Organische Chemie: Ein Lehrbuch für Naturwissenschaftler, Mediziner und Techniker [3., völlig neu bearb. u. erw. Aufl. Reprint 2019] 9783111507484, 9783111140322

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228 74 19MB

German Pages 230 [236] Year 1970

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Table of contents :
EIN EINLEITENDES VORWORT
VORWORT ZUR DRITTEN, NEU BEARBEITETEN AUFLAGE
INHALTSÜBERSICHT
Teil I. Grundlagen der organischen Chemie
A. Der Begriff „Organische Chemie"
B. Das Elektronensystem als Träger der chemischen Eigenschaften
C. Chemische Reaktionen
Teil II. Systematische organische Chemie
A. Aliphatische Kohlenwasserstoffe
B. Halogenverbindungen
C. Sauerstoffverbindungen
D. Stickstoffverbindungen
E. Schwefelverbindungen
F. Polyfunktionelle Verbindungen
G. Alicyclische Verbindungen
H. Terpene und verwandte Verbindungen
I. Aromatische Verbindungen
K. Heterocyclische Verbindungen
Teil III. Makromolekulare organische Stoffe
A. Einleitung
B. Die Synthese makromolekularer Stoffe
C. Die mechanischen Eigenschaften makromolekularer Stoffe
D. Darstellung, Eigenschaften und Anwendung einzelner makromolekularer organischer Stoffe
Teil IV. Lösungsmittel, Weichmacher, oberflächenaktive Substanzen
A. Allgemeines
B. Die Verwendung von Lösungsmitteln
C. Weichmacher
D. Oberflächenaktive Substanzen
Teil V. Biochemie
A. Allgemeines
B. Biochemisch wichtige organische Verbindungen
C. Lebensvorgänge
Teil VI. Analytische Methoden in der organischen Chemie
A. Allgemeines
B. „Klassische" Methoden
C. Spezielle Methoden
Sachregister
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Organische Chemie: Ein Lehrbuch für Naturwissenschaftler, Mediziner und Techniker [3., völlig neu bearb. u. erw. Aufl. Reprint 2019]
 9783111507484, 9783111140322

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FRIEDRICH BERN HARD

NERDEL SCHRÄDER

ORGANISCHE CHEMIE

ORGANISCHE CHEMIE Ein Lehrbuch für Naturwissenschaftler, Mediziner und Techniker

FRIEDRICH

NERDEL

Dr. phil., o. Professor für Theoretische Organische Chemie an der Technischen Universität, Berlin

BERNHARD

SCHRÄDER

Dr.-Ing., Privatdozent, Leiter der Gruppe Molekülspektroskopie im Institut für Spektrochemie und angewandte Spektroskopie, Dortmund

3., völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage

M i t 49 A b b i l d u n g e n

B e r l i n 1970 W A L T E R D E G R U Y T E R & CO, vormals G. J . Göschen'sche Verlagshandlung • J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung • Georg Reimer • Karl J . Trübner • Veit & Comp.

© Copyright 1969 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. Göschen'sohe Verlagshandlung, J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung, Georg Seimer, Earl J. Trübner, Veit & Comp., Berlin 30 Alle Bechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der photomechanischen Wiedergabe, der Herstellung von Mikrofilmen und der Übersetzung, vorbehalten Archiv-Nr. 6718 601 Printed in Germany Einband: U. Hanisch, Berlin 37 Satz und Druek: Walter de Gruyter & Co., Berlin 30

EIN E I N L E I T E N D E S VORWORT Die organische Chemie, richtiger die Produkte der Biosynthese, der organischchemischen Industrie und der Forschungslaboratorien, sind so vielgestaltig, daß ohne sie unsere heutige Zivilisation kaum denkbar wäre. Diese enge Verzahnung mit dem täglichen Leben zwingt auch den Nichtchemiker, sich mit den Begriffen und Grundvorstellungen dieser Wissenschaft vertraut zu machen. Dem Anfänger erscheint es oft so, als ob die organische Chemie eine Sammlung von unentwirrbaren und unübersichtlichen Tatsachen sei. Es ist zwar nicht zu leugnen, daß das Tatsachenmaterial der organischen Chemie ungewöhnlich groß ist und daß es sehr lange gedauert hat, bis man eine brauchbare und vielleicht auch allgemein verständliche Systematik gefunden hat. Auf den folgenden Seiten wird der Versuch unternommen, auch dem Nichtchemiker dieses Wissensgebiet näher zu bringen, wobei bewußt davon Abstand genommen wurde, auf Einzelprobleme einzugehen. Den gesamten Betrachtungen sei vorausgestellt, daß sich die wesentlichen Prinzipien der organischen Chemie aus den Grundbegriffen der chemischen Bindung ableiten lassen. Wer sich mit den Konsequenzen dieses Gedankens einmal vertraut gemacht hat, findet sich in dem Gebäude der organischen Chemie zurecht, ohne die Strukturformeln einzelner Verbindungen stets gegenwärtig zu haben. Aus diesen Überlegungen ist die Einteilung des vorliegenden Buches entstanden. Es werden zunächst die allgemeinen Gesichtspunkte diskutiert, wobei selbstverständlich gewisse Vereinfachungen und Verallgemeinerungen nicht zu umgehen sind. Im zweiten Teil werden die wesentlichen Verbindungstypen und ihre Reaktionen besprochen. Da hier die Hauptschwierigkeiten für den Lernenden Hegen, weil ihn die Fülle des Materials erdrückt, wurde versucht, das gesamte chemische Geschehen auf einige Grundphänomene zurückzuführen. Deshalb treten spezielle Verbindungen mit ihren Darstellungs- und Verwendungsmöglichkeiten kaum in Erscheinung, zur Erweiterung des Tatsachenmaterials wurden lediglich Tafeln einiger Verbindungsklassen eingeschoben. Diese Art der Behandlung des Stoffes bringt es mit sich, daß Abweichungen von der sonst üblichen Lehrbuchsystematik auftreten. Im dritten, vierten und fünften Teil wird die Bedeutung der organischen Chemie für unser gesamtes Leben herausgestellt; auch dies ist nur ein Teilausschnitt. Die Auswahl wurde aber so getroffen, daß der Leser solche Dinge erfährt, die für sein Fachstudium Bedeutung haben. Berlin, Frühjahr 1961

FBIEDBICH N E R D E L — B E B N H A E D SCHEADEB

VORWORT ZUR D R I T T E N , N E U B E A R B E I T E T E N AUFLAGE Die zweite Auflage dieses Buches war wieder schnell vergriffen — dies zeigt, daß ein Lehrbuch der Organischen Chemie für Naturwissenschaftler, Mediziner und Techniker notwendig ist. Da aber gerade an Chemie-Lehrbücher für Nichtchemiker besondere Anforderungen zu stellen sind, haben wir auch die vorliegenden Auflage wieder völlig überarbeitet. Wir konnten bei der Bearbeitung die Hinweise vieler Fachkollegen — für die wir herzlich danken — berücksichtigen. Auch für die Zukunft ist uns konstruktive Kritik sehr erwünscht. Teil 1, Grundlagen der organischen Chemie, wurde vollständig neu bearbeitet. Neu sind die Abschnitte des Kapitels: Eigenschaften organischer Verbindungen. Im Teil 2, Systematische organische Chemie, wurden viele Reaktionen neu dargestellt. Vielen Ergänzungen stehen eine Reihe von Streichungen gegenüber, so daß der Umfang nur wenig vergrößert ist. Teil 3, Makromolekulare organische Stoffe, und Teil 4, Lösungsmittel, Weichmacher, oberflächenaktive Substanzen, wurden dem technischen Fortschritt gemäß überarbeitet. Eine Reihe von Abschnitten aus Teil 5, Biochemie, wurden neu geschrieben, so das gesamte Kapitel Biokatalysatoren und Wirkstoffe (Fermente, Vitamine, Hormone, Wirkstoffe des Nervensystems, Antikörper, Antibiotika, Chemotherapeutika, Alkaloide). Im Teil 6 wurde ein Abschnitt über Massenspektrometrie eingefügt. Bei der Bearbeitung hat uns Herr Privatdozent Dr. J. BTJDDEUS geholfen, wofür wir ihm herzlichst danken. Ebenso danken wir ihm und den Herren Dipl.-Ing. K. L U C A S und Dr. G . SCHEBOWSKY für die Hilfe bei den Korrekturen. Berlin u. Dortmund, Herbst

1969

F E I E D E I C H N E R D E L — BERNHARD SCHRADEE

INHALTSÜBERSICHT

Seite

Teil I. Grundlagen der organischen Chemie

A. Der Begriff „Organische Chemie"

3

B. Das Elektronensystem als Träger der chemischen Eigenschaften

3

1. Die Atome — Aufbau des Periodensystems der Elemente

3

2. Die Eigenschaften der Elemente als Folge der Stellung im Periodensystem

7

a) Das Oktett-Prinzip

8

b) Die Bildung von Ionen

8

c) Die homöopolare Bindung

8

3. Das Aufbauprinzip organischer Verbindungen

10

4. Die Eigenschaften organischer Verbindungen

12

a) Der räumliche Bau von Einfach- und Mehrfachbindungen

12

b) Die Mesomerie

15

c) Die optische Aktivität

20

d) Das Dipolmoment

21

e) Die zwischenmolekularen Kräfte

22

C. Chemische Reaktionen

24

Inhaltsübersicht

VIII

Seite

Teil II. Systematische organische Chemie

A. Aliphatische Kohlenwasserstoffe

31

1. Physikalische Eigenschaften

33

2. Vorkommen und Verwendung

33

3. Die wesentlichen Verfahren zur Benzingewinnung

. . .

a) Die Crackhydrierung

33

b) Kohleverschwelung c) Kohlehydrierung, Bergius—Leuna—Verfahren

33

34 . . .

34

d) Kohleextraktion

34

e) Fischer-Tropsch-Synthese

35

4. Chemisches Verhalten

35

5. Äthenverbindungen (Äthylenverbindungen)

36

6. Di- und Polyene

38

7. Polymerisation

38

8. Äthin- oder Acetylen-Verbindungen

39

B . Halogen Verbindungen

40

1. Allgemeine Eigenschaften

40

2. Die Wurtzsche Synthese

43

3. Friedel-Crafts Reaktion

44

C. Sauerstoffverbindungen

45

1. Alkohole

45

2. Äther

49

3. Carbonylverbindungen

50

a) Oxydation sekundärer und primärer Alkohole . . . .

50

b) Reduktion der Carbonylgruppe

59

c) Cannizzarosche Reaktion

59

4. Carboxylverbindungen D. Stickstoff Verbindungen

59 64

1. Amine

64

2. Nitroso- und Nitroverbindungen

68

3. Nitrile, Isonitrile, Knallsäure

69

Inhaltsübersicht Seite

E. Schwefelverbindungen

71

F. Polyfunktionelle Verbindungen

72

1. Polyhydroxyverbindungen

72

2. Hydroxycarbonylverbindungen

74

3. Dicarbonylverbindungen

81

4. Hydroxycarbonsäuren

81

5. Ketocarbonsäuren

82

6. Dicarbonsäuren

85

7. Halogencarbonsäuren 8. Aminocarbonsäuren

87 v

9. Hydroxy-dicarbonsäuren 10. Allylverbindungen

89 89 91

G. Alicyclische Verbindungen

92

H. Terpene und verwandte Verbindungen

93

I. Aromatische Verbindungen

98

1. Kohlenwasserstoffe, Halogen- und SauerstoffVerbindungen

99

2. Chinone

104

3. Aminoverbindungen

104

4. Priedel-Craftssche Reaktion

106

5. Mehrkernige Verbindungen

106

K . Heterocyclische Verbindungen

109

Teil m . Makromolekulare organische Stoffe

A. Einleitung

119

B. Die Synthese makromolekularer Stoffe

119

C. Die mechanischen Eigenschaften makromolekularer Stoffe 121

X

Inhaltsübersicht Seite

D. Darstellung, Eigenschaften und Anwendung einzelner makromolekularer organischer Stoffe

123

1. Polymerisationsprodukte

123

a) Kohlenwasserstoffe

123

ex) Polyäthylen

123

ß) Polypropylen

124

y) Polystyrol

124

8) Natur- und Synthesekautschuk

125

b) Halogen-, Sauerstoff- und Stickstoffverbindungen . . 127 а) Polyvinylchlorid

127

ß) Polytetrafluoräthylen

129

y) Polyvinylacetat

129

8) Polyvinylalkohol

130

E) Polyvinylacetale

130

5) Polyacrylnitril

131

T)) Polymethacrylate

132

б) Polyvinyläther

132

i) Polyvinylpyrrolidon

133

2. Polykondensations- und Polyadditionsverbindungen a) Polyamide

. . 133 133

b) Polyester

135

c) Polyurethane

136

d) Äthoxylinharze

137

e) Polycarbonate

138

f) Polyoxymethylen, Polyoxyäthylen

138

g) Phenol-, Harnstoff- und Melamin-Harze

139

h) Silicone

142

3. Umwandlungsprodukte von Naturstoffen

143

a) Cellulose und Cellulosederivate

143

b) Abgewandelte Eiweißstoffe

144

Teil IV. Lösungsmittel, Weichmacher, oberflächenaktive Substanzen

A. Allgemeines

147

B. Die Verwendung von Lösungsmitteln

150

Inhaltsübersicht Seite

C. Weichmacher

151

D. Oberflächenaktive Substanzen

152

1. Die Wirkung oberflächenaktiver Substanzen 2. Die Molekülstruktur oberflächenaktiver Substanzen

152 . . 155

3. Eigenschaften und Verwendung oberflächenaktiver Substanzen

155

Teil V. Biochemie

A. Allgemeines

159

B. Biochemisch wichtige organische Verbindungen

160

1. Kohlenhydrate

160

2. Proteine

162

3. Fette

165

4. Andere biochemisch wichtige Verbindungen

166

C. Lebensvorgänge 1. Stoff- und Energiewechsel

167 167

a) Allgemeines

167

b) Kohlenhydratstoffwechsel

169

c) Fettsäurestoffwechsel

172

d) Eiweißstoffwechsel

172

e) Die Biogenese der Terpene und Sterine

174

f) Übersicht über die Stoffwechselvorgänge

177

2. Die Desoxyribonucleinsäuren a) Wesen und Struktur der DNS

177 177

b) Der chemische Aufbau der DNS

178

c) Synthese und Reduplizierung der DNS

179

3. Die Bedeutung der Ribonucleinsäuren für die Proteinsynthese

180

xn

Inhaltsübersicht Seite

4. Biokatalysatoren und Wirkstoffe

182

a) Fermente

182

b) Vitamine

185

c) Hormone

186

d) Wirkstoffe des Nervensystems

189

e) Antikörper

191

f) Antibiotika

191

g) Chemotherapeutika

192

h) Alkaloide

193

Teil Tl. Analytische Methoden in der organischen Chemie

A. Aligemeines

197

B. „Klassische" Methoden

197

1. Reinigung und Trennung

197

2. Kenngrößen zur Charakterisierung von Substanzen . . . 198 3. Ermittlung der elementaren und der prozentualen Zusammensetzung reiner Verbindungen

198

4. Ermittlungen des Molekulargewichtes

199

5. Ermittlung der Molekularstruktur

200

C. Spezielle Methoden

200

1. Chromatographische Methoden

200

2. Spektroskopische Methoden

203

3. Bestimmung des Dipolmomentes

205

4. Andere physikalische Methoden

207

6. Verwendung von Isotopen in der organischen Analytik . 208 Sachregister

209

Teil I

Grundlagen der organischen Chemie

A. Der Begriff „Organische Chemie" B. Das Elektronensystem als Träger der chemischen Eigenschaften C. Chemische Reaktionen

A. Der Begriff „Organische Chemie" Der Name „Organische Chemie" grenzte ursprünglich die Chemie des Pflanzenund Tierreichs von der „Anorganischen Chemie", der Chemie des Mineralreichs, ab. Die Abgrenzung der organischen Chemie erfolgte, weil man annahm, daß ihre Verbindungen nur von der lebenden Zelle unter Mitwirkung einer besonderen Lebenskraft aufgebaut werden könnten. Obwohl WÖHLE» 1824 die Oxalsäure und 1828 den Harnstoff synthetisiert hatte und dadurch diese Vermutung widerlegt war, blieb man bei der Abgrenzung der Organischen Chemie — die man nun als Chemie der Kohlenstoffverbindungen definierte — von der Anorganischen Chemie, der Chemie aller übrigen Elemente. Diese Aufteilung der Chemie ist aus einer Reihe von Gründen sinnvoll: Im Gegensatz zu den anderen Elementen kann ein Kohlenstoff-Atom sich mit bis zu vier weiteren Kohlenstoffatomen verbinden, die ihrerseits mit weiteren Kohlenstoffatomen verknüpft sein können. Die Größe der aus Kohlenstoffatomen aufgebauten Moleküle ist praktisch nicht begrenzt. In diesen Molekülen können die Kohlenstoffatome zu unterschiedlich großen Hingen oder Ringsystemen und zu langen und verzweigten Ketten zusammengefügt sein. Im Gegensatz zu vielen anorganischen Verbindungen zeigen die Kohlenstoffverbindungen keine Neigung zur Dissoziation in Ionen. Am Aufbau der organischen Verbindungen sind — außer Kohlenstoff — nur wenige andere Elemente: Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff und seltener die Halogene, Schwefel und Phosphor beteiligt. Infolge der mannigfaltigen Verknüpfungsmöglichkeiten dieser Elemente kennt man heute über vier Millionen verschiedene Kohlenstoffverbindungen, mehr als zehnmal so viel wie die Anzahl der bekannten Verbindungen aller anderen Elemente zusammen. Die „Organische" und die „Anorganische" Chemie lassen sich nicht scharf trennen, es gibt viele Komplexverbindungen mit „organischen" und „anorganischen" Molekülteilen. Für beide Gebiete gelten die gleichen Naturgesetze. Die Chemie des Pflanzen- und Tierreichs und aller Lebensvorgänge — ein sehr wichtiges Teilgebiet der Organischen Chemie — wird heute als Biochemie bezeichnet.

B. Das Elektronensystem als Träger der chemischen Eigenschaften 1. Die Atome — Aufbau des Periodensystems der Elemente Alle irdische Materie ist aus Molekülen und Atomen aufgebaut. Moleküle lassen sich mit Hilfe chemischer Reaktionen in Atome zerlegen. Atome sind mit den Mitteln i*

4

Das Elektronensystem als Träger der chemischen Eigenschaften

der Chemie nicht zerlegbar, man bezeichnet daher die aus Atomen mit den gleichen chemischen Eigenschaften zusammengesetzten Stoffe als Elemente. Ein Atom besteht aus dem Kern und der Elektronenhülle. Unter irdischen Bedingungen treten die Atomkerne nicht nackt, d. h. ohne Elektronenhülle auf. Ausnahmen sind die bei radioaktiven Prozessen gebildeten Spaltprodukte, z. B. a-Teilchen und Protonen (Helium- bzw. Wasserstoff-Kerne). Die Atomkerne sind positiv geladen und vereinigen praktisch die gesamte Masse der Atome in sich. Die Elektronenhülle ist negativ geladen und besitzt nur eine geringe Masse. Der Durchmesser der Atomkerne ist von der Größenordnung 10 - 1 2 cm, der der Elektronenhülle ist viel größer, etwa 10~8 cm. Die Atomkerne sind aus Protonen und Neutronen zusammengesetzt. Beide haben nahezu die gleiche Masse, nur das Proton ist elektrisch geladen — es trägt eine positive Elementarladung, sie ist entgegengesetzt gleich der Ladung eines Elektrons1). Die Zahl der Protonen im Kern wird als Kernladungs- oder Ordnungszahl bezeichnet. Ein Atom im elementaren Zustand besitzt in seiner Elektronenhülle so viele Elektronen wie die Kernladungszahl angibt. Dadurch ist es nach außen elektrisch neutral. Bei chemischen Reaktionen werden die Elektronenhüllen der beteiligten Atome verändert. Alle chemischen Eigenschaften eines Elements oder einer Verbindung hängen von den Eigenschaften der Elektronenhülle ah. Die Elektronen-Anordnung in der Hülle eines Atoms bestimmt, ob es als Ion stabiler ist oder als Bestandteil eines Moleküls. Von der Elektronenhülle aller Atome eines Moleküls wird die Stabilität des Moleküls bestimmt, seine chemische Reaktivität und seine physikalischen Eigenschaften. Die Eigenschaften der Atomkerne beeinflussen die chemischen Eigenschaften einer Atomart nur indirekt. Die Anzahl der Elektronen in der Hülle eines neutralen Atoms ist gleich der Anzahl der Protonen im Kern. Die Anzahl der Neutronen im Kern hat keinen Einfluß auf die chemischen Eigenschaften. Die Anzahl der Protonen im Kern, die Ordnungszahl, charakterisiert ein Element. Kerne mit der gleichen Zahl von Protonen, aber mit verschiedener Zahl von Neutronen gehören zum gleichen Element, obwohl sie verschiedene Masse besitzen, sie heißen isotope Kerne. Zum Beispiel können in einem Atomkern 6 Protonen gemeinsam mit 6, 7 oder 8 Neutronen angeordnet sein. Ein Kern mit der Kernladung 6 gehört zum Element Kohlenstoff — es gibt also die Kohlenstoff-Isotope mit den Atommassen 12, 13 und 14. Das für den analytisch arbeitenden Chemiker wichtige sogenannte Atomgewicht ist der Durchschnittswert der Masse der in der Natur auftretenden Mischung von isotopen Atomen des betreffenden Elements, angegeben in Atom-Masseneinheiten. Auf der Erde kommen natürlich die Atomkerne der Ordnungszahlen 1—92 vor. Einige wenig stabile Elemente mit höherer Ordnungszahl wurden mit den Verfahren der Kernphysik künstlich erzeugt. Die Atome der natürlichen Elemente haben eine Hülle aus 1—92 Elektronen, in der die Elektronen verschiedenartige Bahnen, die man durch sogenannte Hauptund Nebenquantenzahlen charakterisiert, besetzen. Mit Hilfe der Methoden der QuanDie Masse des Protons beträgt 1,00728, die des Neutrons 1,00866 und die des Elektrons 0,00055 Atom-Masseneinheiten. Eine Atom-Masseneinheit ist 1 / 12 der Masse des Kohlenstoffisotops 12 = 1,6604 • 10 -24 g. Eine Elementarladung, d. h. die positive Ladung des Protons und die negative des Elektrons ist gleich 1,6021 • 10~19 Coulomb.

Die Atome — Aufbau des Periodensystems der Elemente

5

Tabelle 1 Die Elemente der Kernladung (Ordnungszahl) 1—18 Kernladung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 IS

Symbol

Name

Masse der Isotopen

praktisches Atomgewicht*)

H He Li Be B C N O F Ne Na Mg AI Si P S Cl Ar

Wasserstoff Helium Lithium Beryllium Bor Kohlenstoff Stickstoff Sauerstoff Fluor Neon Natrium Magnesium Aluminium Silizium Phosphor Schwefel Chlor Argon

1, 2, 3**) 4,3 7,6 9 11,10 12, 13, 14 14,15 16, 17, 18 19 20, 21, 22 23 24, 25, 26 27 28, 29, 30 31 32, 33, 34, 36 35,37 36, 38, 40

1,00797 4,0026 6,939 9,122 10,811 12,01115 14,0067 15,9994 18,9984 20,183 22,9898 24,312 26,9815 28,086 30,9718 32,064 35,453 39,948

*) Die Atommassen werden auf die Masse des Kohlenstoff-Isotops 12C = 12,00000 AtomMasseneinheiten bezogen. **) Die isotopen Wasserstoffatome werden wie folgt bezeichnet: Masse 2: Deuterium (D), Masse 3: Tritium (T). tentheorie hat m a n ermittelt, welche B a h n e n möglich sind u n d wie sie sich unterscheiden. Die möglichen Elektronenbahnen, auch Orbitale genannt, zeigen verschiedene Formen — sie können kugelschalenförmig u m den K e r n als Mittelpunkt angeordnet sein oder auch tropfenförmig v o m Kern aus in bestimmte Raumrichtungen zeigen. J e näher eine B a h n a m K e r n ist, u m so niedriger ist die potentielle Energie des Elektrons auf dieser Bahn. E i n Grundprinzip der Physik besagt, daß alle Gebilde den Zustand m i t der geringsten potentiellen Energie anstreben. D e m n a c h besetzen die Elektronen v o n allen möglichen Bahnen zunächst diejenigen m i t der geringsten potentiellen Energie (Energieprinzip). Die Elektronenbahnen sind keine scharf definierten Flugbahnen wie die Planeten- oder Kometenbahnen, vielmehr beschreiben sie ein Raumgebiet, i n d e m ein Elektron an jedem P u n k t m i t einer bestimmten Wahrscheinlichkeit anzutreffen ist 1 ). Die Hauptquantenzahlen (n = 1, 2, 3 ...) schaffen eine grobe Ordnung der möglichen Bahnen, von ihnen hängt in erster Linie die potentielle Energie der Bahnen ab. Alle Elektronen eines Elementes werden als Elektronenhütte zusammengefaßt, alle Elektronen einer Hauptquantenzahl bilden die einzelnen Schalen dieser Hülle. Die Schalen werden als K, L, M...-Schale bezeichnet. Die Neben qnantenzahlen (1) bestimmen die Form der Bahnen. Bahnen der Nebenquantenzahl 0 sind kugelschalenförmig, die der Nebenquantenzahlen 1, 2, 3... tropfenförmig. Man bezeichnet die Elektronen der Nebenquantenzahlen 1 = 0, 1, 2, 3... als s, p, d, f...-Elektronen. Für jede 1

) Genauer gesagt ist die Entfernung eines Bahnpunktes vom Mittelpunkt der Bahn ein Maß für die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Elektrons in der betreffenden Richtung.

Das Elektronensystem als Träger der chemischen Eigenschaften

6

Hauptquantenzahl gibt es eine Serie von Bahnen mit verschiedenen Nebenquantenzahlen. Man hat gefunden, daß die Nebenquantenzahl höchstens um 1 kleiner als die Hauptquantenzahl ist, z. B. sind für n = 3 die Bahnen mit den Nebenquantenzahlen 0,1 und 2 möglich. Zu jeder Nebenquantenzahl gehören verschiedene, im Raum anders gerichtete Bahnen, eine Bahn für 1 = 0; 3 Bahnen für 1 = 1; 5 Bahnen für 1 = 2; 7 Bahnen für 1 = 3. Die einzelnen Bahnen einer Nebenquantenzahl werden durch die sog. Magnet quantenzahlen unterschieden, auf die hier nicht weiter eingegangen werden soll. In jeder dieser Bahnen können 2 Elektronen untergebracht werden, diese müssen entgegengesetzten Spin (Eigendrehsinn) aufweisen. In einem Atom können nicht 2 oder mehrere Elektronen mit gleichem Spin die gleiche Bahn besetzen (Pauli-Verbot). Mit anderen Worten: jedes Elektron muß sich von allen Elektronen, die zur gleichen Hülle gehören, in mindestens einer Eigenschaft unterscheiden. Für die ersten 4 Hauptquantenzahlen sind also folgende Bahnen möglich: Bezeichnung der Schale

n

1

K L M N

1 2 3 4

0 0,1 0,1,2 0,1,2,3

Bezeichnung der Bahnen ls, 2s, 3 X 2p 3s, 3 x 3 p , 5 x 3 d 4s, 3 x 4 p , 5 x 4 d , 7x4f

Gesamtzahl der Bahnen

Zahl der Elektronen

1 4 9 16

2 8 18 32

Die Gesamtzahl der Elektronen für die Hauptquantenzahlen 1, 2, 3, 4 beträgt also 2, 8, 18, 32. Die potentielle Energie der Elektronenbahnen wächst mit der Haupt- und Nebenquantenzahl. Dabei besitzen die Bahnen der größeren Hauptquantenzahl eine höhere Energie als alle Bahnen der nächstniedrigeren Quantenzahl. Eine Ausnahme macht die Nebenquantenzahl Null. Die 4s-Elektronenbahnen sind energieärmer Bahnenergie als die der 3d-Elektronen. Dieser Vorgang wiederholt sich bei den folgenden Schalen. Daraus ergibt sich, - 13 1 16 14 1 17 15 18 daß vor Besetzung der d-Bahnen schon auf der AI I S Si 1 Cl P \ Ar 11 12 nächst höheren Schale 2 Elektronen eingebaut wer3Pz 3p, 3P, Na I Mg den. Der Aufbau jeder Schale ist also mit Ausnahme 3s der K-Schale, die nur 2 Elektronen aufnehmen kann, - 5 I 8 6 1 9 7 1 10 zunächst mit 8 Elektronen abgeschlossen. C \ F N \ Ne B I 0 3 4 2Py 2P, Li I Be 2s

7

2 H \ He 1s

Abb. 1. Energiediagramm der Elektronenbahnen der Elemente 1—18. Mit dem Element 2 sind die Bahnen der Hauptquantenzahl 1 ausgefüllt. Zur Unterscheidimg der p-Bahnen sind diese mit den Indizes x, y und z versehen

In dem vorstehenden Diagramm ist die Energie der einzelnen Elektronenbahnen und die Reihenfolge der Besetzung der Bahnen durch die Ordnungszahl und das Symbol des betreffenden Atoms dargestellt. Wie man sieht, werden die Bahnen mit der gleichen Nebenquantenzahl zunächst einfach besetzt. Erst wenn dies geschehen ist, wird ein zweites Elektron in der gleichen Reihenfolge eingebaut. Diese Tatsache ist als Multiplizitätsprinzip bekannt. Dieses, das PauliVerbot und das Energieprinzip regeln den Aufbau der Elektronenhüllen der Elemente. Die K-Schale mit der Hauptquantenzahl 1 kann maximal 2 Elektronen aufnehmen. Beim Wasserstoff ist sie mit einem und beim Helium mit zwei Elektronen besetzt. Die L-Schale mit

Die Eigenschaften der Elemente als Folge der Stellung im Perioden-System

7

der Hauptquantenzahl 2 bietet insgesamt Platz für 8 Elektronen. Es entsteht so die Periode1) der Elemente vom Lithium bis zum Neon. Die M-Schale wird zunächst auch nur mit 8 Elektronen aufgefüllt, das sind die Elemente Natrium bis Argon. Bei der Einwirkung von Energie, z. B. Lieht, Stoßenergie usw. können Elektronen auf unbesetzte Bahnen höherer Energie angehoben werden. Beim Herabfallen der Elektronen auf die Normal-Bahnen wird die überschüssige Energie, z. B. als Licht, abgegeben. Auf diese Weise entstehen die Linienspektren der Elemente. Der Versuch zur Deutung dieser Spektren hat Anfang dieses Jahrhunderts zur Quantentheorie und zu den Vorstellungen über den Atombau geführt, die in diesem Abschnitt beschrieben werden.

2. Die Eigenschaften der Elemente als Folge der Stellung im Perioden-System a) Das O k t e t t - P r i n z i p Die chemischen und — wie wir später noch sehen werden — auch die wesentlichen physikalischen Eigenschaften der Elemente werden durch die Besetzung ihrer äußeren Elektronenschale, der sogenannten Valenzelektronenschale, bestimmt. Aus der Abbildung 1 kann man den Aufbau der Valenzelektronenschale der Atome mit den Ordnungszahlen 1—18 ablesen. Die einzelnen Bahnen, die den Elektronen zur Verfügung stehen, unterscheiden sich typisch in ihrer Bahnenergie. Man sieht, daß die Elektronen 1 und 2 eine Bahn mit sehr niedriger Energie besetzen. Ein drittes Elektron kann nur in einer wesentlich energiereicheren Bahn untergebracht werden. Auf Bahnen etwa gleicher Energie finden auch die Elektronen 4—10 Platz. Das elfte Elektron hat wiederum nur eine energiereichere Bahn zur Verfügung, bis zum Elektron 18 ändert sich danach die Bahnenergie nicht mehr wesentlich. Die Elektronenhüllen mit 2, 10 und 18 Elektronen zeichnen sich dadurch aus, daß bei ihnen die energiearmen Bahnen voll besetzt sind. Dies bestimmt das chemische Verhalten der Elemente Helium, Neon und Argon. Sie zeigen keine Tendenz, ihre Elektronenschale durch irgendwelche chemischen Reaktionen zu verändern, sie sind chemisch nahezu inert. Man bezeichnet diese Elemente daher als Eddgase. Die chemische Reaktivität aller übrigen Elemente beruht darauf, daß auch sie möglichst die Vollbesetzung der Bahnen niedriger Energie anstreben, um so die Elektronenschalen der Edelgasatome zu erreichen. Da mit Ausnahme des Heliums alle Edelgase acht Elektronen in ihrer Valenzelektronenschale besitzen, bezeichnet man die Neigung zur Ausbildung der Edelgasschale als das Oktett-Prinzip. Für die Atome, die keine Edelgasschale besitzen, gibt es drei Wege zur Erlangung dieser Schale: 1. Elektronen aus energiereichen Bahnen werden abgegeben, bis die nächstniedrigere Edelgasschale freigelegt wird. 2. Elektronen werden aufgenommen, bis die nächsthöhere Edelgasschale aufgefüllt ist. 3. Verschiedene Atome verschmelzen ihre Valenzelektronenhüllen derart, daß sie alle gleichzeitig die Edelgas-Elektronenschale besitzen. Im System der Elemente werden alle Elemente, deren Valenzelektronenschale zur gleichen Hauptqvantenzahl gehört, als Periode zusammengefaßt. Eine Gruppe bilden alle Elemente mit der gleichen Zahl von Valenzelektronen.

8

Das Elektronensystem als Träger der chemischen Eigenschaften

Die Reaktionl führt zu positiven Ionen, die Reaktion 2 zu negativen Ionen, und die Reaktion 3 bildet neutrale Moleküle mit sogenannten kovalenten Bindungen. b) Die Bildung von Ionen Die Reaktionen der Alkali- und Erdalkaliatome erfolgen meist nach dem Reaktionsweg 1: Durch Abgabe von einem bzw. zwei Elektronen aus energiereichen Bahnen bilden sich einfach bzw. zweifach positiv geladene Ionen mit einer Edelgasschale.

neutrale Atome

®

(N Ionen

LC

Be'

N~

0'

Abb. 2. Die Elemente 3—10 und ihre Ionen Vereinfachte Darstellung der Elektronenschalen

Prinzipiell könnte diese Abgabe von Elektronen auch bei den folgenden Elementen eintreten. Die dabei entstehenden dreifach und höher positiv geladenen Teilchen üben eine sehr große Anziehung auf die Elektronen aus, dadurch wird die Elektronenabgabe mehr und mehr erschwert und schließlich unmöglich. Einen ähnlichen Gang findet man bei dem Reaktionsweg 2: Die Halogenatome nehmen leicht ein Elektron auf und bilden dabei einfach negativ geladene Ionen. Die Bildung von zweifach und dreifach negativ geladenen Ionen aus den Atomen der Sauerstoff- und Stickstoffgruppe kann kaum noch stattfinden, da jetzt die mehrfach negativ geladenen Ionen die Elektronen zu stark abstoßen. Die Bildung von vierfach positiv oder vierfach negativ geladenen KohlenstoffIonen erfordert weit mehr Energie, als durch die Ausbildung der Edelgas-Elektronenschale gewonnen würde. Die Ausbildung einer stabilen Edelgasschale durch Bildung vierfach geladener Ionen ist beim Kohlenstoffatom daher praktisch nicht möglich. c) Die homöopolare Bindung Nach dem oben angegebenen Reaktionsweg 3 können zwei oder mehrere Atome eine Edelgashülle ausbilden, indem sie jeweils die Elektronen anderer Atome in ihre Valenzelektronenhülle aufnehmen und dabei gleichzeitig den anderen Atomen eigene Valenzelektronen zur Verfügung stellen. Auf diesem Weg erreichen alle Atome die Elektronenhülle des Edelgases mit der nächsthöheren Ordnungszahl. Durch den Austausch der Elektronen werden die Atome miteinander verbunden: sie bilden — im allgemeinen ungeladene — Moleküle. Bei der Annäherung eines Chloratoms an ein Wasserstoffatom zum Beispiel nimmt das Chloratom das Elektron des Wasserstoffatoms in seine M-Schale auf, ohne

Die Eigenschaften der Elemente als Folge der Stellung im Perioden-System

9

daß dieses vom Wasserstoffatom gelöst wird. Das Wasserstoffatom seinerseits bezieht ein Elektron des Chloratoms in seine Elektronenhülle ein und füllt damit seine K Schale auf. Durch diesen Elektronenaustausch erhalten beide daran beteiligten Atome die stabile Edelgashiille. Bei dem Zusammentritt der Atome zu diesem Aggregat wird

Cl

) + 1

flH^

>

( Cl \

QH) 7

I

ll|

Abb. 3. Entstehung der HCl-Molekel

Energie frei. Diese muß wieder aufgebracht werden, um die Atome zu trennen und in den ungebundenen Zustand zu überführen. Beide Atome trennen sich also nicht mehr freiwillig, sie sind durch diese beiden, ihnen jetzt gemeinsam gehörenden Elektronen aneinander gebunden. Diese Art der Bindung wird als kovalente Bindung — homöopolare Bindung — oder auch Elektronenpaarbindung bezeichnet. Dieser Aufbau eines Bindungselektronenpaares ist nur möglich, wenn die beiden daran beteiligten Elektronen das gleiche Energieniveau besetzen, gemäß dem Pauli-Verbot müssen sie dann entgegengesetzten Eigendrehsinn, antiparallelen Spin (Symbol | { ) , besitzen.

Die sechs Valenzelektronen des Chlors, die an der Bindung nicht beteiligt sind, faßt man zu drei Elektronenpaaren zusammen und bezeichnet sie als einsame oder nichtbindende Elektronenpaare. Löst man Chlorwasserstoff in Wasser auf, so dissoziiert die kovalente Bindung des Moleküls H—Cl, es entstehen die im wäßrigen Medium stabileren lernen Cl~ und H s O+.

Abb. 4. Reaktion von Chlorwasserstoff mit Wasser

Das Chlor-Atom bildet also, je nach den Reaktionsbedingungen, entweder eine kovalente Bindung aus, oder es bildet das Chlorid-Ion. Auf beiden Wegen erreicht es die Valenzelektronenschale des Argon-Atoms. Ein Natrium- und ein Ohlor-Atom können nicht durch eine kovalente Bindung verknüpft werden. Falls nämlich beide Atome ein Elektron aus der Schale des anderen Atoms in die eigene Schale einbauen würden, könnte zwar das Chloratom die Schale des Argons erhalten, das Natrium besäße aber nur die Schale des Magnesiums, nicht die eines Edelgases. Bei der Reaktion von Natrium- und Chloratomen entstehen daher nur Natrium-Ionen, Na+, und Chlorid-Ionen, Cl - ; beide besitzen die Elektronenschale eines Edelgases. Kovalente Bindungen können auch zwischen gleichartigen Atomen ausgebildet werden, zum Beispiel beim F2-, beim 0 2 - und beim N2-Molekül. In diesen Fällen ist

10

Bas Elektronensystem als Träger der chemischen Eigenschaften

es zur Erfüllung des Oktett-Prinzips erforderlich, daß beim Fluor ein Elektronenpaar, beim Sauerstoff zwei und beim Stickstoff drei Elektronenpaare beiden Atomen gemeinsam angehören müssen. Nur selten findet man Moleküle, die durch Verknüpfung von mehr als zwei gleichartigen Atomen entstehen — diese sind dann meist recht energiereich und damit reaktionsfreudig, wie zum Beispiel Ozon (0 3 ).

© 0 0©

0

0 0°)

© ® (^N

Abb. 5. Das Fluor-, Sauerstoff- und Stickstoffmolekül

Nur der Kohlenstoff (in geringerem Maße auch die anderen Elemente der Kohlenstoffgruppe, wie Silizium und Germanium) bildet Moleküle aus einer größeren Zahl von Atomen, die durch Einfach- und Mehrfachbindungen verknüpft sein können. Da die Tendenz zur Ausbildung von Kohlenstoff-Ionen — wie im vorigen Abschnitt erwähnt — äußerst gering ist, wird die Stabilität der kovalenten Bindungen des Kohlenstoffs besonders groß. 3. Das Aufbauprinzip organischer Verbindungen Das Kohlenstoffatom besitzt in seiner Valenzelektronenschale vier Elektronen. Zur Erlangung der Valenzelektronenhülle des Neons fehlen noch vier Elektronen, das Kohlenstoffatom muß dazu also vier kovalente Bindungen ausbilden. Kohlenstoffverbindungen, bei denen das Valenzelektronenolctett nicht vollständig ist, sind außerordentlich instabil. Denkt man sich z. B. ein Kohlenstoffatom mit drei Wasserstoffatomen kovalent verbunden, so würde die L-Schale 7 Elektronen, nämlich 3 Bindungselektronenpaare und ein an keiner Bindung beteiligtes ungepaartes Elektron besitzen und somit die gleiche Elektronenstruktur wie das Fluoratom haben. Ebenso wie sich atomares Fluor unmittelbar nach dem Entstehen zu Fluormolekülen vereinigt, treten zwei solche als Radikale bezeichnete Partikel unter Ausbildung einer kovälenten C-C-Bindung zusammen. Man könnte in diesen Radikalen eine Parallele zu den freien Atomen der Anorganischen Chemie sehen. LIEBIG, der ursprünglich hoffte, mit Hilfe der Radikale zu einer Systematik der organischen Verbindungen zu kommen, hat viele vergebliche Versuche zu ihrer Abb. 6. Das Methylradikal Darstellung gemacht. Als sich allgemein die Anschauung durchgesetzt hatte, daß Radikale nicht existent sind, gelang die Darstellung dennoch; erstmalig GOMBEBG 1 9 0 0 . Falls sie nicht durch besondere Bindungsverhältnisse stabilisiert werden, weisen die Radikale, wie nicht anders zu erwarten, etwa die Reaktivität von Halogenatomen auf. Die einfachste Verbindung zwischen Kohlenstoff und Wasserstoff ist die Verbindung CH4, Methan1). Durch Verknüpfung von 2 bzw. 3 Kohlenstoffatomen und Absättigung der verbleibenden Valenzen mit Wasserstoff kommt man zu den Verbindungen C2H6, Äthan und C3H8, Propan. 1

) Zur Nomenklatur auch der weiteren in diesem Abschnitt erwähnten Verbindungen s. S. 32.

11

Das Aufbauprinzip organischer Verbindungen

H

H H

H H H

h:c:h

h:c:c:h

h:c:c:c:h

H

H H

H H H

Methan

Äthan

Propan

• «

• • • •

• • • • • •

Zur Vereinfachung der Strukturformel schreibt man einen Strich für 2 Elektronen, ein 2 Atome verbindender Strich stellt also 1 Bindungselektronenpaar dar. H H— U

H H

H H H

H—C—C—H

H—C—Í—¿—H

¿

A i

¿ Á

¿

Weiterhin zieht man gern größere Atomgruppen zu einer Einheit zusammen, das führt beim Äthan zu der Schreibweise CHS—CHS. Die Anknüpfung eines vierten Kohlenstoffatoms an die Propankette ist an zwei verschiedenen Stellen möglich, einmal am Ende und einmal in der Mitte der Kette. _C—C—C—C—

—C—C—C— I C

Es ergeben sich so zwei Kohlenwasserstoffe — Butano genannt — mit der gleichen Zusammensetzung C4H10, aber verschiedener Struktur des Kohlenstoögeröstes. Die Existenz von Stoffen gleicher Zusammensetzung, aber verschiedener Eigenschaften wurde zuerst von Liebig und Wöhleb an den Salzen der Knall- und Cyansäure beobachtet und als Isomerie bezeichnet (S. 70). Man spricht von Strukturisomerie, wenn die Reihenfolge der Atome bei den einzelnen Isomeren verschieden ist. Mit dem Anwachsen der Zahl der miteinander verbundenen Kohlenstoffatome muß die Zahl der Isomeren gesetzmäßig und schnell steigen. Zum Beispiel gibt es 2 strukturisomere Butane C4H10, 3 Strukturisomere der Formel CBH12, sog. Pentane; bei einem Kohlenwasserstoff mit 10 C-Atomen, C 10 H 22 existieren schon 15 Strukturisomere. Durch Ersatz eines oder mehrerer Wasserstoffatome durch andere Atome oder Atomgruppen leiten sich von den Kohlen^ H Wasserstoffen alle organischen Verbindungen ab. Die offen' '^ H kettigen Verbindungen nennt man aliphatische, die ringförF 9 migen alicyclische Verbindungen. Falls nur Kohlenstoffatóme H—£ h im Ring vorhanden sind, nennt man die Verbindungen car/ ^ bocyclisch, falls auch andere Atome, z. B. Stickstoff, im Ring H / \ h vorhanden sind, heterocyclisch. Ringe mit drei bis sieben h H Ringatomen sind sehr verbreitet, es gibt aber auch VerCyciopentan bindungen mit einer großen Zahl von Ringatomen. Die Kohlenstoffatome können ihre Valenzelektronenschalen auch auffüllen durch Bildung mehrfacher kovalenter Bindungen: H

H

\/C=C CH a Br—CHBr—CH=CH S

Butadien

Produkt der 1,2-Addition l,2-Dibrombuten-(3)

Die nichtbindenden Elektronenpaare von Heteroatomen (N, -0, Halogene) sind ebenfalls befähigt, mit den p-Elektronen ungesättigter Kohlenstoffatome Molekülbahnen zu bilden. Man nennt diese Fähigkeit den mesomeren Effekt des Heteroatoms. Beim Vinylchlorid1) z. B. findet auf Grund des mesomeren Effekts der nicht bindenden einsamen Elektronenpaare am Cl-Atom eine Verschiebung der yr-Bindungselektronen in dem von den Pfeilen angegebenen Sinne statt, die an den Atomen resultierenden Teilladungen werden durch =


XT

/

c

\

H

H

Benzol, Charakterisierung der Mesomerie

Daneben sind noch andere Grenzverteilungen der Elektronen denkbar. Die tatsächlichen Verhältnisse kann man durch die folgende Schreibweise relativ gut wiedergeben. H

Diese Schreibweise will ausdrücken, daß die n-Elektronen ein in sich geschlossenes System sind, das durch Valenzstrichformeln nicht darstellbar ist. Die Mesomerie-Energie des Benzols — das ist die Energie, um die das Benzol ärmer ist als ein hypothetisches Molekül mit drei Doppelbindungen ohne Wechselwirkung — ist (mit 36 kcal/ Mol) zehnmal so groß wie die des Butadiens. Die für das Benzol typischen Eigenschaften findet man auch bei anderen Verbindungen mit mehreren Bingen und solchen Ringsystemen, die Heteroatome (z. B. N) enthalten. Da das Benzol erstmalig aus dem aromatischen Benzoeharz dargestellt wurde, hat man Verbindungen, die dem Benzol ähnlich sind, als aromatische Verbindungen und später den Bindungszustand als aromatisches System bezeichnet. Heute geht man so weit, alle Verbindungen, die der Hückel-Regel gehorchen, als Aromaten zu bezeichnen. 2*

20

Das Elektronensystem als Träger der chemischen Eigenschaften

c) Die o p t i s c h e A k t i v i t ä t Unter optischer Aktivität versteht man die Eigenschaft eines Stoffes, beim Durchgang von linear polarisiertem Licht dessen Schwingungsebene zu drehen. Es war lange bekannt, daß gewisse Kristalle, als Beispiel sei der Quarz genannt, diese Eigenschaft besitzen. In der Natur findet man zwei Quarzarten, die diese optische Aktivität zeigen. Eine Quarzart dreht die Schwingungsebene nach rechts, die andere nach links, man spricht von rechts und links drehendem Quarz. Eine Erklärung findet die Erscheinung in der Anordnung der Bausteine im Kristallgitter, denn beim Schmelzen des Quarzes verschwindet die optische Aktivität. Ein Links- und ein Rechtsquarz gleichen sich zwar im äußeren Habitus völlig, sie sind aber wie Bild und Spiegelbild, wie rechte und linke Hand; sie lassen sich zwar durch Spiegelung, aber durch keine andere Operation zur Deckung bringen. Die optische Aktivität von Lösungen organischer Verbindungen wurde zuerst 1815 von BIOT bei der Weinsäure (S. 76) beobachtet. Sie tritt, wie spätere Untersuchungen ergaben, immer dann auf, wenn das Molekül ein Kohlen/ ¿VN stoffatom enthält, das vier verschiedene Substituenten trägt. Man nennt ein solches Atom ein agymmetriR" sches Kohlenstoäatom und kennzeichnet es mit Abb. 13. Asymmetrische C-Atome einem C*. Bereits PASTEUE hat die optische Aktivität organischer Verbindungen mit dem räumlichen Bau der Moleküle in Verbindung gebracht (1859), denn nur bei einer räumlichen Anordnung ist es möglich, daß Bild und Spiegelbild nicht identisch sind. Ein bestimmtes Raummodell für das Kohlenstoffatom, nämlich das reguläre Tetraeder, hat erst VAK'T HOPF 1874 gefordert.

Die optische Aktivität hat ihre Ursache darin, daß die Elektronensysteme der verschiedenen Bindungen im elektrischen Wechselfeld der Lichtstrahlung verschieden stark mitzuschwingen vermögen. Diese Eigenschaft wird als Polarisierbarkeit bezeichnet (S. 206). Optisch aktive organische Verbindungen findet man nur in der belebten Natur, bei der Synthese entstehen immer inaktive Gemische gleicher Mengen entgegengesetzt gleich drehender isomerer Verbindungen. Das synthetisch erhaltene Gemisch bezeichnet man als racemisches Gemisch und, wenn Mischkristallbildung zwischen den Isomeren eintritt, als Bacemat, die Komponenten nennt man optische Antipoden. Die Antipoden sind Isomere, die in allen chemischen und physikalischen Eigenschaften, bis auf die entgegengesetzt gleiche optische Drehung, übereinstimmen. Ein asymmetrisches Kohlenstoffatom ist die Ursache für die Existenz zweier solcher Isomeren. Bei Anwesenheit mehrerer asymmetrischer Kohlenstoffatome im gleichen Molekül veranlaßt jedes die Existenz zweier Isomeren, n Asymmetriezentren ergeben demnach 2" Isomere. Ergänzend ist zu sagen, daß auch ein Stickstoffatom mit vier verschiedenen Substituenten Anlaß zur optischen Aktivität gibt, und daß unter bestimmten Umständen, z. B. bei Behinderung der freien Drehbarkeit (S. 14), Moleküle mit Schraubensymmetrie entstehen, die auch optisch aktiv sind. Allgemein bezeichnet man optisch aktive Moleküle als chiral (händig), da zwischen einem Antipodenpaar die gleiche Symmetriebeziehung wie zwischen rechter und linker Hand besteht.

Die Eigenschaften organischer Verbindungen

21

Zur Gewinnung der reinen Antipoden aus einem racemischen Gemisch setzt man dieses mit einem optisch aktiven Hilfsstoff um. Bezeichnet man die Antipoden mit R und L, den Hilfsstoff mit R', so kann man die Umsetzung wie folgt formulieren: R, L + R'

-

R—R' + L—R'

Die beiden Produkte R—R' und L—R' sind nicht mehr Bild und Spiegelbild, sie haben daher verschiedene physikalische Eigenschaften, man nennt sie Diastereomere. Durch Kristallisation oder Destillation lassen sich Diastereomere trennen. Die nachfolgende Rückspaltung liefert neben dem Hilfsstoff die reinen Antipoden. Man nennt diesen Vorgang Racematspcdtung. d) D a s D i p o l m o m e n t Moleküle, die nur kovalent gebundene Atome enthalten, sind nach außen elektrisch neutral, weil alle Atome zusammen so viel Elektronen um sich geschart haben, wie der Summe ihrer Kernladungen entspricht. Jedes Atom, für sich betrachtet, hat die Elektronenschale des ihm im Periodensystem folgenden Edelgases. Bei einer C-F, C-0 oder C-N-Bindung haben beide Atome die gleiche Anzahl von Elektronen wie das Edelgas Neon. Da die Zahl der positiven Kernladungen beim Kohlenstoff 6 beträgt, beim Stickstoff, Sauerstoff, Fluor und Neon aber 7, 8, 9 und 10, wird die Elektronenhülle des Neons vom Neonkern am stärksten angezogen, weniger stark in fallender Reihenfolge vom Kern des Fluors, Sauerstoffs, Stickstoffs und Kohlenstoffs. Bei der C-F, C-O, C-N-Bindung, allgemeiner bei jeder kovalenten Bindung zwischen Atomen mit verschiedener Kernladung, wird die Elektronenwolke von dem Atom mit der höheren Kernladung stärker angezogen1). Dadurch ist das Atom mit der höheren Kernladung von mehr Elektronen umgeben, als seiner Kernladung entspricht, es erscheint also als Träger negativer Ladung, während das Atom mit der niederen Kernladung, hier also das Kohlenstoffatom, an Elektronen verarmt und dadurch zum Träger positiver Ladung wird. Auf diese Weise entsteht ein innermolekularer Dipol, der in Analogie zur Mechanik durch das Dipolmoment ¡x = & • \, dem Produkt aus Ladung und Abstand charakterisiert wird. Zwischen zwei gleichen Atomen, im einfachsten Falle zwischen zwei Wasserstoffatomen, ist die kovalente Bindung symmetrisch, ein solches Molekül besitzt kein Dipolmoment. In einem Molekül können auch mehrere Bindungen mit Dipolmoment auftreten. Das Gesamtdipolmoment ergibt sich dann aus der Vektoraddition der Einzeldipole. Ein Molekül mit zwei Einzeldipolen, die entgegengesetzt gerichtet und dem Betrage nach gleich sind, zeigt also nach außen kein Dipolmoment. Man nennt solche momentfreien Moleküle Quadrupole. Dieser Ausdruck wird auch angewandt, wenn mehr als 2 Dipole im Molekül vorhanden sind, deren Momente sich aufheben. Moleküle, die ein Dipolmoment besitzen, werden polare Moleküle genannt; solche ohne Dipolmoment (also auch Quadrupolmoleküle) heißen unpolare Moleküle. Beim Methan und bei allen gesättigten Kohlenwasserstoffen erhält man, unter der Voraussetzung der Tetraedersymmetrie, durch Vektoraddition das Gesamtmoment Null. Da bei den Kohlenwasserstoffen auch experimentell kein Dipolmoment gefunden wird, ist dies ein Beweis für die Gleichartigkeit aller vier Bindungen des Kohlenstoffatoms (S. 12). Aus dem experimentell gefundenen Dipolmoment lassen sich weitDies gilt jeweils nur für Elemente der gleichen Periode.

22

Das Elektronensystem als Träger der chemischen Eigenschaften

gehende Schlüsse über die Ladungsverteilung und den Bindungszustand im Molekül ziehen. Die Methode zur Bestimmung des Dipolmoments wird in Teil VI besprochen. Cl \ rc = o / Dipol (Formaldehyd)

o=c=o Quadrupol (Kohlendloxyd)

er

\

Cl

Cl

'

Quadrupol (Tetrachlorkohlenstoff)

H ^

\

H H

Dipol (Methylchlorid)

Abb. 14. Beispiele von Dipol- und Quadrupolmolekülen Die Richtung des Dipolmoments ist durch einen Pfeil angegeben, die Pfeilspitze symbolisiert das negative Ende des Dipols

Die Ladungsverteilung in einer Dipolbindung beeinflußt auch die Elektronenanordnungen in den benachbarten Bindungen, sie induziert dort eine Elektronenverschiebung. Man bezeichnet diese Erscheinung als induktiven Effekt. C — C— C — Cll Abb. 15. Induktiver Effekt einer C-Cl-Bindung

Dieser induktive Effekt reicht im allgemeinen nur über 1 bis 2 Einfachbindungen hinweg, konjugierte Doppelbindungen können ihn dagegen wesentlich weiter leiten. Durch das Zusammenspiel von induktiven mit mesomeren Effekten (S. 18) können sich verschiedene Gruppen im gleichen Molekül in ihrem Verhalten erheblich beeinflussen. e) D i e z w i s c h e n m o l e k u l a r e n K r ä f t e Die Wirkungen eines elektrischen Feldes reichen theoretisch bis ins Unendliche, die Stärke nimmt jedoch mit wachsender Entfernung schnell ab. Man kann deshalb erwarten, daß die zwischen Kernen und Elektronen herrschenden elektrischen Felder sich untereinander beeinflussen. Solche Wechselwirkungen treten zwischen Bindungen in einem Molekül auf (induktive und mesomere Effekte), aber auch zwischen Bindungen benachbarter Moleküle. Im 1. Fall spricht man von intramolekularen Wechselwirkungen, im 2. von intermolekularen Wechselwirkungen oder von zwischenmolekularen Kräften. Die zwischenmolekularen Kräfte bedingen den Zusammenhalt der Moleküle in den Flüssigkeiten, den festen Körpern und auch den Gasen, sie bestimmen damit die physikalischen Eigenschaften wie Dampfdruck, Siedepunkt, Schmelzpunkt, Viskosität usw. der Elemente und Verbindungen. Die Größe der zwischenmolekularen Kräfte hängt von der Art der am Aufbau der Moleküle beteiligten Atome und ihrer Bindung ab, so daß auch die physikalischen Eigenschaften im wesentlichen durch die chemischen Bindungen bestimmt werden. Elektrisch geladene Teilchen üben, je nach dem Vorzeichen der Ladung, Anziehungs- und Abstoßungskräfte aufeinander aus. Die Größe dieser Kräfte wird vom Coulombschen Gesetz K ~

beschrieben. Dies besagt, daß die Größe der

Die Eigenschaften organischer Verbindungen

23

Kraft K proportional dem Produkt beider Ladungen ex und e 2 und umgekehrt proportional dem Quadrat des Abstandes r ist. Dieses Gesetz gilt auch für geladene Moleküle, für Ionen. Die Kräfte, die ungleich geladene Ionen aufeinander ausüben, die Coulombschen Kräfte, gehören zu den stärksten zwischenmolekularen Kräften. Beispiele für Moleküle, deren besondere Eigenschaften auf Coulombsche Kräfte zurückzuführen sind, werden im Teil I V besprochen. Bei Dipolmolekülen treten im selben Molekül Zentren positiver und negativer Ladung auf. Zwei Dipolmoleküle werden, abhängig von der gegenseitigen Orientierung, einander also abstoßen oder anziehen. Statistisch überwiegt die Anziehimg, die Moleküle treten zu losen Aggregaten, Dipolschwärmen zusammen:

ff

( E H 3 , ,

Dipolmolekül

< E Z 3

( E Z 3

ff

=)

Dipolschwärme

Die zwischen Dipolmolekülen herrschenden Kräfte nennt man Dipol-Richtkräfte. Da die Kerne und Elektronen nicht starr miteinander verbunden sind, werden sie durch ein äußeres Feld gegeneinander verschoben. Diesen Vorgang nennt man Polarisation; hierdurch wird in dem Molekül ein Dipol induziert. (Näheres hierzu s. S. 206.) Das molekulare Feld eines Dipolmoleküls wirkt, wie jedes äußere Feld, polarisierend auf benachbarte Moleküle. Hierdurch werden auch in dipolfreien Molekülen antiparallel gerichtete Dipole induziert: (j-

—)

Dipolmolekül

I£>

induzierter Dipol

Diese Dipol-Indnktions-Kräfte ergeben summiert eine gegenseitige Anziehung. Diese Induktionskräfte sind nicht an ein permanentes Dipolmoment gebunden, sondern an das Molekülfeld schlechthin, so daß sie auch bei Quadrupolmolekülen auftreten. Auch Dipol- und Quadrupol-freie Moleküle üben Anziehungskräfte aufeinander aus. Das erklärt sich dadurch, daß solche Moleküle nur im zeitlichen Mittel dipolfrei sind, jedoch wegen der in ihren Bahnen oszillierenden Elektronen ständig Dipole mit schnell veränderlichen Richtungen und Vorzeichen vorhanden sind, wodurch auch solche in den Nachbarmolekülen induziert werden. Da der Hauptteil der zeitlichen Veränderung des Molekülfeldes, wie auf S. 207 besprochen wird, von den Elektronen herrührt, die auch für Lichtbrechung und Dispersion verantwortlich sind, nennt man diesen Anteil der zwischenmolekularen Kräfte Dispersionskräfte. Man spricht auch vom Edelgas-Effeld, weil bei den kugelsymmetrischen, dipolfreien Edelgasatomen auch eine zwischenatomare Anziehung beobachtet wird, die auf den gleichen Effekt zurückgeht. Eine besondere Klasse von zwischenmolekularen Kräften ist so stark und so spezifisch gerichtet, daß man schon von einer Bindung sprechen kann. Diese Kräfte

Chemische Reaktionen

treten dann auf, wenn aktiver Wasserstoff, nämlich Wasserstoffatome, gebunden an Stickstoff- oder Sauerstoffatome und Atome mit einsamen Elektronenpaaren im Molekül vorhanden sind. Man spricht dann von Wasserstoffbrückenbindungen. Sie treten vor allem zwischen folgenden Gruppen auf: WasserstoffbrückenDonatoren

WasserstoffbriickenAcceptoren

>

-Q-H

*>>

Wasserstoffbrückenbindungen bilden sich also zwischen einem Wasserstoffatom, das an ein Sauerstoff- oder Stickstoffatom gebunden ist, und den nichtbindenden Elektronenpaaren eines anderen Sauerstoff- oder Stickstoffatoms aus. Sie haben folgende Struktur: -Ö-H-—lö= >N-H--IÖ= -Q-H—INS

Es ist dabei möglich, daß der Wasserstoffbrückenacceptor selbst ein aktives H-Atom besitzt, es kann dann zur Entstehung von Kettenassoziaten kommen: —IÖ—H—10—H—10—H i i i R

R

R

Als Assoziate bezeichnet man Molekülaggregate mit definierter Struktur, dagegen nennt man lose, nicht genau zu definierende Anhäufungen Schwärme. Falls sich zwischen 2 Molekülen mehrere Wasserstoffbrücken gleichzeitig ausbilden können, erreicht die Stärke der zwischenmolekularen Kräfte die Größenordnung von kovalenten Bindungen. Solche Bindungen spielen eine wichtige Rolle bei vielen biochemischen Vorgängen (vgl. Teil V). Besondere Eigenschaften vieler Moleküle sind auf Wasserstoffbrücken zurückzuführen, so z. B. die der Alkohole, Carbonsäuren und oberflächenaktiver Substanzen (vgl. S. 152). Die Eigenschaften der Wasserstoffbrücken sind gut bekannt, eine exakte theoretische Deutung der Natur dieser Bindung ist noch nicht möglich.

G. Chemische Reaktionen Mit Hilfe chemischer Reaktionen werden bei biologischen Vorgängen, im Reagenzglas oder großtechnisch in der chemischen Industrie Verbindungen auf-, ab- oder umgebaut. Allgemein bezeichnet man als chemische Reaktionen Vorgänge, bei denen Bindungen geknüpft oder gelöst oder Wertigkeiten geändert werden. Im systematischen Teil werden viele Reaktionen beschrieben, an dieser Stelle sollen einige Begriffe und Zusammenhänge geklärt werden.

Chemische Reaktionen

25

Die reagierenden Teilchen nennt man Reaktanten, oft unterscheidet man auch zwischen dem angreifenden Partner, dem Reagenz und dem angegriffenen, dem Substrat. Aus den Reaktionspartnern entsteht das Reaktionsprodukt. Die Reaktionen werden nach verschiedenen Gesichtspunkten benannt, nach dem Ergebnis, dem Mechanismus, dem sterischen Verlauf, nach energetischen Gesichtspunkten oder auch nach dem Namen des Entdeckers. Als Synthese bezeichnet man allgemein den Aufbau einer Verbindung. Bei Abbaureaktionen werden Teile des Moleküls abgelöst. Bei einigen Reaktionen werden Bindungen gelöst und an anderer Stelle neu geknüpft — das Produkt besitzt die gleiche Summenformel, aber einen anderen Aufbau — hier spricht man von Umlagerungen. Im folgenden sind Beispiele wichtiger organisch-chemischer Reaktionen aufgeführt: Bei Anlagerungs- oder Additionsreaktionen wird ein Molekül A—B von einem anderen Molekül mit einer Doppelbindung unter Aufspaltung der Doppelbindung aufgenommen: A B \ / Addition I I A—B + )C=C( < — C—0— / \ Abspaltung | | Ein auch technisch wichtiges Beispiel einer Additionsreaktion ist die Hydrierung: H H Ha

+



Acetylen

,OH = C

\XH

H—C—C H Acetaldehyd

Vinylalkohol

sie führt über den instabilen Vinylalkohol zu Acetaldehyd (S. 51). Weitere Reaktionen des Acetylens S. 57 f. Das Acetylen wird entweder durch Zersetzung von Calciumcarbid mit Wasser oder durch partielle Verbrennung von Methan oder durch Pyrolyse niedriger Kohlenwasserstoffe im elektrischen Lichtbogen dargestellt. CaO + 3C CaCa + 2H 2 0

2CH4+ iy2o2 CgH,

CaCa + CO Ca(OH)i + CgHj CaHa + 3HsO C2H2 + 2HS

B. Halogenverbindungen 1. Allgemeine Eigenschaften Bei den Additionsreaktionen der Mehrfachbindungen wurde auf die Existenz von Halogensubstitutionsprodukten der Kohlenwasserstoffe aufmerksam gemacht. Im Prinzip ist es möglich, in einem Kohlenwasserstoff sämtliche Wasserstoffatome durch Halogen zu ersetzen, die so resultierenden Verbindungen sind von ähnlicher Stabilität wie die Kohlenwasserstoffe. In der Natur kommen Halogenverbindungen außerordentlich selten vor, in der Laboratoriumspraxis spielen sie hingegen eine sehr große Bolle als Zwischenprodukte. Besonders wichtig sind die Monohalogen-Substitutionsprodukte. Einige Polyhalogenverbindungen, vor allem des Methans und Äthans, werden in der Technik als Lösungsmittel verwendet. Die Chlor-, Brom,- und Jodverbindungen (die Jodaddition nimmt eine Sonderstellung ein) lassen sich in großen Zügen nach analogen Verfahren darstellen, während zur Darstellung von Fluorverbindungen spezielle Beaktionen benötigt werden. Auch im chemischen Verhalten nehmen die Fluorverbindungen eine Sonderstellung ein, während die übrigen Halogenverbindungen analoge Reaktionen geben, mit der Maßgabe, daß die Reaktivität vom Chlor über Brom zum Jod ansteigt. Wesentlich für das Verhalten der Halogenverbindungen ist, daß die Kohlenstoff-Halogen-Bindung homöopolar ist, die organischen Halogenide deshalb nicht dissoziieren und sich schwer in Wasser lösen. Die Ladungsverteilung in der Kohlenstoffhalogenbindung ist jedoch unsymmetrischer als in der Kohlenstoffwasserstoffbindung, die Kohlenstoffhalogenbindung ist daher mit einem erheblichen Dipolmoment behaftet, wodurch die zwischenmolekularen Kräfte und damit die Siedepunkte gegenüber den Kohlenwasserstoffen ansteigen. Für die Benennung der Halogenkohlenwasserstoffe gibt es zwei Prinzipien: entweder wird der Name so gebildet, daß an den Namen des Radikals der Name des Halogens mit der Endsilbe -id angehängt wird, z. B. Methylchlorid, oder es wird der Name des Halogens vor den Namen des Kohlenwasserstoffs gestellt, z. B. Chlormethan.

41

Allgemeine Eigenschaften Tabelle 3 Chlorderivate des Methans Name

Sdp. °C

Formel H

Chlormethan Methylchlorid

— 24,1

H — C l

A a

Dichlormethan Methylenchlorid

H—C—ci

+ 41,6

Trichlormethan Chloroform

H—A—Cl

+ 61,4

iCl il Cl

Tetrachlormethan Tetrachlorkohlenstoff

Cl—b—Cl

J.

+ 76,7

Bei den Monosubstitutionsprodukten wird die erste Nomenklatur bevorzugt, bei den Polysubstitutionsprodukten die zweite. Hierbei wird die Anzahl der Halogenatome durch das griechische Zahlwort vor dem Namen gekennzeichnet, z. B. Dichlormethan. Die Kennzeichnung der Kohlenstoffatome, die die Halogenatome tragen, geschieht durch arabische Zahlen, die vor den Namen gesetzt werden, z. B. H CH,

H H C1

l.l-Dichloräthan

Cl—c—¿—C1

Ai

1.2-Dichloräthan

Durch eine Folge von Additions- und Abspaltungsreaktionen sind die verschiedenartigsten Halogensubstitutionsprodukte darstellbar, dies sei am Beispiel des Athens und Äthins erläutert, analoge Reaktionen sind bei allen Kohlenwasserstoffen mit Mehrfachbindungen möglich. Die Addition von Chlor an Athen führt zu dem 1,2-Dichloräthan. Durch Abspaltung von 1 Mol Chlorwasserstoff entsteht hieraus Chloräthen mit dem Trivialnamen Vinylchlorid. Die Abspaltung eines zweiten Mols Chlorwasserstoff führt zum Acetylen; dieses ist ein allgemeines Verfahren zur Überführung einer Doppelbindung in eine Dreifachbindung. Die Addition von 1 Mol Chlorwasserstoff an Acetylen führt zum Vinylchlorid zurück; dieser Weg ist technisch wichtig, da das Vinylchlorid leicht polymerisierbar ist. Das Polyvinylchlorid PVC ist unter dem Namen Vinidur bekannt (S. 127). Die Addition von Chlor an Vinylchlorid führt zum 1.1.2-Trichlor-

Halogenverbindungen

42

-HCl

CH g—CHSC1 Äthylchlorid

-Cl,/

/

-HCl

CH,C1—CHgCl 1.2-Dlchloräthan

+ C1,/

ch2=chs Athen

CHGl=CHj Vinylchlorid

+ HCl — HCl

CH=CH Acetylen

+ Cl, — HCl

CHCla—CH2C1 1.1.2-Trichloräthan

CCla=CHa

CHC1=CHC1

Vinylidenchlorid

1.2-Dtchloräthen

+ Cl, — HCl

CCla—CH,C1 1.1.1.2-Tetrachloräthan

HCl Trichloräthylen

— HCl

0C1S—CHCla Pentachloräthan

/

+ Cl,/

CHC1»— CHClj Tetrachloräthan

CCl2=CCla Tetrachloräthylen

CC13—CC18 Hexachlor&than

äthan, woraus durch Abspaltung von Chlorwasserstoff 1.1-Dichloräthen (Vinylidenchlorid, S. 128) oder 1.2-Dichloräthen entsteht. Dieses wiederum addiert Chlor zum 1.1.2.2-Tetrachloräthan. Das Tetrachloräthan ist auch durch Addition von 2 Mol Chlor an Acetylen direkt zugänglich. Durch Abspaltung von Chlorwasserstoff entsteht hieraus das 1.1.2-Trichloräthen, das unter dem Namen Trichloräthylen als Lösungsmittel bekannt ist. Die Addition von Chlor an Trichloräthen liefert Pentachloräthan. Bei diesem und den folgenden Verbindungen ist eine Bezifferung nicht mehr notwendig, da die Namen so bereits eindeutig sind. Die Abspaltung von Halogenwasserstoff aus Pentachloräthan liefert Tetrachloräthen, das durch erneute Addition von Chlor in Hezachloräthan übergeht. Das Chloräthan wird zur örtlichen Betäubung durch Vereisung benutzt. Chloroform war früher ein gebräuchliches Narkosemittel. Da es unter Einwirkung von Luftsauerstoff leicht in das giftige Phosgen (S. 71) übergeht, wird heute der, außerdem besser verträgliche, Äthyläther (S. 49) sowie Halothan, das l-Brom-l-chlor-2.2.2-trifluoräthan verwendet. Jodoform — Trijodmethan — benutzt man als Antisepticum. J

Br F

o . I J

- ¿ — F

Jodoform

Halothan

Die Wurtzsche Synthese

43

Tabelle 4

Halogenverbindungen Sdp. °C

Formel

Name Fluormethan Methylfluorid Chlormethan Methylchlorid Brommethan Methylbromid

CHS-F

— 78

CH3—C1

— 24

CHS—Br

3,6

Jodmethan Methyljodid Chloräthan Äthylchlorid

CH3-^T

42,5

CH3—CH2—C1

12,2

1-Chlorpropan n-Propylchlorid

CÜJ—CMg—CHj—CL C1

47,2

CH8—¿H—CH3

35,4

(JHJ—CHJ—CH2—UHA—CL

78

2-Chlorpropan Isopropylchlorid 1-Chlorbutan n-Butylchlorid 1-Chlorpentan n-Amylchlorid

CH 8 -(CH i ) 3 -CH 2 Cl

108,2

In neuerer Zeit gewinnen Fluorkohlenstoff-Verbindungen außerordentliches technisches Interesse. Diese Verbindungen enthalten nur Kohlenstoff und Fluor in den Molekülketten. Sie besitzen eine große chemische und thermische Stabilität. Man verwendet sie als Kunststoffe (Teflon S. 129) und zur Herstellung von oberflächenaktiven Verbindungen (S. 155). F

F

F

F

¿—¿—¿_C I I I I

F

F

F

F

2. Die Wurtzsche Synthese Bei der Einwirkung von Natriummetall auf Halogenkohlenwasserstoffe wird Natriumhalogenid sowie der Kohlenwasserstoff mit der doppelten Anzahl von Kohlenstoffatomen gebildet. 2R—J + 2Na

• R—R + 2NaJ

Die Reaktion läuft wahrscheinlich in zwei Schritten ab: CHSJ + 2Na

CHS—Na + CHjJ

CH3—Na + NaJ

»• CH3—CH3 + NaJ

Diese Reaktion ermöglicht die gezielte Synthese von Kohlenwasserstoffen (S. 35), sie kann aber auch zum Struktnrbeweis für Kohlenwasserstoffe benutzt werden. So läßt sich z. B. das n-Butan dadurch synthetisieren, daß man eine Wurtzsche Syn-

Halogenverbidnungen

44

these mit 2 Mol Äthyljodid oder mit 1 Mol Methyljodid und 1 Mol 1-Propyljodid durchführt. Das Isobutan läßt sich nur so darstellen, daß man eine Wurtzsche Synthese mit 1 Mol Methyljodid und 1 Mol 2-Propyljodid durchführt. Der Kohlenwasserstoff, der auf zwei verschiedenen Wegen nach Wurtz zu synthetisieren ist, ist das n-Butan, der Kohlenwasserstoff, der nur auf einem Wege darstellbar ist, ist das Isobutan. CHS—CH2—J

J—CH2—CH,; CH,—CH2—CH2—J \2Na 2Na/

J—CH, 1

CH,—CHa—CH2—CH,1 n-Butan CHA—CH—CH3

JI

CH,—CH—CH, 1

?2Na F

L

CH, i-Butan;

CH, Gleichzeitig ist diese Reaktionsfolge ein Strukturbeweis für die beiden möglichen Propylhalogenide. Das Halogenid, das mit Methyljodid den Kohlenwasserstoff ergibt, der auch aus 2 Mol Äthyljodid entsteht, ist das 1-Propylhalogenid, das andere das 2-Propylhalogenid. Läßt man an Stelle von Natrium Lithium, oder Magnesium auf Halogenalkyle einwirken, so kommt es nicht zur Wurtzschen Synthese. 1 Mol Alkylhalogenid reagiert mit 2 Atomen Lithium, wobei einerseits Lithiumhalogenid entsteht, während sich das zweite Lithiumatom mit dem Alkylradileal zu einer metallorganischen Verbindung vereinigt. CH,—CH 2 —CHJ—CH 2 —C1 + 2 Li

n-Butylchlorid

»-

CH S —CH 2 —CH 2 —CH A —Li

n-Butyllithium '

+ LiCl

Die Reaktion mit Magnesium verläuft analog, nur wird vermöge der Zweiwertigkeit des Magnesiums nur ein Atom Magnesium benötigt. Das Magnesiumatom schiebt sich zwischen die Kohlenstoffhalogenbindung. CH,—Br + Mg Methylbromid

>•

CH,—Mg—Br] Methylmagnesiumbromid

Diese gemischten metallorganischen Verbindungen sind in Äther löslich und werden nach ihrem Entdecker GBIGNABD-Verbindungen genannt. Die metallorganischen Verbindungen sind außerordentlich reaktionsfähig und dienen zu verschiedenartigsten Synthesen (S. 57). 3. Friedel-Crafts-Reaktion Eine weitere Möglichkeit, die Reaktivität der Halogenkohlenwasserstoffe zu erhöhen, besteht in der Einwirkung von Aluminiumchlorid. Im Aluminiumchlorid ist das Aluminium von einem Elektronensextett umgeben; zu dessen Auffüllung kann es Halogenkohlenwasserstoff addieren, gemäß folgender Formel.

Alkohole

45 ICll

ICll

lä-il-ll

i ä - i i + iä—B

R+

I ¿11

ICll

In diesen Komplexen, über deren Umsetzungen auf S. 106 berichtet wird, ist die Reaktivität des Halogenkohlenwasserstoffes erheblich gesteigert.

C. Sauerstoffverbindungen 1. Alkohole Bei der Einwirkung von Hydroxyl-Ionen auf Halogenkohlenwasserstoffe wird, wenn auch in sehr langsamer Reaktion, Halogen durch Hydroxyl substituiert (S. 27). Dieses Beispiel ist typisch für den Ablauf organisch-chemischer Reaktionen. Während die Einwirkung von Hydroxylionen auf ionogene Verbindungen momentan und quantitativ verläuft, findet hier eine langsame Reaktion statt, die zu einem Gleichgewicht führt, denn die Einwirkung von Halogenwasserstoff auf die sich bildenden Hydroxyverbindungen liefert umgekehrt Halogenverbindungen. R—Br + OH"

,,

R—Ö—H + Br~

Die Hydroxyverbindungen, die auch als monoallcyliertes Wasser betrachtet werden können, heißen Alkohole. R—O—H Ihre Namen werden so gebildet, daß dem des Kohlenwasserstoffes die Endsilbe -ol angehängt wird, z. B. Methanol, oder dem des Radikals das Wort -alkohol, z. B . Methylalkohol. In der Reihe der flüchtigen Wasserstoffverbindungen der ersten Periode des periodischen Systems fällt das Wasser durch seinen abnorm, hohen Siedepunkt auf.

Sdp.

CH4

NH„

—164°

— 33°

H2O +

100°

HF +

19,5°

Man erklärt diese Erscheinung durch Assoziation, d. h. im Wasser sind durch spezifische Wechselwirkungen der Wasserstoffatome eines Moleküls mit den einsamen Elektronenpaaren am Sauerstoff eines anderen Moleküls mehrere Moleküle aggregiert. H—Ö—H H—Ü—H H—0—H

46

Sauerstoffverbindungen

Man nennt diese Art der Wechselwirkung eine Wasserstoffbrückenbindung (S. 24). Der Beweis für die Existenz von Wasserstoffbrücken läßt sich mit physikalischen Methoden (Spektroskopie) erbringen. In den organischen Hydroxyverbindungen ist diese Eigenart des Wassers auch vorhanden, nur, da 1 Wasserstoffatom durch einen Alkylrest ersetzt ist, weniger ausgeprägt. Die Alkohole haben daher relativ hohe Siedepunkte. Im chemischen Verhalten sind die Alkohole den anorganischen Basen nicht an die Seite zu stellen, sie spalten keine Hydroxylionen ab, ihre wäßrigen Lösungen reagieren neutral. Trotzdem können sie, wie bereits erwähnt, mit Halogenwasserstoff unter Wasserbildung zu Halogenkohlenwasserstoffen zusammentreten. Diese Reaktion ist nicht auf die Halogenwasserstoffe beschränkt, sondern läßt sich mit allen anderen Säuren, z. B. Schwefelsäure und auch organischen Säuren (S. 59), durchführen. Der Unterschied zur Neutralisationsreaktion besteht aber darin, daß hier eine langsam verlaufende und zu einem Gleichgewicht führende Reaktion vorliegt. R—O—H

+

Alkohol

H+X-



R—X

Säure

+

H,0

Ester

Wasser

Die Produkte dieser Reaktion werden als Ester (S. 60) bezeichnet, so daß die Halogenverbindungen auch als Ester der Halogenwasserstoffsäuren aufgefaßt werden können. Im Gegensatz zu dieser Basenanalogie besitzen die Alkohole in Wirklichkeit schwach saure Eigenschaften. Der Säurecharakter reicht zwar nicht aus, um in wäßriger Lösung Wasserstoffionen zu bilden, es entstehen aber mit genügend elektropositiven Metallen unter Wasserstoffentwicklung Salze, die Alkoholate. R—Ö—H + Alkohol

Na



Uetall

[R—OI]~Na+ + Alkoholat

'/»H, Wasserstoff

Die Alkoholate haben die typischen Eigenschaften von Salzen sehr schwacher Säuren. Durch Wasser werden sie vollständig hydrolytisch gespalten. Die chemischen Eigenschaften der Alkohole sind weiterhin dadurch gekennzeichnet, daß die Wasserstoffatome, die am gleichen Kohlenstoffatom wie die Hydroxylgruppe stehen, eine gegenüber den Kohlenwasserstoffen erhöhte Reaktivität aufweisen. Diese Reaktivitätserhöhung gibt sich vor allem gegenüber Oxydationsmitteln zu erkennen. Während Kohlenwasserstoffe durch Oxydationsmittel sehr schwer und unübersichtlich angegriffen werden, werden Alkohole an dem Kohlenstoffatom, das die Hydroxylgruppe trägt, leicht oxydiert. Das Verhalten der Hydroxyverbindung ist deshalb von der Zahl der Wasserstoff atome abhängig, die am gleichen Kohlenstoff atom wie die Hydroxylgruppe stehen. Abgesehen vom Methanol, dem Anfangsglied der Reihe, bei dem drei Wasserstoffatome am gleichen Kohlenstoffatom stehen, gibt es 3 Möglichkeiten: das Kohlenstoffatom trägt 2 Wasserstoffatome bzw. eines oder keines. H

H

R"

R—i—O—H

R—C—O—H

R—i—O—H

primärer Alkohol

seknndftrer Alkohol

teitltrer Alkohol

iH

I R'

I R'

Alkohole Tabelle 5 Primäre Alkohole Name Methanol Methylalkohol Äthanol Äthylalkohol Propanol-1 n-Propylalkohol Butanol-1 n-Butylalkohol 2-Methyl-propanol-1 Isobutylalkohol

Formel

Sdp. °C

CH8—OH

64,7

CHS—CH2—OH

78.3

CH3—CHj—CH2—OH

97.4

CHS—(CH2)2—CHj—OH

117,7

CHa—CH—CH2—OH

108

¿H s Pentanol-1 n-Amylalkohol 2-Methyl-butanol-l Isoamylalkohol

CH,—(CHJ,—CH,—OH

138

CH,—CH,—CH—CH2—OH

128

¿Hg 3-Methyl-butanol-l Isoamylalkohol

CH,—CH—CHj—CH2—OH

130,5

¿H s Hexadecanol-1 n-Hezadecylalkohol

CH,—(CHj)m—CH2—OH

344

Man bezeichnet diese Typen als primäre, sekundäre und tertiäre Alkohole. Der tertiäre Alkohol ist wegen des Fehlens von Wasserstoff an dem Kohlenstoffatom, das die Hydroxylgruppe trägt, einer Oxydation nicht zugänglich, es sei denn unter Sprengung einer CC-Bindung, während am sekundären und am primären Alkohol ein bzw. zwei Wasserstoffatome schrittweise oxydiert werden. Vorkommen, Darstellung und Verwendung. Verschiedenartigste Alkohole finden sich als solche oder als Ester in der Natur, andere bilden sich bei einfachen chemischen oder biochemischen Reaktionen. Bei der trockenen Destillation des Holzes entstehen erhebliche Mengen Methanol. Die biochemische Zersetzung von Kohlenhydraten durch Hefe liefert Äthanol (S. 80), wobei gleichzeitig noch ein Gemisch von Butanolen und Pentanolen, das sogenannte Fuselöl, gebildet wird. Durch andere Mikroorganismen werden Kohlenhydrate in Propanol und Butanol verwandelt. Ein in vielen Fällen gangbarer Weg zur Gewinnung von Alkoholen ist die Reduktion ihrer Oxydationsprodukte, der Aldehyde, Ketone und Carbonsäuren, die in der Natur ebenfalls weitverbreitet sind. Für die technische Gewinnung von Methanol ist die Hydrierung von Kohlenmonoxyd bei hohem Druck mit Zinkoxyd-ChromoxydKatalysatoren 1 ) zu nennen. ') An anderen Katalysatoren und unter anderen Bedingungen erfolgt die Bildung von Kohlenwasserstoffen, Fischer-Tropsch-Synthese (S. 35).

Sauerstoffverbindungen

48

H CO + 2Ha



H—C—O—H H

Alkohole werden in der chemischen Industrie als Lösungsmittel, aber auch vielfach als Ausgangsmaterial für Synthesen gebraucht. Nicht zu vernachlässigen ist die Verwendung des Äthanols als Genuß- bzw. Rauschmittel, wofür erhebliche Mengen gebraucht werden. Der Äthylalkohol für technische Zwecke wird durch Zusätze vergällt, d. h. für den Genuß unbrauchbar gemacht. Brennspiritus ist Äthylalkohol, der mit einem Gemisch von Methanol und Pyridin (S. 111) vergällt ist. Tabelle 6 Sekundäre und tertiäre Alkohole

Formel

Name Propanol-2 Isopropylalkohol

CHa—CH— OH

Butanol-2 sek. Butylalkohol

CH,—CH,—CH—OH

Sdp. °C 81

Ah, 99,5

Ah3 ch 3

2-Methyl-propanol-2 tert. Butylalkohol

Cyclohexanol

CHS—Ì—OH ¿H, CH,—CH« / \ ch 2 choh \ / CH2—CHj

83

161

Ester der Schwefelsäure. Die Schwefelsäure kann als zweibasige Säure mit Alkoholen saure und neutrale Ester bilden, die Älhylschwefelsäuren und die DialkyU sulfate. O II CH,—CH2—OH + H2S04 ' CH3—CH2—0—S—OH + H20 II 0 Athylschwefels&nre 0 II CH,—CH,—O—S—OH + HO—CH2—CH, II 0

0 II CHg—CH,—0—S—O—CH2—CH, + H20 II O Dläthylsulfat

Äther

49

Die Alkylschwefelsäuren bilden sich bei der Einwirkung von konz. Schwefelsäure auf Alkohole recht glatt, während zur Darstellung von Dialkylsulfaten rauchende Schwefelsäure notwendig ist. Von besonderem Interesse ist das thermische Verhalten der Alkylschwefelsäuren. Beim Erhitzen zerfallen sie in Schwefelsäure und ungesättigten Kohlenwasserstoff. H H H \ / H H—i—i—H H O— SO„H

w

n

ÄthylschwefelaSure

h

+ H 2 SO 4

Athen

So wird über den Umweg des sauren Esters aus dem Alkohol Wasser abgespalten. Diese Reaktionsfolge wird oft für die Darstellung von Äthenverbindungen benutzt. 2. Äther Erhitzt man Äthylschwefelsäure bei Gegenwart von überschüssigem, Alkohol, so greift bei der Wasserabspaltung ein zweites Molekül Alkohol mit in die Reaktion ein, es entstehen die Äther, die als dialkyliertes Wasser aufzufassen sind. CH,—CH2i—0—SOjH + H—O—Ctt,—CH„ Äthylflchwefelsäure

CHj—CHj—0—CHj—CH, + H a S0 4 Diäthyläther

Äthanol

Ein anderer Weg zur Darstellung von Äthern ist die Umsetzung von Halogenkohlenwasserstoffen mit Alkoholaten. R—C1 + Na—0—R'

*

R—O—R' + NaCl

In den Äthern fehlt das zur Wasserstoffbrückenbindung befähigte Wasserstoffatom, die Siedepunkte liegen in der Nähe der Siedepunkte von Kohlenwasserstoffen ähnlichen Molekulargewichts. Die Äther, vor allem der Diäthyläther, sind wichtige Lösungsmittel. Der Diäthyläther wird in der Medizin als Narkosemittel (S. 42) verwendet. Tabelle 7 Äther Name Dimethyläther Diäthyläther Methyl-äthyläther Äthyl-n-propyläther Diisopropyläther

Formel

CHS—0—CH3 CH,—CH2—0—CH2—CH, CHg—0—CH2—CHg CHg—CH2—0—CH2—CHj—CHj CHJK

CHJ 4

Nerdel, Organische Chemie

/CHJ

j)CH—0—CH(^

CHJ

Sdp.

°C

— 24,9 34,6 8 64 67,5

Sauerstoffverbindungen

50 3. Carbonylverbindungen

a) O x y d a t i o n s e k u n d ä r e r u n d p r i m ä r e r A l k o h o l e Durch Oxydationsmittel werden sekundären Alkoholen 2 Atome Wasserstoff entzogen, und zwar das Wasserstoffatom der Hydroxylgruppe und das Wasserstoffatom an dem Kohlenstoffatom, das die Hydroxylgruppe trägt. An geeigneten H

¿ —C1

instabil

I R'

Katalysatoren (Kupfer, Silber) wird bei erhöhter Temperatur molekularer Wasserstoff abgespalten, man nennt diesen Vorgang Dehydrierung. Eines der bisher bindenden Elektronenpaare verbleibt dem Molekülrest und wird zum 7t-Elektronenpaar zwischen Kohlenstoff und Sauerstoff. Es entsteht eine C—O-Doppelbindung, Tabelle 8 Ketone Name Propanon Dimethylketon Aceton

Formel

Sdp.

°C

CH3—C—CH3 II 0

56,5

Butanon Methyläthylketon

CHg—C—CH2—CH8 Ii 0

79,6

Pentanon-2 Methyl-n-propyl-keton

CH3—C—(CH^—CHS II 0

101,7

Pentanon-3 Diäthylketon

CHg CH2 C CH2 CHg II 0

102,7

2-Methyl-pentanon-3 Äthyl-i-propylketon

CHg—CH2—C—CH—CHg » i 0 CH,

119

Carbonylverbindungen

51

diese Gruppierung heißt Carbonylgruppe. Den Vorgang der Oxydation kann man so interpretieren, daß zunächst 1 Sauerstoffatom in die C—H-Bindung eingeschoben wird. Dadurch entsteht eine Verbindung mit zwei Hydroxylgruppen am gleichen Kohlenstoff atom. Verbindungen mit zwei Hydroxylgruppen am gleichen Kohlenstoffatom sollten auch entstehen durch Hydrolyse von DihalogenVerbindungen. Sie sind nicht beständig, sondern spalten spontan Wasser ab und gehen in Carbonylverbindungen über. Die Oxydationsprodukte der sekundären Alkohole heißen Ketone, ihre systematischen Namen werden so gebildet, daß an den Namen des Kohlenwasserstoffs die Silbe -on angehängt wird. Analog verläuft die Oxydation bzw. Dehydrierung primärer Alkohole, nur steht am Carbonylkohlenstoffatom jetzt noch ein Wasserstoff atom. H

R—¿1—O—H

H

+

R—¿=0

H

+ H,0

Aldehyd

Die Reaktivität dieses Wasserstoffatoms ist so erhöht, daß diese Verbindungen als Reduktionsmittel wirken. Ihre Isolierung bereitet gewisse Schwierigkeiten, weil sie rascher weiter oxydiert werden als die Ausgangsalkohole. Eine Möglichkeit zur Isolierung ist durch die sehr niedrigen Siedepunkte gegeben, man kann sie unmittelbar nach dem Entstehen aus dem Reaktionsgemisch, abdestillieren. Die ersten Oxydationsprodukte der primären Alkohole heißen Aldehyde, ihre systematischen Tabelle 9

Aldehyde Name

Methanal Formaldehyd

4*

Sdp. °C

Formel

— 21 H

Äthanal Acetaldehyd

CH3—Cv

Propanal Propionaldehyd

CHG CHG—CV

n-Butanal Butyraldehyd

CH3—(CH2)a—CX

2-Methyl-propanaI Isobutyraldehyd

CH SV Jd /CH—Cf CHS H

21 H 48,8 H

/> N

75,7

H 61,5

Sauerstoffverbindungen

52

Namen werden so gebildet, daß an den Namen des Kohlenwasserstoffs die Endsilbe -al gehängt wird. Bei der weiteren Oxydation der Aldehyde wird die C—H-Gruppierung in eine C—OH-Gruppierung verwandelt. /

H

+V.Q. ,



H

Carboxylgruppe

Es entstehen Verbindungen, die am gleichen Kohlenstoffatom eine Hydroxylgruppe und eine Carbonylgruppe tragen. Diese Kombination ist die Carboxylgruppe (S. 59). Aldehyde und Ketone stimmen in allen Reaktionen überein, die von der Carbonylgruppe gegeben werden, sie unterscheiden sich durch die Reaktivität des Wasserstoffatoms der Aldehydgruppe: den Ketonen fehlen die reduzierenden Eigenschaften der Aldehyde. Die spezifischen Reaktionen der Carbonylgruppe sind Additionsreaktionen, wobei sehr vereinfachend gesagt werden kann, daß die Additionsfähigkeit der CC- und der CO-Doppelbindung gegenläufig ist, d. h. die Partner, die von der CC-Doppelbindung leicht aufgenommen werden, werden von der CO-Doppelbindung schwer addiert und umgekehrt. Durch die größere Elektronegativität des Sauerstoffs ist die CO-Doppelbindung ein Dipol. Die tatsächlich verwirklichte Elektronenstruktur der CO-Gruppe kann auf verschiedene Weise charakterisiert werden. ® \ i + «z. ">C=0 R

oder

'R\

/

C = 0

\ /

R'

"

^V© /C—Ol R'

Die rechts gezeigten Strukturformeln, sogenannte Grenzformeln, geben jeweils keinen verwirklichten Zustand des Moleküls wieder. Der Doppelpfeil bedeutet, daß sich der wahre Zustand des Moleküls zwischen beiden Grenzformeln befindet (vgl. Mesomerie, S. 17). Beide Schreibweisen sollen zeigen, daß die CO-Doppelbindung abgeschwächt ist und daß eine geringe positive Ladung am Kohlenstoffatom und eine geringe negative Ladung am Sauerstoffatom vorhanden ist. Auf Grund dieser Polarisierung addiert die Carbonylgruppe vor allem Moleküle des Typs X—H, bei denen der Wasserstoff leicht als Proton abgetrennt werden kann. Es entstehen so Verbindungen der allgemeinen Formel R' I _ R—C—O—H I X Wichtige Vertreter jenes Typs sind Ammoniak — und Ammoniakderivate, hier vor allem Hydroxylamin, Hydrazin und substituierte Hydrazine. Beim Ammoniak selbst verläuft die Reaktion nicht einheitlich, weil alle drei Wasserstoffatome in Reaktion treten können. So entsteht z. B. aus 4 Molekülen

Carbonylverbindungen

53

Ammoniak und 6 Molekülen Formaldehyd das Hexamethylentetramin, mit Trivialnamen Urotropin genannt.

Auch bei den monosubstituierten Ammoniaken bleibt die Reaktion nicht auf der ersten Stufe stehen, sondern unter Wasseraustritt bildet sich eine CN-Doppelbindung aus. O H OH II I I -H.0 —C + N—X + ' —C—N—X + — —C=N—X + H,0 i H _C=N—OH I Oxim

—C=N—NH, I Hydrazon

Aus Carbonylverbindungen und Hydroxylamin entstehen so die Oxime und mit Hydrazin bzw. substituierten Hydrazinen die Hydrazone. Oxime und Hydrazone eignen sich zur Abtrennung von Carbonylverbindungen aus Gemischen und zu deren Identifizierung, z. B. mit Hilfe des Schmelzpunktes des Oxims und des Hydrazons. Für die Praxis noch wichtiger sind das Phenylhydrazin und vor allem das 2.4-Dinitrophenylhydrazin. Mit diesen Reagenzien bilden sich die Phenylhydrazone bzw. die 2.4-Dinitrophenylhydrazone. •CH3

NOa 2,4-Dlnitrophenylhydrazin

N08 2,4-DinitrophenyIhydrazon des Acetons (Schmp. 128 ° C)

Wie die NH-Gruppe wird auch die OH-Gruppierung von Carbonylverbindungen addiert. Mit Wasser bilden sich die Aldehyd- bzw. Ketonhydrate, die nicht beständig sind (S. 51). Ähnlich wie bei den Primäradditionsprodukten des substituierten Ammoniaks gehen sie unter Wasserverlust in Verbindungen mit einer CO-Doppelbindung über, d. h. das Gleichgewicht dieser Reaktion liegt auf der Seite der Komponenten.

Sauerstoffverbindungen

54 Rv

) c = 0 + Ha0

R' X

R^ ,

/OH

)c( N

R

OH

Eine der wenigen Ausnahmen ist das Ghloral, der Trichloracetaldehyd 1 ), dessen Hydrat stabil ist. C1 H Cl— ¿ _ ¿—0—H ¿1 O H Chloralhydrat

Sehr ähnlich sind die Verhältnisse bei der Addition von Alkoholen, hier ist das Ergebnis eine Gruppierung mit einer Hydroxylgruppe und einer Äthergruppe am gleichen Kohlenstoffatom. H O R—C I,

H +

i O—R"

R—C—O—R" I

R'

R'

H&lbacetal oder Halbketal B'=H E'=Alkyl

Die Verbindungen werden als Halbacetale 2 ) bezeichnet. Auch bei den Halbacetalen liegt das Gleichgewicht weitgehend auf der Seite der Komponenten, sie sind so instabil, daß sie in Substanz nicht isoliert werden können. Das Halbacetal-Hydroxyl zeichnet sich aber durch eine besondere Reaktivität aus. Es reagiert mit Alkoholen bei Gegenwart katalytischer Mengen von H + -Ionen unter Ätherbildung. —O—R" O—R'" I

R—C—O—R"

I

+ H20

R' Acetal oder Ketal

Eine derartige leichte Verätherung ist nur bei Halbacetalen oder Halbketalen möglich. Die Verbindungen mit zwei Äthergruppen am gleichen Kohlenstoffatom sind die Acetale 3 ). Acetale sind beständig, lediglich bei Gegenwart von H + -Ionen werden sie leicht hydrolytisch gespalten. Weiterhin addiert die Carbonylgruppe schweflige Säure bzw. Natriumhydrogensulfit unter Bildung von Hydroxysulfonsäuren bzw. deren Natriumsalze. 1

) Chloral entsteht durch gleichzeitige Oxydation und Chlorierung von Äthanol mit Chlor. ) Die entsprechenden Derivate der Ketone sind die Halbketale. 3 ) Die entsprechenden Derivate der Ketone sind die Ketale. 2

Carbonylverbindungen

O

H , +

11

R—C

O J, R—C-

I Na SO s

I

55

I

R'

R'

Aus allen bisher genannten Additionsprodukten sind durch Hydrolyse die Ausgangscarbonylverbindungen zu regenerieren, diese können daher zu ihrer Isolierung und Charakterisierung benutzt werden. Die Carbonylgruppe ist auch imstande, genügend aktive GH- Bindungen zu addieren, eine solche Aktivität ist im Cyanwasserstoff vorhanden. H O II

H

—C

+

I

¿ I

I

C=N

—C—C=N

I

Cyanhydrln

Die Addition von Cyanwasserstoff führt zu Verbindungen mit einer Hydroxylund einer Nitrilgruppe (S. 69) am gleichen Kohlenstoffatom, den Cyanhydrinen, hierbei wird eine CC-Bindung neu geschaffen. Die Nitrilgruppe kann zur Carboxylgruppe verseift werden (S. 59), wodurch x-Hydroxy-carbonsäuren zugänglich sind. Die Carbonylgruppe beeinflußt die Reaktivität der Liganden am NachbarkoMenstoffatom, besonders die CH-Bindung. Im Grenzfall kann die Wechselwirkung der CH-Bindung mit den einsamen Elektronenpaaren des Sauerstoffs so weit gehen, daß das Wasserstoffatom als Proton vom Kohlenstoff gelöst und über ein einsames Elektronenpaar an denSauerstoff gebunden wird. Gleichzeitig wird das Ji-Elektronenpaar zwischen Kohlenstoff und Sauerstoff zum einsamen Elektronenpaar am Sauerstoff und das nach Ablösung des Protons jetzt unbesetzte Elektronenpaar am Nachbarkohlenstoffatom zum yr-Elektronenpaar zwischen den beiden Kohlenstoffatomen. H

lö*

PNU--' —C—-C— I Carbonylform

zr;

H—Ol

| —c=c— I Enolform

Es entsteht eine mit der Carbonylverbindung isomere Verbindung, die eine Hydroxylgruppe am doppelt gebundenen Kohlenstoffatom trägt, ihre Namen werden durch Zusammenziehung der Endsilben für die Doppelbindung und die Hydroxylgruppe gebildet, sie heißen Enole, mit Trivialnamen Vinylallcohole. Eine Isomerie dieser Art, bei denen sich zwei Verbindungen durch die Bindungsstelle eines Wasserstoff-Atoms unterscheiden, nennt man Prototropie oder allgemeiner Tautomerie, im vorliegenden Fall Keto-Enol-Tautomerie. Die Tautomerie darf keinesfalls mit der Mesomerie verwechselt werden. Es finden zwar einschneidende Elektronen-Umgruppierungen statt, entscheidend ist aber, daß zwei Individuen 1 ) frei, oder in Form von Derivaten, existieren, während die MesomeIsolierbare Tautomere werden wir bei den Nitroverbindungen und beim Acetessigester kennenlernen.

Sauerstoffverbindungen

66

rie einen Elektronenzustand beschreibt, der mit unseren Strichformeln nicht eindeutig wiederzugeben ist. Einfache Enole sind nicht beständig. Die Hydrolyse von Vinylhalogeniden ergibt keine Enole, sondern die isomeren Carbonylverbindungen, weil die Enole sich schnell und praktisch vollständig in die Carbonylverbindungen umwandeln. C1

HO

H—C=i—H

+

AA

°,H~ >

H 101

H—C=i—H



A

H—i—C—H

A

Bei chemischen Reaktionen können Carbonylverbindungen wie die isomeren Enole reagieren. Es ist möglich, Carbonylverbindungen in Enolester und Enoläther zu überführen. Durch Wechselwirkung mit einem benachbarten jr-Elektronensystem, also durch einen Gewinn an Mesomerieenergie (S. 17), können Enole stabilisiert werden. Die enolische Hydroxylgruppe ist saurer als die alkoholische Hydroxylgruppe, Enole sind zur Salzbildung mit Basen befähigt. Unter der Einwirkung von wenig („katalytischen Mengen") H + - oder OH~-Ionen tritt eine sehr wichtige Reaktion der CH2- (bzw. CH8-) Gruppe neben einer Carbonylgruppe mit der Carbonyl-Gruppe eines zweiten Moleküls, die Aldoladdition, ein: H i H—C—C f XH I H

H +

(Acetaldehyd

H OH H

l />

,

H—C—C f XH I H

h - A - U - C ^

AA A

0

N=

Acetaldol (yS-Hydroxybatyraldehyd)

Acetaldehyd

Man kann die Reaktion als Addition einer C—H-Gruppe an die C=0-Gruppe eines zweiten Moleküls auffassen. Wahrscheinlich wird jedoch durch Einwirkung von OH - ein H+-Ion von der CH3-Gruppe abgelöst, wobei sich ein Enolat-Anion bildet, das wegen der in der Klammer angedeuteten Mesomerie relativ stabil ist: •Ol ff)

l

N

Ol

—H i

AA A

Carbonylverbindungen

57

Das Acetaldol bildet sich schließlich, indem ein H+-Ion angelagert wird, das aus der Reaktion I stammt. Als Folgereaktion der Aldoladdition tritt leicht eine Abspaltung von Wasser ein, dabei bildet sich eine C=C-Doppelbindung, die zur Carbonylgruppe konjugiert ist. H OH H

H H H

H_(U_e"H'° Nitroverbindung

®y>l >G—Nf w \o>0 v

e/0>° • )C—N( h \d>0 IU

®/0>e • )C—NC hx \>i

Anion der Nitroverbindung (meaomere Grenzformeln)

Nitrile, Isonitrile, Knallsäure

69

Die Stabilität des hierbei entstehenden Anions kann durch die Überlagerung (Mesomerie) der in den Klammern wiedergegebene virtuellen Grenzformeln erklärt werden. Man kann die Struktur auch durch eine Formel mit Teilbindungen und Teilladungen charakterisieren, wobei die Größe der ¿-Ladungen unbestimmt ist. H — _ 1> /«v R—NH2 + 0=C^ O—H Amin

AmeUens&ure

70

Stickstoffverbiiidungen

säure. Die katalytische Hydrierung der Nitrite führt zu primären Aminen (dies ist ein technisch wichtiger Weg für die Darstellung von primären Aminen, S. 134 Nylon). Die katalytische Hydrierung der Isonitrile liefert sekundäre Amine mit einer Methylgruppe am Stickstoff. H R—C=N

+2Ht

.

H

R-C—NH,

i

;

R—N=CI

+ 2H>



R—N—(!)—H

¿i

Ein weiterer Weg zur Darstellung von Isonitrilen ist die Umsetzung von primären Aminen mit Chloroform und Alkalien. IU-N

H Cl.

\ H er




Phosgen

0=C(

N o—CH 3

Kohlensäuredimethylester

Bei der Umsetzung von Phosgen mit Alkoholen bilden sich die Kohlensäureester, bei der Umsetzung mit unzureichenden Mengen Alkohol die Esterchloride, die auch als Ameisensäureester aufgefaßt werden können, bei denen das Wasserstoffatom der Ameisensäure durch Chlor ersetzt ist. Im Gegensatz zum Harnstoff ist das Halbamid der Kohlensäure, die Carbaminsäure, nicht stabil, im Gegensatz zu den Estern dieser Säure, die Carbaminsäureester oder Urethane. .OH

,C1 0=C(^

;

0—CHS Chlorkohlens&uremethylester Chlorameisensäuremethylester

E.

0=C(

• C02 + NR 3 sNH2

Carbaminsäure [instabil 1

;

0=C

/OC,H, 2U6 nNH2

Carbaminsäureäthylester Äthylurethan [stabil]

Schwefelverbindimgen

Ähnlich wie beim Stickstoff gibt es auch beim Schwefel Abkömmlinge der verschiedensten Oxydationsstufen. Von besonderer Bedeutung sind die Abkömmlinge des Schwefelwasserstoffs, der schwefligen Säure und der Schwefelsäure. Auch hier lassen

sich durch Oxydation bzw. Reduktion die einzelnen Oxydationsstufen ineinander überführen. Wie beim Wasser kennt man mono- und dialkylierte Schwefelwasserstoffe, man nennt sie, in Analogie zu den Sauerstoffverbindungen, Thioalkohole oder auch Mercaptane und Thioäther. Der Säurecharakter des Schwefelwasserstoffs

Polyfunktionelle Verbindungen

72

bleibt in den Thioalkoholen erhalten, sie sind schwache Säuren und bilden deshalb bereits in wäßriger Lösung mit Basen Salze. Thioalkohole und Thioäther sind durch Umsetzung von Natriumhydrogensulfid bzw. Natriumsulfid mit Halogenkohlenwasserstoff zugänglich. R - C l + N f t - S—H

R—S—H

; Ri—C1 + Na -S - Na + Cl—R —• R—S—R

ThioaLkohol

Thioäther

Durch Oxydationsmittel werden die Thioalkohole zunächst in die Disulfide überführt (analog zur Bildung von Schwefel bei der Oxydation von Schwefelwasserstoff), bei weiterer Oxydation entstehen hieraus die Sulfinsäuren und schließlich die Sulfonsäuren. Die Thioäther liefern bei der Oxydation in erster Stufe Sulfoxyde und dann Sulfone. O 0 II II 2R—S—H R—S—S—R • R—S—O—H • R—S—O—H II O Thioalkohol

Diaolfid

R—S—R Thioäther

Sulflnsäure



Slüfonsäuie

o II R—S—R]

o II R—S—R II O

Sulfoxyd

Sulfon

F. Polyfunktionelle Verbindungen 1. Polyhydroxyverbindungen Alle bisher besprochenen funktionellen Gruppen können mehrfach und auch gemischt in einem Molekül vorhanden sein, wobei, je nach Art der Gruppen und ihrer relativen Stellung zueinander, mehr oder weniger starke Wechselwirkungen auftreten. Es ist möglich, daß sämtliche Gruppen unabhängig voneinander reagieren, es kann aber auch durch spezifische Wechselwirkung das Gesamtverhalten so verändert werden, daß es zu neuartigen Reaktionen kommt. Bei den Halogenverbindungen waren die polyfunktionellen Derivate schon besprochen, hier ist die We chselWirkung relativ gering. Ebenso treten bei den Polyhydroxyverbindungen kaum spezifische Wechselwirkungen auf. Bei mehreren Hydroxygruppen werden aber die zwischenmolekularen Kräfte stark erhöht, die Siedepunkte steigen erheblich an. Von den Polyhydroxyverbindungen, den mehrwertigen Alkoholen, sind besonders wichtig das Dihydroxyäthan, mit Trivialnamen Glykol, und das Trihydroxypropan, das Glycerin. Man kann diese Verbindungen durch Hydrolyse der entsprechenden Halogenverbindungen darstellen, wobei allerdings dafür Sorge getragen werden muß, daß Abspaltungsreaktionen unterdrückt werden. Die möglichen Konkurrenzreaktionen seien an Hand der Hydrolyse des Dibromäthans geschildert.

Polyhydroxyverbindungen + OH- Br~

H—¿—i—H I I Br Br Dlbrom&than

+ OH• Br~

H—¿—i—H Br ¿H l-Hydroxy-2-brom8than

— HBr/

— HBr

\

H H

H H

H H

H

73

+ OH~ -Br _

/H

H Br Vinylbromid

-U-

H—C—C—H HO ¿ 0 Glykol

— HBr m

/ W

c = c

-

/ H

\

H—C—cC

I ^

OH Vinylalkohol [instabil]

Acetaldehyd

— HBr H H—(!)

H—C=C—H Aeetylen

H ¿—H

\ / Äthylenoxyd

Ein anderer Weg zur Darstellung von Glykol beginnt mit der Addition von unterchloriger Säure an Athen. Es entsteht hierbei das Äthenehlorhydrin. Diese Reaktion ist allgemein gangbar für die Darstellung von x-Halogenalkoholen. Bei der Einwirkung von Alkali verliert das Chlorhydrin Chlorwasserstoff unter Bildung eines 3-Ringäthers, des Äthylmoxyds. Die 3-B.ingäther nennt man auch Epoxyde. Diese cyclischen Äther lassen sich in Gegenwart von Wasserstoffionen sehr viel leichter spalten als aliphatische Äther, die Hydrolyse des Äthylenoxyds liefert Glykol. CHJ=CH2 Athen

f+ H0C1

CHa—C Pf o

— HCl



I I OH C1 Athylencblorhydrln l-Cblor-2-hydroxyäthan

CH,—CHo

\

/

Äthylenoxyd

+ H,0

CHj—CHg H OH i>Glykol

Epoxyde sind auch durch direkte Oxydation von Alkenen, z. B. mit organischen Persäuren, zugänglich. Äthen kann auch durch Oxydation mit Luftsauerstoff in das Epoxyd überführt werden. Das Glycerin ist in der Natur weit verbreitet, als dreifacher Fettsäureester findet es sich in den pflanzlichen und tierischen Fetten (S. 165). Bei der Einwirkung von Alkali bilden sich aus den Fetten die Alkalisalze dieser Carbonsäuren, die Seifen. Von dieser Reaktion wurde die Bezeichnung Verseifung für die Esterspaltung abgeleitet. Daneben wird die Alkoholkomponente der Fette, das Glycerin, in Freiheit gesetzt und kann aus der Unterlauge, so genannt, weil auf der schweren Verseifungslauge die fettsauren Salze schwimmen, gewonnen werden. Glykol und Glycerin werden in der kosmetischen Industrie und in der Kunststoffindustrie (S. 136) gebraucht. Erwähnt sei noch der Dreifachsalpetersäureester des

74

Polyfunktionelle Verbindungen

0 II CHS—(CH2)19—C—0—CH2 0 II CHS—(CH2)M—C—O—CH

0

CHS—(CH2)18—C—O—CH2 Fett (Trifettsäureglycerinester)

O 11

,

O

ffi

CHS—(CH2)16—C—OeNa® 0 || e

CH3—(CH2)U—C—O Na® O

CHS—(CH2)16—C—O Na® e

Seife (Na-Salz der Stearin- und Palmitinsäure)

HO—CH, H OJ —nC H

HO—CH2 Glycerin

Glycerins, der durch Veresterung von Glycerin mit Salpetersäure-Schwefelsäuregemisch dargestellt und fälschlich oft als Nitroglycerin bezeichnet wird. Das Glycerintrinitrat ist ein sehr brisanter Sprengstoff, aufgesaugt in Kieselgur ist es unter dem Namen Dynamit bekannt. CH2—0—N02 ¿H—0—N02 CH2—0—NO2 Glycerintrinitrat (sog. Nitroglycerin)

Es findet auch Verwendung in der Medizin, da es krampflösend auf die glatte Muskulatur wirkt. Synthetisch ist das Glycerin analog dem Glykol aus 1-Chlorpropen-2 zugänglich. Das Epoxyd des l-Chlorpropen-2 ist das Epichlorhydrin, das in der Kunststoffindustrie eine Rolle spielt (S. 137). Von weiteren Polyhydroxyverbindungen seien noch die Hexite, das sind Hexahydroxy-n-hexane, als Reduktionsprodukte der Zucker (S. 78) erwähnt. 2. Hydroxycarbonylverbindungen Bei vorsichtiger Oxydation des Glykols entsteht als primäres Oxydationsprodukt der Olykolaldehyd, eine x-Hydroxycarbonylverbindung. M x

0

In den substituierten Carbonylverbindungen ist die der Carbonylgruppe eigene Enolisierungstendenz auch vorhanden (S. 55). Bei den a-Hydroxycarbonylverbindungen kann es dadurch zur Ausbildung einer CC-Doppelbindung kommen, die an beiden Enden eine Hydroxygruppe trägt. Diese als Endiol bezeichnete Gruppierung ist wie das Enol instabil, aber der Unterschied zwischen den beiden funktionellen Gruppen ist verschwunden. Das Endiol kann entweder in die Ausgangsverbindung oder in die isomere Hydroxycarbonylverbindung übergehen, hierdurch werden die funktionellen Gruppen vertauscht. Beim Glykolaldehyd läßt sich diese Isomerisierung nicht nachweisen, wohl aber beim Olycerinaldehyd, dessen Endiol mit dem des Dioxyacetons identisch ist. Die Isomerisierung dieser beiden Dihydroxycarbonylverbindungen spielt bei der alkoholischen Gärung (S. 80) eine Rolle.

Hydioxycarbonylverbindungen H

Y

O

H

XT

/ 0

H

? H—C—OH

XT

H—C—OH

,

H—C—OH

C—OH

^

A=O

H—C—OH

I

75

H—C—OH

I

H

I

H

Glycerinaldehyd

H

Endiol (instabil)

Dloxyaceton

Die /9-Hydroxycarbonylverbindungen wurden bereits bei der Aldoladdition erwähnt (S. 56), sie spalten außerordentlich leicht zum a-Kohlenstoffatom hin Wasser ab (crotonisieren), die treibende K r a f t hierfür ist die Ausbildung eines konjugierten Systems (S. 16). HO I

I:

H H I

H

I

I

H— C—C—C=0

>• H—C=C—C=0 + H.0

I I

I I

H H

H H

/J-Hydroxypropionaldehyd

Acrolein

Bei den y- und ö-Hydroxycarbonylverbindungen beobachtet man eine innermolekulare Addition der Hydroxygruppe an die Carbonylgruppe unter Ausbildung eines cyclischen Halbacetäls (S. 54). H | CH 2 —C=0

H ,/0H CH„—C\

I



CHA—CH2—O—H y-Hydroxybutyraldehyd

I

>

CHA—CH2

Cyclisches Halbacetal öc-Hydroxy-tetrahydrofuran (S. 114)

Derartige cyclische Halbacetale sind stabiler als offenkettige. Glykolaldehyd hat die Bruttozusammensetzung C2H 4 0 2 oder [CH 2 0] 2 , Glycerinaldehyd [CH 2 0] 3 , durch Hinzufügung weiterer CHOH-Gruppen erhält man eine Reihe der allgemeinen Formel [CH 2 0] n . Dieses Verhältnis hat der Verbindungs© CHJOH

® i=o © CHOH © ¿HÖH

|

(5) CHOH ©

¿H2OH

Ketohexoae

gruppe den Namen Kohlenhydrate eingebracht. Die wichtigsten Vertreter dieser Gruppe sind die Zucker, und hier wieder diejenigen mit fünf und sechs Kohlenstoffatomen, also die Verbindungen C 8 H 10 O B und C 4 H 1 2 0 6 , wobei es sich entweder um Polyhydroxyaldehyde oder Polyhydroxyketone handelt. Die Namen der Zucker werden aus der Anzahl der Kohlenstoffatome und der Endsilbe -ose gebildet, zur Unter-

Polyfunktionelle Verbindungen

76

Scheidung, ob ein Aldehyd oder Ketozucker vorliegt, sagt man Aldose und Ketose. Bei den Ketosen steht die Carbonylgruppe immer am Kohlenstoffatom 2, die an sich denkbaren Isomeren mit der Ketogruppe am Kohlenstoff 3 kommen in der Natur nicht vor. Eine Aldohexose besitzt 4 asymmetrische Kohlenstoffatome (S. 20), das ergibt nach der allgemeinen Regel 24 gleich 16 Isomere. Alle isomeren Aldohexosen sind bekannt. Da die bildliche Darstellung dieser Steroisomeren außerordentlich schwierig ist, projiziert man die Raumformel, nach einem Vorschlag von EMIL FISOHEB, auf folgende Weise in die Papierebene: Die Bezugssubstanz ist der Glycerinaldehyd als Anfangsglied der Reihe mit einem asymmetrischen Kohlenstoffatom. Man legt das asymmetrische Kohlenstoffatom in die Projektionsebene und dreht das Kohlenstofftetraeder so, daß die Aldehydgruppe nach hinten oben und die CH2OHGruppe nach hinten unten aus der Papierebene herausragen. Jetzt liegen die Hydroxylgruppe und das Wasserstoffatom vor der Papierebene; bei dem einen Isomeren weist die Hydroxylgruppe in Richtung der positiven und bei dem anderen in Richtung der negativen x-Achse. Projiziert man das Tetraeder nun in die Papierebene, so entstehen die folgenden Formeln: Hv

"C/

O

H—C—OH

HO-

¿H2OH

- U

k

3H A OH

D-Glycerlnaldehyd

L-Glycerinaldehyd

Hierbei entspricht, nach der Definition von EMIL FISCHER, die Formel, in der die Hydroxygruppe nach rechts steht, dem rechts drehenden, dem D-(+)-Glycerinaldehyd1), Konfiguration bezogen auf Glycerinaldehyd

J0 ;

H - -C-- O H

|

H O - -Ó-- H H—C—OH

(4-)-Weinsäure

Î I

(—)-Weinsäure meso-Weinsäure

H—C-OH GEL;—OH

D-Glucose«) 1

) Von dexter (lat. = rechts) und laevus (lat. = links). Man kennzeichnet Rechtsdrehung durch das Vorzeichen + und Linksdrehung durch —. Der rechtsdrehende Glycerinaldehyd geht durch Oxydation in die linksdrehende Glycerinsäure über. Die Richtung der Drehung gibt also keinen Aufschluß über die Konfiguration. Verbindungen, die in ihrer Konfiguration dem rechtsdrehenden bzw. linksdrehenden Glycerinaldehyd entsprechen, werden unabhängig von der Drehrichtung durch die Präfixe D bzw. L gekennzeichnet. 2 ) Bei den Hexosen beziehen sich die Präfixe D bzw. L auf die Konfiguration des Kohlenstoffatoms 5.

Hydroxycarbonylverbindungen

77

die andere dem L-(—)-Glycerinaldehyd. Diese zunächst willkürliche Festsetzung gibt, wie spätere Untersuchungen bewiesen, die tatsächliche räumliche Struktur des Glycerinaldehyds wieder. Die wichtigste Aldohexose, die Glucose, hat in dieser Schreibweise die obenstehende Strukturformel, d. h. die Anordnung am Kohlenstoffatom 2 entspricht dem D-Glycerinaldehyd, am Kohlenstoffatom 3 dem L-Glycerinaldehyd und an den Kohlenstoffatomen 4 und 5 dem D-Glycerinaldehyd. Der Beweis hierfür war sehr mühsam zu erbringen. Man ist dabei so vorgegangen, daß durch gerichtete Abbaureaktionen vorher bestimmte Bruchstücke des Zuckers in Weinsäure (S.90) überführt wurden. Die der Glucose entsprechende Ketohexose hat den Trivialnamen Fructose. Einige der natürlich vorkommenden Zucker sind in Tabelle 11 zusammengestellt. Tabelle 11 Natürlich vorkommende Pentosen und Hexosen CHO

CHO

CHO

OH

CHO

H—I—H

H-

H—I—OH

H—C—OH

H—I—OH

H—I—OH

E-i

H— ¿—OH

¿HjOH

D-Desoxyribose

HO—C—H

OH

D-Eiboae

[

H—C—OH HO- -C—H H - -l

¿HjOH

OH

k

D-Xylose

D-Arabinoae Aldopentosen

CHO H—C—OH HO—I—H

CHO HO—I—H HO—I—H

H—¿—OH

H—I—OH

H—I—OH

H—I—OH

I

CH,OH D-Glucose

CHAOH D-Mannose Aldohexoseil

CHO H—¿-OH HO—C—H

I

HO—C—H H—I—OH ¿H»OH D-Gttlactose

CH2OH

CHAOH

¿=o

A=o i

HO—I—H

H— ¿—OH HO—I—H

CHaOH L-Sorbose

HO—C—H H—I—OH H—¿—OH

CHjOH

D-Frnctose

Ketohexosen

Bei den Aldopentosen ist auch die Desoxyribose, bei der die Hydroxylgruppe am Kohlenstoffatom 2 durch Wasserstoff ersetzt ist, mit aufgeführt. Sie gehört im strengsten Sinne nicht zu den Zuckern, spielt aber im biologischen Geschehen eine überragende Rolle (S. 178). Mit Carbonylreagenzien, wie Hydroxylamin und Phenylhydrazin (S. 53), reagieren die Zucker unter Bildung von Oximen und Phenylhydrazonen. Überschüssiges Phenylhydrazin führt, wie auch bei anderen x-Hydroxycarbonylverbindungen, zur Oxydation der benachbarten Hydroxygruppe zur Carbonylgruppe. Hierbei wird das Phenylhydrazin zu Anilin (S. 106) und Ammoniak reduziert. Die neu entstehende Carbonylgruppe reagiert mit einem dritten Molekül Phenylhydrazin unter Bildung von Di-phenylhydrazonen, den Osazonen. Der Mechanismus der Osazonbildung ist komplizierter, als er hier geschildert wurde, er verläuft über eine Endiolstruktur (S. 75). Durch Spaltung der Osazone entstehen x-Ketoaldehyde, die Osone.

78

Polyfunktionelle Verbindungen

—¿—H

O

H—C—OH

I

H—C

I

CHJOH

0-Methylglucosld

Die Glykosidbildung kann auch mit einem beliebigen Hydroxyl eines zweiten Zuckermoleküls erfolgen, so entstehen dimere Zucker, die durch eine Glykosidbindung miteinander verknüpft sind. Ein solcher Zucker — ein Disaccharid — ist der 1

) Zu dieser Namensgebung s. S. 105 u. S. 114.

Polyfunktionelle Verbindungen

80

Rohrzucker, der aus einem Molekül Gflucose und einem Molekül Fructose besteht. Weiteres über Di- und Poly-saccharide vgl. Abschn. V, S. 162. Unter der Einwirkung von Hefe, oder richtiger von aus der Hefezelle abgegebenen Fermenten (S. 183), werdenHexosen in Äthylalkohol und Kohlendioxyd gespalten. Dieser als alkoholische Gärung bezeichnete Vorgang ist in seinen wesentlichen Zügen heute aufgeklärt. Stark vereinfacht handelt es sich um folgende Übergänge: Die Qlucose wird zunächst mit Phosphorsäure verestert. Nach Umgruppierung der Estergruppe von der 1- in die 6-Stellung und Umlagerung der Glucose in die Fructose wird ein zweites Molekül Phosphorsäure zum 1,6-Diphosphat eingebaut. Schema der alkoholischen Gärung

Hx

„O

Hx

XCf

H — ¿—OH HO—i—H

.OH

C

/O—(P)

H—i—OH O

HO—¿—H

H—¿—OH""

H—C—OH

H—¿—OH

1 H—C—OH

H

4



HO—¿—H

\N C ¿/ ° H |

CH a —O—(P)

H — h—OH O

HO—¿—H

HO—¿

0_

HO—¿—H

H — ¿—OH

H — ¿—OH

H — ¿—OH

H

H-i-

B-i-

CH a OH Glucose

H,

1 k3H OH

CH a —O—(P) ¿H-—O—(P)

a

Glucose-l-phoaphat

Glucose-6-phosphat

O

¿H-—O—i a —v,—(P) Fructose-l.S-dlphospbat

CRj—O—(P)

u y

¿H 2 —IOH Dloxyacetonphosphat

OH H—i—O—(P)

CHO

H-i-OH 1— i — O H ¿ ¿Ha-0—(P) Hj—O—(P) Glycerinaldehydphosphat

+H2O C—OH

¿—0~(P) ch2

C — 0 ~ ( P ) !)

C—OH

H—¿—OH — CIL—O—(P) Dlphosphoglycerlnsäure

Olycerinaldehyddiphosphat

_COi

¿=o

kH,

PhosphoBrenztraubenenolbrenztranbens&ure säure 1)

o II H,0

H — C—O—(P) ¿H,—OH 2-Phosphoglycerinsfture

o

O C—OH

-2H

o II

Zur Bedeutung des Zeichens ~

O

H

Lo Ah,

Acetaldebyd

s. S. 182.

+ 2H|

CH a 0H i. Äthylalkohol

(P) == —P—OH ¿H

Hydroxycarbonsäuren

81

Der'nächste Schritt ist die Umkehrung einer Aldoladdition: Die CC-Bindung zwischen den Kohlenstoffatomen 3 und 4 wird getrennt, es entstehen Dioxyaceton und Glycerindldehyd in Form ihrer Phosphorsäureester. Beide Verbindungen wandeln sich leicht ineinander um (S. 75). Der phosphorylierte Glycerinaldehyd wird im nächsten Schritt zur Diphos^ihoglycerinsäure dehydriert. Dieser Schritt läuft synchron mit einem später folgenden Schritt, bei dem ein Aldehyd zum Alkohol reduziert wird — beide Schritte können also als Caknizzabo sehe Reaktion (S. 59) aufgefaßt werden. Die Glycerinsäure wandelt sich in einigen Stufen in die Brenztraubensäure um, die als a-Ketosäure leicht C02 verliert und Acetaldehyd bildet. Dieser wird nun im erwähnten Teilschritt der Canuizzabo sehen Reaktion zum Äthylalkohol, dem Endprodukt der alkoholischen Gärung, reduziert. Auf die Ursachen der vielen Teilschritte dieses Zuckerabbaus und die Bedeutung der Phosphorsäurereste wird später etwas näher eingegangen werden (S. 168). 3. Dicarbonylverbindungen Für das chemische Verhalten der Dicarbonylverbindungen ist wieder die relative Stellung der Carbonylgruppen wichtig. Besondere Wechselwirkungen treten bei den et- und ß-Dicarbonylverbindungen auf, in den y- und ¿-Dicarbonylverbindungen reagieren beide Gruppen unabhängig voneinander. Die a-Dicarbonylverbindungen sind grün-gelb bis gelb, bei ihnen findet also bereits im sichtbaren Bereich selektive Lichtabsorption statt (S. 205). Das einfachste a-Diketon, das Butandion-2,3 oder Diacetyl, findet als Butteraroma Verwendung.

0 0

0 0

II II R—C—C—R

II II CH3—C—C—CH,

a-Dlcarbonylverbindnng

Batandlon-2,3

Chemisch besonders interessant sind die ß-Dicarbonylverbindungen. Die GH2Gruppe, die von zwei Carbonylgruppen flankiert wird, O H O II I II R_c—C—C—R'

i

0-DIcarbonylverbindnng

'

OH 0 I II R—C=C—C—R'

i

Enol

zeigt eine gegenüber der der Monocarbonylverbindungen stark erhöhte Reaktivität, deshalb verlaufen hier alle Reaktionen, an denen diese CH2-Gruppe beteiligt ist, viel schneller und glatter. Die Enolisierung einer Carbonylgruppe führt zu einem konjugiertem System, durch den Gewinn an Konjugationsenergie erhalten die sonst unbeständigen Enole eine gewisse Stabilität. Eingehender werden diese Erscheinungen beim Acetessigester besprochen (S. 23). 4. Hydroxycarbonsäuren Die gleichzeitige Anwesenheit von Hydroxyl- und Carboxylgruppe verleiht diesen Verbindungen Säure- und Alkoholcharakter. Sie sind daher in der Lage, sowohl 8

Nerdel, Organische Chemie

Polyfunktionelle Verbindungen

82

Siter- als auch intramolekular Ester zu bilden. Die intermolekulare Esterbildung beobachtet man vorwiegend bei den ot-Hydroxysäuren, wobei ein Sechsring mit 2 Sauerstoffatomen entsteht. 0 O —OH CHj OH H(!) HO—

/ C \ ch 2 o A

¿H2

¿.

II O

0

Glykolsäure

Glykolid, 2,6-Diketo-l,4-dioxan

Die ß-Hydroxysäuren spalten bei dieser Reaktion meist Wasser ab und gehen in a, /^-ungesättigte Carbonsäuren über. Die y-Hydroxysäuren bilden spontan intramolekulare Ester, die Lactone. O ;0 CHj— CHj—C^ 0—H o CH2—CH2—O—H

CHj—dHj

y-Hydroxybuttera&ure

Butyrolacton

Bei den Zuckern wurde schon gesagt (S. 78), daß die Reduktion der OnsäureLactone zu den Hydroxyaldehyden gelingt. Dieser Unterschied zu den normalen Carbonsäuren, bei denen die Aldehydstufe nicht zu fassen ist, kommt daher, daß zunächst nicht die freien Aldehyde, sondern die cyclischen Halbacetale entstehen. 5. Ketocarbonsäuren Bei den a- und ß-Ketocarbonsäuren treten wieder spezifische Wechselwirkungen auf; sind die Gruppen weiter voneinander entfernt, werden die Funktionen unabhängig voneinander. a-Ketocarbonsäuren erhält man durch Verseifung der oc-Ketonitrile, die aus Säurechloriden und Kupfercyanid zugänglich sind. O

0

R—C—C1 + CN 0

0

0

R_C—C—OH

R—C—C=N

Beim Erwärmen mit verd. Schwefelsäure verlieren sie Kohlendioxyd und gehen in Aldehyde über. Die einfachste a-Ketosäure, die Brenztraubensäure1) liefert Acetaldehyd, diese Reaktion wurde schon bei der alkoholischen Gärung erwähnt (S. 80). O II

..

-;C—O—

Brenitraubenaäure

verd. H,80,

0 II

CHj—C—H + CO, Acetaldehyd

Beim Erwärmen mit konz. Schwefelsäure spalten die a-Ketosäuren Kohlenmonoxyd ab und gehen in Carbonsäuren über. l

) Die Brenztraubensäure entsteht beim Erhitzen von Weinsäure, S. 90, daher die Namensgebung.

Ketocarbonsäuren o O II II CH.-C —c -OH

83 o II CHS—C—OH + CO

konz. H.3Q.

Brenztraubensäure

Essigsäure

Von besonderem Interesse sind die Reaktionen der ß-Ketosäuren und ihrer Ester. Die freien /3-Ketosäuren sind sehr instabil, auch hier gibt es zwei Zerfallsmöglichkeiten: 1. Die /?-Ketosäuren verlieren sehr leicht, schon beim gelinden Erwärmen, Kohlendioxyd, es entstehen Ketone, man nennt diesen Vorgang Ketonspaltung. 2. Die CC-Bindung zwischen den Kohlenstoffatomen 2 und 3 ist leicht hydrolytisch zu spalten, es entstehen dann 2 Moleküle Säure, man nennt diese Reaktion die Säurespaltung. CHj—C—CHj- c—o- H II II O o

Ketonspaltung

CH3—C—CHs + CO, II o Aceton

HO H CHS— C!—CHj—C—0—H O

Säurespaltung

CHj—C—0—H + CHj—C—0—H

O

O

O Essigsäure

Acetessigsäure

/?-Ketosäureester sind durch die CnAiSBNkondensation, eine der Aldoladdition (S. 56) verwandte Reaktion, zugänglich. In den Carbonsäuren und ihren Estern ist die Reaktivität der a-ständigen Methylengruppe geringer als bei den Ketonen und Aldehyden (S. 63). Auch die Estercarbonylgruppe ist Additionsreaktionen schwerer zugänglich als die Aldehyd- und Ketocarbonylgruppe. O II CHj—C

H O I II CHj—C—0—ca:

O—H O 11 ! CH,,—C— CH,—C—O— C A

- C,H,OH

A- C A

¿-C.H.

Esslgsäuxeäthyleater

instabiles Zwischenprodukt

o

o

CH3—C—CHj—C—0—C2H5 Acetessigester

Unter der Einwirkung starker Kondensationsmittel, z. B. durch Natrium, Natriumamid, Natriumalkoholat findet zwischen zwei Molekülen Ester eine Addition der CH-Gruppe an die Estercarbonylgruppe statt. Das Primärprodukt mit Halbketalstruktur verliert Alkohol und geht in den /J-Ketocarbonsäureester über. Die Methylengruppe, die zwischen der Keto- und der Estergruppe steht, ist in den ß-Ketocarbonsäureestem ähnlich reaktiv wie in den ß-Dicarbonylverbindungen. Bei den einfachen Carbonylverbindungen besteht zwar auch eine Wechselwirkung zwischen der Carbonylgruppe und der a-ständigen CH-Gruppe, die isomeren Enole sind hier als solche jedoch nicht isolierbar, wohl in Form von Derivaten (S. 56). Bei den y3-Ketosäureestern 6*

Polyfunktionelle Verbindungen

84

und den ß-Dicarbonylverbindungen wird durch die Enolisierung aus dem System zweier isolierter CO-Doppelbindungen das konjugierte System von je einer CC- und CO-Doppelbindung. Der Gewinn an Mesomerieenergie (S. 17) reicht aus, um die Enolform zu stabilisieren. H H CH3— C—¿—C—O—C2H5

.

CH3—C=C—C—0—C2H5

O H O

OH

Ketoform

Acetessigester

O

Enolform

Wie bei den Nitro- und aci-Nitro-Verbindungen kann man jetzt zwei Isomere isolieren. Im Gegensatz zu den Nitro-aci-Nitro-System lagern sich beim Acetessigester die Isomeren nicht freiwillig ineinander um, sondern sind nebeneinander beständig. Unter dem katalytischen Einfluß von H+- und OH - -Ionen gehen beide Isomere ineinander über, es entsteht ein Gleichgesichtsgemisch, das man normalerweise isoliert. Die einzelnen Individuen heißen Desmotrope, das Gleichgewichtsgemisch allotropes Gemisch. Bei der Isolierung der reinen Isomeren muß jeder katalytische Einfluß ausgeschaltet werden, der Alkaligehalt des Glases reicht für diese Katalyse bereits aus, man muß zur Isolierung der Isomeren in Quarz- bzw. Edelmetallgefäßen arbeiten. Die Enolhydroxylgruppe ist erheblich saurer als die alkoholische Hydroxylgruppe, die /3-Ketosäureester sind schwache Säuren und bilden mit Alkalien Salze. Bei der Salzbildung wird durch Ablösung des Protons der /3-Ketosäureester in ein Anion überführt. Für das Anion des Acetessigesters kann man die folgenden virtuellen Grenzstrukturen aufschreiben: H

H

H

I

0

A i i - o / \j—0—CÄ^-CH,—C^NJ—0—CA«-*CK,—t/ N j i » " I' I' 1 I Ü I Q ^ y IOU -A, NP/ |0I€ x0/ Die wahre Struktur dieses Anions läßt sich als Überlagerung dieser mesomeren Grenzstrukturen auffassen. Dadurch wird die negative Ladung auf fünf Atome verteilt, die Bindungsordnimg der Bindungen zwischen diesen Atomen liegt zwischen 1 und 2. Diese Tatsache kann man auch durch folgende Formel wiedergeben. H

A

CHj—Cy

VC—0—CA Iii

©

H

_ Na® + RC1

— Naci

CHj—C \Ö>

kI V o - C f t B

\Ö>

Die Alkalisalze der ß-Ketosäureester reagieren mit Alkyl- und Acylhalogeniden unter Substitution. Man sollte bei dieser Reaktion, bei der statt der Ionenbindung wieder eine homöopolare Bindung geschaffen wird, zwei isomere Substitutionsprodukte erwarten, das C-Substitutionsprodukt und das O-Substitutionsprodukt. Im allgemeinen erhält man aber ganz überwiegend die C-Substitutionsprodukte. Diese Reaktion ermöglicht es, in der CH2-Gruppe die Wasserstoffatome durch

Dicarbonsäuren

85

Alkyl- und Acylreste zu ersetzen. Durch Säure- oder Ketonspaltung derartiger substituierter Acetessigester kann man die verschiedenartigsten Carbonsäuren und Ketone aufbauen (S. 86). Beim Acetessigester und seinem Anion läßt sich, der Unterschied aber auch die gegenseitige Verquickung von Tautomerie und Mesomerie besonders gut darstellen. Beim Acetessigester gibt es zwei isolierbare tautomere Formen, die Ketoform und die Enolform. Die Existenzfähigkeit der Enolform ist durch den Energiegewinn (Mesomerieenergie) bei der Schaffung eines konjugierten Systems bedingt. Das Anion des Acetessigesters trägt eine freie negative Ladung, deren Haftstelle mit unseren Strichformeln nicht eindeutig angegeben werden kann. Man kann nur eine Anzahl von virtuellen Grenzformeln hinschreiben, zwischen denen irgendwo die wahre Elektronenverteilung liegt, das Anion ist mesomer. 6. Dicarbonsäuren Die Einführung einer zweiten Carboxylgruppe ändert an dem chemischen Verhalten der Säuren relativ wenig. Beide Carboxylgruppen lassen sich beliebig einzeln abwandeln, so daß man unter anderem saure und neutrale Ester, Mono- und Disäurehalogenide, Esterhalogenide, Estersalze und so weiter kennt. Auch Kondensationsreaktionen sind an beiden Carboxyl- bzw. Estergruppen möglich. Die Ester der sechs- und siebengliedrigen Dicarbonsäuren sind sehr leicht einer intramolekularen Esterkondensation zugänglich. Hierbei entstehen fünf- bzw. sechsgliedrige cyclische Ketocarbonsäureester.

Derartige cyclische /S-Ketosäureester geben die gleichen Reaktionen wie die offenkettigen. Dicarbonsäuren geben außerordentlich leicht innere Anhydride, wenn dabei die Bildung eines fünf- oder sechsgliedrigen Ringes erfolgt. ¡0

Bernsteinsänre Besonderheiten in der Reihe der Dicarbonsäuren zeigt die Säure mit 3 Kohlenstoffatomen, die Malonsäure. Die freie Säure verliert, wie die /?-Ketosäuren, leicht Kohlendioxyd und geht in Essigsäure über. Hl—O—Ci—CHa—C—0—H II II o o Malonsäure

COj + CH,—C—O—H II o Essigsäure

86

Polyfunktionelle Verbindungen

Im Malonester ist die CHa-Gruppe von 2 Estercarbonylgruppen eingeschlossen, sie erhält dadurch eine ähnliche Reaktivität wie in den ß-Ketosäureestern. C—O—C.H. CH, \_0—C2H6 II o Der Malonester bildet ebenfalls Alkalisalze, die mit Alkyl- und Acylhalogeniden so reagieren, daß am Kohlenstoff alkylierte bzw. acylierte Malonester entstehen. Die synthetischen Möglichkeiten des Malonesters und Acetessigesters, die sogenannten Malonester- und Acetessigester-Synthesen seien an der Synthese der Lavulinsäure, der einfachsten y-Ketosäure, geschildert. [ CHg— CO—CH— COOR]0 Na CHa—CO—CHjBr Broraaceton

/

Natrium-Acetesaigeater

\

/

CHa— CO—CH—COOR

BrCHa—COOR Bromessigester

CHj—CO—CH—;COOR

¿h 2 JOOR

¿0 CH. konz. NaOH S&orespaltung

verd. HCl oder NaOH Ketonspaltung

CHj—CO—CHj—CHa—COOH L&ynllnsftuie Verseifung and Decarboxyllernng

COOR CH,—CO—CH,—C'H' COOR

CHS— CO—CH,Br + Bromaceton

/ CH \

COOR COOR

Natrium-Maloneater

Na®

Halogencarbonsäuren

87

Durch Kondensation von Oxalester mit Ketonen sind a, y-Diketosäureester zugänglich, die bereits bei der Destillation CO abspalten und in ß-Ketocarbonsäureester übergehen. CHS—C—HJC- H

C«H,—O— C—C—OC2H5

O

O O

Aceton

o

o

Oxalester

o

o

o

CHS—C—CH,—C—0—C2HG + CO

CH3—C—CHÜ—C—C—0—C2H5 a-y-Diketovalerians&ureester

Acetesslgester

Tabelle 12 Dicarbonsäuren Name

Oxalsäure Äthandisäure Malonsäure Methandicarbonsäure

Schmp. °C

Formel

V HO




CH,—C=CH—C—O—C,HS ¿H s ß-Methylcrotons&ureester

Sie verläuft wie die GBIGNABD-Reaktion (S. 57) über gemischte metallorganische Verbindungen mit dem Unterschied, daß hier die metallorganischen Verbindungen nicht isolierbar sind. Sie reagieren im Augenblick ihres Entstehens mit gleichzeitig anwesenden Carbonylverbindungen. Nach der Hydrolyse ergibt die REEORMATZKTReaktion ß-Hydroxycarbonsäureester, aus denen durch Wasserabspaltung C/H Aldoladdition ( - H.O)

CH,

\

c—:H

CH,

CHj C-H

CH2

Adlplndialdehyd

Cyclopentenaldehyd

CH, WnrtzSyntheae

IlH« CHO—Br

CHj

CH2

¿H2 ^Ha

CH,

CH,

1,6-Dibromhexan

Ctyefohexan

Eine sehr wichtige Reaktion zur Bildung von sechsgliedrigen Ringen ist die Dien-Synthese ( D i e l s und A l d e r ) . Hierbei reagieren zwei konjugierte Doppelbindungen eines Moleküls mit einer Doppelbindung eines zweiten Moleküls (dienophiles Molekül). Im letzteren muß die Doppelbindung „aktiviert" sein, z. B. durch C0Gruppen. O 0 II ,CH2 hx/Cs 6h. o \ CH CH \ I + || O • II o 0 / CH CH,

1

H'

n

C

o Butadien (Dien)

Maleinaäureanhydrid (Dienophil)

' o Cyclohexen-(4)-dicaibonsäure-(l,2)-anhydrld

Enthält der Ring nur Kohlenstoffatome, so spricht man von alicyclischen oder isocyclischen Verbindungen. Daß die Benennung durch die Vorsilbe cyclo erfolgt, wurde schon auf S. 11 erwähnt. In ihrem chemischen Verhalten unterscheiden sich die cyclischen Verbindungen kaum von den offenkettigen. Man kennt Ringe mit 3—20 Ringgliedern. Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß die 3- und 4Ringe gespannt sind. Durch den Ringschluß ist die freie Drehbarkeit aufgehoben (S. 14), die Substituenten sind deshalb in bestimmten Raumlagen fixiert. Dieses gibt wie bei der Doppelbindung Anlaß zur cis-trans-Isomerie.

Terpene und verwandte Verbindungen

93

Das als Beispiel herangezogene 1,2-Dibromcyclopentan hat zwei asymmetrische Kohlenstoffatome, die cis-Form besitzt aber wie Mesoweinsäure eine Symmetrieebene (S. 90). Die trans-Verbindung ist in optische Antipoden spaltbar. Die 3-, 4- und 5-Ringe sind praktisch eben gebaut, die Substituenten stehen oberhalb und unterhalb der Ringebene. Es war bereits gesagt, daß die 6- und höhergliedrigen Ringe spannungsfrei, aber nicht eben gebaut sind (S. 13). Besonderes Interesse beansprucht die Stereochemie des Cyclohexans. Aus Tetraedern lassen sich zwei Modelle aufbauen, die nicht ohne einen gewissen Energieaufwand ineinander zu überführen sind. In dem einen Modell, der Wannenform, hegen 4 Atome in einer

t

Wannenform

Sesselform

Ebene und die Atome 1 und 4 darüber. Bei dem. zweiten Modell, der Sesselform, hegen je 3 Atome in zwei parallel zueinander verschobenen Ebenen. Isomere, die diesen beiden Formen entsprechen, beobachtet man beim Cyclohexan und seinen Derivaten nicht. Das ist nur so zu deuten, daß der Energieunterschied nicht ausreicht, um beide Formen zu stabilisieren. An jedem Ringatom steht ein Substituent etwa in Richtung der 3-zähligen Symmetrieachse, axial, der andere etwa senkrecht dazu, äquatorial. Beim cis-Disubstitutionsprodukt steht ein Substituent axial, der andere äquatorial. In den trans-Isomeren stehen beide Substituenten entweder axial oder äquatorial. Es gelingt nicht, diese beiden Isomeren zu isolieren. Ein trans-Disubstitutionsprodukt mit axialer Stellung der Substituenten geht über die Wannenform in die isomere Verbindung mit äquatorialer Stellung der Substituenten über.

axiale Substituenten

äquatoriale Substituenten

Isomere dieser Art, die sich ohne Lösen einer Bindung ineinander überführen lassen, nennt man Konformations-Isomere. Die energetisch begünstigte Konformation des Cyclohexans ist die Sesselform mit möglichst vielen großen Substituenten in äquatorialer Stellung.

H. Terpene und verwandte Verbindungen Einer Vielzahl von Naturstoffen liegt ein gemeinsames Bauprinzip zugrunde, das auf das Isopren, das Methylbutadien zurückgeführt werden kann. Die Verbindungen enthalten 10, 15, 20, 30 usw. Kohlenstoffatome. Man nennt sie Terpene, Sesquiterpene, Diterpene, Triterpene usw. Allgemein spricht man auch von Terpenoiden- bzw. Isoprenoiden-Verbindungen.

Terpene und verwandte Verbindungen

94

Die Biogenese dieser Klasse ist eingehend untersucht worden und wir dauf S. 175 besprochen. Vertreter dieser Verbindungsklasse, die die verschiedenartigsten funktionellen Gruppen tragen können, kommen vor als Bestandteile ätherischer öle 1 ), in den natürlichen Harzen, in Vitaminen, Sterinen, Gallensäuren, Hormonen, Kautschuk und in vielen anderen mehr. Die einfachsten Vertreter dieser Gruppe sind die aliphatischen TerpenkohlenwasserStoffe C10H18, die Dimethyl-oktatriene. Diese VerSchwanz

CHS I

Kopf

Schwanz

CH2=C—ch=ch2

CHj |

Kopf

Kopf

ch2=c—ch=ch2

CH3 CHS CHa=C—CH=CH—CH I 2.6-Dimethyl-oktatrien-1.3.7 I 2—CH—CH=CH2

CHS I

Schwanz

ch2=ch—c=ch2

CH3 CHj CH 2 =C-CH=CH—CH I2.7-Dimethyl-oktatrien-1.3.7 I 2 —CH 2 —C=CH 2

bindungen können als Dimerisationsprodukte des Isoprens betrachtet werden, wobei 2 Verknüpfungsmöglichkeiten, die Kopf-Schwanz- und die Kopf-Kopf-Addition gegeben sind, die eine führt zum 2.6-, die andere zum 2.7-Dimethyl-oktatrien 2 ). Die Struktur des 2.6-Dimethyl-oktatriens ist die weitaus häufigere, sie tritt bei den natürlichen Monoterpenen ausschließlich auf. Durch verschiedene Anordnung der Doppelbindungen ergeben sich 17 isomere 2.6-Dimethyl-oktatriene, von denen bis heute nur ein Teil bekannt ist. Als Vertreter dieser Gruppe seien genannt das Ocimen und Myrcen. CHg

CHg

OTTg

CH,—C=CH—CHj—CH=C-CH=CH [=(]—CH=( 2

CH2

CH3—G=CH—CH^—CH2—C—CH=CH2

Ocimen

Myrcen

Durch Wasseranlagerung leiten sich vom Ocimen die zweifach ungesättigten Terpenalkohole Qeraniol und Linalool ab. CHg

CHg

CHg

CHa—¿=CH—CH2—CHj—i=CH—CH2—OH

CHg

CH3—C=CH—CH2—CHS—C—CH=CH2

Qeraniol

Linalool

¿H

Das Dihydrogeraniol ist das Citronellol CHa CH3—¿=CH—CH,—CH2—¿H—CH2—CHJ—OH Citronellol

Als ätherische Öle bezeichnet man leicht flüchtige, meist angenehm riechende öle, die aus den verschiedenartigsten pflanzlichen Materialien (Wurzeln,- Blätter, Blüten, Binden usw.) isoliert werden. ') Die dritte theoretische Möglichkeit wäre die Schwanz-Schwanz-Addition, die ein 3.6-Dimethyloktatrien ergeben würde.

95

Terpene und verwandte Verbindungen

Die Oxydation der primären Alkohole ergibt die Terpenaldehyde Citral und CitroneUal. CH. CH. „ CH. CH. i i 1 i CHa—C=CH—CHj—CHj—C=CH—C^ CH3—C=CH—CH2—CE^—CH—CH2— C f Citral

H

CitroneUal

H

Die Dimethyl-oktatriene können leicht eine intramolekulare Addition eingehen und dabei zu 6-Ringen cyclisiert werden, wobei zur Schaffung einer neuen CC-Bindung eine Doppelbindung aufgehoben wird, man kommt so in die Reihe der zweifach ungesättigten monocyclischen Terpene. Es sind wieder zwei Möglichkeiten zur Cyclisierung vorhanden, einmal über die Kohlenstoffatome 2 und 7 und zum andern über die Atome 3 und 8. Die erste führt zum 1.1.2.3-Tetramethyl-cyclohexadien, diezweite zum 1-Methyl4-isopropenylcyclohexen. Das Kohlenstoffgerüst des l-Methyl-4-isopropyl-cyclohexans ist bei den Terpenen vorherrschend. Durch die verschiedene Anordnung der

CH,/ ^CH, l-Methyl-4-lgopropenyl-cycIohexen-l, Llmonen

Doppelbindung leiten sich vom l-Methyl-4-isopropyl-cyclohexan 14 isomere zweifach ungesättigte Kohlenwasserstoffe ab. Außer dem bereits erwähnten Limonen seien noch das Terpinolen und Menthadien-1.4 genannt. CH,

u ^C^ CH, CH, Terpinolen

CH CH3/^CH3 Menthadien-1.4

Durch Addition von Wasser erhält man aus den Kohlenwasserstoffen einfach ungesättigte monocyclische Terpenalkohole, die durch Hydrierung in gesättigte und durch Dehydrierung auch in zweifach ungesättigte Terpenalkohole zu überführen

96

Terpene und verwandte Verbindungen

sind. Die Oxydation der sekundären Alkohole führt zu Terpenketonen. Einige Vertreter dieser Gruppe sind die Alkohole Menthol, a-Terpineol, Isopulegol und die Ketone Menthon, Piperiton und Carvon.

Menthol1)

a-Terpineol

Isopulegol

Menthon

Piperiton

Carvon

Die monocyclischen Diene können durch eine weitere intramolekulare Addition, einen Brückenschlag, einfach ungesättigte bicyclische Terpene geben. Beim 1-Methyl4-isopropenyl-cyclohexen-l erfolgt der Brückenschlag aus der Isopropenylgruppe entweder zum Kohlenstoffatom 1 oder 2 oder 3, wodurch die nachstehenden Verbindungen gebildet werden.

é

Bornylen

a-Plnen

Caren

Diese Ringsysteme werden fast immer mit Trivialnamen benannt. Der zum Bornylen gehörige gesättigte Kohlenwasserstoff ist das Camphan, die beiden anderen heißen Pinan und Caran. Systematisch werden die Namen bicyclischer Ringsysteme aus der Silbe Bicyclo- und der Zahl der Kohlenstoffatome des Ringes gebildet. Das Grundgerüst dieser Reihe besteht aus 7 Kohlenstoffatomen, es ist also ein Bicycloheptan. Zur Unterscheidung der 3 möglichen Bicycloheptane gibt man in arabischen Zahlen, die in eckigen Klammern stehen, vor dem Namen die Gliederzahl der einzelnen Brücken an. Die Benennung der Substituenten erfolgt nach dem üblichen Schema, so wird der systematische Name für das Camphan 1.7.7-Trimethyl-bicyclo-[2.2.1 ]-heptan.

db

Camphan 1.7.7-Trimethyl-bicyclo-[2.2.1]-heptan

o

Norpinan ) Bicylo-[3.1.1]-heptan 1

o

Norcaran Blcylo-[4.1.0]-heptan

Durch die formale Verknüpfung von 3 Isoprenmolekülen kommt man zu den Sesquiterpenen. Alle Möglichkeiten, die bei den Monoterpenen diskutiert wurden, Bei der hier benutzten abgekürzten Schreibweise, die in der Terpen- und Sterinreihe sehr gebräuchlich ist, schreibt man weder die Kohlenstoff- noch die Wasserstoffatome mit. Die Formel y \ y \ y J \ ^ stellt das Ocimen dar, jede Ecke ist ein Kohlenstoffatom, jeder freiendende Strich eine CHS-Gruppe. Ein Doppelstrich ist wie üblich eine Doppelbindung. 2 ) Als Nor-Verbindungen bezeichnet man in der Trivialnomenklatur die Methylgruppenfreien Grundverbindungen.

97

Terpene und verwandte Verbindungen

sind auch bei ihnen durchführbar, so daß hier eine große Anzahl von Abkömmlingen denkbar ist. Als einziger Vertreter dieser Reihe sei das Farnesol, der Hauptbestandteil des Lindenblütengeruchsstoffs, genannt. CH A

CHS

CH 3

CHG—¿=CH—CH2—CH2—¿=CH—CH2—CH2—C=CH—CHJ—OH Farnesol

Auf synthetischem Wege sind auch Zwischenglieder zwischen der Terpen- und Sesquiterpenreihe dargestellt worden, durch Aldolkondensation von Citral mit Aceton erhält man das Pseudojonon, das bei der Cyclisierung Jonon, einen künstlichen Veilchenriechstoff, liefert. Diese Cyclisierung verläuft nach dem 2,7-Schema und liefert 2 Isomere, das a- und /5-Ionon, die sich durch die Lage der Doppelbindung im Ring unterscheiden. CH,X CH3

/

CHS

^ CIÈ K

CH—C ¿=O 0 ++ C H , — ¿ = 0

CH,2

C —C H

I

,CH 3

)C(

H |

J? CH.

I

~H,Q

II

>

I

3

'

H

CH a

5H!

K CITRAL +

ACETON

^C—CH=CH—¿=0 C—CH 3

/ PSEUDOJONON

CH3X

/CH.

/

CH2

J, CH

\

CH,

I

C—CH=CH—C=O

"C —

^—CHS

22

^CH 2 /J-Jonon

Ein wesentlicher Vertreter der Diterpenreihe ist] der Alkohol C2oHsoO, das Vitamin A. CH3V / CH3 \RI/

/

CH2

\

CH.

l

CHS

1

C—CH=CH—C=CH—CH=CH—C=CH—CH2—OH

k CH2 Vitamin A

Beim Vitamin A entspricht das Kettenende dem ß-Jonon, deshalb kann man das Vitamin A vom ß-Jonon ausgehend synthetisieren. Durch Verdoppelung des Vitamin A-Moleküls, formal unter zweimaligem Wasseraustritt, ergibt sich das Provitamin A, das /9-Carotin, ein Kohlenwasserstoff C40HB6. 7

Nerdel, Organische Chemie

98

Aromatische Verbindungen

CH,X /CH,

CH, X /CH.

i i i • i CH, C—CH=CH—C=CH—CH=CH—C=CH—CH=CH—CH=C—CH=CH—CH=C—CH=CH—C iCH, C—CH, »

B CH,—C

X

0-Cuotla»)

CH,

JL CH,

x

Bei dieser Formel ist zu beachten, daß in der Mitte des Moleküls eine Unregelmäßigkeit auftritt, hier sind die Beste nach dem Prinzip der Kopf-Kopf-Addition verknüpft (vgl. 2.7-Dimethyl-oktatrien S. 94). Die Untersuchung derartiger Polyterpene ist noch bei weitem nicht abgeschlossen. Bei den Sterinen, Vitaminen und Hormonen liegt die Terpenkette oft als 4-gliedriges Ringsystem, dem Cyclopentanoperhydro-phenanthren vor. Methylgruppen und andere Seitenketten sind in dem Bild nicht wiedergegeben.

Cyolopentano-perhydro-phenantbren1)

I. Aromatische Verbindungen Einleitung Auf die Besonderheiten des aromatischen Systems wurde bereits auf S. 18 hingewiesen. Nicht nur der carbocyclische 6-Ring mit 3 formalen Doppelbindungen zeigt diese Besonderheiten, sondern auch alle anderen Systeme, z. B. die heterocyclischen 5-Ringe (S. 109) mit einem geschlossenen 6-Tt-System. Allen gemeinsam ist, daß die typischen Reaktionen der CC-Doppelbindung aufgehoben sind. Diese wasserstoffarmen, formal ungesättigten Verbindungen sind erstaunlich stabil. Das cyclisch konjugierte TT-Elektronensystem als solches zeigt diese Eigenarten nicht. Als Beispiel hierfür diene das

Cyolooetatetraen

mit den typischen Eigenschaften eines Olefins. ') In der vereinfachten Schreibweise:

*) Das Phenanthren ist ein aromatischer Kohlenwasserstoff (S. 107), der in diesen Verbindungen vollständig(per-)hydriert ist. Der Endbuchstabe -o im Cyolopentano besagt in der systematischen Nomenklatur, daß diese Ringe 2 gemeinsame Kohlenstoffatome besitzen, also miteinander kondensiert sind.

Kohlenwasserstoffe, Halogen- u. Sauerstoffverbindungen

99

1. Kohlenwasserstoffe, Halogen- u. Sauerstoffverbindungen Die aromatischen Verbindungen, deren einfachster Vertreter das Benzol ist, sind dadurch ausgezeichnet, daß ihr jr-Elektronensystem durch spezifische Wechselwirkungen verfestigt und deshalb Additionsreaktionen schwer zugänglich ist. Die charakteristischen Reaktionen des Benzols sind Substitutionsreaktionen; trotz alledem sind auch Additionsreaktionen nicht ausgeschlossen. Durch katalytische Hydrierung gelingt die Addition von 3 Mol Wasserstoff, es entsteht das Cyclohexan.

\ Benzol

In den Formeln des Benzols and seiner Derivate schreibt man im allgemeinen die am Bing stehenden Wasserstoffatome nicht mit. Aach beim Cyclohexan läßt man sie oft fort und schreibt in den Bing ein H.

Unter gewissen Bedingungen, z. B. bei starker UV-Bestrahlung, addiert Benzol 3 Mol Chlor, es entsteht Hexachlorcyclohexan. Von dieser Verbindung sind mehrere Isomere bekannt, sie unterscheiden sich durch die gegenseitige Stellung von Chlor und Wasserstoff an den einzelnen Kohlenstoffatomen. Eines dieser Isomeren, das y-Hexachlorcyclohexan, abgekürzt Gammexan, ist ein wichtiges Kontaktinsektizid. Cl N

Cl H Qammezftn, E&amiormel

Bei der Einwirkung von Ozon nimmt das Benzol 3 Mol Ozon auf, es entsteht ein Triozonid, dessen Hydrolyse 3 Moleküle Glyoxal liefert. Die Ozoniosierungsreaktion wird häufig zur Spaltung von Doppelbindungen, z. B. bei der Strukturaufklärung benutzt. Diese Additionsreaktionen sprechen, ebenso wie die Bildung des Benzols aus 3 Mol Acetylen, für eine Formulierung als Cydoheoxiirien. H H— 1— C ^ H—C

i

H

A

C—H



C—H

H—C H— < f



C „ C—H

I



H—C

C—H

i

o . „

~+THk, °ö *

O

K/ / .C—H 0

H—(f 1

H—C

o H C-H

0 H

3 AMtylen 7*

Benzol

S Glyoxal

100

Aromatische Verbindungen

In dieser Weise reagiert das Benzol nur unter besonders starken äußeren Einflüssen, sonst führt z. B. die Einwirkung von Chlor zur Substitution eines Wasserstoffs unter Bildung von Monochlorbenzol. Durch die Einführung eines Chloratoms wird die Symmetrie des 6-jr-Zustandes gestört, dadurch wird die Einführung eines zweiten Chloratoms, also die Disubstitution, erschwert. Im Gegensatz zu den aliphatischen Kohlenwasserstoffen, bei denen die Chlorierung Gemische ergibt, findet hier die ganz bevorzugte Bildung des Monosubstitutionsproduktes statt. In gleicher Weise wirken Schwefelsäure und Salpetersäure auf das Benzol substituierend, es entstehen als Produkte der Sulfonierungs- und Nitrierungs-Reaktion die Benzolsulfonsäure und das Nitrobenzol, zwei technisch ivichtige Produkte.

iyHo

Benzolaulionaäure

cr< V

Nitrobenzol

Die^ Veränderung der Reaktivität des Benzols ist in charakteristischer Weise von den Substituenten abhängig. Läßt man z. B. auf Chlorbenzol Salpetersäure einwirken, so erhält man ein Chlornitrobenzol, ebenfalls erhält man durch Einwirkung von Chlor auf Nitrobenzol ein Chlornitrobenzol. Diese beiden Verbindungen sind aber nicht identisch, sondern isomer. Sie unterscheiden sich durch die Stellung der Substituenten am aromatischen Ring, die Isomerie entspricht der Stellungsisomerie aliphatischer Verbindungen. Die Symmetrie des Benzols läßt drei Möglichkeiten der Anordnung von zwei Substituenten zu, die 1.2-, 1.3- und 1.4-Stellung, die [als ortho-, meta- und para-Stellung bezeichnet werden.

/V-Cl

C1 o-DichlorbenzoI

m-Dlchlorbenzol

ii p-Dlchlorbenzol

Bei der Nitrierung von Chlorbenzol entsteht ein Gemisch von o- u. p-CMornitrobenzol, während die Chlorierung von Nitrobenzol m-Chlornitrobenzol liefert. Es gibt zwei Gruppen von Substituenten, die Substituenten 1. Ordnung dirigieren den neu eintretenden Substituenten in o- und p-Stellung, die Substituenten 2. Ordnung dirigieren in die m-Stellung. Substituenten 1. Ordnung sind solche, die nur Einfachbindungen, Substituenten 2. Ordnung solche, die auch Mehrfachbindungen enthalten. Dieses verschiedenartige Verhalten ist auf die induktiven und mesomeren Effekte (S. 22 bzw. S. 18) der Substit uenten zurückzuführen. Durch diese Wechselwirkungen wird das symmetrische jr-Elektronensystem des aromatischen Kerns „verzerrt", die Ladungsdichte, und damit die chemische Reaktivität, an den einzelnen C-Atomen wird unterschiedlich. Zur Ortsbestimmungen in Benzolderivaten führt man in ein Disubstitutionsprodukt einen dritten Substituenten ein. Das o-Disubstitutionsprodukt gibt hierbei

Kohlenwasserstoffe, Halogen- u. Sauerstoffverbindungen

101

2 Isomere, das m-Disubstitutionsprodukt 3 Isomere und das p-Disubstitutionsprodukt ein einheitliches trisübstituiertes Benzol.

A - x "V ortho

meta disubstituierte Benzole

\

/

; „-3 X

X

J

kJ 1.2.3-

1.2.4-

1.3.5-

trisubstitnierte Benzole

Durch die Wechselwirkung Substituent •• aromatischer Kern wird nicht nur die Reaktivität des Kerns, sondern auch die des Substituenten verändert. Die Reaktivität des Halogens am aromatischen Kern ist, im Vergleich zu den aliphatischen Halogeniden, bei gleichartigen Reaktionen herabgesetzt. Das Chlorbenzol ist viel schwerer hydrolytisch zu spalten als aliphatische Chloride, eine Hydrolyse mit wäßriger Lauge gelingt erst bei Temperaturen über 100°C, also beim Erhitzen im Druckgefäß. Die Hydrolyse führt zum Hydroxybenzol, mit Trivialnamen Phenol. Phenol besitzt eine große technische Bedeutimg als Zwischenprodukt für viele Synthesen, z. B. Phenolharze (S. 139), Perlon, Nylon (S. 134) u.a.m. Phenole erhält man auch durch Zersetzung der Diazoniumsalze (S. 105) und durch Alkalischmelze aromatischer Sidfonsäuren, wobei das Salz des Phenols entsteht. + 3 KOH

L

Ii-OK

+

KJSOJ

+ 2BLjO

In der phenolischen Hydroxygruppe ist der Wasserstoff so weit gelockert, daß er bereits in wäßriger Lösung als Proton abdissoziiert. Die Acidität entspricht etwa der der Enole. Die Phenole werden aus ihren Salzen bereits durch Kohlendioxyd verdrängt. Die Substitution der phenolischen Hydroxygruppe ist gegenüber der der aliphatischen Hydroxygruppe erschwert. Im Methylbenzol, dem Toluol, sind die Wasserstoffatome der Methylgruppe in ähnlicher Weise aktiviert wie in der oc-Stellung von Carbonsäuren (S. 63). Die Wirkung des aromatischen Kerns, der Phenylgruppe, ist in vielen Fällen der Wirkung der Carboxylgruppe vergleichbar. Im Toluol werden die Wasserstoffatome der Methyl-

102

Aromatische Verbindungen

gruppe durch Chlor nacheinander substituiert, man erhält in übersichtlicher Reaktion das Mono-, Di- und Tri-substitutionsprodukt: das Benzylchlorid, Benzalchlorid und Benzotrichlorid. Beim Toluol, ebenso bei allen anderen alkylsubstituierten Benzolen, ist neben der Substitution in der Seitenkette eine Kernsubstitution möglich. Diese beiden Konkurrenzreaktionen laufen unter verschiedenen Bedingungen ab, so daß man wahlweise die eine oder andere Reaktion stark bevorzugen kann. Die Substitution im Kern findet bereits in der Kälte, besonders unter Mitwirkung spezifischer Katalysatoren wie Eisen-III-chlorid und Jod statt. Man kann sich diese Tatsache durch die Wortfolge Kälte, Katalysator, Kern merken. Die Seitenkettensubstitution wird durch Temperaturerhöhung und durch Einwirkung von Licht gefördert, das ergibt den Merkspruch: Sonnenlicht, Siedehitze, Seitenketten. Während die Reaktivität des Halogens am aromatischen Kern im Vergleich zu den aliphatischen Halogeniden herabgesetzt ist, ist die Reaktivität des a-ständigen Halogens in der Seitenkette erheblich gesteigert. Mit den kern- und den seitenkettenhalogenierten Verbindungen sind alle bei den aliphatischen Halogeniden besprochenen Reaktionen durchführbar, verändert ist nur die Reaktionsgeschwindigkeit. Bei den Seitenkettenhalogeniden tritt die Hydrolyse bereits unter sehr milden Bedingungen ein. Sie führt beim Benzylchlorid zum Benzylalkohol, beim Benzalchlorid zum Benzaldehyd und beim Benzotrichlorid zur Benzoesäure. CHaCl

CH2OH

s/

X/-

Benzylchlorid

Benzylalkohol

CHO

K Benzalchlorid

Benzaldehyii

COOH

I /V Benzotrichlorid

Benzoesäure

Diese Sauerstoffverbindungen sind in ihrem chemischen Verhalten den entsprechenden aliphatischen Verbindungen sehr ähnlich, ihre Reaktivität ist im allgemeinen etwas gesteigert. So sind die Ester des Benzylalkohols hydrogenolytisch, durch katalytisch erregten Wasserstoff, spaltbar, besonders leicht gelingt diese Spaltung bei dem Kohlensäureester. Dieses Verhalten benutzt man häufig zum Schutz empfindlicher Grwppen. So kann man z. B. eine Hydroxygruppe vor dem Angriff eines Oxydationsmittels schützen und die Schutzgruppe nach der Oxydation ohne Anwendung saurer oder alkalischer Reagenzien abspalten.

103

Kohlenwasserstoffe, Halogen- u. Sauerstoffverbindungen

O

O + H,

B—O—C—O—CHa—

R—O—C—O—H + CH,—

R—0—H + COs Beim Benzaidehyd trägt das Kohlenstoffatom neben der Aldehydgruppe keinen Wasserstoff, er ist deshalb der Aldoladdition mit sich selbst nicht zugänglich. Sehr glatt verlaufen die gemischten Aldoladditionen mit aliphatischen Carbonylverbindungen: aus Benzaldehyd und Acetaldehyd entsteht Zimtaldehyd, das primäre Aldol ist hierbei nur schwer isolierbar. H

H

= 0 + CH,

O

-CH.

X//\-CH=CH—Qüf

H

A,

ÖH

+ HjO

Zimtaldehyd

Unter der katalytischen Wirkung von Cyanidionen reagieren 2 Moleküle Benzaldehyd so, daß die Aldehyd-GR-Gruppe des einen Moleküls an die Carbonylgruppe des zweiten addiert wird. Es entstehen oc-Hydroxycarbonylverbindungen. O C.H,

11

H 1 + t - C.Ht

A Ä

OH

O

C»H8-

2 Benzaidehyd

Benzoin

Diese Acyloin- oder Benzoinkondensation tritt bei fehlendem a-Wasserstoff, oder bei geeigneter Desaktivierung, auch in der aliphatischen Reihe ein; sie ist prinzipiell immer möglich, nur verläuft als Konkurrenzreaktion die Aldoladdition schneller. Die Acyloinkondensation des Formaldehyds, dem ja auch das a-Wasserstoffatom fehlt, liefert QlykolaMehyd. Im Glykolaldehyd ist durch die Hydroxygruppe die Reaktivität der a-Wasserstoffatome so stark herabgesetzt, daß auch hier die Acyloinkondensation zum Zuge kommt. o o O O OH 0 + h - C OH OH OH 0 OH OH O + H - C II II H—C + H—C H—C—C H—i i i — C usw.

i

H

Formaldehyd

i i

Glycolaldehyd

i i i

Glycerlnaldehyd

i i iA Tetrose

Unter der Einwirkung von Calciumhydroxyd kondensiert Formaldehyd zu einem recht komplexen Gemisch von Polyhydroxycarbonylverbindungen, aus dem die racemische Glucose isoliert werden konnte.

104

Aromatische Verbindungen

2. Chinone Die Phenole sind als tertiäre Hydroxyverbindungen einer Oxydation an der Hydroxygruppe nicht zugänglich. Durch die Hydroxygruppe wird der aromatische Kern gegenüber Oxydations- und Reduktionsmitteln aktiviert. Die Hydrierung des Phenols zum Cycbhexanol gelingt leichter als die Hydrierung des Benzols zum Cyclohexan. Die Einwirkung von Oxydationsmitteln auf Phenol verläuft unübersichtlich, es werden die o- und p-Wasserstoffatome angegriffen, wodurch es zur oxydativen Verknüpfung mehrerer Moleküle kommt. Übersichtlicher ist die Oxydation des o- und p-Dihydroxybenzols, des Brenzkatechins und des Hydrochinons. Nach der oxydativen Entfernung der beiden Hydroxyl-Wasserstoffatome kommt es durch Umgruppierung der yr-Elektronen zur Ausbildung des chinoiden Bindungssystems. OH 1 A,

0 *

toi

OH Hydiochlaon

O II /\

u

O p-Chlnon

OH

I

tr O

OH

Brenzkatechln

IQ] "W

o

o-Chinon

Das chinoide System besitzt zwar nicht die Stabilität des aromatischen, ist aber besonders gegen Oxydationsmittel recht stabil. Die unsubstituierten Benzochinone sind gelb. Durch Reduktion gehen die Chinone wieder in die Dihydroxyaromaten über, hierbei wird die Zwischenstufe der Ohinhydrone durchlaufen. Dieses sind Molekülverbindungen1) aus 1 Molekül Chinon und 1 Molekül Hydrochinon. Sie sind intensiv farbige, meist schwer lösliche Verbindungen und besitzen ein konstantes Redoxpotential. Beim m-Dihydroxybenzol, dem Resorcin, tritt keine analoge Oxydation ein, weil eine m-chinoide Struktur nicht möglich ist. 3. Ammoverbindungen Die Aminogruppe am aromatischen Kern ist durch die Wechselwirkung mit dessen yr-Elektronensystem in ihrer Basizität herabgesetzt, aber durchaus noch zur Salzbildung befähigt. Die Reaktionen der aromatischen Amine entsprechen weitgehend denen der aliphatischen. Ein wesentlicher Unterschied besteht nur im Verhalten primärer Amine gegenüber salpetriger Säure (S. 65). Hier ist das Zwischenprodukt, das Diazohydroxyd, relativ stabil. Es hat amphoteren Charakter und bildet sowohl mit Säuren als auch mit Alkalien Salze, die Diazoniumsalze und die Diazotate. Die Stabilität des Diazohydroxyds ist begrenzt, schon bei etwa 10—15° C tritt, analog den aliphatischen Verbindungen, der Zerfall in Stickstoff und Phenol ein ') Molekülverbindungen bestehen aus zwei (oder mehreren) Molekülen, die durch starke zwischenmolekulare Kräfte (elektrostatische Anziehung, Wechselwirkung der Elektronensysteme, Wasserstoffbrücken), jedoch nicht durch homöopolare Bindungen aneinander geknüpft sind.

Aminoverbindungen

N=N—OH |

nh 2

A

1

-

ii i u

U

Diazohydroxyd

Amin (Anilin)

HCl/

/

105

/

C1Q + H20

/

Diazoniumsalz

\

NaOH\

N=N—Ol k

0 Na® + HjO

Diazotat

(S. 101). Bei der Zersetzung der Diazoniumsalze in wäßriger Lösung entsteht ebenfalls Phenol. Eine kontrollierte Zersetzung der trockenen Salze ist nicht durchführbar, sie verläuft explosionsartig. Durch Komplexbildung, besonders mit Kupfer-I-Salzen, läßt sich die Hydrolyse weitgehend verhindern, unter dieser Bedingung tritt beim Zerfall das Anion an den Kern.

r V x/

N

-

N

[Cu®]

L

+ n2

Diese als SANDMEYERscÄe Reaktion bekannte Umsetzung liefert durch Variation der Anionen des Komplexes die verschiedenartigsten Kernsubstitvtionsprodukte. Bedeutungsvoll ist weiterhin die Knpplungsreaktion der Diazoniumverbindungen mit Phenolen und aromatischen Aminen, die zu Derivaten des Azobenzols führt. N=NI + N=NI +

^—OH

/ •

N=N—/

—OH + H® NB2 + H®

Das Azobenzol ist rot, die NN-Doppelbindung ist, besonders in Konjugation mit 2 Benzolkernen, ein starker Chromophor. Durch die Kupplungsreaktion entstehen substituierte Azobenzole, die vermöge ihrer Hydroxy- bzw. Aminogruppe eine Affinität zu funktionellen Gruppen von Textilfasern aufweisen. Sie haften dadurch an den Fasern, färben diese an und sind somit echte Farbstoffe, sogenannte Azofarbstoffe. Die Farbe dieser Verbindungen hängt, außer von dem Chromophor, von den weiteren Substituenten der aromatischen Kerne ab, denn erst durch das Zusammenspiel aller miteinander gekoppelten yr-Elektronen wird die Anregbarkeit des Systems bestimmt. Die Substituenten, die die Verwandtschaft zur Faser vermitteln, beeinflussen deshalb auch den Farbton und die Farbtiefe der Farbstoffe, sie werden Auxochrome genannt. Zwei Beispiele von technisch wichtigen Azofarbstoffen sind

Aromatische Verbindungen

106 / N — — N = N — ^

^—SO,Na

02N-^

—N=N—^

—OH COOH

Alizartngelb B

Methylorange

Der einfachste Weg zur Darstellung primärer aromatischer Amine ist die Reduktion der Nitroverbindungen (S. 68). Im sauren Milieu verläuft die Reduktion über die Zwischenstufen Nitrosobenzol und Phenylhydroxylamin zum Aminobenzol, NH,

V

Nitrobenzol

Nitrosobenzol

Phenylhydroxylamin

dem Anilin. Im basischen Bereich kondensieren Nitrosobenzol und Phenylhydroxylamin zum Azoxybenzol. (Dieses ist wieder ein Beispiel einer Addition einer NH-Bindung an die NO-Doppelbindung [S. 65]). Das Azoxybenzol wird über das Azobenzol und Hydrazobenzol ebenfalls zum Anilin reduziert. H

O

=0 + HO—N—/\ Phenylhydroxylamin

Azoxybenzol

f V - N H , Anilin

4. Friedel-Craftssche Reaktion Auf S. 45 wurde gesagt, daß Alkylhalogenide mit Aluminiumchlorid Komplexe bilden, das gleiche gilt für Acylhalogeni.de. Diese Komplexe reagieren mit aromatischen Kohlenwasserstoffen unter Chlorwasserstoffaustritt und Bildung von Alkylbenzolen bzw. Alkylphenylketonen. O

5. Mehrkernige Verbindungen Sind am Aufbau eines Moleküls mehrere Benzolkerne beteiligt, so gibt es verschiedene Strukturmöglichkeiten: 1. Die Kerne können direkt miteinander verknüpft sein, man kommt so zum Biphenyl, Terphenyl usw.

Mehrkernige Verbindungen

107

Kette 2. Die Verknüpfung kann über eine mehr oder weniger lange aliphatische hergestellt werden. Als Beispiele aus dieser Gruppe seien genannt das Di- und Triphenylmethan.

V

Diphenylmethan

Triphenylmethan

Das Triphenylmethan ist die Muttersubstanz der wichtigen Triphenylmethanfarbstoffe, die sich eigentlich nicht von dem Kohlenwasserstoff, sondern von der Hydroxyverbindung, dem Triphenylcarbinol, ableiten. OH

V Triphenylcarbinol

Phenolphthalein

Als Beispiel für diese Farbstoffklasse sei das Phenolphthalein genannt, dessen Alkalisalze blutrot sind und das in der Acidimetrie als Indikator gebraucht wird. Das Phenolphthalein ist durch Verschmelzen von 2 Mol Phenol mit 1 Mol Phthalsäureanhydrid leicht zugänglich. 3. Zwei oder mehr Benzolkerne können je zwei C-Atome gemeinsam haben, es ist dies die Gruppe der kondensierten Aromaten. Von 3 Bingen an kann die Verknüpfung linear oder angolar sein, Vertreter dieser Gruppen sind:

V V Naphthalin

N/S/'

Anthracen (linear)

Fhenanthren (angnlar)

Das chemische Verhalten aller dieser Verbindungen gleicht in großen Zügen dem des Benzols. Von den kondensierten Aromaten leiten sich wichtige natürliche und synthetische Farbstoffe ab, z. B. die Antrachinon- und die Indanthrenfarbstoffe. Als Beispiel hierfür sei das Alizarin, der Farbstoff der Krappwurzel, das Dihydroxyanthrachinon genannt. o OH -OH

Alizarin

Aromatische Verbindungen

108

Wie in der aliphatischen Reihe können auch bei den Aromaten verschiedene funktionelle Gruppen im gleichen Molekül vorhanden sein. Auch Seitenketten verschiedener Länge, gradkettig und verzweigt, können die verschiedenartigsten funktionellen Gruppen tragen. Man kommt so zu einer sehr großen Zahl von Abkömmlingen des Benzols und seiner Homologen. Einige praktisch wichtige Verbindungen seien herausgegriffen. nh

COOH

^

/COOH

f Y COOH

^

O

2

I r«

H

V

NH,

p-Kresol Terephthalsäure Phthalsäure Allsgangsprodukte für technische Synthesen

OH

h V

NH-

Salicylsäure p-Phenylendiamin Metol 1 I photogr. Entwickler

NH—CHS C Hg—C H — C H 3

'

oc

COOH 0—CO—CHj

NH—CO—CH3 p-Amlnobenzoesäure ^ (PAB)

p-Aminosalicylsäure (PAS)

Sullanllamld

Phenacetln

Pervltln

Acetylsalicylsäure (Aspirin)

Pharmazeutika

o II g /

o OH Cumarin

OCH.

Vanillin Riechstoffe

0> Cü-Bromstyxol

Trlnltrotoluol (TNT) I Sprengstoff 1

CCL

Di- [p-ch!orphenyl]-trichlorätlian DDT Schädlingsbekämpfungsmittel

Pentachlorphenol

Hexachlorophen Desinfektionsmittel

N—H

S>

Saccharin - Süßstoff

1

Heterocyclische Verbindungen

109

K. Heterocyclische Verbindungen Ringförmige Verbindungen, bei denen alle Ringglieder Kohlenstoffatome sind, werden, unabhängig von der Ringgröße und von der Anwesenheit von Doppelbindungen, unter dem Begriff isocyclische Verbindungen zusammengefaßt. Sind andere Atome als Kohlenstoff am Aufbau des Ringes beteiligt, so nennt man diese Klasse, wieder unabhängig von der Ringgröße, von der Zahl der Doppelbindungen, von der Anzahl und Axt der Nichtkohlenstoffatome, heterocyclische Verbindungen. Die wichtigsten Heteroatome für solche Ringsysteme sind Sauerstoff, Stickstoff und Schwefel. Die am häufigsten vorkommenden Heterocyclen sind, wie bei den isocyclischen Verbindungen, 5- und 6-gliedrige Ringe. Auf Seite 19 wurde gesagt, daß die Stabilität und damit die besondere Reaktivität des Benzols durch das n-Elektronensextett bedingt ist. Die Bildung eines solchen Sextetts ist nicht nur durch die cyclische Konjugation dreier Doppelbindungen zu erreichen, sondern auch mit Hilfe der 7t-Charakter aufweisenden einsamen Elektronenpaare von Heteroatomen. So wird es verständlich, daß die heterocyclischen Fünfringe mit zwei Doppelbindungen Furan, Thiophen und Pyrrol aromatischen Charakter besitzen und deshalb in ihrem chemischen Verhalten von dem strukturell ähnlichen Cyclopentadien, das das typische Verhalten eines Diens zeigt, erheblich abweichen. H—C II H—C

G—H II O—H

H—C II H—C

v

C—H II C—H

H—C II H—C

C—H II C-H I H

Furan

Thiophen

|H—C II H—C j /

Pyrrol

\

C—H II C—H

< N

H

Cyclopentadien

Daß tatsächlich das jr-Elektronensextett für den aromatischen Charakter verantwortlich ist, zeigen besonders eindrucksvoll einige Reaktionen des Pyrrols und Cyclopentadiens. Im Pyrrol ist das einsame Elektronenpaar des Stickstoffs ein Teil des Aromaten-Sextetts, es steht daher nicht für die Salzbildung zurVerfügung, der basische Charakter des Ammoniaks ist im Pyrrol maskiert. Die Acidität der NH-Bindung wird hiervon nicht berührt, das Pyrrol bildet mit Alkalimetall unter Wasserstoffentwicklung ein stabiles Salz. CH II CH

CH II CH

bzw.

i K

CH II CH

CH II CH

©

NK

Pyrrol-Kallum

Zwischen Stickstoff und Metall besteht keine homöopolare Bindung. Der Zusammenhalt erfolgt über eine Ionenbeziehung zwischen dem Kalium-Ion und dem durch Ablösung des Protons entstehenden Pyrrol-Anion. Unter der Einwirkung starker Säuren kann man bei Pyrrol eine Salzbildung erzwingen. Damit wird aber

110

Heterocyclische Verbindungen

das Elektronensextett aufgehoben und das Pyrrol-Kation hat die Struktur des Cychpentadiens. Wie dieses wird es unter dem Einfluß der Säure zu dunkel gefärbten Harzen polymerisiert. CH

CH

CH

II

II

CH

CH

CH

II

+ HCl

II

CH

N K H

A

CH

/

\

Cl®

H

Instabiles Dien, praktisch momentane Verharzung

Die Ablösung eines Protons aus dem Cyclopentadien ergibt ein Cyclopentadienylanion mit der Elektronenstruktur des Pyrrols, hier steht wieder ein einsames Elektronenpaar zur Ausbildung eines Sextetts zur Verfügung. Tatsächlich reagiert Cyclopentadien mit metallischem Natrium unter Bildung vonCyclopentadienyl-Natrium, CH

II

CH

/

CH

II

CH

CH II CH

+ Na

CH 11 CH

NK'

\

Na® + 1/2 H a

Cyclopentadlenjrl-Natrium

Diese Verbindung ist im Gegensatz zu dem Kohlenwasserstoff stabil, sie besitzt aromatischen Charakter. Analog verhalten sich andere Metallverbindungen des Cyclopentadiens, z. B. das Dicyclopentadienyl-Eisen, das Ferrocen. Diese Verbindung besitzt sandwich-Struktur. Man kann sie weder durch eine Formel mit homöopolaren Bindungen zwischen Kohlenstoff und Eisen charakterisieren noch besitzt sie die Eigenschaften eines Salzes. H

\ _ / C

H '

Sandwich-Struktur

H.

H

H

H—^ _ > - H

I

H

nicht zutreffende Formeln Ferrocen

Das Fe-(II)-Ion wird von den n-Elektronen der beiden Cyclopentadienyl-Ionen umhüllt, die in unbesetzte d-Bahnen des Eisens eingreifen. Durch die Komplexbildung wird das 7r-System des Cyclopentadienyls stabilisiert, die Verbindung läßt sioh wie Benzol nitrieren.

Heterocyclische Verbindungen

111

Der Ersatz einer oder auch mehrerer OH-Gruppen im Benzol, oder in Benzol ähnlichen heterocyclischen Fiinfringen, durch ein N-Atom verändert den aromatischen Charakter nicht. Vom Benzol kann man so das Pyridin ableiten, das einsame Elektronenpaar des Stickstoffs gehört nicht zum Aromatensextett, steht deshalb zur Salzbildung zur Verfügung, das Pyridin ist eine Base. Pyridin ist im Steinkohlenteer enthalten, es dient bei organischen Reaktionen häufig als säurebindendes Mittel. Ersetzt man im Benzol zwei CH-Gruppen durch je ein N-Atom, so kommt man zu den drei stellungsisomeren Diazinen. Von den Triazinen sei nur das symmetrische Triazin erwähnt.

c Benzol

>

V

N m-Diazin Pyrimldln

o-Dlazln Pyrldazln

Pyridin

lif^l

Kl

Ii

Nl

p-Dlaztn Pyrazln

eymm. Triazin

Die analogen Abkömmlinge beim Pyrrol sind das Pyrazol und das Imidazol. CH

II

CH

CH

CH

Nl

CH

H

II

N

IN-

-CH

IN-

-CH

CH

IN

Nl

CH

CH

II

N . / Á Imidazol

Á Pyrazol

¿

Tetrazol

INCH

-CH CH

V

V

Tblazol

Ozazol

Im Pyrrol lassen sich sogar 3 CH-Gruppen durch je ein Stickstoffatom ersetzen, es resultiert eine Verbindung der Summenformel CH,N 4 , das Tetrazol, mit 80% Stickstoff, die noch durchaus aromatischen Charakter aufweist. Von den Thiophen- und Furan-analogen Verbindungen seien genannt das Thiazol und Oxazol. Abkömmlinge dieser Stammkörper sind in der Natur weit verbreitet, wo sie, oft nur in kleinen Mengen, wichtige biochemische Funktionen übernehmen. Andere werden in großen Mengen, zur Verwendung als Arzneimittel, für die Herstellung von Kunststoffen usw., technisch dargestellt. Vom Pyrimidin leiten sich die Basen Thymin, Cytosin und Uracil ab, die zu den Informationsträgern der Erbsubstanzen gehören (S. 178). Das Pyrimidin ist Grundgerüst der Barbitursäure, die leicht durch Kondensation von Harnstoff mit Malonester zu erhalten ist. O

OH

H a CÍ / C SíH O

¿ Lo V

A

HC

N

11

1 OH C—I

HOI—C

'N Die tautomeren Formen der Barbitursäure

112

Heterocyclische Verbindungen

Substituierte Barbitursäuren sind wichtige Schlafmittel, wie Luminal, Veronal usw. Die Melaminharze (S. 141) sind Derivate des symm. Triazins. Das Porphin-Gerüst ist aus vier Pyrrolkernen aufgebaut, die durch je eine MethinGruppe (—CH=) verknüpft sind. Substituierte Porphine heißen Porphyrine. Die Komplexe dieser Substanzen (sogenannte Chelate)1) mit Eisen und Magnesium spielen als Blut- und Blattfarbstoffe im biologischen Geschehen eine große Rolle (S. 189). Ein dem Porphin ähnliches System erhält man technisch aus Phthalsäuredinitril, das Phthalocyanin, dessen Metallkomplexe wichtige Farbstoffe sind.

Als Derivat des Furans sei der Furan-2-aldehyd, das Furfurol (S. 140), genannt. Thiophenverbindungen enthält das Ichthyolöl, ein Destillat aus Seefelder Schiefer, das als Antisepticum Verwendung findet. Vom Pyrazol leitet sich das Pyramidon ab. Ein Tetrazolderivat ist das Cardiazol = Pentamethylentetrazol, ein Anregungsmittel für Atmung und Kreislauf.

PH3

) o=s=o NH

H3C-N"

XX

H,C

N

0(/

CH-

Arlatamld

3

\

Yt^S O

(Pyrimidin)

N H

0

Luminal

CH3

ö

0^N'N^CH3 ^

00

Pyramidon (Pyrazol)

Cardiazol (Tetrazol)

Pharmazeutika mit heterocyclischen Ringen

Ein Thiazolring findet sich neben einem Pyrimidinring im Vitamin B j (S. 186). Einen hydrierten Thiazolring enthalten die Penicilline (S. 192). Alle diese Ringsysteme können mit Benzolringen und auch untereinander kondensiert sein. Die große Mannigfaltigkeit der möglichen Kombinationen soll hier nur *) Chelate (Scherenverbindungen) liegen dann vor, wenn ein Metallatom (oder auch Wasserstoffatom = Wasserstoffbrückenbindung) an zwei Sauerstoff- oder Stickstoffatome gebunden ist, aber nur eine homöopolare Bindung formuliert werden kann.

113

H e t e r o c y c l i s c h e Verbindungen

an einigen wichtigen Beispielen demonstriert werden. Die Kombination von Benzol und Pyridin liefert das Chinolin und das Isochinolin. Das kondensierte System aus Benzol und Pyrrol ist das Indol.

Ñ Chinolin

/

Isochinolin

Indol

Besonders wichtig sind die kondensierten Ringsysteme aus Pyrimidin und Imidazol sowie aus Pyrimidin und Pyrazin, das Purin und das Pteridin (Formeln S. 167). Vom Chinolin leiten sich unter anderem die Chinaalkaloide (S. 193) und vom Isochinolin die Morphinalkaloide ab. Das Indol ist der Baustein des Indigos, ein bereits im Altertum bekannter blauer Naturfarbstoff, der heute ausschließlich synthetisch gewonnen wird. Die Purinbasen Adenin und Guanin (Formeln S. 179) sind wieder Informationsträger der Erbsubstanzen. Eine größere Anzahl wichtiger Alkaloide z. B. Coffein (S. 193), aber auch die Harnsäure, leiten sich vom Purin ab. Pteridinderivate sind die Folinsäure (S. 184) und das Vitamin B 6 (S. 186), bei diesem ist allerdings das Pteridin noch mit einem Benzolring kondensiert. Als Beispiele für kondensierte Ringsysteme aus Heterocyclen und zwei Benzolkernen seien Carbazol und Acridin genannt, die beide im Steinkohlenteer vorkommen und Stammkörper wichtiger Farbstoffklassen sind.

H Carbazol

Acridin

Aus den angeführten Beispielen, die nur ein kleiner Ausschnitt der tatsächlich möglichen sind, sieht man, daß sich von den heterocyclischen Stammkörpern, wie beim Benzol, die verschiedenartigsten Substitutionsprodukte ableiten. Das chemische Verhalten dieser Verbindungen entspricht in großen Zügen dem der analogen Benzolderivate. Die Hydrierung der aromatisch-heterocyclischen Grundkörper liefert hydrierte oder auch partiell hydrierte Verbindungen. Bei diesen ist wie beim Übergang Benzol —•Cyclohexan der aromatische Charakter aufgehoben, es sind cyclische Amine, Äther, Thioäther usw., die in ihrem chemischen Verhalten den offenkettigen FerCH—CH

ii

CH

v

C H = C H

ii

CH

¿

, tt

^

Pyrrol 8

Nerdel, Organische Chemie

T

i

OH«

CH®

¿

" V

Pyrrolln Dihydropyrrol

CH„—CH, , TT

I

CH«

¿

i

CQ«

V

Pyrrolidin Tetrahydropyrrol

Heterocyolische Verbindungen

114

bindungen entsprechen. Als Beispiel für diese Verbindungsklasse seien das Dihydround Tetrahydropyrrol herausgegriffen, die die typischen Eigenschaften sekundärer Amine haben. Das Tetrahydrofuran, mit den Eigenschaften eines Äthers, entsteht leicht durch Wasserabspaltung aus Butandiol-1.4, es ist ein wichtiges Lösungsmittel (S. 148). — H,0 OH

CH 2

Ah»

CH—CH II II CHa CHo

-ch, —H,0

A:H,

OH Ai

Butandiol-1.4

Tetrahydrofuran

Butadien

Bei weiterem Wasserentzug geht es in Butadien über, es ist ein Zwischenprodukt bei dessen Synthese aus Butandiol-1,4 (S. 58). Der dem Tetrahydrofuran entsprechende 6-Ringäther ist das Tetrahydropyran. Von ihm leitet sich der Name Pyranosen (S. 79) für die 6-Ringhalbacetale der Zucker ab. CH,

CH

CHa

IHj CH 11 J, CH„ CH S /

ÖH ^ C H II I CH CH,

ch\ih II II CH CH

CHY ¿H,

CI

Tetrahydropyran

V

V

Ä-Pyran

Dlhydropyran

7

y-Pyran

Das y-Pyran ist erst vor kurzer Zeit dargestellt worden, wie das a-Pyran besitzt es keinen aromatischen Charakter, die Ausbildung eines cyclischen 6 ji-Systems wird durch eine CH2-Gruppe verhindert. Spaltet man aus dem Pyran ein Hydrid-Ion (Wasserstoffatom mit bindendem Elektronenpaar) ab, dann entsteht ein Kation mit einem Elektronensextett am Kohlenstoff, zu dessen Auffüllung ein einsames Elektronenpaar des Sauerstoffs zum jr-Elektronenpaar zwischen Sauerstoff und Kohlenstoff wird. In Analogie zu dem Hydroxonium - Ion [ h — o — H ] nennt man solche Kationen mit dreibindigem Sauerstoff Oxonium-Ionen. CH

CH ÖH " CH

l

CH,

-



" CH

1 CH

N / ¡»-Pyran

Pyryllum-Katlon1)

Dieses Kation muß aromatischen Charakter besitzen. Beim Pyran selbst ist diese Reaktionsfolge noch nicht verwirklicht worden. Der Name Pyrylium-ion ist historisch bedingt, im Sinne der systematischen Nomenklatur müßte es Pyroxonium-icm, heißen. Dieser Name hat sich aber nicht eingebürgert.

Heterocyclisohe Verbindungen

115

Vom Pyran und vom Benzopyran1) sind Ketoderivate bekannt, die Pyrone bzw. Benztypyrone. 0 II CH CH / c \ / V A / V CH CH CH CH CH H II 1 » / Zersetzung

glasartig-spröder Zustand

Einfrierbereich

1 1 £ o S P. •S 1

-2

Gebrauchsbereich

Einfrierbereich

»©

stark vernetzte Makromoleküle

i 3 ^ ?3 0Q

/

> Zersetzung

Schmelze \ > Zersetzung zähflüssig /

Dampf

1

100 Temperatur

1

200 C)

Abb. 16. Temperaturabhängigkeit der Eigenschaften nieder- und makromolekularer Stoffe

Polymerisationsprodukte

123

Ein Stoff aus vernetzten Makromolekülen ist nicht bleibend verformbar. Die Formgebung muß also vor der Vernetzung erfolgen, das erfordert ein 2-Stufen-Verfahren. Zunächst werden Fadenmoleküle aufgebaut, der thermoplastische Stoff wird durch Spritzen, Gießen oder Pressen geformt, dabei oder danach wird die Vernetzungsreaktion durchgeführt.Im AbschnittD2 werden einige solcher Reaktionen beschrieben. Bei dem Angriff von Lösungsmitteln auf makromolekulare Stoffe werden, wenn überhaupt eine Verträglichkeit der Substanz mit dem Lösungsmittel gegeben ist (vgl. dazu S. 147), die Ketten der thermoplastischen Stoffe voneinander getrennt, der Stoff wird also aufgelöst, es entsteht eine viskose, fadenziehende Lösung. Stoffe mit vernetzten Makromolekülen können dagegen nur aufquellen, sie behalten dabei ihre, wenn auch vergrößerte, Form. Thermoplaste können also in Lösungsmitteln aufgelöst werden, Thermoelaste und Duroplaste nicht.

D. Darstellung, Eigenschaften und Anwendung einzelner makromolekularer organischer Stoffe 1. Polymerisationsprodukte a) K o h l e n w a s s e r s t o f f e a) Polyäthylen Äthylen, der einfachste ungesättigte Kohlenwasserstoff, wird großtechnisch durch Crackung von Erdöl hergestellt, die Polymerisation wird nach 2 Verfahren durchgeführt. Bei der Niederdruckpolymerisation nach Zibgleb entstehen bei Raumtemperatur unter der Wirkung von titanhaltigen Aluminium-Alkyl-Katalysatoren unverzweigte Produkte. • • • —CHj—CH2—CHj—CSg—CHj— • • • Beim Hochdruckverfahren bilden sich bei 2000 atm. und 200°C in einer RadikalKettenreaktion (vgl. S. 38) mit wenig Sauerstoff als Katalysator Ketten mit Verzweigungen. »• • —CTTg—CH—CHj—CH2—CH—CHj— • • • OHj

(^Hg

d/Hg

d/Hg

Niederdruckpolyäthylen, zum Beispiel Hostalen, ist stärker kristallin und daher härter als Hochdruckpolyäthylen, zum Beispiel Lupolen, es zeigt eine höhere Dichte (0,95 bzw. 0,92 g/cm3) und einen höheren Schmelzpunkt (130 bzw. 110°C). Beide Typen sind äußerst wichtige Rohstoffe für schlagfeste harte bis lederartige Spritzguß- oder Strangpreßerzeugnisse mit hervorragenden Eigenschaften. Polyäthylen ist chemisch beständig gegen Flußsäure, Alkalien und viele andere anorganische und organische Substanzen. Bei erhöhter Temperatur lösen sich die Polyäthylene in Kohlenwasserstoffen und Halogenverbindungen. Polyäthylen ist physio-

124

Darstellung, Eigenschaften u. Anwendung einzelner makromolekularer organischer Stoffe

logisch unschädlich, daher werden Folien und Spritzgußartikel in großem Umfang zur Lebens- und Arzneimittelverpackung benutzt. Der niedrige dielektrische Verlustfaktor (tg 6 = 2*10 -4 bei 1 MHz) sichert dem Stoff eine breite Anwendung in der Hochfrequenztechnik, bewirkt aber, daß eine Hochfrequenzschweißung nicht möglich ist (vgl. S. 207). Durch Strangpressen werden Rohrleitungen für Trinkwasser, Chemikalien und Druckluft hergestellt. Die Oberflächenbelegung mit Polyäthylen erfolgt nach dem Wirbelsinter- (vgl. S. 144) und Flammspritzverfahren. Fertigteile aus Polyäthylen können durch Bestrahlung mit hochbeschleunigten Elektronen oder UV-Licht vernetzt werden. Die Teile werden auf diese Weise unlöslich und unschmelzbar. Polyäthylenteile zeigen einen wachsartigen Glanz, sie sind auch in dünner Schicht leicht getrübt. Polyäthylen brennt mit schwach leuchtender Flamme, das Material tropft dabei ab, aus der Schmelze lassen sich Fäden ziehen. Bläst man die Flamme aus, so tritt ein Geruch wie bei ausgeblasenen Kerzen auf. ß) Polypropylen Propen oder Propylen, ein ungesättigter Kohlenwasserstoff mit 3 C-Atomen CH,—CH -- GHg findet sich in den Crack-Gasen. Die Polymerisation erfolgt entweder ungerichtet, wobei Kopf-Schwanz- und Kopf-Kopf-Reaktionen (vgl. S. 94) zufällig erfolgen, zu sogenanntem ataktischen Polypropylen, CH, • • • CH2—CH—CH—CH2—CH—CHg—CH2—CH— • • •

ci

AH,

CH.

oder gerichtet durch Anwendung von ZIEGLEB-Katalysatoren. Hierbei t r i t t ausschließlich die Kopf-Schwanz-Reaktion der Propylen-Moleküle ein, die Reaktion ist stereospezifisch, d. h., jede Teilreaktion f ü h r t zu exakt übereinstimmenden Atomanordnungen. Das Produkt heißt isotaktisches Polypropylen (NATTA). CH—CHa—CH—CHj—CH—CH2 AHs

¿H,

CH,

Das ataktische Produkt ist ölig und klebrig, während das isotaktische h a r t und stark kristallin ist. Letzteres besitzt eine niedrige Dichte (0,9) und einen hohen Schmelzpunkt (165°C). Neben ähnlichen Verwendungsmöglichkeiten wie Polyäthylen findet isotaktisches Polypropylen (zum Beispiel Hostalen PP) wegen seiner größeren Härte und Temperaturbeständigkeit andere Anwendungsgebiete, zum Beispiel: sterilisierbare Laborgeräte, standfeste Teile für die Elektrotechnik. Teile aus Polypropylen zeigen eine glänzendere Oberfläche als solche aus Polyäthylen. y ) Polystyrol Styrol (Vinylbenzol) entsteht durch Wasserstoff-Abspaltung aus Äthylbenzol, das seinerseits aus Benzol und Äthylen nach F B I E D E L - C B A F T S dargestellt wird.

125

Polymerisationsprodukte

CHJ=CH 2

+

U

CH,—CH3

A1C1,

ö

"—CH—OH,—"

CH=CHj

Polymerisatton

n

Die Polymerisation wird mit Hilfe von Peroxyd-Katalysatoren durchgeführt. Polystyrol ist ein harter, glasklarer Stoff, der sich gut einfärben läßt. Spritzgußartikel aus Polystyrol haben weiteste Verbreitung gefunden für Verpackungen, Spielzeug und Haushaltsartikel. Wegen des niedrigen dielektrischen Verlusts und der guten Isolationswerte werden Polystyrolfolien (Styroflex) und -spritzgußartikel (Trolitul) in der Hochfrequenz- und Elektrotechnik vielfach angewandt. Reines Polystyrol neigt zur Rißbildung, daher wurden schlagfeste Mischpolymerisate (mit Butadien und Acrylnitril) entwickelt. Polystyrol löst sich gut in aromatischen Kohlenwasserstoffen, Estern, Halogenverbindungen usw. Mit Hilfe dieser Stoffe werden auch Teile aus Polystyrol geklebt. Polystyrol-Schaumstoff findet als harter Isolierstoff zur Wärme- und Schallisolation Verwendung, aber auch für standfeste Teile wie Verpackungen, Dekorationsartikel, schwimmende Markierungen und Blumenkästen (Styropor). Schaumstoffe werden nach 3 Verfahren hergestellt: durch Einrühren von Luft oder Gasen in den flüssigen Kunststoff, durch Verdampfen von im Kunststoff gelösten flüchtigen Substanzen (z. B. Pentan) bzw. von unter Druck gelösten Gasen (C02, N2) und durch gasbildende chemische Reaktionen von im Kunststoff gelösten Stoffen (Hydride, Wasserstoffperoxyd, Diazoverbindungen, Ammoniumbicarbonat, Ammoniumnitrit) oder den Kunststoffkomponenten selbst (Moltopren, S. 137). Je nach dem Herstellungsverfahren lassen sich schwammartig offenporige sowie geschlossenporige Schaumstoffe herstellen, die, abhängig von der Art des verwendeten Kunststoffs, hart bis hochelastisch (Schaumgummi) sein können.

Teile aus Polystyrol zeigen einen blechernen Klang (Unterscheidung vom dumpf klingenden Polymethacrylat), Polystyrol brennt mit heller, rußender Flamme, dabei tritt ein süßlicher Geruch nach Leuchtgas (monomeres Styrol) auf. 6) Natur- und Synthesekautschuk Naturkautschuk ist cia-Polyisopren: CHj ^>C=CH ••CH2X s'CHg—CH2 ua* ^C=CH

CH»

^)C=CH ,CH2—CHa ^^CHg— •

CH,

Er wird aus der Milch des Kautschukbaumes, einer kolloidalen Dispersion (S. 130) von Kautschukteilchen in wäßrigem Medium, gewonnen. Der daraus ausgefällte Cripe-Kautschuk ist ein Thermoplast, der bei Normaltemperatur elastisch ist, aber nicht vollständig zurückfedert. Er ist klebrig und löslich (Gummilösung). Vor mehr als 100 Jahren erkannte GOODYEAR, daß man Kautschuk durch Erhitzen mit Schwefel vulkanisieren kann. Hierdurch wird der Stoff unlöslich und unschmelzbar, er federt ohne bleibende Verformung zurück und ist nicht klebrig. Die Vulkanisation ist eine Vernetzungsreaktion: Verschiedene Molekülketten werden durch Schwefelbrücken miteinander verknüpft. Die günstigen technologischen Eigenschaften von Kau-

126

Darstellung, Eigenschaften u. Anwendung einzelner makromolekularer organischer Stoffe

tschukartikeln entstehen durch Einarbeiten von Füllmitteln (Ruß,Zinkoxyd) in die Masse. Dabei werden gleichzeitig die für die Vulkanisationsreaktion notwendigen Verbindungen und Antioxydantien eingearbeitet. Nach der thermoplastischen Formung der Fertigprodukte wird die Vulkanisation durch längeres Erhitzen durchgeführt. Die synthetische Darstellung eines dem Naturkautschuk analogen Produktes durch Polymerisation von Isopren CH, CH2=A—CH=CH2

•CH2=C CH2=C CH2=C CH=CH2 ¿H=CH2 ¿H=CHJ

CH3

CH8

CH3

• • • CH A —A—CH A —C—CH 2 —DI • • • ¿H=CH2 ¿H=CHA ¿H=CH,

Daneben können isomere Molekülketten entstehen, in denen die Moleküle nicht immer gleichartig in Kopf-Schwanz- Verknüpfung, sondern wechselnd angeordnet sind. Es ist nicht verwunderlich, daß Polymerisationsversuche lange Zeit nur Gemische von 1,4-, 1,2- und 3,4-Polymeren ergaben, jedoch nicht das Naturprodukt. Durch Polymerisation von .Bwtadien (S. 57, 58) CH2=CH—CH=CH2

Polymerisationsprodukte

127

mit Natrium als Katalysator erhielt man vulkanisierbare Kunstkautschuke (Buna), die jedoch nur ein minderwertiger Ersatz des Naturkautschuks waren. Wesentlich günstigere Eigenschaften weist das Mischpolymerisat von Butadien mit Styrol (mit 30% Styrol), Bnna S, auf. Dieses Produkt ist der derzeit wichtigste synthetische Kautschuk. Erzeugnisse aus Buna S sind solchen aus Naturkautschuk ähnlich, in mancher Beziehung (Hitzebeständigkeit) besser als diese. Mit ZIEGLER -Katalysatoren (S. 123) erhält man aus Butadien cis-Polybutadien (Stereokautschuk, Buna CB) einen Kautschuk mit hoher Abriebfestigkeit. Nitrilkautschuk ist ein Mischpolymerisat aus Butadien mit Acrylnitril, CH,=CH—CN er ist sehr beständig gegen Hitze und Lösungsmittel. Man verarbeitet ihn daher zu Schläuchen für Treibstoffe, Heißwasser und zu Luftschläuchen für Autoreifen. Butylkautschuk ist ein Mischpolymerisat aus Isopren und Isobuten. yCH3

CH,=C Das Mischungsverhältnis beider Komponenten wird so eingestellt, daß nach der Vulkanisation keine Doppelbindungen mehr vorhanden sind, hierdurch erhöht sich die Beständigkeit gegen Chemikalien und Sauerstoff. Reines Polyisobuten (Oppanol B) enthält keine Doppelbindungen, es ist ein nicht vulkanisierbarer Thermoplast. Wegen der guten Beständigkeit gegen anorganische Chemikalien wird Oppanol B für Behälterauskleidungen benutzt. Wichtig ist die Verwendung für Baudichtungsbahnen im Hoch-, Wasser- und Schachtbau, für Kabelisolierungen und Kleber. Polychloropren (Neopren) ist ein sehr beständiger, kerbzäher Kunstkautschuk mit hoher Abriebfestigkeit. Er wird für

Chloropren

hoch beanspruchte Förderbänder (Bergwerke), Schutzkleidungen und technische Schaumstoffe verwandt. Polychloropren dient auch als Haftkleber (Pattex) für Holz und Kunststoffe. Die oben beschriebenen Kautschuke werden oft im Gemisch untereinander, aber auch mit anderen Kunststoffen und Lackrohstoffen, verwendet. Die Kautschuke sind mengen- und wertmäßig die bedeutendsten Kunststoffe. Neuerdings wurden andere kautschukelastische Stoffe entwickelt, deren Eigenschaften denen der hier beschriebenen Stoffe in mancher Beziehung überlegen sind (Vulkollan, Siliconkautschuk S. 137,142). b) H a l o g e n - , S a u e r s t o f f - u n d S t i c k s t o f f v e r b i n d u n g e n a) Polyvinylchlorid Durch Anlagerung von Chlorwasserstoff an Acetylen bzw. durch Addition von Chlor an Athen und Abspaltung von Chlorwasserstoff entsteht Vinylchlorid (S. 41) CH 4 =CHC1, das leicht polymerisiert werden kann. Obwohl Acetylen ein teures Ausgangsmaterial ist, ist Polyvinylchlorid, PVC, relativ billig, da der billige Chlor-

128

Darstellung, Eigenschaften u. Anwendung einzelner makromolekularer organischer

Stoffe

Wasserstoff (Molekulargewicht 36,5) 68% des Gesamtgewichtes (Molekulargewicht Vinylchlorid 62,5) ausmacht. Reines Polyvinylchlorid wird als standfestes, hartes Halbzeug (Vinidur) zu säure- und alkalifesten Trögen, Rohrleitungen, Ventilen, Absaugeeinrichtungen, Tischbelägen usw. verarbeitet. Harte Folien aus reinem PVC werden zu Buchbinder- und Täschnererzeugnissen, oft in Verbindung mit WeichPVC, verarbeitet. Weich-PVC ist mit Weichmachern vermischtes Polyvinylchlorid, das einen spekkigen Glanz zeigt. Weichmacher (S. 151) sind hochsiedende Speziallösungsmittel, die in einer Menge von 30—50% zugesetzt werden und eine Quellung des Stoffes, aber noch keine Auflösung bewirken. Der Stoff wird dadurch leder- bis kautschukartig. Die kautschukartig eingestellten Produkte zeigen eine hohe Dehnbarkeit, das Material neigt aber zum Kriechen, die Rückfederung dauert länger, Schwingungen werden stärker gedämpft als bei Kautschukerzeugnissen. Weich-PVC wird zu Folien zur Dekoration, zum Pflanzen- und Baustellenschutz, zur Regenbekleidung, weiterhin zu Kunstleder, Aderisolierungen und Kabelmänteln, Steckern, Stopfen, Griffen, Handlaufleisten, Schläuchen und unzähligen anderen Produkten verarbeitet. Bei Temperaturen von 50—80° verlieren die Produkte ihre Formbeständigkeit. Je nach Weichmacher-Art und -Gehalt kann die Einfriertemperatur, die bei Hart-PVC bei 80° liegt, bis auf —50° herabgesetzt werden. Die Verarbeitung von PVC erfolgt außer durch Pressen, Spritzguß und Strangpressen auch durch Wirbelsintern und Flammspritzen des Pulvers (S. 144), in Form von wäßrigen Dispersionen (S. 130) und als Pasten. Pasten sind Aufschlämmungen von PVC-Pulver in Weichmachern, die bei Normaltemperatur stabil sind. Bei hohen Temperaturen (160°) wandern die Weichmacher in den Kunststoff und quellen ihn an, nach Abkühlung erhält man formbeständige Produkte aus Weich-PVC. Aus Pasten werden Schutzstiefel, Handschuhe, Spielzeug, Stempel und Farbauftragswalzen hergestellt. Dazu werden die Pasten in der Form erwärmt, oder, bei Hohlkörpern, nach dem Tauchen der Formen in die Pasten durch Erwärmen „ausgeliert". PVC-Artikel können gut durch Hochfrequenz, Heißluft, Heizband und Heizdraht geschweißt werden. Die Verklebung erfolgt nach Anquellen mit Lösungsmitteln (Cyclohexanon = Anon) oder mit Spezialklebern. PVC neigt zur Abspaltung von Chlorwasserstoff bei der Einwirkung von Licht und Wärme; Chlorwasserstoff-Spuren beschleunigen die Abspaltungsreaktion (Autokatalyse), dabei vergilben die Produkte. Man setzt daher Soda und EpoxydWeichmacher (S. 152) zu, wodurch Chlorwasserstoff abgefangen wird. Zur Stabilisierung dienen auch Zinn-organische Verbindungen und Schwermetallsalze der Stearinsäure. Mischpolymerisate von Vinylchlorid mit Vinylidenchlorid (S. 42),

das aus Vinylchlorid durch Anlagerung von Chlor und Abspaltung von Chlorwasserstoff (S. 42) entsteht, werden zu Fäden, Schläuchen und Bändern gespritzt. Das Material wird abgeschreckt und im nichtkristallinen Zustand um mehrere 100% gereckt, dabei werden die Molekülketten parallel gerichtet und der Stoff wird stark kristallin (S. 121), hierdurch erhalten die Produkte eine hohe Zerreißfestigkeit.

Polymerisationsprodukte

129

Solche Mischpolymerisate (Saran) werden zu Filter- und Dekorationsgeweben, Stuhlsitzen usw. verarbeitet. PVC- und Saran-Artikel sind schwer brennbar. Eine große Gefahr, die schon öfter zu schweren Unglücken und großen Verlusten geführt hat, besteht darin, daß PVC bei Bränden anfängt zu schwelen, wobei große Mengen Chlorwasserstoff abgespalten werden. Dieser erschwert einerseits die Löscharbeiten und führt andererseits zu starken Korrosionen an Maschinen usw. ß) Polytetrafluoräthylen Polymeres Tetrafluoräthylen, Teflon, gehört zur Klasse der Fluor-KohlenstoffVerbindungen (S. 43). —CF2-€P2—CF2—CF2— nCF i =Cr i Teflon ist ein wachsartig aussehender, harter Stoff, der von — 200 bis + 280° brauchbar und gegen alle Lösungsmittel sowie praktisch alle Chemikalien beständig ist. Bei 360° erweicht der Stoff, oberhalb 400° tritt Zersetzung, aber kein Schmelzen ein, daher bereitet die Formung Schwierigkeiten. Kompakte Formteile werden durch Pressen des Pulvers und anschließendes Sintern bei 380° hergestellt, abgeschreckte Teile sind lederartig zäh, langsam abgekühlte hart. Folien erhält man durch Schälen eines Blocks, Rohre durch Strangpressen bei der Sintertemperatur. Durch Pressen von Teflon mit Bindemitteln aus feinen Düsen lassen sich Fasern herstellen, die nach dem Tempern und Recken zu Geweben verarbeitet werden können. Wegen der Zersetzung des Bindemittels sind die Fasern braun gefärbt, sie können durch Kochen in einem Gemisch aus konzentrierter Schwefel- und Salpetersäure, wodurch alle übliche organische Substanz zerstört wird, entfärbt werden. Teflongewebe dient zur Herstellung unbrennbarer, chemikalienfester Schutzanzüge und von Filtertüchern für die chemische Industrie. Trotz der schwierigen Bearbeitung werden sehr verschiedenartige Formteile hergestellt: Dichtungen, Packungen, Balgen, Ventile, Membranen und viele Apparateteile für Chemie und Elektrotechnik. Durch Einbrennen der Dispersionen (S. 130) lassen sich emailleartige Überzüge auf Metallen herstellen. Polytetrafluoräthylen besitzt hervorragende Lagereigenschaften, Teflonlager werden ohne Schmierung benutzt, das Material wird nicht benetzt. Polymerisate aus Trifluorchloräthylen (Hostafion C) sind durch Spritzguß verarbeitbar, Teile aus diesem Stoff sind bis nahezu 200° formbeständig. Die Chemikalienbeständigkeit ist nicht ganz so gut wie die des Polytetrafluoräthylens, die mechanischen Eigenschaften und Anwendungsmöglichkeiten sind ähnlich. Viton ist ein Fluor-Kohlenstoff-Kautschuk, er ist im Dauergebrauch bis 230°, kurzzeitig bis 330° beständig. y) Polyvinylacetat Durch Anlagerung von Essigsäure an Acetylen entsteht Vinylacetat:

C = 0

0

Nerdel, Organische Chemie

130

Darstellung, Eigenschaften u. Anwendung einzelner makromolekularer organischer Stoffe

rrr

Vinylacetat wird zu Mischpolymerisaten verarbeitet, die als Lackrohstoffe verwendet werden. Reines Polyvinylacetat ist, je I j I nach dem Molekulargewicht, ein zäher bis spröder Kunststoff, der CO CO CO in Lösung als Alleskleber (Uhu) benutzt wird. Von großer BedeuCHS CHS CHS tung sind die wäßrigen Polyvinylacetat-Dispersionen, dies sind stabile Auf schlämmungen des Kunststoffes in Wasser, die direkt bei der Polymerisation (Emulsionspolymerisation) entstehen. Sie können beliebig mit Wasser verdünnt und mit Pigmenten und Füllstoffen vermischt werden. Dispersionen sind, bei gleichem Kunststoffgehalt, weit weniger viskos alsLösungen, so daß sie selbst mit einem Gehalt bis zu 80 % Kunststoff noch verstrichen werden können. Dispersionen mit Pigmenten dienen als Anstrichmittel für Mauerwerk und Holz. Dabei wird das Wasser vom Grundmaterial avifgesaugt, der beim Eintrocknen entstehende zusammenhängende klare Film haftet gut auf der Unterlage. Dispersionsanstriche benötigen keine Lösungsmittel, die teuer, feuergefährlich und oft physiologisch nicht unbedenklich sind. Polyvinylacetat-Dispersionen dienen weiter als Holzkleber (Mowikoll) und als Kleber bei der Faserkunstleder- und Filzherstellung, Tertilausrüstung und Papierverarbeitung. Mit organischen (Korkmehl) und anorganischen Füllstoffen und Pigmenten vermischte Dispersionen werden zu fugenlosen Fußbodenbelägen verarbeitet. Das Dispersionsverfahren ist nicht nur beim Polyvinylacetat anwendbar, sondern eine generelle Technik der Kunststoffverarbeitung. 8) Polyvinylalkohol Durch Verseifung von Polyvinylacetat entsteht Polyvinylalkohol: H

H

|j_|) A i



H

H

i

i ¿ o i

ch3—c=o Auf direktem Wege ist Polyvinylalkohol nicht herstellbar, da der monomere Vinylalkohol CH,=CHOH instabil ist (S. 40). Polyvinylalkohol ist in Wasser löslich, aber nicht in organischen Lösungsmitteln. Man stellt daraus TreibstoffSchläuche (mit wasserfestem Mantel), Dichtungen und Membranen her. Mit Jodlösung behandelte, gereckte Folien aus Polyvinylalkohol polarisieren das Licht. Durch Einbetten zwischen 2 Glasscheiben erhält man großflächige, wetterbeständige Polarisatoren, die zum Beispiel durch Verdrehen zweier Scheiben gegeneinander die beliebige Abdunkhing von Fenstern bei guter Durchsicht (Autobusse, Radarstände) gestatten. E) Polyvinylacetale Beim Behandeln von Polyvinylalkohollösungen mit Aldehyden und Ketonen tritt Acetalisierung (S. 64) ein. Man erhält Polyvinylacetale, bei denen vorwiegend durch Reaktion mit 2 benachbarten Hydroxylgruppen der gleichen Kette 1,3-Dioxanringe (S. 115) gebildet werden.

Polymerisationsprodukte —CH I

131

CH—CH, KjO.

6

i

R

R'

Hierdurch werden die Hydroxylgruppen blockiert, die Produkte sind nicht mehr wasserlöslich wie der Polyvinylalkohol. Diese thermoplastischen Polyvinylacetale werden zu Klebern, zu abziehbarem Verpackungslack (Rostschutz für Eisenteile), zu klebrigen, zähen Zwischenschichten für 3-Schichten-Sicherheitsgläser und zu Grundierungsanstrichen auf Metallen (Washprimer) verwendet. Behandelt man dagegen hochgestreckte Polyvinylalkohol/asera mit Formaldehyd, so tritt vorwiegend Vernetzung zwischen den durch die Verstreckung (S. 121) parallel gelagerten Fadenmolekülen ein, die Produkte werden unschmelzbar und sind nicht mehr in Wasser löslich. Auf diesem Wege erhält man die in Japan entwickelte Vinyhn-Faser, die leichter und fester als Baumwolle ist und aus der unter anderem Zeltplanen, Fischernetze und Filtertücher hergestellt werden. • • • —CH2—CH—CHä—CH— •

H—C—H

Vlnylon-faser £) Polyacrylnitril Durch Addition von Blausäure an Acetylen entsteht Acrylnitril:

das in Mischpolymerisaten mit Butadien und Styrol (ABS-Kunststoff, Terluran) oder mit Vinylchlorid Produkte hoher Lösungsmittel- und Wärmebeständigkeit ergibt. Reines Polyacrylnitril wird zu Fasern verarbeitet. Da es bis zu seiner Zersetzungstemperatur (300°) nicht schmelzbar und praktisch nur in Dimethylformamid (S. 149) löslich ist, wird das Material aus diesen Lösungen versponnen, das Lösungsmittel wird dabei im Heißluftstrom verdampft. Durch Reckung — hierbei tritt eine Parallel-Lagerung und damit eine Vergrößerung der kristallinen Bereiche und der zwischenmolekularen Kräfte ein — wird die Zerreißfestigkeit erhöht. Die Fasern werden entweder als Endlosgarn (PAN) verarbeitet oder nach Kräuselung auf Stapellänge geschnitten 9«

132

Darstellung, Eigenschaften u. Anwendung einzelner makromolekularer organischer Stoffe

und, evtl. im Gemisch mit Naturfasern, versponnen. Spinnfasern aus Polyacrylnitril (Dralon, Orion) ergeben sehr leichte, gut isolierende Textilien, die eine hohe Licht-, Wetter- und Chemikalienbeständigkeit aufweisen, auch mechanisch sind sie sehr widerstandsfähig, sie empfehlen sich daher für Schutzkleidung, Zelte und Segel, sind aber auch in der Wäsche- und Bekleidungsindustrie geschätzt. Die Nitrilgruppen im Polyacrylnitril bewirken durch Dipol-Dipol-Wechselwirkungen eine starke Bindung der Molekülketten untereinander, wodurch die hohe thermische, mechanische und chemische Widerstandsfähigkeit zu erklären ist. Definitionsgemäß ist Polyacrylnitril wie Polytetrafluoräthylen und Cellulose ein Thermoplast ; die starken zwischenmolekularen Kräfte in diesen Stoffen machen sie aber äußerlich betrachtet vernetzten Stoffen ähnlich. t|) Polymethacrylate Mit Blausäure bildet sich aus Aceton das Acetoncyanhydrin (S. 55), das durch Behandlung mit Alkohol und Schwefelsäure verseift, verestert und dehydratisiert wird: CHa. '^>C=0

/

CH

CH 3 +

HCN

• CH 3 —C—OH

CH,—C—OH

|

|

CN

3

Aceton

CHa

Blausäure

COOR

Acetoncyanhydrin

a- IfydruxyIsobuttersäureester

CHa • CHa=C

|

COOR

Methacrylsäureeater

Die Methacrylsäureester sind besonders leicht polymerisierbar und ergeben glasklare Polymerisate. Halbfabrikate (Plexiglas, Perspex, Lucite) werden durch Blockpolymerisation hergestellt, sie können durch Warmformung und spangebend verarbeitet werden. Teile aus Polymethacrylat lassen sich durch Polymerisation von monomerem Methacrylat in der Klebfuge verbinden. Die Produkte weisen eine höhere Lichtdurchlässigkeit als optisches Glas auf, sie vergilben nicht bei dauernder Bestrahlung mit UV-Licht und sind hart und zäh. Fahrzeugverglasungen, Fenster für explosionsgefährdete Räume, Dachverglasungen, Modelle, Leuchten, Schilder, Dekorations- und Haushaltsartikel, medizinische Geräte, Schmuck, Milch- und Bierleitungen werden aus Acrylglas gefertigt. Spritzgußartikel aus Polymethacrylaten (Plexigum) sind Füllhalter, Knöpfe, Tasten, Griffe, Linsen, Uhrgläser, Rückstrahlerscheiben usw. Ähnliche Produkte erhält man auch bei der Polymerisation von Acrvlsäureestern, vielfach werden auch Mischpolymerisate aus Acryl- und Methacryl-säureester hergestellt. Solche Mischpolymerisate werden, ähnlich dem Polyvinylacetat, in Form von Dispersionen als Lackrohstoff und Kleber verwendet. Bei der Verseifung der Ester erhält man die Salze der polymeren Säure, diese sind wasserlösliche Leime (Plexileim). 0) Polyvinyläther Durch Anlagerung von Alkoholen an Acetylen entstehen die ebenfalls polymerisierbaren Vinyläther. ROH + CH=CH

>•

CH s =CHOR

Polyvinyläther werden als Haftkleber (Heftpflaster) und zur Herstellung von Kaugummi verwendet.

Polykondensations- und Polyadditionsverbindungen

133

i) Polyvinylpyrrolidon Aus Butyrolacton (S. 82) Ammoniak und Acetylen erhält man das leicht polymerisierbare Vinylpyrrolidon CH,—CH„ CH2—CH CH.—CH» CH-—CH, / \ / \ / \ / \ CHj C=0 CH2 C=0 CH2 C=0 CHa C=0 \

/

\

/

+ HC=CH

\

I H Butyrolacton

/

I CH=CH 2

Pyrrolidon

Vinylpyrrolidon

\

/

• •1• CH—CH2 • • • Polyvinylpyrrolidon

Polyvinylpyrolidon ist wasserlöslich und wird als Blutplasmaersatz (Periston) und für Haarfestiger benutzt. 2. Polykondensations- nnd Polyadditionsverbindungen Während die Molekülketten der Polymerisationsprodukte ausschließlich aus Kohlenstoffatomen bestehen, zeigen die Polykondensations- und -additionsverbindungen eine gemischte Zusammensetzung der Kette. Neben kurzen Kohlenstoffketten mit etwa 1—6 Kohlenstoffatomen, auch Benzolkernen, sind Estergruppen: Äthergruppen: Amidgruppen:

O II •••—C—0—•••, •••—O und O H II I • • •—C—N— • • •

periodisch wiederkehrende Bauelemente der Ketten. Die Polymerisationsprodukte entstehen, abgesehen von den Mischpolymerisaten, aus gleichartigen Bausteinen. Die Polykondensations- und Polyadditionsverbindungen bilden sich fast ausschließlich aus zwei verschiedenen Molekülarten. Bei der Kondensationsreaktion wird im allgemeinen Wasser abgespalten. Unter den in diesem Kapitel beschriebenen Verbindungen finden sich alle Typen makromolekularer organischer Verbindungen: Thermoplaste, Thermoelaste und Duroplaste. a) P o l y a m i d e Eiweißstoffe sind natürliche Polyamide (S. 162), die synthetischen Polyamide ähneln ihnen in mancher Hinsicht, weisen aber auch typische Unterschiede auf. Bei den synthetischen Polyamiden stehen zwischen zwei Amidgruppen mehrere Kohlenstoffatome, bei den natürlichen nur eines. Die Kette der synthetischen Polyamide ist unverzweigt, die der natürlichen verzweigt. Perlon: Peptide:

CO—NH—(CH2)5—CO—NH—(CH2)5 CO—NH—CH—CO—NH—CH

i

t

Zur Synthese des Perlons geht man meist von Phenol aus, wobei der folgende Weg beschritten wird.

134

Darstellung, Eigenschaften u. Anwendung einzelner makromolekularer organischer Stoffe + H.NOH (Hydroxylamin)

+ 2H, Hydrierung Phenol

0=N_O-H Cyclohexanonoxlm

CH,

+ H.8Q, Umlagerung

HaN—(CHüJj— COOH

/

e-Aminocapronsäore

CH, N—H \ / CH2 e-Caprolactam — H,0

CO—NH—(CH2)6—CO—NH—(CH2)5 Perlon

Eine wesentliche Stufe dabei ist die Umwandlung des Cyclohexanonoxims durch die Beckmann sehe Umlagerung (S. 67) in e-Caprolactam, das Monomere des Perlons. Durch Erhitzen des e-Caprolactoms unter Druck mit Spuren von Wasser bildet sich intermediär freie e-Aminocapronsäure. Mehrere Moleküle dieser Aminosäure kondensieren miteinander und bilden die Polyamidkette. Das hierbei abgegebene Wasser spaltet weitere Moleküle e-Caprolactam. Nylon wird aus einer Dicarbonsäure und einem Diamin gebildet. Aus Adipinsäure und Hexamethylendiamin entsteht z. B. das Nylon [6.6]. Diese Nomenklatur besagt, daß beide Bausteine 6 Kohlenstoffatome besitzen. nH^IST—(CH2)6—NILj + nHO—CO— .

Adipinsäure

CO—NH—(CHa),—NH—CO—(CH^— CO—NH—(CH2)6—NH— CO—(CH2)4 Nylon [6.8]

Die Ausgangsstoffe werden aus Phenol bzw. Tetrahydrofuran hergestellt. CH,

fV-

H

+ 2H,

CH. I

CHÜ

Tetrahydrofuran

+ 2HC1

CH,

Oxydation

COOH

H2 COOH

Phenol

CH« I CHj

i=0

Cyclohexanon

ii

¿•" ¿r 1.4-Dlchlorbutan

+ 2NaCN

Adipinsäure

CH2

C

CN

CN

I

I •

Adlpins&uredlnltrll 1.4 Dlcyanbutan

+ 4H,

¿H2 ¿1 _ i—CH, ¿H»—:NH,

Hexamethylendiamin 1.6-Diaminohexan

Perlon und Nylon besitzen gleichzeitig die hydrophilen Amidgruppen und die hydrophoben Kohlenwasserstoffketten. Die Substanzen sind dadurch sowohl in Wasser als auch in Kohlenwasserstoffen sowie den üblichen Lösungsmitteln unlös-

135

Polykondensations- und Polyadditionsverbindungen

lieh (S. 147). Zwischen den NH- und CO-Gruppen benachbarter Ketten bilden sich starke Wasserstoffbrücken aus, dies erklärt ihren hohen Schmelzpunkt. Polyamide werden durch Spritzguß (Ultramid) und durch Verspinnen aus der Schmelze verarbeitet. Fäden, Fasern und Borsten aus Polyamid besitzen eine höhere Abrieb- und Zerreißfestigkeit als Naturprodukte. Maschinenteile wie Zahnräder, die durch Spritzguß oder aus Halbzeug spangebend hergestellt werden, haben eine hohe Verschleißfestigkeit, einen ruhigen Lauf und geringe Reibimg (ungeschmierte Lager). b) P o l y e s t e r Bei der Veresterung von Terephthalsäure (S. 108) mit Glykol bilden sich lineare Polyester, nHO—CHj—CH2—OH + n H O — C O ^ V-CO—OH ~ 2nH»° .

die zu sehr reißfesten Folien und Fasern verarbeitet werden. Die Folien werden benutzt für Magnetbänder und Kondensatoren sowie, teilweise als Verbundfolie mit Polyäthylen, für anspruchsvolle Verpackungen. Polyesterfasern sind als Endlosgarn und Spinnfasern (Diolen, Trevira, Dacron, Vestan) Hauptbestandteil hochwertiger Textilien. Von größter Bedeutimg sind weiter die Polyester-Qieß- und Lackharze. Beide Stoffe werden als Thermoplaste (flüssig oder gelöst) verarbeitet, die Endprodukte sind harte, vernetzte Stoffe. Polyester-Gießharze sind die Veresterungsprodukte ungesättigter Dicarbonsäuren mit 2-wertigen Alkoholen, z. B. Maleinsäure (S. 91), die als Anhydrid in die Reaktion eingesetzt wird, und 1.4-Butandiol.

+ n H—O—(CHa)4—O—H -„HO 'Ö

O O H Ii " I O—(CH ) —0—C—C=C—C—O—C— 24

ii

1

H

Vor der Verarbeitimg werden diese Produkte mit leicht polymerisierbaren Monomeren, z. B. Styrol oder Vinylacetat, und einem Peroxyd-Katalysator gemischt. Die Härtung erfolgt in der Wärme oder, bei Zusatz von Kobaltverbindungen, in der Kälte. Dabei bilden sich zwischen den Polyestermolekülen Brücken aus Polystyrol oder Polyvinylacetat. Durch Variation der Art und Menge der Komponenten lassen sich Harze mit sehr verschiedenen Eigenschaften herstellen. Sie werden ohne Füllmittel als lösungsmittelfreie Anstrichmittel sowie als Vergußharze in der Elektrotechnik verarbeitet. Fertigteile mit Glasfasern als Füllstoff erreichen die Zerreiß• festigkeit von Stahl. Aus Glasfaser-Polyester werden Wellplatten, Autokarosserien, Boote, aber auch Kleinteile hergestellt. Im Gegensatz zu den Phenolharzen (S. 139) können die Harze in einfachen Formen mit geringem Druck oder drucklos verarbeitet werden.

136

Darstellung, Eigenschaften u. Anwendung einzelner makromolekularer organischer Stoffe

Auch bei den Vorprodukten der Polyester-Lackharze liegen lineare PolyesterMakromoleküle mit latenten Verknüpfimgstellen vor. Diese sind nicht Doppelbindungen wie bei den Gießharzen, sondern freie Hydroxygruppen, die bei der Veresterungsreaktion von Phthalsäure mit Glycerin zunächst nicht an der Reaktion teilnehmen:

H^ H-O-C' }>0-H _ nHjO n H-O-C-C-C-O-H + n V-i * H OHH

,0 0\ H HH o 0 -o-c C-O-C-C-C-O-C' C-Q-" y~i A ¿ha W Diese Makromoleküle haben .Ähnlichkeit mit den Terephthalsäure-Glykol-Estern. Wegen des kleinen Winkels von 60° zwischen den Carboxylgruppen neigen die Ketten der Phthalsäureester zur Verknäuelung. Die makromolekularen Phthalsäureester sind im Gegensatz zu den Terephthalsäureestern daher schlechte Fadenbildner. Die Verhältnisse sind ähnlich wie bei den beiden Polyglucosen: Zellulose und Stärke (S. 161). Setzt man dieGlycerin-Phthalsäure-Polyester mit weiterem Phthalsäureanhydrid um, so bilden sich Brücken zwischen den Ketten durch Veresterung zweier Hydroxygruppen verschiedener Ketten mit jeweils 1 Molekül Phthalsäure: 0—CO

CO—0—CHa—CH—CH»—0—CO

—0—CO

CO—0—CHj—¿H—CHS—0—CO

i

^ \

/

\

CO—0

tf

CO—0— /

Das Reaktionsprodukt (Ofenlack) ist hart und spröde. Weichere Produkte bilden sich, wenn einige freie Hydroxygruppen mit langkettigen Monocarbonsäuren verestert werden. Diese mit Fettsäuren modifizierten Älkyd- oder Olyptal- (aus Glycerin und Phthalsäure) Harze gehören zu den wichtigsten Lackharzen. c) Polyurethane Urethane sind gleichzeitig Ester und Amide der Kohlensäure (S. 71). Sie bilden sich leicht durch Anlagerung (Addition) von Alkoholen an Isocyanate (S. 70).

Polykondensations- und Polyadditionsverbindungen R—OH +

0=C=N—R'



137

R—0—C—NH—R' II 0

Lineare Polyurethane entstehen aus Diisocyanaten und Diolen; sie haben große Ähnlichkeit mit den Polyamiden und werden wie diese verarbeitet. 0=C=N—(CH 2 )„—N=C=0

+

HO—(CH2)4—OH

Hexamethylendilflocyanat



BntandioI-(1.4)

(CH2),—0—C—NH—(CH2)6—NH—C—0—(CH^—O—C—NH—(CH2)6—NH—C II II II II O 0 0 o Polyurethan

Mit Diisocyanaten können Hydroxylgruppen tragende kettenförmige Makromoleküle, etwa vom Typ der Glyptalharze, vernetzt werden. Durch Umsatz mit verschiedenartigen Diisocyanaten und Variation der Art und Menge der zweiten Komponente erhält man sehr unterschiedliche Produkte: spröde, harte Harze, gummiartige und zäh-klebrige Substanzen (Desmodur-Desmophen). Alle sind hochwertige Gieß- oder Lackharze sowie Kleber für Metalle und Kunststoffe. Vulkollan ist ein kautschukartiger Stoff, der durch weitmaschige Vernetzung von Polyurethanen mit freien Isocyanatgruppen durch Zugabe eines zweiwertigen Alkohols entsteht. Er übertrifft in seiner Chemikalien- und Alterungsbeständigkeit, Einreißfestigkeit und Elastizität die bekannten Gummisorten. Ist beim Umsatz von hydroxygruppenhaltigen Polyestern oder Polyäthern mit Diisocyanaten auch Wasser vorhanden, so tritt neben der Vernetzung eine Zersetzung der Isocyanatgruppen durch Wasser ein: R—N=C=0

+

Ha0



R—NH2 +

C0a

Das Kohlendioxyd bildet Bläschen, man erhält Schaumstoffe (Moltopren). Je nach der Reaktionsführung, der Art und Menge der Ausgangsstoffe bilden sich weiche oder harte Schäume mit abgeschlossenen oder schwammartig verbundenen Poren. Polyäther-Schäume sind elastischer, schaumgummiähnlicher als PolyesterSchäume. Weiche Schäume werden für Polsterungen, Isolierungen und Schwämme, harte im Karosserie- und Flugzeugbau sowie für Isoliergefäße verwendet. d) Ä t h o x y l i n h a r z e Beim Umsatz von Diphenolen mit Epichlorhydrin (S. 74) entstehen Verbindungen mit freien Hydroxygruppen in der Kette und endständigen Epoxydgruppen: - HCl

l

) Das 2,2-Di[p-hydroxy-phenyl]-propan entsteht durch Kondensation von Phenol mit Aceton. CH, H

° ~ '

+

CH, +

CH,

O -

0 H

"

H0

O>-°—'\H/>—°H CH,

+

H,

°

138

Darstellung, Eigenschaften u. Anwendung einzelner makromolekularer organischer Stoffe

CH, CHa—OH—CH2—*

V

—CH»—CH—CH« VO n Durch Addition von Aminen oder aminogruppenhaltigen Makromolekülen an die Epoxydgruppen und Umsatz mit Dicarbonsäureanhydriden bilden sich vernetzte, harte Produkte. Die Vernetzungsreaktion kann in der Wärme oder Kälte durchgeführt werden, dabei tritt praktisch kein Schwinden auf. Ätkoxylinharze (Araldit) haften hervorragend auf glatten Flächen, sie werden für hochfeste, gegen Chemikalien und Wärme beständige Verklebungen von Metallen, Glas, Keramik und Kunststoffen verwendet. Als Laminierharze ergeben sie in Verbindung mit Glasfasereinlagen großflächige Gegenstände höchster Festigkeit. Man benutzt sie als Vergußharze in der Elektrotechnik und als Lackharze für Einbrennlacke. e) P o l y c a r b o n a t e Durch Umsetzung von Diphenolen mit Phosgen bilden sich Polycarbonate. Diese sind hochwertige Thermoplaste. CH.

CH, I —O O—CO "X —\ /• CH3 CH, Verarbeitet werden sie durch Spritzguß, man stellt Maschinenteile, kochfeste Geräte, Formteile und Isolierfolien für die Elektrotechnik daraus her. f) P o l y o x y m e t h y l e n , P o l y o x y ä t h y l e n Polyformaldehyd, ein lange Jahre vergeblich gesuchtes Produkt, wird jetzt durch Polymerisation von Formaldehyd im wasserfreien Medium gewonnen: CELjO



0—CH,—O—CHS— • •

Polyoxymethylen (Delrin) ist bei Normaltemperatur in keinem Lösungsmittel löslich. Es ist ein billiger Kunststoff von hoher Standfestigkeit, hohem Schmelzpunkt und guten elektrischen Eigenschaften. Unter der katalytischen Wirkung von H®-Ionen entsteht aus Äthylenoxyd Polyoxyäthylen, auch Polyäthylenglycol oder Polyäthylenoxyd genannt. nCK.—CH»

V



0—CH2—CHj—0—CHj—CH, •

Polykondensations- und Polyadditionsverbindungen

139

Die Produkte sind in Wasser löslich, sie werden als Salbengrundlagen verwendet. Ketten mit 5—20 (—0—CH2—CH2—)-Einheiten dienen als hydrophile Reste in oberflächenaktiven Substanzen (S. 154). g) Phenol-, H a r n s t o f f - und Melamin-Harze Die Kondensation von Phenol mit Formaldehyd führt zu unschmelzbaren Harzen, den Phenolharzen, die, fertig gebildet, nicht mehr verformt werden können. Deshalb führt man die Reaktion in zwei Stufen durch und strebt zunächst die Bildung von löslichen und schmelzbaren Produkten an, die nach der Verformung ausgehärtet werden. Bei der vorsichtigen Kondensation im sauren Medium, bilden sich die sogenannten Novolacke, das sind Gemische von o,o'-Dihydroxydiphenylmethan, p,p'-Dihydroxydiphenylmethan:

und ähnlichen Verbindungen. Die Reaktion ist der Kondensation von Aceton mit Phenol, die zu den Ausgangsprodukten der Äthoxylinharze und Polycarbonate führt, analog. Im alkalischen Medium bilden sich bei vorsichtiger Kondensation zunächst die Resole, Gemische von Verbindungen des Typs: OH

OH

Beim Erhitzen der Resole oder der Novolacke im Gemisch mit Formaldehyd und basischen Katalysatoren auf 150° bilden sich schließlich die hochvernetzten Phenolharze mit Strukturelementen der folgenden Art: OH

Jeder Benzolring kann an 3 Stellen mit anderen verknüpft werden, entweder durch Methylengruppen oder Ätherbindungen. Das Aushärten der Novolacke wird oft mit Hexamethylentetramin (S. 53) durchgeführt, das durch Spaltung sowohl den

140

Darstellung, Eigenschaften 11. Anwendving einzelner makromolekularer organischer Stoffe

notwendigen Formaldehyd als auch den basischen Katalysator, Ammoniak, liefert. Harze aus Gemischen von Phenol mit Kresolen und Furfurol1) sind weniger hart und spröde als die Phenolharze. Man benutzt reine Phenolharze als Schnitz- und Drechselstoffe für Elfenbein- und Bernstein-ähnliche Produkte, wie Möbelbeschläge, Zigarrenspitzen, Billardbälle und Schmuck. Das wichtigste Anwendungsgebiet der Phenolharze stellen die Preßmassen dar. Im Gemisch mit Füllmitteln (Holzmehl, Gesteinsmehl, Asbestfasern), waren diese als Bakelite bezeichnete Produkte die ersten technisch verwendbaren Kunststoffe. Aus ihnen werden billige Massenartikel jeder Art hergestellt. Ein Großabnehmer ist die Elektroindustrie. Aus Phenolpreßmassen werden Gehäuse, Stecker, Schalter und viele Kleinmaterialien hergestellt. Phenolharze verwendet man als Kittstoffe in Schleifscheiben und Bremsbelägen. Beim Pressen von Furnieren, Papier- und Gewebebahnen, die mit Resol getränkt sind, bilden sich Schichtholz, Hartpapier und Hartgewebe, wertvolle Materialien für Möbel, Zahnräder, Maschinenteile und Isolierstoffe in der Elektrotechnik. Phenolharze spielen eine sehr wichtige Bolle als Ionenanstanscher. Diese bestehen aus Harzkörnern, denen man eine große mit aktiven (austauschenden) Gruppen versehene Oberfläche gegeben hat. Ein Kationenaustauscher wird durch Einbau von Phenolsulfonsäure, HO—C 6 H 4 —S0 3 H in Phenolharze oder durch Sulfonierung (S. 100) von Polystyrol gewonnen. In beiden Fällen entstehen Makromoleküle mit fixierten —S03H-Gruppen: R—SO»!!

[R—SOalä C a + +

'

Ca-Salz

Saure Form

Na

[R—S03]~ N a + Na-Salz

Kationenaustauscher

Die SOsH-Gruppen nehmen in einer Gleichgewichtsreaktion aus „hartem" Wasser Erdalkali- und Schwermetallionen auf und geben dafür H+-Ionen ab. Eine Regenerierung des Harzes erfolgt durch Zugabe von H+-Ionen (z. B . HCl) oder aber durch Kochsalz (Nad). Dann bildet sich das Na-Salz des Kationenaustauschers. Auch dieses macht „hartes" Wasser „weich" (vgl. S. 155), indem es die Kationen der Härtebildner des Wassers bindet und dafür Na+-Ionen abgibt. Ionen-freies Wasser erzeugt man durch ,, Vollentsalzung" in zwei Stufen. Zunächst werden mit einem Kationenaustauscher in der sauren Form alle Kationen gegen H+-Ionen ausgetauscht. Danach gibt man das Wasser in einen Anionenaustauscher, der z. B. mit Hilfe von Tetraalkylammonium-Hydroxid-Gruppen an den aktiven Oberflächen des Harzes die Anionen aufnimmt und dafür OH - -Ionen abgibt. [R—N(CH„)8]+ OH" Hydroxid-Form

.

'

Anionenaustauscher

i) Furfurol, der Furanaldehyd t>H—CH CH V

c~cf X

[R—N(CH 8 ),] + Ol" Chlorid-Form

^ , wird aus Kleie gewonnen (S. 112). H

Polykondensations- und Polyadditionsverbindungen

141

Aus den von den Austauscherharzen abgegebenen H+- und OH~-Ionen bildet sich Wasser. Auf diese Weise kann man aus Meerwasser Trinkwasser erzeugen. Ionenaustauscher eignen sich auch zur Anreicherung von Substanzen aus sehr verdünnten Lösungen und zur Trennung von Substanzgemischen (Aminosäuren). Harnstoff kondensiert mit Formaldehyd leicht zu engvernetzten Stoffen folgender Strukturen: H

CHa

H—N^ \ = 0

0=C/

CH +

CH20



\'=0

H—N \H

CHj

+

H20

CH,—N CH»—l/' CH, \ CHj—N/ ^ \ = 0

/

bei denen jedes Harnstoffmolekül mit 4 anderen über Methylenbrücken verbunden ist. Bei der Kondensation von Melamin1) mit Formaldehyd kann 1 Molekül Melamin mit 6 weiteren Molekülen verknüpft werden: CH2 N H

N ^ N H T II N N X /

2 V

2

+ CH '° „ - H,O

NHS

CH2

/ A V N N / N N CHS T II CH, I N N I : X '

/Nx • •. —CH2 CH2— • • •

Zu ähnlichen Produkten kommt man auch durch Kondensation von Formaldehyd mit Thioharnstoff oder Dicyandiamid (Di-Di-Harze). NHa S=C

//

\H

NHJ

; 2

EN=(i \ H ¿N

Thioharnstoff

Dicyandiamid

Harnstoff- und Melaminharze sind hellfarbige bis weiße Produkte, die nicht zur Vergilbung neigen. Aus Harnstoffharzen stellt man harte Schaumstoffe (Iporka) zur Bautenisolierung und Holzleim (Kauritleim) für die Herstellung von Sperrholz und Tischlerplatten her. Aus Melaminharz-Preßstoffen werden Geschirre, Isolierteile und Gehäuse in hellen Farben (Haushaltsmaschinen) gepreßt. Sie werden weiter für Knitterfest. Melamin ist das symmetrische Triamino-triazin, s. S. 111. Es wird aus Calciumcyanamid gewonnen.

142

Darstellung, Eigenschaften u. Anwendung einzelner makromolekularer organischer Stoäe

Textüausrüatungen (No-Iron) und für naßfeste Papiere verwendet. Mit Melaminharz getränkte bedruckte Papiere sind die Deckschichten von Dekorationsplatten (Resopal, Fórmica) mit Phenolharz-Hartpapieren als Unterlage. h) S i l i c o n e In den Silicaten, anorganisch-makromolekularen Stoffen, die einen wesentlichen Teil der Erdkruste aufbauen, sind Silicium-Atome durch Sauerstoffatome zu Ketten-, Blatt- und räumlichen Netzstrukturen miteinander verknüpft.

¿

I

I

/

X

^ Si

X

l

I

Si

^siC

I 0

A

CH3 >
R_0-O-S-Na

A+^ng

' R-OH + CSa + NaHSO,

S Die zähe, Viskose genannte Lösung wird durch Düsen in ein saures Fällbad gespritzt, dabei bildet sich die Cellulose zurück. Auf diese Weise werden Fasern (Reyon) hergestellt, die als Endlosgarn und Spinnfasern, oft im Gemisch mit anderen Fasern verarbeitet werden. Beim Pressen der Viskoselösimg aus Schlitzdüsen bildet sich ZeUglasfolie (Cellophan), ein wichtiger Verpackungsstoff. Beim Erhitzen mit einem Treibmittel (Ammoniumcarbonat, [NH 4 ] a C0 3 —• 2NH S + C0 2 + H 2 0) bildet sich ein Viskoseschaumstoff (Viskoseschwamm). Mit Schweizers Reagens, dem KupfertetraminhydroxydCu(NH3)4(OH)8, bildet sich ein löslicher Kupfer-Komplex der Cellulose, der wie Viskose verarbeitet wird. Kupferseide wird als Endlosgarn (Bömberg, Cupresa) und Spinnfaser (Cuprama) zu Textilien verarbeitet. Die in organischen Lösungsmitteln löslichen Salpetersäureester der Cellulose sind lange bekannt. Schießbaumwolle, der Cellvlosetrisalpetersäureester, ist hochexplosiv und wurde bereits 1846 hergestellt. Der Di-ester der Cellulose mit Salpetersäure ist weniger gefährlich, neigt aber noch zur Verpuffung. Er ist unter dem Namen CoüodiumwoUe ein viel gebrauchter Lackrohstoff (Zaponlack, Nitrolack), im Gemisch mit Weichmachern (Campher) wird er als Celluloid zu Filmen und Gebrauchsartikeln verarbeitet. Aus der Collodiumwolle hat Graf Chardonnet 1884 die erste Kunstseide hergestellt, die sich wegen ihrer Feuergefährlichkeit nicht durchsetzen konnte. Der Cellulose-Essigsäure-Ester wird aus der Lösung in Aceton zu Acetatseide versponnen. Der Faden muß dann, um ihm die Löslichkeit in organischen Lösungsmitteln zu nehmen

144

Darstellung, Eigenschaften u. Anwendung einzelner makromolekualrer organischer Stoffe

(chemische Reinigung), durch Verseifung teilweise entacetyliert werden. Sicherheitsfilm, ein nicht verpuffendes Filmmaterial, besteht ebenfalls aus Celluloseacetat. Der Mischester der Cellulose mit Essigsäure und Buttersäure, Celluloseacetobutyrat, ist ein Kunststoff für Spritzgußartikel. Celluloseacetobutyrat wird gern im Wirbelsinterverfahren verarbeitet. Dazu bläst man einen Luftstrom durch den porösen Boden eines Kastens, der mit Kunststoffpulver gefüllt ist. Es entsteht im Wirbelbett ein Kunststoff-Luft-Gemisch mit einer horizontalen Oberfläche und dem Fließvermögen einer Flüssigkeit. In das Wirbelbett getauchte heiße Metallteile überziehen sich mit einer dünnen, glatten, lückenlosen Kunststoffschicht. Nach diesem Verfahren werden Kühlschrankroste, Armaturen und Griffe beschichtet. Die Äther der Cellulose sind Lackrohstoffe (Äthyl- und Benzylcellulose). Der Methyläther ist wasserlöslich, er wird als Tapetenkleister, Textilhilfsmittel und Verdickungsmittel gebraucht. Die Celluloseäther besitzen Bedeutung als Appetitzügler, sie rufen das Gefühl der Sättigung hervor und sind selbst unverdaulich. b) A b g e w a n d e l t e E i w e i ß s t o f f e Kunsthorn (Galalith), mit Formaldehyd gehärtetes Milcheiweiß, ist ein guter Schnitzstoff und wird zu Knöpfen, Spielmarken, Schmuck und Gebrauchsgegenständen verarbeitet. In Natronlauge gelöstes Milcheiweiß kann durch Einpressen in ein saures Fällbad in Form von Fasern ausgefällt werden. Nach dem Härten mit Formaldehyd haben die Fasern wollähnlichen Charakter (Lanitalwolle).

Teil IV

Lösungsmittel, Weichmacher, oberflächenaktive Substanzen

A. Allgemeines B. Die Verwendung von Lösungsmitteln C. Weichmacher D. Oberflächenaktive Substanzen

A. Allgemeines Eine Lösung ist eine flüssige, homogene Mischung eines gasförmigen, flüssigen oder festen Stoffes mit einer reinen Flüssigkeit. Die Frage, warum ein Stoff in einem anderen löslich oder unlöslich ist, beantwortet am einfachsten die triviale Feststellung: Ähnliches löst sich in Ähnlichem. Dieser Satz sei an zwei entgegengesetzten Lösungsmitteln, Wasser und Kohlenwasserstoffen, erläutert. Wasser ist stark polar (Dielektrizitätskonstante 80), Kohlenwasserstoffe sind unpolar (DK = 2). Wasser ist daher das ideale Lösungsmittel für heteropolare Verbindungen, die in Kohlenwasserstoffen vollständig unlöslich sind. Kohlenwasserstoffe lösen homöopolare Verbindungen, die in Wasser nicht löslich sind. Zwischen diesen beiden Extremen steht die Verbindungsklasse der Alkohole, die Hydroxygruppe ist wasserähnlich, der Alkylrest kohlenwasserstoffähnlich. Bei Alkoholen mit kleinem Alkylrest tritt die Wasserähnlichkeit in den Vordergrund, sie lösen sich gut in Wasser und schwer in Kohlenwasserstoffen. Bei wachsender Länge der Alkylreste kehren sich die Verhältnisse um. Mit solchen Überlegungen kann man das Lösungsverhalten der organischenVerbindungen qualitativ erklären.Man kann es auch so ausdrücken: Zwei Stoffe mischen sich nur dann homogen und stabil, wenn die Kräfte zwischen den verschiedenartigen Molekülen des Gemisches nach Art und Größe ähnlich sind wie die Kräfte zwischen den Molekülen der Komponenten. Das Lösungsverhalten wird durch die zwischenmolekularen Kräfte bestimmt. Die Erscheinungsformen der zwischenmolekularen Kräfte sind in Tabelle 14 zusammengestellt. Dazu sind Stoffe aufgeführt, deren Eigenschaften im wesentlichen durch die Kräfte einer Art bestimmt werden (S. 22). Die Größe der zwischenmolekularen Kräfte steigt in der angegebenen Reihenfolge. Die zuerst genannten Wechselwirkungen treten allgemein zusätzlich auf: In einem Stoff, dessen Moleküle durch Wasserstoff-Brückenbindungen verknüpft sind, wirken außer den Kräften der Wasserstoffbrücken auch Dipol-Richtkräfte, DipolInduktionskräfte und Dispersionskräfte. Die unter 1—3 aufgeführten Wechselwirkungs-Kräfte sind größenordnungsmäßig gleich. Die Kräfte zwischen Dipolmolekülen können von dipolfreien Molekülen überwunden werden, da zwischen beiden Molekülarten neue Kräfte, die Dipol-Induktionskräfte, auftreten können. Die unter 4 und 5 aufgeführten Wechselwirkungs-Kräfte sind wesentlich stärker als die unter 1—3 genannten. Wasserstoffbrücken werden nur gebrochen, wenn dafür neue Wasserstoffbrücken gebildet werden, das heißt, wenn die Mischungspartner selbst NH- oder OH-Oruppen enthalten oder Wasserstoffbrückenacceptoren sind, also freie Elektronenpaare anbieten können (Aceton, Pyridin). Moleküle, die durch COULOMB sehe Kräfte zusammengehalten werden, können nur durch Medien mit hoher Dielektrizitätskonstante (Wasser, Ameisensäure) getrennt werden. 10»

148

Allgemeines

Tabelle 14 Zwischenmolekulare Kräfte Art der Kräfte Dispersionskräfte

Die Kräfte wirken zwischen Kohlenwasserstoffen

Beispiele niedermolekulare Stoffe makromolekulare Stoffe aliphatische: Octan: CH8(CH2),-CHa aromatische: Benzol:

i

J

Polyäthylen: * • • —CH 2 —CH,— Polystyrol: CH—CH a —

DipolInduktionsKräfte

Dipolmolekülen und Kohlenwasserstoffen

Gemisch von Molekülen der Klassen 1 und 3

DipolRichtkräfte

Dipolmolekülen

Aceton: CH,—CO—CH, Acetonitril: CH S —CsN Trichloräthylen: CHCl=CCla

Polyvinylacetat : —CH(OAc)—CH,—•) Polyvinylchlorid : CHC1—CH, Polyacrylnitril : CH(CN)—CH2—• •

WasserstoffbrückenBindungen

Molekülen mit aktiven IiAtomen und Molekülen mit nichtbindenden Elektronenpaaren

Waaser: H,0 Methanol: CH,OH Formamid: H—CO—NH.

Polyvinylalkohol : CH 2 —CH(OH)— Eiweißstoffe: CHR-CO—NH-Polyglucose: (Cellulose, Stärke)

Coulombsche Kräfte

Ionen

Tetramethylammoniumchlorid : (CH,)4N+C1Betain: (CH3)3N+—CH2—COO-

Polyacrylat: ...—CH,—CH—.

¿00"

*) Ac = CH,—CO—

Organische Moleküle enthalten meist verschiedenartige Gruppen und sind deshalb zu verschiedenartigen zwischenmolekularen Wechselwirkungen befähigt. Die Art, die Anzahl aber auch die räumliche Anordnung der Gruppen bestimmt dann die Eigenschaften der Verbindungen. Ein Beispiel hierfür: Diäthyläther ist in Wasser schwer löslich, Tetrahydrofuran mischt sich mit Wasser in jedem Verhältnis. Im Tetrahydrofuran sind die Bindungen durch die Festlegung im Ring starr, die einsamen Elektronenpaare des Sauerstoffs sind frei zugänglich und können als WasserstoffCH,

H,C—CH,

CH, CH.

Dläthyl&ther

/

\

CH..

TetrahydrofuraD

Allgemeines

149

brückenacceptoren fungieren, beim Diäthyläther werden sie teilweise durch die frei drehbaren Methylgruppen abgeschirmt. Makromolekulare Stoffe verhalten sich häufig scheinbar anders als niedermolekulare Stoffe, sie werden oft von gleichartigen niedermolekularen Stoffen nicht gelöst. Dies liegt nicht an der Unverträglichkeit der Moleküle miteinander, sondern an der zu kleinen Auflösungsgeschwindigkeit der makromolekularen Stoffe: Die Lösungsmittelmoleküle können nur langsam in den Verband der Makromoleküle eindringen. Polyterephthalsäureglykolester ist in Essigsäureäthylester nicht löslich, Polyäthylen nicht in Benzin. Dagegen ist Polystyrol in Benzol leicht löslich und Polyvinylacetat in Estern. Zur Auflösung von makromolekularen Stoffen eignen sich kleine Lösungsmittelmoleküle besser als große, cyclische besser als lineare. Folgende Lösungsmittel lösen in der Wärme die meisten thermoplastischen Kunststoffe und bringen vernetzte zum Quellen (die weniger aktiven Lösungsmittel sind zum Schluß genannt): Tabelle 15 Lösungsmittel Name

Klasse*

Dimethylformamid Dimethylsulfoxyd

3 3

H—CO—N(CH3)2 CHS—SO—CHS H2C—CHj

Butyrolacton

3

Caprolactam (90%ige Lösung in Wasser)

4

HjC \o N>/ f CO (CH2)5 I V NH

Phenol

4

Ameisensäure

4

H—CO—OH H2C—CH2

Tetrahydrofuran

3

Hji^

Aceton

3

CH„—CO—CH»

Cyclohexanon

3

Essigester Methylenohlorid

3 3

Formel

0

HC—N=CH—j"py"|

R Am nosSare I

R Azomethln I COOH

COOH

=N—CH2—[Py]

L o + HjjN—CH2—[Py| I R Ketoslure I

i Azomethln Ia COOH

COOH

¿ = 0 + H2N—CH2—[P71 — ^

C=N—CH2—[Py|

R' Ketos&nre 11

R' Azomethin II COOH

COOH

HC—N=CH—[Pyj

H

'° > HC—NHa + 0=CH—[Py|

R' Azomethln IIa

R' Amloosiore • 0=CH—| Py | = Pyridoxalphosphat H.,N—CH2—|Py | = Pyridoxaminphosphat

Abb. 35. Schema der Transaminierung CHa—CH2—CH»—CH—COOH NH2

C0„ IfH,

NH, Ornithin

CH«—CH„—CH.—CH—CO OH NH

\

NH,

Jo \

Ah,

Cltruilin

NH,

NH, h2nx

c=o

H ^ Harnstoff

H,0

NH

L::NH

I NH, Abb. 36. Harnstoff-Ornithin-Cyclus

Arginin

Die Dimerisation dieses Esters liefert das Geranylpyrophosphat, aus dem mit einem dritten Mol Isopentenylpyrophosphat das Farnesylpyrophospfiat wird. Die Dimerisation des Farnesylpyrophosphats liefert unter Kopf-Kopf-Addition (S. 94) 8quälen, das unter Verlust von drei Methylgruppen über die Zwischenstufe des Lanosterins

Stoff- und Energiewechsel

175

1-3

s

S

£Q G •a 0 l

o «

XI