, in: Tipke/Lang (Hrsg.), Steuerrecht (23. Auflage 2018), § 17 Rn. 25. 454 Englisch, in: Tipke/Lang (Hrsg.), Steuerrecht (23. Auflage 2018), § 17 Rn. 25. 455 Generalanwältin Kokott, Schlussantrag vom 08. 06. 2017 – C-246/16 – Enzo Di Maura gegen Agenzia delle Entrate – Direzione Provinciale di Siracusa, Rn. 22. 456 Generalanwältin Kokott, Schlussantrag vom 08. 06. 2017 – C-246/16 – Enzo Di Maura gegen Agenzia delle Entrate – Direzione Provinciale di Siracusa, Rn. 22.
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Literatur die Leistungsfähigkeit über diesen Angelpunkt ins Europäische Primärrecht tragen will, sind weitere Primärrechtsbereiche durch eine solche Anerkennung berührt. Ohlendorf argumentiert in seiner Dissertation, dass die hergebrachte Dogmatik des Abstellens auf die Vergleichbarkeit einer Situation durch den Europäischen Gerichtshof den Besonderheiten des Steuerrechts nicht gerecht würde und daher auf das Leistungsfähigkeitsprinzip zurückgegriffen werden müsse.457 Insbesondere wendet er sich gegen die Unterscheidung von Nichtansässigen und Ansässigen in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu den Grundfreiheiten, zum Beispiel anhand des Urteils Schumacker458, in welchem der Gerichtshof anerkannte, dass sich für den Bereich des direkten Steuerrechts Ansässige mit den Nichtansässigen in keiner vergleichbaren Lage befinden.459 Hierdurch verdecke die Rechtsprechung das eigentliche Element der Leistungsfähigkeit.460 Die unterschiedliche Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit laufe hiernach dem Binnenmarktprinzip und der Unionsbürgerschaft zuwider, ausgedrückt in den Art. 18 Abs. 1 AEUV und Art. 21 Abs. 2 GrCH.461 Aus einer vorgetragenen dogmatischen Unzulänglichkeit der Rechtsprechung zum allgemeinen Gleichheitssatz allein kann das Leistungsfähigkeitsprinzip nicht hergeleitet werden. Auch und vor allem ist die Kritik an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht ohne weiteres überzeugend beim gegenwärtigen Stand der Steuerintegration im Europäischen Binnenmarkt. Erstens ist die unterschiedliche funktionale Richtung der Grundfreiheiten im Vergleich zu den Grundrechten heranzuziehen. Grundfreiheiten knüpfen an grenzüberschreitende Sachverhalte an und sind als Unionsbürgerrechte konzipiert, mit Ausnahme der Kapitalverkehrsfreiheit.462 Der Europäische Gerichtshof steht vor der Aufgabe, einerseits die Grundfreiheiten bestmöglich durchzusetzen und andererseits die nationalen Steuerhoheiten als Kernbereich der nationalen Souveränität zu achten. Es ist ein Konflikt zwischen Neutralität und Territorialität.463 Namentlich Lehner sieht die steuerliche Leistungsfähigkeit im Europäischen Primärrecht im Status quo nur durch die Rezeption entsprechender mitgliedstaatlicher Ansätze verwirklicht.464 Die Rezeption bezieht sich auf die Wirkungsweise der Grundfreiheiten als Be457 Ohlendorf (2015), S. 221 ff.; zur Kritik an der Rechtsprechung, ohne jedoch eine Substituierung durch das Leistungsfähigkeitsprinzip zu fordern Reimer, in: Schaumburg/ Englisch, Europäisches Steuerrecht (1. Auflage 2015), Rn. 7.129 ff. 458 EuGH, Urteil vom 14. 02. 1995 – C-279/03 – Schumacker; vgl. aus der Literatur Kokott/ Ost, EuZW 2011, 496 (497 f.). 459 EuGH, Urteil vom 14. 02. 1995 – C-279/93 – Schumacker, Rn. 31; hierzu Ohlendorf (2015), S. 221 ff. 460 Ohlendorf (2015), S. 222. 461 Ohlendorf (2015), S. 224. 462 Lehner, IStR 2016, 265 (266) m.w.N. 463 Schön, in: Schön/Heber, Grundfragen des Europäischen Steuerrechts, 2015, 109 (109 ff). 464 Lehner, IStR 2016, 265 (270).
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schränkungs- und Diskriminierungsverbote, die mithin mittelbar die leistungsfähigkeitsorientierte Betrachtung auf die Ebene des Primärrechts ziehen.465 Auf diesen Erwägungen aufbauend sind zweitens gegen die Anerkennung des Leistungsfähigkeitsprinzips die nationale Steuerhoheit und Teile des Territorialitätsprinzips anzuführen. Ursprünglich hatte der Europäische Gerichtshof der kohärenten Anwendung der nationalen Besteuerungsbefugnisse keine Rechtfertigungswirkung für die Beschränkung von Grundfreiheiten zugestanden.466 Vor dem Hintergrund der nationalen Steuersouveränität war dies eine „unhaltbare“ Position.467 Folgerichtig erkannte die spätere Rechtsprechung mit Marks & Spencer468 diese als Grundfreiheitsbeschränkungen rechtfertigend an und entwickelte genauere Ausprägungen. Es haben sich dabei im Wesentlichen die Fallgruppen469 der Verhinderung rein künstlicher Auslandsverlagerung,470 der Nichtberücksichtigung von grenzüberschreitenden Verlusten, wenn korrespondierende Gewinne ebenfalls freigestellt wären471 und gewisse Konstellationen der Steuerentstrickung472 gebildet. Die Rechtsprechung versucht, Binnenmarkt und Territorialität der Steuersysteme zu vereinbaren, d. h. die nationale Steuersouveränität zu wahren und den Binnenmarkt frei von einem „fiskalischen Schlagbaum“473 zu machen. Dieser Grundkonflikt zwischen der nationalen Steuersouveränität und der weitreichenden Geltung des Unionsrechts findet sich analog bezüglich der Reichweite eines etwaigen Leistungsfähigkeitsprinzips aus Art. 20 GrCH. Die Anerkennung des Leistungsfähigkeitsprinzips auf europäischer Ebene ist in ihrer Verbindung zur Frage nach der Reichweite des Anwendungsbereichs der Charta der Grundrechte zu betrachten. Das Leistungsfähigkeitsprinzip gibt der Rechtsprechung ein effizientes Werkzeug zur Hand, Einfluss auf die Steuerrechtsordnung zu nehmen. Die hohe Bedeutung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für das Steuerrecht Deutschlands ist ein eindrückliches Beispiel. Eine Kombination aus einer extensiven Auslegung des Anwendungsbereichs der Charta und eines Aufstellens harter Maßstäbe begründet die hinreichende Gefahr einer Uniformisierung der nationalen 465
Lehner, IStR 2016, 265 (270). Z. B. EuGH, Urteil vom 21. 09. 2015 – C-307/97 – Saint-Gobain ZN, Rn. 50 ff. 467 So Englisch, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht (1. Auflage 2015), Rn. 7.224. 468 EuGH, Urteil vom 13. 12. 2005 – C-446/03 – 13. 12. 2005 – Marks & Spencer plc gegen David Halsey (Her Majesty’s Inspector of Taxes). 469 Auflistung nach Englisch, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht (1. Auflage 2015), Rn. 7.226. 470 Z. B. EuGH, Urteil vom 13. 12. 2007 – C-524/04 – Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation, mit Anmerkung Rainer/Schönfeld, IStR 2008, 259 – 261. 471 Z. B. EuGH, Urteil vom 15. 05. 2008 – C-414/06 – Lidl Belgium; mit Anmerkung Kube, IStR 2008, 305 – 312. 472 Z. B. EuGH, Urteil vom 07. 09. 2006 – C-470/04 – N gegen Inspecteur van de Belastingdienst Oost/kantoor Almelo. 473 F. Kirchhof, DFGT 8/9 (2011/2012), 23 (26). 466
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Steuerrechtsordnungen als Aushöhlung der mitgliedstaatlichen Steuerhoheit. Einen solchen Schritt haben sich die Mitgliedstaaten aber bewusst selbst vorbehalten und nicht der Rechtsprechung überantwortet. Hierzu ist auch festzustellen, dass die Territorialität der Steuersysteme im Unionsrecht Disparitäten in der individuellen Belastung bei gleicher Leistungsfähigkeit bewusst in Kauf nimmt. Dies ist angelegt im Verbleib der Steuerhoheit bei den Mitgliedstaaten. Solange sich der Schwerpunkt der Besteuerung auf Ebene der Mitgliedstaaten befindet, sind diese vorrangig für die Wahrung der Besteuerungsgleichheit zuständig. Nur innerhalb dieser gewachsenen Rechtsordnungen besteht eine homogene Rechtslage, die die Anwendung des Gleichheitssatzes im Abgabenrecht ermöglicht.474 Wer eine leistungsfähigkeitsgerechte Abgaben- und Steuerbelastung seitens des Unionsgesetzgebers zum gegenwärtigen Zeitpunkt fordert, unterschlägt den niedrigschwelligen und peripheren Charakter unionaler Abgabenerhebung, der zu einem breitflächigen Durchsetzen einer leistungsfähigkeitsgerechten Besteuerung im gesamten Hoheitsgebiet der Union faktisch nicht in der Lage ist.475 Würde man hingegen die Nationalstaaten zu einer leistungsfähigkeitsbezogenen Gesamtsteuerbelastung ihrer Steuer- und Abgabenunterworfenen nach Art. 20 GrCH zwingen, wäre dies eine exzessive Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Grundrechtecharta in die nationalen Steuerhoheiten hinein und damit zugleich eine Verabschiedung des fundamentalen Territorialitätsprinzips auf Unionsebene. Die Anerkennung eines unionsweiten Leistungsfähigkeitsprinzips könnte sich somit je nach dessen Ausprägung als Ultra-vires-Akt darstellen. Ergänzend ist drittens noch auf allgemeine Rechtsgrundsätze des allgemeinen Gleichheitssatzes einzugehen. Der allgemeine Gleichheitssatz bindet, wie aufgezeigt, nur den jeweiligen Hoheitsträger in seinen jeweiligen Maßnahmen. Würde dem Unionsgesetzgeber die Achtung der individuellen Leistungsfähigkeit auferlegt, so würde er fast zwangsläufig die individuelle Steuer- und Abgabenbelastung auf Nationalebene in den individuellen Abgabentarif einpreisen müssen und damit faktisch zu einer Variation der Eingriffsintensität nach Herkunftsland, also einer Nationendiskriminierung nach Art. 18 Abs. 1 AEUV, gezwungen werden. Abgesehen davon, dass der Unionsgesetzgeber zugleich politisch getroffene Belastungsentscheidungen der nationalen Gesetzgeber potenziell unterminieren und damit die Steuerhoheit aushöhlen würde, führt eine solche Verpflichtung des Unionsgesetzgebers nicht zu einem von Ohlendorf prognostizierten Abbau der Ungleichheit im Europarecht. Der Unionsgesetzgeber würde zum Abbau von ihm nicht zurechenbaren faktischen Ungleichheiten durch die Besteuerungshoheiten der Nationalstaaten zu einer korrigierenden Ungleichbehandlung seinerseits erst gezwungen. Im 474 Siehe Lehner, IStR 2016, 265 (270); vgl. auch den Diskussionsbeitrag von Lehner zum Referat Koflers in DStJG 42 (2018), 125 (187 f.). 475 Zum Leistungsfähigkeitsprinzip und der Gesamtsteuerbelastung hinsichtlich des deutschen Verfassungsrechts Kube, FS Hufen 2015, 191 (197); zur Kumulationswirkung auf europäischer Ebene vgl. Nettesheim, HFSt 6 (2016), 37 (81).
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Ergebnis würde die auf den Unionsgesetzgeber zurückzuführende Gleichheitsausprägung seiner Rechtsakte nicht abgebaut, sondern verschärft werden. Der Europäische Gerichtshof tut somit gut daran, sich zum gegenwärtigen Kompetenzstand nicht auf die Durchsetzung des Leistungsfähigkeitsprinzips einzulassen. Mit zunehmender Kohärenz der nationalen Steuersysteme und dem wachsenden Eintreten der Union in dieses Rechtsgebiet verlieren die aufgezeigten Argumente aber an Gewicht. Abschließend ist noch darauf hinzuweisen, dass aus der Ablehnung des Leistungsfähigkeitsprinzips als derzeitiges Rechtsprinzip des Unionsrechts auch ein interner Ausgestaltungsanspruch innerhalb der belasteten Gruppe auf leistungsfähigkeitsbezogene gruppeninterne Abgabenerhebung abzulehnen ist. 3. Rechtfertigung der Ungleichbehandlung durch die Finanzierungsverantwortung? Stellt man nicht auf eine gleichheitsrechtliche Sonderdogmatik in Form des Leistungsfähigkeitsprinzips im Unionsrecht ab und verharrt in der allgemeinen Dogmatik des allgemeinen Gleichheitssatzes, so stellt sich weiterhin die Frage nach der Rechtfertigung der Ungleichbehandlung. Eine Heranziehung könnte vor dem allgemeinen Gleichheitssatz nur gerechtfertigt sein, wenn die Abgabenbelasteten eine vergleichbare Verantwortung für die zu bewältigende Aufgabe aufweisen.476 Diese These steht in einem Spannungsverhältnis zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in Agrana Zucker477, wonach sich die Reichweite der Sachkompetenz nicht nach der mit dem Gesetzgebungsakt zu bewältigenden Sachaufgabe, sondern nach der Reichweite des Kompetenztitels richtet. Die grundrechtliche Komplementierung dieser Anforderung steht aber nicht im strikten Widerspruch zu diesen kompetenzrechtlichen Vorgaben. a) Das geforderte Rechtfertigungsniveau bei wirtschaftlichen Belastungen Wie aufgezeigt, gewährt der Europäische Gerichtshof bei wirtschaftlichen und politischen Entscheidungen dem Unionsgesetzgeber ein weites Ermessen hinsichtlich der Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen. Auch das Steuer- und Abgabenrecht ist im Grundsatz eine solche Materie. Dies steht im Widerspruch zur deutschen Dogmatik, die einen besonderen sachlichen Grund verlangt.478 Fraglich erscheint, ob diese Schlussfolgerung auch im Detail von der Rechtsprechungspraxis getragen wird. Der Europäische Gerichtshof hatte in der Entscheidung Arcelor Atlantique et Lorraine479 zu entscheiden, ob der Einbezug der Stahlindustrie in den 476 477 478 479
So Ohler, EuZW 2006, 679 (682); Herdegen, WM 2016, 1905 (1908). EuGH, Urteil vom 28. 07. 2011 – C-309/10 – Agrana Zucker. BVerfGE 107, 27 (47); 116, 164 (180); 117, 1 (31). EuGH, Urteil vom 16. 12. 2008 – C-127/07 – Arcelor Atlantique et Lorraine u. a.
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Emissionshandel bei gleichzeitigem Nichteinbezug der Chemie- und Eisenmetallindustrie die Mitglieder der Stahlindustrie ungerechtfertigt benachteiligt. Der Emissionshandel war mit einer wirtschaftlichen Belastung verbunden, da bei Überschreitung des zugewiesenen Kontingents entsprechende Emissionsrechte erworben werden mussten. Sachaufgabe der Maßnahme war der Umweltschutz in Art. 191 Abs. 2 AEUV, dem ein hohes Schutzniveau gewährt wird. Der Europäische Gerichtshof bejahte die Ungleichbehandlung des Stahlsektors im Vergleich zum Nichteisenmetall- sowie dem Chemiesektor.480 In Frage stehend war somit die Rechtfertigung dieser ungleichen wirtschaftlichen Belastung. Nach dem Urteil könne die Verfolgung eines Ziels auch substantielle Sonderbelastungen eines Wirtschaftsteilnehmers rechtfertigen, jedoch dürfe „(…) die Ausübung der Beurteilungsbefugnis des Gemeinschaftsgesetzgebers (…) nicht zu Ergebnissen führen, die offenkundig weniger angemessen als die Ergebnisse aufgrund anderer für diese Ziele ebenfalls geeigneter Maßnahmen sind. (…)“481 Das Abstellen auf die Offenkundigkeit spricht für ein erhebliches Ermessen des Unionsgesetzgebers, das sich auf das gesetzgeberische Ziel der Maßnahme bezieht. Das gesetzgeberische Ziel wiederum muss kompetenzrechtlich im Einklang mit der angewandten Kompetenzgrundlage stehen.482 Dieses Urteil deutet auf die Beibehaltung des allgemeinen laxen Standards für die Rechtfertigungsprüfung bei Fragestellungen von wirtschaftlicher, sozialer und politischer Art auch für wirtschaftliche Belastungen und damit auch für die artverwandten Abgabenerhebungen hin. Für die parafiskalischen Abgaben, die in ihrem Kern wirtschaftliche Belastungen ähnlich dem Emissionshandel darstellen, weist diese Rechtsprechung auf einen weiten Ermessensspielraum des Unionsgesetzgebers hin, der nur bei eklatanten Fehlwertungen überschritten sein wird. Eine effiziente Kontrolle des parafiskalischen Abgabenwesens steht somit gleichheitsrechtlich nicht zu erwarten. b) Die Auswahlentscheidung hinsichtlich einer Sachaufgabe in der Rechtsprechung Das Urteil Arcelor Atlantique et Lorraine483 enthält aber noch weitere Ansätze, die von spezifischer Relevanz für die parafiskalischen Abgaben sind. Vor dem Hintergrund der umweltpolitischen Zielrichtung der Maßnahme prüft der Europäische Gerichtshof ausführlich, ob gewisse Wirtschaftssektoren durch die Richtlinie für den
480 EuGH, Urteil vom 16. 12. 2008 – C-127/07 – Arcelor Atlantique et Lorraine u. a., Rn. 69 und 72. 481 EuGH, Urteil vom 16. 12. 2008 – C-127/07 – Arcelor Atlantique et Lorraine u. a., 2. Leitsatz. 482 Zu der Zielsetzung einer Abgabenbelastung anhand der benutzten Kompetenzgrundlage vgl. EuGH, Urteil vom 11. 07. 1989 – C-265/87 – Schräder HS Kraftfutter, Rn. 23. 483 EuGH, Urteil vom 16. 12. 2008 – C-127/07 – Arcelor Atlantique et Lorraine u. a.
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Emissionshandel hätten herangezogen werden müssen, unter gleichzeitigem Zugeständnis des aufgezeigten gesetzgeberischen Ermessens.484 Übertragen auf die parafiskalischen Abgaben hat diese Rechtsprechung zur Folge, dass der Unionsgesetzgeber eine im Rahmen seines Ermessens nachvollziehbar zusammengesetzte Gruppe der Abgabenbelasteten bildet, die sich aus dem verfolgten Sachzweck der Maßnahme heraus definiert und die in diesem Sinne „homogen“ ist, sofern man hierfür den von den Sonderabgaben bekannten Sprachgebrauch übernehmen möchte. Daraus folgt zugleich, dass der Unionsgesetzgeber auch alle Wirtschaftsteilnehmer heranzuziehen hat, die in gleicher oder näherer Beziehung zu der verfolgten Sachaufgabe stehen. Relativiert wird dieser streng anmutende Maßstab durch das extensiv gewährte gesetzgeberische Ermessen. Das Ermessen dürfte nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs erst bei objektiver Unvertretbarkeit sowie schlicht willkürlichen Auswahlentscheidungen enden. Eine weitere Konkretisierung des Beurteilungsspielraums ist Einzelfallfrage. c) Die Finanzierungsverantwortung und die Sachnähe als Merkmale Das Merkmal der Finanzierungsverantwortung findet sich bloß in erheblicher Modifikation parallel in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Für den Europäischen Gerichtshof stellt sich das Bewältigen einer Sachaufgabe im Rahmen einer Sachkompetenzgrundlage als Ausgangspunkt gleichheitsrechtlicher Erwägungen dar. Wie aufgezeigt, muss der Abgabenbelastete diesem Sachziel hinreichend nahestehen. Eine „Verantwortung“ für das zugrundeliegende Sachziel muss der Abgabenverpflichtete jedoch nicht aufweisen, es reicht die bloß sachliche Einflussmöglichkeit der Abgabenerhebung auf das Erreichen des Ziels. Es steht somit der gesetzgeberisch intendierte Sachzweck der implementierten Maßnahme im Vordergrund, der nicht auf eine Art vorwerfbares oder zurechenbares Verhalten der abgabenbelasteten Gruppe fußen muss. Die Befreiung des Gesetzgebers von diesen Erwägungen gewährt dem Unionsgesetzgeber erhebliche Flexibilität beim Einsatz parafiskalischer Abgaben. Die parafiskalischen Abgaben können daher als regelmäßiges Einsatzmittel zur Erreichung sachpolitischer Maßnahmen eingesetzt werden. Hier zeigt sich die Abwesenheit des Leistungsfähigkeitsprinzips in ihren Konsequenzen. d) Die Beschränkung der Abgabenhöhe durch die Sachaufgabe Ist also die Bewältigung einer Sachaufgabe Rechtfertigungselement der Inanspruchnahme des Abgabenverpflichteten, ist fraglich, ob diese Sachaufgabe nicht nur Grund, sondern auch Grenze der Abgabenerhebung sein kann. Die Sachaufgabe könnte die Abgabenerhebung quantitativ beschränken. Anknüpfungspunkt ist hier 484 EuGH, Urteil vom 16. 12. 2008 – C-127/07 – Arcelor Atlantique et Lorraine u. a., Rn. 64 ff.
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der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als allgemeiner Rechtsgrundsatz des Unionsrechts,485 der im Bereich der Rechtfertigungsprüfung des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 20 Grundrechtecharta Anwendung findet.486 In der Rechtssache Schräder487 hat der Europäische Gerichtshof bereits entschieden, dass eine Abgabenbelastung nur insoweit verhältnismäßig ist, wie sie zur Erreichung des Sachzwecks geeignet und erforderlich ist.488 Dabei muss der Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers gewahrt werden,489 was wiederum den Maßstab schwächt. Sofern die erhobenen Finanzmittel in ihrer quantitativen Höhe nach jedem erdenklichen Gesichtspunkt die für die Sachaufgabe benötigten Finanzmittel übersteigen, pressiert die Frage nach der Verhältnismäßigkeit. Wie bereits ausgeführt,490 sieht der Europäische Gerichtshof die Abgabenhöhe jedenfalls aus kompetenzrechtlichen Erwägungen heraus nicht an die Sachaufgabe gebunden. Agrana Zucker491 stellt sich bei genauerer Analyse nicht in Widerspruch zu dieser Rechtsprechung. Der erzielte Überschuss beruhte auf einem Abweichen der tatsächlichen Einnahmen von den Prognosen.492 Für die Rechtmäßigkeit der Schätzung ist aber der Zeitpunkt des Erlassens der Maßnahme relevant.493 Die vorherige Schätzung beruhte nicht auf signifikanten Beurteilungsfehlern. Daher erkannte der Europäische Gerichtshof keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit an.494 Die zu bewältigende Sachaufgabe zeigt sich in Verbindung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auch beispielsweise bei nationalen Gebühren495 als beschränkendes Element hinsichtlich der Abgabenhöhe. Für die parafiskalischen Abgaben bedeutet dies, dass die zugrundeliegende Sachaufgabe aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz heraus die Höhe des Abgabenaufkommens beschränkt. Die 485 EuGH, Urteil vom 28. 07. 2011 – C-309/10 – Agrana Zucker, Rn. 42; EuGH, Urteil vom 13. 11. 1990 – C-331/88 – Fedesa u. a., Rn. 13. 486 Siehe unter § 4 B. II. 1. b). 487 EuGH, Urteil vom 11. 07. 1989 – C-265/87 – Schräder HS Kraftfutter. 488 EuGH, Urteil vom 11. 07. 1989 – C-265/87 – Schräder HS Kraftfutter, Rn. 21; siehe auch EuGH, Urteil vom 26. 06. 1990 – C-8/89 – Zardi, Rn. 10 und EuGH, Urteil vom 28. 07. 2011 – C-309/10 – Agrana Zucker, Rn. 43 sowie EuGH, Urteil vom 13. 11. 1990 – C-331/88 – Fedesa u. a., Rn. 13. 489 EuGH, Urteil vom 11. 07. 1989 – C-265/87 – Schräder HS Kraftfutter, Rn. 22; EuGH, Urteil vom 26. 06. 1990 – C-8/89 – Zardi, Rn. 10; EuGH, Urteil vom 28. 07. 2011 – C-309/10 – Agrana Zucker, Rn. 43. 490 Siehe unter § 4 A. I. 6. e). 491 EuGH, Urteil vom 28. 07. 2011 – C-309/10 – Agrana Zucker. 492 EuGH, Urteil vom 28. 07. 2011 – C-309/10 – Agrana Zucker, Rn. 47 ff. 493 EuGH, Urteil vom 21. 02. 1990 – C-267/88 – Wuidart u. a., Rn. 14; EUGH, Urteil vom 05. 10. 1994 – Crispoltoni u. a., Rn. 43; EuGH, Urteil vom 28. 07. 2011 – C-309/10 – Agrana Zucker, Rn. 45. 494 EuGH, Urteil vom 28. 07. 2011 – C-309/10 – Agrana Zucker, Rn. 51. 495 Als Beispiel EuGH, Urteil vom 26. 04. 2012 – C-508/10 – Europäische Kommission gegen Königreich der Niederlande, Rn. 75 ff.
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kompetenzrechtliche Weite wird hier durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gezügelt. 4. Die Wettbewerbsrelevanz als Ausdruck der homogenen Gruppe Wie bereits die Rechtsprechung zu den indirekten Steuern zeigte, betont der Europäische Gerichtshof die Bedeutung der Wettbewerbsgleichheit auch im Bereich des allgemeinen Gleichheitssatzes. Gemeinsam dienen Wettbewerbsfreiheit und Wettbewerbsgleichheit dem Ziel der Verwirklichung des Binnenmarkts,496 einem hochgradig relevanten Aspekt der Europäischen Einigung und explizites Ziel der Union nach Art. 3 Abs. 3 S. 1 EUV i.V.m. Art. 26 Abs. 2 AEUV.497 Der Binnenmarkt als Schwerpunkt der Europäischen Wirtschaftsintegration ist durch eine effiziente Wettbewerbslage gekennzeichnet und auf diese gerichtet.498 Fraglich erscheint, ob zumindest bei wettbewerbsbeeinflussenden parafiskalischen Abgaben ein erhöhtes Rechtfertigungsverlangen im Raum steht. Hierzu soll aus der mitgliedstaatlichen Rechtsprechung geschöpft werden, um später die Schwächen der aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs aufzuzeigen. a) Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Die Thematik hat einen langgedienten Vorläufer in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach ein signifikanter Eingriff durch Abgaben in die Wettbewerbschancen einzelner Wettbewerber gleichheitsrechtlich problematisch ist.499 Dem Gesetzgeber wird ein Ermessensspielraum zugebilligt, der nur bei einer wesentlich ungünstigeren Wettbewerbssituation überschritten wird.500 Grundsätzlich gewährt das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung diesen weiten Gestaltungsspielraum und lässt insbesondere wirtschaftspolitische Grundentscheidungen des Gesetzgebers als Rechtfertigung gelten.501 Gleichwohl scheint sich eine 496
Straßburger (2012), S. 16. Hinsichtlich der Bedeutung des Binnenmarkts als ein operatives Hauptziel Müller-Graff, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (1. Auflage 2017), Art. 3 EUV Rn. 24; Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV (5. Auflage 2016) Art. 3 EUV Rn. 7; vom „wirtschaftlichen Herzstück der Integration“ spricht Pechstein, in: Streinz EUV/ AEUV (3. Auflage 2018), Art. 3 EUV Rn. 7. 498 M. Schröder, in: Streinz, EUV/AEUV (3. Auflage 2018) Art. 26 AEUV Rn. 24; Bast, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (64. EL 2018) Art. 26 AEUV Rn. 12a; Höppner, EuR 1977, 122 (125) für den Gemeinsamen Markt. 499 BVerfGE 21, 12 (27): „(…) ein gewisses Maß nicht überschreiten (…)“; BVerfGE 27, 375 (389); 36, 321 (334); aus der Literatur Kirchhof, StuW 1984, 297 (305 f.). 500 BVerfGE 27, 375 (389). 501 Vgl. z. B. BVerfGE 14, 105 (117); am Beispiel des Mittelstandsschutzes BVerfGE 19, 101 (114); 37, 38 (52). 497
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Akzentuierung der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG in Wettbewerbsfragen in der späteren Rechtsprechung anzudeuten. Art 12 Abs. 1 GG schützt dabei nicht vor Veränderungen der Marktverhältnisse, aber zumindest die Teilhabe am Wettbewerb.502 b) Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs Der die Europäische Wirtschaftsintegration maßgeblich prägende Binnenmarkt und der ihm innewohnende freie Wettbewerb findet eine Konkretisierung in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs im Rahmen des allgemeinen Gleichheitssatzes. Diese Rechtsprechung behält ihre Gültigkeit im Rahmen des besonders rechtsprechungsgeprägten Art. 20 GrCH.503 aa) Als Vergleichsmerkmal Das Merkmal könnte zur Bestimmung einer Vergleichbarkeit von zwei belasteten Gruppen herangezogen werden. Entsprechend wird in der Literatur vertreten, dass die Wettbewerbsbeziehung eine Vergleichbarkeit der abgabenbelasteten Wirtschaftsteilnehmer begründe.504 In der früheren Rechtsprechung hat der Europäische Gerichtshof anhand einer Wettbewerbsbeziehung eine Vergleichbarkeit im Sinne des allgemeinen Gleichheitssatzes angenommen.505 Diese ältere Rechtsprechung wurde durch eine stärker auf Indizien abstellende Rechtsprechung abgelöst.506 Der Europäische Gerichtshof folgte in der Rechtssache Arcelor Atlantique et Lorraine507 dem Schlussantrag des Generalanwalts Poiares Maduro, wonach die Wettbewerbsbeziehung allein keine Vergleichbarkeit zwischen zwei Unternehmen aus unterschiedlichen Wirtschaftssektoren begründet,508 jedoch wohl als Indiz zu deuten ist, jedenfalls bei wirtschaftsbezogenen Maßnahmen.509 Das Vorliegen einer Ver-
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BVerfGE 105, 252 (265); 106, 275 (298f.); 115, 135 (151 f.); zum Verhältnis von Berufsfreiheit und Wettbewerb Hufen, NJW 1994, 2913 (2915). 503 Müller (2014), S. 322. 504 Amend (2001), S. 207; vgl. Höppner, EuR 1977, 122 (125 f.). 505 Vgl. z. B. EuGH, Urteil vom 19. 10. 1977 – C-117/76 – Ruckdeschel u. a., Rn. 8; EuGH, Urteil vom 25. 10. 1978 – C-103/77 – Royal Scholten-Honig und Tunnel Refineries, Rn 28/32: „(…) Ein Wettbewerb besteht. (…)“; EuGH, Urteil vom 11. 03. 1987 – C-265/85 – Van den Bergh en Jurgens und Van Dijk Food Products (Lopik) ./. EWG, Rn. 24 ff. 506 Müller (2014), S. 305. 507 EuGH, Urteil vom 16. 12. 2008 – C-127/07 – Arcelor Atlantique et Lorraine u. a. 508 Generalanwalt Maduro, Schlussantrag vom 21. 05. 2008 – C-127/07 – Arcelor Atlantique et Lorraine u. a., Rn. 43 ff.; dem folgend EuGH, Urteil vom 16. 12. 2008 – C-127/07 – Arcelor Atlantique et Lorraine u. a., Rn. 36. 509 Müller (2014), S. 305; aus dem Bezug des Europäischen Gerichtshof auf Generalanwalt Maduro wird nicht gänzlich klar, ob er ihm nur im Ergebnis oder auch hinsichtlich der dogmatischen Herleitung folgt.
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gleichbarkeit ist letztendlich auch in Wettbewerbskonstellationen aus dem Zweck der geplanten Maßnahme des Unionsgesetzgebers heraus zu bestimmen.510 bb) Als Frage der Rechtfertigung Relevanter für die hiesige Untersuchung ist die Wettbewerbsgleichheit aber in ihrer Dimension der Rechtfertigungsprüfung. Insofern könnte die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs eine gewisse Einschränkung des sonst weiten Ermessensspielraums des Unionsgesetzgebers bedeuten.511 In der Rechtssache Arcelor Atlantique et Lorraine prüft der Europäische Gerichtshof intensiv, ob einzelne Sektoren zurecht nicht in den Emissionshandel eingebunden wurden. Die hohe Prüfungsdichte an dieser Stelle könnte der Wettbewerbssituation geschuldet sein. Die Rechtsprechung fordert eine umfassende Interessensabwägung seitens des Gesetzgebers, in der die Wettbewerbsfreiheit und andere Grundrechte ein Einfallstor finden.512 Der Europäische Gerichtshof deutet in der Entscheidung aber nicht an, die Wettbewerbskonstellation als erschwerendes Merkmal einer Ungleichbehandlung anzuerkennen. Entsprechend wird in der Literatur konsequenterweise ein weiter Ermessensspielraum des Gesetzgebers nach dieser Rechtsprechung attestiert.513 Der Europäische Gerichtshof stellt explizit fest, dass auch erhebliche wirtschaftliche Beeinträchtigungen einzelner Wirtschaftsteilnehmer verhältnismäßig sein können.514 Etwas strikter war die Prüfung in der Rechtssache Sky Italia.515 Der zugrundeliegenden Richtlinie 2010/13/EU lag allerdings unter anderem die Herstellung „optimaler“ Wettbewerbsbedingungen zugrunde,516 so dass an dieser Stelle die Wettbewerbsförderung zu einem Sachzweck der Gesetzgebungsmaßnahme erkoren wurde und daher diesbezügliche Sachgründe als Anforderungen für die Benachteiligung von Wettbewerbern zu stellen waren.517 Im Ergebnis lässt der Europäische 510
Vgl. hierzu die folgende Entscheidung EuGH, Urteil vom 18. 08. 2013 – C-234/12 – Sky Italia; aus der Literatur Müller (2014), S. 304, wonach das Abstellen auf den Zweck der Maßnahme als Vergleichsmerkmal die Bedeutung des allgemeinen Gleichheitssatzes in Wettbewerbsfragen erheblich mindere. 511 Frenz, DVBl 2010, 223 (226). 512 Frenz, DVBl 2010, 223 (226 f.). 513 Gundel, ZHR 2016, 323 (353). 514 EuGH, Urteil vom 15. 12. 2005 – C-86/03 – Griechenland ./. Kommission, Rn. 96; EuGH, Urteil vom 13. 11. 1990 – C-331/88 – Fedesa u. a., Rn. 17. 515 EuGH, Urteil vom 18. 08. 2013 – C-234/12 – Sky Italia. 516 Richtlinie 2010/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2010 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste), Erwägungsgrund Nr. 4. 517 Generalanwältin Kokott, Schlussanträge vom 16. 05. 2013 – C-234/12 – Sky Italia, Rn. 55.
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§ 4 Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen im Unionsrecht
Gerichtshof bei Wettbewerbsbeziehungen einen weiten Ermessensspielraum des Gesetzgebers zu. c) Plädoyer für strengere Rechtfertigungsanforderungen bei wettbewerbsbeeinflussenden Abgaben Sofern der Gesetzgeber nicht mit der objektiv nachvollziehbaren Zielrichtung handelt, den Binnenmarkt und den Wettbewerb regulieren zu wollen, gesteht die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs einen sehr weiten Ermessensspielraum zu, der dementsprechend auch wettbewerbsbeeinflussenden parafiskalischen Abgaben zukommt. Vor dem Hintergrund der primärrechtlichen Zielsetzung des Errichtens des Binnenmarkts sowie der expliziten Gewährung der unternehmerischen Freiheit einschließlich der Wettbewerbsfreiheit in Art. 16 GrCH518 ist an dieser Rechtsprechung dezidierte Kritik zu üben. Die Rechtsprechung wird insbesondere der Bedeutung des freiheitsrechtlichen Teils der Wettbewerbsgleichheit nicht gerecht. Die laxe Rechtfertigungsprüfung ist unangemessen vor dem Hintergrund der freiheitsrechtlichen Bedeutung des Wettbewerbs sowie seiner gleichheitsrechtlichen Fragen.519 Dogmatisch bietet sich hier der Weg des Bundesverfassungsgerichts an, bei freiheitsrechtlich relevanten gleichheitsrechtlichen Fragen eine erhöhte Rechtfertigungsanforderung zu verlangen. Es bleibt offen, ob der Europäische Gerichtshof die Frage der Wettbewerbsgleichheit in den allgemeinen Gleichheitssatz integrieren will.520 5. Die Abgrenzung zu Homogenität und Finanzierungsverantwortung in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Die gefestigte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Homogenität der belasteten Gruppe grenzt sich erheblich von dem unionsrechtlichen Verständnis ab. Zentraler Bezugspunkt der Homogenität der Gruppe bzw. des Zuschnitts der Gruppe im Unionsrecht ist der verfolgte Sachzweck der Maßnahme. Hinsichtlich des Erreichens dieses Ziels wird dem Unionsgesetzgeber regelmäßig ein erhebliches Ermessen zukommen. Möchte man den Terminus der homogenen Gruppe aus dem Recht der deutschen Sonderabgaben auch bei den unionseigenen parafiskalischen Abgaben bemühen, so gilt folgendes: Die Auswahl der Gruppe richtet sich aus gleichheitsrechtlichen Erwägungen nach dem Sachzweck der Abgabe, was naturgemäß genauso einzelfall518 Kühling, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (1. Auflage 2017), Art. 16 GrCH Rn. 11; Jarass, in: Jarass, Charta der Grundrechte der EU (3. Auflage 2016), Art. 16 Rn. 9; Grabenwarter, in: Grabenwarter (Hrsg.), Europäischer Grundrechteschutz (EnzEuR Bd. 2), § 13 Rn. 32. 519 Frenz, DVBl 2010, 223 (228). 520 Siehe zur Thematik Ohlendorf (2015), S. 246 ff.
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abhängig wie der Beurteilungsspielraum des Unionsgesetzgebers521 ist. Sofern der Unionsgesetzgeber also eine Abgabe als sachpolitische Maßnahme – und damit im Rahmen einer Sachkompetenz – einsetzt, muss er anhand dieser Leitlinie den Kreis der Abgabenpflichtigen bestimmen Dieses weite gesetzgeberische Ermessen ist das elementare Unterscheidungsmerkmal zur diesbezüglich restriktiven Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Stünde hier die Homogenitätsentscheidung weitestgehend im Ermessen des Gesetzgebers, würde die Grundsatzentscheidung für den Steuerstaat unterlaufen.522 Nach der Rechtsprechung muss die Homogenität von einer Qualität sein, dass sie die Finanzierungsverantwortung für eine spezielle Sachaufgabe rechtfertigt.523 Der Zuschnitt der Gruppe muss in einer Weise erfolgen, das alle gleich nah oder gar näher stehenden Untergruppen von der Abgabenpflicht erfasst werden.524 Das Bundesverfassungsgericht judiziert diese Frage mit einigem Nachdruck, so dass unionsrechtlich als homogen anzusehende Gruppen durchaus als heterogen im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gelten dürften. Auch hinsichtlich der Finanzierungsverantwortung ergeben sich Unterschiede. Das Bundesverfassungsgericht stellt hohe Anforderungen an einen hinreichenden Verantwortungszusammenhang, der die Durchbrechung der Belastungsgleichheit rechtfertigt.525 Durch die häufig wirtschaftliche Situation muss also ein erheblicher, nachteiliger Zustand entstanden sein, der klar dieser Gruppe zurechenbar ist und daher nicht von der Allgemeinheit durch ihr Steueraufkommen getragen werden soll. Entsprechend stehen gerade Förderprogramme unter dauerhafter Skepsis der Rechtsprechung.526 Dies steht in inhaltlichem Abstand zu der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, in der es keine entsprechenden Ansätze gibt.527 6. Die Gruppenäquivalenz Der Europäische Gerichtshof besteht nicht auf eine Finanzierungsverantwortung. In der Folge spielt auch die gruppenäquivalente Verwendungsweise des Abgabenaufkommens in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs keine fundamentale Rolle. Man kann dies als Indiz für die derzeitige Abwesenheit des Leistungsfähigkeitsprinzips im Europäischen Primärrecht werten. Gleichwohl ist im Vergleich zur Dogmatik der deutschen Sonderabgaben zu erwähnen, dass eine Abgabe, die nach deutschen Recht als zulässige Sonderabgabe einzustufen wäre, 521
Hierzu Frenz, JZ 2009, 630 (632). P. Kirchhof, in: FS Friauf 1996, 679 (674). 523 Z. B. BVerfGE 135, 155 (207); 122, 316 (336). 524 Z. B. BVerfGE 135, 155 (207); 108, 186 (226). 525 Z. B. BVerfGE 135, 155 (207); 123, 132 (141 f.). 526 Dies betrifft gerade Abgaben, die auf das Recht der Wirtschaft (Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG) gestützt werden, vgl. z. B. hinsichtlich der Filmabgabe BVerfGE 135, 155 – 234. 527 Vergleiche hierzu schon § 4 B. II. 3. c). 522
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auch die Merkmale der parafiskalischen Abgabe erfüllt. Die Anwesenheit der Gruppenäquivalenz einer Abgabe ist daher nicht als Abwesenheit einer parafiskalischen Abgabe zu verstehen. 7. Der interne Ausgestaltungsanspruch Wie aufgezeigt, ist mangels einer unionsrechtlichen Fundierung nicht zu folgern, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip Maßstab der gruppeninternen Verteilung der individuellen Belastungsanteile ist. Der Gleichheitssatz kann nicht nur zwischen wirtschaftlich rivalisierenden Wirtschaftssektoren Anwendung finden, sondern wirft auch Fragen nach der internen Architektur der Abgabenstruktur auf. Für den Abgabenbelasteten steht nicht nur die Belastung dem Grunde nach, sondern gerade die der Höhe nach die Hauptbesorgnis da. Wie schon bei den Abgaben im Rahmen der Bankenunion gesehen,528 wendet der Unionsgesetzgeber unter Umständen komplexe Berechnungsmethoden hinsichtlich der Ermittlung des Individualanteils an. Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung zum allgemeinen Gleichheitssatz wird für die interne Ausgestaltung der Abgaben eine sachgemäße Ermessensausübung des Gesetzgebers zu fordern sein. Rekapituliert man die Bedeutung des Sachziels bzw. der Sachaufgabe für die Anwendung des Gleichheitssatzes, wird das Ermessen des Gesetzgebers anhand objektiv nachvollziehbarer Erwägungen hinsichtlich einer effizienten Bewältigung der Sachaufgabe ausgeübt werden müssen. Der Gesetzgeber kann somit zum Beispiel durch die interne Abgabenberechnung keine Anreize setzen, die dem Sachziel zuwiderlaufen. Ein Beispiel wäre die Pönalisierung risikoaversen Verhaltens, wenn gerade die Stabilität des Finanzsektors Hauptziel einer Maßnahme wäre. Die Ermittlung dessen ist naturgemäß einzelfallabhängig.
III. Freiheitsrechtlich induzierte Anforderungen Die Grundrechtecharta bietet freiheitsrechtliche Gewährleistungen, die potenziell Anforderungen an parafiskalische Abgaben stellen. Hierbei kommen insbesondere die Eigentumsfreiheit sowie nachrangig auch die unternehmerische Freiheit und die Berufsfreiheit in Betracht. 1. Eigentumsfreiheit, Art. 17 GrCH Der Grundrechtsschutz gegen Abgabenbelastungen durch die Eigentumsfreiheit stellt ein dogmatisches Zentralthema des deutschen Steuerverfassungsrechts dar.529 Im Vergleich hierzu ist die Thematik auf europäischer Ebene unterrepräsentiert. Im 528 529
Siehe hierzu § 3. Vgl. P. Kirchhof, Die Steuern, in: HStR V (3. Auflage 2007) § 118 Rn. 117 ff.
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Ausgangspunkt, ohne eine Steuerrechtsspezifizität betrachtet, bedürfen Eingriffe in das Eigentum einer gesetzlichen Grundlage, müssen verhältnismäßig vorgenommen werden und530 dürfen nicht den Wesensgehalt des Eigentums berühren, Art. 52 Abs. 1 S. 1 GrCH.531 Der Wesensgehalt532 des Eigentums wäre bei dem völligen Entzug desselben oder seiner freien Nutzbarkeit berührt.533 Bloß befristete und reversible Beschränkungen berühren den Wesensgehalt nicht.534 Auch der völlige Ausschluss der typischen wirtschaftlichen Verwendung des Eigentums wurde als Wesensgehaltsberührung aufgefasst.535 Unberührt verbleibt der Wesensgehalt bei reinen Ausübungsbeschränkungen, sofern also das Eigentum nicht grundsätzlich in Frage gestellt wird.536 Maßstab des Europäischen Gerichtshofs ist somit die Rechtsstellung des Eigentümers für die Beurteilung des Wesensgehalts.537 Geschützt sind natürliche wie juristische Personen.538 In der Tendenz hat sich die Europäische Rechtsprechung von einer oftmals kritisierten zurückhaltenden Implementation der Eigentumsfreiheit539 hin zu einer stärkeren Konturierung entwickelt.540 a) Die Diskussion um das Vermögen als Schutzgut Für die Untersuchung der parafiskalischen Abgaben steht der Grundrechtsschutz der Eigentumsfreiheit hinsichtlich des Schutzes vor Abgabenbelastungen im Fokus. 530 Es ist umstritten, hier aber unerheblich, ob die Wesensgehaltsgarantie Teil der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist, vgl. Streinz, in: Streinz, EUV/AEUV (3. Auflage 2018), Art. 52 GrCH Rn. 14 f. m.w.N. 531 So auch schon die ständige Rechtsprechung z. B. EuGH, Urteil vom 17. 10. 1995 – C-44/ 94 – Fishermen’s Organisations u. a. – Rn. 55; EuGH, Urteil vom 05. 10. 1994 – Rs. C-280/93 – Deutschland/Rat, Rn. 78. 532 Der EuGH setzt im Wesentlichen den Begriff der „Substanz“ mit dem des „Wesensgehalts“ gleich, siehe z. B. EuGH, Urteil vom 04. 05. 2016 – C-477/14 – Pillbox 38 (UK) Limited, die unter der Firma Totally Wicked auftritt, gegen Secretary of State for Health, Rn. 164; siehe auch das EuG, Urteil vom 07. 07. 2017 – T-215/15 – Mykola Yanovych Azarov gegen Rat der Europäischen Union, Rn. 80. 533 EuGH, Urteil vom 06. 12. 1984 – C-59/83 – Biovilac ./. EWG, Rn. 22. 534 So jedenfalls das EuG, vgl. EuG, Urteil vom 07. 07. 2017 – T-215/15 – Mykola Yanovych Azarov gegen Rat der Europäischen Union, Rn. 85. Andeutung auch bei EuGH, Urteil vom 13. 06. 2017 – C-258/14 – Eugenia Florescu u. a. gegen Casa Judet¸eana˘ de Pensii Sibiu, Rn. 55. 535 EuGH, Urteil vom 03. 12. 1998 – C-368/96 – Generics (UK) u. a., Rn. 85. 536 So EuGH, Urteil vom 13. 06. 2017 – C-258/14 – Eugenia Florescu u. a. gegen Casa Judet¸eana˘ de Pensii Sibiu, Rn. 55. 537 Calliess, in: FS Jarass 2015, 3 (10) mit umfangreichen Nachweisen zur Rechtsprechung. 538 Kühling, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (1. Auflage 2017), Art. 17 GrCH Rn. 16. 539 Kühling, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (1. Auflage 2017), Art. 17 GrCH Rn. 3; Nettesheim, EuZW 1995, 105 (106) hinsichtlich Berufsfreiheit. 540 Kühling, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (1. Auflage 2017), Art. 17 GrCH Rn. 3.
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Aus dem Wortlaut ergibt sich keine weitere Aufklärung hinsichtlich der Reichweite des Eigentumsbegriffs. Grundsätzliches Schutzgut der Eigentumsfreiheit sind vermögenswerte Rechte, nicht aber bloße Aussichten oder Interessen kaufmännischer Art.541 Die Diskussion um den Schutz des Vermögens als solches ist weitestgehend kongruent mit der Diskussion des Grundrechtsschutzes der Eigentumsfreiheit gegen Abgabenbelastungen.542 Sie gilt als im Ergebnis nicht abschließend geklärt, sowohl hinsichtlich des Ergebnisses als auch hinsichtlich des Standes der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs.543 In der Rechtssache Schräder544 zu den Mitverantwortungsabgaben hatte der Europäische Gerichtshof einen Eingriff in die Eigentumsfreiheit schon daran scheitern lassen, dass die betroffene Klägergruppe die endgültige finanzielle Belastung nicht zu tragen hatte, sondern die Abgabenbelastung sich letztlich als durchlaufender Posten darstellte. Vor einem solchen administrativen Mehraufwand schütze allerdings die Eigentumsfreiheit nicht.545 Ob die Textstelle suggerieren soll, dass bei verbleibender finanzieller Belastung ein Eingriff vorgelegen hätte, ist uneindeutig.546 Der Europäische Gerichtshof hat in der folgenden Entscheidung Zuckerfabrik Süderdithmarschen547 ausgeführt, dass eine Vermögensbelastung keinen „Verstoß“ gegen das Eigentumsrecht darstellen kann.548 Vor allem in der Folge dieses Urteils interpretiert die weit überwiegende Meinung in der Literatur sowie zum Teil der Bundesfinanzhof549 diese Stelle in der Weise, dass eine Abgabenbelastung schon keinen Eingriff in die Eigentumsfreiheit darstelle.550 Dafür spricht der Umstand, dass 541 EuGH, Urteil vom 18. 07. 2013 – C-426/11 – Sky Österreich GmbH, Rn. 34; Jarass, in: Jarass, Charta der Grundrechte der EU (3. Auflage 2016), Art. 17 Rn. 6. 542 Depenheuer, in: Tettinger/Stern, Europäische Grundrechtecharta (2006), Art. 17 GrCH Rn. 37. 543 Ismer, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG (286. Lieferung 06.2018), Einführung zum EstG, Rn. 532; BFH, Urteil vom 11. 2. 2015, I R 3/14, Rn. 14. Diese Feststellung des 1. Senats ist insofern interessant, als dass der 2. Senat noch eine Schutzbereichseröffnung von Art. 17 GrCH hinsichtlich des Vermögens kategorisch abgelehnt hatte, vgl. BFH, Urteil vom 19. 06. 2013 – II R 10/12, Rn. 29; Hahn, BB 2014, 23 (26). 544 EuGH, Urteil vom 11. 07. 1989 – C-265/87 – Schräder HS Kraftfutter. 545 EuGH, Urteil vom 11. 07. 1989 – C-265/87 – Schräder HS Kraftfutter, Rn. 17. 546 Für eine Interpretation im Sinne des Vermögensschutzes durch die Eigentumsfreiheit Schilling, EuZW 1991, 310 (312) und Günther (1998), S. 41; von einer Art Ausweichverhalten des EuGH spricht Buschmann (2017), S. 126. 547 EuGH, Urteil vom 21. 02. 1991 – C-143/88 – Zuckerfabrik Süderdithmarschen und Zuckerfabrik Soest. 548 Ohlendorf (2015), S. 377 m.w.N. 549 Vgl. BFH, Urteil vom 19. 06. 2013 – II R 10/12, Rn. 29. 550 von Danwitz, in: Bericht zur Lage des Eigentums, 2002, S. 268; Hahn, EWS 2015, 15 (19); Calliess, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten (4. Auflage 2015), § 20 Rn. 20; Kube, HFSt 2 (2016), 53; die Rechtsprechung ebenfalls so deutend Sonnevend, in: Grabenwarter (Hrsg.), Europäischer Grundrechteschutz (EnzEuR Bd. 2), § 14 Rn. 53; Depenheuer, in: Tettinger/Stern, Europäische Grundrechtecharta (2006), Art. 17 GrCH Rn. 37; Günther (1998), S. 41; Jarass, NVwZ 2006, 1089 (1090); Müller-Michaels (1997), S. 42; von
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sich der Europäische Gerichtshof explizit auf den Vortrag der Britischen Regierung bezog, wonach Abgabenbelastungen „niemals“ das Eigentumsrecht verletzen können.551 Auch wird die Knappheit der Antwort als Argument für diese Position angeführt.552 In der jüngeren Literatur kam im Anschluss an die Entscheidung Faroe Seafood553 wieder554 vereinzelt die These auf, dass die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs uneindeutig in dieser Frage sei.555 Stellenweise wird anhand dieses Urteils die Schutzbereichseröffnung des Eigentumsgrundrechts bei Vermögensbelastungen explizit bejaht.556 Im betroffenen Urteil hinsichtlich einer Abgabenbelastung stellte der Europäische Gerichtshof fest, dass diese nicht unverhältnismäßig sei. Hiernach stehen „(…) die sich aus dem Eigentumsrecht und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergebenden Anforderungen einer Nacherhebung von Eingangsabgaben durch die zuständigen Behörden (…)“ nicht entgegen.557 Es bleibt unklar, ob die Verhältnismäßigkeitsprüfung integriert in der Prüfung der Eigentumsfreiheit erfolgt, was aus deutschem Grundrechtsverständnis nahe liegt, oder ob der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als Grundsatz des Unionsrechts558 eigenständiger Prüfung unterliegt. Die Stelle könnte zudem die Eröffnung des Schutzbereichs schlicht offenlassen, da der Eingriff jedenfalls nicht unverhältnismäßig wäre. Stimmen in der Literatur verweisen zudem auf die etwas missglückte Prüfung einer Rückwirkung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Faroe Seafood, auf die sich der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beziehe.559 Letztlich geht es also um eine Unklarheit der Formulierung „(…) aus dem Eigentumsrecht und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (…)“ (Hervorhebung durch Bearbeiter).
Milczwewski (1994), S. 259; Bohlken (1999), S. 276; Vosgerau, in: Stern/Sachs GrCH (1. Auflage 2016), Art. 17 Rn. 28; Streinz, in: Streinz, EUV/AEUV (3. Auflage 2018), Art. 17 GrCH Rn. 6; Jarass, in: Jarass, Charta der Grundrechte der EU (3. Auflage 2016), Art. 17 Rn. 6; Amend (2001), S. 212, der gleichzeitig aber von einem Schutz vor konfiskatorischer Besteuerung spricht; für einen Schutz lediglich vor konfiskatorischer Besteuerung ebenso Ohler (1997), S. 232; offen gelassen bei Schilling, EuZW 1991, 310 (312); für einen Vermögensschutz Kühling, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (1. Auflage 2017), Art. 17 GrCH Rn. 19; Frenz, Handbuch Europarecht (Band IV, 2009), Rn. 2857; Buschmann (2017), S. 127, der von einem Schutz vor willkürlichen und überfordernden Belastungen ausgeht. 551 Vgl. hierzu Buschmann (2017), S. 126 m.w.N. 552 Günther (1998), S. 41. 553 EuGH, Urteil vom 14. 05. 1996 – C-153/94 – Faroe Seafood u. a. 554 So auch bereits Frenz, Handbuch Europarecht (Band IV, 2009), Rn. 2858. 555 Kühling, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (1. Auflage 2017), Art. 17 GrCH Rn. 19; Engler (2014), S. 251; Ohlendorf (2015), S. 378. 556 Buschmann (2017), S. 127; Hahn, EWS 2015, 15 (19). 557 EuGH, Urteil vom 14. 05. 1996 – C-153/94 – Faroe Seafood u. a., 5. Leitsatz. 558 Siehe Schwarze, FS Rengeling 2008, 633 – 644. 559 Vosgerau, in: Stern/Sachs GrCH (1. Auflage 2016), Art. 17 Rn. 28 und 52.
210
§ 4 Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen im Unionsrecht
Auch die Entscheidung SAM Schifffahrt GmbH u. Heinz Stapf/Bundesrepublik Deutschland560 wirft berechtigte Fragen auf. In der Entscheidung stellt der Europäische Gerichthof zunächst fest, dass Eingriffe in die Eigentumsfreiheit und die freie Berufsausübung rechtfertigbar sind.561 Anschließend befindet der Europäische Gerichtshof ohne Binnendifferenzierung zwischen beiden Grundrechten, dass eine solche Verhältnismäßigkeit vorliegend gegeben sei.562 In der Entscheidung Deutschland/Rat leitet der Gerichtshof die Prüfung wiederum mit der Aussage ein, dass beide Grundrechte Gegenstand der Verhältnismäßigkeitsprüfung sind, hält aber anschließend explizit fest, dass die betroffenen Marktanteile nicht der Eigentumsfreiheit unterliegen.563 Es lässt sich nicht abschließend sagen, ob der Europäische Gerichtshof sich von dem Urteil Zuckerfabrik Süderdithmarschen losgelöst hat bzw. dieses jemals im Sinne eines Nichteinbezugs des Vermögens zu verstehen war. Neben der Rechtsprechungsanalyse sind die Vorgaben der EMRK Gegenstand der Diskussion um die Reichweite des Art. 17 GrCH im Vermögensbereich. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte erkannte die Eingriffsqualität in die Eigentumsfreiheit des Art. 1 des ZP an.564 In der Literatur wird daher vertreten, dass diese Rechtsprechung auch für den Grundrechtsstandard der Grundrechtecharta gelte.565 Konkret über Art. 52 Abs. 3 GrCH gelte diese Rechtsprechung für Art. 17 GrCH.566 Art. 52 Abs. 3 GrCH bestimmt, dass die Grundrechte der GrCH, die ein Ebenbild in der EMRK haben, die „gleiche Bedeutung und Tragweite“ haben, wie sie ihnen in der EMRK verliehen wird. Vor dem Hintergrund der wenig ergiebigen Rechtsprechung ist die Unklarheit hinsichtlich der Übertragung der EGMR-Rechtsprechung auf die Grundrechtecharta momentaner Fixpunkt der Diskussion um die Reichweite des Art. 17 GrCH.567 An dieser Stelle wird der Ansicht gefolgt, wonach die Eigentumsfreiheit mangels Vermögensschutzes im Grundsatz keinen Schutz vor Abgabenbelastungen bietet. Selbst bei grundsätzlicher Ablehnung des Vermögensschutzes kann in besonderen Situationen jedoch ein solcher angezeigt sein. Beispielsweise scheinen Abgaben, die final an die Eigentumsverwendung anknüpfen, durchaus als potenziell dem Eigen560 EuGH, Urteil vom 17. 7. 1997 – C-248/95 u. 249/95 – SAM Schifffahrt GmbH u. Heinz Stapf/Bundesrepublik Deutschland. 561 EuGH, Urteil vom 17. 7. 1997 – C-248/95 u. 249/95 – SAM Schifffahrt GmbH u. Heinz Stapf/Bundesrepublik Deutschland, Rn. 72. 562 EuGH, Urteil vom 17. 7. 1997 – C-248/95 u. 249/95 – SAM Schifffahrt GmbH u. Heinz Stapf/Bundesrepublik Deutschland, Rn. 73 und 74. 563 EuGH, Urteil vom 05. 10. 1994 – Rs. C-280/93 – Deutschland/Rat, Rn. 77 ff. 564 Vergleiche z. B. EGMR, Beschwerde 40477/98 – Helene MUSA gegen Österreich – Zulässigkeitsentscheidung vom 10. September 1998; EGMR, NJW 1991, 1404 Darby ./. Schweden; aus der Literatur Sonnevend, in: Grabenwarter, Europäischer Grundrechteschutz (EnzEuR Bd. 2), § 14 Rn. 53. 565 Z. B. Hahn, EWS 2015, 15 (19); Reiner, DStZ 1999, 810 (828); Klawonn (2007), S. 233. 566 Hahn, EWS 2015, 15 (19); Frenz, Handbuch Europarecht (Band IV, 2009), Rn. 2859 ff. 567 So auch Hahn, BB 2014, 23 (25 f.).
B. Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen aus Europäischen Grundrechten
211
tumsschutz unterliegend.568 Dies gilt auch für Abgaben, die einzelne Eigentumspositionen belasten.569 Das entspricht der allgemeinen Dogmatik der Eigentumsfreiheit, wonach das Eigentum jedenfalls in seinem Wesensgehalt geschützt ist. Spricht man wie hier von einer weitestgehenden Kongruenz der Frage nach dem Vermögen als Teil der Eigentumsfreiheit mit dem Schutz derselben gegen Abgabenbelastungen, soll nicht verschwiegen werden, dass bei finaler Anknüpfung einer Abgabe beispielsweise an die spezifische Eigentumsverwendung ein Grundrechtseingriff am Eigentum selbst denkbar scheint.570 Im Falle der wirtschaftlichen Erdrosselung ist ein solcher Eingriff ebenfalls denkbar.571 Ein Beispiel für eine solche Konstellation ist das Urteil Ledra Advertising572. Im Rahmen der Bankenkrise in der Republik Zypern wurden Depotinhaber mit ihrem Depot teilweise zur Sanierung der betroffenen Bank herangezogen.573 Aufgrund der Involvierung der Europäischen Kommission in Form eines Memorandum of Understanding in die eigentlich unionsvölkerrechtliche Konstruktion des ESM fand auf deren Handeln die Grundrechtecharta Anwendung.574 Die Kläger begehrten Schadensersatz aus außervertraglicher Haftung nach Art. 340 Abs. 2 AEUV, die ein verletztes subjektives Recht erfordert.575 Obwohl es sich bei dem Depot letztlich um verdinglichtes Geldvermögen handelte, erkannte der Europäische Gerichtshof einen Eingriff in die Eigentumsfreiheit als subjektives Recht576 an.577 Dies zeigt, dass bei hinreichender Konkretisierung auf Einzelobjekte auch Vermögensbelastungen die Eigentumsfreiheit berühren.578 Knüpfen somit parafiskalische Abgaben hinreichend qualifiziert an einzelne Vermögensgegenstände an, werden sie zu Fragen der Eigentumsfreiheit. Im Ergebnis enthält die Eigentumsfreiheit nach hiesiger Auffassung somit grundsätzlich keine gesonderten Anforderungen an parafiskalische Abgaben.
568
Beispiel von Vosgerau, in: Stern/Sachs GrCH (1. Auflage 2016), Art. 17 Rn. 54 m.w.N. Kube, HFSt 2 (2016), 53; Korn (2015), S. 113 ff. 570 So auch Depenheuer, in: Tettinger/Stern, Europäische Grundrechtecharta (2006), Art. 17 GrCH Rn. 38; Korn (2015), S. 114 f. 571 Bohlken (1999), S. 277; Amend (2001), S. 212. 572 EuGH, Urteil vom 20. 09. 2016 – C-8/15 – Ledra Advertising Ltd u. a. gegen Europäische Kommission und Europäische Zentralbank. 573 EuGH, Urteil vom 20. 09. 2016 – C-8/15 – Ledra Advertising Ltd u. a. gegen Europäische Kommission und Europäische Zentralbank, Rn. 12 f. 574 EuGH, Urteil vom 20. 09. 2016 – C-8/15 – Ledra Advertising Ltd u. a. gegen Europäische Kommission und Europäische Zentralbank, Rn. 67; vgl. hierzu Gundel, NJW 2016, 3294 (3295) und Ehlers, JZ 2017 (43 (43). 575 EuGH, Urteil vom 20. 09. 2016 – C-8/15 – Ledra Advertising Ltd u. a. gegen Europäische Kommission und Europäische Zentralbank, Rn. 65. 576 EuGH, Urteil vom 20. 09. 2016 – C-8/15 – Ledra Advertising Ltd u. a. gegen Europäische Kommission und Europäische Zentralbank, Rn. 66. 577 EuGH, Urteil vom 20. 09. 2016 – C-8/15 – Ledra Advertising Ltd u. a. gegen Europäische Kommission und Europäische Zentralbank, Rn. 74. 578 Vgl. auch Müller-Michaels (1997), S. 42 hinsichtlich betroffener Unternehmen. 569
212
§ 4 Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen im Unionsrecht
b) Die hypothetische Annahme des Vermögensschutzes Würde man das Vermögen als solches – entgegen hiesiger Auffassung – als Schutzgut anerkennen, ist fraglich, welche Konsequenzen dies für die parafiskalischen Abgaben hätte. Im Wesentlichen unterwirft eine solche Annahme die parafiskalischen Abgaben einer Verhältnismäßigkeitsprüfung im Rahmen der Eigentumsfreiheit. Diese ist naturgemäß einzelfallbezogen,579 beispielsweise darf eine solche Abgabe nicht offensichtlich ungeeignet zur Erreichung ihres sachpolitischen Zwecks sein. Solche einzelfallbezogenen Fragestellungen können kaum generelle Maßstäbe parafiskalischer Abgabenerhebung aufstellen, die über allgemeine Anforderungen an Rechtsakte der Union hinausgehen. Eine Spezifizierung oder Sonderdogmatik der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte oder des Europäischen Gerichtshofs sind nicht ersichtlich. Im Ergebnis kann die Eigentumsfreiheit zentraler Prüfungspunkt der individuellen Abgabe werden, sie wird allerdings keine generellen Anforderungen an parafiskalischen Abgaben stellen. Sollte jedoch eine Abgabe nicht zugleich in die unternehmerische Freiheit eingreifen, würde die Eigentumsfreiheit zumindest ein potenziell rügefähiges subjektives Recht dem Abgabenbelasteten bieten. 2. Unternehmerische Freiheit, Art. 16 GrCH Bereits vor ihrer Kodifizierung in Art. 16 GrCH wurde auch die unternehmerische Freiheit als allgemeiner Rechtsgrundsatz des Gemeinschaftsrechts seitens des Europäischen Gerichtshofs anerkannt.580 Der Schutz der Unternehmen wurde allerdings über die Berufsfreiheit, die inzwischen in Art. 15 GrCH kodifiziert wurde, vorgenommen.581 Aufgrund signifikanter Auseinandersetzungen über die Stellung der unternehmerischen Freiheit wird diese laut Art. 16 GrCH lediglich „anerkannt“.582 Die unternehmerische Freiheit komplettiert die Wirtschaftsordnung der Union,583 in dem sie die Schutzlücke der Grundfreiheiten gegenüber Unionsorganen, ausgelöst durch deren Anknüpfung an grenzüberschreitenden Sachverhalten, grundrechtlich schließt.584 579
Siehe hierzu Schwarze, FS Rengeling 2008, 633 (643). Z. B. EuGH, Urteil vom 14. 05. 1974 – C-4/73 – Nold ./. Kommission, Rn. 14; EuGH, Urteil vom 21. 02. 1991 – C-143/88 – Zuckerfabrik Süderdithmarschen und Zuckerfabrik Soest, Rn. 73; aus der Literatur Schwarze, FS Stern 2012, 945 (946); Sagmeister (2010), S. 362. 581 Z. B. EuGH, Urteil vom 21. 02. 1991 – C-143/88 – Zuckerfabrik Süderdithmarschen und Zuckerfabrik Soest, Rn. 73; aus der Literatur Schwarze, EuZW 2001, 517 (519). 582 Hierzu Frenz, GewArch 2009, 427 (427) m.w.N.; auch Weatherill, ECLR 2014, 167 (180); gegen eine hieraus folgende Marginalisierung Kühling, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (1. Auflage 2017), Art. 16 GrCH Rn. 7; Gundel, ZHR 180 (2016), 323 (341 ff.). 583 Frenz, GewArch 2009, 427 (427). 584 Kühling, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (1. Auflage 2017), Art. 16 GrCH Rn. 1; Gundel, ZHR 180 (2016), 323 (329 ff.). 580
B. Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen aus Europäischen Grundrechten
213
Der Schutzumfang der unternehmerischen Freiheit lässt sich nur beschränkt von der Berufsfreiheit abgrenzen, deren Zwillingsschwester sie ist.585 Tendenziell fasst die Rechtsprechung den Anwendungsbereich der unternehmerischen Freiheit recht weit und schließt beispielsweise auch Selbständige ein.586 Facetten der unternehmerischen Freiheit sind die Freiheit zur Ausübung einer Geschäftstätigkeit,587 der Wahl der Geschäftspartner,588 die Vertragsfreiheit589 sowie auch der freie Wettbewerb.590 Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sind eine Vielzahl von Eingriffen in die unternehmerische Freiheit denkbar,591 darunter auch Eingriffe durch Abgabenbelastungen der Unternehmer.592 Damit schützt die unternehmerische Freiheit in ihrem spezifischen Kontext vor Abgabenbelastungen in Form parafiskalischer Abgaben. Die Rechtfertigung von Abgabenbelastungen ist in der Folge eine Frage der Verhältnismäßigkeit. Eine genaue Verortung hinsichtlich der einzelnen Ausprägungen der unternehmerischen Freiheit nimmt die Rechtsprechung nicht vor. Die Wettbewerbsfreiheit als Teilaspekt dürfte jedoch am ehesten betroffen sein. Sie umfasst die generelle wirtschaftliche Betätigungsfreiheit in einem freien Wettbewerbsumfeld.593
585
Schwarze, FS Stern 2012, 945 (950). Wunderlich, FS Schwarze 2014, 305 (310 ff.) mit Nachweisen zur Rechtsprechung, insbesondere anhand EuGH, Urteil vom 18. 07. 2013 – C-426/11 – Sky Österreich GmbH. 587 EuGH, Urteil vom 18. 07. 2013 – C-426/11 – Sky Österreich GmbH, Rn. 42; EuGH, Urteil vom 30. 06. 2016 – C-134/15 – Lidl GmbH & Co. KG gegen Freistaat Sachsen, Rn. 28; EuGH, Urteil vom 20. 12. 2017 – C-277/16 – Polkomtel sp. z o.o. gegen Prezes Urze˛ du Komunikacji Elektronicznej, Rn. 50. 588 EuGH, Urteil vom 18. 07. 2013 – C-426/11 – Sky Österreich GmbH, Rn. 43; EuGH, Urteil vom 20. 12. 2017 – C-277/16 – Polkomtel sp. z o.o. gegen Prezes Urze˛ du Komunikacji Elektronicznej, Rn. 50. 589 EuGH, Urteil vom 18. 07. 2013 – C-426/11 – Mark Alemo-Herron u. a. gegen Parkwood Leisure Ltd, Rn 32; EuGH, Urteil vom 18. 07. 2013 – C-426/11 – Sky Österreich GmbH, Rn. 42; EuGH, Urteil vom 30. 06. 2016 – C-134/15 – Lidl GmbH & Co. KG gegen Freistaat Sachsen; EuGH, Urteil vom 20. 12. 2017 – C-277/16 – Polkomtel sp. z o.o. gegen Prezes Urze˛ du Komunikacji Elektronicznej, Rn. 50. 590 EuGH, Urteil vom 18. 07. 2013 – C-426/11 – Sky Österreich GmbH, Rn. 42; EuGH, Urteil vom 30. 06. 2016 – C-134/15 – Lidl GmbH & Co. KG gegen Freistaat Sachsen; EuGH, Urteil vom 20. 12. 2017 – C-277/16 – Polkomtel sp. z o.o. gegen Prezes Urze˛ du Komunikacji Elektronicznej, Rn. 50. 591 EuGH, Urteil vom 18. 07. 2013 – C-426/11 – Sky Österreich GmbH, Rn. 46; EuGH, Urteil vom 26. 10. 2017 – C-534/16 – BB construct, Rn. 36. 592 EuGH, Urteil vom 11. 07. 1989 – C-265/87 – Schräder HS Kraftfutter, Rn. 18; EuGH, Urteil vom 21. 02. 1991 – C-143/88 – Zuckerfabrik Süderdithmarschen und Zuckerfabrik Soest, Rn. 76; EuGH, Urteil vom 21. 03. 1991 – C-359/89 – SAFA, Rn. 15 und 22; aus der Literatur Kube, HFSt 2 (2016), 52; Frenz, GewArch 2009, 427 (432); Shirvani, UPR 2013, 17 (22). 593 Gundel, ZHR 180 (2016), 323 (353); Grabenwarter, in: Grabenwarter (Hrsg.), Europäischer Grundrechteschutz (EnzEuR Bd. 2), § 13 Rn. 32. 586
214
§ 4 Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen im Unionsrecht
Es fällt auf, dass der Europäische Gerichtshof sehr breit gefasste und wenig spezifische öffentliche Interessen zur Rechtfertigung eines Eingriffs zulässt.594 In der Entscheidung Zuckerfabrik Süderdithmarschen wurde zum Beispiel das Ziel, Kosten aus dem Zuckersektor nicht von der Gemeinschaft tragen zu lassen, als rechtfertigend anerkannt.595 Vor diesem Hintergrund dürften der Abgabenerhebung seitens der Union keine zu restriktiven Grenzen gesetzt werden. Für die Untersuchung der parafiskalischen Abgaben ist zudem relevant, dass durch die Vielseitigkeit möglicher Zielsetzungen des Gesetzgebers keine Prognosen hinsichtlich allgemeiner Anforderungen an parafiskalische Abgaben gemacht werden können, die über eine einzelfallabhängige Konkordanz mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hinausgehen. Im Ergebnis ist auch im Bereich der unternehmerischen Freiheit im Wesentlichen die Verhältnismäßigkeit der individuellen Abgabenerhebung fraglich. Generelle Voraussetzungen der Abgabenerhebung lassen sich an dieser Stelle nicht gewinnen. Die Freiheitsgrundrechte der Eigentumsfreiheit und der unternehmerischen Freiheit sind für den betroffenen Abgabepflichtigen potenzielles Einfallstor der richterlichen Überprüfung der Belastung. Für die Eigentumsfreiheit ist dies stärker vom individuellen Sachverhalt abhängig denn für die unternehmerische Freiheit. Darüber hinausgehend sind jedoch keine konkretisierbaren Maßstäbe hinsichtlich der parafiskalischen Abgaben aus den Freiheitsgrundrechten ersichtlich, die sich nicht bereits im Rahmen des allgemeinen Gleichheitssatzes aus der Verhältnismäßigkeitsprüfung ergäben.
IV. Grundfreiheiten Die Grundfreiheiten verpflichten nicht nur die Mitgliedstaaten, sondern auch die Unionsorgane, obwohl entsprechende Anwendungsfälle selten sind.596 Der überragende Teil ihrer gerichtlichen Anwendung liegt in der Überprüfung mitgliedstaatlichen Rechts.597 Die Grundfreiheiten knüpfen im Ausgangspunkt an die Benachteiligung grenzüberschreitender Aktivität an,598 was ein nur sehr selten durch Unionsorgane berührter Aspekt ist. Dementsprechend enthalten die Grundfreiheiten 594 Everson/Gonçalves, in: Peers/Hervey/Kenner/Ward, The EU Charter of Fundamental Rights (1. Auflage 2014), Art. 16 GrCH Rn. 16.53. 595 EuGH, Urteil vom 21. 02. 1991 – C-143/88 – Zuckerfabrik Süderdithmarschen und Zuckerfabrik Soest, Rn. 76. 596 Kühling, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (1. Auflage 2017), Art. 16 GrCH Rn. 1; aus der Rechtsprechung beispielsweise EuGH, Urteil vom 12. 07. 2005 – C-154/04 – Alliance for Natural Health u. a., Rn. 47; EuGH, Urteil vom 12. 07. 2012 – C-59/11 – Association Kokopelli gegen Graines Baumaux SAS, Rn. 80; EuGH, Urteil vom 25. 06. 1997 – C-114/96 – Kieffer und Thill, Rn. 27. 597 Vgl. Schaumburg, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht (1. Auflage 2015), Rn. 4.29 ff. 598 Schaumburg, in: Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht (1. Auflage 2015), Rn. 4.296 ff.; Lehner, IStR 2016, 265 (266) m.w.N.
C. Anforderungen an unionseigene parafiskalische Abgaben
215
keine Anforderungen, die typischerweise mit unionseigenen parafiskalischen Abgaben in Konflikt stehen. In den Worten Lehners bieten die Grundfreiheiten „keine eigenständigen Kriterien materieller Steuergerechtigkeit.“599 Daher sollen sie in dieser Untersuchung nicht weiter gewürdigt werden.
V. Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) Die Europäische Menschenrechtskonvention ist potenziell eine weitere Quelle der rechtlichen Anforderungen an unionseigene parafiskalische Abgaben.600 Entsprechende Auswirkungen der EMRK auf das nationale Abgaben- und Steuerrecht fokussieren sich auf diskriminierende Formen ihrer Erhebung.601 Primärnorm im steuerrechtlichen Kontext ist die Eigentumsfreiheit des 1. Zusatzprotokolls.602 Diese Fragen sind aber letztlich kein Spezifikum der Rechtmäßigkeitsanforderungen an unionseigene parafiskalische Abgaben und daher für diese Untersuchung nicht interessant. Im Übrigen spiegelt sich das Abgabenrecht in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht als gleichheitsrechtliche Frage, sondern als solche der Eigentumsfreiheit.603 Die Rechtsprechung beschränkt sich hier auf Extremfälle.604 Größere Erkenntnisgewinne für die unionseigenen parafiskalischen Abgaben sind von einer vertieften Darstellung der Thematik nicht zu erwarten, weshalb auf eine Darstellung verzichtet wird.
C. Ein konsolidierter Deutungsversuch der Anforderungen an unionseigene parafiskalische Abgaben Nach Darstellung der kompetenz- wie grundrechtlichen Einwirkungen auf die unionseigenen parafiskalischen Abgaben gilt es, beide Anforderungsbereiche in einer konsolidierten Dogmatik der unionseigenen parafiskalischen Abgabe zusammenzuführen.
599
Lehner, FS Wendt 2015, 861 (876); zum generellen Abstieg der Grundfreiheiten gegenüber den Unionsgrundrechten Kingreen, FS Jarass 2015, 51 (59). 600 Vgl. zu einem Kurzüberblick hinsichtlich der EMRK im Steuerrecht Ismer, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG (287. Lieferung 08.2018), Einführung zum EstG, Rn. 580. 601 Engler (2014), S. 284. 602 Ismer, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG (287. Lieferung 08.2018), Einführung zum EstG, Rn. 580. 603 Ohlendorf (2015), S. 207 m.w.N. 604 Ohlendorf (2015), S. 369 f. m.w.N.; zum Schutz vor willkürlicher Belastung Ismer, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG (287. Lieferung 08.2018), Einführung zum EstG, Rn. 580.
216
§ 4 Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen im Unionsrecht
Die Untersuchung der Kompetenzen des Europäischen Primärrechts hat klare Anforderungen an die Ausgestaltung parafiskalischer Abgaben aufgezeigt. - Parafiskalische Abgaben müssen über eine Zweckbindung der Mittel verfügen. Die Zweckbindung ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs anhand der Reichweite der ihr zugrundeliegenden Sachkompetenz zu bestimmen und ist in kompetenzrechtlicher Hinsicht nicht von der individuell zu bewältigenden Sachaufgabe abhängig. - Parafiskalische Abgaben unterliegen dabei im Speziellen nicht einer aus ihrer Sachkompetenz etwaig innewohnenden Deckelung ihrer Höhe. - Parafiskalische Abgaben dürfen nicht der Finanzierung des allgemeinen Unionshaushalts dienen. Ihr Erhebungszweck kann nicht primär fiskalischer Natur sein. Die Erhebung und die Auskehrung der Mittel müssen nicht auf die der Abgabenerhebung zugrunde liegende konkrete Sachaufgabe gerichtet sein, müssen sich aber in dem kompetenzrechtlichen Umfang des Sachkompetenztitels bewegen. - Das Eigenmittelsystem enthält aufgrund der parafiskalischen Natur der Abgaben keine Anforderungen an deren Abgabenerhebung. - Die systematische Integrität der sonstigen Finanzvorschriften und die Haushaltsgrundsätze bieten zum derzeitigen Zeitpunkt nach der Analyse der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs keine justiziable Beschränkung parafiskalischer Abgaben. Die grundrechtliche Seite der parafiskalischen Abgaben hat ebenfalls Anforderungen erkennbar werden lassen. - Gleichheitsrechtlich lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine verlässliche Aussage treffen, ob der allgemeine Gleichheitssatz auch im Bereich der direkten Steuern und Abgaben zu einer bereichsspezifischen Ausformung finden wird. Jedenfalls findet ungebrochen die allgemeine Prüfung des Gleichheitssatzes auf die unionalen parafiskalischen Abgaben Anwendung, welche die Sachnähe und Verhältnismäßigkeit einer Abgabenbelastung erfordert. Es spricht viel dafür, entgegen der bisherigen expliziten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs eine gewisse Finanzierungsverantwortung des Abgabenbetroffenen für eine Sachaufgabe zu fordern, um die Ungleichbehandlung mit der Allgemeinheit der Steuerzahler zu rechtfertigen. Stehen im Rahmen der Bewältigung einzelner Sachaufgaben einzelne Wirtschaftsteilnehmer in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis, sollte die Ungleichbehandlung unter einem Rechtfertigungsdruck stehen. - Unergiebig als Generalmaßstab haben sich die freiheitsrechtlichen Wirtschaftsgrundrechte der Grundrechtecharta erwiesen. Selbst wenn der Vermögensschutz mittels der Eigentumsfreiheit angenommen werden würde, wären hieraus keine typisierten Folgerungen für die Ausgestaltung parafiskalischer Abgaben möglich.
C. Anforderungen an unionseigene parafiskalische Abgaben
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Auch wenn grundsätzlich betroffen, liefert die unternehmerische Freiheit keine weitergehenden Anforderungen an parafiskalische Abgaben. - Die Grundfreiheiten lassen keine spezifischen Anforderungen erkennen. Dies gilt im gleichen Maße für die Europäische Menschenrechtskonvention.
§ 5 Die Rechtsgrundlage des Art. 114 Abs. 1 AEUV für die parafiskalischen Abgaben der Bankenunion Die ersten vier Paragraphen der Arbeit haben die parafiskalische Abgabe als Abgabentyp betrachtet, der außerhalb einzelner Kompetenzgrundlagen steht. Für die exemplarische Untersuchung der parafiskalischen Abgabe anhand des Kommissionsvorschlags zur Errichtung eines vergemeinschafteten Einlagensicherungssystems ist dessen Kompetenzgrundlage1 des Art. 114 Abs. 1 AEUV von Bedeutung für die Untersuchung. Art. 114 Abs. 1 AEUV ist des Weiteren Kompetenzgrundlage des SRM,2 nicht aber des SSM.3 Auch die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA) stützt sich auf Art. 114 Abs. 1 AEUV.4 Das Stützen der korrespondierenden parafiskalischen Gebühren auf jene Kompetenzgrundlage ist weiteres Indiz der Relevanz dieses Artikels. § 5 widmet sich der Kontextualisierung dieser Norm, um die Prüfung von EDIS in § 6 zu ermöglichen. Dabei soll im Schwerpunkt auf die Abgabenerhebung unter Ingebrauchnahme des Art. 114 Abs. 1 AEUV eingegangen werden, jedoch werden auch die weiteren Rechtsaspekte der Kompetenzgrundlage beleuchtet, soweit sie für eine umfassende Rechtmäßigkeitsprüfung von EDIS erforderlich sind. Gewissermaßen komplettiert § 5 die Vorstellung der Bankenunion in § 3.
1
Siehe Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 im Hinblick auf die Schaffung eines europäischen Einlagenversicherungssystems vom 24. 11. 2015, COM (2015) 586. 2 Siehe Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2014 zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Abwicklungsfonds sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010. 3 Siehe Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates vom 15. Oktober 2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank (im Folgenden: SSM-Verordnung). 4 Siehe Verordnung (EU) Nr. 1094/2010 vom 24. November 2010, die den genauen Absatz des Art. 114 AEUV jedoch nicht weiter konkretisiert; vgl. zu Art. 114 Abs. 1 AEUV hinsichtlich der Gebührenerhebung auch Calliess/Schoenfleisch, JZ 2015, 113 (120).
A. Grundlagen und Tatbestand des Art. 114 Abs. 1 AEUV
219
A. Grundlagen und Tatbestand des Art. 114 Abs. 1 AEUV Dem Binnenmarkt kommt eine Zentralstellung in der Europäischen Integration zu.5 Die Schaffung eines funktionsfähigen Wirtschaftsraums setzt eine gewisse Rechtsvereinheitlichung voraus, die Art. 114 Abs. 1 AEUV ermöglichen soll.6 Art. 114 Abs. 1 AEUV hat sich zu einer Kompetenzgrundlage mit einem facettenreichen Anwendungsbereich entwickelt.7 Es besteht ein erheblicher Rechtsprechungskanon. Nachdem der Europäische Gerichtshof zunächst eine restriktive Auslegung der Vorgängervorschrift der Art 100a II EWGV und später Art. 95 Abs. 2 EGV vornahm und insbesondere in seinem Urteil zur Tabakwerbung8 rechtsprecherische Präsenz zeigte,9 verwässerte er die dort aufgestellten strengen Anforderungen zunehmend.10 Durch die sehr großzügige Rechtsprechungslinie halten weite Teile der Literatur Art. 114 Abs. 1 AEUV für eine extensiv ausgedehnte Kompetenz der Europäischen Union, sowie als Zentralvehikel der Wirtschaftsintegration zulasten nationaler Kompetenzbereiche.11 Die diesbezüglich prominente Stellung des Art. 114 Abs. 1 AEUV besteht nicht erst seit seiner Ingebrauchnahme im Rahmen der Bankenunion.
I. Tatbestand Der Tatbestand erfordert die Zielsetzung der Binnenmarktkonsolidierung sowie entsprechende Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten. 5 Terhechte, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (1. Auflage 2017), Art. 26 AEUV Rn. 7. 6 Zur Geschichte des Art. 100a EWGV Langeheine, EuR 1988, 235 (236 f.). 7 Fahey, MLR 74 (2011), 581 (586); so schon Sellmayr/Kamann/Ahlers, EWS 2003, 49 (49); Haltern, Europarecht, Band I (3. Auflage 2017), Rn. 805; von der „Grundnorm der Rechtsangleichung“ spricht Anzinger, HFSt 6 (2016), 122 (136); zu Art. 95 Abs. 1 S. 2 EGV Hillgruber, GS Blomeyer 2004, 597 (611) und Herrmann, in: Schroeder, Europarecht als Mehrebenensystem (2008), 141. 8 EuGH, Urteil vom 05. 10. 2000 – C-376/98 – Deutschland ./. Parlament und Rat. 9 EuGH, Urteil vom 05. 10. 2000 – C-376/98 – Deutschland ./. Parlament und Rat; hierzu Fahey, MLR 74 (2011), 581 (587); Herrmann, in: Schroeder, Europarecht als Mehrebenensystem (2008), S. 148 f.; Weatherill, German Law Journal 12 (2011), 827 (828). 10 Jedenfalls wird die Rechtsprechungslinie allgemein als deutlich großzügiger wahrgenommen, vgl. Fahey, MLR 74 (2011), 581 (587 f.); Herrmann, in: Schroeder, Europarecht als Mehrebenensystem (2008), S. 149; kritisch Nettesheim, EuZW 2016, 578 (581); EuGH, Urteil vom 10. 12. 2002 – C-491/01 – British American Tobacco, EuGH, Urteil vom 14. 12. 2004 – C-210/03 – Swedish Match. 11 Dougan, JCMS 48 (2010), 163 (172 ff.); regelmäßig als „competence creep“ bezeichnet, gerade im Zusammenhang mit Art. 114 Abs. 1 AEUV, vgl. Nettesheim, EuZW 2016, 578 (581) m.w.N.; Tuominen, CML Rev. 2017, 1359 (1377); Maierhöfer, JZ 2007, 463 (463); kritische Diskussion der These bei Garben, Oxford J. Legal Stud. 35 (2015), 55 (70 f.).
220
§ 5 Die Rechtsgrundlage des Art. 114 Abs. 1 AEUV
1. Der Binnenmarkt als Regelungsziel Unterschiedliche Rechtssysteme werden zwar als notwendige Folge der Souveränität der Mitgliedstaaten gesehen. Zugleich umfasst nach Art. 26 Abs. 2 AEUV der Binnenmarkt einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gemäß den Bestimmungen der Verträge gewährleistet ist. Zur Gewährleistung des Binnenmarkts ist eine Beschränkung der Rechtszersplitterung erforderlich. Dabei besteht einerseits eine enge Verknüpfung zwischen dem Binnenmarktkonzept und den Grundfreiheiten,12 als Teil der negativen Integration.13 Die positive Integration durch Setzung eigener Rechtsnormen verlangt als erste Tatbestandsvoraussetzung zunächst die Finalität in Bezug auf die Binnenmarktvollendung.14 Der Binnenmarkt soll also nicht als Selbstzweck reguliert werden, sondern es soll eine Verbesserung seines Zustandes erstrebt und erreicht werden.15 Maßnahmen nach Art. 114 Abs. 1 AEUV müssen die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts fördern. Im Wesentlichen fokussiert sich die Kompetenzgrundlage auf die Öffnung des Marktes sowie dessen Vertiefung.16 Grundfreiheitshindernisse oder Wettbewerbsverfälschungen sind somit Voraussetzung der Anwendung des Art. 114 Abs. 1 AEUV.17 Qualitativ müssen diese Hindernisse oder Verfälschungen geeignet sein, grundfreiheitlich geschützte Tätigkeiten zu stören und sich dadurch unmittelbar auf den Binnenmarkt auszuwirken.18 Bei hinreichender Plausibilität und entsprechender Finalität des Handelns billigt der Europäische Gerichtshof präventive Maßnahmen in diesem Bereich.19 Die Anwendung des Art. 114 Abs. 1 AEUV erfordert nicht, dass ausschließlich grenzüberschreitende Aktivitäten betroffen sind.20 Durch die qualitative Hürde erkennt der Europäische Gerichtshof an, dass die Kompetenzgrundlage keine allgemeine Kompetenz zur Regulierung des Binnen-
12
Terhechte, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (1. Auflage 2017), Art. 26 AEUV Rn. 10; vgl. Müller-Graff, FS Schwarze 2014, 617 (619). 13 Zur Unterscheidung zur positiven Integration Caro de Sousa, German Law Journal 13 (2012), S. 979 ff.; auch Kingreen, FS Jarass 2015, 51 (59). 14 S. Silny, S. 73 ff. 15 Sellmayr/Kamann/Ahlens, EWS 2003, 49 (51); von Danwitz, EuZW 1998, 622 (625). 16 Müller-Graff, FS Schwarze 2014, 617 (621); vgl. Frenz/Ehlers, EuZW 2011, 623 (623). 17 EuGH, Urteil vom 30. 09. 2015 – C-398/13 – Inuit Tapiriit Kanatami u. a. gegen Europäische Kommission, Rn. 26; EuGH, Urteil vom 08. 06. 2010 – C-58/08 – Vodafone u. a. ./. Secretary of State for Business, Enterprise and Regulatory Reform, Rn. 32; EuGH, Urteil vom 10. 12. 2002 – C-491/01 – British American Tobacco, Rn. 60; EuGH, Urteil vom 12. 12. 2006 – C-380/03 – Deutschland ./. Parlament und Rat, Rn. 37 f.; aus der Literatur Herr, EuZW 2005, 171 (172); im Kontext einer ökonomischen Analyse de la Feria/Fuest, E. L. Rev. 41 (2016), 44 (49 f.). 18 EuGH, Urteil v. 04. 05. 2016 – C-547/14 – Philip Morris, Rn. 57 m.w.N. 19 EuGH, Urteil v. 04. 05. 2016 – C-547/14 – Philip Morris, Rn. 59 m.w.N. 20 EuGH, Urteil vom 12. 12. 2006 – C-380/03 – Deutschland ./. Parlament und Rat, Rn. 80.
A. Grundlagen und Tatbestand des Art. 114 Abs. 1 AEUV
221
markts bietet.21 Zugleich wahrt der Europäische Gerichtshof durch die Hürde das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung.22 Eine weitere Hürde ist die Überprüfung der legislativen Intention. Der Binnenmarkt muss dem Handeln des Unionsgesetzgebers im Rahmen des Art. 114 Abs. 1 AEUV zugrunde liegen und kann als vermeintliche Zielsetzung nicht bloß vorgeschoben werden.23 Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichthofs muss die Ingebrauchnahme einer Kompetenzgrundlage dabei auf objektiven und justiziell nachprüfbaren Erwägungen hinsichtlich ihrer Zielrichtung und ihres Inhalts beruhen.24 In der Entscheidung ESMA25 nimmt der Europäische Gerichtshof keine Plausibilitätserwägung hinsichtlich der vorgebrachten Motive der Europäischen Kommission vor.26 Anhand dieses Beispiels ist ersichtlich, dass – abgesehen von offensichtlich bloß vorgeschobenen Motiven, wie beispielsweise der Begründung von Werbeverboten für Tabak mit der Verbesserung des Wettbewerbs,27 – der Europäische Gerichtshof im Motivtest keine allzu strengen Maßstäbe anzulegen scheint. Daher lässt sich diese Intention durch entsprechende Erläuterungen in den Erwägungsgründen eines Legislativakts in der Regel rechtssicher belegen. 2. Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften Art. 114 Abs. 1 AEUV ermächtigt zu Maßnahmen zur Angleichung der Rechtsund Verwaltungsvorschriften. a) Der Begriff der Maßnahmen Die Wahl der Rechtsgrundlage richtet sich nach Art. 296 Abs. 1 AEUV i.V.m. Art. 5 Abs. 4 EUV nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.28 Dies indiziert die Wahl des minimalinvasivsten Eingriffs bei gleichwertiger Effizienz, was insbeson21 EuGH, Urteil vom 05. 10. 2000 – C-376/98 – Deutschland ./. Parlament und Rat, 2. Leitsatz; aus der Literatur Moloney, CML Rev. 2014, 1609 (1653); zum Begriff Herrmann, in: Schroeder, Europarecht als Mehrebenensystem (2008), 146. 22 EuGH, Urteil vom 05. 10. 2000 – C-376/98 – Deutschland ./. Parlament und Rat, 2. Leitsatz; Terhechte, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (1. Auflage 2017), Art. 26 AEUV Rn. 63. 23 EuGH, Urteil vom 22. 01. 2014 – C-270/12 – ESMA, Rn. 113. 24 EuGH, Urteil vom 22. 10. 2013 – C-137/12 – Europäische Kommission gegen Rat der Europäischen Union, Rn. 52; EuGH, Urteil vom 19. 07. 2012 – C-130/10 – Europäisches Parlament gegen Rat der Europäischen Union, Rn. 42; EuGH, Urteil vom 08. 09. 2009 – C-411/ 06 – Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union, Rn. 45. 25 EuGH, Urteil vom 22. 01. 2014 – C-270/12 – ESMA. 26 EuGH, Urteil vom 22. 01. 2014 – C-270/12 – ESMA, Rn. 113 ff. 27 EuGH, Urteil vom 05. 10. 2000 – C-376/98 – Deutschland ./. Parlament und Rat, Rn. 79 ff.; hierzu Weatherill, German Law Journal 12 (2011), 827 (829). 28 Wunderlich/Pickartz, EuR 2014, 659 (661).
222
§ 5 Die Rechtsgrundlage des Art. 114 Abs. 1 AEUV
dere auf einen Vorrang der Richtlinie vor der Verordnung hindeutet. In rechtstatsächlicher Hinsicht ist gleichwohl ein Drang zur Verordnung feststellbar.29 Der Begriff der Maßnahmen geht dabei über die Richtlinie als Handlungsinstrument hinaus und eröffnet das gesamte Instrumentarium des Art. 288 AEUV.30 Trotz des Wortlauts der „Angleichung“ ist die Wahl der Verordnung als Maßnahme noch als Teil der Rechtsangleichung zu sehen. Begründet wird dies mit dem Zwang der Mitgliedstaaten, die entgegengesetzte nationale Rechtslage zu ändern.31 Zudem spricht die parallele Kompetenzgrundlage des Art. 115 AEUV spezifisch von „Richtlinien“,32 und nicht von unspezifischen „Maßnahmen“ wie Art. 114 Abs. 1 AEUV. Dem Unionsgesetzgeber wird vom Europäischen Gerichtshof ein Ermessen hinsichtlich der Maßnahmenwahl eingeräumt, insbesondere im Bereich komplexer technischer Fragestellungen.33 b) Der Begriff der Angleichung Die Rechtsangleichung wird als wesensgleiches Minus34 zur Rechtsvereinheitlichung aufgefasst. Die Rechtsangleichung zeichnet sich durch die Gewähr substantieller Entscheidungsspielräume der nationalen Legislative aus.35 In der Praxis sind die Übergänge zwischen Rechtsangleichung und Rechtsvereinheitlichung fließend, es wird ein erhebliches Ermessen gewährt.36 Im Ergebnis sind die Maßnahmen zur Anpassung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten daher weit auszulegen.
II. Abgrenzung zu anderen Kompetenzgrundlagen Nach der Annäherung an den Tatbestand des Art. 114 Abs. 1 AEUV ist ein spezifisches Problem des Art. 114 Abs. 1 AEUV genauer zu betrachten. Durch seine 29
Wunderlich/Pickartz, EuR 2014, 659 (660). M. Schröder, in: Streinz, EUV/AEUV (3. Auflage 2018) Art. 114 AEUV Rn. 57; zum Begriff Herrmann, in: Schroeder, Europarecht als Mehrebenensystem (2008), S. 143. 31 Herrnfeld, in: Schwarze, EU-Kommentar (3. Auflage 2012), Art. 114 AEUV Rn. 54. 32 Terhechte, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (1. Auflage 2017), Art. 26 AEUV Rn. 64 m.w.N. zu diesem Argument. 33 EuGH, Urteil vom 06. 12. 2005 – C-66/04 – Vereinigtes Königreich ./. Parlament und Rat, Rn. 45; EuGH, Urteil vom 22. 01. 2014 – C-270/12 – ESMA, Rn. 102; EuGH, Urteil v. 04. 05. 2016 – C-547/14 – Philip Morris, Rn. 63 m.w.N.; aus der Literatur Frenz/Ehlers, EuZW 2011, 623 (625). 34 So explizit Terhechte, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/ AEUV (1. Auflage 2017), Art. 114 AEUV Rn. 46; M. Schröder, in: Streinz, EUV/AEUV (3. Auflage 2018) Art. 114 AEUV Rn. 36. 35 Terhechte, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (1. Auflage 2017), Art. 114 AEUV Rn. 46. 36 M. Schröder, in: Streinz, EUV/AEUV (3. Auflage 2018) Art. 114 AEUV Rn. 36. 30
A. Grundlagen und Tatbestand des Art. 114 Abs. 1 AEUV
223
zielorientierte37 Wirkungsweise kann sich der Anwendungsbereich der Norm potenziell mit sektorenbezogenen Kompetenzgrundlagen überschneiden. Art. 114 Abs. 1 AEUV muss sich im Kompetenzgeflecht des Europäischen Primärrechts gegen mehrere Seiten abgrenzen. Art. 114 Abs. 1 AEUV ist als Rechtsgrundlage subsidiär, soweit der Anwendungsbereich speziellerer Kompetenznormen eröffnet ist.38 Ein regelmäßiges Problem ist die Umgehung anderer Kompetenzgrundlagen oder von Harmonisierungsverboten durch Art. 114 Abs. 1 AEUV, beispielsweise im Rahmen der Gesundheitspolitik39 oder der Gemeinsamen Handelspolitik.40 Bei widerstreitenden Zielsetzungen ist nach der Rechtsprechung auf den Schwerpunkt der Maßnahme abzustellen.41 Konkret für die Abgabenerhebung ist Artikel 114 Abs. 1 AEUV von Art. 113 und Art. 115 AEUV, von Art. 352 AEUV sowie intern von Art. 114 Abs. 2 AEUV abzugrenzen. Während Art. 113 AEUV nur die indirekten Steuern aufgreift, werden direkte Steuern durchaus von Art. 115 AEUV erfasst. Die Harmonisierung der direkten Steuern wird als Hauptanwendungsfall der Vorschrift begriffen.42 Art. 113 AEUV und Art. 115 AEUV sind die maßgeblichen Normen des Europäischen Primärrechts im Rahmen der Angleichung von Besteuerungsgrundlagen. Beide Normen klammern die Angleichung von Steuerrechtsnormen aus dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren aus und verlangen Einstimmigkeit im Rat. Die Systematik der Art. 113 ff. AEUV ist eine steuerrechtliche Grundsatzentscheidung der Mitgliedstaaten zulasten des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens und damit zulasten des Art. 114 Abs. 1 AEUV.43 Die systematische Auslegung spricht von daher mit Nachdruck für einen restriktiven Anwendungsbereich der Vorschrift im steuerrechtlichen Bereich. Der Steuerstaat als mitgliedstaatliche Organisationsform soll nicht durch den Binnenmarkt aufgehoben, sondern ein Zustand praktischer Konkordanz mit dem Binnenmarkt errungen werden.44 37
Zur Unterscheidung sogleich unter § 5 B. Terhechte, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (1. Auflage 2017), Art. 114 AEUV Rn. 25; Konstadinides, in: Schütze/Tridimas, Oxford Principles of European Union Law, The European Union Legal Order, Volume I (1. Auflage 2018), 191 (197); vgl. z. B. EuGH, Urteil vom 22. 10. 2013 – C-137/12 – Europäische Kommission gegen Rat der Europäischen Union, Rn. 76. 39 EuGH, Urteil vom 05. 10. 2000 – C-376/98 – Bundesrepublik Deutschland gegen Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union, Rn. 79; vgl. hierzu Herr, EuZW 2005, 171 (173); Klamert, EuZW 2015, 265 (267 f.) und Schroeder, EuZW 2001, 489 (492). 40 Vgl. z. B. EuGH, Urteil vom 22. 10. 2013 – C-137/12 – Europäische Kommission gegen Rat der Europäischen Union. 41 EuGH, Urteil vom 22. 10. 2013 – C-137/12 – Europäische Kommission gegen Rat der Europäischen Union, Rn. 53; dies kann gerade bei Abgaben im Spannungsfeld von Lenkungsund Finanzierungszwecken schwierig sein, vgl. Klein, DStJG 19 (1996), 7 (25). 42 Tietje, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (63. EL 2017) Art. 115 AEUV Rn. 1; Korte, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV (5. Auflage 2016), Art. 115 AEUV Rn. 4. 43 Straßburger (2012), S. 23. 44 Zum Verhältnis von Steuerstaat und Binnenmarkt Seiler, FS Isensee 2007, 875 – 894. 38
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§ 5 Die Rechtsgrundlage des Art. 114 Abs. 1 AEUV
B. Bereichsausnahmen des Art. 114 Abs. 2 AEUV Im Gegensatz zu anderen Kompetenzgrundlagen ist Art. 114 AEUV nicht sachbereichsspezifisch,45 weil es der Binnenmarkt selbst nicht ist. Art. 114 Abs. 1 AEUV bezieht sich nicht auf einen einzelnen Sektor (wie bspw. die Landwirtschaft), sondern auf das Ziel der Verwirklichung des Binnenmarkts, welches zugleich seine Reichweite bestimmt.46 Die Norm ist daher eine Querschnittskompetenz.47 Es gibt faktisch kaum einen Sachbereich, der nicht in Bezug zum Binnenmarkt gebracht werden kann.48 Die Kompetenz wird von einer Sachaufgabe, wenn auch nicht von einem Sachbereich, aus hergeleitet und ist daher als Sachkompetenz zu bezeichnen.49 Als zielbezogene Kompetenznorm unterliegt Art. 114 Abs. 1 AEUV somit einer Weite, die vor dem Hintergrund des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung neben der notwendigen spürbaren Beeinträchtigung des Binnenmarkts eine weitere Zügelung erforderlich macht.50 Diese Einschränkung des Anwendungsbereichs in sensiblen Politikbereichen wird vorrangig durch die Bereichsausnahmen des Art. 114 Abs. 2 AEUV erreicht.
I. Grundlagen der Bereichsausnahmen in Art. 114 Abs. 2 AEUV Die Bereichsausnahmen beschränken den Anwendungsbereich der Rechtsangleichung durch Art. 114 Abs. 1 AEUV. Sie sind der politische Kompromiss hinsichtlich der Durchführung des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens und der po45 Tietje, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (63. EL 2017) Art. 114 AEUV Rn. 3; Maierhöfer, JZ 2007, 463 (463). 46 Zur Unterscheidung von subject-related competences und objective-related competences anhand von Art. 114 Abs. 1 AEUV Konstadinides, in: Schütze/Tridimas, Oxford Principles of European Union Law, The European Union Legal Order, Volume I (1. Auflage 2018), 191 (193); in der deutschen Terminologie nach Bast, German Law Journal 15 (2014), 162 (175) als zielbezogene Kompetenzen und sachbezogene Kompetenzen zu bezeichnen. 47 Generalanwalt Fennelly, Schlussantrag vom 15. 06. 2000 – C-376/08 – Deutschland ./. Parlament und Rat, Rn. 4; Calliess, FS Fischer 2004, 1 (16) hinsichtlich Art. 95 Abs. EGV; Geber, JuS 2014, 20 (22). 48 Konstadinides, in: Schütze/Tridimas, Oxford Principles of European Union Law, The European Union Legal Order, Volume I (1. Auflage 2018), 191 (202); als generelles Merkmal zielbezogener Kompetenzen Bast, German Law Journal 15 (2014), 162 (175); Weatherill, German Law Journal 12 (2011), 827 (831). 49 Götz, JZ 2001, 34 (35) sieht die Rechtsangleichungskompetenzen als Gegenstück zu den sonstigen, primär in ihrer Sachmaterie verhafteten Kompetenzgrundlagen. Rechtsangleichungskompetenzen beziehen sich hiernach nicht auf eine Sachmaterie, wie die sonstigen Querschnittskompetenzen, sondern greifen über verschiedene Sachgebiete hinweg. Fokussiert man sich aber auf die Abgrenzung von Finanzkompetenzen zu Sachkompetenzen im Sinne eines kompetenzrechtlichen Dualismus, sind die Rechtsangleichungskompetenzen dem materiellen Aufgabenwirken der Union und jedenfalls nicht ihrer Finanzierung zuzuordnen. 50 Weatherill, German Law Journal 12 (2011), 827 (831).
B. Bereichsausnahmen des Art. 114 Abs. 2 AEUV
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litischen Sensibilität der betroffenen Sachbereiche.51 Fällt eine Maßnahme in den Anwendungsbereich des Art. 114 Abs. 2 AEUV, so kann Art. 114 Abs. 1 AEUV nicht mehr bemüht werden. Als Ausnahmevorschrift ist Art. 114 Abs. 2 AEUV nach weit überwiegender Meinung restriktiv auszulegen.52 Konkret umfasst Art. 114 Abs. 2 AEUV Bestimmungen über die Steuern, die Freizügigkeit und die Rechte und Pflichten der Arbeitnehmer. Die für die Untersuchung relevanten Steuern wurden schon im Rahmen der Einheitlichen Europäischen Akte den gewöhnlichen Mehrheitsentscheidungen entzogen.53 Die Bereichsausnahmen erfüllen eine kompetenzrechtliche Funktion zwischen der Union und ihren Mitgliedstaaten und haben keine weitergehende individualschützende Funktion. Für die parafiskalischen Abgaben sind die Bestimmungen über die Steuern von hoher Relevanz. Aufgrund der unionsautonomen Auslegung des Steuerbegriffes in Art. 114 Abs. 2 AEUV ist fraglich, welche Restriktionen durch ihn der Abgabengesetzgebung der Union auferlegt werden. Im Speziellen erscheint es möglich, dass Art. 114 Abs. 2 AEUV die Einführung parafiskalischer Abgaben auf Grundlage des Art. 114 Abs. 1 AEUV verhindert.
II. Der Begriff der Steuer in Art. 114 Abs. 2 AEUV Zur Erschließung der parafiskalischen Abgabe ist der Begriff der Steuer im Rahmen dieser Kompetenzgrundlage zu klären. Das Meinungsspektrum reicht von einem Verbot jeglicher Abgabenerhebung über Art. 114 Abs. 1 AEUV bis hin zu einer Beschränkung rein auf Steuern im engeren Sinne. Die parafiskalischen Abgaben stellen dabei häufig den Hauptaspekt der Diskussion dar durch ihren – abhängig von der konkreten Literaturmeinung – gruppenäquivalenten Charakter bei gleichzeitiger Steuerähnlichkeit. Die Diskussion ist nicht identisch mit der Frage eines sachgebietsübergreifenden unionalen Steuerbegriffes, zumindest aber artverwandt.
51 Terhechte, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (1. Auflage 2017), Art. 114 AEUV Rn. 4; Tietje, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (64. EL 2018) Art. 114 AEUV Rn. 88; Herrnfeld, in: Schwarze, EU-Kommentar (3. Auflage 2012), Art. 114 AEUV Rn. 18; Khan/Eisenhut, in: Geiger/Khan/Kotzur (Hrsg.), EUV/AEUV (1. Auflage 2015), Art. 114 AEUV Rn. 16; Müller (1994), S. 67; vgl. Mick, in: Birk (Hrsg.), Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts, § 24 Rn. 36. 52 Schröder, in: Streinz, EUV/AEUV (3. Auflage 2018), Art. 114 Rn. 13; Tietje, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (64. EL 2018) Art. 114 AEUV Rn. 89; Herrnfeld, in: Schwarze, EUKommentar (3. Auflage 2012), Art. 114 AEUV Rn. 18; Terhechte, in: Pechstein/Nowak/Häde (Hrsg.), Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (1. Auflage 2017), Art. 114 AEUV Rn. 28. 53 Ludwigs (2004), S. 257.
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§ 5 Die Rechtsgrundlage des Art. 114 Abs. 1 AEUV
1. Grundlagen der Diskussion Die Bereichsausnahme der Steuern in Art. 114 Abs. 2 AEUV schützt die fiskalische Integrität der Mitgliedsstaaten und verhindert eine losgelöste und autarke Fiskalpolitik der Europäischen Ebene.54 Die Norm ist Ausdruck des Prinzips der beschränkten Einzelermächtigung im Bereich der Finanzkompetenzen. Zunächst ist bezüglich der Finanzkompetenzen jedoch eine grundsätzliche Frage zu klären. Der Argumentation aus § 4 könnte es an Konsistenz mangeln angesichts der expliziten Normierung einer Bereichsausnahme für den Bereich der Steuern im Rahmen des Art. 114 AEUV. In § 4 wurde argumentiert, dass Sachkompetenzen im Unionsrecht nicht als Finanzkompetenzen eingesetzt werden können.55 Art. 114 Abs. 2 AEUV könnte somit eine rein klarstellende Funktion zugesprochen werden und damit nicht über einen eigenen Anwendungsbereichs verfügen oder es könnte die in § 4 aufgeworfene These wieder verworfen werden. Im Ausgangspunkt definierte der Europäische Gerichtshof die „Bestimmungen über Steuern“ des damaligen Art. 95 Abs. 2 EGV im Urteil Kommission gegen Rat56 aus dem Jahre 2004. Streitgegenständlich war dabei eine Richtlinie bezüglich der Modalitäten der Abgaben- und Steuererhebung im Bereich unionaler Abgabenhoheiten. Nach der Definition des Urteils deckt der Begriff der Steuer im Rahmen dieser Kompetenz „(…) nicht nur alle Gebiete des Steuerrechts ohne Unterscheidung der Art der betroffenen Steuern oder Abgaben (…), sondern auch alle Aspekte dieses Rechtsgebiets, ob es sich nun um materielle Regelungen oder Verfahrensregelungen handelt (…)“57 ab. Diese Definition ist in mehrerer Hinsicht nicht sehr aufschlussreich. Erstens ist festzustellen, dass sie keine konkreten Ansätze zur Reichweite des Steuerbegriffes selbst enthält. Zweitens ist sie ein typisches Beispiel für eine sachbereichsbezogene Auslegung des Steuerbegriffes. Der Begriff der Steuer in diesem Urteil dient keiner sachgebietsübergreifenden terminologischen Klärung, sondern ist in seiner kompetenzabgrenzenden Funktion zu interpretieren. Dies wird schon daran deutlich, dass Verfahrensrecht als Teil des materiellen Steuerbegriffes aufgefasst wird. Das Verfahrensrecht kann aber nicht Teil des Abgabentyps der Steuer sein, weil es selbst keine Abgabe darstellt. Vor dem Hintergrund mangelnder judikativer Präzision hat sich ein umfangreiches Schrifttum zu der betroffenen Frage entwickelt.
54 Zur teleologischen Interpretation des Art. 114 Abs. 2 AEUV sogleich im Kontext der parafiskalischen Abgaben. 55 Siehe zur Abgrenzung § 4 I. A. 6. 56 EuGH, Urteil vom 29. 04. 2004 – C-338/01 – Kommission/Rat. 57 EuGH, Urteil vom 29. 04. 2004 – C-338/01 – Kommission/Rat, Rn. 63.
B. Bereichsausnahmen des Art. 114 Abs. 2 AEUV
227
2. Abgaben und der Begriff der Steuer in Art. 114 Abs. 1 AEUV Die Bereichsausnahme des Steuerrechts muss zu anderen Abgabentypen in Art. 114 Abs. 2 AEUV abgegrenzt werden. In der Literatur ist umstritten, ob die parafiskalische Abgabe dem Anwendungsbereich des Art. 114 Abs. 1 AEUV unterfällt.58 Die Frage ist hochaktuell im Rahmen der Bankenunion.59 Die nicht gänzlich geklärte Rechtslage hinsichtlich Art. 114 Abs. 1 und Abs. 2 AEUV war ein juristischer Grund für das Einbauen des völkerrechtlichen Übereinkommens im Rahmen des SRM.60 Weiterhin war strittig, ob Art. 114 Abs. 1 AEUV überhaupt unionale Fondsstrukturen abstützen kann.61 Jedenfalls wurde diese Position auch und gerade von deutschen Regierung vertreten, so dass das politisch erwünschte Ergebnis der permanenten Kontrolle des Abwicklungsfonds und die Rechtsauffassung hinsichtlich der Reichweite der Kompetenzgrundlage übereinstimmten.62 Es bleibt daher fraglich, ob politische oder juristische Argumente den Ausschlag gaben. Anschließend wurden jedenfalls juristische Bedenken als Grundlage kommuniziert.63 58
Für einen Ausschluss Korte, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV (5. Auflage 2016), Art. 114 AEUV Rn. 14; Ohler, EuZW 2006, 679 (680 f.); Kuntze (1998), S. 168; Herdegen, WM 2016, 1905 (1907); Amend (2001), S. 89; wohl auch Pernice, NVwZ 1990, 201 (204, Fn. 33); für eine Einzelfallentscheidung anhand des Normzwecks Heselhaus (1998), S. 261; am Beispiel der EU-Bankenabgabe Calliess/Schoenfleisch, JZ 2015, 113 (120) sowie wohl auch Manger-Nestler, in: Blanke/Pilz, Die Fiskalunion, 2014, 299 (337); für eine „extensive“ Auslegung des Steuerbegriffes Straßburger (2012), S. 23; offengelassen bei Bergfeld (2008), S. 81 ff.; für die Anwendung des Art. 114 Abs. 1 AEUV bzw. der Vorgängernormen auf parafiskalische Abgaben Grabitz, RIW 1989, 623 (636); Kloepfer/Thull, DVBl 1992, 195 (202); Bohlken (1999), S. 185; Grabitz/Zacker, CMLRev 26 (1989), 423 (445 f.); Müller (1994), S. 68; Nettesheim, Jura 1994, 337 (342); Griegold/Repasi (2013), S. 8 f.; Meßerschmidt, RdE 1992, 226 (229); Schröer (1992), S. 172; Kreibohm (2004), S. 193; Kaufhold (2016), S. 316; Freytag (2000), S 82; Kang (2005), S. 117 ff.; Hilf, NVwZ 1992, 105 (107); Lienemeyer (2002), S. 164; wohl auch Krämer, EuGRZ 1989, 353 (359); hinsichtlich der EU-Bankenabgabe Kube, HFSt 2 (2016), 23 ff. sowie Herrmann/Rosenfeldt (2014), S. 12; für einen „engen“ Steuerbegriff Hidien, EuR 2007, 370 (382). 59 Teixeira, Eur Bus Org Law Rev 18 (2017), 535 (555); Herrmann/Rosenfeldt (2014), S. 12; De Witte, EuConst 11 (2015), 434 (439) m.w.N. 60 Korte, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV (5. Auflage 2016), Art. 114 AEUV Rn 14; vgl. Europäischer Rat, Presseerklärung 10088/14, Member states sign agreement on bank resolution fund. 61 Siehe dazu unter § 6 A. II. 2. b). 62 De Witte, EuConst 11 (2015), 434 (439) bezüglich der politischen Dimension der Frage hinsichtlich der dauerhaften Kontrolle über die Mittelverwendung; Fabbrini, Maastricht J. Eur. & Comp. L. 21 (2014), 444 (453); hinsichtlich der Zweifel der deutschen Regierung an der Kompetenzgrundlage der damalige Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble, Strategy for European recovery, Keynote speech on the strategy for European recovery given at the Fifth Bruges European Business Conference on Thursday, 27 March 2014. 63 Vgl. Europäischer Rat, Presseerklärung 10088/14, Member states sign agreement on bank resolution fund, wonach der juristische Aspekt ausschlaggebend war: „(…) is intended to provide maximum legal certainty (…)“; vgl. Moloney, CML Rev. 2014, 1609 (1658).
228
§ 5 Die Rechtsgrundlage des Art. 114 Abs. 1 AEUV
Argumentativ folgern zunächst anhand des Wortlauts anderer Sprachfassungen Teile der Literatur ein umfassendes Verständnis des Steuerbegriffes in Art. 114 Abs. 2 AEUV.64 In der englischen Sprachfassung wird der äquivalente Passus „fiscal provisons“ genannt, in der französischen Variante „dispositions fiscales“, die italienische Version spricht von „disposizioni fiscali“. Dieses fiskalische Element gebe der Bereichsausnahme einen weiten Charakter.65 Vor dem Hintergrund der Verbindlichkeit aller Sprachfassungen, also auch der deutschen Version, ist die Wortlautauslegung uneindeutig. Nachvollziehbaren Unklarheiten der Sprachfassungen aus dem Blickwinkel der Wortlautauslegung zum Trotz, folgt zumindest keine extensive Auslegung des Steuerbegriffes.66 Auch der Europäische Gerichtshof interpretiere nach der extensiven Auffassung den Begriff der Steuer bewusst in diese Richtung. Die Rechtsprechung wolle den in der Vorschrift innewohnenden Schutz der Mitgliedstaaten in ihrer Abgabenhoheit möglichst weit gewährleisten.67 Richtigerweise lässt sich aber aus der bereits dargelegten Definition der Rechtsprechung keine entsprechende Schlussfolgerung ziehen.68 Die Rechtsprechung deutet vielmehr darauf hin, die Steuerrechtsordnungen der Mitgliedstaaten vor Art. 114 Abs. 1 AEUV effizient zu schützen, schweigt aber zu den gegenleistungsbezogenen Abgaben.69 Teleologisch ist weitgehend unbestritten, dass Art. 114 Abs. 2 AEUV die mitgliedstaatliche Finanzhoheit und die Integrität der nationalen Steuerrechtsordnungen schützt.70 Vertreter der extensiven Auffassung heben daher hervor, dass sämtliche Abgabenerhebung die mitgliedstaatliche Finanzsouveränität unterlaufe und daher unter Art. 114 Abs. 2 AEUV unzulässig sei.71 Dabei lassen sich normative wie faktische Elemente der Finanzsouveränität in der Diskussion unterscheiden. Normativ wird in erster Linie die mitgliedstaatliche Souveränität im Steuerbereich angeführt, die jegliche normative Interferenz mit den mitgliedstaatlichen Steuer-
64
Ohler, EuZW 2006, 679 (680); Calliess/Schoenfleisch, JZ 2015, 113 (120); Herdegen, WM 2016, 1905 (1907); Amend (2001), S. 87; zur Diskussion Bergfeld (2008), S. 82. 65 Ohler, EuZW 2006, 679 (680); Amend (2001), S. 87. 66 So auch Bohlken (1999), S. 184 und Hof (1997), S. 88; für die Unklarheit auch Kreibohm (2004), S. 180. 67 Korte, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV (5. Auflage 2016), Art. 114 AEUV Rn 14; Ohler, EuZW 2006, 679 (681). 68 Khan/Eisenhut, in: Geiger/Khan/Kotzur (Hrsg.), EUV/AEUV (1. Auflage 2015), Art. 114 AEUV Rn. 17. 69 Für den extensiven Schutz der Steuerrechtsordnungen anhand des Beispiels der Amtshilferichtlinie EuGH, Urteil vom 26. 01. 2006 – C-533/03 – Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Rat der Europäischen Union. 70 Hidien, EuR 2007, 370 (379); Korte, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV (5. Auflage 2016), Art. 114 AEUV Rn 14; Amend (2001), S. 89; Lienemeyer, EuR 1998, 478 (499). 71 Kuntze (1998), S. 168 für Art. 100a Abs. 2 EGV; nach Herdegen, WM 2016, 1905, (1907) gelte dies jedenfalls für Abgabenerhebungen signifikanten Ausmaßes.
B. Bereichsausnahmen des Art. 114 Abs. 2 AEUV
229
rechtsordnungen zu unterbinden wünscht.72 Der Konkurrenzaspekt zieht aber weitere Kreise, vor allem in Bezug auf das faktische Steuersubstrat der Mitgliedstaaten. Vertreter der extensiven Auslegung argumentieren, dass jeglicher wirtschaftliche Zugriff auf die Steuerunterworfenen die Steuerbasis der Nationalstaaten aushöhle. Daher müsse ein umfassendes Abgabenverbot aus Art. 114 Abs. 2 AEUV folgen.73 Die faktische Einwirkung unionaler abgabenbezogener Maßnahmen auf das Steuersubstrat lässt sich dabei im Grundsatz nicht abstreiten. Selbst wenn der unmittelbare Zugriff auf die Bemessungsgrundlage nationaler Steuern durchbrochen wird, zum Beispiel durch das Betriebsausgabenabzugsverbot im Rahmen der Bankenabgabe,74 so ist dennoch ein mittelbares Erodieren der wirtschaftlichen Potenz vorhanden, jedenfalls als Reflex.75 Diese Diskussion ähnelt derjenigen über die Bestimmung der Reichweite der Sachkompetenzen bei in quantitativer Hinsicht erheblichen Abgabenerhebungen.76 Im Grunde genommen ist dies die schlichte Anerkenntnis der ökonomischen Realität, dass das Budgetrecht in seiner Entfaltungskraft erheblich von gesamtwirtschaftlichen Umständen abhängig ist.77 Heintzen bezeichnete dies im nationalen Kontext als „außerbudgetäre Vorgegebenheiten“ des Budgetrechtes.78 Als Fixpunkt der Diskussion hat sich somit der intendierte Schutz der fiskalischen Integrität der Mitgliedstaaten in seiner normativen wie faktischen Verfassung durch Art. 114 Abs. 2 AEUV herauskristallisiert. Andere Autoren sehen schon keinen Ausschluss der steuerähnlichsten Abgabenform der parafiskalischen Abgaben durch Art. 114 Abs. 2 AEUV. Lienemeyer hält bei sonderabgabenähnlichen Abgaben auf Unionsebene den Schutzzweck der Norm für nicht einschlägig.79 Die fiskalische Integrität der Mitgliedstaaten beruhe auf der hohen Bedeutung für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit der nationalen Haushalte. Durch die Sektorenerfassung der Sonderabgaben seien diese hierfür nicht relevant.80 Dieses Argument hat eine grundsätzliche Berechtigung, ist angesichts des Querschnittscharakters des Art. 114 Abs. 1 AEUV aber nicht so schlagkräftig, da dieser stets sektorenübergreifend operiert. Zunächst ist das faktische Element der mitgliedstaatlichen Finanzsouveränität zu würdigen, um die Reichweite des Art. 114 Abs. 2 AEUV zu bestimmen. In der Gesamtschau der Rechtsprechung zu den Sachkompetenzen in Bezug auf das 72
Calliess/Schoenfleisch, JZ 2015, 113 (120); Amend (2001), S. 89; Ohler, EuZW 2006, 679 (680 f.). 73 Vgl. z. B. Amend (2001), S. 89. 74 Siehe hierzu § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 13 EstG. 75 Vgl. für den Gedankengang Korte, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV (5. Auflage 2016), Art. 114 AEUV Rn 14; Herdegen, WM 2016, 1905 (1907); Calliess/Schoenfleisch, JZ 2015, 113 (120). 76 Siehe hierzu § 4 A. I. 6. f). 77 Hierzu Kloepfer, FS Jarass 2015, 217 – 227. 78 Heintzen, Staatshaushalt, in: HStR V (3. Auflage 2007), § 120 Rn. 97. 79 Lienemeyer, EuR 1998, 478 (499). 80 Lienemeyer, EuR 1998, 478 (499).
230
§ 5 Die Rechtsgrundlage des Art. 114 Abs. 1 AEUV
quantitative Ausmaß der Abgabenerhebungen ist wohl zu konstatieren, dass dieser Aspekt für den Europäischen Gerichtshof unerheblich ist. Rein tatsächliche Auswirkungen auf die mitgliedstaatlichen Haushalte sind grundsätzlich unbeachtlich für kompetenzrechtliche Fragen.81 Die „Erheblichkeit“ einer Abgabenerhebung ist somit für deren Rechtmäßigkeit aus kompetenzrechtlicher Sicht irrelevant. Eine entsprechende Erstreckung des Steuerbegriffes auf gegenleistungsabhängige Abgaben aus dem Grunde des Schutzes der mitgliedstaatlichen Finanzsouveränität würde sich in Widerspruch zu dieser Rechtsprechungslinie setzen. Daher lässt sich kein Ausschluss jeglicher Abgabenformen, inklusive der parafiskalischen Abgaben, durch Art. 114 Abs. 2 AEUV aus dieser Argumentationslinie herleiten. Auch das normative Element der mitgliedstaatlichen Finanzsouveränität deutet in diese Richtung. Eine extensive Auslegung des Steuerbegriffes verträgt sich nicht mit dem allgemeinen Kompetenzsystem der Union im Bereich des Steuerrechts. Durch die Kompetenzausstattung der Union kann diese ihre Sachkompetenzen nicht nutzen, um neue Steuern einzuführen. Eine solche Beschränkung ist dem Kompetenzsystem der Union ohne weiteres immanent.82 Der exklusive Ausschluss der „Steuer“ muss also ein „Mehr“ an Bedeutung haben. Naheliegend ist einerseits das Erfassen des gesamten materiellen Steuerrechts und des Verfahrensrechts, wie es auch der Europäische Gerichtshof in seiner Rechtsprechung andeutet. Wäre ein Ausschluss jeglicher Abgabenerhebung im Rahmen des Art. 114 Abs. 1 AEUV intendiert gewesen, wäre der Wortlaut der „Abgabe“ gewählt worden. Die entsprechende Unterscheidung ist dem Primärrecht, wie aufgezeigt, bekannt.83 Weiterhin würde eine reine Gleichsetzung mit dem unionalen Steuerbegriff die Frage aufwerfen, ob bei jeder Sachkompetenzgrundlage, die keine Exklusion für die Steuerhebung enthält, eine solche im Umkehrschluss gestattet sein sollte. Dies würde die mitgliedstaatliche Finanzsouveränität deutlich sensibler treffen. Zusätzlich ist die historische Auslegung84 gegen ein extensives Steuerverständnis heranzuziehen. Hätte der Unionsgesetzgeber die ständige Praxis der Abgabenerhebung anhand von Sachkompetenzen eindämmen wollen, wäre eine solche Feststellung wohl explizit erfolgt. Dies deutet insgesamt darauf hin, dass lediglich Übergriffe in die nationalen Steuersysteme, also das materielle Steuerrecht, verhindert werden sollten. Entsprechend dürfte auch die Definition des Europäischen Gerichtshofs hinsichtlich des Steuerbegriffes in Art. 114 Abs. 2 AEUV zu verstehen sein. Aufgrund dieser Erwägungen ist Art. 114 Abs. 2 AEUV nicht in einer Weise zu deuten, dass jegliche Abgabenerhebung im Rahmen des Art. 114 Abs. 1 AEUV 81 EuGH, Urteil vom 28. 07. 2011 – C-309/10 – Agrana Zucker; EuGH, Urteil vom 11. 07. 1989 – C-265/87 – Schräder HS Kraftfutter, 1. Leitsatz; EuGH, Urteil vom 30. 05. 1989 – C-242/87 – Kommission ./. Rat, Rn. 18. 82 Siehe bereits § 4 A. I. 4. a). 83 Siehe hierzu unter § 2 B. I. 1. 84 Zur Stellung und Bedeutung der historischen Auslegung im Unionsrecht Pechstein/ Drechsler, in: Riesenhuber, Europäische Methodenlehre (3. Auflage 2015), § 7 Rn. 33.
B. Bereichsausnahmen des Art. 114 Abs. 2 AEUV
231
ausgeschlossen ist. Dafür spricht letzten Endes auch die methodische Überlegung des allgemein engen Auslegens der Bereichsausnahmen.85 Ein genereller Ausschluss unionaler Abgabenerhebung anhand dieser Kompetenzgrundlage ist im Ergebnis nicht feststellbar. Fraglich erscheint nun, unter welchen Voraussetzungen Art. 114 Abs. 2 AEUVeine Abgabenerhebung durch Art. 114 Abs. 1 AEUV zulässt. 3. Die Schwäche der vorherrschenden Äquivalenzabgrenzung Nimmt man – wie hier – keinen generellen Ausschluss der Abgabenerhebung durch Art. 114 Abs. 2 AEUV sowie einen originären Steuerbegriff des Primärrechts an, so bietet sich dessen Definition als Ausgangspunkt der Differenzierung in Bezug auf die konkret erfassten Abgabenarten jenseits des Verfahrensrechts an. Angelpunkt der Abgrenzung von Art. 114 Abs. 2 AEUV zu Art. 114 Abs. 1 AEUV ist daher die Auslegung des Steuerbegriffes. Der Steuerbegriff auf Unionsebene umfasst gegenleistungsfreie Abgaben mit primärem Finanzierungszweck, die hoheitlich erhoben werden.86 In der Literatur werden verschiedene, sich teils überschneidende Abgrenzungsmodelle verwandt. Eine erhebliche Meinungsströmung orientiert sich an dem Gegenleistungscharakter als Abgrenzungsmerkmal.87 Der Einsatz des Äquivalenzprinzips in diesem Kontext muss jedoch die Besonderheiten der parafiskalischen Abgaben in Abgrenzung zur Sonderabgabendogmatik der deutschen Rechtsordnung beachten. a) Individualäquivalente Abgaben Relativ unumstritten ist die Stellung der individualäquivalenten Abgaben der Gebühr und des Beitrags.88 Durch die Zuwendung eines individuellen Vorteils fehlt ihnen das fiskalische Element. Das Austauschverhältnis stellt ein hinreichendes Abgrenzungskriterium zum Steuerbegriff dar. Eine Gefährdung der mitgliedstaatlichen Finanzsouveränität geht nicht von diesen Abgaben aus. Im Übrigen sind individualäquivalente Abgaben stets den unionalen Sachkompetenzen zuzurechnen.
85
Siehe hierzu M. Schröder, in: Streinz, EUV/AEUV (3. Auflage 2018), Art. 114 AEUV Rn. 13. 86 Siehe hierzu § 2 B. II. 8. 87 Wasmeier (1995), S. 37 f.; Seiler, EuR 2010, 67 (74); Kaufhold (2016), S. 316; Herrmann/Rosenfeldt (2014), S. 12; Griegold/Repasi (2013), S. 8 f.; Müller (1994), S. 44; Heselhaus (1998), S. 261, der Gebühren und Beiträgen den fiskalischen Charakter im Sinne des Art. 95 Abs. 2 EGV abspricht. 88 Sofern man den Beitrag als eigenständige Abgabenkategorie des Unionsrechts anerkennt, vgl. § 2 B. III. 2.
232
§ 5 Die Rechtsgrundlage des Art. 114 Abs. 1 AEUV
b) Die Gruppenäquivalenz im Rahmen der parafiskalischen Abgaben Signifikant komplexer ist die Frage nach den gruppenäquivalenten Abgaben im Rahmen des Art. 114 Abs. 2 AEUV. Zunächst sind nach hiesiger Auffassung unionseigene Abgaben, die Spiegelbilder der Sonderabgaben des deutschen Rechts sind, keine Steuern im Sinne des Art. 114 Abs. 2 AEUV. Der Europäische Gerichtshof hat in seiner Rechtsprechung zur Anwendung von Sachkompetenzgrundlagen zur Abgabenerhebung allerdings erhebliche Flexibilität gewährt. Insbesondere hat der Gerichtshof nicht die individualisierte Sachaufgabe als Begrenzung der Abgabenerhebung anerkannt, sondern den Sachbereich als Trennlinie behandelt. Dies ergibt sich aus dem Urteil Agrana Zucker89. Die Rechtsprechung erkennt die Gruppenäquivalenz aus kompetenzrechtlicher Sicht nicht als Erfordernis der parafiskalischen Abgabenerhebung an. Auch in grundrechtlicher Hinsicht hat sich die Gruppenäquivalenz nicht als Phänomen auf Europäischer Ebene zum gegenwärtigen Standpunkt ausgeprägt.90 Die Abgrenzung des Art. 114 Abs. 1 AEUVanhand des Äquivalenzprinzips in der Literatur ist ersichtlich an die deutsche Dogmatik angelegt und kann aufgrund der divergierenden Dogmatik der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs keine hinreichenden Kriterien für die Abgrenzung bieten. Vor dem Hintergrund, dass der Europäische Gerichtshof schon für die Bestimmung der Reichweite der Sachkompetenzen die Gruppenäquivalenz nicht als Merkmal der Kompetenzabgrenzung anerkennt, spricht wohl wenig dafür, dass ein solcher dogmatischer Schwenk bei der Kompetenzabgrenzungsvorschrift des Art. 114 Abs. 2 AEUV vorgenommen wird. Zusätzlich wird die äquivalenzbezogene Betrachtungsweise durch die Unklarheit unterminiert, ob das unionseigene Gruppenäquivalenzverständnis Definitions- oder Rechtmäßigkeitsmerkmal der parafiskalischen Abgabe ist. Nur bei der Stellung als Definitionsmerkmal würde es potenziell aus kompetenzrechtlichen Erwägungen die Reichweite des Art. 114 Abs. 1 AEUV beschränken. Als Rechtmäßigkeitsmerkmal wäre es grundrechtlich verankert und keine kompetenzrechtliche Problemstellung. c) Die Interpretation als gewöhnliche Sachkompetenz Als Ausweg deutet sich wohl die Interpretation des Art. 114 Abs. 1 AEUV als Sachkompetenz an, die aufgrund der hohen kompetenzrechtlichen Bedeutung der Norm durch Art. 114 Abs. 2 AEUV ostentativ abgesichert wird und sich durch die Bereichsausnahme zudem auch auf das Steuerverfahrensrecht erstreckt. Die Reichweite des Art. 114 Abs. 1 AEUV hinsichtlich der Abgabenerhebung reicht somit so weit, wie die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs im Bereich der Sachkompetenzen Abgabenerhebungen zulässt. Art. 114 Abs. 2 AEUV ist insofern Absicherung der mitgliedstaatlichen Finanzsouveränität im Stadium des Fehlens 89 90
EuGH, Urteil vom 28. 07. 2011 – C-309/10 – Agrana Zucker. Siehe hierzu § 4 B. II. 6.
C. Zweckbindung des Abgabenaufkommens bei Art. 114 Abs. 1 AEUV
233
einer konsolidierten Dogmatik in der Europäischen Rechtsprechung in Abgabefragen. Im Ergebnis sind Steuern und nichtsteuerliche Abgaben bei Art. 114 Abs. 2 AEUV nicht anhand der Gegenleistungsbeziehung abzugrenzen, sondern nach der allgemeinen Grenze zwischen Finanz- und Sachkompetenzen. d) Die Diskussion um die Leistungsfähigkeit im Falle einer individuellen Abgabenbemessung Als alternatives Abgrenzungsmerkmal für eine spezielle Konstellation der parafiskalischen Abgabe wird in der Literatur vertreten, dass parafiskalische Abgaben, die nicht auf die Bewältigung der Sachaufgabe, sondern auf wirtschaftliche Leistungsfähigkeit abstellen, als „Steuern“ im Sinne des Art. 114 Abs. 2 AEUV zu behandeln sind bzw. jedenfalls keinen hinreichenden Abstand zum Steuerbegriff wahren.91 Hiesige Untersuchung folgt nicht dem Ansatz, dass das Leistungsfähigkeitsmerkmal zum gegenwärtigen Zeitpunkt Definitionsmerkmal oder Rechtfertigungsanforderung der Steuer im Europäischen Primärrecht ist.92 Sollte der Europäische Gerichtshof das Primat der Leistungsfähigkeit im Unionsrecht anerkennen, bietet sich eine entsprechende Abgrenzung für den speziellen Fall der leistungsfähigkeitsorientierten parafiskalischen Abgabe an. Ansonsten ist nach hiesiger Auffassung der Abgrenzung nach den destillierten allgemeinen Kompetenzregeln der Union Vorrang zu geben.
C. Zweckbindung des Abgabenaufkommens bei Art. 114 Abs. 1 AEUV Art. 114 Abs. 1 AEUV wirkt als Querschnittskompetenz über verschiedene Wirtschaftssektoren hinweg. Dem Europäischen Gerichtshof wiederum genügt aus kompetenzrechtlichen Erwägungen eine Mittelbindung sachkompetenzrechtlich gestützter Abgaben im Rahmen der Reichweite der jeweilig genutzten Sachkompetenz.93 Ausgehend von einem Dualismus der Kompetenzgrundlagen94 sowie einer Einordnung des Art. 114 Abs. 1 AEUV als Sachkompetenz,95 erscheint es vor dem Hintergrund des aufgezeigten Charakters des Art. 114 Abs. 1 AEUV als Querschnittskompetenz als zweifelhaft, ob diese Rechtsprechung auch im Rahmen einer solchen Kompetenzgrundlage Bestand haben kann. Es ist konkret fraglich, ob über Art. 114 Abs. 1 AEUV erhobene Mittel innerhalb der gesamten tatbestandlichen 91 92 93 94 95
Kube, JZ 2016, 373 (375); Kube, HFSt 2 (2016), 47 hinsichtlich der Bankenabgabe. Siehe hierzu ausführlich unter § 4 B. II. 2. b). Siehe hierzu unter § 4 A. I. 5. e). Siehe hierzu unter § 4 A. I. 5. Siehe hierzu unter § 5 B.
234
§ 5 Die Rechtsgrundlage des Art. 114 Abs. 1 AEUV
Reichweite verwendet werden können. Klärende Rechtsprechung existiert nicht. Auch in der Literatur wird der Aspekt – soweit ersichtlich – nicht behandelt. Für eine Restriktion sprechen neben der generellen Diskussionswürdigkeit der Rechtsprechung in Agrana Zucker96 gewichtige Gründe. Eine Anwendung der dortigen Rechtsprechungsgrundsätze würde bedeuten, dass die aus einem kompetenzrechtlich geschlossenen Sektor erhobenen Mittel in einem anderen Sektor ausgekehrt werden können, sofern die dortige Ausgabe in einem hinreichenden Bezug zum Binnenmarkt steht. Dies würde entsprechende Abgaben zu einem flexiblen, steuerähnlichen Finanzierungsinstrument machen. Jedoch ist die qualitative Hürde der Behebung spürbarer Funktionsschwierigkeiten des Binnenmarkts ein potenziell effizientes Kriterium, um eine zurückhaltende Abgabenerhebung durchzusetzen. Im Übrigen dürfte auch nur in besonderen Konstellationen eine Abgabenerhebung zur Beseitigung von Binnenmarkthindernissen erforderlich sein, so dass der Gleichheitssatz eine ausreichende Restriktion bietet. Weiterhin ist diese Interpretation kohärent mit der Deutung des Art. 114 Abs. 2 AEUV als Bestätigung der sachkompetenzrechtlichen Stellung des Art. 114 Abs. 1 AEUV. Daher unterliegt auch eine querschnittsartige Sachkompetenz wie Art. 114 Abs. 1 AEUV den allgemeinen Vorgaben zur Mittelbindung, welche die Abgabenerhebung im Rahmen der Sachkompetenz halten. Es dürfte sich folglich keine Sonderdogmatik zu den zielorientierten bzw. querschnittsartigen Sachkompetenzen herausbilden.
D. EU-Agenturen und Art. 114 AEUV Seit Mitte der 1970er Jahre sind Agenturen Teil des institutionellen Gefüges der Europäischen Union geworden.97 Entgegen der intendierten Rechtsfolge der Harmonisierung nationaler Rechtsvorschriften wird Art. 114 Abs. 1 AEUV im vorliegenden Kontext zur Schaffung originärer Unionsstrukturen eingesetzt.98 Die Ausdehnung der Kompetenz auf die Schaffung dauerhafter Einrichtungen auf Unionsebene hat zu erheblichen Diskussionen und Rechtsprechung geführt.99 Für die parafiskalische Abgabe als Rechtsproblem haben diese insoweit eine Relevanz, als
96
EuGH, Urteil vom 28. 07. 2011 – C-309/10 – Agrana Zucker. Zur Geschichte vgl. Scholten/van Rijsbergen, German Law Journal 15 (2014), 1223 (1230). 98 De Witte, E.C.L. Review 11 (2015), 434 – 437; zu den Agenturen im Rahmen der Bankenunion siehe Calliess, DÖV 2013, 785 (795). 99 Siehe z. B. Saurer, DÖV 2014, 549 (549 ff.); Calliess, DÖV 2013, 785 (795); Konstadinides, in: Schütze/Tridimas, Oxford Principles of European Union Law, The European Union Legal Order, Volume I (1. Auflage 2018), 191 (203 f.); Haltern, Europarecht, Band 1 (3. Auflage 2017), Rn. 806; Binder, ZBB 2013, 297 (306). 97
D. EU-Agenturen und Art. 114 AEUV
235
dass, wie aufgezeigt,100 parafiskalische Abgaben von den Agenturen erhoben werden. Es sind allerdings nicht Fragen von spezifischer Relevanz für die Abgabenerhebung, weswegen das Thema nur oberflächlich zur Einordnung der EDIS-Abgabe berührt wird. Der Europäische Gerichtshof hat die Einführung von Agenturen auf der Grundlage des Art. 114 Abs. 1 AEUV schon früh grundsätzlich gebilligt und in der Entscheidung Meroni101 Anforderungen konkretisiert. Die Rechtsgrundlage des Art. 114 Abs. 1 AEUV für die Errichtung speziell des SRB ist umstritten,102 die Frage reicht aber vom Umfang über die hiesige Untersuchung weit hinaus, weswegen hier die Rechtmäßigkeit der Agenturenfrage für die weitere Prüfung angenommen wird. Im Übrigen sei auch daran erinnert, dass der Grundsatz der Vollständigkeit des Haushalts nicht auf die Europäischen Agenturen mit eigener Rechtspersönlichkeit Anwendung findet.103
100
Siehe hierzu unter § 2 B. V. 1. c). EuGH, Urteil vom 13. 06. 1998 – C-9/56 – Meroni. 102 Siehe z. B. Kaufhold, ZG 2017, 18 (32 f.); Kube, HFSt 2 (2016), 27 ff.; für eine breitere Analyse der Rechtsprechung jenseits des SRM Cleynenbreugel, Maastricht J. Eur. & Comp. L. 21 (2014), 64 (78 ff.) sowie auch Weiß, EuR 2016, 631 (662 f.). 103 Siehe hierzu unter § 4 B. II. 4. a). 101
§ 6 Entfaltung der Maßstäbe parafiskalischer Abgaben im Unionsrecht anhand der Einlagensicherung § 6 widmet sich der Anwendung der gefundenen Maßstäbe auf die EDIS-Abgabe. Schwerpunkt der Prüfung soll hierbei der primärrechtliche Blickwinkel auf die Abgabenstrukturen sein.
A. Kompetenzrechtliche Prüfung Die kompetenzrechtliche Prüfung der EDIS-Abgabe bezieht sich auf deren Rechtsgrundlage, Art. 114 Abs. 1 AEUV.
I. Der Mangel einer konkurrierenden Kompetenzgrundlage Mangels einer Steuerqualität der EDIS-Abgabe als parafiskalische Abgabe kommt die Kompetenzgrundlage des Art. 113 AEUV nicht in Betracht, ebenso wenig existiert eine spezifische Kompetenzgrundlage hinsichtlich der Finanzmarktregulierung, die durch die Ingebrauchnahme des Art. 114 Abs. 1 AEUV unterlaufen werden könnte.1 Somit steht nicht die Umgehung einer konkurrierenden Kompetenzgrundlage im Raum, sondern der ordnungsgemäße Einsatz der betroffenen Kompetenzgrundlage.
II. Der Kompetenzaspekt: Die Tatbestandsvoraussetzungen Fraglich erscheint, ob die EDIS-Abgabe und der zugrundeliegende EDIS-Vorschlag auf einem rechtmäßigen Einsatz der Kompetenzgrundlage des Art. 114 Abs. 1 AEUV beruhen. Im Kern handelt es sich bei EDIS um eine Vergemeinschaftung der Einlagensicherungssysteme, also einem Teilbereich des Finanzsektors. Der Finanzsektor ist als Teil des Dienstleistungssektors auch Teil des Binnenmarkts im Sinne des Art. 26 AEUV.
1
So auch hinsichtlich des SRM Tuominen, CML Rev. 2017, 1359 (1376).
A. Kompetenzrechtliche Prüfung
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1. Errichtung und Funktionieren des Binnenmarkts Die Adäquanz der Zielrichtung wird einerseits generell, andererseits speziell hinsichtlich der Fragmentierung durch die Schaffung eines gesonderten Regulierungsbereiches der Eurozone bestritten. a) Grundsätzliche Zielrichtung Herdegen führt in seinem EDIS-Gutachten eine Reihe von Argumenten an, die gegen die primäre Zielrichtung der Funktionsfähigkeit des Binnenmarkts sprechen sollen. Den unionsgesetzgeberischen Willen leitende Ursachen seien unter anderem das unterschiedliche Vertrauen in die nationalen Bankensektoren seitens der Anleger,2 die variierende Finanzsituation der betroffenen Staaten,3 sowie Unterschiede in der nationalen Aufsicht und Glaubwürdigkeit der Durchsetzung von Sicherungs- und Aufsichtsmaßnahmen.4 Die Argumentation der Kommission bietet keine sachliche Grundlage für diese vorgebrachten Erwägungen, weshalb sich die entsprechende Motivlage nur schwer untermauern lässt.5 Die Kommission betont vielmehr in ihrer Begründung, dass durch die starke Fragmentierung der nationalen Bankensektoren der grenzüberschreitende Finanzdienstleistungsmarkt zu erliegen drohte.6 Die Fragmentierung beruhe auf der finanziellen Verbindung zwischen dem lokalen Bankensektor und den Staaten.7 Bildlich gesprochen wird das Vertrauen deutscher Privatanleger in südeuropäische Banken auf dem Höhepunkt der Krise gering ausgeprägt gewesen sein und in der Konsequenz deren Dienstleistungsangebote wirkungslos geblieben sein. Auch wenn hierzu letztlich eine ökonomische Untersuchung anzustellen ist, scheint die These des fragmentierten Binnenmarkts für Finanzdienstleistungen objektiv haltbar. Die Hürde des Prüfungsmaßstabs des Europäischen Gerichtshofs, der objektive und gerichtlich nachvollziehbare Gründe erfordert, dürften die Ausführungen der Kommission, sofern sie durch den Unionsgesetzgeber in seine Legislativentscheidung inkorporiert werden, nehmen. Schließlich sind auch parallele Motive nicht ohne weiteres erheblich für Art. 114 Abs. 1 AEUV, sofern sie nicht gänzlich bestimmend sind.8 Zusätzlich enthält Art. 6 EDIS-Vorschlag die Verpflichtung, bei allen Maßnahmen des EDIS die Integrität des Binnenmarkts zu erhalten.9 Die Maßnahme ist nach diesem Maßstab auf die Er2
Herdegen, WM 2016, 1857 (1861). Herdegen, WM 2016, 1857 (1861). 4 Herdegen, WM 2016, 1857 (1861). 5 Hier zeigt sich die Problematik des Abstellens auf Motive bei Art. 114 Abs. 1 AEUV, was schlichtweg schlecht judizierbar ist, vgl. Weatherill, German Law Journal 12 (2011), 827 (833). 6 EDIS-Vorschlag, S. 24. 7 EDIS-Vorschlag, S. 24. 8 Siehe hierzu Türk, in: Schütze/Tridimas, Oxford Principles of European Union Law, The European Union Legal Order, Volume I (1. Auflage 2018), 689 (709). 9 EDIS-Vorschlag, S. 37. 3
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möglichung des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs in seiner Grundfreiheitsdimension und auf den Abbau von Wettbewerbsverzerrungen gerichtet10 und erfüllt damit die Anwendungsvoraussetzung des Art. 114 Abs. 1 AEUV. b) Das Problem der Fragmentierung Hinsichtlich des Binnenmarktziels ist eine weitere Problemstellung die behauptete Fragmentierung des Binnenmarkts durch den verbindlichen Einbezug der Staaten der Eurozone und des bloß potenziellen Einbezugs der restlichen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Der Binnenmarkt umfasst aber alle Staaten der Europäischen Union.11 Dementsprechend wird hinsichtlich des EDIS wie auch der gesamten Bankenunion argumentiert, dass die Maßnahmen auf eine Spaltung des Binnenmarkts gerichtet sind und daher nicht mehr von Art. 114 Abs. 1 AEUV gedeckt werden können.12 Die Vergemeinschaftung würde zwei Rechtsräume entstehen lassen.13 Schon hinsichtlich des SSM wurde für den Vorrang der verstärkten Zusammenarbeit plädiert und daher die Selektivität des SSM als rechtswidrig erachtet.14 Entsprechende Bedenken hinsichtlich der Fragmentierung wurden auch von politischer Seite geäußert.15 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das Unionsrecht partielle Geltungsbereiche wie beispielsweise im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit bereits kennt.16 Historisch betrachtet war der Binnenmarkt von seinem Beginn an bis zum heutigen Tag durch ausgehandelte nationale Sonderstellungen in einzelnen Bereichen geprägt.17 Speziell für die verstärkte Zusammenarbeit erlaubt Art. 326 Abs. 2 AEUV die Sonderstellung einer Gruppe von Mitgliedstaaten, soweit sie den Binnenmarkt nicht beeinträchtigt und speziell nicht zu Wettbewerbsbeeinträchtigungen oder Handelshemmnissen führt. Hieraus wird der Rückschluss gezogen, dass nicht jede partielle Rechtsharmonisierung den Binnenmarkt zwangsläufig beeinträchtigt.18 Art. 326 Abs. 2 AEUV ist als Referenz nur eingeschränkt geeignet. Der explizite Ausschluss von Handelshemmnissen oder Wettbewerbsvorteilen geht über das 10
EDIS-Vorschlag, S. 24 f. Allgemeine Ansicht, vgl. nur Terhechte, in: Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (1. Auflage 2017), Art. 114 AEUV Rn. 51. 12 Herdegen, WM 2016, 1857 (1863); zur Problematik im Rahmen der Aufsicht Kämmerer, NVwZ 2013, 830 (835); Lastra, Fordham International Law Journal 36 (2013), 1190 (1210 ff.) und Peters, WM 2014, 396 (398). 13 Herdegen, WM 2016, 1857 (1863); kritisch auch Peters, WM 2014, 396 (398). 14 Becker/Kornwachs/Zemballa-Börner, HFSt 5 (2016), 12. 15 Siehe z. B. House of Lords, European Union Committee, 7th Report of Session 2012 – 2013, European Banking Union: Key issues and Challenges, S. 42. 16 Herrmann/Rosenfeldt (2014), S. 11 f. 17 Thym (2004), S. 250 ff. 18 Herrmann/Rosenfeldt (2014), S. 11 f.; das Binnenmarkterfordernis als Mindestmaß ökonomischen Gleichklangs interpretierend Thym (2004), S. 63. 11
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Leitbild des Binnenmarkts hinaus und soll wohl die verstärkte Zusammenarbeit als spaltendes Rechtsinstrument eindämmen.19 Formal betrachtet ist festzustellen, dass EDIS den nicht teilnehmenden Mitgliedstaaten die Möglichkeit der Teilnahme eröffnet.20 Die vorgebrachte Fragmentierung hängt daher vorrangig an der Kooperationsbereitschaft der betroffenen Mitgliedstaaten.21 Schließlich existierten partikulare (nationale) Rechtsräume bereits vor der Vergemeinschaftung. Der Binnenmarkt wird daher nicht weiter fragmentiert, sondern stellenweise, wenn auch nicht ganz, konsolidiert.22 Auch profitiert der gesamte Binnenmarkt von einem stabilisierten Bankensektor in der Eurozone aufgrund seiner hochgradigen wirtschaftlichen Vernetzung,23 unabhängig von der unmittelbaren Beteiligung eines Mitgliedstaats. Zudem bündelt die Vergemeinschaftung Aufsicht, Abwicklung und Einlagensicherung auf einer Ebene und verhindert damit kompetitive Nachteile der betroffenen Banken durch eine Zersplitterung dieser Bereiche auf mehrere Ebenen und stellt somit die Kreditinstitute teilnehmender Mitgliedstaaten mit jenen der nicht teilnehmenden Mitgliedstaaten gleich.24 Zusätzlich ist der hochintegrierte Finanzmarkt innerhalb der Eurozone noch stärker anfällig für lokale Krisen denn der reine Binnenmarkt.25 Im Übrigen hat der Europäische Gerichtshof schon die Stärkung der Stabilität des Bankensektors – nur – der Eurozone als Gemeinwohlziel im Rahmen der Rechtfertigungsprüfung anerkannt.26 Dies mag ein Indiz sein, dass die Stärkung des Bankensektors der Eurozone den Binnenmarkt nicht per se unterläuft. Nicht zuletzt ist zudem die Konstruktion der vergemeinschafteten Aufsicht, Abwicklung und Einlagensicherung im Rahmen der Bankenunion an den Euro als Währung gebunden und wird zur Stabilisierung dieser Europäischen Errungenschaft implementiert. Die Finanzstabilitätsmechanismen dienen dem Erhalt der Europäischen Währung, die betroffenen Mitgliedstaaten sind qua ihrer Mitgliedschaft im Euro zu entsprechenden Maßnahmen genötigt.27 19
Ehlermann, EuR 1997, 362 (376). Moloney, CML Rev. 2014, 1609 (1657) für den SRM; vgl. hierzu den EDIS-Vorschlag S. 9, der auf Art. 4 Abs. 1 der SRM-Verordnung verweist, der wiederum auf Art. 2 der SSMVerordnung verweist. Dies hat eine gewisse Parallele zum Grundsatz der Offenheit in Art. 328 Abs. 1 AEUV, der allen Mitgliedstaaten die Teilnahme an einer verstärkten Zusammenarbeit gestattet, vgl. Pechstein, in: Streinz, EUV/AEUV (3. Auflage 2018), Art. 328 AEUV Rn. 1. 21 Zu diesem Argument vgl. Binder, ZBB 2013, 297 (306) und Ohler, Die Verwaltung 49 (2016), 309 (335); skeptisch im Rahmen der Finanztransaktionssteuer Liepe/Pilka/Malaviya, WM 2013, 1344 (1346). 22 Entsprechendes Argument hinsichtlich der Finanztransaktionsteuer Wernsmann/Zirkl, EuZW 2014, 167 (171); vgl. hierzu auch Cadet/Vascega, EuZW 2013, 574 (576). 23 Moloney, CML Rev. 2014, 1609 (1658); Zavvos/Kaltsouni (2014), S. 12. 24 So hinsichtlich des SRM Zavvos/Kaltsouni (2014), S. 12 f.; siehe auch EDIS-Vorschlag, S. 7. 25 Kaufhold, ZG 2017, 18 (34). 26 EuGH, Urteil vom 20. 09. 2016 – C-8/15 – Ledra Advertising Ltd u. a. gegen Europäische Kommission und Europäische Zentralbank, Rn. 71. 27 A.A. Becker/Kornwachs/Zemballa-Börner, HFSt 5 (2016), 44 f. hinsichtlich des SSM. 20
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Der Europäische Gerichtshof hat in Verfahrensfragen der Gesetzgebung erhebliche Flexibilität gezeigt. Erinnert sei daran, dass der Gerichtshof dem Eigenmittelsystem keine Sperrwirkung gegenüber konfligierenden Maßnahmen zugesteht.28 Auch wird in der Literatur auf die Stellung der verstärkten Zusammenarbeit als ultima ratio nach Art. 20 Abs. 2 EUV hingewiesen.29 Es ist daher wohl davon auszugehen, dass der Europäische Gerichtshof eine solche Sperrwirkung dem Institut der verstärkten Zusammenarbeit nicht zugestehen wird.30 Entsprechend ist die EDISAbgabe auf die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts gerichtet. 2. Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften EDIS erschafft zu einem signifikanten Teil neue administrative Strukturen auf Unionsebene. Herdegen folgert in seinem EDIS-Gutachten hieraus, dass EDIS insbesondere durch die Verdrängung der nationalen Verwaltungshoheit keine Rechtsangleichung mehr darstelle und sich daher nicht mehr im Rahmen des Art. 114 Abs. 1 AEUV halte.31 a) Die Angleichung Vergegenwärtigt man sich die unter § 3 D. dargestellte Struktur von EDIS, so bleiben die nationalen Einlagensicherungssysteme bestehen. Der Grad ihrer wirtschaftlichen Selbständigkeit verringert sich mit dem Ausbau von einer Rückversicherung bis hin zur Endstufe der Vollversicherung.32 Die bereits der Einlagensicherungsrichtlinie unterliegenden nationalen Einlagensicherungssysteme bleiben im Stadium der Vollversicherung erhalten. Herdegen konstatiert, dass die nationalen Einlagensicherungssysteme zu „Beitragseinzugs- und Zahlstellen“ degradiert werden.33 Damit kritisiert sein Gutachten fehlende substanzielle nationale Entscheidungsspielräume, die das Tatbestandsmerkmal der Angleichung voraussetzt. Es ist dieser Meinung zuzugestehen, dass die EDIS-Struktur sich im Randbereich der Angleichung befindet. Hält der Unionsgesetzgeber die Vergemeinschaftung aus der Perspektive seines Ermessensspielraums für notwendig zur Erreichung des Ziels der Funktionsfähigkeit des Binnenmarkts, was überhaupt erst die Neufassung der Verordnung gegenüber der Einlagensicherungsrichtlinie rechtfertigt, so ist im Rahmen der Verordnung die gewählte Konstruktion wohl als relativ souveränitätsschonend einzustufen. Art. 114 Abs. 1 AEUV sollte dem Unionsgesetzgeber durch 28 29 30 31 32 33
Siehe hierzu § 4 A. II. 2. Kube, HFSt 2 (2016), 26 f. hinsichtlich des SRM. Kube, HFSt 2 (2016), 26 f. hinsichtlich des SRM. Herdegen, WM 2016, 1857 (1858 f.). Siehe Art. 41a EDIS-Vorschlag bis Art. 41j EDIS-Vorschlag. Herdegen, WM 2016, 1857 (1859).
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den Begriff der „Maßnahmen“ eine hohe Flexibilität einräumen.34 Zudem ist der großzügige Ermessensspielraum des Unionsgesetzgebers zu beachten, der Art. 114 Abs. 1 AEUV auch diesbezüglich einschränkt.35 Daher dürfte die konkrete Ausgestaltung der Verordnung an dieser Stelle eine rechtlich vertretbare Wahl des Gesetzgebers sein und noch als Maßnahme zur Angleichung des Art. 114 Abs. 1 AEUV eingestuft werden. Eine gänzliche Abschaffung oder Verdrängung der Einlagensicherungssysteme auf nationaler Ebene wäre aber nicht mehr vom Begriff der Angleichung umfasst. b) Vergemeinschaftete Fondsstrukturen unter Art. 114 Abs. 1 AEUV Für die Untersuchung ist relevant, ob die Einführung einer vergemeinschafteten Fondsstruktur noch als Angleichung betrachtet werden kann. Bereits im Rahmen des SRM gab es dazu ausgiebige Diskussionen,36 denen letztlich durch das völkerrechtliche Übereinkommen ausgewichen wurde. Art. 114 Abs. 1 AEUV ist somit nicht nur hinsichtlich des Erhebens von parafiskalischen Abgaben,37 sondern ebenso hinsichtlich der Mittelsammlung auf unionaler Ebene umstritten. Aus der bloßen Ermächtigung zum Erlass von parafiskalischen Abgaben allein lässt sich noch nicht die Ertragshoheit an solchen begründen.38 Der Kommissionsvorschlag zu EDIS sieht ein solches völkerrechtliches Übereinkommen nicht mehr vor39 und plant einen vergemeinschafteten Einlagensicherungsfonds auf der Grundlage des Art. 114 Abs. 1 AEUV. Zeitlich vor der Thematik der Bankenunion gab es nur vereinzelte Diskussionen um Fondsstrukturen anhand der Binnenmarktkompetenz. Nach Bohlken ist die Einrichtung eines vergemeinschafteten Fonds auf Grundlage der Vorgängernorm des Art. 100a EGV nicht mehr als Rechtsangleichung zu bezeichnen.40 Bohlken geht von einem Ausnahmecharakter der Wahl der Verordnung als Maßnahme aus und lehnt insofern folgerichtig vergemeinschaftete Fondsstrukturen prinzipiell ab.41 Herdegen hält in seinem Gutachten ebenfalls die Beitragshoheit Europäischer Einrichtungen aus Art. 114 Abs. 1 AEUV für unzulässig,42 ebenso Calliess und Schoenfleisch hinsichtlich ihres Gutachtens zum SRM.43 34
Siehe hierzu unter § 5 A. I. 2. Siehe hierzu unter § 5 A. I. 2. 36 Siehe hierzu unter § 3 D. II. 3. a) zu der Grundstruktur; vgl. zudem Calliess/Schoenfleisch, JZ 2015, 113 (120); skeptisch Peters, WM 2014, 396 (402). 37 Siehe hierzu unter § 4 B. II. 2. 38 Dies erfolgt letztlich schon aus der Verhältnismäßigkeit, wonach die Fondsbildung auf Unionsebene für das Funktionieren des Binnenmarkts auch erforderlich sein muss. 39 Vgl. EDIS-Vorschlag S. 9, wonach die „Beiträge“ unmittelbar an den Fonds gezahlt werden. 40 Bohlken (1999), S. 186. 41 Bohlken (1999), S. 186 f. 42 Herdegen, WM 2016, 1905, (1907). 35
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Wie bereits aufgezeigt,44 ist indes die Annahme der Verordnung als Ausnahme innerhalb der Kompetenzgrundlage nicht zwingend. Dem Wortlaut des Art. 114 Abs. 1 AEUV ist keine entsprechende Wertung zu entnehmen. Auch wenn eine erhebliche Verdrängung nationaler Rechtsvorschriften erfolgt, bedeutet dies nicht den zwingenden Ausschluss des Art. 114 Abs. 1 AEUV als Rechtsgrundlage. Als Ultima Ratio ist ein vergemeinschafteter Fonds denkbar. Insbesondere kann dies der Fall sein, wenn es gerade auf die Vergemeinschaftung der Mittel als Beitrag zum Sachzweck der Maßnahme ankommt und nur durch eine Vergemeinschaftung – unter Wahrung des Ermessensspielraums – die Binnenmarkthindernisse effizient beseitigt werden können.45 Weiterhin wäre ein solches Verbot nicht kohärent aus der Sicht des Unionsrechts. Das Unionsrecht würde faktisch die Mitgliedstaaten nötigen, völkerrechtliche Übereinkommen zur Erreichung des unionsrechtlichen Ziels des Funktionierens des Binnenmarkts zu schließen, die sich stellenweise außerhalb des Geltungsbereichs und der Kontrolle des Unionsrechts befinden. Zweck der Vergemeinschaftung der Einlagensicherung ist es, durch die schiere Größe der Vermögensmasse lokale Ausfälle besser kompensieren zu können und daher Folgewirkungen lokaler Schocks zu verhindern. Dies ist nicht offensichtlich widersprüchlich oder sachlich unvertretbar, sondern innerhalb des Ermessensspielraums des Unionsgesetzgebers. Daher ist die generelle wie die konkrete Einrichtung des Einlagensicherungsfonds auf Grundlage des Art. 114 Abs. 1 AEUV zulässig. 3. Die Mittelbindung Hinsichtlich der Mittelbindung gibt es an der EDIS-Struktur nichts auszusetzen. Art. 74a Abs. 2 S. 1 EDIS-Vorschlag sieht eine strikte Mittelbindung des Aufkommens an die Aufgaben der Einlagensicherung vor. Entsprechend den Leitlinien der Rechtsprechung verhindert diese Mittelbindung einen Übergriff in den fiskalischen Kompetenzbereich. Zudem wird der Einstufung des Art. 114 Abs. 1 AEUV als Sachkompetenz folgend die Mittelbindung auch im sachkompetenzrechtlichen Rahmen erreicht. Die Mittelbindung ist hierbei so eng an den Sachzweck der Maßnahme gebunden, dass auch diesbezüglich keine Vorbehalte bestehen.
III. Verhältnismäßigkeit Weniger die Subsidiarität als vielmehr die Verhältnismäßigkeit der vergemeinschafteten Einlagensicherung stellt sich als weiteres Rechtsproblem dar. Neben der bereits geklärten Frage, ob die Verordnung noch als Maßnahme zur Rechtsan43
Calliess/Schoenfleisch, JZ 2015, 113 (120). Siehe § 5 A. I. 2. a). 45 Das sieht auch Bohlken (1999), S. 187 so, hält dies aber für voraussichtlich nicht zwingend notwendig für das Funktionieren des Binnenmarkts. 44
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gleichung angesehen werden kann, ist zu klären, ob nicht die Richtlinie im vorliegenden Fall das verhältnismäßige Mittel der Rechtsangleichung ist.46 Auch hier gilt aber der großzügige Ermessensspielraum des Gesetzgebers bei komplexen Fragestellungen.47 1. Das Problem der Zweitharmonisierung Wie dargelegt, wird die Einlagensicherung bereits durch die Einlagensicherungsrichtlinie geregelt. EDIS baut daher auf einer bereits bestehenden Richtlinie im einschlägigen Themenbereich der Einlagensicherung auf und komplementiert sie durch eine Verordnung. Aufgrund dieses Sprungs von einer Richtlinie zu einer Verordnung wird in der Literatur eine besondere Rechtfertigungspflicht für EDIS gefordert.48 Nach grundsätzlicher Anerkennung dieser Vorgehensweise im Allgemeinen durch die Rechtsprechung in der Rechtssache Vodafone49 bestehen keine grundsätzlichen Bedenken mehr gegen diese Vorgehensweise, sofern die grundsätzliche Erforderlichkeit der Verordnung gegeben ist und aus Effizienzgründen die Richtlinie nicht als ausreichend erachtet werden kann. 2. Die grundsätzliche Erforderlichkeit Es ist daher fraglich, ob nicht bereits die Einlagensicherungsrichtlinie als milderes, aber gleich effizientes Mittel in Betracht kommt. Die Einlagensicherungsrichtlinie beruht auf dem Gedanken der Mindestharmonisierung und belässt substantielle nationale Entscheidungsspielräume.50 Entsprechend argumentiert Herdegen.51 Die Europäische Kommission hingegen hält an der Erforderlichkeit der Vergemeinschaftung fest.52 Diese Argumentation ist insofern kohärent, als dass der Zusammenhang zwischen der Finanzsituation im Land der Niederlassung eines Kreditinstituts und dem Kreditinstitut gerade durchbrochen werden soll.53 Von einer bloßen Angleichung der Entschädigungsvoraussetzungen wird aber das Grundproblem des fehlenden Vertrauens in den nationalen Garanten sowie des Gesamtstatus 46
Zur Wahl der Richtlinie als milderes Mittel im Vergleich zur Verordnung Terhechte, in: Pechstein/Nowak/Häde (Hrsg.), Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (1. Auflage 2017) Art. 114 AEUV Rn. 69; EuGH, Urteil vom 04. 05. 2016 – C-547/14 – Philip Morris, Rn. 62 ff. 47 EuGH, Urteil vom 04. 05. 2016 – C-547/14 – Philip Morris, Rn. 63. 48 Herdegen, WM 2016, 1857 (1860). 49 EuGH, Urteil vom 08. 06. 2010 – C-58/08 – Vodafone u. a. ./. Secretary of State for Business, Enterprise and Regulatory Reform; vgl. aus der Literatur von Danwitz, EuGRZ 2013, 252 (256); Epiney, NVwZ 2011, 876 (876 f.); Geber, JuS 2014, 20 (24). 50 Siehe unter § 3 D. II. 1. 51 Herdegen, WM 2016, 1857 (1860). 52 EDIS-Vorschlag, S. 25. 53 Hinsichtlich des SRF so argumentierend Zavvos/Kaltsouni (2014), S. 31 f. sowie Herrmann/Rosenfeldt (2014), S. 10. Dies lässt sich entsprechend für den DIF des EDIS heranziehen.
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des individuellen nationalen Bankensektors nicht effizient überwunden. Auch läuft die national organisierte Einlagensicherung konträr zur vergemeinschafteten Aufsicht der Kreditinstitute, da sowohl Aufsicht als auch Einlagensicherung als vertrauensschaffendes Gesamtprojekt wirken sollen. Vor dem Hintergrund einer großzügigen Ermessensgewähr des Europäischen Gerichtshofs bei komplexen technischen Fragestellungen wird somit die Verordnung als Maßnahme als erforderlich einzustufen sein.
IV. Artikel 114 Abs. 2 AEUV und die EDIS-Abgabe Die bereits angedeutete Einstufung der EDIS-Abgabe54 bestätigt sich bei genauerer Analyse. Die EDIS-Abgabe wird parafiskalisch gesammelt, unterliegt einer Zweckbindung, wird sachkompetenzrechtlich gestützt und ist nicht individualäquivalent ausgestaltet. Obwohl die Gruppenäquivalenz der parafiskalischen Abgaben im Unionsrecht nicht im Sinne der Dogmatik der deutschen Sonderabgaben zu verstehen ist,55 würde die EDIS-Abgabe selbst diesem strikten Maßstab standhalten. Durch den Einlagensicherungsfonds (DIF) bringen die Kunden ihren abgabenbelasteten Kreditinstitute ein erhöhtes Vertrauen entgegen, was deren Marktchancen deutlich erhöht.56 Der kollektive versicherungsähnliche Schutz begründet die Gruppenäquivalenz als zugewandten Vorteil.57 Im Übrigen resultiert auch aus der spezifischen Gefahrenlage für die Gesamtwirtschaft eine hinreichende Verantwortung des Finanzsektors als alternative Begründung der Gruppenäquivalenz. Vor dem Hintergrund der Einstufung der EDIS-Abgabe als parafiskalische Abgabe und des hier vertretenen Einbezugs der parafiskalischen Abgabe als Maßnahmenform in die Reichweite des Art. 114 Abs. 1 AEUV58 exkludiert Art. 114 Abs. 2 AEUV nicht die EDIS-Abgabenstruktur. Die Individualausgestaltung hinsichtlich der Bestimmung des Abgabenvolumens kann nach hiesiger Auffassung keinen Einfluss auf die kompetenzrechtliche Einstufung haben.59
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Siehe § 3 D. V. Siehe § 4 B. II. 6. 56 Vgl. rechtsvergleichend für die besondere Stellung des Vertrauens im Finanzmarkt BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 24. 11. 2015 – 2 BvR 355/12, Rn. 43; zu diesem Argument Herdegen, WM 2016, 1905 (1908). 57 Herrmann/Rosenfeldt (2014), S. 12. 58 Siehe hierzu § 5 B. II. 3. 59 A.A. Kube, HFSt 2 (2016), 46 f. hinsichtlich der SRM-Abgabe. 55
B. Die Grundrechtecharta und EDIS
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B. Die Grundrechtecharta und EDIS Hinsichtlich der Vereinbarkeit der EDIS-Abgabe mit den Grundrechten ist zunächst festzustellen, dass der EDIS-Vorschlag als intendierter unionaler Rechtsakt in den Anwendungsbereich der Europäischen Grundrechtecharta fällt, Art. 51 Abs. 1 GrCH. Die Europäische Kommission begnügt sich in ihrem EDIS-Vorschlag mit dem Hinweis, dass die Grundrechtseinwirkungen nicht über das durch die SRM-Verordnung bereits eingetretene Maß hinausgehen.60 Die SRM-Verordnung ist ihrerseits sehr spärlich mit grundrechtlichen Erwägungen ausgestattet. Abgesehen von einer Beschränkung des Abwicklungsausschusses aus Gründen der Unternehmerischen Freiheit61 wird lediglich festgestellt, dass die SRM-Verordnung als im Einklang mit den Grundrechten, insbesondere der Eigentumsfreiheit, einzustufen sei.62
I. Freiheitsgrundrechte Als betroffene Freiheitsrechte der Einlagensicherung kommen vorrangig die Eigentumsfreiheit und die unternehmerische Freiheit in Betracht. Der Finanzsektor ist – nicht zuletzt durch die staatlichen Übernahmen im Rahmen der Finanzkrise – zu einem signifikanten Anteil durch die wirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand geprägt. Die Grundrechtsberechtigung der öffentlichen Hand unter der Grundrechtecharta ist durch die Rechtsprechung bisher nicht substantiell geklärt worden.63 Bei unionalen Abgaben ist aber das Argument der Konfusion nicht gegeben.64 Die Abgabenerhebung findet hier auf unionaler Ebene statt, während sich die Stellung als Anteilseigner auf nationaler Ebene abspielt. Zudem operieren auch öffentliche Banken nicht selten in einer unabhängigen, auf wirtschaftlichen Erfolg ausgerichteten Art und Weise.65 1. Der Schutz der Eigentumsfreiheit Betrachtet man die Eigentumsfreiheit unter dem Aspekt der Abgabenerhebungen,66 so erscheint die EDIS-Abgabe als typische Vermögensbelastung, die nicht auf 60
EDIS-Vorschlag, S. 8. Siehe Erwägungsgrund Nr. 46 der SRM-Verordnung. 62 Siehe Erwägungsgrund Nr. 121 der SRM-Verordnung. 63 Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV (5. Auflage 2016) Art. 17 GrCH Rn. 5; Ruffert, ZG 2015, 51 (63); Jarass, NVwZ 2006, 1089 (1092); Kühling, in: Pechstein/Nowak/ Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (1. Auflage 2017), Art. 17 GrCH Rn. 7, mit umfangreichen Nachweisen zur Rechtsprechung des EuG; Storr, FS Berka 2013, 219 (232 ff.). 64 Zum Konfusionsargument in einer vergleichbaren Konstellation Ruffert, ZG 2015, 51 (64). 65 Für die Bedeutung der unabhängigen Stellung Jarass, NVwZ 2006, 1089 (1092). 66 Siehe hierzu § 4 B. III. 1. 61
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einzelne Eigentumspositionen abzielt. Den Kreditinstituten wird nicht vorgegeben, aus welchem Vermögensgegenstand heraus sie die Abgabe zu leisten haben. Zwar besteht eine Relation zwischen gedeckten Einlagen und Abgabenhöhe, dies dürfte allerdings keine hinreichende Konkretisierung einer Eigentumsposition darstellen. Den Abgabenbelasteten obliegt vielmehr eine reine abstrakte Geldschuld aus ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit heraus. Dies ist ein signifikanter Unterschied zum Urteil Ledra Advertising.67 Daher besteht kein hinreichender Bezug zu individualisierten Vermögensgegenständen. Schon der Schutzbereich der Eigentumsfreiheit ist nicht eröffnet. 2. Die unternehmerische Freiheit Die Tätigkeit der betroffenen Kreditinstitute stellt unzweifelhaft eine geschützte Tätigkeit gemäß Art. 16 GrCH dar. Die Abgaben der Bankenunion zielen auf eine Belastung des Finanzsektors als Wirtschaftszweig ab. Es soll gerade die typische Tätigkeit der beteiligten Unternehmen belastet werden. Die Abgabe knüpft unmittelbar an die unternehmerische Tätigkeit an und ist daher hinreichend spezifisch, um einen Eingriff anzunehmen. Auch das Bundesverfassungsgericht gesteht Abgaben im Übrigen eine Eingriffsqualität in die Berufsfreiheit zu, wenn sie in einem hinreichenden Zusammenhang mit der Berufsausübung stehen und darüber hinaus eine objektiv berufsregelnde Tendenz aufweisen.68 Nicht die Eingriffsqualität, sondern die Rechtfertigung der EDIS-Abgabe ist problematisch. Zur Prüfung der Rechtfertigung nimmt der Europäische Gerichtshof eine Abwägung vor und prüft im Wesentlichen die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs.69 Der Europäische Gerichtshof hat in der Entscheidung Ledra Advertising bereits explizit festgestellt, dass die Sicherung der Stabilität des Bankensystems der Eurozone ein Allgemeinwohlziel ist70 und daher eine prinzipiell taugliche Eingriffsrechtfertigung darstellt. Diese These begründet der Europäische Gerichtshof mit zwei Spezifitäten des Bankensektors. Einerseits komme dem Bankensektor aufgrund der Kreditvergabe an die „Realwirtschaft“ eine gehobene Bedeutung für die gesamtwirtschaftliche Lage und Entwicklung zu.71 Probleme des Bankensektors 67
EuGH, Urteil vom 20. 09. 2016 – C-8/15 – Ledra Advertising Ltd u. a. gegen Europäische Kommission und Europäische Zentralbank. 68 Vgl. BVerfG, Urteil vom 24. 11. 2009 – 2 BvR 1387/04, Rn. 50. 69 Kritisch hierzu am Beispiel Ledra Advertising Frenz, EuR 2017, 332 (338 f.). 70 So explizit EuGH, Urteil vom 20. 09. 2016 – C-8/15 – Ledra Advertising Ltd u. a. gegen Europäische Kommission und Europäische Zentralbank, Rn. 71. Dies gilt natürlich auch für das Finanzsystem der gesamten Europäischen Union, vgl. EuGH, Urteil vom 19. 07. 2016 – C-526/ 14 – Tadej Kotnik u. a. gegen Drzˇavni zbor Republike Slovenije, Rn. 69; hierzu Generalanwalt N. Wahl, Schlussantrag vom 18. 02. 2016 – Tadej Kotnik u. a. gegen Drzˇavni zbor Republike Slovenije, Rn. 70; vgl. Lenaerts, HFSt 6 (2016), 11 (31). 71 EuGH, Urteil vom 20. 09. 2016 – C-8/15 – Ledra Advertising Ltd u. a. gegen Europäische Kommission und Europäische Zentralbank, Rn. 72.
B. Die Grundrechtecharta und EDIS
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können also ohne weiteres Kollateralschäden in weiteren Wirtschaftssektoren hervorrufen und lassen sich nur schwer innerhalb des Sektors eindämmen. Andererseits ist die Kontaminationsgefahr ebenso im Innerbankensektor vorhanden.72 Durch die geschäftlichen Verflechtungen werden Probleme einzelner Banken schneller zu Problemen des gesamten Finanzsektors, als dies in anderen Wirtschaftszweigen der Fall ist. Rechtsvergleichend betrachtet, schreibt exakt diese beiden spezifischen Eigenschaften des Finanzmarktes auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts diesem zu.73 Die Ziele sind nach Einschätzung des Unionsgesetzgebers ohne eine vergemeinschaftete Einlagensicherung auch hinreichend gefährdet, um den Eingriff in die Unternehmerische Freiheit hinzunehmen. Als weiteres Gemeinwohlziel hat der Europäische Gerichtshof in Ledra Advertising den Schutz von Sparern sogar nur einzelner Kreditinstitute bezeichnet.74 Dies ist somit ein weiteres heranzuziehendes Gemeinwohlziel, dessen Entfaltung durch EDIS gefördert wird. Durch die angestrebte Beitragsneutralität der Errichtung der vergemeinschafteten Einlagensicherung im Vergleich zur bereits bestehenden Rechtslage wird der Eingriff in seiner Intensität eher als gering einzustufen sein. Zudem ist nicht ersichtlich, dass das laufende Geschäft der Kreditinstitute signifikant behindert wird oder die Abgabe gar eine erdrosselnde Wirkung zeigt. Die Unternehmerische Freiheit wird daher nach dieser Abwägung nicht verletzt.
II. Gleichheitsgrundrechte Die Einführung der EDIS-Abgabe könnte den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 20 GrCH verletzen. Hierbei sind mehrere Konstellationen zu unterscheiden. 1. Das Vorliegen einer Ungleichbehandlung Im externen Kontext ist klar, dass mit der EDIS-Abgabe eine Ungleichbehandlung der abgabenbelasteten Kreditinstitute gegenüber der nichtbelasteten Allgemeinheit erfolgt, die jedenfalls grundsätzlich rechtfertigungspflichtig ist. Darüber hinaus ist als Frage des internen Gruppenbezugs des Finanzmarkts denkbar, Untergruppen innerhalb des Finanzsektors anzuerkennen, insbesondere anhand des typischen Tätigkeitsprofils oder des Ortes der Niederlassung. Hieraus könnte dann eine gewisse Ungleichbehandlung dieser Untergruppen zu attestieren sein. Das Ausdifferenzieren 72 EuGH, Urteil vom 20. 09. 2016 – C-8/15 – Ledra Advertising Ltd u. a. gegen Europäische Kommission und Europäische Zentralbank, Rn. 72; schon EuGH, Urteil vom 19. 07. 2016 – C-526/14 – Kotnik u. a., Rn. 50. 73 BVerfG, Urteil vom 24. 11. 2009 – 2 BvR 1387/09, Rn. 66, das darüber eine besondere Finanzierungsverantwortung im Rahmen einer Sonderabgabe der Mitglieder des Finanzmarkts begründet. 74 EuGH, Urteil vom 20. 09. 2016 – C-8/15 – Ledra Advertising Ltd u. a. gegen Europäische Kommission und Europäische Zentralbank, Rn. 74.
248
§ 6 Entfaltung der Maßstäbe parafiskalischer Abgaben im Unionsrecht
der einzelnen Ungleichbehandlungen innerhalb des Sektors wird sich vor dem Hintergrund der recht einheitlichen Rechtfertigungsprüfung aber im Ergebnis als bedeutungslos erweisen, weswegen die konkreten Einzelfälle übersprungen werden. 2. Rechtfertigung Die Finanzmarktregulierung einschließlich der Einlagensicherung und ihrer Finanzierung präsentiert sich als hochgradig technische Angelegenheit. Die vergemeinschaftete Einlagensicherung unter EDIS dürfte daher als Frage der wirtschaftlichen, politischen und sozialen Gestaltung innerhalb einer komplexen Materie gelten.75 Somit ist damit zu rechnen, dass der Europäische Gerichtshof dem Unionsgesetzgeber bei Einrichtung der vergemeinschafteten Einlagensicherung ein erhebliches Ermessen einräumen wird. Ist diese Ermessensweite erst eröffnet, zeigt sich die geringe Kontrolldichte der Rechtsprechung in der Rechtfertigungsprüfung. a) Rechtfertigung der Abgabenbelastung im Allgemeinen Wie bereits im Rahmen der freiheitsrechtlichen Prüfung dargelegt, verfolgt die europäische Einlagensicherung Ziele, die als Allgemeinwohlziele von der Rechtsprechung anerkannt werden und die zudem ohne die Vergemeinschaftung nach Einschätzung des Unionsgesetzgebers in Gefahr sind. Im Übrigen steht diese Gefährdungslage der Allgemeinwohlziele in eindeutiger Sachnähe zu den betroffenen Kreditinstituten. Letztlich lassen sich hier hinsichtlich der Abwägung die Erwägungen zur unternehmerischen Freiheit heranziehen.76 Der Europäische Gerichtshof interpretiert die Rechtfertigungsprüfung des allgemeinen Gleichheitssatzes ebenfalls als Verhältnismäßigkeitsprüfung.77 b) Rechtfertigung des Abstellens auf die Höhe der gedeckten Einlagen In der Literatur wurde kritisiert, dass die Abgabenbemessung der SRM-Abgabe von der Höhe der gedeckten Einlagen abhängig ist.78 Die signifikante Höhe der gedeckten Einlagen impliziere ein solides Geschäftsmodell, stehe in einem mangelnden Zusammenhang zum Sachzweck der Abwicklung und stelle sich letztlich als Belastung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit dar.79 Auch hinsichtlich EDIS soll die Kommission nach Art. 74c Abs. 5 EDIS-Vorschlag die im Voraus erhobenen Beiträge unter Berücksichtigung der gedeckten Einlagen und einer Risikogewich75 Vgl. zum Maßstab EuGH, Urteil vom 16. 12. 2008 – C-127/07 – Arcelor Atlantique et Lorraine u. a., 2. Leitsatz. 76 Siehe § 6 A. I. 2. 77 Siehe von Danwitz, EuGRZ 2013, 252 (256) m.w.N. zur Rechtsprechung. 78 Kube, HFSt 2 (2016), 46 f. 79 Kube, HFSt 2 (2016), 46 f.
B. Die Grundrechtecharta und EDIS
249
tung mittels einer delegierten Verordnung bestimmen. Die Problemlage innerhalb des SRM dürfte sich damit bei EDIS widerspiegeln. Die Höhe der gedeckten, also durch den Einlagensicherungsfonds abgesicherten80 Einlagen ist im Ausgangspunkt die maximale Haftungssumme des Einlagensicherungssystems für das versicherte Kreditinstitut. Als Faustformel unter Ausblendung der individuellen Risikogeneigtheit lässt sich sagen, dass je höher der Umfang der gedeckten Einlagen eines Kreditinstituts ist, desto mehr Mittel muss der Einlagensicherungsfonds für das einzelne Kreditinstitut bereithalten. Die Finanzierung des Einlagensicherungsfonds wiederum ist Sachzweck der EDIS-Abgabe, womit auch deren Höhe im Ausgangspunkt mit der Höhe der gedeckten Einlagen korreliert. Vor dem Hintergrund der großen Ermessensgewähr zugunsten des Unionsgesetzgebers bietet sich daher ein Abstellen auf die Höhe der gedeckten Einlagen in sachlicher Hinsicht jedenfalls für EDIS an, unbenommen der Einstufung des SRM. Die spätere Risikoadjustierung dieses Betrags berücksichtigt die Solidität des Geschäftsmodells. Die weitergehende Bemessung und Gewichtung der Faktoren ist als komplexe Frage politischer und wirtschaftlicher Natur weitestgehend in das Ermessen des Gesetzgebers gestellt. Offensichtliche Unstimmigkeiten der Abgabenbemessung sind nicht ersichtlich. c) Rechtfertigung des vielseitigen Einbezugs von Finanzmarktakteuren Die vom Europäischen Gerichtshof nicht erforderte besondere Finanzierungsverantwortung beeinflusst die Auswahlentscheidung hinsichtlich des Einbezugs der Sparkassen.81 Wie anhand des Urteils Arcelor Atlantique et Lorraine82 zu sehen, erstreckt der Europäische Gerichtshof den großzügigen Maßstab bei komplexen und politischen Fragen auch auf die Auswahlentscheidung des Gesetzgebers.83 Es besteht eine signifikante Interdependenz des Finanzsektors,84 die zur Verwirklichung des Sachziels der Abgabenbelastung eine breitflächige Erfassung der Finanzmarktteilnehmer verlangt. Es ist dabei unerheblich, ob den Sparkassen eine gleichwertige 80
Art. 2 Abs. 1 Nr. 5 Einlagensicherungsrichtlinie (Richtlinie 2014/49/EU) definiert die gedeckten Einlagen als „(…) den Teil erstattungsfähiger Einlagen, der die in Artikel 6 genannte Deckungssumme nicht übersteigt (…)“. 81 Die Sparkassen als Bankenorganisationsform in Deutschland zeigen erheblichen politischen Widerstand gegen EDIS, vgl. z. B. das Positionspapier der Arbeitsgemeinschaft der bayerischen Handwerkskammern, des Bayerischen Industrie- und Handelskammertags, des Bayerischen Bankenverbands, des Genossenschaftsverbands Bayern und des Sparkassenverbands Bayern „Gemeinsames aktualisiertes Positionspapier gegen die Pläne der EU-Kommission zur Schaffung einer Europäischen Einlagensicherung (EDIS)“ aus dem Januar 2017 sowie Fahrenschon Kreditwesen 2016, 636 – 637. Daher wird den Sparkassen gesonderte Aufmerksamkeit geschenkt. 82 EuGH, Urteil vom 16. 12. 2008 – C-127/07 – Arcelor Atlantique et Lorraine u. a. 83 EuGH, Urteil vom 16. 12. 2008 – C-127/07 – Arcelor Atlantique et Lorraine u. a., Rn. 64 ff. 84 Vgl. § 6 B. II. 2.
250
§ 6 Entfaltung der Maßstäbe parafiskalischer Abgaben im Unionsrecht
Finanzierungsverantwortung durch ein risikogeneigtes Geschäftsmodell zukommt. Im Übrigen wird die Enthaltsamkeit hinsichtlich risikogeneigter Geschäfte durch die Risikoanpassung honoriert, was letztlich als kohärentes Gesamtkonstrukt des Unionsgesetzgebers eingestuft werden dürfte. Diese Einschätzung deckt sich im Übrigen mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Auch die dortige Rechtsprechung hält den Finanzmarkt für einen Bereich, in dem die spezifischen Problemlagen einerseits der schnellen Ansteckung anderer Mitglieder des Finanzmarkts und andererseits des Durchschlagens auf die Realwirtschaft85 jedem Teilnehmer des Finanzmarkts zurechenbar sind.86 Risikoaverse Geschäftsmodelle werden daher einzig mit der Risikoanpassung zu ihren Gunsten vor einer übermäßigen Belastung geschützt. Der breitflächige Einbezug der Kreditwirtschaft ist vor diesem Hintergrund gerechtfertigt. d) Rechtfertigung des Einbezugs deutscher Kreditinstitute als Beispiel nationaler Finanzsektoren Speziell für die deutsche Kreditwirtschaft argumentiert Herdegen, dass deutsche Kreditinstitute nicht für lokale Probleme ausländischer Bankensektoren verantwortlich gemacht werden können. Eine solche Vorgehensweise verletze Art. 20 GrCH, der eine besondere Finanzierungsverantwortung für gegenleistungsunabhängige Abgabenbelastungen erfordere.87 Eine rechtfertigende Sachverantwortung erschließe sich nur bei einer internationalen Bedeutung des betroffenen Instituts.88 Neben der bereits aufgezeigten Ablehnung einer besonderen Finanzierungsverantwortung seitens des Europäischen Gerichtshofs89 ist diese nationalitätsbezogene Interpretation der Verantwortung für das Erreichen des Sachzwecks als Grundlage der Rechtfertigung der Ungleichbehandlung im Rahmen des Allgemeinen Gleichheitssatzes mit dem Binnenmarktkonzept der Union und dem Konzept der Unionsbürgerschaft nicht vereinbar.90 Beide Konzepte beruhen gerade auf einer Überwindung nationaler Grenzen. Daher kann der Unionsgesetzgeber nur sehr eingeschränkt nach Herkunft differenzieren. Keine der möglichen Rechtfertigungen hierfür ist ersichtlich. Das Argument ist daher zurückzuweisen.
85
BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 24. 11. 2015 – 2 BvR 355/12, Rn. 42 f. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 24. 11. 2015 – 2 BvR 355/12, Rn. 42 f. 87 Herdegen, WM 2016, 1905 (1908). 88 Herdegen, WM 2016, 1905 (1908). 89 Auch Herdegen, WM 2016, 1905 (1909) betont, dass aus Art. 20 GrCH nicht die Maßstäbe des deutschen Gleichheitssatzes übernommen werden können, wendet aber auch auf unionaler Ebene einen restriktiven Maßstab an. 90 Vgl. zu diesem Argument, wenn auch in leicht anderem Kontext, Ohlendorf (2015), S. 224. 86
C. Ergebnis hinsichtlich der EDIS-Abgabe
251
III. Grundfreiheiten Vom EDIS-Vorschlag gehen keine substantiellen Gefährdungen der Grundfreiheiten aus. Vielmehr ist der Vorschlag auf Förderung derselben gerichtet.91
C. Ergebnis hinsichtlich der EDIS-Abgabe als unionseigene parafiskalische Abgabe Es ist davon auszugehen, dass die EDIS-Abgabe eine europarechtskonforme Abgabenbelastung in Form einer unionseigenen parafiskalischen Abgabe darstellt.
91
EDIS-Vorschlag, S. 5.
§ 7 Ausblick: Der potenzielle Einfluss mitgliedstaatlicher Verfassungsgerichte auf die Dogmatik der unionseigenen parafiskalischen Abgabe Abschließende Erwägungen sollen dem Verhältnis zwischen Europäischem Gerichtshof und dem Bundesverfassungsgericht in Bezug auf unionseigene parafiskalische Abgaben gelten. Dabei geht es nicht um die Frage einer expliziten Kompetenzübertragung durch die Mitgliedstaaten unter möglicher Entäußerung ihrer Budgethoheit,1 sondern um eine mögliche Kompetenzanmaßung seitens der Europäischen Union. Das zugrundeliegende Konzept judikativer Gegenwehr ist die Ultravires-Kontrolle des Bundesverfassungsgerichts.2 In ihr überprüft das Gericht, ob sich ein Hoheitsakt der Union noch innerhalb der übertragenen Kompetenz, d. h. innerhalb des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung (Art. 5 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 EUV) und des Subsidiaritätsprinzips (Art. 5 Abs. 1 S. 2 und Abs. 3 EUV), bewegt.3 Beruhend auf der Rechtssache Honeywell4 verlangt das Bundesverfassungsgericht drei Voraussetzungen und Leitlinien für ein Eingreifen: Erstens muss dem Europäischen Gerichtshof durch eine Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt werden,5 zweitens muss der Verstoß hinreichend qualifiziert sein6 und drittens muss die richterliche Rechtsfortbildung durch den Europäischen Gerichtshof berücksichtigt und anerkannt werden.7 Wie das Bundesverfassungsgericht im Lissabon-Urteil8 explizit festgehalten hat, ist die Budgethoheit Kernbereich der Staatlichkeit unter dem Grundgesetz.9 Entsprechend 1
Siehe zu diesem Aspekt Kahl, DVBl 2013, 197 (200 ff.) m.w.N. zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts; Streinz, FS Wendt 2015, S. 677 – 692; Mannefeld (2017), S. 152. 2 Ursprünglich im Maastricht-Urteil (BVerfGE 89, 155 (188)) noch als Konzept des „ausbrechenden Rechtsakts“ angedacht, ist nun die „Ultra-vires-Kontrolle“ gängiger Sprachgebrauch, vgl. BVerfGE 123, 267 (354); siehe zur Geschichte Calliess, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar (83. EL April 2018), Art. 24 Abs. 1 GG Rn. 202. 3 BVerfGE 123, 267 (353 ff.); Calliess, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar (83. EL April 2018), Art. 24 Abs. 1 GG Rn. 202; Kahl, DVBl 2013, 197 (199). 4 BVerfGE 126, 286 – 331. 5 BVerfGE 126, 286 (304). 6 BVerfGE 126, 286 (304). 7 BVerfGE 126, 286 (305 ff.); Auflistung aller drei Prüfungselemente mit Kommentar bei Kahl, DVBl 2013, 197 (199). 8 BVerfGE 123, 267 – 437. 9 BVerfGE 123, 267 (361 f.); vgl. schon aus der Literatur Vogel, StuW 1993, 380 (383); zur Finanzgewalt als „Ausdruck staatlicher Binnensouveränität“ F. Kirchhof, VVDStRL 52 (1993), 71 (79).
§ 7 Ausblick
253
ist von einer hohen Widerstandsbereitschaft des Bundesverfassungsgerichts in diesen Kompetenzbereichen auszugehen. Daher ist es naheliegend, bei Fragen der Abgabenerhebung einen qualifizierten Verstoß verhältnismäßig schnell zu bejahen. Der Einfluss der nationalstaatlichen Verfassungsgerichte bringt eine weitere Variable in die Dogmatik der unionseigenen parafiskalischen Abgaben, als dass die nationalen Verfassungsgerichte bei einer von ihnen empfundenen extensiven Auslegung der Sachkompetenzen zur Abgabenerhebung intervenieren könnten. Wohl im Bewusstsein der Sensibilität der unionalen Abgabenerhebung für das Kompetenzgefüge zwischen Union und Mitgliedstaaten wird in der Literatur geltend gemacht, dass EDIS den Ultra-vires-Maßstab erfülle.10 Herdegen zieht explizit das Argument heran, dass die Quantität der Abgabenerhebung zu einer qualitativen Verschiebung zugunsten der Union führe.11 Entsprechende Überlegungen gehen rechtshistorisch – soweit ersichtlich – bis hin zu den Mitverantwortungsabgaben zurück, deren kompetenzrechtliche Grundlage angezweifelt wurde.12 Obwohl die Höhe der Abgabenerhebung für die Kompetenzinterpretation des Europäischen Gerichtshofs nicht ausschlaggebend ist,13 ist es prinzipiell denkbar, dass nationale Verfassungsgerichte dies anders bewerten. Die hoheitsrechtliche Sensibilität der sachkompetenzrechtlich gestützten Abgabenerhebung mittels parafiskalischer Abgaben schlägt damit – losgelöst von Einzelbeispielen wie der EDIS-Abgabe – potenziell auf die Gesamtheit der parafiskalischen Abgaben durch. Die Wirkungskraft eines solchen Durchschlagens hängt in der Folge auch von der Reaktion auf der Europäischen Ebene auf eine solche mitgliedstaatliche Entscheidung ab.14
10 11 12 13 14
Herdegen, WM 2016, 1905 (1911). Herdegen, WM 2016, 1905 (1911). Fugmann (1991), S. 138, S. 142. Siehe unter § 4 A. I. 6. e). Siehe zu den Reaktionsmöglichkeiten Schneider, AöR 139 (2014), 197 (224).
§ 8 Zusammenfassung der Arbeit in Thesen 1. Die Abgabe stellt den Oberbegriff der unionsrechtlichen Abgabensystematik dar. Im bisherigen Verlauf der Integration wurden die Abgabenbegriffe durch die Europäische Rechtsprechung perplex eingesetzt, eine dogmatische Konsolidierung deutet sich erst mit vermehrtem Auftreten unionseigener Abgaben an. 2. Abgabenbegriffe, die sich auf nationale Abgaben beziehen, sind grundsätzlich sachbereichsbezogen zu interpretieren. Unionseigene Abgaben unterliegen der unionseigenen Abgabensystematik, die sich anhand unionsautonomer Auslegung bestimmt. 3. Parafiskalische Abgaben sind ein Rechtsbegriff des Europarechts. Sie sind ein eigener Abgabentyp, der klare Konturen aufweist. Neben den eigentlichen parafiskalischen Abgaben im engeren Sinne existieren noch die unter Umständen individualäquivalenten parafiskalischen Abgaben im weiteren Sinne. Die Abgabe im Rahmen des EDIS-Vorschlags der Kommission ist eine unionseigene parafiskalische Abgabe. 4. Die Verwendung parafiskalischer Abgaben durch die Europäische Union ist rechtlich limitiert. Die Limitationsgründe sind kompetenzrechtlich und grundrechtlich bedingt, wobei sowohl Freiheits- wie auch Gleichheitsrechte relevant sind. 5. Das Unionsrecht kennt eine grundsätzliche Unterscheidung zwischen Sach- und Finanzkompetenzen. Primäraspekt einer Erhebung von nicht individualäquivalenten Abgaben mittels einer Sachkompetenz ist die Zweckbindung des Abgabenaufkommens im Rahmen der Reichweite der betroffenen Sachkompetenz. Das Eigenmittelsystem enthält keine normative Steuerungskraft hinsichtlich der parafiskalischen Abgabenerhebung der Union, wobei die dogmatische Begründung hierfür seitens der Rechtsprechung offenbleibt. Die Haushaltsgrundsätze bieten in ihrer aktuellen Form wenig Potenzial für eine effektive Regulierung parafiskalischer Abgabenaktivitäten. 6. Die freiheitsrechtlichen Gewährleistungen der Grundrechtecharta bieten einen einzelfallabhängigen Schutz vor parafiskalischen Abgaben. Der Eigentumsfreiheit dürfte zum gegenwärtigen Stand der Dogmatik nur bei eigentumsbezogenen Abgabenbelastungen eine Schutzwirkung zukommen. Die unternehmerische Freiheit schützt die unternehmerische Tätigkeit relativ umfassend vor der ungerechtfertigten Auferlegung parafiskalischer Abgaben. 7. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 20 GrCH nicht das Gebot einer leistungsfähigkeitsgerechten Steuer- und Abgabe-
§ 8 Zusammenfassung der Arbeit in Thesen
255
belastung zu entnehmen. Gleichheitsrechtlich ist eine gewisse Sachnähe der Abgabebelasteten zum Regelungszweck der Abgabenerhebung zu verlangen, die allerdings keine Finanzierungsverantwortung im engeren Sinne darstellt. Auch beschränkt der Sachzweck gleichheitsrechtlich die Abgabenhöhe. 8. Art. 114 Abs. 1 AEUV ist potenzielle Grundlage parafiskalischer Abgaben und zwar auch solcher, die der Union die Ertragshoheit zuweisen. Trotz der besonderen Zielorientierung der Norm ist Art. 114 Abs. 1 AEUV in abgabentechnischer Hinsicht als Sachkompetenz einzusetzen. 9. Die geplante vergemeinschaftete Einlagensicherung (EDIS) auf Grundlage des Kommissionsvorschlags aus dem Jahr 2015 bewegt sich im Rahmen der Europäischen Kompetenzordnung und verstößt auch nicht gegen Grundrechte. Die geplante EDIS-Abgabe stellt somit eine rechtmäßige parafiskalische Abgabe dar.
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78, 176
Eigenmittel 15, 42, 75 ff., 83 f., 120, 125 ff., 151 f., 155 ff., 216, 240 Eigentumsfreiheit 178, 206 ff., 245 f., 254 Einlagensicherung 15 ff., 68, 79, 92 ff., 108 ff., 164, 218, 236 ff. Einnahmen, sonstige 51, 72, 75 ff., 126, 161 ff. Finanzierungszweck 38, 46 ff., 52, 72, 146, 154, 231 Finanzkompetenz 34, 45, 48, 73, 128 ff., 134, 138 f., 143 ff., 146 ff., 162, 167 Finanzsouveränität 41, 128 ff., 146 ff., 151, 165 ff., 228 ff. Finanzverfassungsrecht 15, 24, 40, 78, 87, 118, 122 f., 134, 140, 159 f. Gebühr 26, 34 ff., 50 ff., 66, 89, 98 ff., 105 ff., 117, 158, 231 Gleichheitssatz S.16, 119, 178, 184 ff., 201 ff., 214, 216
Grundfreiheiten 38, 59 f., 177 ff., 185, 194 ff., 212, 214 ff., 220 Grundrechtecharta 85, 119, 124, 155, 177 ff., 196, 200, 206, 208 ff., 245 ff. Gruppenäquivalenz 40, 47 ff., 69, 71, 74, 87 ff., 150, 158, 209 f., 232, 244 f. Haushaltsgrundsätze 120, 142, 151, 159, 166 ff., 216, 254 Homogenität 40, 67 ff., 85 ff., 153, 204 f. Individualschutz
123 f., 225
Leistungsfähigkeit 48 f., 65, 111, 150, 190 ff., 205 f., 233, 248 Lenkungszweck 78, 132, 148 ff. Methodenlehre 122 Mittelbindung 74, 78, 83 f., 148, 154, 173 Mitverantwortungsabgabe 46, 77 ff., 84 f., 144 ff., 153, 162, 173, 208 Neutralitätsgrundsatz
188 f., 193
Parafiskalität 18, 63, 72 ff., 88, 100, 104, 107, 125, 144. Sachkompetenz 15 f., 34, 48 ff., 73 f., 84 f., 90, 120 ff., 127, 133 ff., 145 ff., 173 ff., 183 ff., 190, 197, 199, 205, 216, 224 ff., 242 ff. Sachverantwortung 58, 87, 106, 250 Solidaritätsabgabe 42 f. Sonderabgabe 15, 42, 48, 55 f., 63, 67 ff., 78, 88 f., 102, 107, 118, 138, 148, 158, 172 ff., 199, 204 f., 229 ff., 244 Sondervermögen 61, 64 SRF 79, 100, 105 ff., 112 ff., 153 Steuern 15, 20 ff., 32 ff., 38 ff., 51 ff., 58 ff., 64 ff., 83 ff., 121 ff., 154 ff., 177 ff., 190 ff.
Stichwortverzeichnis Umsatzsteuer 32, 144, 179, 188 f., 193 Unionsbürgerschaft 68, 194, 250 Unternehmerische Freiheit 16, 206, 212 ff., 245 ff., 254 Verschuldungsverbot 176 Verwaltungsverbund 94
285
Wettbewerb 189 f., 201 ff., 213, 216, 220 f., 238 Zölle 25, 31 ff., 49 Zweckbindung 46 f., 71 f., 84, 145, 147, 153, 162 ff., 173 f., 186, 216, 233, 244, 254